Martin Buber Werkausgabe: Band 5 Vorlesungen zu Judentum und Christentum 9783641248543

Der Band enthält die bislang unveröffentlichten Materialien einer Vorlesungsreihe Bubers zum Verhältnis zentraler theolo

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German Pages 444 Year 2017

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Table of contents :
Inhalt
Vorbemerkung
Dank
Von »Ecclesia et Synagoga« zu »Zwei Glaubensweisen«: Martin Bubers Vorlesungen über Judentum und Christentum
Vorlesungen über Judentum und Christentum (Fassung I)
Vorlesungen über Judentum und Christentum (Fassung II)
Kommentar
Abkürzungsverzeichnis
Quellen- und Literaturverzeichnis
Glossar
Stellenregister
Sachregister
Personenregister
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Martin Buber Werkausgabe: Band 5 Vorlesungen zu Judentum und Christentum
 9783641248543

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Martin Buber Werkausgabe Im Auftrag der Philosophischen Fakultät der Heinrich Heine Universität Düsseldorf und der Israel Academy of Sciences and Humanities herausgegeben von Paul Mendes-Flohr und Bernd Witte

Gütersloher Verlagshaus

Martin Buber Werkausgabe 5 Vorlesungen über Judentum und Christentum Herausgegeben, eingeleitet und kommentiert von Orr Scharf

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Copyright © 2017 Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh, 1. Auflage in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München Copyright © 2017 by Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh, in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält Neumarkter Straße 28, 81673 München technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Das Gütersloher Verlagshaus, Verlagsgruppe Random House GmbH, weist ausdrückDie Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte lich daraufVerarbeitung, hin, dass im Text enthaltene externe Links vom nur bis zum Vervielfältigung, Verbreitung oder Verlag öffentliche ZeitpunktZugänglichmachung, der Buchveröffentlichung eingesehen werden konnten. Auf insbesondere in elektronischer Form, istspätere untersagt undhat kann zivilrechtliche nach ziehen. Veränderungen der strafVerlagund keinerlei Einfluss.Sanktionen Eine Haftung dessich Verlags für externe Links ist stets ausgeschlossen. Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir Umschlaggestaltung: Init GmbH, Bielefeld für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern Satz: SatzWeise GmbH, Trier lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen. Druck und Einband: Hubert & Co, Göttingen Printed in Germany Umschlaggestaltung: Init Kommunikationsdesign GmbH, Bad Oeynhausen ISBN 978-3-579-02680-0 Satz: SatzWeise GmbH, Bad Wünnenberg ISBNwww.gtvh.de 978-3-641-24854-3 www.gtvh.de

Inhalt Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Einleitung: Von »Ecclesia et Synagoga« zu »Zwei Glaubensweisen«: Martin Bubers Vorlesungen über Judentum und Christentum . .

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Vorlesungen über Judentum und Christentum (Fassung I) [I. Jüdischer und christlicher Glaube] . . . . . . . . . . . . [II. Jüdische und christliche Erlösungslehre] . . . . . . . . [III. Jüdischer und christlicher Messianismus] . . . . . . .

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. 51 . 52 . 119 . 190

Vorlesungen über Judentum und Christentum (Fassung II) I. Jüdischer und christlicher Glaube. . . . . . . . . . . . . II. Jüdische und christliche Erlösungslehre. . . . . . . . . . III. Jüdischer und christlicher Messianismus. . . . . . . . .

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249 250 278 302

Kommentar Editorische Notiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 Diakritische Zeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 Einzelkommentare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408 Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 Glossar

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422

Stellenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431 Personenregister

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436

Gesamtaufriss der Edition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445

Vorbemerkung Der vorliegende Band ist der zehnte, der nach der Übernahme der Arbeit an der Martin Buber Werkausgabe durch die Heinrich Heine Universität Düsseldorf publiziert werden kann. Er ist nach den neuen Editionskriterien gestaltet, wie sie erstmals in Band 9 der MBW angewandt und im vorliegenden Band in der Editorischen Notiz als Einleitung zum Kommentar erörtert werden. Martin Buber, der zeitlebens mit zahlreichen christlich geprägten Denkern und Theologen befreundet war und in regem gedanklichen Austausch mit ihnen stand, gilt als einer der engagiertesten Protagonisten der Begründung eines christlich-jüdischen Dialogs. In seiner Schrift Zwei Glaubensweisen (1950, jetzt in MBW 9) als einem Alterswerk verdichten sich die langjährigen Reflexionen zu den verbindenden bzw. den gegensätzlichen Elementen beider Religionen in umfassender Weise. Als eine entscheidende Vorstufe hierzu erweisen sich die bislang unveröffentlichten Mitschriften einer Vorlesungsreihe über Judentum und Christentum, die Buber 1934 am 1933 neu gegründeten Jüdischen Lehrhaus abhielt, das in der Zeit wachsender antisemtischer Anfeindungen die Nachfolge des 1929 aufgelösten Frankfurter Freien Jüdischen Lehrhauses angetreten hatte. Auch wenn die Vorlesungsreihe, die sich in zwei unabhängig voneinander erstellten Mitschriften erhalten hat (vgl. den Kommentar S. 330-332), als Vorstufe zu Zwei Glaubensweisen erscheinen mag, worin deren zentrale Motive verdichtet wieder aufgegriffen werden, so stellt sie doch, was die Gedankenführung und vor allem das ausgebreitete exegetische Material betrifft, zugleich eine eigenständige Arbeit dar. Nicht zuletzt aber kann die Vorlesungsreihe auch als bedeutendes zeithistorisches Dokument gelten, ist sie doch ebenso als Zeugnis des geistigen Widerstands und der Vergewisserung jüdischen Selbstverständnisses angesichts der rapide um sich greifenden und sich radikalisierenden Repression zu verstehen. Die zentralen Begriffe, anhand derer der Vergleich beider Religionen entwickelt wird, Glauben, Erlösung und Messianismus, bilden nicht allein die titelgebenden Themen des jeweiligen Trimesters, sie sind es gemäß Bubers Analyse auch, die von beiden Glaubensweisen geteilt werden und in diesem Sinne beider Einheit konstituieren. Zugleich aber versucht Buber dezidiert in akribischen Interpretationen der Originalschriften die in beiden Religionen prinzipiell unterschiedliche Auffassung dieser Zentralbegriffe zu belegen. Bubers Untersuchung zeichnet die ungebrochene

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Vorbemerkung

Lebendigkeit und Bedeutung dieser Kernlehren im Judentum nach und weist damit den Universalitätsanspruch des Christentums zurück. Die Typoskripte, in denen die Vorlesungsreihe im Martin Buber Archiv in Jerusalem sowie im Leo Beck Institut in New York überliefert ist, stellen zwei unterschiedliche Fassungen derselben Vorlesung dar. Die eine, längere ist eine unmittelbare Wiedergabe des gesprochenen Wortes von Buber und gibt unverkürzt alle Exkurse des Vortragenden wieder. Die zweite, kürzere wurde nachträglich von Ernst Michel auf Grundlage eigener Notizen angefertigt, gibt also einen bereits konzentrierten Inhalt wieder. Beide Fassungen werden in diesem Band abgedruckt, die längere als »Fassung I«, die kürzere als »Fassung II«. Der Abdruck beider Fassungen scheint geboten, da die längere teils bedeutend mehr Materialien und Exkurse enthält sowie den unmittelbaren Redegestus Bubers vergegenwärtigt, während die zweite, kürzere nicht allein nur auf die geschriebene Sprache hin redigiert ist und darin als eine erste Schicht im Übergang zu den späteren Zwei Glaubensweisen fungiert, sondern zudem genauere Verweise auf einzelne Schriften bietet. * Die Israel Academy of Sciences and Humanities, deren erster Präsident Martin Buber war, hat im Jahre 2012 die Arbeit an der Werkausgabe als ein »highly important project« anerkannt und fördert sie seitdem mit einem jährlichen Beitrag. Ein Projekt wie diese Werkausgabe wäre ohne eine großzügige finanzielle Förderung nicht möglich. Wir danken insbesondere der Friede Springer Stiftung für die spezielle Förderung des Herausgebers dieses Bandes. Desweiteren danken wir dem Bundesministerium für Bildung und Forschung und der Gerda Henkel Stiftung für ihre nachhaltige Unterstützung des Gesamtprojekts der Martin Buber Werkausgabe. Nicht zuletzt sei der Heinrich Heine Universität Düsseldorf gedankt, die das Projekt logistisch und administrativ betreut. Düsseldorf, im März 2017

Paul Mendes-Flohr, Bernd Witte

Dank Ich danke den Herausgebern der Martin Buber Werkausgabe Paul Mendes-Flohr und Bernd Witte dafür, dass sie mir die Arbeit diesen Bandes anvertraut haben, was ich als besondere Auszeichnung empfinde, da es sich um die Herausgabe zweier bisher unveröffentlichter Texte handelt. Ihre Anregungen erleichterten mir die Kommentierung und halfen mir bei der Lösung einiger Probleme, die sich mir während meiner Arbeit am Band auftaten. Danken möchte ich auch meinem Freund Biti Roi in Jerusalem, der mir wertvolle Ratschläge gab, wo ich die von Buber herangezogenen rabbinischen Quellen finden könnte. Die Mitarbeiter der Martin Buber Arbeitsstelle – Arne Taube und Simone Pöpl – haben mich weitgehend unterstützt. Zusätzlich zu ihrer Professionalität und ihrer Expertise gaben sie mir Zuspruch und unterstützten mich beim gesamten Prozess der Fertigstellung dieses Bandes. Zu guter Letzt bin ich meiner Frau Shira und meinen Kindern Avigail Dora und Eitan Yosef für ihre Geduld und ihr Verständnis zu Dank verpflichtet. Philadelphia und Kfar Saba, im März 2017

Orr Scharf

Von »Ecclesia et Synagoga« zu »Zwei Glaubensweisen«: Martin Bubers Vorlesungen über Judentum und Christentum Der sinnbildliche Gegensatz zwischen »Ecclesia et Synagoga«, wie er in den allegorischen Darstellungen von Kirche und Synagoge an Kirchengebäuden in konzentrierter Form zum Ausdruck kam, definierte für Jahrhunderte das zwiespältige Verhältnis zwischen Christen und den jüdischen Gemeinschaften in ihrer Mitte. Die Figur der »Synagoge« hält, die Augen verbunden, einen zerbrochenen Stab in der einen und das Gesetz – repräsentiert durch die Steintafeln – in der anderen Hand. In ihr erscheint das Judentum als das gedemütigte Gegenstück zum Christentum, dessen allegorische Darstellung ihrerseits aufrecht, triumphierend, ein Banner in Form eines Feldzeichens [vexillum] in der einen und einen Abendmahlskelch in der anderen Hand hält. Als junger Mann, von einer Glaubenskrise gequält, sah Franz Rosenzweig (18861929) diese beiden Statuen, die »Ecclesia« und die »Synagoga«, am Freiburger Münster als bedrückende Mahnung, dass das Judentum keinen Ort in der Welt mehr habe. 1 Eine andere sinnbildliche Darstellung der Kirche ist das Kruzifix mit Steinstatuen an der berühmten Karlsbrücke in Prag. Diese Figurengruppe, die erstmals im Jahr 1629 errichtet wurde, zeigt Jesus am Kreuz, geschmückt mit dem in vergoldeten Lettern wiedergegebenen Vers aus Jesaja 6,3: ‫קדוש קדוש קדוש יהוה צבאות‬. 2 Ursprünglich wurde diese hebräische Inschrift als Bestrafung für einen Juden angebracht, der der Blasphemie angeklagt war, und war gedacht als Geste der Demütigung gegenüber den Juden der Stadt, die gezwungen waren, die Worte ihrer heiligen Schrift als goldenen Schmuck am Kreuz zu erblicken. Allerdings konnte etwa der in Prag aufgewachsene Hugo Bergmann (1883-1975), wie er sich in einem autobiographischen Fragment erinnert, als Kind nicht anders, als Stolz zu empfinden, dass die

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2.

Franz Rosenzweig, Brief an Rudolf Ehrenberg vom 31. Oktober 1913, in: Franz Rosenzweig: Briefe und Tagebücher. Band I: 1900-1918, hrsg. von Rachel Rosenzweig und Edith Rosenzweig-Scheinmann, Den Haag 1979, S. 133-143. Eine Analyse des starken Eindrucks, den dieses Bild auf Rosenzweigs Wahrnehmung des Verhältnisses beider Glaubensweisen gemacht hatte, bietet Paul Mendes-Flohr, Franz Rosenzweig and the Crisis of Historicism, in: The Philosophy of Franz Rosenzweig, hrsg. von Paul Mendes-Flohr, Hannover und London 1988, S. 138–161. In Bubers Übersetzung: »Heilig heilig heilig / ER der Umscharte.« Das Buch Jeschajahu. (Die Schrift X), verdeutscht von Martin Buber gemeinsam mit Franz Rosenzweig, Berlin: Lambert Schneider 1930, S. 28.

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Martin Bubers Vorlesungen über Judentum und Christentum

Worte des Kedushah-Abschnitts des täglichen Gebets über dem Haupt der Jesus-Statue erstrahlten. 3 Auch Martin Buber wuchs im Schatten der christlichen Enterbungstheologie auf, die im Zeichen des Leitbilds der »Ecclesia et Synagoga« stand. 4 Eine Vielzahl seiner Beteiligungen an öffentlichen Angelegenheiten, nicht zuletzt als Gründer und Herausgeber der einflussreichen Zeitschrift Der Jude, waren Reaktionen auf die christlichen »Metaphysiker der Geringschätzung« 5 . Allerdings weigerte sich Buber als standhafter Verfechter des jüdisch-christlichen Dialogs, der Enterbungstheologie lediglich apologetisch zu begegnen. Bubers Denken über das Christentum und dessen Konfrontation mit dem Judentum wurde demnach durch die beiden sinnbildlichen Figuren, durch die Enterbung, die sie bezeichnen, sowie durch die durch sie provozierten modernen jüdischen Gegenreaktionen und schließlich durch ihren geographischen Ort geprägt. Das südliche Deutschland – Frankfurt und Freiburg – und Prag umreißen den geographischen und intellektuellen Raum, in dem Buber in den Jahren beheimatet war, während derer er sein ausgereiftes Verständnis des Christentums formulierte. Frankfurt am Main, die Heimstätte des Freien Jüdischen Lehrhauses, wo Buber auf Franz Rosenzweigs Einladung 1922 zum ersten Mal Vorlesungen über Judentum und Christentum hielt, war ein blühendes Zentrum der jüdischen geistigen Erneuerungsbewegung. Prag hingegen war eine Stadt, die auf Grund ihres vibrierenden modernen jüdischen Milieus Bubers Zuneigung fand: Heimat von Franz Kafka (1883-1924), Robert Weltsch (1891-1982), Hans Kohn (1891-1971) und Hugo Bergmann, mit denen Buber neben vielen anderen in einen langjährigen und fruchtbaren intellektuellen und spirituellen Dialog eintrat. Prag war der Schauplatz, an dem Buber seine Drei Reden über das Juden-

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5.

Hugo Bergmann, Prag [Hebräisch], in: Knesset: Writers Speak in Memory of H. N. Bialik, Tel Aviv 1954. Zitiert nach Natan Ofek, Conversations about Kafka and More, Jerusalem 2004, S. 198. Vgl. etwa Bubers Erinnerungen an seine Schuljahre an einem katholischen Gymnasium im polnischen Lemberg: »Gezwungene Gäste; als Ding teilnehmen müssen an einem sakralen Vorgang, an dem kein Quentchen meiner Person teilnehmen konnte und wollte; und dies acht Jahre lang Morgen um Morgen: das hat sich der Lebenssubstanz des Knaben eingeprägt.« Martin Buber, Begegnung. Autobiographische Fragmente, Stuttgart: W. Kohlhammer 1960, S. 12; jetzt in MBW 7, S. 279. Dieser Begriff wurde von Paul Mendes-Flohr zur Bezeichnung von christlichen Denkern und Ideologen geprägt, die mit ihren Arbeiten intellektuelle Munition für die Angriffe des sozialen und politischen Antisemitismus bereitstellten. Vgl. Paul Mendes-Flohr, Martin Buber and the Metaphysicians of Contempt, in: Divided Passions: Jewish Intellectuals and the Experience of Modernity, Detroit 1991, S. 207236.

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tum (1911) 6 hielt, in denen er die Wegmarken für die Zukunft des modernen Judentums entwarf. Zudem sind sie eine seiner frühesten Arbeiten, die den Kern seiner Auffassung vom Christentum enthalten, den er in seinen Vorlesungen entwickeln und entfalten sollte. 7 Die Erstveröffentlichung der Vorlesungen in diesem Band fügt Bubers Untersuchungen zu den gemeinsamen Wurzeln von Judentum und Christentum einen wichtigen und bisher unbekannten Aspekt hinzu. Die Vorlesungen berühren schwierige Fragen, die die historischen und theologischen Grundlagen, die von den beiden Glaubensweisen geteilt werden, ebenso wie die Kluft, die sich zwischen ihnen aufgetan hat, betreffen. Als die umfassendste erhaltene Arbeit Bubers zu dieser Thematik – mehr als doppelt so umfangreich wie Zwei Glaubensweisen (1950) – enthalten die Vorlesungen eine Fülle an Materialien, die nicht in anderen Schriften Bubers aufgenommen oder überliefert worden sind. Sie erst lassen den vollen Umfang der Quellen und der Gelehrsamkeit erkennen, die Buber in seiner Beschäftigung mit dem Gegenstand zu Rate gezogen hat. Im Jahr 1934 8 in Frankfurt gehalten, stellen die Vorlesungen auch historisch wertvolle Aufzeichnungen dar, die Bubers Studien zum Thema während einer dramatischen Epoche seiner Biographie dokumentieren, seiner Leitung des geistigen Widerstands gegen die um sich greifende Verfolgung durch die Nationalsozialisten in den 1930er Jahren. Die Vorlesungen sind in zwei Fassungen überliefert, die offenkundig unabhängig voneinander entstanden sind. Nahezu identisch in Inhalt und Struktur, unterscheiden sie sich lediglich in Länge und Stil: Fassung I ist beinahe dreimal so umfangreich wie Fassung II und gibt in eher weitschweifiger Sprache den Duktus der unmittelbaren Rede Bubers wieder, während die zweite, mutmaßlich von Ernst Michel (18891964) angefertigte Fassung nicht nur kürzer, sondern in kompaktem Stil gehalten ist. 9 Des Weiteren erlauben die Vorlesungen neue und faszinierende Einblicke in die Komposition der bekanntesten Arbeit Bubers zur jüdisch-christlichen Theologie, des Buches Zwei Glaubensweisen, 10 das er in den späten 1940er Jahren in Israel verfasste, indem sie die Perspektive auf seine fortwährende Beschäftigung mit dieser Frage grundlegend erweitern. 6. Martin Buber, Drei Reden über das Judentum, Frankfurt a. M.: Rütten & Loening 1911 (jetzt in: MBW 3, S. 219-256). 7. Für einen umfassenden Überblick zu Bubers Schriften zum Christentum vgl. KarlJosef Kuschels Einleitung in MBW 9, S. 11-74. 8. Zum Problem der Datierung der Vorlesungen vgl. den Kommentar, S. 330-332. 9. Für einen Vergleich zwischen den beiden Zyklen vgl. ebd. 10. Martin Buber, Zwei Glaubensweisen, Zürich: Manesse 1950, jetzt in: MBW 9, S. 202-312.

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Martin Bubers Vorlesungen über Judentum und Christentum

Die Vorlesungen: Struktur und Inhalt 1. Die Argumentation der Vorlesungen

Lesern, die mit Zwei Glaubensweisen vertraut sind, werden auch die Vorlesungen bekannt vorkommen, da sich die historischen und theologischen Prämissen von Bubers Monographie mit denen substantieller Teile seiner früheren Studien zum Christentum überschneiden. Buber bestimmt die Lehren des Juden Jesus als die einzige Brücke zwischen dem Judentum zur Zeit des Zweiten Tempels und dem Neuen Testament. Grundlegende Voraussetzung seiner Auffassung des Christentums ist die Unterscheidung zwischen jenen Quellen des Neuen Testaments, die die authentische Lehre Jesu enthalten – die Evangelien von Matthäus, Markus und Lukas –, und jenen, die den christlichen Glauben von seinen jüdischen Ursprüngen entfernen – wie etwa das Johannesevangelium, der Hebräerbrief 11 und Briefe des Apostels Paulus. 12 Die gemeinsamen Ursprünge von Judentum und Christentum seien demnach der Grund für die gemeinsamen Glaubensanliegen. Dagegen sei der Widerstreit zwischen beiden angesichts bestimmter nicht weniger grundsätzlicher Fragen gerade deshalb so schwerwiegend, weil beide gewisse grundlegende Voraussetzungen teilten. Nicht zuletzt deshalb entschied sich Buber dafür, im Rahmen dreier thematischer Studien eine vergleichende Analyse durchzuführen: Die beiden Glaubensweisen teilten ähnliche Ursprungsvoraussetzungen, gelangten aber zu gänzlich unterschiedlichen Resultaten. 13 Eine wichtige Konsequenz dieser Sichtweise besteht in Bubers Herausarbeitung zweier nicht-jüdischer Elemente im entstehenden Christentum, die hellenistischen und ägyptisch-mesopotamischen Ursprungs sind. Obgleich es sich dabei um heidnische Kulturen handelt, betont Buber die rationale Dimension des griechischen Einflusses auf den christlichen Begriff des Glaubens 14 und, was die Frömmigkeit 11. Buber teilte die Position jener Gelehrten, die die traditionell Paulus zugeschriebene Autorschaft des Hebräerbriefs ablehnten. 12. Buber, Vorlesungen (Fassung I), S. 53; (Fassung II), S. 250 f. 13. Buber, Vorlesungen (Fassung I), S. 54; (Fassung II), S. 251. 14. »[…] mir scheint die christliche Weise des Glaubens in ihrer Verschiedenheit gegen die jüdische daher zu kommen, weil und insofern die christliche Botschaft an die Griechen gegangen ist. Dieser ›Glauben, dass‹ ist ein Element, das hinzutritt von der griechischen Welt her, wo es um ein Objektives geht, ein Objekt, das erkannt, gewusst, gemeint wird, wo es darauf ankommt zu wissen, wie sich etwas verhält, oder zu glauben, dass sich etwas so verhält.« Buber, Vorlesungen (Fassung I), S. 68. Weitere Bezüge auf den griechischen Einfluss finden sich auf S. 81 u. 124 sowie auf S. 78; in Fassung II auf S. 251 u. S. 259 u. S. 260.

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betrifft, den Einfluss babylonischer, persischer und ägyptischer Kulturen auf das christliche Konzept des Messianismus und schließlich den Einfluss, den sowohl die griechische als auch die babylonische Kultur auf die christliche Vorstellung der Erlösung 15 ausübten.

2. Der Inhalt der Vorlesungen a) Glaube In aller Kürze umreißt Buber das Thema der Vorlesungen, wenn er angibt, er wolle: »[…] über jüdischen und christlichen Glauben sprechen, also nicht über Judentum und Christentum, nicht über jüdische und christliche Geisteswerte oder wie man es sonst fassen will, sondern über den Glauben des Juden und den Glauben des Christen, wie sie sich zu einander verhalten.« 16 In beiden Religionen, so Buber, umfasse der Glaube an Gott den Glauben an die Hoffnung auf seinen zukünftigen Erlösungsakt, wie sie in Hebr 11,1 zum Ausdruck komme. 17 Das jüdische Glaubensverständnis weiche in der Frage des Glaubens an die Existenz Gottes jedoch vom christlichen ab. Der unmissverständliche Ausspruch in Hebr 11,6: »Wer zu Gott kommen will, muss glauben, dass er sei«, sei im Rahmen des jüdischen Glaubensverständnisses schlicht inakzeptabel. 18 Die Frage, mit der der jüdische Glaube zu ringen habe, sei eine gänzlich andere: »Die Frage nach dem Glauben war die Frage nach der Lebensbeziehung zu Gott […].« 19 Diese Lebensbeziehung ist die Tora, welche mit einer alles durchdringenden Vielzahl von Gesetzen versehen ist: Anweisungen und Lehren, die Gott in die Intimität des persönlichen Lebens des Gläubigen einlassen. Buber zufolge wurde die Tora mit der Verbreitung der Lehren des Apostels Paulus zum Hauptstreitpunkt in der Kontroverse zwischen Judentum und Christentum. In der irreführenden Übersetzung des Wortes »Tora« mit »Gesetz« [nomos] und der 15. Zu den griechischen Einflüssen vgl. Buber, Vorlesungen (Fassung I), S. 138; (Fassung II) S. 285 u. 287. Zu den mesopotamischen Einflüssen Vorlesungen (Fassung I) S. 168; (Fassung II) S. 294 f. 16. Buber, Vorlesungen (Fassung I), S. 52; (Fassung II), S. 250. 17. Buber, Vorlesungen (Fassung I), S. 55. 18. Buber, Vorlesungen (Fassung I), S. 55; (Fassung II), S. 251. Buber gibt in Fassung I eine eigene, in Fassung II hingegen Luthers Übersetzung der Stelle an, die sich auch in Zwei Glaubensweisen, S. 41 findet (vgl. MBW 9, S. 225) »Aber ohne Glauben ist’s unmöglich Gott zu gefallen; denn wer zu Gott kommen will, der muss glauben, dass er sei und denen, die ihn suchen, ein Vergelter sein werde.« (Vorlesungen [Fassung II], S. 251). 19. Buber, Vorlesungen (Fassung I), S. 56; (Fassung II), S. 252.

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Zurückweisung seiner Bestimmung als göttliches Gesetz habe die polemische Strategie bestanden, mit der Paulus zwischen Christentum und vorchristlichem Judentum zu unterscheiden versuchte. 20 Für Juden seien aber der Glaube (Emunah) und die Gebote (Mitzwot) unaufhebbar miteinander verbunden und bekräftigen einander: »Es ist schlechthin unmöglich, hier etwas herauszubringen, Mizwo [Gebot] und Emunah [Glaube] auseinanderzureissen. Die Mizwo ist ohne Emunah, und Emunah ohne Mizwo garnicht da, sondern das Tun hat seinen Sinn, seine religiöse Gültigkeit darin, dass eben die Emunah gebietet zu tun und dass sie in dem Getanen wohnt wie die Seele im Leib und umgekehrt ist eine Emunah nicht fassbar, die sich nicht in einem Tun auswirkt […] also nicht etwa so, dass sie das Leben nur als Gewand um sich schlägt, sondern dass sie sich den Körper, die Wirklichkeit durch die Tat erschafft.« 21 Dieser Hauptaspekt der Form des Glaubens – im Gegensatz zu dessen Inhalt, den Buber in den folgenden Vorlesungen behandeln wird – werde in dem jüdischen Begriff der Kawannah, der Intention, erfasst, mit welcher der Glaube an Gott durchdrungen sei. Die Kawannah verschmelze den religiösen Akt – die Erfüllung der Gebote Gottes – mit dem Herzen des Gläubigen, so dass der Glaube zum zuversichtlichen Glauben, zum Vertrauen werde. 22 Von der Form des Glaubens zu seinem Inhalt übergehend vergegenwärtigt Buber die Spannung zwischen dem Glaubensverständnis Jesu, wie es in den synoptischen Evangelien zu erkennen sei, und den Lehren der paulinischen Briefe, wie sie in Annäherung an den Begriff des Gesetzes entwickelt werden. So bestimme die Bergpredigt, wie sie im Matthäus-Evangelium wiedergegeben wird, die Versachlichung des Gesetzes als die größte Gefahr für den religiösen Glauben, und nicht etwa das Gesetz selbst, wie Paulus behaupte. 23 Der paulinischen Auffassung zufolge müsse hingegen die hauptsächliche Sorge des Gläubigen dem Inhalt dessen gelten, woran er glaube, oder, mit Bubers Worten: »glauben, dass etwas ist.« 24 Für Paulus sei dieses Etwas weniger Gott selbst als vielmehr sein Sohn, der Messias und Gesandte: Christus. 25 Von den verschiedenen Manifestationen Christi interessiert sich Buber vor allem für die Vorstellung von Christus als einem gütigen Gegenspieler einer bösarti20. Buber, Vorlesungen (Fassung I), S. 57; (Fassung II), S. 253. Zu den entsprechenden Stellen bei Paulus vgl. Gal 3,11 u. Röm 3,28. 21. Buber, Vorlesungen (Fassung I), S. 60 f.; vgl. auch (Fassung II), S. 255 f. 22. Buber, Vorlesungen (Fassung I), S. 61-63; (Fassung II), S. 255 f. 23. Buber, Vorlesungen (Fassung I), S. 67 f.; (Fassung II), S. 258 f. 24. Buber, Vorlesungen (Fassung I), S. 68; (Fassung II), S. 259. 25. Buber, Vorlesungen (Fassung I), S. 81; (Fassung II), S. 255 f.

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gen Gottheit, die von ihm überwunden werden müsse, damit er als Vorbote einer künftigen Erlösung auftreten könne. Durch hellenistische Einflüsse sei, so Buber, dieser gnostische Dualismus in das Christentum eingedrungen und habe schließlich im zweiten Jahrhundert in den Lehren des christlichen Häretikers Marcion Niederschlag gefunden, die Buber als gefährliche Radikalisierung der paulinischen Theologie versteht. 26 Bubers Interpretation von Paulus’ eigenen Lehren zufolge wird Christus darin bereits als Hypostase des Gottes der Gnade vorausgesetzt, der, um die Menschheit zu erlösen, den Gott des Alten Testaments überwinden muss, da dieser sowohl der Schöpfer unserer vom Bösen durchdrungenen Welt als auch der zornerfüllte Rächer von Übertretungen seines Gesetzes sei. Im Judentum sei dieser Dualismus durch die Erkenntnis aufgehoben, »[…] dass es [das Böse] hier kein Gegensatz mehr ist, sondern ein Geschehen in Gott selbst.« 27 Das biblische Vorbild dieses Dramas finde sich, wie Buber erklärt, in der Beschreibung Gottes bei Deuterojesaja als dem »Gott des Lichtes und der Finsternis« 28 . Das nachbiblische Judentum habe diese Auffassung weiterentwickelt, indem es zwei göttliche Wirkweisen (Middoth) postulierte: das Erbarmen und das Gericht (Rachamim und Din). Somit gelte für das Judentum: »Es gibt keinen Dualismus von Gott aus und es gibt auch keinen Dualismus in Gott selbst. In Gott gibt es nur jene Bewegung zwischen Gericht und Erbarmen auf den Menschen zu. In Gott gibt es nur diese Dramatik seiner Beziehung zur Welt.« 29 An diesem kritischen Punkt führt Buber in die bis dahin gängige historische Konstruktion eine faszinierende Wendung ein, indem er behauptet, die jüdischen, vorchristlichen Apokryphen bildeten eine mögliche Verbindung zwischen dem Alten Testament und der christlichen Lehre von der Sohnschaft, die dem talmudischen Judentum fremd sei und eine der Bruchlinien zwischen den beiden Religionen markiere. Buber führt Passagen aus der Weisheit Salomons (2,12) 30 und dem Henochbuch (51,3; 69,27; 71,14; 105,2) 31 als Belege dafür an, wie die Gestalt eines Gottessohnes sich zum Sinnbild 26. Buber, Vorlesungen (Fassung I), S. 85. Buber bezieht sich auf die »altpersischen« Ursprünge dieser Lehren in (Fassung I), S. 91; (Fassung II), S. 263. 27. Buber, Vorlesungen (Fassung I), S. 87 f.; vgl.: »Diese innergöttliche Dramatik ist offen nach der Welt zu«, (Fassung II), S. 264. 28. Vgl. Jes 45,6-7: »Ich bin der Herr, und sonst keiner mehr, der ich das Licht mache und schaffe die Finsternis, der ich Frieden geben und schaffe Unheil.« 29. Buber, Vorlesungen (Fassung I), S. 92; (Fassung II), S. 265. 30. Buber, Vorlesungen (Fassung I), S. 99; (Fassung II), S. 269. 31. Buber, Vorlesungen (Fassung I), S. 99-101, 104 f.; (Fassung II), S. 269 f. Fassung II enthält auch Verweise auf Henoch 62,7, ebd.

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göttlicher Gnade und Mitgefühls verwandle. Bis ins Detail zeichnet er nach, wie sich die Wege zwischen der jüdischen und der christlichen Auffassung des Sohnes bis hin zu ihrer völligen Trennung voneinander entfernt hätten: Das jüdische Verständnis der Sohnschaft basiere auf dem Aufstieg eines als Mensch geborenen Mannes in den Himmel, während die christliche Auffassung des Sohnes von dessen Abstieg vom Sitz neben dem himmlischen Vater hinab zur Erde ausgehe. 32 b) Erlösung Bubers Erörterung des Konzepts der Erlösung ist gänzlich diesseitig ausgerichtet, konzentriert er sich doch auf die jüdischen und christlichen Vorstellungen über den Zustand des gefallenen Menschen, der die Vorbedingung für den erlösenden Eingriff des Göttlichen darstellt. Anhand dieser Fragestellung scheint die Nähe zwischen der Konzeption des Glaubens der Hebräischen Bibel und der der synoptischen Evangelien, die im ersten Teil des Zyklus umrissen werden, einer größeren Distanz zu weichen: »das scheinbar Selbstverständliche, was Judentum und Christentum scheidet: dort Glaube an den gekommenen Christos, hier Glaube an den kommenden« 33 . Bevor Buber dieses Thema vertieft, verortet er in der Eröffnungsvorlesung des zweiten Teiles die jüdisch-christliche Beschäftigung mit der Erlösung im weiteren Umfeld der antiken Kulturen, von Indien im Osten bis zu den monotheistischen Religionen im Westen. Ihnen allen sei die »Vorstellung eines Verfallenseins [gemeinsam], immer die Bindung der eigenen Fesselung an eine Urfesselung des Seins, und immer die Sehnsucht nach einer Lösung, die die Welt, ja das Göttliche, die unsere Substanz erlöst und damit mich, sodass meine Erlösung an die Erlösung des Seienden irgendwie gebunden ist« 34 . Innerhalb dieses Rahmens betreffe die christliche Vorstellung von der Erlösung »in besonderer Weise die Erlösung von der Sünde« 35 . Von diesem Punkt an wird Bubers Analyse der christlichen Lehre von der Sünde und ihres jüdischen Gegenstücks apologetisch, da er der jüdischen Diskussion der Erlösung die christliche Fixierung auf die Sünde als Hindernis für die Erlösung gegenüberstellt, die nur durch die endgültige Abhilfe, durch Christus, überwunden werden könne. Somit geht seine Erörterung des Erlösungsbegriffs in der Hebräischen Bibel und den rabbinischen Quellen nicht auf die maßgeblichen theologischen Voraussetzungen und Bedenken im Ju32. 33. 34. 35.

Buber, Vorlesungen (Fassung I), S. 101 u. S. 108 f.; (Fassung II), S. 273 f. Buber, Vorlesungen (Fassung I), S. 120. Buber, Vorlesungen (Fassung I), S. 126; (Fassung II), S. 280. Buber, Vorlesungen (Fassung I), S. 128; (Fassung II), S. 281.

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dentum ein, sondern beschränkt sich stattdessen auf den jüdischen Gegensatz zur christlichen Lehre. 36 Was den Glauben betrifft, so betrachtet Buber die Lehren Jesu als durchaus verträglich mit den jüdischen Vorstellungen und dem jüdischen Glauben seiner Zeit, während es Paulus zuzuschreiben sei, den Weg für die spätere Radikalisierung des Christentums gebahnt zu haben. Demgemäß erörtert Buber im Zusammenhang mit der Sünde die frühe christliche Lesart von Jesaja 52-53, die davon ausgeht, diese Worte seien durch den Tod Jesu erfüllt worden. 37 Indem der dort beschriebene Akt der Selbstopferung Jesus als entscheidendes Glied in der Kette der Ereignisse ausweise, die zur Erlösung führen 38 – eine Lesart, die vom Judentum nicht akzeptiert werden könne –, blieben die synoptischen Evangelien dabei, die Erlösung durch Jesus in einem Sündenverständnis zu verankern, das mit dem Judentum gänzlich kompatibel sei: »Bei Jesus bedeutet Sünde einfach die Sünde, die der Mensch tut, nicht den absoluten Sündenstand des Menschen, sondern die, die der Mensch getan hat.« 39 Mit der Herausbildung des paulinischen Sündenverständnisses, das später zur offiziellen Sündenlehre der Kirche heranreifen sollte, sei das Christentum zu einer Religion geworden, die von der Zusammengehörigkeit des menschlichen Daseins mit seiner Sündenhaftigkeit geradezu besessen sei: »In der [sündigen] Tat […] sehen wir, es ist garnicht eine Sünde, sondern es ist die Sündigkeit schlechthin, es ist der Sündenstand des Menschen, um den es geht, der Sündenstand des Menschen, der nach den Vorstellungen von Paulus – und diese Lehre bildet sich im späteren Christentum immer stärker aus in der sogenannten Lehre von der Erbsünde […]. Der Sündenstand, der wirklich Gott und Mensch auseinanderreisst, gibt eine urmenschliche, allmenschliche, gesamtmenschliche, eine menschhafte Versündigung, an der wir alle irgendwie teilhaben.« 40 Und er fügt hinzu: »Sündenfall […] ist eine Kluft zwischen Gott und Mensch.« 41 In der Auseinandersetzung mit dieser Lehre richtet Buber seine Aufmerksamkeit auf zwei ihrer Hauptbestandteile: die Erfüllung des Gesetzes als eine letztendlich sündhafte Handlung 42 und die ab36. Allerdings führt Buber als Entschuldigung an: »Wir gehen vom Christentum aus, das eine ausgebildete Dogmatik der Erlösungslehre hat, die das Judentum nicht hat.« (Vorlesungen [Fassung II], S. 281.) 37. Buber, Vorlesungen (Fassung I), S. 129; (Fassung II), S. 276. 38. Vgl. Lk 7,47; 22,19; Mk 10,45; Apg 3,1-10. 39. Buber, Vorlesungen (Fassung I), S. 132; (Fassung II), S. 283. 40. Buber, Vorlesungen (Fassung I), S. 137; (Fassung II), S. 284. 41. Buber, Vorlesungen (Fassung I), S. 137. 42. »… für Paulus existiert die Sünde eigentlich erst durch das Gesetz.« Buber, Vorlesungen (Fassung I), S. 136; (Fassung II), S. 284.

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solute Abhängigkeit von Christus als dem Erlöser. 43 Buber zufolge leitet sich der paulinische Dualismus zwischen den Kräften der göttlichen Güte und den Kräften des Bösen nicht von einer Spannung zwischen Geist und Fleisch her. Vielmehr werde er erzeugt von dem Gegensatz zwischen den Kräften des Bösen, die diese Welt regieren und dem Gott der kommenden Welt: 44 »der Begriff steht einer ewigen, einer dämonischen Macht, eines Satans [gegenüber], der der Fürst, der Herrscher dieser Welt ist, eine Bezeichnung, die mehrfach etwa im Johannesevangelium steht: Fürst dieser Welt« 45 . Zur Diskussion des Konzepts der Erlösung übergehend führt Buber aus: »Unser Glauben an die Erlösung ist nicht der Glauben an die Erlösung von der Sünde.« 46 Anders als das Christentum betrachte das Judentum die Sünde als eine Konsequenz des freien Willens und nicht als existentielles Dilemma, das der Menschheit aufgezwungen sei. Der Kampf gegen die Sünde sei daher das Resultat eines inneren Kampfes zwischen zwei Trieben oder Neigungen (hebr. Jetzer) zum Guten und zum Bösen: »Das Gute ist die Richtung auf Gott, und das Böse ist die Richtungslosigkeit derselben Kraft, die in der Richtung auf Gott das Gute heisst.« 47 Und folgerichtig: »Es gibt also in der Wirklichkeit des Menschen, so ist unser Glaube, keine Erbsünde, […] – ja, wir sündigen immerzu, aber immerhin sind wir nicht in einer Absolutheit des Sündenstandes.« 48 Buber verfolgt die Entwicklung der Lehre von diesen beiden Trieben, den Jetzarim, im Judentum zurück bis auf den biblischen Bericht von der Sünde Adams. Während der paulinischen Interpretation des Schöpfungsberichts zufolge die Sünde Adams das Ereignis darstelle, in dem der Trieb des Bösen die Menschheit übermannt habe, 49 erklärt Buber, das biblische Judentum habe diesen Trieb um sein dialektisches Gegenstück ergänzt: so in der Erzählung von der Flut (Gen 6,8), 50 in der Geschichte von Eva und der Schlange und ihrem talmudischen Ver-

43. »2. Korintherbrief 5. Kapitel: Denn Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit ihm selber.« Buber, Vorlesungen (Fassung I), S. 136. 44. Buber, Vorlesungen (Fassung I), S. 144-146. 45. Buber, Vorlesungen (Fassung I), S. 145; (Fassung II), S. 287. 46. Buber, Vorlesungen (Fassung I), S. 139; vgl.: »Das jüdische Problem der Erlösung ist nicht das der Erlösung der Seele, sondern der Erlösung der Welt. Und nicht der Erlösung von der Sünde, sondern von dem Widerspruch, der der Welt innewohnt.« Buber, Vorlesungen (Fassung II), S. 300. 47. Buber, Vorlesungen (Fassung I), S. 152; (Fassung II), S. 289. 48. Buber, Vorlesungen (Fassung I), S. 154; (Fassung II), S. 290. 49. Buber, Vorlesungen (Fassung I), S. 145 f.; (Fassung II), S. 287. 50. Buber, Vorlesungen (Fassung I), S. 140 u. S 156.

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ständnis, 51 in den Psalmen, 52 im dritten Kapitel des Buches Prediger 53 sowie in einer Vielzahl talmudischer, midraschischer und apokrypher Quellen. 54 Buber zieht daraus den Schluss, das Judentum lege die Möglichkeit der Erlösung in die Hände des sündigenden Individuums: »Erlösung ist etwas ewig Geschehendes. Wo immer ein Mensch sich mit all seinem Herzen und all seiner Seele auf den Weg Gottes umkehrend zu ihm wendet, wo immer Gott seine vollendende erlösende Tat an dem Menschen tut.« 55 Doch spiele die Gefahr der zerstörerischen Kräfte der Gnosis auch weiterhin eine große Rolle: »das ist eben jene iranische, nicht griechische, sondern iranische Grundlehre, nicht die griechische philosophische Lehre von einer Zweiheit von Geist und Stoff, davon ist nicht die Rede, sondern die iranische Lehre von zwei Mächten, die einander gegenüberstehen, Licht und Finsternis, und zwischen denen, über den ganzen Weltraum ausgespannt sich das grosse Schauspiel ihres Kampfes bis hin in den letzten Sieg des Lichtes über die Finsternis vollzieht, sodass sie beide Geschöpfe in diesem Raum erschaffen.« 56 c) Messianismus Aus zwei Gründen ist der Titel des letzten Teiles des Vorlesungszyklus irreführend. Zum einen widmet Buber einen Großteil seiner Ausführungen dem Messianismus in der Hebräischen Bibel und konzentriert sich hierbei vor allem auf deren Theopolitik, auf das Verhältnis von Gott und Mensch und dessen politische Geschichte. Zum anderen findet die christliche Auffassung des Messianismus nur wenig Beachtung: In dem Abschnitt, der in beiden Fassungen der Erörterung des christlichen Messianismus gewidmet ist, beschränkt Buber sich auf die gnostischen und vor allem manichäischen Einflüsse auf die wichtigsten christlichen Konzepte. Eine weitere bemerkenswerte Besonderheit dieser dritten Vorlesungsreihe ist ihre Verbindung zu Bubers Monographien zur biblischen Exegese: Königtum Gottes (1932), Der Glaube der Propheten (holländisch 1940, deutsch 1950) und die unvollendete Arbeit Der Gesalbte (1964). Es wird die Aufgabe zukünftiger Studien sein, die genauere Art

51. Buber, Vorlesungen (Fassung I), S. 158; (Fassung II), S. 291. 52. Buber, Vorlesungen (Fassung I), S. 149; (Fassung II), S. 288 (Psalm 103); (Fassung I), S. 150 f.; (Fassung II), S. 289 (Psalmen 86 und 119); (Fassung I) S. 156 f., (Fassung II), S. 291 (Psalm 51). Des Weiteren (Fassung I), S. 175 f. (Psalm 90). 53. Buber, Vorlesungen (Fassung I), S. 164 f. 54. Zur Diskussion vgl. Vorlesungen (Fassung I), S. 148-180; (Fassung II) S. 290-294 u. S. 296-301. 55. Buber, Vorlesungen (Fassung I), S. 189; (Fassung II), S. 300. 56. Buber, Vorlesungen (Fassung I), S. 168; (Fassung II), S. 294 f.

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dieser Verbindung zu bestimmen. Vergleicht man die Vorlesungen mit den späteren Monographien, lässt sich jedoch schon Folgendes bemerken: Die Themen, die Buber in seinen Vorlesungen entfaltet, wurden im Großen und Ganzen in seinen Publikationen nicht berücksichtigt, während die Motive, die unten im Überblick dargestellt werden, die gleichen geblieben sind. In seinen Monographien bemüht sich Buber um eine wissenschaftlich-exegetische Herangehensweise, die er im Vorlesungszyklus hingegen als dem Studium des Messianismus unangemessen zurückweist. 57 Anders als in den beiden vorangegangenen Vortragsreihen zu Glaube und Erlösung und in Übereinstimmung mit den genannten Monographien beschränkt Buber die Diskussion auf das biblische Judentum und übergeht die Ausführungen des rabbinischen Judentums zum Thema des Messianismus, von weiteren Ausführungen zum Gegenstand ganz zu schweigen. Buber eröffnet die Vorlesungsreihe zum Messianismus mit folgender Definition des Gegenstands: »wie steht es überhaupt, wie verhält sich jüdischer und christlicher Messianismus hinsichtlich ihres Wesens, ihres Gehaltes zu einander. […] Zwei Grundkategorien sind dem messianischen Glauben des Judentums und des Christentums gemeinsam. Das eine ist das, was man im Judentum nennt Malchuth Sch’majim, im Neuen Testament Basiliu tu teu nebenbeigesagt: die deutsche Übersetzung beider lautet: Königtum Gottes […] Der zweite Begriff, der beiden gemeinsam ist, ist der hebräische Begriff Maschiach, Christos, der Gesalbte.« 58 Diese beiden Begriffe werden von Buber anhand der detaillierten Lektüre von Abschnitten dreier biblischer Schriftkomplexe behandelt: die Bücher Josua und Richter, Samuel (Samuel I und II betrachtet Buber als ein Werk 59 ) und Jesaja (Kapitel 9, 11 und 53). Doch zunächst beginnt er mit einer methodologischen Bewertung der Verdienste der Bibelwissenschaften hinsichtlich der Untersuchung des Messianismus 60 und formuliert dabei seinen skeptischen Vorbehalt bezüglich des Vermögens der Wissenschaft, das Wesen des Messianismus zu erfassen: »Wenn man wirklich nicht auf ein [wissenschaftliches] Schema hin, sondern mit Treue und Aufmerksamkeit die klassischen messianischen Texte liest, dann findet man, dass sie gegründet sind auf einem sehr ernsten, sehr schweren Betrachten des Weltgeschehens, dass sie durchaus nur zu ver57. 58. 59. 60.

Buber, Vorlesungen (Fassung I), S. 198-215; (Fassung II), S. 303-305. Buber, Vorlesungen (Fassung I), S. 193 f.; (Fassung II), S. 302. Buber, Vorlesungen (Fassung I), S. 222. »Die nächste Frage für uns ist nun, wie versucht die Wissenschaft, die moderne Bibelwissenschaft und Religionsgeschichte, dies eigentümliche Gebilde des Messianismus zu erklären?« Buber, Vorlesungen (Fassung I), S. 198.

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stehen sind von da aus, dass der Mensch den Widerspruch, den Widerstreit der Schöpfung, und zwar in der Erscheinung, wie wir sie je und je erfahren […], dass dieser Mensch von diesem Widerspruch tief bewegt, erschüttert, aufgerührt ist, dass er von dieser Erschütterung bis auf den Grund seines Wesen aus spricht.« 61 Die Lektüre messianischer Texte der Hebräischen Bibel führte Buber zu der entscheidenden Schlussfolgerung, dass für das biblische Judentum der Messianismus mehr ein historischpolitisches denn ein religiöses Problem darstellt: »Der Messianismus ist ganz und gar geschichtlich entstanden, nicht religiös, nicht religionsgeschichtlich, sondern geschichtlich, also aus dem Verhältnis des Menschen, des Glaubensführers, des prophetischen Menschen, aus seinem Verhältnis zu dem, was jeweils geschah. Der biblische Messianismus ist nicht etwas, was man geistig, geistesgeschichtlich erklären kann, sondern etwas, was man nur geschichtlich, aus der Geschichte selbst, aus den Geschichtserfahrungen und -enttäuschungen, aus den geschichtlichen Erwartungen und der Vernichtung dieser Erwartungen verstehen kann.« 62 Die daran anschließende Diskussion orientiert sich an der biblischen Geschichte, beginnend mit der Voraussage des Mose, dass sein Nachfolger mehr als er selbst dem Bild eines herkömmlichen politischen Führers entsprechen werde, was durch die Aussage von Dtn 33,5 unterstrichen wird: »So ward in Jeschurun ein König, da sich scharten die Häupter des Volks, in eins Israels Stäbe [Bubers Übersetzung für Stämme].« 63 Buber bietet eine eher breit angelegte, allgemein gehaltene Übersicht über die historische Entwicklung der biblischen politeia, 64 die den Hintergrund bildet für das Auftreten Sauls im Zuge des Zerfalls des Stammessystems der Richterzeit. So heißt es bei ihm: »So zeigt das Buch Richter die tragische Geschichte des Versagens des Volkes, die Bücher Samuel und Könige die tragische Geschichte vom Versagen des Königshauses.« 65 Entsprechend erklärt Buber, das Buch Samuel zeichne den Augenblick des Übergangs der biblischen Monarchie von einem Instrument zur Organisation der aktuellen Politik hin zu einer in der Zukunft liegenden Verkörperung der endgültigen Erlösung. Er tut dies, indem er die poetischen Gebete zu Beginn (der Lobgesang der Hanna, 61. Buber, Vorlesungen (Fassung I), S. 201. 62. Buber, Vorlesungen (Fassung I), S. 202. Vgl. auch: »Messianische Erwartung ist im Ursprung geschichtliche Erwartung: ist das, was jetzt, im nächsten Augenblick, heraufkommen kann.« Vorlesungen (Fassung II), S. 305. 63. Buber, Vorlesungen (Fassung II), S. 305; vgl. (Fassung I), S. 209. 64. Diese Bezeichnung, die eine direkte Parallele zu Platons Werk zieht, bezieht Buber auf die Königsherrschaft, wie sie im Buch Samuel festgehalten ist. Vgl. Vorlesungen (Fassung I), S. 202; (Fassung II), S. 311. 65. Buber, Vorlesungen (Fassung I), S. 225.

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I Sam 2) 66 und Davids Gebet am Schluss des Buches Samuel (II Sam 2223) 67 – das er als bedeutenderes der beiden hervorhebt – nebeneinanderstellt. Das zentrale Drama, in dem sich die genannte Umgestaltung vollzieht, spitzt Buber in seiner Interpretation von II Sam 23,7 zu, wo der künftige militärische Anführer als derjenige charakterisiert wird, der die irdische Welt vor der Katastrophe rettet: »Der Mann, der an sie rühren soll, wird bevollmächtigt mit Lanze, Eisen und Holz. […] Diese Lanze, Eisen und Holz – diese Lanze ist ein Abzeichen, dass man ihn sehen wird für diese seine siegreiche Macht gegen das Böse, das Widerstrebende, und im Feuer verbrannt wird sie, ausgebrannt, all dies wird ausgebrannt beim Neuansiedeln, beim Neubesiedeln der Welt, bei der Gründung der neuen, der erneuten Menschenwelt.« 68 Mit dem Eintreten der Prophezeiung beginne das dritte und letzte Stadium der biblischen Geschichte des Messianismus. Die Figur des Messias sei vollendet, und die Vorstellung der Erwartung, die mit seinem Erscheinen verknüpft werde, trete für den politischen Diskurs jener Zeit in den Vordergrund: »Für die Propheten war der Messias so real wie irgendein König und sie erwarteten ihn geschichtlich so nahe wie den Nachfolger des Königs.« 69 Nach Bubers Ansicht wird dieser Prozess in den Kapiteln 9, 11 70 und 53 71 des Jesajabuches dargestellt. Von diesen drei Kapiteln formuliere Jes 53 mit der Gestalt des leidenden Knechtes nicht nur am deutlichsten das Auftreten eines individuellen Erlösers, sondern bilde auch den gemeinsamen Grundstein des jüdischen und des christlichen Messianismus, wobei sich Letzterer allmählich von Ersterem entfernt und ein unabhängiges und gegensätzliches Konzept des Messias entwickelt habe, der in Jesus Christus inkarniert sei. 72 Auch hier ist die Betonung des Beitrags des gnostischen Dualismus zur Ausformung der christlichen Lehre besonders bemerkenswert, weil er als abschließendes Gegengewicht zum zuvor innerhalb des Vorlesungszyklus Dargelegten dient: »Aus dem Kampf der beiden Reiche resultiere die Weltgeschichte. Der Mensch als seelisches und körperhaftes Wesen ist mit allen Kreaturen in diesem ungeheuren Kampf ein Werkzeug dieser Mächte – ein Werkzeug, das schon durch seine Zweiteilung in ein lichtes und ein finsteres Element, ein seelisches und ein körperhaftes Element, die Teilung 66. 67. 68. 69. 70. 71. 72.

Buber, Vorlesungen (Fassung I), S. 223-225; (Fassung II), S. 311 f. Buber, Vorlesungen (Fassung I), S. 225-229; (Fassung II), S. 312 f. Buber, Vorlesungen (Fassung I), S. 229. Buber, Vorlesungen (Fassung II), S. 315. Vgl. auch Vorlesungen (Fassung I), S. 231. Buber, Vorlesungen (Fassung I), S. 230-234; (Fassung II), S. 314 f. Buber, Vorlesungen (Fassung I), S. 236 f.; (Fassung II), S. 317. Buber, Vorlesungen (Fassung I), S. 238-248; (Fassung II), S. 318-326.

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des Seins, des Herüber- und Hinübergezogenwerdens deutlich macht. Nie hat es im klassischen Judentum eine solche Konzeption des Menschen gegeben. Jene zwei Reiche kämpfen nun miteinander, und nach einer bestimmten Zeit erfolgt der endgültige Sieg des Lichtes. Das Reich des Bösen wird vernichtet, die Welt wird verwandelt und in das Gottesreich hineinverklärt. D. h. das Gottesreich ist eigentlich da und es siegt nur. Das Jenseits siegt über das Diesseits«. 73

Frankfurt am Main: Zwischen Gespräch und Verfolgung

Bereits im Jahr 1922 ist im Programm des Freien Jüdischen Lehrhauses eine Vorlesungsreihe Bubers zum Thema »Judentum und Christentum« angekündigt, die allerdings bislang, sowohl was Notizen Bubers als auch Mitschriften von Hörern betrifft, verschollen ist. Doch ist es wahrscheinlich, dass Buber 1934 für seine zweite Vorlesung auf Überlegungen der ersten zurückgegriffen hat. Zu der Zeit, als Buber an seinem ersten Vorlesungszyklus arbeitete, war bereits ein reiches Vermächtnis an modernen jüdischen Interpretationen der christlichen Theologie vorhanden. Von der Mitte des 19. Jahrhunderts an, erarbeiteten Denker wie Abraham Geiger (1810-1874), Leo Baeck (1873-1956) und Franz Rosenzweig Gegenentwürfe zu den herrschenden Theologien vor allem protestantischer Theologen, die sich an Adolf von Harnack (1851-1930) orientierten. Dieser Austausch, der zwischen Dialog und Streit, Apologetik und Polemik oszillierte, beruhte auf einer Vermischung wissenschaftlicher Argumentation mit starken ideologischen Vorurteilen. Obwohl Buber mit seinen Vorlesungen einen wichtigen Beitrag zu dieser Diskussion leistete, war er größtenteils selbst dafür verantwortlich, außerhalb des Gegenstandbereichs dieser Forschungen geblieben zu sein. Erst sehr spät trat Buber mit einer programmatischen Studie zur christlichen und jüdischen Theologie, dem Buch Zwei Glaubensweisen, 1950 an die Öffentlichkeit, während seine früheren Publikationen zum Christentum über die Jahre entweder kontextgebunden waren oder sich auf sehr allgemeine Begriffe beschränkten. 74 Von der Zuhörerschaft des Lehrhauses und den Angehörigen seines intellektuellen Milieus ab73. Buber, Vorlesungen (Fassung II), S. 322 f. Vgl. auch (Fassung I), S. 224 f. 74. Eine bemerkenswerte Ausnahme, abgesehen von den Vorlesungen, ist der Aufsatz »Pharisäertum« (erstmals publiziert in: Der Jude, Sonderheft. Antisemitismus und jüdisches Volkstum, Berlin: Jüdischer Verlag 1925, S. 125-131; jetzt in: MBW 9, S. 87-95).

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gesehen, war Buber vor 1950 nicht dafür bekannt, einen substantiellen Beitrag zum Textkorpus der jüdischen Auslegungen des Christentums geleistet zu haben. Daher wird Bubers Arbeit heute hauptsächlich mit dem jüdisch-christlichen Dialog assoziiert, der sich in der Folge des Holocaust entwickelte, während er, wie die Vorlesungen zeigen, die eigentlich maßgeblichen Ideen und Argumente bereits kurz nach Hitlers Machtübernahme vollständig ausgearbeitet und dabei sicherlich langjährige Überlegungen aufgenommen hatte. Um einen genauen und umfassenden Eindruck von dem entscheidenden Beitrag seiner Vorlesungszyklen zu dieser Diskussion zu gewinnen, ist es unerlässlich, die Vorlesungen vor dem historischen Hintergrund des jüdischen Diskurses über das Christentum zu betrachten. Zu Bubers Verhältnis zur christlichen Theologie hat Karl-Josef Kuschel die bisher ausführlichste Untersuchung erarbeitet, die auf komplexe Weise biographische Erfahrungen und theoretische Beobachtungen miteinander verknüpft. 75 Der vorliegende Band bietet eine gute Gelegenheit, eine ähnliche Untersuchung bezüglich der Beziehung Bubers zu jüdischen Überlegungen über die christlichen Theologie durchzuführen, insbesondere zu solchen, die im Lauf des 19. Jahrhunderts und in den ersten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts angestellt worden sind. Die Neubewertung von Bubers Denken über das Christentum im Licht der Vorlesungen und ihres historiographischen Kontextes unterstreicht, dass er bewusst den Standpunkt eines Außenseiters einnahm. Die unwissenschaftliche Methode, für die Buber sich entschied, als er als Intellektueller aktiv wurde und dabei zum akademischen Leben Abstand hielt, 76 gewann eine neue Dimension, als er die Frage der gemeinsamen Wurzeln von Judentum und Christentum behandelte. Jetzt ging es nicht mehr nur um Wissenschaftlichkeit, sondern in der wissenschaftlichen Untersuchung stand Bubers gesamte spirituelle Identität auf dem Spiel. Obwohl Buber gegenüber beiden Glaubensweisen eher den Standpunkt eines einfühlsamen Außenseiters einnahm, konnte er seine Interpretation christlicher Theologie doch nur aus einer jüdischen Perspektive vollziehen; dennoch ver75. Vgl. die Einleitung von Karl-Josef Kuschel zu MBW 9; sowie ders., Martin Buber – seine Herausforderung an das Christentum, Gütersloh 2015. Diese Schrift ergänzt Grete Schaeders maßgebliche Untersuchung in Hebräischer Humanismus, Göttingen 1966, S. 322-340. 76. »Like many other Central European intellectuals of his day, Buber chose – or perhaps was destined – to dwell in the interstellar region between disciplined learning and poetic explorations of the human spirit […].« Paul Mendes-Flohr, Martin Buber as a Habsburg Intellectual, in: Jüdische Geschichte als allgemeine Geschichte. Festschrift für Dan Diner zum 60. Geburtstag, hrsg. von Raphael Gross und Yfaat Weiss, Göttingen 2006, S. 18-22, hier S. 20. (Hervorhebung im Original.)

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mied er dabei die apologetisch-polemischen Beschränkungen, die die Mehrheit seiner jüdischen Kollegen und Vorgänger behinderten. Obwohl Buber als Anhänger einer jüdischen Lebensweise galt, die die halachische Praxis ausschloss, 77 verteidigte er in den Vorlesungen leidenschaftlich die Legitimität des jüdischen Gesetzes als Fels des Glaubens gegen die Anklage des Paulus, das Gesetz führe zu einem geistlosen Legalismus. Bubers Position als Außenseiter kommt vielleicht am stärksten in der überraschenden Tatsache zum Ausdruck, dass er es beinahe gänzlich vermeidet, irgendeinen modernen jüdischen Denker zu erwähnen, jedoch mehrmals Namen seiner christlichen Zeitgenossen anführt. Während wir über Bubers Gründe hierfür nur spekulieren können, stützt sich seine Arbeit gleichwohl auf zwei vorherrschende Motive der modernen jüdischen Interpretation der christlichen Theologie: die jüdischen Ursprünge Jesu Christi und die Zurückweisung von Paulus’ Kritik am Judentum. 78 Bubers Ansatz unterscheidet sich aber wesentlich von seinen jüdischen Vorgängern, was den Einfluss der sozialen und politischen Realität auf die jeweilige theologische Argumentation betrifft. Die allmähliche Emanzipation der Juden, die sich seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Europa vollzog und sich im Zuge der Französischen Revolution intensivierte, bedeutete, dass zum ersten Mal seit über einem Jahrtausend Juden die Möglichkeit erhielten, frei ihre Ansichten zum christlichen Glauben und zu dessen Verhältnis zum Judentum zu äußern. 79 Damit endete einerseits die Selbstzensur, zu der die 77. Vgl. zum Beispiel die Kritik Nathan Birnbaums (1864–1937) am Lehrhaus als Veranstaltungsort von Vorlesungen, die in der Zeitschrift des deutschen orthodoxen Judentums, Der Israelit, veröffentlicht wurde: »Der religiöse Reinheitsbegriff des überlieferten Judentums kann nicht dulden, daß von einem und demselben Katheder heute die radikale ‫[ כפירה‬Ketzerei] verkündet und morgen die Treue zu ‫תורה‬ ‫[ ומצות‬Torah und Geboten] gelehrt wird.« (Heft 13, 27. März 1924, S. 13). Glatzer liest dies als eine direkte Bezugnahme auf Bubers »ketzerische« Betrachtungsweise der Halacha. Vgl. Nahum N. Glatzer, The Frankfort Lehrhaus, Leo Baeck Institute Yearbook 1 (1956) S. 116. 78. Hugo Bergmann, »Introductory Words«, in: Ya’acov Fleischmann, The Problem of Christianity in Jewish Thought from Mendelssohn to Rosenzweig [Hebräisch], Jerusalem 1964, S. 14-16. Obwohl im 19. und während des ersten Jahrzehnts des 20. Jahrhunderts jüdische Gelehrte sich auf das Problem des jüdischen Jesus konzentrierten, »zeigten Leo Baeck, Joseph Eschelbacher und andere, dass eine grundsätzliche Differenz besteht zwischen der Verneinung der Halacha im paulinischen Christentum und Jesus Kritik am pharisäischen Judentum, zu dem er selbst gehörte.« Vgl. Uriel Tal, Christians and Jews in Germany. Religion, Politics and Ideology in the Second Reich 1870-1940, Ithaca (NY) u. London 2004, S. 218 [Übersetzung durch die Arbeitsstelle]. 79. Ya’acov Fleischmann, The Problem of Christianity in Jewish Thought from Mendelssohn to Rosenzweig (Hebräisch), Jerusalem 1964, S. 8.

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Juden zuvor gezwungen gewesen waren. Andererseits lösten sich aber auch die Bande, die ihre religiösen Überzeugungen bislang zusammengehalten hatten, und dies in einem Maße, dass das Judentum, um mit Ya’acov Fleischmann zu reden, am treffendsten als »Nicht-Christentum« 80 beschrieben werden konnte. In Deutschland fiel dieser Prozess mit dem Aufstieg des liberalen Protestantismus zusammen, der ein Zeitalter einer neuen politischen und theologischen Ordnung einläutete. Wie Uriel Tal in seiner bahnbrechenden Arbeit Christians and Jews in Germany: Religion, Politics and Ideology in the Second Reich, 1870-1914 zeigen konnte, wurde das deutsche Kaiserreich als die nächste historische Stufe in der Entwicklung des Christentums betrachtet: Nach Maßgabe von Ideologen wie etwa Richard Rothe (1799-1867) und Martin Rade (1857-1940) wurde der liberale Protestantismus konzipiert »als ein System von Glaube und Ansichten, das sich von der Religion zu einer wissenschaftlichen Gesinnung und schließlich zu einer säkularen Theologie entwickelte, die sich hervorragend dazu eignete, als Hauptstütze des neuen deutschen Nationalismus zu dienen« 81 . Der liberale Protestantismus wurde übersetzt in eine neue politische Ordnung in der »der Staat nicht aufhören würde, seine Funktion als Zentrum politischer und gerichtlicher Gewalt auszuüben, aber erfüllt würde von ethischen und religiösen Prinzipien, die von den Aposteln abgeleitet würden« 82 . Was die Teilhabe von Juden an dieser politischen Wirklichkeit anging, so verschob sich die Ansicht von der Ausgrenzung des Judentums als eines fremden während der Zeit vor der Emanzipation zu der als eines unbestimmten politischen Wesens. Von den Juden wurde erwartet, ihre Loyalität gegenüber der christlichen Vorherrschaft im deutschen Staat zu bekunden, indem sie sich vollständig dessen sozio-politischer Struktur assimilierten und allen Widerstand gegenüber den theologischen Voraussetzungen, auf denen er begründet war, aufgaben. 83 Die Juden ihrerseits waren willig, an dieser neuen so80. Ebd., S. 9-10. 81. Uriel Tal, Christians and Jews in Germany, S. 163 [Übersetzung durch die Arbeitsstelle]. Diese Beschreibung basiert auf Rades Rede in 4. Symposium der Freunde der Christlichen Welt, Berlin 1904, S. 14-18. 82. Tal, Christians and Jews in Germany. Diese Beschreibung basiert auf Rothes Theologische Ethik Band III, Wittenberg 1848, S. 1010, Paragraph 477. 83. Zur politischen Theorie und zu den Mechanismen des liberalen Protestantismus, auf denen sich diese Ansicht gründet, vgl. Tal, Christians and Jews in Germany, S. 167-176; zu den jüdischen Reaktionen darauf vgl. ebd., S. 176-191. Zur detaillierten Beschreibung der jüdischen Rezeption von Jesus im Licht der Aufklärung und ihrer Nachwirkungen vgl. Matthew Hoffmann, From Rebel to Rabbi: Reclaiming Jesus and the Making of Modern Jewish Culture, Stanford 2007, S. 13-51.

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zialen Ordnung teilzuhaben, was jedoch nicht notwendig oder nur teilweise bedeutete, die christliche Erwartung der religiösen Assimilation zu erfüllen. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts hatten die jüdische Rezeption des Christentums und die jüdische Selbstwahrnehmung gegenüber dem Christentum Möglichkeiten entwickelt, die diese neue Zuspitzung vorbereiteten. Die bedeutendste dieser Neuerungen bestand in der Anerkennung der jüdischen Abstammung Jesu, ein Denkansatz, den Abraham Geiger (1810-1874) dahin gehend radikalisierte, Jesus als ein vollwertiges Mitglied der Sekte der Pharisäer anzusehen. In seiner Monographie über die jüdische Geschichte betont Geiger: Jesus »war ein Jude, ein pharisäischer Jude mit galiläischer Färbung, ein Mann, der die Hoffnung der Zeit teilte und diese Hoffnungen in sich erfüllt glaubte« 84 . Zur Verteidigung seiner Behauptung entfaltete Geiger eine eher schwache historische These über die Verschmelzung genuin jüdischer Lehren mit fremden Ideen im Neuen Testament: »Sind die Äußerungen, die in den rein sittlichen Verhältnissen der Menschen gegen einander wurzeln, wirklich treu berichtet, so finden wir in ihnen entweder nichts Neues, oder das Neue tritt in einer gewissen krankhaften Form auf, wie sie in einer krankhaften Zeit sich gestaltet.« 85 Geiger beharrte darauf, dass spätere redaktionelle Eingriffe in die Schriften des Neuen Testaments, vollzogen von »einer krankhaften Zeit«, die Ursache für die Abweichung der Lehren Jesu vom pharisäischen Judentum seien, wie sie sich in den Evangelien finden. Wenn es auch schwierig war, diese Position historisch und philologisch zu verteidigen, so wurde sie doch zu einem Stützpfeiler eines Reformprogramms in der Bibelforschung, in der religiösen Praxis sowie in den gesellschaftlichen Beziehungen. In ihrer Studie zur Rezeption Jesu durch Geiger merkt Susannah Heschel an, Geiger habe versucht, der gefährlichen Verbindung zwischen der christlichen Theologie und der nationalen Ideologie zu begegnen, die sich aus dem energischen Widerstand gegenüber der Integration von Juden in die deutsche Gesellschaft ergab. Geiger habe gewusst, dass es für eine gesellschaftliche Assimilation ohne Glaubenswechsel unumgänglich wäre, ein Verständnis des Christentums zu entwerfen, das sich auf dem schmalen Grat zwischen Respekt gegenüber dem vorherrschenden Glauben und dem Vorbehalt gegenüber dessen missionarischem Potential bewegte. 86 Aber Geiger ging noch einen 84. Abraham Geiger, Das Judentum und seine Geschichte, unveränderter Abdr. d. 1. Ausg., Breslau 1910, S. 118. 85. Ebd., S. 120. 86. Susannah Heschel, Abraham Geiger and the Jewish Jesus, Chicago und London 1998, S. 2-3.

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entscheidenden Schritt weiter, als er versuchte, »die Verbindung zwischen dem Christentum und Jesus zu durchtrennen, indem er seine historische Analyse benutzte, die Christen zum Zugeständnis zu zwingen, dass ihre Religion eine Religion über Jesus, aber nicht der Glaube von Jesus war« 87 . Auf diese Ansätze reagierte man in der protestantischen Theologie auf eine Weise, die Heschel als »Flucht vor dem historischen Jesus« 88 bezeichnete, nämlich indem man darauf insistierte, in Jesus eine Gestalt zu sehen, welche dank eines zeit- und grenzenlosen »Gott-Bewußtseins«, das die Grundlage des christlichen Glaubens bilde, die Zeit und die Umstände ihres Lebens transzendiere. 89 An der Wende zum 20. Jahrhundert beschäftigte sich Leo Baeck mit einer robusten historischen Vorstellung von einem nicht-jüdischen Jesus. Auf Adolf von Harnacks Das Wesen des Christhentums 90 folgte mit Baecks Das Wesen des Judentums (1905) eine Entgegnung, an der sich ein vieldiskutierter Disput entfachte. 91 In seiner Arbeit, die weite Verbreitung gefunden hatte, wagte Harnack es, die These zu verteidigen, »die christliche Religion [sei] etwas Hohes, Einfaches und auf einen Punkt Bezogenes: Ewiges Leben mitten in der Zeit, in der Kraft und vor den Augen Gottes. Sie ist kein ethisches oder soziales Arcanum, um alles mögliche zu konservieren oder zu bessern.« 92 Harnack verankert diese These – im Gegensatz zu den auf Ewigkeit ausgerichteten Interpretationen des 19. Jahrhunderts – in der Konkretheit des Lebens und der Lehren Jesu: »Was ist christliche Religion? […] Die Antwort erscheint einfach und zugleich erschöpfend: Jesus Christus und sein Evangelium.« 93 Die abstrakte Theologie seines Vorläufers David Friedrich Strauß (1808-1874) ablehnend, der die Evangelien als »Mythisches« be87. 88. 89. 90.

Ebd., S. 161. Hervorhebung im Original. Ebd., S. 127-161. Ebd., S. 161. Adolf von Harnack, Das Wesen des Christenthums. Sechzehn Vorlesungen vor Studierenden aller Fakultäten im Wintersemester 1899/1900 an der Universität Berlin gehalten, Leipzig 1902 (erste Auflage 1900). 91. Uriel Tal, The Controversy about ›The Essence of Judaism‹ according to Jewish and Christian Sources of the Early 20th Century, in: Perspectives of German-Jewish History in the 19th and 20th Century, Jerusalem 1971, S. 62-67; Paul Mendes-Flohr, New Trends in Jewish Thought, in: Michael A. Meyer (Hrsg.), German-Jewish History in Modern Times. Vol. 3: Integration in Dispute, 1871-1918, New York 1998, S. 338-347; Christian Wiese, Wissenschaft des Judentums und Protestantische Theologie im wilhelminischen Deutschland. Ein Schrei ins Leere?, New York und Tübingen 1999, S. 131-146; Wolfram Kinzig, Harnack, Marcion und das Judentum. Nebst einer kommentierten Edition des Briefwechsels Adolph von Harnacks mit Houston Stewart Chamberlain, Leipzig 2005, S. 155-206. 92. Harnack, Das Wesen des Christenthums, S. 5. 93. Ebd., S. 6. Hervorhebung im Original.

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zeichnete, 94 bestand Harnack zwar darauf, die ewige Verbundenheit des Christentums mit Gott aus den historischen Bedingungen des Stifters dieses Glaubens abzuleiten, beharrte dabei jedoch darauf, es von der jüdischen Umgebung, aus der es hervorgegangen war, abzulösen: »es ist sehr unwahrscheinlich, daß [Jesus] durch die Schulen der Rabbinen gegangen ist; nirgendwo spricht er wie einer, der sich technisch-theologische Bildung und die Kunst gelehrter Exegese angeeignet hat.« 95 Dies veranlasste Baeck, zu jenem Zeitpunkt ein junger und praktisch unbekannter Rabbiner, 96 eine moderne Auffassung vom Judentum zu formulieren, wobei er sich bemühte, Harnacks triumphaler, essentialistischer Auffassung vom Christentum mit einer Verteidigung des Judentums zu begegnen, die gleichfalls auf einem essentialistischen Anspruch beruhte. 97 Hier ist es wichtig festzustellen, dass ungeachtet der Streitlust der Apologie Baecks, seine Sicht des Christentums ebenso herablassend war wie die Geigers. In seinem Aufsatz setzte er seine kämpferischsten Kommentare dafür ein, Harnacks Methodologie als alles andere als wissenschaftlich zu verwerfen. 98 Der entscheidende historische Einwand, den Baeck gegen Harnack vorbringt, besteht darin, dass die beiden Gründerfiguren des Christentums, Jesus und Paulus, dem rabbinischen Judentum angehört hätten und dass damit das Judentum die »Mutterreligion« des Christentums sei. So kommt er zu der einigermaßen verblüffenden Aussage: »Sowohl die Lehrweise des Paulus als auch die Predigt Jesu war bei den Rabbinen heimisch und wurde von ihnen gepflegt; Jesus sowohl wie Paulus war ein Rabbi.« 99 Und als Schlussfolgerung erklärt er: 94. Ebd., S. 14-16, hier S. 16. 95. Ebd., S. 21. 96. Baeck, der später zu einer der maßgeblichen Persönlichkeiten des deutschen Judentums werden sollte, hatte erst kurz zuvor seinen Doktortitel erhalten und einen einzigen wissenschaftlichen Aufsatz veröffentlicht, als er sich entschied, seinen polemischen Essay gegen Harnack zu veröffentlichen (Harnack’s Vorlesungen über das Wesen des Christenthums, in: Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums 45 [1901], S. 97-120). Es ist wohl überflüssig zu erwähnen, dass Harnack sich nie die Mühe gemacht hat, Baeck einer Antwort zu würdigen. Vgl. Ernst Simon, Leo Baeck, the Last Representative of German Jewry, (Hebräisch) in: Leo Baeck: Das Wesen des Judentums, übers. von Leah Sagagi, Jerusalem 1968, S. xxiv. 97. Simon, Last Representative, S. xxvi. 98. »Von künstlerischer Wärme kann solches zeugen, geschichtliche Darstellung ist es jedenfalls nicht. Ein Prediger darf so argumentieren, wie H.[arnack] es thut, aber nicht ein Historiker.« Baeck, Harnack’s Vorlesungen, S. 101. 99. Baeck, Harnack’s Vorlesungen, S. 110. Noch ein halbes Jahrhundert später vertritt Baeck eine ähnliche Ansicht zur Verbindung des Paulus mit dem Judentum: »Paulus war ein Jude aus Tarsus, kein Syrer, Perser oder Ägypter aus Tarsus. Sein Glaube war jüdischer Messianismus, wie er durch das Buch Daniel bestimmt worden war und durch die Bücher, die von hier ihren Ursprung nahmen. Sein Ausgangspunkt war die Vision, die ihm zuteil geworden war, und die ihm die Überzeugung gab, daß

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»Man fabelt oft von dem Hasse des Judenthums gegen das Christenthum; einen solchen hat es nie gegeben; eine Mutter hasst nie ihr Kind, aber das Kind hat seine Mutter oft vergessen und verleugnet.« 100 Nur zehn Jahre nach der Erstausgabe von Das Wesen des Judentums, 101 des Werks, in welchem Baeck ausführlich und systematisch seine Position entwickelt hatte, brachte der 28-jährige Franz Rosenzweig einen frischen, um nicht zu sagen avantgardistischen Ansatz in die theologische Debatte zwischen Judentum und Christentum ein. Der Essay »Atheistische Theologie«, ursprünglich 1914 auf Bubers Einladung hin für einen zweiten Band der Aufsatzsammlung Vom Judentum 102 entstanden, ergänzte die Debatte um eine bis dahin unerhört kritische Position: Obgleich von einer unverkennbar jüdischen Perspektive ausgehend, erachtete er es für beide, die christliche wie die jüdische Position, als gleichermaßen entscheidend, sich darauf zu einigen, in dem seit dem späten 18. Jahrhundert vorherrschenden begrifflichen Rahmen befangen zu sein: dem der Aufklärung, der Romantik und der gegenwärtigen – also um 1900 – bestimmenden paradoxen Spannung zwischen historischer und philosophischer Theologie: »Vor dieser Entscheidung steht im gegenwärtigen Augenblick das wissenschaftliche Bewußtsein des Protestantismus, von hier werden die Kämpfe der nächsten Zukunft entspringen.« 103 Rosenzweigs eigene Lösung, die er in seinem Opus Magnum Der Stern der Erlösung 104 formuliert, gießt Judentum und Christentum in eine meta-historische Form. Er löst die Rivalität zwischen beiden

100. 101. 102.

103.

104.

Jesus der Christus sei. In ihm lebt die Tradition des jüdischen Volkes.« Leo Baeck, Der Glaube des Paulus, in: ders., Paulus, die Pharisäer und das Neue Testament, Frankfurt a. M. 1961, S. 20 f. Baeck, Harnack’s Vorlesungen, S. 119. Leo Baeck, Das Wesen des Judentums, zwischen 1905 und 1923 in mehreren Auflagen erschienen. Vgl. Tal, Christians and Jews in Germany, S. 205, Anm. 66. Vgl. Paul Franks und Michael Morgan, 1908-1914, in: Franz Rosenzweig’s Theological Writings. Der erste (und einzige) Band Vom Judentum: ein Sammelbuch. Herausgegeben vom Verein jüdischer Hochschüler BAR KOCHBA in Prag, Leipzig 1913, war ein enormer Kraftakt zeitgenössischer jüdischer Überlegungen zur Vergangenheit und Gegenwart des Judentums. Da der zweite Band nicht realisiert wurde, erschien »Atheistische Theologie« zuerst in Franz Rosenzweig, Kleinere Schriften, Berlin 1937, S. 31-42. Rosenzweig, Atheistische Theologie, in: Franz Rosenzweig. Der Mensch und Sein Werk III: Zweistromland: Kleinere Schriften zu Glauben und Denken, hrsg. von Reinhold und Annemarie Mayer, Dordrecht 1984, S. 687-697, hier S. 689. Rosenzweig zufolge steht die jüdische Theologie vor ähnlichen, aber nicht identischen Schwierigkeiten, da die Grundlage der christlichen Theologie in der Individualität Jesu Christi bestehe, während die Grundlage der jüdischen Theologie die gesamte Nation umfasse. Vgl. ebd., S. 690. Franz Rosenzweig, Der Stern der Erlösung, Frankfurt a. M. 1988. Zuerst veröffentlicht 1921.

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Glaubensweisen auf und bringt diese in eine verwandtschaftliche Beziehung zueinander, indem er das Judentum als »die Gemeinschaft des ewigen Lebens« und das Christentum als »die Gemeinschaft des ewigen Wegs« bestimmt, 105 was bedeutet, dass beide Glaubensgemeinschaften in ihrem religiösen Leben die gleiche Gestalt der Erlösung anstreben. Als Gottes auserwähltes Volk blieben die Juden eine ganz und gar geistliche Gemeinschaft des Glaubens, gänzlich eingenommen von der eigenen religiösen Praxis und der ethnischen Kontinuität, herausgehoben aus der Unbeständigkeit, die andere Nationen der Welt kennzeichnet. Das Christentum hingegen gründe im Diesseits als Religion der Nationen, die die Welt beherrsche, weshalb die Manifestationen seiner religiösen Praxis ebenso weltlich seien – in den bildenden Künsten, der Architektur und der Musik. Vor allem habe es sich in seiner Abhängigkeit vom Sohn, dem Mittler, der für das Judentum verzichtbar sei, 106 von Gott entfernt. Obwohl dieses System gegenüber Sprache und Herangehensweise von Bubers Vorlesungen inkongruent erscheinen mag, basieren diese doch auf Einsichten, die sich von Rosenzweigs sorgfältiger Interpretation jüdischer und christlicher Schriften herleiten, die er während der 1920er Jahre mit Buber teilte, unmittelbar nachdem die beiden ihre freundschaftlichen Beziehungen wieder aufgenommen und im Herbst 1921 vertieft hatten. 107 Während Rosenzweigs sardonische Kritik an Buber, die er in »Atheistische Theologie« formuliert hatte, zu einer Entfremdung der Männer geführt hatte, genoss er seit der Publikation von »Apologetisches Denken« 108 1923 Bubers ganze und unverbrüchliche Zuneigung und Aufmerksamkeit. Es dauerte nicht lange, und Buber schloss sich im Januar 1922 dem Lehrkörper des von Rosenzweig kurze Zeit zuvor gegründeten Lehrhauses an. 109 Diese neue Anstellung bot Buber erstmals die Gelegenheit, vollständige Vorlesungen zu halten, im Gegensatz zu den öffentlichen Vorträgen, die er bis dahin gehalten hatte. Anfänglich hatte Buber mit dieser Veränderung zu kämpfen, ein Umstand, der Rosenzweig und Ernst Simon nicht verborgen blieb. 110 So schreibt Rosenzweig, als er gegenüber 105. Ebd., S. 378. 106. Rosenzweig, Stern der Erlösung, S. 364-422. 107. Vgl. die Anmerkung des Herausgebers in Franz Rosenzweig. Der Mensch und Sein Werk. Briefe und Tagebücher. 2. Band 1918-1929, Dordrecht 1979, S. 725. Rosenzweig besuchte Buber im Dezember des Jahres 1921 zusammen mit seiner Frau Edith in Heppenheim. Vgl. Glatzer, The Frankfort Lehrhaus, S. 112. 108. Rosenzweig, Apologetisches Denken, in: Zweistromland, S. 677-686. Ursprünglich erschienen in Der Jude, Juli-August 1923, S. 457-464. 109. Glatzer, The Frankfort Lehrhaus, S. 112. 110. Rita van de Sandt, Martin Bubers bildnerische Tätigkeit zwischen den beiden Welt-

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Rudolf Hallo (1896-1933) den Wachstumsprozess hervorhob, den Buber am Lehrhaus durchlief, dieser sei in seiner »Probelektion« Ende 1921 »übrigens ungeschickt im Lehren [gewesen], weil er mir sehr umständlich bei einem Text die Wichtigkeit und Realität des Worts auseinanderzusetzen versuchte«. Doch schon im Rückblick auf das erste Jahr beurteilt Rosenzweig den Beitrag Bubers als überaus bedeutsam: »Er hat dem Lehrhaus das Ereignis seiner Neugeburt und Reifwerdung eingebracht, so daß es eine rechte Ehe geworden ist.« 111 Bubers Erwägungen, welcher Gegenstand für die Vorlesungen zu wählen sei, gingen einher mit einem wachsenden Interesse an der Geschichte und Theologie des Christentums und dessen Haltungen gegenüber dem Judentum, das die Lehrhaus-Gemeinschaft erfasste. In seiner Antwort auf einen Brief des christlichen Freundes Florens Christian Rang (1864-1924), den Buber ihm weitergeleitet hatte, schrieb Rosenzweig: »Heut treten wir in oder sind vielmehr schon in einer neuen Ära der Verfolgungen. Dagegen ist nichts zu machen, weder von uns noch von den wohlgesinnten Christen. Was aber zu machen ist, ist daß diese Ära der Verfolgungen auch eine der Religionsgespräche wird wie die mittelalterliche und daß die Stummheit der letzten Jahrhunderte aufhört.« 112 In den Jahren 1920 bis 1926 machten die Seminare zum Christentum ungefähr ein Drittel der insgesamt 90 Lehrveranstaltungen aus, die am Lehrhaus abgehalten wurden. 113 Rosenzweig, der zu dieser Zeit bereits bettlägrig war, befürwortete diese Seminare, die außer von Buber hauptsächlich von Eduard Strauss (1890-1971), Rudolf Hallo und Ernst Simon (1899-1988) gegeben wurden. Seine Unterscheidung zwischen »wohlgesinnten Christen« und jenen, die die Juden ausgrenzen, charakterisiert auf das genaueste die Zwickmühle, in der sich das Judentum während der 1920er Jahre in Deutschland befand: Es war gefangen zwischen dem Widerstand gegen die Ausgrenzung und dem Ausblick auf einen Dialog. Neben öffentlichen Diskussionen 114 und offenen Brie-

111. 112. 113. 114.

kriegen. Ein Beitrag zur Geschichte der Erwachsenenbildung, Stuttgart 1977, S. 7880. Vgl. auch Glatzer, The Frankfort Lehrhaus, S. 121; Annemarie und Reinhold Mayer, Martin Bubers Mitarbeit am Freien Jüdischen Lehrhaus in Frankfurt, in: Peter von der Osten-Sacken (Hrsg.), Leben als Begegnung. Ein Jahrhundert Martin Buber (1878-1978). Vorträge und Aufsätze, Berlin 1978, S. 108-115, hier S. 109. Rosenzweig, Brief an Rudolf Hallo von Anfang Dezember 1922, Briefe und Tagebücher II, S. 865-866. Rosenzweig, Brief an Buber vom 19. März 1924, B II, S. 189. Robert Raphael Geis und Hans-Joachim Kraus, »Eduard Strauss«, in: dies., Versuche des Verstehens. Dokumente jüdisch-christlicher Begegnung aus den Jahren 19181933, München 1966, S. 103-106, hier S. 103. Wie etwa jene, die mit dem protestantischen Minister Hermann Schafft (1883-1959) am Lehrhaus 1925 geführt wurde (Glatzer, The Frankfort Lehrhaus, S. 117-118)

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fen 115 war es die kurzlebige Quartalsschrift Die Kreatur, die auf Rangs Initiative hin nach dessen Tod gegründet wurde, in der Bubers dialogische Ausrichtung bezüglich des Christentums auf eindrückliche Weise zum Ausdruck kam. Im Leitartikel der ersten Ausgabe erläutern die drei Redakteure – Buber, Joseph Wittig (1879-1949) und Viktor von Weizsäcker (1886-1957) – die Natur des Gesprächs, in das sie einzutreten wünschten: »der grüßende Zuruf hinüber und herüber, das Sich-einander-Auftun in der Strenge und Klarheit des eigenen Beschlossenseins, die Unterredung über die gemeinsame Sorge um die Kreatur. Es gibt ein Zusammengehen ohne Zusammenkommen. Es gibt ein Zusammenwirken ohne Zusammenleben. Es gibt eine Einung der Gebete ohne Einung der Beter.« 116 Der Titel der Zeitschrift steht für die Verbindung zwischen den Konfessionen, die von den drei Herausgebern repräsentiert wurden – Judentum, Katholizismus und Protestantismus –, für das »Ja zur Verbundenheit der geschöpflichen Welt, der Welt als Kreatur« 117 . Dennoch richtete Buber in den Vorlesungen das Hauptaugenmerk seines Interesses weniger auf die Erschaffung der Welt (der er ein ganzes Seminar widmete, in dem er Interpretationen des ersten Verses der Bibel behandelte) 118 als vielmehr auf die Entstehung der beiden unterschiedlichen Glaubensweisen. Mehr noch, die bescheidenen Erwartungen, es könne sich aus der sozialen Interaktion zwischen den jü-

115.

116. 117. 118.

oder die auch als Text veröffentlichte »Aussprache zwischen Martin Buber und Emil Brunner« über »Das menschliche Handeln und seine Problematik«, die im Juni 1928 in Zürich stattfand (jetzt in: MBW 9, S. 103-127); und schließlich die bekannte 1933 veröffentliche Diskussion Karl Ludwig Schmidts (1891-1956) am Jüdischen Lehrhaus in Stuttgart zum Thema »Kirche, Staat, Volk, Judentum« (jetzt in: MBW 9, S. 145-168). Weitere Dialoge, die später veröffentlicht wurden, finden sich nun im selben Band der Werkausgabe. Zu Bubers Gesprächen mit christlichen Theologen vgl. die Einleitung in: MBW 9, S. 32-50, sowie Kuschel, Martin Buber – seine Herausforderung an das Christentum, S. 195-232. Zur Debatte mit Schmidt vgl. Peter von der Osten-Sacken, Text und Deutung des Zwiegesprächs zwischen Karl Ludwig Schmidt und Martin Buber im Jüdischen Lehrhaus in Stuttgart am 14. Januar 1933, in: Leben als Begegnung, S. 116-144. Wie etwa »Lebte Jesus?« (adressiert an Hans Ostwald; vgl. Kuschel, »Editorische Notiz«, in MBW 9, S. 335), jetzt in MBW 9, S. 75; »Brief von Dr. Martin Buber an den V.-V.-B.«, in: ebd., S. 101-102; »Brief an Ernst Michel«, in: ebd., S. 138-139; Buber, »Offener Brief an Gerhard Kittel«, in: ebd., S. 162-172; »Zu Gerhard Kittels ›Antwort‹«, in: ebd., S. 173-174; »Echo und Aussprache. Ein Briefwechsel mit Martin Buber« (Briefwechsel Bubers mit Karl Thieme), in: ebd., S. 192-201. Martin Buber, Joseph Wittig, Viktor von Weizsäcker, unbetitelte editorische Notiz, Die Kreatur 1 (1926), S. 1-2. Als »[Geleitwort zu Die Kreatur]«, jetzt in MBW 9, S. 96. Ebd., S. 96. Glatzer, The Frankfort Lehrhaus, S. 115.

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dischen und christlichen Parteien ein Dialog ergeben, wurden begleitet von ebenso bescheidenen Erwartungen einer intellektuellen und/oder spirituellen Übereinkunft. In seinem Gespräch mit Karl Ludwig Schmidt (1891-1956) unterschied Buber, wie Kuschel anmerkt, die Möglichkeit der Verständigung von der des Verstehens, die im Dialog zwischen beiden Glaubensweisen gegeben sei: »Verständigung auf der argumentativen Ebene ist nicht möglich, aber man kann die Andersheit des je Anderen zu verstehen suchen.« 119 Wiederholt greift Buber in seinen Vorlesungen, wenn er sich auf die Lehren des Judentums bezieht, auf die erste Person Plural zurück; dies deutet auf die Erwartung hin, dass seine Ideen allein von den Juden unter seiner Zuhörerschaft auf der Ebene der Verständigung aufgenommen werden würden. Buber traf seine Unterscheidung zwischen »Verständigung« und »Verstehen« zu einer Zeit, als er mit verschiedenen bekannten christlichen Theologen über das Verhältnis zwischen den zwei Glaubensweisen einen öffentlichen Dialog führte. Als sich Deutschland mit enormer Geschwindigkeit von einer offenen Gesellschaft in eine von heimtückischer Verfolgung und arischem Rassenwahn bestimmte verwandelte, sahen sich die Theologen beider Glaubensweisen gezwungen, ihre persönlichen und systematischen Sichtweisen im Licht dieser neuen Realität einer Neubewertung zu unterziehen. Beinah über Nacht traten die mittelalterlichen Figuren von Ecclesia und Synagoga wieder ans Licht, die sich für Jahrhunderte als bloße Zierde in die steinernen Fassaden der Kirchen zurückgezogen hatten, und erweckten moderne Vorstellungen christlichen Triumphes und jüdischer Demütigung. Die Vorahnung, die in Bubers Warnungen vor der Vorherrschaft einer Marcionitischen Interpretation des Christentums erkennbar gewesen war, erwies sich als eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Das Gespräch mit Karl Ludwig Schmidt bekräftigte mit seinem Originaltitel »Kirche, Staat, Volk, Synagoge« (anstelle von »Judentum«), 120 unter dem es veröffentlicht wurde – und das, obwohl es im Januar 1933 im Stuttgarter Jüdischen Lehrhaus stattgefunden hatte –, die Unterscheidung zwischen dem alten Bund (Judentum) und dem neuen Bund (Christentum) mit Gott. Dies veranlasste Buber, das Paradigma der Unterscheidung von Kirche und Synagoge insgesamt zurückzuweisen: Dies [den Originaltitel] lehnte ich ab, deshalb zunächst, weil ich mich nicht berufen fühle, für eine »Synagoge« zu sprechen, und auch, weil ich Synagoge für eine

119. Kuschel, Martin Buber – seine Herausforderung an das Christentum, S. 206. 120. Vgl. den Kommentar von Kuschel in: MBW 9, S. 369.

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uneigentliche Bezeichnung halte, nicht für eine, mit der der Jude so angesprochen wird, daß er antworten kann. 121

Wenn das Judentum – oder Israel, von dem Buber bevorzugt spricht – die Bezeichnung »Synagoge« akzeptiere, übernehme es das uneigentliche Verständnis des jüdisch-christlichen Verhältnisses, demzufolge gelte: »Die Kirche sieht Israel als ein von Gott v e r w o r f e n e s Wesen. Dieses Verworfensein ergibt sich notwendig aus dem Anspruch der Kirche, das wahre Israel zu sein: die von Israel haben danach ihren Anspruch eingebüßt, weil sie Jesus nicht als den Messias erkannten.« 122 Israel, fährt Buber fort, kennzeichne die Existenz des Judentums als einer lebendigen Glaubensgemeinschaft, im Gegensatz zur Sicht des Judentums als der Synagoge, die ein obsolet gewordenes theologisches Konstrukt darstelle. Daher sei »Israel« jene Bezeichnung, die »inmitten mannigfacher Verzerrung, Entartung, Verwischung« in der heutigen Welt obsiege, so dass gelte: »Von da aus [d. h. als Israel] können wir Juden zu den Christen sprechen, von da aus allein haben wir die existenzielle Möglichkeit der Antwort. Und je wahrhafter wir als Israel angerufen werden, umso rechtmäßiger ist das Gespräch.« 123 Es ist bezeichnend, dass diese spezifische Sicht auf das Verhältnis zwischen Judentum und Christentum zwei weitere Male in Bubers Leben auftauchte: im Vorlesungszyklus von 1934, zu Beginn der Verfolgung durch die Nationalsozialisten, und 1948 während Israels Unabhängigkeitskrieg. Dass Buber die gleichen Ideen zu diesen unterschiedlichen Zeitpunkten wieder aufnahm und dabei zumeist die gleichen Worte gebrauchte, verweist auf seine tief verwurzelte Überzeugung von der zeitlosen Gültigkeit seines Verständnisses der zwei Glaubensweisen. Dieses Verständnis reflektiert sicherlich die Zeitumstände, unter denen es entwickelt wurde, doch zeigt sich in ihm vor allem ein überdauernder Kern, der in den heiligen Schriften beider Glaubensweisen – dem Alten und dem Neuen Testament – verkörpert ist. Im Gegensatz zur Gleichgültigkeit gegenüber dem bedenklichen Zustand ihres spirituellen Lebens, die im frühen 20. Jahrhundert die Mehrheit der deutschen Juden beherrschte, war die Arbeit von Persönlichkeiten wie Martin Buber, Franz Rosenzweig, Ernst Simon, Leo Baeck und anderen von einem Gefühl der Dringlichkeit angetrieben, das sich nach dem Ersten Weltkrieg noch verstärkte. Auf dem Höhepunkt der Weimarer Republik bestimmte Nahum Glatzer (1903-1990) das pädagogische 121. Buber, Kirche, Staat, Volk, Judentum, jetzt in: MBW 9, S. 155. 122. Ebd., S. 156. 123. Ebd., S. 155.

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Programm des Lehrhauses dahingehend, dass es beabsichtige, den »heutige[n] Juden« zum Ziel und Ausgangspunkt seiner Arbeit zu erheben, mit all seinen »Mängeln und Schwächen« sowie »seiner Unausgeglichenheit und der Paradoxie seines Daseins.« Und weiter heißt es: »Von einer wurzellosen Wissenschaft führt kein Weg zu ihm hin, von ihm her aber, von seinem heute noch so begrenzten Bezirk lebendiger jüdischer Besinnung führt der Weg – auch zur Wissenschaft […]. Aber der Weg führt noch weiter: zu einer Plattform jüdischen Daseins, die aus der Einheit von Gesetz, Kult und Haus bestanden hat, bis sie durch die Emanzipation in ihre Teile zerfallen ist; auf diese Einheit war Wissenschaft und Lehre gerichtet.« 124 Die Vision, auf der das Lehrhaus gründete, war jedoch nicht ausschließlich programmatischer Natur. Ernst Simon beschrieb das Lehrhaus als einen Treffpunkt von Gelehrten, Rabbinern, Pädagogen und Laien, denen das Gespür gemeinsam war, dass das deutsche Judentum sich wappnen müsse gegen sehr dunkle Zeiten, die bevorstünden. Als Beleg hierfür zitiert er Richard Koch (1882-1949), Rosenzweigs Arzt, der zum Lehrkörper des Lehrhauses gehörte: Möge unser fernerer Weg mit ihnen [den nicht-jüdischen Völkern] nicht wieder ein Weg des Leidens werden, wie er es auf so lange Strecken gewesen ist. Wenn unser geschichtliches Leid aber wieder kommt, dann wollen wir wissen, warum wir leiden […] Aber wir suchen nicht das Leid, sondern den Frieden. Daß wir Juden sind, daß wir Fehler und Tugenden haben, ist uns genug von uns selber und anderen gesagt worden. Wir haben es zu oft gehört. Das Lehrhaus soll uns lehren, warum und wozu wir es sind. 125

Jedoch wurde das Lehrhaus 1929, nachdem bereits seit 1926 das Lehrangebot immer mehr eingeschränkt werden musste, kurz nach dem Tod Rosenzweigs aufgelöst. Unter Bubers Leitung wurde schließlich 1933 das Lehrhaus wieder eröffnet, nicht zuletzt, um angesichts der Bedrohung durch die Nationalsozialisten den geistigen Widerstand des deutschen Judentums zu stärken. Das Bedürfnis, die Wurzeln des jüdischen Leidens zu verstehen, das Buber mit Koch und anderen Mitgliedern des Lehrhauses geteilt zu haben scheint, dürfte sicherlich seine Studien zu den ge124. Nahum Glatzer, Das freie Jüdische Lehrhaus in Frankfurt a. M., Jüdische Rundschau, 8. Januar 1929, S. 10. Zur Gründung und Arbeit des Lehrhauses vgl. auch Glatzer, The Frankfort Lehrhaus, S. 105-122; Ernst Simon, Aufbau im Untergang. Jüdische Erwachsenenbildung im nationalsozialistischen Deutschland als geistiger Wiederstand, Tübingen1959, S. 9-13. 125. Richard Koch, Das Freie Jüdische Lehrhaus in Frankfurt am Main, Der Jude 7. Jg. (1923), Heft 2, S. 116-120, hier S. 119; vgl. auch Simon, Aufbau im Untergang, S. 15.

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meinsamen Ursprüngen von Judentum und Christentum motiviert haben. Dennoch betonte er in der Eröffnungsvorlesung 1934, dass sich die Untersuchung auf die Wechselwirkung zwischen jüdischen und christlichen Glaubenskonzepten konzentrieren, 126 also – wohl auch, um den Dialog mit christlichen Gegnern des Naziregimes herzustellen – nicht ausschließlich die wechselseitigen Polemiken und Angriffe behandeln würde: Es ist im Grunde so, dass das Judentum in der Geschichte und das Christentum in der Geschichte neben und ausser dem offiziellen, […] neben und ausser der religiösen Disputation, die sie mit einander in der Geschichte führen, […] ein heimliches Gespräch mit einander führen, dessen Ursprung älter [ist] als das Christentum […]. 127

Weder die soziale und politische Realität noch das pädagogische Rahmenprogramm, innerhalb derer die Vorlesungen abgehalten wurden, wurden in Bubers Kursen 1934 behandelt. Eine Randbemerkung wie jene Referenz auf die »religiöse Disputation« verdrängte den Schmerz, der Gemeinschaft der weiblichen Figur mit den verbundenen Augen und dem zerbrochenen Stab anzugehören, die von keinem der Zuhörer des Lehrhauses geleugnet werden konnte. Gleichwohl bestand der Hauptimpuls von Bubers Vorhaben darin, darauf zu dringen, über das schmerzliche Gefühl hinauszugehen, um sich auf das »heimliche Gespräch« zwischen den zwei Glaubensweisen zu konzentrieren. Und tatsächlich widmete Buber die letzte Vorlesung des zweiten Teils des Zyklus von 1934, offenkundig unfähig sich zurückzuhalten, den Aussichten auf einen echten jüdisch-christlichen Dialog und beendete sie in einem optimistischen Ton. 128 Dies ist besonders auffällig, hatte er doch noch in seinen Essays der 1910er Jahre ausschließlich die Legitimität des Judentums angesichts der Bevormundung, der Überlegenheit und der Verdrängungstheologie des Christentums 129 zum Ausdruck gebracht. 126. 127. 128. 129.

Buber, Vorlesungen (Fassung I), S. 52. Buber, Vorlesungen (Fassung I), S. 53. Buber, Vorlesungen (Fassung I), S. 187-189. Vgl. den Schlusssatz einer knappen polemischen Erwiderung Bubers, demzufolge »es keinen Frieden und keinen Waffenstillstand gibt zwischen uns reinen, ganzen Juden und der weltbeherrschenden christlichen Kirche und daß wir ihrer Usurpation jüdischen Urbesitzes entgegen unseren ewigen Anspruch, die wahre E k k l e s i a , die Gemeinde Gottes zu sein, unerschütterlich aufrechterhalten.« Martin Buber, Eine Feststellung, in: Die Welt, 18. Jg., Heft 21, 22. Mai 1914, S. 505; jetzt in: MBW 9, S. 76. Vgl. auch Bubers deutliche Zurückweisung von Karl Schefflers Aufruf an die Juden, ihre Loyalität gegenüber der deutschen Nation durch die Konversion zum Christentum zu bezeugen. Martin Buber, Der Preis, in: Der Jude 2. Jg., Heft 8, November 1917, S. 505-510; jetzt in: MBW 9, S. 77-83.

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So war es ein reflektiertes und beabsichtigtes Vorgehen, den Gegenstand der Untersuchung im Zyklus von 1934 gleichsam wie in einem Labor zu isolieren. Als sich in den frühen 1930er Jahren die drohende Vernichtung über den Häuptern der deutschen Juden abzeichnete, nahm Bubers Entscheidung, die Wurzeln der jüdisch-christlichen Wechselbeziehung zu überdenken, eine ganz neue Brisanz an. Wie Martina Urban gezeigt hat, bediente sich Buber ausgiebig esoterischer Schreibtechniken, um so in einem Akt spirituellen Widerstands die Zensur der Nationalsozialisten zu umgehen. 130 Kurz nach der Etablierung des Dritten Reichs schrieb Buber an Lambert Schneider (1900-1970), den Leiter des Schocken Verlags, bei dem er bis 1939 exklusiv publizierte: »Wir müssen lernen, in den Katakomben zu leben. Für uns Schriftsteller kommt es darauf an, so klug zu schreiben, daß die derzeit Mächtigen nicht gleich unseren Widerstand sehen und uns beim Wickel nehmen können, so klug zu schreiben, daß uns viele Menschen gelesen haben, ehe man uns zur Verantwortung ziehen kann.« 131 Ernst Simon bezeichnete die Technik, Nachrichten des geistigen Widerstands zu verschlüsseln, als »neuen Midrasch«, da Interpretationen alter Texte ebenso wie neue Stücke angepasst würden, um verdeckte Anspielungen auf die grauenhafte Realität, mit der die Juden konfrontiert wurden, zu ermöglichen, ohne dabei die Aufmerksamkeit der Nazi-Zensoren zu wecken. Diese Technik wurde, wie Simon bemerkte, 132 sowohl in publizistischen Arbeiten als auch in mündlichen Äußerungen angewendet. Dennoch sollte, was die Anwendung der Techniken eines »neuen Midrasch« betrifft, zwischen den Vorlesungen von 1934 und anderen Schriften Bubers aus derselben Periode unterschieden werden. Während zwischen den verschlüsselten Botschaften der Stücke nach 1933 – wie 130. Martina Urban, Persecution and the Art of Representation: Schocken’s Maimonides Anthologies of the 1930s, in: Maimonides and his Heritage, hrsg. von Idit DobbsWeinstein, Lenn E. Goodman und James Allen Grady, Albany NY 2009, S. 153-155. Das offenkundigste Beispiel in den Vorlesungen ist die lange Anmerkung am Ende der VII. Vorlesung des zweiten Teiles, Erlösung, in der Bubers Darstellung des qualvollen Dilemmas des jüdischen Gläubigen, ob Gott existiere oder nicht, nur gelesen werden kann als ein Dokument seiner eigenen Erfahrung zu dieser Zeit. Buber Vorlesungen (Fassung II), S. 297 f. 131. Buber an Lambert Schneider, in: Lambert Schneider, Rechenschaft über vierzig Jahre Verlagsarbeit, 1925-1965: Ein Almanach, Heidelberg: Lambert Schneider 1965, S. 38. 132. Simon, Aufbau im Untergang, S. 76-99; hier auf S. 77. Vgl. als Beispiel Bubers Gebrauch der Uhr-Metapher in der Vorrede zu Die Stunde und die Erkenntnis, Berlin: Schocken Verlag 1936, S. 7, mit entsprechenden Passagen in den beiden Texten »Das Ende der deutsch-jüdischen Symbiose« und »Sie und wir«, die 1939 nach der Flucht nach Palästina veröffentlicht wurden (jetzt in: Der Jude und sein Judentum, S. 644-647 und S. 648-653).

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etwa Die Stunde und die Erkenntnis (1936) – und der zuversichtlichen Argumentation der Arbeiten von vor 1933 – wie etwa »Der Preis« – eine offenkundige Differenz besteht, folgen die Vorlesungen einer einheitlichen Methode, um die fundamentalen Unterschiede und Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten, die zwischen dem biblischen Judentum und dem zur Zeit des Zweiten Tempels auf der einen Seite und dem frühen Christentum auf der anderen Seite bestehen. Es scheint demnach, als wäre es Bubers Wunsch gewesen, die Lehrveranstaltungen der Untersuchung der naheliegenden exegetischen und begrifflichen Fragen zu widmen, ohne diese mit dem Zeitgeschehen zu verfinstern. Diese Beobachtung scheint umso zutreffender, wenn man folgende Einlassung aus Bubers Vorwort zu Zwei Glaubensweisen mitbedenkt: Ich habe dieses Buch in Jerusalem in den Tagen seiner sogenannten Belagerung, vielmehr des in ihm ausgebrochenen Chaos der Vernichtung geschrieben. Ich begann es ohne Vorsatz, rein auftragspflichtig, und eben so hat sich Abschnitt an Abschnitt gefügt. Die Arbeit daran hat mir geholfen, auch diesen Krieg, für mich den schwersten der drei [gemeint sind der Erste Weltkrieg, der Zweite Weltkrieg und schließlich der Unabhängigkeitskrieg], im Glauben zu überstehn. 133

Buber kontextualisiert die Studie damit nicht allein als Versuch, die tiefgreifende Angst, die Israels Unabhängigkeitskrieg ihm einflößte, zu überwinden, sondern er schildert zudem, dass die Niederschrift der Monographie in einem Zug erfolgte, indem »Abschnitt an Abschnitt gefügt« worden sei, ohne überhaupt die umfassenden Studien zu erwähnen, die er bereits viel früher durchgeführt hatte. Die obige Bemerkung, ebenso wie die beiden Schlusskapitel von Zwei Glaubensweisen (Kapitel 16 und 17), 134 dokumentieren überzeugend, dass das Buch im Gegensatz zu den ursprünglichen Studien, auf denen es basiert, von zeitbedingten Überlegungen ausging. Zugleich aber enthalten die Vorlesungen auch keinerlei Bemerkungen, die die bedrückende Tragödie jener Zeit verharmlosen würden. Das deutliche Bewusstsein dessen, was Koch den »Weg des Leidens« des Volkes Israel genannt hat, war das Band, das die beiden Enden der Dialektik zusammenhielt: Die verwirrende Realität, unter deren 133. Buber, Vorwort, in: Zwei Glaubensweisen S. 41, jetzt in: MBW 9, S. 208. 134. Kuschels Beobachtung, dass das Buch »damit auch und vor allem als ein Buch jüdischer Selbstbehauptung und Identitätsbewahrung zu lesen« sei »in einer Zeit, als die Gräben zwischen Juden und Nichtjuden einmal mehr weit und die Wunden tief sind«, trifft daher eher auf die Ergänzungen zu, die Buber in Zwei Glaubensweisen vornahm, als auf das Werk als Ganzes. Zur Diskussion des Zusammenhangs von Bubers Erfahrung des Unabhängigkeitskriegs des Staates Israel und der Niederschrift von Zwei Glaubensweisen vgl. Kuschel, Martin Buber – seine Herausforderung an das Christentum, S. 244-248 (hier S. 248).

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Bedingungen Buber seine Vorlesungen konzipierte, ging zwangsläufig in die Gestaltung ihrer Argumentation ein, während das Bestreben, der Wahrheit völlig und ohne sich mit Anklagen der Gegenwart zu vermischen, auf den Grund zu gehen, Buber dazu brachte, eine Lesart der Schriften beider Religionen in ihrem geschichtlichen Kontext zu präsentieren. 135 Interessanterweise erwies sich diese Entscheidung als eher kontrovers. Vielleicht sollten die Vorlesungen als Versuch betrachtet werden, das Leiden Israels in der Geschichte zu bewältigen, und zwar zugleich konkret und spirituell.

Prag: Zwischen Literatur und Philologie

Bubers Studien zu Judentum und Christentum sind in ihrer historischen Entwicklung durch Zwei Glaubensweisen allgemein bekannt. Da die Vorlesungen Bubers bislang unbekannt geblieben sind, sahen sich Kritiker dazu verleitet, die Monographie als seine einzige systematische Arbeit zu diesem Thema zu betrachten. 136 Die Gemeinsamkeiten zwischen den Argumenten in der publizierten Arbeit und jenen, die Buber 15 Jahre zuvor seinen Zuhörern präsentierte, lassen die Kritikpunkte, die gegen Zwei Glaubensweisen vorgebracht wurden, auch im Blick auf die Vorlesungen wichtig erscheinen. Zugleich erlauben es die Vorlesungen, die Perspektive auf Bubers Interpretation des Christentums zu erweitern und die Kritiken, denen sie ausgesetzt war, im Licht der in ihnen enthaltenen neuen Belege zu überdenken. Frühe Kritiker von Zwei Glaubensweisen nahmen Anstoß an Bubers Unterscheidung zwischen einem Christentum, das erst im Entstehen be135. Das schmerzliche Bewusstsein dieser Spannung brachte Buber im Gespräch mit Karl Ludwig Schmidt in seiner abschließenden Bemerkung zum Ausdruck. Die Zuhörer an einem privaten Erlebnis teilhaben lassend, berichtet er davon, dass er jedes Mal, wenn er die unweit seines Heimatortes gelegene Stadt Worms besuche, deren beeindruckenden Dom und den gegenüberliegenden jüdischen Friedhof aufsuche. »Ich habe da gestanden, war verbunden mit der Asche und quer durch sie mit den Urvätern. Das ist Erinnerung an das Geschehen mit Gott, die allen Juden gegeben ist. Davon kann mich die Vollkommenheit des christlichen Gottesraums nicht abbringen, nichts kann mich abbringen von der Gotteszeit Israels. […] Der Dom ist, wie er ist. Der Friedhof ist, wie er ist. Aber gekündigt ist uns nicht worden.« (Buber, Kirche, Staat, Volk, Judentum, in: MBW 9, S. 167.) 136. Eine Ausnahme ist R. J. Zvi Werblowskys Kommentar, der meint, in Ernst Simons Besprechung von Zwei Glaubensweisen in der Dezemberausgabe der Zeitschrift Aufbau einen Hinweis auf eine Vorlesung Bubers gefunden zu haben, in der dieser seine Ideen am Lehrhaus zusammengefasst habe, jedoch konnte er diese Information nicht belegen. Vgl. R. J. Zvi Werblowsky, Reflections on Martin Buber’s Two Types of Faith, Journal of Jewish Studies 34. 1 (1988), S. 96.

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griffen war und sich allein auf die Lehren Jesu gründete, wie sie in den synoptischen Evangelien festgehalten wurden, und einem späteren paulinischen Christentum, das hauptsächlich von den Briefen des Paulus und dem Johannesevangelium geprägt war. Emil Brunner (1889-1966) bezeichnete dies als einen »Großangriff auf das Christentum« 137 , während Hans Urs von Balthasar (1905-1988) beklagte, dieser Ansatz sei »eine rücksichtslose Reduktion« 138 . In einem wertschätzenden Kommentar, der neben dem Brunners und dem von Balthasars erschien, zeigte auch Max Brod (1884-1968) Vorbehalte gegenüber Bubers Neigung, sein Verständnis des Christentums auf weitgefasste Generalisierungen zu gründen, die er Brod zufolge in seinem späteren Werk verfeinert habe. 139 Die wohl schärfsten Kritiken stammten von zwei engen Freunden Bubers: Hugo Bergmann und Gershom Scholem (18971982). Bergmann zeigt sich in einem Brief an Buber ebenso enttäuscht von dem apologetischen Tenor der Zwei Glaubensweisen wie von Bubers Darstellung der Ablehnung der Halacha durch Paulus. Bergmann bekundete, es handele sich »eben doch um ein apologetisches Buch, mit allen Vorzügen und Nachteilen der Apologetik. Ich habe das Gefühl, ohne es natürlich belegen zu können, daß Sie dem Christentum und Paulus gegenüber ungerecht sind.« 140 Und er gibt weiter zu bedenken: »Mir scheint, daß Parkes Recht hat, wenn er sagt, Paulus habe nicht das Gesetz angegriffen, sondern das Gesetz als eine Alternative für die Erlösung.« 141 Gershom Scholem lehnte Zwei Glaubensweisen ab als »eine freilich überaus dubiose Diskussion des angeblich verschiedenen Sinnes von Glauben, Emunah, im Judentum und von Pistis im Neuen Testament« 142 . Die wissenschaftliche Qualität von Zwei Glaubensweisen wurde in den zurückliegenden Jahrzehnten vermehrt in Frage gestellt. In einem Aufsatz, in dem sich Hochachtung und Ironie miteinander vermischen, erwähnt R. J. Zvi Werblowsky (1924-2015) zweimal, Buber hätte sich die 137. Emil Brunner, Judentum und Christentum bei Martin Buber, in: Martin Buber, hrsg. von Paul Arthur Schilpp und Maurice Friedman, Stuttgart 1963, S. 306. 138. Hans Urs von Balthasar, Martin Buber und das Christentum, in: Martin Buber, S. 335. Hervorhebung im Original. Für eine eindrückliche Analyse und einen Überblick der frühen Kritiken zu Zwei Glaubensweisen vgl. Grete Schaeder, Hebräischer Humanismus, Göttingen 1966, S. 322-340. 139. Max Brod, Judentum und Christentum im Werk Martin Bubers, in: Martin Buber, S. 315-316. 140. Hugo Bergmann, Brief an Martin Buber vom 30. Mai 1949, in: B III, S. 197. 141. Ebd., S. 198. 142. Gershom Scholem, Martin Bubers Auffassung des Judentums, in: ders., Judaica 2, Frankfurt a. M. 1970, S. 183.

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Anerkennung seiner philologisch-historischen Qualitäten gewünscht und sieht Zwei Glaubensweisen als einen Versuch des Autors, eine »objektive und wissenschaftlich akzeptable Interpretation des Neuen Testaments« 143 zu unterbreiten. Zuletzt hat Shalom Ratzabi mit seinem bislang wohl umfassendsten Kommentar zu dem Werk die Wissenschaftlichkeit von Zwei Glaubensweisen scharf zurückgewiesen. 144 Er übernimmt Brunners Beobachtung, Bubers wahre Größe trete dort hervor, wo er mit seiner religiösen Intuition die Situation des zeitgenössischen Menschen erläutere, 145 und gibt zu bedenken, die wichtigste Neuerung in Zwei Glaubensweisen bestünde weniger darin, dass diese Schrift das jahrzehntelange Studium der Hebräischen Bibel und des Neuen Testaments zusammenfasse, als vielmehr darin, dass Buber hier seine eindrücklichen Vorstellungen von den gemeinsamen Wurzeln von Jesus, dem frühen Christentum und dem jüdischen Glauben ausbaue, die er bereits in seinen frühen Schriften zum Ausdruck gebracht habe. 146 Dies führt Ratzabi zu der Schlussfolgerung: »Im Übergang von der theologischen, historischen und biblischen Dimension zur Analyse der zeitgenössischen Realität sollten die theologisch-biblischen Kapitel von Zwei Glaubensweisen als Kapitel verstanden werden, die als konzeptioneller Grundriss für eine Analyse der zeitgenössischen Realität gedacht waren, die durch die immer gegenwärtige Bedrohung durch den Marcionismus gekennzeichnet ist.« 147 Was die Verdienste der wissenschaftlichen Untersuchung der Gestalt des Jesus und der paulinischen Christologie betrifft, so urteilt Ratzabi, Zwei Glaubensweisen hätten den Vorläufern weder etwas Neues hinzugefügt noch irgendeinen Beitrag zur neutestamentlichen Forschung seit dem 18. Jahrhundert geleistet. 148 Vor dem Hintergrund dieser Kritik – und als eine Art Entwurf zu Zwei Glaubensweisen ohne Kommentare zum jüdischen und christlichen Glauben in der Moderne – erweisen sich die Vorlesungen als ein Pastiche von Theorien, die im Deutschland der 1920er und frühen 1930er Jahre zirkulierten, und hier mit interessanten Ideen verknüpft wurden, die Buber bereits andernorts ausgeführt hatte. Sicherlich war Buber es 143. Werblowsky, Reflections on Martin Buber’s Two Types of Faith, S. 92-93 [Übersetzung durch die Arbeitsstelle]. 144. Shalom Ratzabi, »Two Ways of Faith«: Its Role and Place in Martin Buber’s Thought (Hebräisch), Chidushim. Studies in the History of German and Central European Jewry 17. 2 (2015), S. 1-96. Sonderausgabe anlässlich des 50. Todestages von Martin Buber. 145. Vgl. Brunner, Judentum und Christentum bei Martin Buber, S. 309. 146. Ratzabi, »Two Ways of Faith«, S. 21. 147. Ebd., S. 33 [Übersetzung durch die Arbeitsstelle]. 148. Ebd., S. 17.

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gewohnt, seine philologische Arbeit verteidigen zu müssen, seit er gemeinsam mit Franz Rosenzweig die Übersetzung der Hebräischen Bibel erarbeitete, 149 und verstärkt, seit er damit begonnen hatte, seine Bibelstudien zu veröffentlichen. 150 Seine, wie Werblowsky es nannte, unerfüllte Erwartung, im philologisch-historischen Bereich Anerkennung zu erlangen, veranlasste ihn gegenüber David Flusser (1917-2000), einem der bedeutendsten Gelehrten auf dem Gebiet des frühen Christentums und des Judentums zur Zeit des Zweiten Tempels in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, zu der ernst gemeinten Äußerung: »[…] ihr Philologen seid doch zuverlässiger als wir Philosophen.« Und nach einer kurzen Pause ergänzte Buber: »Und ich bin ein Stückele Schraber!« 151 [Schraber: Jiddish für »Schreiberling«.] Flussers Beurteilung von Zwei Glaubensweisen, der wahrscheinlich qualifizierteste Kommentar zu diesem Buch, geht mit den Hauptkritiken an dieser Arbeit konform; so teilt er etwa Scholems Einspruch gegen die linguistisch-begriffliche Unterscheidung zwischen Emunah als einem hebräischen und Pistis als einem griechischen Konzept. 152 Folgerichtig ist Flusser nicht bereit, den aus Bubers ontologischer Unterscheidung zwischen ›vertrauendem Glauben‹ und dem ›Glauben an‹ abgeleiteten Gegensatz zwischen Judentum und Christentum zu akzeptieren. 153 Gleichwohl besteht das Hauptanliegen von Flussers Nachwort darin, den Beitrag von Bubers literarischer Schöpferkraft zu dieser Untersuchung der historischen Wurzeln von Judentum und Christentum lobend hervorzuheben, wobei er argumentiert, dass es genau genommen Bubers schriftstellerische Begabung gewesen sei, die verhindert habe, dass er einen Beitrag zu akademischen Studien habe leisten können. 154 In der Tat wird der Literatur in Zwei Glaubensweisen ein besonderer Stellenwert eingeräumt. Im sechzehnten Kapitel stellt Buber ausführ149. Vgl. vor allem die gemeinsam mit Rosenzweig verfasste Erwiderung auf Siegfried Kracauers vernichtende Besprechung des ersten Bandes ihrer Bibelübersetzung, Das Buch Im Anfang: »Die Bibel auf Deutsch«, in: Frankfurter Zeitung, 18. Mai 1926, S. 1-2; jetzt in MBW 14, S. 119-127. 150. Vgl. Bubers Vorworte zur ersten, zweiten und dritten Auflage von Königtum Gottes, jetzt in: MBW 15. 151. David Flusser, Nachwort zu Martin Buber, Zwei Glaubensweisen, 2. Auflage, Heidelberg 1994, S. 187. 152. Ebd., S. 190 f. Dabei ist zu beachten, dass, obgleich diese Unterscheidung bereits in den Vorlesungen getroffen wurde, Buber nur in Zwei Glaubensweisen die Kollision zwischen dem jüdischen und dem christlichen Glaubensverständnis damit begründet, dass er Pistis als den hellenisch-christlichen Gegenentwurf der Emunah in Szene setzt. 153. Ebd., S. 230. 154. Ebd., S. 212.

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liche Überlegungen zu Franz Kafkas (1883-1924) Werk an, in dem das im gegenwärtigen Zeitalter vorherrschende paulinische Christentum sichtbar geworden sei. Buber liest Kafkas Romane Der Prozeß (1925) und Das Schloß (1926) neben Emil Brunners Der Mittler (1927) und betont den Scharfsinn von Kafkas »Beitrag zur Metaphysik der ›Tür‹ : die Parabel von dem Mann, der sein Leben vor einem bestimmten offenstehenden Tor verbringt, das zur Welt des Sinns führt, und vergeblich um Einlaß bettelt, bis knapp vor seinem Tod ihm mitgeteilt wird, daß es für ihn bestimmt war und nun geschlossen wird.« 155 Kafkas Werk beschreibe »in dieser Zeit der größten Verborgenheit Gottes den ins Judentum eingedrungenen Paulinismus ohne Christus, eines Paulinismus also gegen Paulus« 156 . In seinem Werk, so Buber, sei Kafka in der Lage gewesen, die außerordentliche Herausforderung zu meistern, sich mit dem Paulinismus seiner Zeit auseinanderzusetzen. »Denn der Jude, sofern er nicht vom Ursprung getrennt ist, auch noch der exponierteste Jude, also Kafka, ist geborgen.« 157 Bubers Wertschätzung der Verbundenheit Kafkas mit seinen jüdischen Wurzeln hat eine lange Geschichte. Kafka besuchte Buber schon Ende 1913 oder Anfang 1914 in Berlin. In einem Brief vom 29. November 1915 erinnert sich Kafka an diesen Besuch als »die reinste Erinnerung, die ich von Berlin habe« 158 . Im Jahr 1917 hat Buber in Der Jude, wohl auf Anregung Max Brods hin, die »Zwei Tiergeschichten« Kafkas veröffentlicht 159 und schließlich 1933 in Kampf um Israel die Auszüge aus zweien seiner Briefe unter dem Titel »Ein Wort über Franz Kafka« publiziert. Während Buber überzeugt war, dass Kafka die Gegenwart erhelle, 160 wandten sich einige der engsten Weggefährten des Schriftstellers mit dem Wunsch an Buber, er möge ihnen darlegen, wie diese Gegenwart mit der Vergangenheit ihrer Vorfahren verbunden werden könne. 1908 lud eine Vereinigung junger zionistischer Studenten, der Verein Bar Kochba, Buber zu einem Vortrag ein, der eine Frage klären sollte, die die Mitglieder dieser Gesellschaft verunsicherte. In dem Einladungsschreiben wird diese Frage folgendermaßen formuliert: »Wie setzt sich bei den

155. 156. 157. 158. 159.

Buber, Zwei Glaubensweisen S. 167; jetzt, in: MBW 9, S. 307. Buber, Zwei Glaubensweisen, S. 172; jetzt in: MBW 9, S. 308. Buber, Zwei Glaubensweisen, S. 173; jetzt in: MBW 9, S. 309. B I, S. 409. Franz Kafka, Schakale und Araber, in: Der Jude, 2. Jg. (1917/18) Heft 7, S. 488-490 und »Ein Bericht für eine Akademie«, in: Der Jude, 2. Jg. (1917/18) Heft 8, S. 559565. 160. Sowohl in Zwei Glaubensweisen als auch im Almanach bezieht sich Buber auf Kafka durchgängig als einen Dichter, nicht als einen Schriftsteller.

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Westjuden gerade der Rest des jüdischen Wesens in Eigenes um?« 161 In den Jahren 1909 und 1910 besuchte Buber Prag dreimal, um die Vorträge zu halten, die 1911 unter dem Titel Drei Reden über das Judentum publiziert wurden. 162 Die Reden wurden konzipiert, um einem brennenden und konkreten Bedürfnis des Milieus jüdischer Intellektueller zu begegnen: der »Sehnsucht nach Verwurzelung in der erdschweren Verflochtenheit des Bodens, der Geschlechterfolge, des ererbten Glaubens« 163 . In den Augen Hans Kohns, der dem Verein Bar Kochba angehörte und zu einem engen Freund Bubers wurde, riefen die Reden die Juden dazu auf, sich in diesen Prozess einzubringen und sich zu fragen, »wie der einzelne Jude seine ererbte Wesensbesonderheit in sich vorfindet und was sie ist« 164 . In seiner Darstellung reflektiert Kohn sowohl die machtvolle Überzeugungskraft der Reden Bubers als auch die Eleganz seiner historischen und begrifflichen Abstraktionen, auf denen er seine Analyse der spirituellen Realität gründete, mit der er die modernen Juden konfrontiert sah. Wie seine Gefährten war auch Kohn wenig oder gar nicht geneigt, Bubers Bezugnahmen auf das antike Judentum und das frühe Christentum in seinen Reden für mehr als erhellende Anekdoten zu halten. Diese Bezugnahmen aber zeigen bereits in nuce einige der zentralen Themen, die in den Vorlesungen abgehandelt wurden: das Streben des Judentums nach Einheit gegen den gnostischen Dualismus und über diesen hinaus; 165 den Zwiespalt zwischen dem Judentum als einer Religion des Handelns und dem Christentum als einer Religion des Glaubens; 166 den jüdischen Kern des frühen (vor allem vor-paulinischen) Christentums; 167 und schließlich den Konflikt zwischen der messianischen Idee im Judentum und der Personifikation des Messias in anderen Religionen. 168 Es ist schwer, genau zu ermessen, wie gründlich Bu161. Leo Herrmann, Aus Tagebuchblättern, in: Der Jude (März 1928), S. 158-164, hier S. 158. 162. Vgl. die Anmerkung oben S. 12. 163. Hans Kohn, Martin Buber. Sein Werk und seine Zeit. Ein Beitrag zur Geistesgeschichte Mitteleuropas 1880-1930 (1930), Köln 1961, S. 94. 164. Ebd., S. 92. 165. Buber, Das Judentum und die Menschheit, in: Drei Reden über das Judentum, S. 4244; jetzt in: MBW 3, S. 230 f. Buber bezieht sich hier auf diesen Dualismus als »persischen«; in den Vorlesungen setzt er den Marcionismus dem »altpersischen Dualismus« gleich (Vorlesungen [Fassung I], S. 83-86; [Fassung II], S. 263). 166. Buber, Die Erneuerung des Judentums, Drei Reden über das Judentum, S. 79-81 (jetzt in: MBW 3, S. 246 f.). 167. Ebd., S. 82-85 (jetzt in: MBW 3, S. 247-249). Dieser Abschnitt enthält eine Zusammenfassung von Bubers Auslegung der Bergpredigt (Mt 5). 168. Ebd., S. 94 (jetzt in: MBW 3, S. 252).

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ber diese Ideen zu der Zeit, als er die Prager Reden hielt, erforscht hatte, aber es ist bekannt, dass er sich bereits um 1914 hinreichend qualifiziert fühlte, mit der Übersetzung der Hebräischen Bibel zu beginnen, ein Plan, der wegen des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs zunächst nicht umgesetzt wurde. 169 Obwohl diese Vorstellungen möglicherweise ursprünglich bei seiner Beschäftigung mit den Problemen seiner Zeit entstanden sind, legt die Tatsache, dass Buber in seinen Vorlesungen die gleiche Terminologie aufgreift, die er bereits in den Reden verwendet hatte, nahe, dass er eine historisch-philologische Untersuchung als den angemessenen Rahmen dafür angesehen hat, sie gründlicher auszuarbeiten. Statt also, wie Ratzabi behauptet, lediglich theologische und historische Stützpfeiler für eine Analyse der Beziehungen zwischen dem modernen Judentum und dem Christentum bereitzustellen, scheint Buber davon überzeugt gewesen zu sein, dass die Herausforderungen der Gegenwart die Untersuchung der lange zurückliegenden Vergangenheit bestimmen sollten und dass die richtige Perspektive, um Überlegungen zum tieferen Wesen des Judentums und des Christentums anzustellen, die historisch-philologische sei. Zu Recht verweisen die Kritiker von Zwei Glaubensweisen auf die methodischen Unzulänglichkeiten der Studien Bubers, doch ziehen sie dabei nicht die Möglichkeit in Betracht, Buber könne in gewissem Maß die historischen Untersuchungen als Schriftsteller und Philosoph und nicht als Philologe durchgeführt haben – ungeachtet seiner Erwartung, von seinen akademischen Kollegen für seine Leistung Anerkennung zu erhalten. Mehr als sein geschliffener Schreibstil – von dem, wie oben erwähnt, Flusser meinte, er habe Bubers Aussicht auf Anerkennung geschmälert – ist es die literarische Sensibilität gegenüber dem Text, die Bubers Vorlesungen in ein erhellendes Licht taucht: der intellektuelle und emotionale Klang der Worte; die schwer zu fassende und doch wirkungsvolle Verbindung zwischen der Etymologie der Begriffe und der Bedeutung der Ideen, die sie bezeichnen; das tiefe Verständnis für die Bedeutung der Psychologie des religiösen Glaubens; und schließlich der Mut, einen Schritt weiter zu gehen als die Textzeugnisse es zulassen und die fehlenden Stücke zu rekonstruieren, um ein ganzheitliches Bild zu gewinnen, mag dieses auch strengen wissenschaftlichen Ansprüchen weniger genügen. Bubers Auftritte in dem Prager Zirkel erwiesen sich in intellektueller wie in geistiger Hinsicht als überaus bedeutsam. Hans Kohn und Robert Weltsch, Biographen und Buber-Forscher, Kafkas Vertraute Max Brod und Felix Weltsch (1884-1964), der Philosoph Hugo Bergmann – sie alle 169. Buber, Warum und wie wir die Schrift übersetzten, jetzt in: MBW 14, S. 175.

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wurden zu Partnern in einem lebenslangen Gespräch im Angesicht des modernen Judentums, in einer Epoche unermesslicher Katastrophen und beispielloser Gelegenheiten. Der Einfluss Kafkas ist dabei nicht zu unterschätzen. Buber sah ihn als Dichter der problematischen Situation des Judentums in der Moderne und scheint von ihm dazu inspiriert worden zu sein, die tragische Geschichte nachzuzeichnen, die mit der Abspaltung des Christentums vom Judentum ihren Anfang nahm. Die Publikation der Vorlesungen, die exegetische Lesarten der kanonischen Texte, angereichert mit einzigartiger literarischer Sensibilität, unterbreiten, bietet eine hervorragende Gelegenheit, Bubers Studien über das Verhältnis von frühem Christentum und Judentum neu zu bewerten. * Leo Herrmann (1888-1951), Bubers Gastgeber in Prag, berichtete, dass sie verschiedene Male gemeinsam die Karlsbrücke überquerten, als Buber die Stadt besuchte, um im März 1920 einen weiteren Vortrag zu halten. 170 Mit Sicherheit gingen sie dabei an der triumphalen Figurengruppe des Kruzifixes vorüber. Wir haben keine Möglichkeit, zu erfahren, was Buber angesichts der Statuen gedacht oder gefühlt haben mag. Aber so viel kann festgehalten werden: In seinen Arbeiten zum Christentum erstrahlen die Worte der Hebräischen Bibel in Gold über dem Kreuz.

170. Leo Herrmann, Aus Tagebuchblättern, S. 158-160.

Vorlesungen über Judentum und Christentum (Fassung I)

[I. Jüdischer und christlicher Glaube] I Lassen Sie mich zunächst einiges mehr Technisches und Formales dieser Vorlesung vorausschicken. Ich habe 8 Stunden angekündigt, und das ist so zu verstehen, dass ich zunächst an 4 Samstagen spreche, dann für zwei Wochen unterbreche und dann wieder 4 Samstage. Dazwischen liegen zwei Wochen, in denen ich nicht lese. Zur Vorlesung selbst einiges: ich will über jüdischen und christlichen Glauben sprechen, und das, was ich darüber sage, belegen mit jüdischen und christlichen Texten. Diese Texte werde ich soweit als möglich dem frühen Schrifttum entnehmen d. h., wo ich frühe Texte habe, werde ich sie späten Texten vorziehen, also wenn ich biblische Texte habe, so werde ich sie späteren jüdischen Texten vorziehen und ebenso werde ich es mit christlichen halten, vorausgesetzt, dass nicht späte Texte etwas wesentlicheres dazu bringen, was in den früheren noch nicht oder noch nicht klar und eindeutig da ist. Und nun zum Gegenstand der Vorlesung. Ich will über jüdischen und christlichen Glauben sprechen, also nicht über Judentum und Christentum, nicht über jüdische und christliche Geisteswerte oder wie man es sonst fassen will, sondern über den Glauben des Juden und den Glauben des Christen, wie sie sich zu einander verhalten. Daraus ergibt sich, dass ich auch nicht über Geschichte des Judentums und Geschichte des Christentums, aber, das möchte ich hinzufügen, auch nicht beabsichtige, über jüdische Glaubensgeschichte und christliche Glaubensgeschichte, über Religionsgeschichte zu sprechen, sondern es ist mir darum zu tun, den Glauben von der einen Seite neben den Glauben von der anderen Seite zu stellen. Das, den Glauben, d. h. was geglaubt wird und wie es geglaubt wird. Sie werden sehen, dass beides mit einander fest zusammenhängt. Es wird aber doch notwendig sein, hie und da eine Bemerkung über den geschichtlichen Zusammenhang zu machen. Eine solche Bemerkung muss ich schon vorausschicken. Jüdischer und christlicher Glaube, das ist nun nicht so geschieden von einander, als ob das, was im jüdischen Glauben nun nur im Judentum und was im christlichen Glauben nur im Christentum zu finden wäre. Wir werden je und je sehen, dass es Glaubenslehren im Christentum gibt, die es auch im Judentum gegeben hat, und zwar neben, zu gewissen Zeiten neben jenen anderen, die ich als jüdische Glaubenslehren bezeichne, und aber auch umgekehrt, dass es manches von dem, was ich als jüdischen Glauben bezeichne, im Chri-

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stentum je und je gegeben hat neben jenen Lehren, die ich als christliche bezeichne. Das heisst da, im Judentum und im Christentum hat es Kämpfe, Glaubenskämpfe zwischen den einen und den anderen Elementen gegeben, hat es persönliche Glaubensentscheidungen im Judentum und persönliche Glaubensentscheidungen im Christentum gegeben zwischen den einen und den anderen Lehren. Ich werde je und je auf solche, manchmal verborgenen Zusammenhänge hinweisen. Es ist im Grunde so, dass das Judentum in der Geschichte und das Christentum in der Geschichte neben und ausser dem offiziellen, ich möchte sagen religionsgeschichtlichen, neben und ausser der religiösen Disputation, die sie mit einander in der Geschichte führen, doch noch – ich möchte sagen – ein heimliches Gespräch mit einander führen, dessen Ursprung älter als das Christentum, dessen Ursprung also in einer Zweiheit ruht, die jedenfalls im Judentum, im vorchristlichen Judentum schon in die Erscheinung zu treten beginnt. Es ist für uns wichtig, auf diese Auseinandersetzung, diese vorchristliche, nun im Urchristentum Geltung gewinnende, im Judentum selbst immer wieder hinzublicken. Ich sagte, wir wollen Gegenstände des Glaubens, des jüdischen und christlichen Glaubens, aber auch die Art des Glaubens, die Verschiedenheit in der Art des Glaubens, oder, was dasselbe heisst, die Verschiedenheit in der Bedeutung des Glaubens hier und dort be[Textverlust]. Es ist natürlich, dass wir nicht mit Gegenständen des Glaubens, sondern mit dem Glauben als solchen – was heisst im Judentum Glauben, was heisst es im Christentum? – wenn wir das Neue Testament aufschlagen, so finden wir darin, ich möchte sagen, einige Schichten des Glaubensbegriffes, und zwar Schichten vom Judentum aus gesehen, wir finden eine Schicht zunächst, die dem jüdischen Glaubensbegriff, der jüdischen Glaubensbedeutung sehr nahe steht. Das sind die meisten Stellen bei den Synoptikern, bei den drei älteren Evangelisten, Markus, Matthäus, Lukas und zwar die Stellen in Reden Jesu, die als authentisch, als früh, als nicht erst von der Tradition der älteren Kirche hinzugefügt gelten dürfen. Denn es gibt zweifellos Stellen bei den Synoptikern in den Reden Jesu, die nach der übereinstimmenden und sicherlich zutreffenden Ansicht der Wissenschaft einen Zusatz darstellen, etwa wenn Jesus seine Predigt eröffnet (Markus 1,15) mit den Worten »Kehret um« – das ist also der alte prophetische Ruf, mit dem auch Johannes seine Predigt beginnt und der bei den Aposteln wiederkehrt, das ist, was in den geläufigen Übersetzungen heisst »Tuet Busse«. Aber dafür gibt es weder ein hebräisches noch ein aramäisches Wort, das so übersetzt werden könnte, und auch das griechische Wort bedeutet nicht »Tuet Busse«, sondern »Sinnet um«. Auch für dieses Wort gibt es kein hebräisches oder aramäisches Wort, das so übersetzt sein könn-

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te. Es kann also nur heissen »Kehret um, vollziehet diese Wandlung mit eurem Wesen … kehret um und glaubt«. Und nun folgt: »Glaubt an das Evangelium, an die gute Botschaft«. Das kann man sich zwar denken, aber es ist unwahrscheinlich, dass es in diesem Zusammenhang steht, denn es ist noch keine Botschaft, keine gute Botschaft verkündigt worden, und es wird auch im Zusammenhang damit keine solche verkündet, sondern die Botschaft ist erst etwas, was hinzukommt, und für das Neue Testament bedeutet diese Botschaft die Botschaft vom Gekommensein des Messias. Wenn man von diesen Stellen, die wahrscheinlich Zusätze sind, absieht (also Glauben schon die christliche Art des Glaubens, wenn man das so nennen darf, bedeutet), haben wir Stellen bei den Synoptikern, die ganz nahestehen dem, was in der hebräischen Bibel Glauben, dort eher Vertrauen heisst. Wenn z. B. gesagt wird »alles ist dem Glaubenden möglich« oder »alles, was ihr verlanget, könnt ihr, werdet ihr im Gebet glaubend empfangen«. Das sind Stellen, die man sich recht gut etwas abgewandelt, in etwas anderer Fassung im sogenannten Alten Testament denken kann. Es ist charakteristisch, dass Stellen, die ein Glaubensbekenntnis aussprechen, also nicht von Seiten Jesu, sondern von seiten seiner Jünger ihm gegenüber, in diesen alten Evangelien ohne das Wort Glauben, ohne die Form des Glaubensbekenntnisses erscheinen, dagegen im Johannesevangelium die Form des Glaubensbekenntnisses annehmen. Ich denke an das Bekenntnis des Petrus. Es ist gefragt: Wer glaubt ihr, Meister, dass ich sei. Und Petrus antwortet in der frühesten Fassung bei Markus: »Du bist der Gesalbte.« Und nichts weiter. Es ist also kein Glaubensbekenntnis, sondern es ist gleichsam eine Erkenntnis: ich erkenne dich, du bist der. Dagegen bei Johannes gewinnt diese Mitteilung so einer Erkenntnis die Form: »Wir glauben, dass du der Heilige Gottes bist.« Es ist also ein Weg von einer Fassung des Glaubens, über die wir noch sprechen werden und die ich als die hebräische, die urjüdische bezeichnen möchte, zu einer anderen Fassung des Glaubens, in die zweifellos ein anderes Element, nennen wir es der Kürze halber das hellenische eingegangen ist. Wir werden darüber noch zu sprechen haben. Ich wollte Ihnen nur hier von dieser zweiten, dieser christlichen Fassung des Glaubens [sprechen], christlich also jetzt im Sinne einer Entgegensetzung zum Judentum, einer Anderheit, eines Anderen, nicht aus dem Judentum kommenden Elementes im Christentum, das dann sich zu dem Entscheidenden im Christentum entwickelt hat, ich will Ihnen dafür einige Beispiele geben, die die verschiedenen Seiten dieser Anderheit, des spezifisch christlichen Glaubens bezeichnen. Und diese entnehme ich drei verschiedenen Teilen des Neuen Testamentes, dem Hebräerbrief, einer Schrift, die unter allen Schrif-

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ten des Neuen Testamentes besonders, in besonderer Weise an die Juden gerichtet ist – weiter gibt es kaum eine andere Schrift im Neuen Testament, die so dem Judentum etwas anderes entgegensetzt, dem Johannesevangelium und den Paulinischen Briefen. Im Hebräerbrief heisst es (ich zitiere, wo es geht, Luther, wo die Präzision dies verbietet, etwas anderes) im 11. Kapitel: »Es ist aber der Glaube eine gewisse Zuversicht des, das man hofft, ein Nichtzweifeln an dem, das man nicht sieht« (das griechische Wort ist ein positives, eine Anerkennung dessen, was man nicht sieht). Und ein paar Verse weiter heisst es: »Ohne Glauben ist unmöglich Gott gefallen, denn wer zu Gott kommen will, muss glauben, dass er sei und denen, die ihn suchen, ein Vergelter sein werde.« Wir sehen also hier, Glauben bedeutet: es gibt ein Zukünftiges, das ich hoffe. Ich begnüge mich aber nicht mit der Hoffnung, sondern ich habe die feste Zuversicht, dass das kommen wird, eine Einverstandenheit des Glaubens. Das ist etwas, was man noch durchaus als jüdische Glaubensbedeutung akzeptieren kann. Es würde ein Vertrauen zum Kommenden, Gott bedeuten. Wenn aber dann kommt diese Anerkennung dessen, was man nicht sieht, so geht das schon einen Schritt über die jüdische Konzeption hinaus. Im Judentum, im biblischen Judentum ist die Vorstellung, dass man Gott, den man nicht sieht, erst in seiner Existenz anzuerkennen hätte, in einem besonderen Glaubensakt, etwas ganz Fremdes. Niemals und nirgends wird erörtert, dass man nicht zu zweifeln hätte an der Existenz Gottes. Es wird allerlei Götzendienst, allerlei Wahndienst, allerlei Scheidung von Glauben an den wahren Gott und Glauben an andere Mächte – von dem ist die Rede, aber von einem Nichtglauben an Gott, von einem Zweifel an der Existenz Gottes, das ist für den biblischen Juden etwas ganz und gar Undenkbares, etwas garnicht Mögliches. Dass es die göttliche Macht gibt, kann man natürlich nicht umhin zu glauben, und es hat niemand das in Frage gestellt oder zum Gegenstand einer Erörterung gemacht, ja, es hat nicht einmal jemand in der biblischen Welt sich einen solchen jüdischen Menschen vorgestellt, ja, nicht einmal einen anderen Menschen: denn die anderen glauben unzulänglich, sie glauben falsch, sie sehen Teilmächte, nichts anderes als Werke Gottes oder Wirkungen Gottes als Götter an, sie erkennen Gott in den Erscheinungen nicht wieder, aber dass einer von ihnen überhaupt nicht an göttliche Macht glauben, nicht um das Sein der göttlichen Macht wissen könnte, das ist niemals irgendwie sich vorgestellt worden. Darum ist ein Satz »Wer zu Gott kommen will, muss glauben, dass er ist« durchaus in diesem Sinne der jüdischen Ursprünglichkeit unmöglich. Wir haben auch nirgends, nicht etwa bloss im Alten Testament, sondern in diesem frühen, dem Urchristentum gleichzeitigen Ju-

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dentum nichts, was irgendwie mit diesem Satz zusammenzustellen wäre. Erst viel später da, wo sich im Judentum eine Dogmatik in der Auseinandersetzung des Judentums mit der religiösen Umwelt, mit den Weltreligionen, wo sich da Dogmen, Glaubensartikel, Glaubenssätze, ein geglaubtes Was in Formulierungen herausbildet, erst da haben wir diese eigentümliche Erscheinung: Glauben, dass Gott ist, d. h. also Glauben, d. h. es für wahr halten, wenn auch mit der Intensität, mit der Inbrunst des Wesens es für wahr halten. Aber das war für den biblischen Juden jenseits jeder Erwägung. Die Frage nach dem Glauben war, die Frage nach der Lebensbeziehung zu Gott, nicht aber nach dem völlig ausser Frage stehenden Für-wahr-halten dessen, dass Gott sei. Nun ein Schritt weiter: das Johannes-Evangelium. Ich lese zunächst einen Satz aus dem 3. Kapitel. »Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf das alle, die an ihn glauben, nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben.« (In einem syrischen Kodex aber, dem hier der Vorzug gebührt, steht: denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn geben wird, dass jeder, welcher an ihn glauben wird, nicht verloren geht.) Nämlich das Geben, damit meint das Evangelium zweifellos das in den Tod Gehen Jesu. Es ist also etwas, was von dem Moment aus erst als etwas Zukünftiges gesehen wird. Es steht in der Rede, die sich anschliesst an jenes denkwürdigste, noch sehr genauen Studiums würdige Gespräch mit Nikodemus, von dem vielleicht noch in der Vorlesung die Rede sein wird. Es ist also in eine Rede Jesu gestellt und deshalb natürlich, dass diese Hingabe erst von der Zukunft gesagt wird. Und zwei Verse weiter: »Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet. Wer nicht an ihn glaubt, ist schon gerichtet, weil er nicht geglaubt hat an das Kommen des eingeborenen Sohnes Gottes.« Im Alten Testament gibt es zweifellos diese Entscheidungsstärke des Glaubens und Nichtglaubens, dass von dem Glauben oder Nichtglauben oder vom Vertrauensverhältnis und Nichtvertrauensverhältnis zu Gott, zu dem geglaubten Gott wesentliches für Bestand und Nichtbestand, für Leben und Tod des Menschen abhängt, das ist durchaus der Fall. Aber dieses, die Konzentration des Gerichtes auf den Glauben oder Nichtglauben, diese entscheidende Bedeutung des Glaubens oder Nichtglaubens für das Gericht, das ist dem Alten Testament fremd. Gericht, das geht auf den ganzen Menschen, auf die ganze Lebenshaltung des Menschen, und es ist sehr bedeutsam, dass im wesentlichen, wo von Gericht Gottes die Rede ist, nicht das Verhältnis des Menschen zu Gott, sondern jedenfalls an den meisten Stellen das Verhältnis des Menschen zu seinen Mitmenschen im Vordergrund steht, das, was wir gewöhnlich das soziale Verhältnis nennen. Der Mensch, der ein falsches Verhältnis zur Welt, zu

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den Mitmenschen hat, der wird vor das Gericht gebracht, erst in zweiter Reihe der, der in ein falsches Verhältnis zu Gott kommt, und dieses falsche Verhältnis zu Gott wird hinsichtlich des Gerichts Nichtglauben genannt. Aber nun noch einen Schritt weiter, und wir kommen dahin, wo die Differenz am allerstärksten ihre Ursache als solche empfindet, d. h. die Differenz wird polemisch. Es ist die Haltung des Apostel Paulus, der so die Dinge gegen einander abhebt, dass für die Juden der vorchristlichen Zeit eine Schicht gezeichnet ist, die zwar eine Beziehung zum Glauben hat, aber für Paulus im wesentlichen eine negative Beziehung, nämlich das Gesetz, während der Glauben im vorchristlichen Judentum, im vorchristlichen Israel als eine Vorform des christlichen erscheint und auf diesen hinweist als auf einen dem Gesetz entgegengesetzten, eine vom Gesetz befreiende und lösende Macht. Ich führe zwei Stellen an, die eine aus dem Galatherbrief: »Dass aber durch’s Gesetz niemand gerecht wird vor Gott, ist offenbar.« Also das Gesetz – nebenbei gesagt eine falsche Übersetzung von Thora. Wie dort aus dem »Kehret um«, das den ganzen Menschen angeht, ein »Sinnet um«, das lediglich die Erkenntnis des Menschen angeht, geworden war, so wird umgekehrt hier aus der Thora, die Weisung, Unterweisung bedeutet, also Führung, Lenkung des Menschen, ein Gesetz (nomos), also gleichsam eine harte, dem menschlichen Leben hart, schwer, massiv, undurchdringlich gegenüberstehende Satzung. Und von dieser so veränderten, so umgearbeiteten Thora heisst es, dass durch’s Gesetz niemand gerecht werden könne vor Gott, sei offenbar, denn, nun heisst es bei Paulus weiter: »(ein alttestamentliches Zitat) (so übersetzt Luther:) Der Gerechte wird seines Glaubens leben«. Wie heisst es aber wirklich im Alten Testament? Es ist ein Zitat aus Habakuk, und da heisst es im Zusammenhang: es ist zunächst von einem Feind Israels die Rede, und es heisst: »wohl gebläht ist, nicht gerade ist ihm seine Seele, dieweil der Bewährte (der Wahrhaftige) leben wird durch sein Vertrauen.« D. h. dieser Feind, von dem ist kurz vorher die Rede gewesen, es wurde gesagt, dass er in seinem Schwerte einen Gott, in seiner Macht einen Gott sieht, dass er seine eigene Kraft, seine eigene Gewalt anbetet, dass er den Gott nicht kennt, von dem er diese Macht zu Lehen hat unter Verantwortung, dem er dafür Verantwortung zu leisten hat, wie er diese ihm anvertraute Macht verkennt – von diesem Feind wird gesagt, dass seine Seele gebläht ist. Er glaubt an seine eigene Macht als an etwas Göttliches. Dem wird entgegengestellt der Zaddik, der bewährte Mensch, der, der Vertrauen hat und der durch dieses sein Vertrauen zu Gott, dadurch, dass er nicht sich traut, sich nicht auf sich verlässt, sondern Gott vertraut, sich Gott anvertraut, dadurch werde er leben, im Gegensatz zu diesem geblähten,

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hochmütigen, übermütigen Menschen, der auf seine eigene Macht sein Leben stellt, dass er, der sich an Gottes Macht anschliesst, denn das heisst eigentlich dieses Wort »Emunah«, sich fest an etwas schliessen, fest an etwas halten, fest, beharrlich an etwas halten, also wenn er sich fest, beharrlich an Gott schliesst, an ihn sich hält, dann wird er eben dadurch leben. Sie sehen, dieser Satz wird nun erstarrt in dem Paulinischen Wort, und nun wird aus ihm etwas bewiesen, was aus diesem Satz nie bewiesen werden konnte, wenn man ihn in seiner Alttestamentlichen Wirklichkeit nimmt, dass durch Gesetz niemand gelangen wird vor Gott. Und nun geht es weiter: das Gesetz ist aber nicht Glauben (und jetzt kommt wieder ein Zitat): »wer dies tut, wird dadurch leben.« Das ist der Satz aus dem 18. Kap. 3. Buch Mose, wo es heisst, von Gott zu Israel gesprochen: »Wahret meine Satzungen und meine Rechtsgeheisse, die der Mensch tut und lebt diesen«, die da sind dazu, damit der Mensch das so tut und dadurch so lebt. Das ist nun hier gegenübergestellt: »Das Gesetz ist aber nicht Glauben, sondern nach dem Gesetz ist, wer dies tut, wird dadurch leben.« Paulus stellt, und zwar hier im Gegensatz zu Jesus, der an entscheidender Stelle Gesetz und Prophetismus in eines fasst, Paulus schildert das Gesetz, was er das Gesetz nennt, und die Propheten gegeneinander und behauptet, dass die Propheten einen Glauben lehren, das Gesetz aber etwas anderes, nämlich ein Tun. In Wirklichkeit ist alttestamentlich beides nicht bloss eines, nicht von einander geschieden, sondern es ist garnicht scheidbar, weil die hebräische Bibel einen Glauben ohne Tun überhaupt nicht zu fassen vermag. Denn dieses Vertrauen zu Gott ist ein Vitales, ein lebensmässiges, ein seinem Wesen nach Gelebtes und ohne Lebensausdruck garnicht Fassbares, etwas, was nicht wie der Glaube in einer inneren Einstellung des Menschen bestehen kann, die von den Werken des Menschen, von dem äusseren Handeln abzutrennen wäre, sondern der Mensch, der hier gemeint ist, ist der ganze Mensch, der garnicht getrennt werden kann in einen inneren und einen äusseren, in einen Sinn und ein Handeln, in einen Menschen, der der Thora, und einen Menschen, der der Emunah zugekehrt ist, sondern beides ist mit einander nicht etwa bloss verschmolzen, wie zwei Substanzen mit einander verschmolzen werden, sondern eine ursprüngliche Einheit, die erst kraft dieser Analyse zerlegt wird, sodass zwei Welten geboren werden, die nun freilich neben und gegen einander stehen, aber deshalb, weil aus der Thora ein Nomos, und weil aus dem Vertrauen ein Glauben im Sinn eines Glaubens an ein Geschehnis, ein Fürwahrhalten, wenn auch ein Fürwahrhalten mit der ganzen Inbrunst geworden ist. Die andere Paulinische Stelle, die die Konsequenz dieser Scheidung

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des Ungeschiedenen und Unscheidbaren zeigt, steht im 3. Kapitel des Römerbriefs. Da heisst es: »denn wir rechnen, dass der Mensch durch Glauben gerecht wird, ohne Gesetzeswerk.« Dazu eine Stelle aus dem 4. Kapitel, wo im Anschluss an eine der entscheidenden Stellen des Alten Testamentes, im Anschluss nämlich an die Erzählung von Abraham, Genesis 15,6 wo es heisst: »und er vertraute ihm (der ihm gegen alle menschliche Wahrscheinlichkeit die Zukunft seines Samens verheissen hatte) und Er rechnete ihm das als Bewährung.« Im Anschluss an diese Stelle wird hier gesagt: »wo es sich nicht um Werkleistung handelt, sondern um den Glauben an ihn, der den Unfrommen, den Bösen gerecht macht, da wird sein Glauben angerechnet zu Gerechtigkeit.« Wir haben also hier die Konsequenz jener Scheidung von Thora und Emunah in ihrer Paulinischen Umbildung, wir haben also Glauben und Werke des Gesetzes, und der Glauben, d. i. der Glauben an den Gott, der den Unfrommen Gerechtigkeit rechnet an, auch wenn ihm alles Werk ermangelt. Nun, dass Gott unerforschlich ist in seinem Urteil über den Menschen, seinem Verhältnis zum Menschen, dass die Gerechtigkeit Gottes nicht unsere Gerechtigkeit ist und auch darin seine Wege nicht unsere Wege sind, ist nur jüdisch. Aber dass es eine Werkleistung gibt, eine Werkleistung des Gesetzes, die überhaupt ablösbar wäre vom Glauben, und noch als solche, sozusagen als religiöser Wert noch gegolten hätte im biblischen Judentum, das ist etwas, was durchaus nur hier erst dasteht, das ist der biblischen Vorstellung durchaus fremd. Wenn Sie etwa betrachten den Kampf der Propheten gegen den Opferkult, so bedeutet er ja nichts weiter als dass dieser Kult ohne Inbrunst, ohne dass der ganze Mensch, der opfert, der opfern lässt, für den geopfert wird, dass der ganze in diesen Kult eintretende Mensch mit seinem ganzen Wesen hingewendet werde zu Gott, und dass davon, wo er hingewendet ist, alles abhängt, ich sage, der Kampf gegen den Opferkult bedeutet den Kampf gegen den entleerten, den der Glaubensrichtung beraubten Kult, mit anderen Worten, um einen nachbiblischen, aber für uns höchst bedeutsamem Begriff zu erwähnen, es hängt alles von der Khawana ab, von der Ausrichtung des Menschen, davon, mit welcher Intensität des Wesens tut der Mensch das, was er tut. Es gibt nicht die Vorstellung von Gesetzeswerken, die als solche gelten, sondern entscheidend ist, ob der Mensch mit seinem ganzen auf Gott hin gewandten Herzen das tut, was er zu tun hat. Es ist also garnicht möglich, biblisch Werkleistungen so als ein bloss äusseres Tun herauszulösen, das so niemals religiöse Geltung im Alten Testament als solches hat, sondern immer erst durch seine vollkommene Verbundenheit mit der Emunah, und das so erst nachträglich herausgeschmolzen wird, seine religiöse Geltung bekommt.

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Sie sehen, es ist hier aus dem Glauben etwas ganz anderes geworden. Er ist einerseits herausgeholt worden aus der vollkommenen Wesensbeziehung zu Gott, dessen Sein nicht in Frage gestellt ist, ist mit einem besonderen Pathos versehen worden hinsichtlich der Anerkennung dessen, an den nun zu glauben gefordert wird, des Sohnes, Christus, und schliesslich wird dieser Glauben als ein anderes Prinzip abgehoben, schlechthin abgehoben gegen das sogenannte Gesetz, gegen die sogenannten Werke, als ob dies etwas schlechthin anderes wäre, Welt gegen Welt, Christentum gegen Judentum wird hier gestellt in einer Weise, die aber ihre Begründung nur in der Paulinischen Glaubensdialektik, nicht aber in der Realität eines gelebten Judentums hat, denn dieses Judentum, gegen das Paulus hier spricht, hat ein religiös wirkliches Leben nie gehabt. Und wenn Paulus, der ja ein Pharisäer gewesen ist, etwa die Pharisäer im Sinn hat, so lässt sich zeigen, dass niemals und nirgends in der pharisiäischen Geisteswelt es dieses abgelöste Gesetz und diese abgelösten Werke des Gesetzes gibt, sondern dass das Werk seinen ganzen Sinn nur dann hat, wenn es vom Glauben und Vertrauen, von dem Gerichtetsein des ganzen Wesens auf Gott erfasst ist. Diese dialektische Analyse zerstört das, wovon sie ausgeht. Es ist nur noch eine begriffliche Gegenüberstellung zweier Glaubenswerte, die dialektisch entstanden sind, die in der geschichtlichen Wirklichkeit, wenigstens für das Judentum nicht bestanden. Ich will das nächstemal auf den biblischen Glaubensbegriff ein wenig eingehen. Ich werde aber hier noch zum Schluss einen einzigen Satz anführen um Ihnen zu zeigen, wie das Biblische in der nachbiblischen Tradition verstanden wird hinsichtlich des Glaubens. 14. Kapitel 2. Buch Mose, nachdem sie durch das Schilfmeer gegangen sind: »und sie vertrauten Ihm und Mose seinem Knecht.« Dazu wird bemerkt: »Jedermann, der ein einziges Gebet, eine einzige Mizwa in der Emunah, im Vertrauen auf Gott, im Glauben, auf sich nimmt, wird dessen gewürdigt, dass der heilige Geist auf ihm ruhe, denn so finden wir bei unseren Vätern: zum Lohn dafür, dass unsere Väter Gott vertrauten, wurden sie dessen gewürdigt, dass der heilige Geist auf ihnen ruhte, und vom heiligen Geist ergriffen sangen sie.« Sie sehen daraus, dass wer ein einziges Gebet im Glauben auf sich nimmt, wird gewürdigt, dass der heilige Geist auf ihm ruhe. Es ist schlechthin unmöglich, hier etwas herauszubringen, Mizwo und Emunah auseinanderzureissen. Die Mizwo ist ohne Emunah, und Emunah ohne Mizwo garnicht da, sondern das Tun hat seinen Sinn, seine religiöse Gültigkeit darin, dass eben die Emunah gebietet zu tun und dass sie in dem Getanen wohnt wie die Seele im Leib und umgekehrt ist eine Emunah nicht fassbar, die sich nicht in einem Tun auswirkt, die nicht das

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Leben gestaltet, sich im Leben auswirkt, also nicht etwa so, dass sie das Leben nur als Gewand um sich schlägt, sondern dass sie sich den Körper, die Wirklichkeit durch die Tat erschafft.

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Ich will das nächstemal noch einmal über den biblischen Glaubensbegriff sprechen und dann versuchen, zusammenfassend die christliche Weise des Glaubens von der jüdischen abzugrenzen. II

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Ich will mit einer Anfrage beginnen, die ich heute bekommen habe. Ich möchte nebenbei sagen, dass ich auch in diesem Lehrgang durchaus für Anfragen, Einwände, Bemerkungen zu jeder Zeit zugänglich bin, dankbar dafür bin, dass jemand sie sozusagen nicht auf seinem Herzen liegen lässt, sondern mir mitteilt. Die Anfrage lautet, ob ich nicht das vorigemal die jüdische Lehre in ein zu günstiges Licht gestellt hätte. Das ist eine Anfrage, die mich sehr trifft, die, wenn es zutreffend wäre, ich für einen sehr ernsten, schwerwiegenden Vorwurf hielte, denn es ist mir nicht um Apologie zu tun, nicht um Herausstreichung der Vorzüge der jüdischen Lehre, sondern um einen ernsten Vergleich der wesentlichen Merkmale im jüdischen und christlichen Glauben, wobei es mir darum zu tun ist, im gleichen Geist auf den einen und auf den anderen einzugehen, wenn auch das Eingehen bei dem einen für mich ein Ausgehen von dem einen ist und das Eingehen auf den anderen ist bei mir ein Eingehen auf den anderen. Und zwar wird die Frage daran geknüpft, ich hätte die Aussprüche des Apostels Paulus erörtert, der den Juden Werkgerechtigkeit vorwirft, und was ich dazu sagte, sei dahin verstanden worden, als ob ich für jene Zeit das Vorhandensein, für die Zeit des Paulus, das Vorhandensein der Khawana, der Ausrichtung der ganzen Menschenseele bei der Erfüllung der Zeremonialgesetze als unerlässlich erklärt hätte. Dagegen wird darauf hingewiesen, dass das ein Gegenstand der talmudischen Diskussion ist. Da handelt es sich um ein sehr wichtiges Problem, sodass ich mit Ihnen zuerst es erörtern möchte, ehe wir weiter gehen. Es ist richtig, dass es eine halachische Diskussion, eine meines Wissens in vier Traktaten wiederkehrende Diskussion über die Frage gibt, ob die Ausübung, ob die Khawana unerlässlich sei für die Erfüllung der Gebote, und zwar Khawana im doppelten Sinn als Absicht des Tuns und als Absicht der Übertretung. Das ist natürlich nicht derselbe Begriff, aber halachisch werden die beiden Begriffe, die Absicht beim Tun, die Absicht bei der Übertretung,

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in einem Begriff vereinigt, und nun wird in der Tat über diese Frage diskutiert, und die vorwiegende Meinung ist, das möchte ich gleich vorausschicken, dass die Khawana nicht unerlässlich sei. Das ist also scheinbar ein ernster Einwand gegen das, was ich gesagt habe; wer aber genau zusieht, der merkt, dass es sich hier in den vier Traktaten, in den vier Diskussionen um eine halachische Erörterung handelt, eine halachische Erörterung, das heisst um eine streng gesetzliche Erörterung der Frage, ob Handlungen – etwa der Geboterfüllung –, die ohne Khawana geschehen, im Sinne des Gesetzes Gültigkeit haben oder nicht. Ich kann jetzt in diesem Zusammenhang nicht die Frage erörtern, was halachische Gültigkeit ist, aber es ist durchaus eine Frage, die lediglich innerhalb der besonderen Kategorien, innerhalb der besonderen Begriffswelt des kodifizierenden oder kodifizierbaren Gesetzes Bedeutung hat. Das würde, wenn ich es so sage, durchaus nicht ausreichen. Aber dass es so ist, erweist sich daraus, dass überall, wo nicht in diesem exakt halachischen Sinn über das Problem gesprochen wird, es ganz anders beantwortet wird, und ausnahmslos die Frage damit beantwortet wird, dass die Khawana unerlässlich sei. Wo die Frage ethisch-religiös behandelt wird, nicht nach der strengen Begrifflichkeit des Gesetzes, da ist die Antwort eindeutig. Ich will Ihnen hier nur die wichtigsten Stellen anführen. Wir haben allerdings keine Stelle aus der Paulinischen Zeit selbst. Das liegt vermutlich an der Armut der uns bewahrten Aussprüche aus dieser Zeit; aber wir haben Aussprüche aus einer sehr bald darauf folgenden Generation, nämlich aus der Zeit und aus dem Munde der Gelehrtenschule von Jabne, deren Gründung bekanntlich ungefähr der Zerstörung Jerusalems gleichzeitig ist. Diese hatte nach einem berühmten Satz im Traktat Berachot einen Wahlspruch, der einer der schönsten Sätze der gesamten Weltliteratur ist. Da spricht der gelehrte Mann davon, dass er sich nicht, dass der Gelehrte überhaupt sich nicht über den Landarbeiter erhaben dünken darf, denn er steht früh am Morgen auf – ich stehe früh am Morgen auf. Ich arbeite in der Stadt, er arbeitet auf dem Feld und so fort. Nun wird aber eingewandt: der Mann tut doch weniger, d. h. er hat weniger Gelegenheit, Mizwos zu erfüllen d. h. er tut weniger im Sinne des Religionsgesetzes. Auf diesen Einwand wird geantwortet: der eine tut viel, der andere tut wenig, aber es geht lediglich darum, dass er, dass einer sein Herz auf den Himmel richtet, d. h. dass einer sein Herz auf Gott richtet. Das heisst: es kommt nicht darauf an, ob man viel oder wenig erfülle. Es kommt nur darauf an, dass man soviel erfülle, als man den eigenen Lebensmöglichkeiten nach erfüllen kann, vorausgesetzt, dass man in der Handlung sein Herz auf Gott richte. Was das heisst, darüber haben wir noch zu reden. Aber noch genauer wird dies, was gemeint ist, dadurch

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gefasst, dass dasselbe Wort von einem führenden Mann der nächstfolgenden Generation, also der Zeit Hadrians, von Ben Asai in Bezug auf den Opferdienst ausgesprochen wird. Was heisst das? Es heisst, es kommt nicht darauf an, ob man im Opferdienst viel tut oder wenig tut, ob man viel opfert oder wenig opfert – Wenn ich zu dieser Stelle des Traktats Menachot noch eine andere Stelle füge, kann ich sagen: der Reiche opfert ein Lamm, der Aermere opfert eine Taube, der Aermste opfert eine Mehlgabe. Der eine hat nicht mehr geopfert als der andere, wenn er nur sein Herz auf Gott gerichtet hat. Sie sehen also hier, wir können diesen Opferdienst als Sinnbild für die Gebotshandlung überhaupt fassen. Ein anderer Rabbiner derselben Generation etwa, deutet die Worte des 5. Buches Mose »diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollen auf deinem Herzen sein«. Dazu sagt Rabbi Meir (Traktat Megillah) »Nach der Khawana, nach der Intention, nach der Ausrichtung des Herzens, darnach hin, darnach geht es allein.« Nun beachten Sie, dass es im Vers heisst »die ich dir heute gebiete«, also die Erklärung, wenn es auch im Zusammenhang einer Erörterung über die Intention im Gebet gesagt ist, handelt es sich doch um die Gesamtheit des Gebetes und der Gebotserfüllung überhaupt. Ich glaube, dass wohl die Frage geklärt ist. Es (ist also) mit dem stärksten Akzent wird betont, dass die Khawana entscheidend ist, nicht für die halachische Gültigkeit, wohl aber entscheidend für die Sinnerfüllung des Gebotes, dafür, ob die Handlung eine wirkliche Erfüllung des Gebotes dem Sinne nach ist oder nicht. Und davon war ja die Rede. Sehen wir zunächst einmal, wie es um den Glaubensbegriff in der Bibel steht. Wir müssen scheiden zwischen den Stellen, wo der Begriff des Glaubens als solcher vorkommt, das Wort, das man gewöhnlich mit Glauben übersetzt. Ich habe schon neulich gesagt, dass wir übersetzen müssen »Vertrauen«. Ich stelle jetzt die wichtigsten überhaupt zusammen. Die eine habe ich schon angeführt im Zusammenhang der Paulinischen Erörterung. Paulus hatte seinen Kampf gegen die Werke zu unterbauen und seine Auffassung des Glaubens zu unterbauen gesucht durch jenes Wort über Abraham. Abraham vertraute Ihm, Er aber rechnete es ihm als Bewährung – dieses Vertrauen rechnete Gott dem Abraham als Bewährung. Ein analoger Vers steht, auch das habe ich schon erwähnt, nach dem Gang durchs Schilfmeer, unmittelbar vor dem Gesang des Schilfmeer-Liedes. Sie vertrauten auf ihn und Mose, seinen Knecht. Und ich möchte, da es so bedeutsam ist im Zusammenhang dessen, was ich von der Khawana und dem Talmud angeführt habe, nochmals den Satz zitieren, den ich neulich zitierte, wo ein Meister des Talmud sagt in Bezug auf jenes Wort: Jedermann, der ein einziges Gebot in der Emunah, in diesem Vertrauen auf sich nimmt, wird dessen gewürdigt, dass der heili-

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ge Geist auf ihm ruhe, denn, so finden wir bei unseren Vätern, zum Lohne dafür, dass unsere Väter Gott vertrauten, wurden sie dessen gewürdigt, dass der heilige Geist auf ihnen ruhe, und vom heiligen Geist ergriffen sangen sie – unmittelbar nach dieser Äusserung des Vertrauens sangen sie den Gesang. Eine weitere Stelle, die auch vielfach in der christlichen Erörterung des Glaubensbegriffes herangezogen wird, eine Stelle von zentraler Bedeutung, ist das Wort Jesaias an den König Ahas. Er verkündigte ihm den Willen Gottes. Ahas verhält sich zweifelnd, zögernd, unschlüssig, doppeldeutig, und Jesaia sagt ihm in jenem wunderbaren biblischen Wortspiel, das aber nicht Spiel, sondern höchster Ernst ist, indem sie sich dieser Wortähnlichkeit bedienen, um etwas auf die Weise auszudrücken, was sich auf eine andere Weise garnicht ausdrücken lässt – im Deutschen ist es schwer, es wiederzugeben. Luther hilft sich damit, dass er sagt: Gläubet ihr nicht, dann bleibet ihr nicht. Das gibt ja nicht wieder, dass es sich im Hebräischen um dieselbe Wurzel, um denselben Wortstamm handelt. Wir haben versucht zu übersetzen »Vertrauet ihr nicht, bleibet ihr nicht betreuet.« Ihr bleibt nicht betreut, das heisst, ihr bleibt nicht eingesetzt, ihr bleibt nicht in eurer historischen Situation befestigt, ihr werdet preisgegeben, wenn ihr nicht trauet, nicht vertrauend seid. Und ein eigentümliches Gegenstück zu dieser Bindung, der Wirklichkeit des Menschen, der menschlichen Lage an die Haltung des Menschen, steht im 20. Buch des 2. Buches der Chronik, wo König Josap[hat] den Versammelten sagt: Vertrauet ihm, eurem Gott, und ihr bleibet betreut. Vertrauet seinen Kündern, und es wird euch gelingen. Es ist, Sie spüren es wohl, dass hier überall es um ganz etwas anderes geht, als was man gemeiniglich den Glauben nennt. Es geht nicht um die Frage, ob man jemandem glaubt, oder nicht, ob man an jemanden glaubt, sondern ob man zu Gott die entscheidende Vertrauensbeziehung hat, von der aus, auf der sich das ganze Menschenleben erbaut. Vom Vorhandensein oder Nichtvorhandensein dieser entscheidenden Lebensbeziehung hängt es schlechthin ab, ob dieser Bau des Menschenlebens standhält oder zusammenbricht. Eine andere Stelle in Jesaia mag dies ergänzen. Eine vielfach missverstandene Stelle. Es ist im 28. Kapitel davon die Rede, von den kommenden Dingen, von jenem Tage, wo Gott seine Entscheidung wirklich machen wird, wo er richten, erfüllen, die Wahrheit zur Wirklichkeit machen wird in der ganzen Welt, und da steht nun ein Wort, das man bisher eigentlich kaum irgend einmal recht verstanden hat, obwohl es eigentlich ganz einfach ist. Es bedeutet nämlich: Der vertraut, wird – der Vertrauende wird nicht beschleunigen wollen (wörtlich: wird nicht beschleunigen, aber ich möchte verdeutlichen: wird nicht beschleunigen wollen). Das heisst: wer auch nur ahnt, was das heisst, Ende der Ge-

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schichte, Vollendung, Gericht, das Kommende in diesem letzten unüberbietbaren Sinn, der wird, auch wenn seine Hoffnung daran geknüpft ist, seine letzte, seine ganze, seine äusserste Hoffnung, das Kommen nicht beschleunigen wollen, weil er vertraut, weil er vertraut, gehört zu seinem Vertrauen das Vertrauen zum Tempo Gottes in der Geschichte. Er will Gott nicht sein Tempo auferlegen, nicht das Tempo seiner Hoffnung, seiner Begier, sondern er fügt sich in das Geschichtstempo Gottes, an das Tempo des Wirkens Gottes durch die Geschichte hin zu ihrem Ende. Und weil es das bedeutet, kann gleichsam alles, was über Emunah in unserer Bibel steht, zusammenfassend gesagt werden von jenem eigentümlichen Propheten Habakuk, von dem wir nur drei Kapitel haben und der dennoch einer der Grossen, der ganz Eigentümlichen ist: Der Bewährte (oder besser vielleicht: der Wahrhafte – so kann man zaddik hier wiedergeben) der Wahrhaftige wird durch sein Vertrauen leben (oder: in seinem Vertrauen, aber ich glaube, es ist richtiger zu sagen: durch sein Vertrauen). Vergegenwärtigen wir uns noch einmal, in welchem Zusammenhang die Stelle steht. Es ist die Rede davon, von dem Feind, der in das Land Israel einbrach, und (es ist) von ihm wird gesagt: Gebläht, nicht gerade ist in ihm seine Seele, dieweil der Wahrhaftige leben wird durch sein Vertrauen, d. h. der Übermütige, der, der sich für den Urheber des geschichtlichen Geschehens hält, der mit seinem Namen von den Chronisten verknüpft wird, der Übermütige, der Geblähte, der sich und nicht Gott zuschreibt, was geschieht, der ist verloren, wie immer, wie gross noch immer auch seine Triumphe eben jenen Chronisten erscheinen. Der Wahrhaftige aber, der sich auf Gott verlässt, der – was eben Emunah heisst, der ganz fest mit seinem ganzen Wesen sich an Gott hält und von ihm bestimmen lässt und weiss, dass nicht der Mensch der Urheber der Geschichte ist, sondern Gott, und dass der Mensch nichts tun kann, als sich an Gott halten, der wird in Wahrheit leben, überleben, am Leben bleiben, nicht zugrunde gehen durch sein Vertrauen, in seinem Vertrauen. Das sind die wesentlichen Stellen des Alten Testamentes über Emunah. Es gibt aber noch einige andere Stellen, die wir nicht unerwähnt lassen dürfen, in denen der Begriff des Glaubens, des Vertrauens nicht vorkommt, und die dennoch nun etwas noch aussagen, die darüber hinaus führen und zwar gerade hinsichtlich des Glaubens, und, wenn Sie mich recht verstanden haben, hinaus führen nun eben deshalb, weil der Begriff nicht vorkommt, weil es hier nicht mehr bloss um das Vertrauen geht, sondern wir kommen näher an die Sphäre dessen, was wir Glauben nennen und was nicht mehr jenes Vertrauen allein ist, sondern noch etwas mehr. Es geht hier zunächst um ein Wissen. Der erste Satz, den ich

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anführen möchte heisst: »Du sollst wissen, du sollst erkennen, du sollst kennen, dass …« Hier haben wir etwas anderes, was wir gewöhnlich von unserem Verb Glauben abhängig machen. Glauben, das kommt nicht vor, aber Erkennen. Du sollst erkennen, dass er, dein Gott, der Gott ist! Also das ist, wenn Sie wollen, ein Glaubenssatz. Nicht dass Gott ist, nicht dass der und der ist, es ist nicht ein Existentialsatz, es ist ein Aussagesatz über den Gott, zu dem du in dieser deiner entscheidenden Beziehung stehst. Die Emunah wird vorausgesetzt. Der Gott, der dein Gott ist, der ist Gott überhaupt, unbedingt, Gott der Welt, der einzige Gott. Das heisst diese Ausschliesslichkeitsbeziehung, in der du, Mensch, du, Israel, zu deinem Gott stehst, diese Ausschliesslichkeitsbeziehung ist nicht etwas subjektives, ist nicht etwas, was das Da-sein, dein So-Sein, deine Beschaffenheit, dein Mensch-sein, deine Eigenart betrifft, sondern diese Ausschliesslichkeit, deine Ausschliesslichkeit in deiner Beziehung zu deinem Gott ist begründet durch das Sein selber, durch das Sein schlechthin, denn dieser Gott ist der ausschließliche Gott. Die Ausschliesslichkeit in der Beziehung zu ihm ist also nur ein Bild, eine Vorwegnahme, ein Zeichen der Ausschliesslichkeit in der Beziehung zwischen ihm und der Welt, denn Gott, dein einziger Gott, er ist in dieser subjektiv erscheinenden Ausschliesslichkeit, der, zu dem weist hin, auf die Ausschliesslichkeit seines Gottseins überhaupt. Und die zweite Gruppe von Sätzen, die sind die, die noch einen anderen Begriff einführen, nämlich den Begriff des Ganzseins in der Beziehung. Salomo sagt schon vor dem Amt der Tempelweihe 1. Könige 8: Und euer Herz sei (ja, scholem, das ist nicht zu übersetzen. Man könnte sagen:) ganz. Wir sagen, da es mit Frieden zusammenhängt, befriedet. Aber man müsste es vielleicht noch anders fassen. Dein Herz sei also mit ihm, unserem Gott. Am besten kommt vielleicht diesem Begriff, diesem hebräischen Wort, das nämlich bedeutet den Frieden, die Eintracht zwischen den einzelnen Elementen, Teilen, Funktionen, Eigenschaften eines Wesens, also das Ganzsein eines Wesens in der Eintracht seiner Teile, am ehesten wäre es vielleicht, nicht im Zusammenhang einer Übersetzung, aber um genau es wiederzugeben, zu erfassen, durch das Wort: einträchtig. Euer Herz sei einträchtig. Ein einträchtiges Herz sei es mit ihm, eurem Gott. »Im« bedeutet eigentlich bei-gesellt sein, also einträchtig sei euer Herz ihm, unserem Gotte, zugesellt! Sie wissen, der Geschichtsschreiber wird darnach feststellen, dass Salomo selbst von dieser seiner Lehre abirrte, denn, so heisst es, sein Herz war nicht einträchtig mit ihm, seinem Gott. Und derselbe König Josaphat, den ich angeführt habe in diesem Wort »Vertrauet Gott, vertrauet seinen Kündern«, von demselben ist eine sehr schöne, denkwürdige Zusammenstellung von Begriffen überliefert 2. Chr. Kap. 19. Es

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heisst »in seiner Furcht (oder mit seiner Furcht) mit Vertrauen und mit einträchtigem Herzen«. Das ist also das, worauf es ankommt zum zweiten. Der Mann, der diese Beziehung zu dem Gott, den ich meinen Gott kraft meiner Beziehung zu ihm nenne, der aber Gott selber ist, es gibt keinen zweiten. Es gibt nichts, was sich göttlich nennen darf auf Erden und nichts im Himmel und nichts irgendwo, nur er allein – diese Ausschliesslichkeit wird nun gefasst in das Wort »mit ganzem, mit einträchtigem Herzen«. Denn wenn es die wahre Ausschliesslichkeit hin zu diesem meinem Gott ist, dass nur er mir Gott ist und nichts anderes und kein anderer, dass ich nur ihm gehörig und niemand anderem, dann stehe ich mit einträchtigem Herzen zu ihm, d. h. dann gibt es kein Bereich des Lebens, wo mein Herz ein anderes Gesetz anerkennt als das seine, dann ist mein ganzes Leben gerade Platz genug für die Betätigung, eben für die Erfüllung dieser Ausschliesslichkeit der Beziehung zu ihm, dann erfüllt sich diese Beziehung eben darin, dass das ganze, ungeteilte, restlose Herz ihm gehört, dass es nicht aufgeteilt wird zwischen Gewalten, dieses Herz, zwischen Gott und irgendwelchen Gewalten der Welt, zwischen Bereichen, wo sein Wille gilt, und Bereichen, wo andere, wo gar widergöttlicher Wille gilt. Was immer uns Menschen widerfährt, das Herz des Menschen muss ungeteilt sein in der ausschliesslichen Beziehung. Und schliesslich als drittes jener Psalmvers, ganz einzig für sich, allein für sich stehend, aber Spruch für jedes Leben in unserer Gemeinschaft Geschlecht für Geschlecht, Grundspruch – im 16. Psalm, auch fast unübersetzbar in seinem letzten Grund: »Ich habe ihn stets vor mich hingestellt«. Man muss sich den hebräischen Satz vergegenwärtigen, es handelt sich darum, dass man etwas auf die gleiche Ebene mit sich selbst stellt, sodass es mir hier, so, gegenübersteht, dass ich, was ich nur tue, diesem Gegenüber zu, auf dieses Gegenüber zu tue, auf dieser Ebene, auf der ich mich bewege. So stelle ich ihn mir stets (tomid) stetig gegenüber, d. h. so, wie es dort, wie es keinen Bereich des Lebens geben darf, der sich der Ausschliesslichkeit der Beziehung des Menschen zu Gott entzöge, weil er angeblich eigenen Rechts, eigenen Gesetzes, autonom sei, so kann es hier keinen Augenblick des Lebens geben in der Reihe der von uns gelebten Augenblicke zwischen Geburt und Tod, dem Sinne des Lebens nach keinen Augenblick geben, wo dies nicht wahr ist, dass man Gott selber, diesen meinen Gott, der Gott ist, sich gegenübergestellt hat so, dass man auf ihn zu das lebt, was man lebt, das tut, was man tut, das lässt, was man lässt. Das ist alles, was zur Ergänzung des biblischen Glaubensbegriffes zu sagen ist. Wissen, dass dieser, mein Gott, Gott ist mit ungeteiltem Herzen

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ihm anhangen und das ganze Leben auf ihn richten. Das ist dieser biblische Glaubensbegriff, von dem aus von dem wir ausgehen müssen, wenn wir fragen: wie verhält sich jüdischer und christlicher Glaube zu einander, obwohl selbstverständlich der christliche Glaube in eben dem verwurzelt ist, aber der christliche Glaube geht in Entscheidendem von dieser Voraussetzung ab und irgendwo anderes hin, nicht als ob er diese Grundlage verliesse, das tut er nicht, aber es kommt etwas wesentlich anderes hinzu, und ohne dass ich sagen wollte, dass nun der nachbiblische jüdische Glauben sich schlechthin mit diesem decke, muss man doch sagen, der nachbiblische jüdische Glauben ist in ganz anderer Weise eine Fortbildung, ein Versuch, daran haltend weiterzuschreiten als der christliche, der wesentlich andere Elemente in sich aufgenommen hat. Ich habe neulich schon angedeutet und möchte hier zum Schluss noch einmal sagen: es sind zwei Dinge, die zunächst, ehe wir auf die inhaltliche Verschiedenheit eingehen, in eine Verschiedenheit des Geglaubten, zwei Dinge, die den christlichen Glauben vom jüdischen unterscheiden, das ist die Weise des Glaubens und jenes eigentümliche christliche Pathos des Glaubens. Die Weise des Glaubens, die man am einfachsten fasst in jenem Begriffe: Glauben, dass etwas ist, und diesem eigentümlichen Pathos des Glaubens, wie es ja in jenem Johannäischen Wort, das ich neulich anführte, herauskommt: Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet, wer nicht an ihn glaubt, ist schon gerichtet, weil er nicht glaubt an den Namen des eingeborenen Sohnes Gottes. Ich werde darüber das nächste mal noch zu sprechen haben, was diese Verschiedenheit in Bezug auf den Gegenstand des Glaubens, auf die Verschiedenheit des Geglaubten zu sagen hat, d. h. wie der verschiedene Inhalt, der verschiedene Gegenstand, der verschiedene Gottesglauben mit dieser verschiedenen Art des Glaubens zusammenhängt. Ich möchte jetzt nur eines andeuten: mir scheint die christliche Weise des Glaubens in ihrer Verschiedenheit gegen die jüdische daher zu kommen, weil und insofern die christliche Botschaft an die Griechen gegangen ist. Dieser »Glauben, dass« ist ein Element, das hinzutritt von der griechischen Welt her, wo es um ein Objektives geht, ein Objekt, das erkannt, gewusst, gemeint wird, wo es darauf ankommt zu wissen, wie sich etwas verhält, oder zu glauben, dass sich etwas so verhält. Das Entscheidende für den Griechen ist nicht die persönliche Beziehung zu einem nicht gegenständlich Erfassten, ich möchte sagen, zu einem nicht gegenständlich Erfassbaren, nicht die persönliche Beziehung zu ihm, sondern das Erkenntnishafte oder Glaubhafte in diesem Sinn, glaubenhafte Verhältnis zu einem Gegenstand, von dem ich weiss, oder glaube, dass er so und so, dass es sich mit ihm so und so verhält, etwas von mir Unabhän-

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giges, Abgehobenes, mein Gegenstand, über den ich eine Glaubensaussage mache, wie ich eine Erkenntnisaussage mache – wohl gemerkt, das ist nicht etwa der christliche Glauben, sondern es charakterisiert das griechische Element, das in ihn einging. An die Griechen ist die Botschaft gerichtet. Und das christliche Pathos hat seinen Sinn und Ursprung daher, dass die Botschaft zugleich an die Juden gerichtet war, aber an die Juden nicht wie an die Griechen als etwas, was von ihnen nicht mehr verlangte als den Glauben, als etwas, was herzugeben sie je und je bereit waren. Es gab so und soviele Götter, an die die Griechen glaubten. Aber etwas ungeheuer Anderes wurde den Juden zugemutet, an die die Botschaft auch ging, ein unerhörter Anspruch, der Anspruch des Mittlers, wie Justin im 2. Jahrhundert sagte, des zweiten Gottes, der nicht wie der Gott des Alten Testamentes gleichsam von selber geglaubt wird, sondern, darauf geht der Anspruch dieser Botschaft, geglaubt werden s o l l . Von hier aus eröffnet sich nun die Problematik, über die wir das nächstemal sprechen. III

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Es ist mir wieder eine Anfrage zugekommen, die mir willkommen ist, weil sie von den Texten aus Einwände vorbringt, die mich nun wieder veranlassen, scheinbar einen Umweg oder einen weiteren Weg zu nehmen; aber ich bin eigentlich dankbar dafür, dass ich nicht den von mir vorgezeichneten Weg gehe, sondern genötigt bin, solche Umwege und Abwege, scheinbare Umwege zu wählen, denn ich habe das Gefühl, dass eben gerade dadurch herausgearbeitet wird, worauf es ankommt. Ich möchte nämlich ja darin richtig verstanden werden, dass es mir nicht darauf ankommt, Glaubensgegenstände etwa in ihrem Unterschied zwischen Judentum und Christentum zu stellen, sondern Unterschiede des Glaubens selbst, also wie geglaubt wird. Die Glaubensgegenstände, die werden uns schon zu beschäftigen haben, aber sie sind für mich nicht das entscheidende in diesem Zusammenhang. Also die Einwände diesmal kommen zum Unterschied vom vorigenmal von einem christlichen Freund, aber sie berühren die anderen und es sind zwei Einwände. Ich will zunächst von einem ausgehen, der zunächst in den Zusammenhang gehört. Da wird nämlich gefragt, wie denn, wenn es so sei, wie ich sage, dass in Bezug auf die Wichtigkeit, die entscheidende Wichtigkeit der Khawana, der Intention, der Ausrichtung des ganzen Wesens für das Glaubensverhältnis – wie es denn sei, dass Paulus, der

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doch Gesetz und Propheten gekannt, denn er war doch ein Pharisäer, ein Schüler Gamliels, wie Paulus zu solcher Zusammenstellung komme wie Römer 9,30,10 3 und 10. Das ist wirklich eine sehr merkwürdige Stelle, und ich werde gefragt, ob gegenüber der von mir angeführten halachischen Diskussion alles, was ich über die ethisch-religiöse Konzeption gesagt habe, genüge, weil es doch nicht die Halacha sei, während Paulus von Israel überhaupt spricht. Der Schreiber des Briefes fügt hinzu, dass er natürlich von den Übertreibungen Pauli überzeugt sei, wenn er die Zeugnisse des Alten Testamentes heranzöge, aber dass er doch nicht wisse, ob nicht zur Zeit Jesu die Vergesetzlichung des Judentums an Haupt und Gliedern sehr tief ging. Das ist in der Tat wert, gründlich besprochen zu werden. Zunächst aber müssen wir uns klar machen: um was für eine Stelle handelt es sich bei Paulus. Wir werden nämlich sehen, und ich muss sagen, es ist zwar eine Abschweifung, aber Sie werden sehen, dass es wichtig genug ist. Es ist unabhängig von der Frage, um die es sich handelt, deshalb wichtig, weil sie bisher ohne Ausnahme völlig missverstanden worden ist, und es gehört mit zu unserem Gegenstand, einmal diese Stelle klarzustellen. Es ist eine der heftigsten Stellen bei Paulus gegen das Gesetz. Und zwar lautet diese Stelle in der Lutherschen Übersetzung: (Stelle wie oben wird verlesen) Es ist zweifellos, dass es sich hier gerade um den Glaubensbegriff dreht, von dem gesprochen wird. Aber nun der Einwand, der auf Grund dieses Textes vorgebracht wird, der nimmt an, dass hier von dem Glauben überhaupt die Rede sei, dass der Glaube gegenübergestellt wird den Werken, dem Leben im Gesetz, also blosses Tun ohne Intention, aber das scheint mir den ganzen Zusammenhang zu verkennen. Es ist überhaupt nicht von dem Glauben überhaupt die Rede, sondern das, was gegenübergestellt wird dem, was die Juden tun, das ist ausschliesslich der Glaube an Christus, und wenn man das nicht sieht, versteht man die ganze Stelle bei Paulus nicht. Paulus spricht aus einer bestimmten Situation heraus, die für ihn eine eschatologische ist, das Ende der Tage ist. Er glaubt, dass er an diesem Ende der Tage lebt und dass der Messias gekommen ist, und die Juden wollen das Gekommensein des Messias nicht glauben. Das ist, wovon Paulus redet, nicht von dem Glauben überhaupt, nicht von der Art des jüdischen Verhältnisses zu Gott, nicht ob für die Juden der Glaube das entscheidende ist oder die Werke, nicht ob die Werke, die die Juden tun, von Intention erfüllt sind oder nicht, sondern es geht Paulus darum, dass die Juden sich an das Gesetz halten hinsichtlich dessen, dass sie Christus, nämlich das Gekommensein Christi – dass sie nicht anerkennen, dass Christus gekommen ist. Das geht aus dem Wort bei Paulus völlig deutlich hervor: darum, dass sie es nicht aus dem Glauben, sondern aus den Werken des

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Gesetzes suchen, denn sie haben sich gestossen an dem Stein des Anlaufs, wie geschrieben steht, nämlich an Christus. Dass für die Juden Christus ein Stein des Anstosses ist, dass sie nicht an ihn glauben wollen, ist das, wovon Paulus ausgeht. Das geht nämlich hervor aus dem Satz: Christus ist des Gesetzes Ende, wer an ihn glaubt, ist gerecht. Es ist nicht die Rede vom Glauben überhaupt, sondern vom Glauben an Christus, nicht die Rede von allen Zeiten, sondern von dieser bestimmten Situation. In diesem Kampf gegen diese Ablehnung dieses Anspruches spricht Paulus vom Glauben und vom Gesetz, d. h., ich muss noch deutlicher werden: was ist das, was die Juden diesem Anspruch entgegenstellen? Doch nicht etwa das, dass sie an die Erlösung, an das Ende der Tage nicht glauben, sondern sie stellen dem Glauben an das Gekommensein des Reiches Gottes, sie, die Menschen aus der Zeit, in der Paulus spricht, die jüdischen Menschen der Zeit, stellen seiner Botschaft, dass das Reich gekommen sei und dass der, der das Reich gebracht habe, Christus sei, dass es der sei, an den man zu glauben habe, dass es darauf ankommt und nichts mehr, das Reich sei schon da und da handelt es sich nur darum, sich durch den Glauben an Christus diesem Reich anzuschliessen. Dem stellt das Judentum der Zeit nicht einen Nichtglauben gegenüber, sondern es stellt entgegen, ja wirklich nun von dem Gesetz als ein Erlangen des noch nicht gekommenen Reiches durch tätige Umkehr, durch Umkehr des ganzen Wesens. Das Reich kann noch nicht gekommen sein, weil der Mench nicht umgekehrt ist, das Reich muss erst erlangt werden oder, um ein Wort Jesu zu gebrauchen, das höchst charakteristisch ist, erstürmt werden, denn Jesus selbst sagt, seit den Tagen – es ist eine Feststellung – seit den Tagen Johannes des Täufers und fernerhin wird das Königtum des Himmels, das Reich Gottes, die Königsherrschaft des Himmels, die Erfüllung des Gotteskönigtums in der Welt, wird das Gotteskönigstum erstürmt, herangerissen – und die Gewalttäter reissen es an sich, erstürmen es. Ein sogenannter Stürmerspruch. In der christlichen Theologie wird er zumeist als eine Ablehnung dieses stürmerischen Vorgehens seitens Jesus aufgefasst, wenige Theologen, am stärksten Albert Schweitzer haben diesen Satz positiv aufgefasst, durchaus mit Recht, wie ich überzeugt bin. Jesus stellt etwas fest. Das entspricht genau dem Sinn der Predigt des Täufers selbst, die aber zugleich der Anfang seiner Predigt ist. »Kehret um, denn das Königtum Gottes ist nahe herangekommen« und (wie ist das eine mit dem anderen verbunden?) und jetzt kommt es auf euch an, jetzt kommt es darauf an, dass ihr umkehrt, nicht, damit ihr nun darin weilen könnt und nicht daraus verbannt bleibt, sondern damit es auch nun komme. Es verlangt euch, es beansprucht euch, es braucht euch, Gott will euch brauchen zu seinem Werk. Ihr sollt umkehren, damit sein

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Werk vollkommen werde. Das bedeutet dieses nahe Herangekommensein, und so ist der Spruch Jesu ein positiv feststellender, durchaus nicht eine Distanz zwischen sich und dem Täufer herstellend, sondern ein gemeinsames: seit den Tagen Johannis bis nun, da ich spreche. Dieses Heranreissen der nahe herbeigekommenen Königsherrschaft durch die vollkommene tätige Umkehr des ganzen Wesens, nicht durch die Werke, die Erfüllung der Gebote, sondern durch die Umkehr des ganzen Wesens, damit Gottes Wille vom Menschen getan werde, dies ist das, was von seiten des wahrhaften Judentums (mit dem Verfall brauchen wir uns auf beiden Seiten nicht zu beschäftigen) von seiten des wahrhaften gläubigen Judentums dem Anspruch des gekommenen Christus entgegengestellt wurde. Die Erlösung ist nicht geschehen, der Messias ist nicht gekommen, das Königtum Gottes ist nahe herangekommen, aber es ist noch nicht da, die Welt ist noch nicht erlöst, es kommt nur darauf an, dass wir umkehren. Es kommt auf diese entscheidende Wende von unserer Seite an. Dieses ist es, dieses den Glaubensstand des Christus ablehnende Judentum ist es, gegen das hier Paulus ankämpft, indem er proklamiert nun, das einzige, worauf es ankommt, ist der Glaube an das Vollzogene, an das, was sich hier vollzogen hat, und zwar der Glaube d a s s sich dies vollzogen habe. Dieser stärkste Satz Pauli gegen das Gesetz ist nicht aus der Situation herauszulösen, er geht nicht gegen das Gesetz als solches, er geht gegen die, die von dem Gesetz aus, von dem Sinn des Gesetzes aus, von dem Bedingtsein des Kommens der Königsherrschaft durch diese Umkehr, von da aus den Anspruch ablehnten. Nun aber fragen wir uns unabhängig von dieser Stelle (ich glaubte, diese Stelle klären zu müssen, weil es darauf sehr ankommt) fragen wir unabhängig von dieser Stelle: Wie steht es nun tatsächlich mit der Gegnerschaft Pauli, die an vielen Stellen zweifellos ganz allgemeiner Art ist, gegen das Gesetz? Es gibt Stellen, wo er gegen das Gesetzesverhältnis selbst kämpft. Fragen wir uns einen Augenblick: Wie ist, wenn wirklich es auf die Intention, das Ausgerichtetsein des Menschen auf den Willen Gottes ankommt, wie ist das Gesetz zu verstehen, wie ist zu verstehen, dass eine Reihe von vollzogenen Handlungen bestimmt sind, die die eigentlichen sind, die getan werden sollen. Ich glaube eines sagen zu dürfen, wenn ich auch an dieser Stelle keine Belege habe, glaube ich sagen zu dürfen: die Auswahl von Handlungen überhaupt, die Bestimmung von Handlungen, soweit man dergleichen zu erklären versuchen darf – aber fassen wir es jetzt einfach vom Judentum der Zeit aus – das Judentum der Zeit versteht in seinem entscheidenden Verstand das Gesetz als eine Erziehung, als eine Anleitung, Dinge, bestimmte Dinge, und die müssen ja genau festgesetzt werden, so und so, Handlungen zu vollziehen mit der Inten-

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tion zu Gott zu. Der Mensch kann garnicht anders lernen, mit der Intention auf Gott zu zu handeln, wenn er nicht zunächst Handlungen gewissermassen in die Hand bekommt, deren ganzer Sinn und Zusammenhang eben der ist, dass sie auf Gott zu getan werden sollen. Aber darin liegt zweifellos, darin, dass solche Handlungen vorgeschrieben werden und nun es eine gewisse Auswahl von menschlichen Bewegungen gibt, die gebotsartig und die nicht gebotsartig, die vorgeschrieben und die nicht vorgeschriebenen, gleichviel nun, da wäre zu scheiden zwischen den Verboten und den gleichgültigen, – in der Herauslösung von vorgeschriebenen Handlungen liegt zweifellos – und ich meine, man muss diese Sache sich völlig vergegenwärtigen, um jenen Unterschied hieraus zu erfassen, von dem wir sprechen – liegt zweifellos eine Gefahr, nämlich die Gefahr der Versachlichung, dass diese Handlungen an sich unabhängig von der Ausrichtung auf Gott zu, also die Handlungen ausserhalb der Verbundenheit mit Gott, die Handlungen an sich – diese Gefahr der Versachlichung, der Vergegenständlichung, der Ablösung der Handlungen von ihrem Sinn und ihrer Absicht, ich sage, diese Gefahr, die wird schon von den Propheten erkannt in der Gestalt des Opferkultes, der sich zu versachlichen droht, sodass der Mensch, der opfert, der für sich opfern lässt, nicht mehr die vollkommene Intention hat, die im ursprünglichen Opferdienst liegt, sich Gott darzubringen – das Opfer vertritt ihn, sodass sie nun diese Opfer darbringen und damit die Sühnung zu vollziehen glauben – es steht nun zwischen mir und Gott – diese Gefahr der Vergegenständlichung, die Abschneidung durch das Vorgeschriebene, der Zerschneidung des Bundes zwischen Gott und Mensch durch das vorgeschriebene Tun, das ist das, wogegen die Propheten kämpfen, wenn sie gegen den entseelten Opferkult kämpfen und derselbe Kampf nun wird im Judentum, nicht nur vom Christentum aus bloss, im gläubigen, treuen Judentum der Zeit Jesu und der Zeit des Urchristentums innerhalb der jüdischen Gemeinschaft gekämpft. Also gegen die Versachlichung, Isolierung des Rituals, nicht gegen Ritualisierung. Ich werde, um das noch deutlicher zu machen, jetzt zurückgehen auf die Haltung Jesu selbst. Und zwar das entscheidende ist für das Verständnis dessen, um was es hier geht, der Eingang der Bergpredigt. Auch hier handelt es sich um eine vielfach sehr missverstandene Stelle, auch wiederum eine bisher fast durchweg missverstandene Stelle. Es kommt darauf an, sie zu verstehen. Es heisst da (Matth. 5,17 f.) »Ihr sollt nicht wähnen, dass ich gekommen bin, das Gesetz und die Propheten aufzulösen« (und die Propheten? Es wird angenommen, dass es sich hier um einen späteren Zusatz handelt.) (Gesetz ist hier wieder falsch übersetzt. Es ist nicht nomos – Thora, Thora heisst Weisung, etwas, das

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ein Erzieher spricht, der weist, der zeigt:) »Ich bin nicht gekommen aufzulösen, sondern zu erfüllen, denn ich sage euch, wahrlich, bis dass Himmel und Erde zergehe, wird nicht zergehen der kleinste Buchstabe (wird nicht zergehen ein Jota – nach dem hebräischen Buchstaben –) noch auch ein einziges Häkchen von dem Gesetz, bis dass es alles geschehe. Wer nun eines von diesen kleinsten Geboten auflöset, und lehret die Leute also, der wird der kleinste heissen im Himmelreich (im Königtum Gottes) wer es aber tut und lehret, der wird gross heissen im Himmelreich. Denn ich sage euch, es sei denn eure Gerechtigkeit besser denn der Schriftgelehrten und Pharisäer, so werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen.« Zunächst: bis dass es also geschehe d. h. bis die Erfüllung da ist, bis ans Ende der Tage wird von der Thora kein Jota vergehen. Und in diesem Sinne bin ich, sagt Jesus, gekommen, zu erfüllen und nicht aufzulösen. Und weiter: Es kommt darauf an, auf den, der es tut und lehret. In diesem Wort »es tut« ist jedenfalls Jesus (festgelegt). Nebenbei gesagt, es ist einer der Sätze Jesu, auf den der Talmud zweifellos angespielt hat, nämlich in jenem Satze im Traktat Sabbat: Ich bin nicht gekommen, das Gesetz Moses zu mildern (jetzt ist es aber schwer, weil nicht feststeht, welches hebräische Wort weiter steht, es kann heissen s o n d e r n ich bin gekommen, um das Gesetz Moses zu erfüllen, oder, wenn nur ein Waw steht: ich bin nicht gekommen, um dem Gesetz Moses hinzuzufügen.) Das entscheidende für Jesus ist das Wort »tut«. Es kommt also hier nach der ausdrücklichen unverkennbaren Aussage Jesu darauf an, dass es getan wird. Zum Eingang der Bergpredigt wird gesagt, dass es auf das Getanwerden ankommt, und das wird gesagt im Zusammenhang dessen, dass er gekommen ist zu erfüllen. Es ist zunächst verständlich, dass der christliche Theologe, der mit dem Satz zu tun hat, davon befremdet wird, und ein bedeutender Theologe unseres Zeitalters, Johannes Weiss, sagt an dieser Stelle auch, diese Worte Jesu gehörten sicherlich nicht zu denen, die sein innerstes Wesen bedeutsam enthüllen. Das erinnert beinahe an die Aeusserung eines Goetheforschers, der einmal sagt, an der Stelle habe Goethe sich nicht verstanden. Ich meine, dass es nicht Sache des Theologen ist, von einem Wort Jesu, dessen Echtheit er nicht bezweifelt, zu sagen, dass es das innerste Wesen Jesu nicht enthülle. Es steht an bedeutsamster Stelle und es ist nicht isoliert, sondern es ist der richtige Eingang zu dieser Stelle, denn was wir in der Bergpredigt hören, wie Jesus je und je anführt: es ist euch gesagt worden, ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt worden ist … und nun werden Worte angeführt, die aber nicht in der Thora stehen, die also nur im Volksmund existiert haben oder wo sonst, jedenfalls wird etwas angeführt, das als Gebot oder geltender Spruch existiert, und dem

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wird entgegengesetzt eine radikalere Ausdeutung ebensolcher, und zwar radikaler in dem Sinne, dass der erste Spruch, also etwa ein Wort aus der Thora so gefasst wird, als ob es lediglich für die äussere Handlung gelte, dem aber entgegengesetzt wird der radikalere Spruch, der auf die Intention ausgeht, etwa: ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt ist: du sollst nicht ehebrechen. Ich aber sage euch: wer ein Weib ansieht nur ihrer zu begehren … Es ist nicht, dass ein anderes dem ursprünglichen Gebot gegenübergestellt wird, sondern es wird darauf hingewiesen, dass die Intention das entscheidende ist. Von da aus, von diesem Inhalt der Bergpredigt aus, ist der Eingang zu verstehen. Jesus sagt, er sei gekommen, nicht aufzulösen das Gesetz, das getan und gelehrt werden soll, sondern es zu erfüllen, nämlich indem er hinweist auf den inneren Sinn, auf die Khawana, auf die Ausrichtung jedes einzelnen Gebots, dass es nicht darauf ankommt, das Aeusserliche zu tun oder zu lassen, sondern auf das innere. Nun aber, ich hatte schon darauf hingewiesen und möchte es jetzt noch nachdrücklicher tun, um ja diesen wichtigen Punkt klarzustellen, etwa dasselbe wird zu gleicher Zeit, im gleichen Zeitalter aufs reinste und stärkste im Judentum selbst gesagt. Wie ich schon sagte, wie der Kampf gegen die Versachlichung und Vergegenständlichung des Gesetzes ein innerjüdischer Kampf von je gewesen ist, wie die Führer des jüdischen Volkes selbst es waren, die je und je die Gefahr der Vergegenständlichung erkannt. So sehen wir, wie aufs nachdrücklichste im Talmud selbst eben dieser Gefahr entgegengetreten wird, und zwar so, dass der Unterschied zwischen dem Vorgeschriebenen und dem Nichtvorgeschriebenen und dem Gleichgültigen überwunden wird, dass es eine Kategorie gibt, in der beide Handlungen, die vorgeschriebenen und das Nichtverbotene, zusammenströmen und von beiden in einem ausgesagt wird, wie es schon in den Vätersprüchen steht und zwar vom einem sehr frühen Meister, von einem Schüler Jochanan ben Sakkais stammend: Alle deine Taten sollen auf den Himmel zu, um des Himmels willen geschehen. A l l e deine Taten. Also in diesem entscheidenden gibt es keine Scheidung zwischen Vorgeschriebenem und Nichtvorgeschriebenem, sondern ist alles Tun vereint, und darauf kommt es an, das ist die Scheidung zwischen den Taten, die um Gottes willen getan werden und den Taten, die nicht um Gottes willen getan werden. Also die Intention, die Jesus in der Bergpredigt, als ob er etwas Neues an das Judentum brächte, erscheint (nicht in seinem eigenen Bewusstsein, das glaube ich nicht), aber in dem Bewusstsein der Christusgläubigen. Dieselbe Sache ist es, um die im Judentum selbst gekämpft wird. Es wird gefragt an anderer Stelle, warum der Tempel nicht nach seinem Erbauer, nicht nach Salomo genannt worden ist, sondern nach David. Es wird

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gesagt: der Tempel ist nach David benannt worden, weil David es war, der den Gedanken, die Absicht, ich möchte sagen: die Innerlichkeit des Tempels gefasst hat. David ist es, der den Tempel hat bauen wollen, und Gott verlangt die Herzen. Darum wird zu dem Satz im 4. Buch Mos. 5, wo es heisst, Ein Mann oder ein Weib, wenn sie tun werden von allen Versündigungen des Menschen Untreue zu üben an Ihm – dazu wird bemerkt: es steht: wenn sie tun werden und nicht, wenn sie getan haben, damit man daraus lerne, die Tat, die der Mensch, mit der der Mensch sich zu versündigen im Sinne hat, gilt, als ob er Untreue an Gott begangen hätte. Ich glaube, man kann mit demselben noch einen merkwürdigen Satz zusammenbringen, der etwas unbekannt ist. Er scheint mir damit zusammenzuhängen. Traktat Joma (?): Die Wunschbilder der Sünde sind gewichtiger, schlimmer als die Sünde selbst. Die Wunschbilder, die Wunschträume, also die Innerlichkeit der Sünde, der sich der Mensch ergibt, das ist das schlimme, nicht die äussere Handlung. Und schliesslich dieser grosse Glaubens- und Denkensweg gegen die Veräusserlichung des vorgeschriebenen Tuns gipfelt in einem Satz, der wohl nicht überboten werden kann, der einfach wie ein Block gegen alle Paulinische Verkennung des Gesetzes steht: Grösser ist die Sünde um Gottes willen als die Erfüllung des Gebotes, die nicht um Gottes willen geschieht. Also: es ist eine innerjüdische Sache, um die es geht, es ist nicht eine Sache zwischen Christentum und Judentum, es ist nicht eine Sache zwischen denen, die Jesus als Messias anerkannt haben und denen, die ihn nicht anerkannt haben, sondern es ist eine gemeinsame Sache, eine innerjüdische Sache, eine Sache derer, die erkennen, dass die halachische Lehre, in der dieses grosse Heil der erzieherischen Wirkung liegt – es wird angegeben, dies und dies soll der Mensch tun, in dem und dem ist der Mensch gebunden (das heisst die Halacha), damit er lerne, sich auf Gott zu richten – ich sage die Menschen – es ist eine gemeinsame Sache der Menschen, die die Gefahr dieser Lehre erkennen (nicht einen Mangel der Lehre). Es ist kein Mangel der Lehre selbst, sondern eine Gefahr, sondern eine Gefahr durch das Verhältnis der Praxis zu der Lehre, sondern eine Gefahr, weil die Menschen nicht wirklich mit ihrem ganzen Wesen erfüllen wollen, wie es geheissen ist, sondern so sehr geneigt sind, sich mit einem äusseren Tun loszukaufen von der Gerichtetheit ihres ganzen Wesens zu Gott. Und dieser innere Kampf ist auch damals gekämpft worden in der Gestalt, die eben der Situation jener Zeit entsprach, und der Talmud erwähnt mal um mal die Menschen, die das Äussere tun und das Innere nicht tun. Kein Wort Jesu gegen die, die er mit einer durchaus unzutreffenden Verallgemeinerung die Pharisäer nennt, kein Wort Jesu, das ge-

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gen die das Äussere Tuenden gerichtet ist, ist schärfer als die talmudischen Worte, die in subtilster Weise eine Gattung nach der anderen hervorholen, betrachten und verwerfen, der Mensch, der so und so und so das Äusserliche zum Eigentlichen macht und das Innerliche vernachlässigt oder verdirbt. Es ist wohl ein sadduzäischer König und nicht ein Pharisäer, der das Wort von den gefärbten Menschen spricht. Es kommt darauf an, man soll sich nicht vor den Pharisäern fürchten, sondern vor denen, die nicht wirklich Pharisäer sind, sondern sich als solche färben. Das führt mitten in diese innerjüdischen Kämpfe hinein, von denen ich spreche. Denken Sie, dass Gamliel II, der Enkel des Lehrers Pauli, ausrufen liess, jeder Gelehrte, dessen Inneres (vor dem Lehrhaus stellte er einen Türhüter auf, der das ausrufen musste) nicht wie sein Äusseres ist, darf ins Lehrhaus nicht hineinkommen. Aber nicht das ist das Merkwürdige, sondern das Merkwürdige ist, dass sein Nachfolger den Türhüter abschaffte, und dass nun 400, anderswo heisst es 700 Bänke hinzukommen mussten. Was heisst das? Nun sollte man meinen, wenn die Hochmütigen nun so herumlaufen, dass sie auch noch den Mut aufbringen, hineinzugehen und sich mit ihrem Selbstbewusstsein darüber wegzuhelfen – sie gehen nicht hinein. Was heisst, dass sie nicht hineingehen, dass 400 oder 700 Bänke später hinzugefügt werden müssen, bedeutet doch, dass Menschen zurückschrecken, also Menschen, die es nicht trifft. Die Menschen, die es trifft, würden doch nicht erschrecken, man kann doch nicht erwarten, dass diese sagen: ich kann nicht mit mir zufrieden sein, ich kann nicht mir ein Zeugnis ausstellen, dass mein inneres wie mein äusseres und mein äusseres wie mein inneres ist. Und darin gibt sich eine Wichtigkeit kund. Das ist mehr als blosse Rede, das ist Tatsächlichkeit des Lebens. Diese Menschen, die sich so prüfen, die so unzufrieden mit sich sind, die nicht versuchen, hineinzugehen und werkgerecht zu sein … Und dieser Grundsatz lebte so im Volke, dass später im 4. Jahrhundert Ram (?) daraus den Grundsatz machte, den allgemeinen Grundsatz: ein Gelehrter, dessen Inneres nicht wie sein Äusseres ist, ist kein Gelehrter, oder in der Sprache Luthers: ein Schriftgelehrter, dessen Inneres nicht ist wie sein Äusseres, ist kein Schriftgelehrter. IV

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Ich möchte zunächst etwas Technisches vorausschicken. Ich werde nächsten Samstag nicht lesen, sondern erst wieder von heute in zwei Wochen, also am 24. dann aber wie gewöhnlich. Und dann möchte ich Sie auf etwas in Bezug auf den Inhalt dieser Vor-

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lesung aufmerksam machen. Etwas hatte ich schon davon gesagt. Es geht mir nicht darum, die Systematik zu erschöpfen, Ihnen also ein umfassendes Bild der verschiedenen Gebiete jüdischer und christlicher Dogmatik zu geben, und es ist mir nicht leid, wenn ich einige Kapitel von denen, die ich angezeigt habe, in diesem Trimester nicht lesen werde (vielleicht im nächsten) sondern es geht mir darum, dass jeweils die einzelnen Stadien des Weges, den wir gemeinsam gehen, in vollkommener Klarheit gegangen werden und nichts zurückbleibt an Ungeklärtem. Darum ist es mir sehr wichtig, dass ich gefragt werde, dass Einwände gemacht werden, und darum lasse ich mich so gern – ich lasse den Weg von diesen Einwänden bestimmen, und wir haben, glaube ich, mit einander immer die Erfahrung gemacht, dass wir dadurch nicht abgekommen sind. Noch etwas. Es ergibt sich, notwendigerweise, dass einzelne Stadien dieses Weges schwierig zu begehen sind, dass es kurzweilige und, na, ich will nicht gerade sagen langweiligere, aber weniger kurzweilige Strecken des Weges gibt, und ich muss schon Ihnen vertrauen, dass Sie die weniger kurzweiligen Strecken des Weges, zu denen die heutige gehört, aushalten. In diesem Sinne möchte ich jetzt zurückgreifen auf die zweite der beiden Fragen meines christlichen Freundes, von denen ich die erste das vorige mal beantwortet habe. Die erste Frage, die ging, wie Sie sich erinnern, darum, inwieweit der paulinische Gegensatz zum Gesetz etwa, zu dem starren Gesetz etwa doch berechtigt sei. Es hat mich diese Frage dazu angeregt, eben die Hinweise auf die Bedeutung der Khawana zu vervollständigen. Nun aber die zweite sehr schwerwiegende Frage, die sich darauf bezieht: Sie werden sich erinnern, das ich das vorletzte mal davon gesprochen habe, in doppelter Hinsicht sei der christliche Glaube vom jüdischen wesentlich unterschieden. Ich meine nicht den Gegenständen nach, sondern der Art nach, nämlich einerseits, dass der christliche Glaube, der ein starkes Element des Glaubens, d a s s e t w a s i s t , in sich trägt, also ein starkes Element der Gegenständlichkeit »ich glaube, dass sich das und das so verhält« das ist etwas ganz anderes als der biblische Glaube, von dem wir gesprochen haben, das ist das, was ich das griechische Element im christlichen Glauben nannte, das Objektivum, das, an dessen Tatsächlichkeit, an dessen Wirklichkeit geglaubt wird, also eine andere Weise des Glaubens. Und dann dieses eigentümliche christliche – schon im frühesten Christentum auftretende Pathos des Glaubens gegenüber diesem fast selbstverständlichen biblischen Glauben, von dem wir ausgegangen sind, dieses Pathos des Glaubens, der eine Forderung ist, etwas Ungeheures, was der Mensch zu vollbringen hat, etwas, wovon Schicksalhaftes, sein letztes Schicksal, sein Bestehen im Gericht abhängt, ob er glaubt oder nicht glaubt daran, das ist

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bestimmt von dem Anspruch, der an ihn herantritt, ein Glaubensanspruch, der neu jetzt auftritt, herantritt, der Anspruch des Glaubens an den gekommenen Christus. Erst durch diesen Anspruch wird das Pathos dieses Glaubens erklärt. Und da wird nun gefragt, und das ist auch eine sehr gute und relativ berechtigte, jedenfalls wichtige Frage, ob denn dieser Anspruch, dass Christus nicht etwa bloss im messianischen Sinn gekommen ist – das wäre nicht etwa ungeheuerlich, denn bei einem Volk, das an das Kommen des Messias glaubt, kann es doch nicht ein ungeheuerlicher Anspruch sein, zu glauben, dass dieser und jener, der gekommen, der Messias sei, das ist ja immer und immer gefordert worden, das füllt die ganze Geschichte dieses Volkes von der christlichen Zeit bis in eine späte Zeit, bis fast an die Schwelle der Emanzipation, dass immer ein Mensch da ist, der oder dessen Anhänger den Anspruch stellten, dass er der Messias sei, das kann doch nicht das Ungeheuerliche sein des Anspruchs, aus dem sich dieses Pathos erklärt. Und ich habe darauf hingewiesen, dass es der Anspruch ist zu glauben, dass Christus gekommen ist als ein Niedersteigen des Göttlichen. Nun aber wird mir eingewandt, dass ich die spätere Christologie, die spätere Lehre von Christus damit vorwegnehme, die trinitatische Theologie, die auf dem Dogma der Dreieinigkeit, der Dreifaltigkeit Gottes, der Existenz und Einigkeit dreier Personen in dem einen Gott anknüpft, dass ich damit diese spätere Christologie vorwegnähme. Bei Paulus aber, auf den ich mich ja berufen habe, und von dem ich wenn möglich ja ausgehe, bei ihm sei doch zwischen Gott selber und dem Mittler, der freilich Herr genannt wird (nebenbei: das ist die Bezeichnung, mit der in der griechischen Bibel, der Septuaginta der Gottesname übertragen wird) das aber hier immerhin aufgefasst werden kann als lediglich Bezeichnung für einen Herrn, der kein Gotteswesen sein muss – aber bei Paulus sei zwischen Gott und Mittler scharf geschieden. Und dafür werden Stellen angeführt wie Korinther 1, 8/6 etc. z. B. die Timotheusstelle, da wird Gott von Christus gesondert, indem ihm die alleinige Unsterblichkeit zugesprochen wird, und im Epheserbrief heisst es, »der Gott unseres Herrn Jesus Christus«. Also Jesus sieht zu Gott als zu seinem Gott auf. Und diese Stelle stünde im Zentrum der paulinischen Christologie und das ändere sich erst im johannäischen Christentum, auf das wir zunächst nicht einzugehen brauchen. Es ist ganz richtig, dass zumindest zwei dieser Stellen wirklich in diesem Sinn zu verstehen sind, in dem Sinn, für den in den synoptischen Evangelien das allermeiste spricht. Es ist Christus also nicht als Gott verkündigt. Es wäre also die Frage, ob es berechtigt sei, für die früheste Zeit des Christentums diesen Anspruch an die Gottesperson, wie ein späterer christlicher Theologe im 2. Jahrhundert sagt, an

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den zweiten Gott, dass dieser Anspruch noch garnicht hier hervortritt. Und besonders wichtig, wird dann noch gesagt, sei ferner das 1. Kapitel des Hebräerbriefes, der mit besonderer Schärfe gegen unrichtigen Glauben sich wendet, wo der Sohn verglichen wird mit den geschaffenen Engeln, die er an Macht überrage, wo er mit dem Abglanz der Herrlichkeit Gottes gekrönt wird usw. Nun ist es mir darum zu tun, nicht etwa zu zeigen, dass alle frühe Christologie ein Glauben an den Gott Christus sei – im Gegenteil, das liegt mir sehr fern, denn ich bin durchaus davon überzeugt, dass schon in der ersten Zeit ein grosser Kampf der Glaubenslehren in ihrer naivsten Form entbrannte, wenn man auf der einen Seite durchaus Christus verkündete als den gekommenen Messias und zwar einen Menschen, der von Gott erwählt ist und der von Gott, nachdem er die Versuchungen bestanden hatte, oder nachdem er sich geläutert hatte in entscheidender Läuterung von Gott in die Sohnschaft aufgenommen, zu seinem Sohn gleichsam adoptiert worden ist, die Lehre, die man die adoptative nennt. Von diesem einen System führt eine Reihe von Abstufungen, aber ich meine freilich, dass diese führen bis zu einer Lehre (im paulinischen Christentum schon) von dem Gott Christus. Um das zu beweisen, werde ich zunächst von zwei der von meinem Freund angeführten Stellen ausgehen. 1. Korinther 8,6 lautet (Luther) … Nun ist es ja wohl klar, dass der Satz »von welchem alle Dinge sind« auf den Vater bezogen ist, nicht das Verhältnis des Gläubigen zu Gott oder Gottes zu den gläubigen Menschen betrifft, sondern den Schöpfer, von dem alle Dinge ihren Ursprung haben, der alle Dinge geschaffen hat. Wenn wir dies festhalten – und das Wort ist nicht anders zu verstehen – müssen wir es auch festhalten in Bezug auf das zweite Glied des Satzes, auf Christus, d. h. die Schöpfung geschieht durch diesen logos, durch den schon vor der Schöpfung existierenden Christus, durch das Wort Gottes, das vor der Schöpfung existierte und mit Christus identisch ist. Dieses Wort also zeugt vielleicht für eine Überordnung und Unterordnung innerhalb der Gottheit und nicht für eine Nichtgöttlichkeit des geglaubten Christus. Und nun jener Hebräerbrief 1, der mit Recht besonders wichtig genannt wird. In demselben Kapitel, aus dem dies zitiert worden ist, steht etwas sehr merkwürdiges, nämlich das Wort des 45. Psalm »Gott, dein Stuhl währet von Ewigkeit zu Ewigkeit, das Zepter deines Reiches ist ein rechtmässiges Zepter«. Dies wird angewandt: auf den Sohn zu, sagt der Psalmist das, was er sagt, und womit er doch Gott anbetet. Es ist also nicht möglich, aus dieser Stelle das, was ich meine, diesen ungeheuren Anspruch des ersten frühesten Christentums zu eliminieren. Schon in

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dieser ersten Zeit – bleiben wir bei Paulus selbst – schon da wird Christus der Erstgeborene aller Schöpfung genannt, nun, das mag immerhin noch keine trinitatische Lehre sein, aber das ist immerhin eine Lehre von einer gottähnlichen Präexistenz des Logos-Wesens, das der Schöpfung vorausgeht, und an einer anderen paulinischen Stelle wird von der Gottgleichheit Christi gesprochen. In der Apostelgeschichte sagt Paulus (20) zu den Aeltesten der Gemeinde Ephesos (es ist natürlich nicht zufällig, dass diese Worte meistens zu griechischen Gemeinschaften gesprochen sind), da spricht er von der Gemeinschaft, von der ecclesia Gottes, den er sich (da gibt es eine Lesart: der Herr, aber offenbar ist, dass: Gott der ursprüngliche Text ist) die Gott sich erworben habe durch sein eigenes Blut. Oder im Brief an Titus, der jenem Timotheus-Brief ungefähr in der Art, auch in der Unsicherheit der Zuschreibung an Paulus ungefähr nahesteht, und es ist kennzeichnend, dass innerhalb einer sich so nahen Schicht der Literatur so entgegengesetzte Auffassungen im paulinischen Schrifttum vorhanden sind – es ist ein echter paulinischer Brief. Da heisst es im 2. Kapitel: »Denn es ist erschienen die heilsame Gnade Gottes allen Menschen … und warten auf die selige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit des grossen Gottes und unseres Heilands Jesu Christi, der sich selbst für uns gegeben hat« usf. Sie sehen, es kann eine deutlichere Auffassung garnicht gedacht werden. So ist es nun auch zu verstehen, dass der früheste Märtyrer, der erste Glaubenszeuge des Christentums, Stephanus, im Sterben nicht zu dem Vater, sondern zu Jesus betet »Herr Jesus, empfange meinen Geist«. Das ist eben dasselbe vom Psalmwort ausgehende Wort, das sonst Gott gilt. Ich will von dem späteren noch in diesem Zusammenhang garnicht sprechen. Aber Sie sehen, dass der Kampf der Glaubenstendenzen schon in dieser frühen Zeit da war. Es wird also der Anspruch gestellt, und zwar oft als der ganze Anspruch, als der ganze Gehalt des Glaubens, der gefordert wird. In eben jenem ersten Korintherbrief im 15. Kapitel sagt Paulus zu den Korinthern, »ich erinnere euch aber, liebe Brüder, des Evangeliums, das ich euch evangelisiert (der guten Botschaft, die ich euch gebotschaftet) habe«. Und nach dieser eifrigen Anfeuerung folgt die Verkündigung von Christus allein als der Gehalt und Sinn des gemeinten Glaubens. Es ist also dies und nichts anderes der Anspruch gewesen, der herantritt. Und von da aus ist es zu verstehen, dass eine neue Glaubensweise eintritt, die in dieser eigentümlichen Verknüpfung von jüdischen und griechischen mit allerlei anderen, iranischen und sonstigen Elementen zusammengenommen – dass sich nicht etwa bloss ein neuer Gegenstand des Glaubens ergibt, sondern eine neue Weise und ein neues Pathos des Glaubens. Es wird verlangt, von dem Gläubigen gefordert, dass er glaube, dass es sich so und so verhält,

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dass Gott niedergestiegen ist, nicht mehr bloss, dass er zu Gott eine Vertrauensbeziehung hat, sondern dass er etwas Bestimmtes mit der ganzen Inbrunst seines Wesens für wahr hält, und zwar eben, was ihm zu glauben zunächst (nicht dem Griechen, aber dem Juden, an den der Ruf ergeht zu glauben) ungeläufig, mehr noch: befremdlich, mehr noch: widersinnig, soweit er noch im Judentum ist, erscheinen musste. Dies, dass sich der Jude nun vom Judentum losreissen muss, dass das Christentum den Juden dem Judentum entriss und zunehmend immer mehr, so sehr die Judenchristen-Gemeinden im Judentum zu bleiben versuchen, das liegt eben daran, dass hier dieser neue, andere Anspruch wachsend herantritt, dass sich jene Lehre an den Menschen, der gekommen ist, der sich vollendet hat, vervollkommnet hat, geläutert hat und von Gott in seine Sohnschaft genommen wurde, dass diese Lehre, die immer wieder auftritt von seiten der Judenchristen, verdrängt wird durch die Lehre vom niedergestiegenen Gott, die die Griechen wie etwas Selbstverständliches ergriffen haben, denn die Griechen glaubten ja an Mysterien, an Erlösergötter, und da wurde ihnen ein neuer Gott nahegebracht, der vor anderen Göttern den unendlichen, kaum nachzulebenden Vorzug hatte, dass sich Menschen – wenn auch vielleicht nicht mehr unmittelbar an ihn erinnerten, aber, wie es bei (?) … heisst: ich habe einen gekannt, der hat einen gekannt, der hat den Herrn gekannt. Dass man mit diesem Mysteriengott verknüpft war durch Erinnerungen in lebendiger Konkretheit im Gegensatz zu jenen Mithras, Adonis etc., mit denen solche Verknüpfungen der Erinnerung fehlten, ich sage, das ergriff die Griechen mit einer solchen unmittelbaren, hinreissenden Gewalt. Für den Griechen war das etwas, was er gern annehmen konnte, was ihm half, was ihn führte, für den Juden war es etwas, was er im Judentum immer weniger in sein Dasein aufnehmen konnte, er musste sich selbst von seinen Wurzeln reissen, um dem anhängen zu können, dass Gott in menschlicher Gestalt auf die Erde gekommen, dass es in Gott eine Mehrheit gibt (der heilige Geist tritt erst später dazu), eine Zweiheit der Personen, wie immer sie mit einander vereinigt sein mögen, doch eine Zweiheit der Personen, die gesondert werden können, sodass die eine angesprochen wird und nicht zugleich die andere, ich meine, dies sich vorstellen können einer göttlichen Persönlichkeit, was für den Griechen das Positive war, das menschliche, das fassbare, das ergreifende, das war etwas für den Juden, das wegstossend, das befremdend, das unannehmbar war. Nun ist es wichtig zu sehen, ehe wir weitergehen, dass für die abendländischen Völker diese Ausgestaltung jüdischen Glaubens, diese Ausgestaltung und Umgestaltung, Abwandlung und Umwandlung jüdischen Glaubens, die wir Christentum nennen, dass diese die abendländischen

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Völker gerade vermöge eben dieses, was der Jude nicht anzunehmen, als Jude nicht anzunehmen vermag, bezwungen hat. Es ist also die Gestalt Christi, und zwar die menschliche Gottesgestalt, die die abendländischen Völker bezwungen hat und die sie so nun selber umwandelte, von Grund aus, wie eben das Christentum die Völker des Abendlandes umgewandelt hat. Ich kann hier nicht auf die Geschichte dieses Christusglaubens im Abendland hinweisen, ich möchte etwas aus unserer Zeit anführen, um deutlicher zu zeigen, wie es sich damit verhalten hat. Der verstorbene Erzbischof Soederblom hat in einer Schrift über Vater, Sohn und Geist folgendes berichtet, 1909, zehn Jahre hinterher: vor ungefähr 10 Jahren sagte eine religiöse Persönlichkeit … In meinem Leben hat es Zeiten gegeben, in denen ich Atheist war … Das ist aus der Glaubenstiefe, aus der Glaubenssehnsucht und Glaubenswirklichkeit der abendländischen Völker zu verstehen, dass diese eigentümliche Einheit von Menschheit und Gottheit ihnen erst geben konnte, worauf sich das ganze Herz verlässt, das also, was uns in Gott selber gegeben ist. Ich selbst habe an einem verstorbenen Freund, einem grossen christlichen Menschen erfahren, dass er in sehr schweren, entscheidend schweren Zeiten seines Lebens, wie er mir selbst sagte, am Leben erhalten wurde durch den Glauben an Christus. Er sagte: »Wenn ich nicht an Christus glauben könnte, hätte ich das nicht überlebt.« Das ist in allem Ernst aus der Seele dieses deutschen Menschen zu verstehen. Von da aus betrachtet wird aber auch die abgründige Tiefe des Unterschieds, von dem wir reden, klar. Nun, was bedeutet dies. Was bedeutet dies, auf den Glaubensgegenstand hin betrachtet? Was bedeutet diese (ich möchte noch einmal jetzt die dritte Person ausser acht lassen) was bedeutet diese Zweiheit (wie gesagt, die dritte Person, der heilige Geist ist später aus einem gewissen dogmatischen Vollständigkeitsbedürfnis hinzugekommen) aber was bedeutet diese ursprüngliche Scheidung einer väterlichen Nichtmenschengestalt und einer sohnhaften menschengestaltigen Gottheit, jedenfalls in Menschengestalt eintretend und in solcher auf Erden wandelnde Gottheit? Wenn wir die frühen Zeugnisse der christlichen Gemeinschaft betrachten, so finden wir, dass, so sehr auch zuweilen und immer wieder die Güte des Vaters gepriesen wird, dass Gott der Vater in einem Ernst als der strafende, zürnende, richtende Gott erscheint, dass sich daraus eine Einseitigkeit der Betrachtung ergibt, von der aus nun Christus als der erlösende, befreiende, als der Heiland angesehen wird. Es ist dieser Hintergrund des strafenden, richtenden, zürnenden Gottes, der nun im Hintergrund gemalt wird mit Farben, die aus dem Alten Testament geholt sind, aber herausgelöst und aus dem Zusammenhang jener Worte, wo zu diesem Zorn unablösbar die Gnade gehört, wo Gott

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niemals als der nur zürnende erscheint, wo sich Zorn und Gnade immer in einem begeben haben. Ich möchte schon jetzt vorweg nehmen, dass es dem Judentum eigen ist, diese ungeheure Spannung zwischen dem Zorn und der Gnade, zwischen dem Uebel, das dem Menschen widerfährt und dem Heil, das ihm widerfährt, in der vollkommenen, in keiner Weise gespaltenen Einheit Gottes zu sehen, gleichsam so, dass die Weltdramatik in Gott selber hineingenommen ist. Es ist dem Menschen natürlich zu fragen, woher ihm das Uebel kommt, das ihm widerfährt. Es ist nun einmal so, dass wir das Uebel, das uns widerfährt, mit besonderer Heftigkeit zu merken pflegen, also nach seinem Ursprung intensiver fragen, als nach dem des Heils, das wir so hinnehmen, als ob es dazu gehörte. Ich sage, diese Frage, die eine Grundfrage des Menschengeschlechtes überhaupt ist, nach der sich die Religionen vielfach ganz anders ordnen, als die Religionshistoriker sie zu ordnen pflegen, diese Frage nach dem Ursprung des Uebels, das mir widerfährt, wird vom Judentum, wird von Israel und vom späteren Judentum (wir werden das nächstemal in diesem Zusammenhang vom talmudischen Judentum zu sprechen haben) nicht so beantwortet, dass der Ursprung des einen irgendwie von dem Ursprung des anderen geschieden wäre. Schon in jenem deutero-jesaianischen Text, der sich ganz deutlich gegen den altpersischen Dualismus, der Gott und Erlöser in zwei Gottheiten scheidet, wendet, wird von Gott gesagt, dass er das Licht und die Finsternis geschaffen habe, dass er das Gute und das Böse gemacht habe und mache, es ist also eine Proklamation, dass es nicht zweierlei Ursprung gibt. Noch einmal: die Gegensätzlichkeit von Gut und Böse wird hineingenommen in die göttliche Einheit als ein (wenn man das sagen darf) innergöttliches Drama, und im talmudischen Schrifttum gelangt das zu seinem vollkommenen Ausdruck in der Scheidung zweier Attribute Gottes, die gleichsam mit einander handeln und verhandeln, zwischen denen das Weltgeschehen sich vollzieht, des Attributes des Gerichts und des Erbarmens. Das Christentum, der Anspruch des Christentums besteht darin, dass hier die beiden verpersönlicht werden, dass die Einheit Gottes auseinanderbricht in den richtenden und den lösenden, dass diese Dramatik, die die Einheit Gottes im Judentum nicht verletzt, hier sich auswirkt in einem Gegenüber zweier Personen, die zwar beide Anteil haben an der Gottheit, die zwar beide der einen Gottheit Person sind, die sich aber doch so sondern, wie wir eben gesehen haben, dass zu dem einen, dem Sohn gebetet, dass an den Sohn geglaubt werden kann, entweder ausschliesslich oder doch so, dass der andere gleichsam die Folie abgibt als der Vater, zu dem man aber das entscheidende Verhältnis der persönlichen Unmittelbarkeit, der Wesenshingabe nicht mehr hat. Ich möchte nun versuchen Ihnen zu zeigen, wie

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das Christentum hier in der Mitte steht zwischen der jüdischen Lehre, wo die Zweiheit ganz und gar in der Einheit gleichsam innen, als die innere Bewegung dieser Einheit hineingenommen wird, zwischen dieser jüdischen Lehre und jener Überspannung der Christologie, jener Überspannung der Spaltung, wie sie dann ein grosser Christ (wie die Kirche sagt: Ketzer), aber es war nahe daran, dass er ein grosser Kirchenlehrer geworden wäre, verkündet hat, Markion, der nun völlig scheidet, der nun diese Welt, in der gestraft wird, gerichtet wird, und die Welt, in der erlöst wird, von einander abhebt, der den Gott des Alten Testamentes, der Gott, der nur gerecht ist, der straft und richtet, der diese Welt geschaffen hat und dann diese Menschen, die er doch so unzulänglich geschaffen habe, dafür straft dass sie so mangelhaft geschaffen eben Unrecht tun auf dieser Erde – und dem Gott des Neuen Testamentes, dem Erlösergott, der mit dieser Schöpfung, diesem Jammertal garnichts zu schaffen hat, der in unendlicher Ferne in irgend einem ganz anderen Seinsgebilde urfern dieser Welt da ist, ohne irgend etwas von ihr, von ihrem Elend, von ihrem Widerspruch wahrzunehmen, bis er einmal ihre Not erblickte, sich ihrer erbarmte und seinen Sohn zur Erlösung dieser Welt hinuntersandte. Ich sage, dies ist das äusserste andere Extrem, genährt auch dies vom altpersischen Dualismus. Es ist das äusserste Extrem der Entzweiung des Gottes von diesem unseren gerechten, strafenden, unserem Judengott. Es ist bedeutsam, dass in unserer Zeit ein christlicher führender deutscher Theologe, Harnack in allem Ernst gefunden hat, dass das deutsche Volk unserer Zeit sich die Markionische Lehre zu eigen machen, d. h. vom Alten Testament vielleicht noch einiges, Propheten und Psalmen usw., was man gut ertragen könne, behalten und das übrige abstossen solle. Harnack hat nicht die Konsequenz gezogen, dass man auch den Gott abstossen sollte, aber so hat es Markion gemeint. Er hat die Konsequenz gezogen. Ich sage also, das sind die Extreme. Auf der einen Seite haben wir den unmittelbaren, selbstverständlichen Glauben zu dem einen Gott, das Vertrauen, das menschliche, natürliche, personenhafte Vertrauen zu dem einen Gott, von dem alles kommt, der uns das gibt, was wir empfangen, und so ist es recht, der uns das Uebel gibt und der uns das Heil gibt. Wir empfangen es von ihm und dadurch, dass wir es von ihm empfangen, kann das Uebel kein Unheil sein, sondern auch es ist von der Heilhaftigkeit Gottes berührt. Und auf der anderen Seite ganz drüben steht diese Auseinanderreissung des Seins überhaupt bis in die Tiefen der Gottheit, die Markion, die paulinische Lehre ins äusserste treibend, gepredigt hat, und dazwischen steht das Werden des Christentums, wie es sich dann weiter auswirkt und bestimmende Macht über die Völker des Abendlandes erlangte.

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Wir wollen das nächste mal davon sprechen, was das bedeutet, dieses Dazwischenstehen und wie das talmudische Judentum sich durch Ausbildung der Lehre von den zwei Attributen gegen jenes Werdende endgültig abgrenzt. V Vor zwei Wochen hatte ich Ihnen zu zeigen versucht, wie der christliche Glaube an das Verhältnis zwischen dem Walten des Uebels im menschlichen Leben, im Leben der Welt und der Lösung vom Uebel, zwischen der Macht des Zornes und der Macht der Gnade – ich sagte, wie dieser christliche Glaube in der Mitte steht zwischen zwei Konzeptionen, der jüdischen auf der einen Seite, von der ich schon gesprochen habe und noch zu sprechen haben werde, und jener äussersten Ueberspitzung der christlichen Konzeption, wie sie der von der Kirche als Ketzer iminierte Denker des Christentums des zweiten Jahrhunderts, Markion, ausgebildet hat, nämlich dem Glauben an zwei Gottheiten, die mit einander nichts zu tun haben, einer Gottheit der Gerechtigkeit und zwar im menschlich schlechten Sinn, der Nur-Gerechtigkeit, und das heisst auch des Zornes, denn dieser nur gerechte Gott zürnt den Wesen, die er selber geschaffen hat, der Macher dieser Welt, das ist der Gott, der dieses Jammertal geschaffen hat, der selber dafür verantwortlich ist und der nun die Wesen, die so sind, wie er sie gemacht hat, und die nun eben so leben, wie er sie gemacht hat, der nun diese Wesen zu richten, zu strafen unternimmt. Dieser Gott des Alten Testamentes, wie Markion sagt, der ist der eine, der andere aber ist weltenfern, ist urweltenfern, das ist der gute Gott. Dieser gute Gott erblickt da plötzlich einmal, möchte man sagen, diese arme Welt in ihrem Widerspruch, erbarmt sich ihrer und sendet seinen Sohn, sie zu erlösen. Hier, das ist die äusserste Entgegensetzung zweier Gewalten, eben der einen, die der Mensch selbst wahrnimmt, wenn er wahrnimmt, dass er leidet, dass er selbst, dass sein Leben im Widerspruch steht, dass es preisgegeben ist, dieses Gefühl des leidenden Menschen, dass er von einer Macht her, die ihm zürnt, die ihn straft, die mit ihm rechtet, abhängig ist, wenn er so leidet – und dann jene Sehnsucht nach Lösung, nach Befreiung, nach Ueberwindung dieses Widerspruchs, die sich nun für Markion darstellt in diesem anderen, diesem guten Gott, der mit dieser Welt garnichts zu tun hat, in keiner Weise für sie verantwortlich ist, aber sie erlöst – ich sage, jene Zweiheit, die im Christentum nun die Gestalt der Unterscheidung zweier Personen in der Gottheit angenommen hat, ist in dem markionitischen Glauben

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überspannt in die Annahme zweier Personen, die einander schlechthin entgegengesetzt sind. Ich werde auf die christliche Konzeption noch zurückkommen. Ich möchte übrigens in diesem Zusammenhang auf eine Frage an mich – nicht antworten, aber wenigstens hinweisend antworten. Ich bin nämlich nach dem Unterschied zwischen jüdischem und christlichem Erlösungsglauben gefragt worden in einem Brief, und das wird die Aufgabe der nächsten Vorlesungen sein, diesen herauszuarbeiten, aber eben von dem Punkt aus, den wir jetzt erreichen. Ich sagte, dem Judentum ist dies fremd, nicht bloss die Annahme zweier so einander entgegengesetzter Mächte, deren eine gewissermassen die Welt von der anderen, von dem Walten der anderen erlöst, sondern auch die Unterscheidung zweier Personen in der Gottheit, von denen die eine zürnt, der Menschheit zürnt, und die andere diesen Zorn gleichsam überwindet, von dem Zorne löst, also auch diese sanftere, freundlichere Gestalt des Zweiheitsglaubens ist dem Judentum fremd. Das Judentum unterfängt sich dem gegenüber, nicht etwa die Wucht des Gegensatzes, der Gegensätzlichkeit zwischen dem Guten und dem Uebel in der Erfahrung des Menschen abzuschwächen, oder sie nur irgendwie verschiedenen Elementen zuzuteilen, sondern es unterfängt sich ohne irgend eine Abschwächung der Tatsächlichkeit dieses weit ausgespannten Gegensatzes, ohne Abschwächung des tatsächlichen Leidens des Menschen, an dem ihm widerfahrenen Uebel, der Leidenserfahrung, der Uebelserfahrung des Menschen, ohne diese Abschwächung unterfängt sich das Judentum, diesen Gegensatz in Gott, in den einen Gott zu fassen, sodass es dem einen Gott, ohne irgendwie eine Scheidung in ihm vorzunehmen, ohne irgendwie personenhaft diese Zweiheit hervortreten zu lassen, in der Gottheit als einen Vorgang, als einen ewigen, jedenfalls weltenzeitlichen Vorgang in der Gottheit selbst, die Dramatik, die dramatische Uebertragung zwischen den beiden Gewalten, zwischen dem Gericht und dem Erbarmen, wie das Judentum sagt, zwischen dem Mass des Gerichts und dem Mass des Erbarmens, als eine innere Dramatik des Gotteswesens zu fassen. Das ist nun nicht etwa rein theologisch zu verstehen, als ob sich das Judentum Gedanken mache darüber, welche Eigenschaften, welche Attribute in Gott sind, als ob es gewissermassen der Vollständigkeit wegen dieses und dieses Prinzip in Gott hineinnähme, wie es manche Leute ansehen, die den jüdischen Monotheismus sozusagen als abstrakte Spekulation bewundert haben. Im Gegenteil, es ist aus der äussersten Unmittelbarkeit, lebendiger Gotteserfassung geboren, wenn das Judentum diesen in der Welt so spürbaren Gegensatz nun in Gott hineinnimmt und zwar so, dass es hier kein Gegensatz mehr ist, sondern ein

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Geschehen in Gott selbst. Ich will Ihnen drei Stellen anführen, die die verschiedenen Seiten dieser Anschauung deutlich machen. Zu dem jesaianischen Wort 26. Kapitel: »Denn wohlan, er fährt aus seinem Orte her, um heimzusuchen die Vergehen, die Verfehlung des Insassen des Erdlandes«. Zu diesem eigentümlichen Wort, dass von Gott gesagt wird, dass er von seinem Ort sich gleichsam wegbewege, sagt Rabbi Meir: »Das Wort kann man so nicht hinnehmen. Gott ist doch allgegenwärtig. Was soll es dann heissen, dass Gott von seinem Ort sich fortbegeben muss, um die Verfehlung heimzusuchen?« Rabbi Meir sagt dazu: »Gott bewegt sich von dem einen Mass zum andern Mass hin, von dem einen Attribut zum anderen, vom Masse des Gerichts zum Masse des Erbarmens hin.« Es ist also eine Bewegung in Gott selbst. Gott vollzieht selber die Bewegung vom Gericht zum Erbarmen. Gott umfasst also dieses Sein mit seiner Polarität des Uebels und des Guten, des Gerichts und der Barmherzigkeit so in sich, dass das entscheidende Geschehen in Gott selbst gefasst werden kann. Gott bewegt sich von dem einen zum anderen hin, diese Dramatik, diese Austragung zwischen den beiden Prinzipien geschieht nicht zwischen zwei einander entgegengesetzten Gewalten und auch nicht zwischen zwei Personen der einen Gottheit, sondern innerhalb der vollkommen einigen göttlichen Person geschieht das Geschehen. Seine Wahrheit wird nun (das ist ein notdürftiges, schlechtes Gleichnis) wie in der Seele eines Menschen geschehen ist zwischen dem, was in ihm als Gegensatz waltet und doch ganz anders, eben dieser Brüchigkeit, dieser Unzulänglichkeit, dieser Problematik der Kreatur entgegen ist alles Ewig gültige, einander entgegen, und dennoch durch dramatisches, durch Geschehen zwischen den Polen (?) Ich sehe hier davon ab (das wäre Gegenstand einer anderen Erörterung) wie dann durch die Ueberlieferung die beiden Gottesnamen Elohim und der vierbuchstäbige Gottesname mit diesen beiden Massen identifiziert worden sind. Das ist für uns nicht zentral. Hier gilt es im Augenblick diese Bewegung von dem einen zum anderen hin. Nun eine zweite Stelle. Zu dem Wort der Genesis: »Und Gott gedachte Noahs.« Es ist in der Geschichte der Sintflut. Gott gedachte (hier ist der Gottesname Elohim, der also mit dem Attribut des Gerichts identifiziert wird). Da sagt Rabbi Samuel ben Nachmann: »Wehe den Frevlern, die das Attribut des Erbarmens in das Attribut des Gerichts wandeln. Heil den Gerechten, die das Attribut des Gerichts in das Attribut des Erbarmens wandeln.« Diese eigentümliche Midraschstelle, die durch eine andere unterstützt wird, wo Mose gerühmt wird, weil er das Attribut des Gerichts in das Attribut des Erbarmens wandelt, die weist nun auf ein zweites hin. Diese Bewegung in Gott selbst ist nicht etwa, was von der

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Welt des Menschen, von dem Tun des Menschen unberührt bleibt, diese innergöttliche Dramatik ist weltoffen, ist offen nach dieser Welt zu, was von hier aus geschieht, was dem Menschen vertraut, geht eigentümlich ein in dieses Geschehen, in diese Bewegung in Gott selbst zwischen seinen beiden Attributen. Nun aber zum dritten, und das ist jetzt das merkwürdigste wohl von allen. Aber man darf nicht denken, dass nun irgend etwas, was Gott tut, von dem einen Attribut schlechthin – mit Ausschliessung des anderen (das hiesse doch nun wieder nur auf eine andere Weise eine Scheidung in Gott vorzunehmen) sei. Darum heisst es zu dem Satz der Genesis: »Er, Gott (da stehen beide Gottesnamen bei einander) schickt ihn fort (nämlich den ersten Menschen nach seiner Sünde) aus dem Garten Eden.« Dazu sagt Rabbi Josua ben Levi: »Als er ihn schuf, schuf er ihn mit dem Mass des Gerichts und mit dem Mass des Erbarmens, und als er ihn vertrieb, vertrieb er ihn mit dem Mass des Gerichts und mit dem Mass des Erbarmens«. Also diese Dramatik in Gott ist nun nicht solcherart, dass etwa das eine dem anderen obsiegt und nun jetzt gleichsam über das Geschehen verfügt, gleichwie eine Person der anderen obsiegt, sondern immer neu ist diese Austragung; in dieser dramatischen innergöttlichen Austragung geschieht immer neue Verbindung beider Masse, beider Mächte Gottes mit einander, sodass in jedem Akt Gottes beides lebt, in dem Akt, den wir einen Akt der Gnade nennen, auch das Mass des Gerichts, und in dem Akt, den wir Menschen einen Akt der Strafe nennen, auch das Mass des Erbarmens. In dem Vertreiben waltet auch das Erbarmen und zwar, so dürfen wir hinzufügen, so, dass es uns verhüllt bleibt. Das uns Zugekehrte ist die Strafe, aber in der Tiefe verborgen, gleichsam als das Geheime dieser Strafe ist ein Erbarmen, dessen Weg und Ziel wir Menschen nicht zu erschauen vermögen, aber das da ist, das waltet. Wir müssen beides in einem sehen, und das Handeln Gottes ist das einige Handeln des einigen Gottes, in dem solche Austragung geschieht, aber nur um immer neu schöpferischer, offenbarerischer, erlöserischer Verbindung beider Mächte mit einander willen. Wie ist diese eigentümliche Lehre des Judentums, die ja gerade vom nachbiblischen Judentum ausgebildet ist, zu verstehen? Es ist offenkundig, dass es sich hier nicht um einen Pantheismus handelt, nicht um den Versuch, diese Verschiedenheit der Prinzipien in Gott so zusammenzufassen, dass Gott nun gleichsam mit der Welt identisch sei, mit der Gegensätzlichkeit der Welt identisch sei. Das ist offenkundig. Aber es ist auch nicht das, was man einen Anthropomorphismus nennt, eine menschliche Auffassung Gottes nennt, oder Anthropophatie, dass man Gott die Leidenschaft des Menschen zuspricht. Das ist doch offenbar nicht gemeint. Mit dem Ge-

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richt und mit dem Erbarmen sind doch offenbar nicht gegensätzliche Gemütsbewegungen Gottes gemeint, sondern die Mächte, aus deren Zusammenwirken die Welt entsteht, erhalten und vollendet wird. Es ist also doch so, dass dieser jüdische Mensch der nachbiblischen Lehre das Weltdrama in seiner Tatsächlichkeit schaut. Er erfährt, wie es ist, er erfährt es am eigenen Leib, er weiss, wie das ist, wenn es einem übel ergeht, wenn man leidet, wenn man gleichsam den ganzen Widerspruch der Welt im eigenen Sein auskostet, und diese so erfahrene Weltdramaturgie lässt dieser Mensch gleichsam sich in Gott hinein fortsetzen, aber nun so, dass es da nicht mehr gegensätzlich ist, dass es da, weil es in Gott gefasst wird und so, wie es in Gott gefasst wird, eben seine Gegensätzlichkeit, die Bösheit der Kraft seines Gegensatzes verliert, dass da diese Mächte, die nur für uns unversöhnlich erscheinen, sich versöhnen, ja mehr, sich vereinen in dem einen Wirken Gottes, dass sie unentbehrlich sind, die eine wie die andere, nun im Zusammenwirken erst schützend, haltend, lösend, erst in diesem Zusammen-wirken göttlich bindend. Weil es so ist, sind hier dem Sinne der Lehre nach keine zwei Personen möglich. Denn der Sinn ist, dass in der vollkommenen Einheit dieses Zusammenwirken sich vollzieht. In der Zweiheit, irgend Zweiheit, da ist eben der Sinn verfehlt, dass sie sich nun ganz begegnen, ganz vereinen, dass diese Einheit erst die versöhnende Einheit ist, die uns unseren Widerspruch, der als unversöhnlich gegen einander zu stehen scheint, unseren Widerspruch löst und mit unserem Leben, mit dem Sinn unseres Lebens versöhnt. Dies ist der jüdische Gottesglauben und zwar hier in dieser späten Gestalt nichts anderes als der urisraelitische Glaube an den Gott, den man immer neu da und da und da in immer neuen Teilen des Seins, in immer neuen Elementen entdeckt, immer wieder als denselben. Denn wenn wir überhaupt etwas Eigentümliches aussagen wollen von dem biblischen Menschen, ist es der Mensch, der Gott wiedererkennt, der nicht, wenn er eine neue Gewalt, eine neue, ihm bisher noch nicht bekannte, noch nicht vertraute Gewalt in der Welt oder im eigenen Leben wahrnimmt, nicht nun etwa eine Gottheit zu dieser Gewalt sich ersinnt oder ausgestaltet, sondern welche Macht immer, welche Tür des Seins immer dieser Mensch in der Welt, in der eigenen Seele entdeckt, überall erkennt er unmittelbar den einen Gott wieder. Nicht mit dem Gedanken identifiziert er, sondern gleichsam wie wir eine auf den ersten Blick uns vertraute Erscheinung durch tiefergehendes Erkennen als die uns einst vertraute wiedererkennen, sie gleichsam mit dem Blick fassen, erkennt dieser Mensch den einen Gott wieder in allen Bereichen des Lebens, die er jetzt in ihrer Tiefe erfasst, und zwar nicht als etwas Fremdes, nicht als etwas, wofür nun eine andere Macht angefordert werden müss-

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te, um ihm dieses Bereich zu erklären, sondern eben hier, jetzt, sehe ich etwas, was ich noch nicht in Wahrheit gesehen habe, und in diesem, was ich jetzt erst, in diesem Augenblick erfasse, hier sehe ich Ihn, als Herrn dieses in diesem Augenblick von mir wahrhaft entdeckten Weltbereiches, sehe ich ihn, erkenne ich ihn wieder. Er ist es und kein anderer. Das ist die Bedeutung jenes grossen Wortes Gottes an Mose aus dem brennenden Dornbusch, wo er spricht: »Ich werde da sein als der ich je und je da sein werde«, in welchen Erscheinungen immer, ich Gott, nehme keine Erscheinung vorweg, in jeder Erscheinung, überall, an jedem Ort, in jeder Gestalt, überall, wo dich scheinbar die Fremde umfängt, das andere eintritt, ich selber bin es. Du sollst mich wiedererkennen, denn es ist kein anderer als ich. Und so verhält es sich auch mit der Uebelserfahrung des Menschen. Diese Lehre von den Middot ist nichts anderes als die folgerichtige Ausgestaltung jenes »ehje ascher ehje« in der nachbiblischen Lehre. Auch im Uebel, so wie schon – ich habe es schon angeführt – in dem deuterojesaianischen Wort es heisst, dass Gott Licht und Dunkel macht, dass es keine Sondermacht gibt, die für das Dunkel verantwortlich wäre so diese Uebelserfahrung. Er entdeckt den Grund des Leidens, und indem er ihn entdeckt, hier, in dieser Tiefe seines Leidens, erkennt er Gott, als den, der hier waltet, keine widergöttliche Gewalt, keine Zweiheit von Personen, die gegen einander oder neben einander gestellt sind, sondern immer das eine, das heisst aber zugleich, dass es kein Uebel an sich, kein Uebel schlechthin geben kann, weil das, was ich als Uebel erfahre, eben seinen Grund in Gott hat, d. h. also, dass das Uebel nur besteht in der Relation, in der Beziehung Gottes zum Menschen. Und umgekehrt, die Erfahrung des Menschen vom Bösen, etwa seine Selbsterfahrung, indem er das Böse tut, die kann er nun auch nicht einer widergöttlichen Gewalt zuschreiben, wie etwa die altpersische Lehre, in der gegen den guten Gott ein böser Gott stand, und damit scheint die markionische Lehre von dem Fragwürdigen, dem Bösen und dem Erlösergott zusammenzuhängen. Das Böse, das der Mensch etwa in der eigenen Auflehnung erfährt, auch dies ist nichts schlechthin Böses, sondern auch das besteht nur in der Beziehung vom Menschen auf Gott zu, nur in der Wirklichkeit der Beziehung zwischen Gott und Mensch, hat dies seinen Sinn, dieses Uebel, das mir widerfährt, dieses Arge, das ich selber tue, hier hat es seinen Sinn, und hier hat es seine Versöhnung, denn wenn es keine absolute Gewalt für sich ist, weder das eine noch das andere, dann findet es eben in dieser Verbundenheit zwischen Gott und Mensch Sühnung und Lösung, und das ist die einzige Zweiheit, die der jüdische Glaube kennt, Gott und der Mensch. Zwischen Gott und dem Menschen geschieht die Weltgeschichte in dem eigentlichen Sinn, die Geschichte des

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Seins, der Welt schlechthin. Es gibt keinen Dualismus von Gott aus und es gibt auch keinen Dualismus in Gott selbst. In Gott gibt es nur jene Bewegung zwischen Gericht und Erbarmen auf den Menschen zu. In Gott gibt es nur diese Dramatik seiner Beziehung zur Welt. Die Dramatik zwischen Gott und der von ihm geschaffenen Welt, die sich gegen ihn auflehnt, die sich von ihm weg bewegt, diese Dramatik wird von der nachbiblischen Ueberlieferung zugleich gefasst als eine Dramatik in Gott selbst, denn diese Dramatik prägt sich in einer innergöttlichen Bewegung zwischen Gericht und Erbarmen je und je aus, aber ich wiederhole noch einmal: aber je und je so, dass beides immer wieder in dem Tun Gottes auf den Menschen zu zusammenwirkt. Und da, an diesem Punkt irrt das Christentum entscheidend in seiner Perspektive des Judentums. Das Christentum betrachtet an diesem entscheidenden Punkt das Judentum falsch. Ich will Ihnen dafür aus der modernen Theologie (aber ich könnte aus jedem Zeitalter der Geschichte des Christentums unzählige Beispiele nehmen) ich will Ihnen ein Beispiel anführen, das diesen Irrtum, den ich meine, sehr deutlich dokumentiert. Es ist der Irrtum des Begriffs »Der Gott des Zorns«. Dieser Begriff des Gottes des Zorns, ist eben die Voraussetzung jenes anderen Begriffs des Mittler-Gottes, der diesen Zorn überwindet. Ich werde aus einem modernen Theologen, aus einem sehr ernsthaften, über den »Mittler« einige Sätze lesen. Gott, sagt dieser Theologe, kann seine Ehre nicht antasten lassen, denn seine Ehre ist seine Gottheit, sein Majestätsrecht. Gott würde aufhören Gott zu sein, wenn er seine Ehre antasten liesse. Und weiter: Das Gesetz selbst in seinem tiefsten Sinn verstanden, fordert die göttliche Reaktion. Nun, ich muss gestehen, dass ich nicht verstehe, von wem hier geredet wird. Was heisst es, dass Gott seine Ehre nicht antasten lassen kann? Gott kann alles. Die Menschen-Machthaber, die Menschen-Herrscher, die Herrscher dieser Welt können ihre Ehre nicht antasten lassen, weil … ja, was fangen sie denn an, wenn sie ihnen angetastet würde? Von Gott ist nicht zu sagen, dass er aufhören würde Gott zu sein, wenn er seine Ehre antasten liesse. Gott hört nie auf Gott zu sein. Die MenschenMachthaber hören auf, wenn man ihnen ihr bisschen Ehre antastet. Und was soll es heissen, dass das Gesetz von Gott etwas fordert? Der höchste denkbare Begriff des Gesetzes ist ein Gesetz, das von Gott gegeben ist, nicht ein Gesetz, das von Gott etwas fordert. Das ist schlechthin unfassbar. Ich kann mir unter einem Gesetz, das von Gott etwas fordert, nichts vorstellen. Wenn so von Gott geredet wird, glaube ich sagen zu müssen: hier wird nicht von Gott geredet, von dem wirklichen Gott wird nicht geredet, sondern von einer theologischen Gottesidee. Dieser Gott also, und das soll der jüdische Gott sein, der seine Ehre nicht antasten

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lassen kann, von diesem Gott müssen wir sagen, wissen wir nichts. Das darf nicht als der alttestamentarische Gott und die Voraussetzung einer neutestamentarischen Konzeption ausgegeben werden. Dieser sogenannte Gott des Zornes, der sozusagen auf den Zorn eingeschworen ist, der in einer bestimmten Weise auf die Handlungen des Menschengeschlechtes zu reagieren hätte kraft seiner Natur und seiner Stellung, den kennen wir nicht. Im Judentum gibt es keine Absolutheit des göttlichen Zornes eben deshalb, weil dieser Zorn nur in der Beziehung zwischen Gott und Mensch und nicht in einer beziehungslosen Absolutheit besteht. Wenn wir davon sprechen, dass Gott uns zürnt, so heisst es, dass unsere Beziehung, die Unmittelbarkeit der Beziehung zwischen uns und Gott gestört ist, nichts weiter, und dass dieses gestörte Verhältnis wieder hergestellt werden soll und alles, worauf die Sühne abzielt, das ist die Thekana, die Wiederherstellung des gestörten Verhältnisses zwischen Gott und uns, und da dies in der vollkommenen Unmittelbarkeit geschieht und geschehen soll, ist diese Wiederherstellung ihrer Weise nach, ihrer Notwendigkeit nach mittlerlos. Wir selbst müssen unser Wesen in die Unmittelbarkeit einsetzen, wir selbst müssen mit unserem ganzen Wesen umkehren, um durch die Teschuwa diese Thekana herzustellen, zu schaffen. Es wird erzählt, dass nach der Zerstörung des Tempels Josua ben Chananja gerufen habe: Wehe über uns, was wird für uns Sühne tun. Der Opferdienst ist uns genommen! Bedenken Sie aber, und darüber will ich noch ein paar Worte vielleicht das nächste mal sagen, dass dieser Opferdienst seinem Wesen nach nichts anderes bedeutet als dass der Mensch, um diese gestörte Beziehung zu Gott wieder herzustellen, eigentlich sich selbst hergeben will und nur in der Gestalt des Opfertieres sich selbst ablösen lässt, indem durch das Stemmen der Hand auf das Haupt des Opfertieres die Identität dieses Menschen mit dem Opfertier deklariert wird. Und daraus erkennt Jochanan ben Sakkai die sühnende Kraft der menschlichen Tat der Umkehr. Denn diese Umkehr ist der Sinn des Opfertieres gewesen, sie reicht zu; wenn der Mensch ihr Ausdruck in seinem Leben verleiht, reicht sie zu. Aber dies ist auch das Moment, wo auf der anderen Seite jene Lösung des Christentums angeboten wird, des Blutes, das verheissen worden ist zur Vergebung der Sünden. Sehen wir nun diesen Unterschied recht an. Das Mittlertum, das für uns geschehene Weltopfer, und gegen dieses nun wendet sich hier das Wort Akibas: Selig ihr, Israel aber, vor wem reinigt ihr euch und wer ist es, der euch rein macht? Euer Vater im Himmel. Das Wort der Unmittelbarkeit, das gipfelt in dem Ruf: Gott ist das Tauchbad Israels, keine Zweiheit der Person, der eine Gott, der der Gott des Gerichts ist, ist der Gott des Erbarmens, es gibt keine Zweiheit der Substanz oder der Person oder der Gewalt in ihm. Er ist es

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und so, wie wir in jedem Bereich der Welt, den wir neu finden, ihn wiedererkennen, so auch hier. Es ist derselbe. Es ist der eine, es gibt nicht hier eine Macht des Richtenden und hier eine Macht des Lösenden, sondern in dem einen, in dem wir ganz eintauchen, in ihm werden wir gerichtet, in ihm werden wir gelöst. Ich möchte nun das nächstemal mit Ihnen betrachten von da aus: was bedeutet also Lösung, Erlösung, Erlöser, Erlösertum im Judentum, und was im Christentum.

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VI Ich habe das letztemal etwas aus einem modernen theologischen Buch über diese eigentümliche Vorstellung des alttestamentarischen Gottes im Christentum angeführt, und zwar aus einem modernen theologischen Buch. Man könnte sagen: warum aus einem modernen Buch, das könnte ja immerhin eine Uebersteigerung dessen sein, was in den anderen steht. Das gebe ich zu. Es ist auch in der Tat eine Uebersteigerung. Aber es ist eine Uebersteigerung, die zugleich das einsammelt, was in den alten Texten steht, und in dem Sinn führe ich es an, weil es in theologisch konzentrierter Form eben eine Grundvorstellung ausspricht, die wir schon, wenn auch in mehr diffuser Form in den alten Texten finden. Ich möchte jetzt auf diesem Wege noch einen Schritt weiter gehen. Also es ist so, es steht nichts in diesen modernen protestantischen Werken, was nicht wirklich aus den Texten geholt ist, wenn auch nicht in dieser konzentrierten Form. Ich möchte also darin weitergehen. In dem Buch, von dem ich sprach, wird davon geredet, dass Gott seiner Ehre nicht zunahe treten darf, dieser Gott des Zornes, der dem zürnt, der seine Ehre verletzt, und der also des Mittlers gleichsam bedarf, der ihn versöhnt. Aber da ist ja noch die Rede davon, dass Gott dem zürnt, der je und je seine Ehre verletzt. Aber von gewissen Sätzen des Neuen Testamentes, namentlich der paulinischen späteren Stufe ausgehend finden wir eine Konzeption, auch wieder in der modernen protestantischen Theologie am nachdrücklichsten ausgebildet, wo der Zorn Gottes nicht mehr als etwas bloss gefasst wird, was je und je geschieht dem gegenüber, der ihn herausfordert, sondern als etwas Absolutes, als ein absolutes Grundverhältnis Gottes zu den Menschen. Und zwar zu den Menschen nicht auf das hin, was sie tun, sondern auf ihr Sein hin. Auf das Sein dieser Menschen so, wie es eben beschaffen ist. In einem anderen modernen theologischen Werk, und zwar (ich führe naturgemäss nur die wirklich bedeutenden und repräsentativen an) wird von der Predigt Johannes des

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Täufers geredet und zwar von dem Wort, mit dem er seine Hörer anredet: Ihr Schlangen-Brut, womit vielleicht gemeint ist: ihr Brut der Urschlange, ihr Kinder des Teufels, und davon wird gesagt, gerade dieses Wort spricht nicht von sündigen Werken, sondern von einem sündigen Sein. Es zielt drohend nicht nach der menschlichen Haltung, die von Erkennen und Wollen bedingt ist, sondern nach dem naturhaften Ursprung, an den Willen und Erkenntnis niemals rührt. Durch dieses grimme Wort ist Leben und Dasein der also angeredeten Menschen verfemt, und wenn es den göttlichen Zorn über sie begründen soll, dann werden sie von ihm getroffen nicht um ihrer wirklichen Taten, sondern ihrer gesamten Natur und geschichtlichen Existenz willen. Was wäre es dann nötig, noch die sündigen Taten der Menschen zu geisseln? Eine unendliche Kluft zwischen Gott und Mensch ist da. Sie ist gegeben mit seinem Leben in Zeit und Raum, das aus einem noch undurchsichtigen Grunde böse ist wie die Schlangen. Darum trifft alle der Zorn Gottes. Aus einem noch undurchsichtigen Grunde – das weist also auf jenen geheimnisvollen Ursündenfall der Menschheit hin, der in christlicher Auffassung nun wieder anders als in jüdischer eine Erbsünde konstituiert, durch die das Sein des Menschen schlechthin fehlerhaft, sündhaft verwerflich, von Gott gehasst wird. Ich sagte schon, dass ist auch nun nicht etwa eine Ausgeburt modernen theologischen Denkens. Ich will hier – ich kann auf diese Fragen jetzt nur im Vorübergehen eingehen oder vielmehr nicht eingehen, sondern die Fragen streifen. Ich sage: schon in dem paulinischen Satze sehen wir deutlich, worauf sich diese Auffassung gründet. Schon Paulus konzipiert einen Urzorn des Göttlichen, den er aus dem Alten Testament übernimmt oder zu übernehmen glaubt. Die eine Stelle weist noch darauf, dass es eine Scheidung gibt zwischen denen, denen Gott zürnt, und denen, denen Gott nicht zürnt, aber für die ersteren gilt ein Urzorn von jeher, und zwar ein Urzorn, von dem wir nicht umhin können anzunehmen, dass Gott geradezu diesen Zorn zürnen will von jeher. Es ist die Stelle im 9. Kapitel des Römerbriefes, wo es heisst: Denn er spricht zu Mose: Welchem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig und welches ich mich erbarme, des erbarme ich mich … auf dass er kund täte den Reichtum seiner Herrlichkeit an den Gefässen der Barmherzigkeit, die er bereitet hat zur Barmherzigkeit, und zwar ertragen hat sie Gott im Willen, seinen Zorn zu zeigen und seine Macht kundzutun. Aber hier wird noch immerhin geschieden zwischen Gefässen des Zorns und Gefässen des Erbarmens. Es gibt also eine Urverdammung Gottes von je. Gott hat Menschenwesen zum Zorn und Menschenwesen zum Erbarmen, Menschenwesen zur Verdammnis und Menschenwesen zur Erlösung geschaffen. Aber es gibt Sätze bei Paulus, die darüber hinaus-

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gehen. Wenn er in demselben Römerbrief im 7. Kapitel sagt (ich gebe hier Luther wieder): Denn ich habe Lust an Gottes Gesetz nach dem inwendigen Menschen. Ich sehe aber ein ander Gesetz in meinen Gliedern, das da widerstreitet dem Gesetz in meinem Gemüthe … Nicht wir haben uns unser körperliches Dasein gegeben, sondern Gott, und gleichviel, was man von Sündenfall der Menschen meinen mag, diese Glieder des Menschen sind nicht durch den Sündenfall, sondern durch die Schöpfung hergestellt. Dass also das Böse im Menschen mit einem Element des Geschöpflichen identisch ist, das führt diesen Urzorn Gottes, wenn es recht verstanden wird, noch über jenen Urzorn den Gefässen des Zorns gegenüber, d. h. den von Gott Verdammten gegenüber noch hinaus. Ich möchte mich hier in diesem Zusammenhang damit begnügen, diesen Hinweis zu geben. (Ich habe mich entschlossen, im nächsten Trimester in Weiterführung dieser Vorlesung zu lesen über jüdische und christliche Erlösungslehren, um diesen Gegenstand, der für mich der wichtigste ist, noch zureichender zu behandeln, als es mir in diesem Zusammenhang möglich ist, also: was lehrt das Judentum, was lehrt das Christentum von Sünde und von Erlösung, wie ist die jüdische und wie die christliche messianische Konzeption beschaffen? Das wird uns dann nochmals auf diese Dinge zurückführen.) Ich möchte aber jetzt zusammenfassend vergegenwärtigen: wie sieht die jüdische und wie sieht die christliche Konzeption in dem Punkt, von dem wir sprechen, aus. Ich erinnere daran, ich sagte, im Judentum, so wie es im talmudischen Judentum dargestellt worden ist, in dem die Konsequenz gezogen wurde aus dem, was in der Bibel schon angelegt ist, ein Geschehen je und je in Gott, wenn auch anthropomorph, menschenähnlich dargestellt, so doch im eigentlichen Sinn nicht menschenähnlich, sondern durchaus über Menschenart und Menschenfassung hinausreichend, ein Geschehen in Gott selbst, nicht Gemütserregungen in Gott menschenähnlicher Art, sondern ein weltfernes, überweltfernes Geschehen in Gott zwischen dem Attribut des Gerichts und dem Attribut des Erbarmens. Und auf der anderen Seite der Mensch – das ist, sage ich, die jüdische Konzeption. Auf der einen Seite Gott, des Gerichts und des Erbarmens mächtig und von diesem seinem Mächtigsein des Gerichts und des Erbarmens aus auf den Menschen zu wirkend. Auf der anderen Seite dem gegenüber in allem Ernste der Wirklichkeit der Mensch, also der von Gott eingesetzte Partner Gottes im Geschick der Welt, der Mensch, und so, wie Gott in Wahrheit des Gerichts und des Erbarmens mächtig ist, so ist dieser Gott gegenüberstehende Mensch der Sünde und der Umkehr fähig – in gleicher Weise. Es ist eine urjüdische Konzeption, und wir sollten täglich

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daran denken, was für eine tiefe Wirklichkeit diese Konzeption bedeutet, dass der Mensch nicht bloss sündigen kann, dass der Mensch in demselben Mass der Wirklichkeit, in dem er sündigen kann, auch umkehren kann. Dass der Mensch nicht etwa bloss der ganzen Fläche des Lebens nach sündigen und nur punktuell umkehren kann, also etwa mit dem Glauben, sondern dass die Umkehr genau so das ganze Leben umfasst und genau eine so grosse Wirklichkeit ist wie die Sünde. Also dieses Gegenüber von Gott und Mensch, und dieses Gegenüber: Gott auf den Menschen zu wirkend, der Mensch auf Gott zu wirkend, Gott dieses Wirken des Menschen auf ihn zu schlechthin ernst nehmend und schlechthin darauf eingehend, in der Wirklichkeit und nicht bloss auf die Sünde des Menschen, sondern auch auf die Umkehr des Menschen, so also, dass Gott dem Menschen nicht absolut zürnt, sondern Gott also dem Menschen nicht als einem existierenden Wesen von je zürnt, sondern dass Gott nur dem Menschen je und je als dem so und so handelnden, so und so sich entscheidenden Wesen zürnt und sich ebenso, ebenso, nicht bloss von dort aus, also auch von dem, was dieser Mensch tut und lässt aus, seiner erbarmt, so also, wenn einerseits diese innerdramatische Spannung in Gott zwischen Gericht und Erbarmen geglaubt wird, so andererseits sie sich auswirkend geglaubt wird eben an der realen gegenseitigen Beziehung und Wechselwirkung von Gott und Mensch, in der der Mensch so gefasst, so real gleichsam, wenn wir das sagen dürfen, gefasst wird wie Gott selber, weil Gott selber durch den Akt der Schöpfung gewollt hat und will, dass der Mensch so real sei wie er selber, dass also dies, was vom Menschen auf ihn zu ausgeht in letzter Wirklichkeit da sei und von Gott aufgenommen werde. Von dieser jüdischen Konzeption darf man sagen: Es gibt kein Sch’te reschuos, keine zwei Gewalten, denn es gibt keine zwei Herrschaftsbereiche des Göttlichen, sondern es gibt nur den einen Gott, gegenüber und ihm gegenüber den Menschen, der ihm unterworfen ist und dennoch auf ihn zu zu handeln und zu wirken vermag. Und dieses so gefasst, dieses Gegenüber in seiner wirklichen Dynamik von oben nach unten, von unten nach oben, das ist die Bahn der Erlösung. Die christliche Konzeption ist, ich drücke es schematisch aus, aber es ist notwendig, sich etwas so einfach zu vergegenwärtigen: Gott nicht mehr bloss des Gerichts und des Erbarmens mächtig, sondern auseinander tretend in die Macht des Zorns und in die Macht der Gnade, so sehr, dass eben aus ihm der Zorn sich (wenn auch durchaus nicht ausschliesslich) in einer göttlichen Person, und die Gnade (wenn auch nicht ausschliesslich) in einer göttlichen Person darstellt, also gleichsam auseinander im Zorn und in der Gnade, und von beiden aus, vom Zorn und

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von der Gnade aus auf den Menschen wirkend, aber nun nicht mehr in der Gegenseitigkeit. Es gibt in der christlichen Konzeption keine letzte Wirklichkeit des Wirkens des Menschen auf Gott zu. So wesentlich es ist, ob der Mensch glaubt oder nicht glaubt, der Mensch kann nicht so auf Gott zu wirken, dass er wahrhaft antwortet und Antwort empfängt, der Mensch kann sündigen, d. h. er kann sich von Gott abwenden, aber sein Nichtsündigen, seine Umkehr hat nichts, sein Sichgottzuwenden hat nicht den gleichen Grund der Realität. Mit anderen Worten: der Mensch liegt durch jenes unbegreifliche Geschehen, durch jenen Sündenfall oder was immer hervorgerufen, der Mensch liegt in den Banden der Dämonie, und er selbst kann nichts tun, um sich aus diesen Banden zu erheben, sondern er kann nur von Gott her aus dieser Dämonie, aus dieser Unfreiheit, aus diesem absoluten Sündenstand erlöst werden, eben durch die Gnade Gottes, dadurch, dass Gott seinen Zorn durch seinen Sohn versöhnen lässt, aus der Gnade oder zur Gnade, sodass also der Herrschaftsbereich der Gnade den Herrschaftsbereich des Zorns wenn nicht überwindet, so doch eben versöhnt, und so die Bahn der Erlösung von oben nach unten ermöglicht. Hier deutlich zwei getrennte Herrschaftsbereiche, denen der Mensch nun gleichsam als Objekt unterworfen ist. Nun habe ich das vorige Mal davon gesprochen, wie wichtig es sei, dass diese zweite Gewalt, dieses zweite Herrschaftsbereich, das der Gnade, als Person gefasst wird in der Gottheit, und zwar als Sohn. Nun ist gefragt worden, und es ist eine durchaus berechtigte Frage, ob denn diese Vorstellung der Sohnschaft Gottes, dass also nicht bloss zwei Attribute in Gott sind, zwischen denen diese Bewegung ist, von der wir sprachen, sondern dass zwei Personen in der Gottheit sind und dass eine als der Vater und die andere als der Sohn gefasst wird, ob denn dies nicht im Judentum selbst vorbereitet sei, ob denn nicht in der messianischen Konzeption des Judentums das irgendwie vorbereitet ist, diese Vorstellung einer Person, die Gottes Sohn heisst. Und das ist in der Tat so. Es ist vorgebildet und dennoch im entscheidenden Punkt differiert völlig die jüdische Konzeption, auch die spätjüdische, auch die dem Urchristentum zeitgenössische jüdische Konzeption von der urchristlichen, und zwar darin, dass der, der ein Sohn Gottes genannt wird, je und je ein Mensch ist, der sich auf Gott zu vollendet, der gerade aus dieser Realität des Menschseins in seiner Beziehung auf Gott zu nun in der vollkommenen Wirklichkeit seines Tuns und Lassens sich so mit seinem Wesen auf Gott zu vollendet, dass Gott ihn annimmt, aufnimmt in die Sohnschaft. Es ist also letztlich so nach jüdischer Konzeption, dass der Mensch Sohn Gottes werden kann, dass es aber nicht, dass Gott nicht einen Sohn hat, den er vom Himmel in die Welt, in die Menschenwelt entsendet. Es gibt in dem

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jüdischen Schrifttum, das dem Christentum unmittelbar vorangeht, also in dem Schrifttum des letzten vorchristlichen Jahrhunderts zwei Grundvorstellungen, die wir hier zu betrachten haben, zwei Grundvorstellungen des Sohnes. Die eine finden wir am deutlichsten in dem Buch »Die Weisheit Salomos«, und die zweite in dem letzten Teil des Buches Henoch (ich kann hier nicht erörtern, aus welcher Zeit etwa diese Bücher oder Buchteile stammen, es genüge, das kann man so gut wie sicher sagen, dass sie vorchristlich sind.) Im 2. Kapitel der Weisheit Salomos sagen die bösen Menschen, die dem Zaddik (es ist höchstwahrscheinlich, dass dieser Teil dieses griechischen Buches eine Uebersetzung aus dem Hebräischen ist) dem Zaddik nachstellen, die Bösen, die diesem Bewährten, diesem als wahrhaft, als gerecht erwiesenen Menschen nachstellen, sagen: (ich führe nur die wichtigsten Sätze an) »Stellen wir dem Gerechten nach, weil er uns beschwerlich ist und unseren Taten entgegentritt«. Er rühmt sich (eigentlich: er geht mit der Botschaft um) die Erkenntnis Gottes zu haben, und nennt sich selber einen (peis) eigentlich einen Knecht Gottes. Ich nehme an, dass im hebräischen stand ewed, vieldeutig, auch Sohn Gottes zu übersetzen. Und weiter: Er (der Gerechte), so sagen die Bösen, er preist aber glücklich das Endlos der Gerechten und prahlt mit Gott als seinem Vater. Lasst uns doch sehen, ob seine Reden wahr sind und die Art seines Ausgangs. Denn wenn der Gerechte ein Sohn Gottes ist, wird er ihm helfen und ihn aus der Hand seiner Widersacher erretten. Und schliesslich folgern sie also: Zu schimpflichem Tode lasst uns ihn verurteilen (um nämlich zu sehen, ob Gott ihn dann schützt oder nicht). Sie sehen, es ist ein eigentümliches Vorspiel zum Neuen Testament. Es gibt im Alten Testament ein sehr wichtiges, geradezu zentrales Kapitel, in dem dieses vorbereitet ist, das ist 52 und 53 von Jesaja, das grosse Leidensmysterium, wo davon gesprochen wird, wie der Knecht Gottes für viele leidet und sich zum Tode hingibt, und wenn auch dort das Wort ›Sohn Gottes‹ nicht steht, sondern nur jenes erste Wort, das wir Knecht übersetzen können, gleichviel. Die Grundvorstellung ist die gleiche. Ein Mensch steht in einem unmittelbaren, entscheidenden Verhältnis zu Gott, und um dieses Verhältnisses willen, von diesem Verhältnis aus, leidet er bis in den Tod für die Vielheit der Menschen. Sie sehen, so scharf ist hier gefasst, so, dass der Mensch, der so lebt, sich Sohn Gottes nennen darf, weil er Gott seinen Vater nennen darf, weil er in diesem seinem entscheidenden gegenseitigen Verhältnis zu Gott aufgenommen ist, weil, wie er Vater zu Gott sagt, er weiss, dass Gott ihm antwortet und ihn bestätigt, ihn annimmt, ihm das Wort, den Anruf des Vaters zum Sohn nicht versagt. Es ist also durchaus jener jüdischen Konzeption entsprechend. Schwieriger ist das zweite, aus dem Buch Henoch, und zwar

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sowohl aus dem Mittelteil als aus dem letzten Teil möchte ich Ihnen einige Sätze sagen. Es heisst: der Auserwählte, der von Gott Auserwählte, wird in jenen Tagen, es wird erzählt, dass der Schreiber des, als der der Patriarch Henoch auftritt, nämlich eben jener Henoch, von dem die Bibel erzählt, dass er zeitlebens mit Gott sich ergibt und dass er dann von Gott hinweggenommen wurde und nicht mehr da war, und von dem die jüdische Ueberlieferung erzählt, dass er, nachdem er hinweggenommen war, erhöht wird zu einem Engelswesen, dieser Henoch ist es, der erzählt, was ihm auf seine Frage nach den Geheimnissen der künftigen Welt, des Endes, der Welterlösung, was ihm gezeigt wird. Er wird durch den Himmel geführt, und es werden ihm die bereitgestellten Geheimnisse der Endzeit gezeigt. Da ist es also der auserwählte Mensch offenbar, er wird in jenen Tagen auf meinem Thron sitzen, so spricht Gott. An der anderen Stelle wird derselbe der Gesalbte Gottes genannt. Wieder an einer anderen Stelle heisst es, der Menschensohn, dasselbe Wort, das wir so oft in den Evangelien finden. Der Menschensohn war vorher verborgen, und der Höchste hat ihn vor seiner Macht aufbewahrt, d. h. eben, zu der vollen Macht, die er in der Endzeit erlangen wird, hat ihn Gott bewahrt für dieses kommende Schicksal. Dann weiter: er, der Menschensohn (das ist nun die Erfüllung die erzählt wird) setzte sich auf den Thron seiner Herrlichkeit, und die Summe des Gerichts wurde ihm übergeben, und weiter: aber in der Zeitform des Futurums: und alles Böse wird vor seinem Angesicht verschwinden und vergehen, aber das Wort jenes Mannessohnes wird künftig sein vor dem Herrn der Geister, also dieser auserwählte Mensch hat diese ihm zugewiesene Macht in der Endzeit. Und nun das Seltsame: Es heisst dann in dem späteren Teil des Buches, einige Kapitel weiter, da erzählt Henoch von demselben seinem Gang durch die Himmel, dass Gott (er sagt: der Betagte, der Alte an Tagen, ein Wort, das uns später, in der Kabbala, wieder begegnet): Er kam zu mir, grüsste mich mit seiner Stimme und sprach zu mir: Du bist der Mannessohn, der zur Gerechtigkeit geboren wird. Also diese Gestalt, die da vorbereitet ist, die ist gleichsam wie ein Gefäss, das ihn, den Henoch, der da aufsteigt, aufnimmt. Er wird identisch mit ihr, und zwar als eben dieser Sohn. Wir hörten bisher Menschensohn, aber ganz am Schluss des Buches sagt Gott: denn ich und mein Sohn werden uns mit ihnen (mit gläubigen Menschen) für immer auf den Weg der Wahrheit während ihres Lebens vereinigen. Das klingt ja nun fast christlich. Aber beachten wir, das ist leider von seiten der historischen Theologie nicht beachtet worden, wenn nämlich davon die Rede war, dass im Judentum schon eine Lehre von der Präexistenz des Messias, d. h. von einem himmlischen Dasein des Messias vor seinem Weltdasein die Rede war, wenn darauf

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hingewiesen wird, so wird eines durchaus unbeachtet gelassen. Das ist das Entscheidende. Ueberall und auch hier, in diesem Menschen, von dem gesprochen wird, dieses Wesen, dieses menschengestaltige, menschenhafte Wesen eben, was sich aus der Menschheit erhebt, nicht wesentlich anders als jener Gerechte in der Weisheit Salomos ist hier der Henoch ein Mensch, der sich vollendet und der nun von Gott aufgenommen wird in die Sohnschaft, und das, was vorbereitet ist in der himmlischen Welt, ist gleichsam ein Gefäss, das ihn aufnimmt. Es ist keine Präexistenz der Person. Ich möchte auch nicht sagen, dass es eine Präexistenz der Idee ist, das wäre zu blass, aber es ist eine Präexistenz der Gestalt. In diese Gestalt aber wird ein Mensch aufgenommen, und zwar ein Mensch, der nicht von oben herunter gesandt wird, ein Mensch, der aus der Menschheit als Mensch aufsteigt, d. h. aus der ganzen Problematik der Menschenart sich vollendet zu dem, der von Gott in die Sohnschaft aufgenommen, in die Sohnesgestalt hineingenommen wird. Und nun erst erfüllt sich diese Gestalt. Es ist wichtig, dies zu beachten. Wir haben im Judentum, auch in dem Judentum, das in diesen apokryphischen Schriften hervortritt, die in einem gewissen Gegensatz zu dem patriarchalischen, zu dem talmudischen Judentum standen, auch in diesem Judentum, von dem man so oft in der christlichen historischen Theologie sagt, dass es im Gegensatz zum talmudischen Judentum mit dem Christentum zusammenhängt, auch in diesem Judentum der Apokryphen haben wir nicht die Konzeption eines Sohnes Gottes, der von oben auf die Erde herunter geschickt wird, eines Sohnes Gottes, der zuerst bei Gott ist als ein Sohn und dann von ihm in die Menschenwelt herabgeschickt wird, sondern auch hier haben wir die Konzeption nur eines Menschen, der aufsteigt aus der Menschenwelt in die Gotteswelt, und von Gott bestätigt wird in der Vollendung, d. h. in der Sohnschaft. Dies ist für unseren Gedankengang sehr wichtig, und ich möchte das nächste Mal Ihnen nun zeigen: wie verhält sich das Urchristentum, wie verhält sich die Christuskonzeption des Urchristentums zu dieser jüdischen Gegebenheit, und wir werden sehen: es gibt zwei im Urchristentum mit einander streitende Tendenzen, eine, die diesem durchaus entspricht, und eine, die diesem durchaus widerspricht. Und diese zweite, die dieser jüdischen Gegebenheit widerspricht, ist die die obsiegt und das Christentum konstituiert hat. Wir wollen das nächste mal diese zwei mit einander im Urchristentum streitenden Auffassungen der Gestalt Jesu betrachten und mit der jüdischen Begebenheit vergleichen.

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VII Zunächst etwas Technisches. 1.) Einige Hörer haben den Wunsch geäussert, dass die Reihenfolge von Vorlesung und Arbeitsgemeinschaft umgestellt werde. Ich muss vorausschicken, dass die Arbeitsgemeinschaft sich dagegen erklärt hat. Aber es kann sein, dass Vorlesungshörer anderer Meinung sind. Diejenigen, die dafür sind, dass umgestellt wird, bitte ich, die Hand zu erheben. Das ist die entscheidende Minderheit. Das zweite: ist eine Bitte an Sie. Ich bekomme in sehr erfreulicher Zahl von Hörern der Vorlesung Briefe und Sendungen und mancher vielleicht hat sich darüber, auch von den Teilnehmern von anderen Veranstaltungen des Lehrhauses – und manche haben sich vielleicht darüber gewundert oder vielleicht sogar geärgert, dass sie von mir keine Antwort bekamen. Ich bitte diejenigen, denen dies widerfahren ist, und diejenigen, denen das etwa in Zukunft widerfährt, um Nachsicht. Es ist nämlich einfach unmöglich geworden, die Korrespondenz zu bewältigen. Ich komme nicht mehr aus. Die Summe der Arbeit, die ich zu leisten habe, ist so, dass ich nicht mehr mich dafür verbürgen kann, dass ich alles aufarbeite. Ich pflegte immer jedes Schriftstück zu beantworten, aber in der letzten Zeit bin ich diesem rechtschaffenen Prinzip untreu geworden, und ich kann nicht mit Sicherheit sagen, dass ich ihm wieder treu werden kann. Was ich beantworten kann, werde ich beantworten, aber ich bitte ein Nichtbeantworten nicht etwa als Zeichen meiner Unaufmerksamkeit aufzufassen, denn alles, was ich bekomme, nehme ich sehr ernst zur Kenntnis. Dafür muss die Zeit reichen. Aber zur Beantwortung reicht sie nicht immer. Nun möchte ich noch etwas zur Vorlesung selbst sagen. Da ist nämlich hier – Sie wissen, ich habe schon in früheren Stunden ein paarmal auf Bedenken zurückgegriffen, die mir teils von christlicher Seite, teils aber von jüdischer Seite gemacht worden sind, sozusagen vom Christentum aus, für das Christentum, dass ich nämlich dem Christentum in diesem oder jenem Punkt nicht gerecht geworden sei. Das möchte ich, auch jetzt, sehr ernsthaft behandeln. Und zwar handelt es sich jetzt um den Punkt – oder vielmehr, es ist die Meinung geäussert worden, sogar Befremden darüber, dass ich für die christliche Idee, die christliche Lehre des Mittlertums Christi nicht Verständnis genug bekunde. Nun möchte ich aber das – ich bitte Sie, immer bei dem, was ich sage, zu denken, dass es mir nicht um eine Darstellung des christlichen Glaubens zu tun ist, sondern um eine ganz bestimmte Abhebung zweier Glaubensarten gegen einander. Ich möchte sagen, dass ich für die christliche Mittlerlehre an sich, wenn ich sie unabhängig von meiner besonderen Aufgabe betrachte,

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glaube, ein tiefes Verständnis und eine tiefe Empfindung zu haben. Ich glaube zu fühlen und zu verstehen, was das für einen Menschen heisst, an ein göttlich-menschliches Wesen glauben zu können, das ihm den Zugang zu Gott in jedem Augenblick eröffnet, das ihn über jede Problematik der Gottferne, der Gottunzulänglichkeit hinaushebt. Ich glaube wohl zu fühlen, was das für Menschen heisst, die das glauben, dass sie Gott nicht mehr als dem ganz Unbegreiflichen, von allem Menschlichen Abgehobenen entgegenstehen, sondern es gibt ein Wesen, in dem Gott die Liebe geworden ist. Ein moderner evangelischer Theologe sagt: nur in Christus ist Gott die Liebe. Dieses »nur« gehört offenbar dazu, aber ich will jetzt nicht darüber reden; jedenfalls ist dieses Mittlertum so lebendig, dass sich Menschen ganz ihm anvertrauen können. Sie wissen, ich halte von dem Wort »Anvertrauen« sehr viel. Anvertrauen können, das scheint mir für das Christentum so grundlegend wichtig zu sein, dass ich aus allen Völkern, aus allen Glaubenswelten der Erde die Menschen verstehen kann, die zu diesem Christentum übertraten. Nur die Juden kann ich nicht verstehen deshalb. Das ist eine Sache für sich. Das ist eben der Gegenstand, von dem ich rede. Ich möchte noch betonen, dass ich auch historisch das sehr tief verstehe, wie es damals war, als da und da und da in der Welt, in jener Welt des Hellenismus, in jener vorderasiatischen, spätgriechischen Welt überall Kreise waren von Menschen, die an einen göttlich-menschlichen Kultheros glaubten, und zwar an einen göttlichmenschlichen Heros, der gleichsam für diesen Kreis, um dieses Kreises willen starb und auferstand, in dessen Tod und in dessen Auferstehung diese Menschen, die Gläubigen dieses Kreises, ihr eigenes Sterben und ihr eigenes Auferstehen, also die Bürgschaft des ewigen Lebens empfinden. Und nun geschah es, dass ein solcher Kreis zwei Dinge erfuhr: zunächst, dass dies nicht lediglich ein mystisches Wesen war, irgend ein Mithras oder Adonis, von dem man mystische Kunde hatte, sondern ein Wesen, von dem man überlieferte Kunde hatte, erinnerte Kunde, so wie es einmal, wenn ich nicht irre, bei Irenäus heisst: ich habe den Herrn nicht gekannt, aber ich habe einen gekannt, der hat einen gekannt, der hat den Herrn gekannt. Diese Unmittelbarkeit der Überlieferung, eine erinnerte persönliche Gemeinschaft mit jenem Wesen – das ist das eine; und das zweite, das zu jenem Sterben und Auferstehen für den Kreis der Gläubigen noch hinzutritt und zwar aus dem Grundwesen des Judentums heraus, die Vorstellung der Sühnung der menschlichen Sünde, dass der Mensch in der Sündigkeit, die ihm anhaftet, geläutert, von ihr befreit, erlöst wird, und eben das, was dieses göttlich-menschliche Wesen gelebt und wie es gestorben ist – ich sage, dieses, das sind die zwei Dinge, die es mir ausserordentlich verständlich und gegenwärtig machen, wie dieses

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Christentum in jener Rivalisierung, die ja Jahrhunderte eingenommen hat, so obsiegt hat, als die Lehre der unmittelbaren Erinnerung und die Lehre der personhaften Erlösung von dem, woran der Mensch wirklich am schwersten leidet, schwerer als an dem Wissen, dass er sterben muss, an seinem Zustand, wofür das Wort Sünde nur eine Umschreibung ist, an der Nicht-Gottgemässheit seines Zustandes. Davon gelöst zu werden, erlöst zu werden dadurch, dass man den Anschluss vollzieht, den glaubenhaften Anschluss an ein mittlerhaftes Wesen, das hat den Sieg dieser Lehre begründet. Aber wir halten daran, dass es den Sieg dieser Lehre über das Judentum nicht begründet hat und nicht begründen konnte. Das ist unser Thema in dieser Vorlesung, und soll das Thema der nächsten Vorlesung sein. Nun kehre ich zum Gedankengang der Vorlesung zurück. Ich glaube, zunächst jenen genug getan zu haben, die an diesem Punkt mangelndes Verständnis vermuteten. Auf dieser Abgrenzung stehend rede ich. Ich werde nun – das vorige mal habe ich davon gesprochen, dass im Judentum selbst schon die Vorstellung war eines Gottessohnes, eines Menschen, der sich Sohn Gottes nannte, aber eben eines Menschen, aufsteigend aus der Menschheit, nicht eines von oben gesandten, nicht eines zuerst im Himmel weilenden und dann auf die Erde gesandten, nicht eines von Gott aus der Menschheit geschickten Sohnes, sondern des Menschen, der aus der Nichtigkeit des sterblichen Daseins sich hebt, sich läutert, sich vollendet, Gott entgegentritt und von Gott empfangen, von ihm in die Sohnschaft also auf- und angenommen wird von Gott in die Sohnschaft. Das ist es, was ich mit den Zitaten aus der Weisheit Salomos und Henoch neulich sagen wollte, und das steht im Gegensatz zum Christentum, in dem (in dem endgültigen Christentum), wir werden gleich davon sprechen, dass es im Christentum einen Kampf zwischen dieser jüdischen Konzeption der Gottessohnschaft und der anderen – nennen wir sie hellenistischen oder wie immer – es ist eine Schöpfung griechischer und iranischer Vorstellungen, entbrannt ist, aber gesiegt hat hier nicht die jüdische, sondern jene andere Vorstellung von dem gleichsam (wenn ich diesen Ausdruck gebrauchen darf) fertigen, im Himmel fertigen Gottessohn, der vom Himmel herabgeschickt wird. Was eigentlich auch geschieht – der Mensch steht nicht in dieser Wirklichkeit Gott gegenüber, dass er sich durch das, was er lebt, die Gottessohnschaft erringt, Gott so begegnen kann, dass er sich Gottes Sohn nennen darf. Übrigens bin ich vorhin darum angegangen worden, dass ich die Zitate aus Henoch nicht präzisiert habe. Für diejenigen, die es so ernst nehmen, nenne ich die Kapitelzahlen 51, 3; 52, 4; 62, 7; 69, 27, 29; 71, 14 und 105,2. Das ist vielleicht für die meisten von Ihnen nicht wichtig. Aber es ist etwas

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äusserst aufschlussreiches, wenn man dieses schwierige, widerspruchsvolle, mühselig zu lesende Buch wirklich durchliest. Nun – ich sagte, es gibt im frühen Christentum auch diese Vorstellung, wie sie uns in der Weisheit Salomos und dann in einer sublimierteren Form im Henoch entgegentritt, von dem Menschen, der sich in die Gottessohnschaft erhebt. Ich erinnere, dass es bei Henoch so geht, dass da gleichsam eine Sohnesgestalt wie ein Gefäss da ist, das diesen Menschen, der sich vollendet hat und nun aufsteigt, aufnimmt. Also was man von Präexistenz redet, was von christlichen Theologen irrtümlich von einer Präexistenz des Messias geredet wird, bedeutet nur dies im Judentum, dass es von je, von der Schöpfung her, diese auf den Menschen, der es verwirklichen wird, schon bestimmte Form, Gestalt der Sohnschaft gibt, die gleichsam auf diesen Menschen, der sie verwirklichen wird, wartet. Henoch kommt dahin, dieser Mensch, der auf Erden mit Gott sich ergeht und der nun von Gott hinweggenommen wird in den Himmel, der erfährt es, dass er eines wird mit dieser Urform und dass zu ihm gesagt wird: Du bist der Mannessohn, der zur Gerechtigkeit geboren wird, nämlich im Himmel wird er neu geboren, zum zweitenmal geboren als Sohn Gottes. Dieses Zumzweitenmalgeborenwerden, als Sohn Gottes geboren werden, das ist eine Urvorstellung des Christentums, d. h. es ist jene eine Vorstellung, mit der die andere, des vom Himmel auf die Erde gesandten Gottessohnes im Kampf liegt, um obzusiegen. Diese Vorstellung, dass der messianische Mensch aus der Menschlichkeit aufsteigt in die Gottessohnschaft und dass seine Vollendung von Gott bestätigt wird, dadurch dass Gott ihn mitten in dem irdischen Leben, an einem bestimmten Punkt dieses irdischen Lebens zu sich erhöht, dass er in Gott wiedergeboren wird, dass er (wie Paulus es ausdrückt) eine neue Schöpfung wird – aber das ist nur aus der jüdischen Ueberlieferung geschöpft, die Neuschöpfung, die schon von Abraham ausgesagt wird, ich sage, dass diese eine Grundvorstellung, die in der Dogmengeschichte Adoptationismus genannt wird, weil die Vorstellung die ist, dass dieser Mensch an einem bestimmten entscheidenden Punkte seines Lebens gleichsam von Gott adoptiert, zu seinem Sohn erhoben wird. Ich erinnere daran, dass Henoch das Wort zugesprochen wird: er wird jetzt geboren, in die Gerechtigkeit. Wir wissen aus dem 2. Psalm, dass zu einem Wesen, Herrscher oder ein König oder wer immer es sei, Sie wissen doch, dass Gott zu David sagt, dass er seinen Nachfolger als seinen Sohn ansehen werde. Diese Vorstellung, dass der König, wenn er das Königtum erfüllt, wahrhaft Gottes Statthalter ist, wenn er jenes Geheimnis, das er in der Salbung empfangen hat, durch sein Wesen realisiert, dann sich Gottes Sohn nennen darf, tritt in Erscheinung in dem 2. Psalm, da Gott zu dem Gesalbten spricht: Heute

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habe ich dich gezeugt. Da nun in früheren Berichten, in früheren Formen des Berichtes von der Taufe Jesu im Jordan, etwa in der älteren Form des Lukas-Berichtes, da ist die Vorstellung, dass Jesus, ein erwachsener Mensch, ein Mensch, dessen bisherigen Weg wir nicht kennen, denn die Kindheitsgeschichte trägt ja das Gepräge der späteren Sage unverkennbar, also wir wissen nicht, was das Leben dieses Menschen gewesen ist, bis er jetzt an diesem entscheidenden Punkte seines Lebens das erfährt, was nun berichtet wird, dieser Mensch begibt sich zu jenem Johannes, der in der Wüste und am Rande der Wüste tauft, wie es heisst, d. h. vermutlich eine eigentümliche Umwandlung jenes jüdischen Sakramentes der Proselytentaufe vornimmt, denn der Proselyt, der in das Judentum eintritt, musste ein Tauchbad empfangen, eine Taufe, die durchaus ein sakramentales Amt, als Entstehung eines neuen Menschen verstanden wurde. Ich sage: diese Proselytentaufe in dem neuen Sinn vornimmt, dass die Juden selber des Tauchbades bedürfen, weil das Judenvolk selbst nicht mehr wahrhaft Israel ist. Das ist die Grundvorstellung dieses Menschen. Die Grundvorstellung dieses Täufers ist, das Judenvolk habe sein IsraelSein verraten, es ist nicht mehr Gottes Volk, jeder also, von Israel, der ernst machen will, jeder, der wirklich zu Gottes Volk gehören will, der muss nun dasselbe tun, was der Proselyt tun musste, der von drüben, aus der Völkerwelt, zum Judentum übertritt, der Jude muss nun in Wahrheit Jude werden, er muss zu Israel übertreten, obwohl er von Abraham abstammt. Es geht nicht mehr der Abstammung nach, weil man diese Abstammung verraten hat. Also muss man jetzt das Sakrament der Taufe empfangen. Also zu diesem Johannes kommt Jesus und empfängt die Taufe durch ihn; und da geschieht nun, das ist der eigentliche Beginn dessen, was das Christentum rechtmässigerweise hat, widerfährt ihm dies, was offenbar keinem anderen von denen widerfahren ist, dass er sich die Himmel öffnen sieht, dass in jener Gestalt – das ist eine Sache der jüdischen Überlieferung – in der Gestalt der Taube (der Geist Gottes schwebte schon bei der Schöpfung wie eine Taube über den Wassern) es ist eine Vorstellung, die immer wiederkehrt – also so wie damals in der Schöpfung über den Wassern sich der Geist erhebt, so lässt sich zur Neuschöpfung dieses Menschen der schöpferische Geist Gottes auf ihm nieder und eine Stimme spricht zu ihm: Du bist mein Sohn. Und hier heisst es in dem alten Text Lukas wie in dem 2. Psalm: heute habe ich dich gezeugt. Das ist aber genau, was in dem Buch Henoch im 1. vorchristlichen Jahrhundert diesem mythischen Menschen Henoch widerfährt, dass er in den Himmel kommt und ihm gesagt wird: jetzt wirst du geboren, weil du jetzt Gottes Kind wirst, du, der du bisher lediglich der Menschensohn gewesen warst. Der Menschensohn. Sie wissen, das ist ein Wort, das

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durch die Evangelien geht und es ist vielfach erörtert worden, was es bedeuten mag. Mir scheint, dass es so zu verstehen ist: Die Taufe, dieses johannäische Sakrament, die umgewandelte Proselytentaufe, die sich hier realisiert, dass einem Menschen widerfährt, was der Sinn dieser Taufe war, sozusagen leibhaftig erfüllt sich jetzt, neugeboren und zwar als Gottes Sohn, ich sage, in dieser Taufe lässt sich der Geist, jener schöpferische Urbraus Gottes auf den Menschen nieder, wie wir gleich sehen werden, gibt ihm besondere Kraft, bleibt bei ihm und leitet ihn und so fort. Mit dem Geist, also in der Verbindung mit diesem Gottesgeist, der sich so auf ihm niederlässt, ist er nicht mehr Menschensohn, sondern Sohn Gottes. Von diesem Geist abgehoben, ohne diese, die vollkommene Gegenwart dieses Geistes gedacht, je und je als der Mensch gedacht, dem das widerfährt und nachwirkt, fasst er sich als den Menschensohn, der aber doch nun – wobei er selbst nie vergessen kann, dass er doch Geistträger geworden ist, dass an ihm als an dem Menschensohn dieser Geist mit seinen begabenden Kräften nunmehr haftet. Dieser Geist – beachten Sie – dieser Geist tut mit diesem Menschen, dem das widerfahren ist, zunächst das, was je und je der Geist, der die Menschen im Alten Testament ergriff (wir hören ja immer wieder von Menschen, auf die sich der Geist niederlässt, newiim, und auch von Richtern wird erzählt, wie der Geist sie ergreift, ebenso von denen, die zu Königen gesalbt werden, und wie es heisst: zu einem anderen Menschen machte). Ich sage, der Geist ergreift ihn also so und treibt ihn, wie er den Elia in die Wüste trieb, treibt ihn in die Wüste. Es ist also eine Macht, die ihn treibt und von der aus er lebt und wirkt. Es ist aber für das Neue Testament und zwar besonders einerseits für das Johannesevangelium und die Johannesbriefe, also für diese besondere Literatur, andererseits aber für Bruchstücke zweifellos judenchristlicher Evangelien merkwürdigerweise für beide charakteristisch, und zwar deshalb (ich möchte das vorausschicken, aber ich kann es nicht erörtern, denn es ist eine schwere theologische Frage) weil entgegen der allgemeinen Meinung gerade in dieses so judenfeindliche Johannesschrifttum eingefügt sind, und zwar von einer ganz anderen Tendenz ergriffen, Bruchstücke alter jüdisch-christlicher Tradition, die man heute noch von dem bearbeiteten Text unterscheiden kann. Also allen diesen Schriften und Bruchstücken gemeinsam ist die Vorstellung, dass zum Unterschied von all den Menschen, denen das in der alttestamentarischen Geschichte widerfahren ist, dass der Geist sie so umwandelte, so berief, dass nun der Geist in ihm bleibt. Es ist eine johannäische Grundvorstellung, dass der Geist nicht bloss den Menschen ergreift und auch wieder von ihm fortziehen kann und ihn sozusagen als vom Geist nicht getriebenen Menschen sich selbst überlässt – das ist das eine, dass

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er bleibt. Und das zweite ist, dass es nicht ein Teil, nicht eine Zuteilung des Gottesgeistes ist, die sich auf den Menschen niederlässt, sondern dass dieser Mensch unter allen auserwählt ist, weil sich in ihm jene Wandlung wirklich vollendet, dass sich auf ihm die – wie es in einem apokryphischen Fragment eines juden-christlichen, eines Hebräerevangeliums heisst) der ganze Quell des heiligen Geistes niederlässt. Ich zitiere, um Ihnen deutlich zu machen, welche Grundvorstellung es ist, die in diesen adoptionsgläubigen juden-christlichen Kreisen herrschte, also an diese nur jetzt zu einer Absolutheit erhobene, diese altjüdischen Vorstellung glaubend, dass der Mensch sich so vollenden kann, dass er von Gott in die Sohnschaft aufgenommen wird, so von Gott mit dem Geist bestätigt werden – zitiere ich aus diesem Bruchstück die Worte, die, während sich die ganze Quelle (omnis fons) während sich omnis fons des heiligen Geistes auf diesen Menschen niederlässt, spricht die Stimme, oder vielmehr spricht wirklich der Geist: In allen Propheten habe ich dich gesucht, auf dass du kommest und ich in dir ruhe, denn du bist meine Ruhe. Beachten Sie, was das für eine Vorstellung ist. Also dass je und je der Geist Gottes die Menschen, einen Menschen ergreift, die prophetischen, die führenden Menschen ergriff, das war also ein Suchen Gottes. Gott versuchte gleichsam, welcher von diesen Menschen ihm (wenn man das so ausdrücken darf) die Möglichkeit gab, dass sich der ganze Quell des Heiles auf diesen Menschen ergiesse und bei ihm bleibe, denn dieses Bleiben ist eben dasselbe, was in diesem hebräischen Evangelium gesagt wird: du bist meine Ruhe. Nun brauchte gleichsam der Geist Gottes nicht mehr zu suchen. Der Mensch ist erfüllt. Aber der Mensch aus der Menschheit selbst, ist eine Bewegung zu ihrer Vollendung geworden, nicht von oben nach unten ist die Vollkommenheit gesandt worden, sondern der Mensch hat sich vollendet, und nun hat ihn Gott bestätigt, hat ihn Gott aufgenommen, hat Gott in diesem vollendeten Menschen die Ruhe gefunden, denn dazu hatte er den Menschen geschaffen, damit er sich und mit sich die Welt zu ihm hin vollende. Sie sehen, diese Vorstellung ist eine Weiterausbildung einer jüdischen Konzeption. Und mit dieser Vorstellung gehört das frühe Christentum zweifellos in die jüdische Glaubensgeschichte hinein. Der Bruch vollzieht sich erst überhaupt, als anderes hinzutritt und stark wird. Ich möchte noch hinzusetzen, dass diese Heilsvorstellung, diese Vorstellung der Erhöhung des Menschen, also des Menschen, von dem gesprochen wird, er habe sich vollendet und der nun erhöht wird, das ist genau dieselbe Vorstellung, wie sie in dem talmudischen Wort steht, das ich neulich anführte: Wer ist es, vor dem ihr euch reinigt, und wer reinigt euch? Euer Vater im Himmel. Wer aber sich zu reinigen kommt, dem steht man von oben bei. Also es fängt mit der

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Handlung des Menschen an. Das ist das Entscheidende, das ist das Scheidende zwischen Judentum und dem Christentum, das wir dann aus der Geschichte des Christentums kennen, das scheidende: hier vom Menschen aus, der Mensch vermag das, der Mensch vermag sich soweit zu reinigen, soweit zu erheben, soweit zu vollenden, dass er dahin kommt, an diesen Ort der Begebung von Göttlichem und Menschlichem, wo er angenommen, aufgenommen, weitergeleitet, weitergehoben wird. Dieser Ernst der Bemühung, dieser Ernst dessen, dass es auf uns ankommt, ist das Scheidende zwischen Judentum und Christentum. Aber ich sage, dass diese jüdische Vorstellung noch ins frühe Christentum hinein sich erhalten hat. Dafür spricht noch eine merkwürdige Stelle. Zwei Stellen, nämlich zwei Stellen, die Petrus, also einem Vertreter der judenchristlichen Gemeinde zugesprochen werden (2,36 und 5,31). Das eine ist der Schluss der Pfingstpredigt des Petrus, wo er sagt: Dass Gott zu dem Herrn, nämlich in der Auferstehung (das ist das Wort, mit dem die Septuaginta den Gottesnamen wiedergibt, so dass noch in diese Christologie hinein doch noch die Erhebung des Menschen durch Gott hineinragt), dass Gott so wohl zu dem Herrn (nämlich in der Auferstehung) als zu dem Christus (nämlich in der Taufe) gesagt hat: dieser Jesus, den ihr gekreuzigt habt, … Es ist eigentümlich, dass das am Schluss der Pfingstpredigt gesprochen wird. Aber darauf kommt es hier nicht an. Gott hat also diesen Jesus zunächst zu seinem Messias in der Taufe gemacht, denn die Taufe wird als eine Umgestaltung der Salbung, als die eigentliche Erledigung der Salbung aufgefasst, also in der Taufe zum Messias und in der Auferstehung (da haben wir schon das Christologische) zum Herrn hat Gott diesen Jesus gemacht. Und die andere Stelle dann, da spricht Petrus zu dem Rat in Jerusalem: Diesen hat Gott als den Führer (oder Fürsten) und Erlöser erhoben an seine Rechte. Also wir haben hier auf der einen Seite schon ausgebildete Christologie im Sinne des Glaubens an ein gotthaftes Wesen, einen Gottmenschen, einen Menschen, der als Herr zur Rechten Gottes sitzt, aber zugleich hat sich noch jene Vorstellung erhalten, die das nicht etwa hat, was durch Sendung von oben nach unten entstanden ist, sondern da ist der Mensch, der hier dieses Menschenleben geführt und diesen Menschentod gestorben ist, da ist dieser Mensch, den nach seinem Tod Gott zu sich erhoben hat. Also noch in diese Christologie hinein, noch in diesen Glauben an das Gottwesen Christi hinein geht noch jene Vorstellung, dass es um einen Menschen geht, der sich vollendet hat und dem nun diese Erhöhung von Gott her widerfahren ist. Dies für heute. Ich möchte das nächstemal noch diese Betrachtung zu Ende führen und zwar insbesondere für die Vorstellung der Versöhnung,

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des stellvertretenden Leidens. Ich möchte also das nun noch versuchen zu klären, was das von der einen und was von der anderen Konzeption aus bedeutet. Dann werden wir das Trimester abschliessen, und nächstes Trimester werde ich den Gedankengang anderswoher aufnehmen, nämlich von der Vorstellung des Messias. Was heisst, was ist Messias und wie scheiden sich da die Wege.

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VIII Ich habe das vorigemal Ihnen zu zeigen versucht, dass jene Grundvorstellung des spätjüdischen Messianismus, dass der Mensch selbst, der sich vollendende Mensch in die Sohnschaft Gottes aufgenommen werde, dass diese jüdische Grundvorstellung im frühen Christentum wiederkehrt, aber als eine der beiden miteinander kämpfenden Tendenzen. Wir haben gesehen, wie in Büchern wie die Weisheit Salomos, wie das Buch Henoch der Mensch in die obere Welt erhoben wird und von Gott gleichsam zu seinem Sohn erklärt, adoptiert wird, wenn wir das Wort der christlichen Dogmengeschichte beibehalten wollen. Adoptianismus d. h. es ist eine bestimmte Konzeption der messianischen Gestalt. Sie tritt aus dem Menschtum, aus der Menschheit hervor, sie bedeutet die Vollendung dieses Menschtums, dieser Menschheit, die Hinwendung dieser Menschheit zu Gott in ihrer vollendeten Gestalt, und da ist auch schon die Gnade über diesem Geschehen, da ist auch schon die Bestätigung durch Gott. Gott bestätigt diesen sich vollendenden Menschen, indem er ihn als seinen Sohn, als den Sohn Gottes geborenen Menschen anspricht. Ich habe also gezeigt, wie das im frühen Christentum, in dem Adoptianismus, eben in jener Vorstellung von der Taufe Jesu im Jordan sich wiederholt, was diesem Menschen, durchaus nicht einem von oben nach unten Gekommenen, sondern einem aus dem Menschtum, wie es war, aus diesem sterblichen brüchigen Menschtum hervortretenden, aber nun über ihm sich in der entscheidenden Stunde der Wandlung, die diesen Weg des Menschen vollendet, nun die Stimme Gottes, nun der Geist Gottes sich niederlässt und die Stimme zu ihm redet: Heute habe ich dich gezeugt. Das ist dieses Psalmwort, das schon zum König sagt: Wenn du das, was mit deiner Salbung gemeint ist, erfüllst, wenn du meinen Auftrag verwirklichst, wenn du aus dem Menschlichen, aus der menschlichen Substanz hervor mir die Antwort weisest, die ich begehre, dann wirst du mein Sohn, dann wirst du – wie ich aus jenem anderen Apokryphenfragment angeführt habe – meine Ruhe, die ich von je und je gesucht und nun gefunden habe in dem Menschen, der sich vollendet

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hat, dass er mir gleichsam mit seinem Wesen, mit seinem Dasein eine Ruhestätte gewährt. Das ist also die eine Richtung, die eine Tendenz in der messianischen Konzeption des frühen Christentums, und wie mir scheint, die ursprüngliche. Ich habe zu Anfang dieser Vorlesung gezeigt, wie schon sehr früh der Christus als ein Gotteswesen gefasst ist, aber zweifellos ist doch dies die ursprüngliche Schicht, nämlich die Schicht der wirklichen Erinnerung an einen Menschen, an das, was ihm widerfahren ist, an das, wie er sich selbst, seine Sendung empfunden hat in entscheidenden Augenblicken seines Lebens, und wie sich die Seinen, wie sich ihm anschliessend seine Jünger diese Sendung empfunden haben, also zweifellos nach wirklicher Überlieferung. In dieser Adoption ist die Erfahrung dieses Menschen ausgesprochen, der sich in die Sohnschaft Gottes aufgenommen fühlt. Dem gegenüber nun steht nicht bloss, wie man gewöhnlich meint, diese mystische Vorstellung, dass Gott diesen Christus, dass der Geist Gottes diesen Christus zeugt, hervorbringt aus menschlichem Schosse – das ist alles sekundär und gehört dem ursprünglichen Kampf jener beiden Tendenzen nicht wesentlich an. Vielmehr steht ursprünglich, wenn auch nicht in der allerersten Schicht, aber schon in einer späteren, gleich auf sie folgenden Zeitepoche dieser Tendenz eine zweite gegenüber, wonach diese Gestalt nicht von unten nach oben aufgestiegen, sondern von oben nach unten gesandt worden sei, und dieses von oben nach unten Gesandtwordensein widerstreitet in seiner Konsequenz jener jüdischen Urvorstellung. Das ist eigentlich der Punkt, wo Judentum und Christentum sich scheiden. Für das Judentum gibt es zwar, für jenes späte Judentum, von dem ich gesprochen habe, gibt es die Vorstellung einer Urform gleichsam, eines Gefässes der Sohnschaft Gottes, das in der Himmelswelt von vor der Schöpfung der Welt her bewahrt ist und auf den Menschen wartet, den es in sich aufnimmt, gleichsam – griechisch gesprochen, die Idee der Sohnschaft Gottes wartet auf den Menschen, der sie realisiert. In diesem Sinne ist von einer Präexistenz die Rede, aber nicht kann in dieser jüdischen Vorstellungswelt davon die Rede sein, dass Gott seinen Sohn, der in dieser Himmelswelt bei ihm gewohnt habe, auf die Erde schickt (nicht so, nicht etwa einen jener Boten, die man fälschlich gräcisiert Engel nennt) – das bedeutet nichts anderes als das jeweilige Eingreifen Gottes, gleichsam seine Hand, das sind nicht Wesen mit einer Gestalt, mit einem Namen, mit einer Biographie – das alles ist späte Zutat, die nicht mehr aus dem Judentum stammt, nicht mehr im Sinn eines Boten, der von oben, wo er fertig da ist mit einer fertigen Gestalt heruntergeschickt wird, sondern das sind die Boten nicht, die werden nie geschickt in dem Sinn, dass sie einfach da sind. Ich habe schon einmal ausgeführt, der

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schönste Ausspruch ist der unserer Ueberlieferung, dass diese Boten, wenn die Tat zu tun ist, aus dem Feuerstaub auftauchen und wieder untertauchen. In der Tat erschöpft sich ihr Dasein. Also nicht so, wie diese so gelegentlich kommen, sondern als ein Wesen, das sei von je und je, habe Gott seinen Sohn geschaffen, wie es im Galatherbrief heisst: da aber die Zeit erfüllet war, sandte Gott seinen Sohn. Da handelt es sich nicht um eine Begegnung zwischen Göttlichem und Menschlichem, nicht dass der Mensch sich vollendet und in dieser Erfüllung der Gottheit gegen übersteht, sondern es geht darum, dass dieser Gottmensch, zunächst göttliches Wesen zuerst oben ist, von je, wie wir gleich hören werden, und dann niedergeschickt wird, wie es im Römerbrief heisst: sendet seinen Sohn in der Gestalt des sündlichen Fleisches. Es ist also eine niederere Gestalt, die dieses Göttliche gleichsam anzieht, und wir werden gleich sehen, dass es als eine Erniedrigung auch verstanden wird. Diese Vorstellung des Hinabgesandtwerdens, das ist die Vorstellung, die dem Judentum innerhalb des christlichen Messianismus eigentlich erst gegenübertritt. Und der Kampf zwischen der adoptianischen Vorstellung und der Herabsendung eines Gottwesens auf die Erde, das ist eigentlich der Kampf, wo sich das Christentum von dem Judentum scheidet und sich entscheidet für die nichtjüdische, die iranischen und griechischen Elemente durch die diese Vorstellung des Herabsendens des Sohnes in die Welt bestätigt wird. Im Johannesevangelium, wo sich dieser Prozess schon einigermassen abgeschlossen hat, hören wir als Wort Johannes des Täufers, also des Vorläufers Jesu: der von oben kommt, ist über allen. Der aus dem Himmel kommt, ist über allen. Der, den Gott gesandt hat, redet das Wort Gottes, der ist also im Gegensatz zu dem, der nur wie ein Prophet gesandt ist, wie ein Mensch, der einen Auftrag von Gott bekommen hat, zu dem das Wort Gottes sich niederlässt – im Gegensatz dazu der, der als Wesen von oben aus dem Himmel kommt. Im selben Johannesevangelium im 6. Kapitel spricht Jesus selbst dementsprechend: Denn ich bin vom Himmel gekommen nicht, dass ich meinen Willen tue sondern des, der mich gesandt hat. Es ist charakteristisch, dass das Johannesevangelium zwischen Gott und Jesus zu scheiden weiss, und von Jesus die Worte der Unterordnung spricht, aber man darf nicht vergessen, dass es die Worte eines göttlichen Wesens sind, das Menschengestalt angenommen hat. Und so ist es zu verstehen, dass unmittelbar darnach die Juden von ihm reden: Ist nicht dieser der Sohn Josefs, dessen Vater und Mutter wir kennen? Beachten Sie: eine adoptianistische Selbstankündigung einer messia-

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nischen Gestalt hätte nicht so beantwortet werden können. Gewiss, Jesus, der Sohn Josefs, dessen Vater und Mutter wir kennen – wenn ihm dies geschehen ist, wenn er so sich vollendet hat, dann ist dieser Einwand vom Judentum her nicht zu erwähnen, wohl aber, wenn er sagt, was eine messianische Gestalt des Judentums nicht sagen kann. Nebenbei bemerkt: es ist beachtenswert, dass in diesem verhältnismässig späten Evangelium die Antwortenden offenbar noch nichts von der Vorstellung der jungfräulichen Geburt wissen. Auf diese weisen sie nicht hin. Sie weisen auf etwas ganz anderes hin, auf die Präexistenz eines göttlichen Wesens, das als solches auf die Erde steigt, indem es Menschengestalt annimmt, das hängt durchaus nicht notwendig mit der jungfräulichen Geburt zusammen. Aber das kann ich jetzt in diesem Zusammenhange nicht näher erörtern. Ich sagte: der Präexistenz. Wir haben im Henochbuch gesehen: es gibt eine Vorstellung der Präexistenz jenes Wesens im jüdischen Messianismus. Ich erinnere an jene Stelle, wo Gott zu dem in die Himmelswelt aufgestiegenen Henoch spricht: Du bist des Mannessohn, der zur Gerechtigkeit geboren wird. Er wird also hier wiedergeboren, aber als Mannessohn, von dem vorher stand (im 62. Kapitel), dass er vorher verborgen war, dass der Höchste ihn aufbewahrt hat, also irgendwie ist jenes Wesen, das aus der menschlichen Welt sich realisiert, in der Himmelswelt vorhanden. Ganz anders wird diese Präexistenz der messianischen Gestalt in dem frühen Christentum erkannt, d. h. also in dem gegen die Adoptianische Vorstellung stehenden Christentum. Sie müssen das so verstehen, dass der entscheidende Kampf im frühen Christentum, der, an dem sich die Geister derjenigen schieden, dieser Schicksalskampf zwischen diesen beiden Vorstellungen ist: die der adoptianischen widerstreitende Vorstellung konzipiert dieses Himmelswesen, das auf die Erde niedersteigt als ein von je existierendes. Nun möchte ich noch einen Augenblick Sie darauf hinweisen, dass es ganz ähnliche Dinge, ganz ähnliche Vorstellungen in der Sphäre der spätiranischen Glaubenslehre gibt, dass also ein Geist, ein Gotteswesen, das nicht der oberste Gott ist, aber das ihm zunächststehende Wesen, von ihm in die Welt gesandt wird, um etwa das Licht von der Finsternis zu lösen, um die Macht der Finsternis zu überwinden usf. Und es wird je und je dargestellt, wie dieses Gotteswesen gefangen genommen wird von den unteren Mächten, wie es sich dann aus ihrer Macht befreit und nun die guten, die lichten Wesen, die Gerechten mit hinanzieht, sie hinleitet nach oben. Und weiter: ganz ähnlich wie Jesus in dieser johannäischen Vorstellung sagt: ich bin vom Himmel herabgestiegen, ganz ähnlich sprechen Gnostiker der ? Kultursphäre, die zweifellos von jener spätiranischen Welt berührt sind. Z. B. Simon

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Magus, der sagt auch: Ich bin der Sohn Gottes, der aus dem Himmel niedergestiegen ist; etwa kurze Zeit nach der Zeit, in der das Evangelium Johannes Jesus die Worte sprechen lässt. Er tritt der Sage nach vor den Kaiser Nero und sagt: Höre, Kaiser Nero, damit du wissest, dass alle diese Betrüger sind, ich aber aus den Himmeln gesandt worden bin. Und jener Celsus, mit dem Origines über die Wahrheit oder Unwahrheit des Christentums gestritten hat, jener Gegner des Christentums vergleicht den Christusglauben mit der Szene der spätgriechischen Komödie, in der Zeus den Hermes zu den Menschen schickt, und er sagt, dies sei etwas höchst Lächerliches, dass Gottes Sohn zu den Juden gesandt worden sei. Auf diesem Hintergrund etwa ist nun diese Vorstellung zu schauen des himmlischen Wesens, das präexistent ist und in die Welt kommt. Ich führe wieder einige Stellen aus dem frühen Christentum hier an. Insbesondere zunächst aus dem 1. Petrusbrief, das ist die Stelle, die noch der jüdischen Vorstellung am nächsten ist. Da heisst es von Christus: der schon zuvor ersehen ist (oder wörtlich auserkannt ist) ehe der Welt Grund gelegt wurde, aber offenbaret zu den letzten Zeiten um euretwillen. Also dieses Wesen ist von je ausersehen, auserkannt worden, und zwar noch vor der Schöpfung her, und wurde jetzt, nun in den letzten Zeiten, da das Ende der Tage anbricht, offenbar. Das erinnert doch noch sehr an jene Henochstelle von dem Menschensohn, der verborgen war und der dann offenbar geworden ist. Das ist noch nicht ein Himmelswesen im strengen Sinn. Und auch die Vorstellung, dass jemand von urher auserkannt worden ist, dieses griechische Wort ist eigentlich nur eine Uebersetzung des hebräischen Wortes, das wir z. B. im 1. Kapitel Jeremia lesen, wo Gott zu dem Propheten spricht: Ehe ich dich im Mutterleibe gebildet habe, habe ich dich auserkannt, also herausgeholt durch mein göttliches Erkennen, herausgeholt aus der Undifferenziertheit des Seins, hereingeholt in die Welt der Person, doch als Person herausgeholt, herauserkannt, ausersehen. So kann zu dem Propheten gesprochen werden, an dessen absoluter Menschheit ja garnicht zu zweifeln ist. Also diese Stelle berührt sich noch mit der jüdischen. Aber nun eine zweite, wo schon der Prozess der Christianisierung, der Entfernung vom Judentum sich vollzogen hat, und zwar jener Hebräerbrief, aus dem ich schon früher als einem christlich-radikalen Element zitiert habe, da heisst es (im 2. Kapitel): Das ist schon ein richtiges Glaubensbekenntnis, wie es später immer wieder von der Kirche formuliert worden ist und zwar ein Glaubensbekenntnis durchaus zu dem Gottessohn, der von der Schöpfung her schon göttlich gewirkt hat, durch den die Welt geschaffen worden ist,

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gleichviel wie wir uns das vorzustellen hätten, der also jedenfalls ganz und gar nicht mehr der Mensch ist, der sich zu Gott erhebt, sondern der fertige Gott, der in die Menschengestalt hineingebannt wird. Und so ist auch von da aus die Stelle zu verstehen (Philipperbrief 2), die schwierige Stelle, die vielfach erklärt wird, wo von Christus gesagt wird, ob er wohl in göttlicher Gestalt war, hielt er es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein. Aber Raub ist undeutlich. Es handelt sich um eine Beute. Er hält es nicht für eine gute Beute, diese Gottgleichheit, fest. Er äussert sich selbst eigentlich: er entselbstet sich, er entleert sich seiner selbst und nimmt Knechtgestalt an. Dieses Gotteswesen begibt sich seiner Gotthaftigkeit und nimmt Menschengestalt, kreatürliche Gestalt an. Wenn wir die Stelle recht verstehen wollen, was das ist mit diesem Raub, dass Christus die Gottgleichheit nicht für eine gute Beute hält, bezieht sich offenbar auf die gefallenen Engel, denn die hielten die Gottgleichheit für eine gute Beute, die wollten einfach dabei bleiben, die wollten diese Gottgleichheit gegen Gott ausspielen. Darum – heisst es dann – hat ihn Gott erhoben und hat ihm einen Namen gegeben, der über allen Namen ist, d. h. also, die Erhöhung ist hier nur eine Belohnung für das, was dieses Gotteswesen zuerst tut, für das Opfer, das es bringt, indem es aus der Himmeswelt in die kreatürliche Welt niedersteigt oder sich niederziehen lässt. Und nun von da aus, von diesem Gegensatz aus ist schliesslich das äusserste zu verstehen, was uns in diesem Zusammenhang beschäftigen kann, die Vorstellung des stellvertretenden Opfers im Christentum. Stellvertretendes Opfer – d. h., dass ein Mensch die Sünde des Menschengeschlechts, die Sünde des Volkes, die Sünde der Vielheit sühnt durch sein Leiden, durch Darbringung seiner selbst. Das ist keine unjüdische Vorstellung, dass ein Mensch zwischen Menschheit und Gottheit mittelt, das ist in der Bibel vielfach angelegt: Abraham mittelt zwischen Sodom, das dem Untergang geweiht ist, und Gott in jenem bekannten Gespräch. Moses mittelt zwischen dem sündigen Volk und Gott, Aaron stellt sich ein mitten in die das Volk treffende Seuche und mittelt zwischen dem Volk und dem Verhängnis, David, auch wieder bei einer Seuche, deren Ursprung etwas geheimnisvoll ist, die eigentlich ihn strafen soll, aber das Volk straft, setzt sich nun selber ein und bittet, die Schafe zu verschonen, die ja nichts getan haben usf. Aber vor allem vollendet sich alttestamentarisch das Verhältnis des mittelnden Menschen in jenem grossen Mysterium des 52. Jesaja-Kapitels, wo der Knecht für die Sünde der vielen leidet und den Tod (gleichviel ob er ihn erleidet oder nicht) jedenfalls dass er den Tod auf sich nimmt um die Lösung der Menschen, um die Lösung

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des Volkes und sogar der Völker (es ist deutlich, dass es nicht bloss um Israel, sondern um die Völker der Menschheit geht), um die Lösung des Menschenvolks von seiner Sünde, von seiner Gottferne, die eben durch dieses Menschenvolk verschuldet ist. Ich möchte auch bloss andeuten, dass es nicht um eine einzelne Gestalt geht, sondern um eine von Geschlecht zu Geschlecht wiederkehrende Gestalt, die sich endlich in der Gestalt des Messias erfüllen soll. Leiden je und je um der Menschheit willen, aber hier ist es eindeutig immer der Mensch, der hervortritt, der in die Bresche zwischen Menschheit und Gott tritt, der das Uebel, das Leiden, die Vernichtung auf sich nimmt, um die Menschheit zu erkaufen. Was das bedeutet, möchte ich in diesem Zusammenhang nur so berühren, weil wir uns später damit beschäftigen, aber: wie ist es im frühen Christentum? Wir finden schon in einem der synoptischen Texte, 10. Kapitel Markus: Denn der Sohn des Menschen ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und gebe sein Leben zur Bezahlung für viele. Das ist also noch, rührt noch durchaus an das Jüdische. Es widerspricht ihm noch nicht. Es berührt sich gerade mit jenem 53. Jesaja-Kapitel Vers 11 wo es steht, dass er die Verfehlung der anderen getragen habe und dass er seine Seele hingab, hinleerte zum Tode. Nebenbei gesagt: dieses Wort Lösegeld (es steht im Neuen Testament nur an der einen Stelle) bezeichnet den Loskaufpreis. Ich will hier ganz davon absehen, was das heisst. Ich habe neulich erklärt, dass ich im zweiten Teil dieses Satzes ein späteres Anhängsel sehe. An sich ist dies nicht notwendig so anzusehen, es ist eine Urvorstellung, und zwar eine wie gesagt mystische Vorstellung, die hier hereingenommen wird. Aber gehen wir nun weiter. Wir wollen auch hier den Weg abschreiten, von der Urgemeinsamkeit mit dem Judentum bis zu absoluter und unwiderruflicher Trennung. Nehmen wir etwa jetzt die Stelle aus dem 2. Korintherbrief 5. Kapitel: Denn Gott war in Christo und versöhnte die Welt mit ihm selber. Das ist ein wichtiger Schritt von der jüdischen Vorstellung ab. Gott war in Christo, als er sich zum Lösegeld brachte. Die alttestamentliche Vorstellung ist ja gerade die, dass der Mensch sich wirklich in allem Ernste als Mensch dem Gotte darbringt. Also der Akzent, der ganze Akzent liegt darauf, dass es der Mensch als Mensch tut, der Gott gegenüber steht, der zu Gott ausgeht, aber in dem nicht Gott ist, gleichsam in dem Gott garnicht sein will, den Gott von seiner Menschheit belässt, um in Wahrheit diesen Akt des Menschen vollziehen zu können, der die Menschheit erlöst, der menschlichen Anteil an der Erlösung der Menschheit nimmt. Und nun noch ein Schritt weiter, 5. Kapitel Epheser-Brief: gleichwie Christus uns hat geliebet und sich selbst dargegeben für uns zur Gabe

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und Opfer, Gott zu einem süssen Geruch. – Das ist also hier nun vielleicht nur eine Nuance noch dieses »uns hat geliebt« wie in einer Gegenüberstellung zur Menschheit. Aber wenn nun vielleicht noch zu zweifeln ist, wie dies zu verstehen ist, entscheidend spricht es sich aus im 3. Kapitel des Römerbriefes: diesen Christus bestimmte Gott zum (Hulas?), das ist das Wort kaporet, das ist im Heiligtum der mosaischen Zeit ein oberster Teil der Lade, ein Deckel über der Lade, auf dem die Cherubim weilen. Dieses Kaporet ist sehr seltsam, denn der Ausdruck bedeutet eigentlich nichts weiter als Decke oder Deckel, so ist zweifellos der ursprüngliche Sinn, aber es wird in einer eigentümlichen Verbindung mit der späteren, mit der übertragenen Bedeutung des Wortes Kapir, versöhnen, verstanden und deshalb von Luther mit Gnadenstuhl übersetzt, von anderen mit Versöhnungsdecke. Es ist zu beachten, dass für die Septuaguinta-Uebersetzung (die das kaporet mit Hulastein (?), Versöhnungsding, Versöhnungswerkzeug, oder wie man immer es nennen will, zweifellos nach dieser Seite übersetzt hat), ich sage, es ist offenbar, dass für die Septuaguinta wie für Philo (er sagt in seinem Leben Moses, dass es ein Sinnbild der Erbarmensgewalt Gottes sei), er sei von Gott dazu bestimmt worden. Hier sehen wir schon ein weiteres Element, also nicht mehr der Entschluss die Entscheidung des Menschen, der mit ganz geläutertem, gereinigtem Menschenwesen sich erhebt und damit das Opfer bringt, sondern Gott ist es, der dieses Wesen zum Sohn bestimmt. Das ist mit dem, was ich früher sagte unmittelbar zu verknüpfen. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, diese jüdische Idee der Mittlung kann auch den Ausdruck Hulastein (?) tragen. Wir lesen z. B. im 4. Makkabäerbuch von den Märtyrern. Sie waren gleichsam ein Ersatz für die Sünde des Volkes. Durch die Tat jener Gerechten und ihren Sühnetod als kaporet, als Sühnedinge, rettete die göttliche Vorsehung Israel. Sie sehen, wie nahe das der früh-christlichen Vorstellung kommt, aber entscheidend ist, dass diese Märtyrer nicht von Gott bestimmt werden, sondern dass sie selbst hervortreten aus der Menschheit, die nichts anderes als Menschen sind, in der ganzen Brüchigkeit unseres menschlichen Daseins stehend, treten Sie hervor und vollziehen mit ihrem Wesen das Opfer, und dadurch, dass sie es tun, rettet die göttliche Vorsehung Israel. So ernst nimmt die jüdische Glaubenslehre das Zusammenwirken von Gottheit und Menschheit. Ich möchte Sie nur in der jetzigen Vorlesung bis an diesen Punkt führen, an dem ich später wieder ansetzen will bei der nächsten Vorlesung. Aber noch mit einem Wort möchte ich zuletzt den Unterschied vergegenwärtigen: auf jüdischer Seite das strenge, bis in die letzte Wesenheit

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des Seins ernste Gegenüber von Gott und Mensch, das freilich zur Begegnung führen kann, wo von seiten des Menschen das so geschieht, dass er sich ganz einfasst und ganz hingibt, ungeteilt hingibt an Gott, auf der christlichen Seite, d. h. da, wo das Christentum sich vom Judentum entscheidend scheidet, wird das Gegenüber aufgehoben. Eben dasselbe, was dort im Gegenüber geschieht und vom Gegenüber seinen Sinn nimmt, eben dasselbe wird übernommen, aber der Sinn wird aufgehoben, der Sinn, dass es diese zweite, diese menschliche Seite gibt, dieses Antworten, von dem aus das, die Erlösung auf Gott hin geschieht, und es bleibt die Vorstellung des Opfers, des Leidens, aber nicht mehr vom Menschen aus, sondern als von Gott bestimmt, als von Gott gesandt, und dieselbe Gestalt, die dort gefasst und als die Vollendung des Menschentums auf Gott zu, die von Gott bestätigt wird, der diese Gestalt in seine Sohnschaft aufnimmt, dieselbe Gestalt ist nun von dem Göttlichen aus und wird nur in die Menschengestalt hineingetan, sodass das Gegenüber seinen letzten Ernst, seine letzte Realität, dass die Abgehobenheit bis in die letzte Tiefe des Daseinsbereiches verloren wird. Zweifellos erkauft das Christentum damit eine andere Höhe, die das Judentum nicht hatte, eben die Höhe jenes Mittlertums, von dem ich das letztemal gesprochen habe, wie grossen Trost es den Menschen zu spenden vermöge, aber das Jüdische, dieses Gegenüber, das ist nicht mehr da, und das ist es, dieses Gegenüber, das durch die Begegnung ermöglicht, ja, vielmehr das erst die Begegnung ermöglicht, von dem aus allein es Begegnung bis in die Grundtiefen des Seins und Geschehens und Erfüllens gibt. Darauf stehen wir. Von da aus leben wir. Das ist der Unterschied.

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Ich habe im vorigen Trimester von jüdischem und christlichem Glauben gehandelt und habe versucht zu zeigen, dass nicht etwa bloss der Gegenstand des Glaubens im Judentum und Christentum nicht der gleiche ist, dass die Gegenstände sich nicht bloss nicht decken, sondern dass auch der Glaube selbst, die Art des Glaubens, eine verschiedene ist. Ich habe versucht zu zeigen, dass diese verschiedene Art des Glaubens in Judentum und Christentum freilich bedingt ist durch die Verschiedenheit des Gegenstandes, bedingt ist eben dadurch, dass ja der zweite Gott (um diesen Ausdruck des frühen Christentums zu gebrauchen) hinzutritt mit seinem ganz besonderen Anspruch, von dem aus der Glauben des Menschen in seiner Art, in seinem Wesen, in seinem Tun, in seiner ganzen Existenz beeinflusst wird. Und es hatte uns darauf geführt zu fragen: was bedeutet nun dieser Anspruch, worauf ist er begründet? Und das führte uns auf diesen Gegenstand, der uns in diesem Trimester beschäftigen soll, auf das Problem der Erlösung, der Verschiedenheit nicht mehr des Glaubens, sondern der Erlösungslehre, der Lehre von der Erlösung im Judentum und Christentum. Wenn man von der Erlösungslehre bei Juden und bei Christen spricht, so drängt sich zunächst etwas, was freilich von wesentlicher Bedeutung ist, auf, eine ganz wesentliche Verschiedenheit. Die ist die, dass für den Christen die Erlösung sich, wenn auch nicht in ihrer Ganzheit und Vollständigkeit, so doch entscheidend vollzogen hat an einem bestimmten Punkt der Geschichte, der Weltzeit. Für den Juden aber ist eben dies, das Vollzogensein der Erlösung, wenn auch nur im Entscheidenden, wenn auch nur hinsichtlich des Wichtigsten, das also schon geschehen sei, für den Juden ist das Vollzogensein der Erlösung das schlechthin – nicht etwa nicht Glaubbare – das ist noch zu wenig – nicht das schlechthin Unannehmbare, es ist nicht so, dass es eine Widerspenstigkeit des Juden ist, wie es der Christ, insbesondere der missionierende Christ so leicht anzunehmen geneigt ist, sondern es ist (ich kann es nicht anders ausdrücken, aber so ist meine Empfindung davon) es ist ein Wissen des Juden, das dem gegenübersteht, die Wahrnehmung der Unerlöstheit der Welt. Das ist nun etwas, was der Jude – ich habe einmal gesagt – mit seiner Haut – ich möchte es wirklich so sinnlich aufgefasst wissen, mit seiner Haut zu spüren bekommt, erfährt: wir leben in einer unerlösten Welt; womit aber nicht gesagt wird, (das wird sehr leicht missverstanden) dass nicht in jedem Augenblick Erlösung an der Welt

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geschieht. Es ist also nicht etwa so, dass der Jude die Welt als eine Nichterlöstwerdende empfindet, sondern nur als eine Nichterlöstgewordene. Nicht als ob er die Erlösung nicht erführe als etwas Allgegenwärtiges, allezeit Geschehendes, etwas, ohne das die Welt garnicht leben, garnicht Bestand haben kann, sondern, was er nicht vermag, das ist, dieses als etwas Geschehenes, etwas in irgend einer Hinsicht Abgeschlossenes zu denken und zu glauben, das es geschehen, perfectum est – das vermag der Jude nicht zu glauben, weil er ein anderes, dem Entgegenstehendes leibhaft weiss. Ueber dieses Wissen des Juden und über das andere Wissen oder Glauben (wir wollen hier nicht die Worte allzu scharf unterscheiden) des Christen, über diese Zweiheit führt etwas hinaus, aber etwas, das wir nicht zu fassen vermögen. Wenn über diese Zweiheit ein Weg in eine Einheit hineinführt, so ist es der Weg, der messianische Weg einer Vollendung und Erfüllung, die wir kaum zu ahnen, aber gewiss nicht irgendwie zu fassen vermögen. Wir müssen uns daran halten, wir Juden in unserem Judesein müssen uns daran halten, dass wir jenes Wissen, jenes leibliche, körperhafte, unüberwindliche, nicht wegzuschaffende, nicht wegzuredende, nicht wegzudenkende Wissen um die Unerlöstheit der Welt haben, in der wir sind. Dass wir gleichsam eingesetzt sind, so, wie wir beschaffen sind, so, wie wir historisch geworden sind, eingesetzt sind, dies zu wissen und zu bezeugen, zu bezeugen allem, was sonst in der Welt verkündet wird, wie mächtig auch es verkündet wird, gegenüber. Ich sage, das ist wohl das, was sich zunächst aufdrängt, wenn von der Verschiedenheit des Erlösungsglaubens oder der Erlösungslehre in Judentum und Christentum gesprochen wird. Wenn man aber diese Verschiedenheit recht verstehen will, dann muss man viel früher anfangen, bei viel Einfacherem anfangen als bei diesem, was ich vorweg genommen habe, weil es das Nächstliegende ist, das scheinbar Selbstverständliche, was Judentum und Christentum scheidet: dort Glaube an den gekommenen Christos, hier Glaube an den kommenden, kommen sollenden – ich sage, um dies recht zu verstehen, müssen wir ausgehen nicht davon, sondern von den ganz einfachen Fragen; zunächst von der allereinfachsten: was ist überhaupt Erlösung? Was meinen wir, wenn wir von Erlösung, Erlöser sprechen? Denn wenn wir nicht uns so gut wir es können verständigen darüber (so ist es auf allen Gebieten der Welt, nur wird es meist nicht beachtet) wenn wir uns nicht verständigen darüber, was wir meinen, Sie und Sie und Sie und ich, wenn wir von Erlösung sprechen, sprechen wir nicht mit einander, kommen wir mit einander kein Stück weiter. Ich möchte mich zunächst mit Ihnen verständigen darüber, was Erlösung bedeutet, und dann werden wir fragen können: Also, wenn es so

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ist, wann geschieht Erlösung oder wann ist sie geschehen, wer erlöst, wie wird erlöst und, vor allem anderen, das ist vielleicht zunächst schon zu fragen, vielleicht hängt das schon mit dem Begriff Erlösung zusammen: wovon wird erlöst? Erlösung wovon? Erlösen, das ist doch offenbar lösen einer Gefangenschaft, lösen, erlösen, das hängt doch wohl damit zusammen, dass ein Wesen gefesselt ist, gefangen ist und aus dieser Gefangenschaft befreit werden soll. Aber genügt es? Ist jede Unfreiheit eines Menschen oder einer menschlichen Gemeinschaft ein erlösungsbedürftiger Stand? Ich weiss nicht. Wenn ein Volk in der Geschichte etwa unfrei ist, in die Abhängigkeit von einem anderen gesetzt ist, nun, dann geschieht ihm, kann ihm Befreiung geschehen, gleichviel, ob es diese Befreiung als eine einfach mit historischen Mitteln bewerkstelligte versteht oder etwas, was eine höhere Macht ihm hat zuteil werden lassen. Es wäre eine sehr unrichtige und irreführende Bezeichnung, wenn dies als Erlösung ausgegeben würde. Offenbar gehört noch etwas mehr als die Fesselung, als die Gefangenschaft [dazu], damit man daraus erlöst werden kann. Es scheint mir, es gehört zunächst dazu, dass diese Gefangenschaft, diese Unfreiheit sich vertiefe, verdichte zu einem wirklichen Verfallensein, zu einem Verhängnis, dass der Mensch oder diese menschliche Gemeinschaft wirklich keinen Ausweg sehen, keinen Ausweg sich vorstellen können, aus diesem Verfallensein, dass es nicht ein Vorgang unter Vorgängen sei, den man aus bestimmten psychologischen oder sozialen oder politischen Ursachen ableitet, sondern dass man dieses Verfallensein garnicht anders zu fassen, sich garnicht anders zurecht zu legen vermag, als indem man es in Beziehung setzt zu dem Sein der Welt, zu dem Gebundensein, Gefesseltsein, Verfallensein der Welt selber, also, dass ich mir mein Verhängnis, dass wir uns unser Verhängnis garnicht anders zu deuten vermögen, als indem wir es ableiten aus einem Urverhängnis der Welt, dessen Bekundung, eine der Bekundungen, eine der Auswirkungen dieses unseres Verfallenseins, diese unsere Fesselung ist. Also zwei Dinge, erstens die Tiefe, die Unbedingtheit dieses Gefesseltseins, nicht etwas Relatives, nicht etwas, worüber man sich vorstellen kann, dies und dies wird mich herausholen, sondern etwas Absolutes und damit zusammenhängend etwas, was nicht ein Einzelfall ist, sondern etwas, was mit dem Schicksal der Welt selber verflochten ist. Ich bin gefesselt, weil die Welt gefesselt ist – ich leide, ich erleide den Widerspruch, weil die Welt in diesem Widerspruch steht. Ich bin einer Absurdität ausgesetzt, weil die Welt ihr ausgesetzt ist. Ich bekomme nur das zu spüren, was in den Tiefen des Weltseins selber pocht, was da eben überall hin ausstrahlt und in mich und mein Leben hinein mitten unter allen anderen Leben. Wenn dies der Zustand ist, den man, wenn man seiner inne wird und insofern

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man seiner selbst inne wird, als Erlösungsbedürftigkeit bezeichnen kann, wenn es dies ist (davon ist aber noch nicht gesagt, wovon die Erlösung erwartet ist, in welchem Sinn, in welchem Belang dieser Mensch oder diese Menschengemeinschaft nach Erlösung verlangt). Ich will Ihnen, um es deutlich zu machen, was ich meine, eine Reihe von Beispielen geben, wonach etwa der Mensch, nach welcher Erlösung nach einer Erlösung, wovon der Mensch etwa verlangen kann. Nun einige Beispiele, wobei in jedem voll die Voraussetzungen gegeben sind, die ich angeführt habe, die Unbedingtheit und diese Allhaftigkeit dessen, was ich erleide. Zunächst: wir müssen da scheiden, wenn ich ein Wort gebrauche wie »übel«, so müssen wir unterscheiden (die deutsche Sprache bietet sich ganz besonders zu dieser Unterscheidung dar) zwischen dem Uebel, dem Schlechten, dem Bösen. Das Uebel, das ist ein Etwas, das in Bezug auf uns, auf mein Leben, auf mein Gefühl, auf mein Verhalten negativ ist, mir widerfährt ein Uebel, dies schmeckt mir übel, dies tut mir übel, das ist ein Verhältnis der Welt zu mir, im Hinblick auf mich ist etwas übel, ist das Uebel in der Welt. Anders das Schlechte. Das Schlechte ist eine der Welt eignende Qualität, ohne dass ich es auf mich beziehe. Etwas ist schlecht. Ich kenne etwas Schlechtes, ein Ding, ein Wesen, d. h. ich bezeichne einen Mangel, der diesen Dingen oder Wesen innewohnt ohne Bezug auf mein Erleben, auf mein Gefühl. Es ist etwas Schlechtes, es ist Schlechtigkeit in der Welt. Aber das führt immer noch nicht in die Tiefe. Die Tiefe erreichen wir erst, wenn wir das Wort, das wirklich furchtbare Wort »böse« aussprechen. Böse nämlich ist noch ein drittes. Zu böse gehört nicht eine negative Qualität der Welt wahrzunehmen, sondern was böse ist, weiss der Mensch eigentlich erst daher, dass er selber böse ist. Was böse ist, wissen wir niemals anders als von uns selbst aus. Böse ist eine Sache der Innerlichkeit. Schlecht ist eine Eigenschaft fast wie rot oder sauer, aber böse ist etwas, was man von aussen als Betrachter der Welt, auch nicht als Betrachter der Seele wahrnehmen kann, wer nicht aus seinem Verhältnis zu sich selbst weiss, was böse ist, kann nicht von böse in der Welt reden. Böse ist also etwas was seine ganz besondere Dimension hat, nicht in seiner Beziehung auf etwas, wie das Uebel, nicht als eine Qualität, die den Dingen innewohnt, sondern eben, das erst dadurch, dass es Selbstbewusstsein gibt, weiss um die eigene Beschaffenheit, Befragen seiner selbst, Verneinen seiner selbst, Widerstand gegen sich selbst, Kampf mit sich selbst, erst möglich und existent wird. Also dieses Dasein der Seele ist eine Voraussetzung dessen, dass »böse« gefasst werden kann. Ich möchte diese Worte der Unterscheidung vorausschicken, damit Sie verstehen, wenn ich sage zunächst: Erlösung vom Uebel. Das ist nicht das

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Böse, sondern, das was an Mangel, an Fragwürdigkeit, an Widerspruch der Welt innewohnt. Das ist das, was etwa gemeint ist, wenn ein Mysteriengott angerufen wird mit den Worten: Mach ein Ende der Dissonanz der Welt, dem Nichtzusammenklingen der Welt. Dieses Uebel, dieser Widerspruch, dieses objektive Nein in der Welt, die objektive Fragwürdigkeit hat mitten im empirischen Leben einen vollkommenen Ausdruck, es ist vielleicht der einzige vollkommene Ausdruck, den wir kennen, etwas, wovon wir sagen können, es ist in der Tatsächlichkeit vollkommen ausgedrückt, und zwar im Tode. Der Tod ist der vollkommene Ausdruck dessen, wovon wir sprechen. An einen vollkommeneren braucht man nicht zu denken. Ich glaube nicht, dass eine grössere Vollkommenheit dessen, wovon wir sprechen, zu denken ist. Der Tod, in dem der Widerspruch, die reine, letzte, unüberbietbare Gestalt gewinnt, und der einfach da ist (nicht der uns einmal antritt, wenn wir sterben, sondern der immer da ist – es gibt keinen Augenblick des Lebens, in dem er nicht wirklich da wäre – wir denken ihn weg, aber wenn wir wahrhaft leben, leben wir ihn jeden Augenblick mit und haben auch auf ihn zu zu leben). Dies, das ist also das Erste, vielleicht die allgemeinste Form der Erlösungsbedürftigkeit, dieser Zwang des vollkommenen Widerspruchs, dieses Aufgehobenwerden des Lebens im Leben, dieses Angetretensein von der Vernichtung in jedem Augenblick, auch im höchsten Augenblick der Lebensbehauptung. Es haben hie und da Völker in der Geschichte versucht, sich darüber hinaus zu denken, indem sie, insbesondere das indische Volk hat das getan, indem sie die menschliche Person, das menschliche Selbst einspannten in eine Kette von Toden und wieder Toden; immer wieder muss dieses Selbst sterben, diese Substanz, von Tod zu Tod und so fort. Und darum ist es sehr begreiflich, dass dieses Verlangen nach Erlösung vom Tod hier bei Indern das allerstärkste ist. Ein Wesen ist verdammt, immer wieder ins Leben zu treten und immer wieder zu vergehen. Was erlöst uns von dieser Kette der Geburten und Tode, was löst dieses Verhängnis des immer wieder Werden- und Vergehenmüssens auf? Wenn wir in der Geschichte nun hinübergehen, nach Westen hin – es ist auch ein Gang in der Geschichte, nicht bloss in der Erdkunde, wenn wir nach Westen gehen, begegnen wir einer anderen Form, die weniger elementar ist, (denn das scheint mir doch das elementarste zu sein, dass der Mensch so diesen absoluten Widerspruch erfährt), also weniger elementar, aber dann vielleicht noch intensiver in jedem Augenblick dem Menschen ins Gesicht springend, das ist die Verfallenheit (wie die Verfallenheit an den Tod) an das Schicksal. Aber ich muss es etwas deutlicher machen. Die Welt, die ich meine, die babylonische Kulturwelt, ver-

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steht das Schicksal als eine Schickung von Mächten, die über unserer irdischen Welt walten und das, was hier geschieht, bestimmen, der Gestirnsmächte, die unwandelbar kreisen und walten, wirken auf das, was hier geschieht. Diese Vorstellung des Verfallenseins an eine Macht der Gestirne, an eine Notwendigkeit, an einen Zwang, an etwas, was durch keinen menschlichen Willen und Unternehmen irgend abgeändert zu werden vermag, was erkannt zu werden vermag zwar in der Astrologie, aber ohne dass dieses Erkennen irgend eine ändernde Wirkung haben könnte, hat dann in der Welt des Hellenismus zu dieser eigentümlichen Vorstellung des unabänderlich Bestimmten geführt, woraus dann in all den Mysterienreligionen die Sehnsucht kam, die sich herausheben wollte in eine andere Welt, in eine Welt der Freiheit. All diese Mysterienkulte bedeuten dies, dass der Mensch sich der Verfallenheit zu entheben sucht, dass es eine Welt der Freiheit gibt, wo der Mensch Sohn der Gottheit wird und damit der Macht der Sterne entrinnen kann. Wie dort diese Vorstellung von dem Erwecktwerden und Vergehen, in das man gebannt ist, und dem man sich entheben kann dadurch, dass man den Schein (denn diese Welt wird nur als Schein bezeichnet von den Indern), dass man den Schein überwindet und die Wahrheit ergreift, die all diesem enthoben ist, so hier der Versuch, sich dem Verfallensein an das Schicksal zu entheben auf bestimmtem Wege des religiösen Tuns und Geschehens. Und noch einen Schritt weiter, und wir kommen zu der griechischen Konzeption, d. h. also der philosophischen. Hier erst können wir wirklich von Philosophie reden, wo nämlich ein Begriff dasteht, der dieses genau zu bezeichnen sucht, was uns Knechte, was uns unfrei macht, indem nämlich als wahres Sein das Sein im denkenden Geist, im philosophischen Geist gefasst wird, das Denken des Philosophen, das geistige Sein des Menschen ist das wahre Sein, aber in Fesseln geschlagen durch die Materie. Das, was dem Geist entgegensteht und ihn in die Unfreiheit, in die Fesseln schlägt, sodass er sein wahres Leben nicht verwirklichen kann, sondern Sklave des Fremden sein muss, und das Leben des Körpers mitzuleben gezwungen ist. Wir haben hier einen dritten Begriff der Erlösung, den der Erlösung von der Stofflichkeit zu einem reinen Leben im Geist. Und nun aber wieder einen Schritt weiter, und da tut sich erst ein neuer, vielleicht der eigentliche Abgrund der Erlösungsbedürftigkeit auf, wenn der Mensch (ich habe schon angedeutet), selbst schaut, nicht mehr in eine rein geistige Existenz, die ja doch nur durch eine Abstraktion von der wirklichen Person gedacht ist, sondern indem der Mensch sich mit seiner wirklichen Person abhebt, wie sie ist, aber von innen, indem er sie so erfährt, wie man sie nur von innen erfahren kann, und dann erfährt

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im Zwiespalt, im inneren Widerspruch, also in dem, was die Religion, die biblische Religion die Sünde genannt hat, Sünde nicht in dem Sinne dessen, was man in einem bestimmten Augenblick tut, sondern Sündhaftigkeit als der Stand, in dem man sich befindet, der Stand, der uns bestimmt ist und den wir entdecken, wenn wir uns mit uns, in uns selbst, wie es heisst, auseinandersetzen oder vielmehr wenn wir uns auseinander entdecken. Diese besondere Erlösungsbedürftigkeit wird uns noch beschäftigen. Aber jede dieser Erlösungsbedürftigkeiten, die ich bisher angedeutet habe, kennt noch ein über sich Hinausgreifen, das ist, wenn der Mensch die Ichheit selber, die Besonderheit dieser Existenz, die Indivituation, dass er dieser Mensch ist, dieser Mensch, der diesen Tod sterben wird, dieser Mensch, der als dieser Mensch dem Walten der Gestirne ausgesetzt ist, dass also dieser Mensch diesen aussichtslosen Kampf mit der Materie führt, dass also dieser Mensch diesen Zwiespalt, seinen Sündenstand erkennt, ich sage, dass der Mensch diese Ichheit selber, das So-Sein, sein SoSein als ein Verfallensein erfährt, dass er also nach der Erlösung verlangt davon, dass er der und kein anderer, dass er überhaupt da ist als ein einzelner, dass diese Person, dieses Individuum da ist, dass überhaupt Individuen da sind und nicht bloss das Sein selber, dass der Mensch da ist und nicht bloss Gott. Es nimmt tausend Gestalten an, aber immer wieder ein Randgefühl, unüberbietbar, das Leiden an der Individuation und das Herausverlangen über sich selber. Aber von diesem Rand, wo der Mensch so nun auf sich bezogen im Tode lebt und herausverlangt und keinen Ausweg weiss, denn er ist ja in dieses Sein gebannt, von diesem nun gibt es einen ungeheuren Sprung bis in die äusserste objektive Konzeption, die im anderen Pol da ist und in die wieder alle diese Konzeptionen münden können, das ist die Vorstellung, dass die Welt, die Tatsächlichkeit der Welt ausgeliefert ist einer Macht des Bösen, d. h. also, dass eben jene Sündhaftigkeit, die der Mensch in sich erfährt, der innere Widerspruch, den der Mensch erfährt, Wirkung, Erzeugnis, Ausdruck ist eines gewaltigen, weltbeherrschenden Bösen, das eben dem Guten gegenübersteht, es bekriegt, es hemmt, es nicht sich vollenden lässt. Das ist also der Glaube, dass es ein böses Prinzip gebe, dass es zwei Prinzipien gebe, sei es in gleicher Ordnung eines dem anderen gegenüberstehend wie in der iranischen Religion (das Licht und die Finsternis einander gegenüberstehend, bis ans Ende der Tage, wo das Licht die Finsternis besiegt – aber wie, ist ein Geheimnis, denn wenn zwei so gegenüberstehen, ist garnicht zu fassen, wie eines obsiegt, wie die Geschichte mächtiger werden könnte als das Sein.) Aber dieser Dualismus muss nicht bloss eine solche Gegenüberstellung gleicher Gewalten bedeuten, aber es kann auch so sein, und

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so sind die meisten dieser Lehren, dass das Böse nun als etwas erscheint, das gleichsam sich antut dem Guten, also dass das Widergöttliche sich dem Göttlichen antut, das Göttliche in der Zeit behindert, aber letztlich eben doch eine Erlösung tut oder durch einen Erlösungsvorgang überwunden wird, weil es nur etwas ist, was anhaftet, sich antut und nicht das Dasein selbst, weil es ein Fall, eine Befleckung, eine Verzerrung des Urseins ist, aber eben doch als solches überwindbar, etwa in der Vorstellung, die wir so am stärksten in der manichäischen Glaubenslehre finden, aber auch in allen gnostischen Lehren mehr oder weniger, dass das Göttliche im Gang der Dinge, in der Geschichte des Seins gestürzt ist, eben in die Materie gestürzt (der griechische Gedanke wird hiermit aufgenommen) in die Unreinheit, in den Widerstreit, in diese Welt gefallen ihr Schicksal mit erleidend, selbst ein Stück Welt, selbst Welt geworden, aber dass dieses Göttliche aus dieser Stofflichkeit, aus diesem seinem Verfallensein, denn das Göttliche selbst ist hier das Gefallene, aus diesem Verfallensein erhoben, gerettet, erlöst wird, von der Urgottheit mit deren Armen zum Himmel gehoben wird, und damit das Sein selbst die Erlösung erfährt. Letztlich aber dürfen wir hier, jedenfalls in einzelnen Momenten dieser Vorstellung von einer Erlösung nicht bloss des Göttlichen, sondern Gottes selber sprechen. Es ist ein Vorgang – solche Grenzvorstellungen hat es immer wieder gerade in der Gnostik gegeben – es ist ein Vorgang in Gott selber. Der Widerstreit reicht an Gott selber. Es ist gleichsam, wenn man den Ausdruck gebrauchen darf – eine Krankheit der Gottheit, von der sie sich heilt, aus der sie sich löst. Es ist also die Vorstellung einer leidenden, und zwar im tiefsten, ernstesten Sinn leidenden, nämlich den ganzen Widerspruch des Daseins selbst erleidenden Gottheit, die freilich sich aus diesem Widerstreit erlöst, indem sie ihn ganz durchlebt bis an sein Ende, und nun ersteht sie zu ihrer Einheit in Vollkommenheit wieder, und damit ist das Dasein, das gegen sich selber stand, nun mit sich versöhnt und geeint. In allen diesen Phasen und Stufen der Erlösungsbedürftigkeit, in allen diesen Konzeptionen – es sind nicht alle, aber doch wohl die allerwichtigsten – der menschlichen Erlösungslehren ist der Kern immer der gleiche, immer die Vorstellung eines Verfallenseins, immer die Bindung der eigenen Fesselung an eine Urfesselung des Seins, und immer die Sehnsucht nach einer Lösung, die die Welt, ja das Göttliche, die unsere Substanz erlöst und damit mich, sodass meine Erlösung an die Erlösung des Seienden irgendwie gebunden ist. Nun möchte ich das nächstemal von da aus zu fragen versuchen, welche dieser Erlösungsbedürftigkeiten und welche dieser Erlösungskonzep-

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tionen in dem Christentum gemeint sind, und wie steht vor dem, vor dem Christentum schon das Judentum zu dieser Konzeption. II

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Ich habe das vorigemal davon gesprochen, was es eigentlich bedeuten mag, bedeuten kann, Erlösung, und zwar von der Frage aus: wovon, wovon erlöst, wovon werden wir erlöst. Ich habe Ihnen zu zeigen versucht, wievielartige Antworten gegeben werden können. Ich habe nicht alle angeführt, aber wievielartige Antworten gegeben werden können und auch tatsächlich innerhalb der Religionsgeschichte der Menschheit, der Glaubensgeschichte der Menschheit gegeben worden sind. Und es ist nun unsere Aufgabe zu fragen: wie verhält es sich nun von dieser Frage aus mit dem Unterschied zwischen den Erlösungslehren des Judentums und des Christentums, und wir gehen aus vom Christentum, um nämlich zu prüfen: worin stimmen die beiden Glaubenslehren überein und worin nicht. Bedeutet überhaupt Erlösung beidemale dasselbe, zunächst hinsichtlich der Frage: wovon wird man erlöst. Ich halte es für das zweckmässigste, damit, mit dieser ausgebildeten christlichen Lehre von der Erlösung zu beginnen, der wir im Judentum garnicht ein so geordnetes, zusammenhängendes, festes Gebilde, keine ebensolche Lehre, geschweige denn keine ebensolche Dogmatik, kein so ausgebildetes Dogma einer Erlösungslehre gegenüberzustellen haben. Ich gehe daher von diesem festen Gebilde auch an diesem Punkte aus. Und ich möchte Sie aber noch einmal daran erinnern, wie ernst der Begriff der Erlösung ist, d. h. dass es sich nicht, ich habe es das vorige mal betont, nicht um eine Befreiung von einer Unfreiheit, von einer Fesselung handelt, von der wir uns etwa selbst befreien könnten, von einer Fesselung, die über uns gekommen ist und von der man dann wieder losgemacht werden kann, sondern dass diese Fesselung, diese Gefangenschaft, dieses Verfallensein, das die Voraussetzung für das Erlöstwerden ist, dass dies schlechthin zusammenhängt mit dem Zustand der Welt, mit der Verfassung des Weltseins überhaupt. Dass es nicht etwas ist, was uns, was den einzelnen angeht, oder das Menschengeschlecht, sondern etwas, was mit dem Schicksal der Welt zu tun hat, und die Erlösungsbedürftigkeit des Menschen kann erst dann in ihrer ganzen tragischen Tiefe, in der ganzen Gewalt ihres ernsthaften Infragegestelltseins erfasst werden, wenn wir wissen, dass das Einzelne mit dem ursprünglichen und allhaften Sein, mit dem Weltgeschehen zusammenhängt. Damit ist nämlich auch gesagt, dass die Erlösung nicht von irgend einem Einzelwesen unter den

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Wesen der Welt, nicht von einem einzelnen Stück der Welt an anderen Stücken der Welt vollbracht werden kann, sondern dass die Erlösung nur von dem ausgehen kann, der an der Welt, an der ganzen Welt handelt. Also erlösen kann nur der, der an der ganzen Welt, an der Welt als solcher handelt, also die Erlösung kann letztlich nur der Welt, dem Sein widerfahren. Dies habe ich ja schon angedeutet. Wir haben gesehen, welche Formen das in manchen Religionen annehmen kann, wo die Erlösung sogar bis in eine innere Handlung des Göttlichen, der Gottheit an sich selbst, ein Vorgang in der Gottheit selbst also in der Erlösung des menschlichen Seins, Ursprungs bedeutet. Ich stelle nun die Frage: was bedeutet im Christentum, (und zwar auch hier wie im vorigen Lehrgang gehe ich von dem Anfang aus und bleibe, solange ich kann, bei den Anfängen – ich nehme also die spätere Entwicklung nur, wo ich dazu genötigt werde) also welche Bedeutung hat im anfangenden Christentum die Erlösung hinsichtlich eben dieser Frage: wovon. Was bedeutet Erlösung im Urchristentum hinsichtlich dieser Frage. Wir wollen zunächst einen Augenblick verweilen bei Jesus selbst. Ich möchte aber vielleicht zunächst, um schon das – ich glaube, um schon das deutlich zu machen, was ich an Worten Jesu selbst anführen will, werde ich schon etwas vorwegnehmen müssen. Es wird sich zeigen, ich nehme das schon jetzt vorweg, es wird sich zeigen, dass unter den verschiedenen Arten der Erlösung hinsichtlich der Frage wovon, von denen ich das vorigemal gesprochen habe, die christliche in besonderer Weise die Erlösung von der Sünde ist. Was das ist, darüber werden wir noch zu sprechen haben. Ich möchte das nur zunächst einmal festlegen, dass dies sich zweifellos aus der Prüfung der Quellen ergeben hat. Erlösung von der Sünde, und da die Erlösungstat, also das eigentlich Erlösende in der christlichen Lehre der Tod des Stifters ist, wird eben diesem Tod diese Macht, von der Sünde zu erlösen, von der Sünde erlöst zu haben, zuerkannt. Wir haben aber zunächst zu fragen, nachdem wir dies vorweggenommen haben – und das wird noch zu erweisen sein – wir haben zu fragen: ist dies die Lehre Jesu selbst, sagt Jesus selbst über seinen Tod (es gibt ja manche Worte von ihm, in denen er eine Ahnung, ja eine Gewissheit seines Todes, seiner besonderen Todesweise möchte ich sagen, ausspricht) spricht er damit aus, an irgend einer Stelle, dass dieser sein Tod eine Erlösungstat im Sinne der Erlösung des Menschen, der Menschheit von der Sünde sein werde, sein solle? Das Wort Erlösung, und zwar im Sinne des – wohl am ehesten – des Loskaufes, der Ablösung wird in einigen Sprüchen Jesu gefunden, sehr deutlich etwa am ehesten in dem Lukasevangelium 21. Kapitel. Und so, das ist von Jesus aus gesprochen, so aber auch nach seinem Tode, als zwei der Seinen zu Emaus

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zusammen treffen und von ihm reden, ohne zu wissen, dass der dritte, der jetzt zu ihnen getreten ist, ihr Meister, ihr auferstandener Meister ist, da sagen sie: wir hatten gehofft, dass er der wäre, der bestimmt war, der bestimmt ist, Israel zu erlösen. Nun aber, dass der Tod die Erlösungstat ist, aus dem bisherigen geht noch nicht hervor, weder dass es die Erlösung von der Sünde ist, noch dass der Tod diese Erlösungstat ist. Aber es gibt ein Wort Jesu, das dies unmittelbar auszusprechen scheint. Das ist nämlich da gesprochen, wo zwei seiner Jünger davon reden, welchen Platz sie wohl in dem kommenden Reich einnehmen würden, und Jesus sie zurecht- und zurückweist mit ihrem Anspruch, indem er ihnen sagt, dass es nicht darauf ankommt, sich dienen zu lassen, über die anderen zu herrschen, sondern selber zu dienen, dass man auch über das irdische Leben hinaus nicht nach der Ueberlegenheit, nach der Macht, nach der Herrschaft über andere streben soll, sondern dass das letzte bis an die Schwelle und bis in den Schoss der Ewigkeit hinein noch der Dienst und die Hingabe bleibt – und da sagt er: »denn der Sohn des Menschen (wie er sich immer wieder nennt) ist nicht gekommen, um bedient zu werden, sondern um zu dienen, und um seine Seele herzugeben als Lösegeld, als Loskauf für die Welt.« Seine Seele, das ist also das hebräische nefesch, sich selbst – man kann auch sagen: sein Leben. Dies wird gewöhnlich aufgefasst als eine Aeusserung Jesu selbst über die erlösende Bedeutung seines bevorstehenden Todes. Aus dem Text selbst ergibt sich das nicht. Zunächst braucht der Satz nichts anderes zu bedeuten als dass Jesus sagt, indem er eben verweist, dass er sich für die anderen hingebe bis in den Tod, dass er auch wenn er in den Tod gehe, für die anderen in den Tod gehe, dass er lebe und sterbe nicht aus eigenem Zweck und mit eigener Absicht, sondern um der anderen willen – und damit will er doch wohl den Jüngern bedeuten, dass sie über das hinaus sogar, wie mir scheint, über das hinaus, das, wovon sie reden, dass der Mensch sich nicht um seine persönliche Erlösung, sondern um die Erlösung der anderen, um die Erlösung der Welt zu bekümmern habe. Also diese Lehre der Hingabe, das ist sicherlich damit ausgesprochen. Es muss nicht einen engeren besonderen Sinn haben, dennoch klingt ein engerer und besonderer Sinn an. Zwar nicht aus dem Text selbst, wenn man ihn für sich betrachtet, sondern wenn man daran denkt, dass es eine grosse prophetische Stelle im Alten Testament gibt, wo ein ganz ähnlicher Klang ertönt: die vielen, die vielen (das ist am Schluss des 53. Kapitels des Buches Jesaia, wo von dem Knecht Gottes die Rede ist, der das Leid trägt), – die anderen – es heisst zuletzt, er trage die Sünden der vielen. Nun ist doch offenbar gesagt, dass es das gibt, dass ein Mensch die Sünden der anderen auf sich nimmt, dass er mit seinem Leid die Kraft habe, ihren Sünden-

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stand aufzulockern, zu lösen, dass es also eine solche Wirkung von Mensch zu Mensch, ein solches stellvertretendes Leben und Leiden gibt. Es ist da auch vom Tode die Rede, freilich in einer Weise, die nicht eindeutig zu verstehen ist, jedenfalls aber ein zum Tode Bereitsein, ein auch den Tod auf sich nehmen wollen gehört mit dazu. Dieses Kapitel nun, Jesaia 52 und 53, ist offenbar von dem frühen Christentum sehr wert gehalten worden und immer wieder wird darauf hingewiesen als von einer Weissagung, die sich in Jesus erfüllt habe. Es ist ja das urchristliche Schrifttum davon ganz erfüllt, und vieles, was wir kaum richtig verstehen können, wenn wir das nicht bedenken, steht darin, dass sich die Weissagung hier in diesem Menschen, in dieser Begebenheit erfüllt. Dies ist nun ganz besonders wichtig in dem Zusammenhang, und es ist ja, wenn man das Kapitel liest und daneben das, was ja in der Passionsgeschichte erzählt wird, kann man das gut verstehen. Ja, es hat moderne Theologen gegeben, insbesondere Albert Schweitzer, der es so verstanden hat, dass dieses Kapitel einen wesentlichen Einfluss auf Jesus selbst gehabt habe, dass er gleichsam im Schatten dieser Weissagung stand und zutiefst von ihr bestimmt worden ist. Ich möchte hier nur erwähnen, dass dieser prophetische Abschnitt nicht eine auf einen Menschen ausgehende, etwa auf den Messias ausgehende Weissagung ist – ich halte es auch nicht für richtig, sie auf das Volk Israel zu beziehen, sondern es scheint mir deutlich, dass es sich um eine Vielheit von Menschen handelt, um eine bestimmte Menschenart, die immer wiederkehrt, Geschlecht um Geschlecht erscheint der Mensch wieder, der dieses Werk um Gottes willen, dieses Leidenswerk um Gottes willen tut, der eine geheimnisvolle Tat Gottes an der Welt wirkt durch sein Leiden. Aber darüber hinaus, wenn man das Kapitel unbefangen liest, sieht man, wie hier nicht die Rede ist von einer einmalig entscheidend bewirkten, durch dieses Leiden, diese Todesbereitschaft bewirkten Erlösung. Es ist vielmehr so, dass jeweils der Mensch durch die Welt geht, in immer neuer Erscheinung, in immer neuer Gestalt Geschlecht um Geschlecht, der sich hingibt. Und diese Kraft der Hingabe ist gleichsam ein Kitt des Weltlebens, die Welt wird erhalten, die zersprengt zu werden drohte, dadurch, dass die Menschen im Widerspruch, in der Gottferne, in der Abkehr von Gott leben, die Welt wird immer wieder zusammengebracht, die Verbundenheit mit Gott wird immer wieder hergestellt durch den Menschen, der sich hingibt, alles einsammelt, all diesen Widerspruch und all das Leid einsammelt in sich selbst, um es selber auszutragen. Das gehört zweifellos mit in die Erlösung, aber das ist kein Akt der Erlösung, der so angeführt werden könnte. Ich glaube also, dass man zu wenig tut, wenn man (und ich glaube, dass Jesus den Satz nicht missverstanden hat, das Kapitel nicht miss-

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verstanden hat) ich glaube, dass seinen Worten zu wenig Recht geschieht, wenn man es bloss als allgemeine Hingabe fasst, dass es aber zu eng gefasst ist, wenn man es versteht, zu präzise, dass es unrichtig gefasst ist, wenn man es versteht als eine Vorhersage des erlösenden Todes, sondern vielmehr glaube ich, dass das rechte Verständnis uns erst dann gewährt ist, wenn wir auch das Jesaia-Kapitel recht verstehen. Also es gibt je und je einen Menschen – und hier bekennt sich einer dazu –, das Leiden in sich auszutragen, sich hinzugeben, dazusein für die Welt und damit um Gottes willen, und von da aus, glaube ich, kann man auch erst richtig verstehen, was damit gemeint ist, dass innerhalb der Erzählungen von dem Abendmahl, innerhalb der Erzählungen davon, wie Jesus, ehe er das Leid, das letzte Leid erleidet, wie er dieses Schicksal der Pein und des Todes auf sich nimmt, dass er, wie innerhalb dieser Erzählungen es eine gibt, bei Lukas, wo Jesus sagt (nur die eine Stelle – bei den beiden anderen Synoptikern steht es nicht) aber bei Lukas sagt er, indem er das Brot bricht und austeilt: das ist mein Leib, der für euch gegeben wird. Sie werden übrigens bemerkt haben, dass ich die Frage, bei all den Texten, die ich anführe, die Frage nach der Echtheit, die von den neutestamentlichen Forschern sehr viel erörtert wird, nicht stelle, die Echtheit z. B. jenes Satzes aus Markus 10, wo Jesus davon spricht, dass er seine Seele als Lösegeld hingibt. Ich glaube nicht, dass wir eine Möglichkeit haben, die Frage der Echtheit zu entscheiden. Ich nehme die Worte, wie sie gesprochen sind und suche sie so zu verstehen. So auch dieses Wort, obwohl in den anderen Synoptikern die Worte sehr viel einfacher sind, die Jesus da spricht, und nicht dieses Besondere zu denken geben. Aber fassen wir es ernst: Mein Leib, der für euch hingegeben ist. Ich kann jetzt nicht untersuchen, was damit gemeint sein kann, dass man ein Brot bricht. Sie wissen ja, dass sogar die Kirchen der Reformation darin auseinander getreten sind, dass man darüber sich nicht einig werden konnte. Jedenfalls auch dies war eines der wesentlichen Momente des Auseinandergehens, dass man sich nicht einig werden konnte, ob das symbolisch gemeint ist oder ob das unmittelbar ganz real gemeint ist, wie es Luther verstand – ich sage, das kann ich hier in diesem Zusammenhang nicht untersuchen. Aber dieses Für-euch-hingeben, auch das scheint mir kein Beweisgrund für die Auffassung, dass Jesus seinen Tod als stellvertretend, als stellvertretende Erlösungstat verstand, denn das spricht eben dasselbe wie jenes Markus-Wort aus: wie ich euch dieses hergebe, so gebe ich mich für euch her. Ich glaube nicht, dass es notwendig ist, mehr zu verstehen, aber es scheint mir, dass eine darüber hinausgehende Auffassung sogar der Lehre Jesu widerspräche. Wenn es wahr wäre, dass Jesus – oder vielmehr, es kann meiner Überzeugung nach nicht wahr sein –, dass

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Jesus von seinem bevorstehenden Tode als von der Erlösung der Menschheit von der Sünde spricht, und zwar deshalb, weil die Lehre Jesu, die er immer wieder ausspricht hinsichtlich der menschlichen Sünde dahingeht, dass es garnicht so ausserordentlichen Antriebs, garnicht solch letzten Leidensaufgebotes bedarf, um den Menschen von der Sünde zu lösen, oder, um in Jesu Sprache zu sprechen: die Vergebung der Sünde – das bedeutet Aufheben der Sünde im Worte Jesu – um die Aufhebung der Sünde zu bewirken. Wir werden noch uns zu fragen haben, ob Sünde bei Jesus überhaupt dasselbe bedeutet wie im späteren Christentum, auch schon bei Paulus. Ich glaube, dass es nicht dasselbe bedeutet. Ich glaube, dass es bei Jesus dasselbe bedeutet wie im frühen Christentum und gleichzeitigen Judentum, und bei Paulus etwas anderes. Bei Jesus bedeutet Sünde einfach die Sünde, die der Mensch tut, nicht den absoluten Sündenstand des Menschen, sondern die, die der Mensch getan hat. Nichts anderes. Und diese Sünde, die wird dem Menschen nach der Lehre Jesu vergeben wann? Wir wollen einmal zwei Stellen betrachten, an denen von der Sündenvergebung ganz unzweideutig gesprochen wird. Das eine ist die Stelle, wo zu Jesus ein gelähmter Mann gebracht wird, von einigen Leuten auf den Schultern getragen, und sie kommen mit diesem gelähmten Mann, und sie alle, der Gelähmte selber und die ihn tragen, glauben, dass der, zu dem sie kommen, ihn heilen könne. Und als Jesus den Glauben dieser Menschen sah, da sprach er (und es ist doch sehr merkwürdig, was er sprach), zu dem gelähmten Manne: Kind, die Sünden sind dir vergeben. Sie sind dir vergeben, sodass sie nicht mehr da sind. Ja, also wie ist das? Der gelähmte Mann wird gebracht, damit er geheilt werde. Und Jesus sagte, als er den Glauben dieser Menschen sah: die Sünden werden dir vergeben. Wir verstehen diesen Spruch besser, wenn wir uns vergegenwärtigen, dass im Talmud Traktat Nidarim es heisst: der Kranke steht nicht früher von seiner Krankheit auf, als bis man (d. h. Gott) ihm alle seine Sünden vergibt. Also die Vergebung der Sünden ist eine Voraussetzung für eine Heilung jedenfalls von einer Krankheit, so können wir vielleicht sagen, die im Zusammenhang mit der Sünde steht. Und erst darauf sagt Jesus dann zu dem Mann: Steh auf, nimm dein Bett und geh heim, worauf er wirklich aufsteht. Was ist das? Es ist weiter nichts nötig – der Mann ist im Glauben gesammelt, und die Sünden werden ihm vergeben. Die Einsammlung des Menschen aus dieser Zerstreutheit, der Sündenhaftigkeit, im Glauben. Aber es muss nicht der Glaube sein. Im 7. Lukas-Kapitel wird erzählt von der sogenannten Sünderin die Jesus die Füsse salbt, und da sagt Jesus zu den Umstehenden: ihre vielen Sünden werden ihr vergeben, denn sie hat viel geliebt. Das ist ein etwas missverstandener Satz, wie mir scheint. Gemeint ist:

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das, was sie jetzt getan hat, das ist ein grosser Akt, eine grosse Liebe, die Aeusserung einer grossen Liebe, und um dieser Liebe willen, in der sie sich eingesammelt hat, in der sie sich aus dieser ganzen Zerfallenheit, Zerfahrenheit, Zerstreutheit der Sündhaftigkeit eingesammelt hat, werden ihre Sünden vergeben, wie dem anderen um seines Glaubens willen. Worin sich der Mensch einsammelt, hilft ihm zur Erlösung von der Sünde. So einfach versteht Jesus den Zusammenhang von Sünde und Erlösung. Sie werden aber sehen, dass es so einfach nicht bleibt. Wenn hier wirklich die Voraussetzungen fehlen für ein Dogma der Erlösung des Menschen von der Sündhaftigkeit durch etwa einen stellvertretenden Tod, so sind schon in den paulinischen Briefen die Voraussetzungen geschaffen. Wir stehen in einer anderen Atmosphäre. Ich möchte hier damit beginnen, Ihnen einige charakteristische Aeusserungen von Paulus anzuführen. Es ist wichtig, dass wir auch hier, wie wir es immer wieder von Zeit zu Zeit tun, Texte neben einander stellen und aus diesem Nebeneinander von Texten lernen, welche Wendung sich vollzogen hat. Ich sage aber nicht, dass Paulus diese neue Lehre geschaffen habe. Er selbst sagt aufs nachdrücklichste, und wir dürfen ihm, meine ich, vertrauen, dass es nicht so ist. Er sagt: ich habe euch zuvörderst übergeben, überliefert, was ich übernommen hatte. Also es war ihm überliefert worden, dass Christus um unserer Sünden nach der Schrift gestorben ist. Sie sehen, es ist eine vollkommen andere Luft. Bleiben wir zunächst bei der Wendung »nach den Schriften«. Also es geht um eine Weissagung des Alten Testaments. Diese sei hier erfüllt worden. Es gibt keine andere, die man so verstehen kann, als eben jene, die ich angeführt hatte, aus dieser schwierigen Stelle, dass der Mensch, von dem geredet wird, dass in seinen … (wörtlich heisst es so, wenn man es überhaupt übersetzen kann. Es wird sonst im Singular gesprochen, und da wird plötzlich der Plural gebraucht – ein Beweis, dass von einer Anzahl Menschen, nicht von einem einzigen geredet ist). Diese schwierige Stelle ist es offenbar: Er trug die Sünden der Vielen – und andererseits die Rede, wie er in den Tod zu gehen bereit ist. Da wird auch von seinem Glauben gesprochen, dass er unter den Sünden gerecht werde. Die Auffassung liegt in der Tat sehr nahe, dass von einem wirklichen Tod die Rede sei, und so ist es missverstanden worden, wie mir scheint. Jesus äussert kein Missverstehen, aber hier ist es offenbar schon missverstanden. Nebenbei gesagt: es steht hier »um unserer Sünden willen«. Das ist das griechische Wort »hyper«, und so heisst es immer bei Paulus, wenn von dem Leiden Jesu die Rede ist, dass er um der Sünden der Menschen willen gelitten habe, nicht anstatt, während in jenem Markus-Wort es heisst: Loskauf anstatt. Also Paulus spricht hier aus, dass er diese Lehre übernommen habe, dass Jesus um

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der Sünden der Menschen willen gestorben sei. Hier wird also der Tod Jesu als eine Erlösungstat, und zwar als eine Tat der Erlösung von der Sünde verstanden. Im 1. Thessalonikerbrief sagt Paulus, indem er auf jenes Wort Daniels sich beruft, wo in den Wolken vom Himmel herab eine Erscheinung kommt, anzusehen wie ein Mensch, und da würde verbleiben sein Sohn aus dem Himmel, den er von den Toten erweckt hat, Jesus, der uns vor dem kommenden Zorn rettet oder erlöst. Es ist also noch genauer. Es gibt einen Sündenstand der Menschen, Gott zürnt den Menschen, und Jesus erleidet, was er erleidet, um die Menschen vor diesem Zorn Gottes für ihre Sünden zu retten. Wir werden sehen, dass später im Christentum eine eigentümliche Lehre der Bedeutung dieses Todes entstanden ist, die bis dahin geht, dass ein Anspruch des Satans befriedigt werde, sozusagen ein rechtmässiger Anspruch des Satans auf den sündigen Menschen, der auf diese Weise losgekauft wird. Hier zunächst ist davon noch nicht die Rede, sondern nur von einem Zorn Gottes, der offenbar unerbittlich ist, der offenbar sein Recht fordert und dem gegenüber der Mensch, das Geschöpf Gottes nur losgekauft werden könne durch dieses stellvertretende Leid. Aber nun geht es noch weiter in der Deutlichkeit. Kolosser 2 heisst es von Gott: er hat uns geschenkt alle Sünden und ausgetilgt die Handschrift, so wider uns war, welche durch Satzungen entstand und uns entgegen war und hat sie aus dem Mittel getan und an das Kreuz geheftet … Und diese Handschrift ist verstanden – das ist die echte paulinische Lehre – durch Satzungen, nämlich dadurch, dass es ein Gesetz gibt von Gott, das der Mensch nicht erfüllt hat und das der Mensch nach der paulinischen Lehre auch nicht zu erfüllen vermag, und aus der Nichterfüllung ist diese Handschrift wider uns entstanden, und nun hat Gott diese Handschrift, diese Verschwörung, die er in Händen hat, nun hat Gott diese Verschwörung an das Kreuz geheftet und damit zunichte gemacht, also Jesus hat durch seinen Kreuzestod dieses Schriftstück zunichte gemacht, es aus dem Wege geräumt. Nun ist der Mensch von der Sünde, von den Folgen der Sünde, von dem Verhängnis der Sünde erlöst. Wir werden das nächstemal sehen, dass es nicht dabei stehen bleibt, bei der Erlösung von der Sünde, sondern die Lehre geht tiefer, denn die Erlösung von der Sünde ist nicht identisch mit der Erlösung von der Strafe, von den Folgen der Sünde, sodass die letzte Bedeutung ist, dass der Mensch aus der Sündhaftigkeit, aus dem Sündenstand selber erlöst wird, und ihre letzte volle Ausbildung findet diese Lehre erst da, wo garnicht mehr von den einzelnen Sünden des Menschen geredet wird, von denen das Judentum und Jesus reden, sondern von der Urschuld der Menschen.

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Ich habe auch in diesem wie im vorigen Trimester zu meiner Freude briefliche Mitteilungen und Anfragzettel bekommen. Ich werde auf all das, was da steht, also auf das bisherige und alles im Laufe der Vorlesung eingehen, und manche Fragen sind so, dass sie erst im ganzen Zusammenhang der Vorlesung eine Antwort finden werden. Ich habe das vorigemal begonnen, Ihnen zu zeigen, wie die Lehre von der Erlösung, die christliche Lehre von der Erlösung aus der Sünde durch Christus, die, wie ich zeigte, in den Worten Jesu selbst nicht, gewiss nicht eindeutig, wie mir scheint, überhaupt nicht aufzuzeigen ist, wie dies in den paulinischen Briefen, die ich herausgegriffen habe, in denen es deutlicher als an irgend einem anderen Teil des Neuen Testamentes zu zeigen ist, schon ganz deutlich hervortritt und zwar als etwas, wie Paulus sagt, was er überliefert bekommen habe, was er nicht als etwas von ihm Neugelehrtes sich selbst zuschreibt. Ich fahre nun zunächst in dem Zusammenhang dieser paulinischen Worte fort. Sie erinnern sich: das letzte war aus dem Kolosserbrief. Paulus sagt, Gott habe die Handschrift, diese Verschreibung, diese Satzungen, die entstanden waren, ausgetilgt, weggetan, an das Kreuz geheftet. Das Kreuz habe also diese Verschreibung zunichte gemacht. Und zwar wodurch? Was ist das? Das sagt nun wieder ganz klar eine Stelle des 2. Korintherbriefes 5. Kapitel. Von Gott heisst es da: »denn er hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht.« – nicht: sündig gemacht, sondern er hat ihn zur Sünde gemacht »damit wir Gerechtigkeit Gottes in ihm werden.« Also dadurch, dass Christus, der der Sündenfreie ist, der Sündenfreie, der auf die Erde, in die Welt herabgesandt ist, dass er zur Sünde wurde, dass er also die Sünde nicht bloss auf sich, sondern gleichsam in sich hinein nehme, dass er die Gestalt des sündigen Lebens, der sündigen Menschlichkeit annehme, dadurch sei es geschehen, dass nun diejenigen, die sich an ihn anschliessen, die, indem sie sich in der Taufe an ihn anschliessen, sein Geschick, seinen Tod auf sich nehmen und damit das ewige Leben mit ihm erfahren, dass also das »wir« die Gerechtigkeit Gottes in ihm wird, d. h. sie finden nun die Rechtfertigung, das Gerechtwerden eben durch diesen Anschluss, sie werden die Sünde los dadurch, dass sie sich mit ihrem ganzen Wesen an den Sündenlosen anschliessen, sie werden seiner Sündenlosigkeit teilhaftig, und ihre Sünde ist von ihnen genommen. Und nun noch weiter: Eine eigentümliche Präzisierung im Galatherbrief. Da heisst es: Christus aber hat uns erlöst von dem Fluch des Gesetzes. Eine echt paulinische Setzung. Wir haben schon im vorigen Trimester davon gesprochen: »Christus aber hat uns erlöst von dem Fluch des Gesetzes, da er ward ein Fluch

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für uns, denn es steht geschrieben: Verflucht ist jedermann, der am Holz hanget.« Also dadurch, dass Jesus diese Todesart, die eine vom Gesetz verdammte ist, eine fluchtragende, auf sich genommen hat, dadurch seien die, die sich an ihn anschliessen, von dem Fluch des Gesetzes erlöst, und das bedeutet für Paulus etwas sehr entscheidendes hinsichtlich der Sünde. Denn für Paulus existiert die Sünde eigentlich erst durch das Gesetz. Darüber werden wir gleich zu sprechen haben, was das wohl bedeuten mag. Das Gesetz erst stellt den Sündenstand endgültig her, aus dem man erlöst werden soll. Was das bedeutet, werden wir gleich besprechen. Und schliesslich zusammenfassend und abschliessend noch einmal im 2. Korintherbrief 5. Kapitel: Denn Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit ihm selber. Also Gott und die Welt sind zerfallen. Wodurch, das werden wir noch erfahren. Es ist eben geschehen, wodurch Gott und die von ihm erschaffene Welt zerfallen sind, und dadurch, dass Gott in Christus erscheint und dass er in Christus ist, während Christus das tut, was er tut, und das leidet, was er leidet, versöhnt er die Welt mit sich, mit Gott. Dieses Zerfallensein zwischen der Welt und Gott wird durch diese Erlösung überwunden. Wir erfahren hier also den eigentlichen Sinn der Erlösungstat. Sie bedeutet Versöhnung zwischen Gott und der Welt. Denken Sie daran, was ich zu Anfang sagte von den verschiedenen Grundformen der Erlösung bis in die höchste hinein wo gleichsam an das Schicksal Gottes gerührt wird. Was ist das nun für eine Sünde, von der, aus der solche Erlösung geschieht? Können wir das überhaupt noch auf das beziehen, was wir gemeiniglich Sünde nennen? Es ist da doch natürlich Sünde zu fassen als etwas, was kommt und geht, was ein Mensch, dieser einzelne Mensch tut – dann hat er es getan. Es kann natürlich in seinen Wirkungen sein Leben füllen, er kann es sein Leben lang bereuen, mehr noch, er kann sein Leben lang mit Bereuen es nicht zu überwinden vermögen, all das, nicht wahr! Sünde hat zweifellos eine grosse Macht. Aber dennoch ist sie unserer Vorstellung nach (jedenfalls der jüdischen Vorstellung nach) etwas, was kommt und geht, etwas, was geschieht, etwas, was getan wird und etwas, was doch vergeben wird, und zwar die einzelne Sünde, die Sünde dieses Menschen wird vergeben, und unsere Lehre handelt ja immer wieder davon, wie, in welcher Weise, unter welchen Voraussetzungen sie etwa vergeben wird, diesem Menschen in diesem Leben, wenn es ganz schlimm ist: in diesem Sterben. Denn es steht immer wieder: was das eine nicht sühnt, was etwa der Versöhnungstag nicht sühnt, dann sühnt das andere, und so bis zum Tode, d. h. die vollkommene Umkehr im Sterben kann noch sühnen, Versöhnung bringen, und es gibt nur in unserer Lehre eine Sünde, die nicht vergeben wird – nicht etwa die Sünde wider

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den Geist, die bei uns nicht vorkommt als unvergebbar, sondern wenn ein Mensch sagt: ich werde sündigen und dann werde ich schon umkehren, dann wird es schon irgendwie gehen – diese Sünde wird nicht vergeben. – Also die Sünde wird vergeben. Diese Sünde, von der wir so reden, die wir uns so vorstellen, die kann es doch offenbar nicht sein, von der eine solche Erlösungstat erlöst, zu deren Ueberwindung eine solche Tat, ein solches Pathos der Erlösung notwendig ist. In der Tat, wenn wir uns vergegenwärtigen, um was es geht, sehen wir, es ist garnicht eine Sünde, sondern es ist die Sündigkeit schlechthin, es ist der Sündenstand des Menschen, um den es geht, der Sündenstand des Menschen, der nach der Vorstellung von Paulus – und diese Lehre bildet sich im späteren Christentum immer stärker aus in der sogenannten Lehre von der Erbsünde – der [Textverslust] Der Sündenstand, der wirklich Gott und Mensch auseinanderreisst, gibt eine urmenschliche, allmenschliche, gesamtmenschliche eine menschhafte Versündigung, an der wir alle irgendwie teilhaben. An uns allen wirkt sie sich aus. Sie ist eine Sünde des Ursprungs, die sich in der ganzen Geschichte vom Ursprung her auswirkt, aber sie bestimmt auch das Geschick des einzelnen immer wieder, gleichsam als ob am Anfang eines jeden einzelnen Menschenwesens sie neu getan würde, die Ursünde, gleichsam vor allem empirischen Dasein, als ob jede menschliche Person diese Ursünde des Urmenschen neu sündigte, sie neu beginge als diese Person, und wir finden schliesslich als letzten Ausläufer der christlichen Vorstellung die Konzeption bei Immanuel Kant, dass diese Sünde getan wird von dem intelligiblen Charakter, dass die absolute Persönlichkeit in einem Leben, das nicht in der Zeit, sondern in der Idee diesem Leben vorausgeht, die Sünde tut, von der dann das Leben dieses Menschen abhängt, durch die das Leben dieses Menschen bestimmt wird. Es ist also etwas menschheitsweites, ja weltenweites in den Auswirkungen, denn Paulus fasst es so, dass auch die aussermenschliche Welt in Mitleidenschaft gezogen wird. Es ist also wirklich eine durch einen Sündenfall der Menschheit, einen Fall, der einst geschehen ist in der Urzeit, aber immer wieder geschieht, da ist eine Kluft zwischen Gott und Mensch. Ich möchte noch nicht von der Erbsünde als solcher reden. Wir werden sehen, wieweit sie hier bei Paulus schon angenommen werden kann. Aber es ist zweifellos etwas anderes als jene Sünde, von der ich früher gesprochen habe, als die Sünde, wie sie uns etwa im Alten Testament, wie sie uns in der späteren jüdischen Lehre erscheint. Ich will nun versuchen, die beiden Sündenkonzeptionen einander gegenüber zu stellen. Die eine, die christliche, wie wir sie schon hier bei Paulus finden – ich will die klassische Stelle gleich behandeln, die sagt, weil eben im Ursprung gesündigt worden ist,

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weil, wenn wir den biblischen Namen beibehalten wollen, weil Adam gesündigt hat, sündigt der Mensch für und für und kann der Sünde nicht beikommen, sondern Gott muss Erlösung an ihm wirken, an dem Menschengeschlecht, um ihn von dieser Sünde zu befreien. Und unser[e jüdische] Lehre eben sagt: wie Adam gesündigt hat, so sündigen wir [Textverlust] Adam gesündigt hat, also auch nicht-sündigen konnte, so sündigen wir [Textverlust] können nicht-sündigen. Es gibt keinen Zwang zur Sünde, es gibt den [Textverlust] es gibt die Gewöhnung, es gibt die Atmosphäre der Sünde um uns her, [Textverlust] es gibt die – eine nicht von uns selbst als, von dieser Person aus erfassbare – Notwendigkeit gibt es nicht, sondern wir stehen eben in j[ener] Problematik des Sündigens und doch auch Nicht-Sündigen-Könnens, unsere Ebenbildlichkeit ist nicht aufgehoben. Es verhalten – ich möchte das schon hier vorwegnehmen – die beiden Konzeptionen scheinen sich mir zueinander zu verhalten wie zwei Formen des Dramas. Die christliche Konzeption erscheint mir wie die griechische Tragödie – scheinbar eine andere Welt, aber ich finde hier das wesentliche wieder, eine Schicksalsmacht waltet, etwas Unerbittliches, nicht uns Zuschreibbares, das als Verhängnis über uns, auf uns lastet und uns zwingt, das zu tun, was wir, wie Paulus sagt, nicht tun wollen: das gute, das ich will, das tue ich nicht, sondern das böse, das ich nicht will, das tue ich. Also ein Verhängnis, das uns nötigt, das zu tun, was wir nicht wollen, und keine Rettung, keine Befreiung; was immer wir von uns aus ersinnen, beschliessen, entscheiden, ist alles umsonst. Wir sind eingespannt, eingejocht, können nicht anders, wir müssen, weil es uns bestimmt ist, wir müssen morden, wir müssen das tun, was uns fremd ist, den Vater etwa töten und nicht wissen, dass es der Vater ist – es ist uns zugeteilt, oder gar die Sünden der Vorfahren gleichsam in unserem Leben ausbrechen sehen in einem Zwang, weiter uns zu verfehlen und Leiden, Tod, Verhängnis zu erfahren, das nicht aus uns kommt, nicht eigentlich uns meinen kann, denn es war vor uns da, es hing über unseren Köpfen, ehe wir geboren waren. Und das geht so weiter, bis eben vielleicht – das ist in der richtigen griechischen Tragödie so, wir können nur nach Spuren urteilen, wir haben ja zu wenige erhalten, aber immerhin, wir haben eine Reihe von schönen Beispielen dafür [–], bis ein Gott, der sogenannte Deus ex machina, ich würde lieber sagen: deus ex gratia, aus der Gnade, kommt und erlöst. Eine Theophanie, eine Gotteserscheinung am Schlusse des Dramas, wo alles verwirrt ist, heillos verwirrt, wo keine menschliche Hoffnung mehr besteht, geschieht es je und je, dass ein Gott erscheint und nun Trost zuspricht, Licht zeigt, das eigentlich dem ganzen Charakter der Handlung widerspricht, das eigentlich göttliche

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Willkür ist gegenüber dieser Ananke, die sich da vor uns vollzogen hat; und jetzt ist irgend ein Heil diesem Unheil entgegengesetzt, wie immer es sich in dem äusseren Geschehen auswirken will oder kann, ob es ein Einwirken gegen ein anderes ist oder direktes Eingreifen, das den Gang der Tragödie ändert. Das ist die griechische Tragödie in der reinen Form. Es gibt das andere Drama, das man gewöhnlich zu den christlichen zählt, etwa das Shakespeare’sche, nicht immer, aber in mancher seiner reinen Formen, wo nämlich nichts verhängt ist, wo das, was geschieht, in aller Wirklichkeit geschieht, wo man nicht vorher sagen kann, was geschehen wird, denn jetzt gerade vollziehen sich die Geschicke. Was jetzt, in dieser Stunde, ein Mensch tut oder lässt, seinem Partner erwidert oder verschweigt, was jetzt sich abspielt in diesem Augenblick, das bestimmt, was sein wird. Was jetzt geschieht, geschieht im äussersten Ernst, nichts steht über den Köpfen, es gibt keine Rollen, auch nicht im Schosse der Götter, auf die die nächste Zukunft geschrieben wäre, die abgelesen werden könnte in irgend welchen Orakeln, sondern der Augenblick hat seine ganze Entscheidungsträchtigkeit in dieser Menschenwelt, jetzt hier – das ist ein Drama von einem Wirklichkeitscharakter, von einer Tiefe der Wahrhaftigkeit, die anders gewiss ist als die griechische, aber ich kann mir nicht helfen, sie berührt mich noch tiefer. Ich weiss noch besser, was das ist. Ich weiss vom Leben her, wie das ist. So erfahre ich selbst das Leben und so, nach meiner Erfahrung, ich kann ja nicht anders reden, von meiner Erfahrung aus muss ich sagen: so ist das Leben. Gewiss, immer wieder sind Dinge so, dass wir empfinden, es ist bestimmt, ja, es ist verhängt, und immer wieder geschieht es doch, dass wir merken, nein, wir können es zerreissen, wenn wir nur uns nicht einbilden, vorher zu wissen, wie gross oder wie klein unsere Kraft ist, wenn wir wagen, die Wahrheit zu glauben, dass es kein Verhängnis gibt, dann gibt es kein Verhängnis. Dann hat es keines gegeben. Damit würde ich, mit dieser Art des Dramas, die jüdische Konzeption der Sündhaftigkeit vergleichen. Da gibt es nun keinen erlösenden Gott am Rande des Geschickes. Wir werden sehen, dass das mit dem Erlösungsglauben des Judentums nichts zu tun hat, aber der Erlösungsglauben des Judentums ist ein anderer. Unser Glauben an die Erlösung ist nicht der Glauben an die Erlösung von der Sünde. Ich kann im Zusammenhang dieser Vorlesung nur einen kurzen Überblick geben und möchte zunächst erinnern: wie steht es im Alten Testament? Es genügt, zwei Stellen zu nehmen für alle anderen: Kain ist verdrossen, weil sein Opfer nicht angenommen wurde. Gott sieht es und redet zu ihm: Warum entfrommt es dich, warum ist dein Antlitz gefallen? Ist’s nicht so, meinst du Gutes, trag’s hoch. Meinst du nicht Gutes aber, vorm Einlass

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Sünde Ein Lagerer, nach dir sie sucht. Du aber walte ihm ob. Nicht wahr, die Sünde, die lauert nicht auf, wie man gewöhnlich übersetzt, sondern sie ist ein Dämon, ein Lauerer, darum: sie sucht, nicht: ich suche, sondern dieser Lagernde, dieser an der Schwelle lagernde Dämon verlangt darnach, diesen Menschen zu bekommen, zu verstricken, und dieser Mensch wird nun von Gott also in der Wahrheit angerufen, diesen Dämon zu überwinden, ihm obzuwalten. Er kann es also. Und er kann es unmittelbar nach dem geschehenen Sündenfall. Das ist das nächste Geschlecht. Der Sündenfall ist geschehen. Jetzt sollte man meinen, sei der Mensch in die Hand der Sünde gegeben. Gott aber sagt ihm: du aber walte ihm ob. – Und die zweite Stelle, das ist eine, die gewöhnlich herangezogen wird, um zu beweisen, was schlechthin nicht zu beweisen ist, was falsch ist, dass es im Alten Testament eine Konzeption der Erbsünde gäbe. Es ist Gottes Betrachtung des Geschlechtes vor der Sintflut, ehe er die Flut beschliesst. Da heisst es: Er sieht, wie gross die Bosheit des Menschen auf der Erde war, und alles Gebilde der Planung seines Herzens nur böse alle Tage. Und das versteht man so gewöhnlich, dass eben der Mensch durch den Sündenfall in den Zwang des Bösen gegeben ist, und dass er eben nur Böses planen kann. Aber, fragen wir zunächst einen Augenblick, was ist das für ein Gebilde? Sie wissen, es wird gewöhnlich: Trieb übersetzt – Jezer. Es ist das Substantiv zu dem Verb bilden, von dem es hiess, dass Gott es bewirkt habe, als er den Menschen schuf. Und in der Tat, es ist ein schwer zu fassendes Wort hier, man kann es verstehen: Gebilde, das ist etwas, was von Gott gemacht ist, man kann es aber auch verstehen, was der Mensch in seinem Herzen bildet, was er sich einbildet, die Bildsamkeit seines Herzens, die Vorstellungen, die er in sich erzeugt, und so wird es ja hier gemeint sein, nicht den Trieb, sondern die Gebilde, die aus den Planungen seines Herzens aufsteigen. Nun aber, solle das nicht auch genügen um eine Erbsünde festzustellen? Aber fast unmittelbar darnach steht: Noah aber fand Gunst in seinen Augen. Nun heisst es die Bibel von Grund aus missverstehen, wenn man glaubt, solche zwei Stellen von einander trennen zu können, wenn man meint, die eine könne aus sich verstanden werden, die andere aus sich, indem sie verschiedenen Schichten oder verschiedenen Quellen angehören. Ich glaube, man darf nicht nur den Verfassern, sondern auch den Redaktoren der Schrift zutrauen, dass, wenn sie so einen Satz auf einen anderen Satz folgen liessen, wussten, was sie taten. Ich glaube also, dass diese Stelle die andere erst in ihrem Sinn wirklich beleuchtet. Diese Bosheit, so allgemein sie ausgesagt ist, betrifft offenkundig nur die Menschen, das Menschengeschlecht, das Gott nicht fortbestehen lassen will, aber wie immer wieder – so wählte

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er hier ein neues Geschlecht, ein neues Volk aus, das das andere überleben und die Menschheit neu begründen soll. Noah aber fand Gunst in seinen Augen, und wir erfahren, unmittelbar darnach, warum. Weil er eben nicht dieser Bosheit verfallen war, weil er ein ganzer ganz auf Gott gerichteter Mensch war. Es ist also fast das Gegenteil von dem, was vorher von den Menschen gesagt wird. Und wenn es nun zweifellos wahr ist, darüber braucht ja nicht geredet zu werden, was einmal im 1. Buch Könige im grossen Tempelgebet Salomos steht: Kein Mensch ist, der nicht sündigt – wissen wir jetzt: das ist nicht zu verstehen: von einem übermächtigen Zwang. Es bedeutet nicht: kein Mensch ist, der nicht sündigen muss, sondern es bedeutet, das Faktische – ja, wir sündigen alle, so ist es. Daraus ergibt sich nichts – das ist kein Dogma, das ist keine Lehre über die Notwendigkeit der Sünde. Nirgends in unserer Bibel steht, dass der Mensch in die Hand der Sünde gegeben ist. Und nun lassen Sie uns betrachten, wie es weiter heisst. Ich möchte aber zunächst, ehe ich auf die nachbiblische Lehre eingehe, nämlich auf die Lehre von dem Jezer, von dem Gebilde in uns, ich möchte zunächst die Stelle gegenüberstellen, wo Paulus seine Sündenlehre am eindeutigsten ausspricht, nämlich als eine Lehre von dem Sündenstand, von dem menschlich unabwendbaren Sündenstand, der durch Adam entstanden ist. Das ist im Römerbrief 5. Kapitel 18. Vers: Wie nun durch eines Sünde die Verdammnis über alle Menschen gekommen ist, also ist auch durch eines Gerechtigkeit die Rechtfertigung des Lebens über alle Menschen gekommen. Denn gleichwie durch Eines Menschen Ungehorsam viele Sünder geworden sind, also auch durch eines Gehorsam werden viele Gerechte. Und dazu die andere Lehre: wie ist es denn nun aber bis dahin gewesen, bis Christus? Das fällt für Paulus in zwei Epochen auseinander. Das eine ist die Epoche von dem Sündenfall bis zu Mose. Da ist die Sünde in der Welt, aber wo kein Gesetz ist, da wird die Sünde nicht angerechnet, also vom Richter nicht angerechnet. Und dann weiter, die nachmosaische Zeit, da heisst es: Das Gesetz aber ist nebeneinkommen, d. h. es ist gleichsam so mit hineingeschlüpft, gleichsam als Episode hineingekommen, damit die Übertretung höher wird, also ist der Zweck der göttlichen Gesetzgebung, dass die Sünde mächtiger wird, d. h. also: der erste Mensch hat gesündigt. Durch seine Sünde ist der menschliche Sündenstand geworden, dem nun alle unterworfen sind. Aber diese Sünde ist gleichsam noch latent. Diese Sünde ist nur ein Stand, in dem die Menschen sind, aber sie ist noch nicht ausgebrochen. Damit sie ausbricht, muss ein Gesetz da sein, gegen das sich die Menschen vergehen, wenn sie sündigen. Ehe das Gesetz da ist, kann die Sünde diese Wucht, diese Bewusstheit nicht haben. Also das Gesetz kommt

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damit hinein, damit die Sünde mächtiger werde, es ist Gottes Wille, dass die Sünde ausbrechen soll. Nun weiter. Wo aber die Sünde mächtig geworden ist, da ist auch die Gnade viel mächtiger worden usf. Und die Erlösung, diese von Gott gewollte Erlösung ist nun da, um derentwillen das Gesetz gegeben ist, damit die Sünde mächtiger werde, damit die Gnade kommen kann, die von der Sünde erlöst. Die Erlösung ist nun da: jeder, der sich in der Taufe an den Erlöser schliesst, erfährt sie selber. Und das drückt nun, diese Situation des einzelnen Menschen drückt nun Paulus endlich im 6. Kapitel in den Worten aus, von denen ich schon früher etwas angeführt habe, in denen er sagt: »denn wir wissen, dass das Gesetz geistlich ist. Ich bin aber fleischlich (es ist wichtig, dass hier »ich« gesagt wird) und der Sünde verkauft … In meinem Fleisch wohnt nichts Gutes (Fleisch darf man hier nicht verstehen, als ob es sich um zwei Teile des Menschen handelte, zwischen denen geschieden wird. Fleisch ist, was der Mensch durch die Ursünde geworden ist, dieser fleischliche Mensch, der gefallene Mensch) Willen habe ich wohl, aber Vollbringen des Guten finde ich nicht.« Hier ist also das Bekenntnis in der Idee in der Tat in repräsentativer Weise ausgesprochen, zur Sünde, d. h. zu dem unbedingten, vom Menschen undurchbrechbaren Sündenstand des Menschengeschlechts und zur Erlösung, d. h. zu der erbarmenden Tat Gottes, die das an dieser sündigen Menschheit leistet, was diese Menschheit nicht leisten kann, sie von dem Zwang des Sündigens und der Unbedingtheit des Sündigenmüssens zu befreien. Es ist also eben das, was in der griechischen Tragödie da folgt, wo alles nach menschlichem Verstand unentwirrbar ist und wo nun das Verhängnis von oben durchbrochen wird. Es ist in einer neueren Untersuchung über die religionsgeschichtliche Bedeutung der Sünde, eine Arbeit von Mentsching (?) über die Sünde gesagt worden, dass alle höheren Religionen eine Konzeption dieses Sündenstandes haben. Ich glaube das nicht. Aber es ist mir nicht um höhere Religion zu tun – ich weiss nicht, was höher und niederer in dieser Hinsicht bedeutet, sondern um die Wahrheit, soweit man sie zu erfassen vermag. Und von da aus möchte ich das nächstemal versuchen, Ihnen zu zeigen, wie sich dem gegenüber, also der Lehrer eines abgewandten Schülers der jüdischen Lehre, wie sich dem gegenüber die reine jüdische Lehre verhält. Dieser Widerspruch, der sich Ihnen zeigen wird, ist kein Widerspruch zwischen Judentum und Christentum allein. Es gibt, Paulus hat recht, wenn er sagt, dass es ihm überliefert worden sei. Auch die Lehre von der Sünde ist überliefert worden, und ich möchte auch zeigen, welche Elemente im Judentum der urchristlichen Zeit es waren, in denen verwandtes wie in der paulinischen Lehre gelebt hat, und wie diesen Ele-

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menten, diesen Elementen am Rand, die zu einem Verlassen des Judentums strebten, wie in dem Kern des Judentums die klassische Lehre ihnen entgegenstand von der Freiheit des Menschen trotz allem, und die Lehre, die ihre Ausbildung gefunden hat eben in der Lehre vom bösen Gebild, von dem Jezer hara, der uns nicht durch einen Sündenfall, sondern der uns von Gott in der Schöpfung eingetan worden ist, damit wir mit ihm etwas anfangen, damit wir aus ihm etwas machen, weil ohne ihn, ohne dass er mit genommen, mit einbezogen wird in den Dienst Gottes, der Dienst unvollkommen bleibt. Diese grosse jüdische Lehre, dass man Gott mit beiden Gebilden, mit beiden Trieben, wie wir gewöhnlich sagen, in der Einheit des geeinten Herzens dienen muss, das scheint mir es zu sein, was der paulinischen Sündenlehre im Judentum gegenübersteht. IV

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Wir haben das letztemal in einer Reihe von Stellen aus den paulinischen Briefen, die sich immer verstärkten im Ton, in der, ja geradezu in der Krassheit dessen, wie es gesagt wurde, zuletzt in jener klassischen Stelle, in jenem Selbstbekenntnis, wo Paulus sagt, er müsse das tun, was er nicht will, das Böse, das er nicht will, er könne nicht das Gute tun, das er will und es gäbe nichts, was ihn davon erlösen könnte, als etwa, das ging aus dem letzten Satz hervor, der Anschluss an den gekommenen Christus – wir haben an diesen Stellen uns die paulinische Konzeption der Sünde vorgeführt als eines Standes des Menschen, also nicht als eines Dings, das der Mensch tut, nicht als eines Dings, das dem Menschen geschieht, sondern als eines vom Menschen aus nicht überschreitbaren Standes, als eines Sündenstandes, dem sich der Mensch auf keine Weise zu entringen, zu entwinden vermag, in dem der Mensch als Mensch seinem ganzen Menschheitsschicksal nach eingetan ist, von urher jedenfalls von jener Urzeit her, die durch den Fall bestimmt ist, durch den Fall des ersten Menschen, durch den die Sünde nicht bloss in die Welt, sondern in alle Menschen geraten ist, die nach ihm gelebt haben bis auf uns, alle Menschen, die leben werden, bis auf das Ende der Tage, hineingeraten ist so, dass sie sich schlechthin nicht, nicht bloss nicht gradweise, sondern schlechthin nicht diesem Stand zu entheben vermögen. Ich erinnere Sie nur daran, was zuletzt in diesem Selbstbekenntnis Paulus sagt, dass er um das Gesetz wohl weiss, das sich über ihn erhebt und das rechte Leben ihm bezeichnet, dem er aber nicht zu folgen vermag, weil ein anderes Gesetz in seinen Gliedern sei, und dieses andere Gesetz, das in seinen Gliedern ist, das ihn herabzieht, das ihn gegen jenes andere Gesetz stellt in dem

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gelebten Leben, das nennt er dann auch das Fleisch. Und zwar das Fleisch, das wird verknüpft, dieser Begriff wird verknüpft mit dem Tode. Es ist das Fleisch, das des Todes ist. Man könnte diesem Gegenüberstellen der beiden Gesetze, des Gesetzes (könnte man sagen – es wäre falsch) des Geistes und eines Gesetzes, viel mehr einer Triebhaftigkeit des leiblichen Lebens, das jenem Gesetz widersteht, man könnte darin eine Widerspiegelung des griechischen Dualismus von Stoff und Geist finden, etwa des platonischen Dualismus – aber dies wäre falsch. Paulus meint nicht auf der einen Seite die Leiblichkeit und auf der anderen Seite die Geistigkeit, die sich darüber erhebt. Er verneint den Leib als solchen nicht. 1. Korinther, 6. Kapitel: Der Geist ist im Menschen, hat sich in den Menschen, und zwar in den Leib niedergelassen, der Leib ist also nicht im Gegensatz zum Geist. Wenn Paulus das Fleisch in diesem bestimmten Sinn meint, wählt er ein anderes Wort: … Dieses Fleisch ist eben bei Paulus nicht eine Bezeichnung der Leiblichkeit als eines an sich Schlechten, an sich dem Bösen geweihten und ihm unentreissbaren Prinzips, sondern, wie richtig von einem modernen Theologen gesagt, eine Gesamtbezeichnung des unerlösten Menschen einschliesslich Leib, Seele und menschlichem Geist. Also dies ist es, was Paulus entgegensetzt, nicht ein kosmologischer Dualismus, der zwei Prinzipien, Geist und Stoff, einander gegenüberstellt, sondern zwei Verfassungen des Menschen, die einander gegenübergestellt werden, Fleisch – das ist der Mensch im Sündenstand, der von jenem Fall des Menschengeschlechts her in den Sündenstand versenkte Mensch. Dem steht gegenüber der erlöste, der vom Geist Gottes ergriffene Mensch der aber nicht schlechthin es aus eigener Kraft hervorzubringen vermag, diese Erlösung, diese Wiederbildung in den Geist Gottes, sondern nur durch Anschluss an den sündenfreien, als sündenreiner Mensch niedergestiegenen Gottessohn, den zweiten Gott, wie es einmal gesagt ist. Nun ist es zweifellos doch ein Dualismus, und ein gewaltiger Dualismus, der das paulinische Denken beherrscht, in jenem Selbstbekenntnis von der vollkommenen Auseinandergerissenheit des Menschen. Dieser Mensch, der garnicht anders kann als sündigen, als das tun, was er nicht tun will, garnicht anders kann als das unterlassen, was er tun will, wovon er weiss, dass es recht ist, ich sage, diese Auseinandergerissenheit in diesen Menschen und in den zu Gott erhobenen durch den Mittler, an den er sich schliesst, aus dem Sündenstand gerissenen Menschen, ich sage, dieser Dualismus, dieser innere Dualismus weist freilich hin auf einen ungeheuren Dualismus der Weltbetrachtung, Seinsbetrachtung, denn es ist ja nicht etwa bloss ein Vorgang im Menschen, nicht ein

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Widerstreit zwischen zwei Mächten im Menschen, sondern es sind zwei Mächte, die sozusagen an diesen Menschen herangehen, an ihn rühren, ja fast um ihn streiten, wenn nämlich, das ist sehr bedeutsam, dass der zwar in anderen Teilen des Neuen Testamentes – der Begriff steht einer ewigen, einer dämonischen Macht, eines Satans [gegenüber], der der Fürst, der Herrscher dieser Welt ist, eine Bezeichnung, die mehrfach etwa im Johannesevangelium steht: Fürst dieser Welt. Da handelt es sich nicht mehr um die Seele des Menschen, sondern da alle diese Wesen im Sündenstand sind, so herrscht die Sündenmacht über sie, herrscht eine satanische Macht über sie, diese ganze Menschenwelt ist dieser Macht untertan; und das ist in der späteren christlichen Theologie ausgebaut dahin, dass diese ganze Menschenwelt wirklich dem Satan verfallen ist, sozusagen ihm gehört noch von jenem Fall her, und nun losgekauft werden muss und durch Christum losgekauft wird auf eine Weise, über die wir hier nicht zu sprechen brauchen. Es ist also der Fürst dieser Welt (eine nicht spezifisch christliche Bezeichnung) aber Paulus ist der einzige Autor, bei dem dieser Dämon, der der Herr dieser Welt ist, zum Gott dieser Welt erhoben wird. (2. Kor., 3. Kapitel – der ganzen Weltzeit bis an das Ende hin, der ganzen (wir können nicht sagen, vormessianischen), sondern der ganzen (vormessianisch können wir nicht sagen, weil für diese Menschen der Messias gekommen ist, sondern) der ganzen Weltzeit vor dem Ende der Tage, also der ganzen Geschichtszeit bis ans Ende der Geschichte, bis an die Zeit, wie die Johannes-Apokalypse sagt: wo die Zeit nicht mehr sein wird – also etwas, woran auch die messianische Vorstellung zerbricht, alles Sein zerbricht.) Ich sage: bei Paulus hat der Satan, bei ihm allein den Namen dieses Gottes. Der Gott der Welt ist der Satan, zu solchem Aeussersten hat sich diese Konzeption des Dualismus gesteigert. Man könnte fast sagen, es ist eine Widermacht, die Gott gegenübersteht, und wir sind beinahe vor Mani am Manichäismus, der wirklich zwei solche Widermächte einander gegenüberstellt, und zwar in einer Absolutheit, wie sie auch die altpersische Religion nicht gehabt hat, wirklich, diese ganze Welt hier ist in die Hand der Widermacht gegeben, ja das Göttliche selbst, jedenfalls eine Emanation des Lichtes ist in diese Finsternis gefallen, hat ihre Befleckung in sich empfangen in ihr und muss aus ihr erlöst werden und wieder zu ihrem Ursprung aufsteigen. Also die Konzeption des Gottes, der in der Gefangenschaft des Widergottes steht. Der paulinische Dualismus ist beinahe ein solcher Manichäismus vor Mani, wenn nicht Paulus immer wieder vom Fall ausginge, also doch letztlich von der Tat des Menschen, wenn auch freilich des dämonisch verführten Menschen herleitet diese Entzweiung der Welt. Ich habe schon früher darauf hingewiesen, was für eine schwere Problematik die

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paulinische Vorstellung einschliesst. Hier wird sie besonders deutlich. Es ist die: Der Mensch, der erste Mensch, also doch der Mensch, hat die Schöpfung durch das, was er tat, den Bau der Schöpfung zerrüttet. Gott hat die Welt geschaffen, der Mensch hat diese Schöpfung verdorben, zerrüttet. Hier wird dem Menschen, wenn auch dem dämonisierten Menschen, eine Macht über das Werk Gottes, über die Tat Gottes, über die Intention Gottes zugeschrieben, die ungeheuer, unfassbar ist. Es ist also die Macht des Menschen, wenn wir das so ausdrücken können, aber ich glaube, das drückt es am deutlichsten aus, die Macht des Menschen über Gott ist so gross, dass in alle Geschichtszeit hin, jedenfalls bis zum Kommen des Erlösers hin zunächst die Sünde unrettbar diese Welt beherrscht, dass sie also zum Gott dieser Welt geworden ist, und dass sie es, wenn auch ihre Macht zunächst gebrochen ist, dennoch immerhin bleibt auch über das Kommen des Erlösers hinaus. Der Mensch ist hier, der Urmensch, fast selber zu einem Wesen von satanischer Grösse, zu einer Widermacht gesteigert. In diesem Begriff nun des Fleischlichen bei Paulus lebt zweifellos etwas von jenem Begriff, von dem ich schon neulich zu sprechen begonnen habe, des Jezerhara, des Gebildes oder der Einbildsamkeit des Bösen, so müssen wir übersetzen – hara ist Genetiv – von dem wir noch sprechen werden. Nur dass bei Paulus dieser Jezerhara, dieses Gebild des Bösen, diese Einbildsamkeit, diese wuchernde Einbildsamkeit und Einbildung des Bösen im Menschen nicht wie in der talmudischen Auffassung die Ursache, der Antrieb und Anstoss der Sünde Adams ist, sondern die Folge, die Wirkung dieser Sünde. Es ist also nicht so wie bei uns (ich werde darüber noch zu sprechen haben) wie bei uns gelehrt wird, dass Gott in den Menschen (und so hat es Paulus selber in seiner Jugend bei seinen Lehrern gelernt) nicht so, wie er es gelernt hatte, das behält er nicht von der Vorstellung, dass der Jezerhara von Gott mit dem Jezertow, mit der guten Einbildsamkeit (wir werden noch darüber sprechen, dass das verschiedene und nicht gleichartige Begriffe sind) mit dem zusammen von Gott geschaffen worden sei, dass beides in dem Menschen von der schöpferischen Tat Gottes eingetan worden sei, sondern er fasst diesen Jezer, und das hängt im Tiefsten mit dem Bruch zusammen, der sich in ihm vollzog, mit der Absage, die er vollzog, er fasst ihn nun als die Folge, als etwas, das erst entstanden ist dadurch, dass Adam sündigte. Und von da aus geht die Theologie der Erbsünde aus, durch diese Tat Adams ist das Ungeheure geschehen, es ist etwas Ungeheures Neues über den Menschen gekommen, der Trieb zum Bösen. Die moderne Theologie, wenn sie davon redet, hat zuweilen behauptet, dass der geistige Wert dieser Vorstellung von dem Jezerhara bei Paulus erhöht worden sei, indem er nämlich bestreitet, dass Gott der

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Urheber dieses Triebes sei, und so die Idee in volleres Einvernehmen, in volle Uebereinstimmung mit dem ethischen Monotheismus gebracht habe. Meines Erachtens ist das Gegenteil wahr, es sei denn, dass man ethischen Monotheismus als eine schematisch-ethische Konzeption von Gott versteht, der nun so etwas wie den Jezerhara nicht zu schaffen vermag. Der Gott, den wir glauben, schafft in den Menschen, wie wir noch besprechen werden, in den Menschen diese innere Spannung hinein gerade um des letzten Sinns des Ethos willen, das nicht dadurch bestimmt werden kann durch eine qualitative Determination Gottes (?) von dem man sagen kann, es ist so und so beschaffen, sondern es kommt darauf an, das Ethos wird bestimmt durch die Entscheidung des Menschen. Es kommt nicht darauf an, dass der Mensch blind und entscheidungslos etwas Bestimmtes tue, was als gut bezeichnet ist, sondern der Weg des Menschen, dass der Weg von einer Art des Seins zu einer anderen gelangt, ist bestimmt dadurch, dass ihm die Entscheidung und zwar die wahrhafte, wirkliche Entscheidung zugeteilt, dass er zu ihr fähig ist. Das bedeutet aber die Verleihung des Jezerhara. Ich weiss nicht, ob es auf ethischen Monotheismus ankommt, aber der Glaube an den lebendigen Gott, der den Menschen meint, der sich um den Menschen kümmert, der den Menschen auf den Weg schickt, der hängt, glaube ich, zusammen mit der Vorstellung, dass Gott – und nur er kann so Ungeheures – den Jezer in die Seele des Menschen versenkt hat, als die Möglichkeit, ja Notwendigkeit des Kampfes, als die Notwendigkeit des Weges, als das, was den Menschen nicht stehen bleiben, nicht weglos werden lässt, und sei es auch die Weglosigkeit des Paradieses. Hier geraten wir aber an ein Geheimnis, über das bei uns nie gesprochen wird; das Geheimnis des Ersten und das Geheimnis des Letzten bleiben hier, in dieser Schicht, gewahrt. Es ist nun wohl deutlich, wie die beiden Konzeptionen auseinandergehen. Die paulinische gestaltet sich zur Vorstellung der Erbsünde. Wir kennen nur eine Erbschuld. Wir kennen Strafe, wir kennen Schuld, an der wir teilhaben. Es ist nicht so, dass wir nun von der Schuld Adams frei würden, aber wir sind nicht in der Weise ihr untertan, dass wir durch sie in den Sündenstand versenkt werden, in den Stand, wo man (so lautet ja die Lehre von der Erbsünde) sündigen muss und schlechthin nicht anders kann als sündigen, wo nun die ganze Geschichte des Menschen nicht mehr ein Weg ist, den der Mensch geht. Diese Aufsteigerung nun zur folgerichtigen Konzeption der Erbsünde (ich spreche immer wieder nur von den Anfängen und nicht Ausgestaltung des Christentums) – aber ich möchte andeuten, wie die völlige Reife dieser Erbsünde aussieht. Sie wissen, sie hat sie durch Augustin erst empfangen, aber Augustin will sich hier an Paulus durchaus anschliessen, er will die Linie nicht etwa

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über Paulus hinausführen, sondern er will Paulus interpretieren. Er findet, was er sagt, schon bei Paulus vor. Und so sieht er in der ersten Form 395 de libertas arbitrari, wo Augustin, indem er den Sündenstand proklamiert, zugleich doch noch die Freiheit des Willens zu retten sucht, die in keiner Weise damit zu vereinbaren ist: Da sieht Augustin nun das eine als eine Auffassung neben anderen: Wenn Gottes einziger Sohn von dem Sündigen (?) gesprochen hat, von dem die Seele des Menschen stamme, wer kann sagen, dass nicht auch er gesündigt habe, damals, als jener erste Mensch sündigte? Also jeder von uns hat damals mitgesündigt. Schon im nächsten Jahr etwa schreibt nun Augustin ganz eindeutig: Seit unsere Natur im Paradies gesündigt hat, sind wir alle eine Masse der Sünde geworden, alle, wir haben das Verdienst durch die Sünde verloren, und von der Barmherzigkeit Gottes abgesehen, gebührt nichts als die ewige Verdammnis den Sündern. Von da aus führt eine ganz gerade Linie zu jener Vorstellung, dass Gott, ohne dass wir irgendwie wüssten, warum, das Erwählte und Verdammte geschieden hat und aus dieser gleichförmigen Sündenmasse erhoben hat die von ihm Erwählten, und das übrige ist nun wirklich der ewigen Verdammnis preisgegeben. Das ist nun das, was also Augustin als unseren Stand (von der Gnade Gottes abgesehen) erkennt, der durch jene damals geschehene Tat des ersten Menschen unabänderlich herbeigeführt worden ist für alle Menschen. Jedes Menschenkind wird in diesem Sündenstand geboren, in der furchtbaren Notwendigkeit, die Sünde zu tun. Das ist also, wenn nun wirklich Augustin, um den Verantwortungsbegriff zu retten, wenn er dann zwar nicht die libertas, aber das liber arbitrium fortbestehen lässt, so ist das nur dialektisch geformt. In der Wirklichkeit hat es garkeine Erprobungsmöglichkeit, denn der Wille des gefallenen Menschen ist zwar der Idee nach frei, aber faktisch wählt dieser freie Mensch nach Augustin immer das Böse, unter dem unüberwindlichen Einfluss der … (?) Augustin beruft sich immer wieder auf jene Stelle des 5. Römer-Kapitels, und zwar merkwürdigerweise (solche Dinge gibt es in der Geschichte der Theologie) unter Zugrundelegung einer falschen Uebersetzung. Das ist jene Stelle, wie durch einen Menschen die Sünde in die Welt hineingeraten und durch die Sünde der Tod, und so zu den Menschen der Tod gelangte, weil alle gesündigt haben – oder: als zu solchen, die gesündigt haben. Aber die lateinische Uebersetzung heisst: in dem alle gesündigt haben (in Adam haben alle Menschen gesündigt.) So die Ausgestaltung der paulinischen Einstellung. Und jetzt fragen wir uns: was steht in der talmudischen Glaubenswelt dem gegenüber? Ich nehme gleich jetzt die reife Gestaltung und werde dann davon nun zurückzugehen versuchen in der Zeit, um zu bestim-

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men, wie die Konzeptionen etwa, wann und wie sie auseinandergegangen sein mögen. Im Talmud jedenfalls haben wir eine völlig gestaltete grosse klare Konzeption dieser paulinischen gegenüber. Und das ist die Lehre vom Jezerhara. Ich sagte schon, das ist ein doppelter Begriff. Im allgemeinen bedeutet er in der Bibel das Gebilde der Menschenseele, was in der Seele als Gebilde aufsteigt, aber auch die ganze Einbildsamkeit des Menschen, diese ganze wuchernde Phantasiewelt des Menschen, wo immer wieder Vorstellungen aufsteigen und sich zu Wirklichkeit verdichten, die dem Menschen gegenübersteht, ihn anfällt, anwandelt. Und auf der anderen Seite haben wir in einzelnen biblischen Stellen, 103. Psalm, den Jezer in seiner Bedeutung als Gebilde Gottes, als die Beschaffenheit des Menschen, die er gebildet hat. In die talmudische Begriffswelt ist die erste Vorstellung eingegangen. Der Jezer als die menschliche Einbildsamkeit. Nun betrachten wir, was von dem Jezer erzählt wird: es gibt also zwei solche Einbildsamkeiten, der Jezerhara, das Gebilde (aber Sie verstehen, in welchem Sinn es gemeint ist, nicht als etwas Fertiges, sondern diese Bildsamkeit, die Fülle des inneren Geschehens), also das Gebilde des Bösen und das gute Gebilde. Beachten Sie, dass es nicht zwei gleichartige Dinge sind, sondern verschiedene. Wir werden bald verstehen, warum und worin sie verschieden sind, verschiedener Struktur, das eine ist das Gebilde des Bösen, das andere ist die Gute Einbildung. Wir werden bald verstehen, was das heisst. Jenes Wort der Bibel, dass Gott den Menschen bildet – unsere Deutung der Schrift geht auch in ihren höchsten Gedanken gerne aus von ganz einfachen und manchmal trivial aussehenden sprachlichen Eigentümlichkeiten, und sie versucht das Wort, ja den Buchstaben zu deuten und von dem Buchstaben aus das Höchste fasslich zu machen, das Höchste zu verwurzeln, zu begründen im Wort. Auch hier geht die Deutung vom Buchstaben aus. Dieser Jezer nämlich ist mit zwei Jot geschrieben. Und diese zwei Jot werden ausgelegt: Gott bildet den Menschen als ein Wesen, das beide Einbildsamkeiten in sich umschliesst. Es gehört zu dem Charakter dieses Wesens, es ist als das Wesen geschaffen, das beide in sich umschliesst und zwar beide in diesem nicht zu ändernden, ewig währenden Verhältnis zu einander, in diesem Kampf. Aber der Kampf ist nicht das letzte. Gott spricht nun zu Israel: Meine Kinder (Gott begründet jetzt, warum er dem Menschen diesen Jezerhara geschaffen hat, warum er den Menschen nicht einfach gut gemacht hat). Aber zunächst sagt er das noch nicht. Sondern er geht davon aus, dass er zwar den Jezerhara geschaffen habe – aber ich habe den Jezerhara geschaffen, aber ich habe die Thora als Mittel gegen ihn geschaffen (nicht gegeben, sondern erschaffen, vor Erschaffen der Welt, für den Menschen, der den Jezerhara in sicht trägt, als

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Mittel gegen ihn), und befasst Euch mit der Thora, so seid ihr nicht in seine Hand gegeben. Hier wird die Thora in genau entgegengesetztem Sinn gefasst als bei Paulus. Dieser sagt, dadurch, dass das Gesetz gegeben ist, das man doch nicht erfüllen kann, bricht die Sünde aus. Gott sagt: Um mit dem Jezerhara das richtige anzufangen, ist die Thora gegeben, die den Menschen zum zweitenmal bildet, nämlich zu dem bildet, das dieses Jezerhara (nicht bloss Herr werden kann, sondern ein solcher Herr des Jezerhara, dass er aus ihm das Rechte macht.) Wir haben jetzt also hier einen Schritt weiter: Das Rechte kann man nur aus dem Jezerhara machen. Wir können das Rechte garnicht im Sinne Gottes tun, wenn wir es nicht mit der ganzen restlosen Kraft des Jezerhara tun, also mit der Leidenschaft. Wenn in der Geschichte der Schöpfung Gott einmal sagt, sie sei das, wozu er sagt: sie sei sehr gut, so wird es gedeutet, wie an einer anderen Stelle auf den Tod, so hier auf den Jezerhara, denn ohne ihn, ohne die Leidenschaft, ohne die Kraft, die Mächtigkeit der Sinne könnte in der Natur und in der Welt der Menschenwerke nichts entstehen. Alles kommt durch die Leidenschaft zustande. Die Fruchtbarkeit des Menschen wächst aus seiner Leidenschaft. Es gibt keine andere. Es kommt nur darauf an, dass dieser Leidenschaft die Richtung verliehen werde, durch die das Rechte so möglich wird, wie Gott will, dass das Rechte getan werde, mit der ganzen Kraft des Jezerhara, die in den Menschen gelegt ist. Wenn also der Mensch das Böse tut, so heisst das, dass er diesen Jezerhara, der nicht zum Bösen geschaffen ist, böse macht. Du hast ihn böse gemacht, sagt Gott zum Menschen, d. h. der Mensch hat diese Gnade, wenn ich das so ausdrücken darf, dynamische Gnade, die in ihn gelegt ist, dass er aus der Leidenschaft, gerade aus ihr, nicht ohne sie, das wahre Leben bauen kann, hat der Mensch verkehrt, indem er die Leidenschaft richtungslos sich auswirken lässt. Und nun wird noch weiter angedeutet, um was es geht, und wieder knüpft die Deutung an eine Bibelstelle an, nämlich an die Stelle des 5. Buches Moses, wo geboten ist: Gott mit allem deinem Herzen zu lieben. Dieses »mit allem deinem Herzen« so wird es gedeutet, das gehe auf die beiden Einbildsamkeiten. Man liebt Gott nur wahrhaft, wenn man Gott mit beiden Trieben wie man zu sagen pflegt, liebt, und wenn man ihn mit beiden Trieben preist. Worauf es ankommt, ist dies, dass sie nicht geschieden seien, nicht einander gegenübergestellt bleiben in einem Gegensatz dessen, was zu tun geboten ist, sodass zuletzt Paulus bekennen muss, dass er das tut, was er nicht tun will, sondern dass sie geeint werden wie Kraft und Richtung. Wenn im 86. Psalm David betet: Eine mein Herz, Deinem Namen zu folgen, so werden wir verstehen, dass der Mensch betet, Gott möge den doppelten Jezer seines Herzens einen, Gott möge ihm helfen (dieser Begriff der Hil-

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fe ist sehr wesentlich. Der Mensch selber muss anfangen). So wird an den Menschen geglaubt, dass er anfangen kann und anfangen muss, aber wenn einer sich zu reinigen kommt, steht man ihm von oben bei. Jetzt greift die Hilfe ein, und um diese Hilfe betet der Mensch und muss er beten, und da gibt der Midrasch ein Gleichnis von einem Mann, der zwei Kühe hat, eine, die zum Pflügen bestimmt ist, und eine, die nicht zum Pflügen bestimmt ist, und er legt das Joch auf beide, um so auch die nicht zum Pflügen Bestimmte zur Pflügenden zu machen. Und wieder eine andere Psalmstelle 119 wird damit verbunden: mein Herz sei ganz in deinen Gesetzen, damit ich nicht beschämt werde. Ich glaube, es ist schon jetzt deutlich geworden, wovon wir das nächstemal ausführlich sprechen wollen, dass Gut und Böse nicht polar entgegengesetzte Mächte sind, nicht zwei Prinzipien gleicher Struktur, sondern schlechthin verschieden, hier das Gute, das ist Richtung, ist eindeutig ausgestreckter Arm, das Böse aber ist ein Wirbel, in den der Mensch, der sich nicht entscheidet, gerissen wird. Davon wollen wir das nächstemal ausgehen, um dann diese Lehre vom Jezer zu Ende zu führen. V

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Ich habe das vorigemal begonnen, von der talmudischen Lehre der beiden Jezerim, der beiden Einbildsamkeiten zu sprechen, die sich zu einander verhalten wie Kraft und Richtung, die also einander nicht polar gegenüberstehen, wie man es gewöhnlich von gut und böse meint. Es ist doch so, nicht wahr, man stellt sich gewöhnlich vor, gut und böse ist so, wie rechte Hand, und linke Hand, also etwas Gleichartiges aber sozusagen das eine von der einen Seite, das andere von der anderen Seite. Hier aber erfahren wir, dass es durchaus nicht etwas Gleichartiges ist, dass es nach Art und Struktur, nach Dynamik etwas vollkommen Verschiedenes ist, nämlich, wenn wir es uns optisch vorstellen wollen, dass das, was wir gut nennen, zwar in der Tat ist, wie eine ausgestreckte Hand, dynamisch, wenn Sie die ganze Energie dazu denken, die Spannung, der Antrieb, die Bewegung in dieser ausschliesslichen Richtung, wo alles Richtung annimmt, die ganze Gewalt, die da ist, sich in dieser Richtung sammelt und auswirkt, aber auf der anderen Seite ist nichts Derartiges, garnichts, was man mit so einem eindeutigen Pfeil bezeichnen könnte, garnichts, was so beständig, so konzentriert, so gleichmässig ist, so bei aller Spannung doch in sich ruhend, sondern da ist ein richtiger Kessel der in sich verschlungenen Bewegungen, ein in sich Kreisen und sich in

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sich Verlieren, ein den Weg nicht Gewinnen, ein immer wieder sich in sich Verlieren, also das, was man am ehesten durch eine solche Vielfältigkeit von kreisähnlichen Linien, von denen eine in die andere verläuft, ein solches in sich Kreisen grafisch bezeichnen kann; wenn Sie sich dazu vergegenwärtigen die ganze Hilflosigkeit dieses in sich Kreisens, die ganze Ausblicklosigkeit dieses sich in sich Verfangenhaben dieses nicht hinaus, nicht hin können, – Sie sehen also, das ist etwas vollkommen verschiedenes. Nun aber, damit man diese Zweiheit recht versteht, muss man hinzunehmen, dass dieses erste, diese Richtung, dieses Eindeutige, dieses so Unanrührbare seine ganze Substanz nimmt aus diesem Kreisenden, dass diese Richtung, so eindeutig sie ist, nichts wäre, wenn nicht das wäre, was Richtung annimmt, das, was sich richtet, was sich dieser Spannung, dieser pfeilhaften Spannung ergibt, also die Leidenschaft, die Kraft, der Jezerharah, die Einbildsamkeit dessen, was man, wenn es eben die Richtung nicht angenommen hat und sofern es die Richtung nicht angenommen hat, in diesem Stand der Richtungslosigkeit, des in der Richtungslosigkeit Beharrens das Böse nennt. Wenn man also nicht weiss, dass das Gute auf das Böse angewiesen ist, wenn man nicht weiss, dass der Mensch das, was mit ihm gemeint ist, um dessen willen er da ist als Mensch, das, um dessen willen er von der Natur allein aus nicht begriffen, nicht ergriffen werden kann, dass er das nicht vollbringen kann ohne die Mächtigkeit des Elementes ganz hineingenommen, hineingeordnet und hineingestellt zu haben in die Welt der Richtung. Aber damit ergibt sich auch noch etwas anderes, nämlich dass es das Gute als Richtung, als Ziel der Richtung nicht gibt. Ich muss da einen Augenblick verweilen, weil es vielleicht etwas seltsam klingt, wenn ich das so sage, aber wenn es so ist, dass auf der einen Seite die richtungslose Kraft ist, auf der anderen Seite die eine Richtung, zu der man sich entscheidet, wenn man sich entscheidet – alle wahrhafte Entscheidung ist eine Entscheidung zu der einen Richtung – ich sage, wenn es so ist, bedeutet das zugleich, dass diese eine Richtung nicht bezeichnet werden kann als das Gute, dass das Ziel nicht bezeichnet werden kann als das Gute, als ob da ein Ziel wäre, sondern nur bezeichnet werden kann als Gott und nichts anderes. Das Gute ist die Richtung auf Gott, und das Böse ist die Richtungslosigkeit derselben Kraft, die in der Richtung auf Gott das Gute heisst. Ich habe nun noch zuletzt gesagt, wie die Tradition von dieser Lehre aus jene Psalmworte deutet, wo Gott angegangen wird, das zwiespältige Herz zu einen, also jetzt, in dieser Begrifflichkeit, die ich hier anwende – Sie verstehen, dass das nur eine Hilfsbegrifflichkeit ist, um etwas sehr schwer Aussprechbares aussprechbar zu machen – in diese Begrifflichkeit übersetzt bedeutet es, dass Gott angegangen wird darum, die Kraft und die

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Richtung des Beters mit einander zu einen, und jeder wirkliche Beter weiss, dass er es aus eigener Kraft nicht vollbringen kann und doch aus eigener Kraft beginnen muss, dass also dieses einfache Geheimnis zwischen Gott und Mensch Sache jedes menschlichen Augenblicks ist, dass hier dem Menschen etwas überantwortet ist in aller Wirklichkeit, jenseits aller Illusionsmöglichkeit, das Beginnen, das ist das, was in unserer Tradition immer wieder vorgebracht wird, am deutlichsten im Chassidismus, wo gesagt wird, dass es etwas ist, um dessen Willen die Welt geschaffen worden ist, sodass der Anfang der Bibel: am Anfang sind Himmel und Erde erschaffen worden – am Anfang hat Gott Himmel und Erde erschaffen – bedeutet: um des Anfangens willen, um des Anfangens des Menschen willen, um des Anfangens willen, das Sache des Menschen ist, um des anfangenden Menschen willen, je und je, nicht des Menschen als Gattung, sondern je und je, um des Anfangens der wirklichen menschlichen Persönlichkeit willen hat Gott Himmel und Erde geschaffen. Sie wissen, in unserer Tradition, im Talmud wird erzählt, wenn ein Kind im Mutterleib lebt, dann erfährt es alles, es wird allwissend, alles, alles wissend, die Lehre von allen Dingen wird ihm zugetragen, und es ruht nun, wie es im Mutterleib ruht, so ruht es in diesem seinem Allwissen. Wenn aber das Kind geboren wird, dann schlägt es ein Engel auf den Mund, und dann vergisst es mit einem Schlag alles, was es gewusst hat. Und nun dieser Engel, der das Kind so seines Wissens durch den Schlag auf den Mund beraubt, wenn Sie wollen, aber offenbar war es nicht umsonst, dass es alles gewusst hat, wenn es auch alles vergisst, so wird es doch die Tatsache des Gewussthabens nicht ganz vergessen können – dieser Engel spricht nun zu dem Neugeborenen: Sei ein bewährter Zaddik, ein Wahrhaftiger, ein Sichbewährender, sei nicht ein Schuldiger, aber wenn Dir auch die ganze Welt sagt, du seiest bewährt, sei du in deinen Augen wie ein Schuldiger. Also das ist die echte Dynamik des Richtungannehmens und sich doch immer wieder in der Ohnmacht des Nichtvollbringenkönnens führens. Und sei wissend, dass Gott rein ist und seine Werke rein sind und die Seele, die er in dich getan hat, rein ist. Bewahrst du sie in ihrer Reinheit, dann ist es gut. Es ist also dem Menschen möglich, denn man muss das ja ernst nehmen, so meint es ja die Ueberlieferung, es ist also dem Menschen möglich, die Seele in ihrer Reinheit zu bewahren? so möchte man fragen. Heisst das, dass der Mensch auf ein Entweder-Oder gestellt, dass er (denn faktisch bewahrt er sie doch nicht in ihrer Reinheit) dass er also sündig ist, im Sündenstand (wir haben gehört, dass das eine christliche Grundhaltung ist, dass er im Sündenstand sei), dass er die Seele nicht in ihrer Reinheit bewahrt, heisst das, dass er die Seele schlechthin dem Sündenstand anheimgibt. Ist

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es nicht vielmehr gemeint, dass der Mensch je und je und immer wieder das Seine tun kann, um sich zu bewahren, dass er das Bewahren, die Tat des Bewahrens, in allem Ernst, in aller Wirklichkeit tun kann, nämlich seine Tat, die nur bestimmt werden kann durch das, was er vermag, soviel er vermag, dieses Mass: soviel ich vermag, und zwar in dieser Stunde, dieses Mass, das natürlich man theoretisch nicht bestimmen kann, das aber seine Wirklichkeit hat und seine Wirklichkeit erhält durch den Menschen, der sich wahrhaft entscheidet und das Seine tut, von da aus wird das Mass ermessen. Was er in dieser Stunde vermocht hat. Und tut er das, dann hat er das Gebot befolgt, dann hat er das Seine, das Rechte, sein Rechtes getan und das Gebot erfüllt, dann ist es gut, d. h. er hat die Richtung eingeschlagen und immer wieder eingeschlagen, immer wieder. Wir glauben nicht, das Judentum glaubt nicht, dass es ein gesichertes Einmal für alles Einschlagen der Richtung gibt, durch das der Mensch gleichsam hinübergeworfen wird. Das auch nicht. Sondern so, dass er immer wieder so als Mensch, und das ist nicht sein Unheil, sondern das ist sein Menschenheil, dass er so immer wieder verliert und neu erringen muss. Sein menschliches Heil. Dadurch bewährt er sich immer wieder als Mensch, der beginnt, der anhebt, der die Richtung annimmt, der sich entscheidet und dadurch an der Entscheidung überhaupt, an dem Geheimnis, an dem je und je sich vollziehenden Mysterium der Entscheidung teilnimmt. Darum, weil dies so geglaubt wird, darum beten wir an jedem Morgen beim Erwachen: mein Gott, die Seele, die du in mich gegeben hast, ist rein. Es gibt also in der Wirklichkeit des Menschen, so ist unser Glaube, keine Erbsünde, es gibt – ja, wir sündigen immerzu, aber immerhin sind wir nicht in einer Absolutheit des Sündenstandes, sondern wir sind in diesen ganzen zitternden, sich je und je wandelnden umspringenden und immer neu umspringenden Stand des Sündigens und sich Verlierens und sich Gewinnens, des richtungslosen Kreisens und Richtung Annehmens. Beides zu einander gehörend, eines vom anderen nicht zu trennen, mit einander erst unsere menschliche Existenz, unser Menschenleben ausmachend, würdig gelebt zu werden eben deshalb, eben um dieser Ewigkeit, dieser menschlichen Ewigkeit, dieser menschlichen Bewegung willen, die eben aus der (?) geschieht, die in der Schöpfung selbst ihren Ursprung hat. Dasselbe meint ein anderes Talmudwort, wo jener Segensgruss des 5. Buches Mose, 28. Kapitel: gesegnet du bei deiner Ankunft, gesegnet du bei deiner Ausfahrt, gesprochen zum Volke, wenn es die Richtung auf Gott annimmt, angenommen hat, gedeutet wird, dies »deine Ausfahrt von der Welt sei wie deine Ankunft in der Welt, ohne Sünde«, also der Tod als Vollendung, nicht des sündenfreien Lebens – eine solche Selbsttäuschung hat die Tradition nie-

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mals gehabt, sondern Vollendung eben dieses ringenden Lebens, dieses durch diese beiden Jezerim und ihren Widerstreit und ihre gegenseitige Durchdringung und jeweilige Einigung vollzogenen, dieses Ringen, das sich dann vollendet in dem Augenblick eines, wenn das Wort erlaubt ist, rechtmässigen Sterbens. Wenn wir diese Lehre, wenn wir von dieser Lehre aus nun jene biblischen Sprüche ansehen, die für eine Lehre von der Erbsünde, für eine Behauptung der Erbsünde verwendet worden sind, so sehen wir, dass sie in Wirklichkeit durch diese Lehre von den beiden – wie wir gewöhnlich sagen: Trieben und von ihrer Einungsaufgabe aus zu verstehen sind. Wenn also Gott von dem Geschlecht – wenn es heisst von Gott hinsichtlich des Menschengeschlechts vor der Sintflut: Er sah, dass gross die Bosheit des Menschen auf der Erde und alles Gebilde der Planung seines Herzens bloss böse all den Tag – so sieht Gott nicht einen absoluten Sündenstand des Menschen – das wäre eine Verkennung der Situation – sondern er sieht Menschen, die aus ihren Möglichkeiten, ihren menschlichen Möglichkeiten den ihnen gegebenen Weg, den ihnen möglichen Vollzug nicht herausgeholt haben. Und bedeutsamerweise folgt, wie ich schon einmal angeführt habe »Noah aber fand Gunst in seinen Augen«. Also der Mensch, der die Ganzheit gewollt aus der Zweiheit der beiden Jezerim in diesem Geschlecht gerade, er ist möglich, er ist wirklich. Und nun kehren wir einen Augenblick zu der paulinischen Konzeption zurück. Wir sehen, Paulus bekennt, dass er schlechthin unter einem Verhängnis stehend das Böse, das er nicht tun will, tut, das Gute, das er will, nicht tut. Nebenbei gesagt, Sie wissen ja, dass das ein durchaus heidnischer römischer Dichter fast mit denselben Worten ausgedrückt hat. Ovid sagt: video … Ich sehe das bessere und erkenne es an, dem schlechteren aber folge ich. Also durchaus, nicht wahr, dieses Wissen um das Gute und das Böse, dass man aber dennoch das Böse tut, also die Desavouierung des Sokratischen. Hiermit erweist es sich also in der antiken Welt selbst, dass das Böse das Gute nicht zulässt, dass die Sache in einer ganz anderen Ordnung ist, dass aber das Gute wirklich vom Menschen aus – ja, hier für diese antiken Menschen es nicht gibt. Für Ovid garnicht, für Paulus nur im Anschluss an den vollzogenen … an den sündenfreien Gottmensch. Für uns aber ist es in jedem Augenblick möglich, im Widerspruch, in der Bitterkeit des jeweiligen menschlichen Augenblicks dennoch erfahrene Wirklichkeit, dass es also zwischen Gott und Mensch und zwar zwischen Gott und dem einzelnen Menschen, zwischen dem einzelnen Menschen und Gott dieses Geschehen gibt in der Unmittelbarkeit dieses Richtunggewinnens und dann freilich in dem Zumvollbringenermächtigtwerden

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des Menschen. Wir können sagen, dass Paulus um die Lehre vom Jezerharah weiss, aber der Jezerharah ist für Paulus die Wirkung, die Folge eines Sündenfalls. Adam hat gesündigt, also gibt es jetzt den bösen Trieb, und dieser böse Trieb beherrscht den Menschen. Nur der Mensch, der den Anschluss findet, der erlöste Mensch ist befreit von der Herrschaft des bösen Triebes. Für unsere Tradition ist der Jezerharah der Antrieb zu dem, was Adam getan hat. Aber so, immer wieder neu, immer wieder neu ist der Mensch in dieser Situation, und wenn wir noch so sehr belastet sind mit Geschichte, mit Erbschaft, die unsere Seele völlig aufzuzehren droht, darin, im letzten hinsichtlich unseres Zugangs zu Gott sind wir nicht von irgend einem Ursprung des Menschen abgetrennt, wir sind in der Adamssituation auch heute und hier und nichts kann uns davon abheben. Wir stehen in Entscheidung, wir haben mit den Jezerim unmittelbar zu schaffen. Die Welt beginnt trotz allem immer wieder neu, die Schöpfung will neu beginnen. Dem zum Zeichen ist es, dass Menschen geboren werden, dass es Kinder gibt, dass es Anfang gibt, unendliche Anfänge in jeder Stunde. Das ist, ich wiederhole es, kein Gegensatz zur Lehre einer Erbschuld. Wir haben Teil an einer Urschuld, aber es ist ein Gegensatz zur Lehre von der Erbsünde. Wir stehen nicht unter dem Zwang der Sünde. Die Sünde ist unsere Handlung und nicht unsere Verfassung. Es gibt noch andere Stellen der Bibel, auf die sich die Lehre der Erbsünde beruft, und zwar vor allem – ich will nicht alle anführen, aber die, auf die man sich am stärksten beruft –, das ist die Stelle des 51. Psalms, wo der Beter spricht: Wohl, in der Verfehlung bin ich hervorgebracht worden, und in der Sünde hat mich meine Mutter empfangen. Das wird so verstanden, als ob der Mensch nun schlechthin durch die blosse Tatsache seiner Geburt im Sündenstand wäre, als ob er in den Stand der Sünde hineingeboren würde, indem er geboren wird. Aber lesen wir zunächst den Psalm weiter, da erfahren wir, dass der Beter bittet: zunächst um eine Läuterung, zunächst darum, dass ihm Gott seine Sünde überwinde: entsündige mich mit Jsaph und ich werde rein, wasche mich und ich werde weisser als Schnee. Und dann weiter, genauer, deutlicher: ein reines Herz erschaffe mir, Gott, und einen gegründeten Geist erneuere in meinem Innern. Also zunächst das eine unzweideutig: der Mensch wird, und hier ist nicht von jenseitigen Dingen die Rede, das ist offenbar, dieser Beter sagt, dass er freilich nicht aus eigenem Werk allein, sondern nur dadurch, dass die Gnade sich ihm zuteilt und sein Beginnen vollenden hilft … der Mensch bittet, glaubt also daran, dass die Sünde in ihm in diesem Leib, in diesem personhaften Leib überwunden werden kann. Also hier ist etwas anderes: wenn Erlösung dann Erlösung als ein ewig Tra-

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gendes zwischen Gott und Mensch, Erlösung als die Sache dieses persönlichen Augenblicks des Menschen, und zwar Erlösung, die je und je den Menschen von Sünde löst, sodass er sich freilich nicht allein lösen kann. Aber nun geht der Psalm noch einen Schritt weiter. Als die Folge, als die Wirkung dieser Tat Gottes, die er sich erbittet, verspricht er: ich werde die Abtrünnigen deine Wege lehren, und die Sündigen werden umkehren zu dir. Also er, der dieser Gnade teilhaftig zu werden hofft, sagt es, dass er dann gleichsam an Gottesstatt andere Menschen zur Umkehr bringen wird. Ja, was heisst es: doch das eben, dass er anderen helfe diese Entscheidung zu vollziehen, diesen Schritt des Anfangens, diesen je und je entscheidenden Schritt des immer neu Anfangens zu tun. Von da aus gesehen, kann der 7. Vers nicht sagen, dass der Mensch in einen unbedingten Sündenstand geboren worden sei, sondern er wird faktisch – fassen wir es doch einfach und bescheiden, wie die Tatsachen unseres Lebens einfach aussehen. Fassen wir es doch nicht prinzipiell in dem trügerischen Glanz dieses Entweder-oder. Es wird an den sündigen Menschen gezeigt, man kann sündigen je und je und man bekennt Gott und als solcher redet man zu Gott. Daraus ergibt sich nichts, was in einen allgemeinen Satz hinsichtlich eines allgemeinen Standes der Menschen aufzustellen wäre. Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, dass auch jener Satz von der Strafe eines Menschen an den nächstfolgenden Geschlechtern nichts von der Erbsünde sagt. Es wird immer wieder gesagt, dass ein Mensch auch an den mit ihm lebenden Geschlechtern seiner Nachkommen bestraft wird, dass die Strafe so reichen kann, dass dem Menschen – ja, Strafe bedeutet immer, Anstoss, der den Menschen erwecken soll zur Umkehr, dass es diese Strafe gibt, aber niemals bedeutet das, dass die Sünde bleibt und fortwirkt in den Nachkommen. Nun gibt es eine talmudische Lehre, die manchmal angeführt wird hinsichtlich dessen, was damals während jenes Sündenfalls geschah. Wir wollen uns ein wenig mit diesem Problem des Sündenfalls befassen, weil ja darauf Bezug genommen wird, weil zweifellos die christliche Lehre von der Erbsünde, das haben wir bei Paulus gesehen, auf jenes zurückgreift und zwar so, als ob das Alte Testament lehrte, dass es einen solchen Sündenfall gegeben. Was geschieht? Zunächst: es wird erzählt von einer Schlange. Diese Schlange ist garnicht unwichtig. Wir müssen uns eines vergegenwärtigen. Der Unterschied zwischen der Schlange und dem Jezerharah – bleiben wir dabei: was ist beiden gemeinsam? Der Schlange, die den ersten Menschen zum Bösen verführt und dem Jezerharah, nicht wahr, dem sogenannten bösen Trieb, ist jedenfalls gemeinsam, dass sie beide erschaffen sind. Das ist garnicht unwichtig, denn die Lehre von der Erbsünde, nicht bloss die christliche, sondern wo immer in der Menschheit etwas Aehnliches wie

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der Glaube an einen unabänderlichen bösen Stand des Menschen, der höchstens durch Eingreifen der Gottheit ueberwunden werden kann, wo immer dieser Glaube auftritt, neigt er dazu, sich zu steigern zu einem Glauben an eine böse Macht, die der göttlichen entgegensteht, gleichsam auf gleicher Ebene. Hier ist weder bei der Schlange noch beim Jezer die Rede davon. Beides ist von Gott geschaffen, Geschöpflichkeit. Aber es ist ein Unterschied zwischen beiden. Denn die Schlange ist Rebellin, sie lehnt sich gegen den Willen Gottes auf. Der Jezerharah, wenn wir ihn einen Augenblick mythologisch fassen wollen, tut er, was Gott will, dass er tue. Er ist gehorsam. Er rührt den Menschen auf, er gibt ihm das Element, aus dem der Mensch erst seine menschliche Ordnung, seinen Menschenweg zu Gott finden kann, den ihm zugedachten Weg zu Gott. Also der Jezerharah tut das ihm zugedachte Werk. Wie ist es mit der Schlange? Die Schlange lehnt sich auf, die Schlange verführt die Menschen, etwas zu tun, was ihnen verboten ist, und was nun? Sind sie nun irgendwie preisgegeben? Ist irgendwo zu lesen, dass die Sünde in ihnen sich ausbreiten könne? Sondern sie werden bestraft. Die Schlange wird auch bestraft. Es ist etwas anderes. Ich sagte schon, Strafe ist etwas, was nun auf der zweiten Ebene dem Menschen den Anstoss gibt zur Umkehr, zu dem neuen Weg, zu dem anderen Weg, zu dem Weg zu Gott zu. Nun gibt es, ich sagte es schon, eine talmudische Vorstellung, die dahin zu gehen scheint, das ist die Vorstellung der sogenannten Befleckung. Es heisst nämlich einmal, dass die Schlange in Eva, als sie sie verführte, eine Befleckung getan habe, und diese Befleckung (und gleich der zweite Satz macht die Deutung einer Erbsünde unmöglich) als Israel am Berge Sinai stand, hörte die Befleckung auf. Sie kehrte wieder, als sie die Sünde am Goldenen Kalb vollzogen. Eine andere Auffassung wird von einem anderen vorgetragen. Da wird die Befleckung schon im Laufe der Patriarchengeneration überwunden und Jakob hat nur noch Söhne, die ohne Gebrechen sind. Nach einer wieder anderen Stelle eines Midrasch stellt Abraham die ursprüngliche Ordnung wieder her. Es kommt auf diese Varianten nicht an. Entscheidend ist, dass ein Verhängnis nicht da ist, dass es den überwindenden Menschen, die überwindende Menschheit gibt. Wir brauchen jetzt nicht mehr zu fragen, wie der Anteil der Gnade sei, aber es ist offenkundig, dass hier ein wesenhafter Anteil des Menschen unverkennbar ist. Es ist noch notwendig, uns die ganze Tiefe, den ganzen Ernst dieser zwiegespaltenen Entwicklung zu vergegenwärtigen, auf der einen Seite diese klassische jüdische (ich möchte das erklären, damit meine ich, die Lehre im Judentum, die die eindeutige Formulierung findet vor allem in jener Lehre von den beiden Jezerim) auf der einen Seite diese klassische jüdische Lehre und auf der anderen Seite die

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ebenso reine Klassizität erlangende christliche Lehre von der Erbsünde, die beide aus dem gleichen Stamm hervorgehen. Um dies uns ganz zu vergegenwärtigen, müssen wir jetzt noch zurückgehen von der talmudischen Lehre – ich möchte jedenfalls das nächstemal in die letzten vorchristlichen Jahrhunderte zurückgreifen, also etwa bis Jesus Sirach auf der einen Seite und dann über den Anfang des Christentums noch eine Weile im Judentum verbleiben und sehen, wie in der apokalyptischen Literatur die beiden Lehren mit einander streiten. Von da aus nämlich erst können wir es fassen, wo, an welchem Punkt etwa die Spaltung, die sich vollzogen hat, was das für ein Punkt ist, von dem aus Paulus das sagt, was er sagt und womit er die christliche Lehre, das christliche Dogma, das Augustinische Dogma von der Erbsünde begründet. VI

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Zwei Fragen wurden an mich gerichtet: 1.) ob ein Unterschied zwischen der Erbschuld Adams und der von Eva bestehe – ja, ich verstehe die Frage nicht. Die Erbschuld ist nicht eine Erbschuld von Adam und eine von Eva, sondern einfach eine Erbschuld des Menschen. Ein Unterschied kann da nicht bestehen, höchstens für die Schuld Adams und die Evas, aber nicht der Erbschuld, das ist ja die, die wir tragen. Das zweite: wie ist es zu verstehen, dass am Berge Sinai die Befleckung Evas aufhörte, die Befleckung, die sich damals in die Menschheit eingetan hat? Das ist ja die Ueberlieferung, so, damals, als Gott die Thora geben wollte, heisst es in dem hagadischen Text, habe Gott die Thora allen Völkern der Erde angeboten und alle haben sie ausgeschlagen aus der Motivierung, dass sie das und das Gebot nicht erfüllen wollten. Nur Israel habe die Thora angenommen. Um dieser Annahme willen hätte diese Befleckung aufgehört, aber nur solange, bis sie dann sozusagen sich selbst widerlegten, indem sie am Goldenen Kalb sündigten. Damit widerlegten sie die Annahme der Thora. Dazu brauchten sie wirklich nicht sie anzunehmen, nachdem die anderen Völker gesagt hatten, dass sie dies und jenes Gebot nicht erfüllten. In dieser Schwebe muss dies verstanden werden. Nun eine schwerere Frage. Es ist die Frage aufgeworfen worden, die gehört in die Reihe der Fragen, die hinsichtlich der Beurteilung der christlichen Lehre gestellt worden sind, ob nämlich damit eine gerechte Darstellung gegeben ist, dass von der Dämonie gesprochen wird, von der Macht des Bösen als eines Gott gegenüber Stehenden. Ich erinnere, dass

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ich gesagt habe von Paulus, dass zum Unterschied von den verwandten Stellen in anderen Büchern des Neuen Testaments, insbesondere im Johannesevangelium er einen Fürst des Bösen kennt, der für ihn der Gott dieser Welt heisst, also doch offenbar Beherrscher der Menschenwelt, von der Menschenwelt gleichsam als Herrscher angesehen usf. Aber wir können, dass es so ist, dass also wirklich eine dämonische Macht gefasst ist als wirkliche Macht, als wirkliche Herrschaft über das, und das heisst doch wohl eine Widermacht, eine widergöttliche Macht, das ergibt sich ja eben aus jener Konzeption der Erlösung, von der ich zu Anfang der Vorlesung gesprochen habe, der Erlösung durch den Tod Christi als eines Loskaufs, eines Losgeldes, das gegeben wird – Wenn wir die Geschichte dieser Anschauung, dieser dogmatischen Anschauung uns vergegenwärtigen etwa vom 2.–12. Jahrhundert, etwa von Irenäus bis Anselm, dann sehen wir immer wieder auftretend und manchmal eine ungeheure (wie z. B. bei Origines) eine ungeheure Wucht erlangend die Vorstellung, dass es der Satan ist, dem dieses Lösegeld gezahlt wird. Nicht wahr, die Frage, warum wird ein Lösegeld bezahlt, warum zahlt Gott ein Lösegeld, diese Frage ist ja von ungeheurer Aktualität, wenn man erst überhaupt gelernt hat, in diesen Dingen konkret zu fragen, und darauf antworten diese Väter der christlichen Kirche, die mit diesem Problem schwer ringen – es ist eben die Macht des Bösen, die einen Anspruch hat auf die Menschen, der der Mensch verfallen ist durch seinen Fall, und von dieser Macht soll der Mensch losgekauft werden, und Gott schickt seinen Sohn, den Sündenfreien, dass er den sündigen Menschen loskaufe von der Macht des Bösen. Wir finden dann eine Reihe von Variationen innerhalb dieser Anschauung, in welcher Weise an den Satan dieses Lösegeld gezahlt wird, wodurch dies, dieser Tod des sündenfreien Gottessohnes ein Lösegeld, ein Loskauf ist. Ich kann jetzt hier die Geschichte nicht darstellen, aber es geht immer mehr oder weniger darauf aus, dass es gleichsam eine Verbriefung gibt, einen Anspruch, eine Forderung, die befriedigt werden soll, und Gott, der gerecht ist, der den Satan nicht übervorteilen will, begibt sich auf diese Ebene und kauft seine Geschöpfe von dieser Macht los. Es ist ein grosser unheimlicher Ernst in dieser Behandlung des Gegenstandes durch die christlichen Väter. Es ist gut, dass dies deutlich gesehen werde. Und in allerlei Ausgestaltung wirkt es sich dann in den vorreformatorischen Formen einerseits und in der Reformation selbst aus und in der reformierten Kirche fort. Ich kann das jetzt hier nicht im einzelnen darlegen, aber es wäre wichtig, einmal dies für sich zu fassen, diesen unheimlichen Ernst dieser gegenüberstehenden widergöttlichen Macht und ihres Anspruchs, der in dem Erlösungsakt befriedigt oder überwunden wird. Und auf der anderen Seite müssen wir uns vergegen-

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wärtigen: was bedeutet nun Satan, eben dieser Begriff, diese Bezeichnung, diese Bezeichnung einer Macht, eines Machtinhabers, was bedeutet diese Bezeichnung im Judentum selbst, woher kommt das? Dieser Satan kommt doch aus Israel, aus dem Alten Testament. Wenn wir nun zusehen (ich sprach schon neulich davon), dass der Jezerharah, diese Einbildsamkeit des Bösen ein Geschöpf Gottes ist, durchaus in Gottes Dienst stehend, in Gottes Macht, in Gottes Auftrag, dass also dies nicht anders als von Gott selber zu fassen ist. Dies wird noch deutlicher, wenn wir auf die Bibel selbst zurückgehen. Es gibt in der Bibel, wenn man sie ganz ernst nimmt, keinen Satan als eine Gott gegenüberstehende Macht, es gibt überhaupt das Gott Gegenüberstehende nur in dem je und je zwischen Gott und dem Menschen Geschehenden. Das, was je zwischen Gott und dem Menschen geschieht, dass der Mensch sich Gott versagt, dass der Mensch Gott widersteht, ihm widerspenstig ist, Gott widerspricht, das ist die Situation, von der das Alte Testament handelt, nicht aber, dass eine Macht da ist, die Gott widersteht, widerstrebt und den Menschen verleidet. Ich sagte schon, die Schlange ist eben eine Schlange und kein Teufel. Die Schlange ist eine Kreatur, die Gott widersteht, d. h. sie ist ein Urbild des menschlichen Widerstandes. Es ist nicht eine Macht, die eingesetzt ist an dem anderen Pol, die gegen Gott steht, es ist eine sich auflehnende Kreatur, wie der Mensch eine sich auflehnende Kreatur ist, also nicht als Macht, die der Macht Gottes irgendwie gegenübersteht. Um es noch genauer zu sagen: wo vom Satan im Alten Testament die Rede ist, ist es letztlich also Gott, der als Satan handelt. Verstehen wir aber das ganz genau – was heisst das? Wir müssen einen Augenblick dabei verweilen, denn es ist etwas Schweres und leicht Misskennbares. Wenn im Alten Testament von einem Malach die Rede ist, also von einem sogenannten Engel, einem Boten Gottes, bedeutet das nicht, dass von einem Wesen geredet wird, das eine Gestalt für sich, eine Existenz für sich hat, einen Namen, eine Biographie, eine Selbständigkeit, sondern es bedeutet nichts anderes, als dass von Gott aus etwas geschieht, dass von Gott aus eingegriffen wird in das Geschehen, d. h. wo Gott in das Geschehen eingreift, da ist von Malach die Rede, denn es geht um Malacha, um Arbeit, wenn Gott Arbeit tut, wenn Gott in der Geschichte der Welt Arbeit tut, Leistung, dann erscheint dieses göttliche Werk in der Gestalt eines Boten, eines Malach, der diese Malacha vollzieht. Aber diese Erscheinung ist durchsichtig. Immer wieder in der Geschichte von der Erscheinung eines Boten lesen wir, dass plötzlich nicht mehr der Bote redet sondern Gott, und nicht so, dass gesagt wird, jetzt fängt Gott zu reden an, sondern ganz wie selbstverständlich wird plötzlich gesagt: und Gott redet usw. d. h. es ist keine Scheidung zwischen der Existenz Gottes und der Existenz seines

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Boten. Und ebenso, wie hier in dem Malach Gott gleichsam als Leistung, als Tat erscheint, erscheint in dem Satan Gott als Hindernis, als Versuchung, als das Hindernis, das der Mensch zu überwinden hat, als das Hindernis, das dem Menschen in den Weg geschickt wird von Gott, damit er es überwinde, als die Versuchung, die von Gott dem Menschen geschickt wird, damit er sie bestehe. Es gibt keine Macht hier in der hebräischen Bibel, die, wenn auch nicht auf gleicher Ebene, aber doch auf einer irgendwie annähernd gleichen der göttlichen gegenüberstände, sondern es gibt nur Boten von rechts und Boten von links, Vollstrecker von rechts und Vollstrecker von links, und Gott führt den Menschen durch diese Boten, nicht bloss einfach fördernd, leitend, helfend, sondern er führt den Menschen auch hindernd, versuchend, zum Kampf nötigend. Es ist also hier von da aus keine Dämonie zu fassen, nicht ein Widerspruch zu Gott, kein Dämon, von dem ein Loskauf nötig wäre, von dieser Fassung des Satans, die die hebräische Bibel kennt, führt kein Schritt zur Konzeption einer einmaligen, notgewordenen, unbedingten Erlösung. Das ist die eine Frage, die ich an dieser Stelle klären musste. Die andere ist: es wurde gefragt, ob denn nicht im Christentum selbst Tendenzen, in der Geschichte des Christentums sich Tendenzen geltend gemacht haben, die der jüdischen Konzeption nahe sind. Dies ist zweifellos richtig. Um die bekannteste hervorzuheben, den sogenannten Pelargianismus, die Auffassung, die ja nicht bloss einmal in der Geschichte auftritt, sondern immer wieder, dass der Mensch im letzten nicht belastet sei, dass also der Mensch im letzten frei sei, dass also keine Erbsünde es gebe, dass der Mensch im letzten, im Entscheidenden hinsichtlich des Zugangs zu Gott nicht eingesperrt ist dadurch, was dem Urmenschen, vom Ursprung aus, im Ursprung des Menschen aus an Fall, an Abfall geschehen ist. Diese Auffassung entspricht zweifellos der jüdischen, wie überhaupt einmal man die Geschichte des Christentums und seiner Sekten daraufhin ansehen sollte, auf jenes – ich möchte sagen – geheime Zwiegespräch hin, die durch die Zeiten, wenn auch mit abgewandten Gesichtern und ohne Bewusstsein der beiden Partner zwischen Judentum und Christentum geführt werden. Es gibt nicht bloss den Gegensatz, es gibt je und je im aufbrechenden Christentum selbst das auf das Judentum, ohne es zu wissen und zu wollen, auf Israel, ja auf das Alte Testament zu spricht, hinsichtlich eben dieser Frage, die uns hier beschäftigt oder hinsichtlich der Frage des messianischen Reiches und noch manches andere. Dazu gehört zweifellos diese Grundanschauung, von der wir hier sprechen. Nur eine Einschränkung ist da wohl zu machen. Dieser Pelargianismus tritt auf als eine dogmatische Setzung, die sich gegen die dogmatischen Setzungen stellt und mit ihnen kämpft. Infolge dessen

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hat sie eine gewisse Abstraktheit. Im Judentum ist hier zweierlei da: Ueberlieferung, also nicht eine dogmatisch sich abhebende Auffassung, sondern eine kontinuierliche Ueberlieferung – und eine Konkretheit. Es ist keine dogmatische Setzung, sondern eingespannt in das ganze gelebte Leben. Und damit hängt zusammen, dass es nicht im Judentum eine flach optimistische Auffassung ist, wozu der Pelargianismus neigt, sondern schon eine mit der ganzen Kenntnis der Wirklichkeit beladene, mit der ganzen Kenntnis um die eigene Wirklichkeit, um die eigene, die immer wieder erfahrene, aber niemals grundsätzliche, niemals absolut werdende Vergeblichkeit menschlichen Tuns, also die Erfahrung, die der Mensch mit sich macht, steht mit darin, aber diese Erfahrung wird nicht zu einem Dogma, nicht zu einem Begriff, nicht zu etwas Absolutem. Und ihr Gegensatz wird auch nicht zu etwas Absolutem. Weder die Erfahrung noch die Ueberwindung der Erfahrung in dem Wissen um die Verbundenheit mit Gott nimmt den Charakter des begrifflich Absoluten, des dogmatisch Ausgemünzten an, sondern beides gehört zusammen, in der Wirklichkeit, die gewusst und angenommen wird, und in der Erfahrung selbst, in der Erfahrung kostet der Mensch nicht bloss seine Ohnmacht, – er kostet auch seine Ohnmacht, er weiss, wie das ist – aber nicht bloss seine Ohnmacht. Die Erfahrung, die Wirklichkeit, die der Mensch erfährt, heisst nicht Entweder-oder, das ist keine Begrifflichkeit, ist keine Dogmatik, die beherrscht wird von einem logischen Gesetz, von einem Satz von Widersprüchen: entweder so oder so, sondern es sind die Gegensätze beieinander und dies Beieinander und Ineinander der Gegensätze ist Eigenschaft Gottes und Eigenschaft unseres gelebten Augenblicks. Dieses Wissen, beides zusammen, um das Frei- und Unfreisein in einem, um die Belastung und um das Loskommen von der Last, mit anderen Worten das Wissen um die Erlösung, die sich im Augenblick begibt zwischen Gott und Mensch, um die Erlösung als Faktor unseres Lebens, unserer Lebensstunde, um die Stunde, wo wir erfahren, wie bedrängt, wie gebrochen wir sind, und diese selbe Stunde führt uns, kann uns führen ins Ungebrochene und Freie. Also dieses beides zusammen, diese Konkretheit, diese Sinnlichkeit, wenn Sie wollen, das die Logik nicht kennt und also auch die Theo-Logik nicht kennt, dass Gott der Logik nicht unterworfen ist und also auch ich in meiner Verbundenheit mit Gott nicht der Logik unterworfen bin und nicht so auseinanderbreche in diesem und jenem Begriff, dass es nicht eine Entscheidung zwischen Determinismus und Indeterminismus, zwischen Erbsünde und Sündenlosigkeit gibt, sondern es gibt immer diesen konkreten, widerspruchsvollen, ganz und gar Widerspruch seienden Menschen, der als solcher mit Gott, dem Erlöser, verbunden ist. Von da aus ist es zu ver-

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stehen, ich habe schon vorigesmal darauf hingewiesen, dass es möglich war, im Judentum möglich war, immer wieder von der Sündenfreiheit dieses oder jenes vergangenen Menschen zu reden, etwa von der Sündenfreiheit der Väter. Solche Aeusserungen, die scheinbar unerlaubt sind, wie z. B.: die ersten Väter, in ihnen waren nicht Verfehlungen und nicht Sünde, sagt Rabbi Elieser, oder in einem anderen Midrasch ein Schüler von ihm: Wenn dich einer fragen sollte, ob Adam ewig gelebt hätte, wenn er von dem verbotenen Baum nicht gegessen hätte, sage ihm, da Elia ewig lebt, wäre es Adam ebenso gegangen. Was heisst das? Kann man von einem Menschen sagen, dass er nicht gesündigt habe, ist es nicht eine blosse Sache, ein wirklichkeitsloses, also leichtfertiges Reden. Ich glaube, dass solche Aeusserungen ihre Beglaubigung und Ermächtigung darin tragen, dass der Mensch im ganzen gewiss sündig ist, aber nicht im Sündenstand, sondern je und je Sünde tut, aber nicht im Sündenstand ist, dass es keinen Sündenstand gibt, in den der Mensch unweigerlich und unausweichlich hineingeboren würde. Unserem Glauben nach ist die Sünde je und je das, was getan wird, nicht das, worin man steht, was einen umfängt und zwingt. Und darum, da der Mensch dies weiss, wenn auch nur punkthaft, nicht dass er sagen könnte von irgend einem Augenblick seines Lebens, dass er da nicht gesündigt habe, aber da der Mensch weiss, dass es das Loskommen von der Sünde gibt in der Tatsächlichkeit des gelebten Lebens, nicht als einen Besitz, etwas, das man verzeichnen kann, jetzt war es so, sondern in jenem schwebenden, besitzlosen, nicht zu verzeichnenden, in jenem, ja Stande, wo der Atem versagt, wo der Mensch nun sich ganz gewiss nicht als ein Objekt hat, das man überschauen kann, also im Augenblick, der nur mit Furcht und Zittern zu fassen ist, wo der Mensch erfährt, nicht, dass es Sündenlosigkeit, aber dass es ein Loskommen von der Sünde gibt. In dieser erlebten Wirklichkeit ist es begründet, dass so von Menschen geredet wird, dass also der Mensch sein Wissen um diese Möglichkeit so in der Gestalt von Menschen schaut. Und daher ist es auch, wie mir scheint, rechtmässig, wenn je und je von der Möglichkeit der Sündenfreiheit gesprochen wird, z. B. einmal in einer Deutung zu jenem Wort des Predigers Salomo: es ist eine Zeit geboren zu werden, und eine Zeit zu sterben – da wird gesagt: Glückselig der Mann, dessen Todesstunde wie seine Geburtsstunde ist, rein. Schon dass man das wagt, vom Menschen zu sagen, dass es möglich ist, das Ende, die wirkliche Todesstunde so zu fassen, – oder wenn zu einem anderen Satz desselben Predigers Salomo, nämlich zu dem Satz: Und der Geist kehrt zurück zu Gott, der ihn gegeben hat, bemerkt wird: wie er, der Geist, der in Reinheit gegeben worden ist, so gib auch du ihn in Reinheit zurück. In einem anderen agadischen Text wird es etwas an-

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ders gefasst. Da heisst es: wenn der Geist rein und lauter und heilig ist, wie er gegeben worden war, dann kehrt er zu Gott zurück, also erst dann kann der Geist wirklich zu Gott zurückkehren. Ich sage, diese Dinge sind nicht Phantasien, das ist nicht etwas, was sich hinwegsetzt über die Tatsache der menschlichen Sündigkeit, sondern das ist diese grosse Konkretheit, die den Menschen immer wieder berührt: man darf auch die Sünde nicht verabsolutieren, man darf auch aus der Sünde nicht einen Widergötzen, einen Teufel machen. Sie ist, was man tut, aber nicht etwas, worin man versenkt, worin man verhaftet ist, sondern sie ist das Hindernis, das Gott einem schickt, damit man es überwinde. Womit nicht gesagt wird, dass es nicht der Mensch selbst ist, der sündigt. Aber die Versuchung, das ist nicht etwas, was von hier kommt, von einer widergöttlichen Macht kommt, sondern Gott schickt den Menschen auf seinen Weg aus und wodurch? durch das Hindernis, durch die Versuchung. Ich sagte schon, ich habe etwas weiter ausholen müssen, als ich zuerst vorhatte, um diese Dinge zu klären, wie es sich hier aus manchen Fragen als notwendig ergeben hat. Ich sagte schon, wir müssen einerseits von der talmudischen Lehre und andererseits zurückgehen auf das, was wir von den letzten vorchristlichen Jahrhunderten und von den Jahrhunderten der Entstehung des Christentums selbst von jüdischer Lehre wissen. Wir haben auf der einen Seite diese frühchristliche entscheidende paulinische Lehre von dem Verfangensein des Menschen in ein Gesetz, das er nicht anerkennt, dieses, dass der Mensch das tun muss, was er nicht will und das nicht tun kann, was er will, dass er einem Widergesetz verfallen ist. Auf der einen Seite diese Lehre von eben diesem Dualismus, den der Mensch aus eigener Kraft auch nicht zu besiegen anfangen kann, und das ist ja unsere ganze Lehre, nur vom Anfang und nichts mehr, auch nicht zu besiegen anfangen kann, sondern das besiegt werden kann nur durch den Anschluss an das Göttliche selbst in der Gestalt Christi, also es ist gleichsam eine Abdikation, die hier ausgesprochen wird hinsichtlich eben dessen, was in unserer Lehre immer wieder gefordert und als möglich erklärt wird, dass es ein Anfangen vom Menschen aus im äussersten Ernst gebe. Also auf der einen Seite die paulinische Lehre, dass eine Ueberwindung dieses Dualismus durch den Anschluss an Christus, in dem allein Erfüllung möglich und wirklich ist, erfolgen kann, auf der anderen Seite die talmudische Lehre von den beiden Jezerim, wo die Einbildsamkeit zum Bösen eben ist, woraus wir das Gute zu machen haben, indem wir dieser Kraft, dieser Leidenschaft, die Richtung auf Gott verleihen, also so, dass das Böse eben nichts anderes hier ist als die richtungslose Kraft, die Kraft, die die Richtung nicht angenommen hat, die sich weigert, die in ihrer Verstockung verharrt. Ich sage, von diesen beiden Leh-

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ren gehen wir zurück auf die letzten vorchristlichen Jahrhunderte zunächst und fragen: woher, wie war da die Frage gestellt? Nun, aus der vorchristlichen Zeit haben wir zunächst zu Beginn des 2. Jahrhunderts etwa Jesus Sirach, den wir jetzt auch hebräisch haben (früher kannten wir ihn nur griechisch). Da wird zunächst der Fall des ersten Menschen Ernst genommen, also das, was die Bibel darüber sagt, davon wird wirklich ausgegangen. Ich betone das deshalb, weil wir dann sehen werden, dass es noch einen anderen Ausgang gibt, nämlich in jenem Henochbuch wird nicht von dem Fall des Menschen ausgegangen, sondern von dem Fall jener Gottessöhne, die sich mit den Töchtern des Menschen vermischt haben, und durch die nun gleichsam ein kosmischer Fall erfolgt ist. Aber im allgemeinen, jedenfalls hier, wird durchaus von der biblischen Erzählung des Falles der ersten Menschen ausgegangen, in dem es ja heisst: Von dem Weib ist der Anfang des Falles und ihretwegen vergehen wir mitsamt. Als man nur den griechischen Text kannte, hiess es: Ache, und man nahm an, dass das eine Uebersetzung des hebräischen Wortes Ursache ist, von dem Weibe komme die Ursache der Verfehlung, und man hat dann verstanden, dass die Verfehlung, die Sünde, eine Folge ist eben dessen, was damals geschah, dass es also eine Erbsünde gibt, während in Wirklichkeit es nicht heisst rechit, sondern tehilla, und das bedeutet Anfang und nicht Ursache. Das zweite Satzglied hat wohl ursächlichen Sinn, aber es ist: ihretwegen vergehen wir mitsamt, d. h. dass jene Sünde die Ursache des Todes als Strafe ist (25,24. Nun 15,14 Gott, von Anfang an schuf er den Menschen und er setzte ihn in die Hand (gab ihn in die Hand) dessen, der ihn (wir könnten sagen räuberisch) misshandelt. Er gab ihn in die Hand seines Jezer, jenes Gebildes von Vorstellungen, Eingebungen, Wünschen, die je und je im Menschen aufsteigen, jenes Wirbels, der, solange der Mensch ihn nicht durch die Richtunggabe bezwingt, das eigentliche Bild des Bösen – und da heisst es weiter: wenn du willst, wie wahrst du das Gebot, und du hast die Einsicht – eigentlich: du unterscheidest seinen, Gottes Willen zu tun. Also das bedeutet, dass der Mensch zwar in die Hand des Jezer gegeben ist, aber von Gott in die Hand des Jezer gegeben ist, und zwar, damit er, wenn er will, den Willen Gottes tue. Wenn er es verlangt, wenn das Verlangen, nämlich zur Richtung, in ihm stark ist, dann er, der in die Hand des Jezer gegebene Mensch Gottes Willen wirklich zu tun vermag. Sie sehen also hier dass die Voraussetzungen der talmudischen Lehre, deren literarische Dokumente erst einige Jahrhunderte später sind, schon eindeutig gegeben. Ich möchte nun das nächstemal dies noch weiterführen, um den Punkt festzustellen, jedenfalls zu versuchen, den Punkt festzustellen, wo die Wege sich scheiden, und dann möchte ich von da aus die Frage stellen,

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die ja für uns entscheidend ist: was bedeutet von da aus, von dieser Konzeption der Sünde aus, Erlösung, wie steht es von da zwischen Gott und Mensch, was bedeutet Reinigung von Sünde, wer reinigt, reinigt der Mensch sich, reinigt Gott den Menschen? Welche Bedeutung hat das Handeln des Menschen für das, was zwischen Gott und Mensch geschieht, kann man hier von Erlösung sprechen? Ist das eine einmalige Erlösung, in der Geschichte, Aufbruch zu einer unbedingten Zäsur, oder ist es eine Erlösung, die sich überall und immer vollziehen will, und endlich, welche Bedeutung hat für diese Erlösung die Vorstellung eines Mittlertums? Gibt es in der jüdischen Glaubenswirklichkeit diese Vorstellung und in welcher Weise, in welchen Grenzen? Und dann werden wir erst von da aus nun die Frage, mit der wir begonnen haben, welches ist der jüdische Glaube an die Erlösung, wie ist er beschaffen, wieder aufnehmen und vielleicht beantworten können. VII Ich hatte das vorigemal davon angefangen, Ihnen zu zeigen, wie die talmudische Konzeption, die klassische Konzeption des Judentums von den zwei Jezerim, ihrem Verhältnis zueinander, ihrem Streben nach der Einung der beiden, also die Lehre, die der paulinischen Lehre von dem Sündenstand, von dem Verfallensein an die Sünde, aus der nur der Anschluss an den Christus lösen kann, aufs entschiedenste entgegen, widersteht, ich sage, ich habe zu zeigen versucht, wie diese Lehre schon lange vorher, schon ein paar Jahrhunderte vor der Entstehung des Christentums sich deutlich zeigte eben in jenen Sprüchen Jesus Sirach, die schon den Grundzug dieser Lehre deutlich ausgebildet zeigen. Ich möchte Sie nun hinüberführen in die Zeit vor der Entstehung des Christentums, in das letzte vorchristliche Jahrhundert und dann in das erste nachchristliche, jene Zeit, wo es sich wog, wo das Neue sich ankündigte und dann kämpft und sich zunächst noch mit recht schwerem Ringen durchsetzte. Es ist die Zeit, in der, wie man zu sagen pflegt, eine Welt, die Welt der Antike zerfällt so sagt man es gewöhnlich. Mir scheint das nicht die richtige Charakteristik zu sein, denn die Welt, die sachlich schon zerfallen ist, ist nicht die Welt der Antike, sondern die Welt der vorderasiatischen Religionen, die vorderasiatische Kultur und die von ihr ausgebildeten, späten, schon in ihrem Verfall noch seltsam aufblühenden Gebilde der Mysterienkulte, die ganze Welt, die vorderasiatische ganze Welt, die zerfällt. Die Antike ist durchaus nicht in diesem Augenblick dem Untergang geweiht; es gibt eine sehr wichtige und wesentliche Zeit der Antike in eben

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ihrer späten Entwicklung in den ersten christlichen Jahrhunderten. Das, was zerfällt, ist diese seltsame Substanz, die noch von den alten vorderasiatischen Kulturen, von der ägyptischen, von der babylonischen Kultur übrig geblieben ist, und ihre letzten grossen Werte, die iranische Kultur, die iranische Religiosität. Von da aus gehen jene seltsamen Keime, die nun aus dieser zerfallenden Welt herüberstürzen in die Welt des werdenden Christentums, und da nun wachsen, da auf jüdischem Boden, aus jüdischen Elementen neu gedeihen, neue Gestalt annehmen. Es ist nun ganz besonders hier, wenn wir dies verstehen wollen, wie auf dem Boden des Judentums die Lehre von einem Verfallensein an die Sünde, von einer dämonischen Welt, die der Sünde obwaltet, die uns durch die Sünde beherrscht, ich sage, diese eigentümliche Lehre, die, wie ich gezeigt habe, im Judentum selbst keine eigentliche Voraussetzung hat, die ist nur daraus zu verstehen, nicht etwa, wie man es manchmal zu erklären versucht, wie man sich das frühe Christentum zu erklären versucht, aus der Welt des sogenannten Hellenismus, wenn man damit eine späte Entwicklung des Griechentums meint, sondern das, was da in diese wirklich jetzt in Frage gestellte, in ihrer innersten Existenz in Frage gestellte jüdische Welt hineinstürzt, das ist eben jene iranische, nicht griechische, sondern iranische Grundlehre, nicht die griechische philosophische Lehre von einer Zweiheit von Geist und Stoff, davon ist nicht die Rede, sondern die iranische Lehre von zwei Mächten, die einander gegenüberstehen, Licht und Finsternis, und zwischen denen, über den ganzen Weltraum ausgespannt sich das grosse Schauspiel ihres Kampfes bis hin in den letzten Sieg des Lichtes über die Finsternis vollzieht, sodass sie beide Geschöpfe in diesem Raum erschaffen, an denen sie Werkzeuge ihres Kampfes haben, Geschöpfe, die ihren Kampf mitkämpfen sollen, und in der Mitte dieser Geschöpfe steht dieser Mensch, der aufgeteilt ist und sich zu entscheiden hat, ob er die Sache des Lichtes gegen die Finsternis oder umgekehrt kämpfen will, der angefallen wird von der Finsternis aus, wenn er sich für das Licht entscheiden will, all die Uebel, all die Krankheiten sind nichts anderes, als ein solcher Angriff von der Finsternis aus auf den Menschen. Diese iranische Lehre des religiösen Dualismus, nicht des philosophischen oder metaphysischen (der religiöse Dualismus wird daran erkannt, dass die eigentliche Teilung durch die Menschenseele geht, der eigentliche Widerstreit zwischen den beiden Mächten sich im Menschen selbst abspielt). Das hat der griechische Dualismus nie konzipiert. Diese iranische Vorstellung von der aufgeteilten Seele, Schauplatz des Kampfes zwischen den beiden Mächten ist, diese Lehre ist es, die hier nun diesen Boden jetzt angrenzt, auf dem der Glauben an die Einheit, an den einen Gott gewachsen ist, der Glaube, der sich in dem deutero-

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jesajanischen Text in der Zeit, wo das Persertum für das Judentum historisch gewichtig zu sein beginnt, diese jüdische Lehre, die sich in der Zeit des Persertums erwehrt in der Verkündung, dass Gott, der eine Gott es ist, der das Licht und die Finsternis gemacht hat, das Gute und das Böse geschaffen hat, also auf diesem Boden, um diesen Glauben an die Einheit, die lebendige Einheit Gottes gediehen ist, auf diesem Boden kämpft nun die persische Zweiheitslehre an, von da aus, von diesem Kampf aus, von dem, was daraus wird, ist das werdende Christentum zu verstehen. Es geht hier nicht um Judentum und Griechentum, sondern um jüdischen und persischen Glauben. Und nun, dieser Kampf sagt sich freilich schon vorchristlich an. Er sagt sich zunächst an bei den Propheten, bei den nachexilischen Propheten in dieser Abweisung des Dualismus. Aber er sagt sich in der nachprophetischen Zeit, in der Zeit der Erschütterung, des in Frage Gestelltseins daran an, dass in denselben Schriften, denselben Menschen beides bei einander steht, eine innere Auseinandersetzung sich vollzieht, ein Kampf, der keinen Ausgleich und keine Austragung findet. Wir sehen nur die beiden Elemente mit einander ringen. Das sind die eigentlichen apokalyptischen Schriften des Judentums und nebenbei gesagt, die Apokalypse, mit der das Neue Testament endet, ist nur eine solche jüdische apokalyptische Schrift in christlicher Umarbeitung. Wenn wir diese apokalyptischen Schriften ansehen – eines muss uns zunächst ganz deutlich sein. Es sind keine prophetische Schriften. Sie unterscheiden sich von den Propheten dadurch, dass hier nicht mehr wie bei den Propheten ein Mensch in einer ganz bestimmten Situation mit einem Ruf an die Situation, auf die Situation hin zu einem bestimmten Kreis von Menschen redet und zwar so zu ihnen redet, dass er sie auf die Entscheidung führe, die Entscheidung fühle, auf die Entscheidungsmächtigkeit dieser gegenwärtigen Situation verweist. Das ist der prophetische Mensch, der so redet, der also diese Menschen jetzt und hier darauf hin anredet: es ist von Gott aus mit in eure Macht gestellt was geschehen soll. Das, was geschehen soll, ist nicht über euren Kopf festgelegt, das steht nicht auf einer Rolle, die nunmehr abrollen wird, und deren Abrollung die Geschichte des nächsten Jahrzehnts oder Jahrtausends bedeutet, sondern jetzt, in diesem Augenblick entscheidet sich in aller Wahrheit (so geheimnisvoll tönt der Wille Gottes) es ist in eure Entscheidung gestellt, wann ihr von eurem Sichverlaufenhaben umkehrt. Kehrt eben um in der Wirklichkeit der Geschichte, dann geschieht etwas anderes, als es sonst geschehen wäre. Es ist also Wirklichkeit zwischen Gott und euch. Ihr seid nicht eine Fiktion und Gott die Wirklichkeit, sondern Gott hat euch zu einer Wirklichkeit delegiert, abgesandt, ermächtigt. Ihr könnt, von euch geht Bewegung aus, es gibt wirkliche Ur-

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heberschaft in euch. So seid ihr eingesetzt. Also dieser Glaube an das Geschehen, dieser Glauben an die Zukunft in Zusammenhang mit der menschlichen Entscheidung, von da aus sprechen die Propheten, d. h. sie nehmen den Augenblick ganz ernst, sie lassen sich auf keine Ewigkeit auf Kosten des Augenblicks ein. Ganz anders die Apokalyptiker. Sie »enthüllen« etwas was zugedeckt ist. Die Zukunft steht fest. Sie sprechen auch nicht zu bestimmten Menschen, die sie anzurufen, aufzurufen haben, sondern sie sitzen am Schreibtisch und schreiben Fragen etwa auf, Unterredungen, die sie mit Engeln und sonstigen höheren Wesen geführt haben, und erzählen, welche Fragen sie ihnen vorgelegt haben und welche Antwort die Engel gegeben haben, und aus allem ergibt sich, dass irgend etwas unabänderlich feststeht, abgewickelt wird, und, ich brauche es kaum zu sagen, wo die Vorstellung da ist, dass etwas unabänderlich feststeht, ist immer ein Untergang, der feststeht, immer ein Zerfall, der feststeht. »Der Aeon eilt mit Macht zu Ende«. Dieses Zerfallen ist notwendigerweise das, was feststeht, es kann nichts anderes feststehen. Nun aber ist das merkwürdige das, dass dieses Zerfallensein (natürlicherweise stellt es sich als ein solches Verfallensein dar) ein solches Verfallensein in die Macht des Uebels und damit zusammenhängend in die Macht der Sünde. – Es kann ja nicht bloss sein, dass der Mensch etwa selbst als rechtmässig verbliebe in der zerfallenden Welt, sondern der Zerfall geht natürlich ihn selber an, er selbst zersetzt sich, sonst wäre das Bild nicht vollständig, es muss bis ins Innerste gehen, also die Sünde. – Es ist nun merkwürdig, dass diese Lehre, die überall von dieser altpersischen Zweiheitslehre gesetzt ist, dass es eine Macht des Bösen gibt, es ist merkwürdig, dass diese Lehre sich in keiner dieser Schriften eindeutig durchsetzt. Ueberall kämpft sie mit der überlieferten jüdischen Vorstellung von der Entscheidungsmächtigkeit des Augenblicks, dass immer noch vom Menschen aus etwas Entscheidendes geschehen kann, dass noch das Ziel nicht verloren ist, obwohl es aussieht, als ob es verloren wäre, d. h. der prophetische Funken lebt in dieser widerprophetischen Welt immer noch fort, obwohl diese Menschen, die Apokryphiker es garnicht mehr wahr haben wollen, sie können nicht loskommen vom Glauben an den Augenblick und seine Entscheidungsmacht, und darum können sie nicht die Sünde schlechthin als widergöttliche Gewalt gleichsam auf derselben Ebene wie das Göttliche stehend auffassen. So geht es nun um das werdende Christentum. Ich will ihnen nun ein paar Beispiele geben aus einigen dieser apokryphischen Schriften. Ich sagte schon, ich möchte mich hier darauf beschränken, die Linie durchzuführen, die auf Adam zurückgeht, die die Sünde zurückführt auf eine Sünde der ersten Menschen, nicht auf die

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Sünde irgendwelcher übermenschlichen Wesen. Das ist eine andere Sünde, die Sünde von Engeln, die irgend eine kosmische Sünde begangen haben, ich möchte mich begnügen, die deutlichere Linie von dem ersten Sündenfall aus zu verstehen, denn nur auf dieser Grundlage können wir die christliche Lehre richtig verstehen. In der Apokryphe des Mose (?) ist es deutlich dass die Sünde eine deutliche Folge auf die Nachzeit hat, wenn Eva spricht »alle Sünde ist durch mich entstanden«. Das ist einfach zu verstehen, aber es ist keine Lehre des Sündenstandes. Es bedeutet nicht, dass der Mensch unter einem Zwang zur Sünde steht. Gerade dieser Schritt wird niemals eindeutig getan. Ich will zwei apokryphische Schriften Ihnen anführen, wo dieses Ringen ganz deutlich wird, beide aus dem ersten nachchristlichen Jahrhundert, aber wir haben auch in früheren Schriften ähnliches. Syrische Apokryphen (?): Da ist etwas: Jener, der anzündete, der das Licht anzündete, hat von dem Licht genommen, d. h. er hat das göttliche Licht wirklich angenommen, das er anzündete, und wenige waren es, die ihm glichen. Jene vielen aber, denen er anzündete, haben von der Finsternis Adams genommen und sich nicht erfreut am Scheine der Leuchten. Das Licht der Thora ist das wirkliche Gotteslicht, aber nur wenige nahmen es wirklich an. Es gibt aber dieses wirkliche Annehmen, nur das Uebel ist, dass es nur die wenigen waren, die vielen aber beherrschen die Geschichte. Sie sehen, das radikalere Mass wird ferngehalten. Von Adam heisst es: Man könnte nun meinen, dass diese Finsternis Adams über diesem Fall liegt, aber man darf es auch nicht so fassen, als ob es ein Bestimmtsein von daher sei. In einem unüberbietbar deutlichen Satz heisst es: denn wenn auch Adam zuerst gesündigt und den Tod über alle gebracht hat, haben doch auch die, welche von ihm abstammen, ein jeder von ihnen sich selber die künftige (Quelle bedeutet …) ein jeder von ihnen sich selber die künftige ? erwählt. Man steht gleichsam unter dieser Wolke Adams und dennoch ist jeder in die Entscheidung gestellt. So ist denn nur für sich selbst allein Adam die Ursache, wir alle aber, ein jeder wurde für sich selbst der Adam. Und nun scheint es dem zu widerstehen, wenn im selben Buch es heisst: O Adam, was hast du allen angetan, die von dir abstammen, dass alle diese Menge ins Verderben geraten ist und die nicht zählbar sind, welche das Feuer frisst. Sie sehen: eine andere Auffassung, und dennoch nicht so, dass der Widerstreit nun wirklich ausgetragen würde. Und diese andere Auffassung wird nicht extrem. Oder, wenn es heisst: Als nämlich Adam gesündigt hatte, entstand plötzlich der Tod, geschah Kinderempfang, geschah Erzeugerbrunst, sank ein die Menschheit Höhe, verdorrte die Güte. In all dem werden die Folgen der Ursünde ernst genommen, aber diese Folgen sind eigentlich nur eine

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Strafe, aber sie sind nicht das Verhängnis eines Sündenstandes, die unmöglich machten, sich zur Wahrheit, zu Gott, zum Guten zu entscheiden. Es ist eine schwermütige Frage, dieses Beieinander, dass das eine das andere hindert und dennoch sich nicht zur völligen Konzeption auswächst. Noch schärfer vielleicht ist der sogenannte Esra-Apokryphiker, das sogenannte 4. Buch Esra: Du aber nahmst das böse Herz nicht von ihm, dass dein Gesetz ihn in ? brachte, denn da er ein böses Herz in sich trug, verging sich der erste Adam und ward besiegt und ebenso alle, die von ihm erzeugt worden sind. Eine dauernde Krankheit entstand. Man kann es auch verstehen: die Krankheit wurde dauernd im Herzen des Volkes, das Gesetz zusammen mit der Bosheit die Wurzel, das Gute entschwand, und das Böse verblieb. Sie sehen also, es kommt der paulinischen Konzeption sehr nahe und tut dennoch den eigentlichen Schritt nicht. Gott wird angeklagt, dass er das böse Herz nicht von den Menschen genommen habe. Es ist anstelle jener Lehre von der Gnade des Schöpfergottes, der in uns den Jezer des Guten und den Jezer zum Bösen hineingelegt hat als die eigentliche Aufgabe, als die Substanz, aus der wir erst den Menschen zu bilden haben. Im Gegensatz dazu hier das böse Herz, das Gott in uns hineingelegt hat und das dem Schöpfer vorgeworfen wird, und das Gesetz hilft darüber deshalb nicht weg, weil das böse Herz ihm widersteht. Und dennoch, der Schritt wird nicht getan, anzunehmen, dass dies unbezwinglich sei, wir sind behindert, wir sind gehemmt, wir sind krank, aber es ist nicht unheilbar, es steht sehr schlimm um uns, wir sind dem Tode nahe, aber wie auch bei sterbensnahen Menschen es wohl einen Augenblick geben mag, wo es gleichsam in ihre Macht gestellt ist, ob sie sterben wollen oder nicht, gleichsam als ob es noch einen Moment gäbe, wo der Mensch sich entweder fallen lassen kann, und dann fällt er, oder auch doch noch beharrt und dann geschieht ihm etwas und er wird begnadet und empfängt eine Kraft, die er eben vor dem Augenblick noch nicht hatte, so auch hier. Also es wird immer wieder darauf hingewiesen, wie schwer die Last ist, denn ein Korn bösen Samens ward am Anfang in Adams Herz gesät und wieviel Sündenfrucht hat es bisher erzeugt und wird weiter erzeugen, bis die Tenne kommt. Also Sünde, die wieder Sünde erzeugt, aber auch diese Sünde kein Verhängnis. Ich will Ihnen zeigen, wie weit dieser Mensch sich verloren gibt. Beinahe ganz. O Adam, was hast du getan, denn obgleich du es bist, der gesündigt hat, ward doch der Schaden nicht deiner allein, sondern auch unserer, die wir von dir stammen, denn was nützt es uns dass uns verheissen ist unsterbliche Welt, wir aber sterbliche Werke getan haben. So in der Verzweiflung steht dieser Mensch. Aber nun eben derselbe Mensch, hier handelt es sich geradezu um dasselbe Kapitel, sodass keine

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andere Autorschaft angenommen werden kann, derselbe Mensch empfängt die Antwort des Engels in den Worten: Dies ist der Sinn des Kampfes, den der erdgeborene Mensch kämpfe, dass, wenn er unterliegt, er leide, was du gesagt hast, doch wenn er siegt, er empfange, was ich gesagt habe. Denn dies ist der Weg, davon Mose geredet hat, erwähle dir das Licht, auf dass du lebest. Sie sehen: mitten aus dieser Verzweiflung, aus diesem Aufgeben der Entscheidung steigt nun eine Verheissung, eine Ansage auf, die die jüdische Lehre selbst, den Glauben an die Tat und an die Zukunft ausspricht. Also trotz all der Last, trotz allem, dass es so mit uns steht, dass wir so hineingeworfen sind in das Uebel, auch jetzt noch gibt es ein Siegenkönnen im Kampf, wenn der Kampf wirklich gekämpft wird. So unüberwindlich ist auch jetzt noch am Rande des Judentums der jüdische Glaube. Was also bedeutet von da aus die Entstehung des Christentums, was bedeutet von da aus die paulinische Lehre von der Sünde? Ist es nun einfach lediglich dies, dass dieser Schritt, der hier noch nicht getan ist, da getan worden ist? Der Schritt des Verzweifelten noch etwas weiter? Eben doch nicht. Ist das, dass Paulus es wagt, es in sich selber wagt, diesen Schritt zu tun, nach jener altpersischen Zweiheit, nach jener Gegensätzlichkeit hin, nach jenem Satan hin, der der Gott dieser Welt ist, nach jenem Preisgegebensein, jenem Verfallensein unter die Sünde hin, die man nun schlechthin tun muss, gleichviel, was man tun will, das geschieht von einem anderen Standort aus. Wenn etwa in einer Schrift des Anfangs wohl des 2. christlichen Jahrhunderts, in dem sogenannten Hirt des Hermas die Lehre von den zwei Jezerim in Gestalt einer Lehre von der bösen Begierde und einer guten Begierde auftaucht, und die böse Begierde eine Tochter des Teufels genannt wird, ein Ausdruck, der in der ganzen biblischen Literatur völlig undenkbar ist, so ist dieses Ernstnehmen des Teufels nicht mehr als eine Verkleidung, als eines Dieners Gottes, sondern als des Gegenüberstehenden, als dessen, dem man nun wirklich durch Gott den Menschen loskaufen muss, der ein Anrecht, eine Verbriefung hat gegen den Menschen, diese Verbriefung der Macht Gottes gegenüber, der auf sein Recht pocht, ich sage, dass hier dieser Schritt zu diesem Satan hin getan ist, das geschieht ja nicht von der Verzweiflung aus, die Verzweiflung tut diesen Schritt nicht, sondern das geschieht von da aus, von was aus Paulus redet, und die christliche Theologie hat recht, wenn sie darauf hinweist, dass Paulus das, was er sagte, von dem Glauben an die gekommene Erlösung aus sieht, dass er diese Verzweiflung, dieses Aeusserste der Verzweiflung erst von dem Glauben an die gekommene Erlösung aus fasst und ausspricht. Dies eben tut nicht der Verzweifelte, sondern der aus der Verzweiflung Gelöste, d. h. der Mensch, der an die

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geschehene einmalige, den Menschen loskaufende, die Weltgeschichte entzweibrechende Erlösung glaubt, der erst formuliert die Verzweiflung radikal, der erst vermag, jedenfalls auf jüdischem Boden, den letzten Schritt zu tun und zu sagen: Satan, im Ernst, Macht des Bösen, Sündenstand unüberwindlich usf., weil er sich als den davon Erlösten ansieht, von diesem Standort des Erlöstwordenseins aus wagt er die letzte Finsternis auszusprechen, eben als der ihr Enthobene. Das ist, so scheint mir, der Hintergrund dieses paulinischen Dämonismus. Wir haben also auf der einen Seite die jüdisch-prophetische Lehre in dieser Ausgestaltung der Lehre von den zwei Jezerim, also das, was man für Dämonie hält, nur ein seltsames, ein erhabenes Spiel Gottes mit dem Menschen, ein ernstes Spiel, dazu getan, um den Menschen dahin zu tragen, wohin er kommen soll, und auf der anderen Seite der Glaube an eine Gott gegenüberstehende Macht, sei es durch menschliches Tun irgendwie unbegreiflicherweise ins Leben gerufen, sei es von urher seiend und den Menschen verführend. Diese beiden stehen so nun gegen einander. Ich möchte eines noch deutlich machen: das Judentum glaubt, das haben wir gesehen, an den Einfluss der Busse, in seiner klassischen Lehre glaubt es daran, dass eben dem ersten Menschen das Urlicht erschlossen war. Dass damals jenes erste Licht des ersten Schöpfungstages, ehe Sonne und Mond und Sterne geschaffen worden, dass das Urlicht dem Menschen leuchtete und der Mensch von einem Ende der Welt bis zum anderen schaut, und dieses Urlicht wurde dem Menschen genommen, als er sündigte. Es geht manchmal soweit, dass gedeutet wird, die obere Gewalt sei geschwächt worden durch die Sünde, aber niemals ist doch diese Lehre zu der Vorstellung eines Zwanges, eines nun nicht mehr anders Können des Menschen, also niemals verdichtet sie sich zur Vernichtung des Augenblicks. Der Augenblick, das, worauf das Judentum, der jüdische Glaube steht, die Echtheit, die Zuverlässigkeit, die Wirklichkeit des geschehenden Geschehens des Augenblicks jetzt und hier wird nicht angetastet. Wie schlimm es auch steht, auch jetzt noch ist das Wirkliche wirklich, entscheidet es sich, gilt die Entscheidung, geschieht das, was geschieht, in aller Wirklichkeit, in aller seiner Wirksamkeit, in der Wirklichkeit seines Wirkens in die Zukunft hin. Und dieses nun, dass es dieses Können des jüdischen Glaubens, das also dem werdenden Christentum widersteht, zunächst, nicht wahr, in dieser seltsamen Auseinandersetzung und sich nicht auseinander setzen Können der Apokryphen, dann aber in der deutlichen Setzung der talmudischen Lehre gegen die iranische, gegen die gnostische, gegen die christliche, deren Dogmatik sich letztlich eben, was das allereinfachste des Menschen die ernste Wirklichkeit des Menschenlebens angeht und was gemeint ist, wenn man von der

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Umkehr spricht – Sünde, wir sehen es, ist vom jüdischen Glauben aus gesehen ein Wirbel, ein sich in sich Verlaufen, ein die Richtung nicht Finden, wer umkehrt, wer aus diesem Wirbel heraus findet auf den Weg, wer die Richtung gewinnt und sich auf sie begibt, wer also umkehrt (das heisst nicht von einem Weg, den man von da aus gegangen ist, auf einen früheren Ort dieses Weges zurückkommt, sondern wer aus dieser wahnsinnigen Weglosigkeit des Wirbels die Richtung empfängt auf den Weg), steht auf dem Wege Gottes. Dieser Weg, den er so gefunden hat, ist der Weg mit der einen Richtung auf Gott zu, ist der Weg, den Gott selber vorangeht und den betretend man nun in die Fusstapfen Gottes tritt. Dass es einen solchen Weg Gottes gibt, der durch das Geschehen, durch die Geschichte geht, den Gott vorangeht und auf dem er will, dass der Mensch ihm nachfolge, dass es diese Nachfolge Gottes wirklich gibt, dass es ganz ernst gemeint ist, wenn der Mensch aufgefordert wird, in der hebräischen Bibel, je und je auf den Weg Gottes zu gehen, das ist die jüdische Position. Das kommt nur darauf an. Ist der Mensch sündig – gut, er kehre um und ihm wird vergeben. Wohlgemerkt, mit einer einzigen Ausnahme, dessen, dass die Umkehr nicht ernst genommen wird, dass er mit ihr leichtfertig umgeht, dass er sagt: ich werde sündigen, und dann werde ich umkehren. Gott fragt Mose: was ist mein Handwerk? Und Mose antwortet: Du bist barmherzig und gnädig. Gott ruft das Volk an: Kehret um, abgekehrte Söhne, und ich will eure Abkehrungen heilen. Es kommt nur darauf an, dass der Mensch den Anfang vollziehe, dass er nun durch seinen eigenen Umschwung auf den Weg finde. Suchet mich und ihr lebet. David sagt in einem Midrasch zu Gott: Herr der Welt, du bist ein grosser Gott, und meine Sünden sind gross. Es steht dem grossen Gotte an, die grossen Sünden zu vergeben. Und Gott vergibt. Gott spricht zu Jerobeam, zu dem Ursünder der Königszeit: Kehre um, und ich und der Sohn Jischais und du werden zusammen im Paradies wandeln. Aber Jerobeam will David nicht nachstehen und kehrt nicht um. Diese Umkehr ist nicht etwas, was der Mensch aus sich hervorbringt, sondern sie ist wie die Schöpfung, sie ist urzeitlich wie die Schöpfung, ja, sie ist vor der Schöpfung geschaffen und Gott ritzte das Bild der Welt, die er schuf, vor sich hin und da sah er, dass die Welt, die er schuf, keinen Bestand haben würde, denn sie würde sich verlaufen, sie würde in den Wirbel der Sünde, in den Wirbel der Selbstsucht geraten, und da schuf er die Umkehr, und nun hat die Welt Bestand und kann erschaffen werden. Dass es so ist, das wird durch Aneinanderreihung zweier Verse aus dem 90. Psalm begründet, der eine: Ehe Berge geboren wurden und Erde und Weltkreis hervorgingen und der andere: da (so versteht es die Ueberlieferung) brachtest du den Menschen bis zum Grabe, bis zum Staube zu-

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rück und sprachst, kehret um, Menschenkinder. Diese Grundtatsache, menschliche Umkehr, dies, dass es schlechthin keine Zeit gibt, möge sie noch so spät sein in der Folge der Geschichtszeit, und keine Lebenszeit des Menschen, möge sie noch so spät sein in seiner Biographie, die der Umkehr enthoben wäre, dass es kein Hemmnis gibt, das den Menschen hindert, diese Urbewegung zu vollziehen, dass es nur ein Trug ist, mit dem der Mensch sich selber, indem er sich diesen Trug vortrügt, hindert, die Umkehr zu vollziehen, ein Selbsttrug des Menschen, der ganze Glaube an das Verhängnis nur durch eine ungeheure Selbsttäuschung des Menschen hergestellt, um der Umkehr zu entgehen, dieser ganz einfache letzte Ernst ist es, was auf unserer Seite der Lehre vom Sündenzwang, dem man nur durch Anschluss an den sündenfreien Christus entgehen kann, widersteht. Ich möchte nun das nächstemal nur sprechen von dem Verhältnis zwischen Gott und Mensch hinsichtlich der Sünde, der Umkehr, der Reinigung, der Vergebung. Wie ist das, was geschieht zwischen Gott und Mensch, was also ist von da aus gefasst die Erlösung im Judentum, und ist dies, diese Erlösung, die wir so kennen lernen, diese nicht einmalige sondern allmalige, sich in jedem von uns begebende, nicht einmal in der Geschichte, sondern in jedem Augenblick eines jeden Menschenlebens, ist diese das letzte, oder gibt es darüber hinaus nun eine Konzeption noch im Judentum, die ungeheuer über all diese hinausgeht, über jene einmalige in der Geschichte lokal zäsurhafte Erlösung und über diese allmalige an jedem sich vollziehende, d. h. was meint letztlich die messianische Konzeption im Judentum als der Konzeption des gekommenen Christus entgegenstehend?

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VIII und IX Ein christlicher Freund, der dieser Vorlesung mit einer schönen Aufmerksamkeit folgt und schon mehrfach dankenswerte Einwände vorgebracht hat, hat mich nach der letzten Vorlesung darum befragt, wie denn das sei, ob ich denn das wirklich meine, dass es also ganz auf den Menschen ankomme, ob denn also ganz ausschliesslich jene Zustände des Menschen, wo er wirklich so verloren oder so besessen ist, dass er von sich aus garnicht anheben kann, dass er der Hilfe, der Gnade so bedürftig sei, dass ihm nicht einmal ein Anfangen zugemutet werden könne, ob ich denn nicht bedächte, dass es doch gerade Sache der anderen Menschen sei, da zu helfen, und nicht etwa nun von dem Bedürftigen, dem Verlassenen, Preisgegebenen, Ohnmächtigen, etwa gar Wahnsinni-

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gen zu fordern, dass er von sich aus zur Gnade, der empfangenen, aufnehmenden Gnade komme. Dies ist ein sehr ernster und wichtiger Einwand für mich schon deshalb, weil er mich darauf bringt, etwas, das sehr wichtig ist, zu klären. Wie wichtig das ist, und zwar gerade einer christlichen Auffassung des Judentums gegenüber, einer, nicht der christlichen Auffassung, darüber hat mich eine Abhandlung eines Paters, eines sehr bekannten Paters belehrt, der über die wichtigsten Vertreter eines jüdischen Denkens, einer jüdischen Theologie, einer religiösen Philosophie in unserer Zeit handelte und aufzuzeigen suchte, dass sie alle eigentlich dasselbe meinten, nämlich den berühmten, berüchtigten jüdischen Aktivismus, dass es auf des Menschen Handeln ankomme etc. Ich wurde über meine Meinung dazu gefragt und sagte, ich hätte eigentlich nichts dagegen, dass manche Menschen, von denen ich bisher meinte, sie hätten andere Gedanken als ich, ich hätte nichts dagegen, dass ich mit Menschen wie Hermann Cohen in einen Topf geworfen würde, aber nicht ein einziger von ihnen ist des Aktivismus zu zeihen. Zu der Frage, die hier aufgeworfen ist, erscheint es mir nötig, deutlich zu sagen, in welchem Bereich sich überhaupt all die Lehre bewegt, die ich hier vorzutragen suche. Nicht in dem Bereich der Weltanschauung, nicht in dem Bereich einer Deskription der Welt, der äusseren Welt und der geistigen Welt, also irgend einer Welt, und nicht in einer Deskription einer Weltverlängerung in irgend eine Gotteswelt hinein. Es sind durchaus keine Aussagen über ein Sein gemacht. Ich möchte darin gut verstanden werden, und ich will Ihnen vielleicht, um es deutlicher zu machen, was ich meine, etwas aus meinem Leben erzählen. Im Frühjahr 1914, Anfang Mai, besuchte mich ein alter anglikanischer Geistlicher, seines Zeichens Fürstenerzieher. Der kam da zu mir um mir zu sagen, was damals recht merkwürdig war, dass die danielische Weissagung sich seiner Ansicht nach in diesem Jahr erfüllen würde, dadurch, dass (damals habe ich das Wort zuerst gehört) der Weltkrieg kommen würde. Das hat er mir an einer grafischen Aufzeichnung erklärt. Als der Mann fortging, begleitete ich ihn bis zur Bahn, und als wir an der Strassenbiegung waren (ich wohnte in einem Vorort bei Berlin), blieb er einen Augenblick stehen, legte mir die Hand auf die Schulter und sagte: Lieber Freund, wir leben in einer grossen Zeit (das habe ich damals auch zum erstenmal gehört), sagen Sie, glauben Sie an Gott? Ich habe damals vielleicht doch das richtige getan, indem ich den alten Mann einfach hinsichtlich meiner beruhigte, dass er sich darüber keine Sorgen zu machen brauche. Aber wie es nun so kommt, dass, wenn man meinetwegen richtig geantwortet hat, sich zu besinnen beginnt, wie man in einer tieferen Schicht, in der Schicht der letzten Wahrheit, wo man auf Fremde keine Rücksicht neh-

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men darf, wie ich da darauf antworten würde, wenn ich Rede zu stehen hätte, ist mir aufgegangen, dass ich doch eigentlich auf die Frage antworten müsste, wenn an Gott glauben hiesse, irgend etwas über ihn, irgend etwas von ihm in der dritten Person aussagen zu sollen, dann müsste ich sagen, dass ich nicht glaube. In dem letzten Ernst vermag ich garnichts von Gott auszusagen, also auch garnichts über Gott zu meinen, sodass ich mit meinen menschlichen Begriffen, in meiner menschlichen Sprache, die mir zur Verfügung steht, irgend ein Prädikat oder Attribut rechtmässig aussagen könnte. Und mir scheint sogar, dass das eine arge Irreleitung der Menschen ist, dass sie lernen, und zwar schon in der Kindheit, in der Jugend lernen, wie aus einem Katechismus, Sätze sich zu merken, Gott ist das und das, Gott tut das und das usf. nämlich lauter Sätze, die unter dem Gesetz des Widerspruchs stehen: a ist nicht gleich non-a, wenn ich etwas von einem Gegenstand aussage, kann ich nicht von ihm das Gegenteil aussagen. Aber Gott steht nicht unter dem Satz vom Widerspruch, und wenn wir ihn unter die Logik stellen, meinen wir Gott nicht. Es ist also nicht möglich, etwas von Gott auszusagen, indem wir meinen, dass das Gegenteil nicht von Gott gilt. Ich will damit sagen: auch der Chassidismus, auch das Judentum, aus dem er hervorgegangen ist, – auch ich gehe vom Chassidismus aus, weil er das mir nächste Stadium des lebendigen Judentums ist, aber dann weiter bis zu den Ursprüngen hin, auch die biblische Glaubenswelt – niemals ist etwas, was gesagt wird, letztlich so gesagt, dass es ein Stück einer Weltanschauung, ein Stück einer gleichsam Gottesbeschreibung oder Seinsbeschreibung gäbe, dass wir daraus eine Aussage herauslesen könnten, die unabhängig ist von dem Zusammenhang, in dem wir die Welt finden, von jener ganz bestimmten Situation der Geschichte oder der menschlichen Biographie, wo sich etwas ereignet hat, und nur in diesem Ereignis hätten wir die Wahrheit, nicht aber das, was wir von diesem Ereignis, Begebenheit, Situation ablösen können und in einen philosophischen, zeitlosen, allgemein gültigen Satz in eine Wahrheit aussprechen zu können meinen. So ist es zu verstehen, was hier von Sünde, Vergebung, von Umkehr, von Erlösung usf. gesagt ist. Es ist nicht so gesagt, dass man daraus einen allgemeinen Satz prägen könnte und sagen könnte, es verhält sich so und so, nämlich wie immer, wenn man so einen Satz prägt, nämlich hinsichtlich der anderen, nämlich hinsichtlich Gottes in seinem Verhältnis zu den anderen, sondern Wahrheit ist hier nur zu sagen von dem Punkt aus, wo ich im Angesicht Gottes stehe, wo ich Gott gegenüber mich zu entscheiden habe, wo ich in mir selbst zu erfüllen habe, wo ich umzukehren habe, da wird es jenem Menschen Wahrheit, und nur da kann es als Wahrheit gefasst werden, d. h. es ist also nicht anzuwenden auf irgend

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einen anderen Menschen, der mir doch in seiner Innerlichkeit, in seinem Vor-Gott-Stehen undurchdringliches Geheimnis ist. Wie kann ich dann allgemeine Sätze über den anderen, über [sein] Verhältnis zu Gott und Gottes Verhältnis zu ihm sprechen. Aber in Wirklichkeit, da ist es Wahrheit, da geht es als Wahrheit auf. D. h. also, wenn ich einem Menschen lebensmässig (?) begegne, der preisgegeben, verloren, verlassen, besessen ist, oder wie man es nennen will, ja, da kann ich natürlich, ist es schlimmer als sein Wahnsinn, wenn ich nun eben mir zurecht mache, ja, es käme darauf an, dass dieser sich verlassen wähnende Mensch, dass dieser nun einfach von sich aus auszugehen braucht und dass ich nun also ihn verlasse. Sondern die Wahrheit, meine Wahrheit ist natürlich einfach die, dass ich mich zu entscheiden, dass ich hier zu erfüllen habe, dass es auf mich ankommt, und wenn ich diesem Menschen helfe, also garnicht fordere, garnicht warte, dass er etwas tut, sondern ihm helfe, für ihn einstehe, ja, vielleicht darf man das sagen, das ist eigentlich das, was letztlich gemeint ist, wenn von einem Malach die Rede ist, von einem sogenannten Engel, einem Boten, nämlich einem Boten, das kann ein ganz gewöhnlicher Mensch sein, das ist garnicht so, dass Gott sich seine Boten unter irgendwelchen strahlend übermenschlichen Wesen aussuche, sondern jeder kann Bote sein, und er, der Bote, der weiss nun zunächst nichts anderes, als dass er jetzt angerufen ist, eben von dieser Not, von diesem Besessensein, dass er hier helfen kann, dass es auf ihn ankommt. Das ist die Innerlichkeit des Boten. Und was ist es also? Wo hat hier die Gnade angefangen und wie ist es um diesen Menschen selbst? Hier kommt es einfach darauf an, das Geheimnis zu ehrfürchten. Einfach auf Ehrfurcht kommt es an, und auf nichts anderes. Es ist nicht unsere Sache zu erfahren, aus welcher Finsternis dieser Mensch etwa einen Schritt auf Gott zu getan hat. Wir können uns nicht anmassen, das in unserem Denken oder Vorstellen zu behandeln. Also nur jeder in seiner eigenen Welt erfährt die Wahrheit von Sünde und Umkehr. Jeder erfährt, wenn er die Gnade erfährt, seine Gnade, und es steht ihm nicht an, Sätze über die Gnade zu reden. Aber es ist erlaubt, von all dem zu reden, und so haben es die Menschen, die uns diese Wahrheiten überliefert haben, get[an und] es ist erlaubt, von dem zu reden, wenn man im Ernst sich in diesem S[inne] meint, d. h. wenn man im Ernst sich opfert, wenn man im Ernst sich z[ur] Verfügung hält, wenn man nicht zurückweicht, diese Wahrheit aus[schliesst,] nicht zurückweicht davor, sie selber bewähren zu sollen. Bewähren [Textverlust]le nun Wahrheit je und je durch mich in der Welt wird, was Gottes Wahrheit ist bei Gott. Ich glaube nicht, jedenfalls mir ist es nicht möglich, objektiver davon zu reden, aber ich glaube, dass ich

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doch das, was das Anliegen, das in jener Frage des christlichen Freundes lag, damit beantwortet habe, soweit ich konnte. Nun wollen wir zu jenem Gegenstand, zur Umkehr, noch für eine Weile zurückkehren. Ich hatte schon das vorigemal gesagt, dass die Umkehr als etwas weltweites gefasst wird, als etwas, was die Ferne, die Sonderung, die Trennung des Menschen von Gott überwinden kann, was den Menschen nicht in kleinen Etappen, sondern in einem grossen Schwung zu dem Throne Gottes bringen kann. So versteht ein Midrasch jenes Wort Hoseas: Kehre um, Israel, bis zu ihm, deinem Gotte – so, dass damit gemeint ist: Gross ist die Kraft der Umkehr, sinnt nur der Mensch in seinem Herzen umzukehren, allsogleich steigt er auf, nicht bis zum siebenten Himmel bloss, sondern bis vor den Thron der Ewigkeit. Und dasselbe sagt ein Wort, das seltsam an ein (?) erinnert, oder umgekehrt in dem Wort: Wo die Umkehrenden stehen, vermögen die Vollkommenen, Bewährten nicht zu stehen, wie es heisst Jes. 57: Friede, Friede dem Fernen und dem Nahen, erst dem Fernen, dann erst dem Nahen. – Diese Umkehr, ich sagte es schon, das wird als etwas verstanden, was Gott nun im Urplan der Schöpfung schon konzipiert hat, damit die Welt, die ihrer Anlage nach immer darnach streben würde, sich zu verlaufen, den Weg zu ihm, zu Gott nicht verliere. Aber es ist nun nicht so, dass die Umkehr etwas sozusagen schlechthin Bereitliegendes sei, was der Mensch nur zu ergreifen braucht, sondern es ist wohl schon so, dass es manchmal vom äussersten Rande des Lebens her durch einen ungeheuren Umschwung des ganzen Menschenlebens und nur so vollzogen werden kann; und dass gerade das gemeint ist, darauf deutet jene Geschichte hin, eine der merkwürdigsten Geschichten von der Umkehr, die von jenem grossen repräsentativen Ketzer der frühtalmudischen Zeit, Elisa ben Abuja erzählt wird, den man Acher nannte, d. h. ein Andersgewordener, dessen eigentliches Ketzertum darin bestand, dass er neben Gott eine zweite göttliche Macht annahm. Von ihm wird erzählt, er habe einmal eine Himmelsstimme vernommen, die jenen Prophetenspruch, jenen Gottesspruch wiederholte, aber mit einem eigentümlichen Zusatz: Kehret um, abgekehrte Söhne, bis auf Acher – zu dem also gesagt wird, dass seine Umkehr nicht angenommen würde. Und da schnitt er seinen letzten Zusammenhang mit der Lehre ab, ergab sich dem Falschen, weil er keine Hoffnung mehr hatte, umzukehren. Darauf hat ein chassidischer Rabbi ein merkwürdiges Wort angewandt. Es gibt nämlich einen Spruch: alles, was der Hausherr dir sagt, das tue, nur wenn er dir sagt: geh weg, das tue nicht. Und das deutet er: kann man, wenn der Hausherr sagt, man solle fortgehen, so zudringlich sein, dazubleiben? Aber, sagt der Rabbi, das ist von Gott gesagt. Alles, was er dir sagt, tue, aber wenn er dir sagt, gehe

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fort, du wirst von mir nicht mehr geduldet, das tue nicht, Acher hat Gott auf eine falsche Weise geglaubt. Gott wollte eben dadurch, dass er ihm die äussere Hoffnung auf einen Erfolg seiner Umkehr nahm, ihn zur Umkehr bringen, nämlich zu der, die da an dem äussersten Rande allein noch zu jenem ungeheuren Umschwung, der um des Lohnes willen nicht getan werden kann, sondern eben nur da, wo der Mensch sich nichts mehr verspricht, aber um Gottes willen umkehrt. Hätte Acher da die Umkehr vollzogen, wäre er angenommen worden. So, in dieser Paradoxie ist es zu verstehen, wie das mit der Umkehr gemeint ist. Es wird also schon dem Menschen so etwas zugemutet, und auch das ist wieder nur, kann jeder nur verstehen als etwas was auf ihn zutrifft, gesagt ist. Das Mass, der Umschwung ist nicht in einen allgemeinen Satz zu fassen. Das findet jeder nur in der Essenz seines bereuenden, seines verzweifelnden, seines entschlossenen Herzens. Dass die eigentliche Handlung aber eine Handlung Gottes ist, dass, wenn der Mensch auch so ausgeht, so anfängt, dass Gott es ist, der an ihm die Entsühnung, die Läuterung, die Lösung vollzieht, das ist ja unzweideutig schon in unserer Bibel gesagt. Ich führe nur eines von vielen Worten an aus dem 36. Ezechiel-Kapitel, wo Gott spricht: Ich sprenge reines Wasser auf euch, dass ihr rein werdet; von all euren Bemäkelungen reinige ich euch. Ich gebe euch ein neues Herz, einen neuen Geist gebe ich euch in das Innere. Diese Antwort Gottes, das wird ja oft in der Form geradezu eines Dialogs, von der Bibel bis zum Chassidismus gefasst, des Menschen auf Gott zu Gehen, dieses Zugehen Gottes auf den Menschen. Im nachbiblischen, insbesondere im talmudischen Schrifttum ist dann dies in den stärksten, eindringlichsten Worten nochmals gefasst worden. Wir haben schon einmal angeführt, ich möchte aber jetzt noch einmal im Zusammenhang jenes Rabbi Akibas anführen, das Israel anredet (es steht am Schlusse des Traktats der Mischna, der vom Versöhnungstag handelt). Glückselig ihr, Israel, vor wem reinigt ihr euch und wer ist es, der euch reinigt? Vor wem reinigt ihr euch und wer ist es, der euch reinigt? Euer Vater im Himmel. Wie geschrieben steht: ich sprenge reines Wasser auf euch, dass ihr rein werdet. Und weiter führt Rabbi Akiba nun das Wort an, das in Jeremia, 17. Kapitel steht, wo Gott angerufen wird: (es ist die Uebersetzung zunächst: Hoffnungsziel Israels du) aber das Wort bedeutet, jedenfalls in seinem Konsonantenbestand auch eine Wassersammlung, Tauchbad sogar, und Akiba sagt weiter, er versteht es so und sagt: Wie ist es mit einem Tauchbad? Es reinigt die Makligen und so auch reinigt Gott Israel. Er sagt also, Gott ist das Tauchbad Israels. Vor wem, jetzt möchte man sagen: in wem reinigt ihr euch und wer ist es, der euch reinigt? Es ist bedeutsam, dass Akiba hier nicht eine andere Jeremia-Stelle anführt im 8. Kapitel, wo

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ebenfalls Gott mit denselben Worten, Hoffnungsziel Israels angeführt wird, aber dann folgt: sein Befreier in der Zeit der Bedrängnis. Es ist das so gedeutet worden, nämlich dass Akiba das eine Wort anführt, wo der Gottesname folgt, und nicht die andere Stelle, wo von ihm Moschia, Befreier gesagt wird, dass es in seiner Absicht lag, den christlichen Standpunkt, den paulinischen Standpunkt zurückzuweisen, den Glauben nämlich, an ein Tauchbad in dem Christus. Akiba hätte diese eine Stelle gewählt, wo ganz genau und unmissverständlich auf keinen anderen als auf Gott beziehbar eben da, wo der Gottesname steht, liegt es, diese läuternde Kraft ausgesagt wird. Akibas Aeusserung ist begründet auf jenem Wort 3. Buch Mose 16. Kapitel: Denn an diesem Tage wird über euch gedeckt (eigentlich, was man gewöhnlich Entsühnung nennt, aber es ist ein Bedecken gemeint) euch zu reinigen von all euren Sünden, und nun vor ihm werdet ihr rein, so Akiba sagt: vor wem reinigt ihr euch und wer ist es, der euch wie reinigt? Dem entspricht ein Wort der Gemara im gleichen Traktat: Wer sich zu reinigen kommt, dem steht man von oben bei. In einem Midrasch heisst es entsprechend: Gott spricht zu Israel: Tut Umkehr in diesen zehn Tagen zwischen dem Tag des Neuen Jahres und dem Versöhnungstag, und ich entschulde euch, ich spreche euch rein am Versöhnungstag und schaffe euch zu einer neuen Schöpfung, einer Brij hadascha. Paulus sagt Schöpfung. Es ist bisher wohl von theologischer Seite nicht erkannt worden, dass dies nur eine Aenderung jenes talmudisch midraschischen Wortes ist: und schaffe euch zu einer Schöpfung, wie es geschrieben steht: und Gott machte das Himmelsgewölbe. Es ist dies also nicht so zu fassen, dass man vom Menschen aus an sich, als ob der Mensch irgend etwas Bestimmtes zu tun hätte, und dann würde er der Gnade teilhaftig, es ist auch nicht so zu fassen, dass der Mensch, ohne des Werkes zu bedürfen, sich einfach auf die Gnade (nicht der Gnade zu harren) sondern auf die Gnade zu warten hätte. Dieses Warten ist die verkehrte Haltung, sondern die Wahrheit ist: die Gnade, das, worauf es ankommt, ist die Tat, die Umkehr des Menschen. Das, wozu der Mensch angerufen, was vom Menschen gefordert wird; was den Menschen angeht, ist das, was er zu tun hat. Das eine ist nicht die Ursache, und das andere ist nicht die Wirkung, aber das eine ist die Seite des Menschen, und das andere ist die Seite Gottes. Rabbi Meir (also Mitte des 2. nachchristlichen Jahrhunderts) hat dieses Gegenüber der Menschenhandlung so formuliert, dieses Gegenüber der Menschenhandlung und der Gnade Gottes, in einer mir besonders wichtig erscheinenden Weise ausgesprochen, wenn er hier von der Gegenwart Gott spricht. Er sagt: Erfülle mit deinem ganzen Herzen und deiner ganzen Seele, mit all deinem Herzen und mit all deiner Seele dies, so spricht Gott zum Menschen, erfülle dies:

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meine Wege zu erkennen und an den Pforten meiner Thora, meiner Weisung zu wachen, bewahre meine Weisung in deinem Herzen und deinen Augen gegenüber sei meine Furcht, also in deinen Augen sei meine Furcht. Hüte deinen Mund vor aller Sündhaftigkeit, und reinige und heilige dich selbst von aller Verschuldung und Verfehlung, und ich werde bei dir sein an jedem Ort. Es ist also ein Anruf an den Menschen, das zu erfüllen, was an ihm ist. Es ist nicht so, als ob nun das, was der Mensch tut, die Ursache wäre, und das, was Gott tut, die Wirkung, sondern es hängt so an einander wie eben göttliche Verheissung und menschliche Tat an einander hängen. Denn wenn wir allgemeine Sätze machen und sagen: wenn das eine geschieht, geschieht das andere, dann wird es ganz falsch. Aber das eine – das sehen wir und das ist wohl das, was letztlich gemeint ist, – soweit wir es in Worte fassen können: Erlösung ist etwas ewig Geschehendes. Wo immer ein Mensch sich mit all seinem Herzen und all seiner Seele auf den Weg Gottes umkehrend zu ihm wendet, wo immer Gott seine vollendende erlösende Tat an dem Menschen tut, der sich so ihm überantwortet hat, da geschieht Erlösung. Erlösung ist etwas, was an jedem Ort, wie es hier heisst, geschieht, wo immer, wann immer Gott dem Menschen, der sich ihm überantwortet, gegenwärtig ist. Es ist also in unserer Lehre, in unserem Glaubensbereich nicht so, dass ein Sündenstand wäre, dass der Mensch in einem Sündenstand stände, einem ungeheuren, angesammelten, von dem her, unüberwindlich, undurchdringlichen Sündenstand, der ihn zwingt zu sündigen, und dass nun dieser Sündenstand einmal, an einem Punkt der Geschichte, wo das Geschehen aufbricht und auseinanderbricht, überwunden worden wäre durch einen Eingriff Gottes, der den Menschen von der Sünde loskauft, erlöst, sondern wie die Sünde bei uns ein anderes ist, dass der Mensch, dieser arme, dieser sündige, aber nicht sündenständige Mensch, eben, was er tut, ist etwas, woraus er umkehren kann, der Erlösung teilhaftig werden kann, ich sage, so ist Erlösung für uns nicht dieses einmalige Durchdringen des Geschehens, nicht das Auseinanderbrechen der Geschichte in sich selbst, nicht die Zäsur ist mitten in dem Vers aus Gottes Mund, den wir Geschichte der Welt nennen, sondern die wirkliche Erlösung ist allmalig, überall, wo das Einanderzugewandtsein von Gott und Mensch ist, überall, wo der Mensch umkehrt und in die Fusstapfen Gottes tritt, überall, wo Gott sich seines Menschen, dieses seines Geschöpfes annimmt und es segnet, überall da geschieht Erlösung. Dieser ganze Gang der Welt ist erfüllt von Erlösung, und aus der Erlösung erhält sie sich, durch die allmalige Erlösung leben wir, und jeder von uns, und ganz gewiss jeder, der erfahren hat, was Dunkel, was Verzweiflung ist, weiss auch, was Erlösung ist, und wüsste er es nicht, würde er diese Ver-

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zweiflung nicht überlebt haben, diese ganze Not, da, wo es nur einer leisen Bewegung noch bedurfte, damit die Falltür sich öffnete und er in den Abgrund stürzte; er hat erfahren, dass es gerade dann die Hand gibt, die sich der seinen entgegenstreckt, ganz leise, fast unmerklich und doch merklich. Dies, dass wir diese ewige Erlösung der Seele kennen, das steht zum ersten bei uns gegen jene christliche Konzeption der Erlösung als Zäsur in der Geschichte der Welt. Ich will nur hier an dieser Stelle, wo wir nur noch zusammenfassen, was uns hier beschäftigt hat, nur einen christlichen Satz noch anführen, den Satz des Kirchenvaters Irenäus, der von Christus sagt: das, was er schien zu sein, das war er auch, es war Gott, der die alte Bildung (Plasmation), die alte Formung des Menschen in sich erneuert, der also in sich selbst den Menschen neu erschafft, damit er die Sünde töte, den Tod – eigentlich: – entleere und den Menschen neu belebe. Hier diese ungeheure Konzeption eines schlechthin Einmaligen, einer grossen, über die ganze Weltgeschichte ausgegossenen Verlorenheit der Menschen, Verlorenheit der Menschen von ur, Verlorenheit der Menschen ausserhalb dieser Begebenheit, ausserhalb des Glaubens an sie, nur von ihr aus, von diesem Fleischgewordensein aus Erlösung. Wir vermögen dem nur wie ein Mensch eine schlichte Erfahrung gegenüberstellt und nicht anders kann, und er hat das erfahren, wir stellen nun unsere Erfahrung der ewigen Erlösung gegenüber, jeder die, die er geschmeckt, gekostet hat, von der er weiss, wie wenn man eine Frucht gegessen hat und man kann nicht sagen, wie sie schmeckt. Sie schmeckt wie diese Frucht. Ich möchte damit nicht behaupten, dass unsere Lehre schlechthin die Vorstellung nicht kennt, dass je und je in einer Erlösung, die geschehen, nicht auch Menschen eine mittelnde Funktion hatten. Wie die Erlösung etwas über die ganze Welt Gegossenes ist, so gibt es auch je und je das Einstehen von Mensch für den Menschen, die Hilfe, die auch zu der Umkehr hilft, das auch für den Menschen Gott gegenüber einstehen. Ich mache Sie darauf aufmerksam, ich erinnere Sie daran, dass das hebräische Wort für Beten Hispael, eigentlich einstehen bedeutet, sich einsetzen, sich ins Mittel legen, und jenes Wort des jesajanischen 53. Kapitels, das so oft in christlichem Zusammenhang Ausdeutung erfährt – er trug die Sünden der vielen – das ist etwas, was wir schon als etwas immer Wiederkehrendes glauben. Immer wieder trägt einer auch die Sünden der vielen, indem er ihnen hilft, tragen und überwinden und umkehren, indem er sich für sie einsetzt Gott gegenüber, und so wird etwa das Wort talmudisch auf Mose angewandt, wenn er zu Gott sagt: Wenn du dem Volk nicht vergibst, so streiche mich denn aus deinem Buch (aus dem Buch des Lebens), das du geschrieben hast. Wir finden immer wieder Menschen, auch in der talmudischen Erzählung, die in

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einer Zeit schwerer Not stehen, die zu Gott sagen: hier bin ich als Lösegeld, als Deckung, als Deckungsmittel, ja, auch für Israel. Also dies kennen wir schon, dies geschieht immer wieder, und wie könnten wir denn die Hilfsfähigkeit des Menschen ausschliessen oder in Grenzen setzen. Aber auch dies ist etwas, was überall dazu gehört. Wir glauben nicht daran, dass es in einer übermenschlichen in einer Gottmenschlichen Gestalt sich verkörperte, dieses Mittel, sondern wir wissen, dass es ausgegossen ist in die Seelen. Jeder von uns trägt einen Tropfen dieser Fähigkeit, den anderen zu helfen, sich für die anderen einzusetzen, zu mitteln. Was wir von unserer Glaubenswelt, von unserer Erfahrung aus abzuwehren genötigt sind, ist dieses vollkommene Abheben des einen gegen alles andere, das Ausschliessen alles anderen. Wenn es im Johannesevangelium 14. Kapitel heisst, wenn Christus spricht: ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben, niemand kommt zum Vater ausser durch mich, so konzentriert sich hier gleichsam das, was wir nicht annehmen können, was wir ablehnen müssen, aus unserer Erfahrung, nach der wohl je und je das es gibt, dass ein Mensch sich für die Menschen einsetzt vor Gott, aber nicht das, dass einer sagen dürfte, es gäbe keinen Weg ausser durch ihn. Wir wissen unserer Erfahrung nach, die wir nicht verleugnen können, wir wissen dass es den Weg zu Gott unmittelbar immer gibt und dass alles Mitteln, alles sich Einsetzen nur Hilfe ist. Hilfe auf diesem Weg, Hilfe auf diesem Weg, aber kein durch, kein neben, ein Mitteln, aber kein Mittler im ausschliesslichen Sinn. Alles, wovon wir bisher gesprochen haben, betrifft das Problem der Erlösung, wie es vom Christentum gestaltet ist, und wir haben es rechtschaffen abgelehnt, also das Problem der Erlösung der Seele von der Sünde. Ich habe Ihnen schon zu Anfang angedeutet: dies ist nicht unser Problem der Erlösung. Die Erlösung der Seele von der Sünde, das ist etwas, was je und je Wahrheit und Wirklichkeit ist, zwischen einer menschlichen Person und ihrem Vater im Himmel, das ist etwas, was sich je und je vollzieht im Geheimnis zwischen Gott und dem Menschen, nicht dem Menschen überhaupt, sondern je und je diesem und diesem und diesem Menschen in der Unendlichkeit der Menschheit. Das ist nicht eine Frage, wie sie das Anliegen des Christentums ist, etwa, dass zu glauben sei, dass es sich so und nicht anders vollzogen habe, das ist eine Erfahrung des Menschen, der bereit ist, es zu erfahren. Unsere Problematik der Erlösung ist nicht das, die Erlösung der Seele, sondern die der Erlösung der Welt, nicht die der Erlösung von der Sünde, sondern der Erlösung von dem Widerstreit und Widerspruch, der der Welt innewohnt. Die Seele wird ewig erlöst, oder besser allmalig, nicht einmalig, sondern allmalig, je und je als diese Seele und immer wieder als diese Seele, und

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alle sind erlösungsbedürftig und keine ist unerlösbar als diese Seele, weil sie eben als diese in der Hand Gottes ist. Aber dem steht gegenüber die Frage nach der Erlösung der Welt als die Frage nach der Vollendung der Schöpfung, nach der Vollendung der Schöpfung durch Gott, Vollendung zu dem, wozu sie angelegt war, Vollendung dessen, was als ihr Sinn ihr angeschaffen ist. Und die Seele wird allmalig erlöst, aber die Welt ist noch unerlöst. Dieses Stehen der je und je erlösten Seele in der unerlösten Welt, das ist unsere eigentliche jüdische Erfahrung. Wir sind nicht unerlöst, wie zuweilen christliche Dogmatik, wenn sie vom Judentum handelt, behauptet hat, wir sind je und je erlöst in der Wahrheit des Geschehens zwischen Gott und der menschlichen Person. Aber dann finden wir uns vor in der unerlösten Welt, und dies ist das, was die erlöste Seele nicht ertragen kann, nicht dulden kann, das, um dessentwillen ihr Erlöstsein ihr noch wie ein Mangel und noch beinahe wie eine Schuld erscheint, die Welt ist unerlöst. Wie kann ich meines Erlöstseins selig werden in der unerlösten Welt? Wie kann die Erlösung vollzogen sein, da die Welt um mich unerlöst ist? Für das Christentum ist mit der Erlösung, mit jener einmaligen Erlösung der Seele, der Menschenseele das einzige, das entscheidende der Erlösung der Welt geschehen. Wir aber erfahren unverbrüchlich, erfahren an unserer Haut, an unseren Sinnen, an unserer ganzen leiblichen Existenz, dass die Welt noch unerlöst ist, wie immer es mit unserer Seele stehe, und wir können nicht ertragen, dass dies so sei, und wenn es einen Satan gäbe, dann könnten wir nicht ertragen, und wenn alles andere erlöst wäre, könnten wir seine Unerlöstheit nicht ertragen. Wir können nicht ertragen, dass Verdammnis ist und wir erlöst sind. Diese Welt aber, diese erlösungsbedürftige Welt – es ist unserem Glauben nach nicht so, dass die Erlösungsbedürftigkeit der Welt erst vom Fall der Menschen, erst im Fall gesetzt worden ist, in diesem Sündenfall, sondern die Welt als eine erlösungsbedürftige ist der Anlage nach schon in der Schöpfung gesetzt, weil sie in der Schöpfung [Textverlust] Freiheit gesetzt ist, weil die Schöpfung eine wirkliche Sonderung i[st,] Gott diese Welt gesondert und hingesetzt hat als etwas für sich Seiendes, sich aus sich Beginnendes, aus sich handeln Könnendes. So liegt sie dem Menschen auf, diese Selbstverständlichkeit der Entscheidung, und deshalb weil es so ist, ist diese Welt von je, von der Schöpfung an erlösungsbedürftig, denn sie ist auf sich geworfen, sie ist dahin geworfen, dass sie je und je sich verlaufen kann und wohl auch muss, dies, dass sie immer wieder der Umkehr und der erlösenden Tat Gottes bedarf in der einzelnen Seele, dass sie aber eben daher als Welt, als diese ungeheure Vielfältigkeit je und je unerlöst und erlösungsbedürftig bleibt. Diese Punkte der Seelenerlösungen stehen im Ozean der Unerlöstheit der

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Welt, die Weltgeschichte heisst, jenes Vorgangs zwischen dieser erlösungsbedürftigen, erlösungssehnsüchtigen Welt und ihrem Schöpfer, ein Vorgang, ein grosser Vorgang, etwas wirklich geschehendes immer wieder neue Entscheidung, neue Bindungen von der Welt zu Gott, von Gott zur Welt, als ein wirklicher Dialog zwischen Gott und Welt, nichts Fertiges, nicht von je und je Bestimmtes, auch nicht durch jene Tat Gottes vorher Bestimmtes, etwa durch eine Erlösungstat, sondern immer wieder kommt es in der Weise des Geheimnisses auf die Welt. Der Widerspruch ist in die Welt gelegt und entfaltet sich in ihr, aber auf diesen Widerspruch geschieht immer wieder, und das ist das Zweite zur Erschaffung – Offenbarung Gottes, eine Kundgebung dessen, wie die Welt gemeint ist, wie er, Gott, sie meint, wie er, Gott, sie will, und ein Anruf auf sie, auf den Menschen zu, an der Erfüllung teilzunehmen. Denn nur der Mensch, die Menschenschar, der die Offenbarung geschieht, Gottes Königtum proklamiert, so bleibt der Widerspruch in der Welt, d. h. die Welt bleibt zunächst und sogar jeder Mensch selbst wird wieder einer, der das Königtum, das er proklamiert hat, doch nicht wirklich annimmt. Die Welt wird dadurch noch nicht eine, die das Königtum Gottes in Wirklichkeit, die sich unter das Königtum Gottes stellt, auch die Welt unter der Offenbarung ist noch die Welt im Widerspruch, ist noch die unerlöste, die widerstrebende, die der Erlösung widerstrebende Welt, von da aus blicken wir, nun die Offenbarung unser geworden, auf die Vollendung der Schöpfung Gottes an der Welt, auf die Vollendung der Welt zum Reich, die Vollendung des Königtums Gottes, der dann kein Widerspruch der Welt, kein Widerspruch in der Welt mehr entgegensteht. Unsere Konzeption des Messias, von der ich im nächsten Trimester sprechen möchte, ist die Konzeption des Menschen, der Gott entgegenkommt, der dem die Welt erlösen wollenden Gott entgegenkommt, weil Gott will, dass der Mensch wie an der Schöpfung der Welt so an der Erlösung der Welt teilnehme. Der Mensch, der den Teil der Welt an der Erlösung erfüllt, der das Entgegenkommen erfüllt, ich konnte hier dies zunächst nur andeuten. Aber schliessen möchte ich mit einem persönlichen Wort, das gerade, und Sie werden, die Mehrheit meiner Hörer wird es verstehen, dass ich gerade diese hier apostrophiere mit einem Wort, das die christlichen Hörer dieser Vorlesung angeht und anredet: Die christlichen Hörer dieser Vorlesung sind ihr mit einer sehr ernsten, sehr wirklichen Aufmerksamkeit gefolgt und haben damit etwas getan: sie sind in jenen unterirdischen Dialog zwischen Judentum und Christentum ernstlich eingetreten. Und damit, dass sie es taten, haben sie Zeugnis abgelegt, schweigend, für ihr Christentum, wie ich, redend, für mein Judentum. Ich habe hier zu

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sprechen gehabt von der Ungemeinsamkeit, von dem, was nicht gemeinsam ist, was scheidend ist zwischen Judentum und Christentum. Aber ich möchte schliessen mit dem, was gemeinsam ist. Wir haben gemein, Juden und Christen, Christen und Juden, wir haben gemein ein Buch, jenes Alte Testament, wenn es auch für die Christen nur eine Vorhalle und für uns das Haus des Lebens ist. Wir haben gemein eine Hoffnung, wenn sie auch für die Christen entscheidend erfüllt ist und nur eine letzte Ausbreitung noch aussteht, während für uns eben jene geschehene Entscheidung, für die uns Erfahrung fehlt, und wir keine andere kennen als eben die der einzelnen Seele, die sich erlöst erfährt, aber in einer unerlösten Welt und nun unbändig dürstet darnach, dass die Welt erlöst werde und die sich selbst hinopfern will um der Erlösung dieser Welt willen. Und wir haben gemein je und je in der Welt geschehene Situationen, je und je eine Situation, in der wir gemeinsam stehen und die wir gemeinsam, Judentum und Christentum, gemeinsam zu bestehen haben. Einer jener sogenannten kleinen Propheten, von denen wir sehr wenig überliefert haben, aber der gewiss einer der Grossen zu nennen ist, spricht davon, oder vielmehr es ist ein Dialog zwischen Gott und dem Propheten, wo die Rede ist von einem Feind, den Gott über das Land Israel geschickt hat, um Israel zu strafen und zu mahnen, und der Prophet spricht nun zu Gott, indem er ihn gleichsam darauf aufmerksam macht, dass dieser Feind, dieser Kläger, den Gott zu seinem Werkzeug gemacht hat, sich gegen den Willen Gottes verfehlt, dass er sich über … (?) und da spricht der Prophet jenes denkwürdige Wort, von dem man gewöhnlich die zweite Hälfte bedenkt. Diese lautet nämlich in der gewöhnlichen Uebersetzung: Der Gerechte lebt in seinem Glauben – aber der [Textverlust] lautet, von dem Propheten zu Gott gesprochen, und er meint eben jenen Feind, den Gott geschickt habe: wohl, gebläht ist, nicht gerade in ihm seine Seele, dieweil der Bewährte leben wird durch sein Vertrauen. Hier ist also einander gegenübergestellt das Geblähtsein, das überhebliche Selbstvertrauen dessen, der den Auftrag und seine Grenzen nicht wahrhaft erkennt, und das Vertrauen, das demütig hingebeugte Vertrauen des anderen, über den eben die feindliche Macht geht. Dieses Gegenüber, diese Situation, die dieses Gegenüber je und je manifestiert, jenes Selbstvertrauen, das sich manchmal auch als Vertrauen in eine göttliche Macht verkleidet oder ausgibt oder sich selbst so denkt, gleichviel, aber zu erkennen ist es daran, dass diese Menschenart nicht wirklich bereit ist, sich von Gott berichtigen zu lassen, sich von Gott die eigenen Entwürfe, die eigenen Entschlüsse, die eigenen Pläne umwerfen zu lassen. Und so, jenes Selbstvertrauen, dieses Vertrauen, jenes Selbstvertrauen der Macht, dieses Vertrauen der Ohnmacht, stehen

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je und je in der geschichtlichen Situation einander gegenüber. Und auf dieser zweiten Seite, auf dieser Seite des Vertrauens, der Ohnmacht, die sich birgt in der einen wahren Macht Gottes, die sich schmiegt, wie der Ausdruck, der in den Psalmen immer wiederkehrt, die sich schmiegt vertrauend an die Macht Gottes, auf dieser Seite sind Judentum und Christentum, echtes Judentum und echtes Christentum, wahres Judentum und wahres Christentum vereint.

[III. Jüdischer und christlicher Messianismus] Etwas Grundsätzliches, was ich dieser Vorlesung vorausschicken möchte. Zu meiner letzten Lehrhausrede haben mir ernsthafte Hörer den Einwand gemacht, dass ich allzu sehr hier bloss geschichtliche Erkenntnis gab, ohne unmittelbar die Gegenwart als solche anzurufen und für die Gegenwart als solche Hinweise, ja mehr, vielleicht sogar, obwohl das nicht ausgesprochen worden ist, Forderungen oder auch Winke, Wegaufzeigung zu geben. Ich möchte hier am Anfang dieser Vorlesungen, die sich in den Zusammenhang meines, wie mir scheint, einheitlichen Dienstes an diesem Lehrhaus einfügen, sagen, warum ich diese Lehrhausrede zum Unterschied von den drei bisherigen, wo ich doch, wie mir scheint, unmittelbar die Gegenwart an- und aufgerufen habe, warum ich zum Unterschied diesmal geschichtliche Erkenntnis als solche in einem ganz bestimmten, genauen Sinn walten liess, warum es mir um geschichtliche Erkenntnis ging, und ich versuchte, durch fast schematische, so gut ich konnte scharfe Aufzeigung der grossen Unterschiede, fast schematische Abhebung der Prinzipien, der Wege, in der Geschichte des Menschengeistes, warum ich dadurch versuchte, meine Hörer auf etwas hinzuführen, sodass sie nunmehr an das hingekommen selbst ihren Weg in dieser schweren Gegenwart wissen, aber von da aus, von diesem bestimmten Punkte aus zu suchen hatten, an den ich sie hingeführt hatte, wenn es mir gelungen ist, ich überschätze Erkenntnis nicht. Ich bin nicht der Ansicht, dass ein Mensch, der Erkenntnis hat, auch nun das richtige tut, was er kann, ich überschätze insbesondere geschichtliche Erkenntnis nicht. Ich glaube nicht, dass, wenn ein Mensch weiss, was einst geschehen ist, er damit schon das Verständnis, die tiefe Erkenntnis dafür erworben hat, was jetzt und hier geschieht, oder gar den Blick daraufhin, was etwa nun geschehen soll. Aber es gibt Stunden, in denen Erkenntnis, und zwar gerade geschichtliche Erkenntnis von besonderer Wichtigkeit ist, und das sind die Stunden, wo es auf Unterscheidung ankommt, auf Unterscheidung von Prinzipien, von Richtungen, von Wegen, von Möglichkeiten des Geistes. Es gibt nämlich Stunden, wo es sehr schwer wird, das rechte und das falsche von einander zu sondern. Wo es sehr leicht wird, wenn ich mir das Wort, das etwas krasse Wort erlauben darf, wo es sehr leicht wird, Gott und den Teufel mit einander zu verwechseln. Denn es ist doch nie – der Teufel hat sich noch nie für den Teufel ausgegeben, sondern immer nur für Gott, sonst hätte er keine Anhänger bekommen. Also in solchen Stunden der leichten Verwechslung, der schweren Unterscheidung ist es wichtig, die Menschen zu lehren, so gut eben einer kann, ge-

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schichtlich zu unterscheiden, und zum Unterscheiden hilft geschichtliche Erkenntnis, nämlich indem man eben jene Macht (es gibt keine neue) sich ausprägen sieht im Gange der Geistesgeschichte und zwar so, dass deutlich geschieden gegen einander stehen, also nicht um einer theologischen oder historischen, einer selbstzweckhaften Erkenntnis halber habe ich neulich davon gesprochen, wie das gewesen ist mit dem Verhältnis des Geistes zur Welt, in der heidnischen Antike, und wie im Christentum und wie es im Judentum ist. Ich hätte noch andere Prinzipien anführen können. Aber es ging mir darum, und ist Ihnen doch wohl deutlich geworden, dass es mir insbesondere um Abhebung gegen das Heidentum ging, darum habe ich von der Herrlichkeit des Heidentums gesprochen, denn solche Herrlichkeit ist immer Versuchung. Ich sage, dass ich deshalb in der geschichtlichen Erkenntnis und zwar absichtlich vereinfachend diese Prinzipien aufgezeigt habe, damit man sieht, wie unverwechselbar sie sind, und damit man nun deutlich sieht, wohin gehören wir. Und es genügt nicht zu sehen: nun, wir gehören eben zum Judentum. Auch Judentum ist etwas, was man sehr leicht verkennen und verwechseln kann. Auch Judentum kann ein blosses Schlagwort werden, das einem darüber hinweghilft, etwas ganz bestimmtes, unverkennbares zu erwählen und das andere abzulehnen. Es genügt also nicht, dass man einen Namen nennt, dass man eine Gemeinschaft bezeichnet, zu der man sich zählt, sondern man muss wissen, was etwas ist, welche Art von Leben welche Art des Verhältnisses des Geistes zur Welt: was tue ich, indem ich mich dem Judentum angehörig erkläre? Es ist mit Recht gesagt worden, dass ich nun nicht einen Weg aufzeige, während früher doch ein deutlich gebahnter grosser Weg, eine Königsstrasse im Judentum war und für die Gesetzestreuen jetzt noch ist, nämlich einfach das Halten des Gesetzes. Ich sprach von dem Punkt aus, wo jetzt die Vielheit der Juden auf der Welt ist. Ich nehme diese Vielheit in ihrer jetzigen – sagen wir es deutlich heraus in ihrer jetzigen Gottesferne ernst. Aber ich nehme sie alle, wie sie sind, die auf der Bahn Wandelnden und die auf tausend Wegen verstreut sind, ich nehme sie in ihrem So-Sein ernst, ich nehme ihr Bewusstsein von sich selbst, ihr Gewissen nehme ich ernst. Dem gegenüber fühle ich mich nicht befugt und berufen zu sagen, dies und kein anderes ist jetzt der Weg, den ihr gehen sollt, sondern nur dazu, zu sagen: dies ist der Punkt, von dem aus ihr gehen müsst, wie ihr auch geht. Es gilt also denn: Konfrontiert euch mit der ganzen jüdischen Wirklichkeit, aber ihr müsst wissen von wo aus. Diesen Punkt, »von wo aus«, habe ich mit eher überscharfer als nicht genügend scharfer Deutlichkeit herauszuarbeiten gesucht. Deshalb habe ich in dieser Stunde geschichtliche Erkenntnis geben wollen und habe gehofft, dass immerhin

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doch einem Teil meiner Hörerschaft damit eine Hilfe gegeben ist, in dieser Stunde zu bestehen. Und nun möchte ich zum Gegenstand dieser Vorlesung kommen. Diese Vorlesung steht in Zusammenhang mit zwei früheren Vorlesungen, die ich in den ersten Trimestern gehalten habe. Es ist eine inhaltliche Verknüpftheit. Diese Verknüpftheit sieht etwa so aus: Die erste Vorlesung behandelte den Gegenstand: Jüdischer und christlicher Glaube. Ich möchte vielleicht genauer sagen: jüdischer und christlicher Gottesglaube, und zwar ging es mir darum zu zeigen, dass der Jude nicht etwa bloss anderes, etwas anderes, sondern dass er anders glaubt als der Christ, dass es um eine andere Art von Glauben geht, d. h. dass Glaube im Judentum etwas anderes bedeutet als in dem (hier möchte ich eine Einschränkung machen), als im offiziellen Christentum. Wir müssen auch eine Scheidung im Judentum machen. Im klassischen Judentum bedeutet Glaube etwas anderes als im klassischen Christentum. Um das herum lagert sich allerlei Problematik. Ich habe gezeigt, dass im Judentum Glaube ein fast naturhafter, selbstverständlicher Vorgang ist, ein Verbundensein mit einem Gott, dem gegenüber die Frage, ob man an ihn glaubt oder nicht glaubt, garkeine Realität hat, sondern es kommt nur darauf an, ob man gottverbunden ist oder nicht, ob man sich ihm wirklich angelobt oder nicht. Ich habe dann gezeigt, dass im Christentum der Begriff Glaube anders ist, weil hier in einem bestimmten Sinn und zwar von Anfang dieser Lehre von dem Menschen, von dem Anhänger gefordert wird, dass er an etwas glaube, woran er früher nicht geglaubt hatte. Dieses Novum, dieser Ruck, dieser Umschwung, diese Anstrengung, diese Wandlung des Wesens, die notwendig ist, damit er dies glaube, was er nicht geglaubt hatte, was ihm zu glauben zunächst schwer, wenn überhaupt möglich wurde. Ich habe angedeutet, dass die Judenchristen für mich etwas besonders Problematisches sind. Aber auch für den Heiden – es wurde dem Menschen etwas abverlangt er wurde in ein anderes Leben, und das sagen ja die Autoren des Neuen Testamentes sehr deutlich, in eine andere Art des Lebens, in ein anderes Koordinatensystem hineingestellt. Alles andere in der ersten Vorlesung ergab sich daraus, alle inhaltliche Verschiedenheit ergab sich aus der Verschiedenheit der Glaubensweise. Die zweite Vorlesung behandelte die jüdische und christliche Erlösungslehre, d. h. wir fragten wieder wie im ersten Trimester, was heisst Erlösung im Judentum und im Christentum, und zwar musste ich da natürlich besonders das Christentum eingehend behandeln, um zu zeigen, wie die jüdische Erlösungslehre sich von der christlichen abhebt. Wir sahen nämlich, dass die christliche Erlösung etwas ganz anderes, eigentümliches ist, nämlich die Erlösung von der Sünde. Wir mussten uns

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sehr ernsthaft dann in einer gewissen Ausführlichkeit damit befassen, was Sünde eigentlich ist, was Sünde ist im Aspekt des Judentums und im Aspekt des Christentums und weshalb es von diesen verschiedenen Anschauungen von der Sünde aus in einem besonderen Sinn eine Erlösung von der Sünde im Christentum gibt, wie es im Judentum in dieser Weise sie garnicht geben kann, und weshalb Erlösung im Judentum etwas durchaus anderes meinen muss. Als wir an diesen Punkt angelangt waren, erhob sich vor uns die dritte Frage: was also glaubt der Christ, was glaubt der Jude hinsichtlich dessen, was wir die messianische Welt nennen möchten. Was ist hier die eigentliche Differenz. Wir sahen ein Unterscheiden darin, dass der Gegenstand der Erlösung ein anderer ist. Aber nun erhebt sich die Frage: wie steht es überhaupt, wie verhält sich jüdischer und christlicher Messianismus hinsichtlich ihres Wesens, ihres Gehaltes zu einander. Ich möchte zunächst wieder vom christlichen ausgehen. Wie verhält sich, oder sagen wir so: ich möchte ausgehen davon, wie sich der christliche Messianismus auf den ersten Blick zum jüdischen verhält. Man könnte in Frage stellen, ob es überhaupt einen christlichen Messianismus gibt. Weshalb? Weil für das Christentum das wesentliche, das entscheidende in der jüdischen Messiaserwartung, an der inneren Hoffnung und Erwartung, erfüllt ist, als erfüllt gehalten wird. Ich sage: das wesentliche, nicht aber schlechthin diese Erwartung. Das möchte ich zunächst verdeutlichen. Zwei Grundkategorien sind dem messianischen Glauben des Judentums und des Christentums gemeinsam. Das eine ist das, was man im Judentum nennt Malchuth Sch’majim, im Neuen Testament Basiliu tu teu nebenbeigesagt: die deutsche Übersetzung beider lautet: Königtum Gottes. Auch Sch’majim, auch Himmel ist nichts anderes als eine Gottesbezeichnung. Wenn im Judentum vom Königtum des Himmels gesprochen wird, so ist Himmel hier eine Bezeichnung für Gott. Das ist sehr wichtig, weil hier ein ungeheuerliches Missverständnis von da aus entstanden ist, nämlich als ob Basiliu oder Malchut bedeutet ein Himmelreich Gottes, ein Himmelreich, in dem Gott herrscht. Das bedeutet es nicht und hat es nie bedeutet. Himmel ist nur eine Bezeichnung für Gott, und Malchuth bedeutet nicht Königreich, sondern Königtum, mit anderen Worten Königsmächtigkeit, Königswelt Gottes, das königliche Herrschen Gottes. Das ist es, was mit diesem hebräischen, diesem griechischen Ausdruck bezeichnet wird. Das ist der eine Grundbegriff, der Judentum und Christentum gemeinsam ist. Das Königtum Gottes. Wir wollen noch dahingestellt sein lassen über wen, die Welt oder nur ein Volk, gleichviel. Wir wollen dahingestellt sein lassen auch in diesem Augenblick: ein unvollkommenes, widerspruchsvolles, noch unvollständiges oder ein vollkommenes, erfülltes, hindernisloses, vollendetes.

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Das ist der eigentliche Punkt des ganzen Problems, von dem wir sprechen, aber wir wollen es zunächst dahingestellt sein lassen. Der zweite Begriff, der beiden gemeinsam ist, ist der hebräische Begriff Maschiach, Christos, der Gesalbte – das ist zunächst, dem Begriff sieht man genau so wenig wie dem anderen an, ob er sich auf Gegenwärtiges oder künftiges bezieht Meschiach haschem wurde der erste König Israels, Saul genannt. David spricht immer wieder von Saul als von dem Gesalbten Gottes. Christos titeu steht in der griechischen Übersetzung, der Septuaginta, da, wo von den Königen Israels die Rede ist. Ich lasse also dahingestellt, ob es hier um Gegenwärtiges oder Künftiges, ob um geschichtliches menschliches Königtum zum Unterschied von jenem Gotteskönigtum, von dem wir zuerst sprachen, Königtum, das aber einen sakramentalen Charakter trägt, denn dieser König wird Gesalbter genannt, also einer, der die Gottessalbung, diesen sakramentalen Königsauftrag von Gott empfing, ich sage, ob dies eine geschichtliche Kategorie geworden ist, absolut zukünftig, eine eschatologische, eine messianische. Beides möchte ich noch dahingestellt sein lassen. Gegenstand dieser Vorlesung bei beiden Begriffen ist, uns zu erarbeiten, wie in ihnen das Verhältnis zwischen gegenwärtigem, geschichtlichem und zukünftigem Messianismus ist und wie ihrer beider Verhältnis zu einander. Im Augenblick ist für uns wichtig, dass sie gemeinsame Grundbegriffe im Judentum und Christentum sind, und zwar Grundbegriffe, die das Christentum vom Judentum übernommen hat. Es sind die Zentralbegriffe des Judentums, als die Zentralbegriffe des Christentums erscheinen sie auf den ersten Blick. Denn der grösste Ruf, der Anruf, mit dem die frohe Botschaft, von der das Evangelium (Evangelium heisst ja gute Botschaft) erzählt, berichtet, beginnt und zwar mal um mal, zuerst im Munde Johannis, dann Jesu, dann der Apostel, immer wieder mit demselben: Nahe herbeigekommen ist das Königtum Gottes, Kehret um. Und das zweite brauche ich ja nicht zu sagen, dass der Grundbegriff Christos in der Mitte des Christentums steht. Was an griechischen Elementen hinzugekommen ist, was an griechischen und sonstigen nichtjüdischen Elementen sich kristallisiert hat um diesen Grundbegriff, ist sekundär geblieben. Unsere Aufgabe, die Aufgabe dieser Vorlesung ist also, zu betrachten, wie sich diese beiden Grundbegriffe verschieden im Judentum und im Christentum darstellen. Und um dies zu erkennen, müssen wir anders als in der vorigen Vorlesung ausgehen vom Judentum. In der vorigen Vorlesung mussten wir ausgehen vom Christentum, weil wir zeigen wollten, wie diese eigentümliche Lehre der Erlösung von der Sünde, eine spezifisch christliche Lehre, sich vom Judentum abhebt. Wir müssen jetzt ausgehen vom Judentum, weil wir zeigen wollen, welche Abwandlung der jüdische Messianismus

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erfahren hat, als er vom Christentum zur Grundlage seiner Glaubenswelt genommen wurde, aber als etwas, wovon zuerst gesagt wird, dass es herbeigekommen sei, wovon dann aber hinsichtlich der Persönlichkeit des Christos so gehandelt wird, als sei es jetzt da, damit schon eine Abhebung schaffend von allem Jüdischen, wo Messias eben dem Grundsinn nach etwas ist, was noch nicht da ist, wie immer man es sonst fasst. Nun möchte ich etwas allerdings schon vorweg nehmen (ich möchte darin nicht missverstanden werden) nicht im strengsten Sinn wird Jesus, und nicht durchweg wird Jesus im Neuen Testament behandelt als der Messias, der gekommen ist. Es lässt sich zeigen, und ein bedeutender christlicher Theologe unserer Zeit, Albert Schweitzer, und dann viele Theologen, die sich an ihn angeschlossen haben, haben gezeigt, dass man eigentlich von Jesus, jedenfalls die Synoptiker, die drei älteren Evangelien, nur sprechen als von dem Jesus jener geschichtlichen Stunde, von dem Jesus, der eine menschliche ..(?) hat, nur sprechen als von einem Messias designatus, von einem zu künftiger Wiederkunft als Messias Bestimmten, dass er, Jesus selbst nur in diesem Sinne ein messianisches Selbstbewusstsein gehabt habe. Dies möchte ich schon vorweg nehmen. Dennoch aber bleibt die ungeheure Abhebung deutlich zwischen einem Glauben an eine künftige Erfüllung, die entscheidend noch nicht angehoben hat, und einer Erfüllung, deren entscheidendes Vorstadium jetzt und hier schon da ist. Von den Sprechern dieser Botschaft aus gesehen – ich sage also, wir gehen aus vom jüdischen Messianismus. Und hier müssen wir uns etwas sehr Wichtiges vergegenwärtigen, was gewöhnlich nicht oder nicht deutlich genug erkannt wird. Die Grundkategorien, von denen wir sprachen, erscheinen im jüdischen Messianismus, ich habe es schon angedeutet, aber wir müssen es jetzt ganz klar erkennen, die Grundkategorien erscheinen im jüdischen Messianismus nicht als feste, eindeutige, einer bestimmten Zeit, Gegenwart oder Zukunft zuzusprechende Grössen, sondern sie erscheinen in einer eigentümlichen Spannung. Das Königtum Gottes, ja, zunächst muss es doch fast selbstverständlich scheinen als etwas, was sich aus der Konzeption Gottes von selber ergibt, dass er König nicht bloss dieses Volkes Israel, sondern seiner Welt ist, und es ist schwer zu fassen: was heisst da, dass dieses Königtum nicht vollendet, nicht erfüllt nicht widerspruchslos, nicht hindernislos ist, was heisst das, vom Glauben des Judentums aus, für den es keine widergöttliche Gewalt gibt, die ihm irgendwie entgegensteht, entgegenwirken könnte, keine himmlische, keine gegenhimmlische Gewalt, keine metaphysische Macht, die der göttlichen irgendwie gegenüberstände. Wir glauben, es gibt Gott und es gibt diese unsere Welt von Gott geschaffen, also ihm durchaus unterlegen, von ihm abhängig, von ihm gemacht

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und von ihm zerstörbar, aufhebbar. Und dennoch, gerade von unserer Schöpfungskonzeption glauben wir, dass Gott sich in dieser Welt oder gar nur mit diesem Menschen einen Partner des Weltgeschehens erschaffen und in Wahrheit eingesetzt hat, sodass die Wirklichkeit der Weltgeschichte sich allen Ernstes zwischen Gott und diesem seinem so von ihm abhängigen Geschöpf vollzieht, dem er Freiheit verliehen hat, dem er Eigenbewegung, Eigenwillen, Eigenmächtigkeit angetan hat, sodass es fähig ist, in Wahrheit auf ihn zu zu handeln, ihm zu erwidern, sein Partner in diesem weltweiten Dualismus zu sein. Daraus entsteht das Problem, die Problematik des Königtums Gottes. Weil es den Menschen in diesem Ernst gibt, weil es den Menschen, weil es die Welt gibt, die auf Gott handeln könnende Welt, den auf Gott zu handelnden Menschen, der in Wahrheit Gott wählen und Gott verwerfen kann, weil es das in Wahrheit gibt, gibt es das Hindernis, den Widerspruch. Gott hat die Welt nicht als vollendete geschaffen, sondern als eine auf Vollendung angelegte, aber nun eben durch das So-Sein des Menschen, durch das jeweilige Noch-So-Sein des Menschen, den jeweiligen faktischen Widerspruch des Menschen gehemmte Vollendung. Also Gott ist König der Welt, aber er tritt die Königschaft nicht an, ehe seine Welt, seine Geschöpfe ihn in Wahrheit, nicht bloss in einer Proklamation, in der Wahrheit des Lebens als den König anerkennen. Daraus, aus diesem Grundfaktum des Weltseins, des Menschsein, entsteht das Problem, die Zwiespältigkeit des Begriffs Königtum Gottes, Glaube, Hoffnung der Erfüllung des Königtums Gottes, Erlösungsglaube. Erlösungsglaube als Vollendungsglaube, als Glaube an die Vollendung der Schöpfung unter einer geheimnishaften, eigentümlichen Mitwirkung des Menschen an dieser Vollendung. Und die Zukunft – nun der Begriff der Zukunft mit einer Unbedingtheit ausgestattet, die Zukunft sonst nirgends hat. Messianische Zukunft heisst eine Zukunft der Erfüllung, der Vollendung, des erfüllten Gotteskönigtums, der hindernislosen, widerstreitlosen Herrschaft Gottes über seine Welt, also eine absolute Zukunft. Denn von da aus, gleichviel, was es darüber hinaus an Welt und Weltgeschichte noch geben wird, von da aus wird ganz anderes Zukunft genannt werden, denn wenn dann noch der Mensch Zukünftiges bedenkt, besinnt, erträumt, ist es etwas völlig anderes, als was wir heute Zukunft nennen. Darum ist es die unbedingte Zukunft, von der wir sprechen. Und das andere, der Messias, d. h. der Träger des Heils, dieser Heilszeit, der menschliche Träger, auch hier eine eigentümliche Spannung. Was heisst es, wie kann es einen menschlichen Träger des Heils geben, da doch die Heilszeit, die Erfüllung des Königtums Gottes ist. In welchem Verhältnis steht dieser menschliche Träger des Heils zu Gott, in

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welchem Verhältnis steht Gott zu ihm? Wir werden sehen, dass sich in dieser Frage die Frage birgt: wie steht Gott zum Menschen, wie steht der Mensch zu Gott, dass diese Frage des Verhältnisses Gottes zum menschlichen Träger des Heils die Entrollung der Frage ist, wie steht Gott zu seiner menschlichen Kreatur. Also wieder eine Spannung, und zwar wie dort die Spannung zwischen gegenwärtig problematischem und dereinstigem erfüllten Königtum Gottes, zwischen Gegenwart einer Welt, die unerlöst ist, aber erfährt, was Erlösung ist in jedem Augenblick, und einer Welt, in der sich die Schöpfung Gottes vollendet, und zum zweiten die Spannung zwischen Gott, dem König und seinem Gesalbten, dem von ihm zum Träger menschlicher Königschaft eingesetzten Gesalbten. Wir erfahren jetzt den ganzen Ernst dessen, was Salbung bedeutet. Das ist nicht etwas Beiläufiges, sondern zum Thema gehört allen Ernstes die Frage: was heisst das – Salbung? In diesem Sakrament spricht sich eben das Verhältnis Gottes zu seinem Menschen zu allererst aus. Wir müssen uns diese zwei Spannungen gegenwärtig halten für den weiteren Gang der Vorlesung. Dabei müssen wir etwas noch festhalten. Ich sagte der Träger des Heils. Aber es ist nicht dieselbe Gestalt, die in den verschiedenen Phasen jüdischer Geistesgeschichte diesen Träger darstellt. Sie wandelt sich von den Anfängen des jüdischen Messianismus bis zu seiner späteren Gestalt, auch innerhalb der jüdischen Prophetie, zwischen Jesaia 7-10 und 52-53 ist ein ungeheures Anderswerden dieser Gestalt. Also das gehört dazu, diese Dynamik, diese geschichtliche Bewegung, diese Änderung der messianischen Gestalt, ohne dass ein späteres Stadium die früheren Stadien negierte, ohne das die früheren Stadien durch das spätere aufgehoben werden. Sondern es ist eine eigentümliche Handlung und Entfaltung zugleich. Wir werden sehen, dass es keine Bewegung in Gegensätzen ist, sondern ein wirkliches Aufblühen, Aufschliessen eines früher noch Verschlossenen, also eine wirkliche Entfaltung im genauen Sinn, wenn wir diesen abgebrauchten Terminus sinnernst nehmen, eine Auswicklung eines Eingewickelten. Ich möchte nun das nächstemal kurz sprechen von den Ableitungsversuchen der modernen Wissenschaft, wie die moderne Wissenschaft den jüdischen Messianismus zu erklären sucht, und dann will ich aufzeigen, welches der eigentliche Weg ist zum Herzen des jüdischen Messianismus, nämlich die Frage nach seiner Entstehung. Erst von der ernsten Frage nach seiner Entstehung aus können wir seine Wandlungen und dann sein Wesen selber erfassen.

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II Ich habe das vorigemal von den Grundkategorien des jüdischen Messianismus zunächst zu Anfang nur andeutend als Spannungen gesprochen einerseits – das, was ich die absolute Zukunft nannte, und zum zweiten der Träger des Heils – ich will auf das heute nicht zurückkommen. Es ist Ihnen wohl noch gegenwärtig. Die nächste Frage für uns ist nun, wie versucht die Wissenschaft, die moderne Bibelwissenschaft und Religionsgeschichte, dies eigentümliche Gebilde des Messianismus zu erklären? Sie sucht es zu erklären, indem sie es abzuleiten versucht, abzuleiten, und zwar abzuleiten von irgendwelchen Vorstellungen, Äusserungen anderer Völker des alten Orients. Es ist also zunächst einmal: die Wissenschaft stellt uns mit diesen ihren Versuchen der Ableitung (ich will gleich ein paar Beispiele geben) vor die Frage: haben wir es hier mit einem eigentümlichen Gebilde zu tun, mit einer eigentümlichen Konzeption, oder ist diese Konzeption nur eine Weiterbildung und Umbildung anderer Konzeptionen, die bei den vorderasiatischen Völkern schon eine gewisse Ausbildung gefunden haben. Wenn ich sage: die Wissenschaft, will ich damit nicht sagen, dass die ganze moderne Bibelwissenschaft eindeutig sich auf diesen Versuch der Ableitung, der Zurückführung auf Nichtisraelitisches stellte. Einen sehr deutlichen Satz, der für das Gegenteil spricht, habe ich in diesen Tagen bei einem protestantischen Theologen gefunden, der sagt: die hebräische Seele ist mit dem Zug ins Künftige, ursprünglich behaftet. Das ist, wenn man es ganz ernst nimmt, ein Gegensatz, ein sehr scharfer deutlicher Gegensatz zu all diesen Versuchen der Wissenschaft. Die Versuche nun, all die Versuche, einen solchen Zug ins Künftige nicht als etwas Ursprüngliches zu verstehen, also das Problem in ein anderes Volk zu verlegen (denn dann hätten wir uns zu befassen, wie denn da drüben diese merkwürdige Konzeption entstanden sei). Aber da geht uns glücklicherweise der Atem aus, denn wie so etwas bei den Babyloniern oder Ägyptern entstanden ist, können wir an Hand der Texte, die wir haben, garnicht zu sehen versuchen. Es ist also dieses Problem glücklicherweise in ein Dunkel verhüllt, das aufzuhellen man garnicht versuchen kann. Eine ausführliche Darlegung, die ausführlichste, eines solchen Versuches finden Sie in dem nachgelassenen Werk von Gressmann »Der Messias«. Das ist eine Umarbeitung eines früheren Buches über den Ursprung der israelitischen Eschatologie. Ich zitiere dieses eine Werk, weil hier vielleicht am allerklarsten aufgezeigt werden kann, worin die Problematik, worin der Vorgang dieser Art der Ableitung besteht. Gressmann geht davon aus, von zwei Voraussetzungen: Es gibt sowohl in der babylonischen wie in der ägyptischen Welt Texte, in denen

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ein Idealzustand, offenbar ein künftiger Idealzustand, manchmal aber auch ein gegenwärtiger beschrieben wird mit ähnlichen Worten, in ähnlichen Farben dargestellt wird wie manche messianische Texte, die von dem künftigen messianischen Reich reden. Es wird also darauf hingewiesen, es ist dies also der Ursprung dieser biblischen Darstellungen eines künftigen, vollkommenen messianischen Zustandes, der also schon in diesen ägyptisch-babylonischen Texten vorkommt. Verweilen wir zunächst einen Augenblick dabei und sehen wir uns diese Texte an, so werden wir finden, dass diese durchaus einer bestimmten Gattung angehören. Sie sind nämlich alle höfischen Charakters, Reden von Hofleuten oder Hofpropheten, von den Hofangestellten, Hofredner oder -weissager, die entweder dem König selbst zusprechen, was für ein Heil er für sein Volk zu bringen bestimmt ist, oder mindestens seinen Nachkommen so ein Heil in Aussicht stellen. Immer ist es aber – ich möchte sagen: bestellte Arbeit. Dieser Hof – (ich hätte fast gesagt: Hofprediger) Hofprophet ist dazu da, dem König zu sagen, was der König hören will, und er will natürlicherweise hören, dass er ein Heilbringer sei oder seine Söhne Heilbringer sein werden. Wenn wir nun zusehen, vergleichen, so finden wir gerade, dass dies der Bibel, den biblischen messianischen Texten fremd ist. Die biblischen messianischen Texte stellen das, was angekündigt wird, den Heilszustand, der angekündigt wird, in den schärfsten Gegensatz zu dem Vorhandenen, und unter dem Vorhandenen insbesondere zu den gegenwärtigen Hofzuständen, zu der gegenwärtigen Machtsituation. Wenn der Prophet weissagt, dass eine Heilszeit bevorsteht, so ist das bei ihm fast immer mit der Weissagung einer Unheilszeit verknüpft, und diese Unheilszeit ist bezogen auf das Unrecht der heute lebenden Menschen, als die Folge dieses Unrechts, und ganz besonders als die Folge des Unrechts der heute mächtigen Menschen, der Machthaber dieses Reiches. Der Prophet steht also einer Mächtigkeit gegenüber, bestreitet ihre Legitimität, stellt sie in Frage, stellt sie vor das Gericht, vor das richtende Wort Gottes, lässt aus dem, was sie treiben, wie sie es treiben, die Unheilszeit sich gleichsam herauswickeln, und weist dann freilich über diese Unheilszeit hinweg in eine Zeit, da die zerfallene Hütte Davids wieder aufgerichtet wird. Es ist also die ganz entgegengesetzte Haltung. Aber nicht genug daran. Wenn Sie sich diese ägyptisch-babylonischen Texte, die z. B. in manchen Sammlungen, auch in der von Gressmann besorgten Sammlung altägyptischer (?) Texte und Bilder ansehen, dann finden Sie immer, dass im Grunde genommen es um garnichts anderes geht als um die Steigerung der Darstellung eines Vorhandenen. Dieses vorhandene wird in übersteigerten, in übertriebenen Farben geschildert, aber es geht im Grunde um gar nichts anderes, als um Gegenwärtiges, was dieser

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Mann eben so auszumalen bestellt ist. Bei den messianischen Texten geht es eminent nicht um etwas Vorhandenes. Das, von was da gesprochen wird (es hängt mit dem, was ich zuerst sagte, zusammen, aber es bringt noch etwas hinzu) ist gerade eine Spannung zwischen dem Gegenwärtigen und dem Zukünftigen. Es ist das gerade, um was es geht, das, was ich die absolute Zukunft genannt habe. Also die Grundkategorie des Messianismus fehlt hier, ja, es fehlt auch nur eine Ahnung davon, dass Zukunft Verwandlung bedeutet, dass Zukunft Vollendung der Welt, Vollendung der Schöpfung, Erfüllung des in der Schöpfung Angelegten bedeutet. Gerade diese eigentümliche Spannung von Gegenwärtigem und Vollendung, von Mangel und Erfüllung, von dem Angelegten, aber Verdunkelten, Erstrebten, voll Widerspruch Erstrebten und der reinen, widerspruchslosen Entfaltung des von Gott Angelegten. Gerade dies, sage ich, fehlt dort durchaus; also von jenen Texten aus lässt sich die Grundkonzeption, die messianische Grundkonzeption, also die Konzeption des Künftigen als der Vollendung nicht erklären. Nun aber ein zweites: Die Leute, die so argumentieren, weisen darauf hin, dass die Endzeit dargestellt werde in allerlei Bildern, die eigentlich der Urzeit angehören. Es ist z. B. ein Kampf, der in der Endzeit sein soll, ein Kampf zwischen Gott und einem Drachen soll stattfinden, und dieser Kampf ist aber eigentlich ein Mythos, das der Urzeit angehört, und man könnte allerlei Spuren davon in den biblischen Texten entdecken. Diese Urzeitmythen aber, seien insbesondere babylonische Mythen, z. B. dieser Kampf mit dem Drachen geht schon auf ein babylonisches Schöpfungsmythos, wo die Welt der Wesen geschaffen wird und das eine Urzeitwesen, ein Chaoswesen, das sich gegen Gott auflehnt, seine Scharen in den Kampf gegen die Götter schickt. Dann wird es von dem Herrn der Götter bezwungen, in Stücke gerissen, und aus diesen Stücken werden Himmel und Erde gemacht. Diese Religionshistoriker führen manches nicht so sehr von der biblischen Schöpfungsgeschichte, wie sie am Anfang der Bibel steht, aber von manchen Anklängen an andersartige Schöpfungsberichte, z. B. solche, die von einem Urkampf Gottes mit dem geheimnisvollen Chaoswesen sprechen, zurück, und sie nehmen an, dass diese Urzeitmythen projiziert werden in die Endzeit. Es wird gleichsam umgestellt. Es handelt von der Urzeit und wird in die Endzeit projiziert. Ebenso sei es mit der Paradiessage. Das Heil der Endzeit sei nichts anderes als eine Erneuerung der Paradiessage, etwa: die Tiere werden in solchem Frieden mit einander leben usw. Solange man an solchem Schema festhält (diese Forscher reden gerne von einem prophetischen Schema) mag das gelten, aber wenn man näher zusieht, findet man, dass die Art, wie von der messianischen Zeit gesprochen wird, eine völlig an-

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dere ist als in der von der Urzeit gesprochen wird, vorausgesetzt, dass wir uns an die klassischen messianischen Texte, also an das vorexilische, exilische, etwa noch unmittelbar nachexilische Prophetentum halten. Anders wird es freilich, wenn wir uns an die späteren Texte, Daniel, und nach Daniel halten, insbesondere die Apokryphen, die messianischen Texte im Buche Henoch, in der Baruch Apokalypse, da geht es in der Tat, da wird uns von diesen Schriftstellern (es sind nicht mehr Propheten), Menschen der Literatur, hier wird von ihnen das alte Gut und zwar sowohl das israelitische wie das ausserisraelitische Traditionsgut gleichsam exzerpiert. Sie holen Texte aus der Tradition heraus und verwenden diese Farben, um die Endzeit zu malen. Aber bei den klassischen Texten ist es ganz und gar nicht so. Weder wird ein solcher Kampf in den Mittelpunkt gestellt noch ist, wenn von dem Frieden der Welt gesprochen wird, damit der paradiesische Frieden gemeint. Es ist nämlich dieser Endzeitfrieden in seiner ganzen Meinung die friedlose Welt voraussetzend, die zu ihm führt. Es ist der Frieden eines grossen Friedenschliessens in der ganzen Schöpfung. Der Kampf muss vorausgegangen sein und zittert gleichsam nach in diesem ungeheuren Friedensschluss. Wenn man wirklich nicht auf ein Schema hin, sondern mit Treue und Aufmerksamkeit die klassischen messianischen Texte liest, dann findet man, dass sie gegründet sind auf einem sehr ernsten, sehr schweren Betrachten des Weltgeschehens, dass sie durchaus nur zu verstehen sind von da aus, dass der Mensch den Widerspruch, den Widerstreit der Schöpfung, und zwar in der Erscheinung, wie wir sie je und je erfahren, in der geschehenden Weltgeschichte, dass dieser Mensch von diesem Widerspruch tief bewegt, erschüttert, aufgerührt ist, dass er von dieser Erschütterung bis auf den Grund seines Wesen aus spricht. Das, was sie verkünden, ist die Überwindung dieses Widerstreits, den sie so leidvoll erfuhren, mit einem Leid, das nicht geringer ist als das Leid des tragischen Menschen, denn man darf den Trost nicht sozusagen vorausnehmen, man darf nicht ehe die ganze Tragik ausgekostet ist, ehe der ganze Schmerz des Geschehens ausgeschöpft ist, schon ansetzen mit dem Trost, mit der Überwindung, sondern dieser Mensch, der an den Dingen, an der Wirklichkeit der geschehenden Geschichte leidet, daran, dass diese Menschenwelt so ist, wie sie ist, dass die Menschen so tun, wie sie tun, dass es zwischen ihnen so zugeht, wie es zugeht, ich sage, diese Menschen, die so darunter leiden, leiden wirklich bis zum Grunde dessen, was wir das Tragische nennen, wo der Widerspruch unüberwindlich erscheint, das ist ja das Wesen der Tragik, Unüberwindlichkeit der Tragik. Es gibt keine Überwindung. Hier aber wird die Überwindung geglaubt, aber erst, nachdem die Tragik der Welt in ihrem ganzen Ernst ohne Beschönigung

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und Abschwächung erfahren wird. Also dieser Friedensschluss ist ein nachtragischer. Dieser Friedensschluss ist die Überwindung der wirklich erfahrenen Tragik, ist kein paradiesischer Friedensschluss, keine Wiederbringung des Paradieses, nichts, was wir romantisch nennen können, sondern es ist die ganze Wucht der ernst genommenen geschichtlichen Wirklichkeit, die geht dem voraus, ehe wir das Wort der Überwindung, des Friedens, des Sichzusammenschliessens der Schöpfung (das bedeutet Scholom, das Sichzusammenschliessen aller Teile) sprechen werden. Also nicht eine Projektion einer Urzeit in die Endzeit, sondern aus der Geschichtserfahrung gewonnen ist die messianische Konzeption. Und das Zukünftige ruht hier auf dem Grunde erfahrenen, unerbittlich erfahrenen, grausamst erfahrenen Geschehens. Mir scheint dies wesentlich. Damit wir uns nicht vorstellen, dass es sich hier um eine lediglich religiöse Konzeption handle, die auf der Ebene der Religion entstanden ist. Ich meine damit: es gibt allerlei Konzeptionen in den Religionen, von denen wir sagen, dass sie religiös entstanden sind, also innerhalb der religiösen Sphäre entstanden und in ihr gelten. Ich möchte das durchaus für die messianische Konzeption oder auch für irgend eine der Konzeptionen des Glaubens Israels ablehnen. Es geht hier nicht um Religion, nicht um etwas von der Tatsächlichkeit des Lebens Abgehobenes, weil über sie Erhobenes, es geht hier nirgends um eine Religion als Überbau des Lebens, sondern wie bei allen entscheidenden Glaubenskonzeptionen Israels ist es auch hier. Es geht durchaus um eine Erfahrungsweise der Wirklichkeit, und was sich daraus ergibt. Messianismus ist nicht zu verstehen als (wenn ich religiös sage, meine ich es in Anführungszeichen) als eine »religiöse« Konzeption, die unabhängig von dem historisch Tatsächlichen entstanden wäre, sondern messianische Konzeption gibt es gerade deshalb, weil es geschichtliche Konzeption in Israel gibt. Und weil Israel die Geschichte, die jeweils geschehende Geschichte so ernst nahm, so glaubensmässig ernst nahm, wurde es auf die messianische Konzeption geworfen. Der Messianismus ist ganz und gar geschichtlich entstanden, nicht religiös, nicht religionsgeschichtlich, sondern geschichtlich, also aus dem Verhältnis des Menschen, des Glaubensführers, des prophetischen Menschen, aus seinem Verhältnis zu dem, was jeweils geschah. Der biblische Messianismus ist nicht etwas, was man geistig, geistesgeschichtlich erklären kann, sondern etwas, was man nur geschichtlich, aus der Geschichte selbst, aus den Geschichtserfahrungen und -enttäuschungen, aus den geschichtlichen Erwartungen und der Vernichtung dieser Erwartungen verstehen kann. Und die messianische Erwartung ist in ihrem Ursprung geschichtliche Erwartung, also eine Erwartung, die nicht auf irgendwelche späten, fernen, letzten Dinge gerichtet ist,

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sondern auf das, was jetzt, im nächsten Augenblick heraufkommen kann, also gerade nicht ein Glauben, der sich vom Leben abhebt, der über das Leben hinweg nach einem anderen, andersartigen, künftigen, erfüllt seienden sich sehnt, sich hinüberträumt, sondern gerade von der harten, strengen, schweren Erfahrung dessen, was jeweils geschieht, im Gegensatz zu der Erwartung, heftet sich nun die Erwartung an ein Kommensollendes, das sie in Gegensatz stellt zu dem, was jetzt ist, in Gegensatz zu diesem Widerspruch, der jetzt ist, zu dieser Unvollkommenheit, zu diesem Widerstreit, der jetzt ist, im Gegensatz zur Zukunft, also immer aus der historischen Unmittelbarkeit heraus, aus der lebendigen geschichtlichen Stunde hervor. Ich schicke dies Grundmotiv voraus, weil von da aus alles zu verstehen ist, wovon wir zu handeln haben werden. Das Problem also: was bedeutet der biblische Messianismus, ist in der Tat ein genetisches Problem, aber ein historisches Entstehungsproblem. Unsere Grundfrage ist: Wie ist aus der Geschichte des Volkes, von der die Bibel handelt, der Messianismus, die messianische Konzeption hervorgesprungen. Wir müssen also zunächst mit der Vorgeschichte dieser Konzeption beginnen, also mit einer Vorgeschichte, die nicht Geistesgeschichte ist, sondern Volksgeschichte. Wodurch unterscheidet sich in seiner Geschichte, in seiner Art, geschichtlichen Handlung und geschichtlichen Erfahrung dieses Volk von den Völkern? Ich habe schon gesagt, dass, als ich von dem christlichen Messianismus das vorigemal sprach, von der Problematik des christlichen Messianismus, der Grundbegriff ist jüdischem und christlichem Messianismus gemeinsam, Königtum Gottes. Was heisst das, was heisst das historisch gefasst, also nicht auf der Ebene der menschlichen Begriffe, der menschlichen Vorstellungen, sondern was heisst es auf der Ebene der tatsächlich geschehenden Volksgeschichte? Die meisten semitischen Völker hatten die Glaubensvorstellung, dass sie von Göttern geführt wurden auf ihren Wanderungen, auf ihren Eroberungszügen. Es sind dies fast durchweg, wie wir aus der Geschichte wissen und in anderen Fällen wohl erschliessen können, es sind dies fast durchweg wandernde Stämme, nomadische oder halbnomadische Stämme, die nun den Glauben haben, es gibt einen Gott, der sie, diese Stämme, auf diesen ihren Wanderungen führt aus einem Land, wo es ihnen zu eng geworden ist, wo ihnen kein Weideplatz mehr zur Verfügung stände, in ein anderes, besseres, gutes Land. Dieser Gott wird vorgestellt als ein vorangehender, ein diese Stämme lenkender und ihnen das Land gebender, also als der Führer, der Landnehmer. Und dieser göttliche Lenker, der Landnehmer, wird nun bei den verschiedenen semitischen Völkern mit einem und demselben Grundwort bezeichnet, malch. Also es ist dieselbe Wurzel, aus der das hebräische Wort melech kommt. Sie kennen die

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Wurzel noch aus einem anderen, merkwürdigen, scheinbaren Gottesnamen, nämlich Moloch (einen Gott Moloch hat es nie gegeben). Die Bibel weiss auch nichts von einem Molech. Was ist das, Molech? Nichts anderes als das Wort Melech, aber mit einer Schandvokalisierung versehen, ein Königsgott, ein Götze. Und das wird darum nicht melech, sondern molech, der Schandkönig oder Afterkönig im Gegensatz zum echten Gott/König Israels. Ich sage also, auch Israel hat, wie die anderen semitischen Völker die Grundvorstellung des Gottkönigs. Aber hier geschieht erstmals und einzigmalig etwas sehr Seltsames. Während die anderen Stämme sich in ihrer Vorstellung von diesen ihren Königsgöttern führen lassen, aber in Wirklichkeit sich von Häuptlingen und Stadtkönigen dann nach der Niederlassung beherrschen lassen, die nur, wie man in späteren Zeiten gesagt hat, von Gottes Gnaden regieren, also im Namen des Gottes und von ihm ihre Vollmacht herleitend, macht Israel ernst damit, versucht Israel damit ernst zu machen, dass es von diesem seinem göttlichen Führer regiert wird. Und statt dem menschlichen Führer der Wanderschaft, der es bis an die Grenzen des Landes führt, oder einen anderen Führer, der dann die Landnahme befehligt, zum König zu proklamieren, proklamiert es mit einem Ernst, mit einer Unmittelbarkeit, derengleichen wir nicht kennen, für die wir kein Beispiel sonst kennen in der Geschichte, Gott selber unmittelbar zum König, wie es am Ende des Liedes nach dem Durchzug durchs Schilfmeer heisst: König bleibt er in Weltzeit und Ewigkeit, oder wie es dann rückwirkend in einem Bericht über eben diese Vorgänge im 5. Buch Mose, 33. Kapitel in dem grossen Lied heisst, wo es genau um denselben Vorgang der Königsproklamation der Proklamation Gottes zum Volkskönig geht, nun aber in der Form des Rückblicks, der Erzählung: So ward in Jeschurun ein König, da sich sammelten die Häupter des Volkes in eines, Israels Stämme. Also damals, so wird gesagt, wuchsen die Stämme in eines, in ein Volk zusammen, als ein König in Jeschurun, in Israel ward. Hier wird ganz deutlich bezeichnet, dass die Volkwerdung, die Entstehung eines Volkes Israel aus den Stämmen, die zu diesem Volk zusammenwuchsen, geschichtlich identisch ist mit dem Vorgang der Proklamation Gottes zum König dieses Volks. Weil die Stämme Gott zu ihrem gemeinsamen König proklamieren, gibt es nunmehr dieses Volk Israel als das Volk dieses Gottes. Und das findet seinen vollgültigen Ausdruck in den Bund zwischen diesem Gott und diesem Volk, der ein echter Königsbund, ein Bund eines Herrn mit denen, die er in seinen Herrschaftsbereich aufnimmt, ist. Dann drückt sich dies restlos und vollgültig aus, was nun geschehen ist. Es gibt unter allen semitischen Völkern hier einen echten göttlichen Königsbereich. Und das spricht nun wieder am deutlichsten die erste göttliche Rede vom

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Berge Sinai gleich nach der Ankunft des Volkes am Berge aus. 2. b. M. 19. Kap. Wir sprechen zum Hause Jakobs: melde den Söhnen Israels: Selber habt ihr gesehen, was ich an Ägypten tat. Ich trug euch auf Adlerflügeln und liess euch kommen zu mir, und jetzt hört ihr, hört auf meine Stimme und wahret meinen Bund, dann werdet ihr mir aus allen Völkern ein Wesensgut, denn mein ist die Erde all, Ihr aber sollt mir werden ein Königsbereich von Priestern, ein ausgesonderter Stamm. Dies ist die Rede, die du vor den Söhnen Israels reden sollst. Ich möchte das nächstemal zunächst dies zu verdeutlichen suchen. Beachten Sie bitte die Ausschliesslichkeit dieses primitiven Universalismus, nicht einen späteren, reflektierenden, sondern einen ursprünglichen, primitiven Universalismus, dieses: mein ist die Erde all, wie Abraham diesen Gott angeredet hat als den Schofet, als den Richter der ganzen Erde, so sagt dieser Gott hier von sich selbst, dass er die ganze Erde zu eigen habe. Nun aber: innerhalb dieses Welteigentums sollt ihr werden ein Königsbereich von Kohanim, von Gottunmittelbaren, in unmittelbarer Beziehung zu Gott stehenden Menschen, nicht ein Reich, nicht ein Königreich, sondern ein Königsbereich, das nahe dem Umkreis des Königs, und deshalb ein ausgesonderter Stamm. Wir wollen das nächstemal über diese Stelle und die damit sinnhaft zusammenhängenden Stellen sprechen. Ich habe das vorigemal mit besonderem Nachdruck hervorgehoben, dass man die Eigenart des jüdischen Messianismus nur verstehen kann, wenn man seine Entstehung versteht. Also durch keine Analyse, durch keine Untersuchung, durch keine Prüfung eines zeitlosen Glaubensbestandes lässt sich das Wesen des jüdischen messianischen Glaubens erfassen, sondern nur dadurch, dass wir in allem Ernst geschichtlich vorgehen und fragen: wie ist das geworden, indem wir nämlich fragen und erfahren, wie es geworden ist, erfahren wir, was es ist. Nicht anders. Nur in seinem Gewordensein, nur in dem Gewordensein des Gegenstandes erfahren wir, können wir hier das Wesen dieses Gegenstandes erfahren. Alle Theologie, alle theologische, d. h. zeitlose Betrachtung führt notwendig von der Wirklichkeit, die wir messianischen Glauben nennen, ab, irgendwohin, auf irgendwelche Höhe der Begrifflichkeit, der Spekulation, aber von der Glaubenswirklichkeit, die wir meinen, wenn wir von messianischem Glauben sprechen, führt die theologische, die zeitlose Betrachtung ab. Nur, wenn wir uns da in jene Zeit hinein versetzen und Zeit um Zeit abschreiten, wie wenn wir wirklich mit diesen Geschichten lebten, Zeit um Zeit, Geschlecht um Geschlecht abschreiten und ihnen abfragen, wie sie gelebt haben, und nun da, von diesem Leben aus, zu erforschen suchen, wie es in jenen Geschichten war, wo und welche Wandlungen in dem messia-

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nischen Glauben, in der messianischen Glaubensvorstellung heraufgekommen, erst dann fassen wir diese Vorstellung selbst, dieses Lebenselement messianisch selbst und nicht einen Begriff, durch den wir diese lebendige Vorstellung ersetzen und verdrängen. Also diesem Konkreten sind wir auf der Spur, auf den wirklichen messianischen Glauben, auf den messianisch glaubenden Menschen sind wir aus. Und den können wir nur so fassen, indem wir die Geschichte befragen, den Gang der Geschichte selber abschreiten. Damit ist aber schon gesagt, dass dieses geschichtliche Forschen, Fragen kein geistesgeschichtliches allein sein kann, dass es nicht darum geht, eine Ideenentwicklung, eine geschichtliche Ideenentwicklung abzutasten, nicht auf der Ebene des Geistes und seiner Wandlungen erfahren wir, was hier zu erfahren ist, sondern Geschichte ist hier ganz ernst, ganz buchstäblich zu nehmen, die Geschichte dieser Menschengeschlechter, ihres tatsächlichen Lebens. Aus der Tatsächlichkeit dieses Lebens in dieser lebendigen Vorstellung heraus gewachsen und nirgendwo anders. Also auch Religionsgeschichte, auch auf der Ebene religiöser Entwicklung, der Entwicklung innerhalb der Religion, fassen wir das Leben messianischen Glaubens nicht, sondern wir müssen das ganze Leben nehmen, das Leben und Sein mit allen Fakten, die wir heute meinen, wenn wir von unserem Leben sprechen. All das gehört dazu, all dieses ganze Leben jener Geschlechter, ihr persönliches Leben, ihr Familienleben, ihr Stammesleben, ihr Volksleben, ihr soziales Leben, ihr Wirtschaftsleben, ihr Kulturleben, all das zusammen, was wir so zerbröckeln, indem wir es in seine Bestandteile auflösen, das ganze Leben jener Geschlechter, und nicht weniger. Erst daraus können wir verstehen, was das ist, was da plötzlich in ihnen, in ihren Herzen wuchs, und gleichzeitig über ihren Häuptern stand, eine Hoffnung unerhörter Art, ein Bild der Zukunft, ein Wissen um das – von den Voraussetzungen unseres Verstandes aus Unmögliche, und doch als wirklich Gedachte. Wenn wir diesem Glauben an Erlösung, all dies Theologische nehmen wollen, was ihn letztlich dem heutigen Menschen, dem Menschen überhaupt unlebbar, unannehmbar macht, wenn wir diesen Glauben eintauchen in die ganze gelebte Wirklichkeit eines sterblichen Menschen, dann müssen wir eben all diese Begrifflichkeit aufgeben und uns auf das Leben stellen und zu verstehen suchen, wie das geschieht, dass der Mensch, der lebendige Mensch solches glaubt, solches hofft, solches erharrt, solches mit bereiten will. Um dies alles, um dieses Entstehungsproblem, dieses – wissenschaftlich ausgedrückt – genetische Problem des biblischen Messiasglaubens geht es uns. Und darum haben wir angefangen damit zu fragen (ja, wir haben es freilich nicht so gefragt, aber ich möchte heute von einem anderen Punkt aus zu eben demselben vordringen) wir wollen

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fragen, da Messias bedeutet der Gesalbte, Meschiach haschem, der Gesalbte Gottes, sein Gesalbter, da dies ursprünglich ein Titel des Königs von Israel ist, der aus diesem Königstitel herausgewachsen ist, woher kommt das, woher kommt dieser Königstitel, was bedeutet das, dass dieser König Messias, Gesalbter heisst. Und das weist uns auf die Frage zurück, mit der wir vorigesmal historisch angefangen haben. Wer ist König in Israel? Ehe es menschliche Könige gab – von wessen Königtum aus, von wessen Königtum sich abhebend ist dieses Königtum des gesalbten Menschen zu verstehen? Und das führt uns auf jene Urfrage nach dem Königtum Gottes, des Gottkönigs, dessen Nachfolger, wie es im Buche Samuel einmal heisst der Menschenkönig, der Gesalbte, der Statthalter geworden ist. Ich sagte schon, dieses Königtum Gottes, d. h. die Vorstellung, dass dieses Volk Israel keinen anderen Herrn haben soll als Gott, dass es gottunmittelbar ist, diese Vorstellung ist nicht etwas, was wie manche Gelehrte es meinen, nachträglich über die frühere Volksgeschichte hingebreitet, wie eine Tünche darüber geschmiert worden ist, sondern das ist eine Urvorstellung, ein Urglaube (Glaube ist hier fast noch zu schwach, denn das klingt, als ob das lediglich etwas religiös Reales wäre). Aber es ist eine Urvorstellung, ein Ur- und Grundwillen des ganzen Volkslebens, d. h. so ernsthaft, so politisch-real, wie nur irgend ein Volk es meinen kann, wenn es von einem König spricht und von einem Königtum und von einem Königreich und meint immer diesen seinen Menschenkönig und dessen Dynastie, so politisch real als nur irgend ein Volk es meinen kann, so das ganze Leben dieses Volkes, dieses Gemeinwesens umfassend ist es, wenn das Volk Gott, den Gott selber zu seinem König ausruft, wie in der Proklamation, die den Gesang nach dem Durchgang durchs Schilfmeer endet: König bleibt er in Weltzeit und Ewigkeit. Also es ist im genauesten Sinn geschichtlicher Vorgang. Es ist im genauesten Sinn ein Vorgang, in dem ein Volk sich eine Verfassung gibt oder in dem ein Volk eine Verfassung annimmt. Beides gilt, denn das geschieht in einem Bundesschliessen mit dem Herrn dieser Verfassung, ich sage, wo ein Volk eine Verfassung sich gibt oder annimmt, die anders ist als jede Verfassung, die wir aus der Geschichte der Völker kennen, nicht monarchisch und nicht republikanisch, nicht demokratisch und nicht aristokratisch, und was es sonst noch an -archisch und -kratisch gibt, ja nicht einmal, wenn wir es recht verstehen wollen, nicht einmal theokratisch, denn was Theokratie in der Geschichte heisst, wissen wir, das ist fast durchweg Hierokratie, also Missbrauch der Bezeichnung; also wirklich, nicht irgend eine -kratie, irgend ein allgemeiner Begriff der Geschichte, sondern dieses Einmalige, die Annahme der Herrschaft, der wirklichen und ausschliesslichen und unmittel-

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baren Herrschaft dieses seines Gottes. Von da aus ist jenes andere Wort, das auf das Volk zu, auf diese Proklamation des Volkes hin gesprochene Gotteswort, das da gesprochen wird, gleich, nachdem das Volk dann, das von da kommende Volk, das zum Sinai weitergeschritten ist, gleich nach der Ankunft des Volkes, das jene Proklamation ausgesprochen, ausgerufen hatte, das nun am Berge steht, und die erste Rede vom Berg ist jene, die ich neulich anführte: Ihr sollt mir werden ein Königsbereich von Priestern, ein ausgesonderter Stamm, und zwar durchaus eingefügt in die Weltherrschaft Gottes. Es ist ein Grundthema, dieser Vorlesung, auf das wir immer wieder zurückkommen müssen: wie verhält sich das Gotteskönigstum im Verhältnis zum Volk und im Verhältnis zur Welt. Also das Thema ist schon hier angeschlagen. Seine Herrschaft über die Welt schickt Gott als Grundtatsache voraus: Mein ist die Erde, ihr aber sollt mir werden ein Königsbereich von Priestern, d. h. ein Königsbereich, nicht ein Königreich, sondern ein Königsbereich, das ist also das, was ein König, nämlich Gott als König der Welt, der ganzen Erde (mein ist die Erde all), aber innerhalb dieses Weltreiches, das die Schöpfung ist, innerhalb dessen gibt es einen Königsbereich, den nächsten Umkreis, der den König umgibt, einen Königsbereich von Kohanim. Ja, geläufig heisst das Priester, aber ursprünglich bedeutet das unmittelbare Diener, diejenigen, die einem Herrn unmittelbar aufwarten. Es gibt ein Hofamt von Kohanim, die keine Priester sind, sondern z. B. Söhne des Königs oder ihm sonst sehr nahe Stehende, die ihm unmittelbar aufwarten, solche unmittelbaren Diener, solche in unmittelbarer Beziehung zum König stehenden, sollen die sein, die diesen seinen Königsbereich, dies sein Mamleches Kohanim ausmachen, und zwar als ein (wieder geläufig: heiligen) in der ursprünglichen Bedeutung: ausgesonderten Stamm. Also aus dieser ganzen Welt, aus dieser ganzen Erde, die »mein« ist, sagt Gott, sollt ihr ausgesondert sein als mein unmittelbarer Königsbereich, als der Umkreis der Wesen, die unmittelbar mir dienen, die in unmittelbarer Beziehung zu mir stehen. Wir haben also hier die beiden Seiten des Vorganges, wenn sie auch in der Zeit umfassen eben jene Zeit von dem Durchzug durchs Schilfmeer bis zum Erscheinen am Sinai. Zusammen die beiden Seiten, vom Volk aus die Proklamation, von Gott aus diese seine Bestätigung, die besagt: ich nehme eure Proklamation so an, dass innerhalb meines Weltkönigstums nun ein besonderer Königsbereich mir über euch zugehören soll. Und dieser ganze Vorgang, dieser ganze doppelseitige, gegenseitige Vorgang, der Vorgang des Gottesbundes, des Königsbundes Gottes mit dem Volke, der Vorgang des Schliessens einer Brith zwischen dem göttlichen König und seinem Volke, der wird zusammengefasst, als einheitlicher Vorgang geschildert in dem Rahmenbild,

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das den Segen Moses in dem 33. Kapitel des 5. Buches umgibt. Dieser Rahmen, dieses Rahmenbild erzählt zusammenfassend die Geschichtshandlung vom Auszug bis zur Landnahme. Und da heisst es von dem gleichen Vorgang: So ward in Jeschurun ein König, da sich sammelten die Häupter des Volkes in eins, Israels Stämme. Also dieser Vorgang, dessen zwei Seiten und zwei Stadien wir eben erfahren haben, wird hier als ein einheitlicher gefasst: damals wurde in Jeschurun in Israel ein König. Damals wurde Gott der König Jeschuruns, da sich sammelten die Häupter des Volkes, das Volk jetzt erst in Häuptern sich darstellend, jetzt geordnet und gegliedert um den Berg herum, das Volk konstituiert sich eben zum Volk, indem es den König erklärt, ausruft, von ihm als seinem König angesprochen wird. Jetzt treten hier erst, hier erst nun Israels Stämme in eines zusammen. Hier erst gibt es dieses eins, diese Einheit, dieses Gewordensein eines einheitlichen Volkes. Das Volk wird konstituiert durch das Königtum Gottes. Und dieser Zustand des in seinem König geeinten Volkes, dieser Zustand des Bundesfriedens zwischen Gott und Volk, des Königsbundesfriedens, den preist, verherrlicht in jener seltsamen Geschichte von Bileam, von dem fremden Seher, der gerufen wurde, um Israel zu verwünschen, und es segnet, den preist dieser Bileam in seinem zweiten Spruch, 23. Kapitel 4. Buch: Nicht gewahrt man in Jaakob Arg, nicht sieht man in Israel Harm, er, sein Gott ist bei ihm, Jubelschrei dem König in ihm. Der Jubelschrei, die Therua, das ist der Zuruf des Volkes an den König, der in seiner Mitte weilt. Wir sehen also hier das Bild nicht eines Glaubens, nicht einer religiösen Konzeption, sondern das Bild eines Lebens, eines Volkslebens, das darin zentriert, in der Tatsache, dass es in Gott und keinem anderen seinen König, seinen Fürsten, seinen Herrn nennt. Dieses beispiellose, vorbild- und nachbildlose Grundverhältnis zu Gott, dieses Ernstnehmen, dieses politische Ernstnehmen Gottes, das Ernstnehmen der Herrschaft Gottes, dass hier dieses Volk, unähnlich all den semitischen Stämmen, die auch Gottkönige hatten, aber sie nicht ernst nahmen, sondern sie dazu verwandten, ihren Häuptlingen und Fürsten den Nimbus des Gottesgnadentums zu geben, unähnlich ihnen macht dieses Volk Ernst damit, dass Gott sein Herr sein soll und kein Mensch. Mit dieser Unabhängigkeit von Menschenmacht, mit diesem Gott und keinem anderen dienen wollen, macht das Volk politisch ernst, und wir können das garnicht dreidimensional genug, körperlich, faktisch, historisch, politisch genug nehmen. Wir müssen wirklich absehen von all diesen Ideologien, die wahrhaftig keine Idealisierungen sind, wir müssen eingehen in die ganze Realität, die hier uns berichtet wird. So also fängt es an. Und das ist nicht etwa lediglich etwas, was sozusagen spät erst in den Zusammenhang der Bibel hineingebracht

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worden ist, sondern es lässt sich beweisen, es lässt sich genau zuverlässig beweisen, das ist einfach Geschichte. So ist es einfach zugegangen. Was immer an sagenhaften Elementen sich herum gewoben hat um diese Grundvorgänge, der Grundvorgang darf als rein wirklich, als rein geschichtlich angesehen werden. So hat es angefangen. Königsführung und Königsbund. Das ist nicht Auffassung, nachbiblische Auffassung der biblischen Geschichte, sondern so fängt diese biblische Geschichte des biblischen Volkes an. Und nun kommt dieses Volk in das Land, in das es wandert. Es erobert, es gewinnt das Land. Wie steht es mit jenem Urverfassungswillen, mit jener Urvorstellung des Gottkönigtums, hier in dieser neuen Situation der Erfüllung, in diesem eigenen Land, in der Freiheit und Selbstbestätigung? Um dies zu verstehen, müssen wir uns etwas vergegenwärtigen, ohne das man die Geschichte Israels überhaupt nicht verstehen kann. Je und je ist jede wichtige, wesentliche, geschichtliche Lage in der Geschichte dieses Volkes nur zu verstehen aus einem Kampf, aus einem inneren Kampf. Es gibt nicht eine grosse Phase in der Geschichte dieses Volkes, nicht eine grosse historische Situation, in der dieses Volk als eine einheitliche Substanz gefasst werden könnte, sondern immer wieder zeigt es sich uns dynamisch in der Gestalt eines inneren Kampfes zwischen (vereinfacht gesprochen) zwischen denen, die eben Ernst machen, die gegen alle Verführung und Verlockung der Völkergeschichte Ernst machen mit dem Königtum Gottes und mit allem, was daraus sich ergibt für das Leben des Menschen und des Volkes und den anderen. Das Ernstmachen ist niemals das einfach Herrschende im Volk. Das Ernstmachen ist immer das Kämpferische, das, dem jenes andere Element, das Element, für das sozusagen der Gang der Weltgeschichte zu sprechen scheint, die Erfolge der Weltgeschichte zu sprechen scheinen (Erfolge werden in der Weltgeschichte dadurch errungen, dass man Gott nicht ernst nimmt – das heisst Weltgeschichte. Es ist nur die Frage, ob der Erfolg ein Zeugnis der Wahrheit ist oder vielleicht ein Zeugnis gegen die Wahrheit – oder historisch genauer gesprochen, ob die wirklichen Siege mit den sogenannten Erfolgen, die die Geschichtsschreiber zunächst nur allzu schnell verzeichnen, identisch sind oder in Widerstreit, d. h. ob der Weg der offenkundigen Weltgeschichte der eigentliche wirkliche Weg ist oder nicht. Ob das, was man wirklich Weltgeschichte nennt, nicht bloss eine dünne Oberfläche, ein Schein von Tiefe ist, ob nicht die Tiefe, die in Wirklichkeit die wahre Geschichte der Welt und des Menschen ganz anders ist, ganz anderem Gesetz folgt, ganz anderen Sinn trägt, ob nicht zwischen diesen beiden ein Kampf ausgetragen wird durch die Zeiten, welcher der eigentliche Weg Gottes durch die Welt ist.) Also dieser Kampf, dieser selbe Kampf übertragen ins Innerste des Vol-

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kes als das Ringen derer, die es wirklich meinen, die es ernst meinen, die ernst machen wollen mit der Annahme Gottes, mit der realen politischen Annahme, die nicht glauben, dass es gehe, oben Gott anzuerkennen und unten nun mit seinem Widerpart zu leben und seinem Widerpart zu gehorchen – ich sage, dieser ernstmachende Kampf gegen die anderen, gegen die Sklaven der scheinbaren, der geläufigen, der Erfolgs-Weltgeschichte. Denn Gott manifestiert sich nicht so, dass es sich ergäbe, wer an ihn glaubt, wird selig, sondern Gott manifestiert sich so, dass zunächst es immer wieder erscheint, wer sich ihm ergäbe, werde unselig. Das ist die Wirklichkeit des Glaubens an Gott, des Vertrauens zu ihm. Deshalb gibt es dieses Ringen, deshalb ist nicht Offenbarung und Vollendung der Schöpfung eines und dasselbe, deshalb geschieht Offenbarung auf eine Zukunft, auf eine unfassliche Erfüllung hin. Dies nun ist auch die Situation jener Zeit nach der Landnahme. Wir wissen schon, dass schon früher, schon zur Zeit Moses immer wieder dieses Ringen, diese Zweiheit, dieser Kampf der Botmässigen mit den Widerspenstigen, wie sie da heissen, immer wieder aufkommt, immer wieder von neuem, aber hier hat er noch nicht seine schärfste, direkteste Gestalt. Die bekommt er erst allmählich. Und ein weiteres Stadium in dieser Verdichtung des Kampfes ist die Zeit nach der Landnahme die Zeit der sogenannten Richter. Wir müssen uns nun vergegenwärtigen, was das heisst. Mose übergibt vor dem Tode sein Amt dem Josua. Er legt seine Hand ihm aufs Haupt, er identifiziert ihn gleichsam mit sich, er bereitet ihn dazu, dass nun auf ihm der Geist sich niederlässt. Josua tut, was seines Amtes ist. Er führt, befehligt, ermöglicht die Landnahme als Feldherr. Ein Mensch, der dieses Amt erbt, ohne die ganze Konzeption Moses, ohne diese Einheitskonzeption des theologisch-politischen, des alles Leben umfassenden Gotteskönigtums zu übernehmen. Er braucht sie nicht zu übernehmen. Er hat seine Tat zu tun, und die Frage brennt erst in dem Augenblick auf, wo dieser Mann nun stirbt, ohne einen Nachfolger ernannt zu haben, wo nach seinem Tode in dem noch nicht ganz, aber in den wichtigsten Positionen gewonnenen Lande nun keine feste Herrschaftsform verbürgt ist, keine Verfassung da ist, die eine, sei es dynastische, sei es in irgend einer anderen Form fortdauernde Herrschaft konstituiert. Aber die eigentlichen Führer des Volkes wahren die Konzeption Moses. Die eigentlichen Führer des Volkes wahren die Konzeption, deren eine Seite das Bekenntnis zum Königtum Gottes und deren andere Seite die Einheit des um den König gescharten Volkes ist. Nun müssen Sie aber die Realität sich vergegenwärtigen, wie Ungeheures das einem Volke zumuten heisst, es leben lassen ohne objektiven, ohne garantierten und garantierenden Zwang, ohne Befehlskontinuität, es unter

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keinen anderen Befehl stellen als unter den Gottes und, wie nennen wir das in unserer Sprache und in unserer Begrifflichkeit, wenn eine Gemeinschaft sich unterfängt, unter keinem anderen Befehl, als dem Gottes zu leben, wie würden wir das nennen: reine Freiwilligkeit. Wir würden das nennen den ungeheuren Versuch von Menschen, mit einander wahrhaft zu leben, mit einander Gemeinschaft zu halten ohne Zwang, in reiner Freiwilligkeit, aus Freiwilligkeit mit einander. Aus Freiwilligkeit gemeinsam, aus Freiwilligkeit gerecht. Es ist hier soziologisch ausgedrückt genau dasselbe, was dort religiös ausgedrückt wird. Nicht darauf kommt es an. Es kommt darauf an, welche Realität gemeint ist, welche Art des Lebens gemeint ist, also eine von Menschen unabhängige, von Menschenzwang, von Menschengebot unabhängige Gemeinschaft aufzubauen. Das, nicht weniger als das ist die Zumutung, die die Führer Israels in der Zeit nach der Landnahme dem Volke stellen. Und das Volk? Das Volk, das diesem Ungeheuren nicht gewachsen ist, fällt je und je von seinem König ab. Und indem es von ihm, nämlich von dem, der sie eint, von dem, um den sich einst die Stämme scharten in eins, Israels Stämme, indem das Volk von ihm abfällt, fällt es von seiner Einheit ab. Dieser Abfall ist geschichtlich zugleich Zerfall, Abfall und Zerfall sind je und je nicht von einander zu scheiden. Und dieses abgefallene, zerfallene Volk wird nun nach einander Beute des einen oder anderen Nachbarn, der nun einbricht und das Volk bezwingt. Und in dieser Invasion, in einer nach der anderen wird der Rückschwung, die Umkehr des Volkes, das, was dieses Volk eint, das Volk schreit auf zu Gott. Diese Hinwendung zum König, zum Herrn und Helfer zurück, zu dem Schutzherrn zurück. In diesem Augenblick der Rückwendung geschieht das Seltsame immer wieder: Eben noch hatte das Volk unrecht gegen den Feind, der es bezwang, denn es war ihm preisgegeben als abgefallen und zerfallen. Aber in dem Augenblick, wo es umkehrt und wo es wirklich von seinem Weg, auf den es sich verlaufen hat, auf den Gottesweg umkehrt, sich zu seinem Herrn wendet, in diesem Augenblick gewinnt es recht gegen seinen Feind, und in diesem Augenblick beruft Gott je und je einen Menschen, den er mit seinem Geist, mit Mut, mit Kraft begabt, den sein Geist ergreift und nun an die Spitze des Volkes stellt und gegen den Feind ausschickt in den Sieg, in die Befreiung. Dieser Mensch heisst Schofet, Rechtschaffender, der dem Volk, das jetzt recht bekommen hat, durch seine Umkehr recht bekommen hat, gegen den Feind, dieses Recht faktisch verschafft, indem er es befreit und wieder unabhängig, wieder keinem anderen als Gott selber dienstbar macht. Von diesem geschichtlichen Rhythmus ist das Buch Schoftim erfüllt. Wir wollen nun das nächstemal uns fragen: Wie tritt in diesem Stadi-

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um, in welcher bewussten Form tritt in diesem Stadium die Frage des Gotteskönigtums auf. Wie stellen sich diese Schoftim, diese Rechtsschaffer, deren Amt ja ein kurz befristetes ist und die jedenfalls keinen Nachfolger hinterlassen, die keine Dynastie begründen können, jeder der Mann seiner Tat und nicht über sie hinaus bestehend, wie stellen sich diese Menschen zu jener Frage der Grundverfassung der Gottesherrschaft, wie bekennen sie sich zu ihr und [was] wird aus diesem Bekenntnis im Gang dieser Epoche. IV. (Nach Stichworten frei wiedergegeben.) In der vorigen Stunde war davon die Rede, dass der biblische Messianismus nicht als eine religiöse Vorstellung unter anderen religiösen Vorstellungen, nicht in einer oberhalb des realen Lebens befindlichen Sphäre des eigengesetzlichen Geistes, sondern in der Realität des Lebens selbst entstanden ist. Aus geschichtlichem Leben, im geschichtlichen Leben, als geschichtliches Leben entstand er. Man muss Geschichte nur so ernst nehmen wie den Geist. Wird der nicht übertragbare Sinn der Geschichte bewusst, so versteht man, was hier gemeint ist: Nicht in der Religionsgeschichte gebrochener, sondern in die Realität der Geschichte hineingelebter Geist. Die Geschichte des Zusammenwachsens der Stämme ist begleitet von dem real zu nehmenden Bewusstsein des Gotteskönigtums. Die Proklamation des Gotteskönigtums ist kein isolierter religiöser Akt, Gefühl oder Geist isoliert betreffend, sondern sie ist ein Akt der Volksexistenz selber, ein theopolitischer Akt. In der Tendenz der Proklamation des Gotteskönigtums wird Gott realiter, im faktischen Leben des verantwortlichen Volkes ernst genommen. Das Volk versucht, notdürftig zwar und widerstrebend, das Gotteskönigtum immer wieder zu realisieren. Es gibt eine Kontinuität dieser Tendenz bei den Führern des Volkes, und dieser Versuch charakterisiert die Richterzeit. Der Verwirklichung einer realen Gottesherrschaft entspricht der Versuch, durch Ausgleich der sozialen Unterschiede zu einer wahren Volksgemeinschaft zu gelangen. Die theokratische Verfassung kennt den irdischen Führer, den Schofet als Vertreter des wahren Königs nur in Notzeiten; das Interregnum ist der normale Zustand; ein dynastisches Prinzip besteht nicht. In diesem Sinne sind die Persiflagen auf den »König« im Richterbuch, z. B. die antimonarchistische Jotamfabel zu verstehen. Gideon zeigt vielleicht am deutlichsten,

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wie die antimonarchistische Haltung aus dem Willen zum Gotteskönigtum entspringt; Herrschaft ist nicht das Amt eines Menschen. Im Verlauf jener Versuche sieht das Volk, dass es das Interregnum nicht bewältigt und in Anarchie verfällt. Theokratie und Anarchie grenzen aneinander, nicht realisierte Theokratie führt zur Anarchie. Die ägäische Kultur der Philister wird auch durch das Heldengeschlecht von Simson und seinesgleichen nicht überwunden. So ist der melancholische und pessimistische Schluss des Richterbuches zu verstehen. Aber auch Samuel gelingt die Bewältigung der theokratischen Aufgabe nicht. Er muss dem Volke eine kontinuierliche Herrschaft, einen Herzog, der dem Heerbann voranzieht, gegen die Philister geben. Aber auch er selbst verschuldet sich, indem er seine unwürdigen Söhne als Richter einsetzt und so dem dynastischen Prinzip Eingang gewährt. Die Konsequenz ist, dass Gott ihn auffordert, dem Willen des Volkes zu willfahren. In diesem Nachgeben Gottes enthüllt sich ein Geheimnis des Verkehrs zwischen Gott und Volk: indem Gott sich von den Menschen bestimmen lässt, bestimmt er sie. Gott legt den Menschen nicht seinen Willen auf, herrschte er als absoluter Herr: es gäbe keine Geschichte. Gott will, dass man ihn wähle; so gibt er hier nach, da das Volk einen irdischen König ernstlich will. Aber in der Erfüllung des Wunsches verwandelt er den Wunsch, indem er den irdisch-politisch gemeinten in einen göttlichen Zusammenhang stellt: der König zwar wird dem Volke zugestanden, aber g e s a l b t . Damit ist Saul nicht mehr der König von Volkes Gnaden. – Messianismus ist die Lehre vom Gesalbten, und so ergibt sich hier der Sinn des Messianismus aus der politisch-geschichtlichen Wirklichkeit. Ebenso wie im Wein und Brot die natürliche Kraft der Substanz in eine sakramentale Höhe gehoben wird, wird Oel, die bewahrende Essenz, im sakramentalen Akt zum Zeichen der Dauerverleihung (beispielsweise wird so der Stein, auf dem Jakobs Haupt ruhte, zum überdauernden Grundstein eines Gotteshauses gesalbt). Und entsprechend meint die Salbung der Könige (im Gegensatz zu den auf kurze Zeit bestellten Richtern, die nicht gesalbt werden) einen Dauerauftrag, der politisch in der Erbfolge seinen Ausdruck findet. – Durch die Salbung wird Saul »in einen anderen Mann verwandelt« (1. Sam. 10,6). Der Gesalbte steht in der Verantwortung seines Auftrags. Indem Saul in den Kultbereich eindringt, verletzt er den Menschen, der zwischen Gott und dem König gesetzt ist, den Mahner. Saul will die Totalität der Macht, statt vor dem eigentlichen König, vor Gott, in der besonderen Verantwortung seines Amtes als S t a t t h a l t e r zu stehen. So verwirkt er sein Heil, ein böser Geist gewinnt Macht über ihn. Die Verschuldung Sauls zeigt deutlich, was mit der Einsetzung von Königen gegeben ist: das unmittelbare Kö-

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nigtum Gottes bricht ab; Gott bleibt mittelbar König, ein irdischer König wird sein Statthalter. So zeigt das Buch Richter die tragische Geschichte des Versagens des Volkes, die Bücher Samuel und Könige die tragische Geschichte vom Versagen des Königshauses. Im Versagen von Volk und König gegenüber den Aufgaben einer ganz real gemeinten Theokratie, in einem Zwiegespräch eigener Art zwischen Gott und Volk sieht so die Bibel die Geschichte des Volkes bis zum Exil. V.

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Wir sprachen das vorigemal davon, dass auf die Epoche der sogenannten Richter, richtiger, wie wir sahen, Rechtschaffer, die Epoche der Könige gefolgt ist, aber in einem anderen Sinn als wie in der Geschichte, in der uns sonst geläufigen Völkergeschichte sich einfach Epoche und Epoche ablösen. Es ist hier in dem Unterschied der beiden Epochen etwas Tieferes, Wesenhafteres als was wir sonst meinen, wenn wir von dem Unterschied zweier geschichtlicher Epochen eines Volkes reden. Diese Epochen sind auf eine seltsame Weise von einander abgehoben und mit einander verknüpft. Jedenfalls die biblische Geschichte, die biblische Geschichtsanschauung meint es so. Und diese biblische Geschichte, die biblische Geschichtsanschauung, das ist meiner Überzeugung, meiner wissenschaftlichen Überzeugung nach die im Laufe der Jahre und Jahrzehnte sich gebildete und immer mehr gefestigt habende, nicht eine religiöse nachträgliche Bearbeitung der Geschichte, nicht eine Theokratisierung der Geschichte, die von irgendwelchen religiösen Lehrern und Sprechern oder gar Schriftstellern vorgenommen worden ist, sondern diese biblische Geschichte ist gegründet auf einem wirklichen Schauen des jeweiligen geschichtlichen Geschehens. Es ist also nicht eine nachträgliche Umdeutung des Geschehens ins Religiöse, nicht eine Schematisierung der Geschichte, wie manche Alttestamentler es gemeint haben, sondern es beruht darauf, dass Menschen, die ganz erfüllt waren davon, dass Geschichte ein Zwiegespräch zwischen Gottheit und Menschheit ist, von da aus, von dieser ihrer Urgewissheit aus die jeweils geschehende Geschichte erfahren haben in dem Augenblick, wo sie je und je geschah. Also das Religiöse ist nicht eine Bearbeitungsweise, sondern es ist die unmittelbare Beziehung zu dem was geschieht. Das, was geschieht, wird erfahren in diesem Zusammenhang. Ob dieser Zusammenhang zu Recht besteht oder nicht, das kann freilich die Wissenschaft nicht mehr entscheiden, sondern nur der Glaube selber. Nur unser Glaube kann dar-

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über entscheiden, ob jener Glaube, von dem aus jene Menschen die Geschichte so erfahren, wie sie sie erfahren haben, ob jener Glaube zu Recht besteht oder nicht, ob er die Wahrheit der Geschichte ist oder nicht. Dies also kann nur unser eigener Glaube für uns entscheiden. Aber die Wissenschaft kann feststellen – es ist wichtig, dass sie es feststellt, dass diese Menschen in ihrem Glauben und mit ihrem Glauben die Geschichte, die jeweils geschehende Geschichte, während sie geschah, erfuhren. Also von da aus gesehen, sind diese beiden Epochen so, wie die biblischen, eben diese geschichtsschauenden, geschichtserfahrenden Menschen es uns mitteilen, zugleich unterschieden und verknüpft. Ich habe es neulich angedeutet. Dort eine Tendenz zur unmittelbaren Herrschaft Gottes. Eine Schaar von Menschen, eine volkhafte, d. h. durch Blut und Schicksal verbundene aber vor allem durch die Gottbezogenheit dieses Blutes und dieses Schicksals verbundene Gemeinschaft nicht wahr, die Gottesherrschaft, die diese Gemeinschaft in ihrem Leben zu realisieren versucht. Freilich, ich habe es schon gesagt, nicht die ganze Gemeinschaft. Wir müssen uns diese ganze Gemeinschaft immer vorstellen im Ringen um diese Tendenz, um die Reinheit dieses theokratischen, theopolitischen Willens – die, die ihn ernst, mit ganzem Leben ernst vertreten, die Menschen, die ihn zur Grundlage der Gesellschaft und des Staates machen wollen, die die Gesellschaft und den Staat – soweit es Gesellschaft und Staat damals gab, dieses Gemeinwesen aufbauen wollen ausschliesslich auf diesem Grunde der unmittelbaren Herrschaft Gottes allein ohne Zwischenglieder, ohne vertretende Obrigkeit über dieses Menschenvolk. Diese Menschen, sage ich, müssen kämpfen gegen die Widerstrebenden, gegen die sich Auflehnenden, gegen die, die sagen: so etwas kann man doch nicht machen, man braucht einen König, man braucht Obrigkeit, sonst geht alles durcheinander. Und nun ist das eigentümliche dieser Zeit, das eigentümliche dieses Buches Schoftim, das diese Zeit erzählt, das eigentliche ist, dass die, nicht die ersten, sondern die zweiten, recht behalten, d. h. das Volk versagt wirklich, die Gottesherrschaft wird wirklich nicht realisiert, sondern diese so gemeinte, so intendierte Theokratie artet vermöge der Unzulänglichkeit des Volkes, der Unfähigkeit dieser Menschenschar, in wirklicher Freiwilligkeit d. h. unter dem Gebot Gottes allein rechtschaffen mit einander zu leben, artet in Anarchie aus. Und diese Anarchie erzählen an ein paar Beispielen die letzten Kapitel des Buches. So die Epoche der Richter. Und nun in dem kritischen Moment, in der Krisis, was in der Bibel durch den Namen Samuel bezeichnet ist, an der Wende der Mensch, ein eigentümlich aus Richter, Priester, Prophet seltsam gemischter Mensch, eine im grössten Sinn problematische Gestalt, dieser Mensch an der Wende zweier Zeiten, der das Richtertum

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erhalten will aber zugleich seine Söhne zu Richtern einsetzt und sich damit gegen den innersten Sinn des Richtertums als eines jeweiligen Auftrags Gottes vergeht, der sich auflehnt gegen den Willen des Volkes, die Konsequenzen aus dieser verfahrenen Situation zu ziehen und einen König zu kriegen wie die anderen Völker, der sie aus dieser entsetzlichen Lage einer in der Bibel nur eben zu ahnenden ungeheuerlichen Abhängigkeit von den Philistern befreie, der sich dagegen auflehnt, der noch glaubt, das alte, dieses missratene, dieses vom Volk desavouierte, dieses nicht erfüllte, diesen missglückten Versuch, vielleicht den grössten Versuch, den ein Volk gemacht hat auf Gott zu, aber diesen missglückten Versuch retten zu können, und nun von Gott desavouiert wird, der ihm sagt, dass er auf die Stimme des Volkes hören soll, denn es ist nicht mehr an dem, jenes ist nicht zu retten, dies ist jetzt eine andere Stunde und jetzt soll er tun, was das Volk verlangt, aber – und jetzt beginnt über die Trennung hinaus – der Unterschied ist offenkundig, das Volk hat versagt, die Zeit jener von Gott einmalig berufenen Menschen ist zu Ende, das Königtum muss eingesetzt werden, weltliche Sicherung, ein Zwischenglied. Aber nun gehen wir schon über den Unterschied hinaus (ich wollte sagen ein Zwischenglied zwischen Gott und Volk, aber wenn ein Zwischenglied, dann ist der König eben nicht mehr, was das Volk verlangt hat, sondern das, was Gott aus diesem Willen des Volkes machen will, der Gesalbte). Und hier sehen wir das verknüpfende. Wieder wird etwas Volkhaftes und von dort her Ergriffenes mit einem Auftrag gefüllt, aber es ist jetzt nicht ein Auftrag an das Volk, sondern es ist ein Auftrag, in eigentümlicher Weise ein Auftrag an diesen einen Menschen, an diesen König, der jetzt das Volk vertritt, der aber nun auch Gott vertritt, der dadurch, dass er gesalbt wird, nicht vom Volk, sondern von Gott aus, einen Auftrag empfängt, der anderer Art ist als der Auftrag der Richter, ein Dauerauftrag, ein Auftrag, der seinem Wesen nach über ihn hinausreicht, sodass nicht bloss die Macht des Königs, sondern auch das dynastische Prinzip die religiöse Sanktion, die Sanktion der Glaubenswirklichkeit empfängt. Salbung also ein Auftrag, aber ein Auftrag nun an diesen Menschen, nicht als der Erwählte des Volkes zu regieren, sondern als der von Gott Ernannte und zwar als der von Gott zu seinem Statthalter Ernannte als der von dem göttlichen König, den das Volk jetzt gleichsam entthront hat im Sinne der Unmittelbarkeit der Herrschaft, zu seinem Statthalter Ernannte. Das Volk kann die Unmittelbarkeit des Königtums Gottes realiter nicht ertragen, also muss ein Mensch gestellt werden zwischen Gott und Volk, der an Gottes statt regiert, aber der nun den Auftrag hat, den Auftrag, der die Fortführung des Auftrags an das Volk ist, Fortsetzung jenes Auftrags an die Väter, des Auftrags, eine Men-

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schengemeinschaft aufzubauen als Anfang der Verwirklichung des Reiches Gottes, wie es heisst: mein Erstlingsteil von der Ernte. Mein Anfangsteil von der Ernte. Also die Ernte Gottes, die Erfüllung seines Reiches soll mit der Verwirklichung dieser Menschengemeinschaft beginnen, diese Menschengemeinschaft soll so leben als Gemeinschaft, nicht als Einzelne, als Volk in der ganzen Breite und Fülle des gesellschaftlichen und politischen Lebens, so existieren, dass damit ein Anfang einer wirklichen Menschengemeinschaft, einer wirklichen Menschheit da ist, auf die jener erste Ansatz einer Menschheit von der Geschichte der Väter seltsam wieder im Sinne eines Versagens hindeutet. Also Statthalter Gottes. Und das heisst also von dieser seiner Salbung aus, von diesem Auftrag aus in der Verantwortung ihm gegenüber stehend, der ihn beauftragte. Wir haben hier wenn wir etwa uns umschauen, wie die Könige in Ägypten und in Babylonien, in den beiden grossen Reichen zu beiden Seiten dieses kleinen Ländchens und Völkchens gelebt haben, eine Belehrung darüber, was hier in Israel über jene Kulturmenschheiten geschehen ist. Es ist nämlich nicht etwa so, als ob garnichts Ähnliches gewesen wäre in Ägypten oder Babylonien. Sowohl in Ägypten als in Babylonien berufen sich die Könige darauf, dass sie von einem Gott, von den Göttern ernannt sind, gewöhnlich von einem Gott, der als der eigentliche Oberherr dieser Götter verstanden wird, Re oder Osiris in Ägypten, Marduk, Ea in Babylonien. Sie berufen sich darauf, dass sie von Gott eingesetzt sind, dass also ihre Macht von der Gottheit her ermächtigt ist. Sie haben die Macht von irgendwo empfangen. Sie haben sie sich nicht selbst gegeben. Das Volk hat sie nicht gegeben. Gott hat sie gegeben, es ist eine Verbürgte, eine gleichsam ewige Macht. Sie nennen sich auch oft Söhne eines Gottes. Gleichviel. In Ägypten bedeutet das wirklich von Gott gezeugt. So hat man es sich in Ägypten vorgestellt. Der König ist von Gott gezeugt. Gott nimmt die Gestalt des Vaters des Königs an und zeugt mit der Königin diesen Sohn, der also eigentlich Sohn des Gottes ist. Oder in Babylonien ist die Vorstellung der Adoption. Gott nimmt den König zum Sohn an. Das sind die beiden grossen Formen der Sohnschaft des Königs. In Ägypten unterredet sich auch jeweils der König mit seinem Vater im Himmel, wie man später gesagt hat. Die Vaterschaft, wenn sie auch nur auf den einen Menschen beschränkt ist, die Konzeption der Vaterschaft ist immerhin da. Er lässt sich von ihm Aufschluss erteilen hinsichtlich dessen, was er zu tun hat. Es ist eine seltsame Form des Orakels. In Babylonien geht es noch darüber hinaus. In Babylonien gibt es eine wirkliche Verantwortung der Könige den Göttern gegenüber, es gibt einen Gerichtstag einmal im Jahr, wo die Waage, die Waage schwankt, wo die Schicksale, die Taten und die Geschicke der

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Menschen, auch der Könige, gewogen werden und wo die Götter gleichsam entscheiden, was nun sein soll, ob die an der Macht sind, an der Macht bleiben sollen oder nicht. Aber all das, alles, was wir solcherweise hören, hat einen eigentümlich unwirklichen Charakter. All diese mythischen und kultischen Vorstellungen sind etwas, was man vorträgt und etwas, was man begeht. Es sind Mythen und Riten, Geschichten und Zeremonien. Man trägt es vor, man stellt es dar, aber es ist nicht geschichtliche Wirklichkeit. Es wiederholt sich, meinetwegen wie in Babylonien, Jahr um Jahr, aber es bleibt immer das gleiche, es wird nie konkret, geschichtlich. Wir hören nie davon, dass ein König sich gegen den Gott vergangen hätte und abgesetzt worden sei oder dass das Schicksal eines Königs wirklich davon bestimmt worden sei, dass er den Auftrag (von Auftrag ist hier nicht die Rede, aber so können wir es ins Biblische übersetzen) dass er den Auftrag nicht erfüllte. Die Bibel ist der Ort, wo dies sich zur geschichtlichen Wirklichkeit so verdichtet, dass ganz ernsthaft im Gang der Geschichte jeweils in einzelnen geschichtlichen Stunden gerechtet wird mit den Königen, dass die Könige gestellt werden vor die Präsenz dessen, der sie beauftragt hat, und geprüft werden und verworfen werden, wenn sie zu verwerfen sind. Dass gleich beim ersten König exemplarisch dies geschieht, ist von grosser Bedeutung. In diesem Bild des ersten Königs sehen wir diese Realität. Salbung bedeutet hier nicht von Gottesgnadentum. Salbung bedeutet nicht, dass die Macht sich berufen kann auf die Vollmacht, die sie empfangen hat als etwas Berechtigtes, Bestehendes, sondern dass diese Macht, die den Menschen gebieten kann, zugleich sich beugen muss, gebeugt ist, in die Kniee gebeugt ist real unter die einzige weltgebietende Macht, der sie Rechenschaft schuldet. Das ist realer geschichtlicher Vorgang. Ich weiss nirgends in der Geschichte, nirgends in der Geschichtsanschauung von Völkern etwas, das dem gliche an Realität der Verantwortung irdischer Macht gegenüber der unbedingten einzigen, von der jede Macht nur zu Lehen gegeben ist und der gegenüber jede Macht sich zu verantworten hat darüber, wie sie den Auftrag, der allein ihre Macht legitimiert, verwaltete. Hier ist die geheime Wirklichkeit der Geschichte, die so unendlich oft in der Geschichte überschattete, von Aspekten, von falschem Schein überdeckte geheime Wirklichkeit der Geschichte, dass nichts besteht, was sich auflehnt gegen Gott, dass aller Bestand der Auflehnung Scheinbestand ist, der zerrinnt, wenn er zerrinnen soll. Diese geheime Wirklichkeit der Geschichte ist hier ausgesprochen. Sie liegt da. Hier tut sie sich kund als die eigentliche Geschichte. Und dazu kommt nun etwas sehr Wichtiges, was ich Ihnen vielleicht an der Geschichte des Abendlandes, soweit es von der Bibel abhängig ist, klarmachen kann. Dieses, was uns hier in der Gestalt, in

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der Auseinandersetzung etwa zwischen Samuel und Saul entgegentritt, diese Mahnung, dies zur Rechenschaftziehen des Königs vor ein – nun, sagen wir einmal: – geistliches Gericht (ich nehme absichtlich diesen Ausdruck, den ich sonst nicht gern gebrauche) der kommt im Abendland wieder in seltsamer Spannung und Brechung zugleich in den Auseinandersetzungen zwischen Kirche und Kaisertum, zwischen Papst und deutschem Kaiser. Da nämlich, wo der Papst den Kaiser oder einen König, den Gesalbten (die Salbung ist ja hier vom Alten Testament übernommen) diesen etwa durch ihn selbst im Namen Gottes gesalbten König oder Kaiser vor sein Gericht zitiert und ihn seines Königtums oder Kaisertums im Namen der Kirche, die den Namen Gottes verwaltet, depossediert, entthront. Denken Sie nur an die grosse Auseinandersetzung zwischen Gregor und Heinrich, das klassische Beispiel. Man könnte sagen, dass sich hier das, wovon wir sprechen, diese Gegenüberstellung wiederholt, fortsetzt. Aber das Gegenteil ist wahr. Sie setzt sich gerade nicht fort, sondern das wesentliche ist der Unterschied, sie ist in ihr Gegenteil verkehrt. Es scheint hier zentral wichtig, uns dies klar zu machen. Gehen wir jetzt einen Augenblick über Samuel hinaus und fragen wir uns, was geschieht, wenn die Könige, was sie je und je tun, dem Auftrag gegenüber versagen, wenn sie den Sinn der Salbung nicht erfüllen, wenn sie also je und je nicht der gesalbte Statthalter faktisch sind, sondern diesen Auftrag verraten, im Stich lassen, dem Willen Gottes zuwider als Könige zuwider handeln. Was geschieht dann? Wer mahnt sie? Bei Samuel ist die Sache nicht klar, denn Samuel war Inhaber einer Macht als Richter, aber dann, nachdem das Königtum gefestigt war, wer vertritt Gott, wer rechtet im Namen Gottes mit den ungetreuen Machthabern, den Königen? Nicht ein Aspirant der Macht, nicht einer, der auch nur im kultischen Bereich, im Bereich der sakralen Funktionen irgend eine Macht inne hat, nicht der Priester sondern ein machtloser Mann, ein Mann, der zumeist nicht Haus noch Habe hat, der arm herumstreift, vom Volk ernährt wird, ein Mensch des Volkes, der Tiefe, des Dunkels, der nur je und je aus dem Dunkel des Volkstums hervortritt, wenn er sein Wort zu sprechen hat an die Macht. Dieser Machtlose und zugleich nicht nach Macht Strebende, schlechthin nicht nach Macht streben könnende Mensch, dieser ist es, der den König vor das Gericht fordert und mit ihm abrechnet, der ihm sagt: Du hast dich von dem Weg, auf den du gestellt bist, verlaufen. Kehre um oder du wirst verworfen. Der also zu ihm sagt, was einst immer wieder auch zur Zeit der Richter zum Volk von seinen Führern, von seinen Glaubensführern gesagt worden ist: kehret um oder ihr zerschellt. Es ist wichtig, sich dies zu vergegenwärtigen. Der Machtlose, der seinem Wesen nach (nicht als Zufall) sondern seinem

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Wesen, seiner Berufung, seiner Menschenartigkeit nach Machtlose, der gegen die Macht steht, der einfach vor den Machthaber tritt und als ob er von ihm nichts zu fürchten hätte, als ob er von diesem Träger der Macht nichts zu erleiden hätte, über alles Erleidenkönnen, über alle erdenkliche zu erleidende Marter hinaus (wir hören ja von dem Propheten, der als einziger etwas darüber berichtet hat, Jeremia) über alles dies hinaus fordert im Namen des wahren Königs Rechenschaft von diesem Statthalter. Nun dem gegenüber das, was im Abendland aus dieser ungeheuren (nicht Konzeption, sondern) Realität geworden ist. Was bedeutet dies, dass der Papst den Kaiser vor sein Tribunal fordert? Machtkampf, Kampf einer Macht gegen eine Macht, einer kirchlichen Macht gegen eine staatliche Macht, mitten im Wirbel der Geschichte, in diesem ungeheuren Kessel geschichtlichen Machttreibens. Die Kirche geht mit hinein in dieses Ringen um die Macht, das man fälschlich Geschichte nennt und das nur der Schaum über der Geschichte, der Abschaum der Geschichte ist. Also dies, dass der Machtlose der Bote Gottes ist an die jeweilige vergängliche geschichtliche Macht, dies ist die ungeheure Realität, von der wir sprechen. Es ist also das, dieses Rechten ist echt bis auf den Grund. Es ist nicht Vorwand, es ist nicht Einkleidung eines Machtkampfes, sondern es ist Urwirklichkeit. Hier spricht ein Mensch zu den Mächtigen, der nichts für sich will, der als Träger des Wortes selbst kommt und nichts anderes verlangt, als dass dem Wort sein Recht geschehe, dass das Wort von diesem verwirklicht werde, dass dieser König so regiere, wie Gott will, dass dieses Gemeinwesen regiert werde, damit daraus der Anfang einer Menschheit, eines wahren Reiches werden könne. Von da aus nun, von dieser prophetischen Berufung der Macht gegenüber ist das Element zu verstehen, aus dem der Messianismus erwacht. Die Enttäuschung, die geschichtliche, faktische Enttäuschung, religiös ausgedrückt: Gottes, historisch ausgedrückt: des prophetischen Menschen, am König, am Gesalbten. Der Messias ist nichts anderes, als der Gesalbte, der die Salbung erfüllt, der König, der den Sinn seines Königtums, seines Statthaltertums erfüllt. Oder anders, der König ist nichts anderes als der Messias, der nicht erfüllt. Es ist also der Prophet, der immer wieder an einem König enttäuscht wird und über diesen hinaus sich den anderen ersehnt, vorstellt, vergegenwärtigt, nicht irgend einen späten am Rande der Zeiten, sondern jetzt und hier. Vielleicht ist es der Sohn dieses Königs, vielleicht aber ist es ein Fremder, ein Usurpator. Dieses Hinausschauen über das Faktische, dieses Hinausschauen über die jeweilig sich als Unrecht erweisende Macht, dieses Hinauslangen über die unrechtmässig gewordene Macht ist der Ursprung des Messianismus. Diese messianische Konzeption hat im Buche Samuel eine Äusserung

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gefunden, die sehr merkwürdig und bedeutsam ist. Das Buch ist nämlich (ich nenne die beiden Bücher ein Buch, es ist eigentlich ein Buch) das Buch ist eingerahmt, wenn auch nicht so, dass das eine genau Anfang und das andere genau Schluss wäre – aber im Anfangsteil und Schlussteil stehen zwei Lieder, die dieser prophetischen Erwartung auf eigentümliche Weise entsprechen, so nämlich, dass das einemal das Statthaltertum des Gesalbten ausgesprochen wird, um was es wirklich in der Geschichte geht, worauf der Auftrag sich innerhalb der gesellschaftlichen, politischen Realität dieser Erde bezieht, und das zweite Lied (es sind zwei Lieder) stellt dar, wie ein König – David – selbst diese prophetische Enttäuschung und Erwartung mitmacht als Enttäuschung an sich selbst und Erwartung dessen aus seinem Geschlecht, der das erfüllen wird, was er nicht erfüllt hat. Also der Psalm, der Dankpsalm, das Danklied Hannas und die sogenannten letzten Worte Davids. Diese beiden Stücke sind bisher noch nicht in ihrer wahren Bedeutung erkannt worden. Aber Sie müssen sich vergegenwärtigen, dass dieses Buch in seinem Grundbau vom prophetischen Bewusstsein, von prophetischer Hand gebildet, geformt ist und dass nicht beiläufig, sondern mit hohem Sinn von diesem prophetischen Bewusstsein her diese zwei Lieder in den ersten und letzten Teil dieses Buches gestellt worden sind. Sie sind so wichtig, dass ich sie Ihnen zunächst vorlesen will. Wir werden das nächstemal darüber sprechen. Das erste ist das Danklied der Hanna, die den Sohn bekommen hat, den sie von Gott erbat. (folgt dieses) Und das zweite sind Davids letzte Worte (Sie müssen, um es zu verstehen, beachten, dass hier David eine Rede Gottes einfügt und unterbricht, indem er sie erklärt. Ich werde das jeweils bezeichnen). (folgt dies) Wir werden das nächstemal diese zwei grossen messianischen Urkunden besprechen. VI. Ich habe davon gesprochen, wie dieses Buch Samuel von diesen beiden eigentümlichen Gedichten eingerahmt ist. Es ist mit Recht gesagt worden, dieses Buch sei die biblische Politeia. (Sie wissen, Platon hat ein Buch geschrieben, das heisst »Staat«, Gemeinwesen, Politeia, die Staatslehre). Also eine solche Staatslehre, aber eine biblische Staatslehre sei das Buch Samuel, nämlich eine Staatslehre als Geschichte – und hier ist alles Geschichte, alles Begebenheit, und auch die Staatslehre ist nicht in der Form eines Lehrvortrags, sondern in der Form der Geschichte, der Er-

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zählung gegeben. Das, worauf es hier in dieser Staatslehre ankommt, also die Problematik, der theokratische Wille, der Wille zur Gottesherrschaft und das Versagen diesem Willen gegenüber, das ist nun hier in seinem Kern erfasst. Nicht mehr das Volk versagt, aber der zum Statthalter Gottes gesalbte König versagt, er erfüllt seinen Auftrag nicht. Seine Salbung wird von ihm lebensmässig nicht verwirklicht, er ist nicht der, er ist mit seinem Leben nicht der, wozu er den Auftrag in der Salbung empfangen hat, er ist in Wirklichkeit das nicht, was Gott von ihm als dem Gesalbten in der Salbung gefordert hat. Und dies nun, dieses Problem des Menschen, der berufen ist, als Statthalter Gottes den Anfang seines Reiches zu verwirklichen, und versagt, menschlich im Verhältnis zu den Mitmenschen, die von ihm, dem Herrscher, abhängig sind, aber auch besonders als Gebieter versagt, versagt auch in seinem Verhältnis zu Gott selbst, der ihn beauftragt hat – Sie sehen, diese zwei Bilder Samuels zuerst, der Gott gegenüber versagt, und dann Davids, der im Verhältnis zu den Menschen schwer sündigt und dem Auftrag zuwider handelt. Und nun diese Staatslehre als Geschichte in bedeutsamer Weise von diesen zwei dichterischen Urkunden eingerahmt. Deren erstes wird der Hanna in den Mund gelegt, aber es ist sehr merkwürdig, dass sie betet, sie, die Mutter Samuels, betet, dass sie ihr Gebet endet mit einer Bitte um etwas, was Samuels eigener Anschauung zuwider geht, dass Gott den Sieg seinem König gebe, den Scheitel seines Gesalbten erhebe. Samuel aber kämpft ja zunächst eben gegen die Forderung des Volkes, einen König zu bekommen, und Gott zwingt ihn gleichsam, den Willen seines Volkes zu erfüllen. Es ist also seltsam, dass gerade der Hanna dieser Dankschluss in den Mund gelegt wird. Wenn man ihn in den Zusammenhang, in den geschichtlichen Zusammenhang stellen will, dann muss man ihn verstehen nicht auf Samuel als den Gesalbten, obwohl gerade Samuel in diesem Buche immer wieder, insbesondere von David der Gesalbte Gottes genannt wird, sondern auf David. Es ist also ein davidistischer Psalm. Und zwar sagt dieser Psalm etwas aus darüber, was der König als Statthalter zu vollbringen hat, aber nicht in der Form, dass er angewiesen würde: Du als König – der König hat sich so und so zu verhalten, sondern es wird von Gott gesprochen, aber es wird von Gott gesprochen als dem wahren König, als dem König eines Gemeinwesens, das eine wahre Gemeinschaft werden soll, des Königs dieses Gemeinwesens, der die sozialen Unterschiede, die in diesem Gemeinwesen aufkommen und den Gemeinschaftscharakter, den Gemeinschaftsgehalt dieses Gemeinwesens zu unterdrücken versuchen, diese sozialen Unterschiede, dieses Ausbrechen der sozialen Unterschiede zu überwinden hat durch inneren Ausgleich immer neuen Ausgleich, der ja der Kern des Sozialgesetzes in der Thora ist. Denken Sie nur an

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jenen rhythmischen Ausgleich des Sabbatjahres und des Jobeljahres, wo immer wieder Gleichheit der Voraussetzung zwischen allen Mitgliedern des Gemeinwesens hergestellt wird. Gleicherweise wird hier als ausgleichende Tat Gottes im höchsten Sinn berichtet: Aufrichtet vom Staub er den Armen, den Dürftigen hebt er vom Kot. Oder früher: dem ? ? und die Mühseligen pflegen der Rast. Oder noch früher: Der Helden Bogen zerbricht und die Sterblichen panzert er mit Macht. Aber mehr als nur sozialer Ausgleich, es greift darüber hinaus. Alles selbst Mächtige, alles Eigenmächtige, alles, was aus seiner eigenen Macht, von seiner eigenen selbstbegründeten Macht leben zu können vermeint und sich vermisst, alles das wird überwunden: Machet nimmer eure Rede: Hoch hinauf, hoch hinauf, wie es frech entfährt eurem Munde, denn er ist ein Gott des Wissens, bei ihm wird das Ziel gewogen, bei ihm das grosse Ziel, das grosse Ziel der Geschicke gewogen in der Waage. Also das bedeutet zugleich den Ausgleich und aber das Bezwingen und Niederwerfen aller Eigenmächtigkeit, aller sich vermessenden, sich übermütig vermessenden Eigenmächtigkeit des Menschen. Und nur dies als Schilderung des wahren Königs, des wahren Königtums. So wird ein Reich Gottes auf der Erde bereitet, und der zum Statthalter berufene hat hier das zu üben, was ja in allen biblischen und nachbiblischen Lehren Israels das höchste, das zentrale Gut und die zentrale Tugend ist, Nachahmung Gottes. Also zur Nachahmung, zur Realisierung dieses göttlichen Königprinzips in seinem menschlichen Königswalten ist dieser Mensch berufen. Hier wird also dem davidischen König dieses grosse Bild entgegengehalten. Wenn er das tut, dann wird ihm der Sieg gegeben. Aber zugleich meldet sich schon hier etwas von der Erfahrung des Versagens an. Jene Enttäuschung am König, von der ich sprach, dass der Prophet sie immer wieder zum Ausdruck bringt, dass er immer wieder mit der Forderung an den König herantritt, den König an der Forderung misst, immer wieder an dem König, der die Forderung nicht erfüllt, enttäuscht sich von ihm abwendet und über ihn hinaus das Bild des wahren Königtums hinstellt, und Ausschau hält nach dem, der es erfülle, Ausschau hält nach dem, der die Salbung erfülle, nach dem wahren Gesalbten Gottes, Meschiach haschem, nach dem, der das Königtum erfüllen wird. Ich sage, etwas von dieser Erfahrung, Enttäuschung und über das Gegenwärtige hinauszielende Hoffnung ist schon in diesem Psalm zu Anfang des Buches. Denn es ist etwas Endgültiges, Endzeitliches, von dem der letzte Teil spricht: Er, die wider ihn hadern, werden zerknickt. Sie stiegen zum Himmel – er donnert sie hin. Er hält Urteil über die Enden der Erde. Hier kündigt sich offenbar schon eine Zeit an, die sich zu der gegenwärtigen Geschichtszeit, in der dieser prophetische Dichter lebt, verhält wie die Zeit der Er-

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füllung zu einer Zeit der Problematik, des Widerspruchs, des Widerstreits, des tausendfältigen Versagens, der tausendfältigen Vermischung der Wahrheit und Lüge, Recht und Unrecht. Es ist also eine Zeit des Gerichts. Gott donnert dann die nieder, die zum Himmel gestiegen sind. Er hält Urteil über die Enden der Erde. Es bricht also nun wirklich sein Reich an, über all diesen Widerstreit hinaus, all den Widerstreit, alles, was sich dem Königtum Gottes, gegen das Königtum Gottes aufbäumt, was sich gegen das Königtum Gottes auflehnt, das all die niederzwingt und das Reich wirklich aufrichtet, dass jener uns unbegreifliche Widerstreit, dass Gott, der der König der Welt ist, dass Gott der König der Welt ist und dass die Welt so ist, wie sie ist und so lebt, wie sie lebt und die Weltgeschichte so treibt, wie sie treibt (ich sage: treibt, wie etwas auf einem Fluss richtungslos treibt) ich sage, dieser ungeheure Widerstreit wird also hier in dieser Ansage überwunden. Es geht also vom Geschichtlichen zum Übergeschichtlichen über, von einer blossen Ansage an den König zu einer Ansage, die auf das messianische Zeitalter selbst hindeutet. Damit soll aber gesagt sein auch, dass das kein absoluter Unterschied ist. Ich habe schon darauf hingedeutet, dass der prophetische Mensch das messianische Zeitalter nicht als etwas sieht, was von dem gegenwärtigen abgehoben ist – nun, man weiss nicht, wann es anbricht, aber jedenfalls nicht morgen und übermorgen. Gerade dies weiss der Prophet ganz und gar nicht, sondern der prophetische Mensch kümmert sich um die ihn bis ins Mark erschütternde Möglichkeit, dass vielleicht morgen das Reich anbricht. Also gerade dies, dass das nicht irgend eine ferne Ablösung der Geschichte durch die Übergeschichte sei, sondern vielleicht etwas jetzt mitten in dieser von uns erfahrenen Geschichte, was plötzlich unversehens wie der Dieb in der Nacht uns antritt. Also gerade dies, diese Geschichtlichkeit der messianischen Hoffnung, dass vielleicht dieser und dieser Mensch es sein kann, der berufen ist zu erfüllen, dass in dieser Reihe, in dieser langen Reihe der Nichterfüllung vielleicht im nächsten Augenblick die Erfüllung geschehen kann, also dieses, diese vertrauende Geschichtserfahrung, diese sich durch keine Enttäuschungen von dem Vertrauen abbringen lassende, von dem einfachen Vertrauen in den geschichtlichen Ablauf, das ist es, was hier in diesem Dankpsalm spricht. Es ist also ein wirklich messianischer Psalm, aber ein messianischer Psalm eben in dem Sinn, wie also messianisch in der Bibel ist, nicht etwas, was von der gegenwärtigen Wirklichkeit abgehoben ist, sondern etwas, was ganz und gar aus der gegenwärtigen Wirklichkeit geschaut, erwartet wird, vielleicht unmittelbar an sie angeknüpft. Nun das zweite, die letzten Worte Davids. Man hat lange gemeint, dass das ein spätes Stück ist, und man hat den altertümlichen Stil dieses Stük-

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kes für das Produkt einer Archaisierung, einer das Alte nachahmenden Weise angesehen. Es ist aber bemerkenswert, dass ein so kritischer Mensch wie Lagarde, soviel ich weiss in der modernen Wissenschaft zuerst, nicht etwa in einer Publikation, sondern in einem Kolleg über die Psalmen, dessen Nachschrift ich besitze, sagte, es klänge echt, womit er nicht weniger sagen will, als dass es durchaus erwägenswert sei, dass diese letzten Worte wirklich davidisch sind. Auch in unserer Zeit hat ein bedeutender Alttestamentler (Prokscher?) es unternommen, von diesem Gesichtspunkt aus die Worte zu analysieren. Die Analyse ist deshalb nicht ganz geglückt, weil diese Worte bisher nicht in ihrem Zusammenhang verstanden worden sind. Ich glaube es das letztemal von unserer Übersetzung aus deutlich gemacht zu haben. David (und wie mir scheint, ist es wirklich aufzufassen als eine Zeitäusserung Davids, nicht eine religiöse, sondern eine religionspolitische, und anders kann es garnicht sein). Das Religiöse ist etwas, was durchaus in alles Politische eindringt in dieser Zeit und in diesem Land – also eine religiös-politische Urkunde, eine Art von Kommentar oder von letzter Mitteilung, eine Kundgebung eines Königs von seiner Erfahrung und von seiner Erwartung aus, wobei ich Erfahrung auch meine in dem Sinn: Erfahrung an sich selbst. Er sagt hier, Gott habe ihm etwas zugesprochen, und zwar habe ihm Gott zugesprochen, dass bei ihm, bei Gott, ein Walter über die Menschheit sei, das heisst, dass Gott im Sinn habe, in seinem Sinn habe, dass ein Herrscher kommen solle, der wirklich bewährt, zaddik ist, also bewährt, also eben das, was David nicht war. Dieser Walter würde aufstrahlen wie das Morgenlicht. Und nun wird das näher bestimmt. Sonne er eines Morgens, da vor Glanz nicht Nebeldunst blieb. Vom Regen her treibt Gras aus der Erde, d. h. es hat Nebeldunst gegeben, es hat Gewitter und Niederschläge gegeben, aber jetzt ist die Sonne aufgestrahlt, er ist die Sonne dieses Morgens, und vor dem Glanz dieser Sonne hat sich aller Nebel zerstreut und als Wirkung dieses langen Regens oder dieses Gewitterregens – gleichviel, wie das da steht (vielleicht ist das letzte als Bild der Katastrophe richtiger) als Wirkung davon treibt nun jetzt unter der Einwirkung der Sonnenstrahlen junges Gras aus der Erde, ein neues Wachstum ist über die Erde gekommen. Nicht wahr, dies berichtet David als Botschaft Gottes. Dann ist aber noch nichts davon gesagt, woher dieser König, woher dieser wahre Gesalbte kommen soll. David unterbricht nun die Rede Gottes und erinnert gleichsam daran, dass seinem Haus dies verheissen ist, dass aus seinem Haus dieser König, der erfüllende, der also, der zum Unterschied von ihm selber der erfüllende sein wird, kommen soll. Er sagt ja: ist so nicht mein Haus bei Gott, setzt er mir ja einen Weltzeitbund, ausgerichtet in all dem und verwahrt. Also aus-

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gerichtet und verwahrt, d. h. eine richtig gültige, urkundliche Verheissung, meine Bundesverheissung. Was ist das für eine? Nun aber, aus den Texten, die uns bewahrt worden sind, können wir einen anführen, der dem, was hier David anführt, verwandt ist, dass ist nämlich da, als David daran denkt, im 7. Kapitel des 2. Buches, einen Tempel zu bauen und Gott ihm sagen lässt, dass dazu noch nicht die Zeit gekommen sei, da lässt ihm Gott durch einen Propheten sagen: er meldet dir nun, dass er dir ein Haus machen wird (beachten Sie hier: Haus). Wenn deine Tage sich erfüllten und du mit deinen Vätern liegst, will ich nach dir deinen Samen bestellen, der aus deinem Leib hervorfährt und will sein Königtum gründen. Der wird meinem Namen ein Haus erbauen. Ich aber werde den Stuhl seines Königtums fest gründen auf Weltzeit. Also der Begriff Haus wird hier in eigentümlicher Weise doppelt benutzt. Es ist nicht an dir, mir ein Haus zu bauen. Ich mache dir ein Haus, d. h. also die Fortdauer deines Geschlechtes, deiner Dynastie, und nun, dein Nachkomme wird meinem Namen ein Haus bauen, ich aber werde den Stuhl seines Königtums fest gründen auf Weltzeit. Ich will ihm Vater sein und er soll mir Sohn sein usf. Beachten Sie diese eigentümliche Wendung: ich will ihm Vater sein und er soll mir Sohn sein. Im 2. Psalm, dem zweiten der Reihe der Psalmen heisst es, sagt Gott zum König: Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt, ein Wort, das dann im Neuen Testament in der alten Fassung des Textes bei Luther wiederkehrt, zitiert wird. Dieses Annehmen des Königs, des kommenden Königs zum Sohn, diese Adoption, die Gott hier vollzieht, ist etwas sehr bedeutsames, wobei wir einen Augenblick verweilen müssen. Es ist nämlich früher in demselben Bild (man kann aber nicht eigentlich sagen: Bild) sondern in derselben Konzeption nicht von einem Menschen von Gott gesprochen worden, sondern von Israel, und zwar in demselben Bild der Adoption. In dem 4. Kapitel des 2. Buches Mose, da sagt Gott zu Mose: Dann aber wirst du zu Pharao sprechen ………. Etwas sehr seltsames, dass Gott hier Israel seinen Erstlingssohn nennt. Die Bibel stellt es doch durchaus nicht so dar, als ob Israel das erste der Völker wäre, durchaus nicht. Es wird durchaus als ein junges Volk bezeichnet. Zu der Zeit, als sich die Völker trennen, beim Turmbau, wo es zuerst Völker gibt, wo aus einer einheitlichen Menschheit mit einheitlicher Sprache und Wesenheit die Völker auseinander sprengen, gibt es Israel noch nicht, sondern dann erst wird der Mann berufen, der der Stammvater dieses Volkes werden soll. Es ist also nicht so, wie es bei vielen Völkern in den Mythologien aussieht, dass Gott der Urvater des Stammes ist, sondern hier nimmt Gott dieses Israel zu seinem Sohn an. Israel ist der Erstlingssohn, weil Gott zuerst dieses Volk adoptiert, zu sei-

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nem Sohn macht, d. h. es ist hier in einem anderen Bild dasselbe gesagt, was an einer anderen Stelle Gott ausdrückt, indem er sagt von Israel, es sei »mein Anfangsteil von der Ernte«. Anfangsteil – also es sind die Erstlingsfrüchte, die zu Beginn der Ernteeinbringung Gott geopfert werden. So sei dieses Israel das, was von der Welternte, von der Schöpfungsernte zuerst Gott zu eigen gegeben wird. In einer bedeutsamen prophetischen Stelle wird das noch besonders zum Ausdruck gebracht, in Hosea 11. Gott sagt: Als Israel jung war, liebte ich ihn. Von Ägypten an rief ich meinen Sohn. Also der Augenblick, in dem Gott dieses Volk zu seinem Sohn, zu seinem Erstlingssohn annimmt, ist der Augenblick, wo er es aus Ägypten befreit und zum Volk macht. Also die ursprüngliche Konzeption der Sohnschaft ist die Sohnschaft Israels. Wie wandelt sich diese? Woher kommt das, dass aus dieser Vorstellung der Gottessohnschaft Israels die Gottessohnschaft des Gesalbten, des davidischen Nachkommen, der die Statthalterschaft verwirklichen soll, wird? Ich habe schon darauf hingewiesen, dass zunächst ja das Volk selbst ausersehen ist, als solches mit dem Königtum Gottes ernst zu machen, und dass es – das ist die Geschichte des Richterbuches – als Volk versagt und dass nun ein Mensch berufen und beauftragt wird, ein Mensch, diesen Dauerauftrag, er und was aus ihm kommt, er und seine Nachkommen, diesen Dauerauftrag empfängt. Ich sage: er und seine Nachkommen, weil der Auftrag immer wieder von dem Nichterfüllenden zu dem etwa doch erfüllen Könnenden wandert, gleichsam von gesalbtem Scheitel zu gesalbtem Scheitel. Und nun, in diesem Stadium, ist die Gottessohnschaft nicht mehr die Israels, sondern die des Gesalbten, des Königs, der der Messias werden kann, denn – ich möchte es noch einmal wiederholen – der Messias ist nichts anderes als der geschichtliche König, der die Salbung verwirklicht, wie der König nichts anderes eben ist als der Messias, der geschichtliche jeweilige König der Messias ist, sofern er seine Salbung, seinen Auftrag nicht erfüllt hat. Also an diesen Bund erinnert David mit den Worten, dass Gott ihm einen Weltzeitbund gesetzt hat. Und nun setzt die Rede Gottes wieder ein: Ja, all meine Freiheit, alle Lust, ja, ihm zu liess ichs spriessen. Es ist das Bild, das früher vom Gras stand, dieses ganz neue Wachstum, das spriesst auf diese Sonne zu, auf den Gesalbten zu. Und dann die grosse Frage, wie aber all das, das bisher die Erfüllung des Königstums Gottes behindert hat, all das widerstreitende, widerstrebende nicht etwa bloss im einzelnen Menschen oder in einzelnen Menschengruppen personifiziert, sondern das widerstrebende in der Menschenseele, das in jedem von uns widerstreitet, was in diesem Volk und diesen seinen Königen widerstritten hat, davon heisst es: aber das heillose, also das, das das Spriessen hindert, wie Waldgedörn sind sie alle-

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samt, wie ein Dorngestrüpp, das sich ausgebreitet hat wie ein Wald, dass es alles alte mit Wachstum unterdrückt. Nicht mit Leibeshand können sie hinweggenommen werden, denn es geht nicht um einzelne Personen, die man angreifen kann mit der Hand, mit der persönlichen Gewalt. Der Mann, der an sie rühren soll, wird bevollmächtigt mit Lanze, Eisen und Holz. Das ist eben derselbe Mann, von dem geschrieben ist, ein Walter über Menschheit, bewährt. Der Mann, der siegreich zu kämpfen hat gegen all das Widerstreitende, der muss bevollmächtigt werden. Diese Lanze, Eisen und Holz – diese Lanze ist ein Abzeichen, dass man ihn sehen wird für diese seine siegreiche Macht gegen das Böse, das Widerstrebende, und im Feuer verbrannt wird sie, ausgebrannt, all dies wird ausgebrannt beim Neuansiedeln, beim Neubesiedeln der Welt, bei der Gründung der neuen, der erneuten Menschenwelt. Es ist also hier eine wirklich messianische, echt messianische Verheissung. Aber diese messianische Verheissung ist durchaus bezogen auf eine geschichtliche Situation, auf eine geschichtliche Gegebenheit, auf einen geschichtlichen Menschen, der die Zukunft seines Blutes sich vorstellt und von ihm die Erfüllung erwartet. Die messianische Hoffnung ist in dieser davidischen, in dieser geschichtlichen davidischen Hoffnung eingebettet. Was geht nun aus diesen Urkunden zunächst hervor in Bezug auf die frühere messianische Erwartung? Nun eben dies, dass der Messias nicht etwas von der Erde Abgehobenes ist, sondern durchaus der Mensch, einfach der erfüllende Mensch ist, und dass das, was er zu tun hat, nicht eine Erlösung der Welt von drüben her ist, überhaupt nicht eine Erlösung. Nirgends und niemals in der Welt wird ein Erlösen einem anderen als Gott selber beigemessen, sondern dass er dieses werdenden Reiches der Verwirklichung zu warten hat an Gottes statt, er als der bevollmächtigte dieses Reich zu einigen und aufzubauen hat. Dies ist richtig festzuhalten, wenn wir uns nun vergegenwärtigen wollen, wie die Propheten den Messias darstellen. Ich will jetzt wieder, wie ich es das vorigemal gemacht habe, zwei Stücke lesen, die wir das nächstemal besprechen wollen, die zwei zentralen jesaianischen Stellen, das eine das 9. Kapitel, das folgt auf eine ungeheure Darstellung der Katastrophe, der kommenden Volkskatastrophe. Daran schliesst sich die Verheissung – also auf eine Darstellung der Verfinsterung (,) folgt Vorlesung und das andere, das 11. Kapitel folgt Vorlesung. Wir wollen nun das nächstemal zunächst dies besprechen, sehen, wie sich die messianische Konzeption, die vorexilische messianische Konzep-

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tion hier rein ausspricht, und nun von da aus zu verstehen suchen, wie sich dann im Exil diese Konzeption entscheidend wandelt. VII. Wir lasen in der letzten Stunde die zwei jesaianischen Abschnitte von dem König, der die Salbung erfüllte. Dies ist hier klassisch zum Ausdruck gebracht. Drei Gedanken sind in der Stelle aus Kapitel 9 ausgedrückt, die man schlagwortartig zusammenfassen kann: das Licht in der Finsternis, die dem Gottesreich auf Erden widerstrebende Macht wird bezwungen und der Sohn wird angekündigt (vergl. die davidische Stelle von dem Sohn, die Prophezeiung für Salomon und über ihn hinaus). Gressmann übersetzt die Stelle von Vers 5 so: man nennt seinen Namen (und das entspricht durchaus allen üblichen Uebersetzungen – den meisten üblichen Uebersetzungen, aber auch die anderen erfassen die wirkliche Ordnung nicht) – man nennt seinen Namen ein Wunder an Rat, Heldengott, Ewigvater, Friedensfürst. Wenn man so übersetzt, ist es kein Wunder, wenn dann gefragt wird: kein anderer hat so wie Jesaia die einzigartige Erhabenheit Gottes betont. Gott kann allein gross sein und ihm gegenüber sind alle anderen klein. Wie konnte derselbe Prophet Attribute Gottes auf den Messias übertragen? Diese Tatsache erklärt sich nur unter dem Einfluss der täglichen Erwartungen, für die der Messias mit übermenschlichen Eigenschaften ausgestattet und der Gottheit angenähert wurde. – Man kann garnicht völliger fehlgreifen im Verstehen eines prophetischen Textes, wie es hier geschieht. Es ist aber ein verhängnisvolles Missverständnis. Das erste Wort, Wunder- gehört ganz ähnlich wie an einer anderen Stelle der Bibel, wo fast genau dasselbe Wort in Bezug auf den Namen eines Engels vorkommt, gehört mit einem Namen zusammen. Es ist der Name, es ist ein geheimnisvoller Name, den dieser verheissene Gesalbte hat. Wenn man das nun recht zusammengeordnet hat, ergibt sich das folgende ganz einfach. Anstelle von Heldengott, Friedensfürst lesen wir dann: seinen Namen ruft man: Ratsmann Gottes, Held des Ewigvaters, Fürst des Friedens. Das sind garkeine göttlichen Epiteta mehr, sondern man sieht ganz deutlich, es ist der Mann, der von Gott eingesetzt ist, sein Vertreter, sein Fürst des Friedensreiches: zu reicher Fürstschaft und zum Frieden … Sie sehen, wenn man nur einfach auf den Text (und es lässt sich, wie ich hier angedeutet habe, genau genug erweisen) wenn man auf den Text ernsthaft genug eingeht, dann zerrinnen solche Gespinste, solche Gebilde wie das eines vergötterten Messias, der für die Propheten angeblich annehmbar gewesen sei. Eine Vergött-

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lichung des Messias war für die Propheten ebenso wenig annehmbar wie die eines Königs, weil der Messias für sie ja gar nichts anderes ist als eben der König, der die Salbung erfüllt und nichts anderes. Die Propheten unterschieden nicht Geschichte und Eschatologie, nicht Wirklichkeit und religiöse Idee und dergleichen mehr, sondern für sie war der Messias so real, wie nur irgend ein König und so erwarteten sie ihn so unmittelbar, wie sie eben erwarteten, dass der Sohn des jetzt herrschenden Königs den Thron besteigen würde. Es entspricht durchaus dem Walten der Geschichte, ihrer geschichtlichen Konzeption. Wir müssen uns der Vorstellung entwöhnen, dass da irgendwelche erhabenen Wolkengebilde hereinspielen. Es geht durchaus immer um die dreidimensionale Wirklichkeit, in der wir leben und in der eben sich das Wirkliche ereignet. Also zu Recht verstanden, zeigt sich uns, dass es durchaus nicht, dass hier durchaus nicht die Vorstellung eines uebermenschlichen, mit erlöserischen Kräften begabten Wesens ist, sondern durchaus jene Vorstellung, die aus der Enttäuschung, dem Versagen des Königs erwachsen ist und über diese Enttäuschung in eine erhoffte Erfüllung hinausgreift. Und so verhält es sich auch mit dem 11. Kapitel. Nicht nach der Sicht seiner Augen wird er richten usw. Ich möchte auch hier Ihnen zeigen, was Gressmann sagt. Er sagt: Dieser Messias ist ein Halbgott. Vom Geist Jahwes inspiriert, besitzt er Gottes Wissen und Können ……. Nichts davon steht hier im Text. Im Text steht vielmehr, und zwar mit einem Ernst, der darin zum Ausdruck kommt, dass viermal dasselbe Wort sich wiederholt: ruach: auf ihm ruht Geistbraus … usf. Also es ist ein Mensch, der, wie ja in der ersten Zeit der Könige und schon früher bei den Richtern mit allem Nachdruck immer wieder gesagt wird von den Menschen, die den Auftrag empfangen: es ist der Mensch, der vom Geist, vom Gottesgeist erfüllt wird, um das tun zu können, was ihm aufgetragen wird. Es kommt nun alles darauf an – das ist eben das, wovon bei Saul die Rede ist, ob der Mensch sich dieser Führung des Geistes übergibt, ob er dem Geist nicht widerstrebt, ob er einig und ganz ist im Dienste dieses Geistes, der sich auf ihn niedergelassen hat. Von irgendeiner Halbgöttlichkeit bemerke ich hier nichts. Alles, was dann weiter gesagt wird, dass dieser Mensch nicht nach der Sicht seines Auges richte, dass er gerecht richte, dass er die Erde mit dem Stab seines (?) schlägt, alles das ist die einfache Auswirkung des Geistes, der auf ihm ruht. Wenn der Mensch dem Geist, der sich auf ihn niedergelassen hat, nicht widerstrebt, dann wirkt er also. Also gerade das Nicht-Gotthafte des Menschen, aber das Gott-Berührte des Menschen, das in Gottes Hand Gegebene und von Gottes Hand aus Wirkende dieses Menschen, das ist eben darin gesagt.

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Ich habe Ihnen diese beiden Beispiele angeführt, eben um zu zeigen, wie leicht es ist, in dieses sogenannte Alte Testament Vorstellungen hineinzutragen, die ihm fern liegen. Womit ich nicht sagen will, dass dies nicht in manchen Teilen des sogenannten Neuen Testamentes auch geschähe. Auch hier wird in manchen Teilen etwas hineingetragen, was nicht in ihm liegt. Wir haben also hier in Jesaia und so überhaupt in den vorexilischen Propheten immer wieder diese Vorstellung des Menschen, der gleichsam Gott entgegenkommt, der in der Begegnung den Geist annimmt und der das, was ihm der Geist gebietet, tut, der ganz ist in den Händen, unter der Hand des Geistes. Aber die Enttäuschung, von der ich sprach, diese sich immer wieder erneuernde Enttäuschung, dass einer nach dem anderen versagt, dieses immer erneute Zerschellen der Hoffnung, das wirkt, übt nun seine Wirkung an der messianischen Botschaft der Propheten, an ihrer Art selbst. Wenn wir betrachten, wie sich die.., welche Veränderung sich etwa von der jesaianischen zur jeremianischen Botschaft vollzieht, so sehen wir, es ist ein Uebermanntwerden von einer geschichtlichen Wirklichkeit, das sich hier ausspricht. Und zwar ein Ueberwältigtsein bis in den Grund des Herzens hinein. Zunächst, das sagt sich eben dieser Mensch an von der ganzen Weltlage her. Dass diese Könige in Israel versagten, das stellt sich ihnen ein in den ganzen ungeheuren Zusammenhang eines Versagens der Welt, der Menschenwelt, der Völkerwelt gegenüber dem Willen, dem Gebot, dem Auftrag Gottes. Es bildet sich die Vorstellung oder die Ansicht heraus, dass die Verwirklichung des Reiches Gottes, des Königtums Gottes gehemmt ist, behindert ist durch einen Widerspruch, der gleichsam aus der Welt, dieser uneinigen, zerrissenen, zerklüfteten Welt kommt, die eben durch ihre Uneinheitlichkeit, durch ihre Zerrissenheit dem Willen Gottes widersteht, und die Propheten kommen aus der Betrachtung dieses Weltwiderspruchs zur Einsicht, es wird ihnen die Einsicht gegeben, dass Gott nicht seine Allmacht anwenden will – wenn man das so ausdrücken darf, um das Reich zu verwirklichen, sondern dass er auf den Menschen wartet, auf den mitwirkenden, auf den ihm entgegenkommenden Menschen, auf die ihm entgegenkommende Welt, dass er nicht die Erlösung, die Vollendung der Schöpfung der Welt gleichsam aufstempeln, auferlegen will, sondern dass er will, dass ihm etwas an Erlösungsmächtigkeit, an Erlösungsverlangen, an Erlösungsreife entgegenwachse, aus dem Leben der Kreatur, der Menschen und der Völker. Und von da aus spricht sich nun in der prophetischen Botschaft immer stärker aus eine Dämonie der Völkergeschichte, die eben Gottes Willen widerstrebt. Und es kündigt sich ein seltsames Bild an, das immer stärker wird, bis ins nachexilische Schrifttum hinein, die-

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ses seltsame Bild Gottes als Kämpfers, Gott, der kämpft um sein Reich. Braucht denn Gott zu kämpfen? Was für einen Sinn hat das, dass der Prophet Gott sogar anruft, seinen Kampf zu kämpfen? Wir können es nicht anders verstehen als wenn wir eben damit ernst machen, mit der Vorstellung, die eben eine diese Epoche entscheidende und in das spätere Judentum hineinwirkende ist, dass Gott nicht vermöge seiner Allmacht seine Schöpfung sich vollenden lassen will, sondern dass es gerade in der Schöpfung selbst angelegt ist, dass es der in der Schöpfung angelegte Ursinn ist, dass sie selber dem vollendenden, erlösenden Willen Gottes mitwirkend entgegenkommen soll. Dieses Wort Gottes, dieses Verlangen Gottes, nicht auf seine Selbstverwirklichung, sondern auf eine Verwirklichung der Schöpfung aus den in sie gelegten selbständigen, in Selbständigkeit gesetzten Kräften her, dass also Gott die Schöpfung in Wahrheit verselbständigt hat, dass er diesen Menschen eingesetzt hat als ein Etwas, von dem aus, von dem Bewegung ausgeht, Entscheidung ausgeht, Wahl, Wählen und Verwerfen, Erwählenkönnen und Verwerfenkönnen Gottes, und dass es dieses Wählenkönnen und Verwerfenkönnen dieses in Selbständigkeit gesetzten Menschen, dass davon mitabhängig gemacht wird das Schicksal der Schöpfung, die Frage nach der Erfüllung, dass diese in dieses Entscheiden, dieses brüchigen sterblichen Geschöpfes mit eingetan, mit gestellt ist, dass also in dieses so brüchige, so fragwürdige Entscheiden, in das, was wir je und je entscheiden können in den Vorgängen, der Biographie eines jeden von uns, in der Geschichte, soweit wir irgendwie damit zu tun haben, etwas mit zu entscheiden haben, was morgen geschieht, in dieses unser Entscheiden hinein ist eine wirkliche Mitentscheidungsmächtigkeit gelegt, und all dieses Entscheiden rührt an das ungeheure Geschehen der Schöpfungsvollendung und -erlösung, der Beseitigung des Widerspruchs, der Hinwegräumung des Hindernisses, der Lösung von den hemmenden, störenden, aufhaltenden Kräften, d. h. also, dass Gott als Kämpfer den Menschen als Kämpfer meint. Gott kämpft, er, der nicht zu kämpfen braucht, Gott kämpft, Gott erscheint als Kämpfer für sein Reich, weil er als Kämpfer den Menschen, den kämpfenden Menschen anwirbt, anruft, in sein Heer beruft. Nur der Gott, der seine Allmacht nicht auswirkt, sondern in den Kampf zieht wie irgend ein begrenztes, in seiner Macht begrenztes Wesen, nur der kann den Menschen als frei wählendes Wesen in seinen Dienst, in seinen Heeresdienst stellen. So die eine Seite dieser Auswirkung der Enttäuschung. Von der Weltlage her. Die andere Seite von innen her, von Israel her, von dieser Erfahrung an diesen erwarteten Menschen her. Und weiter von der Geschichte Israels her. Es ist ja nicht einfach so, dass das eine religiöse Tatsache gewesen wäre, dass der König dem Auftrag gegenüber versagt hat. Wir

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müssen uns vorstellen, die Propheten sagen ja immer wieder eine politische Grundwahrheit für Israel an, die nämlich, dass es zwischen diesen ungeheuren Reichen, da Ägypten und da Babylon, garnicht zwischen diesen Weltreichen, garnicht dauern könne, durch garkeine Bündnisse, wie je und je die Könige sie abzuschliessen versuchen mit dem einen oder anderen Reich – dass sie in dieser Lage garnicht dauern können. Denn es ist nicht die Wahrheit seiner Berufung erfüllt, wenn es nicht durch sein Leben als diese Volksgemeinschaft in einer Gemeinschaft der Gerechtigkeit und des Friedens ein neues Prinzip, ein anderes Prinzip, ein Gottesprinzip in das Völkerleben selbst einführt, ein Prinzip, das nun ausstrahlt nach Babylonien und nach Ägypten hin und zeigt, dass Menschen mit einander, dass Menschenscharen mit einander, dass also auch Völker mit einander aus der Gerechtigkeit und aus dem Frieden leben können. Nur so, sagen die Propheten eben damit, nur so wird es euch möglich sein zu dauern zwischen diesen Gewalten, zu bestehen, indem ihr eure Wahrheit so ausstrahlen lasst auf diese Gewalten hin, dass sie selber anders werden und nun auch zu euch anders stehen, dass also dieser Frieden und diese Gerechtigkeit so zwischen den Völkern waltend werden, dass sie sich auch an eurer eigenen Lage in der Mitte der Völker auswirken. Diese durchaus politische, durchaus zugleich theopolitische und realpolitische Botschaft, mit der hängt es nun zusammen, dass die Propheten merken, wie eben dies, wie das Versagen der Könige dem Auftrag gegenüber eben diese Wahrheit erfährt, das Königtum zerfällt und das Gemeinwesen zerfällt, weil es zerfallen musste, wenn es nicht seine Berufung, seine Wahrheit als politische Realität mitten in das Völkerleben und das Völkerwalten hineinstellt. Das Gemeinwesen zerfällt also, und sein Königtum zerfällt, eben weil der Auftrag unerfüllt blieb. Gleich viel, wie es für die anderen Völker sein möge, hier war religiöse Wahrheit und politische Wahrheit durchaus eins und dasselbe. Von diesem nun so geschauten Zerfall des Königtums, dem Zerfall des Reiches, dem Sinnloswerden [der] letzten Könige und dem Sichankündigen der Katastrophe her erwacht neu zunächst nur flüchtig sich ankündigend, aber dann immer stärker werdend ewig neu jene Frage, der Unmittelbarkeit der Herrschaft Gottes, die in der Frühzeit nach der Landnahme in der Zeit vor dem Werden des Staates, in der Zeit der Richter jenen naiven Versuch der Aufrichtung einer Theokratie bewirkt hat. Diese Vorstellung, dass Gott unmittelbar herrschen muss, dass es möglich sein muss, dass die Menschen eine Gemeinschaft gründen ohne anderes Gesetz als das Gesetz Gottes, ohne andere Obrigkeit als Obrigkeit Gottes, dies erwacht jetzt neu von der Negierung des Königtums aus. Dieses statthalterische Königtum hat versagt. Es hat dem Auftrag Gottes gegenüber versagt, und

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es hat der Wahrheit, dieser politischen Grundwahrheit Israels gegenüber versagt. Die Zeit naht, wo das Reich zerfallen muss. Die Propheten schauen es. Und das Verlangen erwacht nach einer Erneuerung der Unmittelbarkeit der Gottesherrschaft ohne einen königlichen Mittler zwischen dem einzig wahren König und seinem Menschenvolk, und dieses Erwachen der Frage, das Wiedererwachen des Verlangens nach der Unmittelbarkeit der Gottesherrschaft, damit verknüpft sich ein bedeutsamer Gestaltenwandel des zentralen Menschen. Es kann, es muss der Mensch zerreissen, es muss die Gestalt da sein, in der gleichsam sich diese Gott entgegenkommende Bewegung der Menschheit darstellt, der zentrale Mensch, der Gott entgegenkommt, in dem der Mensch zu Gott entgegenkommt. Aber dieser zentrale Mensch kann kein König eines Staates mehr sein. So der Keim der neuen Konzeption zu Ende des Staatswesens. Die entscheidende Entfaltung dieses Keims vollzieht sich im babylonischen Exil. In der Zeit nach der Katastrophe. Vielleicht niemals in der Geschichte hat das Leid einer Menschenschar so umwandelnde Folgen gehabt wie hier, wo aus dem Leid einer kleinen Schar das messianische Bild sich wandelt. Diese kleine Schar, die nun wirklich leidet, was zu leiden ist, die nicht bloss erduldet, was zu erdulden ist, nicht bloss erträgt, was zu ertragen ist, sondern wirklich leidet bis in die Tiefe des menschlichen Leidenkönnens hinein, die wird von ihren Führern, von den prophetischen Menschen identifiziert mit jenem heiligen Rest, den einst Jesaia angesagt hatte, dem Rest, der umkehren würde zu Gott, wo dann im Volk alles Uebel, die ganze leidhafte Existenz des Menschen zerfallen würde und nur noch dieser Rest, diese kleine Schar des Kerns bleiben würde ..denn wenn nur noch ein Zehnteil drin ist und es wieder zurück sich wenden würde, der Eiche gleich, der Steineiche gleich, von denen beim Fällen ein Stumpf blieb. Sein Stumpftrieb, der Trieb, der aus dem Stumpf stiess, ist Same des Heiligen. Diese kleine Schar in Babylonien, die wirklich litt, was zu leiden war, wird von den Propheten erkannt als dieser verheissene Rest, als der Träger, der Erhalter und Bewahrer der Berufung, des göttlichen Auftrags. Und nun da, im Dunkel des Leids erkennen die Propheten das eigentümliche Amt dieses kleinen Restes, des heiligen Restes, am Kommenden, an den kommenden Dingen. Es kann kein herrscherliches Amt mehr sein. Das haben sie gesehen. Es tauchen immer wieder herrscherliche, statthalterliche Vorstellungen auch noch im babylonischen Exil auf, aber die führende Vorstellung ist hier die des zum König Gesalbten, der seine Salbung erfüllt. Nicht umsonst wird in der grossen Botschaft, die das Ende des Exils ankündigt, nicht mehr einer aus Israel, sondern der Völkerherr Cyrus, der den Rest Israels in die Heimat zurückbringt, als Gesalbter gezeigt. Die

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Herrschaft ist also jetzt nicht mehr das Amt Israels. Gott beruft je und je aus der Mitte der Völker Menschen zu begrenztem Auftrag wie diesen Cyrus. Jener Dauerauftrag des Königtums ist nicht mehr da. Also es ist nicht mehr der Gesalbte König, auf den erwartend geschaut wird. Aber der Messias, der Gesalbte ist doch, wenn er auch nicht mehr so genannt wird, in der Zeit nach dem babylonischen Exil, er ist auch jetzt noch in der Mitte der prophetischen Schau als der der Tat Gottes entgegenkommende, auf sie zuwirkende Mensch, der zentrale Mensch. Aber sein Amt ist eben dasselbe, was das Amt dieses Restes war. Der Rest hat sich in allem Ernst als den Träger des Auftrags erkannt, d. h. der Rest hat die messianische Essenz, die in ihm selbst ruht, erkannt, und zwar in seinem Leid. Es kann nun nicht mehr irgend eine Art der Machtausübung sein, keine herrscherliche, keine andere, die nun diesem Menschen zukommt. Dem Verlangen nach einer neuen Unmittelbarkeit der Gottesherrschaft, das ja dann in der Zeit nach dem babylonischen Exil die Form einer theokratischen Verfassung gewinnt, nun freilich nicht mehr naive, sondern reflektierte Theokratie, dem entspricht zentral kein Statthalter mehr, sondern der Mensch, der jenen Widerspruch, jene Dämonie des Völkerlebens, jene Hinderung und Hemmung des Willens Gottes zur Vollendung seiner Schöpfung, zu seinem Reich – ich sage der Mensch, der diesen Widerspruch, der in diesen Widerspruch, diese Gott entgegenstehende, Gott gleichsam (denken Sie immer wieder daran, was ich sagte, dass Gott seine Macht nicht ausüben will) Gott gleichsam hindernd, dies erleidet nun dieser Rest ebenso, wie er, ja nun wie er im babylonischen Exil Leid erkannt hat, und dieses Leiden bis auf den Grund des Leidenkönnens, wo das Leid Sinn wird, sich als Sinn erweist, dieses Leid wird als messianisch erkannt. Was im 53. Kapitel Jesaia von dem (er heisst nun nicht mehr der Gesalbte, sondern der Knecht), was da von dem Knecht gesagt ist, von seinem Leiden: Unsere Krankheiten, so sagen die Völkerherren, die zur Erkenntnis gelangten Völkerherren, unsere Krankheiten hat er getragen, unsere Schmerzen, sie hat er aufgeladen. Und weiter: er aber, durch.. (?) wird er für unsere Abtrünnigkeiten, zemalmt für unsere Freveltaten. Durch sein Streben wurde uns Heil. Das ist, was sich hier ausspricht, ist nun nicht mehr bloss ein einmaliges, kein entscheidendes maliges Erwarten, sondern dieses Leid ist schon je und je hier in dieser Messianität seines Amtes hinwirkend auf die Erfüllung. Also dieser Rest je und je ist schon eben der, von dem hier gesprochen wird, aber im Stande des Werdens, der Bereitung, des Ringens, im Vor-Stand des Kommenden. Es ist also eine lebensmässige, existentielle Verbindung zwischen diesem leidenden Rest je und je in den Geschlechtern des Volkes, und dem entgegenkommenden Menschen, in dem sich nun einst dies

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vollenden würde zu eben dem, was verheissen worden ist und sich nun so gewandelt hat. Es ist also hier es geht nicht an zu fragen, ob dieses Kapitel 53, das Kapitel vom messianischen Mysterium Israels und die Kapitel, die ihm vorausgehen und wo schon vom Leben und Leiden des Knechtes die Rede ist, ob die auf einen einzelnen gehen oder auf eine Gemeinschaft. Es ist beides in einem. Es geht auch nicht an zu fragen, ob sie auf eine einmalige geschichtliche Erscheinung gehen oder auf eine vielmalige. Es ist beides in einem. Es geht gewiss nicht auf das ganze historische Volk Israel, aber es geht auch gewiss nicht lediglich auf eine einzige historische Gestalt, wie man das in sehr verschiedner Weise zu erklären versucht, sondern es geht zunächst auf die Wiederkehr dieses heiligen Restes, Geschlecht um Geschlecht in immer erneutem Leiden, aber in einem Leiden in jener Tiefe der Leidenswirklichkeit, wo der Mensch nun wirklich um Gottes Willen leidet, wo er wirklich um des Reiches, um der Überwindung, um der Vollendung Willen leidet als der Mensch, der nun Gott mit dem Leiden entgegenkommt eben damit, dass er den Widerspruch der Welt bis in die Tiefe seines Leidenkönnens erleidet und eben damit ihn überwindet. In der ganzen Breite, in der ganzen Vielfältigkeit der messianischen Konzeption, jedenfalls der biblischen, jedenfalls der selbständigen Konzeption. Nichts führt davon ab, von dieser Echtheit einer menschlichen, durchaus menschlichen, durchaus im Menschlichen verbleibenden, auf dieser Menschenseite verbleibenden, niemals auf die göttliche Seite hinübergeworfenen Messianität. Nichts führt über sie hinaus, nichts führt von ihr ab. Und auch jene Stelle, die häufig angeführt worden ist in den Jahrhunderten und Jahrtausenden immer wieder, für eine andersgeartete Vorstellung, nämlich die Stelle in Daniel, wo geschildert wird, wie eine Gestalt, wie ein Menschensohn, d. h. wie ein Mensch, gebildet mit den Wolken des Himmels, erscheint, auch diese führt nicht darüber hinaus. Denn es ist hier nicht die Rede von einer göttlichen oder halbgöttlichen Gestalt, sondern der Schreiber schaut, wie Gott gleichsam diesen messianischen Menschen bei sich hat, gerade etwa so wie in jener grossen Urkunde, die ich Ihnen angeführt habe, in den letzten Worten Davids gesagt wird von Gott: Bei mir ist ein Walter über Menschheit, bewährt. Also dieses Bei-Gott-Sein, das bedeutet nicht irgend eine Übermenschlichkeit, eine – wie man sagt – Präexistenz des Messias, ein vorweltliches Dasein des Messias oder dergleichen, sondern es bedeutet eben dies – ja nun, wie eben Gott auch zu einem Propheten, zu Jeremia spricht: Ehe ich dich bildete im Mutterleib, habe ich dich erkannt. Also dieses Bei-Gott-Sein dessen, was wir sollen, dies und nichts anderes wird auch hier gesagt. Es bleibt also durchaus, wie auch die Gestalt

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dieses zentralen Menschen sich wandeln mag, es bleibt immer der Mensch, der von hier aus, von uns aus, aus aller brüchigen, fragwürdigen Kraft, dennoch eben aus der uns geschenkten Kraft, die so ist, wie wir sie haben, in dieser Kraft, wie zu Gideon gesagt ist, dass er es in »dieser deiner Kraft« … also der Mensch, der in dieser unserer Kraft, so wie sie ist, hingeht und sich stellt, in die Begegnung eintritt und der darbringt, der Gott hereinbringt, was in einer so ungeheuerlichen, zerrissenen Weltzeit eigentlich noch vom Menschen Gott dargebracht werden kann, das Durch-Leiden des Weltwiderspruchs bis in die Tiefe des menschlichen Leidenkönnens hinein. Und wie das eine Fortsetzung nicht bloss, sondern eine Wiederaufnahme, ja eigentlich identisch ist letztlich mit jenem statthaltenden Amt, wie es in der Frühzeit des messianischen Glaubens angekündigt worden ist, das zu erkennen steht dem nachgeborenen Menschen nicht mehr zu. Wir können nur der Geschichte ablauschen, wie aus ihr selbst das eine und das andere kommt, und so, dass das zweite dem ersten, das es ablöst, nicht widerspricht, dass das zweite das erste nicht aufhebt, und dass dieser statthalterische Messianismus sich doch letztlich bewährt und verwirklicht in diesem Menschen, der gleichsam an der Statt Gottes, an Gottesstatt leidet. Wir wollen nun das nächstemal noch davon sprechen, wie sich dazu (das drängt sich nun in eine Stunde zusammen, aber es wird wohl auch dies seinen Sinn haben) wir wollen das nächstemal in der nächsten Stunde dieser Vorlesung betrachten wie sich der christliche Messianismus, auch er in einer Einfachheit und Vielfältigkeit zu dieser alttestamentlichen Konzeption verhält, worin er ihr entspricht und wo er ihr widerspricht, und vielleicht können wir etwas andeutend berühren, was dieses historische Zwiegespräch dieser und jener messianischen Konzeption bedeutet.

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VIII. Es gilt heute am letzten Tag dieser Vorlesung, wenn es auch schwer ist, es an einem Abend zu tun, doch die ganzen bisherigen Vorlesungen zusammenzufassen und zwar so zusammenzufassen, dass damit zugleich der jüdische Messianismus dem christlichen gegenübergestellt wird. Ich muss aber eine Bemerkung vorausschicken, damit das deutlich wird, was ich damit meine. Es gibt nämlich eine wesentliche Scheidung, die sich nicht zwischen Judentum und Christentum hier vollzieht, vollzogen hat, also eine wesentliche Scheidungslinie, die nicht zwischen Judentum und Christentum, sondern quer durch das Judentum und quer durch das

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Christentum geht, sodass etwas im Judentum mit etwas im Christentum zu tun hat auf der einen Seite und so auch auf der anderen Seite, d. h. also das, wovon ich bisher in der Vorlesung hinsichtlich des jüdischen Messianismus gesprochen habe, in seiner biblischen Ausprägung, das würde ich zusammenfassen unter den Begriff des klassischen Judentums. Es gibt aber in dem Judentum zur Zeit der Entstehung und schon im Zeitalter vor der Entstehung des Christentums einen davon wesentlich verschiedenen Messianismus, der zwar in mancherlei Hinsicht mit diesem, den wir kennen gelernt haben, verknüpft ist, aber doch auch wesentlich von ihm unterschieden, so wesentlich, dass wir in manchem einen anderen Einfluss den jüdischen überwiegen sehen, und zwar den Einfluss der altiranischen, alt-persischen Religiosität. Dieses Judentum, das ausserhalb des klassischen aus bestimmten historischen Voraussetzungen, auf die ich heute noch ein wenig eingehen will, dieses ausserhalb des klassischen Judentums stehende unter iranischem Einfluss sich entwickelnde, das würde ich nun das apokalyptische nennen, denn jeder Ausdruck wie romantisch im Gegensatz zu klassisch ist falsch. Es ist nämlich etwas ganz eigentümliches, was man mit keiner Epoche aus einer anderen Kultur vergleichen kann, nämlich es war das Aufgeben der messianischen Konzeption in ihrem geschichtsgebundenen, erdgebundenen Gehalt und zwar zugunsten einer anderen, bei der anstelle dieser Welt eine jedenfalls, wenn es noch Welt zu nennen ist, jedenfalls ganz anders beschaffene künftige Welt tritt und anstelle dieses messianischen zentralen Menschen, der von der Menschheit aus Gott entgegenkommt, der den Anteil des Menschen an der Erlösung der Welt, an der Vollendung der Schöpfung verkörpert, anstelle dieses aus der Menschheit hervortretenden zentralen Menschen tritt nun ein von oben nach unten gesandter, anstelle der menschlichen Aktion, des menschlichen Anteils, der Begegnung von oben nach unten tritt eine Aktion von oben nach unten ohne eigene Beteiligung der Kreatur selbst. Dies nun, diese Scheidung zwischen dem klassischen jüdischen Messianismus und der Apokalypse hat ihre Entsprechung in dem frühen Christentum selbst. Es gibt da nämlich einerseits in den ersten Anfängen wie sie in einem Teil der drei ersten Evangelien sich zeigen, es gibt da einen durchaus noch altjüdisch gefärbten, biblisch gefärbten Messianismus, der sich von dem biblischen Messianismus dadurch unterscheidet, dass er die Erfüllung gekommen wähnt – aber das können wir uns durchaus auch innerhalb des biblischen Messianismus je und je vorstellen – auf der anderen Seite gibt es dann eine Veränderung, Umwandlung dieses Messianismus durch die apokryphische Konzeption. Also wir haben auf der einen Seite echtes Judenchristentum und auf der anderen Seite ein iranisierendes, ein wesentlich von altper-

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sischer Religion bestimmtes, immer noch aber Judenchristentum, wo eben anstelle dieses irdischen Gehaltes ein jenseitiger, anstelle dieses zentralen Menschen, der aus der Menschheit hervortritt, ein von Gott auf die Erde gesandtes Mittlerwesen tritt. Aber damit ist der Umkreis des frühen Christentums nicht erschöpft, sondern im Christentum tritt ein Drittes hinzu. Die dritte Schicht, die für die Geschichte des Christentums entscheidend geworden ist, ist ein Christentum, das wir hellenistisch nennen können, das im wesentlichen nicht mehr Juden-, sondern Heidenchristentum ist, das unter dem Einfluss griechischen Denkens und griechischen Mythos die Eschatologie, die Befassung, die lebensmässige, tiefe Befassung mit der absoluten Zukunft der Welt überhaupt zurückwies. Während in dem ersten, in dem echten Judenchristentum von vorneherein feststeht, dass es nur kurze Zeit dauern kann, dass an den gekommenen Messias im biblischen Sinn, an den Gesalbten, der den Auftrag der Salbung erfüllt, heisst, an die eingetretene Vollendung der Schöpfung zum Reich glauben, und die jeweilige Erfahrung des Nichteingetretenseins muss diesen Zustand, diese Verfassung der Menschen ändern je und je in bestimmten Zeiten, wo ein Sektierertum oder Schwärmertum innerhalb der christlichen Geschichte das Reich wieder nahe herbeigekommen glaubte, nur da konnte immer wieder ein neues Gefühl ähnlicher Art entstehen. Anders die christliche Apokalypse, die geht durchaus der jüdischen analog. Es erzeugt sich ein Schrifttum, das das jüdisch-apokalyptische fortsetzt, und zum Teil in das Neue Testament eingegangen ist in der Johannes-Apokalypse. Es ist hier nicht mehr das Verhältnis zu etwas, was geschehen ist, sondern schon eine Befassung mit dem, was kommen wird, was aber nicht mehr in den Gang der Geschichte, auch nicht als ihre Vollendung einzubeziehen ist, sondern was eine Verwandlung der Welt im Sinne der iranischen Eschatologie bedeutet: Und die Zeit wird nicht mehr sein – das ist das zentrale Wort dieser Johannes-Apokalypse. Aber auch daraus ist das historische Christentum nicht eigentlich entstanden, sondern aus einer dritten Schicht, die nämlich über diese messianische und griechische Hoffnung hinaus nun zurückgeht in die Geschichte, aber in eine Geschichte, die nicht mehr erfüllt ist von der unmittelbaren Erwartung, sondern in eine Geschichte, mit der man sich gleichsam abgefunden hat, sodass nur immer wieder in seltenen Zeiten und in einer Art von Protest gegen dieses historische Christentum der Messianismus sich regt, etwa in Gestalten wie Joachim von Floris, der das dritte Reich ankündigte als die kommende Herrschaft des heiligen Geistes, das das Weltalter des Sohnes und des Vaters ablösen werde. Ich sage – diese Einschränkung musste ich machen, um deutlich zu machen, was ich meine, wenn ich von Judentum und Christentum

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spreche. Ich spreche also vom Judentum immer nur als vom klassischen Judentum. Wir haben gesehen, im Ursprung ist der jüdische Messianismus überhaupt nicht Messianismus. Die messianische Gestalt des Gesalbten, der die Salbung erfüllt, tritt erst in einem späteren Stadium dazu. Was ursprünglich und schlechthin bestand, ist der Glaube an Gott als den König der Welt, dessen Königtum selbstverständlich keine Schranken hat, d. h. es gibt keine Macht, schlechthin keine Macht, die sich diesem Königtum entgegenstellen könnte, im Gegensatz also zur iranischen Religiosität und allem, was aus ihr kommt, steht hier keine andere Macht der Gottesmacht entgegen. Es ist also – an sich müsste das Königtum Gottes mit der Vollendung dieses Königtums zusammenfallen, wenn Gott nicht mit der Schöpfung des Menschen das im Sinn hätte, was als der Sinn der Schöpfung kundgetan wird. Also keine Macht steht ihm entgegen als die, die er sich selbst entgegenstellt in seiner Kreatur, indem er nämlich diese Kreatur zu einer selbständigen, selbstwollenden, selbstwählenden, selbstentscheidenden, also zu seinem Partner im Gang des Weltgeschehens macht. Denn Gott ist König der Welt, aber es ist das wichtigste in der biblischen Konzeption, dass dieses Königtum nicht gesehen wird nach Analogie eines altorientalischen, ägyptischen oder babylonischen Königtums, eines despotischen Selbstherrschertums. Was hier bestimmend ist, ist nicht der Zwang, sondern ein Gebot, das angenommen werden soll von einem Menschen, der es auch abzuweisen vermag, dem es allen Ernstes freigestellt ist, nicht anzunehmen. Das bedeutet, dass die Kreatur hier wirklich Partner ist. Es ist also von ihr erheischt, dass sie annehme, dass sie anerkenne, dass sie gehorche, aber sie kann es verweigern, sie wird nicht gezwungen. Also das Königtum ist nicht identisch mit seiner Erfüllung. Daher auch in der jüdischen Konzeption die erste Verweigerung des Gehorsams durch die ersten Menschen. Auf den ersten Anruf des Königs hin die erste Verweigerung des Gehorsams, welche als Sünde, aber nicht als Sündenfall, der eine Erbsünde konstituiert, erscheint. Denn der Sinn der Schöpfung ist eben, den Menschen immer wieder in seine Freiheit zu stellen und diese Freiheit aufzurufen, und der Weg der Geschichte, der von der Schöpfung aus gemeinten Geschichte, ist eben dieser Weg der Kreatur, die zu ihrem eigenen Gehorsam, zu ihrer eigenen echten Wahl und Entscheidung hindurchfindet. Der Mensch der Geschichte ist der je und je seinem König noch widerstrebende Mensch. Die Schöpfung ist darauf angelegt, erfülltes Königtum zu werden, aber sie wird in der Erfüllung behindert durch die Kreatur. Also es gibt keine Macht des Bösen, die Gott gegenüberstände, der von sich sagt, dass er das Licht und die Finsternis geschaffen hat, beides gemacht hat, das Gute und das Uebel, sondern es gibt nur den von

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ihm selbst geschaffenen, gewählten, in die Freiheit gesetzten Partner, der ihm widerstrebt und dadurch, deshalb ist das Königtum nicht mit seiner Erfüllung identisch. Über diese Nicht-Identität hin hebt sich der messianische Glaube. Auf die Erfüllung hin über diese Behinderung, über diesen Widerstand hinaus, darauf hofft und harrt der messianische Glaube. Also der Urmessianismus ist der Glaube an die Erfüllung des Königtums und an die Überwindung des Hindernisses, durch die Freiheit der Kreatur entstehenden Hindernisses. Also dieser Messianismus ist von der Grundwahrheit aus nur zu verstehen, dass Gott sein Reich nicht erzwingen will. Daher immer erneuter Anruf, Probe, Erwählung, Züchtigung eines Volkes, wenn wir den Ausdruck gebrauchen dürfen, durch Auslese, durch Elimination, Auserwählung, schliesslich Offenbarung und Erziehung eines Volkes, und zwar von der Forderung aus, auf die Forderung zu, mit der Verwirklichung des menschlichen Anteils an der Vollendung der Schöpfung zu beginnen, als Volk, also eine Gemeinschaft zu realisieren, die als Volksgemeinschaft das schon ist, was die Menschheitsgemeinschaft, die Weltgemeinschaft als Reich, als erfülltes Königtum sein werden soll, also eine königstreue Gemeinschaft – dies der Versuch, dieses Volks, dies zu verwirklichen, von dem wir in dieser Vorlesung ausführlich gesprochen haben, die primitive Theokratie, ist das erste Stadium vom Volk aus. Wir haben gesehen, wie es in Anarchie entartet. Das Volk versagt. Wir haben weiter gesehen, wie nun an der Wende der Zeiten aus dieser primitiven Theokratie durch die Einstellung der Person des gesalbten Königs ein primitiver Messianismus entsteht, der nichts anderes bedeutet als eine statthalterische Theokratie, eine Theokratie, wo an die Stelle der unmittelbaren Herrschaft Gottes die Herrschaft Gottes durch statthalterische Vertretung tritt. Und wie dort die Entartung zur Anarchie, so hier die Entartung zur Auto- teils und teils Aristokratie, jedenfalls zu einer Machtherrschaft, die sich zwischen Gott und das zu verwirklichen berufene Volk stellt. Und nun von dieser Unerfülltheit dieses immer neuen Versagens der Erfüllung aus haben wir den Propheten verstehen gelernt, der aus der Enttäuschung – haben wir die prophetische Botschaft verstehen gelernt, die auf die Enttäuschung an der Unerfülltheit dieser statthalterischen Konzeption, die im Sakrament der Salbung sich ausspricht, aus dieser Enttäuschung anstelle des nicht erfüllenden Gesalbten den erfüllenden, den Messias setzt, die Hoffnung also auf eine Zukunft, die Erfüllung der Salbung, also Erfüllung der messianischen Realität sein werde. Und diese Hoffnung nun wird zerschlagen durch den Zusammenbruch des Reiches. Sie sehen, es sind durchaus nicht geistesgeschichtliche, nicht religionsgeschichtliche, nicht irgendwie auf einer Ebene über der Geschichte abrollende Dinge, sondern es ist die

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Geschichte selber, die so hineindringt in das, was wir Geist nennen, und sich in Geist ausprägt. Beides gehört unlösbar zusammen. Also der Zusammenbruch des Reiches, das babylonische Exil – und nun im Dunkel des babylonischen Exils die grosse Wandlung der messianischen Konzeption. Es gibt den König nicht mehr, es gibt den Gesalbten nicht mehr, der die Salbung erfüllen soll, ein fremder Völkerherr wird Träger des Auftrags genannt. Von Israel aus jetzt gefasst ein Drittes. Nicht mehr das ganze Volk, nicht mehr ein Einzelner, der es vertritt, sondern der Rest, der heilige Rest und Kern, aber nun, nicht mehr in der Gestalt des leidenden Knechtes, der in seinem Leid, in seinem persönlichen, lebensmässig getragenen Leid das Leid dieser kleinen Schar je und je durch die Geschlechter hindurch, der in diesem Leid das Hindernis, die Behinderung durch die Kreatur, das Weltleid der Unerfülltheit austrägt und – so möchte man sagen – der dem Menschen, dem alles menschliche widerspricht, gegen die Erfüllung des göttlichen Königtums entgegen (nicht hindert, sondern) entgegenleidet. Ich kann nicht verweilen jetzt bei der nachexilischen Geschichte, aber wir sehen, wie nun aus einer Reihe sehr verschiedenartiger Enttäuschungen, einerseits der Enttäuschung an dem Versuch, eine zweite, nicht mehr naive, sondern reflektive Theokratie zu realisieren, die in schlimmste, brutalste Priesterherrschaft ausartet, und alles vorexilische Versagen zu Zeiten in gewissen Momenten noch überbietet, einerseits, andererseits die über Israel weit hinausreichende Enttäuschung an der Geschichte überhaupt, die Weltverzweiflung, die diese Menschen in der Krisis der Antike erfasst, nimmt im Judentum noch eine besondere Steigerung an eben, weil hier wie nirgendwo anders der hoffende, der erwartende, nicht etwa vollends am Ende der Zeiten geschehen sollende, sondern die unmittelbare Verwirklichung des Königreichs Gottes erwartende Mensch da war, der nun diese Weltverzweiflung in einer ganz besonderen tiefen und unbändigen Weise erfahren muss. Ich sage im Ernst: Weltverzweiflung. Sie dürfen nicht an irgend etwas denken, was man in neuerer Zeit Weltschmerz genannt hat, was eine Sentimentalität ist, es ist die wirkliche ernste Verzweiflung, die die Verzweiflung am Menschen ist und am menschlichen Anteil an der Erlösung, diese Verzweiflung an dem menschlichen Anteil der Erlösung. Der Mensch hat sich als unfähig erwiesen, Gottes Partner am Erlösungswerk zu werden. So empfanden diese Menschen, und das ist der Moment, wo ein Boden fruchtbar geworden ist, der durch Verzweiflung aufgerührte Boden empfänglich geworden ist für die Aufnahme jener anderen Konzeption, die auch eine Art von Messianismus ist, nämlich des iranisch-dualistischen Messianismus. Während im Judentum es keine Macht gibt, die der göttlichen gegenübersteht, es also keine von Gott

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unabhängige Behinderung seines Reiches gibt, ist hier der Macht des Lichtes eine Macht der Finsternis, der guten eine böse Macht entgegengesetzt, dem Reiche Gottes ein Reich des Widergöttlichen, und diese beiden Reiche kämpfen gegen einander, und dieser Kampf ist die Weltgeschichte. Der Mensch ist mit allen Kreaturen in diesem ungeheuren Kampfschauplatz dieser beiden Reiche gegen einander ein Werkzeug, ein von dem einen und anderen herüber und hinübergezogenes Werkzeug, das der eine und der andere erfassen will und das schon durch seine Zweiteilung in ein lichtes und ein Finsternis-Element, ein seelisches und ein körperhaftes Element die Teilung des Seins deutlich macht. Das geht gleichsam durch seine eigene Existenz. Niemals im Judentum konnte man eine solche Zweiteilung des Menschen konzipieren, in einen Teil des göttlichen und einen Teil des widergöttlichen Gehalts. Also zwei Reiche, die gegen einander kämpfen und nach einer bestimmten Zeit, in bestimmtem Ablauf von drei oder vier Zeitaltern zu dreitausend Jahren, die einen ganz bestimmten Ablauf haben, geschieht der endgültige Sieg des Lichtes über die Finsternis. Das Reich des Bösen wird vernichtet, die Welt wird verwandelt und wird in das Gottesreich verklärt, d. h. das Gottesreich ist eigentlich da. Es soll nicht erst kommen, es ist da und es siegt nun, d. h. das Jenseits siegt nicht bloss über das ihm widerstrebende Gegen-Jenseits, sondern über das Diesseits. Das Diesseits wird aufgehoben am Ende der Tage. Und damit hängt es zusammen: alles, was Welt heisst, wird so von Grund aus verwandelt, es wird in die Verklärung aufgenommen es ist die Welt – es ist welt-haft nicht mehr. Und damit hängt es nun zusammen, dass der Träger dieser Handlung, sofern er als Mensch erscheint, nicht mehr von der Menschheit aus, also je und je als ein Mensch, der versagen kann, der in der Verantwortung Gott gegenüber steht, im echten Dialog mit Gott, sondern der von oben nach unten gesandt wird, keine andere Funktion hat, als gesandt zu werden. Immer stärker tritt diese Linie von oben nach unten hervor, und schliesslich im Zeitalter der Entstehung des Christentums ist der Gesandte zu einem göttlichen Wesen geworden, das auf die Erde gesandt wird, wie es sich dann in verschiedenen Formen der Gnosis deutlich zeigt. Einmal in der Schöpfung ist der Urmensch auf die Erde gesandt worden. Der ist gefallen, ist von der Materie verführt, herabgezogen worden, und nun wird der zweite Mensch, der erlösende Mensch gesandt, ein Gotteswesen, das auf die Welt niedersteigt und den Urmenschen erlöst und emporhebt. Der Boden war empfänglich geworden für die Aufnahme dieser Konzeption. Aber mit der Aufnahme dieser Konzeption durch die jüdische Apokalypse wird die messianische Konzeption aufgehoben. Anstelle des entgegenkommenden Menschen tritt der Gesalbte. Also so

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ist die jüdische Apokalypse eine Wandlung schlechthin. Von da aus können wir die Problematik verstehen, die im Anfang des Christentums waltet, die eigentümlichen Vorgänge und Wandlungen innerhalb dieser Anfangsgeschichte. Wir sehen zunächst schon im Leben Jesu selbst, wie wir es aus den synoptischen Evangelien etwa erschliessen können, wir sehen zunächst das Herrschen jener Konzeption des leidenden Knechtes in der historischen Wirklichkeit, der jene Konzeption sich aufprägt. Und wir sehen etwas sehr Seltsames. Jener Konzeption gehörte nämlich zu die Vorstellung von der Verborgenheit dieser leidenden Menschen, die die messianische Funktion durch die Geschlechter tragen bis in die Erfüllung hinein, die Verborgenheit jenes – wie es heisst im Deutero-Jesaia – jenes im Köcher Gottes Verbleiben, zum blanken Pfeil zugespitzt sein, aber nicht aus dem Köcher gezogen werden, das im Dunkel des Leids Verbleiben, ein Urproblem, an das ich hier nur rühren kann, ist das Treten aus dieser Verborgenheit, die Vorstellung, die diesen Menschen je und je anwandelt, denn die Verborgenheit betrifft ja das Innerste und Letzte seines Lebens. Wenn aber nun jetzt schon die Erfüllung kommen soll, denn in jedem Geschlecht ist es möglich, dass die Erfüllung nahe ist, das Treten aus der Verborgenheit in die Offenbarheit der Erfüllung – also man spricht von tragischen Problemen, aber mir scheint die Tragik dieser Probleme zu verblassen gegenüber der Tiefe der Tragik, die in diesem Hervortreten aus der Verborgenheit und allem, was sich daran fügt, liegt. Das Hervortreten aus der Verborgenheit ist die wirkliche Geschichte, bezeichnet durch den Vorgang Caesarea Philippi, im Gespräch mit Petrus, und was sich daran schliesst, in diesem Augenblick des Hervortretens geschieht die Verknüpfung dieser beiden Messianismen mit einander. Der Knecht Gottes, der entgegenkommende Mensch wird (jetzt geschieht die Erfüllung nicht) aber er wird nach seinem Tod als der Gesandte Gottes wiederkehren. Hier der Knecht, der leidende, der entgegenkommende Mensch, dort in der Verklärung, in der Wiederkehr auf den Wolken des Himmels der Gesalbte. Hier der altjüdische messianische Glaube, dort die Apokalypse, die ihn ablöst und die nun bestimmend wird für die weitere Entwicklung. Nun die deutliche Entwicklung, die eigentlich nun darin besteht, in der eigentümlichen Umwandlung der spezifisch christlichen Dogmatik, in der Konzeption der Inkarnation. Hier gibt es den entgegenkommenden Menschen, den sterblichen, brüchigen Menschen nicht mehr, der aus der Menschheit hervortritt und sich darbringt, im Leid den Widerspruch austragen will, in seinem Leid, im Dunkel und in der Verborgenheit, sondern hier gibt es den Niederstieg des Gotteswesens als Fleisch in den verschiedenen Formen, die dieses Inkarnationsdogma angenommen hat, und damit zusammen hängt

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die Konzeption des Gottesopfers. Gott bringt seinen Sohn als Opfer. Sie sehen, es ist anstelle der messianischen Konzeption, der Bewegung vom Menschen aus, von diesem Menschenwesen aus, dem brüchigen Menschen, der aber doch sich für Gott entscheiden kann, anstelle davon ein Handeln Gottes von oben nach unten, das nur geglaubt sein will. Diese Voraussetzung nun des Gottesopfers, dass Gott selbst Gottheit zum Opfer bringt in der Inkarnation hat notwendig eine dualistische Voraussetzung, dualistisch im Sinn der iranischen Religiosität. Wir haben die Vorstellung des Opfers des eigenen Sohnes im Judentum als Verklärung und zugleich Aufhebung des Kindesopfers in den semitischen Religionen, wir haben in der indischen (?) Religion die Vorstellung des Gottes, der sich selbst opfert und damit die Welt erschafft, indem er sich in die Welt zerreisst, wir haben aber nun hier diese eigentümliche Verschmelzung der Elemente zu einem Opfer Gottes zur Erlösung der Welt. Also die Erlösung bedeutet hier eine Überwindung des Weltwiderspruchs von oben allein, von oben her allein. Die apokalyptische Verzweiflung an der Welt als eine Verzweiflung am Menschen, am menschlichen Anteil an der Erlösung, die apokalyptische Verzweiflung am Partnertum des Menschen hat hier ihren äussersten, unüberbietbaren Ausdruck gefunden. Bei Jesus selbst haben wir noch die Realität des entgegenkommenden Menschen. Wir sehen, wie ebenso wie beim Täufer, so auch noch in seinem Munde der Ruf: Kehret um, der alte prophetische Ruf noch die ganze Realität hat, wie hier Menschen faktisch aufgerufen werden, mit ihrem ganzen Wesen zu Gott umzukehren und damit eine Entscheidung zu treffen, zu bewirken, mit dieser Umkehr ihres ganzen Wesens zu Gott an der Erlösung selbst zu wirken, also wirklich geschieht etwas von Menschen aus, die das Königtum erfüllen helfen. Bei Paulus ist dieser Ruf, der auch in seiner Rede vorkommt, in der Apostelgeschichte, verblasst. Da bedeutet er keinen wirklichen Anteil des Menschen, keine wirkliche Umkehr mit dem ganzen Wesen, kein Wirken des Menschen von sich aus mehr, sondern nur noch den Glauben an die vollkommene, restlose und keines Partnertums bedürftige, auch keines Partnertums bedürftig sein wollende Erlösungstat Gottes. Hier besteht eine scheinbare (?) des Christentums, das nämlich, ich spreche jetzt vom historischen Christentum, von der vollendeten dogmatischen Entwicklung, das nämlich die Gottesmacht, namentlich in der Auslegung der protestantischen Theologie, das die Gottesmacht allein anerkennt; dass der Mensch eingesetzt ist als ein wirklicher Partner wird auch da, wo im Christentum von einem guten Werk von Gott und Mensch gesprochen wird, nicht mehr in der ganzen Realität der biblischen Konzeption gemeint. Wir haben nirgends mehr, auch, wie gesagt, da, wo z. B. an bestimmten Stellen bei Thomas, wo man

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etwas Ähnliches finden könnte, nirgends mehr haben wir in der ganzen lebensmässigen Realität ein Aufrechterhalten der Konzeption einer Beziehung zwischen Gott und Mensch. Die paradoxe (also nicht logisch erfassbare, sondern nur in der Art des Geheimnisses, des Mysteriums gegebene) in der paradoxen Beziehung zwischen Gott und Mensch, dass Gott die Welt nicht ohne den Menschen erlösen will, ja, dass die Erlösung nur verstanden werden kann in ihrem Sinn, nur verstanden werden dadurch, dass es den widerstrebenden Menschen und seinen Weg durch die Geschichte gibt und dass eben auf diesem Wege und keinem anderen, auf dieser irdischen, menschlichen Ebene und auf keiner anderen, in dieser Geschichte, in dieser so widerspruchsvollen, so scheinbar unsinnigen geschichtlichen Sache und nirgendwo anders die Erlösung, die Vollendung der Schöpfung gewirkt werden soll nach Gottes Willen. Auf dieser paradoxen Beziehung zwischen Gott und Mensch ist das messianische Mysterium Israels gegründet, und dies ist mehr oder weniger, aber doch immer in irgend einer Weise im Christentum aufgegeben. Es ist immer in irgend einem Mass der vollen Realität des Menschenanteils gegenüber ein Verzicht geleistet, sodass eben die volle Realität des Menschenanteils durch einen Glaubensanteil des Menschen ersetzt wird. Diesen Glaubensanteil gibt es in der biblischen Konzeption nicht, sondern es gibt nur den ganzen Menschen, den ganzen frei sich einsetzenden, sich einsetzen könnenden Menschen, mit dem Gott (wenn man so sagen darf) rechnet. Dieser Verzicht nun, von dem ich spreche, kann entweder dogmatisch absolut sein in den Elementen des Christentums, oder er kann andernteils nur faktisch relativ sein, aber er folgt selber mit Notwendigkeit aus der Wandlung der messianischen Konzeption, von der ich gesprochen habe, nämlich aus der Wandlung der Konzeption des Gott helfenden, Gott unterstützenden Menschen zur Konzeption eines von Gott gleichsam gesandten göttlichen Wesens. Die Konzeption des helfenden, entgegenkommenden Menschen, von dem Gott sich helfen lassen will, ist hier aufgegeben, von dem Gott sich helfen lassen will, weil eben dies der Sinn der göttlichen Schöpfung ist, die Entscheidung seiner Kreatur. Und wie der Mensch als Träger der Erlösung hier aufgegeben wird, als Träger dieser Handlung, so die Welt als Gegenstand dieser Handlung. An die Stelle des Weltkönigtums, ich betone: Weltkönigtums Gottes, eines Königtums, das sich erfüllen soll in der Welt und an der Welt, anstelle davon tritt das Reich, das im Jenseits ist, in dem Jenseits, und sich verwirklicht in der Seele. Wir haben ein Dort und ein Hier, das Dort, das von der Welt abgehoben ist, und das Hier der einzelnen Menschenseele, die glaubt und im Glauben ihr Heil findet, und im Glauben erlöst wird. Zwischen beiden ist die Welt verschwunden. Die Vorstellung des erfüllten Weltkönigtums

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Vorlesungen zu Judentum und Christentum (Fassung I)

schrumpft schon in der jüdischen Apokalypse (das ist eine deutliche Verbindung von beiden) zu einem farblosen, notdürftigen tausendjährigen Reich, eine sozusagen der Vollständigkeit wegen eingeschobene Vorstellung. So steht das klassische, in seiner dogmatischen Resignation klassische Christentum – hier müssen wir von dem gewordenen Christentum als von einem klassischen sprechen, nämlich im geschichtlichen Sinn – Christentum gibt es erst da, ich sage, die Scheidung geht hier in einer anderen Weise als im Judentum, aber doch wieder höchst bedeutsam mitten durch zwischen Jesus und den Seinen einerseits und dem Christentum andererseits, aber wir müssen dieses Christentum eben als solches erfassen. Ich sage, so steht der christliche Messianismus, der gewordene, geschichtliche christliche Messianismus dem jüdischen gegenüber, von dem nur noch zu sagen ist, dass er, wenn wir von der apokalyptischen Episode absehen, bis auf unser Geschlecht, wie schwach und matt wir auch geworden sind, seinem biblischen Urgehalt treu geblieben ist. Welche Vorstellungen auch je und je, welche wandelbaren Vorstellungen sich je und je daran knüpften, die Mitte, der starke Kern des messianischen Glaubens an das menschliche auf-Gott-zutreten und ihm helfen dürfen ist unvernichtbar. Aber es scheint mir, dass es hier um eine Sache geht, die über Israel und über das Judentum hinausgreift. Es scheint mir, immer mehr, dass, was unserer Zeit nottut, nichts anderes ist, jedenfalls nichts in solchem Masse ist, wie eine Erneuerung des messianischen Glaubens. Und diese Erneuerung des messianischen Glaubens, die unserer Zeit, wenn irgend einer Zeit – es scheint, unserer Zeit mehr als irgend einer Zeit nottut, muss ausgehen vom Ernstnehmen der Welt als der auf das Werden des Gottesreiches angelegten Schöpfung und vom Ernstnehmen des Menschen als des Partners Gottes am Erlösungswerk, also von dem Ernstnehmen des Wollens Gottes, seine Welt mit Hilfe seines Menschen zu vollenden.

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Martin Buber

Vorlesungen über Judentum und Christentum. I. Jüdischer und christlicher Glaube. Es soll hier über Glauben, nicht über Religionsgeschichte gesprochen werden, über den Glauben der einen neben dem Glauben der anderen Seite: nicht also über Judentum und Christentum, sondern: was dort und hier geglaubt wird und wie es geglaubt wird. Was sich jüdischer Glaube nennt, braucht nicht nur im Judentum zu sein. Andererseits finden sich im Judentum Glaubenselemente, die nicht eigentlich »jüdischer Glaube« sind. So hat manches, was ich als jüdischen Glauben bezeichne, es auch je und je im Christentum gegeben. Und es gibt Elemente der Glaubenslehre im Christentum, die es auch im Judentum gegeben hat, neben jener spezifischen, eigentlichen »jüdischen Glaubenslehre«. Das heisst: dass es innerhalb des Judentums und innerhalb des Christentums Glaubenskämpfe zwischen den einen und anderen Elementen, zwischen den einen und anderen Lehren gegeben hat, damit aber persönliche Glaubensentscheidungen für die einen oder die anderen. So führt das Judentum ausser dem offiziellen Religionsgespräch in der Geschichte noch ein heimliches Gespräch mit den anderen, dessen Ursprung älter ist als das Christentum und das schon im vorchristlichen Judentum in Erscheinung getreten zu sein scheint.

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I. Wenn wir das Neue Testament aufschlagen, so finden wir darin eine Glaubensschicht, die der jüdischen Glaubensbedeutung sehr nahe steht, wo also der Sinn des Wortes »Glauben« dem ganz nahe kommt, was im Alten Testament »Glauben« heisst. Hierhin gehören z. B. die meisten Stellen in den drei älteren, sog. synoptischen Evangelien, und zwar jene Stellen in den Reden Jesu, die als authentisch, als früh, und nicht als erst von der Tradition der alten Kirche hinzugefügt gelten dürfen. 1 Wir füh1.

Es gibt in den Evangelien Stellen, die als Zusatz gelten müssen. Wenn Jesus seine Predigt beginnt (Mark. 1,15) mit den Worten: »Kehret um!«, so heisst es in den geläufigen Uebersetzungen: »Tuet Busse!«. Aber selbst das griechische »metanoeite!« an dieser Stelle heisst nicht: »Tuet Busse«, sondern »Denket – sinnet – um« also:

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ren an: – Mark. 9,23 (nach Luther): »Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt.« Wörtlich: Alles das ist dem Glaubenden möglich. Mark. 11,24 (nach Luther): »Alles was ihr bittet in eurem Gebet, glaubet nur, dass ihr es empfangen werdet, so wird’s euch werden.«, d. h.: Alles werdet ihr glaubend im Gebet empfangen. So gibt es bei den Synoptikern Stellen, die von Seiten der Jünger gegenüber Jesus eine Erkenntnis bekennerhaft aussprechen, ohne in der Form als Glaubensbekenntnis zu erscheinen. Bei Johannes nehmen solche Stellen aber die Form eines Glaubensbekenntnisses an. Bei Mark. 8,29 lautet die Antwort des Petrus auf die Frage Jesu: »Du bist Christus« (Luther), d. h. »Du bist der Gesalbte«. In Wirklichkeit ist damit kein Glaubensbekenntnis sondern eine Erkenntnis ausgesprochen: Ich erkenne Dich, Du bist der Gesalbte! Bei Joh. 6,69 aber lautet die entsprechende Stelle (nach Luther): »Wir haben geglaubt und erkannt, dass du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes.« Nach dem griechischen Text wäre zu übersetzen: »Wir haben den Glauben gewonnen und erkannt, dass du der Heilige Gottes bist.« Die erste Fassung – bei Markus – bezeichne ich als jüdisch, als hebräisch. Bei Johannes ist in das Wort ein hellenistisches Element eingegangen; das Ergebnis ist die christliche Fassung – christlich im Gegensatz zum Jüdischen, d. h. als ein nicht aus dem Judentum gekommenes Element. Dieses Element hat sich im Christentum als das entscheidende entwickelt. Zum Erweis dessen ziehe ich heran: 1. Den Hebräerbrief, (er ist unter allen Schriften des N.T. speziell an die Juden gerichtet) 2. Das Johannesevangelium, 3. Die Paulinischen Briefe. Zu 1.) Hebr. 11,1 (nach Luther): »Es ist aber der Glaube eine gewisse Zuversicht des, das man hoffet, und ein Nichtzweifeln an dem, das man nicht siehet.« Luther sagt: »Nichtzweifeln«, das Griechische drückt dasselbe positiv aus: »Eine Anerkennung (elenchos) dessen, was man nicht sieht.« Nehmen wir eine andere Stelle hinzu: Hebr.11,6 (nach Luther): »Aber ohne Glauben ist’s unmöglich Gott zu gefallen; denn wer zu Gott kommen will, der muss glauben, dass er sei und denen, die ihn suchen, ein Vergelter sein werde.« »Kehret um und glaubet …« Und dann folgt der Zusatz: »Glaubet an das Evangelium (an die gute Botschaft!)« Es ist aber unwahrscheinlich, dass dies in dem dortigen Zusammenhang so dastand; denn es ist ja an diesem Zeitpunkt noch keine »gute Botschaft« verkündet worden. Die Botschaft ist erst etwas was dazu kommt. Und im N.T. bedeutet diese Botschaft: das Gekommensein des Messias.

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Nach dem ersten Satzteil der ersten Stelle, 11,1, bedeutet Glaube: Es gibt ein Zukünftiges, auf das ich hoffe; ich begnüge mich aber nicht mit der Hoffnung, sondern ich habe eine feste Zuversicht, dass es kommen wird. Das kann auch der Jude annehmen. Der zweite Satzteil von 11,1 »… und eine Anerkennung dessen, was man nicht sieht« geht schon einen Schritt über die jüdische Konzeption hinaus: Denn hier geht es um einen Glaubensakt, ein solcher aber ist im Judentum unmöglich. Wohl war allerlei Götzendienst, Wahndienst, allerlei Mischung von Glauben möglich, aber ein Nichtglauben an Gott, ein Zweifeln an der Existenz Gottes – die Voraussetzung jenes Glaubensaktes – war für den biblischen Juden nicht denkbar. Dass ein Jude nicht an die göttliche Macht glauben könnte, ist nie gehört worden. Erst wo sich im Judentum, in seiner Auseinandersetzung mit den Weltreligionen, ein Dogma herausgebildet hat, ein Geglaubtes, das in Formulierungen festgehalten wurde, erst da haben die eigentümlichen Erscheinungen der Betonung, dass Gott ist, begonnen. »Glauben, dass Gott ist« heisst »Es für wahr halten«, aber das lag für den biblischen Juden jenseits jeder Erweisung. Die Frage nach dem Glauben war für den Juden die Frage nach der Lebensbeziehung zu Gott, nicht die Frage nach dem Wahrhaben, nach dem »Für-wahr-halten«. Deshalb ist der entsprechende Ausdruck des A.T. nicht mit »Glauben« sondern mit »Vertrauen« zu übersetzen. Zu 2.) Joh. 3,16: »Also hat Gott die Welt geliebet, dass er seinen eingebornen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.« So übersetzt Luther aus dem Griechischen. Richtiger sagt wohl ein syrischer Kodex: »Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn geben wird (d. h. in den Tod geben wird). Wer an ihn glaubt, wird nicht verloren gehen. Wer nicht an ihn glaubt, ist schon gerichtet.« Im A.T. ist Glauben oder Nichtglauben nicht von entscheidender Bedeutung für das Gericht. Das Gericht geht auf den ganzen Menschen, auf die ganze Lebenshaltung des Menschen. Nicht das Verhältnis des Menschen zu Gott steht hier im Vordergrund, sondern das Verhältnis des Menschen zu seinem Mitmenschen, sein soziales Verhalten. Das falsche Verhältnis zum Mitmenschen bedeutet »Nichtglauben«. Zu 3.) Die Differenz zwischen der jüdischen und christlichen Auffassung wird polemisch bei Paulus. Es ist die Haltung des Apostels Paulus, der so die Dinge gegeneinander abhebt, dass für die Juden der vorchristlichen Zeit eine Macht dasteht, die zwar eine Beziehung zum Gauben hat, aber für Paulus eine negative: das Gesetz. Dagegen hat das Christentum eine vom Gesetz befreiende und lösende Macht.

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Gal. 3,11 (nach Luther): »Dass aber durchs Gesetz niemand gerecht wird vor Gott, ist offenbar; denn ›der Gerechte wird seines Glaubens leben‹« (Hab. 2,4). Zunächst: »Thora« ist mit »Gesetz« falsch übersetzt. Thora bedeutet: »Führung, Lenkung des Menschen«. Luther übersetzt das Zitat aus dem Propheten Habakuk: »Der Gerechte wird seines Glaubens leben.« Die moderne Wissenschaft versteht aus dem Sinnzusammenhang bei Paulus: »Der aus dem Glauben Gerechte wird leben.« Es ist beim Propheten Habakuk 2,4 zunächst von einem Feind Israels die Rede: »Gebläht (hochmütig, übermütig), nicht gerade ist in ihm die Seele, dieweil der Wahrhaftige (der Bewährte) leben wird durch sein (in seinem) Vertrauen.« Deutung: Der Feind sieht in seiner Kraft den Gott. Er kennt den Gott nicht, von dem er diese Macht zu Lehen hat unter Verantwortung! Von diesem Feind wird gesagt, dass seine Seele »gebläht« ist. Ihm wird entgegengestellt der bewährte Mensch, der das Vertrauen hat und der durch sein Vertrauen zu Gott nicht sich selber traut, sondern sich Gott anvertraut. Dadurch wird er leben, d. h. am Leben bleiben. Dieser Satz erstarrt in dem Pauluswort, und es wird aus ihm etwas bewiesen, was unmöglich aus ihm zu beweisen ist, wenn man die alttestamentliche Wirklichkeit kennt. Paulus scheidet wie Gesetz und Glaube so Gesetz und Propheten von einander im Gegensatz zu Jesus, der Gesetz und Propheten in eins band. Im A.T. ist aber Glaube und Tun nicht zu scheiden: ein Glaube ohne Tun vermag es nicht zu fassen. Das Vertrauen des Menschen zu Gott – und Glaube bedeutet im A.T.: Vertrauen, sich Gott anvertrauen – ist vital, es ist ohne Lebensausdruck nicht fassbar, es ist nicht etwas, was von dem Wesen des Menschen und seinem Werk abzutrennen wäre. Man kann nicht eine innere von einer äusseren Menschwerdung trennen. Beides ist eine ursprüngliche Einheit. Erst auf Grund der paulinischen Analyse stehen sie gegeneinander, aber nur, weil aus der Thora ein »Gesetz« und aus dem Vertrauen ein »Glaube« gemacht wird. Wir führen an: Römer 3,28 (nach Luther): »So halten wir nun dafür, dass der Mensch gerecht werde ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben.« In diesem Zusammenhang wird auch das von Paulus für seine Unterscheidung – für seinen Kampf gegen das Gesetz und für die Unterbauung seines Glaubens – angezogene Wort wichtig: 1. Mos. 15,6 »Abraham glaubte dem Herrn und das rechnete er ihm zur Gerechtigkeit« (nach Luther). Zu übersetzen ist aber: »Er (Abraham) aber vertraute IHM« – der ihm nämlich gegen alle mögliche Wahrscheinlichkeit die Zukunft seines Volkes verheissen hat – »das rechnete ER (Gott) ihm als Bewährung.« Das bedeutet: Wo es sich nicht um Werkleistung handelt,

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Vorlesungen über Judentum und Christentum (Fassung II)

sondern um den Glauben, der den Unfrommen gerecht macht, da wird sein Glaube angerechnet zum Gericht. Diese Stelle ist nicht abzuheben gegen eine biblische Gerechtigkeit durch blosse Werkleistung. Eine Werkleistung des Gesetzes, die ablösbar wäre vom Glauben, ist der biblischen Vorstellung durchaus fremd. Es hängt alles ab von der Ausrichtung des menschlichen Wesens, von dem Ausgerichtetsein des Wesens auf Gott. Entscheidend ist, ob der Mensch mit seinem ganzen auf Gott hingewandten Herzen das tut, was er zu tun hat. Der Glaube ist nicht fassbar, der sich nicht in einem Werk im Leben ausprägt, und umgekehrt ist kein Werk fassbar, das ohne Vertrauen geschieht. Eine andere Stelle, 2. Buch Mose 14,31, übersetzt Luther: »Sie glaubten IHM und seinem Knecht Mose.« Zu übersetzen ist: »Sie vertrauten IHM (auf IHN) und Mose seinem Knecht.« Das heisst in diesem Zusammenhang: Jedermann der ein einziges Gebot im Vertrauen auf Gott – im Glauben – auf sich nimmt, wird dessen gewürdigt, dass der heilige Geist auf ihm ruhe. Wir führen noch einige andere Worte an: Jesaia 7,9: »Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht« (nach Luther). Zu übersetzen ist: »Vertraut ihr nicht, bleibt ihr nicht betreut«, d. h. ihr bleibt nicht in eurer historischen Situation befestigt, ihr werdet preisgegeben. 2. Chronik 20,20: »Vertrauet IHM, eurem Gott und ihr bleibet betreut, vertrauet seinen Kündern und es wird euch gelingen.« (Luther: »Glaubt an den Herrn, euren Gott, so werdet ihr sicher sein; und glaubt seinen Propheten, so werdet ihr Glück haben.«) Hier geht es um ganz etwas anderes als um das, was gemeinhin »Glaube« (Glaube an jemanden) heisst. Es geht darum, ob man zu Gott die entscheidende Vertrauensbeziehung hat, von der aus und auf die hin sich das ganze Menschenleben erbaut. Eine andere Jesaia-Stelle sagt: »Wer vertraut, wird nicht beschleunigen (wollen)«, d. h. wer auch nur ahnt, was das heisst, »Ende der Geschichte, Vollendung, Gericht«, der kann, auch wenn seine ganze Hoffnung daran geknüpft ist, das Kommende nicht beschleunigen wollen, weil er vertraut. Er wird Gott nicht das Tempo seiner Hoffnung auferlegen wollen, sondern fügt sich dem Tempo der Wege Gottes ein. Es gibt nun Stellen, an denen der Begriff des Glaubens nicht vorkommt, die aber hinausführen sogar über das »Vertrauen«: Zum Beispiel: »Du sollst wissen (erkennen), dass ER, dein Gott der Gott ist.« Das ist kein Existenzialsatz, sondern ein Aussagesatz über Gott, zu dem du in dieser entscheidenden Lebensbeziehung stehst. D. h. deine Ausschliesslichkeitsbeziehung zu ihm ist nicht etwas Subjektives,

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sondern ist begründet durch das Sein schlechthin, weist hin auf die Ausschliesslichkeit seines Gottseins überhaupt. Hierzu tritt eine zweite Gruppe von Sätzen: Salomon sagt zum Volke im Akt der Tempelweihe (1. Könige 8,61): »Euer Herz sei ganz mit IHM, unserem Gott (besser noch: einträchtig zugesellt IHM, unserem Gott)«. Das Wort scholem meint hier die Ganzheit eines Wesens in der Einheit seiner Teile. Von Salomon selbst wird gesagt: »Sein Herz war nicht einträchtig mit IHM, seinem Gott.« 2. Chronik 19,9: »Tuet also mit SEINER Furcht, mit Vertrauen und mit einträchtigem Herzen.« Die Ausschliesslichkeitsbeziehung wird also eingefasst in das Wort »mit einträchtigem Herzen«, d. h. es gibt dann keinen Bereich des Lebens, wo mein Herz ein anderes Gesetz anerkennt als eben diese Beziehung; es gibt keine Aufteilung mehr zwischen Bereichen, wo SEIN Wille gilt, und solchen, wo er nicht gilt. 16. Psalm Vers 8: »Ich habe stets IHN vor mich hingestellt«, d. h. alles was ich tue und in jedem Augenblick, tue ich im Gegenüber mit Gott, den ich auf dieser Ebene dieses meines Lebens mir gegenübergestellt habe. Dies ist der biblische Glaubensbegriff, von dem wir auszugehen haben. Wenn Paulus, der ein Pharisäer gewesen ist, im Hinblick auf die »Werkgerechtigkeit« etwa die Pharisäer im Sinne hat, so lässt sich zeigen, dass es anerkanntermassen, d. h. in der Lehre der religiösen Führer niemals die abgelösten Werke gibt, sondern, dass das Werk nur Sinn vom Gerichtetsein auf Gott hin hat. Das gilt auch für das Judentum zur Zeit Jesu und Pauli. Es ist zwar richtig, dass es eine halachische Diskussion, in etwa 4 Traktaten des Talmud, über die Frage gibt, ob die Kawwana – d. h. die Ausrichtung, Intention, Absicht des Tuns und der Uebertretung – unerlässlich sei zur Erfüllung der Gebote. Es ist hier die vorwiegende Meinung, dass die Kawwana nicht unerlässlich sei für die Gültigkeit der Handlungen der Gebotserfüllung. Diese Antwort gilt aber nur für die halachische, d. h. streng gesetzliche Erörterung, innerhalb der besonderen Begriffswelt des kodifizierten Gesetzes. Ueberall wo die Antwort nicht innerhalb dieser strengen Gesetzesbegrifflichkeit gegeben wird, gilt ausnahmslos, dass die Kawwana unerlässlich sei. Ich führe an einen Ausspruch aus der Gelehrtenschule von Jabne (ca. 70 nach Christus), wo ausgesagt ist, dass der Gelehrte sich nicht über den Landarbeiter erhaben dünken dürfe: »Der Eine tut viel (im Sinne des Gesetzes), der andere tut wenig, es gilt allein, dass er sein Herz auf den Himmel zu richte.« Dasselbe Wort wird von einem führenden Manne der Zeit Hadrians in Bezug auf den Opferdienst aufgestellt. Ein anderer Rabbi derselben Zeit deutet 5. Moses 6,6: »Diese Worte, die ich dir heute gebiete, sollen auf deinem Herzen sein« folgendermassen: »Nach der Intention des

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Herzens, danach, danach geht es allein.« Die Kawwana ist also entscheidend für die Sinnerfüllung des Gebotes. Aus dieser aufgezeigten Einheit von Tun und Glauben (Vertrauen) ist also bei Paulus der Glaube herausgelöst und als ein anderes Prinzip abgehoben worden gegen die sogenannten Werke. Diese prinzipielle Abhebung hat ihre Begründung in der paulinischen Dialektik, nicht aber in der Realität des Judentums.

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II. Die Zuschrift eines christlichen Hörers veranlasst mich, auf den paulinischen Gegensatz von Gesetz und Glaube noch einmal näher einzugehen. Wir gehen aus von der entscheidenden Stelle des Römerbriefes 9,30 – 10,10. Luther übersetzt: »Was wollen wir nun hie sagen? Das wollen wir sagen: Die Heiden, die nicht haben nach der Gerechtigkeit getrachtet, haben die Gerechtigkeit erlanget; ich sage aber von der Gerechtigkeit, die aus dem Glauben kommt. Israel aber hat dem Gesetz der Gerechtigkeit nachgetrachtet, und hat das Gesetz der Gerechtigkeit nicht erreicht. Warum das? Darum dass sie es nicht aus dem Glauben, sondern als aus den Werken des Gesetzes suchen. Denn sie haben sich gestossen an den Stein des Anlaufens, wie geschrieben stehet: ›Siehe da, ich lege in Zion einen Stein des Anlaufens und einen Fels der Aergernis; und wer an ihn glaubet, der soll nicht zu Schanden werden.‹ (Jes. 8,14; 28,16). Lieben Brüder, meines Herzens Wunsch ist, und flehe auch Gott für Israel, dass sie selig werden. Denn ich gebe ihnen das Zeugnis, dass sie eifern um Gott, aber mit Unverstand. Denn sie erkennen die Gerechtigkeit nicht, die vor Gott gilt, und trachten, ihre eigene Gerechtigkeit aufzurichten, und sind also der Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, nicht untertan. Denn Christus ist des Gesetzes Ende; wer an den glaubet der ist gerecht. Mose schreibt wohl von der Gerechtigkeit, die aus dem Gesetz kommt: ›Welcher Mensch dies tut, der wird drinnen leben.‹ (3. Moses 18,5). Aber die Gerechtigkeit aus dem Glauben spricht also: ›Sprich nicht in Deinem Herzen: Wer will hinauf gen Himmel fahren?‹ 5. Moses 30,12. 13. (Das ist nichts anderes denn Christum herabholen). Oder: ›Wer will hinab in die Tiefe fahren?‹ (Das ist nichts anderes denn Christum von den Toten holen.) Aber was sagt sie? ›Das Wort ist dir nahe, in deinem Munde und in deinem Herzen‹ (5. Mose 30,14). Dies ist das Wort vom Glauben, das wir predigen. Denn so du mit deinem Munde bekennest Jesum, dass er der Herr sei, und glaubest in deinem Herzen, dass ihn Gott von den Toten auferwecket hat, so wirst du selig. Denn so man von Herzen glaubet,

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so wird man gerecht; und so man mit dem Munde bekennet, so wird man selig.« Es ist die landläufige Annahme, dass der Glaube überhaupt hier gegenübergestellt werde dem Gesetz, und zwar dem Gesetz ohne Kawwana, ohne Glaubensrichtung. Dies ist nicht richtig. Paulus meint vielmehr einen ganz bestimmten Glauben, nämlich den Glauben an Christus. Er spricht aus der eschatologischen Situation der Endzeit und wendet sich gegen die Juden, die sich an das Gesetz halten und Jesum als gekommenen Messias ablehnen. Daher die Wendung: »Denn sie haben sich gestossen an den Stein des Anstosses.« In dieser Situation der Ablehnung des Christus als Messias durch die Juden spricht Paulus oben von Glauben und Gesetz. Die Juden seiner Zeit stellen seiner Botschaft, dass das Reich gekommen und dass Jesus der Christus sei, an den man zu glauben habe (wodurch der Anschluss an das Reich erlangt wird), entgegen: Nicht etwa den Nichtglauben, sondern dass vom Gesetz aus das noch nicht gekommene Reich durch tätige Umkehr erlangt werden müsse. Das Reich muss nach einem Jesuswort erst »erstürmt« werden: Matth. 11,12 (nach Luther). »Aber von den Tagen Johannes des Täufers bis hieher leidet das Himmelreich Gewalt, und die Gewalt tun, die reissen es zu sich.« Die richtige Uebersetzung scheint mir zu sein: »Seit den Tagen Johannes des Täufers und fernerhin wird das Königtum Gottes 2 erstürmt (herangerissen) und die Gewalttäter reissen es an sich.« Dieser Satz ist positiv aufzufassen: Jesus stellt etwas fest, was dem Sinn der Predigt des Täufers entspricht aber zugleich auch den Anfang seiner Predigt bedeutet. Es geht um dies: »Kehret um! Denn das Königtum Gottes ist nahe herangekommen.« (Matth. 4,17) Es braucht euch! Ihr sollt mit Eurem ganzen Wesen umkehren, damit es eintrete! Dies aber ist gerade das, was vom wahrhaften Judentum dem Anspruch des gekommenen Messias entgegengestellt wurde. Dieser Glaubensstand ist es, gegen den Paulus angeht. Gerade gegen die, die vom Sinn des Gesetzes ausgehen, sagt er: Das einzige worauf es ankommt ist der Glaube, dass es sich vollzogen hat. Wie steht es tatsächlich mit der Gegnerschaft Pauli gegen das Gesetz, gegen das Gesetzesverhältnis? Wenn es wirklich auf die Intention ankommt, wie ist dann das Gesetz zu verstehen, nämlich, dass eine Reihe von Handlungen bestimmt wird, die als die eigentlichen zu tun sind? Das echte Judentum der Zeit versteht das Gesetz als eine Anleitung, bestimmte Handlungen zu vollziehen mit der Intention auf Gott zu. 2.

Der Ausdruck »Königreich der Himmel« ist mit »Königtum Gottes« zu übersetzen, weil »Himmel« hier wie im A.T. bekanntlich eine Bezeichnung für Gott ist.

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D. h. der Mensch muss lernen, auf Gott hin zu handeln, indem er es an bestimmten Handlungen anleitungsweise erlernt. Nun liegt in der Herauslösung von vorgeschriebenen Handlungen zweifellos die Gefahr der Versachlichung: Die Gefahr, dass es auf diese Handlungen selbst ankommt, ausserhalb der Verbundenheit mit Gott. Diese Gefahr wurde von den Propheten erkannt, und zwar einmal in der Gestalt des abgelösten, entseelten Opferkultes, des Opferkultes ohne die Intention, dass der Mensch sich dabei Gott selbst darbringt und auf dieser Voraussetzung die Opfergabe stellvertretend für ihn eintritt. Derselbe Kampf wird im Judentum in der Zeit Jesu gekämpft gegen die Vergegenständlichung des Rituals. Hier setzt die Haltung Jesu selbst ein, und der Eingang der Bergpredigt ist dafür entscheidend. Jener Eingang der von christlichen Theologen fast durchweg missverstanden wird. Matth. 5,17: »Ihr sollt nicht wähnen, dass ich gekommen bin, das Gesetz 3 oder die Propheten 4 aufzulösen; ich bin nicht gekommen, aufzulösen, sondern zu erfüllen. Denn ich sage euch wahrlich: Bis dass Himmel und Erde zergehe, wird nicht zergehen ein Jota noch auch ein einziges Häkchen vom Gesetze, bis dass es alles geschehen ist. Wer nur eines von diesen kleinsten Geboten auflöset und lehret die Leute also, der wird der Kleinste heissen im Himmelreich (d. h. im Königreich Gottes); wer es aber tut und lehrt, der wird gross heissen im Himmelreich (d. h. im Königreich Gottes)«. Zur Erklärung: »Bis dass es alles geschehen ist« will heissen: Bis an das Ende der Tage. Ferner kommt es hier sehr an auf das Wort »wer es aber tut und lehrt«. Entscheidend also ist hier, dass die Thora getan wird. Dies aber gerade ist für die christlichen Theologen das zunächst Befremdliche. Es handelt sich aber unleugbar um eine entscheidende Stelle. Denn worauf kommt es in der Bergpredigt an? Es wird jeweils etwas angeführt, das als Gebot oder Spruch gilt und dem, insofern es für das äussere Leben gilt, jeweils eine radikale Andeutung eben desselben Spruches entgegengesetzt wird, derart, dass Jesus die Erfüllung nur in der radikalen Kawwana, in der radikalen Intention des Herzens sieht. Dasselbe was Jesus hier in der Bergpredigt tut, wird aber gleichzeitig aufs reinste und stärkste im Judentum selbst – so im Talmud – getan, und zwar derart, dass der Unterschied zwischen dem Vorgeschriebenen und dem Gleichgültigen überbrückt und von beiden etwas Entscheidendes ausgesagt wird: »Alle deine Taten sollen auf den Himmel zu (d. h. um 3. 4.

»Thora« ist mit »Gesetz« nicht richtig wiedergegeben. Thora ist Weisung, die ein Sprecher spricht in der Zeit. Der Ausdruck »oder die Propheten« ist möglicherweise aus dem Sprachgebrauch später zugesetzt.

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Gottes willen) geschehen.« Also um eben die Intention wird in diesem zeitgenössischen Judentum gekämpft, die Jesus von seinen Anhängern als etwas Neues zugeteilt wird. Ein anderes Beispiel: Es wird gefragt warum der Tempel nach seiner Erbauung nicht nach seinem Erbauer Salomon, sondern nach David genannt wurde: Die Antwort lautet: Weil David die Innerlichkeit des Tempels gebaut hat, denn Gott verlangt das Herz. Ferner wird gesagt: Die Tat, mit der der Mensch sich zu versündigen im Sinn hat, gilt, als ob er die Untreue begangen habe. »Die Wunschbilder der Sünde sind schlimmer als die Sünde selbst.« Der Weg dieses Glaubensdenkens gegen die Veräusserlichung des Gesetzes gipfelt in dem jüdischen Satz: »Grösser ist die Sünde um Gottes willen als die Erfüllung des Gebotes, die nicht um Gottes willen geschieht.« Dies also ist mit Jesus die gemeinsame Sache aller derer, die die Gefahr der halachischen Lehre erkennen, nämlich die Gefahr des Verhältnisses der Praxis zur Lehre. Ja es gibt talmudische Worte, die schärfer sogar als Jesus die Verwerfung der Veräusserlichung der Thora aussprechen. III.

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Der christliche Glaube wurzelt zwar im jüdischen Glauben, wie er hier entwickelt wurde, er geht aber im Entscheidenden wo anders hin, es tritt ein anderes, bestimmendes Element zu ihm. Wir nennen zunächst zwei Dinge, die verschieden sind: 1.) die Weise des Glaubens, 2.) das eigentümliche christliche Pathos des Glaubens. Zu 1.) Johannes 3,18 »Wer an ihn glaubt, der wird nicht gerichtet, wer aber nicht an ihn glaubt, der ist schon gerichtet, denn er glaubt nicht an den Namen des eingeborenen Sohnes Gottes.« Das Eigentümliche ist hier: der Glaube, dass etwas ist. Wir sprechen deshalb von einer christlichen Weise des Glaubens, weil und insofern die christliche Botschaft von der griechischen Welt her ein griechisches Element aufgenommen hat: das Objektivum des Glaubens, d. h. »dass etwas sich so verhält.« Dem Griechen nämlich ist ein persönliches, nichtgegenständliches Verhältnis zu einem Gegenüber undenkbar. Zu 2.) Das besondere christliche Pathos des Glaubens kommt daher, weil die Botschaft an die Juden gerichtet war, nämlich als Zumutung des unerhörten Anspruchs des christlichen Glaubens, dass Christus nicht etwa nur im messianischen Sinne als der »Gesalbte des Herrn« gekommen ist, sondern als der niedergestiegene Gott, als der, der nicht wie Jah-

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we von selber geglaubt wird, sondern an den geglaubt werden soll, sodass das letzte Schicksal des Menschen von diesem besonderen Glauben abhänge. Hier stellt mir nun ein christlicher Freund die Frage, ob ich nicht etwa mit dieser Behauptung, das der christliche Glaube den Anspruch des Glaubens an die Gottheit Christi erhebe, die spätere trinitarische Theologie vorwegnähme, die doch erst im Johannesevangelium ihr eigentliches Fundament finde. Bei Paulus sei zwischen Gott selbst und dem Mittler, dem Herrn Jesus Christus, noch deutlich geschieden, ganz zu schweigen von den Synoptikern. Angeführt werden dafür folgende Stellen: 1. Timotheus 6,14-16 »… bis auf die Erscheinung unseres Herrn Jesu Christi, welche wird zeigen zu seiner Zeit der Selige und allein Gewaltige, der König aller Könige und Herr aller Herren, der allein Unsterblichkeit hat, der da wohnt in einem Lichte, da niemand zukommen kann, welchen kein Mensch gesehen hat, noch sehen kann.« (Luther). Hier sei deutlich Gott von dem Herrn Jesus Christus geschieden und die Unsterblichkeit Gott allein zugesprochen. Eph. 1,3: »Gelobt sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesu Christi, der uns gesegnet hat mit allerlei geistlichem Segen in himmlischen Gütern durch Christum.« Eph. 1,17: »… dass der Gott unseres Herrn Jesu Christi, der Vater der Herrlichkeit, gebe euch …« 1. Kor. 8,5: »Und wiewohl solche sind, die Götter genannt werden, es sei im Himmel oder auf Erden (sintemale es sind viele Götter und viele Herren), so haben wir doch nur einen Gott, den Vater, von welchem alle Dinge sind und wir zu ihm; und einen Herrn, Jesus Christus, durch welchen alle Dinge sind und wir durch ihn.« Hebräerbrief 1. Kap.: hier werde der Sohn verglichen mit den geschöpflichen Engeln, die er an Mächtigkeit überrage. Ferner wird der Sohn genannt »der Abglanz seiner Herrlichkeit und das Ebenbild seines Wesens«, Bezeichnungen, die eben auch auf den geschöpflichen Menschen gingen. Es ist nun richtig, dass manche Stellen auch bei Paulus als Wesensscheidung zwischen Gott und dem Mittler verstanden werden müssen, wie etwa die drei erst angeführten Stellen. Und es erhebt sich die Frage, ob denn für die früheste Zeit wirklich der Anspruch des Glaubens an die Gottperson Jesu Christi bestimmend war. Es trifft zu, dass in der ersten Zeit heftige Kämpfe bestanden zwischen jenen, die den Messias als Menschen auffassten, der von Gott auserwählt war und nach entscheidender Läuterung als Sohn angenommen wurde. Diese adoptianische

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Lehre finden wir in den Evangelien angelegt etwa bei Luk. 3,22 »und der hl. Geist fuhr hernieder in leiblicher Gestalt auf ihn wie eine Taube und eine Stimme kam aus dem Himmel, die sprach: Du bist mein lieber Sohn, heute habe ich dich gezeugt« (nach einer wohl ursprünglichen Lesart die auf Psalm 2,7 zurückgeht und sich im Hebräerbrief 1,5 wiederfindet.) Am anderen Pol dieses Kampfes steht die Lehre von Gott in Christus, die wir auch schon bei Paulus vorfinden. Nehmen wir z. B. die oben zitierte Stelle 1. Kor. 8,6: »so haben wir doch nur … einen Herrn, Jesus Christus, durch welchen alle Dinge sind und wir durch ihn«, die nach Analogie anderer Stellen unzweifelhaft besagt, dass die ganze Schöpfung auf die Vermittlung des präexistierenden Logos zurückgeht, wie dies immer wieder ausgesagt wird, so Joh. 1,3: »Alle Dinge sind durch das Wort (durch Vermittlung des Logos) gemacht.« Die Unterscheidung, die zwischen Gott dem Vater und dem Herrn Jesus Christus in der Korintherbriefstelle, wie auch an anderen Stellen, gemacht wird, ist heranzuziehen vielleicht für eine Rangordnung innerhalb der Gottheit, zeugt aber nicht für eine Annahme der Nichtgöttlichkeit Christi. Für eine Rangordnung spricht u. a. Kol. 1,15: »Der da ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene (prototokos, nicht monogenes!) von allen Kreaturen, denn in ihm ist alles geschaffen im Himmel und auf der Erde, das Sichtbare und Unsichtbare.« Offenb. Joh. 3,14: »So spricht der Amen, der treue und wahrhaftige Zeuge, der Anfang der Kreatur Gottes.« Was nun das 1. Kap. des Hebräerbriefs betrifft, so ist darauf zu verweisen, dass dort der Psalmvers 45, 7,8 auf den Sohn angewandt wird, der also hier Gott genannt wird. Es ist daher nicht möglich, den ungeheuren Anspruch des Glaubens an die Gottheit Christi durch die genannten Stellen zu entkräften. Zwar finden wir bei Paulus noch nicht die trinitarische Lehre, aber die Lehre von der Präexistenz des Logos, von Christus als dem Erstgeborenen aller Schöpfung. Vergl. ferner: (Phil. 2,5) »Jesus Christus … welcher, ob er wohl in Gottgestalt war, hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein, sondern entäusserte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, ward gleich wie ein anderer Mensch und an Gebärden als ein Mensch erfunden.« Entscheidende Stellen sind noch folgende: Apostelgesch. 20, 28, wo Paulus zur Gemeinde in Ephesus spricht von der »Gemeinde Gottes, die er (Gott) sich erworben hat durch sein eigenes Blut«. Und im Brief an Titus, der zum mindesten paulinisch gedacht ist, 2, 13: »Denn es ist erschienen die heilsame Gnade Gottes allen Menschen … und warten auf die selige Hoffnung und Erscheinung unseres grossen Gottes und Heilandes Jesu Christi«.

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Apostelgesch. 7,58 betet der früheste Märtyrer Stephanus im Sterben zu dem Herrn Jesus: »Herr Jesu, nimm meinen Geist auf!« Dieses Gebet klingt an ein Psalmwort (31,6) an, das bei Lukas 23,46 der sterbende Jesus spricht. 1. Kor. 15,1: »Ich erinnere euch aber liebe Brüder, des Evangeliums … durch das ihr auch gerettet werdet.« Aus dieser und den folgenden Stellen geht hervor, dass die frohe Botschaft auf deren Annahme die Rettung beruht, auf Christus allein geht. Jedenfalls ist schon in dieser Frühzeit im Kampf der Glaubensrichtungen der ganze Anspruch des Glaubens an Christus als niedergestiegenen Gott da. Von hier aus ist nun die Bedeutung der neuen Glaubensweise zu verstehen, die jüdische, hellenistische, iranische Elemente vereinigt. Es wird nämlich von dem Gläubigen verlangt, dass er mit seinem ganzen Wesen glaube, dass es sich so und so verhält. Das ist etwas anderes als das jüdische Vertrauensverhältnis zu Gott aus ganzem Wesen. Die Judenchristen werden vom Judentum in demselben Grade losgerissen, als die neue Lehre vom niedergestiegenen Gott mit ihrem Anspruch wächst. Diese Lehre war für den Griechen selbstverständlich, weil ihm der Glaube an Mysterien, an Erlösergötter eigentümlich war. Dass dieser MysterienGott Christus nun auch durch menschliche Erinnerung mit seinen Anhängern verknüpft und durch sie bezeugt war, das ergriff den Griechen mit einer unmittelbaren Gewalt. Dagegen war diese Lehre für den Juden nicht in sein Dasein aufnehmbar: Er musste sich vielmehr von seiner Wurzel lösen, um den Anspruch der Zweiheit der göttlichen Personen (wozu später der Hl. Geist trat) anzuerkennen. Was für den Griechen das Positive war, das Ergreifen der Person Gottes, das war für den Juden das Unannehmbare. Die abendländischen Völker bezwang jene Umgestaltung und Umwandlung jüdischen Glaubens, die wir Christentum nennen. Es ist die menschliche Gottesgestalt, die Einheit von Menschheit und Gottheit, die die Juden nicht annehmen konnten, die aber gerade diese Völker von Grund aus umbildete. Was bedeutet nun diese Zweiheit, diese ursprüngliche Unterscheidung von Vater und Sohn (als menschgestaltigem Gott) für den Glaubensgehalt? Wenn wir die frühen christlichen Zeugnisse betrachten finden wir, dass Gott, der Vater, als der strafende, richtende, zürnende Gott erscheint und den Hintergrund abgibt, von dem aus sich Christus als der Heiland, der Lösende, Befreiende abhebt. Im A.T. ist das anders: In Gott ist Gnade und Zorn als unaufhebbare Spannung, und darin ist Gott die ungespaltene Einheit. Die Frage nach dem Ursprung des mir widerfahrenen

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Uebels – die Grundfrage des Menschengeschlechtes – wird von Israel und von dem späteren talmudischen Judentum nicht so beantwortet, dass der Ursprung des Heils von dem Ursprung des Uebels geschieden wird, dass es zweierlei Ursprung von Gut und Böse gibt. Im DeuteroJesaias (45,7) heisst es, dass Gott das Licht und die Finsternis geschaffen habe. Das talmudische Schrifttum unterscheidet hier zwei Attribute Gottes, zwischen denen in dramatischer Spannung das Weltgeschehen sich vollzieht. Der Anspruch des Christentums besteht darin, dass die Dramatik, die im Judentum in der Einheit Gottes liegt, sich auswirkt im Gegenüber zweier Personen, des Vaters und des Sohnes, dass infolgedessen zum Vater die entscheidende Wesenshingabe nicht mehr besteht. Das Christentum steht in der Mitte zwischen der jüdischen Lehre, wo die Zweiheit die innere Bewegung der Einheit ist, und der Ueberspannung des Dualismus, wie sie vom altpersischen Dualismus her genährt wird. Diese Ueberspannung liegt vor bei Marcion, der den Gott des A.T. als den nur gerechten, als den strafenden und richtenden Judengott abtrennt vom Gott des Neuen Testamentes, der mit dieser Schöpfung nichts zu tun hat, sondern Erbarmen ist und seinen Sohn als Erlöser sandte. Es ist bedeutsam, dass der Theologe Adolf Harnack von unserer Zeit forderte, die marcionitische Lehre anzunehmen. Dem also steht gegenüber der jüdische Glaube als menschliches, personhaftes Vertrauen zu dem einen Gott, der uns das Uebel und das Heil gibt. Dadurch aber dass wir das Uebel von IHM empfangen, kann es kein Unheil sein. IV. Wir führten aus, dass der christliche Glaube in der Mitte steht zwischen zwei Konzeptionen: zwischen der jüdischen und altpersischen, die in ihrer Ueberspitzung innerhalb des Christentums von Marcion vertreten wird in der Lehre von zwei Gottheiten, deren eine nur gerecht ist, dem Menschen zürnt, ihn geschaffen hat, um ihn zu richten und zu strafen. Das ist nach Marcion der Gott des A.T. Der andere aber, in Urweltferne, ist der gute Gott, der sich der armen Welt in ihrem Widerspruch erbarmt und seinen Sohn sendet, sie zu erlösen. Somit wird jene Zweiheit, die im Christentum nur die Gestalt der Unterscheidung zweier Personen angenommen hat, im marcionitischen Glauben überspannt in die Zweiheit zweier entgegengesetzter Mächte, deren eine die Welt von der Macht der anderen erlöst. Dem Judentum sind beide Gestalten der Zweiheit fremd. Das Juden-

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tum unterfängt sich, demgegenüber nun nicht etwa, die Wucht der Gegensätzlichkeit in der menschlichen Erfahrung des Guten und des Uebels abzuschwächen, sondern ohne Abschwächung der Tatsächlichkeit dieses Gegensatzes, ohne Abschwächung der Leidenserfahrung des Menschen, unternimmt es das Judentum, eben diesen Gegensatz in dem einen Gott zu fassen. Die Austragung zwischen Gericht und Erbarmen wird hier als innere Dramatik des einen Gotteswesens gefasst, sodass der in der Welt erfahrene Gegensatz nicht als prinzipieller Gegensatz, sondern als Geschehen in Gott selbst gesehen wird. Wir führen 3 Stellen an: Jesaias 26,21: »Denn wohlan er fährt aus seinem Orte her, um heimzusuchen die Verfehlung der Insassen des Erdlandes.« Rabbi Meïr deutet die Stelle: Gott begibt sich von dem einen »Attribut« zu dem anderen hin, von der Midda des Gerichts zur Midda des Erbarmens. Gott umfasst also mit seinem Sein die Polarität des Uebels und des Guten, vom Gericht zum Erbarmen, in Einem: Als Geschehen innerhalb der einen, gotteinigen Person, als Bewegung von dem einen zum anderen hin. Zu der Stelle in der Geschichte der Sintflut »Gott gedachte Noahs« (1. Mose 8,1) bemerkt Rabbi Nachman: »Wehe den Frevlern, die das Attribut des Erbarmens in das des Gerichtes wandeln! Heil den Gerechten, die das Attribut des Gerichts in das des Erbarmens wandeln!« Diese innergöttliche Dramatik ist offen nach der Welt zu. Was wir Menschen tun, geht eigentümlich ein in diese Bewegung in Gott selbst zwischen seinen beiden Attributen. Aber man darf nicht denken, dass nun irgend etwas, was Gott tut, von einem Attribut getan sei mit Ausschliessung des anderen Attributes. Zu der Genesisstelle: »ER schickte ihn fort aus dem Garten Eden« (1. Mos. 3,23), bemerkt Rabbi Josua ben Levi: »Als er ihn schuf, schuf er ihn mit dem Mass des Gerichts und mit dem Mass des Erbarmens. Und als er ihn vertrieb, vertrieb er ihn mit dem Mass des Gerichts und mit dem Mass des Erbarmens.« Das will heissen: In dieser Bewegung Gottes geschieht immer neue Verbindung beider Masse Gottes miteinander. Im Akte der Gnade ist auch das Mass des Gerichts, im Mass des Gerichts ist auch das Mass der Gnade, so zwar, dass jeweils zugekehrt ist dem Menschen Gnade oder Gericht. In Gottes Tun ist die schöpferische und erlösende Verbindung beider Mächte miteinander. Offenkundig liegt hier kein Pantheismus vor, identisch mit der Polarität der Welt. Aber auch kein Anthropomorphismus: Mit Gericht und Erbarmen sind keine Gemütsbewegungen Gottes gemeint, sondern die Mächte, deren Zusammenwirken die Welt schafft, sie erhält und vollendet. Der biblische Mensch erfährt das Weltdrama in seiner ganzen

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Gegensätzlichkeit. Aber dieses erfahrene Weltdrama lässt er so in Gott sich fortsetzen, dass diese Mächte sich versöhnen im einen Wirken Gottes. Erst in diesem Zusammenwirken werden diese Mächte gotthaft. Deshalb ist dem Sinn der Lehre nach eine Zweiheit Gottes unmöglich, dem Sinn der Lehre nach, dass in der vollkommenen Einheit erst die versöhnende Einheit, die unseren Widerspruch löst und uns mit dem Sinn unseres Lebens versöhnt, gegeben ist. Der biblische Mensch ist der Mensch, der den Einen Gott wiedererkennt in allen Gewalten, welche Macht immer er in der Welt oder in der eigenen Seele entdeckt. »Wiedererkennt« – nicht mit dem Gedanken, sondern mit dem Blick; nicht als etwas Fremdes, wofür ein anderer Gott angefordert werden müsste, sondern eben hier sehe ich etwas, was ich neu entdeckte, und eben jetzt sehe ich IHN in diesem neuentdeckten Weltbereich. Das ist die Bedeutung jenes Wortes Gottes an Moses beim brennenden Dornbusch: »Ich werde da sein als der ich je und je da sein werde«. D. h. ICH, Gott, nehme keine meiner Erscheinungen vorweg; in jeder Erscheinung, überall, auch wenn dich scheinbar die Fremde umfängt, das Andere antritt – ICH selber bin es, du sollst mich darin »wiedererkennen«. Auch in der Erfahrung des Uebels, in der Entdeckung des Abgrunds des Leidens, auch hier erkennt der Mensch Gott, der hier waltet. Das heisst, es gibt kein Uebel »an sich«, sondern dieses Uebel das ich erfahre, hat seinen Grund in Gott, das Uebel besteht nur in der Relation Gottes zum Menschen. Und umgekehrt: Indem der Mensch das Böse tut – auch diese menschliche Selbsterfahrung kann er keiner bösen Gewalt zuschreiben, wie es die altpersische Lehre tut, auch dies ist kein »Böses an sich« sondern besteht nur in der Wirklichkeit der Beziehung des Menschen auf Gott hin. Hier hat es seinen Sinn und hier hat es seine Versöhnung (Sühnung und Lösung) in der Verbundenheit mit Gott. Die einzige Zweiheit, die das Judentum kennt, ist die Zweiheit »Gott und der Mensch«. Zwischen Gott und den Menschen geschieht Weltgeschichte. In Gott ist kein Dualismus, sondern nur jene Bewegung zwischen Gericht und Erbarmen auf den Menschen zu. Es gibt nur die Dramatik zwischen Gott und seiner erschaffenen Welt, die sich gegen ihn auflehnt, sich von ihm wegbewegt. Das Christentum betrachtet an diesem entscheidenden Punkt das Judentum falsch. Wir geben ein modernes Beispiel für den Irrtum des Begriffs »der Gott des Zornes«, der die Voraussetzung ist des anderen Begriffs, »des göttlichen Mittlers«, der den Zorn überwindet. Emil Brunner entwickelt in seinem Buch »Der Mittler«: Gott kann seine Ehre nicht antasten lassen, denn seine Ehre ist seine Majestät, das Recht seiner

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Majestät. Gott würde aufhören Gott zu sein, wenn er seine Ehre antasten liesse. Dagegen ist zu sagen: Die Herrscher dieser Welt können ihre Ehre nicht antasten lassen, denn dann würden sie aufhören, Herrscher zu sein. Von Gott aber ist es nicht erlaubt zu sagen, dass er aufhören würde Gott zu sein, wenn man seine Ehre antastet. Wenn von Gott so geredet wird, dass ein Gesetz von ihm fordert, dass er seine Ehre nicht antasten lassen kann – so wird nicht vom jüdischen wirklichen Gott, nicht vom alttestamentlichen, sondern von einem theologischen Gott geredet. Diesen Gott des Zornes, der auf eine bestimmte Weise auf die Taten der Menschen zu reagieren hat, kennt das Judentum nicht. Im Judentum gibt es keine Absolutheit des Zornes Gottes, weil dieser Zorn nur in der Beziehung zwischen Gott und Mensch besteht. »Gott zürnt« heisst, dass unsere Beziehung zu Gott gestört ist, und alle Sühne zielt auf die Wiederherstellung des ursprünglichen Verhältnisses hin. Diese Wiederherstellung muss ihrer Notwendigkeit nach vollkommen unmittelbar, mittlerlos geschehen. Wir selbst müssen mit unserem ganzen Wesen umkehren, um jene Beziehung wieder zu schaffen. Das ist auch der eigentliche Sinn des Opferdienstes: Nämlich, dass der Mensch sich selbst hingeben will, um die Störung zu beseitigen. Auf dieser Voraussetzung der sühnenden Kraft der menschlichen Umkehr lässt er sich durch das Opfertier ablösen. Gegen die Versöhnung durch einen Mittler steht das Wort des Rabbi Akiba: »Glückselig Ihr, Israel! Vor wem reinigt ihr euch und wer macht euch rein? Euer Vater im Himmel … ER ist das Tauchbad Israels.« Es gibt also im alttestamentlichen Glauben keine Zweiheit der Personen, der Gestalten, der Substanzen. ER ist derselbe, er ist der EINE. In IHM werden wir gerichtet, in IHM erlöst. Wir haben eben ein Wort Emil Brunners angeführt; dieser spricht, wenn auch übersteigert, eine Grundeinstellung aus, die wir in den alten christlichen Texten finden. In gewissen Texten des Neuen Testamentes, besonders des Apostels Paulus, finden wir eine Konzeption, wo der Zorn Gottes gefasst wird nicht als je und je auf die Taten der Menschen hin antwortend, sondern als etwas Absolutes, als absolutes Grundverhältnis Gottes zu den Menschen, und zwar nicht auf das hin was sie tun, sondern auf das Sein der Menschen hin, so wie es geschaffen ist. Diese Konzeption finden wir besonders erfasst und ausgeprägt in der protestantischen Theologie. Ich verweise auf eine andere typische Aeusserung des Theologen Lohmeyer: Er spricht von der Predigt Johannes des Täufers und zwar von der Stelle Luk. 3,7: »so sagte er denn zu den Massen, die hinauszogen um sich von ihm taufen zu lassen: Ihr Schlangenbrut (gemeint wohl: Ihr Kinder der Urschlange), wer hat euch gelehrt,

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ihr würdet dem kommenden Zorngericht entrinnen?« Dazu sagt Lohmeyer: »Gerade dieses Wort spricht nicht von sündigen Werken, sondern von sündigem Sein usw.« In zwei paulinischen Sätzen sehen wir deutlich, worauf sich diese Auffassung gründet. Paulus konzipiert einen Urzorn des Gottes, den er aus dem A.T. zu übernehmen glaubt, einen Urzorn, wonach Gott seinem Willen nach zürnt. Der erste Satz, Röm. 9,22, lautet: »Und wenn nun Gott im Willen, den Zorn zu erzeigen und seine Macht kundzutun, in vieler Langmut die zum Untergang (Verderben) geschaffenen Gefässe des Zornes ertragen hat? Und wenn er an den Gefässen des Erbarmens, die aber geschaffen sind für die Herrlichkeit, den Reichtum seiner Gnade zeigen will?« Gemeint ist: ertragen hat Gott die Gefässe des Zornes, um seinen Zorn zu zeigen und seine Macht zu gebrauchen. Es wird hier – noch – geschieden zwischen Gefässen des Zornes und solchen des Erbarmens, d. h. aber, es gibt eine Urerwählung zum Zorn und eine Urerwählung zum Erbarmen. Gott hat Menschenwesen zum Zorn und Menschenwesen zum Erbarmen geschaffen! Darüber hinaus noch führt die Stelle Röm. 7,22: »Ich habe Lust an Gottes Gesetz nach meinem inwendigen Menschen (ich nehme mit Freuden teil an dem Gesetz Gottes). Ich sehe aber ein anderes Gesetz in meinen Gliedern, das da widerstrebt dem Gesetz in meinem Gemüte und mich gefangen hält unter dem Gesetz der Sünde, das in meinen Gliedern herrscht.« Die Stelle bedeutet: das Gesetz der Sünde steckt im geschöpflichen, leiblichen Dasein des Menschen, das so von Gott geschaffen ist: das Böse im Menschen ist mit dem Geschöpflichen identisch. Dieser Urzorn Gottes, der sich hier dokumentiert, führt über jene Unterscheidung zwischen Gefässen des Zornes und Gefässen des Erbarmens noch hinaus. Wir fassen zusammen: Wie sieht die jüdische und wie die christliche Konzeption vom Gott des Gerichtes und vom Gott des Erbarmens aus? Im Judentum, besonders im talmudischen Judentum, in dem die Konzeption des A.T. ausgestaltet wurde, ist Gericht und Erbarmen ein Geschehen je und je in Gott, wenn auch anthropomorph, menschenähnlich dargestellt. Gott ist des Gerichts und des Erbarmens mächtig und er wirkt von diesem Mächtigsein auf den Menschen zu. Auf der anderen Seite steht der Mensch als der von Gott eingesetzte Partner Gottes. Dieser aber ist so, wie Gott des Gerichtes und des Erbarmens mächtig ist, der Sünde und der Umkehr fähig. Es ist eine urjüdische Konzeption, dass der Mensch ebenso wie er sündigen kann, auch umkehren kann. Die Umkehr umfasst genau so das ganze Leben, ist genau so wirklich wie die Sünde. Damit aber vermag der Mensch auf Gott hin zu wirken, wie

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Gott auf den Menschen hin wirkt. Gott geht, wie auf die Sünde, so auf die Umkehr des Menschen gleich wirklich ein. Gott zürnt dem Menschen nicht absolut, nicht als einem existenziellen Wesen, sondern nur je und je als dem so und so Handelnden, und er lässt sich ebenso von dem so und so Handelnden versöhnen. Der Mensch ist also ebenso real gefasst wie Gott, weil Gott durch den Akt der Schöpfung es so gewollt hat. Von dieser jüdischen Konzeption aus darf man sagen: es gibt keine zwei göttlichen Herrschaftsbereiche, es gibt nur den einen Gott und ihm gegenüber den Menschen, der ihm unterworfen ist und doch auf ihn zu zu handeln vermag. Im Christentum jedoch tritt Gott auseinander in der Macht des Zornes und in der Macht der Gnade, sodass Zorn und Gnade je und je sich in einer göttlichen Person darstellt. Von Zorn oder Gnade aus wirkt Gott auf den Menschen, aber nicht mehr in der Gegenseitigkeit. Der Mensch kann nicht so auf Gott zu wirken, dass er wahrhaft antwortet und Antwort empfängt. Der Mensch kann sündigen, er kann sich von Gott abwenden, aber seine Umkehr, sein Hinwenden hat nicht den gleichen Grad der Realität wie sein Sündigen. Der Mensch liegt durch den Sündenfall in den Banden der Dämonie. Er selbst kann nichts tun, um sich daraus zu erheben, sondern er kann nur von Gott her durch die Gnade aus dem Sündenstand erlöst werden, dadurch, dass Gott seinen Zorn versöhnen lässt durch seinen Sohn aus der Gnade. D. h. der Herrschaftsbereich der Gnade versöhnt den Herrschaftsbereich des Zornes und ermöglicht die Bahn der Erlösung von oben nach unten. Es gibt also hier zwei Herrschaftsbereiche, wobei der Mensch Objekt der Gnade ist. Wichtig ist, dass der zweite Herrschaftsbereich, der der Gnade, im Christentum als Person gefasst ist und zwar als Sohn.

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V. Es ist die Frage, ob die Vorstellung der Sohnschaft, der Person, die »Gottes Sohn« heisst, nicht im Judentum, in der messianischen Konzeption des Judentums selbst vorbereitet ist. Darauf lässt sich antworten: Die Vorstellung der Sohnschaft, des Sohnes Gottes, ist im Judentum wohl vorgebildet, aber sie weicht im entscheidenden Punkt von der christlichen ab: nämlich darin, dass der »Sohn Gottes« je und je ein Mensch ist, der sich aus der Realität des Menschseins auf Gott zu vollendet, mit seinem Wesen und Dasein, derart, dass Gott ihn in die Sohnschaft aufnimmt.

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Es gibt im jüdischen Schrifttum des letzten vorchristlichen Jahrhunderts zwei Grundvorstellungen des Sohnes: Die eine ist deutlich im Buch »Weisheit Salomons«, die zweite im letzten Teil des Buches »Henoch«. 1.) In der »Weisheit Salomons«, Kap. 2, 12 ff., sagen die bösen Menschen, die dem Zaddik (dem Bewährten, Gerechten) nachstellen: »Stellen wir dem Gerechten (Bewährten) nach, weil er uns beschwerlich ist und unseren Taten entgegentritt … er rühmt sich die Erkenntnis Gottes zu haben (er geht mit der Botschaft Gottes herum) und nennt sich selber einen Knecht Gottes (Luther: »Gottes Kind«) … Er preist aber glücklich das Endlos der Gerechten (Luther: »Gibt vor, wie es die Gerechten zuletzt gut haben werden«) und prahlt mit Gott als mit seinem Vater. So lasst uns doch sehen, ob seine Rede wahr sei, und erproben, wie es mit ihm ein Ende werden will. Denn wenn der Gerechte wirklich ein Sohn Gottes ist, so wird er ihm helfen und ihn aus der Hand seiner Widersacher erretten … Also zu schimpflichem Tod lasst uns ihn verurteilen; denn es wird ihm ja Hilfe werden, wie er sagt.« Wir haben hier wohl ein eigentümliches Vorspiel zum Neuen Testament. Wir verweisen nun für die Deutung auf Jesaias, 52,13 f. und 53, wo davon gesprochen wird, wie der Knecht Gottes die Sünden der Vielen trägt, für Viele leidet und sich zum Tode hingibt. Wenn auch dort das Wort »Sohn Gottes« nicht steht, sondern »Knecht Gottes«, die Grundvorstellung ist die gleiche: Die Sohnschaft ist so gefasst, dass der Mensch, der so lebt, sich Gottes Sohn nennen darf, weil er Gott seinen Vater nennen darf; weil er im Gegenseitigkeitsverhältnis steht, weil er weiss, dass Gott sich seinem Anruf »Vater« nicht versagt. 2.) Die Vorstellung des Sohnes im Buch Henoch. Hier tritt der Patriarch Henoch als Sprecher auf, jener Patriarch, der zeitlebens mit Gott wandelte und hinweggenommen wurde und zum Engelswesen wurde. Er soll aussagen über die Geheimnisse der Endzeit, die ihm im Gang durch den Himmel aufgetan wurden: Kap. 51,3: »An jenem Tage wird der Auserwählte auf meinem Throne sitzen und alle Geheimnisse der Weisheit werden aus den Gedanken seines Mundes hervorkommen, denn der Herr der Geister hat es ihm verliehen und hat ihn verherrlicht.« Kap. 62,7: »Denn der Menschensohn war vorher verborgen und der Höchste hat ihn vor seiner Macht aufbewahrt und ihn den Auserwählten geoffenbart.« Kap. 69,27 ff.: »Er (der Menschensohn) setzte sich auf den Thron seiner Herrlichkeit und die Summe des Gerichtes wurde ihm übergeben, … und alles Böse wird vor seinem Angesichte verschwinden und vergehen. Aber das Wort jenes Mannessohns wird ausgehen und kräftig sein vor dem Geiste.«

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Kap. 71,14: »Er (Gott) kam zu mir (Henoch), grüsste mich mit Seiner Stimme und sprach zu mir: Du bist der Mannessohn, der zur Gerechtigkeit geboren wird; Gerechtigkeit wohnt über dir und die Gerechtigkeit des betagten Hauptes (Gottes) verlässt dich nicht …« Also, diese Gestalt, die da vorbereitet ist (vergl. oben »Henoch« Kap. 62,7) ist gleichsam ein Gefäss, das ihn, Henoch, aufnimmt. Er wird identisch mit ihm, er wird in der Himmelswelt neu geboren und zwar als eben dieser Sohn. In Kap. 105,2, hier, am Schlusse des Henochbuches, sagt Gott: »Denn ICH und mein Sohn werden uns mit ihnen (den Kindern der Erde) für immer auf den Wegen der Wahrheit vereinigen.« Das klingt beinahe schon christlich. Entscheidend aber ist: Ueberall in den jüdischen Zeugnissen und so auch hier ist dieses zur Gottessohnschaft erhobene Wesen etwas, was sich aus der Menschenwelt vollendet. Das gilt auch für Henoch, der als Sohn derart aufgenommen wurde. Es handelt sich nicht um eine Präexistenz der Person, sondern der Gestalt, in die ein Mensch aufgenommen wird, der aus der ganzen menschlichen Problematik sich vollendet zu dem, der von Gott in die Sohnesgestalt hineingenommen wird, die sich so erfüllt. Wir haben diese ausserkanonischen Zeugnisse angeführt, um zu zeigen: Auch im späten, apokalyptischen Judentum liegt nicht die Konzeption eines Gottessohnes vor, der von Oben auf die Erde geschickt wird zur Erlösung der Menschheit, sondern auch hier liegt die Konzeption eines Menschen vor, der aufsteigt aus der Menschenwelt durch Bewährung und der von Gott bestätigt wird in der Vollendung, d. h. in der Sohnschaft.

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VI. Wie verhält sich nun die Christuskonzeption des Urchristentums zu diesen jüdischen Gegebenheiten? Es gibt im frühen Christentum auch die Vorstellung, wie wir sie in der »Weisheit Salomos« und im Buche »Henoch« finden: Der Mensch, der sich vollendet, der aufgenommen wird in die Präexistenz einer Gestalt, eines Gefässes, das vom Anbeginn der Schöpfung her auf den Menschen zu, der es erfüllen, der die Gestalt verwirklichen wird, wartet. Henoch wird im Himmel zum zweiten Male, also neugeboren als Sohn Gottes. Dies ist auch eine der Urvorstellungen des Christentums, dass der messianische Mensch aus der Menschlichkeit aufsteigt in Gottes Sohnschaft, dadurch, dass Gott ihn mitten im Leben, an einem entscheidenden Punkt, zu seinem Sohne erhebt (adoptiert): dass er – wie Paulus

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sagt – eine neue Schöpfung wird. In der Dogmengeschichte ist diese Urvorstellung als adoptianische Lehre bekannt. Wir haben das Wort angeführt, das zu Henoch (Kap. 71) gesprochen wird: »Du bist der Mannessohn, der zur Gerechtigkeit (jetzt!) geboren wird.« Diese Vorstellung kehrt wieder im 2. Psalm in den Worten: »Heute habe ich Dich gezeugt!« Dieser Psalmstelle liegt die Vorstellung zu Grunde, dass der König, der das Geheimnis der messianischen Salbung erfüllt, in die Sohnschaft aufgenommen wird. Diese Vorstellung kehrt wieder in einem frühen Bericht von der Taufe Jesu im Jordan, die eine ältere Form des Lukasberichtes darstellt. Luk. 3,22: »Und der heilige Geist fuhr herab in Gestalt einer Taube und eine Stimme aus dem Himmel sprach: Du bist mein lieber Sohn, heute habe ich dich gezeugt.« Wie ist diese Stelle zu deuten? Jesus, ein erwachsener Mensch, dessen früheres Leben wir nicht kennen (Geburts- und Kindheitsgeschichte sind spätere Legende), begibt sich zu Johannes, der in der Wüste und am Rande der Wüste »taufte«. D. h. er nahm vermutlich eine eigentümliche Umwandlung der jüdischen Proselytentaufe, die ein sakramentaler Akt war, vor. Er gab ihr einen neuen Sinn: dass die Juden selber des Tauchbads bedürften, weil das Judenvolk nicht mehr wahrhaft Israel ist, sondern Israel verraten hat. Jeder also, der wirklich zu Gottes Volk gehören will, muss nun dasselbe tun, wie der Proselyt: Er muss zu Israel übertreten, obwohl er von Abraham abstammt. In der Taufe empfängt er sakramental die Wiedergeburt des neuen Menschen. So geschah es auch mit Jesus. Da widerfährt ihm das, was keinem anderen widerfahren ist, dass er die Himmel sich öffnen sieht und der Geist Gottes in Gestalt der Taube sich auf ihn niederlässt, mit den Worten aus dem zweiten Psalm: »Du bist mein Sohn, heute habe ich Dich gezeugt.« (Der Geist Gottes in Gestalt der Taube ist eine Vorstellung, die im A.T. immer wiederkehrt: So wie über den Wassern, bei der Schöpfungsgeschichte, der Geist Gottes schwebt, so lässt er sich zur Neuschöpfung des Menschen auf ihn nieder). Es findet also hier dasselbe statt, was dem sagenhaften Menschen Henoch im Himmel widerfährt. Der Menschensohn – eine Bezeichnung, die durch die Evangelien geht – bedeutet: Die Taufe, dieses johanneische Sakrament der umgewandelten Proselytentaufe, realisiert sich hier an einem Menschen, die Ruach Gottes lässt sich auf diesen Menschen nieder; die besondere Kraft Gottes bleibt bei ihm und geleitet ihn. In Verbindung mit diesem Gottesgeist, der sich auf ihn niedergelassen hat, ist er nun nicht mehr Menschensohn, sondern Sohn Gottes. Von diesem Geist abgehoben, je und je als der Mensch gedacht, der er immer noch ist, nennt er sich den »Menschensohn«, an dem der Geist so tut. Er tut, was er je und je im A.T. an Menschen tut, die er ergreift (an den Schoftim, d. h.

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Richtern, an den Nebiim, d. h. Propheten, an den Königserwählten) und zu anderen Menschen macht. So schafft der Geist Gottes den Menschen Jesus neu und treibt ihn in die Wüste; von da aus lebt und wirkt er. Es ist aber für das N.T. – und zwar einerseits für das Johannes-Evangelium und die Johannes-Briefe, andererseits für Bruchstücke judenchristlicher Evangelien, zwischen denen merkwürdigerweise in diesem Punkte Uebereinstimmung herrscht – Folgendes charakteristisch: 5 1.) Es ist die Vorstellung vorhanden, dass in Jesus zum Unterschied von allen Menschen des A.T., denen dies geschah, der neue Geist bleibt. 2.) Dass in der Geistausgiessung über Jesus nicht eine Zuteilung des Gottesgeistes stattfindet, sondern, dass Jesus auserwählt ist unter allen Menschen, weil sich an ihm die ganze Wandlung vollzogen hat und die ganze Quelle des Heiligen Geistes auf ihn niederliess. Eine Stelle aus dem Hebräerevangelium (zitiert beim hl. Hyronymus) sagt: »Es geschah aber, als der Herr aus dem Wasser herausstieg, stieg die ganze Quelle des Heiligen Geistes auf ihn herab und ruhte auf ihm und sprach zu ihm: Mein Sohn, in allen Propheten wartete ich auf dich, dass du kämest und ich in dir ruhte. Denn du bist meine Ruhe; du bist mein erstgeborener Sohn, der du herrschest in Ewigkeit.« Die Stelle bedeutet: dass je und je der Geist Gottes prophetische Menschen ergriffen hat, und, dass dies gleichsam ein Suchen Gottes nach dem Menschen war, auf den sich der ganze Geist niederlassen könne um bei ihm zu bleiben. Dieser Mensch (zu dem Gott jedem die Möglichkeit gab) ist jetzt in Jesus erfüllt, und zwar aus der Menschheit heraus. Und nun hat Gott in diesem Menschen seine Ruhe gefunden, wozu er die Welt erschaffen hat. Diese Vorstellung ist eine Weiterausbildung einer jüdischen Konzeption, und unter diesem Aspekt gehört Christus in die jüdische Glaubensgeschichte hinein. Es ist eben jene Grundvorstellung der Erhöhung des Menschen, der sich vollendet hat. Wir finden sie wieder im talmudischen Wort: »Vor wem reinigt ihr euch und wer macht euch rein? Euer Vater im Himmel.« (Rabbi Akiba) Und jener andere Spruch »Wer sich zu reinigen kommt, dem steht man von oben bei«. Entscheidend für die jüdische Lehre ist, dass die Vollendung des Menschen mit der Handlung des Menschen anfängt. Der Mensch vermag sich soweit zu reinigen, dass er an den Ort der Begegnung kommt, wo er von Gott aufgenommen und weitergeleitet wird. Es kommt also entscheidend auf den Menschen an. 5.

Es handelt sich im Johannesevangelium und in seinen Briefen um eingefügte Bruchstücke judenchristlicher Tradition, die man auch heute von den anderen redaktionellen Ueberarbeitungen unterscheiden kann.

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Wir finden in der Apostelgeschichte zwei sonderbare Petrusstellen, die innerhalb der judenchristlichen Gemeinde gesprochen sind: Apostelgesch. 2,36: »So wisse nun das ganze Haus Israel gewiss, dass Gott diesen Jesum, den ihr gekreuzigt habt, zu einem Herrn und Christum gemacht.« Es handelt sich um den Schluss der pfingstlichen Predigt des Petrus, die besagt: Dass Gott sowohl zu dem Herrn (nämlich in der Auferstehung) wie zu dem Christus, Messias, (nämlich in der Taufe) gemacht hat eben diesen Jesus, den Gekreuzigten. Apostelgesch. 5,31: Hier spricht Petrus zu dem Hohenpriester vor dem Synedrion: »Diesen (den gekreuzigten und auferweckten Jesus) hat Gott als den Fürsten und Erlöser erhoben zu seiner Rechten.« Wir finden also hier auf der einen Seite bereits eine ausgebildete Christologie, einen Glauben an das Gotteswesen Christus, aber zugleich ist erhalten die Vorstellung, dass hier nicht eine Sendung von oben nach unten vorliegt, sondern dass ihn, diesen Menschen Jesus, Gott nach seinem Tode zu diesem Gotteswesen erhoben hat. VII.

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Im Urchristentum stand nun dieser ersten, ursprünglichen Grundtendenz – die wohl der Selbstauffassung Jesu entspricht – gegenüber und gegen sie zur Entscheidung eine zweite Grundtendenz, die auch ursprünglich ist, aber schon einer zweiten Zeitepoche angehört: nach dieser zweiten Auffassung ist diese Gestalt nicht von unten, aus dem Menschentum, durch Bewährung aufgestiegen und von Gott in die Sohnschaft erhoben, sondern von oben nach unten gesandt worden. Diese zweite Auffassung widerstreitet der jüdischen Grundkonzeption. Das Judentum kennt wohl, wie wir dargelegt haben, die Vorstellung einer Urform des Sohnes Gottes, die vom Anbeginn der Schöpfung an gegeben war – gleichsam als Idee – und die auf den realisierenden Menschen wartet. Aber nichtjüdisch ist es, dass Gott seinen Sohn, der von je im Himmel ist, auf die Erde niederschickt, in »Gestalt des sündigen Fleisches« (Paulus). Und zwar nicht, wie je und je im A.T., als einen seiner Boten, die man »Engel« nennt. 6 6.

Diese Boten Gottes, die sogenannten »Engel« sind nicht zu verwechseln mit den aus dem Iranischen in die spätjüdische Literatur eingedrungenen Engelwesen, die ihre eigene Wesenheit besitzen. Sondern diese alttestamentlichen »Boten Gottes« sind gleichsam »Bewegungen von Gottes Hand«. Sie sind nur, insofern sie eben jetzt und hier da sind: Die jeweilige Tat ist ihr Dasein und in dieser Tat erschöpft sich ihr Dasein.

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Es fand also im Urchristentum ein Kampf statt zwischen der adoptianischen Konzeption und der Vorstellung der Hinabsendung eines Gotteswesens, das von jeher existierte. In diesem Kampf entschied sich das Christentum gegen jene erste, judenchristliche Konzeption für die iranischen, nichtjüdischen Elemente. Im Johannesevangelium, wo dieser Prozess schon einigermassen abgeschlossen ist, hören wir als Wort des Johannes des Täufers: Joh. 3,31 »Der von oben her kommt, ist über alle. Wer von der Erde ist, der ist von der Erde und redet von der Erde. Der vom Himmel kommt, der ist über alle, …« »Denn welchen Gott gesandt hat, der redet Gottes Wort.« Hier ist nicht mehr der Mensch gemeint, auf den sich das Wort Gottes niederlässt, sondern das Wesen, das vom Himmel kommt. Joh. 6,38 ff. spricht Jesus von sich: »Denn ich bin vom Himmel herabgestiegen, nicht dass ich meinen Willen tue, sondern des, der mich gesandt hat.« Joh. 6,41 und 42: »Da murrten die Juden darüber, dass er sagte: Ich bin das Brot, das vom Himmel gekommen ist, und sprachen: Ist dieser nicht Jesus, Josephs Sohn, dessen Vater und Mutter wir kennen? Wie spricht er denn: Ich bin vom Himmel gekommen?« Joh. 6,51: »Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel gekommen ist.« Im Johannesevangelium spricht zwar immer noch eine Distanz zwischen Gott und Jesus mit, aber eben jene Worte sind Worte eines göttlichen Wesens, das Menschengestalt annimmt. Und dagegen wenden sich die Juden in den angeführten Worten (Kap. 6,41/42). (Beachtenswert ist hier übrigens, dass die Antwortenden noch nichts von der Vorstellung der jungfräulichen Geburt Jesu wissen. Die Präexistenz eines Gotteswesens, das vom Himmel auf die Erde steigt, hängt mit diesem Dogma nicht notwendig zusammen.) Wir verweisen hier noch einmal auf die jüdische Konzeption der Präexistenz mit der Stelle aus Henoch Kap. 71: »Du bist der Mannessohn, der zur Gerechtigkeit geboren wird.« Hier wird der Mensch wiedergeboren als dieser Mannessohn, indem er in die präexistente Gestalt oder Form hineingenommen wird. Die im Christentum siegreiche Vorstellung des präexistenten Himmelswesens und seines Herabstiegs zur Erlösung der Menschheit aber entspricht einer Vorstellung im späten iranischen Glaubensleben: Ein Gottwesen, das Gott zunächst steht, wird auf die Erde gesandt, um die Macht der Finsternis zu überwinden usw. Dieses Gotteswesen wird gefangen von den unteren Mächten, dann befreit und zieht die Guten mit in seine Herrlichkeit. Ferner: ganz ähnlich wie Christus im Johannes-Evangelium (»Ich bin vom Himmel herabgestiegen usw.«) sprechen iranisch beeinflusste Gno-

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stiker der palästinensischen Kultursphäre. Z. B. der aus der Apostelgeschichte bekannte Simon Magus sagt von sich: »Ich bin der Sohn Gottes, der aus dem Himmel niedergestiegen ist.« Der Heide Celsus, ein Gegner des Christentums, vergleicht den christlichen Glauben mit der spätgriechischen Komödienszene, in der Zeus den Gott Hermes zu den Menschen sendet. Wir führen hier eine Stelle aus dem 1. Petrusbrief 1,20 an, die den jüdischen Vorstellungen nahesteht und in der von Christus gesagt wird: »Der zwar zuvor ersehen (Buber: auserkannt) ist, ehe der Welt Grund gelegt ward, aber offenbaret zu den letzten Zeiten (d. h. beim Anbruch des Endes der Tage) um euretwillen, …«. Diese Stelle erinnert noch sehr an jene angeführte Henochstelle und ist noch jüdisch vertretbar; auch mit der Vorstellung, dass jemand von urher »auserkannt« ist. Vergl. Jeremias 1. Kap.: »Ehe ich dich im Mutterleib gebildet habe, habe ich dich auserkannt«, d. h. herausgeholt aus der Undifferenziertheit des Seins, hereingeholt in die Welt der Person, ausersehen. Dagegen ändert sich die Vorstellung im Hebr. Brief 1. Kap.: »(Gott) hat am letzten in diesen Tagen zu uns geredet durch den Sohn, welchen er gesetzt hat zum Erben über alles, durch welchen er auch die Welt gemacht hat, welcher, sintemal er ist der Glanz seiner Herrlichkeit und das Ebenbild seines Wesens und trägt alle Dinge mit seinem kräftigen Wort und hat gemacht die Reinigung unserer Sünden durch sich selbst, hat er sich gesetzt zu der Rechten der Majestät in der Höhe …« Diese Stelle erinnert sehr an das Glaubensbekenntnis an den Gottessohn, wie es später die Kirche ablegte. Es herrscht hier schon die Vorstellung von dem fertigen Gott, der in die Menschengestalt gleichsam hineingebannt wird. Phil. 2,5: »Ein jeglicher sei gesinnet wie Jesus Christus auch war. Welcher, ob er wohl in göttlicher Gestalt war, hielt er’s nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein, sondern entäusserte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, ward Fleisch wie ein anderer Mensch, und an Gebärden als ein Mensch erfunden. Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja bis zum Tod am Kreuz.« Textlich ist dazu zu bemerken: Er hielt diese Gottgleichheit »nicht für eine gute Beute fest«, sondern er entselbstete sich, er entleerte sich seiner selbst und nahm kreatürliche Gestalt an. Mit dem Raub, mit der guten Beute wird angespielt auf die gefallenen Engel, die die Gottgleichheit gegen Gott ausspielen. Und nun folgen die Worte: »Darum hat ihn auch Gott erhöhet, und hat ihm einen Namen gegeben, der über alle Namen ist«, d. h. die Erhöhung ist gleichsam eine Entsprechung für das Opfer, das dieses Gottwesen bringt, indem es sich aus der Gotteswelt in die Kreatürlichkeit hinübersenden lässt.

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Hier ist nun besonders wichtig die Vorstellung des stellvertretenden Opfers: Dass ein Mensch die Sünden des Volkes, der Menschheit sühnt durch Darbringung seiner selbst. Diese Vorstellung eines Mittlers ist zunächst keine unjüdische Vorstellung (vergl. das Mittlertum Abrahams, Moses, Arons, Davids). Vor allem finden wir die Vollendung des mittlerischen Menschen bei Jesaias 52 und 53, wo der Knecht Gottes für die Sünden der Vielen leidet und den Tod auf sich nimmt, um das Volk und die Völker von ihrer Sünde der Gottferne, die sie selbst verschuldet haben, zu lösen. Es ist die Gestalt des Mittlers, die von Geschlecht zu Geschlecht wiederkehrt, um sich im Messias zu erfüllen. Aber hier ist es eindeutig der Mensch, der sich einsetzt, in die Bresche springt und stellvertretend das Leiden auf sich nimmt. Wie aber ist das stellvertretende Opfer christlich aufgefasst? Bei Mark. 10,45 heisst es: »Denn der Menschensohn ist nicht gekommen bedient zu werden, sondern zu bedienen und seine Seele als Lösegeld herzugeben für die Vielen.« Diese Stelle rührt noch durchaus an das Jüdische. Vor allem an Jesaias 53,11: »Bewähren sollte die Vielen der Bewährte, mein Knecht, indem ihren Fehl er sich auflud.« Anders bereits 2. Kor. 5,19: »Denn Gott war in Christo, indem er die Welt mit sich selbst versöhnte.« Diese Stelle führt schon von der jüdischen Vorstellung weg: Denn Gott war in Christus, als dieser sich zum Lösegeld darbrachte, während alttestamentlich der Mensch als Mensch sich Gott darbringt. Gott lässt den Menschen in seinem Menschsein, um der Menschheit Anteil an der Erlösung zu erwirken. Entscheidend aber ist Röm. 3,24: »Und werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, so durch Christum Jesum geschehen ist, welchen Gott bestimmte zum Kapporeth (Versöhnungsdecke; Luther: »zu einem Gnadenstuhl«) in seinem Blut durch den Glauben usw.« Zum Verständnis: Der goldene Deckel über der Bundeslade ist hier in eigentümliche Verbindung gebracht mit der Sühne der Sünde. Die Septuagintaübersetzung bringt für Kapporeth das Wort »Hilasterion«, d. h. »Versöhnungswerkzeug«, als Sinnbild des Erbarmens der Gewalt Gottes, das Christus gewesen sei. Entscheidend ist, dass nicht mehr der Mensch sich zum Opfer bringt, sondern dass Gott es ist, der dieses Wesen zur Sühnung bestimmt. Für die jüdische Idee des Mittlertums führen wir noch einmal eine Stelle aus einem ausserkanonischen Text, aus dem 4. Makk. Buch, Kap. 17,22, an: »Sie waren gleichsam ein Ersatz für die Sünde des Volkes. Durch das Blut jener Gerechten und ihren Sühnetod rettete die göttliche Vorsehung Israel.« Bei aller Nähe an die christliche Vorstellung ist hier

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entscheidend, dass diese Märtyrer selbst als Menschen hervortreten und mit ihrem ganzen Wesen das Opfer vollziehen. Dadurch, dass sie es getan haben, rettete die göttliche Vorsehung Israel. So ernst nimmt das jüdische Glaubensleben das Zusammenwirken von Gottheit und Menschheit. Auf der Grundlage eines echten Gegenüber von Gott und Mensch, das freilich zur Berührung führen kann, derart, dass der Mensch sich ganz und ungeteilt hergibt an Gott. Auf der christlichen Seite, da wo es sich entscheidend vom Jüdischen trennt, ist dieses Gegenüber in seinem strengen Sinn aufgegeben. Es bleibt die Vorstellung des Opferns, des Leidens, aber nicht mehr vom Menschen aus, sondern als von Gott bestimmt, gesandt. Die Gestalt, in die, nach jüdischer Vorstellung der Mensch, der in Bewährung auf Gott zu gelebt hat, von Gott gefasst wird, ist nach christlicher Auffassung von jeher göttlichen Wesens und wird in die Menschengestalt hineingenommen, sodass das Gegenüber von Gott und Mensch seine letzte Realität verliert. Zweifellos ist diese Preisgabe des echten Gegenüber von Gott und Mensch der Kaufpreis für die Höhe des Mittlertums, das das Christentum zu bieten hat. Der Ernst dieses Gegenüber aber ist für den Juden der Boden für die echte Begegnung, die bis in die Grundtiefe des Seins und Geschehens hinabreicht und so erst Erfüllung gibt. Von hier aus leben – das ist Judentum.

II. Jüdische und christliche Erlösungslehre. Es ist hier unsere Aufgabe, die Verschiedenheit der Erlösungslehre bei Juden und bei Christen darzustellen. Eine wesentliche Verschiedenheit liegt zunächst schon darin, dass sich für den Christen die Erlösung im Entscheidenden (wenn auch nicht total) an einem bestimmten Punkt der Geschichte, der Weltzeit, vollzogen hat. Für den Juden ist dieses Vollzogensein der Erlösung das schlechthin Unannehmbare. Was der christlichen Einstellung gegenübersteht, ist ein Wissen des Juden – ja mehr noch: eine Wahrnehmung, eine leibhafte Erfahrung – von der Unerlöstheit der Welt. Damit aber wird nicht gesagt, dass nicht in jedem Augenblick Erlösung an der Welt geschieht. Der Jude empfindet die Welt also wohl als »Erlöstwerdendes«, nicht aber als ein Erlöstgewordenes, die Erlösung der Welt nicht als ein Perfektes. Ueber dieses Wissen der Juden und jenen Glauben der Christen, über diesen Dualismus, führt etwas hinaus ins Gemeinsame: der messianische Weg einer Vollendung und Erfüllung, die wir kaum zu ahnen vermögen. Die Juden müssen sich daran halten, dass sie keine Möglichkeit haben, jenes Wissen wegzunehmen. Die Juden sind gleichsam eingesetzt, geschaffen – so wie sie geschaffen sind – dies zu wissen und zu bezeugen.

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I. Um recht zu verstehen, was das heisst »dort Glaube an den gekommenen Erlöser«, »hier Glaube an den kommenden Erlöser«, müssen wir ausgehen vom allereinfachsten: Was meinen wir damit, wenn wir von Erlöser, von Erlösung sprechen? Erlösung wovon? »Erlösen« bedeutet wohl: aus einer Gefangenschaft, aus einer Fesselung lösen, befreien. Ist aber jede Unfreiheit eines Menschen oder einer Menschengemeinschaft ein erlösungsbedürftiger Stand? Gewiss nicht. Einem Volk, das von einem anderen gefesselt ist, kann Befreiung geschehen, ohne dass dies im eigentlichen Sinne Erlösung ist. Offenbar gehört mehr dazu als Fesselung. Zunächst gehört dazu, dass diese Unfreiheit, diese Gefangenschaft sich verdichte zu einem Verfallensein, zu einem Verhängnis, derart, dass dieser Mensch, diese Gemeinschaft sich keinen Ausweg daraus vorstellen kann. Es gehört dazu, dass die Menschen sich dieses Verhängnis gar nicht anders zu deuten vermögen denn als Ableitung aus einem Urverfallensein der Welt selber, somit als etwas Letztes

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und Absolutes: Ich bin im Verfallensein, weil die Welt verfallen ist; ich erleide diesen Widerspruch, weil die Welt in diesem Widerspruch steht. Wenn dies der Stand ist, den man, falls man seiner inne wird, erlösungsbedürftig nennt, dann ist damit noch nicht gesagt, wovon die Erlösung erwartet wird, in welchem Sinn diese Menschengemeinschaft nach Erlösung verlangt. Wir brauchen also Beispiele für das, wovon man Erlösung erlangen kann. Zunächst eine Klärung zum Gebrauch des Wortes »Uebel«. Wir müssen unterscheiden zwischen dem Ueblen, dem Schlechten, dem Bösen. 1.) Uebel ist etwas, was in Bezug auf mein Leben, mein Verhalten negativ ist: mir widerfährt ein Uebel. 2.) Das Schlechte ist eine der Welt eignende Qualität, ohne dass ich es auf mich beziehe. D. h. ich bezeichne damit etwas an der Welt, ohne Beziehung auf mein Erleben oder Fühlen. 3.) Was Böse ist, wissen wir aber von niemandem anders als von uns aus, das Böse weiss der Mensch nur aus seinem Verhältnis zu sich selbst. Es ist nicht, wie das Schlechte, aus der Welt zu beobachten. Das Dasein der Seele ist dafür Voraussetzung. Mit der Erlösung vom »Uebel« (noch nicht vom Bösen) ist einfach Erlösung von dem gemeint, was an Mangel, an Widerspruch der Welt innewohnt. So wird ein Mysteriengott angerufen: »Mache ein Ende der Dissonanz der Welt!« Dieses objektive »Nein«, dieser objektive Widerstreit, diese Fraglichkeit der Welt hat einen vollkommenen Ausdruck: im Tod. Im Tod gewinnt der Widerspruch letzte Gestalt, er ist einfach da, in jedem Augenblick unseres Lebens ist er da und wir haben in jedem Augenblick auf ihn hin zu zu leben. Aber im höchsten Augenblick des Lebens sind wir so von der Vernichtung angetreten, unterliegen wir dem Zwang des vollkommenen Widerspruchs. Völker haben versucht, noch über den Tod hinauszudenken: so die indische Metaphysik, indem sie den Menschen einspannt in eine Kette von Tod zu Wiedertod. Und von hier die Frage: Was erlöst uns von dieser Kette, was löst dieses Verhängnis, dass wir immer wieder werden und vergehen müssen? Nach Westen hin begegnen wir einer anderen Form, die weniger elementar ist, aber dadurch vielleicht noch intensiver in jedem Augenblick auf den Menschen zukommt: die Verfallenheit an das Schicksal. Die babylonische Kulturwelt fasst das Schicksal als Gestirnmächte, die unwandelbar kreisen und auf das irdische Geschehen wirken; sie können erkannt, aber nicht beeinflusst werden. In der Welt des Hellenismus steigert sich diese Vorstellung zur Vorstellung des menschlichen Verfallenseins an die Schicksalsmacht, eines vom Menschen unaufhebbaren

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Verhängnisses. Daraus gebiert sich in Mysterienkulten die Sehnsucht nach einer anderen Welt, nach der Welt der Freiheit. In der griechischen, d. h. philosophischen Konzeption (wo ein Begriff dasteht, der genau zu bezeichnen sucht, was uns knechtet) wird das wahre Sein als geistiges, denkerisches Sein gefasst, das in Fesseln geschlagen ist durch die Materie. Erlösung bedeutet hier: Erlösung von der Stofflichkeit zu einem reinen Leben im Geist. Tun wir einen weiteren Schritt: da öffnet sich der eigentliche Abgrund der Erlösungsbedürftigkeit, wenn der Mensch in sich selbst schaut, wenn er sich mit seiner wirklichen Person abgibt, aber von innen. Da entdeckt er den inneren Widerspruch, den inneren Zwiespalt, das was die biblischen Religionen Sünde genannt haben: als der Stand, der uns bestimmt ist und den wir entdecken, wenn wir uns entdecken. Jede dieser Erlösungsbedürftigkeiten kennt noch ein Uebersichhinausgreifen, wenn der Mensch die Individuation (d. h. dass er dieser Mensch ist, der als dieser Mensch den Zwiespalt, den Sündenstand erlebt), sein Sosein als erlösungsbedürftig empfindet, d. h. über die Individuation hinausverlangt. Von diesem äussersten Rand, wo der auf sich bezogene Mensch am Boden liegt und aus sich hinaus verlangt, gibt es einen Aufschwung bis zur äussersten objektiven Konzeption am anderen Pol: nämlich zur Vorstellung, dass die Tatsächlichkeit der Welt einer weltbeherrschenden Macht des Bösen ausgeliefert ist, wovon die innere Erfahrung, dass das Sosein böse ist, eben ein Ausdruck ist. Hier tritt der Glaube an ein böses Prinzip auf den Plan. In der iranisch-altpersischen Konzeption, die hier zu nennen ist, stehen sich zwei gleichmächtige Prinzipien gegenüber. Dieser Dualismus kann aber auch so sein, dass das Böse als etwas erscheint, das sich dem Göttlichen antut, das Göttliche in der Zeit behindert, aber letztlich durch eine Erlösungstat überwindbar ist. Diese Konzeption findet sich am stärksten in der manichäischen Glaubenslehre: das Göttliche ist in den Gang der Geschichte gestürzt, in diese Welt gefallen, ist in ihr Schicksal hineingezogen und erleidet es mit; aber aus diesem Verfallensein wird das Göttliche erlöst, wird von der Urgottheit zum Himmel erhoben. Hier rührt der Widerstreit an Gott selber, ist gleichsam eine Krankheit der Gottheit, von der sie sich heilt, erlöst: die Gottheit, die den Widerspruch des Daseins erleidet und sich davon erlöst, ersteht damit zu ihrer Einheit und Vollkommenheit. In allen diesen Konzeptionen der menschlichen Erlösung ist der Kern der gleiche: die Vorstellung eines Verfallenseins, die Vorstellung der inneren Sehnsucht nach einer Lösung, die die Welt, die Ursubstanz, das Göttliche erlöst und damit mich.

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Wie verhält es sich nun, von dieser Voraussetzung aus, mit dem Unterschied zwischen jüdischer und christlicher Erlösungslehre? Wir gehen vom Christentum aus, das eine ausgebildete Dogmatik der Erlösungslehre hat, die das Judentum nicht hat. Wir erinnern daran, dass es sich bei der Erlösung nicht um die Befreiung von einer Fesselung handelt, von der man im gewöhnlichen Sinne gelöst werden kann, sondern die hier gemeinte Gefangenschaft, jenes Verfallensein, hängt schlechthin zusammen mit der Verfassung des weltlichen Seins, hat es mit dem Urschicksal der Welt zu tun. Die Erlösungsbedürftigkeit des Menschen wird erst in ihrer tragischen Tiefe erfasst, wenn wir wissen, dass das Schicksal des Einzelnen mit diesem Weltschicksal zusammenhängt. Daher kann die Erlösung nicht von einzelnen Stücken der Welt erfolgen, sondern nur von dem, der an der ganzen Welt handelt. Was bedeutet also im Christentum – und zwar von seinen Anfängen her – die Erlösung im Hinblick auf das »wovon?« der Erlösung? Es wird sich zeigen, dass unter den verschiedenen Arten der Erlösung »wovon?« die christliche in besonderer Weise Erlösung von der Sünde ist. Und da die Erlösertat – das eigentlich Erlösende in der christlichen Lehre – der Tod des Stifters ist, so ist zu fragen: Ist dies die Lehre Jesu selbst, dass sein Tod die Erlösung der Menschen von der Sünde sein werde? Erlösung im Sinne des Loskaufs, der Ablösung findet sich in einigen Sprüchen Jesu. Lucas 21,28 ist von dem Kommen des Menschensohns »in der Wolke mit grosser Kraft und Herrlichkeit« die Rede: »Wenn aber dieses anfängt zu geschehen, so blicket auf und erhebet eure Häupter, denn eure Erlösung naht.« Lucas 24,21, nach Jesu Tod, sagten die beiden Jünger, die nach Emaus gingen: ἡμεῖς δὲ ἠλπίζομεν ὅτι αὐτός ἐστιν ὁ μέλλων λυτροῦσθαι τὸν Ἰσραήλ. »Wir hatten gehofft, dass er der sei, der bestimmt ist, Israel zu erlösen.« Dass der Tod die Erlösungstat ist, geht aus diesen Stellen nicht hervor. Es gibt aber ein Wort, das dies letztere unmittelbar auszusprechen scheint: Markus 10,45 (Matthäus 20,29). Hier reden zwei seiner Jünger davon, welchen Platz sie wohl im kommenden Reich einnehmen werden. Jesus weist ihren Anspruch zurück, indem er sagt, dass es nicht darauf ankomme sich dienen zu lassen, sondern anderen zu dienen: »denn der Sohn des Menschen ist nicht gekommen, bedient zu werden, sondern um zu dienen und τὴν ψυχὴν (sein Leben los-) herzugeben als Lösegeld für viele.« Dieses Wort wird gewöhnlich aufgefasst als Aeusserung Jesu selbst über die erlösende Bedeutung seines Todes. Aus dem

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Text selbst ergibt sich dies nicht. Der Text selbst braucht nichts anderes zu besagen, als dass Jesus sich für die anderen hingebe, bis in den Tod. Damit will er den Jüngern sagen, dass sie auch über das irdische Leben hinaus nicht nach der Überlegenheit, nach der Macht, nach der Herrschaft über andere streben sollen, sondern dass der Sinn des Daseins auch noch bis an die Schwelle der Ewigkeit, ja bis in ihren Schoss der Dienst und die Hingabe bleibe. Dennoch klingt in diesen Worten ein engerer, besonderer Sinn an, wenn man bedenkt, dass es eine ähnliche prophetische Stelle aus dem Alten Testament gibt: Jesajas 53,11-12 ist von dem Knecht Gottes gesagt, dass er der Vielen Fehl auf sich lud, dass er sein Leben hingab: »Und trug doch, er, die Sünde der Vielen, für die Abtrünnigen liess es sich treffen.« Offenbar ist hier gesagt, dass ein Mensch die Sünden der andern auf sich nehmen kann, mit seinem Leiden, bis zum Tod, abträgt; dass sein Leiden die Kraft habe, jenen Leidensstand der anderen zu lösen; dass es solche Stellvertretung von Mensch zu Mensch gibt. Dieses Jesajaskapitel ist vom frühen Christentum sehr oft herangezogen worden als Weissagung, die jetzt erfüllt sei. Albert Schweitzer meint, wohl mit Recht, dass Jesus selbst unter dem Schatten dieser Weissagung gestanden habe. Nur ist zu beachten: die Jesajasstelle ist keine Weissagung, die auf einen Menschen geht, sondern auf eine Menschenart, die immer wiederkehrt und das Leidenswerk um Gottes willen tut, geheimnisvoll die Tat wirkt durch ihr Leiden. Ferner: hier ist nicht die Rede von einer einmalig entscheidend bewirkten Erlösung, vielmehr davon, dass jeweils der Mensch durch die Welt geht, der sich hergibt. Und diese Kraft der Hergabe ist der Kitt des Weltlebens; die Welt wird immer wieder erhalten und mit Gott verbunden durch diesen Menschen, durch diese Menschenart, die alles Leid einsammelt in sich selbst, um es selbst auszutragen. Jesus hat wohl dieses Jesajaskapitel nicht missverstanden. Und auch das oben angeführte Jesuswort ist wohl jesajanisch zu verstehen. Diesem Jesuswort geschieht zu wenig Recht, wenn es zu allgemein verstanden wird. Es wird unrichtig gefasst, wenn man es eng versteht; als Vorhersage des erlösenden Todes. Erst unter der jesajanischen Deutung dieses Jesuswortes wird auch das Abendmahlswort vor dem letzten Leiden, das es in dieser Fassung nur bei Lucas (22,19) gibt, richtig verstanden, das Wort, das er beim Brotbrechen spricht: »Das ist mein Leib, der für euch hergegeben wird.« Die Stelle ist kein Beweis dafür, dass Jesus darunter die stellvertretende Erlösungstat versteht, sondern sie ist wie die oben zitierte Marcusstelle 10,45 zu verstehen. Es kommt aber noch Folgendes hinzu: es ist die Lehre Jesu, die er immer wieder hinsichtlich der menschlichen Sünden ausspricht, dass es gar

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nicht solchen letzten Leidensaufgebotes bedarf, um die Vergebung, d. h. die Aufhebung der Sünden zu bewirken. »Sünde« bedeutet denn auch bei Jesus nicht dasselbe wie später, wie schon bei Paulus. »Sünde« bedeutet bei Jesus dasselbe wie im Judentum: eben die Sünden, die dieser Mensch da getan hat, nicht aber, wie später, den Sündenstand. Und diese Sünden werden nach der Lehre Jesu dem Menschen vergeben. So das Beispiel des gelähmten Mannes der zu ihm gebracht wird: Matth. 9,2 ff. Kap. (Markus 2. Kap.) »Kind, deine Sünden sind dir vergeben.« Und dann: Steh auf, nimm dein Bett und geh heim. Vergebung der Sünde ist hier Voraussetzung für die Heilung von der Krankheit, die im Zusammenhang mit der Sünde steht. Nedarim: Der Kranke steht nicht von seiner Krankheit auf, ehe man ihm all seine Sünden vergibt. Der Weg ist: zuerst Glaube, dann Vergebung, dann Heilung. Ein anderes Beispiel: Lucas 7,37 ff., die Szene mit der Sünderin, die Jesus die Füsse salbt: »Ihre vielen Sünden werden vergeben, denn sie hat viel geliebt.« Gemeint ist: der Akt der Fussalbung ist Aeusserung einer grossen Liebe. Um dieser Liebe willen, in der sie sich aus der Zerstreutheit der Sündhaftigkeit eingesammelt hat, geschieht ihr Vergebung der Sünden. So ist auch der Glaube ein Akt der Einsammlung, dem Vergebung der Sünde wird. So einfach versteht Jesus den Zusammenhang zwischen Sünde und Erlösung. III.

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Schon bei Paulus gelangen wir in eine andere Atmosphäre. Paulus hat nicht eine neue Lehre geschaffen. Er selbst sagt, ihm wäre überliefert, »dass Christus um unserer Sünden willen nach der Schrift gestorben sei.« Es gehe also um eine Weissagung des A.T., die hier erfüllt sei. Diese Weissagung aber ist hier schon deutlich missverstanden. Wenn Paulus sagt, es sei ihm überliefert, dass Jesus um der menschlichen Sünden willen gestorben sei, so ist sein Tod hier deutlich gefasst als Tat der Erlösung von der Sünde. Ferner beruft sich Paulus I Thess 1, 9 auf eine Vision Daniels, wo in Wolken vom Himmel herab eine Erscheinung kommt, anzusehen wie eines Menschen Sohn. (Daniel 7,13,14): καὶ ἀναμένειν τὸν υἱὸν αὐτοῦ ἐκ τῶν οὐρανῶν, ὃν ἤγειρεν ἐκ τῶν νεκρῶν, Ἰησοῦν τὸν ῥυόμενον ἡμᾶς ἐκ τῆς ὀργῆς τῆς ἐρχομένης. Es gibt bei Paulus den Sündenstand des Menschen. Gott zürnt den Menschen unerbittlich. Und dem gegenüber erleidet Jesus stellvertretend den Tod, um die Menschen vor diesem Zorn Gottes zu retten, von ihm loszukaufen. Kolosserbrief 2. Kap. 13 ff.: »Er hat uns erlassen (χαρισάμενος) alle Sünden und ausgestrichen unseren Schuldschein, der mit

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seinen Sätzen gegen uns zeugte, und hat sie zunichtegemacht und an das Kreuz geheftet.« Es gibt also einen Schuldschein, der wider uns ist. Er ist entstanden dadurch, dass es von Gott ein Gesetz gibt, das der Mensch nicht erfüllt hat und nicht zu erfüllen vermag. Dadurch entsteht eine Schuld und ein Schuldschein, die Jesus durch seinen Kreuzestod zunichte gemacht hat. Nun ist der Mensch von den Folgen des Verhängnisses, der Sünde, erlöst. Die letzte Folgerung aber, die gezogen wird, ist, dass die Menschen von der Ursündhaftigkeit, der Urschuld selbst erlöst werden. Wodurch? 2. Kor. 5,21: »Denn er hat den, der die Sünde nicht kannte, um unsretwillen zur Sünde gemacht, damit wir Gerechtigkeit Gottes in ihm werden.« Dadurch dass Christus also die Gestalt der Sünde, des sündigen Menschen, annahm und die Menschen sich mit ihrem ganzen Wesen – in der Taufe – an den Sündenlosen anschliessen, werden sie der Sündenlosigkeit teilhaftig. Dazu Galaterbrief 3,13: »Christus aber hat uns erlöst von dem Fluch des Gesetzes, da er ward ein Fluch für uns (denn es steht geschrieben: ›Verflucht ist jedermann, der am Holz hangt!‹)« Für Paulus existiert die Sünde eigentlich erst durch das Gesetz: dieses stellt den Sündenstand endgültig her. Ihren Abschluss erhält diese Lehre durch 2. Kor. 5,19: »Denn Gott war in Christo, indem er die Welt mit sich versöhnte …« Das heisst also: Gott und die von ihm erschaffene Welt sind zerfallen. Dadurch dass nun Gott in Christo erscheint und ist, versöhnt er die Welt mit sich. Somit gilt hier als der eigentliche Sinn der Erlösungstat: die Versöhnung zwischen Gott und Welt. Was ist das für eine Sünde, von der aus solche Erlösung nötig ist? Können wir das, was hier bei Paulus gemeint ist, noch mit dem Wort »Sünde« in unserem gewöhnlichen Sinne fassen? Denn Sünde im gewöhnlichen Sinne ist etwas, was kommt und geht; was geschieht, was getan und doch vergeben wird, und zwar die einzelne Sünde dieses Menschen in diesem Leben oder auch in diesem Sterben (denn die vollkommene Umkehr im Sterben kann noch die Sünden tilgen). Es gibt, jüdisch, nur eine Sünde, die nicht vergeben wird: Wenn nämlich ein Mensch sagen würde: »Ich werde sündigen und dann werde ich umkehren.« Nach christlich-paulinischer Lehre gibt es einen Sündenstand des Menschen, der wirklich Gott und die Welt auseinanderreisst. Es gibt eine urmenschliche Versündigung, an der wir alle teilhaben und die sich an uns allen auswirkt. Es ist die Sünde des Ursprungs vor allem empirischen Dasein des Menschen, so als ob jeder Mensch, als diese Person, sie neu beginge. Wir finden einen letzten Ausläufer dieser Lehre noch bei Kant: in seiner Auffassung, als ob die Sünde getan werde von dem »intelligiblen Charakter«, vor aller Zeit.

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Zweifellos ist die Sünde bei Paulus etwas anderes als im A.T. und in der späteren jüdischen Lehre. Wir versuchen, beide Sündenkonzeptionen einander gegenüberzustellen: 1.) Das Christentum sagt, wie bei Paulus: Weil im Ursprung gesündigt worden ist (in Adam), sündigt der Mensch für und für, kann der Mensch der Sünde nicht beikommen, sondern nur Gott kann es. 2.) Das Judentum sagt: Wie Adam gesündigt hat, also sündigen wir. Aber wie Adam auch nicht sündigen konnte, also können auch wir nichtsündigen. Es gibt die Möglichkeit, aber nicht den Zwang zu sündigen. Wir stehen in der Problematik der Sünde, aber die Ebenbildlichkeit ist dadurch nicht aufzuheben. Wir vergleichen beide Sündenkonzeptionen mit zwei Arten der Tragödie. Die christliche Konzeption rückt auf die Seite der griechischen Tragödie: es gibt da eine Schicksalsmacht, etwas Ererbtes, das als Verhängnis auf uns lastet und uns zwingt, das zu tun, was wir nicht tun wollen. Daraus gibt es keine Rettung, was immer wir von uns aus wollen. Wir sind eingespannt, müssen tun, was uns fremd ist oder müssen gar die Sünden der Vorfahren in unserem Leben ausbrechen sehen in dem Zwang, weiter uns zu verfehlen und Leid, Tod, Verhängnis zu erfahren. Das geht so weiter, bis ein Gott (griechisch: deus ex machina – christlich: deus ex gratia) kommt und erlöst, Trost zuspricht, ein Licht zeigt, das eigentlich dem Vorgang des Dramas widerspricht, das Heil dem Unheil entgegensetzt (Epiphanie am Schlusse der Tragödie). Die jüdische Konzeption rückt auf die Seite einer Tragödienart, wie sie etwa in Shakespeare vertreten ist: da gibt es nichts Verhängtes, da kann man nicht vorher sagen, was geschehen wird. Vielmehr: was jetzt sich abspielt, geschieht im äussersten Ernst, dieser Augenblick und dieses Hier hat seine ganze Entscheidungsmächtigkeit für den Menschen. Es gibt keine Rolle im Schosse der Götter. Wenn wir wagen zu glauben, dass es kein Verhängnis gibt, dann gibt es keines. Und es gibt auch keinen erlösenden Gott am Rande des Geschickes. Wie steht es mit dem Wirklichkeitscharakter der Sünde im A.T.? Zwei Stellen mögen für alle sprechen: 1.) Genesis 4. Kain ist verdrossen, weil sein Opfer von Gott nicht angenommen wird. Da sprach Gott zu Kain: »Warum entflammt es dich? warum ist dein Antlitz gefallen? Ists nicht so: meinst du Gutes, trags empor, meinst du Nicht-Gutes aber: vorm Einlass Sünde, ein Lagerer, nach dir seine Sucht, – du aber walte ihm ob.« Der Dämon also lagert vor Kains Schwelle und Kain wird von Gott angerufen, diesen Dämon – nach geschehenem Sündenfall – abzuwehren. Er

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kann es! 2.) Die zweite Stelle (die in der Regel für die Erbsünde angeführt wird) betrifft Gottes Betrachtung des Menschengeschlechts kurz vor der Sintflut: Genesis 6: »Er sah, dass gross die Bosheit des Menschen auf Erden war und alle Bildsamkeit 7 der Planungen seines Herzens bloss böse all den Tag. Da leidete IHN, dass er den Menschen gemacht hatte auf Erden, und er grämte sich in sein Herz. Und er sprach: Wegwischen will ich vom Antlitz des Ackers den Menschen, den ich schuf … Noach aber fand Gunst in SEINEN Augen.« Gewöhnlich wird diese Stelle nun so verstanden, dass der Mensch durch den Sündenfall in die Hand des Bösen gegeben sei und nur sündigen könne. Aber unmittelbar anschliessend ist ja gesagt, dass Noach Gunst in SEINEN Augen fand, weil er dieser Bosheit nicht verfallen war. Gott wählt sich in Noach ein neues Geschlecht aus. Wenn zweifellos wahr ist, dass da kein Mensch ist, der nicht sündigte (I Könige 8, 46), so ist das nicht zu verstehen von einem übermächtigen Zwang, sondern bedeutet einen Tatbestand. Die Stelle ist nicht für ein Dogma über die Erbsünde, über die Notwendigkeit der Sünde zu verwerten. Nirgends im A.T. ist gesagt, dass der Mensch in die Hand der Sünde gegeben sei, dass er sündigen müsse. Die Sündenlehre des Apostels Paulus stellt sich als Lehre vom menschlich unabwendbaren Sündenstand, der durch Adam in die Welt gekommen ist, am eindeutigsten dar im Römerbrief, 5,18 ff.: »Wie nun durch die Sünde Eines die Verdammnis über alle Menschen gekommen ist, so durch die Gerechtigkeit des Einen die Rechtfertigung des Lebens über alle Menschen. Denn gleichwie durch eines Menschen Ungehorsam die vielen (nicht »viele« wie bei Luther) Sünder geworden sind, so durch den Gehorsam des Einen die vielen zu Gerechten.« Wie ist es bisher gewesen? Es werden da bei Paulus zwei Epochen unterschieden: 1.) Die Epoche vom Sündenfall bis Moses. Hierfür gilt: »denn die Sünde war wohl in der Welt bis auf das Gesetz; aber wo kein Gesetz ist, da wird die Sünde nicht angerechnet.« Röm. 5,13.2.) Die nachmosaische Zeit. Für sie gilt: »Das Gesetz aber ist daneben eingekommen, damit die Sünde mächtiger (grösser) würde.« Röm. 5,20. Das heisst also: die ersten Menschen haben gesündigt; dadurch ist der Sündenstand in die Welt gekommen, damit sie ausbreche – und dies war Gottes Wille – musste erst das Gesetz da sein. »Wo aber die Sünde mächtig worden ist, da ist auch die Gnade viel mächtiger geworden.« Röm. 5,20. Diese Erlösung ist nun da und jeder, der sich in der Taufe an den Erlöser an7.

»Gebild« ist hier zu verstehen als das, was der Mensch in seinem Herzen bildet: die Vorstellungen, die er in sich erzeugt. Es sind die Gebilde gemeint, die aus den Planungen des menschlichen Herzens aufsteigen.

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schliesst, erfährt sie selber. Diese Situation des einzelnen Menschen drückt Paulus aus Röm. 7,14 ff.: »Denn wir wissen, dass das Gesetz geistlich ist; ich aber bin fleischlich 8 , unter die Sünde verkauft. Denn ich weiss nicht, was ich tue. Denn ich tue nicht, das ich will, sondern das ich hasse, das tue ich. So ich aber das tue, das ich nicht will, so gebe ich zu, dass das Gesetz gut sei. So tue nun ich dasselbige nicht, sondern die Sünde, die in mir wohnet. Denn ich weiss, dass in mir, das ist in meinem Fleische, wohnet nichts Gutes. Wollen habe ich wohl, aber Vollbringen das Gute finde ich nicht. Denn das Gute, das ich will, das tue ich nicht; sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich. So ich aber das tue, das ich nicht will, so tue ich dasselbige nicht, sondern die Sünde, die in mir wohnet. So finde ich in mir nun ein Gesetz, der ich will das Gute tun, dass mir das Böse anhanget. Denn ich habe Lust an Gottes Gesetz nach dem inwendigen Menschen. Ich sehe aber ein ander Gesetz in meinen Gliedern, das da widerstreitet dem Gesetz in meinem Gemüte und nimmt mich gefangen in der Sünde Gesetz, welches ist in meinen Gliedern. Ich elender Mensch! wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes? Ich danke Gott durch Jesum Christum, unsern Herrn.« Das ist Pauli klassisches Bekenntnis zu dem unbedingten Sündenstand des Menschengeschlechtes und zur Erlösung, d. h. zur erbarmenden Tat Gottes, die vom Zwang des Sündigens befreit. Wie in der griechischen Tragödie ist hier alles nach menschlichem Verstand unentwirrbar und nur der Gnadeneinbruch entwirrt es. Der innere paulinische Dualismus zwischen sündigem und erlöstem Menschen weist hin auf den Dualismus zweier Mächte: Satan (bei Johannes »Fürst dieser Welt« genannt), d. h. die Sündenmacht herrscht über die Menschenwelt. Die spätere christliche Theologie lehrt denn auch ausdrücklich, dass durch Christus die ganze Welt, die dem Satan gehört, losgekauft wird. Paulus ist nun der einzige, bei dem dieser Dämon nicht nur Herr dieser Welt ist, sondern den Namen »der Gott dieser Welt« führt, d. h. dieser ganzen Weltzeit bis ans Ende der Geschichte. Damit stünde der paulinische Dualismus beinahe am Manichäismus, schon vor Mani, wenn nicht Paulus immer wieder vom Fall des Menschen ausginge. Hier liegt die Problematik des Paulinismus: der erste Mensch, d. h. eben der Mensch hat den Bau der Schöpfung zerrüttet. Dem dämo8.

Unter »Fleisch« (sarx) versteht Paulus das, was der Mensch durch die Ursünde geworden ist: die Gesamtbeziehung des gefallenen Menschen. Fleisch ist das, was des Todes ist. Paulus verneint damit den Leib als solchen nicht (vergl. 1. Kor.), setzt den Leib (soma) nicht in Gegensatz zum Geist, wie der griechische Dualismus. Sein Dualismus ist: »Mensch im Sündenstand« – »allein durch Gottes Gnade erlöster Mensch«.

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nischen Menschen ist damit eine Macht über die Tat und Intention Gottes zugeschrieben, die ungeheuer ist. Sie ist so gross, dass die Sünde zum »Gott dieser Welt« geworden ist. Der Urmensch ist somit zu einem Wesen von satanischer Grösse, zu einer Widermacht Gottes aufgesteigert. Im paulinischen »Fleisch« (sarx) lebt etwas vom Begriff des jüdischen jezer hora, der wuchernden Einbildsamkeit des Bösen (wovon noch zu sprechen sein wird). Nur ist bei Paulus nicht, wie in der talmudischen Lehre, der jezer hora von Gott mitgeschaffen, sondern er fasst diesen Begriff der wuchernden Einbildsamkeit des Bösen als die Folge menschlichen Tuns: als etwas das erst entstanden ist durch die Tat Adams (nämlich als concupiscentia). Paulus bestreitet, dass Gott der Urheber dieses Antriebs sei. Jüdische Lehre ist es, dass Gott in den Menschen diese innere Spannung hinein schafft, gerade um des inneren Sinnes des Ethos willen. Das Ethos wird bestimmt durch die Entscheidung des Menschen, sein wirklicher Weg dadurch, dass ihm die wirkliche Entscheidung von Gott zugeteilt ist. Das bedeutet der jezer hora. Die paulinische Konzeption aber gestaltet sich zur Erbsünde. Die Juden kennen diese nicht, sie kennen nur eine Erbschuld, an der wir teilnehmen. Aber durch sie werden wir nicht in den Sündenstand geworfen, sodass wir sündigen müssen. Die fertige, reife Form der Erbsündenlehre ist dann durch Augustinus geschaffen worden (der darin Paulus, Röm. Kap. 5,12, interpretieren will). Er erklärt die Sünde als unsern Stand, in dem jeder geboren wird. Was steht in der talmudischen Glaubenswelt dem gegenüber? Wir beginnen mit der reifsten Gestaltung: der Lehre vom jezer hora. Jezer hora ist das, was in der Seele als Gebild aufsteigt; die wuchernde Phantasiewelt. Jezer hora hat noch einen zweiten Sinn: als Beschaffenheit des Menschen, von Gott gebildet (103. Psalm). In der talmudischen Begriffswelt herrscht die erste Vorstellung. Es gibt zwei solcher Einbildsamkeiten: 1.) das Gebild, die Bildsamkeit des Bösen, 2.) die gute Einbildung. Nun ist es talmudische Lehre, dass Gott den Menschen als ein Wesen bildete, das beide Einbildsamkeiten umschliesst. Gott spricht einmal zu Israel: Meine Kinder, ich habe den jezer hora geschaffen, aber ich habe die Thora als Mittel gegen die Sünde geschaffen (die Thora, die den Menschen zu dem bildet, dass er aus dem jezer hora, aus der Leidenschaft, das Rechte macht. D. h. das Rechte kann man nur aus dem jezer hora, der Leidenschaft, der Bildsamkeit machen.) Die Thora »bildet« den Menschen zum zweiten Mal. Hier hat also die Thora den entgegengesetzten Sinn wie bei Paulus das Gesetz. Ohne jezer hora, ohne die Leidenschaft, ohne die Mächtigkeit der Seele könnte nichts entstehen. Es

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kommt nur darauf an, dass dieser Leidenschaft die Richtung auf Gottes Intention hin gegeben wird. Der Mensch hat diese dynamische Gnade, dass er gerade aus der Leidenschaft das Rechte macht eben verkehrt, indem er die Leidenschaft richtungslos sich auswirken lässt. 5. Mos. 6,5: »So liebe denn IHN deinen Gott mit all deinem Herzen, mit all deiner Seele, mit all deiner Macht.« Dieses »mit all deinem Herzen« geht auf beide Einbildsamkeiten, auf beide Triebe: nämlich dass sie geeint werden wie Kraft und Richtung. Psalm 86,11: »Eine mein Herz« besagt dasselbe. Gott soll helfen, der Mensch aber muss anfangen. Der Midrasch gibt ein Gleichnis von einem Mann der zwei Kühe hat, eine zum Pflügen bestimmt, die andere nicht zum Pflügen bestimmt. Er legt das Joch auf beide, damit die nicht zum Pflügen bestimmte Kuh pflügen lerne. Hier also, im talmudischen Judentum, sind Gut und Böse nicht polar entgegengesetzte Mächte, wie zwei Arme eines Wegweisers nach entgegengesetzter Richtung weisend, sondern beide sind schlechthin verschieden, aber zur Einung bestimmt. V.

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Wir fassen noch einmal zusammen: die jüdische Vorstellung von Gut und Böse ist nach Art, Struktur, Dynamik etwas von der christlichen, insbesondere paulinischen Vorstellung vollkommen Verschiedenes. Beides sind nicht wie hier polare, aber gleichartige Gegensätze, sondern das Gute ist wie eine ausgestreckte Hand, mit Spannung geladen, die Bewegung aber in diese ausschliessliche Richtung gesammelt. Auf der anderen Seite jedoch ist nichts derartiges, was so beständig, so konzentriert ist, keine Gegenmacht wie das Böse im christlichen Sinne. Sondern da ist ein Kessel voll einer in sich verschlungenen Bewegung, ein »den Weg nicht gewinnen«, ein »immer wieder sich in sich verlieren«. Wohl ist hier auch eine Zweiheit, aber diese ist nur zu fassen, wenn man dazu nimmt, dass jenes Erste, jenes Eindeutige, Gerichtete, seine ganze Substanz nimmt aus diesem Zweiten, aus diesem Kreisenden, aus dem, was sich jener pfeilhaften Spannung ergibt: nämlich als die Leidenschaft, als die Einbildsamkeit dessen, was im Stande des Beharrens in der Richtungslosigkeit das »Böse« genannt wird. Man muss also wissen, dass das Gute auf das »Böse« in diesem Sinne angewiesen ist. Ferner ist bedeutsam: die eine Richtung – die Richtung, zu der man sich unbedingt entscheidet, wenn man sich entscheidet – besagt: dass diese eine Richtung nicht als das Gute, sondern nur mit Gott bezeichnet werden kann. Die Kraft, die in dieser Richtung eingestellt ist, – das ist das Gute.

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Die Anfangsworte der Genesis »Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde« werden im Talmud einmal gedeutet: »Um des Anfangens willen, um dieses anfangenden Menschen willen hat Gott Himmel und Erde geschaffen.« Im Talmud wird erzählt, dass ein Kind im Mutterleib allwissend ist, im Allwissen ruht. Bei seiner Geburt verlässt es das Allwissen. Aber der Engel spricht zum Kind: Sei ein »Bewährter«, ein Zaddik, (Gerechter, Bewährter) sei nicht ein Schuldiger, aber wenn die ganze Welt sagt, du seist ein Zaddik, sei in deinen Augen wie ein Rascha. Es ist also dem Menschen möglich, die Seele in ihrer Reinheit zu bewahren. Das heisst, dass der Mensch je und je und immer wieder das Seinige dazu tun kann, um sich zu bewahren: seine Tat in allem Ernst, die nur bestimmt werden kann durch das »soviel ich vermag«: dies ist das Mass. Hat der Mensch getan, soviel er in dieser Stunde vermochte, dann hat er das Rechte getan, dann ist er gut. D. h. er hat die Richtung eingeschlagen und immer wieder eingeschlagen. Das ist, jüdisch gesehen, sein Menschenteil und Menschenheil, dass er die Richtung verlieren und immer wieder neu gewinnen kann und dadurch am Geheimnis der Entscheidung teilnimmt. Es gibt in der Wirklichkeit des Menschen, so ist es jüdischer Glaube, keine Erbsünde, keine Absolutheit des Sündenstandes. Sondern wir sind in dem zitternden Stande des Sündigens und des uns Gewinnens, des richtungslosen Kreisens und des ausgerichteten Handelns, und dies macht unsere menschliche Essenz aus. Dasselbe meint ein talmudisches Wort zu V. Moses, 28: »gesegnet du bei deiner Ankunft, gesegnet du bei deiner Ausfahrt!« Diese Deutung sagt: diese deine Ausfahrt aus der Welt sei wie deine Ankunft in der Welt ohne Sünde. D. h. es gibt eine Vollendung dieses ringenden Lebens im Augenblick eines rechtmässigen Sterbens. Wenn wir von dieser Lehre aus jene biblischen Sprüche ansehen, die für die Lehre von der Erbsünde verwendet worden sind, so sehen wir, dass in Wirklichkeit nicht jene Erbsündenlehre, sondern diese jüdische Lehre gemeint ist. So das schon angeführte Wort Gottes vor der Sintflut. Vergl. I. Moses, 6. Diese Stelle bedeutet: Gott sieht Menschen, die aus ihren menschlichen Möglichkeiten den ihnen gegebenen Weg nicht herausgeholt haben. Aber zugleich wird dort auch der Mensch gefunden, der die Ganzheit jeweils aus der Zweiheit der Jezerim verwirklicht hat: Noah. Wir kehren zu Paulus und jener Stelle aus dem Römerbrief (7,14 ff.) zurück: Paulus weiss um die Lehre von dem Jezer hora, von der Leidenschaft. Der Jezer hora ist aber für Paulus die Folge eines Sündenfalles und beherrscht den Menschen. Nach der jüdischen Tradition aber ist dem nicht so, sondern hinsichtlich unseres Zugangs zu Gott sind wir immer

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in der Adamssituation, stehen wir immer neu in der Entscheidung und trotz des Sündigens beginnt die Welt immer wieder neu. Dessen zum Zeichen werden Kinder neu geboren. Dies ist kein Gegensatz zur Lehre von der Erbschuld: an der Erbschuld haben wir wirklich teil, aber nicht an einer Erbsünde. Die Sünde ist unsere Handlung und nicht unsere Verfassung. Wir führen eine Psalmenstelle (51,7) an: »Wohl in der Verfehlung bin ich hervorgebracht worden und in der Sünde hat mich meine Mutter empfangen.« Diese Worte werden so gedeutet, als ob der Mensch in den Sündenstand hineingeboren werde. Aber derselbe Psalm sagt: »Mit Hysop mach mich sündenrein … Schaff mir, o Gott, ein reines Herz und einen rechten Geist erzeug in mir! … Gib mir zurück die Wonne Deines Heiles! Erquicke mich mit einem frohgemuten Geist, dass ich die Abtrünnigen Deine Wege lehre und die Sündigen umkehren zu Dir!« Das heisst: dieser Beter glaubt, dass es nicht mit seinem Beginnen allein getan sei, sondern dass die Gnade sein Beginnen vollende; er glaubt aber daran, dass die Sünde in diesem personhaften Menschen überwunden werden kann, dass es je und je Erlösung gibt, die den Menschen von der Sünde löst. Von da aus gesehen, kann der Psalmvers 51,7 nicht für die Geburt des Menschen im Sündenstand angeführt werden. Sondern er besagt ganz schlicht nur: wir sind von sündigen Menschen geboren und als solche beten wir zu Gott. Es gibt nun zwar die talmudische Vorstellung einer Befleckung der Menschheit und diese scheint sich der Erbsündenauffassung zu nähern. Diese Befleckung legt sich wohl nach talmudischer Auffassung auf die Generationen, wird aber jedesmal – nach der einen Auffassung früher, nach der anderen später (z. B. von Abraham ab) – überwunden. Entscheidend ist auch hier, dass es die Sünde als ein Verhängnis nicht gibt, dass es auch hier die die Sünde faktisch überwindende Menschheit gibt, unbeschadet des Anteils der Gnade. VI. Mir sind nun im Anschluss an meine Darlegungen zwei Fragen gestellt worden. Die erste Frage lautet: wird damit eine gerechte Darstellung der christlichen Sündenlehre gegeben, wenn von der Sünde als Dämonie, von einer Macht des Bösen, die Gott gegenüberstehe, gesprochen wird? Dass dem so ist, dass die Sünde wirklich als dämonische, widergöttliche Macht, die eine wirkliche Herrschaft ausübt, aufgefasst wird, ergibt sich aus jener Konzeption, die die Erlösung durch Christi Tod als einen Loskauf, als Lösegeld auffasst. Von dem Kirchenvater Irenäus bis zu Anselm

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herrscht die Vorstellung, dass es Satan ist, dem dieses Lösegeld gezahlt wird, dass es die Macht des Bösen gibt, die Anspruch auf den Menschen hat, und dass der sündenfreie Gottessohn den Menschen von diesem Anspruch loskauft. Es werden von hier aus eine ganze Anzahl Anschauungen darüber entwickelt, wodurch diese Tat des sündenfreien Gottessohnes ein Loskauf ist. Immer wird dabei vorausgesetzt, dass es eine »Verbriefung« als Anspruch des Satans gibt. Auch in den Vorformen der Reformation und dann in der Reformation selber ist mit einem unheimlichen Ernst diese widergöttliche, Gott gegenüberstehende Macht und ihr Anspruch, der in der Erlösung als Loskauf überwunden wird, vorausgesetzt. Was bezeichnet aber »Satan« im Judentum? Wir sahen: der Jezer, als Einbildsamkeit zum Bösen, ist ein Geschöpf Gottes, steht in Gottes Macht und Anspruch. Es gibt in der Bibel keine widergöttliche Macht, es gibt ein »Gott-Gegenüberstehen« nur je und je zwischen Gott und den Menschen. Auch die Schlange, die Gott widersteht, ist Kreatur, ist Urbild des menschlichen Widerstehens, in der Flüchtigkeit handelnder sterblicher Wesen; sie ist nicht »Macht«. Um zu verstehen, was gemeint ist, wenn von Satan im A.T. die Rede ist, holen wir etwas aus: Wir erwähnten einmal früher, dass »Engel« im A.T. nicht ein Wesen ist, das Gestalt, Existenz und einen Namen für sich hat, sondern nichts anderes bedeutet, als dass von Gott aus eingegriffen wird ins Geschehen. Jedesmal wenn Gott in der Geschichte der Welt »arbeitet«, dann erscheint das göttliche Wirken in Gestalt eines Boten (Malach), der dieses Geschehen vollzieht. D. h. es ist keine Scheidung zwischen der Existenz Gottes und der Existenz dieses Boten. Ebenso erscheint im Satan Gott als das »Hindernis«, das dem Menschen in den Weg geschickt wird, damit er es überwindet: als der »Versucher«, die Versuchung. In der hebräischen Bibel jedenfalls gibt es nur Boten von rechts und Boten von links; und Gott führt die Menschen durch diese Boten nicht bloss einfach, fördernd, helfend, sondern auch hindernd, versuchend, zum Kampf nötigend. Hier also gibt es keine Dämonie, von der der Loskauf durch eine einmalige unbedingte Erlösung nötig wäre. Es ist nun als zweite Frage erhoben worden, ob denn im Christentum selbst nicht auch Tendenzen vorhanden sind, die der jüdischen Konzeption nahe stehen. Darauf ist mit Ja zu antworten. Die bekannteste derartige Richtung ist der sogenannte Pelagianismus, d. h. eine Auffassung, dass der Mensch im Letzten, im Entscheidenden nicht belastet, also hinsichtlich seines Zugangs zu Gott nicht eingeschränkt sei durch einen Urabfall, durch die Erbsünde. Diese Auffassung entspricht der jüdischen. Es gibt überhaupt je und je im Christentum selbst einen Auf-

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bruch, der auf Israel, auf das A.T. zu spricht, so z. B. auch in der Frage des Messianismus. Eine Einschränkung ist jedoch gegen den Pelagianismus zu machen: er tritt auf als dogmatische Setzung, die gegen andere dogmatische Setzungen kämpft. Das macht seine Abstraktheit aus, seine Neigung zu einer flachen optimistischen Auffassung. Vor dieser flach optimistischen Anschauung des Pelagianismus ist das Judentum geschützt: durch die Konkretheit seiner Lehre, durch deren Eingesprengtheit ins gelebte Leben. Der Zusammenhang der Lehre mit der ganzen Kenntnis um die eigene Wirklichkeit schützt davor, dass eine Teilerfahrung zum Absoluten wird. Die Wirklichkeit, die dieser Mensch erfährt, heisst nicht »Entweder-Oder«, sie ist nicht dogmatisch-logisch, nicht dem Satz des Widerspruchs unterworfen. Sondern: die Belastung und das Loskommen von der Last sind in Einem; eben diese Stunde kann uns von Einem zum Andern führen. Es gilt hier nicht die Logik, und also gibt es keine Theo-logie: weder Gott noch Ich in der Verbundenheit mit Gott sind Inhalt einer solchen. Es ist immer gemeint: dieser in konkreten Widersprüchen lebende Mensch, der als solcher mit Gott verbunden ist. Der Mensch sündigt, ist Sünder, aber er ist nicht im Sündenstand. Der jüdische Mensch weiss, dass es das Loskommen von der Sünde gerade für ihn gibt: in der Tatsächlichkeit seines gelebten Lebens, in der Schwebeexistenz, im »Augenblick« in »Furcht und Zittern«. Daher ist es von hier aus gerechtfertigt, wenn je und je von der Möglichkeit der Sündenfreiheit von Menschen gesprochen wird. D. h. man darf auch aus der Sünde keinen Götzen, Widergott, Teufel machen. Sünde ist eben das »Hindernis«, das Gott einem schickt, damit man es überwindet. Damit ist nicht gesagt, dass der Mensch nicht sündige; vielmehr ist gesagt, dass Gott den Menschen auf seinen Weg aussende durch die Versuchung. Wir haben auf der einen Seite die frühchristlich-paulinische Lehre vom Verhangensein des Menschen mit dem Gesetz, das er nicht anerkennt. Es gibt also hier einen menschlichen Dualismus, den der Mensch aus eigener Kraft auch nicht zu besiegen anfangen kann, sondern nur durch Anschluss an das Göttliche in der Gestalt Christi. Auf der anderen Seite haben wir die talmudische Lehre von den beiden Jezerim, von den zwei Einbildsamkeiten: der Einbildsamkeit zum Bösen, aus der wir das Gute zu machen haben durch die Richtung (Einbildsamkeit zum Guten).

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VII. Wir gehen nun zurück auf die beiden letzten vorchristlichen Jahrhunderte und von hier über die Anfänge des Christentums in die jüdisch-apokalyptische Literatur, in der die jüdische und die christliche Lehre miteinander streiten. Zunächst zum Buch Jesus Sirach, einem der apokryphen Bücher. Darin ist der Fall des ersten Menschen ernst genommen. Was die Bibel davon sagt, davon wird ernsthaft ausgegangen. In einem anderen apokryphen Buch, im Henochbuch, wird. z. B. nicht vom Fall des Menschen, sondern vom Fall der Elohim, der Göttersöhne ausgegangen, die sich mit Menschentöchtern gatteten. Jesus Sirach 25,24 heisst es bei Luther: »Die Sünde kommt her von einem Weibe, und um ihretwillen müssen wir alle sterben.« Nach der hebräischen Ueberlieferung ist aber zu übersetzen: »Von dem Weibe ist im Anfange die Sünde ausgegangen …« Dazu Jesus Sirach 15,14: »Er (Gott) schuf von Anfang an den Menschen und gab ihm die Wahl« (Buber übersetzt aus dem Hebräischen: »und er gab ihn in die Hand dessen, der ihn räuberisch packt«, d. h. in die Hand des Jezer, des Wirbels von Neigungen.) Es heisst dann weiter: »Wenn du willst, bewahrst du das Gebot, und du unterscheidest, Seinen, Gottes, Willen zu tun.« D. h. der Mensch ist in die Hand des Jezer gegeben und zwar von Gott, damit er, wenn er wolle, vermöge, Gottes Willen wirklich zu tun. Hier ist die Voraussetzung der späteren talmudischen Lehre eindeutig gegeben. Das letzte Jahrhundert vor der Entstehung des Christentums und das erste nachchristliche Jahrhundert ist eine Zeit, in der die Welt – nicht der Antike – sondern der vorderasiatischen Kulturen und späten Religionen zerfällt: der vorderasiatischen Grenzwelt und was in ihr von der ägyptischen und babylonischen Kultur und iranischen Religion übriggeblieben war. Davon gelangten seltsame Keime hinüber in die Welt des Christentums, wo sie auf jüdischem Boden neu gediehen. So trat auf jüdischem Boden die Lehre von der dämonischen Gewalt auf, die uns durch die Sünde beherrsche. Was in die jüdische Welt da hineingestürzt ist und sie in Frage stellt, ist nicht die griechisch-philosophische Lehre von der Zweiheit von Geist und Stoff, sondern die iranische Lehre von den zwei Mächten Licht und Finsternis, die gegeneinander kämpfen und in deren Mitte der Mensch steht, der sich zu entscheiden hat. Dieser religiöse Dualismus der iranischen Lehre – wir nennen diesen Dualismus religiös, weil die eigentliche Scheidung durch die Menschenseele geht:

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die Seele ist der Schauplatz selbst des Kampfes zwischen den zwei Mächten – ist es, der den Boden angreift, auf dem der Glaube an den Einen Gott gewachsen ist, an den einen Gott, der Licht und Finsternis geschaffen hat. Von diesem Angriff aus ist das werdende Christentum zu verstehen. Dieser Kampf sagt sich schon vorchristlich an. Zunächst als Abwehr bei den nachexilischen Propheten. Dieser Kampf sagt sich aber so an, dass in denselben Menschen und Schriften beides gegeneinandersteht, ohne dass dieser Kampf seinen Austrag findet: so in den apokalyptischen Schriften des Judentums (von denen die Johannesapokalypse nur die christliche Umarbeitung einer solchen ist). Wie unterscheidet sich diese apokalyptische von der prophetischen Haltung? Prophet bedeutet: ein Mensch mit einem bestimmten Ruf auf eine bestimmte Situation hin redet zu einem bestimmten Kreis so, dass er sie auf die Entscheidung hin, die sie zu fällen haben, anredet: wenn ihr jetzt umkehret, so kehrt sich etwas in der Geschichte um. Diesen Glauben an die Zukunft im Zusammenhang mit der menschlichen Entscheidung: von da aus sprechen die Propheten. Sie nehmen den Augenblick ganz ernst. Anders die Apokalyptiker: sie enthüllen. D. h. es steht für sie etwas Zukünftiges unabänderlich fest, was sich abwickelt: nämlich der innere Zerfall, die Zersetzung – dies ist notwendigerweise das, was feststeht. Dieses Verfallensein, dieses Hingegebensein des Menschen in die Macht des Uebels und damit auch der inneren Sünde – durchsetzt mit iranischer Zweiheitslehre – findet sich nirgends eindeutig in diesen jüdischen apokalyptischen Schriften, sondern kämpft mit dem prophetischen Funken, obwohl ihn die Apokalyptiker nicht mehr wahrhaben wollen. Aber sie können doch die Sünde nicht als Dämonie, als schlechthin widergöttliche Macht auffassen, sondern nur die Linie der Sünde aus dem Sündenfall des ersten Menschen festhalten. So sagt in der »Apokalypse des Mose« Vers 32 Eva: »Alle Sünde ist durch mich in der Schöpfung entstanden.« Das ist kein Zeugnis für eine Lehre vom Sündenstand, vom Sündenzwang. Aus dem ersten nachchristlichen Jahrhundert gibt es die »Syrische Baruch-Apokalypse«. Hier wird das Licht der Thora als das wirkliche Gotteslicht aufgefasst, aber nur wenige nehmen es an. Von Adam heisst es nun (Kap. 54,15): »Wenn auch Adam zuerst gesündigt hat und über alle den vorzeitigen Tod gebracht, so zog doch auch von den Kindern ein jedes die künftige Pein sich zu; es wählte jedes einzelne davon die künftige Herrlichkeit sich aus.« Also man steht gleichsam unter der Wolke Adams, aber mit der Möglichkeit der Entscheidung. Es geht nun weiter: (54,19) »So trägt denn Adam einzig und

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allein nur für sich selbst die Schuld; ein jeder aber von uns wurde für sich selbst der Adam.« Es heisst dann 56,6: »Als nämlich Adam übertreten hatte, da entstand plötzlich der Tod … geschah Kinderzeugung und wurde Elternbrunst geschaffen; der Menschheit Hoheit ward erniedrigt; die Güte welkte hin.« Alle diese Stellen besagen, dass die Folgen der Ursünde sehr ernst genommen wurden, aber nur als Strafe, als Minderung, nicht als Verhängnis, als Unmöglichkeit, sich zu Gott hin zu entscheiden: die folgenden Kapitel der Baruch-Apokalypse sprechen immer wieder von sündigen und gerechten Zeiten und Geschlechtern (57,2; 59,2; 61,7 usw.) Esdra-Apokalypse (sog. IV. Buch Esdra) 1,20: »Doch nahmst du nicht das böse Herz von ihnen, dass dein Gesetz in ihnen Früchte trüge. Ein böses Herz trug schon der erste Adam in sich, kam so in Schuld und ward besiegt, desgleichen alle, die ihm entstammen. So ward die Krankheit dauernd; es war zwar in des Volkes Herzen das Gesetz, jedoch zusammen mit dem schlimmen Keim.« Diese Auffassung kommt der paulinischen Konzeption sehr nahe und tut doch den eigentlichen Schritt nicht. Gott wird angeklagt, dass er das böse Herz vom Menschen nicht weggenommen hat; das Gesetz hilft darüber nicht hinweg, weil das böse Herz es nicht annimmt. Aber der Schritt wird nicht getan, dass dies unbezwinglich sei: wir sind gehemmt, krank, dem Tode nahe, aber nicht unheilbar. Es gibt die Sünde, die wieder Sünde erzeugt, aber auch darin liegt kein Verhängnis: es ist dem Verhängnis nur ganz nahe. Dieser selbe Mensch empfängt im 5. Kapitel, Vers 127 ff., vom Engel die Antwort: »Dies ist der Sinn des Kampfes, den jeder kämpfen muss, der als ein Mensch auf Erden wird geboren: dass wenn er unterliegt, er leidet was du gesagt hast, doch wenn er siegt, er empfangen wird, was ich dir verkünde. Denn dies ist der Weg, von dem schon Mose seinem Volk gesagt hat: Erwähle dir das Leben, auf dass du Leben habest!« Also: trotzdem wir so hingeworfen sind in das Uebel, gibt es noch ein Siegenkönnen im Kampf, wenn der Kampf wirklich gekämpft wird. Was bedeutet von da aus die paulinische Lehre, die Entstehung des Christentums? Geht hier der Schritt der Verzweiflung nur etwas weiter? Nein. Dass Paulus es in sich selber wagt, den Schritt zu tun auf die altpersische Zweiheit, auf den Satan zu, der der Gott dieser Welt ist, somit auf die Preisgegebenheit an die Sünde zu, die man tun muss, das geschieht von einem anderen Standort als dem jüdischen oder jüdischapokalyptischen aus! Wenn der Hirt des Hermas (2. nachchristl. Jahrh.) die Lehre von den zwei Begierden entwickelt, wonach die eine Begierde »Tochter des Teufels« genannt wird (was jüdisch unmöglich ist!), so ist der Teufel hier das Gegenüber von Gott und nicht mehr sein verkleideter Diener. Er hat eine Verbriefung und steht mit ihr der Macht Gottes ge-

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genüber. Dieser Schritt geschieht nicht mehr von der Verzweiflung aus, sondern von da aus, von wo Paulus redet: vom Glauben an die gekommene Erlösung aus. Erst von da aus formuliert Paulus die Verzweiflung radikal. Vom Standort der Erlösung aus, als der der Macht des Satans Enthobene, wagt er es, den letzten Schritt zu tun und Satan und das Böse zu dämonisieren. Das Judentum nun glaubt wohl an den Einfluss der Ursünde. Es geht so weit, zu sagen: Dem ersten Menschen war das Urlicht erschlossen, das Licht des ersten Schöpfungstages vor der Sonne und den Sternen. Diese Erschliessung des Urlichtes ist dem Menschen genommen worden, als er sündigte; der Gnadenerguss von oben sei damit gehemmt worden. Aber niemals verdichtet sich diese Lehre zur Vernichtung des Augenblicks, der Echtheit, Zuverlässigkeit des geschehenden Geschehens. Wie schlimm es auch stehen mag: entscheidet sich das Wirkliche, so geschieht, was geschieht, in der Wirklichkeit seines Wirkens in die Zukunft hinein. Dieser Kern des jüdischen Glaubens ist in eindeutiger Weise in der klassischen talmudischen Lehre gegen die iranische, gnostische und christliche Lehre herausgearbeitet worden. Die Sünde ist hier ein Wirbel. Wer »umkehrt«, d. h. aus dem Wirbel, aus der Weglosigkeit heraus die Richtung, den Weg findet, der steht in der Richtung Gottes: der geht den Weg, den Gott selber vorangeht, den Weg, auf dem man in die Fusstapfen Gottes tritt. Dass es diese Nachfolge Gottes wirklich gibt (»auf den Wegen Gottes zu gehen«), das ist die jüdische Position. Gott fragt den Moses: »Was ist mein Handwerk?« Moses antwortet: »Du bist barmherzig und gnädig.« Anmerkung: Es ist mir nun der Einwand entgegengehalten worden, ob es ganz auf den Menschen ankomme. Ob es nicht solche Zustände des Menschen gäbe, wo er wirklich so verloren oder so besessen sei, dass ihm das Anfangen nicht zugemutet werden könne. Ob es dann nicht Sache des anderen Menschen sei zu helfen, anstatt vom Ohnmächtigen zu fordern, dass er von sich aus »umkehre«. – Es ist hier nötig, deutlich zu sagen, in welchem Bereich sich überhaupt alle die Lehre bewegt, die hier vorgetragen wurde. Zunächst nicht im Bereich der Deskription der Welt, der geistigen oder äusseren; und nicht im Bereich einer Weltverlängerung in irgendeine Gotteswelt hinein. Es sind also keine Aussagen über ein Sein. Wenn mich jemand fragte: »Glauben Sie an Gott?« und wenn an Gott glauben hier hiesse, irgendetwas von ihm in der dritten Person aussagen, so würde ich auf jene Frage antworten: »Nein«. Es ist eine Irreleitung der Menschen, dass sie in der Kindheit Sätze der Art lernen:

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»Gott tut das und das. Gott ist das und das.« – nämlich Sätze, die unter dem Satz vom Widerspruch stehen. Gott steht aber nicht unter dem Satz vom Widerspruch. Damit ist gesagt: In der jüdischen Glaubenslehre ist niemals etwas so gesagt, dass es als Stück einer Weltanschauung, als eine allgemeingültige Aussage herauszulösen ist, die unabhängig von einer ganz bestimmten Situation ist, wo sich etwas ereignet hat. Im Ereignis liegt die Wahrheit. So ist alles zu verstehen, was hier von Sünde und Vergebung, Umkehr und Erlösung gesagt wurde. Man kann daraus einen allgemeinen Satz prägen: es verhält sich so und so, nämlich mit den anderen. Die Wahrheit ist aber hier nur zu sagen, wo ich Gott gegenüber mich zu entscheiden habe: da wird es jedem Menschen Wahrheit und nur da ist sie anzuwenden. Die Wahrheit ist also nicht anzuwenden auf irgendeinen anderen Menschen, der mir doch in seinem Vor-Gott-Stehen undurchdringliches Geheimnis ist. Wo ich einem anderen Menschen lebensmässig begegne, der preisgegeben ist, da kann ich natürlich nicht mir zurechtmachen, dass dieser Verlorene, dieser seine Verlassenheit Erfahrende, nun von sich auszugehen habe, d. h. dass ich nun also ihn verlasse. Meine Wahrheit ist vielmehr, dass es nun auf mich ankommt. Und wenn ich nun gar nicht fordere, sondern für ihn einstehe, dann ist das letztlich das, was gemeint ist, wenn vom Malach, vom Boten Gottes, gesprochen wird, der auch ein gewöhnlicher Mensch sein kann. Und er, der Bote, weiss zunächst nichts anderes, als dass er vor dieser Not vor dieser Besessenheit angerufen ist, zu helfen. Es ist nicht unsere Sache, zu erfahren, aus welcher Finsternis etwa dieser Mensch auf Gott zu den ersten Schritt getan hat. Jeder erfährt, wenn er Gnade erfährt, seine Gnade. Aber es ist erlaubt von allem dem zu reden, wenn man im Ernst sich meint.

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VIII. Die »Umkehr« wird jüdisch als etwas Weltweites gefasst, als etwas, was die Entfernung von Gott überwinden kann. »Kehre um, Israel, bis zu IHM, deinem Gott.« Damit ist gemeint: Gross ist die Kraft der Umkehr, die reicht nicht bloss bis zum 7. Himmel, sondern bis zum Thron der Herrlichkeit. Dasselbe sagt ein anderes talmudisches Wort: »An dem Ort, wo die Umkehrenden stehen, vermögen die Vollkommenen nicht zu stehen« wie Jes 57: Friede, Friede den Fernen und den Nahen, erst den Fernen, dann erst den Nahen. Diese Umkehr wird als etwas verstanden, was Gott im Urplan der Schöpfung konzipiert hat, damit die Welt den Weg zu ihm nicht verliere. Aber das ist nun nicht so zu verstehen, als ob die Um-

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kehr etwas schlechthin Bereitliegendes sei. Wie sie oft nur vom äussersten Rande des Lebens her geschehen kann, darauf deutet jene merkwürdige Geschichte hin, die vom talmudischen Erzketzer Acher (Elischa ben Abuja) handelt. Von ihm wird erzählt, er habe eine himmlische Stimme vernommen, die gesagt habe: »Kehret um, abgekehrte Söhne, bis auf Acher!« D. h. vom Himmel her wird ihm kundgetan, seine Umkehr würde nicht angenommen. Darauf löste er die letzten Bande, die ihn an Gesetz und Gemeinschaft hefteten und sagte der Wahrheit ab. Nun hat ein chassidischer Rabbi einen eigentümlichen Satz hierauf angewandt, der besagt: »Was der Hausherr dir sagt, das tue, nur wenn er dir sagt: Geh, das tu nicht, d. h. in allem sollen wir Gott botmässig sein, – nur dann nicht, wenn er uns bescheidet, uns von ihm zu entfernen. Denn wir wissen: Der Verstossene ist von ihm nicht verstossen.« Gott hat Acher, indem er ihn abwies, einen besonders harten Weg zur Umkehr aber doch den einzigen Weg zur Aufnahme angeboten. Nun gilt, dass die eigentliche Handlung eine Handlung Gottes ist. Gott spricht: »Ich sprenge reines Wasser auf euch; dass ihr rein werdet von all euren Bemaklungen, reinige ich euch. Ich gebe euch ein neues Herz, einen neuen Geist gebe ich euch in das Innere.« Zugehen des Menschen auf Gott, ist Zugehen Gottes auf den Menschen. Rabbi Akiba drückt es also aus: »Glückselig ihr, Israel! Vor wem reinigt ihr euch (d. h. in wem) und wer ist es, der euch reinigt? Euer Vater im Himmel. Wie geschrieben steht: ich sprenge reines Wasser auf euch, dass ihr rein werdet.« 3. Buch Moses 16,30 »Denn an diesem Tag wird über euch bedeckt, euch zu reinigen: von all euren Sünden vor IHM werdet ihr rein.«. Es geht in all diesen Worten darum, Gott als das eigentliche Subjekt der reinigenden Handlung zu erweisen. Dem entspricht ein Wort der Gemara: »Wer sich zu reinigen kommt, dem steht man von oben bei.« Ein Wort der Mischna: »Tuet Umkehr und ich entschulde euch, spreche euch frei und schaffe euch zu einer neuen Schöpfung, wie es geschrieben steht: Und Gott machte das Himmelsgewölbe.« Also nicht so, als ob der Mensch etwas Bestimmtes zu tun hätte, auch nicht so, als ob der Mensch auf die Gnade zu warten hätte. Sondern: die Wahrheit ist die Gnade; das was den Menschen angeht, ist das, was er zu tun hat. Das eine ist die Seite des Menschen, das andere ist die Seite Gottes. Beide stehen nicht im Verhältnis von Ursache und Wirkung. »Erfülle mit all deinem Herzen und all deiner Seele, meine Wege zu erkennen und an den Pforten meiner Thora (Weisung) zu warten … und ich werde bei dir sein an jedem Ort.« Also ergeht der Anruf an den Menschen, das zu erfüllen, was an ihm ist. D. h. es hängt alles so miteinander zusammen, wie eben göttliche Verheissung und menschliche Tat aneinander hän-

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gen. Wo immer ein Mensch mit ganzem Herzen und von ganzer Seele auf den Weg Gottes umkehrend zu Ihm sich wendet, wo immer Gottes erlösende Tat solchem Umkehrenden entgegenkommt, da geschieht Erlösung. Also nicht so, dass der Mensch im Sündenstand stünde, der ihn zwingt zu sündigen, und dass nun dieser Sündenstand an einem Punkt der Geschichte überwunden worden wäre durch einen Eingriff Gottes, der den Menschen loskauft. Sondern: Die Sünde ist etwas, was der Mensch je und je tut und woraus er umkehren kann. So ist die Erlösung nicht das Einmalige des Geschehens, nicht die Zäsur in der Geschichte der Welt. Sondern die wirkliche Erlösung ist allmalig, überall, wo der Mensch umkehrt und Gott sich dieses seines Geschöpfes annimmt und es segnet. Durch solche allmalige Erlösung leben wir, erhält sich die Welt. Wenn gegenüber der christlichen Konzeption einer Erlösung als eines schlechthin Einmaligen die Juden nur die schlichte Erfahrung der ewigen Erlösung einzusetzen haben, so ist damit nun wieder nicht gesagt, die jüdische Lehre kenne schlechthin die Vorstellung nicht, dass je und je in den geschehenden Erlösungen Menschen eine mittelnde Funktion haben: im Sinne des Einstehens, des Helfens zur Umkehr, des Einstehens auch Gott gegenüber. Das hebräische Wort für »beten« bedeutet: sich ins Mittel legen, einstehen. Ich erinnere an das Jesajawort: (Kap. 53 Schluss) »Er trug die Sünden der vielen.« Das ist etwas, was im Judentum immer wiederkehrt. Es gibt ein talmudisches Wort, das Moses in den Mund gelegt wird, der zu Gott sagt: »Wenn du dem Volke nicht vergibst, so wische mich aus deinem Buch (d. h. aus dem Buch des Lebens)«. Was wir aber von der jüdischen Erfahrung aus ablehnen müssen, das ist das vollkommene Ausschliessen des einen vom anderen, wie es im Johannesevangelium Jesus in den Mund gelegt wird: »Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater ausser durch mich.« Diese Konzentration auf eine Person ist jüdisch abzulehnen von der Erfahrung aus: wir wissen, dass es den Weg zu Gott unmittelbar gibt und dass alles Mittlertum Hilfe auf diesem Weg ist, dass es aber keinen Mittler im ausschliesslichen Sinne des »durch ihn«, des »per eum« gibt. Auch jüdisch gesehen gibt es die Erlösung der Seele von der Sünde: je und je als Wahrheit und Wirklichkeit im Geheimnis von Gott und diesem Menschen. Das ist aber jüdisch nicht die eigentliche Frage. Das jüdische Problem der Erlösung ist nicht das der Erlösung der Seele, sondern der Erlösung der Welt. Und nicht der Erlösung von der Sünde, sondern von dem Widerspruch, der der Welt innewohnt. Die Seele wird erlöst allemal, je und je als diese Seele. Alle sind erlösungsbedürftig und

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keine unerlösbar, – eben als diese Seele. Aber die Welt ist noch nicht erlöst. Die je und je erlöste Seele steht in der unerlösten Welt: dass ist jüdische Erfahrung. Dass wir uns vorfinden in der unerlösten Welt, das ist das, was die erlöste Seele nicht ertragen kann. Wie kann ich da meines Erlöstseins selig werden? Für den Christen ist mit der einmaligen Erlösung der Seele des Menschen das Entscheidende geschehen. Wir aber erfahren an unserer ganzen leiblichen Existenz, dass die Welt unerlöst ist, wie immer es mit unserer Seele stehen mag. Wir können nicht ertragen, dass Verdammnis ist und wir erlöst sind. Diese erlösungsbedürftige Welt: die als solche nicht erst im Fall gesetzt, sondern die als erlösungsbedürftig der Anlage nach schon in der Schöpfung gesetzt ist, weil sie in der Freiheit gesetzt ist, als ein aus sich handeln Könnendes. Denn sie ist aus sich geworden. So blüht sie im Menschen auf zur Selbständigkeit der Entscheidung. Als Welt, als diese ungeheure Vielfältigkeit, bleibt sie je und je unerlöst. Die Punkte der erlösten Seelen stehen im Ozean der unerlösten, erlösungsbedürftigen Welt. Der Widerspruch ist in die Welt gelegt und entfaltet sich in ihr, aber auf diesen Widerspruch zu geschieht immer wieder Kundgebung Gottes, wie ER die Welt meint, und Anruf an den Menschen, an der Erfüllung teilzunehmen. Wenn es nun eine Menschenschar gibt, auf die hin Offenbarung, Kundgebung Gottes, Proklamation des Königtums Gottes geschieht, so bleibt die Welt zunächst noch Welt im Widerspruch, die der Erlösung widerstrebende Welt. Aber wir blicken hin auf die Vollendung der Welt zum Reich hin, zum Königtum Gottes hin. Unsere Konzeption des Messias ist die Konzeption des Menschen, der dem [die W]elt erlösen wollenden Gott entgegenkommt, weil Gott will, dass [der] Mensch wie an der Schöpfung der Welt, so an der Erlösung der Welt teilnehme. Der messianische Mensch ist der, der das Entgegenkommen erfüllt, an dem sich jenes Sinnbild der Salbung, des Auftrags Gottes erfüllt.

III. Jüdischer und christlicher Messianismus. Unsere Frage lautet: was glaubt das Christentum, was das Judentum hinsichtlich dessen, was wir messianische Welt nennen? Auf den ersten Blick verhält sich der christliche Messianismus zum jüdischen so, dass für das Christentum das Entscheidende, Wesentliche an der jüdischen Messiaserwartung erfüllt ist. Zwei Grundkategorien sind Judentum und Christentum gemeinsam: 1.) Das Königtum Gottes (Basileia tou Theou), d. h. das königliche Walten, Herrschen Gottes. (»Reich der Himmel« meint dasselbe). 2.) der Messias – Christos tou Theou – der Gesalbte. Messias d. h. Gesalbter wurde der erste König Israels genannt. Denn er hatte mit der Salbung einen sakramentalen Königsauftrag von Gott empfangen. Jene zwei Grundbegriffe, die das Christentum vom Judentum übernommen hat, sind die zentralen Begriffe. Was an ausserjüdischen Elementen sich ankristallisiert hat, ist sekundär geblieben. Es ist unsere Aufgabe hier, aufzuweisen, wie sich diese beiden Grundbegriffe verschieden im Judentum und Christentum darstellen. Auszugehen haben wir von dem Judentum, weil wir ja zeigen wollen, welche Abwandlung der jüdische Messianismus erfahren hat, als er vom Christentum als Grundlage seiner Glaubenswelt übernommen wurde. Ich möchte aber hier schon anmerken: nicht im strengsten Sinne und durchweg ist Jesus im N.T. behandelt als der Messias, der gekommen ist. Albert Schweitzer und andere haben gezeigt, dass man auf Grund der Synoptiker von Jesus nur sprechen kann als vom Messias designatus, von dem zur späteren Wiederkunft als Messias Bestimmten, und dass Jesus nur in diesem Sinne messianisches Selbstbewusstsein gehabt hat.

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I. Die oben genannten zwei Grundkategorien erscheinen im jüdischen Messianismus nicht als feste, eindeutige, einer bestimmten Zeit zuzuschreibende Grössen, sondern in eigentümlicher Spannung. 1.) Das Königtum Gottes. Zunächst muss es doch als selbstverständlich erscheinen, dass ER König ist. Was heisst es da, dass dieses Königtum nicht vollendet, nicht widerspruchslos ist? Besonders vom Juden-

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tum aus, das doch keine gegenhimmlische Gewalt, keine metaphysische Macht als Gott gegenüberstehend kennt? Wir glauben Gott als Schöpfer dieser Welt, die auch von ihm aufhebbar ist. Und doch hat er einen Partner geschaffen und eingesetzt, dem er Freiheit verliehen hat, Eigenmächtigkeit eingetan hat, sodass er fähig ist, auf Gott zu zu handeln, sein Partner in der dialogischen Situation zu sein. Daraus entsteht die Problematik des Königtums Gottes: weil es den auf Gott zu handelnden Menschen in Wahrheit gibt, gibt es das Hindernis, den Widerspruch. Gott hat die Welt nicht in Vollendung geschaffen, sondern auf Vollendung angelegt – eine Vollendung, die durch den faktischen Widerspruch des Menschen gehemmt ist. Gott ist der König der Welt, aber er tritt die Königschaft nicht eher an, als bis sein Geschöpf IHN in der Wahrheit des Lebens als König anerkennt. Erlösungsglaube heisst hier: Glaube an die Vollendung der Schöpfung unter der geheimnisvollen Mitwirkung des Menschen. Messianische Zukunft heisst hier: Zukunft der Vollendung, des erfüllten Gotteskönigtums über seine Welt, als absolute Zukunft. 2.) Der Messias. Er ist der menschliche Träger dieser Heilszeit. In welchem Verhältnis steht der menschliche Träger des Heils zu Gott? Wie es dort – beim Königtum Gottes – die Spannung zwischen gegenwärtiger Problematik und zukünftiger Erfüllung gibt, so hier die Spannung zwischen Gott, dem König, und Seinem Gesalbten, dem von Ihm zum Träger menschlicher Königschaft eingesetzten Gesalbten. Innerhalb der Bibel wandelt sich die Gestalt des Messias. Diese Dynamik, dieses Anderswerden der messianischen Gestalt gehört zu dieser Spannung, ohne dass ein späteres Stadium die früheren negiert. Denn es handelt sich dabei nicht um eine Bewegung in Gegensätzen, sondern um die Aufschliessung eines vorher noch Verschlossenen, um die Auswicklung eines »Eingewickelten«. Wie versucht die moderne Bibelwissenschaft dieses Gebilde des Messianismus zu erklären? Sie versucht es abzuleiten von den Vorstellungen anderer Völker des alten Orients aus, also in ein anderes Volk zu verlegen. Die ausführlichste Darlegung der Messiasfrage gibt das nachgelassene Werk von Hugo Gressmann »Der Messias«. Hier ist am klarsten aufzuzeigen, worin der Fehlgang jener Art Ableitung besteht. Gressmann geht von zwei Voraussetzungen aus: 1.) Es gibt in der babylonischen wie in der ägyptischen Welt Texte, in denen ein Idealzustand mit ähnlichen Worten wie in manchen messianischen Texten beschrieben wird. Also seien sie der Ursprung der bibli-

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schen Darstellung. Sehen wir uns aber diese Texte an, so stellt sich heraus, dass sie einer ganz bestimmten Gattung von Literatur angehören: sie tragen höfischen Charakter, sind bestellte Arbeit höfischer Lobredner oder Weissager, die den Herrscher oder seine Söhne als Heilsträger preisen. Derartiges ist den biblisch-messianischen Texten fremd. Denn das Angekündigte steht hier im schärfsten Gegensatz zur gegenwärtigen Machtsituation, die Heilsweissagung ist immer mit Unheilsverkündigung verknüpft, bezogen auf das Unrecht der heutigen Machthaber, die darin vor Gericht gestellt werden. Ferner: in jenen babylonischen und ägyptischen Texten geht es im Grunde immer um die Steigerung der Darstellung eines Vorhandenen, in den messianischen Texten aber in einem eminenten Sinne nicht um etwas Vorhandenes. Vielmehr: das »von wo aus« gesprochen wird, ist in Spannung zum Gegenwärtigen; Zukunft bedeutet hier Wandlung, Vollendung der Schöpfung: Erfüllung des in der Schöpfung Angelegten, aber Verdunkelten, vom Widerspruch Verdeckten. Dies aber gerade fehlt dort. 2.) Jene Wissenschaftler weisen darauf hin, dass die Endzeit in den messianischen Texten dargestellt wird in allerlei Bildern, die der Urzeit, den Urzeitmythen, angehörten, die meist babylonischen Ursprungs seien. Diese Urzeitmythen seien in eine Endzeit projiziert worden, so z. B. die Paradiesessage. Sehen wir genau zu, so stellt sich heraus, dass die Art, in der von der messianischen Zeit gesprochen wird, völlig anders ist als jene, in der von den Urzeitmythen gesprochen wird – so in den vorexilischen, exilischen und frühnachexilischen klassischen Texten. Anders freilich verhält es sich mit den danielischen und nachdanielischen, besonders aber mit den apokalyptischen Texten: hier wird von diesen Schriftstellern das alte – israelitische und ausserisraelitische – Gut gleichsam exzerpiert und zur Ausmalung der Endzeit verwendet. Wenn man aber die klassischen, prophetisch-messianischen Texte liest, dann findet man, dass sie gegründet sind auf ein sehr ernstes und schweres Betrachten des Weltgeschehens, dass diese Menschen von dem Widerspruch des Weltgeschehens tief erschüttert sprechen: aus einer leidvollen Erfahrung, die nicht geringer als das Leid des tragischen Menschen ist. Diese Menschen leiden ohne Abschwächung bis zum Grunde, wo der Widerstreit unüberwindlich erscheint: erst dort setzt der Friedensschluss ein, der kein paradiesischer Friedensschluss ist, sondern dem alles obige vorausgeht, ehe das Wort der Ueberwindung gesprochen wird. Aus grausamster Geschichtserfahrung geboren ist diese messianische End-Zeit. Bei der messianischen Konzeption geht es nicht um »Religion« als um etwas von der Tatsächlichkeit des Lebens Abgehobenes, weit über sie Er-

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hobenes. Es geht durchaus um eine Erfahrungsweise der Wirklichkeit und was sich daraus ergibt. Messianische Konzeption gibt es deshalb, weil es geschichtliche Konzeption in Israel gibt. Weil Israel die Geschichte glaubensmässig ernst nahm, wurde es auf die messianische Konzeption geworfen. Sie ist entstanden aus dem Glaubensverhältnis zu dem, was jeweils geschichtlich erfahren, erwartet, enttäuscht wurde. Messianische Erwartung ist im Ursprung geschichtliche Erwartung: ist das, was jetzt, im nächsten Augenblick, heraufkommen kann. Sie ist also nicht entstanden aus einem Glauben, der sich aus dem Leben abhebt und hinüberträumt in Künftiges. Das Problem »Was bedeutet der biblische Messianismus?« ist ein Entstehungsproblem, aber ein historisches: Wie ist aus der Geschichte des jüdischen Volkes der Messianismus hervorgegangen? Nur aus dem Gewordensein dieses Gegenstandes können wir sein Wesen erfahren. Geschichte ist hier ganz menschlich zu nehmen: als Tatsächlichkeit dieses Lebens dieser Geschlechter in seiner Ganzheit. Wie unterscheidet sich in der Art seiner geschichtlichen Erfahrung dieses Volk von anderen? II.

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Wir wenden uns nun jenem ersten Grundbegriff des Königtums Gottes zu. Was heisst historisch gefasst, auf der Ebene der tatsächlich geschehenen Volksgeschichte, »Königtum Gottes« (basileia tou theou)? Andere semitische, nomadische Stämme hatten den Glauben: es gibt den Gott, der uns aus diesem Land in ein anderes führt. Dieser Gott wird vorgestellt als der göttliche Führer der Landnahme und wird mit dem Grundwort malk oder milk genannt, hebräisch melek. (Aus dem hebräischen melek entsteht durch Schandvokalisierung moloch = Afterkönig, Götze, im Gegensatz zum echten Gott Israels). Auch Israel hat die Vorstellung des Führergottes, des Gottkönigs, des melek. Aber hier geschieht etwas besonderes: Israel versucht damit Ernst zu machen, dass es von Gott geführt wird. Es proklamiert mit beispiellosem Ernst und stärkster Unmittelbarkeit Gott selber zum unmittelbaren König: »König bleibt ER in Weltzeit und Ewigkeit!« Dazu V. Mos. 33, wo es um denselben Vorgang der Königsproklamation, aber in Form eines Rückblicks geht: »So ward in Jeschurun ein König, da sich scharten die Häupter des Volks, in eins Israels Stäbe«. D. h. damals wuchsen die Stämme zu einem Volk zusammen und dies ist geschichtlich identisch mit der Proklamation Gottes zum König. Das findet vollgültigen Ausdruck im Bund zwischen Gott und Volk, der ein echter Königsbund ist.

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Die Vorstellung, dass Israel keinen anderen König haben soll ausser Gott, ist eine Urvorstellung des ganzen Volkslebens. So politisch real, wie nur irgendein Volk es meinen kann, wenn es von seinem König und seinem Königbereich spricht, ist es zu nehmen, wenn das Volk Israel Gott selber zu seinem König ausruft, wie im Gesang nach dem Durchgang durch das Schilfmeer (Exodus 15). Es ist geschichtlicher Vorgang im genauesten Sinne, in dem ein Volk sich eine Verfassung gibt oder eine Verfassung annimmt (beides geschieht im Bundesschluss zugleich), wenn dieses Einmalige geschieht: die Annahme der ausschliesslichen und unvermittelten Herrschaft dieses Seines Gottes. Dazu ist zu nehmen das Gotteswort nach der Königsproklamation durch das Volk (Exodus 19): »Und jetzt, hört ihr gehorsam auf meine Stimme und wahrt ihr meinen Bund, / dann seid ihr mir / aus allen Völkern ein Sonderschatz. / Denn mein ist die ganze Erde. / Ihr aber / sollt mir sein / ein Königsbereich von Priestern, / ein ausgesonderter Stamm.« Dieser Königsbund, dieses Königtum Gottes ist zu verstehen als durchaus eingefügt in die Weltherrschaft Gottes als seine Voraussetzung. Innerhalb dieser Weltherrschaft Gottes gibt es einen Königsbereich von Kohanim, d. h. ursprünglich von unmittelbaren Dienern. Solche unmittelbaren Diener sollen die sein, die diesen seinen Königsbereich ausmachen, und zwar als »ausgesonderter Stamm« (»ausgesondert« bedeutet hier dasselbe wie »heilig«). Dieser ganze gegenseitige Vorgang des Gottesbundes, des Königsbundes Gottes mit dem Volk wird als einheitlicher Vorgang zusammengefasst geschildert in jenem Rahmenbild, das den Segen Moses’ umgibt (V. Mos. 33): »So ward in Jeschurun ein König / da sich sammelten die Häupter des Volkes.« Das Volk Israel konstituiert sich eben als Volk, indem es den König erkennt, ausruft und von ihm als seinem König angesprochen wird. Jetzt erst gibt es das Gewordensein des einheitlichen Volkes, das also konstituiert wird durch das Königtum Gottes. Dieser Zustand des Bundesfriedens zwischen Gott und seinem Volk wird verherrlicht in jener seltsamen Geschichte von Bileam, (IV. Mos. 23): »Nicht gewahrt man Harm in Jaakob / nicht sieht man Mühsal in Israel / Er sein Gott ist bei ihm, / Jubelschrei seinem König ist in ihm.« Dieses beispiellose Grundverhältnis zu Gott, dieses politische Ernstnehmen der Herrschaft Gottes steht im Gegensatz zu den semitischen Stämmen, die auch göttliche Stammeskönige hatten, aber ihren Nimbus den Häuptlingen gaben, also nicht ernst damit machten.

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Königsführung und Königsbund: damit fängt die biblische Geschichte des biblischen Volkes an, also mit einem theopolitischen Akt. Dieses Volk erobert das zugewiesene Land Kanaan. Wie steht es mit jener Urvorstellung des Gotteskönigtums in diesem eigenen Land, in der Freiheit und Selbstbestimmung? Es ist hier etwas Grundlegendes zu bemerken: je und je, in jeder wesentlichen geschichtlichen Lage ist die Geschichte dieses Volkes nur zu verstehen aus dem grossen inneren Kampf zwischen denen, die – gegen alle Verführung der Völker und der Geschichte – Ernst machen mit dem Königtum Gottes und was sich daraus für das Leben ergibt, und jenen anderen, den Widerspenstigen. Das Ernstmachen ist eben das Kämpferische, als das Ringen derer, die es mit der realen politischen Annahme Gottes wirklich ernst meinen, d. h. also nicht Gott oben annehmen und unten mit seinem Widerpart paktieren. Dieser Kampf kommt immer wieder. Ein weiteres Stadium der Verdichtung dieses Kampfes ist nach der Landnahme die Zeit der Richter. Moses übergibt sein Amt Josua. Josua tut was seines Amtes ist, er ermöglicht die Landnahme als Feldherr, ohne die Einheitskonzeption des alles umfassenden Gotteskönigtums zu übernehmen, die er in seinem Auftrag nicht braucht. Nach seinem Tode hat er keinen Nachfolger. Es ist also in dem gewonnenen Lande keine Verfassung da, die eine fortdauernde Herrschaft konstituiert. Aber die eigentliche Führung des Volkes war in der Konzeption Moses gegeben, deren eine Seite das Königtum Gottes, deren andere Seite die Einheit des um den König gescharten Volkes ist. Das bedeutet in der jetzigen Lage – soziologisch ausgedrückt – den schwierigen Versuch, eine Gemeinschaft aus der reinen Freiwilligkeit, von Menschenzwang unabhängig, aufzubauen; jeweils zwischen diesen Menschen da. Das Volk, das diesem Ungeheuren nicht gewachsen ist, fällt je und je von seinem König ab. Damit aber fällt es zugleich von seiner Einheit ab: Abfall von Gott, dem König, und Zerfall der Volksgemeinschaft sind jeweils geschichtlich nicht zu unterscheiden. Dieses abgefallene Volk wird dann die Beute des einen oder anderen Nachbarn. Dazwischen fällt dann die Umkehr: »das Volk schrie auf zu Gott«. In diesem Augenblick geschieht das Seltsame immer wieder: eben noch hatte das Volk Unrecht gegen den Feind, der es bezwang (denn es war abgefallen), aber im Augenblick der Umkehr gewinnt es Recht gegen seinen Feind. Gott beruft einen, den SEIN Geist ergreift und den er an die Spitze des Volkes stellt, es zum Sieg zu führen: das ist der schofet, der Rechtschaffer, »Richter«. Der schofet tritt ab, wenn sein Auftrag beendet ist; aber er kann dann noch, über seinen besonderen

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Auftrag hinaus, Autorität behalten wie Samuel. Das Buch dieses Geschehens ist das »Buch der Richter«. Das Volk erkennt aber, dass es die Zeit der Interregna nicht im Sinne der Theokratie erfüllen kann, sondern immer wieder in Anarchie fällt. Man vergleiche dazu die letzten Kapitel des Richterbuches, wo gesagt ist, dass ohne den – späteren – König nur Anarchie war: die pessimistische Feststellung dieser letzten Kapitel steht im Gegensatz zur Tendenz des grössten Teiles dieses Buches, der das Königtum ablehnt, ja – wie in der Jothamfabel – es verachtet. Denn das Grundmotiv des Buches ist: Herrschaft ist nicht das Amt eines Menschen. Die Geschichte dieser Zeit mündet in ein grosses Faktum ein: das Volk erlebt es, dass ein Feind aus Kreta, das Kulturvolk der Philister, es unterjocht. Dieser Feind aber wird nicht besiegt, die Befreiung innerhalb des Richtertums gelingt nicht, so auch nicht dem Simson. Der letzte schofet, Samuel, unternimmt zwar Feldzüge gegen sie, aber es gelingt ihm nicht, sie zu besiegen. Das Volk empfindet, dass es anders werden muss, es verlangt nach einem Herzog, einem König, es will »werden wie alle Völker«. Bedeutsamerweise geht dem voraus, dass Samuel sich schwer verfehlt: er, der berufen ist, das Antidynastische zu vertreten und es auch bekenntnismässig vertritt, macht seine eigenen Söhne zu Richtern, verstösst also gegen den innersten Sinn des Richtertums: einer Beauftragung auf Zeit. Damit ist die Problematik ins Richtertum eingebrochen. Und es ist selbstverständlich, dass Gott zu Samuel sagt: »Höre auf ihre Stimmen / einen König könige ihnen!« (I. Sam. 8,16) Dieses Verhalten deutet auf das Geheimnis des Verkehrs zwischen Gott und dem Volk in der Bibel hin. Wenn Gott sich, wie hier, von den Menschen bestimmen lässt, bestimmt ER die Menschen: d. h. Gott gibt je und je den Menschen nach, Gott will nicht Zwingherr sein, dem man nicht widerstreben kann, weil er die Macht hat. ER will vielmehr, dass man ihn wähle, zu IHM komme. Gott gibt, wenn die Menschen etwas wirklich wollen, nach, aber: er willfährt, indem er zugleich das Ansuchen irgendwie verwandelt, d. h. jeweils in die Erfüllung des Wunsches ein Element einführt, das in diesem Ansuchen selbst nicht war, es vielmehr in einen anderen Zusammenhang, eben den göttlichen, stellt. Dies geschieht hier, indem Gott den König zwar gewährt, aber ihn salbt. D. h. der König ist nicht Volkskönig nach dem Willen des Volkes, sondern er ist hineingenommen in den Zusammenhang des göttlichen Willens. Er wird gesalbt heisst: Gott erteilt ihm darin einen Auftrag, und zwar nicht mehr einen einmaligen wie den Richtern, sondern einen dauernden Auftrag, der seinem Wesen nach über ihn, den König, hinausragt, also das dynastische Prinzip verlangt. Es ist ein sakramentaler Auftrag: er richtet sich nicht

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an den König als Erwählten des Volkes, sondern an den von Gott zu seinem Statthalter ernannten König. Ueberall wo Salbung ist (Priester, Gerät, König), immer handelt es sich dort darum, einem Ding Dauer zu verleihen (daher Salbung mit Oel als einem konservierenden Element). Alle diese sakramentalen Vorstellungen knüpfen an einfache, natürliche Eigenschaften der Dinge an, die hinaufgehoben werden in die Sphäre des Sakraments. Die natürliche Mächtigkeit des Stoffes wird in die Sphäre der Heiligkeit gehoben. Dem Menschen, der gesalbt wird, geschieht etwas: er wird vom Geist, von der Ruach ergriffen, aber in so elementarer Weise, ihn so durch und durch rührend, dass gesagt wird, er sei von Grund aus ein anderer Mensch geworden. Samuel zu Saul (I. Sam. 10,6) »da bist du in einen andern Mann verwandelt«. Nun steht der gesalbte König in der realen Verantwortung dieses Auftrags vor Gott: dass er anfange mit der Verwirklichung des Reiches Gottes. Saul überschreitet seinen Auftrag, er setzt sich über den heiligen Bann hinweg (I. Sam. 15), er masst sich den Opferkult an und damit die Totalität, anstatt in der besonderen Verantwortung, im Amt des Statthalters, vor Gott zu stehen. Im König als Statthalter wird das Gotteskönigtum mittelbar: d. h. an der Stelle des Volkes steht mit seiner Möglichkeit, zu erfüllen oder zu versagen, nun der König. Die beiden Bücher Samuelis enthalten die Geschichte des versagenden Königtums, wie das Richterbuch die Geschichte des versagenden Volkes. So stellt die Bibel die Geschichte Israels dar: im Zusammenhange eines ungeheuren Zwiegesprächs zwischen Gott und Volk, zwischen Gott und König. IV.

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Sowohl in Aegypten wie in Babylon berufen sich die Könige darauf, dass sie von Gott eingesetzt sind, also ihre Macht von der Gottheit haben. Sie nennen sich auch oft »Söhne Gottes«, was in Aegypten heisst »von Gott gezeugt«, in Babylon »von Gott als Sohn adoptiert«. In Aegypten unterredet sich der König mit dem göttlichen Vater, er befragt Gott. In Babylon gibt es sogar eine wirkliche Verantwortung des Königs den Göttern gegenüber: einmal im Jahre findet ein Gerichtstag statt, auf dem die Götter entscheiden. Aber alle diese mythischen und kultischen Vorstellungen sind etwas, was man »vorträgt« und »darstellt« jedoch sind sie nicht geschichtliche Wirklichkeit. Es wiederholt sich jährlich aber es wird nicht konkrete Geschichte. Die Bibel ist der Ort, wo sich jenes zu geschichtlicher Wirk-

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lichkeit so verdichtet, dass die Könige gestellt werden vor die Präsenz dessen, der sie beauftragt hat, und dass sie verworfen werden, wenn sie zu verwerfen sind. Dies geschieht gleich beim ersten König. Die Salbung bedeutet nämlich nicht, dass die Macht sich berufen kann auf die empfangene Vollmacht als Bestätigung seiner Macht, sondern dass diese Macht zugleich real gebeugt ist unter die einzige weltgeschichtliche Macht, der sie Rechenschaft schuldet. Diese geheime Wirklichkeit der Geschichte tut sich hier kund als die eigentliche Geschichte. Dazu kommt etwas sehr wichtiges, das wir an der Geschichte des Abendlandes klarmachen können: Was zwischen Samuel und Saul uns entgegentritt – Mahnung, ZurRechenschaft-Ziehen des Königs vor das geistliche Gericht – kommt im Abendland wieder in seltsamen Spiegelungen und Brechungen in der Auseinandersetzung zwischen Kirche und Kaisertum, zwischen Papst und Kaiser. Da nämlich, wo der Papst den Kaiser oder König im Namen Gottes vor sein Gericht zieht und im Namen Gottes ihn depossediert. Ist dies die Wiederholung jenes Vorgangs in Israel? Nein, sondern fast das Gegenteil. Wenn dort die Könige den Sinn der Salbung nicht erfüllen, sondern den Auftrag verraten, dem Willen Gottes zuwider handeln, was geschieht da? Wer rechtet im Namen Gottes mit den Machthabern? Nicht ein Inhaber der Macht, nicht einer, der im Bereich des Sakralen wie der Papst Macht hat, sondern ein machtloser Mann, ein Mann, der im Volke herumstreift, aus der Tiefe kommt, wenn er sein Wort an die Macht zu sprechen hat. Dieser, der seiner Berufung, seiner Menschartigkeit nach schlechthin nicht nach Macht streben kann, zieht den König vor das Gericht und rechnet mit ihm ab: »Kehret um oder ihr zerschellt!« – so, wie die Richter einst zum Volk. Ueber alle zu erwartende Marter hinaus fordert er im Namen des wahren Königs Rechenschaft von diesem Statthalter, der jetzt angemasster Statthalter ist. Was bedeutet aber, wenn der Papst den Kaiser vor sein Tribunal fordert? Machtkampf zweier Mächte. Die Kirche geht mitten hinein in diesen Machtkampf, den man »Geschichte« nennt und der nur der Schaum der wirklichen Geschichte ist. Der prophetische Kampf dagegen ist Urwirklichkeit; hier spricht ein Mensch, der nichts verlangt, als dass das Wort Gottes vom König verwirklicht werde. Von dieser prophetischen Berufung der Macht gegenüber ist das Element zu verstehen, aus dem der Messianismus geboren ist: die geschichtlich faktische Enttäuschung Gottes – Wort geworden im prophetischen Menschen – am König, am messianischen Menschen. Der König ist der Messias, der die Salbung nicht erfüllt. Das Hinaus-

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langen über die unrechtmässig gewordene Macht ist der Ursprung des Messianismus. Diese prophetische Erwartung, diese urmessianische Konzeption hat im Buch Samuel – das mit Recht die »biblische Politeia« genannt wird, weil sie Staatslehre in der Form der Geschichtserzählung gibt – in zwei dichterischen Urkunden besonders starken Ausdruck gefunden. Die beiden Lieder stehen das eine am Anfang, das andere am Ende: 1.) das Danklied der Channa für den Sohn Samuel (I. Sam. 2) und 2.) die sogenannten letzten Worte Davids (David führt eine Rede Gottes an und unterbricht sie, um sie zu erläutern): II. Sam. 23. Beide Lieder sind bisher in ihrer wahren Bedeutung noch nicht erkannt worden; beide sind vom prophetischen Sinn an diese Stelle gestellt worden. 1.) Channa betet: »Auf wogt mein Herz bei DIR, / auf hebt sich mein Scheitel bei DIR, weitauf tut sich mein Mund über meinen Feinden, / ja, ich freue mich deiner Befreiung. / Keiner ist heilig wie DU, / ja, keiner ist da ohne dich, / keiner ein Felsen wie unser Gott. / Mehret nimmer euer Reden: Hochhinauf, hochhinauf! / wie’s frecht entfährt eurem Mund, / denn ER ist ein Gott des Wissens, / bei ihm wird das Spiel gewogen. / Der Helden Bogen zerknickt, und die strauchelten, panzert Macht, / um Brot müssen Satte sich dingen, / und die hungerten, pflegen der Rast, / die sprossenlos war, gebiert sieben noch, / und die Kinderreiche welkt ab. / ER tötet und belebt, / senkt zur Gruft, lässt entsteigen,/ ER enterbt und begütert, / erniedert und hebt auch empor. / Auf richtet vom Staub er den Armen, / den Dürftigen hebt er vom Kot, / sie zu setzen neben die Edlen, / eignet ihnen den Ehrenstuhl. / Ja, SEIN sind die Säulen der Erde, / auf sie hat er den Weltkreis gestellt. / Der ihm Holden Füsse bewacht er, / die Frevler verstummen im Dunkeln, / ja, nicht durch Kraft weist sich heldisch der Mann. / ER, / die wider ihn hadern, werden zerknickt, / sie stiegen zum Himmel, – er donnert sie hin. / ER / hält Urteil über die Enden der Erde, / dass er seinem König gebe den Sieg, / den Scheitel seines Gesalbten erhebe.« Merkwürdig ist hier, dass die Mutter Samuels mit einer Bitte endet, die der Anschauung Samuels zuwider ist: dass Gott den Sieg dem König gebe. Seltsam ist es, dass der Mutter Samuels dieser Dankpsalm in den Mund gelegt wird, der ein davidistischer Psalm ist. Er besagt, was der König als Statthalter zu vollbringen hat. Aber es wird von Gott gesprochen als dem wahren König eines Gemeinwesens, der die sozialen Unterschiede dieses Gemeinwesens zu überwinden sucht durch den immer neuen Ausgleich, der der Kern des sozialen Gesetzes der Thora (vergl. Sabbathjahr, Jobeljahr) ist. Ja dieser soziale Ausgleich wird hier noch

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wesentlich verstärkt. Alles Selbstmächtige, alles was von der eigenen, selbstbegründeten Macht leben zu können sich vermisst, wird überwunden werden. Das Lied ist als Schilderung des wahren Königtums zu verstehen: so wird das Reich Gottes auf Erden bereitet und der König als Statthalter zur Nachahmung Gottes berufen. Dem davidischen König wird dieses grosse Bild entgegengehalten und wenn er es erfüllt, wird ihm der Sieg verheissen. Aber zugleich meldet sich schon hier etwas vom Versagen des Königs an: es kündigt sich hier, am Anfang des Buches schon eine Zeit an, die sich zur gegenwärtigen Geschichtszeit verhält, wie die Zeit der Erfüllung zur Zeit der Zwiespältigkeit. Dieser Widerstreit ist in dieser Ansage des Uebergeschichtlichen überwunden. Damit ist gesagt, dass dies kein absoluter Unterschied ist. Der prophetische Mensch kümmert sich gerade um die ungeheure Möglichkeit, dass vielleicht morgen das Reich anbricht. Gerade die Geschichtlichkeit der messianischen Hoffnung – dass gerade dieser und dieser Mensch es sein kann, der zur Erfüllung berufen ist – gerade diese vertrauende Geschichtserfahrung ist es, die in jenem Dankpsalm spricht. Es ist ein wirklicher messianischer Psalm, aber – wie alles Messianische in der Bibel – blickend auf etwas, was mitten in der gegenwärtigen Geschichtlichkeit geschaut wird. 2.) Davids letzte Rede (der Gott Israels spricht durch ihn): II. Sam. 23. »Bei mir ist – der Fels Israels redet – ein Walter über Menschheit, bewährt, / ein Walter in Gottes Furcht, / und wie Morgenlicht strahlt er auf, / Sonne er eines Morgens, / da vor Glanze nicht Nebeldunst blieb, / vom Regen her treibt Gras aus der Erde. / – Ja, ist so nicht mein Haus bei Gott? setzte er mir ja einen Weltzeitbund, ausgerichtet in allem und verwahrt! – Ja, all meine Freiheit, alle Lust, / ja, ihm zu lasse ich’s spriessen. / Aber das Heillose, / wie wallgewordnes Gedörn sind sie allsamt, / nicht mit Leibeshand ja können hinweg sie genommen werden, / der Mann der an sie rühren soll wird bevollmächtigt mit Lanzeneisen und -holz, / und im Feuer verbrannt werden sie, ausgebrannt beim Neuansiedeln.« Diese Stelle ist als eine späte religiös-politische Aeusserung Davids aufzufassen, als eine Art von letzter Mitteilung von seiner Erfahrung und seiner Erwartung aus. Er sagt hier, Gott habe ihm zugesprochen, dass bei Gott ein Walter über die Menschheit sei, d. h. dass Gott im Sinne hat, dass ein Herrscher über die Menschen kommen soll, der bewährt ist (was David nicht war): »Sonne er eines Morgens«. David unterbricht nun die Rede Gottes und erinnert gleichsam daran, dass aus seinem Haus dieser König als der Erfüllende kommen soll (»ja, ist so nicht mein Haus bei Gott usw.«). Das führt zurück auf ein verwandtes Wort, das Gott den Propheten Nathan und David sagen lässt (II. Sam. 7): »ER

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meldet dir nun, dass ER dir ein Haus machen wird: Wenn deine Tage sich erfüllen und du mit deinen Vätern liegst, will ich nach dir deinen Samen bestellen, der aus deinem Leibe hervorfährt, und will sein Königtum gründen, – der wird meinem Namen ein Haus erbauen, ich aber werde den Stuhl seines Königtums festgründen auf Weltzeit, ich will ihm Vater sein und er soll mir Sohn sein.« Und im 2. Psalm heisst es: »Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt.« Diese Annahme des kommenden Königs zum Sohn durch Adoption ist etwas sehr Bedeutsames: früher ist in derselben Konzeption von Gott aus nicht von einem Menschen so gesprochen worden, sondern von Israel, II. Mos. 4,22: »Dann aber wirst du zu Pharao sprechen: So spricht ER: Mein erstgeborener Sohn ist Israel. Ich habe dir gesagt: Entlass meinen Sohn, dass er mir diene, und du hast geweigert, ihn zu entlassen: nun erschlage ich deinen erstgeborenen Sohn.« Erstlingssohn ist hier nicht so verstanden, dass Gott der Urvater des Stammes ist, sondern hier nimmt Gott Israel zu seinem Volk, zu seinem Sohn an. Dasselbe drückt eine andere Stelle aus: »Israel mein Anfangsteil von der Ernte«, (d. h. von der Menschenernte). An einer bedeutsamen prophetischen Stelle, Hosea 11,1, heisst es: »Als Israel jung war, liebt ich ihn, von Aegypten an rief ich meinen Sohn.« Gott nahm dieses Volk als Erstlingssohn in dem Augenblick an, wo er es aus Aegypten führt. Woher kommt es, dass auf die Vorstellung der Gottessohnschaft Israels die Vorstellung von dem gesalbten Nachkommen Davids folgt? In diesem Stadium ist die Messiaskonzeption nicht mehr die Israels als Volk, sondern die des Gesalbten, des Königs, der der Messias werden kann, indem er die Salbung erfüllt. Wir haben also in jener letzten Rede Davids eine echte messianische Verheissung, aber bezogen auf die geschichtliche Situation, nämlich in die davidische Hoffnung eingebettet. Der Messias ist, so bezeugen die Bibelstellen, nicht etwas von der Erde Abgehobenes, sondern einfach der erfüllende Mensch, und was er zu tun hat, ist nicht eine Erlösung – diese steht Gott allein zu – sondern dass er dieses werdenden Reiches der Verwirklichung zu walten hat an Gottes statt. Hieran müssen wir festhalten, wenn wir die prophetische Vorstellung verstehen wollen.

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V. Für die prophetische Vorstellung vom Messias sind zwei zentrale jesajanische Kapitel beispielhaft: Jes. Kap. 9 (nach einer Darstellung der kommenden Volkskatastrophe): »Das Volk, die in Finsternis gehen, / sichten ein grosses Licht, / die Siedler im Todschattenlande, / Licht erglänzt über sie. / Reich machst du den Jubel, / gross machst du die Freude, / sie freun sich vor deinem Antlitz, / wie beim Erntefreudenfest, / gleich wie man jubelt beim Beuteverteilen. / Denn das Joch seiner Fron, / das die Schulter ihm beugt, / den Stock der es antreibt, / du zerknickst sie wie am Midjantag. / Denn alljeder Stiefel, / herstiefelnd mit Gedröhn, / Rock in Blutlachen gewälzt, / zum Brande, Feuerfrass wirds. / Denn ein Neugeborner ist uns geboren, / ein Sohn ist uns gegeben, / auf seiner Schulter wird die Fürstenschaft sein. / Seinen Namen, einen entrückten, ruft man: / Ratsmann des Göttlichen, / Held des Ewigvaters, / Fürst des Friedens. / Zu reicher Fürstenschaft / und zum Frieden ohne Ende / über Davids Stuhl, / über seiner Königsmacht, / zu gründen die, sie zu stützen / mit Gerechtigkeit, mit Bewährung, / von jetzt in die Zeit fort: / vollbringen wird das SEIN des Umscharten Eifer.« Die andere Stelle steht Jesaja Kap. 11, Anfang: »Dann fährt ein Reis aus aus dem Strunke Jischajs, ein Schössling aus seinen Wurzeln fruchtet, auf dem ruht Geistbraus nieder von IHM, Geistbraus der Weisheit und Unterscheidung, Geistbraus des Rats und der Heldenkraft, Geistbraus SEINER Erkenntnis und Fürchtigkeit, mit SEINER Fürchtigkeit begeistet er ihn. Nicht nach der Sicht seiner Augen wird er richten, nicht nach Gehör seiner Ohren vergleichen, er richtet mit Wahrspruch die Armen, er schafft Ausgleich mit Gradheit den Gebeugten der Erde, er schlägt die Erde mit dem Stab seines Mundes. Mit dem Geisthauch seiner Lippen tötet er den Frevler, Wahrspruch wird der Gurt seiner Hüften sein, Treue der Gurt seiner Lenden. Dann gastet der Wolf beim Lamm, der Pardel lagert beim Böcklein … usw. –

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In dem schon genannten nachgelassenen Werk Hugo Gressmanns »Der Messias«, die beste Arbeit über diese Frage, wird wie auch bei anderen Uebersetzern, in Kapitel 9 zusammengezogen: »Man nannte seinen Namen ein Wunder an Rat, Heldengott, Friedensfürst.« Dagegen ist zu übersetzen: »Ratsmann des Göttlichen, Held des Ewigvaters, Fürst des Friedens.« Wenn man auf den Text treulich eingeht, dann zerrinnen die Gespinste eines vergötterten Messias, den die Propheten angenommen hätten. Für die Propheten war der Messias so real wie irgendein König und sie erwarteten ihn geschichtlich so nahe wie den Nachfolger des Königs. Sie hatten durchaus nicht die Vorstellung eines übermenschlichen mit besonderen Kräften ausgestatteten Wesens. Wenn Gressmann sagt: »Dieser Messias ist ein Halbgott«, so steht davon nichts im Text. Da steht vielmehr: es ist der Mensch, der vom Gottesgeist erfüllt wird, um das tun zu können, was ihm aufgetragen wird. Es kommt nun alles darauf an, ob er einig und ganz ist im Dienste dieses Geistes, der sich auf ihn niedergelassen hat, ob er nicht widerstrebt. Alles was dann anschliessend gesagt wird, ist alles Auswirkung des Geistes, der auf ihm ruht, wenn er nicht widerstrebt. Diese zwei Beispiele sollten zeigen, wie leicht man in das sog. »Alte Testament« Vorstellungen hineinträgt, die ihm fernliegen. Wie Jesaja so haben auch die anderen vorexilischen Propheten vom Messias die Vorstellung eines Menschen, der in der Begegnung den Geist annimmt und tut, was der Geist gebietet: der also ganz ist in den Händen des Geistes. Aber das immer erneute Zerschellen der Hoffnung übt seine Wirkung aus auf die Art der messianischen Botschaft der Propheten. Wir bemerken schon eine Veränderung etwa von der jesajanischen zu der jeremianischen Botschaft. Es liegt da ein Uebermanntwerden von der geschichtlichen Wirklichkeit bis in den Grund des Herzens vor. Zunächst, es sagt sich in diesen Menschen etwas an von der ganzen Weltlage her: das Versagen des Königs in Israel stellt sich ein in ein Versagen der Welt. Die Vorstellung wird mächtig, dass die Verwirklichung des Königtums Gottes, des Reiches Gottes gehemmt werde durch den Widerspruch, der aus der zerrissenen Welt kommt, der dem Willen Gottes zum Reich widersteht. Die Propheten leben aus der Einsicht, dass Gott nicht seine Allmacht anwenden will, um das Reich zu verwirklichen; dass er auf den entgegenkommenden Menschen, auf die Welt wartet; dass ihm etwas an Erlösungsverlangen, Erlösungsreife entgegenwachsen solle aus der Menschenwelt. Von da aus spricht sich in den Propheten aus: eine Dämonie der Völkergeschichte, die dem göttlichen Willen widerstrebt. In den späteren und nachexilischen Propheten kündigt sich ein Bild Gottes als des Kämpfers um sein Reich an. Aber es bleibt prophetische Auffassung,

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dass es gerade der in der Schöpfung angelegte Ursinn war, dass die Schöpfung dem vollendenden Willen Gottes mitwirkend entgegenkommen soll. Es geht nicht um SEINE, Gottes Selbstverwirklichung, sondern darum dass Gott die Schöpfung in Wahrheit verselbständigt hat, dass er den Menschen eingesetzt hat, damit von ihm Entscheidung und Wahl ausgehe, und dass von diesem Wählen- und Verwerfenkönnen des Menschen mitabhängig gemacht wird das Schicksal der Schöpfung: also dass in unser so brüchiges Entscheiden eine wirkliche Mitentscheidungsmächtigkeit gelegt ist; und all dieses Entscheiden rührt an das Geschehen der Besiegung des Widerspruchs. Wenn also bei den Propheten Gott als Kämpfer erscheint, so in dem Sinne, dass er als Kämpfer den Menschen anwirbt, anruft. Gott zieht in den Kampf als in seiner Macht begrenzt, weil er es so will, weil er nur so den Menschen in seinen Dienst berufen kann. Dies ist die Erfahrung jener Propheten von der Weltseite her. Die andere Seite der Erfahrung kommt von Israel und seiner Geschichte her. Die Propheten sagen ja immer wichtige politische Grundwahrheiten für Israel an: so z. B., dass die Lage Israels zwischen Babylon und Aegypten unhaltbar ist, wenn Israel nicht durch sein Leben in einer Gemeinschaft der Gerechtigkeit und des Friedens ein neues Prinzip in das Völkerleben selbst einführt und Babylon und Aegypten zeigt, dass man so und nicht anders als Volk politisch bestehen kann. Nur so, sagen die Propheten, wird es euch möglich sein, zwischen diesen Gewalten zu bestehen, wenn ihr eure Wahrheit – Gemeinschaft des Friedens und der Gerechtigkeit – ausstrahlt auf jene; nur dann werden jene auch zu euch anders stehen. Mit dieser theopolitischen Haltung hängt zusammen, dass die Propheten merken, dass das Königtum versagt und das Gemeinwesen zerfällt, weil es zerfallen musste, weil der Auftrag an den anderen Völkern unerfüllt blieb. Denn hier war der religiöse und der politische Auftrag eins und dasselbe. Von hier aus erwacht neu die Frage nach der Unmittelbarkeit der Herrschaft Gottes, die in der Zeit der Richter und vorher eine naive Theokratie erwirkt hatte: die Vorstellung, dass es auf eine menschliche Gemeinschaft ohne jedes andere Recht als nur das göttliche, ohne jede andere Herrschaft als nur die göttliche ankomme. Diese Frage erwacht neu von der Negierung des statthalterischen Königtums aus, das versagt hat. Die Zeit naht, wo das Reich zerfallen muss, die Propheten schauen es. Dieses Verlangen nach der Unmittelbarkeit der Gottesherrschaft verknüpft sich einem bedeutsamen Gestaltwandel des zentralen Menschen, der Gott entgegenkommt und in ihm das Volk, die Menschenwelt. Dieser zentrale Mensch kann kein König eines Staates mehr sein. So wur-

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den die Keime einer neuen Konzeption im babylonischen Exil gelegt, in der Zeit nach der Katastrophe. Hier wandelte sich aus dem Leiden einer kleinen Schar das messianische Bild. Diese kleine Schar, die bis in die Tiefe des Leidenkönnens leidet, wird von den Propheten identifiziert mit jenem »heiligen Rest« der jesajanischen Verheissung: als Träger und Bewahrer des messianischen Auftrags. Im Dunkel des Leidens erkennen die Propheten das eigentümliche Amt dieses heiligen Restes am kommenden Leben. Es tauchen zwar immer wieder herrscherliche Vorstellungen auch nach dem Exil auf, aber die Herrschaft ist nicht mehr der Auftrag Israels. Gott beruft vielmehr je und je aus der Mitte der Menschheit Menschen zu begrenztem Auftrag. Aber der Messias, der Gesalbte, ist doch auch jetzt noch in der Mitte der prophetischen Schau als der zentrale Mensch. Aber sein Amt ist ebendasselbe, was das Amt des heiligen Restes ist. Dieser »Rest« hat die messianische Essenz, die in ihm selbst ruhte, erkannt und zwar in seinem Leiden. Es kann nun nicht mehr herrscherliche Art der Machtausübung sein, die den messianischen Menschen zukommt. Dem Verlangen der unmittelbaren Theokratie entspricht jetzt zentral kein Statthalter mehr, sondern der Mensch, der den Widerspruch der Welt – das Gott gleichsam hindernd Entgegenstehende – erleidet. Dieses Leiden bis auf den Grund des Leidenkönnens, wo das Leiden sich als Sinn erweist, wird als das Messianische erkannt. Was Jesajas Kap. 53 vom Leiden des Knechts gesagt wird, was sich hier ausspricht, ist die messianische Essenz des Leidens: »unsere Krankheiten hat er getragen, / unsere Schmerzen, sie hat er aufgeladen- / und wir, wir achteten ihn für einen Schadengeplagten, / einen von Gott Geschlagenen und Niedergebeugten! / er aber, durchbohrt war er / für unsre Abtrünnigkeiten, / gemalmt für unsre Fehlbarkeiten, / Züchtigung uns zum Frieden war auf ihm, / durch seine Strieme wurde uns Heilung«. Der Mensch, von dem hier gesprochen wird, ist nun nicht mehr der einmalig Erwartete, sondern das Leiden ist schon jetzt im »Rest« je und je im Stande des Werdens, im Vor-Stande des Kommenden. Es ist eine lebensmässige existentielle Verbindung zwischen diesem leidenden Rest je und je in den Völkern und dem entgegenkommenden Menschen, in dem sich dies einst vollenden würde zu eben dem, was einst verheissen ward. Jesaja Kap. 53 und vorher gehen auf Beides in Einem, auf die Gemeinschaft und den Einzelnen: auf die Wiederkehr jenes heiligen Restes von Geschlecht zu Geschlecht in jenem Leiden, in jener Tiefe der Leidenswirklichkeit, wo er wirklich um des Reiches, um der Vollendung willen leidet; auf jenen Menschen, der Gott eben damit entgegenkommt, dass

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er den Widerspruch der Welt bis in die Tiefe des Leidenkönnens erleidet und ihn dadurch überwinden hilft. Von dieser Echtheit einer durchaus menschlichen Messianität führt nichts im Judentum hinaus und ab. Auch jene Stelle im Buch Daniel 7,13 f. führt nicht darüber hinaus: »Ich schaute in den Nachtgesichten und sieh mit den Wolken des Himmels / kam einer, der einem Menschensohn gleich, / und gelangte bis zu dem Hochbetagten / und wurde vor ihn gebracht. / Und es wurde ihm gegeben Macht / und Ehre und Reich, / und alle Völker, Nationen und Zungen, / ihm dienen sie, / seine Macht ist eine ewige Macht, / die nicht vergeht, / und sein Reich ist unzerstörbar.« Der Sprecher schaut, wie Gott gleichsam diesen messianischen Menschen bei sich hat, gerade ebenso wie es in den letzten Worten Davids gesagt ist: »Bei mir ist ein Walter über Menschheit, bewährt …« Das »bei Gott« bedeutet keine Präexistenz des Messias, sondern ist derselben Art wie Gott zu Jeremias spricht: »Ehe ich dich bildete im Mutterleibe, habe ich dich erkannt, ehe du aus dem Schoss fuhrst, habe ich di[ch] geheiligt«. Welche Gestaltwandlung auch der Messias im Judentum erfuhr, es bleibt immer der Mensch, der aus unserer brüchigen Kraft, wie sie ist, in dieser Kraft hingeht, in die Begegnungen eingeht und das vor Gott darbringt, was in der zerrissenen Welt Gott dargebracht werden kann: das Leiden des Weltwiderspruchs bis in die Tiefen des Leidenkönnens hinein. Das Statthalterische bewährt sich so schliesslich im Menschen, der an Gottes statt leidet.

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VI. Wir fassen die bisherigen Darstellungen zusammen und zwar so, dass damit zugleich der jüdische Messianismus dem christlichen gegenübergestellt wird. Ich muss aber eine Bemerkung vorausschicken, damit deutlich wird, was ich meine: Es gibt nämlich eine wesentliche Scheidelinie, die nicht zwischen Judentum und Christentum, sondern die quer durch Judentum und Christentum geht, sodass etwas im Judentum mit etwas im Christentum zu tun hat, und zwar auf beiden Seiten dieser Scheidelinie. Auf der einen Seite dieser Linie finden wir das, was ich bisher vom jüdischen Messianismus in seiner biblischen Ausprägung gesagt habe; ich möchte dies zusammenfassen unter dem Begriff des »klassischen jüdischen Messianismus«. Andererseits finden wir im Judentum vor und zur Zeit der Entstehung des Christentums einen anderen Messianismus, der zwar in mancher Hinsicht mit jenem verknüpft ist, aber doch zugleich so we-

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sentlich von ihm unterschieden ist, dass wir einen anderen Einfluss des jüdischen überwiegen sehen: den Einfluss der altpersischen und iranischen Religiosität. Dieses ausserhalb des klassischen Judentums stehende, unter iranischem Einfluss sich entwickelnde Judentum möchte ich das »apokalyptische Judentum« nennen. In ihm vollzieht sich das Aufgeben der messianischen Konzeption in ihrem geschichtsgebundenen, erdgebundenen Gehalt zugunsten einer anderen, bei der an die Stelle dieser Welt eine jedenfalls ganz anders beschaffene »künftige Welt« tritt, und an die Stelle des messianischen zentralen Menschen, der von der Menschheit aus Gott entgegenkommt, der den Anteil des Menschen an der Erlösung der Welt, an der Vollendung der Schöpfung verkörpert, tritt ein von oben nach unten gesandter, anstelle der menschlichen Aktion der Begegnung von oben und unten, tritt eine Erlösungsaktion von oben nach unten, ohne wesentliche Beteiligung der Kreatur selbst. Diese Scheidung zwischen dem klassischen jüdischen Messianismus und der Apokalypse hat ihre Entsprechung in dem frühen Christentum. Der Messianismus des klassischen Judentums findet seine Entsprechung und Fortbildung in jenem Judenchristentum, wie es sich in der Hauptsache in der Auffassung der drei synoptischen Evangelien darstellt. Von dem biblischen Messianismus unterscheidet sich dieser judenchristliche dadurch, dass er die Erfüllung gekommen glaubt – aber das können wir uns durchaus auch innerhalb des biblischen Messianismus je und je vorstellen. Auf der anderen Seite gibt es eine Umwandlung dieses Messianismus durch die apokalyptische Konzeption, entsprechend dem apokalyptischen Judentum. Dieses apokalyptische Judenchristentum konzipiert den Messias als ein von Gott auf die Erde gesandtes Mittlerwesen, Gotteswesen. Also haben wir einerseits echtes Judenchristentum, andererseits iranisiertes Judenchristentum, das aber immer noch Judenchristentum ist. Damit ist aber der Umkreis des frühen Christentums nicht erschöpft. Ausser dem persisch-iranischen Element tritt im Christentum ein Drittes hinzu. Diese dritte Schicht, die für die Geschichte des Christentums entscheidend geworden ist, ist die hellenistische: das Christentum verschmilzt mit griechischem Denken und griechischem Mythos. Es ist nun nicht mehr Judenchristentum, sondern Heidenchristentum, das die Eschatologie, die lebensmässige Befassung mit der absoluten Zukunft der Welt überhaupt zurückweist. Während im ersten, im echten Judenchristentum von vornherein feststeht, dass das Reich in kurzem kommen werde, während hier an den gekommenen Messias im biblischen Sinne, als an den Gesalbten, der

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den Auftrag der Salbung erfüllt, und damit an die bald eintretende Vollendung der Schöpfung zum Reich geglaubt wird, in ernster Befassung mit der irdischen Zukunft, muss die jeweilige Erfahrung, dass die Enderwartung nicht eingetreten sei, diese Verfassung der Menschen ändern. Nur in Zeiten, wo ein Sektierertum oder Schwärmertum innerhalb der christlichen Geschichte das Reich wieder nahe herbeigekommen glaubte, nur da konnte jene Haltung der Enderwartung je und je wieder aufleben. Anders als jenes echte Judenchristentum die christliche Apokalypse, die der jüdischen analog geht. Es bildet sich ein Schrifttum, das das jüdisch-apokalyptische fortsetzt und in der Johannes-Apokalypse in das Neue Testament eingegangen ist. Dieses apokalyptische Christentum hat kein Verhältnis zu dem, was geschehen ist, sondern befasst sich mit dem, was kommen wird, was aber nicht mehr in den Gang der Geschichte, auch nicht mehr als ihre Vollendung einzubeziehen ist, sondern was eine Verwandlung der Welt im Sinne der iranischen Eschatologie bedeutet: »Und die Zeit wird nicht mehr sein« – das ist das zentrale Wort dieser Johannes-Apokalypse. Aber nicht eigentlich daraus ist das historische Christentum entstanden, sondern aus jener dritten Schicht unter hellenistischem Einfluss. Hier geht man in die Geschichte zurück, aber in eine Geschichte, die nicht mehr erfüllt ist von der unmittelbaren Erwartung, sondern in eine Geschichte, mit der man sich gleichsam abgefunden hat, sodass nur immer wieder in seltenen Zeiten und in einer Art von Protest gegen dieses historische Christentum der Messianismus sich regt, etwa in Gestalten wie Joachim von Floris der das Dritte Reich ankündigt als die kommende Herrschaft des Heiligen Geistes, das das Weltalter des Sohnes und des Vaters ablösen werde. Unter diesen Einschränkungen also spreche ich im folgenden von Judentum und Christentum. Ich spreche somit vom Judentum nur als vom klassischen Judentum. In seinem Ursprung ist, wie wir gesehen haben, der jüdische Messianismus überhaupt nicht »Messianismus«: die Gestalt des Gesalbten, der die Salbung erfüllt, tritt erst später hinzu. Zuerst ist der Messianismus der Glaube an Gott als den König der Welt, dessen Königtum selbstverständlich keine Schranken hat. Im jüdischen Glauben kämpften also nicht wie in der iranischen Religion zwei Mächte um die Herrschaft der Welt. Keine andere Macht kann sich Gottes Königtum entgegenstellen ausser der, die er sich in seiner Kreatur, dem Menschen, selbst gegenüberstellt, indem er nämlich diese Kreatur zu einer selbständigen, selbstwählenden, selbstentscheidenden gemacht hat, damit zu seinem Partner im Gang der Weltgeschichte. Gott ist der König der Welt, aber wichtig für die bi-

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blische Konzeption ist, dass dieses Königtum nicht gesehen wird nach Analogie eines altorientalischen, ägyptischen oder babylonischen Königtums, eines despotischen Selbstherrschers. Was vielmehr hier bestimmend ist, ist nicht der Zwang, sondern ein Gebot, das angenommen werden soll von einem Menschen, der es auch abzuweisen vermag, dem es allen Ernstes freigestellt ist, es nicht anzunehmen. Das bedeutet, dass die Kreatur hier wirklich Partner ist. Das Königtum Gottes ist deshalb nicht identisch mit seiner Erfüllung. Daher auch in der jüdischen Konzeption die erste Verweigerung des Gehorsams durch die ersten Menschen, welche als Sünde erscheint, aber nicht als Sündenfall, der eine Erbsünde konstituiert. Denn der Sinn der Schöpfung ist der, dass der Mensch immer wieder in seine Freiheit gestellt und die Freiheit in ihm aufgerufen sei. Und der Weg, der von der Schöpfung aus gemeinten Geschichte, ist eben dieser Weg der Kreatur, die zu ihrem eigenen Gehorsam, zu ihrer eigenen Wahl und Entscheidung hindurchfindet. Der Mensch der Geschichte ist der je und je seinem König noch widerstrebende Mensch. Die Schöpfung ist darauf angelegt, erfülltes Königtum zu werden, aber sie wird in der Erfüllung behindert durch die Kreatur. Also gibt es keine Macht des Bösen, die Gott gegenüberstünde, der von sich sagt, dass er das »Licht und die Finsternis geschaffen« habe, sondern es gibt nur den von ihm selbst geschaffenen, gewählten, in die Freiheit gesetzten Partner, der ihm widerstrebt, und deshalb ist das Königtum Gottes nicht mit seiner Erfüllung identisch. Auf die Erfüllung hin, über diesen Widerstand hinaus, darauf hofft und harrt der messianische Glaube. Die Grundwahrheit ist: Gott will SEIN Reich nicht erzwingen, sondern durch immer erneuten Anruf, durch Probe, Erwählung, Züchtigung, schliesslich durch Offenbarung und durch Erziehung seines Volkes soll das Reich errichtet werden – und zwar von der Forderung aus, mit der Verwirklichung des menschlichen Anteils an der Vollendung der Schöpfung zu beginnen, als Volk eine königstreue Gemeinschaft zu realisieren, die die Weltgemeinschaft als erfülltes Königtum werden soll. Der Versuch des Volkes Israel, dies zu verwirklichen, das erste Stadium vom Volke aus, ist die primitive Theokratie. Sie entartet in Anarchie, das Volk versagt. Aus dieser primitiven Theokratie entsteht durch Einstellung der Person des gesalbten Königs ein primitiver Messianismus, der nichts anderes bedeutet als eine statthalterische Theokratie, wo an die Stelle der unmittelbaren Herrschaft Gottes die Herrschaft Gottes durch statthalterliche Vertretung tritt, die im Sakrament der Salbung sich ausspricht. Sie entartet teils zur Autokratie, teils zur Aristokratie, jedenfalls zu einer Machtherrschaft, die sich zwischen Gott und das zur Verwirklichung berufene Volk stellt. Aus der Enttäuschung an der nichterfüllten

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Statthalterschaft sahen wir die prophetische Gestalt hervorwachsen. Anstelle des nichterfüllenden Gesalbten schaut der Prophet den kommenden, erfüllenden Messias, der jeden Augenblick, jetzt, hier erscheinen kann; er setzt die Hoffnung auf eine Zukunft, die Erfüllung der Salbung, der messianischen Realität sein werde. Die prophetische Hoffnung wird zerschlagen durch die Zerstörung des Reiches und die babylonische Gefangenschaft. Im Dunkel des Exils wird die messianische Konzeption gewandelt. Es gibt den König nicht mehr, es gibt den Gesalbten nicht mehr, der die Salbung erfüllen soll, ein fremder Völkerherr (Kyros) wird Träger des Auftrags genannt. Von Israel wird jetzt ein Drittes konzipiert: Den Willen Gottes zu erfüllen ist nicht mehr bestimmt das ganze Volk, nicht mehr ein einzelner Messias, der das Volk vertritt, sondern der »heilige Rest«, nunmehr in der Gestalt des leidenden Knechtes, der in seinem Leid das Weltleid der Unerfülltheit des Gotteswillens austrägt, der dem allmenschlichen Widerspruch gegen die messianische Erfüllung entgegenleidet. Es kommt die nachexilische Zeit, mit ihr eine Reihe sehr verschiedenartiger Enttäuschungen – so an den Versuchen, eine zweite, nicht mehr naive sondern reflektierte Theokratie zu realisieren, die in schlimmste Priesterherrschaft ausartet und alles vorexilische Versagen zu Zeiten überbietet; so die über Israel hinausragende Enttäuschung an der Geschichte überhaupt, die Weltverzweiflung, die diese Menschen in der Krise der Antike erfasst und die der Jude in ganz besonderer Steigerung erfährt, weil hier wie nirgends anderswo der Mensch da war, der die unmittelbare Verwirklichung des Königtums Gottes erwartet. Ich sage im Ernst: Weltverzweiflung, die nicht romantischen Weltschmerz bedeutet, sondern Verzweiflung am Menschen, am menschlichen Anteil der Erlösung: der Mensch hat sich als unfähig erwiesen, seinen Teil zur Erlösung beizutragen, Gottes Partner am Erlösungswerk zu werden. Das ist der Moment, wo der durch Verzweiflung aufgerührte Boden empfänglich geworden ist für jene andere Konzeption: den iranischdualistischen Messianismus. Während es im Judentum keine Macht gibt, die der göttlichen gegenübersteht, ist hier der Macht des Lichtes die Macht der Finsternis, dem Reich Gottes ein Reich des Widergöttlichen gegenübergestellt. Aus dem Kampf der beiden Reiche resultiere die Weltgeschichte. Der Mensch als seelisches und körperhaftes Wesen ist mit allen Kreaturen in diesem ungeheuren Kampf ein Werkzeug dieser Mächte – ein Werkzeug, das schon durch seine Zweiteilung in ein lichtes und ein finsteres Element, ein seelisches und ein körperhaftes Element, die Teilung des Seins, des Herüber- und Hinübergezogenwerdens deutlich macht. Nie hat es im klassischen Judentum eine solche Konzep-

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tion des Menschen gegeben. Jene zwei Reiche kämpfen nun miteinander und nach einer bestimmten Zeit erfolgt der endgültige Sieg des Lichtes. Das Reich des Bösen wird vernichtet, die Welt wird verwandelt und in das Gottesreich hineinverklärt. D. h. das Gottesreich ist eigentlich da und es siegt nur. Das Jenseits siegt über das Diesseits – nicht bloss über das ihm widerstrebende Gegen-Jenseits. Das Diesseits wird aufgehoben am Ende der Tage. Was Welt heisst, wird von Grund aus verwandelt, es wird in die Verklärung aufgenommen, in die Jenseitigkeit hinübergezogen. Und damit hängt es nun zusammen, dass der Träger dieser Handlung, sofern er als Mensch erscheint, nicht mehr aus der Menschheit selbst kommt, nicht mehr je und je als ein Mensch, der versagen kann, der im echten Dialog mit Gott steht, sondern als ein Mittlerwesen, das, von oben nach unten gesandt, keine andere Funktion hat, als gesandt zu werden. Immer stärker tritt diese Linie hervor; und schliesslich im Zeitalter der Entstehung des Christentums ist der Gesandte zu einem göttlichen Wesen geworden, das auf die Erde gesandt wird, wie es sich denn in verschiedenen Formen der Gnosis deutlich zeigt. Einmal in der Schöpfung ist der Urmensch auf die Erde gesandt worden. Er ist gefallen, von der Materie, von der Macht der Finsternis herabgezogen worden. Und nun wird der zweite Mensch, der erlösende, gesandt, ein Gotteswesen, das den Urmenschen erlöst und ihn emporhebt. Aber mit der Aufnahme dieser Konzeption durch die jüdische Apokalypse wird die messianische Konzeption aufgehoben. Im Leben Jesu selbst, wie wir es aus den synoptischen Evangelien erschliessen können, herrscht die Konzeption des leidenden Knechtes in der historischen Wirklichkeit. Nun aber sehen wir etwas sehr Seltsames: Zu jener Konzeption gehörte nämlich die Vorstellung der Verborgenheit dieser leidenden Menschen, die die messianische Funktion durch die Geschichte tragen bis in die Erfüllung hinein – jenes »als gespitzter Pfeil im Köcher Gottes verborgen bleiben«, wie es im Deuterojesajas heisst. Ein Urproblem ist nun das Hervortreten aus dieser Verborgenheit, die Vorstellung, die diesen messianischen Menschen je und je anwandelt, wenn jetzt schon die Erfüllung kommen soll. Denn die Verborgenheit betrifft ja das Innerste und Letzte seines Lebens. In jedem Geschlecht ist es doch möglich, dass die Erfüllung nahe ist! Es ist eine tiefe Tragik, die in diesem Hervortreten aus der Verborgenheit und allem, was sich daran fügt, liegt. Jesu Hervortreten aus der Verborgenheit in die wirkliche Geschichte geschieht durch den Vorgang bei Caesarea-Philippi, im Gespräch mit Petrus (Matth. 16,13 ff.) und durch das was sich anschliesst. In diesem Augenblick verbinden sich die beiden messianischen Vorstel-

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lungen: hier der Knecht Gottes, der leidende, der entgegenkommende Mensch, dort – denn jetzt geschieht die Erfüllung nicht – der nach seinem Tode wiederkehrende Gottgesandte, verklärt auf den Wolken des Himmels (Matth. 16,27 und 24,30). Hier der altjüdische messianische Glaube, dort die Apokalypse, die ihn ablöst. In ihrer Weiterentwicklung führte diese Vorstellung zum Dogma von der Inkarnation, vom Niederstieg des Gotteswesens ins Fleisch, und damit hängt zusammen die Konzeption vom Gottesopfer: Gott bringt seinen Sohn als Opfer; es ist ein Handeln Gottes von oben nach unten, das nur geglaubt sein will. Dieses Gottesopfer hat eine dualistische Voraussetzung, dualistisch im Sinne iranischer Religiosität. Wir haben die Vorstellung der Opferung des eigenen Sohnes im Judentum als Verklärung und zugleich Aufhebung des Kindesopfers, wie es in den semitischen Religionen üblich war. Wir haben in der indischen Religion die Vorstellung des Gottes, der sich selbst opfert und damit die Welt erschafft, indem er sich in die Welt zerreisst. Wir haben aber nun hier diese eigentümliche Verschmelzung dieser Elemente zu einem Opfer Gottes zur Erlösung der Welt. Die Erlösung bedeutet hier eine Ueberwindung des Weltwiderspruchs allein von oben her. Die apokalyptische Verzweiflung am Partnertum des Menschen hat hier ihren äussersten, unüberbietbaren Ausdruck gefunden. Wirkliches Geschehen vom Menschentum her, die Realität des entgegenkommenden Menschen gibt es noch bei Johannes dem Täufer und bei Jesus: bei beiden der Ruf »Kehret um!«, der alte prophetische Ruf, mit dem die Menschen aufgerufen werden, mit dieser Umkehr ihres ganzen Wesens zu Gott die Entscheidung zu treffen, an der Erlösung zu wirken. Bei Paulus ist dieser Ruf, der auch in seiner Rede (vgl. Apostelgeschichte 17,30,31) vorkommt, verblasst. Bei ihm bedeutet er keinen wirklichen Anteil des Menschen, keine wirkliche Umkehr mit dem ganzen Wesen, kein Wirken des Menschen von sich aus mehr, sondern nur noch den Glauben an die vollkommene, keiner Partnerschaft bedürftige Erlösungstat Gottes. Hier besteht eine scheinbare Ueberlegenheit des Christentums (ich spreche von seiner vollendeten dogmatischen Entwicklung), insofern als es nämlich – namentlich in der Auslegung der protestantischen Theologie – die Gottesmacht allein anerkennt. Die Partnerschaft des Menschen Gott gegenüber wird auch da, wo im Christentum von einem »guten Werk« gesprochen wird, nicht mehr in der ganzen Realität der biblischen Konzeption gemeint – auch nicht bei Thomas von Aquin, wo man Aehnliches finden könnte. Das messianische Mysterium Israels ist auf der paradoxen – d. h. nicht logisch erfassbaren, nur in der Art des Geheimnisses gegebenen – Beziehung zwischen Gott und Mensch gegründet; dass Gott die Welt nicht

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ohne den Menschen erlösen will, ja dass die Erlösung nur verstanden werden kann dadurch, dass es den widerstrebenden Menschen und seinen Weg durch die Geschichte gibt und dass auf eben diesem irdischen, menschlichen Weg und keinem anderen die Erlösung, die Vollendung der Schöpfung gewirkt werden soll nach Gottes Willen. Das aber ist mehr oder weniger, aber doch immer in irgendeiner Weise, im Christentum aufgegeben. Die volle Realität des menschlichen Anteils wird durch einen Glaubensanteil der Menschen ersetzt. Diesen Glaubensanteil gibt es in der biblischen Konzeption nicht, sondern es gibt nur den ganzen Menschen, den frei sich einsetzen könnenden Menschen, mit dem Gott – wenn man so sagen darf – »rechnet«. Der Verzicht des Christentums auf diese paradoxe Beziehung des Menschen zu Gott kann nun entweder dogmatisch absolut oder er kann faktisch relativ sein – aber er folgt mit Notwendigkeit aus der Wandlung der messianischen Konzeption – der Konzeption des Gott helfenden, des Gott entgegenkommenden Menschen – zur Konzeption eines von Gott gesandten göttlichen Wesens. Und wie der Mensch als Träger der Erlösung hier aufgegeben wird, so wird die Welt aufgegeben als Gegenstand dieser Handlung. An die Stelle des Weltkönigtums Gottes, eines Königtums, das sich erfüllen soll in der Welt und an der Welt, tritt das Reich, das im Jenseits ist und sich verwirklicht in der Seele des Menschen. Wir haben ein »dort« und ein »hier«: das Dort, das von der Welt abgehoben ist, und das Hier der einzelnen Menschenseele, die glaubt und im Glauben ihr Heil findet, im Glauben erlöst wird. Zwischen beiden ist die Welt verschwunden. Die Vorstellung des erfüllten Weltkönigtums schrumpft schon in der jüdischen Apokalypse zu einem farblosen, notdürftigen 1000jährigen Reich ein – eine sozusagen der Vollständigkeit halber eingeschobene Vorstellung. So steht das klassische Christentum – hier müssen wir nicht von dem anfänglichen, etwa synoptischen, sondern von dem gewordenen Christentum als dem klassischen sprechen – der gewordene geschichtliche christliche Messianismus dem jüdischen gegenüber, der – wenn wir von der apokalyptischen Episode absehen – seinem biblischen Urbild treu geblieben ist. Der starke Kern des messianischen Glaubens an das menschliche Auf-Gott-Zutreten und Ihm-Helfen-Dürfen ist hier unvernichtbar, welche wandelnden Vorstellungen auch je und je sich daran knüpften. Aber es scheint mir, dass es hier um eine Sache geht, die über Israel und das Judentum hinausgreift. Es scheint mir, dass, was unserer Zeit nottut, nichts anderes ist als eine Erneuerung des messianischen Glaubens, die ausgehen muss vom Ernstnehmen der Welt als der auf das Wer-

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den des Gottesreiches angelegten Schöpfung, und vom Ernstnehmen des Menschen als des Partners Gottes am Erlösungswerk, also vom Ernstnehmen des Willens Gottes, der den Menschen aufruft zum Helfer an der Errichtung seines Königtums, an der Vollendung SEINER Welt.

Kommentar

Editorische Notiz Der vorliegende Band folgt den neuen, in Band 9 der MBW (»Schriften zum Christentum«) erstmals vorgestellten Editionskriterien. Die Einleitung, die der Textsammlung vorausgeht, enthält allgemeine Hinweise zur Entstehungsgeschichte der Texte, ordnet sie in Bubers Gesamtwerk ein und erläutert ihre zeitgenössische Rezeption. Die hier gebotenen Fassungen von Bubers Texten sind auf Grundlage der Typoskriptmitschriften der »Vorlesungen zu Judentum und Christentum« erstellt und folgen ihnen in Orthographie und Interpunktion. Die Texthervorhebungen der Originaltexte werden beibehalten, Unterstreichungen der Typoskripte werden in kursive Schreibung umgesetzt. Die Reihenfolge der Texte Bubers im vorliegenden Band folgt einerseits einer möglichst chronologischen Ordnung: während »Fassung I« der Vorlesungen eine Mitschrift des mündlichen Vortrags Bubers darstellt, basiert »Fassung II« auf einer nachträglichen Ausarbeitung eigener Notizen durch Ernst Michel (vgl. den Kommentar in diesem Band, S. 330332). Es wurde nach Möglichkeit darauf verzichtet, mit Korrekturen in den Text einzugreifen. Der freien Rede ist es geschuldet, dass insbesondere in »Fassung I« oft Sätze ihrem syntaktischen Bau nach unvollendet geblieben oder in sich nicht stimmig sind. Es erschien den Herausgebern nicht legitim, an diesen Stellen einzugreifen und dadurch den Duktus der freien Rede zu stören. Eine stillschweigende Berichtigung erfolgte nur im Fall von offenkundigen Tippfehlern, nicht geschlossenen Klammern und fehlenden An- oder Abführungszeichen. Die Schreibung von Namen wurde vereinheitlicht oder bei offenkundigen Fehlern korrigiert. Die Kommasetzung hingegen wurde nicht verändert. Wenige Eingriffe, die sinnverändernd wirken könnten, sind im Variantenapparat des Kommentarteils zum jeweiligen Text verzeichnet. * Im Kommentarteil dieses Bandes werden zunächst in einer individuellen Einleitung Fragen der Textentstehung und das Problem der Datierung beider Fassungen erörtert. Anschließend werden die in den Variantenapparaten berücksichtigten, mit Siglen versehenen Textzeugen aufgelistet und, falls erforderlich, kurz charakterisiert. Der Variantenapparat kann sich im Fall dieses Bandes auf den Ver-

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Editorische Notiz

merk weniger Korrekturen beschränken. Herausgeberbezogene Zeichen werden kursiv, der edierte Text recte formatiert. Der Kommentarteil zu dem jeweiligen Text wird durch Wort- und Sacherläuterungen vervollständigt. Den Abschluss des Bandes bilden umfangreiche Register zu der verwendeten Literatur, den Bibelstellen, den Sachbegriffen und den Personen.

Diakritische Zeichen Herausgeberbezogene Zeichen: [Textverlust] eindeutig fehlende, nicht ergänzbare Textlücken wegen Schreibabbruch, Textzeugenbeschädigung etc. Te x t z e u g e n - S i g l e n : TS1, TS2… Typoskripte TS1.1, TS1.2… Schichten innerhalb eines Textzeugen

Einzelkommentare Im Nachlass Martin Bubers, der im Martin Buber Archiv der National Library of Israel aufbewahrt wird, haben sich zwei Typoskripte zum Themenkomplex »Vorlesungen zu Judentum und Christentum« erhalten. Da keines der beiden Exemplare datiert ist, auch dem Text selbst keine expliziten Daten zu entnehmen sind, kann eine Datierung nur aufgrund textinterner Indizien vorgenommen werden. Allerdings weisen diese Indizien darauf hin, dass beide Typoskripte unterschiedliche Niederschriften der gleichen Vorlesung sind. Im Jüdischen Lehrhaus, das 1933 in Nachfolge des bereits 1929 aufgelösten Freien Jüdischen Lehrhauses in Frankfurt eröffnet wurde, hielt Buber 1934 in drei Trimestern eine Reihe von Vorlesungen unter dem oben genannten Titel, der auch als Hauptüberschrift der zweiten, kürzeren Typoskriptfassung fungiert: »Vorlesungen über Judentum und Christentum«. Laut Ankündigung gliederte sich diese Vorlesung – wie die Typoskripte – in die drei Unterabteilungen »Jüdischer und christlicher Glaube«, »Jüdische und christliche Erlösungslehre« und »Jüdischer und christlicher Messianismus« (vgl. Rita van de Sandt, Martin Bubers Bildnerische Tätigkeit zwischen den beiden Weltkriegen, Stuttgart 1977, S. 162-164). In der Ankündigung des ersten, von Franz Rosenzweig geleiteten Lehrhauses ist zwar eine Vorlesung Bubers unter dem gleichen Titel für das Jahr 1922 ausgewiesen, weshalb Karl-Josef Kuschel die beiden Typoskripte, die im Kommentar zu MBW 9 bereits kursorisch besprochen werden, auf dieses Jahr datierte (MBW 9, S. 421). Bei näherer Sichtung der Texte scheint diese Datierung jedoch problematisch. Denn einerseits erwähnt Buber in der ersten, längeren Fassung (Fassung I) einen »verstorbenen Freund«, in dem er einen »großen, christlichen Menschen« erfahren habe (vgl. in diesem Band, S. 83), wobei es sich einer Erläuterung Bubers in Zwei Glaubensweisen, S. 135 zufolge, in der dieser Hinweis wieder aufgenommen wurde, um den 1924 verstorbenen Florens Christian Rang gehandelt hat (MBW 9, S. 285). Desweiteren spielt er auf zwei Veröffentlichungen an, einmal von Hugo Gressmann, ein andermal von Gustav Mensching, die erst 1929 bzw. 1931 erschienen sind, womit der Terminus post quem sich weiter nach hinten verschiebt (vgl. in diesem Band, S. 198 u. 142). Schließlich bestand zwischen den Jahren 1929 und 1933 keine dem Jüdischen Lehrhaus vergleichbare Bildungseinrichtung, in der Buber im vorliegenden Umfang hätte tätig werden können. Die Indizien verweisen also darauf, dass beide Typoskripte die Vorlesung von 1934 wieder-

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geben, wohingegen sich keine Vorlagen oder Mitschriften der Vorlesungen von 1922 erhalten zu haben scheinen. Erhärtet wird diese These nicht zuletzt durch einen Hinweis Bubers: zu Beginn des III. Hauptteils spricht Buber von einer kürzlich gehaltenen Lehrhausrede, seiner vierten. Laut Rita van de Sandt sprach Buber zur Wiedereröffnung des Jüdischen Lehrhauses am 19. November 1933, sowie jeweils zu Beginn der Trimester, so dass die zu Beginn des 3. vollständigen Trimesters gehaltene Rede als vierte zu zählen wäre. Diese Rede, die Buber S. 190-192 noch einmal zusammenfasst, ohne ihren Titel zu nennen, scheint die Rede »Die Mächtigkeit des Geistes« zu sein, die laut van de Sandt am 14. Oktober 1934 gehalten wurde, verweist doch Buber darauf, dass es in der fraglichen Rede, um die »Abhebung gegen das Heidentum ging, darum habe ich von der Herrlichkeit des Heidentums gesprochen« (in diesem Band, S. 191). Das ist der Ausgangspunkt der Rede »Die Mächtigkeit des Geistes«, in der sich Buber gegen eine Repaganisierung ausspricht, die »heidnischen Herrlichkeiten« für »unwiederbringlich« verloren hält (MBW 9, S. 177). Das wurde von dem nationalsozialistischen Regime wohl zu Recht als Angriff auf die eigene Weltanschauung gedeutet. Nachdem Buber diese Rede noch einmal in der Berliner Philharmonie gehalten hatte, wurde ein Redeverbot gegen ihn am 21. Februar 1935 verhängt (vgl. Simon, Aufbau im Untergang, S. 73). Buber versucht in seinen Erläuterungen zur Rede in den Vorlesungen seine Hörer behutsam auf den oppositionellen Inhalt hinzuweisen. Dass sich beide Typoskripte auf dieselbe Vorlesungsreihe beziehen, wird aus der Parallelität der Argumentationsführung, den gleichlautenden Belegen und einzelnen Bemerkungen deutlich. So beziehen sich etwa beide Typoskripte an der gleichen Stelle auf die Frage eines Hörers identischen Inhalts (vgl. in diesem Band, S. 61 und S. 296). Der Textgestaltung nach handelt es sich bei Fassung I der Vorlesung offenkundig um eine stenographische Mitschrift des gesprochenen Wortes, was an diversen Eigenheiten der mündlichen Rede, Redundanzen und Füllseln sowie unmittelbaren Reaktionen auf Fragen und Einwürfen kenntlich wird. Bei der kürzeren Fassung (Fassung II), die in Durchschlägen sowohl im Martin Buber Archiv (Arc. Ms. Var. 350 beth 43 f.) in Jerusalem als auch im Leo Baeck Institut in New York (AR 9 1/15) überliefert ist, scheint es sich um die Niederschrift zu handeln, auf die sich Ernst Michel in seinem Brief an Buber vom 26. März 1935 bezieht: »Die Niederschriften, die ich mir von Ihren drei Vorlesungen über ›Judentum und Christentum‹ gemacht hatte, habe ich vor einiger Zeit redigiert, sämtliche Zitate nachgeprüft und ergänzt, Exkurse hineingearbeitet und das Ganze einer Dame zur Abschrift gegeben.« (B II, S. 563.) Dass Fassung II weitaus kürzer

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ist als die wörtliche Mitschrift, obwohl Michel angibt, seine Niederschrift um Zitate und Exkurse ergänzt zu haben, dürfte darauf zurückzuführen sein, dass seine Niederschriften auf einer Vorlage beruhen, in der die Ausführungen Bubers zunächst nur stichpunktartig festgehalten waren. Mit den eigenen »Niederschriften«, die Michel für die Erstellung des zweiten Typoskripts redigierte, dürfte schwerlich die Langfassung (I) gemeint sein, weist diese doch anders als Fassung II teils erhebliche Fehlschreibungen von Namen und Fachbegriffen auf, was darauf verweist, dass diese Mitschrift von einer der Thematik fernstehenden technischen Schreibkraft, also nicht von dem durchaus sachkundigen Michel angefertigt worden ist. Beide Typoskripte beziehen sich demnach auf dieselbe Vorlesungsreihe, stammen aber von zwei unterschiedlichen Verfassern und sind unabhängig voneinander. Aus diesem Grund erscheint es sinnvoll, beide Typoskripte nacheinander zum Abdruck zu bringen. Denn an Fassung I lässt sich insbesondere der sprachliche Duktus einer Vorlesung Bubers unmittelbar nachvollziehen. Auch enthält diese längere Fassung materialreiche Exkurse, die den weitgespannten Bogen der gedanklichen Arbeit Bubers kenntlich werden lassen. Fassung II hingegen bietet in ihrer konzentrierteren Gestalt einen Text, dessen sich Buber später als Vorstufe für die Ausarbeitung von Zwei Glaubensweisen bediente. Die einzige Untersuchung, die bislang zu den Vorlesungen erschienen ist, findet sich in: Elke Dubbels, Figuren des Messianischen in Schriften deutsch-jüdischer Intellektueller 1900-1933, Berlin u. Boston 2011, S. 236-250.

Vorlesungen über Judentum und Christentum. (Fassung I) Textzeuge: TS: Typoskript im MBA (Arc. Ms. Var 350, bet 43 f.); bestehend aus drei Konvoluten: das erste Konvolut enthält 91 lose, einseitig beschriebe Blätter zum Thema »Jüdischer und christlicher Glaube«. Das zweite Konvolut zum Trimester »Jüdischer und christliche Erlösungslehre« enthält 105, das dritte zum Trimester »Jüdischer und christlicher Messianismus« schließlich 86 lose Blätter. Diese Typoskripte sind wohl auf der Grundlage einer stenographischen Mitschrift von Bubers mündlichem Vortrag angefertigt worden. Die einzelnen Typoskriptseiten sind nur geringfügig mit Korrekturen einzelner Tippfehler versehen.

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Druckvorlage: TS Variantenapparat: 59,39 Testament als solches] berichtigt aus Testament als solche 62,5 in den vier Traktaten] berichtigt aus (um eine) in den vier Traktaten 62,29 dass der Gelehrte überhaupt] berichtigt aus da der Gelehrte überhaupt 62,41 Aber noch genauer] berichtigt aus Aber (es ist) noch genauer 68,22-23 nicht glaubt an den Namen] berichtigt aus nicht an glaubt hat an den Namen 88,22 geschehen ist] berichtigt aus Geschehen ist 91,13 Middot] berichtigt aus Midath 92,12-13 Perspektive des Judentums. Das Christentum] berichtigt aus Perspektive des Judentums, das Christentum 103,3 göttlich-menschliches Wesen] berichtigt aus göttlich, menschliches Wesen 106,27 Christentum rechtmässigerweise] berichtigt aus Christentum rechtmässigerweise ?? 143,11 dienen muss] berichtigt aus dienen müssen 144,6 das jenem Gesetz widersteht] berichtigt aus das jenem Gesetz wider sieht 145,8-9 da alle diese Wesen im Sündenstand sind] berichtigt aus da alle dieses Wesen im Sündenstand ist 177,28 danielische] berichtigt aus (italienische?) 182,37-38 Gegenüber der Menschenhandlung und der Gnade Gottes, in einer mir besonders wichtig erscheinenden] berichtigt aus Gegenüber den Menschenhandlung und der Gnade Gottes, in eine mir besonders wichtig erscheinenden 204, 24 33. Kapitel] berichtigt aus 3. Kapitel Wort- und Sacherläuterungen: 52,8-16 ich will über jüdischen und christlichen Glauben […] eindeutig da ist.] In der Einleitung zu Zwei Glaubensweisen, definiert Buber als den Gegenstand seiner Untersuchung die »Zwiefältigkeit des Glaubens« (S. 5; jetzt in: MBW 9, S. 202), erstere habe »ihr klassisches Beispiel an der Frühzeit des Glaubensvolks Israel« und die zweite »an der Frühzeit der Christenheit« (S. 7 f.; jetzt in: MBW 9, S. 203). Diese Aussage macht deutlich, dass Buber in Zwei Glaubensweisen einen erweiterten konzeptuellen Anspruch verfolgt, in der Judentum und Christentum als idealtypische Beispiele dienen, während die hier vor-

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liegende Vorlesungsreihe eine Untersuchung in die Natur der beiden Religionen ohne einen weiten theoretischen Rahmen durchführt. Bemerkenswert ist auch der Umstand, dass die Formulierung »die Zwiefältigkeit des Glaubens« über die dritte Glaubensweise des Monotheismus, den Islam, hinweggeht. Sie wird nur zweimal beiläufig in Zwei Glaubensweisen, S. 41 u. 59 (jetzt in: MBW 9, S. 225 u. 236) erwähnt und fehlt in den Vorlesungen gänzlich. 53,28 Synoptikern] Die synoptischen Evangelien, Markus, Matthäus und Lukas, die gegenüber dem Johannesevangelium als älter gelten und auf gemeinsame Quellen zurückgehen bzw. voneinander abhängig sind. In Zwei Glaubensweisen, S. 33 (jetzt in: MBW 9, S. 220), erklärt Buber, dass die Synoptiker noch dem Judentum zuzurechnen sind, während das Johannesevangelium der Punkt ist, an dem »das ›Christliche‹ vom ›Jüdischen‹ abzweigt«. 53,35 »Kehret um«] Bubers Übersetzung von μετανοεῖτε aus Mk 1,15, die Luthers Übersetzung von schuvu (Jes 31,6; II Kön 17,13; Hi 6,29 u. Rut 1,11 f.) aufgreift. Die Gegenüberstellung der hebräischen und griechischen Begrifflichkeit findet sich bereits in dem Brief von Rosenzweig an Rudolf Ehrenberg (1884-1969) vom 4. November 1913: »Daß der Begriff der Buße, der hebräisch durch ›Rückkehr‹, ›Umkehr‹, ›Wiederkehr‹ wiedergegeben wird, also dieses hebräische Wort ›Teschuba‹ im Neuen Testament (μετάνοια) [Umdenken] heißt, das ist einer der Punkte, wo die Weltgeschichte im Wörterbuch steht.« Rosenzweig, Briefe und Tagebücher, Bd. I, S. 142. 53,35 der alte prophetische Ruf] Vgl. Jer 3,14 u.22; 18,11; 25,5; Ez 14,6; 18,30; 33,11; Hos 14,2 f.; Jo 2,13; Sach 1,3 f.; 9,12; Mal 3,7. 53,36 Johannes] Johannes der Täufer. 53,36 seine Predigt] Mt 3,2 f.; Mk 1,4; Lk 3,3. 53,37 »Tuet Busse«] Mt 3,2; 4,17; Mk 1,15; Lk 13,3; 13,5; 15,7; 15,10; Apg 2,38; 3,19. 54,2-3 »Glaubt an das Evangelium, an die gute Botschaft«.] Mk 1,15. 54,13-14 »alles ist dem Glaubenden möglich«] Mk 9,23. Luther (1912): »Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt.« 54,14-15 »alles, was ihr verlanget, […] empfangen«] Mk 11,24 in Bubers Übersetzung. 54,22-23 das Bekenntnis des Petrus] Mt 16,13-20; Mk 8,27-30; Lk 9,18-20. 54,24 »Du bist der Gesalbte.«] Mt 16,16; Mk 8,29; Lk 9,20 in Bubers Wiedergabe; vgl. Luther (1912): »Du bist Christus«. 54,27-28 »Wir glauben, dass du der Heilige Gottes bist.«] Joh 6,69. 54,30-32 einer anderen Fassung des Glaubens […] eingegangen ist.] Bubers Erörterung dieser Bibelstellen in Zwei Glaubensweisen, S. 28-

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31, stellt die Frage nach dem messianischem Bewusstsein Jesu in den Mittelpunkt. (Jetzt in: MBW 9, S. 217-219). 55,6-8 »Es ist aber der Glaube […] ein Nichtzweifeln an dem, das man nicht sieht«] Hebr 11,1. 55,8-9 (das griechische Wort […] nicht sieht)] ἔλεγχος griech. für »Beweis«. 55,10-12 »Ohne Glauben ist […] ein Vergelter sein werde.«] Hebr 11,6. 55,38-39 »Wer zu Gott kommen will, muss glauben, dass er ist«] Ebd. 56,13-15 »Also hat Gott […] das ewige Leben haben.«] Joh 3,16. 56,15-18 (In einem syrischen Kodex aber […] nicht verloren geht.)] Die Schriften des Neuen Testaments bzw. Teile hiervon liegen in einer Vielzahl von Versionen in den verschiedenen Dialekten des SyrischAramäischen vor, von denen einige altsyrische Texte auf das 2. Jh. n. Chr. datiert werden. Die Versionen gelten teils als Übersetzungen aus dem Griechischen, teils als ursprünglich auf Aramäisch verfasst. Bubers Zitat stimmt mit der bedeutendsten, von einigen orientalischen Kirchen kanonisierten Übersetzung Peschitta überein. Ein Überblick über die Geschichte der syrisch-aramäischen Übersetzungen findet sich bei Bruce M. Metzger, The Early Versions of the New Testament. Their Origin, Transmission, and Limitations, Oxford 1977, S. 3-82. Vom Anfang dieser Perikope (Joh 3,1-8) behauptet Buber in Zwei Glaubensweisen, S. 119, sie sei ursprünglich auf Hebräisch oder Aramäisch verfasst (jetzt in: MBW 9, S. 275). 56,22 Gespräch mit Nikodemus] Joh 3,1-21. 56,25-27 »Wer an ihn glaubt, […] Sohnes Gottes.«] Joh 3,18. 57,7 die Haltung des Apostels Paulus] Dreizehn Briefe im Neuen Testament nennen Paulus als Verfasser. Als authentisch gelten der Römerbrief, der 1. und 2. Brief an die Korinther, der Brief an die Galater, der Brief an die Philipper, der 1. Brief an die Thessalonicher, und der Brief an Philemon. 57,15-16 »Dass aber durch’s Gesetz […] offenbar.«] Gal 3,11 (Luther). 57,16-17 Also das Gesetz – nebenbei gesagt eine falsche Übersetzung von Thora.] Die Übersetzung von »Thora« mit »Gesetz« geht auf die Septuaginta, zurück. Das zugehörige hebräische Verb lehorot bedeutet »lehren«, »unterrichten«. Darauf geht Bubers Übersetzung »Weisung«, »Unterweisung« oder auch »Lehre« (in Die Erzählungen der Chassidim) zurück. Vgl. Buber, Über die Wortwahl in einer Verdeutschung der Schrift. Dem Gedächtnis Franz Rosenzweigs (Sommer 1930), Berlin: Lambert Schneider 1930, S. 18 (jetzt in: MBW 14, S. 68-85, hier S. 80): »Einige weitere Beispiele für die Erweckung unrichtiger Assoziationen durch ungenaue Übertra-

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gung: tora ist nicht ›Gesetz‹, sondern stets Weisung oder Unterweisung«. 57,17-22 Wie dort aus dem »Kehret um«, […] gegenüberstehende Satzung.] Ausführlicher stellt Buber diesen Gedankengang in Zwei Glaubensweisen dar, S. 55-57 (jetzt in: MBW 9, S. 234 f.). 57,25 (ein alttestamentliches Zitat)] in Gal 3,11. Der Vers Hab 2,4 wird auch in Röm 1,17 und Hebr 10,38 zitiert. 57,26 Der Gerechte wird seines Glaubens leben«.] Hab 2,4. 57,26-27 Wie heisst es aber wirklich im Alten Testament?] Der Zusammenhang zwischen Glauben bzw. Vertrauen und Gerechtigkeit in der Hebräischen Bibel wird ausführlicher und etwas anders akzentuiert in Zwei Glaubensweisen, S. 41-49 diskutiert (jetzt in: MBW 9, S. 225230). 57,27 Habakuk] Prophet, zu dem biographische Angaben gänzlich fehlen. Das Buch besteht in den ersten beiden Kapiteln aus Fragen und Klagen Habakuks, der nach Gottes Gerechtigkeit angesichts von Unglück und Zerstörung fragt, sowie Gottes Antwort, dass es sich um ein Strafgericht handelt. Das dritte Kapitel ist ein Psalm. 57,29-30 »wohl gebläht ist […] durch sein Vertrauen.«] Hab 2,4. Vgl. Das Buch der Zwölf. (Die Schrift XIII), verdeutscht von Martin Buber, Berlin: Schocken Verlag 1934, S. 145 f.: »Da, gebläht ist sie, / in jenem nicht gerad seine Seele, / dieweil der Bewährte / leben wird durch sein Vertrauen.« 57,38 der Zaddik] Üblicherweise mit »der Gerechte« übersetzt. 58,3 »Emunah«] Hebr.: »Vertrauen«, »Glaube«. 58,6-7 in dem Paulinischen Wort] griech.: pistis. Die Gegenüberstellung von Emunah und Pistis ist einer der bekanntesten und einflussreichsten Thesen, die Buber in Zwei Glaubensweisen vorstellt, resümierend in »Die Krisis unserer Zeit ist auch eine Krisis der beiden Glaubensweisen, der Emuna und der Pistis.« (S. 174; vgl. auch S. 24 f. u. S. 99 [Anm.]; jetzt in: MBW 9, S. 309; vgl. auch S. 215 u. S. 262 [Anm.]). Während die Textgrundlagen und der konzeptionelle Rahmen in den Vorlesungen bereits vorhanden sind, findet sich dort jedoch nur der hebr. Ausdruck, Emunah. Die Hinzunahme der Pistis in Zwei Glaubensweisen geht mit der gegenüber den Vorlesungen stärkeren Betonung des Einflusses der griechischen Kultur auf das frühe Christentum einher. 58,11 »wer dies tut, wird dadurch leben.«] Gal 3,12. 58,13-14 »Wahret meine Satzungen […] und lebt diesen«] Lev 18,5. Anscheinend Bubers Übersetzung. Vgl. Das Buch Er rief. (Die Schrift III), verdeutscht von Martin Buber gemeinsam mit Franz Rosen-

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zweig, Berlin: Verlag Lambert Schneider 1926, S. 76: »Wahret meine Satzungen und meine Rechtssprüche, / als welche der Mensch tut und lebt durch sie.« 58,16-17 »Das Gesetz […] dadurch leben.«] Gal 3,12 mit dem eingebauten Vers Lev 18,5. 58,17-19 im Gegensatz zu Jesus […] in eines fasst] Vgl. Mt 5,17 u. 22,37-40. 59,2-3 »denn wir rechnen, dass der Mensch durch Glauben gerecht wird, ohne Gesetzeswerk.«] Röm 3,28. Anscheinend Bubers Übersetzung. Vgl. Luther: »So halten wir nun dafür, daß der Mensch gerecht werde ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben.« 59,6-8 »und er vertraute ihm […] und Er rechnete ihm das als Bewährung.«] Gen 15,6. Vgl. die Übersetzung in Das Buch Im Anfang. (Die Schrift I), verdeutscht von Martin Buber gemeinsam mit Franz Rosenzweig, Berlin: Verlag Lambert Schneider 1925, S. 51: »Er aber vertraute Ihm; / das achtete er ihm als Bewährung.« 59,9-11 »wo es sich nicht um Werkleistung […] angerechnet zu Gerechtigkeit.«] Röm 4,5. Anscheinend Bubers Übersetzung. Bei Luther lautet der Vers: »Dem aber, der nicht mit Werken umgeht, glaubt aber an den, der die Gottlosen gerecht macht, dem wird sein Glaube gerechnet zur Gerechtigkeit.« 59,18-19 seine Wege nicht unsere Wege sind] Vgl. Jes 55,8. 59,32 Khawana] hebr. Kawwana für »Ausrichtung«, »Intention« als handlungsleitend im Gegensatz zu einer mechanischen oder äußerlichen Gebotserfüllung, insbesondere im Zusammenhang mit dem Gebet. Besondere Bedeutung erhält der Begriff in der lurianischen Kabbala und dem Chassidismus. 60,13-14 der ja ein Pharisäer gewesen ist] Die Pharisäer, hebr.: Peruschim für »Abgesonderte«, sind eine der Religionsparteien zur Zeit des Zweiten Tempels, aus der sich das rabbinische Judentum entwickelte. Auch wenn der Begriff durch die Polemik des Neuen Testaments negativ konnotiert sei, will ihn Buber weiterverwenden, vgl. Kuschel, Einleitung zu MBW 9, S. 32 f. Vgl. auch den Artikel »Pharisäertum«, in: Der Jude, Sonderheft. Antisemitismus und jüdisches Volkstum, S. 123-131 (jetzt in: MBW 9, S. 87-95 sowie den Kommentar, S. 343-345). Paulus bezeichnet sich als Pharisäer in Phil 3,5, vgl. auch seine legendäre Rede in Apg 22,3. 60,27 »und sie vertrauten Ihm und Mose seinem Knecht.«] Ex 14,31. Vgl. Das Buch Namen. (Die Schrift II), verdeutscht von Martin Buber gemeinsam mit Franz Rosenzweig, Berlin: Verlag Lambert Schneider

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1926, S. 61: »Das Volk fürchtete Ihn / und vertraute Ihm und Mosche seinem Knecht.« 60,28-33 »Jedermann, der […] Geist ergriffen sangen sie.«] Jalqut Shimʿ oni, Be-Schalach, 240:2 (zu Ex 14,31). Jalqut Schimʿ oni ist ein mittelalterliches Midrasch-Sammelwerk. Ähnlich schon MekhJ, Traktat Beschalach 6 (in: Ed. Horovitz, S. 114 f.), bei Stemberger (Übers.) Mekhilta de-Rabbi Jishma’el, S. 142-144. Mizwa hebr. für göttliches Gebot bzw. Verbot. 60,37 Mizwo] Mizwo ist die osteuropäisch-aschkenasische Wiedergabe von Mizwa. Buber pendelt zwischen den beiden Aussprachen. 61,24 Werkgerechtigkeit] Luthers Begrifflichkeit. Die Auslegung der paulinischen Texte stand im protestantischen Bereich lange Zeit unter dem Einfluss der augustinisch-lutherischen Interpretationslinie. Seit den 1970er Jahren bemüht sich die Forschungsrichtung »New Perspectives on Paul« um ein neues Verständnis seiner Lehren, da der scharfe Antagonismus zwischen Erlösung durch »Gnade« oder »Werke«, auf dem die reformatorische Lesart fußt, dem Apostel nicht gerecht wird. Ebenso wird angezweifelt, dass Paulus das »Gesetz«, die Tora, pauschal negativ bewertete. 61,32 in vier Traktaten] bBer 13a (BT, Bd. I, S. 55), bRHSh 28a (BT, Bd. III, S. 607), bPes 50b (BT, Bd. II, S. 458 f.), bAS 27a (Bd. IX, S. 516). 61,34-36 ob die Khawana unerlässlich sei […] Absicht der Übertretung.] bNas 32b (BT, Bd. V, S. 614-616), bHor 10b (BT, Bd. IX, S. 731 f.). 62,24-25 Gelehrtenschule von Jabne] Jabne oder Javne (griech.: Jamnia) liegt am Mittelmeer südlich von Tel Aviv. Der Legende nach, vgl. bGit 56a-b (BT, Bd. VI, S. 365 f.), ließ sich der Gelehrte Rabban Jochanan ben Zakkai in einem Sarg aus dem belagerten Jerusalem schmuggeln und weissagte dem Feldherrn Vespasian (9-79 n. Chr.) die Kaiserwürde. Geschmeichelt stimmte er der Bitte Jochanan ben Zakkais zu, in Javne ein Lehrhaus zu errichten, das als Keimzelle des rabbinischen Judentums betrachtet werden kann. Es übernahm auch Funktionen des Sanhedrins, des obersten Gerichtshofs, wie z. B. die Bestimmung des Kalenders und damit der Feiertage. 62,27 einen Wahlspruch] bBer 17a (BT, Bd. I, S. 73): Goldschmidts Übersetzung: »Ich bin ein Geschöpf und mein Nächster ist ein Geschöpf, : m e i n e Arbeit ist in der Stadt und s e i n e Arbeit ist auf dem Felde; ich mache mich früh zu meiner Arbeit auf, und er macht sich früh zu seiner Arbeit auf; wie er sich nicht meine Arbeit anmaßt, so maße ich mir nicht seine Arbeit an. Vielleicht aber sagst du: ich tue viel, er aber wenig, so haben wir gelernt: ob man viel oder wenig tut, wenn man nur sein Herz auf den Himmel richtet.«)

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62,28 der gelehrte Mann] In der Mischna: »die Rabbiner von Javne«, vgl. ebd. 63,2 der Zeit Hadrians] Hadrian (76-138), Kaiser seit 117 n. Chr. In seine Regierungszeit fällt der Bar Kochba Aufstand (132-135 n. Chr.) und der darauf folgende Versuch, die jüdische Religion zu unterdrücken. Jerusalem wurde als hellenistische Stadt mit dem Namen Aelia Capitolina wiederaufgebaut. 63,2-3 von Ben Asai in Bezug auf den Opferdienst ausgesprochen wird] bMen 110a (BT, Bd. X, S. 749). Ben Asai – die vollständige Bezeichnung Simon ben Asai ist unüblich – ist ein Tannait der 3. Generation, ein Zeitgenosse Rabbi Akibas. Zwei ihm zugeschriebene Aussprüche finden sich in Pirqe Avot mAV IV, 2 u 3 (BT, Bd. IX, S. 675). 63,6-8 der Reiche opfert ein Lamm […] eine Mehlgabe.] bMen 110a (BT, Bd. X, S. 749); statt »ein Lamm« heißt es im Originaltext »ein großer Ochse«. 63,12-13 »diese Worte, […] Herzen sein«.] Dtn 6,6 (Teil des Schma-Israel). 63,13 (Traktat Megillah)] irrtümlich für »Traktat Berakhot«. 63,13-15 »Nach der Khawana, nach der Intention […] darnach geht es allein.] bBer 15a (BT, Bd. I, S. 64). 63,32-33 Abraham vertraute Ihm, Er aber rechnete es ihm als Bewährung] Gen 15,6. 63,34-35 Ein analoger Vers […] Gang durchs Schilfmeer] Ex 14,31. 63,40-64,5 Jedermann, der ein einziges Gebot […] sangen sie den Gesang.] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 60,28-33. 64,7 das Wort Jesaias an den König Ahas] Jes 7,9. 64,14 Gläubet ihr nicht, dann bleibet ihr nicht.] Ebd. »Gläubt ihr nicht so bleibt ihr nicht.« Luther (1912). 64,16 Wir] Buber und Franz Rosenzweig. 64,16-17 »Vertrauet ihr nicht, bleibet ihr nicht betreuet.«] So wie in der stilistisch leicht modernisierten Endfassung: »Vertraut ihr nicht, bleibt ihr nicht betreut.« Bücher der Kündung, verdeutscht von Martin Buber gemeinsam mit Franz Rosenzweig, Köln u. Olten: Jakob Hegner 1958, S. 28. Zunächst hieß es: »Doch vertraut ihr nicht, bleibt ihr nicht betreut.« Das Buch Jeschajahu. (Die Schrift X), verdeutscht von Martin Buber gemeinsam mit Franz Rosenzweig, Berlin: Verlag Lambert Schneider 1930, S. 32. 64,22 20. Buch] irrtümlich statt: »20. Kapitel«. 64,22 Josa[phat]] König von Juda, dessen Regierungszeit auf 873/870 – 849/848 v. Chr. datiert wird. Seine Regierungszeit wird besonders in

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II Chr 17-20 positiv bewertet, da er den Kultus im Sinne des Deuteroniums wiederhergestellt haben soll. 64,23-24 Vertrauet ihm, […] gelingen.] II Chr 20,20. 64,33 im 28. Kapitel] Jes 28,16. 65,11 Propheten Habakuk] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 52,27. 65,14 der Wahrhaftige wird durch sein Vertrauen leben] Hab 2,4. 65,19 Gebläht, nicht gerade ist in ihm seine Seele] Hab 2,4. 66,1-2 »Du sollst wissen, du sollst erkennen, du sollst kennen, dass …«] Hebr. jadaʿ ta. Es gibt mehrere Stellen in denen das hebr. Verb jada im Zusammenhang mit der Erkenntnis Gottes oder Gottes Macht gebraucht wird. So sagt der midianitische Priester Jetro in Ex 18,11: »Jetzt weiß ich, dass der Herr größer ist als alle Götter«. Ähnlich die Aussage des syrischen Hauptmanns Naeman nach seiner Heilung durch den Propheten Elisa in II Kön 5,15: »Siehe, nun weiß ich, dass es keinen anderen Gott in ganzen Landen gibt, außer in Israel«. 66,4 Du sollst erkennen, dass er, dein Gott, der Gott ist!] Dtn 7,9. Ähnlich auch Dtn 4,39. 66,24-25 Und euer Herz sei (ja, Scholem, das ist nicht zu übersetzen. Man könnte sagen:) ganz.] »Und euer Herz sei ganz.« I Kön 8,61. Scholem in der osteuropäisch-aschkenasischen Aussprache hebr. für »ganz«, »unversehrt«. Es gehört zur selben Wortwurzel wie Schalom. 66,33 Euer Herz sei einträchtig.] In Das Buch Könige. (Die Schrift IX), verdeutscht von Martin Buber gemeinsam mit Franz Rosenzweig, Berlin: Verlag Lambert Schneider 1929, S. 56 lautet I Kön 8,61 »Euer Herz aber sei befriedet mit Ihm«. 66,34 »Im«] hebr. Präposition mit der Grundbedeutung »mit«. 66,37-38 sein Herz war nicht einträchtig mit ihm, seinem Gott] Vgl. I Kön 11,4. 66,39 Josaphat] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 64,22. 66,39-40 »Vertrauet Gott, vertrauet seinen Kündern«] II Chr 20,20. 67,1-2 »in seiner Furcht […] mit einträchtigem Herzen«] II Chr 19,9. 67,5-6 Es gibt nichts, […] nur er allein] Vgl. Dtn 4,39. 67,7-8 »mit ganzem, mit einträchtigem Herzen«] II Chr 19,9. 67,25-26 »Ich habe ihn stets vor mich hingestellt«] Ps 16,8. Vgl. die Übersetzung in Das Buch der Preisungen. (Die Schrift XIV), verdeutscht von Martin Buber, Berlin: Schocken Verlag 1935, S. 29 »Ich hege Ihn mir stets gegenüber«. Dieser Vers dient in vielen Synagogen als Leitspruch z. B. auf Toravorhängen und Plaketten. Vgl. auch die Empfehlung des Kitzur Schulchan Aruch, Orach chajjim, Siman 1, sich diese Bibelstelle zur Gebetsandacht zu vergegenwärtigen. 67,30-31 (tomid)] hebr. tomid oder tamid für »stets«, »immer«.

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68,21-23 Wer an ihn glaubt […] des eingeborenen Sohnes Gottes.] Joh 3,18. 69,11-15 ein unerhörter Anspruch, der Anspruch des Mittlers, wie Justin […] geglaubt werden s o l l .] Vgl. Justins, des Philosophen und Märtyrers, Rechtfertigung des Christentums. (Apologie I u. II), übers. von H. Veil, Strassburg 1893, S. 8: »[Jesus Christus,] den wir als den Sohn des wahrhaftigen Gottes erkannt haben und an die zweite Stelle setzen«. Griechisch: Justin, Apologie I, 13, in: Die Apologien Justins des Märtyrers, hrsg. von Gustav Krüger, Tübingen 1915 S. 10 sowie Dialog mit Tryphon, Kap. 56, in: Dem Heiligen Philosophen und Martyrers Justinus Dialog mit dem Juden Tryphon, übers. und eingel. von Philipp Haeuser, Kempten u. München 1917, S. 84-91 (eine Beweisführung mit Gen 18,1-15). 70,1-2 ein Schüler Gamliels] Rabban Gamliel der Ältere (1. Hälfte des 1. Jh. n. Chr.) war ein Enkel Hillels und gilt als Nasi (Vorsteher) des Sanhedrin. Nach Apg 22,3 war er der Lehrer des Paulus. 70,3 Römer 9,30,10 3 und 10.] Vermutlich zu lesen als Röm 9,30-10,3 und 10,10. 70,6 Halacha] Die verbindliche Auslegung der Gebote der (schriftlichen und mündlichen) Tora, die genaue Praxis der jüdischen Religion, wie sie sich aus der Diskussion der jüdischen Gelehrten im talmudischen Schrifttum ergibt. 70,19-20 in der Lutherschen Übersetzung] »Warum das? Darum daß sie es nicht aus dem Glauben, sondern aus den Werken des Gesetzes suchen. Denn sie haben sich gestoßen an den Stein des Anlaufens.« Röm 9,32. 71,4-5 Christus ist des Gesetzes Ende, wer an ihn glaubt, ist gerecht.] Röm 10,4. 71,25-30 seit den Tagen Johannes des Täufers […] Ein sogenannter Stürmerspruch.] Mt 11,12; Lk 16,16. Entgegen den geläufigen Übersetzungen, in denen das Himmelsreich unter der Gewaltanwendung leidet, liegt hier ein anderes Textverständnis vor: das Himmelreich muss sozusagen erzwungen werden. Albert Schweitzer schreibt 1901 in diesem Zusammenhang: »Darum gibt Jesus den Jüngern bei der Aussendung nicht nur den Befehl, die Nähe des Reiches zu verkündigen, sondern auch die Vollmacht über die Dämonen (Mt 10,1). In jenem Augenblick der höchsten eschatologischen Erwartung sendet er sie als die Gewalttätigen aus, welche die letzten Streiche führen sollen. Die Buße, welche durch ihre Predigt bewirkt wird, und die Überwindung der widergöttlichen Macht in den Dämonischen nötigen zusammen das Reich herbei.« Das Messianitäts- und Leidens-

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geheimnis. Eine Skizze des Lebens Jesu, in: Gesammelte Werke in fünf Bänden, Bd. 5, München [1968], S. 199-340, hier S. 258. 71,32 Albert Schweitzer] (1875-1965): Bevor Schweitzer Arzt wurde, studierte er Theologie und wurde in diesem Fach 1902 habilitiert. Auch in seinem späteren Leben verfasste er theologische Schriften. Buber dankt ihm ausdrücklich in dem Vorwort zu Zwei Glaubensweisen, S. 12 f. für die theologischen Anregungen und den gedanklichen Austausch (jetzt in: MBW 9, S. 206 f.). Zu dem Einfluss von Schweitzer auf Buber, vgl. die Einleitung von Kuschel, MBW 9, bes. S. 23. 71,35-36 »Kehret um, denn das Königtum Gottes ist nahe herangekommen«] Mk 1,15. 71,37-72,1 und jetzt kommt es auf euch an […] Ihr sollt umkehren, damit sein Werk vollkommen werde.] Die Paraphrase von Mt 11,12 hat große Ähnlichkeit mit Bubers Darstellung der chassidischen Erlösungslehre in dem »Geleitwort zur Gesamtausgabe«, in: Die chassidischen Bücher, Hellerau: Jakob Hegner 1928, S. XXIII (jetzt in: MBW 17, S. 137): »Gott will zum Werk an der Vollendung seiner Schöpfung den Menschen brauchen; in diesen Satz ist die Grundlage der jüdischen Erlösungslehre einzufassen.« 72,3-4 sondern ein gemeinsames: seit den Tagen Johannis bis nun, da ich spreche.] Mt 11,7-14. 72,4-5 Dieses Heranreissen der nahe herbeigekommenen Königsherrschaft] Vgl. Mt 11,12 im Sinne von Schweitzer und Buber, vgl. Wortund Sacherläuterungen zu 71,25-30. 73,37-74,11 Es heisst da (Matth. 5,17 f.) […] Himmelreich kommen.«] Mt 5,17-20. Vgl. Bubers Auslegung dieser Verse in Zwei Glaubensweisen, S. 61 f. (jetzt in: MBW 9, S. 238 f.), Teil der umfänglichen Interpretation der Bergpredigt, S. 54-62 (jetzt in: MBW 9, S. 233-239). Vgl. auch Bubers Interpretation dieser Verse in »Die Erneuerung des Judentums«, in: Drei Reden über das Judentum, Frankfurt: Rütten & Loening, 1911, S. 84 f. (jetzt in: MBW 3, S. 248), in der Buber erklärt: »Das Urchristentum lehrt, was die Propheten lehrten: die Unbedingtheit der Tat«. 74,14-15 Es kommt darauf an, auf den, der es tut und lehret.] Mt 5,19. 74,17-18 Ich bin nicht gekommen, das Gesetz Moses zu mildern] bShab 116b (BT, Bd. I, S. 792). 74,20-21 ich bin nicht gekommen, um dem Gesetz Moses hinzuzufügen.] Die Talmudstelle ist in zwei Varianten überliefert, mit oder ohne der Konjunktion welo. Die Soncino-Ausgabe gibt für die zwei Varianten als Übersetzung an: »I came not to destroy the Law of Moses nor/but to add to the Law of Moses.«

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74,29 Johannes Weiss] Johannes Weiß (1863-1914): Der prot. Neutestamentler leistete wesentliche Beiträge zur Entwicklung der historischkritischen Methode. 74,29-31 diese Worte Jesu […] bedeutsam enthüllen] Vgl. Johannes Weiß, Die drei älteren Evangelien, Göttingen 1917, 3. Aufl., (in der Reihe: Die Schriften des Neuen Testaments neu übersetzt und für die Gegenwart erklärt. Band 1) argumentiert, dass Mt 5,17-19 der Frömmigkeit judenchristlicher Gemeinden am Ende des 1. Jh. entstammt, konzediert aber S. 260: »So kann auch Jesus das Wort vom Buchstaben gesprochen haben, obwohl er in Vielem schon darüber hinausgeschritten war. Aber sicherlich gehört das Buchstaben-Wort nicht zu denen, die uns das innerste Wesen Jesu bedeutsam enthüllen.« 74,37-38 es ist euch gesagt worden, ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt worden ist …] Mt 5,21 u. 27, u. ö. 75,5-7 ihr habt gehört, […] wer ein Weib ansieht nur ihrer zu begehren …] Mt 5,27-28. 75,20-21 die Führer des jüdischen Volkes selbst] Gemeint ist vor allem Rabban Jochanan ben Zakkai. 75,21-22 die je und je die Gefahr der Vergegenständlichung erkannt.] So werden äußere Formen wie die Vorschriften zum Altarbau als zur Ethik hinführend verstanden, vgl. MekhJ, Traktat Bachodesch 11 (Edition Horovitz, S. 244), bei Stemberger (Übers.), Mekhilta de-Rabbi Jischma’el, S. 301 f. So folgert man daraus, dass die zu verwendenden Steine beim Altarbau unversehrt (hebr.: schlemot) sein sollen (vgl. Dtn 27,6), die Menschen sich um Frieden (schalom) bemühen sollen, und wenn selbst über die gefühllosen Steine »nicht Eisen geschwungen« werden darf (vgl. Ex 20,25), umso mehr der Nächste, der das Ebenbild Gottes ist, mit Respekt zu behandeln sei. 75,30-31 Alle deine Taten […] um des Himmels willen geschehen.] mAv II, 17 (BT, Bd. IX, S. 670). 76,1-2 der Tempel ist nach David benannt worden, […] Innerlichkeit des Tempels gefasst hat.] Vgl. bSan 107b (BT, Bd. IX, S. 117 f.); MekhJ, Traktat Schira 1 (in: Ed. Horovitz S. 116 f.); Stemberger (Übers.), Mekhilta de-Rabbi Jischma’el, S. 146. 76,7-8 es steht: wenn sie tun werden und nicht, wenn sie getan haben] Vgl. Num 5,6. 76,12-13 Die Wunschbilder […] Sünde selbst.] bJoma 29a (BT, Bd. III, S. 76). 76,19-21 Grösser ist die Sünde […] willen geschieht.] bNas 23b (BT, Bd. V, S. 594). 76,28 Halacha] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 70,6.

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76,28-29 sich auf Gott zu richten] Anspielung auf die Grundbedeutung von Kawwana, »Richtung«. 77,5-6 ein sadduzäischer König […] gefärbten Menschen spricht.] Alexander Jannai (126-76 v. Chr.): König des Hasmonäerreichs seit 103. v. Chr. und Hohepriester. Die letzten acht Jahre seiner Herrschaft waren von bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen mit den Pharisäern überschattet. 77,7-8 man soll sich nicht vor den Pharisäern fürchten, […] als solche färben.] bSota 22b (BT, Bd. VI, S. 82). 77,10 Gamliel II] Er übernahm das Amt des Nasi (Vorsteher des Sanhedrins) von Jochanan ben Zakkai ungefähr 80 n. Chr. 77,11-13 jeder Gelehrte, dessen Inneres […] darf ins Lehrhaus nicht hineinkommen.] bBer 28a (BT, Bd. I, S. 120). 77,15-16 dass sein Nachfolger […] 700 Bänke hinzukommen mussten.] bBer 28a (BT, Bd. I, S. 120 f.). 77,29-30 Und dieser Grundsatz […] im 4. Jahrhundert Ram (?)] Gemeint ist wohl der Amoräer (d. i. Gelehrter des Talmuds) Rava, der im 4. Jh. lebte und dessen halachische Diskussionen mit Abbaje breiten Raum in der Gemara des babylonischen Talmuds einnehmen. 77,30-31 ein Gelehrter, […] ist kein Gelehrter,] bJoma 72b (BT, Bd. III, S. 202). 79,25-26 das ist die Bezeichnung, […] der Gottesname übertragen wird] Griechisch: κύριος. Septuaginta ist die Bezeichnung für die erste griech. Bibelübersetzung. Im 3. Jh. v. Chr. wurde zunächst der Pentateuch in Alexandria übersetzt, später folgten die anderen Bücher der hebr. Bibel. Daneben enthält sie eine größere Anzahl von Schriften, deren hebr. (oder aramäisches) Original verloren gegangen ist, da sie von den Rabbinern nicht als Teil der Heiligen Schrift betrachtet wurden und Schriften, die auf Griechisch verfasst wurden. Diese Schriften sind oftmals Teil des griech.-orthodoxen oder katholischen Bibelkanons, werden aber von den Protestanten ebenfalls nicht zum Bibelkanon gezählt und als die Apokryphen (griech. für »verborgene Schriften«) bezeichnet. Mit der Verbreitung des Christentums, das sich für seine Glaubensaussagen auf die Bibel in der Septuagintafassung berief, wurde diese Übersetzung von jüdischer Seite »aufgegeben«. 79,30 Korinther 1, 8/6] Vgl. 1 Kor 1,9 u. 30; 8,6. 79,30 die Timotheusstelle] 1 Tim 6,16. 79,32-33 »der Gott unseres Herrn Jesus Christus«.] Eph 1,3. 79,41-80,1 wie ein späterer christlicher Theologe […] garnicht hier hervortritt.] Buber nimmt wahrscheinlich auf Justin den Märtyrer Bezug, vgl. die Wort- und Sacherläuterungen zu 69,11-15.

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80,3-6 der mit besonderer Schärfe […] gekrönt wird usw.] Vgl. Hebr 1,3 f. 80,21 1. Korinther 8,6 lautet (Luther) …] »so haben wir doch nur einen Gott, den Vater, von welchem alle Dinge sind und wir zu ihm; und einen HERRN, Jesus Christus, durch welchen alle Dinge sind und wir durch ihn.« 80,28-30 d. h. die Schöpfung geschieht durch diesen logos […] identisch ist.] Vgl. Joh 1,1-3. 80,36-38 »Gott, dein Stuhl währet […] Zepter«.] Ps 45,7. Vgl. Bubers Übersetzung, Das Buch der Preisungen, S. 91: »Dein Stuhl ist Gottes / in Zeit und Ewigkeit: / ein Stab der Geradheit ist / der Stab deines Königtums.« Der Vers ist zitiert in Hebr 1,8. 81,1 bleiben wir bei Paulus selbst] Der Hebräerbrief, der keine Verfasserangabe enthält, aber traditionell Paulus zugeschrieben wurde, wird in der Wissenschaft definitiv nicht zu den Schriften des Paulus gezählt. 81,1-2 da wird Christus der Erstgeborene aller Schöpfung genannt] Vgl. Kol 1,15. 81,17-20 »Denn es ist erschienen […] für uns gegeben hat«] Titus 2,11 u. 13. 81,22-23 Stephanus] (gest. ca. 40 n. Chr.): Der Diakon der urchristlichen Gemeinde von Jerusalem greift das religiöse Establishment öffentlich an und wird in einer Art Lynchjustiz gesteinigt, was ihn zum ersten Märtyrer des Christentums macht (vgl. Apg 6,1-8,3). 81,23-24 »Herr Jesus, empfange meinen Geist«.] Apg 7,59: »Herr Jesus, nimm meinen Geist auf!« (Luther). 81,24-25 dasselbe vom Psalmwort ausgehende Wort, das sonst Gott gilt.] Ps 31,6. In Bubers Übersetzung: »In deine Hand / will ich meinen Geist verfügen«, Das Buch der Preisungen, S. 58. 81,30-32 »ich erinnere euch aber, […] gebotschaftet habe)«.] 1 Kor 15,1. 81,35-40 Und von da aus […] Pathos des Glaubens.] Eine ähnliche religionshistorische Einschätzung findet sich zu Beginn und Ende von Zwei Glaubensweisen, S. 41 u. 148 f. (jetzt in: MBW 9, S. 225 u. 293). Die These eines dominierenden Einflusses altpersischer Religionen auf das Konzept von Gut und Böse im paulinischen Christentum besonders in der Form des Dualismus zwischen der Gottheit des Guten, dem Gott des Lichts, und der Gottheit des Bösen, dem Gott der Finsternis, ist Ausgangspunkt von Bubers Überlegungen. Während aber Buber in den Vorlesungen mit Quellenzitaten und Erläuterungen die These untermauert, verzichtet er auf Belege und Ausführungen in Zwei Glaubensweisen. Dort wird nicht einmal deutlich, auf welche der iranischen bzw. persischen Religionen (Zoroastrismus, Mandäis-

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mus, Manichäismus) Buber sich bezieht. Eine Gegenüberstellung von Judentum und »altpersischen Dualismus« anhand der Sündenfallerzählung (Gen 3) findet sich schon in »Das Judentum und die Menschheit« vgl. Drei Reden über das Judentum, S. 42 f. (jetzt in: MBW 3, S. 230 f.). In Bilder von Gut und Böse, S. 10 (jetzt in: MBW 12, S. 316), will Buber aufzeigen, »daß Gut und Böse in ihrer anthropologischen Wirklichkeit, das heißt, im faktischen Lebenszusammenhang der menschlichen Person, nicht, wie man zu meinen pflegt, zwei strukturell gleichartige, nur eben polar entgegengesetzte, sondern zwei strukturell durchaus verschiedene Beschaffenheiten sind.« Seit seiner Jugend habe ihn diese Frage beschäftigt (ebd.). Von seinen zehn Lehrveranstaltungen an der Universität Frankfurt als Honorarprofessor vom Wintersemester 1930/31 bis Wintersemester 1932/33 beschäftigen sich drei direkt mit der Thematik: »Das Urböse«, sowie »Gnostische Texte« und »Manichäismus« (letztere als religionsgeschichtliche Übungen), vgl. van de Sandt, Martin Bubers Bildnerische Tätigkeit, S. 93 f. 82,23 Mithras] Mithras war die zentrale Gottheit eines Mysterienkults, der seit dem 1. Jh. v. Chr. entstand und vor allen in den Reihen der römischen Söldner viele Anhänger fand und seine Blütezeit im 2.4. Jh. hatte. Abhängigkeiten von altpersischen Glaubensvorstellungen, in der eine Gottheit Mithra verehrt wurde, sind unklar. Zur Zeit Bubers sah man den Mithraskult als Konkurrenzreligion des aufstrebenden Christentums. 82,23 Adonis] Gott der griech. Mythologie, Geliebter der Aphrodite. Einzelheiten über die Adonis-Mysterien sind nicht bekannt. 83,9 Erzbischof Soederblom] Nathan Söderblom (1866-1931): schwedisch-ev. Theologe und Religionswissenschaftler, seit 1914 Erzbischof von Uppsala und damit Haupt der ev. Kirche von Schweden. Friedensnobelpreis 1930. 83,11-12 In meinem Leben hat es Zeiten gegeben, in denen ich Atheist war …] Vgl. das Zitat von dem Admiral und späteren Pazifisten Paul Emile Réveillère (1829-1908) bei Nathan Söderblom, Vater, Sohn und Geist unter den heiligen Dreiheiten und vor der religiösen Denkweise der Gegenwart, Tübingen 1909, S. 60. 83,17-21 Ich selbst habe an einem verstorbenen Freund, […] hätte ich das nicht überlebt.«] Die Äußerung stammt von Florens Christian Rang, vgl. Zwei Glaubensweisen, S. 135 (jetzt in: MBW 9, S. 285). Zu Rangs Bedeutung für Buber, vgl. Martin Treml, Einleitung, in: MBW 1, S. 85-89.

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84,19-20 in jenem deutero-jesaianischen Text] Deuterojesaja: anonymer Autor der Kapitel Jes 40-55, der zur Zeit des babylonischen Exils wirkte. 84,23-24 dass er das Licht […] gemacht habe und mache] Jes 45,7. 84,27-28 in der Scheidung zweier Attribute Gottes] Buber spielt hier auf die Lehre von den zwei Middot (Plural von Midda, hebr. für Maß) an, die er in Zwei Glaubensweisen, S. 155-158 (jetzt in: MBW 9, 298 f.) expliziert. Dort, S. 158, verwendet er auch nicht mehr den leicht missverständlichen Ausdruck »Attribut«, sondern er spricht von »Verhaltungsweisen, Grundhaltungen« (jetzt in: MBW 9, S. 298). 85,7 Markion] üblicherweise Marcion (ca 85-160 n. Chr.): Gründer des Marcionismus, einer vom frühen Christentum als häretisch betrachteten Richtung. Er unterscheidet zwischen einer bösen Gottheit, den »Gott des Gesetzes« und einer guten Gottheit, dem »Gott er Liebe«, der im Evangelium Christi gepredigt wird. 85,19-20 genährt auch dies vom altpersischen Dualismus.] Die These, dass fundamentale Ideen der Gnosis (einschließlich der Lehren Marcions) sich unter dem Einfluss persischer Religionen gebildet hätten, wurde von Wilhelm Bousset (1865-1920), in Hauptprobleme der Gnosis, Göttingen 1907, S. 91-119 vorgebracht. 85,22-26 ein christlicher führender deutscher Theologe, Harnack […] abstossen solle.] Adolph von Harnack (1851-1930) gab bereits 1886 in Dogmengeschichte, Erster Band, Freiburg 1886, S. 197-214 einen Überblick über Marcions Lehre. Seine umfangreiche Studie Marcion: Das Evangelium vom fremden Gott. Eine Monographie zur Geschichte der Grundlegung der katholischen Kirche, Leipzig 1921, enthält eine detaillierte Studie zu Marcions Ideen (S. 17-180) und eine Rekonstruktion der Schriften Marcions: Das Apostolikon Marcions (S. 37*156*) und Das Evangelium Marcions (S. 157*-237*). Seine Untersuchung läuft auf »die These« zu: » d a s AT [ … ] s e i t d e m 19. Jahrhunder t als kanonische Urkunde im Protestantismus noch zu conservieren, ist die Folge e i n e r r e l i g i ö s e n u n d k i r c h l i c h e n L ä h m u n g . « (Ebd., S. 248 f. [Hervorhebung im Original].) Zu dieser These nimmt Buber in »Der Glaube des Judentums«, in: Volk und Reich der Deutschen, hrsg. von Bernhard Harms, Berlin: R. Hobbing 1929, S. 429-440, hier S. 439, Stellung, wieder abgedruckt in: JuJ, S. [187]-201, hier S. 198 (jetzt in: MBW 20). 85,27-28 Harnack hat […] Markion gemeint.] Harnack distanziert sich von Marcion, dem »der Judengott samt seiner Urkunde, dem AT, zum eigentlichen Feinde« wurde. Von Harnack, Marcion, S. 30.

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88,3-5 »Denn wohlan, er fährt […] des Erdlandes«.] Jes 26,21. Vgl. Bubers Übersetzung, Das Buch Jeschajahu, S. 103: »Denn da fährt Er von seinem Ort aus, / die Verfehlung des Erdensassen an ihm heimzusuchen, / offenbaren muß das Erdland seine Blutbäche,/ seine Erwürgten kann es nicht länger verhüllen.« 88,6-12 sagt Rabbi Meir: »Das Wort kann […] zum Masse des Erbarmens hin.«] jTaan II,1; 65b,61-62, vgl. Ta’aniyot, übers. von Andreas Lehnardt, Tübingen 2008, S. 49; PesK 24:11 (in: Ed. Mendelbaum, Bd. II, S. 364), Pěsiḳta dě-Raḇ Kahăna. R. Kahana’s Compilation of Discourses for Sabbaths and Festival Days, übers. von William G. Braude und Israel Kapstein, Philadelphia 1978 S. 375. 86,13 iminierte] Vielleicht irrtümlich für »inkriminierte«. »Inkriminiert« aus dem Lat. für »beschuldigt«. 88,26 zwischen den Polen (?)] Das Fragezeichen stammt von dem Protokollanten, der Bubers Gedankengang, dass nach der jüdische Lehre Gott die Welt mit den Maßstäben der Gerechtigkeit bzw. des Gerichts oder dem des Erbarmens gemäß der Situation behandelt und dadurch eine Dynamik entsteht, nicht verstanden hat. Zur Spannung von »Erbarmen« und »Gericht«, vgl. bRHSh 16b-17b (BT, Bd. III, S. 568-573). 88,27-30 wie dann durch die Ueberlieferung […] identifiziert worden sind.] ShemR III,6, vgl. Der Midrasch Schemot Rabba. Das ist die allegorische Auslegung des Zweiten Buches Mose, übers. von August Wünsche, Hildesheim 1967, S. 41. Vgl. auch BerR XII,15 (Ed. Albeck, Bd. I, S. 112) zu Gen 2,4 (»zu der Zeit, da Gott der Herr Himmel und Erde machte«) und dem ersten biblischen Vorkommen der beiden Gottesbezeichnungen in einem Vers: »Gleich einem Könige, welcher leere Becher hatte, da sprach er: Schütte ich Heisses hinein, springen sie, schütte ich Kaltes hinein, so bersten sie. Was machte der König? Er mengte das Heisse mit dem Kalten, schüttete es dann in die Becher und es blieb darin. Ebenso sprach der Schöpfer: Erschaffe ich die Welt mit dem Masse (der Eigenschaft) der Barmherzigkeit, so werden sich ihre Sünden häufen, erschaffe ich sie dagegen mit dem Masse des strengen Rechts, wie soll die Welt bestehen? Ich werde sie mit beiden erschaffen, o dass sie doch bestände.« Der Midrasch Bereschit Rabba. Das ist die haggadische Auslegung der Genesis, übers. von August Wünsche, Hildesheim 1967 [Nachdruck], S. 57. Vgl. auch MTann zu Dtn 3,24 (Edition Hoffmann, S. 16 f.); PesK 23:3 (in: Ed. Mendelbaum, Bd. II, S. 336 f.), vgl. Braude/Kapstein (Übers.), Pěsiḳta dě-Raḇ Kahăna, S. 354 f. 88,32-33 »Und Gott gedachte Noahs.«] Gen 8,1.

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88,35-38 Da sagt Rabbi Samuel ben Nachmann: »Wehe den Frevlern, die das Attribut […] des Erbarmens wandeln.«] BerR LXXIII,3 (in: Ed. Albeck, Bd. II, S. 847), vgl. Wünsche (Übers.), Der Midrasch Bereschit Rabba, S. 355. 88,38-41 die durch eine andere […] weist nun auf ein zweites hin.] Midrasch Aggada (in: Ed. Buber, Bd. I, S. 136) Exodus, Va’era Kapitel VI 2:2. 89,10-12 »Er, Gott (da stehen […] aus dem Garten Eden.«] Gen 3,23. 89,13-16 Dazu sagt Rabbi Josua ben Levi: »Als er ihn schuf […] Mass des Erbarmens.«] BerR XXI,7 (in: Ed.Albeck, Bd. I, S. 202), bei Wünsche (Übers.), Der Midrasch Bereschit Rabba, S. 97. 91,7 »Ich werde da sein als der ich je und je da sein werde«] Ex 3,14. Vgl. Bubers Übersetzung in Das Buch Namen, S. 15: »Ich werde dasein, als der ich dasein werde.« 91,14 »ehje ascher ehje«] Das hebräische Original von Ex 3,14. 91,16-18 dass Gott Licht und Dunkel macht, […] verantwortlich wäre] vgl. Jes 45,7. 92,17-18 Es ist der Irrtum des Begriffs »Der Gott des Zorns«.] Die Vorstellung, dass der Gott des Alten Testaments ein Gott des Zorns sei, ist als Topos des Antijudaismus schon früh nachzuweisen. 92,20-25 Ich werde aus einem modernen Theologen, […] die göttliche Reaktion.] Bezug zu Emil Brunner, Der Mittler, vgl. MBW 9, S. 305. 93,13 Thekana] vermutlich verschrieben für Tikkun, hebr. für »Wiederherstellung«, »Instandsetzung«, »Wiederherstellung des ursprünglichen Zustand vor der Sünde«. Der in der lurianischen Kabbala und im Chassidismus mystisch stark aufgeladenen Begriff scheint hier ohne diese Konnotationen gebraucht zu sein. 93,19 Teschuwa] hebr. für »Umkehr«, »Reue«. 93,20-22 nach der Zerstörung […] ist uns genommen!] ARN, Version A, Kap IV, 5 (Ed. Schechter, S. 21); ARN, Version B, Kap. VIII; vgl. The Fathers according to Rabbi Nathan, übers. von Judah Goldin, New Haven u. a. 1967, S. 34. Josua ben Chananja (1.-2. Jh. n. Chr.): bedeutender Schüler des Rabban Jochanan ben Zakkai, vgl. Wortund Sacherläuterungen zu 62,24-25, und Lehrer des Rabbi Akiba. 93,23-28 dass dieser Opferdienst […] Opfertier deklariert wird.] Vgl. Königtum Gottes, Berlin: Schocken Verlag 1932, S. 99 f. (jetzt in: MBW 15, S. 153). 93,29 Jochanan ben Sakkai] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 62,24-25. 93,28-30 Und daraus erkennt […] Tat der Umkehr.] Nach ARN, Version A, Kap. IV, 5, bzw. Version B, Kap. VII, schreibt Jochanan ben

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Sakkai die sühnende Kraft des Opferdiensts den Liebestaten (hebr. gemilut chassadim) zu. Vgl. The Fathers according to Rabbi Nathan, übers. von Judah Goldin, New Haven u. a. 1967, S. 34 f. 93,36-37 das Wort Akibas: […] Euer Vater im Himmel.] mJoma VIII,9 (BT, Bd. III, S. 251). 93,39 Gott ist das Tauchbad Israels] Ebd. Rabbi Akibas Ausspruch »Gott ist das Tauchbad Israels« beruht darauf, dass Rabbi Akiba das hebr. Wort Mikwe in Jer 17,13 nicht als »Hoffnung«, sondern als »Mikwe« (Tauchbad) liest. 94,10-12 etwas aus einem modernen theologischen Buch […] angeführt.] Emil Brunner, Der Mittler. Zur Besinnung über den Christusglauben, Tübingen 1927. Vgl. Vorlesungen, Fassung II, in diesem Band S. 265, sowie zugehörige Wort- und Sacherläuterungen. 94,36 In einem anderen modernen theologischen Werk] Mit Vorlesungen, Fassung II, in diesem Band S. 267, Ernst Lohmeyer, vgl. Wortund Sacherläuterungen zu 266,38 und 267,1-2. 95,2-3 Ihr Schlangen-Brut […] Brut der Urschlange.] Mt 3,7; Lk 3,7. »Schlangen-Brut« und »Brut der Urschlange« sind Bubers Übersetzungen, Luther hat hier »Otterngezüchte«. 95,32-35 Denn er spricht zu Mose: Welchem ich gnädig bin, […] Barmherzigkeit, die er bereitet hat zur Barmherzigkeit] Röm 9,15-23. 96,3-5 Denn ich habe Lust an Gottes Gesetz […] in meinem Gemüthe …] Röm 7,22 f. 97,27 Es gibt kein Sch’te reschuos] Hebr.: Schte Reschujot für »zwei Herrschaftsbereiche«, »zwei Gewalten«, Bezeichnung für eine häretische Denkhaltung, die davon ausgeht, dass neben Gott eine weitere Gestalt, deren Macht unabhängig von seiner ist, existiere. Vgl. MekhJ, Traktat Bachodesch 5 (in: Ed. Horowitz, S. 220) in dt. Übers. Stemberger, Mekhilta de-Rabbi Jishma’el, S. 268. 97,31-33 Und dieses so gefasst, […] Bahn der Erlösung.] Buber übernimmt Franz Rosenzweigs Bezeichnung »die Bahn« für die Struktur des Erlösungsprozess. Das ist auch der Titel des zweiten Teils von Der Stern der Erlösung. 99,4-8 in dem Buch »Die Weisheit Salomos«, […] vorchristlich sind.)] Die Datierung und geographische Herkunft von »Die Weisheit Salomos« sind nicht vollständig geklärt, aber es wird gemeinhin angenommen, dass sie im 1. Jh. v. Chr. in Alexandria oder in der frühen Kaiserzeit entstand (vgl. Karl-Wilhelm Niebuhr, »Einführung in die Schrift«, in: Sapientia Salomonis. (Weisheit Salomos), hrsg. von KarlWilhelm Niebuhr, Tübingen 2015, S. [3]-37, hier S. 30-33). Das Buch ist griechisch geschrieben und ist als Teil der Septuaginta und Vulga-

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ta kanonischer Text der griechisch-orthodoxen und katholischen Kirche. Bücher mit Henoch als Zentralfigur liegen uns in drei Überlieferungen vor, die nach den Sprachen benannt sind, in denen sie sich vollständig erhalten haben: das äthiopische, das slawische und das hebräische Henochbuch. Um die kurze biblische Notiz zur Gestalt (Gen 5,21-24) rankte sich im Frühjudentum eine umfangreiche apokalyptische Literatur, da er nach Gen 5,24 nicht stirbt, sondern entrückt ist. Das äthiopische Henochbuch (1Hen), das von der äthiopischen Kirche zur Bibel gerechnet wird, ist eine Übersetzung des 6. Jh. aus dem Griechischen. Als Ursprungssprache wird Aramäisch oder Hebräisch vermutet. In Qumran sind umfangreiche Fragmente des Werks gefunden worden, jedoch nicht von den sogenannten Bilderreden, 1Hen 37-71, was die Vermutung stützt, dass es sich bei diesen Kapiteln um christliche Einschübe handelt. 99,13-14 »Stellen wir dem Gerechten nach, […] entgegentritt«.] SapSal 2,12. 99,16 nennt sich selber einen (peis)] griech.: παῖς (pais) für »Knabe«. 99,17 im hebräischen stand ewed] eved hebr. für »Knecht«. 99,18-25 Er (der Gerechte), so sagen die Bösen […] oder nicht).] Paraphrase von SapSol 2,14-20. 100,4-6 jener Henoch, von dem die Bibel erzählt […] da war] Vgl. Gen 5,22-24. 100,6-8 die jüdische Ueberlieferung erzählt, […] Engelswesen] Henoch wird zu dem Engel Metatron im hebräischen Henochbuch (3Hen § 5-13), einer mystischen Schrift, die in vielen mittelalterlichen Handschriften vorliegt. 100,8-25 dieser Henoch ist es, […] in der Endzeit.] Paraphrase des äthiopischen Henoch 1Hen 37-71. In Zwei Glaubensweisen, S. 115 (Anm.), erklärt Buber jedoch, dass 1Hen nicht immer eine geeignete Quelle ist: »Ich ziehe die Kapitel 70 und 71 des äthiopischen Henochbuches, in denen Henoch selbst zum ›Menschensohn‹ wird, nicht heran, da ich mich der Anzweiflung ihrer Echtheit anschließen muß.« (Jetzt in: MBW 9, S. 272.) 100,28-29 (er sagt: der Betagte, […] wieder begegnet):] Hebr.: Attika Jomin in Anlehnung an Dan 7,9. Die Bezeichnung taucht mehrfach im Sohar auf. 100,29-31 Er kam zu mir, […] zur Gerechtigkeit geboren wird.] 1Hen 71,14. 101,5 jener Gerechte in der Weisheit Salomos] SapSal 2,12. 102,2 Reihenfolge von Vorlesung und Arbeitsgemeinschaft] Der Vorlesung ging die Arbeitsgemeinschaft »Der Lehrgehalt der chassi-

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dischen Legende« voraus, vgl. van de Sandt, Martin Bubers Bildnerische Tätigkeit zwischen den beiden Weltkriegen, S. 162. 103,9-10 Ein moderner evangelischer Theologe sagt: nur in Christus ist Gott die Liebe.] Nicht ermittelt. 103,29 Mithras] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 82,23. 103,31 Irenäus] Irenäus von Lyon (ca. 135-ca. 200): aus Smyrna stammender Kirchenvater und einer der ersten systematischen Theologen, Bischof in Lyon seit ca. 175. Seine wichtigste Schrift ist die fünfbändige Adversus haereses, in der er vor allem die gnostischen (Irr-)lehren bekämpft. 103,31-33 ich habe den Herrn nicht gekannt, […] den Herrn gekannt.] Buber spielt hier auf die Lehre der Apostolischen Sukzession an, die von Irenäus maßgeblich geprägt wurde. Vgl. Adversus haereses. Gegen die Häresien, übers. und eingel. von Norbert Brox, Freiburg u. a. 1995, Buch III, Kap. 1,1 u 3,1-3, S. 22 f. u. 28-35. 105,6-8 dass da gleichsam eine Sohnesgestalt […] aufnimmt] Vermutlich 1Hen 62,7; vgl. Vorlesungen, Fassung II, in diesem Band, S. 270. 105,16-17 Du bist der Mannessohn, der zur Gerechtigkeit geboren wird] 1Hen 71,14. 105,27 (wie Paulus es ausdrückt) eine neue Schöpfung wird] »Neue Schöpfung« bzw. »Neue Kreatur«: 2 Kor 5,17; Gal 6,15. 105,28-29 die Neuschöpfung, die schon von Abraham ausgesagt wird] Im Midrasch Tanchuma, Paraschat Lekh lekha, zu Gen 12,1 wird erklärt: »Warum heißt es ›Ich werde dich machen [zu einem großen Volk]‹ und nicht ›ich werde dich einsetzen‹. Er [Gott] sagt ihm [Abraham]: ›ich werde dich machen zu einem neuen Geschöpf‹«; vgl. auch Midrasch BerR XXXIX,6 (in: Ed. Albeck, Bd. I, S. 368), bei Wünsche, Der Midrasch Bereschit Rabba, S. 177. Vgl. Bubers Interpretation von BerR XII,9: »Der Mensch wird umgeschaffen zu einem neuen Geschöpf«, im Seminarprotokoll der »Arbeitsgemeinschaft zu ausgewählten Abschnitten aus dem Buche Schmuel« von 1928, veröffentlicht in: MBW 15, S. 46-91, hier S. 64. 105,30 Adoptationismus] üblicherweise »Adoptianismus«: Lehre, nach der Jesus erst durch einen Adoptionsvorgang zu Gottes Sohn wurde. 105,33-34 Henoch […] in die Gerechtigkeit.] 1Hen 71,14. 105,35 aus dem 2. Psalm] Ps 2,7. 105,36-37 dass Gott […] Sohn ansehen werde.] II Sam 7,14. 105,41-106,1 Heute habe ich dich gezeugt.] Ps 2,7. 106,2-3 in der älteren Form des Lukas-Berichtes] Lk 3. 106,11-12 denn der Proselyt, […] ein Tauchbad empfangen] Das Unter-

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tauchen in der Mikve ist Teil des Rituals beim Übertritt zum Judentum, vgl. bJev 46a-b (BT, Bd. IV, S. 468-471). 106,30 in der Gestalt der Taube] Lk 3,22. 106,25-26 zu diesem Johannes kommt Jesus und empfängt die Taufe] Mt 3,13-15; Mk 1,9; Lk 3,21. 106,30-31 (der Geist Gottes […] über den Wassern)] Das Bild der über dem Wasser schwebenden Taube als Analogie für den über den Wasser schwebenden Geist Gottes von Gen 1,2 taucht zuerst in einer Homilie des Tannaiten Simon ben Soma in verschiedenen Variationen auf, vgl. bChag 14b (BT, Bd. IV, S. 284); jChag 9a, 2:1; tChag 2,2. Es inspirierte Buber und Rosenzweig zu ihrer Übersetzung »und Braus Gottes brütend allüber den Wassern.« (Das Buch Im Anfang, S. 7.) Vgl. Maren Ruth Niehoff, The Buber-Rosenzweig Translation of the Bible within Jewish-German Tradition, Journal of Jewish Studies 44.2 (1993), S. 258-279, hier S. 261-262 und Orr Scharf, »If one translates literally, he is a liar«: On Dual Loyalties in the BuberRosenzweig Translation of the Bible, in: Proceedings of the Second International Symposium of the Project of Young Scholars: »Theocracy« and »Nation« in Jewish Thought: Past and Present, hrsg. von Ada Taggar-Cohen, Kyoto 2014, S. 68-76, hier S. 74-76. 106,35 Du bist mein Sohn] Mt 3,17; Lk 3,22; Mk 1,11. 106,36-37 heute habe ich dich gezeugt.] Ps 2,7; Apg 13,33. 106,39-41 jetzt wirst du geboren, […] Menschensohn gewesen warst] Hen 71,14. 107,6-7 der Geist, jener schöpferische Urbraus Gottes auf den Menschen nieder] Zu Bubers Verständnis von Ruach, hebr. für »Geist«, »Wind«, und seiner Wirkung auf Schöpfung und Menschen, vgl. Der Mensch von heute und die jüdische Bibel. Aus einer Vortragsfolge (November 1926), in: Die Schrift und ihre Verdeutschung, Berlin: Schocken Verlag 1936, S. 13-45, hier S. 33-38 (jetzt in: MBW 14, S. 38-55, hier S. 4851). 107,20 newiim] Hebr. für »Propheten«. 107,22 zu einem anderen Menschen machte.)] I Sam 10,6. 107,23 wie er den Elia in die Wüste trieb] Vgl. I Kön 19,4. 107,24 treibt ihn in die Wüste.] Mt 4,1; Mk 1,12. Vgl. auch Lk 4,1. 108,4-16 in einem apokryphischen Fragment […] du bis meine Ruhe.] Das apokryphe Hebräerevangelium, von dem nur einige Stellen durch Zitate bei den Kirchenvätern und Hieronymus (347-420) überliefert sind, wird ins frühe 2. Jh. n. Chr. datiert. Vgl. Die Fragmente des Hebräerevangeliums, in: Christoph Markschies und Jens Schröter (Hrsg.), Antike christliche Apokryphen in deutscher Übersetzung,

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Tübingen 2012, Bd. 1.1, S. 603-605. Die von Buber öfters angeführte Stelle lautet: »Es geschah, als der Herr aus dem Wasser herauf gestiegen war, da stieg die ganze Quelle des Heiligen Geistes auf ihn herab und ruhte auf ihm und sagte zu ihm: ›Mein Sohn, in allen Propheten erwarte ich dich, daß du kämest, und ich in dir ruhte.‹« Vgl. ebd., S. 605. 108,38-39 in dem talmudischen Wort] Genauer: in der Mischna. 108,39-40 Wer ist es, vor dem […] Vater im Himmel.] mJoma VIII,9 (BT, Bd. III, S. 251). 108,40 Wer aber […] von oben bei.] bJoma 38b (BT, Bd. III, S. 105). 109,13 (2,36 und 5,31)] Apg 2,36 und 5,31. 109,14-15 Dass Gott zu dem Herrn] Apg 2,36: »daß Gott diesen Jesus, den ihr gekreuzigt habt, zum HERRN und Christus gemacht hat.« 109,15-17 (das ist das Wort, […] hineinragt)] Vermutlich spielt Buber hier auf Kyrios an, dass in der Septuaginta den Gottesnamen, das Tetragrammaton, wiedergibt und im Neuen Testament für den auferstandenen Jesus verwendet wird. 109,19-20 dieser Jesus, den ihr gekreuzigt habt,] Apg 5,30. 109,26-27 da spricht Petrus zu dem Rat in Jerusalem] Apg. 5,31. 109,27-28 Diesen hat Gott […] erhoben an seine Rechte.] Bubers Übersetzung, vgl. Luther: »Den hat Gott durch seine rechte Hand erhöht zu einem Fürsten und Heiland, zu geben Israel Buße und Vergebung der Sünden.« 110,36-37 wie ich aus jenem anderen Apokryphenfragment angeführt habe] Das Hebräerevangelium, vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 108,4-16. 111,26-29 die Vorstellung einer Urform gleichsam, […] in sich aufnimmt] Vermutlich 1Hen 62,7; vgl. Vorlesungen, Fassung II, in diesem Band, S. 270. 112,1-3 der unserer Ueberlieferung, dass diese Boten, wenn die Tat […] untertauchen] Vgl. bChag 14a (BT, Bd. IV, S. 279: »An jedem Tage werden Dienstengel aus dem Feuerstrome erschaffen, singen das Loblied und verschwinden«). 112,5-6 da aber die Zeit erfüllet war, sandte Gott seinen Sohn] Gal 4,4. 112,11-12 sendet seinen Sohn in der Gestalt des sündlichen Fleisches] Röm 8,3. 112,24-25 Wort Johannes des Täufers] Joh 3,31. 112,25-26 der von oben kommt, […] ist über allen.] Ebd. Buber gibt den Vers sinngemäß wieder. Bei Luther heißt es: »Der von obenher kommt, ist über allen. Wer von der Erde ist, der ist von der Erde und redet von der Erde. Der vom Himmel kommt, der ist über allen«.

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112,31-33 Denn ich bin vom Himmel […] mich gesandt hat.] Joh 6,38. Sinngemäßes Zitat. Bei Luther: »Denn ich bin vom Himmel gekommen, nicht daß ich meinen Willen tue, sondern den Willen des, der mich gesandt hat.« 112,39-40 Ist nicht dieser der Sohn Josefs, dessen Vater und Mutter wir kennen?] Joh 6,42. 113,17-18 Du bist des Mannessohn, der zur Gerechtigkeit geboren wird.] 1Hen 71,14. 113,19-20 dass er vorher verborgen war, dass der Höchste ihn aufbewahrt hat] 1Hen 62,7. 113,39-40 ich bin vom Himmel herabgestiegen] Joh 6,38. 113,41-114,1 Simon Magus] Laut Apg 8,9-25 in Samaria aufgrund seiner Zauberkünste als Heiler und »große Kraft Gottes« (Apg 8,10) verehrt. Er lässt sich zum Christentum bekehren und bietet Geld, um die Gabe des Heiligen Geist den Aposteln gleich spenden zu können. Gegen Simon Magus gibt es vielfache Polemiken bei den Kirchenvätern. So schreibt Justin der Märtyrer in der 1. Apologie, Kap. 26 u. 56 (Veil [Übers.], Justins, des Philosophen und Märtyrers, Rechtfertigung des Christentums, S. 16 u. 35) dass er sich für einen Gott gehalten habe. Nachdem im 19. Jh. in Simon Magus ein Vertreter der christlichen Gnosis gesehen wurde, stellt Wilhelm Bousset ihn in den Kontext der altorientalischen Religionen. »So haben wir in den für uns erkennbaren Anfängen der Gnosis eine Erscheinung, zu deren Erklärung wir keinerlei christliche Prämissen gebrauchen, eine Erlösergestalt, die mit Jesus von Nazareth gar nichts zu tun hat.« Hauptprobleme der Gnosis, Göttingen 1907, S. 261. 114,1-2 Ich bin der Sohn Gottes, der aus dem Himmel niedergestiegen ist] Nicht nachgewiesen. 114,4-5 Höre, Kaiser Nero, […] gesandt worden bin.] Vgl. »Wenn ihr nun gefallen seid, siehe, ich bin der Stehende. Und ich gehe empor zum Vater und werde zu ihm sagen: Auch mich, deinen stehenden Sohn, haben sie zu Falle bringen wollen« (Petrusakten 31,32-33). Es ist aber nicht Nero (37-68), sondern der Präfekt Agrippa, der bei dieser Szene anwesend ist. Nero erscheint erst im letzten Kapitel (41,1). 114,5-6 Und jener Celsus] Von Celsus (2. Hälfte des 2. Jh.) ist nur bekannt, dass er ein Platoniker war, der als erster Philosoph eine Streitschrift gegen das Christentum verfasste. Seine Schrift Ἀληθὴς λόγος, (»Wahre Lehre«) ist zwar nicht erhalten, aber es exisitieren umfangreiche Zitate bei Origenes, der in seiner Replik versucht, ihn Schritt für Schritt zu widerlegen.

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114,7-10 vergleicht den Christusglauben mit der Szene […] gesandt worden sei.] Origenes, Contra Celsum VI,78, in: Contra Celsum. Gegen Celsus, 5. Teilband, eingel. und kommentiert von Michael Fiedrowicz, Freiburg u. a. 2012, S. 1169. 114,16-18 der schon zuvor ersehen ist […] um euretwillen.] 1 Petr 1,20. »Ersehen« bzw. »auserkannt«, φανερωθέντος (phanerothentos). 114,26-27 Ehe ich dich im Mutterleibe […] dich auserkannt] Jer 1,5. 114,35-36 (im 2. Kapitel)] Irrtümlich für »(im 1. Kapitel)« so in Vorlesungen, Fassung II, in diesem Band S. 275, d. h. Hebr 1,2 f.: (Gott) »hat in den letzten Tagen zu uns geredet durch den Sohn, den er eingesetzt hat zum Erben über alles, durch den er auch die Welt gemacht hat. Er ist der Abglanz seiner Herrlichkeit und das Ebenbild seines Wesens und trägt alle Dinge mit seinem kräftigen Wort und hat vollbracht die Reinigung von den Sünden und hat sich gesetzt zur Rechten der Majestät in der Höhe.« 115,4 (Philipperbrief 2)] Phil 2,6. 115,8 Es handelt sich um eine Beute.] Griech.: ἁρπαγμὸν (harpagmon). 115,17-18 Darum – heisst es dann – hat ihn Gott erhoben […] über allen Namen ist] Phil 2,9. 115,29-30 Abraham mittelt […] bekannten Gespräch.] Gen 18,16-33. 115,31 Moses mittelt zwischen dem sündigen Volk und Gott] Ex 32,714 u. 32,30-33,6. 115,31-33 Aaron stellt sich ein […] Verhängnis] Num 14,1-17,6-15. 115,33-36 David, auch wieder bei einer Seuche, […] nichts getan haben usf.] II Sam 24. »Schafe«: Vers 17. 115,38 des 52. Jesaja-Kapitels] Jes 52,13-15 und Kap. 53. 116,14-16 Denn der Sohn des Menschen […] zur Bezahlung für viele.] Mk 10,45. »Zur Bezahlung für viele« im griechischen Original: δοῦναι τὴν ψυχὴν αὐτοῦ λύτρον ἀντὶ πολλῶν. 116,21-22 dieses Wort Lösegeld […] nur an der einen Stelle)] Tatsächlich kommt der griech. Ausdruck λύτρον (griech.: »Lösegeld«) auch noch in Mt 20,28 vor, wird dort aber von Luther mit »Erlösung« wiedergegeben. 116,30 Denn Gott war in Christo und versöhnte die Welt mit ihm selber] 2 Kor 5,19. 116,40-117,1 gleichwie Christus uns hat geliebet […] süssen Geruch.] Eph 5,2. 117,5 3. Kapitel des Römerbriefes] Röm 3,25. 117,5-6 (Hulas?)] Irrtümlich für ἵλαστηριον (hilasterion). Vgl. Fassung II, in diesem Band, S. 276. In Zeilen 117,14 und 117,26 irrtümlich als »Hulastein«.

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117,6-8 das ist das Wort kaporet, […] auf dem die Cherubim weilen.] Das Neue Testament greift in Röm 3,25 und Hebr 9,5 auf hilasterion zurück, um die sühnende Funktion von Jesus Tod zu benennen. Mit diesem griech. Wort wurde in der Septuaginta Kapporet übersetzt, der Deckel der Bundeslade, vgl. Ex 25,17; 37,6. Schon die Etymologie von Kapporet – von kipper, »bedecken«, hier also der Schuld, – verweist auf den Kontext, den dieser Teil der Bundeslade im Sündenvergebungsritual des Jom Kippur Tempeldienstes hatte (Lev 16). Luther orientiert sich am griech. Text des Alten und Neuen Testaments und übersetzt durchgängig mit »Gnadenstuhl«. Buber übersetzt mit »Verdeck«, vgl. Das Buch Namen, S. 100, 156. 117,17-18 wie für Philo […] Erbarmensgewalt Gottes sei)] Vgl. Philon, Leben Moses, Buch II, § 94-96. Vgl. »Es ist dies ein Sinnbild, in Beziehung auf die Welt für die Allgnade Gottes«, in: Philo dem Alexandriner, Das Leben Mosis, Leipzig 1865, S. 107. 117,18-19 er sei von Gott dazu bestimmt] Vermutlich ist das Kapporet gemeint. 117,27 im 4. Makkabäerbuch] Die als viertes Makkabäerbuch bekannte Schrift ist vermutlich um 100 n. Chr. im hellenistischen Diasporajudentum entstanden. Anhand der schon im zweiten Makkabäerbuch tradierten Märtyrergeschichten wird die These untermauert, dass die »gottesfürchtige Urteilskraft souveräne Herrscherin über die Leidenschaften« ist (4Makk 1,1). 117,27-28 Durch die Tat jener Gerechten […] Vorsehung Israel.] 4Makk 17,22. Vgl. »Sie waren gleichsam ein Ersatz für die Sünde des Volkes. Durch das Blut jener Frommen und ihren Sühnetod rettete die göttliche Vorsehung das vorher schlimm bedrängte Israel.« (Altjüdisches Schrifttum außerhalb der Bibel, übersetzt und erläutert von Paul Rießler, Augsburg 1928, S. 727). »Ersatz« für griech. hilasterion. 118,1-3 ernste Gegenüber von Gott und Mensch, […] ganz hingibt] Vgl. bSota 14a (BT, Bd. VI, S. 55 f.), der Moses als todesbereiten Märtyrer (Ex 32,32) zeigt und auf ihn hin Jes 53,11 f. deutet. 119,10-11 ja der zweite Gott (um diesen Ausdruck des frühen Christentums zu gebrauchen)] Zu Justins Gebrauch, vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 69,11-15. In »Contra Celsum« V,39 nennt Origenes den Sohn »den zweiten Gott«. Vgl. Contra Celsum. Gegen Celsus, 4. Teilband, S. 953. Dieser Ausdruck wird jedoch wie Eusebius in Praeparatio evangelica VII. 13, 1-3 berichtet, schon von Philo in Quaestiones in Genesim (Fragen zur Genesis), Buch II, § 62 verwendet. Vgl. Les Œuvres de Philon d’Alexandrie, Bd. 33, Paris 1978, S. 116. 120,7 perfectum est] Lat.: »es ist vollendet«.

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Einzelkommentare

123,41 die babylonische Kulturwelt] Bubers Ausführungen beziehen sich darauf, dass die Astrologie sich im mesopotamischen Raum zuerst entwickelte. 128,40 Lukasevangelium 21. Kapitel] irrtümlich für »24. Kapitel«. 129,3-4 wir hatten gehofft, dass er der wäre, […] Israel zu erlösen.] Lk 24,21. 129,8-9 wo zwei seiner Jünger davon reden, […] einnehmen würden] Vgl. Mk 10,37: »Sie [die Jünger Jakobus und Johannes] sprachen zu ihm: Gib uns, dass wir sitzen einer zu deiner Rechten und einer zu deiner Linken in deiner Herrlichkeit.« 129,16-19 »denn der Sohn des Menschen […] als Loskauf für die Welt.«] Mk 10,45. 129,19-20 das hebräische nefesch] Nefesch steht für das, was den Körper eines Tiers oder Mensch belebt. Als der Sitz der Nefesch gilt das Blut (vgl. Gen 9,4 f.). Das griech. Original hat: ψυχὴν (psychen): Seele. 129,37-39 die vielen, die vielen […] die Sünden der vielen] Vgl. Jes 53,11 f. 130,15-18 Albert Schweitzer, der es so verstanden hat […] bestimmt worden ist.] Das Messianitäts- und Leidensgeheimnis, S. 313-318. 130,18-26 dieser prophetische Abschnitt […] durch sein Leiden.] Diese These wird von Buber ausgeführt in dem Vortrag »Das messianische Mysterium (Jesaja 53)«, jetzt in: MBW 15, S. 37-45. 131,16 das ist mein Leib, der für euch gegeben wird] Lk 22,19. 131,20-21 wo Jesus davon spricht […] Lösegeld hingibt.] Mk 10,45. 131,25 nicht dieses Besondere zu denken geben.] Die synoptischen Parallelen der Einsetzungsworte für das Brot zum Abendmahl sind Mt 26,26 und Mk 14,22. 131,31-33 ob das symbolisch gemeint […] wie es Luther verstand] Luther verstand das Abendmahl als ein Akt der Vereinigung mit Christus und mit der Gemeinde. Die Eucharistie ist sowohl symbolischmystisch (corpus Christi mysticum) wie real (corpus Christi reale). Vgl. Volker Leppin, Martin Luther, in: Lee Palmer Wandel (Hrsg.), A Companion to the Eucharist in the Reformation, Leiden u. Boston 2014 (Brill’s Companions to the Christian Tradition Bd. 46), S. 3956, hier S. 39-48. 132,6 um in Jesu Sprache zu sprechen: die Vergebung der Sünde] Als Worte Jesu erscheint der Ausdruck »Vergebung der Sünden« bei Mt 26,28 und Lk 24,47. 132,23-24 Kind, die Sünden sind dir vergeben] Vgl. Mt 9,2 u. 5-7; Mk 2,5. 132,29-30 der Kranke steht nicht früher […] seine Sünden vergibt.] bNed 41a (BT, Bd. V, S. 450) mit Verweis auf Ps 103,3 »der dir all deine Sünden vergibt und heilet all deine Gebrechen«.

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132,40 ihre vielen Sünden […] viel geliebt.] Vgl. Lk 7,47. 133,19-21 ich habe euch zuvörderst übergeben […] gestorben ist.] Vgl. 1 Kor 15,3. 133,23 »nach den Schriften«] Ebd. 133,30-32 Er trug die Sünden der Vielen […] bereit ist.] Jes 53,12. 133,32-33 Da wird auch von seinem Glauben gesprochen […] gerecht werde.] Vgl. ebd. 53,11. 133,36-39 es steht hier »um unserer Sünden willen«. Das ist das griechische Wort »hyper«, […] gelitten habe] Vgl. den Gebrauch des Wortes hyper für »für« in: Röm 5,6; 5,8; 8,32; 2 Kor 5,15; Eph 5,2. 133,39-40 während in jenem Markus-Wort es heisst: Loskauf anstatt.] Mk 10,45. 134,3-5 sagt Paulus, […] Erscheinung kommt] Vgl. 1 Thess 4,17 (ohne expliziten Verweis auf Dan 7,13). 134,6-7 Jesus, der uns vor dem kommenden Zorn rettet oder erlöst] Vgl. 1 Thess 1,10. 134,11-13 eine eigentümliche Lehre […] auf diese Weise losgekauft wird.] Vgl. Augustinus, De trinitate XIII,12-15, Übers.: Des heiligen Kirchenvaters Aurelius Augustinus fünfzehn Bücher über die Dreieinigkeit, übers. und eingeleitet von Michael Schmaus, Bd. II, S. 184192 (in: Bibliothek der Kirchenväter II,14). 134,19-22 er hat uns geschenkt alle Sünden […] an das Kreuz geheftet] Kol 2,13-14. 135,13-14 wie Paulus sagt, was er überliefert bekommen habe] 1 Kor 15,3. 135,17-19 Gott habe die Handschrift, […] an das Kreuz geheftet.] Vgl. Kol 2,14. 135,21-22 »denn er hat den, […] zur Sünde gemacht.«] 2 Kor 5,21. 135,24-25 »damit wir Gerechtigkeit Gottes in ihm werden.«] Ebd. 135,37-38 Christus aber hat uns erlöst von dem Fluch des Gesetzes.] Gal 3,13. 135,19-136,2 »Christus aber hat uns erlöst […] Verflucht ist jedermann, der am Holz hanget.«] Ebd. »Verflucht ist jedermann, der am Holz hanget« ist ein Zitat von Dtn 21,23. 136,11-12 Denn Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit ihm selber.] 2 Kor 5,19. 136,37-137,3 was das eine nicht sühnt […] diese Sünde wird nicht vergeben.] Vgl. mJoma VIII,8-9 (BT, Bd. III, S. 251); »die vollkommene Umkehr im Sterben kann noch sühnen, Versöhnung bringen«, vgl. mSan VI,2 (BT, Bd. VIII, S. 633). 137,23-28 die Konzeption bei Immanuel Kant, dass diese Sünde […] bestimmt wird.] Vgl. Immanuel Kant, Die Religion innerhalb der Gren-

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zen der bloßen Vernunft, in: Werke, Bd. VIII, hrsg. von Wilhelm Weischedel, Frankfurt 1968, S. 688 f. (S. 39-42 der zweiten Auflage von 1794). 137,40 bei Paulus finden – ich will die klassische Stelle] Röm 5,18. 139,4-7 Und unser[e jüdische] Lehre eben sagt: […] nicht-sündigen.] Vgl. Fassung II, in diesem Band, S. 285. 139,39-140,1 Warum entfrommt es dich […] Du aber walte ihm ob.] Gen 4,6 f. Statt »entfrommt« mit Vorlesungen, Fassung II, S. 285 »entflammt« zu lesen. Vgl. Buber und Rosenzweig, Das Buch Im Anfang, S. 19. Bei Luther »Warum ergrimmst du? und warum verstellt sich deine Gebärde? Ist’s nicht also? Wenn du fromm bist, so bist du angenehm; bist du aber nicht fromm, so ruht die Sünde vor der Tür, und nach dir hat sie Verlangen; du aber herrsche über sie.« 140,10-11 du aber walte ihm ob.] Gen 4,7. 140,15-17 Er sieht, wie gross […] nur böse alle Tage] Vgl. Gen 6,5. 140,20-21 es wird gewöhnlich: Trieb übersetzt – Jezer.] Jetzer hebr. für »Trieb«. Bei Luther übersetzt mit »Dichten und Trachten«. 140,21-23 das Substantiv zu dem Verb bilden, […] schuf.] Buber spielt auf Gen 2,7 an, wo das zu jetzer zugehörige Verb jatzar verwendet wird, von ihm und Rosenzweig als »bilden« übersetzt. Vgl. Das Buch Im Anfang, S. 12, »und Er, Gott, bildete den Menschen aus Staub vom Acker, / er blies in seine Nase den Hauch des Lebens, / und der Mensch ward zum lebenden Wesen.« In Gen 1 wird Gottes Tun hingegen mit »erschaffen« (hebr.: bara) bezeichnet. 140,30-31 Noah aber fand Gunst in seinen Augen] Gen 6,8. 141,2-3 Noah aber fand Gunst in seinen Augen] Ebd. 141,8-9 Kein Mensch ist, der nicht sündigt] I Kön 8,46. 141,28 die Epoche von dem Sündenfall bis zu Mose] Vgl. Röm 5,13 f. 141,31-32 Das Gesetz aber ist nebeneinkommen] Röm 5,20. 142,10-12 »denn wir wissen, dass das Gesetz […] und der Sünde verkauft] Röm 7,14. 142,12-17 In meinem Fleisch wohnt nichts Gutes […] finde ich nicht.«] Ebd. 7,18. 142,28 eine Arbeit von Mentsching (?)] Vermutlich Gustav Mensching, Die Idee der Sünde. Ihre Entwicklung in den Religionen des Orients und Okzident, Leipzig 1931. 142,30-31 Aber es ist […] in dieser Hinsicht bedeutet] Mensching unterscheidet »Primitivreligionen«, die mit »Sünden« konkrete Taten bezeichnen, insbesondere kultische Verfehlungen oder Verstöße gegen die sozial-religiöse Ordnung, von Hochreligionen, die eine generelle »Sündenidee« haben, vgl. ebd., S. 17.

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143,4-5 in der Lehre vom bösen Gebild, von dem Jezer hara] Jetzer hara, zumeist mit der Böse Trieb übersetzt. Es ist aber damit gemeint, dass der Mensch eine »Neigung zum Bösen« hat, der er aber nicht nachgeben muss, sondern der Mensch kann den Bösen Trieb in etwas Gutes wenden, vgl. auch Wort- und Sacherläuterungen zu 150,13-16. 143,9-11 dass man Gott mit beiden Gebilden, mit beiden Trieben […] dienen muss] bBer 54a (BT, Bd. I, S. 235). BerR XIV,3-5 (in: Ed. Albeck, Bd. I, S. S. 130 f.) bei Wünsche (Übers.), Der Midrasch Bereschit Rabba, S. 63 f. 143,17-18 er müsse das tun, […] das er will] Vgl. Röm 7,18 f. 144,10-11 Er verneint den Leib als solchen nicht. 1. Korinther, 6. Kapitel] 1 Kor 6,15-20: »Wisst ihr nicht, dass eure Leiber Glieder Christi sind? Sollte ich nun die Glieder Christi nehmen und Hurenglieder daraus machen? Das sei ferne! Oder wisst ihr nicht: wer sich an die Hure hängt, der ist ›ein‹ Leib mit ihr? Denn die Schrift sagt: ›Die zwei werden ›ein‹ Fleisch sein‹ (1. Mose 2,24). Wer aber dem Herrn anhängt, der ist ›ein‹ Geist mit ihm. Flieht die Hurerei! Alle Sünden, die der Mensch tut, bleiben außerhalb des Leibes; wer aber Hurerei treibt, der sündigt am eigenen Leibe. Oder wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch ist und den ihr von Gott habt, und dass ihr nicht euch selbst gehört? Denn ihr seid teuer erkauft; darum preist Gott mit eurem Leibe.« (Luther 1984) 145,7 Fürst dieser Welt.] Joh 12,31; 14,30; 16,11. 145,18 (2. Kor., 3. Kapitel] Vermutlich 2 Kor 4,4; ähnlich auch Eph 6,12. 145,23-24 wo die Zeit nicht mehr sein wird] Apk 10,6; Luther übersetzt, »daß hinfort keine Zeit mehr sein soll.« 145,29 vor Mani am Manichäismus] Mani (ca. 216-276/77): Gründer einer synkretistisch-gnostischen Religion, die auch christliche Elemente aufnahm. Das Verbreitungsgebiet des Manichäismus (von Mani chai, d. h. »Mani lebt«) war zunächst der heutige Irak und Iran, seine Missionstätigkeit erstreckte sich bis Spanien und China. Die seit dem Ende des 3. Jh. stark verfolgte Gemeinschaft hörte gegen Ende des Mittelalters auf zu existieren. Die manichäische Lehre ist für ihren ausgeprägten Dualismus von Licht und Finsternis bekannt. 145,31 die altpersische Religion] der Zoroastrismus. 145,32-35 diese ganze Welt […] zu ihrem Ursprung aufsteigen.] Die Darstellung entspricht dem Forschungsstand der Zeit, vgl. Richard Reitzenstein, Iranischer Erlösungsglaube, in: Kurt Rudolph (Hrsg.), Gnosis und Gnostizismus, Darmstadt 1975, S. 280-305 (ursprünglich erschienen in der Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft, 20 [1921], S. 1-23).

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146,18 des Jezerhara] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 143,4-5. 146,20-24 Nur dass bei Paulus dieser Jezerhara […] die Wirkung dieser Sünde.] Für eine zeitgenössische einflussreiche Darstellung der Zusammenhänge vgl. Hermann L. Strack und Paul Billerbeck, Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch. 4. Band: Exkurse zu einzelnen Stellen des Neuen Testaments, München 1928, S. 466483. 146,26-27 (und so hat es Paulus […] gelernt)] Nach Apg 22,3 war Paulus Schüler des Rabban Gamliel. 146,28-31 dass der Jezerhara von Gott […] geschaffen worden sei,] Jezertow: hebr. für »der Gute Trieb«. Gott als Schöpfer des Guten und Bösen Triebs, vgl. bBer 61a (BT, Bd. I, S. 273). An einigen Stellen im Midrasch wird die Rolle des Bösen Triebs besonders expliziert: SifDev, Eqev, § 45 (Sifre Deuteronomium, übers. u. erklärt von Hans Bietenhard mit einem Beitrag von Henrik Ljungman, Bern u. a. 1984, S. 163); Midrasch Tannaiim zu Dtn 11,18 (Hoffmann, Midrasch Tannaim, S. 40) sowie Jalqut Schim’oni Tora, Eqev, 865 (zu Dtn 11,16). 148,3 de libertas arbitrari] Der korrekte Titel ist De libero arbitrio, ein dreibändiges Werk. Buch I wird auf 386/387 datiert. 148,8-9 wer kann sagen, […] als jener erste Mensch sündigte?] Das lat. Zitat: »quis potest dicere non se peccasse cum primus ille peccavit?« De libero arbitrio, III, 56, in: Augustinus, De libero arbitrio – Der freie Wille, zweisprachige Ausgabe, eingel., übers. und hrsg. von Johannes Brachtendorf, Paderborn u. a. 2006, § 188, S. 278. 148,9-10 Schon im nächsten Jahr] Spätestens 395 lag De libero arbitrio vollständig vor, vgl. Brachtendorf, Einleitung, ebd., S. [7]. Die Entstehungszeit wird auf ungefähr 387-391 datiert. Das hiernach zitierte Werk, De diversis Quaestionibus, wird auf ca. 397 datiert. 148,10-14 Seit unsere Natur im Paradies gesündigt hat, […] Verdammnis den Sündern.] Vgl. Augustinus, De diversis Quaestionibus, LXVIII,3, in: Aurelius Augustinus, Dreiundachtzig verschiedene Fragen. De diversis Quaestionibus octoginta Tribus, Paderborn 1972, S. 184 f. (in: CCSL, Bd. 44A, S. 177). 148,30-31 auf jene Stelle des 5. Römer-Kapitels] Röm 5,12. 148,36-38 Aber die lateinische Uebersetzung […] paulinischen Einstellung.] Die Vulgata übersetzt Röm 5,12 mit »in quo omnes peccaverunt« (»in ihm haben alle gesündigt«), was Augustinus auslegte als »in quo, id est, in Adam omnes peccaverunt« (»in ihm, d. h. in Adam, haben alle gesündigt«), vgl. Contra duas epistolas Pelagianorum 4-4.7 (CSEL 60, S. 527-528). Diese Interpretation ist Grundlage der Doktrin von der Erbsünde, festgelegt auf dem gegenreformatorischen

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Konzil von Trient 1546. Vgl. Henrici Denzinger, Enchiridion symbolorum definiionum et declinitionum de rebus fidei et morum. Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Lehrentscheidungen, hrsg. von Peter Hünermann, Freiburg u. a., 37. Auflage 1991, Nr. 1512, S. 499. 149,11 103. Psalm] Ps 103,14. 149,11-12 den Jezer […] die er gebildet hat.] Das hebräische ‫( יצרנו‬jitzrenu) kann entweder »unsere Beschaffenheit« oder »unser Trieb« bedeuten. Luther hat die Übersetzung: »Denn er kennt, was für ein Gemächte wir sind; er gedenkt daran, daß wir Staub sind.« Bei Buber, Das Buch der Preisungen, S. 197 lautet der Vers: »Denn er ists, der weiß um unser Gebild, / eingedenk, daß wir Staub sind.« 149,22-23 Jenes Wort der Bibel, dass Gott den Menschen bildet] Ps 103,14. 149,28-29 Dieser Jezer nämlich ist mit zwei Jot geschrieben] Gen 2,7. Zur Interpretation vgl. bBer 61a (BT, Bd. I, S. 273). 149,30-31 beide Einbildsamkeiten in sich umschliesst.] BerR XIV,3-5 (in: Ed. Albeck I, S. 130 f.). 149,35-40 Meine Kinder […] Thora als Mittel gegen ihn geschaffen] bQid 30b (BT, Bd. VI, S. 606); SifDev, Eqev § 45 (deutsch: Bietenhard [Übers.], Sifre Deuteronomium, S. 163); vgl. auch bBB 16a (BT, Bd. VIII, S. 62). 150,13 wozu er sagt: sie sei sehr gut] Vgl. Gen 1,31. Das verwendete Verb in Gen 1,31 ist jedoch nicht »sagen« sondern »sehen«. 150,13-16 so wird es gedeutet […] Menschenwerke nichts entstehen] Bezug zu zwei Auslegungen zu Gen 1,31 (»Gott sah, dass es sehr gut war«) in BerR IX,7 (in: Ed. Albeck, Bd. I, S. 70-72): »In dem Codex des R. Meïr fanden sich in der Randglosse die Worte: statt [sehr gut] ›gut ist der Tod‹« [ein hebr. Wortspiel], vgl. Wünsche, Der Midrasch Bereschit Rabba, S. 37, sowie »›Siehe, es war sehr gut‹ auf den guten Trieb, dagegen die Worte ›und siehe, es war sehr gut‹, auf den bösen Trieb […]. Ist denn der böse Trieb sehr gut? Ja, denn wenn er nicht wäre, würde kein Mensch ein Haus bauen, heirathen, Kinder zeugen und Verkehr treiben.« (Ebd., S. 38.) 150,23-24 Du hast ihn böse gemacht, sagt Gott zum Menschen] Midrasch Tanchuma, Bereschit, I,7. 150,31 Gott mit allem deinem Herzen zu lieben] Dtn 6,5. 150,31-32 Dieses »mit allem deinem Herzen« so wird es gedeutet, das gehe auf die beiden Einbildsamkeiten.] bBer 54a (BT, Bd. I, S. 235). 150,39 Eine mein Herz, Deinem Namen zu folgen] Vgl. Ps 86,11. 151,2-3 aber wenn einer sich zu reinigen kommt, steht man ihm von oben bei] bJoma 38b (BT, Bd. III, S. 105).

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151,5 Der Midrasch] MTeh zu Ps 86,11. Vgl. Der Midrasch Tehillim, übers. von August Wünsche, Hildesheim 1999, Bd. II, S. 146 f. 151,9-10 mein Herz sei ganz in deinen Gesetzen, damit ich nicht beschämt werde.] Ps 119,10. 151,24-25 gut und böse ist so, wie rechte Hand, und linke Hand] Vgl. Zwei Glaubensweisen, S. 157 f. (jetzt in: MBW 9, S. 299). 152,37-38 wo Gott angegangen wird, […] zu einen] Vgl. Ps 86,11. 153,7-16 am deutlichsten im Chassidismus […] geschaffen.] Mit einem ähnlichen Postulat endet Buber, Des Baal-Schem-Tow Unterweisung im Umgang mit Gott, S. 117 (jetzt in: MBW 17, S. 128): »Die Welt kann freilich nur beginnen, nicht mehr; aber dies eben ist an ihr, dazu ist sie erschaffen worden – ›im Anfang‹, das wird ausgelegt: um ihres Anfangens willen.« 153,16-22 im Talmud wird erzählt […] was es gewusst hat.] bNid 30b (BT, Bd. XII, S. 441). 153,26-29 Sei ein bewährter Zaddik, […] wie ein Schuldiger.] Ebd. 153,31-33 Und sei wissend, dass Gott rein […] dann ist es gut.] Ebd. 154,22-24 darum beten wir an jedem Morgen […] ist rein.] Vgl. Israels Gebete, übersetzt und erläutert von Samson Raphael Hirsch, Zürich u. Basel 1992, S. 6. 154,36-38 gesegnet du bei deiner Ankunft, […] Ausfahrt] Dtn 28,6. 154,39-40 »deine Ausfahrt […] ohne Sünde«] bBM 107a (BT, Bd. VII, S. 817 f.). 155,2 Jezerim] Pl. von Jezer. Vgl. Wort- und Sacherläuterung zu 143,4-5. 155,11-13 Er sah, dass gross die Bosheit […] böse all den Tag.] Gen 6,5. 155,18 wie ich schon einmal angeführt habe] Vgl. S. 140 f. 155,18-19 »Noah aber fand Gunst in seinen Augen«] Gen 6,8. 155,24-25 das Böse, das er nicht tun will, tut, das Gute, das er will, nicht tut.] Röm 7,19. 155,27 Ovid] Publius Ovidius Naso (43 v. Chr.-ca. 17 n. Chr.): röm. Dichter. 155,27-28 video … Ich sehe das bessere […] dem schlechteren aber folge ich] Das ganze Zitat: »video meliora proboque, / Deteriora sequor«. »Das Bessere seh ich und will es, / Aber dem Schlechterem folg’ ich!« Metamorphosen, VII,20 f.. (vgl. Publius Ovidius Naso, Metamorphosen, Epos in 15 Büchern, hrsg. und übers. von Hermann Breitenbach, Zürich 1958, S. 428 f.) 155,30-31 die Desavouierung des Sokratischen] Laut der Lehre des Sokrates folgt notwendig aus der Erkenntnis des Guten das gute Handeln. 156,14 Die Welt beginnt trotz allem immer wieder neu] Buber spielt auf die erste Berakha vor dem Schʾ ma Israel an (genannt Birkat Jotzer

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Or), die im Morgengottesdienst gesprochen wird, vgl. Hirsch (Übers.), Israels Gebete, S. 107, »und mit seiner Güte stets das Werk des Anfangs erneuert«. 156,25-26 Wohl, in der Verfehlung […] meine Mutter empfangen.] Ps 51,7. 156,32-33 entsündige mich mit Jsaph […] als Schnee.] Ps 51,9. Jsaph: lies Ysop, ein Kraut, dessen Bestandteile in Reinigungsritualen verwendet wurden (vgl. z. B. Lev 14,4). 156,33-35 ein reines Herz erschaffe […] in meinem Innern.] Ps 51,12. 157,5-7 ich werde die Abtrünnigen […] umkehren zu dir] Ps 51,15. 157,20-22 jener Satz von der Strafe […] Geschlechtern] Vgl. den Dekalog: Ex 20,5 u. Dtn 5,9 sowie Num 14,18. 158,6-10 Aber es ist ein Unterschied zwischen beiden. […] Er ist gehorsam.] Bubers Differenzierung zwischen der »Schlange« und dem »Bösen Trieb« ist in der jüdischen Tradition nicht Allgemeingut. Vgl. den Kommentar von Ovadia ben Jaʿ akov Sforno (1475-1550) zu Gen 3,1: »›Und die Schlange‹. Das ist Satan, das ist der Böse Trieb. […] Er nannte hier den sündigen Bösen Trieb ›Schlange‹, weil er ähnlich ist der Schlange, die im Leben ohne wirklichen Nutzen ist.« 158,17-18 Die Schlange wird auch bestraft.] Gen 3,14. 158,22-26 Es heisst nämlich einmal, […] hörte die Befleckung auf] Vgl. bShab 146a (BT, Bd. I, S. 898 f.); bJev 103b (BT, Bd. IV, S. 613 f.); bAS 22b (BT, Bd. IX, S. 503). 158,26-27 Sie kehrte wieder, als sie die Sünde […] vollzogen] Vgl. ShemR XXXII,1. Wünsche (Übers.), Der Midrasch Schemot Rabba, S. 250 f. 158,28-30 Da wird die Befleckung […] ohne Gebrechen sind] bShab 146a (BT, Bd. I, S. 899). Eine Erklärung bietet SifDev, Wa’etchanan, § 31 zu Dtn 6,4, »Höre Israel, der Herr ist unser Gott, der Herr ist einer«, wobei hier darauf angespielt ist, dass Israel der Beiname Jakobs ist. »Wozu heisst es [Israel]? Weil es heisst: ›Rede zu den Söhnen Israels!‹ (Ex 25,2). ›Rede zu den Söhnen Abrahams!‹ [oder] ›Rede zu den Söhnen Isaaks!‹ steht hier nicht geschrieben, sondern: ›Rede zu den Söhnen Israels!‹ Unser Vater Jakob erwies sich als würdig, dass das Wort (Gottes) zu seinen Söhnen gesagt wurde, weil unser Vater alle seine Tage ängstlich war und sagte: Wehe mir, wenn etwa aus mir Abfall hervorginge, wie er aus meinen Vätern hervorging.« Mit »Abfall« sind hier die Götzendiener Ismael und Esau gemeint. Vgl. Bietenhard (Übers.), Sifre Deuteronomium, S. 74 f. vgl. auch SifDev, Ha’azinu, § 312 (Bietenhard, S. 755 f.); SifDev We-zot ha-brakha § 343, 5 (Bietenhard, S. 831 f.).

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158,30-31 Nach einer wieder anderen Stelle eines Midrasch stellt Abraham die ursprüngliche Ordnung wieder her] BerR XIV,6 (in: Ed. Albeck, Bd. I, S. 132), bei Wünsche (Übers.), Der Midrasch Bereschit Rabba, S. 64 f. 159,5 Jesus Sirach] Apokryphes Buch, auch als Ecclesiasticus bezeichnet. Die Schrift aus dem frühen 2. Jh. v. Chr. wird der Weisheitsliteratur zugerechnet. Als Teil der Septuaginta erfuhr sie selbst im protestantischen Christentum große Wertschätzung. Sowohl Talmudzitate wie Funde von hebräischen Fragmenten dieses Buchs in der Geniza der Altkairoer Ben-Esra Synagoge, die ungefähr zwei Drittel des Textes darstellen, zeigen, dass dieses Werk auch im rabbinischen Judentum geschätzt wurde. Eine aus den Funden und Rückübersetzungen rekonstruierte Fassung bietet Die Weisheit des Jesus Sirach. Hebräisch und Deutsch. Mit einem hebräischen Glossar, hrsg. von Rudolf Smend, Berlin 1906. 159,23-27 als Gott die Thora geben wollte, […] Thora angenommen.] Vgl. SifDev, Wezot ha-berakha, § 343,4 (deutsch: Sifre Deuteronomium, übers. u. erklärt von Hans Bietenhard mit einem Beitrag von Henrik Ljungman, Bern u. a. 1984, S. 829-831); MekhJ, Traktat Bachodesch 5 (in: Ed. Horowitz, S. 221), dt. Übers.: Stemberger, Mekhilta de-Rabbi Jishma’el, S. 269 f. und weitere Parallelen. »Hagadisch«: »auslegend, erzählend«; in der Abgrenzung zu »halachisch«: Erörterungen, die die Ausführungen der Toragebote betreffen. 159,39-160,1 dass ich gesagt habe von Paulus] In Abschnitt III in diesem Zyklus, in vorliegenden Band S. 135 f. 160,3 einen Fürst des Bösen kennt] Joh 12,31; 14,30; 16,11. 160,10-11 der Erlösung durch den Tod Christi als eines Loskaufs, eines Losgelds] Vgl. Abschnitt II in diesem Zyklus, im vorliegenden Band, S. 127-134. 160,13 Irenäus] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 103,31. 160,13 Anselm] Der Frühscholastiker Anselm von Canterbury (um 1033-1109) entwickelt in seinem Werk Cur deus homo (lat.: »Warum Gott Mensch wurde«) die sogenannte Satisfaktionslehre, die sich nicht durchsetzen konnte. Die Schuld der Erbsünde wiege so schwer, Gottes Zorn ließe sich nur beschwichtigen durch den Kreuzestod Jesu. Diese Lehre, dass der Tod Jesu die einzige Möglichkeit (necessitas) zur Erlösung der Menschheit sei, wurde von späteren Theologen nicht geteilt. 160,16 es der Satan ist, dem dieses Lösegeld gezahlt wird.] Vgl. Commentarii in Matthaeum XVI,8 in: Origenes, Der Kommentar zum

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Evangelium nach Mattäus, eingel. und übers. von Hermann J. Vogt, 2. Teil, Stuttgart 1990, S. 179. 161,3-4 Dieser Satan kommt doch aus Israel, aus dem Alten Testament.] In der hebr. Bibel ist mit »Satan« zumeist nicht ein Eigenname gemeint, sondern er steht z. B. für einen menschlichen »Widersacher« (z. B. I Sam 29,4) oder einen Gegner im Gerichtshof (Ps 109,6). Der Name für Satan als einen Engel mit dem Auftrag, die Menschen vor Gott zu verklagen, findet sich erst in Hiob, Kapitel 1-2, sowie bei Sacharja 3,1-2 und wohl auch in I Chr 21,1. 161,33 von Malach die Rede, denn es geht um Malacha, um Arbeit,] hebr. mal’akh für »Bote«, »Engel«. Melakha hebr. für »Arbeit«, »Handwerk«. Mit Melakha wird auch Gottes Tätigkeit bei der Erschaffung der Welt umschrieben (Gen 2,2). Vgl. Bubers Übersetzung Das Buch Im Anfang, S. 11: »Da vollendete Gott im siebenten Tag die getane Arbeit / und feierte am siebenten Tag von aller getanen Arbeit.« 161,37-38 Immer wieder in der Geschichte […] redet sondern Gott] Vgl. z. B. Moses am Dornbusch: in Ex 3,2 erscheint Moses ein Engel, in Ex 3,4 spricht Gott. 162,21-22 den sogenannten Pelargianismus] Irrtümlich für »Pelagianismus«. Die nach dem Mönch Pelagius (gest. 418) benannte Lehre, dass der Mensch frei entscheiden kann, ob er sündigt oder nicht, also die entgegengesetzte Position zur Erbsündenlehre. Die Verfehlung Adams ist hier nur noch ein schlechtes Beispiel und das Handeln Jesu ein gutes Bespiel. Die Lehre wurde auf Betreiben Augustins für häretisch erklärt, endgültig auf dem Konzil von Ephesos 431. 164,7-9 Wenn dich einer fragen sollte, […] Adam ebenso gegangen.] WaR, Paraschat Emor, XXVII,4 (Übers. bei August Wünsche, Der Midrasch Wajikra Rabba, Hildesheim 1967 [Nachdruck], S. 186). 164,33-34 es ist eine Zeit geboren zu werden, und eine Zeit zu sterben] Pred 3,2. 164,39 Und der Geist kehrt zurück zu Gott, der ihn gegeben hat] Pred 12,7. 165,1-3 wenn der Geist rein und lauter […] zu Gott zurück] Vgl. bShab 152b (BT, Bd. I, S. 925). 165,22 paulinische Lehre von dem Verfangensein des Menschen in ein Gesetz] Röm 7. 165,30 Abdikation] aus dem Lat.: »Abdankung«, hier wohl im wörtlichen Sinn: »Lossagung«; »Absage«. 166,4-5 den wir jetzt auch hebräisch haben (früher kannten wir ihn nur griechisch).] In der Geniza der Ben Ezra Synagoge entdeckte der Judaist Solomon Schechter (1847-1915) um 1900 Fragmente des he-

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bräischen Buches, die ungefähr zwei Drittel des Textkorpus ausmachen. 166,5-6 Da wird zunächst der Fall des ersten Menschen Ernst genommen] Vgl. Sir 17,7: »Verständige Einsicht gab er ihnen reichlich / und Gutes und Böses zeigte er ihnen.« (Kautzsch, Die Apokryphen und Pseudepigraphen des Alten Testaments. Band 1: Die Apokryphen des Alten Testaments, Tübingen 1900, S. 313). Die Beziehung zwischen der Schöpfungsgeschichte und der menschlichen Sünde ist aber in Ben Sirach eher lose. 166,9-11 sondern von dem Fall jener Gottessöhne […] ein kosmischer Fall erfolgt ist.] 1Hen 6-10. Vgl. auch Gen 6,1-4. 166,14-15 Von dem Weib […] vergehen wir mitsamt] Sir 25,24. 166,16 Ache] »Ache« irrtümlich für »Arche«, griech. für »Anfang«, »Prinzip«, »Ursprung«; en arche (griech.: »im Anfang«) sind die ersten Worte der Bibel in der griech. Übersetzung. 166,20 es nicht heisst rechit, sondern tehilla] »rechit« verschrieben für reschit, »tehilla« verschrieben für techilla, was hier beide Mal mit »Anfang« übersetzt werden könnte. Man nahm an, dass der hebr. Urtext hier analog zur griech. Version reschit habe und damit auch ein Bezug zur Schöpfungsgeschichte vorliege, da es als das erste Wort der Bibel stellvertretend für die ersten Kapitel der Genesis steht. Jedoch haben die Textfunde ergeben, dass das unkonnotierte Wort techilla hier verwendet wurde. 166,23 (25,24] Sir 25,24. 166,23-26 Nun 15,14 Gott, […] misshandelt.] Sir 15,14 f.: »Gott hat im Anbeginn den Menschen geschaffen, / und überliess ihn seinem freien Willen. / Wenn es dir beliebt, hältst du das Gebot, / und Treue ist es, das ihm Wohlgefällige zu tun.« Rudolf Smend (Hrsg.), Die Weisheit des Jesus Sirach. Hebräisch und Deutsch. Mit einem hebräischen Glossar, S. 25. 166,29-30 wenn du willst, […] die Einsicht] Vgl. Sir 17,7. 168,19-20 jene iranische, nicht griechische, sondern iranische Grundlehre] In den Vorlesungen ist diese religionswissenschaftliche Betrachtungsweise von Buber am stärksten ausgearbeitet worden. Vgl. Buber, Die Brennpunkte der jüdischen Seele, Der Morgen, 8. Jg., 5. Heft, Dezember 1932, S. 375-384, hier S. 381 f. (jetzt in: MBW 9, S. 128-137, hier S. 134); Zwei Glaubensweisen, S. 41 u. 148 (jetzt in: MBW 9, S. 225 u. 293). 168,41-169,1 der Glaube, in dem deuterojesajanischen Text in der Zeit] Vgl. Buber, Der Glaube der Propheten, Zürich: Manesse Verlag 1950, S. 302 (jetzt in: MBW 13). Dort präsentiert Buber eine Parallele aus

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Die Gathas des Awestas (Yasna 44,5), den heiligen Schriften des Zoroastrismus. 169,3-5 Gott, der eine Gott es ist, der das Licht […] geschaffen hat] Vgl. Jes 45,7. 169,21-22 Wenn wir diese […] deutlich sein.] Vgl. Bubers Essay »Prophetie, Apokalyptik und die geschichtliche Stunde«, in: Merkur, 8. Jg., Heft 12, Dezember 1954, S. 1101-1114 (jetzt in: MBW 15, S. 380-393). 170,15 »Der Aeon eilt mit Macht zu Ende«] 4Esr 4,26. 171,5 Apokryphe des Mose (?)] Irrtümlich für »Apokalypsis Mosis«: ein griech Text, der eng verwandt mit dem lateinischen Werk Das Leben Adams und Evas ist. Er wird zwischen dem 1. Jh. vor und 2. Jh. n. Chr. datiert und in ein jüdisch-palästinensiches Milieu verortet. Der Inhalt ist eine Paraphrase von Gen 3-5. Der Titel ist etwas irreführend und wurde von dem Herausgeber der ersten kritischen Ausgabe Konstantin von Tischendorf (1815-1874) gewählt. Er bezieht sich auf die im Einleitungskapitel aufgestellt Behauptung, diese Schrift wäre Moses am Sinai offenbart worden. 171,7 »alle Sünde ist durch mich entstanden«] ApkMos 32,2 bzw. Das Leben Adams und Evas 32,2 (im Sündenbekenntnis Evas) in Die Apokryphen und Pseudepigraphen des Alten Testaments, übers. und hrsg. von Emil Kautzsch, Zweiter Band: Die Pseudepigraphen des Alten Testaments, Tübingen 1900, S. 524. 171,13 Syrische Apokryphen (?)] Die Syrische Baruchapokalypse (2Bar bzw. syrBar): Die syrisch-aramäische Schrift gibt sich als von Baruch ben Nerija, dem Schreiber des Propheten Jeremia, verfasst aus und wird in die Zeit nach der Tempelzerstörung 70 n. Chr. datiert. Sie will die Zerstörung des Tempels erklären und prophezeit den (dritten) Neubau. Es handelt sich um eine jüdische Schrift, die wohl ursprünglich auf hebräisch verfasst wurde, und weist große Ähnlichkeit zu 4 Esra auf und hat auffällige Ähnlichkeiten mit talmudischen Texten. Die Schrift gilt in Teilen der syrischen Kirche als kanonisch. 171,13-18 Da ist etwas: Jener, der anzündete, […] Scheine der Leuchten.] 2Bar 18,1 f. 171,26-29 denn wenn auch Adam zuerst […] erwählt.] 2Bar 54,15 in der Übersetzung Die Apokryphen und Pseudepigraphen des Alten Testaments, übers. und hrsg. von Emil Kautzsch, Zweiter Band: Die Pseudepigraphen des Alten Testaments, Tübingen 1900, S. 433: »Denn wenn Adam zuerst gesündigt und über alle den vorzeitigen Tod gebracht hat, so hat doch auch von denen, die von ihm abstammen,

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jeder einzelne sich selbst die Pein zugezogen, und wiederum hat sich [je]der einzelne von ihnen die zukünftige Herrlichkeit erwählt.« 171,33-35 O Adam, was hast du allen angetan, […] das Feuer frisst.] 2Bar 48,42. Vgl. die Übersetzung von Kautzsch: »O! Was hast du, Adam, allen denen angethan, die von dir abstammen?« (Ebd., S. 430.) 171,38-40 Als nämlich Adam gesündigt hatte, […] verdorrte die Güte.] Vgl. 2Bar 56,6, bei Kautzsch, ebd., S. 434. 172,5-6, Esra-Apokryphiker, das sogenannte 4. Buch Esra] 4Esra oder Esdras IV ist nur in der Vulgatabibel überliefert, während die griech. Vorlage, auf der die Übersetzung fußt und von der weitere erhaltene Übersetzungen abhängig sind, verloren gegangen ist. Als Ausgangssprache wird von der Forschung aber übereinstimmend Hebräisch oder Aramäisch angenommen. Das Buch ist recht genau auf ungefähr 95/100 n. Chr. zu datieren, stammt aus jüdischen Kreisen und gilt als eine theologische Erklärung für die Zerstörung des Zweiten Tempels. Die Kapitel 1-2, die eine christliche Einleitung sind, werden in vielen Textausgaben nicht abgedruckt, und werden machmal als Esra V bezeichnet. 172,6-12 Du aber nahmst das böse […] und das Böse verblieb.] 4Esr 3,20-22 in der Übersetzung bei Kautzsch, S. 354: »Aber du nahmst das böse Herz nicht von ihnen, daß dein Gesetz in ihnen Frucht trüge. Denn um seines bösen Herzens willen geriet der erste Adam in Sünde und Schuld, und ebenso alle, die von ihm geboren sind. So ward die Krankheit dauernd: das Gesetz war zwar im Herzen des Volks, aber zusammen mit dem schlimmen Keime. So schwand, was gut ist; aber das Böse blieb.« 172,36-39 O Adam, was hast du getan […] getan haben.] Vgl. 4Esr 7,118-119. 173,2-6 Dies ist der Sinn des Kampfes, […] auf dass du lebest.] 4Esr 7,127-129. 173,24-25 Hirt des Hermas] Eine christliche, im 2. Jh. in Rom verfasste griech. Schrift, die in der Alten Kirche teilweise kanonisches Ansehen genoss. In Form von Engelsvisionen werden Lehren der christlichen Ethik verdeutlicht. 173,25-27 die Lehre von den zwei Jezerim […] genannt wird] »Schau dir solch ein Misstrauen an; es ist böse, sinnlos, reißt vielen den Glauben mit der Wurzel aus, sogar ganz Tiefgläubigen und Gefestigten. Und zwar ist diese Zweifelsucht eine Tochter Satans, und sie vergeht sich gar schwer an den Dienern Gottes.« II Hirt des Hermas, Gebot 9:9 (vgl. Die Apostolischen Väter, aus dem Griechischen übersetzt von

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Franz Zeller [Bibliothek der Kirchenväter, 1. Reihe, Band 35] München 1918, S. 217-218). 173,35-36 das geschieht von da aus, von was aus Paulus redet,] Röm 16,20; 1 Thess 2,18; 2 Thess 2,1-12. 174,13-16 der Glaube an eine Gott gegenüberstehende Macht […] verführend.] 1 Kor 5,5; 2 Kor 2,11; 2 Kor 11,14. 174,20-24 Dass damals jenes erste Licht […] als er sündigte.] bChag 12a (BT, Bd. IV, S. 270). 174,24-25 Es geht manchmal soweit, […] durch die Sünde] Vgl. Ekha rabbati zu Klgl 1,6: »Und sie gingen kraftlos vor dem Verfolger.« »R. Asarja im Namen ders R. Jehuda bar R. Simon hat gesagt: Wenn die Israeliten den Willen Gottes thun, so vermehren sie die Kraft Gottes von oben, wie es heisst Ps. 60,14: ›In Gott wird uns Kraft, wenn die Israeliten aber den Willen Gottes nicht thun, so schwächen sie die grosse Kraft von oben‹«. Der Midrasch Echa Rabbati. Das ist die haggadische Auslegung der Klagelieder, mit Noten und Verbesserungen von J. Fürst u. O. Straschun, Hildesheim 1967, S. 70. 175,10 in die Fusstapfen Gottes] Vgl. 1 Petr 2,21, dort aber in Bezug auf Christus. 175,15 je und je auf den Weg Gottes zu gehen] Vgl. z. B. Dtn 8,6. 175,19-20 ich werde sündigen, und dann werde ich umkehren.] Vgl. mJoma VIII,9 (BT, Bd. III, S. 251). 175, 21 Du bist barmherzig und gnädig] Num 14,18 175,22 Kehret um, […] Abkehrungen heilen.] Jer 3,22. 175,24-25 Suchet mich und ihr lebet] Am 5,4. 175,25-27 David sagt in einem Midrasch zu Gott […] Gott vergibt.] MTeh zu Ps 19,14, vgl. August Wünsche, Midrasch Tehillim oder Haggadische Erklärung der Psalmen, Hildesheim u. a. 1999, S. 180. 175,27-30 Gott spricht zu Jerobeam, zu dem Ursünder […] nicht um.] Vgl. bSan 102a (BT, Bd. IX, S. 91 f.). 175,33-37 Gott ritzte das Bild der Welt […] erschaffen werden.] Zur Idee, dass die Umkehr – wie z. B. auch die Tora – noch vor der Erschaffung der Welt erschaffen wurde, vgl. bPes 54a (BT, Bd. II, S. 470); Tanchuma (Buber) Naso 19. 175,39 durch Aneinanderreihung zweier Verse aus dem 90. Psalm] Ps 90,2 f. 176,3-4 und keine Lebenszeit […] Biographie] mSan VI,2 (BT, Bd. VIII, S. 633). 176,28 Ein christlicher Freund] Zur Teilnahme von Christen bei den Veranstaltungen der jüdischen Erwachsenenbildung schreibt Ernst Simon, dass auch »einzelne Nichtjuden« teilgenommen hätten. »Ihre

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Zahl war offenbar groß genug, um ein amtliches Verbot ihrer Teilnahme an jüdischen Kulturveranstaltungen notwendig zu machen.« Simon führt Beispiele für ein amtliches Verbot ab 1937 an, vgl. Aufbau im Untergang, S. 64 f. 177,6-7 eine Abhandlung eines Paters, eines sehr bekannten Paters] Es handelt sich um den katholischen Philosophen Erich Przywara (1889-1962). In dem Aufsatz »Judentum und Christentum. Zwischen Orient und Okzident«, in: Stimme der Zeit, 56. Jg., 2. Heft, November 1925, S. 81-99 (wiederveröffentlicht in: Ringen der Gegenwart. Gesammelte Aufsätze 1922-1927, Augsburg 1929, S. 624-661) gibt er einen sachlichen Überblick, wie jüdische Gegenwartsphilosophen das Wesen des Judentums sehen. Nachdem Przywara den Katholizismus zum Überwinder der von den Juden erörterten Problematik erklärt hat, wird er gegen Ende des Artikels antisemitisch: vom Judentum komme letzten Endes »die Gewalt des Kapitalismus und die Gewalt des Kommunismus« (S. 659), »jedes Volk [empfindet] das Judentum auf die Dauer als so etwas wie anmaßenden Störer seines Volkstums. Der Judenhaß der Weltgeschichte ist im Grunde notwendiges Ahasverschicksal des Volkes, das sich an die Stelle des übergeschöpflichen Gottes gesetzt hat.« (S. 660) 177,10-11 den berühmten, berüchtigten jüdischen Aktivismus] »Das ›Gesetz‹ wird zur ›Idee‹ der ›unendlichen Aufgabe‹ […] ›Gott‹ wird der Aktivismus der ewig neuschaffenden Tat, und der ›Messias‹ die ›Grenzidee‹ der ewig neuschaffenden Gemeinschaft aller.« (Ebd., S. 654.) Zu Przywara Kritik an ihn hat Buber sich bereits in einer durch eine nichtautorisierte Mitschrift überlieferten Rede 1926/27 geäußert: »Der Pater Przywara nennt mich (unvorsichtigerweise mit Cohen zusammen) einen Aktivisten, dessen Meinung sei, daß der Mensch sich durch sein eigenes Handeln erlösen könne. Das ist falsch – das ist theo-logisch. In der Theologie glaubt man entweder an den Willen (des Menschen) oder die Gnade (Gottes).« Vgl. Erste Rede. Judentum, in: MBW 2.1, S. 227-232, hier S. 230 sowie den Kommentar, S. 466 f. 177,14-15 dass ich mit Menschen wie Hermann Cohen in einen Topf geworfen würde] Przywara zitiert ausgiebig Buber, daneben Hermann Cohen (1842-1918) und Leo Baeck, Franz Rosenzweig, Max Brod, Nathan Birnbaum usw. 177,19-22 Nicht in dem Bereich der Weltanschauung, […] Gotteswelt hinein.] Vgl. »wenn ich Notwendigkeit und Freiheit nicht in gedachten Welten meine, sondern in der Wirklichkeit meines Vor-Gott-stehens, […] wenn ich weiß: ›Es kommt auf mich an‹, dann darf ich

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dem Paradox, das ich zu leben habe, nicht durch Zuweisung der unvertäglichen Sätze an zwei gesonderte Geltungsbereiche zu entkommen suchen, dann darf ich mir auch von keinem theologischen Kunstgriff zu einer begrifflichen Versöhnung helfen lassen, ich muß beide in einem zu leben auf mich nehmen, und gelebt sind sie eins.« (Buber, Ich und Du, Leipzig: Insel-Verlag 1923, S. 112.) 177,25-178,5 Im Frühjahr 1914 […] dass ich nicht glaube.] Vgl. den Abschnitt 14 »Frage und Antwort« in: Begegnung. Autobiographische Fragmente, Stuttgart: Kohlhammer 1960, S. 33-35 (jetzt in: MBW 7, S. 274-309, hier S. 293-295). Der anglikanische Geistliche ist der Reverend William Henry Hechler (1845-1931), der sich gegen den Antisemitismus und für den Zionismus einsetzte. 1873 wurde er der Erzieher der Kinder von Friedrich I., Großherzog von Baden (18261907). Er stellte die Beziehung zwischen dem Großherzog und Theodor Herzl (1860-1904) her. »Danielische Weissagung« vgl. Dan 2. 178,5-9 In dem letzten Ernst vermag ich garnichts […] aussagen könnte.] »›Hier Welt, dort Gott‹ – das ist Es-Rede; und ›Gott in der Welt‹ – das ist andre Es-Rede; aber nichts ausschalten, nichts dahinterlassen, alles – all die Welt mit im Du begreifen, der Welt ihr Recht und ihre Wahrheit geben, nichts neben Gott, aber auch alles in ihm fassen, das ist vollkommne Beziehung.« (Buber, Ich und Du, S. 93.) 178,15-18 Aber Gott steht nicht unter dem Satz […] nicht von Gott gilt.] »Das ist die ewige, die im Hier und Jetzt gegenwärtige Offenbarung. Ich weiß von keiner, die nicht im Urphänomen die gleiche wäre, ich glaube an keine. Ich glaube nicht an eine Selbstbenennung Gottes, nicht an eine Selbstbestimmung Gottes vor den Menschen. Das Wort der Offenbarung ist: Ich bin der ich bin [Ex 3,14]. Das Offenbarende ist das Offenbarende. Das Seiende ist, nichts weiter. Der ewige Kraftquell strömt, die ewige Berührung harrt, die ewige Stimme tönt, nichts weiter.« (Buber, Ich und Du, S. 129.) 178,37-179,2 von dem Punkt aus, wo ich im Angesicht […] Geheimnis ist.] »Wer vor das Angesicht [Gottes] tritt, in der Fülle der Gegenwart wird ihm erst, von der Ewigkeit erleuchtet, die Welt ganz gegenwärtig, und er kann in Einem Spruch zur Wesenheit aller Wesen Du sagen. Da ist keine Spannung mehr zwischen Welt und Gott, nur die Eine Wirklichkeit.« (Buber, Ich und Du, S. 125.) 179,16 Malach] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 161,33. 180,9 Kehre um, Israel, bis zu ihm, deinem Gotte] Hos 14,2. 180,9-12 Gross ist die Kraft der Umkehr, […] Thron der Ewigkeit.] bJoma 86b (BT, Bd. III, S. 254).

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180,14-16 Wo die Umkehrenden stehen, […] dann erst dem Nahen.] Die Kombination von bBer 34b (BT, Bd. I, S. 155) und Jes 57,19 findet sich in Ozar Midrashim. A library of two hundred minor Midrashim, hrsg. von J[ulius] D[avid] Eisenstein, New York 1915, 2 Bde., Pesiqta Chadata, Bd. 2, S. 497. 180,27-28 die von jenem grossen repräsentativen Ketzer […] Acher nannte] Elischa (oder Elisa) ben Abuja war ein Tannait aus dem 2. Jh., der sich vom rabbinischen Judentum abwandte. Danach wurde er von den Talmudgelehrten nur noch »Acher« (hebr.: »der Andere«) genannt. Die talmudischen Texte versuchen die Motive für seinen Glaubensabfall zu ergründen. Um die Jahrhundertwende arbeitete Buber an einem Gedichtszyklus, der den Ketzer zum Gegenstand hatte, und veröffentlichte daraus zwei Gedichte »Die Erlösung« und »Die Flamme« in Ost und West, (Juni und August 1902) sowie eine weiteres, längeres Gedicht »Zwei Tänze«, in: Berthold Feiwel (Hrsg.), Junge Harfen, Berlin 1903, S. 31-33 (jetzt in: MBW 7, S. 84 f. und 88100). 180,29-30 dass er neben Gott eine zweite göttliche Macht annahm] Vgl. bChag 15a (BT, Bd. IV, S. 284). 180,30-36 Von ihm wird erzählt, […] umzukehren.] Vgl. bChag 15a (BT, Bd. IV, S. 284-286). (»Kehret um, abgekehrte Söhne«: Zitat von Jer 3,14.) 180,36 ein chassidischer Rabbi] Jizchak von Worki (1779-1848). 180,37-181,8 Es gibt nämlich einen Spruch […] wäre er angenommen worden.] Vgl. Buber, »Die Himmelsstimme«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 807 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [1213]). 181,19-21 Ich sprenge reines Wasser […] in das Innere.] Ez 36,25 f. 181,28-29 Glückselig ihr, Israel, […] dass ihr rein werdet.] mJoma VIII,9 (BT, Bd. III, S. 251). 181,34-35 in Jeremia, 17. Kapitel.] Jer 17,13. 181,35 Hoffnungsziel Israels du] Mikwe Israel. Buber übersetzt es in Die Schrift als »Hoffnungsziel Jisraels.« Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 93,39. 181,41 eine andere Jeremia-Stelle anführt im 8. Kapitel] Richtig ist Jer 14,8. 182,4 Moschia] Hebr.: »Befreier«, »Retter«. In Mt 1,21 wird der Name »Jesus« mit dieser Wortbedeutung begründet: »er wird sein Volk retten von ihren Sünden.« 182,7 an ein Tauchbad in dem Christus] Diese Ausdrucksweise erscheint nicht biblisch, am nächsten kommt noch Apg 2,38. 182,11-13 Denn an diesem Tage wird […] euren Sünden] Lev 16,30.

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182,13-15 und nun vor ihm werdet ihr rein, […] wie reinigt?] mJoma VIII,9 (BT, Bd. III, S. 251). Die Übersetzung von Goldschmidt: »Wer ist es, vor dem ihr euch reinigt, wer ist es, der euch reinigt«. 182,16-17 Wer sich zu reinigen kommt, dem steht man von oben bei.] bJoma 38b (BT, Bd. III, S. 105). 182,17-21 Gott spricht zu Israel: Tut Umkehr […] einer Brij hadascha.] PesR 40 Ba-chodesch Haschvii; (in: Ed. Friedmann, S. 169a). Brij hadascha: zu lesen Brija chadascha, hebr. für »neue Schöpfung« oder »neue Kreatur«. 182,21 Paulus sagt Schöpfung.] Gal 6,15; vgl. auch 2 Kor 5,17. 182,35 Rabbi Meir] Tannait des 2. Jahrhunderts, Schüler des Acher (vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 180,27), der in Bubers Gedicht »Die Erlösung« seinen Lehrer aus dem »ewigen Feuer« rettet. Vgl. Kommentar in MBW 7, S. 549. 182,39-183,6 Erfülle mit deinem ganzen Herzen […] an jedem Ort.] Vgl. bBer 17a (BT, Bd. I, S. 73). 183,32-33 mitten in dem Vers […] Welt nennen] nicht nachgewiesen. 183,33-37 sondern die wirkliche Erlösung […] da geschieht Erlösung.] Vgl. Rosenzweig, Der Stern der Erlösung, S. 372: »Der Gang der Weltgeschichte versöhnt, solange das Reich Gottes noch erst kommt, immer nur die Schöpfung in sich selbst, immer nur ihren nächsten Augenblick dem vorigen. Die Schöpfung selber als Ganzes aber wird mit der Erlösung in alle Zeit, solange die Erlösung noch im Kommen ist, zusammengehalten nur durch das aus aller Welt-Geschichte herausgestellte Ewige Volk.« 184,5-7 Dies, dass wir diese ewige Erlösung der Seele kennen […] Geschichte der Welt.] Diesen Unterschied zwischen Judentum und Christentum betont Buber auch in »Kirche, Staat, Volk, Judentum«, MBW 9, S. 158: »Eine Zäsur nehmen wir in der Geschichte nicht wahr. Wir kennen ihr keine Mitte, sondern nur ein Ziel, das Ziel des Weges Gottes, der nicht innehält auf seinem Weg.« Vgl. auch das zugehörige Typoskript, MBW 9, S. 376 sowie Buber, Die Entstehung des Chassidismus, Theologische Blätter, 3. Jg., Heft 7, 1924, S. 104 (jetzt in: MBW 17, S. 97). 184,9-14, den Satz des Kirchenvaters Irenäus, neu belebe.] Irenäus, Adversus Haereses, Buch III, Kap 18,7, S 236 f. 184,31 Hispael] Irrtümlich für Hitpalel, hebr. für »beten«. Hitpalel (‫ )התפלל‬leitet sich von pilel (‫ )פלל‬ab und bedeutet unter anderem »richten«, »schlichten«. Den ethymologischen Zusammenhang im Hebräischen zwischen »schlichten« und »beten« wahrt die Übersetzung von Buber und Rosenweig von I Sam 2,25: »Sündigt ein Mensch

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gegen einen Menschen, mitteln [pilel] die Gottrichter / sündigt aber ein Mensch gegen Ihn, wer könnte sich für ihn ins Mittel schlagen [jitpalel]?!« Das Buch Schmuel. (Die Schrift VIII), verdeutscht von Martin Buber und Franz Rosenzweig, Berlin: Lambert Schneider 1928, S. 15. Vgl. Luthers Übersetzung: »Wenn jemand wider einen Menschen sündigt, so kann’s der Richter schlichten. Wenn aber jemand wider den HERRN sündigt, wer kann für ihn bitten?« 184,34 er trug die Sünden der vielen] Vgl. Jes 53,11. 184,38 das Wort talmudisch auf Mose angewandt,] bSota 14a (BT, Bd. VI, S. 56). Vgl. auch bBer 32a (BT, Bd. I, S. 140-142). 184,39-40 Wenn du dem Volk nicht vergibst, […] das du geschrieben hast.] Ex 32,32. 185,1-2 die zu Gott sagen: hier bin ich […] für Israel.] Vielleicht bShab 89b (BT, Bd. I, S. 700 f.) 185,13-14 ich bin der Weg und die […] durch mich] Vgl. Joh 14,6. 185,21-23 Hilfe auf diesem Weg, […] im ausschliesslichen Sinn.] Vgl. Rosenzweig, Der Stern der Erlösung, S. 388: »die christliche Frömmigkeit geht getrennte Wege, wenn sie beim Vater und wenn sie beim Sohn ist.« Anders noch bewertet Buber die religiöse Wirkung von Joh 14,6 in Ich und Du, S. 99 f.: »Der Christus der Johanneischen Tradition, das einmalig fleischgewordene Wort, führt zum Eckhartschen, den Gott ewiglich in der Menschenseele zeugt«. 187,35-36 die christlichen Hörer dieser Vorlesung] Vgl. Wort- und Sacherläuterung zu 176,28. 188,16 Einer jener sogenannten kleinen Propheten] der Prophet Habakuk. Der im christlichen Bereich verwendete Ausdruck »kleine Propheten« bezieht sich auf die Kürze der überlieferten Texte, was die Bücher Hosea bis Maleachi betrifft. Der geringe Umfang dieser Bücher führte dazu, dass die Texte oftmals zu einem Buch, dem Zwölfprophetenbuch, zusammengefasst wurden. »Große Propheten« sind demgegenüber die Bücher von Jesaja, Jeremia, Ezechiel und Daniel. 188,19-20 wo die Rede ist von einem Feind, […] Israel zu strafen] Hab 1,6. 188,26 Der Gerechte lebt in seinem Glauben] Hab 2,4. Vgl. Bubers Kommentierung diesen Verses in Teil I im ersten Zyklus, in diesem Band S. 57 f. 189,4-5 die sich schmiegt vertrauend an die Macht Gottes] Ps 21,8; 28,7; 37,3; 84,13; 112,7; 115,9. 190,10 diese Lehrhausrede] Zur Eröffnung des Jüdischen Lehrhauses und jeweils zu Beginn der Trimester hielt Buber einen Vortrag, der sich an eine breite Öffentlichkeit wandte, vgl. Rita van de Sandt, Martin Bubers Bildnerische Tätigkeit zwischen den beiden Weltkriegen,

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S. 153. Am 14. Oktober 1934 hielt Buber den Vortrag »Die Mächtigkeit des Geistes«, veröffentlicht in Die Stunde und die Erkenntnis (jetzt in: MBW 9, S. 176-183). Diese Rede wiederholte Buber in der Berliner Philharmonie vor einem großen, überwiegend jüdischen Kreis gegen Ende des Jahres 1934, der von 200 SS Männern überwacht wurde, die verstreut unter den Teilnehmern saßen. Daraufhin, am 21. Februar 1935, wurde gegen Buber ein Rede- und Lehrverbot ausgesprochen. Vgl. Simon, Aufbau im Untergang, S. 72 f. Vor diesem Hintergrund scheint es merkwürdig, dass das Publikum des Lehrhauses die Brisanz von Bubers Vortrag, wie Buber hier betont, weniger erkannte als die Nationalsozialisten. (Vgl. in diesem Band, S. 331.) 190,11 zum Unterschied von den drei bisherigen] Der Rede »Die Mächtigkeit des Geistes« waren die Reden vorangegangen: »Aufgaben jüdischer Volkserziehung«, gehalten »zur Wiedereröffnung des Jüdischen Lehrhauses am 19. November 1933«, die teilweise in Die Stunde und die Erkenntnis, S. 104-110 (jetzt in: MBW 8, S. 252-255) veröffentlicht wurde; am 14. Januar 1934 folgte »Der Jude in der Welt«, Auszüge in Jüdische Rundschau 3, Nr. 6 vom 19. Januar 1934, S. 2 und in Die Stunde und die Erkenntnis, S. 41-48 (jetzt in: MBW 20), sowie am 15. April 1934 »Die Lehre und die Tat«, veröffentlicht in Jüdische Rundschau 3, Nr. 40 vom 18. Mai 1934 (jetzt in: MBW 8, S. 257-264). Vgl. van de Sandt, Martin Bubers Bildnerische Tätigkeit zwischen den beiden Weltkriegen S. 153-160. 191,9-12 Aber es ging mir darum, […] immer Versuchung.] In »Die Mächtigkeit des Geistes«, hat Buber als Ausgangspunkt Hermann Graf Keyserlings (1880-1946) Überlegungen, dass die Krise der Zeit durch einen Rückgriff auf die Antike gelöst werden könne, genommen. Buber zeigt, dass eine Repaganisierung weder möglich noch wünschenswert ist. Vgl. Die Stunde und ihre Erkenntnis, S. 74-76, 80 f. (jetzt in: MBW 9, S. 176 f., 179). 191,38-39 Diesen Punkt, »von wo aus«] Mit der Redewendung »von wo aus« ermutigt Buber in den 1930er Jahren die jüdische Gemeinschaft wie auch den einzelnen, nach Gestaltungsmöglichkeiten ihres Lebens angesichts der Bedrängnisse durch die Nationalsozialisten zu suchen. »Und das, was wir zu tun haben, das ist, dass wir uns auf diese Einzigkeit, diese Einzigkeitsmächtigkeit des Judentums besinnen, dass wir uns mit aller Kraft unserer Existenz besinnen darauf, von wo aus wir sind, was es ist, das dieses grosse Realsystem des Judentums aufgerichtet hat, wo die Elementarkräfte eingeheiligt wurden in den einen grossen heiligen Zusammenhang.« Buber, das Typoskript zu »Die Mächtigkeit des Geistes«, jetzt in: MBW 9, S. 410.

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193,24 Malchuth Sch’majim] malkhut schamajim, hebr.: »Herrschaft des Himmels«, oder »Königtum Gottes«. Vgl. mBer II,2 (BT, Bd. I, S. 55). 193,25 Basiliu tuteu] βασιλεία τοῦ θεοῦ: basileia tou theu, griech. für »das Königreich Gottes«. Vgl. Mk 1,15. 193,26-27 Auch Sch’majim, […] das königliche Herrschen Gottes.] Vgl. die Fußnote 11 zum Achten Kapitel in Königtum Gottes, S. 249 (jetzt in: MBW 15, S. 236), wo Buber gegen die Übersetzung von schamajim mit Himmelreich votiert: »schamajim ist eine Gottesbezeichnung und malkhuth bedeutet Königtum, Königsmacht, Königsherrschaft, königliches Wirken«. 194,3 Maschiach] hebr.: »der Gesalbte«. 194,4 Christos] griech.: »der Gesalbte«. 194,6-7 Meschiach haschem […] Gesalbten Gottes.] I Sam 12,3 u. 5; 16,6; 24,7 u.11; 26,9,11,16,23 u. II Sam 1,14,16. Buber verwendet hier die traditionelle jüdische Ausdrucksweise, die die Nennung des Gottesnamens umgeht, indem dieser durch haschem (hebr. für »der Name«) ersetzt wird. 194,8 Christos titeu] χριστὸς τοῦ θεοῦ: griech. »Gesalbter Gottes«. 194,8 steht in der griechischen Übersetzung, der Septuaginta] Die Septuaginta liest aber χριστὸς κυρίου »Gesalbter des Herrn«. 194,27 im Munde Johannis] im Munde Johannes des Täufers: Mt 3,2. 194,27 dann Jesu] Mt 4,17, 10,7; Mk 1,15; Lk 10,9 u. 11. 194,28-29 Nahe herbeigekommen ist das Königtum Gottes, Kehret um.] Vgl. z. B. Mt 3,7; 4,7; 10,7; 18,3; Mk 1,16. 194,28 dann der Apostel] Mk 6,12; Apg 3,19; 26,20. 194,28-29 Nahe herbeigekommen ist das Königtum Gottes, Kehret um.] Mit der Ausnahme von Mk 1,15 und Lk 10,9-11 kündigen die Verse, die Johannes den Täufer und Jesus zitieren, das nahe Himmelreich an (βασιλεία τῶν οὐρανῶν – basileou ton ouranon) während der Ausdruck »Königtum Gottes« (βασιλεία τοῦ θεοῦ – basilea tou theou) in Kontexten gebraucht wird, die keinen Bezug zur Buße haben (Mt 12,28; 21,43; Mk 4,26; 10,14; 14,25; Lk 6,20; 7,28; 9,62; 11,20; 13,18; 13,28 f.; 14,15; 16,16, 17,20 f.; 18,16; 19,11; 21,31; 22,16; 22,18; Röm 14,17; 1 Kor 4,20). An keiner Stelle in seinem dem Thema der Gottesherrschaft in Israel gewidmeten Werk Königtum Gottes geht Buber auf die Entstehung des hebr. Ausdrucks ein. Die erste Erwähnung des Ausdrucks malkhut schamajim findet sich in der jüdischen Traditionsliteratur in mBer II,2 (BT, Bd. I, S. 55), in einem Ausspruch, der Jehoschua ben Korcha, einem Tannaiten der 4. Generation, also ca. ein Jahrhundert nach den ntl. Texten, zugeschrieben

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wird. Er erklärt, dass mit der ersten Perikope des Schma Israel »Höre Israel, der Herr ist unser Gott, der Herr ist eins« der Betende das Joch der Königsherrschaft Gottes auf sich nimmt. 195,11-14 Albert Schweitzer, […] von dem Jesus jener geschichtlichen Stunde] Buber bezieht sich auf Schweitzers Studie, Das Messianitätsund Leidensgeheimnis sowie Geschichte der Leben-Jesu-Forschung, Tübingen 1913. 195,15-16 als von einem Messias designatus] Apg 3,20. 196,24-36 Erlösungsglaube als Vollendungsglaube, […] unbedingte Zukunft, von der wir sprechen.] »Ist alles Glaubensverhältnis in seiner Aktualität ausschließlich, so tritt in Israel die Strebung hinzu, mit der Ausschließlichkeit lebensmäßig über die Aktualität des Glaubensverhältnisses hinaus, ja an der ganzen Fülle des Daseins Ernst zu machen. Dieses Ernstmachenwollen ist die dynamische Tatsache, die Israel über den Status des altorientalischen Geistes hinweg und in seine eigene Glaubensgeschichte trieb. […] die Vorstellung vom Melekh Israels entfaltet sich, ohne entsinnlicht zu werden, zu der vom König des Alls, und die im Ernstmachen schmerzensreich erfahrene Spannung zwischen dem Vollkommenheitsbilde solcher Herrschaft und der gegenwärtigen Weltbeschaffenheit findet ihre eschatologische Sprache.« Buber, Königtum Gottes, S. 92 (jetzt in: MBW 15, S. 148 f.). Eine eingehende Analyse auf diese Bemerkungen folgt bis zum Ende des Kapitels, »Der Glaube Israels«. 198,13-17 haben wir es hier […] Ausbildung gefunden haben.] Buber diskutiert die altorientalischen Einflüsse auf die biblische Auffassung, dass Gott im politischen Sinn der König Israels sei, in Kapitel 3 und 4 von Königtum Gottes ausführlich. 198,17-20 Wenn ich sage: die Wissenschaft […] Nichtisraelitisches stellte.] Wie Franz Rosenzweig zeigt Buber einerseits Wertschätzung für die Forschungsergebnisse der Bibelwissenschaft, steht aber ihren Vertretern bezüglich ihrer Einstellung zum (zeitgenössischen) Judentum misstrauisch gegenüber. Diese Ambivalenz kommt in Königtum Gottes, seinem am stärksten wissenschaftlich geprägten Werk, zum Ausdruck. In den Vorworten zu den drei Auflagen (1932, 1936, 1956) gibt Buber sich ungewöhnlich kämpferisch in seinen Antworten auf die protestantischen Alttestamentler wie Wilhelm Caspari (18761947), Ludwig Köhler (1880-1956), Walter Baumgartner (1887-1970) u. a. Die wichtigste These, gegen die sich Buber wandte, war die von Julius Wellhausen (1844-1918) entwickelte Neuere Urkundenhypothese mit der Scheidung in drei durchgehende Quellen (Jahwist, Elohist, Priesterschrift), die von Redaktoren miteinander verflochten

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den Text des Pentateuchs (und weiterer Teile der Bibel) darstellen. Zu seiner Kritik der Quellenhypothese, vgl. »Genesisprobleme«, Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums, 80. Jg., Heft 2, März/April 1936 (jetzt in: MBW 13), Der Glaube der Propheten, S. 14-19 (jetzt in: MBW 13) sowie Rosenzweig, Die Einheit der Bibel, in: Franz Rosenzweig: Der Mensch und sein Werk. Gesammelte Schriften III. Zweistromland: Kleinere Schriften zu Glauben und Denken, hrsg. von Reinhold und Annemarie Mayer, Dordrecht, 1984, S. 831-835. 198,21-23 bei einem protestantischen Theologen […] behaftet.] Nicht ermittelt. 198,34-35 in dem nachgelassenen Werk von Gressmann »Der Messias«.] Hugo Gressmann, Der Messias, Göttingen 1929. Hugo Gressmann (1877-1927): dt.-prot. Theologe und Vertreter der religionsgeschichtlichen Schule. Ungewöhnlich für seine Zeit war, dass er mit jüdischen Religionsgelehrten wie Ismar Elbogen (1874-1943) oder Leo Baeck einen wissenschaftlichen Austausch pflegte. 198,35-36 eines früheren Buches] Hugo Gressmann, Der Ursprung der israelitisch-jüdischen Eschatologie, Göttingen 1905. 198,39-199,7 Es gibt sowohl in der babylonischen […] vorkommt.] Laut Gressmannn basiert das messianische Bild einer Zukunft der Erlösung unter Gottes Herrschaft auf dem Bild einer idealen Urzeit, regiert von einem idealen König. Da die frühesten Herrscher, die in Israel als Quelle der Inspiration in Frage kamen, nur Josua und Gideon waren, mussten die Autoren der prophetischen Bücher Anleihen bei den Mythen der Nachbarvölker machen. Vgl. Der Messias, S. 230-232. Den altägyptischen Einfluss diskutiert Gressmann in einem eigenen Abschnitt, S. 415-445, während die Erörterung des babylonischen Einflusses das gesamte Werk durchzieht. 199,15-18 Dieser Hof […] Heilbringer sein werden.] Vgl. Gressmann, Der Messias, S. 1-64. 199,33-34 in eine Zeit, […] wieder aufgerichtet wird] Vgl. Am 9,11. 199,36-37 in der von Gressmann […] Texte und Bilder] Gressmann, Altorientalische Texte und Bilder zum Alten Testamente, 2 Bände, Tübingen 1909. 200,22-29 Diese Urzeitmythen aber […] Himmel und Erde gemacht.] Buber bezieht sich hier auf den konstitutiven babylonischen Schöpfungsmythos Enuma Elisch, Tafeln 1-5 (vgl. Gressmann, ebd., Bd. 1, S. 5-219). Den Einfluss dieses Mythos auf die israelitische Konzeption eines göttlichen Königtums bespricht Buber in Königtum Gottes, 3. Kapitel (jetzt in: MBW 15, S. 125-133).

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201,4-5 an die späteren Texte, Daniel und nach Daniel halten] Das Buch wird einmütig von der modernen Bibelwissenschaft in den Kontext der Makkabäerkriege gegen die hellenistischen Seleukiden im 2. Jh. v. Chr. eingeordnet. Der hebräische Text und damit derjenige der ev. Bibel ist um einiges kürzer als die Septuagintafassung. 201,6 in der Baruch Apokalypse] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 171,13. 201,6-10 da geht es in der Tat, […] gleichsam exzerpiert.] Vgl. in diesem Band, S. 99 (Henoch) und S. 124 (4Esra). Vgl. Buber, »Prophetie, Apokalyptik und die geschichtliche Stunde«, S. 1108-1111 (jetzt in: MBW 15, S. 387-389). 202,8 Scholom] osteuropäisch-jüdische Aussprache von »Schalom«, dessen Grundbedeutung »Unversehrtsein«, »Heilsein« ist. 202,24-28 Messianismus ist nicht zu verstehen […] Konzeption in Israel gibt.] Das ist die zugrundeliegende These für Teil III der Vorlesungen, die er erneut in »Die Theopolitische Stunde«, in: Der Glaube der Propheten, S. 180-222 (jetzt in: MBW 13) vertritt: »[in Bezug auf Jes. 30,1] Man hat diese Haltung vielfach für eine zwar religiös bedeutsame, aber von der geschichtlichen Wirklichkeit aus gesehen unkluge, ›utopische‹ erklärt. Aber die Welt des prophetischen Glaubens ist eben die geschichtliche Wirklichkeit, und zwar die mit dem kühnen und durchdringenden Blick des zu glauben Wagenden gesehene. Was hier waltet, ist freilich eine Politik besondrer Art, eine Theopolitik, der es darum zu tun ist, in einer bestimmten historischen Situation ein bestimmtes Volk der göttlichen Herrschaft einzuordnen, so daß es der Erfüllung seiner Aufgabe näher gebracht wird, der Anfangsteil des Gottesreichs zu sein.« (Ebd., S. 194.) 203,15-17 Wie ist aus der Geschichte des Volkes, […] hervorgesprungen.] Buber versucht diese Frage in Königtum Gottes, 3. und 4. Kapitel zu beantworten (jetzt in: MBW 15, S. 125-138). 203,40-41 mit einem und demselben Grundwort […] melech kommt.] Buber diskutiert hebr. melech (»König«) und das semitische Pendant malch im 4. Kapitel von Königtum Gottes (jetzt in: MBW 15, S. 134138). 204,2-5 Die Bibel weiss auch nichts von einem Molech […] Gott/König Israels.] Vgl. »Es ist eine vielerörtete Frage, ob der Ritus, der in der Schrift gennant wird: ein Kind dem Melekh oder – mit der sogennanten »Schandvokalisation« ausgesprochen – Molekh durchs Feuer darführen, Opferung oder Weihung bedeutet.« Königtum Gottes, S. 69 (jetzt in: MBW 15, S. 137). 204,16 Und statt dem menschlichen Führer] Gemeint ist Moses.

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204,17-18 oder einen anderen Führer, der dann die Landnahme befehligt] Gemeint ist Josua. 204,18-19 zum König zu proklamieren] Die Übergabe der Führung von Moses auf Josua erörtert Buber in Königtum Gottes, S. 144-148 (jetzt in: MBW 15, S. 177-179) und in Moses, S. 284-292 (jetzt in: MBW 13). 204,22-23 König bleibt er in Weltzeit und Ewigkeit] Ex 15,18. 204,24-25 im 5. Buch Mose, 33. Kapitel in dem grossen Lied] Dtn 33,5 ist Teil des Segens des Moses für die zwölf Stämme. Mit »Das Lied des Moses« bezeichnet man in der Regel Dtn 32. 204,27-28 So ward in Jeschurun, […] Israels Stämme.] Dtn 33,5. »Jeschurun« ist eine poetische Bezeichnung für das Volk Israel. Zu Bubers These, Ex 15,18 und Dtn 33,5 seien Ausdruck von Israels Proklamation Gottes als seines Königs im herkömmlichen Sinn, vgl. Königtum Gottes, S. 126-135 (jetzt in: MBW 15, S. 168-173). 205,2-8 Wir sprechen zum Hause Jakobs […] reden sollst.] Ex 19,3-6. 205,12-13 wie Abraham diesen Gott angeredet […] der ganzen Erde] Vgl. Gen 18,25. 205,16 Kohanim, von Gottunmittelbaren] Plural von »Kohen«, hebr. für »Priester«, die verwendete Bezeichnung in Ex 19,6. 205,17-18 nicht ein Königreich, sondern ein Königsbereich] Buber grenzt die Begriffe malkhut und mamlakha voneinander ab: Reich, Königreich, also malkhut, wie in Malkhut Schamaim (Himmelsreich); demgenüber Königsbereich – mamlakha, wie in Mamlekhet Kohanim (Königsbereich von Priestern). 207,1 der Gesalbte] Der Gesalbte ist der Titel eines unvollendeten Werks Bubers. Buber hatte noch zusammen mit Rosenzweig eine Trilogie über den jüdischen Glauben geplant, hatte den Gegenstand dann aber auf »die Frage selbst nach der Entstehung des israelitischen Messianismus« eingeschränkt. Vgl. das erste Vorwort zu Königtum Gottes, S. IX (jetzt in: MBW 15, S. 94). Das schon zur Hälfte gesetzte Werk konnte wegen der Liquidation des Schocken Verlags nach dem Novemberpogrom 1938 nicht vollendet werden. Zur Textgeschichte vgl. Einleitung zu [Der Gesalbte] MBW 15, S. 588-590. 207,10-12 des Gottkönigs, dessen Nachfolger, […] der Statthalter geworden ist.] Vermutlich denkt Buber hier an I Sam 8. Vgl. auch I Sam 9,16. 207,27-28 König bleibt er in Weltzeit und Ewigkeit.] Ex 15,18. 207,37-39 denn was Theokratie in der Geschichte heisst, […] der Bezeichnung] Buber führt in Königtum Gottes, S. 4 (jetzt in: MBW 15, S. 102) aus: »Für die Geschichtswissenschaft scheint Theokratie mit

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Hierokratie gleichgesetzt werden zu müssen, mit ›Herrschaft der Geheiligten‹, ob diese sich nun in einer unmittelbaren Regierung der Priesterkaste oder in einem vom priesterlichen Orakel legitimierten und teilweise auch von ihm abhängigen Königtum oder auch in der Vergottung des Herrschers ausprägt.« Bubers Definition ist abhängig von Max Weber, Grundriss der Sozialökonomie, 3. Abteilung: Wirtschaft und Gesellschaft, Tübingen 1922, S. 779-817. 208,7-8 Ihr sollt mir werden […] ein ausgesonderter Stamm] Ex 19,6. 208,13 Mein ist die Erde] Vgl. Ex 19,5. 208,15 nicht ein Königreich, sondern ein Königsbereich] Vgl. Wortund Sacherläuterungen zu 205,17-18. 208,19 Kohanim] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 205,16. 208,21-25 Es gibt ein Hofamt von Kohanim […] König stehenden] II Sam 8,18; I Kön 4,5. 208,26 Mamleches Kohanim] Mamleches Kohanim is die osteuropäische Aussprache von Mamlekhet kohanim, hebr. für »Königsbereich von Priestern«. 208,26-27 als ein (wieder geläufig: heiligen) […] ausgesonderten Stamm.] Vgl. Ex 19,6. Qadosch hebr. für »heilig« hat als Grundbedeutung »abgesondert«. 208,40 Brith] hebr.: »Bund«. 209,4-5 So ward in Jeschurun ein König […] Israels Stämme.] Dtn 33,5. 209,18 Bileam] Vgl. Num 22-25; in Königtum Gottes, S. 132-135 (jetzt in: MBW 15, S. 171 f.). 209,4-5 So ward in Jeschurun ein König […] Israels Stämme.] Dtn 33,5. 209,20-22 Nicht gewahrt man in Jaakob Arg […] dem König in ihm.] Num 23,21. Vgl. Das Buch In der Wüste, verdeutscht von Martin Buber gemeinsam mit Franz Rosenzweig, Berlin: Verlag Lambert Schneider 1927, S. 114: »Nicht erblickt man Harm in Jaakob, / nicht sieht man Mühsal in Jisrael, / Er seine Gottheit ist bei ihm, / Königsgeschmetter ist in ihm.« 209,22 Therua] Hebr. für »Geschmetter« wie bei der Ankündigung des Jobeljahres, Lev 25,9. 210,6 Das ist nicht Auffassung, nachbiblische Auffassung der biblischen Geschichte] Vgl. Buber, Biblisches Führertum, in: Kampf um Israel. Reden und Schriften (1921-1932), Berlin: Schocken Verlag 1933, S. 84-106, hier S. 84 f. (jetzt in: MBW 13): »Ich glaube, daß wir am Anfang einer neuen Ära der Bibelwissenschaft stehen, in der, wie die vergangene es sich angelegen sein ließ, die Ungeschichtlichkeit der Bibel zu erweisen, ihre Geschichtlichkeit erwiesen werden wird. Damit meine ich nicht, daß, wie die Bibel diese Personen zeichnet und

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diese Vorgänge berichtet, sie geschichtlich seien. Aber ihre Zeichnung und ihr Bericht sind die organische, notwendige, legitime Art, das was war, was geschah, zu berichten. Ich habe nichts dagegen, daß man diese Berichte als Mythen und Sagen bezeichnet, wenn man nur festhält, daß Mythen und Sagen in ihrem Kern Erinnerungen sind, wirkliche Erinnerungen, die wirklich mitgeteilt werden.« 210,28-40 (Erfolge werden in der Weltgeschichte […] Gottes durch die Welt ist.)] Zur Infragestellung von Erfolg als Maßstab der historischen Beurteilung vgl. den Artikel »Geschehende Geschichte. Ein theologischer Hinweis«, Jüdische Rundschau, 38. Jg., Nr. 64 vom 11. August 1933, S. 413 (jetzt in: MBW 15, S. 277-280). 211,20-21 die Zeit der sogenannten Richter.] Der Zeitraum vor der Etablierung einer Monarchie, ca. 1200-1000 v. Chr. Vgl. auch Buber, Königtum Gottes, 2. Kapitel (jetzt in: MBW 15, S. 108-124). Die als »Richter« bekannten Gestalten im Richterbuch sind aber in erster Linie charismatische Heerführer, die in einer historischen Situation der Gefahr durch einfallende Stämme den militärischen Widerstand anführen. 211,22 Mose übergibt vor dem Tode sein Amt dem Josua. […] niederlässt.] Vgl. Dtn 34,9. 211,30-31 wo dieser Mann nun stirbt, […] wo nach seinem Tode] Vgl. Ri 2,8-22. 211,31-32 noch nicht ganz, […] gewonnenen Lande] Vgl. Ri 1,27-36. 212,18-20 Dieser Abfall […] einander zu scheiden.] Vgl. Königtum Gottes, S. 18 (jetzt in: MBW 15, S. 109 f.), wo Buber das theologische Schema des Richterbuches erläutert: »Die profangeschichtliche Übertragung der Folge ›Abfall Drangsal Bekehrung Ruhe‹ lautet: Zerfall Drangsal Einung Ruhe.« In Reinform liegt dieses Schema in Ri 3,711 vor. 212,35 Schofet] Plural: schoftim, hebr.: »Richter«. 212,40 Buch Schoftim] das biblische Buch Richter. 213,36-37 die antimonarchistische Jotamfabel] Ri 9. In Königtum Gottes, S. 29 (jetzt in: MBW 15, S. 116) bezeichnet er sie als »die stärkste antimonarchische Dichtung der Weltliteratur«. 213,37 Gideon] Ri 6-8. Ein Engel beruft Gideon zum Kampf gegen die Midianiter. In Ri 8,22 wird ihm das Herrscheramt angetragen, das er ablehnt. Seinem Sohn Abimelech gelingt es kurzfristig, ein Königtum zu errichten, was mit seinem gewaltsamen Tod endet (Ri 9). 213,37-214,2 Gideon zeigt vielleicht am deutlichsten, […] Amt eines Menschen.] Buber erklärt unter Bezugnahme auf den Gideonspruch Ri 8,23 in Königtum Gottes, S. 4 (jetzt in: MBW 15, S. 102): »Sein

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[Gideons] Nein, aus der Situation geboren, will für alle Zeiten und Geschichtsgestaltungen als ein unbedingtes gelten. Denn es leitet zu einem unbedingten Ja hin, dem einer Königsproklamation in aeternum. Ich Gideon werde nicht über euch walten, mein Sohn wird nicht über euch walten, – darin ist beschlossen: kein Mensch soll über euch walten; denn es folgt: Jhwh, der Gott selber und er allein ist es, der über euch walten soll.« 214,5-6 Die ägäische Kultur der Philister] Die Philister sind ein seit dem frühen 12. Jh. v. Chr. an der südlichen Mittelmeerküste Kanaans siedelndes Volk unbekannter Herkunft. Sie werden auch außerbiblisch erwähnt, ihre Spuren verlieren sich im 6. Jh. v. Chr. Laut biblischer Darstellung waren die fünf Philister-Städte Aschdod, Askalon, Gaza, Ekron und Gat in einem Fünfstädtebund vereint und ihnen gelang es, eine Art Oberhoheit über die israelitischen Gebiete zu etablieren. Buber spielt mit »die ägäische Kultur« auf die Hypothese an, dass die Philister aus dem Bereich der ägäischen Inseln oder des griech. Festlands kamen. Sie besassen dem biblischen Bericht zufolge einen kulturellen Vorsprung vor den Israeliten aufgrund ihrer Befähigung zur Eisenbearbeitung (I Sam 13,19-22). Das erste Buch Samuel erklärt den Übergang zur Monarchie mit der Bedrohung durch die Philister und berichtet von Kämpfen mit ihnen durch das ganze Buch. 214,6-7 das Heldengeschlecht von Simson] Simson (Ri 13-16) ist als Einzelkämpfer porträtiert. Buber stellt in Königtum Gottes die These auf, dass Nasiräer zu sein ursprünglich bedeutet, sich in einer »theokratischen Kriegsweihe« zum Kampf gegen die Feinde Israels zu verpflichten, und sieht den Nasiräer Simson (Ri 13,4-6) sozusagen als den prototypischen Vertreter dieser Richtung. Vgl. Königtum Gottes, S. 150-153 (jetzt in: MBW 15, S. 180-182). Nasiräer sind nach Num 6,1-21 Männer oder Frauen, die sich zu zeitweiliger Askese verpflichten. 214,7-8 So ist der melancholische […] zu verstehen.] Die Kapitel Ri 1721. 214,8-9 Aber auch Samuel gelingt die Bewältigung der theokratischen Aufgabe nicht.] Samuel wird als Richter in I Sam 7,2-17 porträtiert, der einen erfolgreichen Feldzug gegen die Philister führt. Dennoch wenden sich die Ältesten an ihn mit der Bitte, einen König einzusetzen (I Sam 8,5-6), da offenkundig die militärische Bedrohung (I Sam 11; 13) weiterhin besteht. 214,10-11 einen Herzog, der dem Heerbann voranzieht] Buber spielt auf die etymologische Herkunft des Wortes »Herzog« an: »einer, der das Heer anführt«.

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214,11-13 Aber auch er selbst […] Söhne als Richter einsetzt] Vgl. I Sam 8,3 u. 5. 214,13-14 Die Konsequenz ist, […] zu willfahren.] Ausführlich behandelt Buber die Thematik in dem Kapitel »Das Volksbegehren« in [Der Gesalbte] (jetzt in: MBW 15, S. 282-294). 214,18-20 Gott will, […] ernstlich will.] I Sam 8,4-9, insbesondere V. 7: »Der HERR aber sprach zu Samuel: Gehorche der Stimme des Volks in allem, was sie zu dir gesagt haben; denn sie haben nicht dich, sondern mich verworfen, daß ich nicht soll König über sie sein.« 214,22-23 der König zwar wird dem Volke zugestanden, aber g e s a l b t ] I Sam 9,15 f. 214,26 wie im Wein und Brot] Buber spielt auf »Brot und Wein« als Elemente der Transsubstantion in der Messe der kath. Kirche an. Ausführlicher beschäftigt er sich mit dem Wesen des Sakraments in der »Arbeitsgemeinschaft zu ausgewählten Abschnitten aus dem Buche Schmuel«, veröffentlicht in: MBW 15, S. 60-65. 214,28-29 wird so der Stein, […] gesalbt] Vgl. Gen 28,18 f. 214,35-37 Indem Saul in den Kultbereich eindringt, […] den Mahner.] Buber scheint auf die Erzählung von Saul anzuspielen, der die Priester von Nob ausrottet, weil sie seinem Konkurrenten David helfen, vgl. I Sam 22. Als die klassische Erklärung gilt jedoch I Sam 15, nach der das Königtum Saul genommen wird, weil er nicht den Bann an dem König und Volk von Agag vollzieht. Zu letzterem vgl. Wortund Sacherläuterungen zu 219,41-220,1. 214,39-40 ein böser Geist gewinnt Macht über ihn.] Vgl. I Sam 16,14. 216,36-37 an ein paar Beispielen die letzten Kapitel des Buches.] Ri 17-21. 216,37-38 Und nun in dem kritischen Moment, […] bezeichnet ist] Der Übergang von den zwölf autonomen Stämmen hin zu einer zentralstaatlichen Monarchie fällt in die Lebenszeit Samuels und wurde von der Bedrohung durch die Philister ausgelöst, die eine Art Oberherrschaft über die Israeliten errichtet hatten. Auch das Ladeheiligtum fiel in ihre Hände, vgl. I Sam 4,1-7,1. Sauls Auftrag ist mit Bekämpfung ihrer Herrschaft klar umrissen, vgl. I Sam 9,16. Tatsächlich ziehen sich die Kämpfe gegen die Philister durch den biblischen Bericht seiner Herrschaft. Er und seine Söhne fallen im Kampf gegen sie (I Sam 31). 217,1-3 aber zugleich seine Söhne zu Richtern einsetzt […] Gottes vergeht] Vgl. I Sam 8,1-3. 217,3-5 der sich auflehnt, […] wie die anderen Völker] Vgl. I Sam 8,5 f. 217,10-11 und nun von Gott desavouiert wird, der ihm sagt, […] hören soll] Vgl. I Sam 8,7,9 u. 22.

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217,16-17 das Königtum muss eingesetzt werden] Vgl. I Sam 8,19. 217,34 zu seinem Statthalter Ernannte] Vgl. I Sam 9,16. 218,2 mein Erstlingsteil von der Ernte] Ex 34,26. 218,9-10 auf die jener erste Ansatz einer Menschheit […] hindeutet.] Bundesschluss am Sinai und der Abfall des Volkes mit der Sünde des Goldenen Kalbs (Ex 32). 218,18-19 Sowohl in Ägypten als in Babylonien […] ernannt sind] Vgl. das dritte Kapitel von Königtum Gottes (jetzt in: MBW 15, S. 125-133). 218,21 Re oder Osiris] Re oder Ra: altägyptischer Sonnengott. Der Pharao wurde seit dem dritten Jt. v. Chr. als Sohn des Re verehrt. Osiris: altägyptischer Gott und Herrscher der Unterwelt, der seit dem Mittleren Reich (frühes 2. Jahrtausend) bis in die hellenistische Epoche hinein an Bedeutung gewinnt und zunehmend zum Hauptgott wird. 218,21 Marduk, Ea in Babylonien] Ea ist ein sumerischer Hauptgott, besonders im Zusammenhang mit der Vegetation. Marduk gilt in der babylonischen Tradition als sein Sohn. Marduk wird seit dem späten 2. Jahrtausend v. Chr. zum Reichsgott in Babylonien. 219,19-20 Dass gleich beim ersten König exemplarisch dies geschieht] Sauls Verwerfung, vgl. I Sam 15,11. 219,41-220,1 Dieses, […] Samuel und Saul entgegentritt] Saul missachtete Gottes Befehl, die Amalekiter auszurotten einschließlich der Frauen, Kinder und des Viehs (I Sam 15,1-3), als er den König Agag und sein bestes Vieh schonte (Vers 9). Dieser Akt des Ungehorsams Sauls führt zu seiner Konfrontation mit Samuel (I Sam 15,12-16,35) und mit Gott, was schließlich zur Folge hat, dass David an seiner statt zum König gesalbt wird (I Sam 16,1). In dem vermutlich 1938 geschriebenen Essay »Warum und wie wir die Schrift übersetzten«, deutsch erstveröffentlicht in: MBW 14, S. 170-185, hier S. 172, spricht Buber von dem Schock, den die Erzählung von der Tötung des Königs von Agag durch Samuel bei ihm ausgelöst hat und neben anderen schwierigen Stellen dazu führte, dass er die Bibel lange Zeit nicht mehr lesen wollte. Vgl. auch den Abschnitt 17 »Samuel und Agag«, in: Begegnung. Autobiographische Fragmente, S. 44-47 (jetzt in: MBW 7, S. 301-303). 220,12-13 an die grosse Auseinandersetzung […], das klassische Beispiel.] Buber spielt auf den Höhepunkt des Investiturstreits an, den Konflikt zwischen Papst Gregor VII. (1025/30-1085) und dem deutschen König und späteren Kaiser Heinrich IV. (1050-1106), in dem der Papst versuchte, sich als höchste Machtinstanz durchzusetzen. 1076 exkommunizierte er Heinrich IV., der sich ihm daraufhin unterwarf (»Der Gang nach Canossa« 1077).

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220,27-40 Nicht ein Aspirant der Macht […] kehrt um oder ihr zerschellt.] Nach der Etablierung einer monarchischen Staats sieht Buber in den Propheten diejenigen, die die Aufgabe haben, auf die theokratische Grundlegung Israels zu verweisen. Der Prophet Nathan, der David wegen seines Ehebruchs zurechtweist, vgl. II Sam 12, habe eine Art Hofamt inne, welches später degeneriere, lebe aber im »prophetische[n] Rebellentyp« weiter, vgl. »Die Erzählung von Sauls Königswahl«, in Vetus Testamentum, 6. Jg., Heft 2, April 1956, S. 113173, hier S. 169 f. (zweites Kapitel von [Der Gesalbte] jetzt in: MBW 15, S. 348). 221,5-6 wir hören ja von dem Propheten, […] Jeremia] Jer 15,18. 221,24-26 dass dieses Gemeinwesen regiert werde, […] werden könne] Vgl. Jer 23,5 f. 221,28-30 Die Enttäuschung, […] am König, am Gesalbten.] Als Gott Samuel schickt, um den König zu finden, der Saul ersetzen soll, besteht Samuels Aufgabe nur noch darin, den neuen König zu salben: »Fülle dein Horn mit Öl und geh hin: Ich will dich senden zu dem Bethlehemiter Isai; denn unter seinen Söhnen hab ich mir einen zum König ersehen.« (I Sam 16,1.) 221,34-37 Es ist also der Prophet, der immer […] jetzt und hier.] Vgl. Bubers Ausführungen in »Prophetie, Apokalyptik und die geschichtliche Stunde«, S. 1108: »Denn die Stunde, an der das prophetische Wort uns teilnehmen läßt, ist ja die der wirklichen Entscheidung, zu der der Prophet die von ihm Angeredeten aufruft, nicht selten unter der Gefahr des Martyriums. In der Welt der Apokalyptik gibt es diese gegenwärtige geschichtlich-biographische Stunde kaum je, weil es eben hier nicht um Entscheidung von Menschen als Faktor der historisch-überhistorischen Entscheidung geht.« (Jetzt in: MBW 15, S. 387.) 222,2 (ich nenne die beiden Bücher ein Buch, es ist eigentlich ein Buch)] Die heute geläufige Buchtrennung der Bücher Samuel erfolgte in der Hebräischen Bibel erst im späten Mittelalter. Die Übersetzung von Buber und Rosenzweig Das Buch Schmuel behandelt die Bücher Samuel als ein fortlaufendes Buch. 222,13 das Danklied Hannas] I Sam 2,1-11. 222,13-14 die sogenannten letzten Worte Davids] II Sam 23,1-8. 222,32-33 Es ist mit Recht […] biblische Politeia.] In Königtum Gottes gibt Buber in Anm. 47 zum 2. Kapitel als Referenz an: »Robert Arnold Fritzsche in einem Brief an Franz Rosenzweig« (jetzt in: MBW 15, S. 206). Buber erklärt den Zusamenhang: »Das Buch Richter gehört mit in sie [die biblische Politeia]. Eine biblische, d. h. eben

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nicht philosophische, sondern historische, nicht ideell reine, sondern konkret gebrochene Politeia sind sie zusammen kraft der Geschichtsansicht, die, im Gange vieler Generationen großgeworden, den kompositionellen Ausgleich so verschiedenartiger Geschichtsüberlieferungen ermöglichte und ermächtigte.« Ebd., S. 44 (jetzt in: MBW 15, S. 124). 222,33-34 (Sie wissen, Platon […] die Staatslehre)] Politeia ist der Titel eines umfangreichen Dialogs von Plato, in dem er einen idealen Staat entwirft und zumeist mit »Der Staat« übersetzt wird. Der griech. Begriff Politeia jedoch umfasst ein Bedeutungsfeld, das Politik und Gesellschaft miteinschließt. 223,14 zwei Bilder Samuels] Vielleicht »Samuels« irrtümlich für »Sauls«. 223,21-22 dass Gott […] seines Gesalbten erhebe] I Sam 2,10. 223,22-23 Samuel aber kämpft […] zu erfüllen.] I Sam 8,7-9. 223,28 obwohl gerade Samuel […] genannt wird] »Samuel« irrtümlich für »Saul«, Saul als Gesalbter Gottes in Davids Mund: I Sam 24,7 u. 11; 26,9, 11, 16 u. 23. 223,30 Es ist also ein davidistischer Psalm.] Buber diskutiert diesen »Psalm« im Zusammenhang mit ähnlichen Texten in Der Glaube der Propheten, S. 206-208 (jetzt in: MBW 13). I Sam 2,1-10 in Bubers Übersetzung, Das Buch Schmuel, S. 11 f.: »Channa betete, / sie sprach: // Auf wogt mein Herz bei Dir, / auf hebt sich mein Scheitel bei Dir, / weitauf tut sich mein Mund über meinen Feinden, / ja, ich freue mich deiner Befreiung. // Keiner ist heilig wie Du, / ja, keiner ist da ohne dich, / keiner ein Felsen wie unser Gott. // Mehret nimmer euer Reden: / Hochhinauf, hochhinauf! / wies frech entfährt eurem Mund, / denn Er ist ein Gott des Wissens, / bei ihm wird das Spiel gewogen. // Der Helden Bogen zerknickt, / und die strauchelten, panzert Macht, / um Brot müssen Satte sich dingen, / und die hungerten, pflegen der Rast, / die sprossenlos war, gebiert sieben noch, / und die Kinderreiche welkt ab. // Er tötet und belebt, / senkt zur Gruft, läßt entsteigen, / Er enterbt und begütert, / erniedert und hebt auch empor. // Auf richtet vom Staub er den Armen, / den Dürftigen hebt er vom Kot, / sie zu setzen neben die Edlen, / eignet ihnen den Ehrenstuhl. // Ja, Sein sind die Säulen der Erde, auf sie hat er den Weltkreis gestellt. // Der ihm Holden Füße bewacht er, / die Frevler verstummen im Dunkel, / ja, nicht durch Kraft weist sich heldisch der Mann. / Er / die wider ihn hadern, werden zerknickt, / sie stiegen vom Himmel, – er donnert sie hin.// Er / hält Urteil über die Enden der Erde, daß er seinem König gebe den Sieg, / den Scheitel seines Gesalbten erhebe.«

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223,41-224,1 an jenen rhythmischen Ausgleich des […] und des Jobeljahres] Das Sabbatjahr ist jedes siebte Jahr, das Jobeljahr jedes 50. Jahr. Es enthält Bestimmungen zum Schuldenerlass und die Rückgabe des Landes an die ursprüngliche Inhaberfamilie, so dass kein Großgrundbesitz entstehen konnte. Vgl. Lev 25 und Dtn 15,1-15. 224,4-5 Aufrichtet vom Staub er den Armen, den Dürftigen hebt er vom Kot] I Sam 2,8. Das Hebräische hat: aschpot, das Luther als »Asche« statt »Kot« übersetzt. 224,5-6 Oder früher: dem ? ? und die Mühseligen pflegen der Rast.] I Sam 2,5: »um Brot müssen Satte sich dingen, / und die hungerten, pflegen der Rast.« Buber/Rosenzweig, Das Buch Schmuel, S. 11. 224,6-7 Der Helden Bogen […] er mit Macht.] I Sam 2,8. 224,11-13 Machet nimmer eure Rede: […] das Ziel gewogen] I Sam 2,3. Die Übersetzung Bubers und Rosenzweigs hat statt »Ziel«, »Spiel«. 224,20-21 das höchste, […] Nachahmung Gottes] gefolgert aus Lev 19,2 (»Seid Heilig wie ER Heilig ist«) und Dtn 10,12; 11,22; 26,17 (»zu gehen auf seinen Wegen«). Vgl. auch bSota 14a (BT, Bd. VI, S. 55), wo der Mensch mit praktischen Beispielen aufgefordert wird wie Gott zu handeln. 224,21-23 Also zur Nachahmung, zur Realisierung […] dieser Mensch berufen.] I Sam 2,9. 224,24-25 Wenn er das tut, dann wird ihm der Sieg gegeben.] Ebd., 2,10. 224,33-34 Meschiach ha-schem] Vgl. Wort- und Sacherläuterung zu 194,6-7. 224,37-39 Er, die wider ihn hadern, […] Enden der Erde.] I Sam 2,10. 226,3 Lagarde] Paul de Lagarde (1827-1891); Kulturphilosoph, seit 1869 Lehrstuhl für orientalische Sprachen in Göttingen und Exponent des sich seit der Reichsgründung 1871 neu formierenden Antisemitismus. 226,8 (Prokscher?)] Wohl Otto Procksch (1874-1947): ev. Theologe des Alten Testaments. 226,11-12 von unserer Übersetzung aus] In Das Buch Schmuel, S. 247 f. lauten die Verse II Sam 23,1-7: »Dies ist Dawids letzte Rede: // Erlauten Dawids des Sohnes Jischajs, / Erlauten des Wehrlichen, hochhin gestellt, / Gestalten des Gottes Jaakobs, / gefreundet dem Liederspiel Jisraels: / Geistbraus von Ihm her redet in mir, / sein Raunen ist auf meiner Zunge, / der Gott Jisraels spricht: / Mir ist / – der Fels Jisraels redet – / ein Walter über Menschheit, bewährt, / und wie Morgenlicht strahlt er auf, / Sonne er eines Morgens, / da vor Glanze nicht Nebeldunst blieb, / vom Regen her / treibt Gras aus der Erde. / – Ja, ist so nicht mein Haus bei Gott? / setzte er mir ja einen Weltzeitbund, / ausgerichtet in allem und verwahrt! – / Ja, / all meine Frei-

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heit, alle Lust, / ja, / ihm zu lasse ichs sprießen. / Aber das Heillose, / wie wallgewordnes Gedörn sind sie allsamt, / nicht mit Leibeshand ja können hinweg sie genommen werden, / der Mann, der an sie rühren soll wird bevollmächtigt mit Lanzeneisen und -holz, / und im Feuer verbrannt werden sie, ausgebrannt beim Neuansiedeln.« 226,12 aus deutlich gemacht zu haben.] Rosenzweig korrespondiert mit Margarete Susman (1872-1966) über die Frage der Übersetzung von II Sam 23,5. Im Brief an Margarete Susman vom 27. Januar 1929, Briefe und Tagebücher, Bd. II, S. 1207, nimmt Rosenzweig seine »schnöde Bemerkung« über Luthers Übersetzung zurück, »das Ergebnis ist zwar gewiß viel zu barth-gogarthensch, also viel zu luthersch, um davidisch zu sein, ich hoffe, daß unsere Theologie davidischer sein wird als Luthers«. Luther übersetzt II Sam 23,5: »Denn alles mein Heil und Tun ist, daß nicht wächst!« Bei der Übersetzung dieser schwierigen Stelle haben Buber und Rosenzweig eine ihrer wenigen Textkonjekturen gemacht (»ihm« statt »nicht«; im Hebräischen sind das Homophone) und übersetzen: »Ja / all meine Freiheit, alle Lust, / ja, / ihm zu lasse ichs sprießen.« Aus der alternativen Gegenüberstellung im Brief an Buber vom Februar 1929 (ebd.) »Die Frage: Gottesrede oder Davidsrede? ist nur eine Stilfrage« wird deutlich, dass Buber und Rosenzweig David tatsächlich für den Verfasser des Abschnitts halten. 226,20-25 Gott habe ihm etwas zugesprochen, […] das Morgenlicht.] Vgl. II Sam 23,2-3. 226,25-26 Sonne er eines morgens, da vor Glanz nicht Nebeldunst blieb] Ebd., 23,4. 226,26-27 Vom Regen her treibt Gras aus der Erde] Ebd., 23,4. 226,40-41 Er sagt ja: ist so nicht […] verwahrt.] Ebd., 23,5. 227,7-8 er meldet dir nun, dass er dir ein Haus machen wird] II Sam 7,5: »So hat Er gesprochen: / Sollst dus sein der mir ein Haus zu meinem Sitze baut.« Buber/Rosenzweig, Das Buch Schmuel, S. 167. 227,8-12 Wenn deine Tage […] gründen auf Weltzeit.] II Sam 7,12-13. Übers. ebd., S. 169. 227,17 Ich will ihm Vater sein und er soll mir Sohn sein] II Sam 7,14. 227,20-21 Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt] Ps 2,7. 227,21-22 in der alten Fassung […] zitiert wird.] Luthers Übersetzung von 1522 hat in Apg 13,33, Hebr 1,5; 5,5 »du bist meyn son, heutte hab ich dich geporn« und in der Revision der Lutherübersetzung 1912 »Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeuget«. 227,26-29 in derselben Konzeption […] Bild der Adoption.] Die einzige Bibelstelle in der Hebräischen Bibel, in der das Vater-Sohn Verhältnis

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zwischen Gott und Israel als Adoption aufgefasst wird, ist Jer 3,19. In Ex 4,22 und Hos 11,1 wird Israel als Erstgeborenener Gottes bezeichnet, ohne dass von »Adoption« die Rede ist. 227,29-30 Dann aber wirst du zu Pharao sprechen] Ex 4,22: »So spricht ER: Mein erstgeborener Sohn ist Jisrael«. 227,34 beim Turmbau] Gen 11,1-9. 227,37-38 wird der Mann berufen, der […] werden soll.] Gemeint ist Abraham. 228,3 »mein Anfangsteil von der Ernte«] Jer 2,3. 228,8-9 Als Israel jung war, […] meinen Sohn.] Hos 11,1. 228,31 dass Gott ihm einen Weltzeitbund gesetzt hat.] II Sam 23,5. 228,32-33 ja, all meine Freiheit, alle Lust, ja, ihm zu liess ichs spriessen.] Ebd. 228,33 das Bild, das früher vom Gras stand] Ebd., 23,4. 228,40-229,1 aber das heillose […] Waldgedörn sind sie allesamt] Ebd., 23,6. Bei Buber/Rosenzweig, Das Buch Schmuel, S. 247: »Aber das Heillose, / wie wallgewordnes Gedörn sind sie allsamt«. 229,2 Nicht mit Leibeshand] Ebd., 23,7. 229,4-6 Der Mann, […] Eisen und Holz] Ebd. 229,6-7 ein Walter über Menschheit, bewährt] Ebd., 23,3. 229,11-12 , und im Feuer verbrannt wird sie, […] beim Neuansiedeln] Vgl. ebd., 23,7. 229,23-30 Nirgends und niemals in der Welt […] den Messias darstellen.] Vgl. den in den Wort- und Sacherläuterungen zu 226,12 zitierten Brief von Rosenzweig an Buber, Februar 1929, Briefe und Tagebücher, Bd. II, S. 1207: »Auch dieses ›er‹ kann sich nach dem unmittelbar Vorausgehenden nur auf Gott beziehen, nicht auf den Zukunftskönig der ja bis da von David überhaupt noch nicht genannt ist.« 230,7-8 das Licht […] wird bezwungen] Vgl. Jes 9,1 u. 3. 230,9 der Sohn wird angekündigt] Jes 9,5. 230,9-10 vergl. die davidische Stelle von dem Sohn] II Sam 7,14. 230,10-11 Gressmann übersetzt […] man nennt seinen Namen] Vgl. Gressmann, Der Messias, S. 242: »Man nannte seinen Namen.« 230,14-15 man nennt seinen Namen […] Friedensfürst.] Vgl. ebd., S. 242: die Übersetzung von Jes 9,5. Vgl. Buber/Rosenzweig, Das Buch Jeschajahu, S. 39: »Seinen Namen, einen entrückten, ruft man: / Ratsmann des Göttlichen, Held des Ewigvaters, Fürst des Friedens.« 230,23-24 Es ist aber ein verhängnisvolles Missverständnis.] Gressmann, Der Messias, S. 243 erklärt den Vers Jes 9,5: »Ein Kind wird dann geboren, das den Thron Davids besteigt, um durch Recht und Gerech-

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tigkeit zu herrschen in alle Ewigkeit. Wunderbare Namen feiern seine Majestät und zeigen, daß er das menschliche Durchschnittsmaß weit überragt.« 230,24-26 Das erste Wort, Wunder- […] auf den Namen eines Engels vorkommt] Ri 13,18. Der Name des Engels, der den Eltern Simsons die Geburt ihres Sohnes ankündigt, ist Pel’i (hebr. für »mein Wunder«). Die Sonderstellung Samsons im biblischen Kontext wird daran deutlich, dass er der einzige Nasiräer (vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 214,6-7) ist, der dies nicht durch das Ablegen eines Gelübdes wird, sondern auf Geheiß des Engels und deswegen sein ganzes Leben darauf verpflichtet bleibt. 230,33-34 zu reicher Fürstschaft und zum Frieden …] Jes 9,6. 231,3-4 Die Propheten unterschieden nicht Geschichte und Eschatologie] Buber übersetzt (be-)acharit Ha-jamim (Jes 2,2) als (in der) »Späte der Tage«, vgl. Das Buch Jeschajahu, S. 13. Die Septuaginta übersetzt den Ausdruck mit ἐσχάταις ἡμέραις – Eschatais hemerais; griech für (in den) »letzten Tagen« – der zu der Bildung des Konzepts eines Eschatons, einer Endzeit, Anlass gab, die in den apokalyptischen Visionen der apokryphen Literatur ausgestaltet wurde. Buber betont jedoch, dass die Propheten diesen zukünftigen Zeitabschnitt als organischen Teil der Geschichte betrachteten, während mit der Wendung ἐσχάταις ἡμέραις im Neuen Testament ein zeitlicher Bruch verbunden ist, vgl. Apg 2,17; 2 Tim 3,1; Hebr 1,2; 2 Petr 3,3. Buber erklärt seine Wortwahl in »Der Mensch von heute und die jüdische Bibel«, S. 26 f. (jetzt in: MBW 14, S. 46 f.): »was kann uns damit gemeint sein, in der ›Späte der Tage‹ solle sich an der Welt eine so vollkommne Lösung und Erlösung vollziehen, daß es davon heißt, Himmel und Erde würden neugeschaffen werden? Wieder darf die Botschaft weder verjenseitigt werden: von dieser unsrer Welt, von ihrer Läutrung zum ›Königreich‹, von der Vollendung der Schöpfung ist die Rede, nicht von ihrer Aufhebung um einer andern Welt willen; noch aber verendlicht: nicht einer gerechteren Ordnung, sondern der ›Gerechtigkeit‹, nicht einer verträglicheren Menschheit, sondern dem ›Frieden‹ gilt die Verheißung.« 231,7-8 wie sie eben erwarteten, […] besteigen würde.] Anspielung auf den folgenden Vers Jes 9,6 in Bubers Übersetzung. »Zu reicher Fürstenschaft / und zum Frieden ohne Ende / über Dawids Stuhl, / über seine Königsmacht, / zu gründen die, sie zu stützen / mit Gerechtigkeit, mit Bewährung, / von jetzt in die Zeit fort: vollbringen wird das Sein des Umscharten Eifer.« Das Buch Jeschajahu, S. 39 f. 231,18-19 Nicht nach der Sicht seiner Augen wird er richten] Jes 11,3.

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231,20-21 Dieser Messias […] Wissen und Können ……] Gressmann, Der Messias, S. 247: »D i e s e r M e s s i a s i s t e i n H a l b g o t t . Vom Geiste Jahves inspiriert, besitzt er göttliches Wissen und Können. Während der irdische Richter nach dem entscheidet, was seine Augen sehen und seine Ohren hören, ist der Messias darüber erhaben; er durchschaut die Herzen der Menschen unmittelbar wie Gott, und sein Richterspruch ist unfehlbar. Er braucht auch kein Szepter, keine Leibwache, keinen Henker, sein Urteil zu vollstrecken; ein Wort seines Mundes genügt, den Frevler sofort zu töten.« 231,24 ruach: auf ihm ruht Geistbraus] Jes 11,2. Zu Bubers Übersetzung »Geistbraus«, vgl. Wort-und Sacherläuterung zu 107,6-7. 231,25-26 wie ja in der ersten Zeit […] Richtern] Vgl. Gideon (Ri 6,34) und Simson (Ri 14, 6 u. 19; 15,14). 231,29-30 wovon bei Saul die Rede ist] I Sam 10,6 u. 10; 11,6. In »Der Mensch von heute und die jüdische Bibel« in: Die Schrift und ihre Verdeutschung, S. 38 (jetzt in: MBW 14, S. 51) deutet Buber die Bedeutung von ruach hier und im Buch Richter in Zusammenhang mit dem ruach in der Schöpfungsgeschichte. »[H]ier bindet sich an die Geschichte der Schöpfung die Geschichte der Offenbarung, denn wo sich persönliche Offenbarung vollziehen wird, wird es die Ruach sein, die in den Menschen eindringt (Richter 14 6, 19; 15 14; 1. Sam 10 6, 10; 11 6; 16 13) und sich mit ihm ›bekleidet‹ (Richter 6 34), ihn aber eben dadurch zu einem ›andern Menschen‹ umschafft (1. Sam 10 6).« 231,31 ob er dem Geist nicht widerstrebt] I Sam 16,14. 231,34-35 dass dieser Mensch nicht nach der Sicht […] seines (?) schlägt] Vgl. Jes 11,3-4. Mit Bubers Übersetzung, ist das Fragezeichen mit »Mundes« zu ersetzen. 232,7 Wir haben also hier in Jesaia] Von hier an geht Buber über von der Besprechung des ersten Teil des Jesajabuches (Kap. 1-39) zum späteren Teil Deuterojesaja (Kap. 40-66). Die folgende Darstellung wurde von Buber als »Das Mysterium«, in: Der Glaube der Propheten, S. 289-334 weiter ausgearbeitet. (Die überwiegende Zahl der Alttestamentler unterscheidet weiter zwischen »Deuterojesaja«, dem Autor der Kapitel 40-55, von »Tritojesja«, Kap. 56-66. Ohne dass Buber diese Benennung übernimmt, teilt er die Auffassung, dass die letzten Kapitel im großen und ganzen nicht von Deuterojesaja stammen, vgl. ebd., S. 292 f.) 232,38-40 Und von da aus spricht sich nun […] Gottes Willen widerstrebt.] Zur Bedeutung der Schöpfung für die prophetische Geschichtskonzeption, vgl. Buber, Der Glaube der Propheten, S. 305 (jetzt in: MBW 13): »Wie in der Komposition des Buches Genesis die

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Erzählung von der Weltentstehung die von der Volksentstehung nur einleitet und der ganze Zusammenhang offenbar darauf angelegt ist, daß wir den Sinn des Ursprungs Israels bis in den Sinn des Weltursprungs zurückverfolgen, so und noch weit mehr weist bei Deuterojesaja alles, was er von der Schöpfung zu sagen hat, auf die Geschichte hin, wie freilich alles, was er von der Geschichte zu sagen hat, auf die Heilshoffnung hinweist.« 232,40-233,10 Und es kündigt sich […] entgegenkommen soll.] Eine der Kernlehren Bubers, die er in verschiedenen Zusammenhängen wiederholt. Vgl. Buber, Prophetie, Apokalyptik und die geschichtliche Stunde, in: Merkur, S. 1110 (jetzt in: MBW 15, S. 389): »Diese Anschauung des Apokalyptikers widerspricht der einstigen prophetischen Lehre durchaus, aber auch der zeitgenössischen früh-talmudischen, wonach in der Schöpfung nicht ein böser Trieb ins Herz des Menschen gelegt sei, sondern die noch neutrale Leidenschaft, ohne die nichts geraten könne; vom Menschen hänge es ab, ob sie die Richtung auf Gott annimmt oder dem richtungslosen Chaos verfällt. Als die Absicht der Schöpfung wird hier also verstanden, daß die Welt ein selbständiger Herd freier Entscheidung werde, von dem aus eine echte Antwort des Geschaffenen an seinen Schöpfer erfolgen kann.« 234,10-11 ein Prinzip, […] Ägypten hin] Jes 11,11-16. 235,22-23 mit jenem heiligen Rest] Vgl. Jes 46,3. 235,26-28 denn wenn nur noch ein Zehnteil […] ein Stumpf blieb.] Vgl. Jes 6,13. 235,29 Same des Heiligen] Ebd. 235,40-41 sondern der Völkerherr Cyrus, […] als Gesalbter gezeigt] Jes 45,1. Cyrus bzw. Kyros II. (590/580-535 v. Chr.): persischer Herrscher, der den Juden die Rückkehr nach Juda und den Wiederaufbau des Tempels erlaubte. 236,29-31 Unsere Krankheiten, […] sie hat er aufgeladen] Jes 53,4. 236,31-33 er aber, durch.. (?) wird […] wurde uns Heil] Ebd., 53,5: »er aber, / durchbohrt war er / durch unsere Abtrünnigkeiten«. Das Buch Jeschajahu, S. 217. 237,15-18 als der Mensch, der nun Gott mit dem Leiden […] überwindet.] Buber, Der Glaube der Propheten, S. 309: »Was bei Jesaja [1. Teil des Buchs] nur angedeutet war, ist hier [bei Deuterojesaja] zu vollständigem Ausdruck gelangt: Erlösung Israels und Erlösung der Völker sind nur verschiedene Stadien der einen großen erlösenden Handlung Gottes an der Menschenwelt. Was jetzt an Israel geschehen wird, ist nur eine Voraussetzung für das, was an den Völkern gesche-

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hen soll. Es wird Gott das taugliche Werkzeug für sein Werk an der Menschheit herstellen. Von hier aus ist zu erfassen, was mit dem ›Knecht JHWHs‹ gemeint ist.« Vgl. auch die daran anschließende eingehende Darstellung, ebd., S. 309-332. 237,26-28 die Stelle in Daniel, wo geschildert wird, […] erscheint] Dan 7,13. 237,33-34 Bei mir ist ein Walter über Menschheit, bewährt] II Sam 23,3. 237,38-39 Ehe ich dich bildete im Mutterleib, habe ich dich erkannt.] Jer 1,5. 238,4-5 wie zu Gideon gesagt ist, dass er es in »dieser deiner Kraft«] Ri 6,14. 238,30-33 Es gilt heute […] gegenübergestellt wird.] Wie Buber hier feststellt, ist es tatsächlich kaum möglich, die Argumentation der vorangehenden Vorlesungen des Trimesters über die Messiaskonzeptionen der Hebräischen Bibel zusammenzufassen und gleichzeitig die christliche Messiaskonzeption vorzustellen. Demzufolge leidet im folgenden die Klarheit und Kohärenz von Bubers Gedankenführung. Die darin enthaltenen Ideen wird Buber in späteren Schriften (vgl. die folgenden Wort- und Sacherläuterungen) und ganz besonders in Zwei Glaubensweisen ausarbeiten. 239,14-15 dieses ausserhalb des klassischen Judentums […] sich entwikkelnde] Zumeist bespricht Buber den Einfluss iranischer Religion – wie auch hier in den Vorlesungen – im Zusammenhang mit den gnostischen Elementen im Christentum. Vgl. jedoch Der Glaube der Propheten, S. 302 f., wo Buber Parallelen zwischen Zoroastrismus und Deuterojesaja aufzeigt sowie Bilder von Gut und Böse, S. 80 f. (jetzt in: MBW 12, S. 345 f.), wo er gewisse Gemeinsamkeiten zwischen den Konzeptionen des Bösen im Judentum und der iranischen Religion sieht. Hellenistischen Einfluss auf das Judentum deutet er in »Prophetie, Apokalypse und die geschichtliche Stunde«, S. 1103 (jetzt in: MBW 15, S. 381) an. 240,24 in der Johannes-Apokalypse.] Obwohl Die Offenbarung des Johannes der zentrale Text für die Messiaskonzeption des Neuen Testaments ist, bespricht Buber diese Schrift erst in der letzten Vorlesungseinheit. Seine Abneigung gegen dieses Werk zeigt sich auch darin, dass er in »Prophetie, Apokalypse und die geschichtliche Stunde«, S. 1107 f. (jetzt in: MBW 15, S. 386) zwar Die Offenbarung des Johannes für das bedeutendere Werk hält, er dennoch mit 4 Esra als typischem Vertreter des spätapokalyptischen Schreibens seine Thesen illustriert. 240,29 Und die Zeit wird nicht mehr sein] Apk 10,6.

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240,37-38 Joachim von Floris] auch Joachim von Fiore (ca. 1130ca.1202): ital. Ordensgeistlicher und einflussreicher theologischer Schriftsteller. Er trat um 1153 in den Orden der Zisterzienser ein, wurde 1177 Abt des Klosters von Corazzo bei Carlopolli. Nach Divergenzen gründete er im heutigen San Giovanni in Fiore den Orden der »Floriazenser«, in der die strengen Ordensregeln der Zisterzienser noch verschärft wurden (approbiert vom Papst 1196), der bis ins 16. Jh. existierte. Joachim ist ein Vertreter der allegorischen Bibelauslegung, wobei für ihn Die Offenbarung des Johannes eine besondere Rolle spielt. Seine chiliastische Lehre in »Expositio in Apocalypsim« beruft sich auf die Lehre von der Trinität und ordnet die Zeit in drei Teile: die Zeit des Alten Testaments als »Zeit des Vaters«, die Zeit des Neuen Testaments als »Zeit des Sohnes« und das anbrechende Zeitalter als die »Zeit des Heiligen Geistes«, die von Spiritualisierung und Freiheit gekennzeichnet ist. Viele häretische Gruppierungen im 13. Jh. beriefen sich in der Folge auf seine Aussagen. 241,30-31 welche als Sünde, […] erscheint.] Vgl. die Erläuterungen zu 4 Esra im Kontext der Erbsünde, in diesem Band S. 172 und in »Prophetie, Apokalypse und die geschichtliche Stunde«, S. 1109 f. (jetzt in: MBW 15, S. 388-389). 241,40-41 der von sich sagt, dass er das Licht […] das Uebel] Vgl. Jes 45,7. 243,2-3 der Zusammenbruch des Reiches, das babylonische Exil] Das Ende des judäischen Reiches lässt sich mit der Zerstörung des ersten Tempels (586 v. Chr.) markieren, die Oberschicht wird nach Babylonien verschleppt. Nachdem das babylonische Reich von den Persern erobert wurde, konnten die Juden in ihr voriges Gebiet zurückkehren und den zweiten Tempel bauen. 243,6-7 ein fremder Völkerherr wird Träger des Auftrags genannt.] Vgl. Jes 45,1. 243,39-40 die auch eine Art von Messianismus ist, nämlich des iranischdualistischen Messianismus.] Der vorangegangene Paragraph fasst das Argument von Teil II der Vorlesungen zusammen. 244,36-38 nun wird der zweite Mensch,] Bezug auf das Konzept der Sohnschaft in den jüdischen Apokryphen (Henoch und Weisheit Salomos), die im ersten Trimester der Vorlesungen diskutiert wurde, vgl. in diesem Band, S. 98-110. 245,12 jenes im Köcher […] zugespitzt sein] Vgl. Jes 49,2. 245,23-24 bezeichnet […] Gespräch mit Petrus,] Das Bekenntnis des Petrus zu Jesus als Messias, vgl. Mt 16,13-20; Mk 8,27-30; Lk 9,18-20.

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245,30-31 in der Verklärung, […] des Himmels] Mt 24,30; 26,64; Mk 13,26; 14,62. 246,1 Gott bringt seinen Sohn als Opfer.] Vgl. Röm 8,32. 246,8-10 Wir haben die Vorstellung des Opfers […] semitischen Religionen] Das Thema des Kindesopfers behandelt Buber an mehreren Stellen in Königtum Gottes. Wie zentral dieses Thema für Bubers Überlegungen war, wird daraus ersichtlich, dass er sich ab der 2. Auflage von Königtum Gottes in einer seitenlangen Anmerkung, S. 211-225 (jetzt in: MBW 15, S. 485-495) mit Otto Eißfeldts (18871973) Schrift Molk als Opferbegriff im Punischen und Hebräischen, und das Ende des Gottes Moloch, Halle 1935, auseinandersetzt. Eißfeldt stellt in seiner Schrift die These auf, dass ein Gott Moloch, dem nach dem traditionellen Bibelverständnis Kinder geopfert wurden, vgl. z. B. Lev 18,21; 20,2-5; Jer 32,25, nicht existiert habe, sondern das fragliche Nomen als Bezeichnung für phönizische oder kanaanitische Kindopferrituale zu lesen sei, die auch zeitweise Teil des legitimen Jahwekults waren. 246,11-13 wir haben […] in die Welt zerreisst,] Vermutlich Anspielung auf den Mythos von Purusha (Rig 10.90). Vgl. Jan Gonda, Die Religionen Indiens. Bd. I. Veda und älterer Hinduismus (in der Reihe Die Religionen der Menschheit, hrsg. von Christel Matthias Schröder, Bd. 11.1.), Stuttgart 1960, S. 186 f. 246,21-27 Wir sehen, […] Königtum erfüllen helfen.] Vgl. Buber, Prophetie, Apokalytik und die geschichtliche Stunde, S. 1114 (jetzt in: MBW 15, S. 393): »Gegen Ende des ersten Drittels desselben Jahrhunderts, in dessen Verlauf jene Apokalypsen entstanden, die von der gealterten Welt zu sagen wußten und den nahen Abbruch der Geschichte ansagten, hat der Täufer den Ruf der Propheten ›Kehret um!‹ wieder aufgenommen und hat, ganz im Sinn ihrer Alternativik, den drohenden Spruch dran gefügt, schon sei die Axt an die Wurzel der Bäume gelegt.« 246,27-28 Bei Paulus ist dieser Ruf, […] verblasst.] Apg 17,30; 26,20. 246,41 an bestimmten Stellen bei Thomas] Nach der Fassung II der Vorlesungen (in diesem Band, S. 324) bezieht Buber sich hier auf Thomas von Aquin.

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Vorlesungen über Judentum und Christentum. (Fassung II) Textzeugen: TS1: Typoskript im MBA (Arc. Ms. Var 350, bet 43 f.); 109 lose Blätter, einseitig beschrieben; ohne Korrekturen; das erste Blatt ist leicht beschädigt, womit ein geringfügiger Textverlust gegeben ist. TS2: Typoskript im MBA (Arc. Ms. Var 350, bet 43 f.); 109 lose Blätter, einseitig beschrieben. Das Typoskript ist zweischichtig. TS2.1: Grundschicht: es handelt sich um eine zeichenidentische Kopie von TS1. 2.2 TS : Überarbeitungsschicht: einzelne Blätter sind mit Korrekturen sowohl von Bubers wie von anderer Hand versehen. 3 TS : Typoskript im Leo Baeck Archiv (AR 9, A15/8); 109 lose Blätter; einseitig beschrieben; ohne Korrekturen; es handelt sich um eine zeichenidentische Kopie von TS1. Druckvorlage: TS2.2 Variantenapparat: 278,8-9 das schlechthin Unannehmbare […] gegenübersteht] n i c h t das schlechthin Unannehmbare. Was vielmehr der christlichen Erlösung gegenübersteht TS2.1 281,25 »in der Wolke von grosser Kraft und Herrlichkeit«] fehlt TS2.1 281,26 und erhebet eure Häupter] fehlt TS2.1 282,3-7 dass sie auch über […] Hingabe bleibe] dass sie über das hinaus gehen sollen, wovon sie leben, dass der Mensch sich nicht um seine persönliche Erlösung, sondern um sie Erlösung der andern kümmern soll TS2.1 282,13 auf sich nehmen kann] auf sich nimmt TS2.1 282,18 mein, wohl mit Recht] behauptet TS2.1 282,19 Nur ist zu beachten] Dazu ist zu sagen TS2.1 282,27 diese Menschenart, die] fehlt TS2.1 282,37 hergegeben] hergegeben (eingelöst) TS2.1 283,8 Kind] Mein Sohn TS2.1 283,8-9 Und dann […] geh heim.] fehlt TS2.1 283,11-12 Nedarim: […] Sünden vergibt.] fehlt TS2.1 283,37 erlassen] geschenkt TS2.1 283,38-284,1 ausgestrichen […] gegen uns zeugte] ausgetilgt die Handschrift, so wider uns war, welche durch Satzungen entstund und uns entgegen war TS2.1

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284,1 zunichtegemacht] aus dem Mittel getan TS2.1 284,2 Schuldschein] Handschrift TS2.1 284,5 Schuld und ein Schuldschein] Handschrift, eine Verschreibung TS2.1 284,33-34 werde ich umkehren] wird mir schon vergeben werden TS2.1 285,9 wie Adam auch nicht sündigen konnte] wie Adam nicht sündigen konnte TS2.1 285,24 Epiphanie] Theophanie TS2.1 285,30 Rolle im Schosse der Götter] Rolle des Menschen im Schosse der Götter TS2.1 285,33 Wie steht es mit dem Wirklichkeitscharakter der Sünde im A.T.?] Wie steht es damit im A.T.? TS2.1 286,4 Bildsamkeit] Gebild TS2.1 288,27-28 die wuchernde Phantasiewelt] aber es bedeutet auch wuchernde Bildsamkeit TS2.1 290,6 ein »Bewährter«, ein Zaddik] ein wahrhafter Zaddik TS2.1 290,7-8 aber wenn […] ein Rascha] fehlt TS2.1 293,7 durch die Konkretheit seiner Lehre] 1. durch eine kontinuierliche Ueberlieferung, 2. durch die Konkretheit seiner Lehre TS2.1 293,23 Sündenfreiheit von Menschen gesprochen wird] Sündenfreiheit gesprochen wird, z. B. von der Sündenfreiheit der Väter TS2.1 298,34 Herrlichkeit] Erde TS2.1 298,34-36 nicht zu stehen« […] dem Nahen] nicht zu stehen« – ein Wort, das ganz ähnlich im N.T. vorkommt TS2.1 299,8-9 Was der Hausherr […] d. h.] fehlt TS2.1 299,15 Nun gilt] davor kein Absatzwechsel TS2.1 300,22 immer wiederkehrt] wiederkehrt TS2.1 Wort- und Sacherläuterungen: 254,29-30 »Wer vertraut, wird nicht beschleunigen (wollen)«] Jes 28,16. 254,30-31 »Ende der Geschichte, Vollendung, Gericht«] »Ende der Geschichte« vgl. Apk 10,6. 254,37 »Du sollst wissen (erkennen), dass ER, dein Gott der Gott ist.«] Dtn 7,9. 255,34 Gelehrtenschule von Jabne] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 62,24-25. 255,36-38 »Der Eine […] auf den Himmel zu richte.«] bBer 17a (BT, Bd. I, S. 73). 255,41-256,1 »Nach der Intention des Herzens, danach, danach geht es allein.«] bBer 15a (BT, Bd. I, S. 64).

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258,37-259,1 »Alle deine Taten […] geschehen.«] mAv II,17 (BT, Bd. IX, S. 670). 259,3-7 Es wird gefragt warum der Tempel […] verlangt das Herz.] MekhJ, Traktat Schira 1 (in: Ed. Horovitz S. 116 f.) bei Stemberger (Übers.), Mekhilta de-Rabbi Jischma’el, S. 146. 259,9-10 »Die Wunschbilder der Sünde sind schlimmer als die Sünde selbst.«] bJoma 29a (BT, Bd. III, S. 76). 259,12-13 »Grösser ist die Sünde um Gottes […] geschieht.«] bNas 23b (BT, Bd. V, S. 594). 260,31-32 »der Abglanz seiner Herrlichkeit und das Ebenbild seines Wesens«] Hebr 1,3. 261,19-20 (prototokos, nicht monogenes!)] prototokos: griech. für »der Erstgeborene«; monogenes griech für »der einzig Geborene«. 261,24-26 Was nun das 1. Kap. […] genannt wird.] Üblicherweise verweist Hebr 1,2 auf Ps 2,7-8 als Parallele, in der der israelitische König, der Gesalbte, als Sohn von Gott angesprochen wird. »Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt.« Ps 45,8b lautet bei Buber »drum hat Gott, dein Gott dich gesalbt / mit Öl des Entzückens / vor deinen Gefährten.« Das Buch der Preisungen, S. 91. 261,37-38 Und im Brief an Titus, der zum mindesten paulinisch gedacht ist] Der Brief weist zwar Paulus als Verfasser in Titus 1,1-3 aus, diese Angabe wird aber von der Forschung mehrheitlich seit dem 19. Jh. bestritten. 263,19 Adolf Harnack] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 85,22-26. 264,11-13 Rabbi Meïr […] Midda des Erbarmens.] jTaan II,1; 65b,61-62; Pesikta de-Rav Kahana (Mendelbaum) 24:11; Jalqut Shimʿ oni Micha 551:1 (ohne Zuordnung zu R. Meir). 264,19-21 »Wehe den Frevlern, die das Attribut des […] wandeln!«] BerR LXXIII,3 (in: Ed. Albeck, Bd. II, S. 847). 264,28-31 »Als er ihn schuf, […] Mass des Erbarmens.«] BerR XXI,7 (in: Ed. Albeck, Bd. I, S. 202). 265,15-16 »Ich werde da sein als der ich je und je da sein werde«] Ex 3,14. 265,39 Emil Brunner] (1889-1966): schweizer ev. Theologe, sozial engagiert und Mitbegründer der dialektischen Theologie. Das erste Treffen Brunners mit Buber 1928 ist durch eine Mitschrift dokumentiert: »Aussprache zwischen Martin Buber und Emil Brunner bei Dr. Trüb in Zürich, am 17. Juni 1928, über das menschliche Handeln und seine Problematik«, jetzt in: MBW 9, S. 103-127. (Zur Beziehung der beiden vgl. den einleitenden Kommentar S. 352-354.) 265,40 in seinem Buch »Der Mittler«] Emil Brunner, Der Mittler. Zur Besinnung über den Christusglauben, Tübingen 1927. Darin vertei-

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digt Brunner die christologischen und soteriologischen Aussagen der Alten Kirche. Auf dieses Werk bezieht sich Buber auch in Zwei Glaubensweisen, S. 167 f. (jetzt in: MBW 9, S. 305 f.). 265,40-266,2 Gott kann seine Ehre nicht antasten lassen […] antasten liesse.] Vgl. Brunner, Der Mittler, S. 401: »Es ist die E h r e Gottes, die durch die Sünde gegen Gott angetastet ist. Sünde ist Rebellion gegen den Herrn. Gott aber kann seine Ehre nicht antasten lassen; denn seine Ehre ist seine Gottheit, s e i n M a j e s t ä t s r e c h t . Gott würde aufhören Gott zu sein, wenn er seine Ehre antasten ließe.« 266,23-24 »Glückselig Ihr, Israel! […] Tauchbad Israels.«] mJoma VIII,9 (BT, Bd. III, S. 251). 266,38 des Theologen Lohmeyer] Ernst Lohmeyer (1890-1946): ev. Neutestamentler, seit 1920 Professor in Breslau, 1935 wegen Verbindung zu jüdischen Kollegen und regimekritischer Haltung nach Greifswald strafversetzt. Er unterstützt Buber in seiner Auseinandersetzung mit dem Neutestamentler Gerhard Kittel (1888-1948), der sich 1933 als Antisemit mit seiner Broschüre Die Judenfrage zu erkennen gab. Vgl. den Kommentar zu »Offener Brief an Gerhard Kittel« in MBW 9, S. 393. Nachdem Lohmeyer nach der Befreiung 1945 als Rektor der Greifswalder Universität eingesetzt wurde, wurde er 1946 von den Sowjets verhaftet und erschossen. 1996 rehabilitiert. 267,1-2 Dazu sagt Lohmeyer] Lohmeyer interpretiert Lk 3,7: »wenn es richtig ist, daß Gottes Zorn auf allem Menschlichen ruht, nicht nur auf sündigem Tun, sondern auch auf sündigem Sein, […] dann muß auch dieses leibliche Dasein, dem Gottes Zorn droht, durch die Taufe von allem Makel rein werden.« Vgl. Lohmeyer, Das Urchristentum. 1. Buch: Johannes der Täufer, Göttingen 1932, S. 79. 269,3 im Buch »Weisheit Salomons« […] des Buches »Henoch«] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 99,4-8. 269,22-23 weil er Gott seinen Vater nennen darf] Dass Gott als »unser Vater« bezeichnet wird, findet man in Jes 63,16 u. 64,7. 269,26-27 jener Patriarch, der zeitlebens mit Gott wandelte […] wurde] Gen 5,22-24. 271,6-7 »Heute habe ich Dich gezeugt!«] Ps 2,7. 272,4-5 einerseits für das Johannes-Evangelium und die Johannes-Briefe] Die drei dem Johannes traditionell zugeschriebenen Briefe im Neuen Testament sind ohne Verfasserangabe. Theologisch stehen sie dem Johannes Evangelium sehr nahe. 272,14-19 »Es geschah aber, als der Herr […] in Ewigkeit.«] Vgl. Die Fragmente des Hebräerevangeliums, in: Christoph Markschies und

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Jens Schröter (Hrsg.), Antike christliche Apokryphen in deutscher Übersetzung, Tübingen 2012, Bd. 1.1, S. 605. 272,29-30 »Vor wem reinigt ihr euch […] (Rabbi Akiba)] mJoma VIII,9 (BT, Bd. III, S. 251). 272,31-32 »Wer sich zu reinigen kommt, dem steht man von oben bei«.] bJoma 38b (BT, Bd. III, S. 105). 273,30-31 in »Gestalt des sündigen Fleisches« (Paulus).] Röm 8,3. 275,2 Simon Magus] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 113,41-114,1. 275,2-3 »Ich bin der Sohn Gottes, der aus dem Himmel niedergestiegen ist.«] Nicht nachgewiesen. 275,14-15 »Ehe ich dich im Mutterleib […] auserkannt«] Jer 1,5. 275,17-23 »(Gott) hat am letzten in diesen Tagen […] in der Höhe …«] Hebr 1,1-4. 275,37-38 Darum hat ihn auch Gott erhöhet, und hat ihm einen Namen […] Namen ist] Phil 2,9. 276,27-28 Kapporeth (Versöhnungsdecke; Luther: »zu einem Gnadenstuhl«)] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 117,6-8. 279,21-22 »Mache ein Ende der Dissonanz der Welt!«] Nicht nachgewiesen. 280,29-30 in der manichäischen Glaubenslehre] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 145,29. 281,25 »in der Wolke mit grosser Kraft und Herrlichkeit«] Lk 21,27. 282,16 Dieses Jesajaskapitel] Vgl. Jes 53. 282,18-19 Albert Schweitzer meint, […] gestanden habe.] Vgl. Das Messianitäts- und Leidensgeheimnis, S. 313-318. 283,9 Steh auf, nimm dein Bett und geh heim.] Mt 9,6; Mk 2,11. 283,11 Nedarim] bNed 41a (BT, Bd. V, S. 450). 283,14-15 »Ihre vielen Sünden werden vergeben, denn sie hat viel geliebt.«] Lk 7,47. 283,23-24 Er selbst sagt, […] gestorben sei.«] 1 Kor 15,3. 284,16-17 denn es steht geschrieben: ›Verflucht ist jedermann, der am Holz hangt!‹] Der Galaterbrief zitiert hier Dtn 21,23. 284,33-34 »Ich werde sündigen und dann werde ich umkehren.] mJoma VIII,9 (BT, Bd. III, S. 251). 284,39-41 einen letzten Ausläufer dieser Lehre noch bei Kant: […] vor aller Zeit.] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 137,23-28. 285,11 Ebenbildlichkeit] Vgl. Gen 1,27. 285,21 deus ex machina] lat.: die terminologische Bezeichnung des Gottes, der als Retter am Ende der griech. Komödien auftritt. 285,22 deus ex gratia] lat.: »Gott aus der Gnade«.

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285,24 (Epiphanie am Schlusse der Tragödie)] Das Erscheinen eines Gottes am Ende der Tragödie, durch den der tragische Konflikt gelöst wird. 285,34-38 Kain ist verdrossen […] du aber walte ihm ob.«] Gen 4,5-7. Vgl. Bilder von Gut und Böse, 1. Teil, Kapitel II, Kain (jetzt in: MBW 12, S. 327-330). 286,3 Genesis 6] Gen 6,5-8. 287,25 »Fürst dieser Welt«] Joh 12,31; 14,30; 16,11. 287,26-28 Die spätere christliche Theologie […] losgekauft wird.] Vgl. Augustinus, De trinitate XIII,12-15. 288,7 jezer hora] Hebr.: »der böse Trieb«, »die Neigung zum Bösen« in der aschkenasischen Aussprache. Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 143,4-5. 288,12 concupiscentia] lat.: »Begierde«, im theologischen Sinn als »Begierde zur Sünde«. 288,22 durch Augustinus geschaffen worden] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 148,36-38. 288,29 103. Psalm] Ps 103,14. 288,34-35 Meine Kinder, […] Sünde geschaffen] Vgl. bQid 30b (BT, Bd. VI, S. 606). Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 149,35-40. 289,6-8 »mit all deinem Herzen« geht […] Kraft und Richtung.] bBer 54a (BT, Bd. I, S. 235). Die Auslegung spielt mit dem hebr. Wort, das »mit deinen Herzen« (Plural!) wiederzugeben ist. 289,9-12 Der Midrasch […] pflügen lerne.] MTeh zu Ps 86,11. 290,4-8 Im Talmud wird erzählt, dass ein Kind im Mutterleib […] wie ein Rascha.] »Rascha« hebr. für »Bösewicht«. Vgl. bNid 30b (BT, Bd. XII, S. 441). 290,22-23 Dasselbe meint ein talmudisches Wort zu V. Moses, 28] bBM 107a (BT, Bd. VII, S. 817 f.). Bibelzitat Dtn 28,6. 290,32 Vergl. I. Moses, 6.] Gen 6,5. 291,10-14 »Mit Hysop mach mich […] zu Dir!«] Vgl. Ps 51,9-15. 291,22-27 Es gibt nun zwar die talmudische Vorstellung einer Befleckung […] überwunden.] bShab 146a (BT, Bd. I, S. 898 f.); bJev 103b (BT, Bd. IV, S. 613 f.); bAS 22b (BT, Bd. IX, S. 503). Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 158,28-30. 291,39 Kirchenvater Irenäus] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 103,31. 291,39 Anselm] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 160,13. 292,16 Auch die Schlange] Vgl. Gen 3. 292,24 in Gestalt eines Boten (Malach)] Malʿ ach, hebr. für »Bote«, »Engel«.

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292,37 Pelagianismus] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 162,21-22. 294,9 im Henochbuch] 1Hen 6-10. 294,10-11 sondern vom Fall der Elohim […] gatteten.] Gen 6,1-4. 294,16-17 (Buber übersetzt aus dem Hebräischen: […] Neigungen.)] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 159,5 und 166,23-26 294,19-20 »Wenn du willst, bewahrst du das Gebot, und du unterscheidest, Seinen, Gottes, Willen zu tun.«] Sir 15,15-17. 295,3-4 den einen Gott, der Licht und Finsternis geschaffen hat.] Vgl. Jes 45,7 (vgl. auch die erste Bracha vor dem Schma Israel). 295,30-31 »Apokalypse des Mose«] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 171,5. 295,31 Vers 32] Verschrieben für Kapitel 32. Das folgende Zitat: ApkMos 32,2. 295,34 die »Syrische Baruch-Apokalypse«.] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 171,13. 296,37 Hirt des Hermas] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 173,2425. 296,39 »Tochter des Teufels«] Vgl. II Hirt des Hermas, Gebot 9:9. 297,8-12 Dem ersten Menschen war das Urlicht erschlossen […] gehemmt worden.] bChag 12a (BT, Bd. IV, S. 270). 297,21-22 in die Fusstapfen Gottes] Vgl. 1 Petr 2,21 mit Bezug auf Christus. 297,23 »auf den Wegen Gottes zu gehen«] Vgl. Dtn 8,6; 19,9; Ps 128,1 u. ö. 297,23-25 Gott fragt den Moses: […] barmherzig und gnädig.«] Num 14,18. 298, 30-31 »Kehre um, Israel, bis zu IHM, deinem Gott.«] Hos 14,2. 298,31-33 Gross ist die Kraft der Umkehr, […] Thron der Herrlichkeit.] bJoma 86b (BT, Bd. III, S. 254). 298,33-35 »An dem Ort, […] nicht zu stehen«.] bBer 34b (BT, Bd. I, S. 155). 298,36-38 Diese Umkehr wird als etwas verstanden, […] nicht verliere.] bPes 54a (BT, Bd. II, S. 470); Tanchuma (Buber) Naso 19; PRE 3:1. 299,3 Erzketzer Acher (Elischa ben Abuja)] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 180,27-28. 299,4-8 Von ihm wird erzählt […] ab.] Vgl. bChag 15a (BT, Bd. IV, S. 284-286). (»Kehret um, abgekehrte Söhne«: Zitat von Jer 3,14.) 299,8-13 Nun hat ein chassidischer Rabbi […] von ihm nicht verstossen.«] Vgl. Buber, »Die Himmelsstimme«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 807 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [1213]). 299,17-19 »Ich sprenge reines Wasser […] in das Innere.«] Ez 36,25 f.

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299,21-23 »Glückselig ihr, Israel! […] rein werdet.«] mJoma VIII,9 (BT, Bd. III, S. 251). 299,28 »Wer sich zu reinigen kommt, dem steht man von oben bei.«] bJoma 38b (BT, Bd. III, S. 105). 299,29-31 »Tuet Umkehr und ich entschulde euch, spreche euch frei und schaffe euch zu einer neuen Schöpfung, wie es geschrieben steht: Und Gott machte das Himmelsgewölbe.«] PesR 40 Ba-khodesch Haschvii (in: Ed. Friedmann, S. 169a). 299,36-39 »Erfülle mit all deinem Herzen […] bei dir sein an jedem Ort.«] bBer 17a (BT, Bd. I, S. 73). 300,1 mit ganzem Herzen und von ganzer Seele] Vgl. Dtn 6,5. 300,24-26 »Wenn du […] Buch des Lebens)«.] Auslegung von Ex 32,32 in bSota 14a (BT, Bd. VI, S. 55); Jalqut Shimʿ oni, Va-etchanan, 816:2. 300,28-30 »Ich bin der Weg […] ausser durch mich.«] Joh 14,6. 300,33-34 »per eum«] Lat.: »durch ihn«. 303,34-35 das nachgelassene Werk von Hugo Gressmann »Der Messias«.] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 198,34-35. 305,32-33 »König bleibt ER in Weltzeit und Ewigkeit!«] Ex 15,18. 305,34-35 »So ward in Jeschurun […] in eins Israels Stäbe«] Dtn 33,5. 306,12-15 »Und jetzt, hört ihr gehorsam […] Stamm.«] Ex 19,5-6a. 306,32-33 »Nicht gewahrt man Harm […] in ihm.«] Num 23,21. 307,17 Moses übergibt sein Amt Josua.] Dtn 34,9. 307,33-34 »das Volk schrie auf zu Gott«] Vgl. Ri 4,3; 6,6; 10,10. 308,3 Interregna] Pl. von »Interregnum«, lat. für »Übergangszeit« (zwischen zwei Regierungen). 308,5-6 wo gesagt ist, dass ohne den – späteren – König nur Anarchie war] Die biblische Wendung hierfür ist: »Zu der Zeit war kein König in Israel und jeder tat, was ihn recht dünkte.« Ri 17,6 u 21,25. 308,9 Jothamfabel] Ri 9,8-15. 308,15 unternimmt zwar Feldzüge gegen sie] Vgl. I Sam 7,2-12. 308,17-18 »werden wie alle Völker«] I Sam 8,5 u. 20. 308,20 macht seine eigenen Söhne zu Richtern] I Sam 8,1. 310,15-16 Da nämlich, wo der Papst den Kaiser […] depossediert.] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 220,11-12. 310,26-27 »Kehret um oder ihr zerschellt!«] In dieser Form konnte das Zitat nicht gefunden werden. Vielleicht eine Paraphrase der Botschaft Johannes des Täufers, wie in Mt 3,2 u. 10. 311,4 die »biblische Politeia«] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 222,32-33 und 222,33-34. 311,13-32 Channa betet: »Auf wogt mein Herz […] Gesalbten erhebe.«]

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I Sam 2,1-10 hier in Bubers Übersetzung, vgl. Das Buch Schmuel, S. 11-12. 311,41 Sabbathjahr, Jobeljahr] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 223,41-224,1. 312,21 II. Sam. 23.] Verse 3-7. 312,40-41 das Gott den Propheten Nathan und David sagen lässt] II Sam 7,11b-14a. 313,7 »Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt.«] Ps 2,7. 313,17 »Israel mein Anfangsteil von der Ernte«] Vgl. Jer 2,3. 314,3 Jes. Kap. 9] Jes 9,1-6. 314,21 Jesaja Kap. 11, Anfang:] Jes 11,1-6a. 315,1-4 In dem schon genannten nachgelassenen […] Friedensfürst.«] Vgl. Vorlesungen, Fassung I, in diesem Band, S. 230. 315,12 »Dieser Messias ist ein Halbgott«] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 231,20-21. 315,15-16 im Dienste […] niedergelassen hat] Vgl. Jes 11,2. 317,24-29 »unsere Krankheiten hat er […] Heilung«.] Jes 53,4 f. 318,13-14 »Bei mir ist ein Walter über Menschheit, bewährt …« […] Das »bei Gott«] Zitat: II Sam 23,3; »bei Gott« bezieht sich auf »bei mir«. 318,15-17 »Ehe ich dich bildete im Mutterleibe, […] habe ich di[ch] geheiligt«.] Jer 1,5. 320,16 »Und die Zeit wird nicht mehr sein«] Apk 10,6. 320,25-27 Joachim von Floris, […] und des Vaters ablösen werde.] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 240,37-38. 321,20 »Licht und die Finsternis geschaffen«] Jes 45,7. 322,9-10 ein fremder Völkerherr (Kyros) wird Träger des Auftrags genannt.] Jes 45,1. 323,30-31 »als gespitzter Pfeil im Köcher Gottes verborgen bleiben«] Jes 49,2. 324,14-15 Wir haben in der indischen Religion […] die Welt zerreisst.] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 246,11-13. 324,23 der Ruf »Kehret um!«] Vgl. den Beginn der Vorlesungreihe, in diesem Band: Fassung I, S. 53 f. und Fassung II, S. 251 (Fußnote), 254. 324,36 im Christentum von einem »guten Werk« gesprochen wird] Für die katholische Kirche sind bona opera (Gute Werke) der Gläubigen möglich und notwendig, wie z. B. christlicher Lebenwandel, Fasten usw., während Luther nur den Glauben als »gutes Werk« anerkennt. 324,38 Thomas von Aquin] (ca 1224-1274): bedeutendster Scholastiker und Kirchenlehrer der katholischen Kirche.

Abkürzungsverzeichnis B I-III

BT

CSEL JuJ MBA MBB

MBW

Martin Buber, Briefwechsel aus sieben Jahrzehnten, 3 Bde., hrsg. und eingel. von Grete Schaeder, Heidelberg: Verlag Lambert Schneider 1972-75. Bd. II: 1918-1938 (1973), Bd. III: 1938-1965 (1975). Lazarus Goldschmidt, Der Babylonische Talmud. Nach der ersten zensurfreien Ausgabe unter Berücksichtigung der neueren Ausgaben und handschriftlichen Materials neu übertragen, Berlin 1929-1936. Corpus scriptorum ecclesiasticorum latinorum, Berlin seit 1866 Martin Buber, Der Jude und sein Judentum. Gesammelte Aufsätze und Reden, mit einer Einl. von Robert Weltsch, Köln: J. Melzer Verlag 1963. Martin Buber-Archiv der National Library of Israel. Martin Buber. Eine Bibliographie seiner Schriften, 1897-1978, zusammengestellt von Margot Cohn und Rafael Buber, Jerusalem: Magnes Press, Hebräische Universität und München/New York et al.: K. G. Saur 1980. Martin Buber Werkausgabe: Bd. 1 Frühe kulturkritische und philosophische Schriften 1891-1919, bearbeitet, eingeleitet und kommentiert von Martin Treml, Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2001. Bd. 2.1 Mythos und Mystik. Frühe religionswissenschaftliche Schriften, bearbeitet, eingeleitet und kommentiert von David Groiser, Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2013. Bd. 3 Frühe jüdische Schriften 1900-1922, bearbeitet, eingeleitet und kommentiert von Barbara Schäfer, Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2007. Bd. 7 Schriften zu Literatur, Theater und Kunst. Lyrik, Autobiographie und Drama, bearbeitet, eingeleitet und kommentiert von Emily D. Bilski, Heike Breitenbach, Freddie Rokem u. Bernd Witte, Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2016. Bd. 8 Schriften zu Jugend, Erziehung und Bildung, bearbeitet, eingeleitet und kommentiert von Juliane Jacobi, Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2005. Bd. 9 Schriften zum Christentum, bearbeitet, eingeleitet und kommentiert von Karl-Josef Kuschel, Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2011. Bd. 12 Schriften zur Philosophie und Religion, bearbeitet, eingeleitet und kommentiert von Ashraf Noor, Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2017. Bd. 13 Schriften zur biblischen Religion, eingeleitet von Michael Fishbane, bearbeitet und kommentiert von Christian Wiese und Heike Breitenbach, Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus.

409

Abkürzungsverzeichnis

Bd. 14 Schriften zur Bibelübersetzung, eingeleitet und kommentiert von Ran HaCohen, Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2012. Bd. 15 Schriften zum Messianismus, bearbeitet, eingeleitet und kommentiert von Samuel Hayim Brody, Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2014. Bd. 17 Chassidismus II. Theoretische Schriften, bearbeitet, eingeleitet und kommentiert von Susanne Talabardon, Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2016. Bd. 18 Chassidismus III. Die Erzählungen der Chassidim, bearbeitet, eingeleitet und kommentiert von Ran HaCohen, Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2015.

Hebräische Bibel Gen Ex Lev Num Dtn Jos Ri I Sam II Sam I Kön II Kön Jes Jer Ez Hos Joel Am Hab Sach Mal Ps Hi Rut Pred Dan I Chr II Chr

Genesis (1. Mose) Exodus (2. Mose) Leviticus (3. Mose) Numeri (4. Mose) Deuteronomium (5. Mose) Josua Richter 1. Samuel 2. Samuel 1. Könige 2. Könige Jesaja Jeremia Ezechiel Hosea Joel Amos Habakuk Sacharja Maleachi Psalm(en) Hiob Ruth Prediger Daniel 1. Chronik 2. Chronik

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Abkürzungsverzeichnis

Neues Testament Mt Mk Lk Joh Apg Röm 1 Kor 2 Kor Gal Eph Phil Kol 1 Thess 2 Thess 1 Tim 2 Tim Tit Hebr 2 Petr Apk

Matthäus Markus Lukas Johannes Apostelgeschichte Römerbrief 1. Korintherbrief 2. Korintherbrief Galaterbrief Epheserbrief Philipperbrief Kolosserbrief 1. Thessalonicherbrief 2. Thessalonicherbrief 1. Timotheusbrief 2. Timotheusbrief Titusbrief Hebräerbrief 2. Petrusbrief Johannes-Apokalypse

Außerkanonische Schriften ApkMos 2Bar 4Esr EvHebr 1Hen 3Hen 4Makk SapSal Sir

Mose-Apokalypse 2. (syrischer) Baruch 4. Esra Hebräerevangelium 1. (äthiopischer) Henoch 3. (hebräischer) Henoch 4. Makkabäer Sapientia Salomonis (Buch der Weisheit) Jesus Sirach

Rabbinische Literatur mAv mBer mJoma

Mischna, Traktat Avot Mischna, Traktat Berakhot Mischna, Traktat Joma

Abkürzungsverzeichnis

mSan bAS bBB bBer bBM bChag bGit bHor bJev bJoma bMen bNas bNed bNid bPes bQid bRHSh bSan bShab bSota jChag jTaan tChag

Mischna, Traktat Sanhedrin Talmud Bavli, Traktat Avoda Sara Talmud Bavli, Traktat Bava Batra Talmud Bavli, Traktat Berakhot Talmud Bavli, Traktat Bava Mezi’a Talmud Bavli, Traktat Chagiga Talmud Bavli, Traktat Gittin Talmud Bavli, Traktat Horajot Talmud Bavli, Traktat Jevamot Talmud Bavli, Traktat Joma Talmud Bavli, Traktat Menachot Talmud Bavli, Traktat Nasir Talmud Bavli, Traktat Nedarim Talmud Bavli, Traktat Nidda Talmud Bavli, Traktat Pesachim Talmud Bavli, Traktat Qiddushin Talmud Bavli, Traktat Rosch Ha-Shana Talmud Bavli, Traktat Sanhedrin Talmud Bavli, Traktat Shabbat Talmud Bavli, Traktat Sota Talmud jeruschalmi, Traktat Chagiga Talmud jeruschalmi, Traktat Ta’anit Tosefta, Traktat Chagiga

ARN A ARN B BerR EkhR Jalq MekhJ MTann MTeh PesK PesR ShemR SifBem SifDev Tan Tan (Buber)

Avot de-Rabbi Natan, Version 1 Avot de-Rabbi Natan, Version 2 Bereshit Rabba (Genesis Rabba) Ekha Rabbati Jalqut Shimʿ oni Mekhilta deRabbi Jischma’el Midrasch Tanna’im Midrasch Tehillim Pesiqta de-Rav Kahane Pesiqta Rabbati Shemot Rabba Sifre Bemidbar (zu Numeri) Sifre Devarim (zu Deuteronomium) Midrasch Tanchuma Tanchuma, Ausgabe Buber

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Quellen- und Literaturverzeichnis 1. Quellenverzeichnis 2. Literaturverzeichnis 2.1 Bibliographien 2.2 In den Band aufgenommene Schriften Martin Bubers 2.3 Verwendete Werke Martin Bubers 2.4 Verwendete Literatur 1. Quellenverzeichnis Aus dem Martin Buber Archiv (MBA) der National Library of Israel sind folgende unveröffentlichte Quellen verwendet worden:

1.1 Typoskripte [Vorlesungen über Judentum und Christentum] (Typoskript) Arc. Ms. Var 350, bet 43 f. Vorlesungen über Judentum und Christentum (Typoskript) Arc. Ms. Var 350, bet 43 f. Aus dem Leo Baeck Archiv in New York sind folgende unveröffentlichte Quellen verwendet worden:

1.2 Typoskripte Vorlesungen über Judentum und Christentum (Typoskript) AR 9, A15/8

2. Literaturverzeichnis 2.1 Bibliographie Martin Buber. Eine Bibliographie seiner Schriften, 1897-1978, zusammengestellt von Margot Cohn u. Rafael Buber, Jerusalem: Magnes Press, Hebräische Universität Jerusalem u. München [u.a]: K. G. Saur 1980.

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Quellen- und Literaturverzeichnis

2.2 In den Band aufgenommene Schriften Martin Bubers [Vorlesungen über Judentum und Christentum] (Typoskript) Vorlesungen über Judentum und Christentum (Typoskript)

Arc. Ms. Var 350, bet 43 f. Arc. Ms. Var 350, bet 43 f.

2.3 Verwendete Werke Martin Bubers Arbeitsgemeinschaft zu ausgewählten Abschnitten aus dem Buche Schmuel [Typoskript], in: MBW 15, S. 46-91. Aufgaben jüdischer Volkserziehung. Aus der ersten Frankfurter Lehrhausrede (zur Wiedereröffnung des Jüdischen Lehrhauses am 19. November 1933), in: Die Stunde und die Erkenntnis. Reden und Aufsätze. 1933-35, Berlin: Schocken 1936, S. 104-110; jetzt in: MBW 8, S. 252-255. Des Baal-Schem-Tow Unterweisung im Umgang mit Gott, Hellerau: Jakob Hegner 1927; jetzt in: MBW 17, S. 99-128. Begegnung. Autobiographische Fragmente, Stuttgart: W. Kohlhammer 1960; jetzt in: MBW 7, S. 274-309. »Die Bibel auf Deutsch«, in: Frankfurter Zeitung, 18. Mai 1926, S. 1-2; jetzt in: MBW 14, S. 119-127. Biblisches Führertum, in: Kampf um Israel. Reden und Schriften (1921-1932), Berlin: Schocken Verlag 1933, S. 84-106. Bilder von Gut und Böse, Köln u. Olten: Jakob Hegner 1952. Bücher der Kündung, verdeutscht von Martin Buber gemeinsam mit Franz Rosenzweig, Köln u. Olten: Jakob Hegner 1958. Drei Reden über das Judentum, Frankfurt a. M.: Rütten & Loening 1911. Die Entstehung des Chassidismus, Theologische Blätter, 3. Jg., Heft 7, 1924, S. 104; jetzt in: MBW 17, S. 97. Erste Rede. Judentum [Typoskript]; jetzt in: MBW 2.1, S. 227-232. Die Erzählung von Sauls Königswahl, in: Vetus Testamentum, 6. Jg., Heft 2, April 1956, S. 113-173; jetzt in: MBW 15, S. 295-351. Eine Feststellung, in: Die Welt, 18. Jg., Heft 21, 22. Mai 1914, S. 505; jetzt in: MBW 9, S. 76. Geleitwort zur Gesamtausgabe, in: Die chassidischen Bücher, Hellerau: Jakob Hegner 1928, S. XI-XXXI; jetzt in: MBW 17. [o. T.; Geleitwort zu Die Kreatur], 1. Jg. 1926/27, Heft 1, S. 1-2; jetzt in: MBW 9, S. 96-97. Genesisprobleme, Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums, 80. Jg., Heft 2, März/April 1936; jetzt in: MBW 13.

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Quellen- und Literaturverzeichnis

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Die Schrift X. Das Buch Jeschajahu, verdeutscht von Martin Buber gemeinsam mit Franz Rosenzweig, Berlin: Lambert Schneider 1930. Die Schrift XIII. Das Buch der Zwölf, verdeutscht von Martin Buber, Berlin: Schokken Verlag 1934. Die Schrift XIV. Das Buch der Preisungen, verdeutscht von Martin Buber, Berlin: Schocken Verlag 1935. Über die Wortwahl in einer Verdeutschung der Schrift. Dem Gedächtnis Franz Rosenzweigs (Sommer 1930), Berlin: Lambert Schneider 1930; jetzt in: MBW 14, S. 6885. Warum und wie wir die Schrift übersetzten, [Handschrift]; jetzt in: MBW 14, S. 170185. Zwei Glaubensweisen, Zürich: Manesse 1950; jetzt in: MBW 9, S. 202-312.

2.4 Verwendete Literatur Die Apostolischen Väter, aus dem Griechischen übersetzt von Franz Zeller [Bibliothek der Kirchenväter, 1. Reihe, Band 35] München 1918. Augustinus, Contra duas epistolas Pelagianorum 4-4.7, CSEL 60, S. 527-528. Ders., De diversis Quaestionibus, LXVIII,3, in: Aurelius Augustinus, Dreiundachtzig verschiedene Fragen. De diversis Quaestionibus octoginta Tribus, Paderborn 1972. Ders., Des heiligen Kirchenvaters Aurelius Augustinus fünfzehn Bücher über die Dreieinigkeit, übers. und eingeleitet von Michael Schmaus, Bd. II. Ders., De libero arbitrio – Der freie Wille, zweisprachige Ausgabe, eingel., übers. und hrsg. von Johannes Brachtendorf, Paderborn u. a. 2006. Avot de-Rabbi Natan. Mahadurat Sh. S. Schechter; im tzionim le-maqbilot ben hanosachim u-le-tosfot sche-be-mahadurat Schechter [Hebr.], hrsg. von Salomon Schechter, New York 1997 [Nachdruck Wien 1887]. Baeck, Leo, Der Glaube des Paulus, in: ders., Paulus, die Pharisäer und das Neue Testament, Frankfurt a. M. 1961, S. [5]-37. Ders., Harnack’s Vorlesungen über das Wesen des Christenthums, in: Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums 45 [1901], S. 97-120. Balthasar, Hans Urs von, Martin Buber und das Christentum, in: Martin Buber, S. 330-345. Baur, Ferdinand Christian, Das Manichäische Religionssystem nach den Quellen neu untersucht und entwickelt, Hildesheim 1973 [Nachdruck Tübingen 1831]. Bergmann, Hugo, »Introductory Words«, in: Ya’acov Fleischmann, The Problem of Christianity in Jewish Thought from Mendelssohn to Rosenzweig [Hebräisch], Jerusalem 1964, S. 13-16. Ders., Prag [Hebräisch], in: Knesset: Writers Speak in Memory of H. N. Bialik, Tel Aviv 1954. Bousset, Wilhelm, Hauptprobleme der Gnosis, Göttingen 1907.

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421

zur Religionsgeschichte des Judentums und des Christentums, hrsg. von Gary Smith, Hildesheim u. a. 1997, S. 223-235.] Wiese, Christian, Wissenschaft des Judentums und Protestantische Theologie im wilhelminischen Deutschland. Ein Schrei ins Leere?, New York u. Tübingen 1999.

Glossar 1 Amoräer: rabbinischer Gelehrter, der in der ! Gemara als Autorität zitiert wird. Apokalyptik: von griech. »Entschleierung«; Literaturgattung, deren Thema die »Endzeit« ist und in der einzelnen Figuren (zumeist Gestalten der hebr. Bibel) göttliche Geheimnisse über den Geschichtsverlauf offenbart werden. Die meisten Werke stammen aus der Zeit 200 v. Chr. bis 100 n. Chr. Apokryphe: (von griech. apokryphos: »verborgen«): religiöse Schriften, die dem jeweiligen biblischen Kanon nicht zugerechnet werden. Chassidismus: durch Rabbi Israel ben Eliezer, gen. Baal Schem Tov (ca. 1700-1760) gegr. volkstümliche mystische Bewegung des Judentums; von Osteuropa ausgehend, verbreitete sie sich in der Diaspora ebenso wie im Staat Israel. Freies Jüdisches Lehrhaus: 1920 von Franz Rosenzweig in Frankfurt a. M. gegründete Bildungseinrichtung der Erwachsenenbildung. 1926/27 wurde der reguläre Lehrbetrieb aufgegeben. Im November 1933 unter dem Namen Jüdisches Lehrhaus wieder eröffnet; bestand bis 1938. Gemara: aram. »Abschluß [der Lehre]«; der spätere und weitaus größere Teil des ! Talmuds, der die ! Mischna erläutert und erörtert. Gnosis: griech. »Erkenntnis«; mystisch-philosophische Weltanschauung der neuplatonischen Schule bes. des ersten Jh. v. d. Z., die meist dualistisch zwischen Gottheit und Materie unterscheidet und sich von der Schau Gottes Einsicht in die Welt des Übersinnlichen erhofft; oft geprägt von großer Leibfeindlichkeit; Einfluss auf die spätere Entwicklung der christl. und jüd. Mystik. Halacha, halachisch: hebr. »Gang«; Bezeichnung des jüd. Religionsgesetzes, wie es die Rabbinen aus der Überlieferung entwickelt haben; die H. regelt das jüd. Leben in allen Einzelheiten. Kabbala: hebr. »Tradition«; Bezeichnung der jüd. Mystik des Mittelalters und der frühen Neuzeit, die sich durch theurgische Praktiken sowie Spekulationen über das innere Wesen Gottes und die Schöpfung der Welt auszeichnet; Buchstabendeutungen, -permutationen und Zahlenkombinationen stellen ihre wichtigsten hermeneutischen Techniken dar, die aus jedem Zeichen den verborgenen Sinn freilegen sollen; ihre Anhänger werden Kabbalisten genannt. Kawwana (Plural Kawwanot): hebr. »Ausrichtung«; die auf Gott gerichtete Intention bei der Ausführung einer (kultischen) Handlung, insbesondre des Gebets. Die Kawwana gewinnt eine zentrale Funktion in der jüd. Mystik. Midrasch: hebr. »Auslegung«, »Studium«. Eine der homiletischen Schriftauslegung gewidmete, an Legenden, Parabeln, Gleichnissen und Weisheitssprüchen reiche, nachtalmudische Literaturgattung bzw. ein einzelnes Werk dieser Literaturgattung. 1.

Sofern der Begriff in den Schriften Bubers vorkommt, wird dessen Schreibweise übernommen. Alle anderen im Glossar angeführten hebräischen Begriffe folgen der für die MBW festgelegten Umschrift.

Glossar

423

Mischna: erste autoritative Sammlung des jüdischen Religionsgesetzes; redigiert um 200 n. Chr.; wird in der sog. ! Gemara kommentiert, mit der zusammen sie den ! Talmud bildet. Pharisäer, Pharisäertum: hebr. peruschim, »die Abgesonderten«; innerjüdische Gruppierung, welche die strenge Gesetzesobservanz betonte, in der konkreten Anwendung der Gebote aber lebenspraktisch vorging. Pseudepigraphen: antike Schriften, die unter falscher Verfasserangabe kursieren, teilweise irrtümlich, teilweise bewusst, um der Schrift mehr Autorität zu verleihen. Sanhedrin bzw. Synhedrion: der Hohe Rat in Jerusalem; 70 köpfiges Gremium; vom 2. Jh. v. Chr. bis zur Zerstörung des Tempels im Jahr 70 die oberste religiöse und politische Behörde des Judentums. Sohar: hebr. »Glanz«; das vom Ende des 13. Jahrhunderts stammende Hauptwerk der frühen ! Kabbala. Talmud: Bezeichnung von ! Mischna und ! Gemara, Hauptwerk der jüdischen Lehre und des Religionsgesetzes. Der maßgebliche babylonische Talmud wurde gegen Ende des 5. Jahrhunderts redigiert, der Jerusalemer Talmud ungefähr hundert Jahre zuvor. Tannait: rabbinischer Gelehrter, der in der ! Mischna als Autorität zitiert wird. T(h)ora: wörtl. Lehre; bezeichnet im engeren Sinn den Pentateuch (die fünf Bücher Moses), im weiteren Sinne die jüdische Glaubenslehre insgesamt.

Stellenregister Bibelstellen Hebräische Bibel (Altes Testament) Gen 1,2 1,27 1,31 2,2 2,7 3 3-5 3,14 3,23 4,5-7 4,6 f. 4,7 5,21-24 5,22-24 5,24 6,1-4 6,5 6,5-8 6,8 8,1 9,4 f. 11,1-9 12,1 15,6 18,1-15 18,16-33 18,25 28,18 f. Ex 3,2 3,4 3,14 4,22 14,31 15,18 18,11 19,3-6 19,5 19,5-6a 19,6 20,5

353 403 363 (2�) 367 360, 363 346, 404 369 365 264, 349 404 360 360 351 351, 402 351 368, 405 360, 364, 404 404 20, 360, 364 264, 348 358 392 352 59, 337, 339 341 356 382 386 367 367 349 (2�), 373, 402 392 (2�) 254, 337, 339 382 (3�), 406 340 382 383 406 382, 383 365

20,25 25,2 25,17 32 32,7-14 32,30-33,6 32,32 34,26 37,6

343 365 357 387 356 356 357, 376, 406 387 357

Lev 14,4 16 16,30 18,5 18,21 19,2 20,2-5 25 25,9

365 357 299, 375 256, 336, 337 398 390 398 390 383

Num 5,6 6,1-21 14,18 17,6-15 22-25 23,21

343 385 365, 371, 405 356 383 383, 406

Dtn 3,24 4,39 5,9 6,5 6,6 6,8 7,9 8,6 10,12 11,22 15,1-15 19,9 21,23 26,17 26,64 27,6 28,6 30,12 f. 30,14

348 340 (2�) 365 363, 406 339 405 340, 400 371, 405 390 390 390 405 359, 403 390 398 343 364, 404 256 256

32 33,5 34,9

382 23, 382 (2�), 383 (2�), 406 384, 406

Ri 1,27-36 2,8-22 3,7-11 4,3 6-8 6,6 6,14 6,34 8,22 8,23 9 9,8-15 10,10 13-16 13,4-6 13,18 14,6 14,19 15,14 17-21 17,6 21,25

384 384 384 406 385 406 396 394 (2�) 384 384 384, 385 406 406 385 385 393 394 (2�) 394 (2�) 394 (2�) 385, 386 406 406

I Sam 2 2,1-10 2,1-11 2,3 2,5 2,8 2,9 2,10 2,25 4,1-7,1 7,2-12 7,2-17 8 8,1 8,1-3 8,3 8,4-9 8,5

24,311 389, 407 388 390 390 390 (2�) 390 311, 389,390 (2�) 375 386 406 385 382 406 386 386 386 386, 406

425

Stellenregister 8,5 f. 8,7 8,7-9 8,9 8,16 8,19 8,20 8,22 9,15 f. 9,16 10,6

385, 387 386 389 386 308 387 407 386 386 382, 386, 387 214, 309, 353, 394 (3�) 10,10 394 (2�) 11 385 11,6 394 (2�) 12,3 378 12,5 378 13 385 13,19-22 385 15 309, 386 15,1-3 387 15,9 387 15,11 387 15,12-16,35 387 16,1 387, 388 16,13 394 16,14 386, 394 16,6 378 22 386 24,7 378, 389 24,11 378, 389 26,9 378, 389 26,11 378, 389 26,16 378, 389 26,23 378, 389 29,4 367 31 387 II Sam 1,14 1,16 7 7,5 7,11b-14a 7,12 f. 7,14 8,18 12 23 23,1-7 23,1-8 23,3-7 23,2 f.

378 378 312 391 407 391 352, 391, 392 383 388 24, 311, 312 390 389 407 391

23,3 23,4 23,5 23,6 23,7 24,1-17 24,17

392, 396, 407 391, 392 (2�) 391 (2�), 392 (2�) 392 24, 392 (2�) 356 356

I Kön 4,5 8,46 8,61 11,4 19,4

383 286, 360 255, 340 (2�) 340 353

II Kön 5,15 17,13 Jes 2,2 6,3 6,13 7,9 8,14 9 9,1-6 9,1 9,3 9,5 9,6 11 11,1-6a 11,2 11,3 11,3 f. 11,11-16 26,21 28,16 30,1 31,6 45,1 45,6 f. 45,7

340 334

393 11 395 (2�) 339 256 22, 314 407 392 392 392 (3�) 392 (2�) 22, 314 407 394, 407 393 394 395 264, 348 256, 340, 401 381 334 395, 397, 407 17 347, 349, 369, 397, 405, 407 46,3 395 49,2 397, 407 52 115 52,13-53,12 356 52-53 19, 99 53 22, 24, 317, 403

53,4 53,4 f. 53,5 53,11 53,11 f. 53,12 55,8 57,19 63,16 64,7 Jer 1,5

395 407 395 116, 276, 376 282, 300, 357, 358 359 337 374 402 402

2,3 3,14 3,19 3,22 14,8 15,18 17,13 18,11 23,5 f. 25,5 32,25

356, 396, 403, 405, 407 392, 407 334, 374, 406 392 334, 371 374 388 350, 374 334 388 334 398

Ez 14,6 18,30 33,11 36,25 f.

334 334 334 374, 405

Hos 11,1 14,2 14,2 f.

313, 392 (2�) 373, 405 334

Joel 2,13

334

Am 5,4 9,11

371 380

Hab 1,6 2,4

Sach 1,3 f.

376 253 (2�), 336 (3�), 340 (2�), 376 334

426

Stellenregister

3,1 f. 9,12

367 334

Mal 3,7

334

Ps 2

103,14 109,6 112,7 115,8 f. 119 119,10 128,1

105 (2�), 106, 227, 271, 313 261, 352 (2�), 353, 391, 401, 402, 407 255, 340 377 377 262, 345 377 261, 345 401 21, 156 157, 291 (2�), 365 365 404 365 365 371 377 21, 150 289, 364 (2�) 21, 175 371 21, 149, 288, 358 363 (2�), 404 367 376 376 21, 151 364 405

Hi 1-2 6,29

367 334

Rut 1,11 f.

334

Pred 3,2 12,7

367 367

2,7 16,8 21,8 28,7 31,6 37,3 45,7 f. 45,8b 51 51,7 51,9 51,9-15 51,12 51,15 60,14 84,13 86 86,11 90 90,2 f. 103

Dan 2 7,9 7,13 7,13 f.

373 351 359, 396 283, 318

I Chr 21,1

367

II Chr 19 19,9 20,20

66 340 (2�), 255 254, 340 (2�)

Neues Testament Mt 1,21 3,2 3,2 f. 3,7 3,10 3,13-15 3,17 4,1 4,7 4,17 5 5,17 5,17-19 5,17-20 5,19 5,21 5,27 5,27 f. 9,2 9,2 ff. 9,5-7 9,6 10,1 10,7 11,7-14 11,12 12,28 16,3 ff. 16,13-20 16,16 18,3 20,28 20,29 21,43 22,37-40

374 334, 378, 406 334 350, 378 407 353 353 353 378 257, 334, 378 48 258, 337 73, 343 342 342 343 343 343 358 283 358 403 341 378, 378 342 257, 341, 342 (2�) 378 323 334, 397 335 378 356 281 378 337

24,30 26,26 26,28 Mk 1,4 1,9 1,11 1,15

324, 397 358 358

11,24 13,26 14,22 14,25 14,62

334 353 353 53, 250, 334 (3�), 342, 378 378 358 403 378 378 334, 397 251, 334 251, 334 378 19, 276, 281, 356, 358, 359 251, 334 397 358 378 397

Lk 3 3,3 3,7 3,21 3,22 6,20 7 7,28 7,47 9,18-20 9,20 9,62 10,9 10,11 11,20 13,3 13,5 13,18 13,28 f. 14,15 15,7 15,10 16,16 17,20 f. 18,16

352 334 350, 402 353 353 (2�) 378 132 378 19, 359, 403 334, 397 334 378 378 (2�) 378 (2�) 378 334 334 378 378 378 334 334 341, 378 378 378

1,16 2,5 2,11 4,26 6,12 8,27-30 8,29 9,23 10,14 10,45

427

Stellenregister 19,11 21,27 21,31 21,40 22,16 22,18 22,19 23,46 24,21 24,47

378 403 378 358 378 378 19, 358 262 283, 358 358

Joh 1,1-3 1,3 3,1-8 3,1-21 3,16 3,18 3,31 6,38 6,38 ff. 6,41 6,42 6,51 6,69 12,31 14,6 14,30 16,11

345 261 335 335 252, 335 259, 335, 341 274, 354 355 274 274 274, 355 274 251, 334 361, 366, 404 376 (2�), 406 361, 366, 404 361, 366, 404

Apg 2,17 2,36 2,38 3,19 3,20 5,30 5,31 6,1-8,3 7,59 8,9-25 8,10 13,33 17,30 20,28 22,3 26,20 Röm 1,17 3,24 3,25 3,28

393 354 (2�) 334, 374 334, 378 379 354 354 (2�) 345 345 355 355 353, 391 324, 397 261 337, 341, 362 378, 398 336 276 356, 357 16, 253, 337

4,5 5,6 5,8 5,12 5,13 5,13 f. 5,18 5,18 ff. 5,20 7 7,14 7,14 ff. 7,18 7,18 f. 7,19 7,22 7,22 f. 8,3 8,32 9,15-23 9,22 9,30-10,3 9,30-10,10 9,32 10,4 10,10 14,17 16,20

337 359 359 288, 362, 363 286 360 141, 360 286 286 (2�), 360 367 360 287, 290 360 361 364 267 350 354, 403 359, 398 350 267 341 256 341 341 341 378 371

1 Kor 1,9 1,30 4,20 5,5 5,19 6,15-20 8,5 8,6 15,1 15,3

344 344 378 371 276 361 260 261, 344, 345 262, 345 359 (2�), 403

2 Kor 2,11 3 4,4 5,15 5,17 5,19 5,21 11,14

371 145 361 356, 359 352, 375 284, 356, 359 284, 359 371

Gal 3,11 3,12 3,13 4,4 6,15

16, 253, 335, 336 336, 337 284, 359 354 352, 375

Eph 1,3 1,17 5,2 6,12

260, 344 260 356, 359 361

Phil 2,5 2,6 2,9 3,5

261, 275 356 356, 403 337

Kol 1,15 2,13 ff. 2,14

261, 345 283, 359 359

1 Thess 1,9 1,10 2,18 4,17

283 359 371 359

2 Thess 2,1-12

371

1 Tim 6,14-16 6,16

260 344

2 Tim 3,1

393

Tit 1,1-3 2,11 2,13

401 345 261, 345

Hebr 1 1,1-4 1,2 1,2 f. 1,3 1,3 f.

80, 260, 261 403 393, 401 356 401 345

428 1,5 1,8 5,5 9,5 10,38 11,1 11,6 2 Petr 3,3 Apk 3,14 10,6

Stellenregister 261, 392 345 392 357 336 15, 251, 252, 335 15, 251, 335 393 261 361, 397, 401, 407

Außerkanonische Schriften ApkMos 32,2

369, 405

2Bar 18,1 f. 48,24 54,15 54,19 56,6 57,2 59,2 61,7

369 370 295, 369 295 295, 370 296 296 296

Sir 15,14 15,14 f. 15,15-17 17,7 25,24 1Hen 6-10 37-71 51,3 52,4 62,7

294 166, 368 405 368 166, 294, 368 (2�)

105,2

368, 405 351 (2�) 17, 104, 269 104 17, 104, 269, 270, 352, 354, 355 17, 104 269 104 351 17, 104, 270, 271, 274, 351, 352 (2�), 355 17, 104, 270

3Hen § 5-13

351

69,27 69,27 ff. 69,29 70-71 71,14

Rabbinische Literatur Mischna

4Esr 1,20 3,20-22 4,26 5,127 ff. 7,111 f. 7,127-129 EvHebr 4Makk 1,1 17,22 SapSal 2 2,12 2,12 ff. 2,14-20

jTaan II,1; 65b,61-62 348, 401 Babylonischer Talmud bAS 22b 27a bBB 16a bBer 13a 15a 17a

365, 404 338 363

28a 32a 34b 54a 61a

338 339, 400 338, 375, 400, 406 344 (2�) 376 374, 405 361, 363, 404 362, 363

bBM 107a

364, 404

bChag 12a 14a 14b 15a

371, 405 354 353 374 (2�), 405

bGit 56a-b

338

296 370 369 296 370 370

mAv II,17 IV,2-3

343, 401 339

bHor 10b

338

mBer II,2

378, 379

bJev 46a-b 103b

353 365, 404

108, 272, 353, 354, 402

mJoma VIII,8-9 VIII,9

bJoma 29a 38b 72b 86b

343, 401 354, 363, 375, 403, 406 344 373, 405

Jerusalemer Talmud

bMen 110a

339 (2�)

jChag 9a, 2:1

bNas 23b

343, 401

357 276, 357 mSan VI,2 99 17, 351 (2�) 269 351

359 350, 354, 372, 374, 375, 402, 403 (2�), 406 359, 371

353

429

Stellenregister 32b

338

bNed 41a

358, 403

XII,9 XXI,7 XXXIX,6 LXXIII,3

bNid 30b

364, 404

EkhaR I, zu Klgl 1,6

371

WaR Emor, XXVII,4 367

bPes 50b 54a

338 371, 405

MekhJ Bachodesch 5 Bachodesch 11 Beschalach 6 Schira 1

350, 366 343 338 343, 401

Andere Werke

bQid 30b bRHSh 16b-17b 28a bSan 107b 102a bShab 89b 116b 146a 152b bSota 14a 22b

Jalq Be-schalach 240:2 338 Eqev, 865 362 Micha, 551:1 401

Sforno zu Gen 3,1

365

363, 404 348 338 343 371 376 342 365 (2�), 404 367 357, 376, 390, 406 344

Tosefta tChag 2,2

352 349 352 349, 401

353

MTeh zu Ps 19,14 371 zu Ps 86,11 364, 404 PesR 40

375, 406

PesK 23,3 24,11

348 348, 401

ShemR III,6 XXXII,1

Augustinus Contra duas epistolas Pelagianorum 4-4.7 362 De diversis Quaestionibus LXVIII,3 362 De libero arbitrio III,56 362

348 365

SifDev Eqev, § 45 362, 363 Ha’azinu, § 312 365 Wa’etchanan, § 31 365 Wezot ha-berakha, § 343,4 365, 366

Targum, Midrasch, Sammelwerke

Tan Bereschit, I,7 363 Lekh lekha zu Gen 12,1 352

ARN A IV,5

349 (2�)

Tan (Buber) Naso 19

ARN B VIII

349 (2�)

BerR IX,7 XII,15 XIV,3-5 XIV,6

363 348 361, 363 366

371, 405

Midrasch Aggada Exodus; Va’era Kapitel VI; 2:2 349 MTann zu Dtn 3,24 zu Dtn 11,18

Antike Werke

348 362

De trinitate XIII,12-15 359, 404 Justin Apologie I,13 I,26 I,56

341 355 355

Dialog mit Tryphon Kap 56 341 Hirt des Hermas II, Gebot 9:9 370, 371, 405 Irenäus Adversus haereses I, III, Kap 1,1 352 III, 3,1-3 352 III, Kap 18,7 376 Origenes Commentarii in Matthaeum XVI,8 367

430

Stellenregister

Contra Celsum V,39 357 VI,78 356

Philon Leben Moses II, § 94-96 357

Ovid Metamorphosen VII,20 f. 364

Quaestiones in genesim II, § 62 357

Kitzur Schulchan aruch Orach Chajjim Siman 1 340

Sachregister Abendland 219-220, 221, 310 Abendmahl 131, 358 Abraham 58, 63, 105, 106, 115, 158, 205, 253, 271, 276, 291, 352, 366, 392 Adam 20, 138, 146, 147, 156, 159, 164, 170171, 285-286, 288, 295-296, 367, 370 Adonis 82, 103, 346 Adoptianismus 105, 110, 271, 352 Ägypten 218, 234, 309, 313, 316 Ahas 64 Altes Testament, siehe Bibel, hebräische Anarchie 214, 216 Antike 167, 243, 294, 322 Apokalypse 169-170, 245, 319, 324 –, christliche 320 –, jüdische 244-245, 248, 323, 325 Apokalypsis Mosis 171, 369 Apokryphen 17, 101, 174, 294, 344, 397 Apostelgeschichte 81 Assimilation, religiöse 29 Astrologie 124 Auferstehung 103, 109, 273 Augenblick 174, 295, 297

–, Der Gesalbte 21, 382 –, Der Glaube der Propheten 21, 368, 394395, 396 –, Kirche, Staat, Volk, Judentum 36, 375 –, Königtum Gottes 21, 379, 381, 382, 385, 398 –, Pharisäertum 25 –, Prophetie, Apokalyptik und die geschichtliche Stunde 396 –, Die Stunde und die Erkenntnis 40 –, Zwei Glaubensweisen 13, 14, 25, 41-44, 46, 48, 330, 332, 333-335, 336, 342, 345, 347, 351, 396 Buch Daniel 201, 318 Buch Henoch 17, 99, 104-105, 106, 110, 113, 166, 201, 269-270, 294, 350, 397 Buch Jesaja 22, 24 Buch Josua 22 Buch Könige 23 Buch Richter 22, 23, 212-215, 228, 308-309, 384, 388, 394 Buch Samuel 22, 23-24, 207, 215, 221, 222, 311, 385, 388

Babylon 218-219, 234, 235, 309, 316, 387, 397 Baeck, Leo –, Das Wesen des Judentums 30-31 Baruch Apokalypse 201, 295-296 Begegnung 118, 238, 277, 315, 318-319 Bergpredigt 16, 73-75, 258, 342 Bibel, hebräische 17, 18, 21, 23, 37, 54-56, 59, 65, 70, 83, 95, 96, 99, 107, 115, 129, 133, 137, 149, 157, 161-162, 175, 181, 188, 199, 216, 219, 230, 232, 250, 262, 271, 281, 292, 315, 336, 367, 383, 388 Bibelforschung 29, 198, 303 Bileam 209, 306 Böse, das 17, 20, 84, 91, 96, 100, 122-123, 125-126, 143, 144, 146, 150-152, 155, 159, 161, 165, 170, 172, 241, 263, 265, 269, 279-280, 287-289, 292, 346, 396 Bote, siehe Engel Brunner, Emil –, Der Mittler 46, 401 Buber, Martin –, Bilder von Gut und Böse 346, 396 –, Drei Reden über das Judentum 12, 47, 346

Chassidismus 153, 178, 181, 337 Christentum 11-12, 15-16, 18-20, 22, 26, 29, 31, 33, 39, 42, 45, 48, 52-54, 60, 82-85, 92-94, 98, 102, 104, 106, 109, 112, 114, 118, 128, 147, 162, 186, 192-195, 238240, 245-248, 250, 263, 268, 274, 281, 285, 292, 296, 302, 318, 325, 342 –, Entstehung des 42, 165, 167, 173, 239, 244, 294, 296 –, frühes 14, 41, 42, 44, 47, 49, 53, 55, 73, 79, 80, 101, 105, 108-109, 111, 113-114, 116, 119, 128, 130, 132, 168, 170, 239240, 270, 273-274, 281, 295, 319, 336 –, paulinisches 43, 46, 80, 345 –, Ur-, siehe Christentum, frühes Christologie 79, 85 –, frühe 80 Christus 16, 17, 18, 20, 24, 27, 46, 70-71, 79-81, 83, 103, 111, 115, 116, 133, 135136, 143, 165, 167, 176, 182, 184-185, 194, 251, 259-262, 272-273, 275-276, 284 Dämonie 98 Daniel 134, 237, 283

432 Deuterojesaja 17, 245, 263, 347, 394,396 Dialog, jüdisch-christlicher 26, 32, 39 Dualismus 92, 144, 165, 169, 280 –, gnostischer 17, 24, 47 –, griechischer 168, 287 –, paulinischer 20, 145, 287 –, persischer 84-85, 125, 145, 168-169, 294, 346 –, platonischer 144 Ehre Gottes 92, 94, 265-266, 402 Elia 107, 164 Elohim 88 Emunah (Vertrauen) 16, 43, 45, 54, 57-60, 63, 336 Endzeit 100 Engel, Bote 111-112, 161, 179, 260, 273, 292, 298, 367 –, gefallene 115, 275 Enterbungstheologie 11, 39 Entscheidung 147, 152, 154, 156, 169-170, 171-173, 186-188, 233, 241, 246, 288, 290-291, 295, 301, 316, 321, 324, 388, 395 Erbarmen 17, 87-90, 92, 95-97, 264-265, 267, 276 Erbsünde, siehe Sünde, Erb- 19 Erlöser, siehe Messias Erlösung 15, 18, 19-21, 85, 97-98, 104, 118, 119-122, 124, 126-130, 133, 136, 138139, 142, 144, 156-157, 160, 162-163, 167, 173-174, 176, 183-184, 185, 192194, 197, 229, 232, 243, 247, 278-282, 292, 297-298, 322, 324-325 –, Gottes 126 –, persönliche 129 –, von der Sünde 133-134, 135, 281, 283 –, Welt- 100, 128, 129, 187, 229, 239, 300 Erlösungsbedürftigkeit 124-125, 126, 127 Eschatologie 198, 231, 240, 319-320 Eucharistie 358 Eva 158-159, 171 Evangelien 29, 30, 79, 100, 107 –, synoptische 14, 16, 18, 43, 53, 54, 239, 245, 319, 323, 334 Exil, babylonisches 235-236, 243, 317, 322, 347, 397 Fleisch 144, 287-288 Freiburger Münster 11 Freies Jüdisches Lehrhaus 12, 25, 33-34, 3639, 330

Sachregister Freiheit 143, 148, 186, 196, 241-242, 301, 303, 321 Gebet 60, 63 Gebote 16 Geist, Ruach 124, 144, 231-232, 280, 353, 394 –, Gottes 144, 272, 315 –, heiliger 63-64, 82, 83, 108, 240, 254, 272, 320 Gerechte, der, siehe Zaddik Gerechtigkeit 234 Gericht 17, 56-57, 65, 78, 87-90, 92, 96-97, 100, 252, 264-265, 267 Gesalbter 100, 105, 194, 197, 223, 228, 235236, 241, 244 Gesetz 16, 19, 27, 43, 57-59, 62, 70-72, 7475, 77, 78, 92, 135-136, 141-144, 165, 172, 252-259, 267, 284, 286-288, 293, 296, 299, 335-336, 370, 372 –, Versachlichung des 16, 73, 75, 258, 259 Gideon 213, 237, 380, 384-385, 396 Glaube 14, 55, 58-60, 63, 65-66, 70, 72, 215-216, 247, 251-254, 256-257, 283, 325 –, biblischer 78 –, christlicher 30, 52, 54, 68, 78, 86, 259260, 263 –, an Christus 70-71, 257 –, jüdischer 15, 52, 68, 82, 90, 91, 169, 173, 174, 250, 259, 263, 297 –, messianischer 22, 205-206, 242, 248, 325 Gnade 97-98, 142, 176-177, 179, 182, 264, 291, 298 Gnosis 21, 244, 323, 347, 355 Gott 21, 57, 66-67, 85, 87-90, 92, 96-98, 103, 130, 136, 150, 161, 169, 175, 178, 196, 211, 214, 217, 226, 232-233, 247, 268, 272, 276, 292, 297-298 –, Allmacht 232-233 –, des Alten Testaments 17, 85-86, 94 –, Einheit 84, 169, 263-265 –, Existenz 55 –, der Gnade 17, 83-84 –, und Mensch 91, 93, 97-98, 116, 118, 153, 155, 157, 162, 167, 176, 197, 266, 267, 277, 303, 308 –, des Neuen Testaments 85 –, richtender 83 –, des Zorns 83-84, 85, 92-95, 265-266, 349 Gottesherrschaft 216, 223-236, 242 Gottesknecht 24, 99, 115, 129, 236-237, 243, 245, 269, 276, 281, 317, 322, 323-324

Sachregister Gottesreich 25, 71, 218, 224, 230, 240, 243244, 257, 309, 312, 315, 322, 326, 381 Gottessohn, Sohnschaft 17-18, 98-99, 101, 104-105, 107-108, 110-112, 114, 118, 144, 160, 228, 268, 270-271, 273, 275, 292 Gressmann, Hugo –, Der Messias 198, 303, 315, 380, 392 Griechen 68-69, 82, 262 Gute, das 84, 87, 125-126, 143, 151-152, 155, 165, 241, 263-264, 287, 289, 293, 346 Habakuk 57, 65, 336, 376 Halacha 70, 76, 341 Hanna 222-223, 311 Harnack, Adolf von –, Das Wesen des Christentums 30 Hebräerbrief 14, 54, 80, 114, 345 Hebräerevangelium 108, 272, 353 Heidentum 191, 331 Hellenismus 103, 124, 168, 279 Henoch 100, 101, 113, 269-271, 350 Hirt des Hermas 173, 370 Intention, siehe Kawannah Israel 37, 66, 70, 93, 106, 117, 158, 159, 195, 202, 204, 207, 209, 218, 227-228, 233234, 243, 248, 256, 271, 277, 288, 305306, 313, 315-317, 321-322, 325, 365, 388, 392, 395 Jakob 158 Jerobeam 175 Jesus Sirach 158, 166, 167, 294, 366 Jezer hara, siehe Trieb, böser Johannesapokalypse 145, 240, 295, 320, 396-397 Johannesevangelium 14, 20, 43, 54-56, 112, 114, 145, 160, 185, 251, 260, 272, 274, 300, 334, 402 Josua 211, 307, 380, 384 Jotamfabel 213, 384 Der Jude 11, 46 Juden 69-70, 82 –, deutsche 28, 37, 40 Judenchristen 82, 192, 239-240, 262, 319320 Judentum 11-12, 17, 18-20, 26, 33, 37, 39, 45, 46, 48, 52-53, 54, 56, 60, 72, 73, 75, 82, 84, 87, 89, 92-93, 98, 101, 103-104, 109, 112, 118, 142-143, 154, 161, 163, 167-168, 178, 190, 192-194, 238-239, 243, 246, 248, 250, 252, 256, 263-264,

433 266, 268, 277, 285, 293, 297, 302, 318, 320, 322, 372, 396 –, apokalyptisches 239, 319 –, biblisches 20, 22, 23, 25, 41, 55-56, 59 –, deutsches 38 –, modernes 12, 34, 46-49 –, nachbiblisches 17, 89 –, talmudisches, rabbinisches 17, 22, 31, 84, 85, 96, 101, 263, 289, 337, 366 –, zur Zeit des Zweiten Tempels 14, 15, 16, 45 Jüdisches Lehrhaus 330-331, 376 Kabbala 100 –, lurianische 337, 349 Kafka, Franz –, Der Prozeß 46 –, Das Schloß 46 Kain 139, 285 Kawannah (Intention) 16, 59, 61-63, 69, 72-75, 78, 255-257, 337 Knecht, leidender, siehe Gottesknecht Königsbereich 205, 208, 306 Königtum Gottes 22, 71, 74, 187, 193, 195197, 203, 207, 209-211, 213-214, 217, 225, 228, 232, 241, 247, 257-258, 301, 302-303, 305-307, 309, 315, 320-321, 326, 378, 381 Die Kreatur 35 Leben, ewiges 103 Lehre –, altpersische 91, 265 –, christliche 24, 159, 171, 297 –, gnostische 126 –, Jesu 19, 132, 281 –, jüdische 142-143, 169, 272 –, marcionische 91, 263 –, paulinische 134, 142-143, 165, 167, 173, 284, 293, 296 –, talmudische 165, 174, 288, 293-294, 297 Leid 91, 118, 129-130, 236-238, 243, 245, 282, 304, 317 Leiden Jesu 133 Leidenschaft 150, 152, 165, 288-289, 395 Lukasevangelium 106, 128 Manichäismus 145, 287, 361 Marcionismus 44, 47, 347 Matthäusevangelium 16 Mensch 76, 97, 125, 143, 146-147, 154, 157, 162, 165, 185, 196, 243, 272, 290, 293, 316

434 –, biblischer 90, 264-265 –, jüdischer 90, 293 –, messianischer 238, 239, 270, 301, 310, 318 –, primitiver 242 –, vollendeter 108, 110 Menschensohn 100, 106-107, 114, 129, 237, 269, 271, 281, 318, 351 Messias, Erlöser, Gesalbter 16, 24, 48, 54, 70, 76, 79, 100, 109, 113, 115, 130, 145146, 187, 195, 196, 207, 214, 221, 228220, 230-231, 236-237, 242, 260, 273, 276, 301, 302-303, 313-315, 317, 319, 322, 372, 394 –, Präexistenz des 100, 105, 237, 261, 318 Messianismus 15, 21, 22-24, 200, 202, 214, 221, 239-240, 242-243, 305, 310-311, 320 –, biblischer 202-203, 206, 213, 239, 305, 319 –, christlicher 21, 24, 112, 193, 203, 238, 248, 302, 325 –, iranischer 243-244, 322 –, jüdischer 24, 110, 113, 193-195, 197, 198, 205, 238-239, 241, 302, 318, 325 Mithras 82, 103, 346 Mittler, Mittlertum 69, 79, 92-94, 118, 144, 185, 265-266, 276-277, 300 Moloch 204, 381, 398 Monarchie, biblische 23 Monotheismus, ethischer 147 –, jüdischer 87 Moses 23, 63, 74, 88, 91, 95, 141, 173, 175, 184, 211, 227, 254, 265, 286, 296-297, 300, 307, 357, 367, 369, 381 Nasiräer 385 Nathan 312, 388 Neues Testament 14, 29, 37, 53-55, 94, 99, 107, 116, 135, 145, 160, 169, 192, 195, 227, 232, 240, 250, 263, 266, 269, 272, 302, 320, 337, 354, 357, 393, 397 Noah 88, 140-141, 155, 286, 290 Offenbarung 187, 211, 242, 373, 394 Opfer 115, 246 –, Kindes- 246, 324, 398 –, stellvertretendes 115, 276 Opferdienst 63, 73, 93, 255 Opferkult 59, 73, 258, 309 Opfertier 93, 266 Pantheismus 89, 264 Paradies 147, 148, 175, 202

Sachregister Paulus –, Briefe 14, 16, 55, 251 –, Brief an Timotheus 81 –, Brief an Titus 81 –, Epheserbrief 116 –, Galatherbrief 57, 112, 135 –, Kolosserbrief 135 –, Korintherbrief 116 –, Römerbrief 59, 112, 117 –, Thessalonicherbrief 134 Pelagianismus 162-163, 292-293, 367 Pharisäer 29, 60, 70, 74, 77, 255, 337 Philister 214, 217, 308, 385, 386 Philo –, Leben Moses 117 Philosophie 124 Pistis (Glaube) 16, 43, 45, 336 Plato –, Politeia 222, 389 Propheten 58, 73, 108, 114, 169-170, 188, 199, 221, 225, 229, 230-232, 234-235, 242, 253, 258, 272, 295, 310, 312, 315317, 322, 342, 388, 393 Protestantismus 32 –, liberaler 28 Reformation 131, 160, 292 Reich Gottes, siehe Gottesreich Reich, messianisches 162, 199 Religion, indische 246 –, iranische, siehe auch Dualismus, persischer 168, 240, 241, 246, 294, 319, 320, 345, 347, 396 –, semitische 246, 324 –, vorderasiatische 167-168, 294 Rest, heiliger 235-237, 243, 317, 322 Richter 215-217, 231, 234, 272, 307 Richtung 151-152, 154, 165, 166, 175, 289290, 293 Ritual 73 Rosenzweig, Franz –, Apologetisches Denken 33 –, Atheistische Theologie 32, 33 –, Stern der Erlösung 32, 350 Salbung 109, 110, 218-220, 223-224, 228, 230-231, 235, 240-242, 301, 302, 309310, 320, 322 Salomo 66, 164, 230, 255, 259 Samuel 214, 216, 220, 223, 308-311, 385386, 387-388 Satan 20, 134, 145, 160-161, 173-174, 287, 292, 296-297, 365, 367

Sachregister Saul 23, 194, 214, 220, 309-310, 386, 387, 388 Schauspiel 139 Schicksal 123-124, 138, 279 Schlechte, das 122 Schöpfung 80, 97, 105, 106, 146, 156, 175, 180, 182, 202, 233, 241-242, 268, 303304, 316, 321, 325, 395 –, Neu- 105 –, Vollendung der 186 Seele 185-186, 300-301, 325 Septuaginta 79, 109, 194, 335, 344, 350, 354, 378, 393 Simson 214, 308, 385, 393 Sintflut 88, 140, 155, 264, 286, 290 Sühnung 103 Sünde 18, 148 19, 20, 76, 96, 103-104, 115116, 125, 128-129, 132-133, 134, 135138, 140-143, 148, 154, 156, 158, 164165, 168, 170-173, 175, 192-194, 241, 259, 267, 280, 283-287, 290-291, 293, 295-296, 300, 321 –, Erb- 19, 20, 95, 137, 140, 146-147, 154157, 159, 162, 163, 166, 241, 286, 288, 290-291, 292, 321, 366, 397 –, Ur- 137 Sündenfall 19, 95-96, 98, 137, 140, 157, 166, 170, 241, 268, 285-286, 290, 321 Sündenstand 19, 20, 98, 125, 132, 134, 136137, 141-144, 147-148, 154-156, 164, 170, 172, 174, 183, 268, 280, 283-284, 286, 288, 290, 293, 295, 300 Tal, Uriel 153 –, Christians and Jews in Germany 28 Talmud 63, 74-75, 76, 132, 148, 153, 258, 290 Tauchbad 93, 106, 181, 271, 352-353 Taufe 106-107, 109, 142, 271, 273, 284, 286, 402 –, Jesu 110, 281 Theokratie 207, 214, 215, 216, 234, 236, 308, 383 –, primitive 242, 316-317, 321 –, reflektierte 236, 243, 322 Theologie –, christliche 26, 27, 71, 74, 145, 173, 287 –, jüdische 32

435 –, paulinische 17, 79, 85 –, protestantische 30, 94, 246, 266, 324 Tikkun 93, 349 Tod 123, 125, 130, 144, 148, 154, 166, 279 Tod Jesu 134, 160, 291, 366 Tora 15, 57, 58, 73, 74-75, 149-150, 159, 171, 183, 223, 253, 258-259, 288, 295, 299, 311, 335-336, 371 Tragödie, griechische 138-139, 142, 285, 287 Trieb –, böser (Jezer hara) 20, 140, 146-147, 149150, 152, 156-158, 161, 172, 288, 261, 362, 365, 395 –, guter 20 Übel 84, 86-87, 91, 122-123, 170, 241, 264265, 279, 295-296 Umkehr 53-54, 57, 71-72, 93, 96-98, 157158, 169, 175-176, 178, 180-181, 184, 246, 257, 267-268, 284, 298-300, 307, 324, 334, 349, 371 Vätersprüche 75 Verein Bar Kochba 47 Verhängnis 121, 138-139, 155, 278, 279 Vertrauen, siehe auch Emunah 65, 252-254 Völker, abendländische 82-83, 85, 262 Vollendung 118, 120, 155, 186-187, 196, 200, 211, 239, 278, 303-304, 320, 325 Wahrheit 178-179 Weisheit Salomos 99, 101, 104, 109, 269, 270, 350, 397 Welt 130, 175, 186, 196, 279, 281 Weltgeschichte 210, 225, 244 Werke 58, 60, 70, 254-255 Widerspruch 86, 90, 121, 123, 125, 130, 155, 163, 187, 196, 201, 232, 236, 237238, 245, 265, 279, 280, 300 Wille –, freier 20, 148 –, Gottes 166 Zaddik (Gerechter) 57, 65, 99, 153, 253, 264, 269, 290 Zeitalter, messianisches 225, 304

Personenregister Abbaje (280-339): Amoräer der 4. Generation; Diskussionspartner ! Rabas. 344 Acher ! Elischa ben Abuja. Ahas (ca. 755-715 v. Chr.): König von Juda seit ca. 735 v. Chr.; wurde assyrischer Vasall und führte im Tempel assyrische Kultpraktiken ein. 64, 339 Akiba ben Joseph, Rabbi (ca. 50-136): paläst. Tannait der 2. Generation; bes. bedeutungsvoll für die Ausbildung der halachischen Tradition; unterstützte den ! Bar Kochba-Aufstand gegen Rom (132-135); erlitt den Märtyrertod; sehr volkstümliche Figur. 93, 182, 266, 272, 299, 339, 350 Anselm von Canterbury (um 1033-1109): Frühscholastiker; 1060 Eintritt in die Benediktiner-Abtei Le Bec; 1097 Erzbischof von Canterbury; im englischen Investiturstreit ins Exil gezwungen; 1494 heiliggesprochen. 160, 291, 366 Augustinus (354-430): Bischof von Hippo; Kirchenvater und Philosoph; zunächst Manichäer, dann stark vom Neuplatonismus beeinflusst; 387 Taufe. Wichtige Werke: De civitate (Vom Gottesstaat) und Confessiones (Bekenntnisse); starker Einfluss auf ! Martin Luther. 147-148, 288, 362, 367 Baeck, Leo (1873-1956): dt. Rabbiner und führender Vertreter des liberalen Judentums in Deutschland; seit 1912 Gemeinderabbiner in Berlin; bis zur Schließung der Berliner Gemeinde 1942 Dozent an der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums; ab 1933 Präsident der Reichsvertretung der deutschen Juden; 1943 Deportation nach Theresienstadt; 1945 Emigration nach London; 1947 gründete er das später nach ihm benannte Leo Baeck Institut: Institut zur Erforschung des Judentums in Deutschland seit der Aufklärung; nach 1945 intensive Bemühungen um den Dialog und die Versöhnung zwischen Juden und Christen. 25, 30-32, 37, 372 Balthasar, Hans Urs von (1905-1988): schweiz. kath. Theologe; einer der geistigen Wegbereiter des Zweiten Vatikanischen Konzils. 43 Baumgartner, Walter (1887-1970): schweiz. ev. Alttestamentler und hebr. Altphilologe; 1920 Prof. in Gießen; 1929-1958 Prof. in Basel. 380 Ben Asai, eigentlich Simon ben Asai (2. Jh.): paläst. Tannait der 2./3. Generation, aber nicht ordiniert; gerühmt für seine Gelehrsamkeit; Diskussionspartner ! Rabbi Akibas. 63, 339 Bergmann, Shmuel Hugo (1883-1975): österr. Philosoph und Zionist; Mitglied des Vereins jüdischer Hochschüler Bar Kochba in Prag; Freund Bubers und ! Gershom Scholems; 1920 Emigration nach Palästina; erster Direktor der Jüdischen Nationalbibliothek; ab 1935 Prof. für moderne Philosophie an der Hebräischen Universität Jerusalem, deren Rektor er 1935-1938 war. 11, 12, 43, 49 Birnbaum, Nathan; Pseud. Mathias Acher und Pantarhei (1864-1937): östr. Schriftsteller und früher zionistischer Aktivist; 1882 Mitbegründer der ersten jüd.-nat.

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Studentenorganisation Kadimah; ab 1885 Gründer und Hrsg. der Zeitschrift Selbstemanzipation; um die Jahrhundertwende wichtiger zionist. Theoretiker, dem Kulturzionismus Achad Ha’ams zugeneigt; später Vertreter eines jüd. Diaspora-Nationalismus; machte sich für die Belange der jidd. Sprache und Kultur stark; 1919 Generalsekretär der orthodoxen Vereinigung Agudat Israel; 1933 Emigration in die die Niederlande. 27, 372 Bousset, Wilhelm (1865-1920): ev. Neutestamentler, seit 1896 Prof. in Göttingen; seit 1916 in Gießen; 1915 in die Göttinger Akademie der Wissenschaften gewählt. 355 Brod, Max (1884-1968): östr.-jüd. Schriftsteller aus Prag, Mitglied des Vereins Jüdischer Hochschüler Bar Kochba in Prag; Theater- und Musikkritiker; 1939 Emigration nach Palästina; Dramaturg der Habima in Tel Aviv; eng mit ! Franz Kafka befreundet und erster Herausgeber seiner Romane. 43, 46, 49, 372 Brunner, Emil (1889-1966): schweiz. prot. Theologe; Vertreter der Dialektischen Theologie. 43-44, 46, 265, 266, 401 Caspari, Wilhelm (1876-1947): ev. Alttestamentler; 1915 Prof. in Breslau und seit 1922 in Kiel; Mitglied der Bekennenden Kirche; seit 1935/36 beurlaubt; seit 1945 wieder als Prof. in Kiel tätig. 379 Celsus (2. Hälfte des 2. Jh.): heidnischer Platoniker, Diskussionspartner des ! Origenes. 114, 355 Cohen, Hermann (1842-1918): dt.-jüd. Philosoph; Hauptvertreter des Marburger Neokantianismus und einer der wichtigsten Vertreter der jüd. Philosophie des 20. Jh.; von 1876-1912 Professor der Philosophie an der Universität Marburg; 1919 erscheint posthum sein Hauptwerk Religion der Vernunft aus den Quellen des Judentums. 177, 372 Cyrus, auch Kyros II. (590/580-530 v. Chr.): pers. König; Begründer des altpersischen Reiches; erlaubte den Juden die Rückkehr aus dem babylonischen Exil und den Wiederaufbau des Tempels. 235-236, 395 David (11./10. Jh. v. Chr.): nach Saul zweiter König Israels. Seine Dynastie herrschte im Südreich Juda bis zu dessen Untergang. Der Messias soll nach traditionell jüd. Anschauung von ihm abstammen. 75-76, 105, 115, 175, 194, 222-223, 225-227, 228, 237, 259, 276, 311-313, 318, 386, 388, 391, 392 Ehrenberg, Rudolf (1884-1969): dt. Biologe und Physiologe; 1921 Prof. in Göttingen; 1935 als »Mischling« in der Ruhestand versetzt; 1944/45 Zwangsarbeit; 1945 rehabilitiert; ev. Cousin ! Franz Rosenzweigs, mit dem er befreundet war und mit dem er in regem gedanklichem Austausch stand. 334 Eißfeldt, Otto (1887-1973): dt.-prot. Theologe, Religionswissenschaftler und Alttestamentler. Elbogen, Ismar (1874-1943): dt.-jüd. Judaist, unterrichtend und leitend tätig in der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums in Berlin; Mitarbeit an den Lexika

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Jüdisches Lexikon, Encyklopaedia Judaica und Germania Judaica; 1938 Emigration in die USA; Verfasser des Standardwerkes Der jüdische Gottesdienst in seiner geschichtlichen Entwicklung. 380 Elis(ch)a ben Abuja (1. Jh. n. Chr.): Tannait; erhielt nach seiner Abkehr vom Judentum den Beinamen »Acher« (= der Andere); Lehrer des Rabbi ! Meïr. 180, 181, 299, 374 Flusser, David (1917-2000): jüd. Religionswissenschaftler; erforschte das Neue Testament im Hinblick auf seinen rabbinischen Hintergrund unter Heranziehung der Schriften von Qumran. 45, 48 Friedrich I. (1826-1907): Großherzog von Baden. 373 Gam(a)liel der Ältere, Rabban (lebte zur Zeit Jesu): Enkel von Hillel; Angehöriger der Pharisäer, Vorsitzender des Synhedrions, des obersten jüdischen religiösen und politischen Rates. 70, 341, 362 Gam(a)liel II. (2. Hälfte des 1. Jh.): Vorsitzender des Synhedrions seit ca. 80 n. Chr. 77 Geiger, Abraham (1810-1874): Reformrabbiner; Mitbegründer der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums in Berlin. 25, 29 Glatzer, Nahum Norbert (1903-1990): östr.-jüd. Religionsphilosoph, Freund Bubers und dessen Schüler an der Universität Frankfurt; 1938 Emigration in die USA; von 1950-1973 Professor an der Brandeis University. 37 Goethe, Johann Wolfgang (1749-1832): Dichter und Universalgelehrter der dt. Klassik. 74 Gregor VII. (1025/30-1085): Papst seit 1073, abgesetzt 1085; forderte 1075 in den Dictatus Papae die Vorrangstellung der geistlichen über die weltliche Macht, was den Investiturstreit eskalieren ließ. 220, 387 Gressmann, Hugo (1877-1927): dt.-prot. Theologe, Vertreter der religionsgeschichtlichen Schule. 198-199, 230, 231, 330, 380 Hadrian oder Publius Aelius Hadrianus (76-138 n. Chr.): röm. Kaiser von 117-138; nach dem Bar Kochba Aufstand versuchte er die jüd. Religion zu unterdrücken. 339 Hallo, Rudolf (1896-1933): Kunsthistoriker; nach ! Rosenzweigs Erkrankung leitete er 1922/23 das Freie Jüdische Lehrhaus; 1927-1933 Leiter der jüd. Abteilung des Hessischen Landesmuseum in Kassel. 34 Harnack, Adolf von (1851-1930): dt.-prot. Theologe; einer der bedeutendsten Kirchen- und Dogmenhistoriker des späten 19. und beginnenden 20. Jh. 25, 30-31, 85, 263, 347 Hechler, William Henry (1845-1931): anglikanischer Geistlicher; an der brit. Botschaft in Wien tätig; sympathisierte mit dem Zionismus und stellte den Kontakt zw. ! Theodor Herzl und dem deutschen Kaiser ! Wilhelm II. her; unterhielt freundschaftliche Kontakte zum jungen Buber. 373

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Heinrich IV. (1050-1106): dt. König seit 1056 und 1084-1105 Kaiser des Heiligen Römischen Reichs; im Investiturstreit schwerer Konflikt mit Papst ! Gregor VII., gegen den er sich durchsetzte. 220, 387 Herrmann, Leo (1888-1951): östr. Zionist; Mitglied des Vereins Jüdischer Hochschüler Bar Kochba in Prag; 1919 Auswanderung nach Palästina; Direktor des zionistischen Aufbau-Fonds Keren Hajessod. 47, 49 Herzl, Theodor (1860-1904): östr. Schriftsteller u. Journalist; Feuilletonredakteur der Wiener Neuen Freien Presse; Begründer des politischen Zionismus, für den er diplomatisch, literarisch, organisatorisch und publizistisch tätig war. 373 Hieronymus, Sophronius Eusebius (347-420): Kirchenvater, Theologe und Übersetzer der Bibel ins Lateinische (Vulgata). 353 Irenäus von Lyon (ca. 135-ca. 200): aus Smyrna stammender Kirchenvater und einer der ersten systematischen Theologen, Bischof in Lyon seit ca. 175. Seine wichtigste Schrift ist die fünfbändige Adversus haereses, in der er vor allem die gnostischen Lehren bekämpft. 103, 160, 184, 291, 352 Jehoschua ben Korcha (ca. 2. Hälfte des 2. Jh.): Tannait der 4. Generation . 378 Jeremia (Wirkungszeit 626-585 v. Chr.): bibl. Prophet, der sich dafür aussprach, die Hegemonie der Babylonier als von Gott gewünscht anzuerkennen und deshalb von der judäischen Oberschicht verfolgt wurde. Die Missachtung seines Rates führte zur Rebellion, die von Nebukadnezar niedergeschlagen wurde und die Zerstörung des Südreichs Juda und des Tempels zur Folge hatte. 221, 237, 318, 369 Jesaia/Jesaja (8. Jh. v. Chr.): bibl. Prophet in Juda; gehörte der oberen Gesellschaftsschicht an und besaß politischen Einfluss am Königshof. Der Großteil der ersten 40 Kapitel des Buches Jesaja wird ihm zugerechnet. 64, 230, 232, 235, 315 Jesus von Nazareth (ca. 5 v.-ca. 30 n. Chr.): zentrale Gründergestalt des Christentums. 14, 19, 27, 29, 30-31, 42, 44, 53, 54, 56, 58, 71-72, 73-75, 79, 101, 105, 109, 112-114, 128-134, 194-195, 245-246, 251, 253, 255, 257-260, 271-274, 281-283, 302, 323-324, 335, 341, 343, 352, 353, 355, 357, 358 Jizchak [Kalisch] von Worki (1779-1848): Zaddik in Worki (bei Warschau). 374. Joachim von Floris, auch Joachim von Fiore (ca. 1130/1135-1202): ital. Mystiker und Theologe; deutete durch allegorische Exegese den Aufbau der Bibel als Heilsgeschichte; entwickelte die Lehre von den drei Zeitaltern des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, welche großen Einfluss auf die verschiedensten häretischen Bewegungen gewann. 240, 320, 396 Jochanan ben Sakkai, Rabban (gest. ca. 90 n. Chr.): gilt als Schüler Hillels; Führungsrolle in der rabbinische Bewegung und Gründer der Gelehrtenschule von Jabne, die die religiöse Krise meisterte, die durch die Zerstörung des Zweiten Tempels ausgelöst wurde. 75, 93, 338, 343, 344, 349-350 Johannes der Täufer (ca. 1 v.-ca. 29 n. Chr.): Prophet, Bußprediger und Täufer des ! Jesus von Nazareth. 71, 94-95, 105, 112, 194, 246, 251, 266, 271, 274, 324, 353, 354, 378, 406

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Josaphat, auch Joschafat (9. Jh. v. Chr.): König von Juda ca. 873-849; soll heidnische Kultformen bekämpft haben. 66, 339 Josua ben Chananja (1./2. Jh.): Tannait, bedeutender Schüler des ! Jochanan ben Sakkai. 93, 349 Josua ben Levi (Anfang des 3. Jh.): paläst. Amoräer der 1. Generation, um den sich viele Sagen ranken. 89, 264 Justin (ca. 100-165): genannt »der Märtyrer«; christl. Märtyrer, Kirchenvater und Philosoph. 69, 344 Kafka, Franz (1883-1924): deutschsprachiger Schriftsteller; stand dem Prager Kreis um ! Max Brod, ! Felix Weltsch und Franz Werfel nahe; in Bubers Zeitschrift Der Jude erschienen kurze Erzählungen Kafkas. 12, 46 Kant, Immanuel (1724-1804): dt. Philosoph; Begründer der klassischen deutschen Philosophie. 137, 284 Keyserling, Hermann (1880-1946): Philosoph; Vertreter einer idealistischen, teleologisch-organischen Weltanschauung; Gründer der Schule der Weisheit. 377 Kittel, Gerhard (1888-1948): dt. prot. Theologe; seit 1926 Ordinarius für Neues Testament an der Universität Tübingen; 1933 Eintritt in die NSDAP; vertrat einen aggressiven völkischen Antisemitismus. 402 Koch, Richard (1882-1949): dt.-jüd. Arzt und Medizinhistoriker, Mitarbeiter am Freien Jüdischen Lehrhaus in Frankfurt am Main; 1926 außerordentlicher Prof. in Berlin; seit 1927 Mitgründer und Vorsteher des medizinhistorischen Instituts; 1933 entlassen; 1936 Flucht nach Belgien; seit 1937 im Kaukasus/Sowjetunion. 38, 41 Köhler, Ludwig (1880-1956): prot.-ref. Theologe, Alttestamentler und hebr. Altphilologe; 1908-1947 Prof. in Zürich. 379 Kohn, Hans (1891-1971): dt. Historiker und Politikwissenschaftler; Freund Martin Bubers; Mitglied im Verein jüdischer Hochschüler Bar Kochba; lebte in den 1920er Jahren in London u. Jerusalem, danach in den USA; 1930 erschien seine grundlegende Darstellung zu Bubers Leben und Werk Martin Buber. Sein Werk und seine Zeit. 12, 47, 49 Kracauer, Siegfried (1889-1966): dt.-jüd. Journalist, Soziologe und Filmkritiker; lehrte kurz am Freien Jüdischen Lehrhaus in Frankfurt am Main. 45 Lagarde, Paul de (1827-1891): dt. Kulturphilosoph; seit 1869 Lehrstuhl für orientalische Sprachen in Göttingen; Exponent des sich seit der Reichsgründung 1871 neu formierenden Antisemitismus. 390 Lohmeyer, Ernst (1890-1946): dt. prot. Theologe; Prof. für Neues Testament an der Universität Breslau; bezog öffentlich gegen den aufkommenden Nationalsozialismus Stellung; 1946 von den Sowjets erschossen. 266-267, 402 Luther, Martin (1483-1546): dt. Augustinermönch und Theologe; Urheber und prägender geistiger Kopf der Reformation. 77, 117, 131, 227, 252, 253, 357, 358, 363, 407

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Mani (ca. 216-276/277): Begründer des Manichäismus, einer synkretistischen, gnostisch geprägten Offenbarungsreligion. 145, 287, 361 Marcion (ca. 85-160): Schiffsreeder aus Kleinasien; 144 wegen Häresie exkommuniziert; Begründer der bis ins 6. Jh. bestehenden weit verbreiteten marciontischen Kirche; in seiner Lehre unterschied er zwei unversöhnliche Offenbarungsgottheiten: den »bekannten« strafenden Gott des Alten Testaments und den »fremden« Gott der Liebe und des Erbarmens, wie ihn Jesus verkündet. 17, 8586, 263, 347 Meïr, Rabbi (2. Jh.): bedeutender Tannait der 3./4. Generation; Schüler des ! R. Elis(ch)a ben Abuja und des ! R. Akiba. 63, 88, 182, 264, 375 Mensching, Gustav (1901-1978): dt. Religionswissenschaftler und ev. Theologe; 1927-1936 Prof. in Riga (Lettland); 1936-1972 in Bonn; 1946-48 Entzug der Lehrerlaubnis wegen Verbindungen zum Nationalsozialismus. 142, 330, 360 Michel, Ernst (1889-1964): dt. Soziologe; Mitarbeiter an der Zeitschrift Die Kreatur; führende Gestalt des linken Katholizismus; seit 1922 Dozent an der »Akademie der Arbeit« in Frankfurt und seit 1931 Honorarprofessor an der dortigen Universität; 1933 zwangspensioniert. Mitarbeiter bei der Zeitschrift Die Kreatur; Briefpartner Bubers. 13, 332 Nero (37-68): röm. Kaiser seit 54; seit 59 Anzeichen des Cäsarenwahns; 64 initiierte er die erste systematische Christenverfolgung. 114, 355 Origenes (ca. 185-254): christlicher Gelehrter, Philosoph und einflussreicher griech. Kirchenschriftsteller; streng asketisch lebend; Leiter der alexandrinischen Schule; wegen Selbstkastration 219 exkommuniziert; danach Gründung einer eigenen Schule in Cäsarea; seine Bibelausgabe der Hexapla (hebr. Urtext und 5 griech. Übers.) zeigt textkritisches Verständnis; »origenistische Streitigkeiten« um seine Schriften bis ins 9. Jh. 114, 160, 355 Ovadia ben Ja’akov Sforno (1475-1550): ital.-jüd. Rabbiner, und Arzt; sein Bibelkommentar beruht überwiegend auf dem gewöhnlichen Wortsinn und ist eher rationalistisch als kabbalistisch orientiert; als Hebraist Lehrer des Johannes Reuchlin. 365 Ovid, eigentlich Publius Ovidius Naso (43 v. Chr.-17 n. Chr.): röm. Dichter; Autor der Metamorphosen. 155, 364 Paulus (ca. 10-65): christl. Apostel der Heidenmission, der vom Verfolger zum eifrigen Verbreiter der neuen Lehre wurde; nach seiner Interpretation des Evangeliums gilt das jüdische »Gesetz« als aufgehoben. 15, 16, 17, 19, 27, 31, 43, 57, 58, 60, 61, 63, 69-71, 77, 79, 81, 95, 105, 133-138, 141-143-148, 155-157, 160, 173, 246, 252-253, 255-257, 260-261, 266-267, 270, 273, 283, 285-288, 290, 296-297, 324, 335, 337, 345, 362, 401 Pelagius (vor 384-418/422): engl. Mönch und Kirchenschriftsteller, zunächst in Rom, floh 410 vor der germanischen Invasion nach Karthago und Palästina, wo

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seine Lehren über die Willensfreiheit (Pelagianismus) bei ! Hieronymos und ! Augustin auf Widerstand stießen; Lehre 416 und 418 verworfen; danach von Kaiser Honorius verbannt. 367 Petrus (gest. 63/67?): der bedeutendste der zwölf Jünger Jesu und Apostel der gemäßigten Judenmission; nahm in der Urkirche eine Führungsrolle ein. 54, 109, 273, 323 Philo(n) von Alexandria (ca. 20-10 v. Chr.-ca. 40-50 n. Chr.): jüd.-hell. Philosoph und Vertreter der jüd. Gemeinde; allegorische Bibelauslegung; Einfluss auf die christl. Theologie. 117 Plato (ca. 428-348 v. Chr.): griech. Philosoph; Schüler des Sokrates und Lehrer des Aristoteles, einer der Begründer der abendländischen Metaphysik. 222, 389 Procksch, Otto (1874-1947): ev. Alttestamentler, seit 1906 Prof. in Greifswald; 1925-1939 in Erlangen. 226, 390 Przywara, Erich (1889-1972): dt. kath. Theologe, Jesuit und Philosoph. 372 Raba oder Rava (ca. 280-355): babylonischer Amoräer der 4. Generation; Diskussionspartner von Abbaje; die Halacha folgt zumeist Rabas Auslegung. 344 Rade, Martin (1857-1940): ev. Theologe und Pfarrer; 1904-1924 Prof. für systematische Theologie in Marburg; politisch aktiv (liberal); Vertreter des Kulturprotestantismus. 28 Rang, Florens Christian (1864-1924): dt. prot. Theologe und Schriftsteller; Mitglied des Forte-Kreises; Freund Bubers; rief in seiner Schrift Deutsche Bauhütte zu freiwilligen Reparationsleistungen an Belgien und Frankreich auf. 34-35, 330, 346347 Ratzabi, Schalom (geb. 1951): Judaist und Dichter; Prof. in Tel Aviv. 44, 48 Réveillère, Paul Emile (1829-1908): frz. Admiral und christlicher Pazifist. 346 Rosenstock-Huessy, Eugen (1888-1973): dt. Sprachphilosoph, Rechtshistoriker und Soziologe; Calvinist jüd. Herkunft; Gründer der Akademie der Arbeit in Frankfurt; Privatdozent der Rechtswissenschaft an der Universität Leipzig, wo er 1913 ! Franz Rosenzweig begegnete; 1916 Briefwechsel mit Rosenzweig über Judentum und Christentum Rosenzweig, Franz (1886-1929): dt.-jüd. Philosoph; übersetzte mit Buber die Bibel; seit Anfang der 1920er Jahre mit Buber befreundet; anders als dieser strebte er nach einer Erneuerung des Judentums unter Einbezug traditioneller religiöser Praxis. 11, 25, 32-33, 34, 37, 38, 45, 330, 334, 339, 350, 353, 372, 379, 382, 388, 391 Rothe, Richard (1799-1867): dt.-ev. Theologe; Vertreter des liberalen Protestantismus; Prof. für Neues Testament in Heidelberg seit 1837. 28 Samuel ben Nachman (3./4. Jh.): paläst. Amoräer der 2./3. Generation; u. a. Schüler des Josua ben Levi; mehr haggadische als halachische Beiträge zur jüd. Traditionsliteratur. 88

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Schafft, Hermann (1883-1959): dt.-ev. Theologe und Seelsorger; 1930-1932 Prof. für ev. Theologie an der Pädagogischen Hochschule Kassel; 1933 entlassen. 19, 34 Schechter, Solomon (1847-1915): US-amerik. Rabbiner moldawischer Herkunft; bedeutender Vertreter des konservativen Judentums; entdeckte 1896 in Kairo eine Sammlung von über hunderttausend hebräischen Handschriften, die die Kenntnisse zum mittelalterlichen Judentum revolutionierten. 367 Schmidt, Karl Ludwig (1891-1956): dt. prot. Theologe; seit 1925 Prof. für Neues Testament in Jena, seit 1929 in Bonn; Herausgeber der Theologischen Blätter; Mitbegründer der sog. formgeschichtlichen Methode; 1933 für die SPD in den Bonner Stadtrat gewählt; 1933 von den Nationalsozialisten abgesetzt, emigrierte er in die Schweiz; ab 1935 Prof. für Neues Testament an der Universität Basel. 36, 42 Schneider, Lambert (1900-1970): dt. Verleger aus katholischer Familie; Anreger der Buber-Rosenzweig Übersetzung der Bibel; von 1931 bis 1938 Leiter des Schocken Verlags; wichtigster Verleger der Schriften Bubers nach dem Zweiten Weltkrieg. 40 Scholem, Gershom (1897-1982): dt.-jüd. Religionshistoriker; in seiner Jugend von Buber beeinflusst; nahm später eine kritische Distanz zu ihm ein; Begründer der wissenschaftlichen Erforschung der jüd. Mystik; 1923 Emigration nach Palästina; 1925 Dozent für Judaistik, ab 1933 Prof. für Jüdische Mystik an der Hebräischen Universität Jerusalem. 43, 45 Schweitzer, Albert (1875-1965): dt. Arzt, Philosoph und prot. Theologe; 1913 Gründung des Tropenkrankenhauses in Lambarene; 1952 Friedensnobelpreis; mit Buber befreundet. 71, 130, 195, 281, 302, 341, 342, 379 Shakespeare, William (1564-1616): engl. Dichter. 139, 285 Simon ben Soma (2. Jh.): jung verstorbener Tannait der 2. Generation, Schüler des ! Josua ben Chananja. 353 Simon, Ernst Akiba (1899-1988): dt.-jüd. Historiker, Pädagoge, Religionsphilosoph; 1923-28 Redakteur der von Buber herausgegebenen Zeitschrift Der Jude; 1928 Emigration nach Palästina; ab 1939 Dozent für Geschichte und Philosophie der Pädagogik an der Hebräischen Universität Jerusalem; 1950-1967 Prof. der Pädagogik an der Hebräischen Universität Jerusalem. 33, 37, 38, 40, 371 Simon Magus (gest. 65): gilt als einer der ersten Häretiker der christlichen Kirche; ließ sich gemäß der überlieferten Anklagen u. a. als Gott in Menschengestalt von seinen Anhängern verehren. 113-114, 275, 355 Söderblom, Nathan (1866-1931): luth. Theologe, seit 1914 Erzbischof von Schweden und engagierter Förderer der ökumenischen Bewegung; Friedensnobelpreis 1930. 83, 346 Sokrates (469-399 v. Chr.): griech. Philosoph. 364 Stephanus (gest. ca. 40 n. Chr.): Diakon der christl. Urgemeinde von Jerusalem; erster christl. Märtyrer. 81, 262, 345 Strauss, David Friedrich (1808-1874): dt. Schriftsteller, Philosoph (Hegelianer) und prot. Theologe; mit der international bedeutsamen Studie Das Leben Jesu

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(1835) einer der Begründer der modernen, historischen Leben Jesu Forschung. 30 Strauss, Eduard (1876-1952): dt.-jüd. Chemiker und Religionswissenschaftler; Dozent am Freien Jüdischen Lehrhaus; 1938 Emigration nach New York. 34 Susman, Margarete (1872-1966): dt.-jüd. Philosophin und Journalistin; nach der NS-Machtergreifung Emigration in die Schweiz. 391 Thomas von Aquin (ca. 1225-1274): Dominikanermönch; Kirchenlehrer der kath. Kirche; bedeutendster Vertreter der Scholastik. 246, 324, 407 Tischendorf, Konstantin von (1815-1874): dt. Philologe und ev. Theologe; ab 1845 Prof. in Leipzig; entdeckte und edierte zahlreiche biblische Handschriften, und leistete wichtige Beiträge zur Textkritik, insbesondere des Neuen Testaments. 369 Vespasian (9-79 n. Chr.): röm. Feldherr und seit 69 röm. Kaiser; Oberbefehlshaber im 1. jüd.-röm. Krieg. 338 Weiß, Johannes (1863-1914): prot. Theologe und Bibelexeget; trug wesentlich zur Entwicklung der historisch-kritischen Methode bei. 74, 343 Weizsäcker, Viktor von (1886-1957): dt. Neurologe; lehrte an den Universitäten Heidelberg und Breslau; Mitbegründer der Psychosomatik und der anthropologischen Medizin; 1926-29 Mitherausgeber der Zeitschrift Die Kreatur zusammen mit Martin Buber und ! Joseph Wittig; ins Euthanasieprogramm der Nazis verstrickt. 35 Wellhausen, Julius (1844-1918): dt. ev. Theologe; Alttestamentler, Religionswissenschaftler und Semitist; nach Lehrstühlen in Greifswald, Halle und Marburg Prof. in Göttingen seit 1890; wichtigster Vertreter der modernen Bibelkritik in seiner Zeit. 379 Weltsch, Felix (1884-1964): 1910-1939 Bibliothekar an der Prager Deutschen Univ.; führender Zionist im deutschsprachigen Prager Judentum; 1939 Emigration nach Palästina; ab 1940 Bibliothekar an der Jüdischen National- und Universitätsbibliothek in Jerusalem. 49 Weltsch, Robert (1891-1982): östr. Publizist; Mitglied des Vereins Jüdischer Hochschüler Bar Kochba in Prag; 1919-1938 Chefredakteur der zionist. Wochenzeitung Jüdische Rundschau; 1939 Emigration nach Palästina, 1945 nach England; 1955 Leiter des dortigen Leo Baeck Instituts, dessen Yearbook er von 1956 bis 1978 herausgab. 12, 49 Werblowsky, R[aphael] J[ehuda] Zvi (1924-2015): jüd. Religionswissenschaftler; geb. in Deutschland; Flucht nach Palästina Ende des 1930er Jahre; 1956-1980 Prof. für Religionswissenschaften an der Hebräischen Universität Jerusalem. 43, 45 Wittig, Joseph (1879-1949): dt. kath. Kirchenhistoriker, Priester und Schriftsteller; 1926 exkommuniziert; 1926-1929 Mitherausgeber der Zeitschrift Die Kreatur zusammen mit Martin Buber und ! Viktor von Weizsäcker; 1948 Aufhebung der Exkommunikation. 35