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German Pages 435 [436] Year 2023
Beiträge zur Wissenschaft vom Alten und Neuen Testament Herausgegeben von Walter Dietrich Ruth Scoralick Reinhard von Bendemann Marlis Gielen Band 233
Johannes Kirfel
Reichtum und Reich Gottes Struktur, Komposition und Intention von Lukas 16
Verlag W. Kohlhammer
1. Auflage 2022 Alle Rechte vorbehalten © W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart Print: ISBN 978-3-17-041058-9 E-Book-Format: pdf: ISBN 978-3-17-041059-6 Für den Inhalt abgedruckter oder verlinkter Websites ist ausschließlich der jeweilige Betreiber verantwortlich. Die W. Kohlhammer GmbH hat keinen Einfluss auf die verknüpften Seiten und übernimmt hierfür keinerlei Haftung. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
PARENTIBUS MEIS BENE MERENTIBUS
Inhaltsverzeichnis Vorwort..................................................................................................................
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Einleitung .....................................................................................................
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Der Text und seine Intention: Bemerkungen zu Fragestellung und Methodik
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Die Texteinheit Lk 16,1–31 und ihre unterschiedlichen Textabschnitte .........................
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Die textimmanenten Adressaten des 16. Kapitels ............
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4.1 Die Jünger als Adressaten des Textabschnitts Lk 16,1–13: Die lukanische Sicht der Jünger ...............................................................
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4.2 Die Pharisäer als Adressaten des Textabschnitts Lk 16,14–31: Die lukanische Sicht der Pharisäer .........................................................
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Die Rede Jesu an die Jünger: Lk 16,1–13 ...................................
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5.1 Die Erzählung vom klug handelnden Verwalter: Lk 16,1–8 ............ 5.1.1 Syntaktische Bezüge ...................................................................... 5.1.2 Narrative Strukturen ..................................................................... 5.1.2.1 Erzählsequenzen ......................................................................................... 5.1.2.2 Figurenkonstellation .................................................................................. 5.1.3 Semantische Implikationen ......................................................... 5.2 Mahnende Worte an die Jünger: Lk 16,9–13......................................... 5.2.1 Syntaktische Bezüge ...................................................................... 5.2.2 Semantische Implikationen ......................................................... 5.2.2.1 Aufforderung zum rechten Umgang mit dem Mammon: Der Vers 9 ...................................................................................................... 5.2.2.2 Der rechte Umgang mit dem Mammon als Treue zu Gott: Die Verse 9–13 als semantische Einheit.................................................
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Inhaltsverzeichnis
Die Rede Jesu an die Pharisäer: Lk 16,14–31..........................
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6.1 Die Überleitung zur Rede: Lk 16,14 ......................................................... 167 6.1.1 Syntaktische Bezüge ...................................................................... 167 6.1.2 Semantische Implikationen: Die auktoriale Charakterisierung der textimmanenten Adressaten als φιλάργυροι ........................................................... 168 6.2 Mahnende Worte an die Pharisäer: Lk 16,15–18................................. 6.2.1 Syntaktische Bezüge ...................................................................... 6.2.2 Semantische Implikationen ......................................................... 6.2.2.1 Das selbstgerechte Verhalten der Pharisäer als Gräuel vor Gott: Der Vers 15.................................................................................................... 6.2.2.2 Exkurs: Überlegungen zur Redaktion der Verse 16 und 17.............. 6.2.2.3 Das Gesetz und die Propheten im Einklang mit der Verkündigung Jesu: Die Verse 16 und 17....................................... 6.2.2.4 Die Ehescheidung als Qualifizierung eines der eschatologischen Verkündigung Jesu widersprechenden Verhaltens: Der Vers 18 ... 6.3 Die Erzählung vom reichen Mann und dem armen Lazarus: Lk 16,19–31 ...................................................................................................... 6.3.1 Syntaktische Bezüge ...................................................................... 6.3.2 Narrative Strukturen ..................................................................... 6.3.2.1 Erzählsequenzen ......................................................................................... 6.3.2.2 Figurenkonstellation .................................................................................. 6.3.3 Semantische Implikationen .........................................................
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182 182 186 186 192 198 251 293 293 298 298 304 308
Das 16. Kapitel im Rahmen der lukanischen Gedankenwelt: Zusammenfassende Überlegungen.........
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Schlussbemerkung .................................................................................
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Literaturverzeichnis ......................................................................................
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Stellenregister (in Auswahl) ....................................................................
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Vorwort Die vorliegende Untersuchung zum 16. Kapitel des Lukasevangeliums wurde unter dem Titel „Offene Tür – Einladung zu klugem Handeln in der Gegenwart der Basileia Gottes. Eine Untersuchung zu Struktur, Komposition und Intention von Lukas 16“ im Wintersemester 2020/21 von der Fakultät für Geisteswissenschaften der Universität Duisburg-Essen als Dissertation angenommen. Für den Druck wurde sie geringfügig überarbeitet. Mein erster und besonderer Dank gilt Herrn Prof. em. Dr. Ulrich Busse, der die Arbeit seit fast zwei Jahrzehnten betreut und wichtige Anregungen gegeben hat. In dieser Zeit habe ich bei ihm als einem ausgewiesenen Kenner des lukanischen Doppelwerks sehr viel gelernt – und das nicht nur über Lukasevangelium und Apostelgeschichte. Die intensiven und kurzweiligen Gespräche über Gott und die Welt habe ich immer als Bereicherung und Erweiterung meines geistigen Horizonts erlebt. Besonders dankbar bin ich dafür, dass er mich mit großer Geduld motiviert hat, die Arbeit trotz und neben meiner beruflichen Tätigkeit als Lehrer weiterzuführen und schließlich zu einem Abschluss zu bringen. Des Weiteren danke ich Herrn Prof. em. Dr. Rudolf Hoppe von der Rheinischen Friedrich-WilhelmsUniversität Bonn für die Übernahme des Zweitgutachtens und für einige wertvolle Hinweise zur Verbesserung des Manuskripts. Außerdem sage ich Herrn Prof. Dr. Dr. Hubertus Lutterbach ein herzliches Dankeschön, der sich bereit erklärt hat, als im aktiven Dienst befindlicher Dozent der Universität DuisburgEssen das Drittgutachten anzufertigen. Darüber hinaus danke ich Herrn Prof. Dr. Aaron Schart als Vorsitzendem der Prüfungskommission für die angenehme Atmosphäre bei der Disputation. Für die unkomplizierte Aufnahme meiner Studie in die Reihe „Beiträge zur Wissenschaft vom Alten und Neuen Testament“ und die freundliche Kommunikation danke ich Herrn Prof. Dr. Reinhard von Bendemann und Frau Prof. Dr. Marlis Gielen. Mein Dank gilt auch Herrn Dr. Sebastian Weigert und Herrn Florian Specker vom Verlag W. Kohlhammer für ihre kompetente Beratung im Vorfeld und während der Drucklegung sowie Herrn Josef Keusgen und meinem Vater, Herrn Dr. Ernst Alfred Kirfel, für die Hilfe bei der Erstellung der Druckvorlage. Angeregt und zunächst betreut wurde die vorliegende Studie von Herrn Prof. Dr. Helmut Merklein, bei dem ich u. a. ein Hauptseminar zu den Gleichnissen Jesu besucht, meine Examensarbeit geschrieben und dann an den Doktorandenkolloquien teilgenommen habe. Für das viele, das ich über neutestamentliche Exegese und über das Neue Testament im Allgemeinen bei ihm lernen durfte, bin ich sehr dankbar. Nach der Geburt meines Sohnes Maximilian, nach dem Beginn meiner Tätigkeit als Gymnasiallehrer und insbesondere nach dem viel zu frühen Tod von Herrn Professor Merklein im September 1999 wurde die Arbeit an der Dissertation Nebensache, wurde unterbrochen und
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Vorwort
schließlich – nach der Wiederaufnahme bei Herrn Professor Busse – zu einer liebgewonnenen Beschäftigung, wenn die freie Zeit es zuließ. Das nötige otium zur geistigen Beschäftigung mit dem Text fand ich in den jeweiligen Jahren an freien Wochenenden am heimischen Schreibtisch und besonders in den Ferien, die ich zum Teil und gerne im Süden Europas verbracht habe. Die nahezu biblisch anmutende Landschaft und das wohltuend warme Klima, das Rauschen des Meeres, das Zirpen der Grillen und der Schatten unter Pinien und Olivenbäumen wirkten motivierend und inspirierend, um Bücher und Aufsätze zu lesen, um neue Gedanken zu entwickeln, um das in den Jahren zuvor Geschriebene immer wieder zu überarbeiten und um neue Kapitel hinzuzufügen. Dafür, dass ich immer wieder Zeiten und Orte der Ruhe finden konnte, um die Dissertation voranzubringen, danke ich zunächst meiner Familie, die mir durch die Übernahme vieler verschiedener Aufgaben diese Freiräume ermöglicht und das Entstehen der Dissertation mit großer Geduld unterstützt hat. Ein besonderer Dank gilt meinen Eltern, die mich von Kind an einerseits mit dem christlichen Glauben vertraut gemacht und andererseits bei mir das Interesse für antike Kulturen und Sprachen geweckt und gefördert haben. Die Dissertation haben sie über die ganze Zeit hinweg mit großem Interesse begleitet und auf vielfältige Weise unterstützt. Darüber hinaus danke ich allen, die durch interessierte Fragen, kluge Anmerkungen, motivierende Worte sowie durch andere Hilfestellungen einen nicht unerheblichen Anteil am Zustandekommen der vorliegenden Schrift haben. Düsseldorf-Wittlaer, am Tag des Hl. Lukas 2021
Johannes Kirfel
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Einleitung
Der Evangelist Lukas,1 der als Autor des lukanischen Doppelwerks gilt,2 wird allgemein für sehr gebildet gehalten.3 So werden ihm einerseits gute Kenntnisse bezüglich der jüdischen Religion und Kultur bescheinigt,4 andererseits scheint er in hohem Maße von hellenistischer Kultur und Literatur geprägt zu sein.5 Bei der Abfassung seines Werkes ist er offenbar nicht nur bemüht, den
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Lukasevangelium und Apostelgeschichte sind anonym verfasst worden. Um 180 formuliert Irenäus, dass Lukas, ein Begleiter des Paulus, das Evangelium, das von diesem verkündigt wurde, in einem Buch dargelegt habe. Auch der sog. Kanon Muratori nennt Lukas, einen Arzt und Paulusbegleiter, als dritten Evangelisten. Siehe zum Verfasser des Werks: Wolter, Lukasevangelium 4/5 und von Bendemann, Lukas 646/55. Ob der Verfasser des Doppelwerks tatsächlich ein Begleiter des Paulus war, ist umstritten. Siehe zu dieser Frage: von Bendemann, Lukas 647/54 und Wolter, Lukasevangelium 5/9, der selbst zum Schluss kommt, dass der Autor des Lukasevangeliums und der Apostelgeschichte Paulus zeitweise begleitet hat. Dass das Lukasevangelium und die Apostelgeschichte von demselben Verfasser stammen, gilt zurzeit als Konsens der Forschung. Siehe: Wolter, Lukasevangelium 6. Vgl.: von Bendemann, Lukas 655 und Weiser, Theologie 118. Da der Verfasser, der Autor des Lukasevangeliums wie der Apostelgeschichte, unbekannt ist, stellen die folgenden Bemerkungen zum „Autor“ allgemein anerkannte Beobachtungen der Forschung dar, die dem Text des Lukasevangeliums und der Apostelgeschichte und damit dem Bild, das sich in diesem vom Autor abzeichnet, entnommen sind. Trotz der in den letzten Jahrzehnten kontrovers geführten Diskussion um die Rolle des Autors in literarischen Werken, sei daran festgehalten, dass das Lukasevangelium von einem konkreten Autor verfasst worden ist, dem man, wenn auch nur rudimentär, im Text begegnen kann. Siehe hierzu: Kapitel 2 und 3. So wird Lukas von U. Busse als „ein gebildeter hellenistischer Schriftsteller“ bezeichnet: Busse u. a., Jesus 9. Es handelt sich natürlich nicht um eine Geschichtsdarstellung im modernen Sinne, sondern um im Glauben gedeutete Geschichte. Siehe: Busse u. a., Jesus 9/10. Vgl.: von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 401 und 409. Siehe: Wolter, Lukasevangelium 9/10 und von Bendemann, Lukas 655/6. Vgl.: von Bendemann, Lukas 655/6, 662 und 664/8 sowie von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 401 und 409. Siehe auch: Diefenbach, Komposition 32 und 36/41. In Bezug auf die lukanischen Parabeln formuliert Merz, Parabeln 516: „Der Vielfalt der Parabelstoffe entspricht die breite intertextuelle Vernetztheit der lukanischen Parabeln. Das gesamte Spektrum der alttestamentlichen und hellenistisch-jüdischen Tradition (Geschichtsüberlieferung, prophetische, apokalyptische und weisheitliche Traditionen …) spiegelt sich in ihnen genauso wie griechisch-römische literarische Stoffe verschiedenster Provenienz (Fabeln und Pikareske, Roman, neue Komödie, Symposienliteratur, Diatribe, Geschichtsschreibung …)“. Dass Lukas und auch seine Adressaten gute Kenntnisse der jüdischen Schriften und der griechisch-römischen Literatur besaßen, zeigt auch: Bredenhof, Failure and Prospect 20/1, 32/3, 74/5.
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Einleitung
Gepflogenheiten hellenistischer Literatur zu genügen, 6 sondern auch jüdische Traditionen aufzugreifen und z. B. durch die Nachahmung des Septuagintastils7 literarisch zu nutzen.8 Im ersten Teil seines Werkes, im Lukasevangelium, 9 verwendet Lukas, der auctor ad Theophilum,10 mehrere Quellen – wie er in der Einleitung zu seinem Werk selbst angibt.11 Zu diesen Quellen zählen mit Sicherheit das Markusevangelium und die Logienquelle Q, darüber hinaus hat er wohl weitere Quellen verarbeitet, die nur Lukas in seinem Evangelium verwendet und die allgemein als Sondergut bezeichnet werden.12 Während man in früheren Zeiten die Leistung des Lukas und der Evangelisten generell darin sah, diese Quellen mehr oder weniger gut zusammengestellt zu haben, 13 ist man 6
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„Er sah sich sogar als erster christlicher Schriftsteller angehalten, in hellenistischem Verständnis anspruchsvolle Literatur vorzulegen, damit sie überhaupt die Menschen der hellenistischen Kulturwelt ansprach und bei ihr auch Anerkennung erlangte. Er lehnte sich in seiner ‚Erörterung‘ an die hellenistische Literatur an“. So: Diefenbach, Komposition 38/9. Siehe hierzu z. B.: Wolter, Lukasevangelium 21. So wolle Lukas „signalisieren, dass das erzählte Geschehen nichts anderes ist als eine Fortsetzung der Geschichte Israels“. So: Wolter, Das Lukasevangelium 21. Vgl. auch: von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 409. Diefenbach, Komposition 40 und Anm. 148, weist darauf hin, dass die Nachahmung des Septuagintastils in der Literatur dieser Zeit üblich war, als Beispiele nennt er Philo und Flavius Josephus. Darr, Narrator 48, macht darauf aufmerksam, dass der Leser des Lukasevangeliums sowohl mit der griechisch-römischen Literatur als auch mit der Septuaginta vertraut gewesen sein muss. „Das lukanische Doppelwerk spiegelt den Ort eines wohlhabenderen und gebildeten städtischen Christentums am Ende des 1. Jahrhunderts, über dessen historisch-konkrete Situation wenig Sicheres zu sagen ist.“ So: von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 404/5. Zur Textüberlieferung siehe: Wolter Lukasevangelium 1/2. Das Lukasevangelium wird meist in die 80er Jahre datiert. Vgl.: von Bendemann, Lukas 657/9 und Wolter, Lukasevangelium 10. Wie dem Proömium Lk 1,1–4 zu entnehmen ist, hat der Autor in erster Linie Rezipienten im Blick, die bereits grundlegend über Jesus informiert sind. Vgl.: von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 124. Lukas widmet im Proömium sein Werk ausdrücklich dem Theophilus. Ob es sich dabei um eine konkrete Person handelt oder ob Lukas hiermit jeden für sein Werk offenen „Freund Gottes“ meint, ist fraglich und letztlich zweitrangig. Siehe: von Bendemann, Lukas 664 und von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 123. Theophilus „fungiert so oder so als ein ‚idealer‘ Platzhalter für die Leser.“ So: von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 123. Siehe hierzu auch: Blumenthal, Basileia 31/2. Siehe zum Proömium: von Bendemann, Lukas 663/4; Weiser, Theologie 119/20; Diefenbach, Komposition 42/5 und Blumenthal, Basileia 28/33. Die sogenannte Zweiquellentheorie wird in dieser Studie als zutreffend vorausgesetzt. Siehe zu den Quellen z. B.: Wolter, Lukasevangelium 10/6. Zum Sondergut siehe z. B.: Rehkopf, Sonderquelle. So hält es z. B. Soltau, Anordnung 230/8, Anfang des 20. Jahrhunderts für denkbar, dass Lukas die „richtige“ Anordnung der Logien Lk 15,1–18,14 verändert habe. Er geht davon aus, dass Lukas eine gegenüber Mt durch das lukanische Sondergut erweiterte Logienquelle (die Logienquelle B) benutzt hat. Die Anordnung dieser Quelle habe Lukas entwe-
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heute zunehmend der Ansicht, dass die Evangelisten mit ihren Werken spezifische theologische, christologische und ekklesiologische Akzente setzen wollten und kompositorisch wie inhaltlich stringente Schriften verfassen wollten.14 So hat Lukas bei der Abfassung seines Werkes sicherlich nicht nur Quellen geschickt verbunden, sondern auch Texte nach seiner Aussageabsicht umgestaltet und selbst formuliert, Texte, die auch unter das Sondergut gezählt werden. Zu den Sonderguttexten des Lukas gehören z. B. einige Gleichnisse bzw. Parabeln,15 die zu einem bestimmten Handeln anregen wollen16 und die dazu beige-
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der absichtlich getrübt oder die Blätter in der Logienquelle seien durch Zufall vertauscht gewesen. Letzteres hält Soltau allerdings für wahrscheinlicher. Er sieht folgende ursprüngliche Anordnung: 15,1–32; 17,3–4; 17,7–37; 16,1–8; 18,1–8; 16,19–31; 16,9–15; 18,9–14. Die seines Erachtens auf Mt zurückgehenden V. 17,1–2; 17,5–6 und 16,16–18 hält er für spätere Interpolationen durch Abschreiber. Treffend formuliert Wolter, Lukasevangelium 11: „Jeder Evangelist hat seine Jesusgeschichte als eine gleichermaßen strukturierte wie kohärente literarische Einheit geschaffen, und er kann darum – selbst wenn seine Darstellung auf Vorlagen basiert, die auch mit ihrem Wortbestand in ihn eingegangen sind – mit Recht beanspruchen, dass der vorliegende Text als sein Text, d. h. als eine von ihm mit Sinn ausgestattete sprachliche Äußerung gelesen wird.“ Auch Kramer, Lukas 54, die das Lukasevangelium hinsichtlich seiner Aussagen zu Armut und Reichtum traditionsgeschichtlich untersucht, stellt heraus, dass Lukas ein selbstbewusster Schriftsteller ist, „der die frühchristlichen Traditionen sammelt und weitergibt und zugleich durch Auswahl, Bearbeitung und Komposition als Diskursordner fungiert, der Einfluss auf den Umgang der frühchristlichen Gemeinden mit Besitz und Vermögen nimmt und damit zugleich führend an der entstehenden Sozialpolitik der christlichen Gemeinden beteiligt ist.“ Seit A. Jülichers bahnbrechendem Werk „Die Gleichniserzählungen Jesu“, das 1910 in der zweiten Auflage erschienen ist, werden Gleichnisse als „Gleichnisse im engeren Sinn“, die einen allgemeinen Vorgang thematisieren, als „Parabeln“, die einen ungewöhnlichen Einzelfall beschreiben, und als „Beispielerzählungen“ unterschieden. Zu letzterer Kategorie der Beispielerzählungen, die durch die Erzählung selbst klar zeigen, wie zu handeln ist, zählt Jülicher vier Sondergutgleichnisse des Lukas: die Gleichnisse vom barmherzigen Samariter, vom reichen Kornbauern, vom reichen Mann und dem armen Lazarus sowie das Gleichnis vom Pharisäer und Zöllner. Während die Differenzierung von Beispielerzählungen und Parabeln schon seit längerer Zeit in Frage gestellt wurde, plädiert nun R. Zimmermann dafür, auch die Unterscheidung zwischen Gleichnissen im engeren Sinn und Parabeln aufzugeben und alle Gleichnisse als Parabeln zu bezeichnen. Siehe zu dieser Diskussion und zu seiner Argumentation: R. Zimmermann, Gleichnisse 17/28. In der vorliegenden Untersuchung wird auf diese Diskussion nicht eingegangen; die Gleichnisse im 16. Kapitel sowie andere Gleichnisse des Neuen Testaments werden mit dem allgemein verbreiteten Oberbegriff „Gleichnis“ (R. Zimmermann, Gleichnisse 23, spricht vom Begriff Gleichnis als einem „unscharfen Oberbegriff bildlicher Redeformen“.) und mit dem Begriff „Parabel“ gleichermaßen bezeichnet. Als fiktionale Texte entwerfen Parabeln eine eigene Welt, ihre Text-Welt. Obwohl diese fiktionale Welt in der alltäglichen, dem Adressaten erfahrbaren Welt und Wirklichkeit verwurzelt ist und auf diese Bezug nimmt, weicht sie dennoch von dieser Alltagswelt ab und durchbricht diese. Vgl.: Arens, Handlungen; siehe auch: Arens, Erzählungen 52/71. So enthalten Parabeln Ungewohntes und Unerhörtes, Aspekte, „die der alltäglichen Erfahrung widerstreiten“ So: Linnemann, Gleichnisse 36. Siehe auch: Biser, Gleichnisse 43;
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tragen haben, Lukas als den „Erzähler“ unter den Evangelisten zu charakterisieren.17 Das 16. Kapitel des Lukasevangeliums, das Bestandteil des Abschnitts
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Via, Gleichnisse 68; Schramm; Löwenstein, Helden 12/3. Gerade diese Verfremdung der vertrauten Lebenswelt, die Distanz zum Gewohnten, schafft eine „sprachlich inszenierte Irritation“ (Harnisch, Gleichniserzählungen 151) des Hörers, die diesen nachdenken und Abstand gewinnen lässt vom Zwang des Gewohnten und die ihm Einblick verschafft in die Plausibilitäten und Handlungsstrukturen der fiktionalen Welt. Vgl.: Harnisch, Gleichniserzählungen 149/52 und Arens, Handlungen 340. Die Parabeln sind darauf angelegt – und darin besteht das Kommunikative und Pragmatische dieser Texte –, durch die Verfremdung der gewohnten Lebenswelt und durch Schaffung einer neuen (zunächst fiktionalen) Welt die Adressaten einzuladen, die offensichtliche Diskrepanz beider Welten zu überwinden, die neuen (fiktional nahegebrachten) Möglichkeiten des „Inder-Welt-Seins“ (Arens, Handlungen 341) als reale Möglichkeiten zu akzeptieren und das Fiktionale in der Alltagswelt Wirklichkeit werden zu lassen. So ist es Aufgabe und Ziel der Parabeln, mit Hilfe ihrer narrativen Strukturen, den Adressaten neue Möglichkeiten des Handelns anzubieten, sie zu diesem Handeln zu bewegen und somit eine neue Wirklichkeit zu schaffen. Vgl.: Arens, Handlungen 341/2 und Harnisch, Gleichniserzählungen 155. Lukas „gilt unter den Evangelisten als der beste Erzähler und diesen Ruf verdankt er nicht zuletzt seinen zahlreichen Parabeln. […] Als kongenialer Erzähler hat Lukas mit seinen einprägsamen Parabeln so das Bild von Jesus als Gleichniserzähler wohl am nachhaltigsten geprägt. Etwa ein Drittel der Parabeln sind nicht aus dem MkEvangelium und der Logienquelle übernommen“. So: Merz, Parabeln 513. Nicht nur bei Lukas, auch in den anderen Evangelien erscheint Jesus – historisch wohl zutreffend – als Gleichniserzähler. Siehe: R. Zimmermann, Gleichnisse 3/5. In den neutestamentlichen Evangelien werden Gleichnisse und Parabeln allein von Jesus gesprochen; er ist der erzählte Erzähler der Gleichnisse und Parabeln. Von daher ist es nicht verwunderlich, dass gerade die Gleichnisrede als solche als Kriterium authentischer Jesusüberlieferung angesehen wurde und dass insbesondere A. Jülicher und J. Jeremias die Gleichnisse und Parabeln Jesu als etwas völlig Neues und damit authentisch Jesuanisches ansahen. Siehe: Jülicher, Gleichnisreden I 22 und Jeremias, Gleichnisse 8. Vgl. auch: Arens, Handlungen 74. Doch ist nachgewiesen worden, dass durchaus eine Verwandtschaft besteht zwischen den neutestamentlichen Gleichnissen bzw. Parabeln und jüdischen. Vgl. die Arbeiten von: Fiebig, Gleichnisse, und Flusser, Gleichnisse. Siehe auch: Arens, Handlungen 75; R. Zimmermann, Gleichnisse 6/7; Bredenhof, Failure and Prospect 87/98 (mit Bezug auf Lk 16,19–31). Darüber hinaus ist die Gleichnisrede Weisheitslehrern vorbehalten, so dass von daher schon einsichtig wird, dass die Evangelisten die Gleichnisse allesamt Jesus sprechen lassen. Siehe: Sellin, Gleichniserzähler 167. Insofern stellt sich die Frage „ob nicht zumindest einige der synoptischen Gleichnisse von der Gemeinde aus der jüdischen Tradition aufgegriffen und Jesus in den Mund gelegt worden sind“ (Arens, Handlungen 75) oder ob nicht einige Gleichnisse von den Evangelisten oder früherer Tradition selbst gebildet wurden. Lässt sich diese Frage nicht immer mit Bestimmtheit beantworten, so ist doch von der Überlieferungslage her deutlich, dass Jesus in Gleichnissen und Parabeln gesprochen hat und dass er durch sie seine Hörer zu bestimmten Einsichten und Verhaltensweisen bewegen wollte. Siehe: Arens, Handlungen 76. R. Zimmermann, Gleichnisse 4, formuliert zur Authentizität der Gleichnisse: „Allerdings zeigt schon die Mehrfachüberlieferung einzelner Gleichnisse, dass der Prozess der Weitergabe seine Spuren auch in den Texten hinterlassen hat. Man kann deshalb wohl kaum davon ausgehen, dass die in den urchristlichen Texten überlieferten Gleichnisse genau in die-
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Lk 13,22–17,10 ist,18 aber innerhalb dieses Abschnitts – so die These dieser Studie – inhaltlich wie kompositorisch durchaus als Einheit zu betrachten ist,19 enthält zwei dieser Sondergutgleichnisse und darüber hinaus Jesusworte, die der Logienquelle Q bzw. dem Sondergut des Lukas zuzurechnen sind. Vor allem hinsichtlich des Aufbaus gilt das 16. Kapitel einigen Exegeten 20 als eine kunstvolle Komposition: Es beginnt und endet mit einem Gleichnis, wobei dem ersten Gleichnis kommentierende Verse folgen, während das zweite durch hinführende Verse vorbereitet wird. Formal scheint also das Kapitel aufgrund dieses in gewisser Weise chiastischen Aufbaus gut gelungen. 21 Den-
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sem Wortlaut von Jesus gesprochen wurden. Bei einigen ist es sogar eher unwahrscheinlich, dass Jesus überhaupt der Urheber dieser Gleichnisse war. […] Die Suche nach dem authentischen Jesusgleichnis ist im Ansatz verfehlt. Denn sie geht vielfach davon aus, dass das Urchristentum beliebig in Verfälschung und Widerspruch zu Jesu Verkündigung Gleichnisse hinzuerfunden hätte. Nach neuen Kriterien der Jesusforschung müssen wir in der Zuschreibung von Gleichnistexten zu Jesus hingegen ein Zeugnis der Wirkungsplausibilität erkennen […]. Auch spätere Fixierungen von Gleichnisgut können authentische Elemente bewahrt haben und stehen schon durch die Rückbindung in einer Beziehung zu Jesus.“ Siehe zur Gleichnisforschung nach A. Jülicher: R. Zimmermann, Gleichnisse 3/16 und 17/28. Siehe auch: Mell, Gleichnisforschung 37/81. Vgl.: Denaux, Delineation 367. Diese Einteilung nehmen auch Grundmann, Komposition 259 und 265/7, und Diefenbach, Komposition 32/3 und 99/105, vor. Welzen, Lucas, betrachtet die Verse 15,1–17,10 unter narrativen, figurativen und diskursiven Gesichtspunkten als eine in den Reisebericht eingebettete Einheit. Vgl.: Wolter, Lukasevangelium 20. In dieser Arbeit wird aus Gründen der leichteren Lesbarkeit das generische Maskulinum verwendet. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Verwendung der männlichen Form (bei Begriffen wie z. B. Exeget, Rezipient, Christ, Leser, Hörer) geschlechtsunabhängig verstanden wird, d. h. dass weibliche und anderweitige Geschlechteridentitäten mitgemeint sind. Siehe z. B.: Grilli, Lk 16,1–13 139/40. Für eine zusammenhängende Komposition sprechen sich z. B. auch aus: Hoppe, Arm und reich 90. Einen thematisch und inhaltlich kohärenten Gedankengang erkennt: Konradt, Interpretationsversuch 103/30. Allerdings geht Konradt auf die V. 16–18 nicht ein. Dennoch ist sein Aufsatz m. E. eine der klarsten und überzeugendsten Äußerungen der letzten Zeit zu Lk 16,1–13, die sich in vielen Punkten mit meinen eigenen Ergebnissen deckt. Auch Breytenbach geht von einer von Lukas bewusst und sorgfältig vorgenommenen Komposition des 16. Kapitels aus. Siehe: Breytenbach, Geld 136/8. Seines Erachtens gilt das von ihm behauptete kompositorische Prinzip des Lukas, zwischen Q- und Sonderguttradition zu wechseln, auch in Lk 16,1–31 sowie in den dieses Kapitel rahmenden Stücken Lk 15,1–32 und 17,1–10. Für das 16. Kapitel stellt er folgendes Schema auf: S – Q – Q – S. Da seines Erachtens sonst die Abfolge von QStücken und Sondergut (Q – S) vorherrscht, hält er die Umkehrung in Lk 16,1b–13 für ein „Anzeichen für die Wichtigkeit der Spruchreihe für das Verständnis des Gleichnisses.“ So: Breytenbach, Geld 138. Allerdings wirkt Breytenbachs Schema aufgrund der redaktionellen Textteile (nach Breytenbach, Geld 138: Lk 16,1a.8b; 16,9 und 16,14–15, aber auch 16,11–12 als Auswertung des allgemeinen Sprichworts in V. 10) doch zu vereinfachend. Auch Mora Paz, der den Text syntaktisch, semantisch und pragmatisch untersucht und dabei auch auf die Frage nach vorlukanischen Quellen eingeht, sieht den Text als zu-
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noch stellt sich bei detaillierterer inhaltlicher Betrachtung nicht wenigen Exegeten die Frage, ob und wie denn die auf den ersten Blick kommentierenden bzw. hinführenden Verse einerseits zu dem jeweiligen Gleichnis und andererseits auch untereinander in thematischer Beziehung stehen. 22 Während die erstgenannten Textausleger vor allem aufgrund des Aufbaus von einer einheitlichen lukanischen Komposition ausgehen, konstatieren die anderen Exegeten inhaltliche Brüche und Widersprüche innerhalb des Textes, so dass sie keine stringente Gedankenführung oder eine bewusst von einem Autor geschaffene Argumentation in diesem Kapitel erkennen können. So wird in den meisten Abhandlungen auch nicht das gesamte 16. Kapitel untersucht, vielmehr stehen die jeweiligen Gleichnisse als solche – in der Regel getrennt voneinander – oder die jeweiligen Gleichnisse in Verbindung mit den jeweils interpretierenden bzw. hinführenden Sprüchen im Fokus der Untersuchungen. Diese Aufteilung wird dadurch unterstützt, dass die Jesusrede des 16. Kapitels – abgesehen von V. 1a sowie V. 14 und 15a besteht das Kapitel aus Jesusrede – bereits auf den ersten Blick in zwei Teile zerfällt, die unterschiedliche literarische Adressaten haben.23 Hier stellt sich freilich die Frage, ob diese Zweiteilung einen kohärenten Gedankengang innerhalb des Kapitels unwahrscheinlich macht und – allgemeiner – inwieweit die Adressierung für das Verständnis des Textes von Bedeutung ist. Dabei muss zunächst die literarische Sicht und die Funktion der unterschiedlichen Adressatengruppen in den Schriften des Lukas geklärt werden.
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sammenhängende Komposition des Lukas. Siehe: Mora Paz, Struktur 105/43. Auf den chiastischen Aufbau weist hin: Lupieri, Mammona Iniquitatis 132. Vor allem der Bezug der V. 16–18 zum Kontext und der Bezug von V. 18 zu den beiden vorausgehenden Versen ist vielen unklar. Siehe z. B.: Kümmel, Lukas 16,16 93. Auch Wolter, Lukasevangelium 554, formuliert: „Lukas hat jedoch mit 16–18 eine Serie von Jesusworten dazwischen gesetzt, deren Zusammenhang mit dem in V. 14–15.19–31 behandelten Thema nur schwer zu erkennen ist.“ Ähnlich schreibt Blinzler, Eigenart 28: „Die drei Logien 16,16.17.18 hängen nur durch das Stichwort ,Gesetz‘ zusammen. Das Prassergleichnis 16,19–31 steht mit dem Vorausgehenden, an das es durch bloßes δέ angeschlossen ist, in keiner sachlichen Verbindung.“ Vgl. auch: Bovon, Lukas III 98 und 103. Bei den Sprüchen, die an das erste Gleichnis anschließen, wird zumeist von anders akzentuierten und aus unterschiedlichen Redaktionsstufen stammenden Anwendungen des Gleichnisses ausgegangen. Siehe hierzu z. B.: Grilli, Lk 16,1–13 138. Vgl. auch: Landry; May, Honor 308: „The various comments in 16:8b–15 do not seem to cohere perfectly either with the preceding parable(s) or with each other, and it seems that Luke’s skill as an editor and storyteller is not as evident here as it is elsewhere in the Gospel.“ Reinmuth, Verwalter 636, ist wie viele andere Exegeten der Ansicht, dass widersprüchliche Kommentare dem Gleichnis zugefügt wurden: „Werden die Kommentare bis V. 13 als Interpretationen des Gleichnisses gelesen, so fällt besonders ihre Widersprüchlichkeit in der Bewertung des Verwalters auf. Sie enthalten zwar offensichtlich Auslegungsversuche zu V. 1–8a. Sie sind jedoch nicht aus einem Guss, sondern stehen untereinander in Spannung. Als Kommentare zum Gleichnis widersprechen sie einander“. Vgl.: Grilli, Lk 16,1–13 140.
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Neben diesen Fragen, die letztlich die Gesamtkomposition und den Argumentationsgang als solchen betreffen, gibt es innerhalb der Textstücke des 16. Kapitels eine Fülle von Detailfragen, deren Beantwortung für das Verständnis des jeweiligen Textstücks und der Einzelaussage, aber letztlich auch für das Verständnis einer stringenten Argumentation des gesamten 16. Kapitels von Bedeutung ist. Im Folgenden werden die am meisten diskutierten Fragen des 16. Kapitels kurz vorgestellt. Das 16. Kapitel beginnt mit der Parabel vom klugen Verwalter, die als stilistisch gut gelungen gilt,24 aber dennoch so große Rätsel aufzugeben scheint,25 dass manche Forscher die mit ihr verbundenen Schwierigkeiten für unlösbar halten.26 Und wirklich stellen sich dem Leser überaus schwierige Fragen hinsichtlich Inhalt, Pointe, Thema und Umfang der Parabel – Fragen, deren Beantwortung für die Gesamtinterpretation der Parabel von Bedeutung ist. Wird z. B. der Herr aufgrund seiner Beschreibung als reich und aufgrund seines Verhaltens gegenüber dem Verwalter vom Autor negativ beurteilt? 27 Welche Funktion übt der Verwalter innerhalb der Textwelt aus? Ist er ein Sklave 28 oder ein freier und bezahlter Mitarbeiter seines Herrn? 29 Was bedeutet das Wort διαβάλλειν? Wird der Verwalter zu Unrecht beschulιdigt, wird er verleumdet30
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Vgl.: M. Krämer, Rätsel 3. Vgl. den Titel der Dissertation M. Krämers: Das Rätsel der Parabel vom Ungerechten Verwalter. Siehe auch: Topel, Injustice 216: „Indeed, more than any other parable it can be expected to keep its mystery for future generations of exegetes, for it bristles with difficulties.“ Vgl. Baudler, Jesus 217: Dieses Gleichnis widersetzt sich „in seiner Sperrigkeit scheinbar jeder plausiblen Deutung“. Vgl. auch: Hoeren, Verwalter 620 und Krüger, Gott oder Mammon 16. Forbes, God 152, bezeichnet die Parabel als die schwierigste: „The parable of the Dishonest Manager is undoubtedly the most difficult of the synoptic parables. […] In fact, the parable is so difficult, that its authenticity (at least of vv. 1–8a) is beyond doubt.“ Vgl.: Pellegrini, οἰκονόμος 162/3. Vgl.: Bultmann, Geschichte 216, der meint, im Laufe der Tradition sei der ursprüngliche Sinn unerkennbar geworden. Siehe auch: Jülicher, Gleichnisreden II 495: „[…] die herrschende Methode der Parabelerklärung hat sich an ihr bankerott erklären müssen“. Jülicher fährt dann aber fort: „In Wahrheit bietet sie gar keine besonderen Schwierigkeiten“. Vgl. auch: Du Plessis, Philanthropy or Sarcasm? 1. So: B. B. Scott, Praise 179 und 182; Loader, Jesus 527. Vgl.: Via, Gleichnisse 151. So: Baergen, Servant 25/38. Auch Udoh, Tale 311/335, geht entschieden davon aus, dass es sich um einen Sklaven oder Freigelassenen handelt. Siehe auch: Beavis, Slavery 37/54. So z. B.: Bailey, Poet and Peasant 91; Kuhli, οἰκονομία 220; Kähler, Gleichnisse 139; Heil, Klugheit und Phantasie 250/1; Breytenbach, Geld 138; Snodgrass, Stories 406; unentschieden Heininger, Metaphorik 173. Lygre, Of What Charges? 23, hält es für denkbar, dass der Verwalter ein früherer Sklave ist, der sich zum Verwalter hochgearbeitet hat, oder dass er ein ehemaliger Soldat der römischen Armee ist. So: B. B. Scott, Praise 181/2; Kloppenborg, Dishonoured Master 488; Baudler, Gleichnis 71/2; von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 233. Auch Lygre, Of What Charges? 24, hält dies für wahrscheinlich.
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oder entspricht die Anschuldigung den Tatsachen?31 Ist die im Selbstgespräch geplante und dann ausgeführte Handlung des Verwalters, der Schuldennachlass, eine unrechtmäßige, ja eine betrügerische Tat,32 oder besinnt sich der Verwalter nun angesichts seiner Entlassung auf das vom Herrn missachtete jüdische Verbot, Zinsen zu nehmen?33 Erlässt er also den Schuldnern die vorher erhobenen Zinsen? Oder bringt der Verwalter durch die Schuldenreduzierung die Tora insofern zur Geltung, dass er die Schulden auf ein zumutbares Maß reduziert und so eine Ökonomie der Subsistenz und Gegenseitigkeit gegen eine in Palästina übliche Wirtschaftsweise der Gewinnorientierung setzt? 34 Sind die Schuldner Großhandelskaufleute35 oder Landpächter?36 Wird der Verwalter für sein Verhalten, das den Herrn schädigt, wirklich gelobt oder ist ἐπῄνεσεν nicht
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So z. B.: Drexler, Lukas 16 1–7 288; Bailey, Poet and Peasant 97; Du Plessis, Philanthropy or Sarcasm? 5/6; Pellegrini, οἰκονόμος; Bovon, Lukas III 72; 78/9; 163. Diese Ansicht vertritt auch: Burkett, Steward 329. Diejenigen, die diese Meinung vertreten, weisen insbesondere darauf hin, dass der Verwalter sich nicht verteidigt. Vgl.: M. Krämer, Rätsel 3. So die weitaus meisten Exegeten, z. B.: Crossan, Parables 32; Kloppenborg, Dishonoured Master 480/1 und 485; Loader, Jesus 522/5; Du Plessis, Philanthropy or Sarcasm? 5; Topel, Injustice 219; Forbes, God 163; Snodgrass, Stories 410/1; Ireland, Stewardship 82; Grilli, Lk 16,1–13 146; Heil, Klugheit und Phantasie 251; Schramm; Löwenstein, Helden 15/6. Dies versucht Derrett, Luke XVI I 198/219, nachzuweisen. H. Zimmermann, Botschaft 258/9, übernimmt diese These. Fitzmyer variiert sie, indem er annimmt, dass der Verwalter ohne ausdrückliche Genehmigung des Herrn für sich Zinsen nahm und nun auf die Zinsen verzichtete, so dass die neuen Summen – wie bei Derrett – die tatsächlich geschuldeten Summen seien. Siehe: Fitzmyer, Dishonest Manager 23/42, besonders 32/6. Die Ansicht Fitzmyers wurde zuvor schon vertreten von Gibson, Unjust Steward 334, und von Gächter, Dishonest Steward 121/31. Siehe zu diesen Interpretationsansätzen: Ireland, Stewardship 40/7. Diese Ansicht vertritt auch: Ebner, „Solidarität“ 87/9. Diese Ansicht vertritt Bindemann, Ungerechte als Vorbilder? 955/70. Ungerecht ist seines Erachtens nicht der Verwalter – die Charakterisierung als ungerecht versteht er als Ironie –, sondern die gewinnorientierte Wirtschaftsweise. Durch den Bruch mit ihr nähert der Verwalter „sich überraschend der von der Tora proklamierten Wirtschaftsund Sozialordnung.“ So: Bindemann, Ungerechte als Vorbilder? 965. Ähnlich versteht auch Hoeren, Verwalter 620/9, den Teilerlass der Schulden. Für ihn ist er ein „symbolischer Akt für die Priorität des religiösen gegenüber dem weltlichen Recht“. So: Hoeren, Verwalter 629. Laut Ebner, Face to face-Widerstand 424/6 widersetzt sich der Verwalter in Folge seiner Denunziation den Strukturen römischer Herrschaft und der Machtdelegationspyramide. Statt durch Loyalitätsbezeugungen nach oben in den Wettbewerbskampf um seine Stellung einzusteigen, verweigere er sich den Wettbewerbsherausforderungen, solidarisiere sich mit den Pächtern und initiiere „einen Reziprozitätskreislauf gerade mit denen, gegen die er sich eigentlich stellen müsste, wenn er seine Position in der Herrschaftspyramide erhalten möchte.“ So: Ebner, Face to face-Widerstand 437. Dies halten Heininger, Metaphorik 172 und Kloppenborg, Dishonoured Master 482 für möglich. Diese Ansicht wird von den meisten Forschern vertreten, so z. B.: Barth, Dishonest Steward 70; Bailey, Poet and Peasant 91; Loader, Jesus 526; Snodgrass, Stories 406.
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vielmehr ironisch zu verstehen,37 ist es vielleicht eine Frage, auf die eine negative Antwort erwartet wird,38 oder handelt es sich um eine Fehlübersetzung aus dem Aramäischen?39 Oder ist dagegen das Lob ein notwendiges Element in einer schelmenhaften Erzählung?40 Ist es vielleicht sehr verständlich, da der Herr durch den Schuldenerlass gar nicht geschädigt wird, sondern so die durch die Misswirtschaft des Verwalters zunächst verletzte Ehre des Herrn nun wiederhergestellt wird, weil der Herr als großzügig erscheint? 41 Und überhaupt – wer spricht das Lob? Ist es der im Gleichnis erwähnte Herr des Verwalters 42 oder wechselt hier die Erzählebene und referiert Lukas einen Kommentar Jesu zum Verhalten des Verwalters?43 Endet also die von Jesus erzählte Parabel mit V. 7 oder mit V. 8?44 Des Weiteren stellen sich Fragen bezüglich des Erzählduk37
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Fletcher, Riddle 27/8, hält die Verse 8 und 9 für Ironie. Siehe zu Fletchers Auslegung und anderen Interpretationen, die den Text für Ironie halten, sowie zu Gegenargumenten gegen diese Interpretationen: Ireland, Stewardship 27/33 und 77/9. So: Merkelbach, Gleichnis 180/1 und Parrott, Dishonest Steward 513. So: Schwarz, Lukas 16,8a 94/5. Siehe: Ireland, Stewardship 33/5. Siehe: Via, Gleichnisse 150/1; Fassl, Komposition und Redaktion 115/7; B. B. Scott, Praise 184; Heininger, Metaphorik 168; Heil, Klugheit und Phantasie 251/2. Vgl.: Hoppe, Arm und reich 89. Auch King, Funny Thing 18/25, ist der Ansicht, dass der Verwalter im Licht der antiken Neuen Komödie zu sehen ist. Während dort aber der Sklave in der Regel gerissen und schlau für seinen Herrn agiere, handle der Verwalter hier in eigenem Interesse. Udoh, Tale 334, ist dagegen der Ansicht, der Verwalter könne nicht mit einem Sklaven plautinischer Komödien – er hält den Verwalter dennoch für einen Sklaven bzw. Freigelassenen – verglichen werden. Diese These vertreten – auf Bailey und Kloppenborg aufbauend – D. Landry und B. May. Sie gehen davon aus, dass ein antiker Herr, ein pater familias, in seiner Ehre gekränkt und in seinem Ansehen geschädigt ist, wenn er in Verdacht kommt, einen Haushalter zu haben, der nicht das für den Herrn Beste finanziell herausholt. Insofern halten sie die Entlassung des Verwalters für eine notwendige Folge. Der Verwalter versuche aber seine Stellung als Verwalter zu verteidigen, entweder bei den Schuldnern, die ihn ja auch nur als fähigen Verwalter, jedenfalls nicht ohne eine Arbeitsleistung aufnähmen, oder bei seinem jetzigen Herrn. Durch den Schuldenerlass, von dem die Schuldner annehmen müssten, dass er mit Billigung des Herrn geschehen sei, erscheine der Herr innerhalb der Gesellschaft als großzügig und so sei seine Ehre wiederhergestellt, was das Lob des Verwalters und vielleicht eine Weiterbeschäftigung durch den Herrn zur Folge habe. Siehe hierzu: Landry; May, Honor 287/309, besonders 294/305. Landry; May, Honor 305/8, sehen in Lk 15,4–7 und Lk 15,8–10 sowie in Lk 15,11–32 und Lk 16,1–8 jeweils zwei zusammengehörende Parabeln. Dabei übersehen sie den Zusammenhang zu Lk 16,19–31 und damit den Zusammenhang des gesamten 16. Kapitels. Vgl. z. B.: Bailey, Bovon, Breytenbach, Byrne, Dodd, Donahue, Du Plessis, Fitzmyer, Forbes, Güttgemanns, Heil, Heininger, Hoppe, Kloppenborg, Konradt, M. Krämer, Loader, Lunt, Maass, Marshall, Mora Paz, M. Müller, Reinmuth, B. B. Scott, Snodgrass, Steinhauser, Thurén, Topel, Via. So: Baudler, Crossan, Fletcher, Ireland, Jeremias, Kähler, Kamlah, G. Schneider, Wolter. Einige Exegeten nehmen an, auch V. 8b gehöre noch zur Parabel. So: Bailey, Poet and Peasant 107/9. Andere schließen sogar V. 9 in die Parabel ein, so: Hiers, Friends 36. Siehe auch: Fletcher, Riddle 20, der meint, V. 9 sei von Beginn an mit der Parabel verbunden
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tus und der narrativen Strukturen: Worauf legt die Erzählung wert, was betont sie, was ist ihr unwichtig? In welchem Verhältnis stehen die handelnden Figuren zueinander, welcher Akteur und welches Verhalten stehen im Vordergrund des Blickfelds? Neben den skizzierten inhaltlichen und narrativen Fragen und dem Problem hinsichtlich des Gleichnisumfangs stellen sich Fragen bezüglich Herkunft und redaktioneller Bearbeitung dieses Sondergutgleichnisses.45 Unzählige Forscher und Gelehrte haben sich zu allen Zeiten mit den Problemen der Parabel auseinandergesetzt.46 Obwohl im Laufe der Zeit47 beachtliche
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gewesen. Siehe zu dieser Frage die Überlegungen von: Snodgrass, Stories 411. Für ihn endet die „story“ mit V. 8a, aber seines Erachtens gehören die V. 8b und 9 notwendig als Erklärung zu der Parabel. Er bezeichnet V. 9 als Schlüssel zur Parabel und sieht in diesem Vers, wenn er denn nicht original ist, die lukanische Erklärung der Parabel. Siehe zu diesen Fragen: Bovon, Lukas III 72/3 und Heil, Klugheit und Phantasie 253. H. Kramer geht in ihrer 2015 erschienenen Dissertation diesen Fragen nach. Ihrer Meinung nach ist lukanische Redaktion kaum zu erkennen. Siehe: Kramer, Lukas 67 und 139/50. Auf diese Fragen wird in dieser Studie – abgesehen von gelegentlichen Hinweisen – nicht eigens eingegangen; der jetzt bestehende Text ist Grundlage der Untersuchung. Du Plessis, Philanthropy or Sarcasm? 2, betont ausdrücklich, dass es sinnvoll sei, den Text so zu verstehen zu suchen, wie er schließlich von Lukas aufgeschrieben wurde. Dennoch scheint es erlaubt zu betrachten, ob der Text (oder Teile von ihm) auf Jesus zurückgehen kann, und was er in seinem Mund bedeutet haben kann. Nach einem Primat der historisch-kritischen Methode, also der diachronen Textanalyse innerhalb der Exegese, hat man die Bedeutung einer synchronen Betrachtung des Textes für das Verständnis desselben erkannt. Hierzu machte man Anleihen bei allgemein linguistischen Erkenntnissen und Theorien, die zur Analyse eines Textes hilfreich sind. Die vorliegende Arbeit stützt sich nicht auf eine spezielle Theorie, auch wendet sie nach Möglichkeit die synchronen Analysemethoden nicht schematisch und formalistisch an. Trotz einer stärkeren Fokussierung auf die synchrone Textanalyse in dieser Studie sei betont, dass für ein vertieftes Verständnis neutestamentlicher Texte die diachrone Analyse nicht nur sinnvoll, sondern häufig erforderlich ist. Eine allgemeine Einführung in die Textlinguistik bieten: Plett, Textwissenschaft und Textanalyse; Coseriu, Textlinguistik; Funk-Kolleg Sprache, Linguistik. Egger, Methodenlehre, bietet eine Einführung in synchrone und diachrone Analyseschritte in speziellem Bezug auf das Neue Testament. Zur Methodik in dieser Untersuchung siehe: Kapitel 2. Eine sehr ausführliche Auflistung von Literatur zur Parabel findet sich bei: Bovon, Lukas III 66/70. Bovon, Lukas III 82/5, referiert auch einige sehr alte Auslegungsversuche. Eine Geschichte älterer Erklärungen der Parabel bietet das 1803 erschienene Buch von Schreiter, Historica-critica descriptio. Rücker, Gleichnis, stellt in seiner 1912 erschienenen Monographie Auslegungen vor allem aus dem 19. Jahrhundert vor. Einen Überblick über Auslegungen des Gleichnisses aus der Frühzeit der Kirche, aus dem 19. und beginnenden 20. Jahrhundert, aber auch über Homilien und Predigten bietet das 1902 in erster und 1909 in dritter Auflage erschienene Parabelbuch von Fonck, das dieser als katholischen Gegenentwurf gegen die kritische Parabelauslegung, namentlich gegen Jülicher, versteht: Fonck, Parabeln 675/6 und 691/4. Einen weiteren sehr hilfreichen Überblick über die „Diskussion der Probleme und Lösungsvorschläge der Verwalterparabel von den Vätern bis heute“ bietet die 1972 erschienene Dissertation von M. Krämer, Rätsel, in der zahlreiche Interpretationsversuche aller Zeiten aufgeführt sind. Vgl. besonders die Seiten 15/8, 241/57 und das Literaturverzeichnis. Siehe auch seinen zuvor erschienenen
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Erkenntnisse gewonnen und Deutungen vorgenommen worden sind, gibt es doch bis heute in kaum einem Punkt des Textes eine von allen gemeinsam vertretene Meinung.48 Vielmehr wird die Perikope auch weiterhin als crux interpretationis bezeichnet.49 Die gegenwärtige Auslegung lässt sich – grob betrachtet50 – in drei Interpretationsrichtungen gliedern: Die eine Gruppe von Auslegern stellt unter Weglassung der V. 9–13 als ursprünglichen Sinn der Parabel heraus, sie fordere ein angesichts der eschatischen51 Krise kluges Handeln der Christen.52 Doch sind die meisten dieser Exegeten unter Berücksichtigung der V. 9–13 der Meinung, dass die Parabel von einer vorlukanischen Gemeinde53 oder von Lukas als
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Aufsatz: M. Krämer, Aenigma 370/75. Beachtenswert ist auch die Übersicht über die Interpretationsansätze zur Parabel von Dennert, Interpretative History 145/52. Die wichtigen Auslegungen des 19. und 20. Jahrhunderts stellt sehr klar, detailliert und systematisch Ireland im ersten Kapitel seiner 1992 erschienenen Dissertation dar: Ireland, Stewardship. Landry; May, Honor 287/294, bieten eine gute Zusammenfassung jüngerer Auslegungen bis zum Jahr 2000 und eine zum Teil detaillierte Auseinandersetzung damit. Gleiches gilt für die im Jahre 2000 erschienenen Ausführungen von Forbes, God 152/97, besonders 170/7. Siehe auch die Auflistung und Diskussion verschiedener Interpretationsansätze bei: Snodgrass, Stories 406/10 und bei Thurén, Parables 109/27. In der vorliegenden Studie auf die teilweise kuriosen allegorisierenden Interpretationsversuche einzugehen, erscheint nicht sinnvoll. Ebenso wird auf eine erneute Diskussion von Interpretationen vor dem 20. Jahrhundert und auch mancher Auslegungen, die seit den bahnbrechenden Erkenntnissen Adolf Jülichers im 20. Jahrhundert entstanden sind, verzichtet. Dagegen werden in der vorliegenden Untersuchung insbesondere die nach M. Krämers und vor allem Irelands Dissertationen erschienenen Arbeiten diskutiert. Dass sich alle Auslegungsrichtungen mit dieser Parabel beschäftigten, entspricht der Forderung Bisers, nach der sich jede Interpretationsmethode und jede Gleichnistheorie an dieser Parabel, die für ihn in besonderer Weise Prüfstein des Verstehens ist, zu bewähren habe. Siehe: Biser, Gleichnisse 105. Vgl.: Kloppenborg, Dishonoured Master 474; Grundmann, Lukas 316; Marshall, Luke 614; Goodrich, Debt Remission 547; Ireland, Stewardship 6 und 47. Siehe: M. Krämer, Rätsel 10 und Bovon, Lukas III 70. Ireland, Stewardship 7/47, der eine detailliertere Gliederung der Auslegungstypen bietet, unterscheidet zunächst zwischen Auslegungen, die von einem betrügerischen Handeln des Verwalters ausgehen, und Interpretationen, die das Handeln des Verwalters für ehrenvoll halten. Im Anschluss an M. Wolter wird in dieser Studie zwischen den Begriffen „eschatisch“ und „eschatologisch“ differenziert. Vgl.: Ireland, Stewardship 14/22. Zu diesen Auslegern gehören u. a. Jeremias, H. Zimmermann, G. Schneider und Du Plessis. Letzterer betrachtet die Parabel im Kontext des lukanischen Reiseberichts und hält wahre Jüngerschaft für das Thema. Wahre Jüngerschaft schließe den richtigen Gebrauch von Reichtum ein. Siehe: Du Plessis, Philanthropy or Sarcasm? 17. Burkett hat jüngst eine Interpretation vorgelegt, die sich von den anderen Auslegern dieser Richtung dadurch absetzt, dass er in der vorlukanischen, frühchristlichen Gemeinde nicht die Jünger als Adressaten des Textes sieht. Seines Erachtens wusste Lukas
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Aufforderung zum richtigen Gebrauch des Reichtums gedeutet wurde.54 Eine zweite Gruppe, die sich von der ersten nur durch einen anderen Schwerpunkt unterscheidet, sieht in der Parabel in ihrer heutigen Gestalt und in ihrem heutigen Kontext55 die Aufforderung ausgedrückt, den Reichtum angesichts des Reiches Gottes richtig, d. h. durch Geben von Almosen, zu gebrauchen. 56 Von diesen beiden Auslegungsrichtungen unterscheidet sich eine dritte Gruppe von Exegeten, die – allgemein gesprochen – in der Parabel die Vergebungsbereitschaft und Barmherzigkeit Gottes und Jesu gegenüber den Sündern dargestellt sieht. Diese Gruppe liest die Parabel insbesondere in Zusammenhang mit der vorhergehenden Parabel vom verlorenen Sohn. 57 Während einige Exegeten
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nicht, zu wem die Parabel gesprochen worden ist, da er – wie aus V. 14 hervorgeht – auch die Pharisäer die Parabel hören lässt. Er hält die lukanische, redaktionelle Adressierung der Parabel und der Anwendung (V. 9) für falsch, da die Jünger selbst die Armen seien und zum anderen bereits Plätze im Reich Gottes hätten. Nach Burkett hat die vorlukanische Gemeinde die Parabel mit der Anwendung in V. 9 als Aufforderung an reiche Menschen außerhalb der Gemeinde verstanden, die Jünger Jesu, also die Gemeindemitglieder, finanziell (z. B. durch Schuldenerlasse) zu unterstützen, damit diese die Wohltäter in das eschatische Reich Gottes aufnehmen können. Siehe: Burkett, Unrighteous Steward 326/42, besonders 332/6. Vgl. z. B.: G. Schneider, Lukas 334; Grilli, Lk 16,1–13 148; Busse u. a., Jesus 116; Mora Paz, Struktur 138. Siehe hierzu: Snodgrass, Stories 411 und Forbes, God 176/8. „In fact, in its present literary setting, Lk. 16,1–13 teaches both eschatological warning and proper attitude to wealth.“ So: Forbes, God 177. Neben den V. 9–13 berücksichtigen diese Exegeten die lukanische Theologie und besonders das folgende Gleichnis vom reichen Mann und vom armen Lazarus. Siehe zu diesen Auslegern: Ireland, Stewardship 7/14. Hierzu zählen u. a. Byrne, Fitzmyer, Giambrone, Hiers, Kim, Seccombe, Williams. Siehe auch: Moore, Unjust Steward 103/5. Gerade für Fitzmyer ist die schuldennachlassende Handlung positiv, da er davon ausgeht, der Verwalter verzichte nun auf die vorher von ihm selbst geforderten Zinsen. Siehe: Fitzmyer, Dishonest Manager 34/7. Auch Mathewson, Unjust Steward 29/39, der sich mit den jüngeren Interpretationsansätzen kritisch auseinandersetzt, spricht sich entschieden dafür aus, in dem Gleichnis eine Aufforderung zum klugen Gebrauch des Reichtums zu sehen. Für Krüger, Gott oder Mammon 14, enthält Kapitel 16 „die explosivsten Texte des ganzen Lukasevangeliums in Sachen Ökonomie. Es ist eine Synthese der lukanischen Texte über Ausbeutung, Wucherei, Vergeudung, Ungerechtigkeit und Versklavung durch Reichtum und Güter. Die einzelnen Elemente sind konzentrisch um die Entlarvung der Geldgier der Pharisäer gruppiert (V. 14–15). Sie können deshalb nur als Ganzes analysiert werden.“ Seiner m. E. zu schematischen Strukturskizze, wonach die beiden Gleichnisse und die Sprüche ringförmig um die V. 14 und 15 gruppiert sind, widerspricht in gewisser Weise Krügers später vertretene These, V. 9 sei „der Kernpunkt des ganzen Kapitels“. So: Krüger, Gott oder Mammon 25. Siehe die Strukturskizze: Krüger, Gott oder Mammon 16. Auch Byrne, Stewardship 1/5, hält Kapitel 16 für eine Einheit, die ihr Zentrum in V. 16 hat. Für eine zusammenhängende Komposition zum Thema Wohltätigkeit bzw. Umgang mit Geld hält auch Giambrone, Charity 529/52, das 16. Kapitel. Die gleiche Ansicht vertritt: Kim, Stewardship and Almsgiving 153/6. Zu den Bezügen der beiden Parabeln vgl.: Forbes, God 153; Snodgrass, Stories 405 und Donahue, Gospel 167/8. Auch Breytenbach, Geld 135/6, berücksichtigt den Kontext des
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dieser Gruppe allgemein das Positive des Verwalters in seinem Vertrauen auf die Barmherzigkeit und Güte des Herrn herausstellen und darin ein adäquates Verhalten der Christen gegenüber Gott sehen, 58 bringen andere die Parabel in Verbindung zu Jesu Auseinandersetzungen mit den Pharisäern hinsichtlich seiner Hinwendung zu Sündern.59 Sie sehen im Verwalter Jesus, der die Last der Sünder vermindert habe,60 oder aber einen vorbildlichen Pharisäer, der anders
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15. Kapitels, insbesondere Lk 15,1–2, bei der Interpretation. So auch: Welzen, Lucas. Wolter, Lukasevangelium 542, wendet sich dagegen, einen Zusammenhang mit Kapitel 15 zu konstruieren, „weil die Querverbindungen durchweg akzidentiell sind“. So besonders Barth und auch Fassl, der meint, dieser „Schwank mit humoristischen Zügen“ sei nur im Rahmen der Basileiabotschaft und der menschliches Rechtsempfinden übersteigenden Barmherzigkeit des Vaters angemessen zu deuten. Doch habe eine Verschiebung der Pointe dahingehend stattgefunden, dass die Parabel nun zum Almosengeben auffordere. Siehe: Fassl, Komposition und Redaktion 114/7. Als Antibeispiel göttlicher Vergebung fasst dagegen D. M. Parrott die Parabel auf, die seines Erachtens Reue zum Thema hat. Im Blick auf die anderen lukanischen Sondergutgleichnisse und deren Monologe erklärt Parrott, anders als der jüngere Sohn in Lk 15,11–32, der Reue zeige und umkehre und dem daher vergeben werde, habe der Verwalter seine unehrenhaften Machenschaften auch nach der Katastrophe fortgesetzt. Daher werde ihm als negativem Beispiel auch nicht vergeben. Entsprechend hält Parrott V. 8a für eine Frage, auf die ursprünglich eine negative Antwort erwartet wurde, die er in V. 10–12 gegeben sieht. Siehe: Parrott, Dishonest Steward 499/515. Wenn schon letztere Vermutung zweifelhaft ist, so scheint besonders die Rückkehr des verlorenen Sohnes nicht zutreffend ausgelegt zu sein. Denn die Rückkehr erfolgt eher aus rein praktischen und existentiellen Gründen als aus Reue. Siehe: Harnisch, Gleichniserzählungen 203/4; Weder, Gleichnisse 255; Stock, Textentfaltungen 41. So stellt z. B. Osborn, Parable and Exposition 14/5, die fünf Parabeln in Lk 15 und 16 in die Auseinandersetzung Jesu mit den Pharisäern. Diese Ansicht vertritt z. B. Reinmuth, Verwalter 642: „Nach den drei Gleichnissen ‚Vom Verlorenen‘ und der offenen Problematisierung an ihrem Ende (15,25–32) nimmt die an den Jüngerkreis adressierte Unterrichtung das Thema der Kritik an Jesu Praxis, der bedingungslosen und vergebungsbereiten Gemeinschaft mit Sündern (15,1–2) im Bild des angeklagten Verwalters auf. Jesus verschwendet mit seiner bedingungslosen Annahme von Sündern den (Vergebungs-)Reichtum Gottes.” Der Aufsatz Reinmuths im Kompendium der Gleichnisse Jesu entspricht seinen kurz vorher erschienenen Ausführungen: Reinmuth, Alles muss raus 223/231. Siehe zu dieser Sicht auch: Ireland, Stewardship 13/4. Auch Binder, Missdeutbar oder eindeutig? 41/9, vertritt in seinem 1995 erschienenen Aufsatz, dessen Thesen aber auf von ihm bereits 1944 veröffentlichten Ausführungen beruhen, die Ansicht, das Gleichnis sei in Bezug auf Jesu Auseinandersetzung mit den Pharisäern zu lesen. In einer allegorischen (er selbst spricht bei der Erzählung von einer „Sinnbilderzählung“, so: Binder, Missdeutbar oder eindeutig? 46), kuriosen und nicht überzeugenden Auslegung setzt er den Verwalter mit Jesus, die Ankläger mit den Pharisäern, die Schuldner mit den Sündern und den Herrn mit Gott gleich. Dass der Herr die Anschuldigung ernst nimmt und dass der Verwalter in dem Monolog den Anschein erwecke, „er sei sich seiner Sache nicht mehr sicher“ (Binder, Missdeutbar oder eindeutig? 47), fasst Binder als Ironie auf. Der Umstand, dass den Schuldnern nicht alle Schulden erlassen werden, ist für ihn kein Gegenargument gegen seine Auffassung: „Denn nahm der historische Jesus Sünder an, dann erteilte er ihnen nicht die ‚Absolution‘, son-
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als die anderen durch seine Hinwendung zu den Sündern und Heiden dem Willen Gottes gerecht und deshalb gelobt wird.61 All diese Deutungen, die hier
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dern er minderte ihre innere Last, indem er sie zu seinen Nachfolgern machte.“ So: Binder, Missdeutbar oder eindeutig? 48. Auch für King, Funny Thing 18 und 23/4, der den Verwalter mit gerissenen Sklaven der antiken Komödie vergleicht und als besonders herausstellt, dass der Verwalter im eigenen Interesse agiert, spiegeln die dubiosen Handlungen des Verwalters die Versöhnung, die von Jesus gelebt wird und somit zu einem nachahmenswerten Beispiel wird. Siehe zu anderen Auslegungen, die die Parabel im Licht der Auseinandersetzungen zur Zeit Jesu lesen: Ireland, Stewardship 23/4, 26/7, 32/3 und 36/40. E. Kamlah argumentiert mit dem Vorkommen des Begriffs οἰκονόμος. Dieses Wort sei als Metapher für pharisäische Schriftgelehrte dem Judentum vertraut gewesen und sei von der Urchristenheit für ihre Führer übernommen worden. Durch Benutzung des Begriffs sei auf die Auseinandersetzung mit dem Pharisäismus, der für seine Gesetzesinterpretation unumstößliche Gültigkeit beanspruche, hingewiesen. Die Verringerung der Abgabeschulden sei eine parabolische Polemik gegen die pharisäische Kasuistik. Siehe: Kamlah, Parabel 276/94, insbesondere 287/8 und 293/4. Ähnlicher Ansicht sind R. G. Lunt, W. Loader und G. Baudler. Gegen Loader wendet Mathewson, Unjust Steward 31, ein, dass man erwarten dürfe, dass der Verwalter alle Schulden erlassen habe, falls es in der Parabel um Vergebung gegangen sei. Vgl.: Snodgrass, Stories 410. Lupieri, Mammona Iniquitatis 131/43, vertritt in seiner allegorisierenden Auslegung ebenfalls die These, im Handeln des Verwalters spiegele sich das gottgefällige und geforderte Verhalten gegenüber den Sündern und Heiden, das aber von den meisten Pharisäern nicht beachtet werde. Weiser, Knechtsgleichnisse 220, hält es im Blick auf Lk 12,42–46 für möglich, dass Lk 16,10–11 im Gedanken an Gemeindeführer, „Verwalter“, vorgetragen worden sei, „die zwar beanspruchten, οἰκονόμοι (vgl. Vv. 1.3.8) zu sein, die sich aber nicht als πιστοὶ ἐν ἐλαχίστῳ (Vv. 10f.) erwiesen, sondern zu sehr an irdischem Besitz hingen und nicht frei für den selbstlosen Dienst waren.“ F. Maass sieht in der Parabel einen Angriff auf den pharisäischen Gerechtigkeitsbegriff und als neue Norm gefordert: Verzicht auf Richten anderer. Siehe: Maass, Gleichnis 173/84, insbesondere 179. Vgl. auch Topel, Injustice, der Maass unterstützt und der drei Überlieferungsstufen annimmt: 1. Mahnung, in eschatischer Krise klug zu handeln; 2. Mahnung zum Almosengeben; 3. (durch Anfügung an Kapitel 15) Mahnung zur Vergebung. Unter anderem auf die Interpretation Reinmuths bezieht sich Thurén bei seiner Auslegung der Parabel. Ihm geht es darum, den Text ohne weitere gelehrte Hintergrundinformationen so zu verstehen, wie ein ursprünglicher Leser oder Hörer ihn verstanden hätte. Es ist ihm wichtig, dass der Verwalter unrechtmäßig bzw. kriminell handelt, dass der Herr ihn wegen seines kriminellen, aber klugen Handelns überraschend lobt und dass die Jünger als Adressaten (auch vor dem Hintergrund von V. 9) zu ebensolchem Handeln aufgefordert werden. Thurén ist nicht der Meinung, dass der Verwalter Jesus oder dass der Herr Gott darstellt, sondern dass die Parabel die Jünger auffordert, wie der Verwalter zu handeln und mit Blick auf den Kontext (besonders auch die Nazarethperikope) wie Jesus die Sünden der Menschen (die bei Lukas an verschiedenen Stellen als Schulden bezeichnet werden) zu vergeben. Dieses Verhalten sei ἀδικία gegenüber der Tora, schaffe aber Freunde und lasse generell das eschatische Heil der so doch im Sinne Gottes Handelnden erhoffen. Die Parabel könne vorausweisen auf Paulus, den Helden der Apg, der als Jünger Jesu die Sünden vergeben und Heiden in die christliche Gemeinschaft aufgenommen habe. Die gegen ähnliche Interpretationsansätze vorgebrachten Einwände kontert Thurén folgendermaßen: Dass der Verwalter nicht alle Schulden erlasse, mache die Parabel realistischer. Die Tatsache,
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nur sehr verkürzt und ohne Beachtung ihrer unterschiedlichen Nuancen dargestellt werden, haben je gute Argumente, die für die jeweilige Deutung sprechen. Entsprechend selten sind die Versuche, eine der zurzeit vertretenen Auslegungsrichtungen gänzlich zu widerlegen.62 Zu Recht bezeichnet M. Krämer die Parabel als ein Vexierbild: Dem Beobachter zeigt sich immer ein gutes und klares Bild, „jedoch ein jeweils ganz verschiedenes, sobald der Blickwinkel verschoben wird.“63 Diese Tatsache macht die Interpretation der Parabel umso schwieriger. Obwohl schon viele sich zu der Parabel geäußert haben und obwohl sich eindeutige Erkenntnisse kaum ziehen lassen,64 ist es doch sinnvoll, sich mit diesem Text erneut und immer wieder zu beschäftigen. 65 Vielmehr ist es gerade aufgrund der Schwierigkeit und der oft empfundenen Anstößigkeit erforderlich zu versuchen, den Text immer neu zu begreifen und einen Sinn in ihm erkennen zu lassen, wenn er nicht zu einem dunklen Kapitel des Neuen Testaments werden soll.66
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dass der Herr den Verwalter angesichts der Anschuldigung nicht in Schutz nehme, spiegele die Situation der Jünger, die keine direkte Hilfe vom Himmel erhoffen sollten. Die V. 3–4 passten zur Situation Jesu, da es bei ihm um einen ähnlichen Statusverlust ging. Auch Jesus sei in der Gefahr gewesen, „entlassen“ zu werden, da er mit seiner Predigttätigkeit habe aufhören müssen, falls die Pharisäer und Schriftgelehrten ihn erfolgreich als Sünder hätten darstellen können. Siehe: Thurén, Parables 127/47. Wenig überzeugend ist die These, die V. 10–13 dienten dazu, die Zuhörer vor einem Missverständnis zu bewahren, „as if the parable concerned wordly money, wheat, and oil.“ Thurén, Parables 136. Kamlah, Parabel 278, versucht eine Widerlegung der Ansicht, die Parabel fordere zu klugem Nutzen der Zeit vor dem Eschaton auf. Wollte sie dies tun, so wäre seines Erachtens die Parabel ungeschickt erzählt: Denn es präge sich nicht so sehr die Tatsache ein, dass sich der Verwalter schnell zu helfen wisse, sondern durch die Ausführlichkeit die Darstellung, in der er es tue. M. Krämer, Rätsel 11. Vgl.: Snodgrass, Stories 409. „Nur wenige Interpreten äußern die Gewißheit, die richtige Lösung gefunden zu haben.“ So: Maass, Gleichnis 173. Vgl.: Kloppenborg, Dishonoured Master 474. Siehe auch: M. Krämer, Rätsel 14, der davor warnt, in freudigem Entdeckerjubel „zum Opfer seiner eigenen Blendung zu werden.“ Konradt, Interpretationsversuch 105, weist darauf hin, „dass der Textbefund an mehreren Stellen unterschiedliche Gewichtungen der Beobachtungen und der Argumente zulässt, aus denen sich unterschiedliche Interpretationen ergeben. Für die Deutung von Lk 16,1–13 gilt daher noch deutlicher als sonst, dass keine Exegese des Textes den Anspruch erheben kann, in allen Punkten die einzig mögliche Interpretation zu sein.“ M. Krämer, Rätsel VI, warnt davor, den „Urwald der Literatur“ dieser Parabel zu erweitern, wenn die erneute Beschäftigung mit ihr die Lösung des Problems nicht tatsächlich weiterbringe. M. Müller, Annäherung 193/204, spricht vom „faszinierenden Charakter“ dieses Textes. Julian Apostata sah in der Parabel seine Auffassung vom betrügerischen Charakter der Christen bestätigt! Siehe: Barth, Dishonest Steward 71.
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Ein besonderes und vielschichtiges Problem stellen aber auch die dem Gleichnis folgenden V. 9–13 dar.67 Es stellt sich die Frage, in welchem Zusammenhang diese Verse mit dem Gleichnis stehen und in welchem Zusammenhang die Verse untereinander stehen?68 Erscheint der Verwalter der Parabel zunächst in V. 9, der dazu auffordert sich mit Geld Freunde zu machen, noch als positives Vorbild, während er in den V. 10–12 aufgrund des betrügerischen Verhaltens als Negativbeispiel fungiert?69 Und fordert V. 9 im Anschluss an die Parabel tatsächlich dazu auf, sich durch den Einsatz von Geld für andere, durch Almosen, eine Aufnahme in die ewigen Zelte zu verschaffen? Was kann überhaupt mit den „ewigen Zelten“ gemeint sein und worin besteht der Zusammenhang zwischen der Weggabe des Geldes für andere und der Belohnung des Gebers? Auf der diachronen Ebene der Betrachtung stellen sich Fragen wie: Wann und warum wurden die Verse an das Gleichnis angefügt? Stammen die Verse ursprünglich aus verschiedenen Traditionen, spiegeln sie unterschiedliche Stufen der Gleichnisinterpretation wider?70 Oder bilden sie eine einheitliche lukanische Interpretation der vorangehenden Parabel? 67
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Vgl. z. B.: Landry; May, Honor 308: „The various comments in 16:8b–15 do not seem to cohere perfectly either with the preceding parable(s) or with each other, and it seems that Luke’s skill as an editor and storyteller is not as evident here as it is elsewhere in the Gospel.” Snodgrass, Stories 411/12, hält die V. 8b und 9 für notwendige, mit der Parabel in engem Zusammenhang stehende Erklärungen und die V. 10–13 für weitere, durch Vorkommen vorher verwendeter Schlüsselwörter mit der Parabel verbundene Sprüche zum selben Thema. Reinmuth, Verwalter 636, ist wie viele andere Exegeten der Ansicht, dass widersprüchliche Kommentare dem Gleichnis zugefügt wurden: „Werden die Kommentare bis V. 13 als Interpretationen des Gleichnisses gelesen, so fällt besonders ihre Widersprüchlichkeit in der Bewertung des Verwalters auf. Sie enthalten zwar offensichtlich Auslegungsversuche zu V. 1–8a. Sie sind jedoch nicht aus einem Guss, sondern stehen untereinander in Spannung. Als Kommentare zum Gleichnis widersprechen sie einander“. Reinmuths Ansicht zufolge zeigen die widersprüchlichen Kommentare die hermeneutischen Voraussetzungen, mit denen Lukas arbeitet: „Für ihn gibt es offensichtlich nicht ein exklusiv richtiges Verständnis der Parabel, sondern mehrere Hinsichten, in denen sie diskutiert werden kann.“ So: Reinmuth, Verwalter 637. Während die EÜ 1980 die V. 9–13 immerhin unter der Überschrift „Vom rechten Gebrauch des Reichtums“ zusammenfasst, wird in der EÜ 2016 V. 9 von den V. 10–13 getrennt und zu den V. 1–8 gezogen. Vgl. z. B.: Heil, Klugheit und Phantasie 248, der von widersprüchlichen Kommentaren zum vorhergehenden Gleichnis spricht. Siehe auch: Heil, Klugheit und Phantasie 252/3. Vgl.: Schramm; Löwenstein, Helden 18/9. Dagegen spricht sich klar aus: Konradt, Interpretationsversuch 104 und 119/23. Siehe hierzu: Bovon, Lukas III 73/4 und 90/1. Diese Sicht vertritt auch: Schramm; Löwenstein, Helden 16/20. Nach Kramer, Lukas 68; 143/5; 194/5; 291/3, wurden die V. 8b– 12 vorlukanisch mit dem Gleichnis verbunden, bildeten aber ursprünglich keine Einheit. Ihrer Ansicht nach stehen die V. 10–12 den V. 8b–9 entgegen und beugen dem Missverständnis vor, „dass Christen zu unredlichem Umgang mit Geld aufgefordert sind.“ Kramer, Lukas 144. V. 13, der von Lukas angefügt worden sei, korrigiere seinerseits „die Weisung eines allzu treuen Umgangs mit dem Mammon.“ Kramer, Lukas 145.
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Während sich im ersten Teil des 16. Kapitels Detailfragen vor allem auf die Parabel beziehen, ist es im zweiten Teil eher umgekehrt. Hier zeigen sich große Probleme im Verständnis der Verse, die der Parabel vorangehen. Dabei ist die Frage nach der Bedeutung der Selbstgerechtigkeit der Pharisäer in V. 15, die in V. 14 durch die Autorität des Autors als geldliebend charakterisiert werden,71 weniger schwer zu beantworten. Eine besondere Schwierigkeit stellt V. 16 dar, „dessen Interpretation aufgrund seiner Rätsel und seiner strategischen Bedeutung für die Theologie des Lukas am umstrittensten war.“ 72 Kann V. 16 als Beleg für die These von der heilsgeschichtlichen Ablösung der Zeit Israels durch die Verkündigung Jesu dienen73 oder können dieser und die folgenden Verse nicht „in den Rang schlechthinniger Programmaussagen für ein lukanisches Gesetzesverständnis“74 erhoben werden? Es ist also zu klären, in welcher Beziehung die Kernbegriffe des Verses, also ὁ νόμος καὶ οἱ προφῆται, Ἰωάννης und ἡ βασιλεία τοῦ θεοῦ stehen und was Lukas mit diesen Begriffen meint. Bilden ὁ νόμος καὶ οἱ προφῆται eine Einheit? Welche Stellung nimmt Johannes ein, gehört er zum Bereich des Gesetzes und der Propheten oder zum Bereich der βασιλεία τοῦ θεοῦ?75 Ist eine scharfe Abgrenzung der genannten heilsgeschichtlichen Größen überhaupt im Sinne des Lukas? In diesem Zusammenhang stellen sich im Detail die Fragen, welches Prädikat in V. 16a gedanklich zu ergänzen ist76 und ob βιάζεται in V. 16c als Medium oder Passiv zu verstehen ist.77 Drängt sich jeder in das Reich Gottes hinein78 oder wird jeder hineingedrängt?79 Oder bedeutet die Wendung eher, dass dem Reich Gottes Gewalt angetan wird?80 Des Weiteren stellt sich die Frage nach dem Zusammenhang des Verses mit den vorhergehenden und auch mit den folgenden Versen. Besteht ein Bezug des Verses zum Kontext,81 ist er also innerhalb des Kontextes zu
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Durch eine solche direkte Evaluation von Figuren wird der Leser maßgeblich gesteuert. Siehe: von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 125. So: Bovon, Lukas III 98. Vgl.: Conzelmann, Mitte. Auch Klein, Lukasevangelium 548, interpretiert, dass Gesetz und Propheten nun ihre Gültigkeit verloren haben. von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 343. Vgl.: Ch. G. Müller, Prophet 260/1; Bachmann, Johannes 149; Heil, Lukas und Q 264; Burchard, Lukas 16,16 121. Siehe verschiedene Vorschläge bei: Wolter, Lukasevangelium 555. Siehe zu dieser Frage besonders: Cortés; Gatti, Luke 16:16 247/59; Giesen, Verantwortung 218/28; Prieur, Gottesherrschaft 238/41; Ramelli, Luke 16:16 737/58. So verstehen z. B. die EÜ 2016 und die LB 2017 den Begriff. Diese Sicht vertreten z. B.: Kosch, Tora 22, 27, 67; Schweizer, Lukas 171; Cortés; Gatti, Luke 16:16 248/51; Kremer, Lukasevangelium 164; Ramelli, Luke 16:16 738/9; Wolter, Lukasevangelium 556. Diese Sicht wird heute kaum noch vertreten. Siehe hierzu: Giesen, Verantwortung 222. Für M. Wolter ist ein Zusammenhang der V. 16–18 zu den V. 14–15 und 19–31 nur schwer zu erkennen. Siehe: Wolter, Lukasevangelium 554.
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interpretieren82 oder muss die Interpretation ohne Berücksichtigung des näheren Kontextes erfolgen?83 Konkret: Warum wurden die in V. 16 genannten heils- bzw. offenbarungsgeschichtlichen Größen in Zusammenhang mit V. 14–15, mit den Pharisäern und deren Kritik an Jesu Haltung zum Reichtum erwähnt? Und in welcher Beziehung steht V. 17, der besagt, dass kein Häkchen vom Gesetz wegfällt, zu V. 16? Ist er als Klarstellung zu verstehen84 oder stellt er einen Widerspruch zu V. 16 dar?85 Wie passt diese Aussage von der uneingeschränkten Gültigkeit des Gesetzes überhaupt in den Rahmen des Lukasevangeliums, wie passt sie zu der dort geschilderten Haltung Jesu zu den Sabbatgeboten und zu der in der Apostelgeschichte vertretenen Heidenmission? Kommt V. 18 mit seiner Thematik von Ehescheidung und Ehebruch unvermittelt, steht der Vers isoliert da?86 Wie passt dieser Vers, der Parallelen bei Mk und Mt hat und der die Ehescheidung mit anschließender Wiederheirat als Ehebruch qualifiziert, in den Kontext und in die das Kapitel dominierende Reichtumsthematik? Hat F. Bovon recht, dass die V. 16–18 kaum eine Beziehung untereinander und auch nicht innerhalb ihres Kontextes haben? 87 Ist V. 18 vielleicht als Beispiel für die in V. 17 genannte Verbindlichkeit des Gesetzes zu verstehen? 88 Wie passt die hier geäußerte Haltung dann aber zu den Regelungen des Gesetzes und zur Praxis des Judentums, die eine Ehescheidung und Wiederheirat vorsehen? Oder stellt V. 18 vielmehr die eschatologische Interpretation des Gesetzes durch Jesus dar?89 Bezüglich des nur durch ein δέ an die V. 15–18 angeschlossenen Gleichnisses vom reichen Mann und dem armen Lazarus, 90 wie die Parabel meistens genannt wird, stellen sich die gleichen Fragen hinsichtlich des Erzählduktus und der Personenkonstellation wie beim ersten Gleichnis des 16. Kapitels. Dar82
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Dies fordern: Danker, Luke 16 16 232; Burchard, Lukas 16,16 120; von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 341/3; Busse, Nazareth-Manifest Jesu 88/90. Diese Ansicht vertritt: Kümmel, Lukas 16,16 93. Siehe: Rodenbusch, Komposition 243; Hoffmann, Logienquelle 55/6; Wolter, Lukasevangelium 556; Klein, Lukasevangelium 546. So: Kümmel, Lukas 16,16 92. So: Vawter, Divorce 529. Vgl.: Johnson, Luke 254. Vgl.: Bovon, Lukas III 103. Auch Wolter, Lukasevangelium 556, formuliert: „Warum er diese Weisung ausgerechnet hier bringt, obwohl sie mit dem Thema des Kontextes nichts zu tun hat, bleibt sein Geheimnis.“ Die EÜ 1980 trennt in diesem Sinn die V. 14–15 unter der Überschrift „Das Urteil Jesu über die Pharisäer“ von den V. 16–18, die mit „Vom Gesetz und von der Ehescheidung“ überschrieben sind. Die in dieser Studie vertretene Zusammengehörigkeit der V. 14–18 wird dagegen in der EÜ 2016 vertreten, da diese Verse hier unter der Überschrift „Das Gesetz in Gottes Reich“ als Einheit gedruckt sind. Diese Möglichkeit nennt: Wolter, Lukasevangelium 556. So: Tiwald, ΑΠΟ ΔΕ ΑΡΧΗΣ ΚΤΙΣΩΣ 370/4. Einen Überblick über die Literatur bietet: Bovon, Lukas III 105/8. Auslegungen aus der Frühzeit der Kirche, aus dem 19. und beginnenden 20. Jahrhundert sowie Predigten und Homilien führt Fonck, Parabeln 695/6 und 718/23, auf.
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über hinaus werden in der Forschung zu diesem Gleichnis Fragen nach der ursprünglichen, vorlukanischen Gestalt des Textes und nach literarischen Vorlagen diskutiert.91 Endete das Gleichnis ursprünglich mit V. 25 oder 26, und wurden die V. 27–31 vielleicht von Lukas92 oder schon vor Lukas dem ursprünglichen Text hinzugefügt?93 Diente dem Autor des Gleichnistextes (V. 19–25) die ägyptische Erzählung von Si-Osiris religionsgeschichtlich als Vorlage94 oder stehen die Dialoge Cataplus und Gallus des Lukian in Beziehung mit der Gestaltung der Erzählung?95 Oder lässt die Erzählung eher allgemein verbreitete volkstümliche Motive erkennen?96 Hinsichtlich der Gesamtaussage der Parabel gehen die Meinungen der Exegeten nicht derart weit auseinander wie beim Gleichnis vom klugen Verwalter. Allgemein wird die Ansicht vertreten, dass der Text darauf hinweist, dass eigensüchtiger Gebrauch des Vermögens und die damit verbundene Nichtbeachtung des Mitmenschen zu Konsequenzen nach dem Tod führen, dass der Text also zu finanziellem Einsatz für notleidende Mitmenschen aufruft.97 Dennoch stellen sich auch bei diesem Gleichnis im Detail eine Reihe von Fragen, die unterschiedlich beantwortet werden und dadurch verschiedene Nuancen im Textverständnis ergeben. Wodurch werden der Reichtum des Reichen und die Armut des Armen erzählerisch ausgemalt? 91
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Auf diese Fragen wird in der vorliegenden Arbeit nicht eingegangen, da sich die Untersuchung auf den vorliegenden Text des Lukas bezieht. Kramer, Lukas 150/3, sieht viele Spuren lukanischer Redaktion in der Erzählung, hält den Text aber in seiner Gesamtheit für vorlukanisch. Sie geht davon aus, dass der ursprüngliche Text (V. 19–26: die eschatische Umkehrung der Verhältnisse des irdischen Lebens) zwei Erweiterungen erfahren hat, eine erste in V. 27–29 (Verweis auf die Propheten und die Forderungen der Tora) und eine zweite in V. 30–31 (Präzisierung des Gedankens der μετάνοια). Vgl.: Heininger, Metaphorik 179 und 190. Nach Leonhardt-Balzer, Reicher 649, könnten die V. 30 und 31 auf lukanische Redaktion zurückgehen. Dies hält auch Bovon, Lukas III 112/3 und 125/6, für möglich, der den ursprünglichen Erzählstoff aber auch auf die V. 19–26 begrenzt und meint, die V. 27–29 könnten vom Verfasser des lukanischen Sonderguts angefügt worden sein. Siehe zu den literarkritischen Modellen: Lau, Lukas 232/3. Dies nimmt Jülicher, Gleichnisreden II 638/41, an; V. 26 könne als Überleitung gebildet worden sein. Seines Erachtens ist der Text jetzt „blos in vergewaltigtem Zustande vorhanden.“ So: Jülicher, Gleichnisreden II 641. Vgl.: Bultmann, Geschichte 193/213; Kramer, Lukas 150/3; Busse u. a., Jesus 121. Gegen diese Zweiteilung des Textes sprechen sich klar aus: Schnider; Stenger, Tür 273/83. So: Gressmann, Lazarus 1/91. Siehe hierzu: Bredenhof, Failure and Prospect 7/9. Dies meint: Hock, Lazarus 447/63. Gegen diese Annahme sprechen sich aus: Wolter, Lukasevangelium 558; Leonhardt-Balzer, Reicher 656; Bauckham, Lazarus 234/5. Vgl. z. B.: Busse u. a., Jesus 121; Donahue, Gospel 169 und Seccombe, Possessions 174. Siehe z. B.: Fonck, Parabeln 717; Schnider; Stenger, Tür 281. Vgl.: Forbes, God 190. Der Evangelist mahnt die Mitglieder der lukanischen Gemeinde, „mit Reichtum und Besitz in der Weise umzugehen, daß sie das himmlische Ziel (und nicht den Hades) erreichen. Die Christen werden nicht mit dem Jenseits getröstet, sondern es wird ihnen eine aktive Lebens- und Weltgestaltung im Sinne des lk. Evangeliums abverlangt.” So: Busse u. a., Jesus 122. Siehe auch: Hoppe, Arm und reich 90/1.
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Was bedeutet, dass sich der Reiche in Purpur kleidet? Warum wird der Arme mit einem Namen bezeichnet, warum gerade mit dem Namen Lazarus, was „Gott hilft“ bedeutet?98 Wird so ausgedrückt, dass Gott die einzige Hilfe für den Armen darstellt oder hat die Bezeichnung des Armen mit einem Namen eher narrative Gründe?99 Sind die Hunde die einzigen, die sich des Lazarus erbarmen und seine Wunden lecken100 oder wird durch dieses Bild die Dramatik der Notlage des Lazarus nur noch verstärkt?101 Warum wird die Bestattung des Reichen erwähnt, die des Armen aber nicht? Wird so seine Armut betont 102 oder wird der Arme wie Henoch und Elija entrückt103 und so zum Typ des Gerechten stilisiert?104 Wichtig sind auch die Fragen nach der Funktion Abrahams, nach der Bedeutung des Verweises auf Mose und die Propheten sowie die Frage nach dem, was hier mit „Umkehr“ gemeint ist. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nach der literarischen Funktion der fünf Brüder des Reichen. Geht es in der Erzählung neben dem Reichen vor allem um sie? Sollte man das Gleichnis dann nicht besser als „Gleichnis von den sechs Brüdern“ bezeichnen?105 Insgesamt stellt sich die Frage, warum es zu einer Umkehrung der Verhältnisse des Armen und des Reichen – offensichtlich unmittelbar – nach dem Tod kommt. Was hat der Reiche falsch gemacht, inwiefern hat nach der Sicht des Lukas – allgemein gesprochen – das Verhalten im Leben Auswirkungen auf das Sein nach dem Tod? Und tritt nach der Auffassung des Lukas die individuelle Vergeltung für das Verhalten im Leben nicht erst mit der Wiederkunft Christi in Kraft, sondern direkt nach dem Tod des einzelnen Menschen? 106 Mit Blick auf V. 31 wird die Frage diskutiert, ob dieser Vers einen Hinweis auf die Auferstehung Jesu und auf das Scheitern der Christusverkündigung vor Juden enthält.107 98
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Siehe hierzu z. B.: Nolland, Luke 828. Siehe zu den verschiedenen Interpretationsrichtungen: Bredenhof, Lazarus 51/67. Die im Aufsatz genannten Aspekte finden sich auch in Bredenhofs Monographie. Vgl.: Bredenhof, Failure and Prospect 47/50 und 65/71. Siehe auch: Krüger, Gott oder Mammon 37. Letzteres nimmt Wolter, Lukasevangelium 558, an. So z. B.: Bovon, Lukas III 120. Auch Neumann, Armut und Reichtum 99/102, sieht die Hunde positiv. Er ist der Meinung, Lazarus könne „sich an den Hunden und ihrem Tun erfreuen.“ So: Neumann, Armut und Reichtum 100. Die Ansicht, dass die Hunde Lazarus zu Hilfe kommen, vertritt auch: Klein, Lukasevangelium 553. So z. B.: Petracca, Gott oder das Geld 185; Wolter, Lukasevangelium 559. Dagegen spricht sich Wolter, Lukasevangelium 559, aus. Siehe hierzu: Wolter, Lukasevangelium 559; Nolland, Luke 829; Hintzen, Verkündigung und Wahrnehmung 200/5. So: Leonhardt-Balzer, Reicher 650. So: Jeremias, Gleichnisse 185. Siehe zu diesem individualeschatologischen Konzept des Lukas: Busse, Eschatologie 141/78. Diese Ansicht vertreten: Jülicher, Gleichnisreden II 639; von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 347; Nolland, Luke 831; G. Schneider, Lukas 342; Forbes, God 194; Reinmuth, Ps.-Philo 36. Gegenargumente gegen diese Auffassung bringt vor: Wolter, Lukasevangelium 563. Leonhardt-Balzer, Reicher 658/9, hält aus dem Gesamtzusammen-
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Des Weiteren stellt sich die Frage, ob man aus dem Bild der Totenwelt, das Lukas hier zeichnet, allgemein eine lukanische Sicht des Jenseits ableiten kann.108 Den hier skizzierten Fragen wird im Folgenden nachgegangen, insofern sie eine Bedeutung für das Verständnis des jetzt vorliegenden Textes des Lukasevangeliums109 haben. Fragen nach Herkunft und vielleicht vorlukanischer Fassung von Textstücken werden dagegen in der Regel nicht erörtert. Ziel der folgenden Überlegungen und Untersuchungen ist es, den Sinn der Aussagen des 16. Kapitels zu erfassen und zu prüfen, ob eine stringente Gedankenführung und Argumentation im 16. Kapitel gegeben ist. Dabei darf es allerdings nicht darum gehen, einfachhin einen Sinn erkennen zu lassen, der aus einer vorher eingenommenen Denkrichtung an den Text herangetragen wird. Vielmehr muss der Text selbst zu Wort kommen dürfen und der Sinn des Textes – soweit dies möglich ist110 – unvoreingenommen aus diesem selbst wahrgenommen werden. Hierbei gilt es, die Strategien des Textes zu berücksichtigen, mit denen der Leser oder Hörer zu einem bestimmten Bewusstsein gelangen und zu neuem Handeln bewegt werden soll.111
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hang des lukanischen Doppelwerks eine Deutung für möglich, wonach man im Reichen ein Symbol für die Juden und in Lazarus ein Symbol für die Heidenchristen sehen kann, „die durch die Auferstehung Christi Zugang zu der wahren Deutung der Tora und Propheten erhalten.“ So: Leonhardt-Balzer, Reicher 659. Dagegen sprechen sich aus: Jülicher, Gleichnisreden II 623/5; Snodgrass, Stories 430/2. In allen textkritischen Fragen stimme ich mit der Ausgabe von Nestle-Aland 2012 überein, deren textkritische Sigla in dieser Studie Verwendung finden. Einige textkritische Probleme werden im semantischen Teil näher betrachtet. Jeder Leser ist ja ein Kind seiner Zeit und geprägt von verschiedenen Faktoren. Ausgehend von der Sprechakttheorie hat die pragmatische Gleichnisforschung immer wieder betont, dass gerade Gleichnisse den Hörer oder Leser zu einer Verhaltensänderung drängen wollen. Vgl.: Egger, Methodenlehre 133/4. Zur Sprechakttheorie siehe: Austin, Sprechakte; Searle, Sprechakte; Wunderlich, Sprechakttheorie. Busse, Unterweisung 142, weist darauf hin, dass insbesondere die Gleichnisse des sogenannten lukanischen Reiseberichts der Leserunterweisung dienen, dass sie eine „beispielhafte Relevanz für die Praxis der späteren Christen haben.“ Siehe zu der für Gleichnisrezipienten nötigen Bereitschaft, sich auf die fiktive Welt des Textes einzulassen und sich auf eine neue Erfahrungsebene zu begeben: Hoppe, Jesus 93.
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Der Text und seine Intention: Bemerkungen zu Fragestellung und Methodik
In der Forschung wird bis heute die literarische Kohärenz des 16. Kapitels des Lukasevangeliums in Frage gestellt. Es wird gesagt, die den beiden Gleichnissen des Kapitels folgenden (Lk 16, 9–13) bzw. vorangehenden (Lk 16,14–18) Sprüche seien von einem Endredaktor sekundär den Gleichnissen beigefügt worden, ja die zum Teil der Tradition entnommenen Sprüche selbst seien ohne inneren Zusammenhang – vielleicht aufgrund einer Stichwortverbindung – zusammengestellt worden.1 In der vorliegenden Studie wird dagegen davon ausgegangen, dass Lukas seinen Lesern und Hörern einen zusammenhängenden, in sich schlüssigen und verständlichen Text bieten wollte.2 Ziel der Untersuchung ist es also, die Kohärenz des Textstücks aufzuzeigen, d. h. nachzuweisen, dass der Text einen stringenten Gedankengang bietet, der von den Rezipienten zur Zeit seiner Entstehung als solcher auch wahrgenommen werden konnte. Damit verbunden ist freilich die in dieser Untersuchung zu beantwortende Frage, welche in sich schlüssigen Verstehensmöglichkeiten der Text anbietet. Es geht vor allem darum, die Komposition des Textstücks und den Argumentationsgang bzw. die Intention des Textes zu erfassen bzw. – vom Rezipienten her gesehen – einen adäquaten Verstehensprozess aufzuzeigen. Die vorliegende Untersuchung ist also nicht in erster Linie an der Historie des Textes bzw. einzelner Verse interessiert, sie fragt nicht primär nach den Quellen, aus denen der Text zusammengesetzt ist, und nicht nach der ursprünglichen Textgestalt dieser Quellen oder sogar danach, was vielleicht vom historischen Jesus selbst gesagt worden ist. Dennoch finden die Ergebnisse der 1
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Für die V. 9–13 vertreten dies z. B.: Bovon, Lukas III 73/4, 90/1; Reinmuth, Verwalter 636/7; Heil, Klugheit und Phantasie 248/53; Kramer, Lukas 143/5. Von einer mangelnden Zusammengehörigkeit der V. 14–18 gehen aus: Wolter, Lukasevangelium 554/6; Bovon, Lukas III 73/4, 90/1, 103.; Kramer, Lukas 68, 143/5, 194/5, 291/3. Zu V. 18 siehe auch: Vawter, Divorce 529. Vgl.: Johnson, Luke 254. Neudorfer betont, dass davon auszugehen ist, „dass der uns vorliegende Text dem Verfasser (bzw. Letztbearbeiter) als in sich stimmig erschien.“ So: Neudorfer, Analyse 253. Auch Ebner vertritt klar eine solche Position: „Solange ich nicht vom Gegenteil überzeugt worden bin, halte ich an der Option fest, dass unsere biblischen Texte in der Form, in der sie uns jetzt vorliegen, einen in sich geschlossenen Sinn ergeben sollen – anders gesagt: dass die jeweiligen Redaktoren der Endtexte einen in sich geschlossenen Sinn intendiert haben. Methodisch ist festzuhalten: So sehr und so genau der ‚Eigensinn‘ von Traditionen in ihrem Ursprungskontext eruiert und betont werden muss, so sehr ist dieser ‚Eigensinn‘ auszublenden, wenn der gleiche Text in einen anderen Kontext eingebaut ist und der Gesamtsinn dieses Textes erhoben werden soll.“ So: Ebner, Skandal 99/100.
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Der Text und seine Intention
Literarkritik3 in der vorliegenden Studie Berücksichtigung.4 Wo es nötig ist, also bei Versen, die sich auch bei Mk und/oder Mt finden, werden mit Blick auf die redaktionelle Arbeit des Lukas auch literarkritische Fragen diskutiert. Generell wird die Zwei-Quellen-Theorie, die die besten Ergebnisse gebracht hat und in sich plausibel ist,5 als Theorie zur Entstehung und zum Zusammenhang der synoptischen Evangelien vorausgesetzt.6 Fragen der Form- und Gattungskritik, die in der 1. Hälfte des 20. Jh. 7 den Blick auf die vorschriftliche, mündliche Form der Quellen richtete,8 die Entstehung und Geschichte dieser Überlieferungen in den frühen Gemeinden festzustellen versuchte,9 also ihre soziale Verortung, ihren „Sitz im Leben“ 10 der Gemeinden untersuchte und dabei literarische Gattungen, Formen und Formeln 11 definierte,12 werden in dieser Studie
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„Die Literarkritik untersucht die neutestamentlichen Texte daraufhin, ob zu ihrer Abfassung schriftliche Vorlagen verwendet wurden, und stellt sich die Aufgabe, diese Vorlagen zu rekonstruieren sowie deren theologischen Akzente und deren Sitz im Leben zu erhellen.“ So: Egger; Wick, Methodenlehre 226. H. Zimmermann, Methodenlehre 93, betont, dass Literarkritik wesentlich als Quellenkritik verstanden werden kann. Siehe auch die von Kliesch bearbeitete, 1982 erschienene Neuauflage des Werks von H. Zimmermann, Neutestamentliche Methodenlehre. Vgl.: Neudorfer, Analyse 245. Neudorfer, Analyse 248/50, bietet auch einen historischen Überblick über die Entstehung und Entwicklung der Literarkritik. Allerdings geht es in dieser Untersuchung gerade darum, den Text mit seinen scheinbaren Textbrüchen, die auf verschiedene Quellen hindeuten könnten, als in sich stimmigen, kohärenten Text zu erweisen. Zur Problematik der literarkritischen Methode, die den Text in verschiedene Quellen „zerpflückt“, siehe: Rohde, Methode 253 und Egger; Wick, Methodenlehre 229/30. Zum „Methodenkonflikt“ siehe: Léon-Dufour (Hrsg.), Exegese und Methodenkonflikt; Ricoeur, Hermeneutik und Strukturalismus; Stock, Umgang. Vgl.: Busse, Wunder 40/2. „Der Höhepunkt der Literar- und Quellenkritik fällt etwa in die Zeit der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, als man glaubte, die sich aus den Unterschieden der synoptischen Evangelien und den Übereinstimmungen zwischen ihnen ergebenden Probleme durch die Zweiquellentheorie erklären zu können.“ So: Rohde, Methode 7. Siehe zum synoptischen Vergleich und den verschiedenen Modellen zur Entstehung der Evangelien: Baum, Vergleich 259/77. Einen geschichtlichen Überblick über die Formgeschichte und die einzelnen, der Formgeschichte zuzurechnenden Werke bieten: H. Zimmermann, Methodenlehre 135/40 und Rohde, Methode 10/3. Siehe auch: Schnabel, Form- und Gattungsanalyse 279/82. Vgl.: Rohde, Methode 9/10. Egger; Wick, Methodenlehre 238/44, bezeichnen die Methode, die nach der mündlichen Vorgeschichte der Texte fragt, als Traditionskritik. Vgl.: Schnabel, Form- und Gattungsanalyse 280. Siehe zu diesem von H. Gunkel geprägten Begriff: H. Zimmermann, Methodenlehre 179/81. Als „Gattung“ wird meist die übergreifende Form, also z. B. „Evangelium“, bezeichnet, „unter „Form“ die kleinere – mündlich oder schriftlich fixierte – Einheit und unter „Formel“ die kurze, fest geprägte Wendung“ verstanden. So: H. Zimmermann, Methodenlehre 140.
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eher weniger berücksichtigt. Während wichtige Vertreter der Formgeschichte davon ausgingen, dass die Evangelisten eher Sammler und Zusammensteller vorgegebener, in den Gemeinden geprägter Überlieferung seien, 13 wird in der vorliegenden Untersuchung davon ausgegangen, dass die Verfasser der Evangelien mit ihrem Text jeweils sehr bewusst ihre eigenen theologischen und christologischen Überzeugungen vermitteln sowie auf gruppenspezifische Prozesse in den Gemeinden einwirken wollen. Diese Sicht wird auch von der redaktionsgeschichtlichen Forschungsrichtung vertreten, die nach dem Zweiten Weltkrieg die Formkritik ablöste bzw. ergänzte. 14 „Die Formgeschichte […] hatte es unternommen, hinter die vorliegenden synoptischen Evangelien zurück in das Stadium der vor ihnen liegenden mündlichen Überlieferung zurückzufragen. Das Interesse der RG [Redaktionsgeschichte; J. K.] gilt demgegenüber den vorliegenden schriftlichen Evangelien, ihrem geschichtlichen Hintergrund und ihrer theologischen Aussage.“ 15 Die Redaktionsgeschichte richtet „das Augenmerk auf die Verarbeitung des Traditionsgutes durch die Evangelisten und fragt nach den Veränderungen, die der Traditionsstoff durch das Eingreifen der Redaktoren erfahren hat sowie nach den hinter dem Redaktionsvorgang stehenden theologischen Motiven.“16 Konkret geht es z. B. um die Konzeption des Evangeliums, den Rahmen, in den der Autor die Traditionsstücke hineingestellt hat, die Auswahl des Traditionsstoffes sowie seine Anordnung und Veränderung.17 Solche Fragen, die die Redaktion betreffen, werden in der vorliegenden Arbeit berücksichtigt. Zwar stehen bei redaktionsgeschichtlichen Untersuchungen das vorliegende Werk und die theologische Aussage des Evangelisten im Vordergrund, doch war die redaktionsgeschichtliche Methode vor allem in ihrem frühen Stadium diachron ausgerichtet, d. h. auf die Verar12
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Eine Übersicht hierzu bietet: H. Zimmermann, Methodenlehre 141/78. Eine Zusammenstellung der von M. Dibelius und R. Bultmann bestimmten Formen führt auf: Schnabel, Form- und Gattungsanalyse 281/2. Siehe zu dieser Sicht in Bezug auf Dibelius und Bultmann: Schnabel, Form- und Gattungsanalyse 280. Zur Kritik daran siehe: Schnabel, Form- und Gattungsanalyse 284. Vgl. auch: H. Zimmermann, Methodenlehre 137/8 und Busse, Wunder 43. Allerdings haben auch einige der Formgeschichte verbundene Exegeten schon die literarische Bedeutung der Evangelisten gesehen. Siehe hierzu: Rohde, Methode 31/40. Für das Lukasevangelium beginnen die redaktionsgeschichtlichen Untersuchungen mit: Conzelmann, Mitte. Siehe hierzu: Egger; Wick, Methodenlehre und Rohde, Methode 29/30. Vgl.: Baum, Methode 326/30. In Bezug auf die Apostelgeschichte setzt die redaktionsgeschichtliche Forschung mit Haenchen, Apostelgeschichte, ein. Redaktionskritische Fragen wurden allerdings auch schon vorher gestellt. Siehe hierzu: Rohde, Methode 31/40 und Baum, Methode 331/6. Rohde, Methode 18/9. Baum, Methode 326 (im Original kursiv). Vgl. zur Redaktionsgeschichte bzw. Redaktionskritik auch: Egger; Wick, Methodenlehre 255/64. Siehe die detaillierte Übersicht bei: H. Zimmermann, Methodenlehre 227/37. Es geht auch um sprachlich-stilistische, semantische und pragmatische Eigentümlichkeiten eines Werkes. Siehe: Egger; Wick, Methodenlehre 258.
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beitung der Traditionen und die Entstehung, also auf die Geschichte des Textes konzentriert. Demgegenüber ist die von der Redaktionsgeschichte zu differenzierende Redaktionskritik schon an der synchronen Betrachtung des Textes interessiert, die dann zu einer Berücksichtigung literaturwissenschaftlicher Ansätze bei der Textinterpretation führt.18 Solche literaturwissenschaftlichen, synchronen Interpretationsmethoden beziehen sich auf den Text als solchen, sie blicken z. B. auf die Struktur des Textes oder auch auf sprachliche, stilistische und inhaltliche Bezüge innerhalb eines Textes. 19 Eine Methodologie, die auf den Nachweis der Kohärenz des Textes abzielt, findet in der vorliegenden Untersuchung hauptsächlich Anwendung. Diese ist zurzeit literaturwissenschaftlicher Art. Es erfolgt allerdings keine Festlegung auf eine einzige literaturwissenschaftliche Methode, die in Reinform auf den Text angewendet und mit der der Text eher starr aus nur einer Perspektive untersucht würde. Vielmehr werden viele verschiedene Methoden für die Interpretation fruchtbar gemacht.20 Dies ist schon deshalb sinnvoll, weil das 16. Kapitel des Lukasevangeliums aus unterschiedlichen Textsorten, aus fiktionalen Erzähltexten (Gleichnissen), die in die Erzählwelt des Evangeliums eingebettet sind, und aus Logien und Sentenzen besteht. Wenn auch das 16. Kapitel aus verschiedenen Textabschnitten besteht und diese in der vorliegenden Arbeit gesondert untersucht werden, so soll doch nachgewiesen werden, dass diese Textstücke eine in sich geschlossene Komposition und stringente Argumentation darstellen, die freilich auch mit den vorhergehenden und nachfolgenden Textstücken in enger Beziehung steht und als Teil des Gesamttextes „Lukasevangelium“ konstituiert ist. Die Hinwendung der redaktionskritischen Exegese und die in der vorliegenden Untersuchung angestrebte Konzentrierung auf den Text als solchen ist für die Interpretation neutestamentlicher Texte besonders erforderlich. Denn 18
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Siehe hierzu: Busse, Wunder 46: „Der ‚Sitz im Leben‘, der in der formgeschichtlichen Periode rein historisch wie soziologisch definiert war, gewinnt eine weitere Komponente hinzu. Er läßt sich literarisch bestimmen. Demnach ist die redaktionsgeschichtliche Fragestellung eminent literaturwissenschaftlich geprägt. Deshalb ist es konsequent, von Redaktionskritik und nicht mehr von ‚Redaktionsgeschichte‘ zu sprechen, solange eine chronologische Verhältnisbestimmung der einzelnen Redaktionen untereinander nicht erwogen wird.“ Vgl. auch: Busse, Wunder 48. Siehe hierzu: Egger; Wick, Methodenlehre 106/219. Vgl. auch: Güttgemanns, Methodik 99/183. „Jede Methode macht durch ihre Fragestellung auf bestimmte Aspekte des Textes aufmerksam. Der Vielfalt der Aspekte des Textes entspricht eine Vielfalt an Methoden. […] Methoden sind nicht mechanisch anzuwendende Mittel, um den Sinn des Textes zu erfassen. Methoden sind als Hinweis zu verstehen, in welcher Richtung Beobachtungen am Text zu sammeln sind und wie der Sinn des Textes möglichst angemessen erschlossen werden kann.“ So: Egger; Wick, Methodenlehre 30. Siehe auch: Egger; Wick, Methodenlehre 127. Vgl.: von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 113; Bredenhof, Failure and Prospect 29.
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der Text ist die Größe, die dem Rezipienten, dem Leser oder Hörer, präsent ist. Der Autor, der Evangelist, der den Text geschaffen hat (und dabei vielleicht Textteile von anderen Autoren übernommen hat), ist nicht bekannt, weder seine Lebensgeschichte noch seine persönlichen und auch theologischen Einstellungen sind überliefert oder dokumentiert. Lediglich der Text selbst kann – bestenfalls rudimentäre – Rückschlüsse auf die Person des Autors, auf den realen bzw. empirischen Autor, und auf seine Absichten, die er bei und mit der Entstehung des Textes verfolgte, zulassen. Von daher sind autorbezogene Interpretationsansätze, die in der Extremform die Biographie oder Persönlichkeit des Autors zur Grundlage der Textinterpretation machen, für die Exegese unseres Textes ausgeschlossen.21 Allerdings hat U. Eco plausibel dargelegt, dass innerhalb der Literaturwissenschaft der Text an sich die Größe ist bzw. sein muss, die Grundlage der Interpretation ist22 und an der sich zudem die Güte einer Interpretation erweist.23 Es muss also bei der Interpretation um ein Verstehen der Textintention gehen und nicht um ein Herausarbeiten der Intention des Autors.24 Denn die Textintention, d. h. das, was der Text zum Ausdruck bringt und bei Rezipienten auslösen kann, kann sehr verschieden sein von dem, was der empirische Autor tatsächlich beabsichtigt hat. 25 Berücksichtigt werden muss auch, dass der Text, der sich nach der Veröffentlichung geradezu verselbstständigt, durchaus verschiedene Verstehenshorizonte eröffnen kann, an die der Autor gar nicht gedacht hat. 26 Dennoch muss daran festgehalten werden, dass der Text als kohärente Äußerung von einem konkreten, empirischen Autor (oder von mehreren Autoren) geschaffen worden ist und (in der Regel) an einen oder mehrere Adressaten bzw. Empfänger gerichtet ist und
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Vgl. zu solchen Interpretationsansätzen: Jannidis u. a., Autor und Interpretation 11/6. Siehe: Eco, Zwischen Autor und Text 279/94. Zu Ecos Theorie siehe: Jannidis u. a., Umberto Eco 276: „Ecos Interpretationsmodell basiert auf seinem Kommunikationsmodell, in dem der empirische Autor zwar der Urheber des Textes ist, der Text aber nach seiner Entstehung autonom ist und große Diskrepanzen zwischen der Absicht des empirischen Autors und der Textintention bestehen können. Der Text zielt auf einen exemplarischen Leser. Der empirische Leser kann nur Vermutungen anstellen, welchen exemplarischen Leser der Text erfordern würde. Damit ist übrigens nicht gemeint, dass der Text nur eine einzige Bedeutung hat. […] So wie die Textintention auf einen exemplarischen Leser zielt, der über sie mutmaßt, ist dieser umgekehrt auf einen exemplarischen Autor bezogen. Der exemplarische Autor, keineswegs identisch mit dem empirischen, stimmt mit der Textintention überein.“ Siehe: Jannidis u. a., Autor und Interpretation 17: „Die Textintention ist zwar im Text nicht ohne weiteres gegeben, sondern muss vom Leser allererst konstruiert werden. Aber nicht beliebige Assoziationen des Lesers, sondern Merkmale des Textes bilden die relevanten Bezugspunkte dieser (Re-)Konstruktion.“ Neben Eco fordern das u. a. auch Wimsatt; Beardsley, Fehlschluss 84/101. Vgl.: Egger; Wick, Methodenlehre 55. Siehe hierzu z. B.: Egger; Wick, Methodenlehre 55.
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meistens beim Adressaten eine Reaktion hervorrufen will. 27 Im Text kommt also der Autor zur Sprache.28 Da aber bei den in der vorliegenden Arbeit zu untersuchenden Texten nur das fassbar ist, was der vom Autor geschaffene Text (unter Umständen mehrdeutig) zur Sprache bringt, ist die von U. Eco getroffene Unterscheidung zwischen dem empirischen Autor und dem exemplarischen Autor, der im Grunde mit der Textintention identisch ist, auch hier sinnvoll. Ungefähr das, was Eco mit dem Begriff „exemplarischer Autor“ meint, wird von anderen Literaturwissenschaftlern als „impliziter Autor“ bezeichnet.29 Der implizite Autor ist sozusagen das Bild des Autors, das sich im Text 27
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Eine allgemein gültige Definition des Begriffs „Text“ gibt es nicht. Siehe: Egger; Wick, Methodenlehre 107. Egger; Wick, Methodenlehre 43, machen darauf aufmerksam, dass eine sprachliche Äußerung sich dadurch als Text erweist, „dass die Teile der sprachlichen Äußerung aufeinander verweisen und sich nur aus dem Zusammenhang erklären lassen.“ Habermann, Text. Einführung 582, definiert Text als „ein Mittel sprachlichen Handelns, das jemand in einer bestimmten Situation und zu einem bestimmten Zweck als eine relativ geschlossene strukturelle und/oder thematische Einheit deklariert oder rezipiert.“ Sie verweist darauf, dass ein Text Teileinheit eines Diskurses ist: „Bei einer kommunikativ-pragmatischen Betrachtung ist der T. eingebettet in eine Kommunikationssituation, an der mindestens ein Textproduzent und ein Textrezipient beteiligt sind. Als relativ abgeschlossene thematische Einheit, die in einen spezifischen Situationskontext eingebettet ist, kommt ihm eine bestimmte kommunikative Funktion zu.“ So: Habermann, Text. Textlinguistisch 588. Siehe auch: Busse, Johannesevangelium. 8/10. Sprachwissenschaftler, die vor allem den Rezipienten ins Zentrum der Betrachtung rücken, messen dem Autor kaum Bedeutung zu, ja sprechen sogar vom „Tod des Autors“. So lautet der Titel des 1968 in der Zeitschrift Manteia erschienenen Aufsatzes von Roland Barthes La mort de l’auteur. Siehe die deutsche Übersetzung des Aufsatzes: Barthes, Tod des Autors 185/93. Vgl. zu Barthes: Jannidis u. a., Autor und Interpretation 22/3. Siehe zur gelegentlich geäußerten These, dass der Autor wenig Bedeutung hat: Döpp, Autor 62. Vgl.: Lubkoll, Autor 62/3. „Der ‚implizite Autor‘ bezeichnet eine Instanz, die sowohl vom fiktiven Erzähler als auch vom realen Autor des Werkes unterschieden ist. Anstelle einer genauen Definition wird der ‚implizite Autor‘ in einer Reihe von Kennzeichnungen als Gesamtbedeutung eines literarischen Werkes, als moralischer und emotionaler Gehalt der dargestellten Handlung, als Summe der künstlerischen Entscheidungen des Verfassers und als Inbegriff des künstlerischen Textganzen, also im Sinne eines abstrakten Sachverhaltes beschrieben; der Begriff wird aber auch als zweites Selbst (‚the author’s second self‘) und als Bild des Autors im Text personifiziert.“ So: Jannidis u. a., Wayne C. Booth 138. Der Begriff des „impliziten Autors“ geht auf W. C. Booth und sein 1961 erschienenes Buch „The Rhetoric of Fiction“ zurück. Siehe zu seiner These: Booth, Autor 142/52. Siehe dazu: Jannidis u. a., Autor und Interpretation 19/20: „In Booths nicht immer konsistenten Begriffsbestimmungen erscheint der implizite Autor in der Regel als Textimplikat, nämlich als das Bild des realen Autors, insoweit dieser sich in seinem Text ausdrückt. Der implizite Autor wird dabei fast ununterscheidbar von der Gesamtbedeutung des Textes. Booth führt jedoch die anthropomorphe Instanz des ‚impliziten Autors‘ ein, weil er die Gültigkeit eines intentionalen Bedeutungskonzepts voraussetzt, demzufolge die Bedeutung eines Textes nur mit Bezug auf die Intention des Textproduzenten zu verstehen sei. […] Das Konzept des ‚impliziten Autors‘ entspringt dem Versuch, im Rahmen einer textzentrierten Interpretationstheorie den Autor als Bezugspunkt der Interpreta-
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manifestiert und dem man in einem adäquaten Lesevorgang begegnet. Wenn die redaktionskritische Exegese vom Autor spricht, meint sie im Grunde den impliziten Autor, das, was der Text über den Autor zu erkennen gibt. Es geht ihr letztlich um die Textintention und nicht um die Intention des Autors, des Evangelisten, der unbekannt ist und bleibt. Wenn – wie auch in der vorliegenden Untersuchung – von der Sicht des Lukas die Rede ist, ist die Sicht des lukanischen Textes (des Lukasevangeliums – und der Apostelgeschichte, wenn man beides als zwei Teile eines Werkes, eines Textes, auffasst –) gemeint. Da der vom Autor verfasste Text nach obiger Definition auf einen Rezipienten abzielt und in diesem Reaktionen hervorrufen will, spielt der Rezipient, der Leser oder Hörer, eine sehr wichtige Rolle im Verstehensprozess. 30 Bei den neutestamentlichen Texten sind wie bei allen nicht zeitgenössischen Texten die heutigen Leser und Hörer natürlich nicht die vom Autor intendierten Leser und Hörer, also diejenigen, die der Autor als Rezipienten im Blick gehabt hat. 31 Wie der Autor ist aber auch der Leser, der intendierte wie der heutige, am Text „beteiligt“, indem er ihn auf seine Weise versteht bzw. interpretiert, die Bedeutung des Textes erfasst, ihm Sinn gibt bzw. diesen Sinn (re)konstruiert. Dabei ist er wie der Autor abhängig von seinem Vorwissen, seinen biographischen Vorprägungen, seinen Einstellungen und Erfahrungen, der Zeit, in der er lebt, von ihn bedrängenden Fragen usw., die er in den Text einbringt.32 Daher ist es klar, dass derselbe Text von den Rezipienten verschiedener Zeiten und Kulturen, aber auch von verschiedenen Rezipienten derselben Zeit und desselben kulturellen Hintergrunds unterschiedlich verstanden werden kann. Es gibt also nicht die Textinterpretation an sich, sondern der Text als eigenständiges Kunstwerk ist nicht nur auf eine Weise zu verstehen. 33 Vertreter der Rezeptionsästhetik, die
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tion zu (re-)etablieren – eben als Textimplikat.“ Laut Ebner; Heininger, Exegese 102, verbindet sich mit dem impliziten Autor „jene Vorstellung, die sich der Leser während eines Textes von dessen Autor macht. Der implizite Autor ist demnach eine aus dem Text zu erschließende und zwischen historischem oder realem Autor und Erzähler anzusiedelnde Instanz“. Vgl.: Ziegler, Dionysos 31. Das Modell des „impliziten Autors“ wird kritisiert von Genette, Implizierter Autor, implizierter Leser? 233/46. Vgl. zu den Theorien, die bei der Interpretation vor allem den Leser ins Zentrum rücken: Jannidis u. a., Autor und Interpretation 20/4. Vgl.: Egger; Wick, Methodenlehre 56. Siehe: Egger; Wick, Methodenlehre 56. Vgl.: Fludernik, Erzähltheorie 51/2. Ziegler, Dionysos 32, formuliert: „Ein Text hat nicht nur einen Sinn, der vom realen Autor dem Text über alle Zweifel erhaben eingeprägt wurde und der quasi textarchäologisch zu heben wäre, sondern jeder Text ist polyvalent. Das wiederum bedeutet, dass Rezeption und Verstehen eines Textes keine eindimensionalen Vorgänge sind, sondern dass der Leser am Bedeutungsaufbau eines Textes konstruktiv beteiligt ist. Der Leser wird zum Mitarbeiter und Mitautor. Verstehen eines Textes ist kein reproduktives, sondern ein produktives Verfahren.“ Dies gilt insbesondere für fiktionale Texte. Siehe: Martínez; Scheffel, Erzähltheorie 21 und 135/6. Vgl.: Alkier, Intertextualiät 3. Siehe auch: Egger; Wick, Methodenlehre 178: „Zu unterschiedlichen Zeiten verstehen unterschiedliche Leser den gleichen Text unterschiedlich.
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den Leser als wichtigste Instanz im Verstehensprozess sehen, betonen, dass erst der Leser es ist, der dem Text Sinn und Leben gibt, dass es letztlich auf der Grundlage des zu verstehenden einen Textes so viele Texte gibt, wie es Leser gibt. Eine solche Theorie birgt freilich die Gefahr der Beliebigkeit;34 jedes Verständnis des Textes kann dann letztlich als ein vom konkreten Leser legitim konstruiertes Verständnis aufgefasst werden. Sinnvoll ist es, sich hier U. Eco anzuschließen und auf den Text als Text zu verweisen. 35 Denn der Text mit seinen Strukturen, seiner Semantik und seinem kulturellen Hintergrund lässt eben nicht jedes Verständnis zu. Es kann vom Text aus durchaus beurteilt werden, ob eine Interpretation dem Text nicht gemäß ist. Der Text selbst gibt nämlich Hinweise zu einem ihm angemessenen Lesevorgang, er bietet Hinweise, wie er vom Leser verstanden werden kann und wie er nicht verstanden werden kann. Diese im Text impliziten Hinweise für den Leser können als „impliziter Leser“ bezeichnet werden.36 Der „implizite Leser“ „hat keine reale Existenz, sondern ist eine abstrakte Verkörperung des idealen Leseakts, der den Text komplett aufnimmt.“37 Letztlich ist also der Text sowohl Gegenstand des Interpretierens als auch die Größe, die Hinweise zum Verständnis bietet und an der selbst die Güte des Interpretationsprozesses beurteilt werden kann. Insofern steht in der vorliegenden Untersuchung der Text38 im Zentrum der Aufmerksamkeit. Der Text soll interpretiert werden, indem nicht unkontrolliert eigene Ideen in den Text eingebracht werden, sondern indem systematisch nachprüf-
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Je weniger ein Text determiniert ist, desto stärker ist der Leser an seiner Sinnkonstitution beteiligt.“ Die strukturalistisch geprägten Textwissenschaftler fordern, den Text als autonomes Kunstwerk zu betrachten. Vgl.: Sänger, Intertextualität 301. Vgl.: Jannidis u. a., Autor und Interpretation 24. Gegen die leserorientierten Interpretationstheorien führt Eco die Textintention an. „Die Textintention sei zwar nicht direkt greifbar, sondern stets ein Interpretationskonstrukt des Lesers; im Gegensatz zu radikal leserorientierten Positionen schreibt Eco dem Text jedoch eine gewichtige Rolle zu. Das gilt jedoch nicht für jede Verwendungsweise von Texten. Eco unterscheidet zwischen dem Gebrauch von Texten, also ihrer beliebigen Verwendung durch den Leser, und ihrer Interpretation, die den kulturellen und sprachlichen Hintergrund der Texte anerkennt. Interpretationen in diesem Sinne sind keineswegs alle gleichwertig.“ So: Jannidis u. a., Umberto Eco 275. Der Begriff des impliziten Lesers „geht auf Wolfgang Iser zurück und bezeichnet eine im Akt des Lesens zu realisierende Leserrolle“. So: Ebner; Heininger, Exegese 102. Siehe das vielbeachtete Buch: Iser, Akt des Lesens. Feichtinger, Leser 283, siehe dort auch: „Der von W. Iser […] geprägte, rezeptionsästhetische i. L. korrespondiert der dem Text eingeschriebenen (normativen) Werkstruktur, die den adäquaten Lesevorgang bestimmt“. Bevor der Text untersucht wird, ist zunächst zu klären, wie der genaue Wortlaut des Textes beschaffen ist, d. h. es müssen zunächst die im Laufe der Zeit entstandenen Textvarianten gegeneinander abgewogen werden und so ein (dem ursprünglichen Text wahrscheinlich nahekommender) Text rekonstruiert werden, der dann Basis der Textuntersuchung ist. Textkritische Fragen werden in der vorliegenden Studie nur vereinzelt thematisiert, im Ganzen stützt sich die Arbeit auf den Text von Nestle-Aland 2012.
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bar das Kommunikationsgeschehen zwischen Autor und Rezipient in den Blick genommen wird.39 Es geht im Folgenden darum, die im Text implizierte Leserrolle wahrzunehmen, die im Text angelegten Verstehenssignale zu erfassen und Leerstellen entsprechend zu füllen. 40 Es wird versucht, die Textintention herauszuarbeiten, indem eine Interpretation durchgeführt wird, die orientiert ist an der Struktur des Textes, an der Syntax des Textes, 41 an der Semantik des Textes,42 an den narrativen Gesetzen, denen der Text folgt,43 und an den thematischen und sprachlichen Beziehungen des Textes zu anderen Texten des Autors und der Zeit.44 Im Folgenden soll also nun der Text selbst zur Sprache kommen.
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Vgl.: Egger; Wick, Methodenlehre 29/31. „W. Iser konstruiert den i.n L. dort, wo der Text mit Hilfe von Unbestimmtheitsstellen den historischen Leser zu Konkretisationen nötigt. Der i. L. füllt die Leerstellen des Textes nach Maßgabe seiner kognitiven, sozialen und sozialisatorischen sowie situativen Voraussetzungen durch eigene Vorstellungsgehalte aus, entspricht also diesem individuellen Beitrag des realen Lesers zum literarischen Text. Mit anderen Worten ist der i. L. gleichsam die erst vom realen Leser hergestellte Bedeutungsdimension des prinzipiell bedeutungsoffenen literarischen Textes.“ So: Jeßing, Leser 284. Vgl. auch: Jannidis u. a., Autor und Interpretation 21, die zu Isers Modell sagen: „Die Bedeutung von Texten sei keineswegs ausschließlich im Text selbst verankert, vielmehr fülle der Leser in seiner Lektüre eines Textes dessen Leerstellen aufgrund seines Wissens aus. Isers Modell zielt dabei weniger auf den empirischen Leser, als vielmehr auf die Textinstanz des idealen Lesers ab.“ Siehe zur sprachlich-syntaktischen Analyse: Egger; Wick, Methodenlehre 115/30. Sehr bedeutend für das Verständnis jedes Textes und Textabschnitts ist die Semantik des Vokabulars, die Wortsemantik der Begriffe, die der Text verwendet. Da der hier zu untersuchende Text nahezu zweitausend Jahre alt und zudem nicht in der Muttersprache des heutigen Lesers verfasst ist, ist eine richtige Erfassung des Wortsinns und damit des Textsinns besonders schwierig und wichtig zugleich. Es ist notwendig zu untersuchen, wie ein einzelner Begriff sonst vom selben Autor gebraucht wird und welche Bedeutungsnuancen ein Begriff zur Zeit der Entstehung des Textes hatte, wie er also vom Rezipienten aufgefasst werden konnte. Dazu ist auch der Blick auf die Literatur anderer Autoren der jeweiligen Zeit erforderlich. Siehe zur narrativen Analyse: Egger; Wick, Methodenlehre 174//87. Dass jeder Text durch andere, vorherige Texte, durch Prätexte, beeinflusst ist, zu ihnen in Beziehung steht, ist zwar in der neutestamentlichen Exegese immer schon berücksichtigt worden, doch wird dem Aspekt der Intertextualität heute eine größere Bedeutung beigemessen. So wird in der vorliegenden Studie versucht, die Bezüge zu anderen Texten, zu Prätexten, aufzuzeigen. Dies kann helfen, den Text in ein geistiges Umfeld einzuordnen und aufzudecken, auf welche „Vorkenntnisse“ der Text bei der Argumentation anspielt und wie der Text vom impliziten Leser verstanden werden konnte. Vgl. zur Intertextualität z. B.: Sänger, Intertextualität 301/2. Vgl. auch: Alkier, Intertextualität 1/26; Ploner, Schriften 37/69; Ziegler, Dionysos 31/6; Bredenhof, Failure and Prospect 23/6 und 109/48 (mit Bezug auf Lk 16,19–31). Vgl. auch: Busse, Johannes und Lukas 283.
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Die Texteinheit Lk 16,1–31 und ihre unterschiedlichen Textabschnitte
Das Lukasevangelium lässt sich wie die anderen Evangelien und die Apostelgeschichte der literarischen Form der Erzählung zuordnen.1 Denn in ihnen werden hauptsächlich Entwicklungen und Veränderungen der thematisierten Figuren erzählerisch dargestellt.2 Das Lukasevangelium erhebt, wie das Proömium (Lk 1,1–4) zu erkennen gibt, den Anspruch, keine fiktionale, sondern eine faktuale Erzählung zu sein.3 Denn das im Proömium sprechende „Ich“ (Lk 1,3), das traditionell „Lukas“ genannt wird, behauptet jedenfalls, sich auf historische Ereignisse zu beziehen und diese nach sorgfältiger Prüfung der Reihe nach dem Rezipienten seines Textes4 darzulegen. Dieses „Ich“, also Lukas, erzählt die Geschichte5 seinem Adressaten Theophilus. Es kann davon ausgegangen werden, dass das erzählende „Ich“ identisch ist mit dem Autor des Textes, der im Fall der Evangelisten – wie gesagt – ohnehin nur textintern als impliziter Autor erkennbar ist. Eine Unterscheidung zwischen Autor und Erzähler, wie sie bei fiktionalen Texten häufig sinnvoll und in der modernen Literaturwissenschaft üblich ist, ist also beim Text des Lukasevangeliums nicht gegeben.6 Da der Erzähler bzw. Autor abgesehen vom Proömium im Text der 1 2 3
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Vgl.: Blumenthal, Basileia 24. Siehe auch: Ebner; Heininger, Exegese 67/8. Vgl.: Blumenthal, Basileia 25/6. Siehe: Ebner; Heininger, Exegese 68. Darauf weist nachdrücklich Blumenthal, Basileia 22/4 und 29/31, hin. Lukas bezieht sich „in seinem Erzählwerk tatsächlich auf ein ihm vorausliegendes historisches Geschehen […], aus welchem er einzelne Geschehensmomente auswählt und diese konstruierend zu einer Erzählung von einem Abschnitt aus der Geschichte Israels verbindet. Wenn er dabei auch fiktionale Darstellungselemente einsetzt, nutzt er den ihm von der griechischen bzw. römischen Geschichtsschreibung zur Verfügung gestellten Spielraum aus, ohne dass dadurch die Erzählung in ihrem Wesen nach zur fiktionalen Erzählung wird.“ So: Blumenthal, Basileia 30/1. Vgl. zum Unterschied zwischen fiktionalen und faktualen Erzählungen: Fludernik, Erzähltheorie 11/2 und Martínez; Scheffel, Erzähltheorie 11/22. Martínez; Scheffel, Erzähltheorie 19, definieren: „Faktuale Texte sind Teil einer realen Kommunikation, in der das reale Schreiben eines realen Autors einen Text produziert, der aus Sätzen besteht, die von einem realen Leser gelesen und als tatsächliche Behauptungen des Autors verstanden werden.“ Mit Bezug auf G. Genette wird in der Regel zwischen dem Erzählakt, dem Text als Produkt und der Geschichte, die der Erzähler erzählt, unterschieden. Siehe z. B.: Fludernik, Erzähltheorie 10/1, die selbst Erzählakt und Text zum Erzählerbericht zusammenfasst. Siehe auch: Martínez; Scheffel, Erzähltheorie 26/7. Die Geschichte oder Story kann als „eine Serie von Ereignissen oder Aktionen definiert werden, die eine Veränderung des Ausgangszustandes zur Folge haben.“ So: Ebner; Heininger, Exegese 63. „Faktuale Erzählungen zeichnet […] die Identität von Autor und Erzähler aus“. So: Ebner; Heininger, Exegese 100. Siehe auch: Blumenthal, Basileia 32. „Im lukanischen Erzählwerk
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Die Texteinheit Lk 16,1–31 und ihre unterschiedlichen Textabschnitte
Geschichte nicht selbst in Erscheinung tritt und von einer äußeren Warte „allwissend“ über andere erzählt, lässt er sich narratologisch als extradiegetischheterodiegetischer Erzähler7 oder als auktorialer Erzähler8 definieren. Der Text der Erzählung „Lukasevangelium“ setzt sich zusammen aus Erzählpartien, die der Erzähler Lukas vorträgt, der sogenannten Erzählerrede, und aus Partien, in denen die Figuren der Erzählung selbst zu Wort kommen, den sogenannten Figurenreden.9 Da die (historische) Person Jesus die Hauptfigur des Lukasevangeliums darstellt, werden die meisten Figurenreden des Textes des Lukasevangeliums von Jesus gesprochen. Während ein großer Teil der Reden Jesu appellativ-argumentativer Art ist, nutzt er des Öfteren – wie auch im 16. Kapitel – fiktionale Erzählungen, nämlich Gleichnisse, die als Binnenerzählungen10 bezeichnet werden können. Somit fungiert Jesus narratologisch als ein intradiegetisch-heterodiegetischer Erzähler11, d. h. als ein Erzähler, der als Figur in der Gesamterzählung Geschichten erzählt, in denen er selbst nicht vorkommt. Der auktoriale Erzähler Lukas strukturiert den Text seiner Evangelienerzählung durch Gliederungssignale, durch die er die einzelnen Episoden 12 voneinander absetzt. So macht er durch den Wechsel von Erzählerrede und Figurenrede13 und durch den Wechsel des Ortes, der Zeit und der Figurenkonstella-
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fingiert der Autor keinen fiktiven Erzähler“. So: Blumenthal, Basileia 32 Anm. 110. Siehe hierzu auch: Fludernik, Erzähltheorie 23/4 und 72. Vgl.: Ebner; Heininger, Exegese 105. Siehe auch: Fludernik, Erzähltheorie 42 und Martínez; Scheffel, Erzähltheorie 86/9. „Die auktoriale Fokalisierung (auch: Nullfokalisierung) ist dadurch charakterisiert, dass der Erzähler mehr weiß bzw. mitteilt, als irgendeine seiner Erzählfiguren weiß bzw. wahrnimmt. Sein ‚Blickfeld‘ unterliegt keinerlei Beschränkung, er hat die Übersicht.“ So: Ebner; Heininger, Exegese 84. Vgl.: Fludernik, Erzähltheorie 32 und 49; Martínez; Scheffel, Erzähltheorie 95. Siehe hierzu: Blumenthal, Basileia 27/8. Vgl. auch: Ebner; Heininger, Exegese 83. Blumenthal, Basileia 28, weist darauf hin, dass Figurenrede „auch zur Charakterisierung der sich äußernden Figur“ dient und so eine narrative Funktion hat. Siehe zur Figurenrede auch: Martínez; Scheffel, Erzähltheorie 54. Mit Martínez; Scheffel, Erzähltheorie 102/3, lässt sich in Bezug auf Jesus von privilegierter Figurenrede sprechen, da „das logische Privileg des Erzählers, die unbedingte Gültigkeit seiner Behauptungen,“ auch auf die Figur Jesus ausgedehnt ist. Vgl.: Ebner; Heininger, Exegese 105 und Fludernik, Erzähltheorie 39. Martínez; Scheffel, Erzähltheorie 83, weisen darauf hin, dass in der Regel ein thematischer Bezug zwischen Rahmen- und Binnenerzählung besteht. Vgl.: Ebner; Heininger, Exegese 104/5. Siehe: Martínez; Scheffel, Erzähltheorie 80 und 86. „Zu einem intradiegetischen Erzähler gehören raumzeitlich bestimmte Umstände, unter denen er erzählt, sowie ein intradiegetischer Hörer oder Leser.“ So: Martínez; Scheffel, Erzähltheorie 89. Martínez; Scheffel, Erzähltheorie 216, definieren eine Episode als eine „Handlungseinheit mittlerer Größe zwischen einem einzelnen Ereignis und der umfassenden Geschichte eines narrativen Textes.“ Siehe auch: Martínez; Scheffel, Erzähltheorie 115/6. Vgl. hierzu: Ebner; Heininger, Exegese 93.
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tion14 deutlich, dass eine neue Texteinheit beginnt.15 Im sogenannten16 Reisebericht (Lk 9,51–19,28)17 wiederholt er öfter den Hinweis, dass Jesus auf dem Weg 14
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von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 389, hält eine Untergliederung nach den Adressaten für sinnvoll. Er weist darauf hin, dass die Anordnung der Jesusrede „in der Konstellation zirkulierender Auditorien und ihrer typischen Repräsentanten […] vielmehr eine leserpragmatische Zielsetzung [hat]. Die Leser sind der Rede des κύριος an unterschiedliche Auditorien und Interpellanten in einem ständigen Perspektivenwechsel ausgesetzt. Monolineare Identifikationen sind ihnen auf diese Weise verwehrt.“ Vgl.: Wolter, Lukasevangelium 17, der in Bezug auf den Wechsel von Ort, Zeit und Figuren schreibt: „Es liegt auf der Hand, dass dort, wo alle drei Parameter geändert werden (wie z. B. in 2,1–3; 3,1–2; 22,1–6), die Gliederungseinschnitte tiefer sind als dort, wo nur einer wechselt (wie z. B. in 8,19).“ Siehe auch: Denaux, Delineation 359/60 und 378. Eine Reiseroute oder ein Reisebericht im eigentlichen Sinn wird von Lukas nicht geboten, dennoch scheint Lukas durch die wiederkehrenden Reisenotizen seine Erzählung gliedern zu wollen. Die Funktion des Reiseberichts, in dem Lukas den Markusrahmen verlässt und Texte aus Q und Sondergut „einschiebt“, ist umstritten. Siehe z. B.: Sellin, Komposition 100/1 und 133/5, der davon ausgeht, dass „der dahingehende Jesus seinen Jüngern ein Testament für die Zeit der Kirche“ (Sellin, Komposition 134/5) gibt. J. Schneider, Analyse 207/29, hält das für einen Reisebericht unpassende Fehlen von Orts- und Zeitangaben für Absicht. Seines Erachtens hat der „Bericht“ didaktisch-paränetischen Charakter. Er wolle Weisungen für das Leben der Jünger und der Gemeinde geben. Siehe v. a.: J. Schneider, Analyse 218/22. Evans, Central Section 37/53, hält den Reisebericht für ein christliches Deuteronomium. Jesus werde als ein neuer Mose dargestellt. Lk 16,1– 18 entspreche Dtn 23,15–24,4 und Lk 16,19–18,8 entspreche Dtn 24,6–25,3. Wolter, Lukasevangelium 365, bezeichnet den Reisebericht als eines „der größten Rätsel des lukanischen Doppelwerks“. Für Reicke, Instruction and Discussion 206, ist der Reisebericht nicht nur der zentrale Teil des Lukasevangeliums, sondern auch „the central enigma of this Gospel“. Nach Ansicht Reickes sind die Unterweisung der Apostel und die Auseinandersetzuung mit Gegnern die zentralen Themen des Reiseberichts. Siehe: Reicke, Instruction and Discussion 210. Siehe zum Reisebericht auch: Blinzler, Eigenart 20/52. Er betont v. a., dass es sich nicht um einen chronologischen oder geographischen Bericht handelt und dass die Reisenotizen (9,51 und 17,11 sieht er in enger Verbindung mit den unmittelbar folgenden Episoden) ein literarisches Mittel des Lukas seien, „um die ihm von seinen Quellen meist situationslos dargebotenen Stoffe ohne Schädigung des Gesamtcharakters seines Werkes, das sonst im allgemeinen als fortlaufender Bericht gestaltet ist, in dieses aufnehmen zu können.“ So: Blinzler, Eigenart 34. Von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 6/48, bietet einen guten Überblick über die Grundlinien der Forschung. Aufgrund seiner beachtlichen Analyse kommt von Bendemann zum Ergebnis, dass die These eines Reiseberichts als eines Hauptteils von 9,51 bis zum 18. oder 19. Kapitel der Erzählweise des Lukas nicht entspricht, dass es also keinen Reisebericht gibt. Siehe v. a. die zusammenfassenden Aussagen: von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 382/411. Dass der sogenannte Reisebericht mit Lk 9,51 beginnt, ist nahezu Konsens der Forschung. Siehe hierzu z. B.: Wolter, Lukasevangelium 364/5. Von Bendemann, der die Texte von Lk 8,1 bis 21,38 analysiert und die Existenz eines Abschnitts „Reisebericht“ verneint, sieht in Lk 9,51 aber lediglich einen kontextgebundenen Gelenkvers, eine „Überschrift“ zur folgenden und eine „Unterschrift“ zur vorhergehenden Episode. Siehe: von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 86 und 80/90 sowie 385. Bei den Autoren, die von einem „Reisebericht“ ausgehen und ihn mit 9,51 beginnen lassen, gehen die Meinungen allerdings weit auseinander, mit welchem Vers dieser Abschnitt des Lu-
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nach Jerusalem18 ist (Lk 13,22 und 17,11), und schafft so zusätzlich gliedernde Einschnitte.19 Die größere Texteinheit, zu der das 16. Kapitel gehört, beginnt in Lk 13,22 (Καὶ διεπορεύετο κατὰ πόλεις καὶ κώμας διδάσκων καὶ πορείαν ποιούμενος εἰς Ἱεροσόλυμα) und endet in Lk 17,10 (17,11: Καὶ ἐγένετο ἐν τῷ πορεύεσθαι εἰς Ἰερουσαλὴμ καὶ αὐτὸς διήρχετο διὰ μέσον Σαμαρείας καὶ Γαλιλαίας).20 Doch gliedert Lukas diese größere Einheit durch die oben genannten Signale in kleinere Einheiten. So bildet das 15. Kapitel, das drei Gleichnisse umfasst, eine thematische Einheit, die als Jesusrede an die Pharisäer und Schriftgelehrten adressiert ist und ihren in Lk 15,1–2 erzählten Widerstand gegen Jesu Zuwendung zu den Sündern behandelt. 21 In dieser Einheit lässt Lukas Jesus die Freude Gottes am Wiederfinden der Sünder ausdrücken und zugleich um ein Einstimmen in diese eschatische Freude werben. Von dieser Einheit des 15. Kapitels wird das 16. Kapitel durch einen Adressatenwechsel abgesetzt. Durch die kurze Redeeinleitung ἔλεγεν δὲ καὶ πρὸς τοὺς μαθητάς wird deutlich, dass sich Jesus nun an die Jünger wendet und eine neue Rede Jesu in die große Erzählung des Evangeliums eingebettet wird. 22 Diese Rede
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kasevangeliums endet. Aufgrund sprachlicher Indizien (V. 28 als Abschlussvers in Entsprechung zu 9,51, V. 29 als Neueinsatz mit der ἐγένετο δὲ ἐν τῷ mit InfinitivKonstruktion und mit neuer Situationsangabe) schließe ich mich der Sicht von Sellin, Komposition 108/9, und vielen anderen Exegeten an, die meinen, Lukas beende den Reisebericht mit 19,28. Siehe zu den verschiedenen Positionen auch: Denaux, Delineation 363/6, der selbst für 19,44 als Ende plädiert, und Wolter, Lukasevangelium 365/6, der den Reisebericht mit 18,34 für beendet hält. Siehe auch: von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 65/70. Während z. B. Grundmann, Komposition 252/9, herausstreicht, dass Jesus im Reisebericht als Wanderer und Gast gezeigt werde, spricht sich Egelkraut, Mission 15/6, dafür aus, dass nicht die Reise als solche bedeutend ist, sondern das Ziel Jerusalem. Egelkraut, Mission 45/59, bietet einen Überblick über Interpretationen bis 1976. Für Egelkraut selbst steht die Auseinandersetzung Jesu mit den Juden und seine Zurückweisung durch Israel im Mittelpunkt des Reiseberichts. Siehe: Egelkraut, Mission 218/23. „Moreover, the travel notices 9,51; 13,22 and 17,11, fulfil a multiple introductory function: they not only introduce the immediately following pericope, but also a subsection.“ So: Denaux, Delineation 367. Vgl.: Diefenbach, Komposition 32 und 100. Auch von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 74/5 schreibt: „Allein die Wiederholung der Zielangabe Jerusalem zusammen mit Verben der Bewegung hat ohne Frage einen strukturierenden Effekt“. Anderer Ansicht ist: Wolter, Lukasevangelium 366/7. Vgl.: Denaux, Delineation 367 und Diefenbach, Komposition 99/105. Sellin, Komposition 110, sieht Lk 15,1–17,10 als Abschnitt an. Vgl.: Wolter, Lukasevangelium 20. Siehe auch: Diefenbach, Komposition 101. Von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 328, spricht „von einem in sich erzählerisch runden dramatisch-episodischen Abschnitt der Auseinandersetzung des lukanischen Jesus mit den Pharisäern und Schriftgelehrten.“ Vgl.: Kramer, Lukas 139.
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dauert bis V. 13 an und ist insofern als Einheit anzusehen. 23 Das betont am Satzanfang von V. 14 stehende ἤκουον und die Erwähnung der Pharisäer, an die sich die Gleichnisse des 15. Kapitels richten, die aber offenbar auch bei der Rede Lk 16,1–13 als anwesend gedacht sind, machen nämlich deutlich, dass der Abschnitt Lk 16,1–13 zu Ende ist und ein neuer Textabschnitt beginnt.24 Dennoch wird V. 14 eng an das Vorhergehende gebunden. Dass ein enger Bezug besteht, wird schon durch die Semantik des Wortes ἀκούειν und besonders durch das zurückweisende Demonstrativpronomen ταῦτα deutlich;25 in V. 14 erzählt Lukas die Reaktion der Pharisäer auf das zuvor von Jesus zu den Jüngern Gesagte und charakterisiert die Pharisäer zugleich in einer auktorialen Bemerkung als geldliebend. Durch die Redeeinleitung καὶ εἶπεν αὐτοῖς in V. 15 wird deutlich, dass Lukas nun eine weitere Rede anschließt, die sich jetzt aber an die in V. 14 genannten Pharisäer richtet, also einen anderen Adressatenkreis hat. Durch die oben genannten deutlichen Bezüge in V. 14 auf das Vorhergehende wird aber deutlich, dass die beiden Reden in Beziehung zueinander stehen und zusammen gelesen werden sollen. Schon bei einem ersten unbefangenen Lesen der beiden Reden fällt nicht nur auf, dass die erste mit einem Gleichnis beginnt und dass die zweite mit einem Gleichnis endet, sondern dass beide Gleichnisse von einem reichen Mann erzählen und im Wortlaut gleich beginnen: ἄνθρωπός τις ἦν πλούσιος – ἄνθρωπος δέ τις ἦν πλούσιος. Dieser Kunstgriff dürfte als weiterer Hinweis zu verstehen sein, dass die beiden Gleichnisse, aber auch die beiden Reden insgesamt in Beziehung zueinander stehen und thematisch zusammengehören.26 Insofern ist es berechtigt, die beiden Untereinheiten 16,1–13 und 16,14–31 als eine größere zusammenhängende Texteinheit, als ein Kapitel, zu sehen. Aufgrund des wiederkehrenden Begriffs πλούσιος und des Begriffs φιλάργυροι in 23
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Für die Richtigkeit dieser These, dass die V. 1b–13 eine zusammenhängende Rede Jesu bilden, die in V. 8 nicht durch die Erzählerrede des Lukas unterbrochen wird, werden nachfolgend Argumente geboten. Vgl. v. a. die Ausführungen zu V. 8a in Kapitel 5.1.3. Vgl.: von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 337/8. Siehe auch: Kramer, Lukas 139. Vgl.: von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 337/8. Bovon, Lukas III 71, sieht die V. 14–15 als Schluss der ersten Parabel und als Eröffnung der zweiten an. Ein Bezug der V. 1–13 ist aber auch nach vorne gegeben. So weist M. Wolter darauf hin, dass das Auditorium nach 14,25–35, wo es um die Bedingungen der Jüngerschaft geht, immer zwischen Pharisäern (und Schriftgelehrten) und Jüngern wechselt. Das Stichwort μισεῖν komme auch in 14,26 vor, das dreimalige οὐ δύναται in 14,26.27.33 werde durch das οὐ δύνασθε in 16,13 wieder aufgenommen. Siehe: Wolter, Streitgespräch 31. Sellin, Komposition 109, zählt V. 14 zu den kontextverbindenden Perikopeneinleitungen, allerdings meint er, in 16,14 könne wie in 11,27 und 13,1 die Zäsur etwas stärker sein als bei den übrigen kontextverbindenden Perikopeneinleitungen. Welzen, Lucas 151, vertritt die These, dass ταῦτα πάντα sich nicht nur auf die V. 1–13 des Kapitels 16, sondern auch auf die Gleichnisse des 15. Kapitels bezieht. Lukas stellt vor allem im sogenannten Reisebericht häufiger „gleichartige Stoffe, Themen und Erzählungen zusammen.“ So: Wolter, Lukasevangelium 20.
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V. 14, in dem Lukas die Reaktion der Pharisäer auf das zuvor Gesagte beschreibt und sie entsprechend charakterisiert, kann vermutet werden, dass es in dieser Texteinheit des 16. Kapitels – grob gesagt – um Geld und Reichtum geht. Wie gesagt, fällt sofort ins Auge, dass die erste Rede mit einem Gleichnis beginnt und dass die zweite mit einem Gleichnis endet. 27 Denn mit V. 1b und V. 19, insbesondere durch die Worte ἄνθρωπός τις, wird dem Leser, der ja bereits 10,30; 12,16; 14,16 und 15,11 kennt,28 klar, dass nun Gleichnisse, also fiktionale Erzählungen beginnen.29 Genauso deutlich ist aber, dass die Jesusreden nicht nur aus dem jeweiligen Gleichnis bestehen. In der zweiten Rede spricht Jesus erst vorbereitende Worte (V. 15–18), bevor er dann das Gleichnis mit Hilfe der Partikel δέ anfügt. Das Gleichnis und die Rede insgesamt enden mit V. 31, denn Lk 17,1 markiert durch den erneuten Adressatenwechsel zu den Jüngern einen neuen Textabschnitt.30 Während Lukas in der zweiten Rede zunächst Jesuslogien präsentiert und dann das Gleichnis anschließt, macht er es in der ersten Rede genau umgekehrt. Hier lässt er dem Gleichnis (V. 16,1–8) kommentierende Aussagen (V. 9–13) folgen. Das Gleichnis ist dabei spätestens mit V. 9a beendet: καὶ ἐγὼ ὑμῖν λέγω. Mit diesen Worten wird angezeigt, dass Jesus nun einen Kommentar zur fiktionalen Erzählung abgibt und diese somit beendet ist – der Leser ist an eine solche Einleitung von Kommentaren nach Gleichnissen durch 11,9; 12,22; 12,37; 12,44; 14,24; 15,7; 15,10 gewöhnt. Die Reden Jesu zerfallen also jeweils in eine fiktionale Erzählung und in weitere (kommentierende bzw. vorbereitende) Aussagen Jesu. Folglich umfassen beide Reden verschiedene Textsorten, nämlich Logien Jesu und Gleichnisse bzw. Parabeln, die zwar auch Jesusrede darstellen, die aber in der Schaffung einer fiktionalen Welt Erzählung metaphorischer Art ist. 31 Da die Stücke 1–832 und
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Lukas kombiniert im sogenannten Reisebericht häufig Logien Jesu mit Gleichnissen. Siehe: Sellin, Komposition 110/1. Dort beginnen die Gleichnisse ebenfalls mit ἄνθρωπός τις bzw. ἀνθρώπου τινός. Vgl.: Bredenhof, Failure and Prospect 82. Siehe zu solchen Textanfängen bzw. Textsignalen, die Erzählungen als fiktional ausweisen, auch: Martínez; Scheffel, Erzähltheorie 18 und Fludernik, Erzähltheorie 55. Die Bezüge des Abschnitts Lk 17,1–10 zum 16. Kapitel und innerhalb der größeren Einheit Lk 13,22–17,10 wurden in der Exegese bisher kaum erforscht und sind auch nicht Thema der vorliegenden Untersuchung. Siehe hierzu auch: Sellin, Komposition 105. V. 8a wird, da auf den ersten Blick von der Syntax und vom Wortschatz her kein Bruch zum Vorangehenden festzustellen ist, als zur fiktionalen Erzählung gehörig behandelt. Die Frage, ob V. 8a wirklich noch Bestandteil des Gleichnisses ist, oder – die direkte Rede unterbrechend – die Reaktion des Herrn Jesus wiedergibt, wird letztlich im semantischen Teil entschieden. Auch V. 8b wird zunächst, obwohl schon beim ersten Lesen die veränderte Syntax und besonders der andere Wortschatz auffallen, zusammen mit dem ersten Teil, der fiktionalen Erzählung, betrachtet.
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9–13 sowie 14(15)–1833 und 19–31 jeweils zwei verschiedene Textsorten mit verschiedener Struktur und anderem Wortschatz darstellen, werden sie im Folgenden getrennt besprochen.34 Das 16. Kapitel hat also – wenn man V. 14 zusammen mit V. 15a als erzählerisch freilich wichtige, das Folgende vorbereitende Redeeinleitung und nicht als eigene Erzählpartie werten will, wofür die Kürze, aber auch die Rückbezüge (ἀκούειν, ταῦτα) sowie der Vorverweis (οἱ Φαρισαῖοι – αὐτοῖς) sprechen könnten – einen chiastischen Aufbau:35 V. 1–8 V. 9–13 V. 14–18 V. 19–31
Gleichnis vom klugen Verwalter erklärende Sprüche vorbereitende Sprüche36 Gleichnis vom reichen Mann und vom armen Lazarus
a b b᾽ a᾽
Wenn man V. 14 allerdings als eigene Erzählpartie ansieht, in der durch die Charakterisierung der Pharisäer als φιλάργυροι und der Schilderung ihrer Reaktion auf Jesu Rede ein Hinweis auf das Thema der Einheit Lk 16 – nämlich φιλαργυρία – angegeben wird, dann ergibt sich für das 16. Kapitel die Struktur einer Ringkomposition:37 V. 1–8 V. 9–13 V. 14 V. 15–18 V. 19–31 33
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Gleichnis vom klugen Verwalter erklärende Sprüche „Gelenkvers“ mit Hinweis auf das Thema der Einheit vorbereitende Sprüche Gleichnis vom reichen Mann und vom armen Lazarus
a b c b᾽ a᾽
V. 14 und 15a stellen eine erweiterte Redeeinleitung zur folgenden Rede Jesu dar. Dabei kann V. 14 als „Gelenkvers“ angesehen werden, der die beiden Reden verbindet und der Hinweise zu ihrem Verständnis bietet. Auf ihre Bezüge zueinander wird an den entsprechenden Stellen eingegangen. Auch bezüglich der Textlänge ergibt sich eine einigermaßen gleiche Größe der korrespondierenden Textstücke, vor allem der Logien Jesu: V. 1–8: 166 Worte; V. 9–13: 95 Worte; V. 14–18: 89 Worte; V. 19–31: 232 Worte. „Eine kurze Einleitungsszene fordert ein Logion Jesu heraus (und daran schließt sich dann ein Gleichnis an, das in solchem Zusammenhang didaktische Funktion hat).“ Sellin, Komposition 112. Den Zusammenhang zwischen V. 14–18 (als Vorbereitung der folgenden Erzählung) und V. 19–31 sieht auch: Bredenhof, Failure and Prospect 37. Vgl.: Lupieri, Mammona Iniquitatis 132: „Indeed, the whole of Luke 16 is organized as a ‘circular’ or chiastic unit, rotating around the ironic reaction of the Pharisees (Luke 16:14), which roughly stands in the middle of the chapter.“ Lukas gestaltet Texteinheiten gelegentlich als Ringkompositionen. Siehe: Wolter, Lukasevangelium 22. Vgl.: von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 77. Baarlink, Struktur 481/506, versucht, eine solche Struktur für den gesamten Reisebericht nachzuweisen. Seines Erachtens entsprechen Lk 16,1–15 Lk 12,35–48, Lk 16,16–18 Lk 12,22–34 und Lk 16,19–31 Lk 12,13–21. Siehe: Baarlink, Struktur 488/90.
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Unter narratologischen Gesichtspunkten lässt sich das 16. Kapitel folgendermaßen gliedern: V. 1a Erzählpartie des auktorialen Erzählers Lukas V. 1b–13 Figurenrede Jesu V. 1b–8 fiktionale Erzählung des intradiegetischen Erzählers Jesus V. 1b–2a V. 2b–d V. 3a V. 3b–4 V. 5a V. 5b V. 6a V. 6b V. 6c V. 6d V. 7a V. 7b V. 7c V. 7d V. 7e V. 7f V. 8
Erzählpartie des Erzählers Jesus Redepartie der erzählten Figur des Gutsherrn Erzählpartie (Redeeinleitung) des Erzählers Jesus Innerer Monolog der erzählten Figur des Verwalters Erzählpartie des Erzählers Jesus Redepartie der erzählten Figur des Verwalters Erzählpartie (Redeeinleitung) des Erzählers Jesus Redepartie der erzählten Figur des ersten Schuldners Erzählpartie (Redeeinleitung) des Erzählers Jesus Redepartie der erzählten Figur des Verwalters Erzählpartie (Redeeinleitung) des Erzählers Jesus Redepartie der erzählten Figur des Verwalters Erzählpartie (Redeeinleitung) des Erzählers Jesus Redepartie der erzählten Figur des zweiten Schuldners Erzählpartie (Redeeinleitung) des Erzählers Jesus Redepartie der erzählten Figur des Verwalters Erzählpartie des Erzählers Jesus38
V. 9–13 kommentierende appellativ-argumentative Figurenrede Jesu V. 14–15a Erzählpartie des auktorialen Erzählers Lukas V. 15b–31 Figurenrede Jesu V. 15b–18 argumentative Figurenrede Jesu V. 19–31 fiktionale Rede des intradiegetischen Erzählers Jesus V. 19–24a Erzählpartie des Erzählers Jesus V. 24b Redepartie der erzählten Figur des Reichen V. 25a Erzählpartie (Redeeinleitung) des Erzählers Jesus V. 25b–26 Redepartie der erzählten Figur Abraham V. 27a Erzählpartie (Redeeinleitung) des Erzählers Jesus V. 27b–28 Redepartie der erzählten Figur des Reichen V. 29a Erzählpartie (Redeeinleitung) des Erzählers Jesus V. 29b–c Redepartie der erzählten Figur Abraham V. 30a Erzählpartie (Redeeinleitung) des Erzählers Jesus V. 30b Redepartie der erzählten Figur des Reichen V. 31a Erzählpartie (Redeeinleitung) des Erzählers Jesus V. 31b Redepartie der erzählten Figur Abraham
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Dieser Vers wird von vielen Exegeten als Erzählpartie des auktorialen Erzählers Lukas gedeutet. Nach dieser Annahme wird die Figurenrede V. 1b–7 durch V. 8 unterbrochen und mit V. 9a wieder aufgenommen. Zur Widerlegung dieser Sicht siehe die Beobachtungen in den Kapiteln 5.1.2 und 5.1.3.
Die Texteinheit Lk 16,1–31 und ihre unterschiedlichen Textabschnitte
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Sowohl die narrative Mikrostruktur als auch besonders die Makrostruktur zeigen, dass die Jesusreden Lk 16,1b–13 und Lk 16,15b–31 eng aufeinander bezogen sind und dass das 16. Kapitel kunstvoll komponiert und schon insofern als strukturelle Einheit zu betrachten ist. Ob die einzelnen, von Lukas im 16. Kapitel zusammengestellten bzw. formulierten Verse und Textstücke aber im Detail inhaltlich-thematisch wirklich zueinander passen und eine stringente Gedankenführung erkennen lassen und ob die unterschiedliche Adressierung der Jesusreden einerseits an die Jünger und andererseits an die Pharisäer einer einheitlichen Argumentation nicht widersprechen, muss in den folgenden detaillierten Untersuchungen erwiesen werden.
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Die textimmanenten Adressaten des 16. Kapitels
4.1
Die Jünger als Adressaten des Textabschnitts Lk 16,1–13: Die lukanische Sicht der Jünger
Lk 16,1a (ἔλεγεν δὲ καὶ πρὸς τοὺς μαθητάς) signalisiert – wie oben gesagt –, dass das vorangehende Textstück (Lk 15,11–32) nun zu Ende ist und dass eine neue Einheit beginnt. Durch den Begriff ἔλεγεν wird deutlich, dass nun eine Rede folgt. Dass Jesus der Redner ist, ist dem Rezipienten aus der (vorhergehenden) Situation des Lukasevangeliums klar, die Nennung des Subjekts „Jesus“ oder „der Herr“ unterbleibt meist.1 Durch die Wendung πρὸς τοὺς μαθητάς wird ausgedrückt, dass nun ein Adressatenwechsel erfolgt. Während das 15. Kapitel zu den Pharisäern und Schriftgelehrten gesprochen wurde (Lk 15,1–3), richtet sich die nun folgende Rede an die Jünger. Eine Charakterisierung der Jünger wird in der Redeeinleitung – wie sonst auch – nicht vorgenommen. Wer die Jünger sind, muss aus dem größeren Kontext erschlossen werden: Lukas gebraucht den Begriff μαθητής2 37-mal in seinem Evangelium, während sich μαθητής im kürzeren Markusevangelium 46-mal findet.3 Dass aber im
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Die letzte Erwähnung des Namens „Jesus“ in einer Redeeinleitung findet sich in Lk 10,30 und Lk 10,37. In Lk 12,42 wird ὁ κύριος als Subjekt in einer Redeeinleitung gebraucht. Der Leser ist also daran gewöhnt, dass das Subjekt nicht eigens erwähnt wird, wenn Jesus redet. Der Begriff μαθητής bezeichnet zunächst „den Menschen, der seinen Geist auf etwas richtet.“ So: Rengstorf, μανθάνω 418. Allgemein kann das Wort jeden bezeichnen, der bei einem Lehrer lernt. In einem erweiterten Sinn drückt der Begriff eine ideelle Gemeinschaft zwischen Lehrendem und Lernendem aus. Eine fast religiös anmutende Verehrung des Meisters durch die Jünger wird für Pythagoras, Epikur und Apollonius von Tyana bezeugt. Zum Gebrauch des Begriffs in der griechischen Antike siehe: Rengstorf, μανθάνω 418/28 und Friedrichsen, “Disciple(s)” 719/20. Der Begriff μαθητής kommt in der Septuaginta nicht vor, das hebräische Äquivalent talmid erscheint im AT nur 1 Chr 25,8. Ob die Beziehung zwischen Elija und Elischa als Jüngerschaft und ob der Kreis um Elischa und der Kreis um Jesaja als Jüngerkreise zu verstehen sind, ist umstritten. Vgl.: Friedrichsen, “Disciple(s)” 718/9; Kühschelm, Jünger 345 und Rengstorf, μανθάνω 428/34. Der Begriff talmid findet allerdings häufig Verwendung im rabbinischen Judentum. Um Gesetzeslehrer zu werden, schloss man sich als Schüler einem Rabbi an, um in der Schrift und der religiösen Überlieferung des Judentums unterwiesen zu werden. Siehe: Rengstorf, μανθάνω 434/42 und Merklein, Jüngerkreis 81/3. Im Matthäusevangelium kommt μαθητής 72-mal vor. Siehe: Friedrichsen, “Disciple(s)” 718.
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Die textimmanenten Adressaten des 16. Kapitels
Markusevangelium „die Jünger eine größere Rolle spielen als im Mt und Lk“4, ist zu bezweifeln. Zwar lässt Lukas den Begriff μαθητής aus der Markusvorlage an einigen Stellen aus, doch bleibt festzuhalten, dass er die weitaus meisten Erwähnungen der Jünger aus Mk übernimmt. 5 Die Auslassungen des Begriffs μαθητής sind oft dadurch begründet, dass er die gesamte markinische Perikope nicht in sein Evangelium übernimmt.6 An einigen Stellen lässt Lukas die Jünger vermutlich deshalb unerwähnt, weil eine Erwähnung seinem Bild der Jünger nicht entspricht. So kann er in Lk 9,23 die Jünger aus Mk 8,34 gestrichen haben, weil er die Jünger als Adressaten des Nachfolgespruchs „Wer mir folgen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach“ für unpassend hält, da sie Jesus ja bereits nachfolgen. Auch das Entsetzen der Jünger über Jesu Aussage, dass die Reichen es schwer haben, in das Reich Gottes zu gelangen (Mk 10,23.24), dürfte Lukas unpassend erschienen sein (Lk 18,24), da die Jünger, die Jesus nachfolgen, ihren „Reichtum“ aufgegeben haben (Lk 18,28 par Mk 10,28) und bzgl. des Reichtums wohl (bereits) ähnlich denken wie Jesus. Andererseits verwendet Lukas des Öfteren den Begriff μαθητής, wo er sich an der entsprechenden Textstelle der Markusvorlage nicht findet.7 Außerdem macht er, wie z. B. in 16,1, die Jünger zu Adressaten der Rede Jesu.8 Entsprechend der Darstellung in den anderen Evangelien beruft der lukanische Jesus Menschen in seine Nachfolge (Lk 5,27; 9,59).9 So spricht er von sich aus den Zöllner Levi an und fordert ihn auf: ἀκολούθει μοι (5,27). Dieser verlässt daraufhin alles (καταλιπὼν πάντα: lukanische Redaktion), folgt Jesus nach und richtet ihm ein großes Fest (δοχὴν μεγάλην: lukanische Redaktion) aus,10 an dem auch andere Zöllner und weitere Gäste teilnehmen. Vom Duktus des Lukasevangeliums her ist durchaus anzunehmen, dass die große, sich immer weiter ausbreitende11 Resonanz auf das Handeln Jesu (vgl. Lk 5,26, oder auch 5,15) zum Zeitpunkt der „Berufung“ bereits bis zu Levi gedrungen ist. Die spontane Reaktion Levis, der nicht als Jünger bezeichnet wird,12 hat dann ihren Grund nicht nur im herausfordernden Ruf Jesu, dem unbedingt Folge zu leisten
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Bracht, Jüngerschaft und Nachfolge 161. „Eigentliche Quelle der μαθηταί-Begrifflichkeit ist auch für Lukas das Markusevangelium; sein Sondergut steuert diesbezüglich nichts bei.“ So: Theobald, „Jesus und seine Jünger“ 223. Vgl. z. B. Mk 6,29 (Bestattung Johannes des Täufers); Mk 6,45 (Jesu Seewandel); Mk 8,1.4.6.10 (Speisung der Viertausend). So z. B.: Lk 6,13; 8,9; 12,1; 19,37.39; 20,45. Vgl.: Theobald, „Jesus und seine Jünger“ 223/4. Unter anderem darin unterscheidet sich Jesus von den Rabbinen. Siehe: Merklein, Jüngerkreis 82. Vgl. die Feier im Haus des Zöllners Zachäus (Lk 19,1–10). Vgl.: Lk 5,15. Vgl.: Friedrichsen, “Disciple(s)” 723.
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ist,13 sondern in der Freude des Zöllners, dass ihm als Sünder der heilvolle, das Leben verändernde Ruf in die Gemeinschaft mit Jesus gilt. 14 Der Schwerpunkt der Erzählung liegt jedenfalls in der Kritik der Pharisäer und Schriftgelehrten, dass die Jünger Jesu (und Jesus selbst) Tischgemeinschaft mit Zöllnern pflegen, und in der Antwort Jesu: Ich bin gekommen, die Sünder zur Buße zu rufen und nicht die Gerechten. Bei der vorausgehenden, ersten Berufungsgeschichte (Lk 5,1–11) ändert Lukas die Markusvorlage gravierend ab.15 Während Markus (Mk 1,16–20) Jesus einen klaren, unvermittelten Nachfolgebefehl aussprechen lässt und dann die sofortige Befolgung durch die neu gewonnenen Jünger (Simon, Andreas, Jakobus und Johannes) feststellt, 16 erweitert Lukas die Vorlage zu einer detailliert erzählten Wundergeschichte. 17 Simon Petrus und seine Gefährten hören die Rede Jesu, die er von Simons Boot aus hält, 18 und erfahren durch das Wunder des gewaltigen Fischfangs das wirkmächtige Handeln Jesu, das Simon und seine Mitarbeiter in Schrecken versetzt. Denn sie deuten das Geschehen als gottgewirkt und das Auftreten Jesu als Epiphanie Gottes, so dass Simon sich sofort als sündiger Mensch bekennt. 19 Auf das Wort Jesu „Fürchte dich nicht!20 Von nun an wirst du Menschen fangen. 21“ folgen Simon und seine
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Vgl.: Kühschelm, Jünger 347: „Zumeist und vor allem beim engeren Kreis verdankt sich die Berufung aber der Initiative Jesu, seinem vollmächtigen, im bloßen Wort ergehenden Ruf, für den keine Vorbedingung zu erbringen, dem jedoch unverzüglich Gehorsam zu leisten ist.“ Auch Merklein, Jüngerkreis 71, betont, dass Jesus sich in „souveräner Freiheit“ an Menschen wendet, die religiös und gesellschaftlich Außenseiter sind. Vgl. auch: Gnilka, Jesus 111. Vgl. hierzu: Busse, Nachfolge 68/81. Siehe zur Redaktion des Lukas auch: Busse, Begegnung 95/9. Auch die Perikopenabfolge wird von Lukas dahingehend verändert, dass die Berufungserzählung, die bei Mk ganz am Anfang steht, nun einigen Erzählungen folgt, die die Bedeutung Jesu herausstellen. So wird bei Lukas auch die Heilung der Schwiegermutter des Simon (Petrus) vor der Berufungsgeschichte erzählt. Lukas scheint also andeuten zu wollen, dass Simon Jesus bereits kennt, als er zu ihm ins Boot steigt. Dem Nachfolgebefehl fehlt bei Markus „jegliche Begründung und überfordert damit jeden Leser.“ So: Busse, Begegnung 101. Im strengen Sinne handelt es sich formal nicht um eine Wundergeschichte. Siehe: Busse, Begegnung 93. Vgl.: Busse, Begegnung 101. „Der Gestus der Proskynese, der damals einem epiphanen Gott gebührte, erfolgt nicht, weil sich Petrus einer besonderen Schuld bewußt wäre – davon war vorher nirgends die Rede –, sondern er erkennt an dem durch den Gehorsam Jesu Wort gegenüber vermittelten Geschenk seine wahre, ihm wirklich angemessene Position und ihre Grenzen. Denn nicht einer Laune der Natur, noch eigener fachlicher Leistung verdankt er diesen Fang, sondern dem Eingehen auf Jesu Geheiß.“ So: Busse, Nachfolge 71. Siehe hierzu auch: Busse, Begegnung 102/3. Μὴ φοβοῦ. Mit denselben Worten spricht der Engel des Herrn Zacharias an, als er ihm die Geburt des Johannes ankündigt (Lk 1,13). Auch der Engel Gabriel spricht bei der Ankündigung der Geburt Jesu zu Maria: μὴ φοβοῦ (Lk 1,30). Den Hirten, die sich fürchteten,
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Gefährten – wohl Jakobus und Johannes, vielleicht auch weitere Mitarbeiter Simons (vgl.: Lk 5,9: πάντας τοὺς σὺν αὐτῷ), Andreas wird anders als bei Mk in der Geschichte nicht genannt – Jesus nach. Die Nachfolge der ersten Jünger, die an dieser Stelle aber nicht als Jünger bezeichnet werden, ist für Lukas anders als für Markus also offenbar nicht begründet in einem bloßen Nachfolgebefehl Jesu, sondern in der Erkenntnis der Größe und Bedeutung Jesu. 22 Von daher ist es folgerichtig, dass Lukas die direkte und explizite verbale Aufforderung zur Nachfolge (Mk 1,17) weglässt und Simon und seine Gefährten aufgrund des Gesamtgeschehens von sich aus Jesus folgen lässt. Neben solchen Berufungen, die auf die Initiative Jesu zurückgehen – denn hier wendet sich Jesus ja an Simon –, berichtet Lukas von solchen Menschen, die ohne Ansprache Jesu in seine Nachfolge treten wollen (Lk 9,57 par Mt 8,19; Lk 9,59 SgLk). Auch bei denen, die Jesus ihre Nachfolge anbieten, dürfte diese darin begründet sein, dass sie von Jesus gehört haben.23 Der Kreis der Jünger scheint im Lukasevangelium eher groß zu sein. 24 Dies zeigt besonders die lukanische Formulierung ὄχλος πολὺς μαθητῶν αὐτοῦ Lk 6,17. Auch Lk 19,37 (lukanische Redaktion) deutet auf eine große Jüngerschar hin: ἅπαν τὸ πλῆθος τῶν μαθητῶν. Andererseits erwecken (von Mk übernommene) Episoden wie die Fahrt über den See (Lk 8,22–25 par Mk 4,35– 41) oder die Leidensankündigungen (Lk 9,18–22; Lk 9,43b–45) den Eindruck eines eher überschaubaren Jüngerkreises. Vielleicht setzt Lukas hier voraus, dass nicht immer alle Jünger beteiligt sind, wenn von „den Jüngern“ die Rede ist. Die lukanische Formulierung ἅπαν τὸ πλῆθος τῶν μαθητῶν (Lk 19,37), also die ausdrückliche Erwähnung, dass die ganze Schar der Jünger beteiligt ist, könnte darauf hindeuten.
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als der Engel des Herrn ihnen die Botschaft von der Geburt Jesu brachte, wird ebenfalls gesagt: μὴ φοβεῖσθε (Lk 2,10). Dieses Wort bestimmt Simon Petrus dazu, „Menschen aus ihrer Ohnmacht und Hilflosigkeit zu einem befreiten Leben“ (Busse, Nachfolge 72) zu führen, d. h. es bestimmt ihn zum Verkünder der Botschaft Jesu. Nach Busse, Begegnung 104, schildert die Erzählung „die magnetische Anziehungskraft des Wortes Gottes.“ Seines Erachtens ereignet sich die Berufung der ersten Jünger aus dem Vertrauen in das Wort Gottes heraus. Siehe: Busse, Begegnung 107. Gegenüber diesen Menschen betont Jesus allerdings die Schwierigkeit der Nachfolge, so dass es wohl nicht zu einer Nachfolge kommt. Siehe: Lk 9,58; 9,62. Letzten Endes liegt die Entscheidung wohl bei Jesus, ob er die Nachfolge zulässt. Vgl.: Rengstorf, μανθάνω 447/8. Diese Nachfolge aus eigenem Antrieb könnte in den Evangelien deshalb nur eine unbedeutende Rolle spielen, weil auch die nachösterlichen Christen nicht voraussetzungslos zum Glauben an Jesus gekommen sind, sondern durch das Ostergeschehen. Vgl.: Busse, Nachfolge 79. Diese Ansicht vertritt auch: Friedrichsen, “Disciple(s)” 724/5. Vgl.: Minear, Audiences 88/9.
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Zum Jüngerkreis Jesu haben nach lukanischer Sicht wohl auch Frauen gehört,25 obwohl er diese nicht explizit als Jünger bezeichnet. 26 Wie Markus erwähnt er die Frauen, die mit Jesus von Galiläa nach Jerusalem gegangen sind und dort der Passion Jesu beiwohnen (Lk 23,49.55; 24,10). Die Emmausjünger lässt Lukas erzählen von γυναῖκές τινες ἐξ ἡμῶν, „einigen Frauen aus unserem Kreis“, die ihnen die Auferweckung Jesu verkündet haben (Lk 24, 22). Auch in Lk 8,1 berichtet Lukas von γυναῖκές τινες (Maria Magdalena, Johanna und Susanna und viele (!) andere), die Jesus folgten und ihm mit ihrem Vermögen dienten. Aus dem Kreis der Jünger beruft Jesus die Zwölf,27 die er wie Markus auch als Apostel bezeichnet28 und denen er eine spezielle Funktion und eine eigene Sendung (Lk 9,1–6) zukommen lässt.29 So können die Zwölf zwar als Jünger bezeichnet werden (vgl. Lk 22,11.14) und bei der allgemeinen Erwähnung der Jünger mitgedacht sein (vgl. Lk 9,18.20), aber sie werden von der Schar der anderen Jünger deutlich abgehoben.30 Für Lukas dürfte in der Erwählung der Zwölf zeichenhaft die Ausrichtung der Botschaft Jesu auf ganz Israel, auf die zwölf Stämme Israels, deutlich werden. 31 So verheißt Lukas ausdrücklich den Aposteln (Lk 22,14–30), und nicht generell den Jüngern (Mt 19,23–28), dass sie auf Thronen sitzen und die zwölf Stämme Israels richten werden. Neben den Zwölf wählt der lukanische Jesus Zweiundsiebzig aus, die er wie die Zwölf eigens aussendet, die Kranken zu heilen und das Reich Gottes zu verkünden (Lk 10,1–12). Parallel zu der Rückkehr der Zwölf (Lk 9,10) erzählt Lukas von der Rückkehr der Zweiundsiebzig (Lk 10,17), die sich wie die Zwölf über die gelun25 26
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Siehe hierzu: Gnilka, Jesus 184/6 und Minear, Audiences 88. Theobald, „Jesus und seine Jünger“ 225, spricht hinsichtlich des Jüngerkreises von Androzentrik. „Obwohl die ersten drei Evangelisten zumindest die Erinnerung an Frauen auch im engeren Kreis der nicht-seßhaften Begleiter Jesu festgehalten haben, rückten jene aufgrund der immer beherrschender werdenden Vorstellung von ‚Jesus und seinen Jüngern‘ mit großen Folgen für das wirkungsgeschichtliche Bewußtsein doch ins zweite Glied.“ Friedrichsen, “Disciple(s)” 725/6, gesteht zwar einen generellen Androzentrismus in den Evangelien zu, weist aber darauf hin, dass die männliche Form μαθητής auch Frauen mitgemeint haben kann. Lukas betont anders als Markus ausdrücklich, dass die Zwölf aus dem Jüngerkreis stammen: προσεφώνησεν τοὺς μαθητὰς αὐτοῦ, καὶ ἐκλεξάμενος ἀπ’ αὐτῶν δώδεκα (Lk 6,13). Vgl. dagegen Mk 3,13–14: προσκαλεῖται οὓς ἤθελεν αὐτός. Nach Merklein, Jüngerkreis 91, ist der Titel „Apostel“ nach Ostern entstanden. Lukas bezeichnet die Zwölf als Apostel (Lk 6,13; 9,10; 17,5; 22,14; 24,10). Siehe zu den Zwölf: Gnilka, Jesus 187/92. Matthäus hingegen identifiziert die Zwölf mit den Jüngern. Vgl.: Merklein, Jüngerkreis 92 und Friedrichsen, “Disciple(s)” 722. Siehe hierzu: Merklein, Jüngerkreis 92/3. Er weist auch darauf hin, dass die Zusammensetzung des Zwölferkreises und des Jüngerkreises „ein Spiegelbild der verschiedenen Kräfte und Gruppen des Judentums der damaligen Zeit“ darstellen. So: Merklein, Jüngerkreis 93. Gnilka, Jesus 188/9, weist darauf hin, dass die Mehrzahl der Stämme zur Zeit Jesu nicht mehr existierte und dass die Rekonstitution des Volkes Israel in der messianischen Endzeit erwartet wurde.
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gene Erfüllung ihres Auftrags freuen. Interessanterweise nennt Lukas die Zweiundsiebzig an keiner Stelle Jünger (vgl. Lk 10,1.17). Dies zeigt, dass er auch die Zweiundsiebzig als eine mit besonderer Sendung versehene Gruppe von der sonstigen Schar der Jünger abhebt. Wenn man nicht sicher annehmen kann, dass die Aussendungsworte in Lk 9,1–6 und Lk 10,1–12 für alle Jünger gelten, dann stellt sich umso mehr die Frage nach der Funktion der Jünger. Aufschlussreich ist diesbezüglich Lk 9,59– 60: Dort fordert Jesus jemanden (ἕτερον) auf, ihm zu folgen. Auf die Bitte um Erlaubnis, zuvor noch seinen Vater zu begraben, antwortet Jesus: „Lass die Toten ihre Toten begraben; du aber geh hin und verkündige das Reich Gottes.“ Der Nachsatz „du aber geh hin und verkündige das Reich Gottes“ ist sehr wahrscheinlich eine lukanische Erweiterung der ursprünglichen Q-Version.32 Jünger Jesu zu sein bedeutet für Lukas offensichtlich, Jesus nachzufolgen – auch der Ruf zur Nachfolge ist wohl lukanische Erweiterung – und das Reich Gottes zu verkünden. Die Aufgabe der Jünger besteht dann darin, Jesus bei der Verkündigung der kommenden Gottesherrschaft zu unterstützen. 33 Auch die Aussage, dass Simon Petrus in Zukunft Menschen fangen werde (Lk 5,10), lässt sich nur so verstehen, dass er Menschen in die heilvolle Wirklichkeit der Herrschaft Gottes hineinführen wird.34 Das Einbezogensein in das Wirken Jesu zeigt sich in der Nachfolge. Jesus nachzufolgen bedeutet aber sicherlich auch mit Jesus umherzuziehen, ja hinter ihm herzugehen. 35 Die Begleitung Jesu durch seine Jünger wird an vielen Stellen des Lukasevangeliums festgestellt, z. B. Lk 6,1; 6,17; 7,11 (SgLk); 8,1–3; 18,15; 19,37. Doch ist nicht klar zu erkennen, dass in der Vorstellung des Lukas immer alle Jünger gleichzeitig in unmittelbarer Nähe Jesu waren.36 32 33 34
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Zur Rekonstruktion der Q-Fassung siehe: Merklein, Jüngerkreis 78/9. Siehe: Gnilka, Jesus 169. Vgl.: Busse, Nachfolge 72. Gnilka, Jesus 169, der das Wort ebenfalls in dieser Weise versteht, geht davon aus, dass das Wort aufgrund der beruflichen Tätigkeit des Simon Petrus spontan gebildet wurde. Dies betont: Merklein, Jüngerkreis 70. Der Jünger ist ganz auf die Person Jesu bezogen; „Jüngerschaft ist bedingungslose Bindung an die Person Jesu.“ So: Merklein, Jüngerkreis 72. Dagegen betont Theobald, „Jesus und seine Jünger“ 223, zu Recht: „‚Sein Jünger zu sein‘ zielt nicht auf die Bindung an ihn um seiner selbst willen, sondern lenkt den Blick über ihn hinaus auf die eine gemeinsame große Sache: die nahe Gottesherrschaft.“ In Bezug auf Mk sagt Theobald, „Jesus und seine Jünger“ 220: „Dabei scheinen die ‚Jünger‘ als die Begleiter Jesu von Anfang an allgegenwärtig zu sein, was unter literarischem Blickwinkel vor allem daran liegt, daß sie gehäuft in Summarien, verbindenden Rahmenversen und Redeeinleitungen begegnen, wobei gerade diese Verse sich der Kompositionsarbeit des Evangelisten verdanken. Zieht man diese Schicht ab und nimmt dann die von Markus rezipierten Überlieferungen nach Gattungen gesondert in den Blick, dann relativiert sich der Eindruck der Allgegenwart der μαθηταί.“ Die Jünger erscheinen nach Theobald, „Jesus und seine Jünger“ 220/1, in folgenden Texten: Jüngerbelehrungen, Streitgesprächen, Speisungserzählungen, Erzählung vom Seewandel, Passionsgeschich-
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Deutlich ist hingegen, dass für Lukas der Jünger entschieden überzeugt sein muss vom Kommen der Gottesherrschaft, der gegenüber alles andere unbedeutend wird. So fordert Jesus mit seinem Wort „Lass die Toten die Toten begraben“ nicht generell zum Verstoß gegen Sitte und Gesetz auf, 37 sondern macht im konkreten Fall drastisch klar, dass nichts wichtiger sein kann als das in der Gemeinschaft mit Jesus schon Wirklichkeit werdende 38 Reich Gottes.39 Entsprechend formuliert der lukanische Jesus (diff Mt) im Folgenden (Lk 9,62): „Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.“ Die entschiedene Nachfolge Jesu fordert nicht nur ein Fortgehen aus dem bisherigen Lebensraum,40 sondern eine radikale Neuorientierung des Lebens auf Gott und sein kommendes Reich hin.41 Diese Neuorientierung kann und wird zu Entbehrungen (Lk 9,23; 14,27.33) und zu Auseinandersetzungen mit anderen führen.42 So dürfte das von Lukas aus Q übernommene43 Wort Jesu „Wenn jemand zu mir kommt und hasst nicht seinen Vater, Mutter, Frau, Kinder, Brüder, Schwestern und dazu sich selbst, der kann nicht mein Jünger sein“ auf zukünftige Auseinandersetzungen um die Gottesherrschaft (auch in der eigenen Familie) hinweisen und nochmals betonen, dass der Gottesherrschaft gegenüber alles nachgeordnet ist.44 Die Entbehrungen, die Mittellosigkeit der Jünger (Lk 9,57–58) und besonders der Verzicht auf alles Hab und Gut (πᾶσιν τοῖς ἑαυτοῦ ὑπάρχουσιν: Lk 14,33, wohl lukanische Redaktion) bringen zeichenhaft die neue Lebensorientierung zum Ausdruck. 45 Die Jünger verlassen ihr
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te. Interessanterweise beruft der markinische Jesus die Zwölf (nicht die Jünger) ausdrücklich dazu, damit sie mit ihm sind (ἵνα ὦσιν μετ’ αὐτοῦ, Mk 3,14). Merklein, Jüngerkreis 79/80, erklärt, dass es sich bei dem geforderten Verhalten um einen drastischen Verstoß gegen Sitte und Gesetz handelt. Unter anderem verweist er auf die Regelung der Mischna (Berachot 3,1), die „bei einem Todesfall die Familienmitglieder von allen Pflichtgeboten befreite“. „Jesus ist nämlich davon überzeugt, daß jetzt schon – in seinem Tun und Reden, ja in seiner Person – das Gottesreich im Anbruch ist.“ So: Merklein, Jüngerkreis 88. Siehe zu diesem Ausspruch: Gnilka, Jesus 170/1. Für ihn geht es um die geistig Toten, die nicht der Botschaft Jesu folgten oder folgen. Vgl.: Merklein, Jüngerkreis 70. So bedeutet Jesu Jünger zu sein eine Entscheidung, die für das ganze Leben gilt. Der Jünger Jesu ist und bleibt Jünger; damit unterscheidet er sich von einem Jünger der Rabbinen. Vgl. Friedrichsen, “Disciple(s)” 733/4. Die radikalen Verzichtforderungen zeigen den Unterschied zwischen den Jüngern Jesu und denen der Rabbinen, die einen sozialen Aufstieg erhoffen konnten. Siehe: Merklein, Jüngerkreis 82/3. Zur Rekonstruktion der Q-Fassung vgl.: Merklein, Jüngerkreis 73/5. Vgl. hierzu: Gnilka, Jesus 172. Der semitische Ausdruck „hassen“, der Lukas wohl schon durch Q vorgegeben war, „meint hier nicht ein affektgeladenes Sichlösen von seinen Eltern, sondern ein Nachordnen, Nachstellen.“ So: Gnilka, Jesus 172. Gnilka, Jesus 177, spricht davon, dass die Mittellosigkeit die verkündete Gottesherrschaft gleichsam erläutere, die ja eine neue Ordnung gegenüber der alten Ordnung von Besitz und Reichtum bringe. Interessanterweise wird ja auch Petrus nicht unvermögend darge-
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bisheriges Leben, ihren Beruf, ihr Zuhause, allgemein ihre Sicherungen, und vertrauen nun ganz auf Gottes Wirken und das durch Jesus zugesprochene Heil.46 Als Menschen, die Jesus begleiten, sind die Jünger des Öfteren Adressaten der Rede Jesu – oft im Wechsel mit den Pharisäern bzw. Schriftgelehrten und dem Volk. Die erste Rede, die der lukanische Jesus explizit zu den Jüngern spricht (καὶ αὐτὸς ἐπάρας τοὺς ὀφθαλμοὺς αὐτοῦ εἰς τοὺς μαθητὰς αὐτοῦ ἔλεγεν, Lk 6,20) sind die Seligpreisungen.47 Durch Verwendung der 2. Person Plural (diff Mt) wird der Anredecharakter besonders deutlich: Den Jüngern, die sich entschieden haben, ganz und nur auf Gott zu vertrauen und Entbehrungen zu erdulden, wird das Reich Gottes zugesprochen. Allerdings dürften die Seligpreisungen und die folgenden, von Lukas gebildeten, Weherufe sich bereits an das gesamte Volk richten, das die Rede Jesu hört (vgl. Lk 6,27 ἀλλ’ ὑμῖν λέγω τοῖς ἀκούουσιν und Lk 7,1 ἐπειδὴ ἐπλήρωσεν πάντα τὰ ῥήματα αὐτοῦ εἰς τὰς ἀκοὰς τοῦ λαοῦ). Am Schluss der Feldrede (Lk 6,46) macht Jesus jedenfalls unmissverständlich klar, dass es auf das Tun des Willens Jesu ankommt. Die Jünger erscheinen als die, die in die kommende Gottesherrschaft involviert sind: Ihnen ist es gegeben, die Geheimnisse des Reiches Gottes zu verstehen (Lk 8,10 par Mk 4,11; allerdings spricht Markus nicht von den Jüngern, sondern von denen, „die um ihn waren, samt den Zwölfen“). Die Jünger sind die, die Jesus als Christus erkennen. (Lk 9,18–21 par Mk 8,27–30). Der Ausspruch Jesu „Selig sind die Augen, die sehen, was ihr seht“ (Lk 10,23) gilt bei Lukas, anders als bei Matthäus, allein den Jüngern (καὶ στραφεὶς πρὸς τοὺς μαθητὰς κατ’ ἰδίαν εἶπεν). Auch das Vaterunser-Gebet wird im Unterschied zu Matthäus, der es in die Bergpredigt einordnet, den Jüngern gegeben (Lk 11,1–2). Außerdem spricht Jesus an einigen Stellen auffordernd und belehrend zu den Jüngern, so: 12,22; 16,1; 17,1; 17,22. Die Warnungen vor den Pharisäern und damit auch und gerade vor dem Handeln der Pharisäer werden im Lukasevangelium betont und ausdrücklich den Jüngern zugesprochen (Lk 12,1 und Lk 20,45 diff Mk 12,37b– 38, wo das Volk Adressat der Warnung ist). Aufgrund dieser Beobachtungen lässt sich sagen, dass die Jünger im Lukasevangelium von Lukas bewusst zu Adressaten der Rede Jesu gemacht werden und insofern vom Volk klar abgehoben werden, als sie als besonders intensiv Belehrte und auch Gepriesene erscheinen.
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stellt. So verfügt er über ein eigenes Fischerboot und „geschäftliche Kompagnons“. Vgl.: Busse, Nachfolge 73. „Ein wahrer Jünger ist nur der, welcher in Geduld und Beharrlichkeit Frucht bringt (vgl. Lk 8,15 diff. Mk 4,20) bzw. ‚täglich‘ sein Kreuz trägt (vgl. Lk 9,23 diff Mk 8,34). Wenn aber ein Jünger seine ihm gestellte Aufgabe mit Ausdauer erfüllt, wird ihm schon zu Lebzeiten und erst recht danach Lohn und Anerkennung zuteil (Lk 18,24–30).“ So: Busse, Nachfolge 74/5. Siehe hierzu: Gnilka, Jesus 179/81.
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Deutlich ist auch, dass Lukas die Jünger positiver schildert als Markus. 48 So streicht er, wie oben schon festgestellt, das Entsetzen der Jünger über die Aussage, dass die Reichen es schwer haben, in das Reich Gottes zu kommen (Mk 10,24.26). Auch die von Markus geschilderte Begriffsstutzigkeit der Jünger, als Jesus sie vor dem Sauerteig der Pharisäer warnt, übergeht Lukas (Lk 12,1 par Mk 8,14–21). Dennoch verstehen die Jünger das von Jesus Gesagte nicht immer (Lk 9,45). Die deutliche Kritik Jesu aber, als die Jünger während seines Gebets im Garten Gethsemane (Lukas spricht vom Ölberg) einschlafen, entschärft Lukas. So reduziert er die dreifache Ermahnung der Jünger auf eine einzige; außerdem fügt er einen positiv zu verstehenden Grund für das Schlafen der Jünger in seine Vorlage ein: Sie schlafen vor Traurigkeit (ἀπὸ τῆς λύπης) (Lk 22,45–46 par Mk 14,37–42). Auch die markinische Bemerkung, dass alle Jesus nach seiner Gefangennahme verließen (Mk 14,50; vgl. Lk 22,53), übergeht Lukas. Zwar spricht Markus nicht ausdrücklich von den Jüngern, doch sind sie in πάντες eingeschlossen.49 Der Begriff μαθητής findet sich auch an vielen Stellen in der Apostelgeschichte.50 Er bezeichnet hier nicht diejenigen, die Jesus während dessen Lebzeiten nachgefolgt sind, sondern die, die jetzt an Jesus glauben. Die Bezeichnung „meint ein Treueverhältnis zu ihm, das sich in der Zugehörigkeit zu seiner Gemeinde artikuliert.“51 Ausnahmen von diesem Sprachgebrauch bilden lediglich Apg 9,25, wo von den Jüngern des Paulus die Rede ist,52 und eventuell Apg 19,1, wo von einigen Jüngern gesprochen wird, die zwar gläubig geworden sind, die aber mit der Taufe des Johannes getauft sind und bisher nichts vom Heiligen Geist gehört haben.53 Die in der Apostelgeschichte verbreitete Bezeichnung der an Jesus Glaubenden mit dem Wort μαθητής begegnet zuerst in Apg 6,1. Abgesehen von Summarien, wo die neu zum Glauben Gekommenen als 48
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Vgl.: Cadbury, Style 95/6. Vgl. auch: Friedrichsen, “Disciple(s)” 735/6 und Kim, Stewardship and Almsgiving 89/94. Zum Jüngertadel im Markusevangelium siehe: Klauck, Jünger 10/1 und 13/4. So kann Matthäus die Markusvorlage präzisieren, indem er nun ausdrücklich die Jünger nennt: τότε οἱ μαθηταὶ πάντες ἀφέντες αὐτὸν ἔφυγον (Mt 26,56). Der Ausdruck wird absolut gebraucht, eine Ausnahme bildet Apg 9,1. Vgl.: Rengstorf, μανθάνω 462. Kühschelm, Jünger 348. Auffallend ist die Verbindung des Begriffs μαθητής mit πιστεύω und πίστις (z. B. Apg 6,7; 14,22; 18,23). Siehe hierzu: Rengstorf, μανθάνω 463. Die μαθηταί sind vermutlich Begleiter des Paulus, „die durch seine eigene Führung und unter seinem Zeugnis zum Glauben gekommen sind und ihm nun aus der Lebensgefahr helfen.“ So: Rengstorf, μανθάνω 464. Die von einigen Codices gebotene, einfachere Lesart αὐτὸν οἱ μαθηταὶ ist wohl sekundär. Vgl.: Rengstorf, μανθάνω 464. Einige Exegeten, wie z. B. Weiser, sind der Meinung, dass Menschen gemeint seien, „die sich durch den Kontakt mit dem Täufer auf der unmittelbaren Vorstufe zum christlichen Glauben befinden.“ So: Weiser, Apostelgeschichte 515. Andererseits gibt es Exegeten, die die genannten Jünger für – mit Mängeln behaftete – Christen halten. Siehe hierzu: Weiser, Apostelgeschichte 515.
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πιστεύοντες (Apg 2,44) und als πλῆθος τῶν πιστευσάντων (4,32) bezeichnet werden, stehen aber vor Kapitel 6 die Apostel im Fokus der Erzählung.54 Nach Apg 21,16 findet sich der Begriff μαθητής nicht mehr. Die Gläubigen werden hier vorwiegend ἀδελφοί genannt. Aber es muss auch hier berücksichtigt werden, dass ein neuer thematischer Schwerpunkt beginnt: die Verhaftung des Paulus und seine Reise nach Rom. Außerdem findet sich die Bezeichnung ἀδελφοί für die Gläubigen überall in der Apostelgeschichte und auch in Verbindung mit dem Begriff μαθητής.55 Der Begriff μαθητής ist sicherlich vom Autor des lukanischen Doppelwerks selbst geschrieben worden, des Öfteren erscheint er z. B. in Versen, die Episoden rahmen (z. B. Apg 6,1.7; 13,52; 14,20.22.28; 16,1; 18,23; 20,1).56 Abschließend stellt sich die Frage nach der literarischen Funktion der Jünger im Lukasevangelium bzw. im lukanischen Doppelwerk. In der Apostelgeschichte bezeichnet der Autor die an Jesus Glaubenden (generell wie individuell) ausdrücklich und durchaus oft als μαθηταί.57 Dies ist umso bemerkenswerter, als diese Bezeichnung bei Paulus fehlt und auch sonst in der frühchristlichen Literatur äußerst selten ist.58 Jünger sind nach der Apostelgeschichte die, die an die Heilsbedeutung des auferstandenen Herrn Jesus glauben. Von daher wird sich der (schon gläubige) Leser mit den Jüngern in der Apostelgeschichte identifizieren bzw. seinen Glauben und sein Verhalten in Beziehung setzen zum Glauben und Handeln seiner Vorläufer. Der Leser des lukanischen Doppelwerkes ist aber durch die entsprechende Verwendung des Begriffs μαθητής in der Apostelgeschichte indirekt aufgefordert, das im ersten Teil des Werkes über die Jünger Gesagte in Erinnerung zu rufen und das dort gewonnene Bild von den Jüngern zu sich selbst in Beziehung zu setzen. Insofern dürfte Lukas im Evangelium die Jünger schon mit Blick auf die Glaubenden seiner Gemeinde(n) „gezeichnet“ haben.59 Dies kann der Grund dafür sein, dass Lukas von einem 54
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Die Apostel als Augenzeugen und Begleiter Jesu bilden in der Apostelgeschichte eine Institution, die die Wahrheit der Tradition garantiert. Vgl.: Kühschelm, Apostel 39/40 und Gnilka, Jesus 187. Friedrichsen, “Disciple(s)” 728, weist darauf hin, dass in Apg 6, wo die Gläubigen erstmals als μαθηταί bezeichnet werden, diese von den Zwölf als ἀδελφοί angeredet werden. Friedrichsen zitiert R. N. Longenecker: „Thereafter, Luke uses ’disciple/disciples’ and ’brothers and sisters’ interchangeably for believers in Jesus (’disciple/disciples’ some twenty-nine times; ’brothers and sisters’ thirty-two times).“ Theobald, „Jesus und seine Jünger“ 224, geht davon aus, dass andere Stellen (6,2; 9,1.10.19.25f.38; 11,26.29; 21,4.16) von Lukas aus dem hellenistischen Judenchristentum rezipiert worden sind. Er vermutet, dass sich die palästinischen Judenchristen als μαθηταί bezeichnet haben. Diese Ansicht vertritt auch: Rengstorf, μανθάνω 462/3. Vgl.: Minear, Audiences 88. Siehe hierzu: Friedrichsen, “Disciple(s)” 737/8 und Rengstorf, μαθηταί 462. Von Bendemann stellt heraus, dass in Lk 11,1–18,30 ein weites Verständnis von μαθητής vorherrscht, „das dem Gebrauch des terminus in der zweiten Hälfte der Apostelgeschichte entspricht. Spätestens von Apg 11,26 an (vgl. 9,1.10.25f.38;11,29;13,52;14,20–
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durchaus großen Jüngerkreis spricht und dass er die Jünger nicht voraussetzungslos Jesus folgen lässt. Denn die später zum Glauben Gekommenen haben auch bereits vom Wirken und von der Auferstehung Jesu gehört. Auch die Tatsache, dass Lukas die Jünger als Nachfolger Jesu recht positiv darstellt, kann seinen Grund darin haben, dass er die Jünger als „Spiegel“ für die zukünftigen Glaubenden versteht. Die Jünger sind ja die, die Jesu Wort hören und tun; daran sollen sich die Späteren ein Beispiel nehmen. 60 So verstanden bilden auch die Lobpreisungen der Jünger und die Jüngerbelehrungen Aussagen, die der Leser des lukanischen Doppelwerks ganz besonders auf sich beziehen sollte. Die Jünger als Vorbilder der Glaubenden, der Jüngerkreis als Abbild der späteren Gemeinde – diese Funktion hatten die Jünger wohl schon im Markusevangelium. 61 Durch die redaktionellen Änderungen im Lukasevangelium aber und durch die Darstellung der Jünger in der Apostelgeschichte betont Lukas, dass die Jünger die Identifikationsfiguren der Glaubenden bzw. der Gemeinde sind.
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22.28) steht μαθηταί nicht mehr für den Spezialkreis derer, die Jesus in exklusiver Runde begleitet haben, sondern vielmehr für die Christen an den unterschiedlichen Orten christlicher Gemeinden.“ So: von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 262. Vgl.: Kim, Stewardship and Almsgiving 93/4. Auch Busse, Nachfolge 72/3 und 81, ist bzgl. der Berufungserzählung des Petrus der Meinung, dass Lukas die Geschichte so erzählt hat, um innergemeindlichen Fehlentwicklungen entgegenzuwirken. Siehe hierzu: Klauck, Jünger 20/6. Die „Leser haben die Jünger immer unreflektiert als das empfunden, als was Markus sie ausgibt: als kirchengründende Größen der Vergangenheit und als Beispiele, im Guten wie im Schlechten, für das eigene christliche Leben.“ So: Klauck, Jünger 25. Vgl. auch: Bracht, Jüngerschaft und Nachfolge 150/2 und 156/65. Der Evangelist Markus versucht „die Krise seiner Gemeinde zu überwinden, indem er ihre Probleme am Verhalten der ‚Jünger‘ seines Evangeliums literarisch transparent macht und vor allem in den Weisungen Jesu an die Jünger seine Gemeinde direkt anspricht.“ So: Bracht, Jüngerschaft und Nachfolge 160/1. Auch Merklein, Jüngerkreis 99, sagt, „daß die nachösterliche Kirche in der Jüngerschar ein Bild ihrer selbst erkannte, d. h. sich mit dem vorösterlichen Jüngerkreis identifizierte.“
4.2
Die Pharisäer als Adressaten des Textabschnitts Lk 16,14–31: Die lukanische Sicht der Pharisäer
Mit V. 14 ist die Rede Jesu an die Jünger (Lk 16,1–13) beendet, Lukas schildert nun die Reaktion der Pharisäer auf das soeben von Jesus Gesagte. Dabei werden die Pharisäer durch die Bemerkung des Autors, dass sie geldliebend seien, direkt charakterisiert.1 Mit V. 15 setzt dann eine Rede Jesu ein, die an die Pharisäer gerichtet ist und die in einem direkten Vorwurf Jesu (V. 15) eine wesentliche Eigenschaft der Pharisäer beinhaltet. Deswegen werden die V. 14 und 15 bereits hier in diesem Kapitel kurz unter Berücksichtigung der Frage betrachtet, was der Text über die Pharisäer zu erkennen gibt. 2 Im Lukasevangelium werden die Pharisäer nur in 16,14 mit einem Attribut versehen, das – in den Erzählrahmen eingefügt – unmittelbar vom Erzähler Lukas stammt und eine direkte Qualifizierung beinhaltet: οἱ Φαρισαῖοι φιλάργυροι ὑπάρχοντες.3 Durch die Nachstellung des Adjektivs (ohne Artikel) in Verbindung mit dem Partizipium coniunctum wird die Aussage betont; zugleich wird deutlich, dass es sich um eine generelle Eigenschaft der Pharisäer handelt. 4 Diese Charakterisierung erhält, da sie vom auktorialen Erzähler vorgetragen wird, eine objektive Note und dient als Hintergrundinformation, durch die der Leser die Reaktion der Pharisäer auf die vorangegangene Jüngerbelehrung (16,9–13) und die folgende Rede Jesu (vor allem 16,15) richtig einordnen kann. 5 Durch die Semantik des Wortes ἀκούω, durch seine Stellung am Satzanfang, durch das rückbezügliche 1
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Dieses starke „Mittel expliziter Qualifikation“ nutzt der Erzähler, um den Leser zu beeinflussen. So: von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 125. Eine detailliertere Betrachtung der Verse erfolgt in den Kapiteln 6.1.2 und 6.2.2.1. Gowler, Host 6, hält gerade diese von der Autorität des Erzählers vorgetragene Charakterisierung für sehr bedeutend. Vgl.: Gowler, Host 258: „This narrative aside is of utmost highest importance because it is a direct, explicit comment made by the voice of highest authority. The so-called slander must rank as one of the most important characterizations of the Pharisees in the narrative.“ Gowler, Host 1, weist darauf hin, dass es keinen Konsens bezüglich der Betrachtung des lukanischen Bildes der Pharisäer gibt. Dies liegt seines Erachtens daran, dass die Pharisäer „seem to resist any attempt to categorize them. This resistance exists because the text of Luke - Acts seems to paint an ambiguous portrait of the Pharisees.“ Siehe Gowlers kritische Auseinandersetzung mit der neueren diesbezüglichen Literatur: Host 3/8. Vgl.: Carroll, Pharisees 604. „Die Beschreibung des Lukas ist […] eher Polemik als Widerspiegelung des historischen Bildes der Pharisäer. Dieses einseitige Pharisäerbild dient vielmehr dazu, das Gegenbild zu den Jüngern Jesu zu verdeutlichen.“ So: Dondici, Lazarus 160. Vgl.: Metzger, Consumption and Wealth 132 Anm. 84. Vgl. auch: Bredenhof, Failure and Prospect 38 Anm. 36. Donahue, Gospel 172/3, glaubt, dass durch die Charakterisierung der nicht zur Oberschicht gehörenden Pharisäer als reich ihre Macht und ihr Einfluss ausgedrückt würden. Vgl.: von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 125.
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δέ und das rückverweisende demonstrative ταῦτα πάντα wird V. 14 – wie oben bereits gesagt – eng auf die Jüngerbelehrung (V. 9–13) bezogen. Das Spotten der Pharisäer (V. 14) richtet sich auf die Forderung Jesu, im Blick auf die ewigen Zelte Reichtum klug und treu zu gebrauchen, sich damit Freunde zu machen (V. 9). Denn – so schließt der lukanische Jesus seine Aufforderung ab (V. 13) – man kann nicht Gott und dem Mammon dienen. Die Pharisäer, die Gott dienen wollen, sind nach V. 14 auch φιλάργυροι, geldliebend. Der Begriff φιλάργυρος, der im NT nur noch 1 Tim 6,10 (als Substantiv) und 2 Tim 3,2 vorkommt und in beiden Fällen negativ gebraucht wird, ist auch hier durch den vorangegangenen Kontext eindeutig negativ qualifiziert. Gottesliebe und Geldliebe scheinen den Pharisäern kein Gegensatz zu sein,6 deswegen verspotten sie Jesus. Das Verb ἐκμυκτηρίζειν, das im NT nur Lk 23,35 und hier vorkommt (das Simplex findet sich Gal 6,7), dürfte hier entsprechend dem Sprachgebrauch der Septuaginta (Spr 1,30; 23,9) ein überhebliches Sich-Verschließen vor einer weisen Lehre und Mahnung implizieren. Auf den Spott der Pharisäer antwortet Jesus mit einer an sie gerichteten Rede, die formal bis 16,31 andauert. 7 Der lukanische Jesus wirft ihnen vor, dass sie sich selbst für gerecht erklären vor den Menschen. Damit wird gemeint sein, dass sie sich und ihr Tun für gerecht, für gottgefällig halten und entsprechend in der Öffentlichkeit auftreten. Ihr selbstgerechtes Auftreten richtet sich auf Menschen, also wohl auf menschliche Zustimmung. Der zweite Teil des Satzes offenbart aber den falschen Maßstab, auf den sich die Pharisäer beziehen. Gott ist der, der über das Gerechtsein befindet, nicht die Pharisäer und nicht die Menschen. Anders als die Menschen, die nur die Fassade der Pharisäer zu beurteilen vermögen, erkennt Gott das innerste Wesen (τὰς καρδίας) der Pharisäer. Implizit kommt hier eine Diskrepanz zwischen dem äußeren Anschein, den die Pharisäer erwecken, und ihrem tatsächlichen Wollen zum Ausdruck. Im folgenden Teilvers werden Menschen und Gott einander gegenübergestellt. Der sentenzartige Vers ist chiastisch aufgebaut und stellt in aller Kürze ohne Kopula die gegensätzlichen Begriffe ὑψηλόν und βδέλυγμα nebeneinander und verbindet sie mit den Kategorien „Menschen“ und „Gott“: Das bei Menschen Hohe ist ein Gräuel vor Gott. Mit ὑψηλόν wird das gemeint sein, was bei Menschen Achtung und Ansehen verschafft, im vorliegenden Zusammenhang wohl Reichtum. 8 Dieser ist vor Gott ein Gräuel. Der Begriff βδέλυγμα, der nur hier innerhalb der lukanischen 6
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Vielleicht sehen sie Reichtum als Geschenk Gottes und als Auszeichnung für ein gottgefälliges Verhalten. Vgl. z. B.: Gen 24,35; Dtn 8,17–18; Ps 65,10; Spr 10,22; Koh 5,18; 6,2; 1 Sam 2,7; Hi 1,9–10; 1 Chr 29,12;29,28; Spr 28,10; Ps 112,3. Siehe: Schäfer-Lichtenberger; Schottroff, Reichtum 467. Siehe zur Bewertung des Reichtums im Alten Testament und im Judentum: Hauck; Kasch, πλοῦτος 321/4. Auch das Gleichnis vom Reichen und dem armen Lazarus ist zu den Pharisäern gesprochen und muss in diesem Licht gelesen werden. Vgl.: Gowler, Host 257 und 260/1. Für Gowler, Host 263, sind die Pharisäer aufgrund ihres sozialen und ökonomischen Verhaltens unrein und ein Gräuel geworden.
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Schriften vorkommt, ist der Sprache der Septuaginta entlehnt und bezeichnet zunächst das kultisch Unreine und spezifisch Heidnische.9 Dann wird er bei den Propheten und Psalmen auch zum Parallelbegriff von ἀνομία (Ez 11,18; 20,30; Ps 119,163) und bezeichnet in der Weisheitsliteratur den Gegensatz Gottes und des Bösen (z. B. Spr 12,22). Reichtum ist vor Gott ein Gräuel, da er ein Verhalten hervorrufen kann, das von ἀνομία geprägt ist und den Menschen vom Dienst Gottes abhalten kann (V. 13). Insofern steht der Begriff βδέλυγμα in einer Linie mit ἐκ τοῦ μαμωνᾶ τῆς ἀδικίας (V. 9), mit ἐν τῷ ἀδίκῳ μαμωνᾷ (V. 11) und mit μαμωνᾷ als Gegenbegriff zu Gott (V. 13). Da die Pharisäer geldliebend sind (V. 14), damit also – zumindest auch – dem Mammon dienen, sind sie nach V. 10–12 nicht πιστοί in Bezug auf den Mammon und dienen letztlich nach V. 13 nicht Gott.10 Die ihnen von Lukas gegebene Charakterisierung φιλάργυροι lässt sie also als ἄδικοι (V. 10) erscheinen. Auch wenn sie selbst sich für gerecht erklären (V. 15) und bei den Menschen Anerkennung erfahren, vor Gott sind sie ἄδικοι.11 Zum ersten Mal werden die Pharisäer im Lukasevangelium in 5,17 erwähnt, der redaktionellen Einleitung zur folgenden Episode von der Heilung eines Gelähmten und zugleich zu einer Reihe von Episoden, die über die Pharisäer handelt und bis 6,11 andauert. Was die Episodenabfolge angeht, schließt Lukas sich ganz dem markinischen Aufbau an. Anders als dieser schließt Lukas aber die Episoden stärker zu einer thematischen Einheit zusammen, zum einen durch den übergeordneten, das Thema angebenden V. 5,17, der bei Mk (vgl. Mk 2,1) fehlt, und zum anderen durch eine stärkere Verbindung der Episoden untereinander.12 Auch ist eine stärkere Systematisierung im Blick auf die Personengruppen festzustellen. Während die markinischen, loser aneinandergefügten Episoden teils von den Schriftgelehrten, teils von den Pharisäern, die er in 2,16 eher untergeordnet in sein Werk einführt, sprechen, lässt Lukas beide Gruppen gemeinsam auftreten und schafft in 5,17–6,11 ein Erzählstück, das insgesamt die Auseinandersetzung Jesu mit den Pharisäern und den Schriftgelehrten thematisiert.13 So sind es bei ihm auch beide Gruppen, Pharisäer und 9 10 11
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Vgl. hierzu auch die Ausführungen in Kapitel 6.1.2. Vgl.: Powell, Leaders 96. Powell, Leaders 97/9, weist darauf hin, dass es Lukas bei der Charakterisierung der religiösen Führer um den Kontrast von Selbstgerechtigkeit und Gerechtigkeit vor Gott geht. So lässt er in 5,27 den Ortswechsel (Mk 2,13: καὶ ἐξῆλθεν πάλιν παρὰ τὴν θάλασσαν) und die Notiz über das Volk, das zu Jesus kommt und von ihm belehrt wird (Mk 2,13), aus. Auch die V. 33–39 schließt er durch οἱ δὲ εἶπαν πρὸς αὐτόν (V.33) direkt an das Vorhergehende an; anders als bei Mk 2,18 bleibt hier die Situation und die Personengruppe, die sich mit Jesus auseinandersetzt, dieselbe. Zu Beginn in 5,17 nennt er, das Thema angebend, Φαρισαῖοι καὶ νομοδιδάσκαλοι. Diese greift er in V. 21 wieder auf: οἱ γραμματεῖς καὶ οἱ Φαρισαῖοι, während Mk die Pharisäer gar nicht bei der Sündenvergebungsgeschichte anwesend sein lässt. Auch in 5,30 führt Lukas „die Pharisäer“ (οἱ Φαρισαῖοι καὶ οἱ γραμματεῖς αὐτῶν) auf, bei Mk dagegen wer-
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Schriftgelehrte, die miteinander besprechen, was sie mit Jesus tun sollen, während Markus hier die Pharisäer und die Herodianer Rat halten lässt, wie sie Jesus umbringen können. Insgesamt erhalten die Pharisäer als solche durch die lukanische Darstellung ein höheres Gewicht in der Auseinandersetzung mit Jesus; die Pharisäer sind Lukas offensichtlich als Gegner Jesu wichtig. Inhaltlich ist bemerkenswert, dass die Einleitung davon redet, dass Pharisäer und Schriftgelehrte aus allen Orten Galiläas, Judäas und aus Jerusalem gekommen waren. Diese Bemerkung zeigt, dass sie – wie das Volk, über das ähnliches gesagt wird (6,17; 8,4) – ein großes und zunächst wohl ehrliches Interesse an Jesus haben. Erst was sie hören, lässt sie aufhorchen (καὶ ἤρξαντο διαλογίζεσθαι). Die Sündenvergebung erscheint ihnen als Gotteslästerung (5,21). Doch verschließen sie sich noch nicht, sondern sind wohl in der geschilderten Reaktion auf die Zeichenhandlung Jesu (V. 26) miteinbegriffen (ἅπαντας).14 Im Folgenden aber wächst ihr Unmut über Jesus: So murren sie (ἐγόγγυζον, V. 30) mit Blick auf die Mahlgemeinschaft Jesu und der Jünger mit Zöllnern und Sündern. Des Weiteren kritisieren sie mangelndes Fasten der Jünger und eine in ihren Augen mangelnde Sabbatobservanz. Ihre Kritik hat letztlich ihren Grund in der Missachtung der Bedeutung Jesu, der als Menschensohn Vollmacht zur Sündenvergebung hat (5,24) und Herr über den Sabbat ist (6,5). Die von ihnen selbst in V. 5,21 aufgeworfene Frage τίς ἐστιν οὗτος vermögen sie nicht zutreffend zu beantworten.15 Erst in Lk 6,8 erwähnt Lukas eine Reaktion gegen Jesus: sie beobachten ihn, ob er am Sabbat heilen werde, um ihn zu verklagen. Nach erfolgter Heilung schließt Lukas die Episodenfolge mit einer summarischen Reaktion der Schriftgelehrten und Pharisäer ab. Der anfänglichen Gottesfurcht angesichts des unglaublichen Ereignisses der Heilung, folgt nun Unverstand; entgegen ihrer ersten Offenheit verschließen sie sich zur Ablehnung Jesu. Anders als Mk 3,6 (ἀπολέσωσιν, par Mt 12,14) erwähnt Lukas nicht die Absicht, Jesus zu
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den nur die Schriftgelehrten der Pharisäer (οἱ γραμματεῖς αὐτῶν) erwähnt. Mk seinerseits bezieht die Episoden um „Jesus und den Sabbat“ allein auf die Pharisäer, die er Mk 2,24 nennt, in 3,2 meint und 3,6 nochmals aufgreift. Lukas trennt die beiden Episoden stärker. In der ersten lässt er, vermutlich um einer allzu schematischen Darstellung entgegenzuwirken, nur τινὲς δὲ τῶν Φαρισαίων (Lk 6,2) Kritik am Ähren-Raufen der Jünger äußern. Ganz seiner vorherigen Linie treu, spricht er bei der folgenden Sabbatheilung aber wieder von οἱ γραμματεῖς καὶ οἱ Φαρισαῖοι (Lk 6,7). Positiv wertet diese Stelle auch Brawley, Pharisees 48. Carroll, Pharisees 608 Anm. 17, verweist dagegen auf die Vorliebe des Lukas für summarische Reaktionen. Seines Erachtens würde durch eine differenzierende Schilderung der Reaktion hier die Klimax verringert. Doch sei gegen Carroll angemerkt, dass Lukas gerade diese Episode betont unter das Thema der Auseinandersetzung zwischen Pharisäern/Schriftgelehrte und Jesus stellt. Von daher ist es schon auffällig, dass in der Reaktion von allen (ἅπαντας) die Rede ist. Die Pharisäer beurteilen Jesus und sein Tun von einem menschlichen Standpunkt aus. Sie halten Jesus zwar für einen Lehrer, aber für einen menschlichen Lehrer. Siehe hierzu: Powell, Leaders 99/100.
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töten. Dennoch ist vom Kontext her, besonders mit Blick auf 6,7 klar, dass mit dem Ausdruck τί ἂν ποιήσαιεν τῷ Ἰησοῦ ein feindliches Vorgehen gemeint ist.16 Die nächste Erwähnung der Pharisäer erfolgt im Zusammenhang mit der Johannesanfrage und der Rede Jesu über Johannes in 7,30. Die redaktionellen V. 7,29–30 schildern die Reaktion auf das Auftreten des Johannes und bilden zugleich eine Überleitung zu den aus Q übernommenen V. 31–35, die Lukas durch das folgernde οὖν in V. 31 anders als Mt 11,16 (δέ) eng mit dem vorhergehenden verbindet. In V. 30 stellt Jesus 17 allem Volk und den Zöllnern, die sich haben taufen lassen, die Pharisäer und Schriftgelehrten gegenüber, die den Willen Gottes verachtet haben und sich nicht taufen ließen. Auch im folgenden Q-Stück geht es um die Ablehnung des Täufers und des Menschensohnes Jesus. Im Kontext der V. 29–30 ist die zum Ausdruck gebrachte Ablehnung Jesu (auch) auf die Pharisäer und Schriftgelehrten bezogen. 18 Außerdem klingt die vorher von diesen geübte Kritik an Jesus hier nach. So verweist V. 34 auf die Fastenfrage in 5,3319 und der Vorwurf, der Menschensohn sei ein φίλος τελωνῶν καὶ ἁμαρτωλῶν, auf 5,30. In enger Beziehung20 zu dieser Rede Jesu steht die sich unmittelbar anschließende, ohne eine Einleitungsformel verbundene, Episode vom Besuch Jesu im Haus eines Pharisäers und seiner Begegnung mit einer Sünderin. So werden die Begriffe „Pharisäer“ in 7,36 (zweimal) und 7,39 und „Sünder“ in 7,37 und 7,39 wieder aufgenommen. Außerdem wird erneut der Umgang Jesu mit Sündern (V. 39), die Vergebung der Sünden durch Jesus (V. 49, vgl. 5,21), besonders aber die Frage nach der Bedeutung Jesu thematisiert. Der Pharisäer scheint sich sicher, dass Jesus kein Prophet ist, da er sich von der Sünderin berühren lässt. Damit wird deutlich, dass er nicht begriffen hat, dass Jesus gerade die Sünder zur Umkehr rufen will (5,31–2). Doch macht Jesus durch das Gleichnis von den zwei Schuldnern und durch die Gegenüber-
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Die Einheit Lk 5,17–6,11 lässt eine Entwicklung in der Haltung der Pharisäer zu Jesus erkennen. Vgl.: Gowler, Host 298. Nicht zuzutreffen scheint mir aber die These Carrolls, Pharisees 608/9, der meint, Lukas habe – an dieser frühen Stelle – die Reaktion der Pharisäer in 6,11 gegenüber Mk im Interesse einer weiteren Entwicklung bzw. Verschärfung der Ablehnung gemildert. Wo nämlich kommt eine schärfere Reaktion der Pharisäer im Folgenden zum Ausdruck? Carroll, Pharisees 611, selbst meint, man könne innerhalb des Reiseberichts nicht von einer „gradual escalation of hostility“ sprechen. Eine Entwicklung der Feindschaft zwischen Pharisäern und Jesus in 5,17–19,39 ist auch bei Gowler, Host 298/9, ausgedrückt. Meines Erachtens sind die V. 29 und 30 Bestandteil der Rede Jesu. Von daher bieten sie – anders als 16,14 – keine direkte Charakterisierung der Pharisäer durch den Erzähler, wie Gowler, Host 298, meint. Vgl.: Carroll, Pharisees 610. Siehe auch: Powell, Leaders 100 Anm. 19. Vielleicht hat Lukas im Blick auf den ihm vorliegenden V. 7,34 (ὁ υἱὸς τοῦ ἀνθρώπου ἐσθίων καὶ πίνων) das οὐ νηστεύουσιν (Mk 2,18 par Mt 9,14) in οἰ δὲ ἐσθίουσιν καὶ πίνουσιν abgeändert. Vgl.: Carroll, Pharisees 610 Anm. 25.
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stellung der Sünderin und des Pharisäers diesem klar, dass auch der Pharisäer Schuld hat und auf Vergebung angewiesen ist. Die nächste Begegnung zwischen Jesus und einem Pharisäer (11,37) lässt Lukas in ähnlicher Szenerie ablaufen: Wieder wird er von einem Pharisäer zum Essen in sein Haus eingeladen, wieder bewirkt das Verhalten Jesu, hier das Nicht-Waschen der Hände, Gedanken der Verwunderung, die wie in 7,39 nicht ausgesprochen werden21 (ὁ δὲ Φαρισαῖος ἰδὼν ἐθαύμασεν (11,38); ἰδὼν δὲ ὁ Φαρισαῖος […] εἶπεν ἐν ἑαυτῷ (7,39)). Auch hier nutzt Lukas die Gelegenheit, Jesus eine scharfe Kritik an den Pharisäern (V. 39–44) und den Schriftgelehrten (V. 46–52) vortragen zu lassen. Anders als Matthäus trennt Lukas hier zwischen Vorwürfen und Weherufen gegen die Pharisäer und solchen gegen die Schriftgelehrten, wenn auch letztere sich – wie aus V. 45 hervorgeht – in die Vorwürfe an die Pharisäer einbezogen sehen. Den Pharisäern wirft Jesus vor, sich um äußere Reinheit zu bemühen, im Inneren aber voll Raubgier (ἁρπαγή) und Bosheit (πονηρία) zu sein. Dabei stellt er den außen reinen Bechern und Schüsseln anders als Mt 23,25 betont das Innere der Pharisäer (ὑμῶν) gegenüber. Dieser Vers passt thematisch zu 16,15. Auch dort steht dem äußeren (ἐνώπιον τῶν ἀνθρώπων), gerechten (δικαιοῦντες) Anschein der Pharisäer das Innere (καρδία) gegenüber, das Gott kennt und das von Liebe zum Geld geprägt ist. Entsprechend fordert er hier (11,41) die Pharisäer zum Geben von Almosen auf. Auch V. 42 hat das sorgfältige Beachten der Vorschriften durch die Pharisäer zum Inhalt. Obwohl sie diese Vorschriften beachten, gehen sie vorbei an der κρίσις, vermutlich der Gerechtigkeit, die dem Nächsten erbracht werden soll, und der ἀγάπη τοῦ θεοῦ, der Liebe zu Gott. Fasst man τοῦ θεοῦ als Genitivus objectivus auf,22 dann ergibt sich erneut eine Parallele zu 16,13–15, wo den Pharisäern im Zusammenhang mit ihrer Geldliebe indirekt mangelnde Gottesliebe vorgeworfen wird.23 Während V. 43 auf das Verlangen nach öffentlichem Ansehen abzielt, beschuldigt V. 44 die Pharisäer nicht nur eigener Unreinheit, sondern „in einer kaum zu überbietenden Schärfe – ohne Begründung – diffamierend“24 der Verunreinigung anderer. Mit diesem Vorwurf wird vermutlich wie in 16,15 an ein Verhalten gedacht sein, bei dem der äußere Anschein der tatsächlichen Qualität nicht entspricht. Wie am Ende der Einheit 5,17–6,11 wird auch hier abschließend ein sicherlich feindliches Belauern Jesu durch die Schriftgelehrten und Pharisäer erwähnt. Unmittelbar nach dieser Rede, allerdings durch eine situative Einleitung von dieser abgesetzt, schließt der lukanische Jesus eine Warnung vor dem Sauerteig der Pharisäer an. Anders als Mk 8,15 und Mt 16,6 erklärt Lukas das mit dem Sauerteig Gemeinte: Es ist Heu21
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Gowler, Host 2, weist darauf hin, dass die Pharisäer nie direkt und offen Jesus und seine Handlungen gegenüber ihm selbst kritisieren. So: Powell, Leaders 96. Powell weist auf den Zusammenhang mit Lk 10,27, dem Gebot der Gottes- und Nächstenliebe, hin. Vgl.: Powell, Leaders 96. Schürmann, Lukasevangelium 333.
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chelei, ὑπόκρισις. Dieser Begriff, der ursprünglich in der Schauspielkunst beheimatet ist, dürfte hier an den Sprachgebrauch der Septuaginta anknüpfen (ὑποκριτής: Ijob 34,30; 36,13) und das Verhalten eines Menschen meinen, das nicht von Gott bestimmt ist, das gottlos ist. 25 „Gott entlarvt solches Verhalten als ‚Schauspielerei‘, weshalb es vor ihm keine Geltung hat.“26 So verstanden, kann Heuchelei auch den in 16,14–15 erhobenen Vorwurf bezeichnen, dass die Pharisäer sich im Hinblick auf den Reichtum, der vor Gott ein Gräuel ist, selbst als gerecht hinstellen.27 In 13,31 fordern einige der Pharisäer Jesus auf wegzugehen, also wohl Galiläa zu verlassen, da Herodes ihn töten wolle. Die Warnung vor den Absichten des Herodes lässt die Warnenden in einem eher positiven Licht erscheinen. Dass diese hier Jesus feindlich gegenübertreten oder Hintergedanken hegen (z. B. Jesus so loszuwerden), lässt der Text m. E. nicht erkennen.28 Vielmehr wird auch hier deutlich, dass die Pharisäer trotz ihrer ernsten Auseindersetzungen mit Jesus nicht dessen Tötung betreiben oder unterstützen. 29 Unmittelbar im Anschluss an diese Stelle, aber durch die Einleitungsformel καὶ ἐγένετο ἐν τῷ (14,1) von dieser abgesetzt, berichtet Lukas erneut von der Teilnahme Jesu an einem Gastmahl eines Pharisäers, hier eines führenden Pharisäers. Durch das Stichwort σαββάτῳ in V. 1 ist die Thematik sofort erkenntlich: Es geht erneut um Jesu Verhalten am Sabbat. Wie in 6,7 (παρετηροῦντο) so nehmen auch hier die Gäste, Gesetzeslehrer und Pharisäer (V. 3: πρὸς τοὺς νομικοὺς καὶ Φαρισαίους) eine Haltung des Beobachtens, des Belauerns ein (V. 1: παρατηρούμενοι). Doch können sie nach erfolgter Heilung und nach der Begründung Jesu diesem nichts erwidern. Das 15. Kapitel greift noch einmal die Thematik von Jesu Umgang mit den Zöllnern und Sündern auf. Die redaktionellen V. 1–2 dienen als Einleitung zu den drei Gleichnissen des Verlorenen. Die Einleitung nimmt Bezug auf den Unmut der Pharisäer und ihrer Schriftgelehrten in 5,27–32. Wieder ist von Murren die Rede (5,30: ἐγόγγυζον – 15,2: διεγόγγυζον), auch der Begriff des Essens (mit den Sündern) erscheint wieder (5,30: ἐσθίετε – 15,2: συνεσθίει). Die nächste Erwähnung der Pharisäer erfolgt an der bereits besprochenen Stelle 16,14–15. Neuartig ist die darauffolgende Erwähnung der Pharisäer in 25 26 27
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Vgl.: Giesen, ὑπόκρισις 964. Giesen, ὑπόκρισις 964. Auch in Lk 20,20 tun diejenigen, die Jesus aushorchen wollen, nur so (spielen nur: ὑποκρινομένους ἑαυτοὺς δικαίους εἶναι), als seien sie gerecht. Vgl.: Giesen, ὑπόκρισις 964. Vgl.: Ziesler, Luke 150. Vgl. auch: Sanders, Jews 85/7, der generell die positive Sicht der Pharisäer bei Lukas betont. Siehe hierzu: Sanders, Jews 84/131. Bei der positiven Würdigung der Pharisäer an dieser Stelle wird man aber berücksichtigen müssen, dass der Schwerpunkt der Einheit 13,31–35 nicht auf der Opposition „Jesus – Pharisäer“ und auch nicht auf der Opposition „Jesus – Herodes“ liegt, sondern dass die Notwendigkeit des Prophetentodes Jesu in Jerusalem, wohin er unterwegs ist, im Vordergrund steht. Vgl. auch: Ziesler, Luke 150.
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17,20. Die Pharisäer fragen nach dem Zeitpunkt des Kommens der Gottesherrschaft. Die Antwort Jesu, diese sei ἐντὸς ὑμῶν, wird unterschiedlich interpretiert. Denkbar ist, dass an das Innere des Menschen, an das Herz gedacht ist, in dem die Herrschaft Gottes zuallererst Wirklichkeit wird und werden muss. Dann aber müsste – gerade im Blick auf die Pharisäer – der Indikativ ἐστίν als Imperativ verstanden werden. Die andere, wahrscheinlichere Interpretation, wonach das Reich Gottes mitten unter ihnen ist, würde zum Erkennen und Annehmen der jetzt schon präsenten βασιλεία τοῦ θεοῦ aufrufen. Dass dies gerade den Pharisäern gesagt wird, hat dann seinen Sinn darin, dass diese die βασιλεία τοῦ θεοῦ in Person und Botschaft Jesu nicht erkennen.30 Dem Gleichnis vom Pharisäer und Zöllner (18,9–14) wird in V. 9 eine Einleitung vorangestellt, die die Adressaten benennt: einige, die auf sich selbst vertrauten, dass sie gerecht seien, und die die anderen verachteten. 31 Pharisäer werden als Adressaten nicht explizit genannt,32 doch wird man sie aufgrund ihrer vorhergehenden Qualifizierung (16,14) hier als miteingeschlossen betrachten dürfen. Auch die Darstellung des einen Pharisäers im Gleichnis erinnert an bereits erzählte Eigenschaften der Pharisäer im Allgemeinen. Die Art des Dankgebets verweist auf das Sich-selbst-für-gerecht-Halten in 16,15 und auf die Kritik am Umgang Jesu mit Zöllnern und Sündern. Von diesen sondert sich der Pharisäer ab. V. 12 greift das in 11,42 vorkommende Thema einer strikten Beachtung der Gebote auf. Anders als dort fehlt hier in der Selbstdarstellung des Pharisäers natürlich die Kehrseite dieses Verhaltens, nämlich das „Vorbeigehen“ an der Gerechtigkeit dem Nächsten gegenüber und ein Mangel an echter Gottesliebe. Doch wird dieser Vorwurf auch hier im Duktus der Erzählung deutlich: Zwar dankt der Pharisäer für sein Gerecht-Sein Gott, doch stellt er sein eigenes Verhalten – man beachte die häufige Verwendung der 1. Person Plural – heraus. Dieses gibt ihm Gewissheit, gerecht zu sein. Anders der Zöllner, dessen Verhalten und Rede in deutlicher Parallelität und zugleich in starkem Gegensatz zum Pharisäer gezeichnet wird. Der Zöllner ist sich seiner Schuld bewusst und erbittet von Gott her Gnade. Während der Pharisäer auf sein gerechtes Verhalten setzt, vertraut der Zöllner ganz auf Gott. Das eigentlich gerechte Tun des Pharisäers ist nach V. 14 vor Gott nicht gerecht, aber wohl nicht aufgrund des Tuns der Vorschriften, sondern aufgrund eines mangelnden Vertrauens allein auf Gott. Somit wird in diesem Gleichnis, das das Verhalten der Pharisäer widerspiegelt, diesen erneut vorgeworfen, trotz ihres vermeintlich gerechten Verhaltens im Grunde vor Gott als Nicht-Gerechte dazustehen (V. 14). 30 31
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Vgl.: Carroll, Pharisees 613. Für Powell, Leaders 95, kommen hier die beiden Hauptcharakterzüge generell der religiösen Führer zum Ausdruck: „they are ‘self-righteous’ and they are ‘unloving’.“ Da er letztere Eigenschaft in der Selbstgerechtigkeit begründet sieht, ist für ihn Selbstgerechtigkeit der Charakterzug der religiösen Führer. Vgl.: Ziesler, Luke 151.
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Die letzte Erwähnung finden die Pharisäer beim Einzug Jesu nach Jerusalem (19,39 diff Mk/Mt). Einige der Pharisäer fordern Jesus auf, seine Jünger zurechtzuweisen, als diese mit der Einfügung von ὁ βασιλεύς in das Zitat des Psalm 118 Jesus als den Messias preisen. Die Kritik einiger Pharisäer zeigt hier abschließend, dass sie die wahre Identität Jesu nicht erkannt haben. 33 Damit verweist diese Stelle auf die pharisäische Kritik am Tun Jesu, an seiner Sündenvergebung, an seinem Umgang mit Sündern und an seinem Verhalten am Sabbat. Nach 19,39 treten die Pharisäer innerhalb des Lukasevangeliums nicht mehr in Erscheinung. Jesus begegnet ihnen in Jerusalem und im Tempel, dem Ort seiner Verkündigung, nicht mehr. Nicht nur bei Prozess und Passion Jesu spielen die Pharisäer in Einklang mit Mk und Mt (aber Mt 27,62!) keine Rolle,34 sondern auch in der dem Prozess vorangehenden Auseinandersetzung zwischen Jesus und den Hohenpriestern, Schriftgelehrten35 und Ältesten in Kapitel 20.36 Entgegen Mk 12,13 und Mt 22,15 tilgt er die Pharisäer bei der Frage um die Steuern (20,20). Die These, dass die oft erwähnten Schriftgelehrten ab Kap. 20 die Pharisäer miteinschließen37 und dass insbesondere in 20,39 im Zusammenhang mit der Auferstehung nur an pharisäische, nicht aber an sadduzäische Schriftgelehrte gedacht sein könne, berücksichtigt nicht, dass Lukas die Pharisäer in 20,20 wohl bewusst nicht erwähnt. Außerdem wäre es ja auch möglich gewesen, wie in 5,17–6,11 die Pharisäer entgegen seiner Vorlage zusätzlich zu den Schriftgelehrten zu erwähnen. Wahrscheinlich möchte Lukas, der schon in 6,11 die markinische Tötungsabsicht der Pharisäer ändert und in 19,39 einige Pharisäer vor den Tötungsplänen des Herodes warnen lässt, die Pharisäer nicht in Verbindung bringen mit der Tötung Jesu und der unmittelbaren Vorbereitung darauf. Nachdem sich nach der sog. Tempelreinigung die Bemühungen der Hohenpriester, Schriftgelehrten und Ältesten ganz auf die Tötung Jesu konzentrieren (19,48; 22,2), lässt Lukas die Pharisäer nicht mehr auftreten. Im Übrigen erwähnt auch die erste Leidensankündigung (Lk 9,22 par Mk/Mt) nur die Ältesten, Hohenpriester und Schriftgelehrten. Diese sind es, die nach traditioneller Darstellung in Jerusalem, dem Ort, an dem sich das Prophetenschicksal Jesu erfüllen wird, ihre von einem heilsgeschichtlichen Muss (δεῖ, 9,22) bestimmte Rolle übernehmen. Im Übrigen dürfte es zutreffen, dass Lukas ab dem 20. Kapitel weniger Wert auf die theologische Debatte legt, sondern gerade die offiziellen Führer des Judentums, ungeachtet ihrer Zugehörigkeit zu ir33
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In 19,39 geht es nicht um unterschiedliche Auffassungen zum Gesetz, wie Ziesler, Luke 151, meint. Die Übereinstimmung der synoptischen Evangelien betont auch: Ziesler, Luke 148/9. Unter den Schriftgelehrten wird man ab Kapitel 20 die Tempel-Schriftgelehrten, die vor allem sadduzäisch geprägt waren, verstehen können. Hierauf weist auch Carroll, Pharisees 606 Anm. 11, hin. Auch auf die Ähnlichkeit zwischen der Charakterisierung der Pharisäer vor der Passion und der der Ältesten im Passionsbericht wird hingewiesen. Siehe: Carroll, Pharisees 605.
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gendeiner religiösen Gruppe, als für den Tod Jesu verantwortlich darstellen möchte.38 Innerhalb der Apostelgeschichte findet der Begriff Φαρισαῖος Verwendung in vier Episoden. Die Pharisäer spielen also innerhalb der Apostelgeschichte keine herausragende Rolle. Die kritischste Stelle in Bezug auf Pharisäer ist Apg 15,5, wo einige aus der Partei der Pharisäer (αἵρεσις), die gläubig geworden waren, fordern, die Heidenchristen zu beschneiden und ihnen zu gebieten, das Gesetz des Moses zu halten. Während einige Exegeten die Bemerkung mit dem Hinweis, auch Pharisäer seien Christen geworden, positiv werten,39 sehen andere hier eine Fortschreibung der oppositionellen Züge der Pharisäer.40 Wie sie im Evangelium Jesu mangelnde Beachtung der Gesetze und seinen Umgang mit Sündern kritisiert hätten, so träten sie auch hier als Opposition zu den Aposteln auf, die die Kirche für Unbeschnittene öffneten. Vor allem geht es aber m. E. hier darum, dem Leser noch einmal die von den Aposteln und Ältesten im Folgenden zu entscheidende Frage der Beschneidung vor Augen zu stellen. Dass Lukas die christlich gewordenen Pharisäer diese Forderung stellen lässt, dürfte mit ihrer tatsächlichen Gesetzesobservanz zu tun haben. 41 Ähnliches kommt auch in Apg 26,5 innerhalb der Verteidigungsrede des Paulus vor Agrippa und Festus zum Ausdruck, wo Paulus sagt, er habe nach der strengsten oder genauesten Richtung (κατὰ τὴν ἀκριβεστάτην αἵρεσιν) des Glaubens gelebt, der der Pharisäer (ἔζησα Φαρισαῖος). Auch hier geht es nicht primär darum herauszustellen, dass Pharisäer zum christlichen Glauben kamen oder den Pharisäer Paulus als Vorbild für Juden darzustellen. 42 Die Bemerkung hat hier wohl ihren Grund in der Verteidigungsstrategie des Paulus. Er betont seine Strenggläubigkeit und seine Verwurzelung im jüdischen Glauben (vgl.: ἐκ 38
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Vgl.: Ziesler, Luke 149. Eher unwahrscheinlich ist, dass das Fehlen der Pharisäer bei der Passion in den Evangelien traditionsgeschichtlich begründet ist, dass die Evangelisten es versäumten, die Pharisäer in ihre Vorlage einzutragen. Siehe hierzu: Ziesler, Luke 155. Bei Lukas nämlich passt das Fehlen zu dem Bild, das er vorher von den Pharisäern gezeichnet hat. Vgl. auch: Ziesler, Luke 54. Für Carroll, Pharisees 620, hängt das Fehlen der Pharisäer damit zusammen, dass sie in der Apostelgeschichte eine die Heidenkirche legitimierende Funktion einnehmen. Siehe: Ziesler Luke 147; Gowler, Host 1. Auch Carroll, Pharisees 606, hebt diese Tatsache heraus. So: Gowler, Host 309. Siehe auch: Carroll, Pharisees 606. Carroll, Pharisees 618/20, betont, dass die christlichen Pharisäer zeigen, dass die frühe Kirche treu zur Tora gestanden habe. So werde deutlich, dass der Kirche, der diese Pharisäer angehörten, von Gott her die Öffnung zu den Heiden aufgetragen sei. Durch sie komme die Kontinuität zwischen Israel und der Heidenkirche zum Ausdruck. So: Gowler, Host 300/1 und 305. Gowler meint, in der Apostelgeschichte träten drei Gruppen von Pharisäern in Erscheinung, erstens nicht-christliche Pharisäer, die die Christen verteidigten (5,34–39; 23,9), dann christliche Pharisäer, die noch der Halacha verhaftet waren, aber die Entscheidung der Kirche akzeptierten, und schließlich Paulus als Beispiel „for how Jews should respond to the good news concerning the resurrection of Jesus“. Gowler, Host 301.
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νεότητος und ἀπ ἀρχῆς in 26,4), aus der heraus er seiner Verkündigungsaufgabe nachkommt. Insofern kommt hier – aber nicht nur hier – die Kontinuität zwischen christlicher Verkündigung und jüdischem Glauben zum Ausdruck. Paulus verkündet nämlich das, was jüdischer, genauer pharisäischer Glaube lehrt (V. 22–23), insbesondere die Auferstehung. Die Verkündigung der Auferstehung ist nach Paulus der Grund dafür, dass er angeklagt ist (V. 7–8). Dass Paulus im Bezug darauf auf seine Herkunft als Pharisäer verweist, ist sinnvoll, weil ja gerade die Pharisäer an die Auferstehung glauben. Umgekehrt fehlt bei der Verteidigungsrede des Paulus im Tempel, wo der Auferstehungsglaube nicht erwähnt wird, der Hinweis, Paulus sei Pharisäer gewesen (22,3: ἐγώ εἰμι ἀνὴρ Ἰουδαῖος), obwohl er auch hier seine jüdische Herkunft ausführlich erläutert.43 Einen besonders engen Bezug zwischen den Pharisäern und dem Auferstehungsglauben stellt Lukas in Apg 23,6–9 her, wo innerhalb der vier Verse der Begriff Φαρισαῖος sechsmal vorkommt. Paulus, der sich vor dem Hohen Rat verantworten muss und der weiß, dass dieser sich aus Sadduzäern und Pharisäern zusammensetzt, erklärt, er sei Pharisäer und Sohn von Pharisäern. Er werde wegen der Hoffnung und der Auferstehung der Toten angeklagt. Die Aussage hat ihren Grund wieder in der Verteidigungsstrategie des Paulus. Er möchte, durchaus listig,44 die Pharisäer auf seine Seite ziehen und so den Hohen Rat spalten, was ihm auch gelingt (V. 7; V. 10). Deswegen erklärt er mit Blick auf die Pharisäer im Hohen Rat, er sei einer der Ihren – man beachte das nur im Kontext der Verteidigung verständliche Präsens εἰμι (V. 6). Als Grund für seine Anklage führt er wieder die ihm und den Pharisäern gemeinsame (V. 8) Hoffnung und den Glauben an die Auferstehung an, aber ohne das Strittige, nämlich den Bezug dieses Glaubens auf Jesus von Nazareth, zu erwähnen. 45 Nicht der Christ Paulus wird hier vom Hohen Rat verteidigt, sondern der Pharisäer Paulus. Eine positive Sicht eines Pharisäers auf den christlichen Glauben kann man schon eher in Apg 5,27–42 sehen. Hier ist ausdrücklich die Rede von der Lehre der Apostel (V. 28: τῆς διδαχῆς ὑμῶν, vgl. V. 28: ἐπὶ τῷ ὀνόματι τούτῳ, τοῦ ἀνθρώπου τούτου mit Blick auf Jesus) und der Auferstehung Jesu (V. 30). Als die Mitglieder des Hohen Rates erzürnt die Apostel töten wollen (ἀνελεῖν), rät 43
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An dieser Stelle ist allerdings die Rede davon, dass er zu Füßen Gamaliels genau nach dem Gesetz der Väter ausgebildet wurde. Gamaliel aber ist dem Leser aus 5,34 als Pharisäer bekannt. Diese Sichtweise zieht auch Ziesler, Luke 147, in Betracht, doch hält er mit Blick auf die anderen Stellen die Darstellung der Pharisäer für positiv. Nach Ziesler, Luke 148, scheint Lukas diesen Unterschied zwischen einem allgemeinen Auferstehungsglauben und dem Glauben an die Auferstehung Jesu nicht zu realisieren. Siehe auch: Gowler, Host 300: „The hope of resurrection is the closest link between Pharisaism and Christianity, but these Pharisees do not take the final step of accepting Jesus’ resurrection.“
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Gamaliel, ein Pharisäer (V. 34), ein vom ganzen Volk geehrter Gesetzeslehrer (νομοδιδάσκαλος, V. 34), die Apostel freizulassen, und zwar mit der Begründung, dass ihr Vorhaben oder Werk ohnehin untergehen werde (V. 38), wenn es von Menschen sei (ἐξ ἀνθρώπων, V. 38). Wenn es aber von Gott sei (ἐκ θεοῦ), könnten sie die Apostel nicht vernichten (καταλῦσαι), damit sie nicht als Kämpfer gegen Gott dastünden. Positiv an dieser Äußerung ist, dass Gamaliel sich für die Apostel einsetzt und dass er immerhin mit der Möglichkeit rechnet, die christliche Verkündigung sei von Gott. Andererseits lässt aber der Hohe Rat, der Gamaliel zustimmt, die Apostel geißeln und verbietet ihnen, weiter im Namen Jesu zu predigen. Die Stelle erinnert an das zuvor in Apg 4,5–22 geschilderte Auftreten des Petrus und des Johannes vor dem Hohen Rat. Auch dort findet eine Beratung statt, auch dort werden keine gravierenden Schritte gegen Petrus und Johannes eingeleitet, auch dort findet sich das Verbot, weiter im Namen Jesu zu lehren (4,17.18). Trotz des freundlichen Auftretens Gamaliels wird man kaum behaupten können, dieser – oder verallgemeinernd – die Pharisäer verträten in der Apg eine christenfreundliche Politik.46 Interessant ist außerdem, dass die Rede Gamaliels im Zeichen der Tötungsabsicht des Hohen Rates steht. Gegen ein derartiges Vorgehen erhebt er seine Stimme. Insofern passt diese Stelle zu den Stellen im Evangelium, wo die Pharisäer von der Tötung Jesu ausgenommen werden. Abschließend seien einige generelle Beobachtungen zusammenfassend genannt: 1.
Lukas hat durchaus ein Interesse an der Darstellung der Pharisäer. So übernimmt er nicht nur ihm vorgegebene Traditionen, die von den Pharisäern sprechen (Lk 5,30; 6,2; 6,7; und den Grundbestand der Weherufe), sondern fügt seinerseits häufig Stellen über die Pharisäer in sein Werk, besonders in den Reisebericht, ein (Lk 7,30; 13,31; 14,1; 15,2; 16,14; 18,9–14; 19,39). Auch in Lk 5,17–6,11 schafft er gegenüber seiner markinischen Vorlage ein zusammenhängendes Erzählstück, das die Auseinandersetzung der Pharisäer mit Jesus thematisiert. Die im Grundbestand auf die Logienquelle Q zurückgehende Kritik an den Pharisäern in Lk 11,37–54 dürfte Lukas redaktionell bearbeitet und seinen Intentionen angepasst haben (vor allem 11,39c.41). Wo Lukas die Pharisäer entgegen seiner Vorlage nicht erwähnt (Lk 20,20), tut er dies bewusst, um sein Bild von den Pharisäern herauszuarbeiten. Auf das grundsätzliche Interesse des Lukas an den Pharisäern weist auch ihr Vorkommen in der Apostelgeschichte hin. Trotz des grundsätzlichen lukanischen Interesses an den Pharisäern spielen sie im Gesamt
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So spricht Ziesler, Luke 147/8, davon, die Pharisäer seien als politische, nicht immer theologische Freunde der Christen dargestellt. Carroll, Pharisees 617, betont, hier gehe es darum, „to make a statement not about the Pharisees but about Christian faith and its preachers.“
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Die textimmanenten Adressaten des 16. Kapitels der Erzählung – im Evangelium und in der Apostelgeschichte – nur eine untergeordnete Rolle. Sie dienen als sekundäre Figuren in der Erzählung; alles, was über sie gesagt wird, ist auf den Fortlauf der Gesamterzählung bezogen.47 Lukas unterscheidet die Pharisäer von anderen jüdischen Gruppen. 48 Anders als Markus (3,6; 8,15; 12,13) lässt er sie nie zusammen mit den Herodianern, die er gar nicht nennt, auftreten. Anders als Matthäus verbindet er sie auch nicht mit den Hohenpriestern und den Sadduzäern. Bei der gemeinsamen Erwähnung von Pharisäern und Sadduzäern in Apg 23,1–11 geraten sie in Streit miteinander. Hier wird die Differenz der Pharisäer und der Sadduzäer vor allem in der Auferstehungsfrage deutlich. Der Glauben an die Auferstehung ist besonders in der Apostelgeschichte ein Kennzeichen der Pharisäer. Lukas stellt – auch entgegen seiner Vorlage (Lk 5,17– 6,11) und redaktionell (Lk 7,30; 15,2) – die Pharisäer mit den Schriftgelehrten zusammen. Dabei dürften die Ausdrücke γραμματεύς, νομικός (Lk 7,30) und νομοδιδάσκαλος (Lk 5,17; Apg 5,34) die gleiche Personengruppe bezeichnen. Γραμματεύς kommt bis zur Ankunft Jesu in Jerusalem nur in Verbindung mit den Pharisäern vor, danach fehlen die Pharisäer. Die Schriftgelehrten kommen, außer in Apg 5,34, nie in positivem Kontext vor. Lukas ist sich bewusst, dass es Schriftgelehrte gab, die den Pharisäern angehörten: Gamaliel wird in Apg 5,34 als Φαρισαῖος und als νομοδιδάσκαλος bezeichnet. In Lk 5,30 spricht er von οἱ Φαρισαῖοι καὶ οἱ γραμματεῖς αὐτῶν und in Apg 23,9 von τινὲς τῶν γραμματέων τοῦ μέρους τῶν Φαρισαίων. Auf die Verbindung von Pharisäern und Schriftgelehrten weist auch Lk 11,45 hin: Die Schriftgelehrten fühlen sich durch die Kritik an den Pharisäern mitgemeint. Andererseits differenziert Lukas aber zwischen Pharisäern und Schriftgelehrten. Nicht nur, dass er die Weherufe teils gegen Pharisäer, teils gegen Schriftgelehrte gerichtet sein lässt – auch lässt er die Schriftgelehrten anders als die Pharisäer bei der Vorbereitung und der Durchführung des Prozesses gegen Jesus eine wichtige Rolle einnehmen. Vielleicht unterscheidet Lukas dabei zwischen Schriftgelehrten, die den Pharisäern angehörten, und anderen Schriftgelehrten.
Vgl.: Gowler, Host 308. Vgl. hierzu: Ziesler, Luke 150 Anm. 1. Aufgrund der Unterscheidung durch Lukas ist es m. E. nicht sinnvoll, alle Gruppen als Einheit zu betrachten, wie es Powell, Leaders, tut. Freilich sieht auch er Unterschiede zwischen den Gruppen, meint aber, durch die Verbindung der Schriftgelehrten sowohl mit Pharisäern als auch mit den Hohenpriestern würden alle zusammengeschlossen. Für ihn gehören sogar Zacharias und Josef von Arimathea, die allerdings als Ausnahmen bezüglich des Verhaltens zu Jesus dienen, zu den „religious leaders“. Siehe: Powell, Leaders, besonders 94. Vgl. auch die Kritik an Powell bei Gowler, Host 311. Gowler weist darauf hin, dass das Portrait der Pharisäer komplexer ist als das anderer Gruppen.
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Die Sicht der Pharisäer in der Apostelgeschichte unterscheidet sich von der im Lukasevangelium.49 Der Autor gibt lediglich an einer Stelle eine Hintergrundinformation (Apg 23,8), nämlich die, dass die Pharisäer an die Auferstehung, an Engel und Geister glauben. Direkte und pauschale Kritik, überhaupt Äußerungen über die Pharisäer aus dem Munde anderer handelnder Figuren fehlen. So werden den Pharisäern in der Apostelgeschichte, anders als im Evangelium, keine negativen Eigenschaften zugesprochen, vielmehr erscheinen Gamaliel und die Pharisäer im Hohen Rat sogar eher positiv. 50 Es ist vor allem ihr eigenes Handeln und Auftreten, aus dem heraus sie in der Apostelgeschichte dargestellt werden und beurteilt werden können. Nirgends treten sie ausdrücklich in Opposition zu den Vertretern der jungen Kirche, obwohl sie sich andererseits auch nicht ausdrücklich auf die Seite des christlichen Glaubens stellen. Lediglich in Apg 15,5 treten einige Pharisäer in kritischer Haltung auf, allerdings innerhalb der Kirche. Außer in der Hintergrundinformation in 23,8 wird an den entsprechenden Stellen nicht generell von den Pharisäern gesprochen, sondern von einzelnen Pharisäern bzw. von Gruppen von Pharisäern. Verallgemeinert man deren Darstellung auf das Erscheinungsbild der Pharisäer in der Apostelgeschichte, dann stellt sich dieses positiver dar als im Evangelium. Das positivere Bild dient aber wohl nicht dazu, die Kontinuität zwischen Christentum und Judentum zu betonen51 oder die Pharisäer als Vorbilder für andere Juden hinzustellen. Denn allgemein kommen Juden zum Glauben an Christus, und die Erfüllung alttestamentlicher Verheißungen in der Person Jesu wird an vielen Stellen in der Apostelgeschichte, besonders in den Reden, aber auch im Evangelium, besonders in der „Vorgeschichte“, betont. Die positivere Sicht der Pharisäer in der Apostelgeschichte wird zum einen durch den Duktus und den Kontext der jeweiligen Erzählung mitbeeinflusst sein; zum anderen ist aber auch denkbar, dass sich hierin eine veränderte Situation der Pharisäer innerhalb des Judentums, eine veränderte Einstellung der Christen zu den Pharisäern oder – weniger wahrscheinlich – eine veränderte Einstellung der Pharisäer zu den Christen ausdrückt. Die Darstellung der Pharisäer im Lukasevangelium beinhaltet durchaus einige positive Züge.52 So lässt das Fehlen einer Tötungsabsicht in Lk 6,11,
Siehe hierzu: Gowler, Host 301/5. Ziesler, Luke 147, weist darauf hin, dass Pharisäer als Mitglieder des Hohen Rates nur in positivem Kontext erwähnt werden. Fraglich aber ist, ob Lukas sie als „allies of the Christians“ darstellen will. Siehe auch: Gowler, Host 301/5. Dies nimmt Ziesler, Luke 147, an. Auch Carroll, Pharisees 620, betont, die Pharisäer in der Apostelgeschichte dienten zur Legitimation der judenchristlichen Bewegung und bildeten die Verbindung zwischen der heidnischen Kirche und dem Judentum. „Daß Pharisäer (und Schriftgelehrte) lukanisch nicht einem Unheilskollektiv bzw. einer monolithischen Oppsitionsfront zu subsumieren sind, ist auch daraus ersichtlich, daß
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Die textimmanenten Adressaten des 16. Kapitels die Warnung vor der Tötungsabsicht des Herodes in 13,31 und das Fehlen der Pharisäer bei Vorbereitung und Durchführung des auf den Tod Jesu gerichteten Prozesses erkennen, dass die Pharisäer nach Lukas nicht die Tötung Jesu betreiben. Vielleicht spiegelt sich hier die bei Flavius Josephus (ant. Iud. XIII 294; XX 199)53 erwähnte Milde der Pharisäer bei Gerichtsurteilen wider. Die oft positiv gewertete Teilnahme Jesu an Gastmählern bei Pharisäern,54 dient vermutlich nur der szenischen Einordnung von Streitgesprächen und Belehrungen der Pharisäer, die diese in einem negativen Licht erscheinen lassen.55 Insofern könnte die Gastmahlszenerie literarisch begründet sein, zumal innerhalb der hellenistischen Literatur des Öfteren Streitgespräche u. Ä. in einen solchen Rahmen eingebettet sind. Da diese Szenerie aber nur in Verbindung mit den Pharisäern und dazu dreimal vorkommt, könnte auch ein Hinweis darauf vorliegen, dass – jedenfalls in lukanischer Sicht – der Kontakt zwischen Pharisäern und Jesus nicht abgerissen ist. Außerdem zeigen die gemeinsamen Gastmähler immerhin, dass die Pharisäer, die gegen Jesu Mahlgemeinschaft mit Sündern Einspruch erheben, Jesus nicht zum sündigen Volk rechneten. Eine anfängliche Offenheit gegenüber Jesus lässt auch Lk 5,17 erkennen. Dass Lukas oft individualisierend oder differenzierend von τὶς bzw. τινὲς τῶν Φαρισαίων spricht, zeigt nicht unbedingt eine positive Einstellung zu diesen Pharisäern und erst recht nicht zu den Pharisäern überhaupt. Denn zum einen ist der Kontext meist negativ bestimmt, und zum anderen erwähnt er doch sehr oft pauschal die Pharisäer. Außerdem spricht er in 20,27, der einzigen Stelle im Evangelium, wo er die Sadduzäer erwähnt, auch von τινες τῶν Σαδουκαίων (diff Mk 12,18; Mt 22,23) und in 20,39 von τινες τῶν γραμματέων.56 Im Übrigen schreibt auch Markus τινες τῶν γραμματέων (7,1; 2,6 diff Lk57) und τινας τῶν Φαρισαίων (12,13 diff Lk 20,20, der hier die Pharisäer weglässt). Auch Matthäus erwähnt τινες τῶν γραμματέων (9,3) und τινες τῶν γραμματέων καὶ Φαρισαίων (12,38). Insgesamt überwiegen im Lukasevangelium bei weitem negative Äußerungen über die Pharisäer. 58 Jesus selbst kritisiert die Pharisäer in Reden, die er vor ihnen und vor dem Volk (Lk 7,30–35; 12,1; wohl auch 18,10–14) hält. Im Mittelpunkt der Kritik steht
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gerade in der Auseinandersetzung mit ihnen Gleichnisse vorherrschen, die offen enden“. So: von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 396. Vgl.: Stemberger, Pharisäer 20 und 83/4. Siehe: Ziesler, Luke 150. Siehe hierzu: Carroll, Pharisees 610/1, besonders Anm. 29. Hier vermuten allerdings einige Exegeten, dass an pharisäische Schriftgelehrte gedacht ist. Lukas nennt hier in 5,17 allgemein Pharisäer und Schriftgelehrte. Vgl. zu der teils positiven teils negativen Darstellung der Pharisäer: Gowler, Host 311/2. „Tensions appear in the portraits of the Pharisees because they cannot be forced into one simple category.“ So: Gowler, Host 311. Er ist allerdings der Ansicht, dass sich dadurch verschiedenstufige Antworten zu Jesus widerspiegeln.
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der Vorwurf der Diskrepanz zwischen äußerem Anschein der Pharisäer und ihrem tatsächlichen Sein und Handeln (Lk 11,39.42.44; 12,1; 16,15; 18,10–14). Die Pharisäer halten sich für gerecht 59 (16,15; 18,10–14) und treten entsprechend auf. Ihre Selbstgerechtigkeit gründet wohl u. a. in ihrem genauen Beachten der Gebote (11,42; 18,10–14). Von den Menschen erwarten sie Anerkennung und Achtung (11,43). Trotz des genauen Beachtens der Gebote ist ihr Verhalten aber geprägt von Habgier, Geldliebe (Charakterisierung durch den Erzähler Lukas!) und Bosheit. Jesus wirft ihnen vor, an der Gerechtigkeit gegenüber dem Nächsten vorbeizugehen und die Gottesliebe zu vernachlässigen (11,42; 18,10–14). Trotz ihres gerechten Anscheins, trotz ihrer Selbstgerechtigkeit sind sie vor Gott nicht gerecht, denn Gott kennt ihre Herzen (16,15; 18,10–14). So sind die Pharisäer schuldig vor Gott und bedürfen wie die Sünder und Zöllner der Vergebung Gottes (7,36–50). Doch erkennen sie den Willen Gottes ihnen gegenüber nicht (7,30) und öffnen sich nicht dem in Jesus zum Ausdruck kommenden neuen Heilsangebot (7,34) und der vorbereitenden Taufe des Johannes (7,30.33). Sie erkennen nicht, dass das Reich Gottes bereits mitten unter ihnen angebrochen ist (17,20–21). Insbesondere vermögen sie nicht die Frage nach Jesus „τίς ἐστιν οὗτος;“ (5,21) zutreffend zu beantworten. Da sie Jesus nicht als den Menschensohn und Messias anerkennen60 (19,39), müssen sie – im Glauben, durch ihr Tun den Willen Gottes zu erfüllen 61 – Jesu Verhalten, seine Praxis der Sündenvergebung (5,21), seinen Kontakt (15,2) und seine Mahlgemeinschaft (5,30; 15,2) mit Zöllnern und Sündern, das Nicht-Fasten seiner Jünger (5,33), sein Sabbatverständnis (6,2; 6,7; 14,1), allgemein seine mangelnde Beachtung ihrer Vorschriften (vgl. 11,37) ablehnen und kritisieren. Deswegen murren sie (5,39; 15,2), beobachten Jesus kritisch (6,7; 11,53) verspotten ihn (16,14), wollen ihn verklagen (6,7) und etwas gegen ihn unternehmen (6,11; 6,54). So ist ihr Verhalten geprägt von Unverstand (6,11). Durch ihre mangelnde Erkenntnis und ihr ablehnendes Verhalten treten die Pharisäer in Opposition zu Jesus und seiner Botschaft vom neuen Heilsangebot Gottes. Dadurch aber schließen sie sich – sofern sie ihre Opposition nicht überwinden62 – selbst von diesem Heil aus63 (vgl. das Gleich59
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Die Selbstgerechtigkeit ist für Powell, Leaders 95/7, der Charakterzug der religiösen Führer. Zu Recht betont er, dass Stellen wie 5,32 (5,31); 7,41; 15,7 und 15,29 den Blickwinkel der Pharisäer (Powell spricht generell von den religiösen Führern) in ironischer Weise widerspiegeln. All diese Worte sind zu den Pharisäern gesprochen, die sich für solchermaßen Gerechte halten. Sie betrachten Jesus von einem menschlichen Standpunkt aus. Siehe: Powell, Leaders 99/100. Die Pharisäer sehen sich als Hüter und Jesus als Übertreter des Gesetzes. Siehe: Powell, Leaders 101. Auf die Notwendigkeit zur Umkehr macht Carroll, Pharisees 614/6, aufmerksam. Dass auch Pharisäer zum Glauben an Jesus kommen können, zeigt (allerdings ohne dies besonders hervorzuheben) die Apostelgeschichte. Vgl. hierzu: Powell, Leaders 100.
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Die textimmanenten Adressaten des 16. Kapitels nis vom großen Festmahl, Lk 14,15–24, das zu Pharisäern gesprochen ist,64 und die Ablehnung des älteren Sohnes in 15,25–30; V. 28: καὶ οὐκ ἤθελεν εἰσελθεῖν!).
Die falsche Haltung der Pharisäer, die auch in den anderen Evangelien zum Ausdruck kommt, dürfte durchaus keine bloße Projektion der Auseinandersetzung zwischen früher Kirche und Synagoge auf die Zeit Jesu darstellen. 65 Die Darstellung der Pharisäer im Lukasevangelium dürfte vielmehr dazu dienen, – ausgehend von historischen Wurzeln – eine Kontrastfolie für wahres christliches Verhalten gegenüber den Rezipienten des lukanischen Doppelwerks abzugeben.66 Das Bild, das Lukas von den Pharisäern zeichnet, könnte als Warnung für solche Rezipienten bzw. Mitglieder innerhalb der lukanischen Gemeinde (vgl. Apg 15,5) fungieren, die in Gefahr waren, wie die Pharisäer zu handeln (z. B. selbstgerecht) und sich damit von Jesus und seiner Botschaft zu entfernen.67 Pharisäer und Jünger dienen demnach als Identifikationsfiguren für den jeweiligen Leser, der sich selbst im Spiegel dieser erzählten Figuren erkennen soll. Der Leser kann und soll sein eigenes Verhalten vor dem Hintergrund des erzählten Verhaltens der Jünger und Pharisäer reflektieren, bewerten und entsprechend den im Text impliziten Aufforderungen und Warnungen verändern. Im Folgenden wird nun der Text des 16. Kapitels mit den Mahnungen an die Jünger (Lk 16,1–13) und an die Pharisäer (Lk 16,15–31), die letztlich – wie gesagt – auf die Leser abzielen, analysiert.
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Vgl.: Carroll, Pharisees 613. Vgl.: Carroll, Pharisees 612 Anm. 36. Zu Recht fordert Powell, Leaders 93/4 und 110, die religiösen Führer nicht sofort als historische Personen sehen zu wollen, sondern als Figuren in einer Erzählung. Es müsse gehen um „the intended literary effect of Luke’s portrayal on the implied reader of his narrative.“ So: Powell, Leaders 93. Carroll, Pharisees 609 und 611, weist darauf hin, dass Lukas durch den Wechsel der Zuhörerschaft im Reisebericht unterschiedliche Antworten auf Jesu Botschaft darstellt. Für Powell, Leaders 109, können die religiösen Führer, und damit auch die Pharisäer, u. a. als „negative examples of discipleship“ dienen: „They exhibit the qualities that the implied author wants his readers to avoid.“ Vgl. auch: Gowler, Host 2, 299 und 305. Ähnlich formuliert von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 397, die Funktion der Pharisäer im Lukasevangelium: „Unter wiederholtem Einsatz des stärksten erzählerischen Mittels, nämlich der expliziten Attributierung, macht Lukas diese vielmehr zu Repräsentanten typischer Verhaltensweisen, wie sie auch das Jüngersein gefährden. […] Sie fungieren damit aber als Lesefiguren, an denen den Lesern die negativen Folgen einer Haltung und eines Handelns demonstriert werden, durch die auch die Jünger (und die Menge) bedroht sind bzw. mit denen sich gleichlautende Mahnungen an die Jünger verknüpfen (vgl. Lk 6,24–26.32–34.37.41; 11,41; 12,33f.).” Von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 397, weist darauf hin, dass Lukas die Rede Jesu an die Pharisäer und Schriftgelehrten mit paränetischen Obertönen versieht.
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Die Rede Jesu an die Jünger: Lk 16,1–13
5.1
Die Erzählung vom klug handelnden Verwalter: Lk 16,1–8
5.1.1 Syntaktische Bezüge Unter syntaktischem Aspekt ist in der Parabel vom klug handelnden Verwalter besonders der häufige Wechsel von Rede- und Erzählpartien auffallend. Die Redepartien nehmen den größten Raum des Gesamttextes der Parabel ein. Wenn auch die Verwendung direkter Rede in Gleichnissen üblich ist, so ist ihr Anteil in diesem Gleichnistext – verglichen mit den anderen lukanischen Gleichnissen – doch besonders hoch. Erzählpartien finden sich dagegen nur als einleitende Situationsbeschreibung (V. 1), als Schluss (V. 8) und als Redeeinleitungen (V. 2a; V. 3a; V. 5a; V. 6a; V. 6c; V. 7a; V. 7c; V. 7e). Die einleitende Situationsbeschreibung (V. 1) besteht aus zwei durch καί verbundenen Sätzen (ἄνθρωπός τις ἦν πλούσιος ὃς εἶχεν οἰκονόμον und καὶ οὗτος διεβλήθη αὐτῷ ὠς διασκορπίζων τὰ ὐπάρχοντα αὐτοῦ) bzw. aus drei Satzeinheiten (wenn man ὃς εἶχεν οἰκονόμον eigens zählt). Nur in der Einleitung finden sich ein Indefinitpronomen (τις), ein Relativpronomen (ὅς) und ein Demonstrativpronomen (οὗτος). Außerdem sind zwei Personalpronomina (αὐτῷ und αὐτοῦ) zu nennen. Offensichtlich gibt sich der Autor Mühe, in dieser Einleitung die Beziehungen zwischen den Figuren deutlich darzustellen. Auffällig ist das Passiv διεβλήθη – es ist die einzige passive Verbform in dieser Erzählung. Besonders markant ist, dass der Handelnde nicht erwähnt wird. Diese Tatsache kann darauf hinweisen, dass die Ankläger gegenüber dem Verwalter nicht in Erscheinung treten, dass sie ihn hinter seinem Rücken beschuldigen. Im Schlussvers, der durch καί an das Vorangehende angeschlossen wird, springt die betonte Stellung des Prädikates ἐπῄνεσεν am Satzanfang (nach der Konjunktion) ins Auge. Auffällig ist auch der kausale Nebensatz ὅτι φρονίμως ἐποίησεν: Nur hier findet sich innerhalb der Erzählpartien ein durch eine subordinierende Konjunktion eingeleiteter Nebensatz. Ebenfalls findet sich nur an dieser Stelle der Erzählpartien ein Adverb (φρονίμως) als Qualifikation der Handlung. Zwischen V. 8a und V. 8b scheint syntaktisch eine gewisse Zäsur zu bestehen, obwohl V. 8b durch die Einleitung mit ὅτι Bezug nimmt auf V. 8a. Wahrscheinlich will V. 8b (durch das Wiederaufgreifen des ὅτι) den Kausalsatz in V. 8a näher erklären. V. 8b ordnet sich dann nicht als Begründung zu ὅτι φρονίμως ἐποίησεν unter diesen Kausalsatz, sondern ist diesem gleichwertig. Syntaktisch fällt V. 8b aus dem Rahmen des Vorangegangenen: Zum einen ist
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V. 8b, der nur aus einem Hauptsatz besteht und nicht durch Nebensätze aufgegliedert ist, sehr lang; zum anderen wechselt die Person von der 3. Person Singular (V. 8a) in die 3. Person Plural. Auffallend sind das gehäufte Auftreten von Präpositionalwendungen und der Tempuswechsel ins Präsens (εἰσιν). Dass V. 8b und vielleicht auch V. 8a (φρονίμως ἐποίησεν) direkte Rede des κύριος (V. 8a) sind, dass ὅτι also als ὅτι-recitativum aufzufassen wäre, ist – jedenfalls im Rahmen der fiktionalen Erzählung ‒ auszuschließen. Denn alle Reden dieser Erzählung werden durch eine Einleitung, die ein Verbum dicendi (εἶπεν, ἔλεγεν, λέγει) beinhalten, eingeleitet; ein ὅτι-recitativum findet sich nicht. Die acht Redeeinleitungen sind recht knapp formuliert, besonders die der V. 6 und 7, und folgen keinem einheitlichen Satzbautyp. Die beiden längeren Redeeinleitungen (V. 2a; V. 5a) sind parallel strukturiert: Konjunktion καί + Präpositionalwendung (diese bringt erzählerisch wichtige Informationen für die jeweilige Rede) + Prädikat + Dativobjekt (Adressat). Es fällt auf, dass die Redeeinleitung V. 2a das Subjekt von V. 1b (ἄνθρωπός τις) wieder aufgreift, ohne es zu nennen, obwohl in V. 1 οἰκονόμος bzw. οὗτος formal Subjekt ist. Dies deutet darauf hin, dass der ἄνθρωπός τις auch im passivisch konstruierten V. 1c im Mittelpunkt des Blickfeldes steht und auch V. 1c auf ihn hin konzipiert ist. Diese Sicht wird unterstützt durch die Personalpronomina αὐτῷ und αὐτοῦ (V. 1c), die den Bezug der Handlungen zum ἄνθρωπός τις deutlich werden lassen. Interessanterweise nennen sechs der acht Redeeinleitungen ausdrücklich den Adressaten der Rede (αὐτῷ, ἐν ἑαυτῷ, τῷ πρώτῳ, αὐτῷ, ἑτέρῳ, αὐτῷ) und betonen so die Objektgerichtetheit der Rede. Die Nennung des Objekts unterbleibt dagegen bei den Einleitungen der kurzen Antworten der Schuldner: ὁ δὲ εἶπεν (V. 6a; V. 7c). Die Prädikate der Erzählpartien stehen in der 3. Person und weisen Vergangenheitstempora auf (Imperfekt und Aorist); Ausnahmen bilden lediglich das Prädikat des V. 8b (εἰσιν) und das Prädikat der Redeeinleitung V. 7e (λέγει). Ein Wechsel des Tempus von der Vergangenheit ins Präsens findet sich mehrfach in Lk zur Einleitung wichtiger, im Schlussteil von Gleichnissen stehenden Reden: Lk 13,8; 16,29; 19,22.1 Die Redepartien beinhalten Prädikate mit verschiedenem Tempus: Präsens, Aorist, Futur. Es herrscht die 2. Person vor. Lediglich im Selbstgespräch des Verwalters findet sich auch die 3. Person: Während ἀφαιρεῖται (V. 3) in Verbindung mit dem Subjekt ὁ κύριος Bezug auf die Situation des Verwalters nimmt, fehlt – wohl zur Steigerung der Spannung – bei der Zukunftsplanung das Subjekt zu δέξωνται. Markant ist das häufige Vorkommen von Imperativen, und zwar in der an den Verwalter gerichteten Rede des Herrn und in der an die Schuldner gerichteten Rede des Verwalters: ἀπόδος, δέξαι, γράψον, δέξαι,
1
Zur Funktion des Tempuswechsels siehe Kapitel 5.1.3: Ein solcher Tempuswechsel findet sich außerhalb eines Gleichnisses auch Lk 11,45.
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γράψον. Es fällt auf, dass die Redepartien häufig mit Fragewörtern beginnen: τί τοῦτο, τί ποιήσω, πόσον. In der Rede an den Verwalter (V. 2) ist bemerkenswert, dass der Imperativ ἀπόδος asyndetisch an den vorangehenden Teil der Rede anschließt und dass der folgende Kausalsatz (γάρ) mit der betont erscheinenden Negation οὐ beginnt.2 Im Selbstgespräch des Verwalters (V. 3–4) finden sich besonders viele Verben; so wird deutlich, dass nun für den Verwalter Handlungsbedarf besteht. Auffallend ist der Wiederaufgriff der Frage τί ποιήσω durch ἔγνων τί ποιήσω, wodurch die Planung für die Zukunft als beendet geschildert wird. Im Zentrum der Überlegung des Verwalters stehen zwei Handlungsalternativen, in denen besonders gehäuft Verben auftreten. Die Gleichwertigkeit dieser Alternativen, die gleiche Unmöglichkeit beider, kommt durch die asyndetische Anreihung, durch die parallele Gestaltung, durch den Rhythmus und den Gleichklang der Silben zum Ausdruck: σκάπτειν ἐπαιτεῖν
οὐκ
ἰσχύ αἰσχύν
ω ομαι
Besonders auffällig ist, dass die zwei Gespräche zwischen Verwalter und Schuldnern bis auf kleine Abweichungen parallel gestaltet sind, wohl um die Zielstrebigkeit des Handelns des Verwalters deutlich zu machen: V. 5 V. 7 σὺ δὲ
πόσον πόσον
ὀφείλεις ὀφείλεις;
τῷ κυρίῳ μου;
V. 6 ἑκατὸν βάτους ἐλαίου. V. 7 ἑκατὸν βάτους σίτου. V. 6 δέξαι σου τὰ γράμματα καὶ καθίσας ταχέως γράψον πεντήκοντα. V. 7 δέξαι σου τὰ γράμματα καὶ γράψον ὀγδοήκοντα. Das Fehlen der Prädikate in den Antworten der Schuldner dient der Nachahmung der Gesprächssituation; die zu ergänzenden Verben sind dem Leser aus der Frage noch im Gedächtnis. Insgesamt weist das Stück Lk 16,1b–8 recht viele Pronomina auf, die zur Kohärenz des Stückes beitragen. Pronomina fehlen lediglich in V. 8a, doch ist dies noch kein ausreichender Grund, diesen Vers vom Vorangehenden zu trennen. Zur Kohärenz trägt auch die recht große Zahl von Konjunktionen bei. Die Redeeinleitung V. 7e wird nicht durch Konjunktion mit dem Vorangehenden verbunden, wohl um die Redeeinleitung V. 6c zu variieren und die Aufmerk2
Siehe dazu mehr in: Kapitel 5.1.3.
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samkeit des Lesers zu fördern.3 Subordinierende Konjunktionen fehlen, außer in V. 8a/b (ὅτι), in Erzählpartien ganz – in diesen Partien werden keine komplexen Sachverhalte geschildert oder Gründe, Ziele u. Ä. angegeben. Subordinierende Konjunktionen fehlen auch in den kurzen Frage-, Befehls- und Antwortsätzen der V. 5–7. Dagegen finden sich besonders viele subordinierende Konjunktionen im Selbstgespräch des Verwalters (ὅτι, ἵνα, ὅταν). Die Konjunktion καί kommt zweimal in Redepartien (V. 6; V. 7) und viermal in Erzählpartien vor. In den Erzählpartien steht die Konjunktion καί immer am Satzanfang – wenn man V. 1c als eigenständigen Satz auffasst – und leitet jeweils eine für den Verlauf der Erzählung wichtige Information oder eine neue Szene ein. Die Konjunktion καί hat daher in den Erzählpartien Signalfunktion: eine neue Erzählsequenz beginnt. Während die καί-Sätze V. 2 und V. 5 in Verbindung mit der folgenden Rede stehen, werden die erzählte Anklage (V. 1) und das erzählte Lob (V. 8a) nicht durch wörtliche Rede expliziert. Die Konjunktion δέ dagegen findet sich dort, wo ein größerer Rückbezug des mit δέ verbundenen Gedankens zum Vorangehenden ausgedrückt werden soll. Während καί also eher nach vorne weist und die Handlung vorantreibt, hat δέ rückbezügliche und im Blick auf die Handlung eher retardierende Wirkung.4 So fehlt die Konjunktion δέ in den V. 1 und 2 und findet sich besonders häufig im Gespräch des Verwalters und der Schuldner, also in den aufeinander Bezug nehmenden Reden bzw. in den Einleitungen dazu. Es ist auffällig, dass in der gesamten Erzählung kaum Adjektive vorkommen. Außer dem Komparativ φρονιμώτεροι (V. 8b) findet sich nur in V. 1 noch ein Adjektiv (als Prädikatsnomen): Hier wird ein Mensch als reich (πλούσιος) qualifiziert. Das fast gänzliche Fehlen von Adjektiven weist darauf hin, dass es dem Text darauf ankommt, Figuren durch ihr Sprechen und ihr Handeln darzustellen und zu qualifizieren, nicht aber einfach durch beschreibende Adjektive. So ist der Leser aufgefordert, sich selbst ein Urteil zu bilden. Entsprechend gering ist die Zahl der Adverbien. Außer dem Adverb ταχέως (V. 6) wird nur zum Schluss (V. 8a) das Handeln des Verwalters als klug (φρονίμως) charakterisiert. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die V. 1b–8 eine Erzählung bilden, die aus Erzähl- und Redepartien besteht. Während in den Erzählpartien für den Verlauf der Handlung wichtige Informationen gegeben werden, sind die Redepartien die eigentlich tragenden Teile der Erzählung, ohne die die Erzählung völlig unverständlich wäre. Denn gerade in den Redepartien ereignen sich die wichtigen Aktionen. Die syntaktische Struktur der Rede- und Erzählpartien ist naturgemäß unterschiedlich. Auffälligkeiten in der Struktur deuten in dieser 3
4
Das Fehlen der Konjunktion hat wahrscheinlich zu textlichen Änderungen in einigen Codices geführt. Siehe zu diesem textkritischen Problem: Kapitel 5.1.3. Diese Beobachtung lässt sich auch bei anderen Gleichnissen im Lukasevangelium machen. Siehe dazu mehr in: Kapitel 5.1.3.
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lebendig gestalteten Erzählung wohl eher auf konkrete Absicht des Autors als auf Inkohärenz des Stückes hin. Nur V. 8a weist besondere Elemente auf (finites Verb am Satzanfang – nach καί, subordinierende Konjunktion, Adverb), jedoch nicht mehr als V. 1 (Adjektiv, Passiv, Indefinit-, Relativ-, Demonstrativpronomen). V. 8b weicht dagegen stark vom Vorangehenden ab. Das zeigen die gehäuften Präpositionalausdrücke und das komparativische Adjektiv, besonders aber die Länge sowie der Tempus- und Personenwechsel zu V. 8a. Allerdings schafft die Konjunktion ὅτι eine enge Verbindung mit V. 8a.
5.1.2 Narrative Strukturen Als fiktionale Erzählung innerhalb des Lukasevangeliums weisen die V. 1–8 erzählerische Merkmale und Techniken auf, wie sie sich in noch vielen anderen Gleichnissen Jesu finden und die A. Jülicher veranlasst haben, diese Erzählungen aus der großen Gruppe der Gleichnisse zu sondern und einer eigenen Klasse zuzuordnen: der der Parabeln.5 Zu den Merkmalen der Parabeln gehören u. a. eine geradlinig verlaufende Handlung, eine Abfolge von Szenen, die der Erzählung den Charakter eines Bühnenstückes verleihen (Selbstgespräche, Dialoge), ein dramatisches Gepräge, knapper Erzählstil und eine bestimmte Figurenkonstellation.6 Die erzählerischen Merkmale der neutestamentlichen Parabeln sind jedoch keine alleinige Eigenart dieser Texte, sondern finden sich auch in anderen fiktionalen Erzählungen: Insbesondere lassen sich strukturelle Parallelen zur Gattung der Fabel feststellen;7 darüber hinaus sind, vor allem im Bereich der Selbstgespräche, Anklänge an antike Komödien festzustellen. 8 Die Strukturmerkmale der neutestamentlichen Parabeln sind unter Berücksichtigung der Erkenntnisse Bultmanns ausführlich in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts von Via, Crossan, Funk und Sellin herausgearbeitet worden. 9 Ihre 5
6
7
8
9
Vgl. hierzu: Jülicher, Gleichnisreden I 25/118; Bultmann, Geschichte 179/221; Harnisch, Gleichniserzählungen 66/71. Anders: R. Zimmermann, Gleichnisse 17/28. Siehe hierzu: Anm. 15 in Kapitel 1 dieser Studie. Siehe hierzu: Bultmann, Geschichte 203/8 und Harnisch, Gleichniserzählungen 15/41 und 71/84. Siehe: Beavis, Parable and Fable 473/98. Vgl.: Harnisch, Gleichniserzählungen 97/105; Jülicher, Gleichnisreden I 98. Bultmann, Geschichte 203, bezieht sich bei seinen Betrachtungen auf die allgemeinen Erkenntnisse A. Olriks. Vgl.: Olrik, Volksdichtung 58/69. Vgl. auch: Martínez; Scheffel, Erzähltheorie 130/1. Zur speziellen Verwandtschaft der Parabel vom klugen Verwalter zu antiken Fabeln aus dem Leben des Äsop siehe: Beavis, Slavery 44/7. Diese stellt Heininger, Metaphorik, eindrucksvoll dar; ohne Berufung auf ihn stellt auch Beavis, Slavery 47, Bezüge fest. Die Parabel vom ungerechten Verwalter wird von King, Funny Thing, im Lichte der antiken Komödie gelesen. Insbesondere auf deren Erkenntnisse stützt sich Harnisch. Siehe z. B.: Sellin, Gleichnisstrukturen 89/115.
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Ausarbeitungen werden im Folgenden besonders berücksichtigt. Insbesondere werden die Figurenkonstellation und die Abfolge der Erzählsequenzen in den Blick genommen. Dies geschieht in der Hoffnung, dass die narrative Struktur des Textes zum Verständnis des Textes beiträgt.
5.1.2.1 Erzählsequenzen Wie es für Parabeln charakteristisch ist, läuft die Handlung szenenhaft vor den Augen des Lesers ab und lässt dadurch und durch die Verwendung direkter Rede die Vorstellung eines Bühnenstücks aufkommen.10 Die Handlung verläuft, dem Charakter der Parabeln entsprechend, geradlinig und einsträngig; eine Verschachtelung von Einzelszenen oder gar eine Verflechtung selbstständiger Erzählstränge unterbleibt.11 Die einzelnen Szenen und Erzähleinheiten bedingen daher die jeweils folgende und bieten so die Grundlage für das Fortlaufen der Erzählung. In der Parabel vom klug handelnden Verwalter finden sich sechs Erzähleinheiten, die eine für den Fortlauf der Erzählung wichtige Information geben, die eine neue Szene oder ein neues Geschehen darstellen: 1. 2.
3.
4.
10 11
V. 1b: Dieser Vers nennt in allgemeiner Form die beiden Hauptfiguren. V. 1c: Die Beziehung der in V. 1b genannten Figuren wird problematisch: Durch die Beschuldigung des Verwalters durch nicht benannte Dritte, er verschleudere das Hab und Gut des Herrn, wird dieser mit einem Problem konfrontiert und zum Handeln gezwungen. V. 2: Dieser Vers stellt die Lösung des Problems durch den Herrn dar. Er handelt entschlossen aufgrund der Anschuldigung: Er entlässt den Verwalter. Während die allgemeine Situation in V. 1b/c mittels einer Erzählpartie dargestellt wird, agiert in V. 2 der Herr mittels direkter Rede auf der „Bühne“. V. 3–4: Die in V. 2 erfolgte Aktion des Herrn, die Entlassung des Verwalters, stellt nun den Verwalter vor ein Problem. Er bedenkt in einem Selbstgespräch die für ihn problematische Situation und denkt sich eine Lösung für das Problem aus. Er fasst einen Plan, der allerdings nicht explizit ausgesprochen wird. Das Selbstgespräch vermittelt den Eindruck einer auf der Bühne gesprochenen Szene. Inhaltlich beginnt eine neue Erzähleinheit: Der Verwalter steht nun allein auf der „Bühne“, er wird zum Subjekt und Träger der Handlung. Die Handlung selbst stagniert zunächst. Das Selbstgespräch bezieht sich auf die vom Herrn veranlasste Entlassung (V. 2), deren Konsequenzen für den Verwalter nun aus dessen Blickwinkel bedacht werden. Ein Umschwung des zunächst thematisierten, aber noch ungelösVgl.: Eichholz, Gleichnisse 22 und Harnisch, Gleichniserzählungen 22/4. Vgl.: Harnisch, Gleichniserzählungen 25.
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5.
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ten Problems tritt mit V. 4 ein: Der Verwalter hat nun einen Lösungsweg gefunden. V. 5–7: In diesen Versen agiert der Verwalter entsprechend seinem in V. 4 gefassten Plan. Die Ausführung des Plans, das Herbeirufen der Schuldner und die Verringerung ihrer Schulden, stellt die Lösung des Problems für den Verwalter dar. V. 8: Mit V. 8 tritt der Herr erneut auf und lobt den Verwalter, weil er klug gehandelt habe. Das Geschehen von V. 8a wird ähnlich der Einleitung (V. 1) vom erzählten Erzähler Jesus knapp erzählt. Dadurch dass der Herr erneut auftritt und ein abschließendes Urteil zum Handeln des Verwalters abgibt,12 erhält die Erzählung eine besondere Geschlossenheit.13 Dennoch dürfte das Lob der an sich unrechtmäßigen Handlung den Leser doch befremden.
Beim Durchgang durch die Erzählung haben sich sechs kleine Erzähleinheiten finden lassen, die für den Fortlauf der Erzählung wichtige Informationen bieten bzw. neue Szenen darstellen.14 Es fällt auf, dass alle Erzähleinheiten mit Erzählpartien zumindest beginnen (Anfang, Schluss, Redeeinleitungen) und dass sie mit Ausnahme der ersten Erzähleinheit durch Konjunktionen mit der vorhergehenden verbunden sind:15 1. 2. 3. 4. 5. 6.
ἄνθρωπός τις ἦν πλούσιος ὃς εἶχεν οἰκονόμον καὶ οὗτος διεβλήθη αὐτῷ καὶ φωνήσας αὐτὸν εἶπεν δὲ ἐν ἑαυτῷ ὁ οἰκονόμος καὶ προσκαλεσάμενος ἕνα ἕκαστον τῶν χρεοφειλετῶν τοῦ κυρίου ἑαυτοῦ καὶ ἐπῄνεσεν ὁ κύριος τὸν οἰκονόμον
Während die mit καί eingeleiteten Erzähleinheiten wichtige Informationen bieten oder die Handlung vorantreiben, stagniert in der 4. Erzähleinheit die 12
13
14 15
V. 8b scheint eine von der eigentlichen Parabelerzählung abgehobene Bewertung zu sein, die aber vom Erzähler Jesus offenbar dem Herrn in den Mund gelegt wird und eine metaphorische Brücke zur weiteren metaphorisch geprägten Jesusrede in V. 9–13 darstellt. Siehe hierzu auch die Ausführungen zu V. 8a: Kapitel 5.1.3. Vgl.: Fitzmyer, Luke 1096; Marshall, Luke 620; Schlatter, Lukas 365. Reinmuth, Verwalter 641, weist darauf hin, dass die in den Evangelien vorkommenden Texte, die von Verwaltern, Knechten bzw. Sklaven sprechen, jeweils eine Bewertung des Verhaltens des Sklaven durch den jeweiligen Besitzer enthalten. Ein Wechsel der Erzählebene in V. 8 vom erzählten Erzähler Jesus (Figurenrede) zum auktorialen Erzähler Lukas (Erzählerrede), der von einigen Exegeten angenommen wird, ist von daher sehr unwahrscheinlich. Siehe hierzu auch die Ausführungen zu V. 8a: Kapitel 5.1.3. Vgl. die etwas andere Beschreibung der Szenenabfolge bei: Bovon, Lukas III 74. Zu den Konjunktionen καί und δέ und zur Vorliebe des Lukas für δέ siehe: Cadbury, Style 142/5.
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Handlung zunächst. Die Aktion des Herrn, die für den Verwalter zum Problem wird, ist der Anlass für die Überlegungen des Verwalters. Auf diese Aktion und ihre für den Verwalter tragischen Implikationen nimmt das Selbstgespräch immer wieder Bezug: ὅτι ὁ κύριός μου ἀφαιρεῖται τὴν οἰκονομίαν ἀπ’ ἐμοῦ und ὅταν μετασταθῶ ἐκ τῆς οἰκονομίας. Durch die wiederholte Bezugnahme auf diese Aktion innerhalb des Selbstgespräches und durch die Stagnation der Handlung, die ja zunächst nur im Bedenken der Krise besteht, wird die Tragik der Situation deutlich herausgestellt. Das Bedenken der Krise und die Suche nach einer Lösung führen zu einem festen Entschluss des Verwalters, den dieser dann in die Tat umsetzt. Das Tragische wächst von Beginn bis zur abgelehnten Handlungsalternative in V. 3 kontinuierlich an und stagniert erst mit dem Fassen des Planes: Eine Lösung scheint gefunden. Die Ausführung des Planes, die nach Meinung des Verwalters zur Befreiung und Lösung führt, stellt für diesen eine Verminderung der Tragik dar; der Leser jedoch ist verunsichert, ob sich durch diese Tat wirklich das Problem lösen lässt oder ob sich die Tragik der Situation für den Verwalter nicht noch zuspitzt. Für den Leser ist es daher „merk-würdig“, dass die Tat vom Herrn sanktioniert wird, dass diese Tat das Problem des Verwalters tatsächlich gelöst hat. „Auf das Schlussurteil des Herrn über seinen Verwalter kommt es in der Erzählung an.“ 16 Mit den Erzähleinheiten verschränkt sich offensichtlich eine Handlungsbewegung, die man mit D. O. Via als tragisch und komisch bezeichnen kann. 17 Die sechs kleinen Erzähleinheiten lassen sich zu größeren Blöcken oder Akten zusammenfassen. So bilden die zunächst unterschiedenen Erzähleinheiten V. 1b und V. 1c gemeinsam die Exposition, da sie die allgemeine (V. 1b) und spezielle (V. 1c) Ausgangsposition in einer knappen Erzählpartie schildern. Der erste Akt besteht in der Rede des Herrn, in der er den Verwalter entlässt, wodurch die Krise für den Verwalter entsteht.18 Der zweite Akt kann als „Handlung des Verwalters“ bezeichnet werden, er umfasst das Selbstgespräch (V. 3–4) und die Ausführung des dort gefassten Planes (V. 5–7). Den Schlussakt bildet V. 8. Fasst man nun die Exposition mit dem ersten Akt zusammen – das Zusammenspiel beider Elemente verursacht ja die Krise des Verwalters –, so ergibt sich ein Aufbau von drei Akten: Anfang, Mitte, Schluss.19 Dieser Aufbau entspricht dem Schema D. O. Vias, der die einzelnen Akte mit Krise, Tat, Lösung bezeichnet.20 Mit der hier dargestellten Gliederung der Parabel in drei Akte 16 17 18
19
20
Pittner, Sondergut 117. Siehe: Via, Gleichnisse 109/11 und 138/9. Heil fasst die V. 1b–2 zur Exposition zusammen, der dann die Teile V. 3–4, V. 5–7 und V. 8a folgen. Siehe: Heil, Klugheit und Phantasie 245/6. Bei Parabeln findet sich fast durchweg ein dreiteiliger Aufbau. Siehe: Via, Gleichnisse 23/4. R. Dithmar hat für die Fabel einen gleichen Aufbau (Exposition und actio allerdings getrennt) nachgewiesen: Exposition, actio, reactio, Ergebnis. Siehe: Dithmar, Fabel 106. Vgl.: Via, Parable 124. Crossan, Analysis 206, der ebenfalls eine Gliederung von drei Akten annimmt, kommt zu einem anderen Ergebnis, da er V. 8a nicht als Bestandteil der
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stimmt der Wechsel der Handlungsträger überein: In V. 1–2 ist der Herr, der in der Exposition zunächst genannte ἄνθρωπός τις, Handlungsträger. Dem widerspricht nicht die Tatsache, dass in V. 1b der Verwalter (οὗτος) formal Subjekt ist. Denn in diesem passivisch konstruierten Versteil werden die eigentlichen Akteure gar nicht benannt. Insbesondere aber ist die in V. 1c genannte Situation, die Anklage des Verwalters, ganz im Blick auf den Herrn erzählt. Dies zeigen die auf den Herrn Bezug nehmenden Pronomina αὐτῷ und αὐτοῦ und besonders der unvermittelte Subjektwechsel in V. 2: Für den Erzähler ist es offenbar selbstverständlich, dass nur der Herr als Handlungsträger in V. 2 Subjekt sein kann. Der Verwalter ist als derjenige, auf den sich die Handlung richtet, Objekt. Der Handlungsträger wechselt in V. 3: εἶπεν δὲ ἐν ἑαυτῷ ὁ οἰκονόμος. Der Verwalter bleibt Handlungsträger im Selbstgespräch und durch die V. 5–7 hindurch. Dass hier die Schuldner, die in V. 5 als Objekt eingeführt werden, lediglich eine untergeordnete Objekt-Rolle spielen, obwohl sie in den Redeeinleitungen (ὁ δὲ εἶπεν) Subjekt sind, zeigt die Betonung des Objekts in den Redeeinleitungen des Verwalters: τῷ πρώτῳ, αὐτῷ, ἑτέρῳ, αὐτῷ. Umgekehrt spricht das Fehlen solcher Objekte in den Redeeinleitungen der Schuldner (ὁ δὲ εἶπεν) dafür, dass sie lediglich eine antwortende Rolle spielen und dass der Verwalter Träger der Handlung ist. Mit V. 8 wechselt der Handlungsträger erneut: Nun wird wieder der Herr Handlungsträger, der in V. 1–2 als Handlungsträger das Geschehen in Gang gebracht hat. Als Objekt wird der Verwalter genannt.21 So ergeben sich bei der Parabel vom klugen Verwalter drei Akte: Anfang: Mitte: Schluss:
21
V. 1–2 V. 3–7 V. 8
Handlungsträger: ἄνθρωπός τις Handlungsträger: ὁ οἰκονόμος Handlungsträger: ὁ κύριος = ἄνθρωπός τις
Parabel ansieht. Seines Erachtens gliedert sich die Parabel in die drei Akte: Anfang (V. 1–2), Mitte (V. 3–4), Ende (V. 5–7). Auch nach Wolter, Lukasevangelium 544, besteht die Erzählung aus drei Teilen: die Ausgangssituation (V. 1b), die Problemlage (V. 1c–2) und das Zentrum (V. 3–7). Das Finale ist seines Erachtens „aus der Erzählung ausgelagert“. Er geht davon aus, dass das Lob durch Jesus gesprochen wird, da es aus dem Munde des Herrn nicht plausibel sei. Siehe: Wolter, Lukasevangelium 547. Dann ist allerdings die Bezeichnung von V. 8a als Finale und auch der V. 3–7 als Zentrum der Erzählung m. E. nicht sinnvoll. Grilli unterscheidet vier Szenen: V. 1b–2; V. 3–4; V. 5–7; V. 8. Siehe: Grilli, Lk 16,1–13 140/1. Dass bei der Gliederung Crossans die Wechsel der Handlungsträger nicht mit dem Wechsel der Akte einhergehen, spricht eher gegen seine Gliederung. Außerdem erhält die Erzählung eine besondere Geschlossenheit, wenn derjenige, der die Handlung zu Beginn in Gang gesetzt hat, am Ende noch einmal auftritt.
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5.1.2.2 Figurenkonstellation Da die Parabeln den Charakter von Bühnenstücken haben, kommt neben den Erzähl- und Handlungssequenzen den auftretenden Figuren eine besondere Bedeutung zu, zumal sich Gesetzmäßigkeiten bezüglich der Figurenkonstellation und der Beschreibung der Figuren22 in neutestamentlichen Parabeln erkennen lassen.23 Es muss berücksichtigt werden, dass sich die Eigenschaften der Charaktere an der Art des Verhaltens der Figuren und ihrer Äußerungen zeigen.24 In der Parabel vom klugen Verwalter werden drei auftretende Figuren bzw. Figurengruppen explizit genannt: der Herr, der Verwalter und die Schuldner.25 Dabei kommt dem in der Exposition zunächst genannten Herrn eine besondere Autorität zu: Er entlässt als Besitzer des Gutes seinen Verwalter und sanktioniert am Ende dessen Handeln. Von dieser mit besonderer Macht ausgestatteten Herrscherfigur ist der Verwalter abhängig, dem wiederum die Schuldner untergeordnet sind. Die Parabel weist also eine abfallende Rangfolge der einzelnen Figuren auf.26 Dem Verwalter kommt die mittlere Position zu: Er ist dem Herrn untergeben, aber andererseits gegenüber den Schuldnern weisungsbefugt. Insofern kann man von einem „Rollenwechsel der Mittelfigur“27 sprechen, der auch durch die sprachliche Gestaltung deutlich wird. So ist in V. 2 der Herr der Redende und somit Handelnde, während der Verwalter lediglich ein Hörender und passiv Beteiligter ist. Der Herr erteilt die Befehle (ἀπόδος); der Verwalter muss als Untergebener die Befehle hinnehmen. Dagegen befiehlt in V. 5–7 der Verwalter als Handlungsträger den untergebenen Schuldnern (δέξαι, γράψον); diese spielen nur eine antwortende (ὁ δὲ εἶπεν im Gegensatz 22
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27
Siehe zum Begriff „Figur“: Martínez; Scheffel, Erzähltheorie 147/53. Sie machen darauf aufmerksam, dass Figuren fiktionaler Erzählungen abgeschlossen sind, da man nur die Informationen über sie erhält, die der Text gibt, und dass sie unterdeterminiert sind, so dass der Leser das Bild von ihnen durch sein Hintergrundwissen ergänzt. Siehe hierzu besonders: Sellin, Gleichniserzähler 180/9; Funk, Structure 51/68; Harnisch, Gleichniserzählungen 29/36 und 73/84. Vgl.: Harnisch, Gleichniserzählungen 35; Bultmann, Geschichte 204; Bredenhof, Failure and Prospect 43. Die Zahl der Akteure ist in neutestamentlichen Parabeln auf zwei oder drei begrenzt. Siehe: Harnisch, Gleichniserzählungen 29/30. Sellin, Gleichniserzähler 182, rechnet die Parabel vom klugen Verwalter unter Vernachlässigung der Schuldner zu den Zweifigurenerzählungen. Eine solche abfallende Rangfolge findet sich auch in der Parabel vom Schalksknecht (Mt 18,23–35) und in der Parabel von den bösen Winzern (Mk 12,1–12 par). Oft sind der mit besonderer Autorität ausgestatteten Figur zwei gleichrangige Personen(gruppen) zugeordnet, die aber in Opposition zueinander stehen, z. B.: zwei ungleiche Söhne, ungleiche Knechte. Siehe: Harnisch, Gleichniserzählungen Jesu 73/4 und 79/81, der die beiden gleichrangigen Personen als antithetisches Zwillingspaar bezeichnet. Harnisch, Gleichniserzählungen 75.
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zu ὁ δὲ εἶπεν αὐτῷ) und ausführende Rolle.28 Schon aufgrund dieser Mittelposition des Verwalters kommt ihm und seiner Handlung eine besondere Bedeutung innerhalb der Erzählung zu. Als einzige Figur der Parabel kommt der Verwalter von Anfang bis Ende in der Erzählung vor, entweder als Objekt (so am Anfang und am Schluss) oder als Handlungsträger (so in V. 3–7). So ist es der Verwalter, der mit allen auftretenden Figuren in Kontakt tritt, mit dem Herrn und den Schuldnern. Dagegen wird die Beziehung zwischen Herrn und Schuldnern nicht beschrieben.29 Schematisch lassen sich die Beziehungen der Figuren so darstellen: Herr (Handlungssouverän) Verwalter (dramatische Hauptfigur) Schuldner (dramatische Nebenfiguren)30 Dem Verwalter gilt das erzählerische Hauptinteresse. 31 Daher wird die Krise, in die er geraten ist, betont32 und sein Vorgehen drastisch und wiederholt geschildert. Jedoch ist es der mit besonderer Autorität ausgestattete Herr, der durch seine Handlung, durch die Entlassung des Verwalters die Handlung des Verwalters in Gang setzt. Der Herr ist der „Handlungssouverän“ 33; ihm kommt es zu, die Handlung in Bewegung zu setzen und am Schluss zu sanktionieren. 34 Insofern ist er gleichsam die Achse der Erzählung;35 wenn er auch nicht ständig 28
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Ein ähnlicher Rollenwechsel findet sich in Mt 18,23–34. Die tragisch-komische Handlungsbewegung verläuft in eine andere Richtung als bei der Parabel vom klugen Verwalter. Die inhaltlichen Differenzen erlauben es m. E. aber nicht, in der Parabel vom klugen Verwalter einfach ein Gegenstück zur Parabel vom unbarmherzigen Knecht zu sehen. So kommt in Mt 18,23–34 der Knecht ja in genau dieselbe Situation, in der vorher der König gewesen ist. Dass bei einer Dreierformation eine der möglichen Beziehungen unberücksichtigt bleibt, ist (abgesehen von Mk 12,1–12) ein Charakteristikum dieser Parabeln. R. W. Funk nennt dieses Phänomen das „Gesetz des offenen Dreiecks“. Siehe: Funk, Structure 56; vgl.: Harnisch, Gleichniserzählungen 80/2. So: Harnisch, Gleichniserzählungen 82 und Funk, Structure 55/6, der allerdings andere Bezeichnungen verwendet. Vgl.: Harnisch, Gleichniserzählungen 77. Siehe auch: Pittner, Sondergut 116 und Snodgrass, Stories 413. G. P. Anderson weist darauf hin, dass es in den meisten lukanischen Parabeln um Charaktere geht, die in eine Krise geraten. Siehe: Anderson, Seeking and Saving 731/2. „With only few exceptions, what all characters share is a moment in which they must deliberate, internally or externally, and act, sometimes creatively.“ So: Anderson, Seeking and Saving 732. Harnisch, Gleichniserzählungen 77. Vgl.: Harnisch, Gleichniserzählungen 76. Siehe: Funk, Structure 60, besonders das Schema.
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als Akteur in Erscheinung tritt (V. 3–7), so ist das Geschehen doch auch im Blick auf ihn erzählt: Daher nehmen die V. 3–7 häufig Bezug auf ihn (ὁ κύριός μου, τοῦ κυρίου μου, τοῦ κυρίου ἑαυτοῦ, τῷ κυρίῳ μου). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Herr und Verwalter die eigentlichen Akteure in dieser Erzählung sind, dass die so betont geschilderte Krise des Verwalters erst durch das Handeln des Herrn hervorgerufen wird, dass sie aber nach einer klugen Handlung des Verwalters schließlich ebenfalls vom Herrn gelöst wird. Die Erzählung betont besonders die Schwierigkeit der Situation für den Verwalter und die Art und Weise seines diesbezüglichen Verhaltens. Dabei geht es nicht nur darum, dass sich der Verwalter angesichts der katastrophalen Lage schnell und entschlossen zu helfen weiß, sondern auch darum, wie er handelt. Um die Art der Zukunftssicherung geht es im Selbstgespräch (τί ποιήσω, ἔγνων τί ποιήσω), die Handlung des Verwalters wird breit erzählt. Gerade das, was der Verwalter getan hat, führt den Herrn dazu, seine Tat als klug zu qualifizieren. Worin das Kluge dieses Vorgehens besteht, wird in der Parabel nicht mehr gesagt; hier ist der Leser bzw. Hörer gefordert, eine Antwort zu geben und wie der Herr das Kluge der Handlung zu erkennen.
5.1.3 Semantische Implikationen V. 1a ἔλεγεν δὲ καὶ πρὸς τοὺς μαθητάς . V. 1a ist ein Text-Einsatz-Signal und gleichsam eine Regieanweisung: Innerhalb der erzählten Welt von Jesus wird die Welt der Parabel eingebettet. 36 Durch ἔλεγεν δέ leitet Lukas eine neue Erzähleinheit ein.37 Die Wortverbindung δὲ καί,38 die teils zur Aneinanderreihung gleicher Sachverhalte (z. B. Lk 2,4; 3,9; 4,41, 11,18; 20,12; 20,31; 24;37), teils zur Gegenüberstellung von verschiedenen Personengruppen oder unterschiedlicher Redegattungen (z. B. Lk 3,12; 5,36; 6,39; 14,12; 16,22; 18,9; 22,24; 23,35; 23,38) dient, ist hier wie Lk 14,12 und 18,9 gebraucht. Der Adressatenkreis wechselt (von den Pharisäern (Lk 15,1) zu den Jüngern);39 die Art der Rede bleibt (anders als Lk 5,36; 6,39) gleich.40 Ein Wechsel 36 37
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Vgl.: Güttgemanns, Analyse 55. So: Fassl, Komposition und Redaktion 124. Siehe auch: Wolter, Lukasevangelium 545 und Kramer, Lukas 139. Die Wortverbindung δὲ καί wird von Lukas gerne benutzt. Siehe: Cadbury, Style 146. Die EÜ 1980 übersetzt nur: „Jesus sagte zu den Jüngern”, während die EÜ 2016 hier genauer ist: „Jesus sprach aber auch zu den Jüngern”. Wolter macht darauf aufmerksam, dass das Auditorium nach 14,25–35 (Bedingungen der Jüngerschaft, die einer großen Menge (ὄχλοι πολλοί) vorgestellt werden) bis 17,10 zwischen Pharisäern und Jüngern wechselt und dass die Pharisäer als die charakterisiert werden, die die Bedingungen der Jüngerschaft nicht erfüllen. Warum durch den Auditorienwechsel in 16,1 „der Kontext des ὄχλος verlassen“ (Wolter, Streitgespräch 31) werde, während in 15,1–2 mit Zöllnern und Sündern sowie Pharisäern und Schriftgelehrten
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des Ortes oder ein zeitlicher Abstand zum Vorherigen wird ebenfalls nicht angezeigt.41 Lukas siedelt die Erzähleinheit „vielmehr in jenem unbestimmten Unterwegs an, auf dem Jesus sich nach der Mahlszene in 14,1–24 […] ab 14,25 wieder befindet. Erst in 17,11 bringt Lukas wieder eine Reisenotiz, die die Leser so etwas wie einen zeitlich und räumlich bestimmten Szenenwechsel assoziieren lassen könnte.“42 Die nun mit 16,1 beginnende Figurenrede Jesu – das Subjekt zu ἔλεγεν kann aus dem vorherigen Kontext erschlossen werden – richtet sich πρὸς τοὺς μαθητάς. Der Begriff μαθητής wird nicht nur für den Kreis der zwölf Apostel (Lk 22,11.39.45) oder für einen engen Kreis von Anhängern Jesu (identisch mit den zwölf Aposteln wohl Lk 8,9.22; 9,14.16.18.40.43.54; 10,23; 18,15; 19,29; unterschieden von ihnen sicher Lk 6,13; 17,5, vielleicht Lk 6,20; 20,45; unbestimmt Lk 5,30; 6,1; 7,11; 11,1.1; 12,1.22; 14,26.27.33; 17,22) gebraucht, sondern kann auch für einen weiteren Kreis von Anhängern und Zuhörern Jesu, also für alle, die ihm nachfolgen oder nahestehen (so sicher Lk 6,17; 19,37.39), benutzt werden.43 Es ist daher vom Wortgebrauch nicht festzustellen, ob sich die folgende Rede nur an einen engen Kreis von Jüngern oder – wahrscheinlicher – an alle Anhänger Jesu richtet.44 Dass die an die μαθηταί gerichtete Rede auch von den Pharisäern vernommen wird (V. 14),45 ist von
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„ein Ausschnitt aus den ὄχλοι πολλοί präsentiert“ (Wolter, Streitgespräch 30) werde, wird von Wolter m.E. nicht überzeugend dargelegt. Siehe zu seiner These: Wolter, Streitgespräch 30/1. Vielmehr ist der Wechsel der Adressaten in Lk 15,1–2 viel stärker und ausführlicher formuliert als in Lk 16,1 und Lk 16,14. Es ist also durchaus möglich, dass die Jünger auch in 14,25–35 als Adressaten mitgedacht sind. Burkett, Unrighteous Steward 332/6, sieht in der lukanischen Adressierung der Parabel an die Jünger einen Fehler des Redaktors Lukas: In der vorlukanischen Gemeinde sei die Parabel eine Aufforderung an reiche Menschen im Umfeld der Christen gewesen, sich die Jünger Jesu, also die Gemeindemitglieder, durch finanzielle Unterstützung zu Freunden zu machen. Die Wendung ἔλεγεν δὲ (καί) drückt also nur teilweise eine Kontinuität mit Vorhergehendem aus. Dies meint Topel, Injustice 222. Vgl.: Wolter, Streitgespräch 30. Siehe auch: Wolter, Lukasevangelium 542. Vgl.: Ireland, Stewardship 58/9 und Metzger, Consumption and Wealth 109. Reinmuth, Verwalter 637, geht auch von einem thematischen Zusammenhang zwischen 16,1–8a und dem 15. Kapitel aus. Wolter, Streitgespräch 30. Siehe hierzu Kapitel 4.1. Siehe auch: Weiser, Knechtsgleichnisse 119. Vgl. auch: NepperChristensen, μαθητής 917; Snodgrass, Stories 416; Ireland, Stewardship 59. Auch Lunt, Unjust Steward 132, meint, V. 1 gebe nicht das Recht zur Vermutung, die Parabel sei speziell zu den Aposteln gesprochen. Topel, Injustice 221, der die Parabel im Licht von Lk 15,11–32 interpretiert, versucht zu zeigen, dass eine Wende zu den Jüngern oft die Anwendung einer gerade gegebenen Botschaft anzeige. Nach Grilli sind hier alle Männer und Frauen angesprochen, „die Jesus nachfolgen, die die Bedingungen, seine Schüler zu sein, akzeptieren, die sich von ihm aussenden lassen (9,1–6 und 10,1–20) und die seinen Weg teilen.“ Grilli, Lk 16,1–13 145. Vgl.: Fonck, Parabeln 678. Vgl.: Ireland, Stewardship 59.
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Lk 10,23 und 20,45 her nicht außergewöhnlich; offensichtlich lässt Lukas auch bei Jüngerbelehrung Personen außer den Jesus Nachfolgenden anwesend sein. 46 V.1b ἄνθρωπός τις ἦν πλούσιος ὃς εἶχεν οἰκονόμον, Die Wortverbindung ἄνθρωπός τις47 ohne weitere Bestimmung durch einen Namen macht den Text als fiktionale Erzählung kenntlich. Insbesondere τις weist sich als Fiktionssignal aus.48 Der Rezipient wird sich an die gleiche Formulierung in den Erzählungen Lk 10,30; 12,16 (im Genitiv); 14,16; 15,11 erinnern. Auch in Lk 16,19 und 19,12 beginnen Gleichnisse mit dieser Wortverbindung. Ähnliche Gleichnisanfänge finden sich in Lk 7,41; 13,6; 18,2 und 18,10. 49 Dieser Mensch – man kann sich zunächst jeden Menschen vorstellen – wird durch ἦν πλούσιος näher charakterisiert. Es fällt auf, dass Lukas das Adjektiv πλούσιος im Vergleich zu den übrigen Evangelisten relativ häufig gebraucht (Lk elfmal, Mk zweimal, Mt dreimal, Joh keinmal, Apg keinmal). Der Begriff ist bei Lukas zumeist negativ besetzt, lediglich Lk 14,12 scheint eine Ausnahme zu machen. An allen anderen Stellen (Lk 6,24; 12,16; 16,19.21.22; 18,23.35; 19,2) wird deutlich, dass Reichtum die Gefahr mit sich bringt, nicht in das Reich Gottes hineinzugelangen. Die kritische Haltung des Lukas gegenüber Reichen50 ist grundgelegt in Lk 1,53 und 6,24: Die „Reichen“ gehören nicht zum Volk Israel – eine Vorstellung, die ihren Grund in der apokalyptischen Tradition hat.51 Die „Armen“ sind „das alttestamentliche (und endzeitliche: Jes) Volk 46
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Anderson, Seeking and Saving 737/8, weist darauf hin, dass Lukas dem Rezipienten u. a. durch die erzählte Zuhörerschaft eine Interpretationsrichtung für die jeweilige Parabel bietet. Die Parabeln, die zu den Jüngern gesprochen seien, enthielten ethische Unterweisung. Er verweist neben Lk 16,1–13 auf Lk 11,5–13; 12,35–40 und 17,7–10. Für Thurén, Parables 128, zeigt der Wechsel der Zuhörerschaft auch einen Wechsel der Funktion der Parabel im Vergleich zu den vorigen an. Reinmuth, der einen engen thematischen Zusammenhang der Parabel mit dem 15. Kapitel und der in Lk 15,1–2 geschilderten Situation annimmt, sieht in dem Adressatenwechsel eine „Erläuterung des Vorangegangenen für diejenigen […], die Jesu Handeln mit Verständnis und Zustimmung begegnen.“ So: Reinmuth, Verwalter 638. Die Semantik bleibt zunächst unbestimmt. Vgl.: Hintzen, Verkündigung und Wahrnehmung 91. Vgl.: Hintzen, Verkündigung und Wahrnehmung 121. Vgl. generell zu solchen Anfängen fiktionaler Erzählungen: Martínez; Scheffel, Erzähltheorie 18 und Fludernik, Erzähltheorie 55. Mit dem Begriff ἄνθρωπος beginnen Gleichnisse auch bei Mt und Mk, z. B.: Mk 12,1; 4,26; Mt 21,28; 21,33. Die Wortverbindung ἄνθρωπός τις dagegen findet sich – abgesehen vielleicht von Mt 21,28, wo τις aber nicht eindeutig überliefert ist – nur bei Lukas, und zwar nicht nur in lukanischen Sondergutgleichnissen, sondern auch Lk 14,16 (diff Mt 22,1–14); 19,12 (diff Mt 25,14) und 20,9 (diff Mk 12,1; Mt 21,33 – allerdings ist τις in Lk 20,9 von den Textzeugen her nicht eindeutig gesichert). Siehe hierzu: Merklein, πλούσιος 274 und Hintzen, Verkündigung und Wahrnehmung 196/8. Siehe hierzu auch das 7. Kapitel dieser Studie. Siehe: Hintzen, Verkündigung und Wahrnehmung 197.
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Israel, insofern es sich ganz auf Gottes Eingreifen verwiesen weiß und das von Jesus das Heil, die Gottesherrschaft zugesagt erhält.“52 Trotzdem ist es auch für Reiche möglich, das Heil zu erlangen, indem sie nämlich wie Zachäus (Lk 19,2) die von Gott durch Jesus eröffnete Möglichkeit des Heils ergreifen und ihren Reichtum zur Unterstützung Armer nutzen.53 Vom sprachlichen Befund her ist nicht zu entscheiden, ob der Herr in Lk 16,1 zu Beginn der Erzählung lediglich neutral charakterisiert wird oder ob auf den Herrn – im Anklang an Lk 12,16 – ein schlechtes Licht fallen soll.54 In jedem Fall ist es dem Erzähler wichtig, den Reichtum dieses Menschen deutlich werden zu lassen. 55 Der Relativsatz ὃς εἶχεν οἰκονόμον verweist zurück auf ἄνθρωπός τις. Das Relativpronomen hat demonstrativen Charakter;56 es handelt sich offensichtlich semantisch nicht um einen untergeordneten Nebensatz, sondern er führt die wichtige Person des Verwalters in ihrer Beziehung zum ἄνθρωπός τις ein. Das Verb ἔχειν am Gleichnisanfang findet sich mit Ausnahme von Mt 21,28 nur bei Lukas (11,5; 13,6; 15,11; 16,1; und 15,4.8; 17,7 par Mt). In den Erzählungen bei Lukas werden in der Exposition die Beziehungen der handelnden Personen durch ἔχειν deutlich gemacht.57 52
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Hintzen, Verkündigung und Wahrnehmung 198. Vgl.: Lohse, Evangelium 55/6. Siehe zum Problem der Armut im Judentum auch: Dietrich, Gesetze 31/43. Snodgrass, Stories 413, weist darauf hin, dass nicht alle Reichen wegen ihres Reichtums im Lukasevangelium negativ gesehen werden. Er nennt neben Zachäus die Frauen, die Jesus unterstützen (8,3), den heimkehrenden Herrn (12,36–46), den Geber des großen Festmahls (14,16), den Vater des verlorenen Sohnes (15,11–32) und den vornehmen Herrn, der verreist, um König zu werden (19,11–27). B. B. Scott, Praise 179, meint, die Charakterisierung des Mannes als reich sei angesichts der Tatsache, dass er einen Verwalter habe, überflüssig und diene dazu, ihn negativ zu zeichnen. Reiche Herrn spielten die Rolle eines Despoten. Auch Loader, Jesus 527, hält es für möglich, dass der erwähnte Mensch negativ geschildert werden soll. Die These Scotts wird auch von Landry; May, Honor 294/5, geteilt. Metzger, Consumption and Wealth 110, äußert mit Blick auf Lk 12,16–20 und 15,11–32 die Ansicht, die Reichen würden bei Lukas als tragische und bemitleidenswerte Charaktere gesehen, deren Handlungen töricht und meist auch lächerlich seien. Snodgrass, Stories 413, ist dagegen der Ansicht, nichts deute in der Erzählung darauf hin, dass der reiche Mann negativ gesehen werden solle. Ohne die entsprechende Charakterisierung hätte ἄνθρωπός τις εἶχεν οἰκονόμον genügt. Es ist denkbar, dass Lukas durch die Verwendung des Begriffs πλούσιος hier und in Lk 16,19 die Verbindung der beiden Parabeln deutlich herausstellen wollte. Pellegrini, οἰκονόμος 168, geht davon aus, dass diese Information dazu dient, die Menge des verschleuderten Geldes (V. 1c) zu betonen. Vgl: Liddell-Scott 1259. Vgl.: Konradt, Interpretationsversuch 106. Er weist darauf hin, dass auch in Lk 15,11 der Mensch „hinsichtlich einer bestimmten sozialen Relation bestimmt wird“ und dass beide Gleichnisse darin übereinstimmen, dass nicht ein Handeln des besagten Menschen geschildert wird, sondern der Person, in deren Beziehung der genannte Mensch steht. Siehe auch: Pittner, Sondergut 34/5 und 125. Ob dieser Sprachgebrauch spezifisch lukanisch ist, wie Pittner behauptet, ist aber im Blick auf Mt nicht leicht zu entscheiden.
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Der Bedeutungsgehalt des Wortes οἰκονόμος ist diffus und lässt sich nur aus dem Kontext erschließen.58 Bei Lk kommt der Begriff nur noch 12,42 vor und bezeichnet dort einen Sklaven mit Eigenverantwortung, der für die Beaufsichtigung und Versorgung der Arbeiter zuständig ist. R. A. Baergen hat aufgrund einer Untersuchung antiker Schriften und Papyri ab dem 4. Jh. v. Chr. festgestellt, dass der Begriff einerseits eine offizielle öffentliche Amtsperson bezeichnet, die im Finanzbereich oder im Kult tätig war und die ein Freier, ein Freigelassener oder ein Sklave sein konnte. 59 Andererseits bezieht sich der Begriff οἰκονόμος auf den Manager eines privaten städtischen Haushalts oder eines Landgutes.60 Baergen stellt mit Blick auf die Zenon-Papyri aus dem 3. Jh. v. Chr. u. a. folgende Aufgaben eines οἰκονόμος fest: Verantwortung für Vieh und Ackerbau, Leitung der Ölproduktion, der Ziegelherstellung und der Bewässerung sowie Streitschlichtung.61 S. Pellegrini bestimmt die Aufgaben eines οἰκονόμος unter Berücksichtigung vor allem der Schriften Columellas und Catos folgendermaßen: „Ein οἰκονόμος […] sorgte für die Prosperität der ihm anvertrauten Güter und für das Leben der Untergebenen. Er hatte dafür Autorität und übte Stellvertretung, jedoch nicht im Sinne eigener Selbständigkeit. Er besaß das völlige Vertrauen seines Herrn, der ihn meist auch persönlich geschult hatte. Der οἰκονόμος hatte Recht auf einen Teil der Grundrente bzw. der Erträge der von ihm verwalteten Güter. Es war auch eine übliche Praxis, daß der Verwalter sein Einkommen aus den Zinsen für die Kredite gewann, die er den unterworfenen Arbeitern gab. Die Zinshöhe legte er dabei frei fest […]. Eine gute Verwaltung sah die teilweise Reinvestition der Erträge in das Landgut vor, um es zu entwickeln, damit es weiter ergiebig blieb.“62 Von einem Verwalter wurden u. a. Charakterfestigkeit, vorbildliches moralisches Verhalten, ein vorbildlicher Arbeitseinsatz und kontinuierliche Einsatzbereitschaft, landwirtschaftliche Kenntnisse, ein patriarchalisch-fürsorglicher, aber strenger und auf Disziplin ausgerichteter Führungsstil, sorgfältige Planung und 58
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Siehe: Kuhli, οἰκονομία 1219. Im Neuen Testament erscheint der Begriff noch in Lk 12,42; Röm 16,23, 1 Kor 4,1.2; Gal 4,1; Tit 1,7 und 1 Petr 4,10. In Röm 16,23 ist der οἰκονόμος kein in einem Privatbetrieb beschäftigter Verwalter, sondern der Begriff οἰκονόμος τῆς πόλεως bezeichnet hier ein öffentliches Amt, das in der EÜ 1980 mit „Stadtkämmerer“ wiedergegeben wird. Siehe zum Gebrauch des Begriffs im NT: Baergen, Servant 28/9. Siehe: Baergen, Servant 29/30. Baergen schließt sich der Erkenntnis Cadburys an, dass der οἰκονόμος in der hellenistischen Zeit ein rotierendes Amt mit erheblicher Ehre und Verantwortung innehatte, das in späterer Zeit von einem Sklaven ausgefüllt wurde. Siehe: Baergen, Servant 30. Pellegrini, οἰκονόμος 165, weist darauf hin, dass der Begriff οἰκονόμος insbesondere in früheren Zeiten mit vilicus ins Lateinische übersetzt wurde, während ein οἰκονόμος als Inhaber eines offiziellen Amtes im Lateinischen als (pro)curator oder curator bonorum bezeichnet wurde. Vgl.: Baergen, Servant 30. Siehe zu Zenon auch: Kloft, Wirtschaft 133/4. Pellegrini, οἰκονόμος 165/7. Vgl.: Heil, Klugheit und Phantasie 249/50, der auch Xenophons Werk Oikonomikos berücksichtigt.
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Organisation der landwirtschaftlichen Arbeit sowie Zuverlässigkeit und Loyalität gegenüber dem Herrn verlangt.63 Das Amt des Verwalters „war ein Vertrauensposten (vgl. 1 Kor 4,2), der ein hohes Maß an Eigenverantwortlichkeit und zugleich die Bereitschaft zu steter Rechenschaft erforderte.“ 64 Ein Verwalter war ein „Farm-Manager, dem sowohl die Buchhaltung und der Ein- und Verkauf als auch die Steuerung aller landwirtschaftlichen Aktivitäten oblagen. Er war Vorgesetzter der gesamten familia rustica und mußte in dieser Eigenschaft über Personal-Führungsqualitäten und Autorität verfügen.“65 M. Wolter bezeichnet den Verwalter als „Vermögensverwalter oder Geschäftsführer“ 66. Verwalter im privaten Bereich konnten Freigeborene sein, waren aber laut Baergen in der Kaiserzeit vor allem Freigelassene und Sklaven. 67 In Lk 16,1 ist der οἰκονόμος wahrscheinlich kein Sklave,68 aufgrund seiner späteren Entlassung69 (V. 2) und seines Versuchs, in den Häusern der Schuldner unterzukommen (V. 4), kann angenommen werden, dass es sich um einen Freien handelt,70 63
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Siehe hierzu: Weeber, Gutsverwalter 100/5. Weeber stützt sich auch vor allem auf die Schriften Columellas und Catos. Reinmuth, Verwalter 639. Weeber, Gutsverwalter 101. Wolter, Lukasevangelium 545. Wolter führt dort auch einige Parallelen auf. Siehe: Baergen, Servant 31. Vgl.: Udoh, Tale 311/24 und Mora Paz, Struktur 113. Pellegrini, οἰκονόμος 164 und 171, spricht sich entschieden dagegen aus, im Verwalter hier einen Sklaven zu sehen. Sonst wäre er nicht nur das Risiko eingegangen betteln zu müssen, sondern hätte mit Schlimmerem rechnen müssen. Auch Baergen, Servant 32, hält es für möglich, dass der Verwalter in Lk 16 eine Ausnahme bildet und kein Sklave war. Allerdings entscheidet er sich dafür, in dem Verwalter einen Sklaven zu sehen. Auch für Udoh, Tale 311/24, ist der Verwalter in Lk 16 klar ein Sklave oder ein Freigelassener. Baergen, Servant 32, gibt zu bedenken, dass zwar nicht von einer Bestrafung und einem Verkauf des Verwalters die Rede ist, aber andererseits ein Verbleib des Beschuldigten – nun allerdings nicht mehr als Verwalter – im Hausstand des Herrn nicht ausgeschlossen werden kann. Allerdings spricht m. E. das Vorhaben des Verwalters, sich bei den Schuldnern beliebt zu machen, um in deren Häuser aufgenommen zu werden, eher für einen Freien, der angestellt ist. Baergen hält es für möglich, dass der Verwalter darauf abzielt, dass die Schuldner beim Herrn ein gutes Wort für ihn einlegen oder dass sie ihn dem Herrn abkaufen. Siehe: Baergen, Servant 32 und 33. Auch King, Funny Thing 20, hält den Verwalter für einen Sklaven, wie er auch in antiken Komödien vorkommt. Er wendet gegen das Argument, ein Sklave könne nicht entlassen werden, ein, dass Sklaven nach griechisch-römischer und auch jüdischer Praxis durchaus zum wirtschaftlichen Wohl des Eigentümers freigelassen werden konnten. Vgl.: Pellegrini, οἰκονόμος 164 und 171. Auch Reinmuth, Verwalter 639, geht von einem Freien aus. Ebenso: Fonck, Parabeln 679; Wolter, Lukasevangelium 545; Metzger, Consumption and Wealth 115 und Heil, Klugheit und Phantasie 250. Herrmann geht auch davon aus, dass sich der Verwalter in der Rechtsstellung eines Freien befindet, „da er bei Verlust des Verwalteramtes nicht etwa niedere Dienste bei seinem bisherigen Herrn zu erbringen hat, sondern neue Erwerbsmöglichkeiten ergreifen kann und muß.” So: Herrmann, Überlegungen 340. Baergen, Servant 32/4, ist anderer Ansicht. Seines Erachtens passt die Annahme, der Verwalter sei ein Sklave, gut zu der Parabel: Erstens werde
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der als Handlungsbevollmächtigter das wohl große Gut seines Herrn, der vermutlich nicht selbst auf dem Gut lebt,71 leitet.72 Als solchem sind ihm wohl die Knechte unterstellt, für deren Entlohnung er zu sorgen hat (vgl. Lk 12,42).73 Durch die Information, dass der reiche Mann einen Verwalter hat, 74 wird der erwähnte reiche Mann für den Rezipienten des Textes als Besitzer eines Landgutes erkennbar.75
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die sofortige Reaktion des Herrn auf die unbewiesene Anschuldigung des Verwalters verständlich, da das Verhalten des Sklaven auf die Ehre des Herrn Auswirkungen habe, dieser also in seiner Ehre verletzt sei. Zweitens werde verständlich, dass der Verwalter versuche, sich einen privilegierten Lebensstil zu sichern, und drittens sei das Lob des Verwalters der Versuch des Herrn, soziale Anerkennung zu gewinnen. Laut Baergen thematisiert die Parabel den Konflikt zwischen der mächtigen Elite und den Machtlosen und ist insofern eine frohe Botschaft für die machtlosen Zuhörer Jesu, als hier ein Sklave erfolgreich seine Chance ergreift. Vgl.: Forbes, God 154; Heil, Klugheit und Phantasie 246; Fonck, Parabeln 679 und M. Müller, Annäherung 195. „All of these Jewish manor owners – like their counterparts in the Greek East, who were members of the senatorial and equestrian class – generally lived in the city, visiting their domains infrequently. For all of them, entrenched in their urban residences, the rural manor was a temporary residence in case of trouble. Thus, the members of the Herodian upper class generally appointed a steward, the oikonomos or epitropos, to survey and oversee their estates, which were the main source of their wealth.” So: Rocca, Judaea 222/3. Lygre, Of What Charges? 21/2, hält es für möglich, dass der Herr ein conductor war, der Land von der Besatzungsmacht pachtete, um es dann – aufgeteilt in kleinere Parzellen – an andere Pächter weiterzugeben. Zu reichen Besitzern von Landgütern sowohl in hellenistischer wie in römischer Zeit, die ihre Güter durch Gutsverwalter organisieren und das Land eines Gutes zum Teil durch Pächter bewirtschaften ließen, siehe auch: Kloft, Wirtschaft 133/6 und 205/13. Vgl.: Kähler, Gleichnisse 139 und Forbes, God 156. Beavis, Slavery 45/50, spricht sich dagegen entschieden dafür aus, dass der Verwalter ein Sklave ist. Eine Entlassung, also eine Freilassung des Sklaven könne für diesen schlimmer sein als ein Verkauf, da er seinen Unterhalt verliere. Siehe die Kritik an Beavis‘ These bei: Landry; May, Honor 296. Lygre, Of What Charges? 23, ist der Meinung, dass der Verwalter ein früherer Sklave gewesen sein könne, der sich hochgearbeitet habe, oder dass er ein Veteran der römischen Armee gewesen sein könne. Vgl.: Kuhli, οἰκονομία 1219/20. Zwischen einem οἰκονόμος und einem οἰκοδεσπότης besteht der Unterschied, dass der οἰκοδεσπότης wohl selbst der Herr und Besitzer des Hauses oder Gutes ist (siehe: Lk 12.39; 13,25; 14,21; 22,11; Mk 14,14; Mt 10,25; 13,27; 13,52; 20,1; 20,11; 21,33; 24,43). Die beiden Begriffe sind demnach nicht ähnlich gebraucht, wie es Michel, οἶκος 152, sagt. „Der Wohlstand des Reichen ist dadurch näher charakterisiert, dass er einen οἰκονόμος beschäftigt, der für die Verwaltung seiner Habe (ὑπάρχοντα) zuständig ist.“ Kramer, Lukas 146. Heil, Klugheit und Phantasie 249, spricht von einem Großgrundbesitzer.
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V. 1c καὶ οὗτος διεβλήθη αὐτῷ ὡς διασκορπίζων τὰ ὑπάρχοντα αὐτοῦ. Durch die Konjunktion καί wird ein für den weiteren Handlungsverlauf wichtiger Sachverhalt angeschlossen.76 Das Demonstrativpronomen οὗτος, das sich in der Regel auf das unmittelbar Vorhergehende bezieht, 77 verweist auf das vorangegangene Objekt οἰκονόμον, das nun durch οὗτος betont aufgegriffen und grammatisch zum Subjekt wird. Der Begriff διαβάλλειν ist Hapaxlegomenon des Neuen Testaments; einen spezifisch neutestamentlichen Gebrauch des Wortes gibt es also nicht. Allgemein liegt dem Ausdruck die Bedeutung „auseinanderbringen“, im Passiv „gegen jemanden auseinandergebracht werden“, „ihn hassen“ oder „ihm verhasst sein“ zugrunde. Dann meint das Wort auch „(nicht gerichtlich) anklagen“ und bezeichnet den in der Anklage und in Vorwürfen sich zeigenden feindlichen Willen. Oft ist es von „verleumden“ nicht zu trennen.78 Sowohl in der Septuaginta als auch im profanen Griechisch finden sich neben Stellen, an denen διαβάλλειν verleumden heißt, auch Belegstellen, an denen das Wort einen zu Recht bestehenden Verdacht bezeichnet, so: Dan 3,8; 6,25; 2 Makk 3,11;79 Antiph. 2,4,4; Lukian. Demon. 50; Hdn 2,6,6.80 Die Bedeutung von διαβάλλειν in Lk 16,1c ist umstritten: Während einige Exegeten die Richtigkeit der Anklage darin zu erkennen glauben, dass der Herr und der 76
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Dass καί eher einen neuen, inhaltlich wichtigen und für den weiteren Handlungsablauf bedeutsamen Sachverhalt einleitet, während δέ in Bezug auf den Handlungsablauf eher retardierend wirkt und den Gedanken stärker an den vorangehenden Kontext bindet, lässt sich – mit Ausnahme von Lk 19,12–27 – auch an den anderen Gleichnissen des lukanischen Sondergutes erkennen: In Lk 12,16–21 findet sich zu Beginn, wo die Handlungsperspektiven vorangetrieben werden, nur καί; δέ steht erst in der Einleitung der Rede Gottes, die semantisch als Antwort an das Vorhergehende angeschlossen wird. In Lk 13,6–9 findet sich in der fortlaufenden Situationsbeschreibung zu Beginn nur καί, in den folgenden Redeeinleitungen dagegen δέ. In Lk 14,16–24 fehlt δέ völlig; die Handlung ist bewegt. In Lk 15,11–32 findet sich im ersten Teil, der für den zweiten Teil notwendigen Vorgeschichte, viel öfter καί als im zweiten Teil. Ähnliche Beobachtungen können in Lk 16,19–31 gemacht werden. In Vers 20 drückt δέ aus, dass der Arme nicht einfach neben dem schon erwähnten Reichen auftritt, sondern dass beide in ihrem Gegensatz zusammengehören. Siehe dagegen: Hintzen, Verkündigung und Wahrnehmung 91, der in Bezug auf Lk 16,19 schreibt: „Die Konjunktion καί bindet den Satz semantisch enger an den Kontext als δέ: ‚und’, ‚auch’.“ Siehe: Kühner-Gerth I 646 § 467,7 und BDR 238 § 290. Vgl. auch: Hintzen, Verkündigung und Wahrnehmung 105. Siehe: Foerster, διαβάλλω 69/70. Binder, Missdeutbar oder eindeutig? 46, weist in seiner allegorischen Deutung der Parabel darauf hin, dass der Ausdruck von διάβολος abzuleiten sei und dass er zeige, dass die Pharisäer Jesus verteufeln. Auf den Bezug zu διάβολος weisen auch Landry; May, Honor 297, hin. Laut Mora Paz, Struktur 113, impliziert der Begriff eine böse Absicht. Fonck, Parabeln 680, spricht von einer böswilligen, aber wahren Beschuldigung. Siehe: HRCS I 298. Siehe: Liddell-Scott 389/90. Unter der Bedeutung „accuse, complain of; without implied malice or falsehood“ ist auch Lk 16,1 aufgeführt. Siehe: Liddell-Scott 390.
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Verwalter die Anklage ernst nehmen81 und letzterer sich nicht wehrt82 und dass auch das Wort διασκορπίζειν ein negatives Licht auf den Verwalter werfe,83 halten andere – insbesondere diejenigen, die im Herrn einen negativen Charakter sehen – mit Verweis auf die Umständlichkeit der Einleitung die Anklage für eine Verleumdung.84 Doch kann man m. E. sowohl vom Wortgebrauch85 als auch von der Struktur des Textes keine eindeutige Entscheidung fällen; wahrscheinlich kommt es dem Erzähler gar nicht darauf an, die Richtigkeit oder Nicht-Richtigkeit der Anzeige auszudrücken: Der Verwalter wird beschuldigt; ob zu Recht oder nicht, bleibt offen.86 Auffallend ist auch, dass die Ankläger 81 82
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Siehe: Drexler, Lukas 16 1–7 288; Marshall, Luke 617; Pellegrini, οἰκονόμος 163. So z. B.: Du Plessis, Philanthropy or Sarcasm? 5/6; Michaelis, Gleichnisse 226; Burkett, Unrighteous Steward 329. Landry; May, Honor 297, sehen in der Tatsache, dass der Verwalter sich nicht wehrt, kein Schuldeingeständnis. Eine Verteidigung könne angesichts der sofortigen Entlassung als sinnlos erscheinen. Die gegenteilige Ansicht vetritt Metzger, Consumption and Wealth 111. Siehe: Michaelis, Gleichnisse 226. Dies meint besonders Kloppenborg, Dishonoured Master 488, der sagt, es hätte folgender Beginn genügt, wenn die Schuld erwiesen gewesen wäre: „There was a rich man whose steward was scattering his goods“. B. B. Scott, Praise 181/2, macht darauf aufmerksam, dass die feindliche Anklage den negativen Eindruck vom reichen Mann bekräftige und die schwierige Lage des Verwalters zeige, dessen Schicksal zur Sympathie aufrufe. Der Verwalter habe keine Gelegenheit zur Verteidigung gehabt, da die Reaktion des reichen Mannes ihn in eine Linie mit den Anklägern gebracht habe. Auch Baudler, Gleichnis 71/2, der den Verwalter mit Jesus gleichsetzt, dem die gerechten und Frommen vorwerfen, er verschleudere die religiösen Überlieferungen, hält die Anklage für Verleumdung. Auch Lygre, Of What Charges? 23/4, erklärt, der Begriff und auch die Reaktionen des Herrn in V. 2 und V. 8 zeigten nicht, dass der Verwalter sich eines Vergehens schuldig gemacht habe. Siehe auch: von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 233. Siehe auch: Bauer-Aland 363: „beschuldigen, sowohl in feindlicher Absicht richtige Angaben machend […] Lk 161 […], als auch verleumden“. Vgl.: Wolter, Lukasevangelium 545. Vgl.: Jülicher, Gleichnisreden II 496/7 und Herrmann, Überlegungen 341. Auch Kähler, Gleichnisse 139/40, ist der Ansicht, es bleibe in der Schwebe, ob die Anschuldigungen zuträfen oder nicht. „So wird der οἰκονόμος in der Hörerperspektive nicht unnötig belastet und nicht von vornherein als Betrüger abgestempelt.“ So: Kähler, Jesu Gleichnisse 139/40. Vgl. auch: Ebner, Face to face-Widerstand 424: „Es ist müßig, darüber zu reflektieren, ob die Anschuldigungen zu Recht oder zu Unrecht erhoben werden. Denn Denunziation gehört zu den ganz normalen Spielregeln, wenn das Personenkarussel der römischen Herrschaftspyramide in Bewegung gebracht werden soll. Offen bleibt, ob andere Bewerber ins Amt drängen (horizontale Dynamik) oder ob die Pächter selbst einen Wechsel provozieren wollen (vertikale Dynamik).“ Siehe auch: Reinmuth, Verwalter 635, der betont, dass nicht die Tatsache einer Veruntreuung, sondern einer Denunziation erzählt werde. Seines Erachtens wird die offene Frage, ob die Anklage zurecht besteht, ob das Verhalten des Verwalters Unrecht war oder nicht, in V. 8a beantwortet: „Das erzählend behauptete Lob des Besitzers ist die einzige Garantie für das merkwürdige ‚Recht‘ des Verwalters ‚des Unrechts‘.“ So: Reinmuth, Verwalter 638. Siehe auch: Ireland, Stewardship 51.
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nicht genannt werden.87 Auch die vor dem Partizip διασκορπίζων stehende Partikel ὡς bringt keinen Aufschluss über die Richtigkeit oder NichtRichtigkeit der Anklage. Die Partikel signalisiert, dass nun der Inhalt und Grund der Anklage genannt werden: Der Verwalter wird angeklagt als einer, der das Vermögen verschleudert; er wird beschuldigt mit der Behauptung, dass er das Vermögen verschleudert. Die Partikel führt die Eigenschaft einer Person, Sache oder Handlung ein, auf die es im Zusammenhang ankommt; es kann eine wirkliche Eigenschaft, eine nur in der Vorstellung oder Behauptung bestehende Eigenschaft, aber auch eine objektiv falsche Eigenschaft bezeichnet werden. 88 In Lk ist nur 23,14 vergleichbar: Auch dort geht es um Anklage. Jesus wird Pilatus vorgeführt und angeklagt als einer, der das Volk aufhetzt. Diese Anschuldigung ist aus der subjektiven Sicht der Ankläger vorgetragen, selbst Pilatus und Herodes halten Jesus dieser Anschuldigung für unschuldig. Auch in Lk 16,1 dürfte durch die Partikel ὡς ausgedrückt sein, dass die Ankläger, die für den Rezipienten anonym bleiben,89 den Verwalter aus ihrer subjektiven Sicht90 heraus beschuldigen. Ob der angegebene Grund aber ein fiktiver ist oder ob er den Tatsachen entspricht, lässt sich nicht eindeutig sagen. 91 Das Wort διασκορπίζειν verweist den Rezipienten schon aufgrund der Nähe auf Lk 15,13.92 Wie dort der jüngere Sohn sein Vermögen ausstreut und schließlich durch den Verlust des Vermögens in eine Notlage gerät, so streut der Ver87
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Vgl.: Bovon, Lukas III 73. Vgl. auch: Burkett, Unrighteous Steward 329, der die Frage nach den Anklägern für die Interpretation für unbedeutend hält, da der Text ja keine Auskunft darüber gebe. Siehe: Bauer-Aland 1791/2. Lygre, Of What Charges? 23/4, hält es für wahrscheinlich, dass der Verwalter von Pächtern beschuldigt wird. Gründe könnten sein Neid, Gier oder Vergeltung. Auch Pellegrini, οἰκονόμος 168, hält es für möglich, dass die Schuldner die Ankläger sind. Vgl.: BDR 353 § 425. Vgl.: Breytenbach, Geld 138. Binder, Missdeutbar oder eindeutig? 46, spricht sich entschieden dafür aus, die Partikel signalisiere, dass die Anschuldigung eine ungerechtfertigte Verleumdung darstelle. Vgl.: von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 233. Konradt, Interpretationsversuch 107, spricht von einem gezielten Rückverweis. Er spricht – insbesondere mit Blick auf die Aussagen des älteren Bruders in Lk 15,30 – von einem liederlichen Lebenswandel des jüngeren Bruders. Daher interpretiert Konradt, dass im Gleichnis vom klugen Verwalter der Ton nicht darauf liege, „dass er schlecht gewirtschaftet hat; vielmehr ist darin im Resonanzraum des vorangehenden Gleichnisses mitzuhören, dass der Verwalter die ihm übertragene Verfügungsmacht über die Güter seines Herrn auch dazu benutzt hat, um sich selbst einen finanziell aufwändigen Lebensstil zu leisten.“ Konradt, Interpretationsversuch 108. Allerdings kann gegen Konradts Deutung des Verhaltens des jüngeren Bruders eingewandt werden, dass es sich in Lk 15,30 um eine gezielte (und nicht unbedingt der Wahrheit entsprechende) Stimmungsmache des älteren Bruders gegen den jüngeren handeln kann. Lk 15,30 charakterisiert eher das Verhalten des älteren Bruders als negativ und weniger das des jüngeren. Zwar bezeichnet der ältere Bruder das verschleuderte Vermögen noch als Vermögen des Vaters (σου τὸν βίον) – wie Konradt anmerkt –, in Lk 15,13 spricht der Erzähler aber von τὴν οὐσίαν αὐτοῦ.
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walter – so die vorgetragene Anklage – das Vermögen seines Herrn aus.93 Die Verwendung des Partizip Präsens und die Vorsilbe δια können darauf hinweisen, dass es nicht nur um eine einzige Handlung des Verwalters geht.94 Wie in Lk 15,13 besteht wohl auch hier die Gefahr, dass das Vermögen schließlich aufgebraucht oder deutlich verringert wird und zu einem wirtschaftlichen Niedergang oder einem deutlichen finanziellen Schaden des Herrn führen kann. Dass der Verwalter sich hinterhältig und kriminell oder wegen des Genusses eines lockeren Lebenswandels95 am Vermögen des Herrn vergeht, braucht nicht angenommen zu werden,96 jedoch ist Letzteres auch nicht gänzlich auszuschließen.97 Denkbar ist, dass der Verwalter unachtsam mit dem Saatgut, der Ernte, mit Werkzeugen oder mit Listen und Verträgen umgeht und sich dadurch als wirtschaftlich unfähig oder pflichtvergessen erweist. 98 Offenbar investiert er die erwirtschafteten Erträge nicht, sichert sie aber wohl auch nicht für sich, da er sonst zu Reichtum gelangt und abgesichert gewesen wäre. 99 Deutlich ist, dass das Wort einen negativen Charakter hat: Im Alten Testament bezeichnete es die Zerstreuung der Feinde als Maßnahme des göttlichen Gerichts.100 In den Evangelien und der Apg (Lk 1,51; 15,13; 16,1; Mk 14,27; Mt 15,24.26; 26,31; Joh 11,52; Apg 5,37) kommt διασκορπίζειν hauptsächlich in Gleichnissen und biblischen Zitaten vor und bezieht sich meistens auf Personen, die zerstreut werden; diese Zerstreuung bedeutet aber Vereinzelung und Verlust an Macht. „In Verbindung mit einem Akk.-Objekt, das eine merkantile Sache anzeigt (vgl. Pap Tebt I 24,55) gewinnt es die Bedeutung (Vermögen) 93
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Metzger hält das Pronomen αὐτοῦ für doppeldeutig und bezieht es auf den Verwalter; er geht davon aus, dass dieser sein eigenes Vermögen durch einen aufwändigen Lebensstil verschleudert. Siehe: Metzger, Consumption and Wealth 110/1 und 116. Siehe: Forbes, God 156/7. Vgl.: Metzger, Consumption and Wealth 111. Dies halten Landry; May, Honor 297/8, für möglich. Sie sind der Meinung, dass der jüngere Sohn in Lk 15 das Vermögen durch unmoralische Aktivitäten verliert. Ebner ist dagegen der Meinung, eher sei „einfach ein großzügiger, eben nicht auf Gewinnmaximierung ausgerichteter Umgang mit dem Vermögen des Herrn gemeint.“ So: Ebner, Face to face-Widerstand 424. Vgl.: Parrott, Dishonest Steward 504; Topel, Injustice 217; Wolter, Lukasevangelium 545 und Ireland, Stewardship 50. Wolter, Lukasevangelium 545, weist darauf hin, dass der Verwalter „nur entlassen und nicht bestraft” wird. Vgl.: Konradt, Interpretationsversuch 107/9. Für Konradt spricht nicht nur das Aufgreifen des διασκορπίζειν aus Lk 15,13 für diese Sicht, sondern auch die Tatsache, dass im folgenden Gleichnis (Lk 16,19) von einem verschwenderischen Leben die Rede ist. Außerdem verweist er auf Lk 12,42–46, wo sich der Verwalter üppigen Ess- und Trinkgelagen hingibt. Diese Ansicht vertritt: Lygre, Of What Charges? 24/5. Vgl.: Ireland, Stewardship 50. Nach Grilli, Lk 16,1–13 145, meint das Wort „hier einfach nur ein unvorsichtiges, unvernünftiges Verhalten.” Vgl.: Pellegrini, Ein „ungetreuer” οἰκονόμος (Lk 16,1–9)? 167/8. Siehe auch: Fonck, Parabeln 679/80. Siehe: Michel, σκορπίζω 420.
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vergeuden, verschwenden“101, so in Lk 15,13 und 16,1. Der Ausdruck τὰ ὐπάρχοντα, der bei Mk und Joh fehlt und bei Mt dreimal belegt ist, ist bei Lk häufig substantivisch gebraucht im Sinne „Vermögen, Besitz, Hab und Gut“.102 Das Wort verweist zurück auf πλούσιος. Der Reichtum des Herrn beruht auf seinem Vermögen, das durch den Verwalter zerstört zu werden droht. Die Pronomina αὐτῷ und αὐτοῦ verweisen auf ἄνθρωπός τις. V. 2a καὶ φωνήσας αὐτὸν εἶπεν αὐτῷ· Die Konjunktion καί signalisiert den Fortlauf der Handlung. Das Verb φωνεῖν, verbunden mit einem Akkusativobjekt, bedeutet hier wie mehrfach im Neuen Testament „herbeirufen“.103 Da die Handlung des Rufens an den meisten Stellen vom Handlungsträger selbst ausgeführt wird, in Lk 19,15 aber ausdrücklich gesagt wird, dass der Herr die Diener rufen lässt (καὶ εἶπεν φωνηθῆναι αὐτῷ τοὺς δούλους) und auch an drei anderen Stellen (Mk 10,49; Joh 11,28; 18,33) davon auszugehen ist, dass der Handlungsträger jemanden mit dem Herbeirufen beauftragt, lässt sich in Lk 16,2a nicht eindeutig klären, ob der Herr seinen Verwalter selbst herbeiruft oder einen Diener damit beauftragt. Das Pronomen αὐτόν ist Objekt und verweist auf οἰκονόμον. Aus dem Kontext wird deutlich, dass das nicht explizit genannte Subjekt zu εἶπεν ἄνθρωπός τις ist. Er wird nun grammatisch wieder Subjekt; dass er inhaltlich auch in V. 1c Handlungsträger war, deutet das Fehlen eines explizit genannten Subjekts in V. 2a an. Das Pronomen αὐτῷ greift αὐτὸν wieder auf und verweist auf οἰκονόμον. Die Häufung der Personalpronomina betont die Objektgerichtetheit des Handelns: Der Herr ruft den Verwalter und redet zu ihm, und zwar scheint er dies so zu tun, dass andere dieses Rufen und diese Rede nicht mitbekommen. Die Betonung des Nicht-Öffentlichen der Begegnung zwischen dem Herrn und dem Verwalter ist ein wichtiges textstrategisches Moment. Denn so wird die Tatsache vorbereitet, dass der Verwalter nach dem Gespräch noch mit der gleichen Autorität auftreten kann wie vorher. V. 2b τί τοῦτο ἀκούω περὶ σοῦ; Das Interrogativpronomen τί leitet eine direkte Frage ein.104 Das Demonstrativpronomen οὗτος verweist allgemein auf das direkt Vorliegende (im Gegensatz zu ἐκεῖνος), auf das, was der Schreibende vor sich sieht, auf die unmittelbare Gegebenheit.105 Hier verweist es auf die Anklage, auf διασκορπίζων τὰ 101 102
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Busse, διασκορπίζω 748. Hier kann es konkret das Saatgut, die Ernte und Werkzeuge bezeichnen. Vgl.: Lygre, Of What Charges? 24. Mt 20,32; 27,47; Mk 9,35; 10,49 (dreimal); Lk 14,12; 19,15; Joh 1,48; 2,9; 4,16; 9,18.24; 10,3; 11,28 (zweimal); 12,17; 18,33; Apg 9,41; 10,7. Siehe zu φωνεῖν: Radl, φωνέω 1066/8. Vgl.: Horstmann, τίς, τί 863/6. Vgl.: Holtz, οὗτος 1342. Siehe auch: BDR 248 § 299 Anm. 1.
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ὐπάχοντα αὐτοῦ. Doch ist die prädikative Nutzung des Demonstrativpronomens nicht nur ein betonter Rückverweis, sondern deutet – schon durch die Alliteration – auch auf erregtes Sprechen hin. Vergleichbar mit Lk 16,2 ist die Formulierung in Apg 14,15: Als das Volk von Lystra sich anschickt, dem Barnabas und Paulus zu opfern, rufen diese: ἄνδρες, τί ταῦτα ποιεῖτε; Die Erzählung ist so angelegt, dass der Rezipient den Rückverweis wahrnimmt und die Erregung des Herrn erkennt. Darüber, ob der Verwalter die Anschuldigung mitbekommen hat oder ob er ahnt, was der Herr meint, gibt das Pronomen keine Auskunft. Die Wortverbindung ἀκούω περὶ σοῦ verweist auf διεβλήθη. Der Herr hat etwas über den Verwalter erfahren. 106 Das Präsens deutet nicht nur auf die schnelle Reaktion des Herrn hin,107 sondern zeigt auch die Aktualität, die die Beschuldigung für den Herrn hat. Die Wortverbindung macht deutlich, dass der Herr von der Verschwendung seines Vermögens nur aufgrund der vorgebrachten Anschuldigung erfahren hat und dass er diese nicht aus eigener Erkenntnis bestätigen kann. Dennoch ist dieser Fragesatz keine Frage. Der Herr erwartet weder eine Antwort, die den Inhalt der Anschuldigung wiedergäbe, noch eine Stellungnahme des Verwalters. 108 Der als Frage formulierte Satz ist vielmehr selbst eine Anklage, nun die Anklage des Herrn, der sich die in V. 1c genannte Anklage zu eigen macht.109 V. 2c ἀπόδος τὸν λόγον τῆς οἰκονομίας σου, Der ohne Konjunktion auf die Anklage folgende Imperativ drückt die Erregtheit und besonders die Entschlossenheit110 des Herrn aus.111 Der entschiedene Be106 107 108
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Ἀκούω hat hier die Bedeutung „erfahren“. Vgl.: G. Schneider, ἀκούω 126. Vgl. hierzu: Jülicher, Gleichnisreden II 497. M. Müller, Annäherung 195, spricht von einer „vor dem Hintergrund von 16,1b schon fast rhetorischen Frage”. Von einer rhetorischen Frage geht auch Mora Paz, Struktur 107, aus, der auf Gen 12,18 und 20,9 verweist. Die Vermutung von Lygre, Of What Charges? 27, der Herr wolle den Verwalter auf die Probe stellen und ihm deswegen Zeit geben, ist nicht überzeugend. Vor allem überzeugt nicht die Vermutung, dass der Herr dem Verwalter eine Falle stellen wolle, um ihn loszuwerden. Denn warum sollte er ihn dann später loben? Außerdem spricht der Duktus der Rede des Herrn m. E. dagegen, sein Verhalten als beherrscht oder geduldig zu charakterisieren. Vgl.: Wolter, Lukasevangelium 546. Siehe auch: Grilli, Lk 16,1–13 142. Reinmuth, Verwalter 635, dagegen meint, es handle sich nicht um eine bereits vollzogene Entlassung, „sondern eine entsprechende Reaktion des Besitzers, die sich auf diese Anschuldigungen bezieht.“ Lygre, Of What Charges? 25, hält den Herrn dagegen für ungewöhnlich geduldig: „But the owner is unusually patient; he seems confused, surprised or embarrassed by the charges. Perhaps the owner is privately hoping that by asking for an ’accounting’ or by other actions the steward decides to take on his own, the steward will either be exonerated or proven guilty beyond all doubt. Of even greater concern to the owner is the public perception that this steward is shaming him and the owner’s realization that the preserving an honorable reputation requires dismissing his steward.”
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fehl des Herrn macht nochmals klar, dass der vorhergehende Satz textpragmatisch keine Frage, sondern eine Anklage ist: Der Herr lässt keinen Zweifel daran, dass er die ihm vorgebrachte Anschuldigung ernst nimmt. 112 Nun zieht er Konsequenzen. Die Wortverbindung ἀποδιδόναι τὸν λόγον wird meist mit „Rechenschaft ablegen“ wiedergegeben.113 Das Wort λόγος umfasst aber so viele Bedeutungen, dass der spezifische Wortsinn nur aus dem Kontext erschlossen werden kann. 114 Die neutestamentlichen Stellen, in denen λόγον ἀποδιδόναι „Rechenschaft ablegen“ bedeutet, weisen – anders als in Lk 16,2 – keinen Artikel auf. Das, worüber Rechenschaft abgelegt werden soll, wird mit περί angeschlossen, in Lk 16,2 dagegen mit Genitivattribut zu λόγον. Wenn auch im profanen Griechisch die Wendung λόγον (ἀπο)διδόναι in der Bedeutung „Rechenschaft ablegen“ mit dem bloßen Genitiv verbunden werden kann (z. B. Hdt. III 142,143; Lys. XXIV 26) und auch der Artikel (τὸν λόγον) belegt ist (z. B. Demosth. 8,47, hier mit dem Verb λαμβάνειν),115 so ist es aus dem Kontext von Lk 16,2 unwahrscheinlich, dass der Verwalter aufgefordert wird, Rechenschaft über seine Verwaltung abzulegen. 116 Der folgende Satz ist ohne Zweifel die Begründung für diese Aufforderung: Denn der Verwalter kann nicht mehr länger Verwalter sein. Er wird entlassen. 117 Dann 111
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Landry und May sind der Meinung, dass der Herr seine Ehre verletzt sieht, da er durch die Anklage durch andere in der Öffentlichkeit als jemand erscheint, der seine Untergebenen nicht „im Griff“ hat. Siehe: Landry; May, Honor 298/300. Sie führen auch Beispiele für entsprechende Reaktionen von Herrn aus der Literatur an. Es kommt dabei weniger darauf an, dass die Anschuldigungen auch absolut der Wahrheit entsprechen. Entscheidend ist, dass der Herr das Vertrauen in seinen Verwalter verloren hat. Vgl.: Jülicher, Gleichnisreden II 498. Siehe z. B.: Drexler, Lukas 16 1–7 286/8 und Reinmuth, Verwalter 635. Auch die EÜ 1980 und die EÜ 2016 fassen den Begriff so auf. Forbes, God 179, macht darauf aufmerksam, dass der Begriff in Bezug auf ein Rechenschaft-Ablegen vor Gott beim jüngsten Gericht gebraucht wird. Er verweist auf: Mt 12,36; Heb 13,17; 1 Petr 4,5. Sollte der Herr der Parabel auf Gott verweisen, dann ließe sich lediglich herauslesen, dass Gott Rechenschaft fordere und dass die Parabel insofern die richterliche Funktion Gottes betone. Vgl.: Ritt, λόγος 880/7, besonders 887. Siehe: Liddell-Scott 1057. Es wäre nämlich wirklich eine widersprüchliche Handlung des Herrn, wie Drexler, Lukas 16 1–7 288, erkennt, wenn der Herr den Verwalter zur Rechenschaft aufforderte, die Beschuldigung also überprüfte und ihn zugleich fristlos entließe. Das seines Erachtens widersprüchliche Verhalten des Herrn motiviert nach Drexler das Verhalten des Verwalters. Reinmuth, Verwalter 635, folgert daraus, dass der Verwalter zur Rechenschaft aufgefordert werde, er könne nicht in V. 2 entlassen worden sein. Hoeren, Verwalter 622/3, weist darauf hin, dass das δύνῃ in der folgenden Satzeinheit zwar Präsens ist (er hält auch das in einigen Handschriften vertretene Futur δυνήσῃ für möglich), das Präsens aber durchaus die nahe Zukunft bezeichnen könne. Er hält es daher für möglich, dass hier die Kündigung nur angedroht wird und übersetzt: „Lege Rechenschaft ab, sonst wirst Du nicht mehr mein Verwalter sein können!“. So: Hoeren, Verwalter 623. Dagegen betont Forbes, God 157, dass der Verwalter keine zweite Chance erhält.
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kann aber ἀπόδος τὸν λόγον τῆς οἰκονομίας σου den Verwalter nicht auffordern, Rechenschaft abzulegen118 oder sogar sich zu rechtfertigen (Apg 19,40), also sich zu den Anschuldigungen zu äußern, sondern muss bedeuten „Leg die Abrechnung deiner Verwaltung vor“.119 Es kann wohl an eine Abrechnung mit Übergabe aller Urkunden und Bücher (aufgrund der Entlassung) gedacht sein.120 Der Herr „fordert den Verwalter auf, die Bilanz seiner Geschäftsführung vorzulegen […]; eine ergebnisoffene Prüfung der Bücher ist nicht mehr vorgesehen.“121 Dazu passt auch, dass die erregte Äußerung des Herrn τί τοῦτο ἀκούω περὶ σοῦ; den Verwalter nicht zu einer Antwort auffordert, sondern die Anschuldigung des Herrn darstellt. Die Aufforderung, die Abrechnung zu machen, ist logische Konsequenz. V. 2d οὐ γὰρ δύνῃ ἔτι οἰκονομεῖν. Die Konjunktion γάρ weist den Satz als Begründung für die vorangegangene Aufforderung aus.122 Der Verwalter muss die Abrechnung vorlegen, da er nicht mehr Verwalter sein kann. Die enge semantische Zusammengehörigkeit der beiden Sätze wird durch das am Satzende stehende οἰκονομεῖν bekräftigt, das auf das ebenfalls am Satzende stehende οἰκονομίας σου verweist. Es geht um ein und dasselbe, die Verwaltung. Diese wird ihm nun entzogen. 123 Δύνῃ ist wohl aus der subjektiven Sicht des Herrn gesprochen: Für ihn ist es unmöglich, dass dieser Mann länger sein Verwalter ist, d. h. er will ihm nicht länger die Verwaltung anvertrauen. Wahrscheinlich entlässt der Herr seinen Verwalter, weil er um sein Vermögen und auch um seine Ehre fürchtet.124
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So: Bovon, Lukas III 76. Heil, Klugheit und Phantasie 246, spricht von der „Endabrechnung“. Vgl.: Bailey, Poet and Peasant 97; Grundmann, Lukas 317; Fitzmyer, Luke 1100; Kähler, Gleichnisse 139; Ireland, Stewardship 52. Siehe auch: Jülicher, Gleichnisreden II 497. Wolter, Lukasevangelium 546. Die EÜ 1980 lässt γάρ unübersetzt, anders die EÜ 2016. Nicht überzeugend ist die These Binders, das οὐ […] ἔτι bedeute „noch nicht”. Sehr kurios ist seine Deutung: „Wahrscheinlich denkt der Erzähler an eine spöttische Anweisung des Kyrios an den Haushalter = Jesus, er solle von den Pharisäern Belehrungen einholen, wie in Sachen Sünderannahme zu verfahren sei.” So: Binder, Missdeutbar oder eindeutig? 47. Vgl.: Metzger, Consumption and Wealth 112/3. Metzger meint, der Verwalter vergeude zwar sein eigenes Vermögen durch seinen Lebensstil, dieses Verhalten könne aber auch dem Ansehen und Vermögen des Herrn schaden. Er hält daher die Entlassung für eine kluge Entscheidung.
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V. 3a εἶπεν δὲ ἐν ἑαυτῷ ὁ οἰκονόμος· Die Konjunktion δέ bindet den Satz semantisch eng an die vorangegangene Rede des Herrn. Das am Satzanfang stehende εἶπεν signalisiert, dass die Rede des Herrn beendet ist und dass nun eine neue Rede beginnt. Δέ zeigt an, dass sich die folgende Rede inhaltlich auf die vorangehende bezieht.125 Durch ἐν ἑαυτῷ wird die Rede als ein Selbstgespräch, und zwar, wie das folgende ὁ οἰκονόμος sagt, als ein Selbstgespräch des Verwalters charakterisiert. Dem Rezipienten wird durch die Charakterisierung der Rede als innerer Monolog deutlich, dass die beiden Reden trotz ihres inhaltlichen Bezuges in zeitlichem und räumlichem Abstand voneinander gesprochen werden. Die Wendung ἐν ἑαυτῷ kennzeichnet das Selbstgespräch ausdrücklich „als im Inneren der jeweiligen Person stattfindend“126; sie findet sich in zwei weiteren der insgesamt vier127 lukanischen Monologen:128 καὶ διελογίζετο ἐν ἑαυτῷ λέγων (Lk 12,17–19) und μετὰ δὲ ταῦτα εἶπεν ἐν ἑαυτῷ (Lk 18,4–5).129 In Lk 15,17 ist die Einleitung des Monologs variiert: εἰς ἑαυτὸν δὲ ἐλθὼν ἔφη, woraus B. Heininger den Schluss zieht, dieser Monolog könne auch vor Publikum gesprochen gedacht werden. Die Verwendung innerer Monologe zur Darstellung der inneren Gedanken und Gefühle eines Charakters ist in antiker griechisch-römischer Literatur,130 aber auch in jüdischen Texten131 durchaus üblich. Sie treten in der griechischen Literatur vor allem in inneren Krisen von Handlungsträgern auf, in denen diese wichtige Entscheidungen treffen müssen.132 In jüdischen Texten werden durch innere Monologe die Charaktere oft als töricht bzw. negativ dargestellt.133 Generell laden innere Monologe den Leser dazu ein, sich stärker 125 126
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129 130 131 132 133
Die Wendung εἶπεν δέ ist typisch lukanisch. Siehe: Cadbury, Style 169. Heininger, Metaphorik 33. Vgl. zu den Monologen in den Parabeln des Lukas auch: Sellew, Interior Monologue 239/53, zu Lk 16,3 besonders 247. Siehe auch: Dinkler, Interior Monologues 373/99. Siehe generell zum inneren Monolog: Fludernik, Erzähltheorie 95/7 und Martínez; Scheffel, Erzähltheorie 64. Lk 12,17–19; 15,17–19; 16,3–4; 18,4–5. Dinkler, Interior Monologues 385, zählt zu den Monologen in den Gleichnissen bei Lukas auch Lk 12,45 (par Mt 24,48) und Lk 20,13 (par Mk 12,6; Mt 21,37). Der Begriff „Monolog“ ist laut Heininger, Metaphorik 33, ein umfassender Terminus: Im Gegensatz zu einem Selbstgespräch könne ein Monolog auch vor dem Publikum gesprochen werden. Siehe zu den inneren Monologen bei lukanischen Parabeln auch: Anderson, Seeking and Saving 744/8. Siehe zum Gebrauch des Reflexivpronomens: Cadbury, Style 195. Vgl.: Dinkler, Interior Monologues 380/2. Siehe hierzu: Dinkler, Interior Monologues 382/4. Vgl.: Dinkler, Interior Monologues 381. Siehe: Dinkler, Interior Monologues 382/4. Dinkler ist der Ansicht, dass in den lukanischen Monologen sowohl der Aspekt der Darstellung der inneren Krise (wie in den antiken griechischen Texten) als auch der Aspekt der negativen Charakterisierung (wie in antiken jüdischen Texten) vorliegt. Siehe seine Interpretationen der einzelnen Monologe: Dinkler, Interior Monologues 385/93. Seine Ausführungen zum ungerechten Verwalter sind aber m. E. nicht voll überzeugend. Denn zum einen geht er nicht auf die Charak-
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in die fiktive Figur hineinzuversetzen, die Krise zu durchdenken, sich mit der handelnden Figur in ihren Überlegungen zu identifizieren oder sich davon abzugrenzen.134 V. 3b/c τί ποιήσω, ὅτι ὁ κύριός μου ἀφαιρεῖται τὴν οἰκονομίαν ἀπ’ ἐμοῦ; Die Frage τί ποιήσω zeigt an, dass es im Folgenden um Überlegungen des Verwalters geht, wie er angesichts seiner Entlassung handeln und seine Zukunft gestalten kann.135 Wie hier beginnt auch der reiche Bauer in Lk 12,17 seine Überlegungen mit der Frage τί ποιήσω.136 Überhaupt ist diese Frage in antiken Komödien, die viele Monologe aufweisen, die denen des Lukas ähnlich sind, als Eingangsfrage beliebt.137 Ob τί ποιήσω in Lk 16,3 deliberativer Konjunktiv138 des Aorists (ingressiver Aorist) in der Bedeutung „Was fang ich an, was soll ich tun?“ ist oder ob es Futur139 „Was werde, kann, soll ich tun?“ ist, lässt sich nicht eindeutig entscheiden und ist semantisch unerheblich.
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terisierung der im Selbstgespräch erdachten Handlung als klug (V. 8) ein, zum anderen ist der direkte Bezug der in V. 14 genannten und als Antagonisten negativ gewerteten Pharisäer zum Verwalter im Gleichnistext äußerst fraglich. Vgl.: Heininger, Metaphorik 62 und von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟS 234. Vgl. auch: Dinkler, Interior Monologues 393/5. Dinkler weist allerdings darauf hin, dass beim Gleichnis vom ungerechten Richter und beim Gleichnis vom Weinbergbesitzer der Leser – geleitet durch den literarischen Kontext – sich nicht mit dem Charakter identifizieren soll, der das Selbstgespräch führt, sondern mit der bittenden Witwe bzw. den Pächtern. Es geht ihm bei seinen Überlegungen und seinem dann gefundenen Aktionsplan ganz um sich selbst, um die Sicherung seiner ganz persönlichen Existenz. Ähnlich geht es auch dem verlorenen Sohn und dem ungerechten Richter in den jeweiligen inneren Monologen ganz um sich. Siehe: Anderson, Seeking and Saving 747. Anders als bei Mk und Mt leitet bei Lukas auch der Weinbergbesitzer den Entschluss, seinen Sohn zu den Pächtern zu schicken, mit der Frage ein: τί ποιήσω (Lk 20,13; diff Mk 12,6; Mt 21,37). Siehe hierzu: Heininger, Metaphorik 33. Vgl.: Menander Dysk. 190 τί νῦν ποιήσω; Dysk 457 τί νῦν ποιήσωμεν; Sam. 684 τί δεῖ ποιεῖν; Auch die an Menander orientierten lateinischen Komödiendichter Plautus und Terenz lassen diese Frage „nach dem anstehenden Handeln“ (Heininger, Metaphorik 69) häufig in Monologen (und auch in Dialogen) auftreten, z. B.: Plaut. Amph. 155 quid faciam nunc; Mil. 305 quid ego nunc faciam. Vgl.: Heininger, Metaphorik 69/70. „Der K o n j u n k t i v in der I. Person wird als Ausdruck einer z w e i f e l n d e n F r a g e gebraucht (Conjunctivus deliberativus), indem der Redende bei sich überlegt, was er nach der gegenwärtigen Lage der Dinge thun soll“. Kühner-Gerth I 221 § 394,6. Der Konjunktiv, der futurischen Sinn hat, wird gelegentlich durch das Futur ersetzt. „Das gilt von dem ein Wollen oder Sollen ausdrückenden Konj., der sich mit dem Imperativ eng berührt; es gilt aber auch nicht nur für den dubitativen (deliberativen) Konj., sondern auch für den Konj. des sich aus der gegenwärtigen Lage unter Umständen verwirklichenden („futurischer oder „prospektiver“ Konj.), der sich naturgemäß nur auf zukünftiges beziehen kann.“ BDR 293 § 363.
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Durch ὅτι wird ein sich an die überlegende Frage anschließender Nebensatz eingeleitet, der wohl kausalen Sinn hat. Doch ist die Subordination „recht locker“140, so dass eine Übersetzung mit „denn“ in Frage kommt. 141 Der durch ὅτι eingeleitete Satz motiviert nämlich erst die vorhergehende Frage. 142 Es liegt eine Brachylogie vor,143 die etwa so wieder ergänzt werden kann: „Was soll ich tun? (So frage ich), weil der Herr die Verwaltung von mir nimmt“ oder „Was soll ich tun? (Ich muss etwas tun), weil …“. Ὁ κύριος verweist auf den reichen Mann, der den Verwalter entlässt. Hier wird dieser reiche Mann zum ersten Mal, und zwar im Munde des Verwalters, als dessen Herr bezeichnet. Das Präsens ἀφαιρεῖται144 stellt die Handlung in ihrer Dauer, in ihrem Verlauf vor. 145 Hier bezeichnet es die „Zeitstufe der Gegenwart (mit deren näherer oder weiterer Umgebung)“146. Die Wegnahme der Verwaltung durch den Herrn ist also ein längerer Prozess, der mit der Aufforderung, die diesbezügliche Abrechnung vorzulegen, bereits begonnen hat und der mit Vorlegen der Abrechnung sein Ende findet. Allgemein dominiert im ersten Teil der Monologe (mit Ausnahme von Lk 12,17b) das Präsens. „Die momentane Situation des Akteurs soll eingeholt werden.“147 Τὴν οἰκονομίαν ἀπ’ ἐμοῦ weist zurück auf τῆς οἰκονομίας σου; in beiden Fällen wird deutlich, dass gerade dieser Verwalter sein Amt verliert (σου, ἀπ’ ἐμοῦ). Insgesamt verweist der Satz auf V. 2d. Nochmals wird hier, nun aus der Sicht des Verwalters, die Notlage deutlich, in die der Verwalter gekommen ist. Diese Notlage ist es, die die Überlegungen bezüglich des weiteren Vorgehens überhaupt motiviert. Diese Bestandsaufnahme, die das Problem zur Sprache bringt, „dessentwegen sich die jeweils redende Erzählfigur in einer mißlichen Lage befindet und vor eine Entscheidung gestellt sieht“ 148, ist allen vier Monologen des lukanischen Sondergutes eigen. 149 Auch in Monologen antiker Komödien findet sich zu Beginn eine das Vorangehende aufgreifende Schilderung der Problemlage.150
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BDR 386 § 456. Siehe: BDR 386 § 456. Siehe: Kühner-Gerth II 463 § 569,2 Anm. 5. Vgl.: Kühner-Gerth II 463 § 569,2 Anm. 5. Zum Wort siehe: Balz, ἀφαιρέω 434. Vgl. im Passiv: Lk 10,42. Als Parallelstelle (ebenfalls Passiv; in Verbindung mit einem Akkusativ der Sache: ἀρχήν) siehe auch: Hdt. III 65,3 und Polyaenos p. 653; vgl.: Wettstein 762. Siehe: BDR 264 § 318,2 und Kühner-Gerth 132 § 382 a 1. Vgl.: Metzger, Consumption and Wealth 113. BDR 264 § 318,2. Heininger, Metaphorik 34. Heininger, Metaphorik 33. Siehe den ähnlich gestalteten Monologanfang in Lk 12,17: τί ποιήσω, ὅτι οὐκ ἔχω ποῦ συνάξω τοὺς καρπούς μου; Vgl.: Heininger, Metaphorik 33/4. So z. B.: Plautus Amph. 1039/52. Siehe: Heininger, Metaphorik 68.
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V. 3d σκάπτειν οὐκ ἰσχύω, ἐπαιτεῖν αἰσχύνομαι. In betonter Anfangsstellung nennt der Verwalter eine Möglichkeit des Lebensunterhaltes, um die Notlage zu überwinden: graben, schwer arbeiten. Doch lehnt er diese Möglichkeit sogleich ab: οὐκ ἰσχύω.151 Das Wort σκάπτειν kommt im Neuen Testament an drei Stellen vor, und zwar nur bei Lukas: 6,48; 13,8; 16,3. In Lk 16,3 ist wohl an anstrengende Feldarbeit zu denken. Wahrscheinlich liegt eine sprichwörtliche Wendung 152 vor, wie sie sich ähnlich bei Aristophanes Av. 1432 findet: τί γὰρ πάθω; σκάπτειν γὰρ οὐκ ἐπίσταμαι. „Graben“ ist eine mühevolle Tätigkeit; der ungelernte Arbeiter muss dazu greifen. 153 Eine solch anstrengende Feldarbeit, die dem einen oder anderen in ähnlicher Situation den Lebensunterhalt zukünftig sichern könnte, kommt für den Verwalter in Lk 16,3 nicht in Frage: οὐκ ἰσχύω. Ihm fehlt wohl die physische Kraft zur Verrichtung einer solchen Arbeit.154 Dass er eine solche Arbeit nicht verrichten will, drückt das Wort ἰσχύειν nicht aus: Es mangelt nicht an Willenskraft, sondern an der körperlichen Kraft und Fähigkeit.155 Diese Sicht wird von dem folgenden zu σκάπτειν οὐκ ἰσχύω parallel gebauten ἐπαιτεῖν αἰσχύνομαι gestützt. Im Gegensatz zur Feldarbeit steht das Betteln, das im Alten Testament häufig als Fluch Gottes156 aufgefasst wurde und das der Verwalter ausdrücklich aus Schamgründen ablehnt. In Lk 18,35 bettelt ein Blinder, auch bei Joh 9,8 musste ein Blinder betteln; in Apg 3,2 ist von einem Lahmen, der bettelte, die Rede. Kranke wie Blinde und Lahme mussten offensichtlich bei den damaligen sozialen Verhältnissen betteln.157 Obwohl es wahrscheinlich ist, dass auch sonstige Arme bettelten, scheinen doch gerade diejenigen zum Betteln gezwungen gewesen zu sein, die aufgrund körperlicher Defekte arbeitsunfähig waren. In diesem Zusammenhang müssen wohl die Alternativen σκάπτειν und ἐπαιτεῖν 151
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Die abgelehnten Handlungsalternativen σκάπτειν und ἐπαιτεῖν sind ein Zwischenstück zwischen Bestandsaufnahme und endgültiger Problemlösung. Heininger, Metaphorik 34, dagegen rechnet sie zur Bestandsaufnahme. Siehe: G. Schneider, σκάπτω 596 und Bauer-Aland 1505/6. Vgl.: Wolter, Lukasevangelium 546. Von einer sprichwörtlichen Wendung ist schon in den Scholien zu Aristophanes Av. 1432 die Rede. Vgl.: Wettstein 763. Vgl.: Bauer-Aland 1505. In der Komödie begegnet das Wort öfter (z. B. Aristoph. Plut. 525; Men. Dysk 366–367 ἀλλὰ δεῖ σκάπτειν μεθ’ ἡμῶν σ’. Die Arbeit, die hier mit einer Hacke verrichtet wird, ist für den ungeübten Dyskolos überaus anstrengend. Vgl.: V. 390–393 und 525–529. Vgl.: Fitzmyer, Luke 1100 und M. Müller, Annäherung 198. Siehe auch: Mora Paz, Struktur 114; Fonck, Parabeln 680; Kramer, Lukas 146. Diese Sicht vertreten auch: Landry; May, Honor 300. Sie sind der Meinung, der Verwalter versuche durch seine Überlegungen und sein Handeln seine Position als Verwalter zu sichern. Er müsse etwas tun, das zeige, dass er nicht gegen Ehre und Ansehen des Herrn handle. Dagegen betont Konradt, Interpretationsversuch 113, mit Verweis auf Paulus in Apg 20,33–34, dass diese Aussage den Verwalter negativ beschreiben soll. Siehe: van de Born, Bettler 208. Vgl.: van de Born, Bettler 208 und Esler, Community and gospel 174.
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gesehen werden: Da der Verwalter aufgrund seiner körperlichen Konstitution zu einer Arbeit, die für ihn in Frage kommen würde (eine verantwortliche Position würde ihm wohl niemand mehr geben), nicht fähig ist, bleibt ihm als Alternative nur das Betteln. Dies lehnt er jedoch aus Schamgründen ab. 158 V. 4 ἔγνων τί ποιήσω, ἵνα ὅταν μετασταθῶ ἐκ τῆς οἰκονομίας δέξωνταί με εἰς τοὺς οἴκους αὐτῶν. Nach dem Ausscheiden der beiden Alternativen Feldarbeit und Betteln wird nun durch den Aorist ἔγνων ein Ende der Überlegungen angezeigt. Der Prozess des Überlegens kommt nun plötzlich zum Ende: Der Verwalter hat erkannt, was er tun kann; er weiß nun, was er tun wird. Doch drückt der Aorist nicht so sehr den Zustand, das Resultat aus, das durch die abgeschlossene Handlung besteht, sondern den Abschluss der Handlung selbst. Durch den punktuellen Charakter des Aorists kommt so die Plötzlichkeit des Einfalls 159 und damit das Ende der Überlegungen zum Ausdruck.160 ἔγνων τί ποιήσω in V. 4 weist zurück auf die die Überlegungen einleitende Frage τί ποιήσω. Nun wird klar, dass die Frage keine Frage mehr ist, sondern dass der Verwalter einen Lösungsweg für das Problem gefunden hat. Übersetzt werden kann der Vers etwa so: Ich hab’s. Ich weiß (nun), was ich tun werde.161 158
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Das Verb αἰσχύνομαι, das im Alten Testament und auch bei Paulus das Element des Zuschandewerdens durch das Gericht Gottes hat (vgl.: Bultmann, αἰσχύνω 188/90 und Horstmann, αἰσχύνη 100/2) findet sich im Neuen Testament fünfmal. Wie in 1 Petr 4,16 und im hellenistischen Bereich häufig, bedeutet αἰσχύνομαι (Medium) in Lk 16,3 „sich schämen“. Das Verb kommt, betrachtet man die Evangelien und die Apostelgeschichte, nur bei Lukas vor. Ebenso findet sich das Substantiv αἰσχύνη – lässt man die Briefe und Apk außer Acht – nur bei Lukas: 14,9. M. Konradt, der von einem luxuriösen Lebensstil des Verwalters ausgeht, macht darauf aufmerksam, dass das Betteln einen Kontrast zu dem Lebensstil darstellen und insofern auch Spott hervorrufen würde. Siehe: Konradt, Interpretationsversuch 113. Dies scheint die EÜ 1980 zum Ausdruck bringen zu wollen: „Doch – ich weiß, was ich tun muß“. Die EÜ 2016 formuliert: „Ich weiß, was ich tun werde“. Denkbar ist auch, dass es sich hier nicht um eine Art des effektiven Aorists handelt, sondern um den dramatischen Aorist, der häufig in den klassischen Dramen vorkommt, im Neuen Testament jedoch selten ist. (Siehe: Hoffmann-Siebenthal 327/8 § 199 g III 4). „Die 1. Sg. Ind. Aor. drückt in Gesprächen des Alltags […] einen Geisteszustand oder eine davon bestimmte Handlung aus und ist als Präsens zu übersetzen: ἔγνων τί ποιήσω ich weiss (wusste od. merkte), was ich tun werde“. (Hoffmann-Siebenthal 327/8) KühnerGerth I 163 § 386,9 weist darauf hin, dass (meistens bei aufgeregter Stimmung des Gemütes) im Dialog „auf die Äusserung der einen Person von der anderen ein auf die Gegenwart bezügliches Urteil als b e r e i t s g e b i l d e t e s, als ein s c h o n f e r t i g e s durch den A o r i s t ausgesprochen [wird]. Während die Äusserung der einen Person gethan wurde, hatte sich auch schon das Urteil in der Seele der anderen Person gebildet.“ Vgl.: Forbes, God 157. Für Kähler, Gleichnisse 140, stellt der Ausruf ein retardierendes Element dar, das die Spannung steigert. Vgl. auch: Schmithals, γινώσκω 598.
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Das den Nebensatz einleitende ἵνα signalisiert, dass die Vorgehensweise, die der Verwalter geplant hat, ein bestimmtes Ziel verfolgt: ἵνα δέξωνταί με εἰς τοὺς οἴκους αὐτῶν.162 Dass der Verwalter in seinem inneren Monolog ein bestimmtes Handlungsziel angibt, ist erzähltechnisch durchaus bedeutend. Denn ohne diese Angabe bliebe die Erzählung offener und auch spannender, so aber wird die Aufmerksamkeit des Lesers darauf gelenkt, dass es dem Verwalter bei seinem geplanten und später umgesetzen Handeln einzig um seine eigene Rettung, um seine Existenzsicherung angesichts der katastrophalen Lage und nicht etwa um anderes, z. B. Rache gegenüber dem Herrn aufgrund der Entlassung, geht.163 Die vom Verwalter angestrebte gastfreundliche Aufnahme164 ist verbunden mit dessen Ernährung und der Gewährung von Unterkunft. 165 Aufgenommen werden Bedürftige, Menschen, die Unterkunft und Ernährung brauchen. Der Verwalter kann als Entlassener 166 seinen Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten,167 es sei denn, er findet eine ihm entsprechende Arbeit. Dafür aber sieht er keine Möglichkeit. Der Verwalter wird somit zu einem Bedürftigen. Er hofft darauf, mittels einer noch nicht genannten Handlung 168 Menschen zu motivieren, ihn als Bedürftigen aufzunehmen, d. h. für seinen Lebensunterhalt zu sorgen. Das Subjekt zu δέξωνται bleibt semantisch offen. Erst aus dem Folgenden wird ersichtlich, dass der Verwalter an die Schuldner seines Herrn denkt. Sie will er bewegen, ihn aufzunehmen. 169 Die semantische Unbestimmtheit des Subjekts ist textstrategisch wichtig. Es wird so einerseits deutlich, dass sich die Gedanken ganz im Inneren des Verwalters abspielen, dass der Verwal162
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Vgl.: Konradt, Interpretationsversuch 113/4. Der innere Monolog verweist in den lukanischen Parabeln laut Anderson, Seeking and Saving 747, auf die Motive, die den Handlungen zugrunde liegen. Martínez; Scheffler, Erzähltheorie 116/8, machen darauf aufmerksam, dass kausale und finale Motivierungen des Geschehens selten explizit ausgesprochen werden. Vgl.: Wolter, Lukasevangelium 546, der einige Parallelstellen angibt. Siehe hierzu auch: Jülicher, Gleichnisreden II 499. „Der Verwalter plant, etwas zu tun, was ihm Gastfreundschaftsrecht einbringt.“ So: Pellegrini, οἰκονόμος 169. Allerdings geht es hier nicht um eine Freundschaft im engeren Sinne, sondern um „eine Beziehung, die nichts Feindliches enthielt und sich zu gewissen (Gegen)leistungen und Hilfen verpflichtet wußte.” So: Pellegrini, οἰκονόμος 170. Siehe hierzu auch: Heil, Klugheit und Phantasie 250. Δέχομαι kommt 16-mal bei Lukas vor: 2,28; 8,13; 9,5.11.48.48.48.53; 10,8.10; 16,4.6.7.9; 18,17; 22,17. Vgl. besonders: Lk 9,5.48.53; 10,8.10. Das Wort μεθίσταμαι – mit passivischem Aorist μετεστάθην – bedeutet „jemanden (aus einem Amt) entfernen“, so z. B. Thuk. V 111; Lukian. ver. hist. II 10; Xen. an. II 3,8. Siehe: Passow 151; vgl. Wettstein 763. Udoh, Tale 333, ist der Meinung, der Verwalter sei ein Freigelassener, der nach Wegnahme der Verwaltung zu fliehen versuche und zwar so, dass ihm nach seiner Flucht Betteln erspart bleibt. „Der Monolog gibt geschickterweise den Inhalt des Vorgehens nicht an, für das sich der Mann soeben entschieden hat.“ Bovon, Lukas III 76. Metzger, Consumption and Wealth 116, hält es für erstaunlich, dass der Verwalter offenbar keine Verwandten oder Freunde habe.
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ter im Inneren einen konkreten Plan gefasst hat, den das Selbstgespräch aber in seiner ganzen Genauigkeit dem Rezipienten nicht offenlegt. So führt das Nichtnennen des Subjekts zu einer wesentlichen Erhöhung der Spannung.170 Die Aufnahme εἰς τοὺς οἴκους bedeutet hier wohl die Aufnahme in die Häusergemeinschaft, die die Sicherung des Lebensunterhaltes mit sich bringt.171 Der Verwalter hofft, dadurch dass er den Schuldnern etwas Gutes tut, von diesen als Freund des Hauses angesehen und – vielleicht als Arbeiter in einer ihm möglichen Funktion172 bzw. vielleicht sogar doch wieder als Verwalter 173 – aufgenommen zu werden.174 Es geht ihm darum, sich die Schuldner „auf der Basis des Gegenseitigkeitsprinzips, das in der griechisch-römischen Antike die Geltung eines ethischen Fundamentalprinzips innehatte, zu verpflichten.“ 175 Of170 171
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Vgl.: Metzger, Consumption and Wealth 115. Vgl.: Weigandt, οἶκος 1222/9. Landry; May, Honor 301/2, halten es für sehr unwahrscheinlich, der Verwalter könne meinen, durch den Schuldenerlass einen lebenslangen Unterhalt zu bekommen. Vielmehr hoffe er als Verwalter bei ihnen unterzukommen, deshalb müsse er sich einen Ruf als guter und loyaler Verwalter verschaffen. Dies sei nur möglich, indem er die Ehre seines Herrn wiederherstelle. Landry und May müssen natürlich annehmen, dass die Schuldner ihrerseits sehr reich sind (darauf kann die Menge des Geschuldeten hinweisen) und selbst einen Verwalter brauchen. Vgl.: Burkett, Unrighteous Steward 330. Auch Forbes hält es für unwahrscheinlich, dass es bei der Aufnahme nur um Gastfreundschaft geht. Eher scheint es seines Erachtens um eine neue Beschäftigung zu gehen. Siehe: Forbes, God 157/8. Dagegen betont Udoh, Tale 333, dass der Verwalter nicht nach einer neuen Beschäftigung suche. Vgl.: Wolter, Lukasevangelium 546/7. Nach M. Müller, Annäherung 198, geht es dem Verwalter darum, „in eine neue soziale Gruppe aufgenommen zu werden.” Gegen die Annahme, dass der Verwalter später wieder als Verwalter aufgenommen werden möchte, spricht nach Burkett, Unrighteous Steward 329 Anm. 12, der Inhalt des Monologs. Diese Überlegung innerhalb des inneren Monologs (Bindemann spricht wohl versehentlich von Dialog, siehe: Bindemann, Ungerechte als Vorbilder? 962) ist für Bindemann Ausgangspunkt und Grund seiner Argumentation. Seiner Ansicht nach setzt der Verwalter auf ein traditionelles Prinzip der Sicherheit, die generalisierte Reziprozität, bei der das Teilen von Ressourcen zur Minimierung von Risiken führt. Der Verwalter verfolgt also – durchaus im eigenen Interesse – ein System der Gegenseitigkeit, das Bindemanns These zufolge der gewinnorientierten Wirtschaftsordnung Palästinas entgegensteht und vielmehr der von der Tora proklamierten Wirtschafts- und Sozialordnung entspricht. Siehe hierzu: Bindemann, Ungerechte als Vorbilder? 962/5. Konradt, Interpretationsversuch 114. Ähnlich urteilt M. Müller, Annäherung 195: „Zwar hatte zur Zeit des Neuen Testaments Geld und beweglicher Reichtum bereits an Bedeutung gewonnen, doch basierte das soziale Gefüge noch immer auf persönlichen Beziehungen: auf Gefälligkeiten, den dafür erwarteten Gegenleistungen und auf der Verpflichtung zur Treue.” Siehe auch: M. Müller, Annäherung 197 und 199. M. Müller sieht in der Parabel „ein recht kompliziertes Geflecht von expliziten und latenten ‚PatronKlient Beziehungen‘“. So: M. Müller, Annäherung 199. Siehe zu diesem Thema auch: Kramer, Lukas 141/3. „Freundschaft stellt sich im 1. Jh. also als ein Beziehungsverhältnis dar, das zwischen einem hehren philosophischen Freundschaftsideal und einem utilitaristischen Freundschaftsverhältnis oszilliert. Dabei bewegt sich auch ersteres innerhalb
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fensichtlich will er sich direkt mehrere Schuldner verpflichten, zu Freunden machen, so dass er auch mit der Aufnahme in mehrere Häuser rechnen kann. Durch ὅταν wird dem finalen Nebensatz noch ein temporaler untergeordnet. Er drückt den Zeitpunkt aus, an dem das Ziel, das der Verwalter durch seine Maßnahmen erreichen will, eintreten soll. Der Konjunktiv des Aorists μετασταθῶ bringt die Vorzeitigkeit zu δέξωνται zum Ausdruck.176 Der Gebrauch von ὅταν mit Konjunktiv Aorist ist durchaus regelmäßig. 177 Es darf m. E. kein Widerspruch im Verhalten des Herrn gesehen werden: In V. 2d habe er den Verwalter entlassen, hier aber sei die Absetzung als noch nicht vollzogene geschildert.178 Die Absetzung ist ein längerer Prozess, der mit Aussprechen der Entlassung beginnt und mit Abgabe der Abrechnung ganz vollzogen ist. Der Aorist, der ja gerade nicht den Vollzug einer Handlung ausdrückt, ist schon deswegen passend, weil mit ὅταν μετασταθῶ der Endpunkt der Entlassung in den Blick genommen wird.179 Insgesamt verweist der temporale Nebensatz auf ὅτι ὁ κύριός μου ἀφαιρεῖται τὴν οἰκονομίαν ἀπ’ ἐμοῦ. Die Entlassung ist das große Problem, das zum Handeln zwingt. V. 5a/b καὶ προσκαλεσάμενος ἕνα ἕκαστον τῶν χρεοφειλετῶν τοῦ κυρίου ἔλεγεν τῷ πρώτῳ· πόσον ὀφείλεις τῷ κυρίῳ; Die Konjunktion καί leitet nun die Fortführung der Handlung ein. Das Selbstgespräch ist beendet, nun beginnt eine neue Handlungssequenz. Der Verwalter geht nach Fassen des Planes nun an die Ausführung seines Vorhabens, das bereits angekündigt, aber erst jetzt in seinem Verlauf dem Rezipienten vorgestellt wird: Der Verwalter ruft jeden einzelnen der Schuldner seines Herrn zu sich. Der Vergleich der Stellen, in denen das Verb προσκαλεῖσθαι innerhalb der Evangelien vorkommt, lässt erkennen, dass der Verwalter eine in Bezug auf die Schuldner übergeordnete Stellung hat. Denn das Verb wird gebraucht, wenn der Herr seine Jünger, der Herr seine Knechte usw. ruft oder rufen lässt.180
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des Reziprozitätsprinzips. Einiges lässt darauf schließen, dass Freundschafts- und Patronageverhältnisse nicht klar voneinander zu trennen waren.“ Kramer, Lukas 143. Dass die Investition in „Freunde“ eine sichere Geldanlage darstellt, zeigt auch Martial in Epigramm V 42. Hoeren, Verwalter 623, deutet den Konjunktiv Aorist so, dass der Verwalter noch nicht von der Verwaltung abgesetzt ist. Siehe: Balz, ὅταν 1316. Der Aorist kann durchaus die Vorzeitigkeit ausdrücken. So: Bauer-Aland 1190 und Kühner-Gerth II 447/8 § 567,2. Die Behauptung Drexlers, Lukas 16 1–7 288, im Griechischen werde die Vorzeitigkeit nicht ausgedrückt und der Aorist bezeichne nicht eine bereits vollzogene Handlung, sondern ihren Vollzug, ist nicht richtig. Diesen Widerspruch sieht H. Drexler, Lukas 16, 1–7 288, der argumentiert, der Aorist bezeichne nicht eine vollzogene Handlung. Siehe gegen Drexler auch: Marshall, Luke 618. Nach Wolter, Lukasevangelium 547, macht der Konjunktiv Aorist deutlich, „dass der Temporalsatz von einer Handlung spricht, die noch in der Zukunft liegt“. Vgl.: Balz, προσκαλέομαι 414/5.
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Auffallend ist, dass der Erzähler nicht einfach sagt „die Schuldner seines Herrn“ oder „alle Schuldner seines Herrn“, sondern eine sehr lange Ausdrucksweise nutzt. Einerseits kommt so zum Ausdruck, dass der Verwalter alle Schuldner, jeden einzelnen, zu sich ruft. 181 Dadurch wird indirekt deutlich, dass es sich um eine große Anzahl von Schuldnern handelt (vgl.: Lk 4,40; Apg 2,3 und 2,6).182 Insofern also dieses verstärkte Pronominaladjektiv auf eine größere Anzahl von Schuldnern hinweist, verweist es auf den Reichtum des Herrn (V. 1). Andererseits drückt das verstärkte Pronominaladjektiv aber auch die individuelle Behandlung des einzelnen Schuldners aus. 183 Im Gegensatz zu πᾶς individualisiert schon das einfache ἕκαστος, „drückt die Betroffenheit (durch Anruf oder Angebot) jedes einzelnen aus und macht so die Aussagen direkter und persönlicher.“184 Diese direkte Betroffenheit wird durch εἷς noch verstärkt. Es geht dem Erzähler also vorrangig nicht um die Betonung der großen Anzahl der Schuldner und um die Vollständigkeit der gerufenen Gruppe (alle Schuldner), sondern darum, dass jeder einzelne konkret, direkt und persönlich angesprochen wird.185 Der Begriff χρεοφειλέτης kommt im Neuen Testament nur in Lk 7,41 und 16,5, also in Gleichnissen, vor. Es ist fraglich, ob es sich bei den Schuldnern um Großhandelskaufleute handelt,186 die neben den führenden Priestern, ihren Familien, den Mitgliedern des Hofes des Herodes und großen Landbesitzern die reiche Schicht zur Zeit Jesu gebildet haben. 187 Eher ist anzunehmen, dass die Schuldner Pächter sind, die bestimmte Mengen des Ertrages vom bewirtschaf181
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Vgl.: Heil, Klugheit und Phantasie 247 und von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 234. Das Pronominaladjektiv ἕκαστος kommt bei Lk 2,3; 4,40; 6,44; 13,15; 16,5 vor. Die durch εἷς verstärkte Form findet sich Lk 4,40 und 16,5; in der Apg kommt diese Verbindung häufig vor, bei Mk, Mt (außer 26,22, wo die Überlieferungslage nicht klar ist) und Joh fehlt sie. Auch Reinmuth, Verwalter 638, geht davon aus, dass diese Wendung, die er mit „einen (der Schuldner) nach dem anderen“ übersetzt, auf eine größere Zahl von Schuldnern hinweist. Auch Mora Paz, Struktur 108, deutet die Wendung so, dass der Verwalter „einen nach dem anderen zu sich ruft.” Ebenso: Fonck, Parabeln 681. Vgl. auch: Metzger, Consumption and Wealth 117 Anm. 34. Vgl.: Loader, Jesus 527 und Heil, Klugheit und Phantasie 247. Dagegen vertritt Metzger, Consumption and Wealth 116/7, die Meinung, dass der Verwalter alle Schuldner an einem Platz versammle und dass jeder wisse, welchen Schuldennachlass dem einzelnen gewährt worden sei. Als Grund führt er an, die Frage an den zweiten Schuldner lasse erkennen, dass dieser das erste Gespräch mitbekommen habe. Siehe zur Diskussion um das Verständnis von ἕνα ἕκαστον: Ireland, Stewardship 53 Anm. 22. Untergaßmair, ἕκαστος 981. Fraglich ist, ob der Verwalter die Schuldner deswegen einzeln zu sich hineinruft, damit sie sich nicht untereinander unterhalten und zu viele Fragen stellen, wie Bailey meint. Für Pellegrini zeigt diese Wendung, dass der Verwalter im Verborgenen agiert. Siehe: Pellegrini, οἰκονόμος 174. Dies vermutet z. B. Kloppenborg, Dishonoured Master 482. Siehe: Cassidy, Jesus 110.
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teten Land dem Landbesitzer als Pacht abgeben müssen. 188 Der Besitz des Herrn muss – wie die Mengenangaben des geschuldeten Betrags erkennen lassen – sehr groß gewesen sein189 und auch die Pächter dürften relativ große Flächen bewirtschaftet haben.190 Der Verwalter spricht nun, nachdem jeder einzelne Schuldner gerufen ist, mit dem ersten. Deutlich ist, dass er mit jedem Schuldner getrennt von den anderen redet. Der Verwalter fragt den ersten Schuldner nach der Höhe seiner Schulden.191 Die Formulierung lässt erkennen, dass der Betrag dem Herrn gehört. 192 Parrott sieht in der Frage einen bestätigenden Hinweis für die Vermutung Crossans, der Verwalter sei schlampig in der Buchführung und verschleudere so das Vermögen seines Herrn. Denn dieser habe die Schuldsumme nicht gewusst, sondern erst erfragen müssen.193 Doch geht es m. E. dem Erzähler durch Verwendung dieser Frage um die Lebendigkeit der Erzählung, zu der Dialoge viel beitragen.194 Ein Gespräch, in dem zunächst die Höhe der Schulden erfragt wird (dies ist übrigens auch dann denkbar, wenn der Verwalter die Schuldsumme kannte), diese angegeben und schließlich die Verringerung angeordnet wird, dient der Lebendigkeit der Erzählung weit mehr als z. B. ein hier denkbarer sofortiger Befehl, die Schuldsumme zu verringern. Für den Rezipienten wird so besonders deutlich, dass es um die Höhe der Schulden geht, die der Verwalter verringert. Die Frage dient zur Verstärkung des dramatischen Effekts der Erzählung. 188
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Dies vermuten z. B. Bailey, Poet and Peasant 91; Barth, Dishonest Steward 70; Heininger, Metaphorik 172; Loader, Jesus 526; Lygre, Of What Charges? 21/3 und Heil, Klugheit und Phantasie 250. Schon Fonck, Parabeln 683/4, hat diese Frage ausgiebig diskutiert. Seines Erachtens spricht u. a. die Angabe der Schuld in Naturalien gegen die Annahme, dass es sich um Kaufleute handelt, da in diesem Fall eher der Gegenwert eingetragen worden sei. Er ist der Meinung, dass es sich um Pächter handelt, die vielleicht eigene Unterpächter haben. Für Reinmuth, Verwalter 639, bleibt offen, ob die Schuldner Pächter oder Händler sind. Siehe zu dieser Frage auch: Ireland, Stewardship 53/4. Vgl.: Reinmuth, Verwalter 640. Vgl.: Konradt, Interpretationsversuch 115. Siehe auch: Burkett, Unrighteous Steward 330. Thurén, Parables 131/2, der in der Parabel eine Aufforderung an die Jünger erkennt, den Menschen die dem Gnadenjahr gemäße Sündenvergebung zu bringen, weist darauf hin, dass Lukas mit „Schulden“ meistens Sünden bezeichnet: 7,41–42; 11,4; 12,54–59; 13,4. Dies spricht gegen die Meinung Fitzmyers, der Verwalter verringere den Betrag um die ihm selbst zu zahlenden Zinsen. Vgl.: Kloppenborg, Dishonoured Master 481; B. B. Scott, Praise 177. Siehe: Parrott, Dishonest Steward 504. Vgl.: Lygre, Of What Charges? 25: „Supervising slaves and keeping a record of the contracts made between owner and tenant were the most obvious duties expected of the steward.” Vgl. hierzu: Jülicher, Gleichnisreden II 500. Auch nach Wolter, Lukasevangelium 547, hat diese Frage „wohl erzählerische Gründe, denn nur so ist es möglich, die Leser über den Ablauf des Geschehens ins Bild zu setzen.“
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V. 6a/b ὁ δὲ εἶπεν· ἑκατὸν βάτους ἐλαίου. Durch die Redeeinleitung wird signalisiert, dass die Antwort des befragten Schuldners folgt. Δέ hat auch hier stark verbindende Kraft. Auffällig ist, dass ein Objekt, also αὐτῷ, fehlt.195 In der folgenden Antwort muss der Rezipient das Verb der Frage selbst ergänzen. Schon von daher ist Kürze in der Einleitung der Antwort gefordert. Doch dient das Fehlen des Objekts – die Einleitungen der Reden des Herrn und des Verwalters nennen ein Objekt – dazu, die Schuldner als Untergebene zu charakterisieren. Die Fragen des Verwalters sind objektgerichtet; er will etwas von dem einzelnen Schuldner, dieser jedoch hat als Schuldner auf die ihm gestellte Frage zu antworten. In aller Kürze antwortet der Schuldner auf die Frage des Verwalters nach der Höhe der Schulden: 100 Fass (Bath) Öl. Die Tatsache, dass die Antwort kein Verb enthält, sondern der Rezipient dieses aus der Frage mithören muss (ὀφείλω), dient zur Verlebendigung des Dialogs; es werden Sprachformen genutzt, wie sie in alltäglichen Begebenheiten und Gesprächen zu finden sind. Βάτος – das Lehnwort aus dem Hebräischen kommt im Neuen Testament nur hier vor – bezeichnet ein hebräisches Hohlmaß. 196 Es entspricht (nach Ios. ant. Iud. VIII 57 und anderen Vergleichen) 39,384 Liter oder aber „nach Segrè (äg. Pap. von 289 v. Chr.) und einem in Lachis gefundenen „königlichen Maß“ […] 22,991 l.“197 Hundert Bath Öl sind also eine recht große Menge. Nach K. Snodgrass entspricht die Menge etwa dem Ertrag von 150 Olivenbäumen und dem durchschnittlichen Lohn eines Arbeiters für etwa drei Jahre. 198 Die Zahl 100 lässt die Größe der Schulden deutlich werden; an eine symbolische Bedeutung der Zahl kann nicht gedacht werden.199 Ob die Höhe der Schulden der Wirklichkeit widerspricht oder vom Erzähler absichtlich übertrieben wurde, um Aufmerksamkeit beim Rezipienten zu wecken, ist fraglich. 200 „Die geschuldete Ölmenge in Lk 16,6 spiegelt palästinische Verhältnisse wider, da Palästina nach den Angaben des AT und des Josephus eine reiche Ölproduktion aufwies“201. 195 196 197 198
199 200
201
Siehe hierzu: Jülicher, Gleichnisreden II 500. Vgl.: Fuchs, βάτος 501. Fuchs, βάτος 501. Siehe hierzu auch: Fonck, Parabeln 681/2. Siehe: Snodgrass, Stories 406. Vgl.: Mora Paz, Struktur 115. Pellegrini, οἰκονόμος 168/9, behauptet, dass 25 Liter Öl, der Ertrag eines Olivenbaums, beim Verkauf 1000 Denare erbracht hätten und dass der Erlass dem Einkommen von etwa 243 Jahren einer billigen Arbeitskraft entsprochen habe. Siehe: Weder, ἑκατόν 982. Vgl.: Du Plessis, Philanthropy or Sarcasm? 6; Jülicher, Gleichnisreden II 500. Nach Jeremias, Gleichnisse 180, entsprechen die Schulden 500 Denaren. Siehe auch: Kähler, Gleichnisse 141. Nach Reinmuth, Verwalter 640, verweisen die „schwindelerregenden Höhen der zu Buche stehenden und erlassenen Schulden […] auf die Tragweite des eigenmächtigen Tuns des Verwalters.“ Broer, ἔλαιον 1037. Das syrisch-phönikisch-palästinensische Gebiet war ein Zentrum des antiken Ölanbaus. Siehe: Groß, Öl 244. Nach M. Müller, Annäherung 194, sind Öl und Weizen neben Weintrauben die Hauptprodukte Palästinas.
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V. 6c/d ὁ δὲ εἶπεν αὐτῷ· δέξαι σου τὰ γράμματα καὶ καθίσας ταχέως γράψον πεντήκοντα. Durch diese Wendung signalisiert der Erzähler, dass die Antwort des Schuldners beendet ist und dass sich nun eine Rede des Verwalters anschließt. Die Konjunktion δέ macht deutlich, dass die folgende Rede semantisch eng zum Vorangehenden gehört. Das Pronomen αὐτῷ lässt erkennen, dass das Handeln des Verwalters objektgerichtet ist, dass nun konkret und speziell dieser Schuldner angesprochen ist und dass die anderen Schuldner die nun folgende Aufforderung nicht mithören sollen oder können. Der Verwalter fordert den Schuldner auf, seinen Schuldschein zu nehmen. Die Aufforderung ist unmissverständlich. Der Imperativ nimmt die erste Stelle im Satz ein (wie in der Rede des Herrn in V. 2) und erhält so eine besondere Betonung. Die Aufforderung ist durch die Voranstellung des Genitivus possessoris σου vor τὰ γράμματα betont und eindringlich auf den konkreten Schuldner bezogen.202 So erfolgt die Aufforderung auch direkt nach der Antwort des Schuldners und zeigt in ihrer unmissverständlichen Deutlichkeit, dass das Vorgehen des Verwalters genau durchdacht ist. Die Art der Aufforderung passt also zu der Bestimmtheit des ἔγνων τί ποιήσω. Das Verb δέχομαι besagt hier wohl (wie in Lk 22,17) lediglich das Aufnehmen bzw. In-die-Hand-Nehmen des Schuldscheins. Ob der Schuldner den Schuldschein, den er wohl selbst ausgefüllt hat,203 selbst aufbewahrt und nun mitgebracht hat oder ob – was wahrscheinlicher ist – der Verwalter den Schuldschein aufbewahrt204 und ihm entgegenhält, ist unklar. Offensichtlich ist nur an ein Schriftstück zu denken; es ist nämlich nicht selten, dass mit dem Plural nur ein einziges Schriftstück bezeichnet wird205 – im Neuen Testament kommt τὸ γράμμα im Singular nur bei Paulus vor.206 Nach der Aufforderung, den Schuldschein zu nehmen, schließt der Verwalter die wichtigere Aufforderung an: καὶ καθίσας ταχέως γράψον πεντήκοντα. Die LB 2017 bietet: „setz dich hin und schreib flugs fünfzig“207, die EÜ 2016 dagegen: „setz dich schnell hin und schreib fünfzig!“ 208. Die EÜ bezieht das Adverb ταχέως also anders als Luther auf καθίσας. Damit trägt sie der Regel Rechnung, dass das ein Adjektiv oder Verb bestimmende Adverb gewöhnlich
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Meist steht der Genitivus possessoris bei Lukas hinter dem Bezugswort. Siehe: Cadbury, Style 153. Vgl.: Barth, Dishonest Steward 70 und Heil, Klugheit und Phantasie 251. Laut Wolter, Verwalter 640, steht das Eigentum an Schuldscheinen immer dem Gläubiger zu. Siehe zu dieser Frage: Herrmann, Überlegungen 343/4. Vgl.: Bauer-Aland 330 und Schrenk, γράφω 763. Bovon, Lukas III 78, weist darauf hin, dass Lukas nicht sage, was die τὰ γράμματα genau sind. Siehe zu Parallelen: Wolter, Lukasevangelium 547. So: Hübner, γράμμα 622. LB 2017. EÜ 2016. So auch: EÜ 1980: „setz dich gleich hin, und schreib ‚fünfzig‘.“
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nachgestellt wird.209 Wahrscheinlich haben die Codices P75, B, 1424 und einige andere, die γράψον ταχέως lesen, die beiden Worte umgestellt, um eine eindeutige Zuordnung des Adverbs zu erreichen. Diese Lesart ist m. E. abzulehnen. Denn wahrscheinlich liegt die Verwendung der Stilform Apokoinu vor:210 Das Adverb bezieht sich dann also sowohl auf καθίσας als auch auf γράψον. Beide Einzelhandlungen, die des Setzens und die des Schreibens, werden zusammengefasst und durch das Adverb, das durch diese Stellung eine besonders starke Betonung erhält, bestimmt. Der gesamte Vorgang muss in der gebotenen Eile 211 vollzogen werden. Die Aufforderung zur Eile deutet auf die Unrechtmäßigkeit212 des Vorgehens hin.213 Insgesamt verstärken die Aufforderung sich hinzu209 210 211 212
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Vgl.: BDR 403 § 474,2. Wie Luther bezieht auch Balz, ταχέως 810, ταχέως auf γράψον. Vgl. zu dieser Stilform: von Wilpert 38. Auch Donahue, Gospel 164, weist auf die gebotene Eile hin. Vgl.: Pellegrini, οἰκονόμος 173/4. Forbes, God 157, schreibt: „He is acting purely for his own interests and is relying on the fact that the debtors do not know of his dismissal.“ Siehe auch: Forbes, God 159; Snodgrass, Stories 411 und Schramm; Löwenstein, Helden 16/7 und 20. Vgl. auch: Anderson, Seeking and Saving 732/3, der als Merkmal lukanischer Parabeln eine moralische Doppeldeutigkeit feststellt und neben dem Verwalter auf den ungerechten Richter (Lk 18,1–8), den Freund, der seinen Nachbarn widerwillig vor Peinlichkeit bewahrt (Lk 11,5–8), den Gastgeber des großen Gastmahls (Lk 14,16–24) und die beiden Söhne (Lk 15,11–32) verweist. Anders deutet Goodrich, Debt Remission 564 Anm. 68, die Aufforderung zur Schnelligkeit. Seines Erachtens betont das Adverb die begrenzte Zeit, die zur Verfügung steht, um die (seiner Meinung nach wirtschaftlich sinnvollen und daher lobenswerten) Schuldreduzierungen vorzunehmen. Dies spricht gegen die These Bindemanns, dass der Verwalter hier legal die Möglichkeit zur Schuldenreduzierung in Krisenzeiten nutze und damit letztlich als Vorbild dargestellt werde. Siehe: Bindemann, Ungerechte als Vorbilder? 962/6. Die Ausführungen Bindemanns scheinen nicht ganz konsequent zu sein. Während er einerseits betont, der Verwalter breche durch den Schuldennachlass mit der gewinnorientierten Wirtschaftsweise, der er sich bisher offenbar konform gegenüber verhalten habe (er bezeichnet den Monolog auch als „Explikation seines μετανοεῖν“, so: Bindemann, Ungerechte als Vorbilder? 962), spricht er andererseits davon, dass der Verwalter nun in der Krise eine Praxis fortsetze, die ihm vorher schon von seinem Herrn zum Vorwurf gemacht worden sei, nämlich dass er dessen Güter verschleudere. So: Bindemann, Ungerechte als Vorbilder? 965/6. Zwar sieht Hoeren, Verwalter 623/29, im Teilerlass der Schulden durch den Verwalter auch einen vorbildlichen Akt, aber er weist auf die Rechtswidrigkeit des Erlasses hin, da der Verwalter dazu eine Sondervollmacht benötigt habe. Das Handeln des Verwalters sieht er als vorbildlich an, weil es der alten jüdischen Tradition, der Verelendung von Schuldnern entgegenzukommen, entsprach. Er verweist darauf, dass nach Lev 25,23 das Land allein Gott gehöre und nach Dtn 15,1–5 Gläubiger alle sieben Jahre zum Verzicht auf alle Forderungen verpflichtet waren (ein Gebot, das im 1. Jh. n. Chr. zum Handelshemmnis zu werden drohte und deswegen umgangen wurde). Als Parallelstelle zu Lk 16 führt er Neh 5,11 an, wo davon die Rede ist, dass Nehemia aufgrund der Klagen der Armen einen umfassenden Forderungsverzicht befiehlt und dabei auch ausdrücklich Getreide und Öl erwähnt. Die großen Beträge, die in V. 6 und 7 erwähnt werden, zeigen seines Erachtens das hohe Ausmaß der Verschuldung. „Die Pächter waren über alle Maßen mit der Rückzahlung des Pachtzinses im Verzug. Die aufgelaufenen
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setzen und das betonte Adverb ταχέως das dramaturgische Element des Gleichnisses. Die beiden Worte erhöhen die Spannung, indem sie die Nennung des wichtigen Befehls noch verzögern. Auffallend ist, dass der Schuldner aufgefordert wird, die Änderung eigenhändig vorzunehmen. 214 Ob der geänderte Betrag auf dem bestehenden Schuldschein eingetragen oder ob ein neuer Schuldschein geschrieben und der alte dem Schuldner überlassen wird, ist nicht deutlich zu erkennen.215 Das Zahlwort πεντήκοντα hat die betonte Endstellung im Satz. Die Aufforderung, die Schulden um die Hälfte zu verringern, bildet den Höhepunkt des Gesprächs. Um die Höhe der Schulden und um die Verringerung durch den Verwalter geht es im gesamten Gespräch: πόσον (am Satzanfang), ἑκατόν (am Satzanfang), πεντήκοντα (am Satzende). Ob die Schuldner der Meinung sind, der Verwalter handle auf Anweisung des Herrn, der in Notlagen (z. B. bei schlechten Ernten) die Pachtsumme verringern konnte, 216 ist fraglich. Bailey allerdings hält diese Voraussetzung für zwingend: Denn hätte der Schuldner,
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Summen zeigen eine [sic!] Höchstmaß an Verelendung und Verarmung; sie sind auch Sinnbild für die tatsächlich desolaten Lebensumstände im 1. Jahrhundert n. Chr.“ So: Hoeren, Verwalter 628. Gegen Hoeren kann m. E. eingewendet werden, dass der Verwalter die Schuld doch „nur“ um 20 Kor auf 80 Kor Weizen reduziert, es sich also nicht um einen umfassenden Forderungsverzicht handelt. Dies könnte in der Argumentation Hoerens zwar damit zusammenhängen, dass der Verwalter „unrechtmäßig“ handelt und durch die „geringen“ Beträge ein sofortiges „Entdecktwerden seiner Aktionen“ vermeiden möchte (er ist nach Hoeren noch nicht entlassen), allerdings wäre m. E. bei der Intention, die Hoeren in dem Text sieht, der Schuldenerlass doch größer. Eher scheinen die Schuldner, die den Verwalter ja auch in ihre Häuser aufnehmen sollen, über einen gewissen Wohlstand zu verfügen. Vgl.: Reinmuth, Verwalter 640. Siehe auch: Ebner, Face to face-Widerstand 423. Er weist darauf hin, dass es dem Verwalter nicht um eine Entschuldung der Schuldner geht, sondern darum, die Reziprozitätskette in Gang zu setzen. Siehe: Ebner, Face to face-Widerstand 425. Dies kann eine Taktik sein, z. B. um sich später vor Gericht „herausreden“ zu können – insbesondere wenn der Verwalter des Schreibens nicht mächtig ist. Vgl.: Lygre, Of What Charges? 26. Metzger, Consumption and Wealth 117, meint, der Verwalter schiebe so die letzte Verantwortung für den Schuldennachlass den Schuldnern zu. Herrmann, Überlegungen 346, geht von der Ausstellung neuer Schuldurkunden aus, da so bei der Übergabe der Schuldscheine an den Herrn die Änderungen nicht auffallen würden. Siehe: Barth, Dishonest Steward 70 und Bailey, Poet and Peasant 101. Bindemann, Ungerechte als Vorbilder? 963, weist darauf hin, dass es wahrscheinlich für Landpächter zwei Möglichkeiten gab, die Pacht dem Eigentümer des Landes zu zahlen. Bei der ersten wurde ein bestimmter Prozentsatz der Ernte an den Eigentümer gegeben, was dem Pächter auch bei schlechten Ernten ein Einkommen sicherte. Daneben gab es wohl Festpachtbeträge. „Die Mischna sieht Möglichkeiten für die Reduzierung von Festpachtbeträgen vor. Sie boten dem Verwalter eines Gutes Gestaltungsspielraum bei der Festsetzung der Abgaben. So handelt der Ökonom im Gleichnis Lk 16 bei der Änderung der Abgabensätze in den γράμματα nicht unrechtmäßig, sondern bewegt sich in einem legalen Rahmen, der unter Umständen sowohl seinem Herrn wie dessen Klienten zugute kommen konnte.“ So: Bindemann, Ungerechte als Vorbilder? 963.
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der ja auf das Land des Herrn angewiesen sei, gewusst, dass der Herr in betrügerischer Absicht handle, hätte er der Verringerung der Schulden nicht zugestimmt, um es sich mit dem Herrn nicht zu verderben. 217 Meines Erachtens aber muss die Verringerung im Hinblick auf das im Selbstgespräch genannte Ziel gesehen werden. Der Verwalter will sich die Schuldner seines Herrn zu Freunden machen, damit sie ihn – wohl aus Dank – bei sich aufnehmen, er möchte in einen „Reziprozitätskreislauf“218 eingebunden werden, d. h. durch sein eigenes Geben das Geben der Beschenkten hervorrufen. 219 Spätestens bei der Gegenleistung, der Aufnahme in ihre Häuser, wird den Schuldnern klar werden, dass der Herr entlassen ist und dass er die Verringerung der Schuldsumme eigenmächtig vorgenommen hat. Wollte man Baileys These folgen, müsste man auch ausschließen, dass die Schuldner einen betrügerischen Verwalter bei sich aufnehmen.220 Deutlich ist, dass die Verringerung ihre Gültigkeit hat.221 Auf all diese Überlegungen zielt aber wohl die Erzählung nicht ab: Es geht im Selbstgespräch um die Art des Vorgehens angesichts der für den Verwalter katastrophalen Situation, es geht um die Sicherung seines Lebensunterhaltes. Diesen denkt er sich zu sichern, nicht z. B. durch Unterschlagungen, die leicht hätten entdeckt und zur Rückforderung des Betrags durch den Herrn hätten führen können,222 sondern durch Einsetzen des Besitzes seines Herrn für andere.223 Letztlich handelt es sich dabei aber, auch wenn er anderen etwas 217
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Siehe: Bailey, Poet and Peasant 99. Auch Landry; May, Honor 301/2, sind der Meinung, dass die Schuldner und die Öffentlichkeit meinen, der Erlass der Schulden geschehe mit Zustimmung des Herrn. Nur so seien sie bereit, den Verwalter später als guten und loyalen Verwalter bei sich selbst aufzunehmen. Metzger, Consumption and Wealth 117, meint, die Schuldner hätten misstrauisch werden müssen. Ebner, Face to face-Widerstand 425. Er weist darauf hin, dass der Verwalter aus dem üblichen Herrschaftssystem aussteigt, sich also nicht zur Erhaltung seiner Position nach oben orientiert, sondern sich mit den Untergebenen solidarisiert. Siehe: Ebner, Face to face-Widerstand 424/6 und 437/8. Vgl.: Konradt, Interpretationsversuch 114/5. Lygre, Of What Charges? 25, zieht in Erwägung, dass der Verwalter möchte, dass die Pächter, die ja eigenhändig den Schuldschein ändern, in den gleichen Verdacht geraten, in den er selbst (V. 2) gekommen ist. Goodrich, Debt Remission 550, hält es für unwahrscheinlich, dass die Schuldner den Verwalter bei sich aufnehmen, wenn seine Handlungen wirklich betrügerisch wären. Dass die Verringerung vom Verwalter ausgesprochen wurde, ist gleichbedeutend, als sei sie vom Herrn selbst ausgesprochen worden. Siehe: Snodgrass, Stories 406. Vgl.: Goodrich, Debt Remission 561/2. Dies merkt Konradt, Interpretationsversuch 115, an. Dies betont Konradt, Interpretationsversuch 115/6, der hier die Forderung von V. 9 gespiegelt sieht und das Kluge des Handelns gerade in dieser Weggabe des Besitzes für andere deutet. Er vergleicht den Verwalter mit dem reichen Kornbauern in Lk 12,16–21. Der Kornbauer verkörpert „die selbstbezogene hedonistische Vergeudung der Lebensgüter, die auch der Verwalter mit seinem διασκορπίζειν betrieb. Mit der Entlassung konfrontiert änderte dieser aber seinen Umgang mit Besitz und entwickelte insofern eine ‚soziale‘ Strategie, als seine Überlegungen andere Menschen einbeziehen.” So: Konradt, Interpretationsversuch 116. Meines Erachtens sieht Konradt das Verhalten des Verwal-
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Gutes tut, um ein egozentrisches, auf ihn selbst abzielendes Vorgehen, nämlich gut aus der Krise herauszukommen. Deswegen ruft er die Schuldner zu sich und verringert, wohl in der Hoffnung, dass sein Handeln vom Herrn nicht entdeckt wird,224 ihre Schulden – ohne Wissen des Herrn, aber mit dem Kalkül, dass der Herr, der ja gegenüber den Schuldnern nicht als Betrogener dastehen und auch nicht als kleinlich erscheinen möchte, 225 den Schuldennachlass nicht rückgängig machen wird, falls sein Handeln doch entdeckt werden sollte.226 Die Verringerung der Schulden ist das Thema des Gesprächs. Dass der Verwalter angesichts seiner Entlassung den Betrag lediglich um Zinsen verringert, weil er nun plötzlich einen Drang verspürt, das Tora-Gebot, keine Zinsen von Juden zu nehmen, und somit tatsächlich geschuldete Summen eintragen lässt, wird aus dem Text nicht deutlich.227 Ebenso ist nicht ersichtlich, dass der Verwalter hier
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ters zu positiv, denn sein Handeln zielt doch im Grunde nur auf seine eigene Rettung ab. Außerdem scheint ihm Besitz oder Geld als solches auch vor der Entlassung nicht wichtig gewesen zu sein, da er es ja vergeudet und weder an einer Gewinnoptimierung o. Ä. noch am Aufbau eines eigenen Vermögens (sonst wäre er ja durch die Entlassung nicht in dieser Notlage) interessiert ist. Als Modell für richtigen Umgang mit Besitz, nämlich als Hilfe gegenüber den von Schulden Betroffenen, sieht auch Kim, Stewardship and Almsgiving 156/8, das Handeln des Verwalters. Siehe: Pellegrini, οἰκονόμος 172. Vgl.: Konradt, Interpretationsversuch 115/6. Herrmann, Überlegungen 345/6, weist darauf hin, dass sich die Schuldner auf die verringerten Beträge berufen konnten, falls ihnen bei der Änderung der Schuldscheine die Entlassung des Herrn nicht bekannt gewesen war. J. D. M. Derrett ist der Meinung, dass der Herr entgegen dem Tora-Gebot Wucherzinsen nimmt und dass der Verwalter diese Praxis nun nicht mehr mitmacht. Dass es jüdische Praxis war, zur Umgehung des Verbotes auf den Schuldscheinen gleich den Gesamtbetrag (die eigentlichen Schulden und die Zinsen) einzutragen, kann Derrett plausibel machen. Siehe: Derrett, Luke XVI I 198/219 und Derrett, Luke XVI. 6 438/40. J. A. Fitzmyer, Dishonest Manager 23/42, variiert die Ansicht Derretts dahingehend, dass er annimmt, dass der Verwalter selbst ohne Genehmigung des Herrn, aber mit dessen Wissen für sich Zinsen auf Güter oder verpachtetes Land des Herrn erhob und nun auf seine Zinsen verzichtete. Von Zinsen oder Hinweisen, die die Ansicht Derretts oder Fitzmyers stützen könnten, ist aber im gesamten Text keine Rede. Insofern ist diese These, die den Verwalter moralisch natürlich in gewisser Weise entlasten würde, abzulehnen. Siehe zur Kritik an Derrett und Fitzmyer: Forbes, God 159 und Kim, Stewardship and Almsgiving 147/50. Siehe auch: Snodgrass, Stories 410/11, der darauf hinweist, dass der Verwalter angesichts der Entlassung nicht in Schwierigkeiten gewesen sei, wenn er Beträge wie die erlassenen Schulden zuvor für sich genommen habe. Auch für Thurén, Parables 117, spricht die Höhe des Betrags gegen die Annahme, es handle sich um einen Aufschlag für den Verwalter. Kloppenborg, Dishonoured Master 484, weist darauf hin, dass Derrett und Fitzmyer annehmen müssen, dass der Verwalter normalerweise Zinsen nahm, sich nun aber auf jüdische Vorschriften des Zinsverbotes besonnen habe, dass Gläubiger und Schuldner Juden waren, und dass die Hörer diesen Sachverhalt auch erkannten. Als weiteres Argument gegen die These Derretts und Fitzmyers führt er Lk 19,12–27 an, wo der Knecht gerade Zinsen erwirtschaften sollte. Mora Paz, Struktur 115, ist der Meinung, dass Derretts These der Parabel ihre provozierende Spitze nimmt. Wolter, Lukasevange-
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aufgrund einer Notlage der Schuldner die Schulden nachlässt, wodurch er auch im Interesse des Herrn handeln würde, indem er wenigstens die Zahlung einer verringerten Pachtsumme und die Weiterbewirtschaftung der Ländereien ermöglichen würde.228 Vielmehr geht es dem Verwalter nur um sich229 und die Rettung seines Lebensunterhalts. Deswegen fordert er den Schuldner durchaus unrechtmäßig230 zur Verringerung der Schuldsumme auf. Dass der Schuldner den Schuldschein tatsächlich ändert, wird nicht ausdrücklich gesagt, ist im Kontext aber deutlich; andernfalls hätte der Erzähler das Nicht-Befolgen der Aufforderung erwähnt. V. 7a/b ἔπειτα ἑτέρῳ εἶπεν· σὺ δὲ πόσον ὀφείλεις; Nach der nicht erzählten, aber offenbar erfolgten Änderung des Schuldscheins und nach der ebenfalls nicht erzählten Verabschiedung des ersten Schuldners wendet sich der Verwalter dem zweiten Schuldner zu. Die Konjunktion ἔπειτα
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lium 547, hält die Thesen Derretts und Fitzmyers für „textwidrig“. Vgl.: Ireland, Stewardship 79/82. Krüger, Gott oder Mammon 20/3, dagegen stützt seine Interpretation auf die Thesen Derretts und Fitzmyers. Auch Ebner, „Solidarität“ 87/9, vertritt Derretts Sicht. Des Weiteren wird Derretts These unterstützt von: Herrmann, Überlegungen 347/50 und M. Müller, Annäherung 200. Der Ansicht Fitzmyers schließt sich Metzger Consumption and Wealth 120/1 und 130, an. Er meint, der Verwalter habe zur Sicherung seines verschwenderischen Lebensstils große Provisionen erhoben, die die Schuldner nun nicht mehr tolerierten. Deswegen hätten sie ihn beim Herrn wegen seines extravaganten Lebensstils angezeigt. Goodrich legt überzeugend dar, dass Besitzer von Ländereien im westlichen wie östlichen Teil des römischen Reiches durchaus im eigenen Interesse Schulden reduzierten, wenn die Pächter in Zahlungsschwierigkeiten waren. Er beruft sich vor allem auf entsprechende Schuldnachlässe durch Plinius den Jüngeren (61 – 113 n. Chr.), der mehrere Landgüter besaß, besonders auf die Briefe 3,19; 8,2; 9,37 und 10,8, aber auch ägyptische Papyri, besonders POxy. 2351 und POxy. 3051. Goodrich zeigt unter Berufung auf diese Quellen auf, dass im Fall von Zahlungsschwierigkeiten eines Pächters die Verringerung der Schulden durchaus auch für den Landbesitzer vorteilhafter ist als die Verweisung vom Landgut, die Gefangennahme, die Schuldsklaverei oder die Konfiszierung von Eigentum. Denn durch den Teilerlass der Schulden auf einen angepassten Betrag ermöglichte der Landbesitzer die Zahlung dieses Betrags und künftiger Beträge und sicherte darüber hinaus die weitere Bewirtschaftung des Lands durch diesen Pächter, da es oft wohl schwierig war, geeignete Pächter zu finden (vgl. Plin. epist. 7,30,3). Außerdem förderte der Besitzer durch Schuldennachlässe sein Ansehen (vgl. Plin. epist. 8,2). Goodrich weist darauf hin, dass ein Verwalter an Stelle seines Herrn Pachtverträge schließen oder anpassen konnte. Siehe hierzu: Goodrich, Debt Remission 553/63. Die Sicht von Goodrich wird unterstützt von: Burkett, Unrighteous Steward 331/2. Vgl.: Giambrone, Charity 540 und Schramm; Löwenstein, Helden 17. Dafür spricht sich klar Pellegrini, οἰκονόμος 174, aus: Hätte der Verwalter gedacht, „so redlich zu handeln, daß er dadurch eine Rehabilitation erhoffen konnte, so hätte er mit seinem Handeln nicht darauf abgesehen, die Gastfreundschaft von erleichterten Schuldnern zu nutzen.“ Vgl. auch: Thurén, Parables 120 und Schramm; Löwenstein, Helden 16.
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hat sachlich anreihende Funktion231 und macht deutlich, dass das Gespräch mit dem ersten Schuldner beendet ist und nun etwas Neues folgt. Die Verwendung der Konjunktion stellt also einen gewissen Einschnitt dar. Bei ἑτέρῳ dürfte in der Gegenüberstellung zu πρώτῳ (V. 5) noch der duale Sinn des Wortes232 nachwirken, der aber im Neuen Testament nicht mehr streng beachtet wird, so dass ἕτερος häufig gleich ἄλλος Verwendung findet.233 Wie beim ersten Schuldner so beginnt der Verwalter beim zweiten das Gespräch mit der Frage nach der Höhe der Schulden. Durch die Konjunktion δέ verbindet er das zweite Gespräch mit dem ersten. Zugleich drückt δέ, das hier eine adversative Nuance hat, zusammen mit dem betont am Satzanfang stehenden Pronomen σύ eine Gegenüberstellung der beiden Schuldner aus. Das Dativobjekt τῷ κυρίῳ aus V. 5 fehlt hier. Die Abweichungen lassen nicht darauf schließen, dass der zweite Schuldner das erste Gespräch mitgehört hat und nun bereits weiß, worum es geht. Vielmehr sind diese Veränderungen vom Erzähler wohl aus stilistischen Gründen vorgenommen worden im Blick auf den Rezipienten, der ja das erste Gespräch im Gedächtnis hat. Die Änderungen der Formulierung sind dem Erzählduktus angemessen. Dadurch dass der Erzähler nahezu gleiche Gespräche mit zwei Schuldnern präsentiert, legt er den Fokus auf das in ihnen dargestellte Handeln, nämlich die (unrechtmäßige) Reduzierung der Schulden durch den Verwalter. V. 7c/d ὁ δὲ εἶπεν· ἑκατὸν κόρους σίτου. Die Einleitung der Antwort des zweiten Schuldners entspricht genau der des ersten in V. 6. Vgl. das dazu Gesagte. Auch die Antwort selbst entspricht der in V. 6. Wie dort wird auch hier die Höhe der Schulden durch die Zahl 100 deutlich. Der zweite Schuldner schuldet 100 Kor Weizen. Das semitische Fremdwort Kor „bezeichnet ein Hohlmaß für Getreide, Mehl u. ä. (aus Ios. ant. Iud. XV 314 läßt sich errechnen: 1 Kor = ca. 400 l).“234 Die Menge Weizen würde nach K. Snodgrass ausreichen, 150 Menschen im Jahr zu versorgen.235 V. 7e λέγει αὐτῷ· Entgegen den sonstigen Redeeinleitungen und dem üblichen Erzähltempus (Aorist) findet sich in dieser Einleitung das Präsens (λέγει αὐτῷ entgegen V. 6: 231 232 233 234 235
Vgl.: Balz, ἔπειτα 50. Siehe: Haacker, ἕτερος 166. Vgl.: Haacker, ἕτερος 165 und BDR 253/4 § 306. G. Schneider, κόρος 763. Vgl.: Fonck, Parabeln 682. Siehe: Snodgrass, Stories 406. Nach Mora Paz, Struktur 115, entspricht die Menge dem Ertrag von 42 Hektar und von etwa 2500 Denaren. Laut Pellegrini, οἰκονόμος 169, bedeutet der Erlass einen Betrag von 50000 Denaren, was dem Einkommen von ca. 166 Jahren einer billigen Arbeitskraft entsprochen habe.
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ὁ δὲ εἶπεν αὐτῷ). Neben Lk 16,7 und Lk 11,45 findet sich ein solcher Tempuswechsel in der Redeeinleitung in drei Gleichnissen:236 Lk 13,8 (Gleichnis vom unreifen Feigenbaum), 16,29 (Gleichnis vom reichen Mann und vom armen Lazarus), 19,22 (Gleichnis vom anvertrauten Geld). In diesen Gleichnissen wechselt das Tempus bei Redeeinleitungen wichtiger, im Schlussteil des jeweiligen Gleichnisses stehender Reden. 237 So leitet im Gleichnis vom unfruchtbaren Feigenbaum ὁ δὲ ἀποκριθεὶς λέγει αὐτῷ die Aufforderung des Weinberggärtners ein, den unfruchtbaren Feigenbaum noch stehen zu lassen. Im Gleichnis vom reichen Mann antwortet Abraham (λέγει δ’ Ἀβραάμ) auf die Bitte des Reichen, Lazarus zur Warnung in das Haus seines Vaters und seiner Brüder zu schicken, diese hätten Mose und die Propheten, auf die sie hören sollten. Auf diese wichtige Anweisung des Moses wird dann im folgenden Dialog weiter eingegangen. Im Gleichnis vom anvertrauten Geld leitet λέγει αὐτῷ die den dritten Diener kritisierende Rede des Herrn ein, deren Ergebnisse und Folgen dann noch weiter besprochen werden. In allen drei Gleichnissen signalisiert das Präsens wichtige Reden und fordert den Hörer, wohl weil es die Handlungsperspektive in die Gegenwart des Rezipienten stellt, zu erhöhter Beteiligung und Aufmerksamkeit auf.238 Auch in Lk 16,7 hebt das Präsens den nachfolgenden Inhalt textstrategisch als bedeutend hervor. Die textstrategische Signalfunktion des Präsens wird durch das Fehlen einer Konjunktion noch verstärkt. Daher sind die Lesarten des Codex D ὁ δὲ λέγει (wohl Angleichung an V. 6), der Codices ℵ f13 892 bomss λέγει δέ und der Codices A K N P W Γ Δ Θ Ψ f 1 u. a. καὶ λέγει abzulehnen. Diese Lesarten dürften entstanden sein aus Angleichungsgründen an den sonst üblichen Sprachgebrauch des Lukas. Eine ähnlich unverbunden angeschlossene Redeeinleitung findet sich nämlich nur in der oben erwähnten Stelle Lk 19,22: λέγει αὐτῷ. Dort ist λέγει αὐτῷ allerdings eindeutig überliefert und nicht aus einer Vorlage (vgl. Mt 25,26 als Parallele) übernommen. Es gibt also keinen Grund, eine andere Lesart dem ungebräuchlicheren, semantisch passenden λέγει αὐτῷ in Lk 16,7 vorzuziehen.239 V. 7f δέξαι σου τὰ γράμματα καὶ γράψον ὀγδοήκοντα. Wie im Gespräch mit dem ersten Schuldner, so fordert der Verwalter nun den zweiten auf, den Schuldschein zu nehmen und die Höhe der Schulden zu verringern. Doch verringert er nicht die Schuldsumme um 50 Prozent, sondern um 236
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Nach BDR 265/6 § 321 gebraucht Lukas das Präsens historicum, „das in lebhaft vergegenwärtigender Erzählung den Ind. Aor. ersetzen kann“, seltener als andere neutestamentliche Erzähler. Zum Tempuswechsel ins Präsens am Schluss von Erzählungen siehe: Fludernik, Erzähltheorie 60/5. Vgl.: Hintzen, Verkündigung und Wahrnehmung 156. Vgl.: Hintzen, Verkündigung und Wahrnehmung 156. Insgesamt sind solche Asyndeta im Neuen Testament nicht selten. Vgl.: BDR 391/2 § 462.
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20 Prozent, was aber aufgrund des unterschiedlichen Erzeugnisses im Wert entsprechend ist.240 In beiden Fällen werden die Schulden umgerechnet um etwa 500 Denare verringert.241 V. 8a καὶ ἐπῄνεσεν ὁ κύριος τὸν οἰκονόμον τῆς ἀδικίας ὅτι φρονίμως ἐποίησεν· Zu den am meisten diskutierten Problemen dieser Parabel gehört die Einordnung des V. 8a.242 Ist dieser Vers Bestandteil, ist er Schluss der von Jesus erzählten Parabel und somit wohl ihre Pointe oder wird nach V. 7 die Rede Jesu unterbrochen und stellt V. 8a die vom auktorialen Erzähler Lukas referierte Stellungnahme Jesu zur Handlung des Verwalters dar? 243 Wechselt hier die Erzählebene von der Figurenrede Jesu zum auktorialen Erzähler Lukas? Bezeichnet also das Wort ὁ κύριος den Herrn des Verwalters (also den in V. 3 und 5 genannten Herrn) oder Jesus? Nahezu alle Kommentatoren dieser Parabel haben sich mit dieser Frage beschäftigt;244 teils haben sie die naturgemäß gleichen Argumente des Für und Wider der jeweiligen Möglichkeit ausgiebig diskutiert,245 teils sich mehr oder weniger unbegründet für eine Sichtweise entschie240
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Vgl.: Heil, Klugheit und Phantasie 247. Kloppenborg, Dishonoured Master 483, weist gegen Derrett darauf hin, dass die Zinsrate für Weizen bei 50 Prozent gelegen habe. Dann aber könne der Verwalter, da er die Schuldsumme um 20 Prozent verringert habe, nicht auf die Zinsen verzichtet haben. Die ungleiche Reduzierung der Schulden wird, da sie nur scheinbar ungleich ist und da der Verwalter mit jedem einzelnen Schuldner allein spricht, kaum den Neid der Schuldner geweckt haben, wie Lygre, Of What Charges? 25, in Erwägung zieht. Seines Erachtens könnte ungleiche Behandlung der Pächter durch den Verwalter zu der Anschuldigung (V. 2) geführt haben. Siehe: Lygre, Of What Charges? 25. Goodrich, Debt Remission 564, hält es für möglich, dass die ungleichen Summen dadurch zustande kämen, dass der Verwalter berücksichtige, welchen Betrag der jeweilige Pächter zurückzahlen könne. Darauf deutet aber im Text nichts hin. Für Ebner, Face to face-Widerstand 425, haben die Nachlassproportionen „kein System“, da es nur darum gehe, ein Geschenk zu machen in der Erwartung eines Gegengeschenks. Ireland führt noch Interpretationen an, die die ungleiche prozentuale Schuldverringerung begründet sehen in der Betonung der Willkür des Verwalters im Umgang mit dem Vermögen seines Herrn, in der Betonung des Scharfsinns des Verwalters, gleichwertig Schulden zu erlassen oder in der Vermutung, es handle sich einfach um literarische Variation. Siehe: Ireland, Stewardship 54. So: Snodgrass, Stories 406. Siehe hierzu: Ireland, Stewardship 60/5. So setzt die EÜ 1980 V. 8 drucktechnisch von den V. 1–7 ab, während in der EÜ 2016 die V. 1–8 eine Einheit bilden. Siehe nur die Liste der älteren Kommentatoren und ihre jeweilige Entscheidung bei: M. Krämer, Rätsel 139 Anm. 3. Vgl. auch: Fitzmyer, Luke 1096/7. So: M. Krämer, Rätsel 139/44 und 166/73, der sich des Problems auf 13 Seiten annimmt. Vgl. auch: Via, Parable 124; Marshall, Unjust Steward 617/9; Topel, Injustice 218; Fitzmyer, Dishonest Manager 27/8; Loader, Jesus 522; Du Plessis, Philanthropy or Sarcasm? 1 und 9; Kähler, Gleichnisse 135/7; Snodgrass, Stories 412/3; Ireland, Stewardship 60/5; Bovon, Lukas III 78/9.
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den.246 Bis heute hat sich keine Ansicht als allgemein gültig durchgesetzt.247 Das eigentlich Überraschende ist die frag- und merkwürdige Tatsache, dass überhaupt ein Lob ausgesprochen wird, ganz egal ob das Lob nun Bestandteil der Parabelerzählung ist oder ob es von Jesus als Stellungnahme zu dieser gesprochen wird. Denn es ist ja Jesus, der das Gleichnis erzählt. Auch wenn er von dem Lob des Gutsherrn seinem Verwalter gegenüber erzählt, ohne es zu kritisieren oder sich davon zu distanzieren, trägt er es mit.248 In jedem Fall ist dieses Lob also ein überraschendes Element in der Erzählung bzw. Rede Jesu.249 Nur für diejenigen, die im Schuldenerlass einen Verzicht auf Zinsen 250 oder einen das Ansehen des Herrn positiv verändernden Akt sehen, ist das Lob des Herrn eine logische Folge, die der Rezipient geradezu erwartet. 251 Wenig Anklang haben Theorien gefunden, die mit ὁ κύριος den Herrn des Verwalters bezeichnet sehen, die in diesem Vers aber eine Frage oder einen indignierten Ausruf
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So z. B.: G. Schneider, Lukas 231; Barth, Dishonest Steward; Baudler, Gleichnis 75; Drexler, Lukas 16,1–7 286/8; Lunt, Unjust Steward 132; Kamlah, Parabel 276; Donahue, Gospel 163. Vgl.: Ireland, Stewardship 62. Von den neueren hier näher behandelten Autoren treten folgende dafür ein, unter ὁ κύριος den Herrn des Gleichnisses zu sehen: Bailey, Byrne, Dodd, Dorn, Fitzmyer; Güttgemanns, Heininger, Ireland, Kloppenborg, Krämer, Loader, Lunt, maass, Marshall, Pellegrini, Du Plessis, Schmid, Scott, Snodgrass, Steinhauser, Topel, Via. Die Meinung, mit ὁ κύριος sei Jesus gemeint, vertreten: Baudler, Crossan, Fletcher, Jeremias (in Bezug auf die Lk vorliegende Überlieferung), Kamlah, Schneider und Wolter. Denkbar wäre eine bewusste Doppeldeutigkeit bzw. Verschränkung. Vgl.: B. B. Scott, Praise 176 und von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 234/5. Siehe auch: Udoh, Tale 324/7, der im Vergleich zu Lk 12,42, Lk 18,6 und vor allem Lk 19,25 die These vetritt, eine eindeutige Zuordnung sei nicht zu treffen, vielmehr führe die Doppeldeutigkeit in gewisser Weise zu einer Einheit der Charaktere: “Jesus has assumed the householder’s sentiments and the householder speaks with Jesus’s voice. So: Udoh, Tale 327. Udohs Ansicht schließt sich auch Goodrich, Debt Remission 551, an. Vgl.: Heil, Klugheit und Phantasie 253. Hoppe, Jesus 105/6, der mit κύριος in V. 8a den Herrn des Verwalters bezeichnet sieht, macht darauf aufmerksam, dass Jesus den Eindruck erwecke, er schließe sich dem Urteil des Herrn an, da er ja nicht gegen den Verwalter Stellung beziehe. „Thus the audience must expect a harsh, violent reaction.“ Thurén, Parables 138. Siehe auch: Seccombe, Possessions 162. Vgl.: Derrett, Luke XVI I 198/219 und Fitzmyer, Dishonest Manager 23/42, besonders 32/6. Vgl.: Landry; May, Honor 303. Auch Lygre, Of What Charges? 26, ist der Meinung, dass durch die Aktion des Verwalters der Herr als großzügig dasteht und dass er in Anbetracht seiner Ehre nur lobend zustimmen kann. Metzger, der davon ausgeht, der Verwalter habe die Schuldsummen um die hohen Provisionen für ihn selbst reduziert, meint, der Herr würde einen für ihn ungünstigen Präzedenzfall schaffen, wenn er die Verringerung des Betrags um Zinsen hier lobe. Siehe: Metzger, Consumption and Wealth 122.
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zu erkennen glauben252 oder die sogar einen Übersetzungsfehler aus dem Aramäischen konstatieren.253 Bei den folgenden Überlegungen wird vom vorliegenden Text ausgegangen, Vermutungen über eine eventuelle Vorlage werden nicht angestellt. Im Folgenden werden die in der Forschung häufig genannten Argumente, dass mit ὁ κύριος Jesus gemeint sei, aufgeführt und diskutiert. Das inhaltliche Problem, wie denn der Herr des Verwalters, der in V. 2 diesen entlassen habe, ihn nun loben könne,254 lässt sich mit dem Hinweis auf den häufig in Gleichnissen anzutreffenden überraschenden, 255 ja schockierenden und zum Nachdenken zwingenden Schluss entkräften. 256 252
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So hält Parrott, Dishonest Steward 512/3, es für das Wahrscheinlichste, dass V. 8a ursprünglich eine Frage war, auf die eine negative Antwort erwartet wurde. Merkelbach, Gleichnis 180/1, hält V. 8 und 9 für eine Frage oder einen indignierten Ausruf. Schwarz, Lukas 16,8a 94/5, geht von einem zweifachen Übersetzungsfehler bei der Übertragung aus dem Aramäischen ins Griechische aus: Das aramäische Wort für ἐπαινεῖν könne segnen, loben und fluchen heißen; das aramäische Wort für φρονίμως könne die Bedeutung klug, schlau, listig und auch hinterlistig haben. Schwarz ist der Meinung, es sei sensu bono übersetzt worden, was sensu malo gemeint gewesen sei, und übersetzt selbst: Und der „Herr fluchte dem betrügerischen Verwalter, weil er hinterlistig gehandelt hatte.“ So: Schwarz, Lukas 16,8a 95. Scholz hält diese Überlegung für bestechend und macht sie – neben einer ersten traditionellen Interpretation – zur Grundlage für eine entsprechende Deutung. Vgl.: Scholz, Gleichnisaussage und Existenzstruktur 276/7 und 279/81. Gegen Schwarz’ Ansicht lässt sich aber einwenden, dass das Lukasevangelium nicht den Eindruck einer Übersetzung macht, dass es eher unwahrscheinlich ist, dass das Evangelium in Aramäisch verfasst war, ja dass sogar Zitate aus dem Alten Testament aus der Septuaginta und nicht aus dem hebräischen AT übernommen sind. Siehe: Du Plessis, Philanthropy or Sarcasm? 9/10. Auch Holtz, Zitate 1, macht darauf aufmerksam, dass Lukas nur die Septuaginta „als die maßgebende Form des Alten Testaments gekannt“ hat. Außerdem machen dann die Verse 9 und 8b, von denen letzterer nach Schwarz der Grund für den Übersetzungsfehler gewesen ist (siehe: Schwarz, Lukas 16,8a 95) – weil er eindeutig sensu bono gemeint sei –, keinen Sinn. Siehe: Du Plessis, Philanthropy or Sarcasm? 10. Parrott, der selbst eine Übersetzung aus dem Aramäischen konstatiert und V. 8a als ursprüngliche Frage auffasst, hält Schwarz’ Vermutung aus sprachlichen Gründen für nicht zutreffend. Siehe: Parrott, Dishonest Steward 513 Anm. 50. „Gegen die vorherrschende Auffassung, dass V. 8a noch zur Erzählung gehört und mit dem hier erwähnten κύριος der Arbeitgeber des Verwalters gemeint ist, spricht die extreme Unwahrscheinlichkeit einer solchen Reaktion.“ So: Wolter, Lukasevangelium 544. „Das Fehlen jeder Plausibilität für ein Lob aus dem Mund des betrogenen Reichen“ spricht für Wolter, Lukasevangelium 547, für eine Identifikation des κύριος mit Jesus. Vgl.: Jeremias, Gleichnisse 42; Crossan, Analysis 206; Michaelis, Gleichnisse 227. Dagegen formuliert Jülicher, Gleichnisreden II 503: „Das über die Ungeheuerlichkeit solches Verständnisses erhobene Geschrei beunruhigt uns nicht sonderlich.“ Nach Konradt, Interpretationsversuch 112, besteht zwischen Lk 16,1–8 und Lk 15,11–32 bzw. 15,11–24 eine Analogie darin, dass in beiden Fällen eine unerwartete Reaktion des ἄνθρωπός τις erzählt wird. Auf den für gute Erzählungen typischen überraschenden Schluss weist hin: Thurén, Parables 112. Vgl.: Via, Gleichnisse 151 und Heininger, Metaphorik 168, der auf ähnliche Schlüsse in antiken Komödien verweist, halten V. 8a als gerade zu einem Schelmenstück passend. So
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Als weiteres Argument dafür, dass in V. 8a nicht der Gutsherr gemeint sein könne, wird angeführt, dass er seit V. 2 nicht mehr auftrete.257 Tatsächlich tritt der Herr zwar in den V. 3–7 nicht mehr in Aktion, doch ist das Geschehen durchgehend im Blick auf ihn erzählt. Die V. 3–7 nehmen mehrfach Bezug auf ihn: ὁ κύριος μου, τοῦ κυρίου ἑαυτοῦ, τῷ κυρίῳ μου. Es ist von daher auch nicht auffällig, dass – wie auch im Gleichnis vom großen Festmahl und vom verlorenen Sohn – der Handlungssouverän als ἄνθρωπός τις eingeführt, aber aufgrund der in der Geschichte erzählten Beziehungen am Ende als Herr bezeichnet wird.258 Dass dieser Handlungssouverän, der die Handlung durch die Entlassung des Verwalters (V. 2) in Gang setzt, am Ende dazu Stellung nimmt, ist sehr wahrscheinlich. Insofern verleiht die erneute Erwähnung des in V. 1 vorgestellten Herrn der Parabel formal und inhaltlich Geschlossenheit.259 Als weiteres Argument führt Jülicher an, dass der Inhalt von V. 8b nicht in den Mund des reichen Mannes passe.260 Tatsächlich weicht V. 8b im Hinblick auf die Wortwahl und die Struktur erheblich von der Gleichniserzählung ab, aber dennoch ist es denkbar, dass der Erzähler Jesus V. 8b formal dem Gutsherrn in den Mund legt und durch diese metaphorische Ausweitung der Geschichte seinen expliziten Kommentar ab V. 9 vorbereitet. 261 Auch in anderen
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auch: Ch. Heil, Klugheit und Phantasie 251/2. Vgl.: Dodd, Gleichnisse 131; Lunt, Unjust Steward 132; Dorn, Gleichnisse 152; Snodgrass, Stories 413/4; Bredenhof, Failure and. Siehe: Jülicher, Gleichniserzählungen II 504. Vgl.: Hoppe, Jesus 104/5. Vgl.: Snodgrass, Stories 411. Konradt, Interpretationsversuch 111, weist darauf hin, dass in keinem der mit ἄνθρωπός τις eingeleiteten Gleichnisse des Lukas die entsprechende Person so in den Hintergrund tritt, wie es hier der Fall wäre, wenn man mit κύριος in V. 8a Jesus bezeichnet sähe. Dass die Parabel ohne V. 8a aber unvollständig sei, ist auch kein zwingendes Argument. Reinmuth, Verwalter 635, meint, „dass der mit V. 2b geöffnete Handlungsstrang innerhalb der Erzählung nicht geschlossen würde, wollte man V. 8a von der Parabel trennen.” Auch Snodgrass, Stories 411, sagt, die Parabel habe ohne V. 8a keine Lösung und man wisse nicht, ob die Handlung des Verwalters erfolgreich gewesen sei. Allerdings bietet der Schluss mit V. 8a, dem Lob des Verwalters durch den Herrn, auch keine klare Lösung. Man erfährt ja nicht, ob die Entlassung rückgängig gemacht wird oder ob sie beibehalten wird und der Verwalter später Aufnahme bei einem oder mehreren Schuldnern findet. Vgl. hierzu auch: Jülicher, Gleichnisreden II 504; Ireland, Stewardship 61 und 64/5; Forbes, God 160; Kloppenborg, Dishonoured Master 477 und Mora Paz, Struktur 113 und 115. Siehe: Jülicher, Gleichnisreden II 503. Der Binnenerzähler Jesus nutzt so die Figurenrede für seine eigenen narrativen Zwecke. Vgl. generell zu dieser Technik: Blumenthal, Basileia 28. Vielleicht dient dem Erzähler Jesus V. 8b dazu, den Herrn, von dessen Urteil Jesus sich ja nicht distanziert, als gebildet und weitsichtig darzustellen. Fludernik, Erzähltheorie 38, macht darauf aufmerksam, dass Erzähler oft allgemein gültige Thesen vertreten bzw. gnomische Einsichten vortragen, „um die Ereignisse in der fiktionalen Welt als Beispiele für die allgemein gültige Regel auszuweisen. Auch die allgemein gültigen Aussagen des Erzählers dienen der Erstellung eines Normensystems, das die Interpretation des Textes durch den Leser erleichtern soll.“
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Gleichnissen finden sich am Ende Aussagen, die metaphorisch gefärbt sind, die dem Handlungssouverän in den Mund gelegt werden und bei denen die Trennung der erzählenden Person Jesus und der im Gleichnis erzählten Figur unscharf wird, z. B. Lk 12,21; 14,24; 15,31; 19,26–27.262 Die durch ὅτι eingeleitete Erläuterung des die Erzählhandlung abschließenden Lobs bildet in ihrer veränderten Struktur und Semantik, die metaphorisch und eschatolgisch bestimmt ist, eine Brücke zur auch in V. 9 vorhandenen eschatologischen Ausrichtung, wo von den ewigen Zelten die Rede ist. Diejenigen, die in V. 8a mit ὁ κύριος Jesus bezeichnet sehen, führen neben dem schon erwähnten Argument der Wirklichkeitsverletzung den sprachlichen Stil des Lukasevangeliums an: Lukas bezeichne mit dem absolut gebrauchten ὁ κύριος Jesus.263 Als Parallele führen sie Lk 18,6 an, „denn hier wird mit εἶπεν δὲ ὁ κύριος eindeutig das Urteil Jesu an ein Gleichnis angefügt (wobei ebenfalls die Hauptgestalt des Gleichnisses mit dem gen. qual. τῆς ἀδικίας bedacht wird), und trotzdem folgt auch hier in 18,8 ein λέγω ἐγὼ ὑμῖν Jesu“264. Aber der Gebrauch vom absolut gebrauchten ὁ κύριος in Lk ist keineswegs einheitlich.265 Zwar bezeichnet das absolute ὁ κύριος sehr häufig Jesus und dagegen das mit Attribut verwendete ὁ κύριος einen Herrn von Bediensteten u. Ä., doch wird ὁ κύριος in Lk 12,37; 12,42 und 14,23 absolut gebraucht und nicht auf Jesus bezogen.266 Im Abschnitt Lk 12,35–48, dem Gleichnis vom treuen und vom schlechten Knecht, begegnet der κύριος-Begriff neunmal; fünfmal wird der Herr des Gleichnisses mit einem Attribut versehen, einmal begegnet absolutes κύριος in 262 263
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Zu Lk 14,24 siehe: Hoppe, Einladung 102/3. Siehe besonders: Jeremias, Gleichnisse 42. Auch in der Apostelgeschichte bezeichnet das absolute ὁ κύριος gewöhnlich Jesus (2,47; 5,14; 9,11.15.17.27.31.35.42; 11,21.23.24; 12,17; 13,2.12.47.49; 14,3; 15,35.36; 16,14.15; 18,8.9.25; 19,10.20; 20,19; 21,14.20; 22,10; 23,11). Die einzige Ausnahme ist Apg 25,26, wo sich der Begriff in einer Rede des Festus auf den zuvor genannten Kaiser bezieht. In der 8. Auflage seines Werkes „Die Gleichnisse Jesu“ von 1970 – wenn nicht anders angegeben, wird die 6. Auflage von 1962 zitiert – vertritt Jeremias in Einklang mit seiner These, V. 8a meine vorlukanisch Jesus, die Ansicht, alle Belege von ὁ κύριος für Jesus in Lk stammten aus der vorlukanischen Überlieferung, dieser Sprachgebrauch sei „ein Kennzeichen des dritten Evangeliums“. So: Jeremias, Gleichnisse 81970 42 Anm. 3. Mit Blick auf die Belege in der Apg wird die These von Jeremias aber fraglich, eher ließe sich von einem Kennzeichen des dritten Evangelisten sprechen. Darauf weist auch die Tatsache hin, dass absolutes ὁ κύριος für Jesus an 6 von 17 Stellen im Lukasevangelium in einer Redeeinleitung steht. Besonders Lk 12,42 (diff Mt 24,45) und 22,61.61 (diff Mk 14,72; Mt 26,75) scheinen lukanische Redaktion zu sein. An allen Stellen in Lukas und Apostelgeschichte ist vom Kontext her klar, ob Jesus, Gott oder ein anderer Herr gemeint ist. Jeremias, Gleichnisse 34/5. Zum Wort vgl.: Fitzmyer, κύριος 811/20, insbesondere die Abschnitte 3 und 9. Siehe außerdem: B. B. Scott, Praise 174 Anm. 6 und Snodgrass, Stories 412/3. Vgl.: Ireland, Stewardship 62. Vgl.: M. Krämer, Rätsel 172; Loader, Jesus 522; Via, Gleichnisse 147; B. B. Scott, Praise 175 Anm. 5. Auch Jeremias, Gleichnisse 42, sieht diese Ausnahmen.
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der Anrede Jesu durch Petrus. Lediglich an einer Stelle (Lk 12,42a) findet sich absolutes ὁ κύριος für Jesus und zwar in einer wohl von Lukas in vorliegende Tradition eingeschobenen Redeeinleitung: εἶπεν δὲ ὁ κύριος. Hier kann aufgrund des Kontextes nur Jesus gemeint sein. Absolut gebrauchtes ὁ κύριος für den Herrn des Gleichnisses begegnet in Lk 12,37 und 12,42b. An beiden Stellen deutet der Kontext an, dass hier der Herr des Gleichnisses gemeint ist. Dem absoluten ὁ κύριος in 12,37 geht in 12,36 ein κύριος-Begriff mit Attribut voraus, außerdem wird der Begriff hier im Kontext mit οἱ δοῦλοι verwendet. In 12,42b legt ebenfalls der Kontext, nämlich das Vorkommen des Begriffs οἰκονόμος, aber auch die Wendung ὁ κύριος ἐπὶ τῆς θεραπείας αὐτοῦ, nahe, unter ὁ κύριος den Herrn des Gleichnisses zu verstehen und dies, obwohl in 12,42a erst die Redeeinleitung mit eindeutigem Bezug auf Jesus vorausgeht. 267 Selbst wenn man 12,37 und 12,42268 ausklammern möchte, da hier „eine bildhafte Rede vorliegt, wo zwar vom Herrn der Knechte gesprochen wird, aber Jesus gemeint ist“269, ist es aufgrund der ähnlichen Formulierung in Lk 14,23 (Gleichnis vom großen Festmahl) möglich und wahrscheinlich, auch in Lk 16,8a unter ὁ κύριος den Herrn der Parabel zu verstehen. 270 Wie in 14,23 wird m. E. auch in 16,8a die Absolutheit des Begriffes geradezu relativiert durch den auf κύριος folgenden Begriff: καὶ εἶπεν ὁ κύριος πρὸς τὸν δοῦλον und καὶ ἐπῄνεσεν ὁ κύριος τὸν οἰκονόμον. In beiden Fällen wird der Bezug von ὁ κύριος zu einer Figur der Parabel deutlich.271 Im Vergleich zu 18,6 fällt auf, dass dort die Erzählung Jesu in direkter Rede durch die strukturell notwendige272 und häufig gebrauchte (!) Redeeinleitung εἶπεν δ’ ὁ κύριος273 mit eindeutigem Bezug auf Jesus unterbrochen wird, bevor dann der Kommentar Jesu in direkter Rede folgt: ἀκούσατε τί ὁ κριτὴς τῆς ἀδικίας λέγει. Abgesehen von Lk 12,22 wird nur in 18,6 nach einem Gleichnis die direkte Rede verlassen. In 18,6 liegt die Situation anders als in 16,8a:274 Denn in 18,6 nimmt das Wort κύριος keinesfalls Bezug auf das Gleichnis, da es in diesem selbst nicht vorkommt. Mit ὁ κύριος kann hier also nur Jesus gemeint 267 268 269 270 271
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Vgl.: Kähler, Gleichnisse 136 Anm. 413. Zumindest 12,42b ist aus der Tradition übernommen (par Mt 24,45). M. Krämer, Rätsel 172. Vgl.: Heininger, Metaphorik 168. Vgl. auch: Mora Paz, Struktur 113. Kähler, Gleichnisse 136 Anm. 413, wertet zwar die Belege 12,37 und 14,23 „als verkürzte Redeweise mit referentiellem Rückbezug auf 12,36 (κύριος ἑαυτῶν) bzw. 14,21 (κύριος αὐτοῦ) und 14,22“, sieht aber einen ähnlichen Kontextbezug in Lk 16,8a als nicht gegeben. Via, Gleichnisse 147, geht davon aus, dass mit ὁ κύριος der Gutsherr gemeint sei. Er hält es für unwahrscheinlich, dass Jesus explizit eine Figur im Gleichnis gelobt haben solle. Ohne die Redeeinleitung wäre nicht klar, dass nun Jesus und nicht mehr eine Figur des Gleichnisses redet. Der Leser kennt diese Redeeinleitung aus Lk 10,41; 11,39; 12,42; 13,15. Sie begegnet auch in 17,6. Vgl.: Ireland, Stewardship 62. Siehe auch: Heil, Klugheit und Phantasie 256 Anm. 20.
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sein. In 16,8 dagegen handelt es sich nicht um eine Redeeinleitung275 und das Wort κύριος findet sich auch in V. 3 und V. 5 mit eindeutigem Bezug auf den Gutsherrn.276 Von V. 9 her liegt nahe, unter ὁ κύριος den Herrn des Verwalters zu sehen.277 Dass der auktoriale Erzähler Lukas in V. 8 die Reaktion Jesu berichtet, dessen Begründung in indirekter Rede anschließt, und in V. 9 Jesus ohne Redeeinleitung mit καὶ ἐγὼ ὑμῖν λέγω direkt sprechen lässt, ist sehr unwahrscheinlich. Lukas lässt Jesus zwar häufig durch λέγω ὑμῖν einen Kommentar an ein Gleichnis anschließen,278 aber immer schließt sich die Formel an direkte Rede Jesu an, entweder unmittelbar an das Gleichnis oder an ein im Zusammenhang mit dem Gleichnis stehendes Wort Jesu.279 Im Anschluss an die anderen lukani275
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Dies wäre dann gegeben, wenn man das ὅτι in V. 8b und auch in V. 8a als ὅτι-recitativum auffassen würde: Die Wendung καὶ ἐπῄνεσεν ὁ κύριος τὸν οἰκονόμον τῆς ἀδικίας würde dann der Redeeinleitung in 18,6 εἶπεν δὲ ὁ κύριος entsprechen; an beiden Stellen folgte direkte Rede Jesu und das λέγω ὑμῖν in 18,8 würde dem καὶ ἐγὼ ὑμῖν λέγω in 16,9 entsprechen. Bei allen Belegstellen für ὅτι-recitativum in Lukas fällt aber auf: Entweder handelt es sich um ein Schriftzitat, bei dem das ὅτι-recitativum durch γέγραπται vorbereitet wird (2,23; 4,4; 4,10), oder es geht dem ὅτι-recitativum eine Form von λέγω voraus (1,25; 1,61; (3,8); 4,21; 4,41; 4,43; 5,26; 5,36; 7,4; 7,16.16; 8,49), z. B. λέγοντες ὅτι (5,26; 7,4; 7,16 u. Ä.) oder ἔλεγεν […] ὅτι (5,36) u. Ä. In 8,20 findet sich nach einigen Codices ἀπηγγέλη ὅτι. Lediglich in Apg 15,1 folgt ein ὅτι-recitativum nach ἐδίδασκον. Von den sechs Vorkommen von ἐπαινεῖν im Neuen Testament (Lk 16,8; Röm 15,11; 1 Kor 11,2.17.22.22) findet sich ἐπαινεῖν in Verbindung mit ὅτι außer Lk 16,8 noch 1 Kor 11,2 und 11,17, ohne dass es sich dort um ὅτι-recitativa handelt. V. 8 müsste demnach als ein in indirekter Rede vorgetragener Kommentar Jesu verstanden werden. Vgl.: M. Krämer, Rätsel 172 und Hoppe, Jesus 104/5. Dies sagt auch Jülicher, Gleichnisreden II 503: „Andrerseits kann Lc, oder wer zuerst 9 hinter 8 schob, unter dem κύριος nicht Christus verstanden haben; es ist zu hart, dass Lc in 8 über Christus referiert und 9 Christus ohne die leiseste Uebergangsformel mit καὶ ἐγὼ ὑμῖν λέγω das Wort ergreift, noch dazu durch καὶ ἐγώ sich von jemandem, der soeben gesprochen hat, unterscheidend.“ Jülicher ist der Auffassung, dass in einer Lukas vorliegenden Quelle ὁ κύριος Jesus bezeichnet habe, dass der Autor des nun vorliegenden Kontextes unter ὁ κύριος aber den Gutsherrn verstanden habe. Eine ähnliche Ansicht vetritt Jeremias, Gleichnisse 42: „Der Subjektswechsel am Anfang von V. 9 (καὶ ἐγὼ ὑμῖν λέγω) scheint zu dem Schluß zu zwingen, daß der Herr des Gleichnisses gemeint sei. Das dürfte in der Tat die Auffassung bereits der Lukas vorliegenden Überlieferung sein […] Aber es erheben sich Zweifel, ob damit der ursprüngliche Sinn des Gleichnisses getroffen ist.“ Anders als Jülicher und Jeremias geht z. B. Wolter, Lukasevangelium 544 und 547 davon aus, dass auch im vorliegenden Kontext ὁ κύριος Jesus meine. Dass V. 9 dafür spricht, dass mit ὁ κύριος der Gutsherr gemeint sei, sagen z. B.: B. B. Scott, Praise 176; Fletcher, Riddle 17; Ireland, Stewardship 63; Konradt, Interpretationsversuch 110/1. Forbes, God 160, hält den Wechsel in V. 9 zur ersten Person für überzeugender, wenn man V. 8 vom Herrn des Gleichnisses gesprochen sieht, als wenn man einen Wechsel von indirekter zu direkter Rede annehmen muss. Lk 11,8.9; 12,22.37.44; 14,24; 15,7.10; 18,8.14; 19,26. Nur in Lk 12,22 wird die Formel durch eine Redeeinleitung eingeleitet, um den Bezug zu Jesus eindeutig werden zu lassen.
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schen Gleichnisse findet sich: λέγω ὑμῖν, ἀμὴν λέγω ὑμῖν, ἀληθῶς λέγω ὑμῖν, λέγω γὰρ ὑμῖν, διὰ τοῦτο λέγω ὑμῖν. In Lk 16,9 wird durch Hinzufügung des Pronomens ἐγώ bzw. durch das καὶ ἐγώ besonders betont, dass Jesus spricht. In 16,9 schließt also offensichtlich der Sprecher Jesus (ἐγώ) an das vorher in der Parabel referierte Lob seinen eigenen Kommentar an. Für die Zugehörigkeit von V. 8a zur Parabel spricht der einfache Anschluss des Verbs mit καί.280 Denn obwohl sich die Handlungen in dieser Gleichniserzählung vor allem in den Reden der Figuren ereignen, beginnt doch jede Handlungssequenz der Erzählung mit einer kurzen Erzählpartie, die (außer der ersten) mit der jeweils folgenden durch eine Konjunktion verbunden wird. Während die 4. Erzähleinheit, in der der Verwalter in einem inneren Monolog seine Situation bedenkt und die Handlung stagniert, mit δέ eingeleitet wird, werden alle anderen Handlungssequenzen durch καί mit der vorangehenden verbunden. Der Anschluss des V. 8a mit καί fügt sich also in die Erzählstruktur der Parabel sehr gut ein. Zwar hatte die syntaktische Analyse gezeigt, dass die Struktur des V. 8 Unterschiede zu der Struktur der V. 1–7 aufweist – nur in V. 8a findet sich (außer ταχέως in der Rede des Verwalters) ein Adverb, nur hier wird der Verwalter durch ein Attribut charakterisiert, nur hier steht ein Vollverb vor dem Subjekt des Satzes –, aber diese Beobachtungen lassen nicht unbedingt darauf schließen, dass die Parabel mit V. 7 endet: Eine veränderte Struktur kann nämlich gut den Schluss und den Höhepunkt eines Gleichnisses kenntlich machen. 281 Die Diskussion der Argumente, die für eine Gleichsetzung des κύριος mit Jesus vorgebracht werden, und weitere Beobachtungen machen es also sehr wahrscheinlich, dass in V. 8a mit ὁ κύριος gerade nicht Jesus, sondern der im Gleichnis erwähnte Gutsherr gemeint ist. Der Gutsherr also lobt282 τὸν οἰκονόμον τῆς ἀδικίας, den ungerechten Verwalter, wie meistens übersetzt wird.283 Doch Lukas verwendet nicht das im Griechischen durchaus gebräuchliche und auch von ihm (Lk 16,10.10.11; 18,11) 280 281 282
283
So: Dorn, Gleichnisse 151. Vgl.: Jülicher, Gleichnisreden II 503. Vgl. generell zu Erzählungen: Fludernik, Erzähltheorie 60. Zur Bedeutung und Verwendung des Wortes ἐπαινεῖν siehe: Ireland, Stewardship 66/8. Gegen Baileys These, das Wort habe eine eschatologische Nuance (siehe: Bailey, Poet and Peasant 107), weist Ireland, Stewardship 67/8, darauf hin, dass Baileys Beobachtung sich auf das Nomen, nicht jedoch auf das Verb beziehe. Nach Breytenbach, Geld 139, bedeutet der Begriff hier etwa „Anerkennung und Wertschätzung ausdrücken”. Ähnlich deutet M. Müller, Annäherung 199: „Das Lob des Großgrundbesitzers ist Ausdruck der Anerkennung, vielleicht sogar des Respekts gegenüber dem gewieften Verhalten des Oikonomos.” Das Lob kann nach Metzger, Consumption and Wealth 121, einige Stunden oder auch Tage nach dem Schuldennachlass erfolgt sein. M. Müller, Annäherung 200, der meint, der Verwalter habe den Schuldbetrag um Wucherzinsen verringert, hält diese adjektivische Übersetzung für unpräzise. Seines Erachtens zielt diese Übersetzung auf eine unberechtigte moralisierende Charakterisierung des Verwalters ab.
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Die Rede Jesu an die Jünger: Lk 16,1–13
gebrauchte Adjektiv ἄδικος, sondern den Genitivus qualitatis zur näheren Bestimmung.284 Dieser Sprachgebrauch spiegelt das Hebräische wider285 und kommt bei Lk noch 16,9 (ἐκ τοῦ μαμωνᾶ τῆς ἀδικίας) und 18,6 (ὁ κριτὴς τῆς ἀδικίας) vor. H. Kosmala kommt nach Beschäftigung mit dem Qumranvokabular zum Ergebnis, τῆς ἀδικίας bezeichne nicht den persönlichen Charakter des Verwalters oder seine besonderen Taten, sondern drücke seine Zugehörigkeit zu dieser Welt, zur Welt der Ungerechtigkeit, zu den Kindern dieser Welt aus. 286 M. Krämer, der Kosmalas Sicht zustimmt, hat darauf hingewiesen, dass der Verwalter qualifiziert werde nach einer Geschichte, „in der er in seinem Handeln als typischer υἱὸς τοῦ αἰῶνος τούτου aufgetreten war.“287 Außerdem habe der αἰὼν οὗτος die Qualifikation τῆς ἀδικίας gerade aufgrund des Handelns seiner Menschen.288 Der Verwalter wird als ein Kind dieser Welt qualifiziert, aber „im Hinblick auf seine weltlichen Eigenschaften, die sich in seinem Handeln offenbarten“289. Insofern bezieht sich m. E. die Qualifikation des Verwalters als τῆς ἀδικίας, was durchaus adjektivisch übersetzt werden kann, auf die Handlungen des Verwalters,290 insbesondere auf den in den V. 5–7 geschilderten Schuldennachlass291 und weniger auf das διασκορπίζειν in V. 1.292 284
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Vgl.: Kamlah, Parabel 276; BDR 135/6 § 164; Ireland, Stewardship 68/9; Topel, Injustice 218/9. Topel hält auch einen Genitivus causae nach einem Verb des Lobens für möglich, wodurch m. E. große Probleme mit dem folgenden ὅτι φρονίμως ἐποίησεν auftreten. Binder, Missdeutbar oder eindeutig? 49, der die Parabel allegorisch unter dem Aspekt der Sünderannahme Jesu deutet, vertritt die These, es handle sich um einen Genitivus obiectivus und übersetzt „Haushalter über die Sünde“ oder „Sachwalter in der Sündenangelegenheit“. Siehe: BDR 135/6 § 164. Vgl.: Wolter, Lukasevangelium 547/8. Siehe: Kosmala, Unjust Steward 114. Siehe zu Kosmalas These: Ireland, Stewardship 70/2. M. Müller, Annäherung 200, spricht von einer Welt, „in der die Ungerechtigkeit das vorherrschende Prinzip ist.” M. Krämer, Rätsel 149 Anm. 38. So gesehen ist die ansonsten berechtigte Kritik Du Plessis’ an Kosmalas These gegenstandslos. Du Plessis weist darauf hin, dass ein negatives Licht auf den Verwalter geworfen werde, so durch das auch in Kapitel 15 vorkommende διασκορπίζειν, durch die Tatsache, dass der Verwalter sich nicht verteidige, und durch die Handlung in V. 5–7. Siehe: Du Plessis, Philanthropy or Sarcasm? 5/6. Vgl.: M. Krämer, Rätsel 149 Anm. 38. Vgl. auch: Ireland, Stewardship 72. M. Krämer, Rätsel 149 Anm. 38. Vgl.: Thurén, Parables 113. Auch Reinmuth, Verwalter 640, der annimmt, dass der Verwalter in den Versen 5–7 genau das tut, was ihm vorher anonym vorgeworfen wurde (V. 2), und der dieses Tun auf das vergebende Handeln Jesu bezieht, spricht von einer unmissverständlichen Bewertung des Verwalters. Wie der Richter, der kriminell handle, so entspreche auch das Handeln des Verwalters seinesgleichen, es solle nicht nachgeahmt werden. Diese Charakterisierung des Verwalters als ungerecht und Reinmuths These, das Verhalten solle nicht nachgeahmt werden, machen m. E. Reinmuths Bezug auf Jesus und sein Handeln gegenüber den Sündern schwierig. Diese Bewertung kann dann nur aus der Perspektive der Pharisäer (vgl. Lk 15,2) vorgenommen werden. Diejenigen, die den Schuldennachlass als Verzicht auf Zinsen, als für den Herrn wirtschaftliche sinnvolle Schuldenreduzierung oder als Wiederherstellung des Ansehens des
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Der Herr lobte den ungerechten Verwalter, weil er klug gehandelt hatte. 293 Mit ὅτι φρονίμως ἐποίησεν wird der Grund für das Lob angegeben: Durch den kau-
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Herrn verstehen, müssen die Qualifikation des Verwalters als ungerecht als Rückbezug auf διασκορπίζειν (V. 1) deuten. Vgl. z. B.: Landry; May, Honor 304 und Goodrich, Debt Remission 563. Goodrich verweist auf die „retrospective attribution” auch in Lk 18,1–8. Dagegen weist Ireland, Stewardship 69/70, darauf hin, dass das Handeln des Verwalters in den V. 1–2 nicht klar genug beschrieben werde, um eine solche Charakterisierung in V. 8a zu rechtfertigen. Vgl.: Grilli, Lk 16,1–13 145. Auch Topel, Injustice 219, betont, die Qualifikation beziehe sich auf V. 5–7, deren Charakter aber so deutlich sei, dass die Qualifikation des Verwalters als ungerecht überflüssig sei. Topel, der die Parabel unter die Vergebungsparabeln reiht, sieht daher in der Bezeichnung des Verwalters als ungerecht einen zentralen Punkt der Parabel. Auch Forbes, God 162/3, bezieht die Charakterisierung auf die Handlungen in V. 5–7. Udoh, Tale 331, betont, dass die Bezeichnung des Verwalters als ungerecht sich nicht darauf beziehe, dass seine Handlungen in einem umfassenden, moralischen Sinn unehrenhaft waren, sondern darauf, dass er sich dem Herrn nicht loyal gegenüber verhalten habe. Bailey, Poet and Peasant 105, der die Klugheit des Handelns in den Vordergrund stellt, hält es für überraschend, dass ein solcher Held überhaupt negativ qualifiziert wird und fasst daher τῆς ἀδικίας ironisch auf. Krüger, Gott oder Mammon 20, sieht mit τῆς ἀδικίας die ungerechten Güter bezeichnet, um die sich der Verwalter zu kümmern hatte. Ähnlich meint auch Lygre, Of What Charges? 25, dass die Bedingungen als ungerecht bezeichnet werden, unter denen der Verwalter seine Pflicht tun musste. Konradt, Interpretationsversuch 124/5, deutet die Charakterisierung unter Berücksichtigung von V. 9–13 genau umgekehrt. Seines Erachtens wird auch hier in V. 8a auf die hedonistische Vergeudung von Gütern verwiesen, die der Verwalter nach Konradts Interpretation des διασκορπίζειν an den Tag gelegt hat. Als Parallele sieht er Lk 18,6 an, wo sich die Bezeichnung des Richters als ὁ κριτὴς τῆς ἀδικίας auf den Beginn der Erzählung bezieht. Dennoch hält Konradt es für möglich, dass in dem Begriff auch das in den V. 5–7 geschilderte Verhalten des Verwalters mitgemeint sei, „doch lässt sich dagegen anführen, dass die Reaktion des reichen Mannes den Aspekt der Reduktion der Schuldsummen ausklammert und allein positiv daran orientiert ist, dass er klug gehandelt hat.“ So: Konradt, Interpretationsversuch 124. Dagegen muss aber eingewandt werden, dass die Reaktion des Herrn auf die Anschuldigung der Verschwendung der Güter ja die Entlassung des Verwalters ist (V. 2) und die Reaktion in V. 8a nicht eine erneute, aber andere Reaktion auf denselben Sachverhalt darstellen kann, sondern sich eindeutig auf die V. 5–7 beziehen muss. Konradt selbst deutet an anderer Stelle seines Aufsatzes das an der Zukunft ausgerichtete Verhalten des Verwalters (V. 4–7) als Grund für das anerkennende Lob des Herrn. Siehe: Konradt, Interpretationsversuch 116 und 126. Auch Metzger, Consumption and Wealth 123, deutet die Charakterisierung des Verwalters als ungerecht auf den extravaganten Lebensstil und die damit verbundenen hohen Aufschläge, die der Verwalter verlangt. Für Pellegrini, οἰκονόμος 164 und 172, stellen das Lob und die Qualifizierung der Handlung als klug Schlüsselwörter des Textes dar. Gelobt wird ihrer Meinung nach die konkrete Handlung des Verwalters, nicht nur die Entschiedenheit seines Handelns angesichts seiner Not. Das Lob des Herrn lasse die „Tilgungsaktion unter neuem Blickwinkel erscheinen: Die unredliche Aktion der Quittungsfälschung ändert sowohl die Richtung der Verluste der Güter des Herrn als auch das Ziel des Vergeudens: vom Reichtum profitieren viele Menschen in ihrer Not, nicht nur ein einziger; Ziel des Vergeudens ist nicht länger der private Genuß/Gewinn, sondern die Freundschaftsstiftung […]. Dieser, anders
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salen Nebensatz wird deutlich, dass der Verwalter nicht schlechthin gelobt wird, sondern nur unter dem Aspekt der Klugheit, die er zeigte. 294 „Aus moralischer Sicht ist sein Handeln tadelnswert, doch darum geht es hier nicht. Das Gleichnis will die Aufmerksamkeit der Leser auf die Erfindungsgabe und den Unternehmungsgeist des Verwalters lenken, der überlegt die Initiative ergreift und ‚den Spieß umdreht‘, indem er eine ihm nachteilige Situation umkehrt. […] Der Herr lobt […] die Klugheit seines Verwalters, sein vorausschauendes und vor allem zukunftsorientiertes Handeln.“ 295 Subjekt des Nebensatzes ist οἰκονόμος τῆς ἀδικίας, das hier – wie oft bei ὅτι-Sätzen – in den Hauptsatz einbezogen und zum Objekt wird.296 Das Adverb φρονίμως kommt im Neuen
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orientierte Betrug und seine positiven Konsequenzen verdienen sich das Lob des Herrn. Dieser Herr beweist damit, daß er der Logik des Mammons nicht folgt; daher ist er Symbol für einen nicht weltlichen Herrscher bzw. Gott.” So: Pellegrini, οἰκονόμος 175. In diesem Punkt herrscht Einigkeit unter den Auslegern. Siehe: M. Krämer, Rätsel 151. Siehe z. B. auch: Bovon, Lukas III 78; Hoppe, Arm und reich 89; Fonck, Parabeln 685; Schramm; Löwenstein, Helden 20/1; Kim, Stewardship and Almsgiving 152. Vgl.: Ireland, Stewardship 70 und 74/5. Der Aspekt der Klugheit wird – stark interpretierend – in der EÜ 1980 herausgehoben: „Und der Herr lobte die Klugheit des unehrlichen Verwalters.” Näher am Text übersetzt die EÜ 2016: „Und der Herr lobte den ungerechten Verwalter, weil er klug gehandelt hatte”. Doch ist die Klugheit für diejenigen, die die Parabel als eine Parabel der Vergebung ansehen, unbedeutend und m. E. eher störend. Denn der Herr hätte dem unrechtschaffenen Verwalter ja gerade angesichts seiner Ungerechtigkeit vergeben. So spricht zumindest der jetzige Textbestand dafür, die Parabel eher als Aufforderung anzusehen, angesichts des nahen Endes klug zu handeln. Barth, Dishonest Steward 72, dagegen meint, Jesus nenne den Verwalter klug, weil er alles auf die Güte seines Herrn gesetzt habe. Exegeten, die in dem Schuldennachlass eine ehrenvolle Handlung sehen, beziehen das Lob auf das gute Handeln des Verwalters. So betont Goodrich, Debt Remission 565, dass der Schuldennachlass allen Beteiligten, auch dem Herrn, Vorteile bringe. Für Reinmuth, Verwalter 635/45, stellt das Lob die Rechtfertigung des Tuns des Verwalters dar und bezieht sich sowohl auf die in V. 2 erwähnte Anschuldigung als auch auf das in den Versen 5–7 Geschilderte. Der Verwalter setze das Handeln, das ihm vorgeworfen werde, fort. Reinmuth sieht in diesem Handeln die Vergebung Gottes gespiegelt, die in Jesu Hinwendung zu den Sündern zum Ausdruck kommt und die von den Pharisäern und Schriftgelehrten kritisiert wird (Lk 15,2). „Als Veruntreuender handelt er im Sinne dessen, der nichts anderes will, als dass sein Reichtum vergeudet wird.“ So: Reinmuth, Verwalter 643. „Aus dem Angeklagten wird der Gelobte, der Vorwurf gegen den Verwalter wandelt sich in das Urteil, dass er richtig gehandelt habe, indem er genau das tat, was ihm zur Last gelegt wurde.“ Reinmuth, Verwalter 635. „Steht […] zunächst die Anklage anonym und ungeklärt im Raum, so zeigt das Ende: Sie besteht zu Recht. Aber sie ist im Unrecht.“ Reinmuth, Verwalter 638. Gegen die Sicht Reinmuths können das m. E. energische Vorgehen des Herrn gegen den Verwalter nach der Anschuldigung und die Charakterisierung des Verwalters als ungerecht eingewandt werden. Grilli, Lk 16,1–13 146/7. Vgl.: Hoppe, Jesus 106. Fragwürdig ist die Äußerung von Mora Paz, Struktur 138, das Gleichnis belehre „über die Verwendung des eigenen Geldes“. Vgl.: Balz, ὅτι 1317.
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Testament nur hier vor, das Adjektiv neben 16,8b noch 12,42. 297 Wie im 16. Kapitel so findet sich φρόνιμος auch im 12. Kapitel par Mt 24,45 in Verbindung mit ὁ οἰκονόμος in einem Bild Jesu: Der treue und kluge Verwalter soll vorbereitet sein auf die Ankunft des Herrn und entsprechende Vorkehrungen treffen. V. 8a verweist sprachlich und inhaltlich auf Lk 12,42. M. Wolter bezeichnet die Geschichte vom klugen Verwalter „als Gegenstück zur Erzählung vom dummen Reichen (Lk 12,16–20)“298, der in 12,20 ἄφρων genannt wird. Anders als das eindeutig negative πανοῦργος,299 das abwertend die Gerissenheit ausdrücken würde, bezeichnet φρόνιμος bzw. φρόνησις die positive, verständige Klugheit und Cleverness. 300 Im Neuen Testament, insbesondere bei Lk und Mt, wird das Adjektiv immer in Verbindung mit dem nahen Ende und dem kommenden Gericht und Reich Gottes in Verbindung gebracht. 301 Das bevorstehende Ende dieser Weltzeit und das endgültige Kommen des Reiches Gottes erfordern für den Einzelnen – wenn er in das Heil dieses Reiches einbezogen werden will – eine große Wachsamkeit und Klugheit, die durchaus den eigenen persönlichen Vorteil im Blick hat.302 Klug und vernünftig ist der, der die eschatische Lage des Menschen erfasst hat.303 Durch Verwendung des Begriffs φρονίμως, der durch seine eschatologische Qualität über den Kontext der Parabel hinausgeht, wird auf die Richtung verwiesen, in der die Parabel zu verstehen ist. Insofern bildet gerade dieser Begriff eine Brücke von der fiktionalen Welt der Parabel zur Lebenswelt der Adressaten.
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Das Adjektiv begegnet häufig bei Mt (7,24; 10,16; 24,45; 25,2; 25,4; 25,8; 25,9) und bei Paulus. Siehe: VKGNT 1315. In der antiken jüdischen und christlichen Literatur kommt der Ausdruck φρονίμως ποιεῖν nur noch bei Philo prob 59 vor. Siehe hierzu: Wolter, Lukasevangelium 548. Wolter, Lukasevangelium 544. Vgl.: Balz, πανοῦργος 23/4. So hält Schwarz, Lukas 16,8a 94/5, das griechische Wort φρόνιμος mit seiner positiven Nuance für eine Fehlübersetzung aus dem Aramäischen. Zum Gebrauch des Wortes φρόνιμος, das auch im klassischen Griechisch und später eine positive Eigenschaft bezeichnet, vgl.: Bertram, φρήν 216/31. Vgl.: Du Plessis, Philanthropy or Sarcasm? 9/10, der φρονίμως hier allerdings ironisch auffasst. Gegen die Sicht, hier liege Ironie vor, wendet sich Ireland, Stewardship 77/9. Siehe zum Wort φρόνησις bzw. φρονίμως: Balz, φρόνησις 1051/2; Balz, φρόνιμος 1052/3 und Balz, φρονίμως 1053. Vgl.: Ireland, Stewardship 82/3; Fitzmyer, Luke 1102; Marshall, Luke 620; Kähler, Gleichnisse 145; Mora Paz, Struktur 116. Auch Forbes, God 162, weist darauf hin, dass der Begriff bei Mt und Lk im eschatologischen Kontext gebraucht wird. Vgl. dagegen: Landry; May, Honor 304/5. So handelten auch die fünf klugen Jungfrauen, die von ihrem Öl nichts abgeben wollten, weil es dann für niemanden reiche. Siehe: Mt 25,1–13. Nach Bailey, Poet and Peasant 102, bezeichnet Weisheit im Alten Testament einen Instinkt zur Selbsterhaltung. Siehe: Bertram, φρήν 216/31. Vgl.: Schramm; Löwenstein, Helden 20.
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V. 8b ὅτι οἱ υἱοὶ τοῦ αἰῶνος τούτου φρονιμώτεροι ὑπὲρ τοὺς υἱοὺς τοῦ φωτὸς εἰς τὴν γενεὰν τὴν ἑαυτῶν εἰσιν. Während V. 8a semantisch und trotz einiger Abweichungen auch syntaktisch durchaus zum vorhergehenden Gleichnistext passt, fällt V. 8b semantisch aus dem Rahmen des Gleichnisses heraus. 304 Das bisherige Vokabular aus dem Wirtschaftsleben (Herr, Verwalter, Schuldner usw.) wird in V. 8b nicht mehr aufgegriffen. Stattdessen herrschen hier eschatologische Ausdrücke vor, die in der Parabel nicht vorkommen und somit in keinem direkten sprachlichen Bezug zur Parabel stehen. Lediglich die Worte φρόνιμος und ὅτι aus V. 8a finden eine Wiederaufnahme in V. 8b. Wahrscheinlich steht V. 8b in einem kommentierenden, ergänzenden oder erklärenden Zusammenhang zu V. 8a. 305 Insbesondere die Anfügung des V. 8b an V. 8a durch die wiederaufgenommene Konjunktion ὅτι lässt das Bestreben erkennen, einen Zusammenhang zwischen V. 8a und V. 8b herzustellen. Gerade die Anbindung des V. 8b durch das aus V. 8a aufgenommene ὅτι hat Anlass gegeben, V. 8b als spätere Hinzufügung zu charakterisieren.306 Schon Codex D erschien wohl der Anschluss stilistisch nicht geglückt. Denn er liest διὸ λέγω ὑμῖν vor V. 8b, fasst also V. 8b als Kommentar Jesu zu dem von ihm erzählten Gleichnis auf.307 Doch ist die Hinzufügung des διὸ λέγω ὑμῖν von der Überlieferungslage nicht gerechtfertigt; es handelt sich offensichtlich um eine Glättung des bestehenden Textes. Auch spricht das betonte καὶ ἐγὼ ὑμῖν λέγω in V. 9 gegen διὸ λέγω ὑμῖν in V. 8b. Unter semantischem Aspekt wäre es möglich, ὅτι als ὅτι-recitativum aufzufassen.308 Dann wäre die erzählte Welt der Parabel mit V. 8a beendet und in V. 8b würde der Erzähler Jesus einen Kommentar zum erzählten Lob des Verwalters anfügen. Darauf, dass zumindest Lukas als Autor der vorliegenden Textkomposition anderer Ansicht war, deutet m. E. das betonte καὶ ἐγὼ ὑμῖν λέγω zu Beginn von V. 9 304
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„The language of v. 8b is surely not that of the master, but reflects Jesus’ comments on why the manager was praised.“ So: Forbes, God 163. Vgl.: Bovon, Lukas III 79 und M. Müller, Annäherung 200. Ireland, Stewardship 84, weist allerdings darauf hin, dass die jüdische Terminologie zu den Maßeinheiten Kor und Bath innerhalb der Parabel passt. Vgl.: Marshall, Luke 620 und Snodgrass, Stories 411. Mathewson, Unjust Steward 33, hält V. 8b für einen originalen Bestandteil der Parabel. Siehe: Heininger, Metaphorik 168. Vgl. hierzu auch: Mora Paz, Struktur 111 und 116. Die lateinischen Codices a und r1 lesen ähnlich. Zum ὅτι-recitativum vgl.: BDR 327/9 § 397 und 398/9 § 470 sowie Balz, ὅτι 1316/7. Ein Vergleich mit dem Markusevangelium zeigt, dass Lukas das ὅτι-recitativum gerne weglässt. Siehe: Cadbury, Style 139/40. Allerdings ist das ὅτι-recitativum bei Lukas immer mit einem verbum dicendi oder Ähnlichem verbunden. Siehe: Konradt, Interpretationsversuch 111. M. Krämer, Rätsel 170, nimmt an, der Kommentar Jesu zur Parabel beginne nicht erst in V. 9, sondern bereits in V. 8b. Als Parallelen führt er Apg 1,4–5 und Lk 5,14 an. Konradt, Interpretationsversuch 111, hält die genannten Parallelen aber nicht für stichhaltig. Wie M. Krämer hält auch Du Plessis, Philanthropy or Sarcasm? 11, V. 8b für einen Kommentar Jesu, der von Lukas oder seiner Quelle hinzugefügt wurde.
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hin. Außerdem liegt es näher, ὅτι in V. 8b wie in V. 8a als kausale Konjunktion aufzufassen; aufgrund des lockeren Anschlusses an V. 8a scheint eine Übersetzung mit ‘denn’ angebracht.309 Auch wenn die Worte des V. 8b sich stark von denen der Parabel abheben und nicht in die Gedankenwelt eines Gutsherrn zu passen scheinen, ist es unter narratologischer Perspektive – insbesondere mit Blick auf V. 9 – doch wahrscheinlich, dass der Erzähler Jesus diese Aussage dem Gutshern in den Mund legt, bevor er dann in V. 9 seinen eigenen Kommentar anschließt. Allerdings ist V. 8b durch die veränderte Struktur und Semantik von der erzählten Welt der Parabel abgehoben, er stellt einen Übergang zum metaphorisch und eschatologisch geprägten V. 9 dar, den der Erzähler Jesus so vorbereitet.310 Ob es sich bei V. 8b um einen ursprünglich unabhängigen Spruch Jesu,311 eine das Gleichnis kommentierende Glosse des Evangelisten 312 oder der christlichen Gemeinde313 handelt, hat für die vorliegende Untersuchung keine Bedeutung und wird sich letztlich auch nicht entscheiden lassen.314 Offensichtlich ist der eschatologische Sprachgebrauch in V. 8b. 315 Der Ausdruck οἱ υἱοὶ τοῦ αἰῶνος τούτου316 begegnet nicht in der rabbinischen Literatur317 und in den Schriften von Qumran,318 kommt aber im Neuen Testament noch Lk 20,34 vor. Wie dort bezeichnet der Ausdruck wohl auch hier Menschen, die ganz der jetzigen Zeit verhaftet leben und sich um die kommende Basileia Gottes nicht kümmern, die das Evangelium vom kommenden Reich Gottes nicht angenommen haben. Neben der abwertenden Qualifikation, die der Ausdruck beinhaltet, ist er insbesondere eine eschatologische Kategoriebezeichnung.319 Der Begriff ὁ αἰὼν οὗτος war auch im Judentum bekannt und bezeichnete „die gegenwärtige Weltzeit als die Zeit der Vergänglichkeit, des Mangels, 309
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314
315 316
317 318 319
Ὅτι „is used by Luke several times in place of γάρ or where in Mark there is asyndeton to secure closer relation between two sentences.“ Cadbury, Style 139. Vgl. hierzu die Ausführungen zu V. 8a in diesem Kapitel. Vgl.: Ireland, Stewardship 84. So: Dodd, Parables 30. So: Degenhardt, Lukas 119; Parrott, Dishonest Steward 499; Mora Paz, Struktur 116. Auch Heininger, Metaphorik 176, zieht dies in Erwägung. Siehe zur Diskussion dieser Frage: M. Krämer, Rätsel 173/82. Gegen die These, es handle sich um einen unabhängig von der Parabel entstandenen Spruch, spricht für Ireland die Schwierigkeit des Verses, der eher einen Kontext verlange. Darauf, dass der Spruch auf Jesus zurückgehe, könne die unhellenistische Ausdrucksweise hindeuten; der Spruch stelle dann Jesu Kommentar zur Parabel dar, in dem er das Lob erkläre und rechtfertige. Siehe: Ireland, Stewardship 84/5. Vgl.: Konradt, Interpretationsversuch 112. Vgl.: Ireland, Stewardship 86/8. Das Wort υἱός mit Genitivattribut drückt häufig die Zugehörigkeit aus und ist ein geläufiger Semitismus. Vgl.: Hahn, υἱός 915/6 und M. Krämer, Rätsel 153. Siehe: Strack-Billerbeck II 219. Siehe: M. Krämer, Rätsel 153. Vgl.: M. Krämer, Rätsel 154. Vgl.: Ireland, Stewardship 87.
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Die Rede Jesu an die Jünger: Lk 16,1–13
der Sünde und des Todes“320. „It is characterized by ἀδικία“321. Da die Juden anders als die Christen den αἰὼν μέλλων noch nicht gekommen sahen, gehörten für sie die Kinder des Lichtes, die in das Reich Gottes eingehen werden, und die Kinder der Finsternis gleichermaßen zu dieser Weltzeit. Die Christen dagegen, die die βασιλεία τοῦ θεοῦ mit Jesus gekommen sahen,322 konnten die Kinder der Finsternis – eben weil sie sich vom schon gekommenen Reich Gottes abwandten – als Kinder dieser Welt bzw. dieser Weltzeit bezeichnen.323 Den Kindern dieser Zeit werden die Kinder des Lichtes gegenübergestellt. Die υἱοὶ τοῦ φωτός324 sind diejenigen, die als Christen bereits Anteil am Reich Gottes haben. Durch die Gegenüberstellung der Kinder des Lichts und der Kinder dieser Weltzeit wird die negative Qualifikation weniger betont als bei dem eigentlich naheliegenden Gegensatzpaar „Kinder des Lichts“ und „Kinder der Finsternis“.325 Die Kinder dieser Zeit sind klüger als die Kinder des Lichts. Der Komparativ φρονιμώτεροι wird durch die Präposition ὑπέρ noch gesteigert:326 Der Unterschied der Kinder dieser Zeit und der Kinder des Lichts in Bezug auf die Klugheit soll herausgestellt werden.327 Semantisch schwierig ist die Wendung εἰς τὴν γενεὰν τὴν ἑαυτῶν, der durch die Stellung am Satzende (aber vor εἰσιν) eine gewisse Betonung zukommt.328 Insbesondere stellt sich die Frage, was hier mit γενεά gemeint ist. Eigentlich bezeichnet das Wort die von einem Ahnherrn Abstammenden, die Sippe, dann im übertragenen Sinn 1. die Artgenossen und Gleichgesinnten, 2. die Generation, die Zeitgenossen und 3. das Zeitalter. 329 Die meisten Exegeten sehen in V. 16,8b mit γενεά die Gruppenzugehörigkeit bezeichnet330 und übersetzen z. B. so: Die Kinder dieser Welt sind klüger als die 320 321 322 323 324
325
326
327
328 329 330
M. Krämer, Rätsel 153. Ireland, Stewardship 87. Vgl.: Snodgrass, Stories 414. Siehe: M. Krämer, Rätsel 153/5. Der Ausdruck „Kinder des Lichts“ war Selbstbezeichnung der Gemeinschaft von Qumran und dann auch der Christen. Wohl deshalb ist er von den Rabbinen gemieden worden. Siehe: M. Krämer, Rätsel 155. Wenn auch bei den Synoptikern und auch in Apg der Begriff υἱοὶ τοῦ φωτός nicht mehr vorkommt (vgl.: VKGNT 1319), so ist doch der Begriff φῶς als Bezeichnung des Heils nicht selten. Siehe: Ritt, φῶς 1072/3. Siehe zu dieser Bezeichnung auch: Wolter, Lukasevangelium 548. Vgl.: M. Krämer, Rätsel 154/5. Krämer zieht daraus den Schluss, dass die Kinder dieser Welt hier nicht gerügt werden sollen. Siehe auch: Kähler, Gleichnisse 146. Vgl.: Patsch, ὑπέρ 951: „Die Präp. mit Akk. drückt stets eine Steigerung aus, sei es (als Septuagintismus) nach dem Komparativ (Lk 16,8; Hebr 4,12), sei es als Vertretung des Komparativs“. Vgl. auch: BDR 148 § 185,3 und 184/5 § 230. Andererseits – und das stellt eine Schwierigkeit dar – sind die Kinder des Lichts ja so klug, dass sie der eschatischen Situation Rechnung getragen haben und sich Gott zugewandt haben. Deshalb sind sie ja Kinder des Lichts. Vgl.: Forbes, God 164. Vgl.: Jeremias, Gleichnisse 43 Anm. 2. Siehe: M. Krämer, Rätsel 157 und Hasler, γενεά 579. So z. B.: Hasler, γενεά 579; Jülicher, Gleichnisreden II 505.
Die Erzählung vom klug handelnden Verwalter: Lk 16,1–8
141
Kinder des Lichts gegenüber ihresgleichen.331 Für diese Interpretation spricht die Präposition εἰς und vielleicht das durch den wiederholten, vorangestellten Artikel betonte Reflexivpronomen τὴν ἑαυτῶν.332 Vertritt man diese Auffassung, so muss man den Ausdruck als nähere Bestimmung und Einschränkung der Klugheit ansehen.333 So meint J. Jeremias, die Kinder dieser Welt seien zwar gegenüber ihresgleichen klüger als die Kinder des Lichts, aber nicht Gott gegenüber.334 Eine solche Deutung liegt aber weder vom Kontext der Parabel,335 noch vom Gebrauch des Wortes γενεά bei Lukas nahe. Außer Lk 1,48.50, wo das Wort die Generationenfolge bezeichnet,336 meint γενεά die Generation der Zeitgenossen Jesu, die seine Botschaft vom Reich Gottes nicht annimmt, also aus den Kindern dieser Zeit besteht und negativ qualifiziert wird.337 Es liegt nahe, unter γενεά auch in Lk 16,8b „Generation“ zu verstehen. Die Kinder dieser Weltzeit sind in ihrer Generation, d. h. in der jetzigen weltlichen Generation, in der Generation der Kinder dieser Zeit – so betrachtet hat das betonte Reflexivpronomen einen guten Sinn – klüger als die Kinder des Lichts. Die Kinder dieser Weltzeit handeln in einer Klugheit, die den Kindern des Lichts als Vorbild dienen kann.338 Die Menschen, die sich als Kinder des Lichts sehen und zu der kommenden und in Jesus schon gegenwärtigen Zeit, dem Reich Gottes, zugehörig fühlen, sind aufgerufen, im Blick auf diese neue Zeit entsprechend klug zu handeln.339 Andererseits sind die Kinder dieser Weltzeit nur klüger in ihrer Generation, in dieser noch unvollendeten Zeit; in der kommenden Generation, der Zeit des Lichts und des vollendeten Heils Gottes, ist ihre Klugheit,
331 332 333 334 335
336 337
338
339
Vgl.: Jülicher, Gleichnisreden II 505. Vgl. auch: Heil, Klugheit und Phantasie 248. Vgl.: M. Krämer, Rätsel 158. Vgl.: M. Krämer, Rätsel 160. Vgl. auch: Heil, Klugheit und Phantasie 248. Siehe: Jeremias, Gleichnisse 43. Du Plessis, Philanthropy or Sarcasm? 8, weist daraufhin, dass die Verse 8 und 9 nur aus dem Kontext der Parabel interpretiert werden können. Vgl.: Hasler, γενεά 579. Siehe: Lk 7,31; 9,41; 11,29.29.30.31.32.50.51; (16,8); 17,25; 21,32. Siehe: VKGNT 176. Vgl.: Hasler, γενεά 579/80 und M. Krämer, Rätsel 161/2. Nach Schmid, Lukas 258, lässt V. 8b die Hand des Lukas erkennen. Giambrone, Charity 540, bezeichnet das Verhalten des Verwalters als ein „secular exemplum“, von dem man lernen solle. Vgl.: Snodgrass, Stories 414, Breytenbach, Geld 140 und Grilli, Lk 16,1–13 147. „Es geht in V. 8b um die Aufforderung, im Umgang mit Gott von der Rücksichtslosigkeit der Weltkinder zu lernen”. So: Reinmuth, Verwalter 636. „Das Gleichnis von den Minen (19,11– 27) lehrt dasselbe, stellt jedoch mit dem Handeln des dritten Knechts das Negativmodell vor. Dieser Knecht trifft keine kluge Entscheidung und handelt nicht, d. h., er fühlt sich durch eine Situation, die klare Entscheidungen verlangt, nicht verpflichtet. Das Reich Gottes verlangt aber eine klare Entscheidung (vgl. 16,16) – das ist der ausschlaggebende Punkt in diesem Gleichnis; deshalb wird der kluge Verwalter für sein Handeln gelobt und den Gläubigen als Vorbild dargestellt.” So: Grilli, Lk 16,1–13 148.
142
Die Rede Jesu an die Jünger: Lk 16,1–13
die sich letztlich nur auf Weltliches und Materielles bezieht,340 hinfällig geworden. Insofern ist zwar die Klugheit der Kinder dieser Zeit als solche lobens- und bewundernswert; die konkreten Handlungen und die Bindung an das Materielle sind es dagegen nicht.341 Die Präposition εἰς widerspricht dieser Auslegung nicht. Denn gerade bei Lk findet sich häufig εἰς, wo eigentlich ἐν stehen sollte.342 Worin die Klugheit der Kinder des Lichts konkret bestehen sollte, wird in V. 8b noch nicht angesprochen.343
340
341
342 343
„One sphere is characterized by adikia, the other by light. The goals, methods, and values of each are very different. Wisdom or foresight in one sphere, therefore, will take a different form than it does in the other.“ Ireland, Stewardship 88. „Wisdom for the Christian disciple must be of a different nature and order.“ Ireland, Stewardship 89. Vgl.: Konradt, Interpretationsversuch 112/3. Nach Wolter, Lukasevangelium 548, stellt V. 8b sicher, dass das Verhalten des Verwalters „nicht als Aufforderung zum Betrug missverstanden werden darf.” Steinhauser, Noah 152/7, kommt nach Untersuchung alttestamentlicher Parallelen zu dem Ergebnis, die klugen Taten des ungerechten Verwalters könnten als Beispiel hingestellt werden, aber nur angesichts der ohnehin schlimmen Situation dieser Generation. Nur in dieser verruchten Situation könne der Verwalter als klug bezeichnet werden. Vgl.: Elliger, εἰς 968; M. Krämer, Rätsel 162 und BDR 168 § 206. Vgl.: Ireland, Stewardship 90.
5.2
Mahnende Worte an die Jünger: Lk 16,9–13
5.2.1 Syntaktische Bezüge Mit καὶ ἐγὼ ὑμῖν λέγω lässt der Autor die Erzählfigur Jesus innerhalb seiner Figurenrede einen neuen Abschnitt beginnen, der jedoch auf das Vorhergehende Bezug nimmt. Es wird deutlich, dass die in V. 1 begonnene Rede Jesu fortdauert, dass nun aber die Art der Rede, die Textsorte, wechselt. Nach der Erzählung (V. 1–8) folgt nun die direkte Anrede an die Jünger. Entsprechend häufig findet sich in den V. 9–13 die 2. Person Plural bzw. der Imperativ (ποιήσατε V. 9, ἐγένεσθε V. 11, ἐγένεσθε V. 12, δύνασθε V. 13) und das Personalpronomen der 2. Person Plural (ὑμᾶς V. 9, ὑμῖν V. 11, ὑμῖν V. 12). Ein Pronomen der 3. Person fehlt in diesen Versen völlig. Wenn auch die 2. Person in den V. 9, 11, 12, 13d vorherrscht, so findet sich im 2. Teil der Sätze 9, 11, 12 (Final- bzw. Fragesätze) die 3. Person ohne Nennung eines konkreten Subjekts (δέξωνται, πιστεύσει, δώσει). Doch taucht gerade hier das Pronomen in der 2. Person Plural auf, so dass der Anredecharakter auch dieser Teile zum Ausdruck kommt. Die im 1. Teil der Sätze Angesprochenen werden im 2. Teil zum Objekt eines nicht näher bezeichneten Handelnden. Ohne Bezug zur 2. Person sind nur die V. 10 und 13a–c. Diese Verse sind ohne Konjunktion an das jeweils Vorangehende angeschlossen; Pronomina fehlen in diesen Versen. Die V. 10a/b sind parallel zueinander gebaut;1 V. 10a selbst bietet eine chiastische Struktur, während V. 10b parallel gestaltet ist: ὁ πιστὸς ὲν ὲλαχίστῳ καὶ καὶ ὁ ἐν ἐλαχίστῳ ἄδικος καὶ
ἐν πολλῷ ἐν πολλῷ
πιστός ἄδικός
ἐστιν, ἐστιν.
Die V. 13b/c sind parallel zugeordnet (semantisch allerdings chiastisch) und bieten selbst jeweils einen parallelen Aufbau: ἢ γὰρ ἢ
τὸν ἕνα μισήσει ἑνὸς ἀνθέξεται
καὶ καὶ
τὸν ἕτερον τοῦ ἑτέρου
ἀγαπήσει καταφρονήσει.
Insgesamt betrachtet, lassen die Strukturen der V. 10 und 13a–c darauf schließen, dass in ihnen allgemeine Erkenntnisse geschildert werden, dass es sich um allgemeine Sentenzen handelt.2 Doch stehen diese Sentenzen mit dem Folgenden in enger Verbindung. So ziehen die V. 11 und 12, die aufgrund ihrer identi1 2
Vgl.: Grilli, Lk 16,1–13 144. Vgl. zu V. 10: Konradt, Interpretationsversuch 119. Auch Kramer, Lukas 144, bezeichnet V. 10 als allgemeine Sentenz.
144
Die Rede Jesu an die Jünger: Lk 16,1–13
schen Struktur eine Einheit bilden, Folgerungen aus V. 10. 3 Dies wird vor allem durch die folgernde Konjunktion οὖν deutlich, aber auch durch das Aufgreifen des Begriffs πιστός und der Präpositionalkonstruktion (ἐν). Auch V. 13d, der die 2. Person aufweist, steht in enger Beziehung zur vorangehenden Sentenz. Dies zeigt die Struktur der V. 13a und d:4 Οὐδεὶς οἰκέτης οὐ
δύναται δύνασθε
δυσὶ κυρίοις θεῷ καὶ μαμωνᾷ.
δουλεύειν δουλεύειν
V. 13d wendet die allgemeine Erkenntnis von V. 13a durch Verwendung der 2. Person auf konkrete Personen, hier die Jünger als Adressaten der Rede, an und benennt zugleich die δύο κύριοι: θεός und μαμωνᾶς. Die V. 11 und 12, also die Folgerungen aus V. 10, 5 bestehen aus je einem (negativen, οὐκ) konditionalen Nebensatz (εἰ) und einem Fragesatz (τίς): Wenn die Bedingung nicht erfüllt ist, wird auch das im Fragesatz Geschilderte nicht eintreten. Die beiden zusammengehörenden V. 11 und 12 übernehmen Elemente einerseits aus V. 10 (gleiche Struktur: ἐν ἐλαχίστῳ – ἐν τῷ ἀδίκῳ μαμωνᾷ – ἐν τῷ ἀλλοτρίῳ, Übernahme des Begriffs πιστός) und andererseits aus V. 9 (Übernahme der Begriffe und der Struktur: ἐκ τοῦ μαμωνᾶ τῆς ἀδικίας – ἐν τῷ ἀδίκῳ μαμωνᾷ – ἐν τῷ ἀλλοτρίῳ, ποιήσατε – ἐγένεσθε – ἐγένεσθε, ὑμᾶς – ὑμῖν – ὑμᾶς, δέξωνται – τίς πιστεύσει – τίς δώσει). Es geht in den V. 11 und 12 um die Erreichung des in V. 9 benannten Ziels. Für das Erreichen dieses Ziels gibt es eine Bedingung: πιστοὶ ἐγένεσθε. Bleibt diese Bedingung unerfüllt, dann ergibt sich als logische Folge aus V. 10 zunächst: καὶ ἐν πολλῷ πιστοὶ οὐκ ἐγένεσθε, die allerdings nicht explizit ausgesprochen wird, aber die mit V. 9 in Verbindung stehende Folge τίς ὑμῖν πιστεύσει begründet. Denkt man die fehlende, aus V. 10 zu ergänzende Folgerung mit, dann zeigt sich, dass der Begriff τὸ ἀληθινόν dem ἐν πολλῷ aus V. 10 entspricht. Aus der parallelen Satzstruktur der V. 10a und b ergibt sich als Gegensatz zu πιστός das Wort ἄδικος. Die chiastische Struktur des V. 10a und die parallele Struktur des V. 10b zeigen, dass ἐν πολλῷ Gegenbegriff zu ἐν ἐλαχίστῳ ist. Auch V. 13 baut Gegensätze auf, insbesondere durch die Struktur des V. 13b/c und durch die Gegenüberstellung der Begriffe θεός und μαμωνᾶς (V. 13d) – Beobachtungen, die im semantischen Bereich erhärtet werden. Aufgrund dieser Gegensätze liegt es nahe, auch in V. 11 und 12 Gegensätze zwischen ἐν τῷ ἀδίκῳ μαμωνᾷ und τὸ ἀληθινόν sowie zwischen ἐν τῷ ἀλλοτρίῳ und τὸ ὑμέτερον zu sehen. Genauso scheint in V. 9 ein Gegensatz zwischen ἐκ τοῦ 3 4
5
Vgl.: Ireland, Stewardship 109. Siehe hierzu auch: Wolter, Lukasevangelium 550. V. 13 findet sich – abgesehen von οἰκέτης – in Mt 6,24; Lukas hat den ganzen Vers wohl in Q vorgefunden. Auf die gleiche Struktur von V. 13 und V. 10–12 weist auch Wolter, Lukasevangelium 551, hin. Vgl.: Konradt, Interpretationsversuch 119/20.
Mahnende Worte an die Jünger: Lk 16,9–13
145
μαμωνᾶ τῆς ἀδικίας (der Begriff μαμωνᾶς findet sich dreimal verteilt über diesen Abschnitt!) und εἰς τὰς αἰωνίους σκηνάς zu bestehen. Es werden also offensichtlich zwei gegensätzliche Begriffsgruppen aufgestellt, die den ganzen Text durchziehen. Insgesamt sind die V. 9–13 unterschiedlich strukturiert, und es darf nicht vergessen werden, dass zumindest V. 13 aus der Tradition stammt. Diesen Vers, der überdurchschnittlich viele Verben aufweist und der unverbunden an das Vorangehende angereiht ist, scheint Lukas aufgrund thematischer Übereinstimmung hier angeordnet zu haben. V. 9 dagegen lehnt sich in seiner Struktur stark an die Parabel an:6 Aus V. 8 übernimmt er evtl. τῆς ἀδικίας; die Finalsätze der V. 9 und 4 sind parallel gestaltet: V. 4 ἵνα V. 9 ἵνα
ὅταν ὅταν
V. 4 δέξωνται V. 9 δέξωνται
μετασταθῶ ἐκλίπῃ
ἐκ τῆς οἰκονομίας
με ὑμᾶς
εἰς τοὺς οἴκους αὐτῶν εἰς τὰς αἰωνίους σκηνάς.
V. 9 weist kein Adjektiv auf, während sich in den V. 10–12 sehr viele Adjektive finden. Die V. 10 und 13 haben keine Pronomina und keine Konjunktionen zum Vorangehenden. Vielleicht ist nicht nur V. 13 vom Autor als Spruch unverändert übernommen worden und unverbunden angefügt worden, sondern auch V. 10 als eine bekannte Sentenz. Insgesamt fällt das Vorherrschen der Konjunktion καί und das Fehlen der eher rückbezüglichen Konjunktion δέ auf. Als subordinierende Konjunktionen finden sich nur ἵνα und ὅταν in V. 9 und εἰ in V. 11/12. Trotz der uneinheitlichen Struktur der V. 9–13 und ihrer zum Teil scheinbar mangelnden Kohärenz darf man nicht voreilig schließen, dass die Verse keine zusammenhängende Komposition darstellen oder dass sie sogar sich widersprechende Aussagen nebeneinanderreihen. 7 Denn die strukturelle Durchsicht des Textes hat gezeigt, dass – bei aller Verschiedenheit der Verse – doch erhebliche Übereinstimmungen zu finden sind. Daher ist es denkbar, dass vorliegende Traditionen (V. 13 und vielleicht V. 10 oder V. 10a) mit dem in V. 9 dargestellten Thema in Verbindung gebracht und so entfaltet werden.8 Der Gedankengang verläuft dann in fünf zusammenhängenden Schritten: 6
7 8
Dies bedeutet aber nicht, dass dieser Vers ursprünglicher Bestandteil einer von Jesus gesprochenen Parabel ist, wie Ireland, Stewardship 95, meint. Eher ist anzunehmen, dass Lukas V. 9 als konkretisierende Deutung der Parabel mit Bezug auf diese gebildet hat. Vgl. zum Bezug von V. 9 zu V. 4 auch: Konradt, Interpretationsversuch 114. Siehe hierzu mehr im semantischen Teil (Kapitel 5.2.2). Auch Bailey hält die V. 9–13 für eine einheitliche Komposition. Seines Erachtens handelt es sich um ein dreistrophiges Gedicht (V. 9; 10–12; 13), wobei jede Strophe in sich chiastisch strukturiert ist. Doch kann seine These, die schon für V. 9 recht gekünstelt ist, erst
146
9
Die Rede Jesu an die Jünger: Lk 16,1–13 V. 9:
Handlungsanweisung aus der Parabel mit Benennung des Handlungsziels (Gegensatz zwischen Mammon – ewige Zelte)
V. 10:
Allgemeine Sentenz (stark antithetisch)
V. 11/12:
Folgerungen aus der Sentenz im Blick auf V. 9 (unter Ausnützen der Antithetik)
V. 13a–c:
Bekräftigende Sentenz (stark antithetisch; bringt Unvereinbarkeit der Gegensätze zum Ausdruck)
V. 13d:
Folgerung aus der Sentenz mit Blick auf V. 13a und auf die antithetischen Begriffspaare.9
recht für die V. 10–12 (Strophe 2) nicht überzeugen. Denn einerseits übersieht die These die enge Zusammengehörigkeit der V. 11 und 12, die eine völlig identische Struktur aufweisen; andererseits ist kein spezieller Zusammenhang gerade zwischen V. 10a und 12b (D und D‘), 10b und 12a (E und E‘) zu erkennen. Es spricht für sich, dass Bailey die doch so wichtigen Worte εἰ und οὖν in V. 11–12 außerhalb des eigentlichen Schemas aufführt. So wird m. E. Baileys Strukturierung der V. 9–13, die er für ursprünglich als Einleitung zum Gleichnis vom armen Lazarus und dem reichen Mann verfasst sieht, der unterschiedlichen Satzstruktur der Verse, insbesondere der Kontrastierung zweier Begriffspaare, nicht gerecht. Siehe: Bailey, Poet and Peasant 110/8. Strukturell lassen die V. 9–13 einen chiastischen Aufbau erkennen: V. 9: A : Anrede an Zuhörer V. 10: B : Sentenz V. 11–12: C : Kern der Aussage V. 13a–c: B': Sentenz V. 13d: A': Anrede an Zuhörer Demnach liegt der Schwerpunkt des Textstückes bei den V. 11–12 und somit in der Aufforderung: πιστοὶ ἐγένεσθε. Trotz dieses Aufbaus sei betont, dass die einzelnen Verse stärker ineinander verzahnt sind, als es dieses Schema zu erkennen gibt.
Mahnende Worte an die Jünger: Lk 16,9–13
147
Eine Übersicht verdeutlicht die Struktur der V. 9–13: φίλους
ποιήσατε
ἑαυτοῖς
ἐκ τοῦ μαμωνᾶ τῆς ἀδικίας ὅταν ἐκλίπῃ
ἵνα
δέξωνται ὑμᾶς εἰς τὰς αἰωνίους σκηνάς.
καὶ
ὁ πιστὸς
ἐν ἐλαχίστῳ
καὶ
ἐν πολλῷ πιστός ἐστιν.
ὁ
ἐν ἐλαχίστῳ ἄδικος
καὶ
ἐν πολλῷ ἄδικός ἐστιν.
εἰ οὖν
ἐν τῷ ἀδίκῳ μαμωνᾷ πιστοὶ
οὐκ
ἐγένεσθε τὸ ἀληθινὸν τίς
ὑμῖν πιστεύσει;
ἐν τῷ ἀλλοτρίῳ
καὶ εἰ πιστοὶ
οὐκ
ἐγένεσθε τὸ ὑμέτερον τίς
οὐδείς οἰκέτης δύναται ἢ γὰρ ἢ
τὸν ἕνα μισήσει
mish/sei ἑνὸς ἀνθέξεται οὐ
ὑμῖν δώσει;
δυσὶ κυρίοις δουλεύειν‧ καὶ
τὸν ἕτερον ἀγαπήσει,
καὶ
τοῦ ἑτέρου καταφρονήσει.
δύνασθε
θεῷ δουλεύειν καὶ
μαμωνᾷ.
148
Die Rede Jesu an die Jünger: Lk 16,1–13
5.2.2 Semantische Implikationen In einem ersten Schritt wird der semantisch umstrittene V. 9 gesondert und detaillierter betrachtet. Im Folgenden wird dann der Komplex V. 9–13 im Zusammenhang interpretiert, um so der bei der syntaktischen Analyse erhobenen Vermutung nachspüren zu können, dass die Verse eine einheitliche Komposition darstellen.
5.2.2.1 Aufforderung zum rechten Umgang mit dem Mammon: Der Vers 9 V. 9 birgt so große Schwierigkeiten10 in sich, dass dieser Vers nicht nur während der Reformation ein Problem für die gesamte Theologie war.11 Die Aussagen dieses Verses nämlich scheinen einer „Rechtfertigung allein aus dem Glauben“ zunächst gänzlich zu widersprechen.12 Luther erklärt zu diesem Vers, der glaubende Mensch sei zwar allein aus Gnade vor Gott gerechtfertigt, aber als Frucht und Folge dieser Rechtfertigung solle er die äußere Gerechtigkeit, das rechte Handeln gegenüber den Menschen erkennen lassen. Durch dieses Handeln würde der Mensch seines Glaubens und seiner Gnade gewiss und gewinne Freunde auf Seiten der Armen, die beim Gericht den Glauben dieses Menschen als einen in der Liebe erwiesenen bezeugen könnten.13 Doch wird dieser Vers auch heute noch als crux interpretationis bezeichnet. 14 Gerade die inhaltlichen Schwierigkeiten, insbesondere die Frage, ob man sich denn wirklich mit Geld das ewige Leben und das Reich Gottes „erkaufen“ könne15 und ob denn wirklich den Armen die Macht über Aufnahme eines Menschen in dieses Reich zukomme, haben Veranlassung gegeben, die Herkunft des Verses und den Zusammenhang mit der Parabel unterschiedlich zu beurteilen. Stammt der Spruch von Jesus,16 von Lukas17 oder hat Lukas hier einen in vorlukanischer Tradition
10
11 12 13 14 15
16
17
„V. 9 is difficult […]. […] The language of v. 9 is unexpected and disorienting. Apart from its connection to the parable, the saying would be unintelligible.“ So: Snodgrass, Stories 414. „In 16,9 widersetzt sich fast jedes Wort einer eindeutigen Sinnbestimmung des Satzes.” So: M. Müller, Annäherung 201. Siehe: M. Krämer, Rätsel 111. Vgl.: M. Müller, Annäherung 201. Siehe: M. Krämer, Rätsel 111. Siehe: Fletcher, Riddle 19. Nach Bindemann, Ungerechte als Vorbilder? 969, wird in V. 9 zu solidarischem Wirtschaften aufgerufen, „das über das Heute hinausdenkt“. So: Fletcher, Riddle 19, der als Grund dafür die Schwierigkeit des Verses nennt. Diese Ansicht vertritt auch Ireland. Siehe zu seinen Argumenten: Ireland, Stewardship 91/6. So: Kloppenborg, Dishonoured Master 475 und Mora Paz, Struktur 111 und 117/8.
Mahnende Worte an die Jünger: Lk 16,9–13
149
entstandenen Spruch aufgegriffen?18 Stand der Spruch ursprünglich in Beziehung zur Parabel19 oder wurde er als sekundäre Deutung später – sei es von Lukas oder schon vor ihm – hinzugefügt?20 Muss V. 9 im Kontext der Parabel interpretiert werden21 oder kann er nur losgelöst von der Parabel richtig verstanden werden?22 Da hier in erster Linie der vorliegende Text interpretiert wird, also dem Verständnis und der Intention des Textes des Lukas nachgespürt werden soll, sind zur Klärung dieses Problems – neben den sprachlichen Anklängen des V. 9 an V. 4 – vor allem die einleitenden Worte καὶ ἐγὼ ὑμῖν λέγω von Bedeutung. Es fällt auf, dass Lukas sehr oft an Gleichnisse und Parabeln einen Kommentar Jesu anfügt und diesen mit λέγω ὑμῖν einleitet: 11,9; 12,22; 12,37; 12,44; 14,24; 15,7; 15,10; 18,8, 18,14; 19,26.23 Anders als bei diesen Stellen wird in Lk 16,9 der Sprecher in der 1. Person durch ἐγώ stark betont24 und ὑμῖν vor das Verb gestellt.25 Durch das Pronomen ἐγώ soll offenbar deutlich gemacht wer18
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24
25
So: Parrott, Dishonest Steward 501, der davon ausgeht, V. 8a sei ursprünglich eine Frage gewesen und die Verse 10–12 seien die Antwort darauf, während die Verse 8b und 9 nachträglich hinzugefügt worden seien. Siehe: Parrott, Dishonest Steward 499/501. Für vorlukanisch hält V. 9 Kramer, Lukas 68 und 141. Dies meint u. a. Hiers, Friends 36. Stark vertreten wird diese Sicht auch von: Ireland, Stewardship 91/6. Heil, Klugheit und Phantasie 253, meint, dass Lukas die Verse 8b–9, falls sie vorlukanisch seien, möglicherweise mit der Parabel verbunden vorgefunden habe. Dieser Ansicht sind: Byrne, Stewardship 4 (vor Lukas); H. Zimmermann, Botschaft 255 und 261 (vor Lukas); Burkett, Unrighteous Steward 328/9 (vor Lukas); Jeremias, Gleichnisse 43; G. Schneider, Lukas 334. Snodgrass, Stories 411, meint – auch aufgrund der sprachlichen Bezüge zu V. 4 –, dass V. 9 kein unabhängiger Spruch gewesen sei und dass er, wenn er nicht originaler Bestandteil der Parabel sei, die lukanische Deutung darstelle. V. 9 ist für Snodgrass der Schlüssel zur Parabel. Das fordert ausdrücklich: Du Plessis, Philanthropy or Sarcasm? 8. So: Bailey, Poet and Peasant 110/8, der die Verse 9–13 für ein sorgfältig konstruiertes Gedicht Jesu zum Thema Mammon hält und der annimmt, die Verse 9–15 hätten ursprünglich zu 16,19–31 gehört, während 16,16 zu 16,1–8 gehört habe. Vgl. auch: Du Plessis, Philanthropy or Sarcasm? 11. Mora Paz, Struktur 111, spricht m. E. nicht zutreffend von einem außergewöhnlichen Beginn. Überall, wo Lukas ἐγώ setzt, dient dieser Nominativ zur Betonung. „Die Nom. ἐγώ, σύ, ἡμεῖς, ὑμεῖς werden nach gutem Stil wie klass. nicht ohne Gegensatz oder sonstigen Nachdruck gesetzt“. So: BDR 228 § 277. Vgl.: Lk 1,18.19; 2,48; 3,16; 7,8.27; 8,46; 9,9; 10,3.35; 11,19.20; 15,17; 16,9; 19,22.23; 20,8; 21,8.15; 22,27.32; 23,14; 24,39.49. Siehe: VKGNT 279/83. Die Voranstellung des Pronomens ὑμῖν oder σοί ist im Vergleich mit der Nachstellung selten: Lk 5,24; 6,27; 7,14; 11,9; 16,9; 23,43. Vgl.: Fassl, Komposition und Redaktion 131. Gegen Jeremias betont Fassl, dass diese Formel durchaus lukanisch sein kann. Siehe auch: Bailey, Poet and Peasant 110 Anm. 105. Durch den Gebrauch des Wortes ἐγώ wird die Voranstellung des ὑμῖν aus phonetischen Gründen sinnvoll: ἐγὼ ὑμῖν λέγω. Allerdings findet sich Lk 20,8 οὐδὲ ἐγὼ λέγω ὑμῖν. Keinesfalls darf m. E. unter Heranziehung von Lk 11,9 geschlossen werden – wie Bailey, Poet and Peasant 110, der die V. 9–13 von der Parabel abtrennt, vermutet –, dass ein Herausgeber zwei ursprünglich nicht zusam-
150
Die Rede Jesu an die Jünger: Lk 16,1–13
den, dass die Gleichniserzählung Jesu zu Ende ist und Jesus nun seinen betont an die Jünger gerichteten Kommentar26 an die Parabel anfügt.27 W. Magaß bezeichnet die an Parabeln und Gleichnisse sich anschließenden Einleitungsformeln (λέγω ὑμῖν u. Ä.) als die „magistralen Schlußsignale“28 der Gleichnisse: In lehrhafter29 und allgemeingültiger Form30 schließt sich an die Parabel – der „Unbestimmtheit der erzählerischen Dimension“31 der Parabel gleichsam gegensteuernd – eine konkretisierende Handlungsanweisung für den Hörer an. 32 Das Gleichnis wird für die Hörer praktikabel. 33 Im jetzigen Zusammenhang der Verse besteht wohl kein Zweifel, dass V. 9 im Blick auf die Parabel oder umgekehrt die Parabel im Blick auf V. 9 gelesen werden will.34 Denn besonders in syntaktischer, aber auch in semantischer Hinsicht verweist V. 9 auf die V. 4 und 8. So greift V. 9b die Worte ποιεῖν
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menhängende Abschnitte durch ὑμῖν λέγω zusammengefügt habe. Gerade Lk 11,9 nimmt inhaltlich Bezug auf die vorangehende Parabel, indem Jesus – allerdings abstrakter – einen Kommentar zum Gleichnis abgibt. Darauf, dass in 11,9 und 16,9 der Kommentar semantisch nicht so eng an das Vorangehende gebunden wird wie bei anderen Kommentaren Jesu, deutet vielleicht das καί am Satzanfang hin. „Vers 9 wendet den Ausgang und die Lehre der Parabel vom klugen Verwalter in imperativischer Form auf die Situation konkret der Jünger und des Lesers hin und besitzt somit eine noch deutlichere, handlungsbezogene Spitze.“ Gradl, Zwischen Arm und Reich 235. R. B. Y. Scott, Unjust Steward 235, vertritt die These, dass das καί hier das hebräische ו wiedergebe und antithetisch verstanden werden könne im Sinne von „aber“. Vgl. zu derselben Meinung von Bahnmaier: Ireland, Stewardship 25. Allerdings gibt es keinen Hinweis darauf, dass der Erzähler Jesus sich vom erzählten Lob des Gutsherrn distanziert. So bereits im Titel seines Aufsatzes: Magaß, Schlußsignale 1/20. Für Grilli, Lk 16,1–13 148, hat die Redewendung „eine zielgerichtete und verpflichtende Funktion, die in der Autorität des Sprechers begründet ist.“ Siehe: Magaß, Schlußsignale 8. Magaß, Schlußsignale 4. Die Gleichnisse haben für Magaß eine ausufernde, offene Bedeutung. „Die Sinntiefe der Fiktionalität erlaubt für den pragmatischen Gebrauch viele Anschlüsse“. So: Magaß, Schlußsignale 5. Daher bedürfen Gleichnisse einer Konkretisierung und einer hörerbezogenen Handlungsanweisung Vgl.: Magaß, Schlußsignale 5. „Das kommentierend-begleitende Wort des Lehrers ist für einen Wegabschnitt der Gemeinde notwendig; in die Unendlichkeit des Erzähluniversums bringen die magistralen Gliederungssignale die soziale, d. h. die kirchliche Bedeutung.“ So: Magaß, Schlußsignale 8. Vgl.: Beavis, Parable and Fable 484. Siehe: Magaß, Schlußsignale, besonders 4/5/7/9. Der Kommentar ist Übersetzungshilfe und Handlungsanweisung. Vgl.: Anderson, Seeking and Saving 740/3. Siehe auch: Snodgrass, Stories 411. Beavis, Parable and Fable 482/3, weist in Bezug auf die abschließende „Moral“ auf die Nähe der Parabeln zu antiken Fabeln hin, die ebenfalls Epimythia (oder auch Promythia zu Beginn der Fabeln) aufweisen. Reinmuth, Verwalter 636, sieht in V. 9 einen Kommentar, „der die Anstößigkeit des Gleichnisses durch eine paränetische Wendung zu beheben versucht.” Siehe hierzu auch: Cadbury, Style 126/7. Siehe: Magaß, Schlußsignale 10. Vgl.: Snodgrass, Stories 411. Siehe auch: Giambrone, Charity 539 und Seccombe, Possessions 163.
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(ποιήσω – ἐποίησεν – ποιήσατε) und τῆς ἀδικίας aus V. 4 und 8 wieder auf, während V. 9c in der gleichen syntaktischen Gestalt wie V. 4b erscheint und semantisch auf diesen Vers verweist: ἵνα ὅταν μετασταθῶ ἐκ τῆς οἰκονομίας δέξωνταί με εἰς τοὺς οἴκους αὐτῶν – ἵνα ὅταν ἐκλίπῃ δέξωνται ὑμᾶς εἰς τὰς αἰωνίους σκηνάς.35 Lukas, der V. 9 und die Parabel Jesus in den Mund legt, geht es darum, den Zusammenhang zwischen dem Handeln des Verwalters und dem in V. 9 geforderten Handeln der Jünger deutlich zu machen.36 Wie der Verwalter angesichts der für ihn dramatischen Situation über seine Zukunft nachdenkt und in seinem gegenwärtigen Handeln Konsequenzen zieht, so sollen auch die Jünger ihr Handeln der Situation, in der sie sich befinden, anpassen. Gemeint ist hier sicherlich nicht der engere Jüngerkreis Jesu, der wahrscheinlich über keine großen finanziellen Mittel (mehr) verfügte, sondern alle, die sich an ihm orientieren wollen. 37 Lukas hat offenbar kein Problem, das eigennützige und betrügerische, aber kluge Handeln des Verwalters zum Anlass zu nehmen, ein entsprechendes radikales, entschiedenes und kluges, wenn auch nicht betrügerisches,38 Verhalten der Jünger zu fordern.39 Lukas lässt Jesus
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Zum Zusammenhang von V. 9 mit dem Vorangehenden siehe besonders: Hiers, Friends 32/3. Hiers hält außer dem oben Genannten auch die Begriffe τὰ ὑπάρχοντα (V. 1) und ὁ μαμωνᾱς (V. 9) für synonym; er sieht die Redeeinleitung V. 9a in Bezug zu V. 8a καὶ ἐπῄνεσεν ὁ κύριος τὸν οἰκονόμον – καὶ ἐγὼ ὑμῖν λέγω; außerdem meint er, die Bezeichnung „Söhne des Lichts“ führe zum ὑμῖν in V. 9. Aufgrund dieser sprachlichen Anklänge des V. 9 an das Vorangehende ist die These Baileys, V. 9 habe ursprünglich nicht im Zusammenhang mit dieser, sondern mit der folgenden Parabel vom reichen Mann und vom armen Lazarus gestanden, nicht wahrscheinlich. Schon eher möglich ist, dass Lukas V. 9 vorgefunden hat, in Verbindung mit der Parabel V. 1–8 gebracht hat und die Parabel im Blick auf V. 9 redaktionell bearbeitet hat. Dies zieht Heininger, Metaphorik 169, in Erwägung, der meint, einer rein lukanischen Bildung des V. 9 stünden der semitisierende Genitiv μαμωνᾶ τῆς ἀδικίας und das im Alten und Neuen Testament nicht mehr bezeugte αἰωνίους σκηνάς entgegen. Dagegen betont Fassl, Komposition und Redaktion 132, dass eine Bildung des Verses durch Lukas durchaus möglich sei: μαμωνᾶ τῆς ἀδικίας sei eine Kombination aus V. 13 (μαμωνᾷ) und V. 8 (τὸν οἰκονόμον τῆς ἀδικίας); die ewigen Zelte seien Lukas als Attribut der endzeitlichen Vollendung bekannt (Apg 15,16; vgl.: Mk 9,5 par Lk 9,33; Apg 7,44). Gegen eine lukanische Bildung spricht neben Heininger auch Fletcher, der den Vers für einen Spruch Jesu hält, und Du Plessis, der annimmt, Lukas habe V. 9 schon mit der Parabel verbunden vorgefunden. Siehe: Fletcher, Riddle 19 und Du Plessis, Philanthropy or Sarcasm? 12. Vgl.: Ireland, Stewardship 94/5. Er weist darauf hin, dass es im gesamten lukanischen Reisebericht bzw. im „central section” seines Evangeliums um wahre Jüngerschaft (explizit: 9,57–62; 14,25–35) geht. Siehe: Ireland, Stewardship 157/8. Vgl.: Kapitel 4.1 und das zu Lk 16,1 Gesagte. Thurén, Parables 110, ist dagegen der Ansicht, dass es durchaus um ein „ungerechtes“ Handeln der Jünger gehen soll, nämlich eine Sündenvergebung, die der Tora entgegensteht. Seines Erachtens geht es der Parabel nicht um die Schnelligkeit des Handelns des Verwalters, sondern vielmehr um die Unrechtmäßigkeit. Er macht darauf aufmerksam, dass der Begriff ποιεῖν viermal im Textabschnitt vorkommt und dass das in V. 9 von den
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sagen, was die Jünger tun sollen, damit auch ihr Handeln als klug bezeichnet werden kann: „Macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon“. Zu einer solchen Gegenüberstellung der Jünger und des Verwalters passt das betonte Pronomen ἑαυτοῖς zu Beginn der Aufforderung.40 Doch darf V. 9 nicht einfach als allegorische Anwendung der Parabel verstanden werden. V. 9 ist eine Handlungsanweisung, ein Kommentar, der auf die Parabel aktualisierend Bezug nimmt, aber keinesfalls die Situationen der Parabel Zug um Zug auf die Lebenswelt der Jünger und damit allgemein auf die Lebenswelt der Rezipienten überträgt.41 Dafür spricht schon der Genitiv τῆς ἀδικίας, der in V. 9 den Mammon charakterisiert, also das, womit man sich Freunde machen soll, während er in V. 8a den Verwalter charakterisiert, der sich Freunde verschafft hat. Das Wort φίλος kommt bei Lk – verglichen mit anderen neutestamentlichen Schriften – häufig vor.42 Mit der Aufforderung, sich Freunde zu machen, ist wohl an eine emotionale Zuwendung zu den Armen gedacht, aus der sich dann eine finanzielle Unterstützung, nämlich Solidarität mit den Armen 43 ergibt.44
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Jüngern geforderte Handeln das Ziel der Parabel ist. Vgl.: Thurén, Parables 126. „They should emulate the steward’s behavior.“ So: Thurén, Parables 129. Im Gleichnis vom ungerechten Richter und der Witwe (Lk 18,2–8) wird das eigennützige Verhalten des ungerechten Richters (ὁ κριτὴς τῆς ἀδικίας) sogar mit dem Verhalten Gottes verglichen. Allerdings ist das im Selbstgespräch vom Richter beschlossene Handeln zugunsten der Witwe nicht betrügerisch oder negativ. Des Weiteren überbietet das Verhalten Gottes das Verhalten des Richters: Wenn schon der ungerechte Richter der Witwe auf ihr Drängen hin zu ihrem Recht verhilft, dann wird Gott dies hinsichtlich seiner Auserwählten erst recht tun. Außerdem dient das Handeln des Richters nicht als Vorbild für die Jünger, sondern das drängende Bitten der Witwe soll den Jüngern ein Beispiel sein. Trotz dieser Unterschiede ist aber doch bemerkenswert, dass Lukas kein Problem damit hat, in einem Gleichnis eine negativ qualifizierte Person (er fürchtet Gott nicht und nimmt auf keinen Menschen Rücksicht) mit Gott zu vergleichen. Dies zeigt auch, dass Gleichnisse nicht in jedem Punkt übertragen werden können. Vgl.: Dinkler, Interior Monologues 389/91 und 395/6. Siehe hierzu auch: Ireland, Stewardship 75/6 und 94/5. Schon von daher ist diese betonte Lesart dem ποιήσατε ἑαυτοῖς vorzuziehen, das von einigen Codices vielleicht mit Blick auf 12,33 geschrieben wurde. So möchte Lukas ja auch nicht durch die negative Charakterisierung des ungerechten Richters (Lk 18,2–8) entsprechende Aussagen über Gott machen. Lk 7,6.34; 11,5.5.6.8; 12,4; 14,10.12; 15,6.29; 16,9; 21,16; 23,12; Mt 5,47; 11,19; Joh 3,29; 11,11; 15,13.14.15; 19,12; Apg 10,24; 27,3; Jak 2,23; 4,4; 3 Joh 15.15. Bei Mk fehlt das Wort. Siehe: VKGNT 1311/2. Vgl. auch die etwas anderen Angaben bei: Feneberg, φίλος 1022/4. Vgl.: Ireland, Stewardship 96/7: „The scope of charitable activity is certainly not restricted to alms alone; Jesus’ exhortation includes all works of mercy and charity to those in need.” Snodgrass, Stories 417, macht darauf aufmerksam, dass der Begriff „Almosen geben“ zu schwach ist, um zu vermitteln, was Jesus meint. Giambrone, Charity 541/2, dagegen deutet die Stelle so, dass es hier nicht nur um finanzielle Zuwendungen, sondern um den Aufbau einer persönlichen Beziehung gehe. M. Müller, Annäherung 202, sieht durch die Aufforderung, sich Freunde zu verschaffen, einen klaren Unterschied zu V. 16,4 ausgedrückt: Statt Abhängigkeiten sollten nun Freundschaften aufgebaut werden. Es ist m. E. aber nicht hilfreich, den Begriff φίλος
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Die Menschen, denen man sich zuwenden und denen gegenüber man sich finanziell wohltätig zeigen soll, sind mit Blick auf Lk 14,12–14 wohl Arme, Verkrüppelte, Lahme und Blinde, Menschen, die die finanzielle Zuwendung nicht selbst vergelten können, so dass den Wohltätern bei der Auferstehung der Gerechten (ἐν τῇ ἀναστάσει τῶν δικαίων, Lk 14,14) vergolten wird.45 Nach M. Ebner geht es um ein theologisch überhöhtes Reziprozitätsdenken: Sofern die Reichen denen helfen, von denen kein Dank zu erwarten ist, wird ihnen die eschatische Rettung durch Gott zuteil. Die Beschenkten sind zugleich von der Verpflichtung einer Gegenleistung befreit. 46 Der Begriff μαμωνᾶς ist im gesamten Neuen Testament nur Lk 16,9.11.13 (par Mt 6,24) bezeugt, findet sich also bei Lk nur an unserer Stelle, so dass eine Abhängigkeit der V. 9 und 11 vom Spruch der Logienquelle Lk 16,13 (par Mt 6,24) vermutet werden kann. Im Alten Testament kommt das Wort nicht vor,47 häufig aber im Targum, in der Mischna und im Talmud,48 sowie im Syrischen und in den Qumran-Schriften.49 Zunächst bezeichnet das Wort objektiv und neutral Vermögen und Geld.50 Doch bekommt μαμωνᾶς dadurch, dass es unehrenhaften Profit und Bestechungsgeld bezeichnen kann, schon im Judentum einen negativen Sinn.51 Auch im Neuen Testament ist der Mammon offenbar negativ qualifiziert, ist er doch Lk 16,9.11 mit dem Attribut τῆς ἀδικίας und ἄδικος versehen und bildet er 16,13 par Mt 6,24 den negativen Gegenbegriff zu Gott. Wahrscheinlich drückt die Charakterisierung des Mammons als μαμωνᾶς τῆς ἀδικίας aus, dass das Vermögen Gott und seinem Reich entgegensteht. 52 So
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hier so eng zu deuten. Denn es geht ja auch in 16,9 um eine Form der Reziprozität, die Aufnahme in die ewigen Zelte, und nicht um persönliche Freundschaften im engeren Sinn, die aufgebaut werden sollen. Siehe hierzu: Giambrone, Charity 543. Vgl.: Metzger, Consumption and Wealth 126. Siehe auch: Ebner, „Solidarität“ 84/5. Siehe: Ebner, „Solidarität“ 84/5. Wahrscheinlich aber im Grundtext von Henoch 63,10. Siehe: Hauck, μαμωνᾶς 391. So: Hauck, μαμωνᾶς 391. Veerkamp, Mammon 8, weist darauf hin, dass Mammon in der talmudischen Literatur einen Besitz bezeichnet, der „einem vermögenden Menschen Macht über seine Mitmenschen“ verleiht. Siehe: M. Krämer, Rätsel 80. Vgl.: Wolter, Lukasevangelium 549. Siehe: Hauck, μαμωνᾶς 391 und M. Krämer, Rätsel 80. Auch Veerkamp, Mammon 8 und 12, macht darauf aufmerksam, dass Besitz und Reichtum nicht immer als Mammon im Sinne eines die Mitmenschen ausplündernden Besitzes verstanden werden. So: Hauck, μαμωνᾶς 391. Vgl.: Crüsemann, Maßstab 215/7, der Beispiele ungerechter Bereicherung aufführt. Vgl.: M. Krämer, Rätsel 95 und Snodgrass, Stories 415. Siehe auch: Jülicher, Gleichnisreden II 506. „Hier wie in V. 11 meint ‚ungerechter Mammon‘ nicht, dass das Geld auf unrechte Weise erworben worden wäre. Das Adjektiv ‚ungerecht‘ will vielmehr deutlich machen, dass Geld immer die Versuchung zu Ungerechtigkeit bedeutet.“ So: Heil, Klugheit und Phantasie 248. Siehe zu diesem Begriff die ausführliche Erörterung bei: Seccombe, Possessions 164/7.
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wird zugleich deutlich, dass das Vermögen ein vergängliches Gut ist,53 auf das zu bauen sich nicht lohnt,54 ja das im Grunde wertlos ist. Weil der Mammon die Menschen häufig für sich in Beschlag nimmt, weil er die Menschen oft ohne Rücksicht auf Andere und Anderes unehrenhaft nach ihm streben lässt, 55 steht er in krassem Gegensatz zu Gott und seiner Herrschaft und ist insofern ungerecht, gottfeindlich.56 Insofern wird Mammon als „zu dieser Welt gehörig“ qualifiziert,57 der Begriff μαμωνᾶς τῆς ἀδικίας hat also eine eschatologische Nuance.58 Mit diesem an sich wertlosen Gut sollen sich die Jünger Freunde verschaffen.59 Dies kann nur meinen, dass die Jünger von ihrem Vermögen den Armen abgeben, ihr Hab und Gut mit anderen teilen sollen60 – eine Forderung, die alttestamentliche Bezüge hat und die sich sehr gut in die lukanische Theologie einfügt.61 Diese Forderung wird mit einem in Aussicht gestellten Ziel verbun53 54
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Vgl. die bei M. Krämer, Rätsel 83/95, angeführten Interpretationen. Vielleicht geht das Wort zurück auf die aramäische Wurzel „mn“, „vertrauen auf“. Siehe: M. Krämer, Rätsel 78 und Hauck, μαμωνᾶς 390. Dann würde hier deutlich, dass man letztlich nicht auf den Besitz vertrauen kann. Dazu würde auch das folgende ὅταν ἐκλίπῃ passen. Vgl.: Forbes, God 167. So kann die ἀδικία des Mammons nicht nur in Bezug auf seinen Erwerb gedeutet werden, sondern auch auf die Art, wie er gebraucht wird. Siehe: Ireland, Stewardship 98. Konradt, Interpretationsversuch 123, interpretiert, dass „vom Mammon selbst eine eigentümliche Dynamik auszugehen vermag, die Menschen zu ungerechtem Handeln stimuliert.” Siehe auch: Metzger, Consumption and Wealth 127. Vgl.: Breytenbach, Geld 141. Bovon, Lukas III 80, spricht von unredlich erworbenem Geld. Dagegen betont Wolter, Lukasevangelium 549, dass der Begriff eine charakterisierende Funktion hat und jeglichen Mammon, nicht nur den unredlich erworbenen, als ungerecht kennzeichne. Die verschieden nuancierten Auslegungen des Ausdrucks, die bei M. Krämer, Rätsel 83/93, aufgeführt sind, sehen zum großen Teil durchaus wichtige Aspekte der „Ungerechtigkeit“ des Mammons. Vgl.: Konradt, Interpretationsversuch. Vgl.: Seccombe, Possessions 165/7. Vgl.: Ireland, Stewardship 99. Mit der Präposition ἐκ wird hier das Mittel eingeführt, dessen man sich bedienen soll. Siehe: Bauer-Aland 474 3f. Siehe auch: Wolter, Lukasevangelium 549. Compston, Friendship 282, vertritt die These, dass das hebräische min mit ἐκ übersetzt wurde und eigentlich „außerhalb“, „ohne“ bedeute. Siehe auch: R. B. Y. Scott, Unjust Steward 234/5. Wansey, Unjust Steward 39/40, vermutet, dass ein Abschreiber bei dem ursprünglichen Wort ἐκτός die Silbe τος vergessen habe, also ursprünglich „ohne“ gemeint sei. Siehe zur Ablehnung dieses Deutungsansatzes: Burkett, Unrighteous Steward 332. Dass die Wendung über eine Aufforderung zu reinem Almosengeben im engeren Sinn hinausgeht, dürfte im Rahmen des Lukasevangeliums klar sein. Vielmehr geht es um eine umfassende Hinwendung zu den Armen, um eine „Aufrichtung“ und Stärkung der am Boden Liegenden, um eine in diesem Sinne verstandene „Solidarität“ mit den Armen. Siehe zu dieser Diskussion: Kramer, Lukas 148/9. Siehe z. B.: Lk 3,10–14; 11,41; 12,33–34; 14,12–14; 14,33. Giambrone, Charity 530/8, betont die Aufforderung dieses Verses zum Almosengeben, zum wohltätigen Nutzen des Geldes. Er verweist auf alttestamentliche Stellen, z. B. Dan 4,24 oder Tob 12,9, und zeigt, dass das
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den, das die Jünger zur geforderten Handlung motivieren kann: ἵνα ὅταν ἐκλίπῃ δέξωνται ὑμᾶς εἰς τὰς αἰωνίους σκηνάς. Die Konjunktion ἵνα hat hier wohl finale Bedeutung.62 Die Aufnahme in die ewigen Zelte ist nicht notwendig Folge der solidarischen Zuwendung zu den Armen, sondern zu erhoffendes Ziel des Handelns. Das Vermögen ist an sich keine sichere Anlage, auf die man vertrauen kann, sondern wird erst in der Weggabe zu einem existenzversprechenden Gut, insofern die Weggabe eine Existenz über diese Welt hinaus eröffnen kann. Wie mehrfach im lukanischen Sondergut63 und in Angleichung an V. 4 schließt sich auch hier an ἵνα sogleich ein Nebensatz an: ὅταν ἐκλίπῃ. Ὅταν ist hier temporale Konjunktion: Angegeben wird der Zeitpunkt, an dem das Ziel der Hinwendung zu den Armen erreicht werden kann. Der Begriff ἐκλείπειν kommt außer Hebr 1,12 (τὰ ἔτη σου οὐκ ἐκλείψουσιν, Zitat aus der Septuaginta: Ps 101,28) nur bei Lukas vor: 16,9 (ἵνα ὅταν ἐκλίπῃ); 22,32 (ἵνα μὴ ἐκλίπῃ ἡ πίστις σου); 23,45 (τοῦ ἡλίου ἐκλιπόντος).64 Anders als an den anderen Stellen wird bei Lk 16,9 das Subjekt nicht explizit genannt. Daher halten einige Kommentatoren und Übersetzer ein unbestimmtes Subjekt für wahrscheinlich: „wenn es (mit euch) zu Ende geht“.65 Nach dieser Meinung spielt ὅταν ἐκλίπῃ auf die individuelle Todes-
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Geben von Almosen Zeichen von Reue und Umkehr sei und in Bezug auf Sünden reinigende Wirkung habe. Lukas habe diese Vorstellungen eschatologisch weiterentwickelt. Ireland, Stewardship 157/8, weist darauf hin, dass das Thema des Umgangs mit Vermögen ein wichtiges Thema des lukanischen Reiseberichts sei. Lk 16,1–13 könne als positives Gegenstück zu 14,33 verstanden werden. Seccombe, Possessions and the Poor 164/7, betont, dass die Jünger nicht aufgefordert werden, Besitz gänzlich zu meiden, sondern klug zu nutzen. Seines Erachtens sind sie zwar Söhne des Lichts, müssen aber in dieser schlechten Welt, zu der der schlechte Mammon gehört, leben. Deshalb müssen sie den Mammon so nutzen, dass er „may be converted into the kind of wealth which is appropriate to the Kingdom of God.” So: Seccombe, Possessions and the Poor 167. Auch Reinmuth, Verwalter 636, geht davon aus, dass V. 9 auf die Bereitschaft zum Almosengeben abzielt. Vgl.: Wolter, Lukasevangelium 549 und von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 237. Fonck, Parabeln 689, nennt 1909 neben Almosen ein weiteres Beispiel für einen gottgefälligen Einsatz des Geldes: „[…] Förderung der Unternehmungen zur Erhaltung und Ausbreitung des Glaubens”. Diese Verwendung des Vermögens mag zwar gottgefällig sein, entspricht aber sicher nicht der Intention von Lk 16,9. Die Konjunktion ἵνα kann sonst auch konsekutiven Sinn haben. Siehe: Lampe, ἵνα 460/6. Vgl. auch Lk 14,10: ἵνα ὅταν ἔλθῃ ὁ κεκληκώς σε ἐρεῖ σοι. So die Codices P75* C*vid L 070. 579. Ist diese Lesart die richtige, scheint die Stelle im Blick auf die anderen Evangelien redaktionell zu sein. Dies dürfte dann auch auf Redaktion in 16,9 und 22,32 schließen lassen. Vgl.: Fassl, Komposition und Redaktion 130. So fasst die EÜ 1980 diese Wendung auf. Die EÜ 2016 schreibt: „wenn es zu Ende geht.“ Siehe auch: M. Krämer, Rätsel 97/8. Diese Auffassung kommt der Lesart ἐκλίπητε (siehe hierzu: Wettstein 764, der die Auffassung vertritt, ἐκλείπειν bedeute hier „das Leben beenden“, und der zu dieser Bedeutung einige Parallelstellen angibt) sachlich entgegen. Doch dürfte es sich bei dieser Lesart, die heute kaum noch vertreten wird und bei Nestle-Aland 2012 und im Greek New Testament nicht einmal mehr erwähnt ist, um eine An-
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stunde an.66 Auch H. Conzelmann ist dieser Ansicht: „Der Stoff, den Lukas hier aufnimmt, ist von Hause aus streng eschatologisch. Aber er wird nun im Sinne der Lukanischen Auffassung modifiziert. V. 9 stellt die Erwartung des Heils auf die individuelle Erwartung der persönlichen Auferstehung um“67. Meines Erachtens ist es aber wahrscheinlicher, als Subjekt ὁ μαμωνᾶς τῆς ἀδικίας zu lesen.68 Denn in allen anderen neutestamentlichen Stellen, an denen ἐκλείπειν vorkommt, hat es ein bestimmtes Subjekt. Besonders nah kommt unserer Stelle Lk 22,32: ἵνα μὴ ἐκλίπῃ ἡ πίστις σου – (ἵνα) ὅταν ἐκλίπῃ (ὁ μαμωνᾶς τῆς ἀδικίας). Da der Ausdruck ὁ μαμωνᾶς τῆς ἀδικίας unmittelbar vorausgeht und hier nachklingt, ist eine Wiederaufnahme nicht erforderlich; vielmehr wäre sie aus stilistischen Gründen störend. Das, was eben zum Begriff μαμωνᾶς τῆς ἀδικίας gesagt worden ist, macht es wahrscheinlich, ὁ μαμωνᾶς τῆς ἀδικίας als Subjekt zu ὅταν ἐκλίπῃ aufzufassen und diesen Ausdruck eschatologisch auszuwerten.69 Der Mammon als Teil dieser Welt wird zusammen mit dieser Weltzeit sein Ende finden. In Lk 16,9 wird wohl auf die Parusie angespielt, auf das endgültige Aufrichten des Reiches Gottes, womit der Untergang der ungerechten, dem Willen Gottes entgegenstehenden Welt und des ihr zugehörigen, dann wertlos gewordenen Besitzes zusammenfällt.70 Der Ausdruck ὅταν ἐκλίπῃ besagt also: „wenn er, der Besitz, zu Ende geht; wenn er seinen Wert und seine Macht, die er in dieser Welt noch hat, verloren hat; wenn diese Welt ihr Ende gefunden hat“. Diese Deutung passt auch zu Lk 12,33, worauf Lk 16,9 semantisch verweist: ποιήσατε ἑαυτοῖς βαλλάντια μὴ παλαιούμενα, θησαυρὸν ἀνέκλειπτον ἐν τοῖς οὐρανοῖς. Zum Zeitpunkt der Parusie zeigen sich der Wert und das Ziel der Nutzung des Vermögens für Arme: δέξωνται ὑμᾶς εἰς τὰς αἰωνίους σκηνάς. Auch hier wird das Subjekt zu δέξωνται nicht ausdrücklich genannt. Denkbar wäre, dass Gott71 gemeint ist oder die Engel als seine Helfer.72 Williams hält es für möglich, dass das Almosengeben personifiziert werde, dass also die Almosen selbst den Geber in die ewigen Zelte hineinnehmen. 73 Nach
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gleichung an V. 4 handeln. Gegen ἐκλίπητε spricht auch der sonstige Gebrauch des Wortes. Siehe zu dieser Textvariante und ihrer Ablehnung: M. Krämer, Rätsel 95/6. Vgl.: von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 237. Siehe hierzu auch: M. Krämer, Rätsel 97/8, der diese Deutung aber nicht übernimmt, und Bovon, Lukas III 81. Conzelmann, Mitte 103. Vgl.: Konradt, Interpretationsversuch 117. Einige, die ὁ μαμωνᾶς τῆς ἀδικίας als Subjekt anerkennen, deuten die Stelle im Blick auf die Weggabe des Reichtums zu Lebzeiten des Besitzers: „Diejenigen, die ihr Vermögen weggegeben haben, werden das Heil erlangen“. So: Degenhardt, Lukas 123. Siehe auch: M. Krämer, Rätsel 97. Diese Meinung vertreten auch: M. Krämer, Rätsel 98/9 und Ireland, Stewardship 101. Vgl.: Snodgrass, Stories 415 und Kramer, Lukas 141. So: Strack-Billerbeck II 220. Dies meint: Grundmann, Lukas 321. Williams, Almsgiving 295/6, führt ähnliche Stellen aus der rabbinischen Literatur des 2. Jh. v. Chr. als Belege an.
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anderer Meinung sind die Armen als Empfänger der finanziellen Zuwendung gemeint, die nach Lukas das Reich Gottes erben werden und die Geber74 in dieses Reich aufnehmen können.75 Gerade diese letzte Ansicht, die sprachlich am naheliegendsten ist76 und für die eine gewisse Parallelität zu V. 4 spricht,77 hat zu der dogmatischen Schwierigkeit geführt, wie denn Menschen die Macht über Aufnahme anderer in die ewigen Zelte zukommen könne. 78 Daher sind viele Exegeten heute der Meinung, dass die 3. Person Plural das unbestimmte Subjekt „man“ ausdrücke und hier – wie oft in rabbinischer Literatur – Gott bezeichne, dessen Name aus Ehrfurcht so umschrieben werden konnte. 79 Was Lukas als Subjekt im Sinn gehabt hat, ist nicht mit Gewissheit dem Text zu entnehmen. Die sprachliche Gestaltung spricht m. E. für einen Bezug auf das Objekt des Hauptsatzes (φίλους) und die wohl bewusste Parallelität zu V. 4 auf die Empfänger des weggegebenen Mammons. 80 Doch darf gerade wegen der Bildhaftigkeit der Aussage, die durch Angleichung an V. 4 verstärkt wird, diese nicht dogmatisch gepresst werden.81 Es geht Lukas darum, zum solidarischen Gebrauch des Reichtums aufzufordern, weil der Besitz sich letztlich als ein rein materielles, von Gott abhaltendes und trügerisches Gut erweisen wird. Es geht ihm darum, dass der Mensch durch die Hinwendung zum armen Mitmenschen die Weltverhaftetheit seiner selbst überwindet und so auf die Aufnahme in die ewigen Zelte Gottes hoffen darf. Der Ausdruck αἰώνιοι σκηναί82 ist Hapaxlegomenon im Neuen Testament; auch im Alten Testament und in der rabbinischen Literatur ist er nicht belegt. 83 Das Wort σκηνή kommt im Neuen Testament außer im Hebräerbrief, wo es zehnmal belegt ist, und in der Apokalypse, wo es sich dreimal findet, bei Lk 9,33 74
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Vgl.: Bovon, Lukas III 80. Snodgrass, Stories 417, macht darauf aufmerksam, dass der Begriff „Almosen geben“ zu schwach ist, um zu vermitteln, was Jesus meint. So: Hiers, Friends 33/4, der auf Lk 12,33; 18,22; 14,13–14; 19,8; 10,34–35; 6,24–25; 12,15–34; 16,19–31; 18,24–25 verweist. Dieser Meinung schließt sich auch Topel, Injustice 220, an. Siehe auch: Jülicher, Gleichnisreden II 507. Ebenfalls vertritt Giambrone, Charity 542, diese Ansicht. Er sieht die Armen angesichts des lukanischen Gedankens der Umkehrung der Verhältnisse als Vollstrecker des von Gott Beschlossenen. Ireland, Stewardship 103, weist auch darauf hin, dass die Armen lediglich das Urteil des Richters, also Gottes, reflektieren, dass sie nur in Verbindung mit Gott handeln. Vgl.: Ireland, Stewardship 102. Siehe: Topel, Injustice 220 und Konradt, Interpretationsversuch 117. Vgl.: M. Krämer, Rätsel 107 und 112. Vgl.: Lunt, Unjust Steward (mit Blick auf Lk 12,20 und 23,31); M. Krämer, Rätsel 107 und die dort angeführten Belege aus dem Neuen Testament; Strack-Billerbeck II 221. Siehe zu dieser Frage auch: Snodgrass, Stories 415. Vgl.: Kramer, Lukas 141. Vgl.: Ireland, Stewardship 103 und Konradt, Interpretationsversuch 118. Ireland, Stewardship 103/4, hält den Ausdruck für ein Oyxmoron. Nur im apokryphen Esrabuch (4,2,11) kommt die Wortverbindung vor. Doch dürfte diese Stelle – die ersten zwei Kapitel dieses Buches sind christlichen Ursprungs – auf Lk 16,9 zurückgehen. Vgl.: M. Krämer, Rätsel 100.
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par Mt 17,4 par Mk 9,5 (Verklärung), bei Lk 16,9 und Apg 7,43.44; 15,16 vor. 84 Mit σκηνή werden die Stiftshütte (Hebr 13,10) und die Wohnung Gottes (Hebr 8,2.5; 9,11; Offb 13,6; 15,5; 21,3) bezeichnet. In Apg 7,43 (Zitat) ist vom Zelt des Molochs die Rede,85 während Apg 7,44 das Bundeszelt meint. Apg 15,16 (Zitat) spricht von der Wiederaufrichtung der Hütte Davids, was hier „die messianische Erneuerung des Gottesvolkes und das Hinzukommen der Völker“86 bezeichnet. In der Septuaginta beziehen sich zwei Drittel der Belege auf die Stiftshütte,87 eine eschatologische Verwendung ist im Alten Testament wohl nicht nachzuweisen.88 Doch dürfte im Neuen Testament das „Wohnen in den Hütten […] Attribut der eschatologischen Vollendung“89 geworden sein. Im Kontext von Lk 16,9 muss der Ausdruck εἰς τὰς αἰωνίους σκηνάς wohl eschatologisch aufgefasst werden.90 Dafür spricht m. E. die Verbindung mit dem Adjektiv αἰώνιος, das bei Lukas sonst nur in Bezug auf Leben, also ewiges Leben, steht (Lk 10,25; 18,18.30; Apg 13,46.48), was wiederum Begriff für das Sein im Heil Gottes ist.91 Auch in Lk 16,9 geht es wohl um das endzeitliche Heil, das endgültig bei der Parusie, aber auch schon nach dem individuellen Tod des Einzelnen,92 denen zuteil werden wird, die als Gerechte nicht dem weltlichen, ungerechten Mammon angehangen haben, sondern die in der Weggabe dessen schon einen Schritt aus dieser Weltzeit auf das endzeitliche Heil hin getan haben.93 In wohl bewusstem Kontrast stehen die Ausdrücke εἰς τοὺς οἴκους αὐτῶν und εἰς τὰς αἰωνίους σκηνάς. Während es den Kindern dieser Weltzeit darum geht, ihre irdische Existenz zu sichern, muss es den Jüngern Jesu darum gehen, ihre Existenz über diese Weltzeit hinaus im Blick zu haben, sich ange84 85
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91 92 93
Siehe: VKGNT 1205. Zeltheiligtümer waren bei semitischen Völkern häufig. Siehe: Scharbert, Stiftshütte 1075. Auch Euripides Ion 806 erwähnt heilige Zelte. Vgl.: Michaelis, σκηνή 369/96, besonders 369 und Liddell-Scott 1608. Bühner, σκηνή 601. Siehe: Michaelis, σκηνή 370. Siehe: Michaelis, σκηνή 373 und 380. Jeremias, Gleichnisse 43 Anm. 6. Jeremias weist auf Mk 9,5; Apg 15,16; Apk 7,15; 21,3 hin. So: Jeremias, Gleichnisse 43; Michaelis, σκηνή 379/80 und Bühner, σκηνή 600, der den Ausdruck für eine Entsprechung der Behausungen der Gerechten hält. Eine eschatologische Bedeutung sehen z. B. auch: Ireland, Stewardship 104/5, und Forbes, God 168. Bovon ist der Meinung, dass hier ursprünglich das Reich Gottes gemeint sei, dass es aber zu einer Bedeutungsverschiebung gekommen sei: „Beim Autor des Sonderguts und vor allem bei Lukas kommt es aufgrund einer sich individualisierenden Eschatologie zu einer Bedeutungsverschiebung, so daß der gemeinte Ort jener der Christinnen und Christen nach ihrem Tod ist“. So: Bovon, Lukas III 81/2. Zu den verschiedenen eschatologischen und nicht-eschatologischen Deutungsrichtungen siehe: M. Krämer, Rätsel 100/5. Siehe: Balz, αἰώνιος 114. Vgl.: Jülicher, Gleichnisreden II 506. Siehe hierzu: Busse, Eschatologie 163/6 und Dupont, Eschatologie 37/47. „Christian disciples are encouraged to use worldly wealth to help the needy (the friends) so that in due course they will be welcomed into their heavenly home.“ So: Forbes, God 169.
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sichts des kommenden eschatischen Heils entsprechend klug zu verhalten und sich so als wahre Kinder des Lichts zu erweisen. 94 Diesem Aspekt entspricht auch der Kontrast zwischen dem vergänglichen Mammon der Ungerechtigkeit (ὅταν ἐκλίπῃ) und den ewigen Zelten.95
5.2.2.2 Der rechte Umgang mit dem Mammon als Treue zu Gott: Die Verse 9–13 als semantische Einheit Die syntaktische Analyse der V. 9–13 hat gezeigt, dass diese Verse durchaus eine einheitliche Komposition darstellen können. 96 Die Annahme, dass es sich um eine thematisch zusammenhängende Einheit handelt, widerspricht den oft geäußerten Thesen, V. 9, die V. 10–12 und V. 13 seien aus unterschiedlichen Überlieferungsstufen stammende und sich letztlich widersprechende Deutungen der Parabel. Während V. 9 zum Almosengeben auffordere und darin den Verwalter als Beispiel darstelle, werde in den V. 10–12 derselbe Verwalter kritisiert und somit zu einem abschreckenden Beispiel. 97 Doch lässt sich die Vermu94
95
96 97
„The contrast between the destinies of the two groups is intentional. Among other things, Jesus wants to make it clear that his disciples are to act in a different manner and for different goals than did the steward of the parable.“ So: Ireland, Stewardship 104/5. Gerade aufgrund der Unterschiede zu V. 4 und wegen des Kontrastes zwischen dem Vergänglichen und Ewigen in V. 9 dürfte eine Interpretation, die hier eine Aufforderung an die Jünger sieht, sich für die Zeit der Verfolgung rechtzeitig Aufnahme bei Freunden zu sichern, nicht zutreffen. Siehe zu einer solchen Interpretation: M. Krämer, Rätsel 103. Die Tatsache, dass der Ausdruck αἰώνιοι σκηναί in der rabbinischen Umwelt Jesu nicht vorkommt und σκηνή (Mk 9,5 und Hebr 11,9) im Plural im Neuen Testament sonst keinen eschatologischen Sinn hat, spricht hier noch nicht eindeutig für ein Logion Jesu. Vgl.: Fassl, Komposition und Redaktion 132, der lukanische Redaktion für durchaus möglich hält. Laut Mora Paz, Struktur116/22, handelt es sich um eine lukanische Komposition. Siehe: Jeremias, Gleichnisse 44; Kloppenborg, Dishonoured Master 475; Osborn, Parable and Exposition 14/5; Stöger, Armut und Ehelosigkeit 55/6; Fitzmyer, Luke 1105/7; Schweizer, Lukas 169; Schmid, Lukas 260; Michaelis, Gleichnisse 229; Kremer, Lukasevangelium 163; Forbes, God 169; Wolter, Lukasevangelium 550; Reinmuth, Verwalter 636/7; Heil, Klugheit und Phantasie 248; Parrott, Dishonest Steward 500/1, der annimmt, die V. 10–12 hätten (vor Hinzufügung der V. 8b und 9) Antwort auf den als Frage aufgefassten V. 8a gegeben. Vgl.: Parrott, The Dishonest Steward 513/4. Siehe auch: Fletcher, Riddle 20 und Du Plessis, Philanthropy or Sarcasm? 16. Vgl.: Bindemann, Ungerechte als Vorbilder? 969. Lunt und Williams sind sogar der Meinung, V. 10 sei hier fehl am Platze; sie bringen ihn in Zusammenhang mit Lk 12,42 oder 19,17. Siehe: Lunt, Unjust Steward 133 und Williams, Almsgiving 296/7. Roose; Büttner, Laienexegesen 59/69, besonders 63/7, gehen auch von sich widersprechenden Deutungen aus. Bereits im frühen Christentum sei die differenzierte Sicht, der Verwalter sei zwar ungerecht, aber klug, aufgegeben worden hin zu einer moralisch-ethischen Auslegung, bei der der Verwalter entweder als positives oder negatives Vorbild gedient habe. Sie haben in einem Versuch festgestellt, dass heutige Laien bei der Interpretation des Textes den Verwalter ebenfalls nicht differenziert beurteilen, sondern ihn als positives Vorbild darstellen. Auch Good-
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tung auf ein einheitliches Thema der V. 9–13 und insbesondere auf einen zusammenhängenden, sich entwickelnden Gedankengang semantisch erhärten. Semantisch bilden die schon in syntaktischer Hinsicht parallelen Begriffe der V. 10–12 ἐν ἐλαχίστῳ, ἐν τῷ ἀδίκῳ μαμωνᾷ, ἐν τῷ ἀλλοτρίῳ zusammen mit ἐκ τοῦ μαμωνᾶ τῆς ἀδικίας in V. 9 und dem abschließenden μαμωνᾶ in V. 13 eine Gruppe.98 Der semantische Zusammenhang der V. 9a, 11a und 13d kann aufgrund des gleichen Begriffes μαμωνᾶς99 nicht übersehen werden. Dass die Ausdrücke ἐν ἐλαχίστῳ (V. 10) und ἐν τῷ ἀλλοτρίῳ (V. 12a) auch den Mammon bezeichnen, liegt schon aus der parallelen Struktur der V. 11/12 zu V. 9 nahe.100 V. 9a und V. 11a charakterisieren den Mammon als ungerecht: Der Mammon ist deshalb ungerecht, weil er Teil einer Gott entgegenstehenden Welt ist 101 und weil er dem Menschen Sicherheiten vorgaukelt, 102 die nur Gott als der Herr über alles und somit auch über den Mammon zu geben vermag. 103 Weil Gott letztlich Herr auch über den Mammon ist und der Besitz den Menschen von Gott allein gegeben und nur geliehen ist,104 ist der Mammon dem Menschen
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rich, Debt Remission 565/6, hält den Verwalter, da er im Interesse seines Herrn gehandelt habe, für einen zuverlässigen Verwalter entsprechend dem in V. 10–13 Geforderten. Mathewson, Unjust Steward 34/5, wendet sich gegen diese Ansicht, in den Versen 9–13 unzusammenhängende und die eigentliche Intention der Parabel verändernde Sprüche zu sehen. Seines Erachtens gibt es auch keinen guten Grund anzunehmen, dass diese Verse nicht von Jesus selbst an die Parabel angefügt wurden. Auch Ireland, Stewardship 113, sieht in den V. 10–13 (seines Erachtens ist V. 9 originaler Bestandteil der Parabel) eine Bekräftigung der Lehre der Parabel, eine Warnung vor den Konsequenzen einer Vernachlässigung der Notleidenden. Seines Erachtens spielt es für die Interpretation keine Rolle, ob die Verse, die er für jesuanisch hält, ursprünglich in Verbindung mit den V. 1–9 standen oder ob Lukas oder eine vorlukanische Tradition diese Verse Jesu zur Parabel gestellt hat. Siehe hierzu: Ireland, Stewardship 105/7. Einen klaren kohärenten Gedankengang erkennt Konradt, Interpretationsversuch 105 und 112/23. Vgl. zur Zusammengehörigkeit der Begriffe in Lk 16,9–13 auch: Konradt, Interpretationsversuch 119/23. Vgl. auch: Seccombe, Possessions 170. Bovon weist darauf hin, dass der Begriff Mammon zwar als Schlüsselwort diene, aber nicht überall dieselbe Bedeutung habe. So stehe er in V. 13 „weniger für eine materielle Realität als für eine mythologische Größe“. Bovon, Lukas III 95. Wolter, Lukasevangelium 551, sagt zu V. 13: „Das Fehlen des Artikels vor μαμωνᾶς macht diese Bezeichnung zu einem personifizierenden Eigennamen und den ,Mammonsdienst‘ zu einer Art Götzendienst, der die Einzigkeit Gottes in Frage stellt.“ Vgl.: Ireland, Stewardship 110. Siehe hierzu auch: Wolter, Lukasevangelium 550. Vgl.: Seccombe, Possessions 167. Vgl. z. B. Koh 5,9–6,2. Siehe hierzu: Berges, Arm und reich 17/8. Siehe hierzu auch: Grilli, Lk 16,1–13 150. Siehe hierzu: Konradt, Interpretationsversuch 120/1. Er verweist auf Lev 25,23, auf Philo Her 103–106, auf Stellen in der frühjüdischen Literatur (z. B. TestIss 3,6–8) und auf Parallelen in früher christlicher Literatur. In Dtn 8,10–18 wird betont, dass der Reichtum und Wohlstand, den die Israeliten in Israel genießen, die Gabe Gottes ist, der sie aus Ägypten herausgeführt hat, und dass er nicht den Fähigkeiten des Einzelnen entspringt, so dass auch niemand hochmütig werden darf.
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wesentlich fremd (V. 12a: ἀλλοτρίῳ105).106 Auch Epiktet (diatr. IV 5,15) sagt über die vergänglichen Güter: οὐδὲν ἴδιον τῷ ἀνθρώπῳ ἐστίν, ἀλλὰ πάντα ἀλλότρια.107 Da der Mammon dem Menschen nicht eigen ist und er ihm keinerlei dauernde Sicherheit schenken kann, ist er letztlich ohne Wert für das menschliche Leben, er ist sehr unbedeutend (V. 10: ἐλαχίστῳ). Es liegt also nahe, das an sich semantisch unbestimmte ἐν ἐλαχίστῳ in dem allgemein, sentenzartig formulierten V. 10 semantisch im Blick auf V. 11a zu füllen. 108 Dem unbedeutenden, dem Menschen wesentlich fremden und dem Reich Gottes entgegenstehenden Mammon109 wird in V. 13 der Begriff θεός (θεῷ) entgegengesetzt. In V. 11 dient τὸ ἀληθινόν als Kontrastbegriff zu ἐν τῷ ἀδίκῳ μαμωνᾷ, während in V. 12 dem ἐν τῷ ἀλλοτρίῳ der Begriff τὸ ὑμέτερον gegenübergestellt ist. Auch in V. 10 wird ein Gegensatz aufgebaut: ἐν ἐλαχίστῳ und ἐν πολλῷ. Da die V. 10–13 mit Kontrastbegriffen zum Mammon arbeiten, 110 liegt es nahe, in V. 9 im Ausdruck εἰς τὰς αἰωνίους σκηνάς einen bewussten Gegensatz zu ἐκ τοῦ μαμωνᾶ τῆς ἀδικίας zu sehen. Dem Mammon steht also eine Begriffsgruppe gegenüber, die insgesamt den Bereich Gottes bezeichnet. 111 Dem vergänglichen Mammon, der zur ungerechten, dem Reich Gottes entgegenstehenden Welt gehört, stehen in V. 9 die ewigen Zelte als Symbol für ein ewiges Sein bei Gott gegenüber. Das Reich Gottes ist das wahre Gut (V. 11 τὸ ἀληθινόν), um das es sich zu sorgen gilt.112 Der Begriff ἀληθινός bezeichnet im Hellenismus das einzig wirklich Seiende, das Ewige; es ist geradezu Attribut der 105 106
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Das Wort ἀλλότριος kommt im Lukasevangelium nur hier vor. Siehe: VKGNT 40. Seccombe, Possessions 171, deutet den Begriff als „fremden Reichtum“, als Reichtum, der zu diesem Aeon gehört und nicht zum Reich der Söhne des Lichts. Vgl. auch: Eur. Phoen. 558. Siehe hierzu: Wettstein 765. In Lk 12,26 bezeichnet das Wort ἐλάχιστον die Möglichkeit, das irdische Leben zu verlängern. Interessanterweise findet es sich nicht an der entsprechenden Stelle bei Mt 6,27; auch die Folgerung εἰ οὖν (Lk 12,26 wie 16,11!) fehlt bei Mt. Bei Lk kommt ἐλάχιστον außerdem noch 19,17 vor. Dort lobt der Herr den Diener, der mit einem Pfund zehn erwirtschaftet hatte, mit den an Lk 16,10–11 erinnernden Worten: ὅτι ἐν ἐλαχίστῳ πιστὸς ἐγένου. Ἐλάχιστος findet sich außer bei Lk: Mt 2,6; 5,19.19; 25,40.45; 1 Kor 4,3; 6,2; 15,9; Eph 3,8; Jak 3,4. Veerkamp weist darauf hin, dass Matthäus und Lukas das aramäische Wort Mammon nicht übersetzen. Seines Erachtens haben sie kein griechisches Wort gefunden, „das den zur Unterdrückung verwendeten Besitz adäquat wiedergibt.“ So: Veerkamp, Mammon 12. Vgl.: Seccombe, Possessions 170. Nach Reinmuth, Verwalter 636, meinen die Abstrakta der V. 10–12 „offenbar das Evangelium und das mit ihm verbundene Heil“. Seines Erachtens wird der Verwalter hier zum Negativ-Beispiel, man könne die Verse als Warnung für Menschen in verantwortungsvollen Gemeindepositionen verstehen. „The eschatological focus is highlightened by the use of τὸ ἀληθινόν, which in the New Testament is often used of what is characteristic of the new age (Jn 1.9; 6.32; Heb. 8.2; 9.24).“ So: Forbes, God 169. Wolter, Lukasevangelium 551, sieht mit ἀληθινόν das „eschatische Heilsgut” bezeichnet.
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göttlichen Dinge.113 In das Reich Gottes zu gelangen, ist bedeutend (V. 10 πολλῷ). Das Reich Gottes ist den Jüngern verheißen und zugesagt, es gehört ihnen (V. 12 τὸ ὑμέτερον). Vielleicht denkt Lukas an die erste Seligpreisung der Feldrede (6,20): Μακάριοι οἱ πτωχοί, ὅτι ὑμετέρα ἐστὶν ἡ βασιλεία τοῦ θεοῦ. Das Wort ὑμέτερος kommt nur an diesen beiden Stellen bei Lukas vor; bei Mk und Mt fehlt es.114 Die Lesart ὑμέτερον in Lk 16,12 ist gegenüber ἡμέτερον (Codices B L) oder ἐμόν (Codices 157 e i l; McionT) viel besser bezeugt und schon von daher zu halten. Wahrscheinlich wurde ὑμέτερον absichtlich verändert, weil man Anstoß nahm an der Kühnheit des Gedankens, „der armen Menschen das Göttliche als ihren eigensten Besitz zusprach“ 115. Blumenthal hat mit Blick auf Tob 8,21 plausibel gemacht, „dass mit einer Prädikation der Form: ,Possessivpronomen + ἐστίν + Nomen im Nominativ‘ die Einsetzung in ein Erbenverhältnis ausgedrückt werden kann“116. Die Jünger sind – wie auch Lk 6,20 zeigt117 – bereits als Erben des Reiches Gottes eingesetzt. Allerdings müssen sie sich, um der Gefahr des Enterbtwerdens zu entgehen, in ihrem Handeln als treue Jesusnachfolger erweisen.118 Den zwei Bereichen Gott und Mammon entsprechen jeweils unterschiedliche Verbformen. So findet sich – abgesehen von den sentenzartigen V. 10 und 13 a–c – in den den göttlichen Bereich bezeichnenden Satzteilen die 3. Person (δέξωνται, πιστεύσει, δώσει), während die Adressaten des Gesagten als Objekt erscheinen (ὑμᾶς, ὑμῖν, ὑμῖν). Dies macht – neben der Semantik der Begriffe δέξωνται, πιστεύσει, δώσει – deutlich, dass das Göttliche, das Reich Gottes, den Jüngern (von Gott) geschenkt wird, dass die Jünger als Objekt göttlichen Handelns sich letztlich das Reich Gottes nicht „erkaufen“ können. Dagegen bringt die 2. Person bzw. der Imperativ in dem den weltlichen Bereich bezeichnenden Teil unmissverständlich zum Ausdruck, dass der Erhalt des Reiches Gottes und die Aufnahme in dasselbe eine dem bereits kommenden Reich Gottes entsprechende Einstellung und Handlungsweise voraussetzt. Wer am Bereich Gottes Anteil erhalten will, ist aufgefordert, seine Einstellung zu Besitz und Vermögen zu überdenken und durch ein neues Handeln dem in Jesus schon gekommenen Reich Gottes zu entsprechen und dieses erlebbar werden zu lassen.119 Daher ist es erforderlich, im ungerechten Mammon und im Fremden treu, zuverlässig (πιστοί) zu werden. Außer an den vier 113
114 115 116 117 118 119
Siehe: Bultmann, ἀλήθεια 250. Bei Lk findet sich das Wort nur hier, es fehlt bei Mk und Mt. Dagegen kommt es bei Joh, in den Briefen und in Offb recht häufig vor. Vgl.: VKGNT 31. Siehe: VKGNT 1292. Jülicher, Gleichnisreden II 509. Blumenthal, Basileia 190. Siehe hierzu: Blumenthal, Basileia 186/92. Vgl.: Blumenthal, Basileia 191. Vgl.: Ireland, Stewardship 108 und 113. Konradt, Interpretationsversuch 122, betont, dass die Menschen bzw. die Jünger aufgefordert sind, mit den Gütern im Sinne des Gebers, nämlich Gottes, umzugehen und somit zugunsten anderer karitativ einzusetzen.
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Stellen unseres Abschnitts findet sich πιστός noch Lk 12,42 par Mt 24,45 (τίς ἄρα ἐστὶν ὁ πιστός οἰκονόμος ὁ φρόνιμος;) und 19,17 par Mt 25,21.21.23.23 (εὖγε, ἀγαθὲ δοῦλε, ὅτι ἐν ἐλαχίστῳ πιστὸς ἐγένου […]). Das Wort erscheint an diesen beiden Stellen in Gleichnissen, bedeutet – dem profanen Gebrauch entsprechend – „treu, zuverlässig“ und bezeichnet das Verhalten von Untergebenen zu ihrem Herrn.120 Insofern wird durch die Verwendung des Begriffs πιστός an die Metaphorik des Gleichnisses angeknüpft: „Von einem Verwalter (οἰκονόμος) erwartet man, dass er treu (πιστός) ist.“121 Im Kontext von Lk 16,9– 13 mit der Gegenüberstellung von Mammon und Gott dürfte der Begriff aber kaum das Verhältnis der Angeredeten, der Jünger, zu irgendeinem weltlichen Herrn im Blick haben, sondern vielmehr die Treue des Jüngers zu Gott und zur Botschaft Jesu bezeichnen. Insofern nimmt der Begriff πιστός hier nicht direkt Bezug auf den Verwalter der Parabel, der ungerecht das Vermögen seines Herrn verringert hat und ihm insofern nicht treu gewesen ist; der Verwalter dient hier nicht als abschreckendes Beispiel – es geht um die Treue der Jesus Nachfolgenden zu Gott und der jesuanischen Botschaft vom Reich Gottes. 122 Der Begriff πιστός konnte schon im Judentum die „Treuen“ und die „Gläubigen“ im Gegensatz zu den „Gottlosen“ im eigenen Volke und zu den Heiden bezeichnen.123 Im Urchristentum ist das Substantiv πίστις zur beherrschenden Bezeichnung des Verhältnisses des Menschen zu Gott geworden. 124 So werden die Gläubigen häufig als πιστοί bezeichnet, z. B. Apg 10,45; 16,1.125 In Apg 16,15 dürfte noch deutlich sein, dass das An-den-Herrn-Glauben ein Treueverhältnis zu Jesus und seiner Botschaft umfasst: εἰ κεκρίκατέ με πιστὴν τῷ κυρίῳ εἶναι, εἰσελθόντες εἰς τὸν οἶκον μου μένετε. Es geht in Lk 16,9–13 darum, als Jünger Christi im Glauben an ihn und seine Botschaft seinen Willen zuverlässig zu tun. Die Verwirklichung des Glaubens an Jesus Christus und der Treue zu ihm stellt eine Handlung, einen Akt dar, „kraft dessen sich der Mensch in der Antwort auf Gottes eschatologische Tat in Christus aus der Welt herausstellt und die radikale Hinwendung zu Gott vollzieht; als der Akt, in dem sich die neue eschatologische Existenz des Menschen gründet, und als die Haltung, die ihr eigen ist.“ 126 Auf Lk 16,9–13 bezogen heißt das, dass der an Christus glaubende Mensch in der Treue zu ihm den Mammon als Teil dieser Welt erkennt und im Weggeben 120 121 122
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Vgl.: Bultmann, πιστεύω 176/9. Konradt, Interpretationsversuch 119. Vgl.: Mora Paz, Struktur 120. Ähnlich interpretiert: Breytenbach, Geld 142/4. Allerdings sind einige Aussagen Breytenbachs zur Person des Verwalters doch zu unpräzise. So verzichtet der Verwalter ja weder mit Blick auf die Zukunft auf Gewinn (das wäre mit Blick auf den Herrn zwar in gewisser Weise richtig, liegt aber m. E. nicht im Fokus des Textes), noch wird er in die ewigen Wohnungen aufgenommen. Beides sagt Breytenbach, Geld 144. Siehe auch: von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 264/5. Siehe: Bultmann, πιστεύω 201. Vgl.: Bultmann, πιστεύω 205. Vgl.: von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 265. Bultmann, πιστεύω 217.
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dessen an Bedürftige die Hinwendung zu Gott vollzieht. 127 Als Gegenbegriff zu der geforderten Treue ergibt sich aus V. 10 ein Verhalten, das als ἄδικος bezeichnet wird. Auch dieser Begriff dürfte hier – ähnlich Mt 5,45 und Apg 24,15 – das Verhalten des Menschen gegenüber Gott bezeichnen. 128 1 Kor 6,1 trifft den hier angenommenen Sinn von ἄδικος in Lk 16,10: Den Heiligen (οἱ ἅγιοι) als den Mitgliedern der Gemeinde stehen die ἄδικοι gegenüber; in 1 Kor 6,6 werden die ἄδικοι als ἄπιστοι bezeichnet! Schon im klassischen Griechisch hat der Begriff ἄδικος gelegentlich religiösen Sinn (Plat. leg. 716d) und meint „Gott unähnlich, im Widerstreit mit Gott“129. Durch den Einfluss des Alten Testaments wird der ἄδικος zum „Verletzer des göttlichen Rechtes“130. Wer an seinem Vermögen ängstlich festhält, es als Sicherung seiner Existenz betrachtet und den Bedürftigen übersieht, ist ungerecht gegenüber Gott, insofern er nicht aufgrund des verheißenen und kommenden Reiches Gottes Mammon das sein lässt, was es ist, nämlich ein rein materielles Mittel, und ganz Gott vertraut.131 Die Entscheidung, als ἄδικος oder als πιστός zu leben, gilt es nun zu treffen. Der Mensch steht jetzt vor der Entscheidung, in der Hingabe an materielle Dinge zu verharren oder aber im Blick auf das kommende Heil durch sein Tun seine durch Gott neu qualifizierte Existenz schon jetzt zu vollziehen. Es gilt nun, das an sich geschenkte Heil anzunehmen und den Existenzwechsel aus dem der Welt verhafteten Bereich des Mammons in das Reich Gottes zu vollziehen (ἐκ τοῦ μαμωνᾶ τῆς ἀδικίας – εἰς τὰς αἰωνίους σκηνάς) und so einen neuen solidarischen Blick zu bekommen für die notleidenden Mitmenschen. Zusammenfassend sei gesagt, dass die V. 9–13 – wenn man πιστός und ἄδικος in dieser Weise interpretiert – in semantischer Sicht durchaus eine einheitliche Komposition darstellen.132 Vielleicht hat Lukas den aus der Logien127
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„In the context of the parable and particularly v. 9, faithfulness entails using possessions to help those in need. Such faithfulness bears witness that one has grasped the eschatological situation, that one is a citizen of the kingdom, that one is truly a disciple of Jesus.“ So: Ireland, Stewardship 108. Veerkamp, Mammon 12, bezeichnet den Spruch als „Maßstab für alles Handeln”. Das Wort kommt außer Lk 16,10 nur noch im Gleichnis vom Pharisäer und Zöllner vor. Auch hier kann an Unrecht gegenüber Gott gedacht sein, an ein Verhalten, das dem Willen Gottes nicht entspricht. Dieses Verhalten wird dann durch die den Zentralbegriff rahmenden Begriffe konkretisiert: ἅρπαγες, ἄδικοι, μοιχοί. Siehe: Schrenk, ἄδικος 150. Schrenk, ἄδικος 152. Vgl.: Ireland, Stewardship 113. Auch M. Krämer interpretiert die V. 10–12 in dieser Weise, geht aber auf die genaue Semantik von πιστός und ἄδικος nicht ein. Dass die V. 10–12, die für Krämer den Gedanken von V. 9 (der seines Erachtens Lukas schon vorlag) weiterführen, nicht von Lukas, sondern von einem frühchristlichen Lehrer stammen, ist reine Vermutung Krämers, die er selbst nicht erhärtet. Siehe zu V. 10–12 besonders: M. Krämer, Rätsel 212/26, auch 183–212, zu V. 13 226/33. Vgl. auch: Schlatter, Lukas 369/71. Besonders Jülicher hebt den Zusammenhang der V. 9–13 und den auch hier angenommenen Sinn der Verse hervor: Die V. 9–13 sind zu V. 9 „Wiederholungen […] in anderer Form; im Mammon, im Kleinen,
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quelle Q stammenden V. 13 (par Mt 6,24) mit der Parabel in Verbindung bringen wollen und ihn als markanten Schlussvers seiner Rede an die Jünger zum Thema „Mammon und Gott“ gesetzt. Dass Lukas die Parabel im Licht der V. 9–13 verstanden wissen will, dürfte aufgrund der engen Anbindung des V. 9 an das Vorangehende deutlich sein. 133 Dennoch ist die Anbindung der Verse an die Parabel nicht so, dass Lukas Jesus die Parabel allegorisch auslegen lässt und nur im Blick auf sie die V. 9–13 sprechen lässt. Durch die Parabel mit ihrem Verwalter, der aufgrund einer existentiellen persönlichen Notlage die Pächter seines Herrn begünstigt, und insbesondere mit dem dieses Handeln schließlich als klug billigenden Herrn scheint für Lukas ein fruchtbarer Boden geschaffen zu sein für die Behandlung des Themas „Mammon und Gott“. So lässt er in V. 9 Jesus dazu auffordern, sich mit dem Mammon der Ungerechtigkeit Freunde zu verschaffen, d. h. das Vermögen im Blick auf bedürftige Mitmenschen solidarisch einzusetzen.134 Das Ziel eines solchen Handelns nennt die zweite Hälfte des V. 9: Aufnahme in die ewigen Zelte, d. h. Teilhabe am kommenden Heil Gottes. V. 9 ist in Angleichung an V. 4 die programmatische und aktualisierende Deutung der Parabel. Nun wird deutlich, worin für den Jünger die geforderte Klugheit angesichts des kommenden Reiches Gottes besteht. Der Mensch, der Christi Nachfolger sein will, muss – wenn er Anteil am Reich Gottes erhalten will – jetzt sein Handeln klug verändern,135 und das heißt konkret: jetzt seine Bindung an das Vermögen bzw. das Materielle aufgeben und dieses dem Willen Gottes entsprechend nutzen. Diese programmatische Aufforderung wird in den folgenden Versen begründet. Mit V. 10 fügt Lukas einen sentenzartigen Satz, eine allgemeine Weisheit hinzu, die zunächst keinen Zusammenhang zu V. 9
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im Fremden, treu sein bedeutet dem Verf. so viel wie ihn nach Gottes Willen zu Werken der Wohltätigkeit verwenden, die Untreue besteht ihm in Geiz, Habgier und ähnlichen Lastern, das μαμωνᾷ δουλεύειν ist das Gegenteil von dem gewünschten Hingeben des Mammons an die Armen. Da 10–13 so genau auf die Intentionen von 9 eingehen, sehe ich keinen Grund, sie einem anderen Verfasser als dem von 9 zuzuschreiben; das Nächstliegende ist die Annahme, dass Lc an die Haushalterparabel, deren Tendenz erst er auf die Mammonsfrage beschränkt hat, die Deutung 9 samt den sie begleitenden Sprüchen ad vocem μαμωνᾶς herangeschoben hat. […] 11f. passen unbedingt hinter 9.“ So: Jülicher, Gleichnisreden II 513. Von den neueren Auslegern spricht sich klar Konradt, Interpretationsversuch 112/23, für ein solches Verständnis der V. 9–13 aus. Die EÜ 2016 sieht offenbar die Zusammengehörigkeit der V. 9–13 nicht, da sie V. 9, allerdings durch einen Absatz getrennt, zu den V. 1–8 zieht und dann unter der Überschrift „Vom Umgang mit Besitz“ die V. 10–13 bietet. Demgegenüber hat die EÜ 1980 die V. 9–13 – jeweils durch Absätze gegliedert – als Einheit gedruckt. Anderson, Seeking and Saving 738/40, weist darauf hin, dass die Anfügung von „Aphorismen“ eine lukanische Methode ist, dem Leser für die Parabel eine Interpretationsrichtung zu geben. Neben Lk 16,9–13 führt er an: 12,21.40.48b; 13,28–30; 17,10; 18,6–8; 18,14b. „The parable gives no easy answers about what to do with money“. So: Snodgrass, Stories 418. „Giving alms is not the explicit concern, and in fact the expression ‘giving alms’ is too weak to convey what Jesus intends.“ So: Snodgrass, Stories 417. Vgl.: Konradt, Interpretationsversuch 126/7.
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erkennen lässt, aber zur Begründung der V. 11–12 dient und insofern zusammen mit diesen im Zusammenhang zu V. 9 steht. Die Begriffe ἐν ἐλαχίστῳ und ἐν πολλῷ bezeichnen dabei in ihrem Kontext die Bereiche Mammon und Gott; die Adjektive πιστός und ἄδικος qualifizieren das Verhältnis des Menschen zu Gott. Aus dieser allgemein anerkannten Sentenz zieht Lukas nun als Begründung für das in V. 9 geforderte Handeln die Konsequenz (οὖν). Diese Folge aus V. 10 verbindet er in V. 11–12 mit einer Bedingung (εἰ): Wenn ihr im ungerechten Mammon, d. h. im Umgang mit euren finanziellen Mitteln, nicht (Gott) treu geworden seid, dann – so ist aus V. 10 logisch zu ergänzen – werdet ihr auch nicht Gott treu sein, wenn das Reich Gottes ganz Wirklichkeit geworden ist. Wer wird diesen untreuen Personen das „Wahre“ überhaupt erst anvertrauen? V. 12 bringt diesen Gedanken – semantisch variiert – noch einmal zum Ausdruck. V. 13 fasst als Abschluss der Komposition plakativ das Gesagte zusammen. V. 13a sagt sentenzhaft, dass kein Diener zwei Herren dienen kann. Die zwei Herren (δυσὶ κυρίοις) greifen hier die zuvor unterschiedenen Bereiche Gott und Mammon allgemein wieder auf, dies wird durch V. 13d bestätigt. Die Unvereinbarkeit eines Dienstes für zwei Herrn wird in V. 13b–c durch den Chiasmus deutlich eingeschärft. Die Worte ἕνα und ἑνὸς entsprechen dem einen Herrn (Mammon), die Worte ἕτερον und ἑτέρου dem anderen (Gott). V. 13d schärft die Aussage der Komposition plakativ ein: Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.136 Daher gilt es jetzt, angesichts der von Jesus proklamierten Gottesherrschaft, sich zu entscheiden zwischen einem Dienst Gottes, der Vertrauen allein auf ihn einschließt, und einem Mammonsdienst, einer Fixierung auf materielle Dinge.137 Wer sich jetzt für Gott entscheidet, der sollte die Hingabe an das Materielle aufgeben und im Blick auf das Heil Gottes und im Dienst Gottes sein Vermögen solidarisch zur Unterstützung Bedürftiger einsetzen.138 Dazu fordert der lukanische Jesus auf.
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„God and mammon are totally incompatible.“ So: Metzger, Consumption and Wealth 130. „In Luke 16,13 (Matt 6,24) mammon is almost personified as a potential rival to God.“ Seccombe, Possessions 164. „Der Mammon gilt also nicht nur als materielles Gut, mit dem man umgeht, sondern ihm wird die Eigenschaft zugeschrieben, dass er Macht über Menschen erlangen kann, so dass Menschen ihm dienen. Somit besteht die Gefahr, dass Sorge um Geld zu Dienst am bzw. für das Geld wird.” Kramer, Lukas 292. Siehe zu Lk 16,13 auch: Hoppe, Bildworte 40/2. Vers 13 fordert nochmals auf, nun das Geld im Sinne Gottes und entsprechend V. 16,9 zu gebrauchen. Er stellt m. E. keine Warnung dar, „im Zuge von 16,9 vor lauter ‚Sich-Freunde-Machen mit dem Mammon‘ Gott nicht aus den Augen bzw. im Umgang mit dem Mammon die Distanz zu ihm nicht zu verlieren.“ So formuliert: M. Müller, Annäherung 203. Vgl.: Ireland, Stewardship 108 und 113.
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Die Rede Jesu an die Pharisäer: Lk 16,14–31
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Die Überleitung zur Rede: Lk 16,14
6.1.1 Syntaktische Bezüge Der Abschnitt Lk 16,14–18 beginnt mit einer kurzen erzählenden Bemerkung des Autors1 (V. 14), die – sieht man von der Redeeinleitung in V. 15a ab – aus einem Satz besteht. Dieser Satz beinhaltet zwei durch καί verbundene Prädikate, die im erzählenden Imperfekt (ἤκουον und ἐξεμυκτήριζον) stehen. Beiden Prädikaten folgen Objekte, die aus Pronomina bestehen und so durch den Rückbezug auf vorher Genanntes deutlich machen, dass das Gesagte in engem Zusammenhang mit dem Gleichnis vom klug handelnden Verwalter und seiner Kommentierung steht. Durch die parallele Struktur (Prädikat – Objekt; Prädikat – Objekt) wird angezeigt, dass das Hören und das Lachen auf einer Stufe stehen, dass ein enger Zusammenhang zwischen beidem besteht. Gleiches gilt für die Objekte: Das eben Gehörte (ταῦτα πάντα) ist Rede Jesu, das Verlachen Jesu (αὐτόν) ist identisch mit dem Verlachen des Gehörten, nämlich der Worte Jesu. Die betonte Stellung des Prädikats ἤκουον am Anfang des Satzes verstärkt den Rückbezug auf das Vorhergehende und damit den Zusammenhang damit. Das in V. 14 neu eingeführte Subjekt οἱ Φαρισαῖοι steht zwischen den genannten Kombinationen aus Prädikat und Objekt, es bezieht sich also auf beide Prädikate und nimmt somit die zentrale Position im Satz ein. Durch diese zentrale Position und dadurch, dass es durch ein Adjektiv und das Partizip ὑπάρχοντες erweitert ist, erhält es ein starkes Gewicht in dieser kurzen Erzählpartie: Der Text gibt zu erkennen, dass nun die Pharisäer in ihrer Reaktion auf das Gehörte im Mittelpunkt stehen.
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Siehe hierzu: Kapitel 3.
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Die Rede Jesu an die Pharisäer: Lk 16,14–31
6.1.2 Semantische Implikationen: Die auktoriale Charakterisierung der textimmanenten Adressaten als φιλάργυροι Mit V. 142 ist die Figurenrede Jesu (V. 1b–13) zu Ende, der Text wechselt zu einer erzählenden Bemerkung, einer kurzen Erzählpartie des auktorialen Erzählers. Wie oben gesagt, nimmt V. 14 Bezug auf die vorherige Rede – zum einen durch das rückbezügliche ταῦτα πάντα und zum anderen durch die Semantik des Wortes ἤκουον. Außerdem wird durch das καὶ ἐξεμυκτήριζον αὐτόν, insbesondere durch das Personalpronomen αὐτόν, klar, dass hier eine Reaktion auf die gerade erfolgte Rede Jesu referiert wird. Andererseits weist V. 14 voraus auf die folgende, in V. 15 beginnende Rede Jesu, da deren Adressaten hier eingeführt („Die Pharisäer hörten dies alles.“) und durch eine direkte Charakterisierung des Autors als geldliebend bezeichnet werden.3 Durch die Semantik des Begriffs φιλάργυροι greift er zurück auf das Thema der V. 1–13, insbesondere auf die V. 9–13, also auf den richtigen Umgang mit dem Geld, mit dem Mammon. Dadurch, dass er den Begriff mit den neuen Adressaten, den Pharisäern, verbindet, weist er aber auch voraus auf die Richtung, in der die folgende Rede Jesu zu verstehen ist. Insofern stellt V. 14 die Verbindung 4 zwischen den zwei Reden Jesu im 16. Kapitel dar und bietet dem Rezipienten einen Schlüssel zum Verständnis dieses Kapitels. Denn mit dem Begriff φιλάργυροι verweist Lukas nicht nur allgemein auf das Thema des Kapitels, sondern kann – wie im Folgenden ersichtlich wird – beim Leser Assoziationen hervorrufen, auf die er dann in den folgenden Versen selbst anspielt. Lukas verwendet den Begriff φιλάργυρος nur hier in seinem Doppelwerk, im Neuen Testament erscheint er ansonsten nur noch 2 Tim 3,2 und als Substantiv (φιλαργυρία) in 1 Tim 6,10. In der sonstigen griechischen Literatur wird das Substantiv ebenso wie das Adjektiv häufiger verwendet, es bezeichnet die Liebe zum Geld (zum Silber)5 oder die Geldgier/Habgier bzw. den Geldliebenden, den Habgierigen. Öfter als φιλαργυρία/φιλάργυρος finden sich im Neuen Testament und in der außerchristlichen profanen wie religiösen griechischen Literatur die Begriffe πλεονεξία und πλεονέκτης, die in ähnlicher Weise das 2
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Laut Mora Paz, Struktur 123, ist der Vers redaktionell und setzt den antithetischen Stil der V. 8b–13 fort. „Die Charakterisierung der Pharisäer als ,habgierig‘ soll ihre Reaktion auf Jesu Rede an die Jünger erklären. Lukas macht sie damit zu ,Mammondienern‘ im Sinne von V. 13.“ So: Wolter, Lukasevangelium 553. Nach Mora Paz, Struktur 123, hat der Vers, der eine zentrale Stellung im Kapitel einnimmt, die Funktion, die V. 1–13 mit dem Folgenden zu verbinden. Siehe auch: Welzen, Lucas 171. Vgl.: Finkenrath; Niebuhr, πλεονεξία 133.
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Mehr-haben-Wollen bzw. die Habgier und den Habgierigen bezeichnen. 6 Während πλεονεξία das Mehr-haben-Wollen akzentuiert, ist bei φιλαργυρία „die emotionale Bindung betont.“7 Anders als φιλαργυρία ist der Begriff πλεονεξία nicht auf das Streben nach Materiellem beschränkt, er hat ein umfassenderes Bedeutungsspektrum.8 So bezeichnet er z. B. auch das Streben nach Macht.9 Doch findet sich πλεονεξία/πλεονέκτης in der Bedeutung Habgier/Habgieriger in der gesamten griechischen Literatur sehr oft,10 im Neuen Testament kann der Begriff „außer in 2 Kor 2,11 immer auf materiellen Gewinn bezogen werden.“11 Das Verb πλεονεκτεῖν, das im Neuen Testament in 2 Kor 2,11; 7,2; 12,17.18 und 1 Thess 4,6 vorkommt, bedeutet dort – wie auch sonst häufig12 – „übervorteilen“. Die Ähnlichkeit in der Bedeutung und die Tatsache, dass meistens, z. B. in den Lasterkatalogen, entweder φιλαργυρία/φιλάργυρος oder πλεονεξία/πλεονέκτης gebraucht werden, berechtigen, die beiden Begriffe als Parallelbegriffe anzusehen.13 Insofern werden im Folgenden anhand dieser beiden Begriffe und auch des verwandten Begriffs φιλοχρήματος einige wenige Beispiele gegeben, die die durchweg negative Bewertung der Geldliebe/Habgier in der außerchristlichen antiken Literatur und im Neuen Testament skizzieren.14 Für Sokrates sind die Geldgierigen diejenigen, die schändlichen Gewinn machen und die sich in einer Notlage befindenden Freunde nicht beachten. 15 Platon sagt ausdrücklich, dass habgierig und ehrgeizig zu sein eine Schande ist.16 In „Gorg. 508a wird der πλεονεξία die ἰσότης γεωμετρική gegenübergestellt […], die κοινωνία, κοσμιότης, σωφροσύνη, δικαιότης, die Himmel u Erde, Götter u Menschen zusammenhalten. Jene […] zerstört den Kosmos, die Har-
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Vgl.: Léon-Dufour, Habgier 208; Oberlinner, Habgier 184; Finkenrath; Niebuhr, πλεονεξία 133. Oberlinner, Habgier 184. Er muss auch nicht immer negativ gemeint sein, so z. B. bei Xenophon und Platon. Siehe Belegstellen bei: Delling, πλεονέκτης 266/7. So z. B.: Hdt VII 149 und VIII 112 (πλεονεκτεῖν). Siehe: G. Delling, πλεονέκτης 266. Vgl.: Finkenrath; Niebuhr, πλεονεξία 133. Siehe die Untersuchung des Begriffs in der außerchristlichen griechischen Literatur bei: Delling, πλεονέκτης 266/70. Vgl.: Finkenrath; Niebuhr, πλεονεξία 133/4. Finkenrath; Niebuhr, πλεονεξία 134. So z. B.: Thuk. I 77,3; Plat. rep. 362b. Vgl.: Delling, πλεονέκτης 266/7. So werden beide Begriffe in den gängigen Wörterbüchern gemeinsam behandelt: Delling, πλεονέκτης 266/74; Oberlinner, Habgier 184/5; Finkenrath; Niebuhr, πλεονεξία 133/6. Siehe zum Topos der πλεονεξία: Malherbe, Christianization 123/35 und von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 225/6. Stob. III 10,46: Σωκράτης ἐρωτηθεὶς „τίνες φιλοχρήματοι“, „οἱ τὰ αἰσχρὰ κέρδη θηροῦμενοι“, εἶπε „καὶ τοὺς ἀναγκαίους τῶν φίλων ὑπερορῶντες“. Plat. rep. 347b: Ἢ οὐκ οἶσθα τὸ φιλότιμόν τε καὶ φιλάργυρον εἶναι ὄνειδος λέγεταί τε καί ἐστιν; ἔγωγε, ἔφη. Vgl.: Xen. mem. III 1,10 und 13,4.
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monie des Alls u der Götter- u Menschenwelt.“17 Bei Aristoteles wird der Habgierige zu den Ungerechten gezählt, zu denen außerdem sowohl der gegen das Gesetz Handelnde als auch der Feind der Gleichheit gehören. 18 Für Polybios ist Habgier ein Hauptmotiv für politisches und kriegerisches Handeln sowohl von Einzelpersonen wie auch von ganzen Völkern.19 Auch Sophokles und Diodorus Siculus erwähnen die φιλάργυροι im negativen Sinn.20 Die hellenistische Philosophie, vor allem der Kynismus, lehnt Habgier und Gewinnsucht entschieden
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Delling, πλεονέκτης 267. „Durch die Antike zieht sich einmal als ideale Vorstellung der Gedanke einer relativen Gleichheit der Menschen […]. Ein vernünftiger Maßstab hilft zum Ausgleich zwischen reich und arm; die πλεονεξία wird durch ihn ausgeschaltet und die ἰσότης hergestellt […]. Sodann steht hinter dem Kampf gegen die πλεονεξία auch das Ideal des Maßhaltens, der σωφροσύνη.“ Delling, πλεονέκτης 267. Δοκεῖ δή ὅ τε παράνομος ἄδικος εἶναι καὶ ὁ πλεονέκτης καὶ ἄνισος, ὧστε δῆλον ὅτι καὶ ὁ δίκαιος ἔσται ὅ τε νόμιμος καὶ ὁ ἴσος (eth. Nic. V 1,8, 1129a 31–34). Nach Aristoteles besteht die Gerechtigkeit darin, dass der Gerechte bei der Austeilung des Begehrenswerten sich selbst nicht mehr und den anderen weniger zukommen lässt: καὶ ἡ μὲν δικαιοσύνη ἐστὶ καθ ᾿ ἣν ὁ δίκαιος λέγεται πρακτικὸς κατὰ προαίρεσιν τοῦ δικαίου, καὶ διανεμητικὸς καὶ αὐτῷ πρὸς ἄλλον καὶ ἑτέρῳ πρὸς ἕτερον οὐχ οὕτως ὧστε τοῦ μὲν αἱρετοῦ πλέον αὐτῷ ἔλαττον δὲ τῷ πλησίον, τοῦ βλαβεροῦ δ᾿ ἀνάπαλιν, ἀλλὰ τοῦ ἴσου τοῦ κατ᾿ ἀναλογίαν, ὁμοίως δὲ καὶ ἄλλῳ πρὸς ἄλλον. Ἡ δ᾿ ἀδικία τοὐναντίον τοῦ ἀδίκου (eth. Nic. V 5,17–18, 1134a 1–7). Im Zusammenhang mit Gesetz und Gerechtigkeit erwähnt Aristoteles auch den Ehebruch: προστάττει δ ᾿ ὁ νόμος καὶ τὰ τοῦ ἀνδρείου ἔργα ποιεῖν, οἷον μὴ λείπειν τὴν τάξιν μηδὲ φεύγειν μηδὲ ῥίπτειν τὰ ὅπλα, καὶ τὰ τοῦ σώφρονος, οἷον μὴ μοιχεύειν μηδ᾿ ὑβρίζειν, καὶ τὰ τοῦ πράου, οἷον μὴ τύπτειν μηδὲ κατηγορεῖν (eth. Nic. V 1,14, 1129b 19–23). Außerdem: ἔτι εἰ ὁ μὲν τοῦ κερδαίνειν ἕνεκα μοιχεύει καὶ προσλαμβάνων, ὁ δὲ προστιθεὶς καὶ ζημιούμενος δι᾿ ἐπιθυμίαν, οὗτος μὲν ἀκόλαστος δόξειεν ἂν εἶναι μᾶλλον ἢ πλεονέκτης, ἐκεῖνος δ᾿ ἄδικος, ἀκόλαστος δ᾿ οὐ. δῆλον ἄρα ὅτι διὰ τὸ κερδαίνειν. ἔτι περὶ μὲν τἆλλα παντα ἀδικήματα γίνεται ἡ ἐπανάφορα ἐπί τινα μοχθηρίαν ἀεί, οἷον ἐμοίχησεν, ἐπ᾿ ἀκολασίαν, εἰ ἐγκατέλιπε τὴν παραστάτην, ἐπὶ δειλίαν, εἰ ἐπάταξεν, ἐπ᾿ οργήν. εἰ δ᾿ ἐκέρδανεν, ἐπ᾿ οὐδεμίαν μοχθηρίαν ἀλλ᾿ ἐπ᾿ ἀδικίαν (eth. Nic. V 2,4–5, 1130a 24–33). Der letzte Satz zeigt, dass unerlaubter Gewinn, da er keinem anderen Affekt, sondern unmittelbar der Ungerechtigkeit zuzuordnen ist, absolut verwerflich ist. Zum Beispiel beschreibt Polybios in IX 22,8; 25,1 und 26,11 Hannibal als geldgierig (φιλάργυρον, φιλαργύρῳ, φιλαργύρου). Hasdrubals πλεονεξία wird erwähnt in III 8,1, die des Apelles in IV 87,4.10, ebenso die der Aetoler (z. B. II 43,9; 45,1; 46,3), Kreter (z. B. VI 46,3; 46,9), Spartaner (z. B. VI 49,1) und Karthager (z. B. IX 11,2). In XVIII 55,1 werden φιλαργυρία und πλεονεξία miteinander in Beziehung gesetzt. Siehe: Burghart, Pleonexia 187/199. In XXXVI 17,1–2 führt Polybios den Bevölkerungsrückgang in Griechenland darauf zurück, dass die Menschen sich lieber der Prunksucht, Habgier und dem Leichtsinn hingeben als Kinder groß zu ziehen. Für Habgier benutzt er hier das Wort φιλοχρημοσύνη. Sophokles nennt in Ant. 1055 das Gewerbe der Wahrsager ein geldgieriges (φιλάργυρον) Gewerbe. Diodorus Siculus 5,27,4 beschreibt die Kelten, die in den Tempeln den Göttern geweihtes Gold und Silber lagern. Er erwähnt, dass keiner der Einheimischen sich daran vergreife aus Gottesfurcht, obwohl die Kelten geldliebend (ὄντων τῶν Κελτῶν φιλαργύρων) seien.
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ab.21 Nach Diogenes von Sinope ist Geldgier die Heimat allen Übels.22 Dion Chrysostomos (περὶ πλεονεξίας, or. 17) und Plutarch (περὶ φιλοπλουτίας, mor. 523c–528b) widmen der πλεονεξία eigene Abhandlungen. Dion Chrysostomos bezeichnet die πλεονεξία als Ursache der größten Übel,23 auch er fordert ein vernünftiges Maßhalten24 und eine Konzentration auf die Befriedigung der natürlichen Bedürfnisse.25 Bei Plutarch erscheint φιλαγυρία „als ethischer Topos, der entsprechend stoischer Lehre (Zenon, Chrysipp) der ἐπιθυμία […] als einem der πάθη […] zugeordnet und entsprechend negativ bewertet wird.“ 26 In mor. 523c–528b bezeichnet er φιλαγυρία als eine Begierde (ἐπιθυμία), die um ihre eigene Befriedigung kämpft.27 Nach Musonius erzeugt Schwelgerei ἀδικία und πλεονεξία. Die Philosophie lehrt, ἡδονή und πλεονεξία zu beherrschen.28 Lukian beschreibt in Nigrinus 16 Rom als Ort, wo Ehebruch (μοιχεία), Geldsucht (φιλαργυρία) und Meineid (ἐπιορκία) und alle anderen Laster (ἡδονῶν) die ganze Seele überschwemmen und jedes Gefühl von Scham, Tugend und Ge21 22
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Vgl.: Luck, Weisheit 14/6. Diog. Laert. 6,50: τὴν φιλαργυρίαν εἶπε μητρόπολιν πάντων τῶν κακῶν. Diogenes verglich den Geldgierigen mit jemandem, der die Wassersucht hat, Stob. 3,10,45: Διογένης ὠμοίου τοὺς φιλαργύρους τοῖς ἱδρωπτικοῖς. ἐκείνους μὲν γὰρ πλήρεις ὄντας ὑγροῦ ἐπιθυμεῖν ποτοῦ, τούς τε φιλαργύρους πλήρεις ὄντας ἀργυρίου ἐπιθυμεῖν πλείονος, ἀμφοτέρους δὲ πρὸς κακοῦ. ἐπιτείνεσθαι γὰρ μᾶλλον τὰ πάθη, ὅσῳ τὰ ἐπιθυμούμενα πορίζεται. „Der Geldgierige ist wie einer, der die Wassersucht hat. Er ist voll von Wasser und will doch immer trinken. Der Geldgierige ist voll von Geld und will immer mehr. Je mehr man sich von dem verschafft, was man begehrt, umso heftiger wird die Sucht.“ So gibt Luck, Weisheit 135, diese Stelle in einer freien Übersetzung wieder. Oratio 17,6: τῶν μεγίστων κακῶν αἴτιον. Siehe: Finkenrath; Niebuhr, πλεονεξία 133. Oratio 17,18–9. Vgl.: Delling, πλεονέκτης 268. In Oratio 4,84 beschreibt Dio Chrysostomos drei negative Arten von Lebensweisen, die eine wolllüstig – gerichtet auf die Freuden des Körpers –, die zweite auf Besitz (φιλοχρήματος) und Reichtum (φιλόπλουτος) ausgerichtet, die dritte auf Ehrgeiz und Ruhmsucht bezogen. Siehe zu Dion v. a.: Malherbe, Christianization 123/34, hier besonders 129. Finkenrath; Niebuhr, πλεονεξία 133. Siehe: Plut. cupdiv 4 (mor. 524e): φιλαργυρίαν δ᾿ οὐ σβέννυσιν ἀργύριον οὐδὲ χρυσίον οὐδὲ πλεονεξία παύεται κτωμένη πλέον. Die Aussage Plutarchs in 524c–d fasst Weiler, Verres 18, so zusammen: „Geldgier (φιλοπλουτία), so Plutarch, sei letztlich eine anscheinend psychisch angeborene Anlage, ein „schmerzvoller Leidenskampf (πάθος)“. Weder Silber noch Gold kann die Liebe zum Reichtum (φιλαργυρία) beseitigen, kein Medikament (φάρμακον) heile diese Krankheit (νόσος), denn das Mehr-Haben-Wollen finde mit dem Mehr-Besitzen kein Ende. Ihre Ursachen werden in der unersättlichen Begehrlichkeit (ἀπληστία), in einer unpassenden Beurteilung (διάκρισιν φαύλην) dieser Leidenschaft sowie in der Unbesonnenheit der Menschen (ἀλόγιστον) gesehen. Soviel zur Pathologie der Geldgier bei Plutarch.“ In der Biographie Catos (Cato 10) erwähnt Plutarch, dass Cato sich von der Beute nur so viel nahm, wie er brauchte zum Essen und Trinken. Er wolle, so sagte er, lieber mit den Besten um die Tapferkeit kämpfen als mit den Reichen um die Besitztümer und mit den Habgierigsten um die Habgier (καὶ τοῖς φιλαργυρωτάτοις περὶ φιλαργυρίας). Fragment III und VIII (Hense). Siehe: Delling, πλεονέκτης 268; Finkenrath; Niebuhr, πλεονεξία 133.
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rechtigkeit (δικαιοσύνη) beseitigen.29 Auch in der lateinischen Literatur wird die Liebe zum Geld bzw. die Habgier abgelehnt. 30 Im Alten Testament (LXX) erscheinen die Begriffe φιλαργυρία, φιλάργυρος und φιλαργυρεῖν nur jeweils an einer Stelle: In 2 Makk 10,20 ist die Rede von Soldaten, die aus Habgier (φιλαργυρήσαντες) Bestechungsgelder annehmen. In 4 Makk 1,26 wird φιλαργυρία neben anderen Lastern erwähnt. 4 Makk 2,8 spricht von der Möglichkeit auch für einen Geldliebenden bzw. Habgierigen, sein Verhalten durch die Ausrichtung am Gesetz positiv zu verändern: „In dem Augenblick, wo jemand seinen Lebenswandel am Gesetz ausrichtet, bezwingt er, auch wenn er habgierig gewesen sein mag, seinen eigenen Charakter: Er leiht den Bedürftigen, ohne Zinsen zu fordern, und lässt nach dem Ablauf der sieben Jahre die Schuldsumme gänzlich nach.“ 31 Etwas häufiger finden sich in der Septuaginta die Begriffe πλεονεξία, πλεονέκτης und πλεονεκτεῖν, „vor allem in der prophetischen Schelt- und Drohrede gegen unredlichen Gewinn und gewaltsame Bereicherung der politisch Mächtigen (Jes 28,8; Jer 22,17; Ez 22,27; Hab 2,9).“32 So wendet sich Ezechiel gegen Israel, dessen Priester das 29
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In Timon 55 beschreibt Lukian den Philosophen Thrasykles, der morgens die Tugend predige, beim Gastmahl aber trinke und das Gegenteil von dem tue, was er morgens gepredigt habe. Auch nüchtern ließe er sich nicht leicht übertreffen im Lügen, im Prahlen und in der Geldgier (φιλαργυρία). Siehe z. B.: Cic. leg. I 51, nat. deor. III 71 und off. II 75. Bei Seneca vgl.: epist. 115,10. Der römische Dichter Ovid erzählt den Mythos vom phrygischen König Midas (met. XI 85– 145), der sich sozusagen als Prototyp des Habgierigen durch seine Habgier selbst ins Unglück stürzt und nur durch das Wohlwollen der Götter und seine Selbsterkenntnis gerettet werden kann: Dionysos hatte Midas seinen Wunsch erfüllt, dass alles, was er berühre, zu Gold würde. Als auch die Speisen, die er zu sich nehmen will, sich in Metall verwandeln, erkennt Midas seinen Fehler. Dionysos lässt ihn daraufhin im Fluss Paktolos baden, auf den dann die Kraft des Goldes übergeht. Seitdem führt der Fluss goldfarbenen Sand. Midas wird gerettet, weil er – auf Grund der Macht des Faktischen – eine Metanoia durchmacht. Ovid lässt ihn gestehen „peccavimus“ (V. 132) und diese Einsicht wird für Dionysos Anlass, ihn von dem Verderben bringenden Geschenk (nocitura munera, V. 104) zu befreien: Bacchus peccasse fatentem restituit pactique fide data munera solvit (V. 134–135). In der Erzählung von den Weltzeitaltern sagt Ovid, der hier alten Kulturentstehungstheorien folgt, dass die Menschen im goldenen Zeitalter aus eigenem Antrieb das Rechte tun: Aurea prima sata est aetas, quae vindice nullo/sponte sua, sine lege, fidem rectumque colebat (met. I 89–90). Erst im eisernen Zeitalter kommen die Habgier (die Liebe des Habens!) und andere Laster in die Welt: fugere pudor verumque fidesque;/in quorum subiere locum fraudesque dolique/insidiaeque et vis et amor sceleratus habendi. (met. I 129–131). Breytenbach, Geld 133, der die Übersetzung der Stelle von Klauck zitiert. Finkenrath; Niebuhr, πλεονεξία 133. Die Version der Septuaginta von Jes 28,8 weicht erheblich vom hebräischen Text ab. Siehe außer den oben zitierten Stellen: 2 Makk 4,50; Weish 10,11; Sir 14,9 und Ri 5,19. Vgl. auch: Delling, πλεονέκτης 269. Beachtet werden muss, dass im weisheitlichen und rabbinischen Judentum Reichtum als göttlicher Segen und Armut als Fluch angesehen wurde, dass Habgier aber abgelehnt wurde. Siehe hierzu z. B.: Spr. 10,4; 10,15; 19,4; 19,7; 19,15; 22,4. Siehe hierzu: Petracca, Gott oder das Geld 182.
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Gesetz Gottes abschafften (22,26: ἠθέτησαν νόμον μου) und dessen Beamte Raubzüge begehen, um aus Habgier Gewinn zu machen (22,27: πλεονεξίᾳ πλεονεκτῶσιν). Die negative Sicht der Habgier als eines Gegenpols zum Gesetz Gottes wird vor allem deutlich im 119. Psalm, 33 der im ersten Vers diejenigen preist, die nach dem Gesetz Gottes (ἐν νόμῳ κυρίου) leben:34 In V. 36 bittet der Sprecher Gott darum, sein Herz den Vorschriften Gottes zuzuneigen und nicht der Habgier.35 Bei Philo von Alexandria36 „begegnet die Wortgruppe in vielfältiger Verwendung ausschließlich mit negativem Sinn (u. a. πλεονεξία […] als πάθος […] spec 4,5, als Quelle des elenden Lebens Mos 2,186, neben ἀδικία […], im Gegensatz zu ‚Besonnenheit, Gerechtigkeit und den übrigen Tugenden‘ praem 15, πλεονέκτης […] im Lasterkatalog sacr 32).“37 Philo sieht Geldgier als „Basis der schlimmsten Gesetzesübertretungen“38 und als Götzendienst an.39 Eine sehr eindringliche Mahnung gegen φιλαργυρία findet sich im Testament des Juda. 40 Der Autor warnt u. a., dass Geldgier und Unzucht (πορνεία) vom Gesetz Gottes wegführen, dass sie zu Übermut führen und das Mitgefühl gegenüber dem Nächsten zerstören. Wer diesen Leidenschaften diene (πάθεσιν δουλεύει), kön-
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Psalm 118 nach der Zählung der Septuaginta. Sie werden Gott von ganzem Herzen (ἐν ὅλῃ καρδίᾳ) suchen (V. 2). Auch in V. 34 verspricht der Beter, das Gesetz zu befolgen und es mit ganzem Herzen zu bewahren (καὶ ἐξερευνήσω τὸν νόμον σου καὶ φυλάξω αὐτὸν ἐν ὅλῃ καρδίᾳ μου). Κλῖνον τὴν καρδίαν μου εἰς τὰ μαρτύριά σου καὶ μὴ εἰς πλεονεξίαν. Philo war offenbar mit stoisch-kynischem Gedankengut vertraut: „Der jüdische Platoniker Philon von Alexandria (um 30 v. Chr. – um 40 n. Chr.) war zweifellos mit stoischkynischen Diatriben vertraut; in seinem umfangreichen Werk finden sich Ideale, Denkschemata und Überlegungen kynischen Ursprungs. Er preist das einfache Leben und die Askese, bekämpft Illusionen und falsche Meinungen, warnt vor der Lust in ihren vielerlei Gestalten […], verurteilt den Luxus, bewundert die Freiheit des Weisen und seine Überwindung der Leidenschaften, äußert, obwohl hochgebildet, Bedenken gegen die herkömmliche Bildung und beklagt den moralischen Niedergang der Menschheit.“ Luck, Weisheit 31. Finkenrath; Niebuhr, πλεονεξία 134. Vgl. die ausführlichere Untersuchung bei: Delling, πλεονέκτης 270. Finkenrath; Niebuhr, πλεονεξία 134. Siehe: spec 4,65. Auch Pseudo-Phocylides bezeichnet die Geldgier als Mutter aller Schlechtigkeit. Siehe: Delling, πλεονέκτης 270. spec 1,22–25: οἷς ὁ τῶν ὅλων πατὴρ προαγορεύει λέγων‧ Οὐ ποιήσετε μετ᾿ ἐμοῦ θεοὺς ἀργυροῦς καὶ χρυσοῦς […] μοι δοκεῖ τῶν πρὸς ἠθοποιίαν μάλιστα συντεινόντων, διελέγχων οὐ μετρίως τοὺς φιλοχρημάτους, οἱ πανταχόθεν μὲν ἀργύριον καὶ χρυσίον ἐκπορίζουσιν, τὸ δὲ προσθὲν ὡς ἄγαλμα θεῖον ἐν ἀδύτοις θησαυροφυλακοῦσιν, ἀγαθῶν αἴτιον καὶ τῆς συμπάσης εὐδαιμονίας τοῦτ᾿ εἶναι νομίζοντες […] πλούτῳ τιμὰς ἰσοθέους ἀπονέμειν οὐ προσήκει. „Die Warnung vor Habgier ist zentraler Bestandteil katechismusartiger Toraparänese (TestDan 5,7; TestGad 5,1; TestBenj 5,1; vgl. πλεονεκτεῖν […] TestIss 4,2; TestAss 2,5f).“ Finkenrath; Niebuhr, πλεονεξία 134. Vgl. auch: TestLev 14,5–8; 17,11.
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Die Rede Jesu an die Pharisäer: Lk 16,14–31
ne Gott nicht folgen. Abschließend warnt Juda, dass Geldgier zum Götzendienst führe.41 Auch im Neuen Testament wird die Liebe zum Geld bzw. die Habgier entschieden abgelehnt.42 Während sich die entsprechenden Begriffe in den Evangelien nur bei Lk 16,15 (φιλάργυροι), Lk 12,15 (πλεονεξίας) und Mk 7,22 41
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TestJud 18,2–19,1: 2. φυλάξασθε οὖν, τέκνα μου, ἀπὸ τῆς πορνείας καὶ τῆς φιλαργυρίας, ἀκούσατε Ἰουδὰ τοῦ πατρὸς ὑμῶν, 3. ὅτι ταῦτα ἀφιστᾷ νόμου θεοῦ, καὶ τυφλοὶ τὸ διαβούλιον τῆς ψυχῆς, καὶ ὑπερηφανίαν ἐκδιδάσκει, καὶ οὐκ ἀφίει ἄνδρα ἐλεῆσαι τὸν πλησίον αὐτοῦ, 4. στερίσκει τὴν ψυχὴν αὐτοῦ ἀπὸ πάσης ἀγαθοσύνης, καὶ συνέχει αὐτὸν ἐν μόχθοις καὶ πόνοις, καὶ ἀφιστᾷ ὕπνον αὐτοῦ, καὶ καταδαπανᾷ σάρκας αὐτοῦ, 5. καὶ θυσίας θεοῦ ἐμποδίζει, καὶ εὐλογίας οὐ μέμνηται, καὶ προφήτῃ λαλοῦντι οὐχ ὑπακούει, καὶ λόγῳ εὐσεβείας προςοχθίζει. 6. δύο γὰρ πάθη ἐναντία τῶν ἐντολῶν τοῦ θεοῦ δουλεύων θεῷ ὑπακούειν οὐ δύναται, ὅτι ἐτύφλωσαν τὴν ψυχὴν αὐτοῦ, καὶ ἐν ἡμέρᾳ ὡς ἐν νυκτὶ πορεύεται. XIX. τέκνα μου, ἡ φιλαργυρία πρὸς εἴδωλα ὁδηγεῖ, ὅτι ἐν πλάνῃ δι᾿ ἀργυρίου τοὺς μὴ ὄντας θεοὺς ὀνομάζουσιν, καὶ ποιεῖ τὸν ἔχοντα αὐτὴν εἰς ἔκστασιν ἐμπεσεῖν. Zitiert nach: Twelve Patriarchs; de Jonge 71/2. Einen Kommentar zur Stelle und eine englische Übersetzung bietet: Hollander; de Jonge, Twelve Patriarchs. Zu textkritischen Fragen vgl.: Twelve Patriarchs; Charles. P. Riessler übersetzt die Stelle folgendermaßen ins Deutsche: „2 Bewahret euch vor Buhlerei und Geldgier, meine Kinder! Hört doch auf euren Vater Juda! 3 Denn diese Dinge führen vom Gesetze Gottes weg und machen blind die Seelenkräfte und lehren Übermut und dulden nicht, daß Mitgefühl ein Mann dem Nächsten zeigt. 4 Der Seele rauben sie die Güte, bedrängen ihn mit Mühen und Beschwerden und rauben ihm den Schlaf, zermürben ihm das Fleisch. 5 Er hindert Gottes Opfer, gedenkt des Segens Gottes nicht, hört nicht auf des Propheten Rede, und über fromme Worte wird er unwillig. 6 Denn wer den beiden Leidenschaften dient, kann Gott nicht folgen; denn sie verblenden seine Seele. Er wandelt in dem Tageslicht, als ob es Nacht. 19. Kapitel 1 Die Geldgier, meine Kinder, führt zu den Götzenbildern hin; durch Geld verführt, benennen sie ja Götter die, die keine sind. Sie macht den, der sie hat, verrückt.“ So: Altjüdisches Schrifttum; Riessler 1187/8. Siehe zu dieser Stelle auch: Petracca, Gott oder das Geld 182/3. Siehe hierzu: Delling, πλεονέκτης 270/3 und Finkenrath; Niebuhr, πλεονεξία 134/5.
Die Überleitung zur Rede: Lk 16,14
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(πλεονεξίαι) finden, erscheinen sie häufiger in der neutestamentlichen Briefliteratur. Die Liebe zum Geld führt zu und steht im Zusammenhang mit vielen schändlichen Begierden und schlechten Verhaltensweisen (1 Tim 6,9–10; 2 Tim 3,2–4; Eph 4,1743). Deshalb bezeichnet der Autor des 1. Timotheusbriefes die Liebe zum Geld als Wurzel aller Übel: ῥίζα γὰρ πάντων τῶν κακῶν ἐστιν ἡ φιλαργυρία.44 So erscheinen die Begriffe φιλαργυρία/πλεονεξία bzw. φιλάργυρος/πλεονέκτης im Neuen Testament häufig in sogenannten Lasterkatalogen, Zusammenstellungen von abzulehnenden Eigenschaften und Verhaltensweisen bzw. von Menschen, deren Tun durch diese Laster geprägt ist (Mk 7,22; 2 Tim 3,2; Röm 1,29; 1 Kor 6,10; Kol 3,5, in gewisser Weise auch Eph 5,3–4). Sehr oft wird in diesen Lasterkatalogen und darüber hinaus die Geld- bzw. Habgier mit dem Laster der Unzucht bzw. des Ehebruchs zusammengenannt (Mk 7,22; 1 Kor 5,10–11; 1 Kor 6,9–10; Eph 5,3; Kol 3,5; 2 Petr 2,14, vgl. Hebr 13,4-5). In Mk 7,22 werden die Begriffe μοιχεῖαι und πλεονεξίαι direkt nebeneinandergestellt,45 in Eph 5,3 und Kol 3,5 bezeichnen diese beiden Begriffe zusammen mit dem Begriff ἀκαθαρσία bzw. dem Götzendienst die heidnischen Grundübel schlechthin.46 Des Weiteren findet sich neben dem Übel der Geld- bzw. Habgier häufig die Nennung der Ausschweifung (Mk 7,22 (ἀσέλγεια); Eph 4,19 (ἀσέλγεια); 2 Petr 2,14, wo davon die Rede ist, dass die Irrlehrer in ihrer Genusssucht prassen und schwelgen), des Hochmuts (Mk 7,22; Röm 1,29) und generell der Ungerechtigkeit, der ἀδικία (Röm 1,29; 1 Kor 6,10; Eph 5,3). Geldliebe bzw. Habgier ist Zeichen des alten, des heidnischen Menschen, sie ist nicht vereinbar mit dem Glauben an Gott und führt von Gott und dem Glauben an ihn weg (Eph 4,19;1 Tim 6,10; 2 Tim 3,2–8).47 So ist Geldliebe bzw. Habgier 43
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Paulus stellt dem Leben der Christen das der Heiden gegenüber, die dem Leben, das Gott schenkt, entfremdet sind durch die Unwissenheit und durch die Verhärtung ihres Herzens (διὰ τὴν πώρωσιν τῆς καρδίας αὐτῶν), die sich der Ausschweifung hingeben (τῇ ἀσελγείᾳ), um voll Gier jede Art von Gemeinheit zu begehen (εἰς ἐργασίαν ἀκαθαρσίας πάσης ἐν πλεονεξίᾳ). Der Autor verwendet hier eine formelhafte Wendung, wie sie häufiger auch in der Literatur vorkommt. Vgl.: Oberlinner, Timotheusbrief 283. Nach Oberlinner, Timotheusbrief 283, gehört der Hinweis auf die Gefahr des Reichtums und der Geldgier zu den festen Topoi paränetischer Texte. Pesch, Markusevangelium 1,1–8,26 382, sieht Ehebruch als Spezialfall des vorher genannten Begriffs πορνεῖαι und Habgier als Spezialfall des zuvor genannten Begriffs κλοπαί. Der auf πλεονεξίαι folgende Begriff πονηρίαι steht nach Pesch oft in Katalogen neben πλεονεξίαι und bezeichnet seines Erachtens die aus Geldgier stammende sittliche Unbrauchbarkeit. Nach Delling, πλεονέκτης 272, bezeichnet πλεονεξίαι im Unterschied zu κλοπαί „die Regungen der Besitzgier […], die zu Übervorteilungen des Nächsten führen.“ „Mit Unzucht, Unreinheit und Habsucht sind jene Laster genannt, die vom Standpunkt des Juden aus als typisch heidnisch gelten. Die Perversion des sexuellen und des Besitztriebes wurden als Kennzeichen heidnischen Wesens angesehen.“ Gnilka, Kolosserbrief 181. Vgl.: Gnilka, Epheserbrief 246. Siehe hierzu auch: Merklein, Korinther 44/5. „Kennzeichen derer, die vom rechten Glauben abfallen, ist entsprechend, daß sie ‚geldliebend‘ sind (2 Tim 3,2).“ Oberlinner, Habgier 184.
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Die Rede Jesu an die Pharisäer: Lk 16,14–31
Götzendienst: In Kol 3,5 wird Habgier explizit als Götzendienst bezeichnet, 48 in Eph 5,5 wird Habgier in Verbindung mit den heidnischen Grundübeln Unzucht und Unreinheit als Götzendienst qualifiziert;49 auch in 1 Kor 5,10–11 und 1 Kor 6,10 werden Götzendiener neben Habgierigen genannt. 50 Insofern führt Habgier zum Zorn Gottes (Röm 1,18.29; Kol 3,5–6; Eph 5,6) und steht dem Einlass in das Reich Gottes entgegen 51 (Eph 5,5). Von daher warnen neutestamentliche Autoren wie Lukas (Lk 12,15) und Paulus eindringlich vor der Habgier und fordern dazu auf, als neue Menschen, als Kinder des Lichts ein Leben nach dem Willen Gottes zu führen (Eph 4,17–24; Eph 5,1–11; Kol 3,5–10),52 nach „Gerechtigkeit, Frömmigkeit, Glauben, Liebe, Standhaftigkeit und Sanftmut” 53 zu streben, den guten Kampf des Glaubens zu kämpfen und das ewige Leben zu ergreifen (1 Tim 6,11–12).54 Die Betrachtung und Darstellung der oben angeführten Stellen in der antiken Literatur, an denen von φιλαργυρία und πλεονεξία die Rede ist, erhebt keineswegs den Anspruch, eine umfassende und alle Aspekte berücksichtigende Darstellung zum Thema Geldliebe bzw. Habgier in der Antike zu bieten. Dennoch wird ersichtlich, dass die Liebe zum Geld und dass Habgier sowohl in der profanen griechischen (und lateinischen) Literatur als auch in religiöser Literatur – jüdischer wie christlicher – negativ gewertet und entschieden abgelehnt werden. Dadurch dass Lukas, der als gebildeter Autor gilt, die Pharisäer als φιλάργυροι bezeichnet, spielt er auf die in der Literatur genannten negativen Aspekte der Geldliebe an und kann darauf vertrauen, dass sich bei den 48
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Nach Gnilka, Kolosserbrief 182, wird hier Habgier allein als Götzendienst gebrandmarkt. Seines Erachtens wird sie auch durch den Artikel von den anderen Lastern als Hauptlaster gekennzeichnet. Siehe auch: Finkenrath; Niebuhr, πλεονεξία 134: „Die Warnung vor Unzucht, Habgier und Götzendienst […] dient der umfassenden Charakterisierung eines dem Willen Gottes entsprechenden Wandels der Christen im Kontrast zu ihrer heidnischen Vergangenheit. Darin steht sie in Kontinuität zur frühjüd. Gesetzesparänese.“ Gnilka, Epheserbrief 248/9, ist der Meinung, dass sich der Ausdruck ὅ ἐστιν εἰδωλολάτρης neben πλεονέκτης auch auf die zuvor genannten Begriffe πόρνος und ἀκάθαρτος bezieht. Delling, πλεονέκτης 271, sieht dagegen hier wie in Kol 3,5 nur den πλεονέκτης als Götzendiener charakterisiert. Siehe zu diesen beiden Stellen: Merklein, Korinther 41/6 und 61/3. Vgl.: Finkenrath; Niebuhr, πλεονεξία 134/5. 1 Tim 3,3 fordert, dass der Gemeindeleiter frei von Geldgier (ἀφιλάργυρος) sein soll, eine Forderung, die in Hebr 13,5 generell auf Christen bezogen wird. Vgl.: Finkenrath; Niebuhr, πλεονεξία 135. 1 Tim 6,11 (EÜ 2016). Mit Gerechtigkeit (δικαιοσύνη) ist das gottwohlgefällige, rechte Verhalten, mit Frömmigkeit (εὐσέβεια) in ähnlicher Weise die Ausrichtung am Willen Gottes gemeint. Siehe: Oberlinner, Der erste Timotheusbrief 290. Der Autor des 1. Timotheusbriefes fordert den Menschen Gottes (ἄνθρωπε θεοῦ, 1 Tim 6,11) ausdrücklich auf, die Geldgier zu meiden. Mit der Anrede greift der Verfasser „eine in der alttestamentlichen Tradition vorgegebene, geläufige Benennung von durch Gott und für Gott zu besonderem Dienst erwählten Personen auf.“ Oberlinner, Der erste Timotheusbrief 289.
Die Überleitung zur Rede: Lk 16,14
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Rezipienten seines Textes eine Vorstellung einstellt, die das im Folgenden Ausgeführte verständlich macht. Denn Lukas greift – so die These – in den V. 15–31 Aspekte auf, die mit dem Begriff φιλάργυροι assoziiert werden können. Im Folgenden werden die Bezüge zwischen der mit diesem Begriff verbundenen Vorstellung und den V. 15–31 kurz dargestellt: 1.
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Gelegentlich wird das Leben eines φιλάργυρος bzw. eines πλεονέκτης mit einem Leben in Luxus, Ausschweifung und Schlemmerei in Verbindung gebracht.55 Lukas zeichnet in 16,19 den reichen Mann als einen Menschen, der ein Leben in Luxus führt, der täglich ausgiebig speist und der extrem teure Kleidung trägt. Mit Reichtum verbunden ist die Gefahr, dass der Reiche ganz auf sich bezogen den Nächsten vernachlässigt,56 dass es ihm an Mitleid mangelt, wie es im Testament Judas bzgl. Habsucht (und Unzucht) explizit gesagt wird: καὶ οὐκ ἀφίει ἄνδρα ἐλεῆσαι τὸν πλησίον αὐτοῦ. Eine solche Egozentrik lässt der reiche Mann im Gleichnis Lk 16,19–31 erkennen, er lebt in seiner Welt der Freude und des Luxus und beachtet den Notleidenden, der vor seiner Tür – also wahrnehmbar – daliegt, nicht. Immer wieder werden Geldliebe bzw. Habgier mit Unzucht und Ehebruch zusammen als negative Verhaltensweisen genannt. 57 Sie kennzeichnen in der jüdischen und neutestamentlichen Literatur das heidnische Verhalten im Generellen und sind so Gegenbegriffe zu einem Leben, das den Geboten Gottes entspricht.58 Auch in Lk 16,18 wird das Thema Ehebruch in den Kontext des Themas der φιλαργυρία eingebettet. In alttestamentlichen bzw. jüdischen Schriften erscheint die Liebe zum Geld bzw. die Habgier explizit als Gegenpol zum Gesetz Gottes bzw. einem Leben, das sich an den Geboten Gottes ausrichtet. 59 Auch in den neutestaSo: Plat. rep. 586 a/b; Musonius frg. III und VIII (Hense); Cic. fin. II 27 und III 75; Sen. epist. 90,36; Mk 7,22; Eph 4,19; 2 Petr 2,14. Nach Pesch, Markusevangelium 1,1–8,26 382, meint ἀσέλγεια in Mk 7,22 insbesondere die geschlechtliche Ausschweifung. Siehe zur Verbindung von Geldgier und einem luxuriösen Leben: Malherbe, Christianization 126. Siehe zu den in der griechisch-römischen Literatur beschriebenen Gefahren des Reichtums: Bredenhof, Failure and Prospect 126/9. Vgl.: Stob. III 10,46. So z. B.: Aristot. eth. Nic. V 1, 9–15, 1129b 1–25; eth. Nic. V 2, 4, 1130a 24–27; Lukian. Nigrinus 16. Eine detailliertere Untersuchung des Sachverhalts findet sich bei der semantischen Analyse des V. 16,18. So z. B.: TestJud 18,2–3; Mk 7,22; 1 Kor 5,10–11; 1 Kor 6,9–10; Eph 5,3; Kol 3,5; 2 Petr 2,14, Hebr 13,4–5. Siehe hierzu: Gnilka, Kolosserbrief 181; Gnilka, Epheserbrief 246; Merklein, Korinther 44/5. Siehe: Psalm 119 (118); Ez 22,26–27; 4 Makk 2,8; TestJud 18,3. Vgl. zum Zusammenhang zwischen TestJud und Lk 16,16: Petracca, Gott oder das Geld 183: „Darüber hinaus wird in beiden Texten die Geldgier übereinstimmend als Widerspruch zur Tora aufgefaßt: Einerseits führt die Tora zur Anbetung des wahren Gottes an Stelle der Verehrung von Vergänglichem; andererseits gebietet die Tora, sich des Armen zu erbarmen anstatt sich über ihn zu erheben.“ Vgl.: Crüsemann, Maßstab 221: „Habgier ist Ungehorsam gegen
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Die Rede Jesu an die Pharisäer: Lk 16,14–31 mentlichen Schriften steht φιλαργυρία/πλεονεξία einem Leben nach dem Willen Gottes entgegen60 und verhindert den Einlass in das Reich Gottes bzw. das ewige Leben.61 In der gesamten griechischen Literatur wird φιλαργυρία/πλεονεξία mit ἀδικία gleichgesetzt; der φιλάργυρος/ πλεονέκτης erscheint als der ἄδικος.62 Entsprechend wird als Gegenbegriff zur φιλαργυρία/πλεονεξία der Begriff δικαιοσύνη gebraucht,63 der vor allem in neutestamentlichen Kontexten das rechte Verhalten gemäß dem Willen Gottes bezeichnen kann.64 In Lk 16,16–17 wird den als φιλάργυροι qualifizierten Pharisäern als Adressaten der Rede Jesu provokant das Gesetz Gottes (ὁ νόμος) und seine bleibende Gültigkeit vor Augen geführt. Dadurch dass die Pharisäer als φιλάργυροι bezeichnet werden, erscheinen sie – obwohl sie sich selbst für gerecht halten (δικαιοῦντες, V. 15) – zugleich als ἄδικοι (vgl. Lk 16,10), als Menschen, die im Sinne Gottes nicht recht handeln, die das Gesetz Gottes nicht beachten, 65 die insofern Gott nicht treu (πιστοί, vgl. Lk 16,10–12) sind und die deswegen nicht als Kinder des Lichts66 (vgl. Lk 16,8) Anteil haben am Reich Gottes und dem ewigen Leben. Als Menschen, die der φιλαργυρία verfallen sind, huldigen sie dem μαμωνᾶς τῆς ἀδικίας (V. 9),67 statt sich durch Nutzen des Mammons Freunde zu machen (d. h. ihn zur Unterstützung für Mitmenschen zu gebrauchen; V. 9).
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Gottes Willen“. Thukydides beschreibt in III 82,8 schlechte Verhaltensweisen von Menschen im Krieg bzw. Bürgerkrieg. Als Ursache für diese schlechten Verhaltensweisen wie beispielsweise schädigendem Verhalten gegenüber anderen gilt ihm Herrschsucht (ἀρχή) wegen Habgier und Ehrgeiz (διὰ πλεονεξίαν καὶ φιλοτιμίαν). In diesem Zusammenhang spricht Thukydides davon, dass der Zusammenschluss von Menschen zu verbrecherischen Gruppen mehr galt als Familienbande. Diese Gruppen handelten gegen die bestehenden Gesetze aus persönlicher Gewinnsucht (πλεονεξίᾳ). Das gegenseitige Vertrauen beruhte weniger auf dem göttlichen Recht (τῷ θείῳ νόμῳ, III 82,6) als auf gemeinsam verübtem Unrecht. Siehe: 1 Tim 6,10–11; Röm 1,18–29; Eph 4,17–19; Kol 3,5–10; vgl.: 2 Tim 3,4 (φιλήδονοι μᾶλλον ἢ φιλόθεοι). Siehe: 1 Kor 6,9–10; Eph 5,5; 1 Tim 6,12. Vgl.: Plat. Gorg. 483a–c; Aristot. eth. Nic. V 1,8–9, 1129a 31–1129b 4; eth. Nic.V 2,4, 1130a 24–27; Musonius frgm. III und VIII (Hense); Röm 1,29; 1 Kor 6,9–10. Siehe: 1 Tim 6,11; Eph 4,24; 5,9. Vgl.: Plat. Gorg. 508a und Philo prob 159; Philo praem 15; Philo sacr 32. So in 1 Tim 6,11. Siehe: Oberlinner, Der erste Timotheusbrief 290. Vgl.: Gnilka, Epheserbrief 254, der zu Eph 5,9 auf Eph 4,24; 6,14; 2 Kor 6,14 und 1 Petr 3,14 verweist. Im redaktionellen Vers Lk 7,30 wird den Pharisäern vorgeworfen, den Willen Gottes zu missachten (οἱ δὲ Φαρισαῖοι καὶ οἱ νομικοὶ τὴν βουλὴν τοῦ θεοῦ ἠθέτησαν εἰς ἑαυτοὺς)! Vgl.: Eph 5,8. Dass Mammon in V. 9 als ungerecht bezeichnet wird, kann in Zusammenhang gesehen werden mit der Gleichsetzung von φιλαργυρία und ἀδικία, die in der griechischen Literatur immer wieder vorgenommen wird. Vgl.: Lk 16,11 (ἐν τῷ ἀδίκῳ μαμωνᾷ).
Die Überleitung zur Rede: Lk 16,14 4.
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Der Besitz des Geldes und das Streben danach richten den Menschen nach diesem aus. Das Geld wird zu einer Größe, an die der Mensch sein Herz hängt (vgl. Lk 16,15) und in der er Sicherheit sucht (vgl. Lk 12,18–19). Umgekehrt führt es den Menschen – wie unter Punkt 3 gesagt – von Gott und einem gottgefälligen Leben weg. Insofern werden Geldliebe bzw. Habgier in Kol 3,5 und Eph 5,568 als Götzendienst (εἰδωλολατρία bzw. εἰδωλολάτρης)69 bezeichnet.70 In Lk 16,15 hält Lukas den als geldliebend beschriebenen Pharisäern vor, dass Gott ihre Herzen 71 kenne; er wirft ihnen indirekt vor, sich um das zu sorgen, was vor Gott ein Gräuel (βδέλυγμα) ist. Bei dem Begriff βδέλυγμα „handelt es sich in den gesetzlichen Partien des AT einmal um Dinge, die kultisch (ästhetisch ?) ‚unrein‘, widerwärtig, abscheulich, sind, dann aber besonders um spezifisch heidnische Dinge, die nach dem AT Gott besonders widerwärtig sind. Darum heißen βδελύγματα auch die Götzen selbst […].“72 Den Pharisäern wird durch die Charakterisierung als φιλάργυροι vorgeworfen, in ihrem Verhalten Gott ein βδέλυγμα zu sein. Insofern wirft Lukas den Pharisäern vor, Götzendiener, nämlich Mammondiener (vgl. Lk 16,13) zu sein.73 Häufig taucht zusammen mit der Nennung des Begriffs φιλαργυρία/ πλεονεξία bzw. φιλάργυρος/πλεονέκτης der Begriff Hochmut auf:74 Geld und Reichtum verleiten den Menschen zu Überheblichkeit und Hochmut. In Lk 16,15 wird den Pharisäern vorgeworfen, sich selbst für gerecht zu halten, was eine Form des Hochmuts darstellt.
Obwohl mit der voranstehenden Zusammenstellung nicht behauptet werden soll, dass Lukas all diese Stellen oder auch eine spezielle Stelle (etwa TestJud) 75 bei der Abfassung des 16. Kapitels im Sinn gehabt hat, so ist doch sehr wahrscheinlich, dass er durch die Bezeichnung der Pharisäer als φιλάργυροι einen literarischen Topos aufgerufen hat, dass er einen Verstehenshorizont aufgezeigt und einen Verstehensraum eröffnet hat, den seine Rezipienten mit entsprechenden Assoziationen bzw. Vorstellungen füllen konnten und auf den er im Folgenden anspielen konnte. So konnte er – vorbereitet durch den Begriff φιλάργυροι – in den V. 15–31 eine Rede schaffen, die von den Rezipienten als 68 69
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Vgl.: 1 Kor 5,10–11. Der Begriff findet sich nur im NT und der davon abhängigen christlichen Literatur. Vgl.: Büchsel, εἴδωλον 377. So auch bei: Philo spec 1,22–25 und TestJud 19,1. Der Begriff καρδία begegnet mehrfach im Zusammenhang mit φιλαργυρία/πλεονεξία, z. B. Eph 4,18–19; 2 Petr 2,14. Foerster, βδελύσσομαι 599. Vgl.: Zmijewski, βδέλυγμα 503. So z. B.: TestJud 18,3; 2 Tim 3,2; Mk 7,22; Röm 1,29. Vor Arroganz warnt Martial den sehr reichen Rufinus in Epigramm III 31. Auch Petracca, Gott oder das Geld 183, sieht einige Bezüge zwischen TestJud und Lk 16.
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Die Rede Jesu an die Pharisäer: Lk 16,14–31
eine in sich schlüssige und zusammenhängende sowie auf die vorherige Rede (V. 1–13) zurückgreifende verstanden werden konnte. Zu fragen bleibt, warum Lukas die Pharisäer als φιλάργυροι bezeichnet und warum er nicht (wie in Lk 12,15) den Begriff πλεονέκτης nutzt. Wahrscheinlich möchte Lukas nicht betonen, dass die Pharisäer nach mehr streben, dass sie in diesem Sinne habgierig sind, sondern dass sie ihr Herz an das Geld und nicht an Gott hängen. Sie lieben ihren Besitz und ihr Geld, sie halten daran fest und möchten nichts davon verlieren oder abgeben. Mit diesem Begriff wirft Lukas den Pharisäern eine persönliche und emotionale Bindung an den Mammon vor, der sie von der wirklichen Liebe zu Gott abhält (vgl. Lk 16,13). Sie sind Freunde des Götzen Mammon und nicht Freunde Gottes. In Lk 16,9 werden die Jünger als Adressaten aufgefordert, sich Freunde mit dem ungerechten Mammon zu machen. Vielleicht greift Lukas den Begriff φίλ(ος) hier auf: Ein Verhalten im Sinne Gottes, das zum ewigen Leben (Lk 16,9) führt, soll den Mammon nutzen, um sich mit ihm Freunde zu machen, und nicht darin bestehen, Freund des Mammons zu sein. Nachdem Lukas die Pharisäer als φιλάργυροι charakterisiert hat, erwähnt er, dass sie höhnisch über Jesus lachen. Damit zeigen sie ihm gegenüber ein Verhalten, das ihr in 15,2 erwähntes Murren noch übertrifft.76 Das Wort ἐκμυκτηρίζω, ein ausdrucksstarkes Verb,77 heißt in der Grundbedeutung „die Nasenlöcher (ὁ μυκτήρ das Nasenloch) zum Zeichen der Verachtung zusammenpressen“, „die Nase rümpfen“78, also höhnisch lachen. Das Kompositum ist „nur im biblischen und nachbiblischen Griechisch“ 79 bezeugt, es wird mehrfach in der LXX gebraucht, so z. B. in Ps 2,4, Ps 21,8 und Ps 34,1680. Im NT kommt es nur bei Lukas vor, außer in Lk 16,14 noch Lk 23,35 (diff Mk 15,31, wahrscheinlich hat Lukas es mit Blick auf Ps 21,8 geschrieben), 81 wo es im Gegensatz zu den anderen aufgeführten Stellen absolut gebraucht ist, d. h. ohne Objekt.82 Lukas stellt mit diesem Verb die Reaktion der Pharisäer „in eine Reihe mit dem Verhalten der Toren gegenüber der Weisheit (Spr 1,30; 15,5; 23,9), der Gottlosen gegenüber dem Frommen (Ps 34,16) oder Israels gegenüber den Boten Gottes (2. Chr 36,16; 1./3. Esr 1,49; Jer 20,7)“ 83. Nach Bovon ist es in Lk 16,14 „nicht 76 77 78 79 80 81 82
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Vgl.: Metzger, Consumption and Wealth 132. Siehe auch: Welzen, Lucas 152. Vgl.: Bovon, Lukas III 96/7. So: Wolter, Lukasevangelium 553. Bertram, ἐκμυκτηρίζω 804. Siehe zu dem Begriff: Bertram, ἐκμυκτηρίζω 804/7. Vgl. auch: TestJos 2,3. Vgl.: Cadbury, Style 185 und Wolter, Lukasevangelium 553. Wohl in Anlehnung an den Gebrauch mit Objekt in LXX und Lk 16 ist in der Handschrift D ein αὐτόν als Objekt eingefügt worden. Dieser Version scheint die EÜ 2016 zu folgen: „auch die führenden Männer verlachten ihn und sagten“. Genauso übersetzt die LB 2017. Die LB von 1984 (Nestle-Aland 1986) bietet dagegen: „Aber die Oberen spotteten und sprachen“. Wolter, Lukasevangelium 553/4.
Die Überleitung zur Rede: Lk 16,14
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nötig zu wissen, weshalb die Pharisäer höhnisch lachen.“84 Seines Erachtens will Lukas „einfach ihre Opposition anzeigen“85. Allerdings lässt sich der Grund für den Spott der Pharisäer doch eindeutig ausmachen: Das καί verbindet die beiden Prädikate ἤκουον und ἐξεμυκτήριζον miteinander. Das Lachen steht also mit dem Hören auf einer Stufe, es folgt auf das Hören. Zu ἤκουον aber ist ταῦτα πάντα Objekt, das auf das vorher von Jesus an die Adresse der Jünger Gesagte hinweist. Daraus ergibt sich, dass die Pharisäer über das von Jesus über den Umgang mit Reichtum Gesagte höhnisch lachen. Die Begründung für ihre Opposition zu dem Gesagten wird in φιλάργυροι ὑπάρχοντες gegeben. In der Haltung der Pharisäer schwingt Überheblichkeit mit, eine Haltung, zu der, wie oben gezeigt, die φιλαργυρία verleitet.
84 85
Bovon, Lukas III 97. Bovon, Lukas III 97.
6.2
Mahnende Worte an die Pharisäer: Lk 16,15–18
6.2.1 Syntaktische Bezüge Mit den zu Beginn des V. 15 stehenden Worten καὶ εἶπεν αὐτοῖς leitet Lukas eine Rede Jesu ein. Das Subjekt zu diesem Satz (Jesus) ist nicht angegeben, sondern muss aus dem zu Ende des V. 14 stehenden αὐτόν erschlossen werden. Dass mit αὐτόν Jesus gemeint ist, wird durch den größeren Kontext klar: Jesus, der zuletzt in 14,2 namentlich genannt und seitdem immer nur durch Pronomina bezeichnet wurde, sprach das Gleichnis Lk 16,1–8 und die folgende Kommentierung Lk 16,9–13. Die Rede Jesu, die mit V. 15b beginnt, mündet in ein Gleichnis, das sich über die V. 19–31 erstreckt und in V. 19 nur durch die Konjunktion δέ1 mit dem Beginn der Rede verbunden ist. Für den Leser wird aber durch die Semantik des Begriffs ἄνθρωπός τις deutlich, dass nun ein Gleichnis in die Rede eingebunden wird. Aufgrund der unterschiedlichen Textsorte der V. 19–31 beschränkt sich die folgende Analyse zunächst auf den Beginn der Rede, also die V. 15b–18. Auffallend ist, dass in diesem Abschnitt alle Prädikate im Präsens formuliert sind,2 was den Eindruck von Einheitlichkeit erzeugt und zugleich signalisieren kann, dass es sich um allgemeingültige Aussagen handelt, die Bedeutung für die Gegenwart der Angesprochenen haben. Zur einheitlichen Form des Abschnitts trägt außerdem bei, dass keine Nebensätze verwendet werden. Des Weiteren ist bemerkenswert, dass nur V. 15b/c Bezug zur zweiten Person hat, dass also nur hier die Adressaten, die Pharisäer, direkt angesprochen werden. Der Rest des Abschnitts hat – anders als es in Lk 16,9–13 der Fall ist – keinen Bezug zur zweiten Person. Dies verstärkt den Eindruck, dass hier allgemeingültige, sentenzartige Aussagen vorgetragen werden, die letztlich auf einen größeren Leserkreis als die zuvor angesprochenen Pharisäer abzielen. Zudem bereiten diese Verse auf das in V. 19 einsetzende Gleichnis vor, in dem die Pharisäer freilich ebenfalls nicht direkt angesprochen werden. Die V. 16 und 18 schließen ohne Konjunktion an den jeweils vorhergehenden Vers an. Offenbar wird hier jeweils ein weiterer, neuer Argumentationsschritt angeschlossen. 1
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Wohl um das Gleichnis stärker von dem ersten Teil der Rede abzugrenzen, fügt Codex D „εἶπεν δὲ καὶ ἑτέραν παραβολήν“ ein. Das von Codex D und anderen hinter ὁ νόμος καὶ οἱ προφῆται μέχρι Ἰωάννου eingefügte ἐπροφήτευσαν scheint von Mt 11,13 übernommen zu sein. Lukas vermeidet sicher bewusst ein Prädikat in der Vergangenheit, um die Aktualität des Gesetzes herauszustreichen. Siehe dazu mehr bei den Beobachtungen zur Semantik!
Mahnende Worte an die Pharisäer: Lk 16,15–18
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Außerdem können diese asyndetischen Anschlüsse auf erregtes und energisches Sprechen hinweisen. Trotz des Fehlens der Konjunktionen bemüht sich der Autor aber offenbar, semantisch einen Zusammenhang zwischen diesen Versen und den jeweils vorhergehenden herzustellen. In V. 16b greift er durch den Begriff τοῦ θεοῦ das τοῦ θεοῦ aus V. 15d und das ὁ θεὸς aus V. 15c wieder auf. In V. 18a erscheint direkt zu Beginn das Wort πᾶς, das auch in V. 16c vorkommt.3 Zwischen den V. 15b und 18 besteht syntaktisch eine Beziehung, da in beiden Versen das Partizip mit Artikel statt eines Relativsatzes verwendet wird: οἱ δικαιοῦντες – ὁ ἀπολύων – γαμῶν – ὁ γαμῶν.4 V. 15b–d bildet eindeutig eine Einheit. Strukturell wird das daran deutlich, dass V. 15b und V. 15d mit derselben Wendung, nämlich der Präposition ἐνώπιον mit Genitiv, enden: ἐνώπιον τῶν ἀνθρώπων – ἐνώπιον τοῦ θεοῦ. Dadurch werden die Begriffe τῶν ἀνθρώπων und τοῦ θεοῦ antithetisch gegenübergestellt. Dieser Gegensatz wird in V. 15d durch den chiastischen Aufbau, durch die Ellipse und auch durch die Semantik der Begriffe ὑψηλὸν und βδέλυγμα sehr scharf formuliert: τὸ ἐν ἀνθώρποις
ὑψηλὸν
βδέλυγμα
ἐνώπιον τοῦ θεοῦ
Es handelt sich in V. 15d um eine äußerst nachdrücklich vorgetragene Sentenz oder Mahnung. Diese Sentenz wird durch ὅτι an V. 15b–c angeschlossen.5 V. 15b beginnt mit dem Pronomen ὑμεῖς und V. 15c endet mit dem Pronomen ὑμῶν. Direkt zu Beginn der Rede werden die Adressaten, die Pharisäer, auf diese Weise scharf angegangen. Es geht um das Handeln bzw. Verhalten der Pharisäer (V. 15b); V. 15c zeigt durch die Erweiterung mit τὰς καρδίας, dass es sich letztlich um das Innere, die innere Einstellung der Pharisäer handelt. Das Verhalten und die innere Einstellung der Pharisäer werden antithetisch gegenübergestellt. Die Pharisäer werden in beiden Teilversen in Beziehung gesetzt zu den Größen, die als Opponenten in den Teilversen 15b/d und vor allem 15d vorkommen, zu den Menschen und zu Gott. Anders als die Menschen (ἐνώπιον τῶν ἀνθρώπων) steht ὁ δὲ θεὸς markant zu Beginn des Teilverses 15c 3
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Der Bezug der Verse wäre noch stärker, wenn man mit den Codices אA K N P W Γ Δ Θ Ψ und anderen auch zu Beginn von V. 18b πᾶς lesen würde. Lukas verwendet diese Konstruktion häufig. Vgl.: Cadbury, Style 135/6. Die Partizipien in V. 18 werden allerdings Q zugerechnet. Siehe: Spruchquelle Q 100. „ὅτι is used by Luke several times in place of γάρ or where in Mark there is asyndeton to secure closer relation between two sentences.“ Cadbury, Style 139. Wenn das ὅτι hier begründend aufzufassen wäre, müsste man zwischen V. 15c und 15d einen weiteren – nicht explizit genannten – Gedanken einschieben, etwa in folgender Art: „Ihr seid die, die sich selbst für gerecht halten vor den Menschen, Gott aber kennt eure Herzen. Er verurteilt euer Verhalten, denn das, was vor den Menschen groß ist, ist vor Gott ein Gräuel.“ Eher ist anzunehmen, dass V. 15d als Sentenz eng an das Vorhergehende gebunden werden soll, so wie es in Lk 14,11; 18,14 und in gewisser Weise auch in 16,8 der Fall ist.
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und durch ein adversatives δὲ verstärkt dem ὑμεῖς (am Beginn von V. 15b) als Subjekt gegenüber, während die Pharisäer zum Objekt werden (τὰς καρδίας ὑμῶν). So erscheint in V. 15c Gott – und nicht die Menschen – als die Größe, die letztlich über die Pharisäer bzw. ihr Verhalten entscheidet und zu dem diese sich in Beziehung setzen sollten. Dieser Aspekt wird dadurch verstärkt, dass ἐνώπιον τοῦ θεοῦ (V. 15d) betont die Endposition der Aussage einnimmt. V. 16 schließt ohne Konjunktion an V. 15 an. Die V. 16a–b beinhalten drei Subjekte (ὁ νόμος, οἱ προφηῆται und ἡ βασιλεία τοῦ θεοῦ), wovon die beiden ersten unmittelbar am Versanfang stehen und durch eine Ellipse zusätzlich hervorgehoben werden. Der durch die Konjunktion καί angeschlossene V. 16c erhält durch πᾶς ein neues Subjekt, der Teilvers bezieht sich durch das Pronomen αὐτὴν auf V. 16b (βασιλεία). Außerdem wird durch die Verwendung derselben Form (allerdings bezogen auf unterschiedliche Subjekte) bei εὐαγγελίζεται und βιάζεται deutlich, dass diese beiden Begriffe eng zusammengehören. Jeder ist aufgefordert, sich zur Verkündigung der βασιλεία τοῦ θεοῦ in Beziehung zu setzen, was die Pharisäer allerdings nicht tun. V. 17, eingeleitet durch ein komparativisches Adjektiv und durch die Partikel δέ mit V. 16 verbunden, bildet eine enge Einheit mit dem vorhergehenden Vers. Der Begriff νόμος aus V. 16a wird wieder aufgegriffen, ein neues sächliches Subjekt wird nicht eingeführt. Grammatisch ist der an den Schluss des Satzes gestellte AcI, der den Begriff νόμος aufgreift, Subjekt. Dies zeigt die enge Verbindung der Verse. Der AcI ist parallel strukturiert: ἢ
τὸν οὐρανὸν καὶ τὴν γῆν τοῦ νόμου μίαν κεραίαν
παρελθεῖν πεσεῖν.
Während im ersten Teil des AcIs τὸν οὐρανὸν καὶ τὴν γῆν eine Einheit bilden, wird im zweiten Teil μίαν κεραίαν durch das Genitivattribut τοῦ νόμου erweitert. Durch die Voranstellung des τοῦ νόμου wird dieser Begriff stark hervorgehoben. Der ohne Konjunktion angefügte V. 18 besteht aus zwei Teilen (V. 18 a und 18b), die parallel aufgebaut und durch καί miteinander verbunden sind: καὶ
πᾶς ὁ ἀπολύων τὴν γυναῖκα αὐτοῦ καὶ ὁ ἀπολελυμένην ἀπὸ ἀνδρὸς
γαμῶν ἑτέραν μοιχεύει γαμῶν μοιχεύει
Die Parallelität wird vor allem durch das jeweils am Ende stehende Prädikat, das semantisch identisch ist, und das jeweils am Anfang stehende Subjekt πᾶς ὁ mit folgendem Partizip erzielt. Die Parallelität würde noch verstärkt, wenn man mit den Codices אA W Θ Ψ und anderen auch in V. 18b πᾶς ὁ lesen würde, vielleicht ist das πᾶς hier aufgrund der Variation weggelassen worden. Während in der ersten Satzeinheit das Subjekt πᾶς ὁ durch zwei mit καί verbundene Partizipien im Nominativ erläutert wird, findet sich in der zweiten Satzeinheit
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nur ein Partizip im Nominativ, wobei das γαμῶν aus V. 18a wieder aufgenommen wird. Das γαμῶν steht damit gegenüber dem ἀπολύων im Fokus der Aussage. Das ἀπολύων aus V. 18a wird in V. 18b auch wieder aufgenommen, jetzt allerdings als Objekt und strukturell in Parallelität zu γυναῖκα. Die Objekte werden in V. 18a durch αὐτοῦ und in V. 18b durch ἀπὸ ἀνδρὸς6 jeweils durch ein Genitivattribut ergänzt. Im zweiten Teilvers ist die von ihrem Mann entlassene Frau, von der in V. 18a die Rede war, Objekt. In V. 18a steht dem Objekt τὴν γυναῖκα ἀυτοῦ noch ein weiteres Objekt (ἑτέραν) gegenüber. Dieses Objekt steht betont zwischen γαμῶν und μοιχεύει. Im Kern der Aussage steht in beiden Teilversen das γαμῶν, in V. 18a geht es um die Heirat einer weiteren Frau (nach einer Scheidung), während es in V. 18b um die Heirat einer geschiedenen Frau geht. An V. 18 schließt – durch die Konjunktion δέ verbunden – das Gleichnis (V. 19–31) an, das durch den Begriff ἄνθρωπός τις vom Leser klar als Gleichnistext identifiziert werden kann. Dadurch dass Lukas diesen Text nur durch ein δέ und nicht durch eine Redeeinleitung7 anschließt, wird deutlich, dass das Gleichnis in enger Verbindung zu den vorhergehenden Versen zu lesen ist. Insgesamt betrachtet, lässt sich feststellen, dass die V. 15, 16–17 und 18 mit ihren jeweiligen Teilen strukturell und syntaktisch jeweils klare Einheiten bilden, dass die V. 15–18 aber auch untereinander Bezüge aufbauen,8 so dass man aufgrund dieser Bezüge, des einheitlichen Tempusprofils und der Vermeidung von Nebensätzen darauf schließen kann, dass Lukas den Eindruck einer einheitlich komponierten und zusammenhängenden Rede erwecken wollte. Interessant ist noch ein struktureller Vergleich der Redestücke V. 9–13 und V. 15–18. Beide Redestücke sind formal ähnlich aufgebaut: Zunächst erfolgt eine direkte Anrede der Adressaten (der Jünger in V. 9 und der Pharisäer in V. 15, wobei in beiden Fällen das Pronomen betont an den Anfang gestellt ist: ἑαυτοῖς – ὑμεῖς), dann eine asyndetisch angefügte erweiternde und begründende Spruchfolge (in V. 10–12 eine Begründung für das richtige Nutzen des Reichtums, in V. 16–17 eine Begründung für die Qualifizierung der pharisäischen Besitzesliebe als βδέλυγμα) und zum Schluss ein erneut asyndetisch 6 7
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Der Genitiv ἀπὸ ἀνδρὸς fehlt allerdings in wenigen Handschriften. Wenn man mit Codex D „εἶπεν δὲ καὶ ἑτέραν παραβολήν“ vor dem Gleichnis liest, ist dieser enge Bezug nicht gegeben. Nach Donahue, Gospel 173, sind die V. 16–31 chiastisch angeordnet: A Bezug zwischen Gesetz und Propheten zur Verkündigung des Reiches Gottes (V. 16) B Spruch über die bleibende Gültigkeit des Gesetzes (V. 17) B‘ Spruch zur Ehescheidung als Beispiel für die bleibende Gültigkeit des Gesetzes (V. 18) A‘ Parabel vom Reichen und Lazarus als Ausdruck von Gesetz und Propheten, interpretiert durch die Verkündigung Jesu (V. 19–31). Obwohl hier Beziehungen zwischen den Versen klar erkannt werden, ist Donahues Strukturanalyse nicht ganz überzeugend, da V. 15 als Bestandteil der Rede unberücksichtigt bleibt.
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angeführter, generalisierender (V. 13: οὐδείς; V. 18: πᾶς)9 Spruch aus Q.10 Auch dieser Befund deutet darauf hin, dass der Autor offenbar die aus der Tradition übernommenen Textpassagen so miteinander kombiniert und durch eigene Textstücke angereichert hat, dass einheitlich komponierte Texte als Kommentar bzw. als Hinführung zu den beiden Gleichnissen entstanden sind.
6.2.2 Semantische Implikationen 6.2.2.1 Das selbstgerechte Verhalten der Pharisäer als Gräuel vor Gott: Der Vers 15 Mit καὶ εἶπεν αὐτοῖς11 in V. 15 leitet Lukas die nun folgende Rede an die in V. 14 eingeführten Pharisäer ein. Anzunehmen ist, dass neben den Pharisäern die im ersten Teil von Kapitel 16 erwähnten Jünger nun auch das folgende an die Pharisäer Gerichtete hören.12 Nach der Redeeinleitung καὶ εἶπεν αὐτοῖς setzt Jesus zu einer scharfen Entgegnung an und wirft den Pharisäern Selbstgerechtigkeit vor. 13 Δικαιόω mit Reflexivpronomen bedeutet sich selbst als gerecht, als δίκαιος, zu bezeichnen.14 Δίκαιος bezeichnet bei allen griechischen Schriftstellern jemanden, der sich an Brauch und Regel hält.15 Das Wort δίκαιος findet sich bei Lukas an 17 Stellen, elfmal im Evangelium und sechsmal in der Apostelgeschichte.16 Ein δίκαιος befolgt streng die Gebote und Vorschriften Gottes. So werden Zacharias und 9
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Anders als in V. 18 wird allerdings in V. 13 – wie in den V. 10–12 – ein erneuter Bezug zu den Adressaten hergestellt. Vergleichen lassen sich die ebenso asyndetisch angeschlossenen Q-Verse in Lk 14,27 (textkritisch allerdings nicht sicher) und Lk 17,33. Siehe zur Verwendung des Asyndetons, das Lukas oft vermeidet: Cadbury, Style 147/8. Solche Redeeinleitungen sind typisch lukanischer Stil. Vgl. z. B. auch: 17,5; 17,22; 18,1; 18,9; 18,19; 18,28. Zu diesen der lukanischen Redaktion zuzuordnenden V. 14–15 bemerkt Bovon, Lukas III 96: „Der Bericht macht hier eine Pause, und der Erzähler ergreift erneut das Wort, um an der Seite der Jünger andere Hörer zu erwähnen, die Pharisäer […] Insbesondere an sie richtet Jesus seine folgenden Worte (V. 15–31), doch wird er sich danach wieder an die Jünger wenden, 17, 1). Diese Wechsel der Hörerschaft setzen voraus, daß das an die Kirche gerichtete Evangelium eine mahnende Streuwirkung hat und gegenüber Außenstehenden eine apologetische oder polemische Funktion erfüllt. Die Wechsel der Hörerschaft geben ein und derselben Botschaft einen besonderen Ton, denn oft sind in den Pharisäern der Erzählung auch die Jünger angesprochen.“ Mora Paz, Struktur 125, schreibt über die Pharisäer: „Der Stolz, das Gesetz zu erfüllen, führte zur Abneigung gegenüber den Sündern und förderte ein Gefühl der Überlegenheit.” Liddell-Scott 429. Liddell-Scott 429: „observant of custom or rule.“ Siehe: G. Schneider, δίκαιος 781.
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Elisabeth als gerecht vor Gott (δίκαιοι ἐναντίον τοῦ θεοῦ) bezeichnet (Lk 1,6), weil sie in allen Vorschriften und Geboten Gottes untadelig lebten (πορευόμενοι ἐν πάσαις ταῖς ἐντολαῖς καὶ δικαιώμασιν τοῦ κυρίου ἄμεμπτοι). Der greise Simeon ist gerecht und gottesfürchtig und lebt in der Erwartung des Heils (Lk 2,25: καὶ ὁ ἄνθρωπος οὗτος δίκαιος καὶ εὐλαβὴς προσδεχόμενος παράκλησιν τοῦ Ἰσραήλ, καὶ πνεῦμα ἦν ἅγιον ἐπ’ αὐτόν). Joseph von Arimathea ist gut und gerecht und erwartet die Gottesherrschaft (Lk 23,50: ἀνὴρ ἀγαθὸς καὶ δίκαιος […] ὃς προςεδέχετο τὴν βασιλείαν τοῦ θεοῦ). In Apg 10,22 wird der Hauptmann Kornelius als ἀνὴρ δίκαιος καὶ φοβούμενος τὸν θεόν bezeichnet, während er zuvor in 10,2 εὐσεβὴς καὶ φοβούμενος τὸν θεόν genannt wird. Gottesfurcht und Gerechtigkeit gehören für Lukas zusammen. Von Kornelius wird zudem noch berichtet, dass er Almosen gibt (ποιῶν ἐλεημοσύνας πολλὰς τῷ λαῷ). Jesus ist der δίκαιος schlechthin, wie aus den Worten des Hauptmanns am Kreuz hervorgeht: ὄντως ὁ ἄνθρωπος οὗτος δίκαιος ἦν (23,47).17 Den Gegensatz zu den δίκαιοι bilden die ἁμαρτωλοί, die Sünder. Sie werden von Jesus mit Kranken verglichen, die des Arztes bedürfen (5,32). Dass die Gerechten der Umkehr nicht bedürfen, geht aus der Fortführung hervor: οὐκ ἐλήλυθα καλέσαι δικαίους ἀλλὰ ἁμαρτωλοὺς εἰς ματάνοιαν. Μετάνοια ist wie das Verb μετανοεῖν ein zentraler Begriff im Zusammenhang mit den den δίκαιοι entgegengesetzten ἁμαρτωλοί. So heißt es in Lk 15,7: λέγω ὑμῖν ὅτι οὕτως χαρὰ ἐν τῷ οὐρανῷ ἔσται ἐπὶ ἑνὶ ἁμαρτωλῷ μετανοοῦντι ἢ ἐπὶ ἐνενήκοντα ἐννέα δικαίοις οἵτινες οὐ χρείαν ἔχουσιν μετανοίας und parallel dazu 15,10 οὕτως, λέγω ὑμῖν, γίνεται χαρὰ ἐνώπιον τῶν ἀγγέλων τοῦ θεοῦ ἐπὶ ἑνὶ ἁμαρτωλῷ μετανοοῦντι. So wie Jesus die Sünder zur Umkehr aufruft, wurde bereits Johannes als Auftrag angesagt, die Ungehorsamen zur Gesinnung der Gerechten zu führen (Lk 1,17). Den Gerechten wird nach Lk 14,14 für ihr Verhalten Lohn bei der Auferstehung versprochen: Der lukanische Jesus – dieser Gedanke findet sich nur in Lk – fordert auf, zu einem Gastmahl statt Freunden, Verwandten und Menschen, die einen gegeneinladen können, Arme, Krüppel, Lahme und Blinde einzuladen (Lk 14,13). Dafür wird man seinen Lohn bei der Auferstehung der Gerechten (ἀνταποδοθήσεται γάρ σοι ἐν τῇ ἀναστάσει τῶν δικαίων) erhalten.18 Derjenige, der also Arme beköstigt, kann nach dem Lukasevangelium zu den Gerechten gezählt werden. Die Beköstigung der Armen zählt offensichtlich zu den Grundanliegen des Lukas. Gerade dieser Forderung kommt der Reiche im Gleichnis vom armen Lazarus nicht nach. 17
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Bei Matthäus und Markus spricht der Hauptmann von Gottes Sohn: Mt 27,54: ἀληθῶς θεοῦ υἱὸς ἦν οὗτος Mk 15,39: ἀληθῶς οὗτος ὁ ἄνθρωπος υἱὸς θεοῦ ἦν. Als der Gerechte wird Jesus auch bezeichnet Apg 3,14; 7,52; 22,14. Lukas greift offenbar die jüdische und urchristliche Tradition, die den erwarteten Messias als den (leidenden) Gerechten bezeichnet, auf und qualifiziert somit Jesus als den Messias. Vgl.: G. Schneider, δίκαιος 783. Von der Auferstehung der Gerechten ist auch die Rede in Apg 24,15 (ἀνάστασιν μέλλειν ἔσεσθαι δικαίων τε καὶ ἀδίκων). Allerdings ist hier keine Rede von Lohn oder Bestrafung.
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Δίκαιος und νόμος finden sich zusammen in einem Vers, 1 Tim 1,9: δικαίῳ νόμος οὐ κεῖται. Ebenso wenig wie die μετάνοια notwendig für die Gerechten ist, ist das Gesetz nicht für den Gerechten bestimmt, sondern für die Gottlosen, die Verbrecher. Die Pharisäer halten sich selbst für δίκαιοι.19 Das Wort δικαιόω findet sich bei Lukas an sieben Stellen,20 an zwei Stellen ist es mit einem Reflexivpronomen verbunden, neben 16,15 noch 10,29. In dem Gespräch Lk 10,25–29, das dem Gleichnis vom barmherzigen Samariter vorangeht, will der Gesetzeslehrer seine ursprüngliche Frage, was er tun müsse, um das ewige Leben zu erlangen, durch eine zweite Frage (Wer ist mein Nächster?) rechtfertigen, d. h. als berechtigt hinstellen. Neben der vordergründigen Bedeutung „rechtfertigen“ kann die Wendung δικαιῶσαι ἑαυτόν aber auch als ein Hinweis darauf verstanden werden, dass der Gesetzeslehrer sich selbst als Gerechten darstellen möchte.21 Eine Parallele zu 16,15 findet sich auch 18,9: Hier spricht Jesus zu einigen, die bei sich überzeugt waren, dass sie gerecht seien, und die anderen verachteten (πρός τινας τοὺς πεποιθότας ἐφ’ ἑαυτοῖς ὅτι εἰσὶν δίκαιοι καὶ ἐξουθενοῦντας τοὺς λοιποὺς […]). Dem Bewusstsein der eigenen Gerechtigkeit entspricht das „Verhalten des Pharisäers im Gleichnis (zweimaliges Fasten – und doppeltes? – Verzehnten). Dies aber gehörte neben dem Sabbat zu denjenigen Punkten, an denen jüdisches Leben im paganen Umfeld (in der Regel: negativ) auffiel. Es ist darum kein Zufall, daß der Gegentyp im Gleichnis ein Zöllner als Repräsentant heidnischer Unreinheit ist, der diese Distinktionsmerkmale nicht aufweisen kann.“22 Als wirklich Gerechter kehrt am Ende des Gleichnisses der Zöllner in sein Haus zurück: κατέβη οὗτος δεδικαιωμένος εἰς 19
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In der Auffassung der Pharisäer widersprechen sich Reichtum und Gerechtigkeit ja nicht. „Armut wurde von vielen Pharisäern als ein Fluch betrachtet. Reichtum galt als Belohnung für die Gottesfurcht; die Armut dagegen als Strafe für Sünde. Diese Auffassung findet sich auch in der alten Weisheit Israels: ‚Der Lohn für Demut und Gottesfurcht ist Reichtum, Ehre und Leben‘ (Spr 22,4). Wer also den Reichtum der Pharisäer anfocht, stellte gleichzeitig ihre Gesetzestreue und ihre Moral in Frage.“ Mora Paz, Struktur 125. Lk 7,29; 7,35; 10,29; 16,15; 18,14; Apg 13,38; 13,39. Vgl. Kertelge, δικαιόω 805: „In 10,29 kennzeichnet der Satz ‚er aber wollte sich selbst rechtfertigen‘ die Intention des Gesetzeslehrers im Gespräch mit Jesus, bezogen auf seine Ausgangsfrage nach dem notwendigen Tun in V. 25. Aber diese Rückbeziehung bleibt sehr offen, so daß es möglich erscheint, in dem Versuch der Selbstrechtfertigung entsprechend 16,15 den Ausdruck ‚pharisäischer Haltung‘ […] zu sehen. Die Selbstrechtfertigung des Gesetzeslehrers ist hier allerdings nicht vom pln Rechtfertigungsbegriff her zu interpretieren […] Eine theol. belastende Interpretation des Ausdrucks ist jedenfalls nicht angebracht“. Siehe auch: Klinghardt, Gesetz 32: „Der Gesetzeslehrer rechtfertigt nicht seine angeblich versucherische Frage nach den Bedingungen des ewigen Lebens, sondern verweist auf seine soteriologisch bedeutsame Zugehörigkeit zu dem erwählten Volk; erst daraufhin erhält das Samaritanergleichnis sein Gewicht: Eben diese ethnische Beschränkung ist aufgehoben.“ Klinghardt, Gesetz 30.
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τὸν οἶκον αὐτοῦ παρ’ ἐκεῖνον. Vergleichbar mit Lk 16,15 ist auch die Wendung Lk 20,20: Καὶ παρατηρήσαντες ἀπέστειλαν ἐγκαθέτους ὑποκρινομένους ἑαυτοὺς δικαίους εἶναι. Die Gegner Jesu verstellen sich, sie geben nur vor gerecht zu sein. In PsSal 1,3–8 werden der eigenen Gerechtigkeit gegenübergestellt Reichtum und Ruhm, Selbsterhöhung und Übermut und Sünde im Verborgenen. „Konstitutiv für das Ganze ist der Gegensatz zwischen vorgeblicher Gerechtigkeit (die offensichtlich und positiv ist) und der tatsächlichen (verborgenen) Gesetzlosigkeit, die sich vor allem im (Missbrauch von) Reichtum äußert. Von daher wird die Gerechtigkeit fragwürdig.“23 Die Parallelen zur lukanischen Schilderung der Pharisäer zeigt Klinghardt auf am Text AssMos 7,3–10, in dem die vorgebliche Gerechtigkeit der Pharisäer kritisiert wird: „Verweis auf eigene Gerechtigkeit, die wohl auf ausgeprägten Reinheitsvorstellungen beruht (7,3.9 vgl. Lk 16,18; 18,9ff), Anspruch auf führende Stellung (7,8b vgl. Lk 11,43), Vorliebe für ausschweifendes Leben und kulinarische Genüsse (7,4.8 vgl. Lk 8,14; 12,19ff) zu Lasten der Armen (7,6 vgl. Lk 16,19ff). Die Nähe zu PsSal liegt darin, daß die Sünde im Verborgenen geschieht (7,7)“.24 Der Gegensatz „scheinbare Gerechtigkeit (verbunden mit Reichtum) – Herz“ findet sich äthHen 96,4.25 Die Mahnreden von äthHen 91–105 scheinen Lukas bekannt gewesen zu sein.26 Die angeführten Stellen machen deutlich, dass Selbstgerechtigkeit als Charakteristikum der Pharisäer gesehen wird. Damit verbunden ist häufig der Missbrauch von Reichtum, der nicht vereinbar ist mit Gerechtigkeit und Gesetzesgehorsam. Die Pharisäer aber können nur den Menschen gegenüber sich selbst als gerecht hinstellen, sie können nur die Menschen täuschen;27 Gott kennt ihre Herzen, d. h. ihre wahre Gesinnung. Mit καρδία wird das Innere des Menschen
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Klinghardt, Gesetz 33. Siehe auch Anm. 12: „Nach PsSal 4,5; 8,9 sind die Sünden im Verborgenen sexuelle Vergehen (Inzest, Ehebruch).“ Klinghardt, Gesetz 34. Siehe: Klinghardt, Gesetz 35. Siehe dazu auch: Wolter, Lukasevangelium 554. Für die Wendung δικαιοῦντες ἑαυτούς (gr)Hen 102, 10, Ἴδετε οὖν, οἱ δικαιοῦντες (ἑαυ)τούς, ὁποία ἐγένετο αὐτῶν ἡ κατασ(τρο)φή, ὅτι πᾶσα δικαιοσύνη οὐχ εὑρέ(θη) ἐν αὐτοῖς ἕως ἀπέθανον καὶ ἀπώλον(το κ)αὶ ἐγένοντο ὡς οὐκ ὄντες καὶ κατέ(βησα)ν αἱ ψυχαὶ αὐτῶν μετ ὀδύνης εἰς (ἁίδου) […], als sprachliche Parallele anzuführen (so: Klinghardt, Gesetz 34) ist sehr gewagt, da die Stelle sehr verderbt ist und das ἑαυτούς nur eine der möglichen Ergänzungen darstellt. Vgl.: Lk 12,1: Jesus warnt seine Jünger vor der Heuchelei der Pharisäer: προσέχετε ἑαυτοῖς ἀπὸ τῆς ζύμης, ἥτις ἐστὶν ὑπόκρισις, τῶν Φαρισαίων.
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bezeichnet, das aber die konkrete Lebensführung bestimmt.28 Es ist der Sitz von Verstand, Erkenntnis und Wille.29 Gott ist der Herzenskenner.30 Die Fähigkeit in die Herzen der Menschen zu schauen und ihre Überlegungen zu erkennen, hat auch Jesus. Er erkennt (ἐπιγνοὺς) die Überlegungen (τοὺς διαλογισμοὺς) der Pharisäer und fragt: τί διαλογίζεσθε ἐν ταῖς καρδίαις ὑμῶν; (Lk 5,20–23). Vergleichbar ist die Stelle 9,47: ὁ δὲ Ἰησοῦς εἰδὼς τὸν διαλογισμὸν τῆς καρδίας αὐτῶν.31 Aufschlussreich ist vor allem Lk 11,37–41. Jesus sagt zu dem Pharisäer, bei dem er zum Essen eingeladen ist und der sich gewundert hatte, dass Jesus sich vor dem Essen nicht die Hände wusch: „O ihr Pharisäer! Ihr haltet zwar Becher und Teller außen (τὸ ἔξωθὲν […] καθαρίζετε) sauber, innen aber seid ihr voll Raubgier und Bosheit (τὸ δὲ ἔσωθεν ὑμῶν γέμει ἁρπαγῆς καὶ πονηρίας). Ihr Unverständigen! Hat nicht der, der das Äußere schuf, auch das Innere geschaffen? Gebt lieber, was in den Schüsseln ist, den Armen (πλὴν τὰ ἐνόντα δότε ἐλεημοσύνην), dann ist für euch alles rein.“ Hier begegnet derselbe Gegensatz, der sich auch in ἐνώπιον τῶν ἀνθρώπων und καρδίας findet. Nach außen geben sich die Pharisäer gerecht, im Inneren, das aber Gott kennt, sind sie schlecht.32 Almosen bzw. Teilen des Hab und Guts mit anderen bewirken die Reinheit des Inneren, d. h. die Reinheit des Herzens. Es ergibt sich also ein Zusammenhang zwischen richtigem Gebrauch des Reichtums (durch Almosen und Weggabe des Vermögens), Reinheit des Herzens und Beachten des Gesetzes.33 Schon der Begriff φιλάργυροι weist darauf hin, dass die Gesetzestreue der Pharisäer in Frage gestellt werden kann.34 Es hat sich gezeigt, dass in den Begriffen φιλάργυροι, ἐξεμυκτήριζον und δικαιοῦντες neben der ursprünglichen Bedeutung auch Hochmut ausgedrückt wird.35 Dies wird in dem folgenden Satz in dem Wort ὑψηλὸν zusammengefasst. Der durch ὅτι eingeleitete chiastisch gebaute Satz hat Form und Inhalt einer 28
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Schon im Alten Testament bezeichnet das Herz den Sitz des Planens und Wollens. Siehe: Rösel, Herz 293, der betont, dass die im Herzen getroffenen Entscheidungen sowohl die Mitmenschen als auch das Gottesverhältnis betreffen und dass das Herz durch seine Bedeutung für die konkrete Lebensführung bestimmt ist. Siehe: Sand, καρδία 615. Im NT findet sich das Wort 157-mal, davon 22-mal im Lukasevangelium, 21-mal in der Apostelgeschichte. Vgl. auch: Klinghardt, Gesetz 36/7. Καρδιογνώστης: Apg 1,24; 15,8. Vgl. auch im AT: 1 Sam 16,7; 1 Kön 8,39; Spr 21,2; Spr 24,12. Siehe zu Gott als Prüfer der Herzen: Rösel, Herz 293/8. Vgl. auch: Lk 11, 17: αὐτὸς δὲ εἰδὼς αὐτῶν τὰ διανοήματα εἶπεν αὐτοῖς. Vgl. Mt 23,28: οὕτως καὶ ὑμεῖς ἔξωθεν μὲν φαίνεσθε τοῖς ἀνθρώποις δίκαιοι, ἔσωθεν δέ ἐστε μεστοὶ ὑποκρίσεως καὶ ἀνομίας. Auch hier findet sich der Gegensatz „außen – innen“ und das Wort ὑπόκρισις (wie Lk 12,1). Bemerkenswert ist, dass sich hier das Wort ἀνομίας in Gegensatz zu δίκαιοι findet. Bei Lukas wird denen, die sich selbst für gerecht halten, die Gültigkeit des Gesetzes in den V. 16 und 17 vorgehalten. Vgl.: Klinghardt, Gesetz 37: „Wie oben angedeutet, ist mit dem Vorwurf der Geldgier und dem Verweis auf das Herz die Aufforderung zu umfassendem Gesetzesgehorsam verbunden, der sich in Almosen äußert. Almosen aber bewirken Reinheit.“ Siehe hierzu: Kapitel 6.1.2. Siehe hierzu: Kapitel 6.1.2.
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Sentenz.36 Die Aussage ist in ihrem Zusammenhang mit dem Vorhergehenden etwas verkürzt. Man könnte hinzufügen: Gott kennt die Herzen und verachtet die geschilderte Einstellung; denn was bei den Menschen als großartig gilt, ist vor Gott ein Gräuel.37 Das in der griechischen profanen Literatur seit Homer nachweisbare Wort ὑψηλός bezeichnet hoch im eigentlichen Sinn, dann übertragen stolz, hochmütig.38 Derselbe Gebrauch findet sich auch im NT. 39 Es bezeichnet einen hohen Berg 40 oder eine hohe Mauer.41 Lukas gebraucht das Wort Apg 8,17 als Attribut zu βραχιόνος (mit hoch erhobenem Arm). In übertragener Bedeutung steht es Röm 11,20 in der Wendung ὑψηλὰ φρονεῖν (überhebliche Gedanken hegen, überheblich sein); Röm 12,16 bedeutet es „hoch hinaus streben“. Reichtum, der ja auch zur φιλαργυρία führen kann, wird zusammen mit dem Verb ὑψηλοφρονεῖν (hier ein Wort42) erwähnt 1 Tim 6,17: Τοῖς πλουσίοις ἐν τῷ νῦν αἰῶνι παράγγελλε μὴ ὑψηλοφρονεῖν μηδὲ ἠλπικέναι ἐπὶ πλούτου ἀδηλότητι ἀλλ’ ἐπὶ θεῷ τῷ παρέχοντι ἡμῖν πάντα πλουσίως εἰς ἀπόλαυσιν. Die angeführten Stellen zeigen, dass das Adjektiv ὑψηλός in der übertragenen Bedeutung „erhaben, hochmütig, stolz“43 einen negativen Beigeschmack hat und hier die in den drei negativen Begriffen φιλάργυροι, ἐξεμυκτήριζον und δικαιοῦντες ἑαυτοὺς mitschwingende Überheblichkeit zusammenfasst. Einstellung und Auftreten der Pharisäer können zwar die Menschen blenden, Gott aber hat eine andere Sichtweise, er setzt andere Wertmaßstäbe. Die Wendung δικαιοῦντες ἑαυτοὺς ἐνώπιον τῶν ἀνθρώπων wird wieder aufgenommen in τὸ ἐν ἀνθρώποις ὑψηλὸν, zu dem das ἐνώπιον τοῦ θεοῦ einen scharfen Gegensatz bildet. Das ὑψηλὸν steht direkt neben dem βδέλυγμα. So wird deutlich, dass das ὑψηλὸν der Menschen gleich dem βδέλυγμα in den Augen Gottes ist. Dieser Satz präsentiert sich durch seinen chiastischen Aufbau und durch seine knappe Formulierung – betont durch die Ellipse – aus Gegensatz und Gleichsetzung als ein sprachliches Kunstwerk. Βδέλυγμα kommt im NT an sechs Stellen vor.44 Es bezeichnet alles, was mit Gott nicht in Berührung gebracht werden darf, weil es ihn erzürnt,45 also alles, 36
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Eine Sentenz ist eine Aussage von allgemeingültiger Bedeutung, die auch losgelöst vom aktuellen Zusammenhang verständlich ist. Bovon, Lukas III 97 Anm. 50, ist der Ansicht, dass das ὅτι hier nicht kausal, sondern explikativ zu verstehen ist. Eine Übersetzung mit „denn“ ist dennoch gerechtfertigt. Die Übersetzung von ὅτι mit „denn“ ist allgemein nicht ungewöhnlich. Siehe: Bauer-Aland 1193 3b und BDR § 456, 1: „Die Subordination ist bei ὅτι und διότι oft recht locker, so daß man mit ‚denn‘ übersetzen muß.“ Siehe: Liddell-Scott 1909. Siehe: Bauer-Aland 1693 und G. Schneider, ὑψηλός 979. So z. B.: Mk 9,2; Mt 4,8; 17,1. Offb 21,12. Hier gibt es aber auch die Variante ὑψηλὰ φρονεῖν. Mora Paz, Struktur 126, deutet den Begriff hier als „stolz”. Siehe: Zmijewski, βδέλυγμα 502. Neben Lk 16,15 noch Mk 13,14 par. Mt 24,15; Offb 17,4–5; 21, 27.
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was vor Gott ein Gräuel ist. Daneben bezeichnet das Wort alles, was mit Götzendienst zu tun hat.46 In Offb 17,4–5 ist die Rede von Rom als dem großen Babylon, als Mutter der Hurerei und aller Gräuel auf Erden.47 Im Vordergrund steht hier der Vorwurf der Verführung zum Götzendienst.48 Oben wurde gezeigt,49 dass die φιλαργυρία, indem sie dem in V. 13 genannten Mammon dient, zum Götzendienst verleitet. So verstanden dürfte dann das Wort βδέλυγμα einen Rückverweis auf den in dem Begriff φιλαργυρία mitschwingenden Gedanken des Götzendienstes sein. Es ist deutlich, dass die Kernbegriffe δικαιοῦντες, ὑψηλόν, βδέλυγμα in V. 15 in enger Beziehung zu V. 14 stehen (φιλάργυροι – ἐξεμυκτήριζον). Es hat sich gezeigt, dass Lukas mit den genannten Begriffen und den darin über den ursprünglichen Wortsinn hinaus enthaltenen Assoziationen ein Gedankengut vertritt, das in der vorklassischen Zeit Griechenlands (Hesiod), der klassischen Zeit (Sokrates, Platon) und in der Zeit des Hellenismus (Aristoteles, Philo) sowie in der religiösen griechischsprachigen Literatur zum geistigen Allgemeingut gehörte.
6.2.2.2 Exkurs: Überlegungen zur Redaktion der Verse 16 und 17 Während der Erzählteil mit seiner Kritik an den Pharisäern (V. 14) und der Beginn der ebenfalls die Pharisäer kritisierenden Rede Jesu (V. 15) sehr wahrscheinlich in ihrer Gesamtheit auf lukanische Redaktion zurückgehen,50 sind die folgenden Teile der Rede Jesu (V. 16–18) in ihrem Kern wohl traditionell. Denn alle drei Verse – im Folgenden wird V. 18 zunächst ausgeblendet – haben Parallelen bei Matthäus und gehen damit wohl auf die Logienquelle Q zurück.51 Allerdings werden die Verse von Matthäus getrennt voneinander und in einem jeweils anderen Kontext als bei Lukas überliefert. Die Lk 16,16 parallelen Verse Mt 11,12–13 finden sich bei Matthäus in einer Passage über Johannes den Täufer (τῶν ἡμερῶν Mt 11,7–9), die aus Q stammt und die auch Lukas bietet (Lk 7,24–35). Abgesehen von kleineren redaktionellen Änderungen unterschei45
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Bauer-Aland 275 1. So schon im AT, z. B. Jes 1,13 (θυμιάματα βδέλυγμά μοι ἐστιν); Spr 11,1 (ζύγοι δόλιοι βδέλυγμα ἐνώπιον κυρίου). So bereits im AT: Dtn 29,16; 3 Kön 11,6; 33; 4 Kön 23,13; 2 Chr 28,3. Καὶ ἡ γυνὴ […] ἔχουσα ποτήριον […] γέμον βδελυγμάτων καὶ τὰ ἀκάθαρτα τῆς πονηριάς ἀυτῆς. Καὶ ἐπὶ τὸ μέτωπον ἀυτῆς ὄνομα γεγραμμένον, μυστήριον, Βαβυλὼν ἡ μεγάλη, ἡ μήτηρ τῶν πορνῶν καὶ τῶν βεδελυγμάτων τῆς γῆς. Siehe zur Bezeichnung Roms als des großen Babylons und als Hure sowie zum Zusammenhang dieser Bezeichnung mit Götzendienst: U. B. Müller, Offenbarung 288/9. Siehe hierzu: Kapitel 6.1.2. Siehe für Lk 16,14 und 16,15: Mora Paz, Struktur 123 und Horn, Glaube 74. Vgl.: Heil, Lukas und Q 119. Seiner Meinung nach gehen die Verse „zweifellos“ auf Q zurück. Kümmel, Lukas 16,16 93, hält es dagegen für keineswegs sicher, dass die Verse aus Q stammen.
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den sich die Textfassungen bei Lukas und Matthäus nur durch das Vorhandensein bzw. Fehlen von Lk 16,16 par Mt 11,12–13. Allerdings unterscheidet sich die matthäische Fassung des Spruchs selbst erheblich von der lukanischen, und zwar nicht nur hinsichtlich der Begriffe, sondern auch des Aufbaus. So steht der Lk 16,16a entsprechende Teil des Spruches nicht wie bei Lk am Anfang, sondern am Ende: ἀπὸ δὲ τῶν ἡμερῶν Ἰωάννου τοῦ βαπτιστοῦ ἕως ἄρτι ἡ βασιλεία τῶν ὀυρανῶν βιάζεται καὶ βιασταὶ ἁρπάζουσιν ἀυτήν. πάντες γὰρ οἱ προφῆται καὶ ὁ νόμος ἕως Ἰωάννου ἐπροφήτευσαν. Bei Mt liegt der Schwerpunkt der Aussage offenbar und kontextgemäß auf Johannes. So greift V. 12 gleich zu Beginn (ἀπὸ δὲ τῶν ἡμερῶν Ἰωάννου τοῦ βαπτιστοῦ) V. 11 auf (μείζων Ἰωάννου τοῦ βαπτιστοῦ). Während V. 12 mit Johannes beginnt, endet V. 13 mit seiner Erwähnung (πάντες γὰρ οἱ προηῆται καὶ ὁ νόμος ἕως Ἰωάννου ἐπροφήτευσαν), um ihn anschließend mit dem wiederkommenden Elia zu identifizieren, ein Gedanke, der bei Lk ebenfalls fehlt. Der Lk 16,17 parallele Vers Mt 5,18 ist Bestandteil der Bergpredigt. Jesus betont im unmittelbar vorausgehenden Vers, dass er gekommen sei, das Gesetz und die Propheten zu erfüllen und nicht aufzulösen. Im Anschluss an den Spruch, der abgesehen von kleineren Änderungen bei Matthäus durch ἕως ἂν πάντα γένηται erweitert ist, warnt Jesus davor, auch nur das kleinste Gebot aufzulösen und Entsprechendes zu lehren. Er fordert dazu auf, das Gesetz zu halten (V. 19). Jesus warnt die Jünger, dass sie nicht ins Himmelreich kämen, wenn ihre Gerechtigkeit nicht besser sei als die der Schriftgelehrten und Pharisäer (V. 20). Die traditionsgeschichtliche Forschung beschäftigt sich bezüglich dieser beiden Verse vor allem mit zwei Fragen: 1.) Wie lautet die Q-Fassung der Verse? Welche Elemente gehen auf lukanische bzw. matthäische Redaktion zurück? 2.) Bildeten die Verse in Q eine Einheit (wie bei Lk) oder wurden sie in Q getrennt überliefert (wie bei Mt)? Die Beantwortung dieser Fragen ist in der Forschung nach wie vor höchst umstritten.52 Da die Diskussion für die Interpretation des lukanischen Textes nur zum Teil von Bedeutung ist, werden im Folgenden lediglich einige wenige Überlegungen und Thesen kurz vorgestellt. 1.
Lk 16,16 weicht – abgesehen von dem gegenüber Mt veränderten Kontext – im Wortlaut und auch in der Anordnung der Worte und Gedanken stark von der Mt-Fassung ab.53 Von daher ist es durchaus fraglich, ob Lk 16,16 und Mt 11,12–13 ein Q-Logion als gemeinsame Vorlage zugrunde liegt. Für eine gemeinsame Vorlage spricht allerdings das in beiden Fassungen vorkommende Verb βιάζεται, das sich innerhalb des Neuen Testaments nur an diesen beiden Stellen findet. Schließt man dennoch ein Q-Logion oder
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Einen guten Überblick über die unterschiedlichen Auffassungen bieten: Merklein, Gottesherrschaft 72/96; Kosch, Tora 38/59, 159/67 und 427/44; Heil, Lukas und Q 118/44. Siehe auch: Spruchquelle Q 140/41. Vgl.: Merklein, Gottesherrschaft 80.
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Die Rede Jesu an die Pharisäer: Lk 16,14–31 überhaupt eine gemeinsame schriftliche Vorlage aus, wäre noch denkbar, dass das Logion mündlich und in verschiedenen Fassungen kursierte und entsprechend von den Evangelisten aufgenommen und in unterschiedliche Kontexte eingefügt wurde. Nimmt man aber mit der Mehrheit der Exegeten eine gemeinsame QVorlage an, stellt sich die Frage nach deren Wortlaut bzw. nach der lukanischen und matthäischen Redaktion. Unumstritten ist, dass die Wendung βασιλεία τοῦ θεοῦ54 εὐαγγελίζεται, vor allem aber das εὐαγγελίζεται auf Lukas zurückzuführen ist. Denn dieses Verb, das bei Markus und Johannes fehlt und bei Matthäus nur in Mt 11,5 vorkommt, wird im Lukasevangelium und in der Apostelgeschichte oft gebraucht und kann insofern zum typisch lukanischen Sprachgebrauch gerechnet werden. 55 Sehr wahrscheinlich ist auch, dass Lukas die schwierig zu verstehende Aussage καὶ βιασταὶ ἁρπάζουσιν αὐτήν56 verändert, indem er nun das zuvor ersetzte Verb βιάζεται aufnimmt und ein neues Subjekt (πᾶς) einfügt.57 Das ἀπὸ τότε, das Lukas bietet, wird meist gegenüber der Wendung ἀπὸ δὲ τῶν ἡμερῶν Ἰωάννου τοῦ βαπτιστοῦ ἕως ἄρτι für ursprünglich gehalten.58 Als QFassung ergibt sich dann: ἀπὸ τότε ἡ βασιλεία τοῦ θεοῦ βιάζεται καὶ βιασταὶ ἁρπάζουσιν αὐτἠν.59 Die Rekonstruktion des Lk 16,16a entsprechenden Q-Verses ist m. E. weniger eindeutig, da die Anordnung der Worte bei Lk und Mt stark voneinander abweicht. So findet sich Lk 16,16a bei Matthäus erst im Nachsatz zu dem Lk 16,16b entsprechenden Vers. Angenommen wird meist, dass Matthäus entsprechend umgestellt habe, um einen klareren Bezug zu Mt 11,14 Der Ausdruck βασιλεία τῶν οὐρανῶν ist typisch matthäisch. Vgl.: Merklein, Gottesherrschaft 81. Siehe hierzu: Merklein, Gottesherrschaft 81, Heil, Lukas und Q 125, Kümmel, Lukas 16,16 95. Zum umstrittenen Verständnis der Stelle siehe: Merklein, Gottesherrschaft 81/3. Seiner Meinung nach ist die Stelle so zu übersetzen: „Die Gottesherrschaft bricht sich mit Gewalt Bahn, und Menschen, die zu allem entschlossen sind (die sich mit Gewalt der nahenden Basileia entgegenstrecken) reißen sie an sich.“ Merklein führt Lk 16,16 als Argument für die Richtigkeit seiner Deutung an. Lukas habe die ursprüngliche Aussage sinngemäß richtig interpretiert: „Das provozierende, aber leicht mißverständliche, ‚und Gewalttäter reißen sie an sich‘ wird – zwar etwas brav, aber nicht unsachgemäß – mit ‚und jeder drängt sich in es hinein‘ wiedergegeben.“ Merklein, Gottesherrschaft 83. Vgl.: Heil, Lukas und Q 125. Allerdings hängt die Entscheidung m. E. stark von der Rekonstruktion des Lk 16,16a entsprechenden Q-Verses ab. Wenn man nämlich Lk 16,16a in der Lukasfassung als ursprünglich (Q) ansieht, passt die lange matthäische Wendung nicht in den Kontext. Andererseits würde das ἀπὸ τὸτε gar nicht passen, wenn man die matthäische Abfolge der Sprüche als Q-Abfolge reklamieren würde. So rekonstruiert die Critical Edition of Q des International Q Project (IQP). Siehe: Spruchquelle Q 100. Diese Rekonstruktion vertreten z. B. auch: Heil, Lukas und Q 125; Merklein, Gottesherrschaft 87.
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zu schaffen. Auch die Abfolge der Kernbegriffe προφῆται, νόμος und Ἰωάννης ist bei Matthäus anders als bei Lukas: πάντες γὰρ οἱ προφῆται καὶ ὁ νόμος ἕως Ἰωάννου ἐπροφήτευσαν. Viele Exegeten vertreten die Ansicht, die chronologisch richtigere und gewöhnlichere (ὁ νόμος καὶ οἱ προφῆται) sowie sentenzartige Formulierung bei Lukas sei ursprünglicher 60 und entspreche der Q-Fassung. Matthäus habe den Spruch verändert, um ihn in den Kontext (Johannes der Täufer) einzupassen. Von daher wird als QFassung rekonstruiert: ὁ νόμος καὶ οἱ προφῆται ἕως61 Ἰωάννου.62 Der bei Mt sich findende Zusatz πάντες γὰρ (οἱ προφῆται) und das Verb ἐπροφήτευσαν werden bei dieser Rekonstruktion als matthäische Redaktion angesehen: Matthäus sei „am AT besonders hinsichtlich seiner prophetischen Tradition interessiert“63. Die Ungewöhnlichkeit der Reihenfolge der Kernbegriffe bei Matthäus spricht m. E. aber nicht von vornherein dafür, dass dies eine bewusste Änderung durch Matthäus darstellt. Es kann genauso gut angenommen werden, dass Lukas die ungewöhnliche Reihenfolge „geordnet“ hat und das ἐπροφήτευσαν nicht übernommen hat, um die Darstellung zu straffen und die Begriffe näher an das folgende βασιλεία τοῦ θεοῦ zu binden.64 Dafür dass die lukanische Fassung die Q-Fassung darstellt, spricht allenfalls, dass Mt überhaupt den Begriff ὁ νόμος bietet, der in seinem Kontext gut entbehrlich gewesen wäre.65 Christoph Heil hat plausibel gezeigt, dass Lk 7,29–30 lukanische Redaktion ist.66 Dieses Textstück findet sich inmitten eines Q-Komplexes über Johannes den Täufer, der in nahezu gleichem Wortlaut bei Matthäus überliefert ist. Anstelle der wohl redaktionellen Verse 7,29–30 bietet Matthäus das Lk 16,16 entsprechende Logion. Sollte Lukas das Stück aus dem Q-Kontext herausgelöst haben – Heil nimmt an, dass das Logion schon in Q an dieser Stelle stand und diese Position von Matthäus beibehalten wurde67 – und durch redaktionelle Verse ersetzt haben, dann ist es m. E. eher wahrscheinlich, dass Lukas den Spruch seinem neuen Kontext angepasst hat als So z. B.: Kümmel, Lukas 16,16 97. Siehe auch: Spruchquelle Q 140. Unklar ist, ob ἕως (Mt) oder μέχρι (Lk) ursprünglich ist. Für ἕως entscheidet sich z. B. die Critical Edition of Q mit der Wahrscheinlichkeit C, während das IQP ursprünglich mit der Wahrscheinlichkeit C für μέχρι votierte. Für ἕως sprechen sich auch aus: Heil, Lukas und Q 124; Merklein, Gottesherrschaft 87. Vgl.: Spruchquelle Q 100. Siehe z. B.: Spruchquelle Q 100 und 140. Merklein, Gottesherrschaft 84. Auch Klinghardt, Gesetz 17, spricht sich dafür aus, die matthäische Reihenfolge als ursprünglich anzusehen. So fehlt ὁ νόμος auch in der aus dem 4./5. Jh. stammenden Palimpsesthandschrift sys und in einer bohairischen Übersetzung. Siehe: Nestle-Aland 1986. Siehe hierzu: Heil, Lukas und Q 122/3. Auch Hoffmann, Logienquelle 194/5 und 229, vertritt diese Ansicht. Vgl. auch: Klinghardt, Gesetz 16. Vgl.: Heil, Lukas und Q 123/4. Siehe auch: Klinghardt, Gesetz 17. Dagegen spricht sich aus: Danker, Luke 16 16 241/2.
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Die Rede Jesu an die Pharisäer: Lk 16,14–31 dass Matthäus hier umfangreiche Änderungen vorgenommen hat 68 – zumal er dies im Kontext ja unterlässt und sich dieses Logion gut in den Kontext einfügt. Denkbar ist natürlich auch, dass das traditionelle Logion von Matthäus in die Q-Tradition über Johannes den Täufer eingefügt und zuvor entsprechend verändert wurde und dass Lukas ebenfalls in die Q-Tradition ein – allerdings selbst verfasstes – Stück, nämlich Lk 7,29–30, eingefügt hat. Bei Lk 16,17 bestehen mehr Übereinstimmungen mit der Mt-Fassung (Mt 5,18) als dies bei Lk 16,16 der Fall ist. Von daher ist es wahrscheinlich, dass beide Fassungen auf eine gemeinsame Tradition und wohl auch auf eine gemeinsame schriftliche Vorlage, nämlich Q, zurückgehen. 69 Der bei Lukas fehlende Schluss ἕως ἄν πάντα γένηται wird von den meisten Exegeten der matthäischen Redaktion zugerechnet.70 Ob das ἰῶτα ἕν von Lukas weggelassen wurde71 oder sich nicht in der Vorlage befand,72 ist unsicher. Relativ wahrscheinlich hingegen ist, dass Lukas das doppelte παρέλθῃ aus stilistischen Gründen vermeiden wollte und es deswegen durch πεσεῖν ersetzt hat.73 Der Hauptunterschied zwischen der Lukas- und der Matthäusfassung liegt in der Konstruktion: Möglicherweise hat Lukas das εὐκοπώτερον δέ ἐστιν mit AcI-Konstruktion eingefügt.74 Bei Matthäus wird das Logion durch die Einleitung ἀμὴν γὰρ λέγω ὑμῖν herausgehoben und erhält als Sentenz besonderes Gewicht.75 Als Q-Vers ergibt sich m. E.: ἕως ἄν παρέλθῃ ὁ οὐρανὸς καὶ ἡ γῆ μία κεραία οὐ μὴ παρέλθῃ ἀπὸ τοῦ νόμου.76 Wenn es sich bei den Versen Lk 16,16.17.18 um Q-Verse handeln sollte, stellt sich die Frage nach der Q-Akoluthie. Möglich ist, dass die Verse getrennt voneinander in Q standen. Dies ist besonders dann anzunehmen, wenn man wie Christoph Heil Lk 16,16 par Mt 11,12–13 in den Q-Text über Dies vertritt: Heil, Lukas und Q 124. Vgl.: Merklein, Gottesherrschaft 73. Allerdings wird dies von einigen Exegeten bestritten. Siehe z. B.: Klinghardt, Gesetz 18/9 und Kosch, Tora 159/64. Vgl. z. B.: Merklein, Gottesherrschaft 73/4. Seines Erachtens ist der Zusatz ethisch zu verstehen, es geht um das Tun des Gesetzes. Heil, Lukas und Q 128/9, hält es für möglich, dass der Zusatz schon in Q vorlag und von Lukas gestrichen wurde. So z. B.: Kosch, Tora 161/2 und Heil, Lukas und Q 128. So in Anlehnung an Schürmann: Merklein, Gottesherrschaft 75. Dies vertreten z. B.: Merklein, Gottesherrschaft 75 und Kosch, Tora 161. Vgl.: Merklein, Gottesherrschaft 74/5 und Heil, Lukas und Q 128. Gegen eine Bildung durch Lukas spricht allerdings, dass das Wort εὐκοπώτερον nur Lk 5,23 par Mk 2,9 und Lk 18,25 par Mk 10,25 vorkommt. Vgl.: Kosch, Tora 161. Vgl.: Kosch, Tora 162. Seines Erachtens stellt das Fehlen der Einleitung bei Lukas kein Argument gegen eine Q-Zugehörigkeit des Logions dar. So: Merklein, Gottesherrschaft 75. Nach Kosch, Tora 432, stand noch ἰῶτα ἓν ἤ vor μίαν κεραίαν. Auch nach Spruchquelle Q 140 gehört ἰῶτα ἓν ἤ zur Logienquelle Q. Warum sollte aber Lukas das hellenistischen Lesern vertraute ἰῶτα streichen? Das IQP rekonstruiert den Q-Vers (allerdings mit der Wahrscheinlichkeit C) folgendermaßen: εὐκοπώτερον δέ ἐστιν τὸν οὐρανὸν καὶ τὴν γῆν παρελθεῖν ἢ ἰῶτα ἓν ἢ μίαν κεραίαν τοῦ νόμου πεσεῖν.
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Johannes den Täufer einordnet. Dann hätte Lukas den Vers an dieser Stelle ausgelassen, um ihn später zu präsentieren und mit V. 17 in Verbindung zu bringen, den er an anderer Stelle gelesen hatte. Möglich ist aber auch, dass die Lk-Abfolge schon in Q vorlag77 und von Matthäus verändert wurde, indem er Lk 16,16 in die Perikope über Johannes eingefügt und redaktionell stark verändert hat und indem er Lk 16,17 in den auf matthäische Redaktion zurückzuführenden Kontext Mt 5,17.19– 20 eingefügt hat. Auch wenn vermutlich Lk 16,16 und Lk 16,17 ursprünglich, also vor Zusammenstellung von Q, zwei getrennt umlaufende Logien waren, so ist eine Zusammenstellung durch Q denkbar. 78 Beide Verse passen – schon durch den Begriff νόμος – zusammen und ergänzen sich inhaltlich.79 Auch wenn die Verse Lk 16,16.17 bereits in Q vorlagen (getrennt oder in Kombination), so ist es doch nahezu sicher, dass Lukas die Verse verändert hat. So hat er sicher in Lk 16,16 das Wort εὐαγγελίζεται eingefügt und höchstwahrscheinlich das βιασταὶ ἁρπάζουσιν verändert. Sehr wahrscheinlich hat er auch in Lk 16,17 Veränderungen vorgenommen, indem er πεσεῖν geschrieben hat. Dies zeigt, dass die Verse nicht unbedacht als Block von Lukas übernommen und zufällig hier eingefügt wurden, da er keine andere günstige Stelle dafür fand. Vielmehr hat er wohl die Verse ganz bewusst redaktionell geändert und für seinen Kontext genutzt. Von daher ist eine kontextlose Interpretation80 völlig abwegig, vielmehr liegt gerade im Kontext der Schlüssel zum Verständnis der Verse.
Das IQP nimmt mit der Wahrscheinlichkeit C die lukanische Abfolge (Lk 16,16.17.18) auch für Q an. Siehe: Spruchquelle Q 140. Siehe hierzu: Kosch, Tora 433/5. Seines Erachtens sind Lk 16,16 und 16,18 authentische Worte Jesu. Siehe: Kosch, Tora 443. Braumann, „Dem Himmelreich wird Gewalt angetan“ 105/6, schreibt zu Mt 11,12 par: „In quellenkritischer Hinsicht ist festzuhalten, daß bereits Q einen Zusammenhang verschiedenartiger Traditionen hergestellt hat. Man wird also nicht zuerst Matthäus, sondern Q entgegenhalten müssen, den überlieferten Stoff nicht restlos bewältigt, sondern eher gesammelt als kritisch gesichtet zu haben. Das bedeutet aber, daß möglicherweise schon Q der Sinn des Spruchs nicht mehr verständlich, jedoch von einer derartigen Bedeutung war, daß sie ihn ihrer Sammlung einverleibte.“ Nach Kosch, Tora 160, stellt „Lk 16,16–18 mit großer Wahrscheinlichkeit eine kleine Logienfolge zum Thema „Gesetz“ dar, die Lk bereits vorlag, und von der Lk 16,16//Mt11,12f und Lk 16,18//Mt 5,32 Q zugehören“. Seines Erachtens ist auch für Lk 16,17 von Q-Zugehörigkeit auszugehen. Vgl.: Kosch, Tora 160/3. Als Indizien dafür, dass Matthäus die Spruchfolge Lk 16,16–18 kannte, nennt Kosch mit Bezug auf Schürmann die Tatsache, „dass im unmittelbaren Kontext von Mt 5,18 in einem stark mt geprägten Wort vom Gesetz und den Propheten die Rede ist […], und dass Mt das Wort von der Ehescheidung (Mt 5,32) relativ nahe bei 5,18 bringt“. Kosch, Tora 429. Vgl. dagegen: Klinghardt, Gesetz 15/6. Kümmel, Lukas 16,16 93, fordert, dass „eine Interpretation des Verses im lukanischen Sinn wohl oder übel unter Absehen vom näheren Kontext geschehen muß.“ Dagegen be-
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6.2.2.3 Das Gesetz und die Propheten im Einklang mit der Verkündigung Jesu: Die Verse 16 und 17 Lk 16,16 ist nicht nur literarkritisch bzw. redaktionsgeschichtlich umstritten. Uneinigkeit besteht auch im inhaltlichen Verständnis des Verses in der vorliegenden lukanischen Fassung. Diskutiert wird, ob ein Bezug des Verses zum Kontext und, wenn ja, welcher Bezug zum Kontext besteht. Dabei gehen die Extreme weit auseinander. Während W. G. Kümmel zum Ergebnis kommt, dass „eine Interpretation des Verses im lukanischen Sinn wohl oder übel unter Absehen vom näheren Kontext geschehen muß“ 81, fordern Exegeten heute vermehrt eine den Kontext berücksichtigende Interpretation und betonen, dass der Vers nur innerhalb des Kontextes verständlich sei. 82 Des Weiteren wird diskutiert, in welcher Beziehung die Kernbegriffe des Verses zueinander stehen: Bilden ὁ νόμος καὶ οἱ προφῆται eine Einheit und bezeichnen die Gesamtheit der alttestamentlichen Schriften? Welche Stellung nimmt Johannes ein? Gehört er zur Zeit bzw. zum Bereich „des Gesetzes und der Propheten“ oder zum Bereich der βασιλεία τοῦ θεοῦ? Sind die Worte μέχρι und ἀπὸ τότε also inklusiv oder exklusiv zu verstehen? Inwieweit besteht überhaupt eine inhaltliche Trennung zwischen V. 16a und 16b, also zwischen der alttestamentlichen Verkündigung und der βασιλεία τοῦ θεοῦ? Einen deutlichen Trennungsstrich hat – viel beachtet – H. Conzelmann erkannt. Seines Erachtens gliedert sich die Heilsgeschichte im Verständnis des Lukas in drei Epochen: die Zeit Israels, die Zeit Jesu, die Zeit der Kirche. 83 V. 16,16 dient ihm als Beleg für die These von der heilsgeschichtlichen Ablösung der Zeit Israels durch die Verkündigung Jesu.84 In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, welches
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tont Burchard, Lukas 16,16 120, dass der Vers 16,16 im Kontext gelesen und verstanden werden muss. Kümmel, Lukas 16,16 93. So in Bezugnahme auf Stegemann: Burchard, Lukas 16,16 120/1. Eine kontextbezogene Deutung nimmt auch vor: Klinghardt, Gesetz 24/9. Vgl. auch: von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 341/3, der auf Seite 341 zu Vers 16 sagt: „Im engeren narrativen Kontext dient diese Aussage ihrer Pragmatik nach aber der Mahnung und Warnung der Pharisäer im Rückbezug auf ihre festgestellte Geldgier bzw. die in Lk 16,15 beschriebenen Verhaltensweisen. Sie ist aus diesem kommunikativen Kontext nicht zu lösen“. Auch Busse, Nazareth-Manifest 88/90, deutet Lk 16,16 im Rahmen des Kontextes. Danker, Luke 16 16 232, hat bereits im Jahr 1958 auf die Bedeutung des Kontextes hingewiesen. Siehe: Conzelmann, Mitte. Seine Thesen werden heute oft zurückgewiesen. Vgl. z. B.: Kümmel, Lukas 16,16 89/91. Vgl.: Minear, Birth-Stories 122: „Rarely has a scholar placed so much weight on so dubious an interpretation of so difficult a logion“. Kümmel, Lukas 16,16 91, meint dagegen, dass V. 16 „keineswegs betont herausgehoben“ wird. Von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 343, weist darauf hin, dass die V. 16,16–18 „nicht in den Rang schlechthinniger Programmaussagen für ein lukanisches Gesetzesverständnis zu erheben“ sind.
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Prädikat in V. 16a gedanklich ergänzt werden sollte.85 Ist im Sinne Conzelmanns εἰσίν zu ergänzen? Übersetzt werden könnte dann: Das Gesetz und die Propheten sind/reichen/gehen bis/haben Geltung bis zu Johannes. So bietet die LB 2017 und die EÜ 2016: „Das Gesetz und die Propheten reichen bis zu Johannes“. Die EÜ 1980 formuliert, wohl um die problematische Sicht vom Ende des Gesetzes zu vermeiden: „Bis zu Johannes hatte man nur das Gesetz und die Propheten“. Aber das „nur“ wird nicht expressis verbis erwähnt. Denkbar ist aber auch, dass ein Prädikat wie in 16b (εὐαγγελίζεται) mitgedacht werden sollte: Das Gesetz und die Propheten werden verkündet bis Johannes.86 Gegenüber den genannten Problemen ist die häufig diskutierte Frage, ob βιάζεται in V. 16c als Medium („und jeder drängt sich hinein“) oder als Passiv („und jeder wird hineingedrängt/dringend eingeladen“) aufzufassen ist, von geringerer Bedeutung. Trotz der vielfach spürbaren Resignation bezüglich einer plausiblen Lösung dieser Fragen und eines klaren Verständnisses des Verses,87 soll im Folgenden ein erneuter Interpretationsversuch unternommen werden. Dabei wird von folgenden Voraussetzungen ausgegangen: 1.
V. 16 befindet sich innerhalb einer Rede Jesu, die an die Pharisäer gerichtet ist (V. 14–31) und die Bezug nimmt auf deren Verhöhnung der vorausgegangenen Ausführungen Jesu zum rechten Gebrauch des Geldes bzw. des Reichtums (V. 1–13). Diese Reden sind Bestandteil der größeren Einheit, die sich von 13,22 bis 17,11 erstreckt. Eine Interpretation des V. 16 muss den Kontext berücksichtigen, da nicht anzunehmen ist, dass Lukas hier einen traditionellen Vers unverändert ohne Rücksicht auf den Kontext, also nicht passend zum Kontext, eingefügt hat.88 Das Fehlen einer Konjunktion in V. 16a deutet auch nicht darauf hin, dass der Vers keine Verbindung zum Vorhergehenden hat. Vielmehr dürfte dies rhetorisch das erregte und energische Sprechen Jesu zum Ausdruck bringen. V. 16 mit dem markant
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Siehe verschiedene Vorschläge bei: Wolter, Lukasevangelium 555. Auch in Lk 6,17; 12,21 und Apg 18,6 finden sich Ellipsen, die nicht durch eine Form von εἶναι gefüllt werden müssen – in Lk 12,21 und Apg 18,6 wird im Kontext gar kein konkreter Begriff zur Füllung der Ellipse geboten. In Apg 13,32 wird das Verb εὐαγγελίζεται auf die alttestamentliche Verkündigung bezogen, so dass dies auch in Lk 16,16 nicht auszuschließen ist. So bezweifelt Kümmel, dass es Aufgabe der Exegese sei, den Sinn dieser schwierigen Verse zu erraten. Lukas habe V. 16 „ohne jede erkennbare Betonung in einen nur schwer oder gar nicht verständlichen Zusammenhang gestellt“. So: Kümmel, Lukas 16,16 93. Auch Wolter, Lukasevangelium 554, formuliert: „Lukas hat jedoch mit 16–18 eine Serie von Jesusworten dazwischen gesetzt, deren Zusammenhang mit dem in V. 14–15.19–31 behandelten Thema nur schwer zu erkennen ist.“ Vgl. auch: Bovon, Lukas III 98: „Lk 16,16 ist der Vers des dritten Evangelisten, dessen Interpretation aufgrund seiner Rätsel und seiner strategischen Bedeutung für die Theologie des Lukas am umstrittensten war.“ Vgl. hierzu die Überlegungen in Kapitel 6.2.2.2.
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2.
Die Rede Jesu an die Pharisäer: Lk 16,14–31 am Anfang stehenden Begriff ὁ νόμος ist in V. 15 inhaltlich gut vorbereitet, vor allem durch das Wort δικαιοῦντες.89 Der Zusammenhang des V. 16 mit V. 17 ist durch das Wiederaufgreifen des Wortes νόμος klar gegeben. Zwar wird durch μέχρι und ἀπὸ τότε ein zeitliches Nacheinander von ὁ νόμος καὶ οἱ προφῆται einerseits und βασιλεία τοῦ θεοῦ andererseits ausgedrückt,90 eine klare inhaltliche Abgrenzung oder gar Trennung ist damit aber nicht gegeben. Eine Interpretation, die besagt, dass Gesetz und Propheten nun ihre Gültigkeit verloren haben, 91 führt zum Widerspruch mit V. 17, weil dieser Vers dann als Korrektur des V. 16a aufgefasst werden müsste. Von daher ist es fraglich, ob Lukas überhaupt das Unterscheidende der Begriffe in den Vordergrund stellen wollte. Bei den zentralen Substantiven des Verses, die als Subjekte hervorgehoben sind (ὁ νόμος καὶ οἱ προφῆται – ἡ βασιλεία τοῦ θεοῦ), handelt es sich um wichtige Begriffe der alttestamentlich-jüdischen Religion. Von einer inhaltlichen Abgrenzung der Begriffe ist, jedenfalls von der Textoberfläche her geurteilt, nicht auszugehen. Auch das Fehlen eines Prädikats in V. 16a weist nicht darauf hin, dass die Begriffe scharf getrennt werden. Eher deutet das Fehlen des Prädikats an, dass die Begriffe näher aneinandergerückt werden, dass sie gleichsam in einem Atemzug genannt und wie Perlen an einer Schnur aufgereiht werden. Das Fehlen des Prädikats verweist also einerseits auf das Verbindende der schlagwortartig vorgetragenen Begriffe und verstärkt andererseits die erregte und energische Rhetorik der Rede Jesu.
Daher werden im Folgenden – vor der Berücksichtigung des Kontextes – die Kernbegriffe des Verses, vor allem die Substantive ὁ νόμος καὶ οἱ προφῆται, Ἰωάννης und ἡ βασιλεία τοῦ θεοῦ untersucht. Dabei wird bewusst auch das die Begriffe Verbindende berücksichtigt. Der Begriff νόμος Der Begriff νόμος begegnet neunmal im Lukasevangelium92 und an 17 Stellen in der Apostelgeschichte,93 bei Markus fehlt das Wort, bei Matthäus findet es sich neunmal.94 Von den neun Stellen im Lukasevangelium finden sich fünf im zwei89
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Auch Klein, Lukasevangelium 548, schreibt – allerdings ohne die Aussage zu begründen: „Das Jesuswort schließt asyndetisch an, hat aber einen deutlichen Bezug zum Vorhergehenden.“ Vgl.: Burchard, Lukas 16,16 121. So z. B.: Klein, Lukasevangelium 548: „Die Epoche für das Gesetz und die Propheten, auf das sich die Pharisäer beziehen, ist mit dem Täufer zu Ende gegangen.“ Lk 2,22.23.24.27.39; 10,26; 16,16.17; 24,44. Apg 6,13; 7,53; 13,15.38; 15,5; 18,13.15; 21,20.24.28; 22,3.12; 23,3.29; 24,14; 25,8; 28,23. Die Stellen 15,24 und 24,6 sind textkritisch unklar, die Ausgabe von Nestle-Aland 2012 bietet νόμος hier nicht. Mt 5,17.18; 7,12; 11,13; 12,5; 15,6; 22,36.40; 23,23.
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ten Kapitel, also innerhalb der auf lukanische Redaktion zurückgehenden Vorgeschichte. Dies zeigt ebenso wie das häufige Vorkommen des Begriffs νόμος in der Apg, dass dieser Begriff für Lukas zumindest nicht unwichtig war.95 Der Begriff νόμος kann durch das Genitivattribut Μωϋσέως oder κυρίου ergänzt sein, er wird von Lukas aber auch absolut gebraucht (außer Lk 16,16 noch 2,27). Im zweiten Kapitel betont Lukas, dass sich das Leben des jungen Jesus im Rahmen der kultischen Vorschriften des Gesetzes vollzogen hat.96 Neben den fünf Stellen im zweiten Kapitel und dem zweimaligen Vorkommen von νόμος im 16. Kapitel sowie in 24,44 erscheint der Begriff noch in Lk 10,26, der Vorrede zum Gleichnis vom barmherzigen Samariter. Diese Stelle hat Parallelen bei Mk 12,28–34 und Mt 22,34–40. Bei Markus und Matthäus geht es um die Frage eines Schriftgelehrten bzw. eines Gesetzeslehrers, welches Gebot das wichtigste sei. Matthäus lässt Jesus das Doppelgebot der Gottes- und Nächstenliebe als wichtigstes Gebot nennen und erklären, daran hänge das gesamte Gesetz. Bei Markus bekräftigt der Schriftgelehrte das von Jesus Gesagte, woraufhin dieser sagt, der Schriftgelehrte sei nicht fern vom Reich Gottes. Für Markus stehen offenbar wahres Verständnis des Gesetzes und wahre Gesetzeserfüllung in Zusammenhang mit der βασιλεία τοῦ θεοῦ. Bei Lukas fragt der νομικός, was er tun müsse, um das ewige Leben zu erlangen. Daraufhin antwortet Jesus mit der Gegenfrage, was im Gesetz geschrieben sei. Der Gesetzeslehrer trägt darauf das Gebot der Gottes- und Nächstenliebe vor, woraufhin Jesus erneut erklärt: „Tu dies und du wirst leben“. Aus dieser Stelle wird deutlich, dass für Lukas das Tun, das Handeln, das Entscheidende ist und eine solche Erfüllung des Gesetzes – jedenfalls in seinem Kerngebot (vgl. Mk und Mt) – das ewige Leben ermög-
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So dürfte er auch an keiner Stelle den Begriff aus einer Q-Vorlage gestrichen haben. Die Stellen bei Matthäus, die keine Parallele bei Lukas haben, dürften auf matthäische Redaktion zurückgehen. Vgl. hierzu: Merkel, Gesetz 122. Siehe auch: Bormann, Recht 119. Gegen Klinghardt, Gesetz, und Salo, Law 300/1, betont Bormann, Recht 119/20, „dass die Frage nach der Übereinstimmung eines bestimmten Verhaltens oder einer Ansicht mit dem Gesetz gestellt“ wird, „nicht aber nach dem Inhalt oder der Geltung des Gesetzes überhaupt. Das Gesetz erscheint als eine klar abgegrenzte Instanz, die zur Beurteilung herangezogen werden kann. Lukas setzt νόμος als festumrissene Größe voraus. Es gibt keinen Dissens über den Inhalt des Gesetzes.“ Weiter führt er aus: „Diese formale Sicht des Gesetzes wird in den einschlägigen Untersuchungen von Salo und Klinghardt nicht oder zu wenig beachtet. Beide wählen als Ausgangspunkt die Tora. Klinghardt versucht, das lukanische Gesetzesverständnis als Teil des Interpretationsprozesses der jüdischen Tora zu verstehen. Er konzentriert sich auf traditionsgeschichtliche Herleitungen lukanischer Formulierungen, ohne daß er einsichtig machen kann, ob Lukas sich überhaupt in diesen Kontexten interpretiert wissen will. Salo erkennt zwar die Eigenständigkeit der lukanischen Gesetzesposition, interpretiert den Umgang des Lukas aber auch vom Standpunkt der jüdischen Tora, wenn er die lukanische Eigenart im pragmatischen Umgang mit dem jüdischen Gesetz versteht“.
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licht.97 In der Abschlussrede Jesu vor seiner Aufnahme in den Himmel lässt Lukas Jesus erklären, dass bereits das Gesetz, die Propheten und die Psalmen über ihn Aussagen gemacht haben (Lk 24,44). Das Gesetz wird hier verstanden als Bestandteil der alttestamentlichen Schriften (V. 45: τάς γραφάς), die auf Jesus vorausweisen. Zusammenfassend lässt sich an den Stellen im Lukasevangelium erkennen: 1.
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Lukas betont den Schriftcharakter des Gesetzes: Der Begriff νόμος wird verbunden mit einer Form von γράφειν (2,23; 10,26; 24,44). Die Formulierung κατὰ τὸ εἰρημένον ἐν τῷ νόμῳ (2,24) deutet auch auf die Schriftlichkeit des Gesetzes hin. Das Gesetz ist also für Lukas offensichtlich das schriftlich fixierte,98 von Mose (Μωϋσέως) überbrachte Gesetz des Herrn (κυρίου), also die fünf Bücher des Moses, der Pentateuch.99 Das Gesetz mit seinen kultischen Weisungen stellt für den jungen Jesus eine das Leben prägende und gestaltende Größe dar. 100 Das Gesetz fordert die Bindung des Menschen an Gott und seine (ethische) Hinwendung an den Nächsten. Es ist für Lukas also die das Leben des Menschen betreffende Weisung Gottes. 101 Insofern muss das Gesetz befolgt werden. Wird das Gesetz erfüllt, führt es zum ewigen Leben. Das Gesetz weist als Bestandteil der alttestamentlichen Schriften auf Jesus hin. Jesus steht also in einer Linie mit Gesetz, Propheten und Psalmen, er stellt die Erfüllung der dortigen Voraussagen dar.
Es geht dem lukanischen Jesus „eigentlich nicht um das erste Gebot des Dekalogs, sondern um eine daraus resultierende Praxis, die unendliches Leben gewährt.“ So: Busse, Unterweisung 143. Im Deuteronomium bezeichnet der Begriff Tora den einen, umfassenden und schriftlich vorliegenden Willen Gottes. Siehe: Crüsemann, Tora 8. Siehe z. B. zu Lk 2,23: Ex 13,2.12 oder Lev 12 oder Num 18,15–16. Im Neuen Testament bezeichnet ὁ νόμος normalerweise den Pentateuch. Siehe: Gutbrod, νόμος 1051. Auch Josephus bezeichnet mit νόμος oft den Pentateuch. Siehe: Gutbrod, νόμος 1043. „Am Ende der Perserzeit ist die ‚Tora des Mose‘, d. h. der Pentateuch, kanonisiert; sie wird z. Nukleus der Hl. Schrift.“ So: Hossfeld, Gesetz 582. J. Maier weist darauf hin, dass trotz des Streits der jüdischen Richtungen über den Umfang der Tora die Gesetze im Pentateuch schon früh außer Debatte standen, „sie galten auch im hellenist. Judentum als der νόμος des Mose.“ So: Maier, Gesetz 583. Nach Crüsemann, Tora 384/7, ist erst ab dem 2. Jh. v. Chr. eindeutig zu belegen, dass der Pentateuch als ganzer, also auch die erzählenden Partien Tora heißen. Seines Erachtens ist der Pentateuch entstanden zwischen dem Exil und dem Beginn der hellenistischen Zeit. Die griechische Übersetzung, die wohl Mitte des 3. Jh. in Ägypten entstanden sei, setze bereits den Abschluss und die kanonische Geltung voraus. Außerdem fänden sich keine Einflüsse des Hellenismus. Auch Zacharias und Elisabeth, Maria und Joseph sowie Simeon und Hanna erscheinen als Juden, die streng an Gesetz und Tempel orientiert sind. Vgl.: Merkel, Gesetz 121/2. Blumenthal, Kontinuität und Neuanfang 243, macht darauf aufmerksam, dass bereits in Lk 1,6 Gott, der Herr, „als Geber der Gesetze und Rechtsvorschriften ausgewiesen“ wird.
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Der Blick auf die Stellen der Apostelgeschichte, an denen νόμος vorkommt, zeigt, dass dort keine gravierenden Bedeutungsunterschiede vorliegen. Auch dort erscheint das Gesetz als schriftliche Größe (Apg 24,14), das im Gottesdienst verlesen wird (Apg 13,15). Paulus und die anderen Juden, die an Jesus glauben, befolgen das Gesetz; der Vorwurf, Paulus befolge das Gesetz nicht und verkünde eine Gottesverehrung, die gegen das Gesetz verstoße (Apg 18,13.15), wird entschieden zurückgewiesen – ein Aspekt, der sehr oft erwähnt wird und Lukas wohl wichtig war (Apg 18,13.15; 21,21.28; 23,29; 22,3; 24,14; 25,8; bezogen auf gläubig gewordene Juden 21,20; als Forderung gegenüber Paulus 21,24). 102 Auch in der Apostelgeschichte wird betont, dass das Gesetz eine das Leben gestaltende Norm darstellt, die erfüllt werden muss (Apg 15,5 als Forderung gegenüber den Heiden; 21,24 bezogen auf Paulus: φυλάσσων). So wirft Stephanus den Juden vor, das Gesetz empfangen und nicht gehalten zu haben (Apg 7,53: οὐκ ἐφυλάξατε). Auch in der Apostelgeschichte wird das Gesetz als Vorverweis auf Jesus und das Reich Gottes (!) gesehen (Apg 28,23). Anders als im Evangelium wird das Gesetz in Apg 13,38 Jesus gegenübergestellt: Jeder, der glaubt, wird durch Jesus in allem gerecht gemacht, worin er durch das Gesetz des Moses nicht gerecht gemacht werden konnte. In Apg 25,8 wird νόμος mit dem Genitivattribut τῶν Ἰουδαίων verbunden – ein Gebrauch, der im Evangelium nicht vorliegt und vielleicht damit zusammenhängt, dass nach der Apg Heidenchristen nicht auf das Gesetz verpflichtet werden. 103 Man kann davon ausgehen, dass der in Bezug auf die jüdische Religion kundige Lukas, aber auch die Leser des Lukasevangeliums den Begriff νόμος bzw. Tora104 in Verbindung gebracht haben mit dem, was der Begriff unbestritten im jüdischen Kontext zum Ausdruck bringt: das Gesetz als Weisung Gottes, des Herrn, als ewig gültige Offenbarung des Gotteswillens,105 als Gesetz des 102
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Auch die Urgemeinde wird in Apg 1–7 ganz im Rahmen des frommen Judentums geschildert. Siehe: Merkel, Gesetz 122. Vgl. auch: Pettem, Omission 38/40. Merkel, Gesetz 122/3, weist darauf hin, dass der Befund in der Apg nicht eindeutig ist: Bis Apg 9 sei es selbstverständlich, dass Christen das mosaische Gesetz beachten, seit der Taufe des Cornelius existiere mehr oder weniger ein gesetzesfreies Heidenchristentum. Aufgrund dessen, dass die Gesetzestreue in Bezug auf geborene Juden betont wird, stellt Merkel fest, dass Lukas einem gebildeten hellenistischen Leser demonstriert, „daß Christwerden nicht bedeutet, aus der angestammten Kultur auswandern zu müssen. Wie Paulus nach seiner Bekehrung kein Apostat vom Jüdischen Gesetz wurde, so muß ein gebildeter Grieche oder Römer nicht von seinem Volksnomos abfallen. […] Gerade Hellenen gegenüber war der Nachweis nötig, daß der aus den Prophetien des AT abzulesende Heilsplan sich in Christus vollendet habe.“ So: Merkel, Gesetz 132. Als Ergebnis formuliert er auf Seite 133: „Die positiven Aussagen über das Gesetz und die Gesetzesobservanz der frühen Christen stehen im Dienst der lukanischen Apologetik gegenüber der hellenistischen Bildungswelt.“ In der Septuaginta wird an 200 von 220 Stellen das Wort Tora mit νόμος wiedergegeben. Siehe: Gutbrod, νόμος 1039. Crüsemann betont, dass im Pentateuch unterschiedlich alte und auch widersprüchliche Gesetze zu einer Einheit zusammengefügt sind. Gottes Wille erscheint nicht als geschlos-
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Lebens, das den Lebensalltag prägt und das ewige Leben ermöglicht.106 So gilt das altisraelitische Gesetz als Ausdruck des Herrschaftsanspruchs Gottes. 107 Das Gesetz will das Volk als Gottesvolk an Jahwe binden und das ausschalten, was die Beziehung der Glieder dieses Gottesvolkes untereinander stören könnte.108 Die Gültigkeit des Gesetzes ruht dabei nicht in der sozialen Zweckmäßigkeit, sondern im dahinterstehenden Willen des Bundesgottes.109 Im Deuteronomium110 wird es als eine Hauptaufgabe des Gesetzes gesehen, die Bindung Israels an den Gott des Bundes sicherzustellen. Es geht dem Deuteronomium dabei nicht um äußerliche Legalität, sondern um die innerliche Gottesliebe als Wurzel alles konkreten Tuns.111 Das Gesetz will alle Lebensbereiche umfassen, es will aber nur die allgemeine Richtung weisen. Zentral ist die Bindung an den
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senes System, er umschließt vielmehr – da er sich auf verschiedene Situationen und Herausforderungen bezieht – einander Ausschließendes. Dass Wiederholungen und Widersprüche offen stehen bleiben, scheint geradezu ein Prinzip der Pentateuchkomposition zu sein. Vgl.: Crüsemann, Tora 382 und 405/7. Crüsemann hält einen Zusammenhang mit dem Prinzip persischen Rechts für möglich und sieht eine Analogie zwischen dem Handeln Jahwes und dem der Großkönige. „Was in Israel an älterem schriftlichen Recht vorlag und im Namen Gottes ergangen war, war auf Dauer angelegt und nicht rückgängig zu machen. Es hatte, weil es schriftlich vorlag, Geltung auf Dauer. Anderes und Widersprechendes konnte, ja mußte unausgeglichen daneben gestellt werden. Der Zwang zum sachlichen Ausgleich, die Entscheidung, wonach jeweils in der Realität zu verfahren war, wurde dabei der Schrift- und Rechtsgelehrsamkeit überwiesen.“ So: Crüsemann, Tora 407. „Die Festschreibung des göttlichen Willens in schriftlicher Form in Gestalt eines Buches bedarf der Ergänzung durch weitergehende innovative Gottesrede, soll sie nicht zu Erstarrung führen. […] Neben die Tora tritt der Prophetenkanon und tritt die Erwartung einer eschatologischen Offenbarung von Tora.“ Crüsemann, Tora 422/3. Zur Bedeutung des Begriffs „Gesetz“ im Alten Testament bzw. im Judentum vgl. den m. E. auch heute noch sehr hilfreichen Artikel in ThWNT, auf den sich die folgenden Ausführungen stützen. Einen klaren Überblick über die Genese des alttestamentlichen Gesetzes bietet: Crüsemann, Tora. Siehe auch: Hossfeld, Gesetz 580/3. Zusammenfassend schreibt er in Spalte 582 zum Gesetzesbegriff: „Der G.-Begriff entwickelt sich z. umfassenden Terminus für das Ganze der verpflichtenden, dauerhaft gültigen göttl. Mitteilungen.“ In der Alltagssprache bezeichnet der Begriff Tora die Weisung der Mutter und des Vaters an ihre Kinder, „um sie in die Wege des Lebens einzuweisen und vor den Fallen des Todes zu warnen.“ Crüsemann, Tora 7. Vgl.: Gutbrod, νόμος 1029/30. Siehe: Gutbrod, νόμος 1031. Zum Deuteronomium siehe: Crüsemann, Tora 235/322. „Mit dem deuteronomischen Gesetz (Dtn 12–26) setzt Israel ein zweites Mal an, den Willen seines Gottes in einem Rechtsbuch zu formulieren. […] Das Ganze tritt als Gebot von Israels Gott auf – wenn auch auf eine neue Weise vermittelt durch die Autorität des Mose –, und es hat die Alleinverehrung Jhwhs, das 1. Gebot zum sachlichen Zentrum. In ihm werden die freien Grundbesitzer Israels angeredet.“ So: Crüsemann, Tora 235/6. „Dem vorausgehenden Heil (Rettung u. Erwählung) folgen die Gebote.“ So: Hossfeld, Gesetz 581.
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Nächsten, allerdings geht es nicht um bloße Humanität, sondern um die rechte Zuwendung zum „Bruder“ aus dem Gottesvolk, die aus der Gottesliebe entspringen muss.112 Für die Priesterschrift sind die sittliche und kultische Norm Zeugen der Herrschaft Gottes, die eine als Regelung des Verhältnisses zum Nächsten, die andere als Zeichen der inneren Bindung an Gott. 113 In der Zeit nach dem babylonischen Exil wird das Gesetz als Mittel verstanden, durch dessen Erfüllung sich das Volk Israel in der Gnade Gottes hält. Denn das Exil hat deutlich gemacht, dass Israel dem Gesetz gehorchen muss, um zu leben. 114 Auch für das rabbinische Judentum besteht angesichts der Gefahr der göttlichen Verurteilung und des Todes der Zweck des Gesetzes darin, das Tun aufzuzeigen, durch das der Mensch Gottes Zustimmung, die Gerechtigkeit und das Leben hat. Nach Auffassung des rabbinischen Judentums bringt der Messias keine neue Tora, sondern wird Abgefallene zur Unterwerfung unter die Tora zurückführen und den Heiden wenigstens einen Teil des Gesetzes übergeben. 115 Sicherlich hatte Lukas neben dem alttestamentlich-jüdischen Rahmen des Gesetzesverständnisses auch den griechisch-hellenistischen Gebrauch des Wortes νόμος im Blick116 und auch dem Leser des Lukasevangeliums dürften beim Lesen des Begriffs νόμος Assoziationen zum griechisch-hellenistischen Gebrauch des Wortes gekommen sein. Denn der Begriff νόμος war auch in Griechenland ursprünglich in der Religion verwurzelt: In der griechischen Polis galt der νόμος als Willensausdruck der Gottheit.117 Nach Hesiod schließt der θεῶν βασιλεύς eine Ehe mit Themis, aus der δίκη, εἰρήνη und εὐνομία hervorgehen.118 Pindar bezeichnet den νόμος als ὁ πάντων βασιλεὺς θνατῶν τε καὶ ἀθανάτων.119 Nach Plutarch ist νόμος seinem Wesen nach Gerechtigkeit.120 Für Sokrates ist νόμος der positivste Gehalt der Polis;121 die νόμοι haben Brüder im Hades, d. h. sie gelten auch im Angesicht des Todes und darüber hinaus.122 Nach Platon (Gorg. 483c–e; 875b) untergraben der Kampf aller gegen alle und die πλεονεξία den νόμος und die Religion. Aufgrund des νόμος glaubt der Mensch 112 113 114 115 116
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Vgl.: Gutbrod, νόμος 1033/34. Siehe: Gutbrod, νόμος 1035. Vgl.: Gutbrod, νόμος 1036. So: Gutbrod, νόμος 1047/50. Bezüge hierzu lassen sich ja auch an vielen anderen Stellen erkennen, z. B. in den vorausgegangenen Versen Lk 16,14–15. Vgl.: Kleinknecht, νόμος 1018. Erst im 5. Jh. wurde die Autorität des νόμος dadurch erschüttert, dass man nun Gesetzesbestimmungen als durch menschliche Konvention zustandegekommen ansah. Siehe: Kleinknecht, νόμος 1021. Siehe: Kleinknecht, νόμος 1019. Damit setzt er Gesetz und Zeus gleich. Vgl.: Kleinknecht, νόμος 1019. Siehe: Kleinknecht, νόμος 1019. Siehe: Plat. Krit. 50a–54c. Vgl.: Kleinknecht, νόμος 1023. Dies ist vielleicht ein Grund dafür, dass Lukas im Gleichnis vom Reichen und dem armen Lazarus (Lk 16,23) den griechischen Begriff Hades gebraucht.
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an Gott und Gerechtigkeit. Die Götter verschaffen dem gerechten νόμος durch Strafen Geltung. Für Platon ist es gleichbedeutend, sich der Herrschaft der Gesetze zu entziehen und von Gott abzufallen.123 Bei Platon findet sich aber noch ein weiterer Gedanke, der Lukas bewusst gewesen sein könnte, als er in V. 16 das Gesetz und die von Jesus verkündete βασιλεία τοῦ θεοῦ in Verbindung gebracht hat: Für Platon besteht das Ideal nicht in der Herrschaft der Gesetze, sondern in der Herrschaft des gerechten und königlichen Mannes, der die wahre Erkenntnis besitzt.124 Im Hellenismus kommt der Gedanke auf, dass der νόμος als solcher nicht mehr wie in der Polis als „König“ herrscht, sondern dass der Wille und die Person des βασιλεύς selbst zum νόμος geworden ist.125 Der kurze Überblick über die Verwendung des Begriffs νόμος im alttestamentlich-jüdischen und im griechisch-hellenistischen Gedankenkreis hat gezeigt, dass dieser Begriff religiös geprägt ist und den Gotteswillen (bzw. den Willen des Königs) zum Ausdruck bringt. Die vorher skizzierte lukanische Sicht des Gesetzes deckt sich weitgehend mit den alttestamentlich-jüdischen, aber auch mit den griechisch-hellenistischen Vorstellungen. Warum erwähnt Lukas den Begriff νόμος aber so markant innerhalb der Rede Jesu gegen die Pharisäer, die über Jesu Haltung zum Reichtum lachen? Was hat dieser Begriff mit dem Kontext, also mit den Pharisäern und mit der Reichtumsproblematik zu tun? Zunächst muss berücksichtigt werden, dass die Pharisäer den Anspruch erheben, das Gesetz zu leben.126 Deshalb halten sie sich für gerecht, d. h. für 123 124 125
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Siehe zu Platons Verständnis des Begriffs νόμος: Kleinknecht, νόμος 1022/3. Siehe: Kleinknecht, νόμος 1025. Siehe: Kleinknecht, νόμος 1025/6. Ein Bezug zum Neuen Testament könnte darin bestehen, dass nun nicht mehr nur das schriftlich fixierte und tradierte Gesetz von Bedeutung ist, sondern dass nun die in der Verkündigung Jesu beginnende Herrschaft Gottes und der so offenbar werdende Gotteswille Gesetz wird. Vgl.: Stemberger, Pharisäer 14/21. Vgl. auch Merklein, Jesusgeschichte 91, der in Bezug auf die matthäischen Antithesen in der Bergpredigt schreibt: „Es handelt sich um eine spezifisch innerjüdische Auseinandersetzung. In der These dürfte die Hermeneutik der Pharisäer angesprochen sein: ‚Ihr habt gehört‘, d. h., eure Tradition sagt: Zur Erkenntnis des Gotteswillens hat man sich auf das den Alten gegebene Wort der Tora zu stützen. Für die Pharisäer, die die Tora auf alle Einzelsituationen des Lebens anwenden wollten, bedeutete dies, daß die Tora ausgelegt werden mußte. Zur Aktualisierung des Gotteswillens bedurfte es der Schriftgelehrsamkeit und der Exegese. Der Gotteswille geriet in die Mühlen des Gelehrtenstreits und unter den Anspruch einer höheren Bildung. Dagegen wendet sich Jesus: nicht gegen die Tora, sondern – wenn man so will – gegen ihre Exegese. Der exegetischen, um den Wortlaut der Tora streitenden Hermeneutik der Pharisäer stellt er seine einfache Hermeneutik gegenüber, die, was Gott will, mit spontaner Weisheit und Herzenserkenntnis erfaßt und in naiver Radikalität bestimmt. Die Tora wird dadurch nicht beiseite geschoben. Im Gegenteil, wer mit der einfachen Hermeneutik Jesu den Gotteswillen befolgt, wird – wie die Antithese ja auch zeigt – das von der Tora Gebotene in keiner Weise verletzen. Inhaltlich fällt auf, daß die Antithesen wie überhaupt alle halachisch bedeutsamen Weisungen Jesu auf sozial relevantes Verhalten ab-
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Menschen, die den im Gesetz geoffenbarten Willen Gottes befolgen (vgl. z. B. das Gleichnis vom Pharsisäer und Zöllner, Lk 18,9–14). Gerade weil das Gesetz die Richtschnur der Pharisäer ist, wird es ihnen hier vorgehalten. 127 Das Gesetz betont und fordert aber die Bindung an Gott und die Hinwendung zum Nächsten. Die Erfüllung dieses Doppelgebotes als Quintessenz des Gesetzes ist die Bedingung für das ewige Leben. Wer dieses Doppelgebot erfüllt, ist ein Gerechter.128 Dies weiß der νομικός (Lk 10,25–28), dem der lukanische Jesus dann in der Erzählung vom barmherzigen Samariter deutlich macht, was Hinwendung zum Nächsten bedeutet: Es geht darum, dem Notleidenden – und zwar unabhängig von seiner Volkszugehörigkeit – zu helfen, dem Halbtoten aufzuhelfen, ihn zu pflegen und auch mit finanziellen Mitteln zu unterstützen (vgl. Lk 10,30– 37). Diese Hilfe für Arme und Schwache wird an vielen Stellen des Gesetzes gefordert (z. B. Ex 22,20–26129; 23,10–12; Lev 19,13; 25,35–38; Dtn 15,1–11130; 24,12–13). Da diese Forderungen dem Willen Gottes entsprechen, erfüllen Menschen, die dem Nächsten nicht helfen, auch nicht die andere Seite des Doppelgebotes, nämlich die Gottesliebe (vgl. Lk 16,13). 131 Insofern wird ihr Verhalten zu einem βδέλυγμα.132 Wenn die Pharisäer nun über Jesu Haltung zum Reichtum, nämlich über die tätige und solidarische Nächstenliebe lachen, dann verlachen sie das Gesetz Gottes. Und wenn Lukas sie als geldliebend bezeichnet, entlarvt er ihr Verhalten als Selbstgerechtigkeit bzw. Scheingerechtigkeit und als βδέλυγμα. So wird der Reiche von Lk 16,19–31 geradezu zu einem Abbild
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zielen. Der Grund dafür dürfte in der eschatologischen Botschaft Jesu zu suchen sein. Jetzt, wo Gott sich vorbehaltlos Israel zuwendet und ihm das eschatologische Heil schenkt, ist es eigentlich selbstverständlich, daß, wer aus dieser Güte Gottes lebt, sich vorbehaltlos seinen Mitmenschen zuwendet.“ Lukas wirft ihnen in 7,30 vor, den Willen Gottes zu missachten. So heißt es z. B. bei Philo von Alexandrien (spec 2,61–63): „Und es gibt sozusagen zwei Grundlehren, denen die zahllosen Einzellehren und Sätze untergeordnet sind: im Bezug auf Gott das Gebot der Gottesverehrung und Frömmigkeit, im Bezug auf Menschen das der Nächstenliebe und Gerechtigkeit.“ Siehe: U. B. Müller, Johannes 148. Siehe zu diesem Text des Bundesbuches: Crüsemann, Tora 217/9. „Der hier vollzogene Eingriff in die ökonomischen und traditionellen Formen des Wirtschaftens ist der Beginn des biblischen Wirtschaftsrechts. Die Gesetze Gottes durchbrechen die ökonomischen Gesetze da, wo sie zu Ausbeutung und Abhängigkeit führen. […] Die Güte Gottes, seine Gnade ist es, die diese Haltung bestimmt. Weil Gott gnädig ist, weil er die Schreie der Armen hört, deshalb ist das Recht der Armen auf Leihen ohne Pfand- und Zinsnahme essentieller Bestandteil der Tora. Eine Glosse in V. 24 zieht die theologische Konsequenz. Der Ausdruck ‚mein Volk‘ fällt aus dem Satzduktus heraus und ist eine zum Wort ‚Armer‘ hinzugesetzte theologische Verdeutlichung. Diese Armen sind in besonderer Weise sein Volk.“ So: Crüsemann, Tora 219. Siehe hierzu: Crüsemann, Tora 264/9. In Apg 7,53 wirft Stephanus seinen Anklägern vor, das Gesetz empfangen, aber nicht gehalten zu haben. Der Begriff βδέλυγμα ist bei den Propheten und in den Psalmen ein Parallelbegriff zu ἀνομία (Ez 11,18; 20,30; Ps 119,163), in der Weisheitsliteratur bezeichnet er den Gegensatz Gottes (z. B. Spr 12,22). Vgl.: Foerster, βδελύσσομαι 598/600.
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dieser Pharisäer, die am Nächsten vorbeigehen, ohne für dessen Wohl zu sorgen. Denn im Gleichnis vom Reichen und dem armen Lazarus wird die vom Gesetz geforderte Solidarität und Nächstenliebe, die zum ewigen Leben führt, ja gerade nicht praktiziert. Wie in der Erzählung vom barmherzigen Samariter der unter die Räuber Gefallene halbtot daliegt, so liegt auch Lazarus halbtot, von Wunden übersät auf der Straße. Die dem Gesetz entsprechende Haltung der Nächstenliebe wird in Lk 10,30–37 deutlich: Gefordert wäre hier, sich zu Lazarus hinzuwenden, ihm aufzuhelfen sowie für seine Gesundheit und sein Wohl zu sorgen. Durch die schlagwortartige Erwähnung des Gesetzes müsste den Pharisäern klar werden, dass ihr Verhalten nicht dem Gesetz entspricht. Der Begriff προφήτης Der Begriff προφήτης begegnet im Lukasevangelium 29-mal,133 in der Apostelgeschichte 33-mal. Lukas bezeichnet – vor allem in der Apostelgeschichte – konkrete Personen der Geschichte Israels als Propheten: Mose (Apg 7,37), Samuel (Apg 13,20), Elisa (Lk 4,27), David (Apg 2,30), Jesaja (Lk 3,4; 4,17; Apg 8,28.30.34; 28,25) und Joel (Apg 2,16). Im Lukasevangelium wird Johannes der Täufer Prophet genannt (Lk 1,76; 7,26.26; indirekt auch Lk 20,6; 9,8). Auch Jesus wird als Prophet bezeichnet, so durch die Emmausjünger (Lk 24,19) und durch das Volk nach der Auferweckung eines jungen Mannes in Nain (Lk 7,16). In Apg 3,22.23 wird Jesus identifiziert mit dem von Mose angesagten endzeitlichen Propheten.134 In Lk 2,36 wird Hanna als Prophetin (προφῆτις) bezeichnet. Zacharias wird in Lk 1,67 zwar nicht explizit Prophet genannt, doch bewirkt das Erfülltwerden mit Heiligem Geist bei ihm, dass er prophetisch redet (ἐπροφήτευσεν). Darüber hinaus gelten für Lukas auch geistbegabte Personen der christlichen Gemeinde als Propheten (Apg 11,27 und 21,10: Agabus; Apg 13,1; Apg 15,32: Judas und Silas; vgl. auch: Apg 21,9) gemäß der Weissagung Joels, dass Gott in den letzten Tagen seinen Geist ausgießt und Söhne und Töchter des Volkes Propheten sein werden (Apg 2,17.18). An einigen Stellen innerhalb der Apostelgeschichte führt Lukas Zitate von Propheten auf, ohne die jeweiligen Propheten mit Namen zu benennen (Apg 7,42.48; 13,40; 15,15). Betrachtet man die Stellen, an denen im Lukasevangelium und in der Apostelgeschichte von Propheten die Rede ist, so lassen sich folgende Aspekte erkennen: 1.
Den Propheten, jedenfalls den vorchristlichen Propheten, schlagen Unverständnis und Aggression entgegen. Dieser durchaus traditionelle135 Aspekt
133
In Lk 7,28 und 11,29 liegen Textvarianten vor, Nestle-Aland 2012 bieten an diesen Stellen den Begriff προφήτης nicht. Indirekt wird Jesus auch in Lk 4,24 und Lk 13,33.34 als Prophet bezeichnet. Vgl. z. B.: Mk 6,4; Mt 5,12; 13,57; 23,29–32.34–36.37–39.
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begegnet im Lukasevangelium (Lk 4,24; 6,23; 11,47.49.50; 13,33.34), aber auch in der Apostelgeschichte (Apg 7,52). Ein Prophet steht in dem Ansehen, Menschen zu kennen bzw. zu durchschauen. So denkt der Pharisäer, der Jesus zu einem Essen eingeladen hat: „Wenn dieser ein Prophet wäre, so wüsste er, wer und was für eine Frau das ist, die ihn anrührt; denn sie ist eine Sünderin“ (Lk 7,39; bei Mk und Mt fehlt diese Bemerkung). Propheten sprechen für Gott; Gott redet durch sie. Insofern können sie als heilig bezeichnet werden. Dies wird besonders in Lk 1,70 deutlich ausgedrückt: καθὼς ἐλάλησεν διὰ στόματος τῶν ἁγίων ἀπ’ αἰῶνος προφητῶν αὐτοῦ. In Apg 11,27 und 21,11 wird betont, dass das prophetische Reden des Agabus durch den Geist Gottes bewirkt wird.136 Nach Lk 13,28 werden die Propheten im Eschaton zusammen mit Abraham, Isaak und Jakob im Reich Gottes sein. Diese Stelle ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil die Erwähnung der Propheten (καὶ πάντας τοὺς προφήτας) bei der matthäischen Parallele fehlt (Mt 8,11) und der Zusatz wohl auf lukanische Redaktion zurückgeht.137 An dieser Stelle geht es um die Schwierigkeit des Eingehens in das Reich Gottes: Während viele als ἐργάται ἀδικίας aus dem Reich Gottes ausgeschlossen werden, werden andererseits Menschen aus allen Himmelsrichtungen und das heißt aus allen Völkern Eingang finden. Wenn Lukas nun ausdrücklich sagt, dass die Propheten ins Reich Gottes eingehen, drückt er damit aus, dass diese im Einklang mit Gott handeln und insofern auch als Autoritäten zu gelten haben. Propheten haben die Kraft der Weissagung. In Apg 11,27–28 wird erzählt, dass die von Agabus vorhergesagte Hungersnot unter Kaiser Claudius eintrat. Auch die von Agabus in Apg 21,10–11 vorhergesagte Gefangennahme des Paulus und seine Auslieferung an die Heiden tritt ein. Vor allem betont Lukas, dass das von den Propheten Verkündete in der Person und Zeit Jesu seine Erfüllung fand. So wird das Auftreten des Johannes in Verbindung gebracht mit der Vorhersage Jesajas (Lk 3,4–6; par Mt 3,3). In der sogenannten Antrittspredigt Jesu in Nazaret deutet Lukas das Auftreten Jesu als Erfüllung der Weissagung des Jesaja (Lk 4,17–21). Bei der dritten Leidensankündigung fügt Lukas 18,31 redaktionell ein, dass in Jerusalem in Erfüllung gehen werde, was durch die Propheten über den Menschensohn geschrieben worden sei (diff Mk 10,33, diff Mt 20,18). Auch in den redaktionellen lukanischen Texten Lk 24,25.27 und Lk 24,44, aber auch an einigen Stellen in der Apostelgeschichte (Apg 2,31; 3,18.21.23.24; 7,37; 7,52; 10,43) wird deutlich gemacht, dass in Jesus das von den Propheten Gesagte bzw. Geschriebene in Erfüllung geht. Besonders in Apg 26,22 und Apg 28,23 wird Ähnlich heißt es auch von Zacharias in Lk 1,67: καὶ Ζαχαρίας ὁ πατὴρ αὐτοῦ ἐπλήσθη πνεύματος ἁγίου καὶ ἐπροφήτευσεν λέγων. Vgl.: Spruchquelle Q 91.
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Die Rede Jesu an die Pharisäer: Lk 16,14–31 klar, dass sich in der Person Jesu und in seiner Verkündigung an Juden und Heiden das erfüllt, was die Propheten und Mose vorhergesagt haben. 138 Unter „Propheten“ versteht Lukas auch die schriftlich fixierten Prophetentexte. Dass die Worte der Propheten niedergeschrieben sind, sagt Lukas z. B. in Apg 15,15, bevor er dann die Worte zitiert (ähnlich auch Apg 7,42: καθὼς γέγραπται ἐν βιβλίῳ τῶν προφητῶν; Lk 18,31: τὰ γεγραμμένα διὰ τῶν προφητῶν). In Apg 8,28.30.34 erzählt Lukas, dass der äthiopische Kämmerer den Propheten Jesaja liest. Mehrfach erwähnt Lukas, dass die Propheten im Gottesdienst verlesen werden (Lk 4,17; Apg 13,15.27). Zusammen mit dem Gesetz des Moses (und den Psalmen) bilden sie die Heiligen Schriften, γραφαί (Lk 24,27.44; vgl. Apg 24,14: γεγραμμένοις). Die Verbindung des Begriffs „Propheten“ mit „Gesetz“ oder „Mose“ begegnet an acht Stellen innerhalb des Lukasevangeliums und der Apostelgeschichte (Lk 16,16.29.31; 24,27.44; Apg 13,15; 24,14; 28,23). Lässt man Lk 16,16 außer Acht,139 fällt auf, dass alle Stellen zum lukanischen Sondergut gehören.140 Abgesehen von den Stellen des 16. Kapitels bezeichnet diese Wortverbindung die Heilige Schrift, die aus den beiden Größen „Gesetz“ und „Propheten“ (nach Lk 24,44 auch aus den Psalmen) besteht. In Apg 28,23 weist Lukas darauf hin, dass Paulus die Menschen für Jesus zu gewinnen suchte vom Gesetz des Moses und den Propheten her. Parallel dazu wird erwähnt, dass Paulus die βασιλεία τοῦ θεοῦ bezeugte. Die beiden „koordinierten Partizipien διαμαρτυρόμενος und πείθων“141 zeigen, dass die Hauptinhalte der Verkündigung des Paulus aber keine voneinander getrennten Aspekte sind, sondern dass das Bezeugen der βασιλεία τοῦ θεοῦ
Vgl. auch: Apg 24,14. Zur Redaktion dieser Stelle vgl.: Kapitel 6.2.2.2. Die Wortverbindung erscheint auch im Matthäusevangelium. In einer der lukanischen Formulierung gleichen Version, also „Gesetz und Propheten“, kommt die Verbindung nur Mt 7,12 vor: „Alles, was ihr also von anderen erwartet, das tut auch ihnen! Darin besteht das Gesetz und die Propheten.“ Wie hier geht es auch in Mt 22,40 um das rechte Tun: „An diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz samt den Propheten.“ Allerdings werden Gesetz und Propheten auch als eigenständige Größen des Gotteswillens gesehen, denn die beiden Begriffe werden durch das Prädikat voneinander getrennt: ἐν ταύταις δυσὶν ἐντολαῖς ὅλος ὁ νόμος κρέμαται καὶ οἱ προφῆται. In Mt 11,13, der Parallelstelle zu Lk 16,16, werden die Propheten zuerst genannt: πάντες γὰρ οἱ προφῆται καὶ ὁ νόμος ἕως Ἰωάννου ἐπροφήτευσαν. In Mt 5,17 werden Gesetz und Propheten zwar zusammengesehen, aber durchaus als unterschiedliche Größen anerkannt. Anders als die EÜ 1980 und die EÜ 2016 vorgeben („das Gesetz und die Propheten“) werden die beiden Begriffe nicht durch καί, sondern durch ἤ (oder) verbunden. Obwohl Gesetz und Propheten durchaus als zwei verschiedene Größen des Gotteswillens erscheinen, gilt im Kern doch, was Weiser, Theologie 84, formuliert: „Der Doppelausdruck ‚Gesetz und Propheten‘ meint nicht etwas Unterschiedliches, sondern gerade bei Matthäus den einen, in den heiligen Schriften Israels geoffenbarten Gotteswillen.“ G. Schneider, Apostelgeschichte 417.
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und das Überzeugen für Jesus letztlich zusammenfallen.142 Es wird hier deutlich, dass die Messianität Jesu und die Herrschaft Gottes zwei Seiten derselben Medaille sind, so dass das Gesetz und die Propheten nicht nur auf die Messianität Jesu hinweisen, sondern auch auf die von Jesus verkündigte und in ihm anbrechende Herrschaft Gottes. Aus diesen Beobachtungen ergibt sich für Lk 16,16, dass Gesetz und Propheten als aufeinander bezogene Größen des Gotteswillens gesehen werden. Gesetz und Propheten sind schriftlich fixiert und können insofern als Richtschnur des Lebens nachgelesen werden. In Lk 16,16 ist auffallend, dass auf den Ausdruck ὁ νόμος καὶ οἱ προφῆται die Worte folgen μέχρι Ἰωάννου. Da aber Johannes bei Lukas als Prophet gilt, ist es wahrscheinlich, dass durch die Verbindung οἱ προφῆται μέχρι Ἰωάννου die Propheten und Johannes in Verbindung zueinander gestellt und durch das Fehlen des Prädikats auch formal nahe aneinandergerückt werden. Die Propheten sind daher hier nicht nur als Bestandteile der Schrift gesehen, sondern mit Blick auf Johannes auch als Personen, die für Gott sprechen, seinen Willen verkünden und deshalb angefeindet werden. 143 Die Propheten weisen ebenso wie das Gesetz auf Jesus und die von ihm verkündete βασιλεία τοῦ θεοῦ hin. Der Begriff οἱ προφῆται in Lk 16,16 steht also in einem engen inhaltlichen Bezug einerseits zum vorhergehenden Begriff ὁ νόμος und andererseits zu den nachfolgenden Begriffen Ἰωάννου und ἡ βασιλεία τοῦ θεοῦ. Abgesehen von den Weissagungen über Jesus und den wörtlichen Zitaten erwähnt Lukas keine konkreten Botschaften von Propheten. Man kann aber davon ausgehen, dass der Autor Lukas und die Adressaten des Lukasevangeliums allgemeine Kenntnisse von der Verkündigung der Propheten hatten. Die Leser haben sicherlich allgemeine Vorstellungen vom Tun eines Propheten – sowohl aus der jüdischen als auch aus der griechischen Kultur und Gedankenwelt – beim Lesen eingebracht. Es bleibt im Folgenden zu betrachten, ob die bei Lukas beschriebenen Aspekte der Propheten den Grundzügen des griechischen und alttestamentlichen Prophetenbegriffs entsprechen. Im griechischen Kulturkreis steht der in der Literatur seit dem 5. Jh. v. Chr. benutzte Begriff προφήτης in Verbindung mit der Funktion des Aussprechens und Verkündens.144 Er wird vor allem verwendet für Orakelpropheten,145 aber auch für Dichter146 und andere Personen. Der Begriff meint einen Sprecher im
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Vgl.: G. Schneider, Apostelgeschichte 417. Vgl.: Wolter, Lukasevangelium 555. Siehe: H. Krämer, προφήτης 794. Siehe zur Verwendung des Begriffs für die Orakelpropheten in Dodona und Delphi sowie zur Unterscheidung der Begriffe προφήτης und μάντις: H. Krämer, προφήτης 784/92. Siehe hierzu: H. Krämer, προφήτης 792/3.
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Namen eines Gottes, „der göttlichen Willen und Rat im Orakel verkündet“ 147. Wie bei Lukas ist der Prophet also Verkünder des Gotteswillens. Im Unterschied zu Lukas bezieht sich das Präfix προ nicht auf den Aspekt des Vorhersagens der Zukunft, sondern auf das Sprechen an Stelle Gottes.148 Die Septuaginta gibt mit dem Wort προφήτης das hebräische נָבִ יאwieder.149 Doch ist das Bild von Prophetie im Alten Testament nicht einheitlich: „Überblickt man den Kreis der Gestalten, die mit diesem Titel bezeichnet werden, so ist sofort deutlich, dass von einem einheitlichen, klar umrissenen Typ keine Rede sein kann. Besonders dort, wo der Titel Gestalten der Vorkönigszeit beigelegt wird, sind es die verschiedensten Züge, die zu dieser Benennung geführt haben. Dann allerdings schält sich in zunehmendem Maße e i n gemeinsames Kennzeichen heraus: das Reden im Auftrag Jahwes“ 150. Generell kann gesagt werden, dass der alttestamentliche Prophet sich als Bote Gottes versteht, der das Wort Gottes, das er empfängt, als Verheißungs- oder als Drohwort weitergeben muss.151 Dieses Charakteristikum prophetischen Verständnisses wird Lk 1,70 aufgegriffen. Wie bei Lukas findet sich auch im alttestamentlichjüdischen Umfeld die enge Verbindung der Propheten mit Mose. Schon in Dtn 18,15–19 erscheint der Prophet als der, der das Volk mit dem Willen Jahwes in Verbindung zu halten hat. „Im Rahmen des Deuteronomiums ist dieses Amt vom Gesetz her zu verstehen, dessen Bewahrer, Mittler und vollmächtiger Interpret dieser נָבִ יאsein soll.“152 Für den pharisäischen Rabbinismus ist das Wirken der Propheten nur verständlich im Zusammenhang und in Abhängigkeit vom Gesetz: Kein Prophet ist berechtigt, etwas zu sagen, das nicht in der Tora enthalten ist. Die Propheten werden gesehen als durch den Geist Gottes bevollmächtigte Ausleger des Gesetzes, die im Rahmen des Heilsplanes ihre bestimmte und begrenzte Aufgabe haben.153 Auch bei Philo gelten Propheten 147
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H. Krämer, προφήτης 795. Gelegentlich meint der Begriff auch einen „Sprecher der Menschen zum Gott.“ H. Krämer, προφήτης 795. Vgl.: H. Krämer, προφήτης 795. Siehe auch: Hoheisel, Propheten 627. Vgl.: Rendtorff, προφήτης 812. Zum Wort נָבִ יאsiehe: Rendtorff, προφήτης 796/9. Rendtorff, προφήτης 800/1. Auf die Vielfalt prophetischer Phänomene weist auch Hossfeld, Propheten 628, hin. Vgl.: Rendtorff, προφήτης 810/1. Konstanten der Verkündigung sind die Ausrichtung auf Jahwe als den einzigen Gott und das Eintreten für Recht. Siehe: Fischer, Prophet 461. Rendtorff, προφήτης 804. Vgl. auch: Fischer, Prophet 459; Hossfeld, Propheten 631. Siehe hierzu: Meyer, προφήτης 817/20. In der rabbinischen Tradition wird das Auftreten legitimer Prophetie auf die Zeit bis zum Untergang des salomonischen Tempels beschränkt. Die Aufgabe der Propheten wird von den „Weisen“ übernommen, so dass eine Kette von Trägern des „mündlichen Gesetzes“ entsteht. Siehe: Meyer, προφήτης 817/20. Für die Rabbinen verläuft die Heilgeschichte in den Etappen „Zeit der Prophetie“ – „Gegenwart“ – „Heilszeit mit der allgemeinen Ausgießung des Geistes“. Das Gesetz hat urbildlichen Charakter: Es enthält bereits die gesamte Heilsgeschichte, deren Etappen sich zu den von Gott festgesetzten Zeitpunkten ereignen. Siehe: Meyer, προφήτης 817/20. Dieser Gedanke könnte von Lukas darin aufgegriffen sein, dass nach lukanischer Sicht Gesetz und Propheten auf die in Jesus anbrechende Heilszeit hinweisen.
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als Werkzeuge Gottes zur Offenbarung des göttlichen Willens, die Tora aber ist Urbild und Ausgangspunkt des gesamten Heilsgeschehens.154 Offensichtlich ist Lukas – gerade was die Bezugnahme der Propheten auf Mose angeht – geprägt von den verschiedenen Vorstellungen seiner Zeit. So gehören für ihn Mose und die Propheten als Offenbarer des göttlichen Willens zusammen und dienen so auch als Vorausdeuter der sich in Jesus erfüllenden Heilsgeschichte. Gerade weil das Gesetz und die Propheten den einen Willen Gottes verkünden, erwähnt Lukas die Propheten im Kontext der Rede gegen die Pharisäer. So wie der lukanische Jesus den Pharisäern das Gesetz vorhält, so stellt er ihnen die Propheten als diejenigen vor Augen, die als Richtschnur des Lebens gelten sollten (vgl. Lk 1,70 und 13,28), die aber von den Vorfahren der Angesprochenen missachtet und getötet wurden (vgl. die Rede gegen die Pharisäer und Schriftgelehrten Lk 11,37–52, vgl. auch Apg 7,51–53). Die Pharisäer, die den Willen Gottes ja befolgen wollen, müssten eigentlich die Offenbarung Gottes durch die Propheten ebenso wie das Gesetz zur Grundlage ihres Handelns machen; da diese Offenbarung schriftlich fixiert ist, könnte sie von den Pharisäern auch beachtet werden. Zwar erwähnt Lukas die verbreitete prophetische Kritik am falschen Umgang der Reichen mit den Armen 155 (z. B. bei Am 3,9–4,3; 5,7.10– 12; 6,1–14; 8,4–9, bei Mi 2,1–11 oder bei Jer 22,13–19) nicht ausdrücklich, doch dürfte diese seinen Adressaten bekannt sein. Außerdem zeigt das an eine bedeutende Stelle platzierte Jesajazitat (Lk 4,18; vgl. Jes 61,1) gerade die auch bei den Propheten zutage tretende Hinwendung Gottes zu den Armen. Auch macht Lukas im Magnifikat Marias (Lk 1,46–55, vgl. V. 53: Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und lässt die Reichen leer ausgehen.), dessen Vorbild das Danklied Hannas im Buch Samuel ist (1 Sam 2,1–11; vgl. V.8: Den Schwachen hebt er empor aus dem Staub und erhöht den Armen, der im Schmutz liegt; er gibt ihm einen Sitz bei den Edlen, einen Ehrenplatz weist er ihm zu.), deutlich, dass Gott sich der Armen annimmt. Ἰωάννης Bezüglich der Erwähnung des Johannes in V. 16 wird – wie oben bereits gesagt – vor allem die Frage diskutiert, ob Johannes von Lukas zum Bereich des alttestamentlichen Gesetzes und der Propheten zugerechnet wird oder ob er 154
155
Siehe: Meyer, προφήτης 822/3. Als Träger der Offenbarung erscheint bei Philo Mose. Als Gott die Gebote gab, beschränkte er sich auf den Dekalog, die Einzelgesetze ließ er durch Mose verkünden, den er zum Deuter der Offenbarungen erwählte. Siehe: Meyer, προφήτης 822. Auch der in hellenistisch-römischer Zeit erwartete (und in Johannes Hyrkanos I. erkannte) prophetisch begabte Herrscher der Endzeit erscheint als endzeitliches Gegenstück zu Mose, als Paradieseskönig, der den Menschen den idealen Urzustand wiedergibt. Ebenso ist Mose das Urbild des messianischen Propheten. Siehe: Meyer, προφήτης 825/7. Siehe hierzu: Berges, Arm und reich 30/44. Siehe auch: Schäfer-Lichtenberger; Schottroff, Reichtum 467/8. Vgl. z. B. zur Maleachischrift: Schart, Fremdlinge 51/67.
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zur βασιλεία τοῦ θεοῦ und damit zu Jesus gehört. Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob μέχρι und ἀπὸ τότε exklusiv oder inklusiv zu verstehen sind. Da diese Frage allerdings von der Semantik der Worte her nicht eindeutig beantwortet werden kann,156 ist es erforderlich, die Bedeutung von Person und Botschaft des Johannes im lukanischen Doppelwerk zu erfassen und von daher V. 16 zu beleuchten. Johannes wird von Zacharias als Prophet des Höchsten bezeichnet (Lk 1,76: καὶ σὺ δέ, παιδίον, προφήτης ὑψίστου κληθήσῃ). Das Volk ist überzeugt, dass Johannes ein Prophet war (Lk 20,4–6 par Mk 11,30–32, Mt 21,25–26). Bei der Ankündigung der Geburt des Johannes erklärt der Engel, Johannes werde groß sein vor dem Herrn (Lk 1,15), er werde Wein und starkes Getränk nicht trinken157 (1,15) und er werde schon im Mutterleib mit heiligem Geist erfüllt sein (1,15). Gerade die letztgenannte Ankündigung ist wichtig, da Geistempfang Voraussetzung für prophetisches Reden ist,158 dadurch, dass Johannes schon vom Mutterleib an mit Geist erfüllt ist, wird er als ein besonderer Prophet herausgehoben.159 Die Aufgabe des Johannes wird in der Rede des Engels und in der Rede des Zacharias klar formuliert: Er wird dem Herrn vorangehen, dass er seinen Weg bereitet (Lk 1,76), dass er Erkenntnis des Heils gibt in der Verge156
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Das Wort μέχρι kommt im Lukasevangelium nur an dieser Stelle vor, es findet sich außerdem in der Apg 10,30 und 20,7. Bei Mt kommt μέχρι 11,23; 13,30 (allerdings textkritisch nicht eindeutig) und 28,15 vor. Bei Mk findet es sich 13,30. Auch erscheint es gelegentlich in der Briefliteratur: Röm 5,14.19; Gal 4,19; Eph 4,13; Phil 2,8.30; Hebr 3,6 (Textvariante).14; 9,10; 12,4. In exklusivem Sinn scheint das Wort Phil 2,30 gebraucht zu sein, ansonsten eher inklusiv, wobei eine bewusste Trennung (exklusiv – inklusiv) wohl gar nicht im Bewusstsein des jeweiligen Autors lag. Ch. G. Müller, Prophet 260, geht davon aus, dass μέχρι bei Lukas inklusiv zu verstehen ist. Die Wortverbindung ἀπὸ τότε kommt im Neuen Testament außer Lk 16,16 nur bei Mt 4,17 und 26,16 vor. Vgl. hierzu: Wolter, Lukasevangelium 554. Vgl. hierzu auch: Bachmann, Johannes 139/49, der sich ausführlich mit Conzelmanns „heilsgeschichtlicher Periodisierung“ auseinandersetzt. Vgl.: Conzelmann, Mitte 16. Conzelmann rechnet Johannes zu den Propheten. Auch Heil, Lukas und Q 136 und 267, unterstützt diese Sicht. Anders sieht dies neben Bachmann auch Rengstorf, ποταμός 595/623. Durch diese Aussage soll die besondere Nähe des Johannes zu Jahwe ausgedrückt werden (vgl.: Num 6,3 und Lev 10,9). Heil weist darauf hin, dass Lukas Johannes als frommen, nasiräisch geprägten Propheten zeichne. So verändert Lukas die Aussage von Mt (Q): μήτε ἐσθίων μήτε πίνων (Mt 11,18), indem er in 7,33 formuliert: μὴ ἐσθίων ἄρτον μήτε πίνων οἶνον und in 1,15 schreibt: καὶ οἶνον καὶ σίκερα οὐ μὴ πίῃ. Vgl.: Heil, Lukas und Q 262/3. Allerdings kann die Hinzufügung und damit die Veränderung der extremen Pauschalisierung auch in der allgemeinen Tendenz des Lukas begründet sein, zuverlässige Informationen zu bieten. Auffallend ist, dass Lukas die markinischen Angaben über die asketische Kleidung und Nahrung (Mk 1,6) auslässt. Siehe hierzu: Kapitel 6.2.2.3, „Der Begriff προφήτης“, vor allem 2. und 3. So kann auch das Hüpfen des Kindes Johannes im Mutterleib, als Elisabeth Maria besucht (Lk 1,41), als ein prophetisches Zeichen verstanden werden. Johannes weist, da er ja schon mit hl. Geist erfüllt ist, als Prophet auf das kommende Heil, auf Jesus, hin. Auch Busse, Engelrede 174, sieht einen Zusammenhang zwischen Lk 1,15 und Lk 1,41.
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bung ihrer Sünden (Lk 1,77). Er wird viele vom Volk Israel zu dem Herrn, ihrem Gott, bekehren (Lk 1,16) und er wird vor ihm hergehen im Geist und in der Kraft Elias,160 zu bekehren die Herzen der Väter zu den Kindern und die Ungehorsamen zu der Klugheit der Gerechten (Lk 1,17). Einerseits verweist Johannes als Vorläufer161 und Wegbereiter auf den kommenden Messias, er sagt in prophetischer Tradition Gericht (Lk 3,7)162 und kommendes Heil an (Lk 1,77: τοῦ δοῦναι γνῶσιν σωτηρίας τῷ λαῷ αὐτοῦ). So erweitert Lukas gegenüber Matthäus auch das Jesajazitat, das er auf das Wirken des Johannes bezieht: καὶ ὄψεται πᾶσα σὰρξ τὸ σωτήριον τοῦ θεοῦ (Lk 3,6). Andererseits macht Johannes deutlich, dass er nicht selbst der Messias ist (Lk 3,15–17 par Mt).163 Besonders hervorgehoben ist bei Lukas die Aufgabe des Johannes, das Volk auf das kommende Heil vorzubereiten und die Taufe der Buße zur Vergebung der Sünden zu predigen (Lk 3,3 par Mk). So erscheint der lukanische Johannes besonders als prophetischer Lehrer und Prediger.164 Wenn Lukas den Engel Gabriel sagen lässt, dass Johannes die Ungehorsamen zur Klugheit der Gerechten bekehren soll, dann bedeutet dies eine Umkehr zu dem im Gesetz geoffenbarten Willen Gottes.165 Denn die Gerechten sind die, die nach den Geboten Gottes leben.166 In die gleiche Richtung weist die Erwähnung von Frömmigkeit und Gerechtigkeit (Lk 1,75: ἐν ὁσιότητι καὶ δικαιοσύνῃ) in der Rede des Zacharias. Denn hierbei handelt es sich um die Hauptgesichtspunkte des jüdischen Gesetzes in hellenistisch-jüdischer Tradition.167 „Ziel der Wegbereitung, die durch den Vorläufer Johannes erfolgt, ist das Leben ‚in Frömmigkeit und Gerechtigkeit‘“168, also die Umkehr zur Befolgung des Gesetzes. „Man versuchte die Vielzahl jüdischer Einzelgesetze systematisch zu ordnen und auf zwei Grundtugenden entsprechend griechischer Tradition zurückzuführen. So heißt es z. B. bei Philo von Alexandrien (spec II 61–63): ‚Und es gibt sozusagen zwei Grundlehren, denen 160
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Lukas sagt nur, dass Johannes im Geist und in der Kraft Elias wirkt, er vermeidet aber die Identifikation des Johannes mit Elia (anders Mt 11,14 oder auch Mk 9,11–13). Vgl.: Heil, Lukas und Q 261. Siehe auch: U. B. Müller, Johannes 136/7. Busse betont, dass diese aus Lk 1,77 abgeleitete Bezeichnung für Johannes keineswegs abwertend gebraucht werden darf, wie z. B. bei U. B. Müller, Johannes 143: Johannes ist „nur der Vorläufer Jesu“. Siehe: Busse, Vorgeschichte 169: „Der Wortgebrauch (Lk 22,47) meint vielmehr das aktive Vorangehen.“ Siehe auch: Burchard, Lukas 16,16 121 Anm. 7. In Lk 3,7–9 stehen wichtige Begriffe, die sich auch im Gleichnis vom Reichen und dem armen Lazarus finden: die Abrahamkindschaft (Der Reiche nennt Abraham πάτερ, Abraham den Reichen τέκνον.) und das Verb μετανοεῖν (umdenken, umkehren). Dass das Volk durchaus darüber nachdenkt, ob Johannes der Messias ist, wird von Lukas in 3,15 (diff Mt) explizit gesagt. So lehrt der lukanische Johannes seine Jünger beten (Lk 11,1 diff Mk/Mt!). Dass Johannes bei Lukas vor allem als ethischer Prediger gesehen wird, sagen: Heil, Lukas und Q 263 und U. B. Müller, Johannes 146/54. Vgl.: Busse, Vorgeschichte 168. Siehe dazu: Kapitel 6.2.2.1. Siehe: U. B. Müller, Johannes 148. U. B. Müller, Johannes 148.
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die zahllosen Einzellehren und Sätze untergeordnet sind: im Bezug auf Gott das Gebot der Gottesverehrung und Frömmigkeit, im Bezug auf Menschen das der Nächstenliebe und Gerechtigkeit.‘ Ähnlich lautet es an anderer Stelle bei Philo (Abr 208), wenn er vom vorbildlichen Menschen spricht: ‚Bei demselben Menschen findet man gewöhnlich beides, Frömmigkeit gegen Gott und Gerechtigkeit gegen die Mitmenschen.‘“169 Die Umkehrpredigt des Johannes hat also zum Ziel, in Vorbereitung auf das kommende Heil die Menschen zur Befolgung des Gesetzes Gottes zu führen. Dabei denkt Lukas an ein entsprechendes Verhalten, das im Alltag in ganz bestimmten Handlungen konkret wird. Deswegen fordert er dazu auf, Früchte der Umkehr zu bringen (im Plural, Lk 3,8: ποιήσατε οὖν καρποὺς ἀξίους τῆς μετανοίας), während Matthäus (Q) allgemein formuliert (Mt 3,8: ποιήσατε οὖν καρπὸν ἄξιον τῆς μετανοίας).170 Was solche Früchte sind, macht der lukanische Johannes in Lk 3,10–14 (der sogenannten „Standespredigt“, die auf lukanische Redaktion zurückgeht) sogleich deutlich: Für die Volksmenge bedeutet dies konkret solidarische Hilfe für den bedürftigen Mitmenschen (Lk 3,10–11). Dass es dem lukanischen Johannes vor allem um eine ethische Neubesinnung anlässlich des kommenden Heils geht, 171 zeigt auch die Notiz über Herodes: Während Markus und Matthäus nur erwähnen, dass Johannes von Herodes ins Gefängnis geworfen wurde, weil er dessen Heirat mit Herodias, der Frau des Bruders von Herodes, kritisiert hatte (Mk 6,17; Mt 14,3), ergänzt Lukas: καὶ περὶ πάντων ὧν ἐποίησεν πονηρῶν (Lk 3,19). Johannes erscheint also ganz deutlich als Prophet, der auf das kommende Gericht bzw. Heil hinweist und das Volk zur Neubesinnung auf den im Gesetz bereits offenbaren Gotteswillen aufruft. Insofern ist seine Erwähnung in Lk 16,16 auf einer Linie zu sehen mit der Erwähnung von Gesetz und Propheten. 172 Andererseits ist Johannes – auch in der Sicht des Lukas – gerade als Wegbereiter des Herrn mehr als ein Prophet. Er stellt vielmehr die Erfüllung alttestamentlicher Verheißungen dar. So übernimmt Lukas Q (Lk 7,26–27 par Mt 11, 9–10): καὶ περισσότερον προφήτου. οὗτός ἐστιν περὶ οὗ γέγραπται ἰδοῦ ἐγὼ ἀποστέλλω τὸν ἄγγελόν μου πρὸ προσώπου σου, ὃς κατασκευάσει τὴν ὁδόν σου ἔμπροσθέν σου. Auch die Aussage, dass keiner, der von einer Frau geboren ist, größer ist als Johannes, übernimmt Lukas aus Q (Lk 7,28 par Mt 11,11). 173 Auffal169
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172 173
U. B. Müller, Johannes 148. U. B. Müller, Johannes 148/9, weist darauf hin, dass diese beiden Tugenden einigen Personen im lukanischen Doppelwerk zugesprochen werden, nämlich Simeon, Jesus und Kornelius. Vgl.: U. B. Müller, Johannes 152. Dennoch ist die Folgerung U. B. Müllers, Johannes 153/4, Johannes habe bei Lukas „keinen Bezug mehr zu den Endereignissen, die jetzt einer nicht abschätzbaren Zukunft angehören“, nicht richtig. Vgl.: Burchard, Lukas 16,16 121. Allerdings schließt sich bei Lukas und Matthäus die Bemerkung an, dass der Kleinste im Reich Gottes größer ist als er (Johannes). Jedenfalls ist der Behauptung U. B. Müllers, Johannes 135, Lukas wolle „Johannes in die Reihe der Propheten einordnen, die wie Hanna (2,36), Samuel (Apg 3,24) oder David (Apg 2,29–31) Jesus erkennen oder verheißen“,
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lend ist vor allem, wie viel Lukas über Johannes erzählt.174 Bemerkenswert ist auch, dass er sein Evangelium unmittelbar nach dem Proömium mit der Ankündigung der Geburt des Johannes beginnen lässt.175 Überhaupt stellt Lukas in der sogenannten Vorgeschichte die Kindheit des Johannes parallel zu der Kindheit Jesu dar.176 Tut er dies nur deshalb, um Jesus größer als Johannes erscheinen zu lassen? Geht es Lukas nur darum, Johannes als unterlegen zu charakterisieren?177 Und auf V. 16 zugespitzt: Wird Johannes von Jesus getrennt oder gehört er zur Zeit und Botschaft Jesu und der βασιλεία τοῦ θεοῦ? In welchem Verhältnis stehen Johannes und Jesus zueinander? Um diese Frage zu beantworten, muss ein genauerer Blick auf die Struktur, die inhaltliche Aussage und die Funktion der Vorgeschichte geworfen werden: Mit der für Lukas typischen Einleitungsformel ἐγένετο178 und einer detaillierten Vorstellung der beiden im Folgenden wichtigen Akteure179 beginnt Lukas die „Kindheitsgeschichte“ Johannes des Täufers, deren Abschluss durch V. 80 deutlich markiert wird. Dabei weist dieser das Geschehen um Johannes abschließende Vers wie eine Brücke zugleich über die Kindheit des Johannes hinaus und auf sein Wirken in Israel hin: Das über Johannes Gesagte bedarf einer expliziten literarischen Fortführung seiner Person und seines Wirkens. 180 Denn in der sogenannten Vorgeschichte geht es nicht um eine erbauliche
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nicht zuzustimmen. Allerdings räumt Müller im Folgenden ein, dass es mit dem Prophetentum des Johannes doch „eine besondere Bewandtnis“ habe. Vgl.: U. B. Müller, Johannes 134. Darauf weist Busse, Vorgeschichte 167, hin. Siehe zur Vorgeschichte besonders: Busse, Vorgeschichte 161/79. Diese Ansicht vertritt U. B. Müller, Johannes 134/45. „Die Darstellung hat das Ziel, die Kindheit Jesu und den Beginn seiner Tätigkeit so zu schildern, dass sie die entsprechenden Daten des Täufers weit überbieten, Jesus also weit überlegen erscheinen lassen. Lukas benutzt dazu das Prinzip der Parallelität zwischen Johannes und Jesus.“ So: U. B. Müller, Johannes 141. Vgl.: Heil, Lukas und Q 265. Vgl. hierzu besonders: Johannessohn, καὶ ἐγένετο 161/212; Sellin, Komposition 101/4 und Denaux, Delineation 377/9. Die Formel kommt bei Mk und Mt selten vor, bei Lk dagegen erfreut sie sich besonderer Beliebtheit. Siehe: Johannessohn, καὶ ἐγένετο 194/8. Bergholz, Aufbau 52, der zwar nur von ἐγένετο δέ spricht, aber – wie aus der Aufzählung hervorgeht – auch ἐγένετο καί meint, hat Unrecht, wenn er sagt, dass diese Formel bei Mt und Mk nicht vorkommt. Bergholz lässt einige Stellen bei Lk außer Acht, z. B. 1,8 und 24,51. Dagegen findet sich die Formel entgegen der Angabe von Bergholz in 3,1 nicht; in 17,26 handelt es sich nicht um die Einleitungsformel. Auch in 8,19 (παρεγένετο), 22,24 und 22,66 hat ἐγένετο nichts mit der unpersönlich konstruierten Einleitungsformel zu tun, da es sich dort um Prädikate handelt, die auf die jeweiligen Subjekte hin bezogen sind. Das Fehlen jeglicher Konjunktion in Bezug auf ἐγένετο in V. 5 zeigt den absoluten Beginn der eigentlichen Erzählung an. Johannes und Jesus treten in den Kapiteln 1 und 2 als eigentliche Handlungsträger nicht auf. Eine Ausnahme bildet lediglich die Episode vom zwölfjährigen Jesus im Tempel. Beachtenswert ist der Bezug zwischen 1,80 und 3,1–3. An beiden Stellen ist vom Aufenthalt des Johannes in der Wüste und von seinem Auftrag bzw. vom Wort Gottes, das an ihn erging, die Rede.
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Schilderung der Kindheit des Johannes, sondern um die Darstellung der göttlichen Fügung seiner Geburt und der Funktion des Täufers in der die Verheißungen nun zur Erfüllung bringenden (1,68–1,70) Heilsgeschichte Gottes mit seinem Volk.181 Diesem Zweck dienen besonders die Reden des Engels (1,13–17) und des Zacharias (1,68–79), die gewissermaßen die „Kindheitsgeschichte“ des Johannes rahmen. Eingebettet in die anfängliche Geschichte des Täufers ist die Ankündigung der Geburt Jesu,182 die ebenfalls auf die Initiative Gottes zurückgeführt wird (V. 26: ἀπεστάλη ὁ ἄγγελος Γαβριὴλ ἀπὸ τοῦ θεοῦ; vgl. auch V. 35).183 Wie zuvor Zacharias und Elisabeth, so werden nun Josef und Maria einleitend vorgestellt. Durch diese Einleitung und vielleicht auch durch die Episodeneinleitungsformel ἐν + temporalem Nomen + Ordinalzahl184 wird ein gewisser Neueinsatz vorgenommen. Andererseits nimmt gerade die Wendung ἐν τῷ μηνὶ τῷ ἕκτῳ auf das vorher Geschilderte Bezug und stellt die temporale Relation zwischen Johannes und Jesus her. Auch V. 36 rekurriert explizit auf die Empfängnis Elisabeths; in der folgenden Episode wird der Besuch Marias bei Elisabeth erzählt. Durch die Zuordnung der beiden Kinder zueinander, durch ihre auf Gottes Wirken zurückgehende Zeugung, das freudige Hüpfen des Johannes beim Besuch der mit Jesus schwangeren Maria,185 besonders aber durch 181 182
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Vgl.: Busse, Vorgeschichte 167. Die Erzählung der Verkündigung wird durch die V. 26–27 und 38d gerahmt: ἀπεστάλη ὁ ἄγγελος Γαβριὴλ […] πρὸς παρθένον und καὶ ἀπῆλθεν ἀπ’ αὐτῆς ὁ ἄγγελος. Auch die folgende Episode vom Besuch Marias bei Elisabeth wird durch die V. 39–40 und 56 kunstvoll gerahmt. Der Beginn der eigentlichen Handlung wird durch καὶ ἐγένετο in V. 41 angezeigt. Blumenthal, Kontinuität und Neuanfang 244/53, weist in einer narrativen Analyse überzeugend nach, dass innerhalb der Erzählerrede des 1. Kapitels nur in V. 26 durch das ἀπὸ τοῦ θεοῦ Gott eine Handlung explizit zugesprochen wird, obwohl diese Information für den Adressaten entbehrlich wäre. Dadurch hebe der Erzähler die Geburtsankündigung Jesu gegenüber der Johannes des Täufers hervor. „So eng die beiden Aussendungen des himmlischen Boten auf der Ebene der Geschichte auch zusammengehören und verknüpft sind (derselbe Bote [Gabriel] – derselbe Auftraggeber [Gott]), so ist auf der Ebene des Erzählerberichtes die Erwähnung der Sendung Gabriels zu Maria doch merklich betont, da hier einmalig in Lk 1 Gott ausdrücklich eine konkrete Handlung zugeschrieben wird.“ So: Blumenthal, Kontinuität und Neuanfang 253. Als Fazit formuliert Blumenthal, Kontinuität und Neuanfang 254, „dass bei aller Betonung der Kontinuität der Geschichte Israels mit der zweiten Aussendung Gabriels zur Ankündigung der Geburt des Sohnes Gottes innerhalb dieser Geschichte etwas Neues beginnt. Materialiter besteht dieses Neue darin, dass von nun an (= von der Ankündigung der Geburt Jesu an) das Heil Gottes an ihn gebunden ist.“ Diese Konstruktion findet sich noch beim deutlichen Neueinsatz in 3,1. In beiden Fällen beginnt mit dieser Formel eine ausführliche Einleitung mit der Ortsangabe und der Vorstellung der im Folgenden wichtigen Personen. Das Geschehen wird auf die Initiative und das Wirken Gottes zurückgeführt. Während sich aber in 1,26 die Zeitangabe klar auf die vorhergehende Episode bezieht, steht die Angabe in 3,1 mit dem Vorhergehenden in keiner Beziehung und stellt somit einen völligen Neueinsatz dar. Maria kehrt kurz vor der Geburt des Johannes wieder nach Hause zurück.
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das, was Gabriel, Zacharias, Maria und Simeon über sie sagen, wird ihre Bedeutung und Funktion deutlich: Beide spielen eine wichtige,186 freilich unterschiedlich akzentuierte Rolle in der Heilsgeschichte Gottes. Während Johannes als Prophet des Höchsten dem Herrn vorangeht und seinen Weg bereitet (V. 76), ist Jesus der Herr (V. 43), der Sohn des Höchsten (V. 32), eine Macht des Heils im Hause Davids (V. 69: Zacharias spielt hier wohl auf V. 32 der Engelrede an). Die Rede des Zacharias, die auf Jesus vorausweist, leitet über zur „Geburtserzählung“ Jesu. Doch werden die nun folgenden Jesusepisoden vom Vorangehenden abgehoben, zum einen durch den die anfängliche Geschichte des Täufers abschließenden V. 80, zum anderen durch die Gliederungsformel ἐγένετο δὲ ἐν ταῖς ἡμέραις ἐκείναις,187 den Synchronismus (2,1–3) und die Bekanntes nochmals aufgreifende188 Einleitung189 (2,4–5). Wie in der „Kindheitsgeschichte“ des Täufers, so geht es auch in der Jesu primär nicht um die Schilderung äußerer Ereignisse wie der Geburt, der Namensgebung oder der Darstellung Jesu im Tempel, sondern um eine in Erzählungen gekleidete Mitteilung an den Leser, welche Bedeutung Jesus hat. So liegt der Schwerpunkt bei der Geburtserzählung nicht bei der Geburt, die nur kurz erwähnt wird, sondern in der Verkündigung an die Hirten.190 Ihnen und damit zugleich dem Leser verkündet der Engel des Herrn die Bedeutung des soeben Geborenen: Er ist der Retter, der Christus, der Herr. Demselben Zweck, nämlich Funktion und Bedeutung Jesu dem Leser einzuschärfen, dienen auch die im Wortlaut nicht erwähnte Rede der Hanna und besonders die Rede des Simeon. 191 Jesus wird in dem die Rede des Simeon einleitenden Text als Christus (V. 26; vgl. 2,11) und in der Rede selbst als das Heil (V. 30: τὸ σωτήριόν σου, vgl. 1,69; 2,11) bezeichnet. Die 186
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Vgl. nur die parallele Schilderung des Engels: V. 15: ἔσται γὰρ μέγας und V. 32: οὗτος ἔσται μέγας. Allerdings muss beachtet werden, dass in der Ankündigung der Geburt des Johannes die Erzählfigur Gabriel nur sagt, dass Johannes groß sein wird „vor dem Herrn“ (V. 15), während er in V. 32 die Bezeichnung Jesu als Sohn Gottes und die Übergabe des Thrones Davids an ihn durch Gott ansagt (καὶ υἱὸς ὑψίστου κληθήσεται καὶ δώσει αὐτῷ ὁ κύριος τὸν θρόνον Δαυὶδ τοῦ πατρὸς αὐτοῦ). Auch in Lk 1,35 wiederholt Gabriel verstärkend seine Aussage von 1,32, indem er sagt: διὸ καὶ τὸ γεννώμενον ἅγιον κληθήσεται υἱὸς θεοῦ. Insofern wird Jesus in seiner Funktion und Bedeutung von Johannes abgehoben. Die Wendung ἐγένετο (δὲ) ἐν ταῖς ἡμέραις (Ἡρώδου – ἐκείναις – ταύταις) findet sich 1,5; 2,1; 6,12 und ordnet das Geschehen in einen (vorher charakterisierten, so: 2,1 und 6,12) Zeitraum ein. Alle Stellen scheinen einen Neueinsatz zu markieren. Die Einleitung nimmt Bezug auf die Verkündigungsepisode. Die eigentliche Handlung beginnt mit V. 6. Die Episode der Hirten wird durch die V. 8 und 20 gerahmt. Die Reden sind eingebettet in die übergeordnete Erzählung von der Darstellung Jesu im Tempel, die den Rahmen für die Reden abgeben: καὶ ὅτε ἐπλήσθησαν αἱ ἡμέραι τοῦ καθαρισμοῦ αὐτῶν κατὰ τὸν νόμον Μωϋσέως, ἀνήγαγον αὐτὸν εἰς Ἱεροσόλυμα παραστῆσαι τῷ κυρίῳ (Lk 2,22); καὶ ὡς ἐτέλεσαν πάντα τὰ κατὰ τὸν νόμον κυρίου, ἐπέστρεψαν εἰς τὴν Γαλιλαίαν εἰς πόλιν ἑαυτῶν Ναζαρέθ (Lk 2,39). Der Einsatz der eigentlichen Handlung wird durch καὶ ἰδοῦ (Lk 2,25) markiert.
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V. 34–35 weisen auf die mit der Botschaft Jesu verbundene, kommende Zeit der Entscheidung in Israel hin: ἰδοὺ οὗτος κεῖται εἰς πτῶσιν καὶ ἀνάστασιν πολλῶν ἐν τῷ Ἰσραὴλ καὶ εἰς σημεῖον ἀντιλεγόμενον. V. 40 schließt in ähnlicher Formulierung192 wie 1,80 (Abschluss der Kindheitsgeschichte des Johannes) nun die Episoden um die frühe Kindheit Jesu ab. Anders als bei Johannes wird aber, ohne die Markierung eines tieferen Einschnitts, eine Episode aus der späteren Kindheit angefügt: seine Reise zum Passafest nach Jerusalem und sein Aufenthalt im Tempel. Während die Messianität Jesu zuvor von anderen dem Leser kundgetan wurde, bezeichnet sich Jesus hier implizit selbst als Sohn Gottes: οὐκ ᾔδειτε ὅτι ἐν τοῖς τοῦ πατρός μου δεῖ εἶναί με; (Lk 2,49). Mit dem an 1,80 und 2,40 erinnernden Schlussvers 2,52 findet die gesamte „Kindheitsgeschichte“ Jesu ihren Abschluss.193 Betrachtet man die Geschichten im Überblick, zeigt sich eine parallele Gestaltung der Kindheitsgeschichten: Ankündigung der Geburt des Johannes – Ankündigung der Geburt Jesu; Besuch Marias bei Elisabeth; Geburt des Johannes, Namengebung und Rede des Zacharias – Geburt Jesu, Namengebung, Darstellung im Tempel, Reden des Simeon und das nur erwähnte Reden der Hanna; der Aufenthalt Jesu im Tempel als ein die Johannesgeschichte überbietender Abschluss. Trotz des Vorkommens der gleichen Elemente und sprachlicher Anklänge zwischen den Episoden über Johannes und denen von Jesus, darf m. E. nicht der Einschnitt in 1,80 bzw. 2,1 und der nicht so scharfe Einschnitt in 1,26 übersehen werden. Die Geschichten um Jesus werden so von denen des Johannes abgehoben, Jesus erscheint als der Bedeutendere. Andererseits aber sind die Geschichten – nicht nur aufgrund ihrer sprachlichen Bezüge – eng miteinander verzahnt: So wird eben die Ankündigung der Geburt Jesu ebenso in die übergeordnete Johanneserzählung eingebettet wie der Besuch Marias bei Elisabeth. Auch die ähnlichen, die jeweiligen Geschichten abschließenden Sätze (1,80 und 2,40 bzw. 2,52) lassen dem Leser, auch wenn hier Jesus von Johannes leicht abgehoben wird, deutlich werden, dass beide Geschichten in ihrer Zusammengehörigkeit gelesen und verstanden werden müssen. Johannes und Jesus gehören – trotz ihrer erwähnten unterschiedlichen Funktionen – eng zusammen. Ihr Erscheinen führt eine Zeit herbei, in der Gott Israel besucht und erlöst (vgl. 1,68), die ersehnte (vgl. 2,25; 2,38) und vorhergesagte (vgl. 1,69–70) Zeit des Heils. Ausgestattet mit dieser Er-
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Lk 2,40: τὸ δὲ παιδίον ηὔξανεν καὶ ἐκραταιοῦτο πληρούμενον σοφίᾳ, καὶ χάρις θεοῦ ἦν ἐπ’ αὐτό. Lk 1,80: τὸ δὲ παιδίον ηὔξανεν καὶ ἐκραταιοῦτο πνεύματι, καὶ ἦν ἐν ταῖς ἐρήμοις ἕως ἡμέρας ἀναδείξεως αὐτοῦ πρὸς τὸν Ἰσραήλ. Dadurch dass in Bezug auf Jesus vom auktorialen Erzähler explizit erwähnt wird, dass die Gnade Gottes auf ihm lag, wird er von Johannes abgehoben. Ähnlich wie in Lk 2,40, aber anders als in 1,80, wird auch hier explizit von χάριτι παρὰ θεῷ gesprochen.
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kenntnis über das „Erscheinen“ von Johannes und Jesus soll der Leser die folgenden Episoden über das sich erfüllende Heil verstehen. 194 Es ist also keineswegs wahrscheinlich, dass Lukas die Geschichten über Johannes hier nur deshalb so umfangreich erzählt und mit denen Jesu verzahnt, um Jesus von ihm klar abzusetzen und überlegen erscheinen zu lassen, auch wenn er Jesus gegenüber Johannes im Detail leicht hervorhebt. Zwar verkündet insgesamt im Lukasevangelium Johannes nicht die βασιλεία τοῦ θεοῦ,195 er verweist jedoch auf den kommenden Heilsbringer, den Stärkeren (Lk 3,16). Damit verweist er aber auch auf das Heil (vgl. die lukanische Erweiterung des Jesajazitats in Lk 3,6: καὶ ὄψεται πᾶσα σὰρξ τὸ σωτήριον τοῦ θεοῦ).196 Insofern verkündet der lukanische Johannes eine frohe Botschaft: πολλὰ μὲν οὖν καὶ ἕτερα παρακαλῶν εὐηγγελίζετο τὸν λαόν (Lk 3,18).197 Auch in der Apostelgeschichte wird einerseits darauf hingewiesen, dass Johannes auf den Stärkeren und Mächtigeren hinweist (Apg 1,5; 11,16; 13,25; 18,25; 19,3–4), andererseits werden auch hier das Auftreten des Johannes und das Kommen des Heilsbringers Jesus eng zusammengesehen (Apg 1,22; 10,37; 13,24).198 Für die Interpretation von Lk 16,16 bedeuten diese Befunde, dass Johannes einerseits in einer Linie, in Kontinuität mit Gesetz und Propheten zu sehen ist, dass er aber auch – und gerade als Ansager des kommenden Heils – eng mit der βασιλεία τοῦ θεοῦ verbunden ist.199 Gilt diese Verbindung prinzipiell auch zwischen Gesetz, Propheten und βασιλεία τοῦ θεοῦ, so ist die Verbindung zwi194
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„Die Vorgeschichte hat der Autor verfasst, um den Leser zu konditionieren, indem er dessen Vorverständnis und Denkhorizont biblisch erweitert.“ So: Busse, Vorgeschichte 176. Vgl.: Burchard, Lukas 16,16 121. Siehe auch: Wolter, Lukasevangelium 554. Darauf weist auch Blumenthal, Kontinuität und Neuanfang 256/7, hin, der die Verwendung des Begriffs βασιλεία τοῦ θεοῦ in Lk 16,16 dahingehend deutet, dass trotz aller Kontinuität „durch die Rede von der Jesus vorbehaltenen Basileiaverkündigung die sachliche Trennung zwischen beiden Figuren dargeboten“ wird. So: Blumenthal, Kontinuität und Neuanfang 257. Vgl.: Apg 13,24–26. Dort wird ebenfalls der johanneische Hinweis auf den kommenden Stärkeren als Heil bezeichnet (Apg 13,26: λόγος τῆς σωτηρίας ταύτης). Die Verwendung des Verbs εὐαγγελίζεσθαι in Lk 16,16 und die mögliche Übernahme des Verbs auch im ersten Teil des V. 16 zur Füllung der Ellipse können darauf hinweisen, dass hier bewusst die Kontinuität und Zusammengehörigkeit von Jesus und Johannes zum Ausdruck gebracht werden. Vgl.: Blumenthal, Kontinuität und Neuanfang 256. Nach Heil, Lukas und Q 268, zeigen Lukasevangelium und Apostelgeschichte ein relativ einheitliches Johannesbild. Vgl.: Ch. G. Müller, Prophet 260/1. Vgl. auch: von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 340/1. Bachmann, Johannes 149, erklärt, dass „an dieser Stelle der Täufer in seinem Wirken nicht der ‚Zeit des Gesetzes und der Propheten‘, sondern der durch Verkündigung des Gottesreiches charakterisierten Epoche zugeordnet wird.“ Vgl.: Heil, Lukas und Q 264: „Mit Johannes beginnt für Lukas der Prozeß, der in Rom endet, wenn dort das σωτήριον τοῦ θεοῦ den Heiden verkündet wird (Apg 28,28).“
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schen Johannes und der βασιλεία eine besondere. So wird – wie oben erwähnt – Johannes als Erfüllung alttestamentlicher Aussagen verstanden. Außerdem hebt Lukas die βασιλεία durch die Formulierung μέχρι Ἰωάννου‧ ἀπὸ τότε von Gesetz und Propheten ab, obwohl die vier Begriffe im Ganzen die eine Offenbarungsgeschichte, die Hinwendung Gottes zum Menschen, bezeichnen. Johannes spielt in dieser Offenbarungsgeschichte eine bedeutende Rolle, da er mit dem Beginn des kommenden Heils verbunden ist. Predigt Johannes als Prophet einerseits die Umkehr und droht denen, die das Gesetz und die Propheten nicht befolgt haben, mit dem Gericht Gottes, weist er aber andererseits auf die Heil bringende Ankunft des Messias hin, dann gehört er sowohl in die Zeit des Gesetzes und der Propheten wie in die Zeit, in der die Gottesherrschaft verkündet wird.200 Er hat eine Gelenkfunktion, die gerade durch die exkludierende wie inkludierende Verwendung der Zeitangaben μέχρι und ἀπὸ τότε zum Ausdruck gebracht wird. Johannes ist das Gelenk zwischen der Zeit, in der nur das Gesetz und die Propheten Gültigkeit besaßen, und der Zeit, in der die Gottesherrschaft durch Jesus verkündet wird. 201 In der Offenbarungsgeschichte Gottes kommt Johannes offenbar eine wichtige, eine eigenständige Rolle zu. Zu fragen bleibt nun, warum Lukas Johannes den Täufer im Zusammenhang mit den Pharisäern und deren Kritik an Jesu Haltung zum Reichtum erwähnt. Zum einen erwähnt Lukas ihn sicher deswegen, weil er nicht nur ein Prophet neben anderen ist, sondern weil er als Wegbereiter Jesu eine besondere Funktion hat und dem Volk in besonderer Weise den Plan Gottes (τὴν βουλὴν τοῦ θεοῦ Lk 7,30) kundtut. Zum anderen ist beachtenswert, wie sehr seine Umkehrbotschaft ethisch ausgerichtet ist. Es geht dem lukanischen Johannes ja gerade darum, dass die Umkehr zu Gott zur Befolgung des Gesetzes, nämlich zur Gottes- und Nächstenliebe führt (vgl. Lk 1,75). Diese Umkehr führt 200
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Auch Blumenthal, Kontinuität und Neuanfang 255/7, hält aufgrund seiner Analyse von Lk 1 eine einseitige Verortung des Täufers in der Zeit von Gesetz und Propheten einerseits und in der Zeit der Verkündigung der Basileia andererseits für unangemessen. Er spricht von einem „Schwebezustand“ bei der Verortung des Täufers. Siehe: Blumenthal, Kontinuität und Neuanfang 237/8 und 257 Anm. 71. Nach Burchard, Lukas 16,16 121, trennt die Zeitgrenze in Lk 16,16 Johannes und Jesus nicht epochal, beide gehören als Christus und als Wegbereiter zusammen. Vgl. auch: Bovon, Lukas III 99: „Was in den Augen des Lukas zählt, ist, daß mit der Zeit von Johannes dem Täufer und Jesus die Heilsgeschichte in ihre letzte Phase getreten ist. Lukas betont die Übergänge: Johannes der Täufer befindet sich auf der Schwelle, er vollendet die Reihe der Propheten (vgl. 1, 76) und leitet die lange Prozession der Zeugen ein (vgl. 3, 18, wo er ‚evangelisiert‘, die frohe Botschaft verkündet).“ Vgl. auch: Hintzen, Verkündigung und Wahrnehmung 119/20, der unter dem ἀπὸ τότε „von Johannes dem Täufer an“ versteht. Johannes der Täufer sei der zeitliche Maßstab für das Auftreten Jesu. Er kommt zu dem Schluss: „Mit dem Auftreten Jesu ist allerdings das Wirken des Täufers nicht mehr von Bedeutung.“ Diese Interpretation, Johannes den Täufer nur als zeitliche Angabe zu sehen, wird der Schwellen- oder Gelenkfunktion des Täufers aber nicht gerecht.
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aber zu konkreten Konsequenzen des Handelns im Alltag (vgl. Lk 3,8: καρποὺς ἀξίους τῆς μετανοίας). So soll der, der zwei Gewänder hat, eins demjenigen geben, der keins hat, und wer zu essen hat, der soll in der gleichen Art und Weise verfahren (vgl. Lk 3,11). Der lukanische Johannes fordert also ganz konkret die Besitzenden zu tätiger Nächstenliebe und Solidarität auf.202 Die Pharisäer, die den Willen Gottes erfüllen wollen, müssten eigentlich die im Einklang mit dem Gesetz und den übrigen Propheten stehende Umkehrbotschaft Johannes des Täufers annehmen. Doch wird in Lk 7,30 klar durch den Autor Lukas gesagt, dass die Pharisäer und Gesetzeslehrer den in der Botschaft des Johannes offenbar werdenden Willen Gottes missachtet haben (οἱ δὲ Φαρισαῖοι καὶ οἱ νομικοὶ τὴν βουλὴν τοῦ θεοῦ ἠθέτησαν). Insofern wird den in Lk 16,15 als φιλάργυροι charakterisierten Pharisäern hier in Lk 16,16 vorgehalten, dass sie mit ihrer Haltung zum Reichtum den im Gesetz, den Propheten und zuletzt zu ihrer Zeit durch Johannes geoffenbarten Willen Gottes nicht erfüllen. Das folgende Gleichnis vom Reichen und dem armen Lazarus aber gibt ein Beispiel für eine der von Johannes aufgestellten Forderung nach Umkehr entgegengesetzten Handlungsweise und deren Konsequenz: Der Reiche in Kapitel 16 kleidet sich in Leinen und Purpur, während vor seiner Tür ein Armer liegt, der unbekleidet ist; denn sonst könnten die Hunde nicht seine Geschwüre lecken. Der Reiche aber denkt nicht daran, ihn an seinem Reichtum teilhaben zu lassen, indem er ihn kleidet. Der Arme möchte sich an den Brocken sättigen, die vom Tisch des Reichen herabfallen. Das bedeutet, dass der Reiche auch der zweiten Aufforderung, die Johannes aufstellt, nämlich Bedürftige mit Speise zu versorgen, nicht nachkommt (vgl. Lk 3,11). Dafür leidet der Reiche im Hades große Qualen ἐν τῇ φλογὶ ταύτῃ, in diesem Feuer (vgl. Lk 16, 24b). Auf diese Konsequenz weist Johannes in 3,17 bereits hin, indem er sagt, dass nach ihm ein Stärkerer kommen werde, der in seiner Hand die Schaufel hält, um die Spreu vom Weizen zu trennen, den Weizen in seine Scheune zu fahren und die Spreu mit unauslöschlichem Feuer zu verbrennen (Lk 3,17: τὸ δὲ ἄχυρον κατακαύσει πυρὶ ἀσβέστῳ).203 Insofern wird den Pharisäern, denen in Lk 16,16 die Botschaft des Johannes als zu erfüllender Wille Gottes vorgehalten wird, im folgenden Gleichnis drastisch die Konsequenz ihres Fehlverhaltens vor Augen geführt.
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Hoppe, Arm und reich 83, weist darauf hin, dass Johannes hier an die traditionelle jüdische Ethik des Teilens erinnert. „Es geht also nicht um den Umgang mit Reichtümern, sondern Johannes wirkt darauf hin, dass die Menschen, die in ihren bescheidenen Verhältnissen das Notwendigste haben, mit denen teilen, denen sogar das Wenige noch fehlt. […] Es wird daher nichts Ungewöhnliches angemahnt, nur das Teilen der Grundbedürfnisse.“ Dem πυρὶ entspricht das φλογὶ von Lk 16,24.
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Der Begriff βασιλεία τοῦ θεοῦ bzw. ἡ βασιλεία τοῦ θεοῦ εὐαγγελίζεται Die Vorstellung von der Königsherrschaft Gottes begegnet schon im alttestamentlich-jüdischen Gedankengut.204 An verschiedenen Stellen des Alten Testaments zeigt sich die Vorstellung einer universalen Herrschaft Gottes, die Himmel und Erde,205 Gegenwart und Zukunft 206 umfasst. Die Vorstellung von Gott als dem universalen König ist unmittelbar verbunden mit dem Monotheismus207 und dem Schöpferglauben.208 Die himmlische Königsherrschaft wird im Tempelkult zu einer gegenwärtigen und realen Erfahrung und zeigt sich in den Heilszeiten Israels.209 In der Zeit des Exils verbindet sich mit der Vorstellung von der Gottesherrschaft die Vorstellung, dass Gott Israel aus dem Exil herausführen wird. Deuterojesaja erwartet nach der Heimkehr der Israeliten die Rückkehr Jahwes zum Zion und das Offenbarwerden seiner Königsherrschaft über die Völker (Jes 52,7–10): ὡς ὥρα ἐπὶ τῶν ὀρέων, ὡς πόδες εὐαγγελιζομένου ἀκοὴν εἰρήνης, ὡς εὐαγγελιζόμενος ἀγαθά, ὅτι ἀκουστὴν ποιήσω τὴν σωτηρίαν σου λέγων Σίων βασιλεύσει σου ὁ θεός (Jes 52, 7).210 Der 204
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Vgl. zu diesem Thema besonders die Ausführungen von: Wolter, ‚Reich Gottes‘ 541/63 und von Merklein, Botschaft, worauf sich die folgenden Ausführungen weitgehend beziehen. Siehe auch: Blumenthal, Basileia. Der Begriff „Königsherrschaft/Reich Gottes“ ist eine Abstraktbildung, die vor allem in der rabbinischen Literatur zu finden ist und entsprechend der alttestamentlichen verbalen Wendung „Gott (ist) König“ verwendet wurde. Siehe hierzu: Kuhn, βασιλεύς 570 und Merklein, Botschaft 37/9. Die Anwendung des Begriffs „König“ auf die Gottheit ist im alten Orient üblich. In Israel wurde der Begriff „König“ wohl erst nach dem Aufkommen des Königtums in Israel auf Gott bezogen. Siehe: von Rad, βασιλεύς 567. Schnackenburg vertritt allerdings die Ansicht, dass zumindest der Gedanke von der Königsherrschaft Gottes auch vorher schon präsent war. Siehe: Schnackenburg, Reich Gottes 468. Siehe: Wolter, ‚Reich Gottes‘ 545, der als Belege Ps 29; 96,10–13; 97; 99,1–2; 103,96; 1 Chr 16,31; Dan 4,31–32; 6,27–28; äthHen 84,2; 3 Makk 2,2–3; ZusEsth C 2–3 anführt. Allerdings findet sich die Vorstellung von der Königsherrschaft Gottes im alten Israel relativ selten. Vgl.: Merklein, Botschaft 39. Vgl.: von Rad, βασιλεύς 567. Auch Heil, Lukas und Q 284/5, weist darauf hin, dass sich der präsentische und futurische Aspekt der Herrschaft Gottes im Alten Testament und in frühjüdischen Texten findet. Dabei repräsentiert und antizipiert das gegenwärtige Königreich Gottes im Himmel das kommende Heil. Vgl.: Hoppe, Jesus 79. Siehe: Schnackenburg, Reich Gottes 468. Vgl.: Hoppe, Jesus 81/2. Siehe hierzu: Wolter, ‚Reich Gottes‘ 545 und Heil, Lukas und Q 285, der in Anm. 18 auf Roloff verweist. Zum kultischen Königtum Gottes siehe auch: Schnackenburg, Reich Gottes 469. Vgl.: Jes 43,14–15; Mi 2,12–13; 4,6–8; Zef 3,14–15. Verbunden mit dem Gedanken an die Königsherrschaft Gottes ist die Vorstellung von der Einzigartigkeit des Namens Jahwe, was am deutlichsten wird bei Trito-Sacharja: „Dann wird Jahwe König sein über die ganze Erde. An jenem Tag wird Jahwe der einzige sein und sein Name der einzige“ (Sach 14,9). So bei: Merklein, Botschaft 40. Merklein, Botschaft 41, sieht einen Zusammenhang zwischen den prophetischen Vorstellungen und der Basileia-Verkündigung Jesu: „Daß dieser gedankliche Zusammenhang auch bei Jesus gegeben ist, zeigt das Vaterunser, das
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Ruf „Dein Gott ist König!“ (Jes 52,7),211 der ursprünglich Jahwes ewiges Königtum bezeichnete, ist nun bezogen auf ein noch ausstehendes, aber unmittelbar bevorstehendes und deshalb schon zu proklamierendes Ereignis. 212 „Wenngleich die Hoffnung auf eine endgültige, alle Not Israels wendende Königsherrschaft Gottes (vom Zion aus) nicht in Erfüllung ging, blieb sie doch ein lebendiges Thema der nachexilischen Prophetie (vgl. Mi 2,12f; 4,6–8; Zef 3,14f; Sach 14,6–11.16f; Jes 24,23). Hatte diese bis ins 3. Jahrhundert v. Chr. die Durchsetzung von Gottes Königsherrschaft noch als innergeschichtliche Heilswende verstanden, so herrschte seit den traumatischen Erfahrungen der seleukidischhellenistischen Religionsverfolgung der apokalyptische Gedanke vor, daß Gottes Königsherrschaft zugleich den Abbruch der jetzt ablaufenden (Unheils-)Geschichte herbeiführen und eine völlig neue Epoche heraufführen wird (vgl. bes. Dan 2,34f.44f; 7,13f).“213 Wie die Königsherrschaft Gottes inhaltlich zu fassen ist bzw. worin Gottes Königtum konkret besteht, wird in den Texten nicht umfassend deutlich.214 Wolter betont, dass von Deuterojesaja an bis zu den Texten aus römischer Zeit die Rede von der Gottesherrschaft bezogen ist auf die Konfrontation Israels mit den Heiden.215 In hellenistisch-römischer Zeit wird erwartet, dass „Gottes Herr-
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mit den Bitten um die Heiligung des Namens Gottes und um die Herrschaft nur zwei Seiten ein und derselben Sache ausspricht. Lk 11,2 par Mt 6,9b. 10a: Vater, es werde geheiligt dein Name, es komme deine Königsherrschaft. In erster Linie meint also der Begriff der Gottesherrschaft, daß Jahwe, den Israel als den einzigen Gott bekennt, alles beseitigen wird, was daran hindert, ihn als den einzigen Herrn (König) zu bekennen und seinen Namen als den einzig maßgeblichen anzurufen.“ Die Septuaginta betont offenbar die eschatologische Sicht, indem sie den hebräischen Text mit dem Futur βασιλεύσει wiedergibt. Siehe: Merklein, Botschaft 40. Merklein, Botschaft 40. Beachtet werden muss aber, dass die Religionsverfolgungen aus Bürgerkrieg hervorgegangen sind, wo Hellenisten gegen Traditionalisten vorgingen und sich die Chassidim mit den Makkabäern zusammenschlossen, um mit den Hellenisten Krieg zu führen. Blumenthal, Basileia 112, formuliert: „Je mehr infolge der Besatzung Israels durch fremde Völker seit exilisch-nachexilischer Zeit diese königstheologische Grundannahme der realen Erfahrbarkeit entzogen ist, wird die Vorstellung von Gottes königlicher Herrschaftsausübung zunehmend zu einem eschatologischen Hoffnungsgut. Es wird erwartet, dass Gott zur endgültigen Durchsetzung seines universalen Machtanspruches und damit auch zum Erweis seiner Einzigkeit aus der himmlischen Verborgenheit hervortritt und den universalen Anspruch seiner Königsmacht wieder zur Geltung bringt.“ Vgl.: von Rad, βασιλεύς 568. Siehe: Wolter, ‚Reich Gottes‘ 546 und Hoppe, Jesus 82/3. Vgl. auch: Merklein, Botschaft 43 Anm. 26: „Tatsächlich gibt es von Dt-Jes bis zur Apokalyptik keine Äußerung über die Gottesherrschaft, in der diese nicht zu (dem von den Völkern unterdrückten) Israel in Beziehung gesetzt wird. Dies schließt den Gedanken einer endlichen Bekehrung und Einbeziehung der Völker keineswegs aus“. Allerdings hält Merklein dies nicht für eine nationalistische Vorstellung, sondern für eine Konsequenz des Jahweglaubens. Denn die Gottesherrschaft führe zu einem absoluten Frieden. Dass Jesus nirgends die Gottesherr-
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schaft sich in universalem Maßstab gegen die Herrschaft der Heiden durchsetzt und Israel die Befreiung aus heidnischer Fremdherrschaft sowie die Restitution in die Integrität des von Gott erwählten Eigentumsvolkes bringt“216. Israel erhält die Herrschaft über die fremden Völker oder den Vollzug des Gerichts bzw. empfängt die Huldigung dieser Völker. Dabei wird die Herrschaft Gottes an Jerusalem gebunden: Die Heiden werden nach Jerusalem ziehen, um Gott im Tempel kultische Verehrung darzubringen. 217 In der rabbinischen Literatur begegnet die Rede von der Königsherrschaft Gottes vorwiegend in zwei Redewendungen, nämlich dem Aufsichnehmen der Königsherrschaft Gottes und dem Offenbarwerden der Herrschaft Gottes. 218 Die erste Redewendung beinhaltet das Bekenntnis zum Monotheismus des Judentums, die Anerkennung Jahwes als des einzigen Gottes. Dazu muss sich der Einzelne angesichts dessen, dass Gottes Königtum in der Welt nicht offenbar ist, frei entscheiden. Die Möglichkeit der Entscheidung wird beendet mit dem erhofften Offenbarwerden der Gottesherrschaft. Obwohl in der rabbinischen Literatur die Volkszugehörigkeit nicht bestimmend für die religiöse Stellung des Menschen ist, betonen die Rabbinen doch den Vorrang Israels. Bevor die endzeitliche Königsherrschaft Gottes offenbar wird, richtet der erwartete Messias das Königreich Israel auf, dem alle Völker untertan sind.219 Obwohl der Begriff der Gottesherrschaft also in der alttestamentlichjüdischen Literatur verschiedene Aspekte beinhaltete und im Laufe der Geschichte unterschiedlich interpretiert wurde, so zeigt sich doch, dass die Vorstellung von der Gottesherrschaft im Judentum geläufig und in neutestamentlicher Zeit bekannt war.220 Zu fragen bleibt jedoch, wie Lukas in seinem Doppelwerk den Begriff βασιλεία τοῦ θεοῦ akzentuiert. Bei der folgenden Untersuchung dieses Begriffs
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schaft als politische Befreiung Israels thematisiert habe, hänge damit zusammen, dass Jesus Satan für den eigentlichen Unterdrücker Israels halte. Siehe: Merklein, Botschaft 41/4. Wolter, ‚Reich Gottes‘ 546. Siehe: Wolter, ‚Reich Gottes‘ 546. Vgl.: Blumenthal, Basileia 109/12 und Schnackenburg, Reich Gottes 469/70. Siehe hierzu vor allem: Kuhn, βασιλεύς 570/1. Vgl.: Schnackenburg, Reich Gottes 470/1. Siehe: Kuhn, βασιλεύς 573. „Jesus von Nazareth (gemeint ist hier die historische Person) hat das Heilskonzept von Gottes Königtum in den Mittelpunkt seiner Verkündigung gestellt und sein eigenes Wirken unter Rückgriff auf die Reich-Gottes-Metaphorik gedeutet. Dabei konnte er auf Seiten der Adressaten seiner Botschaft ein Grundwissen um den Inhalt des damit Gemeinten voraussetzen, da die metaphorische Rede von Gott als König und dessen königlicher Herrschaft im Frühjudentum feste inhaltliche Konturen aufwies und in den beiden Facetten von Universalität und Israelzentrik ihr organisierendes Zentrum hatte.“ Blumenthal, Basileia 155.
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bei Lukas werden lediglich einige grundlegende und für das Verständnis von Lk 16,16 wichtige Aspekte herausgestellt:221 Im Evangelium des Lukas findet sich der Begriff βασιλεία τοῦ θεοῦ an 35 Stellen,222 in der Apostelgeschichte finden sich acht Belege.223 Bereits Conzelmann hat darauf hingewiesen,224 dass die Verbindung von βασιλεία τοῦ θεοῦ mit einem verbum dicendi spezifisch lukanisch ist. Denn die Verbindung von βασιλεία τοῦ θεοῦ mit einem verbum dicendi findet sich in den Schriften des NT nur bei Lukas,225 und zwar je siebenmal in der Apostelgeschichte226 und im Evangelium.227 Das verbum dicendi kann unterschiedlich sein: viermal findet sich κηρύσσειν,228 ebenso oft findet sich εὐαγγελίζεσθαι.229 Weitere Verben sind λαλεῖν,230 διαγγέλλειν,231 λέγειν,232 διαλέγεσθαι,233 πείθειν,234 διαμαρτύρεσθαι.235 221
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Vgl. zum Verständnis des Reiches Gottes bei Lukas v. a. den grundlegenden Aufsatz von M. Wolter, ‚Reich Gottes‘. Siehe auch die hilfreiche Analyse von Ireland, Stewardship 198/211. 4,43; 6,20; 7,28; 8,1.10; 9,2.11.27.60.62; 10,9.11; 11,2.20; 12,31.32; 13,18.20.28.29; 14,15; 16,16; 17,20a.b.21; 18,16.17.24.25.29; 19,11; 21,31; 22,16.18; 23,51. An vier weiteren Stellen ist von der Basileia Jesu die Rede: 1,33; 22,29.30; 23,42. 1,3.6; 8,12; 14,22; 19,8; 20,25; 28,23.31. Allerdings fehlt in 1,6 und 20,25 das Genitivattribut τοῦ θεοῦ. Bei Matthäus steht der Begriff βασιλεία τῶν οὐρανῶν 48-mal, βασιλεία findet sich 14-mal bei Markus und im sonstigen NT 25-mal. Vgl.: Prieur, Gottesherrschaft 2. Gegen die Ansicht von Schnackenburg, Gottes Herrschaft 51, das Thema der Gottesherrschaft verliere für die nachösterliche Gemeinde an Bedeutung, wendet Prieur, Gottesherrschaft 2, zu Recht ein: „Zu einem anderen Ergebnis gelangt man freilich, wenn man auf den literarischen Ort blickt, an dem der Begriff βασιλεία (τοῦ θεοῦ) innerhalb der Apostelgeschichte begegnet: Der Terminus findet sich nämlich an den Zentralkoordinaten der Acta: zweimal im einleitenden Abschnitt (1,3.6) und zweimal in der Abschlußerzählung (28,23.31), bzw. noch präziser: im ersten Satz nach dem obligatorischen Rückblick auf den vorausgegangenen ersten Band und im letzten Satz der Apostelgeschichte, also betont am Anfang und Ende des Buches. Dieser Befund wird bei einem so bedacht gestaltenden Schriftsteller wie dem auctor ad Theophilum kein Zufall sein. Berücksichtigt man weiter, daß die Wendung im Zusammenhang der Nachrichten über die erste christliche Verkündigung außerhalb Jerusalems belegt ist (8,12), daß sie ferner die öffentliche paulinische Verkündigung in der Weltstadt Ephesus zu Beginn der sog. dritten Missionsreise summarisch zusammenfaßt (19,8) und endlich in der für die Apostelgeschichte so bedeutenden Abschiedsrede des Paulus in Milet begegnet (20,25), dann legt schon der literarische Ort innerhalb der Apostelgeschichte trotz der geringen Anzahl der Belege die Vermutung nahe, daß das Stichwort βασιλεία τοῦ θεοῦ für den auctor ad Theophilum von nicht geringer Bedeutung ist. Letzteres wird durch einen Blick auf Lk 4,43 bestätigt, wo Lukas sehr bewußt im Unterschied zu seiner Markusvorlage (1,38) die Verkündigung der βασιλεία τοῦ θεοῦ zum alleinigen Grund der Sendung Jesu erhebt.“ Siehe: Conzelmann, Mitte 33 und 104. Vgl.: Prieur, Gottesherrschaft 4/5. 1,3; 8,12; 19,8 (zweimal); 20,25; 28,23.31. 4,43; 8,1 (zweimal); 9,2; 9,11; 9,60; 16,16. Lk 8,1; 9,2; Apg 20,25; 28,31. Lk 4,43; 8,1; 16,16; Apg 8,12. Lk 9,11.
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Mit der Präposition περί mit dem Genitiv ist das verbum dicendi fünfmal verbunden.236 Auch diese Verwendung findet sich nur bei Lukas. Zum typisch lukanischen Sprachgebrauch237 gehört also auch Vers 16,16. Denn auch von den 54 Stellen, an denen sich das Wort εὐαγγελίζεσθαι238 im NT findet, gehört fast die Hälfte zum lukanischen Doppelwerk; 25-mal kommt es vor, 10-mal im Evangelium und 15-mal in der Apostelgeschichte. Es wird in unterschiedlichen Konstruktionen239 gebraucht (τινί τι240 oder τινά τι241 oder absolut ohne Objekt242 oder passivisch,243 d. h. die Person, der etwas verkündet wird, ist Subjekt). In V. 16,16 wird das Wort ebenfalls passivisch gebraucht, allerdings steht hier die Sache, die verkündet wird, als Subjekt, nämlich die Gottesherrschaft. Dies ist die einzige Stelle im lukanischen Doppelwerk, an der das Verb passivisch mit der Sache als Subjekt gebraucht wird. In allen Fällen ist das Wort positiv besetzt; es bedeutet „eine gute Nachricht verkünden“ – entsprechend den Bestandteilen εὐ und ἀγγέλλειν. Neben dieser spezifisch lukanischen Rede vom „Verkündigen der βασιλεία τοῦ θεοῦ“ finden sich bei Lukas oft Formulierungen, die im temporären und räumlichen Sinne das „Kommen der βασιλεία“ und das „Eingehen in die βασιλεία“ im Blick haben: So wird von Josef von Arimathäa erzählt, dass er auf das Reich Gottes wartete (Lk 23,51 par Mk 15,43). In Lk 12,31 (par Mt 6,33) ist die Rede vom „Trachten nach dem Reich Gottes“. In 19,11 (red.) spricht Lukas vom „Offenbarwerden der βασιλεία“, in 9,27 vom „Sehen der βασιλεία“ (par Mk 9,1). An mehreren Stellen ist ausdrücklich vom „Kommen der βασιλεία“ die Rede, und zwar sowohl im präsentischen wie im futurischen Sinn: Lk 10,9 (par Mt 10,7), Lk 10,11 (red.), Lk 11,2 (par Mt 6,10), Lk 11,20 (par Mt 12,28), Lk 17,20a.b und 17,21 (red.), Lk 22,18 (red.). In 21,31 spricht Lukas von der Nähe der βασιλεία, während Markus und Matthäus an der entsprechenden Stelle von 231 232 233 234 235 236 237
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Lk 9,60. Apg 1,3. Apg 19,8. Apg 19,8. Apg 28,23. Lk 9,11; Apg 1,3; 8,12; 19,8 (zweimal). Vgl.: Prieur, Gottesherrschaft 5: „Die Einfügungen in den Markusstoff bzw. die Differenzen zur von Matthäus gebotenen Q-Version wie das auf das lukanische Doppelwerk beschränkte Vorkommen der Verbindung von verbum dicendi mit βασιλεία τοῦ θεοῦ lassen an der lukanischen Autorschaft dieser Wendung deshalb keinen Zweifel aufkommen. Wir haben an diesen Stellen den spezifisch lukanischen Gebrauch von βασιλεία τοῦ θεοῦ vor uns.“ Vgl.: Strecker, εὐαγγελίζω 173/6. Siehe auch: Kümmel, Lukas 16,16 95. Vgl.: Bauer-Aland 643. Lk 1,19; 2,10; 4,18; 4,43; 8,1; Apg 5,42; 8,4; 8,12; 8,35; 10,36; 11,20; 17,18. Lk 3,18; Apg 8,25; 8,40; 13,32; 14,15; 14,21; 14,21; 16,10. Lk 9,6; 20,1–2; Apg 14,17; 15,35. Lk 7,22.
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der Nähe des Menschensohnes reden. Vom „Eingehen/Kommen in das Reich“ spricht Lukas in Lk 18,24.25 (par Mk 10,23.25 und Mt 19,23.24) und Apg 14,22. 244 Das „Sein in der βασιλεία“ ist Thema in Lk 7,28 (par Mt 11,11), 13,28 (red.), speziell ist vom Mahl im Reich Gottes die Rede in Lk 13,29 (par Mt 8,11), 14,15 (red.), 22,29–30 (vom Reich Jesu; red.).245 An einigen Stellen wird gesagt, dass das Reich Gottes Gabe an die bzw. Eigentum der Jünger ist und angenommen werden muss: Lk 6,20 (par Mt 5,3), 12,32 (red.), 18,16.17 (par Mk 10,14 und Mt 19,14). In 18,29 macht Lukas deutlich, dass diejenigen, die Haus und Familienangehörige um des Reiches Gottes Willen verlassen, ihre Belohnung erhalten.246 Nach Lk 8,10 (par Mk 4,10 und Mt 13,11) ist das Reich Gottes ein Geheimnis, das von den Jüngern verstanden und in Gleichnissen beschrieben werden kann (Lk 13,18.20 par Mk 4,30 und Mt 13,31). Insgesamt zeigt sich, dass ebenso wie im Alten Testament und wie bei Markus und Matthäus bei Lukas eine ausdrückliche Definition oder Charakterisierung des Reiches Gottes bzw. der Gottesherrschaft unterbleibt. Allerdings wird doch deutlich, dass das Reich Gottes bzw. die Herrschaft Gottes an allen Stellen etwas Positives und Erstrebenswertes ist. Dies zeigen besonders die Stellen, wo vom Mahl im Reich Gottes die Rede ist.247 Aber auch die summarischen Formulierungen in Lk 4,43 (red.), 8,1 (red.), 9,2 (vgl. Mt 10,7), 9,11 (vgl. Mt 14,14) lassen erkennen, dass die Verkündigung des Reiches Gottes einhergeht mit Heilungen.248 Wolter hat mit Recht herausgestellt, dass die Gottesherrschaft „im lukanischen Doppelwerk als wichtiger theologischer Leitbegriff fungiert.“ 249 Dies werde schon allein durch die erstmalige und letztmalige Verwendung des Begriffes signalisiert: „Mit dem Logion Lk 4,43, das eine Gesamtdeutung der Sendung Jesu liefert, und dem letzten Satz seines Werkes in Apg 28,31 legt Lukas einen Rahmen um seine Darstellung, der durch das Stichwort der βασιλεία τοῦ θεοῦ dem Ganzen unübersehbare Kohärenz verleiht.“250 Wenn Lukas also den Begriff βασιλεία τοῦ θεοῦ zu einem „theologischen Schlüsselbegriff seines gesamten Werkes gemacht“251 hat, dann entspricht das Markus und Matthäus, die zu Beginn des Auftretens Jesu plakativ erzählen, dieser verkünde, dass die
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In Lk 23,42 sagt der Verbrecher am Kreuz zu Jesus: Denke an mich, wenn du in dein Reich kommst. Auch Lk 22,16 kann hier eingeordnet werden: Das Paschalamm wird erfüllt im Reich Gottes (red.). Der Sache nach bieten diese Aussage auch Markus (10,30) und Matthäus (19,29), allerdings findet sich der Begriff „Reich Gottes“ nur bei Lukas. Vgl.: Ireland, Stewardship 208. Zum Mahl im Reich Gottes siehe: Jes 25,6–8. Jesus nimmt das eschatische Mahl in seiner Mahlgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern vorweg. Vgl.: Hoppe, Arm und reich 65. So auch in Lk 10,9. Vgl.: Ireland, Stewardship 206/8. Wolter, ‚Reich Gottes‘ 541. Wolter, ‚Reich Gottes‘ 541. Vgl.: Blumenthal, Basileia 13/4. Völkel, Deutung 61.
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βασιλεία τοῦ θεοῦ nahe gekommen sei (Mk 1,15 par Mt 4,17).252 Statt einer solch plakativen Zusammenfassung der Predigttätigkeit Jesu in Mk und Mt bietet Lukas – vor der ersten Erwähnung des Begriffs βασιλεία τοῦ θεοῦ in 4,43 – eine Erzählung, die Sendung, Verkündigung und das prophetische Schicksal Jesu zum Thema hat: die sogenannte Antrittspredigt Jesu in Nazareth. 253 So lässt er Jesus in der Synagoge seiner Heimatstadt im Gottesdienst ein Zitat des Propheten Jesaja (4,18–19)254 vortragen, das dieser dann auf sich bezieht (4,21). Durch das Jesajazitat und die folgende Erklärung Jesu macht der lukanische Jesus zu Beginn seines Wirkens öffentlich deutlich: 1) Mit ihm kommt heute, in der Jetzt-Zeit, die jesajanische Schriftstelle zur Erfüllung. 2) Er ist mit göttlichem Geist begabt (4,18; vgl. 3,22) und von Gott gesalbt (ἔχρισεν; vgl. 2,11) und ausgesandt (ἀπέσταλκεν). 3) Er ist gesandt und gesalbt, um den Armen das Evangelium zu verkünden (εὐαγγελίσασθαι πτωχοῖς).255„Indem sich Jesus selbst zum Objekt der Schrift macht, sich wegen der korrekten Beschreibung seiner Sendung als Verkündigung der Befreiung mit dem Jesajazitat identifiziert und die Erfüllung der Schrift im gleichen Moment mit ihrer Verkündigung in V. 21 bestätigt, wird das Zitat aus lukanischer Sicht zum eschatologischen Angebot Gottes, in der Person Jesu den Anbruch der von dem Propheten Jesaja angesagten endzeitlichen Heilszeit zu sehen, die durch den Geist bestimmt ist.“ 256 Der 252
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Vgl.: Merklein, Botschaft 25/6. Zum Unterschied zwischen dem lukanischen und dem markinischen Eschatologieverständnis siehe: Busse, Nazareth-Manifest 106. Diese Predigt stellt in ihrer Programmatik und ihrer Aussage über Stellung und Geschick des Predigers das Manifest Jesu dar. Siehe hierzu: Busse, Nazareth-Manifest 51. Blumenthal, Basileia 159, macht darauf aufmerksam, dass die Aufmerksamkeit des Lesers durch die kleinschrittig-gedehnte Erzählweise und die damit verbundene Verlangsamung des Erzähltempos auf den Prophetentext und die anschließende Auslegung gelenkt werde. Bei Lk 4,18–19 handelt es sich um eine Kombination aus Jes 61,1–2 und Jes 58,6. Aus Jes 61,1 lässt Lukas die Formulierung „um zu heilen, die gebrochenen Herzens sind“ aus und schiebt zwischen Jes 61,1 und 61,2 Jes 58,6 („Schick die Unterdrückten in Freilassung fort“) ein. Außerdem bricht er das Zitat in 61,2 ab, indem er die Fortführung bei Jesaja ([…] und einen Tag der Heimzahlung, um alle Trauernden zu trösten, um den Trauernden Zions Herrlichkeit statt Asche zu geben) auslässt. Außerdem ändert er in 58,6 den Imperativ passend zum Kontext in einen Infinitiv (ἀποστεῖλαι); in V. 19 ersetzt er καλέσαι durch κηρύξαι. Vgl.: Wolter, Lukasevangelium 191. Siehe zu den Gründen für diese Änderungen: Busse, Nazareth-Manifest 34/5 und Blumenthal, Basileia 161/6. Siehe zu den historischen Bezügen des Jesajazitats: Dietrich, Gesetze 31/43. Jesus „indicates that the purpose of his ministry consists of nothing else but to bring about the eschatological transformation from misery to salvation which God has promised to his people.“ Wolter, Eschatology 99. Busse, Nazareth-Manifest 36. Die Bindung der Gottesherrschaft an Jesus ist für Blumenthal, Basileia 94, der „Dreh- und Angelpunkt der gesamten lukanischen Reich-GottesKonzeption“. Auch nach Völkel, Deutung 63, konstatiert Jesus die Erfüllung der Schriftvorhersagen in seiner Person. Allerdings weist Jesus in seiner Rede (V. 23–27) auch auf das heilsgeschichtlich festgelegte Geschick der Propheten hin, die in ihrer Heimat abgelehnt werden, und das auch Jesus treffen wird. Siehe hierzu: Busse, Nazareth-Manifest
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überschriftartige257 Satz zu Beginn des Jesajazitats (Ich bin gesandt, den Armen das Evangelium zu verkünden) stellt das Programm der jesuanischen Verkündigung dar und wird im weiteren Verlauf des Zitats entfaltet: Die Verkündigung der frohen Botschaft an die Armen bedeutet konkret die Verkündigung von Freiheit für die Gefangenen und Zerschlagenen und Sehkraft für die Blinden. Eng verbunden mit der programmatischen Rede Jesu in Nazareth sind die folgenden Heilungsgeschichten in Kafarnaum, 258 die ihrerseits eine Einheit bilden.259 Das dort programmatisch Verkündete wird nun exemplarisch zur heilvollen Tat. Die schon bei Markus am Anfang (nach der Berufung der Jünger) stehenden Heilungsgeschichten des Besessenen und der Schwiegermutter des Simon sowie die summarische Notiz über Jesu Heilungen in Kafarnaum (Mk 1,21–39) scheinen Lukas passend gewesen zu sein, um nach der programmatischen Antrittsrede Jesu zu zeigen, dass sich mit Jesus die Schrift tatsächlich erfüllt hat. Die Verkündigung des Evangeliums, die Ausrufung des Willkommensjahres260 des Herrn, wird in der Befreiung derer konkret, die von dämonischen Mächten und Krankheiten gefangen sind. 261 In den Heilungen bzw. Befreiungen von den dämonischen Mächten kommt die eschatische Macht des Christus Jesus (4,41), des Heiligen Gottes (4,34) und des Sohnes Gottes (4,41), als den die Dämonen Jesus erkennen,262 zum Ausdruck. Wo Christus Dämonen austreibt und Heil wirkt, da ereignet sich das Reich Gottes (vgl. 11,20). 263 Deshalb, weil in Nazareth und Kafarnaum das Reich Gottes in Wort und Tat Wirklichkeit geworden ist, kann Lukas unter sprachlichem Rückgriff auf das Jesaja-
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40/2, 50,61 und 66. Jesus erscheint als der endzeitliche Prophet. Siehe auch: Völkel, Deutung 65. Vgl.: Busse, Wunder 61 und Busse, Nazareth-Manifest 77. Vgl.: Crüsemann, Maßstab 219: „Die Armen sind gewissermaßen der Oberbegriff aller dann aufgeführten Gruppen.“ Auf die Taten Jesu in Kafarnaum wird bereits in 4,23 hingewiesen. Für Busse, Wunder 67, sprechen auch der Anschluss durch καί, das Fehlen der Formel καὶ ἐγένετο und die Apposition πόλιν τῆς Γαλιλαίας (vgl. V. 14) für einen engen Bezug der Episoden aufeinander. Siehe auch: Busse, Nazareth-Manifest 39 und 77. Blumenthal, Basileia 156/7, bezeichnet Lk 4,14–44 als zweigliedrige Erzähleinheit. Vgl. V. 31 καὶ κατῆλθεν εἰς Καφαρναούμ mit V. 42: ἐξελθών. Die jeweils aufeinander folgenden Episoden werden mit Partizipialkonstruktion + δέ an die vorhergehende angeschlossen: ἀναστὰς δέ (V. 38); δύνοντος δέ (V. 40); γενομένης δέ (V. 42). So: Busse, Nazareth-Manifest 36. Vgl.: Ireland, Stewardship 206/11. Vgl.: Blumenthal, Basileia 196. Wohl bewusst hat Lukas in 4,41 gegenüber seiner markinischen Vorlage den Ausruf der Dämonen σὺ εἶ ὁ υἱὸς τοῦ θεοῦ in Beziehung zu 1,32; 2,49 und 3,22 sowie die Bemerkung des Erzählers, die Objektivität beansprucht, ᾔδεισαν τὸν Χριστὸν αὐτόν εἶναι in Anlehnung an 2,11; 2,26; 3,15 am Schluss der gesamten einleitenden Geschichten eingefügt. Das Redeverbot der Dämonen könnte damit in Verbindung stehen, dass für Lukas die Messianität Jesu mehr umfasst als die Befreiung von Dämonen und sich letztlich im Erleiden der Passion zeigt. Vgl.: Busse, Wunder 90. Vgl.: Ireland, Stewardship 207/8.
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zitat264 abschließend das Geschehen als εὐαγγελίσασθαι … τὴν βασιλείαν τοῦ θεοῦ265 bezeichnen.266 Lukas macht also zu Beginn des Auftretens Jesu deutlich, was βασιλεία τοῦ θεοῦ bzw. die Verkündigung der βασιλεία τοῦ θεοῦ konkret bedeutet: Die βασιλεία ist gebunden an Jesus. In seinem wirkmächtigen Wort und seinem heilvollen Tun wird die βασιλεία Wirklichkeit und für die Menschen sichtbar.267 Wenn der lukanische Jesus nun in seiner an die Pharisäer gerichteten Rede in Lk 16,16 davon spricht, dass die Herrschaft Gottes verkündet wird (im Passiv), dann verweist er die Adressaten seiner Rede damit auf sein öffentliches Handeln und Reden. Dem widerspricht nicht, dass die βασιλεία τοῦ θεοῦ auch von Nachfolgern Jesu verkündet wird. Denn Jesus selbst ist es, der die zwölf Apostel (Lk 9,2) und zweiundsiebzig Αndere (Lk 10,1) aussendet, das Reich Gottes zu verkünden.268 In Lk 9,59–62 werden Nachfolge Jesu und Verkündigung der βασιλεία τοῦ θεοῦ eng aneinander gebunden.269 In der Apostelgeschichte wird deutlich, dass nach Tod, Auferstehung und Erhöhung Jesu die Verkündigung des Reiches Gottes mit der Verkündigung Jesu einhergeht (Apg 8,12; 28,23.31).270 Nach der Aufnahme Jesu in den Himmel ist Verkündigung der Gottesherrschaft nur als Christusverkündigung möglich.271 „Wer von der βασιλεία τοῦ θεοῦ spricht, 264
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Vgl.: εὐαγγελίσαθαι (V. 43) – εὐαγγελίσασθαι (V. 18); ἀπεστάλην (V. 43) – ἀπέσταλκεν (V. 18). Vgl.: Busse, Nazareth-Manifest 60. Auch das κηρύσσων in V. 44 nimmt Bezug auf κηρύξαι in V. 18 und 19. Vgl.: Wolter, ‚Reich Gottes‘ 548. Lukas lässt ja den Begriff βασιλεία τοῦ θεοῦ aus Mk 1,15 zunächst aus und trägt ihn hier, wo er das Ereignis des Reiches Gottes exemplarisch vor Augen geführt hat, nach. Nach Busse, Nazareth-Manifest 60, leitet Lukas mit diesem Vers „eine Quintessenz ab, die dessen eigentliches Thema nennt: Jesus ist von Gott geistgerüstet nach Israel gesandt, um die Königsherrschaft Gottes so zu verkünden, wie sie in diesem Erzählabschnitt paradigmatisch dargestellt wurde.“ Vgl. auch: Busse, Nazareth-Manifest 80. Vgl.: Merk, Reich Gottes 208/11. Siehe auch: Wolter, ‚Reich Gottes‘ 552: „Das Wesen der βασιλεία τοῦ θεοῦ wird durch die Gesamtheit der Verkündigung Jesu bestimmt und ist für den Leser in eben dieser Verkündigung wahrnehmbar.“ Vgl.: Blumenthal, Basileia 94/5 und 183. Siehe zum präsentischen Aspekt der Gottesherrschaft: Ireland, Stewardship 206/9. Vgl. auch: Hoppe, Arm und reich 85. Die Rede von der Nähe der Gottesherrschaft in Lk 10, 9 und 10,11 bezieht sich wohl auf die Nähe Jesu, der die Zweiundsiebzig in Städte und Orte schickt, in die er selbst gehen will. Vgl.: Wolter, Lukasevangelium 380/1 und Wolter, ‚Reich Gottes‘ 542 und 550. Bei der parallelen Stelle Mt 8,21–22 ist dagegen vom Reich Gottes nicht die Rede. Auch nach Prieur, Gottesherrschaft 160, steht das Christusgeschehen als Erfüllung alttestamentlicher Verheißungen im Zentrum der Basileiaverkündigung: „Dadurch, daß Gesetz und Propheten den Heilsplan Gottes enthalten, der im Leben Jesu, seinem Kreuz, seiner Auferstehung und Erhöhung sowie seiner gegenwärtig sich vollziehenden weltweiten Verkündigung schon Wirklichkeit geworden ist, zeigt sich für den auctor ad Theophilum die Herrschaft Gottes, die gerade deshalb, weil sie Erfüllung göttlicher Verheißung ist, auch als solche verkündigt werden kann. Verkündigung der βασιλεία τοῦ θεοῦ meint unter diesem Gesichtspunkt die Botschaft von der Verwirklichung des göttlichen Heilsplanes im gesamten Christusgeschehen.“ Siehe: Wolter, ‚Reich Gottes‘ 551. Vgl.: Blumenthal, Basileia 95.
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kann dies in der Kontinuität des Irdischen und im Blick auf den Erhöhten nur so tun, daß er dabei von Jesus Christus spricht.“272 Während die Gottesherrschaft in der Verkündigung durch Jesus, in seinem Wort und Wirken, punktuell erfahrbare Wirklichkeit ist, wird sie nach Jesu Auferstehung273 und nach der Aufnahme Jesu in den Himmel wieder zu einer zukünftigen Größe.274 Ihre Vollendung, die mit der Wiederkunft Christi (Apg 1,11) erwartet wird, steht noch aus. Allerdings bleibt die βασιλεία τοῦ θεοῦ insofern präsent, als sie in Kontinuität mit dem irdischen Jesus verkündet wird und auch nach der Aufnahme Jesu in den Himmel irdisch erfahrbar bleibt.275 Obwohl die βασιλεία in ihrer Vollendung zukünftig ist, qualifiziert sie die Gegenwart, da sich die Zugehörigkeit zu ihr im „Heute“ und im Blick auf den irdischen Jesus entscheidet.276 Kriterium der Zugehörigkeit zum Reich Gottes ist nun nicht die Zugehörigkeit zum Volk Israel, 277 sondern die Zugehörigkeit zu Jesus.278 Es kommt darauf an zu glauben, dass in Jesus die Verheißungen erfüllt sind und das Reich Gottes Wirklichkeit geworden ist, dass Jesu Wort Verkündigung des Reiches Gottes ist. Kriterium für ein Eingehen in die βασιλεία τοῦ θεοῦ ist also das Tun des in Jesus offenbaren Willen Gottes (vgl. 272
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Wolter, ‚Reich Gottes‘ 551. Vgl.: Blumenthal, Basileia 95. Siehe auch: Merk, Reich Gottes 219: „Der Verkünder im Evangelium des Lukas aber ist in den kerygmatischen Texten der Apg zum Verkündigten geworden.“ Wolter, Eschatology 101/3, betont, dass nur durch die Auferstehung Jesu die Erfüllung der eschatischen Erwartung Israels möglich ist, während ein bloßer Bezug dieser Erwartungen auf Jesu irdisches Auftreten sie angesichts des Leidens und des Todes Jesu widerlegen würde. Vgl.: Wolter, ‚Reich Gottes‘ 550/1 und Ireland, Stewardship 201/6. Lukas vereint sowohl präsentische als auch futurische Aussagen in seinem Werk. So kann er auf der einen Seite davon reden, dass das Reich Gottes schon Realität ist oder dass es schon nahe ist, auf der anderen Seite davon, dass niemand wissen kann, wann und wo es Realität wird. Zu dieser Problematik und zur Forschungssituation vgl.: Busse, Eschatologie 141/78. Siehe auch: Merk, Reich Gottes 212/9. Dass das Reich Gottes schon Realität ist, wird z. B. in Lk 11,20 (εἰ δὲ ἐν δακτύλῳ θεοῦ [ἐγὼ] ἐκβάλλω τὰ δαιμόνια, ἄρα ἔφθασεν ἐφ’ ὑμᾶς ἡ βασιλεία τοῦ θεοῦ) ausgedrückt (vgl. auch Lk 17,20). In Lk 13,28–29 z. B. ist das Reich Gottes eschatologisch zu verstehen. Lukas legt sich nicht fest, wann und wo das Reich Gottes eintrifft. Siehe hierzu die auch andere lukanische Stellen berücksichtigende Analyse von Ireland, Stewardship 197/211. Blumenthal, Basileia bei Lukas 305/6, 328 und 339, verweist auf das in der Apg geschilderte Zusammenleben in der Urgemeinde. Zum Zusammenhang von Eschatologie und Ethik bei Lukas siehe: Busse, Eschatologie 160/6 und Ireland, Stewardship 211/4. Darauf weist bereits Johannes in Lk 3,8 (par Mt 3,9) hin. Siehe hierzu: Wolter, ‚Reich Gottes‘ 555/61. Wolter nennt als Belege u. a. die Veränderung des Jesajazitats in 4,18–19, die Hinwendung Gottes zu den Heiden (Lk 4,25–27), die Gleichnisse vom Senfkorn (Lk 13,18–19) und vom Festmahl (Lk 14,15–24), den Auftrag zur Zeugenschaft „bis ans Ende der Welt (Apg 1,6–8). Vgl.: Blumenthal, Basileia 115/6. Nach Völkel, Deutung 64, kommt mit Lk 4,25–27 die Antithetik von Juden und Heiden ins Spiel.
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Apg 14,22). Wenn auch die βασιλεία τοῦ θεοῦ eine zukünftige, mit der Parusie Christi kommende Größe darstellt, so wird demjenigen, der im Glauben an Jesus den Willen Gottes tut, individuell schon vorher ermöglicht, wie Jesus „vorzeitig in die himmlische Herrlichkeit eingehen zu können.“279 Weil das Verhalten des Einzelnen im „Heute“ entscheidend ist für das Eingehen in die zukünftige βασιλεία wie in die vorherige himmlische Herrlichkeit, ist die Zeit nach der Aufnahme Jesu in den Himmel aufgrund der Verkündigung Jesu und der βασιλεία eschatische Heils- und Entscheidungszeit.280 Die „verkündigte Reichsbotschaft stellt den Zuhörer vor die unwiderrufliche Entscheidung für oder gegen den Glauben an Jesus Christus.“ 281 Das Hören und Tun der zum Heil führenden Botschaft aber ist für Juden wie für Heiden gleichermaßen möglich.282 Das „Heilsvolk der universalen Basileia konstituiert sich überall dort, wo Jesus Christus verkündigt und geglaubt wird“283. „An die Stelle eines gleichsam 279
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Busse, Nazareth-Manifest 105. Aufschlussreich ist die Stelle Lk 23,42–43: Ἰησοῦ, μνήσθητί μου ὅταν ἐλθῃς εἰς τὴν βασιλείαν σου. καὶ εἶπεν αὐτῷ‧ ἀμήν σοι λέγω, σήμερον μετ’ ἐμοῦ ἔσῃ ἐν τῷ παραδείσῳ. Jesus antwortet dem Schächer auf seine Bitte, an ihn zu denken, wenn er in sein Reich komme, nicht „noch heute wirst du mit mir in meinem Reich sein“, sondern „noch heute wirst du mit mir im Paradies sein“. Jesus verspricht ihm also noch nicht den Eintritt in das erst mit der Parusie kommende Reich, wohl aber in das Paradies, „aus jüdischer Sicht die himmlische Heimat der Gerechten“. So: Busse, Eschatologie 164. Siehe auch: Busse, Nazareth-Manifest 105, der auch auf die Stephanusepisode in der Apg hinweist. Auch wenn dies nicht ausdrücklich erwähnt ist, so sitzt auch Lazarus im Schoß Abrahams in einem Paradies. Vgl. zu der individualeschatologischen Konzeption des Lukas: Dupont, Eschatologie 37/47 und Busse, Eschatologie 163/6, der auf den Seiten 165/6 schreibt: „Auf diese Weise wird nach Lukas die tiefste Hoffnung der Gerechten bereits mit ihrem Lebensende in Erfüllung gehen. Sie werden als Gerechtfertigte umfassend vom Schalom Gottes umfangen sein. Hier offenbart sich die ethischparänetische Potenz der lukanischen Eschatologie ausdrücklich. Sie hat Lukas vor allen Evangelisten am profundesten individualethisch vorbereitet, wenn er z. B. von unterschiedlichen Personen auffällig zahlreich die Frage nach dem rechten Handeln aufwerfen und beantworten lässt. Das rechte gegenwärtige Handeln sichert die Heilszukunft auf Erden wie im Himmel (vgl. Lk 18:28–30). Doch verdrängt die Konzeption einer […] Individualeschatologie nicht das Enddrama des von Gott in nur ihm zustehender Souveränität terminlich festzusetzenden ‚Tag des Herrn‘ mit der Auferweckung der Toten zum abschließenden Gericht und endgültigen Befreiung der traditionellen urchristlichen eschatologischen Erwartung (vgl. LkR 21:26).“ Vgl. zum individualeschatologischen Konzept des Lukas auch: Blumenthal, Basileia 286/8. Vgl.: Busse, Nazareth-Manifest 105/6. Busse, Nazareth-Manifest 106. Vgl.: Wolter, Eschatology 100 und Blumenthal, Basileia 197. Vgl.: Apg 28,28: γνωστὸν οὖν ἔστω ὑμῖν ὅτι τοῖς ἔθνεσιν ἀπεστάλη τοῦτο τὸ σωτήριον τοῦ θεοῦ. αὐτοὶ καὶ ἀκούσονται. Nach Wolter, ‚Reich Gottes‘ 559, handelt es sich um eine pauschale Idealisierung. Völkel, Deutung 68/70, weist darauf hin, dass in der Apg die Heidenmission nicht einfach als Ersatz der Judenmission erscheint und dass es nicht um eine Verwerfung der Juden und einen einfachen Übergang des Heils auf die Heiden geht. Vgl. auch: Busse, Nazareth-Manifest 83. Wolter, ‚Reich Gottes‘ 558.
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mechanischen Heilsempfangs für das gesamte Volk tritt die Notwendigkeit der Entscheidung des Einzelnen. […] An die Stelle der Juden treten also auch nicht einfach die Heiden, sondern die Glaubenden aus Juden und Heiden.“ 284 Wenn, wie oben dargelegt wurde, das Reich Gottes bzw. die Herrschaft Gottes durch Wort und Tat Jesu realisiert wird, dann ergibt sich die inhaltliche Konkretisierung dessen, was Lukas unter Gottesherrschaft versteht, aus eben diesen Worten und Taten Jesu. Aufmerksamkeit verdient auch in dieser Hinsicht die programmatische Rede Jesu in Nazareth, die zwar von einem prophetischen Zitat ausgeht, in der Jesus aber das Verheißene auf sich bezieht. Der Auftrag Jesu besteht also nach eigenen Worten darin, den Armen die Heilsbotschaft zu verkünden (εὐαγγελίσασθαι πτωχοῖς, Lk 4,18). Jesus fühlt sich also zu den Armen gesandt,285 die verschiedene Arten von Bedürftigen umfassen.286 In Lk 4,18 werden unter dem überschriftartigen Begriff konkret Gefangene, Blinde und Mishandelte genannt.287 Busse weist darauf hin, dass in Lk 4,18–19 die Reihe der Infinitive, die den Verkündigungsauftrag betonen (εὐαγγελίσασθαι – κηρύξαι – κηρύξαι), unterbrochen wird durch die Einfügung von Jes 58,6: die Misshandelten in Freiheit zu setzen (ἀποστεῖλαι τεθραυσμένους ἐν ἀφέσει). „Die Einfügung von Jes 58,6 entwickelt also einen neuen Gedanken im Rahmen der Verkündigungstätigkeit Jesu: Das Heil wird den Armen nicht nur angesagt, sondern ihnen seine Realisierung zugesichert.“ 288 Eine solche Zusicherung des Heils an die Armen kommt auch in der ersten Seligpreisung (Lk 6,20) zum Aus284
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Völkel, Deutung 70. „And […] Israel will have a completely different shape than it has in the times of Jesus: it will consist of all those who believe and have believed in Jesus as the eschatological saviour whom God has brought to Israel (Acts 13:23; cf. also 3:23).“ So: Wolter, Eschatology 103. „Die Armen sind demnach die Adressaten der Heilssendung Jesu, die soziale Dimension seines Wirkens ist verbunden mit seiner Person als Träger des Geistes Gottes, in seiner Zuwendung zu den Armen stellt sich das umfassende Heil Gottes dar.“ Hoppe, Arm und reich 85. „Lukas sieht das Handeln Jesu in Kontinuität mit dem Handeln Gottes im Ersten Testament. Ein zentraler Aspekt dieser fortgesetzten Heilsgeschichte ist die bevorzugte Wahl der Armen.“ So: Grilli, Reichtum 253. Vgl.: Harrison, Beneficence 39/40. „Es sind Menschen in realer Not, sozial und wirtschaftlich deklassiert, denen sich Jesus zuwendet. Von ihnen ausgehend weitet der lukanische Jesus den Blick auf die in vielfältiger Weise geknechteten Menschen“. Hoppe, Arm und reich 85. Blumenthal, Basileia 166, spricht von „Menschen in realen sozialen und körperlichen Notlagen, wobei eine Beschränkung auf die Armen in Israel durch die Auslassung des Zionsbezuges aus Jes 61,3a bei Lukas vermieden ist.“ Vgl.: Busse, Nazareth-Manifest 33/4 und 77/8. Busse, Nazareth-Manifest 33, weist darauf hin, dass auch in Lk 6,20–22; 7,22; 14,13 und 14,21 unter dem Oberbegriff „Arme“ verschiedene Gruppen von Bedürftigen aufgeführt werden. Auch Ireland, Stewardship 167/71, betont, dass hier nicht nur an ökonomisch Arme gedacht ist, sondern an soziale Außenseiter, die Hilfe von Gott bzw. von Jesus erwarten. Er weist auch darauf hin, dass ebenso im Magnificat (Lk 1,53) nicht nur an ökonomisch Arme gedacht sein muss. Seines Erachtens zeigt der Kontext, dass es um das Verhalten Gott gegenüber geht. Vgl.: Grilli, Reichtum 254. Busse, Nazareth-Manifest 78.
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druck, wo die Begriffe βασιλεία τοῦ θεοῦ und πτωχός in unmittelbarer Beziehung zueinander stehen: Μακάριοι οἱ πτωχοί, ὅτι ὑμετέρα ἐστὶν ἡ βασιλεία τοῦ θεοῦ.289 Die Armen sind die Seliggepriesenen, da ihnen das Reich Gottes bereits versprochen wird. Sie werden, wie der Begriff ὑμετέρα ἐστὶν mit einem Nomen im Nominativ (ἡ βασιλεία τοῦ θεοῦ) zeigt, als Erben des Reiches Gottes eingesetzt.290 Die Seligpreisung bezieht sich zunächst sicher auf Arme im realen und sozialen Sinn,291 also z. B. auf Kranke und Bedürftige,292 aber auch auf Sünder und „Verlorene“ und hier konkret auf die Adressaten der Seligpreisungen bzw. der Feldrede, nämlich auf die Jünger (Lk 6,20). „Wenn Jesus die Jünger als πτωχοί bezeichnet und ihnen das Heil der Gottesherrschaft zusagt, so setzt er damit innerhalb der lk Erzählung in die Tat um, was er in 4,18 unter Rückgriff auf Jes 61,1 als seinen Sendungsauftrag formuliert hatte: εὐαγγελίσασθαι πτωχοῖς. Wenn man fragt, wodurch die Jünger als eine Gruppe von πτωχοί identifizierbar werden, wird man darauf verweisen können, dass sie beim Eintritt in die Nachfolge Jesu „alles verlassen“ haben (vgl. 5,11.28; s. dann auch 18,28f sowie 14,26).“293 Die Zusage des Heils an die Armen ist aber sicher nicht beschränkt auf diejenigen Jünger, die als direkte Adressaten der Feldrede genannt wurden, sondern auf alle, die zu Jüngern Jesu werden (wollen). Denn die Seligpreisung der Armen hat ihre Wurzeln wohl in der alttestamentlichfrühjüdischen „Armenfrömmigkeit“294, die ihre wichtigste Grundlage in der deutero- und tritojesajanischen Tradition hat.295Als wichtiger Beleg wird von
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Vgl.: Busse, Nazareth-Manifest 65: „In der ‚programmatischen Rede‘ Jesu ist die Seligpreisung der Armen und Verfolgten aufgenommen.“ Blumenthal, Basileia 190, weist auf die sprachliche Parallele in Tob 8,21 hin und deutet: „Der Nachsatz der ersten Seligpreisung ist als Aussage über die sich im Sprechakt vollziehende Einsetzung der angesprochenen Jünger in den Status der Erben der Gottesherrschaft zu verstehen“. Das zugesagte Erbe können die Jünger allerdings „verspielen“, indem sie sich durch ein Verhalten, das der Jesusnachfolge nicht entspricht, des Erbes als unwürdig erweisen. Siehe: Blumenthal, Basileia 191. „Die erste Seligpreisung sieht die Lage der Adressaten und ihre akute Not in aller Radikalität: Die Armen sind die Benachteiligten, die ihre Situation auch nicht durch Wohlverhalten bessern können. Sie sind die Opfer einer zerrissenen Gesellschaft, in der sich die Mittellosen nicht mehr zu helfen wissen und um das reine Überleben kämpfen müssen, sie sind die leidtragenden von Ausbeutung und Willkür.“ Hoppe, Arm und reich 64. Nach Kloft ist der πτωχός im strengen Sinn derjenige, der die Grundbedürfnisse Unterkunft, Nahrung und Kleidung nicht von sich aus befriedigen kann. Siehe: Kloft, Ptochós 86/106. Nach Grilli, Reichtum 255, bezieht sich der Begriff hier „nicht ausschließlich auf den sozio-ökonomischen Aspekt, aber es handelt sich auch nicht nur um einen rein metaphorischen Gebrauch, denn es geht um Menschen, die in einer schweren, unerträglichen Situation alles von Gott erhoffen und auch erhoffen sollen.“ Wolter, Lukasevangelium 248. Der Begriff „arm“ bedeutet nach dieser Vorstellung so viel wie „fromm“. Denn die Armen hoffen in ihrer Not allein auf Gottes Hilfe. Vgl.: Wolter, Lukasevangelium 248/9. Vgl. hierzu: Merklein, Botschaft 46/8.
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Merklein hierzu die oben bereits erwähnte Stelle Jes 61,1 angeführt. 296 Bei Deutero- und Tritojesajas werden die Armen eine Kollektivbezeichnung für Israel.297 Darin spiegelt sich die Erfahrung des Exils. Israel ist arm im „realen und sozialen Sinn des Wortes“298. In den Seligpreisungen299 geht es also um die Proklamation des Reiches Gottes an die Armen, die hier im Rückgriff auf Jesaja 61 das Volk Israel als Ganzes meinen.300 Dem Volk Israel spricht Jesus in der realen Not das endzeitliche Heil Gottes zu. Dieses Heil wurde zuvor – nach der programmatischen Rede in Nazareth – bereits exemplarisch Armen zuteil, was zu unterschiedlicher Reaktion gegenüber dem messianischen Heilsbringer Jesus führte. Wie Jesus in der Rede in Nazareth das Willkommens- bzw. Heilsjahr des Herrn, also einen gnadenhaften Neuanfang angesagt hat, so spricht der lukanische Jesus hier das Heil des Reiches Gottes allen zu, die sich zum Volk Israel zugehörig fühlen – wobei als Kriterium nicht mehr die Berufung auf die Abrahamskindschaft gilt, sondern die Annahme und das Tun des von Jesus Verkündigten (vgl. 6,46–49).301 Insofern sind alle, die die Rede Jesu hören, Juden wie Heiden, aufgerufen, zu Jüngern302 und damit zum neuen, zum eschatischen Volk Israel zu werden. In diesem Sinne kann Lukas als Mahnung die Weherufe anschließen,303 bevor er dann das Ethos des neuen Volkes verkündet (Lk 6,27– 47), das letztlich Antwort auf das von Gott geschenkte Heil ist. Außer an diesen beiden programmatischen Reden Jesu zu Beginn des Lukasevangeliums wird an vielen Stellen die Hinwendung Jesu zu den Armen, den Sündern und „Verlorenen“,304 also die punktuelle Realisierung der Verheißungen, deutlich. Neben den Heilungen Kranker, die in den Wundergeschichten und Summarien thematisiert werden, und neben der Hinwendung Jesu zu den Sündern ist auf die Worte Jesu hinzuweisen, die sich mit dem Thema „Umgang 296 297 298 299
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So: Merklein, Botschaft 46/7. Siehe hierzu: Merklein, Botschaft 47. Merklein, Botschaft 47. Die ersten drei Seligpreisungen dürften auf Jesus zurückgehen und waren ursprünglich wohl in der dritten Person gehalten. Siehe: Merklein, Jesusgeschichte 80. Vgl. hierzu: Merklein, Botschaft 45/51; Merklein, Jesusgeschichte 80/2. Ireland, Stewardship 171/5, betont, dass hier die Jünger gepriesen werden, die bereits zur Nachfolge Jesu gekommen sind. Die Seligpreisung der Armen ist seines Erachtens daher zu sehen im Kontext ihrer antwortenden Hinwendung zu Jesus. Zu Lk 6,20–26 fasst er zusammen: „This passage is not a blanket contrast between the poor and rich as such, but rather between two particular kinds of poor and rich people – those who trust God and respond to Jesus, on the one hand, and those who trust their riches and neglect the needy, on the other. While economic realities may be present in the contrast, the fundamental point of contrast is religious and ethical.“ Ireland, Stewardship 174. Siehe auch: Blumenthal, Basileia 196/7. Vgl.: Busse, Wunder 97. Ob die Weherufe auf Lukas zurückgehen oder eine vorlukanische Überlieferung darstellen, ist unsicher. Siehe hierzu auch: Bredenhof, Failure and Prospect 156/62.
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mit Reichtum“ beschäftigen. In Lk 12,13–34305 fordert der lukanische Jesus die Jünger, denen die βασιλεία zugesichert ist (V. 32),306 dazu auf, ihre Habe zu verkaufen und als Almosen zu geben. 307 Das Streben der Jünger soll sich nicht wie das des Mannes, dem es um das Erbe geht (V. 13–14), oder wie das des reichen Kornbauern, der für seine riesige Ernte neue Scheunen bauen will, um dann ein sorgenfreies Leben genießen zu können (V. 16–21), auf Geld und Vermögen richten. Ihnen soll es um einen bleibenden Schatz im Himmel gehen (V. 33). Als Nachfolger Jesu, denen das Reich Gottes gegeben ist (V. 32), 308 bedarf es nicht des Vertrauens auf die eigenen Kräfte (wie beim Kornbauern), sondern es bedarf des Vertrauens auf Gott (V. 22–32). Das in V. 33 geforderte Handeln ist ein Handeln, das dem des Kornbauern entgegensteht,309 ein Handeln, das nicht auf das eigene Ich und die eigene Leistung, sondern auf Gott und den Nächsten konzentriert ist.310 Reichtum bietet – das zeigt sich beim reichen Kornbauern – die Gefahr, selbstzufrieden und selbstbezogen zu leben. Auch in Lk 18,18–30 wird die Aufforderung zur Aufgabe des Vermögens und zur Verteilung des Vermögens an die Armen in Verbindung gebracht mit dem Reich Gottes311 (V. 24.25.29): Ins Reich Gottes einzugehen (V. 24: εἰσπορεύονται, V. 25: εἰσελθεῖν) ist für einen Reichen schwer (V. 24: δυσκόλως, V. 25: εὐκοπώτερον), wenn auch nicht unmöglich (V. 27). Dass Gott Menschen befähigen kann, ins Reich Gottes zu gelangen (V. 27) und – so darf man folgern – nicht an ihrem Vermögen zu hängen, zeigen die Jünger, die das, was sie hatten, 305
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Dass es um eine einheitliche Sequenz zum Thema „Umgang mit Vermögen“ geht, betont u. a.: Ireland, Stewardship 175. Vgl. zum Zusammenhang der Aufforderung zum Besitzverzicht und der Zusage der βασιλεία: Wolter, ‚Reich Gottes‘ 553/4. Auch diese Aufforderung in der Folge der Zusage des Reiches (Gottes) richtet sich sicherlich auf einen großen Kreis von potentiellen Jesusnachfolgern, die noch über Besitz verfügen. Diese Aufforderung zeigt aber auch, dass die erste Seligpreisung (6,20) sich nicht nur auf diejenigen bezieht, die bereits Jesus nachfolgen und deswegen arm geworden sind. Wolter, Lukasevangelium 248, bezieht m. E. die Seligpreisung zu sehr auf diejenigen, die bereits Jünger Jesu sind. Ireland, Stewardship 183, folgert daraus, dass hier die Jünger als mit dem Reich schon Beschenkte angesprochen sind, dass das Tun des in V. 33 Geforderten nicht Voraussetzung, sondern Ausdruck des Jüngerseins ist. Derjenige, der sich von Jesus ansprechen lässt, der die Botschaft der anbrechenden Gottesherrschaft annimmt, der auf Gott vertraut, wird das Vermögen selbstlos zugunsten der Armen einsetzen. Das muss aber offenbar den Anhängern Jesu von Lukas eingeschärft werden – ein Aspekt, der bei Ireland hier nicht berücksichtigt wird. Ireland, Stewardship 182, sieht V. 33 in direktem Bezug zu V. 21. Ireland, Stewardship 177, weist darauf hin, dass der reiche Bauer nicht deshalb kritisiert wird, weil er reich ist. In Anschluss an Dupont formuliert er: „Not unlike the rich man in Luke 16:19–31, this man’s error includes three inseparable aspects: he forgets God, eternal life, and his obligations to the poor.“ Siehe: Wolter, ‚Reich Gottes‘ 554. Vgl. zur Komposition der Stelle: Wolter, Lukasevangelium 597/8.
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verlassen haben (V. 28).312 Demgegenüber scheint der reiche Mann an seinem Vermögen zu hängen und es nicht in der Begeisterung für die Botschaft Jesu aufgeben zu wollen (V. 22).313 Seine Bindung an das Vermögen ist also stärker als sein Verlangen nach dem von Jesus verkündeten Reich Gottes. 314 Wolter weist darauf hin, dass es sich bei dem Reichen, der Jesu Aufforderung zur Besitzeshingabe nicht nachkommen will, anders als bei Mk 10,17 um einen ἄρχων, „einen Angehörigen der jüdischen Führungsschicht“ 315 handelt und dass diesem die Jünger gegenübergestellt werden (V. 28). 316 Dieses „Gegenüber vom reichen ἄρχων als dem Vertreter jüdischer Gesetzesfrömmigkeit und dem Jüngerkreis“317 zeigt, dass nicht mehr die Zugehörigkeit zu Israel für das Eingehen in die βασιλεία maßgeblich ist, sondern das Verhalten gegenüber Jesus und seiner Aufforderung zum rechten Umgang mit Reichtum.318 Was für Lukas ein rechter Umgang mit Reichtum ist, wird in der Episode vom Zöllner Zachäus gezeigt. Dem reichen Zachäus, für den auf den ersten Blick der Weheruf in Lk 6,23 gilt, dem also der Eingang ins Reich Gottes verschlossen ist, wird durch die Zuwendung Jesu ein Neuanfang ermöglicht.319 Denn der Reiche ist eigentlich ein Verlorener (vgl. Lk 19,10), dem nun im endzeitlichen „Heute“ Heil (σωτηρία: Lk 19,9) ermöglicht wird. Deswegen wird hier am Ende des „Reiseberichts“ (Lk 19,5.9) das erste im lukanischen Evangelium von der Erzählfigur
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Vgl.: Ireland, Stewardship 180. Vgl.: Ireland, Stewardship 187. Vgl.: Ireland, Stewardship 178. Die Einstellung zu Gott ist seines Erachtens der entscheidende Faktor hinsichtlich des Eingehens ins Reich Gottes. Ireland verweist auf den Kontext, auf die Warnung vor Selbstgerechtigkeit in der Erzählung vom Pharisäer und Zöllner (Lk 18,9–14) und auf die Aufforderung, das Reich Gottes anzunehmen wie ein Kind (Lk 18,15–17). Siehe: Ireland, Stewardship 178/9. Wolter, ‚Reich Gottes‘ 554. Siehe: Wolter, ‚Reich Gottes‘ 554. Es handelt sich hier m. E. um zwei Verhaltensmodelle, die der lukanischen Gemeinde gegenübergestellt werden: die Jünger, die Jesu Wort befolgen (vgl. Lk 18,28) und daher als Vorbild fungieren, und die jüdische Obrigkeit als Kontrastfolie wahren Christseins. Wolter, ‚Reich Gottes‘ 554. Siehe hierzu: Wolter, ‚Reich Gottes‘ 555. Wenig wahrscheinlich erscheint die Ansicht Wolters, Jesus erhebe zusätzlich zu den bereits im Gesetz und den Propheten erhobenen Geboten nun eigene, zur βασιλεία gehörende Forderungen, deren Erfüllung nun Voraussetzung für das Eingehen in die βασιλεία bzw. für den Erhalt des ewigen Lebens sei. Wolter sieht in dem Unterschied von V. 20–21 und V. 22 die Differenz von „Gesetz und Propheten“ und „Gottesherrschaft“ in 16,16 gespiegelt. Siehe hierzu: Wolter, Lukasevangelium 600. In der Figur des Zachäus werden die beiden Merkmale „Zöllner“ (denen sich Jesus auch sonst zuwendet) und „reich“ (was Jesus kritisch sieht) verbunden. „Durch die Zusammenführung dieser beiden heterogenen Merkmale in ein und derselben Person entsteht darum eine recht spannungsvolle Konstellation, deren Ausgang nicht absehbar ist.“ Wolter, Lukasevangelium 600.
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Jesus selbst formulierte Wort σήμερον (Lk 4,21)320 und das eine heilsgeschichtliche Notwendigkeit ausdrückende δεῖ (Lk 19,5 und Lk 4,43) aufgegriffen. Der Zuspruch des Heils durch Jesus gilt also auch Menschen wie Zachäus. Allerdings ist eine innere Einsicht und Veränderung des Verhaltens erforderlich, die Zachäus als Reaktion auf Jesu Zuwendung von sich aus vorbringt (Lk 19,8: ἰδοὺ τὰ ἡμίσιά μου τῶν ὑπαρχόντων, κύριε, τοῖς πτωχοῖς δίδωμι, καὶ εἴ τινός τι ἐσυκοφάντησα ἀποδίδωμι τετραπλοῦν).321 Damit unterscheidet er sich vom ἄρχων in Lk 18,18–30.322 Denn dieser hält sich für einen Erfüller des Gesetzes, also für einen Gerechten, dem erst von Jesus die Notwendigkeit der Armenfürsorge eröffnet werden muss. Dass sich Jesus mit seiner Forderung nach Armenfürsorge auf dem Boden des Gesetzes bewegt, zeigt die apokryphe Variante zu Lk 18,18–25 im sog. Hebräerevangelium: „[…] Und der Herr sprach zu ihm: Wie kannst du sagen, Gesetz und Propheten habe ich erfüllt? Steht doch im Gesetz geschrieben: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst; und siehe, viele deiner Brüder, Söhne Abrahams, starren vor Schmutz und sterben vor Hunger – und dein Haus ist voll von vielen Gütern, und gar nichts kommt aus ihm heraus zu ihnen! […]“323 Der Blick auf Zachäus aber zeigt, dass auch Reiche gerettet werden können (vgl. Lk 18,26: καὶ τίς δύναται σωθῆναι mit Lk 19,9: σήμερον σωτηρία τῷ οἴκῳ τούτῳ ἐγένετο), wenn sie auf die Initiative Gottes hin (vgl. Lk 18,27) umkehren.324 Das Heil der βασιλεία τοῦ θεοῦ, das sich letztlich auf die Wiederkunft Jesu bezieht, das sich aber im endzeitlich qualifizierten „Heute“ schon punktuell erfüllt, ist also allen eröffnet: Kriterium ist nicht die Zugehörigkeit zu Israel, sondern die Zugehörigkeit zu Jesus; Kriterium ist das Hören auf sein Wort und das Tun dessen, was er sagt. Die Aufforderung aber, Reichtum zur Linderung
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Vgl.: Wolter, Lukasevangelium 600. „Jesus identifiziert seine Selbsteinladung bei Zachäus damit als integralen Bestandteil seines Sendungsauftrags.“ So: Wolter, Lukasevangelium 600. Wolter sieht m. E. das Handeln des Zachäus zu negativ. So gesteht Wolter zwar zu, dass Zachäus entsprechend der Forderung des Johannes (Lk 3,11.14) handle und Früchte der Umkehr bringe (Lk 3,8). Er ist aber der Meinung, dass Zachäus im Rahmen von „Gesetz und Propheten“ bleibe und, da er ja nur die Hälfte abgebe und nicht πάντα (Lk 18,22), der Nötigung Jesu in die Gottesherrschaft (16,16) nicht Folge leiste. Siehe: Wolter, Lukasevangelium 614. Aber der lukanische Jesus verkündet doch unmittelbar nach der Ansage des Zachäus ausdrücklich, dass Zachäus bzw. seinem Haus Heil (σωτηρία) widerfahren ist. Wolter, Lukasevangelium 601, deutet dabei auch selbst den Begriff σωθῆναι in Lk 18,26 als Eingehen in das Reich Gottes. Eher dürfte die lukanische Erzählung von Zachäus eine für die Adressaten des Lukas praktikable Verhaltensweise vor Augen führen und Zachäus somit Vorbildcharakter haben. Ireland, Stewardship 192, weist darauf hin, dass ein völliger Besitzverzicht nicht erforderlich ist. Siehe: Ireland, Stewardship 190. Zitiert nach: Wolter, Lukasevangelium 598. Vgl.: Ireland, Stewardship 190/1.
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der Not der Armen zu gebrauchen, ist eine das Evangelium durchziehende Botschaft Jesu. Bis heute kontrovers diskutiert325 wird die Frage nach dem richtigen Verständnis der Worte καὶ πᾶς εἰς αὐτὴν βιάζεται. Ist βιάζεται Medium oder Passiv oder ist es mit παραβιάζεται gleich? Bedeutet es medial in einem positiven Sinn „sich anstrengen hineinzukommen“ oder in einem negativen Sinn „Gewalt anwenden gegen“ oder passivisch „gedrängt werden, mit Nachdruck eingeladen werden“ (wie παραβιάζεται). Die Antwort auf diese Fragen ist deswegen so schwierig, weil es im Neuen Testament an Parallelen fehlt. Βιάζεσθαι kommt neben Lk 16,16 nur noch Mt 11,12 vor, und παραβιάζεσθαι findet sich ebenfalls nur an zwei Stellen und zwar bei Lukas 24,29 und Apg 16,15. Die Tatsache, dass diese Worte in einigen Handschriften fehlen,326 können als Indiz dafür gelten, dass man sie als schwierig empfand. Die neueren Übersetzungen verstehen βιάζεσθαι meistens mit „sich hineindrängen“. Diese Bedeutung findet sich sowohl in fremdsprachigen Übersetzungen 327 wie auch in der LB 2017328 und der EÜ.329 Die Übersetzung in negativem Sinn, dass „jeder der Gottesherrschaft Gewalt antut“, findet sich heute kaum noch.330 Πᾶς bedeutet „jedermann, ein jeder“.331 Die mediale Übersetzung in malam partem „jeder wendet Gewalt gegen sie an“ passt nicht, weil nicht jeder (πᾶς) etwas gegen das Reich Gottes einzuwenden hat. Ebensowenig passt die intransitiv-mediale Übersetzung „sich hineindrängen“ in den Kontext. Denn nicht jeder drängt sich in das Reich Gottes hinein. 332 So lachen die Pharisäer in 16,15 höhnisch über Jesus333 und auch sonst ist die 325
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Siehe besonders: Cortés; Gatti, Luke 16:16 247/59; Giesen, Verantwortung 218/28; Prieur, Gottesherrschaft 238/41; Ramelli, Luke 16:16 737/58. Siehe: kritischer Apparat der Ausgabe Nestle-Aland 2012. Vgl.: Ramelli, Luke 16:16 737 mit Anm. 1. Siehe: Ramelli, Luke 16:16 737/8 und Cortés; Gatti, Luke 16:16 250. „und jedermann drängt sich mit Gewalt hinein.“ EÜ 1980: „und alle drängen sich danach, hineinzukommen“; EÜ 2016: „und jeder drängt sich mit Gewalt hinein“. Vgl.: Giesen, Verantwortung 222. Mit dieser Interpretation wird wohl der Versuch unternommen, die parallele Aussage in Mt 11,12 mit Lk 16,16 zu harmonisieren. „Hier wird der Sinn des Logions in Mt 11, 12 auf Lk 16,16 übertragen, obwohl der Kontext der beiden parallelen Logien wie diese selbst große Unterschiede aufweist“ So: Giesen, Verantwortung 223 Anm. 20. Zu den Unterschieden zwischen Mt 11,12 und Lk 16,16 siehe auch: Ramelli, Luke 16:16 739/40. Bauer-Aland 1277; vgl.: Langkammer, πᾶς 112/7. Lukas verwendet den verallgemeinernden Begriff πᾶς sehr oft. Siehe: Cadbury, Style 115. Vgl.: Blumenthal, Basileia 260. Vgl.: Mt 23,13, wo Jesus den Pharisäern vorwirft, dass sie den Menschen das Himmelreich verschließen, selbst nicht hineingehen und sogar die, die hineingehen wollen, daran hindern: Οὐαὶ δὲ ὑμῖν, γραμματεῖς καὶ Φαρισαῖοι ὑποκριταί, ὅτι κλείετε τὴν βασιλείαν τῶν οὐρανῶν ἔμπροσθεν τῶν ἀνθρώπων‧ ὑμεῖς γὰρ οὐκ εἰσέρχεσθε οὐδὲ τοὺς εἰσερχομένους ἀφίετε εἰσελθεῖν.
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Die Rede Jesu an die Pharisäer: Lk 16,14–31
Reaktion der Zuhörer Jesu gespalten. Während die einen von Jesu Worten und Taten begeistert sind,334 verschließen sich ihnen andere. So geraten z. B. die Adressaten der Rede in Nazareth in Wut und wollen Jesus sogar töten (4,16–30). In Lk 9,53 wird Jesus die Aufnahme in einem samaritanischen Dorf verweigert. In Lk 15,2 empören sich die Schriftgelehrten und Pharisäer, weil er sich mit Sündern abgibt und sogar mit ihnen isst. In Lk 19,7 empören die Leute sich, weil Jesus bei Zachäus, einem Sünder, eingekehrt war.335 Nun wird vor allem von neueren 336 Exegeten337 häufig vorgeschlagen, βιάζεσθαι wie παραβιάζεσθαι zu verstehen und als Passiv zu deuten. Βιάζεσθαι hat mit folgendem Akkusativ an einigen Stellen in der LXX (Gen 33,6–11; Ri 13,15; 2 Sam 13,25)338 die Bedeutung „jemanden drängen, nötigen“. Auch das Kompositum παραβιάζεσθαι hat an einigen Stellen die Bedeutung von einem starken Drängen (1 Kön 28,23; 2 Kön 2,7; 5,16). In derselben Bedeutung findet sich παραβιάζεσθαι bei Lk 24,29: Auf dem Weg nach Emmaus drängen die beiden Jünger Jesus, bei ihnen zu bleiben (καὶ παρεβιάσαντο αὐτὸν λέγοντες). In Apg 16,15 lädt Lydia nach ihrer Taufe Paulus und seine Begleiter ein, in ihrem Haus zu bleiben, und drängt sie dazu (καὶ παρεβιάσατο ἡμᾶς). Vorkommen und Bedeutung von βιάζω und βιάζομαι in der gesamten griechischen Literatur hat Ramelli umfassend untersucht und beschrieben,339 so dass es genügt, hier nur die Ergebnisse kurz wiederzugeben. Danach bedeutet βιάζομαι passivisch „gezwungen werden“, medial „Gewalt antun, zwingen“, es kann aber auch bedeuten „sich anstrengen, sich bemühen“ (z. B. Thuk. VII 69,79; Lys. IX 16). Aber, wie oben gezeigt, passt gerade die letzt genannte Bedeutung nicht in den Zusammenhang. Es bleibt daher nur die passive Bedeutung „gedrängt werden, nachdrücklich eingeladen werden“340 (also in der Bedeutung wie 334 335 336
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So z. B.: Lk 4,22.36; 5,36; 7,16–17; 9,43. Vgl.: die „Konfliktgeschichten“ Mk 2,1–3,6. Dass diese Auffassung nicht so neu ist, hat Ramelli, Luke 16:16 740/4, nachgewiesen und dargelegt, dass diese Interpretation bereits in der ältesten syrischen Version (4. Jh.; andere syrische Übersetzungen bieten den Versuch, eine Harmonie zu Mt 11,11–12 herzustellen) und in der äthiopischen Version (ab dem 5. Jh.) vorkommt. Auch der eine lateinische Übersetzung bietende Codex Bezae Cantabrigiensis (5. Jh.) fasst βιάζεται als Passiv auf. Siehe z. B.: Kosch, Tora 22, 27, 67; Schweizer, Lukas 171; Cortés; Gatti, 16:16 248/51; Kremer, Lukasevangelium 164; Ramelli, Luke 16:16 738/9; Wolter, Lukasevangelium 556; Metzger, Consumption and Wealth 133 Anm. 86. Insgesamt kommen βιάζεσθαι und seine Komposita 27-mal in unterschiedlicher Bedeutung (zwingen, Gewalt antun, insistieren, drängen) vor. Alle Stellen sind aufgelistet bei: Ramelli, Luke 16:16 746. Sie kommt zu dem Ergebnis: „So, in the whole of the Bible, βιάζομαι has only a passive or an intensive meaning, often with an accusative, but it never bears the sense of ‘to go by force’.” Siehe: Ramelli, Luke 16:16 747/55. Hier sind alle Stellen aufgelistet. Vgl.: Ramelli, Luke 16:16 755: „A thorough linguistic analysis of the use and meaning of βιάζομαι in all of Greek literature and especially in LXX, where it acquires a passive meaning in the most recent books, and in the NT, where it always has a passive value
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παραβιάζεσθαι Lk 24,29 und Apg 16,15; in Lk 16,16 allerdings Passiv). Βιάζεται ist dann ein passivum divinum,341 ein theological passive;342 es ist Jesus selbst, der nachdrücklich einlädt, der drängt, in die verkündete Gottesherrschaft einzutreten. So wird auch das πᾶς verständlich, und es wird deutlich, dass jeder ohne Ausnahme, also auch die geldliebenden Pharisäer mit Nachdruck in die Gottesherrschaft eingeladen werden. Dabei ist es dem Eingeladenen überlassen, der Einladung zu folgen oder sie abzulehnen. 343 Gegen diese Auffassung wird jedoch angeführt,344 dass βιάζεσθαι in Verbindung mit εἰς in der antiken griechischen Literatur345 die Bedeutung „durchbrechen nach, gewaltsam eindringen, sich hineindrängen“ habe. Aber bereits bei Aristoteles findet sich βιάζεσθαι in passiver Bedeutung mit einer Richtungsangabe: probl. IV 26, 879b29 ὀλίγη γὰρ ἡ ἰκμάς, καὶ οὐ βιάζεται ἐξιέναι, καὶ καταψύχεται ταχύ.346 Im NT (außer Lk 16,16 nur noch Mt 11,12) kommt βιάζεσθαι in passiver Bedeutung vor, an vielen Stellen in LXX hat es passive Bedeutung. Außerdem findet es sich in einem Papyrus aus dem Jahr 22 n. Chr.347 in der Bedeutung „genötigt, dringend gebeten werden“: ἐγὼ δὲ βιάζομαι ὑπὸ φίλων γενέσθαι οἰκιακὸς τοῦ ἀρχιστάτορος Ἀπολλονίου. Der Papyrus ist ein Brief, geschrieben von Serapion aus Alexandria an seinen Bruder Dorion. Der Brief, dessen Bedeutung von Prieur348 unterschätzt wird, ist
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(whereas the medial-intensive meaning precisely in Luke-Acts is always expressed by a compound verb), strongly supports the passive interpretation of βιάζεται in Luke 16,16.“ Vgl.: Giesen, Verantwortung 224. Siehe: Ramelli, Luke 16:16 747. So z. B.: 2 Sam 13,25 oder 2 Kön 2,17; 5,16. Blumenthal, Basileia 260, der diese Interpretation des βιάζεται unterstützt, formuliert, dass die Menschen, die Jesus und der BasileiaBotschaft begegnen, „in ihren Sog“ geraten und vor der Entscheidung stehen, „ob sie das Heil der Gottesherrschaft ergreifen und durch die enge Pforte in sie hineingehen wollen.“ So: Prieur, Gottesherrschaft 238/9. So z. B.: Thuk. I 63,4; VII 69,4; Demosth. or. VII 32; Xen. Kyr. III 3,69; Xen. Ath. pol. I 74,5; App. Syr. 45; Plut. Otho 12,10; Philo Mos I 108; Ios. bell. Iud. III 423. Vgl.: Ramelli, Luke 16:16 751/2: „[…] the notion is exactly the same as in Luke: to be forced to go out/in; similarly in 945a32 Bekker: τὸ μὲν ἄνω τὸ δὲ κάτω βιάζεται, ‘one is forced to go up, the other to go down’ […]. Analogously already in Hippocrates, Vict. Salubr. 77: βιάζεται ἔξω σὺν τῷ πνεύματι θερμόν τε καὶ ὀξύ, ‘the hot and bitter element is forced to go out together with the pneuma.’ The same meaning of βιάζομαι, ‘to be forced to go in a certain direction’ is attested in Theophrastus, fr. 8. ὄταν δ’ ἔλθῃ τι πνεῦμα ἀλλότριον βιάζεται διαδυόμενον πρὸς τὰς φλεβάς, ‘when some alien pneuma comes, it is forced to insinuate itself toward the veins.’ All these are perfect parallels to the meaning of βιάζομαι in Luke 16:16“. POxy. II 294,16. Siehe hierzu: Ramelli, Luke 16:16 752. Siehe: Prieur, Gottesherrschaft 239 mit Anm. 301. Siehe auch S. 240: „Hingegen ist die öfter vorgeschlagene Bedeutung ‚dringend auffordern, dringlich einladen, nötigen‘ zwar für mediales βιάζεσθαι bzw. παραβιάζεσθαι mit folgendem Akkusativ belegt, jedoch nur einmal für passivisches βιάζεσθαι, nie jedoch in Verbindung mit εἰς. Das macht eine Übersetzung des Passivs βιάζεσθαι mit ‚dringend auffordern‘ o. ä. äußerst unwahr-
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deswegen von besonderer Wichtigkeit, weil er aus dem Jahr 22 n. Chr. stammt und damit der Entstehungszeit des Evangeliums sehr nahe ist. Zur Deutung des βιάζεται als „jeder wird nachdrücklich eingeladen“ muss auch das Gleichnis vom Festmahl, Lk 14,15–24, herangezogen werden.349 Ein Mann veranstaltet ein großes Festmahl und lädt dazu viele ein. Als die Eingeladenen, einer nach dem anderen sich entschuldigen, schickt der Mann seinen Diener aus, der Krüppel, Lahme und Blinde herbeirufen soll. Als immer noch Platz ist, schickt er ihn nochmals auf die Straßen und Plätze mit dem Auftrag: καὶ ἀνάγκασον εἰσελθεῖν, ἵνα γεμισθῇ μου ὁ οἶκος. Der Schlüssel zum Verständnis dieses Gleichnisses findet sich zu Beginn in V. 15: μακάριος ὅστις φάγεται ἄρτον ἐν τῇ βασιλείᾳ τοῦ θεοῦ. Der Mann verweist auf Gott, das Gastmahl ist ein Bild für die βασιλεία τοῦ θεοῦ. Gott selbst lädt die Menschen in die Gottesherrschaft ein. Wie beim Gastmahl hat jeder die Möglichkeit der Einladung zu folgen oder sie abzulehnen. Gott selbst will, dass sein Haus voll wird und lädt die Menschen nachdrücklich350 ein. Dass Gott selbst will, dass die Menschen in die Gottesherrschaft eingehen, steht in engem Zusammenhang mit dem dem βιάζεται vorausgehenden εὐαγγελίζεται. Die Gottesherrschaft wird durch Jesus verkündet,351 und dass jeder nachdrücklich eingeladen wird, in das Heil352 der Gottesherrschaft einzutreten, ist nur folgerichtig. Grammatisch und semantisch353 spricht nichts dagegen, βιάζεται als Passiv aufzufassen und die Stelle in der Bedeutung „jeder wird nachdrücklich eingeladen“ zu verstehen. Es spricht nicht nur der unmittelbare Kontext,354 sondern auch die Theologie des Lukas355 ausdrücklich für diesen Interpretationsansatz.
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scheinlich.“ Die vielen von Ramelli zitierten Stellen mit passivem βιάζεσθαι und einer Richtungsangabe widerlegen die Ansicht Prieurs überzeugend. Selbst wenn der Beleg des Papyrus der einzige wäre, wäre dies kein hinreichendes Argument. Denn auch εὐαγγελίζεσθαι in passiver Bedeutung mit βασιλεία als Subjekt findet sich nur an einer Stelle (s. o.), ohne dass jemand daran Anstoß nimmt. Hierzu bemerkt Ramelli, Luke 16:16 755: „[…] it is better to understand Luke in the light of its own context rather than in the light of Matthew – something that was often done, as several ancient manuscripts, translations, and interpretations attest. […] Matthew 11:12 is rather different from Luke 16:16; remarkably, βιάζεται is passive there, but its subject is ‘the kingdom’, not ‘everyone’, and the forced harmonization of Luke 16:16 with it is misleading.“ Zur Bedeutungsähnlichkeit von ἀναγκάζω und βιάζομαι siehe: Ramelli, Luke 16:16 749/50, die zahlreiche Stellen anführt. Siehe: Lk 4,18–19; 4,43 (εὐαγγελίσασθαί με δεῖ τὴν βασιλείαν τοῦ θεοῦ); 8,1; 9,6. Dass mit Jesus das Heil in die Welt kommt, wird bereits im Magnifikat, im Lobpreis des Zacharias, in den Worten des greisen Simeon und Hannahs ebenso deutlich wie in dem Satz des Johannes ὄψεται πᾶσα σὰρξ τὸ σωτήριον τοῦ θεοῦ (Lk 3,6). Vgl.: Cortés; Gatti, Luke 16:16 257: „We believe that the interpretation defended is very valid grammatically, linguistically, and syntactically.“ Siehe: Ramelli, Luke 16:16 755/6: „The reading for which I argue here perfectly fits in Luke 16 and makes new sense in the framework of Luke’s overall theology. In the immediate context of ch. 16, God’s kingdom seems to be central and contrasted with this
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Warum – so ist nun auch hier zu fragen – erwähnt Jesus in der an die Pharisäer gerichteten Rede die βασιλεία τοῦ θεοῦ, in die jeder dringlich eingeladen wird? Die Pharisäer machen sich über Jesus und das von ihm über den rechten Gebrauch des Reichtums Gesagte lustig. Wenn Jesus nun hier darauf hinweist, dass nach der Umkehrpredigt des Johannes die Gottesherrschaft verkündet wird, dann ist auch den Pharisäern klar, dass Jesus hier von sich als dem Verkünder der βασιλεία τοῦ θεοῦ redet.356 Indem sie Jesus verlachen, verlachen sie den, der sich selbst als Erfüllung der alttestamentlichen Verheißung in Nazareth angesagt hat und der durch die Heilungen in Kafarnaum als Erfüller der Verheißung und als geistbegabter Bote Gottes ausgewiesen ist. Durch die Ablehnung Jesu lehnen die Pharisäer zugleich das auch von ihnen selbst erhoffte357 Reich Gottes ab. Denn in das Reich Gottes zu gelangen, ist nach dem Lukasevangelium – auch wenn alle eingeladen sind – nur denen möglich, die den in Jesus offenbaren Willen Gottes befolgen. Hierzu sind die Pharisäer ebenso wie alle anderen, auch die Sünder und Heiden, im Heilsjahr Gottes eingeladen. Entscheidend ist nun, ob Jesus als Verkünder des Willens Gottes anerkannt wird und das von ihm Verkündete als Wille Gottes gehört und getan wird. Die Aufforderung Jesu zur Sorge um die Armen, die auch im Gesetz, bei den Propheten und Johannes als Wille Gottes dargelegt wird, ist nach dem Lukasevangelium ein wichtiger Bestandteil der jesuanischen Predigt. Der rechte Gebrauch des Reichtums wird zur Einlassbedingung in das Reich Gottes. Da die Pharisäer das von Jesus Gesagte verlachen, erweisen sie sich als solche, die die Heilsinitiative Gottes in Jesus nicht annehmen (vgl. Lk 7,30), die nicht umkehren und sich somit nicht für das Reich Gottes qualifizieren. In der Ablehnung der Forde-
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world, with its cleverness and its riches, in the saying about serving two masters, the opposition between God and mammon (v. 14), dives and Lazarus (v. 19–31), the remark on the Pharisees who love riches (v. 14), and the contrast between the ‘children of this world’ and the ‘children of light’.“ Blumenthal, Basileia 260, verweist auf die gleichen Zeitformen des εὐαγγελίζεται und des βιάζεται. Beide Handlungen seien kausal miteinander verknüpft. Auf die Polarität zwischen Gottes Reich und dieser Welt macht Ramelli, Luke 16:16 756/7, aufmerksam: 18,16: das Gottesreich gehört denen, die wie Kinder sind; 4,6: Macht, Ruhm und Reiche sind in den Händen des Teufels; 12,31: Aufforderung, Gottes Reich mehr zu verfolgen als die Dinge dieser Welt; 6,20–26: Gottes Reich gehört den Armen. Siehe auch: Ramelli, Luke 16:16 756: „Now, Luke 16:16 implies that God wants everyone to enter the kingdom and compels each one to do so. It is meaningful that ch. 16 comes immediately after the parables of mercy in ch. 15, three typically Lukan parables – two of which lack Synoptic parallels – intended to show God’s love precisely for those who were believed to be lost (ἀπόλωλα) and God’s joy upon their being found again: the parables of the prodigal son, of the lost sheep, and of the lost drachma. God wants everyone to enter his kingdom, especially the last and the lost.“ In Lk 5,17 wird herausgestellt, dass Pharisäer und Schriftgelehrte aus allen Dörfern und aus Jerusalem gekommen waren, um Jesus zu hören. Vgl. z. B. auch: Lk 5,30; 6,7; 15,1. Siehe: Merkel; Roloff, Pharisäer 397/8.
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rungen Jesu, die im Einklang mit dem Gesetz und den Propheten stehen, 358 deren Forderungen die Pharisäer ohnehin befolgen müssten, verspielen sie ihre Chance, im endzeitlichen „Heute“ in das Heil der βασιλεία τοῦ θεοῦ einzugehen. Dies macht Jesus den Pharisäern hier klar. Hinsichtlich des V. 17 herrscht in der Exegese weitgehend Übereinstimmung dahingehend, dass V. 17 im vorliegenden, lukanischen Kontext in Beziehung zu V. 16 steht und in diesem Zusammenhang interpretiert werden muss 359 und dass V. 17 die auch für die christliche Gemeinde bestehende Gültigkeit des Gesetzes aussagt.360 Die meisten Exegeten vertreten die Ansicht, V. 17 stelle – durch ein adversatives δέ mit V. 16 verbunden361 – eine Klarstellung zum vorhergehenden Vers dar. So formuliert Wolter: „Offenbar um den Eindruck zu verhindern, dass Jesus in V. 16a–b die Aufhebung des Gesetzes und seine Ablösung durch die Gottesherrschaft behauptet, lässt Lukas ihn feststellen, dass die Tora nach wie vor ohne die geringste Einschränkung gilt.“362 Ähnlich schreibt auch Hoffmann im Jahr 1971: „Vers 16a grenzt Gesetz und Propheten dem Evangelium gegenüber auf die Zeit bis Johannes ein; sie gehören einer vergangenen Zeit an. Gerade diese Aussage wird aber durch den bewußt gegen V. 16 gestellten V. 17 (δέ) eingeschränkt: das Gesetz bleibt dennoch – auch für den Christen – gültig.“363 Im Jahr 1903 formuliert Rodenbusch: „V. 17, selbst eine Kundgebung extrem judaistischen Charakters, ist in einen, wenn auch nicht extrem, antijudaistischen Zusammenhang eingesprengt: zuerst zeitlich beschränkte, schon abgelaufene Gültigkeit des Gesetzes (16); dann Anerkennung unbedingter Gültigkeit für alle Zeit bis zum kleinsten Buchstaben (17); und schließlich wieder Antiquierung des Gesetzes im einzelnen Fall durch Vertiefung seiner Forderungen (18).“364 Kümmel sieht sogar einen Widerspruch zwi358
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„Auch Gesetz und Propheten wollen zu keinem anderen Handeln anleiten als dem, das Jesus hier dem Leser bzw. Hörer deutlich vor Augen führt. So gibt es keine Möglichkeit, sich von den Worten Jesu mit Verweis auf die Andersartigkeit der alttestamentlichen Lehre zu dispensieren. Vielmehr erhalten auch jene Schriften des Alten Bundes mit Jesus und der Verkündigung des Reiches eine neue Schärfe und Dringlichkeit.“ So: Gradl, Zwischen Arm und Reich 238. Siehe z. B.: von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 342. Vgl. z. B.: Wolter, Lukasevangelium 556; Hoffmann, Logienquelle 56. Vgl.: Danker, Luke 16 16 235. Wolter, Lukasevangelium 556. Vgl.: Klein, Lukasevangelium 546, der V. 17 als Klarstellung bzgl. der in V. 16 konstatierten neuen Zeit der βασιλεία auffasst: „Daß diese neue Zeit aber nicht völlige Freiheit vom Gesetz und den Propheten bringt, wie man aus V. 16 schließen könnte, zeigt V. 17.“ Ähnlich formuliert für Q auch Merklein, Gottesherrschaft 94. Hoffmann, Logienquelle 55/6. Rodenbusch, Komposition 243. Rodenbusch hält V. 17 für eine judenchristliche Glosse, die Lukas in seiner Quelle zwischen V. 16 und 18 vorfand und die ihn veranlasste, das Gleichnis vom reichen Mann und dem armen Lazarus hier einzufügen.
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schen V. 16 und V. 17.365 Wenn aber die in dieser Untersuchung dargelegte Interpretation des V. 16 richtig ist, dass Gesetz, Propheten, Johannes und die Verkündigung der βασιλεία τοῦ θεοῦ durch Jesus in Kontinuität zueinander stehen und von einer Aufhebung des Gesetzes nicht die Rede ist, dann stellt V. 17 keinen Widerspruch oder eine Klarstellung zu V. 16 dar, sondern eine Bekräftigung. Auch wenn man das δέ adversativ verstehen will, ist V. 17 nicht als Einschränkung von V. 16 insgesamt zu verstehen, sondern als mahnende Klarstellung von V. 16c: καὶ πᾶς εἰς αὐτὴν βιάζεται. Die Aussage, dass nun jeder nachdrücklich in die βασιλεία τοῦ θεοῦ eingeladen wird, darf nicht zu der Annahme verleiten, die Erfüllung der Gebote des Gesetzes sei nun nebensächlich. Wahrscheinlicher ist aber, dass δέ hier nicht adversativ gemeint ist, sondern dass es sich um ein fortführendes δέ handelt.366 In jedem Fall greift V. 17 so nochmals V. 16a auf und mahnt die Pharisäer erneut zu einem Leben nach dem Gesetz. Denn es ist einfacher, dass Himmel und Erde vergehen, als dass vom Gesetz nur das kleinste Häkchen wegfällt, so werden die Pharisäer gewarnt. Der Begriff μίαν κεραίαν367 steht semantisch in seiner scheinbaren Bedeutungslosigkeit in starker Antithese zum gesamten Kosmos. Indem „die unverbrüchliche Gültigkeit der Tora bis hin zum kleinsten Bestandteil“ 368 zum Ausdruck gebracht wird, soll den Pharisäern erneut vorgehalten werden, dass sie nach dem Gesetz handeln sollen und keineswegs über die im Einklang mit dem Gesetz stehende Lehre Jesu zum rechten Gebrauch des Reichtums lachen dürfen.369 Dazu fordert der lukanische Jesus mit einem unmissverständlich klaren und einprägsamen Spruch auf, der mit Klinghardt als „gnomische Sentenz“370 bezeichnet werden kann. 365
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Zu V. 16–18 schreibt Kümmel, Lukas 16,16 92: „Von diesen drei Sprüchen handeln die beiden ersten ausgesprochenermaßen vom Gesetz, freilich in sich widersprechender Weise (vgl. das δέ V. 17), und V. 18 läßt sich immerhin als Gesetzesinterpretation bezeichnen.“ So: von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 342. Siehe zur verschiedenen Verwendung von δέ: BDR 376/8 § 447. „Mit κεραία ist hier wohl die kleinste Einheit beim Schreiben gemeint – der Strich“. So: Wolter, Lukasevangelium 556. Merklein, Gottesherrschaft 91. Merklein, Gottesherrschaft 91, weist darauf hin, das Logion stimme „exakt mit der pharisäisch-rabbinischen Auffassung überein“. Nach Heil, Lukas und Q 129, steht das Logion Q 16,17, demzufolge das Gesetz „bis zum eschatologischen Umschwung bleibende Geltung“ besitze, „in Kontinuität mit ähnlichen frühjüdischen Aussagen über die ‚ewige‘ Gültigkeit des Gesetzes, d. h. des Pentateuchs“. Als Belegstellen gibt er in Anm. 71 an: „Jub 6,14; Hen(aeth) 99,2; 4 Es 9,37; Philo, Vita Mosis 2,3.14; Josephus, c.Ap. 2,272“. Für die lukanische Fassung des Spruchs ist m. E. die Frage, was nach dem Ende der Welt mit dem Gesetz geschehe, irrelevant, da Lukas hier generell und markant die Gültigkeit des Gesetzes im „Jetzt“ – also auch nach Jesu Verkündigung – betonen möchte. Klinghardt, Gesetz 19. Klinghardt, der annimmt, dass Mt 5,18 und Lk 16,17 aus unterschiedlichen Traditionen stammen (vgl.: Klinghardt, Gesetz 17/9), schreibt: „Es liegt eine gnomische Sentenz vor, die etwa als weisheitliches Sprichwort zu charakterisieren ist.
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Zu fragen bleibt freilich, wie sich die Aussage, dass kein Häkchen vom Gesetz wegfällt, mit Jesu Haltung zu den Sabbatgeboten (Lk 6,1–11) und vor allem mit der Praxis der in der Apostelgeschichte geschilderten Heidenmission, also z. B. dem Verzicht auf Beschneidung (Apg 15), verträgt. Einige Exegeten, z. B. Hübner371 und Salo372, vertreten die Ansicht, dass das Gesetz von Jesus, der gesetzestreu dargestellt wird,373 nicht in Frage gestellt wird, dass es aber in der frühen Kirche zu einem Bruch mit dem Gesetz kommt. 374 Nach Wilson behält das Gesetz Gültigkeit für die judenchristlichen Teile der Gemeinde, während die Heidenchristen das Gesetz nicht befolgen.375 Jervell zufolge spiegelt das lukanische Doppelwerk eine Ausübung des Gesetzes in einer judenchristlich geprägten Gemeinde wider.376 Auch für Heiden, die der Gemeinde beitraten, blieb seines Erachtens das Gesetz, abgesehen von der Beschneidung, verpflichtend. Auch Burchard weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Judenchristen das Gesetz halten und dass die Heidenchristen ebenfalls das Gesetz halten,377 aber „abzüglich der Teile, die nationale jüdische Gebräuche sind“ 378. „Wer das Gesetz in diesem differenzierten Sinn (der der ursprüngliche ist, kein christlich reformierter) nicht hält, geht nach Lukas nicht in das Reich Gottes, selbst wenn er sich zunächst den Eingang gesichert hat.“379 Merklein, der von der Einheit von Lk 16,16 und 16,17 in Q ausgeht,380 betont den Zusammenhang der V. 16 und 17 und die Notwendigkeit, V. 17 gerade in diesem Zusammenhang zu in-
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Die Struktur des εὐκοπώτερόν (ἐστιν) … ἢ (jeweils mit A.c.I.) verweist auf weisheitliche und pagane Gnomik. Vermittelt wird nicht ein (besonders zu legitimierendes) Offenbarungswissen, sondern allgemein Einsichtiges, das auf eine einprägsame, lakonische Formel gebracht wird.“ Klinghardt, Gesetz 19. Klinghardt verweist in Anm. 16 auf Sir 22,15; Cic. orat. II 235 und orat. II 186 sowie auf Sen. de ira III 8,8. Nach Klinghardt, Gesetz 19, besagt Lk 16,17, „daß es unmöglich ist, daß ein Häkchen des Gesetzes dahinfällt; die Vorstellung einer Aufhebung oder Änderung des Gesetzes beim Äonenwechsel liegt hier also nicht vor.“ Obwohl diese Interpretation sicherlich zutreffend ist, ist die Begründung, dass das Ausgesagte unmöglich eintreten könne, m. E. fraglich. Klinghardt verweist auf das Bildwort vom Kamel und dem Nadelöhr, bei dem auch εὐκοπώτερον γάρ ἐστιν […] ἤ verwendet wird (Lk 18,25 par Mk 10,25), und auf das folgende ἀδύνατον (Mk 10,27) bzw. τὰ ἀδύνατα (Lk 18,27). Aber sowohl bei Markus als auch bei Lukas wird gesagt, dass das für Menschen Unmögliche für Gott möglich ist. Siehe: Hübner, Gesetz. Vgl. auch die Zusammenfassung seiner Thesen bei: Repschinski, Gesetz 218/9. Siehe: Salo, Law. Siehe zu Salo auch: Repschinski, Gesetz 228/30. Vgl.: Hübner, Gesetz 207. Bei Jesu Haltung zu den Sabbatgeboten geht es demnach nicht um das Gesetz als solches, sondern um seine Auslegung. Für Salo, Law 149/50, passt lediglich Lk 16,18 – er hält den Vers für traditionell – nicht ganz in den Rahmen. Vgl.: Hübner, Gesetz 208. Siehe: Wilson, Luke 103. Vgl. zu Wilson auch: Repschinski, Gesetz 221/2. Siehe: Jervell, Law 21/36. Vgl.: Repschinski, Gesetz 219/20. Siehe: Burchard, Lk 16,16 123/4. Burchard, Lk 16,16 123. Burchard, Lk 16,16 124. Siehe: Merklein, Gottesherrschaft 87/8.
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terpretieren. Seines Erachtens stellt der Vers ein Interpretament der QGemeinde dar, der gegenüber „einem möglichen antinomistischen Mißverständnis von Lk 16,16 par […] die unantastbare Geltung des Gesetzes auch für die christliche Gemeinde“381 betont. Da V. 16 aber die Basileia als das entscheidende Handlungsprinzip herausstelle382, sei in V. 17 mit dem Gesetz die jesuanisch interpretierte Tora gemeint.383 Auch Turner betont hinsichtlich des lukanischen Doppelwerks, dass das Gesetz in Geltung bleibe, dass es aber in der mit Jesus gekommenen messianischen Zeit überboten und verändert werde. 384 Dieser Sicht folgt auch Seifrid, dem zufolge Jesu das Gesetz überbietende Ethik neue Forderungen an die Jünger stelle.385 Für Repschinski, der in dieser Auslegungstradition steht und sich auch mit V. 17 beschäftigt, zielt „der kleinste Haken mehr auf die Intention des Gesetzes […] als auf die Einhaltung einzelner Gebote. Diese Intention wird in der Auslegung Jesu deutlich.“ 386 Repschinski argumentiert, dass in V. 16 der Ausdruck „Gesetz und Propheten“ nicht im engen Sinne die Tora, sondern die alttestamentliche Verkündigung in ihrer Gesamtheit meine und dass durch den direkten Anschluss von V. 17 an V. 16 auch hier die gesamte Tradition im Blick sei.387 „Daher besteht Lukas nicht auf der Notwendigkeit der Treue zum Gesetz in all seinen Einzelvorschriften, sondern auf der Unumstößlichkeit einer Tradition, wie sie sich in der von Lukas überlieferten Predigt Jesu erfüllt sieht (cf. Lk 4,21 und auch Lk 24,44).“388 „Der Fortbestand auch des kleinsten Häkchens des Gesetzes steht im Dienst einer Bestätigung der ethischen Anweisungen Jesu, wie sie in der Aufgabe des Reichtums und der Nachfolge konkret werden. Zum Gesetz tritt daher auch der Kor381 382
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Merklein, Gottesherrschaft 94. Dass V. 16 die Basileia als das entscheidende Handlungsprinzip herausstelle, entspricht m. E. nicht der lukanischen Fassung des Spruchs. Siehe: Merklein, Gottesherrschaft 91/4. Siehe: Turner, Sabbath, 99/157. Siehe zu Turner: Repschinski, Gesetz 220/1. Siehe: Seifrid, Law 39/57. Vgl.: Repschinski, Gesetz 224/5. Repschinski, Gesetz 291. Siehe: Repschinski, Gesetz 281. „Es geht um die alttestamentliche Tradition, die in Jesus und seiner Predigt vom Reich Gottes fortgesetzt wird. Die Predigt vom Reich Gottes in Jesus steht in einer Linie mit Gesetz und Propheten.“ Dieser Aussage Repschinskis ist voll zuzustimmen. Allerdings spricht er auf Seite 345 von einer Trennung der Zeit des Gesetzes und der Zeit Jesu: „Diese Spannung zwischen dem Wert der Tradition und ihrer Überholung im Jesusereignis formuliert Lukas am deutlichsten in Lk 16,16–17, wenn er auf der einen Seite von der Beständigkeit des Gesetzes spricht, auf der anderen Seite aber auch eine klare Trennung zwischen der Zeit bis zu Johannes und der mit Jesus beginnenden Zeit einführt.“ Repschinski, Gesetz 281/2. Wenn in V. 16 und V. 17 nicht an Einzelvorschriften gedacht sein sollte, bleiben allerdings Fragen offen, wie Repschinski, Gesetz 282, selbst schreibt: „Der Ansatz des Lukas lässt Fragen offen. So bleibt ungeklärt, wie sich Lukas in dieser Gesetzesinterpretation das Fortbestehen von μία κεραία vorstellt, wenn es nicht auf konkrete und überprüfbare Gesetze und von ihnen vorgeschriebene Handlungen abzielt.“
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pus der Propheten hinzu, wie es Lk 16,16–17 ausformuliert. Beide finden ihre Erfüllung in der Lehre Jesu.“389 Bemerkenswert sind die Thesen Loaders. Er stellt eine grundlegende Gesetzesfrömmigkeit sowohl für das Evangelium als auch für die Apostelgeschichte fest.390 Das Gesetz ist Ausdruck des Willens Gottes.391 Allerdings gibt es Loader zufolge Ergänzungen in der Art, wie der Wille Gottes erkannt werden kann, ohne dass die vorhergehende Weise ungültig wird.392 So bleibt der Wille Gottes, zu dem es umzukehren gilt, erkennbar im Gesetz, aber auch in der Verkündigung des Täufers und in der Predigt Jesu. Allerdings geht es Lukas beim Gesetz nicht um Einzelgebote, sondern um Grundprinzipien.393 In diesem Zusammenhang ist nochmals hinzuweisen auf Beobachtungen Crüsemanns, nach denen das Gesetz, der Pentateuch, selbst sogar widersprüchliche Einzelgebote enthält, die alle in ihrer jeweiligen Zeit und Situation als Wille Gottes erkannt wurden und bei der Komposition des Pentateuchs unverändert nebeneinander stehen blieben, da sich in allen ja der Wille Gottes spiegelt.394 Ungeachtet der obigen Fragen zur Stellung und zum Verständnis des V. 17 im Rahmen des lukanischen Doppelwerks muss m. E. zunächst die textpragmatische Funktion des Verses im Blick sein. Deshalb müssen für die Interpretation der lukanischen Komposition vor allem der nähere Kontext, aber auch die 389
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Repschinski, Gesetz 347. Repschinski betont den prophetischen, auf Jesus vorausweisenden Charakter des Gesetzes. Deswegen wird seines Erachtens das Gesetz von Lukas uminterpretiert „von einem Handbuch für ethische Lebensweise […] in eine Prophezeiung der Heilstaten Gottes in Jesus und in den Gemeinden durch den Heiligen Geist“, wodurch große Teile des Gesetzes irrelevant werden. So: Repschinski, Gesetz 348. Lukas geht es seines Erachtens darum, heidenchristliche Gemeinden in die Heilsgeschichte Israels einzubinden, sie in Kontinuität mit dem Gesetz zu stellen, ohne sie auf Einzelgebote zu verpflichten: „Es ist das Anliegen des Lukas, auch die aus heidnischem Umfeld erwachsenen christlichen Gemeinden als Teil des Heilsplanes Gottes darzustellen. Dazu stellt Lukas diese Gemeinden in Kontinuität mit dem Gesetz. Auch in den heidenchristlichen Gemeinden wird kein Häkchen des Gesetzes fallen (Lk 16,17). Doch an vielen Stellen des Doppelwerkes wird deutlich, dass ein solcher Anspruch durchaus nicht ohne Widerspruch blieb. Die Interpretation des Gesetzes im Licht der Weise, wie es auf Jesus verweist, stellt eine solche radikale Abkehr vom eigentlichen Anliegen des Gesetzes dar, dass dies für konservative jüdische Kreise wohl äußerst anstößig gewesen sein muss.“ So: Repschinski, Gesetz 349. Inwiefern aber kein Häkchen des Gesetzes in heidenchristlichen Gemeinden fällt, bleibt allerdings offen, zumal Repschinski davon spricht, dass große Teile des Gesetzes irrelevant werden. Siehe: Loader, Law 273/389. Vgl.: Repschinski, Gesetz 231/3. Loader, Law 380. Vgl.: Repschinski, Gesetz 231. So werden einzelne Gebote den Heidenchristen nicht auferlegt und diese können sich trotzdem als gesetzestreu verstehen. Das Gesetz gilt als gottgegeben, aber es wird von den Heiden nicht verlangt, es zu halten. So wird auf Bewegung des Heiligen Geistes hin die Beschneidung für die Heidenchristen abgeschafft. Vgl. zu diesen Thesen Loaders: Repschinski, Gesetz 233. Vgl.: Crüsemann, Tora 382 und 405/7.
Mahnende Worte an die Pharisäer: Lk 16,15–18
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Adressaten berücksichtigt werden.395 Gegenüber V. 16 dient V. 17 als sentenzartige Bekräftigung, beide Verse aber stehen in der Auseinandersetzung Jesu mit Pharisäern, die über Jesu Einstellung zum Gebrauch des Reichtums spotten. 396 Beide Verse fordern in pointierter Formulierung die Pharisäer, die sich ja der Erfüllung des Gesetzes verschrieben haben, nachdrücklich auf, das von Jesus zum rechten Gebrauch des Reichtums Gesagte als gesetzeskonform anzuerkennen und selbst entsprechend zu handeln. 397 Denn auch bei Gesetz und Propheten ist die Nächstenliebe und die solidarische Unterstützung der Armen eine zentrale Forderung.398
6.2.2.4 Die Ehescheidung als Qualifizierung eines der eschatologischen Verkündigung Jesu widersprechenden Verhaltens: Der Vers 18 Scheinbar unvermittelt399 folgt auf die Betonung der ewigen Gültigkeit des Gesetzes (V. 17) das Logion von der Ehescheidung:400 Πᾶς ὁ ἀπολύων τὴν γυναῖκα αὐτοῦ καὶ γαμῶν ἑτέραν μοιχεύει, καὶ ὁ ἀπολελυμένην ἀπὸ ἀνδρὸς γαμῶν μοιχεύει. Das Logion hat drei Parallelen, sowohl im Markusevangelium (Mk 10,11–12), als auch im Matthäusevangelium (Mt 5,32 und Mt 19,9). Anhand der Übersicht lassen sich Unterschiede und Übereinstimmungen, die im Folgenden kurz erläutert werden, leicht erkennen:
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Dies betont auch: von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 342. Vgl.: Danker, Luke 16 16 238. Dies schreibt auch: Repschinski, Gesetz 282. Die Schlussfolgerung Repschinskis ist aber m. E. fraglich: „Damit deutet Lukas an, dass der Fortbestand des Gesetzes auf jeden Fall nicht mit einer von Pharisäern vorgebrachten Interpretation zu denken ist, wie sie vielleicht bis Johannes üblich war.“ Zur literarischen Funktion der Pharisäer siehe: Kapitel 4.2. Vgl.: von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 342. So weist der Vers voraus auf Lk 16,29. So z. B.: Vawter, Divorce 529: „The isolated Q logion (Matt 5:32 = Luke 16:18) is precisely that, isolated […].“ und weiter unten: „In Luke it appears almost out of the blue, one of a series of aphorism tacked on the Parable of the Shrewd Steward (16:1–8), immediately introduced by the derisory reaction of the Pharisees to the parable (v 14), a reaction which invites a contrast between their doctrine and that of Jesus (vv 15–18)“. Vgl.: Johnson, Luke 254: „it (V. 18) pops up in the text without any motivation.“ Siehe auch: Wolter, Lukasevangelium 556: „Möglicherweise fungiert die hier formulierte Regelung als Beispiel für die nach wie vor bestehende Verbindlichkeit des Gesetzes. […] Warum er diese Weisung ausgerechnet hier bringt, obwohl sie mit dem Thema des Kontextes nichts zu tun hat, bleibt sein Geheimnis.“ So wird das Logion allgemein genannt, z. B.: Greeven, Ehe 376: „Jesu Stellungnahme zur Ehescheidung“; Pesch, Treue 56: „Jesu Stellungnahme zur Ehescheidung in Lk 16,18“. Siehe: Kilgallen, Purpose 229/38. In Wahrheit trifft diese Bezeichnung nur zu einem geringen Teil den Inhalt des Logions, geht es doch um mehr, um Scheidung, Wiederheirat und Ehebruch. Bovon, Lukas III 86/9, bietet eine Übersicht über die Literatur zur Stelle.
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Die Rede Jesu an die Pharisäer: Lk 16,14–31
Lk 16,18 Πᾶς ὁ ἀπολύων τὴν γυναῖκα αὐτοῦ καὶ γαμῶν ἑτέραν μοιχεύει,
καὶ ὁ ἀπολελυμένην ἀπὸ ἀνδρὸς γαμῶν μοιχεύει.
Jeder, der seine Frau entlässt und eine andere heiratet, begeht Ehebruch. Mt 5,32 Πᾶς ὁ ἀπολύων τὴν γυναῖκα αὐτοῦ παρεκτὸς λόγου πορνείας ποιεῖ αὐτὴν μοιχευθῆναι, Jeder, der seine Frau entlässt außer wegen Unzucht, macht, dass sie zum Ehebruch verführt wird, Mk 10,11 Ὃς ἂν ἀπολύσῃ τὴν γυναῖκα αὐτοῦ καὶ γαμήσῃ ἄλλην μοιχᾶται ἐπ’ αὐτήν: Jeder, der seine Frau entlässt und eine andere heiratet, begeht Ehebruch ihr gegenüber, Mt 19,9 Ὃς ἂν ἀπολύσῃ τὴν γυναῖκα αὐτοῦ μὴ ἐπὶ πορνείᾳ καὶ γαμήσῃ ἄλλην μοιχᾶται. Wer seine Frau entlässt außer wegen Unzucht und eine andere heiratet, begeht Ehebruch.
und wer eine von ihrem Mann entlassene heiratet, begeht Ehebruch. καὶ ὃς ἐὰν ἀπολελυμένην γαμήσῃ μοιχᾶται. und wer eine entlassene heiratet, begeht Ehebruch.
καὶ ἐὰν αὐτὴ ἀπολύσασα τὸν ἄνδρα αὐτῆς γαμήσῃ ἄλλον μοιχᾶται. und wenn sie selbst ihren Mann entlässt und einen anderen heiratet, begeht sie Ehebruch.
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Die Gemeinsamkeiten der vier Versionen liegen vor allem im Bereich des Vokabulars (ἀπολύειν, γαμεῖν, μοιχεύειν, μοιχᾶσθαι) und der sprachlichen Form, Unterschiede bestehen in erster Linie in der Sachaussage. 401 Außer Mt 19,9 bestehen die Spruchversionen aus zwei Teilen, wobei der zweite Teil jeweils mit einem καί angeschlossen wird und einen neuen Gedanken beinhaltet. Der erste Teil des Doppelspruches ist bei Lk 16,8 und Mt 5,32 identisch, ebenso bei Mk 10,11 und Mt 19,9, wobei der Unterschied zwischen πᾶς ὁ ἀπολύων (Lk 16,18 und Mt 5,32) zu ὃς ἂν ἀπολύσῃ (Mk 10,11 und Mt 19,9) inhaltlich kaum ins Gewicht fällt.402 In allen vier Versionen drückt also der Beginn des ersten Teils des Doppelspruchs dasselbe aus: Es geht um eine Entlassung (d. h. Scheidung von) der Ehefrau. In Lk 16,18, Mk 10,11 und Mt 19,9 wird als zweite Aussage die (Wieder)heirat mit einer anderen Frau angeschlossen, bei Lukas partizipial (καὶ γαμῶν ἑτέραν),403 bei Markus und Matthäus entsprechend dem ersten Glied mit dem Konjunktiv Aorist. An allen drei Stellen ist die Aussage gleich: Es geht um die Wiederheirat des Mannes nach der Entlassung der Ehefrau.404 An betonter Stelle steht am Ende des ersten Teils des Doppelspruches μοιχεύει (Lk 16,18)405 bzw. μοιχᾶται (Mt 19,9; Mk 10,11), wobei Markus noch hinzufügt ἐπ’ αὐτήν (ihr gegenüber, d. h. der ersten Frau gegenüber).406 Mit ποιεῖ αὐτὴν μοιχευθῆναι bietet Mt 5,32 eine von den anderen Stellen völlig abweichende Formulierung. Aber auch hier steht an der betonten Stelle eine Form von μοιχεύειν. Dies macht deutlich, dass der Akzent in diesem Teil des Doppelspruches in allen vier Versionen auf „Ehebruch“ liegt. Die Fassungen Lk 16,18, Mk 10,11 und Mt 19,9 sagen übereinstimmend aus, dass die Entlassung der Ehefrau und die Heirat einer anderen Frau Ehebruch
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Vgl.: Machinek, Gesetze oder Weisungen? 153. Vgl.: Gnilka, Matthäusevangelium 164: „Die Form πᾶς + Partizip […] gibt dem Rechtssatz […] ein apodiktisches Gepräge, während ὃς ἐάν einen Kasus aufzeigt.“ Die Formulierung ὃς ἐάν (= ὃς ἄν) + Konj. Aorist bezeichnet einen Iterativ und damit alle sich wiederholenden Fälle. Vgl.: BDR 303/4 § 373. Lukas ersetzt häufig einen Relativsatz, den er in einer Quelle vorfindet, durch ein Partizip. Siehe: Cadbury, Style 135/6. Eine Wiederheirat nach der Scheidung ist laut Baltensweiler, Ehe 62, angesichts der Hochachtung der Ehe im Judentum selbstverständlich. Nach Pesch, Treue 56, verwendet Lukas das attische μοιχεύει statt des dorischen μοιχᾶται, um die sprachliche Formulierung an die Septuaginta-Fassung des 6. Gebots (Ex 20,14; vgl. Dtn 5,17; Mt 5,27; Mk 10,19; Mt 19,18; Lk 18,20; Röm 13,9; Jak 2,11) anzugleichen. Nach Meinung des IQP fand sich μοιχεύει aber bereits in der Q-Fassung. Siehe: Spruchquelle Q 100. Dass der Zusatz „mit ihr“, also „zusammen mit der neuen Frau“, oder „der zweiten Frau gegenüber“ bedeutet, ist äußerst unwahrscheinlich. Vgl.: Baltensweiler, Ehe 65/6 und Machinek, Gesetze oder Weisungen? 162.
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Die Rede Jesu an die Pharisäer: Lk 16,14–31
darstellt.407 Eine andere Aussage bietet Mt 5,32: Hier bewirkt der Mann durch die Scheidung von seiner Frau, dass sie zum Ehebruch verleitet wird. Das kann nur bedeuten, dass an eine Wiederheirat der Frau gedacht ist, die durch die Scheidung in ein soziales und wirtschaftliches Abseits geriet. 408 Die Verantwortung für die Scheidung und die eigentliche Schuld für die Wiederheirat der Frau liegt also beim die Ehefrau entlassenden Mann. 409 Er ist dafür verantwortlich, dass die Frau wieder heiratet und die (noch fortbestehende) erste Ehe bricht.410 Nur an den beiden Stellen des Matthäus findet sich zwischen dem ersten und zweiten Glied des ersten Teils des Doppelspruchs bzw. nach dem ersten Glied (Mt 19,9) die Ausnahmeklausel παρεκτὸς λόγου πορνείας (Mt 5,32) bzw. μὴ ἐπὶ πορνείᾳ (Mt 19,9).411 Diese Ausnahmeklausel – exklusiv verstanden412 – 407
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Damit widerspricht diese Aussage der auf Dtn 24,1 beruhenden Praxis im Judentum, dass der Mann sich durch Aushändigung einer Scheidungsurkunde von seiner Frau scheiden kann und dass in diesem Fall kein Ehebruch vorliegt. Das nach jüdischem Recht also an sich legitime Verhalten wird hier mit der Kapitalsünde des Ehebruchs gleichgesetzt. Vgl.: Machinek, Gesetze oder Weisungen? 156 und Baltensweiler, Ehe 61. Vgl.: Machinek, Gesetze oder Weisungen? 154. Vgl.: Gnilka, Matthäusevangelium 167: „Er trägt die eigentliche Schuld am Ehebruch, der nunmehr dadurch zustandekommt, daß ein anderer die Entlassene heiratet. Die entlassene Frau war schutzlos und wohl in der Regel auf eine neue Heirat angewiesen. Eine Wiederheirat des entlassenden Ehemannes bleibt außer acht.“ Auch die matthäische Aussage widerspricht der jüdischen Praxis. Denn die Aushändigung der Scheidungsurkunde befreite die Frau ja zu einer neuen Heirat und verhinderte so einen möglichen Ehebruch. Siehe: Baltensweiler, Ehe 61. Von daher ist es sehr fraglich, ob es sich in der matthäischen Fassung um eine Konzession an die jüdische Eheauffassung handelt, nach der ein Mann seine Ehe selbst nicht brechen kann, wie es Baltensweiler, Ehe 68/9 und Machinek, Gesetze oder Weisungen? 154 annehmen. Vielmehr wird die erste Ehe als fortbestehend angesehen und das trotz Scheidung, also der Entlassung der Frau mittels einer Scheidungsurkunde. Tatsächlich dürfte es hier um ein neues Eheverständnis gehen, nach der die Partner eine Verantwortung füreinander tragen, „die eben nicht dort endet, wo der Fall einer rechtlich möglichen Entlassung gegeben ist.“ Merklein, Gottesherrschaft 286. Die Ausnahmeklausel stellt eine crux interpretationis vor allem bei katholischen Exegeten dar, weil mit dieser Formel eine Ausnahme von der Forderung nach der Unauflöslichkeit der Ehe bei Matthäus möglich werde. Einen Überblick über die wichtigsten Interpretationsansätze, „von denen die Mehrheit nicht überzeugen kann und in das exegetische Kuriositätenkabinett gehört“ (so: Gnilka, Matthäusevangelium 168), bietet Kleinschmidt, Ehefragen 186/97. Die Frage, ob diese Formel aus Q stammt, beantwortet man heute allgemein damit, dass Matthäus diese Klausel redaktionell eingefügt hat, „wahrscheinlich aus der Praxis seiner Gemeinde.“ Siehe: Heil, Lukas und Q 133. Vgl.: Fitzer, πορνεία 330; vgl. auch: Kirchschläger, Ehe und Ehescheidung 73: „Hier ist zunächst festzuhalten, dass der Verfasser des MtEv für seine Adressaten – also wohl für seine Gemeinde(n) – Ausnahmen kennt bzw. diese zuläßt. Das bedeutet zusätzlich, daß der Evangelist keine christologische Schwierigkeit mit seiner konkreten Vorgangsweise hat: Immerhin flicht er die Ausnahme ohne jedwede Abgrenzung in ein überliefertes Jesuswort und gleicht damit die Qualität dieser Klausel der Forderung Jesu an.“
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mildert die Strenge des Ehescheidungsverbotes. Denn bei Unzucht, was so viel bedeutet wie Ehebruch aufgrund von Untreue, 413 wird eine Scheidung zugestanden. Auf die Wiederheirat des die Frau entlassenden Mannes wird in Mt 5,32 nicht eingegangen. Auch im zweiten Teil des Doppelspruchs steht an der betonten Endstelle im Satz μοιχεύει (Lk 16,18) bzw. μοιχᾶται (Mt 5,32; Mk 10,11). Es geht also auch hier um die Bestimmung eines bestimmten Verhaltens als Ehebruch. Der Sinn der zweiten Hälfte des Doppelspruches ist bei Lk 16,18 und Mt 5,32 identisch. Als Ehebruch wird charakterisiert, wenn ein Mann eine Geschiedene heiratet.414 Die Markusstelle bietet eine andere Aussage: Hier ist die Frau als Subjekt der Scheidung im Blick. Wenn sie sich von ihrem Mann scheidet und einen anderen heiratet, bricht sie ihre Ehe mit dem ersten Mann. 415 412
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Ältere Exegeten wollen diese Formulierung nicht exklusiv als Ausnahmeformel, sondern inklusiv verstanden wissen, in dem Sinne, dass selbst bei Vorliegen von Unzucht seitens der Frau die Ehe als unauflöslich gilt. Siehe: Ott, Ehescheidung; Staab, Unauflöslichkeit 435/52; Holzmeister, Ehescheidungstexte 133/46. Zu Recht weist Gnilka, Matthäusevangelium 168 Anm. 14, mit Verweis auf Bauer-Aland 1263, darauf hin, dass diese Auffassung sprachlich nicht zu halten ist: „Im Griechischen ist ‚nicht‘ und ‚auch nicht‘, ‚nicht einmal‘ ebenso unterscheidbar wie im Deutschen. Es wäre dann am ehesten μηδέ zu erwarten.“ Siehe auch: Baltensweiler, Ehe 90 Anm. 31. Das Wort πορνεία bezeichnet „jede Art illegitimen Geschlechtsverkehrs“ (Bauer-Aland 1389). Sofern es also von der geschlechtlichen Untreue der Ehefrau gebraucht wird, bezeichnet es den Ehebruch. Hier an dieser Stelle kann damit nur „Untreue, Ehebruch“ gemeint sein. Dagegen wird angeführt, dass das Griechische mit μοιχεία für Ehebruch ein eigenes Wort habe. Allerdings wird auch πορνεία für μοιχεία gebraucht, z. B. Sir 23,23: καὶ τὸ τρίτον ἐν πορνείᾳ ἐμοιχεύθη καὶ ἐξ ἀλλοτρίου ἀνδρὸς τέκνα παρέστησεν und Hos 2,4: Κρίθητε πρὸς τὴν μητέρα ὑμῶν κρίθητε, ὅτι αὐτὴ οὐ γυνή μου, καὶ ἐγὼ οὐκ ἀνὴρ αὐτῆς· καὶ ἐξαρῶ τὴν πορνείαν αὐτῆς ἐκ προσώπου μου καὶ τὴν μοιχείαν αὐτῆς ἐκ μέσου μαστῶν αὐτῆς. Μοιχεία und πορνεία werden in den Lasterkatalogen oft nebeneinander genannt, so Mt 15,19; Mk 7,21; 1 Kor 6,9 und Heb 13,4–5 (an den beiden letzten Stellen allerdings πόρνοι und μοιχοί). Mit aller Vorsicht lässt sich vielleicht sagen, dass das Wort πορνεία das umfassendere ist und μοιχεία mit umfasst, wenn dieses nicht eigens aufgeführt wird. Ein anderer Interpretationsansatz geht von der Bedeutung des Wortes πορνεία in Apg 15,28–29 aus, wo in dem sog. Aposteldekret den Heidenchristen aufgetragen wird, sich zu enthalten von der Befleckung durch Götzen, von Blut, von dem Genuss erstickter Tiere und von Unzucht (πορνεία). Diese Verbote gehen zurück auf Mose, Lev 17,8–16 und Lev 18. In Lev 18,6–18 ist mit πορνεία eindeutig die Verwandtenehe gemeint. Übertragen auf die Unzuchtsklausel bei Matthäus würde dies bedeuten, dass Ehen dann aufgelöst werden könnten, wenn es sich um ein blutschänderisches Verhältnis handelt. Siehe: Baltensweiler, Ehe 92/102. Eine Gegenposition vertritt: Gnilka, Matthäusevangelium 168. Gemeint ist wohl, dass der neue Ehemann durch die Heirat der von ihrem Mann entlassenen Frau die Ehe des anderen Mannes brechen würde. Diese Auffassung entspricht freilich nicht der gängigen jüdischen Auffassung. Vgl.: Baltensweiler, Ehe 63. Markus hat hier wohl die Situation im griechisch-römischen Kulturkreis im Blick, in dem auch eine Frau die Scheidung veranlassen konnte. Siehe: Baltensweiler, Ehe 66. Zur Textkritik dieser Stelle siehe auch: Baltensweiler, Ehe 66. Auch Paulus bezieht in 1 Kor
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Abgesehen von den inhaltlichen Unterschieden der Fassungen wird in allen sieben Stellen übereinstimmend ausgesagt, dass Scheidung und anschließende Wiederheirat Ehebruch ist; fünfmal ist der Mann das Subjekt des Ehebruchs, zweimal die Frau. In diesen Sprüchen wird also nicht die Scheidung als solche als Ehebruch bezeichnet, sondern die Scheidung mit nachfolgender Wiederheirat. Lukas bietet die sprachlich eleganteste Form dieses Logions durch die in der Formulierung enthaltenen Parallelismen: Πᾶς ὁ ἀπολύων τὴν γυναῖκα γαμῶν μοιχεύει
ὁ ἀπολελυμένην ἀπὸ ἀνδρὸς416 γαμῶν μοιχεύει
Die Aussage des Lukas ist für sich genommen eindeutig: Lukas hat nur die Situation des Mannes im Blick.417 Im ersten Teil des Doppelverses wird ausgedrückt, dass er durch die Wiederheirat nach der Entlassung seiner Ehefrau seine eigene, im zweiten Teil, dass er durch die Heirat einer von ihrem Mann Entlassenen die Ehe eines anderen Mannes bricht. Neben den oben genannten inhaltlichen Differenzen bestehen Unterschiede bezüglich der Einordnung der vier Versionen in den Kontext. Mt 5,32 findet sich innerhalb der Bergpredigt, der Spruch stellt eine der Antinomien der Bergpredigt dar und bietet die Stellungnahme Jesu zur Pflicht, der Ehefrau bei Scheidung eine Scheidungsurkunde auszustellen (Dtn 24,1). 418 Unmittelbar vorausgeht Jesu Kommentar zum Verbot des Ehebruchs (Ex 20,14; Dtn 5,18). Die Versionen Mk 10,11–12 und Mt 19,9 stehen im Zusammenhang mit einem Streitgespräch über die Ehescheidung zwischen Jesus und den Pharisäern (Mk 10,2–12 und Mt 19,3–12). Markus schließt an das eigentliche Streitgespräch das Logion in einem kurzen Gespräch mit seinen Jüngern an, Matthäus integriert das Logion in das Streitgespräch. Anders als bei Markus und Matthäus steht der Spruch bei Lukas ohne Bezug zu weiteren Aussagen Jesu zur Ehe-
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7,10–11 die jesuanische Ablehnung der Ehescheidung bzw. Wiederheirat nach einer Scheidung (betonend, dass dieses Gebot von Jesus selbst stammt) im hellenistischen Sinn auf Mann und Frau. Vgl.: Machinek, Gesetze oder Weisungen? 180/8. Vielleicht hat Lukas um der Parallelität zu τὴν γυναῖκα willen hier ἀπὸ ἀνδρός eingefügt. Damit bleibt Lukas anders als Markus und Paulus (1 Kor 7,10–11) klar im jüdischen Kontext. Denn nur ein Mann konnte die Ehe scheiden. Siehe: Baltensweiler, Ehe 61. ὃς ἂν ἀπολύσῃ τὴν γυναῖκα αὐτοῦ, δότω αὐτῇ ἀποστάσιον. ἐγὼ δὲ λέγω ὑμῖν ὅτι πᾶς ὁ ἀπολύων τὴν γυναῖκα αὐτοῦ παρεκτὸς λόγου πορνείας ποιεῖ αὐτὴν μοιχευθῆναι, καὶ ὃς ἐὰν ἀπολελυμένην γαμήσῃ, μοιχᾶται.
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scheidung, was zur Charakterisierung des Spruchs als isoliert führt419 und was erschwert, den Spruch sinnvoll im Kontext zu interpretieren. In Anbetracht der Gemeinsamkeiten und Unterschiede der vier Spruchfassungen gehen die meisten Forscher davon aus, dass der Spruch in zwei Versionen überliefert wurde, zum einen in der Mk-Fassung (Mk 10,11–12), die dann in Mt 19,9 aufgegriffen wurde, und zum anderen in einer Q-Fassung, auf die Lk 16,18 und Mt 5,32 zurückgehen.420 Das Q-Logion wird vom IQP in der folgenden Fassung rekonstruiert:421 πᾶς ὁ ἀπολύων τὴν γυναῖκα αὐτοῦ καὶ γαμῶν ἄλλην μοιχεύει, καὶ ὁ ἀπολελυμένην γαμῶν μοιχεύει. Nach dieser Rekonstruktion ersetzt Lukas das ἄλλην durch ἑτέραν422 und ergänzt hinter dem ἀπολελυμένην die Wendung ἀπὸ ἀνδρός,423 wohl um das ἀπολελυμένην zu verstärken. Die Wendung καὶ γαμῶν ἄλλην als solche wird vom IQP mit der Wahrscheinlichkeit C der Q-Fassung zugerechnet.424 Im zweiten Teil des Doppelspruchs wird die bei Lukas gebrauchte Satzkonstruktion auch für Q reklamiert,425 Gleiches gilt für das Prädikat μοιχεύει.426 Es ist offensichtlich, dass die vom IQP rekonstruierte Q-Fassung weitgehend der Version Lk 16,18 entspricht.427 Wenn diese 419 420
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Vgl. z. B.: Vawter, Divοrce 529. Vgl.: Heil, Lukas und Q 119: „Die Logien […] Mt 5, 32 par Lk 16, 18 gehen zweifellos auf QTradition zurück.“ Vgl. auch: Machinek, Gesetze oder Weisungen? 153 und Baltensweiler, Ehe 59. Natürlich ist denkbar, dass die beiden Fassungen auf einen Ausspruch oder mehrere Aussprüche Jesu zurückgehen. Siehe: Baltensweiler, Ehe 60 und Machinek, Gesetze oder Weisungen? 160. Fraglich ist auch, ob das bei Paulus überlieferte Logion (1 Kor 7,10–11) sprachlich unabhängig ist oder ob es auf die Q-Fassung oder die Markusversion zurückgeht. Siehe hierzu: Machinek, Gesetze oder Weisungen? 182/3. Siehe: Spruchquelle Q 100. Zur Rekonstruktion siehe: Heil, Lukas und Q 131/36. Vgl.: Heil, Lukas und Q 133 mit Verweis auf BDR § 306. Vgl.: Heil, Lukas und Q 134. Codex D lässt diesen Zusatz aus. Ursprünglich hatte das IQP die Wendung mit der Wahrscheinlichkeit A/B der Q-Fassung abgesprochen. Siehe: Heil, Lukas und Q 133/4. Heil argumentiert mit der übereinstimmenden Sicht bei Markus, Matthäus, Lukas und Paulus (1 Kor 7,10–11). Siehe: Heil, Lukas und Q 134. Wenn der Zusatz in Q fehlt, erhält die Q-Fassung einen radikaleren Sinn: Nicht nur die Scheidung mit Wiederheirat würde als Ehebruch bezeichnet, sondern Scheidung als solche. So ist Merklein, Gottesherrschaft 278 und 281, der Meinung, der Zusatz sei eine sekundäre Erweiterung. Vgl. auch: Baltensweiler, Ehe 62 und 64 und Machinek, Gesetze oder Weisungen? 159/60. Die matthäische Konstruktion ist wohl unter Einfluss von Mt 5,31 oder Mk 10,12 zustande gekommen. Siehe: Heil, Lukas und Q 134. Allerdings nimmt Hoffmann, JesusBewegung 96, an, dass Lukas 16,18b mit Blick auf V. 16,18a formuliert habe. Allerdings wird die Verbform vom IQP nur mit der Wahrscheinlichkeit C angenommen, ursprünglich hatte das IQP die Entscheidung sogar offengelassen. Siehe: Heil, Lukas und Q 134/5. Siehe: Baltensweiler, Ehe 60: „Die älteste und ursprünglichste Form des Logions scheint uns in Lk 16, 18 überliefert zu sein“. Wenn auch diese Einschätzung gerade in der jüngeren Forschung allgemein gilt – vgl.: Hoffmann, Jesus-Bewegung 99; Kleinschmidt, Ehefragen 196; Gnilka, Matthäusevangelium 165 – so gibt es doch auch Stimmen, die das Gegenteil behaupten: „Lk 16, 18 wird oft […] für die älteste Überlieferung des Jesuswortes
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Rekonstruktion zutrifft,428 hätte Lukas, abgesehen von kleineren Änderungen, die Q-Fassung in sein Evangelium aufgenommen. 429 Angesichts dieses Befundes gilt es zu fragen, warum Lukas, der mit hellenistischem Gedankengut vertraut war und der das Markusevangelium kannte sowie literarisch nutzte, hier anders als Markus und Paulus (vgl. 1 Kor 7,10–11) auf eine Anpassung des Spruches an die hellenistischen Gegebenheiten verzichtet. Als ein Grund hierfür kann die allgemeine Szenerie von Lk 16,14–31 angeführt werden: Adressaten sind hier die Pharisäer, die ganz im jüdischen Denken verwurzelt sind. Vor allem aber muss der Bezug zu den V. 16 und 17 beachtet werden, in denen es u. a. um das jüdische Gesetz und die bleibende Geltung des Gesetzes geht. Offenbar blendet Lukas hier den hellenistischen Kontext bewusst aus, um Jesus, der ja gerade zuvor die bleibende Gültigkeit des Gesetzes betont hat, als auf seine jüdische Autorität beharrend herauszustellen. Damit ist freilich noch nicht die Frage beantwortet, warum Lukas überhaupt hier das sogenannte Logion von der Ehescheidung bringt und damit die Thematik „Ehescheidung, Wiederheirat und Ehebruch“ aufwirft. Bevor eine Antwort auf diese Frage versucht wird, sollen zunächst in einem kurzen Überblick einige Aspekte von Ehe und Ehescheidung im jüdischen und im griechischrömischen Kontext vorgestellt werden. Im alttestamentlich-jüdischen Kulturkreis wurde die Ehe, die „wie im übrigen Alten Orient weder eine religiöse noch öffentliche, sondern eine rein private Angelegenheit zwischen den betroffenen Familien“430 war, hoch geschätzt.431 Es lässt sich sogar von einer Verpflichtung zur Ehe sprechen, 432 jedenfalls war es für den Mann geboten, eine Frau zu nehmen, um Nachkommen zu zeugen: Die Rabbinen verweisen in diesem Zusammenhang u. a. auf Gen 1,28 (Gott segnete sie, und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar, und vermehrt euch […]) und auf Gen 2,18 (Es ist nicht gut, dass der Mensch allein bleibt.).433 Wenn
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gehalten; doch ist sie tatsächlich die jüngste, welche die markinische Form (Mk 10,11) kombiniert“. So: Pesch, Treue 56. Vgl: Baltensweiler, Ehe 69: „Aber jede Traditionsgeschichte muss bei der Spärlichkeit des Materials notwendigerweise hypothetisch bleiben. Damit wird aber auch ihr Wert fraglich.“ Vgl. auch: Luz, Matthäus 357: „Weder ist der Wortlaut genau rekonstruierbar, noch läßt sich das Logion in Q in einem sinnvollen Zusammenhang unterbringen.“ Heil, Lukas und Q 133, formuliert: „Während Matthäus sowohl die Markus- wie auch die Q-Tradition weitergibt, vermeidet Lukas eine Dublette und vereint die beiden Überlieferungen in Lk 16,18.“ Wenn die Rekonstruktion der Q-Fassung durch das IQP zutrifft, lässt Lukas aber eher die Markusversion mitsamt dem Streitgespräch außer Acht. Bauer, Ehe 111. Vgl.: Bons, Ehe 469. Siehe: Machinek, Gesetze oder Weisungen? 146. Siehe: Bauer, Ehe 111. Vgl.: Fechter; Sutter Rehmann, Ehe 96 und Greeven, Ehe 367. Siehe die rabbinischen Belegstellen bei: Strack-Billerbeck II 372/3. Ob das Gebot zur Ehe und Fortpflanzung nur für den Mann oder auch für die Frau gilt, wird unterschiedlich gesehen, ebenfalls ob ein Mann zwei männliche oder – mit Bezug auf Gen 5,2 – ein
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auch in der priesterschriftlichen Schöpfungserzählung (Gen 1,27–28) nicht ausdrücklich von Ehe die Rede ist434 und in der jahwistischen Geschichte (Gen 2,18–25) in erster Linie aitiologisch „von der besonderen Leidenschaft von Mann und Frau füreinander“435 erzählt wird, so zeigen die sich auf das Buch Genesis berufenden rabbinischen Belegstellen doch, dass im Judentum Ehe als eine in der Schöpfung grundgelegte Institution Gottes aufgefasst wurde. 436 Dass dies auch für die neutestamentliche Zeit gilt, wird durch Mk 10,6–9 belegt, wo der markinische Jesus Ehescheidung mit Bezug auf Gen 1,27 und Gen 2,24 ab-
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männliches und ein weibliches Kind haben soll. Vgl. die Angaben bei: Strack-Billerbeck II 372/3 und 382/3. Siehe auch: Rottzoll, Genesis 64/6 und 90/102. Vgl.: Baltensweiler, Ehe 23. Für Seebass, Genesis 82/3, wird hier die Spannung des Menschen deutlich, einerseits Ebenbilder Gottes zu sein und andererseits als zeugende und geschlechtliche Wesen ganz in die Tierwelt hineinzugehören: „Durch die Differenzierung in männlich und weiblich bleiben die Menschen davor bewahrt, sich mit dem einzigartigen Gott Israels zu vergleichen, der Geschlechtlichkeit nur für die Schöpfung bestimmt hat.“ Seebass, Genesis 82. Nach Ruppert, Genesis 95, bietet der Vermehrungssegen keine Verpflichtung des Einzelnen zur Nachkommenschaft, sondern zielt auf die Entstehung der Völker, die sich nach Ex 1,7 für Israel in Ägypten bereits erfüllt. Seebass, Genesis 118. Seines Erachtens handelt V. 24 nicht von der Stiftung der Ehe. Siehe: Seebass, Genesis 119. Siehe auch: Westermann, Genesis 317. Vgl. dagegen: Baltensweiler, Ehe 19/22. Vgl.: Baltensweiler, Ehe 24. Zu Gen 2,18–25 schreibt Kirchschläger, Ehe und Ehescheidung 18/19: „In sehr alter Zeit also begegnet uns hier eine beachtlich reflektierte und sehr positive Einschätzung von Ehe. Sie wird rückgebunden unmittelbar an den Anbeginn, eingebunden in das Geschehen der Schöpfung (und zwar in jener Form, in der sie damals begriffen wurde!). Sie wird gedeutet als eine Gemeinschaft für den Menschen, die allein seine Einsamkeit unterbindet, in der zwei gleichwertige Wesen einander gegenüberstehen. In ihrer Idee und Stiftung wird die Institution der Ehe zurückgeführt auf Willen und Tun des Schöpfers.“ Siehe auch: K. Koch; Roloff; Ehe 116. Vgl.: Machinek, Gesetze oder Weisungen? 147: „Die Ehe galt als eine Gottesordnung und hatte als Ziel die Fortpflanzung des Menschengeschlechts.“ Siehe auch: Ruppert, Genesis 142: „Die Zuordnung von Mann und Frau ist kein Produkt des Zufalls, sondern im Willen des Schöpfers, in der Schöpfungsordnung selbst begründet.“ und Ruppert, Genesis 143: „Je blickt hier auf die Menschheit, die sich von den Menschen am Anfang herleiten wird, um in dem nach V. 23 zweiten ätiologischen Schluß eine Eigentümlichkeit im Verhalten der beiden Geschlechter zueinander, eben den unwiederstehlichen [sic!] Drang von Mann und Frau zueinander zu erklären (‚deshalb‘), nicht schon die Institution der Ehe selbst, wie es später Jesus bzw. das NT bezeugen wird (Mk 10,7f par.). Der Mann drängt zur Frau, die “ein Stück von ihm ist“, wieder hin. ‚Und sie werden ein Fleisch‘ (24) meint keineswegs ausschließlich die geschlechtliche Vereinigung, auch nicht das gemeinsame Kind, sondern ‚umfassendste persönliche Gemeinschaft‘ (F. Delitzsch). Mann und Frau sind ‚ein Herz und eine Seele‘ oder sollen es zumindest sein. Ähnlich ist auch das ‚Anhangen‘ (hebr. dabaq) des Mannes an seiner Frau zu verstehen: Der Mann kann nicht mehr von seiner Frau lassen. Dies geht so weit, daß der Mann selbst Vater und Mutter, die Wurzeln der eigenen Existenz, verläßt, sich praktisch von ihnen trennt, um nunmehr unzertrennlich seiner Frau anzuhangen, eine wunderbare Umschreibung dessen, was Liebe bedeutet, Liebe, wie sie, da der Schöpfungsordnung (vgl. 23) gemäß, letztlich vom Schöpfer selbst gewollt ist.“
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lehnt und dabei ausdrücklich auf den Anfang der Schöpfung hinweist:437 ἀπὸ δὲ ἀρχῆς κτίσεως ἄρσεν καὶ θῆλυ ἐποίησεν αὐτούς· ἕνεκεν τούτου καταλείψει ἄνθρωπος τὸν πατέρα αὐτοῦ καὶ τὴν μητέρα [καὶ προσκολληθήσεται πρὸς τὴν γυναῖκα αὐτοῦ], καὶ ἔσονται οἱ δύο εἰς σάρκα μίαν· ὥστε οὐκέτι εἰσὶν δύο ἀλλὰ μία σάρξ. ὃ οὖν ὁ θεὸς συνέζευξεν ἄνθρωπος μὴ χωριζέτω. „Die Trennung der von Gott gewollten Einheit ist ein Angriff auf sein Werk und zerstört die […] Schöpfungsordnung.“438 In Mk 10,9 klingt auch an, dass Gott nicht nur als Stifter der Institution Ehe, sondern auch als Stifter jeder einzelnen Ehe gesehen wird – eine Vorstellung, die auch in der rabbinischen Literatur belegt ist. 439 Monogamie wird im Alten Testament, obwohl sie in der jahwistischen Schöpfungserzählung wohl vorausgesetzt ist, 440 nicht als einzige Eheform genannt. An mehreren Stellen im Alten Testament wird davon berichtet, dass ein Mann zwei Frauen (Bigamie oder besser Bigynie)441 oder dass ein Mann mehrere Frauen (Polygamie oder Polygynie)442 hatte. Allerdings dürfte die Monogamie – mehrere Frauen zu haben war ohnehin nur Reichen möglich443 – zu neutestamentlicher Zeit die Regel gewesen sein.444 Ehebruch wird im Dekalog eindeutig verboten (Ex 20,14 und Dtn 5,18),445 nach Genesis 39,9 ist er Sünde gegen Gott.446 Als Ehebruch gilt der Geschlechtsverkehr eines Mannes mit einer ver-
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Vgl. hierzu: Greeven, Ehe 377/9. Im Buch Tobit 7,6 weist Tobias anlässlich seiner Ehe mit Sara auf Gen 2,18 hin. Siehe auch: Günther, γαμέω 290: „Die Ehe als Zusammenleben eines Mannes mit einer Frau ist nach dem NT menschliche U r g e m e i n s c h a f t. Sie gründet sich nicht nur auf menschliche Ordnung, ist auch nicht von bes. Heiligkeit oder Sakramentalität umgeben, sondern sie ist Schöpfungsordnung. Gen 1,27 und 2,24 werden oft zitiert (Mt 19,4f; Mk 10,6f; 1 Kor 6,16; Eph 5,31) oder angesprochen (1 Kor 11,7; 1 Tim 2,13).“ Machinek, Gesetze oder Weisungen? 171. Siehe: Strack-Billerbeck I 803/4 und II 379/80. „Eine Matrone fragte den R. Jose b. Chalapta (um 150): In wieviel Tagen hat Gott seine Welt geschaffen? Er antwortete: […] In sechs Tagen hat Jahve den Himmel u. die Erde gemacht. Sie sprach: Und was tut er seitdem? R. Jose antwortete: Er bringt die Ehepaare zusammen“. So: Strack-Billerbeck I 803. „R. Chijja b. Marja hat gesagt: Während sie noch Nichtigkeit sind, vom Leib ihrer Mütter an verbindet er (Gott) sie (zu Ehepaaren).“ So: Strack-Billerbeck II 380. Vgl.: Baltensweiler, Ehe 22. „Lamech (Gen 4,19–23), Esau (Gen 26,34; 28,9; später nahm er noch eine dritte Frau), Jakob (Gen 29,23.28; 30,4.9; dazu allerdings als Nebenfrauen die Sklavinnen seiner beiden Frauen), Elkana (1. Sam 1,2), Saul (1. Sam 14,50; 2. Sam 3,7); ferner werden in der Chronik fünf Beispiele solcher Ehen erwähnt (1. Chr 2,9.21; 4,5.18; 8,8; 2. Chr 24,3).“ So: Baltensweiler, Ehe 29. Z. B.: Ri 8,30; 10,4; 12,9.14. Zu den vielen Frauen der Könige siehe: Baltensweiler, Ehe 30. Allerdings fordert Dtn 17,17, dass ein König keine große Zahl von Frauen haben soll. Vgl.: Baltensweiler, Ehe 31. Siehe auch: Machinek, Gesetze oder Weisungen? 146. Siehe: Bauer, Ehe 111. Vgl.: Machinek, Gesetze oder Weisungen? 147. In der Weisheitsliteratur wird des Öfteren vor Ehebruch gewarnt (z. B. Spr 6,29.32–35; Sir 9,9). Vgl.: Hauck, μοιχεύω 738. Vgl.: Delling, Ehebruch 667. Siehe auch: Ebach, Genesis 179/80.
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heirateten Frau.447 So bricht der Mann die Ehe des mit dieser Frau verheirateten Mannes, während die Frau ihre eigene Ehe bricht. Ein „Ehemann konnte seiner Frau gegenüber die Ehe nicht brechen, da er ja grundsätzlich das Recht auf mehrere Frauen besaß; er wurde zum Ehebrecher, wenn er den Ehe- und damit Rechtsbereich eines anderen Mannes verletzte. Der Geschlechtsverkehr – auch eines verheirateten Mannes – mit einer ledigen Frau galt nicht als Ehebruch, sondern als Unzucht.“448 Nach Dtn 22,22 und Lev 20,10 wird Ehebruch mit dem Tode bestraft, bei Dtn 22,22 wird aber als Bedingung vorausgesetzt, dass die Ehebrecher ertappt werden, es also Zeugen gibt. Als Art der Hinrichtung wird von den Rabbinen – Dtn 22,22 und Lev 20,10 nennen keine Todesart – Erdrosselung vorgesehen, Ehebruch mit einer Verlobten führt nach Dtn 22,23– 24 zur Steinigung, Töchter von Priestern sollen jedoch nach Lev 21,9 verbrannt werden.449 Allerdings wird die Todesstrafe durch die rabbinische Auslegung auf wenige Fälle begrenzt,450 in der römischen Zeit wurde sie wohl kaum praktiziert.451 Wie negativ Ehebruch im jüdischen Kulturkreis gesehen wurde und wie hoch andererseits ein treues Eheverhältnis geschätzt wurde, wird dadurch deutlich, dass die Propheten Hosea,452 Jeremia453 und Ezechiel454 die Abkehr 447
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Vgl. hierzu: Hoffmann, Jesus-Bewegung 103/4; Hauck, μοιχεύω 738; Delling, Ehebruch 667/8. Dohmen, Exodus 123, weist darauf hin, dass Ehebruch je nachdem, ob man von Mono-, Bi- oder Polygamie in einer patriarchalen Gesellschaft ausgeht, anders zu definieren ist. Über den eigentlichen Sinn des Ehebruchsverbots schreibt Dohmen, Exodus 124: „Das Ehebruchsverbot zielt dadurch, dass es die Übereinstimmung von äußerlichen (sozialen, rechtlichen) und innerlichen (biologischen) Verhältnissen einfordert, auf den Schutz der Nachkommen ab, denn deren materielle und soziale Stellung kann von einem Ehebruch empfindlich tangiert werden.“ Hoffmann, Jesus-Bewegung 104. Siehe: Strack-Billerbeck I 295/8 und II 519/21. Erdrosselung wird als leichteste Todesstrafe angesehen, als schwerste gilt die Steinigung. Siehe: Strack-Billerbeck II 520. Nach Auffassung der Rabbinen ist der Ehebruch nur dann mit dem Tode zu bestrafen, wenn er mit der Ehefrau oder Verlobten eines Juden begangen wurde und wenn der Ehebrecher bzw. die Ehebrecherin minderjährig, d. h. noch nicht dreizehn Jahre und ein Tag bzw. zwölf Jahre und ein Tag alt sind. Außerdem bleibt die Tat straffrei, wenn sie „ohne vorherige Verwarnung vollbracht ist.“ So: Strack-Billerbeck I 297. Siehe die Stellen bei: Strack-Billerbeck I 295/7. Vgl.: Hoffmann, Jesus-Bewegung 101. Siehe auch: Delling, Ehebruch 669. Siehe: Hauck, μοιχεύω 740. Stattdessen musste der Ehemann die ehebrecherische Frau wohl ohne Auszahlung des ihr an sich zustehenden Vermögens aus der Ehe entlassen. Siehe: Hos 1–3. Das Bild Israels als der Ehefrau Jahwes findet sich zuerst in Hoseas Anklage des Nordreichs. Vgl.: Greenberg, Ezechiel 321. In Jer 2,20–25 und Jer 3,1–10 wird das von Hosea geprägte Bild aufgegriffen. Israel und Juda erscheinen als ehebrecherische Frauen Jahwes. Siehe hierzu: Fischer, Jeremia 184/205. Vgl. auch: Greenberg, Ezechiel 321/2. Auch in Ez 16 und 23 werden Jerusalem und Juda als ehebrecherische Frauen beschrieben. „Indem Israel seine Sicherheit in Bündnissen mit irdischen Mächten suchte, hat es JHWH die Treue gebrochen, hat ‚Unzucht getrieben‘ mit den Heiden“. So: Greenberg, Ezechiel 322.
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Israels und Judas von Jahwe mit dem Ehebruch einer verheirateten Frau vergleichen.455 Allerdings ist auffällig, dass trotz der scharfen Kritik und sogar der Verstoßung456 der ehebrecherischen Frau von der Möglichkeit der Umkehr und Rückkehr zu Jahwe die Rede ist.457 Der Untreue Israels steht die Treue Gottes gegenüber, der den einmal geschlossenen Bund bewahrt und erneuert.458 Ehescheidung gehörte im alttestamentlich-jüdischen Kulturkreis zur gängigen Praxis.459 Bereits im Pentateuch wird Ehescheidung, also die Verstoßung der Ehefrau460, wie selbstverständlich erwähnt (Lev 21,7.14; 22,13; Num 30,10; Dtn 21,14; 22,19.29; 24,1–4); Fälle, in denen eine Entlassung der Frau verboten ist, werden eigens erwähnt.461 Die Ehescheidung erfolgte durch Aushändigung eines Scheidebriefs durch den Mann, eine Frau konnte keinen Scheidebrief ausstellen.462 Durch den Scheidebrief war die Frau rechtlich abgesichert, indem ihr ausdrücklich erlaubt wurde, eine neue Ehe einzugehen.463 Außerdem erhielt die Frau bei der Scheidung das ihr in der Ketubba 464 zugesprochene Vermögen. 455 456 457
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Vgl.: Baltensweiler, Ehe 31/32. Jer 3,1. Vgl. z. B.: Hos 2,16–3,5; Jer 3,12–13; Ez 16,59–63. Fischer, Jeremia 203, bezeichnet Jer 3,1– 4,4 als „die intensivste Stelle für Umkehr“ in der Bibel. Umkehr „ist Einladung Gottes. Gegen seine eigene Vorschrift (Dtn 24) bietet Gott diesen Weg zu sich neuerlich an. Was rechtlich und von den Menschen her unmöglich ist, schenkt er, der ‚treu‘ bleibt (V 12) und dem an ihnen liegt. […] Dabei könnte der Kontrast kaum stärker sein. Von menschlicher Seite wurde gleichsam alles unternommen, diese Beziehung zu zerstören. In Handeln und Reden haben Israel und Juda Gott verletzt, von sich gewiesen und sich gegen ihn vergangen. Die Verwendung sexueller Sprache am Anfang des Kapitels weckt dabei Emotionen und läßt Gott wie einen betrogenen Ehemann erscheinen. Umso rätselhafter ist es, wenn Gott trotz Allem zu sich einlädt, erneut vertraute Gemeinschaft zusagt, sogar das Sehnen in seinem Innern kundtut (zweimal ‚denken‘ in V 19).“ Fischer, Jeremia 203/4. Vgl.: Delling, Ehebruch 668. Vgl. hierzu: Fechter; Sutter Rehmann, Ehe 92/3. Siehe auch: Broer, Ehescheidung 500. Siehe: Hoffmann, Jesus-Bewegung 99. So durfte ein Mann, der seine Ehefrau durch die falsche Behauptung, sie sei zum Zeitpunkt der Eheschließung keine Jungfrau gewesen, in Verruf gebracht hat, diese nicht entlassen (Dtn 22,13–19). Auch muss ein Mann, der sich eine noch nicht Verlobte gefügig macht, diese heiraten und darf sie später nicht entlassen (Dtn 22,28–29). Vgl.: Bauer, Ehe 112. Siehe auch: Hoffmann, Jesus-Bewegung 99. Siehe: Hoffmann, Jesus-Bewegung 99/100. Siehe auch: Kleinschmidt, Ehefragen 176: „Der Scheidebrief enthielt zunächst eine zweiseitige Scheidungserklärung, nämlich die Scheidungsformel […], sowie die Erklärung, daß die Frau sich nun verheiraten dürfe, mit wem sie wolle, andererseits die Legitimationsformel, durch die der Scheidungsbrief als solcher ausgewiesen wurde.“ Die Ketubba, „das Geschriebene“, stellt die Eheurkunde dar. Der Begriff bezeichnet aber auch die in dieser Urkunde festgelegten Beträge (eine Zahlung des Mannes, die Mitgift und eventuell weitere Beträge des Mannes), die im Falle einer Scheidung oder des Todes des Mannes an die Frau gezahlt werden mussten. Siehe zur Ketubba: Cohn, Ketubba 668/74.
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Die Verpflichtung des Mannes, den zugesicherten Betrag465 zusammen mit der Mitgift466 und eventuell vereinbarten zusätzlichen Beträgen bei der Scheidung an die Frau auszuzahlen, diente wohl dazu, eine leichtfertige Scheidung unmöglich zu machen.467 Auf der Grundlage von Dtn 24,1–4468 wurden von den Rabbinen Gründe für die Aushändigung eines Scheidebriefs diskutiert. An Dtn 24,1 (Wenn ein Mann eine Frau geheiratet hat und ihr Ehemann geworden ist, sie ihm dann aber nicht gefällt, weil er an ihr etwas Anstößiges entdeckt, wenn er ihr dann eine Scheidungsurkunde ausstellt, sie ihr übergibt und sie aus seinem Haus fortschickt) stellte die Schule Schammais den Begriff „Anstößiges“ heraus: die Entlassung der Frau aufgrund von anstößigem, schandbarem Verhalten.469 „Dabei ist zu beachten, daß in solchen Fällen die Scheidung erfolgen mußte, da durch die Frau die göttliche Rechtsordnung verletzt war; die Scheidung galt dann als Pflichtgebot.“470 Bei einer durch das Verhalten der Frau gebotenen Scheidung verlor diese ihren Anspruch auf Auszahlung der in der Ketubba genannten Beträge.471 Konkrete Gründe für eine solche Entlassung der Frau waren: Unzucht, allgemein sittenwidriges Verhalten,472 Übertretung des mosaischen Gesetzes und des jüdischen Rechts,473 ein Verhalten, das den Mann in schlechten Ruf bringt oder ihm nicht die gebührende Ehre erweist,474 bei der
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„Die Summe, die der Ehefrau vom Ehemann für den Fall der Scheidung oder seines Todes zugesichert wurde, betrug, falls sie als Jungfrau in die Ehe trat, 200 Denare (Sus), falls sie als Witwe oder Geschiedene geehelicht wurde, 100 Denare“. So: Cohn, Ketubba 669/70. Siehe auch: Strack-Billerbeck II 387/91. Vgl. hierzu: Strack-Billerbeck II 384/7. Gerade um die Scheidung zu erschweren, kam man davon ab, dass die Beträge im Haus des Vaters deponiert oder der Frau übergeben wurden. Denn dann hätte der Mann die Frau fortschicken können, ohne die Beträge gleichzeitig aufbringen zu müssen. Stattdessen durfte der Mann sie behalten und wirtschaftlich nutzen. Siehe: Strack-Billerbeck II 388 und 391. Vgl. auch: Fechter; Sutter Rehmann, Ehe 92; Cohn, Ketubba 668/69. An dieser Stelle wird verboten, dass ein Mann, der seine Frau aus der Ehe entlässt, diese – wenn sie wieder geheiratet hat – nach einer weiteren Scheidung oder nach dem Tod des neuen Mannes erneut heiratet. Siehe hierzu: Strack-Billerbeck I 312/5. So deutet wohl auch die Septuaginta die Stelle: ὅτι εὗρεν ἐν αὐτῇ ἄσχημον πρᾶγμα. Vgl.: Strack-Billerbeck I 314. Hoffmann, Jesus-Bewegung 100. Vgl.: Strack-Billerbeck I 315. Vgl.: Hoffmann, Jesus-Bewegung 101. Zum Beispiel sagte Rabbi Meir (um 150): „Das ist ein gottloser Mensch, der sieht, wie sein Weib ausgeht mit aufgelöstem Haar, u. wie ihr Herz ausgelassen ist mit ihren Sklaven u. ihren Nachbarn, u. wie sie auf der Straße spinnt u. mit den Männern badet. Eine solche (durch Scheidung) zu verstoßen, ist ein Pflichtgebot“. So: Strack-Billerbeck I 315. Siehe Beispiele bei: Strack-Billerbeck I 316. Zum Beispiel Tosephta Ketubboth 7,4: „Wenn eine Frau gelobt, daß sie nicht verleihen wolle Schwinge, Sieb, Mühle u. Backofen, so entläßt er sie (durch Scheidebrief) u. gibt ihr keine Hochzeitsverschreibung, weil sie ihn einen üblen Ruf vor seinen Nachbarn davontragen läßt.“ So: Strack-Billerbeck I 316.
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Eheschließung verschwiegene Mängel oder Gelübde 475 sowie Kinderlosigkeit.476 Umgekehrt konnte die Frau aufgrund bestimmter Krankheiten und Berufsausübungen des Mannes oder Gelübden, zu der ihr Mann sie zwang, die Scheidung verlangen.477 Gegenüber der Schule Schammais betonte die Schule Hillels das „etwas“ in Dtn 24,1 und nannte als Grund für eine Scheidung Schandbares und sonst irgendetwas.478 Rabbi Akiba hält eine „Ehescheidung weiter auch in dem Falle für berechtigt, daß sich die Neigung eines Mannes einer Frau zuwendet, die ihm besser gefällt als seine bisherige Frau.“ 479 Allgemein kann davon ausgegangen werden, dass aufgrund der Ansicht der Schule Hillels, „deren Lehre sich in der rabbinischen Rechtspraxis durchsetzte“480, Ehescheidungen in neutestamentlicher Zeit aus jedem Grund möglich waren und entsprechend praktiziert wurden.481 Kritische Stimmen gegen diese leichtfertige Scheidungspraxis sind – abgesehen von der Meinung der Schule Schammais482 – relativ wenige überliefert. Im Buch Sirach wird der Leser aufgefordert, eine „Frau nach dem Herzen“ nicht zu verstoßen und einer Geschiedenen nicht zu vertrauen: γυνή σοί ἐστιν κατὰ ψυχήν; μὴ ἐκβάλῃς αὐτήν‧ μισουμένῃ μὴ ἐμπιστεύσῃς σεαυτόν (Sir 7,26).483 In Maleachi 2,10–16 werden die Israeliten kritisiert wegen ihrer 475
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Siehe hierzu: Strack-Billerbeck I 317/8. Als verschwiegene Gelübde, die die Auflösung der Ehe rechtfertigen, werden genannt, dass die Frau kein Fleisch essen, keinen Wein trinken und keine bunten Kleider anziehen wolle. Die Entlassung war in diesem Fall nicht unbedingt gefordert. Siehe: Strack-Billerbeck I 317. Siehe: Strack-Billerbeck I 318/9 und Hoffmann, Jesus-Bewegung 102/3. Die generelle Möglichkeit, dass eine Frau sich von ihrem Mann scheiden lassen konnte, war in der jüdischen Militärkolonie im ägyptischen Elephantine gegeben – allerdings deutet nichts darauf hin, dass dies auch für Palästina galt. Siehe: Machinek, Gesetze oder Weisungen? 148 und Fechter; Sutter Rehmann, Ehe 92. Vgl.: Strack-Billerbeck I 315 und Hoffmann, Jesus-Bewegung 99. Als Rechtfertigung für eine Scheidung genügt dann z. B., dass die Frau „seine Speise hat anbrennen lassen“. Strack-Billerbeck I 313. Strack-Billerbeck I 315. Rabbi Akiba starb um 135 n. Chr. und stand auf Seiten Hillels. Vgl.: Strack-Billerbeck I 313 und 315. „Die biblische Begründung gewinnt er dadurch, daß er den Kausalsatz: „weil er an ihr etwas Schandbares gefunden hat“ Dt 24,1 als Bedingungssatz faßt. So ergibt ihm die Stelle folgenden Sinn: Wenn sie (erstens) kein Wohlgefallen in seinen Augen findet, wenn er (zweitens) an ihr Schandbares oder (drittens) irgend sonst etwas an ihr gefunden hat, so schreibt er ihr einen Scheidebrief usw.“ Strack-Billerbeck I 315. Hoffmann, Jesus-Bewegung 100. Siehe: Merkel, Mischna 340: „Nach der Zerstörung des zweiten Tempels in Jerusalem (70 n. Chr.) wurden die pharisäischen Schriftgelehrten die führenden Autoritäten, und zwar diejenigen, welche aus der Schule Hillels stammten.“ Vgl.: Heil, Lukas und Q 132 und Strack-Billerbeck I 319/20. Siehe auch: Broer, Ehescheidung 500, der auf Flavius Josephus (ant. Iud. IV 253) verweist. Vgl.: Strack-Billerbeck I 320. Der Begriff ἐκβάλῃς in der griechischen Fassung des Sirachbuches ist terminus technicus für Ehescheidung, das Wort μισουμένῃ, das verschiedene Verständnismöglichkeiten eröffnet, spricht nach Marböck, Jesus Sirach 131, von „Ablehnung als Beginn einer end-
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„Ehen mit Anhängerinnen fremder Gottheiten“ 484 (Mal 2,10–12) und wegen ihrer gewalttätigen Scheidungspraxis:485 „14 […] Weil JHWH Zeuge zwischen dir und der Frau deiner Jugend ist, die du betrogen hast, wo sie doch deine Gefährtin und die Frau deines Bundes ist. […] 16 Ja, wer hasst und infolgedessen entlässt, sagt JHWH, der Gott Israels, der deckt Gewalt auf sein Gewand, sagt JHWH der Heere. Ihr sollt euch hüten bei eurem Verstand und nicht betrügen.“486 Nach R. Kessler wendet sich auch Maleachi nicht prinzipiell gegen Ehescheidung, sondern kritisiert „die leichtfertige Scheidungspraxis seiner Zeit, diese allerdings heftig. Der Prophet sieht sie als einen Akt der Gewalt gegen die ge-
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gültigen Trennung“. Nach Michel, μισέω 689, wird μισέω oft benutzt, wenn „ein Mann die Frau, der er beigewohnt hat, haßt, dh ihrer überdrüssig wird“. Vgl.: Gen 24,3 und Sir 42,9. Kessler, Maleachi 215. Vgl. zu Maleachi 2,10–16: Kessler, Maleachi 182/216. Als historischer Hintergrund kann angenommen werden, dass judäische Männer vor allem wohlhabender und mit persischen Händlern und der persischen Verwaltung kooperierender Kreise fremdstämmige Frauen geheiratet haben. Siehe hierzu: Schart, Maleachi 93/4. „Vermutet wird, dass Männer sich von ihrer ersten Frau scheiden ließen, um eine fremdstämmige Frau zu heiraten. […] Das grundlegende Motiv für die Heirat einer fremdstämmigen Frau war sicherlich die Verbesserung der eigenen Lage auf dem Wege der Einheirat in eine sozio-ökonomisch höher gestellte Familie.“ So: Schart, Maleachi 94. Der Begriff ( ׁשלחentlassen, wegschicken) in V. 16 ist terminus technicus für Scheidung. Das Wort ( חמסGewalt) wird nie für Gottes Tun gebraucht und meint immer eine bösartige, ungerechtfertigte Form von Gewalt. Siehe: Kessler, Maleachi 209/10. Übersetzung von: Kessler, Maleachi 183/4 (im Original kursiv). Siehe zu den verschiedensten Interpretationen bzw. Übersetzungen gerade des V. 16: Kessler, Maleachi 210/5. Vgl. auch: Schart, Maleachi 89/94. Die Frau, die der Mann betrügt (V. 14), wird dreifach charakterisiert: „Als erstes wird die Frau als ‚Frau deiner Jugend‘ bezeichnet. Hier geht es um die Dauer der Beziehung, die nicht leichtfertig aufgegeben werden sollte. […] Zum Zweiten wird die Frau ‚deine Gefährtin‘ genannt. […] Hier steht der Aspekt der ehelichen Solidarität im Vordergrund. Denn die vorbürgerliche Ehe ist viel mehr als nur eine persönliche Liebesbeziehung: Sie ist Lebens- und Arbeitsgemeinschaft, Produktions- und Reproduktionsgemeinschaft.“ Kessler, Maleachi 204/5. Die Bezeichnung der Frau als Frau deines Bundes bezieht sich zum einen auf den Bund am Sinai und greift damit auf die Ehen jüdischer Männer mit Anhängerinnen fremder Gottheiten zurück. Zum anderen kann der Ausdruck auch so gedeutet werden, dass die Ehe selbst als Bund bezeichnet wird. Kessler weist darauf hin, dass der Begriff „ בְּ ִריתalle möglichen Formen zwischenmenschlicher Vereinbarungen bezeichnet“ und deshalb auch die Vorstellung der Ehe als Bund nichts Fernliegendes ist. Allerdings warnt er vor einer „Überhöhung“ des Begriffs: „Eine Überhöhung im Sinne der Ehe als lebenslanger, unauflöslicher, monogamer und exklusiver Zweierbeziehung ist damit nicht verbunden.“ So: Kessler, Maleachi 206. Schart, Fremdlinge 54, meint, dass mit „Frau der Jugend“ die Frau bezeichnet werden dürfte, die die Eltern für ihren Sohn ausgesucht hatten und deren Rechte dadurch eingeschränkt würden, dass der Mann später eine zweite Frau nehme. „Damit würden auch die Pläne der Eltern, die diese mit der Verheiratung hatten, Schaden leiden. Würde dieser Umstand vom Propheten als Verstoß gegen das Ehebruchsverbot betrachtet, dann läge eine Ausweitung des Verständnisses dieser Norm vor.“ Siehe auch: Schart, Maleachi 90/1 und 94.
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schiedenen Frauen an. Er unterstreicht seine Kritik dadurch, dass er sie zweimal mit der Gottesspruchformel als Rede JHWHs darstellt. Aber er geht nicht so weit, Gott selbst eine grundsätzliche Ablehnung von Ehescheidungen in den Mund zu legen.“487 Dadurch dass Maleachi die Kritik an der Scheidungspraxis mit der Kritik an Ehen mit Anhängerinnen fremder Götter und der daraus resultierenden Missachtung der Opfer durch Gott (Mal 2,13) verbindet, macht er deutlich, dass diese Scheidungspraxis Gottes Willen entgegensteht und die Beziehung zu Gott verletzt.488 Auch in den Texten von Qumran wird die Möglichkeit der Ehescheidung vorausgesetzt,489 die Heirat mit zwei Frauen wird mit Verweis auf die Schöpfungsordnung (Gen 1,27) aber als Unzucht abgelehnt.490 Zusammenfassend kann gesagt werden, dass sich die Aussage des lukanischen Jesus, Ehescheidung mit Wiederheirat sei Ehebruch, klar unterscheidet von der gängigen diesbezüglichen Haltung und Praxis in seinem jüdischen Umfeld. Lediglich in den Schriften von Qumran, wo die Heirat mit einer zweiten Frau als Unzucht beschrieben wird, liegt eine ähnlich radikale und der sonstigen jüdischen Meinung entgegenstehende Aussage vor wie beim lukanischen Jesus. Im Folgenden werden einige wenige Aspekte von Ehe und Ehescheidung im griechisch-römischen Kulturkreis angesprochen. Denn auch wenn Lukas sich hier vor allem auf den jüdischen Hintergrund (Q) bezieht, so kann doch davon ausgegangen werden, dass der gebildete und mit griechischem Denken vertraute Autor Kenntnis von grundlegenden griechisch-römischen Haltungen 487
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Kessler, Maleachi 214. Von einigen Rabbinen wurde die Stelle dahingehend gedeutet, dass Gott den Israeliten eine Ehescheidung erlaube, nicht aber anderen Völkern. Siehe: Strack-Billerbeck I 805 und 312. „Auch im Verhalten untereinander, hier im Verhalten der judäischen Männer gegenüber ihren langjährigen Ehefrauen, geht es direkt um das Gottesverhältnis.“ So: Kessler, Maleachi 216. Vgl.: Schart, Maleachi 91. Siehe in der Damaskusschrift: CD XIII 17; in der Tempelrolle: Q19 LIV 4 und Q19 LXVI 11 (hier allerdings in Übernahme von Dtn 22,29). Dies stellt Heil, Lukas und Q 130/1 heraus. Er verweist auf die Tempelrolle LVII 17–19. Allerdings bezieht sich diese Stelle, die Dtn 17,17 behandelt, auf den König. Wichtiger ist eine Stelle in der Damaskusschrift (CD IV 12–V 2), in der das Nehmen zweier Frauen mit Verweis auf Gen 1,27 abgelehnt und als Unzucht beschrieben wird. Außerdem wird hier neben Unzucht und Verunreinigung des Tempels Reichtum als Übel genannt: „In all diesen Jahren wird 13Belial wider Israel losgelassen sein, so wie Gott es gesagt hat durch den Propheten Jesaja, den Sohn 14des Amos folgendermaßen: ‚Grauen und Grube und Garn über dich, Bewohner des Landes!‘ Seine Deutung (betrifft) 15die drei Netze Belials, von denen Levi, der Sohn Jakobs gesagt hat, 16daß jener damit das ‚Haus‘ Israel fängt und gibt ihnen den Anschein dreier Arten 17des Rechts. Das erste, das ist die Unzucht, das zweite der Reichtum, das dritte 18die Verunreinigung des Heiligtums. […] Sie wurden durch zweierlei in der Unzucht gefangen: 21zwei Weiber zu nehmen zu ihren Lebzeiten; aber die Grundlage der Schöpfung ist: ‚Als ein Mann und ein Weib hat Er sie geschaffen‘, (V) 1 und die in der Arche waren: je zu zweit kamen sie in die Arche. Und über den Fürsten steht geschrieben: 2‚Er soll sich nicht viele Weiber nehmen.‘“ Übersetzung von Maier: Qumran-Essener 174. Vgl.: Machinek, Gesetze oder Weisungen? 149.
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und Bestimmungen zur Ehe hatte. Dabei muss aber berücksichtigt werden, dass die Einstellungen gegenüber der Ehe sowie die Bräuche und Bestimmungen sich im Laufe der Zeiten verändert haben und dass sie auch von Ort zu Ort variierten.491 Allerdings zeigen in Ägypten und am Toten Meer gefundene Eheverträge, zum Teil von Brautleuten jüdischer Herkunft, dass es griechische und römische Einflüsse auf die Eheschließung im vorderen Orient im 1. Jh. n. Chr. gegeben hat.492 Verallgemeinernd lässt sich sagen, dass die Ehe seit homerischer Zeit in Griechenland ein hohes Ansehen genoss.493 „Unverheiratet und kinderlos zu bleiben, war ein Los, das als Fluch herabgewünscht wurde.“ 494 In der Zeit der Demokratie galt die Ehe als eine die Gesellschaft innerhalb der Stadtstaaten stabilisierende Größe.495 Erstes Ziel der Eheschließung war zu allen Zeiten griechischer Kultur die Zeugung von legitimen, d. h. erbberechtigen Nachkommen.496 Auch in der römischen Kultur und Gesellschaft war die Ehe eine grund-
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Vgl.: Treggiari, Ehe 896. Zu den Unterschieden bezüglich der Stellung der Frau und den Strafen bei Ehebruch in Griechenland siehe: Erdmann, Ehe 51/9 und 296/9. Siehe auch: Grubbs, Women 122, 131/2, 210. Siehe: Grubbs, Women 122/3, 126/7 und 131. Vgl. z. B.: „The marriage law of the old Greek city-states, especially Athens, influenced that of Greco-Roman Egypt“. Grubbs, Women 122. Siehe zu den Eheverträgen der Juden „The Greek contracts show many resemblances to marriage contracts from Roman Egypt, and show a fusion of Greek and Jewish elements […]. The families in these Greek documents are not secular, ‘hellenized’ Jews, but have adapted their contracts to the norms of the multicultural society in which they live […]. It is probable also that they recorded their marriages in Greek so that the documents would be valid in Roman provincial courts.“ Grubbs, Women 131. Vgl.: Reinsberg, Ehe 12/3. Die Ehe galt in homerischer Zeit aus ökonomischen, d. h. die Macht und den Besitz des Oikos betreffenden, aber auch aus emotionalen Gründen für wichtig. Vgl.: Reinsberg, Ehe 13/5. Siehe zur Hochschätzung der Ehe, aber auch zu den kritischen Stimmen: Oepke, Ehe 651/4 und Delling, Eheleben 691/7. Reinsberg, Ehe 13. Siehe: Reinsberg, Ehe 28/34. Erdmann, Ehe 113, weist auf die Bedeutung der Ehe für die Verrichtung der Totenopfer hin: „Älter als diese staatlichen Bestrebungen war der schon in den gemein-indogermanischen religiösen Anschauungen wurzelnde Wunsch des einzelnen nach Hinterlassung männlicher Deszendenz für die gültige Verrichtung der zur Ruhe seiner Seele erforderlichen Totenopfer für sich und seine Vorfahren. Die Eingehung einer Ehe erschien daher gleichzeitig sowohl als staatsbürgerliche wie auch als moralische Pflicht den Göttern und Ahnen gegenüber.“ In Sparta scheint es eine Verpflichtung zur Ehe gegeben zu haben. Siehe: Erdmann, Ehe 113/4. Auch Platon heißt den Zwang zur Eheschließung gut. Siehe: Erdmann, Ehe 157/8, der einige Stellen als Belege anführt. Andererseits wird aber auch eine Abneigung gegenüber der Ehe überliefert. Siehe: Erdmann, Ehe 115/6 und 139/43. Vgl.: Reinsberg, Ehe 30 und 43. Siehe auch: Erdmann, Ehe 135/6. Vgl.: Grubbs, Women 122: „In classical Greece and in Egypt throughout the Greek and Roman periods, the purpose of marriage was the production of legitimate children – just as it was in Roman law and society.“
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legende Einrichtung,497 die die Geburt legitimer Nachkommen bedeutete. 498 Um Eheschließungen zu fördern und die Geburtenrate unter römischen Bürgern vor allem der Oberschicht zu steigern, erließ Kaiser Augustus verschiedene Ehegesetze.499 Danach mussten alle männlichen Bürger im Alter von 25 bis 60 Jahren und alle weiblichen Bürger zwischen 20 und 50 Jahren verheiratet sein. Witwen mussten innerhalb von zwei Jahren nach dem Tod ihres Mannes erneut heiraten, nach einer Scheidung musste die Wiederheirat innerhalb von 18 Monaten erfolgen.500 Wer den Bestimmungen nicht nachkam oder kinderlos blieb, musste finanzielle Nachteile hinnehmen,501 andererseits wurden den kinderreichen Eltern Privilegien zuerkannt.502 Unter Ehebruch verstand man in Griechenland so wie im Judentum Geschlechtsverkehr eines Mannes mit einer verheirateten Frau503 und damit die Verletzung der Rechtssphäre des Ehemannes. 504 Geschlechtsverkehr des verheirateten Mannes mit einer unverheirateten Frau, etwa einer Sklavin, wurde weitgehend toleriert, sofern dadurch die soziale und familiäre Ordnung und Einigkeit nicht in Gefahr geriet, also z. B. im Krieg und auf Reisen. 505 Lediglich Platon und Aristoteles propagierten Ehrenstrafen, um der ehelichen Untreue der Männer entgegenzuwirken.506 In Athen wurde dem Ehemann die Tötung des Ehebrechers zugestanden, falls dieser in flagranti ertappt wurde 507, andern-
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Vgl.: Grubbs, Women 81. Zu den unterschiedlichen Formen der Eheschließung siehe: Paoli, Leben 138/9. Vgl. auch: Treggiari, Ehe 896/7. Vgl.: Grubbs, Women 81. Im Jahre 18 v. Chr. gab er die Gesetze „lex Iulia de maritandis ordinibus“ und „lex Iulia de adulteriis“ heraus, im Jahr 9 n. Chr. erschien das Gesetz „lex Papia Poppaea“. Siehe: Grubbs, Women 84. Siehe: Grubbs, Women 84. Dass Witwen erneut heiraten mussten, läuft dem z. B. auf Grabsteinen vorzufindenden Lob der nur einmal verheirateten Frau, der univira, zuwider. Allerdings bezeichnet der Begriff univira auch generell die eheliche Treue. Siehe hierzu: Grubbs, Women 87. Vgl.: Kötting, Wiederverheiratung. Siehe hierzu: Grubbs, Women 84. Vgl.: Treggiari, Ehe 898: „Die augusteischen Ehegesetze beschränkten für kinderlose oder unverheiratete Bürger die Möglichkeit, aufgrund eines Testamentes zu erben, außer wenn die Erben nahe Verwandte waren.“ Vgl.: Grubbs, Women 84. Treggiari, Ehe 897, weist darauf hin, dass bei Bewerbung um ein öffentliches Amt das Mindestalter für den Kandidaten pro Kind um ein Jahr reduziert wurde. Siehe: Erdmann, Ehe 282. Denn die Frau war durch die Heirat von der Gewalt des Vaters in die des Mannes übergegangen. Sie hatte dem Hausherrn legitime Kinder zu gebären, was durch den Ehebruch nicht gewährleistet war. Siehe: Erdmann, Ehe 282 und 287. Vgl.: Reinsberg, Ehe 18 und 38. Siehe: Reinsberg, Ehe 20/1. Vgl.: Erdmann, Ehe 283/7. Siehe: Erdmann, Ehe 283. Diese Bestimmung geht auf Drakon (7. Jh. v. Chr.) zurück, wurde aber auch im 4. Jh. angewandt. Siehe die Rede des Lysias über die Ermordung des Eratostehens (or. I). Vgl.: Reinsberg, Ehe 38 und Erdmann, Ehe 287/91.
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falls stand eine Klage vor Gericht offen.508 Allerdings dürften andere Formen der Bestrafung häufiger als die Tötung des Ehebrechers praktiziert worden sein, z. B. die körperliche Misshandlung des Ehebrechers oder Geldstrafen. 509 Nach attischem Recht musste sich der Mann von der ehebrecherischen Frau scheiden lassen.510 Neben dieser Verstoßung, die aber aus finanziellen Gründen oft unterlaufen wurde,511 hatte die Frau einen deutlichen Ansehens- und Statusverlust hinzunehmen.512 Auch aus anderen Städten sind Strafen für Ehebruch überliefert: In Lokroi wurden dem Ehebrecher die Augen ausgestochen,513 in Gortyn waren „nach Statusgruppen gestaffelte Geldbußen für den Ehebrecher“514 vorgesehen und von weiteren Gemeinwesen sind Ehrenstrafen überliefert.515 In der römischen Republik – auch hier bezeichnete Ehebruch (adulterium) den Geschlechtsverkehr eines Mannes mit einer verheirateten Frau516 – konnte der Ehemann oder Vater der Frau an den Schuldigen beliebige Rache nehmen, den Ehebrecher wie die Frau also auch töten.517 Die republikanischen Gesetze gegen Adulterium, die nicht genau bekannt sind,518 wurden 18 v. Chr. von Augustus durch die lex Iulia de adulteriis coercendis aufgehoben.519 Das Gesetz schränkte das Recht, die auf frischer Tat ertappten Ehebrecher zu töten, ein: Der Ehemann durfte die Frau nicht mehr töten und den Ehebrecher nur, „wenn er ein Freigelassener der Familie oder eine persona vilis war und er ihn im eigenen Hause antraf“ 520. Als Strafe sah die lex Iulia die Verbannung vor, der Ehebrecher wurde außerdem mit dem Verlust der Hälfte seines Vermögens bestraft, die ehebrecherische Frau mit dem Verlust eines Vermögensdrittels sowie der halben Mitgift.521 Die ehebrecherische Frau durfte
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Vgl.: Erdmann, Ehe 291/3. Vgl.: Erdmann, Ehe 288/92 und Reinsberg, Ehe 38. Siehe auch: Delling, Ehebruch 670. Siehe: Wagner-Hasel, Ehebruch 900. Siehe auch: Erdmann, Ehe 294 und Reinsberg, Ehe 38. Ursprünglich stand es aber dem Mann frei, ob und wie er seine Frau bestrafte. Vgl.: Erdmann, Ehe 289. Siehe: Reinsberg, Ehe 38. Reinsberg weist darauf hin, dass bei jeder Scheidung, egal ob sie vom Mann oder der Frau ausging, die Mitgift zurückgezahlt werden musste. So durfte sie z. B. nicht mehr an öffentlichen Opfern teilnehmen. Siehe: Wagner-Hasel, Ehebruch 900 und Erdmann, Ehe 294. Siehe: Wagner-Hasel, Ehebruch 900 und Erdmann, Ehe 297. Wagner-Hasel, Ehebruch 900. Vgl.: Erdmann, Ehe 295/6. Siehe: Erdmann, Ehe 297 und Delling, Ehebruch 670. Siehe: Hartmann, Adulterium 432. Vgl.: Hartmann, Adulterium 432. Vgl.: Hartmann, Adulterium 433. Siehe: Schiemann, Adulterium 135/6. Vgl.: Hartmann, Adulterium 433. In der Zeit der ausgehenden Republik und der Kaiserzeit ist Ehebruch wohl recht häufig vorgekommen. Siehe: Delling, Ehebruch 673. Hartmann, Adulterium 434. Siehe: Schiemann, Adulterium 136. Vgl.: Hartmann, Adulterium 434 und Kienast, Augustus 165.
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zudem nicht wieder heiraten.522 Wenn der Mann seine ehebrecherische Frau nicht verstieß, wurde er wie ein Ehebrecher bestraft, gleiches galt auch für den, der eine wegen Ehebruchs verurteilte Frau heiratete. 523 Wie im Judentum wurde auch in der griechischen Kultur die Möglichkeit zur Ehescheidung nicht abgelehnt. In vorklassischer Zeit stand – wie in der jüdischen Kultur – nur dem Mann das Recht zu, die Frau aus der Ehe zu entlassen; die Frau durfte sich von sich aus nicht von ihrem Mann trennen. 524 Sie war durch die Eheschließung in die Obhut des Ehemannes eingetreten, der dem vorherigen κύριος, meistens dem Vater, einen „Kaufpreis“, die ἔδνα, für den Erhalt der Braut entrichtete.525 In klassischer Zeit, als es üblich wurde, dass der κύριος der Braut eine vom Ehemann zu verwaltende Mitgift mitgab,526 konnte die Ehescheidung – abgesehen von der Scheidung aufgrund gemeinsamer Übereinkunft527 – auch allein auf Veranlassung der Frau vorgenommen werden.528 Entließ der Mann die Frau aus der Ehe, wurde dies mit den Begriffen ἀποπέμπειν, ἐκπέμπειν oder ἐκβάλλειν bezeichnet, verließ die Frau ihren Ehemann und den οἶκος des Mannes, sprach man von ἀπολείπειν.529 Die Entlassung durch den Mann bedurfte keiner bestimmten Form und keiner Begründung, 530 gleiches gilt wohl ursprünglich auch für eine Scheidung auf Veranlassung der Frau.531 Allerdings wurde schon früh die Meldung der Scheidung durch persönliches Erscheinen der Frau beim Archon Voraussetzung für die Gültigkeit der Scheidung, wobei der Archon wohl keine richterliche Funktion hatte, sondern die Erklärung lediglich entgegennahm.532 Scheidungen scheinen in klassischer Zeit, anders als in vorklassischer Zeit recht häufig gewesen zu sein. 533 Leichtfertigen Scheidungen wurde allerdings durch die Pflicht zur Zurückzahlung der Mitgift entgegengewirkt.534 Denn die vom κύριος der Braut dem Bräutigam in 522 523 524 525
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Vgl.: Schiemann, Adulterium 136 und Hartmann, Adulterium 434. Siehe: Hartmann, Adulterium 434. Vgl.: Delling, Ehescheidung 710. Siehe: Erdmann, Ehe 386/7. Vgl.: Thalheim, Ehescheidung 2012. Vgl.: Erdmann, Ehe 225/7 und 237. Siehe zu ἔδνα auch: Reinsberg, Ehe 18: Die ἔδνα fielen an den Bräutigam zurück, falls die Ehe durch Verschulden der Frau zerbrach. Lag die Schuld für eine Scheidung beim Mann, blieben die ἔδνα bei der Frau bzw. deren κύριος. Die ἔδνα sollten einer leichtfertigen Scheidung vorbeugen. Siehe zu der Mitgift: Reinsberg, Ehe 39/41. Die Scheidung unter beiderseitigem Einverständnis war wohl der häufigste Fall. So: Erdmann, Ehe 397. Vgl.: Erdmann, Ehe 389. Seines Erachtens besaß die Frau das Recht zur Scheidung nicht nur in Attika, sondern im ganzen griechischen Raum. Siehe: Reinsberg, Ehe 39 und Erdmann, Ehe 389. Vgl.: Erdmann, Ehe 390. Siehe auch: Delling, Ehescheidung 710. Vgl.: Erdmann, Ehe 391. Siehe hierzu: Erdmann, Ehe 393/6. Vgl.: Reinsberg, Ehe 39; Thalheim, Ehescheidung 2012 und Delling, Ehescheidung 710. Siehe: Erdmann, Ehe 388. Siehe: Reinsberg, Ehe 39. Vgl.: Erdmann, Ehe 309, 328/9 und vor allem 387. Die Mitgift war nicht gesetzlich vorgeschrieben, stellte aber die gängige Praxis dar. In Athen entwi-
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der ἐγγύη, dem Heiratsvertrag,535 zugesprochene Mitgift stand voll unter dem Verfügungsrecht des Mannes.536 Da die Mitgift im Falle einer – auch von der Frau vorgenommenen – Scheidung dem κύριος oder der Frau zurückgezahlt werden musste,537 stellte eine Scheidung für den Mann einen finanziellen Verlust dar.538 Eine Wiederheirat nach der Scheidung war generell möglich.539 Das Scheidungsrecht und die Scheidungspraxis in Rom waren ähnlich wie in Griechenland. In der Frühzeit war eine Ehescheidung nur von Seiten des Mannes aus möglich540, da die Frau durch die Eheschließung aus der Gewalt des Vaters in die des Ehemannes wechselte (manus-Ehe).541 Die vom Mann veranlasste Scheidung erfolgte durch eine einfache Erklärung seinerseits.542 Allerdings war ein formaler Akt unter Beteiligung des Magistrats 543 nötig, um die Frau wieder aus der Gewalt des Mannes zu entlassen. 544 Zur Zeit der ausgehen-
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ckelte sich die Sitte im Laufe des 5. und 4. Jh. Sie diente der wirtschaftlichen Absicherung der Ehefrau im Falle einer Scheidung. Siehe: Reinsberg, Ehe 40/1 und Erdmann, Ehe 303/4. Die ἐγγύη war der Vertrag zwischen dem Bräutigam und dem Herrn der Braut; durch diesen Vertrag wurde die Ehe begründet. Erdmann, Ehe 232/3; 234/5; 239, weist darauf hin, dass die ἐγγύη nicht nur eine Verlobung, sondern die wirkliche Eheschließung darstellte, da es keinen weiteren rechtlichen Akt der Eheschließung gab. Vgl.: Reinsberg, Ehe 40. In manchen Städten, wie z. B. Ephesus, ist es wohl bei Scheidungen aufgrund des Fehlverhaltens der Frau, also z. B. Ehebruchs, zur Einbehaltung der Mitgift oder zu einer lediglich reduzierten Rückzahlung gekommen. Dies gilt aber nicht für attisches Recht. Siehe: Erdmann, Ehe 302 und 330. Vgl. auch: Thalheim, Ehescheidung 2013. So: Erdmann, Ehe 387. Im Fall der ἀποπομπή, also der Entlassung der Frau durch den Mann, musste dieser die Mitgift bis zur Zahlung mit 18% verzinsen. Siehe: Erdmann, Ehe 329. Siehe: Erdmann, Ehe 399 und 403/9. In Thurioi war es allerdings demjenigen, von dem die Scheidung ausging, zukünftig nicht erlaubt, einen Partner, der jünger als der geschiedene Ehepartner war, zu heiraten. Siehe: Thalheim, Ehescheidung 2012. Platon propagierte eine sofortige zwangsweise Wiederheirat der Geschiedenen, allerdings solle der Mann für den Fall, dass er bereits einen Sohn und eine Tochter habe, nicht wieder heiraten. Die Scheidung sollte nach Platon erst nach einer Untersuchung durch die staatlichen Organe erfolgen, wobei diese Untersuchung sowohl auf Antrag als auch gegen den Willen der Ehepartner erfolgen konnte. Bei Unfruchtbarkeit sollte die Ehe generell nach zehnjährigem Bestehen geschieden werden. Siehe zu den Vorstellungen Platons: Erdmann, Ehe 401/5 und Delling, Ehescheidung 711. Nach Plutarch, Romulus 22, missbilligte Romulus eine Scheidung auf Veranlassung der Frau und gestattete sie dem Mann nur im Falle von Giftmischerei der Frau gegen die Kinder oder bei Ehebruch. Siehe: Leonhard, Divortium 1242. Siehe: Schiemann, Divortium 720. Siehe auch: Grubbs, Women 187. Vgl.: Schiemann, Divortium 720. So: Leonhard, Divortium 1243. Bei der confarreatio, einer sakralen Ehe, die unter Beteiligung des Pontifex maximus und des Flamen Dialis geschlossen wurde, musste eine diffarreatio erfolgen. Bei einer coemptio, einer Kaufehe, bei der die Frau formalrechtlich die Stellung einer Tochter einnahm, erfolgte eine remancipatio, wodurch die Frau in die Gewalt eines anderen ge-
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den Republik und in der Kaiserzeit wurden aber kaum noch manus-Ehen geschlossen;545 die Frau verblieb nun bei der Heirat zumeist in der Familie und in der Gewalt des Vaters (Ehe sine manu). 546 Frauen, die nicht nach der manusEhe (cum manu) verheiratet waren, evtl. aber auch solche, die in manu des Ehemannes waren, durften die Ehe auf eigene Veranlassung auflösen. 547 Eine schriftliche Erklärung war nicht erforderlich. Augustus verfügte wohl 548 generell, dass eine Scheidung gültig sei, wenn der Scheidungswillige die Scheidung gegenüber dem Partner vor sieben Zeugen aussprach. 549 Wie häufig Scheidungen vorkamen, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen. Seit der Endphase der Republik wird von vielen Scheidungen berichtet, allerdings beziehen sich die Quellen vor allem auf die römische Elite. 550 Generell mag auch in Rom die Pflicht551 zur Rückgabe der Mitgift zumindest Männer davon abgehalten haben, sich leichtfertig zu scheiden.552 Denn die Mitgift stand wie in Griechenland unter der Verfügungsgewalt des Mannes.553 Der Überblick über die Bräuche und Bestimmungen bezüglich der Ehe in den hier besprochenen Kulturen haben gezeigt, dass sich die Aussage Jesu,
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langte. Eine remancipatio war auch bei der Usus-Ehe erforderlich, wonach die Eheschließung durch einen einjährigen Aufenthalt der Frau im Haus des Mannes zustande kam. Zu den Formen der Eheschließung und den Formalitäten im Zuge einer Scheidung siehe: Delling, Eheschließung 725/7 und Delling, Ehescheidung 712. Siehe auch: Leonhard, Divortium 1243. Vgl.: Schiemann, Divortium 720. Siehe: Grubbs, Women 21 und 98. Beim Tode des letzten blutsverwandten Vorfahren wurde ein Vormund ausgewählt. Allerdings wurde der Einfluss des Vormunds immer geringer. So wurden Ehefrauen, die drei Kinder hatten, seit Augustus gänzlich von der Vormundschaft befreit. Vgl.: Carcopino, Rom 129. Siehe: Grubbs, Women 187. Vgl.: Delling, Ehescheidung 712. Ob diese Verfügung von Augustus erlassen wurde, ist umstritten. Siehe: Delling, Ehescheidung 713. Vgl.: Grubbs, Women 189. So: Grubbs, Women 187. Vgl.: Carcopino, Rom 144/9 und Delling, Ehescheidung 713. Bekannt ist Senecas Äußerung, dass die Frauen der Oberschicht ihre Jahre nicht nach den Konsuln, sondern nach den Ehemännern zählen und dass sie sich scheiden, um zu heiraten, und heiraten, um sich zu scheiden: Numquid iam ulla repudio erubescit, postquam inlustres quaedam ac nobiles feminae non consulum numero sed maritorum annos suos computant et exeunt matrimonii causa, nubunt repudii (benef. III 16,2). Siehe: Grubbs, Women 191. Eine Mitgift war üblich, sie konnte Geld, Land oder bewegliche Güter umfassen. Meist wurde die Vereinbarung über die Mitgift schriftlich festgehalten, auch wenn es keinen eigentlichen Ehevertrag gab. Die Vereinbarung wurde geschlossen von den Vätern der Brautleute. Wenn der Vater des Bräutigams verstorben war, übernahm der Bräutigam selbst die Vereinbarung. Meistens wird die Mitgift vom Vater der Braut entrichtet. Stand die Frau nicht mehr unter der Gewalt des Vaters, konnte sie selbst für die Mitgift aufkommen. Auch Verwandte oder Freunde konnten die Mitgift stellen. Siehe zur Mitgift: Grubbs, Women 91/2. Siehe: Grubbs, Women 95.
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Ehescheidung mit anschließender Wiederheirat sei Ehebruch, völlig abhebt sowohl von den jüdischen als auch von den griechischen sowie römischen Vorstellungen. In allen besprochenen Kulturen wurde zwar Ehebruch entschieden abgelehnt, Ehescheidung mit Wiederheirat im Allgemeinen aber nicht als anstößig empfunden – abgesehen von der Ablehnung der Wiederheirat in Qumran. Angesichts dieses Befundes drängt sich nun die Frage auf, warum auch Lukas Jesus diesen provokanten Satz sagen lässt und vor allem warum er ihn in diesem Zusammenhang präsentiert. Bis heute wird von namhaften Exegeten ein Bezug des V. 18 zum Kontext bestritten. So schreibt M. Wolter zu V. 18: „Warum er diese Weisung ausgerechnet hier bringt, obwohl sie mit dem Thema des Kontextes nichts zu tun hat, bleibt sein Geheimnis.“554 Und F. Bovon formuliert: „So wie ich sehe, haben die VV 16–18 kaum eine Beziehung untereinander und auch nicht innerhalb ihres Kontextes.“555 Andererseits verlangen und versuchen Exegeten heute mit Recht, V. 18 gerade im Kontext zu verstehen. 556 Denn es muss doch davon ausgegangen werden, dass Lukas seinen Adressaten eine sinnvolle und verständliche Texteinheit präsentieren wollte. Dies gilt auch dann, wenn V. 18 bereits in Q mit V. 17 verbunden gewesen sein sollte. 557 Denn „auch in diesem Fall hätte Lukas die Weisung nicht nur einfach mitgeschleppt, sondern sich etwas dabei gedacht.“558 Es muss also gefragt werden, wie V. 18 in den Kontext des 16. Kapitels passt, wie er zu V. 17 und V. 16 passt, welche Beziehung zu V. 14–15 besteht, aber auch welche Bezüge er zu den V. 19–31 und 1–13 haben könnte. Es geht also einerseits darum, wie sich V. 18 in die das gesamte Kapitel dominierende Besitzesthematik einfügt, und andererseits um die Frage, wie er zur These von der bleibenden Gültigkeit des Gesetzes in der kommenden βασιλεία τοῦ θεοῦ passt. In Bezug zu V. 17 ist zunächst zu fragen, ob V. 18 als Bestätigung und Beispiel für ein in der βασιλεία τοῦ θεοῦ weiter geltendes Gebot oder als eine Ausnahme von der in V. 17 formulierten These anzusehen ist. 559 Formal ist eindeu-
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Wolter, Lukasevangelium 556. Bovon, Lukas III 103 Anm. 81. Siehe auch: Klinghardt, Gesetz 23. So z. B.: Burchard, Lukas 16,16 124; Klinghardt, Gesetz 85/96 und von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 342/3. Siehe zu den Interpretationen, die V. 18 im Kontext deuten: Klinghardt, Gesetz 85/7 und Bovon, Lukas III 103 Anm. 81. Allerdings ist dies unwahrscheinlich. Siehe die Argumentation von: Klinghardt, Gesetz 20/3 und Heil, Lukas und Q 135/6 und 139. Letzterer kommt zum Ergebnis: „Q 16,18 war wohl also keine weiterführende Illustration von Q 16,17, sondern ein isoliertes Logion in Q, das die prophetische Haltung Jesu zur Ehescheidung tradiert und adaptiert.“ So: Heil, Lukas und Q 136. Wolter, Lukasevangelium 556. Vgl.: Burchard, Lukas 16,16 124.
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tig von einer exemplifizierenden Bestätigung des V. 17 auszugehen. 560 Denn V. 18 folgt ohne adversative Konjunktion asyndetisch auf V. 17. 561 V. 18 hat also in Bezug zu V. 17 und weiter zu V. 14–17 eine ähnliche exemplifizierende und generalisierende Funktion, wie sie unstrittig V. 13 zu V. 9–12 hat.562 Inhaltlich scheint V. 18 jedoch vor dem Hintergrund von Dtn 24,1–4 und der gängigen jüdischen Praxis und Gesetzesauslegung der These zu widersprechen, dass hier von einer V. 17 bestätigenden Gültigkeit des Gesetzes die Rede ist. Allerdings stellt V. 18 m. E. nur auf den ersten Blick eine Verneinung des Gesetzes (Dtn 24,1–4) dar. Denn die Aussage des lukanischen Jesus in V. 18 kann in Verbindung gesetzt werden mit Gen 1,27 563 und Gen 2,24564, Stellen, die als Bestandteile des Pentateuchs ebenfalls zum „Gesetz“ gehören. Mit Gen 1,27 wird auch in Qumran die Heirat eines Mannes mit einer zweiten Frau als Unzucht und als Verstoß gegen die Grundlage der Schöpfung abgelehnt; Gen 7,9.15 dient als Untermauerung der Forderung (CD IV 21). In Mk 10,2–12 wird Dtn 24,1–4 ebenfalls mit Verweis auf Gen 1,27 und auf Gen 2,24 interpretiert und als Zugeständnis des Moses gegenüber der Herzenshärte565 der Menschen dem eigentlichen Schöpfungswillen Gottes nachgeordnet. 566 Es wird hier „ein Schriftbeweis geführt, der mit der Schöpfungsordnung argumentiert, die nach jüdisch geläufiger Methode in den Schöpfungsberichten (besonders für Bestimmungen über die Ehe) abgelesen wird. Die Verbindung der beiden Zitate Gen 1,27 und 2,24 dient der Begründung der Einheit der Eheleute in Gottes Schöpfungstat und -willen selbst.“567 Zwar rekurriert Lukas nicht explizit auf Genesis und die dort grundgelegte Schöpfungsordnung, doch ist ihm und wohl auch seinen Adressaten die Argumentation aus Mk 10 und vielleicht auch aus Qumran bekannt,568 so dass er diese Argumentation als Hintergrund des V. 18 voraussetzt. V. 18 besagt dann, dass gerade jetzt in der anbrechenden βασιλεία τοῦ θεοῦ das Gesetz in seiner ursprünglichen Form zur Geltung kommt, dass jetzt der in der Schöpfungsordnung zu Tage tretende paradiesische Zustand 560
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So: Burchard, Lukas 16,16 124 und Klinghardt, Gesetz 85. Vgl.: Heil, Lukas und Q 139: „Lk 16,18 bietet damit ein konkretes Beispiel für das lukanische Verständnis des νόμος als Symbol eines frommen, asketischen christlichen Ethos.“ Vgl.: Burchard, Lukas 16,16 124 und Klinghardt, Gesetz 85. Zum ähnlichen Aufbau der Textpassagen Lk 16,9–13 und Lk 16,15–18 siehe die syntaktische Analyse in: Kapitel 6.2.1. „Gott erschuf den Menschen als sein Bild, als Bild Gottes erschuf er ihn. Männlich und weiblich erschuf er sie.“ Zitiert nach der EÜ 2016. „Darum verlässt der Mann Vater und Mutter und hängt seiner Frau an und sie werden ein Fleisch.“ Zitiert nach der EÜ 2016. Vgl. zu diesem Begriff: Pesch, Markusevangelium 8,27–16,20 123. Vgl.: Tiwald, ΑΠΟ ΔΕ ΑΡΧΗΣ ΚΤΙΣΕΩΣ 373/4. Pesch, Markusevangelium 8,27–16,20 123. Vgl.: Tiwald, ΑΠΟ ΔΕ ΑΡΧΗΣ ΚΤΙΣΕΩΣ 373: „Die vom markinischen Jesus vorgegebene Argumentationslinie war dem damaligen Judentum Palästinas also keineswegs fremd“. Siehe zur Beziehung zwischen Lukas und Qumran: Klinghardt, Gesetz 85 Anm. 1.
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Wirklichkeit wird bzw. werden soll.569 V. 18 stellt so die eschatologische Interpretation und Verkündigung des Gesetzes durch Jesus dar, der sich in seiner Interpretation auf die protologische Ordnung, auf den ursprünglichen Willen Gottes bezieht.570 Der lukanische Jesus erscheint damit als der eschatologische Interpret des Gesetzes, als Bote Gottes, der die Erfüllung des im Ursprung gegebenen Willens Gottes einfordert. 571 Indem Jesus sich provokant gegen die gängige jüdische Gesetzesinterpretation und Praxis wendet, stellt er sich gegen 569
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M. Tiwald, dem sich die hier vorliegende Interpretation anschließt, zeigt auf, dass auch in Qumran von einer endzeitlichen Erfüllung des im Ursprung angelegten Willens Gottes ausgegangen wird: „In dem für die Qumraniten nun anbrechenden Eschaton, zeitigt der Gang der Geschichte jetzt aus, was Gott zu Beginn der Welt grundgelegt hat. […] Doch in der nun angebrochenen eschatologischen Zeit – so die Konzeption in Qumran – wird der ‚Master-Plan‘ Gottes mit dieser Welt gleich einem tieferen, der ganzen Weltordnung zugrunde liegenden ‚Geheimnis‘ offenbart: Das, was am Anfang grundgelegt wurde, findet nun seine innerweltliche Erfüllung; in der Eschatologie zeitigt sich Gottes protologische Ordnung aus.“ Tiwald, ΑΠΟ ΔΕ ΑΡΧΗΣ ΚΤΙΣΕΩΣ 370. Vgl. Tiwald, ΑΠΟ ΔΕ ΑΡΧΗΣ ΚΤΙΣΕΩΣ 370: „Die authentische Interpretation der Tora deckt sich mit den Grundgesetzen, die Gott dem Kosmos im Schöpfungsakt eingestiftet hat. Diese dem Kosmos immanente Ordnung setzt sich nun – im Eschaton – auch hier auf Erden als die einzig wahre und gültige Interpretation des Willens Gottes durch“. Vgl.: Kirchschläger, Ehe und Ehescheidung 87: „Hinsichtlich der Praxis des Scheidebriefs als Ausdruck des Endes einer ehelichen Beziehung setzt Jesus einen neu bewertenden Maßstab. Auf der Grundlage der bis zum Tod geltenden Dauerhaftigkeit von Ehe wird die Ausstellung des Scheidebriefes ebenso wie die daran schließende Wiederverheiratung als Ehebruch bzw. als Vorschub dazu qualifiziert und dementsprechend kategorisch abgelehnt. Den im Blick auf die frühere Praxis zu benennenden Grund (‚Herzenshärte‘) läßt Jesus für die Menschen, die unter dem Anbruch der Gottesherrschaft leben, nicht (mehr) gelten; vielmehr drängt er auf die Wiederherstellung der ursprünglichen Schöpfungsordnung.“ So auch: Kleinschmidt, Ehefragen 203/4: „Jesu Ethik ist – wie gerade seine Gleichnisverkündigung zeigt – durch die βασιλεία τοῦ θεοῦ motiviert. Das Reich Gottes ist mit dem Auftreten und der Verkündigung Jesu im Anbruch. Damit bricht die Heilszeit an. Angesichts des zugesagten Heils ist die Schöpfung wieder das, was sie ursprünglich sein sollte – und nach Gen 1f auch gewesen ist. Die Sünde als nachträglicher Störfaktor (Gen 3) verliert mitsamt ihren Folgen – wie sie sich sowohl in Fällen von Ehescheidung als auch in Krankheiten und Dämonen zeigen – ihre Macht über den Menschen wie über die Schöpfung.“ Tiwald, ΑΠΟ ΔΕ ΑΡΧΗΣ ΚΤΙΣΕΩΣ 371/2, sieht Bezüge zwischen dem Lehrer der Gerechtigkeit aus Qumran und Jesus: „Diese vom Lehrer der Gerechtigkeit gegebene Toraauslegung stellt den ursprünglichen, protologischen Master-Plan Gottes wieder her und führt die Welt in ihre von Gott seit Anfang an intendierte Ordnung zurück. Gerade im Ineinanderfallen von Protologie und Eschatologie liegt die Unüberbietbarkeit dieser Torainterpretation begründet. […] Dieses Ende der Zeit ist nun allerdings mit dem Anbruch der Gottesherrschaft ‚nahegekommen‘. Jesus als Agent der Basileia ist es damit auch, dem – ähnlich wie dem qumranitischen Lehrer der Gerechtigkeit – die Offenbarung der eschatologisch verbindlichen Interpretation des Gotteswillens – also der ‚Tora‘ – zufällt.“ Auch Mora Paz, Struktur 128/31, interpretiert V. 18 als neue Erfüllung des Willens Gottes im Gegensatz zum vorherigen – vor den Menschen als gerechtfertigt geltenden – Verhalten.
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die Pharisäer: Diese bleiben nämlich – wie in der Reichtumsfrage – ihrer gängigen Praxis treu, verlachen Jesus und missachten so nicht nur den endzeitlichen Boten Gottes, sondern auch den von ihm offenbarten, im Schöpfungsursprung angelegten, endzeitlichen Willen Gottes. So gesehen, spricht V. 18 von der bleibenden Gültigkeit des Gesetzes, das durch Jesus eschatologisch ausgelegt wird. Der Vers passt damit gut zu V. 17 und auch zu V. 16, in dem programmatisch von der Verkündigung der βασιλεία τοῦ θεοῦ die Rede ist.572 Warum – so muss nun gefragt werden – nutzt der lukanische Jesus, um die bleibende Gültigkeit des Gesetzes zu zeigen, einen Spruch, der Ehebruch zum Thema hat, und warum greift er so über das dominierende Thema „Umgang mit Geld und Besitz“ hinaus? 573 Worin besteht also die Beziehung von V. 18 zu den V. 14–15, die von der Geldliebe der Pharisäer sprechen, und zu den Gleichnissen V. 1–8 und V. 19–31? Abgesehen von der von P. Hoffmann vertretenen und auf H. Flender zurückgehenden These, dass „die kompositorische Zueinanderordnung verschiedener Aussagen ein Stilmittel des Lukas ist, um mehrere Aspekte in seiner Darstellung zur Geltung zu bringen“574, zeigt sich bei der Betrachtung der Literatur, die Lukas und seine Leser wohl beeinflusst hat, dass das Thema „Ehebruch“ oft mit dem Thema „Habgier/Geldgier“ verbunden ist.575 Die Zusammenstellung dieser abzulehnenden Handlungen bzw. Verhaltensweisen findet sich sowohl im Alten Testament wie in neutestamentlichen Lasterkatalogen, außerdem begegnet sie in frühjüdischen Texten und auch in profaner griechisch-römischer Literatur. Bereits im Dekalog wird Ehebruch (οὐ μοιχεύσεις, Ex 20,14; Dtn 5,18) mit Habgier – hier allerdings dem Begehren des fremden Hab und Gutes, nicht wie bei Lukas dem Festhalten an dem eigenen (letztlich aber Gott gehörenden) Vermögen – zusammen genannt576 und als zu vermeidende Übel dargestellt: In den beiden Fassungen des Dekalogs 577 Ex 20,14
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Bedenkenswert ist auch die These, nach der sich V. 18 insofern auf V. 16 bezieht, als es hier um die Kritik Johannes des Täufers an Herodes Antipas geht: Dieser hatte seine Schwägerin Herodias geheiratet, seine Frau kam der Entlassung aus der Ehe durch Flucht zuvor. V. 18 wäre dann ein auf V. 16 Bezug nehmendes Beispiel für die bleibende Geltung der Tora. Siehe hierzu: Burchard, Lukas 16,16 125 Anm. 23 und Baltensweiler, Ehe 78/81. Vgl. auch: Günther, γαμέω 291. Klinghardt, Gesetz 85/6 Anm. 3, weist diese These mit dem Argument zurück, Johannes habe Kritik an der Heirat in verbotenen Verwandtschaftsgraden geübt. Nach Donahue, Gospel 174, passt das Thema Ehescheidung gut zur Problematik des rechten Umgangs mit Geld, da Ehescheidung für die Frau oft mit Armut verbunden sei. Hoffmann, Logienquelle 55 Anm. 17. Siehe auch: Flender, Heil und Geschichte 15/24. Vgl.: von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 342. Zur Abgrenzung des Begehrensverbotes zum Ehebruchsverbot siehe: Dohmen, Exodus 127. Zum Dekalog siehe: Hossfeld, Dekalog und Dohmen, Exodus 82/137. Bei Dohmen, Exodus 82/84, findet sich ein recht umfassender Überblick über die zahlreiche Forschungsliteratur.
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wie auch Dtn 5,18 wird das eindeutige Gebot aufgestellt οὐ μοιχεύσεις.578 Der Dekalog endet Ex 20,17 und Dtn 5,21 579 mit der Weisung, nicht zu begehren des Nächsten580 Hab und Gut, das dann im Einzelnen ausgeführt wird: Frau581, Haus, Acker, Sklaven, Rind oder Esel.582 Im 18. Kapitel des Ezechielbuches, in dem es 578
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Reißer; Niebuhr, πορνεύω 300, weisen darauf hin, dass das Verbot des Ehebruchs im Dekalog als „Ausgangspunkt und Richtlinie für sexualethische Ermahnungen insgesamt“ diente. An erster Stelle steht Dtn 5,21 οὐκ ἐπιθυμήσεις τὴν γυναῖκα τοῦ πλησίον σου. Dass Ex die Frau an zweiter Stelle nennt, ist für die Auslegung nicht relevant. Denn an beiden Stellen gehört die Ehefrau zum persönlichen Hab und Gut eines Mannes, an dem sich zu vergreifen ein Verstoß gegen die gottgewollte Ordnung darstellt. Die Septuaginta übersetzt beide Stellen gleich, sie ändert auch die ursprüngliche Anordnung der Objekte, indem sie auch in Ex die Frau an erster Stelle nennt. Zu den sprachlichen Unterschieden der beiden Stellen im hebräischen Text siehe: Dohmen, Exodus 98: „In Ex 20,17 ist zweimal das gleiche Wort gebraucht, nämlich ‚trachten‘ ()חמד, während Dtn 5,21 zwei verschiedene Verben gebraucht, zum einen ‚trachten‘ ()חמד, zum anderen ‚begehren‘ ()אוה. Darüber hinaus finden sich in beiden Fassungen die Objekte anders geordnet. In Exodus ist zuerst das Haus, dann die Frau, dann Sklave und Sklavin und schließlich Rind und Esel und alles übrige aufgezählt, während Deuteronomium die Frau des Nächsten voran stellt, dann das Haus, das Feld, Sklave und Sklavin, Rind und Esel und alles übrige nennt. […] In Konsequenz werden in Ex 20 am Ende die Dinge zusammengefasst, so dass Ex 20,17 ein einziges ‚Begehrensverbot‘ bietet.“ Zur Frage der chronologischen Reihenfolge siehe: Dohmen, Exodus 101: „Literarisch hat der Dekalog seinen Ursprungsort im Buch Deuteronomium, die Dekalogfassung in Ex 20 stellt demgegenüber eine novellierte und aktualisierte Fassung dar, die gleichwohl mit der Fassung des Buches Deuteronomium zusammen gelesen werden will und nicht gegen sie.“ Bemerkenswert ist, dass in Ex 20,17 und Dtn 5,21 je dreimal der Nächste erwähnt ist, der damit stark in den Mittelpunkt des Gebotes gerückt wird: „Nicht der materielle Besitz im engen Sinn des Wortes soll so geschützt werden, sondern über das, was dem einzelnen Menschern etwas wert ist, was ihm etwas bedeutet, wird er selbst als Mitmensch, als Nächster, in seiner Würde ernst genommen.“ So: Dohmen, Exodus 127/8. H. Schönweiß und K.-W. Niebuhr weisen darauf hin, dass in der Septuaginta an beiden Stellen (Ex 20,17 und Dtn 5,21) die Frau herausgehoben am Anfang steht. „Hieran kann ein Verständnis des negativ bewerteten Begehrens im sexuellen Sinn anknüpfen, das im Frühjudentum gegenüber dem weiterhin üblichen wertneutralen oder positiven Verständnis deutlich an Boden gewinnt […]. In Anknüpfung an einschlägige biblische Erzählungen (Gen 6,1–4; 12,10–20; 35,21f; 38; 39,6–20; Num 25; Ri 16,4–21) wird in paränetischer Literatur erotisches Begehren als eine der wichtigsten Gefährdungen des Toragehorsams herausgearbeitet (äthHen 6–11; Jos Ant 1,161–165; 2,39–59; 4,129–154; Philo Vit.Mos 1,295–299; Jos 40–49; sowie 4 Makk 2,1–3; TestRub 4,8ff; 5,6f.; TestJud 10–16; TestJos passim; vgl. PsPhilo, De Sampsone 1.34; LibAnt 43,5f).“ So: Schönweiß; Niebuhr, ἐπιθυμία 126. Diese bereits im Dekalog, einer zentralen Stelle des Nomos, vorliegende enge Verbindung von Habgier und Ehebruch dürfte Lukas bewusst gewesen sein und insofern die Komposition von Lukas 16 beeinflusst haben. Auch Paulus zitiert in Röm 13,9–10 unter anderen diese beiden Gebote (οὐ μοιχεύσεις […] οὐ κλέψεις, οὐκ ἐπιθυμήσεις), fasst sie zu dem Gebot der Nächstenliebe zusammen und sieht in der Erfüllung des Gebotes der Nächstenliebe und damit in der Erfüllung dieser Einzelgebote die Erfüllung des Nomos.
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um „das Prinzip der individuellen Vergeltung und Gottes unaufhörliche Bereitschaft, Reumütige anzunehmen und zu retten“583, geht, werden ebenfalls Ehebruch und Habgier nebeneinander aufgeführt. Nach Ez 18,5.9 wird derjenige, der recht und gerecht handelt, der den Gesetzen Gottes folgt und seine Satzungen bewahrt, leben. In den V. 6–8 konkretisiert Ezechiel, was rechtes und gerechtes Handeln gemäß den Geboten Gottes heißt: „6 […] er macht die Frau seines Nächsten nicht unrein […] 7 er unterdrückt niemanden; er gibt sein Schuldpfand zurück, er nimmt nichts mit Gewalt, er gibt sein Brot dem Hungernden und bedeckt den Nackten mit Kleidung; 8 er verleiht nicht mit Zins oder macht Gewinn […]“.584 Auch wenn die Begriffe „Ehebruch“ und „Habgier/Geldliebe“ in dieser Liste585 gottgemäßen Verhaltens nicht explizit genannt werden, werden hier der Sache nach Ehebruch und Geldgier als Gottes Geboten entgegenstehendes Handeln deutlich abgelehnt. 586 Auch in Jeremia 7,9 werden Gottes Willen entgegenstehende Verhaltensweisen genannt, u. a. Ehebruch und Diebstahl, der eine Form von Habgier darstellt: καὶ φονεύετε καὶ μοιχᾶσθε καὶ κλέπτετε καὶ ὀμνύετε ἐπ’ ἀδίκῳ καὶ ἐθυμιᾶτε τῇ Βααλ καὶ ἐπορεύεσθε ὀπίσω θεῶν ἀλλοτρίων, ὧν οὐκ οἴδατε, τοῦ κακῶς εἶναι ὑμῖν. Auch an mehreren Stellen frühjüdischer Schriften werden „Habgier/Geldliebe“ und „Ehebruch/sexuelles Fehlverhalten“ als Gottes Willen entgegenstehendes Verhalten aufgeführt. E. Reinmuth hat einige dieser Stellen aufgelistet, gedeutet und plausibel nachgewiesen, dass „in der hervorgehobenen Bewertung von Unzucht und Habgier in der frühjüdischen Literatur eine Aktualisierung des in der Tora manifesten Gotteswillens gesehen werden
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Bei Lukas 10,27 ist die Antwort auf die Frage, was im Gesetz stehe, das Doppelgebot der Gottes- und Nächstenliebe. Es ist also denkbar, dass Lukas bei der Betonung der Gültigkeit des Gesetzes (Lk 16,16–17) gerade an diese beiden Übel gedacht hat. Klinghardt, Gesetz 87/8, setzt sich mit der These auseinander, dass das Ehebruchlogion pars pro toto für die in der zweiten Tafel des Dekalogs genannten sozialen Vergehen steht. Greenberg, Ezechiel 372. Die Übersetzung stammt von: Greenberg, Ezechiel 370 (im Original kursiv). Die Wendung „er macht die Frau seines Nächsten nicht unrein“ meint Ehebruch. Siehe: Greenberg, Ezechiel 381 und 388/9. Auflistungen von Handlungen und Verhaltensweisen, die Gottes Willen entsprechen bzw. ihm entgegenstehen, finden sich auch in Ps 15; Ps 24,3–5; Jes 33,14–16 und allgemein formuliert in Mi 6,8 und Am 5,4. In Hab 2,4.6 werden Reichtum, Habgier und Hochmut abgelehnt, in Weish 14,23–26 werden neben dem Götzendienst u. a. Diebstahl, Betrug, Ehebruch, Zügellosigkeit und die Umkehrung der Werte verurteilt. In Jer 7,9 werden neben Götzendienst u. a. Diebstahl und Ehebruch als Laster genannt. In Hos 4,1–2 wird Israel angeklagt, es an Treue, Liebe und Gotteserkenntnis mangeln zu lassen und u. a. Betrug, Diebstahl und Ehebruch zu praktizieren. Siehe zu solchen Listen: Greenberg, Ezechiel 381/2. Auch in der Anklage gegen Jerusalem in Ez 22 werden Ehebruch (V. 11) und Geldliebe (V. 12) der Sache nach genannt.
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kann.“587 Es werden von daher im Folgenden lediglich kurz einige der von Reinmuth bearbeiteten Stellen aufgeführt und die Ergebnisse Reinmuths zu diesen Stellen zusammengefasst. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang eine Stelle aus dem Testament Judas (18,2–6), die auch schon bei der Analyse von V. 14 berücksichtigt wurde: 2. Φυλάξασθε οὖν, τέκνα μου, ἀπὸ τῆς πορνείας καὶ τῆς φιλαργυρίας, ἀκούσατε Ἰουδὰ τοῦ πατρὸς ὑμῶν, 3. ὅτι ταῦτα ἀφιστᾷ νόμου θεοῦ, καὶ τυφλοῖ τὸ διαβούλιον τῆς ψυχῆς, καὶ ὑπερηφανίαν ἐκδιδάσκει, καὶ οὐκ ἀφίει ἄνδρα ἐλεῆσαι τὸν πλησίον αὐτοῦ, 4. στερίσκει τὴν ψυχὴν αὐτοῦ ἀπὸ πάσης ἀγαθοσύνης, καὶ συνέχει αὐτὸν ἐν μόχθοις καὶ πόνοις, καὶ ἀφιστᾷ ὕπνον αὐτοῦ, καὶ καταδαπανᾷ σάρκας αὐτοῦ, 5. καὶ θυσίας θεοῦ ἐμποδίζει, καὶ εὐλογίας οὐ μέμνηται, καὶ προφήτῃ λαλοῦντι οὐχ ὑπακούει, καὶ λόγῳ εὐσεβείας προσοχθίζει. 6. Δύο γὰρ πάθη ἐναντία τῶν ἐντολῶν τοῦ θεοῦ δουλεύων θεῷ ὑπακούειν οὐ δύναται, ὅτι ἐτύφλωσαν τὴν ψυχὴν αὐτοῦ, καὶ ἐν ἡμέρᾳ ὡς ἐν νυκτὶ πορεύεται.588 Unzucht und Habgier werden hier als einzige Laster herausgehoben und ausdrücklich als dem Willen Gottes entgegengesetzt beschrieben, „als Gesetzesübertretung schlechthin“589 charakterisiert. Wer diesen Lastern dient, kann nicht Gott gehorchen (vgl. Lk 16,13); diese Laster machen abtrünnig vom Gesetz (vgl. Lk 16,16). 590 Das ganze Gesetz des Herrn zu befolgen, ist aber die letzte und alles zusammenfassende Mahnung (26,1) des sterbenden Juda, die den Zukunftsaussagen in den Kapiteln 21–25 folgt und 587
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Reinmuth, Geist und Gesetz 40. Vgl. auch die Zusammenfassung bei: Finkenrath; Niebuhr, πλεονεξία 134: „Unzucht und Habgier können im Frühjudentum zur umfassenden Charakterisierung eines dem Willen Gottes entgegenstehenden Verhaltens zusammengestellt werden“. Twelve Patriarchs; de Jonge 71/2. Auf die Ausgabe de Jonges stützt sich die Übersetzung Reinmuths: „2 Hütet euch nun, meine Kinder, vor der Unzucht und der Habgier – hört auf Juda, euren Vater –, 3 denn dieses macht abtrünnig vom Gesetz Gottes und verblendet den Rat der Seele und lehrt Hochmut und läßt nicht zu, daß ein Mann sich seines Nächsten erbarmt; 4 es beraubt seine Seele aller Güte und behaftet ihn in Nöten und Leiden und hält den Schlaf von ihm fern und zehrt sein Fleisch auf 5 und verhindert die Opfer Gottes und denkt nicht an Lobpreisung und gehorcht nicht Prophetenrede und ist unwillig über das Wort der Frommheit. 6 Wer diesen beiden Leidenschaften, die Gottes Gebot entgegengesetzt sind, dient, kann Gott nicht gehorchen, weil sie seine Seele geblendet haben, und er wandelt am Tag wie in der Nacht.“ So: Reinmuth, Geist und Gesetz 22. Siehe zu textkritischen Fragen und zur Gliederung des Testaments: Reinmuth, Geist und Gesetz 23 und 103/4 Anm. 86 und 87. Reinmuth erwägt, Kap. 18 als Gelenk zu sehen zwischen den Kapiteln 13–17 (Warnung vor Unzucht) und Kapitel 19 (Warnung vor Habgier). Allerdings ist von der Geldliebe (ἀγαπᾶν ἀργύριον) schon in Kapitel 17 die Rede! Reinmuth, Geist und Gesetz 27. Auch andere Parallelen bestehen zwischen TestJud 18,2–6 und Lk 16. Denn nicht nur der Hochmut (vgl. Lk 16,14) wird noch angesprochen, sondern es wird auch darauf hingewiesen, dass diese Laster einem Hören auf die Worte der Propheten und Frommen gegenüberstehen. Gerade dies wird den Pharisäern in Lk 16,14–16 vorgeworfen, zum einen durch die Erwähnung der Propheten in Lk 16,16 und zum anderen durch die Missbilligung ihrer Haltung Jesus gegenüber.
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angesichts des apokalyptischen Unheils besonders eindringlich ist.591 „In der Hinwendung und Umkehr zum Gesetz liegt die einzige Möglichkeit und Hoffnung auf Rettung.“592 Dass das Gesetz zum Zeitpunkt des Todes der Patriarchen von Mose noch gar nicht empfangen worden ist, wird in den Testamenten der zwölf Patriarchen nicht thematisiert; das Vorhandensein des Gesetzes wird vorausgesetzt.593 „Ein Wandel gemäß den Weisungen der Patriarchen ist […] ein Wandel gemäß den Forderungen des Gesetzes.“ 594 Auch an einer bei Clemens von Alexandrien595 und Eusebius596 zitierten Stelle eines Menander oder Philemon werden Ehebruch (neben der Schändung von Jungfrauen), Diebstahl und Mord zur Bereicherung sowie Habgier (das Begehren eines Nadelkopfes) zusammen genannt und der Verzicht dieser Verhaltensweisen als Rechtschaffenheit vor Gott charakterisiert. Im moralischen Lehrgedicht des PseudoPhokylides597 werden unter einer Vielzahl an ethischen Mahnungen zwei Verhaltensweisen umfassender bewertet, nämlich zügellose Liebe im Gegensatz zur ehelichen Treue598 und Geldgier.599 In dem dritten Buch der Oracula Sibyllina (V. 1–92)600 werden ebenfalls Unzucht und Habgier „als Hauptmerkmale gegenwärtiger wie künftiger Unsittlichkeit verstanden“. 601 „Die Vorwürfe gegen die mangelnde Sittlichkeit werden eingeleitet durch einen Weheruf: Wehe, blutrünstiges und arglistiges Geschlecht von Unfrommen und lügenhaften, doppelzüngigen und bösen Menschen, Ehebrechern, Götzendienern, Ränkeschmieden, denen Schlechtes im Innern (ist), in Wüterei rasend, für sich selbst zusammenraffend, einen rücksichtslosen Sinn habend (V. 36–40). Denn keiner, der reich ist und hat, wird einem andern geben, sondern arge Schlimmheit wird sein bei allen Sterblichen; Treue werden sie überhaupt nicht halten, viele Witwen und Frauen werden heimlich andere lieben wegen Gewinns; die Richt591 592 593 594
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Siehe: Reinmuth, Geist und Gesetz 24. Reinmuth, Geist und Gesetz 24. Siehe: Reinmuth, Geist und Gesetz 25. Reinmuth, Geist und Gesetz 25. Seines Erachtens werde die in den Testamenten ergehenden Anweisungen als Explikation der Tora verstanden werden. Siehe: Reinmuth, Geist und Gesetz 105 Anm. 101. Stromateis V 14,119–120. Praeparatio evangelica XIII 13,45–46. Vgl.: Reinmuth, Geist und Gesetz 28/9 und 106 Anm. 129 bis 131. Siehe hierzu: Reinmuth, Geist und Gesetz 29/31. Wahrscheinlich war der Verfasser ein griechisch sprechender Jude. So: Reinmuth, Geist und Gesetz 29/30. So die Verse 193–194. Siehe bei: Reinmuth, Geist und Gesetz 30. So die Verse 42–47. Auch hier wird die Habgier als Mutter allen Übels beschrieben (ἡ φιλοχρημοσύνη μήτηρ κακότητος ἁπάσης). Siehe: Reinmuth, Geist und Gesetz 30. Reinmuth, Geist und Gesetz 31, weist daraufhin, dass es nicht klar sei, ob das Buch auf jüdische oder christliche Verfasserschaft zurückgehe. Allerdings zeigen die V. 1–45 keinen Hinweis auf einen Christen als Autor. Auch an anderen Stellen der Oracula Sibyllina werden Unzucht und Habgier genannt. Siehe die Besprechung dieser Stellen bei: Reinmuth, Geist und Gesetz 32/3. Reinmuth, Geist und Gesetz 32.
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schnur des Lebens halten (auch die) nicht inne, die Männer bekommen haben (V. 41–45).“602 Beachtenswert ist auch die schon erwähnte Damaskusschrift aus Qumran (CD IV 12–18). Nach einer Schilderung der Wege der Gottlosen und Beispielen aus der Geschichte folgt „ein Abschnitt, der der ‚jetzt‘ existierenden Gemeinde des neuen Bundes gewidmet ist (3,12ff.).“ 603 Belial fängt Israel mit drei Netzen, die er als Recht ausgibt: Unzucht, Reichtum und Befleckung des Heiligtums: „In all diesen Jahren wird 13Belial wider Israel losgelassen sein, so wie Gott es gesagt hat durch den Propheten Jesaja, den Sohn 14des Amos folgendermaßen: ‚Grauen und Grube und Garn über dich, Bewohner des Landes!‘ Seine Deutung (betrifft) 15die drei Netze Belials, von denen Levi, der Sohn Jakobs gesagt hat, 16daß jener damit das ‚Haus‘ Israel fängt und gibt ihnen den Anschein dreier Arten 17des Rechts. Das erste, das ist die Unzucht, das zweite der Reichtum, das dritte 18die Verunreinigung des Heiligtums.“604 Die Damaskusschrift nennt nach Auffassung Reinmuths „drei im frühen Judentum als zentrale Gebotsverstöße empfundene Laster, die in ihrer Zusammenordnung der Kennzeichnung umfassender Widergesetzlichkeit dienen.“ 605 In der Schrift des syrischen Menander wird mehrfach vor Unzucht und Diebstahl gewarnt.606 Besonders verbunden sind die beiden Handlungen in 69,7.12: „Βedenke und sieh, daß, wie du nicht möchtest, daß deine Frau mit jemand anderem Ehebruch triebe, also auch du mit der Frau deines Nächsten nicht Ehebruch treiben wollest. Und wenn du es liebst, nicht zu verlieren, so lieb es auch nicht, zu stehlen.“607 Die kurze Zusammenstellung der von Reinmuth erörterten Stellen zeigt, dass im frühjüdischen Schrifttum „Habgier/Geldliebe“ und „Ehebruch/Unzucht“, zum Teil ergänzt durch andere Laster, als die dem Willen Gottes entgegenstehenden Verhaltensweisen herausgestellt werden. 608Auch 602
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Reinmuth, Geist und Gesetz 32. Er betont, dass hier eine Verknüpfung der beiden Laster vorliege, insofern als das eine Laster zur Motivation des anderen werde. Siehe: Reinmuth, Geist und Gesetz 32. Reinmuth, Geist und Gesetz 34. Übersetzung von Maier: Qumran-Essener 174. Reinmuth, Geist und Gesetz 34. Siehe: Reinmuth, Geist und Gesetz 37/8. Für eine jüdische Verfasserschaft sprechen laut Reinmuth Berührungen mit Aussagen in Sirach und in den Proverbien sowie der alttestamentlich-jüdisch geprägte Monotheismus. So wiedergegeben bei: Reinmuth, Geist und Gesetz 38. Reinmuth, Geist und Gesetz 35/7, führt auch noch die Kapitel 92–105 des Äthiopischen Henochbuchs an. Allerdings liegt hier bei den Weherufen und der Aufzählung der Sünden das Schwergewicht bei Habgier; Ehebruch wird nicht genannt. „Habgier, ungerechter Reichtum, Übervorteilung und Unterdrückung des Nächsten sind nach den Weherufen des äthHen die Sünde schlechthin.“ So: Reinmuth, Geist und Gesetz 37. Außerdem nennt Reinmuth als eventuelle weitere Belege die Briefe IV und VII des Pseudo-Heraklit. Allerdings ist nicht gesichert, dass diese von einem jüdischen Autor stammen. Siehe hierzu: Reinmuth, Geist und Gesetz 38/9. Der jüdische Autor Philo führt – allerdings in Aufzählungen der Gebote des Dekalogs – Ehebruch, Raub und Begierde zusammen auf,
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Philo (1. Jh. v. Chr./1. Jh. n. Chr.), der in Jos 44,2 Ehebruch für das größte Unrecht hält (ἀπὸ μοιχείας, τοῦ μεγίστου τῶν ἀδικημάτων),609 erwähnt neben den Zitaten aus dem Dekalog610 an mehreren Stellen Diebstahl/Raub (also Konkretisierungen der Habgier) und Ehebruch nebeneinander, so in post 82: εἰ μὴ καὶ τοῖς κλέπτειν ἢ μοιχεύειν ἢ ἀνδροφονεῖν ἐγνωκόσιν οὔκ ἐστιν ἄμεινον ἐπιδεῖν τούτων ἕκαστον ἐκλελοιπὸς καὶ διεφθαρμένον. Die Zusammenstellung findet sich auch in conf 117: σὺν μοιχείαις φθοραί […], κλοπαὶ μετὰ ἁρπαγῆς. In Kapitel 163 stellt er die Verben τὸ κλέπτειν ἢ μοιχεύειν ἢ ἀνδροφονεῖν nebeneinander. In der Schrift Quis rerum divinarum heres sit, 173, fasst er die Gebote des Dekalogs 6–10 mit Substantiven zusammen: ἡ δ’ ἑτέρα πεντάς ἐστιν ἀπαγόρευσις μοιχείας, ἀνδροφονίας, κλοπῆς, ψευδομαρτυρίας, ἐπιθυμίας. In spec 2,13 findet sich die Aufzählung κλοπάς, ἱεροσυλίας ἢ φθορὰς καὶ μοιχείας. Flavius Josephus (1. Jh. n. Chr.) nennt in De bello Iudaico V 402 Räubereien, Hinterlistigkeiten und Ehebrüche: κλοπὰς λέγω καὶ ἐνέδρας καὶ μοιχείας. Auch im Neuen Testament werden „Ehebruch/Unzucht“611 und „Geldliebe/Habgier“612 als Gottes Willen entgegenstehende Verhaltensweisen genannt.613 Dabei wird an einigen Stellen das Fehlverhalten, das dem in der Tora dargelegten Willen Gottes widerspricht und deswegen das Gericht Gottes nach sich zieht, ausschließlich durch die beiden Kategorien „Sexuelles Fehlverhalten/Ehebruch“ und „Habgier/Geldliebe“ beschrieben. Diesen beiden besonders herausgehobenen Kategorien des Fehlverhaltens erscheinen bisweilen die Begriffe ἀδικία und εἰδωλολατρία bei- bzw. übergeordnet. So wird in 1 Thess 4,1–8 die Gemeinde ermuntert, nach dem Willen Gottes zu leben. Der Wille Gottes wird an zwei Punkten614 konkretisiert: dem Meiden von Unzucht
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so in: her 173 und decal 51. Oft bezeichnet er Ehebruch als das größte Unrecht. Siehe: Jos 44, decal 121, spec 3,31. So auch: decal 121 und 131. Vgl. auch: spec 3,31, wo er Ehebruch und Kuppelei als die beiden schwersten Ungerechtigkeiten aufführt: καὶ δύο τὰ μέγιστα τῶν ἀδικημάτων εὐφόρως ἀπομαξάμενοι, μοιχείαν τε καὶ προαγωγείαν. Vgl. auch: spec 3,65. decal 36 und 51. Ehebruch (μοιχεία) und Unzucht (πορνεία) gehören beide dem Begriffsfeld „Sexual Misbehavior“ an. Siehe: L&N 771/2. Reißer; Niebuhr, πορνεύω 300, weisen darauf hin, dass Unzucht zu einem zentralen Inhalt der frühjüdischen Gesetzesparänese wurde. Unzucht kann „als Sammelbegriff für die aktualisierende Interpretation verschiedener den Bereich der Sexualität betreffender Toragebote […] angesehen, ja, als ‚Mutter aller Übel‘ bezeichnet werden (TestSim 5,3). Unzucht ist so neben und zusammen mit Habgier […] ein Vergehen, das umfassend gegen den Willen Gottes gerichtetes Verhalten kennzeichnet.” Finkenrath; Niebuhr, πλεονεξία 133/6, führen den Begriff φιλάργυρος unter dem Begriffsfeld πλεονεξία auf. Dabei geben sie φιλαργυρία mit „Geldgier“ wieder. Allerdings übersehen sie das Vorkommen des Begriffs in Lk 16,14: „Im NT finden sich die Wörter dieser Gruppe nur im Corpus Paulinum (außer πλεονεξία […]).“ So: Finkenrath; Niebuhr, πλεονεξία 134. Oft werden diese Verhaltensweisen in Lasterkatalogen aufgeführt. Zu diesen Lasterkatalogen siehe: Vögtle, Tugend- und Lasterkataloge. Vgl.: Vögtle, Tugend- und Lasterkataloge 18.
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(ἀπέχεσθαι ὑμᾶς ἀπὸ τῆς πορνείας) und dem Verzicht auf geldgieriges Übervorteilen615 des Glaubensbruders (τὸ μὴ ὑπερβαίνειν καὶ πλεονεκτεῖν ἐν τῷ πράγματι τὸν ἀδελφὸν αὐτοῦ). „Mit der Ablehnung dieser beiden Laster wird der Wille Gottes umfassend formuliert. Ihre Nennung ist in dieser Situation ausreichend für eine zusammenfassende Kennzeichnung des Willens Gottes.“616 Durch das entsprechende gottgefällige Verhalten unterscheidet sich die christliche Gemeinde von den Heiden, die Gott nicht kennen (V. 5). 617 In Röm 1,18–32 wird davon gesprochen, dass der Zorn Gottes offenbar wird über alle Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen (ἐπὶ πᾶσαν ἀσέβειαν καὶ ἀδικίαν ἀνθρώπων). Die gottlosen Menschen seien schuldig, da Gott an den Werken der Schöpfung erkannt werden könne. Ihr Herz aber sei verfinstert. Gott habe sie durch die Begierden ihres Herzens der Unreinheit ausgeliefert (ἐν ταῖς ἐπιθυμίαις τῶν καρδιῶν αὐτῶν εἰς ἀκαθαρσίαν). Nach der breiten Raum einnehmenden Schilderung verfehlter sexueller Leidenschaften, denen Gott sie auslieferte (V. 26–27), macht der Lasterkatalog in V. 29–31 „abschließend die Fülle der Unsittlichkeit deutlich, an die Gott die Heiden dahingab, weil sie ihn nicht in der Erkenntnis bewahrten (V. 28)“ 618: πεπληρομένους πάσῃ ἀδικίᾳ πονηρίᾳ πλεονεξίᾳ κακίᾳ, μεστοὺς φθόνου φόνου ἔριδος δόλου κακοηθείας, ψιθυριστὰς καταλάλους θεοστυγεῖς ὑβριστὰς ὑπερηφάνους ἀλαζόνας, ἐφευρετὰς κακῶν, γονεῦσιν ἀπειθεῖς, ἀσυνέτους ἀσυνθέτους ἀστόργους ἀνελεήμονας. Der Katalog, dessen Anordnung stärker rhetorischen als inhaltlichen Kriterien folgt,619 nennt die Habgier zu Beginn und in Zusammenhang mit „drei Begriffen von allgemeinem Aussagewert. Diese Stellung der Habgier im Katalog deutet auf eine besondere Akzentuierung hin. Paulus sieht die als Straffolge des Fehlverhaltens gegen Gott geschilderte heidnische Unsittlichkeit vor allem in der sexuellen Perversion (V. 24–27) sowie in der V. 29–31 aufgezählten Fülle von Lastern, bei deren katalogartiger Zusammenstellung die Habgier eine hervorgehobene Bewertung erfährt.“620 In Röm 2,17–23 spricht Paulus über den Juden, der sich des Gesetzes rühmt, es aber nicht hält (V. 2). Als konkrete Punkte der Gesetzesübertretung nennt Paulus Diebstahl, Ehebruch und Tempelraub,621 die somit „als die wesentlichen Äußerungen der Gesetzesübertre615
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„Mit dieser Formulierung wird vor dem Laster πλεονεξία gewarnt.“ So: Reinmuth, Geist und Gesetz 14. Reinmuth, Geist und Gesetz 15. Vgl.: Reinmuth, Geist und Gesetz 14. Reinmuth, Geist und Gesetz 16. Vgl.: Schlier, Römerbrief 64 und Reinmuth, Geist und Gesetz 16. Vögtle weist darauf hin, dass den paulinischen Katalogen „kein einheitliches E i n t e i l u n g s p r i n z i p im Sinne einer logischen Disposition zugrunde liegt.“ So: Vögtle, Tugend- und Lasterkataloge 14. Siehe zu der Komposition der Kataloge: Vögtle, Tugend- und Lasterkataloge 15/8. Reinmuth, Geist und Gesetz 16. Er weist darauf hin, dass Paulus diese Laster als Gesetzesübertretung versteht. Siehe: Reinmuth, Geist und Gesetz 16. Hier kann ganz allgemein jedes Sakraldelikt gemeint sein. Siehe: Schlier, Römerbrief 86.
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tung“622 gesehen werden dürfen. In seinem 1. Brief an die Korinther bespricht Paulus im 5. Kapitel einen Fall von Unzucht und verweist auf einen früheren Brief, in dem er den Umgang mit Unzüchtigen verboten hat. Paulus erläutert, dass er damit die Mitglieder der christlichen Gemeinde gemeint habe und nicht generell alle Unzüchtigen oder alle Habgierigen und Räuber oder Götzendiener: οὐ πάντως τοῖς πόρνοις τοῦ κόσμου τούτου ἢ τοῖς πλεονέκταις καὶ ἅρπαξιν ἢ εἰδωλολάτραις (V. 10).623 Offenbar beschreibt Paulus drei Kategorien von zu meidenden und der außerchristlichen Welt zugehörenden624 Lastern, nämlich Unzucht, Habgier und Götzendienst. Denn der Anschluss des Begriffs ἅρπαξιν an das Wort πλεονέκταις durch καί statt ἤ625 macht deutlich, dass die Habgierigen und Räuber als eine Gruppe zusammengesehen werden. Auch in V. 11 werden diese drei bzw. vier Laster – allerdings durch weitere ergänzt – erneut genannt: ἢ πόρνος ἢ πλεονέκτης ἢ εἰδωλολάτρης ἢ λοίδορος ἢ μέθυσος ἢ ἅρπαξ. In 1 Kor 6,9–10 sagt Paulus, dass Ungerechte (ἄδικοι)626 das Reich Gottes nicht erben werden. Wer ungerecht ist, führt Paulus in einem langen Lasterkatalog auf, bei dem außer den Unzüchtigen, Habgierigen und Gotteslästerern speziell die Ehebrecher627 genannt werden: οὔτε πόρνοι οὔτε εἰδωλολάτραι οὔτε μοιχοὶ οὔτε μάλακοι οὔτε ἀρσενοκοῖται οὔτε κλέπται οὔτε πλεονέκται, οὐ
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Reinmuth, Geist und Gesetz 17. Merklein weist darauf hin, dass es bei dem Verbot um den Gedanken der Abgrenzung des heiligen Gottesvolkes von der heidnischen Welt geht, dass aber andererseits das Verhalten dieser Erwählung ethisch entsprechen muss: „Da es Paulus gerade in 1 Kor 5 und 6 um die Reinheit und Heiligkeit der Gemeinde geht, wird man die dort aufgeführten Laster nicht nur als ethischen Katalog verstehen dürfen. Die Grenzziehung ist vielmehr primär religiöser Art und hat als solche ihre Wurzel im Bewußtsein Israels als von Gott erwähltes Volk bzw. als heilige Kultgemeinde Gottes. Der eigentliche ‚Sitz im Leben‘ der paulinischen Lasterkataloge (zumindest in 1 Kor 5 und 6) ist daher nicht das Ethos, sondern die kultische Vorstellung von der heiligen Gemeinde. Paulus legt allerdings allergrößten Wert darauf, daß das Ethos dem vorgegebenen Sosein zu entsprechen hat.“ So: Merklein, Korinther 45. Dies betont Reinmuth, Geist und Gesetz 18/9. Auch Merklein, Korinther 44, legt dar, dass diese Laster, besonders Götzendienst und Unzucht, zu den stereotypen Vorwürfen des Judentums gegenüber den Heiden gehören. Vgl.: Finkenrath; Niebuhr, πλεονεξία 134: „Die Warnung vor Unzucht, Habgier und Götzendienst […] ist zentraler Bestandteil paulinischer Paränese […]. Sie dient der umfassenden Charakterisierung eines dem Willen Gottes entsprechenden Wandels der Christen im Kontrast zu ihrer heidnischen Vergangenheit.“ Vgl. auch: Vögtle, Tugend- und Lasterkataloge 22/6 und 223. Siehe außerdem: Schönweiß; Niebuhr, ἐπιθυμία 128. Im Lasterkatalog 1 Petr 4,3, in dem ausdrücklich das Leben der Heiden beschrieben wird, fehlt die Erwähnung der Habgier. Hier liegt allerdings eine textkritische Variante vor. Mehrere Codices lesen ἤ. Siehe: Nestle-Aland 2012 448. Der Begriff bezeichnet hier „den ganzen Umfang verkehrter religiös-sittlicher Beschaffenheit“, die „Gottwidrigkeit“. So: Vögtle, Tugend- und Lasterkataloge 39. Der Begriff μοιχός kommt nur hier im Lasterkatalog vor, nach Vögtle, Tugend- und Lasterkataloge 31, handelt es sich um einen speziellen Fall von Unzucht.
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μέθυσοι, οὐ λοίδοροι, οὐχ ἅρπαγες.628 Auch in der außerpaulinischen Briefliteratur findet sich die Verbindung der zu meidenden Verhaltensweisen „Ehebruch/Unzucht“ und „Habgier“. In Hebr 13,4–5 tritt die Aufforderung, nicht geldgierig zu sein, neben die Mahnung, die Ehe in Ehren zu halten:629 τίμιος ὁ γάμος ἐν πᾶσιν καὶ ἡ κοίτη ἀμίαντος, πόρνους γὰρ καὶ μοιχοὺς κρινεῖ ὁ θεός. ἀφιλάργυρος ὁ τρόπος, ἀρκούμενοι τοῖς παροῦσιν. Wie in Lk 16,18 stehen die Begriffe μοιχός und ἀφιλάργυρος als Verhaltensweisen, die dem Gericht Gottes unterliegen,630 in unmittelbarer Beziehung zueinander. Die Aufforderung zur ἀφιλαργυρία wird erweitert durch die Mahnung, zufrieden zu sein mit dem, was man hat. Die Verwendung des Partizips ἀρκούμενοι lässt darauf schließen, dass es sich hier nicht um einen neuen Gedanken handelt, sondern Geldliebe als ein Mehr-haben-Wollen qualifiziert wird.631 In Kol 3,5 werden die Christen aufgefordert, bestimmte Laster abzulegen, die den Zorn Gottes nach sich ziehen: πορνείαν ἀκαθαρσίαν πάθος ἐπιθυμίαν κακήν, καὶ τὴν πλεονεξίαν, ἤτις ἐστὶν εἰδωλολατρία.632 Der fünfgliedrige Lasterkatalog thematisiert in den ersten vier Begriffen sexuelles Fehlverhalten, wobei sich die ersten beiden Begriffe auf das Tun und die beiden folgenden auf das Gedankliche beziehen. 633 Neben dieser Kategorie erscheint – durch den Artikel abgesetzt634 – die Habgier, die ausdrücklich als Götzendienst bezeichnet635 und so als „Hauptlaster“636 beson628
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In drei weiteren paulinischen Lasterkatalogen werden sexuelle Verfehlungen genannt, allerdings fehlt hier die Verbindung mit der Kategorie „Geldliebe/Habgier“. In Röm13,13, einem Katalog von sechs Lastern, finden sich zwei Begriffe zum Thema Unzucht (κοίταις καὶ ἀσελγείαις), in 2 Kor 12,20–21 werden drei sexuelle Laster genannt: ἐπὶ τῇ ἀκαθαρσίᾳ καὶ πορνείᾳ καὶ ἀσελγείᾳ. In Gal 5,13–26 fordert Paulus dazu auf, im Geist zu leben und so das Gesetz, das in dem Wort „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ zusammengefasst ist, zu erfüllen. In 5,19 führt er eine Reihe von Verhaltensweisen auf, die vom Reich Gottes ausschließen; so nennt er am Anfang des Katalogs vor dem Begriff εἰδωλολατρία drei Laster, die Unzucht beschreiben: πορνεία, ἀκαθαρσία, ἀσέλγεια. Siehe zu diesen Katalogen: Reinmuth, Geist und Gesetz 17/20. Reinmuth macht in seinen Ausführungen auf Seite 20 deutlich, dass Unzucht als Kennzeichen des Heidnischen gilt. Im Kontext dieser Mahnungen finden sich allerdings weitere Aufforderungen. In Hebr 13,4 wird das Gericht Gottes für Unzüchtige und Ehebrecher vorhergesagt. Von daher ist es gerechtfertigt, die Begriffe φιλαργυρία und πλεονεξία zusammenzusehen. In Kol 5,8 erscheint noch ein weiterer fünfgliedriger Lasterkatalog. Vgl. hierzu: Reinmuth, Geist und Gesetz 21. Siehe: Gnilka, Kolosserbrief 181. Vgl. auch: Reinmuth, Geist und Gesetz 21. Vgl.: Gnilka, Kolosserbrief 182. Dieser Vergleich war im Judentum durchaus geläufig. Vgl.: Gnilka, Kolosserbrief 182. Siehe auch: Finkenrath; Niebuhr, πλεονεξία 134: „In den L a s t e r k a t a l o g e n ist πλεονεξία […] Kennzeichen eines Lebens ohne Gotteserkenntnis (Röm 1,29; 1 Kor 6,10f), ohne Glauben und Gehorsam (1 Kor 5,10f; Eph 5,3). Wo das Band zwischen Geschöpf und Schöpfer zerschnitten ist, gerät auch das Zusammenleben der Menschen untereinander in Unordnung. Der Mensch, der nicht mehr in Gott Ziel und Erfüllung hat, sucht die Erfüllung bei sich selbst, im eigenen Besitzen- und Haben-wollen, ja er erhebt sich letzten
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ders herausgehoben wird.637 „Der sittliche Vollzug der in der Taufe erfolgten Trennung vom Heidentum ist nach der vorliegenden Stelle wesentlich an das Ablegen von Unzucht und Habgier gebunden.“ 638 Der Autor des Epheserbriefs fordert in 5,3–5, sich der Unzucht, Unreinheit und Habgier zu enthalten, da diese Verhaltensweisen vom Reich Gottes ausschließen: πορνεία δὲ καὶ ἀκαθαρσία πᾶσα ἢ πλεονεξία μηδὲ ὀνομαζεσθω ἐν ὑμῖν, καθῶς πρέπει ἁγίοις […] τοῦτο γὰρ ἴστε γινώσκοντες, ὅτι πᾶς πόρνος ἢ ἀκάθαρτος ἢ πλεονέκτης, ὅ ἐστιν εἰδωλολάτρης, οὐκ ἔχει κληρονομίαν ἐν τῇ βασιλείᾳ τοῦ Χριστοῦ καὶ θεοῦ. Obwohl in V. 4 noch zusätzlich vor losen Reden gewarnt wird, erscheinen die Laster der Unzucht, der Unreinheit, worunter hier wohl „jedwede Art sexueller Perversion und Verfehlung“639 zu verstehen ist, und der Habgier als die wesentlichen negativen Handlungsweisen. Die drei Begriffe bezeichnen also hier die beiden Kategorien „sexuelle Verfehlungen“ und „Habgier“. Wie in Kol 3,5 wird Habgier auch hier ausdrücklich als Götzendienst bezeichnet.640 In Eph 4,19 wird über die Heiden gesagt, dass sie sich der Ausschweifung hingegeben hätten, „um jede Art von Unreinheit zu vollführen in Habgier“ 641: παρέδωκαν τῇ ἀσελγείᾳ εἰς ἐργασίαν ἀκαθαρσίας πάσης ἐν πλεονεξίᾳ. Während der Begriff ἀσέλγεια hier eher allgemein für die Bosheit und nicht speziell für geschlechtliche Ausschweifung steht, bezeichnen die Begriffe ἀκαθαρσία und πλεονεξία geschlechtliches Fehlverhalten und Habgier als die heidnischen Laster.642 Der 2. Timotheusbrief spricht in 3,2–4 vom Verfall in der Endzeit. In dem abgesehen von Röm 1,29–31 längsten Lasterkatalog innerhalb des Neuen Testaments, wird das Verhalten der Menschen beschrieben: ἔσονται γὰρ οἱ ἄνθρωποι φίλαυτοι φιλάργυροι ἀλαζόνες ὑπερήφανοι βλάσφημοι, γονεῦσιν ἀπειθεῖς, ἀχάριστοι ἀνόσιοι ἄστοργοι ἄσπονδοι διάβολοι ἀκρατεῖς ἀνήμεροι ἀφιλάγαθοι πρόδοται προπετεῖς τετυφωμένοι, φιλήδονοι μᾶλλον ἢ φιλόθεοι. Was den Aufbau des Katalogs angeht, scheinen vor allem rhetorische Überlegungen maßgebend gewesen zu sein. Allerdings fällt auf, dass der erste und der letzte Begriff sich – antithetisch – entsprechen: φίλαυτοι und φιλόθεοι.643 Wenn auch der zweite Begriff und der vorletzte in Beziehung zueinander stehen – dafür spricht, dass der vorletzte eng mit dem letzten Ausdruck verknüpft
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Endes selbst zum Abgott, der sich alles zu unterwerfen strebt. So wird in Kol 3,5 die Habgier mit Abgötterei […] gleichgesetzt.“ Gnilka, Kolosserbrief 182. Vgl.: Gnilka, Kolosserbrief 182 und Reinmuth, Geist und Gesetz 21. Reinmuth, Geist und Gesetz 21. So: Gnilka, Epheserbrief 246. Gnilka, Epheserbrief 248/9, hält es mit Verweis auf TestRub 4,6 für durchaus möglich, dass sich die Bezeichnung „Götzendiener“ nicht nur auf den Habgierigen, sondern auch auf den Unzüchtigen bezieht. Als Belegstellen dafür, dass Habgier als Götzendienst gesehen wurde, verweist Gnilka auf TestJud 19,1, Philo spec 1,23 und Polyk. 11,2. Übersetzung von: Gnilka, Epheserbrief 221. Siehe hierzu: Gnilka, Epheserbrief 225. Siehe: Oberlinner, Der zweite Timotheusbrief 123.
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ist und dass der zweite Ausdruck aufgrund der Alliteration bewusst an diese Stelle gesetzt ist – und wenn man φιλήδονοι im sexuellen Sinne deutet,644 sind auch in diesem Lasterkatalog die Kategorien „Geldliebe“ und „sexuelles Fehlverhalten“ besonders herausgehoben. Innerhalb der Evangelien finden sich – neben Lk 16,14–18 – einige wenige Stellen, in denen ebenfalls diese beiden Kategorien des Fehlverhaltens nebeneinander genannt werden. So zählt Mk 7,21–22 Taten und Verhaltensweisen auf, die aus dem Inneren, aus dem Herzen der Menschen kommen und die den Menschen unrein machen. Der Lasterkatalog steht im Zusammenhang mit einer Kritik an Pharisäern und Schriftgelehrten. Der markinische Jesus wirft ihnen vor, dass sie Gottes Gebot durch ihre eigenen Satzungen aufheben (Mk 7,6–13). Markus nennt 13 Begriffe des Fehlverhaltens: πορνεία, κλοπαί, φόνοι, μοιχεῖαι, πλεονεξίαι, πονηρίαι, δόλος, ἀσέλγεια, ὀφθαλμὸς πονηρός, βλασφημία, ὑπερηφανία, ἀφροσύνη. R. Pesch weist darauf hin, dass der Katalog in zwei Teile zerfällt: Während die ersten sechs Begriffe Taten beschreiben und im Plural genannt werden, bezeichnen die folgenden sechs Worte Haltungen und stehen im Singular.645 Die ersten drei Begriffe des ersten Teils beziehen sich auf das fünfte, sechste und siebte Gebot des Dekalogs, wobei das Vergehen der Unzucht an der Spitze steht.646 „Die folgende Dreierreihe ist eine variierende und spezifizierende Wiederholung der ersten. Ehebruch […] ist ein Spezialfall der Unzucht, Habgierigkeit […] die Wurzel des Diebstahls […]. Die Nennung der Bosheiten am Schluß der ersten Hälfte des Katalogs hat (die verschiedenen Arten von Verwerflichkeit) zusammenfassenden Charakter, überdies steht πονηρία in Katalogen auch gerne neben πλεονεξία“.647 Im Gleichnis vom Pharisäer und Zöllner (Lk 18,9–14) lässt Lukas den Pharisäer drei Personengruppen nennen, die ein abzulehnendes Verhalten zeigen: ἅρπαγες, ἄδικοι, μοιχοί (Lk 18,11). Zwar geht der Begriff ἅρπαξ über φιλαργυρία und πλεονεξία hinaus, doch gehört dieses Wort zur Kategorie „Habgier“. 648 Insofern werden hier vom 644 645 646
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Siehe zu dem Begriff ἡδονή: Beyreuther; Niebuhr, ἡδονή 129/31. Vgl.: L&N 292 und 301. Siehe: Pesch, Markusevangelium 1,1–8,26 382. Vgl.: Pesch, Markusevangelium 1,1–8,26 382. Matthäus (Mt 15,19) kürzt den Katalog und ordnet die Begriffe entsprechend der Reihenfolge des Dekalogs. Siehe: Pesch, Markusevangelium 1,1–8,26 382 Anm. 8. Pesch, Markusevangelium 1,1–8,26 382, weist auf Jer 7,9 hin, wo Stehlen, Morden, Ehebrechen neben dem falschen Schwören als Hauptsünden genannt werden. Pesch, Markusevangelium 1,1–8,26 382. Lukas, der die markinische Stelle stark verkürzt und redaktionell bearbeitet, macht den Pharisäern den Vorwurf: τὸ δὲ ἔσωθεν ὑμῶν γέμει ἁρπαγῆς καὶ πονηρίας (Lk 11,39). Schürmann, Lukasevangelium 310, deutet ἁρπαγῆς als ausbeutende Gewinnsucht; seines Erachtens wirkt der Vorwurf in Lk 16,14– 15 weiter. J. P. Louw und E. A. Nida behandeln die Worte ἁρπαγή und ἅρπαξ zusammen mit πλεονεξία unter „Desire Strongly“. Siehe: L&N 290/2. Sie fassen ἁρπαγή auf als „a state of strong desire to gain things and, if necessary, by violent means” und ἅρπαξ als „pertaining to being violently greedy”. So: L&N 292.
288
Die Rede Jesu an die Pharisäer: Lk 16,14–31
Pharisäer gerade Raffgier649 und Ehebruch als zu meidende Verhaltensweisen genannt. Der Begriff ἄδικοι dürfte (wie in 1 Kor 6,9) allgemein Menschen bezeichnen, die in ihrem Verhalten durch Ungerechtigkeit vor Gott, also das Nicht-Erfüllen des Willens Gottes, geprägt sind. Die beiden konkreten Laster sind dann als Beispiele für ein dem Willen Gottes entgegenstehendes Handeln um den allgemeinen Zentralbegriff herumgestellt.650 Auch in Lk 18,18–27 (par Mk 10,23–27; Mt 19,23–26) werden die Kategorien „Habgier“ und „Ehebruch“ zusammengestellt. Auf die Frage, welche Taten zum Ererben des Reiches Gottes erforderlich seien, zählt Jesus fünf Gebote des Dekalogs auf und fügt hinzu, den Besitz zu verkaufen und den Armen zu geben. Er fordert also ein Verhalten, das frei ist von jeglicher φιλαργυρία oder πλεονεξία. Auffallend ist, dass Lukas anders als Markus und Matthäus das Verbot des Ehebruchs an erster Stelle nennt und so als Hauptlaster heraushebt.651 Auch in der profanen griechischen Literatur652 begegnet die Zusammenstellung der als negativ gewerteten Verhaltensweisen „Habgier/Geldliebe (vor allem in der Konkretisierung und Zuspitzung als Diebstahl und Raub)“ und „Ehebruch/Unzucht“. Der erste Beleg findet sich bei Xenophanes aus Kolophon, der dem 6. und 5. Jh. zuzuordnen ist. Er kritisiert, dass bei Homer und Hesiod die Götter dieselben Laster wie die Menschen haben, nämlich stehlen, ehebrechen und betrügen: Πάντα θεοῖς ἀνέθηκαν Ὅμηρός θ’ Ἡσίοδός τε, ὅσσα παρ’ ἀνθρώποις ὀνείδεα καὶ ψόγος ἐστίν, κλέπτειν μοιχεύειν τε καὶ ἀλλήλους ἀπατεύειν.653 Isokrates (5./4. Jh. v. Chr.) sagt in Busiris, Oratio XI 38, dass die Dichter den Göttern neben anderen Gesetzeswidrigkeiten (πολλὰς ἄλλας ἀνομίας) 649
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So übersetzt Schürmann, Lukasevangelium 306, ἅρπαξ in Lk 11,39. Sicherlich wirft der lukanische Jesus den Pharisäern hier keinen gewalttätigen Raub im engeren Sinne vor. Diese Anordnung stimmt mit dem Aufbau von Lk 16,14–18 überein: Denn hier geht es zunächst um das Thema Geldliebe. Dann wird in V. 16–17 allgemein die Bedeutung des Willens Gottes thematisiert und abschließend wird über Ehebruch gesprochen. Siehe: Wolter, Lukasevangelium 599: „Die Reihenfolge der fünf Gebote unterscheidet sich von den in Ex 20 und Dtn 5 überlieferten Dekalogen: Gegenüber den Dekalogen des hebräischen Textes ist wie in Dtn LXX 5,17–18 die Reihenfolge von ‚Du sollst nicht töten‘ und ‚Du sollst nicht ehebrechen‘ umgedreht. Auch in der LXX-Fassung von Ex 20,13–15 ist das Ehebruchs-Verbot vorangestellt. Diese Abfolge findet sich auch in zahlreichen frühjüdischen Dekalog-Wiedergaben: Philo, Decal. 36.51.121.168; Spec. Leg. 3,8; Heres 173; LibAnt 11,10f; P. Nash […]; s. auch Röm 13,9; Jak 2,11. Während Mk 10,19 die Reihenfolge der hebräischen Fassungen wiedergibt, orientiert Lukas sich an der DekalogRezeption des hellenistischen Judentums. Die Voranstellung des Ehebruchsverbots führt Philo, Decal. 121 darauf zurück, dass Ehebruch das ‚größte Verbrechen‘ ist (s. auch Spec. Leg. 3,8ff). – Die Nachstellung des Gebots der Elternehrung ist gegenüber der gesamten jüdischen Dekalogüberlieferung völlig singulär.“ Sofern nicht anders gekennzeichnet, wurden die griechischen Belegstellen in diesem Abschnitt mit Hilfe des TLG ermittelt. Diels-Kranz, Fragmente der Vorsokratiker 21 B 11. Vgl.: Szlezák, Homer 17.
Mahnende Worte an die Pharisäer: Lk 16,15–18
289
Diebstähle und Ehebrüche vorwarfen: οὐ γὰρ μόνον κλοπὰς καὶ μοιχείας καὶ παρ’ ἀνθρώποις θητείας αὐτοῖς ὠνείδισαν. Xenophon (5./4. Jh. v. Chr.) schreibt in der Kyroupädie, I 2,2, dass die Gemeinwesen ihren Mitgliedern u. a. verbieten zu stehlen, zu rauben und die Ehe zu brechen: προστάττουσιν αὐτοῖς μὴ κλέπτειν μηδὲ ἁρπάζειν, μὴ βίᾳ εἰς οἶκον παριέναι, μὴ παίειν ὃν μὴ δίκαιον, μὴ μοιχεύειν. Der Logograph Lysias (5./4. Jh. v. Chr.) erwähnt Ehebruch neben Diebstahl. Er lässt seinen Auftraggeber in der Verteidigungsrede im Mordfall Eratosthenes (I 36) die Richter daran erinnern, dass das Gesetz es erlaubt, einen beim Ehebruch auf frischer Tat Ertappten zu töten. Er fordert die Richter auf, dieses Gesetz zu achten. Andernfalls würden sie die Diebe ermuntern, sich als Ehebrecher zu bezichtigen, weil sie wüssten, dass niemand ihnen etwas anhaben könne, wenn sie aus diesem Grund in fremde Häuser eingedrungen seien: εἰ δὲ μή, τοιαύτην ἄδειαν τοῖς μοιχοῖς ποιήσετε, ὥστε καὶ τοῖς κλέπταις ἐπαρεῖτε φάσκειν μοιχοὺς εἶναι, εὖ εἰδότας, ὅτι, ἐὰν ταύτην τὴν αἰτίαν περὶ ἑαυτῶν λέγωσιν καὶ ἐπὶ τούτῳ φάσκωσιν εἰς τὰς ἀλλοτρίας οἰκίας εἰσιέναι, οὐδεὶς αὐτῶν ἅψεται. Der Komödiendichter Menander (4./3. Jh. v. Chr.) stellt Ehebruch, Diebstahl und Habgier nebeneinander: Δεῖ γὰρ τὸν ἄνδρα χρήσιμον πεφυκέναι μὴ παρθένους φθείροντα καὶ μοιχώμενον, κλέπτοντα καὶ σφάττοντα χρημάτων χάριν.654 Ein anständiger Mann darf also nicht Jungfrauen verführen, ehebrechen und nicht stehlen und morden aus Habgier (χρημάτων χάριν). In der Nikomachischen Ethik II 6,18, 1107a 12–14 wird von Aristoteles (4. Jh. v. Chr.) die Tugend als Mitte zwischen Übermaß und Mangel definiert. Doch nicht alle Affekte und Handlungen haben eine Mitte. Denn manche Handlungen wie Ehebruch, Diebstahl und Mord haben keine Mitte, weil sie an sich schlecht sind, und nicht durch ein Zuviel oder ein Zuwenig schlecht werden: καὶ ἐπὶ τῶν πράξεων μοιχεία κλοπὴ ἀνδροφονία. Πάντα γὰρ ταῦτα καὶ τὰ τοιαῦτα ψέγεται τῷ αὐτὰ φαῦλα εἶναι, ἀλλ’ οὐχ αἱ ὑπερβολαὶ αὐτῶν οὐδ’ αἱ ἐλλείψεις. In V 2,13, 1131a 7–8 unterscheidet Aristoteles zwischen freiwilligem und unfreiwilligem Verkehr, der den Umgang der Menschen untereinander regelt. Während zu ersterem z. B. Kauf und Darlehen zählten, gehörten zum unfreiwilligen Verkehr Handlungen wie Raub, Ehebruch, Giftmischerei, Verkupplung, Sklavenverführung, Meuchelmord, falsches Zeugnis: οἷον κλοπὴ μοιχεία φαρμακεία προαγωγεία δουλοπατία. In V 6,1, 1134a 16–23 stellt Aristoteles die Frage, durch welche ungerechte Handlungen jemand nach den einzelnen Arten der Ungerechtigkeit ein Ungerechter wird, und führt als Beispiele Dieb, Ehebrecher und Räuber (οἷον κλέπτης ἢ μοιχὸς ἢ λῃστής) an. Auch in Rhetorica I 13,9, 1374a stellt er Raub und Ehebruch zusammen: „Was ist Raub, was ist Hochmut, was ist Ehebruch?“: διᾶ ταῦτα δέοι ἂν καὶ περὶ τούτων 654
Koerte-Thierfelder, Fragment 683.
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Die Rede Jesu an die Pharisäer: Lk 16,14–31
διωρίσθαι, τί κλοπή, τί ὕβρις, τί μοιχεία, ὅπως ἐάν τε ὑπάρχειν ἐάν τε μὴ ὑπάρχειν βουλώμεθα δεικνύναι, ἔχωμεν ἐμφανίζειν τὸ δίκαιον. Der stoische Philosoph Chrysipp (3. Jh. v. Chr.) nennt in Fragmenta moralia 85 ebenfalls Raub neben Ehebruch: ὅτι μὲν γὰρ αἰσθητά ἐστι τἀγαθὰ καὶ τὰ κακὰ καὶ τούτοις ἐκποιεῖ λέγειν. Οὐ γὰρ μόνον τὰ πάθη ἐστὶν αἰσθητὰ σὺν τοῖς εἴδεσι, οἷον λύπη καὶ φόβος καὶ τὰ παραπλήσια, ἀλλὰ καὶ κλοπῆς καὶ μοιχείας καὶ τῶν ὁμοίων ἔστιν αἰσθέσθαι. In Fragment 937 unterscheidet er zwischen schlechten Verhaltensweisen (δῆλον μὲν ὅτι σχέσεις αἱ κακίαι καὶ τὰ νοσήματα, φιλαργυρία, φιληδονίαι φιλοδοχίαι, δειλίαι, ἀδικίαι) und schlechten Handlungen (κινήσεις δὲ μοιχείαι, κλοπαί, προδοσίαι, ἀνδροφονίαι, πατροκτονίαι). In Fragment 421 nennt Chrysipp als Beispiele für gegen die Natur gerichtete Verhaltensweisen Diebstähle, Ehebrüche und hochmütiges Verhalten: […] καὶ εἰς ἄλλα ἔργα τῶν παρὰ φύσιν, οἷον εἰς κλοπὰς καὶ μοιχείας καὶ ὕβρεις, καθ’ ἂς κλέπται τε καὶ μοιχοὶ καὶ ὑβρίσται λέγονται. Der Historiker Polybios (3./2. Jh. v. Chr.) schreibt in Hist. II 56, dass es ein sehr großes Verbrechen ist, einen Bürger zu töten, allerdings gehe der, der einen Dieb oder Ehebrecher töte, straflos aus, und der Verräter- oder Tyrannenmörder werde hoch geehrt: καίτοι γε προφανῶς ὁ μὲν τὸν κλέπτην ἢ μοιχὸν ἀποκτείνας ἀθῶός ἐστιν, ὁ δὲ τὸν προδότην ἢ τύραννον τιμῶν καὶ προεδρίας τυγχάνει παρὰ πᾶσιν. Bei Plutarch (1./2. Jh. n. Chr.), de sera 562d, werden der Ehebrecher, der Räuber/Habgierige und der Täter des Unrechts nebeneinander aufgeführt; Plutarch lässt an dieser Stelle einen Dialogteilnehmer die Meinung vertreten, dass Gott, der mehr auf die Seele als auf den Körper der Menschen achte, die schlecht veranlagten Menschen strafe, ehe sie eine schlechte Tat begehen können: οὐ γὰρ ἀμύνεται τὸν ἀδικήσαντα κακῶς παθὼν οὐδ’ ὀργίζεται τῷ ἁρπάσαντι βιασθεὶς οὐδὲ μισεῖ τὸν μοιχὸν ὑβρισθείς, ἀλλ’ ἰατρείας ἕνεκα τὸν μοιχικὸν καὶ τὸν πλεονεκτικὸν καὶ ἀδικητικὸν κολάζει πολλάκις, ὧσπερ ἐπιληψίαν τὴν κακίαν πρὶν ἢ καταλαβεῖν ἀναιρῶν. Durch die chiastische Anordnung der drei Gruppen von Menschen, die Fehlverhalten zeigen (ἀδικήσαντα – ἁρπάσαντι – μοιχόν – μοιχικόν – πλεονεκτικόν – ἀδικητικόν) wird auch deutlich, dass Raub und Habgier zusammengesehen werden. In seiner Schrift Ad principem ineruditum, 782c, führt Plutarch aus, dass die schlechte Veranlagung den Zorn zum Mord, die Begierde zu Ehebruch und die Habgier zur Konfiszierung von Vermögen werden lässt: ἡ κακία […] πᾶν πάθος ἐξωθεῖ ποιοῦσα τὴν ὀργὴν φόνον τὸν ἔρωτα μοιχείαν τὴν πλεονεξίαν δήμευσιν. Mehrfach findet sich die Zusammenstellung von Ehebruch und Habgier/Raub bei Lukian, der im 2. Jh. nach Chr. geschrieben hat. 655 In Nigrinus 16 655
Aus derselben Zeit, allerdings aus der christlichen Literatur, stammt eine Zusammenstellung von negativen Verhaltensweisen bei Clemens Romanus, Epistula II ad Corinthios, 6,4: λέγει δὲ ὁ κύριος‧ οὐδεὶς οἰκέτης δύναται δύο κυρίοις δουλεύειν. Ἐὰν ἡμεῖς
Mahnende Worte an die Pharisäer: Lk 16,15–18
291
charakterisiert er Rom als Stadt der Wollust, die dort durch alle Sinne in die Seele der Menschen eindringe. Die drei Laster „Ehebruch, Geldgier und Meineid“ nennt Lukian explizit: μοιχεία καὶ φιλαργυρία καὶ ἐπιορκία. In Fugitivi 19 berichtet Lukian von einem Gespräch zwischen Jupiter und der Philosophie. Diese beklagt darin, dass es Philosophen gebe – gemeint sind die Kyniker –, deren Handeln und Reden stark auseinandergingen. Sie hielten Strafpredigten gegen Trunkenheit, Ehebruch, Wollust und Geldgier, während sie dies alles täten: καὶ ταῦτα ποιοῦσι πῶς οἴει κατηγοροῦντες αὐτοὶ μέθης καὶ μοιχείας καὶ λαγνείας καὶ φιλαργυρίας. In De parasito 56 spricht Lukian davon, dass ein Parasit nicht eines Ehebruchs, eines gewaltsamen Überfalls, eines Raubes oder irgendeines anderen Verbrechens beschuldigt werden könne. Denn wenn er diese Handlungen vollzöge, würde er nicht Parasit genannt, sondern z. B. Ehebrecher: παρασίτου μέντοι οὐδεὶς ἔχοι κατηγορῆσαι μοιχείαν ἢ βίαν ἁρπαγὴν ἢ ἄλλο τι ἀδίκημα. Dieselbe Zusammenstellung „Ehebruch, gewaltsamer Überfall, Raub“ findet sich in Menippus 3: Menippus hat aus Homer und Hesiod erfahren, „was Götter und Halbgötter alles tun, nämlich Ehebrüche, Gewalttätigkeiten und Räubereien“. Menippus fand das schön und wurde zur Nachahmung gereizt. Später sah er, dass die Gesetze das Gegenteilige befehlen, was die Götter bei den Dichtern tun, nämlich nicht die Ehe zu brechen, nicht zu stehlen, keine Händel anzufangen: μήτε μοιχεύειν μήτε στασιάζειν μήτε ἁρπάζειν. Die Zusammenstellung hat gezeigt, dass die abzulehnenden Verhaltensweisen „Ehebruch/Unzucht“ und „Habgier/Geldliebe“ – oft ergänzt durch weitere negative Verhaltensweisen – sowohl in der profanen wie in der religiösen Literatur häufig als Laster zusammen genannt werden. Daher darf man annehmen, dass der gebildete antike Leser, wenn er das eine Laster hörte, das andere mitdachte. Oft dienen die beiden abzulehnenden Verhaltensweisen „Ehebruch/Unzucht“ und „Habgier/Geldliebe“ sogar als Exempla für die Übertretung des Gesetzes Gottes schlechthin. V. 18 passt also gut zu ‧dem das Kapitel dominierenden Thema und damit zu den V. 14–15, zu V. 19–31 und auch zu V. 1–9. Insofern dürfte V. 18 von den Rezipienten des Lukasevangeliums nicht als Bruch in der Argumentation des Lukas empfunden worden sein. Vielmehr wird V. 18 verstanden worden sein als ein weiterer bekräftigender Aspekt in der Aufforderung, dem nun endzeitlich offenbaren Willen Gottes gemäß zu leben.656
656
θέλωμεν καὶ θεῷ δουλεύειν καὶ μαμωνᾷ ἀσύμφορον ἡμῖν ἐστίν. […] ἔστιν δὲ οὗτος ὁ αἰὼν καὶ ὁ μέλλων δύο ἐχθροί. Οὗτος λέγει μοιχείαν καὶ φθορὰν καὶ φιλαργυρίαν καὶ ἀπάτην, ἐκεῖνος δὲ τούτοις ἀποτάσσεται. Hier finden sich die Begriffe μοιχεία und φιλαργυρία nahe beieinander. Da Clemens hier Lk 16 kommentiert, dürften die Begriffe in Anlehnung an dieses Kapitel gebraucht sein. Dass hier neben dem dominierenden Thema „Umgang mit Geld“ nur ein weiterer Aspekt genannt wird, dass hier also – anders als in vielen oben genannten Parallelen – keine Reihenbildung vorliegt, dürfte für das Verständnis nicht hinderlich gewesen sein. Denn der Argumentationszusammenhang dürfte dem Rezipienten erstens aufgrund der Paral-
292
Die Rede Jesu an die Pharisäer: Lk 16,14–31
Außerdem nimmt die Thematik von V. 18, also die Ehe als Treue zueinander, sehr gut die V. 10–12 auf, in denen die Weggabe von Vermögen als Treue zu Gott qualifiziert wird. Denn das bei den Propheten gebrauchte Bild des Ehebruchs für die Untreue Israels gegenüber Gott dürfte hier zumindest mitschwingen und von den Lesern des Lukasevangeliums assoziiert worden sein. 657 So macht V. 18 deutlich: Die Pharisäer, die die Qualifizierung der Weggabe von Vermögen als Treue zu Gott und als Dienst an dem einen Herrn (V. 9) ablehnen, sind letztlich Gott gegenüber untreu. 658 Indem sie auf ihrer Haltung selbstgerecht beharren, das Gesetz, die Propheten, Johannes und den endzeitlichen Boten der βασιλεία τοῦ θεοῦ in ihrer gemeinsamen Sicht des Umgangs mit Reichtum missachten, handeln sie gegen den Willen Gottes. Sie dienen in ihrem Herzen nicht eigentlich Gott, sondern gewissermaßen zwei Herren, weswegen ihr Verhalten als Gräuel und Götzendienst (V. 15) erscheint. Treue zu Gott würde dagegen bestehen in der Annahme und im Tun des jetzt offenbaren Willens Gottes, hier konkret im Einsatz des Vermögens zugunsten des leidenden Nächsten.
657
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lelen genügend bewusst geworden sein. Zweitens werden ja in vielen Parallelen gerade Habgier und Ehebruch als einzige dem Willen Gottes entgegenstehende Laster genannt. Klinghardt, Gesetz 87, dagegen weist den Bezug zwischen V. 18 und der Besitzparänese mit dem Argument zurück, dass hier die charakteristische Reihenbildung fehle. Auch Klinghardt gibt zu, dass die metaphorische Sicht des Ehebruchs als Untreue zu Gott gut in den Kontext passen würde. Aber er lehnt diese Interpretation mit dem Verweis auf V. 18 als Doppelspruch ab: „Selbst wenn 16,18a auf die Ehescheidung (und nicht auf Wiederheirat) zielte, ließe sich das Verbot der Heirat einer Geschiedenen (V. 18b) nicht mit dem Bild vereinbaren.“ So: Klinghardt, Gesetz 86. Für Jülicher, Gleichnisreden II 633, besagt V. 18 im Kontext, dass Evangelium und Gesetz so eng zusammengehören wie Mann und Frau in der Ehe. Vgl.: Reißer; Günther, μοιχεύω 296: „Wie in der atl. Prophetie wird auch im NT das Motiv des E.[hebruch; J.K.]s metaphorisch verwendet (vgl. Jak 4,4, EÜ: Freundschaft mit der Welt). So erhält Israel gerade in seinen religiösen Vertretern, Pharisäern und Schriftgelehrten (Mt 12,39) bzw. Sadduzäern (Mt 16,4) die Bezeichnung ‚ehebrecherisches‘ Geschlecht. Obwohl einige Ausleger hier ein Gerichtswort über die tatsächlichen Zustände sehen wollen, ist eine übertr. Bedeutung im Anschluß an den Gebrauch bei Hosea wahrscheinlich: Es ist das in der Ablehnung Jesu gegen Gott treubrüchige Volk (so auch Mk 8,38).“
6.3
Die Erzählung vom reichen Mann und dem armen Lazarus: Lk 16,19–31
6.3.1 Syntaktische Bezüge Das Textstück Lk 16,19–31, das Gleichnis1 vom Reichen und dem armen Lazarus, besteht aus einer Erzähl- und einer Redepartie. Der Text beginnt mit einer Erzählpartie, die nicht von Reden – weder von einem Dialog noch von einem Monolog wie in Lk 15, 17–19 – unterbrochen wird (V. 19–23). Das Gleichnis endet mit einer Redepartie, die mehr als die Hälfte des gesamten Textes einnimmt. Die Redepartie stellt einen Dialog dar, der sich aus einer dreifachen Rede und Gegenrede zusammensetzt. Die sechs Reden werden jeweils durch kurze Erzählstücke, durch Redeeinleitungen, eingeführt. Schon dieser Textaufbau (Erzählpartie mit sich anschließender Redepartie) lässt ahnen, dass zunächst ein Geschehen erzählt wird, auf das dann im Redeteil Bezug genommen wird. Die Erzählpartie umfasst die V. 19–23 und besteht aus sechs Sätzen. Der Beginn des Textes verweist mit ἄνθρωπός τις auf Lk 15,11 und 16,1 und signalisiert so den Beginn einer fiktionalen Erzählwelt. Auffallend ist in diesem Gleichnis, dass außer dem Indefinitpronomen zu Beginn (V. 19) in V. 20 erneut das Indefinitpronomen τις Verwendung findet: Der zunächst eingeführten fiktionalen Person wird nun eine weitere fiktionale Person gleichwertig gegenübergestellt. Relativpronomina und Demonstrativpronomina finden sich in der Erzählpartie nicht, wohl aber Personalpronomina (V. 20; 21; 22; 23; 24), die die jeweiligen Bezüge innerhalb des Erzählten klar werden lassen. In der gesamten Erzählpartie findet sich kein Nebensatz und damit keine subordinierende Konjunktion. Auffallend ist aber die Anzahl der verwendeten Partizipien: εὐφραινόμενος, εἱλκωμένος, ἐπιθυμῶν, πιπτόντων, ἐρχόμενοι, ἐπάρας, 1
Der allgemein bekannte und gebräuchliche Begriff „Gleichnis“ wird auch für die Erzählung vom Reichen und dem armen Lazarus als Oberbegriff bildlicher Rede benutzt. A. Jülicher hat die neutestamentlichen „Gleichnisse“ in „Gleichnisse im engeren Sinne“, „Parabeln“ und „Beispielgeschichten“ unterschieden. Siehe: Jülicher, Gleichnisreden II 585/641. Den Text Lk 16,19–31 ordnet er neben Lk 10,30–35, Lk 12,16–21 und Lk 18,9–14 den Beispielgeschichten zu. Die Unterscheidung von „Beispielgeschichten“ und „Parabeln“ ist in der Vergangenheit des Öfteren kritisiert worden. Siehe zur Kritik an Jülicher: Harnisch, Gleichniserzählungen 84/97. Zuletzt hat sich R. Zimmermann klar gegen die Differenzierungen Jülichers ausgesprochen. Vor allem aufgrund des Sprachgebrauchs der neutestamentlichen Autoren, die mit παραβολή Texte jeder von Jülicher unterschiedenen Gattung bezeichnen, spricht sich R. Zimmermann dafür aus, alle „Gleichnisse“ als „Parabeln“ zu bezeichnen. Siehe: Zimmermann, Gleichnisse 17/23. Siehe hierzu auch: Anm. 15 in Kapitel 1 dieser Untersuchung.
294
Die Rede Jesu an die Pharisäer: Lk 16,14–31
ὑπάρχων. Auch die Zahl der Prädikate ist recht groß. Die vielen Prädikate und Partizipien und das Fehlen von Nebensätzen deuten darauf hin, dass es dem Autor darum geht, mit möglichst wenig Worten viele Informationen zu bieten: Die Erzählführung ist straff. Aufschlussreich ist das Tempusprofil innerhalb der Erzählpartie.2 Die ersten Prädikate stehen im iterativen Imperfekt (ἐνεδιδύσκετο, ἐπέλειχον) und Plusquamperfekt (ἐβέβλητο) und qualifizieren das Gesagte so als Zustands- bzw. Hintergrundbeschreibung. Die folgenden Prädikate, beginnend mit dem allgemein eine neue Erzähleinheit signalisierenden ἐγένετο, stehen im Aorist, dem üblichen Erzähltempus: Nun wird das eigentliche Ereignis erzählt. Zum Schluss des Erzählteils wechselt das Tempus dann ins Präsens (ὁρᾷ). So wird das in V. 23 Erzählte in besonderer Weise ins Blickfeld des Lesers gehoben.3 Die vorhergehende Erzählung läuft auf diese Szene hin; nun beginnt in V. 23 der End- und Höhepunkt der Erzählung, die aber zugleich etwas Neues und Überraschendes bietet. Die Szene in V. 23 wird auch durch den Ortswechsel (ἐν τῷ ᾅδῃ) und durch den Anschluss an das Vorangehende mit der die Handlung vorantreibenden Konjunktion καί als wichtig herausgehoben. Auffallend ist, dass sich – auch ohne Beachtung der Redeeinleitungen – die meisten Prädikate und Partizipien auf den reichen Mann beziehen: ἐνεδιδύσκετο, ἀπέθανεν, ἐτάφη, ὁρᾷ, εὐφραινόμενος, ἐπάρας, ὑπάρχων. Er wird als der in erster Linie Handelnde dargestellt. Dazu passt, dass nur ein Prädikat sich auf das Handeln des Armen bezieht: ἐβέβλητο. Die vom Armen ausgesagten Handlungen ἀποθανεῖν und ἀπενεχθῆναι dagegen sind als Infinitive von ἐγένετο abhängig. Außerdem ist ἐβέβλητο (wie auch ἀπενεχθῆναι und das Partizip εἱλκωμένος) Passiv. Lediglich der auf den Armen bezogene Infinitiv ἀποθανεῖν und das Partizip ἐπιθυμῶν sind aktive Formen. Dies deutet an, dass der Arme ein Leidender ist, dem es nicht zukommt, etwas zu tun und zu bewegen. Attributive Adjektive finden sich in der Erzählpartie nicht; auch in diesem Gleichnis charakterisiert der Autor die Personen durch ihr Handeln und Reden. Allerdings findet sich zu Beginn das Adjektiv πλούσιος als Prädikatsnomen (V. 19) und im Folgenden wird dieses Adjektiv substantiviert wiederaufgenommen (τοῦ πλουσίου, ὁ πλούσιος) und dem substantivierten Adjektiv πτωχός (πτωχός, τὸν πτωχόν) gegenübergestellt (V. 20–22). Die Gegenüberstellung des Armen und des Reichen prägt auch durch chiastische und parallele Ausdrücke die syntaktischen Strukturen des Erzählteils:
2 3
Siehe dazu auch: von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 344/7. Vgl. zu den Tempora in Lk 16,19–31: Mora Paz, Struktur 110/1.
Die Erzählung vom reichen Mann und dem armen Lazarus: Lk 16,19–31
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ἄνθρωπός τις πλούσιος πτωχός τις Λάζαρος εὐφραινόμενος καθ’ ἡμέραν λαμπρῶς εἱλκωμένος καὶ ἐπιθυμῶν χορτασθῆναι ἀπὸ τῶν πιπτόντων ἀπὸ τῆς τραπέζης τοῦ πλουσίου ἀποθανεῖν ἀπέθανεν
τὸν πτωχὸν καὶ ἀπενεχθῆναι αὐτὸν ὑπὸ τῶν ἀγγέλων εἰς τὸν κόλπον Ἀβραάμ δὲ καὶ ὁ πλούσιος καὶ ἐτάφη
Der Arme und der Reiche werden durchgehend aufeinander bezogen.4 Dies zeigt auch die Anbindung des V. 20 (Schilderung der Situation des Armen) an V. 19 (Schilderung der Situation des Reichen) durch die adversative und rückbezügliche Konjunktion δέ an. Auch bei der Schilderung der Situation des Armen wird Bezug genommen auf den Reichen: αὐτοῦ, τοῦ πλουσίου (V. 20–21). Die Redeeinleitungen sind alle relativ kurz, sind aber nicht identisch aufgebaut: V. 24 V. 25 V. 27 V. 29 V. 30 V. 31
Reicher Abraham Reicher Abraham Reicher Abraham
καὶ αὐτὸς φωνήσας εἶπεν εἶπεν δὲ Ἀβραάμ εἶπεν δέ λέγει δὲ Ἀβραάμ ὁ δὲ εἶπεν εἶπεν δὲ αὐτῷ
In der ersten Redeeinleitung wird das Subjekt, der Reiche, durch das Personalpronomen αὐτός und das Partizip φωνήσας besonders betont. Außerdem wird diese Redeeinleitung durch καί an das Vorangehende angeschlossen. Dies deutet an, dass nun mit dem Dialog ein neuer Schwerpunkt des Textes beginnt. Der Dialog mit den drei Redepaaren als solcher wird offenbar als Einheit verstanden: Die Konjunktion δέ, die jeweils zur Anbindung der Redeeinleitungen verwendet wird, ist rückbezüglich und deutet an, dass die jeweilige Rede auf die vorangehende Bezug nimmt. Abraham wird zweimal (V. 25 und V. 29) als Subjekt genannt und somit als Autorität herausgehoben. Die Wendung ὁ δέ in V. 30 hat adversativen Charakter und bereitet den expliziten Widerspruch des Reichen (οὐχί) vor. Auffallend ist der Tempuswechsel in V. 29: Das Präsens signali-
4
Von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 345 Anm. 434, weist darauf hin, dass in der Gegenüberstellung des Armen und Reichen in Lk 16,19–22 der Konsonant π dominiert.
296
Die Rede Jesu an die Pharisäer: Lk 16,14–31
siert hier offenbar, dass das nun von Abraham Gesagte von besonderer Wichtigkeit ist.5 Die Reden werden zum Teil gebildet durch recht lange Sätze (V. 24; V. 26; V. 27/28), die Rede Abrahams in V. 29 ist allerdings auffallend kurz. Der Reiche redet Abraham jeweils an: V. 24 V. 27 V. 30
πάτερ Ἀβραάμ πάτερ πάτερ Ἀβραάμ
Dies weist auf das intensive Bemühen des Reichen hin, von Abraham etwas zu erhalten. Auch Abraham spricht den Reichen an: τέκνον (V. 25). Die Reden enthalten alle – außer der kurzen Rede Abrahams in V. 29 – viele Nebensätze und damit subordinierende Konjunktionen. Neben einer kausalen Konjunktion (ὅτι: V. 24), einer einen Objektsatz einleitenden Konjunktion (ὅτι: V. 25) und neben drei Konjunktionen, die Bedingungssätze einleiten (ἐάν: V. 30 und V. 31; εἰ: V. 31), finden sich fünfmal finale Konjunktionen (ἵνα: V. 24, V. 27, V. 28; ὅπως: V. 26, V. 28). Es fällt auf, dass vor allem in den Reden des Reichen finale Konjunktionen vorkommen, was anzeigt, dass der Reiche zielgerichtet ist und seinen Gesprächspartner Abraham entsprechend beeinflussen will. Wie es für einen Dialog nicht außergewöhnlich ist, finden sich hier in den Verbformen neben der 3. Person auch die 1. und 2. Person Singular. In V. 26 findet sich das einzige attributive Adjektiv des Gleichnisses, bezogen auf χάσμα: μέγα. Die erste Rede des Reichen beginnt, abgesehen von der Anrede, mit zwei Imperativen. Dies kann darauf hindeuten, dass der Reiche auch zu Lebzeiten jemand war, der Befehle erteilt hat. Wie zuvor im Erzählteil werden auch hier der Reiche und Lazarus in Beziehung zueinander gesehen: Das vom Reichen geforderte, von Abraham zu veranlassende Tätigwerden des Lazarus soll dem Reichen helfen: ἐλέησόν πέμψον
με Λάζαρον.
Die Antwort Abrahams beginnt ebenfalls mit einem Imperativ: μνήσθητι. Auch in dieser Rede werden der Arme und der Reiche sowie ihre Schicksale gegenübergestellt, wobei der Reiche als Angeredeter besonders herausgehoben wird: 5
Ein Tempuswechsel zum Präsens findet sich öfter in den Schlussteilen lukanischer Gleichnisse.
Die Erzählung vom reichen Mann und dem armen Lazarus: Lk 16,19–31 ὅτι καὶ
ἀπέλαβες Λάζαρος ὁμοίως
νῦν δὲ
ὧδε
σὺ δὲ
τὰ ἀγαθά τὰ κακά.
297
σου ἐν τῇ ζωῇ σου
παρακαλεῖται ὀδυνᾶσαι
Das Ende dieser Rede Abrahams ist ebenfalls von Gegensätzen geprägt: μεταξὺ καὶ ἔνθεν ἐκεῖθεν
ἡμῶν ὑμῶν πρὸς ὑμᾶς πρὸς ἡμᾶς
Die Rede des Reichen in V. 27 greift durch das Pronomen αὐτόν wieder die Person des Lazarus auf. Der abschreckende Aufenthaltsort des Reichen nach dem Tod, vor dem der Reiche seine Brüder durch die Hilfe des Lazarus bewahren möchte, wird dem Haus des Vaters gegenübergestellt: ἵνα ἵνα
εἰς τὸν εἰς τὸν
οἶκον τόπον τοῦτον
τοῦ πατρός μου τῆς βασάνου.
Bei den kurzen Sätzen in der Rede Abrahams in V. 29 stehen die Prädikate am Satzanfang. Die Rede des Reichen in V. 30 zeigt durch οὐχί und ἀλλ’ einen klaren Widerspruch gegen das von Abraham Gesagte an. Auch hier wird ein Gegensatz aufgebaut zwischen den Toten und den Brüdern des Reichen: τις ἀπὸ νεκρῶν πρὸς αὐτοὺς Die Rede Abrahams (V. 31) greift auf die Rede Abrahams in V. 29 und auf das vom Reichen Gesagte (V. 30) zurück und lässt so deutlich werden, dass nun die abschließende Antwort Abrahams erfolgt: εἰ ἔχουσι
Μωϋσέως καὶ τῶν προφητῶν οὐκ ἀκούουσιν (V. 31) Μωϋσέα καὶ τοὺς προφήτας ἀκουσάτωσαν αὐτῶν (V. 29)
οὐδ᾽ ἐάν τις ἐκ νεκρῶν ἀλλ᾽ ἐάν τις ἀπὸ νεκρῶν
ἀναστῇ πεισθήσονται (V. 31) πορευθῇ μετανοήσουσιν (V. 30)
298
Die Rede Jesu an die Pharisäer: Lk 16,14–31
6.3.2 Narrative Strukturen 6.3.2.1 Erzählsequenzen Das Gleichnis vom Reichen und dem armen Lazarus besteht, wie schon gesagt, aus einer Erzählpartie (V. 19–23) und einer Redepartie (V. 24–31).6 Anders als in Lk 16,1–8 stellt der Text damit keine Erzählung dar, die durch ein Ineinander von Erzähl- und Redeteilen geprägt ist, die die Handlung vorantreiben. Die Erzählung wirkt dadurch weniger dynamisch, sondern eher statisch. Die Handlung entwickelt sich weniger wie auf einer Bühne, sondern Situationen bzw. Zustände werden beschrieben und so in den Blick des Lesers gerückt. Der Leser blickt gleichsam aus einer größeren Entfernung, überblicksartig auf das erzählte Geschehen. Erst im Dialogteil erhält der Leser konkreteren Einblick in das Tun bzw. Reden der Handlungsträger. Auf diesen Dialog, der die Hälfte des gesamten Textstücks ausmacht und der als Einheit gestaltet ist, scheint die vorherige Erzählpartie zuzulaufen. Das Fehlen von Dialog und Monolog im ersten Teil des Textes, d. h. in der Situationsbeschreibung, führt dazu, dass die Charaktere weniger plastisch hervortreten als beim Gleichnis vom klug handelnden Verwalter. Sie wirken eher schemenhaft und können so besser als Repräsentanten der Reichen bzw. der Armen dienen. 7 Das Fehlen jeglichen Dialogs deutet aber auch darauf hin, dass es trotz der räumlichen Nähe von Reichem und Armen nicht zu einer Kontaktaufnahme gekommen ist. Die Tatsache, dass das Handeln und Verhalten der Handlungsträger in einer Situationsbeschreibung8 vorgestellt und nicht in einem konkreten Handlungsablauf entwickelt wird, kann darauf hinweisen, dass das erzählte Verhalten keine Einzelhandlung darstellt, sondern einen über einen längeren Zeitraum andauernden Zustand. Wenn auch der Erzählstrang weniger dynamisch ist als bei Lk 16,1–8, lassen sich doch auch hier kleine Erzähleinheiten bzw. Erzählschritte ausmachen, die als Grundlage der folgenden Erzähleinheiten dienen. Die erste Erzähleinheit stellt V. 19 dar: Ein anonymer Mann wird als Reicher vorgestellt. Diese Aussage 6
7
8
Gegenstand der Untersuchung ist der Text Lk 16,19–31, der als Einheit verstanden wird. Eine in der früheren Literarkritik vorgenommene Aufteilung des Textes in die ursprünglichen V. 19–25 und einer späteren Hinzufügung der V. 27–31 mit V. 26 als Übergang erscheint weder notwendig noch sinnvoll. Vgl.: Schnider; Stenger, Tür 273/4. Heininger, Metaphorik 179, geht davon aus, dass die V. 27–31 eine lukanische Erweiterung der älteren V. 19–26 sind. Harnisch, Gleichniserzählungen 34/5, weist darauf hin, dass in den synoptischen Gleichnissen eine Individualisierung der Charaktere unterbleibt. Die Situationsbeschreibung bleibt allerdings fragmentarisch, dadurch dass die Situation nur angedeutet wird, nicht aber in allen Einzelheiten vorgestellt wird. Dies entspricht dem Charakter neutestamentlicher Gleichniserzählungen. Vgl. hierzu: Harnisch, Gleichniserzählungen 35/6.
Die Erzählung vom reichen Mann und dem armen Lazarus: Lk 16,19–31
299
wird erzählerisch belegt, indem dem Leser Bereiche vor Augen geführt werden, in denen der Reichtum des Reichen zum Ausdruck kommt, nämlich in seiner Kleidung und seinem Leben in Freuden. So hat das καί vor ἐνεδιδύσκετο konsekutive Funktion.9 Die zweite Erzähleinheit, die eng an die erste gebunden ist,10 macht die V. 20 und 21 aus. Ein Armer wird vorgestellt und dem Reichen diametral gegenübergestellt. Das δέ in V. 20 hat verbindenden, aber auch adversativen Charakter. Der Arme, dessen Namen genannt wird, liegt in unmittelbarer Nähe des Reichen vor dessen Tür, auf ihn nimmt die Erzähleinheit immer wieder Bezug (V. 20 αὐτοῦ; V. 21 τοῦ πλουσίου). Die beiden werden kontrastiert: Der Reiche trägt Purpur und Byssos, der Arme ist von Geschwüren geplagt. Der Reiche freut sich seines Lebens (εὐφραινόμενος), der Arme begehrt, hat Not (ἐπιθυμῶν), der schöne Zustand des Reichen wird unterstrichen mit der Wendung καθ’ ἡμέραν λαμπρῶς, die miserable Lage des Armen wird dadurch betont, dass Hunde seine Wunden lecken. Dieser Satz bildet keine neue, eigenständige Erzähleinheit, sondern verdeutlicht die Situation des Armen. Das ἐγένετο in V. 22 signalisiert einen Fortlauf der Erzählung, die Schilderung eines neuen Aspektes, einer veränderten Situation;11 mit V. 22 beginnt somit eine neue Erzähleinheit. Das δέ hat hier keinen adversativen, sondern einen verbindenden Charakter. Durch δέ wird diese Erzähleinheit näher an die vorhergehende gebunden als dies bei καί der Fall wäre. Der erzählte Tod des Armen ist die Folge, die der Leser aus der vorherigen Schilderung erwarten kann. Allerdings wird sachlich-berichtend, nüchtern-distanziert vom πτωχός gesprochen, der Name Lazarus (V. 20) wird nicht aufgegriffen. Dies zeigt, dass es nicht um eine Individualisierung des Armen oder um die Zeichnung eines Handlungsträgers mit besonderen Charakterzügen geht. Wichtig ist lediglich die Tatsache der Armut, die in der vorhergehenden Erzähleinheit in ihren Folgen beschrieben wurde und die in Beziehung gesetzt wurde zum Reichtum des Reichen. So liegt es in der Konsequenz der Erzählung, dass nun in V. 22b der Reiche wieder in den Blick kommt und erneut dem Armen gegenübergestellt wird. V. 22b bietet also einen weiteren Erzählschritt, der zum vorherigen in enger Beziehung steht. Die enge Beziehung wird sprachlich deutlich durch die Parallelisierung von τὸν πτωχὸν und ὁ πλούσιος, aber auch durch die parallel am Satzanfang (bzw. hinter ἐγένετο δέ) stehenden Worte ἀποθανεῖν und ἀπέθανεν.12 Dennoch kann V. 22b als neuer Erzählschritt bezeichnet werden, da der Tod des Reichen durch δὲ καί vom vorher Erzählten, vom erwarteten Tod des Armen abgesetzt wird. Der Tod des Reichen und seine Beerdigung, die in V. 22b nur kurz erzählt werden, lag zunächst nicht in der Erwartung des Lesers, allein 9 10
11
12
Zum καί consecutivum siehe: BDR 367 § 442, 2a und 2b. Auf die enge Verbindung der V. 19 und 20/21 machen besonders Schnider; Stenger, Tür 275, aufmerksam. Vgl.: Schnider; Stenger, Tür 275. Siehe auch: Dondici, Lazarus 155. Zum Gebrauch von ἐγένετο bei Lukas siehe: Johannessohn, καὶ ἐγένετο 161/212. Vgl.: Schnider; Stenger, Tür 275.
300
Die Rede Jesu an die Pharisäer: Lk 16,14–31
das In-Beziehung-Setzen von Reichem und Armen in den V. 19–21 lässt den Leser eine Hinwendung zum Reichen erwarten und bedingt so die chiastische Struktur der V. 19–22b.13 Der Kreis hat sich geschlossen, nun kann in V. 23 eine neue weiterführende Erzähleinheit beginnen. Den Fortlauf der Erzählung deutet das καί zu Beginn von V. 23 und die den neuen Schauplatz des Geschehens angebende Ortsangabe ἐν τῷ ᾅδῃ an. Allerdings unterbleibt ein Subjektwechsel oder das betonende Aufgreifen des vorherigen Subjekts, der zuvor genannte Reiche bleibt aber im Blick. In dieser Erzähleinheit werden alle zuvor genannten Personen erwähnt: der Reiche als Handlungsträger sowie Abraham und Lazarus als Objekte. Die Erzähleinheit greift also auf das vorher Geschilderte zurück, vor allem auf V. 20 (Lazarus) und auf V. 22 (εἰς τὸν κόλπον Ἀβραάμ). Auffallend ist, dass Abraham zunächst in den Blick kommt und Lazarus erst an zweiter Stelle und in Bezug auf Abraham genannt wird. Doch bereitet dies bereits den folgenden Dialog zwischen dem Reichen und Abraham vor, in dem Lazarus keine aktive Rolle einnimmt. Mit V. 24a beginnt ein weiterer Erzählschritt, durch καί eingeleitet: Der Reiche ruft Abraham an. Die Ereignisse wurden zuvor in groben Zügen erzählt, nun wird durch die Redeeinleitung in V. 24a ein Handlungsträger in unmittelbarer Aktion gezeigt. Das in gewisser Weise distanziert-nüchtern Berichtete wird abgelöst durch ein konkretes Handeln und Reden des Reichen. Mit V. 24a beginnt also der Dialog zwischen dem zu Lebzeiten reichen Mann und Abraham, der die V. 24–31 umfasst und auf den das zuvor Erzählte zuläuft. Der Dialog bildet eine Einheit, die aus drei Reden des Reichen und den jeweiligen Antworten Abrahams besteht. 14 Jede dieser Reden wird durch eine kurze Redeeinleitung eingeleitet. In diesem Dialog lässt sich eine gedankliche Fortentwicklung erkennen.15 Zunächst fordert der Reiche Abraham auf, ihm mit Hilfe des Lazarus eine Linderung seiner Not zukommen zu lassen. Auffallend ist, dass der ehemals reiche Mann gerade dieses Verlangen äußert und nicht etwa darum bittet, ebenfalls in die Nähe Abrahams gelangen zu dürfen. Dies kann zusammenhängen mit der Gegenüberstellung vom Reichen und Armen, denn auch das von Lazarus erzählte Verlangen, nur einige Reste vom Tisch des Reichen zu erhalten, war ja gering. 16 Andererseits kann sein Ansinnen aber auch darauf hinweisen, dass der Reiche bereits eine recht klare Vorstellung von der Welt nach dem Tod hat und vielleicht in einem vorausgesetzten, aber nicht erzählten Akt der Reflexion erkennt, dass er nicht auf eine fundamentale Änderung seiner Situation hoffen kann. Jedenfalls reagiert der Reiche nach Ablehnung durch Abraham nicht etwa mit einem erneuten 13 14
15
16
Vgl.: Heininger, Metaphorik 181. Dass der Dialog eine Einheit darstellt, wird von Schnider; Stenger, Tür 276, betont. Ihres Erachtens bilden die V. 24–31 die dritte Sequenz der Erzählung. Lau, Lukas 220/1, unterscheidet zwei parallel gestaltete Dialoggänge: V. 24–26 und V. 27–31. Das in V. 24 und V. 27 vorkommende Wort „schicken“ hat für ihn eine strukturierende Funktion. Vgl.: Schnider; Stenger, Tür 279.
Die Erzählung vom reichen Mann und dem armen Lazarus: Lk 16,19–31
301
Versuch, seine Situation zu verbessern – vielmehr scheint er das von Abraham Gesagte wie selbstverständlich zu akzeptieren und sich in das Unabänderliche zu fügen –, sondern er wendet den Blick nun auf seine noch lebenden Brüder, die offenbar aufgrund ähnlicher Lebensführung Gefahr laufen, nach ihrem Tod Qualen im Hades erdulden zu müssen. Die Bitte, die Brüder zu warnen, bzw. die Möglichkeit der Brüder, ihr Leben so auszurichten, dass ihnen die Qualen nach dem Tod erspart bleiben, bilden den Schluss des Dialogs. 17 Gerade die Tatsache, dass der Reiche in V. 27 nicht mehr auf sich eingeht, sondern sofort die Situation der Brüder anspricht, deutet darauf hin, dass der Erzähler gerade auf diesen Aspekt hinaus will. Die V. 30 und 31 beziehen sich eng auf die V. 27/28 und 29; sie bieten im Kern keinen neuen Gedanken, sondern stellen eine Bekräftigung der vorherigen Aussagen dar. Solche oder ähnliche Wiederholungen sind in neutestamentlichen Parabeln keine Seltenheit. 18 Gerade die Wiederholung der Wendung „Mose und die Propheten“, die hier als Richtschnur des Lebens vorgestellt werden, lässt die große Bedeutung von „Mose und Propheten“ für die gesamte Erzählung erkennen.19 Wie in anderen Parabeln dürfte auch hier der Schluss eine wichtige Verständnishilfe für die Parabel insgesamt bieten. 20 So zeigt sich nun, dass der reiche Mann eben nicht auf Mose und die Propheten gehört hat. Der Blick des Lesers wird so zurückgelenkt auf die Ausgangsposition. Der Leser fragt sich, inwiefern der Reiche eine Orientierung an Mose und den Propheten hat vermissen lassen. Die Erzählung beginnt – nun zurückgelenkt auf die Ausgangsposition, jetzt allerdings mit den Brüdern des Reichen im Blick – neu. Der Leser ist aufgerufen, die Erzählung fortzuführen und ein verändertes Verhalten zu konstruieren, das der Umkehr zu „Mose und den Propheten“ entspricht und das so zu einem veränderten und vom reichen Mann erwünschten Ende führt. Der Durchgang durch die Erzählung hat sechs Erzählschritte bzw. Erzähleinheiten offenbar werden lassen, die jeweils durch Konjunktion mit der vorhergehenden verbunden sind:
17
18
19 20
Mora Paz, Struktur 133, sieht in den V. 27–31 den zweiten Teil des Gleichnisses. Die gleiche Ansicht vertritt bereits: Fonck, Parabeln 709. Vgl.: Harnisch, Gleichniserzählungen 37. Er verweist u. a. auf das zweimalige Aussprechen des Selbstbekenntnisses des verlorenen Sohnes (Lk 15,18–19.21) und auf die wiederholt geschilderte Schuldenverringerung in Lk 16,5–7. Vgl.: Glombitza, Lazarus 175. Siehe hierzu: Harnisch, Gleichniserzählungen 40/1. Auf Seite 41 führt er aus: „Erst vom Ende her wird der Handlungsablauf durchsichtig, erst vom Ende her gewinnt auch das Detail an Aussagekraft. Der Hörer ist förmlich gehalten, das Erzählte noch einmal vor sich abrollen zu lassen, um auf diese Weise zu entdecken, was sich ihm mit der Geschichte als ganzer zu verstehen gibt.“ Harnisch geht aber für das Gleichnis vom reichen Mann und vom armen Lazarus davon aus, dass der ursprüngliche Text nur die V. 19–26 umfasste.
302
Die Rede Jesu an die Pharisäer: Lk 16,14–31 V. 19 V. 20 V. 22a V. 22b V. 23 V. 24
ἄνθρωπος πτωχὸς ἐγένετο ἀπέθανεν
δέ δέ δὲ δὲ καὶ καὶ καὶ
τις τις
ἀποθανεῖν ἐν τῷ ᾅδῃ αὐτὸς
Wie bei Lk 16,1–8 lassen sich diese Erzählschritte zu größeren Einheiten, zu Akten, zusammenfassen. So bilden die ersten Erzähleinheiten, V. 19 und V. 20– 21, in ihrer Gegenüberstellung des Reichen und Armen die Exposition. 21 Die V. 22a und 22b sind durch ihre sprachliche Gestaltung ebenfalls eng aufeinander bezogen, führen die Gegenüberstellung des Reichen und Armen ausdrücklich fort und können so zusammengesehen werden. Diese Erzählschritte V. 22a und 22b führen die Erzählung weiter, was vor allem durch das ἐγένετο angezeigt wird. Allerdings sind diese Erzählschritte eng mit den beiden vorhergehenden verbunden, gerade der chiastische Aufbau der V. 19–22 deutet daraufhin, dass diese Verse eine größere Einheit bilden. So lassen sich die ersten beiden Erzähleinheiten als allgemeine und die beiden folgenden Erzähleinheiten als spezielle Exposition oder Situationsbeschreibung bezeichnen und insgesamt zur Exposition zusammenfassen. Mit V. 23 ist ein deutlicher Einschnitt gegeben: So wird ein Ortswechsel berichtet und die eigentliche Handlung, eingeleitet durch καί, beginnt.22 Die mit dem Tod der beiden Handlungsträger vollzo21
22
Schnider; Stenger, Tür 275/6, sprechen von den V. 19–21 als der ersten Sequenz, die in zwei Segmente aufgeteilt sei. Die V. 19–21 bilden ihres Erachtens die Ausgangskonfiguration. Auch Glombitza, Lazarus 174, geht von einer Zweiteilung der Erzählung aus, deren zweiter Teil mit V. 23 beginnt. Allerdings spricht er vom zweiten Teil als einer lukanisch gefassten Erweiterung. Einen Einschnitt mit V. 23 sieht auch Vogels, Having or Longing 29/36, für gegeben. Er teilt den Text in die drei Teile: V. 19–21 (vor dem Tod), V. 22 (im Moment des Todes), V. 23–31 (nach dem Tod). Schnider; Stenger, Tür 275/6, sind der Meinung, dass V. 23 mit V. 22 die zweite Sequenz bilden. Sie begründen dies damit, dass V. 23 eng an V. 22 gebunden sei: Die Verse seien durch das gleiche Subjekt zusammengehalten, das ἐν τῷ ᾅδῃ beziehe sich auf V. 22a und b und das ἐν τοῖς κόλποις αὐτοῦ verweise auf V. 22a. Das unbestimmte καὶ αὐτός dagegen und die Tatsache, dass nun ein Dialog mit direkter Rede beginne, markiere V. 24 als Beginn einer neuen Sequenz. Gegen die Gliederung von Schnider und Stenger spricht sich Heininger aus. Heininger sieht einen dreiteiligen Aufbau für gegeben: V. 19–21 (Lazarus vor der Tür des Reichen), V. 22 (Tod und Begräbnis), V. 23–31 (Hadesgespräch). Er begründet den Einschnitt nach V. 22 mit der Opposition zwischen dem Reichen und dem Armen, die sich bis V. 22 durchhalte, weiter aber keine Rolle mehr spiele. Die gesamte Gliederung begründet er mit den unterschiedlichen Ortsangaben: „V. 20 Lazarus vor der Tür des Reichen, V. 22 im Schoß Abrahams, V. 23 der Reiche im Hades“. Siehe: Heininger, Metaphorik 178. Gegen Heininger muss aber eingewandt werden, dass sich diese Ortsangaben nicht auf die gesamten von Heininger gesehenen Abschnitte beziehen. So
Die Erzählung vom reichen Mann und dem armen Lazarus: Lk 16,19–31
303
gene Änderung ihres Zustands wird nun offenbar, der Reiche ist in eine Krise geraten, die ihn zum Handeln veranlasst. Damit sich seine Situation zum Positiven ändert, wendet er sich an Abraham und veranlasst so den Dialog zwischen ihm und Abraham. Die Schilderung der Krise (V. 23) und der Versuch der Lösung (V. 24–31) lassen sich zu einem zweiten Akt zusammenfassen. Die Lösung der Krise für den Reichen wird von Abraham zurückgewiesen, allerdings erhält die Erzählung durch das Hinlenken auf die Brüder des Reichen eine neue Dynamik.23 Denn die ihnen bevorstehende Krise lässt sich noch lösen, und zwar durch ihr eigenes Verhalten, nämlich durch Umkehr und das heißt konkret durch eine Orientierung an Mose und den Propheten. Ob es zu einer Lösung der Krise für die Brüder kommt, bleibt offen. 24 Insofern bietet die Erzählung Lk 16,19–31 zwei Akte, die sich als Anfang und Mitte bzw. mit Via als Tat (bzw. Situation) und Krise bezeichnen lassen. Der dritte Akt (Schluss oder Lösung), der in der Regel Bestandteil der Parabeln ist, fehlt und muss erst vom Leser konstruiert werden. Der Text Lk 16,19–31 ist also folgendermaßen aufgebaut: I.
II.
23 24
V. 19–22
1. Akt
Situationsbeschreibung: Der Reiche und der Arme
V. 19–21
1. Szene
Allgemeine Situationsbeschreibung: Der Reiche und der Arme zu Lebzeiten
V. 22
2. Szene
Spezielle Situationsbeschreibung: Der Reiche und der Arme beim Tod
2. Akt
Der Reiche im Hades und sein Dialog mit Abraham
V. 23
1. Szene
Die Krise: Der Reiche im Hades
V. 24–31
2. Szene
Der Dialog: Versuch des Reichen zur Lösung der Krise und Hinwendung zu den Brüdern
V. 23–31
liegt zwar Lazarus vor der Tür des Reichen, der Reiche wird aber in V. 19 nicht vor seiner Tür beschrieben. Vor allem bezieht sich die Angabe „im Schoß Abrahams“ (V. 22b) nur auf den Armen. Diese Angabe wird dann in V. 23 wieder aufgegriffen. Lau, Lukas 219/22, nimmt eine zweigeteilte Struktur an: V. 19–21 im Diesseits und V. 22–31 im Jenseits. Er begründet den Einschnitt nach V. 22 mit der veränderten Situation des Ortes, mit dem Signal καὶ ἐγένετο und mit der Verbindung zwischen V. 23 und V. 22. Vgl.: von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 344. Auch Lau, Lukas 221, spricht von einem offenen Ende. Vgl. auch: Bredenhof, Failure and Prospect 99.
304
Die Rede Jesu an die Pharisäer: Lk 16,14–31
6.3.2.2 Figurenkonstellation In Lk 16,19–31, dem Gleichnis oder der Parabel vom Reichen und dem armen Lazarus,25 sind auf der Oberfläche der Erzählung drei Personen als Handlungsträger im Blick: der Reiche, der arme Lazarus und Abraham. 26 Dem Reichen gilt das erzählerische Hauptinteresse.27 Er wird gleich zu Beginn mit der Gleichniseinleitungsformel ἄνθρωπός τις in die Erzählung eingeführt.28 Vom Anfang bis zum Ende der Erzählung kommt der Reiche vor. Im ersten Teil, der Erzählpartie, wird er dem Armen gegenübergestellt, so dass die beiden Akteure Reicher und Armer als antithetisches Zwillingspaar bezeichnet werden können.29 Dennoch ist der Reiche als Handlungsträger gegenüber dem Armen hervorgehoben. Sprachlich wird dies dadurch deutlich, dass sich der größte Teil der Prädikate und Partizipien auf den reichen Mann bezieht. 30 Im zweiten Teil der Parabel ist der Reiche Dialogpartner Abrahams. Auch in diesem Teil spielt der Reiche die Rolle des Handelnden. So geht das Gespräch von ihm aus und er ist derjenige, der Vorschläge vorbringt.31 Mit Harnisch lässt sich der Reiche als die dramatische Hauptfigur der Erzählung benennen.32 Als solche fungiert der Reiche auch als mögliche Identifikationsfigur für den Leser. 33 Der Leser muss sich die Frage stellen, ob er in seinem Verhalten und Handeln dem Reichen ähnlich ist.
25
26
27 28
29 30 31
32 33
Gewöhnlich wird diese Erzählung wie auch die Erzählung vom barmherzigen Samariter Jülichers Unterscheidung folgend als Beispielgeschichte von den Parabeln abgesondert. Harnisch hat dagegen gezeigt, dass eine solche Differenzierung unbegründet ist. Siehe: Harnisch, Gleichniserzählungen 84/97. Vgl. auch: Zimmermann, Gleichnisse 17/23. In neutestamentlichen Parabeln ist die Zahl der Akteure auf zwei oder drei begrenzt. Siehe: Harnisch, Gleichniserzählungen 29/32 und 73/84. Vgl.: Harnisch, Gleichniserzählungen 77. Dies stellt insofern eine Ausnahme innerhalb der Gleichnisse dar, als normalerweise der Handlungssouverän, die Autoritätsperson, zu Beginn der Erzählung mit ἄνθρωπός τις eingeführt wird. Siehe hierzu: Harnisch, Gleichniserzählungen 78. Siehe: Harnisch, Gleichniserzählungen 30/1. Vgl. das Kapitel 6.3.1. Vgl.: Lau, Lukas 224/5. Lau macht darauf aufmerksam, dass der Reiche „im Jenseits die Rolle des Handlungssouveräns zu spielen versucht. Der Reiche will Abraham dazu bringen, Lazarus gleichsam zu seinem Adjuvanten zu machen: er soll ihm Diener (um den Durst zu lindern) und Bote (für die fünf Brüder) sein. Man gewinnt den Eindruck, dass der ehemalige Herr im Haus auch Herr im Jenseits sein will.“ So: Lau, Lukas 225. Vgl.: Harnisch, Gleichniserzählungen 78 und Lau, Lukas 224. Vgl.: Leonhardt-Balzer, Reicher 651 und Lau, Lukas 234. Die Ansicht Heiningers, Metaphorik 183/4, dass sich Lazarus am Ende als der wahre Held erweist und so „zur positiven Identifikationsfigur, zum Modell weniger für den Reichen selber als vielmehr für dessen Brüder“ wird, entspricht m. E. weder der Figurenkonstellation noch der gesamten Struktur der Erzählung. Siehe zur Frage der möglichen Identifikation der Leser auch: Petracca, Gott oder das Geld 196/8.
Die Erzählung vom reichen Mann und dem armen Lazarus: Lk 16,19–31
305
In Kontrast zum Reichen ist der Arme gestellt. Anders als dieser erhält der Arme aber einen Namen: Lazarus.34 Dennoch wird der Arme passiv dargestellt. So bezieht sich nur das Prädikat ἐβέβλητο (Passiv) auf den Armen. Die Infinitive ἀποθανεῖν und ἀπενεχθῆναι (Passiv) sind von ἐγένετο abhängig, der Infinitiv ἀποθανεῖν und das Partizip ἐπιθυμῶν sind die einzigen aktiven Formen, die das Tun des Armen beschreiben.35 Außerdem wird der Arme in V. 20 nicht erneut mit Namen genannt. Im zweiten Teil der Erzählung, im Gespräch zwischen dem Reichen und Abraham, ist Lazarus ebenfalls im Blick.36 Allerdings wird nur über ihn gesprochen. Die Handlungen, die er auf Vorschlag des Reichen ausführen soll, werden von Abraham nicht zugelassen. Der Arme kann als dramatische Nebenfigur bezeichnet werden. 37 Abraham fungiert als Handlungssouverän. 38 Er sanktioniert das Verhalten des Reichen bzw. erklärt ihm die Sanktion. Er stellt, da er die Bitten des Reichen abschlägt, die Autorität der Erzählung dar. 39 Da er Lazarus in seinem Schoß hält, stellt er auch dem Armen gegenüber den Handlungssouverän dar. Anders als bei den meisten neutestamentlichen Parabeln mit drei Personen kommt der Handlungssouverän hier nicht zu Beginn, sondern erst im zweiten Teil der Erzählung vor.40 Dieses Phänomen liegt aber in der Erzählung und dem Verhalten der Akteure selbst begründet und ist insofern folgerichtig. Denn die Autorität Abrahams bzw. des von ihm verkörperten göttlichen Gesetzes war ja, obwohl sie tatsächlich bestand, zunächst nicht im Blick des Reichen, sie wurde von ihm nicht wahrgenommen. Dem Reichen, der sich zu Lebzeiten nicht in Beziehung gesetzt hat zu dieser Autorität, gehen erst nach dem Tod die Augen auf (ὁρᾷ). Harnisch ordnet Lk 16,19–31 wegen der drei vorkommenden Personen der „Dreierformation mit antithetischem Zwillingspaar“41 zu und stellt diese Dreierformation in einem dramatischen Dreieck dar:
34
35 36 37 38 39
40
41
Er ist die einzige Figur in einem Gleichnis, die mit einem Namen bezeichnet wird. Vgl. hierzu z. B.: Vogels, Having or Longing 36; Leonhardt-Balzer, Reicher 650. Vgl. das Kapitel 6.3.1. Vgl.: Vogels, Having or Longing 36. Vgl.: Harnisch, Gleichniserzählungen 78 und Lau, Lukas 225. Vgl.: Lau, Lukas 224 und von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 343. Vgl.: Harnisch, Gleichniserzählungen 74. Nach Leonhardt-Balzer, Reicher 650, gehört Abraham „nicht zu den eigentlichen Akteuren, sondern steht für die Stimme Gottes. Gott selbst jedoch taucht in der gesamten Erzählung nirgends auf.“ Harnisch teilt die Parabeln, die eine Dreierformation mit antithetischem Zwillingspaar aufweisen, in zwei Gruppen, zum einen in Parabeln, in denen der Handlungssouverän erstgenannt in der Exposition ist, und zum anderen in Parabeln, in denen das antithetische Zwillingspaar erstgenannt in der Exposition ist. Zur zweiten Gruppe rechnet er neben Lk 16,19–31 auch Mt 25,1–13. Siehe: Harnisch, Gleichniserzählungen 80. Harnisch, Gleichniserzählungen 80.
306
Die Rede Jesu an die Pharisäer: Lk 16,14–31 Handlungssouverän dramatische Hauptfigur ----------------------- dramatische Nebenfigur42
Sich auf Funk beziehend stellt Harnisch fest, dass in der Regel eine der möglichen Beziehungen der Personen unrealisiert bleibt, das Dreieck also offen ist. 43 Der Reiche steht in Beziehung zu Abraham als dem Handlungssouverän und er steht in Beziehung zum Armen. Da Harnisch zwischen diesen beiden Handlungsträgern nur eine gestrichelte Linie zieht, scheint er zu berücksichtigen, dass es ja zu keiner direkten Beziehung und zu keinem Gespräch zwischen Reichem und Armem kommt. Die Beziehung zwischen Abraham und dem Armen bleibt Harnisch zufolge unrealsiert. Hier ist aber doch einzuwenden, dass Lazarus sich im Schoß Abrahams befindet und dass dies – auch wenn Abraham nicht direkt mit Lazarus spricht – Thema des Gesprächs zwischen Abraham und Lazarus ist.44 Daher kann das dramatische Dreieck folgendermaßen dargestellt werden: Handlungssouverän (Abraham) dramatische Hauptfigur ----------------------- dramatische Nebenfigur45 (Reicher) (Lazarus) Es muss berücksichtigt werden, dass dieses Schema zwar die Akteure der Erzählung und ihre Beziehungen zueinander richtig beschreibt, dass aber – darauf hat Heininger nachdrücklich hingewiesen46 – dennoch weitere innerhalb
42 43 44
45
46
Siehe: Harnisch, Gleichniserzählungen 81. Siehe: Harnisch, Gleichniserzählungen 81. Vgl.: Funk, Structure 57. Auch Heininger, Metaphorik 182, ist der Meinung, dass Harnischs Modell in diesem Punkt nicht zutreffend ist. Dies entspricht, abgesehen von der Linie zwischen dramatischer Hauptfigur und Nebenfigur den meisten Parabeln. Neben Lk 16,19–31 sondert Harnisch, Gleichniserzählungen 80, nur Mt 25,1–13 von dieser Gruppe aus. Aber auch in dem Gleichnis von den klugen und den törichten Jungfrauen steht der Bräutigam doch in Beziehung zu beiden Gruppen, auch wenn nur das Gespräch mit den törichten Jungfrauen ausgeführt wird. Funk, Structure 56, der Lk 16,19–31 nur am Rande behandelt, hält es auch für denkbar, das Gleichnis vom Reichen und Lazarus in diese Parabelgruppe einzuordnen. Siehe: Heininger, Metaphorik 182.
Die Erzählung vom reichen Mann und dem armen Lazarus: Lk 16,19–31
307
der Erzählung genannte Personen außen vor bleiben. 47 Es sind dies in Lk 16,19– 31 die Engel, von denen Lazarus in den Schoß Abrahams getragen wird (Lk 16,22), die fünf Brüder des Reichen (Lk 16,28)48 und m. E. auch Mose und die Propheten (Lk 16,29.31).49 Die Engel führen zwar anders als die beiden anderen Personengruppen innerhalb der Erzählung wirklich eine Handlung aus, sie tragen Lazarus in den Schoß Abrahams,50 aber sie können doch nicht als eigentliche Akteure gelten. So treten sie nicht als Subjekt in Erscheinung (ἀπὸ τῶν ἀγγέλων) und sie stehen in unmittelbarer Beziehung zu Abraham (εἰς τὸν κόλπον Ἀβραάμ).51 Interessanter sind m. E. die fünf Brüder sowie Mose und die Propheten. Beide Personengruppen treten nicht als Akteure in Erscheinung,52 sondern begegnen lediglich als besprochene Personengruppen im Gespräch zwischen dem Reichen und Abraham. Der Reiche parallelisiert dabei die Brüder mit sich selbst, er will aber, dass sie rechtzeitig anders handeln als er und deswegen auch ein anderes Schicksal nach dem Tod erfahren. In der im Gespräch zwischen dem Reichen und Abraham angelegten Lösung der erzählten Krise, die der Leser selbst konstruieren muss,53 stehen die Brüder an der Stelle des Reichen. Mose und Propheten können auch als Personen aufgefasst werden, die etwas mitzuteilen haben und auf die zu hören ist. Sie werden in Lk 16,27–31 als „Ersatz“ genannt für Lazarus, der nach Vorschlag des Reichen als von den Toten Zurückgekehrter den Lebenden Handlungsanweisungen geben soll und der somit an Stelle Abrahams als Handlungssouverän und Autorität auftreten würde. Dadurch dass Mose und die Propheten aber als „Ersatz“ für Lazarus und damit als Autorität genannt werden, müssen sie in der vom Leser neu zu konstruierenden Geschichte letztlich von den reichen Brüdern als die Autorität erkannt werden, zu der sie sich von vornherein in Beziehung setzen müssten. Berücksichtigen sie aber diese Autorität, werden sie anders leben, eine direkte Beziehung zu Armen wie Lazarus aufbauen und folglich nicht das Schicksal erleiden, das der Reiche erleiden musste. Insofern könnte man für die fortge47
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Solche Personen treten auch in anderen Gleichnissen (z. B. der Knecht im Gleichnis vom verlorenen Sohn) auf und werden von Harnisch zur Staffage gerechnet. Siehe: Harnisch, Gleichniserzählungen 77. Die Bedeutung der fünf Brüder wird auch herausgestellt von: Bredenhof, Failure and Prospect 44 und 55/7. Es ist bemerkenswert, dass hier von Mose und den Propheten die Rede ist und nicht vom Gesetz und den Propheten. Denkbar ist, dass Lukas hier bewusst Mose und Propheten als Personen darstellen möchte. Lau, Lukas 225, bezeichnet sie als Adjuvanten des Lazarus, während er die Hunde als Opponenten des Lazarus versteht. Heininger, Metaphorik 183, ordnet die Engel Gott zu, den er als Adjuvanten des Lazarus in sein Aktantenmodell einbezieht. Deswegen ist das oben dargestellte dramatische Dreieck, das sich auf die Oberflächenstruktur der Erzählung bezieht, keineswegs unzutreffend. Vgl. das Kapitel 6.3.2. Siehe zum offenen Ende der Erzählung auch: Petracca, Gott oder das Geld 196/8.
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führte, in der Tiefenstruktur der Geschichte angelegte, neue Erzählung folgendes Beziehungsdreieck aufstellen, das nun die gestörte Beziehung zwischen Reichen und Armen korrigiert: Handlungssouverän (Mose und die Propheten) dramatische Hauptfigur (die Brüder des Reichen)
dramatische Nebenfigur (Arme wie Lazarus)
6.3.3 Semantische Implikationen V. 19a Ἄνθρωπος δέ τις ἦν πλούσιος, Ohne weitere Überleitung – lediglich das δέ54 bietet einen kaum ins Gewicht fallenden Übergang – beginnt die Erzählung vom Reichen und dem armen Lazarus.55 Doch die Redeeinleitung von V. 15 καὶ εἶπεν αὐτοῖς wirkt hier noch fort und ordnet die folgende Erzählung der Rede an die Pharisäer zu. Die Wortverbindung ἄνθρωπος δέ τις und hier besonders das τις56 ohne Nennung eines Namens weist den Text als fiktionale Erzählung aus. 57 Mit der Einführung einer fiktiven Person beginnen mehrere Gleichnisse bei Lukas.58 Durch das ἦν 54
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Δέ ist hier als „bloße Übergangspartikel ohne irgendwie bemerkbaren Gegensatz“ (Bauer-Aland 342) zu verstehen, wie an vielen Stellen bei Lukas (so z. B. 3,21; 12,2.11.13.15.50; 13,1.6.10; 15,1.11). Hier kann das δέ darauf hindeuten, dass nun eine neue Textsorte beginnt. Mit der nun folgenden Erzählung wird die Reichtumsthematik, die das gesamte 16. Kapitel prägt, fortgeführt. Das δέ hat hier keinen deutlich wahrnehmbaren adversativen Sinn, wie Hintzen, Verkündigung und Wahrnehmung 121, meint: „Der Mensch bzw. das Gleichnis steht in adversativem (‚aber‘) Verhältnis zu dem dort Gesagten. D. h. auf dem Horizont von v. 16–18: der Mensch ist einer, der in die Gottesherrschaft will, aber den Reichtum über das Gesetz und die Propheten stellt (v. 17) und sich in seinem ‚selbst gerecht machen‘ den ‚Greuel‘-Spruch auf sich zieht.“ Da, wo δέ einen deutlichen adversativen Sinn hat, bezieht es sich auf unmittelbar Vorhergehendes, z. B.: 10,6 und 13,9 (εἰ δὲ μή) oder 12,9 (ὁ δὲ ἀρνησάμενός με). Dass die Parabel Bezüge zum Kontext aufweist, sagt auch: Bredenhof, Failure and Prospect 79/80. Einen Überblick über die umfangreiche Literatur bieten u. a.: Bovon, Lukas III 105/8 und Wolter, Lukasevangelium 552/3. Vgl.: Hintzen, Verkündigung und Wahrnehmung 121. Vgl.: Kapitel 5.1.3 zu Lk 16,1b. So: Lk 10,30 ὑπολαβὼν ὁ Ἰησοῦς εἶπεν· ἄνθρωπός τις κατέβαινεν 12,16 εἶπεν δὲ παραβολὴν πρὸς αὐτοὺς λέγων· ἀνθρώπου τινὸς πλουσίου 14,16 ὁ δὲ εἶπεν αὐτῷ· ἄνθρωπός τις ἐποίει δεῖπνον μέγα 15,11 εἶπεν δέ· ἄνθρωπός τις εἶχεν δύο υἱούς 16,1 ἔλεγεν δὲ καὶ πρὸς τοὺς μαθητάς· ἄνθρωπός τις ἦν πλούσιος
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πλούσιος59 schließt die folgende Geschichte thematisch an die Erzählung von 16,1–8 an. Da es im Folgenden um Reichtum geht, ist auch eine Verbindung zu den als geldliebend charakterisierten Pharisäern in V. 14 gegeben, die „schon in 16,13 in der Rede an die Jünger, die sie mithören, vorgewarnt waren: ‚Ihr könnt nicht Gott und dem Mammon dienen‘.“60 Mit dem das Thema der folgenden Beispielerzählung ankündigenden Wort πλούσιος führt Lukas eine Thematik fort, die sich wie ein roter Faden seit 1,53a/b über 3,10–14; 4,16–30; 6,24–26; 12,13–21; 16,1–8 durch das 3. Evangelium zieht.61 Das Wort πλούσιος, durch das der Rezipient vielleicht bereits hier negativ gegenüber dem ἄνθρωπός τις eingestellt wird,62 begegnet dreimal im Gleichnis, und zwar im Einleitungssatz, dann in V. 21 in der Wendung ἀπὸ τραπέζης τοῦ πλουσίου und am Ende des V. 22 ἀπέθανεν δὲ καὶ ὁ πλούσιος καὶ ἐτάφη. Der anonyme Reiche ist als Typus Vertreter einer besonders einflussreichen sozialen Schicht.63 „Die Eigenschaft wird zur Person“.64 Der in der Erzählung vorgestellte Mensch wird nur für seine Lebenszeit als reich bezeichnet. Denn nach seinem Tod wird er je einmal mit αὐτοῦ (V. 23), αὐτός (V. 24a), αὐτοῦ, αὐτῷ (V. 31) und ὁ δέ (V. 30) bezeichnet, sonst ist er nur das Subjekt in den ihm zuzuordnenden Prädikaten. 65 In den Partien der direkten Rede wird er mit Personalpronomina bezeichnet: με, μου (V. 24 und 27), σου (V. 25 zweimal), σύ (V. 25), σε (V. 27). Abraham nennt ihn
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Vgl. auch: 13,6 und 18,2. Ob πλούσιος hier prädikativ (so: Hintzen, Verkündigung und Wahrnehmung 91 Anm. 3) oder attributiv zu verstehen ist, ist fraglich und für das Verständnis des Textes nicht bedeutend. Dass πλούσιος attributiv aufzufassen sei, vertritt Jülicher, Gleichnisreden II 618, der mit Blick auf 16,1 bemerkt: „und weil dort πλούσιος schwerlich zum Prädikat gehört, wird es auch hier so sein.“ Ich neige eher der Auffassung Jülichers zu. Hoppe, Arm und reich 90. „Das Lk-Evangelium ist zweifellos dasjenige, welches sein Jesus-Porträt am eingehendsten von der Thematik ‚arm und reich‘ bestimmt sein lässt. Die Botschaft an die Armen und die Warnung an die Reichen bis hin zum Verdikt über die Reichen – das ist für das Jesusbild (und daraus resultierend für das Gottesbild) des Lk schlechthin zentral.“ So: Hoppe, Arm und reich 79/80. Vgl. auch: Hoppe, Arm und reich 79/96. Vgl.: Metzger, Consumption and Wealth 136. Bredenhof, Failure and Prospect 52/3, verweist auf Lk 1,51–53; 3,10–14; 6,24–25; 12,16–21; 14,1–14 und 16,14. „If we regard the rich man through Seneca’s or Plutarch’s lens of the stereotypically wealthy, it might be suggested that he gained his wealth through the exploitation of the socially lesspowerful, and maintained his wealth through avarice and tight-fistedness.” So: Bredenhof, Failure and Prospect 144. Vgl.: Klein, Lukasevangelium 552. Man hat den Reichen später mit Namen bezeichnet. Siehe dazu: Jülicher, Gleichnisreden II 621.Vgl. zu den verschiedenen Namen (Νεύης, Νινεύης, Ninevis, Finaeus, Phinees, Amonofis, Amenofis): Cadbury, A proper name for Dives 399/402 und Cadbury, The name for Dives 73. Siehe auch: Fonck, Parabeln 701. Den Reichen mit Namen zu bezeichnen, wird allerdings der Intention des Gleichnisses, ihn als Vertreter einer Statusgruppe darzustellen, nicht gerecht. So: Krüger, Gott oder Mammon 35. ἐπάρας, ὑπάρχων, ὁρᾷ (V. 23), φωνήσας, εἶπεν, ὀδυνῶμαι (V. 24), μνήσθητι, ἀπέλαβες, ὀδυνᾶσαι (V. 25), εἶπεν, ἐρωτῶ (V. 27), ἔχω (V. 28), εἶπεν (V. 30).
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τέκνον. Aber auch an seinem Aufenthaltsort im Jenseits ist er der Vertreter einer Gruppe, der Gruppe der Bestraften und Gepeinigten, worauf der Plural ὑμῶν und ὑμᾶς (V. 26) hindeutet.66 Πλούσιος bezeichnet im eigentlichen Sinn einen Menschen, der reich an materiellem Besitz ist.67 So besitzen neben 16,1 und 16,19 auch an den anderen Stellen bei Lukas, an denen dieser Begriff vorkommt, die Menschen materielle Güter im Überfluss: Dem Kornbauern in 12,16 (ἀνθρώπου τινὸς πλουσίου) hat sein Land eine außerordentlich gute Ernte beschert, die ihm für Jahre ein sorgenfreies Leben gewähren kann, so dass er nicht weiß, wo er seinen Reichtum unterbringen soll. Der Obere (ἄρχων), der Jesus fragt, was er zur Erlangung des ewigen Lebens tun müsse und dem Jesus schließlich rät, all seine Habe zu verkaufen, an die Armen zu verteilen und ihm nachzufolgen, geht traurig weg, da er an seinem großen materiellen Besitz wohl festhalten möchte (ἦν γὰρ πλούσιος σφόδρα; Lk 18,23). Und auch den Oberzöllner Zachäus (καὶ αὐτός πλούσιος; Lk 19,2) und die in 14,12 erwähnten reichen Nachbarn (γείτονας πλουσίους) muss man sich so vorstellen, dass sie reich sind an materiellem Besitz. Im Folgenden, in V. 19b, wird der Status des Reichen entfaltet. Er wird durch seinen Lebensstil charakterisiert. Es wird nicht erwähnt, wie 68 er seinen Reichtum erworben hat, ob er dabei rechtmäßig oder unrechtmäßig vorgegangen ist, ob er ein ehrbarer Kaufmann oder ein skrupelloser Betrüger gewesen ist.69 Dieser Aspekt ist offenbar unwichtig.70 Wichtig ist, wie er mit seinem Reichtum umgeht, wie er seinen Reichtum benutzt. Dies wird gezeigt an seiner Kleidung und seiner Lebensweise. V. 19b καὶ ἐνεδιδύσκετο πορφύραν καὶ βύσσον εὐφραινόμενος καθ’ ἡμέραν λαμπρῶς. Das καί macht deutlich, dass der Status des Reichen im Folgenden entfaltet wird. Denn die Konjunktion ist hier erläuternd aufzufassen und hat die Bedeu-
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Der Plural ἡμῶν und ἡμᾶς, den Abraham gebraucht, lässt sich auf Abraham und Lazarus beziehen. Allerdings ist davon auszugehen, dass auch sie an ihrem Aufenthaltsort nicht allein sind. Vgl.: Dondici, Lazarus 164. Siehe: Bauer-Aland 1353. „Neben der Bedeutung ‚reich‘ im eigentlichen Sinne ist im antiken Sprachgebrauch damit auch eine Aussage über den (gehobenen) Status eines Menschen verbunden. […] Auf jeden Fall soll die Fülle an Lebensgütern, die einem Reichen zur Verfügung steht, zum Ausdruck gebracht werden.“ Hoppe, Arm und reich 61. Dies lässt sich nur beim reichen Kornbauern mit Sicherheit sagen und bei Zachäus auf Grund seiner Tätigkeit erschließen. Vgl.: Bredenhof, Failure and Prospect 13/4, 52 und 130. Seines Erachtens kann nicht ausgeschlossen werden, dass er den Reichtum durch Ausbeutung der Schwachen erworben hat. Siehe hierzu: Metzger, Consumption and Wealth 154.
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tung „und zwar“71. Der Reichtum des Mannes wird zunächst dargestellt an der Art, wie er sich kleidet, nämlich in Purpur und Byssos. „Purpur- und Byssosgewänder sind in der Antike Statussymbole.“72 Das Imperfekt ἐνεδιδύσκετο deutet die Dauer der Handlung und den die Erzählung prägenden Hintergrund an,73 was im Folgenden dann auch durch das καθ’ ἡμέραν zum Ausdruck kommt.74 Das Wort begegnet noch (im Aktiv) Mk 15,17 (καὶ ἐνδιδύσκουσιν αὐτὸν πορφύραν) und (im Aor. Med.) Lk 8,27 (καὶ χρόνῳ ἱκανῷ οὐκ ἐνεδύσατο ἱμάτιον), hier allerdings ohne das die Wiederholung ausdrückende sk-Suffix. In Mk 15,17 wird erzählt, dass man Jesus den „Purpurmantel“ 75 anlegt, um ihn als König zu verspotten. Denn der kostbare Purpurstoff, der mit dem aus der Purpurschnecke gewonnenen Farbstoff gefärbt ist, galt nicht nur im Orient,76 sondern auch in der römischen Antike77 als Kleidung der Herrschenden und Reichen.78 Byssos bezeichnet ein kostbares Gewebe, dessen Material unklar ist.79 In Byssos sind die himmlischen Heere (Apk 19,14) gekleidet. Das Begriffspaar Byssos und Purpur findet sich nur in jüdischen und christlichen Texten. 80 In Offb 18,12 werden Byssos und Purpur neben Gold, Silber, Edelsteinen und ande-
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Siehe: Bauer-Aland 797; Hintzen, Verkündigung und Wahrnehmung 92 und 122. Die EÜ 1980 und die EÜ 2016 machen daraus einen Relativsatz, was jeder textlichen Grundlage entbehrt. Leutzsch, Grundbedürfnis und Statussymbol 19. Vgl.: Jülicher, Gleichnisreden II 618. Seines Erachtens zeigen die Imperfekte, dass es sich um „dauernde Zustände handelt.“ Vgl.: Dondici, Lazarus 155 und Metzger, Consumption and Wealth 135. Vgl. zu καθ’ ἡμέραν: Cadbury, Style 117. Zum Purpur siehe: Blum, Purpur. Bei dem Jesus umgelegten Mantel handelt es sich wohl nicht um ein Kleidungsstück aus echtem Purpur, sondern um einen roten Soldatenmantel. Siehe: Blum, Purpur 254 mit Anm. 272. Siehe: Hintzen, Verkündigung und Wahrnehmung 123; Wolter, Lukasevangelium 558; Blum, Purpur 42/65. Siehe: Hintzen, Verkündigung und Wahrnehmung 123. Vgl.: Lau, Lukas 226. Siehe zum Purpur auch: Leutzsch, Grundbedürfnis und Statussymbol 19/21. Wolter, Lukasevangelium 558, nennt Muschelseide, Baumwolle oder Leinen, verweist auf Philostratus, Vit. Apoll. 2, 20, 1, wo berichtet wird, dass die „normale Bevölkerung“ Kleider aus Leinen trägt, „während die Oberschicht (οἱ φανερώτεροι) sich in Byssus kleidet“, und zitiert Josephus, ant. Iud. XI 331, wo von „Byssus aus Leinen“ die Rede ist. Siehe zur Frage, ob es sich um einen Baumwoll- oder Leinenstoff handelt: Fonck, Parabeln 701/2. Fonck hält einen Leinenstoff für wahrscheinlicher. Nach Metzger, Consumption and Wealth 135, handelt es sich um importierte teure Unterwäsche. Leutzsch, Grundbedürfnis und Statussymbol 2021, schreibt: „Byssos ist ein feines Gewebe aus Leinen oder Baumwolle. Es wurde im Judentum für vornehme Kleider verwendet. Die jüdische Byssosproduktion war berühmt.“ Siehe: Wolter, Lukasevangelium 558.
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ren Luxusgütern genannt.81 Lukas macht mit diesem Begriffspaar deutlich, dass der reiche Mensch zu den Führenden und Mächtigen82 gehört, die allein sich solch luxuriöse Kleidung leisten konnten. Der Satz endet mit dem aus dem Partizip und zwei adverbialen Bestimmungen bestehenden Wortblock εὐφραινόμενος καθ’ ἡμέραν λαμπρῶς, der in seiner kompakten Form die Gemütslage des Reichen, die Intensität und die Qualität des Genießens verdeutlicht.83 Εὐφραίνομαι bedeutet „sich freuen, froh sein“84; das Partizip ist hier absolut gebraucht, d. h. ohne Angabe des Grundes der Freude. Wahrscheinlich ist aber bereits hier an die Freuden eines üppigen Festmahls gedacht 85 so dass der Begriff vorausweist auf V. 2186 Denn auch an den anderen Stellen, an denen Lukas dieses Verb verwendet, ist eindeutig von den Freuden des Essens 87 die Rede. So sagt der reiche Kornbauer in Lk 12,19: καὶ ἐρῶ τῇ ψυχῇ μου· ψυχή, ἔχεις πολλὰ ἀγαθὰ κείμενα εἰς ἔτη πολλά· ἀναπαύου, φάγε, πίε, εὐφραίνου. Das εὐφραίνου fasst die drei vorher genannten Tätigkeiten, Ausruhen, Essen und Trinken, zusammen im Sinne „und freue dich daran“. Dass es sich um die Freude des Essens handelt, wird ganz deutlich in Kapitel 15, in dem das Verb εὐφραίνεσθαι dreimal vorkommt. In 15,23 findet sich die Wendung καὶ φαγόντες εὐφρανθῶμεν; in 15,29 wirft der Sohn dem Vater vor, dass er ihm niemals auch nur einen Ziegenbock gegeben habe, damit er sich mit seinen 81
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γόμον χρυσοῦ καὶ ἀργύρου καὶ λίθου τιμίου καὶ μαργαριτῶν καὶ βυσσίνου καὶ πορφύρας καὶ σιρικοῦ καὶ κοκκίνου, καὶ πᾶν ξύλον θύϊνον καὶ πᾶν σκεῦος ἐλεφάντινον καὶ πᾶν σκεῦος ἐκ ξύλου τιμιωτάτου καὶ χαλκοῦ καὶ σιδήρου καὶ μαρμάρου. Vgl.: Metzger, Consumption and Wealth 135. Möglicherweise handelt es sich bei dem Reichen sogar um einen Angehörigen oder engen Vertrauten des Königshauses. Das Tragen des Purpurs als informelles Statussymbol war nach Blum, Purpur 272, bei Männern in der Zeit des Hellenismus nicht mehr üblich. Der Reiche würde demnach den Purpur als formelles Statussymbol, als „Königspurpur“ tragen. Metzger, Consumption and Wealth 136, weist darauf hin, dass der Reiche in starkem Kontrast zu den Jüngern Jesu steht. Bredenhof, Failure and Prospect 163, sieht den Leser auf Lk 7,25 verwiesen. Scholz, Beobachtungen 70, macht darauf aufmerksam, dass dieser Satz durch „Verknüpfung sinnverwandter Wörter“ mit Verstärkungen arbeitet. Bredenhof, Failure and Prospect 105, sieht in der Art der Darstellung des Reichtums ein Beispiel für die extravaganten Züge einer Parabel. Bauer-Aland 662/3. Nach Jülicher, Gleichnisreden II 619, ist „an die zu festlichen Mahlzeiten gehörige Lustigkeit gedacht.“ So interpretiert auch die EÜ 2016: „Es war einmal ein reicher Mann, der […] Tag für Tag glanzvolle Feste feierte.“ Neutraler übersetzt die EÜ 1980: „Es war einmal ein reicher Mann, der […] Tag für Tag herrlich und in Freuden lebte.“ Dafür, dass hier auch „erotische Vergnügen“, so Bovon, Lukas III 117, gemeint sind, gibt es im Text keine Anzeichen. So schon Hom. Od. II 311; Eur. Alc. 788; Dtn 14,26: καὶ δώσεις τὸ ἀργύριον ἐπὶ παντός, οὗ ἐὰν ἐπιθυμῇ ἡ ψυχή σου, ἐπὶ βουσὶ ἢ ἐπὶ προβάτοις, ἐπὶ οἴνῳ ἢ ἐπὶ σικερα ἢ ἐπὶ παντός, οὗ ἐὰν ἐπιθυμῇ ἡ ψυχή σου, καὶ φάγῃ ἐκεῖ ἐναντίον κυρίου τοῦ θεοῦ σου καὶ εὐφρανθήσῃ σὺ καὶ ὁ οἶκός σου. Dtn 27,7: καὶ θύσεις ἐκεῖ θυσίαν σωτηρίου κυρίῳ τῷ θεῷ σου καὶ φάγῃ καὶ ἐμπλησθήσῃ καὶ εὐφρανθήσῃ ἐναντίον κυρίου τοῦ θεοῦ σου.
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Freunden daran erfreuen konnte (καὶ ἐμοὶ οὐδέποτε ἔδωκας ἔριφον ἵνα μετὰ τῶν φίλων μου εὐφρανθῶ). Und in 15,32 fordert der Vater den älteren Sohn u. a. mit den Worten εὐφρανθῆναι δὲ καὶ χαρῆναι ἔδει, ὅτι ὁ ἀδελφός σου οὗτος νεκρὸς ἦν καὶ ἔζησεν, καὶ ἀπολωλὼς καὶ εὑρέθη dazu auf, am Festmahl anlässlich der Rückkehr des Bruders teilzunehmen. Auch in Kapitel 16 dürfte nur die Freude an einem üppigen Mahl gemeint sein; 88 dafür spricht auch die Bemerkung, dass Lazarus sich an den Brocken sättigen möchte, die vom Tisch des Reichen herabfallen (V. 21). Dieses Mahl, und zwar in üppiger89 und prächtiger Form kann der Reiche jeden Tag genießen, 90 ohne sich Sorgen machen zu müssen, woher er es nimmt. Das εὐφραινόμενος91 zeigt, dass der Reiche über die Kleidung hinaus auch andere Freuden des Lebens, nämlich die Freuden des Mahls, genießt, und dies täglich92 und in prächtiger, d. h. seinem Reichtum entsprechender Form. Wenn auch nichts darüber gesagt ist, ob der Reiche seinen Reichtum schuldhaft erworben hat oder nicht, so können sich doch die als geldliebend bezeichneten und damit reichen Pharisäer in dem Reichen des Gleichnisses wiedererkennen. Wie oben zu V. 14 gezeigt wurde,93 ist übermäßiger Luxus eine Folge großen Reichtums. Dieser Missbrauch des Reichtums wird, wie oben gezeigt, nicht nur in jüdischem Schrifttum,94 sondern auch in der kynischen Philosophie verurteilt.
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Vgl. auch: Fonck, Parabeln 702. Vgl.: Bovon, Lukas III 117. Hintzen, Verkündigung und Wahrnehmung 124, möchte das Adverb mit „stolz“ übersetzen, da es seiner Meinung nach „wahrscheinlich auf das überhebliche Lachen der Pharisäer in 16, 14 […] verweist.“ Für eine solche Übersetzung gibt es keinen Anhaltspunkt. Das Adverb kommt im NT nur an dieser Stelle vor. Das Adjektiv bedeutet hell, leuchtend, prächtig. Siehe: Bauer-Aland 946/7; Liddell-Scott 1028. Dadurch dass das Adverb am Ende des Satzes steht, wird ihm besonderer Nachdruck verliehen. Lukas setzt das Adverb wohl der besonderen Betonung wegen häufig an das Ende des Satzes. Vgl.: Lk 15,13 (ζῶν ἀσώτως) und Apg 28,31 (ἀκωλύτως). Vgl.: Lau, Lukas 226. Sicher steht das εὐφραινόμενος in Beziehung zur Freude des reichen Kornbauern (s. o.), doch dafür, dass es „vielleicht auf das Lachen der Pharisäer (Lk 16,14) zurückdeutet, aber sicher auf das Lachen der mit dem Wehe bedrohten Reichen in Lk 6,25b“ (so: Hintzen, Verkündigung und Wahrnehmung 123/4), gibt es weder einen sprachlichen noch einen textlichen Grund. Hintzen, Verkündigung und Wahrnehmung 124, sieht darin eine Erinnerung an Lk 12,19 εἰς ἔτη πολλά: „Das erinnert zugleich an die dortige Opposition ‚viele Jahre‘ versus ‚(sterben) noch in dieser Nacht‘ (v. 19f.). Die Erwartungshaltung wird also schon auf den Tod des reichen Mannes gesteuert und damit auf Lk 16, 9 verwiesen: “ewige Wohnungen“.“ Zum Luxus im römischen Reich siehe: Weeber, Luxus. Vgl. auch: SteinHölkeskamp, Gastmahl. Siehe: Kapitel 6.1.2. Siehe z. B.: Jes 58,7. Diese Stelle zitiert auch: Bovon, Lukas III 118 Anm. 58.
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V. 20 πτωχὸς δέ τις ὀνόματι Λάζαρος ἐβέβλητο πρὸς τὸν πυλῶνα αὐτοῦ εἱλκωμένος Mit dieser Wendung tritt eine zweite Person auf, die als Kontrast zum Reichen eingeführt wird. Das δέ hat hier adversativen Sinn. Das Wort πτωχός bezeichnet den „Bettelarmen“, einen Menschen, der nichts hat und durch Betteln das für ihn Lebensnotwendige, d. h. die Grundbedürfnisse Nahrung, Kleidung und Unterkunft, von anderen bekommen muss.95 Das griechische Wort πένης hingegen bezeichnet einen Menschen, der arbeiten und sparen muss, sich aber einen dürftigen Lebensunterhalt selbst verschaffen kann. 96 Dem Reichen wird also mit dem Wort πτωχός ein völlig Mittelloser, ein Bettler, gegenübergestellt. Der Arme wird sodann mit Namen genannt. Wie bei Lukas üblich, wird der Name Λάζαρος mit der Wendung ὀνόματι eingeleitet.97 Der Arme ist die einzige Person außer Abraham in einem Gleichnis des NT, die einen Namen trägt. Der Name bedeutet „Gott hilft“.98 Warum der Arme einen Namen trägt, und warum er diesen Namen trägt, lässt sich letztlich nicht beantworten. 99 Versuche eine Antwort zu finden hat es dennoch viele gegeben; die wichtigsten seien hier kurz vorgestellt:100 Die Bedeutung des Namens könnte darauf hinweisen, dass Gott die einzige Hilfe und damit die einzige Hoffnung des Armen ist. 101 Er könn95
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Siehe: Merklein, πτωχός 467; Hintzen, Verkündigung und Wahrnehmung 92; Wolter, Lukasevangelium 248; Hoppe, Arm und reich 60; Heininger, Metaphorik 184 Anm. 24; Dondici, Lazarus 160; Kramer, Lukas 20. Siehe zum Gebrauch dieses Begriffs im profanen Griechisch, in der Septuaginta und im Neuen Testament: Eßer, πτωχός 80/4. Siehe auch: Schäfer-Lichtenberger; Schottroff, Armut 24. Leutzsch, Grundbedürfnis und Statussymbol 10/8, macht mit Verweis auf z. B. Platon, Politeia 369b–d und Sir 29,21 deutlich, dass Nahrung, Kleidung, aber auch eine Unterkunft zu den Grundbedürfnissen gehören. Siehe: Passow 802. Vgl. zur Bedeutung des Wortes πένης im profanen Griechisch, in der Septuaginta und bei Philo (im Neuen Testament kommt es nur in 2 Kor 9,9 als Zitat vor): Hauck, πένης 37/40 und Coenen, πένης 75/6. Siehe auch: Petracca, Gott oder das Geld 18/9. Dagegen weist Prell, Armut 48/9, darauf hin, dass in hellenistischer Zeit und in der Kaiserzeit der Begriff πτωχός das Wort πένης immer mehr abgelöst habe, dass sich die ursprünglichen Bedeutungsinhalte in der Septuaginta vermischt hätten und dass πτωχός den Begriff πένης im Neuen Testament vollkommen abgelöst habe. Auch das Indefinitpronomen τις vor ὀνόματι ist typisch lukanisch. Siehe hierzu: Cadbury, Style 155. Siehe zu dem Namen z. B.: Nolland, Luke 828. Der Name war wohl in der Zeit der Abfassung des Evangeliums geläufig, weswegen von einigen Exegeten vermutet wird, dass der Name gar keine tiefere Bedeutung in der Erzählung habe. Siehe hierzu: Bredenhof, Looking for Lazarus 58. So auch: Wolter, Lukasevangelium 558. Diese werden aufgelistet bei: Krüger, Gott oder Mammon 37. Vgl. auch den Aufsatz von Bredenhof, Looking for Lazarus 51/67, der 13 Interpretationsansätze aufführt. Siehe: Metzger, Consumption and Wealth 137. Bredenhof, Looking for Lazarus 56/8, bezweifelt, dass der hebräische oder aramäische Hintergrund des Namens den Rezipienten des Lukasevangeliums bekannt gewesen sei. Er geht davon aus, dass Lukas die Etymologie des Namens erklärt hätte, wenn ihm die Bedeutung des Namens wichtig gewe-
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te auch deswegen namentlich genannt sein, weil auch Abraham, in dessen Schoß Lazarus später gelangt, einen Namen trägt. Ein dritter Erklärungsversuch, dass das Gleichnis sich auf eine bekannte Person und ein konkretes Schicksal beziehen könnte,102 ist sehr unwahrscheinlich, da der Reiche sonst wohl auch als konkrete Person mit einem Namen bezeichnet wäre und da der Text die typische Struktur einer Parabel aufweist.103 Als weiteres Argument für die Verwendung des Namens wird angegeben, das Vorkommen des Namens spiegele die im Proömium genannte Absicht des Lukas wider, sorgfältig allem nachzugehen. Allerdings stellt sich dann die Frage, warum Lukas doch nur hier in seinen Parabeln einen konkreten Namen verwendet. 104 In jüngster Zeit wird wieder die These vertreten, der Name Lazarus, der eine griechische Variante des hebräischen Namens Eliezer sei, beziehe sich auf Eliezer, den Knecht Abrahams.105 Wie Eliezer stehe auch Lazarus in enger – auch körperlicher – Beziehung zu Abraham, der reiche Mann sehe in Lazarus den Knecht Abrahams, Eliezer werde von Abraham in das „Haus meines Vaters“ (Gen 24,38) geschickt, wie auch Lazarus nach Aufforderung des reichen Mannes in das „Haus meines Vaters“ geschickt werden solle.106 Allerdings sind die Bezüge zwischen Eliezer und Lazarus doch sehr vage,107 außerdem stellt sich die Frage, ob die Rezipien-
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sen wäre. Außerdem sei der Name auch für andere glücklose Personen in den Parabeln des Lukasevangeliums passend. So: Fonck, Parabeln 699. Bredenhof, Looking for Lazarus 58/9, spricht sich klar gegen diese These aus. Er argumentiert mit der typischen Struktur der Erzählung als Parabel. Vgl. zu dieser Interpretation: Bredenhof, Looking for Lazarus 59. Er argumentiert dagegen: „However, this authorial miticulousness is not an explanation of the name’s significance in the parable as such.“ Siehe den Aufsatz von: Yoder, Bosom 2/24. Yoder bezieht sich vor allem auf Gen 22–24. Neben thematischen Übereinstimmungen führt er sprachliche Bezüge zwischen der Lazaruserzählung und den Stellen in Gen nach der Fassung der Septuaginta an. Yoder sieht auch inhaltliche und sprachliche Parallelen zwischen der Lazaruserzählung und der Hioberzählung in der Septuagintafassung. Siehe zu diesen exemplarisch angeführten und zu weiteren angeblichen Parallelen: Yoder, Bosom 11/7. So wechseln die Bezugspunkte in der Argumentation Yoders. Einerseits betont Yoder z. B. einen engen körperlichen Kontakt zwischen Eliezer (Gen 24,2.9) und Lazarus (Lk 16,22) auf der einen und Abraham auf der anderen Seite, dann aber sieht er einen Bezug zwischen Gen 24,2 (der Aufforderung Abrahams an seinen Knecht, dass dieser die Hand unter seine Hüfte lege) und Lk 16,24 und der Aufforderung des reichen Mannes, dass Lazarus dessen Zunge mit Wasser berühre. Siehe: Yoder, Bosom 12/3 und 14. Auch vergleicht er (allerdings sprachlich) den Tod Sarahs und deren Begräbnis mit dem Tod des reichen Mannes. Während in Gen 24 Gott einen Engel vor Eliezer hersende, so werde Lazarus von Engeln in den Schoss Abrahams getragen. Vgl.: Yoder, Bosom 13/5. Die sprachlichen Bezüge, die zweifelsohne vorliegen, lassen sich durch die Verwendung des Septuagintastils durch Lukas erklären. Natürlich ist denkbar, dass Lukas die von Yoder genannten Stellen im Kopf hatte, ein so expliziter (auch inhaltlicher) Bezug, wie Yoder
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ten des Lukasevangeliums die Bezüge auch erkannt hätten und ob Lazarus dann nicht besser mit dem Namen „Eliezer“ statt mit dem Namen „Lazarus“ bezeichnet worden wäre. Nach einem weiteren Erklärungsansatz wird der Arme „beim Namen genannt, da er konkret die ansonsten anonyme und herabgesetzte Masse der Notleidenden vor Gott und den Reichen vertritt. In Lazarus werden alle Mittellosen zu Personen und Subjekten.“ 108 Diese These, die jüngst von R. Bredenhof weiterentwickelt wurde, betont, dass dem Armen durch die Bezeichnung mit einem Namen die Wertschätzung Gottes zugesprochen wird, eine Würde des Armen, die der reiche Mann gerade nicht erkannt hat. Während der Arme einen Namen trägt, bleibt der Reiche namenlos, wodurch das Motiv der eschatischen Umkehr der Verhältnisse unterstützt werde. 109 Aber eine Identifikation der Armen mit Lazarus dürfte leichter sein, wenn der Arme wie der Reiche, der auch für eine Gruppe steht, keinen Namen trüge. Andererseits wird gesagt, dass der Arme gerade deswegen einen Namen trage, da sein Schicksal auf diese Weise individualisiert und nicht direkt auf alle übertragbar erscheine, wogegen allerdings das Motiv der Umkehr der Verhältnisse im Lukasevangelium spricht.110 Am wahrscheinlichsten erscheint die These zu sein, „dass der Arme aus narrativen Gründen einen Namen hat, denn nur so kann er in dem Dialog des Reichen mit Abraham ab V. 24 als eine bestimmte Person identifiziert werden, ohne dass auf umständliche Umschreibungen zurückgegriffen werden muss.“111 Denn in dem Dialog zwischen Abraham und dem ehemals Reichen ist der ehemals Arme die besprochene Person. Nach der Umkehrung der Verhältnisse kann der ehemals Arme nicht mehr wie zuvor in den V. 20 und 22 als solcher benannt werden, der Autor hätte auf eine Umschreibung wie „der, der früher vor meinem Tor lag“ zurückgreifen müssen. 112 Auch
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ihn behauptet, dürfte aber nicht gegeben sein. Siehe gegen die von Yoder vorgetragene Auffassung auch: Bredenhof, Looking for Lazarus 61/2. Krüger, Gott oder Mammon 37. Vgl.: Bredenhof, Failure and Prospect 46. Siehe zur Interpretation Bredenhofs: Bredenhof, Lazarus 64/7. Gradl, Zwischen Arm und Reich 241, betont, dass durch die Tatsache, dass der Reiche nicht mit Namen bezeichnet wird, eine Distanz zwischen dem Leser und diesem geschaffen wird und die Sympathie und das Mitgefühl so auf den namentlich bezeichneten Lazarus gelenkt werden. Siehe: Bredenhof, Lazarus 60. Seines Erachtens spricht die im Lukasevangelium vorliegende Betonung des Motivs der Umkehr der Verhältnisse gegen diese Auffassung. Wolter, Lukasevangelium 558. Dagegen wendet Bredenhof, Lazarus 61, ein, dass auch andere lukanische Parabeln (er verweist auf Lk 11,5–8 und 15,11–32) Dialoge enthielten, ohne dass die Handlungsträger Namen hätten. Allerdings liegt in Lk 11,5–8 keine Parabelerzählung im eigentlichen Sinne vor, außerdem geht es nur um relativ kurze Rede und Gegenrede von zwei Personen. In Lk 15,11–32 ist die Identifizierung der sprechenden und besprochenen Personen durch das eindeutige Verwandtschaftsverhältnis unmissverständlich. Dass die Bezeichnung des Armen mit einem Eigennamen vor allem eine narrative Funktion und keine tiefere Bedeutung hat, zeigt sich daran, dass der Arme in V. 22 als πτωχός und gerade nicht mit dem vorher in V. 20 eingeführten Eigennamen bezeichnet wird. So wird außerdem in V. 22 der πτωχός noch einmal in Gegensatz zum πλούσιος gestellt.
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der Reiche wird nach der Umkehrung der Verhältnisse nicht mehr als „der Reiche“ bezeichnet, er wird mit αὐτὸς (V. 24) bzw. als in Prädikaten enthaltenes Subjekt (V. 23; 27; 30) als Handlungsträger eingeführt,113 wobei der Bezug auf den ehemals Reichen für den Leser eindeutig ist. Auf diese Weise unterstreicht Lukas, dass der ehemals Reiche nun der Arme und der ehemals Arme nun der Reiche ist. Der Arme liegt vor dem Tor des Reichen, der offenbar ein großes Haus besitzt. Denn es hat einen Pylon, eine Vorhalle oder einen Torbau. 114 Der Reiche wohnt entsprechend seinem Vermögen oder vielleicht auch aufgrund seiner adligen Herkunft in einem repräsentativen Haus, vor dessen Torbau der Arme liegt,115 der kein Dach über dem Kopf hat und insofern der Witterung ausgesetzt ist.116 Mit αὐτοῦ (seines = des Reichen) wird die Verbindung zwischen dem Reichen und dem Armen hergestellt. Es ist anzunehmen, dass der Reiche von Lazarus Kenntnis hatte, dass er ihn vor seinem Tor sah und ihn mit Namen kannte,117 wie es sich aus dem Gespräch im Jenseits ergibt. 118 Das Tor, das eine Verbindung zwischen Lazarus und dem Reichen ermöglicht hätte, das der Arme aber offenbar nicht durchschreiten kann und durch das der Reiche sich ihm nicht zuwendet, stellt hier – entgegen seiner Funktion, die Räume des Außen und Innen zu verbinden – eine Trennung zwischen Reichem und Armen dar. 119
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Dieser Tatsache trägt die EÜ sowohl in der Fassung von 1980 als auch in der Ausgabe von 2016 nicht Rechnung, weil sie in V. 27 das griechische εἶπεν δέ als „Da sagte der Reiche“ übersetzt. Im Gegensatz zu θύρα und πύλη bezeichnet das Wort πυλών einen repräsentativen Eingang zu einem großen Haus. Vgl.: Balz, πυλών 477; Bovon, Lukas III 119 Anm. 69; Hintzen, Verkündigung und Wahrnehmung 93. Jülicher, Gleichnisreden II 619, vertritt allerdings die These, dass solche Vorbauten auch in bescheidenen Formen vorkamen und deshalb nicht aufgrund des Vorbaus auf die Vornehmheit des Hauses geschlossen werden könne. Das πρός mit Akk. gibt das Ziel zu der im Verb βάλλειν ausgedrückten Handlung an. Jülicher, Gleichnisreden II 619, versteht πρός als „bei“ oder „nahe an“. Bei der Schilderung des Kontrasts zwischen dem Reichen und Armen wird also neben der Nahrung und der Kleidung implizit auch auf die Unterkunft verwiesen. Neben Nahrung und Kleidung wird oft auch die Unterkunft zu den Grundbedürfnissen des Menschen gezählt. Siehe: Leutzsch, Grundbedürfnis und Statussymbol 10/3. Anders sieht es: Bovon, Lukas III 110/11: „Merkwürdig ist, daß die beiden, obwohl sie Zeitgenossen und Nachbarn sind, einander offensichtlich nicht kennen und sich noch nie begegnet sind. […] Er sieht jenen, den er auf Erden nicht zu sehen vermochte“. Vgl. dagegen: Wolter, Lukasevangelium 558: „Lazarus wird nicht einfach beziehungslos neben den Reichen gestellt, sondern zu einem Bewohner von dessen Welt gemacht und in dessen Leben eingeschrieben. Der Erzähler legt ihn ‚vor seinem (sc. des Reichen) Tor‘ ab (20), und er legt ihm das Verlangen bei, sich von den Abfällen der Mahlzeiten des Reichen ernähren zu dürfen (21a).“ Vgl.: Bredenhof, Failure and Prospect 58/9. Vgl.: Krüger, Gott oder Mammon 36. Vgl.: Jensen, Diesseits und Jenseits 52.
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Das Plusquamperfekt ἐβέβλητο drückt aus, dass sich in der Vergangenheit aus der Handlung des Werfens ein Zustand ergeben hat: das Liegen. 120 Ob der Arme sich selbst vor das Tor des Reichen gelegt hat (Medium) oder etwa von Freunden oder Angehörigen dorthin geworfen/gelegt wurde (Passiv), 121 was die Hilflosigkeit des Armen betonen würde,122 lässt der Text offen.123 Dass Lazarus gelähmt war,124 ist eher unwahrscheinlich. Zu dieser Interpretation haben wohl die Stellen bei Matthäus geführt, an denen das Partizip Perfekt Passiv von βάλλω dieselbe Bedeutung hat wie Lk 16,20, nämlich „liegen“.125 Aber an den beiden Stellen bei Mt wird die Lähmung ausdrücklich erwähnt. 126 An zwei anderen Stellen, die als sprachliche Parallelen für die Bedeutung des ἐβέβλητο angeführt werden können, wird ebenfalls die Krankheit als Grund für das Daniederliegen genannt, nämlich Fieber und die Erschöpfung nach einer Dämonenaustreibung.127 Auch in Lk 16,20 wird mit εἱλκωμένος der Grund für das Liegen vor dem Tor des Reichen klar benannt: Er liegt dort, weil sein Körper Verwundungen aufweist. Wahrscheinlich ist er aufgrund dieser Wunden arbeitsunfähig und deshalb auf Betteln angewiesen. 128 Mit dem Partizip Perfekt Passiv129 εἱλκωμένος wird die missliche Lage des Armen konkret gezeichnet.130 Im Gegensatz zum Reichen, der in Purpur und 120 121
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Vgl. zu diesem Begriff: Strong, Lazarus 179. Vgl.: Kramer, Lukas 153 und Fonck, Parabeln 703. Metzger, Consumption and Wealth 139, hält es für möglich, dass Freunde oder Familienangehörige Lazarus, der aufgrund seiner chronischen Hautkrankheit unrein gewesen und sich eigentlich außerhalb der Stadt hätte aufhalten sollen, vor das Tor des Reichen gelegt haben in der Hoffnung, dass er hier das Nötigste erhalte. Vgl.: Gradl, Zwischen Arm und Reich 241 und Metzger, Consumption and Wealth 139. Jülicher, Gleichnisreden II 619, zieht mit Blick auf Joh 5,7 in Erwägung, dass im Wort βάλλειν hier das Gewaltsame oder Geringschätzige mitschwinge, schlägt als Übersetzung aber „er lag“ vor. Vgl.: Vogels, Having or Longing 30. So: Jeremias, Gleichnisse 183. Jülicher, Gleichnisreden II 619, ist der Meinung, dass Lazarus „sich selber nicht mehr bewegen oder auch nur aufrecht erhalten konnte.“ Mt 8,6: καὶ λέγων· κύριε, ὁ παῖς μου βέβληται ἐν τῇ οἰκίᾳ παραλυτικός, δεινῶς βασανιζόμενος. Mt 9,2: καὶ ἰδοὺ προσέφερον αὐτῷ παραλυτικὸν ἐπὶ κλίνης βεβλημένον. Vgl.: Hintzen, Verkündigung und Wahrnehmung 93. Mt 8,14: Καὶ ἐλθὼν ὁ Ἰησοῦς εἰς τὴν οἰκίαν Πέτρου εἶδεν τὴν πενθερὰν αὐτοῦ βεβλημένην καὶ πυρέσσουσαν· Mk 7,30: καὶ ἀπελθοῦσα εἰς τὸν οἶκον αὐτῆς εὗρεν τὸ παιδίον βεβλημένον ἐπὶ τὴν κλίνην καὶ τὸ δαιμόνιον ἐξεληλυθός. Vgl.: Petracca, Gott oder das Geld 19 und Bredenhof, Lazarus 52. Siehe auch: Jeremias, Gleichnisse 183. Yoder, Bosom 18/9, weist darauf hin, dass der Reiche, dadurch dass Lazarus vor seinem Tor lag, in eine Krise gekommen sei, die er aber nicht als solche erkannt habe und die nicht zu einer Selbstreflexion geführt habe. Seines Erachtens wird Lazarus – wie in Gen 22 und 24 Eliezer – von Abraham zur Prüfung des Reichen gesandt. Der Begriff ἑλκόω, Substantiv ἕλκος, findet sich nur an dieser Stelle im NT, während er außerhalb des NT noch vorkommt: z. B. Xen. equ. 1,4; 5,1, Plut. Phoc. 742 (2,3). Siehe: Bauer-Aland 507. Hintzen, Verkündigung und Wahrnehmung 94, denkt an ein Perfectum Intensivum „über und über mit Eiterbeulen bedeckt“. Jensen, Diesseits und Jenseits 54,
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Byssos gekleidet ist, bedecken den Armen Wunden. Während diese Wunden in der exegetischen Literatur oft als Geschwüre,131 Hautkrankheit132 oder sogar als lepröser Aussatz133 bezeichnet werden, weist J. D. Strong anhand von zahlreichen Parallelstellen nach, dass der Begriff ἕλκος allgemein eine Verwundung bezeichnet, die die unterschiedlichsten Ursachen haben kann.134 Ob diese Wunden entzündet sind oder eitern, lässt sich vom Begriff her ebenfalls nicht mit Sicherheit sagen.135 Das Partizip Perfekt Passiv εἱλκωμένος steht aber in jedem Fall im Gegensatz zu dem ἐνεδιδύσκετο πορφύραν καὶ βύσσον. Während der Reiche in den kostbarsten Gewändern gekleidet ist, weist der Körper des Armen Verwundungen auf.136 Dieser „Gegensatz zur Luxuskleidung des Reichen […] ist viel stärker als etwa Lumpen oder erbärmliche Kleiderfetzen.“ 137 V. 21a καὶ ἐπιθυμῶν χορτασθῆναι ἀπὸ τῶν πιπτόντων ἀπὸ τῆς τραπέζης τοῦ πλουσίου‧ Auch das unmittelbar angeschlossene Partizip ἐπιθυμῶν bezeichnet die Notlage des Armen und stellt zugleich die Konsequenz des εἱλκωμένος dar:138 Weil Lazarus an Wunden leidet und vielleicht krank ist, kann er nicht selbst für
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macht darauf aufmerksam, dass „der Reiche sich mit Kleidern bekleidet (Reflexiv-Aktiv), während der Arme mit Geschwüren bedeckt ist (Passiv).“ Nach Metzger, Consumption and Wealth 136, drücken die Partizipien aus, dass es sich nicht um eine momentane Notlage des Lazarus handelt: „Lazarus has been here for many years.“ Metzger, Consumption and Wealth 139 Anm. 111, erklärt, dass der ganze Körper des Lazarus von Geschwüren bedeckt sei. Nach Fonck, Parabeln 703, litt der Arme „an einer bösartigen Hautkrankheit und war voller eiternder und nicht heilender Wunden“. Siehe: Gradl, Zwischen Arm und Reich 243. Er schreibt, dass den als Adressaten gedachten Pharisäern „bei der Vorstellung eines leprösen und mit Hundespeichel besudelten Bettlers förmlich der Angstschweiß auf der Stirne und Ekel im Gesicht stehen“ muss. Hätte Lazarus Lepra gehabt, wäre es aber doch sehr unwahrscheinlich, dass der reiche Mann ihn überhaupt in der Nähe seines Hauses geduldet hätte. Vgl.: Bredenhof, Lazarus 53. Siehe: Strong, Lazarus 179/83. „As with the noun, examples abound of the verb conveying different meanings in this form: ‘ulcerated‘ from disease, ‘wounded‘ from fighting, or ‘wounded‘ neither from violence nor disease.“ Strong, Lazarus 182/3. „It may be, in fact, a deliberate choice by the author to select this flexible lemma, which permits the hearer to imagine Lazarus suffering from various kinds of lesions – sores, cuts, abrasions, sunburns, some wounds suppurated, others not – as those people hungry and exposed on the street often do.“ Strong, Lazarus 183. Prell, Armut 69, weist mit Bezug auf Bettler in Rom darauf hin, dass Bettler geprägt seien von Hunger, Alter, körperlichen Gebrechen und einem ungepflegten Äußeren. Krüger, Gott oder Mammon 38. Dondici, Lazarus 155, weist darauf hin, dass durch die Verwendung des Partizips Perfekt eine dauerhafte Situation bezeichnet wird.
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seinen Lebensunterhalt sorgen139 und deshalb nur wünschen, am Überfluss des Reichen teilzuhaben. Das Partizip ἐπιθυμῶν steht im Gegensatz zu εὐφραινόμενος. Während der Reiche sich sorglos-unbeschwert an seinen üppigen Mahlzeiten erfreuen kann, begehrt der Arme, er ist in seiner physischen und sicherlich auch psychischen Notlage ganz darauf konzentriert, seinen Hunger zu stillen. Sein Denken und Wollen ist gerichtet auf seine unmittelbare Umgebung, das prächtige Haus des Reichen. Sein Verlangen zielt darauf, sich mit den vom Tisch des Reichen herabfallenden Speisestücken zu sättigen. Χορτάζεσθαι bedeutet „sich sättigen, satt werden“ 140 und kann sowohl absolut, d. h. ohne Angabe dessen, womit man sich sättigt, gebraucht werden 141 als auch mit dem Genitiv verbunden werden, der das Mittel der Sättigung angibt.142 Die Präposition ἀπό ist hier partitiv zu verstehen.143 Der Arme hat also den Wunsch, sich von einem Teil der vom Tisch herabfallenden Speisen zu sättigen. Diese Formulierung betont so auch indirekt den Überfluss des Reichen,144 denn das vom Tisch des Reichen Herabfallende würde ausreichen, um mehrere Menschen zu sättigen.145 Ob die Speisereste unbeabsichtigt herunterfallen oder von den Speisenden absichtlich hinuntergeworfen werden, ist für den, der „unten“ liegt, nicht von Interesse. 146 Der Genitiv Plural des Partizips Präsens ist neutral aufzufassen, d. h. die Dinge, die herunterfallen, werden nicht genannt oder beschrieben. Es könnte sich um Brotkrumen handeln, mit denen die Speisenden ihre Finger vom Fett reinigten. 147 Es kann sich aber auch um heruntergefallene Speisebrocken oder heruntergeworfenen Abfall handeln.148 Bei Mt 15,27149 und Mk 7,28150 ist die Rede von Hündchen, die von den
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Vgl.: Nolland, Luke 828. Vgl.: Bauer-Aland 1762. Bredenhof, Lazarus 55, verweist auf Lk 6,21, auf die zweite Seligpreisung, in der den Hungernden Sättigung versprochen wird. So z. B.: Mt 14,20; 15,37; Mk 6,42; 7,27; 8,8; Lk 6,21. So z. B.: Mk 6,4. Siehe: Bauer-Aland 173. Vgl. auch: Mt 27,21; Lk 9,38; 19,39; Mt 15,27; Lk 16,21. Vgl.: Lau, Lukas 226. Damit deutet diese Stelle voraus auf Lk 21,4, wo Jesus über die Opfergaben der Reichen im Tempel sagt, sie gäben nur von ihrem Überfluss: πάντες γὰρ οὗτοι ἐκ τοῦ περισσεύοντος αὐτοῖς ἔβαλον εἰς τὰ δῶρα. Der Grund hierfür dürfte sein, dass sie „geldgierig“ sind. Damit weist die Stelle zurück auf die als φιλάργυροι bezeichneten Pharisäer 16,14. Siehe auch: Hintzen, Verkündigung und Wahrnehmung 126. Anders als die in Lk 21,4 beschriebenen Reichen gibt der Reiche im Gleichnis Lazarus aber überhaupt nichts. „Auf den Boden gefallene Speisen und Speisereste hatten in der Antike nichts Ehrenrühriges an sich. Sie waren vielmehr Zeichen von Luxus und Überfluss derjenigen, die sich um das tägliche Brot wahrlich keine Sorgen machen mussten.“ Lau, Lukas 226. So: Jeremias, Gleichnisse 183 und Bovon, Lukas III 119/20. Ein Mosaik aus Aquileia, das sich heute in den Vatikanischen Museen befindet, zeigt einen Fußboden nach einem Mahl, auf dem sich herabgefallene Speisen und Speiseabfälle befinden.
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Brotresten essen, die vom Tisch des Herrn herabfallen.151 Bei Gastmählern reicher Leute scheint die Präsenz von Hunden üblich gewesen zu sein. 152 Sie waren offenbar Zeichen für Wohlstand, da der Gastgeber es sich leisten konnte, Hunde zu füttern.153 Auch wenn das Vorhandensein von Hunden in Lk 16,21 nicht explizit erwähnt wird, kann vermutet werden, dass Hunde bei den Mahlzeiten des reichen Mannes anwesend waren. Der an Hunger leidende Lazarus, der das Speisezimmer des reichen Mannes vom Torbau aus sicher nicht einsehen kann, stellt sich die üppigen Mahlzeiten des Reichen vor und wünscht, wie ein Hund von den Mahlzeiten des Reichen zu profitieren. Dieser Wunsch zeigt deutlich, in welcher Notlage sich Lazarus befindet.154 Die Formulierung in Lk 16,21155 betont, wie gesagt, den Reichtum und Überfluss des Reichen: Denn lediglich ein Teil dessen, was beim Reichen als Abfall anfällt, würde ausreichen, den Hunger des Lazarus zu stillen. Mit der Ortsbestimmung ἀπὸ τῆς τραπέζης τοῦ πλουσίου wird der Blick des Zuhörers von außen, dem Tor, gewendet hinein in den Speisesaal im Inneren des Hauses und zugleich zurückgewendet auf die in V. 19 geschilderte Person, den Reichen, der hier durch den Genitiv τοῦ πλουσίου erwähnt wird. Damit wird beim Zuhörer oder Leser eine Erwartung evoziert,156 „die bestätigt oder enttäuscht werden kann“.157 Man fragt sich nämlich, ob der Reiche vom Armen Notiz nimmt oder nicht.
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Ἡ δὲ εἶπεν· ναὶ κύριε, καὶ γὰρ τὰ κυνάρια ἐσθίει ἀπὸ τῶν ψιχίων τῶν πιπτόντων ἀπὸ τῆς τραπέζης τῶν κυρίων αὐτῶν. ἡ δὲ ἀπεκρίθη καὶ λέγει αὐτῷ· κύριε, καὶ τὰ κυνάρια ὑποκάτω τῆς τραπέζης ἐσθίουσιν ἀπὸ τῶν ψιχίων τῶν παιδίων. „Dieses Bild von den Hunden und den Speiseresten scheint sprichwörtlich geworden zu sein.“ So: Bovon, Lukas III 119. Martial erwähnt in Epigramm X 5 Bissen von schäbigem Brot, das für Hunde bestimmt sei (caninas panis inprobi buccas). Vgl.: Strong, Lazarus 187 und 192, der auf Xenophon mem. 2.7.13, Aesop Fab. 283 und Oppian kyn. 472–76 verweist. Vgl.: Strong, Lazarus 192. Ebenso wünscht auch der jüngere Sohn in Lk 15 lediglich, etwas von dem Futter der Schweine abzubekommen. Auch als er zum Vater zurückkehrt, möchte er lediglich wie ein Tagelöhner aufgenommen werden. Während der Vater dem jüngeren Sohn entgegenkommt und ihn als Sohn wieder aufnimmt, erfährt Lazarus keine Zuwendung von Seiten des Reichen. Siehe auch: Strong, Lazarus 192. Die Formulierung 16,21 lässt durch ihre Ähnlichkeit an den ungestillten Hunger des verlorenen Sohnes (Lk 15,16: καὶ ἐπεθύμει χορτασθῆναι ἐκ τῶν κερατίων) denken, der wie der Arme im Gleichnis auch ganz „unten“ ist. Siehe auch: Donahue, Gospel 170. Siehe: Wolter, Lukasevangelium 558/9, der von einem „narrativen Knotenpunkt“ spricht. Vgl.: Schnider; Stenger, Tür 277. Wolter, Lukasevangelium 559.
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V. 21b ἀλλὰ καὶ οἱ κύνες ἐρχόμενοι ἐπέλειχον τὰ ἕλκη αὐτοῦ. Die beim Leser evozierte Erwartung, der Reiche könne vielleicht zum Tor kommen, um sich um den Armen zu kümmern, wird nicht erfüllt. 158 Statt des Reichen kommen Hunde, die seine Wunden lecken. Sehr wahrscheinlich handelt es sich bei diesen Hunden um herumstreunende Straßenhunde 159 und nicht um Hunde, die zum Besitz des Reichen gehören.160 Denn Jagd- und Schoßhunde dürften teuer und kostbar gewesen sein, so dass man sie nicht einfach auf der Straße hätte herumlaufen lassen. 161 Wachhunde waren in der Regel angekettet.162 Der Hund gilt im Alten Testament mit wenigen Ausnahmen163 als „verächtliches Tier, […] das immer hungrig (Jes 56,11) herumstreifend sich von dem ernähren muss, was als Abfall fortgeworfen wird (Ex 22,31; vgl. JosAs 10,13; 13,8), oder durch frechen Überfall auf das, was in Schwäche, Krankheit, Einsamkeit wehrlos ist.“ 164 Auch wenn Hunde in der Antike als treue Begleiter des Menschen häufig erwähnt werden 165 und auch wenn der Speichel von Hunden heilende Wirkung haben soll,166 dürfte die Erwähnung der Hunde, die sich Lazarus nähern167 und die seine Wunden lecken, hier zeigen, dass er sich auf der niedrigsten Stufe menschlicher Existenz befindet. Er liegt auf der Straße, er liegt da wie Abfall, ist schwach, krank und einsam. 168 Selbst die vom 158
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Die Sicht Kleins, Lukasevangelium 553, dass der Arme als Nahrung nur Abfälle erhalte, die seine Sehnsucht nach Essen stillen, ist sicherlich unzutreffend. Allerdings sagt er selbst, dass nicht gesagt werde, dass Menschen ihm diese Abfälle gäben. Wie der verlorene Sohn die Futterschoten, die er begehrt, nicht erhält (Lk 15,16), so geht auch das Verlangen des Lazarus ins Leere. Vgl.: Petracca, Gott oder das Geld 185. Vgl.: Jeremias, Gleichnisse 183. So auch: Ernst, Lukas 356 und G. Schneider, Lukas 341. Vgl.: Byrne, Stewardship 6; Heininger, Metaphorik 184 und Metzger, Consumption and Wealth 138/9. Siehe auch: Bietenhard, κύων 1713 und Bredenhof, Lazarus 53. Derrett, XVI II 372, vertritt dagegen die Ansicht, bei den Hunden handle es sich um Hunde des reichen Mannes. Dass es Hunde des Reichen seien, vertritt auch: Nolland, Luke 828. Dies hält Welzen, Lucas 176, für möglich. Er sieht in den Hunden, die die Möglichkeit haben, von drinnen nach draußen zu wechseln, einen Kontrast zu Lazarus, dem diese Möglichkeit verwehrt ist. Er muss draußen bleiben. Einen Jagdhund lobt Martial in XIV 200, ein Schoßhündchen in IV 198. Wie sehr Schoßhündchen geschätzt werden konnten, zeigt Martials Epigramm I 109 auf das Hündchen Issa. Zu den Hunden in der Antike siehe: Toynbee, Tierwelt 94/109. Ijob 30,1 als Hirtenhund; Jes 56,10; Tob 11,4 als Wachhund. Siehe: Pedersen, κύων 822. Siehe auch: Kreuzer, κύων 1713. Pedersen, κύων 822. Siehe auch: Jülicher, Gleichnisreden II 620. Als unreine Tiere im kultischen Sinn galten Hunde allerdings nicht. Siehe: Strong, Lazarus 187. Siehe hierzu: Strong, Lazarus 185/8. Siehe: Strong, Lazarus 188/91. Der „Zusatz ἐρχόμενοι malt die hungrige Gier, mit der die Bestien über den Aermsten herfallen“. So: Jülicher, Gleichnisreden II 620. „Die Hunde, die Lazarus ablecken (V 21), sind ein Symbol für seine Ausgeliefertheit und sein Außenseitertum.“ So: Petracca, Gott oder das Geld 185.
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Tisch herabfallenden Speisereste, von denen die Hunde des Reichen sicher profitieren, sind für Lazarus unerreichbar. 169 Für die Straßenhunde ist er wie der Abfall der Speisereste, er liegt da wie tot.170 Durch das Bild der streunenden Hunde wird das Elendsbild, das Lazarus ohnehin schon abgibt, verstärkt.171 Einige Exegeten sehen das Kommen der Hunde positiv als ein Zeichen der Barmherzigkeit. Wenigstens die Tiere kümmerten sich um den Armen und versuchten durch das Lecken vielleicht seine Schmerzen zu lindern. 172 Gegen diese Sicht spricht aber eindeutig die Anfügung dieses Satzes mit ἀλλὰ καί. Diese Verbindung findet man bei Lukas noch Lk 12,7 173 und 24,22.174 In beiden Fällen drückt ἀλλὰ καί keinen Gegensatz zum Vorherigen aus, vielmehr wirkt das ἀλλὰ καί anfügend und steigernd im Sinne „und zudem noch; und sogar“.175 Dass die Hunde kommen und Lazarus’ Wunden lecken, ist also der Höhepunkt der Schilderung seines Elends.176 169
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Vogels, Having or Longing 31, weist darauf hin, dass die Straßenhunde, die zu Lazarus kommen, im Gegensatz zum Armen die Möglichkeit haben zu tun, was sie wollen, und sich selbst ernähren können. Martial spricht in Epigramm X 5 von einem Bettler, der nach seinem Tod auf der Straße liegen bleibt und von streitenden Hunden aufgesucht wird. Siehe auch: Prell, Armut 69. Vgl. z. B.: Wolter, Lukasevangelium 559; Lau, Lukas 227; Gradl, Zwischen Arm und Reich 243. Vgl.: Bovon, Lukas III 120. Auch Neumann, Armut und Reichtum 99/102, sieht die Hunde positiv. Er ist der Meinung, Lazarus könne „sich an den Hunden und ihrem Tun erfreuen.“ So: Neumann, Armut und Reichtum 100. Er verweist hierbei auf die Bedeutung des Hundes für die Kyniker und auf Inschriften, die von der Krankenheilung durch Hunde sprechen. Da aber der Reiche nur in positiven Begriffen gezeichnet ist, der Arme aber in seinem ganzen Elend dargestellt werden soll, sehe ich die Bedeutung der Hunde als negative Erscheinung als absolut folgerichtig an. Die Ansicht, dass die Hunde Lazarus zu Hilfe kommen, vertritt auch Klein, Lukasevangelium 553: „Nur die Hunde sind ihm einigermaßen nahe. Sie lecken ihm die Wunden wie ihre eigenen ab, um damit Heilung zu ermöglichen.“ Auch Pax, Lazarus 260, nimmt an, dass dem Armen durch die Hunde „eine Wohltat erwiesen werden soll.“ Scholz, Beobachtungen 70, vertritt die Ansicht, dass – neben der negativen Färbung der Szenerie – die Hunde doch gesehen werden können als die, die mit Lazarus empfinden und sich um ihn kümmern. Zuletzt hat Strong, Lazarus 183/93, die positive Sicht der Hunde als Kontrast zum Verhalten des Reichen herausgestellt. Schnider; Stenger, Tür 277, sind der Meinung, dass „sich letzte Eindeutigkeit in dieser Frage nicht ermitteln läßt“. An dieser Stelle wird gesagt, dass Gott jeden Sperling, von denen man fünf für zwei Groschen kaufen kann, kennt. Steigernd wird durch ἀλλὰ καί angeschlossen, dass sogar die Haare auf dem Haupt des Menschen gezählt seien. In der Emmauserzählung berichtet der Jünger mit Namen Kleopas von der Bedeutung, die die Jünger Jesus beigemessen haben. In V. 22 wird mit ἀλλὰ καί die Kunde von der Auferstehung Jesu angeschlossen. Mit ἀλλὰ καί wird eindeutig kein Gegensatz zum vorher Geschilderten eingeleitet, sondern ein Ereignis angefügt, das das vorher Erzählte steigert. Gleiches gilt auch schon für das ἀλλὰ γε καί in V. 21. Siehe: BDR 378 § 448,6. Meistens wird ἀλλὰ καί mit vorhergehendem οὐ μόνον gebraucht, von Lukas Apg 19,27; 21,13; 26,29; 27,10. Auch in diesen Fällen wird im zweiten, durch ἀλλὰ καί eingeleiteten Teil kein Gegensatz beschrieben. Vielmehr liegt das Ge-
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Zusammenfassend lässt sich über den ersten Erzählabschnitt sagen, dass hier zwei Figuren in äußerster Gegensätzlichkeit einander gegenübergestellt werden: Der Reiche ist drinnen kleidet sich in kostbarste Gewänder hat genug zu essen hat Gesellschaft
Der Arme ist draußen ist mit Geschwüren bedeckt leidet Not, begehrt ist einsam
V. 22a ἐγένετο δὲ ἀποθανεῖν τὸν πτωχὸν καὶ ἀπενεχθῆναι αὐτὸν ὑπὸ τῶν ἀγγέλων εἰς τὸν κόλπον Ἀβραάμ· Mit ἐγένετο δέ177 beginnt eine neue Erzähleinheit. Das δέ ist hier nicht adversativ zu verstehen, sondern anschließend;178 es verbindet die ersten beiden mit den beiden nun folgenden Erzähleinheiten. 179 Die Reihenfolge ist chiastisch: Lage des Reichen – Lage des Armen / Tod des Armen – Tod des Reichen.180 In V. 22a wird nun zunächst knapp und unmissverständlich gesagt, dass der Arme gestorben ist. Auch wenn explizit kein Grund für den Tod oder nähere Umstände des Todes genannt werden, so erscheint der Tod als die logische Konsequenz, die sich aus der zuvor geschilderten, aussichtslosen Lage des Armen ergibt.181 Das καί schließt die Erzählung dessen an, was unmittelbar nach dem Tod mit dem Armen geschieht:182 Er bleibt nicht etwa vor dem Haus des
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wicht auf dem zweiten Teil. Ohne οὐ μόνον kommt ἀλλὰ καί auch bei Joh 11,22 (hier ist der Text allerdings nicht gesichert) und Röm 6,5 vor. In beiden Fällen wirkt die zweite Aussage steigernd im Verhältnis zur ersten. Vgl. auch: Phil 1,18. Ein Gegensatz ist eher in 2 Kor 11,1 festzustellen, obwohl BDR gerade diese Stelle als Beleg für ἀλλὰ καί im Sinne von „ja sogar“ anführen. Auch Jülicher, Gleichnisreden II 620, sagt, dass das ἀλλὰ καί dazu diene, das Folgende als das Vorherige übertreffend darzustellen. Wolter, Lukasevangelium 559, hält das ἀλλά in Lk 16,21 hingegen für adversativ. Mora Paz, Struktur 134, sieht dadurch, dass es den Reichen nicht einmal kümmert, dass Hunde Lazarus belästigen, die Nachlässigkeit des Reichen ausgedrückt. Siehe auch: Fonck, Parabeln 703. Diese Wendung als Einführung eines neuen Abschnitts findet sich bei Lukas sehr häufig. Vgl. hierzu: Johannessohn, καὶ ἐγένετο 161/212; Sellin, Komposition 101/4 und Denaux, Delineation 377/9. Siehe: BDR 376 § 447. Siehe hierzu: Kapitel 6.3.2.1. „Damit kreuzen sich die narrativen Linien, die das Ergehen der beiden erzählen und die nun über den Tod hinaus verlängert werden.“ So: Wolter, Lukasevangelium 559. Vgl.: Leonhardt-Balzer, Reicher 648/9. Vgl.: Leonhardt-Balzer, Reicher 650. Siehe auch: Metzger, Consumption and Wealth 140. Eigens den Jenseitsvorstellungen in Lk 16 hat die finnische Theologin Outi Lehtipuu ein umfangreiches und detailreiches Buch gewidmet, auf dessen Ausführungen im Folgenden immer wieder verwiesen wird: Lehtipuu, Afterlife Imagery.
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Reichen auf der Straße liegen,183 sondern wird von Engeln an die Brust bzw. in den Schoß Abrahams getragen.184 Damit wird in der Erzählung erstmals geschildert, dass sich jemand um den Armen kümmert. Das in V. 22b Geschilderte ist also das, was nicht unmittelbar in der Erwartung des Rezipienten liegt und was ihn insofern aufhorchen lässt. Denn mit dieser akzentuierten Bemerkung, dass der Arme von Engeln in den Schoß Abrahams getragen wird, macht Lukas deutlich, dass sich die Situation des Armen grundlegend ändert, dass er nun nach dem miserablen Zustand in seinem Leben Hilfe und Zuwendung erfährt. Einige Exegeten deuten das von Engeln in den Schoß Abrahams Getragenwerden als Entrückung, zumal eine Bestattung des Lazarus nicht erwähnt wird.185 Eine Entrückung186 wird von Henoch187 und Elija188 erzählt: Anstelle eines Todes werden sie entrückt,189 in die Entrückung sind ihre Körper eingeschlossen, Gräber der Entrückten lassen sich nicht finden.190 Darüber hinaus finden sich 183
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Prell, Armut 69, schreibt mit Verweis auf Martial X 5 und IX 57, dass Bettler in Rom nach ihrem Tod manchmal unbeerdigt liegen blieben. Yoder, Bosom 13 und 18/9, fasst den Begriff als „zurückbringen“ auf. Seines Erachtens wird Lazarus in Abrahams Schoß zurückgebracht, dorthin, von wo er zur Prüfung des reichen Mannes ausgesandt wurde. Yoder sieht eine Verbindung von Lazarus zu Abrahams Knecht Eliezer in Gen 24. So: Wolter, Lukasevangelium 559; Nolland, Luke 829; Lau, Lukas 227/8. Dass sich die Rezipienten eine Bestattung des Lazarus vorstellen, auch wenn sie unerwähnt bleibt, wird von Forbes damit begründet, dass es für Juden einen Skandal darstellen würde, wenn jemand unbestattet bliebe. Siehe: Forbes, God 188. Dass eine Bestattung des Armen nicht erwähnt wird, ist keine Steigerung seines Elends oder Indiz dafür, dass dem Armen oder seinen Angehörigen, wenn es sie denn überhaupt geben sollte, das Geld für eine Bestattung fehlt oder dass ihm diese von Menschen verweigert wurde. Vgl.: Wolter, Lukasevangelium 559. Im Alten Testament wird neben der Entrückung auch die Versetzung an einen anderen Ort und die Himmelfahrt nach dem Tod erwähnt. Siehe zu diesem Komplex: R. Koch; Bauer, Entrückung 123/5. Siehe auch: Schmitt, Entrückung. Entrückungen werden auch in der griechisch-römischen Welt erzählt, z. B. von Romulus. Siehe hierzu und zu den Kriterien, die zu einer Entrückung gehören: Lohfink, Himmelfahrt 32/41. Siehe: Gen 5,24 (μετέθηκεν αὐτὸν ὁ θεός); Sir 44,16 (μετετέθη); Sir 49,14 (αὐτὸς ἀνελήμφθη ἀπὸ τῆς γῆς); Hebr 11,5 (Πίστει Ἑνὼχ μετετέθη τοῦ μὴ ἰδεῖν θάνατον, καὶ οὐχ ηὑρίσκετο διότι μετέθηκεν αὐτὸν ὁ θεός. πρὸ γὰρ τῆς μεταθέσεως μεμαρτύρηται εὐαρεστηκέναι τῷ θεῷ .). Siehe: 2 Kön 2,1–18 (V. 1: ἀνάγειν, V. 3: λαμβάνει, V. 5: λαμβάνει, V. 9: ἀναλημφθῆναι, V. 10: ἀναλαμβανόμενον, V. 11: ἀνελήμφθη); Sir 48,9 (ἀναλημφθείς); 1 Makk 2,58 (ἀνελήμφθη). Von Henoch wird in Hebr 11,5 gesagt, dass er nicht sterben musste. Für Hintzen, Verkündigung und Wahrnehmung 129/30, verbietet gerade die Erwähnung, dass der Arme stirbt, in Lk 16,22 von einer Entrückung zu sprechen. Der Leib des Entrückten lässt sich nicht auffinden. 2 Kön 2,17 wird vergeblich nach der Leiche des Elias gesucht. Vgl. auch: TestHiob 39,9–12: Die Leichen von Hiobs Kindern werden nicht gefunden, denn sie wurden hinaufgenommen in den Himmel (ἀνελήφθησαν).
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weitere Vorstellungen von Entrückung im AT: So vertraut der Beter in Psalm 49,16191 und vielleicht auch in Psalm 73,24 192 darauf, dass er – wohl nach dem Tod – entrückt wird und in die Herrlichkeit Gottes eingeht. Auch in Weisheit 4,7–16,193 wo es um den frühen Tod des Gerechten geht, ist die Rede von der Entrückung des Gerechten.194 Von einer Entrückung wird also in der alttestamentlichen Literatur insgesamt nur selten gesprochen, in jedem Fall ist sie frommen und gerechten Menschen vorbehalten.195 Im Neuen Testament sagt Paulus 1 Thess 4,17, dass die bei der Parusie Christi noch Lebenden auf den Wolken entrückt werden.196 Ob Lukas an eine Entrückung des Lazarus nach dem Tod gedacht hat, ist fraglich. Sicherlich würde so Lazarus als frommer und gerechter Mensch charakterisiert, eine Vorstellung, die zu dem späteren Aufenthaltsort des Lazarus, dem Schoß Abrahams, passen würde. Allerdings unterbleibt im gesamten Kontext eine solche Sicht des Lazarus, 197 die ihn zum „Typ des Gerechten“198 stilisieren würde. Der Begriff ἀπενεχθῆναι199 deutet 191
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Nach Zählung der LXX Psalm 48,16: πλὴν ὁ θεὸς λυτρώσεται τὴν ψυχήν μου ἐκ χειρὸς ᾅδου, ὅταν λαμβάνῃ με. ἐν τῇ βουλῇ σου ὡδήγησάς με καὶ μετὰ δόξης προσελάβου με. Dass es sich hier in der Übersetzung der LXX (nach der Zählung der LXX Psalm 72) um die Vorstellung einer Entrückung handelt, ist unwahrscheinlich, da in der LXX das Verb προσλαμβάνειν nie als Terminus für Entrückung verwendet wird. Siehe: Schmitt, Entrückung 287. Weisheit 4,7–16: 7 Δίκαιος δὲ ἐὰν φθάσῃ τελευτῆσαι, ἐν ἀναπαύσει ἔσται· 8 γῆρας γὰρ τίμιον οὐ τὸ πολυχρόνιον οὐδὲ ἀριθμῷ ἐτῶν μεμέτρηται, 9 πολιὰ δέ ἐστιν φρόνησις ἀνθρώποις καὶ ἡλικία γήρως βίος ἀκηλίδωτος. 10 εὐάρεστος θεῷ γενόμενος ἠγαπήθη καὶ ζῶν μεταξὺ ἁμαρτωλῶν μετετέθη 11 ἡρπάγη, μὴ κακία ἀλλάξῃ σύνεσιν αὐτοῦ ἢ δόλος ἀπατήσῃ ψυχὴν αὐτοῦ‧ 12 βασκανία γὰρ φαυλότητος ἀμαυροῖ τὰ καλὰ καὶ ῥεμβασμὸς ἐπιθυμίας μεταλλεύει νοῦν ἄκακον. 13 τελειωθεὶς ἐν ὀλίγῳ ἐπλήρωσεν χρόνους μακροὺς‧ 14 ἀρεστὴ γὰρ ἦν κυρίῳ ἡ ψυχὴ αὐτοῦ, διὰ τοῦτο ἔσπευσεν ἐκ μέσου πονηρίας‧ οἱ δὲ λαοὶ ἰδόντες καὶ μὴ νοήσαντες μηδὲ θέντες ἐπὶ διανοίᾳ τὸ τοιοῦτο, 15 ὅτι χάρις καὶ ἔλεος ἐν τοῖς ἐκλεκτοῖς αὐτοῦ καὶ ἐπισκοπὴ ἐν τοῖς ὁσίοις αὐτοῦ. 16 κατακρινεῖ δὲ δίκαιος καμὼν τοὺς ζῶντας ἀσεβεῖς καὶ νεότης τελεσθεῖσα ταχέως πολυετὲς γῆρας ἀδίκου. Ziel der Entrückung ist hier der Schutz des Gerechten, seine Entfernung aus der sündigen Welt. Vgl.: Wolter, Lukasevangelium 559. 1 Thess 4,17: ἔπειτα ἡμεῖς οἱ ζῶντες οἱ περιλειπόμενοι ἅμα σὺν αὐτοῖς ἁρπαγησόμεθα ἐν νεφέλαις εἰς ἀπάντησιν τοῦ κυρίου εἰς ἀέρα· καὶ οὕτως πάντοτε σὺν κυρίῳ ἐσόμεθα. Kim-Rauchholz, Umkehr 73, macht darauf aufmerksam, dass anders als in den ägyptischen und jüdischen Parallelen eine ethische Wertung des Armen völlig unterbleibt. Sie wendet sich aber gegen eine ebionitische Interpretation, nach der Armut idealisiert und Reichtum als solcher als böse charakterisiert wird. Vgl. auch: Snodgrass, Stories 429. Dies sagt auch Neumann, Armut und Reichtum 105/6, obwohl er darauf hinweist, dass in der kynischen Philosophie Tugend und Armut zusammengehören. Auch Roose, Umkehr und Ausgleich 8/10, betont, dass keine moralische Wertung vorgenommen werde und der Ausgleich der Verhältnisse im Jenseits wie ein Automatismus erscheine. Vgl.: Bredenhof, Lazarus 54 und Bredenhof, Failure and Prospect 45. Leonhardt-Balzer, Reicher 650. Für sie ist Lazarus der „Typ des Gerechten“, weil er in der Erzählung einen Namen hat wie auch Abraham.
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jedenfalls nicht unbedingt auf eine Entrückung hin, da dieser Vorgang in der Septuaginta durch die Begriffe μετατιθέναι (Gen 5,24; Weish 4,10; Sir 44,16) und ἀναλαμβάνειν (2 Kön 2,9–11; 1 Makk 2,58; Sir 49,14) ausgedrückt wird.200 Mit der Bemerkung, dass Lazarus von Engeln weggetragen wird, greift Lukas wohl traditionelle Vorstellungen auf. Bereits in der griechischen Literatur und Mythologie wird Hermes als Geleiter der Toten in die Unterwelt dargestellt.201 Darüber hinaus scheint der Glaube an gute und schlechte δαίμονες verbreitet gewesen zu sein, die entsprechend platonischer Auffassung die Menschen in ihrem Leben begleiten und sie auch nach ihrem Tod im Hades füh199
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Für van der Horst, Abraham’s Bosom 144, bedeutet ἀπενεχθῆναι hier: weggebracht werden an den Ort, wo er hingehörte. Er übersetzt: „The poor man died and the angels carried him away to the bosom of Abraham, the place where he belonged to (or: his well-deserved place)“. Er vergleicht ἀποφέρεσθαι mit anderen mit ἀπό zusammengesetzten Verben wie ἀποδίδωμι, das die Bedeutung haben kann „Personen das geben, was ihnen zusteht“ (so Mt 20,8; 5,26; Lk 7,42), oder mit der Formulierung ἀπέχουσιν τὸν μισθὸν αὐτῶν (Mt 6,2.5.16), die bedeutet „they have been paid here and now what was due to them“, oder ἀπάγω, das den Aspekt haben kann „of bringing back, bringing home“ (so Xen. an. I, 3, 14; Plat. Phaid. 58b). So kann auch ἀποφέρειν bedeuten: „bringing the money back to the persons entitled to it or to the bodies it belongs“ (Hdt. I 196,3; V 84, 1, Thuk. V 31), „being brought home“ (Lys. or. XII 18). So kommt er zu dem Schluss, dass Lukas „wanted to convey the sense of Abraham’s bosom as the place where the poor Lazarus belonged and that he was entitled to. (Anm. 6: The fact that in other places in the NT ἀποφέρειν usually has the meaning of ‚carrying off, taking away’ does not at all militate against this conclusion.) This interpretation fits in excellently with Luke’s own version of the first beatitude in Luke 6,20: ‚Blessed are you who are poor, for yours is the kingdom of God.’“ Auf van der Horst bezieht sich Yoder, Bosom 13. Siehe: Schmitt, Entrückung 287. Diese Begriffe nutzt Lukas selbst, um die Himmelfahrt Jesu zu beschreiben: Apg 1,2: ἀνελήμφθη, Apg 1,9: ὑπέλαβεν, Apg 1,11: ἀναλήμφθείς. Vgl.: Lk 9,51. Auch in Weisheit 4,10 (LXX) wird für „entrücken“ das Verb μετατιθέναι gebraucht, Lk 16,22 steht aber ἀπενεχθῆναι, von ἀποφέρειν, und gerade nicht von ἀπολαμβάνειν, wie Hintzen, Verkündigung und Wahrnehmung 203, fälschlicherweise angibt. Der älteste griechische Entrückungsterminus ist ἁρπάζειν. Siehe: Schmitt, Entrückung 188. In Bezug auf Weish 4,11 schreibt er: „ἡρπάγη (4,11) weist in seiner Bedeutung eine gewisse Ambivalenz auf. So stellt ἁρπάζειν einerseits den ältesten griechischen Entrückungsterminus dar, andererseits wird dieses Verbum häufig im Sinne von ‚hinwegraffen‘ durch den Tod verwendet, wie viele Grabinschriften bezeugen. Zweifellos ist mit diesem Verbum in 4,11 kein Entrückungsterminus gegeben, sondern es bezieht sich auf den Tod des Gerechten.“ So: Schmitt, Entrückung 188. Allerdings wird ἀναφέρομαι, das sich auch Lk 24,51 bei der Himmelfahrt Jesu findet, in der griechischen Literatur bisweilen als Entrückungsterminus gebraucht. Siehe zur Entrückungsterminologie: Lohfink, Himmelfahrt 41/2. Siehe zur Funktion des Hermes als ψυχαγωγός oder ψυχοπόμπος: Lehtipuu, Afterlife Imagery 199/200. Als weiteres Beispiel kann noch ein Relief genannt werden, das Hermes als Begleiterin der Eurydike zeigt, die sich von Orpheus verabschiedet, bevor sie von Hermes zur Unterwelt zurückgebracht wird. Das griechische Original des Reliefs aus dem 5. Jh. v. Chr. ist nicht erhalten, es existieren aber Kopien aus der römischen Zeit. Die beste Kopie wird im Nationalmuseum in Neapel aufbewahrt.
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ren.202 Auch im Judentum, insbesondere in der apokalyptischen Literatur,203 gibt es die Vorstellung, dass Engel die guten wie die schlechten Menschen nach ihrem Tod begleiten und sie nach dem Gericht zu dem ihnen gebührenden Aufenthaltsort bringen.204 Auch wenn die jüdischen Belege für diese Vorstellung zeitlich spät eingeordnet werden müssen,205 ist es doch denkbar, dass diese Vorstellung im Judentum zur Zeit des Lukas präsent war. 206 Lukas selbst bietet neben 16,22 keinen weiteren Beleg für diese Vorstellung, allerdings spricht er in seinem Evangelium und in der Apostelgeschichte oft von Engeln. Neben der Bezeichnung menschlicher Boten als ἄγγελοι,207 des Geistes des Petrus als Engel208 oder der Erwähnung des bzw. der Engel bei Wiedergabe alttestamentlicher Ereignisse209 erwähnt Lukas oft den Engel des Herrn oder den Engel Gottes, der als Übermittler einer göttlichen Botschaft fungiert 210 oder der Schutz und Hilfe gewährt,211 aber auch Strafe verhängt.212 Darüber hinaus 202
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Vgl.: Plat. Phaid. 108c, Soph. Ai. 843. Vgl. auch Hor. carm. I 10,17. Siehe: Wettstein 767. Siehe zur insgesamt uneinheitlichen Vorstellung der δαίμονες: Lehtipuu, Afterlife Imagery 200/1. Der Begriff ἄγγελοι wird in der Regel nur auf menschliche Boten (oder auch Vögel) angewandt. Siehe: Lehtipuu, Afterlife Imagery 199/200. Siehe: Lehtipuu, Afterlife Imagery 201/5. Siehe zu Engeln im Judentum auch: Marböck, Engel 118/23. Siehe: TestAbr 11,5; 12,1–3; 13,12–13; 14,8. Siehe auch: TestAsh 6,4–6. Vgl. auch entsprechende Vorstellungen im 1. und 2. Henochbuch und in anderer jüdischer Literatur, siehe hierzu: Lehtipuu, Afterlife Imagery 202/3. Wolter, Lukasevangelium 559, gibt folgende Belegstellen an: TestAss 6,6; TestHiob 47,11; 53,2–5; OrSib 2,313–318; TestAbr A 20,12. Siehe: Lehtipuu, Afterlife Imagery 201/5. Auch eine Abhängigkeit der Testamente der zwölf Patriarchen vom lukanischen Text ist nicht auszuschließen, da sie nur in christlichen Handschriften der byzantinischen Zeit überliefert sind. Vgl.: Lehtipuu, Afterlife Imagery 203. In der rabbinischen Literatur erscheint die Vorstellung auch ab 150 n. Chr. Siehe die Stellen bei: Strack-Billerbeck II 223/5. Siehe: Lehtipuu, Afterlife Imagery 203 Anm. 33. Vgl.: Jülicher, Gleichnisreden II 622. Lk 7,24.27; 9,52. Für Marböck, Engel 122, zeigt dies „über die Unterordnung der Engel unter die Offenbarung Gottes in Jesus Christus hinaus die Tendenz zu einer Relativierung der Engel“. Apg 12,15. Stephanus erwähnt den Engel im brennenden Dornbusch und die Engel als Übermittler des Gesetzes (Apg 7,30.35.38.53). So erscheint der Engel Gottes dem Zacharias (Lk 1,11.13.18.19), der Engel des Herrn verkündet den Hirten die Geburt des Christus (Lk 2,9–10.13), der Engel Gabriel verkündet Maria die Geburt Jesu (Lk 1,26.30.34.35.38; 2,21). Der Engel des Herrn erscheint Philippus (Apg 8,26), der Engel Gottes spricht zu Kornelius (Apg 10,3.7.22; 11,13). Lk 24,23 werden die beiden Männer, die die Auferstehung Jesu verkünden, als Engel – im Plural – bezeichnet. Auch Apg 23,8–9 wird der Engel als Bote Gottes verstanden, der Paulus vor dem Hohen Rat seine Botschaft sprechen lässt. In Apg 6,15 wird gesagt, das Angesicht des Stephanus sei den Mitgliedern des Hohen Rates erschienen wie das Gesicht eines Engels. Der Engel des Herrn befreit die Apostel und Petrus aus dem Gefängnis (Apg 5,19; 12,7.9.10.11). Die Engel als Beschützer – hier im Plural – werden bei der Versuchung Jesu erwähnt (Lk 4,10).
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erscheinen Engel im Plural allgemein als himmlische Wesen. 213 Abgesehen von den anfangs erwähnten Vorkommen des Begriffs ἄγγελος als menschlicher Bote erscheinen Engel immer als positiv besetzte Angehörige der Welt Gottes.214 Auch in Lk 16,22 wird man bei den Engeln an Wesen denken können, die Gott angehören. Insofern drückt die Erwähnung der Engel hier die besondere Zuwendung Gottes zu Lazarus aus:215 Gott hilft dem Armen, dem in seinem Leben niemand erbarmend zur Seite gestanden hat, er sorgt nun nach dem Tod für einen Ausgleich. Die Erwähnung der Engel weist somit voraus auf Lk 16,25. Die Engel bringen Lazarus – sozusagen von der Straße – in den Schoß oder an die Brust Abrahams.216 Der Begriff κόλπος bedeutet „Brust, Schoß“ und ist seit Homer gebräuchlich. In der Il. VI 400, 467, wird erzählt, dass das Kind geborgen an der Brust der Amme bzw. der Mutter liegt. In einigen Gedichten der Anthologia Graeca217 wird gesagt, dass die Erde die Toten in ihrem Schoß birgt. Vertraute Nähe und Geborgenheit drücken auch Stellen in der Septuaginta aus.218 In Joh 1,18 ist die Rede davon, dass der Sohn (Jesus) an der Brust des Vaters (Gottes) ruht,219 was bildhaft das Sein Jesu bei Gott und seine Nähe zu ihm ausdrückt.220 Die genannten Belege zeigen, dass das Liegen an der Brust bzw. im Schoß Geborgenheit, Nähe, Liebe und Auszeichnung bedeutet. 221 Durch
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So wird Herodes Agrippa vom Engel des Herrn bestraft (Apg 12,23). So erscheinen Gott verherrlichende Engel bei der Geburt Jesu (Lk 2,15). In Lk 15,10 werden Engel als himmlische Wesen genannt. Als Begleiter des wiederkommenden Menschensohnes werden sie in Lk 9,26 erwähnt. In eschatologischem Kontext erscheinen sie auch in Lk 12,8–9. Lehtipuu, Afterlife Imagery 198/9, betont, dass Lukas gerade in eschatologischem Kontext an Engeln interessiert ist. In Mt 25,41 werden Engel des Satans erwähnt. Marböck, Engel 122, schreibt über die Sicht der Engel im Neuen Testament: „An einer Systematik über Wesen, Zahl und Ordnungen ist es nicht interessiert.“ „Die Engel, die Lazarus in Abrahams Schoß tragen, sind das erste Zeichen der Zuwendung.“ So: Leonhardt-Balzer, Reicher 653. Vgl.: Forbes, God 188. A. Somov und V. Voinov halten diese Aussage für eine Schlüsselmetapher des Textes Lk 16,19–31. Siehe: Somov; Voinov, “Abraham’s Bosom“ 615/33. VII 61.321.368.476; XVI 31. Vgl.: Bovon, Lukas III 121 Anm. 84. Num 11,12 (λαβὲ αὐτὸν εἰς τὸν κόλπον σου); Dtn 13,7 (ἡ γυνὴ ἡ ἐν κόλπῳ σου); Dtn 28,54 (τὴν γυναῖκα τὴν ἐν τῷ κόλπῳ αὐτοῦ); Dtn 28,56 (τὸν ἄνδρα αὐτῆς τὸν ἐν τῷ κόλπῳ αὐτῆς); Rut 4,16 (καὶ ἔλαβεν Νώεμιν τὸ παιδίον καὶ ἔθηκεν εἰς τὸν κόλπον). Somov; Voinov, “Abraham’s Bosom“ 626, die auch auf 1 Kön 17,19 und 2 Sam 12,1–4 verweisen. Joh 1,18: Μονογενὴς θεὸς ὁ ὢν εἰς τὸν κόλπον τοῦ πατρὸς ἐκεῖνος ἐξηγήσατο. Siehe: Schnackenburg, Johannesevangelium 256. Vgl.: Somov; Voinov, “Abraham’s Bosom“ 626. Vgl.: Forbes, God 188/9. O’Kane, der vor allem auf die Darstellung der Szene in der Kunst eingeht, weist darauf hin, dass Abraham hier als mitfühlender Vater gezeichnet wird. Er sieht eine Parallele zu Simeon, der nach Lk 2,28 das Kind in seinen Armen hält – ein Begriff, der auch nur an dieser Stelle bei Lukas vorkomme. Die Arme und der Schoß seien im Alten Testament manchmal als Synonyme gebraucht. Siehe: O’Kane, ‘The Bosom of
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die Erwähnung Abrahams, des Patriarchen Israels, in Lk 16,22 „wird die Erzählung eindeutig in den Kontext des Judentums gestellt.“222 Allerdings findet sich die Bezeichnung „Schoß Abrahams“ in jüdischen Schriften nur selten.223 Vergleichbar mit Lk 16,22 ist ein rabbinischer Text (PesR 43 180b), in dem eine Mutter von sieben Märtyrerbrüdern ihren jüngsten Sohn, der zum Götzendienst aufgefordert wird, sagt: „Mein Sohn, willst du etwa, daß alle deine Brüder in der Zukunft […] im Schoße A.s liegen sollen […] (du aber nicht)?“.224 Darüber hinaus findet sich die Vorstellung, dass die Erzväter Abraham, Isaak und Jakob die gestorbenen Gerechten bei sich aufnehmen. 225 Der Leser von V. 22 wird sich bei der Erwähnung von Lazarus’ Aufnahme in den Schoß Abrahams sicher erinnern an Lk 13,23–30,226 wo Lukas bereits von der Aufnahme bei Abraham, Isaak, Jakob und den Propheten spricht. 227 Mit dieser Perikope beginnt nach der den Reisebericht gliedernden Reisenotiz Lk 13,22 die größere Erzähleinheit,228 zu der Kapitel 16 gehört, insofern hat dieses Erzählstück Lk 13,23–30 einen einleitenden und programmatischen Charakter: Es geht um die Rettung, die Aufnahme in die βασιλεία τοῦ θεοῦ (Lk 13,28.29). Die ἐργάται ἀδικίας (Lk 13,27) werden heulen und mit den Zähnen knirschen, wenn sie Abraham, Isaak und Jakob und alle Propheten 229 im Reich Gottes sehen werden und erkennen müssen, dass sie selbst ausgeschlossen sind. Und Lukas fügt hinzu: „Und es werden kommen von Osten und von Westen, von Norden und von Süden, die zu Tische sitzen werden im Reich Gottes. Und siehe, es sind Letzte, die werden die Ersten sein, und sind Erste, die werden die Letzten
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Abraham’ 492/3 und 507/8. Bredenhof, Lazarus 55, spricht von „a place of individual protection and provision”. Leonhardt-Balzer, Reicher 654. Siehe hierzu: Strack-Billerbeck II 225/7. Vgl.: Forbes, God 188 und Leonhardt-Balzer, Reicher 654. Wahrscheinlich stellt der Ausdruck eine Weiterentwicklung der Ausdrücke „zu den Vätern eingehen“, „mit den Vätern liegen“ oder „zu den Vätern versammelt werden“, die das Sterben bezeichnen, dar. So: Gen 15,15; 47,30; Dtn 31,16; Ri 2,10. Vgl.: Strack-Billerbeck II 225; Heininger, Metaphorik 186; Leonhardt-Balzer, Reicher 654; Lehtipuu, Afterlife Imagery 207/8. Strack-Billerbeck II 226. Vgl.: Leonhardt-Balzer, Reicher 654. So: 4Makk 13,16. Vgl.: Strack-Billerbeck II 225; Heininger, Metaphorik 186; Forbes, God 188; Wolter, Lukasevangelium 559/60; Leonhardt-Balzer, Reicher 654; Lehtipuu, Afterlife Imagery 206/7; Somov; Voinov, “Abraham’s Bosom“ 624/5. Einen Zusammenhang sehen auch: Somov; Voinov, “Abraham’s Bosom“ 630 Anm. 43 und 628. Die Verse Lk 13,28–30 gehen auf Q zurück, vgl.: Mt 8,11–12 und 19,30. Siehe zur Einheit Lk 13,22–17,10: Anm. 18 im 1. Kapitel und Anm. 20 im 3. Kapitel dieser Studie. Die Erwähnung der Propheten geht wohl auf lukanische Redaktion zurück. Wieser, Abrahamsvorstellungen 106, vertritt die Meinung, dass Lukas damit verdeutliche, „dass alle Propheten Märtyrer im Sinne von leidensbereiten Zeugen für die messianische Erfüllung der Verheissung Gottes waren“.
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sein.“230 Lazarus erscheint hier in Lk 16,22 als ein solcher Letzter, der nun durch die Aufnahme in Abrahams Schoß zu einem Ersten wurde. Das, was in Lk 13,23–30 proklamiert wird, wird von Lukas nun im 16. Kapitel erzählerisch entfaltet und verdeutlicht. Dennoch liegt zunächst wohl die erzählte Aufnahme des Lazarus in Abrahams Schoß nicht in der Erwartung des Rezipienten.231 Vielmehr stellt das Heil, das Lazarus nun unverdientermaßen232 geschenkt wird – nirgends wird er ja als Gerechter qualifiziert 233 – , einen überraschenden Moment in dieser Gleichniserzählung dar und erinnert an die unverdiente und erzählerisch ausgeschmückte Aufnahme des verlorenen Sohnes durch den Vater234 und an das ebenfalls zu dieser größeren Erzähleinheit gehörende Gleichnis vom großen Festmahl (Lk 14,15–24),235 zu dessen Teilnahme unerwartet diejenigen, für die es nicht gerichtet war, genötigt werden. 236 Durch den
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Die Übersetzung folgt der revidierten LB 2016. Allerdings weisen Maria in Lk 1,53 und Jesus in der Feldrede (Lk 6,20–21 und 6, 24–25) bereits auf Gottes Zuwendung gegenüber den Armen und Hungrigen und auf eine Umkehrung der Verhältnisse hin. Siehe zur Beziehung von Lk 16,19–31 zu Lk 6,20–26 auch: Wolter, Eschatology 95. Auch Lau, Lukas 235, betont, dass Lazarus sich den Platz in Abrahams Schoß nicht verdient hat: „Was Lazarus widerfährt, ist keine Belohnung für das bewusst passive Erleiden von Unrecht, sondern wohl eher eine Art eschatologischer Ausgleich eines innerweltlichen Ungleichgewichts.”. Insofern geht der lukanische Text über die traditionelle Vorstellung hinaus, dass die Patriarchen die Gerechten aufnehmen. Vielmehr vollzieht sich hier nahezu automatisch ein Ausgleich für das, was Lazarus zuvor erlitten hat (vgl. Lk 1,51–53). In Lk 13,23–30 ist auch nicht die Rede davon, dass die Gerechten in die βασιλεία aufgenommen werden, der Schwerpunkt liegt auf dem Ausgestoßensein derjenigen, die sich für gerecht gehalten haben, ohne es zu sein (vgl. Lk 16,15!). Auch zum großen Festmahl (Lk 14,15–24) werden ja nicht die Gerechten nachträglich geladen, sondern Menschen, von denen man es nicht erwartet hätte. Der Schlussvers rückt auch hier die ursprünglich Eingeladenen in den Vordergrund. Vgl. auch: Roose, Umkehr und Ausgleich 8/10. Dass Lazarus nun an die Spitze der Gerechten gelangt, sagt Jeremias, Gleichnisse 183. Vgl.: Nolland, Luke 829. Auch dem verlorenen Sohn wird ja unverdientermaßen und überraschend die Wiederaufnahme als Sohn zuteil. So beschreibt Lukas das Gute, das ihm zuteil wird, in Lk 15,21– 23 sehr detailliert, die Erwartung des Lesers wird geradezu überwältigt. Ähnlich ist es auch in Lk 16,22, wo durch die ausführliche Erwähnung des Getragenwerdens, der Engel und des Schoßes Abrahams das Gute, das Lazarus erhält, sehr betont wird. Siehe zum Gleichnis vom großen Festmahl: Hoppe, Einladung 89/106. Hoppe weist darauf hin, dass das Gleichnis auf das eschatische Mahl Gottes verweist und zusammen mit dem Drohspruch Lk 14,24 davor warnt, die Teilnahme am endzeitlichen Mahl, das in jedem Fall stattfinden wird, aufgrund anderer Prioritätensetzung auszuschlagen. Seines Erachtens ist „die ganze Szenerie von Lk 14 bestimmt von der Perspektive des Zugangs zum Reich Gottes, für den der Nachfolger Jesu alles andere hintanstellen soll.“ So: Hoppe, Einladung 104. Die Nötigung, hineinzugehen, am Festmahl teilzunehmen (ἀνάγκασον εἰσελθεῖν) – vgl. das zweimalige εἰσελθεῖν in Lk 13,24! – lässt an 16,16 denken: καὶ πᾶς εἰς αὐτὴν βιάζεται. Insofern verweist Lk 16,22 auch auf Lk 16,16.
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Die Rede Jesu an die Pharisäer: Lk 16,14–31
Verweis auf das Bild vom Mahl237 mit Abraham in Lk 13,29 (ἀνακλιθήσονται ἐν τῇ βασιλείᾳ τοῦ θεοῦ) und das Gleichnis vom großen Festmahl kann V. 22 den Rezipienten hier – auch wenn dies nicht explizit formuliert ist – an ein Mahl denken lassen, das Lazarus gerade anders als im vorherigen Leben gewährt wird.238 Dass Abraham von Gen 18,1–8 her als guter Gastgeber assoziiert werden kann, unterstützt diese Sicht.239 Der Ausdruck εἰς τὸν κόλπον verweist ebenfalls auf diese Sicht, denn das „An-der Brust-Liegen“ kann allgemein auf ein Gastmahl hinweisen, bei dem die Speisepolster so angeordnet waren, dass „der eine Tischnachbar mit seinem Kopf etwa in Brusthöhe des andren zu liegen kam“ 240. So wird z. B. in Joh 13,23 erzählt, dass der Lieblingsjünger beim Mahl an der Brust Jesu liegt (ἐν τῷ κόλπῳ τοῦ Ἰησοῦ). Insofern verweist das Bild vom Schoß bzw. der Brust Abrahams in Lk 16,22 zugleich auf die dem Lazarus geschenkte Nähe zu Abraham und auf das (eschatische) Mahl, das Lazarus unverdient zuteilwird. Damit wird auch die Opposition zwischen dem Armen und dem Reichen in der Erzählung fortgeführt: Während der Reiche zu Lebzeiten täglich festlich speist, den an Hunger leidenden Lazarus aber nie einlädt, so erhält Lazarus von Abraham nun den Ehrenplatz beim Mahl, während der Reiche ausgeschlossen ist und von Durst gequält wird.241
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Das Bild vom Mahl lässt auch an das eschatische Festmahl im Reich Gottes, wie es in Jes 25,6–8 beschrieben wird, denken. Vgl. hierzu z. B.: Lau, Lukas 223 und 229. Siehe hierzu auch: Blumenthal, Basileia 257/9. Vgl.: Forbes, God 189: „The idea here could be, therefore, of close fellowship with Abraham at the messianic banquet (cf. 13.28–29). This is certainly a stark contrast to v. 21. Now the rich man is excluded from the banquet, while Lazarus occupies the highest place in the abode of the righteous.“ Vgl.: Jeremias, Gleichnisse 183; Heininger, Metaphorik 186; Gradl, Zwischen Arm und Reich 245; von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 345; Metzger, Consumption and Wealth 140; Somov; Voinov, “Abraham’s Bosom“ 619/33. Wolter, Lukasevangelium 560, meint dagegen, dass sich V. 22 weniger an der Vorstellung vom eschatischen Heilsmahl orientiert, sondern eher „vom Bild des im Schoße ruhenden und in den Armen geborgenen Kindes bestimmt“ ist. Allerdings müssen sich die beiden Vorstellungen ja nicht ausschließen. Siehe: Somov; Voinov, “Abraham’s Bosom“ 628/9. Abraham steht insofern auch im Kontrast zum Reichen der Erzählung. Auch Lehtipuu, Afterlife Imagery 209/10, weist darauf hin, dass Abraham für seinen Reichtum und seine Gastfreundschaft bekannt war und insofern in Kontrast zum reichen Mann des Gleichnisses steht. Die Wahl Abrahams als Gesprächspartner könnte zeigen, dass die von Jesus geforderte Unterstützung der Armen – über Jesus, Johannes, die Propheten und das Gesetz (Mose) hinausgehend (Lk 16,16) – sogar bis auf Abraham zurückzuführen ist. Strack-Billerbeck II 225. Siehe auch: Plin. epist. IV 22,4. Siehe: Heininger, Metaphorik 186. Siehe auch: von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 345 und Somov; Voinov, “Abraham’s Bosom“ 627. Der Ehrengast liegt an der Brust des Gastgebers, aber nicht im Schoß, wie Leonhardt-Balzer, Reicher 654, formuliert: „Der Schoß ist der Platz des Ehrengastes (Plin. Epist. 4.22; Joh 13,23) bei einem Gastmahl“. Siehe: Somov; Voinov, “Abraham’s Bosom“ 620/1, 630 und 633. Der Kontrast umfasst sicherlich auch die Behausung: Während zuvor Lazarus ohne Behausung auf der Straße
Die Erzählung vom reichen Mann und dem armen Lazarus: Lk 16,19–31
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Mit der Erwähnung von Abraham in Lk 16,22 wird der Leser aber auch verwiesen auf die anderen Stellen im Lukasevangelium, an denen er bisher von Abraham gelesen hat:242 So erscheint Abraham als der Stammvater des Volkes Israel243 und als Empfänger der Verheißung Gottes, die Gott nun erfüllt. 244 Gott gewährt den Kindern Abrahams einen Neuanfang und das Heil.245 Allerdings macht Lukas in der mit Lk 13,23–30 in Zusammenhang stehenden246 Täuferpredigt (Lk 3,7–14) und insbesondere im redaktionellen lukanischen V. 3,8 klar, dass die reine Abstammung von Abraham und ein Berufen darauf nicht reicht, um dem Gericht zu entgehen bzw. gerettet zu werden, sondern dass es auf die Früchte der Umkehr ankommt (ποιήσατε οὖν καρποὺς ἀξίους τῆς μετανοίας καὶ μὴ ἄρξησθε λέγειν ἐν ἑαυτοῖς· πατέρα ἔχομεν τὸν Ἀβραάμ.).247 Denn, so begründet Lukas, Gott könne aus Steinen Kinder Abrahams erwecken
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lag und der Reiche in einem wohl prächtigen Haus wohnte, erfährt nun Lazarus eine schützende Behausung bzw. Geborgenheit und der Reiche befindet sich im Feuer. „Auf der lukanischen Erzählebene setzt Lk 16,19–31 eine Linie der Erzählstoffe fort, in der es um die Frage der legitimen Zugehörigkeit zu den Abrahamskindern geht (vgl. Lk 1,54f. 72–75; 3,8f. 34; 13,10–17; vgl. summarisch: 19,1–10).“ So: von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 345. Lehtipuu, Afterlife Imagery 210, weist darauf hin, dass Abraham im lukanischen Doppelwerk angesichts von zwölf Stellen, an denen er erwähnt wird, eine wichtige Rolle einnimmt. Zur Sicht Abrahams bei Lukas siehe: Wieser, Abrahamsvorstellungen 98/112. Vgl. auch: Leonhardt-Balzer, Reicher 654. So: Lk 1,55; 3,8; 13,16; 16,22–31; 19,9; Apg 3,25; 13,26. Vgl.: Lehtipuu, Afterlife Imagery 210. Siehe auch: Wieser, Abrahamsvorstellungen 99/103. „Gott hat zu Abraham geredet (Lk 1,55) und in diesem Reden – in den Vätern – Israel erwählt (Apg 13,17) und mit ihm einen Bund geschlossen (Lk 1,72; Apg 3,25). […] Mit dem Eidschwur an Abraham (Lk 1,73) hat Gott Israel seine Bundestreue zugesichert, deren er in Barmherzigkeit gedenkt (1,54.72): Gott nimmt Israel an und bereitet ihm Erlösung (Lk 1,54.68). Diese Erlösung strebt nun darin ihrer Verwirklichung zu, dass sich das Reden Gottes zu den Vätern in der messianischen Verheissung verdichtet (Lk 1,68f.72f; Apg 13,17.22.32f). Ihre Erfüllung hebt im Kommen Jesu an (Apg 13,23). In seinem Wirken verkörpert Jesus Gottes Bundestreue als gnädiges Erbarmen, das sich gerade dämonisch gebundenen (Lk 13,10–17) und durch Schuld an den Rand gedrängten (Lk 19,1–10) Gliedern des Gottesvolkes zuwendet und sie als ‚Töchter‘ und ‚Söhne Abrahams‘ (Lk 13,16; 19,9) im vollen Sinn zurückgewinnt. Hier leuchtet die Freude der Geburtshymnen wieder auf (Lk 13,17; 19,6). In besonderer Weise zielt die Hoffnung der Väter (Apg 24,15) und der Inhalt der abrahamisch-davidischen Verheissung auf die Auferstehung (Apg 26,6–8).“ So: Wieser, Abrahamsvorstellungen 108/9. Vgl.: Lk 1,54–55.73. Besonders deutlich wird das in der Erzählung der von einem Dämonen geplagten und dann am Sabbat von Jesus geheilten Frau (Lk 13,10–17) und – im späteren Verlauf des Evangeliums – in der Hinwendung Jesu zu Zachäus (Lk 19,1–10). Siehe: Wieser, Abrahamsvorstellungen 105. Vgl.: Wieser, Abrahamsvorstellungen 105. Vgl.: Bredenhof, Failure and Prospect 167. Vielleicht denkt Lukas in diesem Zusammenhang an „die allgemeine Aussage von der Menschenfreundlichkeit Abrahams (Philo Abr 208)“. So: Wieser, Abrahamsvorstellungen 104.
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(Lk 3,8).248 Lazarus erscheint, auch wenn er wie der Reiche zum Volk Israel gehört haben dürfte, wie jemand, dem unverdientermaßen die Gnade Gottes und die Erfüllung der den Nachkommen Abrahams gegebenen Verheißung zuteil wird. V. 22 drückt also insgesamt die Veränderung der armseligen Verhältnisse des Armen zu einer geborgenen Situation aus, in der er sich keine Sorgen mehr um seine tägliche Existenz machen muss. Damit steht das in diesem Vers Erzählte – wie gesagt – im Gegensatz zu der vorangegangenen Schilderung der miserablen Lage des Armen, aber auch im Gegensatz zur folgenden Schilderung des Todes des Reichen. V. 22b ἀπέθανεν δὲ καὶ ὁ πλούσιος καὶ ἐτάφη. Der Anfang dieses Satzes, des V. 22b, mit dem der Tod des Reichen erwähnt wird, gleicht bis einschließlich καί dem Satz, in dem der Tod des Armen geschildert wird: ἐγένετο δὲ ἀποθανεῖν ἀπέθανεν δὲ καὶ
τὸν πτωχὸν ὁ πλούσιος
καὶ καὶ
Bis zum καί sind es jeweils fünf Worte, mit denen der Tod des Armen und der des Reichen als Ausgangssituation für das dann geschilderte gegensätzliche postmortale Schicksal erwähnt wird. Durch die gleiche Länge und besonders durch die Verwendung des gleichen Begriffs ἀποθανεῖν wird deutlich, dass beide gleichermaßen vom Tod betroffen sind. 249 Dass der Reiche stirbt, liegt anders als der Tod des Armen nicht in der Konsequenz des vorher Erzählten. 250 Das an den Anfang des Satzes gestellte ἀπέθανεν und das erste καί in der Bedeutung „auch“ betonen nun den Tod des Reichen und setzen die Schicksale der beiden Handlungsträger zunächst auf eine Stufe. Im zweiten Teil der V. 22a und 22b wird dann jeweils, durch καί angeschlossen, das postmortale Schicksal beider geschildert. Der Leser könnte nun erwarten, dass das postmortale Schicksal des Reichen ebenso ausführlich geschildert wird wie das des Armen. Aber diese Erwartung wird zunächst nicht erfüllt. Während nämlich das Schicksal des Armen sehr ausführlich geschildert 248
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Wieser, Abrahamsvorstellungen 103, ist der Meinung, dass Lukas hier auf die Heiden anspielt, dass dies jedoch in Spannung zum restlichen Befund der Abrahamsaussagen steht. Vgl.: Dondici, Lazarus 155. Leonhardt-Balzer, Reicher 649, schreibt dagegen – bezogen auf das postmortale Schicksal der Handlungsträger: „Nicht einmal im Augenblick des Todes ist ihr Schicksal identisch.“ Der Bericht des Todes ist kein nebensächlicher Zusatz, wie Pax, Lazarus 262, behauptet: „Äusserlich wird anschliessend wie ein nebensächlicher Zusatz der Tod des Reichen berichtet, der jedoch für den Hörer in seiner Kürze wie ein Donnerschlag wirkt.“ Ernst, Lukas 356, weist darauf hin, dass die Erwähnung des Sterbens bei Lazarus nur miterwähnt werde, beim reichen Mann aber Eigengewicht habe.
Die Erzählung vom reichen Mann und dem armen Lazarus: Lk 16,19–31
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wird und die Zuwendung Gottes zum Armen sehr deutlich herausgestellt wird, wird vom Reichen, dessen Leben zuvor in all seiner Pracht und Herrlichkeit geschildert wurde, nur mit einem Wort erzählt, dass er begraben wird. 251 Durch dieses knappe und kalte252 ἐτάφη wird der Kontrast zwischen dem postmortalen Schicksal des Armen und des Reichen allerdings betont.253 Dem Reichen kommt anders als dem Armen niemand entgegen. 254 Der Leser vermutet allerdings aufgrund der vorherigen gegensätzlichen Schilderung der Lebensumstände, dass sich dieser Kontrast nach dem Tod fortsetzt. Der Tod, der beide trifft, ist gleichsam der Wendepunkt, der Angelpunkt, an dem die Lage der beiden in ihr Gegenteil umschlägt. Dieses veränderte Schicksal des ehemals Armen und des ursprünglich Reichen, das hier in V. 22 bereits deutlich anklingt, wird dann im zweiten großen Teil der Erzählung weiter entfaltet.
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Der Leser kann aufgrund der vorherigen Schilderung des Lebens des Reichen durchaus an ein würdiges, aufwändiges Begräbnis denken. Vgl.: Jeremias, Gleichnisse 184; Klein, Lukasevangelium 554 und Forbes, God 188. Für Pax, Lazarus 262, hat das Passiv ἐτάφη eine wichtige Funktion: Einerseits werde die Neugier nach dem Fortgang der Geschichte geweckt, andererseits zeige das Passiv, dass der Reiche sein Geschick nun nicht mehr selbst in Händen habe, „vielmehr ereignet sich etwas mit ihm, das für ihn völlig unerwartet kommt“. Nach Ernst, Lukas 356, will das ἐτάφη lediglich das Ende des Lebens des Reichen bestätigen und unterstreichen. Die Erwähnung des Begräbnisses ist nach Strack-Billerbeck keinesfalls nebensächlich. Wenn er nämlich nicht begraben worden wäre, hätte das Nichterlangen des Begräbnisses die Bedeutung eines Gottesgerichts und damit sühnende Wirkung, die sich positiv auf das postmortale Geschick des Verstorbenen ausgewirkt hätte. Siehe hierzu: Strack-Billerbeck II 227/8. So: Gradl, Zwischen Arm und Reich 245. „Die warme Konnotation (die Unterstützung der Engel als Seelenträger und die einladende Brust Abrahams) steht im Gegensatz zur kalten Notiz ‚und er wurde begraben‘.“ So: Bovon, Lukas III 120. Vgl.: Forbes, God 188. Jülicher, Gleichnisreden II 625, vermutet dagegen, dass Lukas das ἐτάφη nicht der vorherigen Schilderung habe entgegenstellen wollen, sondern dass er dadurch eher das Ende der vorher geschilderten Herrlichkeit des Lebens markieren wollte. Für Somov; Voinov, “Abraham’s Bosom“ 620, setzt sich in dieser Schilderung die Opposition zwischen Oben und Unten fort: Wie Lazarus am Tor des Hauses des Reichen gelegen habe (unten) und der Reiche im Haus gefeiert habe (oben) und wie Lazarus etwas von dem begehrt habe, das vom Tisch des Reichen (oben) herabfalle (unten), so werde der Reiche begraben (unten), während der arme Lazarus von aus dem Himmel kommenden Engeln in den Schoß Abrahams (oben) getragen werde. So wird die postmortale Umkehrung der Verhältnisse der beiden Personen deutlich. Allerdings ist im Text nicht gesagt, dass das Haus des Reichen sich oberhalb des Tors befand.
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Die Rede Jesu an die Pharisäer: Lk 16,14–31
V. 23 καὶ ἐν τῷ ᾅδῃ ἐπάρας τοὺς ὀφθαλμοὺς αὐτοῦ, ὑπάρχων ἐν βασάνοις, ὁρᾷ Ἀβραὰμ ἀπὸ μακρόθεν καὶ Λάζαρον ἐν τοῖς κόλποις αὐτοῦ. Mit diesem Vers beginnt, eingeleitet durch das καί eine neue Erzähleinheit.255 Mit der Ortsangabe ἐν τῷ ᾅδῃ wechselt der Ort des Geschehens. Nachdem in den V. 19–21 das Haus und das Tor des Reichen im Fokus standen, bildet der Hades den „Schauplatz“ für das nun Folgende. Ein neues Subjekt wird allerdings nicht genannt, der Reiche ist weiterhin im Blick. Sein „Befinden“ im Hades wird nun in V. 23 vorgestellt. Der Begriff Hades, der im NT siebenmal256 genannt wird, war den Lesern des Lukasevangeliums aus der griechisch-römischen Mythologie und aus jüdischen Vorstellungen sicherlich bekannt.257 In der griechischen Mythologie ist der Hades258 die nach dem Gott, einem Bruder des Zeus, benannte Unterwelt. Eine einheitliche Vorstellung, die in der gesamten Antike oder Judentum Gültigkeit gehabt hätte, oder eine lineare Entwicklung solcher Vorstellungen gibt es nicht.259 Bei Homer, der ältesten Quelle für Jenseitsdarstellungen, ist das Reich der Toten dunkel und freudlos,260 in dem die Toten als unberührbare, flatternde Schatten kraftlos umherschwärmen. 261 Aber bereits bei Homer finden sich Unterschiede in der Darstellung. Die Toten können erst sprechen, wenn sie vom Blut getrunken haben, das Odysseus ihnen gibt. Aber Achill und Ajax sprechen mit Odysseus, obwohl sie kein Blut getrunken haben (Od. XI 467– 472; 533–565).262 Während Odysseus in der Odyssee im Hades drei mythologische Figuren trifft, die ewige Strafe erleiden, beschreibt Homer in der Ilias einen anderen Ort für Strafe, den Tartaros, ein Gefängnis für die Gegner von Zeus, unterhalb des Hades (Il. VIII 13–16).263 Neben dem Hades als Aufenthalts255 256
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260 261 262
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Siehe: Kapitel 6.3.2.1. Mt 11,23; Lk 10,15; 16,23; Apg 2,27.31; Apk 1,18; 6,8. Böcher, ᾅδης 72/3, spricht von zehn Nennungen, aber Mt 18,9 ist von γέεννα und Apk 1,18 und 20,1 von ἄβυσσος die Rede. Die Grenzen zwischen diesen Begriffen sind allerdings fließend. Siehe: Böcher, ᾅδης 72/3. Den unterschiedlichen Vorstellungen einer jenseitigen Welt in der griechischrömischen Antike und in der jüdischen Literatur widmet Lehtipuu einen großen Teil ihres Buches, siehe: Lehtipuu, Afterlife Imagery 43/159. Auf diese Darstellung bezieht sich die kurze Skizzierung im Folgenden. Zu den Jenseitsvorstellungen siehe auch: Lang, Himmel und Hölle. Zum Hades in der griechischen Mythologie siehe auch: Rose, Mythologie 72/ 80. So: Lehtipuu, Afterlife Imagery 156/7: „Diversity of beliefs, different views even within the writings of a single author, is characteristic of ideas on the afterlife in the Hellenistic and Roman times. […] A diversity of views also occurs in Jewish sources.“ Vgl.: Snodgrass, Stories 431. Siehe: Od. XI 14–19. Siehe: Od. XI 43; 204–222; 632; XXIV 6–9; Il. XXIII 99–101. Hauge, Tour of Hell, sieht Lk 16,19–31 in Abhängigkeit des 11. Buches von Homers Odyssee. Eine ausführlichere Beschreibung des Tartaros gibt Hesiod, theog. 713–735.
Die Erzählung vom reichen Mann und dem armen Lazarus: Lk 16,19–31
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ort der Toten und dem Tartaros als Ort der Strafe erwähnt Homer das Elysium oder die Insel der Seligen als Ort, in den einige besonders begünstigte Sterbliche gelangen dürfen.264 Die Vorstellung von Belohnungen und Bestrafungen nach dem Tode treten vom 5. Jh. an häufiger auf. 265 Platon, in dessen Zeit die Vorstellung von Bestrafung und Belohnung gebräuchlich war, schreibt darüber in verschiedenen eschatologischen Mythen. 266 Sein Hauptziel besteht darin, seine Hörer/Leser von einem tugendhaften Leben zu überzeugen. 267 Frevler – „vor allem Tyrannen, Tempelschänder und Mörder“ 268 – werden vom Totenrichter Rhadamanthys in den Tartaros geworfen,269 wo sie Qualen erleiden.270 Die Philosophenschulen des Hellenismus, die Stoiker, Epikureer, Skeptiker und Platoniker, beschäftigen sich ebenfalls mit dem Schicksal der Seele nach dem Tod. Aber auch hier gibt es keine einheitliche Vorstellung, nicht einmal innerhalb der einzelnen Schulen. 271 Auf der einen Seite stehen diejenigen, die ein Leben nach dem Tod leugnen, wie die Epikureer, für die der Tod das Ende von Körper und Seele bedeutet. Auf der anderen Seite stehen die Befürworter eines Lebens nach dem Tod, wenn auch die Ausformungen sehr unterschiedlich sind. So glaubte z. B. der Stoiker Kleanthes, dass alle Seelen bis zum nächsten Weltenbrand überleben, während Chrysipp der Meinung war, dass nur die weisen Seelen überleben und dann in das göttliche Feuer eingehen, während die schlechten Seelen nur für eine kurze Zeit weiter existieren. 272 Der römische Dichter Vergil widmet ein ganzes Buch seiner „Aeneis“ der Unterwelt und einer detaillierten Beschreibung der Gegebenheiten dort. 273 Im 6. Buch lässt er Aeneas die Unterwelt besuchen, um dort seinen Vater zu treffen, der ihm Weissagungen über die Zukunft geben kann. Vergil kennt die geographischen Gegebenheiten wie Erebos, Acheron, Tartarus und Elysium und die Flüsse Styx, Cocytus und Phlegeton. Der Fährmann Charon bringt die Toten in das Reich von Pluto und Proserpina, wo sie sich dem Gericht der Totenrichter Minos und Rhadamanthys unterziehen müssen. Die tugendhaften Seelen
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Siehe: Od. IV 561–569; Il. XX 232–235; vgl. Hes. erg. 161–173; Pindar O. II 68–74. Siehe besonders: Pind. O. II; Aischyl. Suppl. 230–231; Eum. 269–275; Eur. Alc. 744–746; Hel. 1013–1014; Aristoph. Ran. 136–158. Zur Bedeutung der in die Mysterienkulte Eingeweihten und der Seelenwanderung als Belohnung für ein gerechtes Leben siehe: Lehtipuu, Afterlife Imagery 62/66. Siehe: Gorg. 523a–527c; Phaid.113d–114c; rep. 614b–621d. Vgl.: Lehtipuu, Afterlife Imagery 72. Lang, Himmel und Hölle 23. Siehe: Plat. Phaid. 113 e. Hom. Od. XI 582–592; Plat. Phaid. 111d–112a; Plat. Gorg. 525c. Zu den Vorstellungen der einzelnen Schulen und den Unterschieden zwischen und innerhalb der Schulen siehe: Lehtipuu, Afterlife Imagery 83/5 und die dort angegebene Literatur. Vgl.: Lehtipuu, Afterlife Imagery 86/7. Siehe: Lehtipuu, Afterlife Imagery 82/3.
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gehen in das Elysium ein,274 während die schlechten Seelen im Tartarus bestraft werden.275 Cicero befasst sich im sogenannten „Somnium Scipionis“, dem Schlussteil seines Werkes „De re publica“, und im ersten Buch der „Tusculanae disputationes“ mit dem Leben nach dem Tod.276 Auch Cicero beschreibt ein unterschiedliches Schicksal für die guten und die bösen Seelen. Plutarch beschäftigt sich in drei Werken mit der Frage des Lebens nach dem Tod, in „De sera numinis vindicta“, „De genio Socratis“ und „De facie quae in orbe lunae apparet“. Trotz aller Verschiedenheit teilen alle Mythen des Plutarch den grundsätzlichen Glauben an die Unsterblichkeit der Seele und unterschiedliche Schicksale in einem Leben nach dem Tod.277 Lukian unterzieht in seiner Schrift „De luctu“ die Bestattungsbräuche einer kritischen Betrachtung und gibt unter Berufung auf Homer und Hesiod 278 eine detaillierte Beschreibung der in seiner Zeit geläufigen Vorstellungen von der Unterwelt.279 Die Menschen, die ein gutes und tugendhaftes Leben geführt haben, werden von den Totenrichtern Minos und Rhadamanthys in das elysische Gefilde geschickt, während die Bösen von den Erynnien in den Ort der Gottlosen hinabgestürzt werden, wo sie unsägliche Qualen erleiden. Eine dritte Gruppe bilden die Menschen, die weder gut noch böse waren. Sie irren ohne Köpfe wie Schatten umher. Also kennt auch Lukian die Vorstellung von Belohnung und Bestrafung im Jenseits entsprechend dem Verhalten im Leben. Auch im Judentum sind die Vorstellungen vom Jenseits und von einem Weiterleben nach dem Tod sehr unterschiedlich.280 Zwar wurde der Tod nie als völlige Vernichtung der persönlichen Existenz, sondern als ein Schattendasein fern von Jahwe angesehen,281 ein Glaube an die persönliche und individuelle282 Auferstehung ist aber erstmals im Danielbuch (Dan 12) klar belegt. 283 Ein nicht zu unterschätzender Grund für die Entstehung des Auferstehungsglaubens dürfte die Erfahrung gewesen sein, dass der göttliche Lohn bzw. die Strafe für 274 275 276 277 278
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280 281 282
283
So: Verg. Aen. VI 638–647. Vgl.: Verg. Aen. VI 608–614. Siehe hierzu: Lehtipuu, Afterlife Imagery 87/91. Siehe: Lehtipuu, Afterlife Imagery 92/96. Die wiedergegebenen Vorstellungen stammen weniger von Homer und Hesiod, sondern vielmehr aus späterer Zeit. So: Lehtipuu, Afterlife Imagery 113/15. Zu den bei Lukian erwähnten Vorstellungen der Unterwelt siehe: Lehtipuu, Afterlife Imagery 113/4. Vgl.: Volz, Eschatologie 271/2. Vgl. auch: Broer, Auferstehung 59. Siehe: Broer, Auferstehung 58. Zunächst war das Volk Israel als Ganzes das Subjekt der eschatischen Hoffnung. Für das Volk als Gesamtheit wurde Friede und Heil in der eschatischen Zukunft erwartet. Außerdem gab es die Vorstellung, dass die fromme jüdische Gemeinde innerhalb des Volkes auf das Heil in der Zukunft hoffen durfte. Siehe hierzu: Volz, Eschatologie 77/8. Vgl.: Broer, Auferstehung 58. Siehe auch: Roloff, Auferstehung 57 und Volz, Eschatologie 231.
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menschliches Handeln nicht immer wie erwartet zu Lebzeiten eintrat. 284 Während man zunächst von einem endzeitlichen Wiederkommen einzelner besonders ausgezeichneter Menschen wie der Erzväter und der Märtyrer ausging 285 und dann eine Auferstehung der Gerechten 286 zum endgültigen Heil annahm, entwickelte sich später der Glaube an eine Auferstehung der Gerechten und Ungerechten.287 Verschieden sind auch die Ansichten darüber, was mit den Verstorbenen passiert und wo sie sich befinden bzw. bis zu einem Endgericht aufhalten. Obwohl auch die Vorstellung existiert, dass sich die Gerechten und Ungerechten nach ihrem Tod an einem gemeinsamen Schattenort aufhalten,288 begegnet im späteren Judentum die Ansicht, dass Gerechte und Ungerechte nach dem Tod ein verschiedenes, aber vorläufiges Los zugeteilt bekommen, das dann im Endgericht endgültig entschieden wird. 289 Demgegenüber existiert im hellenistischen Judentum die Ansicht, dass es unmittelbar nach dem Tod zu einer individuellen und endgültigen Vergeltung kommt.290 Als Maßstab der Beurteilung wird das Handeln der Menschen gemäß dem Gesetz angesehen. 291 In diesem Zusammenhang existierte auch die Ansicht, dass Gott den frommen Menschen seine Sünden im Diesseits durch Leiden abbüßen lässt, damit es ihm im Jenseits nur gut ergeht, während der Gottlose Lohn für gute Handlungen bereits im Diesseits erhält, damit er in der Ewigkeit nur Strafe erleidet.292 Auch wenn das Heil teils als Verdienst angesehen wird, 293 so ist doch, vor allem in späteren Vorstellungen, das Gefühl vorherrschend, auch als Frommer auf die Gnade Gottes angewiesen zu sein.294 Die Tora verleiht dem Volk und dem einzelnen, der sie ausübt, eschatische Seligkeit.295 Wichtig sind die Liebeswerke,
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Vgl.: Volz, Eschatologie 230. Siehe hierzu: Volz, Eschatologie 235/8. So in den Psalmen Salomos. Siehe: Volz, Eschatologie 238/9. Diese Sicht wird vertreten in Daniel 12, sowie in den Apokalypsen von Esra und Baruch, zum Teil auch in den Testamenten der Patriarchen. Siehe hierzu: Volz, Eschatologie 240/3. Siehe: Volz, Eschatologie 256. Vgl.: Volz, Eschatologie 256/66. Besonders ausführlich wird das Los der Toten bis zum Endgericht geschildert in Henoch 22 und in Esra 7. Von einem End- oder Weltgericht ist dann keine Rede mehr. Siehe hierzu: Volz, Eschatologie 266/9 und 271. Als Beispiel kann vor allem das vierte Makkabäerbuch genannt werden. Siehe: Leonhardt-Balzer, Reicher 653. Siehe: Volz, Eschatologie 289/90. Belege finden sich z. B. im vierten Makkabäerbuch. Siehe: Heininger, Metaphorik 188. Siehe: Volz, Eschatologie 295. Volz sieht in Lk 16,19–31 eine Parallele zu dieser Auffassung. Dies konnte sowohl vom Volk Israel, das zunächst Subjekt der eschatischen Hoffnung war, dann von der frommen jüdischen Gemeinde und dann auch vom Gerechten als Individuum so gesehen werden. Siehe: Volz, Eschatologie 108/9. Vgl.: Volz, Eschatologie 109/13. Vgl.: Volz, Eschatologie 101/2.
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Die Rede Jesu an die Pharisäer: Lk 16,14–31
Handlungen zugunsten des Nächsten;296 nach Zerstörung des Tempels durch die Römer gelten sie sogar als Ersatz für die Sühnopfer. 297 Die eschatische Vergeltung für die guten Werke wird oft als Fortsetzung und Abschluss der diesseitigen Vergeltung gesehen, andererseits wird manchmal betont, dass die eschatische Vergeltung gerade dem nachgehe, was im Diesseits noch nicht durch Lohn oder Strafe vergolten wurde.298 „Weil es nun im Diesseits gerade umgekehrt ging, als man nach dem Recht hätte erwarten sollen, so bringt der eschatologische Akt der Vergeltung eine völlige Umkehrung des Bisherigen.“ 299 Über den Aufenthaltsort der Toten gibt es im Judentum und in den biblischen Schriften ebenfalls keine einheitlichen Ansichten. 300 Der Begriff Hades ist in der Septuaginta gewöhnlich die Übersetzung für Scheol, die Totenwelt.301 Zunächst ist nicht an einen unterschiedlichen Ort für Gute und Böse gedacht. 302 An keiner der 95 Fundstellen findet sich eine detaillierte Beschreibung des Hades; es werden vielmehr nur einige Charakteristika genannt, wie z. B.: der Hades verschlingt die Menschen, z. B. Spr. 1,12; 15,11. Der Hades ist unersättlich, z. B. Spr. 30,16; 27,20; Hab 2,5; Jes 5,14. Die Erwähnung von Feuer findet sich Dan 3,88. Der Hades ist in der Tiefe der Erde angesiedelt: z. B. Spr 9,18; Ijob 11,8; Weish 17,13; Sir 21,10; 51,5; Jona 2,3; Jes 57,9; Tob 13,2; Am 9,2; Ps 139,8. Da die Toten in der Unterwelt Gott nicht preisen können, 303 ist sie der Ort der größten Gottesferne.304 In nachexilischer Zeit entwickelt sich neben der Vorstellung von der Scheol genannten Totenwelt die Vorstellung eines Ortes der Strafe, der Gehenna.305 Erst in der apokalyptischen Literatur, so in 1 Hen306, 4 Esra307 und 2 Bar308 sowie in TestAbr 11–14309 finden sich detailliertere Be296 297 298 299
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Siehe hierzu: Volz, Eschatologie 105 und 79/80. Siehe: Volz, Eschatologie 105. Vgl.: Volz, Eschatologie 125/6. Volz, Eschatologie 126. Die Worte „eine völlige Umkehrung des Bisherigen“ sind im Original durch Sperrung hervorgehoben. Vgl.: Roloff, Hölle 221. Eine Zusammenstellung wichtiger Parallelen zu Lk 16,19–31 bietet: Snodgrass, Stories 420/3. Vgl.: Forbes, God 189. Siehe auch: Snodgrass, Stories 431. Siehe: Hutter, Hölle 320. Siehe: Jes 38,18; Ps 6,6, 115,25. Siehe auch: Hoheisel, Unterwelt 445/6 und Sedlmeier, Unterwelt 446/7. Vgl.: Lk 10,15 (par Mt 11,23). Siehe: Wolter, Lukasevangelium 383. Ursprünglich handelt es sich hierbei um das Hinnomtal (hebr. Ge-hinnom, aram. Gehinnam), das heutige Wadi er-Rababe im Süden Jerusalems, das einst den Molochkult, bei dem Kinderopfer stattfanden, beherbergte. (2 Kön 16,3; 21,6; 23,10; Jer 7,31). Jer 7,31 findet sich die Drohung, das Hinnomtal werde „Tal der Abschlachtung“ werden. Die jüdische Apokalyptik entwickelte daraus die Vorstellung, Gott werde die Frevler ins Feuer werfen (äthHen 10,13; 18,11–16; Jub 9,15; QH 3,29–36; syrApkBar 37,1). Diese Feuerhölle lokalisierte man im Hinnomtal. Siehe: Böcher, γέεννα 575. Vgl.: Frevel, Hinnomtal 143/4. Siehe auch: Roloff, Hölle 222; Hutter, Hölle 320; Volz, Eschatologie 328/9. Siehe zu den Einzelheiten: Lehtipuu, Afterlife Imagery 129/37. Siehe: Leonhardt-Balzer, Reicher 653.
Die Erzählung vom reichen Mann und dem armen Lazarus: Lk 16,19–31
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schreibungen des Hades und die Vorstellung von unterschiedlichen Schicksalen der Seelen in einer jenseitigen Welt.310 So ist im Henochbuch von einer tiefen Schlucht die Rede, von μέγα χάσμα. 311 In Henoch 22 werden vier unterschiedliche Plätze beschrieben, drei dunkle und ein heller mit einer Wasserquelle für die Gerechten.312 Dass die Ungerechten die Gerechten sehen können, „gehört zu ihrer Strafe und ist ein geläufiges Element frühjüdischer Eschatologie (z. B. äthHen 108,15; 4 Esra 7,83.85; Lk 13,28f)“. 313 Die Vorstellungen von einer Unterwelt, in der die Seelen unterschiedliche Schicksale haben, waren im Mittelmeerraum also tief verwurzelt. Auch die Vorstellung, dass das postmortale Schicksal als Belohnung oder Strafe von der gerechten oder frevelhaften Lebensweise abhängt, scheint weit verbreitet gewesen zu sein.314 Welche Vorstellung von der „postmortalen Welt“ Lukas mit dem Begriff „Hades“ verbunden hat, ist nicht klar zu erkennen. Er verwendet den Begriff außer Lk 16,23 noch 10,15 (par Mt 11,23) in den aus Q stammenden Weherufen über die Städte Galiläas. Durch das Verb καταβήσῃ wird deutlich, dass die Totenwelt hier als „Unter“-Welt gedacht ist und im klaren Kontrast zum Himmel (μὴ ἕως οὐρανοῦ ὑψωθήσῃ) gesehen wird. Außerdem verwendet Lukas das Wort Hades in Apg 2,27, allerdings handelt es sich um ein Zitat aus Psalm 15. In Apg 2,31 benutzt Lukas ebenfalls den Begriff Hades, aber unter Beeinflussung des Psalmzitats.315 Wie in der anderen neutestamentlichen Literatur erscheint der Begriff Hades also bei Lukas nur sehr selten, so dass sich keine genaue Aussage über seine Vorstellung davon machen lässt. Auch das Wort Gehenna, das im NT insgesamt an 12 Stellen vorkommt, 316 findet sich bei Lukas höchst selten, nämlich nur Lk 12,5 (par Mt 10,28), in der aus Q übernommenen Warnung vor dem, der die Macht hat, Menschen in die Gehenna zu werfen (ἐμβαλεῖν εἰς τὴν γέενναν). Anders als Mt und Q (φοβεῖσθε δὲ […] τὸν δυνάμενον καὶ ψυχὴν καὶ σῶμα ἀπολέσαι ἐν τῇ γεέννῃ)317 spricht Lukas nicht 308 309 310
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Siehe: Lehtipuu, Afterlife Imagery 138/42. Siehe: Lehtipuu, Afterlife Imagery 139/44. Zu ähnlichen Vorstellungen bei Philo, Josephus, den Pharisäern und Sadduzäern siehe: Lehtipuu, Afterlife Imagery 148/54. So: Henoch 18,11. Siehe: Volz, Eschatologie 329. Siehe: Volz, Eschatologie 258. Vgl. zu 1 Hen 22 auch: Heininger, Metaphorik 188/9. Seines Erachtens zeigt 1 Hen 22 klar, dass hellenistisch geprägte eschatologische Vorstellungen durchaus auf jüdischem Boden präsent waren. Nach Vorstellung Esras und Baruchs werden die Seelen bis zum Gericht in Behältern aufbewahrt, die von Engeln bewacht werden. Siehe zu den unterschiedlichen Auffassungen über den Ort der Toten, hier der Gerechten, die Übersicht bei Volz, Eschatologie 270/1. Wolter, Lukasevangelium 560. Siehe hierzu auch: Lau, Lukas 228. In Offb 1,18 und 6,8 steht der Begriff Hades in enger Verbindung mit dem Begriff θάνατος. Mt 5,22.29; 10,28; 18,9; 23,15.33; Mk 9,43.45.47; Lk 12,5; Jak 3,6. Spruchquelle Q 76.
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Die Rede Jesu an die Pharisäer: Lk 16,14–31
von „vernichten“, sondern von „hineinwerfen“. Wenn auch dies einen negativen Klang hat, so ist bei Lukas nicht unbedingt davon auszugehen, dass er anders als im Hades, dem vorübergehenden Aufenthaltsort der Toten, die hier auf ihre Auferstehung warten, in der Gehenna einen Ort ewiger Strafe und Qual gesehen hat.318 Der Begriff Hades hat in Lk 16,23 vor allem eine literarische Funktion, nämlich den Orts- bzw. Szenenwechsel deutlich zu markieren. Die Erwähnung des Hades ist von der Sache geboten und nicht überraschend, nach der Erzählung des Todes der beiden Akteure erfolgt nun die Betrachtung des postmortalen Geschicks im Hades. Darüber hinaus wird im folgenden Text deutlich, dass der Hades in Lk 16 als ein Ort der Qual, als „Ort des Unheils“ 319 verstanden wird. Ob er nur vorübergehender Aufenthaltsort der Toten 320 oder endgültiger Strafort für die Sünder 321 ist, geht aus dieser Stelle nicht hervor.322 Auch wird nicht klar, wo genau sich Abraham und Lazarus befinden, ob sie sich auch im Hades323 oder einer Abteilung des Hades aufhalten. 324 Es wird allerdings im folgenden Text deutlich gemacht, dass zwischen dem Ort des Reichen und dem Abrahams und Lazarus’ eine weite Entfernung liegt (ἀπὸ μακρόθεν) und dass es eine unüberbrückbare Kluft zwischen ihnen gibt. Man muss davon ausgehen, dass es Lukas an dieser Stelle überhaupt nicht darauf ankam, eine präzise Aussage über seine Auffassung vom Jenseits oder eine systematische Schilderung der Jenseitsvorstellungen seiner Zeit oder eine Lehre über das Schicksal der Verdammten325 zu geben,326 sondern vielmehr im Lauf der Erzählung den 318
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Vgl.: Lang, Himmel und Hölle 29/35. Siehe auch: Forbes, God 189: „In the New Testament ᾅδης is never used with respect to the saved. Its relationship to γέεννα (hell), the place of final punishment, is not altogether clear. Though Hades is often seen in terms of an intermediate state, the distinction here is not so apparent.” Vgl.: Snodgrass, Stories 432: „[…] he does not give enough information for a firm conclusion.” Wolter, Lukasevangelium 560. Vgl.: Lau, Lukas 228. Die von Bovon, Lukas III 122 Anm. 90, angeführten Stellen Apg 2,24.27.31 sagen m. E. nichts aus über die Qualen in der Unterwelt, sondern bezeichnen den Tod selbst als Qual. So: Jeremias, Gleichnisse 184. So: Wolter, Lukasevangelium 560: „Im Hintergrund steht nicht die Vorstellung von einem Zwischenzustand, sondern eine am Geschick des Individuums orientierte Eschatologie, die mit einer endgültigen Zuweisung von Heil und Unheil gleich nach dem Tode rechnet und darum nicht auf ein noch ausstehendes Endgericht reflektieren muss.“ Vgl.: Snodgrass, Stories 432. „Beide umfaßt zwar derselbe Raum, der Hades, ihre Beziehung zueinander bleibt also bestehen, doch befindet sich jetzt der Reiche unten (ἐπάρας τοὺς ὀφθαλμούς), Lazarus oben, in der Gemeinschaft des Festmahls mit Abraham, eine Umkehrung des ‚drinnen‘ und ‚draußen‘ der ersten Sequenz.“ So: Schnider; Stenger, Tür 278. „Another problem concerns the relationship between Abraham’s bosom and Hades. Their apparent proximity may reflect the idea of a twin compartment of Sheol, one for the righteous and one for the wicked, found in 1 En. 22.8–14 and possibly 4 Ezra 7.36, 85, 93.” So: Forbes, God 190. Eine einheitliche Vorstellung hiervon gibt es auch nicht. Vgl.: Lang, Himmel und Hölle 39: „In der religionsgeschichtlichen Forschung ist es allerdings bisher zu keiner Einigung gekommen, wie das Schicksal der Verdammten an jenem Ort aussieht, den das
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Hades als Ort der Qual dem Schoß Abrahams als Ort der Geborgenheit und Fürsorge gegenüberzustellen und damit den Gegensatz im postmortalen Schicksal der beiden Hauptpersonen327 nachdrücklich vor Augen zu führen.328 Die Wendung ἐπαίρειν τοὺς ὀφθαλμούς329 findet sich in der griechischen Profanliteratur nicht. In der Septuaginta begegnet sie allerdings an 24 Stellen330 und im NT an acht Stellen.331 In der Mehrzahl der Fälle folgt wie Lk 16,23 auf die Form von ἐπαίρειν plus τοὺς ὀφθαλμούς ein anderes Verb des Sehens. 332 Die Wendung bedeutet „aufschauen, Ausschau halten, aufblicken“. Es bedeutet nicht „die Augen erheben“ im Sinne von „nach oben 333, in die Höhe schauen“. Wenn dies gemeint ist, wird das meist durch einen Zusatz deutlich gemacht. 334 Die genannten Parallelstellen legen nahe, dass sich der Aufenthaltsort des Lazarus und der des Reichen auf einer Ebene befinden. 335 Dennoch lässt sich aus der Wendung ἐπάρας τοὺς ὀφθαλμούς keine Topographie des Jenseits ableiten. Der Reiche hält also Ausschau und erblickt Abraham und den Reichen in sei-
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Neue Testament als Gehenna, Hades und Abyssos (Abgrund) bezeichnet. Mit Recht können sich die meisten Deutungen auf bestimmte Bibelstellen berufen, und so liegt der Schluß nahe, daß das früheste Christentum kein kohärentes Bild vom Schicksal der Verdammten kennt; vielmehr bestehen verschiedene Konzeptionen nebeneinander“. Vgl.: Jülicher, Gleichnisreden II 623/5. Siehe auch: Snodgrass, Stories 430/2. „Different fates await those usually described as righteous and wicked. The former are rewarded and exalted, the latter punished or destroyed. The different fates of the rich man in Hades and Lazarus in Abraham’s bosom fit this picture seamlessly. A corresponding differentiation was commonplace in both contemporary Greek and Jewish writings. It seems not to have been a peculiarity shared by only some idiosyncratic groups but, as far as we can infer from the available sources, a deeply-rooted belief in the mental environment of the mediterranean world.“ Lehtipuu, Afterlife Imagery 159. Allerdings geht es Lk 16 weniger um eine Belohnung des Armen für ein tugendhaftes Leben, sondern eher um einen Ausgleich. Angesichts dessen erscheint mir das Wort „seamlessly“ etwas übertrieben. Lau, Lukas 230, hat darauf aufmerksam gemacht, dass im Text des Lukas nicht von einem Gericht die Rede ist. Dennoch erfolge ein Gericht, das sich individuell, unmittelbar nach dem Tod und automatisch vollziehe. Vgl.: Lang, Himmel und Hölle 40: „Die Geschichte vom Armen und vom Reichen zielt nur auf den Gegensatz zwischen den beiden Schicksalen im Jenseits“. Siehe auch: Ernst, Lukas 357. Die Wendung „ist ein Septuagintismus (vgl. Gen 13,10; 2.Sam 18,24; 1.Chr 21,16; Ez 18,6; s. aber auch Chariton v. Aphrodisias 1,4,7).“ Wolter, Lukasevangelium 560. Gen 13,10; Num 24,2; Jud 19,17; 2 Kö 13,34; 18,24; 4 Kö 19,22; 23,16; 1 Chr 21,16; 1 Makk 4,12; 5,30; 9,39; Ps 121,1; 123,1; Zach 2,5; 5,9; 6,1; Jes 37,23; 49,18; 51,6; 60,4; Jer 3,2; Ez 23,27; Dan 8,3; 10,5. Mt 18,8; Lk 6,20; 16,23; 18,13; Joh 4,35; 6,5; 11,41; 17,1. εἶδεν: Gen 13,10; Jud 19,17; εἶδον: 1 Makk 4,12; 9,39; Sach 2,5; 5,9; 6,1; Dan 8,3; 10,5; ἰδοῦ: 1 Makk 5,30; ἰδέ: Jes 60,40; Jer 3,2; καθορᾷ: Num 24,2; 2 Kö 13,34; 18,24; 1 Chr 21,16. Im NT: εἶδον: Mt 17,8; θεάσασθε: Joh 4,35; θεασάμενος: Joh 6,5. So: Bovon, Lukas III 122. εἰς ὕψος: 4 Kö 19,22; Jes 37,23; εἰς τὰ ὄρη: Ps 121,1; εἰς τὸν οὐρανόν: Jes 51; 6; Lk 18,13; Joh 17,1; ἄνω: Joh 11,41. Jülicher, Gleichnisreden II 625, vertritt die gegenteilige Ansicht.
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nem Schoß. Das Präsens ὁρᾷ kann auf die Dauer des Sehens hinweisen. 336 Denkbar ist auch, dass durch das historische Präsens der Szenenwechsel zusätzlich betont und das Sehen des Reichen als eine für den Fortlauf der Erzählung wichtige Handlung herausgehoben wird.337 Mit der Wendung ἀπὸ μακρόθεν338 wird angedeutet, dass sich zwischen dem Reichen auf der einen und Abraham und Lazarus auf der anderen Seite ein großer Abstand befindet, was etwas später von Abraham weiter ausgeführt wird. Die Entfernung lässt allerdings, was für die weitere Erzählung notwendige Voraussetzung ist, den Sichtkontakt und die sprachliche Verständigung zu.339 Die sprachliche Gestaltung des Verses macht die große Entfernung zwischen dem Armen und dem Reichen deutlich. Denn die beiden Ortsbestimmungen ἐν τῷ ᾅδῃ und ἐν τοῖς κόλποις αὐτοῦ stehen am Anfang und am Ende des Satzes, also an betonten Stellen, aber weit auseinander, dazwischen die beiden Partizipialwendungen und das ἀπὸ μακρόθεν, das neben der „Sperrung“ der Ortsbestimmungen nochmals das weite Auseinanderliegen der beiden Orte verbalisiert. Fast in der Mitte des Satzes steht das Prädikat ὁρᾷ, das auch damit eine herausgehobene Position im Satz einnimmt: Es bezeichnet eine der beiden möglichen Verbindungen zwischen den beiden Orten, dem Schoß Abrahams und dem Ort der Qualen, an dem sich der Reiche aufhält. Denn nur durch Sehen (und später durch Rufen) ist eine Überwindung der großen Entfernung möglich. Das ὁρᾷ, das als Objekt Abraham und Lazarus hat, kann darüber hinaus auch ausdrücken, dass der Reiche ganz intensiv und gezielt auf Abraham und Lazarus schaut, dessen Sein durch die Wendung ἐν τοῖς κόλποις αὐτοῦ340 als geborgen und damit im Kontrast zum Sein des Reichen (ὑπάρχων341 ἐν βασάνοις) dargestellt wird. So kann das ὁρᾷ auf das ἐπιθυμῶν von V. 21 verweisen.342 Lazarus, den er vorher vor seinem Tor sicher336
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Siehe: BDR 264 § 318. Bovon, Lukas III 122, fordert auf, das historische Präsens ὁρᾷ zu beachten, „das auf der leidvollen Dauer dieses Sehens insistiert“. Nach Dondici, Lazarus 156, verschiebt es „das erzählte Geschehen in die aktuelle Gegenwart und Nähe der Leser.“ Siehe hierzu: BDR 265 § 320,1. Vgl.: Horn, Glaube und Handeln 81: „Sich noch vom Aorist steigernd abhebend, leitet das Präsens historicum ὁρᾷ die eigentliche Handlung ein.“ Diese Wendung findet sich in der Septuaginta dreimal (Esra 22,43; Ps 137,6; 138 2) und im NT zwölfmal (Mt 26,58; 27,55; Mk 5,6; 8,3; 11,13; 14,54; 15,40; Lk 16,23; 23,49; Offb 18,10; 18,15; 18,17) und bei späteren christlichen Schriftstellern. Vgl.: Wolter, Lukasevangelium 560: „Dass diejenigen, die sich am eschatischen Unheilsort befinden, das Heil der Gerechten sehen können, gehört zu ihrer Strafe und ist ein geläufiges Element frühjüdischer Eschatologie (z. B. äthHen 108,15; 4.Esr 7,83.85; Lk 13,28f); umgekehrt gilt Entsprechendes (z. B. äthHen 56,8; 62,12; 108,14; 4.Esr 7,93).“ Der Plural dürfte hier keine andere Bedeutung haben als der Singular in V. 22. Siehe: Nolland, Luke 829. Der Begriff ist nach Jülicher, Gleichnisreden II 625, ein „Lieblingswort des Lc zur Bezeichnung dauernder Zustände“. „Die Verschränkung der beiden in der Umkehrung ihres Geschicks wird vollends dadurch deutlich, daß jetzt der Reiche Lazarus sieht, den er in Sequenz I nicht gewahrte, während Lazarus in Sequenz I – so darf man erschließen – um das vom Tisch des Reichen
Die Erzählung vom reichen Mann und dem armen Lazarus: Lk 16,19–31
345
lich gesehen, aber nicht wahrgenommen hat, um den er sich nicht gekümmert hat, obwohl er dessen Namen gekannt hat, wie aus der folgenden Bitte an Abraham hervorgeht, nimmt er jetzt wahr und bemerkt, dass dieser sich im Schoß Abrahams befindet und dass es ihm gut geht. 343 So ist eine totale Umkehrung der Situation eingetreten.344 Der Reiche
Der Arme vor dem Tod
ist drinnen kleidet sich in kostbarste Gewänder hat genug zu essen hat Gesellschaft
ist draußen ist mit Geschwüren bedeckt leidet Not, begehrt ist einsam
nach dem Tod ist draußen leidet Qualen ist einsam
ist drinnen ist geborgen, es geht ihm gut hat Gesellschaft (Abraham)
V. 24a/b καὶ αὐτὸς φωνήσας εἶπεν· πάτερ Ἀβραάμ, ἐλέησόν με καὶ πέμψον Λάζαρον ἵνα βάψῃ τὸ ἄκρον τοῦ δακτύλου αὐτοῦ ὕδατος καὶ καταψύξῃ τὴν γλῶσσάν μου, ὅτι ὀδυνῶμαι ἐν τῇ φλογὶ ταύτῃ. Das αὐτός nimmt das Subjekt des vorhergehenden Satzes auf, und das ist der in V. 22 genannte πλούσιος, der im Folgenden nur noch durch Pronomina bezeichnet wird.345 Das αὐτός legt hier eine besondere Betonung auf den Reichen. Er, der sich vorher nicht um den Armen gekümmert hat, gerade er346 beginnt jetzt die Unterhaltung. Er hat wahrgenommen, versucht Kontakt zu den Personen, die er gesehen hat, aufzunehmen und redet jetzt. Die Wendung φωνήσας mit einem Verb des Sagens ist bereits bei Homer eine oft gebrauchte Formel, z. B. καί μιν φωνήσας ἔπεα πτερόεντα προςηύδα347
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fallende begehren zu können, durch die Tür den Reichen sehen mußte”. So: Schnider; Stenger, Tür 278. Siehe auch: Schnider; Stenger, Tür 279. „The contrast is between torment and tranquil intimacy with great father Abraham.” So: Nolland, Luke 829. Vgl.: Lau, Lukas 224. „The two men have effectively exchanged places“. So: Metzger, Consumption and Wealth 142. Siehe: Kapitel 6.3.1. Dies gegen Hintzen, Verkündigung und Wahrnehmung 135, der dem αὐτός die Bedeutung „ausgeschlossen aus der Gemeinschaft mit Abraham und Lazarus“ zuspricht. Siehe auch Il. II 7, 35; IV 312, 369; XIII 750; XIV 138; XV5 35, 89; Od. I 132; II 269 und in beiden Epen öfter.
346
Die Rede Jesu an die Pharisäer: Lk 16,14–31
(Il. I 201). Ähnliche Formulierungen finden sich auch im NT: Lk 8,54; 23,46; Apg 16,28 und Offb 14,18. Wenn das Rufen besonders laut ist, wird φωνῇ μεγάλῃ zu φωνήσας hinzugesetzt, so Lk 23,46; Mk 1,26; Apg 16,28 und Offb 8,54. Dass es sich bei Lk 16,24 um ein lautes Rufen handelt, wird nicht durch den oben genannten Zusatz betont. Dies muss der Leser in der Verbindung mit ἀπὸ μακρόθεν erschließen. Der Reiche wendet sich an den „Handlungssouverän“ 348 Abraham. Der Arme selbst spricht und handelt nicht. Aber auch, wenn über ihn nur gesprochen wird, so ist er doch immer im Blickfeld und der Gegensatz zwischen der jetzigen veränderten Situation des Reichen und der des Lazarus im Bewusstsein des Lesers. Der Reiche nennt Abraham „Vater“, was er im weiteren Verlauf der Geschichte noch zweimal wiederholt, und beruft sich als Israelit damit auf die Abstammung von Abraham,349 der mit Isaak und Jakob und allen Propheten in das Reich Gottes gelangt ist350 und den die Frevler unter Heulen und Zähneknirschen von außen dort sehen werden. So, wie 13,28 geschildert, geht es dem Reichen. Er ist ausgeschlossen, er ist außen vor und sieht in seinen Qualen Abraham und Lazarus, denen es gut geht. Mit der Wendung ἐλέησόν με leitet er seine Aufforderung ein. Diese fast schon als formelhaft zu bezeichnende Wendung findet sich bereits bei Homer, Il. XXI 74351 auch in Verbindung mit vorausgehendem φωνήσας und einem Verb des Sagens wie bei Lukas. In der Septuaginta ist die Wendung gebräuchlich,352 und in den Psalmen353 „ist sie Bestandteil der Hinwendung zu Gott und der Bitte um Rettung und Bewahrung.“354 Im NT leitet die Formel eine Bitte an Jesus um eine Wundertat ein. In Mk 10,47 (par Lk 18,38 par Mt 20,30) ist es ein Blinder, der sich an Jesus wendet und ihn um Wiederherstellung seiner Sehkraft bittet. In Mt 9,27 wenden sich zwei Blinde mit der gleichen Bitte an Jesus. In Mt 15,22 bittet eine Mutter Jesus, ihre Tochter von einem Dämonen zu befreien, und in Mt 17,15 bittet ein Mann Jesus, seinen mondsüchtigen Sohn zu heilen. Lukas nutzt diese Bitte auch in seinem Sondergut: In Lk 17,13 lässt er 348 349
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Siehe: Kapitel 6.3.2.2. Vgl.: Mora Paz, Struktur 135. Zur Abrahamkindschaft siehe auch: Lk 3,7–9; 3,34; 13,10–17. Vgl. auch das oben zu V. 22 Gesagte. Für Gradl, Zwischen Arm und Reich 247, klingt die Anrede πάτερ Ἀβραάμ verzweifelt und ironisch zugleich. Bredenhof, Failure and Prospect 60/1, weist darauf hin, dass der Reiche sich aufgrund der unterlassenen Hilfe eben nicht als Kind Abrahams erwiesen hat. Lk 13,28. καί μιν φωνήσας ἔπεα πτερόεντα προσηύδα. γουνοῦμαι σ᾽ Ἀχιλλεῦ, σὺ δὲ μ᾽ αἴδεο καί μ᾽ ἐλέησον. Siehe auch: Hom. Il. XXII 59, 82; vgl. Od. XXII 312, 344; Soph. Phil. 501, 967; Aristoph. Vesp. 393, Pax 400. Jud 6,19; 2 Makk 7,27 (hier nicht an Gott gerichtet, sondern von der Mutter an ihren Sohn); 3 Makk 6,12; Jes 33,2; Sir 36,1. 6,3; 9,14; 24 (25),16; 25 (26),11; 26 (27),7; 30 (31),10; 40 (41),5.11; 50 (51),3; 55 (56),2. Wolter, Lukasevangelium 572.
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die zehn Aussätzigen Jesus mit den Worten ἐλέησον ἡμᾶς ansprechen. Mit dieser Bitte um Erbarmen wendet sich der Reiche an Abraham. Damit wird die Notlage des Reichen deutlich: Wie ein Blinder oder Aussätziger befindet sich der Reiche in einer hoffnungslosen Situation, die lediglich durch das Erbarmen eines machtvoll Eingreifenden verändert werden kann. Das folgende καί konkretisiert dann die Bitte des Reichen. Abraham soll als Handlungssouverän Lazarus zu ihm schicken, damit dieser ihm Linderung in seiner Qual bringen kann. Dass der Reiche gerade um Sendung des Lazarus bittet und nicht etwa um die eines anderen Menschen, den er im Schoß Abrahams erblickt, liegt sicher an der Struktur von Parabeln, die mit wenigen Hauptcharakteren auskommen.355 Allerdings ist es durchaus bemerkenswert, dass der Reiche offenbar in einer solchen Notlage ist, dass er sich Hilfe von jemandem erhofft, der zumindest früher als Bettler und mit einer Hautkrankheit Geschlagener zu den „Ausgestoßenen“ zählte.356 Dass der Reiche den Namen „Lazarus“ nennt, zeigt, dass er den Armen kannte und dass er ihn nun „wiedererkennt“ 357. Damit ist für den Leser klar, dass der Reiche auch die Notlage des Lazarus kannte und ihm hätte helfen können. Das Erbarmen, um das der Reiche Abraham nun bittet, hat er selbst gegenüber dem Armen nicht gezeigt.358 Der Reiche geht davon aus, dass die große Distanz, die zwischen ihm und Abraham besteht, überwunden werden kann, so wie die Distanz zwischen dem vor seinem Palast liegenden Lazarus und ihm überwindbar gewesen wäre. Aber auch in seiner jetzigen Situation denkt der Reiche zunächst nur an sich, daran, wie seine Lage verbessert werden könnte. 359 Ob er eine Einsicht in die Gründe für die Veränderung seiner Situation hat, geht aus dem Text nicht hervor. 360 355
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Metzger, Consumption and Wealth 142, hält es für möglich, dass der Text darauf hinweist, dass Mitglieder der gesellschaftlichen Schicht des Reichen, also Freunde oder Familienangehörige, wohl nicht im Schoß Abrahams sind. Vgl.: Metzger, Consumption and Wealth 142. Hintzen, Verkündigung und Wahrnehmung 137. Das ἐλέησον ist als Einleitung einer Bitte zu formelhaft, so dass man an dieser Stelle noch nicht davon sprechen sollte, dass „den Pharisäern (und mit ihnen dem Leser) vor Augen gestellt [wird], was ihr unbarmherziges Verhalten nach dem Tod für Folgen hat.“ So: Hintzen, Verkündigung und Wahrnehmung 137. Davon, dass der Reiche im Jenseits dafür bestraft wird, weil er nicht bereit war, Erbarmen zu gewähren, ist hier noch nicht die Rede. Dass der Reiche schuldig geworden ist, weil er Lazarus die Hilfe im Leben versagte, muss der Leser im Folgenden selbst erschließen. Gradl, Zwischen Arm und Reich 247, hält die Aufforderung des Reichen für vermessen: „In der Vorstellung des Reichen bleibt Lazarus weiterhin der Unterlegene und der Untergebene. Kein Anzeichen von Reue oder Eingestehen des Versäumten ist zu erkennen.” „Ob die Bitte, Abraham möge gerade Lazarus zur Linderung seiner Qualen schicken, seine fortdauernde Uneinsichtigkeit (Marshall) oder Selbstsucht (Fitzmyer) zum Ausdruck bringen soll, ist zweifelhaft. Eher handelt es sich um ein erzählerisches Mittel, mit dem noch einmal die Umkehrung der Geschicke zum Ausdruck gebracht wird. Die Bitte kann insofern gerade umgekehrt als Anerkenntnis der neuen Situation verstanden wer-
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Auch der Leser erfährt noch keine Gründe für die Umkehrung der Verhältnisse. Er muss warten, bis er in der Antwort Abrahams einen Hinweis für die Veränderung der Situation erhält. Oder aber er ahnt, warum dies mit dem Reichen und dem Armen so geschieht, weil er ähnliche Geschichten, die von der Umkehrung der Verhältnisse nach dem Tod berichten, in seinem jüdischen oder griechisch-römischen Kulturkreis361 kennt und von daher die Entwicklung, die die Geschichte von Lazarus und dem Reichen nehmen wird, erschließen kann. Die Geschichte vom Ägypter Si-Osiris gilt als eine der ältesten Parallelgeschichten. Sie stammt aus dem 4. Jh. v. Chr., geht aber wahrscheinlich auf eine ältere Tradition zurück. Seit Gressmanns Studie 362 gilt sie als Vorlage für Lk 16,19–26. Si-Osiris und sein Vater Setme beobachten das prunkvolle Begräbnis eines Reichen und dann die bescheidene Bestattung eines armen Mannes. SiOsiris führt dann seinen Vater Setme durch das Totenreich. Er sieht dort, wie der Reiche große Qualen erdulden muss, während der Arme sich in der Nähe des Gottes Osiris aufhalten darf. Die Umkehrung der Verhältnisse wird damit begründet, dass die guten Taten des Armen zahlreicher als die des Reichen waren. Ähnliche Geschichten finden sich auch in der jüdischen Literatur. Der Jerusalemer Talmud (ySan 23c,30–43; yHag II 77d,42–57) erzählt von dem Sohn des reichen Steuereintreibers Ma’yan, der am selben Tag wie ein armer, frommer jüdischer Gelehrter in Aschkelon stirbt. Der Reiche wird mit Prunk, der Arme in aller Bescheidenheit bestattet. Ein Freund, der dies als ungerecht empfindet, erfährt im Traum, dass die eine gute Tat, die der Reiche in seinem Leben getan hat,363 ausreicht, um ihm ein solches Begräbnis zu gewähren, während eine schlechte Tat des frommen Juden zu dem bescheidenen Begräbnis geführt hat. In einem zweiten Traum sieht der Freund den Armen im Paradies, während der Reiche den Qualen der Hölle ausgesetzt ist. Während Gressmann, dem manche Exegeten im 20. Jh. folgten, der Ansicht war, dass diese Geschichten Vorbilder für Lukas 16,19–25 waren, ist man heute der Meinung, dass es zwar Gemeinsamkeiten zwischen diesen Geschichten und dem Text bei Lukas gibt, 364
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den“. Wolter, Lukasevangelium 560. Auch für Metzger, Consumption and Wealth 141, zeigt die Bitte, dass der Reiche anerkennt, dass er seine Situation selbst nicht ändern kann und ganz auf die Hilfe anderer angewiesen ist. Zum Folgenden siehe: Gressmann, Lazarus 1/91; Bauckham, Lazarus 225/46; Busse u. a., Jesus 121/2; Seccombe, Possessions 173/6; Lehtipuu, Afterlife Imagery 12/4, 175/83; Leonhardt-Balzer, Reicher 655/6; Wolter, Lukasevangelium 557/8; Bovon, Lukas III 114/7. Gressmann, Lazarus. Siehe hierzu auch: Bovon, Lukas III 114. Er „hat ein Frühstück (griech ‚ariston‘) für die Ratsherren (griech ‚bouleutēs‘) (der Stadt) gegeben, aber die kamen nicht. Er sagte: es sollen die Armen kommen und es essen, damit es nicht verderbe.“ So: Talmud Yerushalmi Band IV/4 148 und Talmud Yerushalmi Band II/11 52. Vgl.: Bovon, Lukas III 114. Die Gemeinsamkeiten bestehen z. B. in der Beschreibung der Strafen und der Umkehrung der Schicksale im Jenseits.
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dass aber die Unterschiede365 eher zu dem Schluss gelangen lassen, dass es sich um in der damaligen Zeit weit verbreitete volkstümliche Motive366 handelt, die keine Abhängigkeit des Lukas erkennen lassen. Auch im griechisch-römischen Kulturkreis finden sich die genannten Motive. Auf die Dialoge Cataplus und Gallus des Lukian von Samosata hat besonders Hock 367 hingewiesen. Im Gallus stellt Lukian den armen Schuhmacher Micyllus dem reichen Eukrates gegenüber, im Cataplus denselben Micyllus dem reichen Tyrannen Megapenthes, dessen Nachbar Micyllus ist und von dessen Tafel der Geruch der Speisen in ihm den Wunsch aufkommen lässt, an den Tafelfreuden teilnehmen zu können. Micyllus und Megapenthes sterben am selben Tag, der eine während der Arbeit, der andere während eines Mahls. Megapenthes bittet und feilscht um die Verlängerung seines Lebens.368 Micyllus hat durch seine Arbeit die Selbstbeherrschung eines kynischen Philosophen praktiziert, während der Reiche sein Leben in Ausschweifungen verbracht hat. Deshalb wird am Ende der Reiche dazu verurteilt, sein früheres Leben nie zu vergessen, Micyllus gelangt auf die Inseln der Seligen. In der Beispielerzählung des Lukas ist aber nirgendwo die Rede von der „Selbstbeherrschung als Tugend der Armen, und es gibt keinen Grund, diese Deutung in die Parabel hineinzulesen.“ 369 Als Fazit lässt sich festhalten: In ägyptischen, jüdischen und griechischen Erzählungen lassen sich Motive finden, die auch in der Beispielerzählung des Lukas vorkommen. Aber keine dieser Erzählungen kann wegen der doch erheblichen Unterschiede als 365
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Die ägyptische und die jüdischen Erzählungen beginnen mit der Beschreibung der Begräbnisse und nicht der des Lebens der Gestalten; ein Zeuge der Begräbnisse vermittelt die Einsicht in das Schicksal der Toten, während sie bei Lukas vom Leser erarbeitet werden muss, was dann eher eine Ähnlichkeit mit den V. 27–31 ergeben würde. Vgl.: Leonhardt-Balzer, Reicher 655, die daraus den Schluss zieht, dass die lukanische Parabel eine Einheit ist. Denn im ersten Teil des Gleichnisses sind es nicht die Taten – wie in der ägyptischen und jüdischen Tradition –, die die Veränderung der Geschicke bewirken, sondern reiches und armes Leben, die nach einer ausgleichenden Gerechtigkeit verlangen. Vgl.: Bauckham, Lazarus 227/8; Wolter, Lukasevangelium 557/8; Leonhardt-Balzer, Reicher 655. Siehe zu den Unterschieden auch die Diskussion bei: Seccombe, Possessions 173/6. Busse u. a., Jesus 121, nennen sie „jüdische Folklore“. Siehe: Hock, Lazarus and Micyllus 447/63. Gerade dieser Teil erinnert nach Hock, Lazarus and Micyllus 459/60 (vgl. auch: Bovon, Lukas III 115), an den zweiten Teil der Beispielerzählung des Lukas. Siehe dagegen: Wolter, Lukasevangelium 558: „[…] und des reichen Tyrannen Betteln um Lebensverlängerung (8–10) läßt sich kaum ernsthaft mit den Bitten des Reichen in V. 24.27 f.30 vergleichen“. Leonhardt-Balzer, Reicher 656; siehe auch: Bauckham, Lazarus 234/5. Zum Gallus bemerkt Wolter, Lukasevangelium 558: „Erst recht nichts mit dem lk. Gleichnis zu tun hat das im Gallus verhandelte Thema, denn hier geht es um den Erweis der These, dass die Armen schon auf Erden glücklicher seien als die Reichen (21). Mit keinem Wort deutet Lukas an, dass Jesus den Reichen wegen seines Hedonismus kritisiert (gegen Hock* 461).“
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Vorlage für Lukas oder als direkte Parallele angesehen werden. Fest steht, dass solche Erzählungen in der damaligen Zeit bekannt und populär waren. Unter Verwendung unterschiedlicher Motive hat Lukas seine eigene Erzählung geformt. Dem armen Lazarus hätten die Brocken, die vom Tisch des Reichen herabfielen, gereicht, um seinen Hunger zu lindern. Damit war Lazarus auf der untersten Stufe der menschlichen Existenz angekommen. Nun ist es der Reiche, der sich von einer mit Wasser benetzten Fingerspitze des Lazarus Linderung seiner Qual erhofft.370 Beide wünschen also etwas ganz Geringes, wodurch die Qual des Reichen verdeutlicht wird;371 allerdings ist die Fallhöhe des Reichen wesentlich größer. Als Begründung für seine Bitte gibt der Reiche an, dass er „Schmerzen in diesem Feuer erleidet“. Es kann angenommen werden, dass der Text – auch wenn es hier und in V. 21–22 nicht explizit gesagt wird – eine Parallele zu Lazarus zeichnet, der zuvor unbehaust und den Widrigkeiten der Witterung ausgesetzt vor dem Tor des Reichen auf der Straße lag. Das Wort ὀδυνάομαι kommt im Neuen Testament nur bei Lukas vor, außer an dieser Stelle noch 2,48 und Apg 20,38. Die knappe Schilderung animiert den Leser, eine Vorstellung zu entwickeln von dem Wohlergehen 372 des Lazarus und dem Schmerz, den der Reiche erleidet. Wie elend muss es ihm ergehen, wenn schon wenige Tropfen Wasser von der Fingerspitze des Lazarus geeignet wären, die Zunge des Reichen zu erfrischen373 und damit seine Qualen zu lindern. 374 Feuer und Durst werden sehr häufig als Strafmittel in einer jenseitigen Welt sowohl in der heidnischen375 wie in der jüdischen376 Literatur angeführt.377 Die Bitte des Reichen setzt voraus, dass sich am Aufenthaltsort des Lazarus Wasser befin-
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Jensen, Diesseits und Jenseits 56, formuliert mit Blick darauf, dass die Hunde die Geschwüre des Lazarus lecken, dass der Reiche nun im Grunde begehre, der Hund des Lazarus zu sein. Vgl.: Schnider; Stenger, Tür 279 und Jeremias, Gleichnisse 184. Siehe ebenso: Ernst, Lukas 357. Die EÜ 1980 fügt – anders als die EÜ 2016 – „wenigstens“ („er soll wenigstens die Spitze seines Fingers ins Wasser tauchen“) in den Text ein, wofür aber der Originaltext keinen Hinweis bietet. Siehe hierzu: Lehtipuu, Afterlife Imagery 214/9. Καταψύχω kommt im NT nur an dieser Stelle vor. Siehe: Bovon, Lukas III 123 Anm. 98. Vgl.: Balz, καταψύχω 667. Vgl.: Lehtipuu, Afterlife Imagery 212. Plat. Phaed. 111e–112a, 113 a–b; Ps. Plato Ax. 372a; Plut. Gen. Socr. 590f., Superst. 167a; Verg. Aen. VI 550; Lukian. Men. 14, Luct. 8. Siehe: Lehtipuu, Afterlife Imagery 212 Anm. 79. So z. B. 1 Hen 10,13; 18 9–16; 90,24–26; 103,4–6; 108,4–6; Gen. 19,24; 2 Kön 23,10; Jer 7,31. Als Mittel der Strafe kennt auch Lukas das Feuer: 9,54; 12,49; 17,29. Siehe: Lehtipuu, Afterlife Imagery 212/213. Siehe auch: Strack-Billerbeck II 232; Wolter, Lukasevangelium 560 und 165/6; Bovon, Lukas III 120. Siehe hierzu ausführlich mit den entsprechenden Stellen: Lehtipuu, Afterlife Imagery 212/4.
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det378 und dass Lazarus Zugang zum Wasser hat. Damit ist wieder ein Gegensatz zum Reichen in dessen Lebenszeit gegeben. Denn damals hatte der Reiche Zugang zu Nahrung, die Lazarus dringend nötig gehabt hätte; jetzt ist es Lazarus, der Zugang zum Erfrischung bringenden Wasser hat, nach dem der Reiche so sehr verlangt.379 Dass der Reiche den Namen Lazarus ausspricht, macht deutlich, dass er in ihm die Person wiedererkennt, die vor seinem Tor lag. Vorausgesetzt wird also, dass die Toten in ihren Erscheinungen den Personen, die sie im Leben waren, gleichen. Auch die Erwähnung von Finger und Zunge zeigen, dass die Toten körperliche Merkmale haben; außerdem empfindet der Reiche Schmerz wie ein Lebender. Diese Vorstellungen finden sich in der antiken Literatur häufig. Eines der bekanntesten und in der Literatur, Kunst und Musik von der Antike bis heute bearbeiteten Beispiele ist die von Ovid (1. Jh. v. Chr.) in den Metamorphosen380 erzählte Geschichte von Orpheus und Eurydike. 381 Orpheus steigt in das Totenreich hinab, um seine an den Folgen eines giftigen Schlangenbisses 378
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Siehe hierzu: 1 Hen 22, wo sich in dem Teil der Unterwelt, in dem sich die Gerechten aufhalten, ein Bach befindet. Siehe: Strack-Billerbeck II 231/2; Lehtipuu, Afterlife Imagery 218/9; Leonhardt-Balzer, Reicher 653. Für Jensen, Diesseits und Jenseits 55, wird in dem Verlangen des Reichen die Seitenverkehrung des Textes deutlich: „In beiden Fällen geht es um das Begehren eines winzigen Stückchens Nahrung, aber im ersten Falle um das Feste und Zubereitete, um [sic!] zweiten Falle um das Nasse und Rohe“. Ov. met. X 1–63. In dem umfangreichen Abschnitt „Bodily existence“ (Lehtipuu, Afterlife Imagery 223/30) führt die Autorin diese Geschichte nicht an. Lehtipuu geht davon aus, dass die alten Philosophen glaubten, die Seelen beständen aus Feuer, Äther oder Atomen. „This, however, did not mean that they thought the soul was corporeal, for ‚material’ did not mean the same as ‚corporeal’. The soul was different from the body and thus incorporeal, yet it occupied space and was material.“ So: Lehtipuu, Afterlife Imagery 224. Sie nennt eine Reihe anderer Beispiele dafür, dass „the souls in the hereafter were incorporeal since their bodies were in graves.“ So: Lehtipuu, Afterlife Imagery 224. Die Seelen der Verstorbenen wurden manchmal als εἴδωλον beschrieben, als ein Abbild, das der Person zu Lebzeiten gleicht. Siehe: Lehtipuu, Afterlife Imagery 225. So ist auch das Wort simulacra bei Ovid in der oben geschilderten Geschichte zu verstehen. Hierfür gibt Lehtipuu im Folgenden Beispiele an, von denen einige hier wiedergegeben werden: Bei Homer, Il. XXIII 66–67, erscheint die Seele des toten Patroklos dem Achill im Traum. Sie gleicht dem Lebenden, ist aber nur ein substanzloses Phantom, was deutlich wird, als Achill versucht sie zu umarmen (Hom. Il. XXIII 99–101). Odysseus versucht dreimal vergeblich, die Seele seiner verstorbenen Mutter zu umarmen (Hom. Od. XI 204–208; XI 218–223). Dasselbe versucht Aeneas mit der Seele seines Vaters (Verg. Aen. VI 700–702). Bei Lukian. ver. hist. 2,1, unterscheiden sich die Toten nicht von den Lebenden; sie essen und trinken; wenn aber jemand sie berührte, merkte man, dass sie keine Körper haben. Platon macht deutlich, dass nur die Seelen gerichtet werden (Gorg. 523–524a). Sie tragen körperliche Merkmale (Gorg. 524c–525a). Auch Cicero betont die körperliche Erscheinung der Toten, die fähig sind zu essen und zu trinken und mit den Lebenden zu kommunizieren (Tusc. I 16,37). Siehe auch: Plut. de sera 564a–567d; Prop. elegiae 4,7; Lukian. Men. 15.
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verstorbene Frau Eurydike zurückzuholen. Durch sein inständiges Bitten und seine Musik werden die Götter der Unterwelt gnädig gestimmt und erlauben, dass Orpheus Eurydike wieder in die Oberwelt zurücknehmen darf, allerdings unter der Bedingung, dass er auf dem Weg nach oben sich nicht nach ihr umsehen darf, bis sie den Rand der Oberwelt erreicht haben. Da Orpheus diese Bedingung nicht erfüllt und sich aus Liebe und dem Verlangen, sie zu sehen, und aus Sorge um seine Frau umsieht, ist das Schicksal von Eurydike besiegelt und sie gleitet zurück in das Totenreich. Die Toten, denen Orpheus im Totenreich begegnet, sind nichts als Schatten (X 14: leves populos simulacraque functa sepulchro, X 16: umbrarum dominum), aber sie sind durch die Bitte des Orpheus zu beeindrucken und weinen, als sie die Worte des Orpheus hören (X 41: exsangues flebant animae). Dadurch zeigen sie menschliche Gefühle. Eurydike ist unter den Schatten (X 58/9: umbras erat illa recentes/inter) zu erkennen. Sie leidet noch unter den Folgen des Schlangenbisses und geht langsam (X 59: et incessit passu de vulnere tardo). Sie kann sprechen und sagt Orpheus beim Zurückfallen in die Unterwelt ein letztes Lebewohl (X 62: supremumque ‚vale’). Die in der Beispielerzählung vom Reichen und Lazarus geschilderten Erscheinungsformen im Jenseits entsprechen also den zeitgenössischen Vorstellungen. Auch hier ist anzumerken, dass es Lukas nicht um eine allgemeingültige Lehre vom Jenseits ging, sondern dass er aus erzählerischen Gründen die beiden als Abbild ihrer leiblichen Existenz während des Lebens schildern musste. Denn nur so ist die Umkehrung der Verhältnisse anschaulich vermittelbar.382 Aus demselben Grund ist auch ein Wiedererkennen der beiden Toten erforderlich.383
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Vgl.: Lehtipuu, Afterlife Imagery 228: „The finger of Lazarus and the tongue of the rich man do not denote real corporeality but the mentioning of bodily parts makes the story alive and more immediate.“ Vgl.: Lehtipuu, Afterlife Imagery 230: „The recognition is important in Luke’s story both because of the other dead and because of the living. If the rich man did not recognize Lazarus (and vice versa) there would be no proof for the reversal. Similarly, there would be no point for the dead Lazarus visiting the rich man’s brothers if they could not tell who he is. Recognition is possible only if the dead resemble themselves while they were alive and thus the dead must be depicted having physical features. In this way, the bodylike existence in the otherworld is necessary for both the central themes of Luke’s example story, the reversal and the message from the world of the dead.“
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V. 25a/b/c εἶπεν δὲ Ἀβραάμ· τέκνον, μνήσθητι ὅτι ἀπέλαβες τὰ ἀγαθά σου ἐν τῇ ζωῇ σου, καὶ Λάζαρος ὁμοίως τὰ κακά· νῦν δὲ ὧδε παρακαλεῖται, σὺ δὲ ὀδυνᾶσαι. Der Leser ist nun gespannt auf die Antwort Abrahams, die mit εἶπεν δέ384 eingeleitet wird. Dabei ist das δέ adversativ385 zu verstehen und lässt eine negative Antwort Abrahams erwarten. Abraham bleibt beim Vater-Kind-Verhältnis und redet den Reichen mit „mein Kind“ (τέκνον) „freundlich“386 an. Abraham leitet seine Antwort ein mit dem Wort μνήσθητι „erinnere dich“387; der Reiche soll sich an seine Lebenszeit erinnern, was im kurz danach folgenden ἐν τῇ ζωῇ σου auch deutlich gesagt wird. In dem von μνήσθητι abhängigen Aussagesatz erklärt Abraham dem Reichen, dass er in seinem Leben das ihm zustehende388 Gute389 erhalten390 hat und Lazarus das Schlechte. Der 384
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Die Wendung εἶπεν δέ ist typisch lukanisch. Sie findet sich im Evangelium 58-mal und in der Apostelgeschichte 19-mal, während sie bei Matthäus und Johannes jeweils nur 2-mal vorkommt und sich in den anderen Schriften des NT gar nicht findet. Im Lukasevangelium hat sie sowohl fortführenden wie auch adversativen Charakter (so z. B.: 1,34; 7,50; 9,14; 12,13; 12,20; 16,3; 16,25.27.31; 18,19; 20,41; 22,60.67). Vgl.: Bovon, Lukas III 123. Jülicher, Gleichnisreden II 627. Vgl.: Ernst, Lukas 357 und Metzger, Consumption and Wealth 143. Siehe auch: Bovon, Lukas III 123: „Abraham nimmt seine väterliche Rolle an und verweigert dem Reichen nicht jegliche Beziehung zum Bundesvolk.“ Siehe auch Anm. 100: „Die Zurückweisung des Antrags ist ebenso höflich wie entschieden.“ Die Bedeutung „prüfe dein Gewissen“ (so: Bovon, Lukas III 123) erscheint mir eher unwahrscheinlich, da sich dafür keine Parallelen finden lassen. In der profanen griechischen Literatur wird meist ἀναμνήσθητι gebraucht. Bei Platon findet sich nur dieses Wort: Tht. 166c; symp. 201a; Gorg. 513d; rep. 394c; 493e; 572b. Xenophon gebraucht μνήσθητι Kyr. 16,16, ἀναμνήσθητι an. 7,7 und Hier. 6,7. Auch Lukian hat an den drei Stellen, an denen das Wort vorkommt (Pisc. 22, Par. 45, Sat. 38), ἀναμνήσθητι; μνήσθητι findet sich noch bei Epikt. diatr. II 10,24; ench. 34. In der Septuaginta findet sich 65-mal die Form μνήσθητι. Immer hat das Wort die Bedeutung „denke daran, halte dir vor Augen, denke daran etwas zu tun“. Im NT kommt das Wort nur noch einmal vor und zwar bei Lukas 23,42: Der Schächer bittet Jesus am Kreuz: Denk an mich, wenn du in dein Reich kommst. So kann man bei dieser Formulierung von einem Septuagintismus sprechen. Auch der Hinweis Bovons (Bovon, Lukas III 123 Anm. 101) auf die beiden Flüsse der Unterwelt, den des Vergessens und den der Erinnerung, erscheint mir wenig hilfreich bei einem Toten, der doch an unerträglichem Durst leidet. Yoder weist darauf hin, dass das erste Wort des Reichen im Gespräch mit Abraham ἐλέησον sei, während dieser ihn zuerst zur Erinnerung aufrufe (μνήσθητι), zur Erinnerung an sein eigenes Leben. Für Yoder, Bosom 19 und 23, ist die Sendung des Lazarus an das Tor des Reichen ein Zeichen dafür, dass Abraham sich des Reichen schon zu dessen Lebzeiten erbarmt hat. Siehe auch: Bredenhof, Failure and Prospect 62. So ist wohl der Genitivus possessivus σου zu deuten. Siehe hierzu: Jülicher, Gleichnisreden II 627/8. „In v. 25 wird der in v. 19 geschilderte Reichtum als das Gute, τὰ ἀγαθά qualifiziert. Ἀγαθά ist dabei nicht im Sinne von ‚materiellen Gütern‘ verwendet, sondern wertend im Gegensatz zu κακά. Erst durch die Kontrastierung mit der Grausamkeit der Armut, die in
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Satz ist chiastisch gebaut: τὰ ἀγαθά σου – ἐν τῇ ζωῇ σου – ὁμοίως – τὰ κακά. Jetzt im Jenseits hat sich die Situation umgekehrt, was Lukas nach dem νῦν δέ in einer parallelen Satzkonstruktion erklärt: ὧδε παρακαλεῖται – σὺ δὲ ὀδυνᾶσαι. Der Parallelismus betont, dass beide nun im Jenseits das ihrem Leben entgegengesetzte Schicksal erleiden: Lazarus wird getröstet, der Reiche leidet Schmerzen. Mit dem Wort ὀδυνᾶσαι antwortet Abraham direkt auf die Aussage des Reichen in V. 24 ὀδυνῶμαι.391 Hinter den Worten Abrahams steht die Vorstellung, dass jedem Menschen im Leben Gutes und Schlechtes zugeteilt ist, und dass, wenn „diese Ausgewogenheit im irdischen Leben zu der einen oder anderen Seite hin gestört ist, Gott für einen Ausgleich im Jenseits sorgt.“ 392 Es ist nicht die Rede davon, dass das Geschick des Reichen im Jenseits als Strafe zu verstehen ist für ein Fehlverhalten während des Lebens. 393 Zu dieser Einsicht kann und wird der Leser im weiteren Verlauf der Erzählung gelangen; was ein Verhalten ist, das die Strafe vermeiden hilft, kann und muss der Leser am Ende bzw. durch den offenen Schluss darüber hinausgehend selbst erschließen.394
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drastischen Zügen gezeichnet ist (v. 20f.), wird vor Augen geführt, dass der Wohlstand des Reichen nicht unproblematisch ist.“ Kramer, Lukas 154. Zu ἀπολαμβάνω im Sinne „einen Teil erhalten, in Gänze erhalten“ siehe: Bovon, Lukas III 123 Anm. 102. Vgl.: Jülicher, Gleichnisreden II 628. Wolter, Lukasevangelium 561. „Jesus portrays neither the rich man as unjust nor Lazarus as pious.“ So: Metzger, Consumption and Wealth 145. Vgl.: Kramer, Lukas 155/6. Es ist m. E. hier noch zu früh, davon zu sprechen, dass „der Leser und die Leserin aufgefordert werden, ein Schicksal zu wählen, das weder dem des Reichen im Jenseits noch dem des Armen im Diesseits entspricht. Die Strategie des Textes ist es, den Leser und die Leserin zu einer ethischen Entscheidung zu bringen und sie zu motivieren, diese Entscheidung zugunsten des Teilens und der Gerechtigkeit zu treffen.“ So: Bovon, Lukas III 123. In dem bereits erwähnten ägyptischen Märchen werden die Verhältnisse nach dem Tod als Folge des bösen bzw. guten Verhaltens im Leben erklärt. Dies ist bei Lukas gerade nicht der Fall. Siehe auch: Wolter, Lukasevangelium 561. Dennoch ist Seccombe der Ansicht, dass hier impliziert ist, dass der Reiche sich mit seinem Vermögen keinen himmlischen Schatz geschaffen hat. Insofern sieht Seccombe die Absicht von V. 25 darin, diejenigen, die in der gleichen Gefahr sind, wie der Reiche es war, zu warnen. Siehe: Seccombe, Possessions 177. Vgl.: Schnider; Stenger, Tür 280 und Ernst, Lukas 357. Vgl.: Horn, Glaube und Handeln 83: „Durch den nachfolgenden Kontext hat Lk die Vergeltungslehre der V. 19–26 umgedeutet, nicht die endzeitliche Umkehrung ist seine Hoffnung, sondern die Umkehr in Almosen sein Anliegen […]. Jetzt deklarieren die V. 27–31 in der Gleichgültigkeit gegenüber Mose und Propheten die Ursache der Verdammung und benennen damit explizit eine Schuld, die in V. 19–26 nicht angezeigt war.“ Demgegenüber betont Metzger, Consumption and Wealth 146/7 und 155/6., dass der Reiche dieses Schicksal nur und gerade aufgrund seines Reichtums erleidet, aufgrund seines „guten“ Lebens. Das Geben von Almosen hätte nicht ausgereicht, um ihn von diesem Schicksal zu befreien, vielmehr hätte er seinen Status als Reicher aufgeben müssen. Nach Ansicht Metzgers wird der Reichtum als solcher verurteilt.
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Hier geht es zunächst nur um eine ausgleichende Gerechtigkeit.395 Mit diesem Gedanken ist der Leser bereits vertraut aus dem Magnificat, Lk 1,53: πεινῶντας ἐνέπλησεν ἀγαθῶν καὶ πλουτοῦντας ἐξαπέστειλεν κενούς und aus den Weherufen,396 Lk 6,24: Πλὴν οὐαὶ ὑμῖν τοῖς πλουσίοις, ὅτι ἀπέχετε τὴν παράκλησιν ὑμῶν. „Der Trost (παρακαλεῖται ‚er ist getröstet‘) ist für Lukas die Wiederherstellung der Gerechtigkeit, die in uns ein Gefühl des Wohlseins und der Genugtuung schafft.“397 V. 26 καὶ ἐν πᾶσιν τούτοις μεταξὺ ἡμῶν καὶ ὑμῶν χάσμα μέγα ἐστήρικται, ὅπως οἱ θέλοντες διαβῆναι ἔνθεν πρὸς ὑμᾶς μὴ δύνωνται, μηδὲ ἐκεῖθεν πρὸς ἡμᾶς διαπερῶσιν. Mit der Wendung ἐν πᾶσιν τούτοις fügt Lukas einen zweiten Grund398 dafür an, dass es unmöglich ist, die Bitte des Reichen zu erfüllen: Bei all dem, was bisher gesagt wurde,399 muss noch angefügt werden, dass zwischen dem Aufenthaltsort des Abraham und des Lazarus und dem des Reichen, eine große Kluft besteht,400 die zu durchqueren401 den einen wie den anderen unmöglich402 ist. 395 396
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Siehe hierzu: Roose, Umkehr und Ausgleich 8/10. Vgl.: G. Schneider, Lukas 342; Gradl, Zwischen Arm und Reich 248; Seccombe, Possessions 180. Bovon, Lukas III 123/4. Das griechische Präsens παρακαλεῖται drückt den Vorgang des Getröstetwerdens aus. Die oben zitierte deutsche Übersetzung dieser Stelle des in Französisch verfassten Kommentars von Bovon („il est consolé“) lässt eher an einen Zustand denken. Es ist aber davon auszugehen, dass auch Bovon mit der Formulierung „il est consolé“ den Vorgang und nicht den aus der Handlung sich ergebenden Zustand gemeint hat. Siehe: Bovon, Luc 111. „Der Hebraismus καὶ ἐν πᾶσιν τούτοις (vgl. Jes 9,11) setzt den zweiten Teil der Antwort Abrahams deutlich vom ersten ab, und gibt ihn sogar als den eigentlich wichtigen Teil zu erkennen.“ So: Schnider; Stenger, Tür 280. Laut Wolter, Lukasevangelium 561, kündigt die Wendung „einen weitergehenden Sachverhalt“ an. Die Formulierung καὶ ἐν πᾶσιν τούτοις findet sich im NT nur an dieser Lukasstelle. Sie kommt aber in der Septuaginta häufiger vor (z. B. 2 Esra 20,1; Ijob 12,9; Hos 7,10, Jes 5,25; Ez 16,43; Jer 3,10; 1 Makk 8,14) und bedeutet „wegen all dem, bei all dem, neben all dem“ und weist auf vorher Gesagtes zurück. So auch in der profanen griechischen Literatur z. B. Plat. Tht. 157e; 204c; Lach. 191e; rep. 399b; 413c; 534c; 535d; 561c; Xen. an. II 5. Eine Deutung im Sinne von „in all diesen Regionen des Hades“, und „zusammen mit alldem“ oder „trotz alldem“, die Bovon, Lukas III 124, mit Hinweis auf frühere Exegeten anführt, halte ich wegen des Befundes der Parallelstellen für nicht angebracht. Vgl. hierzu: Wolter, Lukasevangelium 561. Jülicher, Gleichnisreden II 629, spricht sich klar dagegen aus, ἐν πᾶσιν τούτοις lokal zu verstehen, bezieht das πάντα ταῦτα aber auf die Qualen des Reichen (trotz alledem). Ἐστήρικται „is a divine passive, with the perfect tense highlighting that what stands fixed cannot be bridged. God᾽s judgment is irreversible.” So: Forbes, God 190. „Das Verb ist aufgerichtet/errichtet im Perfekt Passiv beschreibt die definitive, unveränderliche Situation der absoluten Trennung zwischen Abraham mit Lazarus und dem Reichen.” So: Dondici, Lazarus 156.
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Durch die präpositionale Wendung μεταξὺ ἡμῶν καὶ ὑμῶν und die beiden parallel formulierten Richtungsangaben, bei denen jeweils die entsprechenden Personalpronomina wiederholt werden (ἔνθεν πρὸς ὑμᾶς – ἐκεῖθεν πρὸς ἡμᾶς),403 betont404 Lukas die Unüberwindbarkeit der Schlucht. Selbst für die, die es wollten, ist eine Überwindung unmöglich.405 Zu der großen Entfernung, die in V. 23 mit ἀπὸ μακρόθεν angegeben wird, kommt jetzt noch die Tiefe 406 dieser Kluft. Kontakt ist nur durch Sehen und lautes Rufen möglich. Der Begriff χάσμα war den Lesern des Lukas aus griechischen und jüdischen Vorstellungen vertraut.407 Zuerst wird der Begriff bei Hesiod, theog. 740, gebraucht als Trennung zwischen der Welt der Lebenden und der der Toten. Der Begriff kann aber auch für Eingänge in die Unterwelt408 oder für den Ort der Bestrafung selbst409 stehen. Diese Vorstellungen haben auch Eingang gefunden in grHen. Für Lukas ist die Kluft nicht der Ort der Qual wie in grHen 26,4 und 27,2, sondern die Trennung zwischen dem Ort der Gerechten und dem der Ungerechten wie in grHen 18,11–12.410 Die Frage, ob diese Schlucht „die unkorrigierbare Endgültigkeit des Unheilsgeschicks, das den Reichen getroffen hat, zum Ausdruck bringen soll“411, ist unterschiedlich beantwortet worden. Während M. Wolter und auch 401
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„Διαπερᾶν bedeutet eigentlich ‚über das Meer ans andere Ufer übersetzen‘, vgl. Mt 9,1; 11,34; Mk 5,21; 6,53. Bei Lk nur hier und in Apg 21,2. Da auch Apg 21,2 eine Fahrt über das Meer im Blick hat, ist nur an unserer Stelle an eine ‚Überfahrt‘ gedacht, die einen Abgrund überqueren soll.“ So: Klein, Lukasevangelium 555 Anm. 57. Vgl.: Bovon, Lukas III 124 Anm. 107: „Unmöglich für die Gerechten (ὅπως οἱ θέλοντες διαβῆναι … μὴ δύνωνται, ‚damit jene, die […] gelangen wollen, dies nicht können‘), verboten für die Schuldigen (μηδὲ … διαπερῶσιν, ‚und daß sie … nicht … herüberkommen‘) […]. Meiner Meinung nach ist diese Differenzierung zu subtil, ist doch der Durchgang beiden Gruppen ebenso verboten wie unmöglich.“ Μεταξὺ ἡμῶν καὶ ὑμῶν „zeigt, dass der Reiche viele Genossen seiner Pein hat, wie auch Abraham und Lazarus nicht allein zu den ἡμεῖς gehören dürften.“ So: Jülicher, Gleichnisreden II 629. Vgl.: Dondici, Lazarus 156. „Der Text insistiert auf der Unmöglichkeit des Durchgangs (διαβαίνω, ‚hindurchgehen‘, διαπερῶ‚ ‚überqueren‘). Er insistiert auch auf dem Unterschied der Orte (μεταξὺ ἡμῶν καὶ ὑμῶν, ‚zwischen uns und euch‘).“ Bovon, Lukas III 124. Die jenseitigen Verhältnisse „sind endgültig.“ So: Kramer, Lukas 155. Nach Bovon, Lukas III 124 Anm. 105, „dachten die palästinensischen Hörer an ein Wadi, das eher tief als breit ist.“ „Yet it is interesting to notice that a chasm in the otherworld occurs frequently in both pagan and Jewish accounts. In many of them, the underworld is full of chasms, bars, gates, ropes and nares. Their most important function is to prevent the dead from escaping.“ Lehtipuu, Afterlife Imagery 221. Diels-Kranz, Fragmente der Vorsokratiker 28 B1 18; Eur. Phoen.1604/5, Plat. rep. 614 c–d; Lukian. Philops. 25; Men. 10; Dial. Mort. 4. Siehe: Lehtipuu, Afterlife Imagery, 221/3. Vgl.: Hintzen, Verkündigung und Wahrnehmung 210/11; Wolter, Lukasevangelium 561. Plutarch, Gen. Socr. 590/1. Siehe: Hintzen, Verkündigung und Wahrnehmung 211; Wolter, Lukasevangelium 561; Lehtipuu, Afterlife Imagery 223. So: Wolter, Lukasevangelium 561.
Die Erzählung vom reichen Mann und dem armen Lazarus: Lk 16,19–31
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J. Leonhardt-Balzer mit A. Jülicher412 die Endgültigkeit des Zustandes betonen, geht F. Bovon von einer zeitlichen Begrenzung aus. 413 Diese Frage lässt sich aus dem Text des Gleichnisses nicht abschließend entscheiden, da Lukas hierzu keine Aussage macht.414 Vielmehr scheint mir die Funktion der ausführlichen Schilderung des χάσμα eine andere zu sein: Sie bildet einen starken Gegensatz zu den V. 20–21. Der Leser erinnert sich an die Situation des Lazarus zu dessen Lebenszeit, als er am Portalbau des Hauses des Reichen lehnte und sich nach den Brocken, die vom Tisch des Reichen fielen, sehnte, um seinen Hunger zu stillen. Damals wäre es für den Reichen möglich gewesen sich zu erbarmen, durch das Tor hinauszugehen und die Not des Lazarus zu lindern. Jetzt ist es, selbst wenn Abraham sich der Not des Reichen erbarmen sollte, unmöglich zueinander zu gelangen. So führt dieser Vers den Leser einen Schritt weiter zu der Erkenntnis, dass der Reiche während seines Lebens Schuld auf sich geladen hat und sich auch aus diesem Grund – neben der ausgleichenden Gerechtigkeit – in der für ihn ausweglosen Situation befindet. 415 Würde das Gleichnis hier enden, wie es in der Forschung vorgeschlagen wurde,416 dann bliebe die Frage nach einem Vergehen oder Versagen des Reichen, durch das er in diese Situation gelangt ist, weitgehend unbeantwortet. Lediglich der Hinweis auf die ausgleichende Gerechtigkeit nach dem Tode würde dem Leser expressis verbis vor Augen gestellt, während eine Lehre oder ein Hinweis darauf, wie man diesem Geschick entgehen könnte, an dieser Stelle der Erzählung kaum erschlossen werden kann.
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Siehe: Leonhardt-Balzer, Reicher 653: „Von einer zeitlichen Begrenzung ist nicht die Rede (gegen Bovon 2001, 124). Es geht nicht um einen vorübergehenden Zustand (z. B. das Fegefeuer), sondern um die unabänderlichen Konsequenzen des irdischen Lebens (Jülicher II ²1910, 624).“ Vgl.: Jeremias, Gleichnisse 184. Siehe: Bovon, Lukas III 124: „Diese unumkehrbare Situation ist nicht unvermeidlich ewig. Es ist die Situation – und als solche sicher unerbittlich – der Zeit des Wartens auf die letzten Ereignisse, auf das jüngste Gericht und die Auferstehung der Toten.“ Die Vermutung Bovons hat also keinen Anhalt am Text. Vielmehr würde die Annahme einer zeitlichen Begrenzung der Höllenqualen die Dringlichkeit des vom Leser noch zu erschließenden Appells des Gleichnisses verwässern. Vgl. hierzu: Schnider; Stenger, Tür 280/1. „In Relation zu der nunmehr von keiner mehr überschreitbaren Kluft gesehen, offenbart sich die die Möglichkeit des Zueinandergelangens gewährende, in der Geschichte aber nicht durchschrittene Tür als das Zeichen einer verpaßten, unwiderruflich dahingegangenen Gelegenheit. […] Mithin geht es dem Gleichnis nicht nur um die Warnung davor, daß es einmal zu einer Umkehrung der Verhältnisse kommen wird, oder positiv gesagt um eine Aussage darüber, daß Gott sich zum Anwalt und Helfer des Armen machen wird. Vielmehr tritt dieses Thema in den Dienst der Aufforderung, solange es Zeit ist, die Tür zu dem nahe davorliegenden zu durchschreiten, weil einmal die Kluft von dem weitentfernten nicht mehr überschritten werden kann.“ So: Schnider; Stenger, Tür 281. Vgl.: Forbes, God 190. Siehe zu dieser Frage: Anm. 91 und 92. Siehe hierzu auch: Donahue, Gospel 171.
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V. 27a/b εἶπεν δέ· ἐρωτῶ σε οὖν, πάτερ, ἵνα πέμψῃς αὐτὸν εἰς τὸν οἶκον τοῦ πατρός μου, Mit der schon bekannten Wendung εἶπεν δέ417 wird ein weiterer Redebeitrag des Reichen eingeführt. Erneut wendet er sich an Abraham, erneut verwendet er die Anrede πάτερ. Der Reiche geht aber nicht mehr auf seine vorherige Bitte und die Antwort Abrahams ein, sondern respektiert vielmehr das von Abraham Gesagte und akzeptiert sein postmortales Geschick. 418 Unter „diesen Umständen“419 bringt er nun eine weitere Bitte vor, die durch ἐρωτῶ σε420 eingeleitet wird. Es geht ihm jetzt nicht mehr um sich selbst, sondern darum, dass Abraham Lazarus aus dem Jenseits421 in das Haus seines Vaters schickt,422 um seinen fünf423 Brüdern eindringlich zuzureden,424 damit sie nicht das gleiche Schicksal erleiden wie er.
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Das δέ hat hier fortführende Funktion. Vgl.: von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 346. Vgl.: Roose, Umkehr und Ausgleich 7. Der Reiche erkennt wohl, was zu seinem Schicksal geführt hat. Vgl.: Snodgrass, Stories 430. Siehe auch: Metzger, Consumption and Wealth 147. So fasst Jülicher, Gleichnisreden II 630, das oὖν auf. Diese Wendung ist „echt lucanisch“. So: Jülicher, Gleichnisreden II 630. Vgl.: Nolland, Luke 830. Zu dem Motiv, dass Menschen, die sich bereits im Jenseits befinden, zu den Lebenden kommen, um ihnen Botschaften zu überbringen, siehe: Wolter, Lukasevangelium 562, der als Parallelen Plat. rep. 613e–621d; Cicero rep. VI 9–26 anführt. Siehe auch: Nolland, Luke 831. Nach Metzger, Consumption and Wealth 147/8, scheint nicht an ein kurzes Gespräch, sondern an einen längeren Aufenthalt gedacht zu sein. Die Forderung des Reichen, Lazarus, dem es nun gut geht, wieder in sein altes qualvolles Leben zurückzuschicken, wertet Metzger als gefühllos und grausam. Bredenhof, Failure and Prospect 135/9 und 143/6, weist darauf hin, dass nach Dtn 18,10–14 eine Totenbeschwörung bzw. eine Befragung von Toten verboten war. Vielmehr sendet Gott seinen Propheten. Zur Zahl „fünf“ siehe: Balz, πέντε 164/5: „Die Zahl fünf ist eine beliebte runde Zahl für eine kleinere Menge (vgl. die fünf Finger einer Hand), z. B. im AT Ex 22,1; Lev 26,8; Ri 18,2; 1 Sam 17,40; 21,4 (fünf Brote) u. ö. Im NT meist ebenfalls als runde Zahl: fünf Brote Mt 14,17.19; 16,9; Mk 6,38.41; 8,19; Lk 9,13.16; Joh 6,9.13, Jungfrauen Mt 25,2 bis, Talente Mt 25,15.16 (bis).20 (4mal) bzw. Minen Lk 19,18, Monate Lk 1,24; auch als Zeit der Qual Apk 9,5.10, Tage Apg 20,6; 24,1, Sperlinge Lk 12,6, fünf in einem Haus (3+2) Lk 12,52; Ochsen 14,19, Brüder 16,28; Städte 19,19, fünf Männer einer Frau Joh 4,18, fünf Worte (mit dem Verstand; Gegensatz 10 000 in der Zungenrede) 1 Kor 14,19.“ Auch Horn, Glaube und Handeln 85, ist der Meinung, dass es sich um eine runde Zahl handelt. Siehe dagegen: Jülicher, Gleichnisreden II 639: „Wenn die Zahl 5 nicht beliebig herausgegriffen ist, um auf eine leidlich umfängliche Familie, die auch darin vom Glück begünstigt war, schliessen zu lassen, werden die 5+1=6 die ungläubige Hälfte des Volks der zwölf Stämme bezeichnen sollen“. Metzger, Consumption and Wealth 153 Anm. 161, betont, dass sich der Kommentar Abrahams nicht an die Juden richtet, sondern an eine Gruppe von Menschen, die ihr Leben extravagant verbringen.
Die Erzählung vom reichen Mann und dem armen Lazarus: Lk 16,19–31
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Das αὐτόν, mit dem an dieser Stelle Lazarus bezeichnet wird, stellt den Zusammenhang zwischen den vorhergehenden Versen und V. 27 her 425 und das πέμψῃς steht parallel zu πέμψον und verbindet V. 24 mit V. 27. Die Wendung εἰς τὸν τόπον τοῦτον τῆς βασάνου426 weist zurück auf ἐν βασάνοις in V. 23. Diese Bezüge zu dem vorhergehenden Text zeigen m. E. deutlich, dass es sich hier um eine Einheit und nicht um eine spätere Hinzufügung handelt.427 Die Wendung ὁ οἶκος τοῦ πατρός findet sich häufig in der Septuaginta und bezeichnet meist im übertragenen Sinne die Familie bzw. die Sippe. 428 Abraham soll Lazarus also zu der Familie, der Verwandtschaft des Reichen schicken. 429 Konkretisiert wird die Bitte dann auf die fünf Brüder des Reichen hin. 430 Da mit der Wendung ὁ οἶκος τοῦ πατρός generell die Familie bzw. Sippe gemeint ist, ist es nicht zwingend anzunehmen, dass die fünf Brüder noch im Hause des Vaters (im engeren Sinne) leben 431 oder dass sie jünger432 als der verstorbene Bruder sind. Über die Familie wird nicht mehr gesagt, als dass sie aus sechs Brüdern besteht.433 424
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Διαμαρτύρομαι hat hier die Bedeutung „beschwören, eindringlich zureden“. Siehe: Beutler, μαρτυρέω 963. Vgl.: Bovon, Lukas III 125 Anm. 121 und Schnider; Stenger, Tür 282. Es ist also nicht zutreffend, dass der Arme ab V. 27 völlig in den Hintergrund tritt. Er ist ja auch Subjekt zu διαμαρτύρηται. Vgl. hierzu: Lehtipuu, Afterlife Imagery 19. „‚Dieser Ort der Qualen‘: der Ausdruck paßt bestens zu einer Beschreibung des Totenreiches. Es handelt sich um einen ‚Ort‘ τόπος, an dem man Qualen (Anm. 118: Lukas verwendet die Einzahl ἡ βάσανος, was ‚die Untersuchung‘, ‚die Prüfung‘, ‚die Strafe‘, ‚die Qualen‘ bedeutet) als Strafen erleidet.“ Bovon, Lukas III 125. Vgl.: Schnider; Stenger, Tür 282. Siehe z. B.: Gen 34,19; Ri 6,27; 16,31; Jos 2,12; 1 Makk 14,26; 16,2; Jer 12,6. Das hebräische Wort בַּ ִיתbedeutet oft auch „Hausgemeinschaft“, „Familie“, „Sippe“. Vgl.: Jenni, בַּ ִיתbájit Haus: 308/13. „Häufig ist im Hebr. wie auch in den verwandten Sprachen die Bedeutung vom Haus auf das, was sich im Hause befindet (‚Vermögen, Besitz‘, z. B. Gen 15,2), und namentlich auf die im Hause lebende H a u s g e m e i n s c h a f t verschoben (klassisch Jos 24,15: ‚ich aber und mein Haus, wir wollen Jahwe dienen‘). bájit bedeutet so ‚Familie‘ (Gen 7,1 u. ö. […]), ‚Sippe‘ (z. B. Jer 35,2 […]), auch ‚Geschlecht, Nachkommenschaft‘ (Ex 2,1 u. ö.) und bei Königen ‚(Königs-)Hof‘ oder ‚Dynastie‘ (Jes 7,2.13 u. ö.).“ So: Jenni, בַּ ִיתbájit Haus 311. Siehe auch: K. Koch; Roloff, Familie 143 und Hoffner, בַּ ִית636/7. Vgl.: Jülicher, Gleichnisreden II 630. Oft werden in der Septuaginta die Brüder neben dem Begriff οἶκος τοῦ πατρός erwähnt, z. B. Gen 47,12; 56,31, Ri 16,31, Jos 2,18, 1 Makk 14,26; 16,2, Jer 12,6. Nach von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 347, verweist der Begriff ἀδελφός hier nicht auf die leibliche Abstammung; „er signalisiert vielmehr, daß es sich um ‚Bundesgenossen‘ handelt“. Vgl.: Jülicher, Gleichnisreden II 630. Nolland, Luke 830, meint, dass der Vater wahrscheinlich tot ist, da er ja nicht einbezogen sei. So: Bovon, Lukas III 125. „Hat der Reiche keine Schwestern? Werden sie nicht erwähnt, weil sie ohnehin gerettet werden oder nicht des Bußrufes bedürfen? Und warum sind es gerade fünf Brüder? […] Der Text sperrt sich gegen solche Fragen.“ So: Klein, Lukasevangelium 555 Anm. 59. Siehe auch: Nolland, Luke 830. Zu berücksichtigen sind die patriarchalischen Verhältnisse
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Die Rede Jesu an die Pharisäer: Lk 16,14–31
V. 28 ἔχω γὰρ πέντε ἀδελφούς, ὅπως διαμαρτύρηται αὐτοῖς, ἵνα μὴ καὶ αὐτοὶ ἔλθωσιν εἰς τὸν τόπον τοῦτον τῆς βασάνου. Durch die Erwähnung der Brüder, durch den Bezug auf noch lebende Personen, die gewarnt werden sollen, dass sie nicht nach ihrem Tod an den Ort der Qualen kommen, „greift die Erzählung auf die erzählten Hörer über, d. h. auf die Pharisäer als Adressaten der Rede Jesu.“434 „Mit den fünf Brüdern des Reichen […] beginnt die Geschichte gewissermaßen noch einmal.“435 Die erzählten Zuhörer, auf die hin die Erzählung formuliert ist, also die Pharisäer, sind aufgefordert, sich selbst in den Brüdern des Reichen zu erkennen und ihren Standpunkt bzw. Lebensstil zu überdenken. 436 Die jüdisch geprägte Formulierung ὁ οἶκος τοῦ πατρός μου verweist darauf, dass sich nun die Pharisäer in die Erzählung hineingezogen fühlen sollen. Im Duktus des Lukasevangeliums wird die Erzählung jetzt aber auch geöffnet auf den Hörer bzw. Leser allgemein.437 Jeder muss sich jetzt die Frage stellen, wie die Brüder und damit sie selbst dem Geschick des Reichen entgehen können. Dass diese Möglichkeit besteht, dem Geschick des Reichen zu entgehen, macht der zweite Finalsatz, der mit ἵνα μὴ eingeleitet ist, deutlich.438 Aber es wird nicht explizit gesagt, „was Lazarus den
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in Israel. Mit ihrer Heirat gingen die Frauen in die Sippe ihres Mannes über. Siehe: K. Koch; Roloff, Ehe 115. Wolter, Lukasevangelium 561. Vgl.: von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 347. Schnider; Stenger, Tür 282. Vgl.: von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 344. „Es geht um die fünf Brüder, und man sollte das Gleichnis nicht ‚Vom reichen Mann und vom armen Lazarus‘ nennen, sondern ‚Von den sechs Brüdern‘.“ Jeremias, Gleichnisse 185. Vgl.: Rindge, Parables 403/15, besonders 410/1 und 413. Rindge sieht in diesem Gleichnis, wie im Gleichnis vom verlorenen Sohn, ein offenes Ende, das eine Antwort der Rezipienten hervorruft: „This story invites characters in Luke’s narrative (the Pharisees) and readers/hearers of the Gospel to identify with the rich man’s five brothers (16:27–31). […] Their future, like that of the elder son in the parable of the Father and Two Sons, is left open. Given the rich man’s lifestyle, and assuming that his brothers live similarly, it seems that avoiding Hades will require a radical shift in how the five brothers use their wealth and possessions. What will they do? The same dilemma and challenge facing the five brothers is simultaneously presented to the Pharisees – who hear the parable – and to Luke’s readers/hearers.” So: Rindge, Parables 410. Krüger, Gott oder Mammon 45, ist ebenfalls der Meinung, der Text springe auch über „auf die Hörer und Hörerinnen bzw. Leser und Leserinnen, die sich in den fünf Brüdern des Verdammten erkennen sollen“. Vgl.: Bredenhof, Failure and Prospect 107. Dagegen Wolter, Lukasevangelium 561: „Eine allegorische Übertragung auf die intendierten Leser des LkEv ist schwierig, denn die haben inzwischen nicht nur mehr als ‚Mose und die Propheten‘ (vgl. vor allem 24,27; Apg 26,22f; 28,23), sondern auf sie passt auch nicht das in V. 30–31 in den Blick genommene Szenario. Lukas hat das Gleichnis erst in 17,2 auf seine Leser hin geöffnet.“ „Der Satz ist schwerfällig, aber die Aneinanderreihung der mit ἵνα [so Bovon statt ὅπως, J. K.] und ἵνα μή eingeleiteten Nebensätze macht die Absicht des Verstorbenen deutlich.“ Bovon, Lukas III 125. Rindge, Parables 413, weist darauf hin, dass die Parabeln Jesu die Möglichkeit zu einem veränderten Leben eröffnen.
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Brüdern des Reichen mitteilen soll, noch durch welches Verhalten sie dem Geschick ihres verstorbenen Bruders entgehen können. Beides müssen die Leser aus dem Kontext ergänzen.“439 Die Leser erkennen jetzt, dass es nicht nur um die ausgleichende Gerechtigkeit im Jenseits geht, sondern dass dieses Schicksal durch ein entsprechendes Verhalten im Leben durchaus abwendbar ist. Wie dieses Verhalten aussehen muss, das muss der Leser bzw. Hörer gedanklich erschließen. V. 29a/b/c λέγει δὲ Ἀβραάμ· ἔχουσιν ἀκουσάτωσαν αὐτῶν.
Μωϋσέα
καὶ
τοὺς
προφήτας·
Die Antwort Abrahams wird durch λέγει eingeleitet. Der Tempuswechsel ins Präsens hat Signalcharakter, das Präsens hebt den Vers textstrategisch als bedeutsam heraus.440 Die Kürze der Aussagen441 steht in Kontrast zu der umständlich442 formulierten Bitte des Reichen, aber auch zu den anderen eher langen Ausführungen innerhalb des Dialogs zwischen dem Reichen und Abraham. In ihrer Kürze ist die Antwort Abrahams unmissverständlich und hat einen klaren Aufforderungscharakter.443 Die Aussage Abrahams gibt die Richtung an, die zu einer Rettung der Brüder vor einem Schicksal, das der Reiche erleidet, führen kann. Das Hören auf Mose und die Propheten ist das Kriterium, das über das postmortale Geschick bestimmt. Das ἀκουσάτωσαν korrespondiert mit dem διαμαρτύρηται in V. 28. Es ist unnötig,444 dass Lazarus ihnen eindringlich zuredet, denn sie haben ja bereits „Mose und die Propheten“. Auf sie sollen sie hören im Sinne von gehorchen, 445 was ein Umsetzen des Gehörten in die Tat meint. Mose steht hier für den νόμος,446 die Personalisierung passt zum Kontext, Mose und Propheten werden Lazarus gegenübergestellt. Mit diesem Vers weist Lukas zurück auf die Erwähnung von νόμος καὶ προφῆται447 in V. 16.448 439 440 441 442 443
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Wolter, Lukasevangelium 562. Siehe auch: Metzger, Consumption and Wealth 148. Vgl.: von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 347. „Abraham antwortet knapp“. So: G. Schneider, Lukas 342. Vgl.: Bovon, Lukas III 125. Die Aussage bekommt ein besonderes Gewicht, da sie von Abraham, der als Patriarch Israels Geschicke begleitet hat, als höchster Autorität gesprochen wird. Vgl.: Crüsemann, Maßstab 208. Vgl.: Jülicher, Gleichnisreden II 631. Siehe auch: Nolland, Luke 831. Nach Bredenhof, Failure and Prospect 143/4, stünde eine Rückkehr des Lazarus Dtn 18,10–14 entgegen, wo auf die Sendung eines Propheten verwiesen werde. Siehe hierzu: Bauer-Aland 63 und die dort angeführten Stellen. Vgl.: G. Schneider, ἀκούω 126; Jülicher, Gleichnisreden II 631; Fonck, Parabeln 684. Vgl.: Jülicher, Gleichnisreden II 630. Siehe auch: Kapitel 6.2.2.3 „Der Begriff νόμος“. Zu den beiden Kanones „Gesetz und Propheten“ und „Gesetz, Propheten und Psalmen“ (Lk 24,44) siehe: Bovon, Lukas III 125 Anm. 119. Vgl.: von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 347. Vgl.: Metzger, Consumption and Wealth 149. Siehe hierzu auch die Darlegungen zu V. 16,16: Kapitel 6.2.2.3, vor allem „Der Begriff νόμος“ und „Der Begriff προφήτης“.
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Die Rede Jesu an die Pharisäer: Lk 16,14–31
Die Propheten sprechen für Gott,449 sie legen die Tora und damit den im Pentateuch des Moses schriftlich fixierten Willen Gottes in seinem Sinne aus. Das Hören auf den und damit das Tun des in der Tora und bei den Propheten verkündeten und zugänglichen Willen Gottes ist das, was gefordert ist, um dem postmortalen Geschick des Reichen zu entgehen. 450 Durch den Verweis auf das alttestamentliche Gesetz und die Propheten werden die Pharisäer als Zuhörerschaft nun erneut in besonderer Weise angesprochen. 451 Denn die Pharisäer, die den Willen Gottes tun wollen, die sich für gerecht halten und Jesu Einstellung zum Umgang mit Reichtum verlachen, müssten den im Gesetz und den Propheten dargelegten Willen Gottes kennen. 452 Auch der Rezipient des Textes muss sich hier fragen, was denn in diesem Kontext ein Hören auf Mose und die Propheten konkret bedeutet. Dabei ist er verwiesen auf den reichen Mann. Implizit macht der Text deutlich, dass der Reiche, da er ja die Qualen im Jenseits erleidet, nicht entsprechend dem in Mose und den Propheten zu erkennenden Willen Gottes gelebt hat.453 Auch wird den „reichen Brüdern innerhalb der Erzählung implizit vorgeworfen, dass sie den in „Mose und den Propheten“ zugänglichen Willen Gottes ignorieren“454. Der Leser des Textes wird nun gedanklich gelenkt auf das, was er über das Leben des Reichen weiß und damit auf den Anfang der Erzählung: Der Reiche genießt in Freuden seinen Reichtum und nimmt gleichzeitig die Not des Armen, der vor seiner Tür liegt, nicht wahr bzw. kümmert sich nicht um sie. Damit wird dem Leser klar, dass es hier konkret um den Umgang der Reichen mit den Armen bzw. der diesbezüglichen Forderungen von Mose und Propheten geht.455 Die fünf Brüder, die Pharisäer und die Leser sollten den diesbezüglichen Willen Gottes, wie er im Gesetz und den 449 450
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Siehe: Kapitel 6.2.2.3 „Der Begriff προφήτης“. „Das Hören auf Moses und die Propheten meint das Befolgen des Willens Gottes, der in der Tora steht (die Moses Israel übergeben hat). Auch die Propheten haben das Tun des Willens Gottes immer wieder in ihren aktuellen Situationen angemahnt (z. B. Gerechtigkeit gegenüber den Armen, keine Ausbeutung, Schutz der Schwachen […]).“ Dondici, Lazarus 157. Vgl.: Busse, Eschatologie 163/6. Als Beispiel für einen Christen, der das befolgt, was in der Tora und den Propheten geschrieben ist, kann Paulus angesehen werden (Apg 24,14–16). Vgl.: Busse, Eschatologie 167. Siehe auch: Donahue, Gospel 171. Vgl.: Wolter, Lukasevangelium 562. Siehe auch: Dondici, Lazarus 162. „Abraham antwortet auf jüdische Weise: Man muß – wie man dies immer mußte – auf Mose und die Propheten hören.“ So: Bovon, Lukas III 125. Vgl.: Kim-Rauchholz, Umkehr 74 und Ireland, Stewardship 136. Siehe auch: Dondici, Lazarus 162. Dass die Pharisäer trotzdem den Willen Gottes missachten, wirft Lukas ihnen im redaktionellen V. 7,30 vor. „Die Antwort des Abraham in V 29 enthüllt die eigentliche Schuld des Reichen. Seine Blindheit für die durchschreitbare Tür und den davorliegenden Lazarus war nicht unabwendbares Verhängnis, sondern hatte ihre Ursache im mangelnden Hören auf die Schrift.“ Schnider; Stenger, Tür 283. Siehe auch: Seccombe, Possessions 176/7. Wolter, Lukasevangelium 562. Vgl.: Kim-Rauchholz, Umkehr 71; Snodgrass, Stories 430; Rindge, Parables 410; Gradl, Zwischen Arm und Reich 250/1. Siehe auch: Giambrone, Charity 543.
Die Erzählung vom reichen Mann und dem armen Lazarus: Lk 16,19–31
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Propheten dargelegt ist, erkennen bzw. sich ins Gedächtnis rufen und befolgen. Die Brüder, aber auch die Rezipienten des Textes sind durch die Antwort Abrahams aufgerufen, Forderungen, wie sie z. B. in der prophetischen Kritik des Amos456 oder bei Jes 58,6–10,457 Ez 18,7 oder Tob 4,16, aber auch in Lev 25,35 und Dtn 15,1–11458 formuliert sind, nämlich sich um die Armen zu kümmern, Hungernde zu speisen, Obdachlose ins Haus aufzunehmen, Nackte zu bekleiden, 459 in ihrem Tun zu verwirklichen. V. 30a/b ὁ δὲ εἶπεν· οὐχί, πάτερ Ἀβραάμ, ἀλλ’ ἐάν τις ἀπὸ νεκρῶν πορευθῇ πρὸς αὐτοὺς μετανοήσουσιν. Mit der klaren und unmissverständlichen Aufforderung in V. 29 könnte die Erzählung sinnvoll enden. Allerdings fügt Lukas in den V. 30 und 31 noch einen weiteren Wortwechsel zwischen dem Reichen und Abraham an. Es stellt sich die Frage, ob und inwiefern diese Verse einen neuen Aspekt bieten oder das Gesagte verdeutlichen, oder allgemeiner, worin die Funktion dieser Verse besteht. Der Reiche gibt sich mit der Antwort Abrahams nicht zufrieden, vielmehr widerspricht er durch das markante, emphatische 460 οὐχί am Satzanfang ganz entschieden und energisch der Aussage Abrahams. 461 Allerdings ist der Widerspruch inhaltlich unbestimmt. Der Reiche geht nicht direkt auf Abrahams Aussage ein, sagt also nicht, dass die Brüder Mose und die Propheten nicht haben. Auch lehnt er nicht explizit Abrahams Forderung, auf Mose und die Propheten zu hören, ab. Stattdessen bezieht er sich zurück auf seine Bitte in V. 27, Lazarus aus dem Jenseits zu den Brüdern zu senden und sie so zu belehren. Allerdings verallgemeinert der Reiche hier seine Aussage: Wenn irgendjemand von den Toten zu ihnen geht, werden sie umkehren. Aus der vorherigen Bitte (V. 27) muss gefolgert werden, dass das in V. 30 gemeinte Kommen eines Toten die Belehrung der Brüder durch den Boten einschließt: Wenn einer von den Toten kommt und ihnen eindringlich zuredet (διαμαρτύρηται), werden sie umkehren. Auch in V. 30 bleibt offen, was der von den Toten Kommende genau tun oder sagen soll. Allerdings lässt sich von V. 29 her vermuten, dass die Umkehr ge456 457
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Zum Beispiel: Am 2,6–7; 4,1–3; 5,7–15; 8,4–7. Ein Handeln im Sinne von Jes 58 ist für Lukas zentral. Siehe: Seccombe, Possessions 182/3. Siehe auch: Jes 1,17; 10,1–2; 3,13–15. Bredenhof, Failure and Prospect 117/23, verweist auch auf Dtn 14,28–29; 23,24–25; 24,19– 22. Jes 58,7: διάθρυπτε πεινῶντι τὸν ἄρτον σου καὶ πτωχοὺς ἀστέγους εἴσαγε εἰς τὸν οἶκόν σου· ἐὰν ἴδῃς γυμνόν, περίβαλε. Vgl.: J. Ernst, Lukas 358. Zur Thematik „arm“ und „reich“ im Alten Testament siehe: Berges, Arm und reich 9/56. Siehe auch: SchäferLichtenberger; Schottroff, Reichtum 467/8 und Bredenhof, Failure and Prospect 117/25. Vgl.: Metzger, Consumption and Wealth 151 Anm. 154. Nach Gradl, Zwischen Arm und Reich 251, widerspricht der Reiche vielleicht „im Wissen um die eigene Schwerfälligkeit und Uneinsichtigkeit“.
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dacht ist als eine Hinkehr zu dem von Mose und den Propheten Geforderten. Offenbar ist der Reiche der Meinung, dass ein Bote, der die Verhältnisse der Welt der Toten kennt, die Zusammenhänge zwischen dem Leben und dem Geschick nach dem Tod den Brüdern erklären kann und sie so davor bewahren kann zu erleiden, was er selbst erleidet. 462 Dass Tote zu den Lebenden zurückkehren und sie warnen, ist ein Motiv, das auch in profaner antiker Literatur zu finden ist.463 Das klassische Beispiel,464 das spätere Autoren imitieren,465 ist Er in Platons Politeia (614b–621d).466 Ähnlichkeiten mit der lukanischen Erzählung hat auch die jüdische Geschichte von Jannes und Jambres, in der ein Toter seinem Bruder von seinem eigenen Geschick berichtet und ihn warnt. 467 In den entsprechenden antiken Texten kehren Tote nach vorübergehendem Sein im Tod wieder ins Leben zurück oder erscheinen den Lebenden als Geist oder im Traum, wie z. B. Patroklos dem Achill bei Homer (Il. XXIII 65–107).468 Eine andere, von Lukas motivlich nicht aufgegriffene Möglichkeit, die Unterwelt kennen zu lernen und von dort Informationen zu den Lebenden zu bringen, ist die „Jenseitstour eines Lebenden“469, so z. B. der Abstieg des Odysseus in die Unterwelt (Hom. Od. XI) oder der des Aeneas (Verg. Aen. VI) oder des Orpheus (Ov. met. X) oder des Henoch (1 Hen 17–36).470 Die Vorstellung, dass Tote zu den Lebenden kommen, um ihnen Botschaften zu übermitteln, bzw. dass Lebende von einer Jenseitstour zurückkehren, findet sich also in griechischen und jüdischen Texten, sie dürfte den Rezipienten des Lukasevangeliums bekannt gewesen sein. Es ist von daher auch verständlich, dass Abraham die Möglichkeit der Rückkehr des Lazarus zu den Brüdern (V. 27) oder generell den Besuch eines Toten bei den Brüdern (V. 31) nicht verneint.471 Eine solche Rückkehr ist zwar möglich, aber unnötig, da die Brüder ja Mose und die Propheten haben. Dagegen ist der Reiche der Meinung, dass die Brüder eines Hinweises von Seiten eines kundigen Toten bedürfen um umzukehren. Was „Umkehr“ hier genau meint, wird nicht gesagt, allerdings dürfte der Reiche sich beziehen auf das zuvor von Abraham geforderte Befolgen des Gesetzes und der prophetischen Forderungen. Umkehr bedeutet dann eine Hinkehr zu bzw. ein Hören auf Mose und die Propheten und damit eine Hinkehr zu 462
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Der Reiche geht davon aus, dass sein eschatisches Schicksal anders wäre, wenn er zu Lebzeiten „umgekehrt“ wäre. Vgl.: Roose, Umkehr und Ausgleich 7. Siehe hierzu: Lehtipuu, Afterlife Imagery 187/96. Vgl.: Leonhardt-Balzer, Reicher 656/7. Siehe: Lehtipuu, Afterlife Imagery 190. Plut. de sera 22–33; Lukian. Philops. 25–26. Siehe: Lehtipuu, The Afterlife Imagery 190. Siehe hierzu: Wolter, Lukasevangelium 562. Zur jüdischen Geschichte von Jannes und Jambres und den Gemeinsamkeiten und Unterschieden zu Lukas siehe: Lehtipuu, Afterlife Imagery 191/4. Siehe: Lehtipuu, Afterlife Imagery 190/1. Leonhardt-Balzer, Reicher 657. „Accounts of κατάβασις are widely spread across the ancient world: from Mesopotamia, Egypt, Ugarit, Persia and Greece.“ Lehtipuu, Afterlife Imagery 188. Vgl.: Jülicher, Gleichnisreden II 631.
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Gott. Der Leser des Textes wird durch den Begriff μετάνοια472 darüber hinaus verwiesen auf die anderen Stellen im bisherigen Text des Lukasevangeliums, an denen von Umkehr die Rede war. Im 15. Kapitel spricht der lukanische Jesus im Zusammenhang der Gleichnisse vom verlorenen Schaf und von der verlorenen Drachme, aber auch im Gleichnis vom verlorenen Sohn 473 von der Freude Gottes über einen Sünder, der umkehrt. An diesen drei Erzählungen wird ersicht472
473
Das Verb μετανοέω und das Substantiv μετάνοια kommen bereits seit dem 7./6. Jh. v. Chr. vor. Ursprünglich bedeuten sie „den Sinn ändern, Sinnesänderung“, dann auch „bereuen, Reue, umkehren, Umkehr“. Sie finden sich z. B. bei Aesop Fabel 48, 3, Thuk. III 36,4, Xen. hell. I 7, 19, Kyr. I 1, 3, Plat. Euthyd. 279c, Chrysipp, Frgm. 548 (v. Arnim). In der klassischen Literatur sind die beiden Worte jedoch relativ selten. Wesentlich häufiger kommen sie in der hellenistischen Zeit in Gebrauch, so bei Polybios, Dionys v. Halikarnass, Philo v. Alexandrien, Plutarch und Lukian. Siehe: Liddell-Scott 1115; BauerAland 1036/8; Merklein, μετάνοια 1022/31. In der Septuaginta finden sich die Worte 25-mal; μετανοέω: 1 Kön 15,29 (2-mal); Ps 12,7; 12.13; Spr 20,25; 30,1; Weish 5,3; Sir. 17, 24; Am 7,6; Joel 2,14; Jona 4,2; Jes 46,8; Jer 4,28; 8,6; 18,8; 18,10; μετάνοια: Ps 12,7; 12,8 (2-mal); 12,13; Spr. 14,15; Weish 11,23; 12,10; 12,19; Sir 44,16; 48,15; dieses relativ seltene Vorkommen lässt sich damit begründen, dass die Septuaginta den Umkehrgedanken kennt, aber das alttestamentliche „schûb“ mit ἐπι (ἀπο) στρέφω (ομαι) übersetzt. „Erst in den weisheitlichen Schriften tauchen Belege auf, wo μ.ω als Äquivalent für schûb (Sir 48,15) bzw. als Synonym für ἐπιστρέφω (Sir 17,24f.29) erscheint (vgl. Sir 44,16; Weish 11,23; 12, 10.19). Dieser Gebrauch wird durch das hellenistisch-jüd. Schrifttum und durch spätere griech. Übersetzungen des AT (bes. Symmachus) bestätigt (ThWNT IV 985–991). Speziell religiöse Bedeutung bekommt schûb in der Prophetie. Es zielt auf die ‚Rückkehr in das ursprüngliche Jahweverhältnis‘ (Wolff, Umkehr 134), wobei der Gedanke eines völlig ‚neuen Anfang(s)‘ (Fohrer 225 Anm. 7) nicht ausgeschlossen werden muß. Bes. bei Am, Hos, und Jes ist die Umkehr streng personal (Hinkehr zu Jahwe) orientiert und stellt einen die ganze Existenz betreffenden Akt dar. Bei Jer und dann bes. bei Ez schiebt sich der Gedanke der Abkehr von den (einzelnen) Sünden in den Vordergrund.“ So: Merklein, μετάνοια 1024/5. Im NT kommen das Verb 33-mal und das Substantiv 23-mal vor. Außer bei Johannes, wo sich die Worte nicht finden, gibt es folgende Fundstellen: μετανοέω: Mt 3,2; 4,17; 11,20; 11,21; 12,41; Mk 1,15; 6,12; Lk 10,13; 11,32; 13,3; 13,5; 15,7; 15,10; 16,30; 17,3; 17,4; Apg 2,38; 3,19; 8,22; 17,30; Offb 2,5 (2-mal); 2,16; 2,21 (2-mal); 2,22; 3,3; 3,19; 9,20; 9,21; 16,9; 16,11; 2 Kor 12,21. μετάνοια: Mt 3,8; 3,11; Mk 1,4; Lk 3,3; 3,8; 5,32; 15,7; 24,47, Apg 5,31; 11,18; 13,24; 19,4; 20,21; 26,20; Röm 2,4; 2 Kor 7,9; II 7,10; 2 Tim 2,25; Hebr 6,1; 6,6; 12,17; 2 Petr 3,9. Siehe hierzu: Wolter, Lukasevangelium 157: „Ihr spezifisches Profil gewann die Johannestaufe vielmehr durch zweierlei: zum einen durch die aktive Rolle, die Johannes als Eintaucher dabei spielte (ὁ βαπτίζων bzw. ὁ βαπτιστής; diese Bezeichnungen sind dementsprechend in der antiken Literatur exklusiv auf Johannes bezogen: vgl. Josephus, Ant. 18,116; Mk 1,4; 6,14; 6,24.25par.; 8,28parr.; Mt 3,11; 11,11f.; 17,13; Lk 7,20.33), und zwar sowohl in der Durchführung als auch in der Deutung; zum anderen dadurch, dass sie einmalig war. Dieses Element der Einmaligkeit wird durch die Genitivverbindung βάπτισμα μετανοίας zum Ausdruck gebracht: Der Gen. qualitatis μετανοίας (vgl. B/D/R § 1652; s. auch Apg. 13,24; 19,4) qualifiziert die ‚Eintauchung‘ als Bestandteil eines unwiederholbaren und darum eschatischen Umkehrgeschehens, das zur Vergebung der Sünden und damit zur Rettung im andringenden Zorngericht führt.“ Siehe: Kim-Rauchholz, Umkehr 124/39.
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lich, dass eine solche Um- und Hinkehr zu Gott zuallererst in der Aktion Gottes ihren Grund hat: Gott selbst sucht das, was ihm gehört und was verlorengegangen ist.474 So ermöglicht Gottes Zuwendung Umkehr im Sinne einer neuen Gemeinschaft mit ihm, sie wird „als ein Geschenk ermöglicht und verwirklicht“475. Durch die Einleitung in 15,1–2 wird deutlich, dass Gott durch Jesus gerade den Sündern, denen, die als verloren gelten, die Umkehr schenkt. Explizit sagt dies der lukanische Jesus bereits in Lk 5,32: οὐκ ἐλήλυθα καλέσαι δικαίους ἀλλὰ ἁμαρτωλοὺς εἰς μετάνοιαν.476 Durch die Hinwendung zu den Sündern wird Jesus „zum Anstoß für die religiöse Führungsschicht Israels, die in diesem Verhalten Jesu nicht den Heilsentschluss Gottes erkennt, sondern eher die Ordnung ihres religiösen Lebens gefährdet sieht.“477 Der Rezipient des V. 30 wird hier verwiesen auf die Auseinandersetzung der Pharisäer mit Jesus, die ja in V. 14–15 klar angesprochen ist. Die Pharisäer, die sich zwar selbst für gerecht halten, deren Herz aber Gott kennt, sind wie die Sünder aufgefordert umzukehren. Es stellt sich die Frage, ob in V. 30 Umkehr als eine Antwort auf die agierende Zuwendung Gottes verstanden werden kann. Zum einen fordert der Reiche ein Zeichen und damit ein Zugehen auf die Brüder, das dann Umkehr ermöglicht, zum anderen wird mit Blick auf V. 16 klar, dass Mose und Propheten in einer Linie mit Johannes und Jesus zu sehen sind und somit bereits ein Geschenk Gottes, das zur Umkehr führt, darstellen. Neben Stellen, die die Aktion Gottes als Bedingung für die Umkehr, also die Reaktion des Menschen, betonen, wird der Leser verwiesen auf Stellen, die die Dringlichkeit der Umkehr angesichts des kommenden Gerichtes deutlich machen. So hat er in Lk 13,1–5478 gelesen von galiläischen Pilgern, die auf Befehl von Pilatus bei der Opferhandlung in Jerusalem hingerichtet wurden, so dass sich ihr Blut mit dem ihrer Opfertiere vermischte, und von achtzehn Menschen, auf die der Turm von Schiloach stürzte und sie erschlug. Der lukanische Jesus macht klar, dass die Opfer nicht in besonderer Weise schuldig waren und dementsprechend drastisch bestraft wurden, sondern dass alle, auch diejenigen, die sich als von Gott erwählt ansehen,479 ein solches Schicksal erleiden, wenn sie nicht umkehren: ἀλλ᾽ ἐὰν μὴ μετανοῆτε πάντες ὁμοίως ἀπολεῖσθε (Lk 13,3; vgl. 13,5). Auch Lk 10,13–15480 und 11,29–32481 sind „Droh- und Scheltworte, die von der
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475 476 477 478 479 480 481
Vgl.: Kim-Rauchholz, Umkehr 120/3 und 138. Vgl. auch: Roose, Umkehr und Ausgleich 12. Kim-Rauchholz, Umkehr 137. Lukas setzt gegenüber Markus und Matthäus εἰς μετάνοιαν redaktionell hinzu. Kim-Rauchholz, Umkehr 138. Die Stelle hat keine Parallele bei Markus und Matthäus. Siehe: Kim-Rauchholz, Umkehr 65 und 67. Eine Parallele findet sich bei Mt 11,20–24. Lk 11,29–30 hat eine Parallele bei Mk 8,11–12 und Mt 12,38–39. Lk 11,31–32 hat eine Parallele bei Mt 12,40–42.
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μετάνοια im Zusammenhang mit dem Gericht sprechen“ 482. Sie machen Israel unmissverständlich klar, dass es aufgrund seines Verharrens im Unglauben der Gerichtssituation nicht entgehen wird. So wird in Lk 11,29–32 die gegenwärtige Generation kritisiert, da sie ein Zeichen fordere. Ihr gegenübergestellt werden die „als Heidin dargestellte Königin aus dem Süden“ 483 und die Bewohner Ninives, die die Autorität Jahwes anerkannten, „die sich in der Weisheit Salomos und der Bußaufforderung Jonas offenbaren.“ 484 In Lk 10,13–15 werden den jüdischen Städten die heidnischen Städte Tyrus und Sidon gegenübergestellt, die nach Meinung Jesu umgekehrt wären, wenn die Taten, die in Israel geschehen sind, dort passiert wären. „Indem nun hier behauptet wird, dass es gerade diesen sündigen Städten Tyrus und Sidon im Gericht besser ergehen wird als den jüdischen, wird […] die Hoffnung des Volkes, am Tag Jahwes über die Heiden triumphieren zu können, im Innersten angegriffen. […] Nichts hätte dem Volk Israel deutlicher den Ernst ihrer Lage und ihrer Schuld vor Augen stellen können“485. Ihre Schuld besteht darin, dass sie Jesus als Repräsentanten Gottes und die von ihm verkündete Botschaft vom Reich Gottes ablehnen.486 Umkehr meint an diesen Stellen also in erster Linie eine Annahme des Geschenks der frohen Botschaft Jesu. In Lk 16,30 dagegen ist die Umkehr zunächst bezogen auf Mose und Propheten, die – wie aus V. 16 hervorgeht – ebenso den Willen Gottes verkünden wie Johannes und Jesus. Die Zuhörer des Gleichnisses, die über Jesu Ansicht lachen, und damit aber auch alle Rezipienten sind aufgefordert, zu Gott hin umzukehren, den Willen Gottes zu hören und zu tun, der sich bei Mose und den Propheten findet und der im Einklang damit nun von Jesus erneut verkündet wird. Vor allem wird der Leser erinnert an Lk 3,8: ποιήσατε οὖν καρποὺς ἀξίους τῆς μετανοίας καὶ μὴ ἄρξησθε λέγειν ἐν ἑαυτοῖς‧ πατέρα ἔχομεν τὸν Ἀβραάμ.487 Hier fordert Johannes das Volk auf, Früchte zu bringen, die der Umkehr entsprechen. Johannes macht deutlich, dass nur das Tun für das Heil 482 483 484 485 486 487
Kim-Rauchholz, Umkehr 51. Kim-Rauchholz, Umkehr 59. Kim-Rauchholz, Umkehr 59. Kim-Rauchholz, Umkehr 54. Vgl.: Kim-Rauchholz, Umkehr 57/8. Auf diese Stelle weist auch Wolter, Lukasevangelium 562/3, in dem Zusammenhang hin. Er erklärt, dass die erzählten Adressaten des Gleichnisses wissen, was Mose und die Propheten verlangen und dass sie auch deren Auslegung durch Johannes kennen. Er sieht eine Verkettung, die über Lk 16,16a und 7,29–30 zu 3,11 geht. Roose hält Wolters Verbindung der Stelle mit Lk 3,7–17 für möglich, gibt aber zu bedenken, dass der Rückverweis fast bis zum Anfang des Evangeliums dem Leser einiges abverlangt. Sie vergleicht die in Lk 16 genannte Umkehr mit der nahe vorausgehenden Erzählung des verlorenen Sohnes in Lk 15,11–32 und sieht deutliche Unterschiede zu Lk 3,8. Nach Lk 15 sei Umkehr und die Annahme durch Gott auch möglich, wenn die Früchte der Umkehr nicht erbracht werden könnten. Der verlorene Sohn habe ja nicht mehr im Sinne der Täuferpredigt handeln können, da er alles ausgegeben habe und deshalb nichts mehr geben könne. Siehe: Roose, Umkehr und Ausgleich 16.
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entscheidend ist, nicht aber die Zugehörigkeit zu Abraham. Was „Tun“ 488 (τί οὖν ποιήσωμεν; Lk 3,10) konkret bedeutet, was angemessene Früchte der Umkehr sind, sagt Johannes in Lk 3,11: Wer zwei Gewänder hat, der gebe eines davon dem, der keines hat, und wer zu essen hat, der handle ebenso: ὁ ἔχων δύο χιτῶνας μεταδότω τῷ μὴ ἔχοντι, καὶ ὁ ἔχων βρώματα ὁμοίως ποιείτω (Lk 3,11). Die Erzählung vom reichen Mann und dem armen Lazarus bietet einen klaren Bezug auf diese Stelle, in der ein Verhalten gefordert wird, das der Hinkehr zu Gott, zu seinem Willen entspricht. Gerade dieses Verhalten hat der reiche Mann nicht gezeigt, da er es an der notwendigen Unterstützung des Armen hat fehlen lassen.489 In Lk 3,11 sind genau die beiden lebensnotwendigen Grundbedürfnisse des Menschen, nämlich Kleidung und Nahrung, genannt, die der Reiche dem vor seinem Tor liegenden armen Lazarus nicht zukommen lässt. Weil er das im Gesetz und den Propheten grundgelegte Gebot der Nächstenliebe missachtet hat, erleidet er nach dem Tod unsägliche Qualen, denen zu entkommen dann nicht mehr möglich ist. Denn die Sinnes- und Verhaltensänderung muss zu Lebzeiten erfolgen. So schlägt sein Hilferuf an Abraham im Jenseits fehl (vgl. Lk 3,8). Die in V. 30 thematisierte Umkehr, zu der die Brüder des Reichen gebracht werden sollen, bezieht sich in Übereinstimmung mit Lk 3,8–14 auf eine Hinkehr zu dem bei Mose und den Propheten, aber auch bei Johannes und Jesus offenbaren Willen Gottes hinsichtlich einer solidarischen Hilfe für den Armen. Anders als der Reiche sollen sie umkehren, indem sie dem Gebot der Nächstenliebe Folge leisten. 490 Hören sie auf dieses Gebot nicht, tun sie nicht den Willen Gottes, wird es ihnen nicht anders ergehen als dem Reichen.491 Dies möchte der Reiche verhindern und daher verlangt er, dass den Brüdern die Augen für diesen Zusammenhang durch einen Boten aus dem Jenseits geöffnet werden.
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Dass die Frage nach dem rechten Tun für Lukas wichtig ist, zeigt diese redaktionelle Stelle deutlich. Auch in Lk 10,25 und 10,37, der Frage nach dem rechten Tun, das ein ewiges Leben ermöglicht, und der als Antwort formulierten Erzählung vom barmherzigen Samariter, zeigt sich, dass das „Tun“ im besonderen Interesse des Lukas steht. Vgl. auch: Lk 6,46–47 par Mt 7,21–22. „Nicht das tägliche Festmahl ist moralisch verwerflich, sondern die fehlende Einladung an Lazarus zur Mahlteilnahme wird zum Skandal. Es lag in der Kompetenz und Möglichkeit des Reichen, an diesem konkreten Punkt das innerweltliche Ungleichgewicht von Arm und Reich auszugleichen. Der kurze Weg durch das passierbare Tor hätte dann, so wird man schließen dürfen, die Trennung durch die unüberwindbare Kluft im Jenseits verhindert.“ Lau, Lukas 236. Vgl.: Mora Paz, Struktur 135 und 142. „Den eigenen Reichtum zu teilen – das ist metánoia!“ So: Lau, Lukas 238. Vgl.: Seccombe, Possessions 177/8. „Luke is saying in no uncertain terms that the Kingdom is forever closed to those who close their hearts against the needy.“ Seccombe, Possessions 181.
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V. 31a/b εἶπεν δὲ αὐτῷ· εἰ Μωϋσέως καὶ τῶν προφητῶν οὐκ ἀκούουσιν, οὐδ’ ἐάν τις ἐκ νεκρῶν ἀναστῇ πεισθήσονται. Auffallend ist, dass sich V. 31 sprachlich sehr stark auf die V. 29 und 30 bezieht. Es sind nicht nur einzelne Worte und Wortverbindungen, die einander entsprechen, sondern diese Wortverbindungen sind parallel aufgebaut. Dem Satz ἔχουσι Μωϋσέα καὶ τοὺς προφήτας‧ ἀκουσάτωσαν αὐτῶν (V. 29) entspricht in V. 31 die Wendung Μωϋσέως καὶ τῶν προφητῶν οὐκ ἀκούουσιν. Das ἐάν τις ἀπὸ νεκρῶν πορευθῇ (V. 30) wird, sprachlich variiert, wieder aufgenommen in dem Ausdruck ἐάν τις ἐκ νεκρῶν ἀναστῇ. Dem μετανοήσουσιν entspricht das πεισθήσονται, beide Prädikate stehen im Futur. Der positiven Aufforderung ἔχουσι Μωϋσέα καὶ τοὺς προφήτας ‧ ἀκουσάτωσαν αὐτῶν (V. 29) entspricht der negative Bedingungssatz εἰ Μωϋσέως καὶ τῶν προφητῶν οὐκ ἀκούουσιν (V. 31a), dem positiven Aussagesatz ἀλλ᾽ ἐάν τις ἀπὸ νεκρῶν πορευθῇ πρὸς αὐτοὺς μετανοήσουσιν (V. 30) der negative Aussagesatz οὐδ’ ἐάν τις ἐκ νεκρῶν ἀναστῇ πεισθήσονται (V. 31b). Der äußerst enge Bezug des Schlusssatzes, der letzten Mahnung Abrahams, sowohl auf die unmittelbar vorausgehende Äußerung des Reichen, die ja textpragmatisch einer Aufforderung gleichkommt, als auch zu der unmissverständlichen und textstrategisch als bedeutsam herausgehobenen Aufforderung Abrahams in V. 29 macht deutlich, dass Abraham durch V. 31 seine Aufforderung von V. 29 bekräftigen und zugleich die Aussage von V. 30 – durch das dem ἀλλ᾽ entsprechende οὐδ᾽ besonders betont – zurückweisen möchte. Schon die Struktur der V. 29–31 zeigt, dass dem Vorschlag des Reichen in V. 30 keine Eigenständigkeit und Relevanz zukommt, sondern dass er rückbezogen werden muss auf V. 29, also in seinem Licht gelesen werden muss. 492 Das in V. 30 Gesagte bietet also keinen wirklich neuen Aspekt, der das Vorherige weiterführen würde, im Gegenteil wird das in V. 29 vom Handlungssouverän Abraham Gesagte durch die geschickt arrangierte Textstruktur nochmals als bedeutsame Äußerung herausgehoben.493 Die Verzahnung der V. 29–31 zeigt klar, dass die V. 30 und 31 nicht vom Vorherigen abgehoben sind. Betont wird in V. 31 also die Bedeutung des Gesetzes und der Propheten für das Heil des Menschen. Wenn man auf sie nicht hört, nicht nach ihnen lebt, wird auch das Zeichen einer Totenauferweckung und das Kommen eines Boten aus dem Totenreich nicht überzeugen. 494 Entscheidend ist, ob die grundlegende Offenheit besteht, sich auf das Wort und Wirken Gottes einzulassen und seinen
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V. 30 stellt auch nicht den Schlussvers der Parabel dar, in der „the main character comments on the action“, wie Beavis, Parable 483, behauptet. Bredenhof, Failure and Prospect 80, vermutet mit Blick auf die Abfassung eines antiken Mythos, dass V. 31 eine gnomische Sentenz darstellen kann. Vgl.: Dondici, Lazarus 165.
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geoffenbarten Willen zu tun.495 Das Hören auf Mose und die Propheten und ein Sich-Leiten-Lassen von der Botschaft eines Auferweckten ist im Grunde eins, da beides die Offenheit und den Glauben voraussetzt, darin eine Botschaft Gottes zu sehen. V. 31 greift also V. 29, aber auch die V. 16,16–18 auf und fordert nachdrücklich dazu auf, den im Gesetz des Mose und den Propheten dargelegten Willen Gottes zu tun. Nur wenn die Brüder und damit die Rezipienten des Lukasevangeliums zu dieser neuen Offenheit, zu dieser neuen Hinwendung zu Gottes Willen kommen, 496 entsprechen sie der eschatologischen Botschaft Jesu vom Reich Gottes und können ihr Leben so verändern, dass es sich auf ihr eschatisches Geschick positiv auswirkt.497 Es gibt auch vor Jesus Hinweise auf das, was Gott will (vgl. 16,16!). Diese Hinweise müssen in Offenheit immer wieder neu wahrgenommen und realisiert werden. 498 Für die Brüder wird diese Möglichkeit zur Hinkehr zu Gott durch die Antwort Abrahams nicht grundsätzlich ausgeschlossen.499 Gesagt wird nur, dass ein Bote aus dem Totenreich sie nicht überzeugen wird, wenn sie es an der Offenheit gegenüber dem längst dargelegten Willen Gottes im Gesetz und bei den Propheten mangeln lassen. 500 Mit V. 31 sind die erzählten Adressaten, also die Pharisäer, und die Rezipienten des Textes erneut aufgefordert wahrzunehmen, inwiefern der Reiche nicht entsprechend Mose und den Propheten gelebt hat. Dies wird, wie gesagt, mit Blick auf den Beginn der Erzählung deutlich: Der Reiche hat im Reichtum 495
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Gerade diese Offenheit wird den Pharisäern von Lukas im redaktionellen V. 7,30 deutlich abgesprochen, wenn er sagt, dass sie den Willen Gottes missachten. Lau, Lukas 221, weist darauf hin, dass die Rezipienten des Lukasevangeliums in einer anderen Situation sind als die Brüder. Während sie durch die Weigerung Abrahams nicht eigens gewarnt werden, blicken die Leser und Hörer der Geschichte mit Lukas ins Jenseits und „haben daher alle Chancen, aus den Fehlern des Reichen zu lernen und eine andere Lebenspraxis an den Tag zu legen.“ Siehe auch: Lau, Lukas 230. Die ethische Ausrichtung des Einzelnen am Willen Gottes ist entscheidend für das eschatische Geschick, das jedem unmittelbar nach seinem Tod zuteil wird. Siehe zu dieser lukanischen Konzeption: Busse, Eschatologie 163/6. Würde Abraham der Aufforderung des Reichen nachkommen, würde er im Grunde zugeben, dass das Gesetz und die Propheten nicht ausreichend überzeugende Hinweise Gottes sind. Der Reiche hätte dann auch eine Entschuldigung für sein Verhalten und könnte auf die Änderung seines Geschicks drängen, da ihm ja zu Lebzeiten ein solches Zeichen nicht zuteilwurde. Vgl.: Schnider; Stenger, Tür 283. „Das Ende der Parabel ist, zumindest was die Brüder und mit ihnen den Leser betrifft, offen.“ Gradl, Zwischen Arm und Reich 252. Vgl.: Metzger, Consumption and Wealth 154 und von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 348. Vgl.: Leonhardt-Balzer, Reicher 658: „So bleibt der letzte Gesprächsgang offen für die Möglichkeit der Besserung, auch wenn über dem Schicksal der Brüder schwere Bedenken schweben.“ Hoppe, Arm und reich 90/1, ist dagegen der Ansicht, die Brüder seien umkehrunfähig: „Die Brüder sind nicht umkehrfähig, da ihnen nicht zugetraut wird, aus der Tradition des Mose und der Propheten, die sie eigentlich zur Einsicht und zum Sinneswandel führen müsste, die entsprechenden Schlüsse zu ziehen. Was schon der Reiche in seinem Leben nicht begriffen hat, begreifen nun auch seine Brüder nicht. Es ist der Reichtum, der ihnen die Fähigkeit zur Einsicht nimmt.“
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selbstgefällig, ja egozentrisch gelebt und nicht auf den in unmittelbarer Nähe lebenden Armen geachtet, diesem nicht in seiner Not geholfen, obwohl ihm dies durchaus möglich gewesen wäre. 501 Damit verweist die Erzählung eindeutig auf Jesu Aufforderung zum richtigen Umgang mit Geld bzw. Reichtum in V. 9–13 und die scharfe, spöttische Kritik daran durch die Pharisäer in V. 14. 502 Durch die Erzählung wird den Adressaten klar gemacht, dass Gesetz und Propheten, denen die Pharisäer ja folgen wollen, im Grunde das gleiche fordern wie Jesus,503 nämlich ein Einsetzen des Geldes für den Nächsten,504 ein SichFreunde-Machen mit dem Geld, damit man in die ewigen Zelte aufgenommen wird (V. 9).505 Die Erzählung fungiert somit geradezu als Illustration des V. 9. 506 Dass Jesus nichts anderes fordert, als was auch das Gesetz und die Propheten gefordert haben und fordern, und auch nichts anderes, als Johannes in Lk 3,10– 14 fordert, das wird in Lk 16,16 deutlich. Wenn die Adressaten die Haltung Jesu ablehnen (16,14), hören sie auch auf Mose und die Propheten nicht und müssen die Konsequenzen im Jenseits ertragen. Umgekehrt gesagt, erfüllen die Adressaten den durch Jesus dargelegten Willen Gottes, wenn sie den Aufforderungen im Gesetz und dem Mahnen der Propheten Folge leisten. 507 Die Verachtung Jesu und seiner Botschaft ist gleichbedeutend mit der Missachtung des Gesetzes und der Propheten.508 Die Rezipienten des Lukasevangeliums, die Leser und Hörer, sollen sich – dazu fordert der Text auf – nun nicht so verhalten wie die Pharisäer und auch nicht wie der Reiche.509 Vielmehr sind sie durch den Text aufgefordert, sich – auch wenn sie wie die Brüder durch Reichtum und Ichbezogen501 502 503
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Vgl.: Ireland, Stewardship 137 und Lau, Lukas 236. Vgl.: Nolland, Luke 831. „The actions required at the coming of the kingdom are the actions God always wanted from humans.“ So: Snodgras, Stories 432. Vgl.: Kim-Rauchholz, Umkehr 74: „Die angesprochenen Pharisäer, die die Mahnung Jesu vor dem Mammon verspotten und meinen, sie könnten ihre Geldgierigkeit mit dem göttlichen Gesetz vereinbaren und rechtfertigen, werden hier noch einmal deutlich auf ihre Sündhaftigkeit angesprochen und auf ihr mögliches Geschick im Jenseits.“ Siehe auch: Mora Paz, Struktur 132. Als positives Kontrastbeispiel zum reichen Mann, der den Not leidenden Lazarus vor seiner Tür liegen lässt, kann der Samariter (Lk 10,25–42) angesehen werden. Er versorgt den Schwerverletzten, bringt ihn in eine Herberge und kommt mit seinem Vermögen, seinem Geld, für die Pflegekosten auf. Diese Erzählung vom barmherzigen Samariter zeigt positiv, wie man Vermögen zum Wohl Not leidender Mitmenschen einsetzen kann. Vgl.: Busse, Unterweisung 145. Vgl.: Ireland, Stewardship 136/7. Vgl.: Ireland, Stewardship 159. Vgl. auch: Busse u. a., Jesus 116. Die „Schrift genügt, um die Augen der Lebenden zu öffnen, für das, was im Leben getan werden muß.“ So: Schnider; Stenger, Tür 283. Vgl.: Leonhardt-Balzer, Reicher 658. Siehe auch: Kim-Rauchholz, Umkehr 74. Vgl.: Jülicher, Gleichnisreden II 633. Für Horn, Glaube und Handeln 85, richtet sich die Erzählung an reiche Christen, warnt sie vor gleichem Schicksal und fordert zur Umkehr auf. So auch: Lau, Lukas 234 und 237; Gradl, Zwischen Arm und Reich 255; Mora Paz, Struktur 142/3.
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Die Rede Jesu an die Pharisäer: Lk 16,14–31
heit in Gefahr sind, das Gesetz und die Botschaft Jesu nicht wahrzunehmen – zu öffnen für den offenbaren Willen Gottes und konkret das von Jesus in den V. 9– 13 Gesagte ernst zu nehmen.510 Anders als der Reiche haben sie wie die Pharisäer neben Mose und den Propheten, die den Willen Gottes vollständig darlegen, auch die Botschaft Jesu, die ihnen durch Lukas nahegebracht wird und die in Einklang mit Mose und den Propheten steht. 511 Umstritten ist die Frage, ob die beiden letzten Verse der Beispielerzählung einen Hinweis auf die Auferstehung Jesu enthalten. 512 Von vielen Exegeten wird angenommen, dass sich das τις ἐκ νεκρῶν ἀναστῇ auf die Auferstehung Jesu beziehe und der Vers insgesamt die Ablehnung Jesu in weiten Teilen des Judentums thematisiere.513 Als Gründe werden angeführt, dass die V. 27–31 einen
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Es geht um den richtigen Umgang mit Reichtum, mit Besitz und Geld, und nicht mit Blick auf das postmortale Schicksal des Lazarus um eine Verherrlichung des Leidens, wie Jülicher als Intention der V. 19–26 formuliert: „Freude an einem Leben im Leiden, Furcht vor dem Genussleben wollte die Erzählung vom reichen Mann und armen Lazarus erzeugen“. So: Jülicher, Gleichnisreden II 638 (im Original gesperrt gedruckt). Gegen die Sicht, dass in diesem Text eine Verherrlichung des Leidens oder ein Aufruf zum Erdulden von Mangel und Not zu sehen ist, wenden sich auch: Forbes, God 196; Lau, Lukas 234; Gradl, Zwischen Arm und Reich 255. Vgl.: Lau, Lukas 221 und 230. Während Bovon, Lukas III 126, diese Auffassung vertritt und Leonhardt-Balzer, Reicher 658/9, dies durchaus für möglich hält, lehnt Wolter, Lukasevangelium 563, eine derartige Interpretation entschieden ab: „Es ist darum alles andere als ausgemacht, dass Lukas das Gleichnis hier mit einer verschlüsselten Ankündigung des Scheiterns der Christusverkündigung vor Juden abschließt.“ So z. B.: Jülicher, Gleichnisreden II 639: „Wer soll dieser auferstehende Tote anders sein als Jesus? Konnte ein christlicher Autor 31 schreiben ohne den Gedanken, dass auch J e s u A u f e r s t e h u n g den Unglauben nicht überwunden hat? Und zwar den Unglauben derer, die so lange Mose und die Propheten besitzen? […] Ein Christ hat sie geschrieben […] angesichts der Erfahrung, dass Israel, sein Volk, zum guten Teil auch trotz der Auferstehung ungläubig blieb.“ Einen Bezug zur Auferstehung Jesu sehen auch: von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 347; Nolland, Luke 831; G. Schneider, Lukas 342; Forbes, God 194; Gradl, Zwischen Arm und Reich 251/2; Lau, Lukas 229/30; Bredenhof, Failure and Prospect 184/92 und 208/9. Leonhardt-Balzer, Reicher 658/9, hält aus dem Gesamtzusammenhang des lukanischen Doppelwerks eine Deutung für möglich, wonach man im Reichen ein Symbol für die Juden und in Lazarus ein Symbol für die Heidenchristen sehen kann, „die durch die Auferstehung Christi Zugang zu der wahren Deutung der Tora und Propheten erhalten.“ So: Leonhardt-Balzer, Reicher 659. Die Deutung auf die Auferstehung Jesu beurteilt kritisch: Snodgrass, Stories 428. Auch KimRauchholz, Umkehr 76, äußert sich kritisch gegenüber dieser Auffassung, hält aber die von ihr referierte Sicht von C. J. A. Hickling für einleuchtend, dass hier eine Anspielung auf die Totenauferweckungen durch Jesus vorliegen könnte, die nicht zu einer Umkehr bei den jüdischen Führern gefolgt habe. Allerdings ist die allgemeine Resonanz auf die Totenerweckungen in den unserer Stelle vorausgehenden Kapiteln eher positiv (Lk 7,16– 17, vgl. auch 8,56).
Die Erzählung vom reichen Mann und dem armen Lazarus: Lk 16,19–31
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neuen, zum Vorhergehenden nicht ganz passenden Aspekt bieten. 514 Außerdem wird darauf hingewiesen, dass die Christusverkündigung im Lukasevangelium oft in einen engen Zusammenhang mit Gesetz und Propheten gebracht werde.515 Darüber hinaus wird mit der Verwendung des Begriffs ἀναστῇ argumentiert: „Für die Deutung von V. 31 auf die Auferstehung Christi spricht der lukanische Sprachgebrauch von ἀναστῆναι ἐκ νεκρῶν (Lk 24:46; Act 10:41; 13:34; 17:3;31), der an diesen Stellen immer auf Christus bezogen ist.“ 516 Es ist zwar richtig, dass an diesen Stellen die Auferstehung Jesu gemeint ist, aber dies ist anders als Lk 16,31 durch den Kontext jeweils eindeutig. 517 Anders auch als in Lk 16,31 folgt das ἐκ νεκρῶν an allen angeführten Stellen dem Verb. Außerdem kommt ἀνίσταμαι bei Lukas oft vor518 und wird wie bei den anderen Evangelisten auch von Lukas in unterschiedlicher Weise gebraucht: 1.) aufstehen im eigentlichen Sinne: Lk 4,29.38.39; 5,25 (Aufstehen eines Gelähmten nach der Heilung); 6,8; 11,7.8 (vom Schlaf); 17,19; 22,46 (vom Schlaf); 22,45; 23,1; 24,12; Apg 9,6.18.34; 10,26; 22,10.16; 12,7; 14,10.20; 2.) aufbrechen, sich aufmachen: Lk 1,39; 15,18.20; 24,2.33; Apg 8,26.27; 9,11.39; 10,20.23; 3.) auftreten gegen jemanden, sich erheben, um etwas zu tun: Lk 4,16; 10,25; 11,32; 23,1; Apg 1,15; 5,6.17.34.36.37; 6, 9; 7,18; 13,16; 15,7; 20,30; 23,9; 4.) auferstehen: Lk 8,55 (Auferstehung des Mädchens nach der Erweckung durch Jesus); 18,33; 24,7 (jeweils 514
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So z. B.: Jülicher, Gleichnisreden II 638 und 640. Jülicher hält die V. 27–31 für einen späteren, aber vorlukanischen Zusatz zu der ursprünglichen Erzählung. Dies ist durchaus zutreffend. Für Lukas ist es wichtig, dass Jesus vor dem Hintergrund des Alten Testamentes verstanden wird. Siehe z. B.: Lk 24,27; Apg 26,22–23 und 28,23. Vgl.: Wolter, Lukasevangelium 563. Siehe auch: Horn, Glaube und Handeln 84 und KimRauchholz, Umkehr 75. Reinmuth spricht sich entschieden dafür aus, V. 31 mit Blick auf die Auferstehung Jesu zu lesen. In einem Vergleich mit der Abschiedsrede der Debora in Kapitel 33 des pseudo-philonischen Liber Antiquitatum Biblicarum stellt er fest, dass Lk 16,19–31 die geläufigen Überzeugungen „der jenseitigen Vergeltung und die der Unmöglichkeit eines postmortalen Eintretens Frommer für Sünder“ (Reinmuth, Ps.-Philo 36) zum Ausdruck bringt. Seiner Meinung nach liegt das eigentliche Aussageziel in V. 31, nämlich „die mangelnde Glaubensbereitschaft Israels in eine Linie mit dem Ungehorsam gegenüber dem Gesetz zu stellen.“ So: Reinmuth, Ps.-Philo 37. Um das Interesse des Lukas an der christologischen Interpretation des Alten Testaments zu belegen, verweist er auf Lk 24,46. Er fasst zusammen: „Das richtige Verständnis der Schriften ist für Lukas nicht anders als christologisch möglich. Der Ungehorsam gegen die Schrift schließt folglich Unglauben gegenüber Christus ein: Unglaube gegenüber Christus muß bedeuten, daß auch die Schrift abgelehnt wird.“ So: Reinmuth, Ps.-Philo 38. In Lk 16,30–31 geht es aus meiner Sicht aber wohl „nur“ darum, dass diejenigen, die gegenüber dem Gesetz und den Propheten keine Offenheit zeigen, auch nicht durch das Zeichen einer Totenauferstehung zu einem Leben gemäß dem Willen Gottes kommen. Reinmuth, Ps.-Philo 37 Anm. 73. In Lk 16,31 legt der Kontext dagegen nicht nahe, an die Auferstehung Jesu zu denken. Vielmehr würde damit in die Bildrede des Gleichnisses am Schluss ein anderer thematischer Aspekt hineingeholt. ἀνίσταμαι kommt im gesamten NT häufig vor. Siehe hierzu: Bauer-Aland 138/9; Kremer, ἀνάστασις 210/21.
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Die Rede Jesu an die Pharisäer: Lk 16,14–31
von der Auferstehung Jesu); Apg 9,40 (Petrus erweckt Tabita). Das Substantiv ἀνάστασις (Auferstehung) begegnet z. B. Lk 14,14 (in der Rede des Simeon, nicht auf Jesu Auferstehung bezogen), 20,27.33.35 (nicht auf Jesus bezogen); Apg 4,2 (nicht auf Jesus bezogen). Der vielfältige Gebrauch von ἀνίστημι/ἀνίσταμαι und ἀνάστασις bei Lukas, insbesondere die Verwendung auch in Bezug auf Totenauferstehungen anderer Personen als Jesus zeigt, dass V. 31 keineswegs ausschließlich als Anspielung auf die Auferstehung Jesu gelesen werden muss.519 Der gängige Begriff ἀναστῇ520 wird vielmehr lediglich eine 519
520
Drei weitere Argumente gegen die Auffassung, in V. 31 sei von der Auferstehung Jesu die Rede, bietet Wolter, Lukasevangelium 563: „(a) Lukas bezeichnet mit dem Verb πείθειν (31c) in Apg 17,4; 18,4; 19,8; 26,28; 28,23.24, wo er es im Kontext der Christusverkündigung an Juden gebraucht, nie deren Ablehnung (noch der ‚negativste‘ Gebrauch findet sich in 26,28, d. h. im Ausruf König Agrippas II.: ἐν ὀλίγῳ με πείθεις Χριστιανὸν ποιῆσαι). (b) Die nachösterlichen Christuszeugen fordern nur in Jerusalem Juden zur ‚Umkehr‘ auf (μετάνοια; vgl. 30c; Apg 2,38; 3,19; 5,31); sobald die christliche Verkündigung Jerusalem verlassen hat, sind es immer nur die Heiden, die ‚umkehren‘ oder zur ‚Umkehr‘ eingeladen werden (Apg 11,18;17,30; 20,21; 26,20): (c) Es ist kaum möglich, in den fünf reichen Brüdern metaphorische Repräsentanten des nicht an Jesus Christus glaubenden Judentums zu erkennen.“ Für ἀναστῇ finden sich mehrere Varianten. Nestle-Aland 2012 halten an der Lesart ἀναστῇ fest. P75 579 bieten stattdessen ἐγερθῇ, W it sys.c; McionA ἀπέλθῃ, D r1; (Irlat) ἀναστῇ καὶ ἀπέλθῃ πρὸς αὐτούς. Ἐγείρω/έγείρομαι ist ein Synonym für ἀνίστημι/ ἀνίσταμαι, was wesentlich häufiger vorkommt. Siehe: Kremer, ἐγείρω 899/910. Während die Verbindung ἐγείρω/έγείρομαι ἐκ νεκρῶν im NT 22-mal (Mt 17,9; Mk 6,14 (man sah in Jesus den auferstandenen Johannes); Lk 9,7 (par Mk 6,14), Joh 2,22; 12,1.9.17 (von Lazarus); 20,9; 21,14; Apg 3,15; 13,30; Röm 6,4; 7,4; 8,11 (2-mal); 10,9; 1 Kor 15,12.20; Gal 1,1; Kol 2,12; 2 Tim 2,8; Hebr 11,9 (Gott, der Tote erwecken kann); 1 Petr 1,21) begegnet, findet sich die Formulierung ἀνίστημι/ἀνίσταμαι ἐκ νεκρῶν nur 11-mal (Mk 9,9.10; 12,25, nicht auf Jesus bezogen; Joh 20,9; Phil 3,11 (Substantiv); 1 Petr 1,3 (Substantiv); bei Lukas neben 16,31 nur noch 24,46 (ἀναστῆναι ἐκ νεκρῶν τῇ τρίτῃ ἡμέρᾳ) und Apg 13,34; 17,3.31. Ἐγείρω/έγείρομαι ist an fast allen Stellen auf Jesus bezogen. Die Variante ἐγερθῇ ist vielleicht wegen des häufigeren Gebrauchs von ἐγείρω/έγείρομαι von Abschreibern, die den Vers in Verbindung mit der Auferstehung Jesu gesehen haben, statt ἀναστῇ geschrieben worden. Umgekehrt ist die Formulierung neutraler, wenn man das „blasse“ (Wolter, Lukasevangelium 563) ἀπέλθῃ liest. Gegen diese Lesart spricht neben der späten Überlieferung – die Lesart findet sich nur im Codex W des 5. Jh. und lateinischen und syrischen Übersetzungen –, dass die Wendung ἀπελθεῖν ἐκ νεκρῶν sich in der griechischen Literatur nicht findet. Mit ἀπέλθῃ hat man wohl versucht, diese Stelle an ἀπὸ νεκρῶν πορευθῇ in V. 30 anzugleichen. Übrigens gibt es für ἀπὸ νεκρῶν πορευθῇ in V. 30 die Varianten ἐγέρθῃ (P75) und ἀναστῇ ( א579 (it)). Die Wendung ἀπὸ νεκρῶν findet sich in der gesamten griechischen Literatur nur fünfmal, neben Lk 16,30 noch Hebr 6,1 und 9,14, Plut. Romulus 9,6 und Opp. hal. III 562, allerdings keinmal mit den hier in Frage kommenden Verben. Die verschiedenen Lesarten zeigen, dass man versucht hat, zwischen V. 30 und 31 eine Parallelisierung und Egalisierung (besonders deutlich bei ἀναστῇ καὶ ἀπέλθῃ πρὸς αὐτούς) herzustellen. Dem Bestreben, „dem Ganzen eine christliche Note zu geben“ (Bovon, Lukas III 126), ist wohl auch die Variante πιστεύσουσιν (D lat sys.c.p Irlat) statt πεισθήσονται zu verdanken. Das Verb πιστεύω betont das „Glau-
Die Erzählung vom reichen Mann und dem armen Lazarus: Lk 16,19–31
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Variation des πορευθῇ in V. 30 darstellen521 und allgemein das Kommen eines Boten aus dem Totenreich zur Ermahnung der Lebenden bezeichnen. V. 31 auf Jesu Auferstehung zu beziehen, entspricht nicht recht dem Duktus der Erzählung,522 während das Kommen irgendeines Toten zur Mahnung der Lebenden durchaus zur Bildwelt der Erzählung passt.523 In V. 31 eine Anspielung auf die Auferstehung Jesu und dann auf die Ablehnung Jesu zu sehen, ist also m. E. im Text nicht intendiert. Wie oben dargelegt, wird vielmehr die Bedeutung von Gesetz und Propheten durch die V. 30 und 31 in besonderer Weise herausgehoben.524 So möchte Lukas mit diesem Gleichnis herausstellen, dass die einzige Möglichkeit, das Leben nach dem Tod positiv zu beeinflussen, darin besteht, „bereits während des Lebens auf die Tora und die Propheten zu hören, d. h. den Willen Gottes zu erfüllen.“525 Aus den heiligen Schriften aber „erfahren die
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ben“ (siehe: Barth, πίστις 216/31), während πείθεσθαι das „sich überzeugen lassen, gehorchen“ (siehe: Sand, πείθω 148/50) bezeichnet und damit besser zu ἀκουσάτωσαν (gehorchen) und μετανοήσουσιν (umkehren) passt. Auferstehung und Glaube sind im NT auch das Thema von Joh 11, der anderen Geschichte, die mit dem Namen Lazarus verbunden ist. Es könnte eine, wenn auch schwierige, Beziehung beider Geschichten geben. Man erklärt die Verbindung beider Geschichten mit einem gemeinsamen traditionellen Hintergrund. Siehe: Lehtipuu, Afterlife Imagery 194 Anm. 104; Busse, Johannes und Lukas 281/306. Vgl.: Jülicher, Gleichnisreden II 631. Πορεύομαι wird in Lk und Apg nie (vgl. VKGNT 1157/8) im übertragenen, bildlichen Sinn verwendet, sondern bedeutet immer ganz konkret „gehen, reisen, aufbrechen“. Es ist also ausgeschlossen, dass (bereits) in V. 30 der Aussage ein Nebensinn unterlegt wird. Vgl.: Metzger, Consumption and Wealth 152 Anm. 159. Vgl. auch: Horn, Glaube und Handeln 84. Seine Ausführungen sind an dieser Stelle aber nicht ganz klar. So räumt er ein, dass man in V. 31 eine Anspielung auf Israel sehen könne, das trotz der Auferstehung Jesu nicht zum Glauben kommt. Die V. 30–31 wollten die Verbindlichkeit des Gesetzes unterstreichen. „Denn die Auferstehung eines Toten (wohl Christus und nicht Lazarus, vgl. Joh 11,1ff) wird die fünf Brüder nicht überzeugen (πεισθήσονται Futur!), wenn nicht solches Geschehen durch Mose und Propheten hindurch verstanden wird (vgl. nur die Schlusskapitel Lk 24,44 und Apg 28,23 ἀπό!). Lk spielt hier auf die bei ihm in christologischen Gedankengängen breit ausgeführte hermeneutische Kategorie an, daß das Christusgeschehen nur durch das atl. Wort verstanden werden kann“. So: Horn, Glaube und Handeln 84. Es geht ja letztlich um eine Mahnung der Rezipienten. Auf ihr Hören und Handeln kommt es an. Insofern ist der Erzählschluss durchaus offen. Bredenhof, Failure and Prospect 208/9, sieht dagegen einen klaren Bezug auf Jesus. Wenn man auf das Gesetz „und dessen sittliche Forderungen nicht hört und sie nicht in die Tat umsetzt, kann selbst die Wiederkehr eines Toten nicht vor dem Schicksal schützen, das der Reiche im Hades erleidet.“ So: Busse u. a., Jesus 121. Dondici, Lazarus 157. Ähnlich formuliert Breytenbach, Geld 143: „Das Gleichnis vom armen Lazarus und dem reichen Mann zeigt, dass das Gesetz und die Propheten auch für die Leser des Lukasevangeliums die Leitlinie dafür bieten, wie der Mensch sich in diesem Leben mit Blick auf das zukünftige Leben verhalten soll.“
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Die Rede Jesu an die Pharisäer: Lk 16,14–31
Leser ebenso die Ethik der Fürsorge sowie die Aufmerksamkeit und Sensibilität für die Kleinen und Leidenden.“526
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Dondici, Lazarus 165. Vgl.: Leutzsch, Grundbedürfnis und Statussymbol 22.
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Das 16. Kapitel im Rahmen der lukanischen Gedankenwelt: Zusammenfassende Überlegungen
Das 16. Kapitel besteht – wie deutlich geworden ist1 – aus verschiedenen Textstücken, nämlich aus zwei Reden Jesu und aus Redeeinleitungen mit zum Teil die Adressaten charakterisierenden Hintergrundinformationen. Die beiden Reden ihrerseits umfassen jeweils ein Gleichnis und als Kommentierung bzw. als Hinführung Stellungnahmen, Aufforderungen und Sentenzen. Diese Stücke stammen zum Teil aus verschiedenen Traditionen, 2 zum Teil sind sie vom Autor selbst verfasst worden. 3 Wenn auch das 16. Kapitel aus unterschiedlichen Textstücken besteht und diese aus verschiedenen Quellen zusammengefügt wurden, so haben doch die Analysen der Textstruktur und der Wort- bzw. Textsemantik es als wahrscheinlich erscheinen lassen, dass Lukas eine Komposition geschaffen hat, die auf ein Thema bezogen ist und die einen einheitlichen Argumentationsgang darstellt. Dieser Argumentationsgang soll im Folgenden zusammenfassend dargestellt werden. Da sich bei den Analysen aber nicht nur Bezüge zwischen den Versen innerhalb des 16. Kapitels, sondern darüber hinaus zum größeren Kontext, dem Lukasevangelium und zur Apostelgeschichte, 1 2
3
Siehe hierzu auch: Kapitel 3. Aus der Logienquelle Q stammen V. 13 und die V. 16–17. Auch V. 18 hat Parallelen bei Matthäus und bei Markus und dürfte somit aus einer vorgegebenen Quelle stammen. Vielleicht war V. 10 eine allgemein bekannte Sentenz. Ob die Gleichnisse auf Jesus selbst zurückgehen und im Kontext seiner Verkündigung der Gottesherrschaft zu verstehen sind (dies vermutet Merklein für Lk 16,1–8; siehe: Merklein, Gottesherrschaft 69), ob sie einer besonderen Quelle des Sonderguts entstammen und dann von Lukas überarbeitet und umgestaltet wurden, kann hier nicht näher beantwortet werden. Horn und Jeremias haben für Lk 16,1–8 gezeigt, dass der im Lukasevangelium fixierte Text so sehr von Sprache und Stil des Lukas geprägt ist, dass zumindest eine redaktionelle Bearbeitung eines vorgegebenen Motivs oder einer entsprechenden Geschichte durch Lukas vermutet werden kann. Siehe hierzu besonders: Horn, Glaube und Handeln 72/3. Vgl.: Jeremias, Sprache 28; 33; 53; 107; 150; 255. Von Lukas stammen sehr wahrscheinlich die V. 9, 11–12 und 14–15. Vgl.: Horn, Glaube und Handeln 74; Fassl, Komposition und Redaktion 115 und 117. Auch wenn sich – entgegen dem hier Gesagten – keinerlei redaktionelle Bearbeitung durch Sprache und Stil des Lukas innerhalb der Verse 1–31 nachweisen ließe, so wären diese dann rein traditionellen Verse doch auch aus dem Blickwinkel des Lukas zu betrachten, da er es ja ist, der die Verse übernommen, seinem Evangelium eingefügt und damit gleichsam zu eigen gemacht hat. Vgl.: Ellis, Eschatologie 379/80. „Das gesamte Material bei Lukas ist schon von der Tatsache her, daß Lukas es übernommen hat, in gewisser Weise lukanisch. […] In der Auswahl der Quelle ist das Interesse des Lukas ebenso wirksam wie in seinen ad-hocFormulierungen.“ So: Ellis, Eschatologie 380.
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Das 16. Kapitel im Rahmen der lukanischen Gedankenwelt
gezeigt haben, sollen zunächst nochmals einige Schwerpunkte und Eigenarten des lukanischen Doppelwerks skizziert werden, um vor diesem Hintergrund dann den Gedankengang des 16. Kapitels vorzustellen. Als „wichtiger theologischer Leitbegriff“4 fungiert im lukanischen Doppelwerk wie in den anderen synoptischen Evangelien (vgl. Mk 1,15; Mt 4,17) die βασιλεία τοῦ θεοῦ.5 Erstmals erscheint er in Lk 4,43, 6 von da an begegnet er immer wieder an wichtigen Stellen im lukanischen Doppelwerk, 7 so zu Beginn der Apg (1,3) und ganz am Ende in Apg 28,31. 8 Anders als die Evangelisten Markus und Matthäus, für die die Darstellung der Botschaft Jesu vom Reich Gottes ebenfalls das zentrale Anliegen ist,9 erklärt Lukas vor der ersten Erwähnung dieses Kernbegriffs, was mit βασιλεία τοῦ θεοῦ konkret gemeint ist. Dazu bietet er eine Erzählung, die die Sendung, die Verkündigung und das prophetische Schicksal Jesu zum Thema hat: die sogenannte Antrittspredigt Jesu in Nazareth.10 So lässt Lukas Jesus zu Beginn seiner Wirksamkeit in der Synagoge seiner Heimatstadt Nazareth Stellen aus Jesaja, die vom kommenden Heil erzählen,11 vorlesen und auf sich beziehen.12 Gleichsam in einem Manifest13 macht Jesus deutlich, dass jetzt im „Heute“ der jesuanischen Verkündigung (Lk 4,21) die eschatischen Verheißungen Jesajas Wirklichkeit werden, dass er – Jesus – von Gott gesalbt und gesandt ist, dass er als Repräsentant Gottes auftritt und das von Jesaja verheißene Heil den Menschen zusagt. 14 Worin das Heil besteht, macht er mit den Worten Jesajas unmissverständlich deutlich: Er ist gesandt, den Armen eine gute Nachricht zu bringen, und das heißt nach Jesaja konkret, den Gefangenen die Entlassung zu verkünden und den Blinden das Augenlicht, 4
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Wolter, ‚Reich Gottes‘ 541. Vgl.: Völkel, Deutung 61, der von einem theologischen Schlüsselbegriff des lukanischen Werkes spricht. Siehe hierzu die Ausführungen in: Kapitel 6.2.2.3. Die Verkündigung der βασιλεία τοῦ θεοῦ wird hier „zum alleinigen Grund der Sendung Jesu“ erhoben. So: Prieur, Gottesherrschaft 2. Vgl.: Prieur, Gottesherrschaft 2. „Mit dem Logion Lk 4.43, das eine Gesamtdeutung der Sendung Jesu liefert, und dem letzten Satz seines Werkes in Apg 28.31 legt Lukas einen Rahmen um seine Darstellung, der durch das Stichwort der βασιλεία τοῦ θεοῦ dem Ganzen unübersehbare Kohärenz verleiht.“ Wolter, ‚Reich Gottes‘ 541. Vgl.: Merklein, Botschaft 25/6. Zum Unterschied zwischen dem lukanischen und dem markinischen Eschatologieverständnis siehe: Busse, Nazareth-Manifest 106. Siehe hierzu: Busse, Nazareth-Manifest. Siehe hierzu: Anm. 254 in Kapitel 6.2.2.3 dieser Studie. Dass die Basileia an Jesus gebunden wird, ist für Blumenthal, Basileia 335, „der entscheidende Dreh- und Angelpunkt der lukanischen Reich-Gottes-Konzeption“. Vgl.: Blumenthal, Basileia 94/5. Der Begriff geht auf U. Busse zurück. Die Predigt Jesu in Nazareth stellt in ihrer Programmatik das Manifest des von Gott gesandten Predigers dar. Siehe: Busse, NazarethManifest 51. Vgl.: Busse, Nazareth-Manifest 36; Völkel, Deutung 63; Wolter, Eschatology 99; Blumenthal, Basileia 158/60.
Das 16. Kapitel im Rahmen der lukanischen Gedankenwelt
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die Zerschlagenen in Freiheit zu setzen und ein Gnadenjahr des Herrn auszurufen (Lk 4,18–19).15 Die Erfüllung16 dieser Ansage in Wort und Tat Jesu durchzieht das Lukasevangelium. Noch vor der ersten Erwähnung des Begriffs βασιλεία τοῦ θεοῦ in 4,43 lässt Lukas durch die Erzählung von Heilungen in Kafarnaum das von Jesus Proklamierte erfahrbare Wirklichkeit werden, 17 so dass der Rezipient seines Evangeliums weiß, wozu Jesus gesandt ist, was Inhalt seiner Verkündigung ist und was mit βασιλεία τοῦ θεοῦ gemeint ist.18 So wird klar, dass die βασιλεία τοῦ θεοῦ an Jesus gebunden ist, dass sie von ihm repräsentiert und durch ihn in Kraft gesetzt wird. In seinem wirkmächtigen Wort und seinem heilvollen Tun wird die βασιλεία Wirklichkeit und für die Menschen sichtbar.19Auch durch seine Hinwendung zu Sündern und Zöllnern, durch seine Mahlgemeinschaft mit den Verlorenen (z. B. Lk 15,1–2) macht Jesus klar, was die Rede vom Gnadenjahr des Herrn bedeutet. Jesus ermöglicht denen, die – durchaus aufgrund ihres sündigen Verhaltens – am Rand stehen, einen Neuanfang, eine neue Beziehung zu Gott und damit auch einen neuen Zugang zur Gemeinschaft Israels.20 Zu diesem Neuanfang, zu diesem endzeitlichen Angebot der βασιλεία τοῦ θεοῦ, sind alle eindringlich eingeladen (Lk 16,16). Durch Jesus steht die Tür zum Heil der βασιλεία τοῦ θεοῦ grundsätzlich allen offen.21 Allerdings bedarf es der Bemühung des Menschen, in das Heil der Basileia zu gelangen,22 es bedarf der aktiven Annahme dieses Geschenks der offenen Tür durch die Hinwendung des Menschen zu Jesus und seiner Bot15 16
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Siehe zu den historischen Bezügen des Jesajazitats: Dietrich, Gesetze 31/43. Nach z. B. Ernst, Lukas 11 und Gräßer, Parusieverzögerung 207, vollzieht sich die Heilsgeschichte nach Lukas in den Phasen Verheißung, Erfüllung und Vollendung. Ireland, Stewardship 210, spricht von den Phasen Verheißung und Erfüllung, wobei sich die letztere in zwei Etappen vollzieht. Wolter, Eschatology 97/8, betont, dass für Lukas die Heilsgeschichte eine einzige Geschichte ist, beginnend mit den Vätern Israels über Jesus bis hin zu den Lesern des Evangeliums sowie der Apostelgeschichte und darüber hinaus. Zum Zusammenhang der Episoden vgl.: Busse, Nazareth-Manifest 39 und 77 und Busse, Wunder 67. Siehe auch: Blumenthal, Basileia 156/8 und 179/85. Der Begriff βασιλεία τοῦ θεοῦ stellt insofern eine Zusammenfassung von Lehre und Tat Jesu in 4,14–42 dar. Der präsentische Aspekt der Gottesherrschaft findet sich im Lukasevangelium z. B. in 11,20; 17,21. Ireland, Stewardship 206/9, verweist außerdem u. a. auf die Wunder (Lk 7,22 als Bezugnahme auf 4,18–19; 10,17–18), auf die Tischgemeinschaft Jesu mit Jüngern, vor allem aber mit Zöllnern und Sündern (Lk 5,29; 15,1–2; 19,1–10) und allgemein auf die von Jesus verkündete Vergebung der Sünden (Lk 5,20; 7,47). Vgl.: Merk, Reich Gottes 208/11; Wolter, ‚Reich Gottes‘ 552; Hoppe, Arm und reich 85; Merklein, Gottesherrschaft 158/66; Blumenthal, Basileia 166; 335 und Arens, Handlungen 95/6. Die vergebende Hinwendung Jesu zu den unbußfertigen Sündern spiegelt Gottes heilvolle endzeitliche, aber bereits real vollzogene Annahme des sündigen Menschen wider. Vgl.: Merklein, Gottesherrschaft 186/205 und Ireland, Stewardship 208/9. Mit der Metapher der offenen Tür beginnt der größere Abschnitt (Lk 13,22–17,10), zu dem das 16. Kapitel gehört. Vgl.: Lk 13,24.
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schaft.23 Die Botschaft Jesu ist Zuspruch und Anspruch zugleich, sie erfordert vom Menschen ein Sich-Einlassen auf diese Botschaft und dieses Angebot, ein Sich-Einlassen, das zu Umkehr und einer Ausrichtung auf den von Jesus verkündeten Willen Gottes führt, das also ethische Konsequenzen nach sich zieht, wie Zachäus sie beispielhaft praktiziert hat (Lk 19,1–10).24 Der Mensch ist also dringend aufgerufen, die Einladung ohne Wenn und Aber bedingungslos anzunehmen, nichts gegen die Annahme ins Feld zu führen (vgl. das Gleichnis vom großen Festmahl Lk 14,15–24), sondern sich mit aller Kraft um sie zu bemühen.25 Denn auch wenn Gott geduldig ist (vgl. das Gleichnis vom unfruchtbaren Feigenbaum Lk 13, 6–9), so gibt es doch ein Zu-Spät (vgl. Lk 13,23–30; 14,24).26 Dennoch bleibt die Einladung zur βασιλεία τοῦ θεοῦ auch nach dem Tod, der Auferstehung und Erhöhung Jesu bestehen. Wenn auch die βασιλιεία nun wieder zu einer zukünftigen Größe wird, deren Vollendung noch aussteht, 27 so bleibt sie doch im Leben28 und in der Verkündigung der Gemeinde bzw. der Jesus-Nachfolger präsent.29 Denn die βασιλεία τοῦ θεοῦ wird auch nach Jesu 23
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Ireland, Stewardship 211/3, weist darauf hin, dass sowohl der zukünftige Aspekt der Gottesherrschaft, da er der ethischen Lehre Jesu einen Anreiz für Belohnung bzw. die Warnung vor dem Gericht hinzufügt (z. B. Lk 7,35; 12,35–46; 14,13–14), als auch der präsentische Aspekt der Gottesherrschaft das ethische Handeln beeinflusst. Denn diejenigen, die sich schon jetzt als zum Reich Gottes zugehörig fühlen, werden als Antwort auf das erfahrene Heil verändert leben. Die ethischen Standards sind zusammengefasst in dem Gebot der Gottes- und Nächstenliebe (Lk 10,25–37; 6,27–36). Der Anbruch des endzeitlichen Heils bringt eine Umwertung des Bisherigen, auch des Reichtums. So löst sich derjenige, der sich vom Reich Gottes bewegen lässt, von seinem Vermögen und schafft sich ein Vermögen, das in der neuen Welt zählt. Nach Lk 12,33; 18,22 und 16,9 nutzt er sein Vermögen für das Wohl der Bedürftigen. „By concrete acts of love for the poor (e.g., alms) disciples give testimony to their own ultimate loyalities and also create a foretaste of the life of the kingdom in anticipation of its final coming.“ Ireland, Stewardship 213. Siehe auch: Merklein, Gottesherrschaft 291/3 und 296/7. Vgl.: Blumenthal, Basileia 196/7 und 335. Für Lukas gehört zu diesen Konsequenzen, die Tür für Bedürftige zu öffnen, also anders zu handeln als der Reiche, der die Tür für Lazarus nicht geöffnet hat. Allgemein ermöglicht und verlangt Jesus „von allen, die er mit der Proklamation der hereinbrechenden Basileia konfrontiert, dass sie sich in ihrem Handeln einzig und allein von der Basileia bestimmen lassen. Wo an bisherigen Denk- und Handlungskategorien orientiertes und Basileia-orientiertes Handeln kollidieren, muss selbstverständlich alles Bisherige in die Distanz gerückt werden. Die Gottesherrschaft ist prinzipiell und für alle das ausschlaggebende Handlungsprinzip.“ So: Merklein, Gottesherrschaft 64. Vgl.: Blumenthal, Basileia 116. Vgl. hierzu: Busse, Eschatologie 141/78; Wolter, ‚Reich Gottes‘ 550/1; Ireland, Stewardship 197/211; Merk, Reich Gottes 212/9. Der zukünftige Aspekt der Gottesherrschaft findet sich auch beim lukanischen Jesus. Als Stellen, die den zukünftigen Aspekt der Gottesherrschaft thematisieren, verweist Ireland, Stewardship 201/6, auf Lk 3,7; 6,21–23; 9,11; 9,27; 10,9.11; 11,2; 12,38; 13,6–9; 13,28–29; 14,14–15; 18,8; 19,11–29; 21,32. Das Heil der Basileia wird in der Urgemeinde, wie sie in der Apg dargestellt wird, noch irdisch erlebbar. Siehe: Blumenthal, Basileia 305; 328; 339. Vgl.: Ernst, Lukas 11/2 und Weiser, Theologie 133.
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Tod, Auferstehung und Erhöhung einladend verkündet, 30 nun geht diese Verkündigung mit der Verkündigung Jesu einher. 31 Die Verkündigung der mit Jesus bereits Wirklichkeit gewordenen βασιλεία τοῦ θεοῦ qualifiziert also auch zur Zeit des Lukas die Gegenwart, da sich auch jetzt die Zugehörigkeit zur βασιλεία in der Zugehörigkeit zu Jesus sowie im Tun des in Jesus offenbaren Willens Gottes entscheidet.32 Insofern befinden sich auch die von Lukas angesprochenen Menschen in einer eschatischen Heils- und Entscheidungssituation.33 Der Einzelne, der die Botschaft von der βασιλεία τοῦ θεοῦ vernommen hat, muss im eschatischen „Heute“ der lukanischen Gemeinde zwischen der täglich neu zu vollziehenden Annahme und der Ablehnung Jesu bzw. des in ihm offenbaren Willens Gottes entscheiden. Insofern er am verheißenen Heil der βασιλεία Anteil erhalten möchte, muss er alles daransetzen, durch die von Jesus in neuer Weise eröffnete und in der Verkündigung der Jesusnachfolger weiterhin geöffnete Tür am Ende der Zeit,34 aber auch schon am Ende seiner individuellen Lebenszeit35 in die βασιλεία zu gelangen. Dass dies nur möglich 30
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Die Zeit Jesu und die Zeit der Kirche stellen eine Heilszeit, ein heilsgeschichtliches Gesamtgeschehen dar. Siehe gegen Conzelmann, Mitte, z. B.: Ernst, Lukas 12 und Ireland, Stewardship 210. Doch betont Lukas, dass die Wiederkunft Christi, die das Gericht und die Vollendung der Heilsgeschichte umfasst, durchaus nicht in zeitlicher Nähe zu liegen braucht, ja dass vielmehr vor der Wiederkunft Christi das Evangelium bis an die Grenzen der Erde getragen werden soll. Vgl.: Gräßer, Parusieverzögerung 198. Von einer Enteschatologisierung kann allerdings keine Rede sein. Siehe: Horn, Glaube und Handeln 281; Ernst, Lukas 13; Ireland, Stewardship 203/6 und 210. Andererseits macht er deutlich, dass die Parusie jederzeit und plötzlich eintreten kann. Insgesamt lässt er offen, wann sich die Wiederkunft Christi zeitlich ereignen wird. Wahrscheinlich nimmt Lukas Bezug zum einen auf apokalyptische Schwärmereien, die das baldige Kommen der Parusie ansagen, und zum anderen auf ein Sich-Hingeben an weltliches Tun angesichts der ausbleibenden Parusie. Vgl.: Ernst, Lukas 13 und Ellis, Eschatologie 396. Vgl.: Wolter, ‚Reich Gottes‘ 551 und Merk, Reich Gottes 219. Zum Zusammenhang von Eschatologie und Ethik bei Lukas siehe: Busse, Eschatologie 160/6; Ireland, Stewardship 211/4. Vgl.: Busse, Nazareth-Manifest 105/6; Wolter, Eschatology 100; Blumenthal, Basileia 115/6 und 335. „Salvation and condemnation in the final judgment, which is still to come, depend on how people have reacted to Jesus’ message and implicit Christological claim.“ So: Wolter, Eschatology 100. Der Mensch muss für die Wiederkunft Jesu stets bereit sein; angesichts des durch die Parusie kommenden Gerichts ist der Mensch aufgefordert, sich der Botschaft von der Gottesherrschaft glaubend zu öffnen und dieser Botschaft gegenüber treu zu leben. Vgl.: Ernst, Lukas 14; Horn, Glaube und Handeln 283; Merk, Reich Gottes 217; Weiser, Theologie 147. Insofern motiviert die Parusie die ethischen Forderungen des lukanischen Jesus und lässt den Treuen und Gläubigen „in Abhebung von weltlicher Gesinnung (17,26–28; 21,36)“ (so: Horn, Glaube und Handeln 282; vgl.: Ireland, Stewardship 211/4.) wachsam sein. „Die praktische Konsequenz der Stetsbereitschaft ist eine umfassende Glaubenshaltung im Gegenüber zu ‚Weltbindung’.“ Horn, Glaube und Handeln 283. Vgl. zu der individualeschatologischen Konzeption des Lukas: Dupont, Eschatologie 37/47 und Busse, Eschatologie 163/6.
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ist durch eine im Handeln konkret werdende Nachfolge Jesu und in einem dem Willen Gottes entsprechenden ethischen Verhalten, macht Lukas seinen Adressaten mit seiner Schrift klar. Die geforderte Haltung äußert sich gerade für den Evangelisten Lukas u. a. in Solidarität mit dem Nächsten und in einem entsprechenden Umgang mit materiellen Gütern, mit anderen Worten in einem Öffnen der Tür für Bedürftige.36 Besitz und Reichtum hindern nämlich in den Augen des Lukas und des lukanischen Jesus den Menschen daran, sich der Gottesherrschaft zu öffnen und seine Existenz ganz von ihr her bestimmen zu lassen. 37 Dass für Lukas in der eschatischen Entscheidungssituation aber die Hinwendung zu Jesus und ein Streben nach der Gottesherrschaft und nicht ein Hängen am Reichtum vonnöten ist, zeigen – neben dem 16. Kapitel – Stellen wie z. B. Lk 12,13–34; 14,33 oder 18,18–30 deutlich.38 Besitz und Reichtum versprechen dem Menschen zwar Freude, Glück und Lebensfülle,39 ohne dies aber wirklich auf Dauer geben zu können.40 Streben nach Reichtum oder nach Vermehrung des Reichtums verhindert eine Zuwendung des Menschen zum Reich Gottes (z. B. 12,13–34; 18,24);41 der Mensch übersieht die alleinige Macht Gottes über die irdischen, dem Menschen nur geliehenen Güter und damit die Sorge Gottes um den Men36
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Siehe hierzu die Ausführungen dieser Studie zu Lk 16,16. Vgl.: Ernst, Lukas 17; Weiser, Theologie 148, Esler, Community and gospel 164/9; Donahue, Gospel 175; Seccombe, Possessions 182/6 und 195/6; Grilli, Reichtum 252/61. Das Thema des rechten Umgangs mit Vermögen ist ein zentrales Thema des Lukasevangeliums und auch des lukanischen Reiseberichts. Tannehill, Unity 243, weist darauf hin, dass Lukas wichtige Themen nicht in einer einzigen großen Abhandlung thematisiert, sondern auf diese Themen immer wieder Bezug nimmt. Durch dieses wiederholende Aufgreifen werde die Bedeutung des Themas noch verstärkt. Nach Kramer, Lukas 10, die davon ausgeht, dass Lukas verschiedene Traditionen zum Thema aufgegriffen und in sein Werk eingefügt habe, stellt sich der Umgang mit materiellen Gütern „für ihn als unumgängliche ethische Frage für christliches Leben dar”. Crüsemann, Maßstab 208, formuliert: „Der Evangelist Lukas räumt dem Thema Reichtum und Armut in seinem Evangelium bekanntlich eine zentrale Rolle ein, doch er versteht sich ganz als Ausleger seiner Bibel. Es ist die alte Lehre, die durch und bei Jesus neu und wirklichkeitsbestimmend wird.“ Siehe: R. Koch, Wertung 157; Degenhardt, Lukas 121; Klauck, Armut 179. Bereits in Lk 3,10–14 fordert der lukanische Johannes eine Umkehr, die in der Abkehr von Streben nach Reichtum (V. 14) und im Teilen der elementaren Lebensgüter (V. 11 und 12) konkret wird. In der Apostelgeschichte weist Lukas darauf hin, dass Christen ihr Hab und Gut wegen des Gemeinwohles verkauften (Apg 2,44–45; 4,32.34–35; 5,1–11). Beispiel hierfür ist der reiche Kornbauer, der sich im Überfluss und in der Sicherung seiner Ernte ein glückliches Leben erträumt (Lk 12,16–21). Vgl.: Degenhardt, Lukas 121. Dem reichen Kornbauern wird aufgezeigt, dass er nicht mit Gott gerechnet hat (Lk 12,20–21). Vgl.: Koh 5,9–6,2. Ireland, Stewardship 176, schreibt in Bezug auf Lk 12,13–34, dass die Gefahr des Reichtums darin besteht, dass er ein rückhaltloses Vertrauen auf Gott verhindert. Nach Ansicht Irelands betont Lukas die Gefahren des Reichtums, aber in Bezug auf seine Macht, den Menschen von einer völligen Hinwendung zu Jesus abzuhalten. Siehe: Ireland, Stewardship 178/9 und 194/5. Vgl.: Grilli, Reichtum 255.
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schen, der allein dem Menschen Sicherheit (12,22–32) und schließlich das ewige Leben (18,28–30) schenken kann.42 So führt Reichtum zu Selbstvertrauen43 (12,16–20), Stolz44 (16,14), Habgier (12,15), Raffsucht (12,16–21), Geldgier (16,14) und zu falschem menschlichen Sorgen (12,22–32).45 Es geht Lukas darum, dass der Christ sich der Botschaft Jesu, seinen Verheißungen und dem Willen Gottes öffnet und so von der letztlich versklavenden Macht des Reichtums (vgl. 16,13) frei wird. So fordert er ein Handeln, das nicht auf das eigene Ich und die eigene Leistung bezogen ist, sondern auf Gott und den Nächsten (Lk 12,13–34). Er fordert ein Handeln, das – gemäß dem 16. Kapitel – in Einklang steht mit den Forderungen des Gesetzes und der Propheten.46 Der lukanische Jesus selbst wendet sich in besonderer Weise den Armen und Ausgestoßenen zu, 47 ihnen spricht er das Reich Gottes zu (1,53; 4,18–19; 6,20–21; 7,12–13; 15,1–2);48 die Reichen dagegen haben es schwer, am Reich Gottes Anteil zu erhalten (1,53; 6,24–25; 8,14; 12,13–21; 14,15–24; 16,14–15.19–31; 18,25). So fordert Lukas immer wieder zu Besitzverzicht (5,11.28; 12,33–34; 14,33; 18,18–30) und Wohltätigkeit (3,10–11; 6,33–36; 8,1–3; 16,9; 19,1–10; 21,1–4) auf.49 Besitzverzicht und Wohltätigkeit gegenüber den Notleidenden sind die geforderte Antwort des gläubigen Christen auf das von Gott verheißene und schon geschenkte Heil, 50 die eschatische Situation des von Jesus und seiner Botschaft angesprochenen Menschen führt diesen zu einer Gott gemäßen Ethik. Die helfende Hinwendung zu den Armen, 42
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Siehe: R. Koch, Wertung 154/60. Vgl.: Lohse, Evangelium 60: Wer bemüht ist, sein Hab und Gut zu vermehren und die Zukunft seines Lebens zu gewinnen, versäumt gerade „das eine, auf das alles ankommt: seine Verlorenheit zu erkennen und sein Vertrauen allein auf den barmherzigen Gott zu setzen.“ Vgl.: Crüsemann, Maßstab 215. Reichtum kann als Zeichen göttlichen Segens dargestellt und zur Selbstrechtfertigung (vgl. Lk 16,14) benutzt werden. Vgl.: Ireland, Stewardship 180. Zur Sicht des Reichtums als Segen Gottes siehe: Bredenhof, Failure and Prospect 118/9, der auf Dtn 6,1–3; 7,12–14; 8,6–9; 11,8–15; 28,4–5, auf Gen 26,12–14 und auf Lev 26,3–5 verweist. Siehe auch: Crüsemann, Maßstab 210/5 und Hauck; Kasch, πλοῦτος 321/3. Vgl.: Ernst, Portrait 102. Siehe auch: Ireland, Stewardship 179 und 188. „Lukas sieht das Handeln Jesu in Kontinuität mit dem Handeln Gottes im Ersten Testament. Ein zentraler Aspekt dieser fortgesetzten Heilsgeschichte ist die bevorzugte Wahl der Armen.“ Grilli, Reichtum 253. Vgl.: Crüsemann, Maßstab 208. „Die Armen sind demnach die Adressaten der Heilssendung Jesu, die soziale Dimension seines Wirkens ist verbunden mit seiner Person als Träger des Geistes Gottes, in seiner Zuwendung zu den Armen stellt sich das umfassende Heil Gottes dar.“ Hoppe, Arm und reich 85. Berücksichtigt werden muss, dass mit den Armen hier nicht nur ökonomisch Arme gemeint sind. Vgl. die Ausführungen zu Lk 16,16. Vgl. auch: Ireland, Stewardship 167/75. Vgl.: Ireland, Stewardship 195. So verkaufen die Christen in der Jerusalemer Gemeinde ihr Hab und Gut zugunsten der Gemeinschaft (Apg 2,44–45; 4,32.34–35). Die sozialen Strukturen der Urgemeinde lassen das Reich Gottes auch in der Zeit nach Jesu Aufnahme in den Himmel erfahrbar werden. Vgl.: Blumenthal, Basileia 305/6. Dass Wohltätigkeit nicht Voraussetzung, sondern Ausdruck von Jüngerschaft ist, betont: Ireland, Stewardship 183.
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die materielle und die das Materielle übersteigende Solidarität mit den Armen ist also nicht nur Überwindung der Gefährdung durch Reichtum, sondern im Aufruf zu unbedingter Wohltätigkeit auch eine Antwort auf die Liebe Gottes, die in Jesus Christus offenbar und den Menschen, insbesondere den Armen und Benachteiligten, zugesprochen worden ist. 51 Insofern ist Besitzverzicht und Wohltätigkeit praktizierte Nachfolge Christi. Für Lukas sind materielle Güter zwar Versuchung und Heilsgefahr, aber sie bieten „auch die Möglichkeit, im Umgang mit ihnen den Glauben zu leben und zu bewähren.“ 52 Daher verurteilt Lukas Besitz und Reichtum nicht an sich; 53 nirgends wird Besitz als in sich sündhaft abgelehnt,54 auch ist er nicht grundsätzlich unvereinbar mit der Erlangung des Heils in der Basileia.55 Ebenso fordert Lukas keineswegs eine radikale Armut oder einen radikalen Besitzverzicht, 56 als hielte er Armut für ein erstrebenswertes Ideal;57 vielmehr setzt Wohltätigkeit Besitz gerade voraus. 58 Was Lukas fordert, ist eine richtige, dem kommenden und in Jesus schon gekommenen Reich Gottes entsprechende Einstellung zum Reichtum, die sich 51
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„It is not simply a way to accumulate merit, but is a living of the very life of the Kingdom.“ Seccombe, Possessions 184. Vgl.: Ernst, Evangelium 421; Schmithals, Lukas 159; Ireland, Stewardship 189. Zeilinger, Bewertung 79. „Der Reichtum ist nicht ein Übel an sich, sondern stellt nur eine Gefahr dar, weil er die Macht hat, den Menschen in seinem Denken und Handeln ganz zu dominieren, sodass der eigentliche Vorrang des Reiches Gottes verdeckt wird.“ So: Grilli, Reichtum 255. Vgl.: R. Koch, Wertung 153/4; Schmithals, Lukas 157/8; Degenhardt, Lukas 121; Ireland, Stewardship 178; Seccombe, Possessions 172. Siehe: Degenhardt, Lukas 210/11. Siehe: Degenhardt, Lukas 211. Vgl.: Stöger, Armut und Ehelosigkeit 56. Lk 18,24–27 schließt nicht aus, dass Reiche gerettet werden; ein Beispiel für die Rettung eines Reichen ist Zachäus (Lk 19,1–10). Vgl.: Ireland, Stewardship 178/80 und 190/2. Siehe hierzu auch die Auslegung von Lk 18,18–27 durch R. Hoppe: Hoppe, Arm und reich 94/5. Dies betont Ireland, Stewardship 182/8, in seinen Interpretationen von Lk 12,33; 14,33 und 18,22. Er stellt heraus, dass Jesus nur dann totalen Besitzverzicht fordert, wenn der Besitz ein Hindernis für den Menschen darstellt, sich ganz ihm zuzuwenden. Vgl. auch: Apg 5,4. Hoppe, Arm und reich 95/6, weist mit Blick auf Lk 22,35–36, worin der lukanische Jesus die Anweisungen in seinen Aussendungsreden (Lk 9,1–6 und 10,1–12) ändert, darauf hin, dass Lukas sich durchaus bewusst ist, dass die Jünger nach dem Tod Jesu ihr Leben ohne Jesus und in der Erwartung auf das nun wieder zukünftige Reich Gottes bewerkstelligen müssen: „Die in Jesus gegenwärtige Heilswirklichkeit Gottes, die jegliche Vorsorge mit materiellen Gütern verzichtbar machte, ist mit dem bevorstehenden Leiden Jesu nicht aufgekündigt, aber das Leben muss den realen Bedingungen angepasst werden. Das bedeutet für Lk noch keine Legitimierung des ‚Reichtums‘, trägt aber der Notwendigkeit Rechnung, in den gegebenen Realitäten zu leben.“ Hoppe, Arm und reich 96. Siehe: Degenhardt, Lukas 211; Schmithals, Lukas 158; Ireland, Stewardship 194. Vgl.: Zeilinger, Bewertung. So: Schmithals, Lukas 158. Als Beispiel kann Zachäus angeführt werden, der die Hälfte seines Besitzes den Armen gibt und dem von Jesus das Heil zugesprochen wird. Siehe zu Zachäus die Ausführungen zu Lk 16,16. Vgl.: Ireland, Stewardship 190/2.
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äußert in finanziellen Zuwendungen zu den Bedürftigen und Notleidenden, ein verändertes Handeln, wie es z. B. Zachäus in der Antwort auf das von Jesus geschenkte Heil praktiziert (19,1–10).59 Seine Forderungen sind Konsequenz der in Jesus angebrochenen Heilszeit, der es sich jetzt, im Hier und Heute der lukanischen Gemeinde, zu öffnen gilt. In seinem Evangelium hat Lukas als Adressaten wohl konkret seine Gemeinde oder seine Gemeinden im Blick, in denen wahrscheinlich Besitzlose und Begüterte gleichermaßen vertreten waren. 60 Den Reichen will Lukas wohl plausibel machen, dass Reichtum kein Wert an sich ist61 und dass sie jetzt angesichts der angebrochenen Gottesherrschaft ihre Einstellung zum Reichtum überprüfen und entsprechend handeln müssen. In der Darstellung der Urgemeinde (Apg 2,44–45 und 4,32) zeigt Lukas auf, welches Verhalten der in Jesus bereits Wirklichkeit gewordenen Basileia entspricht. Auch an anderen Stellen in der Apg gibt Lukas Beispiele für einen adäquaten Gebrauch des Geldes, so unterstützen z. B. die Gemeindemitglieder von Antiochia die durch eine Hungersnot leidenden Mitchristen in Jerusalem (Apg 11,27–30).62 Zu einer solchen Einstellung zum Reichtum dürfte Lukas alle Gemeindemitglieder und alle Adressaten seines Werks aufgefordert haben, die sich zu Christus und der von ihm verkündeten Gottesherrschaft bekannten – nicht nur die „Amtsträger“.63 Fraglich ist, ob Lukas seine Forderungen aufgrund einer konkreten Verfolgungssituation der Gemeinde vorträgt. 64 W. Schmithals ist der Ansicht, dass die breite Masse der Gemeindemitglieder wegen ihres Christusglaubens nicht mit dem Tod bestraft wurde, sondern mit dem Verlust ihrer Habe. Daher seien die Forderungen des Lukas Aufruf zur Solidarität zum einen mit denen, die im Gefängnis säßen, denen aber durch das Wissen um diese Solidarität das Festhalten am Bekenntnis erleichtert würde, und zum anderen mit denen, die ihre Habe schon verloren hätten.65 Da Lukas aber aus seiner Markusvorlage sogar Hinweise auf Verfolgungen streicht (8,13 59
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Vgl. auch: Lk 18,18–30; 12,13–34 und 14,33. Siehe auch: Seccombe, Possessions 172 und 182/6. Nach von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 404, spiegelt das lukanische Doppelwerk „den Ort eines wohlhabenderen und gebildeten Christentums am Ende des 1. Jahrhunderts“. Vgl.: Zeilinger, Bewertung 77. Als weitere Beispiele für Menschen, die ihr Geld richtig nutzen, können Tabita (Apg 9,36) und Kornelius (Apg 10,2) genannt werden. Siehe zur Sicht von Reichtum und Armut in der Apg: Bredenhof, Failure and Prospect 168/76. Dies legt die Darstellung der Urgemeinde in der Apg nahe. Degenhardt, Lukas 215/6, ist dagegen der Ansicht, dass die Forderung nach Besitzverzicht vornehmlich für die kirchlichen Amtsträger zur Zeit des Lukas gelten. Im Lukasevangelium seien die Jünger – anders als in der Apostelgeschichte – Repräsentanten der Amtsträger. Dagegen betont Schmithals, Lukas 156, dass die Jünger allgemein die christliche Gemeinde repräsentieren. Vgl.: Klauck, Armut 183. Dagegen spricht sich klar von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 405/6, aus. Siehe: Schmithals, Lukas 163/5.
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diff Mk 4,17; 18,30 diff Mk 10,30), dürfte Lukas mit seinen Forderungen und Warnungen eher Bezug nehmen auf eine Verflachung des christlichen Lebens im Alltag (vgl. 8,14; 21,34).66 Vielleicht lebten reiche Gemeindemitglieder in Hingabe an ihren Reichtum, habgierig und stolz, ohne die Armen der Gemeinde zu unterstützen.67 Vielleicht waren sie (noch oder schon wieder) verstrickt in die Geschäftspraktiken der hellenistischen Welt, in der Wohltätigkeit und Sorge um den bedürftigen Mitmenschen keinesfalls ethisch gefordert waren. 68 Alle diese Menschen seiner Gemeinden fordert Lukas auf, Besitz und Geld den ihnen angesichts der Gottesherrschaft zukommenden Stellenwert einzuräumen, nicht daran als existenzsichernden Gütern festzuhalten, sondern, weil diese Güter die Menschen wesentlich versklaven und ihnen in der Abgewandtheit von Gott sogar Un-Heil bringen können, sie in Nachfolge Christi zu gebrauchen, d. h. sich von ihnen innerlich wie äußerlich zu lösen. Die vom lukanischen Jesus geforderte Haltung entspringt seiner Botschaft von der Gottesherrschaft, die jetzt – zur Zeit der lukanischen Gemeinde – allein Handlungsprinzip sein muss. Wer das Angebot der Gottesherrschaft annimmt und entsprechend handelt, d. h. hier konkret, wer sein Hab und Gut den Forderungen gemäß nutzt, dem wird endgültiges Heil bei der Parusie und auch schon am Ende seines Lebens zuteil werden.69 Es geht Lukas um „die selbstlose Verwendung der Güter in der gegebenen Bewährungssituation zwischen Weggang und Wiederkunft des Herrn (vgl. Lk 19,12–27).“70 Fehlverhalten in Bezug auf Besitz und Vermögen ist dagegen ἀδικία71 und steht unter dem Gericht Gottes.72 Lukas hält 66
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Vgl.: Klauck, Armut 184. Eine ähnliche Ansicht vertritt von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 406: „Die verschiedenen paränetischen Stoffe, die den Umgang mit dem Besitz anvisieren, spiegeln typische Probleme. Die lukanische Erzählung gibt die Konturen einer christlichen communitas der dritten Generation zu erkennen, die in der Zeit zwischen Ostern/Himmelfahrt und erwarteter Wiederkunft des κύριος ihren Alltag lebensweltlich zu gestalten hat und die sich in dieser Aufgabe – in der erkennbaren Ausdifferenzierung unterschiedlicher Verantwortungsbereiche – als Gemeinschaft von δοῦλοι auf die Weisung ihres erhöhten Herrn verpflichtet weiß.“ So sind Hananias und Saphira (Apg 5,1–11) habgierig und unehrlich, indem sie von dem Erlös des verkauften Grundstücks – anders als angegeben – nur einen Teil der Gemeinde zur Verfügung stellen. Darauf, dass in den lukanischen Gemeinden Reiche und Arme vertreten waren, weist besonders Esler, Community and gospel 183/7, hin. Vgl.: Mora Paz, Struktur 139/40. Lau, Lukas 238/9, hält es mit Blick auf Lk 16,14 und Lk 19–31 für möglich, dass Lukas toraobservante Gruppen wie Pharisäer im Umfeld der lukanischen Gemeinde im Blick gehabt hat und sie auf die soziale Perspektive der Tora verweisen möchte. Zur Situation der Armen in den hellenistischen Städten des römischen Ostens siehe: Esler, Community and gospel 171/9. Vgl.: Ebner, „Solidarität“ 84/5. Zeilinger, Bewertung 79. So: Horn, Glaube und Handeln 282. Vgl.: Degenhardt, Lukas 122. Siehe: Horn, Glaube und Handeln 282. Der Lohn- und Gerichtsgedanke wird von Lukas unbefangen aufgenommen und bleibt „theologisch relativ unreflektiert“ So: Horn, Glau-
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verschiedene Möglichkeiten entsprechenden Handelns offen: Wohltätigkeit und Geben von Almosen, wie es Zachäus praktiziert hat, oder totaler Besitzverzicht entsprechend dem Verhalten der Jünger. 73 „Von allen Christen, insbesondere von den Begüterten, verlangt Lukas innere Distanz zum Erwerbsstreben, verantwortlichen Umgang mit dem Besitz und aktive Wohltätigkeit, die das Maß des Üblichen bei weitem sprengt und für einen Ausgleich innerhalb der Gemeinde sorgt. Daneben bleibt aber auch der umfassende Besitzverzicht von aktueller Bedeutung. Wer sich dazu entschließen kann, ist eingeladen, dies zu tun. Auch sein Handeln kommt der Gemeinde zugute, direkt durch die Güter, die er auf einen Schlag einbringt, mehr aber noch indirekt, weil er für alle zum Ansporn wird, die eigene Einstellung kritisch zu überprüfen. Wer zu welcher Zeit auf welche Weise handeln soll, das dürfte auch für Lukas weitgehend abhängig sein von den persönlichen Lebensumständen des Betreffenden und von der jeweiligen Situation, in die er sich gestellt sieht.“74 Das 16. Kapitel fügt sich in die hier kurz skizzierten Schwerpunkte des Lukasevangeliums hervorragend ein. Denn in den V. 1–31 geht es um den richtigen Umgang mit Geld und Vermögen angesichts der durch Jesu Botschaft die Menschen herausfordernden eschatischen Entscheidungssituation: Zunächst wird in Lk 16,1–8 ein Verwalter vorgestellt, der aufgrund einer entsprechenden Anzeige und des Handelns seines Herrn in eine äußerst prekäre Situation gerät, diese aber nach scharfer Überlegung zum Positiven zu wenden versucht. So wird der Verwalter beschuldigt, er verschwende das Vermögen seines Herrn, so dass dieser ihn aus seiner verantwortungsvollen Position entlässt und ihn auffordert, die Abrechnung vorzulegen. Der Verwalter nutzt nach der Reflexion seiner Situation die ihm noch verbleibende Zeit und reduziert die Schuldsummen der Schuldner seines Herrn, um sich bei diesen beliebt zu machen und auf eine Aufnahme bei ihnen nach seiner Entlassung hoffen zu können. Wider Erwarten wird das Handeln des Verwalters vom Herrn abschließend als klug bewertet. Insbesondere geht es der Parabel neben der starken Betonung der Schwierigkeit und Ausweglosigkeit der Situation des Verwalters darum, dass der Verwalter entschieden und schnell sich durch eine hinterhältige, betrügerische Tat zu retten versucht und dass er am Ende trotz der Hinterlist und IchBezogenheit seiner Tat wegen der Klugheit, die ihr zugrunde liegt, gelobt wird. Gerade das Lob des Geschädigten, das jeglicher menschlichen Erwartung und jeglichem Rechtsempfinden zuwiderläuft und den Hörer schockiert, stellt den Leser bzw. Hörer unausweichlich vor die Frage, worin denn das Kluge der hinterlistigen Handlung liegt. Vom Schwerpunkt der Erzählung her ergibt sich als positiv, dass der Verwalter in seiner schwierigen Situation, die ihm die Exis-
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be und Handeln 281. Vgl.: Horn, Glaube und Handeln 88. So ist der Gegenstand des Lohnes weder begrifflich noch sachlich genau fixiert. Siehe: Horn, Glaube und Handeln 280. Vgl.: Klauck, Armut 192. Klauck, Armut 192.
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tenzgrundlage zu nehmen droht, schnell und entschlossen einen Ausweg zu seiner Rettung sucht und dass er, ganz auf seine Rettung konzentriert, entschieden handelt.75 Dass er dabei keine Rücksicht auf „Anstand“ oder Gesetze nimmt, scheint angesichts seiner Situation, die allein das Ziel der Rettung verfolgt, geradezu geboten und klug und insofern lobenswert. 76 Der Parabel geht es angesichts höchst bedrohlicher Lage und angesichts der Größe und Bedeutung des Ereignisses um entschlossenes, nur auf die Rettung konzentriertes Handeln – um ein Handeln gerade von denjenigen, die die Größe und Bedeutung der Situation bereits erkannt haben. Somit passt sie durchaus in die von Lukas erzählte Verkündigungssituation Jesu.77 Die Parabel dürfte deutlich machen, in welch wichtiger Situation sich diejenigen befinden, denen die Botschaft von der Gottesherrschaft zugesprochen wird und die von daher auch als bereits Gläubige immer wieder neu vor der Entscheidung stehen, inwieweit sie sich von dieser Botschaft in ihrem Existenzverständnis und in ihrem Handeln leiten lassen oder inwieweit sie sich ihr verschließen. Insofern fordert die Parabel dazu auf, das Geschenk der Gottesherrschaft entschlossen zu ergreifen, sich auf die neue, eschatische Situation unbedingt und uneingeschränkt einzulassen, auch wenn das daraus resultierende Handeln für diejenigen, die sich von der Gottesherrschaft nicht haben ergreifen lassen, wie ein gewisser Bruch mit moralischen Pflichten und ethischen Empfindungen wirkt. Als Aufruf zu entschlossenem, sich nur auf die Erlangung der Gottesherrschaft konzentrierendem Handeln passt die Parabel zu Jesu Ruf in die Nachfolge in Lk 9,59–60 (par Mk 8,21–22), der ebenfalls verlangt, sittlich geforderte Verpflichtungen nicht gegen den unbedingten Einsatz um die Gottesherrschaft auszuspielen oder argumentativ ins Feld zu führen.78 75
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„What is commended is action born of wisdom in view of the crisis“. So: Snodgrass, Stories 416. Seines Erachtens ist die Erzählung eine „how much more“-Parabel: Wie der Verwalter sich angesichts der Krise in seiner Welt zu retten versucht hat, wieviel mehr müssten die Hörer Jesu in dieser eschatischen Krise daransetzen, um ihr ewiges Dasein zu sichern. Siehe: Snodgrass, Stories 416. „Positiv hervorgerufen wird in der Parabel die Chuzpe des Verwalters, seine freche, spontane Kreativität und Risikobereitschaft, alles zu tun, um sich seine Zukunft zu sichern.“ Heil, Klugheit und Phantasie 254/5. Vgl.: Hoppe, Jesus 106. Die Parabel könnte auf Jesus zurückgehen und von ihm erzählt worden sein, um angesichts seiner Botschaft von der Gottesherrschaft und dem kommenden Gericht, das dem droht, der das Angebot der Gottesherrschaft nicht annimmt, in drastischer Weise Unentschlossene oder die Menge überhaupt aufzurütteln und zu entschlossenem und unbedingtem Handeln zu mahnen. Siehe hierzu: Merklein, Gottesherrschaft 69/70 und 146/50. Vgl.: Jeremias, Gleichnisse 44 und Schramm; Löwenstein, Helden 16. Vgl.: Merklein, Gottesherrschaft 56/64. Außerdem sind Parallelen zu den Gleichnissen vom Schatz und vom Acker (Mt 13,44.45–46) (vgl.: Merklein, Gottesherrschaft 65/9. Der Käufer des Ackers als einer, der die Gottesherrschaft erkannt hat, würde m. E. jedem, der z. B. aus wirtschaftlichen Gründen vom Kauf abraten würde, aufs vehementeste widersprechen und diesem Rat keine Beachtung schenken.) und zum Gleichnis von den zehn
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Die V. 9–13 konkretisieren nun, was ein kluges Handeln bedeutet. Die Jünger, und damit die Gläubigen insgesamt, werden direkt und eindringlich von Jesus angesprochen; sie werden aufgefordert das Vermögen zu nutzen, um sich damit Freunde zu machen, d. h. das Vermögen für Arme und Bedürftige zu verwenden. In den V. 9–13 geht es darum, dass der Mensch, der die Botschaft Jesu vernommen und sich ihr geöffnet hat, ein πιστός, ein gegenüber Gott und dem von ihm eröffneten Heil Treuer (V. 10–12) wird.79 Die Treue zu Gott äußert sich nach Lk 16,9–13 im Loslassen des Vermögens, des Reichtums (V. 9), und im Vertrauen auf Gott und die von ihm zugesagte neue Welt. Diese Treue ist das im alltäglichen Handeln zu vollziehende Kriterium des glaubenden Christen, das ihm die Aufnahme in die ewigen Zelte (V. 9), das Heil am Ende des Lebens und der gegenwärtigen Welt ganz schenkt. Durch das Wort πίστις, das Glaube und Treue heißt, wird deutlich, dass für Lukas der angenommene Glaube kein Lippenbekenntnis sein darf, sondern den Menschen existentiell so sehr ergreifen muss, dass er ganz auf Gott vertraut und in Treue zu seiner Botschaft und seinen Weisungen lebt und handelt: Wahrer Glaube ist Treue zu Gott. Zu dieser Treue, die in den V. 9–13 konkret mit der Haltung des Menschen zu Geld und Vermögen verbunden wird, ruft Lukas wohl alle Mitglieder seiner Gemeinde, ja all seine Leser und Hörer auf. Alle Mitglieder der Gemeinde sind als Gläubige μαθηταί Jesu, die ihm in Treue und Zuverlässigkeit nachfolgen müssen. Lukas hat mit den V. 9–13 das Kluge des Handelns des Verwalters im Blick auf seine Adressaten bestimmt: Für ihn ist die Klugheit, die jetzt gefordert ist, Treue zur bereits verkündeten und von den Adressaten bereits angenommenen (vgl. 1,1–4) Botschaft Jesu – eine Treue, die im Lösen von „weltlichen“ Dingen, von Geld und Vermögen sowie in der Nutzung derselben für Bedürftige konkreter Lebensvollzug wird. Nachdem Lukas in den V. 9–13 nun gegenüber den Jüngern klar einen klugen Umgang mit Geld und Vermögen aufgezeigt und mit Hilfe des sentenzhaften, finalen V. 13 nachdrücklich davor gewarnt hat, die Liebe zum Geld mit der Liebe zu Gott in Einklang bringen zu wollen, betrachtet er das Gesagte im Folgenden nochmals aus einem etwas veränderten Blickwinkel heraus: Er stellt ein Handeln vor, das eben nicht klug im Sinne von Lk 16,1–13 ist. So lässt er als Opponenten Jesu und als Gegenpol zu den Jüngern, die als Vorbild für den Leser dienen sollen,80 die Pharisäer auftreten, die im Lukasevangelium als Kontrastfolie für angemessenes Verhalten dienen.81 Lukas charakterisiert dabei die
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klugen Jungfrauen zu erkennen. Siehe zu den Gleichnissen: Arens, Handlungen 97 und 350/1. Vgl.: Breytenbach, Geld 142/4. Siehe auch: von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 264/5. Vgl. z. B.: von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 262. Siehe auch: Kapitel 4.1. In dem lukanischen V. 7,30 wird den Pharisäern vorgeworfen, dass sie den Willen Gottes verachten! Vgl. zu den Pharisäern als Kontrastfolie für ein angemessenes Verhalten im
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Pharisäer, die sich bekanntermaßen bemühen, gottgefällig zu leben und das Gesetz Gottes zu befolgen, 82 als φιλάργυροι, als geldliebend. Damit schlägt er einen in seiner Umwelt weit verbreiteten Topos an, der den Leser deutlich auf das Thema der vorhergehenden und der folgenden Verse verweist. Zwar lässt der Autor die Pharisäer das von Jesus Gesagte nicht argumentativ kritisieren, aber doch hochmütig belächeln. Zu Beginn der Rede (V. 15) greift der lukanische Jesus den Gegensatz von V. 13 in variierender Form wieder auf. Während es in V. 13 um den Gegensatz zwischen Gott und Mammon geht, zwischen denen sich die Nachfolger Jesu entscheiden müssen, werden nun die Pharisäer, die sich Gott und dem Mammon verschrieben haben, sowie die Menschen, die dieses Verhalten hoch anerkennen, Gott gegenübergestellt. V. 15 macht nochmals klar, dass die Liebe zum Geld, also das Streben nach Geld und das Festhalten am Vermögen, mit der Liebe Gottes nicht vereinbar ist, ja dass ein solches – bei Menschen durchaus geschätztes – Verhalten für Gott ein Gräuel ist. Zu Beginn der Rede Lk 16,15–31 legt Jesus also nochmals verschärft dar, dass seine soeben in Lk 16,1–13 vorgetragene Sicht richtig und gottgemäß ist, und warnt zugleich eindringlich vor einem Verhalten, das diese Botschaft verachtet. Da die Pharisäer die Adressaten der Rede sind, ist es verständlich, dass der lukanische Jesus ihnen im Folgenden schlagwortartig das Gesetz und die Propheten „an den Kopf wirft“. Denn Gesetz und Propheten sind ja gerade die Größen, nach denen sich die Pharisäer richten wollen, die aber – das muss den Pharisäern bekannt sein – gleiche Forderungen bezüglich des Umgangs mit Vermögen erheben wie Jesus.83 Gleichsam in einem Atemzug werden dann neben Gesetz und Propheten Johannes und die von Jesus verkündete βασιλεία τοῦ θεοῦ erwähnt, wodurch deutlich wird, dass Johannes und Jesus in Kontinuität mit den anderen Äußerungen des göttlichen Willens zu sehen sind. V. 16 lädt also die Pharisäer wie jeden anderen auch (V. 16c: πᾶς) nochmals sehr deutlich dazu ein, sich dem von Jesus Verkündeten zu öffnen, den Bezug zwischen der Verkündigung Jesu zu dem im Gesetz und bei den Propheten dargelegten Willen Gottes zu erkennen, mit anderen Worten Jesus und seine Botschaft als gottgesandte Größen anzuerkennen und im Handeln Wirklichkeit werden zu lassen. V. 17 schärft diesen Zusammenhang zwischen der Botschaft Jesu und dem Gesetz nochmals unmissverständlich ein: Das gesamte Gesetz behält seine Gültigkeit, ist also zu befolgen – eine Formulierung, die die Pharisäer durchaus selbst so formulieren könnten, und eine These, die sie eigentlich in ihrem Umgang mit Vermögen beherzigen müssten. Dass Jesus in V. 18 – wieder schlagwortartig und sowohl der jüdischen als auch der griechisch-römischen Sicht
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Lukasevangelium: Carroll, Pharisees 609 und 611; Powell, Leaders 109; Gowler, Host 2; 299 und 305; von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 397. Siehe auch: Kapitel 4.2. Vgl.: Stemberger, Pharisäer 14/21. Vgl. auch: Merklein, Jesusgeschichte 91. Vgl. z. B.: Lev 25,35; Dtn 15,7–11; Jes 58,7–8; Ez 18,7; Tob 4,16, und auch die prophetische Kritik des Amos.
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nicht entsprechend – Ehescheidung und Wiederheirat gleichsetzt mit Ehebruch, ist nur scheinbar ein Widerspruch zu der vorher betonten Gültigkeit des Gesetzes (z. B. zu Lev 21,7.14; 22,13; Num 30,10; Dtn 21,14; 22,19.29; 24,1–4). Vielmehr zeigt die Aussage sehr nachdrücklich, dass in der mit Jesus angebrochenen Endzeit, im Kommen der βασιλεία τοῦ θεοῦ, die ursprüngliche Schöpfungsordnung, der ursprüngliche Wille Gottes (gemäß Gen 1,27 und 2,24) zur Geltung kommt.84 V. 18 ist daher ebenso radikal formuliert wie V. 13 und V. 15. Dass die Aussage zur Ehescheidung bzw. zum Ehebruch keineswegs ein neues Thema anschlägt, sondern sich sehr gut in den Kontext einfügt, hat die Analyse vieler Parallelen im Neuen und Alten Testament, in der frühjüdischen und der profanen griechisch-römischen Literatur gezeigt. In diesen Texten werden ebenfalls Ehebruch bzw. Unzucht und das Streben nach Geld als abzulehnende Verhaltensweisen nebeneinander genannt, zum Teil als die Kategorien für ein Verhalten aufgeführt, das dem Gesetz Gottes insgesamt entgegensteht. Dieser Zusammenhang scheint so weit verbreitet gewesen zu sein, dass er den Lesern des Lukasevangeliums bekannt gewesen sein muss. Auf diese Verbindung spielt der Text an und zeigt auf besonders eindringliche Weise, was Geldliebe und Streben nach Vermögen bedeutet: Es ist – auch für Jesus – gleichzusetzen mit Ehebruch und damit als Missachtung des Gesetzes zu bewerten. Insofern erscheinen die Pharisäer, die das Geld (und Gott) lieben, als Personen, die sich zwar als gerecht, d. h. als das Gesetz Gottes befolgend, hinstellen, die in Wirklichkeit aber Gott und seinem Willen bzw. dem Gesetz gegenüber nicht treu sind. Sie erscheinen als Personen, die in ihrem Nicht-Hören-Wollen auf die Botschaft Jesu, d. h. konkret die in ihrem Festhalten am Vermögen, nur scheinbar gerecht sind, deren Verhalten in Wirklichkeit aber als βδέλυγμα bzw. ἀνομία85 beurteilt werden muss. An diese massiv vorgetragenen Aussagen Jesu, die textpragmatisch Aufforderungscharakter haben, schließt sich unmittelbar ein Gleichnis (V. 19–31) an, das exemplifizierend und konkretisierend ein Verhalten vor Augen führt, das gerade nicht von Klugheit geprägt ist und insofern das Verhalten der angesprochenen, das Geld liebenden Pharisäer spiegelt. In klaren Bildern wird ein reicher Mann vorgestellt, der weder der Aufforderung von V. 9, sich mit Geld Freunde zu verschaffen, nachkommt noch eine Orientierung an Gesetz, Propheten und Jesus erkennen lässt, sondern der egozentrisch sein Leben genießt (V. 19). In scharfem Kontrast zeigt der Parabeltext einen Armen namens Lazarus, der vor dem prächtigen Haus des Reichen liegt und weder Nahrung noch Kleidung hat (V. 20–21). Der Text macht deutlich, dass Reicher und Armer in räumlicher Nähe leben, dass sie aber nebeneinanderher existieren, ja dass der 84 85
Vgl.: Tiwald, ΑΠΟ ΔΕ ΑΡΧΗΣ ΚΤΙΣΕΩΣ 370/4. Der Begriff βδέλυγμα wird bei den Propheten und Psalmen zum Parallelbegriff von ἀνομία (Ez 11,18; 20,30; Ps 13,1; 118,163) und bezeichnet in der Weisheitsliteratur den Gegensatz Gottes und des Bösen (z. B. Spr 12,22). Siehe: Foerster, βδελύσσομαι 598/600.
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Reiche in seiner Selbstbezogenheit dem Armen keine Beachtung schenkt und ihm nicht aufhilft. Die Parabel erzählt jedoch, dass mit dem Tod eine totale Veränderung der Verhältnisse eintritt: Der, der ganz unten war, dessen Leben am Boden zerstört war, wird von Engeln in den Schoß oder an die Brust Abrahams gebracht – ein Bild für die Teilhabe des Armen am eschatischen Mahl im Reich Gottes86 und für paradiesisches Wohlergehen nach dem Tod. Demgegenüber wird vom Reichen erzählt, dass er nach dem Tod begraben wird und dass er im Hades Qualen leidet.87 Doch läuft die Schilderung dieser Umstände auf ein Gespräch zwischen dem Reichen und Abraham hinaus; in diesem Gespräch ist der Schwerpunkt der Erzählung zu sehen. Abraham macht dem Reichen klar, dass es für ihn angesichts des Guten, das er schon zu Lebzeiten empfangen hat, keine Verbesserung der Situation nach dem Tod gibt. Dass es aber für Lukas nicht nur um eine quasi automatische, unbedingte und unausweichliche Umkehrung der Verhältnisse nach dem Tod geht, zeigt der weitere Verlauf des Gesprächs. Der Reiche akzeptiert zunächst die Aussage Abrahams wie selbstverständlich, was andeutet, dass ihm, der vorher nur sich selbst sah, nun die Augen aufgehen für die größeren Zusammenhänge des Lebens. Deswegen bittet er, der zu Lebzeiten nur auf sich selbst konzentriert war, nun darum, seine Brüder durch eine Mission des Lazarus entsprechend zu warnen und so vor einem ähnlichen Geschick zu bewahren – ein Indiz dafür, dass ein solches Geschick nicht zwangsläufig jedem Reichen passieren muss. Doch macht Abraham klar, dass die Brüder einer solchen Warnung nicht bedürfen, da sie ja bereits durch das Gesetz und die Propheten unterrichtet sind. Die Aufforderung, auf diese Größen des göttlichen Willens zu hören, greift V. 16–17 auf und wird hier in V. 29 nachdrücklich vorgetragen: ἀκουσάτωσαν αὐτῶν. Durch die Erwähnung der fünf Brüder öffnet sich die Erzählung für die Adressaten der Rede, die Pharisäer, und damit auch für alle Leser und Hörer des Textes. Sie sind herausgefordert, die Geschichte so zu konstruieren, dass sie ein anderes Ende findet. Sie sind mit anderen Worten aufgefordert, vor dem Hintergrund von Gesetz und Propheten zu überlegen, was zu dem postmortalen Schicksal des Reichen geführt hat und welches Verhalten die Qualen nach dem Tod verhindert hätte. Damit sind die Adressaten verwiesen auf das egozentrische Leben des Reichen, das die Missachtung des Armen zur Folge hatte (V. 19–21), und auf die vorherigen Mahnungen, das Leben nach dem im Gesetz, den Propheten und der Verkündigung Jesu zum Ausdruck kommenden Willen Gottes zu gestalten (V. 15– 18). Letztlich sind sie verwiesen auf die Aufforderung, sich mit Geld Freunde zu verschaffen, um in die ewigen Zelte aufgenommen zu werden (V. 9). Denn ge86
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Vgl.: Forbes, God 189; Jeremias, Gleichnisse 183; Heininger, Metaphorik 186; Gradl, Zwischen Arm und Reich 245; von Bendemann, Zwischen ΔΟΞΑ und ΣΤΑΥΡΟΣ 345; Metzger, Consumption and Wealth 140; Somov; Voinov, “Abraham’s Bosom“ 619/33. Schart, Fremdlinge 65, schreibt mit Bezug auf Mal 3,5 und im Blick auf Offb 21,8: „Auch im Neuen Testament gibt es also ein ,Gericht nach den Werken‘, durch das Gruppen, die gegen Gottes Rechtswillen verstoßen, vom endzeitlichen Heil ausgeschlossen werden.“
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rade der Einsatz des Vermögens zum Wohle der Bedürftigen ist ein dem Willen Gottes gemäßes, Gott treues (V. 10–12) und angesichts der eschatischen Entscheidungssituation kluges (V. 1–8) Handeln. Die Parabel vom Reichen und dem armen Lazarus stellt insofern nicht nur den Gipfel der Rede Jesu an die Pharisäer (V. 15–31), sondern des gesamten 16. Kapitels dar. Beispielhaft zeigt sie in drastischer Weise einen reichen Menschen, der sein Vermögen gerade nicht klug einsetzt, der dem Willen Gottes gegenüber nicht treu handelt und der insofern nach seinem Tod die negativen Konsequenzen seines Verhaltens zu ertragen hat. Umgekehrt formuliert fordert diese beispielhafte Erzählung alle, die Jesu Botschaft vernommen haben, die sich ihr geöffnet haben, aber auch die, die das Gesetz befolgen wollen, dazu auf, sich im Umgang mit Geld und Vermögen an den Worten Jesu zu orientieren, die aber letztlich nichts anderes sagen als das, was auch das Gesetz und die Propheten einschließlich Johannes bereits verkündet haben. So stellt das 16. Kapitel insgesamt eine äußerst nachdrückliche Mahnung an alle dar, die als Gläubige dem Willen Gottes treu sein wollen, eine Mahnung nämlich, angesichts der eschatischen Krisis eine gottgemäße Ethik zu leben, – konkreter gesagt – in der Antwort auf das von Jesus zugesagte Heil das Vermögen zum Wohle der Bedürftigen zu nutzen, und damit eine Mahnung, die dem Autor des lukanischen Doppelwerks in besonderer Weise am Herzen liegt.
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Schlussbemerkung
Bei der Untersuchung des Textes Lk 16,1–31 hat sich gezeigt, dass keinesfalls alle in der bisherigen Auslegungsgeschichte dieser Perikope aufgeworfenen Fragen eindeutig und mit letzter Entschiedenheit zu beantworten sind. Die an manchen Stellen zu Tage tretende Unbestimmtheit und Offenheit des Textes lässt durchaus – zumindest im Detail und in Nuancen – verschiedene Möglichkeiten des Verstehens zu. Diese auf literarische Texte zu generalisierende Feststellung ist Grund und auch Legitimation dafür, dass Rezipienten zu allen Zeiten und vor verschiedenem kulturellen und sozialen Hintergrund einen Text immer wieder neu zu verstehen versuchen und dazu veränderte Fragestellungen und Methoden nutzen. Vor allem antike und unserer Lebenswelt zunächst fremde Texte, die wie die des Neuen Testaments den Menschen zu einem bestimmten Handeln bewegen und sein Leben verändern wollen, bedürfen, um ihre Perspektiven immer neu eröffnen zu können, einer unaufhörlichen Aktualisierung und Konkretisierung in die Lebenswelt der jeweiligen Leser und Hörer hinein. Doch hat die vorliegende Untersuchung auch gezeigt, dass nicht jede Interpretation dem Text gleichermaßen angemessen ist, sondern dass implizite Verstehenssignale des Textes zu berücksichtigen sind, um zu einer plausiblen und dem Text adäquaten Interpretation zu kommen. Die vorliegende Untersuchung dieser Textsignale im Bereich der Struktur, der Syntax und der Semantik hat, so hoffe ich, deutlich werden lassen, dass das 16. Kapitel als eine einheitliche, stringente Komposition innerhalb des Lukasevangeliums gelesen werden kann. Es dürfte klar geworden sein, dass das Kapitel im Ganzen den Umgang mit Geld und Reichtum thematisiert und sich damit in das Lukasevangelium gut einfügt. Offenbar mahnt der Text die durchaus wohlhabenden Christen, auf die geschenkten Weisungen und Offenbarungen Gottes (vgl. V. 16) angemessen, d. h. treu (V. 9–13) und klug – und damit durchaus den (wirtschaftlichen) Gesetzen und Werten der „Welt“ widersprechend – (V. 1–8), zu reagieren und einen egozentrischen Nutzen des Reichtums (V. 19–31) zu vermeiden. Damit spricht der Text eine Thematik an, die offensichtlich für die Leser und Gemeinden des Lukasevangeliums von Bedeutung war, die aber auch in unserer Zeit ein großes Problem darstellt: das Problem von Reichtum und Armut. Unermesslichem Reichtum einiger weniger steht in vielen Staaten und Gesellschaften eine eklatante Armut großer Bevölkerungsgruppen gegenüber. 1 Außerdem ist ein krasser Unterschied zwischen reichen und armen Ländern festzustellen. Angesichts der dramatischen Situation in einigen Ländern und
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Siehe zu den Ursachen für Armut in unserer Zeit z. B.: Gutiérrez, Wo werden die Armen schlafen? 122/9. Vgl. auch: Bettazzi, Kirche 78/9.
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Schlussbemerkung
der Welt insgesamt fordert der Text des Lukasevangeliums 2 auch heute jeden Christen, der den Zuspruch Gottes in Jesus erfahren hat und der zur βασιλεία eingeladen ist (vgl. V. 16), aber auch die Kirche als Gemeinschaft aller Jesus Nachfolgenden dazu auf, darüber nachzudenken, was ein dem Evangelium von der anbrechenden Herrschaft Gottes adäquates Verhalten ist.3 Immer wieder haben sich Christen in der Nachfolge Jesu den Armen zugewandt und ihnen aufgeholfen.4 Im II. Vatikanischen Konzil hat sich die Kirche, der oft ein Verharren im Reichtum und Prunk vorgeworfen wird, auf eine evangeliumsgemäße Armut besonnen5 und damit der Forderung einer „Option für die Armen“6 Rechnung getragen.7 Der von etlichen Bischöfen unterzeichne-
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Gutiérrez, Wo werden die Armen schlafen? 130, bezieht sich ausdrücklich auf Lk 16,19– 20: „Das ist die Situation der Menschheit heute. Die armen Nationen liegen an der Seite der reichen Nationen, von jenen übersehen; man muß jedoch hinzufügen, daß die Kluft zwischen beiden immer größer wird. Dasselbe spielt sich im Inneren eines jeden Landes ab. […] Auf der anderen Seite hat der Arme im lukanischen Text überraschenderweise einen Namen: Lazarus; der Reiche und Mächtige dagegen hat keinen. Die gegenwärtige Situation ist umgekehrt, die Armen sind anonym und scheinen für eine noch größere Anonymität bestimmt zu sein, sie werden geboren und sterben, ohne bemerkt zu werden. Sie sind wegwerfbare Stücke in einer Geschichte, die ihren Händen entgleitet und die sie ausschließt.“ Gutiérrez, Wo werden die Armen schlafen? 130, weist darauf hin, dass heute die Armen – anders als Lazarus – nicht nur an der Tür der reichen Länder liegen, sondern darum kämpfen, dort hineinzukommen. Zur befreiungstheologischen Lektüre der Bibel siehe: Kern, Befreiung 66/76. Die Kirche „hat eine Verpflichtung für die gesamte Menschheit und die konkrete Gesellschaft, in der sie lebt und existiert. Christsein heißt immer auch, sich für die politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Grundrechte der Menschen und ihre Würde als Kinder Gottes – und damit für eine humane Gesellschaft – einzusetzen.“ Sayer, Vorwort 12. Vgl.: Gutiérrez, Wo werden die Armen schlafen? 118 und Bettazzi, Kirche 57/8; 81; 84, der u. a. Franz von Assisi, Mutter Theresa von Kalkutta und Bischof Oscar Arnulfo Romero nennt. Siehe hierzu: Bettazzi, Kirche 13/45. Für Gutiérrez, Wo werden die Armen schlafen? 119, bedeutet die Option für die Armen „eine Option für den Gott des Reiches […], das Jesus uns verkündigt. Der endgültige Grund für den Einsatz für die Armen und Unterdrückten liegt folglich nicht in der Gesellschaftsanalyse, derer wir uns bedienen, auch nicht in der direkten Erfahrung, die wir mit der Armut machen können, oder in unserem menschlichen Mitleid. All dies sind gültige Begründungen, die zweifelsohne eine bedeutsame Rolle in unserem Leben und in unseren Beziehungen spielen. Dennoch baut dieser Einsatz für die Christen grundlegend auf dem Glauben an den Gott Jesu Christi auf. Er ist eine theozentrische Option und eine prophetische Option, die ihre Wurzeln in das Sich-Schenken der Liebe Gottes schlägt und von ihr gefordert wird.“ Vgl.: Gutiérrez, Theologie der Befreiung 29/32. Siehe auch den grundlegenden Aufsatz: Gutiérrez, Nachfolge 27/42. Zur Option für die Armen in der Befreiungstheologie siehe auch: Kern, Befreiung 36/43. „Die Kirche und die Theologie sind sich bewußt geworden, daß die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich nicht nur eine Folge mehr oder weniger zufälliger ökonomi-
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te so genannte Katakombenpakt, in dem diese sich zu einem einfachen Leben verpflichteten,8 war sichtbares Zeichen dieses neuen Aufbruchs. Die in Südamerika entstandene Theologie der Befreiung,9 die auch im Vatikan zunehmend Anerkennung erlangt hat,10 hat wichtige Impulse zu einem evangeliums-
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scher und sozialer Umstände darstellt, sondern ein Ausdruck struktureller Sünde, die der Schöpfungsordnung widerspricht, ja letztlich Gotteslästerung ist.“ Sayer, Vorwort 9. Beim sogenannten Katakombenpakt handelt es sich um ein Schreiben (Schema XIV) von Bischöfen an den Papst, das von ca. 500 Konzilsteilnehmern unterzeichnet wurde und in dem diese sich verpflichteten, bezüglich Kleidung, Wohnung und Titeln einfach zu leben und in ihrem Wirken den Armen einen Vorrang einzuräumen. Siehe hierzu: Bettazzi, Kirche 22/7. Der Begriff „Theologie der Befreiung“ geht zurück auf den Titel eines Vortrags, den Gustavo Gutiérrez 1968 in Chimbote in Peru gehalten hat und der auch als Titel seines Buches „Teología de la liberacíon“ von 1972 fungiert, durch das die Befreiungstheologie bekannt geworden ist. Vgl.: G. L. Müller, Erfahrung 31. Die deutsche Übersetzung des Buches unter dem Titel „Theologie der Befreiung“ ist 1992 in 10. Auflage erschienen: Gutiérrez, Theologie. Siehe zur Befreiungstheologie: Kern, Befreiung. „Die Befreiungstheologie versteht unter theologischer Arbeit die verändernde und damit praktische Teilnahme an dem von Gott eröffneten umfassenden Befreiungshandeln, wodurch das geschichtliche Handeln des Menschen zum Dienst an der Befreiung und Vermenschlichung des Menschen befähigt und berufen wird.“ G. L. Müller, Erfahrung 32. Nach G. L. Müller, Erfahrung 32, sieht sich die Befreiungstheologie in der Kontinuität mit der Theologie des 20. und 21. Jahrhunderts, er verweist auf die Soziallehre der Päpste, so auf die Enzyklika „Rerum novarum“ Leos X. und die Enzyklika „Populorum progressio“ Pauls VI. „In seiner „Botschaft an die Welt“, kurz vor Beginn des II. Vatikanischen Konzils, sprach Papst Johannes XXIII. von der Kirche als „vornehmlich der Kirche der Armen“. Erste Frucht dieser Ermahnungen waren die Konzilskonstitutionen „Lumen gentium“ und „Gaudium et spes“. Im weiteren wirkten diese fundamentalen – auch sozialen – Impulse des Konzils in der Theologie der Befreiung der Kirche Lateinamerikas fort.“ Sayer, Vorwort 13. „1968 kamen die Bischöfe Lateinamerikas in der kolumbianischen Stadt Medellín zusammen. Diese Versammlung gilt als die offizielle Geburtsstunde einer Bewegung, die aus dem Evangelium nicht nur den Imperativ zu karitativer Hilfe für die Armen, sondern auch zu konkreten gesellschaftstransformierenden Ausrichtungen zog.“ Sayer, Vorwort 9. Siehe hierzu auch: Gutiérrez, Theologie 23/4. Die Armen werden in der Theologie der Befreiung allerdings nicht nur als pastoral Betreute gesehen, es geht nicht in erster Linie um Fürsorge, sondern die Armen gelten als Subjekte der Evangelisierung und ihrer Befreiung. Vgl.: Gutiérrez, Nachfolge 40/2. Siehe hierzu: Kern, Theologie der Befreiung 12 und 42/3. Siehe zur theologischen Begründung und Grundlegung der Befreiungstheologie: G. L. Müller, Erfahrung 38/9; G. L. Müller, Befreiungstheologie 96/100; Gutiérrez, Lage 63/6; Kern, Theologie der Befreiung 89/95. Siehe zu der entsprechenden Haltung von Johannes Paul II: Gutiérrez, Wo werden die Armen schlafen? 118; 128; 146/7. Die Instruktion „Über einige Aspekte der Theologie der Befreiung“ (Libertatis Nuntius), die 1984 von der Kongregation für die Glaubenslehre unter ihrem neuen Präfekten Joseph Ratzinger herausgegeben wurde, wird als Verurteilung der Befreiungstheologie verstanden. Kritisiert wird vor allem, „dass die Theologie der Befreiung unreflektiert marxistische Kategorien übernehme und damit den Glauben politisch-ideologisch zersetze. […] Auf persönliche Initiative Papst Johannes Pauls II. hin wird der Instruktion immerhin eine grundsätzliche Würdigung der Befreiungstheologie vorangestellt. Die In-
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gemäßen Verhalten der Kirche wie einzelner Christen gegeben. Mit der Wahl des Argentiniers Jorge Mario Bergoglio zum Papst erhält die Option für die Armen innerhalb der Kirche einen neuen Antrieb. 11 Nicht nur der Lebensstil des Papstes, der auf Luxus bewusst verzichtet,12 sondern schon die Annahme des Namens Franziskus13 zeigt, wie sehr ihm diese Thematik am Herzen liegt.14 Die Aussagen15 und Verlautbarungen16 des Papstes verfolgen dieses Anliegen ebenso wie der Welttag der Armen, den der Papst im November 2016 zum Abschluss des Hl. Jahres der Barmherzigkeit eingeführt hat und der nun jeden zweiten Sonntag vor dem Advent begangen wird. Trotz solcher Ansätze und Bemühungen der Kirche und des großen Engagements vieler Christen und Nichtchristen ist die Situation der Armen auch
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struktion bildet den Auftakt einer aktiven Politik Roms gegen die Befreiungstheologie.“ Kern, Theologie der Befreiung 135. Im Jahr 1986 wurde die Theologie der Befreiung von Johannes Paul II. in einem Brief an die brasilianischen Bischöfe als „nützlich und notwendig“ bezeichnet. Die im selben Jahr veröffentliche Instruktion der Glaubenskongregation „Über die christliche Freiheit und Befreiung“ (Libertatis conscientia) stellt eine gewisse Anerkennung der Theologie der Befreiung dar. Siehe hierzu: Kern, Theologie der Befreiung 135/6. Das im Jahr 2004 erschienene Buch „An der Seite der Armen“ über die Theologie der Befreiung wurde gemeinsam von Gustavo Gutiérrez und Gerhard Ludwig Müller, dem späteren Präfekten der Glaubenskongregation, herausgegeben. Papst Franziskus ist kein Befreiungstheologe, aber er „selbst spricht wie selbstverständlich die Sprache der Befreiungstheologie“. Erbacher, Papst 123. Siehe zur Haltung des Papstes und zur veränderten Ansicht des Vatikans zur Befreiungstheologie: Erbacher, Papst 119/37. Drei Tage nach seiner Wahl sagte Papst Franziskus bei einer Audienz für Medienvertreter: „Ach, wie möchte ich eine arme Kirche für die Armen!“ Siehe: Erbacher, Papst 97. Dabei geht es Franziskus wohl „nicht nur darum, Almosen zu geben, sondern um eine nachhaltige Veränderung der Situation der Armen und Ausgegrenzten. Das kirchliche Handeln hat damit auch eine zutiefst politische Komponente.“ Erbacher, Papst 97. Zum apostolischen Schreiben Evangelii gaudium, in dem der Papst eine radikale Reform des Finanz- und Wirtschaftssystems fordert, siehe: Erbacher, Papst 99/101. Dem Papst ist es wichtig, dass der Mensch, nicht der Profit, im Mittelpunkt wirtschaftlichen Handelns steht und dass Eigentum der Allgemeinheit dient. Zur Kritik an und zur Diskussion um die Thesen des Papstes sowie dem Zusammenhang dieser Thesen mit der katholischen Soziallehre siehe: Erbacher, Papst 102/9. Siehe hierzu z. B.: Erbacher, Papst 29/32. Siehe: Kuster; Kreidler-Kos, Mann der Armut 7/8. Vgl.: Bettazzi, Kirche 91/3. Siehe die Beispiele bei: Bettazzi, Kirche 94/9. Siehe hierzu: Bettazzi, Kirche 100/6. Besonders zu erwähnen ist das apostolische Schreiben Evangelii gaudium. Darin schreibt der Papst u. a.: „Das Geld muss dienen und nicht regieren! Der Papst liebt alle, Reiche und Arme, doch im Namen Christi hat er die Pflicht, daran zu erinnern, dass die Reichen den Armen helfen, sie achten und fördern müssen. Ich ermahne euch zur uneigennützigen Solidarität und zu einer Rückkehr von Wirtschaft und Finanzleben zu einer Ethik zugunsten der Menschen.“ Zitiert nach: Erbacher, Papst 117.
Schlussbemerkung
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heute weltweit desolat.17 Theophilus (vgl. Lk 1,3), der Freund Gottes, ist durch das Lukasevangelium aufgefordert, sich mit dem Zustand der Welt nicht abzufinden, sondern in der Nachfolge Jesu etwas vom Kommen des Reiches Gottes (vgl. Lk 4,16–21) in dieser Welt spürbar werden zu lassen.18 Er ist aufgerufen, die eschatologisch-ethische Botschaft Jesu wahr und ernst zu nehmen und dem durch Jesus geoffenbarten Willen Gottes zu folgen (vgl. z. B. Lk 18,18–22.28–30; Apg 1,8). Dass es dabei nicht nur darum geht, die Botschaft Jesu zu hören, sondern sie im Tun konkret werden zu lassen, zeigt Lukas an mehreren Stellen in seinem Evangelium.19 In der individualeschatologischen Konzeption, die Lukas vertritt,20 ist dem, der den Willen Gottes tut, das Heil und das Glück des insgesamt noch zur Vollendung kommenden Reiches Gottes schon nach dem individuellen Tod zugesagt (vgl. z. B. Lk 16,19–31).21 Was ein kluges, dem im Gesetz, 17
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Die Fragen, die sich in der heutigen Zeit stellen, formuliert Gutiérrez so: „Wo werden die Armen schlafen in der Welt, die in Vorbereitung ist und die in gewisser Weise schon ihre ersten Schritte gemacht hat? Was wird in der Zukunft aus den Bevorzugten Gottes werden? Wird es in der technischen Revolution und der Informatik, der ‚Globalisierung‘ der Wirtschaft, des Neoliberalismus und der vorgeblichen Postmoderne für diejenigen Platz geben, die heute arm sind und am Rande stehen und versuchen, sich aus den unmenschlichen Bedingungen zu befreien, die ihr Personsein und ihre Stellung als Kinder Gottes mit Füßen treten? Welche Rolle spielen das Evangelium und der Glaube der Armen in einer Zeit, die gegenüber allen Prinzipien und besonders der menschlichen Solidarität abweisend ist? Was bedeutet es heute, die vorrangige Option für die Armen als einen Weg hin zu einer umfassenden Befreiung zu verfolgen?“ Gutiérrez, Wo werden die Armen schlafen? 112. So lassen der barmherzige Samariter (Lk 10,25–37) und besonders Zachäus, dem durch die Begegnung mit Jesus Heil geschenkt wurde (Lk 19,1–10), ein Verhalten erkennen, das zur Veränderung der Situation der Welt beitragen kann. Blumenthal, Basileia 321, weist darauf hin, dass Lukas „keinen abstrakt-theoretischen Entwurf einer rein transzendent konzipierten Gottesherrschaft“ vorlegt, sondern dass es ihm darum geht, „eine neue Welt- und Herrschaftsordnung zu präsentieren, durch welche er die Weltsicht seines Erzähladressaten maßgeblich bestimmt wissen will.“ So fordert der lukanische Jesus den Gesetzeslehrer, der ihn fragt, was er tun müsse, um das ewige Leben zu erhalten, dazu auf, das Gesetz (hier konkret das Doppelgebot der Gottes- und Nächstenliebe) zu tun: τοῦτο ποίει καὶ ζήσῃ (Lk 10,28,9). Und im Anschluss an das Gleichnis vom barmherzigen Samariter fordert Jesus den Gesetzeslehrer auf: πορεύου καὶ σὺ ποίει ὁμοίως (Lk 10,37). Siehe hierzu: Busse, Eschatologie 163/6 und Dupont, Eschatologie 37/47. Siehe auch die Ausführungen in: Kapitel 6.2.2.3. In Lk 8,21 formuliert Jesus, dass diejenigen seine Mutter und Brüder sind, die das Wort Gottes hören und tun: μήτηρ μου καὶ ἀδελφοί μου οὗτοί εἰσιν οἱ τὸν λόγον τοῦ θεοῦ ἀκούοντες καὶ ποιοῦντες (vgl. die ähnlichen Formulierungen bei Mk 3,35 und Mt 12,50). Besonders eindringlich mahnt der lukanische Jesus in Lk 11,28 (SgLk) dazu, das Wort Gottes zu hören und zu befolgen: μενοῦν μακάριοι οἱ ἀκούοντες τὸν λόγον τοῦ θεοῦ καὶ φυλάσσοντες. Der lukanische Jesus (die V. 27–28 enthalten viele Lukanismen, siehe zur Quellenfrage: Schürmann, Lukasevangelium 257/60 und Bovon, Lukas II 185/6) preist hier – den von einer Frau vorgetragenen Lobpreis der Mutter Jesu überbietend – all die glücklich, die das Wort Gottes tun und befolgen. Das Wort φυλάσσειν, das Lukas hier
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Schlussbemerkung
den Propheten und bei Jesus geoffenbarten Willen Gottes entsprechendes, treues und glückbringendes Handeln in Bezug auf Reichtum bzw. das Leid der Armen darstellt, macht Lukas im 16. Kapitel unmissverständlich klar. Damit dürfte das Lukasevangelium, insbesondere das 16. Kapitel, für jeden Freund Gottes, der sich um eine grundlegende und nachhaltige Veränderung der Situation der Armen bemüht, auch heute von bleibender Bedeutung sein.
verwendet, drückt dabei die Beständigkeit im Tun aus. Vgl.: Schürmann, Lukasevangelium 256 und Bovon, Lukas II 190. Siehe zum Begriff φυλάσσειν vor allem: Bertram, φυλάσσω 232/40. Dass Lukas in 11,28 das sonst in Bezug auf den Willen Gottes von ihm gern benutze Wort ποιεῖν (vgl. z. B. Lk 6,46; 8,21; 11,37) durch φυλάσσειν variiert, ist durchaus aufschlussreich und unterstützt die auch im 16. Kapitel deutlich werdende Übereinstimmung des Willens Gottes, wie er sich im Gesetz, den Propheten und bei Jesus offenbart. Denn Lukas verwendet den Begriff φυλάσσειν sonst gerne in Bezug auf das Befolgen des Gesetzes, so Apg 7,53; 18,21; 21,24 (Bertram φυλάσσω 233, weist darauf hin, dass der Begriff in der Septuaginta vor allem als Ausdruck für die von Gott geforderte Haltung des Menschen gegenüber dem Gottesbund und den Forderungen Gottes benutzt wird). In Lk 11,28 wird mit τὸν λόγον τοῦ θεοῦ aber (auch) an den im Wort Jesu offenbaren Willen Gottes gedacht sein (vgl.: Schürmann, Lukasevangelium 256). Der Wille Gottes offenbart sich für Lukas im Gesetz, den Propheten und – erneut und aktuell – in der Botschaft Jesu, die es zu befolgen gilt. Treffend interpretiert Bovon, Lukas II 190/3: „Der lukanische Jesus hat an die fundamentale Forderung des Hörens erinnert, an die Priorität des Gottesworts (V 28) vor den Segnungen der Schöpfung (V 27). […] Für Lukas geht das Hören des Wortes dem neuen Typus eines christlichen Tuns voraus und impliziert dieses. Der Text nennt es ‚bewahren‘. Das ‚Wort bewahren‘ bedeutet, es wachsen zu lassen, es Frucht bringen zu lassen, es lebendig zu halten. Es geht um das ethische Feld der Ausdauer, die notwendige Ergänzung des Glaubens, die Inkarnation eines Wortes, die ebenso konkret ist wie eine Schwangerschaft und eine Geburt. […] Es kommt weder darauf an, der Familie Jesu oder seiner direkten Begleitung anzugehören, noch bei seinen Wundern und Zeichen dabeigewesen zu sein. Worauf es ankommt, das ist, sich zu irgendeiner Zeit der menschlichen Geschichte seinem Zeugnis von Gott zu öffnen, seinem Zeugnis, das von Gott kommt. […] Lukas ruft hier, wie auch an anderen Stellen, in Erinnerung, daß die Gläubigen sich nicht damit begnügen dürfen, Gott passiv oder nur halb zu hören (vgl. 8,4–15). Ihr Glaube muß sich in der Praxis der Liebe äußern (8,21) und in der Dauer gelebt werden, das heißt sich zur Ausdauer verlängern (8,15). Das Verb ‚bewahren‘ hat hier, V 28, diese doppelte Nuance eines aktiven Lebens, das das Liebesgebot in die Praxis umsetzt und den unangenehmen Überraschungen der Zeit und der Gefahr der Entmutigung widersteht. Die Mutter Jesu hatte das Glück, ihren Sohn auszutragen und ihn zu nähren. Die Frauen und Männer, die das Wort Gottes hören und es bewahren, gleichen ihr, da sie ihrerseits Christus tragen. Sie erlangen so das Glück, die Seligkeit, die Gott seinen Kindern anbietet.“
Literaturverzeichnis Die Sigla für Reihen, Zeitschriften und Lexika sind größtenteils entnommen:
Schwertner, S. M., IATG3 – Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete (Berlin, Boston 32017).
Die Abkürzungen der biblischen Texte folgen den Loccumer Richtlinien:
Ökumenisches Verzeichnis der biblischen Eigennamen nach den Loccumer Richtlinien (Stuttgart 21981).
Die Abkürzungen der Werke Philos von Alexandria richten sich nach:
Philo von Alexandria, Die Werke in deutscher Übersetzung. Band 7, von L. Cohn u. a. (Berlin 1964) 383/4.
Die Abkürzungen sonstiger antiker Texte richten sich nach dem Abkürzungsverzeichnis des Neuen Pauly:
Cancik, H.; Schneider, H.; Landfester, M., Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike. Band 1 (Stuttgart 1996 – 2010/13) XXXIX/XLVII.
Für Lukian und Plutarch finden sich die Abkürzungen der Werke unter dem jeweiligen Stichwort des Autorennamens.
Einige bedeutende und häufiger zitierte Standardwerke, wie z. B. Bibelausgaben, Grammatiken und Lexika, werden mit besonderen Abkürzungen oder Kurztiteln zitiert, die im Literaturverzeichnis in eckigen Klammern kursiv hinter den vollständigen Angaben vermerkt sind. Die übrige Literatur wird in den Anmerkungen unter Angabe des Nachnamens der Autorin bzw. des Autors, eines Kurztitels, der im Literaturverzeichnis kursiv gedruckt ist, und der Seitenzahlen zitiert. Haben mehrere Autoren denselben Nachnamen, wird zusätzlich der Vorname abgekürzt angegeben. Die Zitierweise orientiert sich an der des Reallexikons für Antike und Christentum.
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Stellenregister (in Auswahl) In das Register sind ausgewählte Stellen aufgenommen, die für den Gedankengang besonders relevant sind. Stellen aus dem 16. Kapitel des Lukasevangeliums sind grundsätzlich nicht aufgenommen; Stellen, die in Zitaten der Sekundärliteratur vorkommen, und in den Anmerkungen genannte Stellen sind nur in Ausnahmen aufgeführt. Wo es sinnvoll erschien, wurden Stellen mit auf anderen Seiten zitierten Folgestellen zusammengefasst, wobei jeweils der Anfang und das Ende der Texteinheit genannt werden, z. B. findet sich Lk 1,70 im Register unter Lk 1,68–79. Die kursiven Zahlen in Klammern geben Anmerkungen auf den jeweiligen vor der Klammer genannten Seiten an.
Altes Testament Genesis 1,27–28 2,18–25 5,24 7,9 7,15 18,1–8 24,35 24,38 39,9
Deuteronomium 258; 259; 266; 274; 391 258; 259; 274; 391 325 (187); 327 274 274 331 65 (6) 315 260
Exodus 20,14 20,17 22,20–26 23,10–12
260; 276 277 207 207
207 261 262; 391 262; 391 207; 363
Numeri 30,10
262; 391
260; 276; 277 277 65 (6) 207; 363 262; 391 262; 391 261 262; 391 262; 263; 264; 274; 391 207
1 Samuel 2,7
65 (6)
2 Könige 2,1–18
Leviticus 19,13 20,10 21,7–14 22,13 25,35–38
5,18 5,21 8,17–18 15,1–11 21,14 22,19 22,23–24 22,29 24,1–4 24,12–13
325 (188) (190); 327
1 Chronik 29,12 29,28
65 (6) 65 (6)
Tobit 4,16 8,21
363 162
426
Stellenregister
1 Makkabäer
Jeremia
2,58
2,20–25 3,1–10 7,9 22,13–19
325 (188); 327
2 Makkabäer 10,20
172
Ezechiel
Ijob 1,9–10 34,30 36,13
65 (6) 70 70
Psalmen 49,16 65,10 112,3 119 119,163
326 65 (6) 65 (6) 173; 177 (59) 66; 207 (132)
Sprichwörter 10,22 12,22 28,10
65 (6) 66; 207 (132) 65 (6)
Kohelet 5,18 6,2
65 (6) 65 (6)
11,18 16 18,5-9 20,30 23 22,26–27
Daniel 12
338
Hosea 1–3
261 (452)
Amos 2,6–7 3,9–4,3 4,1–3 5,7–15 6,1–14 8,4–9
326; 327
2,1–11
Jesus Sirach
Habakuk
44,16 48,9 49,14
Maleachi
325 (187); 327 325 (188) 325 (187)
2,9
2,10–16
Jesaja 28,8 52,7–10 58,6–10 61,1
66; 207 (132) 261 (454) 278; 363 66; 207 (132) 261 (454) 172; 177 (59)
363 (456) 213 363 (456) 213; 363 (456) 213 213; 363 (456)
Micha
Weisheit 4,7–16
261 (453) 261 (453) 278 172; 213
172 224; 225 235; 363 213; 237
213
172
264; 265; 266
Stellenregister
427
Neues Testament
Matthäus 4,17 5,17–20 5,32 5,45 6,24 8,11 8,19 9,3 11,5 11,7–14 11,16 12,14 12,38 15,27 18,23–34 19,9 22,15 22,34–40 24,45 25,26 27,62
230; 378 193; 196; 197 251; 257 164 153 209 56 78 194 192; 193; 194; 196; 241 68 67 78 320 91 (28) 251; 257 72 201 137 125 72
Markus 1,15 1,16–20 2,6 3,6 4,11 4,35–41 7,1 7,6–13 7,21–22 7,28 8,14–21 8,34 10,2–12 10,23–24 10,28 10,49 12,13 12,28–34
230; 378 55; 56 78 67; 76 60 56 78 287 174; 175; 177 (55) (58); 287 320 61; 76 54 251; 257; 259; 260; 274 54; 61 54 103 72; 76; 78 201
12,37b–38 60 14,37–42 61 14,50 61
Lukas 1,1–4 1,6 1,13–17 1,46–55 1,68–79 1,80 2,1–5 2,11 2,24 2,25–26 2,30 2,38 2,40 2,49 2,52 3,3 3,4–6 3,7–9 3,10–14 3,15–17 3,18 4,16–30 4,34 4,41 4,43 5,1–11 5,17–6,11 5,20–26 5,27–32 5,33 5,39 6,1–11 6,17 6,20–23 6,24–26
12 (9); 43; 399 187 187; 214; 215 94; 102; 141; 213; 309; 355; 383 209; 213; 214; 215; 218; 219; 220; 222 220 219 219 202 187; 219; 220 219 220 220 220 220 215 209; 215; 221 215; 223; 367; 368 216; 223; 309; 368; 383 215; 221; 223 221 209; 210; 213; 230; 235; 240; 242; 309; 378; 379; 383; 399 231 231 229; 230; 240; 378; 379 55; 56; 58; 383 66; 68 (16); 69; 72; 75; 76; 78 67; 68; 79; 190 54; 68; 70; 75; 76; 79; 93; 366; 383 68; 79 79 58; 67; 72; 75; 77; 79; 93; 248 56; 58; 67; 93 93; 162; 235; 209; 229; 236; 383 94; 309; 355; 383
428 6,27–47 6,46 6,48 6,54 7,1 7,11–13 7,26–28 7,29–30
60; 237; 383 60 110 79 60 58; 93; 383 216; 229 68; 75; 76; 79; 178 (65); 195; 196; 207 (127); 222; 223; 245 7,31–35 68; 78; 79 7,36–50 68; 69; 94; 209 8,1–3 57; 58; 229; 383 8,4 67 8,9–10 60; 93; 229 8,13–14 383; 385; 386 8,22–25 56; 93 9,1–6 57; 58; 229; 232 9,11-16 93; 229 9,18–22 56; 60; 72; 93 9,23 54; 59 9,33 157 9,40 93 9,43b–45 56; 61; 93 9,51–19,28 45; 46 9,53–54 93; 242 9,57–62 56; 58; 59; 232 10,1–12 57; 58; 228; 232 10,13–15 341; 366; 367 10,17 57; 58 10,23 60; 93; 94 10,25–29 158; 188; 201; 207 10,30–37 48; 94; 207; 208 11,1–2 60; 93; 228 11,9 48; 149 11,20 228 11,27 209 11,29–32 366; 367 11,37–54 69; 71; 75; 76; 79; 125; 190; 209; 213 12,1 60; 61; 78; 79; 93 12,13–34 238; 309; 382; 383 12,15 174; 176; 180 12,16–21 48; 94; 95; 107; 108; 130; 137; 179; 310; 312 12,22–34 48; 60; 93; 131; 149; 156; 228; 229; 383 12,36–44 48; 98; 130; 131; 137; 149; 163 13,1–5 366 13,6–9 94; 110; 125; 333; 334; 380 13,18–20 229
Stellenregister 13,22–17,11 15; 199 13,22–30 209; 213; 229; 330; 331; 332; 333; 380 13,31–34 70; 75; 78; 209 14,1–3 70; 75; 79 14,12–14 94; 153; 310 14,15–24 48; 80; 94; 130; 131; 149; 229; 244; 331; 380; 383 14,26–27 59; 93 14,33 59; 93; 382; 383 15,1–18,14 12; 13 (13) 15,1–2 46; 70; 75; 76; 79; 366; 379; 383 15,7–10 48; 149; 187 15,11–32 48; 53; 80; 84; 101; 102; 103; 107; 130; 312; 313 17,1 48; 60 17,5 93 17,20–22 60; 71; 79; 93; 228 18,2–8 94; 107; 130; 131; 134; 149 18,9–14 71; 75; 78; 79; 94; 133; 149; 188; 207; 287 18,15–17 58; 93; 229 18,18–30 54; 94; 158; 229; 238; 239; 240; 288; 310; 382; 383; 399 18,31 210 18,35 94; 110 19,1–10 94; 95; 239; 240; 310; 380; 383; 385 19,11 228 19,12 94 19,12–27 103; 125; 130; 149; 163; 240; 386 19,29 93 19,37–39 56; 58; 72; 75; 79; 93 19,48 72 20,4–6 214 20,20 72; 75; 78; 189 20,27 78 20,34 139 20,39 72; 78 20,45 60; 93; 94 21,1–4 383 21,11 209 21,31 228 21,34 386 22,2 72 22,11 93 22,14–30 57; 228; 229 22,32 155; 156 22,39–46 61; 93
Stellenregister 22,53 23,14 23,35 23,45–49 23,50–51 23,55 24,10 24,22 24,25–27 24,29 24,44
61 101 65; 180 57; 155; 187 187; 228 57 57 57 209; 210 241; 242; 243 202; 209; 210
Johannes 1,18 9,8 11,28 13,23 18,33
329 110 103 332 103
Apostelgeschichte 1,3 1,5–11 1,22 2,27 2,31 2,44–45 3,2 4,5–22 4,32 5,27–42 6,1 6,7 7,42–43 7,51–53 8,12 8,17 8,28–34 9,25 10,27 10,37 10,45 11,16 11,27–30 12,5 13,15 13,24–25 13,27 13,38 13,46–52
378 221; 232; 399 221 341 341 62; 385 110 75 62; 385 74; 75; 76 61; 62 62 158; 210 209; 213 232 190 210 61 187 221 163 221 209; 385 341 203; 210 221 210 203 62; 158
429 14,15 14,20 14,22 14,28 15,5 15,15–16 16,1 16,15 18,13–15 18,23 18,25 19,1–4 19,40 20,1 21,10–11 21,16 21,21–28 22,3 23,1–11 24,14-15 25,8 26,4–8 26,22 28,23 28,31
104 62 62; 229 62 73; 77; 80; 203 158; 210 62 163; 241; 242; 243 203 62 221 61; 221 106 62 209 62 203 74 74; 76; 77 164; 203; 210 203 73; 74 209 203; 209; 210; 232 232; 378
Römer 1,18–32 2,17–23
175; 176; 178 (60) (62); 179 (74); 283; 286 283
1 Korinther 5,9–11 6,6 6,9–10
175; 176; 177 (58); 284 164 175; 176; 177 (58); 178 (61) (62); 284; 288
2 Korinther 2,11 6,14 7,2 12,17–18
169 178 (64) 169 169
Epheser 4,17–24
175; 176; 177 (55); 178 (60) (63) (64); 179 (71); 286
430 5,1–11 6,14
Stellenregister 175; 176; 177 (58); 178 (61) (63) (64) (66); 179; 286 178 (64)
Kolosser 3,5–10
175; 176; 177 (58); 178 (60); 179; 285; 286
Hebräer 11,5 13,4–5
1 Petrus 3,14
1 Thessalonicher
2 Petrus
4,1–8 4,17
2,14
169; 282 326
1 Timotheus 3,3 6,9–12
325 (187) 175; 176 (52); 177 (58); 285
178 (64)
175; 177 (55) (58); 179 (71)
Offenbarung des Johannes 17,4
192
176 (52) 65; 168; 175; 176 (53); 178 (60) (61) (63) (64)
2 Timotheus 3,2–8
65; 168; 175; 178 (60); 179 (74); 286
Jüdisches Schrifttum Assumptio Mosis
Pseudo–Phokylides
7,3–10
42–47 193–194
189
Griechisch Henoch 18,11–12 26,24 27,2
356 356 356
280 (599) 280 (598)
Qumranschriften CD IV 12–18
281
4 Makkabäer
Talmud Yerushalmi
1,26 2,8
ySan 23c, 30-43 348 yHag II 77d, 42–57 348
172 172; 177 (59)
Oracula Sybillina 1–92
280
Psalmen Salomos 1,3–8
189
Testament des Ijob 39,9–12
325 (190)
Stellenregister
431
Testament des Asser
Testament des Issachar
2,5
4,2
173 (40)
173 (40)
Testament des Benjamin
Testament des Juda
5,1
18,2–19,1
173 (40)
173; 174 (41); 177 (58) (59); 179 (70) (74) 279
Testament des Dan
18,2–6
5,7
Testament des Levi
173 (40)
Testament des Gad 5,1
173 (40)
14,5–8 17,11
173 (40) 173 (40)
Griechische und römische Autoren Aristophanes Aves 1432
110
Plutus 525
110 (153)
V 5,17–18 170 (18) (1134a 1–7) V 6,1 289 (1134a 23)
Rhetorica I 23,9 (1374a)
289
Aristoteles
Chrysipp
Ethica Nicomachia
Fragmenta moralia
II 6,18 289 (1107a 12–14) V 1,8–9 170 (18); 178 (62) (1129a 31– 1129b 4) V 1,9–15 177 (57) (1129b 1–25) V 1,14 170 (18) (1129b 19–23) V 2,4 177 (57); 178 (62) (1130a 24–27) V 2,4–5 170 (18) (1130a 24–33) V 2,13 289 (1131a 7–8)
85 421 937
290 290 290
Cicero De finibus bonorum et malorum 2,27 3,75
177 (55) 177 (55)
De legibus I 51
172 (30)
432
Stellenregister
De natura deorum III 71
172 (30)
De officiis II 75
172 (30)
Clemens von Alexandrien Stromateis V 14,119– 120
280 (595)
170 (20)
Diogenes Laertius 6,50
171 (22)
161
Dion Chrysostomos
Praeparatio evangelica
Hesiod Theogonia 740
356
Homer
Odyssee
280
Isokrates Orationes
Flavius Josephus
XI 38
Antiquitates Iudaicae
Lukian
XIII 294 XX 199
De Parasito
78 78
De bello Iudaico 282
56
105
288
291
Fugitivi 19
Herodot III 142
171 (23) 171 (23)
XI 467–472 336 XI 533–565 336
Eusebius
V 402
105
VI 400 329 VI 467 329 VIII 13–16 336
Diatribai
XIII 13, 57–59
8, 47
Ilias
Epiktet IV 5,15
105 169 (9) 169 (9)
Demosthenes
4,84 17,18–19
Diodorus Siculus 5,27,4
III 143 VII 149 VIII 112
291
Stellenregister Menippos (Necyomantia) 3
291
Nigrinus 16
171; 177 (57); 290; 291
De Abrahamo
172 (29)
289
Martial
216
De confusione linguarum 117
Lysias 1,36
Philo 208
Timon 55
433
282
De decalogo 121 131
282 (609) 282 (609)
De Josepho 44,2
281
Epigrammata
De vita Mosis
I 109 III 31 IV 198 X5 XIV 200
2,186
322 (161) 179 (74) 322 (161) 323 (170) 322 (161)
82
15
Dyskolos 110 (153)
Fragment 683
De posteritate Caini 282
De praemiis et poenis
Menander 366–367
173
289
178 (63)
Quod omnis probus liber sit 159
178 (63)
Quis rerum divinarum heres sit 173
282
Musonius
De sacrificiis Abelis et Caini
Fragmente
32
3 8
171 (28); 177 (55); 178 (62) 171 (28); 177 (55); 178 (62)
Ovid Metamorphoses X 1–63 XI 85–145
351 172 (30)
173; 178 (63)
De specialibus legibus 1,22–25 2,13 2,61–63 3,31 4,5
173 (39); 179 (70) 282 215 282 (609) 173
434
Stellenregister
Platon Gorgias 483a–c 483c–e 508a 523a–527c 875b
178 (62) 205 169; 178 (63) 337 (266) 205
Kriton 50a–54c
205 (121)
Leges 716d
164
Phaidon 113d–114c 337 (266)
De re publica 347b 362b 586a/b 614b–621d
169 (16) 169 (12) 177 (55) 337 (266); 364
Ad principem ineruditum 290
Moralia 523c–528b 171 524e 171 (26)
Cato 10
171 (27)
Polybios II 43,9 II 45,1 II 46,3 II 56 III 8,1 IV 87,4
170 (19) 170 (19) 170 (19) 290 170 (19) 170 (19)
170 (19) 170 (19) 170 (19) 170 (19) 170 (19) 170 (19) 170 (19) 170 (19) 170 (19) 170 (19)
Seneca Epistulae morales ad Lucilium 90,36 115, 10
177 (55) 172 (30)
Sophokles Antigone 1055
170 (20)
Stobaios III 10,45 III 10,46
Plutarch 782c
IV 87,10 VI 46,3 VI 46,9 VI 49 1 IX 11,2 IX 22,8 IX 25,1 IX 26,11 XVIII 55,1 XXXVI 17, 1–2
171 (22) 169 (15); 177 (56)
Thukydides I 77,3 III 82,6–8
169 (12) 178 (59)
Vergil Aeneis VI
337; 364
Xenophanes aus Kolophon Fragment 21 B 11
288
Stellenregister
Xenophon Cyrupaideia I 2,2
289
Memorabilia III 1,10 III 13,4
169 (16) 169 (16)
435