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German Pages 597 Year 2016
Martin Buber Werkausgabe Im Auftrag der Philosophischen Fakultät der Heinrich Heine Universität Düsseldorf und der Israel Academy of Sciences and Humanities herausgegeben von Paul Mendes-Flohr und Bernd Witte
Gütersloher Verlagshaus
Martin Buber Werkausgabe 17 Chassidismus II Theoretische Schriften Herausgegeben, eingeleitet und kommentiert von Susanne Talabardon
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1. Auflage Copyright © 2016 by Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh, in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Copyright © 2016 Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh, Neumarkter Str. 28, 81673 München in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes Der Inhaltaußerhalb dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthältist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen unddurch die Einspeicherung und Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung unbefugte Verarbeitung in elektronischen Systemen. Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form,weist ist ausdrückDas Gütersloher Verlagshaus, Verlagsgruppe Random House GmbH, unddass kannimstrafzivilrechtliche sich lichuntersagt darauf hin, Textund enthaltene externeSanktionen Links vom nach Verlag nurziehen. bis zum Zeitpunkt der Buchveröffentlichung eingesehen werden konnten. Auf spätere Sollte diese Publikation aufkeinerlei Webseiten DritterEine enthalten, so übernehmen wir Veränderungen hat derLinks Verlag Einfluss. Haftung des Verlags für für deren Inhalte keineexterne Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern Links ist stets ausgeschlossen. lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen. Umschlaggestaltung: Init GmbH, Bielefeld Satz: SatzWeise GmbH, Trier Umschlaggestaltung: Init Kommunikationsdesign GmbH, Bad Oeynhausen Druck Einband: Hubert Co, Göttingen Satz: und SatzWeise GmbH, Bad&Wünnenberg Printed in Germany ISBN 978-3-641-24866-6 ISBN 978-3-579-02693-0 www.gtvh.de www.gtvh.de
Inhalt Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Mein Weg zum Chassidismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
41
Geleitwort [Geleitwort zu »Der große Maggid und seine Nachfolge«] . . . . .
53
Ein Wort über den Chassidismus . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Des Baal-Schem-Tow Unterweisung im Umgang mit Gott Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vom Erkennen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vom Eifer und vom Werk . . . . . . . . . . . . . . . . . Von den heiligen Funken und ihrer Erlösung . . . . . . . . Wie man dienen soll . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Ferne und Nähe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von der Heimlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ein Gleichnis vom Gebet . . . . . . . . . . . . . . . . . Von der wahren Ausrichtung . . . . . . . . . . . . . . . Von der Macht des Worts . . . . . . . . . . . . . . . . . Von der Hingabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von der Verbundenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von den ablenkenden Gedanken . . . . . . . . . . . . . . Von Gut und Böse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Von Hochmut und Demut . . . . . . . . . . . . . . . . . Von der zwiefältigen Bewegung . . . . . . . . . . . . . . Zur Erklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geleitwort zur Gesamtausgabe [Geleitwort zu »Die chassidischen Bücher«]
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99 101 103 105 107 109 110 111 112 113 114 115 116 117 119 120 122 123
. . . . . . . . . . . . 129
Der Chassidismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 Sinnbildliche und sakramentale Existenz im Judentum
. . . . . . 160
[Über den Chassidismus] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178
6
Inhalt
Die Idee der Erlösung im Chassidismus . . . . . . . . . . . . . . . 193 Der Ort des Chassidismus in der Religionsgeschichte . . . . . . . 204 Gottesliebe und Nächstenliebe im Chassidismus . . . . . . . . . . 217 Der Weg des Menschen nach der chassidischen Lehre . . . . . . . 233 Die chassidische Botschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 Zweiter Abschnitt Die Anfänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 Dritter Abschnitt Der Grundstein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 Sechster Abschnitt Gott und die Seele
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294
Der Chassidismus und der abendländische Mensch . . . . . . . . 304 Zur Darstellung des Chassidismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 Noch einiges zur Darstellung des Chassidismus . . . . . . . . . . 326 Vorwort [zu Werke, Dritter Band, »Schriften zum Chassidismus«]
333
Kommentar Editorische Notiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 Diakritische Zeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 Einzelkommentare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 557 Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 561 Glossar
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 571
Stellenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 574 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 577 Personenregister
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 584
Gesamtaufriss der Edition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 598
Vorbemerkung Der vorliegende Band ist der neunte, der nach der Übernahme der Arbeit an der Martin Buber Werkausgabe durch die Heinrich Heine Universität Düsseldorf publiziert werden kann. Er ist nach den neuen Editionskriterien gestaltet, wie sie erstmals in Band 9 der MBW angewandt und im vorliegenden Band in der Editorischen Notiz als Einleitung zum Kommentar erörtert werden. Bubers intensive, Zeit seines Lebens anhaltende Beschäftigung mit den Zeugnissen des Chassidismus führte zu einer reichhaltigen Produktion literarischer Bearbeitungen chassidischer Legenden. Die frühe Schaffensphase wird im Band MBW 16: Chassidismus I, die spätere, in der finalen Anthologie Die Erzählungen der Chassidim kulminierende, im Band MBW 18: Chassidismus III im Rahmen dieser Werkausgabe dokumentiert. Gegenstand des vorliegenden Bandes bilden indes Bubers theoretische Reflexionen zum Chassidismus, die als historischer und methodischer Rahmen der literarischen Bearbeitungen dienen. Bubers theoretische Schriften werden hier in ihrer chronologischen Abfolge wiedergegeben, so dass die geschichtliche Entwicklung zentraler Motive im zeithistorischen Kontext deutlich wird. Einen ersten, biographisch geprägten Überblick über Bubers Begegnungen mit dem Chassidismus und der Versuch, dessen theoretische Relevanz für die Gegenwart zu skizzieren, bietet die 1918 erschiene Schrift Mein Weg zum Chassidismus. Während der zwanziger Jahre versuchte Buber schließlich, in den umfangreichen Geleitworten, mit denen er die Bearbeitung chassidischer Erzählungen in Der große Maggid (1922) und Die chassidischen Bücher (1928) einleitete, das Phänomen der chassidischen Bewegung systematisch geistesgeschichtlich und religionsphilosophisch zu erschließen. Ihrer theoretischen Bedeutung wegen werden beide Geleitworte ohne die Legendensammlungen, denen sie vorangingen, im vorliegenden Band abgedruckt. Die Legenden selbst, die weitgehend in die finale Anthologie Die Erzählungen der Chassidim eingegangen sind, finden sich hingegen im Band 18 dieser Werkausgabe. Eine Besonderheit bildet die 1927 erschiene kleinere Schrift Des BaalSchem-Tow Unterweisung im Umgang mit Gott insofern, als hier theologische Lehrsprüche des Israel ben Elieser, genannt Baal-Schem-Tow versammelt sind, die Buber übersetzt und herausgegeben hat. Da jene Sammlung jedoch in Gestalt dieser theologischen Lehrreden Texte theoretischer Natur enthält, die zudem mit umfangreicheren deutenden Anmerkungen von Buber versehen worden sind, erschien es geboten, die
8
Vorbemerkung
Sammlung in den Band theoretischer Schriften statt in den Bänden mit den chassidischen Erzählungen unterzubringen. Die beiden öffentlichen Vorträge, die sich als Typoskriptmitschriften im Martin Buber Archiv erhalten haben, »Der Chassidismus« und »[Über den Chassidismus]«, bieten bislang unveröffentlichte Arbeiten Bubers, die, vermutlich in den 30er Jahren entstanden, sich an ein breiteres Publikum richteten. An ein eher religionswissenschaftliches Publikum war hingegen der im Eranos-Kreis gehaltene und wenig später zum eigenen Aufsatz ausgearbeitete Vortrag »Sinnbildliche und sakramentale Existenz im Judentum« adressiert. Nach dem Krieg fasste Buber seine theoretischen Arbeiten zum Chassidismus, unter Ergänzung der inzwischen nach seiner Vertreibung aus Deutschland auf Hebräisch veröffentlichten Aufsätze, zur Sammlung Die chassidische Botschaft zusammen, die 1952 erschienen ist. Da diese Sammlung einen Zeitraum von nahezu drei Dekaden umfasst, die früheren Arbeiten jedoch gekürzt aufgenommen wurden, haben sich die Herausgeber entschieden, gemäß den Editionsprinzipien der MBW, auf die Erstveröffentlichungen als Druckvorlage zurückzugreifen, und nur die zuvor unveröffentlichten Texte der Sammlung hier unter der Überschrift Die chassidische Botschaft wiederzugeben, dabei jedoch die Anordnung der in der Sammlung enthaltenen Titel abzubilden (vgl. S. 252 in diesem Band). Die letzte Phase der theoretischen Arbeiten Bubers zum Chassidismus ist durch die Auseinandersetzung mit Gershom Scholem und Rivka Schatz-Uffenheimer geprägt. Mit Bubers Antworten auf diese Kritik, unter dem Titel »Zur Darstellung des Chassidismus« und »Noch einiges zur Darstellung des Chassidismus«, schließt dieser Band. Die Israel Academy of Sciences and Humanities, deren erster Präsident Martin Buber war, hat im Jahre 2012 die Arbeit an der Werkausgabe als ein »highly important project« anerkannt und fördert sie seitdem mit einem jährlichen Beitrag. Ein Projekt wie diese Werkausgabe wäre ohne eine großzügige finanzielle Förderung nicht möglich. Wir danken dem Bundesministerium für Bildung und Forschung und der Gerda Henkel Stiftung für ihre nachhaltige Unterstützung. Nicht zuletzt sei der Heinrich Heine Universität Düsseldorf gedankt, die das Projekt logistisch und administrativ betreut. Düsseldorf, im Oktober 2017
Paul Mendes-Flohr, Bernd Witte
Dank Es ist eine schöne Sitte, an dieser Stelle den Menschen zu danken, die am Zustandekommen des Bandes maßgeblich beteiligt waren. Zunächst gilt mein Dank den beiden Herausgebern der Werkausgabe Martin Bubers, Paul Mendes-Flohr und Bernd Witte, für ihre Unterstützung und ermutigende Begleitung des Unternehmens – und nicht zuletzt dafür, etliches an Geduld und Vertrauen aufgebracht zu haben. Den Mitarbeiter/innen der Martin-Buber-Arbeitsstelle, namentlich Grazyna Jurewicz, Arne Taube und Simone Pöpl, danke ich von Herzen für die überaus professionelle und fürsorgliche Zusammenarbeit, die umfangreichen Recherchen und konstruktiven Vorschläge, ohne die der Band vermutlich nie hätte fertiggestellt werden können. Zudem hat sich Frau Pöpl durch die Übersetzung der hebräischen Texte dieses Bandes, die bisher nicht in Deutsch vorlagen, verdient gemacht. Das Projekt, die »theoretischen Schriften« Martin Bubers zum Chassidismus zusammenzustellen, zu kommentieren und wissenschaftlich aufzubereiten, erforderte umfangreiche Lektüre. Es war überwiegend ein spannendes Unterfangen, die Texte Bubers, seiner Zeitgenossen, Kontrahenten und Interpreten wieder oder neu zu lesen; eigene Gewissheiten zu hinterfragen und die Anregungen früherer Generationen von Chassidismus-Forschern aufzunehmen. Sie verfügten mitunter über eine Wissenschaftssprache literarischen Ranges, befleißigten sich einer heute kaum mehr praktizierten methodischen Waghalsigkeit – und hatten Wichtiges zu sagen. Man wünschte sich manches Mal das Selbstbewusstsein, den Anspruch und den Mut jener großen Gestalten vergangener Wissenschaft, der Gesellschaft etwas mitteilen zu wollen, das weit über das eigene Forschungsfeld hinausreicht. Diesen Aspekt des Schaffens Martin Bubers wieder zu entdecken: Auch darin liegt, neben vielem anderem, der besondere Wert dieser Werkausgabe. Bamberg, im Oktober 2017
Susanne Talabardon
Einleitung Der vorliegende Band bietet Martin Bubers ›theoretische‹ Schriften zum Chassidismus. Der Begriff ›theoretisch‹ beschreibt die Abgrenzung zu den Sammlungen chassidischer Legenden, von denen Martin Buber zahlreiche nacherzählt und herausgegeben hat. 1 Mittels der ›theoretischen‹ Schriften Martin Bubers lässt sich die Entwicklung seiner Auseinandersetzung mit dem Chassidismus biographisch nachvollziehen: von seiner frühen Begegnung über seine mystischen und philosophischen Reflexionen bis hin zu wiederholten Revisionen und Präzisierungen einstiger Überzeugungen und schließlich seiner publizistischen Auseinandersetzung mit Gershom Scholem (1897-1982). Um Martin Bubers Befassung mit dem osteuropäischen Chassidismus angemessen würdigen zu können, wird dessen dreifache Kontextualisierung vonnöten sein: Neben einer biographischen Verortung bedarf es einer historischen Bezugnahme auf das quälende Ringen um die deutsch-jüdische Identität eingangs des 20. Jahrhunderts, auf die intellektuelle Krise nach dem Ersten Weltkrieg und nicht zuletzt auf die Schoa. Schließlich muss es um eine Einbettung der »chassidischen« Texte in Bubers spirituelle und philosophische Konzepte gehen: Ohne eine Berücksichtigung dieser drei Perspektiven wird es kaum möglich sein, die Transformation(en) nachzuvollziehen, welche die chassidischen Meister in Martin Bubers ›theoretischen‹ Schriften zum Chassidismus erfuhren. Zuvor sollten einige Grundzüge der Entwicklung des osteuropäischen Chassidismus Erwähnung finden, wie sie in der gegenwärtigen Forschung – die wesentlich auf Gershom Scholem fußt – beschrieben werden. 2 Schon damit wird deutlich werden, dass Buber in seiner Darstellung des Chassidismus nicht, wie Scholem unterstellt, 3 auf eine religionshistorische Perspektive abzielt, sondern dass es ihm um eine religionsphilosophische, in jedem Fall auch um eine Aktualisierung dieser jüdischen Strömung zu tun ist. 1. 2.
3.
Diese sind Gegenstand der Bände MBW 16: Chassidismus I. Frühe Erzählungen und MBW 18: Chassidismus III. Die Erzählungen der Chassidim. Einige jüngere Überblicksdarstellungen zur Forschung: Glenn Dynner, Men of Silk: The Hasidic Conquest of Polish Jewish Society, Oxford u. New York 2006, S. 12-17; Rachel Elior, The Mystical Origins of Hasidism, Oxford u. Portland 2008, S. 4-6 u. 195-205; Immanuel Etkes, The Study of Hasidism: Past Trends and New Directions, in: Ada Rapoport-Albert (Hrsg.), Hasidism Reappraised, London u. Portland 1996, S. 447-464. Vgl. vor allem: Gershom Scholem, Martin Bubers Deutung des Chassidismus, in: Ders., Judaica 1, Frankfurt a. M. 1981, S. 165-206.
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Einleitung
1. Der osteuropäische Chassidismus: Steckbrief einer frühmodernen Strömung Der osteuropäische Chassidismus gehört zu den bedeutendsten jüdischen Reformströmungen der Frühen Neuzeit. Fast noch präziser als der Begriff »Reform«, vermag der englische Terminus revivalist movement auf den Punkt zu bringen, worum es den Begründern und Anhängern dieser Gruppierungen letztlich ging: nämlich darum, die gelehrten Eliten und die weniger gebildeten Menschen wieder im Kern jüdischen Lebens zusammenzuführen. Von jeher fragen sich Beobachter des Chassidismus, seien es Sympathisanten, Gegner oder Wissenschaftler, warum sich diese Strömung derart schnell verbreitete und bei weiten Teilen der jüdischen Bevölkerung Podoliens, Wolhyniens, Galiziens und Kleinpolens große Erfolge verzeichnen konnte. Es ist auch in der modernen Forschung zum Chassidismus noch umstritten, wie und warum eine religiöse Reformbewegung in kürzester Zeit die Strukturen des osteuropäischen Judentums revolutionieren konnte und wo die sozialen, spirituellen und ökonomischen Ursachen für diese Strömung zu suchen sind. Die Pioniere der wissenschaftlichen Erforschung des osteuropäischen Chassidismus wie Simon Dubnow (1860-1941), 4 Benzion Dinur (18841973) 5 oder Raphael Mahler (1899-1977) 6 deuteten dessen Entstehung, wie auch seinen Erfolg als ein Krisenphänomen. Dubnow entdeckte im (vermeintlichen) ökonomischen Niedergang der polnisch-jüdischen Ge4.
5.
6.
Vgl. sein immer noch häufig rezipiertes Standardwerk Geschichte des Chassidismus, 2 Bde., Jerusalem 1969. Die Ahnen der modernen Chassidismusforschung finden hier hauptsächlich deshalb Erwähnung, weil sich die deutschsprachige Buber-Rezeption so intensiv auf sie stützt. Das gilt insbesondere für Dubnows Werk, das in der gegenwärtigen wissenschaftlichen Diskussion jedoch keine Rolle mehr spielt. Auch Zeitgenossen und ›Vorläufer‹ Dubnows sahen in den Krisen des 17. und 18. Jahrhunderts die Ursache für die Entstehung des Chassidismus. Vgl. Micha Berdyczewski (bin Gorion), Vom östlichen Judentum. Religiöses, Literarisches, Politisches, Frankfurt a. M. 1918; Israel Günzig, Rabbi Israel Baal-Schem, der Stifter des Chassidismus: sein Leben und seine Lehre, Brünn 1908; Samuel Abba Horodezky, Mystisch-religiöse Strömungen unter den Juden in Polen, Leipzig 1924; Chaim Bogratschoff, Entstehung, Entwickelung und Prinzipien des Chassidismus, Berlin 1908; Jakub Isaak Niemirower, Chassidismus und Zaddikismus, Bukarest 1913 u. a. Benzion Dinur, The Origins of Hasidism and its Social and Messianic Foundations, in: Gershon D. Hundert (Hrsg.), Essential Papers on Hasidism: Origins to Present, New York 1991, S. 86-208; Dynner, Men of Silk, S. 12-17; Elior, The Mystical Origins of Hasidism, ebd. Raphael Mahler, Hasidism and the Jewish Enlightenment: Their Confrontation in Galicia and Poland in the first Half of the Nineteenth Century, Philadelphia 1985, hier vor allem S. 3-67.
Einleitung
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meinden im Gefolge der Chmielnicki-Massaker der Jahre 1648-1649 eine wesentliche Ursache für den beachtlichen Erfolg der chassidischen ›Erweckung‹. Weiterhin hätten der dramatische Zusammenbruch der sabbatianischen Bewegung und der Untergang der überregionalen jüdischen Selbstverwaltung von 1764/65 dazu beigetragen, das Vertrauen der jüdischen Massen in die Führungselite nachhaltig zu erschüttern. Schon die auf Dubnow, Dinur und Mahler folgende Generation von Gelehrten wie Jacob Katz (1904-1998) 7 oder Jeschajahu Schachar 8 relativierten diese Thesen. Katz kritisierte den in der älteren Krisentheorie behaupteten Zusammenhang zwischen sozio-ökonomischen Verwerfungen und der Entstehung einer derart komplexen Reformströmung als undifferenziert. Ihm zufolge reichte die Erosion traditioneller Strukturen innerhalb des polnisch-litauischen Judentums wesentlich tiefer: Im Grunde handle es sich vielmehr um den tiefgreifenden Vertrauensverlust hinsichtlich der kommunalen Institutionen. Der Schwund inneren Zusammenhalts könne, so Katz, zwar nicht die Entstehung des Chassidismus, wohl aber dessen enorme Verbreitung in einigen Regionen Ostund Ostmitteleuropas erklären. Die bislang jüngste Phase der historischen Nachfrage nach den Ursachen des Chassidismus wird durch Autoren wie Gershon D. Hundert, 9 Moshe Rosman 10 oder Glenn Dynner 11 geprägt. Nun erwiesen sich die älteren sozial-romantischen Erklärungsansätze ihrer Vor-Vorgänger endgültig als fragwürdig. Aufgrund nunmehr zugänglicher Quellen in ost/ mitteleuropäischen Archiven konnte gezeigt werden, dass die ökonomische Krise der jüdischen Gemeinschaft nach den Chmielnicki-Massakern zur Zeit der Entstehung des Chassidismus längst überwunden war. Zugleich wurde deutlich, dass die frühen chassidischen Meister keinesfalls Volkshelden waren, die aus den Reihen der verachteten jüdischen Massen erstanden. Vielmehr gehörten sie (genau wie ihre Gegner) der traditionell gebildeten gesellschaftlichen Elite an. In der modernen Forschung 7. Vgl. Jacob Katz, Tradition und Krise. Der Weg der jüdischen Gesellschaft in die Moderne, München 2002, S. 211-258. Das Buch, eines der bedeutendsten Werke der jüdischen Historiographie, erschien erstmals bereits 1958 in hebräischer Sprache. 8. Vgl. Jeschajahu Schachar, בקרת החברה והנהגת הציבור בסיפרות המוסר והדרוש בפולין ( המאה החשמונה עשרהCriticism of Society and Leadership in the Mussar and D’rush Literature in 18th Century Poland), Jerusalem 1992. Schachar weist nach, dass der Einsatz für soziale Belange, wie er in chassidischen Homilien zum Tragen kommt, nicht auffälliger ist als in der zeitgenössischen nichtchassidischen Literatur. 9. Vgl. unter anderem: Gershon D. Hundert, Jews in Poland-Lithuania in the Eighteenth Century, Berkeley u. Los Angeles 2006. 10. Moshe Rosman, Founder of Hasidism: A Quest for the Historical Ba’al Shem Tov, Berkeley 1996. 11. Dyner, Men of Silk.
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Einleitung
finden daher spirituelle und genuin ›religiöse‹ Gründe für Entstehung und Ausbreitung des Chassidismus weitaus mehr Berücksichtigung, als es in den vielen älteren Werken der Fall war. Bezieht man nämlich religionsgeschichtliche oder theologische Prämissen in die Betrachtung ein, ergibt sich eine dezidiert andere Perspektive auf die Entstehungsbedingungen jener osteuropäischen Reformströmung. In chassidischen Kreisen wird von jeher der gelehrte Autodidakt Israel ben Eli’eser Ba’al Schem Tov (1700-1760) als Begründer der Strömung betrachtet. 12 Der Titel Ba’al Schem Tov 13 verdeutlicht, dass Israel ben Eli’eser als ein »praktischer Kabbalist« tätig war. Steuerlisten aus den Czartoryski-Archiven bestätigen dies und belegen außerdem, dass der Besch“t sogar eigens Schreiber für die Anfertigung seiner Amulette beschäftigte. Als Ba’al Schem [Tov] wirkte er als Retter und Helfer in Not und Krankheit, der sich bei seinen Aktivitäten auf (kabbalistisch inspirierte) Gebete und Hilfsmittel, auf volksmedizinische Kuren und Rezepte sowie auf spirituelle, magische und mantische Handlungen und Präskripte stützte. 14 Während der letzten zwanzig Jahre seines Lebens (ca. 1740-1760) diente er als Gemeindekabbalist von Międzybozh, so dass er im gemeindeeigenen Haus des Ortes miet- und steuerfrei leben durfte. 15 Die Aufgabe eines solchen »Gemeindekabbalisten« bestand darin, mittels kontinuierlichen, kabbalistisch untersetzten Studiums und Gebets Segensströme auf die fragliche Gemeinde zu lenken. Der Umstand, dass der Besch“t überhaupt in ein solches Amt berufen wurde, deutet darauf hin, dass es ihm gelungen war, sich als Kabbalist zu etablieren. Zudem brachte er es fertig, einen Kreis von angesehenen Kabbalisten und talmudisch Gebildeten um sich zu scharen, obwohl er selbst vermutlich keiner angesehenen Gelehrtenfamilie entstammte. Das Leben des Ba’al Schem Tov, soweit man es überhaupt rekonstruieren kann, lässt also nicht auf einen sozialreformerischen Aufbruch, 12. Die kritische Forschung, allen voran Mosche Rosman, hat diese Ansicht massiv in Zweifel gezogen. Der Einfluss des Ba’al Schem Tov war tatsächlich auf einen kabbalistischen Zirkel von etwa fünfzehn (überwiegend gelehrten) Männern beschränkt. Vgl. aber Elior, The Mystical Origins of Hasidism, S. 65-71. 13. Der Ba’al Schem Tov (deutsch: Meister des Guten Namens, d. i. des heiligen Gottesnamens) wird häufig mit seinem Akronym Besch"t bezeichnet. 14. Vgl. Immanuel Etkes, The Besht: Magician, Mystic, and Leader, Brandeis 2004; Rachel Elior, Der Ba’al Schem Tov zwischen Magie und Mystik, in: Karl E. Grözinger (Hrsg.), Die Geschichten vom Ba’al Schem Tov, Schivche ha-Besch"t (ShB), Bd. 1, Wiesbaden 1997, S. XXXV-LV; sowie Ders., Jüdisches Denken. Theologie – Philosophie – Mystik, Bd. 2: Von der mittelalterlichen Kabbala zum Hasidismus, Darmstadt u. Frankfurt a. M. 2005, S. 709-807. 15. Vgl. Grözinger (Hrsg.), Die Geschichten vom Ba’al Schem Tov, S. XI f. und Rosman, Founder of Hasidism, passim.
Einleitung
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sondern eher auf eine situierte Existenz schließen, die geltende religiöse Maßstäbe respektierte. Die Ursachen dafür, dass der werdende Chassidismus in Israel ben Eli’eser seinen Begründer sah, müssen deshalb in seiner (charismatischen) Persönlichkeit – was schwer zu etablieren ist 16 – oder in seiner Lehre gesucht werden. Für Letzteres kann man immerhin einige Anhaltspunkte nachweisen. Die Lehre des Ba’al Schem Tov wurde in Sentenzen überliefert, welche sich verstreut in den Werken seiner Anhänger finden. Im Unterschied zu vielen seiner Zeitgenossen, wandte sich der Ba’al Schem Tov klar gegen die in den damaligen elitären kabbalistischen Zirkeln praktizierte harte Askese. Stattdessen propagierte er den Dienst am Ewigen in Freude. Zu diesem Ziel entwickelte er das Konzept einer Avoda be-Gaschmi’ut (עבודה בגשמיות/Gottesdienst in Körperlichkeit). Dieses besagt, dass die gesamte physische und soziale Existenz des Menschen als Raum spiritueller Aktivität gelten muss. Dem Ewigen sollte also nicht nur in den klassischen, eher intellektualistischen Formen des Gebets, des Gebots und des Studiums Heiliger Schriften gedient werden, sondern in jeder möglichen Form menschlichen Tuns. Zur Begründung seiner Idee einer Avoda be-Gaschmi’ut beschreibt der Besch“t die gesamte materiale Realität als vom Ewigen durchdrungen: Kein Ort sei leer von Gott. Insofern, als dass der Ewige in jedem Stück Realität: in jedem Gegenstand, Phänomen oder Lebewesen, aber auch in jedem Wort und jeder Handlung präsent sei, könne auch jedes Wort und jede Handlung zum Gottesdienst werden. Unabdingbare Voraussetzung dafür sei allerdings, dass der Mensch sein Bewusstsein auf ebendiese göttliche Präsenz unter der Oberfläche der Erscheinungen ausrichte. Die traditionellen Formen religiöser Aktivität – das Gebet, das Gebot und das Studium der Tora – wurden vom Ba’al Schem Tov nicht in Frage gestellt. Besondere Aufmerksamkeit widmete der Ba’al Schem Tov indessen dem Gebet. Manche der frühen chassidischen Quellen behaupten, die eigentliche Bedeutung des Besch“t habe in seiner besonderen, durch Gesten unterstützten Gebetspraxis bestanden. Er habe sie als wichtigstes Mittel zum Erreichen der Devequt ()דבקות, der Anhaftung des Menschen an die göttliche Wurzel in allen Dingen, verstanden. Die Neuorientierungen, die zum Verständnis der Entstehung des osteuropäischen Chassidismus beitragen können, wären demzufolge weniger im Leben, als in der Lehre und vermutlich auch in der konkreten spirituellen Praxis des Ba’al Schem Tov zu vermuten. Vergleichbare Feststellungen könnte man auch bezüglich der maßgeb16. Diesen Weg beschreitet Etkes, The Besht.
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lichen Gelehrten treffen, die der Ba’al Schem Tov in Międzybozh um sich geschart hatte. Nahezu alle von ihnen waren eigenständige und hervorragend (traditionell) gebildete Kabbalisten – also keineswegs »Jünger« oder Nachfolger, welche die Lehre ihres Meisters unverändert tradierten. Zwei von ihnen, nämlich Dov Ber Friedman, der »Große Maggid« von Międzyrzecz (starb 1772), und Jakob Joseph ha-Kohen Katz von Połonne (starb 1783), prägten den werdenden osteuropäischen Chassidismus in besonderer Weise. Dov Ber galt und gilt in der internen chassidischen Historiographie als der ›offizielle‹ Nachfolger des Ba’al Schem Tov. Bei ihm manifestieren sich die herausragende Gelehrsamkeit und die erstaunliche Unabhängigkeit von den Konzepten des Besch“t in besonderer Weise. Auch Dov Ber hinterließ keine eigenen Schriften. Seine Lehre findet sich in Mitschriften seiner Homilien, die postum zu Sammlungen kompiliert worden sind. 17 Als für die Entwicklung des osteuropäischen Chassidismus prägend erwies sich jedoch vor allem die Wirksamkeit des Dov Ber als Lehrer und Organisator der werdenden Strömung. An seinem Wohnort Międzyrzecz errichtete der Große Maggid eine Art Residenz, in der er seine Auffassungen verbreitete. Hunderte strömten vor allem an Schabbat und Festtag dorthin, um dessen Tora-Interpretationen zu hören. Der aus Belarus stammende Philosoph und Aufklärer Salomon Maimon (1754-1800), vermittelt in seiner Autobiographie 18 eine überaus wertvolle, wenn auch nicht besonders wohlwollende Darstellung der Vorgänge im Hause des Großen Maggid: Um diese Zeit warfen sich einige [unter den Chassidim] zu Stiftern einer neuen Sekte auf. Diese behaupteten: die wahre Form der Frömmigkeit bestehe keineswegs in Kasteiung des Körpers, wodurch zugleich die Seelenkräfte geschwächt und die zur Erkenntnis und Liebe Gottes nötige Seelenruhe zerstört werde; sondern umgekehrt, man müsse alle körperlichen Bedürfnisse befriedigen und von allen sinnlichen Vergnügungen soviel als zur Entwicklung unserer Gefühle nötig sei, Gebrauch zu machen suchen, indem Gott alles zu seiner Verherrlichung geschaffen habe. […] Ich beschloß daher, eine Reise nach M. zu unternehmen, wo sich der hohe Obere B. befand. […] Ich kam also am Sabbat zu diesem feierlichen Mahle und fand da eine große Anzahl ehrwürdiger Männer, die hier von verschie17. Deren erste und bekannteste erschien 1781 in Korzec und trägt den Titel Maggid Devaraw le-Ja’aqov ()מגיד דבריו ליעקב. Eine kritische Ausgabe des Werks erarbeitete die Scholem-Schülerin Rivka Schatz-Uffenheimer (Jerusalem 1976). Zu den kabbalistischen Konzeptionen des Großen Maggids vgl. Karl Grözinger, Jüdisches Denken, Bd. 2, S. 809-852, sowie Rivka Schatz-Uffenheimer, Hasidism as Mysticism: Quietistic Elements in Eighteenth Century Hasidic Thought, Princeton u. Jerusalem 1993. 18. Salomon Maimons Lebensgeschichte. Mit einer Einleitung und Anmerkungen neu hrsg. von Jakob Fromer, Zweite Auflage München 1911.
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denen Gegenden zusammengekommen waren. Endlich erschien auch der große Mann in einer ehrfurchteinflößenden Gestalt, in weißen Atlas gekleidet. Sogar seine Schuhe und Tabaksdose waren weiß (die weiße Farbe ist bei den Kabbalisten die Farbe der Gnade). Er gab einem jeden der Neuangekommenen sein Schalom, d. h. er begrüßte ihn. Man setzte sich zu Tische, und während der Mahlzeit herrschte eine feierliche Stille. Nachdem man abgespeiset hatte, stimmte der hohe Obere eine feierliche, den Geist erhebende Melodie an, hielt einige Zeit die Hand vor die Stirne und fing an zu rufen: Z. aus M.! M. aus R.! S. M. aus N. usw., alle Neuangekommenen bei ihren Namen und den Namen ihrer Wohnörter, worüber wir nicht wenig erstaunten. Jeder von uns sollte irgendeinen Vers aus der Heiligen Schrift hersagen. Es sagte jeder seinen Vers. Darauf fing der hohe Obere an, eine Predigt zu halten, der die besagten Verse zum Text dienen mußten, sodaß, obschon es aus ganz verschiedenen Büchern der Heiligen Schrift hergenommene unzusammenhängende Verse waren, er sie dennoch mit einer solchen Kunst verband, als wenn sie ein einziges Ganzes gewesen wären; und was noch sonderbarer war, jeder der Neuangekommenen glaubte, in dem Teile der Predigt, der auf seinem Verse beruhte, etwas zu finden, das sich besonders auf seine Herzensangelegenheiten beziehe. Wir gerieten also darüber, wie natürlich, in die größte Verwunderung. Es dauerte aber nicht lange, so fing ich schon an, von der hohen Meinung gegen diesen Obern und die ganze Gesellschaft überhaupt nachzulassen. 19
Junge, begabte Männer – zumeist wiederum Angehörige der gelehrten Elite – ließen sich von Dov Ber unterweisen und begründeten nach dessen Tod eigene Residenzen: Der Zaddik und sein »Hof« gestalteten sich letztlich nach dem Vorbild des Großen Maggid. Der Chassidismus wurde als eigenständige Strömung sichtbar. Die zweite prägende Persönlichkeit in der Entstehungsphase des Chassidismus war Jakob Josef ha-Kohen Katz von Połonne (starb 1783). Im Unterschied zu Dov Ber, den die »offizielle« chassidische Historiographie zum Nachfolger des Ba’al Schem Tov erhob, bildete Jakob Josef keine eigene Schule aus. Er verfasste jedoch das erste gedruckte »chassidische« Buch, die Toldot Ja’aqov Josef ( ;תולדות יעקב יוסףKorzecz 1780). In den Toldot entwickelte Jakob Josef nicht nur eine umfassende Kritik an der traditionellen jüdischen Führungselite, sondern lieferte gleichzeitig den theoretischen Unterbau für den Zaddik, die neue Führungsfigur der entstehenden Strömung. 20 Im Unterschied zu Dov Ber, zeigte sich Jakob Josef als bedeutender Tradent der Lehre seines Meisters. Die zahlreichen, sorgfältig gekennzeichneten Äußerungen des Besch“t, wie sie sich überall in den insgesamt vier Werken des Jakob Josef finden, 19. Ebd., S. 106-107. 20. Vgl. Grözinger, Jüdisches Denken, Bd. 2, S. 853-885, sowie Samuel H. Dresner, The Zaddik: The Doctrine of the Zaddik According to the Writings of Rabbi Yaakov Yosef of Polnoy, New York 1974 (Northvale 1994).
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belegen sein enges persönliches Verhältnis zu seinem spirituellen Mentor und Meister. Die drei formativen Persönlichkeiten des frühen Chassidismus präsentieren sich der Nachwelt in sehr unterschiedlicher Weise: Nur von Dov Ber und Jakob Josef besitzen wir umfassende theoretische Konzeptionen. Lediglich Jakob Josef hat diese zu Lebzeiten bewusst in Buchform niedergelegt. Während der Große Maggid und der Prediger von Połonne vor allem in ihren (übrigens überaus komplexen) kabbalistischen Homilien rezipiert wurden und werden, rankten sich um den Ba’al Schem Tov Myriaden von Legenden. Seine beiden Nachfolger – der Theoretiker sowie der Lehrer und Organisator der entstehenden Strömung – werden hingegen von der chassidischen Erzählliteratur deutlich sparsamer gefeiert. Nach dem Tode Dov Bers im Jahre 1772 kehrten dessen Schüler und Gefährten in ihre Heimatregionen zurück. Viele von ihnen begründeten nun eigene »chassidische« Residenzen und banden Anhänger an die eigene Person. Bald zeigten sich innerhalb der Strömung charakteristische Unterschiede und Eigenheiten, vor allem hinsichtlich der Profilierung des Zaddik-»amts« und seiner Funktion in der Gemeinschaft. Besonders augenfällig sind die Differenzen zwischen den kleinpolnisch-galizischen »praktischen« Zaddikim und den vornehmlich an spiritueller Führung orientierten »chassidischen« Gelehrten in Belarus und Litauen. Das könnte darin seine Ursache haben, dass den Chassidim insbesondere in Litauen erbitterter Widerstand entgegenschlug, während in Podolien und Wolhynien eine ruhigere Entwicklung zu verzeichnen war. Selbstverständlich machten sich auch die Teilungen Polens (1772, 1793 und 1795) bemerkbar, die im fraglichen Raum zu sehr unterschiedlichen Verwaltungssystemen führten. Ende des 18. Jahrhunderts schickte sich der Chassidismus an, sich zu institutionalisieren. Für diese organisatorische Verfestigung, welche mit einer enormen demographisch-geographischen Verbreitung des frühen Chassidismus einherging, erwiesen sich die neu entstehenden Konzeptionen des Zaddik als besonders wichtig. Unter ihnen zeigte sich der No’am Elimelekh (1788) des galizischen Rebben Elimelech von Lisensk als besonders einflussreich: Rabbi Elimelech von Lisensk (1717-1786), war das Musterbeispiel des osteuropäischen Chassidismus und der dortigen jüdischen Folklore, aber schuf zudem auch zweifelsohne einen Klassiker der chassidischen Literatur der dritten Generation. Dieser drückte dem sozial-spirituellen Antlitz des Chassidismus im Allgemeinen und dem polnischen Chassidismus im Besonderen seinen Stempel auf. Das Werk No’am Elimelekh war der erste literarische Ausdruck einer neuen Entwicklung in
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der Geschichte des Chassidismus – einer Entwicklung, die den Weg für eine Ausweitung des Chassidismus zu einer sozial-religiösen Massenbewegung bahnte. 21
Eine auffallende Vielfalt stellte die werdende Reformströmung auch hinsichtlich der in ihr gepflegten Nachfolgemodelle unter Beweis. In einigen Fällen begannen sich Dynastien von Zaddikim auszuprägen (vgl. Chaba“d-Lubawitsch und Czarnobyl). Die Mehrzahl der polnisch-galizischen sowie der podolisch-wolhynischen Gruppierungen folgte diesem Muster nicht. Hier etablierten sich entweder gar keine dauerhaften Strukturen oder die herausragenden Schüler eines verstorbenen Meisters setzten dessen Arbeit fort. Aus dem kleinen Kabbalistenzirkel um den Ba’al Schem Tov hatte sich in nicht einmal einhundert Jahren eine überaus vielgestaltige und machtvolle Strömung entwickelt, welche die spirituelle Praxis und die sozialen Strukturen eines großen Teils von Ostmitteleuropa revolutionierte. 22 2. Von der Hoffnung auf Erneuerung: Bubers frühe Sicht auf den osteuropäischen Chassidismus Die erste Begegnung Martin Bubers mit dem Chassidismus verlief, folgt man der Darstellung in seinem frühen Text »Mein Weg zum Chassidismus«, zwar nicht eben ersprießlich, war aber unbewusst nachhaltig. In Sadagóra, dem eindrucksvollen Hauptsitz der Rizhiner Dynastie, 23 erleb21. Mendel Piekarz, סמכות ואמונת צדיקים באספקלריית ספרותה של.ההנהגה החסידית ( החסידותThe Hasidic Leadership: Authority and Faith in Zaddikim as reflected in the Hasidic Literature), Jerusalem 1999, S. 136. 22. Einen instruktiven historischen Überblick zur Geschichte des Chassidismus bietet David Assaf, Hasidism: Historical Overview, in: YIVO Encyclopedia of Jews in Eastern Europe; http://www.yivoencyclopedia.org/article.aspx/Hasidism/Historical_ Over view. Zu einigen chassidischen Meistern der sog. Dritten Generation (nach dem Großen Maggid) vgl. Samuel H. Dresner, Levi Yitzhak of Berditchev. Portrait of a Hasidic Master, New York 1986; Dynner, Men of Silk, S. 25-88; Rachel Elior, Between Yesh and Ayin: The Doctrine of the Zaddik in the Works of Jacob Isaac, the Seer of Lublin, in: Ada Rapoport-Albert, Steven J. Zipperstein (Hrsg.), Jewish History: Essays in Honour of Chimen Abramsky, London 1988, S. 393-455; Dies., The Paradoxical Ascent to God: The Kabbalistic Theosophy of Habad Hasidism, Albany 1993; Louis Jacobs, The Doctrine of the Zaddik in the Thought of Elimelech of Lizhensk, Cincinatti 1978; Naftali Loewenthal, Communicating the Infinite: The Emergence of the Habad School, Chicago 1990. 23. Die von Israel Friedman von Rižin (1796-1850), einem Urenkel des Großen Maggid begründete chassidische Dynastie, gehörte zu den eher am »praktischen Zaddikismus« orientierten Formen des Chassidismus. Israel von Rižin und seine Residenz in Sadagóra repräsentierten den auf Pracht- und Machtenfaltung orientierten »königlichen Weg« in besonderer Weise. Die Söhne Israels begründeten ihrerseits bedeutende Dependancen (wie Buhuşi, Boyan, Czortków, Husiatyń und Ştefaneşti), wel-
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te er die chassidische Gemeinschaft als eine ebenso exotische wie anstößige Veranstaltung: Der Palast des Rebbe [sic!] in seiner effektvollen Pracht stieß mich ab. Das Bethaus der Chassidim mit seinen verzückten Betern befremdete mich. Aber als ich den Rebbe durch die Reihen der Harrenden schreiten sah, empfand ich: »Führer«, und als ich die Chassidim mit der Thora tanzen sah, empfand ich: »Gemeinde«. Damals ging mir eine Ahnung davon auf, daß gemeinsame Ehrfurcht und gemeinsame Seelenfreude die Grundlagen der echten Menschengemeinschaft sind. 24
Nachdem Buber – vierzehnjährig – das Haus seines Großvaters verlassen hatte, fühlte er sich »dem ganzen Judentum« entfremdet. 25 Erst die Begegnung mit der zionistischen Bewegung habe, so Buber in der Rückschau auf die ersten vierzig Jahre seines Lebens, eine »Wiederherstellung des Zusammenhangs, die erneute Einwurzelung in die [jüdische] Gemeinschaft« 26 bewirkt. Anders als viele seiner Mitstreiter, erblickte er im Zionismus weitaus mehr als eine national-emanzipatorische Bewegung. Ihm ging es nicht (nur) um ein »nationales Bekenntnis«, sondern schlicht und ergreifend um die Wiederentdeckung des »wahren Judentums«. 27 Der ganzheitliche Ansatz Bubers, der mit dem Zionismus eben weit mehr als ein Streben nach politischer Autonomie verband, führte letztlich zum Bruch mit Theodor Herzl (1860-1904). 28 »Auf diesem Weg kam ich zum Chassidismus.« 29 Buber verbindet dies in seiner biographischen Rückschau mit einer Zufallslektüre: dem (fälschlich) zum Testament des Ba’al Schem Tov deklarierten Werk Tzawa’at ha-Riba“sch. 30 Sein Zugriff auf jene osteuropäische Reformströ-
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26. 27. 28. 29. 30.
che das chassidische Leben in der Südukraine, der Bukowina, in Moldova und Rumänien weithin dominierten. Vgl. David Assaf, The Regal Way: The Life and Times of Rabbi Israel of Ruzhin, Stanford 2002. Martin Buber, Mein Weg zum Chassidismus, Frankfurt a. M.: Rütten & Loening 1918, S. 12-13; jetzt in diesem Band, S. 41-52. Ein interessantes autobiographisches Parallelprojekt, welches sich noch dazu explizit auf Martin Buber bezieht, ist das Vorwort zu Chaim Blochs Die Gemeinde der Chassidim. Ihr Werden und ihre Lehre, ihr Leben und ihr Treiben, Berlin u. Wien 1920, S. II-IV. Buber, Mein Weg zum Chassidismus, S. 15, jetzt in diesem Band, S. 45. Vgl. Gerhard Wehr, Martin Buber. Leben, Werk, Wirkung, Gütersloh 2010, S. 26-30; Klaus Davidowicz, Gershom Scholem und Martin Buber. Die Geschichte eines Mißverständnisses, Neukirchen-Vluyn 1995, S. 24-35. Buber, Mein Weg zum Chassidismus, S. 16, jetzt in diesem Band, S. 46. Vgl. Davidowicz, Gershom Scholem und Martin Buber, S. 22. Vgl. Bernd Witte, Jüdische Tradition und literarische Moderne. Heine, Buber, Kafka, Benjamin, München 2007, S. 102-114. Buber, Mein Weg zum Chassidismus, S. 18; jetzt in diesem Band, S. 47. Ebd., S. 18-19, jetzt in diesem Band, S. 47. Tatsächlich handelt es sich beim nämlichen Werk ( )צוואת הריב"שum eine Sammlung von Sentenzen aus dem Umfeld des Großen Maggid von Międzyrzecz.
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mung zeigt sich zunächst noch ganz vom emanzipatorischen Ringen Bubers um eine Renaissance des Judentums, von seiner Sehnsucht nach Freiheit von der beengenden Tradition geprägt: Die chassidische Lebensanschauung entbehrt aller Sentimentalität; es ist eine ebenso kräftige wie gemütstiefe Mystik, die das Jenseits durchaus in das Diesseits herübernimmt und dieses von jenem gestaltet werden lässt wie den Körper von der Seele: eine durchaus ursprüngliche, volkstümliche und lebenswarme Erneuerung des Neoplatonismus, eine zugleich höchst gotterfüllte und höchst realistische Anleitung zur Ekstase. […] [Die Stifter des Chassidismus] negierten die alten Formen nicht, sie taten in sie einen neuen Sinn, und damit befreiten sie sie. Der Chassidismus, oder vielmehr die tiefe Seelenströmung, die ihn erzeugte und trug, schuf den im Gefühl regenerierten Juden. 31
Buber erkennt dem Chassidismus (und der Haskala) das Verdienst zu, den passiven »Juden der Gesetzesära« überwunden und die Entstehung eines neuen, schöpferischen »Judentypus«, nämlich den der »Befreiungsära«, initiiert zu haben. 32 Die Darstellung des Chassidismus, wie Buber sie in diesem frühen Text bietet, enthält alle für seine frühe Schaffensphase wesentlichen Elemente: Er deutet ihn als eine mystische »Seelenströmung«, die eine umfassende Anleitung zur Ekstase vermittelt und letztlich einen neuen, den Gefahren der passiven Erstarrung und der resignativen Assimilation entronnenen jüdischen Menschen hervorzubringen geeignet ist. Einen weiteren frühen publizistischen Ausdruck fand diese neu entdeckte Faszination für den Chassidismus in den Drei Reden über das Judentum (1911), die er 1909/10 auf Einladung des Vereins jüdischer Hochschüler »Bar Kochba« in Prag gehalten hatte. Die Reden, die übrigens bei Gershom Scholem einen tiefen Eindruck hinterließen, 33 bezeugen den tiefen Ernst der intensiven Suche Bubers nach einer (erneuerten) jüdischen Identität: 31. Martin Buber, Das jüdische Kulturproblem und der Zionismus, in: Die Stimme der Wahrheit. Jahrbuch des wissenschaftlichen Zionismus, hrsg. von Lazar Schön, Würzburg 1905; jetzt in: MBW 3, S. 186 f. Dieser Text, zu dem die zitierte Stelle gehört, wurde 1916 von Buber unter dem Titel »Renaissance und Bewegung« in den Sammelband Die jüdische Bewegung. Gesammelte Aufsätze und Ansprachen 1900-1914 aufgenommen. Es handelt sich hierbei um den einzigen Aufsatz aus seiner Frühzeit, den Buber in seiner Sammlung jüdischer Schriften Der Jude und sein Judentum (1963) berücksichtigte. Vgl. Grete Schaeder, Martin Buber. Ein biographischer Abriß, in: B I, S. 28. 32. Martin Buber, Drei Reden über das Judentum, Frankfurt a. M. Rütten & Loening 1911, S. 11; jetzt in: MBW 3, S. 219. 33. Vgl. Geschom Scholem, Martin Bubers Auffassung vom Judentum, in: Ders., Judaica 2, Frankfurt a. M. 1982, S. 148-149.
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Die Frage, die ich Ihnen und mir heute vorlege, ist die Frage nach dem Sinn des Judentums für die Juden. Warum nennen wir uns Juden? Weil wir es sind? Was bedeutet das, daß wir es sind? 34
Die klassische Konstellation jüdischer (Diaspora-)Existenz und das zionistische Streben nach einer nationalen Heimstätte stellten den Autor und sein westeuropäisch geprägtes, weithin akkulturiertes Publikum vor die Frage, wie jüdische Religion bzw. Spiritualität und jüdische Nation miteinander vereint werden könnten. Auf der Suche nach einem »Urelement«, das dem jüdischen Volk »einzig und ewig ist« und auf das es sich zurück zu besinnen gälte, 35 identifizierte Buber das Streben nach Einheit, das sich in den Ideen der Einheit, der Tat und der Zukunft manifestiere. 36 Für alle die elementaren Konzepte könne das osteuropäische Judentum in Gestalt des Chassidismus wesentliche Impulse liefern: 37 Für einen Augenblick erhebt sich die lebendige Einheitstendenz noch einmal im Chassidismus, dann erlahmt die Bewegung, erlahmt der Kampf; die unfruchtbare Zeit hebt an, unsere Zeit hebt an. […] Aber der Kampf um die Tatidee ließ nicht nach; in ewig neuen Formen füllte er die Jahrtausende; er war dialektisch und innig, öffentlich und verborgen; […] bis wieder eine große Bewegung kam, die ins Innerste der Wahrheit griff und des Volkes Innerstes bewegte: der Chassidismus. Man kann den ursprünglichen Chassidismus – der mit dem heutigen fast so wenig gemein hat wie das Urchristentum mit der Kirche – nur dann verstehen, wenn man dessen inne wird, daß er eine Erneuerung der Tatidee ist. In der Tat offenbart sich ihm der wahre Sinn des Lebens. Es kommt hier […] nicht darauf an, was getan wird, sondern jede Handlung, die in Weihe, das heißt: in der Intention auf das Göttliche geschieht, ist der Weg zum Herzen der Welt. 38
34. Buber, Drei Reden über das Judentum, S. 11 (jetzt in: MBW 3, S. 219); vgl. ebd., S. 62 (jetzt in: MBW 3, S. 239): »Dieses eben ist es, woran ich für das Judentum glaube: nicht lediglich eine Verjüngung oder Neubelebung, sondern eine wahrhafte und vollkommene Erneuerung.« Vgl. Davidowicz, Gershom Scholem und Martin Buber, S. 51-54. 35. Buber, Drei Reden über das Judentum, S. 36; jetzt in: MBW 3, S. 228. 36. Ebd. S. 71; jetzt in: MBW 3, S. 243. 37. Buber greift damit einer Hoffnung auf Erneuerung voraus, die unter deutsch-jüdischen Intellektuellen besonders im Gefolge ihrer Erlebnisse an der Ostfront des Ersten Weltkriegs grassierte: dass nämlich die sog. Ostjuden durch ihr »authentisches« Judentum dem akkulturierten und in ihrer Identität verunsicherten »Westjuden« wesentliche Impulse zu vermitteln hätten. Vgl. David A. Brenner, Marketing Identities: The Invention of Jewish Ethnicity in »Ost und West«, Detroit 1998. 38. Buber, Drei Reden über das Judentum, S. 78 u. 86-87; jetzt in: MBW 3, S. 245 u. 249. Das letztliche Ziel des Chassidismus beschreibt Buber (S. 88; jetzt in: MBW 3, S. 250) folgendermaßen: »Darum ist für den Chassidismus der letzte Zweck des Menschen dieser: selbst ein Gesetz, eine Thora zu werden.«
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Bereits einige Jahre zuvor waren mit den Geschichten des Rabbi Nachman (1906) und der Legende des Baal Schem (1908) zwei der Sammlungen »chassidischer« Legenden erschienen, die sowohl in Bubers Auseinandersetzung mit dem Chassidismus, wie auch für dessen Rezeption die zentrale Rolle spielen sollten. 39 Im Vorwort zu den Geschichten des Rabbi Nachman 40 entwirft Buber eine Übersicht zur Geschichte der jüdischen Mystik, die wie das Programm für Scholems epochales Werk Die jüdische Mystik in ihren Hauptströmungen (1941; dt. 1957) wirkt. 41 In klarer Opposition zu den großen Exponenten der »Wissenschaft des Judentums« 42 behauptete Buber ihre starke Verbundenheit mit »Art und Schicksal des Volkes, aus dem sie hervorwuchs« und sah in der jüdischen Mystik insgesamt eine »ursprüngliche Eigenschaft des Volkes«. 43 Buber deutet den Chassidismus als jüngste Phase der jüdischen Mystik, als eine Art Protest gegen die andauernde Diaspora-Existenz: Das Wandern und das Martyrium der Juden haben ihre Seelen immer wieder in jene Schwingungen der Verzweiflung versetzt, aus denen zuweilen der Blitz der Ekstase erwacht. 44
Als Etappen der Entwicklung zum osteuropäischen Chassidismus markiert und beschreibt Buber den Sefer Jezira (»Buch der Schöpfung«), den Sohar und schließlich Jitzchak Luria (1534-1572). Den Chassidismus selbst deutet Buber als »letzte und höchste Entwicklung der jüdischen Mystik«, der diese »zugleich fortsetzte und widerlegte.« 45 Der religions39. Vgl. dazu Martina Urban, Aesthetics of Renewal: Martin Buber’s Early Representation of Hasidism as Kulturkritik, Chicago u. London 2008, S. 82-93. 40. Es ist dies der erste Teil seiner Einleitung (»Rabbi Nachman und die jüdische Mystik«), den Buber seinen insgesamt sechs Nacherzählungen der Sippuré Ma’asijot Nachmans voranstellt. Zu Bubers Nacherzählung vgl. Michael Brocke (Hrsg.), Die Erzählungen des Rabbi Nachman von Bratzlaw, Hamburg 1989, S. 298-299. 41. Vgl. Boaz Huss, הקדמתו של מרטין בובר ל"סיפורי רבי נחמן" והגנאולוגיה של המיסטיקה ( היהודיתMartin Buber’s Introduction to the Tales of Rabbi Nachman and the Genealogy of Jewish Mysticism) in: Uri Ehrlich, Haim Kreisel et al. (Hrsg.), על פי מחקרים בהגות יהודית ובמחשבת ההלכה מוגשים ליעקב בלידשטיין:( הבארBy the Well: Studies in Jewish Philosophy and Halachic Thought, FS Gerald J. Blidstein), Be’er Sheva 2008, S. 97-113. 42. Insbesondere Abraham Geiger (1810-1874) oder Heinrich Graetz (1817-1891) sahen in der Kabbala eine zu missbilligende Abkehr vom philosophischen Rationalismus des Hochmittelalters. Vgl. Davidowicz, Gershom Scholem und Martin Buber, S. 6-21. 43. Buber, Die Geschichten des Rabbi Nachman, S. 8; jetzt in: MBW 16. 44. Vgl. dazu Gershon D. Hundert, Jews in Poland-Lithuania in the Eighteenth Century, S. 119-159. 45. Buber, Die Geschichten des Rabbi Nachman, S. 13; jetzt in: MBW 16.
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historischen Kontextualisierung folgt eine Charakterisierung jener letzten Phase der Kabbala, die bis auf den heutigen Tag diskutiert wird: »Der Chassidismus ist die Ethos gewordene Kabbala.« 46 Dieser überaus knappen Bestimmung lässt Buber eine entfaltende Beschreibung folgen, die – gerade weil sie eine erste definitorische Verortung darstellt – in ihren künftigen Konstanten und Wandlungen verfolgt werden soll: Der Chassidismus ist kein Pietismus. Er entbehrt aller Sentimentalität und Gefühlsostentation. 47 Er nimmt das Jenseits ins Diesseits herüber und läßt es in ihm walten und es formen, wie die Seele den Körper formt. Sein Kern ist eine höchst gotterfüllte und höchst realistische Anleitung zur Ekstase, als zu dem Gipfel des Daseins. 48
Typisch für Bubers erste Phase der Auseinandersetzung mit dem Chassidismus, der Entdeckung und Erschließung jener ost-mitteleuropäischen Strömung für das westeuropäisch-akkulturierte Judentum, ist also dessen Deutung als Mystik, die dazu geeignet sein sollte, »den im Gefühl regenerierten Juden« zu schaffen. 49 Die in der Diaspora kultivierte Dominanz der Halacha, des »Gesetzes«, habe das »persönliche, gefühlgeborene Handeln« 50 unterdrückt und müsse nicht durch Assimilation aufgehoben, sondern zugunsten einer selbstbestimmten Entscheidung für das Judentum überwunden werden. Die auf das persönliche Gefühl zentrierte, auf die innere Erneuerung des jüdischen Menschen abzielende Interpretation des Chassidismus als genuine Form der Mystik erfährt in den Jahren des Ersten Weltkriegs (etwa ab 1916) jedoch eine tiefgreifende Erschütterung. Die Welt meldet sich zurück; die ekstatischen »Seelenüberschwänge« der frühen »Erleb46. Ebd. Buber bestätigt diese seine Grundannahme wiederholt, vgl. beispielsweise in Die Chassidische Botschaft (1952), S. 171 (jetzt in diesem Band, S. 303): »Im Chassidismus – und in ihm allein, soweit ich sehe, in der Geschichte des Menschengeistes – ist die Mystik Ethos geworden. Hier ist die mystische Ureinheit, in der die Seele aufgehen will, keine andere Gottgestalt als der Forderer der Forderung, und die mystische Seele kann nicht wirklich werden, wenn sie nicht eins ist mit der sittlichen.« Noch Gershom Scholem greift diese Formulierung zustimmend auf (vgl. Gershom Scholem, Die Jüdischen Mystik in ihren Hauptströmungen, Frankfurt a. M. 1957, S. 375). Nach gegenwärtigem Forschungsstand würde man einen solchen definitorischen Aphorismus wohl für eine fahrlässig-verkürzende Charakterisierung der überaus heterogenen chassidischen Strömung halten. 47. Buber setzt den Ba’al Schem Tov (und »seinen« Chassidismus) wiederholt mit Nikolaus von Zinzendorf (1700-1760) und dem Pietismus abgrenzend in Beziehung, da er die exakt übereinstimmenden Lebensdaten der beiden frappierend fand. 48. Buber, Die Geschichten des Rabbi Nachman, S. 13; jetzt in: MBW Bd. 16. 49. Buber, Das jüdische Kulturproblem und der Zionismus, S. 206; jetzt in: MBW 3, S. 187. 50. Ebd., S. 206; jetzt in: MBW 3, S. 186.
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nis-Mystik« konnten die Erwartungen nicht einlösen, einen neuen (jüdischen) Menschen zu formen. Die Gott-Verseelungen, die mit »Vergottungs«-Gefühlen ausgestatteten Seelenüberschwänge des aus der vollständigen Wirklichkeit losgeschnittenen Selbstmenschen sind mir nur noch perspektivisch merkwürdig […]; was sich am Rande begibt, in der Sphäre, deren Reiz und Zauber darin besteht, das Nichts zu meistern, ist immer merkwürdig und niemals wichtig […]. Im Grunde kommt es ja überhaupt nicht auf das ›Erleben‹, also auf die abgelöste Subjektivität, sondern auf das Leben an; nicht auf das religiöse Erleben, das eine Abteilung der Psychik betrifft, sondern auf das vollständige Leben des Menschen, des Volkes, im wirklichen Umgang mit Gott und der Welt. 51
3. Von der mystischen Reform zur Dialogphilosophie Die Schrecken des Ersten Weltkriegs stürzten viele deutsche Intellektuelle in eine tiefe Sinnkrise, hatten doch die meisten von ihnen – darunter auch Buber – zunächst erhebliche Begeisterung für jenes furchtbare Morden aufgebracht. 52 Im Gefolge der Aufarbeitung jener weitreichenden gesellschaftlichen und ideellen Umbrüche erfährt Buber eine Lebenswende, die ihn letztlich in die Gegenwärtigkeit der Welt, zum »konkreten Du«, in die Begegnung mit Gott und Mensch als einem alltäglichen Gegenüber führt. 53 Seinen programmatischen Ausdruck findet diese gewandelte Einstellung in seiner philosophischen Schrift Ich und Du, die 1923 im Druck erscheint.
51. Martin Buber, Eine Vorrede, Der Jude (1923/3), S. 132; Hervorhebung im Original. Bei der »Vorrede« handelt es sich um Bubers Revision für die Neuausgabe seiner insgesamt sieben »Reden über das Judentum« (1909-1918); vgl. Buber, Reden über das Judentum. Gesamtausgabe, Frankfurt a. M. 1923, S. XV. Zu Wandlungen und Entwicklungen seiner frühen Positionen vgl. Paul Mendes-Flohr, Von der Mystik zum Dialog. Martin Bubers geistige Entwicklung bis hin zu ›Ich und Du‹, Königstein u. Taunus 1979. 52. Einige seiner Freunde und Weggefährten, darunter Gustav Landauer (1870-1919), Ernst Simon (1899-1988) und Gershom Scholem, kritisierten ihn deshalb scharf. Landauer weigerte sich, an Bubers Zeitschrift Der Jude mitzuwirken, solange er seine Haltung zum Kriege nicht revidiere (vgl. Buber, B I, S. 433-438). 53. Karl Erich Grözinger, Chassidismus und Philosophie – Ihre Wechselwirkung im Denken Martin Bubers, in: Werner Licharz u. Heinz Schmidt (Hrsg.), Martin Buber (1878-1965). Internationales Symposium zum 20. Todestag, Bd. 1: Dialogik und Dialektik, Frankfurt a. M. 1989, S. 281-294; Mendes-Flohr, Von der Mystik zum Dialog; Guy Stroumsa, Buber as an Historian of Religion: Presence, not Gnosis, in: Archives de sciences sociales des religions, 101 (1988), S. 87-105.
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Buber hat sich selbst als einen Zeitgenossen erfahren, der sich seinen Mitmenschen »vorenthalten« habe, der es seinem Gegenüber an Zuwendung hat fehlen lassen: Seither habe ich jenes ›Religiöse‹, das nichts als Ausnahme ist, Herausnahme, Heraustritt, Ekstasis, aufgegeben oder es hat mich aufgegeben. Ich besitze nichts mehr als den Alltag, aus dem ich nie genommen werde. […] Wenn das Religion ist, so ist sie einfach alles, das schlicht gelebte Alles in der Möglichkeit seiner Zwiesprache. 54
Die Abkehr von einer ekstatischen Herausgehobenheit des Individuums hin zur alltäglichen Begegnung mit dem Anderen motiviert Buber zu einer Revision seiner frühen publizistischen Äußerungen – auch derjenigen zum Chassidismus. Sichtbaren Ausdruck findet jene neue Orientierung in den Vorworten zu seinen Erzählsammlungen Das verborgene Licht (1924) sowie Die chassidischen Bücher (1928). Bereits die »Vorbemerkung« zu Die chassidischen Bücher (S. IX-X) spricht die Überarbeitungen an, die Buber gegenüber den älteren Fassungen der Sammlungen vornahm. Sein darauf folgendes »Geleitwort« 55 umreißt das seinen Revisionen zugrundeliegende religionshistorische Programm. Die Korrekturen, insbesondere im Vergleich zu seinen frühen Drei Reden über das Judentum, sind offensichtlich: Die große Tat Israels ist nicht, daß es den einen wirklichen Gott lehrte, der Ursprung und Ziel alles Wesens ist, sondern daß es die Anredbarkeit dieses Gottes als Wirklichkeit zeigte, das Dusagen zu ihm, das Mit-ihm-in-Angesicht-Stehn, den Umgang mit ihm. […] Es lehrte, es zeigte: der wirkliche Gott ist der anredbare, weil anredende Gott. 56
Nun identifiziert Buber nicht mehr das passive Verharren im »Gesetz« als Hemmnis für den selbst-bewussten Juden, sondern die »Religion« als »Urgefahr des Menschen«. 57 Nicht auf das ekstatische Erschaffen eines »im Gefühl regenerierten Juden«, sondern auf den in der Welt und mit seinem Gott kommunizierenden Menschen zielt sein neues Programm. »Weltleben« (Alltag) und Gottesdienst sollen nicht voneinander geschieden, sondern miteinander vereint werden – und auch für dieses, völlig anders situierte Anliegen vermitteln ihm die chassidischen Meister taugliche Instruktion: 54. Martin Buber, Begegnung. Autobiographische Fragmente, Stuttgart: W. Kohlhammer Verlag 1960, S. 37; jetzt in: MBW 7, S. 297. Vgl. Wehr, Martin Buber, S. 93-96, 108109, 117-134. 55. Martin Buber, Die chassidischen Bücher, Hellerau: Jakob Hegner 1928, S. XI-XXXI; jetzt in diesem Band, S. 129–143. 56. Ebd., S. XI-XII; jetzt in diesem Band, S. 129 f.. 57. Ebd., S. XIV; jetzt in diesem Band, S. 131.
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In der chassidischen Botschaft ist die Trennung vom »Leben in Gott« und »Leben in der Welt«, das Urübel aller »Religion«, in echter, konkreter Einheit überwunden. Aber auch der falschen Überwindung des Unterschieds zwischen Gott und Welt ist hier die Erwiderung gegeben. 58 Unter vollkommener Wahrung der Weltentrücktheit und Weltüberlegenheit des doch welteinwohnenden Gottes ist hier die breschenlose Ganzheit des Menschenlebens in ihren Sinn eingesetzt: ein Empfangen der Welt von Gott und ein Handeln an der Welt um Gottes willen zu sein. 59
Der Einwand aller »Religion«, dass die Welt angesichts all des Übels in ihr dringlich der Erlösung bedürfe und der Mensch sich deshalb mit ihren Fehlern und Makeln nicht zu eng verbinden dürfe, veranlasst Buber zu einer längeren Darstellung zweier frühneuzeitlicher Konzepte, die dem osteuropäischen Chassidismus vorausgingen: der sog. lurianischen Kabbala 60 und der messianischen Bewegung um Schabtai Zvi (1626-1676). 61 Lurias Konzepte sahen sich von einigen chassidischen Meistern aufgegriffen und in das eigene Denken integriert. Das Scheitern Schabtais (und seines Epigonen Jakob Frank, 1726-1791) interpretiert Buber als Krise des »Automessianismus« 62 , die als ein wesentlicher Impuls für das Reformwerk des Ba’al Schem Tov zu verstehen sei. Damit bestätigt Buber eine in der frühen Forschungsliteratur verbreitete Variante der »Krisentheorie«, der zufolge der Chassidismus auf den Zerfall der sabbatianischen Bewegung nach der Konversion Schabtais zum Islam (1666) reagiere. 63 58. Buber kritisiert hier das pantheistische Konzept Spinozas (1632-1677), den er zwar als großen emanzipatorischen Geist und als Überwinder jener unheilvollen »Religion« würdigt, dessen Lösung er aber u. a. deshalb ablehnt, weil sie jede Rede zwischen Gott und Mensch ausschließt. Buber kommt in seinen Schriften zum Chassidismus wiederholt auf Spinoza als »Antipoden« der chassidischen Meister zurück. Vgl. Buber, Die chassidischen Bücher, S. XVIII-XIX; jetzt in diesem Band, S. 134. 59. Ebd. 60. Eine taugliche Einführung in diese höchst komplexe Strömung der Kabbala bietet Gerold Necker, Einführung in die lurianische Kabbala, Frankfurt a. M., 2008. 61. Immer noch sehr anregend hierzu ist das monumentale Werk Gershom Scholems, Sabbatai Zwi. Der mystische Messias, Frankfurt a. M., 1992. Außerdem: Klaus Davidowicz, Jakob Frank, der Messias aus dem Ghetto, Frankfurt a. M. 1998. Einen Überblick über die derzeitige Forschungslandschaft vermittelt Rachel Elior (Hrsg.), The Sabbatian Movement and Its Aftermath: Messianism, Sabbatianism and Frankism, 2 Bde., Jerusalem 2001. 62. Buber, Die chassidischen Bücher, S. XXVIII; jetzt in diesem Band, S. 141. Unter Automessianismus versteht Buber die Übertragung des Erlösungswerks auf eine einzelne Person und dessen Verlagerung in die Endzeit. 63. Die Verbindung zwischen (krypto-)sabbatianischen Personen und Konzepten und dem frühen Chassidismus wird auch in etlichen Zeitgenossen Bubers behauptet, so zum Beispiel von Micha Berdyczewski (1865-1921) (Vom östlichen Judentum, S. 42), sehr massiv bei Israel Günzig (1868-1931) (Rabbi Israel Baal-Schem, S. 9-13). Um die Frage, ob es sich beim Chassidismus um eine messianische Strömung gehandelt habe (Dinur, Jeschajahu, Tishby), oder ob er jedwede messianische Anwandlung unterdrückt (Dubnow, Buber) oder doch mindestens »neutralisiert« (Scholem) hätte,
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In der ausführlichen Einleitung zu Der große Maggid und seine Nachfolge (1921) beleuchtete Buber den Chassidismus indessen noch aus einem anderen Blickwinkel: dem der religiösen Reform. Die auf den Ba’al Schem Tov zurückgeführte Strömung habe die jüdische Tradition »in ihrem vollen gegenwärtigen Ausmaß« und »ohne Vergleich mit einer ursprünglicheren Gestalt anerkannt«, aber in einem neuen Licht erscheinen lassen. 64 Als einzigartig charakterisiert Buber hierbei die Betonung des alltäglichen Handelns als sein maßgebliches Interesse: »Unter allen Bewegungen seiner Art hat wohl keine so wie der Chassidismus das unendliche Ethos des Augenblicks verkündet.« 65 Anders als alle anderen mystischen Systeme vor ihr, so führt Buber aus, habe deren osteuropäische Variante die halachische Tradition und die (lurianische) Kabbala »zu einer Realität des Lebens und der Gemeinschaft« 66 verschmolzen. Um seine These zu stützen, der zufolge der Chassidismus keine neue Lehre vorgetragen habe (vgl. S. XXIV f.; jetzt in diesem Band, S. 59), entfaltet er zunächst den lurianischen Mythos in seinen wesentlichen Elementen. Der Ba’al Schem Tov und seine Nachfolger hätten danach gestrebt, jenes geheimnisumwitterte System zu »entschematisieren« (ebd.), um es in eine Gemeinschaft zu überführen und es letztlich in der alltäglichen Umgebung der Menschen wirken zu lassen. Ausdruck jener innerweltlichen Entschränkung des lurianischen Mythos seien die Zaddikim als Verkörperung der Tradition, als »lebendige Tora«, als idealtypische Verkörperung des in der Schöpfung gemeinten Menschen anzusehen. 67 Vor diesem Hintergrund gewinnt Buber sein Konzept einer innerweltlichen Erlösung – im lurianischen Terminus »Einung« (Jichud/ – )יחודwelche sich in der Zeit und in der Welt, quasi alltäglich und all-zeitlich vollziehe:
64.
65. 66. 67.
entbrannte denn auch eine heftige Diskussion. Vgl. dazu Moshe Idel, Messianic Mystics, New Haven u. London 1998, S. 212-247. Auch Scholem vertrat eine personelle (!) und ideelle Verbindung zwischen Sabbatianismus und Chassidismus (vgl. Scholem, Die jüdische Mystik, S. 358-370), was sein Schüler Tishby (הרעיון המשיחי והמגמות המשיחיות בצמיחת החסידות, The Messianic Idea and Messianic Trends in the Growth of Hasidism, Zion 32 (1967), S. 1-45) vehement bestritt. Buber, Der große Maggid, S. XIV; jetzt in diesem Band, S. 53. Auch mit dieser Bemerkung spielt Buber auf Sabbatai Zvi, der zum Islam konvertierte und Jakob Frank an, der mit etlichen seiner Anhänger zum Katholizismus übertrat. Beide Bewegungen hatten die Gültigkeit der Tora in Frage gestellt und verließen somit den Boden der jüdischen Tradition. Ebd., S. XVI; jetzt in diesem Band, S. 54. Ebd.; jetzt in diesem Band, S. 55. Zu Bubers Interpretation des Zaddik und seiner Wirkungen vgl. ebd., S. XXIX-LI; jetzt in diesem Band, S. 61-73.
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Der Jichud bedeutet die ewig neue Bindung der auseinanderstrebenden Sphären […] durch den Menschen; das im Menschen lebende göttliche Element bewegt sich aus ihm zu Gottes Dienst, zu Gottes Absicht, zu Gottes Werk; […] nicht isoliert, sondern mit dem Weltprozeß verschlungen, kein Kreis, sondern der Rückschwung der ausgesandten Gotteskraft. 68
Der Erlösungsprozess impliziere weder eine herausgehobene Zeit, noch eine »qualitativ besondere Handlung« oder spezifische Prozeduren. Er sei nichts anderes als ausgerichtete und »gesammelte« Zeit. 69 Buber bezeichnet dies im geradezu sakramentalen Begriff als »Allweihe« bzw. als »Weihe des Alltags«. 70 Grundgehalt der chassidischen Lehre sei demzufolge »die Heiligung alles Weltlichen« 71 – an diesen Punkten wird sich der heftige Einspruch Gershom Scholems entzünden. Das »Geleitwort« zu Der große Maggid, welches außer seiner Darstellung des Chassidismus eine ausführliche Genealogie der Nachkommen und Schüler des Meisters enthält (S. LIII-XCVI), gehört mit Sicherheit zu den interessantesten konzeptionellen Äußerungen Bubers zu Kontext und Anliegen jener osteuropäischen Reformbewegung. Etliche der hier dargelegten Grundüberzeugungen werden in nachfolgenden Texten variiert und wiederholt. Mit seiner Anthologie Des Baal-Schem-Tow Unterweisung im Umgang mit Gott, die im Jahre 1927 erschien, erarbeitete Buber erstmals eine Sammlung auf dem Feld der sog. theoretischen Literatur des Chassidismus. Die 55 kurzen Texte, die Buber hier dem Ba’al Schem Tov zuordnet, entstammen überwiegend dem Keter Schem Tov, 72 seinerseits eine Anthologie von Besch“t-Traditionen, sowie dem Tzawa’at ha-Riba“sch. 73 68. Ebd., S. XXXVI f.; jetzt in diesem Band, S. 65. 69. Buber beschreibt hier durchaus zutreffend ein Charakteristikum der lurianischen Kabbala, der zufolge der Tikkun ( ;תקוןetwa: In Urstand-Setzung) – also die »lurianische« Form des Erlösungsprozesses – in der historischen Zeit und im mehr oder weniger alltäglichen Handeln der jüdischen (!) Menschen (in deren hingebungsvoller Erfüllung der Tora) statthat. Einige der asketischen »Prozeduren«, wie sie von Anhängern der »lurianischen« Kabbala extensiv praktiziert wurden, lehnte der Ba’al Schem Tov tatsächlich rigoros ab. 70. Ebd., S. XXXVII f.; jetzt in diesem Band, S. 66. 71. Ebd., S. LIII; jetzt in diesem Band, S. 74. 72. Da der Ba’al Schem Tov keine eigenen Schriften hinterließ, kann man seine Lehre nur aus den Werken seiner Anhänger erschließen. Insbesondere Jakob Josef ha-Kohen Katz von Połonne und der Enkel des Besch"t, Mosche Efrajim von Sudylków (1748-1800), zitierten in ihren Werken zahlreiche seiner Traditionen. Eine erste Sammlung jener Sentenzen und Gleichnisse wurde bereits im Jahre 1784 unter dem Namen Śefer Keter Schem Tov ( ;ספר כתר שם טובBuch der Krone des Guten Namens) gedruckt. Die umfassendste Kompilation von Äußerungen des Ba’al Schem Tov, der Śefer Ba’al Schem Tov ()ספר בעל שם טוב, erschien erst 1937/38. 73. Der Name Tzawa’at ha-Riba"sch ( צוואת הריב"ש/»Das Testament des Rabbi Israel
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Man kann dieses Büchlein hervorragend als Illustration der im »Geleitwort« geäußerten Positionen Bubers lesen, da es viele Sentenzen bietet, die seinen Hauptthesen korrespondieren. Ein bisher unveröffentlichter Vortrag Martin Bubers (vgl. S. 144-159 in diesem Band), den dieser im Jahre 1930 gehalten hat, 74 vermittelt erneut eine andere Perspektive auf das Wesentliche des Chassidismus. Sie entwickelt sich aus der Frage, warum der vom Ba’al Schem Tov initiierten Reformströmung ein derartiger Erfolg beschieden war. Buber verweist auf den zentralen Konflikt zwischen den gelehrten Eliten jener Zeit und den weithin vom Kampf ums schiere materielle Überleben bestimmten, ungebildeten Volksmassen, den (im traditionellen Begriff) Am ha-Aretz ( ;עם הארץwörtlich: Landvolk). Den tiefen Graben zwischen den »einfachen Menschen« und der talmudisch und kabbalistisch exzellierenden Geistesaristokratie habe der Chassidismus überwinden wollen. 75 Es käme nicht auf irgendein hohes Wissen, auf Kunst oder das intellektuelle Vermögen an, sondern nur auf die Offenheit der Seele für den Ewigen – diese Idee habe das Volk ergriffen und begeistert. 76 Die enormen Kräfte der einfachen Menschen, die jedoch im Verborgenen leuchteten, seien der Kern des Chassidismus. 77 Am Thema des Am ha-Aretz könne man (Buber zufolge) erkennen, dass der Chassidismus zwar Begriffe und Vorstellungen aus der Kabbala übernimmt, diese aber letztlich »mit ihren eigenen Mitteln« überwindet – indem sie alles Formelhafte und Erlernbare zugunsten der Heiligung des Alls und des Alltäglichen durch alle Handlungen ersetze. Im Gegensatz zu anderen frühen wissenschaftlichen Interpreten des Chassidismus hat Buber klar gesehen, dass der Chassidismus keine soziale Revolte intendierte; er war eine religiöse Reformbewegung, deren »größtes sicht-
74. 75. 76. 77.
Ba’al Schem Tov«; 1793) ist insofern irreführend, als dass das Werk hauptsächlich Traditionen aus dem Umfeld des Großen Maggid enthält. Zur Übersicht zu den in Bubers Anthologie enthaltenen Quellen vgl. S. 392 in diesem Band. Das Typoskript bezeichnet den Vortrag als »gehalten in der Frankfurt-Loge« (vermutlich des B’nai Berith), »am 6. März 1930.« Im Kern entspricht dies der Analyse des Jakob Josef von Połonne, wie er sie insbesondere in den Toldot Ja’aqov Josef entfaltet. Vgl. in diesem Band, S. 148 f. Buber verweist in diesem Zusammenhang auf die Vorstellung von den 36 verborgenen Gerechten (Lamed-Wuwniks), von denen die Existenz der Welt abhängt. Der Mythos von den Lamed-Wuwniks wurzelt in einer talmudischen (bSan 97b; bSuk 45b) Interpretation von Jes 30,8. Bubers Charakterisierung des Chassidismus als »Lehre des Am Haarez, die Lehre des Einfältigen« (ebd., S. 150) geht allerdings ziemlich an der Sache vorbei, wie jede/r bestätigen kann, der sich mit den Homilien der großen chassidischen Denker einmal befasst hat.
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bares Werk« in der Regeneration der vom Zerfall bedrohten Gemeinde bestand (ebd., S. 152 in diesem Band). Die Interpretation des osteuropäischen Chassidismus als Bewegung des Am ha-Aretz ruft die Erinnerung an eine weitere einflussreiche jüdische Strömung hervor, die auf das Bedürfnis der einfachen Menschen zielte: das sog. Urchristentum. Buber widmet den zweiten Teil seines Vortrags einem Vergleich wichtiger Charakteristika beider Reformbewegungen: beider Haltung zur Tora, zu den endzeitlichen Ereignissen und zum Messianismus. Im dritten Kapitel von Die chassidische Botschaft kommt Buber auf die zwei Grundthesen seines Vortrages – den Chassidismus als »Aufstand des Am-haarez« und dessen strukturelle Ähnlichkeit mit dem Christentum – zurück. 78 Allerdings findet sich dort der ausführliche abschließende Vergleich nicht auf die Jesusbewegung, sondern, wie es vermutlich für Zeit und Ort der Entstehung angemessener war, auf die Anhänger Schabtai Zvis bezogen. Übrigens habe ich das Erlebnis der Grenze gehabt: Ich kann nicht mehr »zu Juden« reden, überhaupt nicht mehr zu … Incipit vita nova. (Brief an Ernst Elijahu Rappeport vom 27. Oktober 1918.) 79
Die durchgreifende Veränderung von Positionen und Aufgaben, die Buber angesichts des Ersten Weltkriegs erfuhr und erlitt, zeigt sich auch in seinen Schriften zur chassidischen Lehre. Beharrlich betont er nun, an das Hier und Jetzt gewiesen zu sein. Die Heiligung des Profanen erscheint ihm nunmehr als zentrale Botschaft des Chassidismus – nicht mehr der ekstatische Übertritt in ein neues Jude-Sein. Es ist weniger die absolute oder transzendente Einheit oder gar die »absolute Tat«, wie sie noch in den Drei Reden über das Judentum gefeiert wurden, 80 sondern die konkrete, immanente Gemeinschaft und das Alltagshandeln, die es zu konstituieren gilt. Auch findet sich – erneut im Gegensatz zu den programmatischen Drei Reden über das Judentum – die Tora wieder in
78. Buber, Die chassidische Botschaft, S. 65; jetzt in diesem Band, S. 275. Anders als im Vortrag, werden beide Aussagen jedoch als Überzeugungen Dritter vorgetragen, die Buber sich zu eigen macht. Im Vorwort seines Werkes (S. 9; jetzt in diesem Band, S. 253) verortet er das fragliche Kapitel in Jerusalem der Jahre 1940-1943. Einen Vergleich des Chassidismus mit dem sog. Urchristentum unternimmt auch Berdyczewski, Vom östlichen Judentum, S. 44. Zu den identitären Implikationen jenes Vergleichs vgl. Shaul Magid, Hasidism Incarnate: Hasidism, Christianity, and the Construction of Modern Judaism, Stanford 2014, S. 115-214. 79. Buber, B I, S. 542. 80. Buber, Drei Reden über das Judentum, S. 76-81; jetzt in: MBW 3; S. 245-247
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Kontinuität gesetzt; der Respekt gegenüber der Tradition findet sich gegenüber Protest und Überwindung akzentuiert. 81 So wird in jener zweiten Phase seines Wirkens nicht nur die Lehre des Chassidismus »geerdet« (und universalisiert), sondern auch ihr historischer Zusammenhang mit anderen kabbalistischen Konzepten klarer umrissen. Buber hat sich eine Position erarbeitet, von der aus er in den Folgejahren neue Perspektiven gewinnen und die chassidische Lehre westeuropäischen Nichtjuden erschließen wird. 4. Von der Sehnsucht nach Gemeinschaft: Die chassidische Botschaft Der Beginn der systematischen Verfolgung deutscher Juden nach 1933 stürzte Buber in einen tiefen Zwiespalt: Musste er, wie beispielsweise von Leo Baeck (1878-1956) im Dezember 1933 erbeten, das jüdische Bildungswesen in Deutschland unterstützen oder sollte er, den bereits die ersten Verfolgungsmaßnahmen ereilt hatten, nach Palästina auswandern – wozu ihn etliche seiner Freunde und Weggefährten drängten? 82 Buber entschied sich zunächst dafür, der äußerst gefährdeten deutschen Judenheit beizustehen, indem er durch gezielte Bildungsangebote darauf hinwirkte, das jüdische Selbstbewusstsein zu stärken. 83 Das nach Franz Rosenzweigs (1886-1929) Tod im Jahre 1929 geschlossene Freie Jüdische Lehrhaus wurde im November 1933 wiedereröffnet; Buber übernahm die Leitung der »Mittelstelle für jüdische Erwachsenenbildung«. Die Repressionen in Deutschland nahmen jedoch beständig zu – im März 1938 sah sich der sechzigjährige Buber gezwungen, nach Palästina auszuwandern. Im zionistischen Bildungswesen erfuhr Buber in den Folgejahren ebenso wenig Resonanz wie in der universitären Lehre als Professor für »Sozialphilosophie« an der Hebräischen Universität. 84 Das begeisterte 81. In den Drei Reden über das Judentum (vgl. S. 88; jetzt in: MBW 3, S. 250) betont Buber eine größere Nähe zwischen Urchristentum und Chassidismus hinsichtlich des »Gesetzes«. Eine synoptische Betrachtung des Vergleichs zwischen Urchristentum und Chassidismus im Vortrag von 1930 und den Drei Reden über das Judentum erscheint überaus instruktiv, um die Akzentverschiebungen im Denken Bubers wahrzunehmen. Zur Darstellung des sog. Urchristentums in den Drei Reden über das Judentum vgl. die Einleitung von Karl-Josef Kuschel in: MBW 9, S. 16-18. 82. Vgl. Wehr, Martin Buber, S. 177-207. 83. Vgl. Schaeder, Martin Buber, in: B I, S. 105-112. 84. Der Lehrstuhl war eigens für ihn eingerichtet worden, nachdem konservative Kuratoren der neugegründeten Universität ihn weder als Professor für Allgemeine Religionsgeschichte, noch zum Professor für Theoretische Pädagogik berufen wollten. Selbstverständlich hatte man im werdenden jüdischen Gemeinwesen gewichtige an-
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Interesse, das man ihm in Palästina verwehrte, brachte man ihm in den Vereinigten Staaten und Westeuropa entgegen. Zahlreiche Vortragsreisen prägten sein Leben nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Seine Werke wurden in etliche Sprachen übersetzt. Er erhielt bedeutende Ehrungen und Preise – darunter 1951 (als erste deutsche Auszeichnung) den Hansischen Goethe-Preis, was in Israel hitzige Debatten auslöste. Welche Auswirkungen zeitigten Demütigung und Vertreibung und schließlich die unsägliche Tragödie der Schoa auf Bubers Interpretation des Chassidismus? Aus der Zeit vor seiner Emigration stammt nur ein Beitrag zum Thema: Der Eranos-Vortrag »Sinnbildliche und sakramentale Existenz im Judentum« aus dem Jahr 1934, der ein Jahr später in seinen Band Deutung des Chassidismus – Drei Versuche Aufnahme fand. 85 Bereits in diesem Text werden Tendenzen sichtbar, die seine späten Äußerungen zum Chassidismus prägen sollte: die Anwendung religionswissenschaftlicher Methoden sowie die Zuwendung zu einem nichtjüdischen Adressaten. In seinem Vortrag »Sinnbildliche und sakramentale Existenz« betrachtet Buber zwei Phänomene der jüdischen Religionsgeschichte – die biblische Prophetie und den Chassidismus – hinsichtlich ihrer Seinsdeutung in Symbol und Sakrament. 86 Unter dem Blickwinkel des religiösen Binnenkonflikts zwischen dem Sakrament als konkreter Mitte des dynamischen Glaubenslebens und einem erstarrten opus operatum deutet Buber den Chassidismus als eine dere Sorgen, als jüdische Volksbildung im Sinne Bubers. Dazu kam, dass Bubers Forderung nach friedlicher Koexistenz mit den arabischen Bewohnern Palästinas zumeist auf Ablehnung stießen. Zu Bubers Wirken in diesem Kontext vgl. Paul Mendes-Flohr, Ein Land und Zwei Völker. Martin Buber zur jüdisch-arabischen Frage, Frankfurt a. M. [Zweite Auflage] 1993. 85. Zu den Eranos-Tagungen, die ab 1933 in Ascona abgehalten wurden, vgl. Elisabetta Barone, Matthias Riedl et al. (Hrsg.), Pioniere, Poeten, Professoren. Eranos und der Monte Veritá in der Zivilisationsgeschichte des 20. Jahrhunderts, Würzburg 2004. Das präzise Thema und die gewählte Perspektive Bubers in diesem Vortrag mögen vom Kontext des Veranstalters beeinflusst sein. Eine (sanfte) Kritik am ersten Teil seines Vortrags enthält der Brief Abraham J. Heschels an Buber vom 24. 7. 1935 (B II, S. 568-569). 86. Bubers religionswissenschaftlicher Zugriff wird in seiner Anwendung der beiden Begriffe »Symbol« und »Sakrament« (vgl. seine Definitionen in Martin Buber, Deutung des Chassidismus – Drei Versuche, Berlin: Schocken Verlag 1935, S. 65-93; in diesem Band, S. 160-177) deutlich. Das Postulat, den Chassidismus in der Perspektive der damals noch jungen Religionswissenschaft zu analysieren, findet sich explizit in der Habilitationsschrift des Lazar Gulkowitsch (1898-1941), Der Hasidismus – religionswissenschaftlich untersucht, Leipzig 1927. Er begründet seine Arbeit eben damit, dass der Chassidismus bisher religionswissenschaftlich »kaum durchforscht« worden sei (S. 8).
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Reformbewegung, die einen neuen »Pansakramentalismus« entwarf. 87 Dieser habe die gnostische »Schematisierung des Mysteriums« einer Beziehung zwischen Gott und Welt, wie sie die Kabbala zu verantworten habe, überwunden. 88 Das Weltliche – und hier greift Buber seine zentrale These erneut auf – soll »eingeheiligt« werden – »alles will Sakrament werden.« 89 Beinahe stärker noch manifestiert sich Bubers religionswissenschaftlicher Zugriff in seinem Essay »Der Ort des Chassidismus in der Religionsgeschichte«. 90 Buber fragt nach dem »historischen Typus« des Chassidismus, in dem er ähnliche Motive in verschiedenen mystischen Strömungen (in diesem Fall dem Sufismus und dem Zen) aufzeigt und deren jeweilige Verortung im Gesamtgefüge untersucht. 91 Pointiert zeigt er, dass scheinbare Übereinstimmungen der Motive keinesfalls dasselbe bedeuten oder bewirken. Als Besonderheit des Chassidismus (wie auch der jüdischen Tradition überhaupt) arbeitet Buber dessen unauflösliche Bindung an die Geschichte und mithin an die irdische Welt heraus. Zum ersten Mal in Bubers Darstellungen der chassidischen Strömung findet sich hier deren Kategorisierung als »Mystik« relativiert: Unter allen Erscheinungen der Religionsgeschichte ist der Chassidismus diejenige, in der in voller Klarheit zwei Linien zusammentreffen, von denen man anzunehmen pflegt, es gebe ihrem Wesen nach keine Begegnung zwischen ihnen: die Linie der inneren Erleuchtung und die Linie der Offenbarung, die des Augenblicks jen-
87. 88. 89. 90.
Buber, Deutung des Chassidismus, S. 82; jetzt in diesem Band, S. 170. Ebd., S. 89; in diesem Band, S. 175. Ebd., S. 92; in diesem Band, S. 177. Er wurde erstmals im Jahre 1946 in der Theologischen Zeitschrift (2. Jahrgang, 6/ 1946, S. 438-453; jetzt in diesem Band, S. 204-216) gedruckt. Der zweite bisher unveröffentlichte Vortrag Bubers, der, leider undatiert, in diesem Band (vgl. S. 178192) erstmals gedruckt erscheint, zeigt eine Reihe von Ideen und Ansätzen, wie sie im »Ort des Chassidismus« zu Reife und Ausformung kommen. Es wäre möglich, dass es sich bei besagtem Vortrag um einen ersten gedanklichen Entwurf dazu handelt. Im »Gemeindeblatt der Israelitischen Gemeinde Frankfurt am Main« (Mai 1936; S. 311) wurde für den 6. Mai 1936 ein Vortrag Bubers in der Westendsynagoge zum Thema Chassidismus angezeigt. Womöglich bezieht sich das vorliegende Typoskript auf das geplante Ereignis. 91. Buber, Der Ort des Chassidismus in der Religionsgeschichte, S. 438 ff.; jetzt in diesem Band, S. 216 ff. Es ist dies eine in jener Zeit häufig gebrauchte Methode religionswissenschaftlicher Komparatistik. Zu Bubers Wirken als Religionswissenschaftler vgl. Maurice S. Friedman, Buber’s approach to comparative religion, in: Chaim Gordon u Jochanan Bloch (Hrsg.), Martin Buber: A Centenary Volume, Brooklyn 1984, S. 367-384; Guy Stroumsa, Buber as an Historian of Religion, besonders S. 101-104. Zu Bubers Befassung mit dem Zen vgl. MBW 2.3.
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seits der Zeit und die der Geschichtszeit. Der Chassidismus sprengt den geläufigen Begriff der Mystik. 92
Ein Jahr später äußert sich Buber erneut in einer deutschsprachigen christlichen Zeitschrift zum Chassidismus, in diesem Fall jedoch mit einer klar theologisch-ethischen Ausrichtung. 93 Im Kern geht es um die gegenseitige Beziehung zwischen Religion und Ethik, die sich – so seine Grundthese – im Chassidismus in vorbildlicher Weise miteinander vereinen. Gottes- und Menschenliebe bedingen einander; die ethischen und die rituellen Handlungen – so Buber unter Rückgriff auf chassidische Texte – seien einander gleichgestellt. Die tiefe Sehnsucht nach umfassender Einheit, die sich angesichts der furchtbaren Katastrophen des 20. Jahrhunderts noch einmal wesentlich drängender Bahn bricht, führt dem Autor auch hier die Feder, wenn er resümiert: Der Chassidismus ist eine der großen Glaubensbewegungen, die unmittelbar zeigen, daß die Menschenseele als Ganzes, in sich geeint, in der Kommunikation mit der Ganzheit des Seins leben kann, und zwar nicht bloß einzelne Seelen, sondern eine zur Gemeinschaft verbundene Vielheit von Seelen. 94
Mit seinem umfänglichsten Werk zum Chassidismus, Die chassidische Botschaft (1952), führt Buber seine intensive Auseinandersetzung einer ersten großen Synthese zu. Mehrere frühere Aufsätze und Einleitungen finden sich hier vereinigt. 95 Mit zwei anderen meiner Bücher, »Die Erzählungen der Chassidim« […] und »Gog und Magog. Eine Chronik« […], bildet dies eine Lebens- und Werkeinheit. 92. Buber, Der Ort des Chassidismus in der Religionsgeschichte, S. 452-453; jetzt in diesem Band, S. 216. 93. Martin Buber, Gottesliebe und Nächstenliebe im Chassidismus, Neue Wege, 7/8 (1947), S. 330-345; jetzt in diesem Band, S. 217-232. »Der Ort des Chassidismus« war in der gerade gegründeten Zeitschrift der Basler Theologischen Fakultät erschienen. Buber kannte deren Herausgeber, Karl Ludwig Schmidt (1891-1965), seit den zwanziger Jahren. Neue Wege – gleichfalls eine schweizerische Zeitschrift – war das Medium der religiösen Sozialisten, mit denen Buber seit 1916 korrespondierte und sympathisierte. Auf ein christliches Umfeld zielt auch der Essay »Der Weg des Menschen nach der chassidischen Lehre« (1948), die auf eine Sequenz von Vorträgen aus dem Jahr 1947 zurückgeht, die Buber bei einer niederländischen ökumenischen Vereinigung (»Woodbrooker«) in Bentveld gehalten hat. Der Text gehört mit Sicherheit zu den meditativsten und anrührendsten Äußerungen Bubers zum Chassidismus, trägt aber zur wissenschaftlichen Darstellung nicht viel bei. 94. Buber, Gottes- und Nächstenliebe im Chassidismus, S. 345; jetzt in diesem Band, S. 232. 95. Vgl. die Übersicht, in diesem Band, S. 252. Die Auswahl wird davon bestimmt gewesen sei, welche seiner Äußerungen zur chassidischen Lehre er für besonders relevant hielt, aber auch davon, die nur in Hebräisch vorliegenden Texte (vgl. Abschnitt 2, 3 und 6) einem deutschsprachigen Publikum zugänglich zu machen.
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Unter den dreien ist es dasjenige, in dem ich die Botschaft an die Menschenwelt, die der Chassidismus nicht sein wollte, aber war und ist, unmittelbar als Botschaft ausspreche. Ich spreche sie als solche gegen seinen Willen aus, weil die Welt ihrer heute sehr bedarf. 96
Den wesentlich neuen Akzent, den Martin Buber mit seinem Spätwerk setzen wollte, findet man eben hier formuliert: Es geht um eine »Botschaft an die Menschenwelt«, die nach den fürchterlichen Verbrechen, dem namenlosen Leid, angesichts von Vernichtung und Zerstörung essentiell ist. Buber weiß sehr wohl, dass er mit der Sehnsucht nach Einheit und Gemeinschaft, wie er sie stets und ständig einschärft, die chassidische Lehre zu einer Botschaft aktualisiert und nicht um ihrer selbst willen neutral beschreibt. In stärker autobiographischer Manier formuliert Buber dieses ihm wesentliche Anliegen im Essay »Der Chassidismus und der abendländische Mensch«. 97 Auf fünfzig Jahre seines Wirkens als Vermittler jener Strömung zurückblickend, gibt er Rechenschaft über Konstanten und Wandlungen, Zutreffendes und Irrtümliches seiner Darstellungen. Nach dem furchtbaren Untergang der chassidischen Gemeinden in Mittel/Osteuropa ist es ihm umso mehr darum zu tun, ihrer Antwort auf die »Krisis des abendländischen Menschen« Gehör zu verschaffen (in diesem Band, S. 307). Als wesentliche Konstante seiner Wahrnehmung des Chassidismus markiert Buber die »fundamentale Scheidung zwischen dem Heiligen und dem Profanen immer mehr zu überwinden.« (Ebd.) Es ist das Menschliche, die Heiligung des Menschen als Heiligung des Menschlichen, die Buber den überlebenden Bewohnern des Abendlandes als Quintessenz des vertriebenen oder ermordeten osteuropäischen Judentums ins Stammbuch schreiben möchte. 98 In einer Welt, der nichts mehr heilig ist – so Bubers Analyse der modernen Krise – widerspricht der Chassidismus mit seinem Postulat eines »heiligen Umgangs mit allem Seienden« (ebd., S. 313). 96. Buber, Die Chassidische Botschaft, S. 9; jetzt in diesem Band, S. 253. 97. Erstdruck in Merkur 10 (1956), S. 933-943; jetzt in diesem Band, S. 304-314. Der Merkur ist eine 1947 gegründete deutsche Zeitschrift für Kultur. Zur Zeit des Erscheinens von Bubers Essay trug der Merkur den erläuternden Untertitel »Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken«. 98. Ebd., S. 937; jetzt in diesem Band, S. 308. Man hat Buber gleichermaßen die Universalisierung eines jüdischen Denkgebäudes vorgeworfen, wie man ihn dazu drängte, die chassidische Botschaft »aus ihrer ›konfessionellen Beschränktheit‹ zu befreien« (ebd., S. 943; jetzt in diesem Band, S. 314). Weitere Stellungnahmen Bubers zu diesen und ähnlich gelagerten Anwürfen bieten seine gleichfalls im Merkur veröffentlichten Essays aus dem Jahr 1954 »Christus, Chassidismus, Gnosis« (vgl. MBW 9, S. 313-319), »Zur Klärung« (vgl. MBW 9, S. 320-325) sowie das Nachwort zur deutschen Ausgabe des Gog und Magog (MBW 19, S. 273-275).
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Der Mensch kann dem Göttlichen nicht nahekommen, indem er über das Menschliche hinauslangt; er kann ihm nahekommen, indem er der Mensch wird, der zu werden er, dieser einzelne Mensch da, erschaffen ist. Dies erscheint mir als der ewige Kern des chassidischen Lebens und der chassidischen Lehre. 99
5. Was bleibt? Ein Midrasch der chassidischen Lehre Wenn es nach Buber gegangen wäre, hätte es mit jenen Worten vermutlich sein Bewenden gehabt. Heftige Angriffe auf seine Deutungen des Chassidismus, wie sie von seinem langjährigen Weggefährten und Rivalen Gershom Scholem und dessen Schülerin Rivka Schatz-Uffenheimer (1927-1992) 100 öffentlich vorgetragen wurden, bestimmten ihn jedoch zu zwei weiteren Äußerungen in der Sache. Scholem hatte diese Auseinandersetzung mit Buber eigentlich bereits im Jahre 1948 gesucht, 101 aber erst mit seinen Stellungnahmen in englischer und deutscher Sprache nahm die Kontroverse an Fahrt auf. 102 Es war keineswegs die erste Un99. Buber, Der Chassidismus und der abendländische Mensch, S. 943; jetzt in diesem Band, S. 314. 100. Rivka Schatz-Uffenheimer war eine der bedeutendsten Forscherinnen auf dem Gebiet der Kabbala und des Chassidismus. Sie befasste sich (unter vielem anderem) intensiv mit dem Werk Dov Bers von Międzyrzecz’ (vgl. Hasidism As Mysticism sowie ihre kritische Ausgabe des Maggid Devarav le-Ja’aqov). Was Buber beispielsweise in seinem »Geleitwort« zu Der große Maggid über dessen Lehre zu sagen hatte (S. LIX; jetzt in diesem Band, S. 77), konnte ihr nicht gefallen. Im Jahre 1960 veröffentlichte Schatz-Uffenheimer ihren Essay »Martin Buber – Master of Hasidic Teaching« (Judaism 9 (1960), S. 227-281). Weitere Aufsätze Schatz-Uffenheimers folgten: ;אדם נוכח אלוהים ועולם במשנת בובר על החסידותMolad 19 (1961), S. 596-609; dt.: Die Stellung des Menschen zu Gott und Welt in Bubers Darstellung des Chassidismus, in: Paul A. Schilpp u. Maurice Friedman, Martin Buber, Stuttgart 1963, S. 275-302. 101. Vgl. seine Artikel in ha-Aretz vom 6. Februar 1948 und in D’varim be-gō vom 6. Februar 1953. In einem Brief an Grete Schaeder vom 13. Mai 1967 äußerte Scholem, dass er sich in seiner Kritik noch habe zurückgehalten und darüber hinaus schon sehr viel früher zur Sache publizieren wollte: »Ich habe die größte und angelegentlichste Mühe darauf verwandt meine sachlich unabänderliche Meinung grade [sic] ohne Schärfe vorzubringen. Möglich, daß mir das mißlungen ist – obwohl viele es so gelesen haben wie ich dachte geschrieben zu haben. Diese Kritik hätte auch sehr, sehr viel bitterer formuliert werden können […]. In meinen jungen Jahren habe ich nicht wenig über Buber geschrieben, aber nie etwas davon publiziert – manche seiner Schriften haben mich gradezu aus dem Häuschen gebracht, aber zugleich war mir der Wert von Bubers Erscheinung so hoch, daß ich meiner Kritik mißtraute.« (Thomas Sparr (Hrsg.), Gershom Scholem, Briefe II, 1948-1970, München 1995, S. 184-185.) 102. Vgl. Scholem, Martin Buber’s Hasidism: A Critique, Commentary 22 (1961), S. 304316. Die (leicht veränderte) deutsche Übersetzung erschien in der Neuen Zürcher
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stimmigkeit, die sich zwischen beiden wegen ihres unterschiedlichen Umgangs mit den chassidischen Texten entspann – hatte doch der erst 24jährige Scholem 1921 sein einstiges Idol recht eindringlich dazu genötigt, dem Großen Maggid ein Quellenverzeichnis beizufügen. 103 Es erscheint nicht angezeigt, den in der wissenschaftlichen Literatur schon facettenreich und kontrovers dokumentierten Disput zwischen den beiden so ungleichen Kristallisationsfiguren des jüdischen Geisteslebens noch einmal in extenso auszubreiten. 104 Das Gespann Scholem-Schatz kritisierte Bubers chassidisches »Lebenswerk« 105 dafür, dass er chassidische Texte und Konzepte nur selektiv zur Kenntnis gebe, die Erzählwerke zugunsten der sog. theoretischen Zeitung (NZZ 135/ 19. Mai 1962). Auf die Kritik an seiner Attacke reagierte er mit »Buber and Hasidism« (Commentary 33 (1962), S. 162-163; NZZ vom 27. Mai 1962); vgl. Scholem, Martin Bubers Deutung des Chassidismus, in: Ders. Judaica 1, S. 165-202. Buber verteidigte sich mittels seiner beiden im Jahre 1963 erschienenen Texte »Zur Darstellung des Chassidismus« und »Noch einiges zur Darstellung des Chassidismus«, die ebenfalls in der NZZ erschienen. Buber bat seinen Biographen und Freund Maurice Friedman darum, seine Texte ins Englische zu übersetzen, damit sie ebenfalls im Commentary veröffentlicht werden könnten (vgl. Interpreting Hasidism, Commentary 36 (1963); S. 218-225; Buber, B III, Heidelberg 1975, S. 579). Scholem reagierte auf Bubers Verteidigung nochmals in einer »Nachbemerkung« zu seinem Essay in den Judaica (S. 203-206). 103. Vgl. Buber, B II, Heidelberg 1973, S. 86. Jener Brief Scholems an Buber vom 15. Oktober 1921 (ebd., S. 86-89) ist überhaupt sehr interessant – enthält er doch erste Überlegungen und vorsichtige kritische Anmerkungen Scholems zur Entwicklung des Chassidismus. 104. Die folgende Auswahl an Titeln repräsentiert die reiche akademische Debatte über die Kontroverse – die tatsächlich in mehrfacher Hinsicht (zeitgeschichtlich, hermeneutisch, wissenschaftstheoretisch und natürlich religionshistorisch) von hoher Bedeutung ist: Michael Oppenheim, The Meaning of Hasidut: Martin Buber and Gershom Scholem, Journal of the American Academy of Religion, 49 (1981), S. 409-423; Karl Erich Grözinger, Martin Bubers Chassidismusdeutung, in: Werner Licharz (Hrsg.), Dialog mit Martin Buber, Frankfurt a. M. 1982, S. 231-256; Steven D. Kepnes, A Hermeneutic Approach to the Buber-Scholem Controversy, Journal of Jewish Studies 38 (1987), S. 81-98; Maurice Friedman, Interpreting Hasidism: The BuberScholem Controversy, Yearbook of the Leo Baeck Institute, 33 (1988), S. 449-467; Laurence J. Silberstein, Modes of Discourse in Modern Judaism: The Buber-Scholem Debate Reconsidered, Soundings 71 (1988), S. 657-81; Moshe Idel, Martin Buber and Gershom Scholem on Hasidism: A Critical Appraisal, in: Rapoport-Albert (Hrsg.), Hasidism Reappraised, S. 389-403; Jon D. Levenson, The Hermeneutical Defense of Buber’s Hasidism: A Critique and Counterstatement, Modern Judaism, 11 (1991), S. 299-320; Davidowicz, Gershom Scholem und Martin Buber; Elisabeth Hamacher, Gershom Scholem und die Allgemeine Religionsgeschichte, Berlin u. New York 1999, S. 11-21; Jerome Gellman, Buber’s Blunder: Buber’s Replies to Scholem and Schatz-Uffenheimer, Modern Judaism 20.1 (2000), S. 20-40; Urban, Aesthetics of Renewal, S. 1-3. 105. In dem erwähnten Brief an Grete Schaeder formuliert Scholem: »Aber natürlich hat er [Buber] mir nie verziehen, dass ich die Substanz seines Lebenswerkes in Frage zu stellen gedrängt wurde.« (Scholem, Briefe II, S. 184.)
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(homiletischen) Literatur bevorzuge, seine Quellen nicht exakt bezeichne und überhaupt den Chassidismus subjektiv und intuitiv interpretiere, ihn letztlich für seine Zwecke gebrauche. Buber verwahrte sich kaum gegen die auf ihn gerichtete Sachkritik: 106 Er wollte auswählen; er wusste um die Relevanz der Lehrwerke; er bestritt die akosmistischen und quietistischen Tendenzen bei maßgeblichen chassidischen Meistern keineswegs. An einer »historisch oder hermeneutisch umfassenden Darstellung des Chassidismus« war er einfach nicht interessiert. Von Leben und Lehre des Judentums habe ich das behandelt, was meiner Einsicht nach seine eigentliche Wahrheit und das für seine Funktion in der bisherigen und künftigen Geschichte des Menschengeistes das Entscheidende ist. 107
An den beiden Hauptprotagonisten der Kontroverse kann man exemplarisch beobachten, wie höchst unterschiedliche methodische Zugangsweisen und inhaltliche Prämissen einen sinnvollen Dialog verunmöglichen. Der eine (Buber) näherte sich dem Phänomen als »rezipierender Erbe«, indem er sich gewissermaßen selbst in diese Geschichte hineinschrieb. Der andere betrachtete den Chassidismus in der historisch-kritischen Perspektive eines Religionshistorikers und unterstellte seinem Kontrahenten damit einen (wissenschaftlichen) Anspruch, den jener gar nicht erhoben hatte. Vordergründig forderte Scholem eine möglichst differenzierte und exakte Darstellung des osteuropäischen Chassidismus ein. Unterschwellig ging es ihm um weit mehr: um die Frage nach den geistesgeschichtlichen Grundlagen einer (modernen) jüdischen Identität, um die jüdisch-christlichen Beziehungen nach der Schoa und gleichermaßen auch um das Verhältnis zu den Deutschen, die Bubers Darstellungen, zu Scholems größtem Ärger, als schlechthin repräsentativ für die jüdische Lebensweisheit wahrnahmen.
106. Buber, Zur Darstellung des Chassidismus, S. 626; jetzt in diesem Band, S. 315. Er gibt unumwunden zu, dass er erst seit 1910 zu gründlichem Quellenstudium gelangt sei (ebd., S. 627). Es ist jedoch den Texten Bubers anzumerken, dass ihm die jeweils zeitgenössische Sekundärliteratur bekannt war (vgl. B I, S. 243-244, aus dem Jahre 1906; B II, S. 402-403, eine Korrespondenz mit Simon Dubnow aus dem Jahre 1931); er rezipierte vieles davon (z. B. Dubnows Aufsätze in Vosskhod; Berdyczewskis Vom östlichen Judentum, 1918; Horodezkys Mystisch-religiöse Strömungen u. a. m.) und nahm in seine Zeitschrift Der Jude wiederholt Essays der seinerzeit dominierenden Autoren zum Thema auf (vgl. beispielsweise wiederum Horodezky, Vom Gemeinschaftsleben der Chassidim, Der Jude 10 (1916/17), S. 649-666). 107. Buber, Zur Darstellung des Chassidismus, S. 627; jetzt in diesem Band, S. 315.
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Es ist unbestreitbar richtig, dass Bubers Botschaften, die seiner Meinung nach elementaren Aussagen der chassidischen Lehre, weit mehr eine Art Midrasch 108 als eine exakte Abbildung der überaus heterogenen Strömung darstellen. Wer sich vergegenwärtigt, dass Bubers Äußerungen zum Ba’al Schem Tov und seinen Nachfolgern, seine oft poetischen und immer an jeweiligen gesellschaftlichen Anliegen orientierte Anthologien (!) und Essays eben keine wissenschaftlichen Abhandlungen zu dem Chassidismus schlechthin sind, wird sie auch weiterhin mit Gewinn und Anteilnahme lesen können. Nicht anders formulierte es Rivka Schatz-Uffenheimer, als sie, etliche Jahre nach Bubers Tod, die erbitterte Auseinandersetzung noch einmal Revue passieren ließ: The only thinker who internalized the Hasidic system of values and attempted to use it as a model for Zionist social and ideological education – a task requiring multi-dimensional interpretive powers – was Martin Buber. […] Buber himself in fact spoke of two different ways in which one may preserve culture from the ravages of time for succeeding generations – that of historical learning and that of passing on the vitality and power of faith. The latter helps to renew the connection with the absolute, which had been severed […]. Buber’s place of honor remains unshaked [sic], even in the eyes of Scholem […] as well as in the eyes of his readers. 109
108. In der mittelalterlichen jüdischen Hermeneutik unterscheidet man zwischen dem P’schat ( ;פשטder Wortsinn eines biblischen Textes) und dem D’rasch ( – )דרשeiner aktualisierenden und am praktischen Verhalten ausgerichteten Interpretation ebendieser Texte. Niemand würde heutzutage mehr behaupten, dass der rabbinische Midrasch den Versuch darstelle, die ursprüngliche Bedeutung der zugrundeliegenden biblischen Perikopen zu erhellen. 109. Schatz-Uffenheimer, Hasidism as Mysticism, S. 26,32-33.
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Die Leitung des Verbandes der jüdischen Jugendvereine Deutschlands hatte mich aufgefordert, ihr für eine Sondernummer ihrer »Mitteilungen« eine »autobiographische Skizze« zu geben. Es erschien mir verfrüht, mein Leben überblicken und davon zusammenfassend berichten zu wollen; ich kann nur erst von einzelnen Begegnungen mit geistigen Mächten erzählen, die mir bedeutsam wurden. Aus dem Versuch, über die vielleicht bedeutsamste, jedenfalls wohl fruchtbarste dieser Begegnungen, die mit dem Chassidismus, ein weniges niederzuschreiben, erwuchsen die nachstehenden Aufzeichnungen. Um des überpersönlichen Gehalts willen, der ihnen innewohnt, habe ich dem Vorschlag des Verlags Rütten & Loening, eine Sonderausgabe zu veröffentlichen, gern zugestimmt. * Das hebräische Wort »Chassid« bedeutet: ein Frommer. Es gab im nachexilischen Judentum immer wieder Gemeinschaften, die den Namen Chassidim, Fromme, trugen: von den Chassidim, von jenen, über die das erste Buch der Makkabäer als über eine der Lehre treugebliebene, für sie kämpfende Schar berichtet, und jenen, von denen die Mischna sagt, wer spreche: »Was mein ist, ist dein, und was dein ist, ist dein«, wer sich selber also kein Eigentum zuspreche, sei ein Chassid, bis auf jene »Chassidim«, deren anderthalbtausend im Jahr 1700 unter steten Kasteiungen in das Heilige Land ziehen, um das messianische Reich herbeizubringen, und dort untergehen, und endlich die von Israel ben Elieser, dem »Baal-Schem«, um die Mitte des 18. Jahrhunderts begründete Gemeinschaft, die nach einer kurzen, an denkwürdigen Gestalten reichen Blütezeit der Entartung verfiel, aber heute noch einen großen Teil der östlichen Judenheit umfaßt. Ihnen allen ist es gemeinsam, daß sie mit ihrer Frömmigkeit, mit ihrer Beziehung zum Göttlichen im irdischen Leben Ernst machen wollen; daß sie sich nicht mit gepredigter Gotteslehre und geübtem Gottesdienst begnügen, sondern das Miteinanderleben der Menschen auf der Grundlage der göttlichen Wahrheit aufzurichten versuchen. Besonders deutlich ist dies bei der zuletzt genannten Gemeinschaft, die ich hier im Sinn habe. Der zuweilen von aufklärerischer Gesinnung bestimmte Historiker
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Graetz weiß diesen »Neuchassidäern« nichts anderes als »den wüstesten Wahnglauben« nachzusagen. Aber ein Zeitgenosse und Freund von Graetz, Moses Heß, der Begründer des modernen Zionismus, sprach das tief erkennende Wort aus, der Chassidismus bilde innerhalb des lebendigen jüdischen Geistes den Übergang »aus dem mittelalterlichen Judentum zu einem regenerierten, welches erst in der Entstehung begriffen ist«; seine Folgen seien »unberechenbar, wenn sich die nationale Bewegung seiner bemächtigt«. In der Tat, nirgends in den letzten Jahrhunderten hat sich die Seelenkraft des Judentums so kundgegeben wie im Chassidismus. Die alte Kraft lebt in ihm, die einst, wie Jakob den Engel, mit starken Armen das Unsterbliche auf der Erde festhielt, auf daß es sich im sterblichen Leben erfülle. Zugleich aber gibt sich darin eine neue Freiheit kund. Ohne daß am Gesetz, am Ritus, an der überlieferten Lebensnorm ein Jota geändert würde, ersteht das Altgewohnte in einem jungen Licht und Sinn. Dem äußern Anschein nach noch mittelalterlich gebunden, ist das chassidische Judentum in seiner innern Wahrheit schon der Regeneration erschlossen, und die Entartung dieser großen religiösen Bewegung konnte den geistesgeschichtlichen Prozeß, der mit ihr begonnen hat, nur aufhalten, nicht abbrechen. Es ist hier nicht der Ort, die Lehre des Chassidismus darzulegen. Sie läßt sich in einem Satz vereinigen: Gott ist in jedem Ding zu schauen und durch jede reine Tat zu erreichen. Diese Einsicht ist aber keineswegs, wie man vermeint hat, der pantheistischen Weltanschauung gleichzusetzen. Für die chassidische Lehre ist die ganze Welt nur ein Wort aus Gottes Mund; und dennoch ist das geringste Ding in der Welt würdig, daß Gott sich aus ihm dem Menschen, der ihn wahrhaft sucht, offenbare, denn kein Ding kann ohne einen göttlichen Funken bestehen, und diesen Funken kann jeder zu jeder Zeit und durch jede, auch die gewöhnlichste Handlung entdecken und erlösen, wenn er sie nur in Reinheit, ganz in göttlicher Intention gesammelt, vollbringt. Darum gilt es nicht, in einzelnen Stunden nur und mit bestimmten Worten und Gebärden nur Gott zu dienen, sondern mit dem ganzen Leben, mit dem ganzen Alltag, mit der ganzen Weltlichkeit. Nicht darin besteht das Heil des Menschen, daß er sich vom Weltlichen fernhalte, sondern daß er es heilige, es dem göttlichen Sinn weihe: seine Arbeit und seine Speise, seine Ruhe und seine Wanderschaft, den Aufbau der Familie und den Aufbau der Gesellschaft. Daß er die große Gottesliebe an allen Kreaturen, ja an allen Dingen bewähre. Nie hat in Europa eine große Volksgemeinde – nicht ein Orden Abgeschiedener, nicht eine Bruderschaft Auserwählter, sondern eine Volksgemeinde in all ihrer geistigen und sozialen Vielfältigkeit, in all
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ihrer Gemischtheit – so das g a n z e Leben als eine Einheit auf das innerlich Erkannte gestellt. Hier ist keine Trennung zwischen Glauben und Werken, zwischen Wahrheit und Bewährung, in heutiger Sprache zwischen Moral und Politik; hier ist alles e i n Reich, e i n Geist, e i n e Wirklichkeit. *
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In meiner Kindheit (ich kam in sehr frühen Jahren von Wien, wo ich geboren bin, nach Galizien und wuchs hier bei meinen Großeltern auf) brachte ich jeden Sommer auf einem Gut in der Bukowina zu. Da nahm mich mein Vater zuweilen in das nahe Städtchen Sadagora mit. Sadagora ist der Sitz einer Dynastie von »Zaddikim« (Zaddik: Gerechter, Vollkommener), das ist von chassidischen Rabbis. Die »Gebildeten« reden von »Wunderrabbis« und glauben Bescheid zu wissen. Aber sie wissen, wie es nun einmal den »Gebildeten« in solchen Dingen geht, nur um die äußerste Oberfläche Bescheid. Wohl ist die legendäre Größe der Ahnen in den Enkeln geschwunden, und sie bemühen sich durch allerlei kleine Magie ihre Macht zu bewahren; aber all ihr Getue vermag das angeborene Leuchten ihrer Stirn nicht zu verdunkeln, die angeborene Erhabenheit ihrer Gestalt nicht zu verzerren: ihr unwillkürlicher Adel spricht zwingender als all ihre Willkür. Und wohl lebt in der heutigen Gemeinde nicht mehr jener hohe Glaube der ersten Chassidim, jene starke Hingabe der Ersten, die im Zaddik den vollkommenen Menschen ehrten, in dem das Unsterbliche seine sterbliche Erfüllung findet; vielmehr wenden sich die Heutigen an ihn vornehmlich als an den Mittler, durch dessen Fürsprache sie Stillung ihres Bedürfens zu erlangen hoffen; aber es ist immer noch, ihrem niedern Wollen entrückt, ein Schauer urtiefer Ehrfurcht, der sie ergreift, wenn der »Rebbe« im stummen Gebet steht oder beim dritten Sabbatmahl in zögernder Rede das Geheimnis der Thora deutet. Auch in diesen Entarteten glüht noch, im ungekannten Grund ihrer Seelen, das Wort des Rabbi Eleasar fort, um des vollkommenen Menschen (»Zaddik«) willen, und sei es um eines einzigen willen, sei die Welt erschaffen worden; »denn es heißt: Und Gott sah das Licht, daß es gut war; ›gut‹ aber meint nichts andres als den Vollkommenen« (Talmud Babli, Joma 38 b). Dies habe ich damals, als Kind, in dem schmutzigen Städtchen Sadagora von der »finstern« chassidischen Masse, der ich zusah, erfahren – wie ein Kind solche Dinge erfährt, nicht als Gedanken, sondern als Bild und Gefühl: daß es der Welt um den vollkommenen Menschen zu tun ist, und daß der vollkommene Mensch kein anderer ist als der wahrhafte
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Helfer. Wohl wird der Zaddik jetzt wesentlich um Hilfe in recht irdischen Nöten angegangen, aber ist er nicht trotzdem der Möglichkeit nach immer noch, als was er einst gedacht und eingesetzt worden ist: der Helfer im Geist, der Lehrer des Weltsinns, der Führer zu den göttlichen Funken? Wohl ist die ihm anvertraute Macht von den Gläubigen mißdeutet, von ihm selber mißbraucht worden, aber ist sie nicht im Grunde eine legitime, d i e legitime Macht, diese Macht der hilfreichen Seele über die bedürftigen, liegt in ihr nicht der Keim künftiger Ordnungen? Irgendwie, nach kindlicher Art, dämmerten diese Fragen schon damals in mir auf. Und ich konnte vergleichen: nach der einen Seite hin mit dem Bezirkshauptmann, dessen Macht auf eitel Zwanggewohnheit ruhte; nach der andern hin mit dem Rabbiner, der ein rechtschaffner und gottesfürchtiger Mann, aber ein Angestellter des »Kultusvorstands« war. Hier jedoch war ein anderes, ein Unvergleichliches; hier war, erniedrigt, doch unversehrt, der lebendige Doppelkern des Menschentums: wahrhafte G e m e i n d e und wahrhafte F ü h r e r s c h a f t . Uraltes, Urkünftiges war hier, Verlorenes, Ersehntes, Wiederkehrendes. Der Palast des Rebbe in seiner effektvollen Pracht stieß mich ab. Das Bethaus der Chassidim mit seinen verzückten Betern befremdete mich. Aber als ich den Rebbe durch die Reihen der Harrenden schreiten sah, empfand ich: »Führer«, und als ich die Chassidim mit der Thora tanzen sah, empfand ich: »Gemeinde«. Damals ging mir eine Ahnung davon auf, daß gemeinsame Ehrfurcht und gemeinsame Seelenfreude die Grundlagen der echten Menschengemeinschaft sind. Im Knabenalter begann mir diese frühe Ahnung ins Unbewußte zu entgleiten. Ich brachte nun die Sommer in einer andern Gegend zu und war zuletzt nahe daran, die chassidischen Eindrücke meiner Kindheit zu vergessen. Doch kam ich nach mehreren Jahren wiederholt auf ein neuerworbenes Gut meines Vaters, in der Nähe von Czortkow, einem Städtchen, das die Residenz einer Seitenlinie der gleichen Zaddikim-Dynastie ist. Wie in Sadagora heute noch das überlieferte Gedächtnis des großen »Rishiners« (so genannt, weil er aus Rushyn bei Berdyczew, bei der russischen Regierung als »König der Juden« verdächtigt, fliehen mußte und nach mancherlei Irrfahrten sich in Sadagora niederließ), so ist in Czortkow heute noch die unmittelbare Erinnerung an seinen Sohn David Mosche lebendig. Leider nahm ich damals nichts von ihm auf. Überhaupt waren meine Eindrücke diesmal blasser und flüchtiger. Das mochte daran liegen, daß ich inzwischen von der gärenden Geistigkeit ergriffen worden war, die den entscheidenden Jugendjahren oft eigentümlich ist und wohl die schöpferische Funktion des Intellekts erweckt, zugleich aber dem natürlichen Schauen und Erfahren, das das Kind besaß, ein Ende
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macht. Durch diese Geistigkeit war ich den Chassidim fremd geworden, sie hatte mir die naive Verbundenheit mit ihrem Wesen geraubt, ich dünkte mich kraft meines Denkens ihrer Welt entrückt, ja ich gestehe, daß ich sie nicht wesentlich anders betrachtete, als Graetz es tut: von der Höhe des vernunftbegabten Menschen aus. Ich sah nun nichts mehr von ihrem Leben, auch wenn ich dicht daran vorbeiging: weil ich nicht sehen wollte. Immerhin vernahm ich damals, ohne ihm Beachtung zu schenken, zum erstenmal den Namen, der mir nach vielen Jahren die köstlichste Entdeckung bedeuten sollte: den Namen »Bescht«. Dieser Name ist aus den Anfangsbuchstaben der drei Worte Baal Schem Tob (Herr des Guten Namens, dem Sinn nach etwa Meister der geistigen Mächte) zusammengesetzt und bezeichnet den Stifter des Chassidismus, Rabbi Israel ben Elieser. Einer der Meierhöfe jenes Gutes meines Vaters heißt Tluste-Dorf; in dem dazugehörigen Flecken Tluste-Stadt (inzwischen aus den Frontberichten der russischen Heeresleitung bekannt geworden, da er in diesem Krieg längere Zeit umkämpft wurde) hatte der Baal-Schem als armer Kleinkinderlehrer gelebt, hier war ihm nach dem Bericht der Sage in der Nacht, da er das dreiunddreißigste Jahr vollendete, im Traum verkündet worden, die Zeit sei erfüllt. *
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Aber nicht den Chassidim allein war ich damals entfremdet, sondern dem ganzen Judentum. Ich hatte meine Kindheit, die Zeit bis zu meinem vierzehnten Jahr, im Hause meines Großvaters, des Midraschforschers, verbracht. Der Midrasch war die Welt, in der Salomon Buber lebte, mit einer wunderbaren Sammlung der Seele, mit einer wunderbaren Intensität der Arbeit lebte. Text um Text gab er die Midraschim heraus, diese keinem andern Schrifttum vergleichbaren, an Sagen, Sprüchen und edlen Gleichnissen überreichen Bücher der Bibeldeutung, in denen sich, zerstreut in tausend Fragmenten, eine zweite Bibel, die Bibel des Exils, verbirgt. Ohne sich je die philologische Methode des Abendlands angeeignet zu haben, bearbeitete er die Handschriften mit der Zuverlässigkeit des modernen Gelehrten und zugleich mit der Wissenspräsenz des talmudischen Meisters, der zu jedem Satz, jedem Wort alles irgend Bezügliche der gesamten Literatur unmittelbar bereit hat, nicht als Material des Gedächtnisses allein, sondern als einen organischen Besitz der ganzen Person. Die geistige Leidenschaft, die sich in seiner unablässigen Arbeit bekundete, verband sich der unberührbaren, unbeirrbaren Kindlichkeit einer reinen Menschennatur
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und einem elementaren Judenwesen. Wenn er (wie immer, wenn fremdsprachige Gäste aus fernen Ländern ihn besuchten) hebräisch sprach, klang es wie die Rede eines aus der Verbannung heimgekehrten Fürsten. Er machte sich keine Gedanken über das Judentum, aber er hatte das Judentum selber in sich. Solange ich in seinem Hause lebte, war ich in den Wurzeln gefestigt, ob auch manche Fragen und Zweifel an mir rüttelten. Bald nachdem ich es verließ, nahm mich der Wirbel des Zeitalters hin. Bis in mein zwanzigstes Jahr, in geringerem Maße auch noch darüber hinaus war mein Geist in stetiger und vielfältiger Bewegung, in einem von mannigfaltigen Einflüssen bestimmten, immer neue Gestalt annehmenden Wechsel von Spannungen und Lösungen, aber ohne Zentrum und ohne wachsende Substanz; es war wahrhaftig der »Olam ha-Tohu«, die »Welt des Wirrsals«, die mythische Wohnstätte der schweifenden Seelen, worin ich lebte – in beweglicher Fülle des Geistes, aber wie ohne Judentum, so auch ohne Menschlichkeit und ohne die Gegenwart des Göttlichen. Den ersten Anstoß zu meiner Befreiung gab der Zionismus. Ich kann hier nur andeuten, was er für mich bedeutete: die Wiederherstellung des Zusammenhangs, die erneute Einwurzelung in die Gemeinschaft. Keiner bedarf der rettenden Verbindung mit einem Volkstum so sehr wie der vom geistigen Suchen ergriffene, vom Intellekt in die Lüfte entführte Jüngling; unter den Jünglingen dieser Art und dieses Schicksals aber keiner so sehr wie der jüdische. Die andern bewahrt die von Jahrtausenden ererbte, zutiefst eingeborene Bindung an heimatliche Erde und volkstümliche Überlieferung vor der Auflösung; der Jude, auch der mit einem seit gestern erworbenen Naturgefühl und einem ausgebildeten Verständnis etwa für deutsche Volkskunst und Sitte, ist von ihr unmittelbar bedroht, ist ihr, wofern er nicht zu seiner Gemeinschaft heimfindet, preisgegeben. Und der blinkendste Reichtum an Intellektualität, die üppigste Scheinproduktivität (nur der Verbundene kann wahrhaft produktiv sein) vermögen den Aufgelösten nicht für die heiligen Insignien des Menschentums, Wurzelhaftigkeit, Verbundenheit, Ganzheit, zu entschädigen. Daß mich der Zionismus erfaßte und dem Judentum neu angelobte, war, ich wiederhole es, nur der erste Schritt. Das nationale Bekenntnis allein verwandelt den jüdischen Menschen nicht; er kann mit ihm ebenso seelenarm, wenn auch wohl nicht ebenso haltlos sein wie ohne es. Wem es aber nicht ein Genügen, sondern ein Aufschwung, nicht eine Einfahrt in den Hafen, sondern die Ausfahrt aufs offene Meer ist, den vermag es wohl der Verwandlung zuzuführen. So ist es mir ergangen. Ich bekannte mich zum Judentum, ehe ich es recht eigentlich kannte. So wurde denn dies, nach einigem Umhertappen, mein zweiter Schritt:
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das Erkennenwollen. Erkennen – damit meine ich nicht eine Aufspeicherung anthropologischer, historischer, soziologischer Kenntnisse, so wichtig diese auch sind; ich meine das unmittelbare Erkennen, das Aug-inAuge-Erkennen des Volkstums in seinen schöpferischen Urkunden. Hier sei eine Warnung und Mahnung für den eingeschaltet, der Ernst machen will. Es darf für ihn auf die Dauer keine Übersetzungen geben. Übersetzungen führen in die Irre. Mehr noch, es darf für ihn auf die Dauer keine Chrestomathien geben. Chrestomathien ertöten die Anstrengung des Steigens, auf die es ankommt. Er muß sich selbst den Weg zu den Urkunden, den Weg zu den Müttern bahnen. Auf diesem Weg kam ich zum Chassidismus. Ich hatte mein Hebräisch, das dem Knaben ins Herz gewachsen war, in der Welt des Wirrsals vernachlässigt. Nun erwarb ich es mir neu. Ich begann es in seinem Wesen zu erfassen, das in keine andere, zumindest in keine abendländische Sprache adäquat übertragen werden kann. Und ich las – las, erst immer wieder von spröder, ungelenker, ungestalter Materie abgestoßen, allmählich die Fremdheit überwindend, das Eigne entdeckend, das Selbst anschauend, mit wachsender Andacht. Bis ich eines Tages ein Büchlein aufschlug, das »Zewaat Ribesch«, das ist Testament des Rabbi Israel Baal-Schem betitelt war, und die Worte mir entgegenblitzten: »Er ergreife die Eigenschaft des Eifers gar sehr. Er erhebe sich im Eifer von seinem Schlafe, denn er ist geheiligt und ein andrer Mensch worden und ist würdig zu zeugen und ist worden nach der Eigenschaft des Heiligen, gesegnet sei er, als er seine Welt erzeugte.« Da war es, daß ich, im Nu überwältigt, die chassidische Seele erfuhr. Urjüdisches ging mir auf, im Dunkel des Exils zu neu bewußter Äußerung aufgeblüht: die Gottes-Ebenbildlichkeit des Menschen als Tat, als Werden, als Aufgabe gefaßt. Und dieses Urjüdische war ein Urmenschliches, der Gehalt menschlichster Religiosität. Das Judentum als Religiosität, als »Frömmigkeit«, als Chassidut ging mir da auf. Das Bild aus meiner Kindheit, die Erinnerung an den Zaddik und seine Gemeinde stieg empor und leuchtete mir: ich erkannte die Idee des vollkommenen Menschen. Und ich wurde des Berufs inne, sie der Welt zu verkünden. Erst aber kam die Zeit des Studiums. Ich zog mich, sechsundzwanzigjährig, für fünf Jahre von der Tätigkeit in der Partei, vom Artikelschreiben und Redenhalten, in die Stille zurück, ich sammelte, nicht ohne Mühe, das verstreute, zum Teil verschollene Schrifttum, und ich versenkte mich darein, Geheimnisland um Geheimnisland entdeckend. *
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Zur ersten Mitteilung, zur »Schriftstellerei« kam es auf eine wunderliche Art. Unter all den Büchern, den Sammlungen von Lehrsprüchen der Zaddikim und der Sammlungen von Legenden aus ihrem Leben, war auch ein ganz eigentümliches, von den andern verschiedenes, dazu wohl das volkstümlichste von allen: die »Sippure Maaßijot«, die »Erzählungen der Begebenheiten«, Geschichten des Rabbi Nachman von Bratzlaw, eines Urenkels des Baal-Schem, die er seinen Schülern vortrug und die einer von ihnen nach seinem Tode, in einer offenbar sehr entstellten Form, niederschrieb und veröffentlichte. Es waren dies zum Teil reine Märchen, vornehmlich orientalischen nachgebildet, zum andern Teil Schöpfungen einer besondern Art, sinnbildliche, zuweilen leicht allegorisierende Geschichten, aus dem Niederschlag mystischen Erlebens und dem Gespinst einer konstruktiven Phantasie gewoben. Ihnen allen war ein nicht eigentlich »lehrhafter«, wohl aber lehrender Zug gemeinsam; Rabbi Nachman selbst hatte sie die Kleider seiner Lehren genannt, und von Schülerhand war ein umfangreicher Kommentar dazu entstanden. Aber an ihnen allen haftete auch die Entstellung; die des Inhalts durch allerlei utilitaristische und vulgär-rationalistische Einschläge, die der Form durch Verwirrung der Linien und Trübung der reinen Farben, wie man sie sich aus weniger betroffenen Teilen erschließen konnte. Fast unwillkürlich begann ich zu übersetzen, ein paar der eigentlichen Märchen, also der unoriginalen Stücke des Buches; wenn ich dabei an Leser dachte, so waren es keine andern als Kinder. Als ich fertig war, schien mir, was vor mir lag, dürftiger, als ich vermeint hatte, den verwandten Geschichten aus Tausend und einer Nacht durchaus ebenbürtig. Als ich eine von ihnen gedruckt sah*, war ich vollends enttäuscht. So konnte es nicht geraten: in der fremdsprachlichen Wiedergabe wurde die Entstellung nur noch sichtbarer, die Urform nur noch verdunkelter. Ich merkte, durch Übertragung ließ sich da Reinheit nicht wahren, geschweige denn gewinnen – ich mußte die Geschichten, die ich in mich aufgenommen hatte, aus mir heraus erzählen, wie der rechte Maler die Linien des Modells in sich aufnimmt und aus dem formenden Gedächtnis das echte Bild zustande bringt. Ich begann, noch scheu und unbeholfen, mit der »Geschichte von dem Stier und dem Widder«. Ich ging, freier und sicherer werdend, zur »Geschichte von dem Klugen und dem Einfältigen«, dann zu der »von dem Königssohn und dem Sohn der Magd« über. Die »Geschichte von dem Rabbi und seinem Sohn« war die *
In einem Sammelbuch für Kinder »Heim der Jugend«, mit Bildern von Hermann Struck; in mein Buch »Die Geschichten des Rabbi Nachman« sind diese Märchen nicht aufgenommen worden.
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erste, die mir unversehens zum eignen Gedicht gedieh. In den beiden letzten, der »Geschichte vom Meister des Gebetes« und der »von den sieben Bettlern«, erlebte ich, auch in den Stücken, die ich völlig neu einfügte, meine Einheit mit dem Geiste Nachmans. Ich hatte die wahre Treue gefunden: zulänglicher als die unmittelbaren Jünger empfing und vollzog ich den Auftrag, ein später Sendling in fremdem Sprachreich. Noch stärker erfuhr ich meine eingeborene innere Verbindung mit der chassidischen Wahrheit an dem zweiten Buch, der »Legende des Baalschem«, die aus einer Auswahl der überlieferten Sagenmotive, die ich den Volksbüchern, später auch dem Volksmund selber entnahm, den innern Vorgang im Leben des Meisters aufzubauen sucht. Auch hier hatte ich, kurze Zeit nach der Niederschrift der ersten Nachman-Märchen, zu übersetzen begonnen. Auch hier widerfuhr mir die Enttäuschung. Die vorgefundenen Geschichten waren zumeist roh und plump aufgezeichnet; sie wurden in der Übertragung nicht geflügelter*. So kam ich auch hier zum eignen Erzählen in wachsender Selbständigkeit, aber je größer die Selbständigkeit wurde, um so tiefer erlebte ich die Treue. Und darum durfte ich, obgleich der weitaus größte Teil des Buches eigengesetzliche Dichtung aus überlieferten Motiven ist, von der Legende als rechtschaffnen Bericht meiner Erfahrung sagen: »Ich trage in mir das Blut und den Geist derer, die sie schufen, und aus Blut und Geist ist sie in mir neu geworden«. Ich habe seither, mehrere Jahre nach der Vollendung der beiden Bücher, eine andere Art künstlerischer Treue gegen die volkstümliche chassidische Erzählung gefunden, eine Art, deren Zeugnis mein Buch »Die Welt der Chassidim« sein wird. Aber dies gehört nicht mehr in den Zusammenhang dieser Mitteilungen, die meinen Weg z u m Chassidismus zum Gegenstand haben. *
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Wohl aber gehört noch in diesen Zusammenhang (neben manchen andern Erlebnissen, die vorerst unberichtet bleiben sollen) eine humoristische und sinnvolle Begebenheit, die sich vor ungefähr sieben Jahren ereignete, und zwar wieder in der Bukowina, unweit von Sadagora, in der Landeshauptstadt Czernowitz. Nach einem Vortrag, den ich dort gehalten hatte (es war die dritte *
Eine dieser (immerhin schon etwas freien) Übertragungen »Der Zukunftsbrief« ist in der Wochenschrift »Die Welt« erschienen, aber in das Buch nicht aufgenommen worden.
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meiner »Drei Reden über das Judentum«), ging ich mit einigen Mitgliedern der Verbindung, die den Abend veranstaltet hatte, in ein Kaffeehaus, um, wie es mir lieb ist, der Rede vor vielen, die in ihrer Form keine Gegenrede gestattet, ein Gespräch mit wenigen folgen zu lassen, wo die Anschauung sich im Eingehen auf Einwand und Frage unmittelbarer darlegt und Persönliches auf Persönliches wirkt. Wir erörterten gerade ein moralphilosophisches Thema, als an unseren Tisch ein gutgewachsener, bürgerlich blickender Jude in mittleren Jahren trat und mich begrüßte. Meinen wohl ein wenig fremden Gegengruß beantwortete er durch die eines leichten Vorwurfs nicht entbehrenden Worte: »Herr Doktor! Sie erkennen mich nicht?« Als ich verneinen mußte, stellte er sich mir als M., den Bruder eines früheren Ökonomen meines Vaters, vor. Ich forderte ihn auf, sich zu uns zu setzen, ließ mich über seine Lebensumstände unterrichten und nahm sodann das Gespräch mit den jungen Leuten wieder auf. M. lauschte der Erörterung, die eben eine Wendung zu etwas abstrakten Formulierungen genommen hatte, mit gespannter Aufmerksamkeit. Es war offenbar, daß er kein Wort verstand; die Andacht, mit der er jedes aufnahm, glich der von Gläubigen, die den Inhalt einer Litanei nicht zu kennen brauchen, da ihnen die Fügung der Laute und Töne allein alles gibt, dessen sie bedürfen, und mehr, als irgend ein Inhalt vermöchte. Nach einer Weile fragte ich ihn dennoch, ob er mir vielleicht etwas zu sagen hätte; ich würde gern mit ihm beiseitegehen und seine Angelegenheit besprechen. Er wehrte heftig ab. Das Gespräch setzte wieder ein und mit ihm M.s Lauschen. Als eine weitere halbe Stunde verstrichen war, befragte ich ihn von neuem, ob er nicht etwa einen Wunsch habe, den ich ihm erfüllen könnte; er dürfe auf mich rechnen. Nein, nein, er habe keinen Wunsch, versicherte er. Das Gespräch fand seinen Abschluß; wir standen auf. Es war spät geworden, aber ich fühlte mich, wie es einem in solchen Stunden lebhafter Wechselwirkung geschieht, nicht müde, vielmehr frischer als zuvor, und beschloß einen Spaziergang zu machen. In diesem Augenblick näherte M. sich mir mit einer unsäglich schüchternen Gebärde. »Herr Doktor,« sagte er, »ich möchte Sie etwas fragen.« Ich bat die Studenten zu warten und setzte mich mit ihm an einen Tisch. Er schwieg. »Fragen Sie nur, Herr M.,« sprach ich ihm zu, »ich will Ihnen gern, so gut ich kann, Auskunft geben.« »Herr Doktor,« sagte er, »ich habe eine Tochter.« Er hielt inne; dann fuhr er fort: »Und ich habe auch einen jungen Mann für meine Tochter.« Wieder eine Pause. »Es ist ein Jurist. Er hat die Prüfungen mit Auszeichnung bestanden.« Er hielt wieder inne, diesmal etwas länger. Ich sah ihn aufmunternd an; ich vermutete, er wolle mich ersuchen, mich für den präsumtiven Eidam irgendwie zu verwenden. »Herr Doktor,« fragte
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er, »ist das ein ordentlicher Mensch?« Ich war überrascht, fühlte aber, daß ich eine Antwort nicht verweigern durfte. »Nun, Herr M.,« erklärte ich, »nach dem, was Sie sagen, ist wohl anzunehmen, daß er fleißig und tüchtig ist.« Doch er fragte weiter. »Herr Doktor,« sagte er, »ist er aber auch ein ›guter Kopf‹ ?« »Das ist schon schwerer zu beantworten,« erwiderte ich, »aber immerhin wird er’s mit Fleiß allein nicht geschafft haben, er dürfte also wohl auch was im Kopf haben.« Noch einmal hielt M. inne; dann fragte er, offenbar als Letztes: »Herr Doktor, soll er nun zum Gericht oder zu einem Advokaten gehen?« »Darüber kann ich Ihnen nicht Auskunft geben,« antwortete ich; »ich kenne ja den jungen Mann nicht, und auch wenn ich ihn kennte, würde ich ihn in diesem Punkte kaum zu beraten vermögen.« Da aber sah mich M. mit einem fast schwermütig verzichtenden, halb klagenden, halb begreifenden Blick an und sprach in einem unbeschreiblichen, aus Betrübnis und Demut gemischten Ton: »Herr Doktor, Sie w o l l e n nicht sagen – nun, ich danke Ihnen dafür, was Sie mir gesagt haben.« Diese humoristische und sinnvolle Begebenheit, die scheinbar mit dem Chassidismus nichts zu schaffen hat, hat mir doch einen neuen und bedeutsamen Einblick in ihn gewährt. Als Kind hatte ich ein Bild des Zaddiks empfangen und durch die befleckte Wirklichkeit hindurch die reine Idee, die Idee des wahrhaften Führers einer wahrhaften Gemeinde geahnt. Zwischen Jugend und Mannesalter war mir dann aus der Erkenntnis der chassidischen Lehre diese Idee als die des vollkommenen, Gott in der Welt verwirklichenden Menschen aufgegangen. Jetzt aber erblickte ich im Schein des scherzhaften Ereignisses die führende Funktion dieses Menschen in meiner inneren Erfahrung. Ich, wahrlich kein Zaddik, kein in Gott gesicherter, sondern ein vor Gott gefährdeter, ein ewig neu um Gottes Licht ringender und ewig neu an Gottes Abgründen vergehender Mensch, erlebte, nach Trivialem befragt und Triviales entgegnend, dennoch den wahren Zaddik, den nach Offenbarendem Befragten und Offenbarendes Entgegnenden, von innen. Ich erlebte ihn in dem Grundverhalten seiner Seele zur Welt: in seiner Ve r a n t w o r tung. Jeder Mensch hat eine unendliche Sphäre der Verantwortung, der Verantwortung vor dem Unendlichen. Er bewegt sich, er redet, er blickt, und jede seiner Bewegungen, jedes seiner Worte, jeder seiner Blicke schlägt Wellen ins Geschehen der Welt, er vermag nicht zu erkennen, wie starke und wie weithin reichende. Jeder Mensch bestimmt mit all seinem Sein und Tun das Schicksal der Welt in einem ihm und allen unkenntlichen Maße, denn die Ursächlichkeit, die wir wahrnehmen können, ist ja nur ein winziger Ausschnitt aus dem unausdenklich vielfältigen unsichtbaren
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Wirken aller auf alle. So ist jede Menschenhandlung ein Gefäß der unendlichen Verantwortung. Aber es gibt Menschen, an die die unendliche Verantwortung in einer besonderen, besonders aktiven Form allstündlich herantritt. Ich meine nicht die Herrscher und Staatsmänner, die das äußere Geschick großer Gemeinwesen zu bestimmen haben; umfänglich ist der Kreis ihrer Wirkung, aber um wirken zu können, wenden sie sich von dem einzelnen, ungeheuer bedrohten Leben, das sie mit tausendfältiger Frage anblickt, dem Allgemeinen zu, das sie blicklos dünkt. Ich meine jene, die dem tausendfältig fragenden Blick des einzelnen Lebens standhalten; die dem zitternden Mund der bedürftigen Kreatur, der Mal um Mal von ihnen Entscheidung heischt, getreulich Antwort geben; ich meine die Zaddikim, ich meine den wahren Zaddik. Das ist der Mensch, der die Tiefe der Verantwortung allstündlich mit dem Senkblei seines Wortes mißt. Er spricht – und weiß, daß seine Rede Schicksal ist. Er hat nicht über Länder und Völker zu entscheiden, sondern immer wieder nur über den kleinen und großen Gang eines einzelnen, so endlichen und doch so unbegrenzten Lebens. Die Menschen kommen zu ihm, und jeder begehrt seinen Ausspruch, seine Hilfe. Und mögen es auch leibliche und halbleibliche Nöte sein, die ihm sie zuführen, in seiner Welteinsicht besteht nichts Leibliches, das nicht verklärt, besteht kein Stoff, der nicht zum Geist erhoben werden kann. Und dies ist es, was er an allen tut: e r e r h e b t i h r e N o t , e h e e r s i e s t i l l t . So ist er der Helfer im Geist, der Lehrer des Weltsinns, der Führer zu den göttlichen Funken. Um ihn, um den vollkommnen Menschen, um den wahrhaften Helfer ist es der Welt zu tun; ihm harrt sie entgegen, harrt sie immer wieder entgegen.
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Bewegungen, die eine Erneuerung der Gesellschaft anstreben, meinen damit zumeist, daß der vorgefundenen Ordnung die Axt an die Wurzel zu legen sei; sie setzen dem Gewordenen, das sie verwerfen, ein von Grund aus andersartiges Erzeugnis des wollenden Gedankens gegenüber. Nicht so die religiösen Bewegungen, die auf eine Erneuerung der Seele ausgehn. Mag das Prinzip, das von einer echten religiösen Bewegung vertreten wird, dem herrschenden religiösen Status der Umwelt noch so entgegengesetzt sein: die Bewegung empfindet und äußert diesen Gegensatz nicht als einen Gegensatz zum wesenhaften Urbestand der Überlieferung, sie fühlt und erklärt sich vielmehr berufen, diesen Urbestand von seiner gegenwärtigen Trübung zu reinigen, ihn wiederherzustellen, »wiederzubringen«. Von diesem gleichen Ausgang aber können die religiösen Bewegungen in ihrem Verhältnis zum geltenden Glauben sehr verschieden fortschreiten. Entweder das altneue Prinzip setzt seine eigene Botschaft als die verdunkelte und nun als Licht gerettete Urwahrheit, in dem zur Wiederbringung »gekommenen« zentralen Menschen dargestellt, ja geradezu mit ihm identisch, dem Spätstand der Überlieferung leibhaft entgegen und für ihren Urstand ein; dann vollzieht sich bald die völlige Wandlung und Scheidung; solche Bewegungen dürfen als die stifterischen bezeichnet werden. Oder das Prinzip geht lediglich auf einen älteren Stand der Überlieferung, auf das »reine Wort« zurück, das es zu befreien hat und dessen Entstellung es bekämpft; dann vollzieht sich eine Teilscheidung, so daß die mythisch-dogmatischen und magisch-kultischen Fundamente zumeist unberührt bleiben und ungeachtet der organisatorischen Trennung die geistige Einheit im wesentlichen fortdauert; diese Bewegungen heißen die reformatorischen. Oder auch das Prinzip nimmt die Überlieferung ihrem gegenwärtigen Stande nach in ungeschmälerter Geltung hin; deren Lehren und Satzungen werden in ihrem vollen gegenwärtigen Ausmaß ohne Prüfung ihrer geschichtlichen Beglaubigung und ohne Vergleich mit einer ursprünglicheren Gestalt anerkannt; aber das Prinzip schafft eine neue B e l e u c h t u n g der Lehren und Satzungen, es läßt sie in seinem Licht eine neue Beseeltheit, einen neuen Sinn gewinnen, es erneuert sie in ihrer Vitalität, ohne sie in ihrer Materie zu verändern. Hier vollzieht sich keine Scheidung, obgleich auch hier der Kampf zwischen dem Alten und dem Jungen ent-
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brennen muß und die heftigsten Formen annehmen kann: die neue Gemeinschaft bleibt innerhalb der angestammten und versucht sie von innen zu durchdringen – ein Messen zweier Kräfte, der bewegenden und der beharrenden, das sich bald auf den Boden der neuen Gemeinschaft selbst überträgt und zwischen deren Mitgliedern, ja im Herzen jedes einzelnen sich fortsetzt; naturgemäß werden die Kampfbedingungen immer günstiger für die Kraft der Trägheit. Zu den Bewegungen solcher Art gehört die chassidische, die, um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts von Podolien und Wolhynien ausgehend, um die Jahrhundertwende die Judenheit des ganzen polnischen Reichs sowie Nordostungarns und der Moldau in wesentlichen Teilen ergriffen hatte und um die Mitte des neunzehnten zu einem im Geist erstarrten, aber zahlenmäßig mächtigen Gebilde geworden war, das auch heute noch fortbesteht. Alle echten religiösen Bewegungen wollen nicht etwa dem Menschen die Lösung des Weltgeheimnisses darbieten, sondern ihn ausrüsten, aus der Kraft des Geheimnisses zu leben; sie wollen ihn nicht über Gottes Wesen belehren, sondern ihm den Weg weisen, auf dem ihm Gott begegnen kann. Aber unter ihnen ist es jener dritten Art, von der ich sprach, ganz besonders nicht um ein allgültiges Wissen des Seins und Sollens, nur um das Jetzt und Hier der menschlichen Person, den ewigneuen Schoß der ewigen Wahrheit, zu tun. Darum eben können diese Bewegungen einen Zusammenhang allgemeiner Glaubenssätze und Vorschriften von dem gleichzeitigen Stand der Tradition unverändert übernehmen; ihr eigener Beitrag kann nicht kodifiziert werden, er ist nicht Materie einer dauernden Erkenntnis oder Verpflichtung, nur Licht für das schauende Auge, Kraft für die wirkende Hand, immer neu erscheinend. Besonders deutlich gibt sich dies am Chassidismus kund. Von oberstem Belang ist ihm nicht, was von je war, sondern was je und je geschieht; und hinwieder nicht, was dem Menschen widerfährt, sondern was er tut; und nicht das Außerordentliche, das er tut, sondern das Gewöhnliche; und mehr noch als was er tut, wie er es tut. Unter allen Bewegungen seiner Art hat wohl keine so wie der Chassidismus das unendliche Ethos des Augenblicks verkündet. Zwei Überlieferungen vereinigt hat der Chassidismus übernommen, ohne ihnen wesentlich anderes hinzuzufügen als ein neues Licht und eine neue Kraft: eine Überlieferung religiösen Gesetzes – nach der vedischen Opferlehre der riesenhafteste Aufbau geistlichen Sollens –: die rituale Formung des Judentums; und eine Überlieferung religiöser Wissenschaft, der Gnosis an Bildgewalt nachstehend, an Systematik überlegen: die Kabbala.
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Individual verbunden waren diese zwei Überlieferungsreihen naturgemäß in jedem Kabbalisten, aber die eigentliche Verschmelzung zu einer Realität des Lebens und der Gemeinschaft haben sie erst im Chassidismus erfahren. Die Verschmelzung geschah durch das altneue P r i n z i p , das er vertrat: das Prinzip der Verantwortung des Menschen für das Schicksal Gottes in der Welt. Verantwortung, nicht in einem bedingten, moralischen, sondern in einem unbedingten, metaphysischen Sinn, heimlicher, unerforschlicher Wert der menschlichen Handlung, Einfluß des handelnden Menschen auf die Geschicke des Alls, ja auf dessen lenkenden Kräfte – das ist eine uralte Idee im Judentum. »Die Gerechten mehren die Macht der oberen Herrschaft.« Es gibt eine unserer Erfahrung entrückte, nur unserer Ahnung zugängliche Kausalität der Tat. Diese Idee gestaltet sich in der Entwicklung der Kabbala zu der zentralen und tragenden aus, als die sie im Chassidismus hervortritt: durch die kabbalistische Anschauung von Gottes Schicksal in der Welt. Mythisch lebendig schon in iranischer Religiosität – uns überliefert in deren mandäischer und manichäischer Umbildung 1 –, dann begrifflicher umrissen in mannigfacher Gnosis erscheint uns die Konzeption der in der Stoffwelt gefangenen Gottseele, die erlöst werden soll. Der gottentstrahlte Lichtglanz, der in die Finsternis gesunken ist, die Sophia, die in die Gewalt der niederen weltbeherrschenden Mächte geriet, die »Mutter«, die durch alle Leiden der Dinglichkeit schreiten muß –, immer ist es ein zwischen dem Urguten und dem Urbösen mittelndes Wesen, dessen Schicksal erzählt wird: ein preisgegebenes Wesen und doch ein Gottwesen, von seinem Ursprung abgetrennt und doch nicht abgetrennt; denn die Scheidung heißt Zeit und die Vereinigung Ewigkeit. Die Kabbala hat die Konzeption der eingebannten Gottseele aufgenommen, aber sie im Feuer der jüdischen Einheitsidee, die eine Urzweiheit ausschließt, umgeprägt. Das Schicksal der Herrlichkeit Gottes, der »Einwohnung« (Schechina), widerfährt ihr nun nicht mehr von ihrem Gegensatz, nicht von den Mächten der gottfremden oder gottfeindlichen Materie, sondern von der Notwendigkeit des Urwillens selber; es gehört in den Sinn der Weltschöpfung. Wie ist Welt möglich? Das ist die Grundfrage der Kabbala, wie es die Grundfrage aller Gnosis war. Wie kann die Welt sein, da doch Gott ist? Da Gott unendlich ist, wie kann es etwas außer ihm geben? Da er ewig
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Vgl. Reitzenstein, Das iranische Erlösungsmysterium, Bonn 1921.
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ist, wie kann Zeit bestehen? Da er vollkommen ist, wie konnte das Mangelhafte werden? Da er unbedingt ist, was soll das Bedingte? Die Kabbala 1 antwortet: Gott schränkte sich zur Welt ein, weil er, zweiheits- und beziehungslose Einheit, die Beziehung hervortreten lassen wollte: weil er erkannt, geliebt, gewollt werden wollte, weil er seinem ureinen Sein, in dem das Denken und das Gedachte eins sind, die Anderheit entsteigen lassen wollte, die zur Einheit strebt. So entstrahlten ihm die Sphären: Sonderung, Schöpfung, Gestaltung, Fertigung, die Welten der Ideen, der Kräfte, der Formen, der Stoffe, die Reiche des Genius, des Geistes, der Seele, des Lebens, so ward, in ihnen aufgebaut, das All, dessen »Ort« Gott ist und dessen Kern er ist. Der Sinn der Emanation ist nach einem chassidischen Wort »nicht, wie die Kreaturen vermeinen, daß die oberen Welten über den unteren wären, sondern die Welt der Fertigung ist dies, was unserm stofflichen Auge erscheint; aber ergründest du es tiefer und enthüllst du es der Stofflichkeit, so ist eben dies die Welt der Gestaltung, und enthüllst du es weiter, so ist es die Welt der Schöpfung, und ergründest du sein Wesen noch tiefer, so ist es die Welt der Sonderung, bis zum Unbegrenzten, gesegnet sei Er«. Die raumzeitliche Sinnenwelt ist nur die äußerste Hülle Gottes, die äußerste und dichteste »Schale«, daher auch vor allen die »Welt der Schalen« genannt. Es gibt kein Böses an sich; das Mangelhafte ist nur Hülle und Haft eines Vollkommneren. Alles Weltsein ist somit zwar nicht bloßer Schein, wohl aber ein System immer dichterer Verhüllungen. Und doch ist es eben dieses System, worin sich Gottes Schicksal vollzieht. Gott hat nicht, schicksallos, eine schicksalerfahrende Welt gemacht: er selber, insofern er sie aus sich entsandt, sich in sie gehüllt hat, ihr einwohnt, er selber in seiner Schechina hat sein Schicksal an der Welt. Warum aber war dem Urwillen nicht durch die reine Sphäre der Sonderung, die Welt der Ideen, genug getan, wo er, der erkannt werden wollte, von Angesicht zu Angesicht erkannt werden konnte? Warum mußte der Akt über sie hinaus immer »niedrere«, fernere, äußerlichere, schalenhaftere Bereiche hervorbringen, bis zu dieser unüberbietbar schalenhaften, dieser zähen, trüben, beladenen Welt, in der wir Kreaturen, wir Dinge hausen? Warum durften wir nicht lichtätherhafter Genius bleiben, mußten hintereinander mit feuerhaftem Geist, wasserhafter Seele, erdhaftem Körperleben bemakelt und durchsetzt werden? 1.
Ich berücksichtige hier Entwicklung und Abwandlungen der kabbalistischen Anschauung nicht, sondern nur ihren Grundgehalt, der für den Chassidismus bestimmend wurde.
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Auf alle solche Fragen antwortet die Kabbala nur: Gott schränkte sich zur Welt ein. Und es ist geantwortet. Gott wollte erkannt, geliebt, gewollt werden, das heißt: Gott wollte eine frei bestehende, in Freiheit erkennende, in Freiheit liebende, in Freiheit wollende Anderheit; er g a b s i e f r e i . Dies bedeutet der Begriff Zimzum, Einschränkung. Aber indem eine dem ewigen Sein enthobene Macht ihrer Freiheit überlassen wurde, war ihr die Grenze durch nichts mehr als durch die eigene Auswirkung gesetzt; sie flutete über ihre gottnahe Reinheit hinaus, Werden brach aus dem Sein, es geschah, was die Kabbala »das Mysterium des Zerbrechens der Gefäße« nennt. Sphäre reckte sich aus Sphäre, Welt klomm über Welt hinweg, Schale schoß an Schale, bis an die Grenze der Wandlungen; hier, im Reich der im Raum gedehnten, in der Zeit verharrenden Materie, am Rand des Gewordenseins, in der Letztheit der Sinnendinge bricht sich die Gotteswelle. Gottes ist die Welle, die sich hier bricht. Lichtfunken des gottunmittelbaren Urwesens, des geniushaften Adam Kadmon, sind, als das Licht aus der obersten in die unteren Sphären stürzte und sie sprengte, in die Kerkerhaft der Dinge gefallen. Gottes Schechina stieg von Sphäre zu Sphäre nieder, wanderte von Welt zu Welt, bannte sich in Schale um Schale ein, bis in ihr äußerstes Exil: uns. In unserer Welt erfüllt sich das Schicksal Gottes. Unsere Welt aber ist in Wahrheit die Welt des Menschen. In altindischer Religion begegnet uns der Mythus vom »Allopfer«, der Opferung des Urmenschen, aus dessen Teilen die Welten erschaffen werden. Die Vorstellung des menschhaften Urwesens, das vergehen oder sich erniedern muß, damit die Weltenscheidung geschehe, kehrt in vorderasiatischen Mysterienriten und Kultliedern, Kosmogonien und Apokalypsen wieder. Der Kabbala steht im Anfang des Weltwerdens der Adam Kadmon als Gestalt Gottes und Urbild des Alls, Gotteslicht seine Substanz, Gottesname sein Leben, die noch ruhenden Sphärenelemente seine Glieder, alle Gegensätze in ihm wie Rechts und Links verbunden. Das Auseinandertreten seiner Teile ist das Werden der Welt, auch es eine Opferung. Aber an deren Ende, am Rand des Gewordenseins, Ergebnis aller Brechungen und Trübungen des Urlichts, aus dem Wuchern aller Sphären gewachsen, alle Gegensätze in ihm wie Mann und Weib zerfallen, steht wieder der Mensch, das Mischwerk der Elemente, dieser irdische, geeinzelte, benannte, stoffwechselnde, unzählbar geborene und gestorbene Mensch. In ihm hat sich die ihrer Freiheit überlassene Anderheit zum Letzten ausgewirkt, in ihm sich versammelt, und er, das späteste, beladenste der Geschöpfe, hat unter allen das volle Erbe der Freiheit empfangen. Hier erst, in diesem Kind der Fäulnis und des Lichts, ist das
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rechtmäßige Subjekt des Aktes erstanden, in dem Gott erkannt, geliebt, gewollt werden will. Hier ist die Bewegung zu Ende, von hier aus erst kann »der Jordan aufwärts fließen«. Hier geschieht die Entscheidung. In anderen Lehren konnte die Gottseele, vom Himmel zur Erde gesandt oder zur Erde entlassen, vom Himmel wieder heimgerufen oder heimbefreit werden, Schöpfung und Erlösung in gleicher Richtung, von »oben« nach »unten« geschehen; nicht in einer Lehre, die, wie die jüdische, so ganz auf die doppelgerichtete Beziehung von Menschen-Ich und Gott-Du, auf die Realität der Gegenseitigkeit, auf die B e g e g n u n g gestellt war. Hier ist der Mensch, dieser elende Mensch, seinem Ursinn nach der Helfer Gottes. Um seines, des »Wählenden«, des Gottwählenkönnenden willen ist die Welt erschaffen worden. Ihre Schalen sind dazu da, daß er durch sie in den Kern dringe. Die Sphären sind auseinandergewichen, daß er sie einander nähere. Seiner harrt die Kreatur. Gott harrt seiner. Von ihm, von »unten« muß der Antrieb zur Erlösung ausgehen. Die Gnade ist Gottes A n t w o r t . Keine der oberen, innerlicheren Welten, erst diese niederste und äußerste ist befähigt, den Anstoß zur Verwandlung in den Olam ha-Tikun, die Welt der Vollendung, in der »die Gestalt der Schechina aus der Verborgenheit tritt«, zu geben. Denn Gott hat sich zur Welt beschränkt, er hat sie freigegeben; nun steht das Schicksal auf ihrer Freiheit. Das ist das Mysterium des Menschen. In der Geschichte des Menschen wiederholt sich die Geschichte der Welt. Das Freigewordene übergreift sich. Dem »Zerbrechen der Gefäße« entspricht der Sündenfall. Beide sind Zeichen des notwendigen Wegs. Innerhalb des kosmischen Exils der Schechina steht das irdische, in das sie durch das Versagen des Menschen getrieben wurde, mit ihm aus dem Paradies ins Irrsal gehend. Und noch einmal wiederholt sich die Geschichte der Welt in der Israels: seinem Abfall folgt Mal um Mal – nicht als Strafe, sondern als Wirkung – die Verbannung, in die die Schechina mit ihm geht, bis zur letzten, wo nunmehr, in der tiefsten Erniedrigung, »alles an der Umkehr hangt«. Diese Verknüpfung einer kosmischen K o n z e p t i o n mit einer geschichtlichen, von der Kabbala nach altjüdischen Überlieferungen vollzogen, trug sicherlich dazu bei, die Anschauung des Emanationssystems unmittelbarer und gefühlhafter zu machen; zugleich aber wurden Sinn und Aufgabe des Menschen eingeengt. Alle Eschatologie ist ja stets in Gefahr, durch Vermengung absoluter mit historischen Kategorien das Überzeitliche ans Zeitliche hinzugeben, zumal in einer Epoche, wo die eschatologische Schau durch Konstruktion ersetzt wird. Die Verend-
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lichung des Ziels verendlicht das Mittel: wird die Innerlichkeit des Messianismus, Weltumkehr und Weltverwandlung, vergessen, so entsteht leicht eine theurgische Praxis, die die Erlösung durch formelhafte Prozeduren herbeiführen will. Diese Praxis erhebt sich über sich hinaus in jenen gewaltigen und ins Leere wuchtenden Überspannungen der Askese, die die letzte, vorchassidische Phase der Kabbala kennzeichnen und deren Nachwirkungen in den Chassidismus hineinreichen, aber von seiner antiasketischen Tendenz überwunden werden. Zumeist jedoch steht der großen kosmogonischen Vision des sphärenumfassenden Urmenschen ein kleines Erlösungsschema gegenüber. Was der Chassidismus im Verhältnis zur Kabbala anstrebt, ist die Entschematisierung des Mysteriums. Das altneue Prinzip, das er vertritt, ist, geläutert wiederhergestellt, das der kosmisch-metakosmischen Macht und Verantwortung des Menschen. »Alle Welten hangen an seinen Werken, alle schauen aus und bangen nach der Lehre und der Guttat des Menschen.« Dieses Prinzip, kraft dessen reiner Intensität der Chassidismus zur religiösen B e w e g u n g wird, ist kein neues Lehrelement, wie er überhaupt keine neuen Lehrelemente enthält; es ist nur hier, unter Zurückdrängung (nicht Vertilgung) der ihm vielfältig anhaftenden Gewaltsamkeiten, Formelgläubigkeiten und Mystosophien, zur Mitte einer Lebensform und einer Gemeinschaft geworden. Der eschatologische Antrieb erstirbt nicht, das Verlangen nach der messianischen Erlösung findet zuweilen einen noch persönlicheren Ausdruck in beschwörendem Wort und stürmendem Unterfangen; aber die Arbeit um des Endes willen – das »nicht zu bedrängen« ein alter Spruch gebietet – ordnet sich der steten Wirkung auf die inneren Welten durch die Heiligung alles Tuns unter; in der Stille reifen Ahnungen eines zeitlosen Heils, das der Augenblick erschließt; nicht mehr eine angesetzte Handlung, sondern die Weihung alles Handelns wird entscheidend; und wie das Geheimnis gegenwärtiger Erfüllung sich stärkend und erhellend der Bereitung der kommenden Dinge gesellt, erhebt sich über der Asketik, wie über einer abgestreiften Verpuppung, die beflügelte Freude. Der Chassidismus will »den Gott in dieser niedern, untersten Welt offenbaren, in allen Dingen und zumal in dem Menschen, daß an ihm kein Glied und keine Bewegung ist, in der nicht Gottes Kraft verborgen wäre, und keine, mit der er nicht Einungen vollbringen könnte.« Auf die Frage, was das erste im Dienst sei, antwortete der Baalschem: »Für den geistigen Menschen ist das erste: Liebe ohne Kasteiung; für die andern ist das erste: sehen lernen, daß in aller Leiblichkeit ein heiliges Leben ist und daß man alle zu dieser ihrer Wurzel zurückführen und heiligen kann.« Man braucht nicht zu fasten, da doch, wer in der Weihe ißt, die ge-
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fallenen Funken erlöst, die in die Speise gebannt sind und ihr Duft und Geschmack verleihen; selbst Haman wurde, als er bei Esther zu Gast war, von der Heiligkeit des Mahles berührt, und von Abraham heißt es, er habe »über« den von ihm bewirteten Engeln gestanden: weil er die ihnen fremde Weihe des Essens kannte. Man braucht nicht der ehelichen Liebe zu entbehren, da doch – wie schon der Talmud lehrt – wo ein Mann und ein Weib in heiliger Einheit beisammen sind, die Schechina über ihnen ruht; nach dem Tode seiner Frau wollte der Baalschem sich nicht trösten lassen und sprach: »Ich hatte gehofft, im Wetter wie Elija gen Himmel zu fahren, nun aber ist es mir genommen, denn ich bin nur noch die Hälfte eines Leibs.« Man soll sich nicht kasteien; »wer seinem Körper Schaden zufügt, fügt seiner Seele Schaden zu«, und die asketische Ekstase ist »von der anderen Seite«, nicht göttlicher, sondern dämonischer Art. Man soll den »bösen Trieb«, die Leidenschaft in sich nicht ertöten, sondern m i t i h r Gott dienen; sie ist die Kraft, die vom Menschen die Richtung empfangen soll (»Du hast den Trieb böse gemacht«, sagt Gott schon im Midrasch zum Menschen); die »fremden Gedanken«, die Gelüste, die zum Menschen kommen, sind reine Ideen, die im »Zerbrechen der Gefäße« verdarben und nun durch den Menschen wieder erhoben zu werden begehren. »Die edelste Bitternis rührt an die Schwermut, und die gemeinste Freude wächst aus der Heiligkeit.« Man kann zum Kern der Frucht nicht anders als durch die Schale kommen. Ein Zaddik führte das Wort eines talmudischen Weisen an: »Die Wege am Firmament sind mir erhellt wie die Wege der Stadt Nehardea« und kehrte es um: Die Straßen der Erde sollen einem leuchten wie die Bahnen des Himmels; denn »man kann zu Gott nicht anders kommen als durch die Natur«. »Henoch war ein Schuhflicker. Mit jedem Stich seiner Ahle, der Oberleder und Sohle zusammennähte, verband er Gott und seine Schechina.« Dieser wunderliche Beitrag zur Legende des Urvaters, der göttlicher Gemeinschaft genoß, von der Erde hinweggenommen wurde und die Verwandlung in den demiurgisch gewaltigen Metatron, den feuerleibigen »Fürsten des Angesichts« erfuhr, wird in der chassidischen Lehre gern variiert. Denn in seinem erdnahen Bilde spricht er das ihr Wesentliche aus: daß der Mensch auf das Ewige einwirkt, und dies nicht durch besondere Werke, sondern durch die Intention all seines Werks. Es ist die Lehre von der Heiligung des Alltags. Es gilt nicht, ein neues, seiner Materie nach sakrales oder mystisches Tun zu gewinnen; es gilt, das einem Zugewiesene, das Gewohnte und Selbstverständliche in seiner Wahrheit und in seinem Sinn, und das heißt in der Wahrheit und dem Sinn aller
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Tat, zu tun. Auch die Werke sind Schalen; wer sie mit der rechten Weihe vollbringt, umfängt im Kern das Schrankenlose. Von hier aus wird verständlich, daß der Chassidismus keinen Anreiz hatte, irgendein Stück aus der Fügung des überlieferten Gesetzes zu brechen, da es der chassidischen Lehre nach keins geben konnte, das nicht mit Intention zu erfüllen oder in seiner Intention zu entdecken war. Aber es wird auch verständlich, wie eben hierdurch die beharrende Kraft der bewegenden und erneuernden insgeheim überlegen blieb und schließlich innerhalb des Chassidismus selbst ihr obsiegen mußte; doch siegt ja immer wieder in der Menschenwelt die Schale dem Kern ob. Ohnehin hat es keine Lehre so schwer, ihre reine Kraft zu bewahren, wie eine, die den Sinn des Lebens auf die wirkende Wirklichkeit des Jetzt und Hier stellt und nicht duldet, daß der Mensch vor der anstrengenden Unendlichkeit des Augenblicks in ein gleichmäßig geltendes System des Seins und Sollens flüchte; die Trägheit erweist sich bald stärker und zwingt die Lehre um. Aber in der kurzen Zeit ihrer Reinheit hat diese eine unsterbliche Fülle des echten und rückhaltlosen Lebens erzeugt. Leib
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Eine Lehre, die hoch über das kodifizierbare Was des Tuns das nicht festzulegende Wie stellt, wird ihr Eigentliches nicht durch die Schrift übergeben können; immer wieder wird es sich durch das Leben, von Führer zu Gemeinde, vornehmlich aber von Lehrer zu Schüler mitteilen. Nicht als ob die Lehre in ein allen zugängliches und ein esoterisches Bereich getrennt wäre; es widerspräche ihrem Sinn, dem Werk am Menschen, wenn sie ein Geheimfach mit hieratischer Inschrift bärge. Vielmehr ist das Geheimnis, das übergeben wird, eben das, was auch das dauernde Wort verkündet, nur daß es seiner Natur nach, als ein Wie, durch das Wort nur angedeutet, in seiner substantiellen Wahrheit aber nur durch die Bewährung dargelegt werden kann. »Was ist das«, sagt daher ein »verborgener Zaddik« von den Rabbinen, die »Thora sagen« d. i. Worte der heiligen Schrift auslegen, »daß sie Thora sagen? Der Mensch soll achten, daß all seine Führung eine Thora sei und er selbst eine Thora«. Und ein andermal heißt es: »Der Weise sinne darauf, daß er selbst eine vollkommene Lehre sei und alle seinen Taten Körper der Unterweisung; oder, wo ihm dies nicht gewährt ist, daß er eine Übertragung und Auslegung der Lehre sei und durch jede seiner Bewegungen die Lehre sich ausbreite«. Wie ein sakramentaler Ausdruck dieser Grundeinsicht erscheint es, wenn der Zaddik von Apt den zu Boden gefallenen Gürtel
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des siebzehnjährigen Rabbi Israel, des nachmaligen Rižiners, aufhebt, ihn damit umgürtet und spricht, er vollziehe die heilige Handlung der Gelila: der Einfaltung der Thorarolle. Die Menschen, in denen sich das Thora-Sein erfüllt, heißen Zaddikim, »die Gerechten«, die Rechtmäßigen. Sie tragen die chassidische Lehre, nicht allein als deren Apostel, sondern als deren wirkende Wirklichkeit. Sie sind die Lehre. Um die eigentümliche Bedeutung des Zaddiks im Unterschied etwa von dem russischen Staretz, wie ihn mit der verklärenden Treue des großen Dichters Dostojewski dargestellt hat, zu erfassen, vergegenwärtige man sich den fundamentalen Unterschied zwischen der Geschichtsauffassung des Judentums und der des Christentums (oder der einer anderen Erlöser-Religion, z. B. des Buddhismus). Nicht die Konzeption der Erlösung selbst ist das Scheidende: die lebte schon im prophetischen Messianismus und wurde vom nachexilischen Judentum zum Kern seiner Weltansicht ausgebildet. Aber den Erlöserreligionen ist die Erlösung ein – seinem Wesen nach der Geschichte transzendentes, dennoch in ihr lokalisiertes – Faktum, dem Judentum ist sie ein reiner Ausblick; für jene hat die Geschichtszeit (»der gegenwärtige Äon«) eine Zäsur, eine absolute Mitte, in der sie gleichsam aufbricht, bis auf den Grund gespalten wird und eben dadurch den hinfort unerschütterlichen Halt gewinnt, für das Judentum muß sie ohne eine solche zentrale Verfestigung, ganz ihrer nirgends innehaltenden Strömung überlassen, auf das »Ende« hinstreben. So hat sich denn im Christentum (wie im Buddhismus) das Entscheidende ereignet und kann nunmehr nur noch »nachgeahmt«, nur noch im Anschluß erneut, nur noch wiederholt werden; im Judentum ereignet sich das Entscheidende allezeit, das heißt: es ereignet sich jetzt und hier. Vor der blühenden Schicksalsfülle des Jetzt und Hier verblaßt sogar der Horizont der »letzten Dinge«: zeitlich projiziert erscheint das Gottesreich am Gesichtskreis der absoluten Zukunft, wo Himmel und Erde sich berühren, zeitlos gegenwärtig offenbart es sich je und je im Augenblick, wo aus dem Wesensakt des wahrhaften Menschen die Einung Gottes und seiner Schechina geschieht. Wohl war es ein christlicher, abendländischer Seher, der seiner Kirche den Satz entgegenhob: »Der edle Mensch ist jener eingeborene Sohn Gottes, den der Vater ewiglich zeugte« 1 ; aber in keiner der christlichen Ketzergemeinschaften, die damit Ernst machen wollten, konnte er zum eindeutigen Leben gedeihen. Im Chassidismus erstand – als schwache, von Anbeginn zur Entartung verurteilte, den1.
Homo nobilis est ille unigenitus filius Dei, quem pater aeternaliter genuit. (Einer der vom Papst 1329 verdammten 28 Sätze Meister Eckharts.)
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noch unvergängliche Wirklichkeit – der jüdische Bruderspruch, in dem an Stelle der »Zeugung«, der niederströmenden Gnade, die Begegnung des göttlichen Wirkens mit dem menschlichen steht, in dem aber das »ewiglich« mit gleicher Kraft ertönt. Der Zaddik ist nicht ein Priester oder Mönch, der ein einst vollzogenes Heilswerk in sich erneut oder seinem Geschlecht übermittelt, sondern der Mensch, der der allmenschlichen, allzeitlichen Heilsaufgabe gesammelter als die andern zugewandt ist, dessen Kräfte geläutert und geeinigt sich auf das eine Obliegende richten. Er ist seiner Idee nach der Mensch, in dem die metaphysische Verantwortung aus einem Bewußtseinsvorgang zur organischen Existenz wird. Er ist der zu seiner Wahrheit vollendete Mensch, das rechtmäßige Subjekt des Akts, in dem Gott erkannt, geliebt, gewollt werden will. In ihm verwirklicht der »untere«, irdische Mensch sein Urbild, den kosmischen Urmenschen, der die Sphären umfaßt. Er ist die Wende der großen Flut, in ihm kehrt die Welt zu ihrem Ursprung um. Er ist »kein Knecht der Zeit, sondern über ihr«. Er trägt den untern Segen empor und den obern herab; er zieht den heiligen Geist auf die Menschen nieder. Das Sein des Zaddiks wirkt in die obern Bereiche. Er muß mit seinem Feuer – so sagt einmal in einem derben und anschaulichen Scherzwort ein Zaddik vom andern – »die großen Töpfe kochen«. An ihm erneuert sich die Welt, deren »Grund« er ist (so wird das Wort vom »Gerechten«, Sprüche Salomos 10, 25, gedeutet). »Der Zaddik heißt Grund, weil er unablässig mit seinem Wirken den Erguß der Fülle über die Welt erweckt. Und vollendet sich aus ihm, daß all sein Tun nur darauf geht die Schechina mit Gott zu vereinen, dann kommt über seine Seele ein Gnadenstrom von der heiligen Fülle, der sich aus dem Licht der Gotteseinheit ergießt, und er wird wie eine neue Kreatur und wie ein Kindlein das eben geboren wurde. Das ist es, was geschrieben steht: ›Und dem Sem wurde geboren auch er …‹ 1 Denn wessen alle Werke Gott allein gelten, der zeugt sich selber in der Erneuerung des Lichtes seiner Seele.« Ein wahrhaftiger Mensch ist wichtiger als ein Engel, weil dieser ein »Stehender«, er aber ein »Wandelnder« ist: er schreitet vor, dringt durch, steigt auf, – er vollzieht die entscheidende, erneuernde Bewegung der Welt. Die stete Erneuerung ist das eigentliche Lebensprinzip des Zaddiks. In ihm sammelt und hebt sich der Werdensvorgang der Schöpfung zu schöpferischem Sinn, dem echten, der ganz frei von Willkür und Eigensucht, der eben nichts anderes als die Umkehr der Schöpfung zum
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Deutende Übertragung von 1. M. 10, 21.
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Schöpfer ist. Der Zaddik schaut unablässig die körperhafte Erneuerung im All unmittelbar und »wird in jedem Augenblick von der Erneuerung der Kreatur bewegt«; sein Wesen antwortet mit der des Geistes. Und wie die körperhafte Erneuerung in der Natur stets mit einem Versinken, einer Auflösung, einem Schlaf der Elemente zusammenhängt, so gibt es kein wahres geistiges Werden ohne Entwerden. »Denn die Zaddikim«, sagt Rabbi Sußja, »die in ihrem Dienst immer wieder von Heiligtum zu Heiligtum und von Welt zu Welt gehen, müssen zuvorderst ihr Leben von sich werfen, um einen neuen Geist zu empfangen, daß eine neue Erleuchtung sie immer wieder überschwebe; und dies ist das Mysterium des Schlafs.« Der sinnbildliche Akt dieses Vorgangs der tiefen Innerlichkeit ist das Tauchbad. Urzeitliches Symbol der Wiedergeburt (die wahrhaft nur ist, wenn sie Tod und Auferstehung umschließt), aus alten Überlieferungen, insbesondere der Essäer und »Morgentäufer«, in die kabbalistische Praxis aufgenommen, wird es von den Zaddikim mit einer hohen und freudigen Leidenschaft geübt, die nicht asketischer Art ist. Von manchen wird erzählt, wie sie im strengsten Winterfrost das Eis der Ströme zerschlugen, um ins fließende Wasser zu tauchen; und der Sinn dieser Inbrunst wird an dem Wort eines Chassids offenbart, man könne das Tauchbad durch einen geistigen Akt, den der »Abstreifung der Leiblichkeit«, ersetzen. Was sich hier in der Handlung äußert, ist Bereitschaft und Bereitung, in die »Beschaffenheit des Nichts« einzukehren, aus der allein die göttliche Erneuerung sich auswirken kann. In dieser immer neuen Übung der »empfangenden Macht« des Zaddiks vollzieht sich die immer neue Weihung seiner tätigen Macht. Mit verjüngter Kraft gerüstet geht er immer wieder an sein Werk – an sein Tagewerk: an das tausendfältige Werk der »Einung«, des Jichud. Jichud bedeutet ursprünglich das Bekenntnis der Einheit Gottes, das dem Juden die Zentralsonne nicht allein seines religiösen, sondern seines Lebenssystems überhaupt ist. Aber auch schon dieses Bekenntnis stellt nicht eine passive Anerkennung, sondern einen Akt dar. Es ist keineswegs die Äußerung eines Subjekts über ein Objekt; es ist gar kein »subjektiver«, sondern ein subjektiv-objektiver, ein Begegnungs-Vorgang; es ist die dynamische Gestalt der Gotteseinheit selber. Dieser aktive Charakter des Jichud wächst in der Kabbala, reift im Chassidismus. Der Mensch w i r k t die Einheit Gottes, das heißt: durch ihn vollzieht sich die Einheit des Werdens, die Gotteseinheit der Schöpfung, – die freilich ihrem Wesen nach immer nur Vereinigung des Getrennten sein kann, welche die dauernde Geschiedenheit überwölbt und in der die Ureinheit des ungeschiedenen Seins ihr kosmisches Gegenbild findet: die Einheit ohne Vielheit in der Einung der Vielheit.
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Es ist von grundlegender Wichtigkeit, den eigentümlichen Begriff des Jichud gegen den der m a g i s c h e n Handlung abzuheben. Der magische Akt bedeutet die Einwirkung eines Subjekts auf ein Objekt, des zauberkundigen Menschen auf eine – göttliche oder dämonische, persönliche oder unpersönliche, in der Dingwelt erscheinende oder hinter ihr verborgene – »Macht«; also eine konstitutive Zweiheit von Elementen, von denen das eine, das menschliche seiner Grundbeschaffenheit nach das schwächere ist, aber kraft seines magischen Vermögens das stärkere, das zwingende wird; es zwingt das andere, das göttliche oder dämonische, in Menschendienst, in Menschenabsicht, in Menschenwerk; der Mensch, von dem der Akt ausgeht, ist auch dessen Ziel und Ende; der magische Akt ist ein in sich kehrender, ein isolierter, kreisartiger Kausalprozeß. Der Jichud bedeutet nicht die Einwirkung eines Subjekts auf ein Objekt, sondern die Auswirkung des Objektiven in einer Subjektivität und durch sie: des Seienden im Werdenden und durch es; freilich eine wahrhafte, strenge und vollkommene Auswirkung, so daß das Werdende nicht bewegtes Werkzeug sondern ein freigelassener, freier, aus Freiheit wirkender Beweger ist; die Weltgeschichte ist nicht Gottes Spiel sondern Gottes Schicksal. Der Jichud bedeutet die ewig neue Bindung der auseinanderstrebenden Sphären, die ewig neue Vermählung der »Majestät« mit dem »Reich« – durch den Menschen; das im Menschen lebende göttliche Element bewegt sich aus ihm zu Gottes Dienst, zu Gottes Absicht, zu Gottes Werk; Gott, in dessen Namen und Schöpfungsgebot der freie Jichud geschieht, ist sein Ziel und Ende, er selber nicht in sich sondern in Gott kehrend, nicht isoliert sondern mit dem Weltprozeß verschlungen, kein Kreis sondern der Rückschwung der ausgesandten Gotteskraft. Aus dieser Unterscheidung ergibt sich, warum Magie eine qualitativ besondere Handlung, die die besondere Wirkung hervorzubringen hat, einschließen muß: Gebärden und Reden einer eigenen, andern Menschen und andern Momenten fremden Art, Jichud dagegen keine besondere Formel oder Prozedur ist sondern gar nichts andres als das gewohnte Leben des Menschen, nur gesammelt und auf die Einung als Ziel gerichtet. Wohl ist manche kabbalistische Tradition der Buchstabengeheimnisse, der Wendungen und Fügungen der Gottesnamen vom Chassidismus in sein System der »Kawwanot«, der Intentionen aufgenommen und geübt worden; aber dieser magische Bestandteil hat nie das Zentrum der chassidischen Lehre berührt. In diesem Zentrum steht nicht geheime Formelkunde sondern Allweihe: kein Tun ist seinem Wesen nach verurteilt »profan« zu bleiben, jedes wird Dienst und Wirken am Göttlichen, wenn es auf die Einung gerichtet, das heißt in seiner in-
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neren Weihe offenbart wird. Von dieser alldurchdringenden Macht des Jichud ist das Leben des Zaddiks getragen. Von dem Zaddik von Berditschew wird erzählt, wie er in seiner Jugend, bei seinem Freund, dem Nikolsburger Rabbi, zu Gast, allgemeines Ärgernis erregte, weil er, in den Gebetmantel gehüllt und doppelte Phylakterien auf der Stirn, in die Küche ging und die Zubereitung der Speisen erfragte, und weil er sodann im Bethaus mit dem weltlichsten Mann sich in ein Gespräch über allerlei müßig scheinende Dinge einließ: Entweihung des heiligen Gewandes, Entweihung des heiligen Ortes und der heiligen Stunde wurde ihm zur Last gelegt; aber der Meister sprach: »Was ich nur drei Stunden im Tag vermag, vermag dieser da den ganzen Tag: seinen Geist gesammelt zu hegen, daß er auch mit der als eitel geltenden Rede erhabene Einungen stiftet.« Heiligung des Weltlichen ist der zentrale Antrieb des Zaddiks. Sein Mahl ist ein Opfer, sein Tisch ein Altar. Alle seine Gänge führen zum Heil. Von einem wird erzählt, daß er in jungen Jahren Tag um Tag in die Dörfer ging und mit den Bauern Handel trieb; und je und je, wenn er heimgekommen war und das Nachmittagsgebet sprach, fühlte er alle seine Glieder von einem seligen Feuer durchzogen; er fragte seinen älteren Bruder, der auch sein Lehrer war, was dies sei, denn er fürchtete, es könnte ihm vom Bösen kommen und sein Dienst sei falsch; der Bruder antwortete: »Wenn du in heiligem Sinnen übers Feld gehst, heften sich alle Seelenfunken aus Stein, Gewächs und Tier dir ein und läutern sich in dir zu einem reinen Feuer.« Diese Weihe des Alltags ist über aller Magie. Als in den Tagen des Rabbi Pinchas von Korez das ganz auf Buchstaben-Kawwanot aufgebaute Gebetbuch Rabbi Jizchak Lurjas, des Meisters der theurgischen Kabbala, zur Veröffentlichung gelangte, erbaten sich die Schüler des Zaddiks von ihm die Erlaubnis, daraus zu beten; nach einiger Zeit aber kamen sie wieder zu ihm und klagten, sie hätten, seit sie aus dem Buch beteten, von der Empfindung kräftigen Lebens in ihrem Gebet viel eingebüßt; Rabbi Pinchas antwortete ihnen: »Ihr habt all eure Kraft und alle Zielstrebigkeit eures Gedankens in die Kawwanot der heiligen Namen und der Letternverschlingungen eingetan und seid von dem Wesen abgewichen: sein Herz ganz zu machen und es Gott zu einen, – darum habt ihr Leben und Gefühl der Heiligkeit verloren«. Alle Formeln und Künste sind Stückwerk, die wahre Einung hebt sich über sie alle hinaus. »Wer in seinem Gebet«, sagt der Baalschem, »alle Kawwanot anwendet, die er kennt, der wirkt eben nur, was er kennt. Wer aber das Wort in großer Verbundenheit spricht, dem geht in jedes Wort alle Kawwana von selber ein.« Es kommt nicht auf das Erlernbare, es kommt auf die Hingabe ans Unbekannte an.
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Ein Zaddik sprach: »Merke wohl, daß das Wort Kabbala von kabbel, aufnehmen, und das Wort Kawwana von kawwen, richten, stammt. Denn der Endsinn aller Weisheit der Kabbala ist: das Joch des Gottesreichs auf sich nehmen, und der Endsinn aller Kunst der Kawwanot ist: sein Herz auf Gott richten. Wenn einer sagt: ›Gott ist mein und ich bin sein‹ – wie geht da nicht die Seele aus seinem Leibe?« Sowie er dies gesprochen hatte, fiel er in eine tiefe Ohnmacht, aus der man ihn erst nach langer Mühe erweckte. Es wird hier deutlich, daß Jichud ein Wagnis, das Wagnis bedeutet. Gotteseinung soll in den Welten geschehen, der Mensch soll aus seiner Einung Gottes Einung wirken, – ans Göttliche muß das Menschliche, Erdenheil, Erdenverstand, Erdenleben, gewagt werden. Am mächtigsten gibt sich dies im Beten kund. Von einem Zaddik wird erzählt, daß er an jedem Tag, ehe er zum Beten ging, sein Haus wie zum Sterben bestellte. Ein andrer lehrte seine Schüler, wie sie beten sollten: »Wer das Wort ›Herr‹ spricht und dabei im Sinn hat, noch das Wort ›der Welt‹ zu sprechen, das ist keine Sprache. Sondern in der Weile, da er ›Herr‹ sagt, sei in seinem Sinn, daß er sich ganz dem Herrn darreicht, mag seine Seele ausgehn im Herrn und er nicht mehr das Wort ›Welt‹ aussprechen und ihm genug sein, daß er ›Herr‹ sagen konnte. Dies ist das Wesen des Gebets«. Der Baalschem hat die ekstatischen Bewegungen des Chassids, der mit dem ganzen Leibe betet, den Bewegungen eines Ertrinkenden verglichen. Wie schon von einzelnen Meistern des Talmuds, wird auch von einigen Zaddikim erzählt, wie die Verzückung des Gebets ihren Leib gewaltig regierte und zu Gebärden hinriß, die die menschliche Gewöhnungswelt überschwangen. Um manchen war in solchen Augenblicken eine Ferne wie um einen heilig Rasenden. Aber all dies ist nur ein Ereignis der Schwelle und nicht des Eingangs, es ist das ringende Wagnis und nicht die Erfüllung. Rabbi Jehuda Leib erzählt, wie er einst am Laubhüttenfest in der Laubhütte den von einer geheimnisvollen Angst getriebnen Bewegungen des großen Zaddiks von Lublin vor dem Segensspruch zusah; alles Volk starrte darauf und geriet selber in zitternde Furcht, Rabbi Jehuda Leib aber blieb sitzen und wartete bis zum Segensspruch; da stand er auf, sah auf den nun regungslos erhobnen Meister und vernahm den göttlichen Segen; so hatte Mose einst nicht des Donnergetöses und des rauchenden Bergs geachtet, den das Volk zitternd umstand, und war der unbewegten Wolke genaht. Je unwillkürlicher das Gebet ist, je unmittelbarer es aus der naturhaften Tiefe des Menschen, aus der kosmischen Spontaneität dessen hervorbricht, der das Abbild des sphärenumfassenden Urmenschen trägt, um so w i r k l i c h e r ist es. Von einem Schülersschüler des Lubliner Zad-
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diks, Rabbi Mendel von Kozk, wohl der letzten großen Gestalt des Chassidismus, wird hervorgehoben, daß er ohne Mühe und Aufwand betete, wie einer sich mit seinem Gefährten bespricht, und doch nach dem Gebet verwandelt war, als käme er aus einer andern Welt, und kaum die Seinen wiedererkannte; »denn das Wesen des Gesprächs geht aus der Wurzel der Seele ohne Absicht hervor; wie einer, dessen Seele mit einem sehr tiefen Gegenstand befaßt ist, zuweilen aus seinem Munde Worte zwischen sich und sich selber gehn läßt, ohne Absicht, und er selbst merkt nichts von seiner Rede, und all dies, weil sie aus der Wurzel der Seele hervorgeht, und die ganze Seele ist in die Rede gehüllt, die in vollkommner Einheit aufsteigt.« Hier, im wahrhaften Gebet, erscheint der Ursinn des Jichud am reinsten; daß er kein »subjektiver« Vorgang, sondern die dynamische Gestalt der Gotteseinheit selber ist. »Die Leute meinen«, sagt Rabbi Pinchas von Korez, »sie beteten vor Gott. Aber dem ist nicht so. Denn das Gebet selber ist Wesenstand der Gottheit«. Solcher Art ist der einsame Dienst des Zaddiks. Aber der ist es nicht wahrhaft, der sich daran genügen läßt. Die Gottverbundenheit des Menschen bewährt und erfüllt sich an der Menschenwelt. Rabbi Chajim von Zans wurde einmal nach dem Minchagebet von einem zudringlichen Menschen mit einem Anliegen behelligt. Als er nicht ablassen wollte, fuhr ihn der Zaddik an. Von einem Freund, der dabei zugegen war, nach dem Grund seines Zorns befragt, antwortete er, wer Mincha spreche, stehe der Welt der Ursonderung gegenüber; wie sollte er nicht zürnen, wenn er von ihr komme und nun mit den kleinen Sorgen der kleinen Leute überfallen werde? Darauf sprach jener: »Nachdem die Schrift von der ersten Kundgebung Gottes an Mose erzählt hat, heißt es: ›Und Mose stieg vom Berge nieder zum Volk.‹ Raschi bemerkt dazu: ›Dies belehrt uns, daß Mose sich vom Berg aus nicht seinen Geschäften sondern dem Volke zuwandte.‹ Wie ist das zu verstehen? Was für Geschäfte hatte denn Mose in der Wüste, auf die er verzichtete, um zum Volk zu gehen? Es ist aber so zu verstehen: Als Mose vom Berge niederstieg, haftete er noch an den oberen Welten und vollbrachte sein hohes Werk an ihnen, die Sphäre des Gerichts mit dem Element des Erbarmens zu durchdringen. Das waren Mose Geschäfte. Und doch, als er zum Volk herabstieg, ließ er von seinem hohen Werke ab, machte sich von den obern Welten los und wandte sich dem Volke zu; er vernahm all ihre kleinen Sorgen, speicherte alle Beschwernis der Herzen ganz Israels in sich auf und trug sie alsdann im Gebet empor.« Als Rabbi Chajim dies hörte, schwichtigte und vertiefte sich sein Sinn, er rief den Mann,
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den er angefahren hatte, zurück, um sein Anliegen entgegenzunehmen, und fast die ganze Nacht durch empfing er die Klagen und Bitten der versammelten Chassidim. »Oben« und »unten« – die entscheidende Wichtigkeit kommt dem »Unten« zu. Hier, am Rand des Gewordenseins, entscheidet sich das äonische Schicksal. Die Menschenwelt ist die Welt der Bewährung. »Sei nicht böse vor dir selber«, d. h. wähne dich nicht unerlösbar, heißt es in den Sprüchen der Väter. Aber Rabbi Baruch, der Enkel des Baalschem, deutete das Wort anders: »Jeder Mensch ist berufen, etwas in der Welt zur Vollendung zu bringen. Eines jeden bedarf die Welt. Aber es gibt Menschen, die sitzen beständig in ihren innern Kammern eingeschlossen und lernen und treten nicht aus dem Haus, sich mit andern zu unterreden; deswegen werden sie böse genannt. Denn wenn sie sich mit den andern unterredeten, würden sie etwas von dem ihnen Zugewiesenen zur Vollendung bringen. Dies bedeutet es: sei nicht böse ›vor dir selber‹; gemeint ist: damit, daß du vor dir selber verweilst und nicht zu den Menschen ausgehst; sei nicht böse durch Einsamkeit.« Menschenliebe ist nicht Erfüllung eines außerweltlichen Gebots, sie ist Werk an der Vollendung, sie hilft, daß die Gestalt der Schechina aus der Verborgenheit trete, sie arbeitet am »Wagen«: an dem kosmischen Träger der befreiten Herrlichkeit. Darum steht geschrieben: »Liebe deinen Nächsten wie dich selbst: i c h b i n d e r S e i e n d e .« Auf der Liebe gründet sich das Reich. »Wenn ein Mensch«, sagt Rabbi Rafael von Berschad, »sieht, daß sein Nächster ihn haßt, soll er ihn mehr lieben als bisher, um den Mangel auszugleichen. Denn die Liebeseinheit aller ist der Wagen der Schechina, und jeder Sprung und Bruch darin hindert ihren Aufstieg aus den Schalen.« Darum pflegte Rabbi Rafael auch immer davor zu warnen, im Verkehr mit den Mitmenschen »abgemessen« zu sein: Überfluß der Liebe tut not, um ihren Mangel in der Welt auszufüllen. Drei Kreise sind es, an denen sich die Liebe des Zaddiks bewährt. Der eine, weiteste umfaßt die vielen, die aus der Ferne zum Zaddik kommen, teils um – zumal an hohen Festen – einige Tage in seiner Nähe, »im Schatten seiner Heiligkeit« zu weilen, teils um von ihm für ihre Leibes- und Seelennöte Hilfe zu erlangen. In diesen Wallfahrern ist etwas von dem treuen und zuversichtlichen Geist, in dem die Palästinenser einst dreimal im Jahr zum Heiligtum nach Jerusalem zogen, um sich im Opfer vom Übel zu lösen und mit dem Göttlichen zu verbinden: »der Zaddik ist an des Altars Stelle.« Freilich stehen auf den Bittzetteln, die sie darreichen, zumeist recht äußerliche Mängel und Gebrechen ver-
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zeichnet; aber deren Heilung rührt zugleich das Innerlichste auf und bewegt es zu umwandelnder Besinnung. Zum Verständnis des Phänomens allgemeiner Art, das dieser eigentümlichen Wirkung des Zaddiks zugrundeliegt und sich in seiner Tatsächlichkeit nicht anstreiten läßt, tragen die Begriffe »Wunder« und »Suggestion« gleich wenig bei; der erste verflüchtigt die Irrationalität des Phänomens, der zweite verflacht seine Rationalisierbarkeit; es als die Einwirkung des Göttlichen auf das Menschliche erklären wollen gibt eine viel zu vage, als die Einwirkung des »stärkeren« Willens auf den »schwächeren« eine viel zu enge Perspektive. Am ehesten kann man seiner Tiefendimension wohl gerecht werden, wenn man sich vergegenwärtigt, daß das Verhältnis einer Seele zu ihrem organischen Leben von dem Grad ihrer Ganzheit und Einheit abhängt: je dissoziierter, um so preisgegebner, je geschlossner, um so übermächtiger ist sie seinen Krankheiten und Anwandlungen; nicht als ob sie den Leib besiegte, sondern indem sie durch ihre Einheit die seine immer wieder rettet und schützt. Jäh und deutlich waltet diese Kraft, wo sich an einer zersprengten Seele in einem elementaren Augenblick ein Zusammenschießen und Ganzwerden vollzieht; da geschieht plötzlich und allsichtbar, was sonst nur im vegetativen Dunkel wächst, die »Heilung«. Durch nichts andres kann dieser Prozeß so schlicht und unmittelbar bewirkt werden wie durch die fassende, umschließend erschütternde, den Vorgang der Kristallwerdung fördernde, psychosynthetische Kundgebung einer ganzen, geeinten Seele. Sie »suggeriert« nicht, sie schafft in der Mitseele, von der sie angerufen wird, Halt und Mitte, und um so wahrhafter und vollkommner, je mehr sie dafür Sorge trägt, daß die anrufende Seele nicht von ihr abhängig bleibe: der Helfer stellt Halt und Mitte her, nicht indem er sein eignes Bild in die wiederaufzubauende Seele einstellt, sondern indem er sie durch ihn wie durch ein Glas in das Wesen schauen und nun das Wesen in sich selber entdecken und es zum Kern der lebendigen Einheit ermächtigen läßt. Nur die größten der Zaddikim haben dieser Aufgabe genug getan; sie stehen in der Reihe der Gotteshelfer. Der zweite, mittlere Kreis umfaßt die Ortsgemeinde des Zaddiks. Diese stellt im allgemeinen nur einen Teil der Judengemeinde des Orts dar, deren Rest aus »Widersachern« (Mitnagdim) und Indifferenten besteht und deren offizielles geistliches Oberhaupt der »Raw« ist; innerhalb ihrer als einer »Zwangsgemeinde« steht die chassidische als eine freie, eine »Wahlgemeinde«, mit dem Zaddik, dem »Rebbe« an der Spitze (immerhin haben etliche Zaddikim in von Chassidim beherrschten Gemeinden auch die Funktionen des Raw ausgeübt und seinen Titel getragen). Diesem Unterschied entspricht der zwischen der Legitimation des Raw und
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der des Rebbe; zum Raw befähigt die erprobte Kenntnis des Gesetzes in seinem talmudischen Wurzelbau und der ganzen Fülle seiner rabbinischen Verzweigungen, zum Rebbe das spontan anerkannte Führertum der Seelen, Tiefe der »Gottesfurcht«, das ist des zentralen Gefühls der G e g e n w a r t Gottes, und Inbrunst des »Herzensdienstes«, das ist der Gestaltung des ganzen Lebens zum aktiven Gebet. Damit soll freilich keineswegs gesagt sein, daß diese Eigenschaften nur unter den Zaddikim und nicht auch unter den Rabbinen zu finden gewesen wären, ebensowenig wie daß nicht manchem unter jenen ein umfassendes und selbständig weiterbauendes halachisches (Gesetzes-)Wissen eignete; der größte unter den Gegnern des Chassidismus, Rabbi Elijahu von Wilna, der »Gaon«, war ein Erklärer des Buches Sohar, des Grundwerks der Kabbala, und der bedeutendste Systematiker des Chassidismus, Rabbi Schnëur Salman, der »Raw von Reußen«, der Verfasser eines ritualen Gesetzeskodex; und wenn man beider überlieferte Lebensgeschichte nebeneinanderhält, so hat nicht die zweite sondern die erste den mystischlegendären Charakter. Man muß sich hüten, die in der Betrachtung der inneren Historie unumgängliche Antithetik pragmatisch statt dialektisch aufzufassen; die geistige Bewegung vollzieht sich in der Gegensätzlichkeit, aber sie verkörpert sich nicht in ihr. Mit dieser Einschränkung darf die chassidische Gemeinde als die soziale Darstellung des Prinzips der Freiwilligkeit, der Zaddik als der Vertreter des autonomen Führertums angesehen werden. Die stärkste Kundgebung beider und ihrer Einheit ist das gemeinsame Beten; es ist der gleichmäßig wiederkehrende und doch stets neue sinnbildliche Akt der Einung von Zaddik und Gemeinde. Der dumpfe, übervolle Saal des Bet-ha-Midrasch 1 , wo nachts die armen Wandrer schliefen und frühmorgens der scharfe Talmuddisput erscholl, atmet nun die Luft des Mysteriums. Auch wo der Zaddik in einem abgesonderten Raum betet, ist er mit seiner Gemeinde zu einem Wesen verbunden. Der dritte, engste Kreis ist der der Schüler, von denen zumeist etliche in die häusliche Gemeinschaft des Zaddiks aufgenommen werden. Dieser ist der eigentliche Bereich der Übergabe, der Mitteilung der Lehre von Geschlecht zu Geschlecht. Jeder der drei Kreise hat seine Einheit in der Kraft der We c h s e l w i r k u n g . Von den »Fahrenden« sagte Rabbi Pinchas: »Oftmals, wenn einer zu mir kommt, sich Rats zu erfragen, höre ich, wie er selber die Antwort spricht.« Von der Gemeinde, vornehmlich der betenden, hat der Baalschem das Gleichnis vom Vogelnest gesagt, das aus dem Wipfel 1.
Allgemeines Bet- und Lehrhaus.
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des sehr hohen Baums zu holen einer viele Leute hinstellte, immer einen auf die Schultern des andern, er selber stand zu oberst; wie, wenn auch nur einem von ihnen die Zeit zu lang würde! Aber am größten stellt sich die Macht der Gegenseitigkeit im dritten Kreise dar. Einige Schüler des Rabbi Nachum von Tschernobil saßen einst in einer unfernen Stadt beim »Geleitmahl der Königin«, das nach Sabbatausgang die Frommen noch einmal vereinigt, und besprachen sich von der Rechenschaft, die die Seele sich in der innersten Selbstbesinnung abzulegen hat. Da kam es über sie in ihrer Furcht und Demut, daß ihnen schien, ihrer aller Leben sei verworfen und vertan, und sie sagten einander, es gäbe keine Hoffnung mehr für sie, wenn dieses eine ihnen nicht Trost und Zuversicht wäre, daß sie sich dem großen Zaddik Rabbi Nachum anschließen durften. Da standen sie aus gemeinsamem Antrieb auf und begaben sich auf den Weg nach Tschernobil. Zur gleichen Zeit saß Rabbi Nachum in seinem Hause und legte die Rechenschaft der Seele ab. Da erschien auch ihm in seiner Furcht und Demut, sein Leben sei verworfen und vertan und all seine Zuversicht nur dieses eine, daß jene gotteseifrigen Männer sich ihm angeschlossen hätten. Er trat in die Tür und schaute nach dem Wohnort der Schüler hinüber; und als er eine Weile gestanden hatte, sah er sie kommen. »In diesem Augenblick«, fügte der Zaddik hinzu, wenn er die Begebenheit erzählte, »schloß sich der Ring.« Wie hier der gegenseitige Wert, so kommt in einer andern Geschichte die gegenseitige Wirkung zum Ausdruck. Rabbi Sußja saß einst an einem der Tage der Einkehr, zwischen Neujahr und Versöhnungstag, auf seinem Stuhl und die Chassidim standen um ihn vom Morgen bis zum Abend. Er hatte Augen und Herz zum Himmel erhoben und sich von allen leiblichen Banden gelöst. Über seinem Anblick erwachte in einem der Schüler der Antrieb zur Umkehr und die Tränen überstürzten ihm das Gesicht; und wie an einer brennenden Kohle die Nachbarinnen erglimmen, so kam über Mann um Mann die Flamme der Umkehr. Da sah der Zaddik um sich und sah sie alle an. Wieder hob er die Augen und sprach zu Gott: »Wahrlich, Herr der Welt, es ist die rechte Frist zu dir umzukehren; aber du weißt ja, daß ich nicht die Kraft habe Buße zu tun – so nimm meine Liebe und meine Scham als Buße an!« Diese Art der Wirkung ist es, auf die ich als auf die überworthafte Übergabe des Geheimnisses hingewiesen habe. Immer wieder heißt es im chassidischen Schrifttum, man solle »von allen Gliedern des Zaddiks lernen«. Den reinigenden und erneuernden Einfluß übt vor allem die Unwillkürlichkeit seines Soseins aus; die bewußte Äußerung, vor allem die des Wortes, begleitet sie nur. Auch am Wort ist die Essenz des Unabsichtlichen die entscheidende.
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»Einen Altar aus Erde sollst du mir machen …« heißt es in der Schrift; »machst du mir aber einen Altar aus Steinen, baue ihn nicht aus gehauenen; denn hast du dein Eisen darüber erhoben, so hast du ihn entweiht.« Der Altar aus Erde, so legt der Rižiner aus, das ist der, Gott über alles gefällige, Altar aus Schweigen; machst du aber einen Altar aus Worten, so haue sie nicht zu. Der Zaddik scheut die »schöne«, die absichtliche Menschenrede. Ein gelehrter Mann, der einst Sabbatgast an Rabbi Baruchs Tisch war, sagte zu ihm: »Laßt uns nun Worte der Lehre hören; Ihr redet so schön!« »Ehe daß ich schön rede,« antwortete der Enkel des Baalschem, »möge ich stumm werden!« Und sprach nicht weiter. Beim heiligsten der Sabbatmahle, der »dritten Mahlzeit«, spricht der Zaddik die Lehre zumeist nur spärlich und stockend, immer wieder von schweigsamer Versenkung unterbrochen; ein leises Lied, von Geheimnis schwingend, geht voraus, ein seliger Chorgesang folgt. So oft in der dämmrigen Stube das Schweigen einkehrt, bringt es ein Sausen der Ewigkeit mit. Schicksal
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Die drei Kreise, an denen sich die Liebe des Zaddiks bewährt – die zuund abströmende Menge der Hilfesuchenden, die im Raum und Lebenszusammenhang gebundene Gemeinde, der starke Seelenring der Schüler – zeigen die Kräfte auf, aus denen sich die Vitalität der chassidischen Bewegung aufbaute. Ihr geistiger Aufbau war auf der Übergabe des Lehrkerns von Lehrer zu Schülern begründet, aber nicht als ob diesen etwas nicht allen Zugängliches übermittelt würde, sondern weil in der Atmosphäre der Meister, in dem unwillkürlichen Wirken ihres Seins das unaussagbare Wie schwang und zeugend niederfuhr. Aber ebendasselbe, nur unverdichteter und vermengter, teilte sich im Wort des Rats und der Unterweisung dem Volke mit, formte sich in Brauch und brüderlichem Leben der Gemeinde aus. Diese Stufenlosigkeit seines Lehrguts, diese seine antihierarchische Stellungnahme sicherte dem Chassidismus seine volkstümliche Macht. Wie er den Vorrang des Besitzes wohl nicht von außen aufhob aber von innen entwertete, indem er Reiche und Arme als vor Gott und dem Zaddik gleiche Glieder einer Gemeinschaft gegenseitiger äußrer und innrer Hilfe, einer Liebesgemeinschaft zusammenschloß, so überwand er, in seinen höchsten Momenten völlig, den weitaus stärkeren, im Judentum urstarken, Vorrang der Gelehrsamkeit, der talmudischen aber auch der kabbalistischen. Der »geistige«, der hirntäti-
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ge Mensch ist seiner Art nach dem Göttlichen nicht näher, ja er ist ihm, solange er die Vielfältigkeit und Vieldeutigkeit seines Lebens nicht zur Einheit gesammelt, die Gewaltsamkeit seiner Mühe nicht zur Gelassenheit bewältigt hat, ferner als der Einfältige, der schon in der talmudischen Epoche vielverachtete »Am-ha-Arez« (wörtlich Landvolk), der mit bäurischer Vertraulichkeit seine Sache auf den Himmel stellt. Diese Verbindung von Lehrreinheit und Volkstümlichkeit ist durch den Grundgehalt der chassidischen Lehre, die Heiligung alles Weltlichen, ermöglicht. Es gibt innerhalb der menschlichen Welt keine Scheidung zwischen Hohem und Niedrem; jedem ist das Höchste offen, jedes Leben hat seinen Zugang zur Wesenheit, jede Art hat ihr ewiges Recht, von jedem Ding führt ein Weg zu Gott, und jeder Weg, der zu Gott führt, ist der Weg. Solange die Verbindung von Lehrreinheit und Volkstümlichkeit, von unmittelbarer Übergabe und all-zugänglichem Aufbau dauerte, war der Chassidismus licht und fruchtbar. Ihre Auflösung bedeutet seinen Verfall. Die Einheit beider Elemente stellt am größten der Begründer des Chassidismus dar, Rabbi Israel ben Elieser (st. 1760), der dem traditionellen Namen der Wundermänner, Baal-Schem, das ist Herr des Namens (des zaubermächtigen geheimen Gottesnamens) durch die Hinzufügung des Wortes »tow« (gut) eine neue Bedeutung, etwa »Mann des guten Rufs«, Mann des volkstümlichen Vertrauens, verlieh. Von seiner Seele sagt ein Zaddik, sie sei von denen gewesen, die vor der Ursünde aus Adam, in dem alle Seelen beschlossen waren, entflohen sind und vom Baum der Erkenntnis nicht gekostet haben. Das gilt in einem tiefen Sinn. So groß die Versuchungsfülle eines Menschen dieser Art ist, vor der zehrendsten von allen, der Selbstversuchung des Geistes, vor der ausdörrenden Dämonie der Möglichkeiten ist er bewahrt. So kann er den Einfältigen nahe bleiben und den in der Pein der Erkenntnis Stehenden ein Löser werden. Aber von eben dieser Seele erzählt die Legende, sie habe sich gescheut, auf die Erde niederzusteigen, bis man ihr den Willen tat und ihr, wie einst sechzig Helden das Lager Salomos umstanden, sechzig heldische Jüngerseelen mitgab; das sind die Schüler und Schülersschüler, die dem Baalschem die chassidische Welt schaffen und tragen halfen. Denn er wußte und sprach aus: »Was heißt das, was die Leute sagen: die Wahrheit geht über die ganze Welt? Es heißt, daß sie von Ort zu Ort verstoßen wird und weiterwandern muß.« Der Baalschem lebte tief im Volk und mit dem Volk; er enthielt ihm
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nichts von sich vor. Und doch bedurfte er der Schüler – weil nur sie fähig waren, das Geheimnis, etwas Geisthaftes und doch Unmittelbares, von ihm aufzunehmen und fortwirken zu lassen. Sie waren seine Wehr gegen die Verstoßung und gegen das Schlimmere, die Zersetzung, die seiner Lehre drohte. Die Legende bringt das zum Ausdruck, indem sie erzählt, der Baalschem habe, als er einst den Fürsten des Abgrunds nicht zu beschwören vermochte, ein Unheil abzuwehren, den Schülern, die ihn im Halbkreis umstanden, geboten die Stirnen zu entblößen; da sah Samael auf jeder Stirn das Zeichen des Bildes, in dem Gott den Menschen schafft und beugte sich. Unter den Jüngern ragen zwei apostolisch hervor: Jaakob Jossef von Polnoj (st. 1782) und Dow (Dob) Bär 1 von Mesritsch, der große Maggid 2 genannt (st. 1772), der erste ein Mann der Schrift, der zweite, wie es der Meister selbst war, der lebendigen Rede. Der Polnojer hat die Worte des Baalschem mit eifriger Sorgfalt bewahrt; er hat keine Sammlung der Worte veröffentlicht, aber er führt in seinen Schriften sehr viele an, wobei man freilich oft den Eindruck paraphrasierender Wiederholungen gewinnt. Jaakob Jossef und Dow Bär gehören beide der Reihe jener für den Anfang religiöser Bewegungen so bedeutsamen Männer an, die, in den aufbrauchenden Kämpfen und vergeblichen Siegen der Intellektualität gereift, aus dem labyrinthischen Reich, in dem der Widerspruch sein Spiel mit den Menschengeistern treibt, in die unbeirrte Welt der Kindschaft einzugehen begehren und es doch nicht wahr haben wollen, bis ihnen die Welt, nach der sie das gehehlte Verlangen tragen, als Person entgegentritt: aus deren reinem Angesicht schaut sie das Geheimnis in organischer Erfüllung an, aus deren schlichtem Wort schlägt sie die Erkenntnis, und vom Geist gezwungen beugen sie sich einem, der an Umfassung und Gliederung geringer scheint als sie und doch größer ist – denn das erste, was das Große uns je und je antut, ist ja, unser Richtmaß der Größe zu zerschlagen. So beide, Jaakob Jossef und Dow Bär; beide sind meisterliche Talmudisten, beide ergeben sich dem unkundigeren Meister 3 ; aber die Wirkung dieses Vorgangs auf beide ist verschieden. Der eine nimmt die Lehre als Inhalt in
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Dow bedeutet Bär. So nannte man die Wanderprediger; durch den Chassidismus bekam das Wort einen neuen Sinn. Von der Bekehrung des einen erzählt die Geschichte »Der Widersacher« in meinem Buch »Die Legende des Baalschem«, von der des andern die Geschichte »Die Aufnahme« in diesem Buch.
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sich auf; er öffnet sich ihr ganz, aber die Form seines Wesens bleibt starr, sie, die von so vielen Geschlechtern eines entwurzelten Volkes in dialektischer Selbstbehauptung geprägt worden ist; er ändert seine Anschauung, seine Gesinnung, seine Willensrichtung, aber er verwandelt sich nicht. Auch noch wenn Rabbi Jaakob Jossef die Rabbinen mit Streitrede und Spottruf befehdet, ist er einer von ihnen. Er schreibt seine Bücher wie sie die ihren, als Kommentare zur Bibel, und bestimmt damit, da sie klassisch werden, die Grundform fast des gesamten chassidischen LehrSchrifttums; und außer den angeführten Sprüchen des Baalschem strahlt in den gedehnten kaum etwas im Glanz des Urfeuers. Das Wort des Meisters hat sich hier bewahrt (auch dies ist mit der erwähnten Einschränkung zu verstehen), aber es hat sich hier nicht fortgepflanzt. Und es konnte sich von hier aus nicht fortpflanzen. Jaakob Jossefs Schriften hatten eine weite und starke Wirkung, sie sind von den Gegnern verbrannt und von den Anhängern wie eins der alten großen Bücher »gelernt« worden; aber wessen die Bewegung als solche überhaupt und besonders ihrer besonderen Art nach über alles bedurfte: die lebendige Weitergabe konnte sie durch ihn nicht erlangen. Nicht ihn, sondern Rabbi Dow Bär erkor der Baalschem, indem er erst ihm den Segen erteilte, dann sich von ihm den Segen erteilen ließ, zu seinem Nachfolger. Dow Bär ist, anders als Jaakob Jossef, zu seinem Selbst bekehrt worden. Seine Bekehrung bedeutet in aller Wahrheit sein Erwachen. Erweckt erst wird seine Seele fruchtbar, worttragend. Er verwahrt die Rede des Meisters nicht, er bringt sie neu hervor. Rabbi Dow Bär war mit einem schweren, zuweilen lähmenden körperlichen Leiden behaftet. Einer Überlieferung nach kam er zu dem Baalschem, um sich Heilung zu erbitten, und wurde zornig angefahren, weil er das Unrechte verlangt hatte; da begann er zu erkennen. Der Baalschem linderte nur seine Krankheit, aber heilte ihm, die er nicht krank gewußt hatte, seine Seele. Aus einigen Äußerungen des großen Maggids über die Kasteiung, die von tiefer Erfahrung zeugen, darf man erschließen, welches die Krankheit seiner Seele gewesen war. Er hatte nicht bloß wie der Polnojer der Erforschung des »Offenbaren«, des Gesetzes obgelegen; er hatte sich auch in das »Verborgene«, die Geheimlehre, eingesenkt, und nicht als Lernender bloß sondern als Übender, auf den dunklen Pfaden des Unterfangens, das den Zugang erzwingen will, der äußersten Askese. Da nahm ihn der Baalschem bei der Hand und zeigte ihm: die offene Pforte. In dieser Stunde wendet sich nicht allein Dow Bärs geistiger Weg; seine Seele, die im Studium geschlafen, in der Kasteiung geträumt hatte, erwacht. Erwachend entdeckt sie den mächtigen Sinn, in dem sie steht:
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die große Weltfreude an Gott. Von dieser Freude wird sie fruchtbar und worttragend – als eine denkerische Seele. Alle Kraft des Geistes, der das Offenbare und das Verborgene durchfuhr, dient nun ihr allein, und sie dient der einen Aufgabe: das Wort des Meisters denkerisch auszubilden. Ich darf wohl sagen, daß der große Maggid den chassidischen G e d a n k e n geschaffen hat. Die Botschaft des Baalschem ist Ruf, Weisung, Auferbauung, ist Rat im größten Sinn; aus Schau gewachsen, zur Schau helfend; Tat-Schau Gottes in aller Welt. Gedanke ist sie nicht. Ihre Grundworte dürfen nur als Bilder, nicht als Begriffe gefaßt werden. Dow Bär mauerte das breite Fundament der chassidischen Begrifflichkeit. Man muß sich diese freilich nicht als eine theologische Summa vorstellen. Ein Systematiker ist Dow Bär nicht. Er ist ein großer Fragmentist, der zu dem ewigen Text seine enthusiastischen Marginalien schreibt – bildkräftig, aber vom Bild jeweilig zu festen Begriffen und begriffsdichten Aussagen überleitend. Der Baalschem war, wie alle primären religiösen Gestalten, ein erhabener Gleichnisredner. Dow Bär hat seinem Gleichnis eine Nachfolge gegeben: dem vollausgeschwungenen, leibhaft blühenden, in sich lebendigen des Meisters folgt sein fein durchgeprägtes, gedanklich abgemessenes, lehrhaftes. Lehrhaftigkeit, dieses Wo r t , in seinem reinen Sinn verstanden, führt uns auf Dow Bärs eigentümliche, grundlegende Funktion im Anfang der chassidischen Bewegung hin. Er ist der große Lehrer, das Oberhaupt der Schule. Sein Werk des Gedankens dient nur dieser seiner lehrenden Funktion. Wenn er, der wie der Baalschem kein Buch schrieb, dennoch, ihm ungleich, seine Reden aufzeichnen hieß, tat er es, um sie den Geschlechtern der Schule als dauernden Halt zu übermitteln. Der Baalschem war kein Lehrer in diesem prägnanten Sinn gewesen. Er hatte gelebt, gewirkt, geholfen, geheilt, gebetet, gepredigt, gelehrt; alles war eins, alles organisch in einer großen Unwillkürlichkeit des Daseins eingebunden, »alles ist e i n Dienst«, das Lehren nur eine unter den naturhaften Äußerungen des wirkenden Lebens, wieviel dem Baalschem auch das Schülertum bedeutete. Auch der Maggid ist kein Lehrer im Verstand einer spezialisierten Funktion, eines »Berufs«. Nur in Zeiten der Entartung einer geistigen Welt ist Lehren ein Beruf, in Zeiten der Blüte leben, wie die Gesellen eines Handwerks mit ihrem Meister, so die Jünger mit dem ihren, und »lernen« in seinem Atemkreis, durch seinen Willen und ohne ihn, allerlei, Werkhaftes und Lebenhaftes. So auch die Jünger des Maggids; sie sagen es immer wieder, wie jede seiner unbe-
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wußten Bewegungen, wie seine ganze Menschlichkeit sie erzog. Für ihn aber ist eben doch der Lehrwille der Kern alles seines Willens. Die Kraft seines in der Berührung des Baalschem wiedergeborenen Lebens hat er in die Schule eingetan, die er im Namen Israels ben Elieser begründete. Nicht äußerlich begründete. Eine schulhafte Institution hat der große Maggid nicht geschaffen. Nur Schüler hat sein Geist gezeugt, eine Geschlechterreihe von Schülern und Schülersschülern, derengleichen an reicher Mannigfaltigkeit selbständiger Personen in geraffter Zeitfolge nach meinem Wissen keine andere religiöse Bewegung umfaßte. Er liebte sie als die Söhne der Lehre. Sie aber sahen, wie einer von ihnen, Levi Jizchak von Berditschew berichtet, den Abglanz der Schechina auf seinem Angesicht und hörten, wie ein andrer, Schnëur Salman von Ladi, erzählt, die Stimme der Schechina aus seiner Kehle reden. Rabbi Bär wußte, daß die Substanz der Lehre nur in der lebendigen Übergabe von Lehrer zu Schüler lebendig sich erhalten kann; die Schülerschaft war der Zellkern seiner Schöpfung. Aber er wußte auch, daß die Substanz sich die Stoffe zum Aufbau ihres Leibes aus dem flutenden und formbegehrenden Plasma holen muß, und seine Arbeit galt auch jenen weitern Kreisen, an denen sich die Liebe des Zaddiks bewährt. Der »Olam« (das Wort, das eigentlich Äon, Weltzeit, sodann Welt bedeutet, hat bezeichnenderweise den Sinn einer zur Gemeinschaft geschlossenen Menge erhalten) war ihm nun nicht mehr das natürliche Lebenselement, wie er dem Baalschem gewesen war; aber er war ihm die weite und urwichtige Sphäre, aus der das Reich sich gestaltet. Eine Überlieferung erzählt, der Baalschem habe die Nachfolge, statt seinem Sohn oder einem andern Schüler, Dow Bär übertragen nicht bloß seiner Eigenschaften wegen, sondern auch weil er aus Davids Stamm war; wie immer dem sei, die Würde eines heimlichen Exilarchen trug der sieche Mann, der aus dem armseligen Polenstädtchen, wo er als »Prediger« fungierte, geistesmächtige Jünger in die Lande entsandte. Auf dem Zusammenwirken beider Elemente, der Führung der Schüler und der Führung des Volkes, des Lehrerelements der Diaspora mit dem Richterelement der Urgemeinschaft, ruhten Macht und Blüte der chassidischen Bewegung. Ihr Verfall ist in hohem Maße durch das Auseinanderfallen beider bedingt. Da ich keinen Geschichtsabriß des Chassidismus, sondern nur eine Einführung in die Welt dieses Buches geben will, darf ich mich mit einem Hinweis auf die beiden Linien begnügen, in denen sich das Auseinanderfallen am deutlichsten darstellt. Es sind die leibliche Gechlechtsfolge und die Lehr-Geschlechtsfolge des großen Maggids.
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Sein einziger Sohn, Abraham, genannt der Engel und von der hier ins Mythische wachsenden Legende als menschgewordener Engel angesehen, lebt als »Abgeschiedener«, außerhalb der Schule; er erteilt nur einem, Schnëur Salman, Unterricht in der Geheimlehre; aber er lebt auch ohne Verbindung mit dem Volk, das in scheuer Ferne verharrt. Das vorchassidische, asketische Leben seines Vaters hat in ihm gleichsam chassidische Gestalt angenommen. Es wird ihm das charakteristische Wort zugeschrieben, er habe von Friedrich dem Großen eine neue Angriffsweise gelernt: den strategischen Rückzug; es gelte nicht auf das Böse loszuschlagen, sondern sich auf die göttliche Urkraft zurückzuziehen; es tue nicht not, Liebe zu üben, sondern sich in dem Geheimnis der Überliebe zu bergen. Abraham starb zweiundvierzigjährig, dem Vater um wenige Jahre nach (1776). Er hat keinen Schüler hinterlassen. In seinem Sohn, Schalom Schachna, stellt sich der Prozeß der Absonderung von der Schule noch klarer dar. Er lebte nicht abgeschieden, vielmehr wird mancherlei von seiner Prachtliebe und selbstbewußten Weltlichkeit erzählt, ja es hat sich eine dunkle Sage erhalten, er habe den Schein der Sünde auf sich genommen, um den Satan zu überlisten. Die Ermahnung des Rabbi Nachum von Tschernobil, eines der bedeutendsten Schüler des Maggids, der Schalom in sein Haus genommen und seiner Enkelin vermählt hatte, wies er mit dem Gleichnis von der Henne zurück, die Enteneier ausgebrütet hatte und nun entsetzt hinterhergakkerte, als sie die verwegenen Entlein ins Wasser hinausschwimmen sah. Aber hier zeigt es sich schon deutlich, daß die eigentliche Absonderung der Maggidnachkommen den Schülern allein galt; denn Schalom lebte inmitten seiner Gemeinde, nur durch Zeremoniell und Hofstaat, die an die eines Priesterkönigs gemahnten, von ihr geschieden. Auch er starb vorzeitig, im gleichen Alter wie sein Vater, auch er ohne Schüler. Zur vollen Entfaltung kam die dynastische Grundtendenz in Schaloms Sohn, Rabbi Israel von Rižin (st. 1850). Er gab ihr auch selbst Ausdruck, indem er den Apter Zaddik mit Mose, dem Lehrer, sich aber mit Salomo, dem König, verglich. Und in der Tat war hier aus dem heimlichen Exilarchat des Ahnen eine fast öffentliche fürstliche Herrschaft geworden. So meinten es die Scharen, die seiner Residenz zuströmten und Genüge fanden, wenn sie aus der Ferne seine Gestalt erblickt oder gar seine Rede vernommen hatten. So wurde es aber auch der zarischen Regierung zugetragen; sie ließ ihn als Aufrührer, der den Juden als ihr König gelte, einkerkern; nach fast zweijähriger Gefangenschaft (größtenteils in Kiew) wurde er freigelassen und flüchtete bald danach nach Galizien, von wo aus er sich nach mancher Irrfahrt und Mühsal in Sadagora in der Bukowina niederließ, das nun zum Ziel der Massenwallfahrt wurde. Aber auch
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viele, zumal jüngere, Zaddikim kamen, um ihm zu huldigen und der Unterredung mit ihm zu genießen; Jünger ward ihm unter ihnen keiner, keinen band er an sich, er wollte nur auflauschende Gäste, nicht Schüler zu dauernder Wechselwirkung. Rabbi Israel war wie der große Maggid ein bedeutender »Thora-Sager«; aber seine Thorot sind nicht Stücke einer denkerischen Lebenseinheit, sondern blitzende Einfälle, nicht eines Fragmentisten, sondern eines Aphoristen Werk; jene haben den tiefen Glanz des schlicht geschliffenen Steins, diese den üppigen des fazettierten. Auch ein bedeutender Gleichnisredner war der Rižiner; aber seine Gleichnisse haben weder eine erhabene organische Selbstverständlichkeit wie die des Baalschem, noch eine keusche denkerische Gefaßtheit wie die Dow Bärs; der Urenkel des Maggids erzählt seine gleichnishaften Parabeln, wie der Urenkel des Baalschem, Rabbi Nachman von Bratzlaw, seine geheimnistiefen gleichnishaften Märchen erzählt: als Dichter, und nicht wie jener als ein naiver, aus einer Traumwelt sich zum Lehrbild hebender, sondern als ein seines Zwecks kundiger und seiner Mittel bewußter. Man würde ihn in der Welt unserer Kultur einen genialen Improvisator genannt haben; gewiß war er ein Genie im Sinn dieser Kultur; Leib und Stimme des religiösen Genius war er nicht mehr. Seine sechs Söhne waren glänzende und unfruchtbare Epigonen. Einer von ihnen, Bär mit Namen wie der Urahn, hatte ein tragikomisches Schicksal: er ging zu den »Aufklärern« über, erließ manifestartige Briefe gegen den Aberglauben, hielt es aber nicht lange aus, sondern kehrte nach Sadagora zurück, wo er seither in einer Art von halbfreiwilliger Gefangenschaft verblieb. Fast jeder von ihnen hatte Anhang, Zulauf, Hofstaat, Gemeinde, Volk; keiner von ihnen hatte einen Schüler. Viele Zaddikim taten ihnen nach. Was nach ihnen kam, verdient keine Erwähnung mehr. Eine entgegengesetzte, aber nicht minder deutlich absteigende, eine in reinerer tragischer Linie verlaufende Entwicklung nahm die eigentliche Schule des großen Maggids. Die chassidische Tradition gibt ihm dreihundert Schüler; etwa vierzig sind uns personhaft, zumeist auch durch ihre Schriften bekannt. Von diesen sind acht in dieses Buch aufgenommen worden; sie sind mit drei oder vier andern – die ich nicht aufnehmen konnte, weil der volkstümlich überlieferte Stoff nicht hinreichte, daraus ein erzählerisches Bild ihres Lebens zu gestalten – die menschlich bedeutendsten. Es sind dies: Menachem Mendel von Witebsk; Schemuel (= Samuel) Schmelke von Nikolsburg; Meschulam Sußja (Sische) von Hanipol; dessen Bruder Elimelech von Lisensk; Levi Jizchak (= Isaak) von Berditschew; Schnëur Sal-
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man von Ladi, der »Raw von Reußen«; Jaakob Jizchak (= Jakob Isaak) von Lublin, genannt »der Seher von Polen«; Israel der Maggid von Kosnitz. Von diesen waren die drei letzten nach dem Tode des Maggids Schüler seiner Schüler, Schnëur Salman Schüler Menachem Mendels von Witebsk, Jaakob Jizchak der Schmelkes und Elimelechs von Lisensk, Israel von Kosnitz der Schmelkes, Elimelechs und Levi Jizchaks. Sie führen zum nächsten Geschlecht der Lehre über. Das sind die Zaddikim, die nicht mehr vom Maggid selbst, sondern allein von seinen Schülern die Lehre empfangen haben. In dieses Buch sind aus dem Geschlecht aufgenommen worden: Menachem Mendel von Rymanow, Abraham Jehoschua (= Josua) Heschel von Apt, beide Schüler Elimelechs, Mosche (= Mose) Jehuda Leib von Sassow, Schüler Schmelkes von Nikolsburg, und Jaakob Jizchak von Pžysha, genannt »der Jehudi«, d. i. der Jude, Schüler des Lubliners. Ssimcha Bunam von Pžysha, erst Mitschüler des »Jehudi«, dann dessen Schüler und Nachfolger, führt zu einem weiteren Geschlecht über, das hier nicht mehr vertreten ist. Menachem Mendel von Witebsk (st. 1788) war fast der einzige unter den Schülern des Maggids, der – in früher Jugend – noch den Baalschem gekannt hatte und ihn seinen Meister hatte nennen dürfen, ja eine legendäre Überlieferung heißt den Baalschem ihn suchen und herbeirufen lassen. In der äußern Geschichte der Bewegung ist er dadurch bedeutsam, daß er sie nach Palästina verpflanzte. »Das Land« stand von den Tagen Israels ben Elieser an, der an dessen Schwelle, von geheimnisvollen Kräften gezwungen, umkehren mußte, im Mittelpunkt der chassidischen Erlösungssehnsucht, wie es in dem der vorchassidischen gestanden hatte. Rabbi Menachem fand ihr den aktiven Ausdruck, als er – nachdem er an den Kämpfen mit den bannfluchschleudernden Mitnagdim führend teilgenommen hatte – mit dreihundert seiner Chassidim aus Litauen nach Palästina wanderte (1777) und sich bei der alten Kabbalistenstadt Safed, sodann in Tiberias niederließ. Er schuf der Bewegung eine der geographischen Lage nach exzentrische, dem Geist nach zentrale Stätte; er gab ihr die organische Wiederanknüpfung. Und dem Land brachte er das neue Element des Volkstums zu und damit ein Element neuen Lebens. »Einst war das Land Israel erhoben und erhob den Menschen, der hinkam«, sagte ein späterer Zaddik; »jetzt ist es gesunken und der Mensch muß es erheben; das kann aber nur ein Erhobner, wie es Rabbi Menachem Mendel war.« Er selbst freilich sagte, man müsse im Lande Israel alles erworbene Geistesgut ablegen und von neuem beginnen. Er betrachtete sich, wie er in einem Brief schreibt, als ein Sendling der Provinzstatthalter in das Schloß des Königs; ihm muß alles, was das Wohl der Provinzen angeht, stets gegenwärtig sein. Zumal mit seiner Gemein-
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de in Witebsk fühlte er sich dauernd so eng verbunden, daß ihm, wie es heißt, bei dem Gebet, das man vor dem Einschlafen spricht, alles, was sich mit und in seinen Chassidim begab, im Herzen offenbar wurde. Aber Rabbi Menachem hat eine besondere Bedeutung für die geistige Geschichte des Chassidismus, er ist der eigentliche d e n k e r i s c h e Erbe des großen Maggids. In der nach seinem Tod unter dem Titel »Die Frucht des Landes« erschienenen Sammlung seiner Lehrreden ist die Grundidee des Maggids von Gott als der all-erschlossenen Innerlichkeit aller Dinge zu ihrer Reife gediehen. Rabbi Schmelke 1 (st. 1778) ist der große P r e d i g e r der Schule. Die Predigt war sein Element, weil er an die verwandelnde Wirkung des Wortes glaubte; und er glaubte an sie, weil er an die Göttlichkeit des echten Wortes glaubte. Die Predigt betrachtete er in tief religiöser Konzeption als die Handlung, durch die das Gebet der Gemeinde zu seiner höchsten Reinheit und Kraft gesteigert wird. Darum forderte er darin immer wieder zwei Dinge von den Betern: zum ersten, daß sie sich zur wahren Gemeinde einen, alles Trennende, Hemmende mit Strömen der Liebe hinwegspülen und sich zu einem einigen Wesen zusammenschließen, um der Einung der Gottheit die Stätte zu bereiten; zum zweiten, daß sie ihr Gebet von allen Sonderwünschen ablösen, sich über all ihr Bedürfen erheben und die ganze Macht ihres Selbst in das eine Begehren versammeln, daß die Einung Gottes und seiner Schechina geschehe. So auch betete er selbst und wurde von seiner Intention verzückt: mitten im Gebet kam er aus allen Bahnen des Gedächtnisses und der Gewohnheit und sang neue, nie gehörte Melodien. Ein Mann dieser Art und dieser Forderung mußte, als er aus seiner Gemeinde Ritschiwel nach dem dem Chassidismus ganz fremden Nikolsburg in Mähren kam, stetes Ärgernis erregen. Auf manches unverkrustete Gemüt übte er tiefe Wirkung; aber die Mehrheit der aus ihrer wohlgeregelten Ruhe Aufgestörten wandte alles auf, um ihm das Leben in ihrer Gemeinde zu verleiden. Die Legende hat in verschiedenen Lesarten die Begebenheit erhalten, wie Rabbi Elimelech, der jüngere Mitschüler Rabbi Schmelkes, ihn besuchte und den Bürgern von Nikolsburg in einer derben Witzpredigt die Wahrheit sagte, sie seien einem so edlen Arzt kein geziemender Gegenstand, da müsse zuvor er, der Bader Elimelech, sie in seine Roßkur nehmen: und schon schleuderte er ihnen, einen nach dem andern ins Auge fassend, die Namen all ihrer heimlichen Laster und Verkehrtheiten 1.
Schmelke ist die jiddische Form von Samuel; der Rabbi sah darin, daß diese als sein Rufname galt, ein Symbol des Lebens im Galuth, in der Verbannung – ein Symbol seines historischen Ortes, der ihm Macht und Wirkung seiner Seele verengerte.
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zu. Rabbi Schmelke hätte dergleichen nicht vermocht, schon weil ihm die Schwächen des einzelnen Menschen nicht wichtig genug waren. Seine Grundhaltung zu den Menschen, auch zu seinen Feinden, war eben jene strömende Liebe, die er predigte. Sein Gebet und seine Menschenliebe waren es, die auf seine Schüler und Freunde (sein Lehrhaus war auch in Nikolsburg eines der Hauptzentren der Bewegung) und durch sie auf viele einen tiefen Einfluß übten. Rabbi Sußja, im Volk als »der Rebbe Reb Sische« bekannt (st. 1800), war im Gegensatz zu dem – nicht durch seinen Willen, aber durch seine Art – aristokratisch abgeschlossnen Schmelke eine tief volkstümliche Gestalt. Mit ihm ist in einem späten Jahrhundert, in der Gepreßtheit des östlichen Ghettos die wundersame Figur wiedererstanden, die wir aus den Legenden von den Sufis, aus denen von den Franziskusjüngern kennen: der »Narr Gottes«. Das ist der Mensch, der um der unverstörten Unmittelbarkeitsbeziehung zu Gott willen aus den Regeln und Ordnungen der Menschen getreten ist, ohne jedoch aus ihrem Leben zu treten: er ist nur abgelöst, nicht abgeschieden; er steht einsam dem ewigen Du gegenüber, aber nicht in der Einsamkeit des Abgesonderten, sondern in jener welttreuen und gelassnen, die alle Verbundenheit einschließt: abgelöst-verbunden lebt er inmitten der Menschen, ihre Mängel nur als die eignen wahrnehmend, sich ihrer und aller Kreatur in der Gottesfreiheit erfreuend. Und da die Menschen so beschaffen sind, daß sie sich diese Haltung, die ihre Ausflüchte vor dem Unendlichen widerlegt, nicht gefallen lassen dürfen, begnügen sie sich nicht damit, den »Narren« mit ihrer Verachtung zu strafen: er wird der Mann der Leiden, nicht des jähen stürzenden Martyriums, sondern des lebenslang rieselnden; und er freut sich seiner Leiden. Aber auch so ist es mit den Menschen bestellt, daß sich an solch einem Schicksal ihre schönste Liebe entzündet. So ist auch Rabbi Sußja vom Volk geliebt worden. Rabbi Elimelech, Sußjas jüngerer Bruder (st. 1786), hat in der Jugend dessen Wanderschaft geteilt; ohne Ziel, die Irrfahrten der verbannten Schechina nachlebend, nach erwachenden oder zu erweckenden Seelen Ausschau haltend, waren sie Jahr um Jahr umhergezogen. Dann aber teilte sich ihr Weg. Sußja wurde zwar seßhaft, aber es zog ihn immer wieder zum Wandern, und er blieb bis ins hohe Alter der Knabe, der Gott sein Liedlein vorpfeift. Elimelech war zum Menschenführer berufen. Auch er kannte die zeitlose Welt der Verzückung, aber sein sicherer und überlegener Verstand lehrte ihn sich vor ihren Gefahren schützen und befähigte ihn, das Leben im Geist und die organisierende Tätigkeit einander nahezubringen und zum Bündnis zu bewegen. Wieder war einer in Wahrheit zugleich Oberhaupt der Schule und Oberhaupt der Gemeinde,
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die drei Kreise umschlossen ihn im steten Gleichgewicht, und so darf Rabbi Elimelech als der eigentliche Nachfolger des großen Maggids angesehen werden, dem er an Selbständigkeit der Lehrgewalt erheblich nachstand, aber an aufbauender Macht nahe kam, den er an intuitiver Kenntnis der vielfältigen Menschen, ihrer heimlichen Gebrechen und Nöte und der zugehörigen Heilmittel vielleicht übertraf. So ist er als der Arzt der Seelen, der Bannherr der Dämonen, der wundermächtige Führer und Ratgeber im Gedächtnis des Volks verblieben. Von ganz anderer Art, Sußja wesensnah, aber breiter, erdhafter, nationaler, der urwüchsigste und volkstümlichste unter den Schülern des Maggids, ist Rabbi Levi Jizchak, der Raw von Berditschew (st. 1809). Bei ihm durchdringt die Verzückung all sein festes, kräftiges Leben. Die Ekstatik Rabbi Schmelkes, dem er treu anhing, geht auf ihn über, nur daß sie in ihm gleichsam massiver wird; an Stelle jener seltsamen, schöpferisch hervorbrechenden Gesänge tritt eine unzügelbar wilde Bewegtheit des ganzen Körpers im Gebet: er gerät aus einer Ecke der »Klaus« in die andre, er springt in der Sedernacht auf den Festtisch, daß die Schüsseln umherfliegen, er tanzt beim Segen vor der Verlesung des Buchs Esther auf dem Pult und schier auf der Schriftrolle selber, er schlägt um sich, daß niemand sich in seine Nähe wagt. Das Leibliche hemmt ihn nicht. Wo die heiligen Kerzen brennen, greift er mit der bloßen Hand hinein; wenn er am Morgen des Laubhüttenfestes in die Lade langen will, in der der Paradiesapfel und der Strauß aus Palme, Myrte und Bachweide auf den Segen warten, stößt er die Hand durch den Glasdeckel und merkt es nicht; und am Brunnen, aus dem er Wasser zur Zubereitung der ungesäuerten Brote schöpft, verzückt ihn die heilige Pflicht, daß er hinabstürzt. Er liebt mit unwissenden und ungehobelten Leuten allerlei derbe Rede zu wechseln; aber auch das weltlichste seiner Worte ist geweiht, ist Jichud. Er packt hart zu, wo immer ihm etwas an einem mißfällt, aber er läßt sich belehren und beugt sich immer wieder der Einfalt. Und in derber breiter Vertraulichkeit redet er auch zu Gott; er tritt ihm nicht allein als leidenschaftlicher Fürsprech des Volks gegenüber, er rechtet mit ihm, fordert von ihm, ja er versteigt sich zu Drohungen von einem bittern und erhabenen Spaß, der, im Mund des einzigartigen Mannes unanfechtbar, in einen andern übergehend zur peinlichen Lästerung würde; aber er lobt ihn auch auf seine Weise, die vorgeschriebnen Gebetsworte mit zärtlichen Koserufen unterbrechend oder den geheimnisvollen Gesang der Heiligung, der die Zwiesprache der Engelchöre umfaßt, mit einer Aufzählung der großen Länderherren bei ihren Spitznamen einleitend, jedem hinzufügend: »er sagt, er sei der König« und das Verzeichnis endend mit einem aufjauchzenden: »Ich aber, Levi Jizchak
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von Berditschew, sage« – und nun folgt: »Verherrlicht und geheiligt werde …« Auch die Gnade widerfährt ihm seiner Art gemäß: da kommt er am Abend in eine fremde Stadt, wo er keinen kennt, niemand nimmt ihn auf, endlich erbarmt sich ein Gerber seiner und lädt ihn in sein Haus, aber in der Gerberluft vermag er nicht zu beten, er geht in der Nacht in die einsame »Schul«; hier leuchtet ihm auf, was es mit dem Niederstieg der Schechina ins Exil für eine Bewandtnis hat: er sieht sie gesenkten Hauptes in der Gerbergasse stehen und bricht darüber in Tränen aus; er weint, bis er in Ohnmacht fällt; da erscheint ihm die Schechina und spricht zu ihm. Unter den jüngeren Schülern des Maggids, die nach seinem Tode sich dem einen oder dem andern ihrer ältern Gefährten anschlossen, ragt Rabbi Schnëur Salman von Ladi (st. 1813) hervor, der Raw von Reußen, auch schlechthin »der Raw« genannt. Er hatte im Sinn, mit seinem Freund und Lehrer Menachem Mendel von Witebsk nach Palästina zu ziehen, kehrte aber auf dessen Wunsch, nach der Sage auf das Geheiß eines Traumgesichts, um und begründete den litauischen Sonderbau des Chassidismus, die »Chabad«-Schule, so genannt nach den Anfangsbuchstaben von drei oberen der zehn nach der Kabbala von Gott emanierten »Sephirot«: Chochma, Weisheit, Bina, Vernunft, Daat, Wissen. Schon aus diesem Namen wird die Grundrichtung der Schule deutlich: die Erkenntnis als Weg zu Gott soll in ihr Recht wieder eingesetzt werden. Die Chabadschule stellt den Versuch einer Synthese von Chassidismus und Rabbinismus dar; neben den »Herzensdienst« tritt, ihm gleichgestellt, ja zuweilen übergeordnet, das Studium, und es ist bedeutsam, daß der Raw, freilich einer Anordnung des großen Maggids Folge leistend, eine neue Bearbeitung des Religionsgesetzes, einen neuen »Schulchan Aruch« verfaßte, bedeutsam, daß er als einziger unter den Schülern des Maggids dessen Lehre zu einem System auszugestalten suchte. Die rationalisierende Veranlagung des litauischen Juden hat zur Verankerung der Schule beigetragen. Doch darf ihrer Sonderstellung kein allzu grundsätzlicher Charakter beigemessen werden. War doch der Raw zumeist Anfeindungen der Mitnagdim nicht weniger, eher noch mehr ausgesetzt als die andern Zaddikim seiner Zeit: er wurde auf die Machenschaften der antichassidischen Rabbinen hin wiederholt verhaftet, mußte in Petersburg Festungshaft und langwierige Verhöre über sich ergehen lassen, und es waren entstellte Hauptlehren des Baalschem, die ihm zur Last gelegt wurden und zu deren echtem Sinn er sich auch bekannte. Die eigentlich ideellen Abweichungen seiner Schule waren in der Tat nicht tiefgehend, eher die praktischen. Am wichtigsten für ihre Sonderstellung
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war wohl des Raws nachdrücklich geäußerte Abneigung gegen das Zaddiktum, wie es sich in seinem Geschlecht entwickelt hatte: als ein wunderkräftig helfendes Mittlerwesen. Sein klarer Blick sah die Gefahren dieser Entwicklung, als deren geringere ihm das Wachsen des Aberglaubens, als deren größte ihm die Schwächung der Unmittelbarkeitsbeziehung zwischen Mensch und Gott erschien. Doch zog er die Grenze nicht getreu; seine extreme Empfindung beeinträchtigte die Wärme des Verhältnisses von Führer und Gemeinde und benahm insbesondre dem weiten Kreis der »Fahrenden« den glühenden Antrieb. Aber auch auf das Verhältnis zu den Schülern muß die geänderte Grundlage ihren Einfluß üben: je mehr das Geheimnis durch das »Wissen« verdrängt wird, tritt an die Stelle des nur zu übergebenden Wie ein lehrbares und erlernbares Was, die magnetische Kraft zwischen Lehrer und Schüler entschwindet. So konnte ein Zaddik nicht mit Unrecht von der »Chabad« sagen, sie gleiche einer geladenen Flinte in der Hand eines, der zielen kann und das Ziel kennt, nur der Zünder fehle. Doch hatte der Raw selbst den Funken sicherlich; aus seinem Leben werden manche Züge einer elementaren persönlichen Religiosität berichtet; und als eine Urkunde seines »Anhaftens«, seiner ekstatischen Hingabe ist eine seiner Melodien verblieben, die, schlechthin »die Melodie des Rabbi« genannt, zuweilen einem kabbalistischen Lied, zuweilen nur dem Gottanruf »Tatenju« (Väterchen) unterlegt, den Chabad-Chassidim immer wieder, beim Festmahl und in der Einsamkeit, inbrunstweckend auf die Lippen tritt. Ihm gegenüber stehen die vier Schüler Elimelechs: Jaakob Jizchak von Lublin, der »Seher«, Israel der Maggid von Kosnitz, der Beter, Menachem Mendel von Rymanow, der Führer, Abraham Jehoschua Heschel von Apt, der Richter, von denen die ersten zwei noch im Lehrhaus des großen Maggids geweilt hatten. Eine besondre Stellung kommt dem Schüler Rabbi Schmelkes, Mosche Leib von Sassow, zu, dessen Amt nicht anders bezeichnet werden kann, als daß er die Geschöpfe liebte. Diese fünf stellen die Spätblüte des eigentlichen Zaddiktums dar. Von Rabbi Mosche Leib (st. 1807) – ich kehre hier die im Hauptteil gewählte Reihenfolge um – braucht in diesen einführenden Bemerkungen kaum gesprochen zu werden, da sein Bild aus den Geschichten selbst in hinreichender Deutlichkeit aufsteigt. Wie in seinem Freund, dem Berditschewer, Rabbi Schmelke die Gabe des Gebets erweckte, so in ihm die der helfenden Liebe. In seinem Liebeseifer zu Menschen und Tieren lebt eine hinreißende Spontaneität; die Paradoxie jenes Imperativs der Nächstenliebe – man soll lieben: kann man denn sollend lieben? – scheint hier ausgelöscht. Und doch gibt es Widerstände; auch dem Sassower widerfährt es, daß er einen boshaften, einen selbstsicheren, einen weltverstö-
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renden Menschen nicht von selbst liebt. Aber eben davon pflegte ja sein Lehrer zu sprechen: daß man jede Seele lieben soll, weil sie ein Teil Gottes ist; vielmehr, daß man gar nicht mehr umhin kann, eine Seele zu lieben, wenn man erst wahrhaft inne wurde, daß sie ein Teil Gottes ist. Gott liebt sich in den Wesen; man soll ihm nacheifern und ihn in ihnen lieben. Und so liebt der Sassower die Wesen immer vollkommner: weil er mit der Liebe zu Gott Ernst macht. Gerade an seinen Widerständen und Überwindungen erschließt sich uns der rechtmäßige Sinn jenes Imperativs, der eben nicht lautet: »Liebe deinen Nächsten wie dich selbst«, sondern: »Liebe deinen Nächsten wie dich selbst, ich bin der Seiende«. Als eine noch volkstümlichere Gestalt verwandter Art habe ich, damit ein so wesentlicher Ton vollständiger erklinge, in dieses Buch auch Rabbi Wolf von Zbaraž aufgenommen, obgleich er kein Schüler des großen Maggids, sondern der Sohn und Schüler eines andern bedeutenden Baalschemjüngers, des Rabbi Jechiel Michal war. In ihm ist die Liebe zu den »Bösen« vielleicht noch reiner, jedenfalls noch schlichter ausgebildet. Erwähnt sei, daß einzelne der Geschichten, die von ihm berichtet werden, an Erzählungen aus dem Leben talmudischer Meister erinnern; doch ist die Echtheit des Kerns unverkennbar und die Ähnlichkeit stammt von der ewig gleichen Bewährung des Liebesgeistes. Was in diesen Männern so naturhaft besteht oder hervorbricht, das muß ein anderer Zaddik, Abraham Jehoschua von Apt (st. 1822), sich durch Irren und Arbeit erwerben. Denn er beginnt mit der »Gerechtigkeit«, das heißt mit dem Gerechtseinwollen, und erfährt Schritt für Schritt, daß die menschliche Gerechtigkeit ihrem Wesen nach versagt, wo sie mehr als Ordnung wo sie Beziehung sein will: daß Gottes Gerechtigkeit nicht wie seine Liebe die Vollkommenheit einer Eigenschaft ist, der wir nacheifern können, sondern ein Rätselhaftes, dem alles, was Menschen Recht und Gesetz nennen, unvergleichbar bleiben muß; der Mensch soll gerecht sein, in den Grenzen seiner Ordnung, und soll, wenn er sich damit über sie hinaus auf die hohe See der Beziehung wagt, Schiffbruch leiden und sich zur Liebe retten. Die Wende im Leben des Apters ist jene Begebenheit, die ich schon früher einmal erzählt habe: wie eine leichtfertige Frau von ihm öffentlich verwiesen wird und nun seine Haltung mit der Gottes vergleicht: da fühlt er sich »bezwungen« und wandelt sich. Aber sein Weg zur Liebe erscheint ihm nicht als der eines einzelnen irdischen Lebens: er sieht ihn im Zusammenhang der Wanderungen seiner Seele, in deren Gange die Liebe zu vollenden ihm aufgegeben ist. Dies der eine der vier Elimelech-Schüler, von denen in diesem Buch erzählt wird. Sein Gefährte Rabbi Mendel von Rymanow (st. 1815) ist von Art und Leben grundverschieden. Unter allen scheint er vom Lehrer
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die organisierende Fähigkeit empfangen zu haben, nur daß er sie eingeschränkter übt. Von den drei Kreisen ist es der mittlere, die Gemeinde, der ihn zumeist angeht. Er gibt seiner Gemeinde Gesetze, als wäre sie ein Staat, und sie ist ihm wirklicher als der Staat. Er maßt sich nicht an gerecht zu sein; er wacht nur über der gerechten Ordnung in seiner Gemeinde. Wenn er rügen muß, greift sein Wort unmittelbar wie eine Gewalt der Natur in das Geschehen ein. Und so kann er, der wie kein andrer nüchtern ist, wo es gilt, Maß und Sitte zu wahren, sich zu urzeitlicher Majestät erheben, wenn er die Gemeinde, um sie, die stets zu erstarren droht, zutiefst aufzurühren und zu verschmelzen, als Gottes eingesetzter Vertreter von dem Zwang der Thora entbindet und neu vor die Wahl stellt. Solchermaßen die Rede verwaltend, wird er auch seinen Schülern zum Vorbild des mit jedem Wort Verantwortung übenden Menschen. Siech sein Leben lang und immer wieder am Tode, aber betgewaltig, daß die Beterreihen auf die schmächtige Gestalt wie auf einen heldenhaften Anführer schauten, einer jener von der Geschichte der Religionen in einem verschwiegen hymnischen Abschnitt bewahrten frohmütigen Heroen der leiblichen Krankheit, die, wo für das Auge des Arztes alle Stärke zerrann, vom heimlichen Brunnen das Siegel brechen, daß die Kraft hoch aufsteigt, war der Maggid von Kosnitz, Rabbi Israel (st. 1814). Es heißt, der Baalschem habe ihn seinen Eltern, einem Buchbinder und dessen Weibe, im hohen Alter verheißen, weil sie ihm durch ihre Sabbatfeier das Herz erfreut hatten 1 . Von seiner Kindheit an soll ihm kein »fremder Gedanke« genaht sein, den er nicht erhoben und erlöst hätte. In seiner Jugend hatte er, so wird erzählt, achthundert Bücher der Kabbala durchforscht; als er aber vor das Angesicht des großen Maggids trat, erkannte er, daß er nichts wußte. Nach dem Tode des Meisters schloß er sich Rabbi Schmelke, nach dessen Tod Rabbi Elimelech, nach dessen Tod Rabbi Levi Jizchak an; in der Reife des Lebens und des Werks wollte er noch Schüler heißen. Wenn er das Wort eines der talmudischen und spätern Meister anführte, sprach er dessen Namen stets mit Angst und Zittern aus. Am Vorabend des Versöhnungstags pflegte die ganze Gemeinde, Männer, Frauen und Kinder, vor seine Schwelle zu kommen und mit lautem Weinen um die Sühnung zu flehen; er trat weinend hinaus, warf sich in den Staub und rief: »Ich bin sündiger als ihr alle«; so weinten sie mitsammen und zogen dann mitsammen ins Bethaus, das Kolnidre-Gebet zu sprechen. Er sagt einmal, es gebe ein lebendes und ein totes Gebet; dem lebenden liege ob, die toten zu erwecken und mit emporzutragen. Diese Macht des lebenden Geistes ging unablässig von seinem Krankenlager 1.
S. in meiner »Legende des Baalschem« die Geschichte »Das dreimalige Lachen«.
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aus. Überallher kamen Juden, Bauern und Edelleute zu ihm, seinen Segen zu empfangen oder auch nur sein Antlitz zu schauen. Von keinem andern Zaddik seit den Tagen des Baalschem werden so viele Heilungen »Besessener« berichtet wie von ihm. Aber die Legende stellt ihn auch der Geschichte seiner Zeit gegenüber. Er soll Napoleons Triumph, danach dessen Sturz geweissagt haben, ja der Beginn dieses Sturzes – der Ausgang des russischen Feldzugs – wird auf die magische Kraft seines Betens zurückgeführt: der Todkranke stand an einem Sonntag von der zweiten Stunde nach Mitternacht bis zur dritten Stunde nach Mittag im Gebet. Kurz vorher von einem Besucher befragt, wie es ihm ergehe, gab er zur Antwort: »Ich bin jetzt ein Kriegsmann. Die fünf Bachkiesel des jungen David habe ich für meine Schleuder aufgesammelt.« Führenden Anteil an dem kosmischen Kampf, den der Kosnitzer Maggid meinte, nahm auch sein Mitschüler und Freund, der »Seher von Polen«, Rabbi Jaakob Jossef von Lublin (st. 1815), der die seinem Lehrer Elimelech eigne intuitive Gewalt in noch gesteigertem Maße besaß; »des Lubliners Augen hat, mit Verlaub, auch der Rebbe Reb Melech nicht gehabt«, sagte einer seiner Schüler. Er ist der einzige Zaddik, der vom Volk diesen Beinamen des Sehers, des Schauenden empfing. Dieser Name kann freilich nicht scharf genug gegen den des Propheten – an den für keinen der Zaddikim irgend zu rühren versucht werden konnte, da wir im unprophetischen Zeitalter leben – abgegrenzt werden. Durch den Propheten redet der Wille Gottes, er sieht und sagt nicht etwa eine zukünftige Wirklichkeit voraus, sondern ihn geht das Zukünftige im Gegenteil nur insofern an, als es noch ganz und gar nicht als eine Wirklichkeit zu fassen und zu »schauen« ist, insofern nämlich, als es noch im Willen Gottes und in der freien Beziehung des Menschen zu diesem Willen ruht, insofern also, als es noch von der Bestimmbarkeit, von den Strömen des Überwirklichen umflossen ist. Der »Schauende« dagegen sieht die Wirklichkeit, und nur sie, in Raum und Zeit, nur daß sein Sehen weiter reicht als die Wahrnehmung der Sinne und die Arbeit des erkennenden Verstandes, auch hinaus ins Werdende, auch tief zurück ins »Vergangene«, dessen er eben auch am Gegenwärtigen und in ihm inne wird. Es heißt im Talmud (Babli, Chagiga 12a): »Das Licht, das Gott am ersten Tag schuf, der Mensch schaute darin vom Ende der Welt bis zum Ende. Als aber Gott das Geschlecht der Sintflut und das Geschlecht des Turmbaus betrachtete und sah, daß ihre Werke verderbt waren, stand er auf und verbarg es vor ihnen … Und für wen verbarg er es? Für die Gerechten der künftigen Zeit.« Dieses Urlicht, das vor der Schöpfung der Himmelslichter bestand, läßt die Legende sich dem Lubliner Rabbi erschließen, schon in der Kindheit; aber er konnte das Übel der Welt, das seinen
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Blick überstürzte, nicht ertragen und erbat, daß das All-Schauen von ihm genommen wurde. Doch auch jetzt noch konnte er von der Stirn eines Besuchers oder von dessen überreichtem Bittzettel nicht bloß sein Wesen und seine Taten, sondern auch die Herkunft seiner Seele, ob sie – nach dem Stammbaum der Seelen, die ihre eigne Fortpflanzung haben – in Kain oder in Abel wurzle, und ihre Wanderschaften ablesen. Unzählige kamen zu ihm gezogen, um ihre Seele von dem Licht seiner Augen durchstrahlen und erleuchten zu lassen. Ein Schüler berichtet, wenn einer zum ersten Mal zu ihm gekommen sei, habe er ihm Lebens- und Seelgeist enthoben und sie gewaschen und gereinigt und erst dann ihm wieder eingetan, wenn sie wie in der Stunde der Geburt waren. Und die Schüler fühlten sich in seiner Helle so geborgen, daß sie, solange sie darin verweilten, das Exil vergessen und sich im Heiligtum zu Jerusalem wähnen konnten. Er aber vergaß das Exil nicht. Unablässig der lösenden Stunde harrend, wurde er endlich Urheber und Mitte jener geheimnisvollen Handlung, zu der er sich mit etlichen andern Zaddikim, darunter dem Napoleongegner Israel von Kosnitz und dem Napoleonanhänger Mendel von Rymanow verband, um die napoleonischen Kriege in den vormessianischen Endkampf der Gog und Magog zu verwandeln, und in deren Verlauf die drei Führer in einem Jahr zum Tode kamen 1 . Sie hatten das Ende bedrängt; sie verbrannten in seinem Anhauch. Der »Seher« war der letzte Zaddik, dessen Walten die drei Kreise im Gleichgewicht verband, der letzte, der mit gleicher Kraft den »Olam« und die Schülerschaft leitete. Aber auch bei ihm schon, in seiner zuweilen mehr leidenschaftlichen als überlegnen Führung sind die Zeichen des beginnenden Zerfalls erkennbar. Vor allem in seinem Verhältnis zu den Schülern, das in der Neigung aber auch im Gegensatz eine Heftigkeit annehmen konnte, die den Meistern des Anfangs ganz fremd war. Der große Maggid stand wie der Baalschem zu seinen Schülern in der firmamenthaften Überwölbung der großen Liebesklarheit; so hatten sie ihre Fülle und ihren Frieden in ihm, waren nie bedürftig, nie aufgestört. Bei Rabbi Elimelech hebt schon, wenn auch erst kaum merklich, die Problematik des persönlichen Gefühls an; er unterscheidet schon unter den Schülern, ja er kennt die Eifersucht. Beim Lubliner kommt die Problematik, von seinem unbändigen Machtbewußtsein genährt, zum Ausbruch. Wenn es etwa einen Schüler doch aus der Helle des Heiligtums zu dem 1.
Ich habe darauf verzichtet, Stücke der Begebenheit, der letzten ihrer Art, unter die Geschichten dieses Buches aufzunehmen, da die Erzählung der ganzen ihrem Wesen gemäß einer gesonderten Veröffentlichung vorbehalten ist.
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inbrünstigen Dunkel eines andern Zaddiks zieht, den er einmal belauscht hat, wie er in seiner Kammer das Hohelied sprach, verwehrt es ihm der »Seher« mit drohendem Wort. Aber am verhängnishaftesten offenbart sich die Problematik in seiner Beziehung zu seinem bedeutendsten Schüler, dem »Jehudi«. Das fragmentarische Material reicht nicht aus, um diese aus Neigung und Gegensatz wunderlich gemischte Beziehung in ihrem innern Zusammenhang zu überschauen; wer aber mit dem Material sich befaßt, muß erkennen, daß er den Boden der Tragödie betreten hat. Wie bei der leiblichen Nachkommenschaft des großen Maggids da, wo die Abgeschiedenheit Abrahams des Engels in den Hochmut seines Sohns umschlägt, so ist bei der geistigen hier, wo Elimelechs Unterschiedlichkeit im Lubliner zu eifernder Seelenherrschaft, die sich mit seiner echten Demut wunderlich vertrug, geworden ist, der Punkt, wo der Niedergang der chassidischen Bewegung sichtbar beginnt. Mit der breiten Einheit der drei Kreise ist es hier wie dort zu Ende, sie zerfällt hier wie dort, nur daß dort die Schülerschaft aufgegeben wurde, hier sie der einzige Kreis ist, der zuletzt verbleibt. Jaakob Jizchak hieß der Jehudi (st. 1814) wie sein Lehrer; eben deshalb soll er, weil es nicht geziemend ist, im Umkreis eines Meisters dessen Namen zu gebrauchen, mit dem Beinamen »der Jude« bezeichnet worden sein; der bürgerte sich so ein, daß später andre Zaddikim Jaakob Jizchak nur »heiliger Jud« anredeten. Aber es liegt in dem Namen etwas anderes, etwas Sinnbildliches. Als Knabe schon wollte der Jehudi an dem Beten der andern nicht teilnehmen, Schelten und Schlagen war vergeblich; da merkte sein Vater, daß er, nachdem das Bethaus geschlossen wurde, übers Dach und durchs Fenster hineingeklettert kam und sein Gebet sprach, und so Tag und Tag. In seiner Jugend pflegte er, von niemand gesehen, in einer Scheune zu beten. Er galt damals schon als ein großer Gelehrter im Talmud, der aber nichts vom Herzensdienst wisse. Alle meinten von ihm, er gehe nicht ins Tauchbad; man sah ihn nämlich nie in einer der Gruppen, die, weil das Bad neunzig Stufen tief lag und eisig war, stets in einem, zehn Männer oder mehr, hinzogen, um erst einen Scheiterhaufen zu errichten und das Wasser zu erwärmen, auch um einander die Unheimlichkeit der langen glatten Treppe zu mildern; er aber ging allein um Mitternacht hin, tauchte, kehrte heim und lernte in der Kabbala; zuweilen fand ihn in der Frühe seine junge Frau ohnmächtig vor dem Buche liegen. Es war die Stadt Apt, in deren Gebiet seine Eltern wohnten, Rabbi Abraham Jehoschuas Stadt; und dieser war es, der ihn »entdeckte«, aber auf seine dringende Bitte verriet er ihn der Welt nicht. Eine Zeit danach hatte der Jüngling ein vertrautes Gespräch mit einem andern, der sein einziger Freund war; dem gestand er, daß ihm eine Höhe
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gezeigt worden sei, die er im Erdenleben nicht erreichen könne, nun ziehe es ihn dahin und er bitte Gott an jedem Morgen um den leiblichen Tod. Der Freund gab ihm den Rat, zum Rabbi von Lublin zu fahren, bei ihm werde er die Erleuchtung finden. Am nächsten Tag schon folgte Jaakob Jizchak dem Rat. So kam er zu dem »Seher«, der ihn, so heißt es, schon erwartete. Hier wurde ihm zunächst eine tiefe Beruhigung zuteil; wenn man von seiner Jugend weiß, versteht man, was er einmal sagte: er habe in Lublin einschlafen gelernt. Aber der Seher stand nicht, wie sein Lehrer, der Maggid, in der großen Liebesklarheit, in deren Obhut sich die Lebenssubstanzen der Schüler, eine jede aus ihren Elementen, auferbauen; er stand in der Welt seiner geistigen Triebe, deren oberster sein Schauen war, und ob auch seine – ebenfalls leidenschaftliche – Demut immer wieder den Ausgleich zwischen dieser seiner Welt und der Welt ihm auferlegte, er vermochte einen Menschen wie den Jehudi nicht wahrhaft aus dessen Voraussetzungen zu fassen und zu halten. Dem Jehudi aber hatte seine Kindheit und Jugend auch nicht die rechten Kräfte zu einem reinen Einvernehmen mit einem Lehrer wie dem Lubliner mitgegeben; so entstand jene aus Nähe und Ferne gewobene Beziehung, in deren Fortgang der Jehudi das bis dahin Unerhörte tat: er begründete bei Lebzeiten seines Lehrers eine eigne Gemeinde. Hier verließ den Seher sein Sehen; die Handlung, die seinem Schüler – der hatte sterben wollen, zu ihm gekommen war und bei ihm nicht hatte leben können – das Weiterleben ermöglichte, indem sie ihm das Wirken ermöglichte, verstand er als eine Wettkampf-Ansage oder ließ sie sich doch als eine solche aufreden. Das trug den letzten Widerspruch in die schon so beladene Beziehung. Die aber in all ihrer Unruhe und Bitternis für den Jehudi zentral blieb: er mußte alles, was sich begab, darauf beziehen; er mußte sich immer wieder an der Überbrückung des Unüberbrückbaren versuchen. Unter dieser Verfinsterung hatte er unterdessen seinen Weg begonnen, und die Scharen flogen ihm zu. »Kehret um«, rief er, »kehret schnell um, denn die Zeit ist kurz, keine Frist mehr verbleibt für neue Wanderung, die Erlösung ist nah!« Er blieb jenseits des magischen Bereichs, in das der Lubliner und dessen Freunde damals eintraten; es schien ihm nicht not zu tun, das »Obere« zu beschwören, sondern das »Untere«. Er wollte nicht das Ende bedrängen, sondern den Menschen dem Ende zubereiten. »Er wollte«, so hat Uri von Strelisk, der ›Seraph‹, von ihm gesagt, »einen neuen Weg herabbringen: Lehre und Gebet zu e i n e m Dienst zu verschmelzen. Aber er starb in der Mitte seiner Arbeit und vollbrachte sie nicht.« Was ihm von seinen Gegnern am schwersten angerechnet wurde, daß er die Gebetszeiten nicht einhielt, sondern – wie später der Rižiner und andre ihm nachtaten – wartete, bis die Fülle kam, war nur
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eine notwendige erste Folge seines Willens zur Konzentration. Zu manchen andern Folgen gelangte er nicht mehr. Er starb im Anstieg seiner Kraft, ein Jahr vor seinem Lehrer. Über die Ursache seines Sterbens weiß eine Sage zu melden, sein Lehrer habe es ihm anbefohlen, um durch ihn aus der obern Welt zu erfahren, was zu tun sei; aber eine andere erzählt, man habe ihm von oben zur Wahl gestellt, ob sein Lehrer oder er sterben solle, und er habe gewählt. Und noch einen Bericht gibt es, aus dem klingt heraus, daß das Geheimnis seiner Jugend sich ihm damals auf höherem Plan erneuerte, und daß der höchste Jichud, wenn er ohne Verwurzelung vollzogen wird, mit dem leiblichen Tode verbunden ist. Ich habe von diesem – als erster in der chassidischen Bewegung – unverwurzelten Geist so ausführlich gesprochen, weil an ihm und an seinem Schicksal deutlich wird, was mit dem Doppeltitel dieses Buches gemeint ist. In zwei oder drei Geschlechtern der Lehre, in vierzig Menschenjahren hat der Chassidismus den Gang in die Unterwelt tun müssen, für den anderen Religionsgebilden Jahrtausende gewährt waren: aus der Geborgenheit der Seele zu ihrer Verlassenheit, aus der firmamenthaft überwölbten Gemeinschaft in die letzte Einsamkeit vor dem Unendlichen. Einem einsamen Baum hat der größte unter den Schülern des Jehudi und sein Nachfolger jeden Menschen verglichen. Von diesem, Rabbi Ssimcha Bunam von Pžysha (st. 1827), ist vor 20 Jahren behauptet worden 1 , es habe ihm ein Übermaß von Klugheit das Fehlen von Weisheit ersetzt. Seit – vor etwa 10 Jahren – das Material über den unvergleichlichen Mann erstmalig gesammelt worden ist, darf dieses Urteil als widerlegt bezeichnet werden. Rabbi Bunam ist vielmehr einer der seltenen exemplarischen Beweise für die merkwürdige und herzerfreuende Wahrheit, daß Klugheit in Weisheit umschlagen kann. Auch er ist, wie sein Zeitgenosse Israel von Rižin, ein Genie im Sinn der modernen abendländischen Kultur, auch er ein bedeutender Thoraredner und Gleichniserzähler ohne die herbe Gewalt der ersten Meister; aber sein Wort steht, wo immer es zu seiner Reinheit und Unmittelbarkeit gediehen ist, da, wohin das des einfallblitzenden Rižiners nicht gelangen kann, in der Sphäre der echten Weisheit. Die wesentliche Ursache dieses Unterschieds scheint mir zu sein, daß Bunam nicht bloß wie Israel Sohn und Vater, sondern auch Schüler und Lehrer gewesen ist. Es ist nicht wahr, daß Weisheit »von selbst« komme: sie hebt im wahren Lernen an und vollendet sich im wahren Lehren. Auf beides hat sich der Mann Bunam wie keiner der Zaddikim nach dem Jehudi verstanden. Der hatte, 1.
Verus (d. i. Ahron Marcus), Der Chassidismus, Pleschen 1909, S. 163.
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obgleich die Massen ihm zuströmten, keinen eigentlichen Blick und Sinn für sie, er war in seiner allein wesentlichen Äußerung ein großer Lehrer und Bunam hat bei ihm in einer großen Weise gelernt. Er war kein »geborener Rabbi«; hintereinander hatte er sich als Schreiber, als Holzhändler, als Apotheker in der Welt umgetan; er war wohl zum Talmudstudium nach Ungarn, aber auch vielmals zum Handel nach Danzig gereist, mit offenen Augen und unbefangen mitlebender Seele. »Meïr«, sagt er später einmal von einem andern Zaddik, »ist ein Gottesmann von Jugend auf und weiß nicht wie man sündigt; wie soll er da wissen, was den Leuten fehlt, die zu ihm kommen? Ich war in Danzig und in den Theatern, und ich weiß, wie es mit dem Sündigen zugeht – seither weiß ich auch, wie man einen jungen Baum, der krumm wächst, zurecht biegen kann.« Ein andermal sagte er: »Ich hatte im Sinn, ein Buch zu schreiben, das sollte ein Viertel Papier stark sein und ›Adam‹ heißen, und es sollte darin stehen der ganze Mensch. Dann aber habe ich mich besonnen, es sei besser, dieses Buch nicht zu schreiben.« Seit ihm die chassidische Wahrheit entgegentrat, pflegte Bunam erst zum Kosnitzer Maggid zu fahren, dann kam er nach Lublin, wo der Seher den »deutsch« aussehenden Mann dennoch sogleich liebgewann, endlich lernte er den Jehudi kennen; von da an kam er jedesmal von Danzig nach Pžysha zu ihm und war bald sein vertrautester Schüler. Nach seinem Tod wurde er von allen zum Rabbi erwählt; aber das Wandern war ihm so ans Herz gewachsen, daß es ihm widerstrebte, dazusitzen und eine Gemeinde zu führen; erst als er bald darauf zu erblinden begann, fügte er sich drein, aber auch jetzt noch wehrte er sich gegen sein Zaddiktum und ließ viele, die zu ihm kamen, tagelang warten, so schwer war es ihm, den neuen Beruf auszuüben. Zu der Menge hatte er keine Beziehung, auch nicht die des Jehudi, ein Gegenstand ihrer Begeisterung zu sein; aber mit dem Lehren war es ihm, als er erst wahrhaft begonnen hatte, lebendigster, verantwortungsstärkster Ernst; und seine Wirkung auf die jungen Menschen, die überallher kamen und baten, in seiner Nähe verweilen zu dürfen, war eine rüttelnde und umwälzende. Da die Jünglinge um seinetwillen Haus und Erwerb verließen, wurde er wie kein anderer von den Familien im weiten Land befehdet. Aus einem sachlicheren Grund waren ihm die Zaddikim seiner Zeit entgegen. Einer von ihnen, Naftali von Ropschitz, wohl der geistreichste unter den Schülern des Lubliners, sagte einmal zu einem jungen Menschen seiner Stadt, der seinen Segen zu einer Heirat mit einem Mädchen aus der Gegend von Pžysha erbat: »Gegen den Rabbi spreche ich nicht, denn er ist ein Zaddik; aber der Weg ist gefährlich für die Schüler, die ihm folgen. Wir dienen so viele Jahre, um zu der Macht und Inbrunst zu kommen, die sie dort in einer kurzen Weile erlangen; da kann sich,
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Gott behüte, die ›andere Seite‹ mit der Dämonie des Venussterns einschleichen« (unter dem Gut und Böse sich mischen). Schließlich kam es sogar auf der großen Zaddikimhochzeit zu Ostila zu einer Art Gerichtsverhandlung, bei der der Apter Rabbi den Vorsitz führte und die Anklage abwies. Aber der kam eine tiefere Berechtigung zu, als die Ankläger wohl ahnten. Bunam versuchte auf dem Weg weiterzuführen, den der Jehudi betreten hatte; aber da er nicht, wie sein Lehrer, daran glaubte, daß die Erlösung nahe und die Bereitschaft des Menschen zu schaffen sei, konnte er die Richtung nicht wahren. Der Jehudi hatte versucht, Wurzel im Z i e l zu schlagen; Bunam glaubte an das Ziel nicht in der Unmittelbarkeit; so blieb das Erbe des Meisters in der Luft hängen. Vorüber ist es nun mit dem Ausblick in eine Verschmelzung von Lehre und Gebet, die einen Moment lang am Horizont erschienen war, da es mit der alten Verwurzelung vorüber ist und die neue sich als unmöglich erweist. In der Atmosphäre der Verlassenheit, die nun auch Ziel-Verlassenheit geworden ist, in der Atmosphäre des »Individualismus« kann noch Weisheit gedeihen, aber keine Heiligkeit mehr reifen. »Der Geheimniskundige« wird der weise Bunam genannt, aber geheimnis n a h , wie noch der Jehudi war, ist er nicht mehr, – auch er nicht mehr Leib und Stimme des religiösen Genius. Das Gebet, das um der Konzentration willen vom Jehudi »verzögert«, d. h. subjektiviert worden war, tritt nun – eine natürliche Folge der Suprematie der Schule über die Gemeinde – zurück gegen die Lehre; die aber verwandelt sich unter dem Einfluß der Wurzellosigkeit immer mehr aus der Übergabe des Unaussagbaren wieder in das Studium von Inhalten; das Irrational-Direkte tritt zurück gegen das Rational-Indirekte. Bunam selbst hat das, um was es hier geht, in einem tiefen Wort ausgesprochen: »Was im Sohar steht, daß das Wort der Schrift ›Wenn du zum Kriege ausziehst gegen den Widersacher‹ die Kriege mit dem Trieb meint, ist die wahre Deutung; aber als der Krieg geführt wurde, war es das Geheimnis, jetzt, wo der Krieg nicht geführt wird, ist es eine Deutung.« Der tragische Vorgang vollendet sich in Bunams geistesstarkem und unseligem Schüler Mendel von Kozk (st. 1859), dessen Leben in diesem Buch nicht mehr erzählt wird. Das Band zwischen Gemeinde und Schule ist nun zerrissen, die Schülerschaft allein gilt noch, aber die Geistigkeit der Schülerschaft ist wie in der vorchassidischen Zeit wieder ganz im Talmudstudium verkapselt, das nun nicht mehr, wie bisher im Chassidismus, sich der Übung der Lehre als Glied einfügt, sondern die ganze absorbiert; auch der alte Dünkel des Gelehrten dem Am-ha-arez gegenüber ist wiedergekehrt und äußert sich in übermütigen Streichen. Man ostendiert die Gleichgültigkeit allem Herzensdienst gegenüber, weil man
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nicht »religiös« erscheinen will, doch die meisten sind es in Wahrheit nicht mehr. Aber der tut Unrecht, der Mendel von Kozk selbst von diesen Auswüchsen aus begreifen zu können glaubt; dazu ist auch diese Randgestalt noch viel zu groß. Mendel von Kozk ist in Wahrheit die Randgestalt des Chassidismus. Er gerät immer tiefer, immer abgründiger in die religiöse Problematik, der sein welterfahrener Lehrer immer wieder obgesiegt hatte. Dann beginnt, was mit ihm vorgeht, sich an Änderungen in seinem Gottesdienst zu äußern. Und endlich stürzt es aus ihm hervor. An einem Sabbat, beim heiligen dritten Mahl, erhebt er sich und spricht: »Der Mensch ist ein Teil Gottes. Der Mensch hat Triebe und Lüste. Auch sie sind ein Teil Gottes.« Was er noch gesprochen hat, darüber gehen die Berichte (sie sind nur in mündlicher Überlieferung erhalten) auseinander; jedoch einem nach endet er mit den Worten: »Es gibt keinen Richter und kein Gericht.« Dann berührt er den Leuchter, die Zeremonie der Scheidung zwischen Sabbat und Woche nur noch symbolisch vollziehend, und geht. Die Leute sind alle aufgesprungen, sie stehen verwirrt, sie wollen von dannen, mit Mühe gelingt es einem Schüler und Freund des Kozkers, dem Gerer Zaddik, sie zu beruhigen. Rabbi Mendel aber bleibt hinfort bis zum Tod, dreizehn Jahre, in seiner Stube, mit der weißen Sabbat-Pekesche angetan; zuweilen nur streckt er durch den Türspalt einem Besucher die spitzen Finger zum Gruß entgegen. Wenn ein Chassid dem andern die Begebenheit berichtet, pflegt nun jener vorzubringen: »Und das Tauchbad?« Darauf antwortet der Erzähler, der Brunnen Miriams, der einst im Stein eingeschlossen mit den Juden durch die Wüste zog, habe sich in der Kammer des Rabbi aufgetan. Die Mitnagdim aber erzählen sich, den Kozker hätten die Ratten gefressen.
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Ein Wort über den Chassidismus
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In den Ausführungen Karl Ludwig Schmidts über den Chassidismus (Nr. 3, S. 54 ff.) steht ein Satz, der, wiewohl selbst nicht auf einem Mißverstehen erbaut, doch zu einem völligen Mißverstehen dieser religiösen Bewegung Anlaß geben könnte. Er spricht von der Frage, »inwieweit der Chassidismus etwas Gesetzliches und Messianisches an sich hat«. Eine solche Frage besteht aber im Grunde gar nicht. Denn e r s t e n s ist der Chassidismus nicht etwa zu einem Teil, sondern ganz und gar »gesetzlich«: er nimmt das Gesetz restlos, in Wahrheit mit jedem ἰῶτα und jeder χεραία an und auf. Ich habe im Geleitwort meines Buchs »Der große Maggid« zu zeigen versucht, daß der Chassidismus »keinen Anreiz hatte, irgendein Stück aus der Fügung des überlieferten Gesetzes zu brechen, da es der chassidischen Lehre nach keins geben konnte, das nicht mit Intention zu erfüllen oder in seiner Intention zu entdecken war«; er »nimmt die Ueberlieferung ihrem gegenwärtigen Stande nach in ungeschmälerter Geltung hin«, aber er »läßt sie in seinem Licht eine neue Beseeltheit, einen neuen Sinn gewinnen«. Der Chassidismus bejaht das Gesetz schlechthin, aber nicht als Satzung, sondern als die gnadenreiche Führung, die dem höchsten Vermögen des Menschen, seiner ewigen erlösenden Intentionskraft zuteil wird: der »Hebung der heiligen Funken«, die in die Dinge gebannt sind und zu deren Findung und Erreichung das Gesetz hinleitet (so werden vom Chassidismus z. B. die Speisegebote angesehen). Z w e i t e n s ist der Chassidismus ebenfalls ganz und gar »messianisch«. Um mich noch einmal zu zitieren: »Der eschatologische Antrieb erstirbt nicht … aber die Arbeit um des Endes willen – das »nicht zu bedrängen«, ein alter Spruch gebietet – ordnet sich der steten Wirkung auf die inneren Welten durch die Heiligung alles Tuns unter; in der Stille reifen Ahnungen eines zeitlosen Heils, das der Augenblick erschließt; nicht mehr eine angesetzte Handlung, sondern die Weihung alles Handelns wird entscheidend.« Der jüdische Messianismus ist damit in ein neues Stadium getreten; evangelisch gesprochen: aus dem ἁρπάζειν in das ζητεῖν. Aber die Intensität und Unablenkbarkeit seiner Zukunftsrichtung wird dadurch nicht geschwächt. Erlösung geschieht immer und überall, aber die Erlösung der Welt – das ist sein wie alles Judentums Grundglaube – wird »im Ende der Tage« sein. Obgleich auch er die personhafte Konzeption des Kommenden wahrt, determiniert der Chassidismus in entscheidender Weise das Judentum: als welches eine Erlösungsreligion, aber – auch in futurischer Form – nicht eine Erlöserreligion ist.
Des Baal-Schem-Tow Unterweisung im Umgang mit Gott Des Rabbi Israel Ben Elieser Genannt Baal-Schem-Tow Das ist Meister vom guten Namen Unterweisung im Umgang mit Gott aus den Bruchstücken gefügt von Martin Buber
Vorwort
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Diese (seit vielen Jahren abgeschlossene) Schrift besteht in einer Auswahl von Bruchstücken, uns als Zitate in Büchern von Schülern und Schülersschülern überliefert, aus Reden eines Menschen, der selber kein Buch geschrieben hat. Dieser Mensch ist eine führende Gestalt in der Geistesgeschichte des Judentums, der Führer jener seiner mächtigen Bewegung, die »Chassidut« genannt wird – ein Wort, das man noch weit weniger als das ihm entsprechende pietas in die deutsche Sprache übertragen kann; am ehesten möchte dessen Sinn durch eine verbale Umschreibung wiedergegeben sein: die Welt in Gott lieben. Des weitern ist dieser Mensch eine der zentralen Gestalten in der Religionsgeschichte des achtzehnten Jahrhunderts, der größere Gegenspieler Zinzendorfs (mit dem er wohl im gleichen Jahr geboren wurde und im gleichen starb, und von dem er gewiß nichts wußte). Durch beide vollzog sich die Wiederentdeckung des »Gegenüberstehens«, der realen Gegenseitigkeit – der Deutsche entdeckte sie in der Abgelöstheit des Gefühls, der polnische Jude in der Einbezogenheit des ganzen Weltlebens. (Das deutsche philosophische Nachspiel endet mit dem jungen Schleiermacher, das jüdische hat mit dem Alterswerk Cohens begonnen.) In einer Zeit, die gelernt haben wird, den Beitrag des Judentums zum menschlichen Werk wahrzunehmen, wird man den Baalschem vermutlich als den Begründer einer realistischen und aktivistischen Mystik verherrlichen, d. h. einer Mystik, für die die Welt nicht ein Scheingebilde ist, von dem der Mensch sich abkehren müsse, um zum wahren Sein zu gelangen, sondern die Wirklichkeit zwischen Gott und ihm, an der sich die Gegenseitigkeit bekundet, der Gegenstand der schöpferischen Botschaft an ihn, der Gegenstand seines antwortenden Dienstes, bestimmt, durch die Begegnung göttlicher und menschlicher Tat erlöst zu werden; einer Mystik also ohne Vermischung der Prinzipien und ohne Schwächung der gelebten Allvielheit um einer zu erlebenden Alleinheit willen (Jichud, unio, bedeutet hier nicht Einung der Seele mit Gott, sondern Einung Gottes mit seiner welteinwohnenden Herrlichkeit). Einer »Mystik«, die noch so zu nennen sein mag, weil sie die Unmittelbarkeit der Beziehung wahrt, die Konkretheit des Absoluten hütet und den Einsatz des ganzen Wesens verlangt; man kann sie freilich eben darum auch Religion nennen. Ihr wahrer deutscher Name ist wohl: Gegenwärtigkeit. Wenn man aber die in dieser Schrift zusammengestellten Worte des Baalschem wahrhaft aufnehmen will, tut man gut, alles, was man von
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Des Baal-Schem-Tow Unterweisung im Umgang mit Gott
der Geschichte weiß, und alles, was man von der Mystik zu wissen meint, zu vergessen und lesend einer Menschenstimme zu horchen, die heute, hier, zu dem heute und hier Lesenden spricht.
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VOM ERKENNEN *
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Hätten sie doch mich verlassen, spricht Gott, und meine Lehre bewahrt! Das ist so zu deuten: Der Endsinn des Wissens ist, daß wir nicht wissen können. Aber es gibt zwei Arten des Nichtwissenkönnens. Das eine ist das alsbaldige: da beginnt einer gar nicht erst zu forschen und zu erkennen, weil es ja doch unmöglich ist zu wissen. Ein andrer aber forscht und sucht, bis er erkennt, daß man nicht wissen kann. Und der Unterschied zwischen beiden – wem sind sie wohl zu vergleichen? Zweien, die den König kennen lernen wollen. Der eine betritt alle Gemächer des Königs, er erfreut sich an des Königs Schatzkammern und Prunkhallen, und danach erfährt er, daß er den König nicht kennen lernen kann. Der andre sagt sich: Da es nicht möglich ist, den König kennen zu lernen, wollen wir gar nicht eintreten, sondern uns mit dem Nichtkennen bescheiden. Daraus ist zu verstehn, was jene Worte Gottes bedeuten: Sie haben mich verlassen – das ist, sie haben aufgegeben, mich zu erkennen, weil es nicht möglich sei; aber hätten sie mich doch verlassen aus Forschen und Erkennen, indem sie meine Lehre bewahrten!
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Warum sprechen wir: »Unser Gott und Gott unsrer Väter!«? Es gibt zwei Gattungen von Menschen, die an Gott glauben. Der eine glaubt, weil es ihm von seinen Vätern überliefert ist; und sein Glaube ist stark. Der andre ist durch das Forschen zum Glauben gekommen. Und dies ist der Unterschied zwischen ihnen: Des ersten Vorzug ist, daß sein Glaube nicht erschüttert werden kann, wie vielen Widerspruch man auch vorbringen mag, denn sein Glaube ist fest, weil er von den Vätern übernommen ward; aber ein Mangel haftet daran: daß sein Glaube nur ein Menschengebot ist, erlernt ohne Sinn und Verstand. Des zweiten Vorzug ist, daß er, weil er Gott durch großes Forschen fand, zum eignen Glauben gelangt ist; aber auch an ihm haftet ein Mangel: daß es ein Leichtes ist, seinen Glauben durch widerstreitenden Beweis zu erschüttern. Wer jedoch beides vereinigt, dem ist keiner überlegen. Darum sprechen wir: »Unser Gott«, unsrer Forschung halber, und »Gott unsrer Väter«, um unsrer Überlieferung willen. Und so auch ist gedeutet worden, daß wir sprechen: »Gott Abrahams,
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Gott Isaaks und Gott Jakobs«, nicht aber sprechen wir: »Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs« – damit ist gesagt: Isaak und Jakob stützten sich nicht auf Abrahams Überlieferung allein, sondern selber suchten sie das Göttliche.
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VOM EIFER UND VOM WERK *
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Der Mensch ergreife die Eigenschaft des Eifers gar sehr. Er erhebe sich im Eifer von seinem Schlaf, denn er ist geheiligt und ein andrer worden und ist würdig zu zeugen und ist worden nach der Eigenschaft Gottes des Heiligen, da er seine Welt zeugte. *
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»Alles, was du zu tun vermögend bist, tu es mit deiner Kraft!« Das ist: binde die Tat an die Kraft des Gedankens. Wie von Henoch erzählt wird, er sei ein Flickschuster gewesen und habe mit jedem Stich seiner Ahle, der das Oberleder an die Sohle nähte, den Heiligen Gott mit der Einwohnenden Herrlichkeit verbunden. *
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Unsere Weisen sagen: »Micha kam und stellte es auf drei Dinge«, das ist, er befestigte das Gesetz durch die drei Säulen, auf denen die Welt ruht: ›Recht üben‹, das ist Gerechtigkeit, ›und gütige Liebe‹, das ist Guttat, ›und züchtig wandeln mit deinem Gott‹, das ist die Mittelsäule, die Ordnung der Wahrheit: daß dein Mund und dein Herz eins seien, und sei auf keine abseitigen Zwecke gerichtet, auf keine der bösen Gewalten, die ›die Toten‹ heißen. Darum sagen unsre Weisen: »Züchtig wandeln, das ist Totengeleit und Brautempfang«; erst werden die Toten, die bösen Gewalten, hinausgeführt, und dann zieht die Braut ein: denn wer seinen Mund und sein Herz eint, der eint den Bräutigam mit der Braut – den Heiligen Gott mit der Einwohnenden Herrlichkeit. * Durch eine verkehrte Demut kann einer sich vom Dienste Gottes entfernen: wenn er vor Selbsterniedrigung nicht glaubt, daß der Mensch durch Gebet und Lehre die Fülle über alle Welten herabbringt und die Engel selber sich von seinem Lernen und Beten nähren. Glaubte er daran, wie würde er da Gott dienen in großer Furcht und Freude, und jeder Bewegung und jedes Wortes achten, nach der rechten Weise zu reden und zu tun! Der Mensch soll seinen Sinn darauf richten, daß er eine Leiter ist, ge-
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stellt auf die Erde und ihr Haupt an den Himmel rührend, und alle seine Gebärden und Geschäfte und Reden ziehen Spuren in der oberen Welt.
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VON DEN HEILIGEN FUNKEN UND IHRER ERLÖSUNG *
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Die heiligen Funken, die gefallen sind, als Gott Welten baute und zerstörte, soll der Mensch erheben und aufwärts läutern von Gestein zu Gewächs, von Gewächs zu Getier, von Getier zu redendem Wesen, läutern den heiligen Funken, der von der Schalengewalt umschlossen ist. Das ist der Grundsinn des Dienstes jedermanns in Israel. Es ist bekannt, daß jeder Funke, der in einem Gestein oder Gewächs oder einer andern Kreatur wohnt, eine völlige Gestalt hat mit der Vollzahl der Glieder und Sehnen, und wenn er in dem Gestein oder Gewächs wohnt, ist er im Kerker, kann Hände und Füße nicht strecken und kann nicht sprechen, sondern sein Kopf liegt auf seinen Knien. Und wer mit der guten Kraft seines Geistes den heiligen Funken von Gestein zu Gewächs, von Gewächs zu Getier, von Getier zu redendem Wesen zu heben vermag, der führt ihn in die Freiheit, und keine Lösung Gefangner ist größer als diese. Wie wer einen Königssohn aus der Gefangenschaft errettet und zu seinem Vater bringt. *
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Alles, was der Mensch zu eigen hat, seine Knechte, seine Tiere, seine Geräte, alles birgt Funken, die der Wurzel seiner Seele zugehören und von ihm zu ihrem Ursprung erhoben werden wollen. *
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Alle Dinge dieser Welt, die ihm zugehören, begehren mit aller Macht ihm nahe zu kommen, damit die Funken der Heiligkeit, die in ihnen sind, durch ihn erhoben werden. *
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Man ißt Menschen, man trinkt Menschen, man gebraucht Menschen; das sind die Funken, die in den Dingen wohnen. Darum soll man sich seiner Geräte und all seines Besitzes erbarmen, um der Funken willen, die darin sind; man soll sich der heiligen Funken erbarmen. *
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Achte, daß alles, was du um Gottes willen tust, selber Dienst Gottes sei. So das Essen: sage nicht, es solle die Absicht des Essens sein, daß du Kraft zum Dienste Gottes gewinnst. Wohl ist auch dies eine gute Absicht; aber die wahre Vollendung gibt es nur wo die Tat selber dem Himmel zu geschieht, das ist, wo die heiligen Funken gehoben werden.
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* In allem, was in der Welt ist, wohnen heilige Funken, kein Ding ist ihrer ledig. Auch in den Handlungen des Menschen, ja sogar in der Sünde, die ein Mensch tut, wohnen Funken der Herrlichkeit Gottes. Und was sind das für Funken, die in der Sünde wohnen? Es ist die Umkehr. In der Stunde, wo du ob der Sünde Umkehr tust, hebst du die Funken, die in ihr waren, in die obere Welt.
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WIE MAN DIENEN SOLL *
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Der Mensch soll Gott mit seiner ganzen Kraft dienen, denn alles ist not. Denn Gott will, daß man ihm auf alle Arten diene. Und dies ist gemeint: Wenn einer zuweilen sich ergeht und mit den Leuten sich unterredet, und zu der Zeit vermag er nicht zu lernen, da soll er an Gott haften und mit seiner Seele die Namen Gottes einen; und wenn einer sich auf eine Reise begibt und vermag alsdann nicht nach seinem Brauch zu beten, da soll er Gott auf andre Arten dienen. Und er gräme sich darob nicht, denn Gott will, daß man ihm auf alle Arten diene, zuzeiten auf diese, zu andern auf jene Weise, und deswegen hat er ihm bestimmt, auf eine Reise zu gehen oder mit den Leuten zu reden, damit er auch diesen Dienst vollziehe.
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Dies ist das Geheimnis der Einheit Gottes, daß ich, an welchem Ort ich ein Endchen ihrer erfasse, die ganze fasse. Und da die Lehre und alle Gebote Strahlungen seines Wesens sind, so hält, wer e i n Gebot bis auf den Grund in Liebe erfüllt und in diesem Gebot ein Endchen der Einheit Gottes erfaßt, die ganze in seiner Hand, als hätte er alles erfüllt. *
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Wenn wir nicht glauben, daß Gott an jedem Tag das Werk der Schöpfung erneut, dann wird uns unser Beten und Geboteerfüllen alt und gewohnt und überdrüssig. Wie es im Psalm heißt: »Verwirf mich nicht zur Zeit des Alterns«, das ist, laß mir meine Welt nicht alt werden. Und im Klaglied heißt es: »Neu an jedem Morgen, groß ist deine Tr e u e « – daß uns die Welt an jedem Morgen neu wird, das ist deine große Treue.
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VON FERNE UND NÄHE * Zuweilen muß der Mensch erfahren, daß es noch unendlich viele Firmamente und Sphären gibt, und er steht auf einem Fleckchen der kleinen Erde, die ganze Allwelt aber ist wie nichts vor Gott, der der Schrankenlose ist und der die Einschränkung tat und Ort in sich selber setzte, die Welten darin zu erschaffen. Und wiewohl der Mensch dies mit seiner Einsicht begreift, vermag er nicht zu den obern Welten aufzusteigen; und dies ist, was geschrieben steht: »Aus der Ferne ist mir der Herr erschienen« – er betrachtet Gott aus der Ferne. Dient er aber Gott mit all seiner Macht, dann faßt er große Gewalt in sich ein und erhebt sich in seinem Geist und durchbricht auf einmal alle Firmamente und steigt über Engel und Himmelsräder und Seraphim und Throne: und das ist der vollkommene Dienst. * Wer in der Inbrunst des Gottanhaftens das Rechte tut oder der Lehre obliegt, der macht seinen Leib zum Thron der Lebensseele und die Lebensseele zum Thron des Gemüts und das Gemüt zum Thron des Geistes und den Geist zum Thron des Lichts der Einwohnenden Herrlichkeit, das über seinem Haupt ist, und das Licht umfließt ihn ringsum, und er sitzt inmitten des Lichtes und zittert und frohlockt. Des zum Zeichen erscheint der Himmel an jedem Ort als eine Halbkugel.
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* »Mit Gott ging Noah.« Noah hing Gott so sehr an, daß ihm jeder Schritt, den er tat, von Gott geleitet schien, als stünde Gott ihm gegenüber und setzte ihm die Füße zurecht und führte ihn, wie ein Vater, der seinem kleinen Sohn das Gehen beibringt. Darum, wenn sich der Vater von ihm entfernte, wußte Noah: »Das ist, damit ich gehen lerne.«
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VON DER HEIMLICHKEIT *
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Der Mensch vermag alles Gute zu genießen und sich mit den Wonnen zu kasteien. Er vermag zu blicken, wohin er will und sich nicht über seinen Vierellenumkreis zu verlieren, denn in allen Dingen gewahrt er den geheimen Namen Gottes. Er vermag unbewegt im Gebet zu stehn, daß keiner seinen Dienst bemerkt, verborgen aber brennt sein Geist, und er schreit in der Stille. *
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Zuweilen ruht ein Mensch auf seinem Lager, und seinen Hausgenossen erscheint es, als schlafe er, er aber weilt zu dieser Stunde in der Einsamkeit mit dem Schöpfer, gesegnet sei Er. Das ist eine hohe Stufe, daß er den Schöpfer allzeit mit dem Auge seiner Einsicht anschaut, wie einen andern Menschen. Und besinne dies: wenn du stets in einem lautern Gedanken verharrst, dann schaut auch der Schöpfer dich wie ein Mensch an. *
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Es gibt zwei Arten der Liebe. Der eine liebt das Tun und Reden seines klugen Sohns und rühmt sich seiner, daß er Kluges tue und rede; der andre liebt seinen Sohn selber, was er auch reden und tun mag. So ist es mit der Liebe Gottes zum Menschen. Wenn ein bewährter Mann Gebote und gute Werke in großer Weisheit erfüllt, da liebt Gott sein Tun und ist all seinem Tun gegenwärtig, und so wird die Äußerlichkeit der Welten an Gott gebunden. Wenn aber der Bewährte selber an Gott hangt, dann liebt Gott ihn selber, ob er auch seine Werke nicht in Weisheit vollbringt, sondern in großer Einfalt wandelt und Gott anhangt; eben darum liebt ihn Gott. Und so wird die Innerlichkeit der Welten zu Gott erhoben.
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EIN GLEICHNIS VOM GEBET * Das Gebet ist eine Paarung mit der Herrlichkeit Gottes. Darum soll der Mensch sich im Anbeginn des Gebets auf und nieder bewegen, dann aber kann er auch unbewegt stehen und wird an der Herrlichkeit haften, in einem großen Haften. Und weil er sich bewegte, kann er zu einem großen Erwachen gelangen, daß er besinnen muß: Warum bewege ich mich auf und nieder? gewiß, weil die Herrlichkeit Gottes mir gegenüber steht. Und darüber wird er in eine große Entzückung gelangen.
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»In meinem Fleische«, spricht Hiob, »werde ich Gott schauen.« Wie in der leiblichen Paarung nur der zeugen kann, der ein lebendiges Glied mit Verlangen und Freude gebraucht, so in der geistigen Paarung, das ist, dem Sprecher der Lehre und des Gebets, wer sie mit lebendigem Glied in Freude und Wonne tut, der zeugt.
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* Wie die Braut zur Hochzeit mit allerlei Gewändern bekleidet und geschmückt wird, wenn aber die Vermählung selber geschehen soll, werden die Gewänder von ihr genommen, damit die Leiber einander nahe kommen können, so heißt es auch: »Aus meinem Fleisch heraus werde ich Gott schauen«, denn das Gebet ist die Braut, die erst mit vielen Gewändern geschmückt wird, dann aber, wenn ihr Freund sie umfängt, ist alles Gewand von ihr genommen.
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Des Baal-Schem-Tow Unterweisung im Umgang mit Gott
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VON DER WAHREN AUSRICHTUNG *
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Es ist gesagt: »Man bete nicht anders als aus der Schwere des Hauptes.« Das ist so zu verstehn: Bete nicht um ein Ding, das dir fehlt, denn dein Gebet wird nicht angenommen werden. Sondern wenn du beten willst, bete ob der Schwere, die in dem Haupte der Welt ist. Denn das Ding, das dir fehlt, dessen Mangel ist in der Einwohnenden Herrlichkeit. Denn der Mensch ist ein Teil Gottes, und der Mangel, der im Teil ist, ist im Ganzen, und das Ganze erleidet den Mangel des Teils. Daher sei dein Gebet auf den Mangel des Ganzen gerichtet. *
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Das Gebet ist ein hohes Bedürfen. Denn der Mensch weiß von seinem Mangel, daß er aus einem Obern kommt, und er betet, daß der Mangel der Herrlichkeit gestillt werde. Und da wird in einem der seine gestillt. *
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Der Mensch sinne nicht auf Lösung zugleich für Oben und Unten, daß er nicht sei, wie der die ewige Pflanzung zerhaut und Trennung schafft, sondern alles tue er um des Mangels der Herrlichkeit willen, und aus sich selber wird alles gelöst werden, und auch sein eignes Leid wird gestillt werden aus der Stillung der oberen Wurzel. Denn alles, Oben und Unten, ist Eine Einheit. *
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Bete stets für Gottes Herrlichkeit, daß sie aus der Verbannung erlöst werde. *
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Der Mensch soll alle Dinge der Welt mit all seinem Denken, Reden, Handeln einen, auf Gott zu, in Wahrheit und Einfalt. Denn kein Ding der Welt ist außerhalb der Einheit Gottes gesetzt. Wer aber ein Ding anders als auf Gott zu tut, trennt es von Ihm.
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Des Baal-Schem-Tow Unterweisung im Umgang mit Gott
VON DER MACHT DES WORTS * Wenn du redest, hege das Geheimnis der Stimme und des Worts im Sinn und rede in Furcht und Liebe und besinne, daß die Welt des Worts aus deinem Munde spricht. Dann wirst du die Worte erheben. Besinne, daß du nur ein Gefäß bist, daß dein Gedanke und dein Wort Welten sind, die sich breiten: die Welt des Worts, das ist die Einwohnende Herrlichkeit, begehrt in dieser Rede von der Welt des Gedankens. Und wenn du das Licht Gottes in deinen Gedanken und dein Wort gezogen hast, dann sei dies deine Bitte, daß die segnende Fülle sich aus der Welt des Gedankens über die Welt des Wortes ergieße. Dann wird auch dir werden, wessen du bedarfst. Darum heißt es: »Laß uns dich finden in unseren Bitten!« In unsern Bitten selber läßt Gott sich finden. * Wer in seinem Gebet alle Ausrichtungskünste anwendet, die er kennt, der wirkt eben nur, was er kennt. Wer aber das Wort in großer Verbundenheit spricht, dem geht in jedes Wort die Allheit der Ausrichtung von selber ein. Denn jedes Zeichen ist eine völlige Welt, und wer das Wort in großer Verbundenheit spricht, erweckt jene obern Welten und tut ein großes Werk.
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* In jedem Zeichen sind die Drei: Welt, Seele und Gottheit. Sie verbinden und vereinen sich miteinander. Und danach vereinen und verbinden sich die Zeichen, und es wird das Wort. Sie einen sich mit wahrer Einung in der Gottheit. Und der Mensch soll seine Seele in jedes der Drei einfassen: dann eint sich alles zu Einem, und es wird große Wonne ohne Grenzen.
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Des Baal-Schem-Tow Unterweisung im Umgang mit Gott
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VON DER HINGABE * Der Mensch besinne vor dem Gebet, daß er bereit ist, in diesem Gebet zu sterben um der Ausrichtung willen. 5
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* Wisse, daß jedes Wort eine vollständige Gestalt ist, und es tut not, mit deiner ganzen Kraft darin zu sein, denn wird dem nicht Genüge, so ist es wie das Fehlen eines Glieds. Es ist eine große Gnade von Gott, daß der Mensch nach dem Gebet lebt. Denn dem Weg der Natur gemäß müßte er sterben, weil seine Kraft dahin ist, denn er hat seine Kraft um der großen Ausrichtung willen in das Gebet hingegeben.
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Des Baal-Schem-Tow Unterweisung im Umgang mit Gott
VON DER VERBUNDENHEIT * Wenn ich meinen Gedanken an den Schöpfer hefte, lasse ich meinen Mund reden, was er will, denn die Worte sind an die obere Wurzel gebunden.
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* Wenn der Mensch immer neues Feuer auf den Altar seiner Seele trägt, entflammt sich der Funke der Einwohnenden Herrlichkeit, der in ihm ist, und sie redet die Worte mit seinem Mund, daß es erscheint, als schweige er und die Worte kämen aus seinem Mund von selber.
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Des Baal-Schem-Tow Unterweisung im Umgang mit Gott
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VON DEN ABLENKENDEN GEDANKEN *
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In der Stunde der Lehre und des Gebets ist kein trennender Vorhang zwischen dem Menschen und seinem Gott. Auch wenn viele fremde Gedanken in dir aufsteigen, Gewänder und Decken sind sie, hinter denen der Heilige, gesegnet sei Er, sich verbirgt, und wenn du darum weißt, ist da keine Verborgenheit mehr. *
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Wenn der Mensch betet und es kommt ihn ein fremder Gedanke an, dann reitet die Schalengewalt auf dem Wort; denn der Gedanke reitet auf dem Wort. *
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In allen Gedanken des Menschen birgt sich die Wirklichkeit Gottes. Und jeder Gedanke ist eine vollständige Gestalt. Und wenn in dem Denken des Menschen zur Zeit seines Gebets ein böser oder fremder Gedanke aufgeht, kommt er zum Menschen, daß der ihn erlöse und emporsteigen lasse. Wer aber daran nicht glaubt, nimmt das Joch des Himmelreichs nicht wahrhaft an. *
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»Und Jakob erwachte aus seinem Schlaf und sprach: ›Wahrlich, gegenwärtig ist ER an dieser Stätte, und ich wußte es nicht.‹ Und er erschauerte und sprach: ›Wie schauervoll ist diese Stätte!‹« »Gegenwärtig ist ER an dieser Stätte« – das bedeutet: Wo das Lebendige sich schart, da ist Gottes Name. So wohnen auch in allen fremden und bösen Gedanken, welche Kriegsscharen des Lebens und Räuber und die Schalengewalten des Übels sind, heilige Funken der Herrlichkeit, die in der Urzeit niederfielen, als die Gefäße der Schöpfung zerbrachen. »Und er erschauerte und sprach: ›Wie schauervoll ist diese Stätte!‹« Denn Schauer und Zittern überkamen ihn, weil er den Schmerz der Herrlichkeit und ihren Niedergang zu den Schalengewalten des Übels erlitt. Dadurch geschah eine Einung des Schauers mit dem Schauererregenden, und die Schalen brachen auseinander.
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Des Baal-Schem-Tow Unterweisung im Umgang mit Gott
* Die fremden Gedanken kommen zum Menschen inmitten seines Gebets aus dem Geheimnis des Zerbrechens der Urgefäße, weil der Mensch sie an jedem Tag ausläutern soll, und sie kommen zu ihm als zu ihrer Erlösung. Und der fremde Gedanke von heute gleicht nicht dem von morgen.
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* Der Mensch binde seine Regung an Gott. Wenn ihn eine böse Liebe überkommt, richte er seine Liebe auf Gott allein und all sein Streben gehe auf dieses eine. Und wenn er in Zorn, das ist in eine böse Furcht, gerät, die sich aus der Eigenschaft der Gewalt herleitet, dann gewaltige er seinen Trieb und mache aus eben dieser Eigenschaft einen Wagen für Gott.
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VON GUT UND BÖSE *
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Die Einwohnende Herrlichkeit waltet von oben bis unten, bis zum Rand aller Stufen. Das ist das Geheimnis des Wortes »Und du belebst sie alle«. Sogar wenn der Mensch eine Sünde tut, auch dann ist die Herrlichkeit darein gekleidet, denn ohne sie hätte er nicht die Kraft, ein Glied zu bewegen. Und dies ist das Exil der Herrlichkeit Gottes. *
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In der Geschichte der Schöpfung heißt es: »Ja, es war sehr gut.« Aber in der Mahnrede Mose heißt es: »Sieh, gegeben habe ich heuttags vor dich hin das Leben und das Gute, den Tod und das Böse.« Woher ist das Böse gekommen? Auch das Böse ist gut, es ist die unterste Stufe des vollkommen Guten. Tut man Gutes, dann wird auch das Böse gut; sündigt man aber, dann wird es zum wirklichen Bösen. *
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Die Einwohnende Herrlichkeit umfaßt alle Welten, alle Kreaturen, Gute und Böse. Und sie ist die wahre Einheit. Wie kann sie denn die Gegensätze des Guten und des Bösen in sich tragen? Aber in Wahrheit ist da kein Gegensatz, denn das Böse ist der Thronsitz des Guten. *
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Wie die Herrlichkeit alle Welten, Gut und Böse, umfaßt, so waren sie in Mose beschlossen. Als Gott Mose zum erstenmal anrief, antwortete er nicht: »Hier bin ich«, weil er im Staunen verging: Wie kann sich da die Einung vollziehn? Denn als Gott sich im Dornbusch das ist im Bösen, als in der untersten Stufe offenbarte, öffneten sich alle Feuerquellen, von der obersten bis zur Tiefe – aber der Dornbusch verbrannte nicht, das Böse wurde nicht verzehrt: wie konnte das geschehn? Doch Gott rief zum zweitenmal: »Mose!« – da band sich in Mose selber die unterste an die oberste Stufe, und er sprach: »Hier bin ich.«
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VON HOCHMUT UND DEMUT * Sprich nicht in deinem Herzen, du seist größer als dein Gefährte, weil du Gott mit Inbrunst dienst. Du bist nicht anders als alle Geschöpfe, die zum Dienst Gottes geschaffen wurden. Und womit wärst du angesehener als ein Wurm? Dient er doch dem Schöpfer mit seiner ganzen Einsicht und Kraft!
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* Die Leute, mit denen du dich unterredest, prüfe nicht, ob ihr Gedanke stetig an Gott hafte. Die prüfende Seele leidet Schaden.
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* Geschieht es dir, daß du eine Sünde siehst oder von einer vernimmst, suche deinen Anteil an dieser Sünde auf und strebe dich zurechtzuschaffen. Dann wird auch jener Böse umkehren. Du mußt ihn nur mit umfassen nach dem Sinn der Einheit, denn alle sind e i n Mensch.
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* »Dies sind die Worte, die Mose redete zu all Israel jenseit des Jordans in der Wüste.« Mancher, der Gott zu haben sich bedünkt, weiß nicht von ihm. Manchem, der aus der Ferne nach ihm zu verlangen meint, ist er nah. Du aber denke immer, du stündest am Ufer des Jordans und seist in das Land noch nicht eingegangen. Und hast du schon allerlei Gebote erfüllt, so wisse, du hast nichts getan.
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* Es gibt zwei äußerste Arten von Menschen. Der eine ist ein vollkommen Böser, der seinen Herrn kennt und gesonnen ist, sich wider ihn zu empören. Der andre bedünkt sich in seiner Verblendung, ein vollkommen Gerechter zu sein, aber auch den Leuten erscheint er als ein vollkommen Gerechter. In Wahrheit jedoch, ob er auch unablässig lernt und betet und sich kasteit, müht er sich umsonst, denn er hat die Treue nicht. Und dies ist der Unterschied zwischen ihnen: Für den vollkommen Bösen gibt es
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eine Heilung seines Gebrechens – wenn die Umkehr sich in ihm erweckt und er mit seinem ganzen Herzen zu Gott umkehrt und ihn bittet, ihm den Weg zu weisen, wo das Licht wohnt. Der andre aber, der unvermögend ist, den Schöpfer, seine Größe und seinen Dienst zu schauen, weil er in seinem eignen Auge gerecht ist – wie kann er umkehren? *
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Der Hochmut ist schwerer als alle Sünde. Denn allen Sündigen gilt das Wort Gottes von sich: »der inmitten ihrer Unreinheiten wohnt«. Von dem Hochmütigen aber spricht Gott, wie unsre Weisen lehren: »Ich und er können nicht zusammen in der Welt weilen.« *
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Auch die Jünger Abrahams kannten den Hochmut, auch die Jünger Bileams kannten die Demut. Aber jene hatten den rechten Hochmut, sie erhoben ihr Herz und erdreisteten sich, Großes auf den Wegen Gottes zu vollbringen, und diese hatten die schlechte Demut, sie erniedrigten ihr Herz und getrauten sich nicht, das Gebot zu erfüllen: Weiche vom Bösen und tue das Gute; das heißt: Mache aus dem Bösen das Gute.
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VON DER ZWIEFÄLTIGEN BEWEGUNG Wenn zuerst in dem We i b e die Gewalt der Zeugung sich regt, wird ein männliches Kind geboren. Und das Männliche ist das Sinnbild des Erbarmens. Wenn zuerst von unten die Bewegung erwacht, waltet die Gotteseigenschaft des Erbarmens. Davon heißt es auch: »Ich erwecke die Morgenröte.« Und wohl steht vom Tag der Versöhnung geschrieben: »An diesem Tag bedeckt man über euch« – auch wenn sie nicht von selber zu ihr erwachten, würde die Sühnung von oben erweckt, »euch zu reinigen: von all euern Sünden«. Nun aber folgt das Wort des geziemenden Heils: »Vor Gott reinigt ihr euch« ehe Gott euch anregt, sollt ihr euch regen. Und so sagt es Rabbi Akiba: »Heil euch Israel! Vor wem reinigt ihr euch und wer ist es, der euch reinigt? Euer Vater im Himmel.« An euch ist der Anbeginn. Denn wenn zuerst in dem Weibe die Gewalt der Zeugung sich regt, wird ein männliches Kind geboren.
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ZUR ERKLÄRUNG Seite 105:
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Die Eigenschaft des Eifers: Gemeint ist das göttliche Attribut der »Bereitschaft«, der Wirkensmächtigkeit, von der dem im Bilde Gottes erschaffenen Menschen zugeteilt ist. Der Mensch erwacht an jedem Morgen v o r dem Sündenfall, in reiner Ebenbildlichkeit, und an jedem Morgen ist es wieder wie ureinst an ihm, ob er das ihm Zugeteilte verwirklicht oder vereitelt. Seite 105:
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Den Heiligen Gott mit der Einwohnenden Herrlichkeit verbunden: Der Mensch, der in sich selber zwischen dem Reich des Gedankens und dem Reich der Tat Einung stiftet, wirkt ein auf die Einung zwischen dem Reich des Gedankens und dem Reich der Tat, das ist, zwischen Gott und seiner Schöpfung, der er seine Schechina (»Einwohnung«), seine Herrlichkeit einwohnen läßt. Bei jeder Gebotserfüllung soll der Mensch sprechen: »Ich tue dies, um den Heiligen, gesegnet sei Er, mit seiner Schechina zu vereinigen.« Es würde aber eine Entstellung der Lehre bedeuten, diese Einung als »in« Gott sich vollziehend zu verstehen. Daß die Schechina sich der Schöpfung gesellt, darf nicht als eine Scheidung in Gott aufgefaßt werden, keine noch so unbedingte Immanenz kann eine Minderung der Vollkommenheit seiner Transzendenz bedeuten. Die schwebende Paradoxie vom übergreifenden Einfluß der menschlichen Wesenstat hat ihre Wahrheit in der Innerlichkeit des Jetzt und Hier; sie würde zum Widersinn, wenn sich die Vorstellung einer Änderung im Sein Gottes darein mischte. Seite 105: Micha kam und stellte es auf drei Dinge: Der Talmud (Makkot 23 f.) läßt die sechshundertunddreizehn Gebote und Verbote, die Mose am Sinai empfing, von David auf elf, von Jesaja auf sechs, von Micha (6, 8) auf drei und von Habakuk (2, 4) auf ein einziges zurückführen, das freilich nicht mehr den Klang des Gebots, sondern den der Verheißung hat: »Der Bewährte wird durch sein Ve r t r a u e n leben.« Das Wort Michas vom »züchtigen Wandeln« deutet die Talmudstelle auf die frommen Übungen des Geleitens der Braut ins Brautgemach und des Toten zum »Haus des
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Lebens«, aber dem Baalschem werden diese wieder zum Sinnbild der Wesenstat. Seite 107: als Gott Welten baute und zerstörte: Nach dem Midrasch (Bereschit Rabba zu Genesis 1, 5 und 1, 31) hat Gott viele Welten geschaffen und verworfen, ehe er diese erschuf; darauf beziehe sich das Wort »Da sah Gott alles, was er gemacht hatte: ja, es war sehr gut.« Aber erst die Kabbala gibt dieser Vorschöpfung einen größeren Sinn als den einer allmählichen Vervollkommnung. Im »Zerbrechen der Gefäße«, d. i. der wirren Vorwelten, die die göttliche Fülle nicht zu tragen vermochten, sind die »heiligen Funken« in die »Schalungen«, die trennenden, hindernden, dämonischen Umschließungen, die allein »das Böse« sind, gefallen, aber sie fielen, um gehoben zu werden: um des Wirkens des Menschen an der Erlösung willen sind jene Welten gewesen und vergangen. Seite 108:
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die in der Sünde wohnen: Der erwählte Schüler des Baalschem, der »große Maggid«, sagt: »Die Umkehr steckt in der Sünde wie das Öl in der Olive.« Seite 109: die Namen Gottes einen: Die »Namen« sind seine Erscheinungsmächte, seine »Maße« oder Eigenschaften (Middot). Von diesen bezeichnet der Name Elohim die Eigenschaft der Gewalt und des Gerichts, der nicht auszusprechende durch die Konsonanten JHWH dargestellte Name die Eigenschaft der Gnade und des Erbarmens; jener bedeutet die Einschränkung der Gottheit zur »Natur«, des unendlichen Wunders zum G e s e t z , des unfaßbaren Lichts zum faßbaren, dieser das der Kreatur Gegenwärtigwerden der Wesenheit selber, die eben nichts als Gnade ist, aber in die Beschränkung eingeht, weil vor der göttlichen Gnadenfülle alles Erschaffne verginge. Der Mensch, der mit seiner Seele die beiden Namen eint, bereitet in sich der Einung eine Stätte und wirkt für die Erlösung, welche die vollbrachte Einung i s t : als in der die Einschränkung, kraft derer die
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Welt besteht, nicht aufgehoben wird, sondern über ihr selber, ohne sie zu versehren, die Gnadenfülle erstrahlt. Seite 109:
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Wenn wir nicht glauben: Diesen Glauben bekennt das tägliche Gebet des Juden in den Worten: »Der in seiner Güte an jedem Tag, stetig, das Werk des Anfangs erneut«. Seite 110:
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und Ort in sich selber setzte: Das ist nicht so zu verstehen, als ob Gott »unendlich« wäre und in sich Endlichkeit setzte. Gott ist nicht unendlich, sondern »schrankenlos«. Der »unendliche« Raum und die »unendliche« Zeit sind nur Schranken, mit denen er selber sich schöpferisch einschränkt. Wenn der große Maggid auf die kindliche Frage, warum Gott die Welt nicht »früher« geschaffen habe, antwortet, auch die Zeit sei erschaffen worden, es habe also kein Früher gegeben, so spricht er damit diese Wahrheit aus: Gott schafft nicht »in der Zeit«, er schafft die Zeit; und ebenso schafft er den Raum. Aber wer mit all seiner Macht Gott dient, durchbricht diese »Firmamente« und steht in der raumlosen N ä h e , die, ob auch nicht weniger ein Gegenüberstehn als die Ferne, der Schranken überhoben ist. Seite 110: Des zum Zeichen: Wie der Himmel jedes Stück Erde so überwölbt, als sei es allein da und er ihm zugehörig, so scheint das göttliche Licht nicht in einem Jenseits, sondern über jedem vollkommnen Jetzt und Hier. Seite 112:
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In meinem Fleische: Der Sinn des Hiobwortes (19, 20) ist strittig; es heißt wörtlich »Von meinem Fleische«, aber das kann entweder bedeuten: »Von meinem Fleische aus, in meinem Fleisch«, oder: »Aus meinem Fleisch heraus, ohne mein Fleisch«. Hier folgen im zweiten und dritten Spruch dieses Abschnitts beide Bedeutungen aufeinander, und hier widerstreiten sie
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einander nicht mehr; denn »im Fleisch« weist auf die zum wirklichen Leben erforderte G a n z h e i t des Menschen und »außer dem Fleisch« auf die in das wirkliche Leben eingehende I n n e r l i c h k e i t d e s Wo r t e s hin und beide gehören zusammen. Seite 113: Es ist gesagt: Die Mischna-Stelle (Berachot V) bedeutet, daß dem Gebet die Selbstbeugung des Menschen vorausgehen muß; darum, so heißt es weiter, verweilten die »frühen Frommen«, ehe sie beteten, wortlos eine Stunde, um ihr Herz zu ihrem himmlischen Vater zu richten. Dieses »Richten«, diese Ausrichtung oder Intention (Kawwana) des gesammelten Menschenwesens auf Gott ist das praktische Grundmotiv der chassidischen Lehre. Die Kabbala war immer wieder der Gefahr erlegen, die Ausrichtung zu magisieren, sie etwa auf eine mystisch-technische Befassung mit den Geheimnissen des Gottesnamens zu verengen – eine Gefahr, die mit der Technisierung des Opferkults (welche wohl auch mit magischen und primitiv-mystischen Vorstellungen verbunden war) verglichen werden kann; und wie dieser gegenüber die Propheten zur wahren Ausrichtung des ganzen Menschen auf- oder zurückriefen, so nun die Stifter der Chassidut. Seite 113:
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ob der Schwere, die in dem Haupte der Welt ist: ob des Leidens Gottes an der Welt. Die Schechina, der der Welt einwohnende, ist auch der die Welt erleidende Gott. Seite 113: wie der die ewige Pflanzung zerhaut: ein Ausdruck, der im Talmud (Chagiga 14b) von dem großen Ketzer Elischa ben Abuja, genannt Acher (»der Andere«) gebraucht wird und von ihm sagen will, er habe einen Dualismus gelehrt, der das göttliche Insichsein und das Regiment der Welt auseinanderreißt, dieses unter eine selbständige Macht stellt und so das Heilige seines Wirkens, die Wirklichkeit ihrer Heiligung beraubt.
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Seite 113: daß sie aus der Verbannung erlöst werde: Die Schechina erleidet unmittelbar den Abfall der Welt, des Menschen, des Volkes Israel, und sie folgt der Kreatur in den dunklen Bezirk, den die abgefallne betritt, ins Exil.
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die Welt des Worts: Die Schechina ist das der Schöpfung eingetane Wort; der seine Schöpfung überwaltende Gott, aus dem das Wort hervorgeht und zu dem es sich heimwendet, ist »der Gedanke«. Dieser göttlichen Zwiegestalt des Einen entspricht die von Gedanke und Wort im Menschen. Seite 114: Ausrichtungskünste: die kabbalistische Technik der »Kawwana«, insbesondre der Verschiebungen, Verselbständigungen und Verknüpfungen der Buchstaben der Gottesnamen und der Versenkung in sie.
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die Schalengewalt: Die Gewalten des Bösen werden in der Kabbala Klifot, Schalungen, genannt. Das Böse ist nicht eine dem Guten entgegenstehende Wesenheit, sondern nur dessen Verhüllung und Behinderung. Das Gute ist den Schalen eingebannt; wenn es sich behauptet und bewährt, lösen sich die Schalen und gehen in ihm auf. Seite 119:
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da band sich in Mose selber: Der Mensch, dem Gott sich nicht im Zusammenklang, sondern im ausgespannten Gegensatz der Prinzipien offenbart, ist der Bestürzung anheimgegeben und muß am Heil der Welt verzweifeln, solang er untätig in den brennenden Widerspruch starrt. Erst wenn sich in seiner eignen Seele, die der gleiche Gegensatz durchwaltet, die Einung vollzieht, kann er auf die göttliche Kundgebung antworten, und antwortend erfährt er die Einheit des Seienden, das Heil der Welt.
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Seite 122: das Männliche: Von den beiden »Maßen« oder Grundeigenschaften Gottes, der Eigenschaft des Erbarmens, der Gnadenfülle und der des Gerichts, der Einschränkung, wird jene als männlich, diese als weiblich gefaßt. Aber auch das Verhältnis zwischen Gott und seiner Welt erscheint im Bild der Ehe. Damit »ein männliches Kind geboren werde«, damit die Gnade ihr Werk der Welterlösung vollbringe, muß von der Welt selber ein Wirken ausgehn. Die Welt kann freilich nur beginnen, nicht mehr; aber dies eben ist an ihr, dazu ist sie erschaffen worden – »im Anfang«, das wird ausgelegt: um ihres Anfangens willen. ENDE
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Geleitwort zur Gesamtausgabe [Geleitwort zu »Die chassidischen Bücher«] Franz Rosenzweig gewidmet
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Ehe ich dieses Buch in die Welt gehen lasse, überdenke ich noch einmal, wodurch wohl der Chassidismus so in mein Leben gegriffen hat, daß ich ein großes Stück davon ihm hergeben mußte. *
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Dreiundzwanzig Jahre, ehe der Baalschem geboren wurde, starben, in kurzem Abstand, zwei denkwürdige Juden; beide gehörten der jüdischen Gemeinschaft nicht mehr an, der eine, der Philosoph Baruch Spinoza, durch den Bannspruch der Synagoge, der andre, der »Messias« Sabbatai Zwi, durch den Übertritt zum Islam. Diese beiden Männer bezeichnen eine spätexilische Katastrophe des Judentums, Spinoza die im Geist und in der Einwirkung auf die Völkerwelt, Sabbatai Zwi die im Leben und in der innern Struktur. Wohl ist Spinoza ohne geschichtserheblichen Einfluß auf das Judentum geblieben, aber er gehört doch in dessen Geschichtsgang, und auf eine wesentliche Weise; denn wie Sabbatais Abfall die historische Infragestellung des jüdischen Messianismus bedeutet, so Spinozas Lehre die historische Infragestellung des jüdischen Gottesglaubens. Beide führen damit einen Prozeß zum Abschluß, der mit einer einzigen geschichtlichen Erscheinung, mit der Jesu, angehoben hatte. Beiden gibt ein neuer Prozeß die Erwiderung und Berichtigung, der mit einer einzigen geschichtlichen Erscheinung, mit der des Baalschem, anhebt.
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Die große Tat Israels ist nicht, daß es den einen wirklichen Gott lehrte, der Ursprung und Ziel alles Wesens ist, sondern daß es die Anredbarkeit dieses Gottes als Wirklichkeit zeigte, das Dusagen zu ihm, das Mit-ihmAngesicht-in-Angesicht-Stehn, den Umgang mit ihm. Freilich gibt es überall, wo es den Menschen gibt, auch das Gebet, und so ist es wohl von je gewesen; aber erst Israel hat das Leben als ein Angesprochenwerden und Antworten, Ansprechen und Antwortempfangen verstanden, vielmehr eben gelebt. Freilich wollen in allen Menschheitsschichten Mysterienkulte in einen, scheinbar so viel intimeren, Verkehr mit der Gott-
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Geleitwort zur Gesamtausgabe
heit einführen; aber wie überall, wo es um Ausnahmezustände statt um den gelebten All-Tag geht, ist hier in dem als das Göttliche Empfundenen nur das menschgeborne Gebild einer Teilerscheinung des wirklichen Gottes, der Ursprung und Ziel alles Wesens ist, zu gewahren: Der kleine Finger seiner linken Hand Wird Pan genannt. Gott in aller Konkretheit als Sprecher, die Schöpfung als Sprache: Anruf ins Nichts und Antwort der Dinge durch ihr Erstehn, die Schöpfungssprache dauernd im Leben aller Kreatur, das Leben jedes Geschöpfs als Zwiegespräch, die Welt als Wort, – das kundzugeben war Israel da. Es lehrte, es zeigte: der wirkliche Gott ist der anredbare, weil anredende, Gott. Jesus – wohl nicht der tatsächliche Mensch Jesus, aber das Jesusgebild, wie es in die Seele der Völker trat und sie änderte – ließ Gott nur noch im Anschluß an ihn, den Christus, anredbar sein; das Menschenwort nur noch von ihm als dem Logos mitgetragen zu dem hindringen können, der Ursprung und Ziel alles Wesens ist; der »Weg« zum Vater ging nur noch durch ihn. In dieser Abwandlung empfingen die Völker Israels Lehre vom anredbaren Gott. Es ergab sich, daß sie an seiner Stelle den Christus anreden lernten. Spinoza unterwand sich, Gott seine Anredbarkeit zu nehmen. Man meine nicht, sein deus sive natura sei »ein anderer Gott« gewesen. Er selber meinte keinen andern als den er als Knabe angeredet hatte, den eben, der Ursprung und Ziel alles Wesens ist; er wollte ihn nur vom Makel der Anredbarkeit reinigen. Der Anredbare war ihm nicht rein, nicht groß, nicht göttlich genug. Der fundamentale Irrtum Spinozas war, daß er in der Lehre Israels nur eine Lehre vom Personsein Gottes gegeben wähnte und sich gegen sie als eine Minderung der Göttlichkeit stellte. Aber die Wahrheit der Lehre ist das A u c h personsein Gottes, und sie ist aller unpersonhaften, unanredbaren »Reinheit« Gottes gegenüber eine Mehrung der Göttlichkeit. Salomo, der den Tempel baut, weiß, daß Gott im Licht erscheint, aber im Dunkel west, daß ihm alle Himmel nicht zulangen und er sich doch eine Wohnung inmitten der ihn Anredenden kürt, daß er also beides ist, so der Schranken- und Namenlose als der Vater, der seine Kinder ihn anrufen lehrt; Spinoza weiß nur: Person oder Nichtperson, er stürzt Person als einen Götzen und verkündet die aus sich seiende Substanz, zu der Du zu sagen Tollheit oder schlechte Lyrik wäre. Wie wenig auch das spätexilische Judentum von ihm erfuhr: damit ist etwas vom Judentum aus in die Völker hinein geschehen, und was geschah, ist von seiner Herkunft nicht abzulösen. Etwas vom Innersten Israels war, wie auch abgewandelt, einst durchs Christentum in die Völker-
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welt eingedrungen; es ist großer Sinn, daß nur ein Jude es hinwegtun lehren konnte; ein Jude hat es getan. Spinoza half dem Geist der Geistigen unter den Völkern, sich von jenem Eingedrungnen zu befreien; die Tendenz des abendländischen Geistes zum monologischen Leben wurde durch ihn entscheidend befördert – und damit die Krisis des Geistes überhaupt, als der in der Luft des monologischen Lebens glorreich verdorren muß. Der Baalschem hat von Spinoza vermutlich nichts gewußt; dennoch hat er ihm die Erwiderung gegeben. In der Wahrheit der Geschichte kann einer erwidern, ohne gehört zu haben; er meint, was er sagt, nicht als Erwiderung, aber es ist eine. Und daß die Erwiderung des Baalschem nicht zur Kenntnis der Geister gelangte, welche die Rede Spinozas vernahmen, auch das beeinträchtigt nicht ihre Bedeutung; in der Wahrheit der Geschichte gilt auch das unbekannt Gebliebne. Um diesen ersten Erwiderungscharakter der chassidischen Botschaft deutlich zu machen, muß ich auf ein Grundmotiv Spinozas hinweisen, das mit jenem einer »Reinigung« Gottes eng verknüpft ist, aber einer noch tieferen Schicht der Geistesseele anzugehören scheint. Der wirkliche Umgang des Menschen mit Gott hat an der Welt nicht bloß seinen Ort, sondern auch seinen Gegenstand. Gott redet zum Menschen in den Dingen und Wesen, die er ihm ins Leben schickt; der Mensch antwortet durch seine Handlung an eben diesen Dingen und Wesen. Aller spezifische Gottesdienst ist seinem Sinn nach nur die immer erneute Bereitung und Heiligung zu diesem Umgang mit Gott an der Welt. Aber es ist eine Urgefahr, wohl die äußerste Gefahr und Versuchung des Menschen, daß sich von der menschlichen Seite des Umgangs etwas ablöst und verselbständigt, sich rundet, sich scheinhaft zur Gegenseitigkeit ergänzt, sich an die Stelle des wirklichen Umgangs setzt. Die Urgefahr des Menschen ist die »Religion«. Das sich so Verselbständigende können die Formen sein, in denen der Mensch die Welt Gott zuheiligte, das »Kultisch-Sakramentale«; nun sind sie nicht mehr Weihung des gelebten All-Tags, sondern seine Ablösung; Weltleben und Gottesdienst laufen unverbindlich nebeneinander her; aber der »Gott« dieses Dienstes ist nicht mehr Gott, es ist der bildsame Schein – der wirkliche Partner des Umgangs ist nicht mehr da, die Gebärden des Verkehrs schlagen in die leere Luft. Oder das sich Verselbständigende können die seelischen Begleitumstände des Umgangs sein, die Andacht, die Ausrichtung, die Versenkung, die Verzückung; was in die Bewährung an der Fülle des Lebens zu münden bestimmt und angewiesen war, wird von ihr abgeschnitten; die Seele will nur noch mit Gott zu tun haben, als wollte er, daß man die Liebe zu ihm an ihm und nicht an seiner Welt
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ausübe; nun meint die Seele, die Welt sei zwischen ihr und Gott versunken, aber mit der Welt ist Gott selber versunken, nur sie allein, die Seele, ist da, was sie Gott nennt, ist nur ein Gebild in ihr, was sie als Dialog führt, ist ein Monolog mit verteilten Rollen, der wirkliche Partner des Umgangs ist nicht mehr da. Spinoza lebte in einer Zeit, in der die seelische und kultische Verselbständigung sich wieder einmal zusammentaten. Seiner Gottentfremdung innegeworden, suchte das Abendland nicht etwa, seinem Weltleben die Richtung auf Gott zu geben, sondern einen weltfreien Verkehr in mystischer und sakramentaler Exaltation mit ihm anzuknüpfen; jene reizvolle Fiktivität des Barock ist der künstlerische Niederschlag dieses Unterfangens. Es ist aus Spinozas geistiger Haltung zu erkennen, daß solcher vorgebliche Verkehr für ihn das eigentlich Unreine war. Nicht außer der Welt, sondern nur in ihr selber kann der Mensch das Göttliche finden; diese These setzt Spinoza der seiner Zeit geläufig gewordenen Zweiteilung des Lebens entgegen. Das tut er aus einem urjüdischen Antrieb; aus dem gleichen ist einst der Protest der Propheten gegen den verselbständigten Opferkult entstanden. Aber sein Angriff schwingt über dessen rechtmäßigen Gegenstand hinaus; mit dem weltfreien Verkehr wird ihm aller personhafte Verkehr mit Gott unglaubhaft; die Einsicht, daß Gott nicht neben der unreduzierten Lebenswirklichkeit her angeredet werden kann, weil er eben in ihr anredet, verkehrt sich ihm in die Ansicht, es gebe keine Rede zwischen Gott und dem Menschen; aus dem Ort der Begegnung mit Gott wird ihm die Welt zum Ort Gottes. Daß die chassidische Botschaft, obgleich ihre Sprecher und Hörer nichts von Spinoza wußten, als eine Erwiderung an ihn verstanden werden darf, kommt daher, daß sie das Bekenntnis Israels auf eine neue Weise aussprach, und zwar auf eine, durch die es zur Erwiderung wurde. Von alters her bekannte Israel, daß nicht die Welt Gottes Ort, sondern Gott »der Ort der Welt« ist, und daß er doch ihr »einwohnt«. Der Chassidismus sprach diesen Ursatz neu aus, nämlich ganz praktisch. Durch die Welteinwohnung Gottes wird die Welt – allgemein-religiös gesprochen – zum Sakrament; sie könnte es nicht, wenn sie Gottes Ort wäre: nur eben dies, daß der ihr überseiende Gott ihr doch einwohnt, macht sie zum Sakrament. Aber das ist keine objektive Aussage, die unabhängig vom gelebten Leben der Menschenperson zu Recht bestünde, noch weniger freilich eine in der Subjektivität allein beschloßne; sondern in der konkreten Berührung mit dem Menschen wird die Welt je und je sakramental. Das heißt: in der konkreten Berührung ihrer Dinge und Wesen mit diesem Menschen, dir, mir. Die Dinge und Wesen, in denen allen Funken des Göttlichen wohnen, werden diesem Menschen zugereicht,
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daß er in der Berührung mit ihnen die Funken erlöse. Dieses, daß einem die Dinge und Wesen so in ihrer sakramentalen Möglichkeit zugereicht werden, ist das Dasein des Menschen in der Welt. Das ist also nicht wie die Spinozas eine jenseits des gelebten Lebens und des zu sterbenden Todes, meines und deines, beharrende Welt, sondern es ist das Weltkonkretum dieses Personaugenblicks, bereit, Sakrament zu sein, bereit, wirkliches Erlösungsgeschehen zu tragen. Es ist das Zugereichte, das Zugefügte, das Angebotne; es ist das, worin Gott mich anredet und worin er die Antwort von mir empfangen will. Draußen bleibt das Selbstgenügen der Seele, die ihren versponnenen Selbstverkehr mit dem wahren Zwiegespräch im All-Licht verwechselt; Gott setzt sich nicht über seine Schöpfung hinweg. Draußen aber bleibt auch die metaphysische Konstruktion des Geistes, der meint, ins Sein sehen zu können, indem er von der gelebten Situation absieht, und von Gott reden zu können wähnt, als säße der seiner Begriffsbildung Modell und bärge sich nicht vielmehr im »Drum und Dran« eben dieses denkerischen Augenblicks, durch keinen Begriff abzubildendes Geheimnis, und doch im Konkretum der Situation erscheinend, ansprechend, sich erbietend – und im metaphysischen Absehn antwortlos verworfen. In dieser Grundhaltung, dem tätigen Annehmen Gottes in den Dingen, ist die chassidische Botschaft ein Vollzug und eine Ausweitung der vorzeitlichen Weisung Israels. Ein Vollzug; jenes »Werdet heilig, denn heilig bin ich« erweist sich ja in allem Bereich des Gesetzes als ein Gebot nicht einer Abheiligung des Menschen von den Dingen hinweg, sondern einer Zuheiligung der Dinge durch den Menschen, als seines Dienstes an der Schöpfung. Aber doch auch eine Ausweitung. So ist etwa das Opfer im alten Israel das kultische Geschwister des Mahls, das ohne es nicht bestehen kann, die Darheiligung eines Teils ebenderselben organischen Materie, deren Rest dem Menschen zur Ernährung zufällt; aber im chassidischen Leben ist das Essen selber sakramentaler Dienst geworden: an tierischem und pflanzlichem Wesen geschieht durch die geheiligte Aufnahme zur Speise die funkenemporhebende Erlösung der Kreatur. Greift hier noch des Gesetzes Scheidung zwischen reinen und unreinen Tieren abgrenzend und beschränkend ein, so wird in der Erstreckung der Heiligung auf allen Gebrauch die Abtrennung eines grundsätzlich der Heiligung entzogenen Bezirks der Natur grundsätzlich überwunden: alles, was der Menschenperson zum Gebrauch zugeteilt ist, von Vieh und Baum zu Acker und Gerät birgt Funken, die durch diesen Menschen erhoben werden wollen, die im heiligen Gebrauch von diesem Menschen erhoben werden; und noch Begegnungen mit fremden Dingen und Wesen in der Fremde meinen heilige Tat.
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Aber nicht bloß durch die Welt geht keine grundsätzliche Scheidung mehr: auch durch die Seele des Menschen. Wie die Dinge und Wesen, mit denen einer zu schaffen bekommt, ihm zugereicht worden sind, so auch, was an Vorstellungen, an Gedanken, an Wünschen mit dem Anschein der Fremdheit in die Seele fällt. In all dem schwingen Funken, die vom Menschen erlöst werden wollen. Nichts ist ja an sich unheilig, nichts an sich böse; was wir das Böse nennen, ist nur das richtungslose Stürzen und Stürmen der erlösungsbedürftigen Funken, die »Leidenschaft« – also ebendieselbe Kraft, die, wenn sie mit Richtung, der Einen Richtung, begabt worden ist, das in Wahrheit Gute, den wahren Dienst, die Heiligung hervorbringt. So gibt es denn in der Seele des Menschen nicht mehr qualitativ gesondert das Weltliche und das Geistliche nebeneinander, es gibt nur noch die Kraft und die Richtung. Wer sein Leben zwischen Gott und Welt teilt, indem er der Welt »das Ihre« gibt, um Gott »das Seine« zu retten, der verweigert Gott den geheischten Dienst, das richtungverleihende Wirken an aller Kraft, die Heiligung des Alltags an der Welt und der Seele. In der chassidischen Botschaft ist die Trennung vom »Leben in Gott« und »Leben in der Welt«, das Urübel aller »Religion«, in echter, konkreter Einheit überwunden. Aber auch der falschen Überwindung durch die abstrakte Aufhebung des Unterschieds zwischen Gott und Welt ist hier die Erwiderung gegeben. Unter vollkommener Wahrung der Weltentrücktheit und Weltüberlegenheit des doch welteinwohnenden Gottes ist hier die breschenlose Ganzheit des Menschenlebens in ihren Sinn eingesetzt: ein Empfangen der Welt von Gott und ein Handeln an der Welt um Gottes willen zu sein. Empfangend und handelnd weltverbunden steht der Mensch, vielmehr nicht »der«, sondern dieser bestimmte Mensch, du, ich, unmittelbar vor Gott. Dieses, die Lehre von der Weltverbundenheit des Menschen in Gottes Angesicht, die Erwiderung des Chassidismus an Spinoza, war das eine, wodurch er so übermächtig in mein Leben griff. Ich ahnte ja früh, wie ich mich auch dagegen wehrte, daß mir unausweichlich bestimmt sei, die Welt zu lieben.
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* Und das andre – aber es ist im Grunde kein andres, sondern das gleiche. Was ist es um die Erlösungsbedürftigkeit der Welt? Aber was ist es um die Welteinwohnung Gottes, »des, der bei ihnen wohnt inmitten ihrer Makel«? Es ist im Grund die gleiche Frage. Der Makel der Geschöpflichkeit und ihre Erlösungsbedürftigkeit sind eins; daß Gott ihr einwohnt und daß Gott sie erlösen will, auch diese sind eins.
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Der Makel der Geschöpflichkeit und nicht bloß des Menschen; die Welteinwohnung und nicht bloß die Seeleneinwohnung Gottes; von hier ist auszugehn, um zu erfassen, was die chassidische Botschaft von der Erlösung sagt. Was wir »das Böse« nennen, ist nicht bloß im Menschen, es ist als »das Übel« an der Welt, es ist der Makel der Schöpfung. Aber dieser Makel ist nicht ein Wesen, nicht eine existente Eigenschaft der Dinge. Es ist nur ihr Nicht-Standhalten, Nicht-Richtungfinden, Sich-nicht-entscheiden. Gott hat eine Welt erschaffen, und hat die erschaffne sehr gut geheißen, – woher kommt da das Übel? Gott hat eine Welt erschaffen und hat ihre Vollendung gefeiert, – woher kommt da das Unvollendete? Die Gnosis aller Zeiten stellt der guten Gottesmacht eine andre Urmacht entgegen, die das Böse wirke; als den Kampf zwischen beiden will sie die Geschichte, als dessen siegreiche Austragung die Erlösung der Welt erscheinen lassen. Wir aber wissen, was von dem namenlosen Propheten, dessen Worte im zweiten Teil des Buches Jesaja stehen, verkündet worden ist: daß, wie Licht und Finsternis, so das Gute und das Böse Gott selber erschaffen hat. Kein Unerschaffnes besteht ihm entgegen. Dann wäre das Böse, das Übel, also doch ein Wesen, eine existente Eigenschaft? Aber auch die Finsternis ist ja kein Wesen, sondern der Abgrund des Licht-Ermangelns und des Ringens um das Licht; und eben als solcher von Gott erschaffen. Die Bibel läßt das Böse durch ein Tun der ersten Menschen in die Schöpfung eindringen; aber sie kennt eine eben diese Tat einflüsternde, also böse, außermenschliche Kreatur, die »Schlange«. Die kabbalistische Lehre, die der Chassidismus sich eingebaut hat, verlegt das Eindringen in den Schöpfungsvorgang selber zurück. Der Feuerstrom der schöpferischen Gnade schüttet sich über die ersterschaffnen Urgestaltungen, die »Gefäße«, in seiner Fülle hin; sie aber halten ihm nicht stand, sie »zerbrechen« – der Strom zersprüht zur Unendlichkeit der »Funken«, die »Schalen« umwachsen sie, der Mangel, der Makel, das Übel ist in die Welt gekommen. Nun haftet in der vollendeten Schöpfung die unvollendete; eine leidende, eine erlösungsbedürftige Welt liegt zu Gottes Füßen. Er aber beläßt sie nicht einsam im Abgrund ihres Ringens; den Funken seiner Schöpferbrunst nach, die in die Dinge fielen, steigt seine Herrlichkeit selber zur Welt nieder, geht ein in sie, ins »Exil«, wohnt ihr ein, wohnt bei den trüben, den leidenden Geschöpfen, inmitten ihrer Makel, – verlangend, sie zu erlösen. Wenn die Kabbala es auch nicht ausdrücklich sagt, so schließt doch unverkennbar diese Lehre die Konzeption ein, daß schon jenen Urgefäßen, wie den ersten Menschen, eine Eigenbewegung, eine Selbständig-
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keit, eine Freiheit zugeteilt war, sei es nur eben die Freiheit, dem Gnadenstrom standzuhalten oder nicht standzuhalten. Als ein Nichtstandhalten stellt sich ja auch die Sünde der ersten Menschen dar: alles ist ihnen gewährt, die ganze Gnadenfülle, auch der Baum des Lebens ist ihnen nicht verboten, nur eben die Kenntnis des Beschränkenden, des Verhältnisses von ursprünglicher Reinheit und gewordenem Makel in der Schöpfung, nur eben das Geheimnis des Urmangels, das Geheimnis von »Gut und Böse« hat Gott sich vorbehalten; sie aber halten der Fülle nicht stand, sie folgen der Einflüsterung vom Element der Beschränkung her, – nicht etwa, daß sie sich gegen Gott auflehnten, sie entscheiden sich nicht gegen ihn, sondern sie entscheiden sich nur eben nicht für ihn, es ist keine rebellische, es ist eine ratlos, richtungslos, »willenlos« lässige Bewegung, dieses »Handausstrecken«, sie tun’s nicht, sie haben’s getan, man sieht das richtungslose Stürmen und Stürzen der erlösungsbedürftigen Funken in ihnen, Lockung, Wirbel und unentschiednes Tun; und so »erkennen« sie das Beschränkende, freilich eben als Menschen, wie Menschen erkennen, wie Adam hernach sein Weib »erkennt«, erkennen die Beschränkung, sich mit ihr vermischend, erkennen »Gut-und-Böse«, dieses Gut-und-Böse in sich aufnehmend, wie die gepflückte und gegeßne Frucht. Ein Nichtstandhalten also – wir wissen darum, wir, an denen sich Tag und Tag die Situation der ersten Menschen, immer wieder erstmalig, wiederholt, wir wissen um dieses leidende Handeln, das nichts als ein Hinauslangen aus dem richtungslosen Wirbel ist, wissen um das Stürmen und Stürzen und Sichverfangen der Funken, wir wissen, daß die da sich regt, unsre Bosheit, unsre Erlösungsbedürftigkeit und Erlösungssucht ist. Und vielleicht wissen wir auch, von jenen heimlichen unausdenkbaren Augenblicken her, das Andre, jenen zartesten Durchbruch, das Richtungempfangen, das Sichentscheiden, die Kehre der verkreisten Weltbewegung auf Gott zu. Hier erfahren wir, unmittelbar, daß uns Eigenbewegung, Selbständigkeit, Freiheit zugeteilt ist. Wie es auch mit außermenschlicher Geschöpflichkeit sich verhalte, vom Menschen wissen wir, daß er durch sein Erschaffensein ins Leben eingesetzt ist als einer, der nicht etwa in einer flüchtigen Selbsttäuschung, sondern in der Wirklichkeit beides vermag: Gott zu wählen und Gott zu verwerfen. Sein Fallenkönnen bedeutet sein Steigenkönnen; daß er der Welt zur Verderbnis wirken kann, bedeutet, daß er ihr zur Erlösung wirken kann. Dieses konkrete Hereingenommensein des Menschen in die Mächtigkeit bleibt, wie punktuell auch manche Religion und Theologie es verstehen will (etwa als die bloße Fähigkeit, zu glauben oder den Glauben zu versagen), der Kern des religiösen Lebens, weil es eben der Kern des
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Menschenlebens überhaupt ist. Wie punktuell es auch verstanden werde, die Tatsache bleibt, daß die Erschaffung dieses Geschöpfs Mensch die geheimnisvolle Aussparung einer mitbestimmenden Kraft, eines Ausgangsorts von Geschehen, eines Anfangens bedeutet. Nicht einmalig stand, sondern allmalig steht es dieser Kreatur frei, Gott zu wählen oder ihn zu verwerfen, vielmehr unerwählt zu lassen. Heißt das, daß Gott sich eines Quentleins seiner Bestimmungsmacht begeben habe? Das fragen wir nur, wenn wir Gott den Gesetzen unserer Logik unterzuordnen beflissen sind. Aber die Augenblicke des Durchbruchs, in denen wir unmittelbar erfuhren, daß wir frei sind, und doch unmittelbar nun wissen, daß uns Gottes Hand getragen hat, lehren uns von unserm eignen personhaften Leben aus, uns dem Geheimnis nähern, darin jenes und dieses, Wirklichkeit des Menschen und Wirklichkeit Gottes, kein Widerspruch mehr sind. Man kann auch anders fragen. Die ersten Menschen standen in der Freiheit, ehe sie von Gott abfielen; heißt das, daß Gott nicht gewollt hat, was sie taten? wie kann denn etwas geschehen, was Gott nicht will? Keine theologische Argumentation kann uns hier weiterhelfen, nur die entschloßne Einsicht, daß Gottes Gedanken nicht wie unsre Gedanken beschaffen sind, daß sein Wille nicht wie unser Wille begriffen und abgegriffen werden kann. Wir dürfen sagen, Gott wolle, daß der Mensch ihn erwähle und nicht von ihm abfalle; aber wir müssen dazu auch sagen, Gott wolle, daß seine Schöpfung nicht ein Ende in sich sei, wolle, daß seine Welt ein Weg sei; und weiter: damit dies in Wirklichkeit geschehe, müsse die Kreatur den Weg selber gehen, von sich aus und immer wieder von sich aus, müsse der Abfall so wirklich sein wie die Erlösung, und der Mensch, die Kreatur, in der die Weltbahn sich knote und darstelle, wie er von sich aus real abfällt, so von sich aus real an der Erlösung zu wirken vermögen. Heißt das, Gott könne seine Welt nicht ohne ihre Mitwirkung erlösen? Es heißt, daß Gott eben das nicht können will. Braucht Gott den Menschen zu seinem Werk? Er will ihn brauchen. Gott will zum Werk an der Vollendung seiner Schöpfung den Menschen brauchen; in diesen Satz ist die Grundlage der jüdischen Erlösungslehre einzufassen. Aber Wille Gottes, das bedeutet, daß dieses »Brauchen« wirkende Wirklichkeit wird: in der geschehenden Geschichte harrt Gott des Menschen. Nicht zum Schein ist Gott in seiner Welteinwohnung ins Exil gegangen; nicht zum Schein erleidet er in seiner Einwohnung das Schicksal seiner Welt mit. Und nicht zum Schein harrt er, daß von der Welt aus die anfangende Bewegung auf die Erlösung zu geschehe, – anfangend nicht zum Schein. Wie es zugeht, daß dies nicht Schein, sondern Wirk-
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lichkeit ist, wie Gott dem Allmächtigen und Allwissenden irgend etwas von seiner Welt aus, sei es Abfall, sei es Umkehr, widerfahren kann, das ist Gottes des Schöpfers und Erlösers Geheimnis, mir nicht geheimnisvoller als daß er ist; und daß er ist, ist mir schier weniger geheimnisvoll als daß ich bin, der ich, auf einer Felsenbank über einem Wasser, dies mit zögernden Fingern schreibe. Es wäre eitel sinnwidrig zu erwägen, wie groß wohl der Anteil des Menschen an der Erlösung der Welt sei. Es gibt gar keinen Anteil des Menschen und keinen Anteil Gottes; es gibt kein Bishierher und Vondaan; es gibt da nichts Meßbares und Wägbares; im Grunde wäre schon falsch, von einem Zusammenwirken zu sprechen. Das gilt ja von allem Menschenleben und vielleicht von allem Leben der Geschöpflichkeit: es ist sinnwidrig, zu fragen, wie weit mein eignes Handeln reicht und wo Gottes Gnade beginnt; sie grenzen gar nicht aneinander; sondern was mich allein angeht, ehe ich etwas zustande bringe, ist mein Handeln, und was mich allein angeht, wenn es geriet, ist Gottes Gnade; jenes nicht weniger wirklich als diese, und keins von beiden eine Teilursache. Gott und der Mensch teilen sich nicht in das Regiment der Welt; das Wirken des Menschen ist in das Wirken Gottes eingetan und ist doch wirkliches Wirken. So steht denn der gelebte Augenblick des Menschen in Wahrheit zwischen Schöpfung und Erlösung, in seiner Gewirktheit an die Schöpfung, in seiner Wirkensmacht an die Erlösung geknüpft; vielmehr, er steht nicht zwischen beiden, sondern in beiden zugleich; denn wie die Schöpfung nicht bloß einmalig im Anfang, sondern auch allmalig in der ganzen Zeit ist, so ist auch die Erlösung nicht bloß einmalig im Ende, sondern auch allmalig in der ganzen Zeit. Nicht bloß bezogen ist der Augenblick auf beide, sondern beide einbezogen in ihn. Und wie die Schöpfung nicht »eigentlich« einst geschehen ist und etwa jetzt nur »fortgesetzt« würde, so daß alle Schöpfungsakte bis auf diesen, der jetzt geschieht, sich zum Werk der Schöpfung summierten, vielmehr das Gebetswort, daß Gott alletage das Werk der Schöpfung erneut, vollkommne Wahrheit ist, der Schöpfungsakt also, der jetzt geschieht, ganz anfangsgewaltig, und der schöpferische Augenblick Gottes nicht in der Zeitfolge nur, sondern in seiner eignen Unbedingtheit steht, – wie solchermaßen im Bereich der Schöpfung, in dem Gott allein waltet, der Augenblick nicht bloß von irgendwoher, sondern aus sich und in sich sich begibt, so auch im Bereich der Erlösung, in dem Gott verstattet und verlangt, daß seinem Wirken ein Wirken der Menschenperson unbegreiflich sich eintue. Nicht bloß auf die Vollendung hin, auch in sich selber ist der erlöserische Augenblick wirklich; sie summieren sich nicht, wohl reihen
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sie sich aneinander, aber doch rührt jeder eine unmittelbar an das Geheimnis der Erfüllung; jeder nicht zielgetragen bloß, auch sinngetragen; jeder in die Zeitfolge, in den großen Weg der Welt an seinem Ort gefügt und da geltend, aber jeder auch in seinem Zeugnis versiegelt. Das bedeutet nicht ein mystisches Zeitloswerden des Nu, sondern dessen Zeitvollwerden: in dem verschwebenden Bruchteil der Zeit kündigt sich die Fülle der Zeit an, – Geschehen nicht an der Seele, leibhaftes Geschehen an der Welt, von der konkreten Begegnung zwischen Gott und Mensch aus. Es ist »das Niederfließen der Segnung«. Die chassidische Botschaft hat auch dieses in geheimer und in offenbarer Lehre überlieferte Wissen um den All-Tag der Erlösung ganz praktisch ausgesprochen. Und sie hat, entgegen dem ungeheuern Apparat der kabbalistischen Anweisungen, entgegen den gewaltsamen Anstrengungen der »Bedränger des Endes«, auf das stärkste und deutlichste herausgehoben: es gibt nicht ein bestimmtes, aufzeigbares, lehrbares magisierendes Handeln in festgelegten Formeln und Gebärden, Seelenhaltungen und Seelenspannungen, das auf die Erlösung einwirkte; nur die unterschiedslose Heiligung alles Handelns, nur das Gottzutragen des gewohnten Lebens, wie es sich fügt und schickt, nur die Weihe der natürlichen Weltverbundenheit hat die erlöserische Kraft. Nur aus der Erlösung des Alltags wächst der All-Tag der Erlösung. Darauf gründet sich die – nicht bloß in der Wahrheit der Geschichte, sondern auch in ihrer Wirklichkeit erfolgte – chassidische Erwiderung auf jene Katastrophe des jüdischen Messianismus, die unter dem Namen des Sabbatai Zwi steht. Es ist ein Irrtum, den jüdischen Messianismus im Glauben an ein einmaliges endzeitliches Ereignis und an eine einzelne Menschengestalt als Mitte dieses Ereignisses erschöpft zu sehen. Die Gewißheit der mitwirkenden Kraft, welche dem Menschen, den Geschlechtern der Menschen zugeteilt ist, verband die Endzeit mit dem gegenwärtigen Leben. Schon in der Prophetie des ersten Exils 1 erscheint in geheimnisstarker Andeutung die Reihe der »Gottesknechte«, die, von Geschlecht zu Geschlecht erstehend, in Niedrigkeit und Verschmähtheit den Makel der Welt tragen und durchläutern. Im spätern Schrifttum ergänzt sich der Hinweis zu einer heimlichen Perspektivik der Weltgeschichte, darin auch die großen Personen der biblischen Erzählung messianischen Charakter tragen: jeder von ihnen war berufen, jeder versagte in irgendeinem Belang, eines jeden besondre Sünde bedeutete eben sein Versagen vor der messianischen Be1.
Den Erweis muß ich meinem Buch über den biblischen Glauben vorbehalten, dessen zweiter Teil die prophetischen Schriften behandelt.
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rufung. So harrt Gott in den Geschlechtern der Menschen des einen, in dem die unerläßliche Bewegung von der Kreatur aus ihre entscheidende Mächtigkeit gewinnt. Mit der Vertiefung des Weltexils, die sich durch das Exil Israels darstellt, sinken die in den Geschlechtern Erscheinenden aus der Offenbarkeit in die Verborgenheit, tun ihre Tat nicht mehr im Licht der kenntlichen Geschichte, sondern im Dunkel eines unzugänglichen persönlichen Leidenswerks, von dem keine oder nur eine entstellende Kunde nach außen gelangt. Aber je leidvoller das Schicksal der Welt wird, das in seiner Welteinwohnung Gott miterleidet, um so mehr wird auch das Leben dieser Menschen in sich sinnreich und wirkend. Sie sind nicht mehr bloß gleichsam Vorproben der messianischen Gestalt, sondern der endzeitlichen Messianität geht in ihnen eine allzeitliche, über die Zeiten ausgegoßne voraus, ohne die die Welt in ihrem Abgefallensein nicht bestehen könnte. Wohl sind sie Versuche von der Kreatur aus, wohl Vorläufer, doch aber ist die messianische Kraft selber in ihnen. »Messias Sohn Josefs erscheint von Geschlecht zu Geschlecht.« Das ist der Leidensmessias, der immer wieder um Gottes willen die tödliche Pein erduldet. Dieses messianische Mysterium steht auf der Verborgenheit; nicht auf einer Geheimhaltung, sondern auf einer echten, faktischen, in die innerste Existenz reichenden Verborgenheit. Die Menschen, durch die es geht, sind die, von denen der namenlose Prophet in der Ichrede sagt, daß Gott sie zum blanken Pfeil spitzt und dann in seinem Köcher versteckt. Ihre Verborgenheit gehört wesenhaft zu ihrem Leidenswerk. Jeder von ihnen kann der Erfüllende sein; keiner von ihnen darf in seinem Selbstwissen etwas anderes sein als ein Knecht Gottes. Mit dem Zerreißen der Verborgenheit würde nicht bloß das Werk aussetzen, ein Gegenwerk würde einsetzen. Messianische Selbstmitteilung ist Zersprengung der Messianität. Man muß in die Tiefen dieses in keinem Bekenntnis zusammengeschloßnen, aber aus den Zeugnissen erweislichen Glaubens hinabsteigen, um das Verhältnis des Judentums zur Erscheinung Jesu wahrhaft zu verstehn. Was auch seine Erscheinung der Völkerwelt bedeutet (und ihre Bedeutung für die Völkerwelt bleibt für mich der eigentliche Ernst der abendländischen Geschichte), vom Judentum aus gesehn ist er der erste in der Reihe der Menschen, die, aus der Verborgenheit der Gottesknechte, dem wirklichen »Messiasgeheimnis«, tretend, in ihrer Seele und in ihrem Wort sich die Messianität zuerkannten. Daß dieser Erste – wie ich immer wieder erfahre, wenn sich mir die personhaft klangechten Worte zu einer Einheit fügen, deren Sprecher mir schaubar wird – in der Reihe der unvergleichlich Reinste, Rechtmäßigste, mit wirklicher messianischer Kraft Begabteste war, ändert nichts an dem Faktum dieser
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Erstheit, ja es gehört wohl eben dazu, gehört zu dem furchtbar eindringlichen Wirklichkeitscharakter der ganzen automessianistischen Reihe. Dazu gehört es auch wohl, daß der letzte in der Reihe – jener Sabbatai Zwi, der im gleichen Jahr wie Spinoza starb – der tiefsten Problematik verfiel, aus der redlichen Selbstgewißheit in eine gespielte hinüberglitt und im Abfall endete. Und eben diesem war nicht wie jedem der frühern eine kleine Schar, sondern die Judenheit zugefallen und hatte von ihm Äußerungen, die ihr einst unerträglich waren und ihr gegen die Wahrheit einer Berufung zeugten, als legitime Kundgebung entgegengenommen. Eine im Leidensabgrund zerrüttete Judenheit freilich, aber doch auch die Trägerin einer wirklichen Krisis: der Selbstauflösung des Automessianismus. Immer bis dahin hatte das Volk den Proklamationen der »Meschichim« und seinem eignen Erlösungsdurst widerstanden; nun da es das eine Mal den Widerstand aufgab, bereitete die Katastrophe nicht bloß diesem einen Ereignis das Ende, sondern der ganzen Ereignisform: dem Begegnen eines Menschen, der den verhängnisvollen Schritt aus der verborgnen Gottesknechtschaft zum messianischen Selbstbewußtsein gemacht hatte, mit einer Schar, die sich vermaß, das Reich Gottes zu beginnen. Um zu verstehen, wovon geredet wird, ist zu erkennen nötig, daß es hier nicht, wie es unserm Zeitalter als selbstverständlich erscheint, um das Zusammentreffen zweier Selbsttäuschungen, einer persönlichen und einer gruppenhaften, geht, sondern um das zweier realen Überschreitungen einer realen Grenze, an der der Mensch nur im Magnetnadelzittern der bangsten Verantwortung sich zu bewegen vermag. Die Begebenheiten der automessianistischen Epoche des jüdischen Erlösungsglaubens (denen auf der christlichen Seite die des Täufertums in seinen verschiedenen Gestalten entsprachen) waren ein Fehlgeschehen, aber ein Fehlgeschehen in der Wirklichkeit zwischen Mensch und Gott. Nach der Katastrophe, nach dem entscheidenden inneren Abfall Sabbatai Zwis von der Selbstwahrheit zur Selbstlüge, der dem äußeren voranging, gibt es keinen echten Automessianismus mehr im Sinn jenes realen Begegnens zwischen einem Einzelnen und einer Schar; er artet aus, in Literatur, wie bei dem genialischen Mose Chajim Luzzato, oder in Betrug, wie bei Jakob Frank, der noch einmal einen Teil der polnischen Judenheit in einen kurzen Taumel riß und dann, wie Sabbatai Zwi zum Islam, zum Christentum übertrat. Das war schon zur Zeit des Baalschem. Eine von der Geschichtschreibung angestrittene Überlieferung läßt den Baalschem im Jahr vor seinem Tod an der Disputation der polnischen Rabbinen gegen Frank teilnehmen. Aber größer und in seiner Wesenswahrheit unbestreitbar ist der
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Kampf in der einsamsten Stille, von dem die Legende erzählt. Hier wie anderswo sammelt diese die ganze Lebenshaltung in eine Begebenheit ein. Immer wieder sehen wir in der Legende den Baalschem gegen den entarteten Automessianismus aufstehen, lehrend, beeinflussend, das Blendwerk zerstreuend, am falschen Handeln hindernd, auch unmittelbar gegenwirkend. Aber das stärkste Zeugnis ist wohl die Versuchungsgeschichte. Vermutlich gibt es im Leben jeder stifterischen Person eine zentrale Versuchungsgeschichte, wenn auch nicht alle erzählt worden sind. Kennzeichnend für die Art und Bestimmung des Einzelnen ist, wie, von wem, wodurch er versucht wird. Dem Baalschem erscheint als der Versucher der tote Sabbatai Zwi. Zuerst bittet er den Baalschem, ihn zu erlösen. Dergleichen kann aber nur so geschehen, daß man das eigne Wesen an das Wesen des Toten bindet, Seele an Seele, Geist an Geist. Das begann nun der Baalschem zu tun, doch behutsam und allmählich, daß nicht das Böse ihn selber versehre. Als im Gang dieses Erlösungswerks Sabbatai Zwi wieder einmal in den Traum des Baalschem trat, versuchte er ihn, aber der Baalschem stieß ihn hinweg, und er stürzte zurück in die Tiefe. »Ein heiliger Funke«, hat der Meister später von Sabbatai Zwi gesagt, »wohnte in ihm, aber Sammael hat ihn in der Schlinge des Hochmuts gefangen.« Es ist unverkennbar, daß mit der Versuchung, von der die Legende so berichtet, die automessianistische gemeint ist. Der Widerstand gegen die Einflüsterung, der Messias zu sein, eröffnet einen neuen Vorgang. Wohl haben nach dem Tod des Baalschem seine Schüler darauf hingedeutet, seine Seele würde im Messias wiederkehren. Wohl ist im spätern Chassidismus sogar das »Bedrängen des Endes« neuaufgelebt. Aber die Botschaft bleibt. Im Zusammenhang mit der Lebenshaltung des Baalschem ist zu verstehen, was die chassidische Botschaft von der Erlösung sagt. Sie erhebt sich gegen die messianistische Selbstunterscheidung eines Menschen von den andern Menschen, einer Zeit von den andern Zeiten, einer Handlung von den andern Handlungen. Allem Menschentum ist die mitwirkende Kraft zugeteilt, alle Zeit ist erlösungsunmittelbar, alles Handeln um Gottes willen darf messianisches Handeln heißen. Aber nur absichtsloses Handeln kann ein Handeln um Gottes willen sein. Die Selbstunterscheidung, die Rückbiegung des Menschen auf einen messianistischen Vorzug dieser Person, dieser Stunde, dieser Handlung zersetzt die Absichtslosigkeit. Die Ganzheit seines Weltlebens Gott zuwenden und es dann in all seinen Augenblicken bis auf den letzten sich auftun und abfolgen lassen, das ist Wirken des Menschen an der Erlösung.
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Wir leben in einer unerlösten Welt. Aber aus jedem willkürlos weltverbundnen Menschenleben fällt in sie ein Samen der Erlösung. Und die Ernte ist Gottes.
Der Chassidismus [Vortrag, gehalten in der Frankfurt-Loge, am 6. März 1930] Die grosse Bewegung, die unter dem Namen des Chassidismus bekannt ist, und die um die Mitte des 18. Jahrhunderts grosse Teile des östlichen Judentums ergriffen hat in der Weise einer grossen Volksbewegung, derengleichen wir aus der Geschichte des Judentums kaum kennen, aus der Geschichte anderer Religionen müssten die höchsten Beispiele grundlegender, elementarer religiöser Bewegungen herangezogen werden, diese grosse Bewegung nannte sich selber »Chassidismus«, und ihre Gegner, die so weit gingen, dass sie die Neuerer mit dem Bann belegten, nannten diese Neuen »Chassidim«. Das ist nun aber keineswegs ein neuer Name, nicht einmal im Sinne der Bezeichnung für eine religiöse Gruppe, sondern fast durch die ganze Geschichte des Judentums gehen diese Gruppen der sog. Chassidim. »Chassidim« bedeutet, wie man gewöhnlich sagt, ›die Frommen‹, aber das deutsche Wort ›fromm‹ ist zu sehr eine religiöse Bezeichnung im engeren Sinne; man denkt bei ›fromm‹ doch zu ausschliesslich an das Verhältnis eines Menschen zu Gott. Aber »chassid« wäre sehr einseitig erfasst, wenn man darunter nur das Verhältnis eines Menschen zu Gott verstünde. Chassid, das Adjektiv zu dem Substantiv Chessed, das etwa Huld, Huldheit, Huldsinn, Holdgesinnung bedeutet, ist der holdgesinnte Mensch, der einem anderen, mehreren anderen, den Menschen, der Menschheit und dann weiter Gott holdgesinnte Mensch, d. h. der Mensch, der einem anderen, mehreren anderen, vielen anderen menschlichen Wesen, der Gott selbst gegenüber aufgeschlossen, zugeneigt ist, der sich nicht vorenthält, der in Unmittelbarkeit und Unbedingtheit mit den anderen Wesen verkehrt. Diese Aufgeschlossenheit des Wesens bekundet sich in eigentlich religiösen Beziehungen ebenso wie in denen, die wir die sittlichen zu nennen pflegen. Es ist eine vollkommene Einheit von Religion und Ethik, die sich hier, wie ja auch sonst vielfach im Judentum, in dieser Haltung des Menschen und zwar sowohl zur Welt, zu den Kreaturen wie zu Gott selber ausspricht. Der Begriff dieser Chassidim, dieser holdgesinnten Menschen geht von den Zeiten der Bibel, etwa von den Zeiten, die durch die späteren Psalmen charakterisiert sind, in vielen Wandlungen bis in unsere Zeit hindurch. Wir hören schon in der Makkabäerzeit von der Gruppe der Chassidim, gleichsam von dem Kern der Volksbewegung, wir hören dann im Talmud von den Chassidim als von denen, die kein persönliches Eigentum kennen, aber nicht im Sinne des Kommunismus: das gilt nicht für die anderen, sondern nur sie selber sprechen sich kein persönliches
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Eigentum zu. So geht es dann von Epoche zu Epoche, immer wieder gibt es eine Kerngruppe des Volkstumes, die sich Chassidim nennt und zwar eben in dem Sinne einer Einheit von religiösem und sittlichem Leben in vollkommener Aufgeschlossenheit der Person, in rückhaltloser Hergabe, Hingabe des Menschentums. Aber es vollzieht sich doch eine gewisse Wandlung innerhalb dieser Chassidim: in zunehmendem Masse sind es asketische Gruppen, die sich so nennen, d. h. diese Hingabe verknüpft sich immer mehr mit einem Verzicht des Menschen auf das natürliche Leben, auf das Sinnenleben, auf das Leben der natürlichen Antriebe. Es ist immer mehr eine Gesamtkasteiung, die das Leben der Chassidim charakterisiert, eine Kasteiung nicht bloss an einzelnen Tagen, nicht nur in einzelnen Sphären des Lebens, sondern das gesamte Leben soll gerade in seinen naturhaften Zusammenhängen, die ja das biblische Judentum so sehr als das zu Heiligende erfasste, abgetötet werden. So geht es bis etwa an die Schwelle des 18. Jahrhunderts hin, wo jener grosse Zug der 1500 sog. Chassidim nach Palästina, ein durchaus asketischer, auf schwere willkürliche Entbehrungen aufgebauter Zug, in Elend und Verderben endet. Und nun entsteht wenige Jahrzehnte danach diese chassidische Bewegung als eine, die auf das stärkste einen Protest gegen alle Askese bekundet, nicht bloss durch eine Lehre, sondern durch die ganze Lebensweise. Diese Bewegung ruht auf der Akzeptation des ganzen Lebens in allen seinen natürlichen elementaren Aeusserungen, aber so, dass die ganze Wirklichkeit des Lebens, alles, was wir als das Profane zu bezeichnen gewohnt sind, eben als der Bereich der Heiligung verstanden wird. Es gibt schlechthin nichts, was der Heiligung durch den Menschen entzogen wird. Alles, von den einfachsten Aeusserungen des leiblichen alltäglichen Lebens, von den natürlichsten Funktionen bis zu den höchsten geistigen Differenzierungen, alles ist dem Menschen dazu gegeben, dazu gleichsam anvertraut, dass es durch ihn, nicht in irgendwelchen geistigen Arbeiten, sondern durch die Gesamtheit seines Stunde um Stunde gelebten Lebens, Gott dargeheiligt werde. Es ist also im stärksten Gegensatz zu aller Askese, dass dieser Chassidismus, diese grosse Volksbewegung, alles, das ganze Menschenleben ohne Abstrich, ohne Abschwächung ergreift und als die zu heiligende Materie des menschlichen Lebens proklamiert und es so geheiligt zu leben versucht. Ich sagte schon, ich kenne keine religiöse Bewegung in der gesamten Religions-Geschichte der Menschheit, die so darauf ausginge, alles, das ganze Leben, für die Begegnung des Menschen mit der Gottheit zu erfassen. Diese Bewegung, die so Grosses anstrebt, die das Leben in einem gewissen Sinne zugleich herrlich, aber auch viel schwerer macht, hat
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doch den ganzen Kern des östlichen Judentums ergriffen, hunderttausende, und auch jetzt noch gibt es in der Entartung dieser Bewegung hunderttausende von Menschen, die ihr anhängen. Was ist es, so möchte ich zunächst fragen, das dieser so hochgespannten religiösen Bewegung diese Macht über die Volksmassen verliehen hat? Sehen wir, in was für eine Zeit, in was für eine Situation diese Bewegung gekommen ist. Es war so, dass sich innerhalb des Volkes eine durch die Jahrhunderte immer schärfer gewordene Abhebung ausgebildet hatte zwischen einerseits den Gelehrten, den Gesetzeskundigen, denen, die zu beten und zu lernen verstanden, auf die richtige Weise zu beten und zu lernen verstanden, und auf der anderen Seite der unwissenden, ungelehrten, schlecht und recht das Gebot hersagenden, aber besonderer Kawanoth (Intentionen) des Betens unkundigen Volksmenge. Diese Scheidung griff sehr tief ins Leben und ins Bewusstsein gerade des einfachen Menschen aus dem Volke ein. Stellen Sie sich vor, dass sich eine Art von Hierarchie, eine Rangordnung, eine Stufenfolge der religiösen Handlungen herausgebildet hat. Es gab die hohen religiös schlechthin heiligen Handlungen, das vollkommene Beten, das vollkommene Lernen, die vollkommene Kundigkeit im religiösen Sinn, und dann gab es abwärts und abwärts immer geringere Stufen, bis schließlich dann der Mensch drankam, der eigentlich keinen Zugang zu Gott hatte, weil er ja nicht zu lernen, nicht auf die rechte Weise zu beten verstand; er konnte nur hoffen, durch die anderen hindurch, durch die Gelehrten, die Kundigen hindurch, gleichsam ein Zipfelchen des Heils zu erwischen, nicht durch das, was er selbst lebte, sondern durch das Verdienst derer, die eben durch ihre religiösen Werke ein Verdienst bei Gott hatten. Das heisst also: an die Rangordnung der Handlungen schloss sich eine Rangordnung der Personen an, und zwar nicht eine soziale Rangordnung, das wäre nicht schlimm, nicht eine Rangordnung auf irdischer Ebene allein, das hätte der einfache östliche Jude jener Zeit ganz gut ertragen. Die sozialen Unterschiede waren nicht das, was ihn empörte, auch nicht die Besitzunterschiede, aber das, wogegen sich sein innerster Sinn empörte, das war, dass vor Gottes Antlitz die Menschen danach abgestuft sein sollten, ob sie auf die richtige Weise zu lernen und zu beten verstanden oder nicht, d. h. wenn ein Mensch in einer Umwelt aufwuchs, wo er das nicht lernte, oder wenn seine intellektuellen Fähigkeiten zum Lernen nicht ausreichten, dann war er nicht etwa hinsichtlich seines Einflusses auf die Menschen schlimm gestellt, sondern hinsichtlich seines Zugang-Findens zum Ohr Gottes. Die natürliche Verbundenheit zwischen den Menschen und Gott, das, was dem natürlichen, einfachen Menschen als das Vorrecht jeder menschlichen Kreatur erscheinen muss, hinzugelangen mit seiner stammelnden Stimme, den
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Durchbruch zu finden gleichsam durch alle diese Wolken, durch alle die Hindernisse, die sich zwischen dem sterblichen, brüchigen Menschenwesen und der Gottheit türmen, – der innerste Sinn dieses Menschen empörte sich dagegen, dass dies nicht jedem Menschen zu eigen sein sollte, oder, da der Horizont dieser Menschen nicht über das Judentum hinausging, jedem Juden, sondern dass es auch da Privilegien geben sollte, die in den Bereich zwischen Gott und Menschen reichen, als ob Gott selber sich die Menschen aussuchte, mit denen Er Verkehr haben wollte, und die anderen verwürfe, die, die für Gott nicht kundig, nicht gelehrt genug sind. Aus dieser religiösen Empörung des Am Haarez, des Landvolkes, des bäurischen Juden, der damals einen grossen Teil der östlichen Volksmassen bildete, aus diesem religiösen Unmittelbarkeitsdrang des einfachen, einfältigen Menschen entstand die grosse Empfänglichkeitsgrundlage, der grosse Resonanzboden für die chassidische Volksbewegung, denn diese kam mit dem Anspruch und mit der Verheissung, jeder Mensch, jeder Jude hat kraft seiner Existenz den unmittelbaren Zugang zum Herzen Gottes, wenn er sich nur mit der ganzen, ungeteilten Seele zu Gott hinwendet »mit all deinem Wesen, mit all deiner Seele, mit all deiner Macht«, wenn er nicht irgend eine geistige Oberschicht des Lebens, sondern sein ganzes Leben, so wie es gelebt wird, in seiner armseligen Situation, unter all seinen unzähligen Nöten und Schwierigkeiten und Bedrängnissen, dieses kleine düftige Leben und dies vielfach auch recht sündige Leben, aber doch immer wieder: dieses Leben, wie er es nun zu leben hat und zu leben vermag, vor die Stufen des Thrones hinlegt, es ausrichtet zu Gott selber. Diesen einfachen, einfältigen Menschen wurde verheissen: Alle Unterschiede zwischen Menschen gelten nur in dieser Welt der Bedingtheiten. Es gibt hier allerlei Stufen des Glückes, des Ansehens, des Erfolges, aber alles das gilt vor der einzigen wirklichen Instanz nicht, sondern da sind die Kreaturen gleich, und Gott verschliesst sich dem nicht, der wahrhaft zu Ihm ausgeht. Es kommt auf nichts anderes an, auf kein Wissen, auf kein Lernen, auf keine Kunst, sondern nur auf die Offenheit der Seele, auf die Echtheit, die Ehrlichkeit des Antriebes zu Ihm hin, auf Ihn zu. Diese neue Verheissung war es, die das Volk ergriff, also nicht, wie man vielleicht meinen möchte, etwas Ausserreligiöses, sondern gerade diese echt religiöse Verheissung, diese Verheissung religiöser Wirklichkeit, nicht bloss Hoffnung, nicht bloss Glaube, nicht einmal bloss Liebe, sondern diese Verheissung religiöser Wirklichkeit, diese Verheissung echter Gegenseitigkeit mit Gott für jeden Menschen. Das war, was das Volk ergriff, mitriss, wie ein Feuer erfasste, und diese Verheissung steht
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dann im Mittelpunkt der Entwicklungsgeschichte dieser Bewegung. Wenn wir etwa die chassidische Legende betrachten, dann finden wir, dass sie die stärksten Akzente, die lebendigsten Bilder da findet, wo es darum geht, die Macht des Einfältigen im Walten zwischen Mensch und Gott zu verherrlichen. Die Legende ist voll der Erzählungen von den Einfältigen, die vor Gott das ausrichten, was kein noch so weiser, noch so frommer Mann auszurichten vermag, der eben keine Gesammeltheit, keine einige Seele Gott darbringt. Es wird erzählt, wie etwa eine Zeit ist, wo die Gebete der Gemeinde nicht zu Gott aufsteigen können; sie lagern gleichsam flügellahm am Boden, und alle die heiligen Männer, die die Gemeinde führen, spannen ihre Seele an und können dennoch nicht Abhilfe schaffen. Da kommt nun irgend ein Dorfmann oder ein Dorfjunge, der gar nicht beten kann, und zieht ein Pfeifchen aus der Tasche und pfeift, oder legt sein Gebetbuch hin, das er nicht zu lesen versteht, – dieser Am Haarez, er kann nicht einmal die Buchstaben lesen! – und sagt: »Herr der Welt, ich kann nicht lesen, ich kann nicht beten, nimm Du, Herr der Welt, das ganze Gebetbuch.« Und dieses törichte, närrische, einfältige, einfaltige, einheitliche Darbringen dieses Dorfmenschen dringt nicht nur allein vor den Thron Gottes, sondern es reisst alle diese flügellahmen Gebete mit sich und trägt sie mit sich empor. Oder: Es waltet ein schweres Verhängnis. Man kommt zu einem Zaddik (Zaddik d. i. der Bewährte, der Gerechte, der Vollkommene, der Führer der chassidischen Gemeinde) um Hilfe, und er weiss keinen. Ein Zaddik schickt die Bittsteller zum anderen, und der weiter und weiter, und schliesslich sagt ein Zaddik zu diesen, die aus ihrer Not, gleichviel was für einer Art von Not oder Bedrängnis, gekommen sind: Geht da und da hin, in jenes und jenes Städtchen und fragt nach dem und dem Mann. Das ist kein Gelehrter, kein Frommer, kein berühmter Mann, im Gegenteil, im Städtchen kennt man ihn gewöhnlich nicht oder man sagt: »Zu dem Trunkenbold wollt Ihr? Was könnt Ihr da wollen?« Und sie gehen hin und finden irgend einen schmutzigen Fuhrmann oder Schankwirt oder Pächter, einen plumpen, bäurischen, unwissenden Menschen, der ihnen vielleicht wirklich betrunken scheint, und bitten ihn, weil ihnen so befohlen ist, und er sagt: »Zu mir kommt Ihr? Was wollt Ihr denn von mir, ich kann euch doch nicht helfen, ich bin ein unwissender Mensch und kann mir selbst nicht helfen«. Sie aber bitten und bitten und sagen: »Der Zaddik hat uns geschickt«, und schliesslich fällt die Hülle von der Heiligkeit ab, und sie sehen, dass dieser plumpe, bäurische Mensch ein Nistor, ein Verborgener ist, ein Mensch von verborgener Macht, nicht durch Wissen und nicht durch Kunst, sondern eben durch die heilige Einfältigkeit. Diese Geschichte von den Nistorim, von den Verborgenen mit dem
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verborgenen Leuchten der Seele, mit der heimlichen Mächtigkeit, die sich versteckt, die sich selber nicht wahrhaben will, aber die da ist, die von Gott gewusst wird, die von Gott bestätigt wird, das ist der Kern des Chassidismus. Nun denken wir einen Augenblick zurück: Aus welchen Quellen ist der Chassidismus entstanden? Es ist die ältere jüdische Mystik, die sog. Kabbala – Kabbala bedeutet eigentlich Uebernahme, Ueberlieferung, Tradition im Sinne einer geheimen Tradition –, aus der der Chassidismus die Umrisse seiner Weltanschauung geholt hat. Aber das Wichtige ist, bei aller geschichtlichen Verknüpfung des Chassidismus mit der Kabbala, zu erkennen, worin er geradezu in Gegensatz zu ihr tritt, und das hängt mit dem Thema, wie ich es heute abzugrenzen versuche, mit dem Thema des Am Haarez, des einfältigen Menschen zusammen. Die Kabbala lehrt: es gibt ein geheimes Wissen, das überliefert werden kann, um die Mysterien der inneren Weltordnung, aber es gibt im Zusammenhang damit auch ein heimliches Wissen über die Art, wie man gleichsam auf Gottes Willen, ja – wenn das erlaubt ist zu sagen – gleichsam auf Gottes Schicksal Einfluss nehmen könne. Es ist das System der Kawanoth, d. h. der Intentionen, der besonderen Arten der Ausrichtung der Seele, verbunden mit bestimmten lehrbaren Formen und lehrbaren Gebärden, die diese Einflussnahme des Menschen auf die Gottheit vermitteln. Es ist eine esoterische, eine Geheimnis-Ueberlieferung des Wissens und eines Handlungssystems. Also im Grunde nichts anderes als das, was auf seiten des offiziellen rabbinischen Judentums den Am Haarez zum Protest empörte, denn diese Kabbala, diese Mystik, die scheinbar in einem Gegensatz zum rabbinischen Judentum stand, begründete doch wieder nur eine neue Rangordnung von Handlungen: Es gibt die gültigen Handlungen, diese bestimmten Formen, z. B. die bestimmten Arten, den vierbuchstabigen Gottesnamen oder ausgebildete, sehr lange Gottesnamen auszusprechen oder die Buchstaben dieser Namen miteinander zu kombinieren und so fort, also ein ganzes System von Handlungen, mit denen der Mensch angeblich einen Einfluss auf die oberen Welten, auf das System der sog. Sefiroth, der die Geheimwelt aufbauenden Sphären auszuüben vermag. Dieser Rangordnung der Handlungen – also diese heiligen, höchsten Handlungen, dann herunter und herunter bis zu den Handlungen, die gar keine Macht nach oben haben, – entspricht wieder eine Rangordnung von Personen, und auch diese Rangordnung ist wieder eine Rangordnung nicht etwa bloss auf der Ebene des irdischen Lebens, sondern in noch höherem Masse als jene eine Rangordnung im religiösen Sinn, eine Rangordnung des Einflusses auf Gott. Der Chassidismus nun, der Elemente der Welt- und Lebensanschau-
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ung von der Kabbala übernimmt, überwindet die Kabbala mit ihren eigenen Mitteln dadurch, dass er von all diesen Systemen nichts übernimmt. Auch er glaubt daran, dass nicht bloss ein Strom des Wirkens von Gott auf den Menschen, sondern auch ein Strom geheimnisvollen Wirkens von den Menschen auf Gott zugeht, dass eine wirkliche, echte, freilich den Menschen nicht begreifliche Gegenseitigkeit zwischen Gott und den Menschen besteht. Aber er lehnt es ab, irgend etwas Formelhaftes, Gebärdenhaftes, Erlernbares an diese magnetische Mitte der religiösen Wirklichkeit zu setzen. Er bedeutet im Gegensatz zur Kabbala die Bewegung vom Was zum Wie. Es kommt nicht auf diese oder jene Handlungen an, sondern es kommt darauf an, alle Handlungen, alle, das Profanste, das Alltäglichste, zu heiligen. Nur so geht Wirklichkeit von den Menschen auf Gott zu. Und weiter: es ist die Bewegung von einem heimlichen Wissen zu einer allen zugänglichen, von allen Menschen zu verwirklichenden Lebenshaltung, die das ganze Leben umfasst, der sich kein Tun entziehen darf, als ob es den niederen Geschäften dieser Welt zugehöre; es gibt keine niederen Geschäfte dieser Welt, sondern alles ist vor dem Antlitz Gottes gleich wichtig als Element einer Welt, von der Er will, dass sie ganz und gar, ohne Abstrich und Abzug durch den von Ihm erschaffenen Menschen Ihm zugeheiligt werde. Das bedeutet zugleich: Von der Geheimlehre weg zum Geheimnis der menschlichen Person, also von aussen nach innen, von dem Erlernbaren zu dem in der innersten Unwillkürlichkeit des Menschen zu Erfahrenden. Die chassidische Lehre ist auch hier die Lehre des Am Haarez, die Lehre des Einfältigen, dessen, der keine Geheimkunde hat, dem kein Vater und kein Lehrer, kein Kabbalist und kein Geheimkundiger irgend etwas zugeflüstert hat, der einfach das Leben, so wie es ist, vor dem Antlitz Gottes zu bestehen hat. Diesem Am Haarez ist dies zugeteilt, dass alles geheiligt werden kann, und dass das genug ist, um zu wirken, um mächtig zu sein, um da zu sein im Sinne religiöser Wirklichkeit. Die chassidische Lehre bedeutet zweierlei: sie bedeutet Heiligung des Alls; alle Dinge, die im Gange des Lebens dem Menschen zugeteilt, anvertraut werden, alle Wesen und alle Gegenstände, denen er im Laufe seines Lebens begegnet, mit denen er zu tun hat, die er benutzt, mit denen er verkehrt, einfach alles, was im Zusammenhang seines gelebten Lebens an ihn herantritt, will durch ihn geheiligt werden. Wenn er irgendwie auf Reisen ist und nun z. B. einen Weg betritt, dann hat er die Vorstellung: dieser Weg muss von mir in Reinheit und Heiligkeit betreten werden, weil er durch mich geheiligt, durch mich erlöst werden will. Ueberall, in allen Dingen ruhen die Funken des Göttlichen, die Urfunken der Gottheit, aus der
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Urschöpfung in alle Dinge gefallen, die zu ihrer Wurzel zurückgebracht, die gehoben, erlöst werden wollen. Wenn der Mensch einen Acker bebaut, sich eines Gerätes bedient, alles das, sogar in diesen geringen Bezirken, in den Kreaturen, die ihm begegnen, sind Funken, die durch ihn gehoben werden wollen und die durch ihn gehoben werden, wenn er das, was er an diesen Dingen zu tun hat, in Reinheit und Heiligkeit tut. Das Eine ist also Heiligung des Alls durch den Menschen. Das Zweite ist gleichsam nur die zweite Seite derselben Wirklichkeit: Heiligung des Alltags. Wie alle Dinge, so wollen auch alle Stunden, alle Begebenheiten des Lebens durch den Menschen geheiligt werden, und die Scheidung zwischen Heiligem und Profanem, die freilich im Gesetz Israels tief angelegt ist, wird vom Chassidismus, so sehr sie von ihm respektiert wird – der Chassidismus rührt nicht an irgend einen Buchstaben, geschweige an den Sinn eines Gesetzes –, doch nicht als etwas Absolutes angesehen. Es ist nicht eine Scheidung wie zwischen Gott und Mensch, sondern das gebotene Heilige, der Bereich des kaudesch, bedeutet zum Unterschied vom chaul nur das bisher für die Heiligung eroberte Gebiet. Aber im Willen Gottes liegt es, so lehrt der Chassidismus, dass nichts gleichgültig verbleibe, dass alles ohne Ausnahme geheiligt werde, dass immer mehr und mehr geheiligt werde, sodass es in der messianischen Zeit keine Scheidung mehr zwischen dem Reinen und dem Unreinen, zwischen Heiligem und Profanem gibt, sondern das ganze All und der ganze Alltag heilig ist vom Menschen auf Gott zu, d. h. es gibt in der messianischen Zeit nur noch Sabbath. Aber das bedeutet nicht eine Abhebung des Heiligen vom Profanen, sondern die Durchheiligung der ganzen Welt, der ganzen Weltlichkeit. Der Chassidismus meint nicht, dass wir aus den beschwerlichen, widerspruchsvollen Geschäften des Tages, wo uns andere Gesetze als die Gesetze Gottes auferlegt wären, je und je in den Sabbath flüchten, sondern gerade diese Stunde um Stunde zu lebende, beschwerliche, widerspruchsvolle Tätigkeit in der Welt ist es, die durchgeheiligt werden soll und – so wird hinzugefügt – durchgeheiligt werden kann, natürlich nicht in Vollkommenheit, aber je und je so, wie dieser Mensch, in dieser Stunde es vermag. Der Chassidismus gebietet: Sei froh, sei heiter und unbefangen und unbekümmert, wenn Du in dieser Stunde nur erfüllt hast, was Du in dieser Stunde zu erfüllen vermocht. Glaube nicht, dass Gott von Dir mehr verlangt, als Du zu erfüllen vermöchtest, sondern dies, was Dir wohl geraten ist, ist Gott genug, wenn Du Ihm in diesem Zusammenhange des Dir zugewiesenen Lebens mit ganzer Seele gedient hast. Diese Lehre von der Heiligung des Alls und des Alltages stellt sich im Chassidismus dar in einer echten, irdischen Wirklichkeit, die nicht die
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Wirklichkeit eines einzelnen, isolierten, persönlichen Lebens sein kann, sondern notwendig sein muss die Wirklichkeit einer Menschengemeinschaft, einer Gemeinde. Denn wenn es nicht bloss einzelne höhere Funktionen des menschlichen Lebens sind, die geheiligt werden sollen, sondern wirklich das ganze Leben des Menschen, dann muss der Zusammenhang des Menschen mit den anderen Menschen, der gegenseitige Zusammenhang der Menschen Gegenstand der Heiligung sein, d. h. es muss zwischen diesem Menschen und den anderen Menschen, mit denen er zu leben, zu arbeiten, zu wirken hat, eine Heiligung sein, es muss zwischen ihm und den anderen echte, unmittelbare Gemeinschaft sein. Und das grösste sichtbare Werk des Chassidismus war, dass er in Zeiten, wo auch im östlichen Judentum vielfach das wichtigste Gebilde der ExilsEpoche, in der wir noch leben, die Gemeinde, zu zerfallen drohte, eine Regeneration der Gemeinde heraufführte, eine Herrlichkeit des brüderlichen Gemeindelebens, wie sie Jahrhunderte und Jahrhunderte in dieser Echtheit, Tiefe und Innigkeit in Israel nicht bestanden hatte, und wie wir sie uns heute in dieser Zersetzung des Gemeindelebens im Judentum kaum noch zu vergegenwärtigen vermögen. Das Wesentliche des chassidischen Gemeindelebens war, dass wieder, wie der Am Haarez durch die Lehre vom unmittelbaren Zusammenhang aller Menschen zu Gott aus seiner Aschenbrödelexistenz gehoben war, so nun in den Einrichtungen des gemeinschaftlichen Lebens, in den Formen das Zusammenlebens der Menschen miteinander deutlich wurde, dass im letzten und höchsten Belange keine Ungleichheit zwischen den Menschen bestehen kann und darf. Es bleibt allerlei soziale Ungleichheit gewahrt – der Chassidismus war keine soziale Revolution –, es gab sehr tiefgreifende Unterschiede des Besitzes, des sozialen Ranges, aber wenn diese selben Menschen, von denen der eine ein G’wir, ein reicher Mann, war und der andere ein Schnorrer, zusammenkamen, etwa im Stübel das Rebbe und seiner Thora zuhörten, oder im Hof des Rebbe und ein Tänzel miteinander tanzten, oder wenn sie sich da, es brauchte gar keine festliche Gelegenheit zu sein, zusammensetzten und einander l’chajim zutranken oder wenn gar am Simchath Thora die ganze Gemeinde von einer grossen Entzückung, von der Glückseligkeit an der Lehre, die allen gegeben ist, erfasst und von einem grossen Tanze hingerissen wurde, – dann war in diesen kleinen und grossen Stunden der Gemeinsamkeit und Brüderschaft zwischen diesen Menschen, die sonst so ungleich waren, in diesem Zusammensein von Mensch zu Mensch und in diesem Zusammensein dieser Menschen miteinander auch wieder vor dem Antlitz Gottes aller Unterschied überwunden, und alle fühlten, alle erfuhren es unmittelbar, der Arme und der Reiche, dass das alles doch ganz neben-
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sächlich ist, nur dem Aussenwerke des Lebens zugekehrt. Und – das ist das eigentliche – dieses sich Hand in Hand halten, gleichviel wie das Leben aussen beschaffen ist, Hand in Bruderhand sagt: Wo Brüder sind, da ist ein Vater. Es gibt wirkliche Brüderschaft nur von einem Vater aus, dessen Söhne, gleiche Söhne, einander Bruder nennen. So ist die chassidische Art der Erfüllung eben dasselbe, was einst in der grossen sozialen Gesetzgebung Israels angelegt war, nämlich, dass die sozialen Unterschiede niemals so überhand nehmen durften, dass die brüderliche Unmittelbarkeit von Mensch zu Mensch dadurch geschädigt, beeinträchtigt oder auch nur gefährdet würde. Die grossen Gesetze des Sabbath-Jahres und des Jobel-Jahres, die Gesetze der sozialen Ausgleichung bedeuten den rhythmischen, in fester, regelmässiger, gesetzmässig angeordneter Weise immer wieder erneuten Ausgleich der sozialen Unterschiede, sofern diese die Brüderlichkeit, die Gemeinschaft bedrohten und nur insofern sie dies tun. Die chassidische Bewegung versuchte dasselbe ohne eine soziale Gesetzgebung, sie konnte auch keine soziale Gesetzgebung haben, denn sie war ja nicht mehr im eigenen Lande, sondern im Exil, und die Gesetzgebung war nicht mehr in ihrer Hand, sondern in der fremder Gewalthaber. Sie versuchte es durch die einzige Institution, die ihr verblieben war, durch die Gemeinde, und zwar durch die Erfüllung dieser Institution mit echter, bis ins Innerste dringender Brüderlichkeit. Und nun möchte ich von da aus, von dieser ganzen Konzeption des »Sieges« des Am Haarez, eines Sieges, der von den anderen willig, freudig anerkannt wurde und von den Siegern nicht als Niederlage der Besiegten empfunden wurde, noch eine Frage aufwerfen, die ich freilich hier nicht mehr eingehend zu behandeln vermag, aber ich möchte wenigstens ein paar Hinweise auf diese merkwürdige und, wie mir scheint, noch kaum angerührte Frage geben: Es gab doch schon einmal eine Bewegung vom Judentum aus, die an den Am Haarez appelierte, die eine Art von religiöser Empörung des Am Haarez darstellte, und die vom Judentum hinüberwirkte in die Völker, ursprünglich durchaus eine Bewegung im Judentum und auf nichts als Judentum abzielte, dann aber im Judentum abstarb und ungeheuer flutartig das Leben der Völker überströmte, die urchristliche, die christliche Bewegung, das Christentum. Was ist es, was jene Bewegung des Am Haarez und diese grundsätzlich, grundlegend voneinander unterscheidet, und – nur lediglich als Andeutung von da aus – weshalb ist jenes eine Weltreligion geworden und dieses nicht? Ich will es Ihnen an ein paar Hauptpunkten zu verdeutlichen suchen. Das Erste ist die Stellungnahme zum Gesetz. Wenn ich in diesem Zusammenhang vom Christentum spreche, so spreche ich nur von jener Epoche, wo das Christentum noch völlig eine Bewegung im Judentum
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war, und wo man natürlich nicht ins Christentum aufgenommen werden konnte, ohne ins Judentum aufgenommen zu werden. Die Stellung der Jerusalemer Urgemeinde des Christentums zum Gesetz, die Stellung zum Gesetz, wie wir sie etwa noch im Jacobus Brief im Neuen Testament verspüren, und auf der anderen Seite die Stellung des Chassidismus zum Gesetz, zunächst möchte man etwa sagen: Der Chassidismus nimmt eben das ganze Gesetz restlos an; das Christentum tut das nicht. Aber so ist es nicht. Wir dürfen hier nicht von einem Heiden-Christentum sprechen, nicht einmal von der Situation jenes schicksalhaften Menschen, der ja für das Uebergehen jener Bewegung zu den Völkern entscheidend geworden ist, des Paulus, sondern wenn wir das Christentum in jenem jüdischen Zusammenhang fassen, so tat es nichts anderes in seiner Stellungnahme zum Gesetz, als was der Chassidismus tat, d. h. man darf jene Worte, die das Neue Testament als Worte Jesu anführt, ernst nehmen, dass eine Erfüllung des Gesetzes beabsichtigt war. Aber was bedeutet das Wort »Erfüllung des Gesetzes«, das auch ein Chassid hätte aussprechen können, dort und was hier? Nehmen wir etwa die Bergpredigt, ein wirklich sehr beredtes Dokument. Erfüllung des Gesetzes bedeutet dort: Radikalisierung der Gesetzesforderungen. Es genügt nicht, dass der Mensch das tue, was das Gesetz vorschreibt, es hat erst dann seine religiöse Gültigkeit, wenn er auch noch bis in die letzte Innerlichkeit der Seele eben dasselbe tut, mit anderen Worten: wenn er gar nichts in seiner Seele zu überwinden braucht, um das Rechte, das vom Gesetz Geforderte zu tun. Die Bergpredigt nimmt jeden sittlichen Kampf des Menschen aus, höchstens einen, der irgendwie am Anfang stünde, erkennt sie an, aber wenn ein Mensch auch noch in seinen geheimsten Anfangsgedanken gerichtet wird, wenn auch das, was der Chassidismus Machschowaus soraus (fremde Gedanken) nennt, die einen Menschen z. B. im Gebet anfallen und vom Beten ablenken, schlechthin gerichtet wird, wenn alles Unheilige, was etwa in den tiefsten Schichten der Seele sich augenblickhaft regt, schon dazu genügt, um diesen Menschen in den Höllenpfuhl zu verdammen, dann gibt es die eigentliche sittliche Austragung nicht, sondern entweder verwandelt sich der Mensch dadurch, dass er in die Taufe eingeht, so von Grund aus, dass er nun in seiner letzten Unwillkürlichkeit, ganz von der letzten Wurzel der Seele aus, das Gute tut, auch in der Seele, oder aber er ist Heide. Gewiss, es gibt Menschen, die von der Wurzel aus gesund sind, aber gibt es auch Menschen, die so von der Wurzel aus schlechthin sündenfrei sind? Nun, das wird ja eben von einem, von dem Stifter dieser Religion behauptet, aber da er der einzige ist, so folgt daraus: da jene Unwillkürlichkeit faktisch durch die Taufe nicht hergestellt wird, müssen die Menschen im Anschluss an diesen
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einen das Heil suchen. Sie müssen sich des eigenen Willens, der eigenen Entscheidung, des eigenen Kämpfens begeben und – hier zieht Paulus in der Tat die grosse Konsequenz: »Ja, das Gute, was ich will, das tue ich nicht, das Böse, das ich nicht will, das tue ich« –, es bleibt ihm nichts anderes übrig, als sich mit Haut und Haaren dem einen einzelnen Sündenfreien, dem Heiland der Welt zu übergeben. Das heisst also, was später kommt in der Geschichte des Christentums, ist hier schon vorgebildet, etwa die luthersche Verwerfung der Werke um des Glaubens willen – natürlich, die Werke taugen nichts, wie sollen sie denn taugen, wenn von den Menschen das Unmögliche einer schlechthinigen Vollkommenheit von der innersten Wurzel aus verlangt und nichts anderes angenommen wird – oder jene furchtbare Lehre, die von Augustinus bis zu Calvin hinüberreicht, von der Urscheidung der auf ewig Erwählten und der auf ewig Verdammten von Gott aus: wenn die Entscheidung des Menschen keine selbständige Wirklichkeit ist, dann freilich müssen die Menschen von Ewigkeit her erwählt und verdammt sein. Dieser Radikalisierung des Gesetzes gegenüber sagt der Chassidismus: Nein, so ist es nicht. Der Baalschem sagt es sehr deutlich: Keiner kann einem anderen sagen, wie er der Machschowaus soraus Herr werde. Aber es genügt ja, wenn Du je und je, wenn Dich ein fremder Gedanke ankommt, ihn ergreifst und ihm die Richtung auf Gott gibst und eben dieselbe Leidenschaft, diesen Jezer hora Gott zuheiligst, dieser ganzen Kraft die Richtung auf Gott gibst, wie es schon im Talmud heisst: Man kann Gott wahrhaft nur mit beiden Trieben dienen, mit dem guten und mit dem bösen Trieb, und man muss aus dem Bösen, aus der ganzen glühenden Materie des Bösen durch die Richtungverleihung das Gute machen. Hier wird das Unwillkürliche respektiert, hier wird zugleich der Kampf der Person respektiert, beides, der unwillkürliche Grund und die sittliche Austragung im Kampf des Menschen um Gott. Und so läuft, wenn wir vergleichen dürfen, auf der einen Seite die Entwicklung des Judentums in diese Bejahung des natürlichen Lebens als der Grundlage aller Heiligung des Lebens aus, auf der anderen Seite die christliche Linie in jene verzweifelte Mahnung des grossen christlichen Philosophen Sören Kierkegaard: Man lebt heute nicht christlich, es gibt keine Christenmenschen mehr, es gibt das Christentum als gelebtes Leben nicht. Und nun das Zweite, das unmittelbar damit zusammenhängt: Wenn das Gesetz in solcher Weise radikalisiert, in seinen Forderungen übersteigert wird, sodass es eigentlich von den natürlichen Menschen gar nicht mehr erfüllt werden kann, aus welcher Situation wird hier gesprochen? Ganz offenkundig, wie es ja immer wieder ausgesprochen wird, aus der Situation, die zu Anfang proklamiert wird von jedem der grossen
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Redner der christlichen Bewegung, wie sie im Neuen Testament auftreten, Johannes dem Täufer, Jesus und dann von einem Apostel nach dem anderen: »Kehrt um!« Das ist genau derselbe Ruf »Schuwu« den die Propheten immer wieder ausgesprochen haben, aber dann, was kein Prophet je zu sagen gewagt hat (kein echter Prophet, die Apokalyptiker später wohl): »Denn nahe herangekommen ist das Reich des Himmels«; kein Prophet, obgleich jeder von ihnen mit aller Kraft der Seele gewärtig war, im nächsten Augenblick kann es Wirklichkeit werden, so wie es heisst: heute wird Messias kommen, wenn ihr auf Gottes Stimme hört. Also ganz in die Entscheidung des Menschen ist es gestellt, aber kein Mensch und kein Prophet kann wissen, wie weit man ist, kein Prophet kann sagen, welche Stunde der Nacht geschlagen hat, wie weit es bis zum Morgen ist. Hier aber wird beansprucht zu wissen: Jetzt ist das Reich des Himmels nahe herangekommen, also kehrt um, und von dieser Situation des unmittelbar bevorstehenden Weltendes aus wird nun das sonst Unmögliche von diesen Menschen des Weltendes gefordert, die eine ungeheuer stürmende, himmelanstürmende Bewegung durch eben diese Umkehr vollziehen und dieses nahe herangekommene Reich des Himmels – wie Jesus sagt – an sich reissen sollen. Ganz im Gegensatz dazu der Chassidismus. Zwar ist er, wie das prophetische Judentum, durchaus gewärtig – wie ein Chassid jeden Abend anordnete, dass man ihm alles das, was er zum Wandern brauche, hinlegen solle, denn man könne nicht wissen, vielleicht werde er mitten in der Nacht aufgerufen, der Messias sei gekommen und er müsse den Stecken ergreifen, das Ränzel umschnüren und nach Zion wandern – so in aller unmittelbaren Wirklichkeit (man darf hier nicht intellektualisieren) gewärtig, dass im nächsten Augenblick die Erlösung kommen könnte, und zugleich aber ganz und gar das Leben so lebend, als ob es weiter und weiter gehen würde und man sich selbst nicht Gewähr sein würde, die Erlösung zu schauen. Das Leben, dieses gebotene Leben, Tag um Tag als etwas zu Heiligendes leben, nur gewärtig seiend der Erlösung, aber nicht so, dass die Gewärtigkeit irgendwie den natürlichen Ablauf der Tage negativ bestimmte oder etwas Uebersteigertes aus den Menschen herauszutreiben versuchte. Dagegen gibt es in jeder Stunde eben dies, was jeder Mensch vermag, das was der Chassidismus den Jichud nennt, die Einigung durch den Menschen: man kann es vielleicht am deutlichsten etwa so sagen: jeder Mensch, in jeder Stunde, kann durch jede Tat den auf der Welt gleichsam zersplitterten Namen Gottes heiligen und einen. Der Name Gottes ist in den Widerspruch der Welt gefallen, er ist in all die ungeheuerlichen Gegensätze eingesenkt, die das Wesen des heutigen Weltlebens ausmachen, aber der Mensch, der in Reinheit und Heiligkeit
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handelt, soviel er vermag, der einigt den Namen Gottes. Nicht wie die Kabbalisten es an Buchstaben versuchten, sondern, indem er ein Stück Weltwirklichkeit aus den Gegensätzen zur Einheit erlöst, einigt er den Namen Gottes, übt er den Jichud, wirkt er an der Erlösung der Welt mit, so wie Gott es will, der den Menschen erschaffen hat, weil er ihn als einen frei sich entscheidenden, also als einen an dem Werk von Schöpfung und Erlösung Mitwirkenden wollte, weil er ihn brauchen wollte als seinen Gefährten am Werke der Schöpfung und am Werke der Erlösung. Dieses Mitwirken, dieser Jichud ist das, was jener weltendlichen Forderung des Christentums gegenübersteht. Und nun, wieder damit zusammenhängend, die Personen: Schon für das früheste Christentum steht eine einzige Person im Mittelpunkt; nie vorher gab es irgend etwas Aehnliches im Judentum, und wenn auch jedes Wort der Lehre Jesu inhaltlich auf jüdische Lehre zurückgeführt werden mag, dies kann auf nichts Vorhergehendes zurückgeführt werden: dass hier ein einzelner Mensch sich nicht etwa bloss als Träger der Lehre weiss, sondern gleichsam als Verkörperung der Lehre, als den Leib der Lehre und, wenn er »ich« sagt, weder das demütige Ich der Propheten noch jenes Ich Gottes meint, das durch den Propheten hindurch spricht, sondern das Ich dieser Person, die dennoch so reden kann, als ob sie schlechthin nicht einen einzelnen Auftrag von Gott hätte wie die Propheten, sondern Vollmacht in alle Zeiten. Dieses Personhafte, das so deutlich hervortritt, wie Jesu die Jünger in Caesarea Philippi fragt: Was meint Ihr, wer ich sei? Er fragt nicht, wie die christlichen Theologen meinen, um eine Bestätigung zu hören, oder um die Jünger zu prüfen, ob sie es wissen, sondern er fragt, weil er selber in Unsicherheit und Zweifel ist und hören will, was sie meinen, denn viele sprechen ihn als Messias an. Da antwortet ihm Petrus: »Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes«, und da fühlt sich Jesus nicht nur bestätigt, sondern er fühlt etwas ausgesprochen, woran er nun zu glauben sich entschliesst. Auf der einen Seite dieser automessianische Vorgang, von dem aus sich der Automessianismus der sog. falschen Messiasse in die Jahrtausende hinüberschwingt, auf der anderen Seite im Chassidismus die Demut jedes Zaddiks, die vollkommene Demut, die weiss, es gibt kein Höheres und Niedrigeres vor den Augen Gottes, oder wie mein verstorbener Freund Franz Rosenzweig es einmal in einem strengen Scherz ausgesprochen hat: Man soll die Unterschiede der Menschen nicht überschätzen. Diese Demut des Zaddiks tritt am allerstärksten in der Legende hervor, wo die automessianische Versuchung an den Baalschem herantritt in der Gestalt des Sabbathai Z’wi, des letzten in der Reihe der falschen Messiasse, der ihn versucht, sich selber als Messias zu fühlen; aber der Baalschem stösst ihn zurück, sodass er hinabfällt und ihn nicht wieder heimsucht.
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So stehen einander Christentum und Chassidismus gegenüber, und wenn sich freilich dann im Chassidismus je und je auch ein gewisses Mittlertum entwickelt hat – das bedeutet ja die Entartung des Chassidismus –, wenn man nicht dabei blieb, dass eine Erhöhung des Lebens zugleich seine Erschwerung bedeuten muss, dass man für wertvolles Gut auf der (religiösen) Ebene mit Werten zahlen muss, denn da gilt ein anderes Gesetz als das unseres wirtschaftlichen Lebens, dass man für möglichst gute Ware möglichst wenig zahlen will, sondern da soll man für gute Ware möglichst viel zahlen und die Güte der Ware hängt davon ab, wieviel man für sie zahlt, wenn auch dieses Prinzip der Erschwerung des Lebens dann erschüttert wurde und es ein Mittlertum gab, wo die Zaddikim dem Chassid dies und dies an Unmittelbarkeit des zu Gott-Strebens, des Gott-Gewinnens abnahmen, so ist niemals in irgend einer Gestalt, auch da nicht, wo etwa bei R. Nachman von Bratzlaw ein Zaddik ohne Nachfolger blieb und er selbst auch nach seinem Tode der Rebbe blieb, auch da nicht ist ein Mensch je mit einer solchen Ichheit, gleichsam das Antlitz des lebendigen Gottes, den er verkündete, verstellend, zwischen Gott und Menschen getreten, scheinbar vermittelnd, in Wahrheit die Unmittelbarkeit zerstörend. Ich habe an einigen Hauptpunkten Ihnen zu zeigen versucht, was der wesentliche Unterschied zwischen Chassidismus und Christentum war. Schon daraus ergibt sich, warum jene Lehre in die Völker vordringen konnte, bei denen sie bereiten Boden gerade für diese Lehre und für diese Anweisungen fand, und warum der Chassidismus dies nicht konnte. Aber vielleicht kommt zu all dem noch eine einfache geschichtliche Tatsache. Denken Sie an den Unterschied zwischen Hillel und Paulus. Hillel wollte diejenigen Menschen von den Völkern, die Einlass begehrten, in das Judentum einlassen, und Paulus wollte es im Grunde auch. Einen Begriff Christentum gibt es bei Paulus noch nicht. Er wollte auch Einlass schaffen in den Glauben, den er kannte, zu dem er sich bekannte, und das war das Judentum, freilich einschließlich des Glaubens an den gekommenen Messias, – aber daran haben viele Juden in vielen Jahrhunderten geglaubt, das ist noch nicht nichtjüdisch, dass man je und je, wenn ein Mensch sagte, ich bin der Messias, sich ihm zu Füssen stürzte und glaubte –. Auch Paulus wollte Einlass schaffen, aber Hillel tat es in der Weise, dass er das grosse Tor zum Judentum aufschloss, Paulus, dass er das verschlossene Tor zerschlug und dieses verstümmelte Haus, dem das heilige Portal zerschmettert worden war, nun als dasselbe bezeichnete, was das Judentum gewesen war; aber nun war es Judentum nicht mehr. Einen diesem Paulus analogen Menschen hat es im Chassidismus nicht gegeben. Warum, das vermag kein geschichtlich betrachtender Menschen-
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blick zu ahnen; vielleicht deshalb, weil die Isolierung des östlichen Ghettos viel tiefer, viel stärker war als die Isolierung Palästinas in jener Zeit, wo es eben nicht isoliert, sondern hellenisiert war. Paulus war ein hellenisierter Mensch, der den Juden Jude und den Griechen Grieche sein konnte, der zu den Juden als Jude und zu den Griechen als Grieche sprechen konnte. Es gab solche Juden, es gab solche jüdischen Genies in diesem hellenisierten Judentum. Solche Menschen gab es im Judentum der chassidischen Epoche nicht. Vielleicht ist dies der entscheidende Unterschied; er führt freilich in Tiefen der geschichtlichen Entwicklung, auf die ich nur hinweisen kann. Und nun dürfen wir uns zuletzt noch fragen: Sollen wir es bedauern, dass aus dem Chassidismus keine Weltreligion hervorgegangen ist? Ich glaube, nicht bloss wegen alles dessen, was uns von den christlichen Völkern widerfahren ist, nicht bloss wegen unserer historischen Erfahrungen mit dieser Weltreligion, die aus uns hervorgegangen ist, sondern aus tieferen Gründen sollen wir es nicht bedauern. Es scheint mir, dass es im tiefsten Sinne, nicht bloss im äusseren, auf den ich eben hingewiesen habe, verhängnisvoll ist, wenn aus einer Gemeinschaft, bei der Volkstum und Religion vollkommen miteinander verschmolzen und voneinander unablösbar sind, wie beim Judentum, das Wort hinausgeht, ehe es, um ein christliches Wort zu gebrauchen, Fleisch geworden ist in der ganzen Breite und Fülle des Gemeinschaftslebens. Nur von einer Wirklichkeit aus, nur wenn wir unsere Lehre, unsere Wahrheit, unser Wort wahrhaft begonnen haben zur Wirklichkeit zu machen, d. h. erst wenn wir daran gegangen sind, die Menschengemeinschaft zu bauen, die von Gott aus mit uns gemeint und in uns angelegt ist, die wahre Gemeinschaft, die Gemeinschaft der wahren Unmittelbarkeit der Menschen zueinander und aller Menschen zu Gott, der wahren Bruderschaft und der wahren Sohnschaft, erst von dieser Wirklichkeit aus dürfen wir, wenn daraus nicht Fluch sondern Segen werden soll, hinausgehen, nicht mit einem Worte dann, sondern mit der leuchtenden Wirklichkeit, die selber angehoben hat. Was uns ziemt, was wir zu erhoffen haben, das ist nicht Verkündigung eines Wortes über das Leben; sondern Verkörperung des Wortes in dem ganzen Leben in allen Aeusserungen, in dem ganzen Alltag, der dann wahrhaft der All-Tag Gottes wird. Uns geziemt, wenn ich mit der Anführung eines Verses schliessen darf: Höchster Glanz im engsten Tale, Glut der Trank und Ton die Schale, Uralt Zeugnis Ihm und jung, Leibliche Beglaubigung.
Sinnbildliche und sakramentale Existenz im Judentum 1. Die sinnbildliche Existenz in der Welt der Prophetie DIE MENSCHLICHE Existenz ist in ihrem Verhältnis zu Symbolen und Sakramenten nicht bloß der Raum, in dem sie erscheinen, und nicht bloß die Materie, der sie sich antun. Die reale Existenz einer menschlichen Person kann selber Sinnbild, selber Sakrament sein. Es gehört nicht zum Wesen des Symbols, über den konkreten Jeweiligkeiten zeitlos zu schweben. Sein allmaliges Erscheinenkönnen stammt stets aus der unvorgeahnten Einmaligkeit, Erstmaligkeit eines Erschienenseins. Das Symbol zieht seine Dauer aus einer Vergänglichkeit. Gewiß ist am Rande der gelebten Welt zu erkennen, alles Vergängliche sei »nur« ein Gleichnis; aber wenn wir in ihr leben, erfahren wir, daß nur das Vergängliche Gleichnis werden kann. Zum Bild des ungebrochenen Sinns, zu seiner eigentlichen Aussprache, der gegenüber alles, was wir Sprache nennen, nur Berechnung ist, taugt erstmalig stets nichts anderes als der geborene sterbliche Leib, – alles andere ist nur Wiederholung, Vereinfachung, Nachbildung. Das Geistige mit seinen zeitlosen Werken ist geschlossen, es weist nicht über sich hinaus; der zeitverhaftete Leib, er allein, kann durchscheinend werden, in seiner verfliegenden Gebärde. Der Bund, den das Absolute, über das Allgemeine – die »Idee« – hinweg, mit dem Konkreten schließt, wählt sich immer wieder ein Zeichen, flüchtiger als der Regenbogen des Noahbundes: Bewegung menschlicher Gestalt, Haltung oder Handlung. Und dieses Zeichen dauert. Wohl kann es an unmittelbarer Geltung, an »Glaubhaftigkeit« einbüßen, aber es kann auch aus neuer, neu vollziehender menschlicher Existenz sich erneuen. Alles Symbol ist stets in Gefahr, aus einem ins Leben geschickten wirklichen Zeichen ein geistiges und unverbindliches Gebild, alles Sakrament, aus einem leibhaften Vorgang zwischen Oben und Unten ein flächiges Erlebnis auf der »religiösen« Ebene zu werden. Nur durch den Menschen, der sich hergibt, wird die Kraft des Ursprungs zu wieder gegenwärtigem Bestehen errettet. Plato unterscheidet im Timaios (72 B) die »Manteis«, Wahrsager, die er als »Manentes«, Rasende, versteht, die vom Gott Verzückten und ein von ihm Empfangenes im rätselhaften Laut »Weissagenden«, und die »Prophetai«, die »Verkündenden«, die das Lautgeheimnis deuten und in die Menschensprache übertragen. Das passive Element jener tritt nur zurück, und das wesentliche Verhältnis bleibt das gleiche, wenn Pin-
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dar 1 der Muse das »Weissagen«, dem Dichter das »Künden« zuweist: sie gibt ihm ihren Urklang ein, er faßt ihn in Wort und Vers; sie selber aber äußert nicht sich, sondern den Gott, von dem sie, eine übermenschliche Pythia, besessen ist, ihren Herrn Apollon. Und auch der dient – so bekennt er es bei Aischylos 2 – als Mantis und Prophetes zugleich einem Höheren, Zeus, der ihn mit Kunde begabt; er sagt sie heraus, aber den seine Sage ergreift, Muse oder Pythia, dem ist nicht Wort, nur Geheimnis inne, das er ausraunt, nicht ausspricht, bis endlich dessen Hörer, der »prophetische« Dolmetsch, es verkündet. Die Manteia, die Wahrsagung, ist dem Griechen noch nicht die »fertige« Rede. Sie bricht hervor, ungefaßt und dem nichtprophetischen Menschen unfaßbar, und wird erst vom Prophetes gefaßt und zum Logos geformt. Der Prophet übersetzt, aber aus einer Sprache, die für das Ohr des Nichtberufenen keine ist. Wo ein Mensch beide Ämter vereinigt, müssen wir annehmen, daß er jeweils erst Mantis und dann Prophetes ist; an die Stelle der personalen Differenzierung tritt eine zuständliche, eine Wandlung in der Person. Die Zweiheit bleibt. Anders der biblische Nawi. Schon dies ist nicht unwichtig, daß der Begriff hier nicht auch profan verwendet wird, wie im Griechischen, wo man auch den Ausleger einer Philosophie, ja auch den Ausrufer im Kampfspiel Prophetes nennen kann, als einen, der etwas herauszusagen, öffentlich zu verkünden hat. Den Nawi gibt es nur in der Beziehung zwischen Gottheit und Menschheit, als den Mittler der Sprache, den »Träger des Wortes in der Vertikalen«, 3 und zwar nicht bloß von oben nach unten, den Bringer göttlicher Botschaft, sondern auch von unten nach oben: als »Künder« soll Abraham für den Philisterkönig »sich mittlerisch einsetzen« (das ist die Grundbedeutung des hebräischen Terminus für »beten«), als »Künderin« singt Mirjam, singt Debora ihr dankendes Siegeslied. Dem Nawi liegt ob, sprechend Gespräch zwischen Gottheit und Menschheit sich erfüllen zu lassen. Der Gott wählt sich »im Mutterleib« diesen Sendling, damit der mahnende und verheißende Urruf durch ihn das Ohr des Empfängers treffe, aber auch, damit in ihm der Schrei des geschöpflichen Herzens sich sammle und durch ihn emporgehoben werde. Gewiß, die göttliche Absicht geht nicht auf die Mittlung, sondern auf die Unmittelbarkeit; aber der Mittler ist der Weg zu ihr, – zu der ersehnten Zeit, da alles Gottesvolk zu Kündern und Geistträgern wird (Numeri 1129). 1. 2. 3.
Fragment 150. Eumeniden v. 17 ff. (vgl. 615 ff.) Buber, Königtum Gottes (1932) 165.
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Am deutlichsten wird der biblische Nawi-Begriff an einer Stelle (Exodus 71), wo er gleichnishaft gebraucht wird: wo zwei Menschen in eben das Verhältnis wie das des Elohim, der Gottmacht, und des Nawi, ihres Künders, zueinander gestellt werden. »Sieh«, sagt da Gott zu Mose, »ich gebe dich dem Pharao zu einem Elohim, / und Aaron, dein Bruder, soll dein Nawi sein.« Das Gleichnis läßt hier die beiden, Elohim, die einwehende Gewalt, und Nawi, das aussprechende Wesen, in ihrem Gegenüber unverkennbar erscheinen. Wie intim dieses Gegenüber gemeint ist, sagt an einem früheren Stadium der Erzählung eine Parallelstelle (416): »Er also rede für dich zum Volk, / und so seis: / er werde dir zu einem Mund und du werdest ihm zu einem Elohim.« Nawi eines Elohim sein heißt also sein »Mund« sein. Sein Mund, nicht sein Sprachrohr: der Nawi trägt nicht eine fertige, schon vernehmlich gewesene Rede fort, er lautet vielmehr eine heimliche, im Menschensinn vorwortliche, im Gottessinn urwortliche, eine lautlose aus, wie der Mund einer Person die heimliche, lautlose Rede ihrer Innerlichkeit auslautet. Diese Grundanschauung gewinnt ihr volles Pathos, wo der Gott von seiner Beziehung zum Nawi in ebendiesem Bilde redet und die biblische Distanz zwischen Gott und Mensch nur noch dadurch wahrt, daß er nicht »mein Mund«, sondern »wie mein Mund« sagt. In einer kritischen Stunde hat Jeremja Gott um Rache an seinen Verfolgern angefleht (1515). Der ihm Antwortende geht nicht bloß auf das Anliegen, mit dem der Prophet seinem Amt untreu wurde, nicht ein: er bedeutet ihm (v. 19 f.), erst wenn er von dem allzumenschlichen Weg, auf den er sich verlaufen habe, auf den Gottesweg zurückfinde, werde er ihn wiedereinsetzen und »vor seinem Antlitz« stehen lassen: »Bringst du das Echte hervor / des Gemeinen entledigt, / wie mein Mund sollst du werden.« Es ist entscheidend wichtig, zu beachten, daß der Gott hier nicht aussagt, sich des Menschenmundes wie eines eignen bedienen zu wollen: die ganze menschliche Person soll ihm wie ein Mund sein. Das ist der griechische Prophetes nicht, er kann es nicht sein. Sein Mund »sagt heraus«, nicht seine Person. Aber auch der Mantis ist es nicht und kann es nicht sein. Seine Person, ergriffen und besessen vom Gott, äußert, aber sie sagt nicht heraus. Solang einer als Mantis fungiert, bleibt er den Empfängern unverständlich; sowie er zum eignen Prophetes wird, ist er nur noch der Redner eines von ihm abgehobenen Wortes. In der biblischen Glaubenswelt stehen eben dem Gott nicht zwei, einer unmittelbar und einer mittelbar, gegenüber, sondern einer; eben der, dem der göttliche »Geistbraus« sich einweht, um »sich mit ihm zu bekleiden« (Richter 634), eben der ist, nicht mit seinen Sprachwerkzeugen allein, vielmehr mit seinem ganzen Wesen und Leben, Sprecher der ihn
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durchwehenden heimlichen Stimme, jenes »verschwebenden Schweigens« (1. Könige 1912). »Pythia und deutender priesterlicher Dichter waren hier nicht getrennt: der israelitische Prophet war beides in einer Person« (Max Weber). Für das prophetische Wort der Bibel zum Unterschied von dem des delphischen Orakels bedeutet das, daß die entstehende Rede und die fertige Rede biblisch identisch sind, wogegen hellenisch ein ekstatisches Lallen erst in geordnete Rede übertragen werden muß. Die aus dem biblischen Künder hervorbrechende Rede ist schon die worthaft geprägte, rhythmisch gegliederte, die »objektive«. Und doch ist sie nicht ein von seinem Sprecher ablösbares Wort, das er nur »im Munde führt«: die ganze personhafte Gesprochenheit gehört dazu, der ganze sprechende Menschenleib, der in sich beseelte und nun von der Ruach, dem Pneuma begeistete, die ganze Existenz dieses Menschen gehört dazu, der ganze Mensch ist Mund. Hier gibt es keine Scheidung zwischen einer Passion des »mainesthai«, der Besessenheit und Verzückung, und einer Aktion des »proeipein«, der bewältigenden, bildnerischen Rede. Die Form der Rede wird hier nicht »angenommen«, sie wird im Urantrieb der Auslautung geboren, – weshalb ja zum Beispiel auch alle metrische Schematik hier immer wieder in der Hand des Forschers versagen muß, weil das »bereitliegende« Metrum vom einmaligen Strom der Prophetie jeweils überstürzt ist. Der von der Ruach ergriffene und zum Wort genötigte Mensch stammelt nicht, ehe er spricht; unter dem »Zufassen der Hand« noch spricht er, eine rhythmisch strenge, dennoch aus der stürzenden Fülle des Augenblicks durchflutete Rede. Auch die These einer »Entwicklung« vom »primitiven Ekstatiker« zum »Wortpropheten« führt irre: jener tritt biblisch nie anders als in Verbindung mit diesem auf, und wir lesen wohl von wildem, »rasendem« – doch nicht musiklosem – Gebaren, aber nicht von unartikuliertem Lallen oder Schreien, wir lernen die Stimme des Nawi nur als Wort, sein Wort nur als Spruch kennen. Auch in der Geschichtszeit sind Passion und Aktion hier nicht verteilt, sondern eins. Es geht um eine einzige, umfassende Funktion, und die ungeteilte Person ist not, um die unteilbare Funktion herzugeben. Damit das Wesen prophetischer Existenz recht erfaßt werde, muß man aber noch die Absicht der Prophetie betrachten. Beide, das griechische Orakelwort und das biblische Nawi-Wort, sind situationsgebunden. Aber das Orakel antwortet auf eine von auskunftheischender Gesandtschaft als Frage vorgetragene Situation, der gottgesandte Nawi spricht ungefragt in die biographische oder geschichtliche Situation hinein. Die Antwort des Orakels ist Vorhersage einer unabänderlichen Zukunft, der Einspruch des Nawi meint die Unentschiedenheit
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und Entscheidungsmächtigkeit der Stunde. Dort ist das Künftige auf eine Rolle geschrieben, deren Abrollen das Geschehen der Geschichte ausmacht; hier ist nichts festgeschrieben, überm freien Schwingen der menschlichen Erwiderungen auf die antretenden Begebenheiten hält der Gott geheimnisvoll die schützenden Hände: seine Macht, die größer und geheimnisvoller als die formelhafte »Allmacht« des Dogmas ist, vermag dem Augenblick der Kreatur eine Mächtigkeit auszusparen. Bei Herodot (I 91) verkündigt die Pythia, dem verhängten Geschick auszuweichen sei auch einem Gott unmöglich. Das paradigmatische Buch Jona erzählt, Gott habe der sündigen Stadt Ninive durch einen Nawi den Untergang ansagen lassen, nicht etwa einen bedingten und abwendbaren: »Noch vierzig Tage, und Ninive wird umgestürzt!« lautet der prophetische Ruf 1 ; Ninive aber habe die Umkehr vollzogen, und nun sei auch der Gott »umgekehrt«. Diese Gegenseitigkeit der Umkehr war der geheime, dem Propheten selber unbekannte (und hernach unliebsame) Sinn der Botschaft gewesen. Es ist daher rechtmäßige Auslegung biblischen Glaubens, wenn die jüdische Tradition von den Propheten berichtete 2 , sie hätten »nur auf die Umkehrenden hin« prophezeit. Der Nawi redet zu den Menschen einer Situation auf die gegenwärtige Entscheidungsmächtigkeit dieser Menschen hin. Seine Rede ist nicht bloß situationsbezogen. Ihre Situationsbezogenheit reicht bis auf den geheimnishaften Grund der Existenz in der Schöpfung. Und eben weil sie so die Stunde meint und ihr entspricht, bleibt sie für die Geschlechter und für die Völker gültig. Die Prophetie gründet sich auf die Realität der geschehenden Geschichte. Gegen alle mantische Historiosophie, gegen alles Bescheidwissen um die Zukunft, ob dialektischer, ob gnostischer Herkunft, steht hier die Einsicht in das echte Dasein des geschehenden, so vielfältig bestimmten und doch selber in der Einfalt seiner Entscheidungen real bestimmenden Augenblicks. Der Entscheidungsmächtigkeit des Augenblicks aber kann das gesprochene Wort allein nicht genugtun. Um ihr gewachsen zu sein, um ihr in der uneingeschränkten Wirklichkeit zu begegnen, bedarf das Wort der Ergänzung durch die Gewalt der zeichenhaften Haltung und Handlung. Erst gemeinsam mit der vermag es die Entscheidungsmächtigkeit darzustellen und aufzurufen. Nicht das Wort für sich wirkt auf die Wirklichkeit zu, nur das in eine ganze menschliche Existenz gefügte, aus der ganzen erscheinende, die ganze begleitende Wort. 1. 2.
3, 4. Babyl. Talmud, Tr. Berachot 34 b.
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Zeichen kann biblisch einen Erweis oder eine Bekräftigung mit umfassen; seinem Wesen nach ist es keins von beiden. Ein Beispiel für viele mag das darlegen. Auf den Einwand Mose »Wer bin ich, daß ich zu Pharao gehe, / daß ich die Söhne Israels aus Ägypten führe!« antwortet Gott (Exodus 312): »Wohl, ich werde dasein bei dir, / und dies ist dir das Zeichen, daß ich selber dich schicke: / hast du das Volk aus Ägypten geführt, / an diesem Berg werdet ihr Gotte dienstbar.« Als Beglaubigung ist dieses »Zeichen« nicht zu verstehen. Aber Zeichen bedeutet biblisch eben etwas anderes: Verleiblichung. Der biblische Mensch, und mit ihm der biblische Gott, verlangt danach, daß der Geist sich vollkommener, eigentlicher als im Wort ausspreche, daß er sich verleibliche. Von dem Menschen auf Gott zu geäußert heißt dieses Verlangen in biblischer Sprache: ein Zeichen fordern, also Leiblichkeit der Botschaft fordern. Von Gott auf den Menschen zu geäußert heißt das Verlangen: einen Menschen »versuchen«, also aus ihm herausholen, was in ihm steckt, ihn zur Darstellung bringen; so versucht Gott den Abraham (Genesis 22), indem er gnadenreich-grausam dessen innerer Hingabe die äußerste Möglichkeit der Verleiblichung schenkt. Aber Gott will auch, daß der Mensch von ihm die Verleiblichung des Geistes begehre; wer ein Zeichen von ihm fordert, wird bestätigt; wer eins, das er dem Menschen anbietet, nicht annehmen will, bekundet damit nicht Glauben, sondern Unglauben (Jesaja 711-13). Die Sendung an Mose aus dem brennenden Dornbusch verleiblicht sich im »Zeichen«, da das aus dem Dienst in Ägypten geführte Volk an den brennenden Berg 1 gekommen ist und nun dem Gotte dienstbar wird, der es »auf Adlersflügeln« zu sich gebracht hat« (Exodus 194). Das Zeichen ist nicht übersetzbar, nicht durch Wort ersetzbar, man kann in keinem Zeichenbuch nachschlagen, was ein Zeichen bedeutet; aber das gesprochene Wort vollendet sich im Zeichen zu seiner Leiblichkeit. Das gesprochene Wort selbst gehört mit dazu, aber eben in seinem Gesprochenwerden: als Teil einer leibhaften Haltung und Handlung. Nur das Vergängliche kann Gleichnis werden. Beide, Zeichen und Gleichnis, sind nicht auflösbar, aus beiden ist nicht eine Aussage zu machen, beide sprechen aus, was nicht anders als so auszusprechen ist – Leib und Bild lassen sich nicht umschreiben, Leib wie Bild gibt erst die Tiefe des Wortes her; und leibliches Zeichen ist kein Erweis, wie bildhaftes Gleichnis kein Vergleich ist. Die Prophezeiung des Nawi, die keine Wahrsagerei, sondern deren ge1.
Im Hebräischen liegt ein unübersetzbares Wortspiel von sene, Dornbusch, und Sinai vor.
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naues Gegenteil ist, intendiert ein Geschehen, dessen Eintreffen oder Ausbleiben am Entweder-Oder des Augenblicks hangt. Solcherweise intendiertes Geschehen aber läßt sich nur durch zeichenhaftes Geschehen adäquat aussprechen. Der Entscheidungsfülle und Entscheidungsmächtigkeit des Augenblicks als eines Ursprungs von Geschehen kann daher nur ein zeichenhaftes Geschehen, eine »sinnbildliche Handlung« gerecht werden. Von da aus sind all jene Zeichenhandlungen der biblischen Propheten zu verstehen, von so flüchtigen, wie wenn Jeremja vor den Ältesten einen Schöpfkrug zerbricht oder Ezechiel zwei Hölzer zusammenfügt, bis zu so lebensmäßig eingreifenden, wie wenn Hosea eine Dirne heiratet und den Kindern aus dieser Ehe Unheilsnamen gibt. An einem unüberbietbar harten Beispiel wie dieses letzte kann unmittelbar verdeutlicht werden, daß es nicht um eine praktische Metapher, sondern um leibliche Darstellung im genauesten Sinne geht. Was hier in der Menschenwelt dargestellt werden soll, ist die Ehe zwischen dem Gott und der Hure Israel. »Geh hin«, spricht die Stimme in ihrer ersten Kundgebung zum Nawi, »nimm dir ein hurerisches Weib und Kinder der Hurerei, / denn verhurt hurt das Land, von Seiner Nachfolge ab.« Unüberbietbar hart sagt dieses »denn«, wie der Gott das gelebte Leben seines eben berufenen Künders zur Zeichengabe, zur leiblichen Darstellung einer Erfahrung des Gottes, seiner Erfahrung mit Israel, beansprucht. Es ist heilige Handlung von einem furchtbaren Ernst, es ist ein reales Sakraldrama, was hier geschieht. Erzählung der Ehe und unvermittelt identifizierendes Gotteswort greifen schauererregend ineinander. Eben noch war die Namengebung der »Kinder der Hurerei«, das ist: der ehelichen Kinder Hoseas und der Dirne, berichtet worden – »Ihr-wird-Erbarmen-nicht« heißt eine Tochter (»denn nicht weiter erbarm ich mich noch / des Hauses Israel, / daß ichs ihnen trüge noch, trüge«), »Nicht-mein-Volk« ein Sohn (»denn ihr seid nicht mein Volk, / und ich bin nicht da für euch«) –, da redet plötzlich (24) die Gottesstimme in diesen Kindern die Kinder Israel an: »Bestreitet eure Mutter, bestreitet! / Denn sie ist nicht mein Weib / und ich bin nicht ihr Mann! / Sie tue ab ihre Hurenmale / vom Angesicht sich, / ihre Buhlerinnen merken ab / zwischen ihren Brüsten!« Wir bekommen hier am schärfsten zu spüren, in welche Tiefen der Wirklichkeit das Dasein des »Zeichens« hineinreicht. Der Nawi handelt nicht bloß zeichenhaft, er lebt zeichenhaft. Nicht was er tut, ist letztlich das Zeichen, sondern indem er es tut, ist er selber das Zeichen. Aber ihre höchste Steigerung und Klärung zugleich gewinnt die sinnbildliche Existenz des Propheten bei Jesaja (811-22). Es ist eine Zeit der
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großen Verwirrung, in der sich die künftige Katastrophe des Volkes anmeldet; Wahrheit und Lüge sind so vermischt, daß die Seele sie kaum noch zu scheiden, kaum noch zu erkennen vermag, was das Rechte ist; Gott selber wird, verkannt, mißverstanden, mißbraucht, »zum Klappnetz und zum Schnepper / für den Siedler Jerusalems«. Wohl gibt es auch für diese Situation, über die kommende Katastrophe hinausweisend, eine tröstliche Verkündigung (sie steht in unserem Jesajabuch Kap. 91-6). Aber sie jetzt aussprechen hieße, auch sie der Verkennung, dem Mißverstand, dem Mißbrauch preisgeben. Darum sagt Jesaja, als das Wort der Stunde (815): »Es gilt, die Bezeugung einzuschnüren, / die Weisung zu versiegeln / in meinen Lehrlingen.« Wie man eine Urkunde verschnürte und siegelte, so tut ers mit der Verkündigung, die er seinen Jüngern eingibt: sie selber stellen nun die versiegelte Urkunde dar, die erst erbrochen werden soll, wenn mitten in der Katastrophe an das vergeblich zum Orakel seiner »zirpenden, murmelnden« »Elben« (v. 19) laufende Volk der Ruf ergeht (v. 20): »Zur Weisung hin! / zur Bezeugung hin!« Auf jene Zeit, da der Gott, der jetzt »sein Antlitz dem Hause Jakobs verbirgt« (v. 17), sich des zu ihm umkehrenden »Restes« erbarmen wird, will der Prophet in der nahenden »nachttiefen Bangnis« (v. 22), mitten in der Menge, »die kein Morgenrot hat« (v. 20), »harren«, er und die »Lehrlinge« und seine leiblichen Kinder, deren einem er, offenbar auf Gottes Geheiß, den Verkündigungsnamen »Rest-kehrt-um« gegeben hat. Und dieses Harren spricht er so aus (v. 18): »Wohlan, / ich und die Kinder, die Er mir gegeben hat, / sind zu Zeichen und zu Beglaubigungen in Israel da, / von Ihm dem Umscharten aus, / der auf dem Berge Zion einwohnt.« Diese Menschen, der Kern jenes »heiligen Restes«, sind als Zeichen da, sie leben ihr eigenständiges Leben zugleich als Zeichen dar. Dieser ganze zeichenhafte Mensch ist »Mund Gottes«. Durch sein sinnbildliches Dasein wird gesagt, was jetzt zu sagen ist. Das ist etwas anderes als manches, was man Symbol nennt. Aber kein Symbol, in keiner zeitlosen Höhe, kann je anders Wirklichkeit gewinnen und wiedergewinnen, als indem es sich in solch einer lebenden und sterbenden menschlichen Existenz verleiblicht. 2. Die sakramentale Existenz in der Welt des Chassidismus
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Symbol ist Erscheinung des Sinns, Erscheinen, Scheinendwerden des Sinns in der Gestalt der Leiblichkeit. Der Bund des Absoluten mit dem Konkreten erweist sich im Symbol. Aber Sakrament ist Bindung des Sinns an den Leib, Vollzug der Bindung, Gebunden-, Eingebunden-, Ver-
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bundenwerden. Der Bund des Absoluten mit dem Konkreten ereignet sich im Sakrament. Erscheinung, als Vorgang gefaßt, ist von einfacher Richtung, sie begibt sich von »oben« nach »unten«, das Erscheinende geht in die tragende Leiblichkeit ein. Bindung ist von zwiefacher Richtung, das Obere bindet sich an das Untere und das Untere bindet sich an das Obere, das Obere bindet das Untere und das Untere bindet das Obere, aneinander binden sich, einander binden Sinn und Leib. Wo der Bund sich erweist, ists wie Spiegelbild eines Unsichtbaren, wo der Bund sich ereignet, ists wie Hand in Hand. Hand in Hand wird Bund geschlossen und wird er erneut. Daß Göttliches und Menschliches sich miteinander verbinden, ohne miteinander zu verschmelzen, ein gelebtes Jenseits von Transzendenz und Immanenz ist nicht die einzige, wiewohl die führende Bedeutung von Sakrament. Auch wenn es aber etwa nur zwei Menschen sind, die sich einander sakramental – zu Ehe, zu Brüderschaft – weihen, vollzieht sich heimlich jener andere Bund, der zwischen dem Absoluten und dem Konkreten; denn die Weihe kommt nicht aus der Macht der menschlichen Partner, sondern aus der der ewigen Flügel, die beide überschatten. Alle Unbedingtheit, in die Menschen miteinander eingehn, hat ihre Kraft aus der Gegenwart des Unbedingten. Man hat mit Recht das Sakrament »die dynamischste aller ritualen Formen« genannt. 1 Aber an dieser seiner Dynamik ist das Wichtigste, daß sie ihrer Eigentlichkeit beraubt ist, wenn sie nicht mehr eine elementare, lebenbeanspruchende und lebenbestimmende Erfahrung des Anderen, der Anderheit, als eines Entgegenkommenden und Herzuwirkenden einschließt. Daß der Mensch in der sakramentalen Weihe weder bloß etwas »begeht« noch gar bloß etwas »erlebt«, daß er im Kern seiner Ganzheit angefaßt und angefordert wird und nicht weniger als seine Ganzheit braucht, um es zu bestehn, das macht die Dreidimensionalität des Vorgangs, die Realität seiner Tiefendimension aus. Die kirchliche oder sonstige sakrale Konvention verflacht das Ereignis zur Gebärde, die mystische Schwärmerei preßt es zu einem überschwenglich innigen Punkt zusammen. Zu allem Sakrament gehört eine natürliche, dem natürlichen Gang des Lebens entnommene Tätigkeit, die darin geweiht wird, und eine stoffliche oder leibliche Anderheit, mit der man in heiligen Kontakt kommt, – in einen Kontakt, darin ihre geheime Kraft an einem wirkend wird. Der »primitive« Mensch ist ein naiver Pansakramentalist. Alles ist ihm voller sakramentaler Substanz, alles, jedes Ding und jede Funktion, ist 1.
R. R. Marett, Sacraments of Simple Folk (Oxford 1933) S. 9.
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immerzu bereit, ihm sakramental aufzuleuchten. Er kennt keine Auswahl der Gegenstände und Tätigkeiten, nur der Methoden und der günstigen Stunden. »Es« ist überall, man muß es nur einfangen können. Dafür gibt es wohl Regeln und Rhythmen, aber auch die erwirbt man nur, wenn man sich dranwagt, und der schon Wissend-könnende muß sich immer neu dem gefährlich anfassenden und anfordernden Kontakt aussetzen. Die Krisis alles primitiven Menschentums ist die Entdeckung des grundsätzlich Nichtheiligen, Asakramentalen, das den Methoden widersteht und keine »Stunde« hat, eines Gebiets, das sich immer mehr vergrößert. In manchen Stammesgemeinschaften, die wir noch als primitiv zu bezeichnen pflegen, ist, wenn auch zuweilen nur an einzelnen, randhaften Individuen, diese kritische Phase zu beobachten, in der sich die Welt zu neutralisieren, sich dem heiligen Kontakt zu versagen droht. Das meinen wohl zum Beispiel die Ba-ila von Nord-Rhodesien, wenn sie von ihrem Gott sagen: »Leza ist alt geworden« oder »Leza ist heute nicht mehr das, was er sein sollte.« 1 Was wir Religion im engern Sinn nennen, ist vielleicht jeweils in solchen Krisen entstanden. Alle geschichtliche Religion ist Auslese der sakramentalen Stoffe und Handlungen. Durch die Scheidung des Heiligen vom preisgegebenen Profanen wird das Sakrament gerettet. Die Weihe der Verbundenheit wird gegenständlich-funktionell konzentriert. Damit aber tritt das Sakrament in eine neue, schwerere Problematik. Denn im Wirklichkeitsernst ihres Anliegens kann eine konkrete Religion sich nur dann bewähren, wenn sie dem Gläubigen mit dem »Glauben« nicht weniger als den Wesenseinsatz der Person zumutet. Das auf die Scheidung des Heiligen vom Profanen gegründete Sakrament in seiner konzentrierten Gewalt jedoch verleitet leicht dazu, sich im bloßen »objektiven« Vollzug ohne persönliche Hergabe, im opus operatum, gesichert zu fühlen und sich dem Angefaßt- und Angefordertwerden der eigenen Ganzheit zu entziehen. In dem Maße aber, wie ihm die Lebenssubstanz der Gläubigen zuzuwachsen aufhört, verliert das Sakrament an Tiefe, an dreidimensionaler Realität, an Leiblichkeit. So etwa wenn in dem sakramentalen Opfer des biblischen Israel die zentrale Intention der Selbstdarbringung, in der man sich durch das Tier nur eben vertreten lassen darf, vor der Sicherheit der objektiv geleisteten ritualen Sühnung verblaßt. 2 Oder wenn die biblische Königssalbung, die den mit dem Dauerauftrag des Statthaltertums Gottes Betrauten in die lebensmäßigeVer1. 2.
E. W. Smith und A. M. Dale, The Ila-Speaking Peoples of Northern Rhodesia II 200 f. Vgl. Buber, Königtum Gottes S. 99 ff.
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antwortung zu diesem stellt 1 , in den abendländischen Krönungsriten zu einer pompösen Bestätigung der Eigenmacht entartet. Wo die innere Krisis eines Sakramentalismus den Urgehalt einer Religion, den ursprünglichen Wirklichkeitsernst ihres Anliegens in Frage stellt, kann ein Versuch der Wiederbildung, eine Reformation gedeihen. Auch sie will die Weihe der Verbundenheit retten: indem sie die Präsenz des Menschen erneut ernst nimmt. (Im Abendmahlsstreit zwischen Luther und Zwingli um die Art der göttlichen Präsenz geht es heimlich auch um die menschliche; Luther spürt, worauf Zwingli nicht achtet: daß durch die nur symbolische Gegenwart der Mensch nicht zu seiner ganzen Gegenwart angefaßt und angefordert wird.) Das Prinzip der Auslese der sakramentalen Stoffe und Handlungen wird von den Reformationen dabei nicht angetastet; nur Sektierer rütteln mitunter daran, ohne daß es ihnen gelänge, es zu überwinden und zu ersetzen. Es hat den Anschein, als könnte der Mensch, der durch die Entdeckung des grundsätzlich Nichtheiligen gegangen ist, nie mehr ein heiliges Verhältnis zur ganzen Welt gewinnen, als sei die Reduktion des Glaubenslebens auf eine Sphäre die unaufgebbare Mitte aller Religion, weil sie aufgeben das Bollwerk gegen den Pantheismus abtragen hieße, der die konkrete Religion mit Auflösung bedroht. »Allein bestehend«, sagt der Südseesänger 2 von seinem Gott Taaroa oder Tangaroa, »wandelt er sich zur Welt. Die Angel, in denen sie sich dreht, ist Taaroa, ihre Tragblöcke er, Taaroa ist der Urkörner Sand.« Die konkrete Religion muß fürchten, das Bild des Herrn, das ewige Gegenüber der Glaubensbeziehung, zum Sand der Urkörner zerrinnen zu lassen. Es hat aber eine in ihrem Kern reformative große religiöse Bewegung gegeben, die einen neuen Pansakramentalismus entwarf. Nicht ein Zurückgehen hinter jene kritische Entdeckung – der Weg dahin ist verschlossen, und wer den Rückgang versucht, gerät in Wahnsinn oder in bloße Literatur –, sondern ein Vordringen zu einer neuen Umfassung. Diese reduktionslose Umfassung weiß, daß die sakramentale Substanz in der Gesamtheit der Dinge und Funktionen nicht vorfindbar und nicht handhabbar ist, aber sie glaubt, daß sie in jedem Gegenstand und in jeder Handlung zu erwecken und zu erlösen ist, – nicht durch irgendwie zu erwerbende Methoden, aber durch die erfüllende Gegenwärtigkeit des ganzen, ganz hingegebenen Menschen, durch sakramentale Existenz. 1. 2.
Vgl. mein demnächst erscheinendes Buch »Der Gesalbte« (Das Kommende, Untersuchungen zur Entstehungsgeschichte des menschlichen Glaubens, II. Band). I. A. Moerenhout, Voyages aux îles du Grand Océan (Paris 1837) I 419. (Die Übersetzung Bastians in seiner »Heiligen Sage der Polynesier« ist allzu frei.)
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Die große Bewegung, die große Sache, von der ich spreche, die chassidische, ist vor nahezu zwei Jahrhunderten (auf etwa 1735 wäre nach der Legende die »Enthüllung« des Stifters anzusetzen) in einem dunkeln Winkel Osteuropas entstanden und da – entartet, doch noch regenerationsfähig – verblieben. Aber sie muß in die Religionsgeschichte eingehen als ein unvergleichlicher Versuch, das sakramentale Leben des Menschen aus dem Verderben der Geläufigkeit zu retten. Für den chassidischen Pansakramentalismus ist nicht, wie für den primitiven, das Heilige in den Dingen eine Macht, deren man sich bemächtigen, eine Gewalt, die man bewältigen kann, sondern es ist in ihnen angelegt, funkenhaft ihnen eingetan, und erwartet die Lösung und Erfüllung von dem Menschen, der sich hergibt. Der Mensch der sakramentalen Existenz ist kein Magier; er wagt sich nicht bloß dran, er gibt sich wirklich und schlechthin her, und er übt keine Macht, sondern einen Dienst, den Dienst. Er gibt sich im Dienst her; das heißt: jeweils. Auf die Frage, was (im sakramentalen Sinn) wichtig sei, wird geantwortet: »Womit man sich gerade abgibt.« Das Jeweilige aber, wenn es in seiner Jeweiligkeit, Einzigkeit, antretenden Situationsmäßigkeit ernstgenommen wird, erweist sich als das Unvorwegnehmbare, der Vorsorge Entzogene. Dem Menschen der sakramentalen Existenz frommen keinerlei erworbenen Regeln und Rhythmen, keine überlieferten Methoden der Wirkung, nichts »Gewußtes«, nichts »Gekonntes«; er hat immer wieder den unvorhergesehenen, unvorhersehbaren Augenblick zu bestehen, immer wieder im anflutenden Augenblick einem begegnenden Ding oder Wesen Erlösung, Erfüllung zu reichen. Und er kann keine Auslese vornehmen, keine Scheidung; denn es ist nicht an ihm, zu bestimmen, was ihm zu begegnen hat und was nicht; und es gibt ja das Nichtheilige nicht, es gibt nur das noch nicht Geheiligte, noch nicht zu seiner Heiligkeit Erlöste, das er heiligen soll. Man versteht die chassidische Bewegung gewöhnlich als den Aufstand des »Gefühls« gegen einen religiösen Rationalismus, der die Lehre von der göttlichen Transzendenz übersteigert und verstarrt, und gegen einen Ritualismus, der die Praxis der Gebotsübung verselbständigt und verflacht. Aber was in dieser Entgegensetzung wirkt, ist mit dem Gefühlsbegriff nicht zu erfassen; es ist der Aufschwung einer echten Einheitsschau und eines leidenschaftlichen Ganzheitsverlangens. Dem Bekämpften tritt hier nicht lediglich ein unterdrücktes Gemütsleben, das sein Recht fordert, entgegen, vielmehr ein größer gewordenes Gottesbild und ein stärker gewordener Verwirklichungswille. Die Grenzziehung zwischen Gott und Welt in der Lehre und die Grenzziehung zwischen dem Heiligen und dem Profanen im Leben befriedigen jenes doppelte
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Gewachsensein nicht mehr, und zwar deshalb nicht, weil beide Grenzziehungen statisch, fest, zeitlos sind, weil sie dem jeweiligen wirklichen Geschehen keinen Einfluß einräumen. Das größergewordene Gottesbild erfordert eine dynamischere, labilere Grenze zwischen Gott und Welt, denn es meint ein Wissen um eine sich ergießen wollende und doch auch sich beschränkende Kraft, um eine widerstrebende und doch auch sich lockernde Substanz. Und der größer gewordene Verwirklichungswille erfordert eine dynamischere, labilere Grenze zwischen heiligem und profanem Bereich, denn er vermag nicht die Erlösung, für die ein Einswerden beider Bereiche verheißen ist, gattungsmäßig der messianischen Zeit zu überlassen, er muß tätig dem Augenblick gönnen, was immer ihm rechtmäßig zufallen kann. Bei alledem muß freilich geschichtlich noch beachtet werden, daß bereits drin in jener »rabbinischen« Welt, der der Kampf galt, alle Elemente des »Neuen« lebendig waren, nach Herrschaft rangen und Raum gewannen. Um dies zu verstehen, muß man wissen, was allzuwenig erkannt worden ist: daß im Judentum stets eine Tendenz zu sakramentalem Leben mächtig war. Daß – was sich entgegen anderen Auffassungen beweisen läßt – es kaum ein christliches Sakrament gibt, das nicht eine sakramentale oder halbsakramentale jüdische Vorgestalt hatte, ist hiefür nicht entscheidend, wohl aber, daß stets, auch in der talmudischen Epoche, Meister von unverkennbar sakramentaler Existenzform erscheinen, Menschen also, in deren Dasein, in deren ganzer Lebenshaltung, in deren Erfahrungen und Handlungen die Weihe der Verbundenheit sich darstellt und auswirkt. Die geschichtliche Reihe solcher Personen ist nahezu ununterbrochen. Der »Zaddik« der chassidischen Frühzeit, der klassische Zaddik, ist nur eine besonders klare, theoretisch umrissene Ausprägung des gleichen, aus biblischer Welt stammenden und in eine künftige weisenden Urtypus. In einer noch wichtigeren Wesensschicht aber ist der chassidische Pansakramentalismus zu erfassen, wenn man das Verhältnis der Bewegung zur Kabbala 1 betrachtet. Der Chassidismus hat die Kabbala nicht, wie den Rabbinismus, bekämpft; er wollte sie fortsetzen und vollenden; er hat ihre Begrifflichkeit, vielfach ihren Stil, in manchem auch ihre Lehrmethodik übernommen; und die kabbalistischen Werke chassidischer Autoren entfernen sich nicht aus den Geleisen der späten Kabbala. Auch theurgische Praxis von kabbalistischer Prägung taucht mehrmals in der Geschichte des Chassidismus auf, zuweilen in wunderlich anachronistischer Weise. Dennoch sagt er in seiner Eigentlichkeit, in seiner Aktua1.
Die maßgebende zusammenfassende Arbeit über die Kabbala ist der Artikel dieses Namens von Gerhard Scholem in der Encyclopaedia Judaica IX 630-751.
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lität den Grundprinzipien der Kabbala ab; wo er von seinem wahren Gegenstand, von dem Leben in der Verbundenheit, handelt, redet er von ganz anderswo her, und in wesentlichen Punkten in einem – nirgends ausgesprochenen, vielleicht nirgends bewußten, und doch offenkundigen – Gegensatz zur kabbalistischen Lehre und Haltung; und, schwererwiegend noch: was er in einem legendären Schrifttum, dessengleichen ich an Umfang, Mannigfaltigkeit, Vitalität und volkstümlich wildem Reiz nicht kenne, von seinen zentralen Menschen, von all den vielen Zaddikim zu erzählen weiß, das ist fast durchaus ein ganz anderes Wesen, eine ganz andere Existenz als die des Kabbalistentums, weltoffen, weltfromm, weltverliebt. Ein äußerlich scheinender, aber bedeutsamer Gegensatz zunächst: die Kabbala ist Esoterik. Was sie sagt, birgt ein Ungesagtes. Das Letztgemeinte ist nur dem Kundigen, dem Geweihten erschlossen. Auch hinsichtlich des Zugangs zur Wirklichkeit Gottes geht ein Schnitt durch die Menschheit. Das kann der Chassidismus nicht dulden: hier, am Zugang, darf es keine Scheidung mehr geben, hier steht die Bruderschaft der Vaterssöhne, allen oder keinem gilt das Geheimnis, keinem oder allen ist das Herz der Ewigkeit offen. Was einem wissenden Teil der Menschen vorbehalten, was den Einfältigen vorenthalten ist, kann nicht die lebende Wahrheit sein. Die chassidische Legende preist in herzhaftem, liebreichem Ton den einfältigen Menschen. Er hat eine einige Seele; wo Einigkeit der Seele ist, da will Gottes Einheit wohnen. Sakramentale Verbundenheit heißt Leben der Einheit mit der Einheit. Ihrem Ursprung, aber auch ihrem immer wieder durchbrechenden Wesen nach ist die Kabbala eine Gnosis, und zwar zum Unterschied von aller anderen 1 eine antidualistische. Die Herkunft aller Gnosis ist – mit der in diesem Zusammenhang notwendigen Vereinfachung ausgedrückt – die zur Verzweiflung an der Welt gesteigerte Urfrage, wie der in jedem Lebens- und Geschichtsablauf als unüberwindlich erfahrene Widerspruch, die ätzende Essenz des Daseins in der Welt, mit dem Sein Gottes zu vereinbaren sei. Diese Steigerung der Frage ist eine nachalttestamentliche; jede echte Gnosis entsteht in einem vom Alten Testament angerührten Kulturbereich, fast jede als eine, unmittelbar oder mittelbar ausdrückliche, Auflehnung gegen es. Die biblische Einheitserfahrung – Eine entscheidende Macht, Ein überlegener 1.
Daß auch die Lehre Plotins als eine überwiegend antidualistische Umgestaltung der Gnosis anzusehen ist, wird sich vermutlich ergeben, wenn das bedeutende Buch von Hans Jonas, Gnosis und spätantiker Geist (I 1934), vollständig vorliegt; aber sie wird dann doch nur als Einwandlung der Gnosis in die Philosophie, nicht wie die Kabbala als Gnosis gelten dürfen.
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Partner des Menschen – begegnete der sich aus schmerzlichen Tiefen meldenden Widerspruchserfahrung durch den Hinweis auf die Geheimnishaftigkeit des Geheimnisses: die Bestimmung des als Widerspruch oder Widersinn Erscheinenden ist unübersteigliche Schranke der Erkenntnis (Hiob), aber im gelebten Leidensmysterium ahnbar (Deuterojesaja); gerade hier erhebt sich die stärkste Äußerung sakramentaler Existenz, in der das Leid selber zum Sakrament wird (Jes. 53). Aber das apokalyptische jüdische Schrifttum bewältigt die Frage nicht mehr; die Esra-Apokalypse (»IV. Buch Esra«) etwa kennt den gläubigen Umgang mit dem Geheimnis nicht mehr, nur noch die nähelose Unterwerfung, die zugleich der Verzicht auf die Welt, das Zerrinnen des sakramentalen Lebens ist. Hier nun greift, Steine der zerfallenen Riesenbauten altorientalischer Religionen zum seltsamsten Neubau nur eben verwendend, die Gnosis ein. Sie deutet die Problematik der Welt als eine Problematik der Gottheit: sei es daß dem guten Gott ein – böses oder nur schlechtes – negatives Prinzip entgegensteht, sei es daß dem Guten selber brüchige oder verführbare Gewalten entstammen, die in die Sphäre des Übels fallen und als Weltseele das Schicksal des Widerspruchs tragen, bis sie wieder aufsteigen dürfen. Dabei wird immer, mehr oder weniger massiv, zuweilen nur eben als »Räume des Schattens und der Leere« (Valentin) gekennzeichnet, das Andere, das Widerstreitende oder doch Widerstehende, die Gegenmacht oder Gegenwelt vorausgesetzt. Diesem Anderen die Selbständigkeit zu nehmen, auch es in die Dynamik der göttlichen Einheit einzubeziehen ist das Unterfangen der Kabbala. Die Kabbala gestaltet, gnostische und neuplatonische Schemata verquickt benützend, eine talmudische Lehre ins Ungeheure aus. Es ist die der apokalyptischen Resignation entgegentretende Lehre von den göttlichen Attributen oder Wesenheiten der Strenge und der Gnade und ihrem dialektischen Verkehr, in dem das Drama des Weltprozesses als ein innergöttliches erscheint. Diese duale Dialektik, die es real und doch nicht dualistisch zu fassen gilt, wird von der Kabbala vervielfältigt im Verkehr der »Sefirot«, der göttlichen Urzahlen oder Urglänze, miteinander, der Mächte und Ordnungen, die sie aus dem ewig verborgenen Insich Gottes, das »Ohneende« genannt wird, durch eine »Beschränkung« und eine »Entsonderung« hervorgehen läßt, in Gott bleibend und doch die Welt gründend. Ihre Stufung setzt sich in die Weltschichten, bis in die unterste, körperhafte »Schalen«-Welt, hinein fort; die Dynamik ihrer Hüllungen und Enthüllungen, Ergüsse und Stauungen, Bindungen und Lösungen erzeugt die Problematik des kosmischen und kreatürlichen Seins. Wie die präkosmischen Katastrophen des »Sterbens der Urkönige« oder des »Bruchs der Gefäße« mit ihren kosmischen
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Nachwirkungen, so ist auch alle innerweltliche Hemmung und Störung bis in die dämonischen Gewalten hin, die die Menschenseele befallen, aus Abschnürungen, Gewichtsverschiebungen, Überströmungen im Bereich der Äonen hervorgegangen. Und doch kann gerade von dieser unserer Welt aus an der Überwindung der Problematik gewirkt werden: durch die sakramentale Tat des Menschen, der betend und handelnd die elementaren Geheimnisse der Gottesnamen und ihre Verschlingungen intendiert, geschieht Dienst an der Einung der Gotteskräfte, in der die zweite, die vollendete Einheit des Seienden sich bereitet. Auch die kabbalistische Versöhnung der Einheitserfahrung und der Widerspruchserfahrung ist letztlich, wie die biblische, eine sakramentale. Zwiefältig aber meldet sich Verwahrung, ungeäußert, doch stark in ihrer Tatsächlichkeit, im Chassidismus gegen die Kabbala an. Die eine richtet sich gegen die Schematisierung des Mysteriums. Der Kabbala ist es, wie aller Gnosis, zentral, den Widerspruch des Seins zu durchschauen und sich ihm zu entheben; dem Chassidismus ist es zentral, den Widerspruch gläubig auszuhalten und so ihn selber zu erlösen. Die Kabbala entwirft eine Landkarte der Urgeheimnisse, auf der auch die Ursprünge des Widerspruchs ihren Platz haben; der Chassidismus, mag er auch, insofern er – geläufigerweise, aber selten anders als peripher – »Kabbala treibt«, ihr Bild der Überwelt bewahren, weil er es eben durch kein anderes zu ersetzen vermag, ist in seinem eigenen Bezirk agnostisch, es geht ihm nicht um objektive, formulierbare, schematisierbare Erkenntnis, sondern um die vitale, um das biblische »Erkennen« in der Wechselseitigkeit der Wesensbeziehung zu Gott. Gewiß »bestreiten gerade die Klassiker der Kabbala immer wieder, daß die Entfaltung der in Gott liegenden Güte ins Endliche hin, die in ihren, Theologie und Kosmogonie bis zur Ununterscheidbarkeit verbindenden Lehren dargestellt sind, ein objektiver Prozeß sei, das heißt ein Prozeß, wie er von Gott aus erscheine«. 1 Aber das ist nur ein ausgeklammerter metaphysisch-erkenntnistheoretischer Grundsatz ohne Anwendungstendenz, er geht nirgends in das System selber ein, der ganze kabbalistische Systembau ist von dem Prinzip einer fast nie innehaltenden, fast nie erschauernden, fast nie sich hinwerfenden Sicherheit bestimmt. Gerade im Innehalten aber, im Sich-bestürzen-lassen, im Tiefenwissen um die Hinfälligkeit alles Bescheidwissens, um die Inkongruenz aller gehabten Wahrheit, in der »heiligen Unsicherheit« hat die chassidische Frömmigkeit ihr eigentliches Leben. Darin ist auch jene ihre Liebe zum »Unwissenden« gegründet. Worauf kommt es an? Man mag »in den oberen Welten herumklet1.
Scholem a. a. O. 670.
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tern« – plötzlich berührt es einen und alles ist verweht, und im unendlichen ungegliederten Dunkel steht man vor der ewigen Gegenwart. Nur die wehrlos entgegengestreckte Hand des Ungesicherten lähmt nicht der Blitz. Wir sind in die Welt des Widerspruchs geschickt; wenn wir ihr in Sphären entschweben, wo er uns durchschaubar dünkt, entziehen wir uns der Sendung. Es geht gegen Glauben und Humor unseres Daseins (der Chassidismus ist gläubig und humorvoll), zu vermeinen, es gebe eine Seinsschicht, in die wir uns nur zu erheben brauchten, um »hinter« die Problematik zu kommen. Der Widersinn ist mir gegeben, ihn mit meinem Leben auszuhalten und auszutragen; dies, Aushalten und Austragen des Widersinns, ist der von mir erfahrbare Sinn. Die andere chassidische Verwahrung gegen die Kabbala wendet sich gegen die Magisierung des Mysteriums. Magie ist nicht etwa identisch mit dem Glauben an die Wirkungstranszendenz des Menschen, das heißt an den Einfluß des menschlichen Wesens und des menschlichen Lebens über den kausalitätslogisch erfaßbaren Bereich hinaus, sondern sie ist innerhalb dieses Glaubens die Meinung, es gebe bestimmte tradierbare, tradierte, innere und äußere Handlungen und Haltungen, durch deren Vollzug die geglaubte Wirkung erzielt werde. Magie (die innerhalb wie außerhalb des Sakramentalismus bestehen kann) ist also, wo sie mit Gnosis verknüpft erscheint, einfach deren andere Seite: ihre Überschaubarkeit der Mittel – nunmehr: der Mittel gegen den Widerspruch des Seins – gehört mit der gnostischen Durchschaubarkeit des Widerspruchs zusammen. In der Kabbala können diese tradierten magischen Methoden im Zusammenhang mit sehr verschiedenen Lebenstätigkeiten angewandt werden; es sind die »Kawwanot«, die Intentionen, die, aus dem reichen Vorrat der Namen- und Buchstabenmystik schöpfend, mit dem, was sie an Buchstaben und Namen wirken, in die Wesenheiten selber wirken wollen. Und wieder: wie in seiner Lehre der Chassidismus die kabbalistisch-gnostischen Schemata peripher bewahrt und zentral vernachlässigt, so kennt er in seiner Praxis wohl noch die erlernbaren Intentionsweisen, ja allerlei kabbalistisch-magisches Material bis zu Heilsprüchen und Amuletten, aber seine Eigentlichkeit behauptet sich im faktischen, nicht selten auch im programmatischen Gegensatz dazu. Gegen die wißbaren Kawwanot – so und so ist zu meditieren, dies und dies zu besinnen – erhebt sich die eine lebensweite Kawwana des Gott und seinem Erlösungswerk hingegebenen Menschen. Wie der Chassidismus die Scheidung zwischen dem Heiligen und dem Profanen zu überwinden strebt, so auch die Heraushebung feststehender Intentionsprozeduren aus der Fülle lebendigen Tuns. Nicht dadurch, daß der Mensch irgendeine Handlung mit einer vorgewußten mystischen Methodik begleitet,
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sondern dadurch, daß er diese Handlung mit der auf Gott gerichteten Ganzheit seines Wesens vollbringt, übt er in Wahrheit Kawwana. Das Vorwißbare ist nicht geeignet, den Kerngehalt der Tat abzugeben; denn nicht mit urheberisch auftretender Willkür, sondern im Zusammenhang mit dem uns Antretenden und als unsere Gegenbewegung allein ist die sakramentale Tat zu tun; das uns Antretende aber ist unvorwißbar; Gott und der Augenblick sind unvorwißbar, und der Augenblick ist Gottes Gewand; darum können wir uns wohl immer wieder auf die Tat vorbereiten, aber wir können die Tat nicht vorbereiten. Die Substanz der Tat wird uns immer wieder geliefert, vielmehr, sie wird uns angeboten: durch das, was uns widerfährt, was uns begegnet, – durch alles, was uns begegnet. Alles will geheiligt, eingeheiligt werden, alles Weltliche in seiner Weltlichkeit: es will nicht entweltlicht, es will in seiner Weltlichkeit in die Kawwana der Erlösung eingeheiligt werden, – alles will Sakrament werden. Die Kreatur sucht, die Dinge suchen uns auf unseren Wegen auf; was uns in den Weg tritt, braucht uns zu seinem Weg. »Mit der Diele und mit der Bank« soll man beten 1 , sie wollen zu uns, alles will zu uns, alles will durch uns zu Gott. Was sollen uns, wenn es sie gibt, die oberen Welten! Unser ist, »in dieser niedern Welt, der Welt der Körperlichkeit, das verborgene Gottesleben aufleuchten zu lassen«. Das Wort Jichud, Einheit oder Einung, das der Chassidismus von der Kabbala zur Bezeichnung des sakramentalen Aktes übernommen hat, hat einen dreifachen Sinn. Ursprünglich bedeutet es die Einheit Gottes, die alle Vielheit und Vielfältigkeit des Seins umfängt und trägt. Sodann das menschliche Bekenntnis der Einheit, worin der Mensch alle in Natur, Geschichte und Leben erscheinenden Mächte als Strahlungen und Brechungen der Einen Macht begreift und in seinem Wort die Sucht etwelcher unter ihnen nach Verselbständigung zu huldigender Demut bändigt. Endlich aber die einende Tat des Menschen. Das heißt für die Kabbala: das intendierende Wirken an den Vermählungen der Sefirot. Für den Chassidismus heißt es: alle Triebe und Leidenschaften der Person in eine auf Gott zu bewegte Einheit ziehen, die vorbehaltlos der Welt aufgeschlossen alle Dinge und noch deren Widerstand selber der Einheit einheiligt, und diese Einheit weltverbundner sakramentaler Existenz Gott für das Werk seiner erlösenden Einung darbringen: der »Einung des heiligen Gottes mit seiner welteinwohnenden Glorie«.
1.
Buber, Die Chassidischen Bücher (1928) 470.
[Über den Chassidismus] Meine Damen und Herren! Die Erscheinung des Chassidismus in der Mitte des 18. Jahrhunderts im östlichen Judentum ist, wie mir scheint, ein einzigartiges Phänomen in der Religionsgeschichte, ich sage mit Bedacht, ein Einzigartiges, ein Unikum, denn wenn man die Geschichte etwa der Mystik – in diese Kategorie pflegt der Chassidismus am ehesten eingereiht zu werden –, wenn man die Geschichte der Mystik betrachtet, dann findet man zwar manche verwandte Erscheinung in Lehre und Lebenshaltung, aber gerade das Wesentliche ist, wie mir scheint, in keiner anderen dieser Erscheinungen verkörpert. Das Wesentliche im Chassidismus ist aber anders als alles was wir sonst als Mystik in der Religionsgeschichte kennen, ich meine damit: das Gemeinsame ist gerade das wenig Wichtige, das Wichtige aber das Ungemeine, womit ich selbstverständlich nicht sagen will, dass es irgend etwas Spezifisches im Chassidismus gebe, das nirgendswo anders vorkommt. Solche Dinge gibt es im religiösen Leben der Menschheit überhaupt nicht, sondern wenn wir von Individualität in der Religionsgeschichte sprechen, so meinen wir damit, auch wenn wir die Individualität so nachdrücklich hervorheben, wie ich es mit dem Worte »einzigartig« tun wollte, dass ein Grundverhältnis des religiösen Lebens sich in dieser historischen Erscheinung mit besonderer, einmaliger Kraft und Deutlichkeit ausgeprägt und gestaltet hat. Ich will nun versuchen, zu zeigen, welches Grundverhältnis es ist, das im Chassidismus eine solch einzigartige Ausprägung gefunden hat. Wenn wir das erkennen wollen, so steht uns, abgesehen von der mündlichen Überlieferung, die noch immer lebendig und zugänglich ist, freilich nur für den, der unmittelbaren Kontakt mit jenem Teil des Judentums hat, ich sage, abgesehen von der mündlichen Überlieferung steht uns als Quelle das chassidische Schrifttum zur Verfügung, also die reiche Literatur, die mehrere hundert Bücher umfasst, ich glaube nicht fehl zu gehen, wenn ich sage, eine etwa 1000 Bücher umfassende Literatur, die nun zweierlei Art ist, theoretische Literatur, im wesentlichen in der traditionellen Form des Bibelkommentars gehalten, wo im Anschluss an den Text der Bibel die chassidischen Lehren vorgetragen werden, zum zweiten die legendäre Literatur, ganz anders beschaffen als die erste Art, volkstümlich, innerlich und äusserlich volkstümlich, äusserlich schon durch ihre typographische, buchmässige Gestalt. Es sind zumeist Hefte, die auf den Märkten von fahrenden Händlern verkauft und die von den Käufern zunächst nicht sehr hoch geschätzt wurden; obwohl es heilige Pflicht war für den Chassidismus, von den Zaddikim zu erzählen, so
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wurden doch die Leute, die Bücher darüber schrieben oder sammelten, nicht hoch geschätzt, weil man zunächst in Frage stellte, ob das Mitgeteilte auch stimmte, wirklich die Legende überhaupt richtig wiedergebe. Dennoch ist für uns gerade diese zweite Art der legendären Literatur von besonderer Wichtigkeit als Quelle. Ich muss erläutern, warum dies gerade beim Chassidismus notwendig so ist. Wir sind sonst, wenn wir von einer Mystik sprechen, gewohnt, für die eigentliche Quelle ihrer Erkenntnis die Bücher zu betrachten, in denen die Lehren dieser Mystik niedergeschrieben worden sind, etwa wenn wir von der deutschen Mystik sprechen, so werden wir von Eckardt und Tauler bis zu Böhme und bis Angelus Silesius, Bücher, in welchen die Lehre, sei es in gedanklicher oder dichterischer Form niedergeschrieben sind, für die eigentlichen Quellen ansehen. Im Chassidismus ist es nicht so, ich glaube, dass gerade die legendäre Literatur zur Kenntnis dessen, was der Chassidismus in der Religionsgeschichte bedeutet, von besonderer Wichtigkeit ist und zwar deshalb, weil er seinem Wesen nach sowohl im Zusammenhang der allgemeinen Religionsgeschichte, als besonders im Zusammenhang der jüdischen Religionsgeschichte betrachtet, nicht etwa eine neue Lehre bedeutet, sondern weil er – soweit man überhaupt von neu sprechen kann – in der Religionsentwicklung eine neue Lebenshaltung, eine freilich aus dem alten hervorgegangene, das alte konzentrierende und dennoch ihm eine neue Gestalt gebende Haltung des ganzen menschlichen Lebens ist. Von dieser Haltung, die wie ich sagte, das Einzigartige dieser Bewegung darstellt, von dieser Haltung zeugt eben die Sage, die Legende, die erzählende Überlieferung, die uns sagt, wie diese Menschen, wie diese Zaddikim, diese gerechten, bewährten Menschen, die die Führer der Bewegung gewesen sind, wie die gelebt haben. Wir müssen dabei vor allem im Auge behalten, worauf ich noch zurückkommen werde, dass im Chassidismus als die eigentliche Lehre nicht das gilt, was einer dem anderen sagt, also nicht, was ein Lehrer dem Schüler sagt, nicht ein Inhalt ist die eigentliche Lehre, sondern als die eigentliche Lehre gilt das, was der Schüler von seinem Lehrer lernt in den Zeiten, wo der Lehrer garnicht lehren will oder beim Lehren nebenbei, d. h. überhaupt kein Was, nicht etwas wovon man sagen kann, das und das ist die Lehre, sondern etwas Überworthaftes, nicht im Wort Mitteilbares, sondern durch das Lehren, durch die Person im Geheimnis. Wenn etwa einmal einer von den heimlichen Menschen, die herumzogen in einer geheimnisvollen Aufgabe, über die wir nichts genaues erfahren, wenn der Rabbi Leib Zares, der zu den grössten unter den Schülern des Baal Schem gehört, zu ihm fährt und wieder fährt, wenn er gefragt wird, was er eigentlich bei dem Manne sucht, was er von ihm lernt, dann antwortet: Ich fahre nicht zu ihm, um
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von ihm Thora zu hören, sondern ich fahre zu ihm, um zu sehen, wie er seine Schuhe, seine Sandalen auf- und zuschnürt, dann ist, wenn so etwas gesagt wird, dann ist hier in einem etwas derben Beispiel doch deutlich ausgesprochen, um was es geht, nicht um ein etwas, nicht um einen Inhalt, sondern um jenes Geheimnis der Person, das überworthaft ist, das aber in allem, in dem Leben, in den Gebärden, eben in dem ganzen Sosein des Menschen sich ausspricht. Die eigentliche Überlieferung der Lehre geht also vom Meister zum Schüler, vom Lehrer zum Schüler, eben durch diese personenhafte Einrede. Die Übergabe der Lehre geschieht durch das Leben, durch die Totalität des Lebens und nicht absichthaft, sondern einfach durch die Tatsache, dass dieser meisterliche Mensch so lebt wie er lebt. Dadurch übergibt, überliefert er die Lehre und nur darin, nur in diesem Leben, in solchem wahrhaften Leben kann sie erkannt, kann sie aufgenommen werden. So ist denn die legendäre Literatur, die wenn auch in unvollkommener Weise zuweilen, aber doch von diesem Leben berichten will, eine unvergleichliche Quelle für die Kenntnis dessen, was der Chassidismus im eigentlichen in der Religionsgeschichte bedeutet. Man könnte nun auf verschiedene Weise von einer religionsgeschichtlichen Methode aus versuchen, zu erfahren, wie es sich mit dieser Besonderheit des Chassidismus verhält. Wenn die Religionsgeschichte sonst eine religiöse Bewegung zu formulieren sucht, im Wesen zu bestimmen sucht, so macht sie es so, dass sie etwa frägt, welche anderen Erscheinungen gleichzeitig waren. Sie untersucht die Ereignisse des Zeitalters und versucht zu zeigen, welche allgemeinen Strömungen es gegeben hat, die damals in dieser Richtung, in diesem Kreise diese besondere Ausgestaltung hervorriefen. Durch die synchrone Betrachtung, die Betrachtung in der Gleichzeitigkeit, wenn man diese Methode auch dem Chassidismus gegenüber anwendet, erfährt man sehr wenig, man findet eine scheinbar verwandte Bewegung vor und es ist von christlicher Seite versucht worden, den Chassidismus damit zusammenzubringen, – das ist die Bewegung des Pietismus in seiner späteren Ausgestaltung. Pietismus stammt in seiner eigentlichen Schöpferzeit aus dem 17. Jahrhundert, dagegen hat sich die spätere Entwicklung des Pietismus nach Zinzendorf gleichzeitig mit dem Chassidismus vollzogen und es ist immerhin ein merkwürdiges Zusammentreffen, dass Zinzendorf in demselben Jahre wie der Baal Schem geboren und in demselben Jahre gestorben ist wie der Baal Schem. Schliesslich ist Pietismus nichts anderes wie die lateinische Übersetzung von Chassidismus, denn Chassid ist = pietus, soweit man die Begriffe einer Sprache wiedergeben kann. Pietismus entspricht einigermassen dem Begriffe Chassidismus, es ist die Frömmigkeit im Sinne
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eines Verhältnisses nicht nur zu Gott, sondern auch zu den Menschen und insofern das Verhältnis zu Gott sich im Verhältnis zu den Menschen manifestiert. Dennoch, wenn wir die beiden Erscheinungen innerlich miteinander vergleichen, finden wir, dass die Verwandtschaft eine sehr äusserliche ist. Der Pietismus ist vorwiegend passiv, das Grundgefühl ist das eines Ergebenheitsverhältnisses, eines Treueverhältnisses, eines Abhängigkeitsverhältnisses Gott gegenüber, d. h. ein Gefühl, das in irgend einer Weise zur religiösen Wirklichkeit notwendig gehört, aber hier besonders betont ist; während [der] Chassidismus das entgegengesetzte Gefühl betont, die Selbständigkeit, die Aktivität, die besondere Wichtigkeit des menschlichen Handelns im Angesicht Gottes, also die Wichtigkeit des menschlichen Willens, des menschlichen Handelns, des Spontanen und so ist noch manches anders, worauf ich hier im Einzelnen nicht eingehen kann. Wenn wir die einzelnen Glaubenslehren und die einzelnen Lebenshaltungserscheinungen in beiden Bewegungen miteinander vergleichen, finden wir, dass sie im Entscheidendsten gerade auseinandergehen. Nicht viel anders, wenn auch etwas positiver, wird das Ergebnis, wenn wir eine andere Methode anwenden, wenn wir fragen, welche Erscheinung gab es in der Geschichte der Religion überhaupt, die man mit dem Chassidismus vergleichen kann? Ich habe, ich kann hier nur beiläufig darauf hinweisen, in der Geschichte der Religion, insbesondere in der Geschichte der Mystik, nur zwei Erscheinungen gefunden – ich glaube eifrig gesucht zu haben – die ich als verwandt bezeichnen möchte, das eine ist die Mystik des Islams, das andere ist jene besondere Ausformung des Pietismus in China und Japan, die den Namen Zen führt, den sogenannten Zenbuddhismus, wo an die Stelle jenes Glaubens an den einen Weg der Erlösung vom Leiden eine merkwürdige, ich möchte sagen eine dialektische Haltung getreten ist, die das Konkrete schlechthin bejaht, also nicht einen bestimmten Erlösungsweg, sondern ein Verhältnis bestimmter Art zu allen Dingen und Erscheinungen, das wesentlich positiver gerichtet als eben der indische Buddhismus. Ich sage, diese beiden Erscheinungen sind, so viel ich sehe, die einzigen, mit denen man den Chassidismus vergleichen kann und zweifellos sind die Verwandtschaften äusserer Art. Wir finden z. B., wenn wir die Dichtungen des grossen persischen Geistes Rumi lesen vielleicht das grösste, was der Sufismus hervorgebracht hat, wir finden eine ganze Reihe von Gleichnissen, die wir genau so in den chassidischen Büchern finden, ohne dass ein Einfluss angenommen werden könnte. Ein solcher ist so gut wie ausgeschlossen. Und noch stärker sind die Aehnlichkeiten mit dem Zenbuddhismus, wo gewiss aller Einfluss ausgeschlossen ist: in der Bedeutung des Konkreten, der Einzelerscheinung des Soseins des Lebens
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begegnet sich der Chassidismus mit dieser besonderen Ausgestaltung. Aber die Unterschiede sind auch hier sehr viel wichtiger als die Ähnlichkeiten. Wenn z. B. in der Mystik des Islams immer wieder das menschliche Ich dem göttlichen Du entgegentritt, genau so geschieht es im Chassidismus, so wird mit dieser Betonung Ich-Du im Chassidismus genau das Gegenteil gemeint wie in der sufischen Mystik, denn der Sufi geht mit dieser Gegenüberstellung von Ich und Du aus auf die Aufhebung des Gegenüber von Ich und Du, – der Sufi spricht Gott darauf an, dass er dieses Du aufgibt, – dieses menschliche Ich auflöst, damit der Mensch ganz in Gott aufgehen könne. Eine solche Vorstellung ist dem Chassidismus wie überhaupt dem Judentum fremd. Eine Aufhebung des Unterschiedes zwischen Gott und Mensch würde für das Judentum eine Überschreitung der Grenze der Wirklichkeit bedeuten, eine Überhebung, ein Sichvermessen und letztlich ein Verlieren der Wirklichkeit selbst, ein Sichverlieren in eine, wenn auch berauschende Selbsttäuschung hinein. Also das Gegenüber von Ich und Du bedeutet im Chassidismus nur das immer stärkere, immer treuere Herausarbeiten der Beziehung zwischen Gott und Mensch, des Gesprächs, der Wechselrede des Angeredetwerdens und Antwortens, nicht aber ein Aufheben dieser Beziehung im Gegensatz zu diesem, wenn ich mich so ausdrücken darf, zu diesem Konkretismus, ich weiss nicht, ob ich es deutlich gemacht habe, was ich darunter verstehe, im Gegensatz zu allem allgemein Abstrakten, dass etwa Gott so beschaffen sei oder nicht, dass die Welt so beschaffen sei oder nicht, dass die Welt endlich sei oder unendlich, dass die Welt ewig oder nicht ewig sei, dass es ein Leben nach dem Tode gebe oder nicht gebe, dass der Mensch ein Fortleben habe oder nicht habe und so fort, im Gegensatz zu all diesen Lehren predigt der Zenbuddhismus, auf all dies kommt es nicht an, denn jeder These, jedem Satz, den man über diese Dinge, wie überhaupt irgend welche Dinge formuliert, ist ein Gegensatz gegenüberzustellen. Alle diese Behauptungen vollziehen sich im Bereich der Logik und jeder solchen Behauptung kann man eine Gegenbehauptung gegenüberstellen mit gleicher dialektischer Berechtigung. Es ist dies eine Vorwegnahme des Standpunkts von den Antinomien, dass es also letzte Behauptungen gibt, denen letzte Gegenbehauptungen gegenüberstehen, sodass logisch zwischen ihnen nicht zu unterscheiden ist. Dies nimmt der Zenbuddhismus hinweg und sagt, der Weg des Menschen ist eindeutig; unabhängig von ja und nein, von dieser Behauptung und Nichtbehauptung, von Satz und Gegensatz, gibt es das Erfassen der konkreten Erscheinung und das konkrete Handeln durch das, was der Mensch tut, wirklich tut. Es wird erzählt von einem Mönch, – es ist wohl zu beachten, sowohl die Mystik der Sufi als die Mystik des Zenbuddhis-
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mus ist eine asketische Mystik, eine Ordensmystik; es gibt nur die Gemeinde, das Zusammenleben der Menschen, die Gemeinde allein, es gibt keine Sonderung zwischen Laien und Mönch, zwischen Mensch nieder und hoch, sondern nur die lebendige Gemeinde und ihre Führer – dies nur nebenbei; ich sagte also, es wird erzählt, es kommt ein Mönch zu einem Oberen und sagt ihm, wir möchten in das Geheimnis der Lehre eingeführt werden. Darauf sagt der Obere, geht jetzt aufs Feld und machet Eure Feldarbeit und wenn Ihr zurückkommet, werde ich Euch eine Predigt über das Geheimnis der Lehre halten. Nun gehen sie aufs Feld und arbeiten und wie sie vom Felde zurückkommen, besteigt er die Kanzel und streckt seine Hände den von der Feldarbeit zurückkommenden entgegen, auf sie zeigend, dann geht er von der Kanzel wieder herunter. Nicht wahr, diese Gebärde war die Predigt, das ist es also, dieser Hinweis, dieser wortlose Hinweis, das was zu tun ist, wirklich zu tun, das ist das, was den Zenbuddhismus mit dem Chassidismus verbindet und zwar bis in das Bild hinein. Etwa, ein Mönch fragt seinen Oberen, wie er in das Innere der Lehre gelangen könne und da sagt ihm der Obere, gehe jetzt und wasche die Speisegefässe und da geht er und tut es und als er zurückkommt, da frägt ihn der Obere, nun hast Du es getan und er sagt ja, darauf sagt der Obere, dann weisst Du es genau. Dasselbe Bild kommt im Chassidismus wieder. Ein Schüler des Rabbi Schmeler bittet ihn, ihm zu sagen, wie er in das Innere der Lehre gelangen könne und er sagt ihm, gehe zu dem und dem, das ist auch ein Schüler von ihm, das ist jetzt ein Herbergswirt und schaue ihm zu. Der Mann geht hin und bleibt ein paar Wochen in der Herberge ohne etwas Besonderes an dem Wirt zu bemerken und schliesslich nach einiger Zeit fragt er diesen Wirt, was es denn sei, was ihm so wichtig sei an seinem Tagewerk und er sagt, besonders wichtig ist mir, dass ich die Gefässe richtig reinige, dass auch kein Schmutz an ihnen haften bleibt. Dann kommt der Schüler zu Rabbi Schmeler zurück und dieser sagt ihm, nun weisst Du, was Du wissen wolltest? Es ist aber das in beiden Bewegungen wiederkehrende Bild nicht etwa als Symbol anzusehen, nicht als Symbol, dass damit die Reinigung als solche gemeint sei, sie ist auch gemeint, außerdem aber die physische Handlung selbst, sie ist mit der vollen Weihe zu tun, das ist etwas Wirkliches, als etwas, in das der Mensch mit seinem wesenhaften Sein eintreten kann und soll, eben das, dass in dem Alltag nichts von der Weihe ausgeschlossen ist, dass jede Handlung als etwas Wirkliches von Menschen Getanes betrachtet werden kann, dass alle Handlungen des Tages jedem zugewiesen sind, eben die Handlungen seines Berufes, seines Bezirkes, seines Hauses zugewiesen als etwas, was er wahrhaft tun soll. Das ist beiden Bewegungen gemeinsam.
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Nun aber die gewaltigen Unterschiede. Dieses Konkrete, wie ich es kennzeichne, ist im Zenbuddhismus etwas rein dialektisches, d. h. jenem logischen Auseinander von Satz und Gegensatz tritt hier gegenüber das Erfassen des Konkreten als eine doch nun wieder dialektische Gebärde. Es ist das Übergegensätzliche, das was dem Gesetz der Logik enthoben wird, das Ergreifen der Wirklichkeit, aber im Chassidismus ist dieses Konkrete nicht dialektisch aufzufassen, sondern, wie ich noch zeigen werde, es ist ein Konkretes, nicht um die Wirklichkeit im Gegensatz zu irgend welcher Logik zu ergreifen, sondern um die Seele der Dinge zu erlösen, indem man was man zu tun hat, wirklich tut; die göttlichen Funken zu erlösen, das bedeutet das Ergreifen des Konkreten durch das wahrhafte Tun. Sie sehen, dass bei der scheinbaren Gottesanerkennung gerade, wenn wir das Wesen, die Intention, das was gemeint ist, suchen, der Unterschied und die Eigentümlichkeit sich zeigt. So steht es mit der vergleichenden Betrachtung. Ein Drittes ist die genetische Betrachtung, d. h. dass man untersucht, wie diese Bewegung entstanden ist, aus welchem Fluss sie entstanden ist und wie es mir scheint, können wir in der Tat uns ihrer Eigentümlichkeit auf diesem Wege näherbringen, wenn wir die Meinung aufgeben, dass wir von irgend welchem fremden ausserjüdischen Einfluss etwas finden. Wenn wir die Zeit der Entstehung des Chassidismus, etwa seiner Entwicklung aus der späteren Kabbala, mit der er einen starken Zusammenhang hat, betrachten, so können wir nirgends einen fremden, einen ausserjüdischen Einfluss feststellen, der diese Entwicklung herbeigeführt hat. Wie aus jener Kabbala, die im wesentlichen ein esoterisches, ein geheimes Wissen des Menschen bedeutet, diese Lebenshaltung geworden ist, wie aus jener Abgehobenheit des Menschen, der das geheime Wissen besitzt, zu dem man aufschaut, diese Gemeinschaft, die in Freude, in Brüderschaft miteinander lebt, entstanden ist, das ist durch keinen fremden Einfluss zu erklären, es ist vielmehr nur durch die Erkenntnis der inneren jüdischen Entwicklung zu erfahren, wie der Chassidismus entstanden ist im Judentum und auch in der Geschichte der Religion überhaupt. Wenn wir uns deutlich machen wollen zunächst, was er in seinem Organisationsmässigen im Judentum bedeutet, so können wir dies am besten anhand eines Gegenbeispiels. Machen wir uns klar, wie es etwa mit der Entstehung des Christentums gewesen ist. Das Christentum, das was man später Christentum nannte, diese Gemeinschaft, die sich um den Menschen Jesus und dann um die lebendige Erinnerung an ihn schaarte, war eine Gemeinschaft, die durchaus dem Judentum angehörte und nicht bloß organisatorisch, sondern auch im Verhältnis zum Gesetz. Wenn Sie die jerusalemische Gemeinde, die Gemeinde des Petrus und
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Jacob betrachten, so finden Sie, dass es eine durchaus jüdische Gemeinde war, in der das vom Judentum Scheidende das Verhältnis zu diesem einen, von der allgemeinen jüdischen Gemeinschaft in seinem besonderen Anspruch getrennten Menschen war. Eine Änderung trat erst ein durch das Hinzukommen eines neuen Elements, des Paulus. Paulus, dem es um eine wirklich »katholische« Gemeinschaft zu tun ist, dem es darum zu tun ist, hier Juden und Nichtjuden so zusammenzubringen, dass den Nichtjuden nicht etwas auferlegt wird, was ihrem Wesen widerstrebt, also der eine tiefe elementare geistige Tendenz dem Heiden gegenüber hat, für den geschieht, mit einer Notwendigkeit, die er nur dann in seinen Äusserungen verklärt, die Aufhebung des Gesetzes, als der Grundlage dieser Gemeinde und damit, erst damit wird die Schranke durchbrochen, erst damit gibt es eine Spaltung innerhalb des Judentums und bald nicht mehr nur innerhalb, sondern bald bricht es heraus und schafft sich seine eigene Welt. Sie sehen, es ist ein bestimmter Punkt, ein bestimmter Moment hier personenhaft deutlich, der die Ablösung bedeutet. Der Chassidismus unterscheidet sich von dieser Entwicklung dadurch, dass dieses Moment nicht geschieht. Der Chassidismus ist dem urchristlichen Denken darin ähnlich, dass auch er nichts neues geben will, nichts neues gibt, das tut wahrhafte Religiosität nie. Es gibt keine Religionsstifter, auch nicht die für unsere Augen alleroriginalsten Religionsstifter, hatten eine neue Religion stiften wollen, sondern jeder dieser Menschen will das, wie ihm scheint, abgeartete, alte erneuern, will den verblassten Urglanz wieder herstellen, will die Urforderung in ihrer Erneuerung neu verkünden, immer das alte erneuern. Ich meine, das ist gemeinsam beiden Bewegungen, nur dass der Chassidismus entschlossen und zwar mit vollstem Wissen dessen, was er tut, unbedingt mit dem ganzen Leben und unverbrüchlicher Wahrung des Gesetzes im Judentum bleiben will und bleibt, weil es ihm darauf ankommt, das Vorhandene ganz lebendig zu machen, also das Gesetz schlechthin zu akzeptieren, wie es ist, nur das menschliche Verhältnis zum Gesetz, nicht zu allem anderen, zu reinigen und zu erneuern; dieses Verhältnis zum Wiederaufbau ist in dem Chassidismus so stark, dass hierdurch seine Geschichte, seine Zusammenhänge mit dem Judentum bedingt wurden. Nun wie ist der Chassidismus entstanden? Ich sagte schon, wir müssen dann, wenn wir danach fragen, zunächst fragen, was war das mit der Kabbala? Ich will nicht auf ihre Einzelheiten, sondern auf ihr Wesen eingehen. Die Kabbala unterscheidet sich von dem Chassidismus dadurch, dass sie Gnosis ist, das ist etwas, was es seinerzeit in der Zeit der Entstehung des Christentums bis nach Ägypten gegeben hat, Gnosis ist etwas, was es in allen Zeiten gegeben hat, nämlich der Glaube an ein Geheimes, also nicht allen zugängliches,
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also einer besonderen Minderheit vorbehaltenes Wissen und zwar ein richtiges Wissen um Gott und die Welt, ein Wissen, das aber nicht erworben wird durch Erfahrung und Erkenntnis, sondern durch unmittelbare Erleuchtung und weiter ein Wissen, dass alles Wissen erlösend ist, dass alles Wissen den Menschen in die Erlösungssphäre einfügt und nun weiter ist dieser allgemeinen Gnosis eigentümlich, dass sie bestimmte Handlungen aussondert, bestimmte menschliche Handlungen. Freilich gibt es dies auch in manchen anderen gnostischen Richtungen, dass der Mensch auf die Erlösung der Welt unmittelbaren Einfluss nehmen kann. Der Mensch – das ist ein jüdischer Urglaube – der Mensch hat einen Anteil an der Erlösung der Welt, die Kabbala lehrt nun aber, dass dieser Anteil an bestimmten, in der Geheimlehre überlieferten Handlungen festgelegt sei, etwa z. B. in bestimmten Arten, den Gottesnamen auszusprechen oder seine Buchstaben miteinander zu verknüpfen oder andere Worte nach den Vokalen des Gottesnamens auszusprechen oder allerlei andere Handlungen, die von magischer Überlieferung anderer Völker, nach Art und Inhalt verschieden sind. Mit dem Glauben an die unmittelbare Einwirkung durch bestimmte, lehrbare Gebärden und Äusserungen des Menschen, mit dieser Auffassung, dass es ein Wissen um solche Handlungen gebe, hat der Chassidismus gebrochen, d. h. was der Chassidismus von der Kabbala übernimmt, in seinen Lehren etwa in Bezug auf das Verhältnis Gottes zur Welt, auf die Schilderung der Welt, auf das Verhältnis von Gut und Böse, auf die Bedeutung des Menschen im Hinblick auf die Entwicklung und so fort, was der Chassidismus an solchen kabbalistischen Lehren übernommen hat, das hat er in die Negation der eigentlichen Tendenz hineingearbeitet; mit anderen Worten, der Chassidismus bedeutet eine Überwindung der Kabbala mit ihren eigenen Mitteln, er arbeitete alle diese Lehren der Kabbala in sein System hinein, das in seinen Grundabsichten die Kabbala aufhebt. Der Chassidismus bedeutet der Kabbala gegenüber den Weg von einem was nicht das und das ist, zu tun, sondern das was getan wird, ist in der Intention des Göttlichen, in der Intention auf die Erlösung hin zu tun. Alles was getan wird, und nichts ist ausgenommen in dem Alltag, alles gehört zum menschlichen Anteil. Also dieser Weg vom Was zum Nichts, vom Wissen zur Lebenshaltung, von einer allgemeinen Geheimlehre zum unaussprechlichen Geheimnis der Person, das, wie wir sagen, vom Meister zum Schüler geht, also letztlich doch der Weg von aussen nach innen. Somit wäre, richtig betrachtet, der Chassidismus nicht eine Fortsetzung, sondern eine Überwindung der Kabbala; ich sagte, mit welchen Mitteln, er ist vielmehr noch, wenn wir nach einer Anknüpfung innerhalb des Judentums suchen, eine Verknüpfung nicht an das kabbalistische, sondern an das ursprüngliche, von der
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Kabbala nach mancher Hinsicht verdunkelte Judentum. Dies wie mir scheint Wichtigste, möchte ich noch deutlicher ausdrücken. Man spricht oft davon, dies oder jenes sei die zentrale jüdische Lehre, das Wesentliche, was Israel der Welt gebracht hat und man spricht da wohl, wenn wir es zusammenfassen wollen, vom Monotheismus und andererseits vom Messianismus. Das sind die beiden Grund-Begriffe, in denen man es zusammenfasst, was die besondere Gabe Israels ist. Ich glaube, dass diese beiden Begriffe in dieser Allgemeinheit, wie sie vorgetragen werden, nicht geeignet sind, das eigentlich Jüdische deutlich zu machen. Monotheismus ist etwas, was keineswegs dem Judentum eigentümlich ist, sondern in allen Völkern, in grossen Zeiten durch grosse Personen entfaltet worden ist, im Griechentum sogut wie im Indertum und es kommt nur darauf an, dass man in den Völkern diese besonderen Phasen, diese besonderen Entwicklungen deutlich sehen kann, keineswegs ist es aber ein Spezifikum des Judentums und nicht einmal etwas, was im Judentum etwa eine besondere Ausgestaltung gefunden hat. Reinen Monotheismus gab es im Griechentum und unter allen Völkern. Das Besondere war der besondere Charakter des Verhaltens zu diesem Einen. Nicht die Lehre, dass es einen Gott gebe, sondern das unmittelbare Verhältnis zu diesem Gott, als einem, der einen anredet und dem man antwortet, nicht die Einzigartigkeit Gottes, sondern die Anredbarkeit und das Anreden Gottes ist das, was im Judentum eine wesenhafte Ausdehnung wie nirgendswo gefunden hat. Dieses lebendige Verhältnis zu Gott, dass man in einer Gegenseitigkeit, in einer wirklichen Gegenseitigkeit des Ich und Du zu ihm steht, dass man von dort aus angesprochen wird und so angesprochen, dass man hintreten und antworten soll, dieses Immerwieder Sprechen Gottes, wie es in der Bibel auftritt, dieses Fordern des Sprechens, das ist es, was nirgendswo anders so lebendig hervortritt. Aber verstehen wir es richtig, mit Sprechen ist nicht gemeint, bloß das, was worthaft Gestalt gewinnt, sondern das, was dieser Mitteilung zugrunde liegt. Dass im personenhaften Leben wie im Leben der Völker, der Gemeinschaften, das was einem widerfährt, einem zugesprochen ist, von Gott zugesprochen dazu, dass der Mensch nun antworte: ja, wie auch nicht durch Worte, sondern durch das wirkliche »Hineni« = da bin ich, durch die Tat des Lebens, durch das Tun seines Lebens Tag für Tag dieses überworthafte Angesprochenwerden durch das, was einem geschieht. Dieses überworthafte Antworten durch das, was einer tut, das ist das wahrhafte Gespräch im Leben der Menschen, im Leben der Völker, das wahrhafte Gespräch zwischen Gott und seinen Menschen und dieser Glauben an das Leben, das ist, wie mir scheint, das Innerste des jüdischen Gottesglaubens.
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Damit wird auch die theologische Frage völlig hinfällig, ob Israel eine personenhafte oder nicht personenhafte Gotteslehre hat oder darüber hinaus, ob Gott Person oder nicht Person sei. Wenn die Frage aus der theologischen Sphäre herausgehoben wird in die Sphäre, in der wir hier miteinander reden, in die Sphäre der Wirklichkeit, dann erweist es sich, dass es sinnlos ist, von Gott zu sagen, er sei nicht Person, oder auch von Gott zu sagen, er sei Person. Der Glaube Israels, von dem ich glaube, dass er wahrhaft ist, der Glaube Israels bedeutet, dass Gott auch Person ist: indem er sich seiner Menschheit offenbarte, indem er seine Menschheit, seine Menschen im Leben der Geschichte und im persönlichen Leben anredet, ist er Person. Sein Personsein ist seine Manifestation, sein Ansprechen ist seine Person. Und es verhält sich auch so, dass wir durch den Begriff Messianismus leicht abgeführt werden. Die Wirklichkeit, um die es hier geht, ist der Glaube, dass Gott seine Schöpfung, die Welt, um die es hier geht, als seine Schöpfung angelegt hat, und das die Welt durch die Schöpfung angelegt ist als das Reich Gottes, dass die Schöpfung angelegt ist, sich zu vollenden zum Reiche Gottes und dass die Vollendung der Schöpfung nach Gottes Willen, nach dem Sinne der Schöpfung sich vollzieht unter Anteil des Menschen. Dass der Mensch an diesem Reich Gottes, an dieser Vollendung der Schöpfung einen bestimmten, freilich nicht abmessbaren, nicht aufzeichenbaren, aber im Leben der Menschenperson unmittelbar deutlich werdenden, an den Entscheidungen der menschlichen Person deutlich werdenden Anteil hat, dass Gott diesen Menschen zu seinem Werke braucht, weil er ihn zu seinem Werke brauchen will. Man kann die ganze innere Geschichte Israels in ihrer inneren Wahrheit nur verstehen, wenn man versteht, dass auf dieses hin, auf dass die Schöpfung Gottes Reich werde, eine Gemeinschaft von Menschen lehren wollte, dass eine Gemeinschaft von Menschen in dem Augenblick, wo sie an dem grossen Faktum der Befreiung aus der Knechtschaft zugleich zum Volke wurde und eine Verfassung bekam, zugleich in dem Augenblick am Ende des Gesanges, der diesen Moment verklärte und verherrlichte, Gott zum König der Welt und zum König in der Welt, besonders diesem einen Volke proklamierte; am Schluss des Gesanges nach dem Gang durch das Schilfmeer: König bleibt er alle Ewigkeit. Ich sage, von da aus gingen alle Versuche, diese schwere Problematik, wie sie sich im Buche der Richter dokumentiert, die immer wieder von den Propheten zu einer reinen Theokratie gerufen wurden, zurückzurufen bis in die Ausgestaltung des ersten exilischen und nachexilischen Messianismus hinein, über die Priesterherrschaft zwischen dem ersten und zweiten Exil, auch eine neue Form, die Theokratie zu realisieren und dann über die grossen messianischen Bewegungen des Galuth bis in die innerste
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Problematik der Zeit hinein, in der wir leben. Dieser merkwürdige Kampf des Chassidismus in dieser Zeit, in der wir leben, nein ich sage, die ganze Innerlichkeit dieser Geschichte, kann erfasst werden, wenn man als Führer diese Gemeinschaft, wenn auch immer versagend, wenn auch immer wieder dem Wort gegenüber versagend sieht; auch in dieser Diaspora ist sie berufen, den Kern des werdenden Reiches abzugeben, nicht Kraft ihrer Geistesgaben, oder um anderer Vorzüge willen, sondern Kraft des Lebens im Bunde mit Gott, des Lebens um des Bundes mit Gottes Willen, d. h. dass das Versagen immer wieder als Versuch selbst erfahren, dass das Versuchen immer wieder erfahren wird als das, was es ist und dass immer wieder Menschen auftreten – das sind die prophetischen Menschen –, die das Versagen als Versagen entdecken, aufdecken und brandmarken. Diese Situation, diese immer wiederkehrende und doch einen Weg durch die Geschichte ziehende Betrachtung im Positiven und Negativen ist es, die das eigentliche Wesen dieses sogenannten Messianismus erst wirklich ausmacht. Und um die Bedeutung des Chassidismus diesem gegenüber anzudeuten: Der Chassidismus knüpft an den urjüdischen Glauben, das urjüdische Wesen, an, er tut dies, indem er in seine Lebenshaltung jene beiden Elemente, jenen Glauben an die Gegenseitigkeit, an jenen Gesprächscharakter des Lebens mit Gott verschmilzt, mit diesem Glauben an den Anteil des Menschen an der Erlösung; ich meine verschmilzt so eng, so stark, so in jedem Punkte des Lebens sich dokumentiert, wie es zuvor nie im Judentum verschmolzen war und sein konnte, sodass beide, der sogenannte Monotheismus und Messianismus in ihrer Wirklichkeit erscheinen und dies tut der Chassidismus nun freilich unter Heranziehung einer kabbalistischen Lehre, aber einer Lehre, die schon in der talmudistischen und der haggadischen Welt auftritt und von der Kabbala nur ausgestaltet wird, das ist die Lehre von dem Funken des Göttlichen, die von einer Urschöpfung her, von einem ersten, allerersten Versagen der Schöpfung her in alle Dinge gefallen sind, denn, wenn ich von Versagen Israels spreche, so meint die Lehre es so, dass dieses Versagen nur ein Bild und eine Konzentriertheit eines Urversagens der Welt und der Menschheit ist. In diesem je und je wiederkehrenden Versagen der Geschichte Israels dokumentiert sich dieses Urversagen der Welt und der Menschheit, das von der Kabbala noch hinter die Entstehung der Menschheit gesetzt wird, also nicht bloß in die Sünde der ersten Menschen hinein, sondern in eine Ursünde der Schöpfungszeit selbst hinein, durch die Kabbala als das »Zerbrechen der Gefässe« bezeichnet. Sie versteht es so, dass die Schöpfung dem Strom, dem Überstrom der göttlichen schöpferischen Gnade nicht standhielt, wodurch die Urgefässe zer-
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brachen und in diesen Zeitpunkt fallen die Funken der göttlichen Kraft, in die Schöpfung, in die Dinge, in das Exil und nun setzt hier zwar schon die Kabbala ein, das ist der Sinn des Menschenlebens, diesen Funken zu erlösen, die Erlösung dieses Funkens ist der Anteil des Menschen an der Erlösung der Welt, der unabmessbare Sieg im Personenhaften des Lebens. Nun aber lehrt die Kabbala, dass die Handlung, durch die dieses Erlösen geschehen kann, aufzeichenbar wäre, es sind die sogenannten Kawwanoth, die aufgeschrieben werden können, die gelehrt werden können, also besondere Haltungen, bestimmte Sprüche und so fort, aber der Chassidismus lehnt ein solches Lehren von bestimmten Haltungen und Äusserungen ab. Ich sage es noch einmal, das ist das Wesentliche, dass wir dies in seiner ganzen Weite und Fülle in den Alltag hereinnehmen, aber wie kann dies geschehen? Noch einmal stehen wir, nun zum letzten Male, vor der Frage nach der Entstehung und da antwortet uns, wie es immer auf solche Fragen geschieht, wenn wir ganz rechtschaffen, richtig fragen, ein historisches Wort. Ich sagte schon, dass in der Phase der Diaspora eine neue Phase des Messianismus eingesetzt hatte, es ist die Phase, die wir bezeichnen als Automessianismus. Sie besteht darin, dass immer wieder Menschen sich erheben, die glauben, dass sie, und zwar nicht in jener Weise, wie es allen Menschen zugeteilt ist, sondern in einer besonderen Weise, mit messianischer Kraft ausgestattet sind. Auch dies genügt noch nicht, denn es gehört zu dem Glauben, dass jeder dieser Menschen individuell glaubt, er, er sei der Messias, also der Mensch, der das Reich unmittelbar zu begründen, im Namen Gottes zu begründen hat und dass nun eine kleinere oder grössere Schaar sich ihm anschliesst, diese automessianische Phase des jüdischen Messianismus beginnt mit der Erscheinung Jesu und endet mit der Erschaffung Sabbatai Zwis im 17. Jahrhundert. Wie gross, wie gewaltig das Erscheinen Jesu für die Völkerweltbedeutung ist, vom Judentum aus gesehen ist er nur der erste, wie mir scheint, der grösste, aber doch nur der erste in der Reihe dieser Männer, die in solcher Weise an sich glauben und den Glauben an sich ausführen in jenem bestimmten Sinne: Ich bin der Weg. Ich kann hier nicht darauf eingehen, dass das gerade im Leben dieser Ersten eine Wandlung besonderer Art bedeutet. Auch dadurch bekommt dieses Leben den Charakter der Erstheit, aber es gibt eine solche Wandlung, eine solche Katastrophe dieser einzelnen Menschen, die mit jener Ära des Judentums beginnt und am anderen Ende, nachdem die Reihe sich ausgeschwungen hat, haben wir jene umgekehrte Katastrophe bei Sabbatai Zwi bei dem der Glaube an den eigenen Messianismus zur subjektiven Wahrheit, zum wirklichen Glauben, aber zu keiner Lüge wird, während zu Anfang, während Jesus aus der
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Verborgenheit heraus auftauchte, nun die nach der Verkündigung jenes namenlosen Propheten, den man gewöhnlich mit dem Namen Pseudo Jesaja bezeichnet, den messianischen Menschen – so ist der Glaube gewesen und so ist es, dass Geschlecht um Geschlecht – immer wieder die Menschen auftauchen, die messianische Kraft haben, die aber in die Verborgenheit versenkt bleiben. Das sind die Menschen, von denen jener Prophet sagt, dass Gott sie zu Pfeilen zugespitzt und dann in seinen Köcher gesteckt habe, also nicht bloß eine Verborgenheit der Welt gegenüber, sondern bis in das Verhältnis des Menschen zu sich selbst hinein, auch da noch kein messianisches Selbstbewusstsein und eben dadurch messianische Kraft besitzen. Mit dem Hervortreten aus dieser Verborgenheit, dem erstmaligen Hervortreten eines Menschen aus der Verborgenheit, beginnt die Ära, das Hinabtauchen eines Menschen, aus diesem lediglich offenbart durch den Glauben, den sie offenbaren in der Lüge, in der Simulation, wie es bei Sabbatai Zwi der Fall war. Das ist das letzte der Katastrophe und nur noch eine Ausformung dieser Art ist es, wenn Zwi zum Islam übergetreten ist. Bedenken Sie, dass damals am Anfang die Juden nicht mitgegangen sind und dass hier am Ende die Mehrzahl der Judenheit mitgegangen ist, obwohl ihr nichts geringeres zugemutet wurde von ersterem als von letzterem, während hier eine ungeheure Bewegung die ganze Judenheit dieser Zeit aufgerüttelt hat, bedeutet diese die Katastrophe dieser Phase des jüdischen Messianismus überhaupt. Nach dieser Zeit gibt es keine Menschen mehr, die in Ehrlichkeit, in subjektiver Wahrhaftigkeit dies glauben, was diese Menschen geglaubt haben, eine Erscheinung wie Jacob Frank steht schon mitten in der Lüge und Täuschung und diese Katastrophe ist die eigentliche Auslösung der chassidischen Lehre, jener Glaube an die uns bevorstehende einmalige Erlösung durch diesen bestimmten Menschen, die nur durch diese Menschen herbeigeführt werden kann und die unterstützt wird durch bestimmte kabbalistische Formeln und Gebärden der anderen. Dieses Allmächtigwerden des Erlösungsglaubens und diese Zuspitzung des Erlösungsglaubens auf bestimmte lehrbare Handlungen, erfährt nun seine Katastrophe, der Chassidismus zeigt von dieser Katastrophe auf sie hin, die Allmächtigkeit der Erlösung, auf eine Vollendung der Schöpfung, auf ein Dereinst, auf eine künftige Vollkommenheit, aber doch so, dass Geschlecht auf Geschlecht und Person auf Person wahrhaft daran wirkt, das Jetzt und Hier, das Eschatologische, – nicht als ob jetzt schon das andere, die Zeit kommen sollte –, sondern so, wie es ist, wird unmittelbarer Träger der Welterlösung. Es wird die Legende erzählt, dass der Baalschem versucht worden wäre, – Sie wissen in der Legende der meisten grossen religiösen Menschen
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[Über den Chassidismus]
gibt es eine Versuchungsgeschichte –, aber es ist bedeutungsvoll, in welchem Moment des Menschenlebens die Versuchung kommt. Bei Baalschem ist die Geschichte so: Im Traum erscheint ihm Sabbatai Zwi, der tote Sabbatai Zwi, und bittet ihn, ihn aus der Finsternis seiner Seele, aus der Finsternis, in die seine Seele gebannt ist, zu erlösen und nun beginnt dies der Baalschem in der Art, wie so etwas zu geschehen hat, indem man Seele an Seele, Geist an Geist schmiegt, also die eigene Seele an die Seele des Toten unmittelbar schmiegt und ihr zu helfen sucht, aber er tut es behutsam, weil er befürchtet, dass das Böse überspringen möchte und nun kommt Sabbatai Zwi wieder zu ihm in Traum und will ihn verführen, es steht nicht da, was er tut, aber es ist deutlich, um was es geht. Die Verführung des Sabbatai Zwi ist die Einflüsterung des Automessianismus. Der Baalschem widersteht der Versuchung und Sabbatai Zwi stürzt sich hinab. In dieser Legende tritt es deutlich hervor, was ich meine. Dieser neue Mensch, der chassidische Mensch widerspricht der automessianischen Wirkung, widerspricht dem Versuch, sich für einen zu halten, der der Träger des Zeitenendes sei, sondern der chassidische Mensch macht Ernst damit darzutun, wo er stehe, in diesem Jetzt und diesem Hier, in der besonderen Bedingtheit, unter den besonderen Bedingungen dieses Jetzt und Hier sei zu wirken, unmittelbar zu wirken, so wie es mit dem Menschen gemeint ist, an der Erlösung, an der Vollendung, nicht durch bestimmte Handlungen, sondern durch die Weihe des ganzen Alltags. Es wird erzählt, nach dem Tode eines der grössten Zaddikim in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, der zugleich einer der Ersten der Zeit war, nach seinem Tode wurde einer seiner Schüler gefragt, was war doch für Euren Rabbi das Wichtigste – damit ist gemeint, welchen Weg er als den besonderen Weg des Menschen, welchen Weg hatte der tote Rabbi erwählt, was war für Euren Rabbi das Wichtigste? – darauf antwortete der Schüler: Womit er sich eben abgab. Das ist der Sinn des Chassidismus!
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Ein einzigartiges Ereignis der Weltgeschichte ist die Erscheinung, die uns in der Geschichte Israels offenbar wird: jede historische Erfahrung des Volkes kreist um das schicksalshafte Problem von Exil und Erlösung. Aus dem gemeinsamen Erlebnis von Exil und Erlösung wird das Volk geboren. In Erinnerung an dieses historische Ereignis, von dem die geistigen Führer nicht müde wurden zu erklären, dass es eine göttliche Tat für das Volk und der Bundesschluss des Volkes mit Gott war, entsteht die enge und lebendige Verbindung zwischen Vergangenheit und Zukunft, die kein anderes Volk kennt. In der Zeit zwischen dem Exil der zehn Stämme und dem babylonischen Exil entwickelt sich im Kreis der Propheten die Auffassung von der Bedeutung von Exil und Erlösung, der zufolge die Erlösung der Menschheit und ihre Erhebung zu einem göttlichen Reich mit der Erlösung Israels und seiner Erhebung zu einem Zentrum eben dieses Reichs verbunden ist. Mit der Rückkehr aus dem babylonischen Exil beginnt ein geistiger Prozess, in dem im Bereich des jüdischen Glaubens Ideen kosmischer und individueller Erlösung von den orientalischen Völkern (insbesondere Persiens), aber auch aus Griechenland eindringen, ohne dass sie mit der tradierten Auffassung verschmelzen. Das geschieht erst nach der Zerstörung des Zweiten Tempels, und es ist besonders die Kabbala, die die fremden Elemente (zusammen mit der gnostischen Idee der Erlösung der Gottheit selber) mit dem Glauben Israels zu einem System vereinheitlicht, dessen Herz die Erlösung Israels ist. Aber die Lehre, die aus dieser Verschmelzung entsteht, ist eine »geheime Lehre«, die ihrem Wesen nach in historischer Zeit nur im Besitz Weniger (»die die esoterische Weisheit kennen«) sein kann, und sie ist somit nicht imstande, in das Glaubensleben des Vo l k e s einzudringen. Erst im Chassidismus wird die Lehre von der Erlösung in der Seele des einfachen Menschen mächtig. Und zwar nicht nur, weil die Lehre in der Sprache des einfachen Volks ausgedrückt wird, sondern weil jedem einzelnen Juden ein aktiver Anteil an der Erlösung der Welt zuerkannt wird. Vier verschiedene Arten des Exils und der Erlösung treffen im Chassidismus zusammen. 1) Das Exil der heiligen Funken und deren Erlösung, die Funken, die in die »Schalen« beim »Zerbrechen der Gefäße«, fielen, d. h. zur Zeit der Katastrophe vor der Erschaffung unserer Welt; 2) das Exil des Einzelnen und seine Erlösung, d. h. seine Seelenwanderungen und seine Erhöhung auf immer höhere Stufen; 3) das Exil der Nation
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und ihre Erlösung; 4) das Exil der Schechina und ihre Erlösung. Diese vier Arten sind in einer besonderen Form miteinander verknüpft, d. h. besondere Beziehungen bestehen zwischen dem Exil und der Erlösung des Volkes und den anderen Formen. So gibt es die Anschauung, dass in gewisser Hinsicht der Sinn des Exils des Volkes darin liegt, dass das jüdische Volk die Aufgabe erfüllen kann, die in der Weite der Welt verstreuten Funken emporzuheben, einer anderen Anschauung nach ist das Emporheben der Einzelseelen Vorbedingung für die Erlösung Israels. Die Verbindung zwischen der nationalen Erlösung und den anderen Arten der Erlösung ist mitunter so stark, dass die Erlösung der Schechina nicht nur als Parallele zur Erlösung aufgefasst wird, sondern dass man dieselben Bilder und Ausdrücke verwendet, um die Erlösung, sei es der Schechina, sei es der Gemeinschaft Israels zu beschreiben. Das Exil des jüdischen Volks ist unlösbar mit dem Exil der Welt verbunden, und die Erlösung des Volkes mit der des Einzelnen. Das Exil des Volkes und seine Erlösung sind nicht aus sich selbst heraus verständlich, sondern stehen in Beziehung zum Schicksal der Welt und dem Schicksal der Seele. Das Exil Israels ist nicht nur eine nationalhistorische Tatsache, seine Umstände rühren an die tiefsten Ursachen von Gottes Leiden, die ihm von seiner eigenen Schöpfung zugefügt wurde. Die Erlösung Israels ist kein isoliertes Ziel, das um seiner selbst willen angestrebt werden soll, sondern sie hängt an der Heilung des existenziellen Makels, der bis in die feinsten Wurzeln der Schöpfung eingedrungen ist. Das nationale Element ist zentral in der Lehre des Chassidismus, aber dieses Element existiert nicht ohne die anderen Elemente, deren Zentrum es ist; im Gegenteil: es existiert nur, weil es ihr Zentrum ist und soweit es ihr Zentrum ist. Von daher kann man verstehen, warum der Chassidismus so wirkte, wie er gewirkt hat und warum gerade in dieser Form. Der mit ihm verbundene Erlösungsglaube war so stark, dass der Chassidismus zu einer der großen Erlösungsreligionen hätte werden können, aber das nationale Element verhinderte das. Der Chassidismus konnte nicht zum geistigen Eigentum der ganzen Welt werden, weil er nicht die Erlösung der Welt zum Hauptprinzip und die Erlösung Israels zu einem winzigen Teil davon machen konnte. Er konnte nicht zum Allgemeingut werden, weil er die Erlösung der Seele nicht von der Erlösung des Volkes abzutrennen vermochte. Was das Christentum tat, als es sich vom Judentum trennte: auf die Heiligkeit des Vo l k e s und auf den absoluten Wert dieser Aufgabe zu verzichten, das konnte der Chassidismus nicht leisten, weil in seinen Augen zwischen der Welt und dem Einzelnen eine Zwischeninstanz existiert, die nicht übersehen werden darf, das Volk. Das Reich Gottes ist im Verständnis des Christentums die Verwirklichung der
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Herrschaft des Himmels über die erlösten Seelen in der Welt, während es keine Beziehung zwischen dem Volk als Volk und Gott gibt; deswegen traten nur Einzelpersonen zum Christentum über, während die Völker als Völker Heiden blieben, und solange es Völker gibt, wird die Welt nicht christlich. Im Gegensatz dazu blieb die Herrschaft des Ewigen in den Augen des Chassidismus das, was sie von Urzeiten her im Judentum gewesen war, eine Lehre, der der Chassidismus aus freien Stücken und gezwungenermaßen treu blieb, nämlich, dass es zur Verwirklichung des Reichs Gottes über die Menschheit als einem Volk von Völkern, einem Volk zusammengesetzt aus Völkern nur dann komme, wenn das eine Volk, das dazu bestimmt ist, damit a n f i n g e , den Willen Gottes zur Erlösung der Welt in seiner eigenen Existenz, in der Existenz Israels, zu verwirklichen. Natürlich bedeutet dies auf keinen Fall eine Schwächung der nationalen Existenz und schon gar nicht ihre Negierung, sondern im Gegenteil deren sich auf das Wesentliche beschränkende Konzentration. Demgemäß verkündet der Chassidismus mit so großer Begeisterung, dass Israel, das Herz der Menschheit, und Eretz Israel, das Herz der Welt, einander benötigen, und ohne ihre Vereinigung die Erlösung nicht kommen kann. Ich beabsichtige jetzt zu zeigen, wie sehr sich im Chassidismus, gemäß der Ordnung der vier Arten von Exil und Erlösung, das nationale Element und das kosmische Element, das nationale Element und das persönliche Element, das nationale Element und das religiöse Element miteinander vermischen, bis eine wirkliche Einheit entsteht. Dies will ich mit Abschnitten aus der chassidischen Literatur illustrieren. Die Verbindung zwischen dem nationalen und dem kosmischen Element kann man in folgendem Satz zusammenfassen: Das Exil Israels ist verknüpft mit dem Exil der heiligen Funken, die sich in allen Dingen finden lassen, und seine Erlösung ist mit deren Erlösung verknüpft. »Der wichtigste Zweck des Exils«, sagt Rabbi Nachman von Bratzlaw, der Urenkel des Baalschem und Gründer des Chassidismus, »ist es, die Verstoßenen zu sammeln, die in die Tiefen der Schalen (hebr.: klipot) verstoßen wurden, wie es heißt: ›Israel wurde verbannt, um Proselyten zu gewinnen.‹ Und wirklich, es ist schwer zu verstehen, was es mit dem Exil auf sich hat, das verhängt wurde, weil Israel in seinem Land sündigte und es in die Verbannung weg von dem Land geführt wurde, damit es dort sich bessere und zum Herrn, gelobt sei sein Name, umkehre. Und das Problem ist sehr schwer: wenn schon an dem Ort unseres Lebens und unserer Heiligkeit, nämlich in Eretz Israel, der Böse Trieb uns überwand und uns sündigen ließ, wie kann es Hoffnung geben, dass wir außerhalb des Landes in unreiner Luft, gerade dort, uns bessern und zum Herrn, ge-
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lobt sei sein Name, umkehren. Aber die Wahrheit ist … das sind die Abstiege und das Fallen, die über jeden von Israel kommen, jedem nach seiner Art und seinem Rang, bis zu denen, die in den Abgrund – Gott behüte – fallen. Denn der Herr, gelobt sei sein Name, denkt Gedanken, und keiner ist von ihm wirklich verstoßen. Denn manchmal, gerade wenn ein Mensch zu einem niedrigen und weit von seiner Heiligkeit entfernten Ort kommt, gerade dort gelangt er zu einer großen Erwekkung zum Herrn, gelobt sei sein Name, und dafür gibt es viele Gründe und Variationen.« Der Baalschem selbst sagt: »Was die Erlösung der heiligen Funken angeht, die zur Zeit, in der der Herr, gelobt sei sein Name, die Welten baute und niederriss, hinabfielen, der Mensch muss sie heben und von der Stummheit zu lebenden, sprechenden Wesen machen, den heiligen Funken, der in der Schale ist, erlösen. Und das ist der Zweck des Dienstes des Menschen von Israel, sei es Tora, Gebot oder die Kawwana beim Essen … und es ist bekannt, dass jeder Funke, der in der unbelebten oder belebten Natur usw. enthalten ist, eine vollkommene Gestalt mit 248 Gliedern und 365 Sehnen hat, aber das Lebendige ist dort in einem Gefängnis und kann seine Hände und Füße nicht ausstrecken … denn sein Kopf liegt auf seinen Knien. Und wer mit seinem guten Gedanken den heiligen Funken heben kann, das Pflanzliche zum Menschlichen zu machen, er führt es hinaus in die Freiheit, und es gibt keine Gefangenenbefreiung, die größer ist.« Und weiter: »Es ist ein großes Prinzip, dass bei allem, was ein Mensch trägt oder isst oder als Werkzeug nutzt, er dessen Lebendigkeit genießt, und darin sind lebendige Funken, die seiner Seelenwurzel zugehören, so dass wenn er das Werkzeug oder das Essen nutzt, sogar wenn er nur seine körperlichen Bedürfnisse befriedigt, er Heilung den Funken gibt.« Und weiter: »Deswegen sollte man Erbarmen mit seinen Werkzeugen und allen Dingen, die einem gehören, haben«, das heißt man sollte mit jeder Sache in Heiligkeit umgehen, und der große Schüler des Baalschem, Rabbi Dov Bär, der Maggid von Mesritsch, erklärt weiter: »Sogar mit dem Essen und Trinken, das in Reinheit und Heiligkeit geschieht, kann man die Zeit bis zur Erlösung verkürzen, denn mittels der Kawannot des Essens kann man das Wertvolle aus dem Wertlosen, herausholen, so dass die Sitra achra aus den heiligen Funken, denen sie anhaftete, entfernt wird.« Das Schicksal und die Aufgabe des Volkes hängen also voneinander ab, und jeder Angehöriger des Volkes hat Anteil an dessen Aufgabe, wie er an dessen Schicksal Anteil hat. Und ebenso wie die Funken im Exil sind, so sind es auch die Seelen der Menschen. Nur das Streben der Menschen nach Heilung führt zu den Seelenwanderungen von den tiefen zu immer höheren Stufen. Wieder
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sind das Exil und die Erlösung des Volkes tief miteinander verbunden. Das Exil Israels ist auf die Läuterung der Seelen ausgerichtet, sie auf eine höhere Stufe der Existenz zu heben, und die Erlösung Israels kann sich nicht ohne Erhebung der Seelen und deren Tikkun vollziehen: »das ist eine große Sache und ein großer Glaube, dass jeder Mensch von Israel mit seinem Glauben im Herzen das Kommen des Erlösers mit jeder Annäherung näherbringt, wie es heißt: Heute, wenn ihr auf die Stimme hört«. Der Mensch muss sich befreien, denn »jeder Mensch ist eine kleine Welt und in ihm ist Pharao und Ägypten«; er selbst versklavt sich. Der Baalschem führt aus: »›Nähere dich, meine Seele, um sie zu erlösen‹. So wie es eine Erlösung für die Gemeinschaft Israel als Gesamtheit gibt, so gibt es eine Erlösung für jede Einzelseele Israels. Und obwohl der Mensch um seine Grobheit und sein Verfangensein im Materiellen weiß, so muss sein ganzes Streben darauf ausgerichtet sein, Heilung seiner Seele zu finden und seine materiellen Triebe zur Freiheit zu führen, bis er die Wurzel der oberen Welt erreicht, die ›die Welt der Freiheit‹ heißt. ›Wenn du einen hebräischen Sklaven erwirbst, sechs Jahre soll er arbeiten‹ – an seinen Trieben, damit das Gute über das Böse siegt, bis er ins siebte [Jahr] kommt, das ist die Welt der Freiheit.« Und wieder heißt es, noch klarer, in der Spätzeit: »Unmöglich kann die Allgemeinheit vor dem Einzelnen kommen. Was ist die Erlösung des Einzelnen? Dass jeder das Böse in seinem Innern verbrenne. Und jetzt findet sich der Wille, von dem Bösen zu lassen und es aus seinem Innern zu entfernen, und das ist die untere Erweckung. Möge der Herr, gepriesen sei er, bewirken, dass auch die obere Erweckung sei und alle wie ein Mann das Böse in ihrem Innern zerstören können und so wird erst die Erlösung des Einzelnen und dann die allgemeine Erlösung sein. Amen.« Wir dürfen uns nicht damit zufrieden geben, dass wir keine so große Sache bewirken können; jeder Mensch hat seinen eigenen Anteil, und bis er sich nicht mit höchster Anstrengung gemüht hat, kann er es nicht wissen. »Einmal«, so erzählt man, »ging der Jehudi«, das ist Rabbi Jaakob Jizchak von Pžysha, »mit seinen Schülern in einem Feld spazieren, und sie trafen auf einen Bauern, der einen Heuwagen fuhr. Der Wagen fiel kopfüber, und der Bauer verlangte von dem Jehudi und seinen Schülern, dass sie den Wagen wieder aufstellen und mit Heu beladen sollten. Sie kamen um ihm zu helfen, das Heu aufzuladen, aber sie konnten es nicht. Der Bauer wurde wütend und beschimpfte sie auf Polnisch: ›Moziesz ale nie checsz‹, sie könnten ihm schon helfen, wollten aber nicht. Da sagte der Jehudi zu seinen Schülern: ›Hört ihr, was der Bauer sagt, er sagt, dass wir das He im Namen Gottes erhöhen könnten [d. h. die Schechina aus dem Exil führen], aber wir wollten es nicht‹«. Andererseits kann gerade der Stolz ein großer Hemm-
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schuh sein. Wenn der Mensch sich einbildet, dass er schon seinen Teil an g e i s t i g e r Tätigkeit beigetragen habe, während er mit der Hauptsache noch nicht einmal begonnen hat – mit der umfassenden Änderung seines Lebensziels und seiner Lebensweise. »Einmal«, so erzählt man, »erwartete der Rabbi die vollkommene Erlösung für dieses Jahr, aber sie kam nicht. Da sagte er: dass die einfachen Menschen die vollkommene Umkehr getan hätten, und von ihrer Seite aus hätte sie stattfinden können, aber der hauptsächliche Hinderungsgrund läge bei den hochstehenden Menschen, denn schwer wäre ihnen die Demut wegen ihrer guten Eigenschaften und so wäre es ihnen unmöglich, zur vollkommenen Umkehr zu gelangen.« Aber die Erlösung des Einzelnen ist nicht das Ziel, sondern die Vorbedingung. Das Bedeutsamste ist, dass zwischen diesen verschiedenen Menschen eine wirkliche Gemeinschaft entsteht, und dass alle, die geistigen und die schlichten Menschen, jene, die die Erlösung in ihrer Wahrheit sehen können und jene, die dazu nicht imstande sind, sich vereinigen und sich für diese Heilige Sache zusammentun. Der Baalschem erzählt einmal dieses Gleichnis: »Viele Menschen standen einmal um einen hohen Baum. Und unter ihnen war einer, der imstande war zu sehen, dass oben auf dem Baum ein prächtiger Vogel von größter Schönheit stand. Die übrigen Menschen konnten ihn nicht erblicken. Und dieser Mann wurde von einem heftigen Begehren ergriffen, zu dem Vogel zu gelangen, aber es gab keine Leiter. Und wegen seines gewaltigen Begehrens sann er nach und fand sich Rat. Er nahm die umstehenden Menschen und stellte einen auf die Schultern des anderen, und er stand an oberster Stelle, bis er zum Vogel kam und ihn nahm. Und wäre der unterste Mann von seinem Platz gewichen, so hätte der Mann nicht nur nicht sein Ziel erreicht, sondern er wäre zu Boden gefallen und hätte sich den Hals gebrochen. Und die Halle des Messias wird im heiligen Buch Sohar das Vogelnest genannt.« Das eigentliche Böse an dem Exil ist, dass das Volk nicht die Tiefe des Exils und seine Pflicht, es zu überwinden, erkennt, wo doch diese Erkenntnis der Anfang seiner Überwindung wäre. In anderen Worten könnte man sagen, dass das Volk im selbstgeschaffenen Exil ist. »›Da sprach der Herr zu Mose: Nun sollst du sehen, was ich dem Pharao antun werde; denn durch eine starke Hand gezwungen, muss er sie ziehen lassen, ja er muss sie, durch eine starke Hand gezwungen, aus seinem Land treiben.‹ Denn bekanntlich war Israel der Erlösung aus Ägypten nicht würdig … und es ist bekannt, dass das Exil Israels sein eigenes Exil ist, so wie es versumpft in seinen Übertretungen und Gelüsten unter der Herrschaft der Schalen, so herrschen die Schale und ihre Scharen über es. Und so kann die Erlösung auch nur aus sich selbst heraus geschehen.
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Wenn es davon befreit sein wird und die Begierden seines bösen Herzens unterjocht und aus dem Bereich der Schalen treten wird, dann wird die Kraft, die sie beherrscht, zerbrochen und unterworfen sein, und Israel wird aus diesem Machtbereich treten. Aber Israel in Ägypten war nicht von solcher Art, dass es sich erlösen konnte, und es konnte nicht aus dem Exil herauskommen … deshalb wird im Namen des Rabbi Jechiel Michel gesagt: Der Knecht, der von vielerlei Fronarbeiten geknechtet ist, und wenn erst mal die Situation da ist, sich davon zu machen, muss ihn dann der Herr vertreiben? Würde er nicht so schnell er kann fliehen wie ein gefangener Vogel aus der Falle? Und warum machte Gott, gelobt sei sein Name, dass Pharao sie austrieb und sie nicht von sich aus herauszogen? Der Grund ist, dass Mose unser Lehrer verstand, dass Israel im eigenen Exil ist und gar nicht aus dem Exil gehen will, um die Herrschaft der Schalen zu brechen, die es umgab.« Oder in der Version einer späteren Zeit: »Das größte Exil, in dem sich Israel in Ägypten befand, war woz zi hobn schejn gekent altz farnemn« (jidd.: dass sie das gelernt hätten zu ertragen) »und eine andere Aussage: ›der euch aus dem Leiden herausführt, aus der Geduld, die sie in Ägypten hatten.‹« Ebenso ist die Erlösung von der inneren Wandlung des Volkes abhängig, »von seiner Umkehr«. Wenn diese Umkehr – in der Sprache unserer Zeit heißt sie bei Achad Ha-am Wiedergeburt der Herzen – noch nicht geschehen ist, dürfen wir uns nicht durch äußere Zeichen täuschen lassen, dass die Zeit schon gekommen sei. »In den Tagen des Zaddik Rabbi Mendel aus Witebsk« (der 1773 mit dreihundert Chassidim nach Israel einwanderte) »als er in Jerusalem war, geschah es einmal, dass ein törichter Mann auf den Ölberg stieg und in das Schofar blies, und niemand sah ihn. Da entstand im Volk der Glaube, dass das Blasen des Schofar das Kommen des Messias ankündigt. Als das Gerücht dem Zaddik zu Ohren kam, öffnete er das Fenster, besah sich die Welt und sprach, dass keine Erneuerung sei.« Und sogar die größte Anstrengung scheitert, wenn die innere Vorbedingung fehlt; die Menschen, die an der entscheidenden Tat beteiligt sein müssen, sind sozusagen von innen her gelähmt, wenn die Generation noch nicht imstande ist, ihren entscheidenden Beitrag zu leisten. »Einmal«, so erzählt man, »setzte der Maggid von Meseritsch seine ganze Kraft ein, damit die Erlösung komme. Man fragte ihn vom Himmel: ›Wer ist es, der die Stunde bedrängt und ist nicht jemand größer als er?‹ Da antwortete der Maggid, dass er der führende Gerechte des Geschlechts wäre und er sich deswegen um die Erlösung mühen müsse. Die Stimme vom Himmel fragte weiter: ›Was beweist, dass du der führende Zaddik bist?‹ ›Meine heilige Gemeinschaft wird kommen und Zeugnis ablegen!‹ Man sagte ihm vom
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Himmel: ›Wenn dem so ist, so soll die heilige Gemeinschaft kommen und bezeugen, dass du es bist, und du wirst wirklich der führende Zaddik sein.‹ Da fragte der Zaddik die heilige Gemeinschaft, als sie versammelt war: ›Ist es wahr, dass ich der führende Zaddik des Geschlechts bin?‹ Aber niemand wollte die Frage bejahen. Dreimal fragte er sie und niemand antwortete ihm.« Aber die höchste Form von Exil und Erlösung ist das Exil der Schechina und ihre Erlösung. Hier finden die drei anderen Formen, die kosmische, die seelische und die nationale, ihre Erhebung und Vollendung. In der kabbalistischen Überlieferung ist das Exil der Schechina eng mit dem Zerbrechen der Urwelten verbunden, bei dem die heiligen Funken in die Schalen fielen, und auch mit der Sünde des ersten Menschen, was dazu führte, dass die Seelen der Menschen von Stufe zu Stufe wandern müssen, und es hängt auch mit Israels Schuld und Schicksal zusammen, denn die Schechina geht mit ihm ins Exil. Und dasselbe gilt für die Erlösung. Aber die stärkste Verbindung ist die des Exils Israels und seiner Erlösung mit dem Exil der Schechina und ihrer Erlösung. Das uns aus der Bibel bekannte Bild von Hochzeit und Trennung und erneuter Verbindung wird auf beide Bereiche angewandt, nur dass im Fall der Gemeinschaft Israels die Schuld der Trennung bei der Frau liegt, während es natürlich nicht die Schuld der Schechina ist, die die Trennung herbeiführt, sondern die der Welt, des Menschen und besonders Israels. Die zwei Anschauungen kommen sich noch näher, wenn davon die Rede ist, dass die Erlösung des Einzelnen nur zusammen mit der Erlösung des Ganzen wirksam ist: Die Erlösung des Ganzen aber erweist sich einmal als Erlösung der Schechina und einmal als Erlösung Israels. So finden wir bei einem und demselben Zaddik Gleichnisse beider Formen der Erlösung, die einmal die Erlösung der Schechina zum Inhalt hat und das andere Mal die der Gemeinschaft Israels, wie aus den Worten des Zaddik Rabbi Bunam aus Pżysha hervorgeht, der sagte: »Das ist ein Gleichnis von einem König, der einen einzigen Sohn hatte und ihn sehr liebte und dieser war verzärtelt, wie ein einziger Sohn eines Königs es ist. Und er wurde korrupt und der König verbannte ihn in ein fernes Land und er wanderte ziellos umher. Da kam es dem König in den Sinn, sich nach seiner Lage zu erkundigen. Er sandte einen seiner Statthalter aus, um ihn zu suchen. Man fand ihn unter den Bauern in einem Wirtshaus mit ihnen saufend und tanzend, barfuß und ohne Kleidung. Fragte ihn der Statthalter: ›Kennst du mich?‹ Er antwortete: ›Ja, du bist doch einer der Höflinge.‹ Weiter fragte er ihn: ›Soll ich etwas in deinem Namen bei deinem Vater ausrichten?‹ Er erwiderte: ›Möchte mir doch mein Vater Schuhe und warme Kleidung schicken, das wäre sehr gut für mich!‹
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Denn er war schon so abgestumpft und war schon so weit von dem väterlichen Haus und seiner Güte entfernt, dass er sich kein größeres Gut mehr zum Ausbedingen vorstellen konnte, wie etwa die Rückkehr ins väterliche Haus, wo doch so und so kein Mangel ist. Und so winseln wir im bitteren Exil an den Hohen Feiertagen wegen unserer vielen Sünden: ›Gib uns Leben, gib uns Söhne‹. Besser wäre es wenn wir für die Erlösung der Schechina lautstark beteten, denn wenn ›in Seiner Größe und in Seiner Heiligkeit Sein Name erkannt werde‹, wie es im Kaddisch heißt, dann werden wir ja doch alles haben.« Das zweite Gleichnis geht so: »Nach dem Tod des Rabbi Uri von Strelisk wollte sich dem heiligen Rabbi Bunam von Pżysha einer der Chassidim des Rabbi Schlomo anschließen. Da fragte Rabbi Bunam ihn: ›Was war der Grundsatz seines heiligen Diensts, den er euch lehren wollte und seine Form der chassidut?‹ Der Chassid antwortete: ›Das Wichtigste an seinem Dienst Gottes war es ihm uns zu lehren, geradezu einzupflanzen, Bescheidenheit und Demut.‹ Antwortete ihm Rabbi Bunam: ›Ich will dir eine Geschichte erzählen. Einmal verurteilte ein König drei Männer, dass sie in einem stockfinsteren Kerker gefangengesetzt werden. Zwei von ihnen waren klug, der dritte aber töricht. Jeden Tag wurde ihnen Essen herabgelassen. Und der Törichte konnte wegen der Finsternis nicht bemerken, was man ihm gab. So hielt er den Löffel für eine Schüssel und wusste nicht, wie er das Besteck und Geschirr gebrauchen solle, um zu essen und zu trinken. Da gab sich einer der Klugen jedes Mal mit ihm ab, wie er die Werkzeuge erkennen könne. Und jedes Mal musste er von neuem anfangen zu erklären, denn die Sachen waren immer anders, und der zweite Kluge schwieg und hielt sich ganz zurück. Der erste Kluge fragte den zweiten: ›Warum sitzt du nur und schweigst und bringst dem Tor nichts bei, soll ich mich nur mühen? Lehre ihn auch etwas!‹ Antwortete ihm der andere: ›Du gibst dir mit ihm endlos Mühe, aber was passiert: morgen bekommt er neues Besteck und wieder musst du ihn lehren, denn er weiß wieder nichts. Ich sitze und denke nach: wie kann ich ein Loch in die Mauer bohren, dass die Sonne hereinscheint, und dann sieht er alles.‹« Weil die Menschen nicht diesem Gebot folgen und nach der einen Sache streben, die das höchste Prinzip ist, fragt die Schechina ihren Ehemann, dass er selbst sie befreite und er sich wieder mit ihr verbinde, und mit ähnlichen Worten bitten die Zaddikim Gott, dass er die Gemeinde Israel befreie und sich wieder mit ihr verbinde. »Der Heilige, gelobt sei Er, fragt die Schechina: ›Wer ist im Exil, wenn es solche gibt, die den Herrn suchen und ihn mit dir zu vereinigen streben, damit die Gliedmaßen der Schechina sich zur vollen Statur aufrichten?‹ Darauf erwidert sie: ›Ich bin Ruth, deine Magd‹ … jeder ging seinen eigenen Weg und keiner
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kümmerte sich und machte das Exil der Schechina zu seiner Herzenssache, um sie wieder mit ihrem Bräutigam zu vereinen. Und deswegen heißt es: ›Und du breitest deinen Flügel über deine Magd aus, denn du bist der Erlöser.‹ Das bedeutet, dass die Hauptsache der Erlösung gerade von dir abhängt, denn kein Mensch hat es sich zum Ziel gesetzt, mich zu erlösen.« Eine andere Erzählung lautet: »Einige Zeit nach dem Tod der Frau von Rabbi Schalom von Belz fing er an heftig und bitterlich zu weinen. Sein Schüler Rabbi Schmuel von Kaminka: ›Was ist Neues geschehen, dass du wieder so von Schmerz ergriffen wurdest?‹ Er antwortete ihm so: ›Ich sprach zum Heiligen, gelobt sei Er: ‚Herrscher der Welt, du weißt, dass wenn es in meiner Macht stünde, meine Gefährtin zum Leben zu erwecken, gäbe es kein Hindernis und keine Mühe würde ich scheuen. Alles was ich machen könnte, würde ich tun und nichts könnte mich hindern sie aus dem Staub aufzurichten, das einzige Hindernis ist, dass ich es nicht kann. Aber du, der du dich der Ehemann der Gemeinschaft Israel nennst ,dein Gatte und dein Schöpfer‘, und uns die Gefährtin deiner Jugend nennst, und deine Gefährtin der Jugend liegt im Staub, und hast du nicht die Macht, sie aufzurichten, und kein Hindernis stellt sich deiner Macht entgegen. Wie kannst du dich zurückhalten, sie aufzurichten?‹ Der Herr, gelobt sei sein Name, antwortete mir: ›Wenn ich so mit meiner Gefährtin Israel zufrieden wäre wie du mit deiner gewesen bist, sicherlich hätte ich sie aufgerichtet.‹« Die Antwort Gottes auf die Bitten Israels nach Erlösung, ist, dass Israel b e g i n n e n muss. Zwar ist Gott »der Erlöser«, aber der Anfang muss von unten kommen, von dem Menschen, von dem Vo l k . Die Zaddikim, die sich in Eretz Israel niederließen, wie z. B. Rabbi Menachem Mendel von Witebsk, und diejenigen, die das Land zum Mittelpunkt ihres Lebens machten, wie z. B. Rabbi Nachman von Bratzlaw (der sich im Land 1798/99 aufhielt) erkannten und brachten zum Ausdruck, dass der Anfang genau darin besteht, die innere Wandlung im Volk zu bewirken d u r c h d i e Ve r b i n d u n g m i t E r e t z I s r a e l . Die echte Eroberung des Landes hängt von der inneren Wandlung ab. Aber dieser Prozess soll keine Abwendung von der Welt sein; der Mensch, der auf die Erlösung von Mensch und Land zielt, muss sich selbst der Welt zuwenden. »Die ganz Heiligkeit von Israel«, sagt Rabbi Nachman, »ist das Land Israel. Und jedes Mal, wenn sich der Mensch heiligt und reinigt, nimmt er einen Teil des Landes in Besitz und er beschäftigt sich mit der Ausbesserung des Wegs, der nach Eretz Israel führt … die Sitra achra bekämpft ihn, weil er die Heiligkeit ihrem Griff entreißen will, und klagt ihn an: ›Ihr seid Räuber, weil ihr das Land erobert, das euch nicht gehört‹ … deswegen muss sich der Mensch
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manchmal des Torastudiums enthalten und sich mit dem derekh eretz beschäftigen … und damit macht er die Anklagen zunichte, und nicht nur das: die Anklagen selbst wandeln sich und nähern sich der Heiligkeit.« Und auch das Leben im Land Israel soll nicht auf Abgeschiedenheit basieren, sondern wir sollen die fremden Dinge annehmen, insoweit sie uns geistesverwandt sind, und sie in Wahrheit aneignen. »Eretz Israel«, sagt Rabbi Nachman, »ist so vollkommen wie die Heilige Sprache … denn das Wesen der Vollkommenheit der heiligen Sprachen zeigt sich darin, dass sie das Gute der Fremdsprachen mittels Übersetzungen in sich aufnehmen kann. Deswegen mussten die Stämme Israels auch an der Eroberung Transjordaniens, und die transjordanischen Stämme als Vorhut ihrer Brüder an den Kämpfen um die Eroberung von Eretz Israel teilnehmen, was wie eine Übersetzung aus einer Fremdsprache ist, denn das Wesen von Krieg und Sieg ist wie eine Übersetzung, die aus Gut und Böse gemischt ist, wie wenn man das Böse in ihr zu Fall bringt und das Gute darin zur heiligen Sprache erhebt. Darin liegt die Vollkommenheit der heiligen Sprache, die so wie die Heiligkeit des Landes ist.« Bekanntlich sagte Moses Hess, dass man nicht vorhersehen kann, welche Folgen der Chassidismus habe, wenn sich die nationale Bewegung seiner annähme. Das ist auch meine Überzeugung. Denn hier im Chassidismus haben wir etwas, das uns nahesteht, und seine Ausläufer erreichen uns noch heute, eine große Offenbarung des Geistes und des Lebens, in der das Volk mit der Welt, der Seele und Gott eng verbunden ist. Nur durch diese Verbindung wird das Volk den Zionismus bewahren können und nicht etwa den Weg einschlagen, den der Nationalismus unserer Zeit nimmt, nämlich den Abbruch der Brücken zur Welt, womit er seinen Wert und seine Existenzberechtigung zunichte macht.
Der Ort des Chassidismus in der Religionsgeschichte Die Ermittlung des Ortes, den der Chassidismus in der Religionsgeschichte einnimmt, hat nicht zur Aufgabe, seine historischen Zusammenhänge, die Einflüsse, die auf ihn einwirkten, und die Einflüsse, die er ausübte, aufzudecken, sondern darzulegen, welche besondere religiöse Art hier ihre historische Gestalt gefunden hat. Wir sprechen von der historischen Gestalt einer religiösen Art, wenn es nicht um persönliches Denken und persönliches Erlebnis allein geht, sondern um eine Gemeinschaftsbewegung, die in mehreren Generationen erwächst, und um ein Gemeinschaftsleben, das sich in mehreren Generationen ausbildet. Um die besondere religiöse Art zu erfassen, die sich in einer historischen Erscheinung darstellt, müssen wir erforschen, zu welchem historischen Typus diese Erscheinung gehört, aber wir müssen danach auch bis zu den Grenzen der Typologie vordringen und die spezifische Differenz feststellen. Unsere Methode ist somit notwendigerweise eine vergleichende, aber in anderem Sinn als die bekannte der vergleichenden Religionsgeschichte. Zwar können auch wir damit beginnen, nämlich in Texten und in Riten Motive bloßzulegen, die ihnen und den Texten und Riten anderer Religionskreise, sei es geschichtlicher, sei es ethnologisch-folkloristischer, gemeinsam sind. Aber die Heraushebung solcher Motive ist für uns nicht Aufgabe und Ergebnis der Forschung, sondern ihr Ausgangspunkt. Was uns obliegt, ist aufzuzeigen, auf wie verschiedene Weise in der Religionsgeschichte verschiedene Typen das gleiche Motiv behandeln, und darüber hinaus, auf wie verschiedene Weise innerhalb des gleichen Typus verschiedene Erscheinungen das gleiche Motiv behandeln, welche Bedeutung hier und welche da das Motiv angenommen hat. Und auf diesem Weg liegt es uns ob, zu einer deutlichen Determination erstens der Typen und sodann der einzelnen geschichtlichen Erscheinungen zu gelangen. Nicht das Motiv selber ist uns wesentlich, sondern wir wollen wissen, weshalb das Motiv in eine bestimmte Ordnung aufgenommen worden ist und welche Wandlung sich durch diese Aufnahme in ihm vollzogen hat. Zur kritischen Erläuterung der Aufgabe beginne ich mit einer Erzählung, an der man zwar mit aller Klarheit erweisen kann, wie ein bestimmtes Motiv verschiedenen Religionsbereichen gemeinsam ist, an der wir aber dennoch zugleich erkennen, daß die Konstatierung dieser Gemeinsamkeit allein keinen erheblichen Fortschritt bedeutet. Von Rabbi Ahron von Karlin, einem Lieblingsschüler des Maggid von
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Mesritsch 1 , der früh gestorben ist, wird erzählt: Ein Mitschüler kam auf dem Heimweg von Mesritsch um Mitternacht nach Karlin, und es verlangte ihn, seinen Freund zu begrüßen. Sogleich ging er zu dessen Haus und pochte an das erleuchtete Fenster. »Wer bist du?« fragte es von innen, und gewiß, daß Rabbi Ahron ihn an der Stimme erkennen würde, antwortete er: »Ich.« Keine Erwiderung kam, und die Tür ging nicht auf, ob er auch wieder und wieder klopfte. Zuletzt rief er: »Ahron, warum öffnest du mir nicht?« Da vernahm er von innen: »Wer ist es, der sich erkühnt, Ich zu sagen, wie es Gott allein zukommt!« Er sprach in seinem Herzen: »So habe ich denn nicht ausgelernt«, und kehrte alsbald zum Maggid zurück. Diese Erzählung kennen wir, und zwar in einer vollständigeren Fassung, aus dem Schrifttum der sufischen Sekte des Islam, nämlich aus dem ersten Teil der mystischen Gleichnissammlung »Mesnewi« des persischen Dichters Dschelal-ed-din Rumi. Hier wird nicht der Name eines der großen Sufis genannt, sondern alles bleibt in der Anonymität. Ein Mann klopft an die Tür seines Freundes. Der fragt: »Wer ist’s?« Er antwortet: »Ich.« Der Freund schickt ihn hinweg. Ein volles Jahr brennt in ihm der Gram der Trennung, dann kommt er wieder und klopft von neuem. Auf die Frage des Freundes: »Wer ist’s?« erwidert er: »Du.« Und sogleich öffnet sich ihm die Kammer, in der nicht Raum für zwei »Ich«, das Gottes (des »Freundes«) und das des Menschen, ist. Zweifellos stammt das Motiv nicht von Rumi. Nach der Ansicht von Louis Massignon und Paul Kraus ist seine Quelle ein Ausspruch des mystischen Märtyrers al-Halladsch, den Solami anführt. Da verwirft Gott den Getreuen, der antwortet: »Ich bin’s«, aber er nimmt ihn an, da er wiederkehrt und nun die Antwort gibt: »Nein, du bist’s, mein Herr!« Und in jenem Augenblick wird sein Verlangen nach Gott zu Gottes Verlangen nach ihm. 2 Es ist wohl möglich, daß das Vorkommen des Motivs – in fragmentarischer Form – im Chassidismus auf sufischen Einfluß, vielleicht über die Türkei in der sabbatianischen Zeit, zurückzuführen ist. Beweisen läßt es sich meines Wissens nicht. Für uns ist hier die Frage unwichtig. Denn wir haben vor uns keine innere Verbindung zwischen Sufismus und Chassidismus allein, die eine besondere Nähe zwischen ihnen bezeugte. Wir finden Parallelen nicht bloß in der indischen Bhakti-Mystik und in der rheinischen Klostermystik des Mittelalters, sondern auch in einem my1. 2.
Ueber diesen vgl. mein Buch »Die chassidischen Bücher« S. 374 ff., 406 ff. Die von Nicholson in seinem Kommentar zum »Mesnewi« herangezogenen Sprüche sind weniger analog.
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stischen System, das zum Unterschied von ihnen allen kein theistisches Gepräge trägt, dem chinesischen Zen-Buddhismus, der uns noch weiter beschäftigen wird. Da wird erzählt, wie ein Mönch von einer anderen buddhistischen Sekte sich auf den Rat eines Zen-Mönchs in dessen Kloster in die innere Betrachtung versenkt. Im Morgengrauen hört er ein Flötenspiel, gerät in Verzückung, läuft zur Zelle seines Bekannten und klopft an die Tür. Auf die Frage »Wer ist’s?« antwortet er: »Ich.« Da fährt ihn jener an: »Warum besäufst du dich und schnaubst die ganze Nacht auf der Gasse?« Tags darauf kommt der Mann zur »rechten Haltung« und spricht sie in diesen Versen aus: »Nun habe auf meinem Kissen ich keinen eitlen Traum mehr, den Flötenspieler lasse ich blasen, welche Weise er will.« In der Symbolsprache des Zen bedeutet dies, daß er das Ich nicht mehr dem Sein gegenüberstellt, sondern die Einheit erfährt. Wir dürfen das Motiv als ein der Mystik überhaupt gemeinsames ansehen, in dem ihre Tendenz, die Scheidung zwischen Ich und Du aufzuheben, um die Einheit zu erfahren, einen bildhaften Ausdruck gefunden hat. Die Vergleichung hat uns in typologischer Einsicht nicht über den allgemeinen Bereich hinausgeführt. Wir kommen der Erkenntnis des dem Chassidismus Eigentümlichen weit näher, wenn wir einige seiner Legenden mit Legenden des Zen vergleichen, also gerade jener Sekte, oder richtiger einer aus jener Sektengruppe innerhalb des Mahayana, die sich den in ihm aufgekommenen theistischen Elementen völlig fernhielt. Es erweist sich hier, daß es bei einer Vergleichung geschichtlicher Erscheinungen im Gebiet der Mystik nicht immer gut ist, mit einem zentralen religiösen Gehalt zu beginnen; es kann fruchtbarer sein, vom Leben selbst, von der Beziehung zur konkreten Wirklichkeit auszugehen und erst zuletzt nach dem zentralen Gehalt zu fragen, der freilich auch auf den Bereich der Konkretheit einen bestimmenden Einfluß ausübt. Zen (im Sanskrit Dhyana, d. h. Versenkung, Kontemplation) ist der Name einer der Abarten des späteren Buddhismus, die in China im sechsten, in Japan im zwölften Jahrhundert Fuß gefaßt hat. Ihr wichtigstes Merkmal ist, daß sie alle direkte Aeußerung über transzendente Gegenstände ablehnt. Ueber Buddha selber ist überliefert, er habe sich geweigert, über den Bereich der Transzendenz zu reden, und dies damit begründet, daß solche Rede nicht dazu fromme, den Pfad der Erlösung zu finden. Die Zen-Schule entwickelte daraus die Lehre, daß man das Absolute als solches nicht einmal denken, geschweige denn äußern könne. In einer besonders autoritären Schrift des Mahayana, der Lankavatara Sutra, heißt es: »Begriffe und Urteile hängen aneinander, sie vermögen nicht die höchste Wirklichkeit zu sagen.« Dies entspricht völlig dem
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Spruch Lao-tses: »Das Tao, das man sagen kann, ist nicht das ewige Tao.« Manchen Formulierungen des Zen ist der Einfluß der taoistischen Lehre anzumerken, die Wahrheit sei oberhalb der Gegensätzlichkeit. Alle begriffliche Aussage unterwirft ihren Gegenstand dem Satz vom Widerspruch, sie bringt ihn auf die Ebene der Dialektik herab, wo es möglich ist, jeder These eine Antithese entgegenzustellen, und die absolute Wahrheit so in eine relative umgewandelt wird. Darum lehnt es die Zen-Schule sogar ab, den Begriffsgegensatz des klassischen Buddhismus, den zwischen Sansara, dem »Strom« des unablässigen Werdens, und Nirvana, dem Versiegen des Stroms, anzuerkennen: in Wahrheit sind beide eins. »Die höchste Wahrheit«, heißt es in einem frühen Zen-Text, »ist nicht schwierig, nur daß sie die Wahl verwirft«, das heißt: den rationalen Zwang, entweder a oder non-a als Wahrheit zu erklären und nicht beide zugleich. Es geht daher nicht an, das Absolute von irgend etwas Allgemeinem aus zu erfassen, wohl aber kann es von dem sinnlich Konkreten aus erfaßt werden, von etwas aus, was wir leben. Die Zen-Lehrer berufen sich auf die Erzählung, Buddha habe, als er die vollkommene Lehre predigen wollte, eine Blume in die Höhe gehoben und habe schweigend gelächelt; nur einer in der versammelten Menge, sein Schüler Kashyapa, habe ihn verstanden und ebenfalls gelächelt. Die Zen-Schule führt ihre Tradition auf Kashyapa zurück, der das Geheimnis von Buddha empfangen habe. Demgemäß kann der Sinn dieser Tradition nicht der sein, geistige Inhalte in begrifflicher Rede zu überliefern. Aber auch alle feststehenden Methoden der Kontemplation erscheinen nur als mehr oder minder fragwürdige Hilfsmittel und nicht als der Weg zur Erlangung der Wahrheit; ja einzelne bezeichnen sogar alle Kontemplation als Krankheit. Der Lehrer zeigt dem Schüler, der ihn nach der Transzendenz befragt, zum Beispiel seinen Stab, wie um das Konkrete dem Allgemeinen entgegenzustellen. Oder er hebt den Finger. Oder er bricht in den, in der Geschichte der Schule berühmten, Schrei »Kwats!« aus. Oder, wenn er doch redet, spricht er einen Vers. Und zuweilen verabreicht er sogar dem Schüler eine Ohrfeige, um ihn auf einmal in die Wirklichkeit hinein zu versetzen, wo sich ihm das allem Ja und Nein überlegene Geheimnis offenbaren wird, das sich nicht anders überliefern läßt, als daß es unter dem Einfluß des Lehrers dem Herzen des Schülers entspringt. »Jedermann«, heißt es, »soll das Herz des Buddha im eignen Herzen finden.« Nicht dadurch, daß der Mensch von der Wirklichkeit absieht, sondern dadurch allein, daß er sich ihr ergibt, kann er zum Heil gelangen. Dementsprechend sind die Zen-Klöster nicht Stätten der Kontemplation für die Einzelnen, sondern genossenschaftliche Siedlungen von Landarbeitern; die Arbeit ist die Grundlage ihres Lebens. Ueber den Patriarchen,
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der diese Lebensweise im achten Jahrhundert begründete, wird erzählt, er habe, als ihn die Mönche ersuchten, ihnen die geheime Wahrheit vorzutragen, ihnen befohlen, an die Feldarbeit zu gehen, nach ihrer Rückkehr würde er zu ihnen sprechen. Als sie zurückkamen, ging er ihnen entgegen, breitete die Arme aus und zeigte schweigend auf sie selber. Durch die Tätigkeit des ganzen geist-leiblichen Wesens gelangt man zum intimen Umgang mit der konkreten Wirklichkeit, und im intimen Umgang mit der konkreten Wirklichkeit wird man fähig, die Wahrheit zu erfassen, und hinwieder führt die Erfassung der Wahrheit zur höchsten Konzentration des Tuns. Daher kommt der bestimmende Einfluß, den das Zen auf die Kriegerkaste der Samurai ausgeübt hat. Die Schwertmeister pflegten, ehe sie in die Schlacht zogen, zu den großen Zen-Lehrern zu kommen und bei ihnen die höchste Konzentration zu lernen. Dort erkannten sie, wie einer von ihnen sagt, daß »die am Leben Haftenden tot sind und die den Tod Herausfordernden leben«. Ich will nun einige chassidische Erzählungen mit analogen Erzählungen der Zen-Schule vergleichen. Von Rabbi Schmelke von Nikolsburg 3 wird erzählt, daß einer seiner Schüler ihm klagte, die »fremden Gedanken« störten ihn im Gebet. Der Zaddik hieß ihn zu einem anderen Schüler, Rabbi Abraham Chajim von Zloczow, ziehen, der damals ein Wirtshauspächter war, und einige Zeit bei ihm zu verbringen. Zwei Wochen lang beobachtete der Schüler die Bräuche des Hausherrn. Er sah jeden Tag, wie er betete und wie er arbeitete, und es fiel ihm nichts Besonderes auf. Nur am Abend, nachdem alle Gäste fort waren, und am frühen Morgen, ehe sie kamen, wußte er nicht, womit sich Rabbi Abraham Chajim befaßte. Schließlich wagte er es, ihn danach zu fragen. Jener sagte ihm, er putze am Abend alle Geräte, und da sich im Laufe der Nacht Staub dransetze, putze er sie am Morgen von neuem, besonders aber wache er darüber, daß sie kein Rost befalle. Als der Schüler zu Rabbi Schmelke zurückkehrte und ihm all dies erzählte, sagte er: »Nun weißt du, was dir zu wissen not tut.« Im Schrifttum des Zen finden wir das Motiv in einer eingeschränkteren Fassung. Ein Mönch bittet den Oberen seines Klosters, einen der großen Lehrer des neunten Jahrhunderts, ihm das Geheimnis der Lehre zu offenbaren. Der Lehrer fragt: »Hast du schon gefrühstückt?« »Ja«, antwortet er. »So putze denn die Geräte«, sagt ihm der Lehrer. Und als er dies hört, erfährt der Schüler die innere Erleuchtung. In der chassidischen Erzählung wird der sinnbildliche Charakter des Vorgangs betont, wogegen er in der Zen-Erzählung verhohlen bleibt, und 3.
Vgl. über ihn »Die chassidischen Bücher« 383 f., 424 ff.
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in der zugehörigen Literatur wird der Sinn des Ausspruchs erörtert; es steht aber fast außer Zweifel, daß auch hier das Putzen der Geräte Symbol einer geistigen Tätigkeit ist. Wir würden jedoch, trotz der Erklärung, die in der chassidischen Erzählung selbst gegeben wird, irren, wenn wir den Gang der Dinge lediglich symbolisch erfaßten. Es ist auch wirklich gemeint, man solle, was man je und je zu tun habe (wie hier das Putzen der Geräte), mit völliger Konzentration, mit Einsammlung alles Seins tun, mit der ganzen Intention und ohne von irgend etwas abzusehen. Nach dem Tod des Rabbi Mosche von Kobryn fragte der Rabbi von Kozk einen der Schüler des Verstorbenen, was für seinen Lehrer die Hauptsache gewesen sei. Er antwortete: »Immer das, womit er sich gerade befaßte.« Und der Abt eines Zen-Klosters wird gefragt: »Einer der ersten Patriarchen hat gesagt: ›Es gibt einen Spruch, der, verstanden, die Verfehlungen zahlloser Weltzeiten auslöscht‹ – was ist das für ein Spruch?« Er antwortet: »Dicht vor deiner Nase!« Der Schüler fragt wieder: »Was bedeutet das?« »Das ist alles, was ich dir sagen kann«, entgegnet der Lehrer. Die beiden Antworten, die chassidische und die zenische, sind fast wesensidentisch: der Schlüssel zur Wahrheit ist die nächste Tätigkeit, und dieser Schlüssel öffnet das Tor, wenn man das zu Tuende so tut, daß der Sinn der Handlung hier seine Erfüllung findet. Der Lehrer ist somit der Mensch, der alles, was er tut, zulänglich tut, und der Kern seiner Lehre ist dies, daß er den Schüler an seinem Leben teilnehmen und so das Geheimnis des Tuns erfassen läßt. Rabbi Mendel von Rymanow pflegte zu sagen, er habe von allen Gliedern seines Lehrers, des Rabbi Elimelech 4 , Thora gelernt. Das gleiche, nur von der andern Seite her, spricht nun der Zen-Lehrer aus. Als ein Schüler, der ihn bedient, sich bei ihm darüber beschwert, daß er ihn noch nicht in die Weisheit des Geistes eingeführt habe, antwortet er: »Vom Tag deines Kommens an habe ich dich stets in der Weisheit des Geistes unterwiesen.« »Wie das, Meister?« fragt der Schüler, und der Lehrer erklärt ihm: »Wenn du mir eine Tasse Tee brachtest, habe ich sie nicht aus deiner Hand genommen? Wenn du dich vor mir verneigtest, habe ich deinen Gruß nicht erwidert?« Der Schüler senkt den Kopf, und nun erläutert ihm der Lehrer weiter: »Willst du sehen, blicke geradeaus in das Ding; versuchst du aber darüber zu grübeln, so hast du das Ziel schon verfehlt.« Danach ist die Wahrheit in der Welt des Menschen nicht als Inhalt einer Erkenntnis zu finden, sondern allein als menschliches Dasein. Man besinnt sie nicht, man sagt sie nicht aus, man vernimmt sie nicht, 4.
Vgl. über ihn »Die chassidischen Bücher« 385, 442 ff.
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sondern man lebt sie, und man empfängt sie als Leben. Das wird im Zen und im Chassidismus beinah in der gleichen Sprache ausgedrückt. Der »Gesang vom Erleben der Wahrheit« eines Zen-Lehrers um das Jahr 700 beginnt mit dem Vers: »Hast du nie einen Menschen gesehen, der die Wahrheit selbst ist?« Eben dasselbe sagt der Chassidismus, wenn er das Wort Davids »Und das ist die Lehre des Menschen« auf den Menschen deutet, der selber eine vollständige Lehre geworden ist. Fast in der gleichen Sprache wird hier und hier die heiligste Lehre abgelehnt, wenn sie sich bei jemand nur als ein Inhalt seines Denkens findet. Nach der chassidischen Anschauung ist es gefährlich, »zu viel Chassiduth zu wissen«, weil man dahin kommen kann, mehr zu wissen, als man tut, und einer der Zen-Lehrer wirft seinem Schüler diesen einen Mangel vor, daß er »zu viel Zen habe«; »wenn man über Zen redet«, sagt er, »regt sich der Ekel in mir«. Hier und hier ehrt man das Schweigen. Und hier und hier hat man damit nicht im Sinn, sich alles Ausdrucks zu enthalten, sondern nur, auf alle begriffliche Aeußerung dessen zu verzichten, was dem Begriff nicht gegeben ist. Hier und hier wird gesungen, hier und hier bringt man volkstümliche Motive ins Lied und wandelt sie in mystische. Der ZenMönch malt auch, und seine Bedeutung in der Entwicklung der ostasiatischen Kunst ist groß. Der Chassid kann nicht malen, aber er tanzt. All dies, Gesang, Malerei und Tanz, meint Aeußerung und wird als Aeußerung erfaßt. Schweigen ist nicht das Letzte. »Lerne zu schweigen, damit du zu reden wissest«, sagt ein Zaddik, und einer der Zen-Lehrer sagt: »Rede ist Schmähung, aber Schweigen ist Betrug. Jenseits von Rede und Schweigen führt ein steiler Weg.« Es ist jedoch noch ein Zug hinzuzufügen, der Zen und Chassidismus gemeinsam und für beide sehr kennzeichnend ist. In verschiedenen Varianten wird hier und hier von profanem Gespräch erzählt, das die Meister des Geheimnisses führen, Gespräch, das den fremden Hörer durch seine anscheinend völlige Oberflächlichkeit enttäuscht, dieweil in Wahrheit Wort um Wort gewichtig und verborgener Intention voll ist. Sowohl im Zen wie im Chassidismus steht die Beziehung zwischen Lehrer und Schüler im Mittelpunkt. Wie es gewiß kein anderes Volk mehr gibt, in dem die leibliche Verbundenheit der Generationen eine solche Bedeutung erlangt hat wie in China und Israel, so kenne ich keine andere religiöse Bewegung mehr, die in solchem Maße wie Zen und Chassidismus ihre Anschauung vom Geiste mit dem Begriff der geistigen Fortpflanzung verknüpft hat. In beiden verehrt man paradoxerweise die menschliche Wahrheit nicht in der Gestalt eines Besitzes, sondern in der einer Bewegung, nicht als ein Feuer, das auf dem Herde brennt, sondern,
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um in der Sprache unserer Zeit zu reden, als den elektrischen Funken, der sich in der Berührung der Ströme entzündet. Hier und hier ist der höchste Gegenstand der Legende das Geschehen zwischen Lehrer und Schüler. Im Zen ist dies sogar beinah der einzige Gegenstand, wogegen im Chassidismus, der sich eben nicht in Brüderschaften Abgesonderter darstellt, die Gemeinde einen großen Raum einnimmt; freilich ist auch sie gewissermaßen aus potentiellen Schülern, aus gelegentlichen Schülern zusammengesetzt, aus Menschen, die fragen, Deutung suchen, lauschen, und die Mal um Mal etwas lernen, das zu lernen sie nicht beabsichtigt hatten. Doch ist dies auch der Punkt, wo die Wege am anschaulichsten auseinandergehen. Ich will je eine typische Erzählung aus beiden Bewegungen anführen. Zu einem der Zen-Lehrer des zehnten Jahrhunderts kommt ein Jüngling aus fernem Land. Der Lehrer schließt das Tor vor ihm. Jener klopft und wird nach Person und Begehren gefragt. »Ich bin befähigt«, sagt er, »auf den Grund meines Daseins zu schauen, und ich begehre Unterweisung zu empfangen.« Der Lehrer öffnet das Tor, blickt den Gast an und schließt es erneut vor ihm. Nach einiger Zeit kehrt der Jüngling zurück, und der Vorgang wiederholt sich. Beim drittenmal drängt sich der Ankömmling hinein, der Lehrer packt ihn an der Brust und ruft: »Sprich!« Da jener zögert, fährt er ihn an: »Du Tölpel!« und stößt ihn hinaus. Das Tor dreht sich in der Angel, ein Fuß des Schülers verfängt sich darin und bricht. Er schreit auf, und in ebendem Augenblick erfährt er die innere Erleuchtung. Er hat später eine eigene Schule gegründet. Auch im Chassidismus hören wir von der »strengen« Methode, nämlich in der Beziehung zum Sünder, der umkehren soll. Aber in der Beziehung des Lehrers zum fragenden Schüler ist sie hier nicht bekannt. Charakteristisch für diese Beziehung ist die folgende Begebenheit. Einer der Schüler des Rabbi Bunam von Pschysha 5 , Rabbi Henoch, erzählt, er habe sich ein ganzes Jahr danach gesehnt, in das Haus seines Lehrers zu kommen und sich mit ihm zu unterreden. Jedesmal aber, wenn er ans Haus trat, brachte er den Mut dazu nicht auf. Einmal, als er auf dem Feld umherging und weinte, kam das Verlangen mit besondrer Kraft über ihn und zwang ihn, sogleich zum Rabbi zu laufen. Der fragte ihn: »Warum weinst du?« Henoch antwortete: »Bin ich doch ein Geschöpf in der Welt und bin mit Augen und Herz und allen Gliedern erschaffen, und ich weiß nicht: wozu bin ich erschaffen, und was tauge ich in der Welt?« »Närr-
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Vgl. über ihn »Die chassidischen Bücher« 399 ff., 530 ff.
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chen«, sagte Rabbi Bunam, »auch ich gehe so umher. Heut abends wirst du mit mir essen.« Wir würden irren, meinten wir, der Unterschied sei hier im wesentlichen ein psychologischer, etwa der Unterschied zwischen Hochmut und Demut – obzwar die Demut im Chassidismus als eine der Haupttugenden gilt, wogegen sie im Zen nicht erwähnt wird. Der entscheidende Unterschied ist von anderer Art. Ich will ihn daran erläutern, wie hier und wie hier ein vielverbreitetes Motiv bearbeitet wird, das wir zuerst in einem altägyptischen, sodann von Herodot nacherzählten Märchen finden und das in vielen Volksliteraturen wiederkehrt. Es ist das Motiv des Meisterdiebs. Von einem Chassid des Maggids von Kosnitz 6 wird erzählt, er sei auf dessen Rat zum Meisterdieb geworden und dennoch ein redlicher Mensch geblieben; die Erzählung meldet seine Listen und seine Erfolge. Aber die chassidische Ueberlieferung geht noch weiter. Aus dem Munde einiger Zaddikim hören wir Scherzworte, in denen sie als Muster für den Dienst Gottes den verwegenen Dieb hinstellen, der in seinen Unternehmungen sein Leben einsetzt und, was ihm einmal nicht gerät, wieder und wieder versucht. Das Geschäft des großen Diebs erscheint hier geradezu als Sinnbild der Konzentration im Dienste Gottes. Beachtenswert ist dabei, daß zuweilen der Dieb und der Säugling zusammengestellt werden: von diesen beiden Wesen, dem unmoralischen und dem amoralischen, ist die höchste Eigenschaft, die der inneren Einheit, zu lernen. Eine völlig verschiedene Symbolik des Diebstreibens findet sich im Zen. Ein Lehrer von Ende des elften Jahrhunderts erzählt in seiner Predigt von einem alten Meisterdieb, der seinen Sohn auf dessen Bitte seine Kunst zu lehren unternimmt. Er geht mit ihm nachts in das Haus eines reichen Mannes, bricht zusammen in das Haus ein und befiehlt ihm, in eine große Truhe zu steigen und die kostbarsten Gegenstände darin zu bergen. Als der Sohn in der Truhe niederkauert, drückt der Vater den Deckel nieder, riegelt ihn zu, verläßt das Zimmer, alarmiert die Hausgenossen und geht davon. Der Sohn muß all seinen Verstand aufbieten, um sich zu retten. Schließlich tritt er ingrimmig vor den Vater. Der hört die ganze Geschichte gelassen an, dann sagt er: »Du hast also nun die Kunst erlernt.« So hält es der Zen-Lehrer mit seinen Schülern. Er erleichtert nichts, er vermittelt nie, er nötigt sie, ihr Leben dranzuwagen und so durch sich selber zu erlangen, was man nur durch sich selber zu erlangen vermag. Wir haben gesehen, wie die Wahrheit sowohl dem Chassidismus wie dem Zen nicht als Inhalt und Besitz, sondern als menschliches Dasein und als Bewegung zwischen den Generationen er6.
Vgl. über ihn »Die chassidischen Bücher« 392 f., 486 ff.
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scheint; aber diese Bewegung von Dasein zu Dasein bedeutet im Chassidismus Uebergabe, im Zen bedeutet sie Anregung. Dieser Unterschied dringt jedoch tief vor, über den Bereich des Erzieherischen, des Verhältnisses zwischen den Generationen hinaus. In einem dem ersten Patriarchen des Zen, Bodhidharma, zugeschriebenen Buch lesen wir: »Willst du den Buddha suchen, schau in dein eigenes Wesen; denn dieses Wesen ist der Buddha selber.« Die Botschaft, die er brachte, als er um 520 aus dem Westen nach China kam, faßt sich in diesen Versen zusammen: »Besondre Ueberlieferung jenseits der Schriften, kein Haften an Wörtern und Zeichen, gerades Hinzeigen auf die Seele des Menschen, Schauen in das eigne Wesen und Erlangung des Buddhastands.« Der Sinn geht nicht dahin, der Einzelne habe nur ums eigne Heil zu sorgen. In dem vierfachen Gelübde, das dreimal nach jedem Vortrag der Zen-Lehre wiederholt wird, lautet zwar der letzte Vers: »Unzugänglich ist der Pfad des Buddhatums – ich gelobe, ihn zu erreichen«, aber der erste Vers besagt: »Zahllos sind die fühlenden Wesen – ich gelobe, sie alle zu retten.« Und diese Rettung bedeutet ja wieder, jedem zu helfen, in sein Wesen zu schauen. Wenn das Lied eines späten Zen-Lehrers, eines Zeitgenossen des Baal-schem-tow 7, mit den Worten endet: »Diese Erde selber ist das reine Land des Lotos, und dieser Leib da ist der Leib des Buddha«, so weist zwar der erste der beiden Verse auf die Wichtigkeit des Umgangs mit der konkreten Wirklichkeit der Dinge hin, aber der eigentliche Weg zum Unbedingten wird nur in der Beziehung des Menschen zu sich selbst gesehen. Der historische Buddha, der bekanntlich im Mahayana zu einem Gotteswesen wurde, das zur Erde niedersteigt, wird hier gänzlich zur Seite gerückt durch diese BuddhaBeschaffenheit, die in allen Seelen ruht und die jedermann in seinem Innern zu entdecken und zu verwirklichen vermag. Sogar der Name Buddha ist hier zuweilen verpönt, weil er die Menschen von der persönlichen Aufgabe zum geschichtlichen Gedächtnis ablenkt – im Gegensatz zu andern Mahayana-Sekten, die es für einen Weg zum Heil ansehen, unzählige Male einen der Namen Buddhas zu wiederholen. »Wer den Namen Buddha aussprach«, heißt es in einer Zen-Schrift, »soll sich den Mund spülen.« Auf Bildern von Malern der Zen-Schule sehen wir Bodhidharma, wie er die heiligen Schriften zerreißt und von sich schleudert. Ein andrer Patriarch heizt mit dem Holzbild Buddhas seinen Ofen. Es bestehen sogar Bedenken, sich Buddha vorzustellen. Die Buddha-Vorstellung wird als Kette bezeichnet, die geistige Goldschmiede geschmie-
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Vgl. über ihn »Die chassidischen Bücher«, passim.
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det haben. »Wir tragen sie nicht.« Zen ist eine religiöse Erscheinung, die sich von ihren geschichtlichen Voraussetzungen losgemacht hat. Der Buddhismus, ursprünglich eine historisch abgezirkte Religion, die sich im Mahayana sogar zur Offenbarungsreligion wandelte, wird hier zu einer Mystik der menschlichen Person, einer Mystik außerhalb der Geschichte, an kein einmaliges Ereignis mehr gebunden. Ganz anders verhält es sich mit dem Chassidismus. Wie sehr auch die Emanationslehre der Kabbala die Anschauung von der Beziehung zwischen Gott und Welt veränderte, die Anschauung von der Beziehung zwischen Gott und der Menschenseele ist im wesentlichen geblieben, wie sie war. Wohl hören wir im Chassidismus immer wieder, Gott sei die Substanz unsres Gebets, aber wir hören nicht, er sei unsre Substanz. Die Gotteskraft bereitet unsre Kehle zu, das lautre Gebet zu sprechen, aber der aussprechende Mund ist nicht göttlich. Der elementare Dialog ist nicht zum Monolog, die Zwiesprache von Gott und Mensch nicht zum Gespräch des Menschen mit seiner Seele geworden, und sie konnte dazu nicht werden, weil hier von urher alle Existenz des Glaubens an der Wesensähnlichkeit des göttlichen Führers und der von ihm geführten Schar hing, einer Wesensähnlichkeit, die sich nicht zur Wesensgleichheit wandeln konnte, ohne an der unbedingten Ueberlegenheit dieser Führung Zweifel zu erregen. Von hier stammen alle Grundsätze: das Ebenbild Gottes, das Gehen in seinen Wegen, die heilige Volksordnung. Zwar gewährt die Mystik hier der Seele des Einzelnen, die sich von der Gesellschaft abscheidet, die Gegenwart Gottes in flammender Intimität zu verspüren, aber auch in der Verzückung bleibt die Situation, wie sie war, auch das Verhältnis der intimsten Gegenseitigkeit bleibt Verhältnis, unerschüttert bleibt die Beziehung zu einem Wesen, das mit unsrer Wesenheit nicht zu identifizieren ist. Auch die Ekstase vermag sich nicht in solchem Maße nach innen zu wenden, daß sie in der Innerlichkeit volle Befriedigung und Vollendung fände. Mehr noch: die Abgeschiedenheit des Einzelnen von der Gesellschaft kann sich im Bereich der Religion nicht in solchem Maße vollziehen, daß die Mystik sich von der Geschichte befreite. Auch die persönlichste Mystik ruht hier im Schatten der geschichtlichen Offenbarung. Nie ist dieser Gott in den Augen der Seele in solchem Maße zu ihrem Gott, zum Seelengott geworden, daß er aufhörte, der Gott des Sinai zu sein. Und wohl ist der wahre Zaddik eine Thora, aber er ist es gerade, weil die Thora sich in ihm verkörpert hat. In jener Deutung des Schriftworts »Und das ist die Lehre des Menschen«, die ich erwähnt habe, heißt es: »Wenn der Mensch sich an all seinen Gliedern heiligt und sich, Geist an Geist, an die Thora heftet, wird er selber eine vollkommene Thora.« Auch die persönlichste Lehre
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entsteht aus der Verbundenheit mit der geschichtlichen Lehre. In Israel ist alle Religion Geschichte, die mystische Religion mit eingeschlossen. Auch hier sei ein Beispiel angeführt. Im Zen, und noch deutlicher vor ihm im Taoismus, der es, wie gesagt, sehr beeinflußt hat, finden wir zuweilen die Frage, ob wir nicht träumen, daß wir leben. Tschuang-Tse, der große taoistische Dichter und Lehrer, fragt sich selber, nachdem er geträumt hat, er sei ein Schmetterling: »Jetzt weiß ich nicht: war ich eben ein Mensch, der träumt, er sei ein Schmetterling, oder bin ich nun ein Schmetterling, der träumt, er sei ein Mensch?« Eine Antwort wird hier nicht gegeben; im Zen hingegen antwortet man auf solche Fragen mit einer Ohrfeige, die sich etwa durch den Ruf: »Erwache!« übersetzen läßt. Nicht so der Chassidismus. Ein Zaddik wird von seinem Sohn gefragt: »Wenn es Tote gibt, die, in der Welt des Wirrsals einhergehn und sich einbilden, sie setzten ihr gewohntes Leben fort, vielleicht weile auch ich in der Welt des Wirrsals?« Der Vater erwidert ihm: »Wenn ein Mensch weiß, daß es eine Welt des Wirrsals gibt, so ist das ihm ein Zeichen, daß er nicht in der Welt des Wirrsals weilt.« Eine noch charakteristischere Antwort jedoch hat ein anderer Zaddik, der einer der unsern benachbarten Generation angehört, einem Schüler auf dessen Frage gegeben, woher wir wüßten, daß wir nicht in der Welt des Wirrsals weilen. Die Antwort lautet: »Wenn ein Mensch im Bethaus aufgerufen wird, an der Vorlesung der Thora vor der heiligen Lade teilzunehmen, ist ihm das ein Zeichen, daß er nicht in der Welt des Wirrsals weilt.« Die Thora ist das Maß der Wirklichkeit. Von der Feststellung dieses fundamentalen Unterschieds aus haben wir nun von neuem zu betrachten, was uns am deutlichsten als Zen und Chassidismus gemeinsam erschien, das positive Verhältnis zum Konkreten. Wir haben gesehen, daß in beiden der lernende und werdende Mensch auf die Dinge, auf das sinnliche Sein, auf das Handeln in der Welt hingewiesen wird. Aber der Antrieb dazu ist in beiden von Grund aus verschieden. Im Zen dient der intensive Hinweis auf das Konkrete dazu, den auf die Erkenntnis der Transzendenz gerichteten Geist vom diskursiven Denken abzulenken. Der Hinweis ist, wiewohl gegen die übliche Dialektik gerichtet, selber von dialektischer Art; nicht auf die Dinge selbst kommt es hier an, sondern auf ihre Nichtbegrifflichkeit als Sinnbild des allen Begriffen überlegenen Absoluten. Nicht so im Chassidismus. Hier sind die Dinge selbst Gegenstand der religiösen Befassung, denn sie sind Wohnstätten der »heiligen Funken«, die der Mensch erheben soll. Die Dinge sind hier wichtig nicht als Darstellungen der nichtbegrifflichen Wahrheit, sondern als Exile göttlicher Wesenheit. Damit daß der Mensch sich mit ihnen in der rechten Weise befaßt, kommt er
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in Berührung mit dem Schicksal der göttlichen Wesenheit in der Welt und hilft an der Erlösung. Sein Handeln an den Dingen ist nicht wie das Handeln eines Zen-Mönchs etwas, was das Schauen in die eigene Natur nur begleitet, sondern es ist von selbständigem religiösem Sinn durchdrungen. Der Realismus des Zen ist dialektisch, er meint Aufhebung; der chassidische Realismus ist messianisch, er meint Erfüllung. Wie er in seiner Verbundenheit mit der Offenbarung auf die Vergangenheit achtet, so achtet er in seiner Verbundenheit mit der Erlösung auf die Zukunft – beides im Gegensatz zum Zen, für den nur dem Augenblick eine unbedingte Wirklichkeit zukommt, da er die Möglichkeit der inneren Erleuchtung ist, und vor dem Augenblick verschwindet die Dimension der Zeit. Der Chassidismus ist, soweit ich sehe, die einzige Mystik, in der die Zeit geheiligt wird. Unter allen Erscheinungen der Religionsgeschichte ist der Chassidismus diejenige, in der in voller Klarheit zwei Linien zusammentreffen, von denen man anzunehmen pflegt, es gebe ihrem Wesen nach keine Begegnung zwischen ihnen: die Linie der inneren Erleuchtung und die Linie der Offenbarung, die des Augenblicks jenseits der Zeit und die der Geschichtszeit. Der Chassidismus sprengt den geläufigen Begriff der Mystik. Glaube und Mystik sind nicht zwei Welten, obgleich in ihnen immer wieder die Tendenz, zu zwei selbständigen Welten zu werden, die Oberhand gewinnt. Die Mystik ist der Bereich am Grenzrand des Glaubens, der Bereich, in dem die Seele Atem holt zwischen Wort und Wort.
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Die uralte Auseinandersetzung zwischen Religion und Ethik, die sich bis in unsere Tage hinein fortsetzt, hat zwei Grundformen, je nachdem die eine oder die andere Seite einen Vorstoß unternimmt. Der Vorstoß der Ethik vollzieht sich im allgemeinen im Zeichen der Frage: Heteronomie oder Autonomie, Bestimmtwerden von einem Gesetz außerhalb unser (hier ist eben das Göttliche gemeint) oder Bestimmtwerden von einem Gesetz innerhalb unser? Der Vorstoß der Religion hat im allgemeinen, zum Ziel, ihren Primat, ihren Vorrang durchzusetzen. Eine gerechte Entscheidung zwischen beiden scheint mir, wie so oft, nicht anders möglich zu sein, als daß man beiden recht und unrecht gibt, wobei natürlich die Bezirke von Recht und Unrecht genau aufeinander abzugrenzen sind. Soll man, fragt die Ethik, das Gute tun, weil es die Götter gebieten, oder weil es das Gute ist? Wogegen die Religion ihrerseits die Frage stellt: Soll man denn überhaupt vor allem das Gute tun, oder das, was Gott von einem will? Die erste Frage scheidet offenbar lediglich zwischen zwei Motivationen desselben sittlichen Handelns und will wissen, welches die richtige sei. Die zweite Frage hingegen scheidet, wiewohl es der Religion grundwichtig ist, daß die Motivation »um Gottes willen« obwalte, im wesentlichen zwischen zwei Arten von Handlungen und will wissen, welche die überlegene sei. Mit andern Worten: die erste Frage läßt es dahingestellt sein, ob dem Inhalt der Handlungen nach nicht eine völlige Harmonie zwischen Religion und Ethik möglich sei, die zweite zielt auf einen möglichen Konflikt zwischen beiden ab und will für diesen Fall der ersten den Vorrang sichern. Beide Fragen gehen, aufs Letzte geprüft, von einer falschen Auffassung sowohl der Religion wie der Ethik aus. Der Mensch glaubt entweder an einen gebietenden und fordernden Gott, oder er glaubt nicht an einen solchen (diese Unterscheidung, nicht die zwischen »Gläubigen« und »Ungläubigen« ist für uns hier maßgebend). Für den, der nicht so glaubt, hat die Ethik selbstverständlich schlechthin recht, wenn sie den guten, aber nicht an einen gebietenden und fordernden Gott glaubenden Menschen gegen die religiöse Position stellt: selbstverständlich sind gute Handlungen nicht weniger gut, wenn sie aus eigener Einsicht, eigenem Gefühlsantrieb oder eigener Gewissensprüfung getan werden. Darüber hinaus aber beginnt in der Existenz dieses Menschen die Problematik. Ist er ein religiöser Mensch, so besteht zwischen seinem isolierten ethischen und seinem isolierten religiösen
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Leben im strengen Sinn keine Verbindung, sie stehen unter verschiedenem Gesetz, sein Leben hat keine elementare Ganzheit. Noch anders verhält es sich mit dem irreligiösen Menschen: er kann nicht bloß in jeder anderen Hinsicht vortrefflich sein, er kann sogar die Ganzheit des persönlichen Lebens haben, die jenem fehlt, aber er hat es nicht mit der Ganzheit des Seins zu tun, d. h. sein Leben als solches ist der Ganzheit des Seins gegenüber isoliert. Dies ist freilich ein Punkt, den nur der religiöse, nicht der irreligiöse Mensch verstehen kann: hier ist die Grenze der begrifflichen Verständigung zwischen beiden und es muß dem Irreligiösen unbenommen bleiben, die Kritik als eine illusionäre abzulehnen. In beiden Fällen hat aber die Ethik mit ihrem Postulat der Autonomie recht. Wie nun aber, wenn von dem Menschen die Rede ist, der an einen gebietenden und fordernden Gott glaubt? Nehmen wir zunächst eine Art vorweg, die für unsere Zeit spezifisch wichtig ist. Der Mensch, der nicht den Glauben hat, er wisse durch eine Ueberlieferung zuverlässig, was Gott ihm für sein Leben gebietet, sondern die ihm überlieferte Offenbarung als eine Verschmelzung von Göttlichem und Menschlichem ansieht, innerhalb deren der menschliche Anteil im Laufe des Ueberlieferns wächst, der göttliche aber jeweils nur in Stunden persönlicher Erleuchtung und nur für bestimmte biographische Situationen sich unmittelbar als der göttliche kundtut, – dieser Mensch lebt recht eigentlich in »Furcht und Zittern«. Grundsätzlich gibt es zwar für ihn das Problem von Autonomie und Heteronomie nicht, denn er weiß: wäre er in vollkommener Eintracht mit seinem Gott, dann würde eben das, was dessen Wille ist, in seinem eigenen Herzen entbrennen und es gäbe keinen Unterschied mehr zwischen »Von dorther« und »Von daher«; aber faktisch ist sein Leben erfüllt von einer Zweiheit, die jener irgendwie entspricht. Wohl vernimmt er aus allen Dingen und Vorgängen eine göttliche Anforderung seiner Person, aber im allgemeinen ist ihm damit keineswegs eine Anweisung gegeben, was er in dieser Stunde, in dieser Lage für Gott zu tun habe; vielmehr wird an ihn zumeist gewissermaßen eine Frage gerichtet, die er mit seinem Tun und Lassen auszufüllen hat. Was er nun von sich aus faßt, beschließt, entscheidet, das schöpft er aus seinem »Gewissen«, aus der Urwachheit seiner Seele, in einer Tiefe am Einheitsquell der Person, wo Selbst und Welt und beider Verhältnis zueinander, wie es an diesem Tage ist, geprüft und geklärt werden. Aber bei noch so gewaltiger Konzentration der innersten Kräfte hat das Gewissen zuweilen keine Sicherheit; dieser Mensch weiß ja, daß er nicht objektiv zuverlässig wissen kann, ob das, was er nun vorhat, die rechte Antwort auf die ihm gestellte Frage, die rechte Ausfüllung des gezogenen Kreises ist.
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Wohl gibt es die Stunden, in denen er wie aus Vollmacht handelt, aber auch jene, in denen er die völlige Verlassenheit erfährt, und zwischen beiden verläuft das Leben. Er muß sich helfen lassen: von dem überlieferten »Wort Gottes«, sich ihm öffnend, daß das göttliche Element darin ihm in die Seele schlagen könne, und von allem guten hilfreichen Geist, der vom Geiste Gottes berührt ist. Ueber alles aber muß er sich von Gott selber Hilfe erheischen, indem er im Gebet ihm all die Frucht des Gewissens darbringt, daß er sie annehme oder verwerfe. Und wie, wenn alles erschöpft ist und er auch dann noch keine Sicherheit gewinnt? Nun, so lebt er diese Stunde eben im Wagnis, in Furcht und Zittern ab. Stellen wir jetzt diesem Einsamen und Ausgesetzten gegenüber, als das äußerste Beispiel einer religiösen Sicherheit, an deren Horizont scheinbar nie ein Schatten des Autonomieproblems erscheinen kann, eine religiöse Gemeinschaft (hier hat es keinen Sinn mehr an einen Einzelnen zu denken), die in der unerschütterten und allem Anschein nach unerschütterlichen Gewißheit lebt, welche ihr die in ihr lebendige Ueberlieferung verleiht, einer Gewißheit, die zu einer höheren Natur und zu einer erhabenen Selbstverständlichkeit geworden ist. Innerhalb ihres als Ganzes religiös bestimmten Lebens grenzen sich für die Menschen dieser Gemeinschaft dennoch eine religiöse Sphäre im engeren Sinne, Kult und Ritual umfassend, und eine ethische Sphäre gegeneinander ab. Gemeinsam ist beiden, daß ihre Gesetze und Regeln von der göttlichen Autorität sich herleiten und das Handeln ihnen gemäß oder ihnen entgegen unter göttlicher Sanktion steht. Und doch regt sich sogar in dem im engeren Sinn religiösen Bereich immer wieder eine Tendenz, die uns, wie fern sie auch inhaltlich der Tendenz zur sittlichen Autonomie ist, doch in einer bestimmten Weise an sie erinnert. Man will die gottesdienstlichen Bräuche und die gebotenen Lebensformen nicht bloß deshalb beobachten, weil sie anbefohlen sind, man will der Innerlichkeit des eigenen Glaubensverhältnisses Ausdruck in ihnen verleihen, man will sie als ihrer Intention nach und ihrem Gehalte nach religiöse Akte, als in sich religiöse Akte tun; und der Charakter des Gebotenseins kann dabei als Motiv so weit zurücktreten, daß an ihnen vor allem dies empfunden wird, der Gebietende habe den Menschen Wege gewiesen, ihr eigenes religiöses Bedürfnis, das nach der Gottesnähe und der Bereitschaft für Gott, auszudrücken und zu befriedigen. In dem andern, dem ethischen Bereich macht sich eine entsprechende Tendenz in verschiedener Weise, aber zuweilen mit nicht weniger starken Akzenten geltend. Es ist geboten, die Eltern zu ehren; aber dem ehrfürchtigen Menschen betätigt sich darin ein Innerstes vom Grunde des Lebens her. Es ist verboten, lügenhaftes Zeugnis abzulegen; aber dem aufrichtigen Menschen ist Wahrheit nicht bloß das
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Siegel Gottes, sondern auch der Hort seiner eigenen Seele. Es ist geboten, den Mitmenschen zu lieben; aber ist Liebe echt, wenn sie nicht im Herzen aufbricht? Von oben und von innen zugleich: daß ebendas, was von oben geboten ist, von innen als Verlangen und Regung der Seele aufquelle – dahin geht letzthin die Tendenz. In dem Maße, in dem das in unendlicher Ferne und Majestät über dem Menschen strahlende Gottesfeuer sich in der innersten Zelle seines Selbst entzündet, in dem Maße also, in dem das »Ebenbild« zu konkreter Wirklichkeit wird, hebt sich auch innerhalb der in der lebendigen Gewißheit der Ueberlieferung lebenden Gemeinschaft die Differenz von Heteronomie und Autonomie in einer höheren Einheit auf. Erst auf dieser Stufe, wo das religiöse Prinzip das ethische, ohne es in seiner Eigenkraft zu beeinträchtigen, seiner eigenen Lebenssubstanz einverleibt hat, ist seine Obermacht unbestreitbar. Dies ist aber keineswegs die höchste Stufe. Denn hier sind ja doch noch innerhalb des Gesamtlebens der religiösen Gemeinschaft die beiden Bereiche, das Religiöse im engeren Sinn und das Ethische, gattungsmäßig voneinander getrennt, beide zwar sich von Gottes Gebot ableitend und auf es bezogen, aber jenes doch, wenn nicht in allen seinen Teilen, so doch als Ganzes, den Vorrang beanspruchend. Wenn aber eine schwere innere Krise die Grundfesten – eben die Gewißheit, es sei Gottes Wille, daß die Menschen so und nicht anders leben – unterhöhlt hat und in der Gemeinschaft eine Bewegung sich erhebt um die Krise zu überwinden und wieder ein klares, eindeutiges Leben im Angesicht Gottes zu begründen, dann hält die Scheidung zwischen Ethischem und Religiösem nicht vor. Für die neue Bewegung müssen die ethischen Handlungen ihrem Wesen und ihrer Wirkung nach religiöse Handlungen werden, nicht also bloß als von Gott geboten der Religion angehörig, sondern unablöslicher Bestandteil ihrer Keimsubstanz und durchaus nicht geringeren Ranges als deren Rest, ja von solcher Bedeutung, daß dieser Rest, das »Religiöse im engeren Sinne«, nicht ohne sie bestehen könnte. Die Ur-Intention der religiösen Gemeinschaft, die Verwirklichung der »Heiligkeit« in der ganzen Breite und Fülle des Gesamtlebens, soll nun erfüllt werden, mit ihrer Erfüllung wird begonnen. Das »Ethische« ist nun nicht mehr eine von der religiösen Instanz gedeckte und sanktionierte Sache zwischen den Menschen, sondern sie ist, nicht minder als das Religiöse im engeren Sinne, eine Sache zwischen den Menschen und Gott. Beide Arten von Handlungen, die ritualen und die sittlichen, sind ihrem Sinn nach auf Gott selber gerichtet, durch beide erhält sich die Verbindung mit ihm, beide wirken auf die Einheit zwischen den göttlichen Kräften und Gestalten ein. Das isolierte Religiöse ist hier ebenso dahingeschwunden wie das isolierte Ethische. Du kannst Gott nicht wahrhaft lieben, wenn du nicht
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die Menschen liebst, und du kannst die Menschen nicht wahrhaft lieben, wenn du Gott nicht liebst. Das ist die Stufe, die der Chassidismus erreicht hat, wenn auch das von ihm begründete neue Leben fragmentarisch und flüchtig blieb. Man soll, sagt Kierkegaard, nur mit Gott wesentlich verkehren. Man kann, sagt der Chassidismus, mit Gott nicht in Wahrheit wesentlich verkehren, wenn man nicht mit den Menschen wesentlich verkehrt. 2.
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Für eine geistige Bewegung, die nicht die Durchsetzung eines Gedankens, sondern die Erneuerung des Lebens anstrebt, ist es charakteristisch, wie sich ihr Menschenideal zu den einzelnen geschätzten und gepriesenen menschlichen Eigenschaften verhält. Die chassidische Haltung wird durch die Aussprüche dreier Zaddikim (»Bewährte«: so werden die Führer der chassidischen Gemeinden genannt) beleuchtet, Aussprüche, die einander verwandt sind und von denen jeder einen besonderen Ton hat und einen besonderen Beitrag leistet, ja die überdies, nebeneinander betrachtet, eine deutliche Entwicklungslinie aufzeigen. Es handelt sich um die Beurteilung dreier Eigenschaften: der Klugheit, der Frömmigkeit und der Güte. Rabbi Pinchas von Korez, ein Mann der ersten Generation, von großer Unmittelbarkeit in der Anschauung und der Sprache, begnügt sich eine Wertskala der drei aufzurichten. »Fromm sein«, sagt er, »habe ich lieber als klug sein, aber lieber als Klugsein und Frommsein habe ich Gutsein.« Auf den ersten Blick sieht es aus, als würde hier das Ethische über das Religiöse gestellt; aber prüft man die verwendeten (im Original jiddischen) Begriffe genauer dem sonstigen Sprachgebrauch nach, dann merkt man, daß hier mit »fromm« die religiöse Spezialisierung, also das isolierte Religiöse gemeint ist, wogegen »gut« den Menschen bezeichnet, der sich liebend zur Welt verhält, indem er den Willen Gottes an dessen Geschöpfen zu erfüllen sucht. Das isolierte Religiöse war eben dem Chassidismus in seiner Umgebung bekannt, in der Gestalt von »Frömmlern«, die sich nur um ihre Beziehung zu Gott selber kümmerten; das isolierte Ethische aber gab es in dieser Umgebung nicht, und man zog es daher gar nicht in Betracht. Weiter als dieser Spruch geht ein knappes Wort, aus der Schule von Karlin stammend, deren Blütezeit in die dritte und vierte Generation der Bewegung fällt. Er lautet: »Klugheit ohne Herz ist gar nichts. Fromm ist falsch.« Was hier »Herz« genannt wird, ist im Grunde offenbar nichts anderes als jene »Güte«, ohne die alle intellektuellen Vorzüge nichtig sind. Der zweite Teil des Spruches fällt durch seine Schärfe
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auf. Was er sagen will, ist klar: eine unmittelbare Beziehung zu Gott, die keine unmittelbare Beziehung zur Welt einschließt, ist, wenn es nicht Täuschung ist, Selbsttäuschung; wenn du dich von der Welt abwendest um dich Gott zuzuwenden, bist du nicht der Wirklichkeit Gottes, sondern nur deinem Gottgedanken zugewandt; das isolierte Religiöse ist in Wahrheit auch das Religiöse nicht. Nun aber kommt der dritte Spruch und legt die Verkehrtheit aller isolierten Eigenschaften bloß, indem er beachtenswerterweise auch an der isolierten Güte Kritik übt; denn wir sind nun in der sechsten Generation, die Aufklärungsbewegung hat inzwischen dem östlichen Judentum auch eine Form der isolierten Ethik gebracht, und dazu hat der Urheber des Spruchs, der weise Rabbi Bunam, auf seinen Auslandreisen wohl auch andere Formen davon kennen gelernt. Der Spruch lautet: »Wenn jemand bloß gut ist, ist er ein Buhler; wenn er bloß fromm ist, ist er ein Dieb; wenn er bloß klug ist, ist er ein Ungläubiger. Nur wenn in einem alle diese Eigenschaften beisammen sind, vermag er Gott in Vollständigkeit zu dienen.« Wer sich in einer unbestimmten Liebe ohne Ordnung und Gestalt an die Menschen hergibt, ohne von Glauben und Weisheit zugleich, durch Weisheit aus dem Glauben Sinn und Zusammenhang für seine Liebe zu empfangen, der wird sich leicht, wie ein Buhler, an den und jenen verlieren. Wer sich auf ein Gefühlsverhältnis zu Gott beschränken will ohne die lebendige Welt um sich zu sehen und ohne das Leben zu erkennen, der bestiehlt die Menschen um das was ihnen gebührt, und warum nicht auch um das was ihnen gehört? Und wer nur seinen Geist übt und auf nichts anderes bedacht ist, wer mit Gott und Welt nur durch die äußeren Bande der hergebrachten Religion und der hergebrachten Moral verknüpft ist, aber weder Frömmigkeit noch Güte kennt, der wird bald auch den notdürftigen Halt verlieren, den jene äußeren Bande verleihen. Alles Isolierte führt irre. Nur die Ganzheit ist zuverlässig und führt den Menschen zum Heil. Soweit in diesen Sprüchen eine Wertskala aufgerichtet wurde, war das Ethische obenan: wer nur »gut« ist, kann eher erwerben was ihm noch fehlt, als wer nur fromm oder gar nur klug ist. Eine ähnliche Bewertung des Ethischen, wenn auch von einer anderen Seite aus, tritt uns entgegen, wo nicht mehr die Eigenschaften als solche, sondern der Platz von Gottesliebe und der von Nächstenliebe in der Entwicklung der wahrhaft religiösen Person erörtert wird. Hier wird es völlig deutlich, daß die wahre Menschenliebe in den Augen des Chassidismus gar keine abgelöst-ethische Haltung mehr, sondern eine religiöse im eigentlichen Sinne ist, ja daß in der Entwicklung der Person das Religiöse gerade auf ihr am ehesten sich aufbauen kann. Ein Zaddik fragte einen seiner Schüler: »Wenn
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ein Jude am Morgen vom Lager aufsteht und hat im Augenblick zwischen zwei Wegen zu wählen, Gottesliebe und Nächstenliebe, was geht dem andern voraus?« Der Schüler wußte es nicht. Da erklärte er: »Im Gebetbuch ist vermerkt: ›Vor dem Beten soll man den Vers sagen: Liebe deinen Genossen dir gleich.‹ Die wahre Gottesliebe ist, mit der Menschenliebe anzufangen. Und wenn dir einer sagt, er habe Liebe zu Gott und habe keine Liebe zu den Menschen, wisse, er lügt.« Es ist zu beachten, daß trotz jenes Spruchs, der auch die bloße Güte verdammt, doch nirgends, soweit ich sehe, gesagt wird, es könne niemand Liebe zu den Menschen ohne Liebe zu Gott empfinden: immer wird jene als die Grundlage angesehen. Vor einen Enkel des »heiligen Jehudi«, einen Zaddik der siebenten Generation, brachte ein Händler eine Klage über einen anderen vor, der ein Geschäft neben dem seinen aufgetan habe und ihm seinen Erwerb verkürze. »Weshalb«, sagte der Zaddik, »bindest du dich so an dein Geschäft, von dem du dich ernährst? Es kommt doch darauf an zu dem zu beten, der dein Ernährer und Erhalter ist! Weißt du aber etwa nicht, wo er wohnt, nun denn, es steht geschrieben: ›Liebe deinen Genossen dir gleich, ich bin der Herr.‹ Liebe ihn nur, deinen Genossen, und wolle, daß auch er habe wessen er bedarf, – dort, in dieser Liebe wirst du den Herrn finden.« Während anderswo in der Schrift geboten wird Gott zu lieben, und sodann den Fremdling, weil Gott ihn liebt, wird hier der umgekehrte Weg gewiesen. Gewiß sind beide zusammen die Wahrheit: denn jede der beiden Lieben in ihrer Wahrheit fordert die andere zu ihrer Ergänzung und treibt die andere hervor; aber wichtig ist, daß im Chassidismus es der Weg von der Welt zu Gott ist, auf den immer wieder als auf den für die persönliche Entwicklung maßgebenden hingewiesen wird. Einen Schritt weiter zum Verständnis dieser Tatsache führt uns das Wort eines Schülers des Lubliner »Sehers«, also eines Zaddik der fünften Generation. Es ist ein naiv anmutender Ausspruch, aber in seiner Naivität birgt sich eine tiefe Wahrheit. Auch er hebt mit dem Schriftvers an: ›Liebe deinen Genossen dir gleich, ich bin der Herr.‹ »Denn«, fährt er fort, »wie wenn man das Kind erst die Buchstaben und die Vokale lehrt und dann, sie zum Wort zu verbinden, so ist ja jeder in Israel ein Buchstabe der Lehre und seine Seele ein Gottesteil von oben, und wer einen aus Israel liebt, erlangt einen Gottesteil, und wenn er gewürdigt wird noch einen und noch einen zu lieben, erlangt er mehr, und wenn er der Liebe zu ganz Israel gewürdigt wird, erlangt er den Allmächtigen, den Gott der Welt, den Herrn.« Der eigentliche Sinn des Spruches geht an seinem Schlusse auf: nur wer Mensch um Mensch lieben lernt, gelangt in seinem Gottesverhältnis zu Gott als Gott der Welt. Wer die Welt nicht liebt, kann in seinem Verhältnis zu Gott nur einen gleichsam einsamen Gott oder
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den Gott seiner eigenen Seele meinen; den Gott des Alls, den Gott, der seine Welt liebt, lernt er erst in dem Maße meinen, in dem er selber die Welt lieben lernt. So darf man denn als den für die Entwicklung der Person entscheidenden Weg den von der Menschenliebe zur Gottesliebe ansehn, nicht in dem Sinn, als ob man ihn und nicht den andern zu gehen hätte, vielmehr muß der lebendige Mensch des Glaubens beide zu wiederholten Malen gehen, immer wieder wird seine Liebe eng, einmal nach der einen, einmal nach der andern Seite, immer wieder muß sie sich weiten und erneuern, – aber das erzieherisch Entscheidende ist der Weg von »unten« nach »oben«. Einer kam zu einem Zaddik und fragte: »Ich habe gehört, Ihr gäbet wirksame Mittel aus. So gebt mir denn ein Mittel um Gottesfurcht zu erlangen.« Der Zaddik antwortete: »Zur Erlangung von Gottesfurcht habe ich kein Mittel, wohl aber zur Erlangung von Gottesliebe.« »Das ist ja eine noch höhere Stufe«, rief jener, »gebt das Mittel nur her!« »Das Mittel«, sagte der Zaddik, »um Liebe zu Gott zu erlangen, ist Liebe zu Israel. Wer in Wahrheit Liebe zu Israel hat, kann leicht dazu kommen Gott zu lieben.« Wie nah hier auch das »Ethische« in seiner grundlegenden Wichtigkeit für das »Religiöse« diesem gekommen ist, so ist doch noch eine Differenz der Qualitäten und Gebiete geblieben. Auch sie muß überbrückt werden. Und sie wird überbrückt. Ein bedeutender Zaddik der dritten Generation, Rabbi Schmelke, wurde von einem Schüler gefragt: »Wie kann ich das Gebot ›Liebe deinen Genossen dir gleich‹ erfüllen, wenn mein Genosse mir Uebles tut?« Er antwortete: »Zuweilen schlägt einer aus Versehen sich selber. Soll er da einen Stock nehmen und sich zur Strafe verprügeln? Du bist doch Eine Seele mit deinem Gefährten, und wenn er dir Uebles tut, weil er das nicht weiß, wirst du, der es weiß, ihm vergelten und dir selber Leid zufügen?« Jener aber fragte weiter: »Und wenn ich einen sehe, der gegen Gott böse ist, – wie kann ich den lieben?« »Die Seele jedes Menschen«, antwortete der Zaddik, »ist ein Gottesteil von oben. So sollst du dich Gottes erbarmen, wenn einer seiner heiligen Funken sich in den ›Schalen‹ verfangen hat.« Hier ist der entscheidende Schritt getan. Wie der Urquell der Gottheit verbunden ist mit all seinen in die Welt ausgestreuten Seelenfunken, so ist, was wir an unseren Mitmenschen tun, verbunden mit dem, was wir auf Gott zu tun. Die »ethischen« Handlungen sind nach Sinn und Wesen ebensosehr religiöse Handlungen wie es die »religiösen« sind. Und fragt man nach der Wirkung: »Solange«, schreibt einer der ernstesten chassidischen Denker, »grundloser Haß besteht, daß einer den andern nicht freundlichen Angesichts betrachtet, bewirkt es das Verbergen des oberen Angesichts. Wenn aber Liebe offenen Angesichts waltet, dann
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wird sichs erfüllen, daß die Glorie des Herrn sich offenbart und alles Fleisch mitsammen sie sehen.« Die Erlösung hangt an der Einung der Menschenwelt, denn diese Einung ist die Einung der Gottessubstanz, die in die Welt geworfen ist. Die echte sittliche Tat wird an Gott getan. So ist es denn selbstverständlich, daß die »ethischen« Handlungen den »religiösen« gleichgestellt werden, wie wenn der »Seher« von Lublin, als er einem armen Wanderer nicht bloß selber die Speisen aufträgt, sondern darnach auch selber die Eßgeräte hinausträgt, auf die Frage, warum er sich auch damit selbst bemühe, antwortet: »Gehörte doch das Hinaustragen der Geräte aus dem Allerheiligsten zum Dienst des Hohepriesters!« Kann man dies immer noch als bloße Parallelisierung und Gleichnissprache verstehen, so spricht sich die innigste Einheit beider Gebiete und der beiden gemeinsame religiöse Charakter in einem fast derben Scherzwort Rabbi Mordechais von Neschiz, eines der frühen Zaddikim, aus. Er hatte in seiner Jugend Geschäfte getrieben und pflegte alljährlich von dem Erwerb jeder Handelsreise etwas zurückzulegen, um am Ende des Jahres einen schönen Ethrog 1 kaufen zu können. Auf dem Weg in die Stadt, wo er sich diesen aussuchen wollte, begegnete er einem Wasserfahrer, der weinte und klagte, weil ihm sein einziges Pferd umgekommen war. Der Rabbi gab ihm das für den heiligen Zweck zusammengesparte Geld her, damit er sich ein anderes Pferd kaufe. Und als man ihn fragte, ob es ihm denn nicht schwer geworden sei, solchen Verzicht zu üben: »Was macht es aus!«, sagte er, »allewelt spricht den Segen über den Ethrog, und ich spreche den Segen über das gekaufte Pferd.« Ein Gott, der so wahrhaft an dem Schicksal seiner Schöpfung teilnimmt, daß er sich um ihretwillen (so lehrt die Kabbala) von seiner Schechina, seiner »einwohnenden Herrlichkeit«, trennt und die Wiedervereinigung mit ihr von der Einung der Schöpfung abhängig macht, kann – so lehrt der Chassidismus – nicht dulden, daß der Mensch in seinem Leben und Handeln grundsätzlich zwischen Oben und Unten scheide. 3.
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Es ist hier noch an einer Anzahl von Sprüchen und Geschichten (Auswahl einiges besonders Charakteristischen aus einem sehr viel reicheren Material) zu zeigen, wie diese Einverleibung des Ethischen ins Religiöse ihren Ausdruck findet in der Uebung der Menschenliebe im Leben des 1.
Die Citrusfrucht, über der am Laubhüttenfest die Segnung des pflanzlichen Wachstums gesprochen wird.
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wahren Chassid. Manches darunter klingt an Aelteres an, aber es geht hier nicht um das Einzelne, sondern um die Fülle und Kraft des Ganzen, die ohnegleichen ist. Wir gehen von der Anschauung aus, die wir in jenem Gleichnis des Rabbi Schmelke von dem der sich selber schlägt gefunden haben. Es ist ein Prinzip der Identifizierung, nicht unwert dem indischen »Das bist du« zur Seite gestellt zu werden. Auf den Baalschem, den Begründer des Chassidismus, selber geht ein Spruch zurück, der sich wieder an das Gebot anschließt, den Genossen »dir gleich« zu lieben: »Denn jedermann in Israel hat seine Wurzel in der Einheit, und daher darf man ihn nicht ›mit beiden Händen‹ wegstoßen, denn wer seinen Gefährten wegstößt, stößt sich selber weg: wer ein Quentchen der Einheit wegstößt, das ist als stieße er die ganze weg.« Ich setze zur Veranschaulichung ein kräftig volkstümliches Gleichnis daneben. Wieder beklagt sich bei einem Zaddik – diesmal ist es ein derber Scherzbold, der auch seine heftigen Ermahnungen in Scherze kleidet –, einer, daß ein anderer ihn um seinen Erwerb bringe. »Hast du schon«, sagte der Zaddik, »ein Pferd im Bach trinken sehn? Es schlägt mit den Hufen aus. Weshalb wohl? Es sieht sein Spiegelbild und meint, das sei ein anderes Pferd, das ihm sein Wasser wegtrinken will. Dir aber kommt es zu es zu wissen: das ist kein andrer als du selber, du selber stehst dir im Wege!« Die hochgespannte Forderung der Identifizierung verträgt sich im Chassidismus durchaus mit der Einsicht in den besonderen Charakter des Verhältnisses jedes Menschen zu sich selbst, aber auch die diesem Verhältnis eigentümliche Problematik wird klar erkannt. Gerade von dieser Problematik aus werden dem Liebesgebot neue Seiten abgewonnen. Ich führe zwei Sprüche an, die scheinbar in einem gewissen Gegensatz zueinander stehen, in Wahrheit aber einander ergänzen. Der Baalschem erklärt das Gebot so: »Es liegt dir ob deinen Gefährten zu lieben wie du dich selbst liebst. Und wer kennt wie du deine vielen Mängel? Wie du dich dennoch zu lieben vermagst, so liebe deinen Genossen, so viele Mängel du auch an ihm siehst.« Ein Zaddik der fünften Generation aber sprach von sich selbst: »Wie kann ich das Liebesgebot erfüllen, da ich doch mich selber nicht liebe und mich nicht anzublicken vermag? Was tue ich? Ich vollziehe die Umkehr so sehr, bis ich mich wieder anzublikken vermag. Eben so soll ich an meinem Gefährten tun.« Hier stehen zwei Menschen verschiedener Stufe einander gegenüber. Der eine läßt sich durch die Kenntnis seiner eigenen inneren Gebrechen nicht davon abhalten, seiner Person die anscheinend dem Menschen natürliche liebevolle Aufmerksamkeit zuzuwenden; dem andern ist der Anblick der eigenen Seele, wie sie ist, ein unübersteigliches Hindernis sich selber zu
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lieben; er kann es nur überwinden, indem er sich reinigt, sich wandelt, indem er »umkehrt« – übrigens ein für die Verschmelzung des Ethischen und des Religiösen schon in einer frühen Entwicklungsgeschichte der jüdischen Ueberlieferung höchst wesentlicher Begriff. Bedeutet das, daß dieser Mensch das Unvollkommene überhaupt nicht zu lieben vermag und also auch seine Mitmenschen nicht, bis auch sie die Umkehr vollzogen haben? Aber es ist ja doch offenbar, daß er eben aus Liebe den anderen hilft umzukehren, sie darin belehrt und berät. Vielmehr ist die tiefere Bedeutung des Spruchs die, daß der Zaddik, der sich durch wahre Zuwendung zu Gott dazu bringt, sich selber in Gott, das heißt in der Vollkommenheit, zu lieben, dem Menschen, der sich ihm anvertraut, dazu verhelfen kann sich selbst ebenso, also in Wahrheit zu lieben, statt wie gewohnt in der trügerischen Perspektive der Selbstsucht. Schon hier beginnt die Liebe aus dem Bereich des persönlichen Verhältnisses zwischen Mensch und Mensch in das Verhältnis zur Gemeinschaft hinüberzutreten. Was der Zaddik an jedem Einzelnen wirkt, wirkt er im Zusammenhang des Ganzen. »Und dies ist das Werk des Leuchters«, führt ein Meister des Leidens und des Gebets in der vierten Generation, der Kosnitzer Maggid, aus den Vorschriften für die Herstellung der Geräte fürs heilige Zelt an, »ein Goldgetriebe von seiner Lende bis zu seiner Blüte«. Und er legt aus: »Der Zaddik soll sich an die Gesamtheit Israels heften, und auch an die Abtrünnigen, ›daß kein Verstoßner von ihm verstoßen sei‹ – vom Anfang bis zum Ende, bis zum Alleruntersten, alles Ein Getriebe und völlige Einung, und an allen geschehe die Zurechtmachung, denn alle sind sie ein Gottesteil von oben«. Jede »Zurechtmachung«, die der Zaddik am Einzelnen übt, übt er an der Gesamtheit Israels, die, erst sie, der wahre Leuchter ist, der zum Himmel aufstrahlt und die Erde erhellt. Von dieser Konzeption der Gesamtheit aus, die im chassidischen Schrifttum in unzähligen Lehren, Gleichnissen und persönlichen Beispielen wiederkehrt, ist eine eigentümliche Anschauung zu verstehen, die in aller Klarheit schon in den ersten Generationen auftaucht und später nicht weiter ausgebaut worden ist. Es ist der Gedanke des »Mehrliebens«. Er hat, vom Baalschem ausgehend, dann bei Rabbi Pinchas von Korez und in seiner Schule Fuß gefaßt. Vom Baalschem wird berichtet, er habe einem Chassid, dessen Sohn unter die Gottesleugner geraten war, geboten ihn mehr als bisher zu lieben, und dieses Mehr an Liebe habe dann in der Tat den Jüngling zur Gemeinschaft zurückgebracht. Und auf Rabbi Pinchas geht die Lehre zurück: »Wenn dich einer verachtet und dir Leid zufügt, sollst du dich stark machen und ihn mehr als zuvor lieben. Durch solche Liebe bringst du ihn zur Umkehr. Darum soll man
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auch die Bösen lieben, nur ihre bösen Taten soll man hassen.« Und Rabbi Pinchas’ echtester Schüler, der Mann, von dem erzählt wird, der Tod sei über ihn in einer Nacht gekommen, als er dalag und sich weder entschließen konnte, gegen einen andern vor Gericht auszusagen noch auch die Unwahrheit zu sprechen, und keine andere Lösung sah als den Tod, Rabbi Rafael, pflegte zu lehren: »Wenn einer sieht, daß sein Gefährte ihn haßt, soll er ihn mehr lieben. Und der Sinn davon ist: die Gesamtheit Israels ist ein Wagen für die Heiligkeit, und ist Liebe und Einheit zwischen ihnen, dann ruht die Schechina und alle Heiligkeit über ihnen, ist aber, was Gott verhüte, eine Spaltung, dann wird ein Riß und eine offene Stelle und die Heiligkeit fällt in die ›Schalen‹ hinab«. Wenn also an dem einen Ort zu wenig geliebt wird, muß man an einem andern umsomehr lieben, um Ausgleich zu schaffen und die Ganzheit des ›Wagens‹ wiederherzustellen. Die untere Welt trägt das Göttliche nur, wenn sie als Ganzheit zusammenhält, und jeder kann an seiner Stelle dazu beitragen, daß die Ganzheit sich erhalte. Und dasselbe Prinzip des Mehr-liebens wirkt bis in die Intimität des zwischenmenschlichen Lebens hinein. Ein Schüler des Rabbi Pinchas erzählt: »Auf der Reise im Sommer rief mich der Rabbi, ich solle mich zu ihm in seinen Wagen setzen. Ich sagte: ›Ich fürchte mich, ich könnte es Euch eng machen‹. Da sagte er mir in einer Weise besonderer Zuneigung: ›Laßt uns einander mehr lieben, dann wird uns weit sein‹.« Das Gefühl des Beengtseins in der Menschenwelt hat seinen Ursprung in unzulänglicher Liebe. Worauf es ankommt aber, das ist keine allgemeine, unpersönliche Liebe; ganz konkret, ganz direkt, ganz effektiv muß sie sein. Kein anderes Beispiel sagt wohl so deutlich was gemeint ist wie jene allbekannte Geschichte, die aus dem Munde eines großen Liebenden und Helfers, Rabbi Mosche Leib von Sasow, überliefert ist. Er soll selber erzählt haben (ich wähle unter den verschiedenen umlaufenden Varianten die volkstümlichste und vollständigste), er sei unter Bauern in einer Dorfschänke gesessen und habe ihren Gesprächen gelauscht. Da habe er gehört, wie einer den andern fragte: »Liebst du mich denn?« Und jener habe geantwortet: »Nun freilich, ich liebe dich sehr.« Aber der erste habe ihn traurig angesehen und ihm solche Redeweise verwiesen: »Wie kannst du nur sagen, du liebtest mich? Weißt du denn, woran es mir fehlt?« Und da habe der andere geschwiegen und schweigend seien sie einander gegenübergesessen, denn da war nichts mehr zu besprechen. Wer wahrhaft liebt, weiß aus der Tiefe seiner Identität mit dem andern, vom Wurzelgrunde des andern Seins aus weiß er, woran es dem Freunde ermangelt. Dies erst heißt Liebe. Und wie gelangt man dazu? Man muß – so hat der Baalschem in
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einem schlecht erhaltenen Gleichnis im Anschluß an den Vers der Sprüche Salomons »Wie im Wasser Antlitz an Antlitz, so das Herz des Menschen zum Menschen« gelehrt – sich zum Gefährten hin und niederbeugen, wie wenn einer seinem Spiegelbild im Wasser näherkommen will und sich zu ihm hin und niederbeugt, und auch es kommt ihm entgegen, bis sein Haupt ans Wasser rührt und er nichts mehr sieht, denn beide sind das eine geworden, das sie sind; so kommt das Herz des Menschen zum Menschen, und nicht dieses eine zu diesem andern allein, sondern alle zu allen. So habe Mose, der »Demütige«, sich bis zur »Fläche des Bodens« niedergebeugt und in die Herzen ganz Israels sei Liebe zu einander gezogen. Von einer andern Seite aus, und ebenfalls unter Berufung auf die Demut Moses, stellt es ein früher Zaddik der dritten Generation dar. Jeder Mensch, so lehrt er, war Mose wichtiger als er selber. »Und dies war sein Dienst, auch Israel auf diese Stufe zu bringen, daß jeder seinen Gefährten liebe, indem er in seinen eigenen Augen niederer sei und jener ihm überlegen … Und dies ist es, was geschrieben steht: ›Als Mose seine Hand erhob‹, das heißt, seine Kraft und Stufe, die die Eigenschaft der wahren Demut war, dann war auch in Israel die Eigenschaft der Demut, und da betrachtete jeder den Vorzug des andern und die eigne Niedrigkeit und liebte den Gefährten in vollkommner Liebe, und dadurch besiegten sie Amalek«, das ist, die Gewalt des Uebels. Und wieder geht das Ethische ganz in das Religiöse ein. Der »heilige Jehudi« und seine Freunde liebten es, den Zusammenhang zweier Juden, die gleich auf gleich beieinander stehen und einander in fröhlicher Liebe zutrinken, mit dem Zusammenhang zweier »Jud«-Buchstaben zu vergleichen, die die kleinsten Zeichen des Alphabets, ja bloße Pünktchen sind, stellt man sie aber nebeneinander, dann drücken sie den Gottesnamen aus; stellst du hingegen zwei solche Pünktlein übereinander, dann bedeuten sie nur eine Unterbrechung. Wo zwei gleich auf gleich beieinander und einander ohne Vorbehalt zugetan sind, ist Gott. Dieser großen Bedeutung des Gleich-auf-gleich-seins gegenüber verblassen die Wertunterschiede zwischen den Menschen. Nicht allein daß in jedem ein Gottesteil von oben ist, in jedem ist ein ihm eigentümlicher, nirgendwo sonst auffindbarer. »In jedermann« sagt Rabbi Pinchas, »ist Kostbares, das es in keinem anderen gibt.« Die Einzigkeit und Unersetzlichkeit jeder Menschenseele ist eine Grundlehre des Chassidismus. Gott meint mit seiner Schöpfung eine Unendlichkeit von Einzigkeiten, und innerhalb ihrer meint er jeden einzelnen ohne Ausnahme einer Eigenschaft nach, einer besonderen Fähigkeit nach, einem Werte nach, den kein andrer besitzt; jedem kommt in seinen Augen ein eigentümlicher Belang zu, in dem kein andrer mit ihm wetteifern kann, und jedem ist
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er im Hinblick auf dieses in ihm verborgene Kostbare in besondrer Liebe zugetan. Gewiß, es gibt Große und Kleine, an Lehre Reiche und an Lehre Arme, mit Tugenden Geschmückte und der Tugend bar Scheinende, Gottergebene und in sich selbst Verkrochne, aber auch den als töricht und als frevelhaft Verschrienen versagt Gott sich nicht. Rabbi Pinchas vergleicht dies einem Fürsten, der außer seinen herrlichen Palästen auch allerhand winzige versteckte Landhäuser in Wäldern und Dörfern zu eigen hat, die er zuweilen aufsucht um zu jagen oder sich zu erholen. Und es ist nicht zu sagen, die großen Paläste seien zu recht da und die kleinen Landhäuser seien nicht zu recht da, »denn was dieser Geringe wirkt kann dieser Wichtige nicht wirken«. »So auch der Gerechte. Gewiß, seine Tugend und sein Dienst sind unermeßlich groß, und dennoch kann er nicht wirken, was der Böse wirkt.« So soll auch der Mensch, der in Gottes Wegen wandeln will, nicht aus relativen Unterschieden absolute machen. Das Wort der Mischna 2 »Verachte keinen Menschen« erstreckt der Kosnitzer Maggid, der jenes Gleichnis des Rabbi Pinchas anführt, nicht bloß auf Unwissende, sondern auch auf die Bösen und Gemeinen. Denn, wie die Mischna sagt, »es gibt keinen Menschen, der nicht seine Stunde hätte«. »Auch der Böse hat seine besondere Stunde, wo er sich dem Schöpfer zuwendet«, und spräche er zu ihm »auch nur ein einziges Wort in Vollkommenheit«; »denn nicht als Chaos hat Er ihn erschaffen«. Wäre nicht auch im Leben des Bösesten dieser Augenblick, er wäre gar nicht geschaffen worden. Und nach diesem Augenblick, nach diesem einen heiligen Wort, nach dieser einen heiligen Handlung schaut Gott aus. Wie dürfte der Mensch das vergessen! Er darf mit seiner Bereitschaft der Liebe und Hilfe nicht wählerisch sein, wo Gott es nicht ist. Vom Sasower Rabbi wird erzählt, um Mitternacht, als er ins Studium der Lehre versenkt war, habe ein betrunkener Bauer an sein Fenster geklopft und Einlaß verlangt. Erst verdroß den Zaddik die Störung, dann aber besann er sich: »Wenn Gott ihn in seiner Welt verträgt, ist es doch not, daß er da sei, da muß doch auch ich ihn in seiner Welt vertragen.« Er ließ ihn ein und bereitete ihm ein Lager. Ein andermal warf man ihm vor, daß er einem übel berufenen Mann alles Geld gegeben hätte, das er hatte. »Auch ich bin nicht gut«, sagte er, »und Gott gibt mir was ich brauche.« Gott verschwendet seine Liebe auch an den Bösesten, wie dürfte der Mensch die seine mit strenger Buchhaltung nach Ehre und Verdienst verwalten! Einmal waren die polnischen Rabbiner zusammengetreten, um über die zu Gericht zu sitzen, die den jüdischen Sitten abspenstig gewor2.
Der Grundtext des Talmuds, der von dessen späterem Großteil, der »Gemara«, erläutert wird.
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den sind. Ehe sie aber das Urteil der Scheidung zwischen ›Jochabwerfern‹ und den Getreuen in die Welt sandten, beschlossen sie, von Rabbi Wolf von Zbarez, auch er einer der großen Liebenden, seine Zustimmung zu erbitten. »Liebe ich euch denn mehr als ich sie liebe?«, gab er zur Antwort. Die Verhandlung wurde nicht fortgesetzt. »Der vollkommene Zaddik«, lehrt der Baalschem, »in dem selber kein Böses ist, sieht an keinem etwas Böses«. So wird von Rabbi Susja, dem großen Ekstatiker und »Gottesnarren«, berichtet, sogar wenn einer in seiner Gegenwart etwas Böses tat, habe er an ihm nur das Gute gesehen. Nach der Legende hatte er diese Stufe erlangt, weil einmal, nachdem er im Beisein seines Lehrers, des »großen Maggids« einen vielfältigen Sünder angefahren hatte, wie er sich denn nicht schäme vor den heiligen Mann zu treten, dieser ihn gesegnet hatte, hinfort nur das Gute an allen zu erblicken. Nach einer anderen Erzählung verhielt es sich mit ihm so, daß er alle Sünden anderer als seine eigenen wahrnahm und sie sich selber vorhielt. Für den, der kein vollkommener Zaddik ist, gibt der Baalschem die ergänzende Lehre: »Widerfährt es einem, daß er etwas Sündhaftes sieht oder davon hört, merke er darauf, daß in ihm selber ein Quentchen dieser Sünde ist, und lasse es sich angelegen sein, sich selber zurechtzumachen … Dann wird auch der Böse die Umkehr vollziehen, wenn du ihn mit in die Einheit einbeziehst, da doch alle Ein Mensch sind. Und dann wirkst du dazu, daß es nach dem Spruch ›und mache das Gute‹ gehe, denn du machst aus dem Bösen das Gute.« Jüdische Glaubensweisheit begegnet sich hier, von ganz andrer Seite her, mit uralter chinesischer: Wer sich selber mit dem Sinn des Seins in Einklang bringt, bringt die Welt mit ihm in Einklang; aber hier, in dem chassidischen Spruch, steht, was in all den taoistischen fehlt: Man muß den andern in die Einheit einbeziehen, dann wirkt man auf ihn zum Guten ein. Hüten muß man sich vor diesem ewigen Unterscheiden zwischen sich und den andern, vor der Hoffart des Unterscheidens, vor dem Trug des Unterscheidens, vor dieser ganzen triumphalen Scheinwelt, die auf der selbstzufriedenen Unterschiedlichkeit steht. Nichts verstört so die Einheit der Gotteswelt, das Vorgefühl der Ewigkeit, wie dieser sich breitmachende Unterschied zwischen mir und den andern als hätte ich wirklich dies und das vor dem und dem voraus. Das äußerste im Gebiet der Sprache, was im Chassidismus gegen diese Hochflut des falschen Unterscheidens geäußert worden ist, ist was Rabbi Rafael im letzten Sommer vor seinem Tode sprach: »Man muß nun alle guten Werke beiseitelegen, damit keine Herzenstrennung von irgendeinem Juden mehr sei.« Es gibt aber noch eine Kategorie von Menschen, die zu lieben uns be-
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sonders schwer fällt; das sind unsere Feinde. Wie es sich mit dieser Liebe verhält, hat ein anderer großer Zaddik, ebenfalls einer der ersten, Rabbi Jechiel Michal, gleicherweise vor seinem Tode, ausgesprochen. Er befahl seinen Söhnen an, sie sollten für die Feinde beten, daß es denen wohlergehe. »Und meint ihr«, fügte er hinzu: »das sei kein Gottesdienst? Das ist ein Gottesdienst größer als alles Gebet«. Hier hat die Einverleibung des Ethischen in das Religiöse ihren Gipfel erreicht.
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4. Der Chassidismus ist eine der großen Glaubensbewegungen, die unmittelbar zeigen, daß die Menschenseele als Ganzes, in sich geeint, in der Kommunikation mit der Ganzheit des Seins leben kann, und zwar nicht bloß einzelne Seelen, sondern eine zur Gemeinschaft verbundene Vielheit von Seelen. Die scheinbar mit Notwendigkeit voneinander getrennten Bereiche erkennen in den hohen Stunden solcher Bewegungen die Unrechtmäßigkeit ihrer gegenseitigen Abgrenzung und schmelzen ineinander. Die klare Flamme der menschlichen Einheit umfaßt alle Kräfte und steigt zur göttlichen Einheit empor. Die Einung des ethischen und des religiösen Bereichs, wie sie sich im Chassidismus, wenn auch nur in kurzer Blüte, vorbildlich vollzogen hat, bringt hervor, was wir in unserer Menschenwelt Heiligkeit nennen. Wir können Heiligkeit als menschliche Eigenschaft kaum anders als durch solche Einung kennen. Es ist wichtig, daß man sie kennen lerne.
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Als Rabbi Schnëur Salman, der Raw 2 von Reussen, weil seine Einsicht und sein Weg von einem Anführer der Mitnagdim 3 bei der Regierung verleumdet worden waren, in Petersburg gefangen sass und dem Verhör entgegensah, kam der Oberste der Gendarmerie in seine Zelle. Das mächtige und stille Antlitz des Raw, der ihn zuerst, in sich versunken, nicht bemerkte, liess den nachdenklichen Mann ahnen, welcher Art sein Gefangener war. Er kam mit ihm ins Gespräch und brachte bald manche Frage vor, die ihm beim Lesen der Schrift aufgetaucht war. Zuletzt fragte er: »Wie ist es zu verstehen, dass Gott der Allwissende zu Adam spricht: ›Wo bist du?‹« »Glaubt Ihr daran«, entgegnete der Raw, »dass die Schrift ewig ist und jede Zeit, jedes Geschlecht und jeder Mensch in ihr beschlossen sind?« »Ich glaube daran«, sagte er. »Nun wohl«, sprach der Zaddik 4 , »in jeder Zeit ruft Gott jeden Menschen an: ›Wo bist du, in deiner Welt? So viele Jahre und Tage von den dir zugemessenen sind vergangen, wie weit bist du derweilen in deiner Welt gekommen?‹ So etwa spricht Gott: ›Sechsundvierzig Jahre hast du gelebt, wo hältst du?‹« Als der Oberste die Zahl seiner Lebensjahre nennen hörte, raffte er sich zusammen, legte dem Raw die Hand auf die Schulter und rief: »Bravo!« Aber sein Herz flatterte. Was geschieht in dieser Geschichte? Auf den ersten Blick erinnert sie uns an talmudische Erzählungen, in denen ein Römer oder sonst ein Heide einen der jüdischen Weisen über eine biblische Stelle befragt, um einen angeblichen Widerspruch in der Lehre Israels aufzudecken, und eine Antwort empfängt, die entweder darlegt, dass kein Widerspruch besteht, oder auf andere Weise die Kritik widerlegt, woran sich zuweilen eine persönliche Zurechtweisung knüpft. Bald aber merken wir einen bedeutsamen Unterschied zwischen den talmudischen Erzählungen und der chassidischen, einen Unterschied, der freilich zunächst grösser erscheint als er ist. Die Antwort wird nämlich auf einer anderen Ebene gegeben als auf der die Frage gefragt worden ist. 1. 2. 3. 4.
Chassidismus (von chassid: bundestreu) wird die grosse mystisch-religiöse Bewegung genannt, die um die Mitte des 18. Jahrhunderts im osteuropäischen Judentum entstand. Rabbiner. Gegner, Bezeichnung der Gruppen, die die chassidische Bewegung bekämpfen. Bewährter, Bezeichnung der Führer der chassidischen Gemeinden.
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Der Oberste geht darauf aus, einen angeblichen Widerspruch in der jüdischen Glaubenswelt aufzudecken. Die Juden bekennen sich zu Gott als dem allwissenden Wesen, aber die Bibel legt ihm Fragen in den Mund, wie sie jemand fragt, der etwas nicht weiss und es erfahren will. Gott sucht Adam, der sich versteckt hat, er ruft in den Garten hinein und fragt, wo er sich befinde; also weiss er es nicht, man kann sich vor ihm verbergen, also ist er der Allwissende nicht. Statt nun aber die Bibelstelle zu erklären und den scheinbaren Widerspruch aufzuheben, geht der Rabbi von ihr nur aus und benützt ihr Motiv, um dem Obersten eine Vorhaltung über sein eigenes bisheriges Leben, über den Unernst, die Gedankenlosigkeit und den Mangel an Verantwortungsgefühl in seiner eigenen Seele zu machen. Auf die sachliche Frage, die, mag sie hier auch ehrlich gemeint sein, doch im Grunde keine echte Frage, sondern nur eine Form der Kontroverse ist, wird eine persönliche Antwort erteilt, oder vielmehr, statt einer Antwort erfolgt eine persönliche Zurechtweisung. Von jenen talmudischen Entgegnungen ist scheinbar nur die zuweilen daran geknüpfte Zurechtweisung übrig geblieben. Betrachten wir jedoch die Erzählung genauer. Der Oberste fragt nach einer Stelle aus dem biblischen Bericht von der Sünde Adams. Was der Rabbi antwortet, geht darauf heraus, dass er zu ihm sagt: »Du selber bist Adam, zu dir selber spricht Gott: ›Wo bist du?‹« Scheinbar hat er ihm über die Bedeutung der biblischen Stelle als solcher keine Auskunft gegeben. In Wahrheit aber beleuchtet die Antwort zugleich die Situation des von Gott befragten Adam und die Situation jedes Menschen allerzeit und allerorten. Der Oberste muss ja, sowie er die biblische Frage als an ihn selber gerichtet vernimmt und versteht, merken, was es bedeutet, wenn Gott fragt: »Wo bist du?«, sei die Frage nun an Adam oder an sonst einen Menschen gerichtet. Wenn Gott so fragt, will er vom Menschen nicht etwas erfahren, was er noch nicht weiss; er will im Menschen etwas bewirken, was eben nur durch eine solche Frage bewirkt wird, vorausgesetzt dass sie den Menschen ins Herz trifft, dass der Mensch sich von ihr ins Herz treffen lässt. Adam versteckt sich, um nicht Rechenschaft ablegen zu müssen, um der Verantwortung für sein Leben zu entgehen. So versteckt sich jeder Mensch, denn jeder Mensch ist Adam und in Adams Situation. Um der Verantwortung für das gelebte Leben zu entgehen, wird das Dasein zu einem Verstecksapparat ausgebaut. Und indem der Mensch sich so »vor dem Angesicht Gottes« versteckt und immer neu versteckt, verstrickt er sich immer tiefer und tiefer in die Verkehrtheit. So entsteht eine neue Situation, die von Tag zu Tag, von Versteck zu Versteck immer fragwürdiger wird. Diese Situation kann genau gekennzeichnet werden:
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dem Auge Gottes kann der Mensch nicht entgehen, aber indem er sich vor ihm zu verstecken sucht, versteckt er sich vor sich selber. Gewiss, es gibt auch in ihm ein Etwas, das ihn sucht, aber er macht es diesem Etwas immer schwerer ihn zu finden. In diese Situation hinein fällt die Frage Gottes. Sie will den Menschen aufrühren, sie will seinen Verstecksapparat zerschlagen, sie will ihm zeigen, wo er hingeraten ist, sie will in ihm den grossen Willen erwecken, heraus zu gelangen. Alles kommt nun darauf an, ob der Mensch sich der Frage stellt. Gewiss, jedem wird, wie dem Obersten in unserer Erzählung, »das Herz flattern«, wenn sie an sein Ohr dringt. Aber der Apparat hilft ihm auch dazu, dieser Bewegung des Herzens Herr zu werden. Die Stimme kommt ja nicht in einem Gewitter, das die Existenz des Menschen bedroht; es ist »die Stimme eines verschwebenden Schweigens«, 5 und es ist leicht, sie zu übertäuben. Solang dies geschieht, wird das Leben des Menschen zu keinem Weg. Mag ein Mensch noch so viel Erfolg, noch so viel Genuss erfahren, mag er noch so grosse Macht erlangen und noch so Gewaltiges zustande bringen: sein Leben bleibt weglos, solang er sich der Stimme nicht stellt. Adam stellt sich der Stimme, er erkennt die Verstrickung, er bekennt: »Ich habe mich versteckt«, und damit beginnt der Weg des Menschen. Die entscheidende Selbstbesinnung ist der Beginn des Wegs im Leben des Menschen, immer wieder der Beginn des menschlichen Wegs. Aber entscheidend ist sie eben nur dann, wenn sie zum Weg führt. Denn es gibt auch eine unfruchtbare Selbstbesinnung, die nirgends hinführt als zu Selbstquälerei, Verzweiflung und noch tieferer Verstrickung. Wenn der Gerer Rabbi 6 im Auslegen der Schrift an die Worte kam, die Jakob an seinen Knecht richtet: »Wenn mein Bruder Esau auf dich stösst, und fragt dich: ›Wessen bist du, wohin gehst du, wessen sind die vor dir?‹«, sprach er zu seinen Schülern: »Merket wohl auf, wie ähnlich die Fragen Esaus dem Spruch unsrer Weisen sind: ›Betrachte drei Dinge. Wisse, woher du kamst und wohin du gehst und vor wem du dich zu verantworten hast.‹ Merket wohl auf, denn grosser Prüfung bedarf, wer die drei Dinge betrachtet: dass nicht Esau in ihm frage. Denn auch Esau vermag nach diesen drei zu fragen und Schwermut über den Menschen zu bringen.« Es gibt eine dämonische Frage, eine Scheinfrage, die die Frage Gottes, die Frage der Wahrheit äfft. Sie ist daran zu erkennen, dass sie nicht bei dem »Wo bist du?« innehält, sondern fortfährt: »Von da heraus, wo du hingeraten bist, führt kein Weg mehr.« Es gibt eine verkehrte Selbstbesin5. 6.
So ist annähernd genau der merkwürdige Ausdruck I Könige 19.12 wiederzugeben. Ger: Gora Kalwarya bei Warschau.
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nung, die den Menschen nicht zur Umkehr bewegt und auf den Weg bringt, sondern ihm die Umkehr als hoffnungslos darstellt und ihn damit dorthin treibt, wo sie anscheinend vollends unmöglich geworden ist und der Mensch nur noch durch den dämonischen Hochmut, den Hochmut der Verkehrtheit, weiterzuleben vermag.
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II. Der besondere Weg Rabbi Baer von Radoschitz bat einst seinen Lehrer, den »Seher« von Lublin: »Weiset mir einen allgemeinen Weg zum Dienste Gottes!« Der Zaddik antwortete: »Es geht nicht an, dem Menschen zu sagen, welchen Weg er gehen soll. Denn da ist ein Weg, Gott zu dienen durch Lehre, und da, durch Gebet, da, durch Fasten, und da, durch Essen. Jedermann soll wohl achten, zu welchem Weg ihn sein Herz zieht, und dann soll er sich diesen mit ganzer Kraft erwählen.« Damit ist zunächst etwas über unser Verhältnis zu dem gesagt, was vor uns an echtem Dienst geleistet worden ist. Wir sollen es verehren, wir sollen davon lernen, aber wir sollen es nicht nachmachen. Was Grosses und Heiliges getan worden ist, ist für uns beispielhaft, weil es uns anschaulich zeigt, was Grösse und Heiligkeit ist, aber es ist kein Modell, das wir nachzuzeichnen hätten. Wie Geringes wir auch zustande zu bringen vermögen, wenn wir es an dem Masse der Taten der Väter messen, es hat seinen Wert darin, dass wir es aus eigner Art und eigner Kraft zustandebringen. Ein Chassid fragte den Zloczower Maggid 7 : »Es heisst: ›Jeder in Israel ist verpflichtet zu sprechen: Wann wird mein Werk an die Werke meiner Väter, Abraham, Isaak und Jakob, reichen?‹ Wie ist das zu verstehen? Wie dürften wir uns erkühnen zu denken, dass wir es den Vätern gleichzutun vermöchten?« Der Maggid erklärte: »Wie die Väter neuen Dienst stifteten, jeder neuen Dienst nach seiner Eigenschaft, der eine den der Liebe, der andre den der Stärke, der dritte den der Pracht, so sollen wir, ein jeder von uns nach seiner eignen Art, im Licht der Lehre und des Dienstes Erneuerung stiften und nicht Getanes tun, sondern das zu Tuende.« Mit jedem Menschen ist etwas Neues in die Welt gesetzt, was es noch nicht gegeben hat, etwas Erstes und Einziges. »Pflicht ist es jedermanns in Israel zu wissen und zu bedenken, dass er in der Welt einzig in seiner Beschaffenheit ist und es ist noch kein ihm Gleicher auf der Welt gewesen, denn wäre schon ein ihm Gleicher auf der Welt gewesen, er 7.
Zloczow: Stadt in Ostgalizien. Maggid: Prediger.
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brauchte nicht auf der Welt zu sein. Jeder Einzelne ist ein neues Ding in der Welt, und er soll seine Eigenschaft in dieser Welt vollkommen machen. Denn wahrlich: dass dies nicht geschieht, das ists, was das Kommen des Messias verzögert.« Dieses Einzige und Einmalige ist es, was jedem vor allem auszubilden und ins Werk zu setzen aufgetragen ist, nicht aber, noch einmal zu tun, was ein anderer, und sei es der grösste, schon verwirklicht hat. Der weise Rabbi Bunam sagte einmal im Alter, als er schon erblindet war: »Ich möchte nicht mit Vater Abraham tauschen. Was hätte Gott davon, wenn der Erzvater Abraham wie der blinde Bunam würde und der blinde Bunam wie Abraham?« Und mit noch grösserer Eindringlichkeit ist dasselbe von Rabbi Susja ausgesprochen worden, als er kurz vor dem Tode sagte: »In der kommenden Welt wird man mich nicht fragen: ›Warum bist du nicht Mose gewesen?‹ Man wird mich fragen: ›Warum bist du nicht Susja gewesen?‹« Wir haben hier eine Lehre vor uns, die auf der Tatsache aufgebaut ist, dass die Menschen in ihrem Wesen ungleich sind, und die demgemäss sie nicht gleichmachen will. Alle Menschen haben Zugang zu Gott, aber jeder einen andern. Gerade in der Verschiedenheit der Menschen, in der Verschiedenheit ihrer Eigenschaften und ihrer Neigungen liegt die grosse Chance des Menschengeschlechts. Gottes Allumfassung stellt sich in der unendlichen Vielheit der Wege dar, die zu ihm führen, und von denen jeder einem Menschen offen ist. Als etliche Schüler eines verstorbenen Zaddiks zum »Seher« von Lublin kamen und sich darüber wunderten, dass er andere Bräuche als die ihres Lehrers hatte, rief er: »Was wäre das für ein Gott, der nur einen einzigen Weg hätte, auf dem man ihm dienen kann!« Aber indem jeder Mensch von seinem Punkt aus, von seinem Wesen aus zu Gott zu kommen vermag, vermag auf allen Wegen vordringend, das Menschengeschlecht als solches zu ihm zu kommen. Gott sagt nicht: »Das ist ein Weg zu mir, das aber nicht«, sondern er sagt: »Alles was du tust kann ein Weg zu mir sein, wenn du es nur so tust, dass es dich zu mir führt.« Was aber dies ist, das eben dieser Mensch und kein anderer tun kann und tun soll, kann ihm nur aus ihm selber offenbar werden. Hier kann, wie gesagt, nur irreführen, wenn einer darauf schaut, wie weit es ein anderer gebracht hat, und es ihm nachzutun trachtet; denn dabei entgeht ihm eben, wozu er und nur er allein berufen ist. Der Baalschem 8 sagt: »Jedermann soll sich seiner Stufe entsprechend benehmen. Geschieht dem aber nicht so: wer die Stufe seines Gefährten erfasst und seine eigne fahren lässt, diese und jene werden durch ihn 8.
Meister des (Gottes-) Namens: Bezeichnung des Stifters der chassidischen Bewegung, Rabbi Israel ben Elieser (1700-1760).
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nicht verwirklicht werden.« Auf welchem Weg ein Mensch zu Gott gelangt, kann ihm somit nichts anderes sagen als die Erkenntnis seines eigenen Wesens, die Erkenntnis seiner wesentlichen Eigenschaft und Neigung. »In jedermann ist etwas Kostbares, das in keinem andern ist.« Was aber an einem Menschen »kostbar« ist, kann er nur entdecken, wenn er sein stärkstes Gefühl, seinen zentralen Wunsch, das in ihm was sein Innerstes bewegt, wahrhaft erfasst. Freilich kennt der Mensch oft dieses sein stärkstes Gefühl nur in der Gestalt der besonderen Leidenschaft, in der Gestalt des »Bösen Triebs«, der ihn verführen will. Naturgemäss stürzt sich das mächtigste Verlangen eines Menschen zunächst auf die dieses Verlangen zu stillen verheissenden Dinge, denen er begegnet. Worauf es ankommt, ist, dass er die Kraft eben dieses Gefühls, eben dieses Antriebs von dem Zufälligen auf das Notwendige und von dem Relativen auf das Absolute richte. So findet er seinen Weg. Ein Zaddik lehrt: »Es heisst am Schluss des ›Predigers‹ : ›Am Ende der Sache wird das Ganze vernommen: fürchte Gott!‹ An welcher Sache Ende du kommst, da, an ihrem Ende, vernimmst du dieses eine ›Fürchte Gott‹, und dieses eine ist das Ganze. Es gibt kein Ding in der Welt, das dir nicht einen Weg zur Furcht Gottes und zum Dienst Gottes weist. Alles ist Gebot.« Es kann aber keineswegs unsere wahre Aufgabe in der Welt, in die wir gesetzt sind, sein, uns von Dingen und Wesen, die uns begegnen und unser Herz an sich ziehen, abzuwenden, sondern gerade durch Heiligung unserer Verbindung mit ihnen damit in Berührung zu kommen, was sich in ihnen als Schönheit, als Wohlgefühl, als Genuss offenbart. Der Chassidismus lehrt, dass die Freude an der Welt, wenn wir sie mit unserem ganzen Wesen heiligen, zur Freude an Gott führt. In der Erzählung vom ›Seher‹ scheint dem zu widersprechen, dass unter den Wegen neben einem durch Essen auch einer durch Fasten als Beispiel angeführt wird. Betrachten wir dies aber innerhalb der gesamten chassidischen Lehre, so sehen wir, dass das Sich-entfernen von der Natur, das Sich-enthalten dem natürlichen Leben gegenüber wohl zuweilen den einem Menschen notwendigen Wegbeginn, auch wohl an Kreuzpunkten des Daseins ein ihm notwendiges Sich-isolieren, aber nicht den ganzen Weg bedeuten kann. Mancher Mensch muss mit Fasten beginnen und immer wieder beginnen, weil ihm eigentümlich ist, dass er erst durch eine Askese zur Befreiung von der Versklavung unter die Welt, zur tiefsten Selbstbesinnung und von da aus zur Bindung an das Absolute kommen kann. Aber nie darf diese Askese die Herrschaft über das Leben des Menschen beanspruchen. Der Mensch soll sich von der Natur nur ent-
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fernen, um erneuert zu ihr zurückzukehren und durch den geheiligten Kontakt mit ihr den Weg zu Gott zu finden. Den Satz der Schrift, der von Abraham, der die Engel bewirtet, erzählt: »Und er stand über ihnen unter dem Baum und sie assen«, deutete Rabbi Susja dahin, der Mensch stehe über den Engeln, weil er die ihnen unbekannte Intention des Essens kennt, die es heiligt. Auf die Engel, die des Essens ungewohnt waren, zog Abraham die Intention herab, mit der er es Gott zu weihen pflegte. Alle natürliche Handlung führt, wenn sie geheiligt wird, zu Gott, und die Natur bedarf des Menschen um das an ihr zu vollziehen, was kein Engel an ihr vollziehen kann: sie zu heiligen. III. Entschlossenheit
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Ein Chassid des Lubliner Rabbis fastete einmal von Sabbat zu Sabbat. Am Freitagnachmittag überkam ihn ein so grausamer Durst, dass er meinte sterben zu müssen. Da erblickte er einen Brunnen, ging hin und wollte trinken. Aber sogleich besann er sich, um einer kleinen Stunde willen, die er noch zu ertragen hätte, würde er das ganze Werk dieser Woche vernichten. Er trank nicht und entfernte sich vom Brunnen. Stolz flog ihn an, dass er die schwere Probe bestanden habe. Wie er dessen inne ward, sprach er zu sich: »Besser, ich gehe hin und trinke, als dass mein Herz dem Hochmut verfällt.« Er kehrte um und trat an den Brunnen. Schon wollte er sich darüber neigen, um Wasser zu schöpfen, da merkte er, dass der Durst von ihm gewichen war. Nach Sabbatanbruch betrat er das Haus seines Lehrers. »Flickarbeit!« rief ihm der an der Schwelle zu. Als ich diese Geschichte in meiner Jugend zum ersten Mal hörte, war ich davon betroffen, wie hart hier ein Meister seinen eifrig bemühten Schüler behandelt. Dieser strengt sich aufs äusserste an, um ein schweres Werk der Askese zustandezubringen, er fühlt sich versucht es abzubrechen und überwindet die Versuchung, und nach alledem erntet er nichts anderes als ein absprechendes Urteil seines Lehrers. Wohl entstammte die erste Hemmung der Macht des Körpers über die Seele, einer Macht, die erst gebrochen werden musste, aber die zweite entstammte dem edelsten Motiv: lieber scheitern als um des Gelingens willen in Hochmut verfallen! Wie kann man um solch eines inneren Ringens willen gescholten werden? Wird hier vom Menschen nicht zu viel gefordert? Viel später (aber immerhin schon vor einem Vierteljahrhundert), nämlich als ich selber diese Geschichte der Ueberlieferung nacherzählte, verstand ich erst, dass es hier überhaupt nicht darum geht, vom Menschen etwas zu fordern. War doch der Zaddik von Lublin nicht eben als
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Freund der Askese bekannt, und was der Chassid unternahm, unternahm er gewiss nicht ihm zu Gefallen, sondern wohl weil er hoffte, auf diesem Wege auf eine höhere Stufe der Seele zu gelangen; und dass das Fasten im Anfangsstadium der persönlichen Entwicklung und später in kritischen Momenten dazu dienen kann, hatte er ja aus dem Munde des Sehers gehört. Was dieser nun, nachdem er offenbar mit wahrem Verständnis den Verlauf des Wagnisses beobachtet hatte, zum Schüler sagt, bedeutet zweifellos: »Auf diese Weise gelangt man nicht auf eine höhere Stufe«. Er warnt den Schüler vor etwas, was ihn mit Notwendigkeit hindert, seine Absicht zu erreichen. Was aber dieses Etwas ist, wird uns deutlich genug. Gerügt wird, dass man vordringt und wieder zurückweicht; das Hin und Her, der Zickzack-Charakter des Tuns ist das Bedenkliche. Was der »Flickarbeit« gegenübersteht, ist die Arbeit aus Einem Guss. Wie aber vollbringt man eine Arbeit aus Einem Guss? Nicht anders als mit geeinter Seele. Wieder jedoch überfällt uns die Frage, ob hier mit einem Menschen nicht zu hart umgegangen wird. Es ist ja in unserer Welt eben so bestellt, dass der eine – gleichviel wie man es ausdrücken will, »von Natur« oder »von Gnade« – eine einheitliche Seele, eine Seele aus Einem Guss hat und demgemäss einheitliche Werke, Werke aus Einem Guss vollbringt, weil eben seine so geartete Seele sie ihm eingibt und ihn dazu befähigt; der andere aber hat eine vielfältige, komplizierte, widerspruchsvolle Seele, und davon ist naturgemäss sein Tun bestimmt: dessen Hemmungen und Störungen kommen aus den Hemmungen und Störungen der Seele, ihre Unruhe prägt sich in seiner Unruhe aus. Was kann denn ein so beschaffener Mensch anders als sich anstrengen, die Versuchungen, die ihn auf dem Weg zum jeweiligen Ziel antreten, zu überwinden? Was kann er anders tun als eben jeweils, mitten im Tun, sich, wie man zu sagen pflegt, »zusammenzunehmen«, das heisst, seine hin und her gerissene Seele einzusammeln und immer wieder gesammelt auf das Ziel zu richten, und dazu noch bereit zu sein, wie es der Chassid in unserer Erzählung tut, als der Hochmut ihn anwandelt, sogar das Ziel zu opfern um die Seele zu retten? Wenn wir von diesen Fragen aus noch einmal unsre Erzählung prüfen, sehen wir erst, welche Lehre sich in der Kritik des »Sehers« birgt. Es ist die Lehre, dass der Mensch seine Seele zu einen vermag. Der Mensch mit der vielfältigen, komplizierten, widerspruchsvollen Seele ist nicht ausgeliefert: das Innerste dieser Seele, die Gotteskraft in ihrer Tiefe vermag auf sie einzuwirken, sie zu ändern, die einander befehdenden Kräfte aneinander zu binden, die auseinanderstrebenden Elemente ineinander zu schmelzen, es vermag sie zu einen. Solch eine Einung muss sich voll-
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ziehen, ehe der Mensch an ein ungewöhnliches Werk herangeht. Nur mit geeinter Seele wird er es so zu tun imstande sein, dass es nicht Flickarbeit, sondern Arbeit aus Einem Guss wird. Das ist es also, was der Seher dem Chassid vorwirft: dass er sein Wagnis mit ungeeinter Seele unternommen hat; mitten im Werk gelingt die Einung nicht. Man soll aber auch nicht etwa meinen, die Askese könne die Einung herbeiführen; sie kann reinigen, kann konzentrieren, aber sie kann nicht bewirken, dass das Ergebnis davon bis zur Erreichung des Ziels bewahrt bleibe, – sie kann die Seele vor deren eignem Widerspruch nicht schützen. Nun muss man freilich eines im Auge behalten: dass keine Einung der Seele eine endgültige ist. Wie auch die von Geburt einheitlichste Seele doch zuweilen von inneren Schwierigkeiten überfallen wird, so kann auch die am gewaltigsten um die Einheit ringende sie nie vollkommen erreichen. Aber jedes Werk, das ich aus geeinter Seele tue, wirkt auf meine Seele zurück, wirkt in der Richtung auf neue und höhere Einung hin, jedes führt mich, wenn auch auf mancherlei Umwegen, zu einer stetigeren Einheit hin, als die ihm vorausgehende war. So gelangt man endlich dahin, wo man sich seiner Seele überlassen kann, weil ihr Mass an Einheit so gross ist, dass es den Widerspruch wie im Spiel überwindet. Wachsam muss man freilich auch dann sein, aber es ist eine gelassene Wachsamkeit. An einem der Tage des Lichterfestes kam Rabbi Nachum, ein Sohn des Riziner 9 Rabbis, unerwartet ins Lehrhaus und fand die Schüler beim Damspiel, wie es der Brauch an diesen Tagen war. Als sie den Zaddik eintreten sahen, wurden sie verwirrt und hielten inne. Er aber nickte ihnen freundlich zu und fragte: »Kennt ihr auch die Gesetze des Damspiels?« Und da sie vor Scheu kein Wort über die Lippen brachten, gab er selber die Antwort: »Ich will euch die Gesetze des Damspiels sagen. Das erste ist, man darf nicht zwei Schritte auf einmal gehen. Das zweite, man darf nur vorwärts gehen und sich nicht rückwärts kehren. Und das dritte, wenn man oben ist, darf man schon gehen, wohin man will.« Aber man würde, was mit Einung der Seele gemeint ist, von Grund aus missverstehen, wenn man unter »Seele« hier etwas anderes verstünde als: der ganze Mensch, Leib und Geist miteinander. Die Seele ist nicht wirklich geeint, wenn es nicht alle leiblichen Kräfte, alle Glieder des Leibes sind. Den Schriftvers ›Alles, was deine Hand zu tun findet, tue in deiner Kraft!‹ deutete der Baalschem, man solle die Tat, die man tut, mit allen 9.
Rizin: Ruzyn, Ortschaft im Bezirk Kiew, in der der spätere Sadagorer Rabbi, der Begründer der berühmten »Sadagorer Dynastie« lebte; Sadagora ist ein Städtchen in der Bukowina.
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Gliedern tun, d. h. es solle auch das ganze leibliche Wesen des Menschen daran beteiligt sein, nichts von ihm dürfe draussen bleiben. Der Mensch, der so eine Einheit aus Leib und Geist wird, dessen Werk ist Werk aus Einem Guss. IV. Bei sich beginnen Einige Grosse in Israel waren einmal bei Rabbi Jizchak von Worki zu Gast. Man sprach vom Wert eines rechtschaffenen Dieners für die Führung des Hauses; wenn er gut sei, wende sich alles zum Guten, wie man an Josef sehe, in dessen Hand alles gedieh. Rabbi Jizchak widersprach. »So habe auch ich einst gemeint«, sagte er, »dann aber zeigte mir mein Lehrer, dass alles am Hausherrn hangt. In meiner Jugend nämlich hatte ich grosse Bedrängnis von meinem Weibe, und ob auch ich selbst es tragen mochte, so erbarmte mich doch des Gesindes. Darum fuhr ich zu meinem Lehrer, Rabbi David von Lelow, und befragte ihn, ob ich meinem Weibe entgegentreten solle. Er antwortete mir: ›Was redest du zu mir? Rede zu dir selber!‹ Ich musste mich auf das Wort eine Zeit besinnen, bis ich es verstand; ich verstand es aber, als ich mich auf ein Wort des Baalschem besann: ›Es gibt den Gedanken, das Wort, die Handlung. Der Gedanke entspricht der Ehefrau, das Wort den Kindern, die Handlung dem Gesinde. Wer die drei in sich zurechtschafft, dem wandelt sich alles zum Guten.‹ Da verstand ich, was mein Lehrer gemeint hatte: dass alles an mir selber hangt.« In dieser Erzählung wird an eins der tiefsten und schwersten Probleme unseres Lebens gerührt: an den wahren Ursprung des Konflikts zwischen den Menschen. Man pflegt Erscheinungen des Konflikts zunächst aus den Motiven zu erklären, deren sich die miteinander im Streit Liegenden als des Anlasses zum Streit bewusst sind, und aus den diesen Motiven zugrundeliegenden objektiven Situationen und Vorgängen, in die beide Teile verwickelt sind; oder man geht analytisch vor und sucht die unbewussten Komplexe zu erforschen, zu denen sich jene Motive nur wie Symptome einer Krankheit zu den organischen Schäden selber verhalten. Die chassidische Lehre hat mit dieser Auffassung das gemeinsam, dass auch sie von der Problematik des äusseren Lebens auf die des inneren verweist. Aber sie unterscheidet sich von jener in zwei wesentlichen Punkten, einem grundsätzlichen und einem praktischen, der aber noch wichtiger ist. Der grundsätzliche Unterschied besteht darin, dass die chassidische Lehre nicht auf die Untersuchung einzelner seelischer Komplikationen
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ausgeht, sondern den ganzen Menschen meint. Damit ist aber keineswegs ein quantitativer Unterschied ausgesprochen. Vielmehr handelt es sich hier um die Erkenntnis, dass Herauslösen von Teilelementen und Teilprozessen aus dem Ganzen der Erfassung der Ganzheit hinderlich ist und dass zu wirklicher Wandlung, zu wirklicher Heilung zunächst des Einzelnen und sodann des Verhältnisses zwischen ihm und seinen Mitmenschen, nur die Erfassung der Ganzheit als Ganzheit führen kann. (Paradox ausgedrückt: die Suche nach dem Schwerpunkt verschiebt ihn und vereitelt damit den ganzen Versuch, die Problematik zu überwinden). Das heisst nicht, dass nicht alle Phänomene der Seele zu betrachten sind; aber keins von ihnen ist so in den Mittelpunkt der Betrachtung zu rücken, als ob alles andre daraus abzuleiten wäre; vielmehr muss an allen Punkten angesetzt werden, und zwar nicht einzeln, sondern gerade in ihrem vitalen Zusammenhang. Der praktische Unterschied aber besteht darin, dass der Mensch hier gar nicht als Objekt der Untersuchung behandelt wird, sondern aufgerufen wird, sich »zurechtzuschaffen«. Der Mensch soll zuerst selbst erkennen, dass die Konfliktsituationen zwischen ihm und den andern nur Auswirkungen der Konfliktsituationen in seiner eigenen Seele sind, und dann soll er diesen seinen inneren Konflikt zu überwinden suchen, um nunmehr als ein Gewandelter, Befriedeter zu seinen Mitmenschen auszugehen und neue, gewandelte Beziehungen zu ihnen einzugehen. Der Mensch sucht freilich naturgemäss dieser entscheidenden, für das ihm geläufige Verhältnis zur Welt äusserst kränkenden Wendung dadurch auszuweichen, dass er den ihn so Aufrufenden oder die eigene Seele, wenn sie es ist, die ihn aufruft, auf die Tatsache hinweist, dass an jedem Konflikt zwei beteiligt sind: fordre man von ihm, dass er von diesem auf seinen inneren Konflikt zurückgreife, so müsse man das eben auch von seinem Konfliktpartner fordern. Aber gerade in dieser Betrachtungsweise, in der der Einzelne sich nur als Individuum ansieht, dem andere Individuen entgegenstehen, und nicht als echte Person, deren Wandlung zur Wandlung der Welt hilft, gerade hier liegt der fundamentale Irrtum, dem die chassidische Lehre entgegentritt. Es kommt einzig darauf an, bei sich zu beginnen, und in diesem Augenblick habe ich mich um nichts andres in der Welt als um diesen Beginn zu bekümmern. Jede andre Stellungnahme lenkt mich von meinem Beginnen ab, schwächt meine Initiative dazu, vereitelt das ganze kühne und gewaltige Unternehmen. Der archimedische Punkt, von dem aus ich an meinem Orte die Welt bewegen kann, ist die Wandlung meiner selbst; setze ich anstatt seiner zwei archimedische Punkte, den hier in meiner Seele und den dort in der Seele meines mit mir im Konflikt stehenden Mitmen-
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schen, dann entschwindet mir alsbald der eine, in den sich mir eine Sicht eröffnet hatte. Rabbi Bunam lehrte: »Unsere Weisen sagen: ›Suche den Frieden an deinem Ort.‹ Man kann den Frieden nirgendwo anders suchen als bei sich selber, bis man ihn da gefunden hat. Es heisst im Psalm: ›Es ist kein Friede in meinem Gebein meiner Sünde wegen‹. Erst wenn der Mensch in sich selber den Frieden gefunden hat, kann er daran gehen, ihn in der ganzen Welt zu suchen.« Aber die Erzählung, von der ich ausgegangen bin, begnügt sich nicht damit, auf den wahren Ursprung der äusseren Konflikte, auf den inneren Konflikt, allgemein hinzuweisen. In dem Spruch des Baalschem, der darin angeführt wird, wird auch genau gesagt, worin der entscheidende innere Konflikt besteht. Es ist der Konflikt zwischen drei Prinzipien im Wesen und Leben des Menschen: dem Prinzip des Gedankens, dem Prinzip des Wortes und dem Prinzip der Handlung. Der Ursprung alles Konflikts zwischen mir und meinen Mitmenschen ist, dass ich nicht sage, was ich meine, und dass ich nicht tue, was ich sage. Denn dadurch verwirrt und vergiftet sich immer wieder und immer mehr die Situation zwischen mir und dem andern, und ich in meiner inneren Zerfallenheit bin gar nicht mehr fähig sie zu meistern, sondern entgegen all meinen Illusionen bin ich ihr willenloser Sklave geworden. Mit unserm Widerspruch, mit unserer Lüge päppeln wir die Konfliktsituationen auf und geben ihnen Macht über uns, bis sie uns versklaven. Von hier führt kein anderer Ausgang als durch die Erkenntnis der Wende: Alles hangt an mir, und durch den Willen der Wende: Ich will mich zurechtschaffen. Damit der Mensch aber dieses Grosse vermöge, muss er erst von all dem Drum und Dran seines Lebens zu seinem Selbst gelangen, er muss sich selber finden, nicht das selbstverständliche Ich des egozentrischen Individuums, sondern das tiefe Selbst der mit der Welt lebenden Person. Und auch dem steht all unsre Gewohnheit entgegen. Ich will den Abschnitt mit einem alten Scherz beschliessen, der im Munde eines Zaddiks erneuert worden ist. Rabbi Henoch erzählte: »Es gab einmal einen Toren, den man den Golem nannte, so töricht war er. Am Morgen beim Aufstehen fiel es ihm immer so schwer seine Kleider zusammenzusuchen, dass er am Abend, dran denkend, oft Scheu trug schlafen zu gehen. Eines Abends fasste er sich schliesslich ein Herz, nahm Zettel und Stift zur Hand und verzeichnete beim Auskleiden, wo er jedes Stück hinlegte. Am Morgen zog er wohlgemut den Zettel hervor und las: ›die Mütze‹ hier war sie, setzte sie auf, ›die Hosen‹ – da lagen sie, er fuhr hinein, und so fort, bis er alles anhatte. ›Ja aber, wo bin ich denn?‹, fragte er sich nun ganz bang, ›wo
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bin ich nur geblieben?‹ Umsonst suchte und suchte er, er konnte sich nicht finden.« »So geht es auch uns«, sagte der Rabbi. V. Sich mit sich nicht befassen
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Als Rabbi Chajim von Zans 10 seinen Sohn der Tochter des Rabbi Elieser vermählt hatte, trat er am Tag nach der Hochzeit beim Brautvater ein und sagte: »Schwäher, Ihr seid mir nahe gekommen, und ich darf Euch sagen, was mein Herz peinigt. Seht, Haupt- und Barthaar sind mir weiss geworden, und noch habe ich nicht Busse getan!« »Ach, Schwäher«, erwiderte ihm Rabbi Elieser, »Ihr habt nur Euch im Sinn. Vergesst Euch und habt die Welt im Sinn!« Was hier gesagt wird, widerspricht dem Anschein nach allem, was ich hier bisher aus der Lehre des Chassidismus mitgeteilt habe. Wir haben gehört, jeder solle sich auf sich selbst besinnen, er solle seinen besonderen Weg erwählen, er solle sein Wesen zur Einheit bringen, er solle bei sich selbst beginnen; nun aber wird uns gesagt, man solle sich selber vergessen. Aber man muss nur genauer hinhorchen, dann stimmt dies nicht bloss mit dem andern überein, sondern es fügt sich als notwendiges Glied, als notwendiges Stadium an seiner Stelle ins Ganze. Man braucht nur eine Frage zu fragen: »Wozu?« Wozu soll ich mich auf mich selbst besinnen, wozu meinen besonderen Weg erwählen, wozu mein Wesen zur Einheit bringen? Die Antwort lautet: Nicht um meinetwillen. Darum hiess es auch das vorige Mal: bei sich selbst beginnen. Bei sich beginnen, aber nicht bei sich enden; von sich ausgehen, aber nicht auf sich abzielen; sich erfassen, aber sich nicht mit sich befassen. Wir sehen einen Zaddik, einen weisen, frommen, hilfreichen Mann, in den Tagen des Alters sich Vorwürfe machen, dass er noch nicht die wahre Umkehr vollzogen habe. Hinter der Antwort steht offenbar die Ansicht, dass er seine Sünden weit überschätze und die bisher schon getane Busse weit unterschätze. Aber was gesagt wird, geht darüber hinaus. Er sagt ganz allgemein: »Du sollst dich nicht immerzu mit dem quälen was du falsch gemacht hast, sondern die Seelenkraft, die du auf solche Selbstvorwürfe verwendest, sollst du der Tätigkeit an der Welt zuwenden, für die du bestimmt bist. Nicht mit dir sollst du dich befassen, sondern mit der Welt.« Man muss zunächst recht verstehen, was hier in Bezug auf die Umkehr gesagt wird. Die Umkehr steht bekanntlich im Mittelpunkt der jüdischen Auffassung vom Weg des Menschen. Sie vermag den Menschen von in10. Zans: Nowy Sacz (Neusandez), Städtchen in Westgalizien.
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nen zu erneuern und seinen Ort in der Welt Gottes zu wandeln, so dass der Umkehrende über den vollkommenen Zaddik, der den Abgrund der Sünde nicht kennt, erhöht wird. Aber Umkehr bedeutet hier etwas weit Grösseres als Reue und Bussehandlungen; sie bedeutet, dass der Mensch, der sich im Wirrsal der Selbstsucht verlaufen hat, wo er immer sich selber sich zum Ziel setzte, durch eine Wendung seines ganzen Wesens einen Weg zu Gott finde; und das heisst: den Weg zur Erfüllung der besonderen Aufgabe, für die Gott ihn, diesen besonderen Menschen, bestimmt hat. Die Reue kann nur der Antrieb zu dieser tätigen Wendung sein; wer sich aber weiter und weiter mit der Reue plagt, wer sich damit peinigt, dass die Werke seiner Busse nicht hinlänglich seien, der entzieht der Wendung die beste Kraft. Mit kühnen starken Worten hat der Gerer Rabbi in einer Predigt am Versöhnungstag vor der Selbstpeinigung gewarnt. »Wer ein Uebel, das er getan hat«, sagte er, »immerzu beredet und besinnt, hört nicht auf, das Gemeine, das er getan hat, zu denken, und was man denkt, darin liegt man, mit der Seele liegt man ganz und gar darin, was man denkt – so liegt er doch in der Gemeinheit: der wird gewiss nicht umkehren können, denn sein Geist wird grob und sein Herz stockig werden, und es mag auch noch die Schwermut über ihn kommen. Was willst du? Rühr’ her den Kot, rühr’ hin den Kot, bleibt’s doch immer Kot. Ja gesündigt, nicht gesündigt, was hat man im Himmel davon? In der Zeit, wo ich darüber grüble, kann ich doch Perlen reihen, dem Himmel zur Freude. Darum heisst es: ›Weiche vom Bösen und tue das Gute‹ – wende dich von dem Bösen ganz weg, sinne ihm nicht nach und tue das Gute. Unrechtes hast du getan? Tue Rechtes ihm entgegen«. Aber die Lehre unserer Erzählung geht darüber hinaus. Wer sich unablässig damit peinigt, dass er noch nicht hinreichend Busse getan habe, dem ist es wesentlich um das Heil seiner Seele, also um sein persönliches Los in der Ewigkeit zu tun. Der Chassidismus zieht nur eine Folgerung aus der Lehre des Judentums überhaupt, wenn er diese Zielsetzung ablehnt. Dies ist ja einer der Hauptpunkte, an denen sich das Christentum vom Judentum geschieden hat: dass es für jeden Menschen sein eignes Seelenheil zum höchsten Ziele machte. Für das Judentum ist jede menschliche Seele ein dienendes Glied in der Schöpfung Gottes, die durch das Werk des Menschen zum Reiche Gottes werden soll; so ist denn keiner Seele ein Ziel in ihr selbst, in ihrem eigenen Heil gesetzt. Wohl soll jede sich erkennen, sich läutern, sich vollenden, aber nicht um ihrer selber willen, wie nicht um ihres irdischen Glücks, so auch nicht um ihrer himmlischen Seligkeit willen, sondern um des Werks willen, das sie an der Welt Gottes vollbringen soll. Man soll sich vergessen und die Welt im Sinn haben. Das Abzielen auf das eigene Seelenheil gilt hier nur als die sublimste
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Gestalt des Abzielens auf sich selbst. Dies ist es, was der Chassidismus aufs intensivste ablehnt, und ganz besonders für den Menschen, der sein Selbst gefunden und ausgebildet hat. Rabbi Bunam lehrte: »Es steht geschrieben: ›Und es nahm Korah‹. Was nahm er denn? Sich selber wollte er nehmen – darum konnte nichts mehr taugen, was er tat«. Daher stellte er dem ewigen Korah den ewigen Mose entgegen, den »Demütigen«, den Menschen, der mit dem was er tut nicht sich meint. »In jedem Geschlecht«, sagte er, »kehren die Seele Moses und die Seele Korahs wieder. Und wenn einmal die Seele Korahs sich willig der Seele Moses unterwirft, wird Korah erlöst.« So sieht Rabbi Bunam gleichsam die Geschichte des Menschengeschlechts auf dem Weg zur Erlösung als einen Vorgang zwischen diesen beiden Menschenarten, dem Hochmütigen, der, und sei es in der erhabensten Form, sich selbst meint, und dem Demütigen, der bei allem die Welt meint. Erst wenn der Hochmut sich der Demut beugt, wird er erlöst; und erst wenn er erlöst wird, kann die Welt erlöst werden. Nach Rabbi Bunams Tod sagte einer seiner Schüler, eben der Rabbi von Ger, aus dessen Predigt am Versöhnungstag ich einige Sätze angeführt habe: »Rabbi Bunam hatte die Schlüssel aller Firmamente. Und warum auch nicht? Der Mensch, der nicht sich meint, dem gibt man alle Schlüssel.« Und der grösste von Rabbi Bunams Schülern, unter allen Zaddikim die eigentlich tragische Gestalt, Rabbi Mendel von Kozk, sprach einmal zur versammelten Gemeinde: »Was verlange ich denn von euch! Drei Dinge nur: aus sich nicht herausschielen, in den andern nicht hineinschielen, und sich nicht meinen.« Das bedeutet: erstens, jeder soll seine eigene Seele in ihrer eigenen Art und an ihrem eigenen Ort bewahren und heiligen, nicht aber fremde Art und fremden Ort neiden; zweitens, jeder soll das Geheimnis der Seele seines Mitmenschen ehren und nicht mit frecher Neugier in es eindringen und es gebrauchen; und drittens, jeder soll, im Leben mit sich selbst und im Leben mit der Welt, sich hüten auf sich abzuzielen. VI. Hier wo man steht
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Den Jünglingen, die zum erstenmal zu ihm kamen, pflegte Rabbi Bunam die Geschichte von Rabbi Eisik Sohn Rabbi Jekels in Krakau zu erzählen. Dem war nach Jahren schwerer Not, die sein Gottvertrauen nicht erschüttert hatten, im Traum befohlen worden, in Prag unter der Brücke, die zum Königsschloss führt, nach einem Schatz zu suchen. Als der Traum zum drittenmal wiederkehrte, machte sich Rabbi Eisik auf und
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wanderte nach Prag. Aber an der Brücke standen Tag und Nacht Wachtposten, und er getraute sich nicht zu graben. Doch kam er an jedem Morgen zur Brücke und umkreiste sie bis zum Abend. Endlich fragte ihn der Hauptmann der Wache, auf sein Treiben aufmerksam geworden, freundlich, ob er hier etwas suche oder auf jemand warte. Rabbi Eisik erzählte, welcher Traum ihn aus fernem Land hergeführt habe. Der Hauptmann lachte: »Und da bist du armer Kerl mit deinen zerfetzten Sohlen einem Traum zu Gefallen hergepilgert! Ja, wer den Träumen traut! Da hätte ich mich ja auch auf die Beine machen müssen, als es mir einmal im Traum befahl, nach Krakau zu wandern und in der Stube eines Juden, Eisik Sohn Jekels sollte er heissen, unterm Ofen nach einem Schatz zu graben. Eisik Sohn Jekels! Ich kann’s mir vorstellen, wie ich drüben, wo die eine Hälfte der Juden Eisik und die andre Jekel heisst, alle Häuser aufreisse!« Und er lachte wieder. Rabbi Eisik verneigte sich, wanderte heim, grub den Schatz aus und baute das Bethaus, das Reb Eisik Reb Jekels Schul heisst. »Merke dir diese Geschichte«, pflegte Rabbi Bunam hinzuzufügen, »und nimm auf, was sie dir sagt: dass es etwas gibt, was du nirgends in der Welt, auch nicht beim Zaddik finden kannst, und dass es doch einen Ort gibt, wo du es finden kannst.« Auch dies ist eine uralte Geschichte, uns aus verschiedenen volkstümlichen Literaturen bekannt, aber von chassidischem Munde wahrhaft neu erzählt. Sie ist nicht bloss äusserlich in die jüdische Welt verpflanzt, sie ist von der chassidischen Melodie, in der sie erzählt worden ist, umgeschmolzen worden, und auch dies ist noch nicht das Entscheidende: das Entscheidende ist, dass sie wie durchsichtig geworden ist, und eine chassidische Wahrheit scheint aus ihr hervor. Es ist ihr nicht eine »Moral« angehängt worden, vielmehr hat der Weise, der sie neu erzählt hat, endlich ihren wirklichen Sinn entdeckt und offenbar gemacht. Es gibt etwas, was man an einem einzigen Ort in der Welt finden kann. Es ist ein grosser Schatz, man kann ihn die Erfüllung des Daseins nennen. Und der Ort, an dem dieser Schatz zu finden ist, ist der Ort wo man steht. Die meisten von uns gelangen nur in seltenen Augenblicken zum vollständigen Bewusstsein der Tatsache, dass wir die Erfüllung des Daseins nicht zu kosten bekommen haben, dass unser Leben am wahren erfüllten Dasein nicht teilhat, dass es gleichsam am wahren Dasein vorbei gelebt wird. Dennoch fühlen wir den Mangel immerzu, in irgendeinem Masse bemühen wir uns irgendwo das zu finden was uns fehlt. Irgendwo, in irgendeinem Bezirk der Welt oder des Geistes, nur nicht da wo wir stehen, da wo wir hingestellt worden sind – gerade da und nirgendwo an-
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ders aber ist der Schatz zu finden. Die Umwelt, die ich als die natürliche empfinde, die Situation, die mir schicksalhaft zugeteilt ist, was mir Tag um Tag begegnet, was mich Tag um Tag anfordert, hier ist meine wesentliche Aufgabe und hier die Erfüllung des Daseins, die mir offen steht. – Von einem talmudischen Lehrmeister ist überliefert, die Bahnen des Himmels seien ihm erhellt gewesen wie die Strassen seiner Heimatstadt Nehardea. Der Chassidismus kehrt den Spruch um: grösser ist es, wenn einem die Strassen der Heimatstadt erhellt sind wie die Bahnen des Himmels. Denn hier, wo wir stehen, gilt es das verborgene göttliche Leben aufleuchten zu lassen. Und hätten wir Macht über die Enden der Erde, wir würden an erfülltem Dasein nicht erlangen, was uns die stille hingegebene Beziehung zur lebendigen Nähe geben kann. Und wüssten wir um die Geheimnisse der oberen Welten, wir hätten nicht so viel wirklichen Anteil am wahren Dasein, als wenn wir im Gang unsres Alltags ein uns obliegendes Werk mit heiliger Intention verrichten. Unterm Herd unsres Hauses ist unser Schatz vergraben. Der Baalschem lehrt, dass keine Begegnung mit einem Wesen oder einem Ding im Gang unsres Lebens einer geheimen Bedeutung enträt. Die Menschen, mit denen wir leben oder je und je zusammentreffen, die Tiere, die uns in unsrer Wirtschaft helfen, der Boden, den wir bebauen, die Naturstoffe, die wir bearbeiten, die Geräte, deren wir uns bedienen, alles birgt eine heimliche Seelensubstanz, die auf uns angewiesen ist, um zu ihrer reinen Gestalt, zu ihrer Vollendung zu gelangen. Vernachlässigen wir diese uns auf unseren Weg geschickte Seelensubstanz, sind wir nur auf die jeweiligen Zwecke bedacht ohne eine echte Beziehung zu den Wesen und Dingen zu entfalten, an deren Leben wir teilnehmen sollen wie sie an dem unsern, dann versäumen wir selber das wahre, erfüllte Dasein. Diese Lehre ist meiner Ueberzeugung nach in ihrem Kerne wahr. Die höchste Kultur der Seele bleibt im Grunde dürr und unfruchtbar, wenn nicht Tag um Tag diesen kleinen Begegnungen, denen wir geben was ihnen zukommt, Wasser des Lebens entquillen und in die Seele rinnen, ebenso wie die gewaltigste Macht im Innersten Ohnmacht ist, wenn sie nicht in einem geheimen Bunde steht mit diesen zugleich demütigen und hilfreichen Berührungen mit fremdem und doch nahem Sein. Manche Religionen sprechen unserem Aufenthalt auf Erden den Charakter des wahren Lebens ab. Entweder lehren sie, dass alles, was uns hier erscheint, nur Schein sei, hinter den wir zu dringen haben, oder, dass es nur ein Vorhof zur wahren Welt sei, ein Vorhof, den wir zu durchlaufen haben, ohne seiner sonderlich zu achten. Anders das Judentum. Was ein Mensch jetzt und hier in Heiligkeit tut, ist nicht weniger wichtig, nicht
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weniger wahr, weil zwar nur irdische, aber deshalb nicht weniger faktische Verbindung mit dem göttlichen Dasein, als das Leben der kommenden Welt. Diese Lehre hat im Chassidismus die stärkste Ausgestaltung empfangen. Rabbi Henoch von Alexander sprach: »Auch die Völker der Erde glauben, dass zwei Welten sind; ›auf jener Welt‹, sagen sie. Der Unterschied ist dies: sie meinen, die zwei seien von einander abgehoben und abgeschnitten, Israel aber bekennt, dass beide Welten eine sind und eine werden sollen.« In ihrer innersten Wahrheit sind beide Welten eine einzige. Sie sind nur gleichsam auseinander getreten. Aber sie sollen wieder die Einheit werden, die sie in ihrer innersten Wahrheit sind. Und dazu ist der Mensch erschaffen, dass er die beiden Welten eine. Er wirkt an dieser Einheit durch ein heiliges Leben mit der Welt, in die er gestellt ist, an dem Orte, an dem er steht. Man sprach einmal vor Rabbi Pinchas von Korez von dem grossen Elend der Bedürftigen. In Gram versunken hörte er zu. Dann hob er den Kopf. »Lasst uns«, rief er, »Gott in die Welt ziehen, und alles wird gestillt sein.« Aber kann man denn das, Gott in die Welt ziehen? Ist das nicht eine überhebliche und vermessene Vorstellung? Wie wagt der Erdenwurm daran zu rühren, was einzig in Gottes Gnade ruht: wieviel von sich er seiner Schöpfung vergönnt! Wieder steht hier jüdische Lehre denen anderer Religionen entgegen und wieder am tiefsten ausgeprägt im Chassidismus. Eben dies, so glauben wir, ist Gottes Gnade, dass er sich vom Menschen gewinnen lassen will, dass er sich ihm gleichsam in die Hände gibt. Gott will zu seiner Welt kommen, aber er will zu ihr durch den Menschen kommen. Dies ist das Mysterium unseres Daseins, die übermenschliche Chance des Menschengeschlechts. Rabbi Mendel von Kozk überraschte einst einige gelehrte Männer, die bei ihm zu Gast waren, mit der Frage: »Wo wohnt Gott?« Sie lachten über ihn: ›Wie redet Ihr! Ist doch die Welt seiner Herrlichkeit voll!‹ Er aber beantwortete die eigene Frage: »Gott wohnt, wo man ihn einlässt.« Das ist es, worauf es letzten Endes ankommt: Gott einlassen. Man kann ihn aber nur da einlassen, wo man steht, wo man wirklich steht, da wo man lebt, wo man ein wahres Leben lebt. Pflegen wir heiligen Umgang mit der uns anvertrauten kleinen Welt, helfen wir in dem Bezirk der Schöpfung, mit der wir leben, der heiligen Seelensubstanz zur Vollendung zu gelangen, dann stiften wir an diesem unserem Ort eine Stätte für Gottes Einwohnung, dann lassen wir Gott ein.
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Inhalt Vorwort Erster Abschnitt · Spinoza, Sabbatai Zwi und der Baalschem Zweiter Abschnitt · Die Anfänge Dritter Abschnitt · Der Grundstein Vierter Abschnitt · Geist und Leib der Bewegung 1. Geist 2. Leib Fünfter Abschnitt · Sinnbildliche und sakramentale Existenz 1. Die sinnbildliche Existenz in der Welt der Prophetie 2. Die sakramentale Existenz in der Welt des Chassidismus Sechster Abschnitt · Gott und die Seele Siebenter Abschnitt · Gottesliebe und Nächstenliebe Achter Abschnitt · Der Ort des Chassidismus in der Religionsgeschichte
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Dieses Buch ist im Laufe vieler Jahre als das langsam wachsende Ergebnis einer langen Forschungs- und Deutungsarbeit an dem großen Schrifttum der chassidischen Lehre und Legende entstanden. Der erste Abschnitt ist zuerst als Geleitwort zu meiner Publikation »Die chassidischen Bücher« (1927) erschienen, der vierte als der Hauptteil der Einleitung zu »Der große Maggid und seine Nachfolge« (1921), der fünfte geht auf einen Vortrag zurück, den ich 1934 auf einer der Eranos-Tagungen in Ascona gehalten habe; den Rest habe ich in den Jahren 1940-1943 in Jerusalem – zunächst in hebräischer Sprache – abgefaßt, und zwar schon als Kapitel eines Buches, dessen Komposition sich jenen früheren, die ich zum Teil bearbeitet und gekürzt hatte, einfügte. Die hebräische Buchausgabe ist 1944 veröffentlicht worden. Mit zwei anderen meiner Bücher, »Die Erzählungen der Chassidim« (in der Manesse Bibliothek der Weltliteratur, Zürich 1949) und »Gog und Magog. Eine Chronik« (bei Lambert Schneider, Heidelberg 1949), bildet dies eine Lebens- und Werkeinheit. Unter den dreien ist es dasjenige, in dem ich die Botschaft an die Menschenwelt, die der Chassidismus nicht sein wollte, aber war und ist, unmittelbar als Botschaft ausspreche. Ich spreche sie als solche gegen seinen Willen aus, weil die Welt ihrer heute sehr bedarf. Erster Abschnitt – Spinoza, Sabbatai Zwi und der Baalschem [! »Geleitwort zur Gesamtausgabe«, S. 129-143]
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Zweiter Abschnitt Die Anfänge 1. Wenn man die Erscheinung des Chassidismus innerhalb der Glaubensgeschichte des Judentums und seine Bedeutung für die allgemeine Religionsgeschichte erfassen will, muß man nicht von seiner Lehre als solcher ausgehen. Die chassidische Lehre, für sich betrachtet, bringt keine neuen geistigen Elemente, sie stellt nur eine – freilich neu ausgearbeitete, neu formulierte und in einer neuen Einheit komponierte – Auswahl dar, einerseits aus der späten Kabbala, andererseits aus volkstümlichen Traditionen, und auch das Kriterium, das diese Auswahl bestimmt hat, ist kein theoretisches. Das, was die Eigentümlichkeit und die Größe des Chassidismus ausmacht, ist nicht eine Lehre, sondern eine Lebenshaltung, und zwar eine gemeindebildende und ihrem Wesen nach gemeindemäßige Lebenshaltung. Das Verhältnis zwischen der Lehre und der Lebenshaltung ist hier aber keineswegs so beschaffen, daß diese als eine Verwirklichung der Lehre anzusehen wäre; vielmehr ist es umgekehrt die neue Lebenshaltung, die nach einem gedanklichen Ausdruck, nach einer theologischen Ausdeutung drängt, und diesem Bedürfnis eben entstammt das praktische Kriterium, das die Auswahl der Elemente bestimmt. Daraus erklärt sich auch die Tatsache, dass der Begründer der chassidischen Theologie, Bär von Mesritsch, den Stifter der chassidischen Bewegung, den Baalschem, nicht seinen Lehrer nennt, obgleich dieser ihn, wie er erzählt, Geheimnisse und »Einungen«, die Sprache der Vögel und die Schrift der Engel gelehrt hat; neue Theologeme hatte er ihm nicht mitzuteilen, aber einen lebendigen Zusammenhang mit Welt und Überwelt. Der Baalschem gehört zu jenen zentralen Gestalten der Religionsgeschichte, die dadurch gewirkt haben, daß sie in einer besonderen Weise lebten, nämlich nicht von einer Lehre aus, sondern auf eine Lehre zu, in solcher Weise, daß ihr Leben als eine Lehre wirkte, als eine noch nicht sprachlich erfaßte Lehre. Das Leben solcher Menschen bedarf eines theologischen Kommentars, zu dem ihre eigenen Worte einen Beitrag darstellen, aber einen oft nur ganz fragmentarischen Beitrag, zuweilen nur als eine Art Einleitung zu verwenden sind – denn diese Worte sind ihrer Absicht nach ja keineswegs Deutungen, sondern Äußerungen ihres Lebens. An den uns bekannten Worten des Baalschem, soweit wir sie als getreu überliefert betrachten dürfen, ist nicht ihr objektiver, von ihnen ablösbarer Inhalt bedeutend, sondern ihr Charakter von Hinweisen auf ein Leben. Dazu kommt noch zweierlei. Erstens: daß die ganz
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persönliche Glaubenshaltung, die das Wesen dieses Lebens ausmacht, gemeindebildend wirkt, wohlgemerkt: nicht bundbildend, nicht einen abgesonderten Orden bildend, der abseits von der Öffentlichkeit eine esoterische Lehre hütet, sondern gemeindebildend, eine Gemeinde von Menschen bildend, die in Familie, Stand, öffentlicher Wirksamkeit verbleiben, die einen enger, die anderen loser mit dem Meister verbunden, alle aber in ihrem eigenen, freien, öffentlichen Leben die Ordnung ausprägend, die sie durch den Umgang mit ihm empfangen haben. Worin freilich dies Entscheidende inbegriffen ist, daß er, der Meister, nicht einsam oder mit einer Schar von Jüngern abgesondert, sondern in der Welt und mit der Welt lebt, und daß eben dies, das Leben in der Welt und mit der Welt, zum innersten Kern seiner Glaubenshaltung gehört. Zweitens: daß innerhalb dieser Gemeinde eine Reihe von Menschen mit derselben Art von Leben erstehen, zum Teil vom Meister unabhängig zu verwandter Lebenshaltung gelangt, aber erst durch ihn den entscheidenden Antrieb, die entscheidende Formung empfangend, verschiedener Stufe, sehr verschiedenen Wesens, aber mit eben derselben Grundeigenschaft begabt, daß die Lehre durch ihr Leben weitergetragen wird, zu dem alles, was sie sagen, nur Randbemerkung ist; jedes einzelne ein Leben, das seinerseits Gemeinde bildet, also ein Leben in der Welt und mit der Welt, und eins, das seinerseits wieder Menschen derselben Art im Geiste erzeugt. Solange beides wirksam bleibt, Gemeindebildung und geistige Zeugung von Schülern, die Gemeinden bilden, also weder Absonderung eintritt, noch die Überlieferung abreißt, dauert die Blüte der chassidischen Bewegung, das ist etwa fünf Generationen über den Baalschem hinaus. Die Gemeinden waren keineswegs Gemeinden von Mustermenschen, und auch ihre Führer waren durchaus nicht, was man im Christentum oder im Buddhismus Heilige nennt, aber die Gemeinden waren Gemeinden, und die Führer waren Führer. Die »Zaddikim« dieser fünf Geschlechter ergeben zusammen eine Schar religiöser Persönlichkeiten von einer Vitalität, einer geistigen Mächtigkeit und einer vielfältigen Eigenart, wie sie meiner Kenntnis nach nirgends in der Religionsgeschichte in einem so knappen Zeitraum beisammen waren. Aber das Wichtigste an ihnen ist, daß jeden von ihnen eine Gemeinde umgab, die ein brüderliches Leben lebte und es dadurch leben konnte, daß ein führender Mensch da war, der sie alle einander näherte, indem er sie miteinander dem näherte, woran sie glaubten. In einem sonst – auch im Osten Europas – religiös nicht sehr produktiven Jahrhundert hat die dunkle polnische und ukrainische Judenheit das Größte hervorgebracht, was es in der Geschichte des Geistes gibt, größer als alles ein-
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same Genie in der Kunst und im Gedanken: eine Gesellschaft, die in ihrem Glauben lebt. Weil dem so ist, weil der Chassidismus in erster Reihe nicht eine Kategorie der Lehre, sondern eine des Lebens bedeutet, ist unsere Hauptquelle zu seiner Erkenntnis seine Legende, und erst nach ihr kommt seine theoretische Literatur. Diese ist der Kommentar, jene der Text, wiewohl ein in äußerster Korruptheit überlieferter, in seiner Reinheit unwiederherstellbarer. Es ist töricht einzuwenden, die Legende übermittle uns nicht die Wirklichkeit des chassidischen Lebens. Natürlich ist die Legende keine Chronik, aber sie ist wahrer als die Chronik für den, der sie zu lesen versteht. Es läßt sich zwar aus ihr nicht der tatsächliche Verlauf der Ereignisse rekonstruieren, aber es läßt sich in ihr trotz ihrer Korruptheit das Lebenselement anschauen, in dem sie sich vollzogen haben, das sie empfing und mit naiver Begeisterung erzählte und wieder erzählte, bis sie zur Legende wurden. Von sekundären literarischen Bearbeitungen abgesehen, die sich als solche dem ersten Blick verraten, waltet in diesem Erzählen keine Willkür. Was die Erzähler treibt, ist ein innerer Zwang, dessen Natur die des chassidischen Lebens, des chassidischen blutwarmen Zusammenhangs von Führer und Gemeinde ist. Auch die kühnsten Wundergeschichten sind zumeist nicht das Produkt kalter Erfindung: der Zaddik hatte Unerhörtes getan, mit unerhörter Macht die Seelen verzaubert, sie erfuhren seine Wirkung als ein Wunder, sie konnten sie nicht anders als in der Sprache des Wunders berichten. Man pflegt des weiteren darauf hinzuweisen, daß manche dieser Geschichten weit älteren Ursprungs sind; manches, was von frühtalmudischen Meistern erzählt wird, finden wir hier als Taten von Zaddikim wieder. Aber auch diese krasse Ungeschichtlichkeit hat ihren Anteil an der Wahrheit. Was in der Überlieferung des Vergangenen der beseligenden Gegenwart verwandt war, wurde von dem naiven Sinn, der diese erlebte, ihr eingeflochten – der Gedanke an Fälschung lag fern, die alten Geschichten waren ja allgemein bekannt, vielmehr entstand von selber das Gerücht, der Rabbi habe nun jenes Bekannte von neuem getan, nicht um den ersten Täter nachzuahmen, sondern in vollkommener Spontaneität, weil es eben bestimmte Grundformen der guten Werke gibt. Wie soll sich zum Beispiel die unbändige Lust, hilflosen Geschöpfen beizustehen, unmittelbarer äußern, als wenn der Rabbi zum Gebet der Gemeinde zu spät kommt, weil er ein weinendes Kind beruhigen mußte, oder die innere Freiheit dem Besitz gegenüber radikaler, als wenn der Rabbi vor dem Schlafengehen alle seine Habe für vogelfrei erklärt, damit den Dieben, die in der Nacht kommen könnten, die Last der Sünde fernbleibe? Man wird aber zumeist finden,
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daß in der Nacherzählung etwas Neues und Charakteristisches hinzugekommen ist. Das Überlieferte war eben seinem Wesen nach ein Vorgang des individuellen Lebens; in die Atmosphäre des Gemeinschaftslebens übertragen wurde es zu etwas anderem.
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2. Man kann die Entstehung des neuen Lebensprinzips, das sich in der chassidischen Bewegung darstellt, nur verstehen, wenn man sich vergegenwärtigt, wie die sabbatianische Katastrophe sich in der polnischen und ukrainischen Judenheit ausgewirkt hat. Von hier aus vollzog sich ein Vierteljahrhundert nach dem Tode Sabbatai Zwis die stärkste Eruption der trotz der großen Enttäuschung noch weiter angestauten Hoffnung, die fast an Nebenerscheinungen der Kreuzzüge erinnernde Wanderung der von Jehuda Chassid geführten Büßerschar nach Palästina. Hier trieb die sabbatianische Zersetzung der Lehre, die G. Scholem mit Recht einen religiösen Nihilismus genannt hat, ihre äußerste Konsequenz in der Gestalt der frankistischen Sekte hervor, wohl der merkwürdigsten Gestaltung der geistigen Lüge in der neuen Geschichte. Und hier entstand dieser auch die Gegenbewegung, der Chassidismus. Unter »Gegenbewegung« verstehe ich nicht einen äußeren Kampf gegen die äußere Erscheinung, sondern die aus den Tiefen des organischen Gemeinschaftslebens aufsteigende Fähigkeit der Gegenkraft, die Bildung neuer, neuartiger Gemeinschaftszellen den zerfallenden und den Organismus mit Zerfall bedrohenden entgegen, die Wiedergeburt eines gesunden Glaubenkönnens in einem an Verkehrung seines Glaubens todesgefährlich erkrankten Volk. Daraus ergibt sich schon, daß diese Bewegung ihrem Wesen nach keine Reformation sein kann; sie kann nicht zu einem früheren unproblematischen Zustand, zu dem Zustand vor der Erkrankung zurückführen wollen; sie setzt bei dem jetzt gegebenen Widerstreit der Elemente an und erzeugt aus eben denselben Stoffen, aus denen das innere Gift sich braute, das innere Gegengift. Dabei ist es nicht unwichtig, daß die entscheidende Entwicklung des Chassidismus sich nicht erst nach der des Frankismus, sondern gleichzeitig vollzog. Wir verdanken den Arbeiten Scholems die Kenntnis und das Verständnis der sabbatianischen Theologie, die uns ermöglichen, die Dialektik der nachsabbatianischen Geistesgeschichte in Bewegung und Gegenbewegung zu erfassen. Wir kannten das unheimliche historische Faktum Sabbatai Zwi, die Erscheinung des messianischen Prätendenten, der nach all dem Nein der den Messias erwartenden Volksgeschlechter zu allen seinen
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Vorgängern das jubelnde Ja der Massen empfängt und der nun, als der heilige König gekrönt und angebetet, das Judentum verläßt. Jetzt kennen wir auch die noch unheimlichere Theologie, die, mit allen Künsten einer gnostischen Verkehrung der Werte vertraut, den Sinn des Ereignisses in sein Gegenteil umdeutet: der Messias mußte sich ganz ins Innere der »Klipa«, der dämonischen Schalengewalt, begeben, um die darin gebannte Heiligkeit zu befreien – damit erfüllt er den Zweck des Exils Israels und erlöst Israel und die Welt in einem. Und nicht genug daran: die heilige Sünde wird zum Vorbild, man muß sich in die Sünde stürzen, um ihr die heiligen Funken zu entreißen, und schon gibt es keine Sünde mehr, mit der Erfüllung des Sinns des neuen, des messianischen Aeons ist das Joch der alten Thora, die nur für die unerlöste Welt galt, gebrochen, die neue Offenbarung, die alles gewährende, alles heiligende ist da. Es ist unverkennbar, daß die Verfremdung des Messianismus, seine Durchtränkung mit Gnosis, die sich in der kabbalistischen Eschatologie vorbereitete, hier ihren Höhepunkt erreicht hat. Im prophetischen Glauben war der Messias der vollendete Mensch, der aus Israel hervortritt und als Gottes Statthalter das dem Menschen vorbehaltene Werk tut; noch in dem Fragment eines judenchristlichen Evangeliums finden wir die Vorstellung eines Gottes, der »in allen Propheten« den Kommenden »erwartet«. In der Apokalyptik und dann in der Kabbala wird dieses dramatische Gegenüber von Gott und Mensch, auf dem der Glaube Israels sich gründet, mehr und mehr aufgehoben, göttliche Emanationen mitteln zwischen Himmel und Erde, es ist eine von ihnen, die als Messias zur Menschenwelt niedersteigt, und schließlich wird zu Sabbatai als zu »dem wahren Gott und König der Welt« gebetet. Es ist nur folgerichtig, wenn er, wie der gnostische Christus, sich in die Hölle dieser Welt begibt und sich ihren Herrschern angleicht, um sie zu bezwingen. Aber die aus der späten Kabbala übernommene Vorstellung der Hervorholung der heiligen Funken aus der Unreinheit ist letztlich doch jüdischen, nicht synkretistischen Ursprungs; daß der Zusammenhang des Menschen mit Gott, der ja »inmitten ihrer Unreinheiten wohnt«, alles reinigt und heiligt, daß der Mensch Gott auch mit dem bösen Trieb dienen muß, daß die Erlösung die Scheidung von Reinem und Unreinem, Heiligem und Profanem überwindet und alles rein und heilig wird, dürfen wir als autochthonen Besitz jüdischen Glaubens ansehen. Die Stoffe für das Gegengift sind bereit. Die sabbatianische Theologie hat die erlöste Welt vorweggenommen und die Anweisung auf das, was in einer noch unvorstellbaren Weltvollendung Wirklichkeit werden sollte, für den Brauch der Stunde ausgemünzt. Damit hat sie die Thora ausgehöhlt, sie hat ihr die lebendige Substanz entzogen. Denn Thora ist nur da dicht und lebenshaltig, wo
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dem Menschen ein Weg, als der Weg Gottes, gewiesen wird, und Wegweisung bedeutet in einem von uns vorstellbaren Dasein jeweils Ausschließung all dessen, was nicht dieser Weg ist. Daß in einer Welt der Vollendung alles zu Weg wird, kann nur in der messianischen Erwartung und Bereitung recht gefaßt werden; wenn man es als vollzogene Tatsache behandelt, während die Tatsachen der unerlösten Welt mächtiger als alle Theologie uns umringen, steht man wörtlich am Nullpunkt, am Nihil und ist, wenn man ehrlich bleibt, bald fertig. Von hier aus aber ist ein Doppeltes möglich. Das eine kann die vollkommene Lüge: sie kann sich mit gauklerischen Gebärden in der Glocke des Nichts bewegen, als sei es ein Etwas. Das andere kann, wer ein Etwas einsetzt, eine neue Lebenshaltung nämlich. Beide, Jakob Frank und der Baalschem, gehen von der nachsabbatianischen Situation aus, hinter die man nicht mehr zurück kann. Der eine zerschlägt die ausgehöhlte Thora, der andere füllt sie mit Leben. 3.
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Wenn ich sage: »die vollkommene Lüge«, so meine ich damit keineswegs, man könnte Frank verstehen, wenn man ihn als Betrüger versteht: das wäre eine irreführende Vereinfachung. Unter »Lüge« verstehe ich hier nicht etwas, was der Mensch sagt oder tut, sondern was er ist; dieser Mensch ist nicht ein Lügner, sondern er ist Lüge. Das heißt also nicht, daß er nicht an sich glaube; aber er glaubt an sich in der Weise der Lüge, wie die Lüge an sich glaubt – denn auch die Lüge hat eine Art, an sich zu glauben. Sabbatai glaubt offenbar an etwas Unbedingtes, und er glaubt an sich in Beziehung darauf, darin beruht sein »messianisches Bewußtsein«. Es ist nicht der Glaube überhaupt, sondern der an sich selber, der nicht standhält; daß danach ein Kompromiß zwischen beiden hergestellt wird, ändert nichts an der Tatsache, daß im entscheidenden Augenblick der Ring zersprungen ist: Sabbatai hat sich nicht entschlossen, für die Möglichkeit des Wunders mit der Möglichkeit des Martyriums zu zahlen. Frank, der nicht wie Sabbatai in einer Atmosphäre der asketischen Erlösungssehnsucht, sondern in der eines libertinischen Marranentums aufgewachsen ist, der seine öffentliche Tätigkeit auch nicht mit dem Abfall endigt, sondern mit ihm beginnt, kann gar nicht wie Sabbatai fallen, weil er nicht wie er steht. Er glaubt nicht an etwas Unbedingtes und an sich in Beziehung darauf, sondern er glaubt an nichts, und auch an sich selber vermag er nicht wahrhaft zu glauben, sondern nur in der Weise der Lüge, indem er den Raum des Nichts mit sich füllt. Wohl bevölkert
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er zum Schein das Nichts mit Gottesgestalten, Ausgeburten spätgnostischer Phantasie, wie die Drei, die die Welt führen, und der verborgene, auch ihnen unbekannte »Große Bruder«, aber es ist ersichtlich, daß er mit dieser mythologischen Welt nur spielt, in Wirklichkeit hält er sich an nichts als an sich, und er bringt es fertig, ohne daß er irgendeinen Halt hätte, sich an sich zu halten. Darum hat er keine Hemmungen mehr; und seine Hemmungslosigkeit ist seine Magie, mit der er auf die Menschen wirkt, auf die er wirken will. Man darf die Frage nach seinem Wesen nicht so stellen, ob Frank geistig krank oder gesund sei; er hat wirklichen Wahn, den Wahn, der hemmungslos macht, aber er nutzt diesen wirklichen Wahn aus, um auf die Menschen magisch zu wirken – und die magisch zwingende Wirkung auf sie braucht er nicht bloß zu seinen jeweiligen Zwecken, er braucht sie immer mehr, weil der nihilistische Glaube an sich selber, von der Krise der Selbstbesinnung bedroht, sich von fremdem Glauben ernähren muß, um bestehen zu können. Wenn Frank von der Stadt Offenbach aus, um die entgleitende Macht wiederzugewinnen, seinen Anhängern in Polen die Botschaft schickt, Jakob der wahre und lebendige Gott lebe und werde auf ewig leben, hat sich diese Sucht, geglaubt zu werden, um glauben zu können, zum äußersten übersteigert. Wie im Sabbatianismus sich der Messianismus Israels aufhob, so hebt sich hier der sabbatianische, emanationistische Messianismus selber auf: es gibt weder Gott noch seine Emanation mehr, es gibt nur noch die menschliche Person, die das Nichts füllt. Zugleich muß der Mensch, der sich als diese Person konzipiert, unaufhörlich das warme Fleisch und Blut fremden Glaubens an ihn in sich aufnehmen, um selber beharren zu können. Die Jüngerschaft rings um ihn aber, die sich so von ihm verzehren läßt, mit ihren Orgien und Verzückungen, die dämonische Gemeinde des dämonischen Messias, zeigt, mitten im Raum der christlichen Kirche, den Zerfall der Gemeinschaft Israels an. Das starke Leben der jüdischen Gemeinde war vom sabbatianischen Sturzbach überflutet worden; aus diesem taucht hier das Zerrbild, die Gegengemeinde hervor. Diese zugleich entfesselte und ganz an einen Führer, der sie ins Nichts führt, gebundene Schar ist das unüberbietbare Bild der Zersetzung.
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4. Der Chassidismus geht ebenso wie der Frankismus von der durch die sabbatianische Katastrophe geschaffenen Situation aus, aber nicht um weiterzugehen. Es gibt kein Weitergehen, es sei denn in Verderben und Untergang. Was geschehen ist, wird als die Katastrophe erkannt, und
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zwar nicht als eine innervölkische, innerweltliche, sondern als eine der Verbindung zwischen Gott und Israel, zwischen Gott und dem Menschen. Die Verbindung zwischen Gottheit und Menschheit hat eine schwere Verletzung erfahren, die scheinbar intimste Nähe hat sich als Mißbrauch enthüllt, was als Vollmacht erschien, mündet in Verrat. Das Fehlgeschehen zwischen Oben und Unten wächst noch, die Lüge wird mächtig und gebärdet sich als die neue Wahrheit. Sie droht, die zutiefst verwirrte, haltlos gewordene Judenheit nicht bloß in Wahn und Schuld zu verstricken, nicht bloß ihren Innen- und Außenbau zu untergraben, sondern auch eine Kluft zwischen ihr und Gott aufzureißen, wie sie so tief noch nie bestand. Hier setzt das neue Element ein, das sich in der Lebenshaltung des Baalschem und der Seinen darstellt. Es geht um Heilung nicht des Volkes allein, sondern des erkrankten Zusammenhangs zwischen Himmel und Erde. Es muß dem Übel Einhalt getan werden, ehe es unüberwindlich wird. Aber nicht durch Kampf kann es geschehen, sondern nur durch neue Mittlung und neue Führung. Es ist kein Zufall, daß die Bewegung von Podolien ausging, das von den Tagen Sabbatai Zwis bis um die Zeit der Geburt des Baalschem der Türkei angehörte, dessen Judenheit der nachsabbatianischen Problematik in besonderer Weise ausgesetzt war und wo hernach Frank zuerst Fuß faßte. Von diesem von den Fieberschauern der abgründigen Stunde geschüttelten Volk aus ist der Baalschem zu verstehen. Die Abgeschiedenheit seiner Jugend in der Stille der Karpathen erscheint wie ein Sinnbild des sich konzentrierenden Widerstands gegen die Verführung. Als er hervortritt, ist es, um Heilungen des Leibes und der Seele zu wirken; charakteristisch dafür ist die Erzählung der Sage, wie er den Mann gewann, der seine Lehre ausbauen sollte, den großen Maggid: erst hilft er ihm gegen eine körperliche Krankheit, dann aber zeigt er ihm, daß sein Wissen kein Wissen ist, und nun folgt eine Manifestation, die der Empfangende in vollkommener Erschütterung der Seele als ein visionsartiges Ereignis erfährt. Solche Gewinnung von Menschen für die neue Lebenshaltung, die Bildung eines übers Land verstreuten und dennoch um ihn geschlossenen Kreises von zugleich weltfreudigen und auf die Nähe Gottes ausgerichteten Menschen ist sein eigentliches Werk, das in der letzten Zeit seines Lebens und danach dem Treiben der Frankisten gegenübersteht. Daß er an der Disputation der Rabbiner gegen die Sekte teilgenommen hätte, ist nicht bloß unhistorisch, sondern auch innerlich unwahr. Seine wahre Haltung erscheint in der Sage, wo er am Vorabend des Versöhnungstags von dem Gedanken an die Israel drohende Gefahr, mit der mündlichen Thora das ganze Leben in der Überlieferung zu verlieren, so übermannt wird, daß er im Segnen der Gemeinde innehalten muß, sich
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vor der Lade niederwirft und die Rabbinen anklagt, die das ihnen anvertraute Gut nicht auf die rechte Weise gehütet hätten; tags darauf, während des Schlußgebets, wird er ans Tor des Himmels entrückt, findet da die Gebete eines halben Jahrhunderts, die nicht Eingang gefunden haben, sucht den Messias auf, gelangt mit seiner Hilfe mit den Gebeten hinein und in einer großen Himmelsfreude wird das Verhängnis überwunden; dabei ist das Motiv wichtig, daß die Gebete der fünfzig Jahre auf Erden hatten lagern müssen, bis sie durch das gewaltige Beten der Baalschem-Gemeinde an diesem Versöhnungstag ans Himmelstor emporgehoben wurden. Somit konnten die Gebete der rabbinischen Gemeinden in der sabbatianischen Epoche sich nicht von selber erheben und bedurften der Erhebung durch die neue Bewegung. In der Tat steht der Baalschem mit Leben und Lehre nicht bloß gegen den Frankismus, sondern auch gegen das Rabbinentum der Zeit, das er anklagt, daß es durch seine lebensfremde Verwaltung der Thora das Volk aus der Nähe Gottes entfernt und es dadurch zur Aufnahme der falschen Nähe-Botschaft empfänglich machte. Der Baalschem ist bald nach den Massentaufen der Frankisten gestorben; es wird erzählt, wie er noch kurz vor seinem Tode um die »abgeschnittenen Glieder der Schechina«, der der Welt einwohnenden Gottesglorie, klagte. Die Sage erzählt, er habe eben zufolge jener himmelstürmenden Unternehmung sterben müssen. Wir lernen aber das Verhältnis des Baalschem zum Sabbatianismus noch tiefer verstehen, wenn wir auf die Andeutungen der Sage über eine Versuchung achten, die von da her ihm genaht sei. In einer merkwürdig zurückhaltenden, offenbar auch Wichtiges verschweigenden Weise wird da berichtet, einst sei ihm Sabbatai Zwi erschienen und habe ihn um Erlösung angegangen. Um dergleichen zu wirken, muß man alle Elemente des eigenen Wesens mit denen des Toten verbinden, wie Elia sich mit allen Gliedern auf den toten Knaben legt; man muß jedes der drei Elemente der eigenen Seele, Lebenshauch, Geist und Seele, mit dem entsprechenden der erlösungsbedürftigen verknüpfen. Der Baalschem wollte die Bitte erfüllen; da er aber von so intimer Nähe des Bösen eine Einwirkung befürchtete, begann er das Werk behutsam zu verrichten, nicht auf einmal, sondern über eine Zeit verteilt. Währenddessen kam Sabbatai einmal, offenbar auf die zwischen ihnen beiden entstandene Vertrautheit bauend, im Schlaf zu ihm und wollte ihn verführen – der Erzähler sagt nicht, wozu, aber es ist nicht schwer, das Verschwiegene zu ergänzen: der falsche Messias will ihn verführen, sich selbst für den Messias zu halten und zu erklären. Der Baalschem aber widersteht ihm und schleudert ihn mit so großer Wucht von sich, daß er bis auf den Boden der Unterwelt stürzt. Der Baalschem sagte danach von ihm, es sei ein heiliger Funke in
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ihm gewesen, aber der Satan habe ihn in seiner Schlinge, der Schlinge des Hochmuts, gefangen. Mit dieser Erzählung muß man in Verbindung bringen, daß der Baalschem darauf hinzuweisen pflegte, man solle, wenn man vor dem letzten Atemzug die Füße ausstreckt, kein Selbstgefühl empfinden, und daß man ihn, wie es heißt, vor dem Sterben den Psalmvers flüstern hörte: »Der Fuß des Hochmuts komme nicht an mich!« Der bekannte Historiosoph Spengler hat unter Berufung auf mich in dem Baalschem den Typus eines Messias sehen wollen. Das trifft weder für das Bewußtsein des Mannes, noch für seine Existenz zu. Nichts an ihm ist eschatologisch, nichts drückt den Anspruch aus, etwas Letztes, Endgültiges zu sein. Nirgends hören wir aus seinem Munde Worte von der Art jener, die uns bei den »Messiassen«, von der reinsten bis zur unreinsten Ausprägung, von Jesus bis zu Jakob Frank, immer wieder begegnen: »Ich bin gekommen, um …« In verschiedenartigen Begebenheiten läßt die Legende den Baalschem erfahren, daß seine Stunde nicht die Stunde der Erlösung, sondern die einer Erneuerung sei; aber auch in diesen Geschichten tritt er nie als der Eine, Vollendete auf, er versucht nur, der Erlösung zu helfen, sie vorzubereiten, und auch dies umsonst. Einmal heißt es andeutungsweise, dereinst, wenn der Messias komme, werde er, nämlich der wiederkehrende Israel ben Elieser, es sein. In diesem gegenwärtigen Leben aber ist sein Wesen ein anderes und seine Aufgabe eine andere. Alles an ihm steht gegen das »Bedrängen des Endes«, das in Wahn und Lüge ausgeartet ist und durch die rasende Hingabe an Scheingötter das Verhältnis zu Gott in die äußerste Gefahr gebracht hat; alles weist auf die Notwendigkeit hin, jetzt wieder zu einem Anfang, zum Anfang eines wirklichen Lebens für den wirklichen Gott in der wirklichen Welt zu gelangen. 5.
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Man pflegt den sogenannten Zaddikismus als eine spätere Entartung des Chassidismus zu betrachten; aber was man so nennt, ist nur die Übersteigerung dessen, was schon in der Frühzeit der Bewegung mit aller Deutlichkeit zutage tritt und von ihren Grundlagen nicht wegzudenken ist. Den Begriff des Zaddiks hat der Chassidismus sowohl im kabbalistischen Schrifttum als in der volkstümlichen Überlieferung vorgefunden, aber er hat ihm einen neuen Inhalt zugebracht. Dort bedeutet er einen in besonderer Weise mit Gott verbundenen, daher nicht bloß seine Geheimnisse schauenden, sondern auch in Vollmacht handelnden Men-
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schen. Hier ist er zu alledem der geworden, der an Gottes statt die Gemeinde führt, zwischen Gott und der Gemeinde mittelt. Dabei ist unter Gemeinde immer zugleich die bestimmte, begrenzte Gemeinde dieses einzelnen Zaddiks und die Gemeinschaft Israels zu verstehen. Diese stellt sich in jener dar, die einzelne Gemeinde ist das vollständige Volk. Auch diese Entwicklung eines Sonderfalls zu einer Institution ist von der Krisis zu erfassen. Je mehr sich diese verschärfte, um so nachdrücklicher war die Frage nach der neuen Führung gestellt. Die alte rabbinische hatte trotz einzelner energischer Vorstöße die Krisis nicht zu überwinden vermocht, weil sie nur für die Erhaltung der Lehre und nicht für die Erneuerung des Lebens kämpfte. Man sah sie in chassidischen Kreisen schon in den Anfängen der Bewegung etwa so an, wie das Volk eine Regierung ansieht, die gegen eine feindliche Invasion keine Verteidigung vorbereitet hatte und ihr nun nicht Widerstand leisten kann; man mußte eine Gegenregierung aufstellen. Diese bedeutet der Zaddik in seiner neuen chassidischen Ausprägung. Er kann naturgemäß nicht mehr in erster Reihe ein Gelehrter sein. Die Begründer der Bewegung waren zwar sehr darauf bedacht, bedeutende Talmudisten in ihr Lager zu bringen; aber an jedem wird, wie es die Sage von Bär von Mesritsch im Hause des Baalschem erzählt, durch Kritik an seiner bisherigen Lebenshaltung und Einführung in eine andere eine innere Umwandlung vollzogen, bis das, was ihm bisher das Daseinszentrum gewesen war, zur Peripherie hinrückte und der neue Dienst die Mitte einnahm. Dieser Dienst ist eine der stärksten Verschmelzungen von Umgang mit Gott und Umgang mit den Menschen, die die Religionsgeschichte kennt: man dient Gott, indem man seiner Kreatur hilft, man hilft der Kreatur, indem man sie zu Gott führt, und diese Führung geht nicht übers Leben hinweg, sondern mitten durchs Leben. Schülerschaft im Hause der Begründer der Bewegung war Erziehung zur Führung. Der durch die sabbatianische Umwälzung zuinnerst aufgerührte, durch ihren Ausgang in allem, was ihm Halt gewesen war, erschütterte polnische Jude verlangte leidenschaftlich nach Führung, nach einem Menschen, der ihn in Obhut nahm, seinem verwirrten Gemüt Gewißheit, seinem durcheinander geratenen Dasein Ordnung und Gestalt gab, der es ihm wieder ermöglichte, zugleich zu glauben und zu leben. Solche Führer erzog die chassidische Bewegung. Rabbinen, die nur Anweisungen erteilten, wie die Vorschriften des Gesetzes anzuwenden seien, konnten dem neuen Verlangen nicht mehr Genüge tun, aber auch die Predigt über den Sinn der Lehre half nicht. In einer Welt, in der man die Kraft zur Besinnung und Entscheidung nicht mehr aufbrachte, brauchte man einen Menschen, der einem zeigte, wie zu glauben, und sagte, was zu tun
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ist. Wenn wir die unbedingte Hingabe der Frankisten an Frank beobachten, sehen wir, wie völlig man sich an den verlor, der einem die Verantwortung bis ins Letzte abzunehmen bereit war. Die chassidische Bewegung mußte hier ansetzen. Sie mußte Männer hinstellen, die jeden, der getragen werden wollte, auf ihre starken Schultern nahmen, aber ihn doch auch wieder zu Boden setzten, sobald man ihm zutrauen konnte, selber weiterzugehen. In vollkommenem Gegensatz zu den pseudomessianischen Typen übten diese Männer selber Verantwortung für die ihnen anvertrauten Seelen und ließen auch in diesen den Funken der Verantwortung nicht erlöschen. Wollte Frank wie Sabbatai als eine Erfüllung und Aufhebung der Thora verstanden werden, so war es das höchste Lob, das einem Zaddik gespendet wurde, er sei eine Thora, das heißt: in seiner Beschaffenheit, in seinem alltäglichen Gebaren, in seinen unbetonten, unwillkürlichen, absichtslosen Handlungen und Haltungen, darin »wie er die Sandalen schnüre und löse«, stelle sich das an der Thora dar, was unaussprechlich ist, aber durch menschliche Existenz tradiert werden kann. Diese Männer mittelten zwischen Gott und Mensch, aber sie wiesen die Menschen mit großem Ernst auf das durch keine Mittlung zu ersetzende unmittelbare Verhältnis zu Gott hin. Ein weiteres wichtiges Kennzeichen ist die Vielheit der Zaddikim. Der messianische Prätendent ist seinem Wesen nach ein Einzelner, das Zaddiktum stellt sich seinem Wesen nach in einer Vielheit gleichzeitig lebender Männer dar, zwischen die die Gemeinschaft gleichsam aufgeteilt wird. Nach einem dem Baalschem zugeschriebenen Wort gibt es wie 36 verborgene, so auch 36 offenbare Zaddikim. Trotz aller Übersteigerungen hält sich kein Zaddik für den einzigen, trotz allem Streit zwischen Gemeinde und Gemeinde, aller Eifersucht zwischen Lehrern und Schülern bleibt diese Aufteilung unumstößlich gültig. Gewiß meinen und sagen Chassidim zuweilen, außer ihrem Rabbi gebe es keinen in der Welt; aber eine Grundanschauung der Ersten wird laut, wenn ein Zaddik dieses Treiben als Götzendienst bezeichnet. »Wie denn soll man sprechen?« fragt er, und antwortet: »Man soll sprechen: ›Unser Rabbi ist für unser Anliegen der Beste!‹« Das bedeutet: jeder Zaddik und seine Chassidim sind einander zubestimmt. »Ich bin gekommen, der ganzen Welt zu helfen«, sagt Frank. Der Zaddik hat seinen Chassidim zu helfen. Um ihnen aber wahrhaft zu helfen, um sie mit ihrem ganzen Leben zu Gott zu bringen, nicht bloß etwas von ihnen, ihren Gedanken, ihr Gefühl, sondern ihr ganzes Leben, muß er ihr ganzes Leben umfassen, von der Sorge um das Brot bis zur Sorge um die Reinigung der Seele. Er hat ihnen nicht etwas zu leisten, sondern alles. Und weil er alles leisten soll, muß er alles können. »Warum«, so heißt es
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scherzweise, »nennt man den Zaddik ›der gute Jude‹ ? Wollte man sagen, er bete gut, so müßte man ihn ›guter Beter‹ nennen, wollte man sagen, er lerne gut, ›guter Lerner‹. Ein ›guter Jude‹ denkt gut und trinkt gut und ißt gut und arbeitet gut und meint gut und alles gut.« Die Baalschem-Legende versinnbildlicht den vitalen Zusammenhang des Zaddiks mit der Gemeinde, indem sie ihn mit seinen Chassidim tanzen läßt oder erzählt, wie sein Lehrvortrag in ihrer Versammlung jedem einzelnen als an ihn gerichtet und als Rat für sein persönliches Leben erscheint. Aber schon in dem ersten chassidischen Buch finden wir, auf Sprüchen des Baalschem begründet, eine ausgearbeitete Formulierung dieses Zusammenhangs. Dabei wird aufs stärkste die Gegenseitigkeit der Bindung betont. Wohl ist die Gemeinde für sich, was die Erde war, ehe sie mit dem Himmel verbunden wurde: ein Chaos; aber »die Zaddikim dürfen nicht sagen, sie brauchten die Volksmasse nicht«, die Volksmasse gleicht den Trägern der Bundeslade, ohne die sie sich nicht bewegen kann, ob auch in Wahrheit sie es ist, die ihre Träger trägt. Demgegenüber wird an dem vorchassidischen und neben der Bewegung fortdauernden Zustand scharfe Kritik geübt, wo der Gelehrte einerseits und die Volksmasse anderseits zwei einander ferne »Enden« darstellen, die miteinander keinerlei Verbindung eingehen: die Gelehrten müssen ihrer eigenen Mängel inne werden, die sie darauf hinweisen, am Leben der Volksmasse teilzunehmen, dann erst können sie auch sie erheben.
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6. Es ist aber keineswegs damit gemeint, daß dem »einfachen Mann« lediglich eine empfangende Funktion zukomme. Vielmehr kann sich nach chassidischer Anschauung gerade bei ihm ein Element von höchster aktiver Bedeutung finden. Auch hier gehen wir am besten vom Frankismus aus. Jakob Frank legt seinen Anhängern Mal um Mal dar, er sei ein »Am-haarez«, ein Unwissender. »Gott hat mich erwählt«, sagt er, »weil ich ein Am-haarez bin.« Die Sache, um die es geht, werde nicht den Weisen und Gelehrten gegeben, sondern »nur solchen Unwissenden wie ich, denn die Weisen schauen zum Himmel auf, obgleich sie dort nichts sehen, wir aber sollen auf die Erde schauen«. In einem schönen Gleichnis, das unter allen seinen Reden den chassidischen Gleichnissen am nächsten steht, erzählt er von der vollkommenen Perle, die keiner der Meister durchlochen konnte, weil keiner es wagte, denn jeder wußte, wie leicht sie dabei zerstört wer-
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den kann; ein Geselle, der die Gefahr nicht kennt, unternimmt es in Abwesenheit seines Meisters, und es gelingt ihm. Gerade hier aber, in der scheinbar größten Annäherung, gibt sich der entscheidende Unterschied zwischen der Welt Franks und der des Baalschem zu erkennen. Frank rühmt sich seines Unwissens, weil es ihn hemmungslos macht. Er ist durch kein Wissen um die Thora gebunden, er kennt die göttliche Schwere der menschlichen Verantwortung nicht, darum zittert ihm die Hand nicht, wenn er die Perle der Menschenwelt durchbohrt. Er ist eben erwählt, er braucht nicht die Wahrheit zu fragen, was zu tun und was zu lassen sei, er braucht sich nicht zu entscheiden, alles ist entschieden. »Man hat mich erwählt«, sagt er, »weil ich ein Am-haarez bin, als welcher ich mit Gottes Hilfe alles durchbohren und zu allem hinbringen werde.« Später sagt er auch »mit Gottes Hilfe« nicht mehr. Er selbst sei »jener brennende Dornbusch«. Der Einfältige, den die chassidische Legende preist, hat kein Quentchen Selbstgefühl. Er würde sich verspottet meinen, wenn man ihm sagte, er sei erwählt. Auch er braucht sich nicht zu entscheiden, aber eben weil er schlecht und recht, ohne zu grübeln, sein Leben lebt, die Welt annimmt wie sie ist und das Gute, das ihm so anvertraut ist, als hätte er es von Ewigkeit her gekannt, mit unbeirrter Seele tut, wo sich ihm die Gelegenheit dazu bietet, verirrt er sich aber einmal, mit starken Schritten den Ausweg sucht und sein Geschick auf Gott wirft. Um Gott ist es ihm zu tun, der ist sein großer Herr und sein großer Freund; als Herrn und Freund redet er ihn ständig an, er erzählt ihm alles, als wüßte er noch nichts davon, befangen ist er ihm gegenüber nicht. Er kann weder lernen noch »richtig«, das heißt mit »Kawwanot«, mit geheimen Intentionen, beten. Aber seine tägliche Arbeit tut er eifrig und sagt dabei die Psalmen her, die er auswendig kann; auch das ist Anrede, und es ist ihm gewiß, daß sie gehört wird. Zuweilen aber wird ihm besonders warm ums Herz, da pfeift er zu Gottes Ehre oder tanzt und springt gar, weil er ihm seine Liebe nicht anders bezeigen kann. Und Gott freut sich daran. Er freut sich an ihm. Dieser chassidische Gott versteht sich zu freuen, wie seine Chassidim. Aber mehr noch: es geschieht nach der Legende zuweilen, daß solch ein Mann, der »nicht zu beten versteht«, einmal mitten im Beten der Gemeinde seine Seele mit aller Macht vor Gott ausschüttet und mit der Kraft seines Betens alle schwachen und flügellahmen Gebete mit emporträgt. Auch er hat die verbindende Kraft. Von einem großen Dulder, Beter und Musikliebhaber unter den Chassidim, Rabbi Israel von Kosnitz, wird erzählt, er habe es besonders gern gesehen, wenn die »einfachen Leute« zu ihm kamen; als seine Schüler ihn
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nach dem Grunde fragten, sagte er ihnen: »Ich – all meine Mühe und Arbeit geht darauf, einfach zu werden, und sie sind ja einfach.« Und weil der »einfache Mann« so wichtig ist, kann es – im Gegensatz zur Kabbala – keine chassidische Esoterik geben, solange die Bewegung in ihrer ursprünglichen Kraft und Reinheit ist. Es gibt keinen Verschluß der Geheimnisse; alles ist grundsätzlich allen zugänglich, und alles wird immer wieder so schlicht und bildhaft wiederholt, daß jeder wirklich Glaubende es fassen kann. Man hat mit Recht darauf hingewiesen, wie sehr die chassidische Anerkennung des bisher verachteten Am-haarez als eines religiös gleichberechtigten Mitglieds der Gemeinschaft und die chassidische Bewunderung des schlicht gläubigen Menschen das Wachstum der Bewegung gefördert haben. Man muß aber hinzufügen, daß die Bewegung schon in ihren Anfängen in den breiten Volkskreisen von einer neuen Generation, ja von einem neuen Menschentypus getragen ist, der mit dem folgenschweren »Bedrängen des Endes« nichts mehr zu tun haben will und in der gegebenen Lebensstunde nach Kräften Gott zu dienen unternimmt, und weiter, daß sie bestrebt ist, diesen Typus in den Augen des Volkes zu erhöhen und so die neue geistige Autorität der Zaddikim durch eine aus der Volksmasse selbst aufsteigende religiöse Elite zu ergänzen.
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7. Frank hat seine Verherrlichung des eigenen Unwissens damit begründet, daß der bisherige Weg, der des Wissens um Gesetze und Glaubenslehren, jetzt durch einen neuen ersetzt werde, »der noch nie, seit Anbeginn der Welt, einem Menschen in den Sinn kam«. Die alten Worte seien »längst gestorben«, die Gesetze müßten »wie eine Tonscherbe zerschlagen werden«, alles Vergangene müsse fallen, ehe der neue Bau, der ewig dauern soll, errichtet wird. »Der euch bekannte Christus hat gesagt, er sei gekommen, um die Welt aus den Händen des Satans zu befreien, ich aber bin gekommen, um sie von allen Satzungen und Verordnungen zu befreien, die es bisher gegeben hat. Ich muß all das vernichten, dann wird sich der Gute Gott offenbaren (das ist, ganz nach der üblichen gnostischen Auffassung, der verborgene Gott, der mit dem Weltschöpfer und Weltherrscher nicht identisch ist).« Daher verlangt Frank von seinen Anhängern, sie sollten sich »von allen Gesetzen rein baden, wie der Hohepriester sich rein badete, ehe er das Allerheiligste betrat«, sie sollten alles, was ihnen von Gesetzen und Glaubenslehren anhaftet, abtun und Schritt für Schritt ihm nachfolgen. Einmal aber sagt er ein Wort, das daran erinnert,
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was man von der Gesinnung der Inhaber des höchsten Grades in der Sekte der Assassinen erzählt, und das man nach (kürzlich veröffentlichten) Mitteilungen auch als das eigentliche Glaubensbekenntnis des weltgeschichtlichen Assassinentumes unserer Tage ansehen darf: »Alle Führer müssen ohne Religion sein.« Auch hier geht der Chassidismus von der Situation der Krisis aus und nicht hinter sie zurück. Die Thora als Gesetz im hergebrachten Sinn, das heißt als Summe von Geboten Gottes, die keinen anderen Zweck haben, als die Menschen seinen ihnen unverständlichen Willen erfüllen zu lassen, ist durch den sabbatianischen Antinomismus in Frage gestellt worden. Die chassidische Bewegung kann nicht darauf ausgehen, sie in diesem Sinne wiederherzustellen. Sie kann und will die Thora nur dadurch bewahren, daß sie die scharfe Grenze zwischen der Sphäre der gebotenen und verbotenen Dinge einerseits und der indifferenten Dinge der »Adiaphora« anderseits zu einer fließenden macht. Die chassidische ThoraKonzeption ist eine Ausgestaltung des überlieferten Glaubens, daß Gott die von ihm geschaffene Welt durch den Menschen erobern will. Er will sie wahrhaft zu seiner Welt, zu seinem Reich machen, aber durch menschliches Tun. Die Absicht der göttlichen Offenbarung ist, den Menschen zu bilden, der an der Erlösung der Schöpfung wirkt. Damit ist nicht ein einmaliges, messianisches Handeln gemeint, sondern ein Tun des Alltags, das die messianische Vollendung vorbereitet: das eschatologische Fieber der Krisis erscheint hier durch ein Gleichmaß aller Funktionen abgelöst, das aber nicht einfach Gesundheit, sondern Heilung bedeutet. Die »Mizwot«, die Gebote, bezeichnen den Bereich der Dinge, die dem Menschen bereits ausdrücklich zur Heiligung übergeben sind. Der Chassidismus entwickelt die spätkabbalistische Lehre von den göttlichen Funken, die in die Dinge gefallen sind und von den Menschen »gehoben« werden können. Zu solcher Hebung sind ihnen die Mizwot anbefohlen. Wer eine Mizwa mit vollkommener Kawwana tut, das heißt wer die Handlung so vollzieht, daß er sein ganzes Dasein in ihr sammelt und in ihr auf Gott richtet, wirkt an der Heiligung der Welt, an ihrer Eroberung für Gott. Aber die Funken, die der Hebung bedürfen, ruhen nicht bloß in den Dingen, auf die die Mizwot hinweisen. Die Abgrenzung zwischen dem Heiligen, das heißt dem zur Heiligung Angewiesenen, und dem Profanen, dem es an einer solchen spezifischen Anweisung noch fehlt, ist eine vorläufige. Die Thora bezeichnet den bisherigen Umkreis der Offenbarung. Es liegt am Menschen, ob und wie sehr sie sich weiter ausdehnt. »Warum«, so fragt ein Zaddik, »sprechen wir von ›der Zeit, da die Thora gegeben wird‹ und nicht von ›der Zeit, da die Thora gegeben ward‹ ? Gott will, daß alles geheiligt werde, bis in der messianischen Zeit
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keine Scheidung mehr zwischen Heilig und Profan besteht, weil alles heilig geworden ist.« Wieder ist hier der Chassidismus scheinbar in die äußerste Nähe der sabbatianischen Theologie gelangt, wie es nicht anders sein kann, da er ja im höchsten Ernst von der durch sie bezeichneten Situation ausgeht, und wieder ist sein unbedingter Gegensatz zu ihr zu erkennen. In der messianischen Stunde soll nicht die Hinwegräumung der Scheidewand zwischen Gebotenem und Verbotenem verfügt und damit die Thora aufgehoben werden, sondern die messianische Stunde wird die Vollendung der Durchheiligung aller Dinge und alles Lebens bezeichnen, und die vollständig gewordene Thora wird das ganze Leben umfassen, ja es wird nichts anderes mehr geben als das Dasein, in das die Thora eingegangen und in dem sie zu Leben geworden ist. Ein Wort aus der Frühzeit des Chassidismus bemerkt zu dem Spruch »Seid heilig, denn heilig bin ich der Herr euer Gott«, jetzt komme die Heiligkeit Israels von den Mizwot, wie gebetet wird: »der du uns geheiligt hast durch deine Gebote«, in der Zeit aber, für die nach talmudischer Lehre verheißen ist, daß die Mizwot aufgehoben werden, werde die Heiligkeit Israels unmittelbar aus der Gottes kommen. Und ein spätes Wort zieht die Folgerung daraus, indem es zum Spruch der Schrift, der das Volk davor warnt sich »Schnitzwerk zu machen, Gestalt all dessen, was der Herr dein Gott dir gebot« erklärt, warum es »gebot« heiße und nicht »verbot«: man soll sich aus keiner Mizwa ein Götzenbild machen, auf das Reich Gottes zu gesehen ist jede in der Schwebe. Anderseits gibt es kein Ding und keinen Vorgang, von denen ich sagen könnte, sie seien nicht das, was von mir geheiligt werden soll; auf dieser Stufe der Glaubenswirklichkeit ist nichts Gleichgültiges mehr zu finden. Wie durch die religiöse Aufnahme des Am-haarez die traditionelle Hierarchie der Personen überwunden wird, so durch die religiöse Aufnahme der Adiaphora die traditionelle Hierarchie der Handlungen. Auch die von der späten Kabbala ausgearbeiteten Kawwanot des Gebets zur Einung Gottes und seiner Schechina treten zurück für den, der, wie einer der bedeutendsten Denker des Chassidismus von sich sagt, »mit der Diele und der Bank betet«. Die große Kawwana haftet nicht an irgendeiner Auswahl des Vorgeschriebenen; alles kann, mit ihr getan, das Rechte, das Erlösende sein. Jede Handlung kann die sein, auf die es ankommt; entscheidend ist nur die Kraft und Konzentration der Heiligung, mit der ich sie tue. Auf die Frage, was für seinen verstorbenen Lehrer das Wesentliche gewesen sei, antwortete ein Schüler: »Jeweils das, womit er sich grade abgab.«
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Jakob Frank pflegte von seinem Stern, dem Stern, der, wie er aus der Weissagung Bileams zu zitieren liebte, »aus Jakob hervortrat«, zu sagen, alle verachteten und gemeinen Dinge seien in der Macht dieses Sterns, und nur indem man sich ganz hineinbegebe, könne man zum Heil gelangen. Man müsse die Jakobsleiter, die aus zwei schrägen auf der Erde zusammentreffenden Leitern bestehe, erst bis nach ganz unten hinabsteigen, ehe man aufsteigen könne. Es komme darauf an, sich das fremde Feuer, das Feuer der »Sünde«, so zu eigen zu machen, daß man es Gott darbringen könne; das fremde Feuer, das Aarons Söhne opferten, sei nichts im Vergleich damit, was da zu tun sei. Darum müsse man ganz und gar zu »Edom« eingehen, bei dem die »fremdartigen Handlungen« (eine Bezeichnung, die sich bei den Sabbatianern häufig findet) nicht wie in Israel heimlich, sondern offenbar walten; Jakob dürfe sich nicht begnügen, wie bisher Esaus Ferse zu halten, er müsse ein Leib mit ihm werden. Esau oder Edom ist hier zugleich real zu verstehen, wie Frank durch die Massentaufe der Seinen und durch deren Apologie bekundete, und sinnbildlich: es steht für das Reich der Sünde, in das man zutiefst eindringen müsse, um es zu bewältigen; man muß, wie das sabbatianische Wort lautet, die Klipa in ihrem Hause erobern, muß die Unreinheit mit der Kraft der Heiligkeit füllen, bis sie von innen aufbricht. Die große Festung, so drückt es Frank in einem charakteristischen Gleichnis aus, kann mit allen Belagerungskünsten nicht bezwungen werden, bis ein Am-haarez nachts sich durch den Unratskanal hineinschleicht und sich ihrer bemächtigt. Der frankistischen Lehre von den »fremdartigen Handlungen« steht die chassidische von den »fremden Gedanken« gegenüber. Auch hier geht der Chassidismus von denselben gemeinsamen Voraussetzungen aus: der Abgrund ist aufgebrochen, es geht für keinen Menschen mehr an, so zu leben, als ob es das Böse nicht gäbe. Man kann Gott nicht dienen, indem man dem Bösen nur ausweicht; man muß sich damit befassen. Der entscheidende Unterschied besteht hier in der Einsicht, daß in dieser Befassung das Zerbrechen der »Schale« nicht am Ende, sondern immer wieder, Mal um Mal, am Anfang steht. Die Funken des Gotteslichts bangen in ihrem tiefsten Exil, das wir das Böse nennen, nach der Befreiung. Sie kommen, mit ihren Schalen beladen, von denen sie sich nicht trennen können, als »fremde Gedanken«, als Gelüste zu uns, zu allen Stunden, auch in der des Gebets, vorzugsweise in ihr, denn sie handeln ja gemeinsam mit den Klipot, wie es nicht anders sein kann: die Klipot haben niemals so große Begierde, uns zu Fall zu bringen, als wenn
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wir betend an Gott hangen, und die Funken der Heiligkeit verlangen nie so sehr als da nach unserer Tat, weil da unsere erlösende Kraft am größten ist. Die Verwirklichung ihres Verlangens aber kann nicht anders geschehen als in der Gestalt der Klipa, in der Gestalt der Versuchung, mit anderem Wort: in der Phantasie. Das alte Wort, je größer einer sei, um so größer sei sein Trieb, wird abgewandelt: an der Größe der Versuchung erkennt eine Seele, wie heilig sie in ihrer Wurzel ist. Die Einbildungskraft ist die Kraft in uns, die mit den Erscheinungen der Funken in Verbindung steht; und weil diese Erscheinungen aus der Vermischung von Gut und Böse kommen, kann man von ihr sagen, sie sei der Baum der Erkenntnis von Gut und Böse. Hier geschieht in jedem Menschen Entscheidung, und an dieser hängt Erlösung. Darum sollen wir die fremden Gedanken nicht als etwas Lästiges und Widerliches von uns schieben und die heiligen Funken verstoßen. Bedeutet doch ihre Erscheinung eine Erscheinung Gottes in den ihm scheinbar allerfernsten Dingen, wie geschrieben steht (Jeremia 31, 2): »Aus der Ferne ist der Herr mir erschienen.« Wir sollen diese Erscheinung willig empfangen und das tun, was sie von uns verlangt: in der Sphäre unserer Phantasie die reine Leidenschaft von dem Gegenstand befreien, der sie beschränkt, und sie auf den schrankenlosen richten; damit zerbrechen wir die Schale und erlösen den Funken, der in sie gebannt war. Gewiß begibt sich der Mensch, der sich solcherweise mit dem Bösen einläßt, in eine große Gefahr, und manche Zaddikim haben davor gewarnt, da es den heiligen Menschen vorbehalten sei, dieses Wagnis zu bestehen. Aber ihnen wird entgegengehalten, daß jeder Mensch dazu auf der Welt sei, um Läuterung und Lösung in der Welt zu üben; um aber der Gefahr standhalten zu können, solle er täglich sich selber richten: im Feuer solchen Gerichts werde das innerste Herz immer stärker und die Macht der Klipa könne ihm nichts anhaben. Hier, im Bereich der »fremden Gedanken«, muß der Gegenstand, auf den sich in der Phantasie des Menschen das Gelüst richtet, gleichsam durchsichtig werden, um seine Dämonie zu verlieren und den Blick auf Gott freizugeben. Anders ist es im Bereich des natürlichen Daseins des Menschen, seines Lebens mit der Natur, seiner Arbeit, seiner Freundschaft, seiner Ehe, seines Einvernehmens mit der Gemeinde: da sollen einem die Gegenstände der Neigung und der Freude, die eben Wirklichkeit, nicht Möglichkeit sind, in ihrer ganzen Wirklichkeit verbleiben, man darf und soll wahrhaft mit allem leben, aber man soll in Weihe mit ihm leben, man soll alles, was man in seinem natürlichen Leben tut, heiligen. Kein Verzicht ist geboten. Man ißt in Weihe, man schmeckt den Geschmack der Speisen in Weihe, und der Tisch wird zum Altar. Man arbeitet in Weihe und hebt die Funken, die sich in allen Geräten bergen.
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Man geht in Weihe übers Feld, und die stillen Lieder aller Kräuter, die sie zu Gott sprechen, gehen in das Lied unserer Seele ein. Man trinkt in Weihe mit den Gefährten einander zu, und es ist, als lernte man mitsammen in der Thora. Man tanzt in Weihe im Kreis, und ein Glanz umstrahlt die Gemeinde. Ein Mann ist in Weihe mit seiner Frau vereint, und die Schechina ruht über ihnen. Die Liebe zwischen Mann und Frau ist bekanntlich in der Kabbala ein hohes Prinzip des Seins, nicht bloß weil sich die Verbindungen der »Sefiroth«, der emanierten Sphären, und auch die entscheidende Verbindung zwischen Gott und der Schechina in diesem Bilde darstellt, sondern auch weil es um der Erlösung willen als grundwichtig gilt, daß die heiligen Seelen, die ihre irdische Wanderung noch nicht vollendet haben, durch Zeugung und Geburt verkörpert und in die Erdenwelt gezogen werden. Wohl nichts anderes kann uns die Gegensätzlichkeit der Erscheinungen nach der sabbatianischen Krise deutlicher machen, als wenn wir nebeneinanderstellen, was aus jener Konzeption im Frankismus und was im Chassidismus geworden ist. Ich kann hier nur je ein charakteristisches Beispiel geben. In der von Franks Jüngern aufgezeichneten Chronik seiner Taten wird erzählt, wie Frank während seiner Gefangenschaft in Czenstochau, wo er eine sehr weitgehende Freiheit genoß, an die Frauen seines Kreises, die »Schwestern« genannt wurden, das Ansinnen richtet, in vollkommenem Einvernehmen eine unter ihnen als die Vertreterin aller zu wählen und ihm zu übergeben; er wolle sie zu sich nehmen, und sie werde durch die Geburt einer Tochter gesegnet werden. Seine anwesende Ehefrau, die sich dazu anbot, lehnte er ab, weil es ihr bestimmt sei, Söhne und nicht Töchter zu gebären. Die »Schwestern« konnten nicht zu einem einmütigen Beschluß gelangen, da die Rivalitäten nicht zu überwinden waren, und nach einem heftigen Zank baten sie den »heiligen Herrn«, er möge die Wahl selbst vollziehen. Frank verfiel in einen großen Zorn, der einige Wochen andauerte. Diesem grotesken Vorgang, dessen spezifisch religiöser Hintergrund aber unverkennbar ist, stelle ich eine kleine Begebenheit gegenüber, die ich den Aufzeichnungen eines Enkels des Rabbi Mordechai von Staschow über das Leben seines Großvaters entnehme. Rabbi Mordechai war zuerst ein Schüler des Rabbi Elimelech von Lisensk und nach dessen Tode ein Schüler des »Sehers« von Lublin. Dieser sagte zu ihm einmal: »Wir wollen dir nun ein paar hundert Juden übergeben, damit du selber eine Gemeinde zu führen hast.« Rabbi Mordechai erwiderte, er wolle sich mit seiner Frau beraten. Als er heimkam und dieser das Anerbieten erzählte, rief sie: »Gemach, gemach, laß uns doch erst selber Juden sein!« Er fuhr
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nun wieder zum Lubliner, erklärte ihm, er könne seinen Vorschlag nicht annehmen, und führte zur Begründung den Ausspruch der Frau an. Als der Seher dieses gehört hatte, sagte er: »Komm von jetzt ab nicht mehr zu den Feiertagen zu mir, sondern bleibe bei deinem Weibe. Die heiligen Seelen warten auf euch.«
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Man hat den Chassidismus zuweilen, ebenso wie das Urchristentum, als einen Aufstand des Am-haarez, das heißt des ungelehrten »Landvolks«, der sich nicht mit dem Studium der Lehre abgebenden Schichten des Volkes bezeichnet. Damit sollte gesagt werden, der wesentliche Antrieb der chassidischen Bewegung sei die Auflehnung der von der religiösen Tradition vielfach verächtlich behandelten »unwissenden« Menge gegen diese Stufenleiter der Werte, auf der der Gelehrte, der der Thorakunde Beflissene, den höchsten Rang einnimmt. Das eigentliche Streben der Bewegung wird somit als eins nach dem Umschwung der Werte verstanden, nach einer neuen Rangordnung, in der nicht der die Thora »Wissende«, sondern der in ihr Lebende, der sie in der schlichten Einheit seines Lebens Verwirklichende zu höchst steht; und die schlichte Einheit ist eben öfter beim Am-haarez als bei dem Lamdan, dem gründlich Gelehrten, zu finden. Die Wurzel dieses Strebens nach einem Umschwung der Werte sah man in der Veränderung der sozialen Struktur in der osteuropäischen Judenheit, wie sie sich in eben jener Zeit vollzog, als der Chassidismus zur Welt kam. Der Wahrheitskern dieser Auffassung ist nicht zu verkennen. Man kann den ungeheuren Einfluß, den der Chassidismus auf die Volksmenge ausgeübt hat, nicht verstehen, wenn man nicht den »demokratischen« Zug an ihm beachtet, die ihm eigene Tendenz, an die Stelle der bestehenden »Aristokratie« des geistigen Besitzes das gleiche Recht aller zu setzen, sich dem absoluten Sein zu nähern. Die Ungleichheit mag in allen Dingen des äußeren Lebens walten: in den innersten Bereich, in die Beziehung zu Gott darf sie nicht eindringen. Von da an ist es leichter, die Wirklichkeit des Unterschieds zwischen Privilegierten und Unprivilegierten zu ertragen, da das schlimmste Vorrecht aufgehoben worden ist. Gewiß kann eine solche Wandlung sich nur dann in der Religionsgeschichte vollziehen, wenn ihr Erschütterungen im Innern der Gemeinschaft vorangegangen sind; aber die wesentliche Frage ist, wie groß der Anteil des sozialen Faktors an diesem allgemeinen Prozeß ist. Seit man die Bedeutung des sozialen Faktors in der Geistesgeschichte entdeckt hat, neigt man naturgemäß dazu, sein Gewicht zu überschätzen. Demgegenüber ist die Hauptaufgabe hier, wie in jeder echten Betrachtung, die Abgrenzung der Bereiche. Nun ist aber nirgends sonst die Machtgrenze des sozialen Faktors so deutlich zu bezeichnen wie in der
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Religionsgeschichte. Durch ihn ist es bedingt, daß neue Gehalte der Lehre und der Lebensformung, neue Glaubenssätze und Mythen, neue Symbole und Riten in einer bestimmten Zeit andere überwachsen und im Leben des Volkes Eingang finden – ihr Ausmaß und ihr Widerhall hängen von ihm ab; nicht aber jene Gehalte selber. Die Meinung, religiöse Gebilde stiegen immer neu aus den sozialen »Verhältnissen« auf, ist ein Irrtum, geeignet, die Welt des Geistes zu verarmen: jene beeinflussen den Geltungsbereich der Dinge, nur unter bestimmten gesellschaftlichen Bedingungen vermag das Neue sich seinen Weg zu bahnen; aber es entsteht aus Berührungen und Konflikten im Innern der Religion selber. Die wirtschaftliche Entwicklung liefert hier nur düngende Kräfte; die Samenkräfte liefert der Geist. Ganz besonders gilt dies von jener Sphäre des religiösen Lebens, innerhalb deren der Chassidismus eine der großen geschichtlichen Erscheinungen ist. Man pflegt diese Sphäre Mystik zu nennen; aber um der Klarheit willen muß darauf hingewiesen werden, daß hier nicht von Spekulationen, von der menschlichen Erfahrung abgelöst, die Rede ist, Spekulationen etwa über die emanatorische Beziehung zwischen Gott und Welt, sondern es ist hier die Rede von einer Lehre, die in der menschlichen Erfahrung gründet, und der es einzig um das Geschehen zwischen dem Menschen und Gott zu tun ist. Zwar bedient sich diese Lehre jener Spekulation, und es mag sein, daß sie sich stets weiter ihrer bedienen wird, wie es der Chassidismus tut, aber nur um sie immer wieder an das menschliche Dasein und die persönliche Aufgabe des Menschen zu binden, um sie daran, an Dasein und Aufgabe, zu bewähren. Mystik in diesem Sinn weist auf den Bereich der Person hin und baut auf ihm auf, wiewohl sie in ihren extremen Gestaltungen die Aufhebung der Person, ihr Aufgehen im göttlichen Sein als das letzte Ziel verkündigt. Es ist dies jedoch nicht dahin zu verstehen, als habe man sich mit dieser Mystik eben in ihrer Vereinzelung zu befassen, weil sie »persönlich« sei. Der Mystiker betritt den Raum seiner mystischen Erfahrung, die bestimmt ist, die Grundlage seiner Lehre zu werden, nicht aus einem neutralen Weltraum, sondern aus dem Lebensraum einer konkreten Religion, in dem er daheim ist und in den er immer wieder heimkehrt; ja, auch seine Erfahrung selbst ist in nicht geringem Maße von den Überlieferungen und Lebensordnungen dieser Religion geprägt. Sogar wenn er sich von der Dogmatik seiner Religion loszusagen scheint, bleibt er mit ihrer Vitalität verbunden. Die Mystik ist eine geschichtliche Erscheinung. Dies tritt am stärksten hervor, wo sie zur »Bewegung« wird, das heißt, wo die Lehre und die Lebensweise der Mystiker über den Kreis ihrer Schulen hinaus wirken, das Volk ergreifen, ihm Beispiel und Vorbild geben und
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tiefgehende Wandlungen im Volksglauben und in der Volksseele hervorrufen. Fragen wir nun nach dem Charakter der geschichtlichen Situation, in der der Funke der mystischen Existenz ins Volk überspringt, dann finden wir zumeist, daß es die Zeit einer mehr oder minder offenkundigen inneren Krise der Religion ist. Wenn die überlieferten Gehalte und Ordnungen einer Religion in ihrer Gültigkeit, in ihrer Glaubenswirklichkeit erschüttert werden, ob infolge zunehmender Entartung oder infolge außergewöhnlicher Ereignisse, wenn also die Erwiderung dieser Religion auf die Problematik des menschlichen Daseins, des Daseins des Einzelnen und des Daseins des Volkes, fragwürdig wird, dann erhebt sich nicht selten die Mystik gegen die sich ausbreitenden Zweifel, gegen die ausbrechende Verzweiflung. Sie bildet die Grundmotive der mystischen Spekulation zu Lebensmotiven um, nicht bloß in den Darlegungen der Lehre, sondern vor allem im Leben selber, auf dem Boden des Religionszusammenhangs, aus dem sie entstanden war, und so führt sie dieser Religion eine Fülle neuer Lebenskraft zu. Sie stärkt die erschütterten Ordnungen, sie spendet den fraglich gewordenen Aussagen neuen Inhalt und macht sie wieder glaubwürdig, sie gießt einen neuen Sinn in die ihres Sinns entleerten Formen und erneuert sie von innen, sie gibt der Religion ihre bindende Mächtigkeit wieder. Die Tatsache, daß das Volk die Mystik solchermaßen empfängt, ist durch soziale Momente bedingt, durch soziale Änderungen, durch soziale Bestrebungen, aber was die Mystik dem Volke gibt, ist nicht vom Sozialen aus zu erfassen; die Lebenskraft, die sie der Religion schenkt, hat ihre Quelle in der inneren religiösen Dynamik selber, der bildnerische Saft in ihr steigt aus jenen Wurzelschichten auf, in denen sich Glaubenssubstanz zersetzt und erneuert. So verhält es sich mit dem Chassidismus. 2.
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Der sabbatianisch-frankistische Umsturz, dessen zweiter Teil, das Satyrspiel, bitterer als der erste, die Tragödie, war, brachte das Judentum nicht lediglich, wie man zu sagen pflegt, an den Rand des Abgrunds, sondern ließ es bereits einen Fuß in den gähnenden Schlund selber heben. Daß die zentrale Schar der Besessenen den Glaubenswechsel faktisch vollzog, dort zum Islam, in der Bedrängnis und insgeheim, hier zum Christentum, öffentlich und prunkvoll, beidemal aber indem der Vorgang gleichsam zur heiligen Handlung im Dienste des Gottes Israels erhoben wurde, das war nur ein Zeichen der Vergiftung, die ins Innerste des Volksleibs eingedrungen war. Man darf den ungeheuren Prozeß, der sich über hun-
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dert Jahre erstreckte, nicht als eine äußere Katastrophe allein ansehen, von deren Stätte die besonders Betroffenen sich nach außerhalb des Lagers begeben, die übrigen aber, die die Erschütterung nur zum Teil erfaßte, in die gewohnte Bahn ihres Lebens gewissermaßen an demselben Punkt zurückkehren. Der Zersetzungsstoff ist, ohne daß es verspürt wurde, auch in die fernsten Glieder des Volkes eingedrungen, die anscheinend von dem Vorgang gar nicht berührt worden waren, und sogar wer das Übel ingrimmig bekämpfte, mußte in der dunklen Tiefe der eigenen Seele, im Wirrsal der Träume seinen Angriffen standhalten. Damit, daß jener Teil des Volkskörpers, an dem die Seuche in Beulen ausgebrochen war, vom Ganzen abgetrennt wurde, war noch kein Heil geschaffen: man kann das mächtige Gift nur durch ein mächtiges Gegengift bezwingen. Worauf es am meisten ankommt, ist, ob dieses von früher her in den innersten Geweben des Organismus bereitet und bereitgestellt worden ist, so daß es nur zu seiner vollen Stärke entfaltet und aktiviert zu werden braucht, und ob die entfaltende und aktivierende Kraft in der Gestalt neuer Führer, einer neuen Führung vorhanden ist. Trifft beides zusammen, dann gerät die Heilung. Man kann jenes Gift nicht wie ein chemisches mit einem Namen oder einer Formel bezeichnen. Wollen wir es indirekt beschreiben, so können wir das am ehesten, wenn wir von der Begier reden, die Wirklichkeit zu überrennen. Statt von der Wirklichkeit aus zu leben, die grausamer Widersprüche voll ist, aber eben deshalb das wirklich Große, nämlich die stille Arbeit an der Überwindung der Widersprüche erweckt, ergibt man sich der Illusion, berauscht sich an ihr, unterwirft ihr das Leben, und in ebendem Maße, in dem man dies tut, wird der Kern des Daseins brennend und unfruchtbar zugleich, er wird zugleich ganz erregt und an der bewegenden Kraft gelähmt. Diese Begier, die Wirklichkeit zu überrennen, führte dazu, daß man handelte und lehrte, als bestünde ein Zustand der Vollendung, der messianischen Vollkommenheit, der in Wahrheit nicht bestand; sie führte zu einem Verhalten, das die Ordnungen aufhob und die Werte verstümmelte. Man irrt durchaus, wenn man hier von einem Übereifer des Glaubens redet: der wirkliche Glaube, auch der eiferndste, ist nicht »blind«, er sieht die Wirklichkeit und macht sich nichts vor, er hört nur auch darauf, was über dieser Wirklichkeit ist, was ihn beauftragt und ermächtigt, sie zu ändern. Wird aber eine Scheinwelt an Stelle der tatsächlichen gesetzt, dann herrscht der Aberglaube, der tödliche Gefahren birgt. Auch dieses mächtige Gift konnte nur durch ein mächtiges Gegengift bezwungen werden, und das kann bei einem Einzelnen oder einem Volk, die sich der Illusion ergeben haben, nur durch eine erneuerte Beziehung
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zur Wirklichkeit geschehen. »Erneuert« bedeutet hier zwar einen Gegensatz zu »alt«, denn es ist ein eitles Bemühen, dergleichen von früheren Zuständen aus bewirken zu wollen, statt von dem aus, in dem man sich befindet, und man kann das Heil für eine geschichtliche Stunde nur von ihren eigenen, vorher nicht vorhanden gewesenen Voraussetzungen aus suchen; aber es bedeutet auch etwas ganz anderes als »neu«, denn die zur Herstellung des Heilmittels erforderlichen Stoffe selber lassen sich nicht herstellen, sie müssen bereit sein. Worauf es ankommt, ist die Wiederverknüpfung mit dem Gewesenen und der Umschwung in einem; der Wiedereintritt in die Überlieferung, aber eine Überlieferung, die umgestaltet worden ist. Das ist es, was sich hier, im Chassidismus, begab. Die von ihm gestiftete erneuerte Beziehung zur Wirklichkeit mischt er aus den fortsprudelnden Quellen, den offenbaren und den verborgenen; aber was er da holte, ist in seinen Händen neu geworden. Ein Heilmittel ist es gewesen; aber das ist nicht so zu verstehen, als ob es aus einer Absicht der Heilung entstanden wäre. Heilmittel dieser Art, die in die Weite und in die Tiefe wirken, entstehen nie aus einer bloßen Absicht; sie sind das Erzeugnis eines persönlichen Daseins, in dem das Heil, die erneuerte Beziehung zur Wirklichkeit sich verkörpert. Das Dasein ist nicht auf diese Wirkung gerichtet, es ist nur eben, wie es ist, und darum wirkt es, was es wirkt. Und wohl deutet es sich selber in einer Lehre aus, wie man einen überlieferten Text ausdeutet, aber es intendiert damit nicht sich selber, sondern die Wahrheit. Beide zusammen, das Dasein und die es ausdeutende Lehre, bringen das Heilmittel zur Wirkung. Sie erwecken ein Vertrauen, das nicht mehr von einer Illusion, sondern von der Wirklichkeit gespeist wird, ein Vertrauen zum Menschen, und von da her zum Leben, und von da her zu Gott. Das persönliche Dasein, das solche Wirkung übt, kann nur ein »naives« sein, das heißt, ein Dasein, das ganz auf seinen Gegenstand gerichtet ist; es kann nicht ein »reflexives« sein, das heißt eins, das sich mit seinem eigenen Problem befaßt. Es kann aber auch kein theoretisches sein, das heißt eins, das den Gegenstand, auf den es gerichtet ist, dadurch erfassen will, daß es von der Wirklichkeit abstrahiert oder mystisch-kontemplativ hinter die Wirklichkeit zu dringen sucht. Es kann nur ein vitales Dasein sein, das unmittelbar mit der Wirklichkeit lebt und in diesem schlichten Leben mit der Wirklichkeit denkt, was es denkt, und betrachtet, was es betrachtet: nicht mehr und nicht weniger, als was ihm die Konkretheit dieses Lebens darbietet. Diese Naivität, Vitalität, Schlichtheit und Unmittelbarkeit bilden den persönlichen Kern, um den sich die Grundlagen der neuen Bewegung ansetzen. Er wirkt als Vorbild der erneuerten Beziehung zur Wirklichkeit. Er zieht alle ihm verwandte Art unter dem gemei-
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nen Volke an. Er begründet den neuen Führertypus. Die Erscheinung des Baal-Schem-Tow ist die grundlegende Tatsache des Chassidismus. In unserer Zeit, die geradezu leidenschaftlich bestrebt ist, die Gestalt zu zerbröckeln, pflegt man solche Erscheinungen zu untersuchen, bis von der Wirklichkeit der persönlichen Substanz so wenig wie möglich übriggeblieben ist. So neigt man dazu, an Stelle jener Ersten, die der Überlieferung lieb sind, Schüler zu setzen, die zum Unterschied von ihnen eine in sich zusammenhängende Lehre hinterlassen haben. Die Auffassung, die in Sabbatai Zwi nur ein an sich unwichtiges Gefäß erblickt, das durch hochbegabte Anhänger gleichsam mit persönlichem Inhalt gefüllt und so vor eine leicht zu berückende Menge gestellt worden ist, mag freilich gerechtfertigt sein: zum Reich der Illusion paßt solch ein Aufblasen des Nichts zur zentralen Herrlichkeit. Versucht man dagegen, die Gestalt des Baal-Schem-Tow zu einer propagandistischen Ausschmückung dessen verschrumpfen zu lassen, was die Großen des chassidischen Gedankens, angeblich die eigentlichen Begründer der Bewegung, mitsamt ihren Schülern geschaffen haben, dann verfehlt man das Wesen einer Bewegung dieser Art von Grund aus. Sie beginnt mit der Beziehung einer kleinen Gemeinschaft zu einem führenden und lehrenden Mann; die Wirklichkeit dieses Menschen und nicht sein Schein ist es, was die Gemeinschaft konstituiert; von hier aus steigt in sich stetig erweiternden Kreisen die erneuerte Beziehung des Volkes zur Wirklichkeit auf. Denn wie der Einzelne, so kann auch die Gesamtheit eine wahre Beziehung zur Wirklichkeit nur durch die Beziehung zur Wirklichkeit eines Menschen gewinnen: die Scheinwelt verflüchtigt sich, das Sein selber wird offenbar, und man darf ihm vertrauen. Mögen nun die zuverlässigen Nachrichten über das Leben des BaalSchem-Tow nur gering sein, wir besitzen eine getreue Überlieferung, die uns sagt, daß Menschen hoher geistiger Stufen, Große der offenbaren und der geheimen Lehre, sich ihm neigten und ihm dienten. Was die Sage erzählt, daß einer von ihnen den schwersten Problemen die Lösung fand, als er seinem Gebete lauschte, daß ein zweiter während des Gebets des Baal-Schem-Tow in ein Weinen ausbrach, mit dem eine völlige Lebenswandlung anhob, daß einem Dritten die Geisteskraft schwand, als er seine schlichten Worte hörte und er sich ganz dem wunderbaren Manne untertan machte – all dies wird uns im wesentlichen durch Aufzeichnungen der Schüler selber bestätigt. Die Schriften eines von ihnen, Jakob Josef von Polnoe, den wir den Xenophon des Baal-Schem-Tow nennen dürfen (einen Platon hatte er nicht: der eine, der dazu befähigt war, Dow Bär, der Maggid von Mesritsch, führt zwar in seinen Lehrreden etliche Aussprüche des Meisters an, aber er äußert fast nichts über seine
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Person), sind ein starkes Zeugnis der Verehrung, die der Gelehrte für den Mann der unmittelbaren Erleuchtung hegte, ein Zeugnis der völligen Änderung der Wertskala: nicht mehr der Scharfsinnige und in der religiösen Wissenschaft Bewanderte und nicht der abgeschiedene und der Kontemplation ergebene Asket, sondern der Reine und Einheitliche, der mitten in der Welt mit Gott wandelt, der am Leben des Volkes teilnimmt und es zu Gott erhebt, der gilt nun als der vorbildliche Mensch. Auch wir selber vermögen etwas von jener Wirkung der Wirklichkeit zu spüren, wenn wir in den Worten des Baal-Schem-Tow lesen. Wohl besitzen wir von seinen Lehren nur, was die Schüler anführen, Bruchstücke, deren Mehrzahl gewiß verändert wiedergegeben sind, mit Zusätzen der Schüler vermengt, so daß es uns zunächst aussichtslos erscheint, die Stimme des Meisters aus dem Stimmengewirr ringsum herauszuhören. Dennoch gelingt es uns in einem gewissen Maße, und gerade weil es so viele und so verschiedene Überlieferer sind: wir lösen gleichsam all die Vielfältigkeit ab und vor uns bleibt etwas Einfaches und Einheitliches, nicht ein großer, zusammenhängender Vortrag, auch nicht genug, um einen solchen zu rekonstruieren, wenn er etwa doch einmal bestanden haben sollte, aber auf jeden Fall das Wort eines Menschen, ein Wort von eignem Ton und eignem Lebenssinn. Wir horchen, horchen, und da läßt sich eine überraschende Direktheit vernehmen, jene, die nur dann in die Welt der Rede eingeht, wenn ein Mensch, nachdem er den Becher der geistigen Enttäuschungen ausgeschlürft hat, es wagt, der Wirklichkeit Angesicht zu Angesicht standzuhalten. Lauschet etwa einem Spruch wie diesem, der mich vor vierzig Jahren zu einem Chassid des Baal-Schem-Tow gemacht hat: »Er ergreife die Eigenschaft des Eifers gar sehr, er stehe mit Eifer vom Schlafe auf, denn er ist geheiligt worden und ist ein anderer Mensch worden, und er ist würdig, zu zeugen, und ist worden nach der Eigenschaft des Heiligen, gesegnet sei Er, der Welten zeugte.« Zwar lehnt sich der Spruch an manche Äußerungen von Kabbalisten an, dennoch: wer hat vor dem BaalSchem-Tow, wer außer ihm so zu uns gesprochen? Ich sage: zu uns, denn dies ist das Entscheidende: wer ihn gehört hat, empfindet es, als wende sich die Rede an ihn. Die Sage, die erzählt, unter den Hörern einer Lehrrede vom Munde des Baal-Schem-Tow hätte jeder sie verstanden, als sei sie zu ihm gesprochen worden, zur Antwort auf seine Nöte, seine Zweifel und das ruhelose Fragen seines innersten Lebens, diese Sage berichtet gewiß die Wahrheit. Ebendie Wahrheit verspüren wir auch jetzt noch. Das ist nicht eine Lehre, die hoch über unserem Dasein in sich beschlossen ist und unserer Erkenntnis nur einen Strahl von den oberen Welten übermittelt, aber auch nicht eine Unterweisung allein, die unserer Seele
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die Pfade des Aufstiegs zeigt: Hilfe ist sie unserem konkreten Leben – unser Leben selber erhebt sich durch die sich an uns wendende Rede, wenn wir auf sie hören. Wirklichkeit ruft Wirklichkeit an; die Wirklichkeit eines Menschen, der im Umgang mit der Wirklichkeit des Seins in ihrer Fülle gelebt hat, erweckt in uns die Wirklichkeit und steht uns bei, im Umgang mit der Wirklichkeit des Seins in ihrer Fülle zu leben. Und hier gelten die Worte des Baal-Schem-Tow in der Deutung Rabbi Jakob Josefs: »Schöpfen die Schüler nicht aus dem Quell, dann wird der Meister schwerzüngig genannt.«
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Die sabbatianisch-frankistische Krisis war vor allem andern eine Krisis der Lehre. Die Thora, die Lehre Israels, ist eine Lehre der Unterscheidung. Wie die Schöpfung auf Scheidung begründet ist: im Raum – zwischen den obern und den untern Wassern, in der Zeit – zwischen Tag und Nacht und so fort, und am Ende der Schöpfung steht der Mensch, auch er in Mann und Weib getrennt, so ist dem Menschen in der Offenbarung geboten, zu unterscheiden: zwischen Gott und Götzen, zwischen wahren und falschen Propheten, zwischen Rein und Unrein, zwischen Gut und Böse, zwischen Heilig und Profan, zusammenfassend: zwischen dem, was Gott entspricht, und dem, was ihm nicht entspricht. Für eine unbestimmte Vielheit ist da kein Platz, in allem waltet das Prinzip polarer Zweiheit. Aber anders als die kosmischen Scheidungen, die beide Pole mit der gleichen Bejahung umfassen, sind die Scheidungen der Offenbarung entweder mit den stärksten Betonungen von Ja und Nein, von Wohlgefallen und Verwerfung ausgerüstet, so die »ethische« Scheidung zwischen den beiden Wegen von Gut und Böse, oder aber die Vollkommenheit sammelt sich an dem einen Ende und läßt einen weiten Raum für alles, was außerhalb ihrer ist, so die »kultische« Scheidung zwischen Heilig und Profan. Und das Schicksal des Menschen, sein Schicksal im genauesten Sinn, das des Einzelnen und das der Gesamtheit, hängt an der rechten Unterscheidung. Das kommt im Bereich des Heiligen zum Ausdruck in der Überlieferung, wer unbefugt mit dessen Symbolen in Berührung kommt, habe sein Leben verwirkt, im Bereich von Gut und Böse kommt es zum Ausdruck in der Ansage, Gott habe vor das Volk »das Leben und das Gute und den Tod und das Böse« gegeben. Hier vermischen sich die Ordnungen der Schöpfung, zu denen Leben und Tod gehören, mit den Ordnungen der Offenbarung. Zusammen damit wird
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an diesem Punkt ganz deutlich, daß die Unterscheidung, die in der Thora gelehrt wird, Entscheidung bedeutet, eine Entscheidung, in der der Mensch über sich selbst entscheidet. Aber mit der Entwicklung des dritten Bereichs, der zu Schöpfung und Offenbarung hinzutritt, des Bereichs des »Endes der Tage«, erhebt sich das Problem, ob die dem Menschen auferlegte Unterscheidung auf ewig gültig ist. Steht eine messianische Vollendung der Schöpfung zu erwarten, eine Vollendung, in der auch der Mensch, und der Mensch insbesondere, zu seiner Vollkommenheit gerät, so gibt es doch dann in der Wirklichkeit keinen Raum mehr für die in der Thora festgesetzten Scheidungen. Wenn am Ende der Tage, wie es die späteren Propheten geschaut haben, die Lehre den Menschen ins Herz geschrieben wird und sie Gott unmittelbar erkennen, dann wird mit der Drohung der Sünde auch die ganze Reihe der Vorstellungen von Scheideweg und Entscheidung aufgehoben; die Unterscheidung zwischen Gut und Böse muß dann ihre konkrete Bedeutung verlieren. Mehr noch: wenn die Israel auferlegte Aufgabe, heilig zu werden, weil sein Gott heilig ist, in der kommenden Zeit zur Erfüllung gelangt, so ist damit auch die Unterscheidung zwischen Heilig und Profan aufgehoben; denn wer heilig ward, kann dann nichts mehr von dem, was bislang profan war, anders als in Heiligkeit tun; der ganze Bereich des Profanen wird vom Bereich des Heiligen verschlungen. In der messianischen Perspektive erscheinen die wesentlichen Unterscheidungen der Thora als vorläufig und vergänglich. Was der vollkommene Mensch tut, was er lebt, entspricht als solches Gott. Von diesem Menschen wird nichts mehr gefordert, er ist alles »Sollens« ledig; denn alles Gesollte ist hier schon getan, der Mensch ist, wie er ist, er lebt, wie er lebt; und darin hat er seine Vollendung. Die sabbatianische Bewegung, die diese Anschauung schon fertig vorfand, folgert aus der Tatsache des gekommenen Messias, die Voraussetzungen seien bereits in Erfüllung gegangen. Sie wähnt – in den Tagen ihrer Entstehung zweifellos mit jenem Maße des Glaubens, das auch dem Aberglauben gegeben ist, und später mit der Anstrengung, zu einem ähnlichen Zustand auf dem Weg einer gewollten Verzückung zu gelangen –, die Stunde der Vollendung sei da. Aber sie begnügt sich nicht damit, dem Begriff der Sünde den negativen Charakter zu nehmen, die Sünde also zu etwas Neutralem zu machen; sie erhebt sie zur Heiligkeit, indem sie die in Heiligkeit getane Sünde den Weg zur messianischen Welt bahnen läßt. Wer in Heiligkeit etwas tut, was bisher als Sünde galt, erobert dieses Stück des Seins für die Vollkommenheit. Er dringt in die »Schale« ein und füllt sie mit Heiligkeit, bis sie platzt. Das Werk der Erlösung ist nur zu vollbringen, wenn die erlösende Kraft in das Böse selber
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eingeht, sich seiner bemächtigt, es verwandelt, es erlöst. Das geschieht dadurch, daß der Mensch das Böse tut, ohne es als ein Böses zu tun. Es besteht hier somit ein Gegensatz zwischen der Handlung und der Absicht, aber dieser Gegensatz wird durch die Heiligkeit aufgehoben: da dieser Mensch heilig ist, ist alles, was er tut, heilig. Von Zeit zu Zeit sind in den geschichtlichen Religionen solche »gnostische« Tendenzen erwachsen, und stets haben sie sich darauf gestützt, der Mensch sei in der Gestalt von dem und jenem zu seiner Vollkommenheit und Heiligkeit gelangt. Immer lag ihnen dies eine zugrunde, daß die Person, über die der Geist geraten ist, dadurch sowohl in ihrer eigenen Anschauung als in der Anschauung anderer in den vollkommenen Menschen verwandelt erschien und daß man ihre innere Fülle und Wirrnis durch Attribute aus der Sphäre der Heiligkeit verklärte. Im Judentum kam das messianische Pathos hinzu, der begeisterte Glaube an die Abhängigkeit der Erlösung von Volk und Welt von dem Manne, der als der vollkommene Mensch erscheint, und von seinen Taten. Darum dringt hier die Problematik bis ins Innerste des Volkslebens. Die Lehre Israels ist eine Lehre der Unterscheidung; nunmehr gab es nichts mehr zu unterscheiden. Die Lehre Israels bedeutet das Aufeinanderabgestimmtsein der Unterscheidung Gut-Böse und der Unterscheidung Heilig-Profan; nunmehr hat das Feuer des »Heiligen« die Substanz von Gut und Böse verzehrt. Wir könnten darin einen Sieg des Religiösen über das Ethische erblicken, wenn es nicht auf einer Illusion beruhte: mit der Aufdeckung der Illusion mußte dem scheinbar siegreichen religiösen Prinzip der Boden entzogen werden, ohne daß das überwundene ethische wieder zu seinem Rechte käme. Die Krisis der Thora war schon in der Tatsache der Illusion latent vorhanden; sie brach aus, sowie diese durchschaut wurde. Zwar blieben auch dann viele von den Männern der Thora an ihrem Platz, als wäre nichts geschehen; aber ihr Wort hatte keine seelenbezwingende Kraft mehr. Der Kernbestand des Volkes war in seiner Glaubenswirklichkeit erschüttert. Daß die messianische Hoffnung versagt hat, bringt noch keine innere Katastrophe mit sich; enttäuscht, erschöpft, ausgehöhlt, kehren die Leute doch zu ihrer unmessianischen Lebensweise zurück, und die überlieferten Ordnungen helfen dem Menschen sein Leben zu leben. Nicht so, wenn diese Ordnungen selber fraglich geworden sind. Das jüdische Volk hatte den Leiden des Exils deshalb standgehalten, weil es gewiß war, an der Thora den rechten Weg zu besitzen, einen Weg, der, mochte es auch zuweilen davon abweichen, es doch dahin bringt, wohin es kommen soll – wenn man nur zwischen dem rechten Weg und den Irrwegen zu unterscheiden weiß. Dieses Wissen schien von ihm genommen in den Tagen
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der Illusion, da man handelte, als sei man am Ziel angelangt und es bedürfe keines Weges mehr. Die Thora war dem Leben der Triebe bändigend und auslesend gegenübergetreten; sie hatte geboten, auch im natürlichen Bereich der Profanität dem Heiligen nah zu bleiben. Jetzt aber schien es, als durchbräche die Heiligkeit selbst alle Zäune und ließe sich mitten im Verbotenen, im Unreinen nieder. Wohl zerstob die ursprüngliche Illusion, die dem von ihr Ergriffenen vorspiegelte, die Tage des Messias seien gekommen, die Thora sei aufgehoben und an ihre Stelle sei der unmittelbare Genuß des Göttlichen in allen Dingen getreten; aber nun erstanden zunächst subtile Hilfskonstruktionen, und nach ihnen erhob sich eine neue, nun völlig unbändige Illusion. Auch wer sich ihr widersetzte, war in den Verstecken seiner Seele von ihr berührt. In der äußeren Welt erfaßte der Rausch nur die Kreise der Sektierer; aber in der Heimlichkeit erlagen ihr die Gemüter. Die Seele, deren Bande gelöst waren, erkühnte sich, Gott als ihr Eigentum in der Natur, in ihrer eigenen Natur zu finden. Sie weigerte sich, in die vormessianische Zeit zurückzukehren. Und konnte man nicht mehr an die vorhandene Vollkommenheit glauben, so gaukelte man sie sich mit allerhand Künsten vor. Dies sind die Tage, in denen man noch die Gebote erfüllt, aber mit einer von der eigenen Handlung wegschielenden Seele. Es sind die Tage, in denen das Böse herrscht, das die Thora im Sinne hat: das Eindringen des Chaos in den Kosmos der Offenbarung. Es sind die Tage der Versuchungen, die zu beschwören die Thora in den Herzen nicht mehr stark genug ist, denn hinter der dämonischen Maske meint man das Antlitz der Gottesfreiheit zu entdecken; man läßt sich von den Versuchungen nicht betören, aber man verjagt sie auch nicht. Besonders zudringlich sind sie während des Betens; da wird jede Vorstellung zur Versuchung. Sie benehmen sich, als ob sie zu Haus wären, und versprechen dem Menschen einen anderen Gott als den, den er anruft. Die Bereiche sind umgestürzt, alles greift in alles über, und die Möglichkeit ist mächtiger als die Wirklichkeit. Es war not, daß die Lehre des Baalschem an diesem Punkte einsetze und die Heilung bringe, und sie tat es. 4.
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Die Sage erzählt, in den Tagen des Baal-Schem-Tow sei ein Mann um der wunderbaren Eigenschaften seines Geistes willen berühmt geworden. Die Chassidim fragten ihren Meister, ob es für sie angemessen sei, zu jenem Mann zu fahren und ihn zu prüfen. »Fahrt nur«, sagte er. Wieder
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fragten sie: »Woran sollen wir erkennen, ob er ein wirklicher Zaddik ist?« »Verlanget von ihm einen Rat«, antwortete der Baal-Schem-Tow, »wie die ›fremden Gedanken‹ zu verjagen sind. Gibt er euch einen Rat, so wißt ihr, daß es ein nichtiger Mann ist. Denn um dieses muß der Mensch bis zu seinem letzten Augenblick ringen, und eben das ist der Dienst des Menschen in der Welt.« Die fremden Gedanken, die den Menschen in den Stunden des Betens und Lernens anwandeln, um seinen Sinn abzulenken und ihn zu verführen, daß er die Dinge begehre, die sie ihm vor den inneren Blick heben – groß ist ihre Bestimmung im Zusammenhang des Lebens, und wir dürfen nicht wollen, daß sie uns völlig verlassen. In unserer Sprache: die Phantasie – denn von ihr ist die Rede –, die uns von der Wahrheit hinwegziehen will, ist ein notwendiges Element in deren Dienst. Nicht wegstoßen sollen wir ihre Fülle, die unserem Herzen nachstellt, sondern sie in das wirkliche Dasein aufnehmen und einfügen; nur in der Kraft solches Tuns werden wir zu jener Einheit gelangen, die nicht von der Welt absieht, sondern sie umfängt. Dazu aber müssen wir das Schwerste vollziehen: die Verwandlung. Wir sollen das Element, das sich unser bemächtigen will, in Substanz des wahren Lebens verwandeln. Um dies recht zu verstehen, müssen wir vor allem etwas Wesentliches erfassen: die »fremden Gedanken«, ihr Kommen zum Menschen und ihr Wirken an ihm sind in den Augen des Baal-Schem-Tow nicht, was wir ein psychologisches Phänomen nennen, sondern ein Phänomen, das der kosmischen Sphäre angehört und sogar über sie hinausreicht. In jedem von ihnen weilt ein Funke, der aus der urfrühen Umwälzung der oberen Welten, aus dem »Zerbrechen der Gefäße« in der Sprache der Kabbala, stammt. Sie sind »klare Lichter«, »die in die Tiefen gesunken sind und schmutzige Kleider angetan haben«. Von diesem seinem Kerker aus bangt der Funke danach, erlöst zu werden, und diese seine Bangnis ist die treibende Kraft, die die »fremden Gedanken« zum Menschen bringt. Gelingt es diesem, den reinen Funken aus der dämonischen »Schale« zu befreien, so hilft er ihm, zu seinem göttlichen Ursprung zurückzukehren. So hat der Baal-Schem-Tow den Schriftvers gedeutet, der der schönen Frau gebietet, die ein Mann in ihrer Gefangenschaft sah und nach ihr verlangte und sie sich zum Weibe nahm: »Sie tue das Gewand ihrer Gefangenschaft von sich.« Man soll den fremden Gedanken nicht so annehmen, wie er erscheint, in seinen befleckten Kleidern, sondern man tue sie von ihm ab, dann geht sein Licht wie das Morgenrot auf. Recht eigentlich ist es ja die göttliche Wesenheit selber, die sich in den »fremden Gedanken« birgt und will, daß man sie in ihnen finde, zu ihr durchbreche und sie befreie; Gott selber tritt uns an und fordert uns an. Was wir als Phantasie bezeichnen, ist somit kein freies Spiel der Seele,
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sondern jeweils eine faktische Begegnung mit faktischen Elementen des Seins, die außerhalb von uns sind, und worauf es ankommt, ist, sich den uns erscheinenden Phantasiegebilden nicht hinzugeben, sondern den Kern von der Schale zu trennen und jene Elemente selber zu erlösen. Was wir lediglich in unserer Seele zu wirken vermeinen, wirken wir in Wahrheit am Schicksal der Welt. Wer daran nicht glaubt, nimmt »das Joch des Himmelreichs« nicht vollkommen auf sich, denn er verkürzt die Wirklichkeit Gottes. Wer das Joch des Himmelreichs vollkommen auf sich nimmt, weiß jedesmal: »Nicht umsonst ist dieser Gedanke zu mir gekommen, sondern damit ich ihn erhebe, und wenn nicht jetzt, wann denn?« Von hier aus gewinnen wir eine Einsicht in die Beziehung zwischen Gut und Böse, die durchaus verschieden ist von der gewohnten nur-ethischen Anschauung. In der Einsicht, die wir gewinnen, ist die Lehre des Talmuds, man müsse Gott mit beiden Trieben dienen, das heißt, alle in den Begierden ausbrechende Kraft in den Dienst einströmen lassen, mit der Lehre der Kabbala von den gefallenen Funken verschmolzen. Die Schechina umfaßt beides, das »Gute« und das »Böse«, aber das Böse nicht als selbständige Substanz, sondern als »Thron des Guten«, als »die unterste Stufe des völlig Guten«, als die Kraft, die in die Irre greift und die nur der Richtung auf Gott zu bedarf, um »gut« zu werden. Es ist der Dornbusch, der, vom göttlichen Feuer erfaßt, zur Offenbarung Gottes wird. Der »Böse Trieb« »verstellt sich als ein Diener, der sich gegen seinen Herrn auflehnt«; in Wahrheit aber ist er treu und erfüllt seinen Auftrag. Alle Versuchungen kommen von Gott, der sich in die »bösen« Kräfte kleidet. Aber es sind wirkliche Versuchungen: der schicksalhafte Ernst der Wahl, das Pathos des immer wiederkehrenden Scheidewegs zu Leben und Tod sind im Gedanken des Baal-Schem-Tow nicht weniger deutlich als zu irgendeiner Zeit, nur daß das Böse und das Gute nicht mehr wie zwei verschiedene Qualitäten voneinander gesondert sind, sondern wie der ungeformte und der geformte Stoff, nicht mehr wie Links und Rechts, sondern wie Unten und Oben, wie Dornbusch und Feuer. Es ist am Menschen, den Dornbusch ganz vom Feuer durchdringen zu lassen. Es ist an ihm, die Begierde der Versuchung selber an Gott zu binden. Es ist an ihm, die Liebe zu einem schönen Wesen so zu erheben, daß sie Liebe zum Quell aller Schönheit wird, dem Quell, der das Schöne schön macht: so kehrt die Liebe aus dem Exile heim. Es ist am Menschen, die Furcht, die ihn vor einer menschlichen oder kosmischen Macht ergreift, zur Furcht vor der Macht des Allmächtigen zu erheben, der Furcht, die sich in jene gekleidet hatte: alsbald besteht die Furcht nicht mehr als
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Angst, sondern als Bewunderung und Verehrung. Es ist am Menschen, die glühende Masse des Zornes zum Gotteseifer umzuschmieden. Es ist an ihm, die Vergnügungen der Erde in den Genuß des Himmelsglanzes zu wandeln. Die Sünde ist das Irregreifen der Kraft, aber die irregreifende Kraft selber ist von Gott. »Die Schechina ist von oben bis unten, bis zum Ende aller Stufen, und dies ist das Geheimnis des Spruchs ›Und du belebst sie alle‹. Sogar wenn ein Mensch eine Sünde begeht, kleidet sich die Schechina in ihn. Denn ohne dies wäre in ihm keine Kraft, zu handeln und ein Glied zu rühren. … Und dies ist gleichsam das Exil der Schechina.« Bedienen wir uns der Kraft der Schechina, um das Böse zu tun, dann treiben wir sie selber ins Exil. Da dem so ist, da die Sünde nur der irregehende Ausbruch einer großen Kraft ist, die von der Schechina kommt, können wir das Geheimnis der Lust verstehen, die der Sündigende empfindet, aber auch das Mysterium der Umkehr. Denn wer gesündigt hat, ist noch nicht verloren. Hast du durch deine Sünde die Funken verstoßen, so hast du ihnen noch nicht den Aufstieg versperrt: es ist in deinem Vermögen, sie zu erheben, durch deine Umkehr. Das ist’s, was von Gott gesagt wird, daß er »die Verfehlung trägt«: er trägt und erhebt sie in die obere Welt. Darum ist der Frevler, der voller Begier und zur Umkehr befähigt ist, Gott lieber als der anscheinend Gerechte, der alle äußeren Gebote ohne die wahre Hingabe des Herzens, ohne das »Anhaften« erfüllt und vor dem, da er sich als willkommen ansieht, die Tore der Umkehr verriegelt sind. Aber auch unter den wirklichen Gerechten gibt es zwei Gattungen. Man erkennt sie an ihrer Beziehung zum Bösen Trieb. Der eine benimmt sich wie ein Mensch, der nachts merkt, daß ein Dieb sich in seinen Laden eingeschlichen und aufschreit: der Dieb entflieht und alles ist, als sei es nicht gewesen. Der andere gleicht einem, der den Dieb nicht stört, sondern ihn sich nähern läßt, bis er ihn packen und fesseln kann. Der erste verjagt das Böse, der zweite verwandelt es in Gutes; und von diesem gilt der Spruch: »Wer ist ein Held? Wer seinen Trieb bändigt.« Er nötigt den Bösen Trieb, ihn zu lehren, und er lernt von ihm. Den Schriftvers »Von jedermann, den sein Herz anregt, sollt ihr meine Hebe nehmen« deutete der Baalschem so: Jedermann erkenne und ergreife die Eigenschaft, mit der er Gott zu dienen hat, daraus, wonach er Verlangen trägt. Dies ist das eine Gegengift, das der Chassidismus gebracht hat. Der Sabbatianismus hatte die Illusion erzeugt, man könne das Böse erlösen, indem man es tut, ohne es als das Böse zu tun. Das ist eine Illusion, denn alles, was der Mensch tut, wirkt auf seine Seele zurück, auch wenn er wähnt, sie schwebe über der Tat. Der Chassidismus hat demgegenüber
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die Tatsache aufgerichtet, daß man der richtungslosen Kraft, die in der Begierde ausbricht, die Richtung auf die Wahrheit geben, daß man die blinde Kraft sehend machen kann. Damit ist die Lehre der Unterscheidung erneuert in einer Zeit, in der die Unterscheidung zwischen Gut und Böse fraglich geworden war. Die Psychoanalyse unserer Tage hat die chassidische Anschauung in der Form der Theorie von der »Sublimierung der Libido« wieder aufgenommen, wonach man die Anreize von ihrem unmittelbaren Gegenstand ablenken und sie in die Bereiche des Geistes übertragen, also gleichsam ihre Energieform verwandeln kann. Alles ist hier auf psychische Vorgänge allein beschränkt, wogegen der Chassidismus immer wieder die faktische Berührung mit anderen Wesenheiten lehrt. Die »Sublimierung« begibt sich im Innern des Menschen, die »Erhebung der Funken« begibt sich zwischen dem Menschen und der Welt. 5. Daß das Wesen der chassidischen Botschaft darin bestand, eine erneuerte Beziehung zur Wirklichkeit zu stiften, tritt noch stärker in einer anderen Grundanschauung hervor, die mit der ersten verknüpft ist, aber den Seelenbereich in weiterem Maße als sie überschreitet. Die Funkenlehre der späteren Kabbala ist in den Händen des BaalSchem-Tow zu einer ethischen Lehre geworden und hat sich zu einem Auftrag erweitert, der das ganze Leben des Menschen umfaßt. In alle Dinge der Welt sind in der Urzeit des Seins, in der Zeit, da Gott Welten baute und niederriß, Funken gefallen. In einer stofflichen Schale, in einem Mineral, in einer Pflanze, in einem Tier ist der Funke verborgen, eine vollständige menschenähnliche Gestalt, in sich zusammengekrümmt, den Kopf auf den Schenkeln, ohne Hände und Füße bewegen zu können, embryohaft. Eine Erlösung gibt es für ihn nur durch den Menschen. Den Menschen liegt es ob, die Funken aus den Dingen und Wesen zu läutern, denen man im Alltag begegnet, und sie zu immer höheren Stufen, zu immer höheren Geburten zu erheben, von Mineral zu Pflanze, von Pflanze zu Tier, von Tier zu Mensch, bis der heilige Funke zu seinem Ursprung zurückkehren kann. Dies vollbringen, das ist, wie wenn du einen Königssohn aus dem Gefängnis befreist. Der Dienst des Menschen an den Funken begibt sich im Leben des Alltags; der Mensch vermag ihn mit allem, was er tut, zu verrichten, auch mit den profansten körperlichen Handlungen, die ihn mit Dingen und Wesen in Berührung bringen, denn auch die profanste Handlung kann in
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Heiligkeit getan werden, und wer sie in Heiligkeit tut, erhebt die Funken. In den Kleidern, die du anziehst, in den Geräten, die du verwendest, in den Speisen, die du issest, in dem Haustier, das sich für dich müht, in allem sind Funken verborgen, die nach Erlösung bangen, und gehst du mit den Dingen und Wesen mit Sorgfalt, Wohlwollen und Treue um, erlösest du sie. Gott gibt dir die Kleider und Speisen, die zur Wurzel deiner Seele gehören, damit du die Funken in ihnen erlösest. Man kann ihm mit allen Handlungen dienen, und er will, daß man ihm mit allen diene. Deshalb heißt es: »Auf allen deinen Wegen sollst du ihn erkennen.« Wie der in den Boden gesäte Same daraus die Kräfte zieht und aus ihnen die Frucht macht, so zieht der Mensch, der den Dienst vollbringt, aus allen Dingen, die zur Wurzel seiner Seele gehören, die Funken und erhebt sie zu Gott. Vielfach führen die Schüler die Deutung des Baal-Schem-Tow zu dem wunderlichen aggadischen Spruch an, der von dem Urvater Henoch erzählt, er sei ein Schuhflicker gewesen und habe mit jedem Stich seiner Ahle, der Oberleder und Sohle zusammennähte, Gott und seine Schechina verbunden. Der Baal-Schem-Tow zog den Schriftvers heran: »Alles, was deine Hand zu tun findet, tue in deiner Kraft.« Alles, was du tust, so deutet es der Baal-Schem-Tow, tu es mit der Kraft deiner Seele und deines Gedankens, den Heiligen, gepriesen sei Er, mit seiner Schechina zu verbinden. Damit ist Zwiefaches gesagt. Zum ersten: alles, was der Mensch tut, soll er mit seinem ganzen Wesen tun. Und um die Ansicht auszuschalten, damit seien die Werte des Geistes allein gemeint, sagt der Baal-Schem-Tow ausdrücklich: »Daß er die Tat, die er tut, mit all seinen Gliedern tue.« Es geht also um das ganze geistig-leibliche Wesen, das durch die Ausbreitung des Geistes in allen Gliedern zur vollkommenen Einheit wird; mit diesem geeinten geistig-leiblichen Wesen, mit dieser geeinten Kraft soll der Mensch tun, was er tut. Und zum zweiten: es liegt dem Menschen ob, alles, was er tut, mit der Intention auf die Einung der höchsten göttlichen Wesenheit mit ihrer Schechina, die der Welt einwohnt, zu tun. Nirgends aber wird hier, wie in aller asketischen Lehre, die die Wirklichkeit zu überwinden strebt, darauf hingedeutet, das einwohnende Prinzip würde sich aus der Welt ziehen, sondern die Einung der Getrennten bedeutet gerade die Einung Gottes mit der Welt, die als Welt bestehen bleibt, nur daß sie nun, eben als Welt, erlöst ist. In jeder Bewegung, die er vollzieht, in jedem Wort, das er ausspricht, soll der Mensch sein Wesen auf die Einung ausrichten; und die Bedeutung davon für das konkrete Leben drückt ein Schülersschüler des Baal-Schem-Tow in einem klaren Beispiel, zweifellos im Geiste des Meisters aus: »In den Geschäften ist sein Sinn in Liebe und Freundlichkeit den Menschen-
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wesen zugetan.« Derselbe Schüler beschließt anderwärts die Darlegung dieser Lehre mit Worten, die ihre zentrale Wichtigkeit besonders hervorheben: »Denn glaubst du nicht daran, daß in allen Dingen Wirklichkeit Gottes ist, und du kannst mittelst alljeden, das in der Welt west, Einungen einen, mit allen Arbeiten und Geschäften und Essen und Trinken, du aber glaubst nicht und tust es nicht, und du siehst es als übel an und fliehst davor, dann ist notwendigerweise (hier kommt die Deutung der Fortsetzung jenes Verses aus Ecclesiastes ›Alles, was deine Hand zu tun findet, tue in deiner Kraft‹) ›nichts‹, denn ›Werk und Berechnung und Klugheit‹, die du hast, ›sind in der Unterwelt, dahin du gehst‹.« Damit ist der entscheidende Schritt zur Erneuerung der Beziehung zur Wirklichkeit getan. Nur auf dem Weg des wahren Umgangs mit den Dingen und Wesen gelangt der Mensch zum wahren Leben, aber auch nur auf diesem Weg kann er an der Erlösung der Welt tätig teilnehmen. Der Baal-Schem-Tow sah, wie gesagt, sogar in der Einbildungskraft eine Art von Begegnung, für die es besondere Aufgaben gibt; erst recht ist das Dasein in der Wirklichkeit erkennbar als eine ununterbrochene Kette von Begegnungen, von denen jede die Person anfordert für das von dieser zu Vollbringende, gerade von ihr und gerade in dieser Stunde. Der Illusion der angeblich erreichten Vollkommenheit, wie sie in der Wirrnis der falschen Messianität waltete, steht hier das Leben des Alltags, das seine Erfüllung gefunden hat, als das wahre Wunder gegenüber. Und damit ist die Krisis der Thora überwunden. Die Lehre von den »fremden Gedanken«, die die Spekulation der Kabbala in ein lebendiges und volkstümliches Ethos verwandelte, hat die Unterscheidung von Gut und Böse erneuert, aber so, daß sie nun auf die in der Epoche aufgestiegene Problematik einging und ihr Antwort gab. Sie begnügte sich nicht mehr mit Vorstößen gegen die Sünde, wie sie zur vorsabbatianischen Zeit paßten; sie nahm in sich die neue Erfahrung auf, die Erfahrung der Entzückung von der Sünde aus, und bejahte die Kräfte der Begierde, ja forderte sie geradezu, um sie auf ihr wahres Ziel zu richten. Die Lehre von »Henoch dem Schuhflicker« ging von jener Spekulation aus, aber sie ging weiter. So grundlegend auch im Judentum die Unterscheidung von Heilig und Profan war, es erwachte doch immer wieder der Wunsch, dem Heiligen Wirkung und Einfluß auch im Bereich des Profanen zu verleihen und so die Brücke zu schlagen. Dieser Wunsch ging nun in Erfüllung. Nichts in der Welt ist dem Heiligen ganz fremd, jegliches Ding kann ihm zum Gefäße werden. Die sabbatianische Theologie predigte die Eroberung der Sünde durch das Heilige; nun tut sich der dämonische Charakter dieser Predigt auf von dem schlichten chassidischen Gebot aus, das in das Herz des schlicht gläubigen Menschen einzog, dem Gebot,
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alles, was einer tut, mit seinem ganzen Wesen zu tun. Denn die Sünde ist eben dies, was man seiner Art nach nicht mit dem ganzen Wesen tun kann: es ist möglich, den Widerspruch in der Seele zum Schweigen zu bringen, aber es ist nicht möglich, ihn auszutilgen. Jetzt dagegen erfolgt wahrhaft in der Lehre des Baal-Schem-Tow die Eroberung des Bereichs des Profanen, des Bereichs der erlaubten Dinge, der Adiaphora, durch das Heilige. Dort wurde die Sünde heiliggesprochen; hier gilt es, den Umgang mit allen Dingen und Wesen im Leben des Alltags zu heiligen. Der erste Aufstand des Am-haarez, die Bewegung des Urchristentums, war zu den Toren des Judentums hinaus gestürmt. Sein zweiter Aufstand, der chassidische, verblieb in den Grenzen Israels. Denn zum Unterschied vom ersten, der forderte, man solle leben als wäre das Gottesreich schon angebrochen, bejahte der Chassidismus die natürliche Wirklichkeit der noch unmessianischen Stunde, als den Stoff, an dem die Heiligung geschieht, und damit bejahte sie auch das Volk als solches, den großen unheiligen Leib, der bestimmt ist geheiligt zu werden.
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Vierter Abschnitt – Fünfter Abschnitt
Vierter Abschnitt – Geist und Leib der Bewegung 1. Geist [! in diesem Band, S. 33–61] 2. Leib [! in diesem Band, S. 61–73] Fünfter Abschnitt – Sinnbildliche und sakramentale Existenz 5
1. Die sinnbildliche Existenz in der Welt der Prophetie [! in diesem Band, S. 160–167] 2. Die sakramentale Existenz in der Welt des Chassidismus [! in diesem Band, S. 167–177]
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Sechster Abschnitt Gott und die Seele 1. Es ist immer mißlich, wenn man die Mystik, wie irgendeine andere religiöse Lehre, ihrem Gegenstand oder obersten Prinzip nach definieren will; man gewinnt dann nur einen zugleich abstrakten und etwas unbestimmten Begriff oder Satz, darin gerade das nicht erfaßt ist, was uns die Mystik in ihren geschichtlichen Erscheinungen zu einer so eigentümlichen und merkwürdigen Sonderart des Religiösen macht. Man tut besser daran, von der Seelenerfahrung auszugehen, die den Mystikern offenbar gemeinsam ist, da sie alle sich auf sie in irgendeiner Weise beziehen, wenn auch zuweilen nur verhüllt, ja in so objektivem Ausdruck, daß das persönliche Substrat, eben die Erfahrung, nicht in unsere Wahrnehmung tritt; auch da gibt es Momente, wo der strenge Ton der gegenständlichen Aussage unversehens durchzittert wird von einer übermächtigen Erinnerung. Jene Erfahrung nun mag man zwar eine Erfahrung der Einheit nennen; aber wieder werden wir damit nur etwas Abstraktes und Unbestimmtes in Händen haben, wenn wir etwa an eine Kontemplation der Einheit denken, in der zwar der Kontemplierende zurücktritt, seine Grundsituation aber, die er in irgendeinem Maße auch mitten in der Erfahrung verspürt, die Grundsituation all unser menschlichen Betrachtung bleibt, die Getrenntheit des Seins in ein Betrachtendes und ein Betrachtetes. Zu solch einem Mißverständnis gibt insbesondere einer der Größten unter den Mystikern, Plotin, starken Anlaß, wenn er jene Erfahrung, als echter Grieche, noch in der Spätzeit der Vermischung aller geistigen Elemente in optischer Sprache, im Bilde einer Anschauung des Lichtes durch das Auge nämlich berichtet. Auch bei Plotin wird uns bei tieferer Aufmerksamkeit deutlich, daß dies nur eins, wenn auch das dünnste der Gewänder ist, in die sich die mystische Erfahrung kleidet, um sich offenbaren zu können, vielmehr, um ihrem Träger zu ermöglichen, das, was er erfuhr, in den Zusammenhang seines Erlebens und sodann den seines Erkennens einzufangen. In Wahrheit ist das Entscheidende innerhalb jener Erfahrung noch nicht dies, daß die Vielheit der Erscheinungen zusammenstürzt in das Eine, das Spiel der Farben der Unbedingtheit des weißen Lichtes Platz macht, sondern daß das Betrachtertum des Betrachtenden ausgelöscht wird; nicht die Aufhebung der phänomenalen Vielheit, sondern die der konstruktiven Zweiheit, der Zweiheit von erfahrendem Ich und erfahrenem Gegenstand, ist das Entscheidende, das der Mystik im genauen Sinn Eigentümliche. Und zwar
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kann von Mystik im genauen Sinn nur da die Rede sein, wo es nicht um Menschen eines frühen, der klaren Sonderung von Subjekt und Objekt vorausliegenden Dämmerzustands geht, sondern um solche, denen die Grundsituation selbstverständlich geworden ist: ein in sich geschlossenes Ich und eine in sich geschlossene Welt einander gegenüber. Daß diese fundamentale, wenn auch vom Menschengeist erst allmählich erkannte Zweiheit in bestimmten Augenblicken des persönlichen Lebens zugunsten einer überwältigenden Einheitserfahrung aufgehoben wird, ist das, was jenes immer wiederkehrende tiefe Staunen erregt, das wir bei allen Mystikern, wenn auch in verschiedenen Graden der Äußerung, wiederfinden. Dazu kommt aber in aller Mystik, die auf dem Boden der sogenannten »theistischen« Religionen gewachsen ist, noch etwas hinzu, dem eine besondere, spezifisch religiöse Bedeutung zuzusprechen ist. Der Mystiker weiß hier um einen nahen persönlichen Umgang mit Gott, und dieser Umgang hat zwar eine Vereinigung mit Gott zum Ziel, eine Vereinigung, die nicht selten in Bildern des irdischen Eros empfunden und dargestellt wird, aber in diesem wie in jedem Umgang zwischen Wesen und Wesen ist eben doch die Zweiheit dieser Wesen die elementare Voraussetzung dessen, was sich zwischen ihnen begibt. Es ist nicht die Zweiheit von Subjekt und Objekt, das heißt: keines ist dem andern ein bloßer Gegenstand der Betrachtung, der selber an der Beziehung nicht teilhat, sondern es ist die Zweiheit von Ich und Du, die beide in die Gegenseitigkeit der Beziehung eintreten. Gott mag noch so absolut gefaßt werden, er ist hier eben doch nicht das Ganze, sondern das Gegenüber, er ist das diesem Menschen Gegenüberstehende, er ist das, was dieser Mensch nicht ist, und ist nicht, was dieser Mensch ist; gerade darauf kann das Verlangen nach der Vereinigung sich gründen. Mit andern Worten: in diesem nahen Umgang, den der Mystiker erfährt, ist Gott, so Unendliches er auch umfaßt, doch Person und bleibt Person; und auch wenn der Mystiker in ihm aufgehen will, meint er keinen anderen, als den er im Umgang erfuhr, eben diese Person. Das Ich des Mystikers will sich im Du Gottes auflösen, aber dieses Du Gottes, oder, nachdem das Ich des Mystikers in ihm aufgegangen ist, dieses absolute Ich Gottes ist unvergänglich. Das »Ich bin« des Menschen soll entschwinden, damit das »Ich bin« Gottes allein bestehe. »Zwischen mir und dir«, heißt es in einem Spruche alHallâdsch, des großen Märtyrers der islamischen Mystik, »gibt es ein ›ich bin‹, das mich peinigt. Ah! Hebe durch dein ›ich bin‹ mein ›ich bin‹ zwischen uns beiden hinweg.« Nie denkt der Mystiker daran, die Personhaftigkeit dieses göttlichen »Ich bin« in Frage zu stellen. »Ich rufe dich«, sagt al-Hallâdsch, »… nein, du bist es, der mich zu dir ruft! Wie hätte ich dich
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angesprochen ›Du bist es‹, hättest du mir nicht zugeflüstert: ›Ich bin es‹.« Das Ich des offenbarenden Gottes, das Ich des Gottes, der dem Mystiker seinen Umgang gewährt, und das Ich Gottes, in dem das Menschliche aufgeht, sind identisch. Im Bereich des Umgangs bleibt der Mystiker, was er im Bereich der Offenbarung war, Theist. Anders verhält es sich, wenn die Mystik, über den Bereich des erfahrenen Umgangs hinaustretend, es wagt, sich mit Gott zu befassen, wie er an sich, das heißt, außerhalb der Beziehung zum Menschen, ja außerhalb des Verhältnisses zur erschaffenen Welt, überhaupt ist. Zwar weiß sie wohl, daß, wie auch Meister Eckhart es ausdrückt, niemand von Gott sagen kann, was er ist. Aber ihre Konzeption der absoluten Einheit, einer Einheit also, der nichts mehr gegenüberstehen kann, ist so stark, daß auch der höchste Begriff der Person gegen sie zurücktreten muß. Die Einheit, die sich zu etwas verhält, das nicht sie selbst ist, ist nicht die vollkommene Einheit; die vollkommene Einheit aber kann nicht mehr personhaft sein. Damit will die auf dem Boden einer theistischen Religion erwachsene Mystik keinesfalls Gott die Personhaftigkeit absprechen; wohl aber drängt es sie, jene vollkommene Einheit, der nichts mehr gegenübersteht, auch noch über den Gott der Offenbarung zu erheben und zwischen der im reinen Sein verharrenden Gottheit und dem wirkenden Gott zu unterscheiden. Vollkommene Einheit ist nur, sie wirkt nicht. »Nie hat die Gottheit«, sagt Eckhart, »dies oder das gewirkt, sondern Gott erst schafft alle Dinge.« Dahin, in jenes Ursein vor der Schöpfung, in jene Einheit über alle Zweiheit strebt letzthin der Mystiker zurück; er will werden, wie er vor der Schöpfung war. Nicht immer spannt die theistische Mystik ihre Konzeption der Einheit so ins Äußerste, daß sie eben damit eine Zweiheit in Gottes Sein selber setzt. Die islamische Mystik vermeidet es dadurch, daß sie das Attribut des Wirkens in eine abstrakte Höhe zu heben sucht, wo es sich mit der vollkommenen Einheit verträgt; freilich gelingt ihr das nur zum Schein, indem sie nämlich das monotheistische Traditionsgut, das vom wirkenden Gotte handelt, gleichsam mystisch verklärt, ohne daß in die mystische Sphäre selbst etwas von dem Wirken des Wirkenden eindränge – jenes ist auf die Welt intendiert, diese im wesentlichen akosmisch, jenes zeigt Gottes Handeln in der Menschengemeinschaft, diese weiß von ihm nur, insofern er mit der Seele verkehrt; so erkauft die islamische Mystik um den Preis einer Zweiteilung des religiösen Lebens eine fragwürdige Einheit Gottes. Kühner und folgerichtiger geht hier die christliche Mystik auf der Höhe ihrer Theologie vor. Mit unüberbietbarer Schärfe setzt sie die Spannung in das Göttliche selber ein. »Gott und Gottheit«, sagt Eckhart, »sind unterschieden wie Himmel und Erde …
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Gott wird und entwird.« »Gott« also wird hier das Göttliche genannt, insofern es aus der vollkommenen Einheit, der nichts gegenübersteht, sich in Schöpfung und Offenbarung zum Gegenüber der Welt und dadurch zum Teilnehmer an ihrem Werden und Entwerden gemacht hat. Denn »Gott« gibt es nur für eine Welt: indem das Göttliche eben ihr, der Welt, zum Gotte wird; wenn Welt wird, wird Gott, ist keine Welt, entwird Gott, und wieder ist nur noch Gottheit. Man sieht wohl schon daraus, daß es ein schwerer Irrtum wäre, der Mystik die Auffassung zuzuschreiben, der Unterschied zwischen Gottheit und Gott sei nur ein perspektivischer, das heißt, er bestehe nicht an sich, sondern nur vom Gesichtspunkt der Welt aus. Eine solche Auffassung würde vor allem die geschichtliche Offenbarung entwirklichen. Das liegt der echten theistischen Mystik fern. Sie sieht den Unterschied vielmehr als einen in Gottes Wesen selber begründeten und sich von ihm aus vollziehenden. So weit ist die christliche Mystik in Eckhart – wie vor ihr die indische in Šankara – vorgedrungen; weiter hat sie nicht vorzudringen versucht. Und doch ist damit nur ein Rätsel, das uns an der Grenze des menschlichen Seins, da, wo es sich mit dem göttlichen berührt, entgegentrat, in das göttliche Sein selber versetzt und damit zunächst weiterer Nachforschung entzogen worden. Nicht für immer; denn es gibt in der Geschichte der späteren Mystik doch einen, wenn auch nur fragmentarischen, anscheinend im Ansatz steckengebliebenen Versuch, noch weiter vorzudringen und auch hier noch »Warum« zu fragen. Die Frage läßt sich vorläufig so formulieren: Warum ist Gott Person geworden? Daß der Chassidismus (soviel ich sehe, er allein) den Versuch unternommen hat, diese Frage – oder vielmehr, wie sich noch zeigen wird, eine ihr verwandte – zu beantworten, bezeugen Andeutungen seines größten Denkers, des Maggids von Mesritsch, die wir den Aufzeichnungen von Schülern zu entnehmen und in einem gewissen Maße zusammenzufassen vermögen. Es ist hier einer der wenigen Punkte, in denen die chassidische Theologie über die der späteren Kabbala, in deren Spuren sie auch hier wandelt, doch, wenn auch nur tastend, hinausführt. 2.
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Der Gedanke einer Selbstbeschränkung Gottes im Urakt der Schöpfung ist, wie dargelegt, ein Grundgedanke der Kabbala. Er ergibt sich gleichsam von selber, sowie an die Stelle der Vorstellung einer Erschaffung aller Dinge aus einem Gott gegenüberstehenden »Nichts« die Vorstellung
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einer Emanierung der Welten aus Gott getreten ist. Welt, und sei es auch die höchste, ist ihrem Wesen nach beschränkt; sie ist dadurch beschränkt, daß es, tatsächlich oder potentiell, ein anderes gibt, das sie nicht ist. Aber eben deshalb beschränkt schon der erste Akt der Emanation Gott selber. Wohl bleibt er in sich selbst der Schrankenlose, aber indem nun nicht mehr bloß er selber, sondern auch Welt da ist, sei es auch nur in der Gestalt des ersten Urpunkts, indem Gott in sich selber das Beschränkte möglich und wirklich macht, beschränkt er sich. Nicht also daß er selber durch Welt und Welten beschränkt würde oder beschränkt werden könnte, da er ja in sich selber von keinem andern berührt und begrenzt werden kann; aber dadurch, daß er das Beschränkte »ausgespart« hat, hat er da, wo nun das Beschränkte ist, und insofern es ist, Selbstbeschränkung vollzogen. (Natürlich ist, was hier unbeschränkt und beschränkt genannt wird, nicht mit Begriffen räumlicher Unendlichkeit und Endlichkeit zu verwechseln, da der Raum als solcher erst in der Schöpfung gesetzt wird; und ebenso ist die in der Menschensprache unvermeidliche Verwendung der Zeitform in dem, was über den Schöpfungsakt ausgesagt wird, nicht dahin zu verstehen, daß er sich in der Zeit begeben habe, die vielmehr erst durch ihn gesetzt ist: die Selbstbeschränkung geht in Wahrheit nicht in der Zeit, sondern in der Ewigkeit vor sich.) Es ist aber von großer Bedeutung, welches Motiv die spätere Kabbala für den Urakt der göttlichen Selbstbeschränkung angibt: es steigt – wie Chaim Vital es in dem berühmten Anfang seines »Baums des Lebens« ausdrückt – in Gottes Willen auf, die Welt zu schaffen, um seinen Geschöpfen wohlzutun. Damit Gott seine Güte auswirken könne, muß es etwas anderes als er selbst, etwas außer ihm geben, dem er wohltue. Wir sehen hier deutlich den grundlegenden Unterschied gegen die Lehre Spinozas. Dieser mußte von Gott alles Personhafte fernhalten; die Liebe dieses Gottes, in welcher sein Wesen mit Notwendigkeit gipfelte, konnte nicht die Liebe zu einem anderen, sondern nur die All-Liebe des Unbeschränkten zu sich selber sein. Die Kabbala scheut sich nicht, schon in der »Gottheit« etwas zu finden, was erst im Handeln »Gottes« zur vollen Auswirkung gelangt: die Güte; und zu dieser Auswirkung bedarf es eines anderen, das der Güte bedarf. Schon die »Gottheit« will sich aus Güte hergeben, sie verlangt nach einem Empfänger für ihr »Licht«. Und so setzt sich die Selbstbeschränkung fort, denn die Welt ist nicht imstande, die Fülle des göttlichen Lichts zu empfangen, und »seiner großen Liebe wegen«, wie der Maggid von Mesritsch sagt, beschränkt Gott seine Leuchtkraft weiter. So aber eben wird »Gottheit« zu »Gott«, wobei im Chassidismus wie schon vor ihm gerade die erste mit dem Tetragrammaton bezeichnet wird, das ursprünglich der weitaus persönlichere von bei-
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den Namen ist; immer stärker bricht in ihm das reine »Sein« durch. »Man empfängt«, sagt der Maggid, »das Licht der Sonne nur durch einen Vorhang, so vermochte man nicht die Leuchtkraft des ›Seins‹ 1 zu empfangen, es sei durch Elohim.« Auch dies ist kein neues Bild; aber es steht in einem neuen Zusammenhang, der es neu macht. Die Gottheit emaniert eine Welt, um das an ihr selber, was Person ist, die persönliche Güte, das persönliche Gebenwollen, zur Auswirkung zu bringen; und damit diese Welt das, was sie von sich selber geben will, empfangen könne, wird die Gottheit ihr vollends zu Gott. Der Maggid geht so weit, die Selbstbeschränkung selbst mit dem Namen »Gott« zu bezeichnen und die Anfangsworte der Schrift »Im Anfang schuf (er) Gott« in den Spuren der Kabbala dahin zu deuten, die Gottheit habe »im Anfang« sich zu Gott umgeschaffen. Wenn aber, der Überlieferung der Geheimlehre gemäß, der in der Natur wirkende, sich zu ihr beschränkende Gott Elohim genannt wird, wie ist es dann vom Chassidismus aus zu verstehen, daß die Schrift den offenbarenden, den an Israel handelnden Gott mit dem Urnamen der Gottheit, dem Tetragrammaton, bezeichnet? Nicht bloß die Schöpfung –, auch die Offenbarung ist ein Niederstieg der Gottheit. Aber sie ist keine wirkliche Selbstbeschränkung: hier handelt der nicht in die Welten Eingegangene, der uneingeschränkte Gott, der Träger des schrankenlosen Lichts, die Gottheit, das reine Sein; und eben sie, die absolute Gottheit, handelt als Person. Um dies zu verstehen, muß man sich die Bedeutung vergegenwärtigen, die innerhalb der Weltschöpfung der Erschaffung des Menschen und innerhalb des Menschengeschlechts dem Volke Israel und innerhalb Israels dem Zaddik zukommt. Daß die Welten das schrankenlose Licht nicht zu empfangen vermochten und Gott es deshalb beschränkte, bedeutet keineswegs, daß er darauf verzichtete, ihm den Empfänger zu gewinnen. Um ihn zu gewinnen, erschafft er den Menschen, der durch seine Sünde es verscherzt, der Empfänger des schrankenlosen Lichts zu werden; und nun läßt er mitten im Menschengeschlecht Israel entstehen. Um ihm das Licht als Wort zu geben, »steigt JHWH zum Berge Sinai nieder«. Diese Handlung aus Liebe, sagt der Maggid von Mesritsch, ist in der Tat ein Niederstieg Gottes. Was er aber dem Volke Israel als Thora offenbart, das ist in seinem Wesen das schrankenlose Licht selbst. Israel gelobt sich ihm an, aber auch es vermag es nicht wahrhaft und völlig zu empfangen. Nun harrt Gott mit seinem 1.
Das »Sein«, HaWaJaH, wird hier mit JHWH, dem »Seienden« (traditionell Adonai, d. i. der Herr, ausgesprochen und demgemäß übertragen) gleichgesetzt.
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verborgenen schrankenlosen Licht des Empfängers. Gott will, daß Israel zu Zaddikim, das heißt, zu Empfängern, werde, denn »mehr als das Kalb saugen will, will die Kuh säugen«. Daher übt Gott in jedem Geschlecht eine nicht faktische, sondern nur erscheinungsmäßige und nur vorläufige Beschränkung der Leuchtkraft. Er handelt dabei wie ein Vater, der, damit sein kleiner Sohn ihn mehr und mehr und endlich ganz verstehen lerne, damit beginnt, den eigenen Verstand zum Schein zu beschränken und sich um des Kindes willen zum Kind zu machen. In unzähligen Varianten kehrt dieses Gleichnis in den Äußerungen des Maggids wieder, um deutlich zu machen, wie sich diese zweite, pädagogische Selbstbeschränkung zur ersten, kosmogonischen verhält. Und Gottes Absicht gelingt: der Zaddik ersteht. Er dringt durch alle Welten zu Gott vor, empfängt sein Licht, geht in der Einheit des Seins auf. Als Mensch ist der Zaddik, was jeder Mensch als solcher ist, dam, Blut, indem er aber dem anhaftet, der alufo-schel-olam, der Fürst der Welt ist, und so das göttliche Prinzip sich mit seinem Blut verbindet, wird aus dem Buchstaben alef und dem Wort dam erst wahrhaft Adam: der wahre Mensch, der Empfänger des schrankenlosen Lichts ist erstanden. Wie wir aber gesehen haben, geht hier die Scheidung nicht, wie in der indischen und christlichen Mystik, zwischen einer überpersönlichen, nicht-wirkenden Gottheit und einem persönlichen, wirkenden Gott vor sich, und doch werden wir nicht hinter diese zurück, sondern von den Voraussetzungen der jüdischen Tradition und insbesondre der Kabbala aus an einem höchst bedeutsamen Punkte über sie hinaus geführt. Es wird nämlich eine Scheidung innerhalb des göttlichen Wirkens vollzogen, indem das Sich-Mitteilen Gottes an seinen Empfänger, das Offenbaren, von allem sonstigen, allem naturhaften Wirken Gottes gesondert wird: wer sich mitteilt, ist nicht der Gott in der Selbstbeschränkung, dessen Akt die Welten setzt, der Elohim, sondern die schrankenlose Urgottheit selber. Die Mitteilung bedient sich zwar auf ihrem Wege der Beschränkung, bis sie, nunmehr von aller Not der Beschränkung befreit, zu ihrem wahren Empfänger gelangt, aber das Sich-Mitteilende selber hat sich hierbei nicht eingeschränkt, nicht wie dort in Welt und Welten umgewandelt, sondern jeweils seine Leuchtkraft beschränkend, um den Empfänger zu gewinnen, ist es doch in sich selber ungewandelt verblieben, ohne eine Spur von Welt an sich zu lassen. Wir stehen hier vor einem paradoxen Wirken, das der urgöttlichen Unbedingtheit keinen Abbruch tut. Die Scheidung geht hier nicht, wie in der Mystik von Šankara und Eckhart, zwischen einer in sich ruhenden »Gottheit« und einem wirkenden persönlichen Gott vor sich, sondern nahezu umgekehrt zwischen der durch das Tetragrammaton bezeichneten Urgottheit, die
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sich unmittelbar mitteilen will, und um dies zu tun die Beschränkung zum Elohim, die Schöpfung vollzieht, und diesem, der in der ganzen Fülle der Natur im weitesten Sinn, in allen Welten wirkt, was gewirkt wird, schafft, belebt, beseelt. Der Empfänger JHWH’s entsteht durch Elohim; aber es ist JHWH selber, der ihn führt, bis er wahrhaft zum Empfänger geworden ist, und diese Führung ist wieder nichts anderes als Mitteilung, indirekte, aber immer direkter werdende Mitteilung. Von beiden ist Elohim die unpersönliche Gottesgestalt, man mag ihn, wenn man will, Spinozas natura naturans vergleichen; aber hier steht vor und über dieser die Urgottheit, das »Sein«, und sie ist beides zugleich, die vollkommene Einheit und die schrankenlose Person. »Esse est Deus«, sagt Eckhart, und das kann auch hier gesagt werden, aber hier schließt das Sein die Person ein, nämlich die Person im paradoxen Sinn, die schrankenlose, die absolute Person. Nicht der Zimzum, die Selbstbeschränkung, sondern die schrankenlose Urgottheit selber, das Sein, spricht das »Ich« der Offenbarung. Die Frage, von der wir ausgegangen waren, die Frage, bei der die indische und christliche Mystik stehengeblieben ist und über die hinaus der Chassidismus weiter vorgedrungen ist, ist demnach nicht so zu formulieren, wie wir es zunächst von den Voraussetzungen jener beiden aus getan haben: »Warum ist Gott Person geworden?«, sondern sie hat sich uns zur Doppelfrage aufgespalten. Die erste lautet etwa: »Warum ist die schrankenlose Gottheit zu dem eingeschränkt durch die Welten wandelnden und in ihrer Beschränktheit sein Schöpfungswerk wirkenden Gott geworden?« Und die zweite: »Warum ist die schrankenlose Gottheit aus einer absoluten Person, der nichts gegenübersteht, zu einer geworden, der ein Empfänger gegenübersteht?« Auf die erste gab die Kabbala die Antwort: Aus Güte. Auf die zweite antwortet der Chassidismus: Aus Verlangen nach dem Empfänger, dem sie, die Gottheit, ihr Licht schenken könnte. Beide Antworten sind eine. Die Tatsache des Weges Gottes ist aus der Tatsache seines Willens zu verstehen, Liebe zu erweisen. Daraus, daß die schrankenlose Urgottheit selber der Gott der Offenbarung ist, ist auch eine, mit äußerster Bildkraft in den Sprüchen des Maggids zum Ausdruck gelangende chassidische Grundanschauung zu verstehen, die man nicht selten als »pantheistisch« mißverstanden hat (wie ja überhaupt im Gebiet der lebendigen Religion solche vereinfachenden Kategorien zumeist Mißverständnisse sind). Ich meine die Anschauung, die die Konzeption der Gegenwart Gottes in uns zu sinnenhafter Vollständigkeit ausgestaltet hat. 1 Zwiefach ist der Mensch von göttlicher 1.
Ich sehe im folgenden von der »Funken«-Lehre ab, die ein Stromgebiet für sich ist und in anderen Abschnitten dieses Buches behandelt wird.
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Macht oder Substanz heimgesucht: als Geschöpf von der schöpferischen Elohimkraft, die ihm seine Kraft verleiht, und als Person von der Niederlassung der Schechina, die ihn, wenn sie kommt, über sich selber erhebt. Die erste Art ist konstitutiv und beständig, die zweite gnadenhaft und unvorhersehbar; kann man jene dem Grundwasser vergleichen, das die Tiefen der Erde durchzieht und von da aus den Boden feucht und fruchtbar erhält, so diese dem befruchtenden Regen, der »zur Erde niedergeht und das Getreide sprießen läßt«. Von der Schöpferkraft Gottes, die die Schöpfung faßt und trägt, sind wir von allen Seiten umgeben; aber wir sind auch selber von ihr, die in die Schöpfung eingegangen ist, durchdrungen: »Wir gehen im Schöpfer, gesegnet sei Er, und wir vermögen ohne seinen Erguß und seine Lebenskraft keine Bewegung zu tun.« Durch ihn leben wir im genauesten Sinn, weil er in uns lebt: Gott »wohnt inmitten der Glieder des Menschen vom Haupt bis zur Fußsohle.« Was wir tun, tun wir aus der Kraft Gottes; nur der Gebrauch, die Richtung, das, was wir aus der Gotteskraft machen, ist in unseren Willen gelegt; wir können sie ins Gemeine niederziehen, und wir können, ihres Wesens und Ursprungs eingedenk, sie auf den Himmel richten. Und wenn ein Mensch mit der gesammelten Kraft seiner Seele sich zum Himmel wendet und die bloße geschöpfliche Kraft nicht zureicht um die Hingabe seines ganzen Selbst nach oben zu tragen, dann kleidet sich, sowie er nur gesprochen hat: »Herr, öffne meine Lippen«, die Schechina, die mit uns im Exile weilt, in ihn und redet selber die Worte und schwingt sich in ihnen ihrem »Gatten« zu. Aber auch da müssen wir streng bedacht sein, daß unser menschliches Element der Gemeinschaft mit der Schechina gewachsen sei und sie nicht herabziehe; denn wohl hebt sie uns im Wort »von Tempelhalle zu Tempelhalle«, aber in jeder richtet man uns. Hier schon wird es deutlich, daß Gott nicht als Elohim, sondern als JHWH, also in seinem Urwesen, von uns fordert, was er von uns fordert. Die Gottheit als vollkommene Einheit, der Gott vor und über der Schöpfung, ist zugleich der gebietende Gott. Denn er eben ist der Gütige, der die Welten schafft, um seine Güte auszuwirken; er ist, der große Liebende, der den Menschen in die Welt gesetzt hat, um ihn lieben zu können, – es gibt aber keine vollkommene Liebe ohne Gegenseitigkeit, und er, der Urgott, verlangt danach, daß der Mensch ihn liebe. Alles ergibt sich daraus, alle Lehre, alle »Sittlichkeit«, im innersten Kerne wird von oben nichts gewollt und nichts gefordert als Liebe zu Gott. Alles ergibt sich aus ihr; denn man kann Gott nicht in Wahrheit lieben ohne die Welt zu lieben, in die er seine Kraft versenkt hat und über der seine Schechina ruht. Menschen, die einander in heiliger Liebe lieben, bringen einander der Liebe entgegen, mit der Gott seine Welt liebt.
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Im Chassidismus – und in ihm allein, soweit ich sehe, in der Geschichte des Menschengeistes – ist die Mystik Ethos geworden. Hier ist die mystische Ureinheit, in der die Seele aufgehen will, keine andere Gottgestalt als der Forderer der Forderung, und die mystische Seele kann nicht wirklich werden, wenn sie nicht eins ist mit der sittlichen. Siebenter Abschnitt – Gottesliebe und Nächstenliebe [! »Gottesliebe und Nächstenliebe im Chassidismus«, in diesem Band, S. 217–232]
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Achter Abschnitt – Der Ort des Chassidismus in der Religionsgeschichte [! in diesem Band, S. 204–216]
Der Chassidismus und der abendländische Mensch 1 Es sind mehr als fünfzig Jahre, daß ich damit begonnen habe, das Abendland mit jener im 18. Jahrhundert entstandenen, aber in unsere Zeit hineinreichenden religiösen Bewegung bekannt zu machen, die die chassidische heißt. Wenn ich heute, berichtend und erläuternd, von dieser Arbeit als von einem Ganzen rede, so geschieht das nicht um des persönlichen Werkes willen, mit dem ich nie etwas anderes im Sinn hatte, als was ein braver Handwerker im Sinn hat, wenn er eine Bestellung nach seinem besten Können ausführt. Es geschieht vielmehr um dessen willen, worauf diese meine Arbeit hinweisen sollte und soll. Manches daran ist verschiedentlich mißverstanden worden und bedarf der Klärung. Bestellung, sagte ich – aber ist dieser Vergleich erlaubt? Gab es da einen Besteller? Nein, den gab es gewiß nicht; niemand eröffnete mir, er brauche das, was ich dann gemacht habe. Und doch, ein literarischer Vorsatz ist es auch nicht gewesen. Da war etwas, das mich anheischte, ja mich geradezu wie ein verwendbares Gerät anfaßte. Was war das? Etwa gar der Chassidismus selber? Der wars gewiß nicht; der wollte ausschließlich in den Grenzen der jüdischen Überlieferung wirken und außerhalb ihrer keinen angehen. Es war – so möchte ich es doch auszudrücken wagen – etwas, was im Chassidismus steckte und in die Welt hinaus wollte oder vielmehr sollte. Ihm dazu zu verhelfen, war ich nicht ungeeignet. Nun war ich damals freilich noch ein unfertiger Mensch, der sogenannte Zeitgeist hatte noch Macht über mich, und meiner Bereitschaft, für eine mir durch schriftliche und mündliche Überlieferung erschlossene große Glaubenswirklichkeit Zeugnis abzulegen, heftete sich etwas von der damals verbreiteten Neigung an, fremdländische religiöse Zusammenhänge einer Leserschaft vorzuführen, die zwischen Wißbegier und Neugier schwankte. Überdies verstand ich dem inneren Zug zum Nachdichten des erzählerischen Materials noch nicht Einhalt zu tun; ich trug zwar keine unzugehörigen Motive hinein, doch horchte ich nicht aufmerksam genug auf den zwar rohen und ungelenken, aber volkstümlich lebendigen Ton, der aus diesem Material zu vernehmen war. Hier wirkte in mir immerhin auch eine natürliche Reaktion auf die Haltung der meisten jüdischen Historiker des 19. Jahrhunderts zum Chassidismus, in dem sie nichts anderes fanden als wüsten Aberglauben; das Bedürfnis, dieser Verkennung gegenüber die Reinheit und Höhe chassidischen Gei-
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stes aufzuzeigen, verführte mich dazu, das volkstümlich Vitale allzu wenig zu beachten. So kann ich heute jene frühen Versuche wohl als Werk noch einigermaßen bejahen, als Erfüllung der mir gestellten Aufgabe jedoch tun sie mir längst nicht mehr genug. Die Darstellung der chassidischen Lehre, die ich darin gab, war zuverlässig; wo ich aber der legendären Tradition nacherzählte, tat ich es eben doch als der abendländische Autor, der ich war. Erst im Lauf des Jahrzehnts, das auf die ersten Veröffentlichungen folgte, ist diese Autorschaft, wiewohl deren Selbständigkeit naturgemäß wuchs, ein Dienst geworden. Seit im Jahr vor dem ersten Weltkrieg das Herannahen der Katastrophe mir spürbar wurde, hatte ich zu erfahren angefangen, was mir hernach, bald nach Kriegsende, fulminanterweise zur Gewißheit wurde: daß der menschliche Geist entweder existenzverbindlich oder, auch beim erstaunlichsten Kaliber, vor der entscheidenden Instanz nichtig ist. Es handelte sich dabei nicht um eine philosophische Überzeugung, nicht um das, was man heute als Existentialismus zu bezeichnen pflegt; es handelte sich um den unwiderstehlich gewordenen Anspruch der Existenz selbst. Die Erkenntnis, die damals in mir groß wurde, die des Menschenlebens als der Möglichkeit eines Dialogs mit dem Seienden, war nur der denkerische Ausdruck eben jener Gewißheit oder eben dieses Anspruchs. Zur gleichen Zeit aber und in einer eigentümlichen Osmose damit hatte sich mein Verhältnis zum Chassidismus gewandelt. Zwar wußte ich von Anbeginn, daß er nicht eine Lehre war, die von ihren Anhängern in dem oder jenem Maße verwirklicht wurde, sondern eine Art von Leben, zu der die Lehre den unerläßlichen Kommentar abgab. Jetzt aber zeigte es sich mit überwältigender Deutlichkeit, daß in der Aufgabe, die mich angefordert hatte, dieses Leben auf eine geheimnisvolle Weise involviert war. Gewiß, ich konnte kein Chassid werden; es wäre eine unerlaubte Kostümierung gewesen, hätte ich die chassidische Lebensweise angenommen, der ich eine ganz andere Beziehung zur jüdischen Tradition hatte und im innersten Wesen zwischen dem mir Gebotenen und dem mir nicht Gebotenen unterscheiden mußte. Es galt vielmehr, in mein eigenes Dasein so viel als ich vermochte aufzunehmen von dem, was mir da vorgelebt worden war, und das heißt: von der Realisierung jenes Dialogs mit dem Seienden, dessen Möglichkeit mein Denken mir gewiesen hatte. Das ists, was ich anzudeuten versuchte, als ich im Frühjahr 1924 im Vorwort zu einem meiner chassidischen Bücher schrieb: »Seit ich die Arbeit am chassidischen Schrifttum begonnen habe, ist es mir um die Lehre und den Weg zu tun. Aber damals meinte ich, das sei etwas, was man
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auch bloß betrachten könne und dürfe; seither habe ich erfahren, daß die Lehre zum Lernen und der Weg zum Gehen da ist. Je tiefer ich es erfuhr, um so mehr ist mir diese Arbeit, an der sich mein Leben maß und vermaß, zur Frage, zum Leid und doch auch zum Trost geworden.« Durch diese Wandlungen ist im Werk die besondere Form entstanden, in der ich nun zumeist den roh und gestaltlos überlieferten Stoff nacherzählt habe. Es ist, wie mir scheint, eine gültige Literaturform, die ich als legendäre Anekdote bezeichne. Sie hat sich nicht aus literarischen Voraussetzungen auf dem Weg literarischer Versuche entwickelt, sondern aus der schlichten Notwendigkeit, einer objektiven Wirklichkeit den ihr zukommenden sprachlichen Ausdruck zu verschaffen. Es war die Wirklichkeit exemplarischen, als exemplarisch berichteten Lebens einer großen Reihe von Häuptern chassidischer Gemeinden, und sie war nicht biographisch-zusammenhängend berichtet, sondern eben in einer ungeheuren Reihe von Exempeln, begrenzten Vorgängen, in denen auch gesprochen, aber nicht selten nur getan, nur gelebt wurde; auch das stumme Geschehen jedoch sprach, es sagte das Exemplarische. Und zwar sagte es dies nicht didaktisch, am Vorgang hing keine »Moral«, sondern dieser redete, wie eben ein Lebensvorgang redet, und war ein Spruch dabei, so wirkte auch der wie ein Lebensvorgang. Da aber das Ganze in krasser Formlosigkeit auf uns gekommen war, lag es dem neuen Erzähler ob, den reinen Vorgang zu rekonstruieren, nicht weniger, aber auch nicht mehr. So erwuchs die Gestalt der legendären Anekdote. Anekdote heißt sie, weil eine jede einen in sich geschlossenen Vorgang mitteilt, und legendär, weil ihr das Stammeln der begeisterten Zeugen zugrunde liegt, die bezeugen, was ihnen widerfuhr, sowohl das von ihnen Begriffene wie das ihnen Unbegreifliche; denn der legitim Begeisterte hat ein redliches Gedächtnis, das dennoch alle Phantasie zu überflügeln vermag. Diese Form hat mir ermöglicht, das chassidische Leben so darzustellen, daß es zugleich als Wirklichkeit sichtbar und als Lehre vernehmlich wird. Auch wo ich die Theorie reden lassen mußte, konnte ich sie auf das Leben rückbeziehen. Mehr und mehr aber wurde ich einer Tatsache inne, die mir grundwichtig geworden ist: daß nämlich der Kern dieses Lebens gerade heute, wo von der chassidischen Gemeinschaft selbst das meiste den Kräften des Verfalls oder Zerfalls ausgeliefert ist, und gerade auf das heutige Abendland in einer besondern Weise zu wirken befähigt ist. Nach dem Auf- und Niederstieg jenes Lebens im polnischen, ukrainischen, litauischen Ghetto ist dessen Kern in eine Gegenwärtigkeit eingegangen, die zwar nur noch Erinnern, nur noch Hinweis im Geiste ist, doch aber in dieser Erscheinung etwas zu leisten vermag, was der damaligen Realität urfremd
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war. Es kommt von hier eine Antwort auf die in unserem Zeitalter offenkundig gewordene Krisis des abendländischen Menschen – eine Teilantwort nur, aber keine ideologische, sondern eine unmittelbar aus der Wirklichkeit stammende und wirklichkeitsgeladene. Jenes Leben war einst als die Erwiderung urjüdischen Glaubens auf die letztlich unfruchtbare Exaltation der pseudomessianischen Bewegungen des 17. und 18. Jahrhunderts entstanden, auf jene Exaltation, die, wie Göttliches und Menschliches, so auch Erlösung und Entfesselung vermengte; es hatte jener heilbringerischen Konfusion eine Heiligung des Alltags entgegengestellt, darin die Dämonien überwunden werden, indem sie verwandelt werden. Nun aber mag sein geistiges Nachleben berufen sein, in die Krisis des modernen Menschen sein Wort zu sprechen. 2
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Das Wichtigste am Chassidismus ist heute wie damals die starke und sowohl im persönlichen Dasein als in dem der Gemeinden bewährte Tendenz, die fundamentale Scheidung zwischen dem Heiligen und dem Profanen immer mehr zu überwinden. Diese Scheidung ist in die Grundlagen jeder Religion aufgenommen. Überall wird da der Fülle der Dinge, Eigenschaften und Handlungen, die der Allgemeinheit zugehören, das Geweihte enthoben und entsondert, und dieses bildet nun in seiner Gesamtheit ein geschlossenes Heiligtum, in das die diffuse Profanheit keinen Eingang finden kann. In der Geschichte des Menschen ist die Auswirkung dieser Scheidung eine zwiespältige. Der Religion wird dadurch ein Bezirk gesichert, dessen Unantastbarkeit ihr immer wieder von den Vertretern des Staates und der Gesellschaft gewährleistet wird. Aber zugleich wird dadurch den Bekennern der Religionen ermöglicht, die wesentliche Betätigung ihres Glaubensverhältnisses auf diesen Bezirk zu beschränken, ohne daß dem Heiligen im übrigen persönlichen Leben und insbesondere in dessen öffentlicher Sphäre eine entsprechende Macht eingeräumt würde. Im Judentum scheint auf den ersten Anblick die Grenze zwischen beiden Bereichen äußerst scharf gezogen zu sein, weil den von außen Kommenden der große Block des Rituals wie etwas ganz für sich Bestehendes anmutet; auch drinnen zeugt manches dafür. Man braucht aber dagegen nur zu beachten, wie viele Handlungen des Alltags durch Segenssprüche eingeleitet werden, um zu erkennen, wie tief hier die Heiligung in das an sich Ungeweihte hineinreicht. Segnet einer Gott nicht bloß allmorgendlich beim Erwachen dafür, daß er ihn hat erwachen lassen, sondern auch,
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wenn er etwa ein neues Haus oder Kleid oder Gerät in Gebrauch nimmt, dafür, daß er bis zu dieser Stunde am Leben erhalten worden ist, so wird hier die gewohnte Tatsache des irdischen Fortbestehens bei jeder sich bietenden Gelegenheit eingeheiligt und damit auch diese Gelegenheit selber. Fortschreitend bildet sich aber die Anschauung aus, die Scheidung zwischen den Bereichen sei nur eine vorläufige. Nach dieser Anschauung stecken die Anordnungen des religiösen Gesetzes nur das schon für die Heiligung beanspruchte Gebiet ab, das Gebiet, in dem sich die Bereitung und Erziehung für das Heiligwerden alles Handelns vollzieht; in der messianischen Welt soll alles heilig geworden sein. Diese Tendenz gelangt im Chassidismus zu einer höchst realistischen Vollendung. Das Profane wird nunmehr nur noch als ein Vorstadium des Heiligen angesehen; es ist das noch nicht Geheiligte. Das menschliche Leben ist aber dazu bestimmt, in all seiner natürlichen, d. h. schöpfungsmäßigen Struktur geheiligt zu werden. »Gott wohnt, wo man ihn einläßt«, sagt ein chassidischer Spruch; die Heiligung des Menschen bedeutet dieses Einlassen. Im Grunde ist somit in unserer Welt das Heilige nichts anderes als das dem Göttlichen Offene, wie das Profane nichts anderes ist als das sich ihm vorerst noch Verschließende, und Heiligung ist Erschließung. Hier muß einem Mißverständnis vorgebeugt werden. Man schreibt dem Judentum gern einen »religiösen Aktivismus« zu, der die Wirklichkeit der Gnade nicht kenne und eitel Selbstheiligung oder gar Selbsterlösung betreibe. In Wahrheit wird im Judentum, wie das Verhältnis zwischen menschlicher Freiheit und göttlichem Allwissen, so auch das zwischen Menschentat und Gottesgnade als Mysterium gehütet, das letztlich mit dem Geheimnis des Verhältnisses zwischen Gott und Mensch gleichzusetzen ist. Der Mensch kann sich zwar nicht in die Hand nehmen, um sich zu heiligen: er ist nie in seiner eignen Hand; aber es gibt etwas ihm schöpfungsmäßig Vorbehaltenes, das eben ihm überantwortet und von eben ihm erwartet wird – man nennt es die Wahl oder das Beginnen. Das Sein der Schöpfung meint eine stets erneute Situation der Wahl. Heiligung ist ein Vorgang, der im Grunde des Menschen anhebt, da, wo das Wählen, das Sich-entscheiden, das Beginnen sich ereignet. Der Mensch, der so beginnt, tritt in die Heiligung ein. Das aber kann er nur, wenn er eben als Mensch beginnt und sich keine übermenschliche Heiligkeit anmaßt. Die echte Heiligung eines Menschen ist die Heiligung d e s M e n s c h l i c h e n in ihm. Darum ist das biblische Gebot »Heilige Menschen sollt ihr mir sein« chassidisch so gedeutet worden: »M e n s c h l i c h heilig sollt ihr mir sein.« In dem Leben, wie der Chassidismus es meint und verkündet, gibt es
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demgemäß keinen Wesensunterschied mehr zwischen heiligen und profanen Räumen, zwischen heiligen und profanen Zeiten, zwischen heiligen und profanen Handlungen, zwischen heiligen und profanen Gesprächen. An jedem Ort, zu jeder Stunde, in jedem Tun, in jeder Rede, kann das Heilige erwachen. Als ein Beispiel, das sich zu sinnbildlicher Höhe erhebt, führe ich die Geschichte vom Schlaf des Rabbi Schmelke an. Er pflegte, damit sein Studium in den heiligen Büchern nicht allzu lange Unterbrechung erleide, nicht anders als sitzend zu schlafen, den Kopf auf dem Arm; zwischen den Fingern aber hielt er ein brennendes Licht, das ihn wecken sollte, sowie die Flamme seine Hand berührte. Als Rabbi Elimelech ihn besuchte und die noch eingesperrte Macht seiner Heiligkeit erkannte, bereitete er ihm sorgsam ein Ruhebett und bewog ihn mit vieler Überredung, sich für ein Weilchen darauf auszustrecken. Dann schloß und verhüllte er das Fenster. Rabbi Schmelke erwachte erst am hellen Morgen. Er merkte, wie lang er geschlafen hatte, aber es reute ihn nicht, denn er empfand eine ungekannte, sonnenhafte Klarheit. Er ging ins Bethaus und betete der Gemeinde vor, wie es sein Brauch war. Der Gemeinde aber schien es, sie hätte ihn noch nie gehört, so bezwang und befreite alle die Macht seiner Heiligkeit. Als er den Gesang vom Schilfmeer sprach, mußten sie – so wird erzählt – den Saum ihrer Kaftane raffen, weil sie fürchteten, die rechts und links sich bäumenden Wellen könnten ihn netzen. Hier ist auch der antiasketische Charakter der chassidischen Lehre zum Ausdruck gekommen. Es bedarf keiner Abtötung der »Triebe«, denn alles natürliche Leben kann geheiligt werden: man kann es mit heiliger Intention erfüllen. Die chassidische Lehre erläutert diese Intention gern im Anschluß an den kabbalistischen Mythos von den heiligen Funken: beim »Zerbrechen der Weltgefäße«, die in der Vorschöpfung dem schöpferischen Überfluß nicht standzuhalten vermochten, sind Funken in alle Dinge gefallen und sind nun in sie gebannt, bis je und je ein Mensch mit einem Ding in Heiligkeit umgeht, und so die Funken, die es birgt, befreit. »Alles, was der Mensch zu eigen hat«, sagt der Stifter des Chassidismus, der Baalschem, »birgt Funken, die der Wurzel seiner Seele zugehören und von ihm zu ihrem Ursprung erhoben werden wollen.« Und weiter heißt es: »Darum soll man sich seiner Geräte und all seines Besitzes erbarmen; man soll sich der heiligen Funken erbarmen.« Auch in der Speise wohnen heilige Funken, und das Essen kann daher heiliger sein als das Fasten; dieses ist nur Bereitung zur Heiligung, jenes vermag Heiligung selber zu sein. Was der Chassidismus hier mythisch ausspricht, ist ein zentrales Wissen, das nur bildhaft, nicht begrifflich mitteilbar ist. Er ist aber keineswegs ausschließlich an diese eine mythische Tradition gebunden. Diesel-
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be Weisung wird in einem ganz anderen, biblisch fundierten Bilde geäußert. »Alle Kreatur, Gewächs und Getier«, heißt es da, »bringt sich dem Menschen dar, durch den Menschen aber werden alle Gott dargebracht. Wenn der Mensch sich mit all seinen Gliedern Gott zum Opfer reinigt und heiligt, reinigt und heiligt er die Kreatur.« Hier wird die Anschauung noch deutlicher, der Mensch sei als ein kosmischer Mittler bestellt, dazu berufen, durch heiligen Kontakt mit den Dingen eine heilige Realität in ihnen zu erwecken. Nicht solcherweise traditionellen, sondern ganz persönlichen Ausdruck gewinnt der gleiche Grundgedanke in dem uns erhaltenen Gespräch eines großen Zaddiks mit seinem Sohn. Er fragt den Sohn: »Womit betest du?« Der Sohn versteht den Sinn der Frage: auf welche Betrachtung er sein Gebet gründe. Er erwidert: »Mit dem Spruch: ›Jeglicher Hochwuchs, vor dir neige er sich‹.« Dann fragt er den Vater: »Und womit betest du?« Der Vater antwortet: »Mit der Diele und mit der Bank.« Das ist keine Metapher, das Wort »mit« ist jetzt ganz unmittelbar gemeint: der Rabbi schließt sich betend mit der Diele, auf der er steht, und mit der Bank, auf die er sich dann setzt, zusammen – sie, die Dinge, die zwar von Menschenhand gemacht sind, aber doch wie alles ihren Ursprung in Gott haben, helfen ihm beten, und er, ja, er hilft ihnen beten, er hebt sie, die Holzdiele und die Holzbank, ihrem Ursprung, dem Ursprunge entgegen, er »erhebt« sie. Dieses »Erheben« ist aber keineswegs als eine Entweltlichung der Dinge oder Vergeistigung der Welt zu verstehen, wiewohl in der chassidischen Theorie auch manches dieser Art zu finden ist; das Leben, von dem ich sprach, das exemplarische Leben hat sich eben stärker erwiesen als der Gedanke, und in dem Maße, als die Lehre der Kommentar dieses Lebens wurde, hat sie sich ihm anpassen müssen. Um was es hier letztlich geht, ist in einer anderen Erzählung naiv und gültig gesagt. Von einem Zaddik wird berichtet, man habe einmal vor ihm von dem großen Elend des Menschenvolkes gesprochen. In Gram versunken hörte er zu. Dann hob er den Kopf. »Laßt uns«, rief er, »Gott in die Welt ziehn, und alles wird gestillt sein.« Man darf den kühnen Spruch nicht so verstehen, als ob darin ein vermessener »Aktivismus« zu Worte käme. Er stammt vielmehr aus demselben Geiste wie jener vorher angeführte: »Gott wohnt, wo man ihn einläßt.« Gott will – das ist der Sinn davon – in der Welt wohnen, aber erst wenn sie ihn einlassen will. Laßt uns, sagt der chassidische Rabbi zur Welt, Gott die Wohnstatt erstellen, in die er einzuziehen begehrt, wenn sie von uns, von der Welt aus ihrem eignen Willen erstellt wird – lassen wir Gott ein. Die Heiligung der Welt wird dieses Einlassen sein. Die Gnade aber will der Welt helfen, sich zu heiligen.
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Mit all dem ist jedoch nicht etwa vorausgesetzt, daß Gott seiner Schöpfung nicht einwohne. Das würde ja jenem gewichtigen Vers der Schrift widersprechen, in dem es von Gott heißt, er nehme Wohnung »bei ihnen inmitten ihrer Makel«, ein Vers, der freilich nicht von einem dauernden Wohnen – das würde anders bezeichnet werden –, sondern eben von einem jeweiligen Wohnungnehmen spricht. Auch die nachbiblische, später von der Mystik vielfältig mythisch ausgestaltete und dem Chassidismus tief vertraute Vorstellung von der Schechina, der göttlichen »Einwohnung«, einer Hypostase oder Emanation, die sich dem aus dem Paradies verbannten Menschengeschlecht oder dem aus seinem Lande vertriebenen Israel beigesellt und mit ihm über die Erde wandert, auch sie meint nur die göttliche Teilnahme an dem Schicksal seiner sündigen und leidenden Schöpfung: das Werk der »Stillung« dieses Leids, von dem die chassidische Erzählung redet, ist nicht mehr geschichtlicher Art. Hier bricht, wie immer wieder im Chassidismus, die eschatologische Konzeption in die gelebte Stunde ein und durchdringt sie. Wir haben also innerhalb des chassidischen Lebens und der chassidischen Lehre zwischen zweierlei »Einlassen« Gottes zu unterscheiden. Das sei an zwei, wieder andersartigen, Sprüchen verdeutlicht. Der eine schließt sich der Vorstellung der Schechina an. Den Psalmvers »Ein Gast bin ich auf Erden, verhehle mir nicht deine Gebote« hat ein Zaddik so ausgelegt: »Du bist wie ich ein Gast auf Erden und hast deiner Einwohnung keine Ruhestatt: so entziehe dich mir nicht, sondern enthülle mir deine Gebote, daß ich dein Freund werden kann.« Dem Menschen, der sich und seine Welt heiligen will, hilft Gott mit seiner Nähe. Um recht zu verstehen, welche Daseinsweise hier gemeint ist, tun wir gut, ein anderes Wort desselben Zaddiks neben dieses zu stellen: »Die Funken, die von der Urschöpfung her in die Hüllschalen gefallen waren und sich in Steine, Gewächse und Tiere verwandelten, sie alle steigen durch die Weihe des Frommen, der in Heiligkeit an ihnen arbeitet, in Heiligkeit sich ihrer bedient, in Heiligkeit sie verzehrt, zu ihrem Quell empor.« So ist der Mensch beschaffen, der sich einen Gast auf Erden nennt. Der zweite Spruch stammt von einem späteren Zaddik. Er lautet: »Auch die Völker der Erde glauben, daß zwei Welten sind; ›in jener Welt‹, sagen sie. Der Unterschied ist dies: Sie meinen, die zwei seien voneinander abgehoben und abgeschnitten, Israel aber bekennt, daß beide Welten in ihrem Grunde eine sind und daß sie in ihrer Wirklichkeit eine werden sollen.« Erst beide Sprüche zusammen stellen uns den chassidischen Glaubensurstand dar.
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3 An dem zentralen Beispiel der chassidischen Überwindung der Distanz zwischen dem Heiligen und dem Profanen läßt sich andeutungsweise erläutern, was darunter zu verstehen ist, der Chassidismus habe in die Krisis des abendländischen Menschen sein Wort zu sprechen. Diese Krisis ist schon vor hundert Jahren von Kierkegaard als eine nie vorher erschienene In-Frage-Stellung des Menschen als Menschen erkannt worden, aber erst in unserem Geschlecht hat man sich ernstlich damit zu befassen angefangen, daß in dieser Krisis etwas sich zu entscheiden anschickt, das aufs engste mit einer Entscheidung unser selbst zusammenhängt. Man hat die Krisis von verschiedenen Teilaspekten aus kausal zu erklären unternommen, so Marx von der durch die wirtschaftlichen und technischen Umwälzungen verursachten radikalen »Entfremdung« des Menschen her und die Psychoanalytiker von dessen individualer oder gar kollektiver Neurotisierung her; aber weder einer dieser Erklärungsversuche noch alle miteinander ergeben ein zureichendes Verständnis dessen, was uns angetreten hat. Wir müssen die versehrte Ganzheit des Menschen als Lebenslast auf uns nehmen, um über alle bloße Symptomatik hinaus den eigentlichen Schaden zu erfassen, von dem aus jenen Momenten die Stärke kam, zu wirken, wie sie gewirkt haben. Diejenigen, die statt dessen die grausame Problematik als einen an Interessantheit nicht zu überbietenden Gegenstand beschauen, abschildern und etwa auch zu rühmen wissen, arbeiten, zuweilen mit hoher Begabung, an der massiven Entscheidungslosigkeit mit, deren wahrer Name die Entscheidung für das Nichts ist. Ein besonders bedrohlicher Zug der Krisis ist die säkularisierte Form der radikalen Scheidung zwischen dem Heiligen und dem Profanen. Das Heilige ist sehr vielen ein realitätsbarer Begriff von nur noch historischem oder gar nur noch ethnologischem Belange geworden; aber sein Charakter der Abgeschiedenheit ist einem Erben zugefallen. Man kennt das Heilige nicht mehr von Angesicht; aber seinen Erben, das »Geistige«, meint man zu kennen und zu pflegen, ohne daß man ihm freilich das Recht zubilligte, das Leben irgend zu bestimmen. Der Geist ist abgehegt, und sein Anspruch an das persönliche Dasein ist durch einen umfänglichen Apparat abgewehrt; man kann seiner nun genießen, ohne faschöse Folgen befürchten zu müssen. Man hat Ideen, man hat sie eben und zeigt sie zur eignen und mitunter auch zu fremder Zufriedenheit vor; man nimmt sie anscheinend grimmig ernst; aber dabei muß es sein Bewenden haben. Man läßt sie auf goldenen Stühlen thronen, an die ihre Glieder
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gefesselt sind. Kein Frömmlertum hat je diesen Konzentrationsgrad der Unechtheit erreicht. Nun erst ist man das Heilige und das Gebot der Heiligung gründlich losgeworden. All diesem Verhalten des heutigen Menschen stellt der Chassidismus die simple Wahrheit entgegen, daß die Heillosigkeit unserer Welt in ihrem Widerstand gegen den Einzug des Heiligen in das gelebte Leben begründet ist. Der Geist wird nicht im Hirn gesponnen, er west von je, und das Leben kann ihn in die menschliche Wirklichkeit aufnehmen. Ein Leben, das nicht zu verwirklichen sucht, was der Lebende im Grunde seiner Selbstbesinnung als das Rechte meint oder ahnt, ist nicht bloß des Geistes unwert, auch lebenswert ist es nicht. Besonders schwerwiegend innerhalb der säkularisierten Scheidung zwischen Oben und Unten ist die Erkrankung des Kontakts mit den Dingen und Wesen. Das Denken der Zeit weiß über die Dinge und Wesen Aufschlußreiches zu sagen, aber dem Leben scheint das große Gefühl, daß die Beziehungen zu den Dingen und Wesen das Mark des Daseins sind, fremd geworden zu sein. Die chassidische Lehre von dem heiligen Umgang mit allem Seienden widerspricht dieser Zersetzung der lebendigen Begegnungskraft als dem fortschreitenden Ausweichen des Menschen vor der Begegnung mit Gott in der Welt. 4
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Ich habe die Botschaft des Chassidismus nicht in dichte Begrifflichkeit umgesetzt; ich war bestrebt, wie seine epische Essenz, so auch seine mythische zu bewahren. Dem Postulat der Stunde, Religion zu entmythisieren, vermag ich nicht beizupflichten; denn der Mythos ist nicht die nachträgliche Einkleidung einer Glaubenswahrheit, er ist das unwillkürliche Erzeugnis bildnerischen Sehens und bildnerischen Erinnerns des Überwältigenden, und Begriffliches ist da nicht auszuschmelzen. Keine Lehrpredigt kann den Mythos ersetzen; wohl aber kann es Lehrpredigt geben, die ihn zu erneuern vermöchte, indem sie ihn unverletzt in die Gegenwärtigkeit trägt. Damit das möglich werde, muß freilich der Mythos, wo er gnostisches Wesen angenommen hat, d. h., wo er dazu verwendet worden ist, die Geheimnisse transzendenten Seins als Wißbarkeiten darzustellen, dieses Wesens oder Unwesens entledigt und seiner Ursprünglichkeit zurückerstattet werden. Solche Erstattung und Erneuerung hat der Chassidismus an den von Gnosis durchsetzten Mythen vollbracht, die er von der Kabbala übernahm. Meine Übermittlung chassidischer
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Botschaft ist keine spekulative Theologie; wo hier Mythos vernehmbar wird, ist es ein in das gelebte Leben von sieben Generationen eingegangener, als dessen nachgeborener Dolmetsch ich fungiere. In dieser Gestalt habe ich in einer langen Arbeit die chassidische Lebenslehre dem abendländischen Menschen von heute zuzuführen versucht. Es ist mir mehrfach nahegelegt worden, diese Lehre von ihrer, wie man gern sagt, »konfessionellen Beschränktheit« zu befreien und als eine ungebundene Menschheitslehre zu verkündigen. Das Einschlagen eines solchen »allgemeinen« Wegs wäre für mich die pure Willkür gewesen. Um das Vernommene in die Welt zu sprechen, bin ich nicht gehalten, auf die Straße zu treten, ich darf in der Tür meines angestammten Hauses stehenbleiben; auch das hier gesprochene Wort geht nicht verloren. Das chassidische Wort sagt, die Welten könnten ihre Bestimmung, zu einer zu werden, dadurch erfüllen, daß das Leben des Menschen eins wird. Aber wie läßt sich das verstehen? Ist doch eine vollkommene Einheit lebendigen Seins nirgendwo anders denkbar als in Gott selber. Das Bekenntnis Israels zur Einheit Gottes sagt ja nicht bloß, daß es außer ihm keinen Gott gibt, sondern auch, daß er allein die Einheit ist. Hier muß der Dolmetsch einsetzen. Kann der Mensch »menschlich heilig«, d. h. als Mensch, im Maße und in der Art des Menschen heilig werden, und zwar, wie geschrieben steht, »mir«, d. h. im Angesicht Gottes, dann kann er auch, der einzelne Mensch kann, im Maße seines persönlichen Vermögens und in der Art seiner persönlichen Möglichkeit, im Angesicht Gottes eins werden. Der Mensch kann dem Göttlichen nicht nahekommen, indem er über das Menschliche hinauslangt; er kann ihm nahekommen, indem er der Mensch wird, der zu werden er, dieser einzelne Mensch da, erschaffen ist. Dies erscheint mir als der ewige Kern des chassidischen Lebens und der chassidischen Lehre.
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Der Beitrag dieses Buches über meine Darstellung des Chassidismus gibt mir eine willkommene Gelegenheit, diesen Gegenstand, soweit das an mir ist, mit einiger Präzision zu klären. Es wird darauf hingewiesen, meine Darstellung sei keine historische Arbeit, denn sie behandle die chassidische Lehre nicht in ihrer Vollständigkeit und berücksichtige nicht die Gegensätze, die zwischen den verschiedenen Strömungen der chassidischen Bewegung gewaltet haben. Das Gewebe, als das mein Werk angesehen wird, sei »aus selektiven Fäden gewirkt«. Ich stimme dieser Ansicht bei, wenn auch freilich nicht den Folgerungen, die daraus gezogen werden. Seit ich in meiner Beschäftigung mit dem Gegenstand zu einem gründlichen Quellenstudium gelangt bin, d. i. etwa seit 1910 (die früheren Arbeiten waren nicht hinreichend fundiert), habe ich mir nicht vorgesetzt, eine historisch oder hermeneutisch umfassende Darstellung des Chassidismus zu geben. Schon damals wuchs in mir das Bewußtsein, daß meine Aufgabe ihrem Wesen nach eine selektive war. Zugleich aber gewann ich eine immer festere Gewißheit, daß das Prinzip der Selektion, das hier waltete, nicht einer subjektiven Vorliebe entsprungen war. In dieser Hinsicht ist meine Arbeit am Chassidismus wesentlich gleicher Art wie meine Arbeit am Judentum überhaupt. Von Leben und Lehre des Judentums habe ich das behandelt, was meiner Einsicht nach seine eigentliche Wahrheit und das für seine Funktion in der bisherigen und künftigen Geschichte des Menschengeistes das Entscheidende ist. Diese meine Haltung schließt selbstverständlich von ihren Grundlagen an eine Wertung ein; aber das ist eine Wertung, die – daran hat mich in all der Zeit kein Zweifel angerührt – ihren Ursprung in dem unerschütterlichen Kernbestand der Werte hat. Seit ich zur Reife der Einsicht, des Einblicks gelangt bin, habe ich kein Sieb gehandhabt; ich war ein Sieb geworden. Wenn dem aber so ist, muß der Charakter dieser siebenden Tätigkeit objektiv gekennzeichnet werden können, d. h. es muß in diesem Falle erklärt werden können, warum das Aufgenommene zu Recht aufgenommen wurde, das Unaufgenommene zu Recht unaufgenommen verblieb. Es ist nicht schwierig, dies zu erklären und damit das objektive Kriterium der Selektion deutlich zu machen. G. Scholem hat nachdrücklich darauf hingewiesen 1 , daß der Chassi1.
Scholem, Die jüdische Mystik in ihren Hauptströmungen (1957); 370 ff.
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dismus keine neue, in irgendeinem wesentlichen Punkte über die kabbalistische Überlieferung hinausgehende mystische Doktrin hervorgebracht hat. »Die Lehre ist hier ganz in Persönlichkeit verwandelt 2 .« In der Tat ist der Chassidismus, auf seine Theorie hin betrachtet, ein erlauchtes Epigonentum. Aber auf das persönliche Leben seiner Führer hin betrachtet, wie wir es aus der beispiellosen Fülle von Aufzeichnungen ihrer Jünger, nach Ausscheidung des lediglich Legendären, zu rekonstruieren vermögen, bedeutet es das Aufbrechen einer mächtigen Ursprünglichkeit gläubigen Lebens, dem wir in der Religionsgeschichte nur sehr Weniges an die Seite zu stellen vermögen. Als »Wiederbelebungsbewegung« hat Scholem 3 die chassidische Bewegung bezeichnet. Aber wo hätte es je eine »Wiederbelebung« von solcher über sieben Generationen sich erstreckenden Mächtigkeit der individuellen Lebensführung und des gemeindlichen Enthusiasmus gegeben? Vergleichen läßt sich, soweit ich sehe, jenem Teil des chassidischen Schrifttums, der vom Leben der Meister erzählt, nur das des Zen-Buddhismus, das des Sufismus (weniger), das des, Franziskanertums; aber in keiner von diesen Bewegungen finden wir eine Dauerstärke der Vitalität und eine Umfassung des menschlichen Alltags wie hier. Und dazu kommt, daß hier und nur hier es nicht das Leben von Mönchen ist, das berichtet wird, sondern das Leben von verehelichten, kinderzeugenden geistigen Führern, die an der Spitze von aus Familien zusammengesetzten Gemeinden stehen. Hier wie dort herrscht die Hingabe an das Göttliche und die Heiligung des gelebten Lebens durch diese Hingabe; aber dort wurde sie von einer asketischen Einschränkung der Existenz getragen, auch wo ein helfender und lehrender Umgang mit dem Volk gewahrt wird, im Chassidismus aber erstreckt sich die Heiligung grundsätzlich auf das natürliche und gesellschaftliche Leben. Hier allein tritt der ganze Mensch, wie Gott ihn erschaffen hat, in die Heiligung ein. Mit Recht hat Scholem die Dwekuth, das »Haften« der Seele an Gott, als das zentrale Anliegen der chassidischen Lehre bezeichnet. Nur daß diese Konzeption der jüdischen Überlieferung hier zu einer zwiefältigen Entfaltung gelangt ist. Bei den Zaddikim, die – wenn auch, wie gesagt, ohne Erfolg – die kabbalistische Lehre auszugestalten versuchen, herrscht die uns schon aus der Gnosis bekannte Ansicht vor, man müsse sich aus der »fleischlichen« Wirklichkeit des Menschenlebens in das »Nichts« des reinen Geistes erheben, um zum Kontakt mit Gott zu gelangen, der ja schon in der Bibel »der Herr der Geister in allem Fleisch« 2. 3.
a. a. O., 377. a. a. O., 345.
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genannt wird. Aber ihr steht – ohne daß eine Auseinandersetzung zwischen beiden stattfände – die Ansicht gegenüber, dieses »ständige BeiGott-sein«, wie es Scholem im Anschluß an den 73. Psalm nennt, werde vielmehr dadurch erreicht, daß der Mensch alles von ihm Gelebte Gott zuweihe. Antwortet doch schon der Talmud (Kethuboth 111) auf die Frage, wie es denn dem Menschen möglich sein sollte, an der Schechina zu haften: »Durch gute Taten«, und das heißt, im Sinne der talmudischen Zwei-Triebe-Lehre, wonach man Gott mit beiden geeinten Trieben, dem guten und dem bösen geeint, dienen soll: indem man das, was man tut, mit der rechten Kawwana, mit der Zuweihung an Gott tut und es so heiligt. Die erste dieser beiden Anschauungen, die von der Vergeistigung, finden wir im Chassidismus zuerst bei seinem größten Denker, dem Maggid von Mesritsch, die zweite, die von der Heiligung alles Lebens, finden wir zuerst bei dessen Lehrer, dem Baal-Schem-Tow. Der Baalschem legt diese seine Lehre mit Vorliebe im Anschluß an zwei biblische Sprüche dar: »Ihn erkenne auf all deinen Wegen« (Sprüche Salomos, 3, 6) und »Alles, was deine Hand zu tun findet, tu es mit deiner Kraft« (Prediger 9, 10). Den ersten Spruch deutet er: »Sogar in allen leiblichen Dingen, die er tut, ist not, daß es ein Dienst an einem hohen Bedürfen sei … alles um des Himmels willen.« Und den zweiten: »Daß er die Tat, die er tut, mit allen seinen Gliedern tue, der Erkenntnis gemäß, und dadurch gibt es Ausbreitung der Erkenntnis in alle seine Glieder.« Ganz erfüllen kann dieses Geheiß freilich nur »der vollkommene Mensch«. »Der vollkommene Mensch«, sagt der Baalschem, »vermag höchste Einungen zu vollziehen« (d. h. Gott mit seiner im Exil der Welt weilenden Schechina zu vereinigen), »sogar mit seinen leiblichen Handlungen, so Essen, Trinken, Beischlaf, und Verhandlungen über leibliche Dinge mit seinem Gefährten … wie es heißt: Und Adam erkannte sein Weib Chawa.« Unter den dem Baalschem nahestehenden Zaddikim ist es vor allem Rabbi Jechiel Michal von Zloczow, der diese Lehre ausgebaut hat, wiewohl er sich nach dem Tode des Meisters dem großen Maggid anschloß. Das Wort der Schrift »Seid fruchtbar und mehret euch« legt er so aus: »Seid fruchtbar, aber nicht wie die Tiere, seid mehr als sie, geht aufrechten Wuchses und haftet an Gott; wie der Zweig an der Wurzel haftet, und eure Begattung sei ihm geweiht.« Das Angeführte ist wohl des Beweises genug, daß die innere Dialektik von Vergeistigung und Heiligung, auf die ich hinzeige, nicht etwa einer späteren Entwicklung der chassidischen Bewegung angehört, sondern schon mit ihrer Stiftung auftritt, und zwar solcherweise, daß die Lehre
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von der Heiligung die ursprüngliche These und die von der Vergeistigung die auf sie folgende, offenbar der stärker gewordenen Aufnahme der kabbalistischen Tradition entstammende ist. Eine unmittelbare Wirkung des geheiligten Menschenlebens auf die göttliche Sphäre wird freilich schon in der These dem Zaddik vorbehalten. Aber immer wieder, in Sprüchen, Gleichnissen und Erzählungen, weiß der Baalschem und wissen mehrere seiner Jünger den einfältigen, unwissenden Mann zu rühmen, dessen Lebenskräfte in einer ursprünglichen Einheit verbunden sind und Gott eben mit dieser Einheit dienen. Auch in dieser niedern, ganz ungeistigen Gestalt wirkt das ungeteilte Dasein des Menschen auf das obere Geschehen. Zu einer eigentlichen Kritik der kabbalistischen Vergeistigungslehre kommt es jedoch erst spät, und auch nur wie beiläufig. Eine neue, in sich zusammenhängende Doktrin, von der aus man jene hätte frontal angreifen können, ist ja eben nicht entstanden, nur eine neue Art von Leben, die sich immer wieder mit der rezipierten Lehre verständigen muß. In dieser kritischen Äußerung, die uns aus dem Mund eines Zaddiks der fünften Generation bekannt ist, geht es um die Restitution des ursprünglichen Sinns des Gebets als des Sprechens des Menschen zu Gott. An Stelle der biblischen Unmittelbarkeit von dem rein personhaften Sein des betenden Menschen zu dem nicht rein personhaften, aber dem Beter personhaft gegenüberstehenden Sein Gottes hat die Kabbala eine sich an die Form des Gebetes haltende Meditation gesetzt, deren Gegenstand die innere Struktur der Gottheit, die Konfigurationen der »Sefiroth« und die zwischen ihnen waltende Dynamik waren. Dem Wortlaut des Gebets nach ist Gott noch der Partner des Dialogs zwischen Himmel und Erde, der hinzugekommenen Theosophie nach aber ist er das nicht mehr, er ist das Objekt eines ekstatischen Betrachtens und Handelns geworden. Dieser Wandlung entspricht, daß die überlieferte Liturgie, unter Beibehaltung des Wortlauts, von einem Netz von »Kawwanoth«, von »Intentionen« bedeckt wird, die den Beter zur Versenkung in die Wörter und Buchstaben und im engsten Zusammenhang damit zum Vollzug vorgeschriebener Mutationen, insbesondre immer neuer Umvokalisierungen des Tetragrammatons, anleiten. Die chassidische Bewegung hat das so gestaltete kabbalistische Gebetbuch unbedenklich übernommen; der Baalschem selber hat es sanktioniert. Die bei solcher Sachlage unvermeidliche Zweiteilung der Beter in das schlichte Volk, das im Wort die Not der Herzen stillte, und die »höheren Menschen«, die der meditatorischen oder theurgischen Aufgabe oblagen, drohte bald das fundamentale Gemeinsamkeitsgefühl zwischen dem Zaddik und seinen Chassidim anzutasten. Von den großen Betern der dritten Generation will einer,
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Schmelke von Nikolsburg, den Riß dadurch kitten, daß er die Gemeinde zum Beten um die Heimkehr der Schechina aus ihrem Exil und zur opfergleichen Hingabe der Seelen zu erheben sucht, aber ein anderer, Levi Jizchak von Berditschew, geht auch betend ganz und gar in die volkstümliche Grundhaltung des freien Dialogs ein; der dritte hingegen, Schlomo von Karlin, sieht sein eignes Beten, offenkundig eben nur das Beten des Zaddiks, als ein nur von ihm zu vollziehendes Wagnis an (»vielleicht werde ich auch diesmal noch nicht sterben«). Es ist zu verstehen, daß es ein Schülersschüler dieses Zaddiks, Mosche von Kobryn, ist, der jene Warnung ausspricht, auf die ich hinweise. Von einem Verfasser kabbalistischer Schriften über die geheimen Kawwanoth des Gebets befragt, antwortet er: »Merke wohl, daß das Wort kabbala von kabbel, annehmen, aufnehmen, und das Wort kawwana von kawwen, auf etwas richten, stammt. Denn der Endsinn der Weisheit der Kabbala ist: das Joch des Gotteswillens auf sich nehmen, und der Endsinn aller Kunst der Kawwanoth ist: sein Herz auf Gott richten.« Das ursprüngliche, das von dem Urglauben Israels gemeinte Leben in der haftenden Hingabe an den Herrn des Lebens lehnt sich gegen die Hypertrophie der mystischmagischen Doktrin auf. Worauf es ankommt, ist: was immer mir geschieht, aus den Händen Gottes zu empfangen und, was immer ich tue, in der Intention auf Gott hin zu tun. Die Einsicht des Baalschem in die dem Menschen erreichbare und sein ganzes Leben zu umfassen vermögende wechselseitige Unmittelbarkeit der Beziehung zu Gott hat hier beim Schülersschüler einen semasiologischen Ausdruck gewonnen, indem er von dem späten, spezifizierenden Bedeutungswandel der Worte auf ihren schlichten Grundsinn zurückgreift. Daß es hier aber gar nicht mehr um eine zwar das Leben betreffende, aber doch noch über ihm schwebende Sache des Geistes, sondern durchaus um eine Sache des Lebens selber geht, dafür darf als zwingender Beleg die Antwort angeführt werden, die ein Schüler eben jenes Zaddiks nach dessen Tode auf die Frage, was für seinen Lehrer das Wichtigste gewesen sei, erteilte; sie lautet: »Womit er sich gerade abgab.« Der Umgang mit Gott im gelebten Alltag, das Annehmen und das Zuweihen des jetzt und hier sich Ereignenden, ist je und je das Wichtigste. Von den zwei Elementen wird das aktive besonders betont. »Ihr sollt«, wird gesagt, »ein Altar für Gott werden.« Auf diesem Altar soll alles dargebracht werden, der vom Baalschem vollzogenen Ausgestaltung der kabbalistischen Lehre von den in allen Dingen gegenwärtigen und der Erlösung harrenden heiligen Funken gemäß. Es trifft nicht zu, was mir entgegengehalten wird 4 , meine »Schau des 4.
Schatz-Uffenheim, 276.
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Chassidismus« lasse sich in dem Worte zusammenfassen, hier werde »die Kluft zwischen Gott und Welt geschlossen«. Nicht geschlossen wird sie, sondern überbrückt, und zwar mit der paradoxen Anweisung an den Menschen je und je die unsichtbare Brücke zu betreten und sie eben dadurch wirklich zu machen. Denn dazu ist der Mensch erschaffen und dazu die Dinge dieser Welt, die jedem einzelnen zugehören und, wie der Baalschem sagt, »mit aller Macht begehren, ihm nahezukommen, damit die Funken der Heiligkeit, die in ihnen sind, durch ihn erhoben werden«, das heißt: durch ihn Gott zugebracht werden. Darum soll man, wie es in einem andern Spruch des Baalschem heißt, »sich seiner Geräte und all seines Besitzes erbarmen«. Jede Handlung soll »auf den Himmel zu« geschehen. Wir wissen aus überlieferten Äußerungen des Baalschem in der Ichform, daß er alles Leibliche ohne Ausnahme in die Sphäre der Intention einbezog. Darum wird in der zweifellos der Lehre des Meisters getreueren Polnaer Tradition das Verhältnis zwischen Leib und Seele dem zwischen Mann und Weib verglichen, von denen jedes nur die Hälfte eines Wesens und, um zur Erfüllung des Lebens zu gelangen, auf die andre Hälfte angewiesen sei. Ist das nicht des »Realismus« genug? Und von einem »Nichten« des Konkreten ist in dieser Linie des Chassidismus – die mit seinem Anfang beginnt – nichts zu finden. Die Wesen und Dinge, an denen wir diesen Dienst tun, sollen ja ungemindert bestehenbleiben; die »heiligen Funken«, die »erhoben werden«, müssen ihnen damit nicht entzogen werden. Gewiß gibt es nach der Lehre des Baalschem auch eine solche Art, sie zu »befreien«, daß sie auf die Wanderung »von Gestein zu Gewächs, von Gewächs zu Getier, von Getier zu redendem Wesen« gebracht werden; wenn er aber sagt, alles, was der Mensch zu eigen habe, seine Diener, seine Tiere, seine Geräte, alles berge Funken, »die der Wurzel seiner Seele zugehören und von ihm erhoben werden sollen«, und darum »begehrten sie mit aller Macht, ihm nahezukommen«, so ist doch wohl offenbar, daß hier keinerlei Annihilierung, sondern Weihung, Heiligung, Wandlung – Wandlung ohne Aufhebung der Konkretheit – gemeint ist. Darum kann der Baalschem in diese seine Lehre auch die Sünde einbeziehen (freilich in einem der sabbatianischen Theologie geradezu entgegengesetzten Sinn). »Und was sind das für Funken«, fragt er, »die in der Sünde wohnen?« Und er antwortet: »Es ist die Umkehr. In der Stunde, wo du ob der Sünde Umkehr tust, hebst du die Funken, die in ihr waren, in die obere Welt.« Das ist kein Nichten; es ist ein Brückenschlagen. Vielleicht noch deutlicher hat ein großer Zaddik, der eher ein Genosse als ein Schüler des Baalschem zu nennen ist, Pinchas von Korez, das
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Eigentliche zum Ausdruck gebracht, wenn er sagt, es gebe weder Worte noch Handlungen, die in sich eitel sind, man mache sie nur zu eitlen Worten und Handlungen, wenn man sie eitel redet und eitel tut. Daß, wie mir gegenüber behauptet wird 5 , »die Frage, vor die der Chassidismus gestellt war«, darin bestanden habe, »daß das Leben ihm in Tun einerseits und Ausrichtung andererseits zerfiel«, trifft demnach nicht zu. Nicht »der Chassidismus« war vor diese Frage gestellt, sondern seine spiritualistische Ausprägung, die freilich in der Schule des Maggids von Mesritsch und damit in der Doktrin, die ja hier ausgebaut worden ist, die Oberhand gewann. Nur hier ist es möglich, vom »sinnlichen Schein« zu sprechen. Wo immer aber die neue Art zu leben stärker wird als die der kabbalistischen Tradition hörige Doktrin, da erweist sich die Akzeptation des Konkreten um seiner Heiligung willen als »Entscheidung« und nicht als »Problem«. Die innere Dialektik der chassidischen Bewegung ist die zwischen einem im Bereich der »geistigen« Menschen verbleibenden unoriginalen Kabbalistik und einem unerhört neuen, weil Volksgeschlecht um Volksgeschlecht ergreifenden Leben mit der Welt. Das ist die Grundlage meiner Selektion. Ich habe gewählt, was ich gewählt habe, vielmehr: ich habe es durch mein Herz wie durch ein Sieb gehen lassen, weil hier ein Weg ist, ein nur eben zu ahnender, aber ein Weg. Ich habe das Mal um Mal mit einer, wie mir scheint, hinreichenden Deutlichkeit ausgesprochen, wann immer ich in diesem Zusammenhang von mir zu reden hatte 6 . Daß ich dahin mißverstanden werden konnte 7 , es gehe mir letztlich, wie etwa Fichte, um »ein Tun um seiner selbst willen«, habe ich freilich nicht vorausgesehen. Es schien mir klar genug, daß es mir um ein Tun um der Wiederherstellung der Unmittelbarkeit zwischen Gott und Mensch willen, um der Überwindung der Gottesfinsternis willen geht. Darum hat sich die Selektion notwendigerweise auf die zu Unrecht verachteten »Anekdoten« – Geschichten von gelebtem Leben – und »Aphorismen« – Sprüche, in denen sich gelebtes Leben dokumentiert – gerichtet. Die »Anekdoten« erzählen vom Leben der Zaddikim, und die »Aphorismen«, die dem Mund von Zaddikim abgelauscht sind, sprechen den Sinn dieses ihres Lebens mit großer Prägnanz aus. Die zentrale Bedeutung des Zaddiks ist kein Gegenstand der inneren 5. 6. 7.
Schatz-Uffenheim, 286. Zuletzt am Schluß d. Nachworts zur deutsch. Ausgabe »Gog und Magog«, 1949. Schatz-Uffenheim, 281.
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Dialektik; sie ist vom Anbeginn der Bewegung das Gemeinsame und Tragende, und zwar nicht als Theorem, sondern als Faktum, das von der Lehre interpretiert wird. Unter den großen Zaddikim sind aber deutlich zwei Arten zu unterscheiden: der Zaddik, der wesentlich Lehrer ist und dessen entscheidende Wirkung die auf die Schüler ist, und der Zaddik, der wesentlich Helfer ist, und dessen entscheidende Wirkung die aufs Volk ist. Das ist kein sekundärer Unterschied, sondern einer, in dem die innere Dialektik zum Ausdruck kommt: die erste Art gehört mehr auf die Seite der Vergeistigung, die zweite mehr auf die andere, die der Verwirklichung. In der Person des Baalschem sind noch beide vereinigt, nach ihm gehen sie auseinander. Für die Geschichte der Bewegung sind die großen Lehrer und Schulhäupter bestimmend gewesen, wie der Maggid von Mesritsch, Elimelech von Lisensk, der »Seher« von Lublin; das volkstümliche Leben der Bewegung konzentriert sich in Gestalten wie der Berditschewer, Sussja von Hampol, Mosche Löb von Sasow. Sie sind das schlechthin Einzigartige am Chassidismus. Das Verhältnis zu den Schülern hat etwa auch im Schrifttum des Zen-Buddhismus exemplarische Gestalt angenommen, das zum unwissenden Volk, zur Gasse nirgends in der Welt so wie hier. Einen besonders charakteristischen Zug der Zaddikim der zweiten Art, der aber ihnen und dem Baalschem gemeinsam ist, sehe ich in jenem eigentümlichen Gefühl der Wesenverwandtschaft, das hier den hohen Menschen, der die Einheit gefunden hat, zu dem Einfältigen zieht, der auf niederer Geistesstufe sich Gott lebensmäßig hingibt. Was der Baalschem zu seinen Chassidim von dem treuen Strumpfwirker sagt – »Heute habt ihr den Grundstein gesehen, der das Heiligtum trägt, bis der Erlöser gekommen ist« – ist, wenn auch nicht in der Lehre, sondern in der Legende erhalten, ein primär wichtiger Ausspruch. Nicht umsonst ist ein ganzer Kranz verwandter Geschichten vom Baalschem überliefert. Die sagenhaften unter ihnen ergänzen die unverkennbar authentischen. Vollends unverständlich ist mir, wie man 8 meine Äußerung, die chassidische Botschaft von der Erlösung erhebe sich gegen die messianistische Selbstunterscheidung eines Menschen von dem anderen Menschen, dahin interpretieren kann, ich sähe im Chassidismus den »Vertreter einer atomistischen Ideologie«. Ich habe in meinen Schriften immer wieder darauf hingewiesen, was es bedeutet, wenn ein Mensch aus der Verborgenheit des »Köchers«, in den Gott ihn als »blanken Pfeil« versenkt hat (Jesaja 49, 2), eigenmächtig hervortritt und sich und seinen Handlungen die erlöserische Funktion zuspricht. Der Chassidismus ist 8.
Schatz-Uffenheim 286.
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eine gegen die Automessianistik gerichtete Bewegung. Man braucht nur an Stelle des Wortes »Selbstunterscheidung« das Wort »Unterscheidung« zu setzen, und schon ergibt sich, ich hielte den Chassidismus für eine »im Grunde antimessianische Weltanschauung« 9 . Was ich in Wahrheit als den großen chassidischen Beitrag zum Glauben an die Erlösbarkeit der Welt erkannt habe, ist dies, dass jeder Mensch an ihrer Erlösung wirken, aber keiner sie bewirken kann. Dies ist gemeinsame chassidische Einsicht. In der inneren Dialektik der Bewegung aber stehen einander zwei Grundanschauungen gegenüber. Die eine behauptet, der Mensch könne an der Erlösung der Welt wirken, indem er magisch auf die göttlichen Konfigurationen einwirkt, die andere erklärt dem gegenüber, nur dadurch könne der Mensch an der Erlösung der Welt wirken, daß er mit seinem ganzen Wesen sich auf Gott zu bewegt, zu ihm »umkehrt« und alles, was er von nun an tut, auf Gott zu tut. Damit steigert er, in einem der Kraft seiner Bewegung entsprechenden Maße, die Erlösbarkeit der Welt: er »nähert« sie der himmlischen Einwirkung. Das ist das Grundthema meines Buches »Gog und Magog«, der einzigen größeren Erzählung, die ich geschrieben habe. Ich mußte sie schreiben, weil ich versuchen mußte, die innere Dialektik, die mir sichtbar und spürbar war, dem heutigen Menschen sichtbar und spürbar zu machen. Da meine Kritikerin auf dieses Buch mit einiger Ausführlichkeit eingeht, will auch ich hier etwas zur Klärung seines Gegenstands beitragen. Zunächst ein Wort zu der Geschichte 10 von des »Sehers« Freude an dem selbstsicheren, aller Versuchung zur Schwermut widerstehenden Sünder. Hier hat meine Kritikerin, offenbar unter dem Einfluß ihres polemischen Enthusiasmus, nicht gemerkt, daß es mir gar nicht um eine Charakterisierung des Chassidismus (innerhalb dessen mir keine andere Äußerung dieser Art bekannt ist), sondern um eine höchst persönliche des Sehers von Lublin zu tun ist, der, selber, wie ich andeute, immer wieder von der Schwermut angewandelt, die Schwermutslosigkeit bewundert. Der »Metaphysik« des Sehers von Lublin, oder vielmehr seinen magischen Unternehmungen, die darauf hinauslaufen, die im napoleonischen Völkerkampf tätige Dämonie aufs höchste zu steigern, bis sie an der Pforte des Himmels rüttelt und Gott welterlösend hervortritt, stellt der »heilige Jude«, ohne die kabbalistische Grundlehre aufzugeben, im we9. Schatz-Uffenheim 287. 10. Schatz-Uffenheim 293.
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sentlichen die schlichte menschliche »Existenz« entgegen. Er hat es nicht mit dem weltgeschichtlichen Gog zu tun, aus dessen Kriegen, die die Menschenwelt zum Chaos wandeln, der Messias hervorgehen soll, und den es deshalb ins äußerste zu treiben gelte, sondern mit dem dunkeln Gog in unserer eigenen Brust. Ihn durch die »Umkehr«, also durch die Richtungsänderung der unentbehrlichen Leidenschaft, in eine lichte, unmittelbar an der Erlösung wirkende Kraft zu wandeln, das ist es, wozu er aufruft. Man sollte diese Botschaft nicht durch Zusammenstellung mit dem oder jenem modernen Gedankengebild zu entwerten suchen. Sie »anthropozentrisch« zu nennen, erscheint mir nicht sinnreich; sie ist vielmehr bipolar. Der »heilige Jude« greift damit auf den schon innerhalb der Prophetie Israels hörbaren Ruf zurück, erst müßten wir »umkehren«, ehe Gott von dem »Entflammen seines Zorns« »umkehrt«, und auf die in der inneren Dialektik des talmudischen Zeitalters vernehmbare Lehre, alle eschatologischen Kombinationen seien dahin und es komme nunmehr auf die menschliche Umkehr allein an. In der Lehre des Baalschem hat sie ihren mystischen Ausdruck in dem geheimnisschweren Spruch gefunden: »An euch ist der Anbeginn. Denn wenn zuerst in dem Weibe die Gewalt der Zeugung sich regt, wird ein männliches Kind geboren 11 .« Daß es dem »heiligen Juden« in der aktivsten Phase seines Lebens um eben diese Bewegung nach oben zu tun war, geht eindeutig aus dem von Schlomo von Radomsk zuverlässig tradierten Spruch hervor: »Kehret um, kehret eilig in der Umkehr um, denn die Zeit ist kurz und es ist keine Muße zu weiterer Seelenwanderung mehr, denn die Erlösung ist nah.« Daß dies in der Tat der Kernspruch der Predigt war, die er auf seiner »großen Fahrt« durch die galizischen Städtchen Mal um Mal, wenn auch anscheinend in verschiedenen Fassungen, wiederholte, hatte sich dort noch in meiner Jugend in mündlichen Erzählungen erhalten. Der Sinn des Rufs ist offenbar dieser, der Mensch müsse jetzt die entscheidende Bewegung vollziehen, ohne sich darauf zu verlassen, daß seine Seele noch Zeit habe, vorher zu höheren Lebensformen aufzusteigen, denn jetzt habe die Sphäre der Erlösung sich unsrer Welt genähert, und es tue nunmehr not, sie unverzüglich an uns zu ziehen. Was aber das Geheimnis des Todes des »heiligen Juden« betrifft, so habe ich die verschiedenen darüber erhaltenen Äußerungen berücksichtigt, aber die bevorzugt, die hier einen Einfluß des »Sehers« erblickte; das habe ich getan, weil hier sowohl die mit dessen Theurgie zusammenhängende Ambivalenz 11. Ich habe diesen Satz seinerzeit mit Bedacht an den Schluß meiner unter dem Titel »Des Baalschem Unterweisung im Umgang mit Gott« veröffentlichten Auswahl gesetzt.
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im Verhältnis zu seinem Schüler als auch des Schülers trotz aller sachlichen Gegnerschaft ungeminderter persönlicher Gehorsam zu einem unüberbietbaren Ausdruck kommt. Übrigens: der Mogielnicer Rabbi, der in diesem Zusammenhang angeführt wird 12 , hat zwar dem »Juden« nahegestanden, hat sich aber nie seinen Schüler genannt und ist im wesentlichen der Tradition seines Großvaters, des Maggids von Kosnitz, treu geblieben. Die an eine seiner berühmten Erzählungen geknüpfte Frage 13 »Hat also ›Pžysha‹ nicht ›Lublin‹ beigegeben?« ist also abwegig. Im übrigen ist der für mich wichtigste Unterschied zwischen den beiden Schulen nicht in einer Verschiedenheit der Doktrin, sondern in einer der »Existenz« zu sehen: in Lublin legte sich der Lehrer den Schülern auf, in Pžysha half er ihnen, zu sich selbst zu kommen. – Wer es aber wagt, im höchsten, unbefangenen Ernst jene Kontroverse zwischen »Metaphysik« und »Existenz« in die Problematik unserer eigenen Weltstunde zu übertragen, wird erkennen, daß alle magisierende Gnosis den Versuch einer Flucht vor dem Geheiß unsrer menschlichen Wirklichkeit in die Finsternis überm Abgrund bedeutet.
12. Schatz-Uffenheim 299. 13. Schatz-Uffenheim 299.
Noch einiges zur Darstellung des Chassidismus Diese ergänzenden Bemerkungen sind durch einen englisch und deutsch (in »Commentary«, Oktober 1961, und »Neue Zürcher Zeitung«, Mai 1962) veröffentlichten kritischen Aufsatz G. Scholems veranlaßt. 1 Ein spätes Geschlecht vermag auf zweierlei Weise das zerfallene und von Schutt bedeckte große Glaubensgut eines früheren Zeitalters ans Licht zu heben. Die eine Weise ist vom Verlangen nach wissenschaftlicher Erkenntnis – einer Erkenntnis, die so umfassend und exakt wie möglich sein soll – bestimmt. Man macht jene Erscheinung des religiösen Lebens zum Gegenstand der Forschung, man ediert und interpretiert die Texte ihrer Lehren, man ist bestrebt, ihre Ursprünge und Bedingtheiten, die Phasen ihrer Entwicklung und die Verzweigungen ihrer Schulen zu erforschen. Aus solcher Arbeit, wenn sie mit der dem berufenen Gelehrten eigenen Verbindung von Selbständigkeit und Treue geleistet wird, erwächst nicht der Religionswissenschaft allein hoher Gewinn: ihre Ergebnisse können auch zu Elementen des Unterrichts und der Volksbildung für künftige Geschlechter werden. Eine wesentliche Voraussetzung für diese Art des Ans-Licht-Hebens ist die Vollständigkeit im Sinn des seiner Aufgabe botmäßigen Historikers, der zwar zwischen wichtigen, unmittelbar zu behandelnden, und unwichtigen, im Hintergrund zu belassenden Fakten unterscheiden muß, in diesen Unterscheidungen und Entscheidungen aber streng gebunden ist an objektive, in seiner Wissenschaft gültige Kriterien: was solcherart sich ihm als wichtig erweist, das hat er eben so umfassend und so exakt als möglich darzustellen. Wesenhaft verschiedenen Charakters ist die andere Weise, ein großes verschüttetes Gut des Glaubenslebens, eine Bewegung, die einst weite Volksschichten ergriff und vitalisierte, ans Licht zu heben. Sie entstammt dem Willen, von der Kraft jenes Lebens, dessen Überlieferung sich, wenn auch nicht in allem mit gleicher Treue, erhalten hat, der eigenen Zeit das zu übermitteln, was ihr helfen kann, ihre Glaubensnot zu überwinden und die zerrissene Bindung an das Unbedingte zu erneuen. Die bloße Wiederbekanntmachung einer vergessenen oder mißkannten Lehre vermag das nicht zu leisten, auch nicht wenn diese neu interpretiert wird; man muß auf die einstige Wirklichkeit eines mit dieser Lehre geschicht-
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lich zusammenhängenden Lebens hinzeigen können, das einst von Einzelnen und den von ihnen gestifteten und geleisteten Gemeinden gelebt worden ist. Daraus ergibt sich zweierlei. Zum ersten: Es ist zwar die zulängliche Erkenntnis jenes einstigen Vorgangs in all seinen geistigen und geschichtlichen Zusammenhängen unerläßliche Voraussetzung, damit eine echte Erneuerung stattfinden könne, aber in dem Werk der Übermittlung an die eigene Zeit geht es nicht um eine vollständige Darstellung, sondern um eine Auslese der Phänomene, in denen jenes vitale und vitalisierende Element Gestalt gewonnen hat. Demgemäß tritt hier an die Stelle dessen, was man die Objektivität des Forschers zu nennen pflegt, die Zuverlässigkeit des Wählenden seiner besonderen Aufgabe gegenüber. Handelt er in Treuen ihr gegenüber, so ist er nicht von einem außerhalb ihrer liegenden Kriterium aus zu beurteilen; denn was von da her gesehen als »Subjektivität« erscheinen mag, kann sich, von der Aufgabe her betrachtet, früher oder später als ein notwendiges Moment in dem Prozeß einer Erneuerung erweisen. Und zum zweiten: Man darf von einem solch einer Aufgabe treu und zuverlässig Dienenden nicht fordern, daß er von den überlieferten Berichten über jenes einstige Leben hinweg sich der Lehre zuwende, auf die sich Stifter und Jünger beriefen. Sogar in jenen höchsten Stunden der Religionsgeschichte, um die es hier nicht geht, ist nicht eine für sich erfaßbare Lehre das Primäre, sondern ein Ereignis, das zugleich Leben und Wort ist. Erst recht aber ist jene Forderung in dem Bereich abzulehnen, von dem ich hier rede, dann nämlich, wenn das Leben auf eine weit früher entstandene Lehre zurückgreift, um seine Legitimität zu begründen. Nie erzeugt eine alte Lehre als solche in einem späteren Zeitalter eine neue Lebensweise, sondern dieses Neue entsteht in der Sphäre personhafter und gemeindlicher Existenz, in der es ungeachtet des Beharrens in überlieferten Formen eine tiefgreifende Wandlung bedeutet. In dieser seiner Entstehung, und zuweilen mehr noch in den darauffolgenden Entwicklungsstadien assimiliert das Neue sich einer alten Lehre und beruft sich auf sie, ja erblickt in ihr seinen eigenen Ursprung. Gewiß, Elemente dieser Lehre scheinen sich schon im Leben des Stifters mit seinen eigenen Glaubenserfahrungen unlöslich verschmolzen zu haben, aber eben in einer für ihn und für die mit ihm anhebende Lebensweise charakteristischen Modifikation. In den nachfolgenden Generationen der Schüler und Schülersschüler tritt diese Modifikation jeweils da zurück, wo die epigonisch gewordene Doktrin vorherrscht, kann aber schon in der nächsten Generation erneute Vitalität und Mächtigkeit gewinnen.
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So ist es, wie sich im einzelnen zeigen ließe, mit dem Chassidismus und seinem Verhältnis zur Kabbala (vornehmlich zu der späteren, »lurjanischen«) beschaffen. Wer, seiner besonderen Aufgabe getreu, »selektiv« vorzugehen gehalten ist, weiß genau, was er in sein Werk einzubeziehen und was er dem den Gesetzen der historischen Vollständigkeit folgenden Forscher unumstreitbar zu überlassen hat.
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2 Man beanstandet, daß meine Darstellung und Deutung des Chassidismus so sehr auf dessen legendärem Schrifttum beruht und daß sie die theoretische Literatur vernachlässigt, die lange vor jenem bestanden habe, nämlich in der Zeit, »in der der Chassidismus tatsächlich produktiv war«; der Ausdruck seiner Produktivität sei eben die theoretische Literatur gewesen, wogegen das legendäre Schrifttum zum weitaus größten Teil fast fünfzig Jahre nach der Periode der theoretischen Produktivität entstanden sei. Um die Behauptung der Spätheit des legendärischen Ausdrucks im Chassidismus nachzuprüfen, ist es, wie man bald verstehen wird, unerläßlich, die religionsgeschichtliche und literargeschichtliche Kategorie, der dieser Ausdruck angehört, genauer zu erfassen. Ich bezeichne diese Kategorie als legendäre Anekdote. Es handelt sich um kurze und ganz kurze Geschichtchen, die sich fast durchweg um den Ausspruch eines Meisters der »mystischen« Lehre aufbauen: die Begebenheit wird erzählt, aus deren Anlaß der Ausspruch getan worden ist. Es gibt in der Religionsgeschichte, soweit ich sehe, nur drei große Beispiele für die volle Ausbildung dieser Kategorie: die legendäre Literatur des Sufismus, die des Zen-Buddhismus und die des Chassidismus 1 . Sowohl im Sufismus wie im Zen, obgleich beide bedeutende theoretische Werke hervorgebracht haben, steht die legendäre Erzählung im Mittelpunkt des religionsgeschichtlichen Prozesses. Hier sei unmißverständlich betont, daß ich keineswegs von der Geschichte der Mystik als solcher, sondern lediglich von einer bestimmten Art von Erscheinungen innerhalb ihrer rede. Allgemeineren Äußerungen dieser Art, mit denen man etwa die meine zusammenstellen möchte, 1.
Das franziskanische Legendenschrifttum, das in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben darf, gehört seiner Entstehungsweise nach nicht hierher. Eher könnten gewisse taoistische Texte in Betracht gezogen werden; aber diese Literatur steht wesentlich mehr im Zeichen des Gleichnisses als in dem der Anekdote.
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kann ich nicht beipflichten. Wenn z. B. Tor Andrae 2 erklärt, die Gefahr, daß die Theologie nicht zum Verständnis der Religionen führe, scheine ihm niemals näher zu liegen, als wenn es sich um die Mystik handelt, vermisse ich eine Spezifizierung. Wer wird eine Wertvergleichung der klassischen taoistischen Erzählungen mit den unter dem Namen Laotses überlieferten Texten oder so kühnen Erzeugnissen der deutschen Klostermystik wie die Geschichte von Schwester Katrei mit einer Predigt Meister Eckharts wagen? An diesen Beispielen wird offenbar, daß hier zwischen zwei Gattungen der Mystik zu unterscheiden ist. Der, auf die ich hinweise, gehören jene geschichtlichen Erscheinungen an, deren Eigentümlichkeit in der Sphäre des Realisierungsmodus, somit in der der Begebenheit am unmittelbarsten zu erkennen ist. Vergleichen wir zwei repräsentative Gestalten der islamischen Mystik wie den für die Evolution der Doktrin maßgebenden Theologen alDschunaid und den seines Identitätsbekenntnisses wegen als Ketzer verdammten und hingerichteten al-Halladsch, die Zeitgenossen waren. Von dem ersten hat sich manche von ihm niedergeschriebene Lehre erhalten, der zweite hat sich, außer in seiner Dichtung, nicht anders als mündlich geäußert; und diese mündlichen Äußerungen kennen wir aus seiner überlieferten Lebensgeschichte, die von Aussprüchen durchsetzt ist. Es kann kein Zweifel daran bestehen, bei welchem von beiden wir den originalen Beitrag des Sufismus zu suchen haben. Und nicht anders verhält es sich mit dessen früherer und mit dessen späterer Periode. In der Sprache heutiger Philosophie ausgedrückt: worum es den Sufis geht, die ihnen eigentümliche Gottesbeziehung ist so wesentlich eine existentielle und an diese Existentialität gebunden, daß keine theoretische Erörterung ihr gerecht werden kann. Und wir besitzen ja Zeugnisse von Sufis, die vor der hier lauernden Gefahr, andeutend oder auch offen, warnen. Eins von ihnen besagt, wenn Gott seinem Diener wohlgesonnen sei, öffne er ihm die Pforten zu Taten und verschließe ihm die Pforten der Erörterung. In ganz anderer, erheblich schwieriger zu erfassenden Gestalt besteht ein ähnliches Grundverhältnis im Zen. Ohne Verbindung mit den als grundlegend übernommenen Lehrschriften entwickelt sich hier die dem Zen schlechthin eigentümliche Literaturgattung, das »Koan«, – ein gewöhnlich mit »Beispiel« wiedergegebenes Wort, das aber genauer als »Kundgebung« zu verstehen ist. Es sind dies im wesentlichen knappe Berichte von Begegnungen, eingerahmt von einleitenden »Hinweisen«, begleitenden »Erläuterungen«, dichterisch sublimierenden »Gesängen« u. a. Gemeinsam ist ihnen, daß im Verlauf der »Kundgebung« ein direkt 2.
Islamische Mystik (1960), S. 9.
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oder indirekt gestelltes Grundproblem sich als sprachlich, ja gedanklich unlösbar, als Paradox erweist, dem kein Lehrsatz gewachsen ist, wohl aber eine die gesamte Begriffssphäre aufhebende Wesenshaltung der menschlichen Person. Besonders charakteristisch sind die Berichte über Begegnungen zwischen einem Lehrer und einem Schüler, in der dieser auf seine Frage entweder eine allem Anschein nach absurde Antwort oder auch als einzige Erwiderung einen Schrei von besonderer, hergebrachter Art zu hören bekommt oder aber geschlagen, weggestoßen, verjagt wird. Und immer wieder lesen wir, daß gerade im Augenblick des radikalen Abgelehntwerdens der Schüler die »Erleuchtung« empfängt, die eben nur dem Geheimnis der unumschreibbaren Situation entspringt, welche eben doch irgendwie, eben so wie es hier geschieht, berichtet, sozusagen erzählt wird. In beiden, im Sufismus und im Zen, erschließt sich uns der innerste Kern, das an jedem, was innerhalb der Geschichte der Mystik eben nur einmal uns entgegentritt, in der erzählten Begebenheit, – dort in den Legenden von dem bis zur »Einung« führenden Umgang der Meister mit Gott, hier im Koan, das Mal um Mal darauf hindeutet, wie Wahrheit geschieht 3 . Die Wesenshaltung, die hier gemeint ist, hat die Ablehnung aller »wählerischen Wahl«, auch der eines theoretischen Ja vor einem theoretischen Nein oder umgekehrt, zur Voraussetzung. Die dritte Erscheinungsform der legendären Anekdote in der Geschichte der Mystik ist die chassidische. In allen dreien stehen inmitten einer berichteten Situation persönliche Äußerungen. Im Sufismus sind es Äußerungen eines der Meister in dessen Umgang mit Gott oder von diesem Umgang zeugend; im Zen sind es Äußerungen eines der Meister im Umgang mit einem Schüler, die in diesem die entscheidende Wandlung, das Aufgeschlossensein für die Lebenswahrheit, bewirken; im Chassidismus sind es Äußerungen eines der Meister, verschieden nach Art, Empfänger und Zusammenhang: Äußerungen zu Schülern, zu Mitgliedern der Gemeinde, zu Fremden, aber auch an Gott gerichtete Sprüche werden berichtet. Unvergleichlich stärker als in Sufismus und Zen ist hier der erzieherische Charakter der Anekdote ausgebildet. Es ist oft ein mehrgliedriger Vorgang, der erzählt wird; aber fast immer gipfelt er in einer Äußerung oder klärt sich doch in einer. Eine Ausnahme machen 3.
Von dem ersten Drittel einer alten Sammlung von Koans, die etwa zwei Jahrhunderte nach ihrem Abschluß als »die vornehmste Schrift der Lehre unseres Glaubens« bezeichnet worden ist, liegt jetzt eine deutsche Übertragung von Wilhelm Gundert vor (Meister Yüan-wu’s Niederschrift von der Smaragdenen Felswand, Carl Hanser Verlag, München 1960), deren Studium einen unmittelbaren Einblick in die Natur des Koan gewährt.
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die »Wundergeschichten«; aber auch das erzählte Wunder stellt oft eine, eben nur in dieser Gestalt gewährte, Äußerung, eine getane Lehre dar. 3
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Den drei mystischen Bewegungen, die ich hier im typologischen Zusammenhang nebeneinander stelle, ist gemeinsam, daß – zum Unterschied von der Theorie, die (mit einer charakteristischen Ausnahme, der des Stifters des Chassidismus, der die Mündlichkeit zuzeiten radikal der Schriftlichkeit vorgezogen zu haben scheint) von ihren Denkern niedergeschrieben oder auch ihren Schülern zur Niederschrift überlassen wird – die Legende sich mündlich verdichtet, mündlich ausbildet und später erst aufgezeichnet wird 4 . Aus der Literatur des Sufismus sei hier als ein besonders prägnantes Beispiel die Lebensgeschichte des (oben erwähnten) al-Halladsch angeführt. Der Mann, der auf Grund der mündlichen Erzählung seines Sohns sie niederschrieb, hat noch mehr als ein Jahrhundert nach dem Tode des Märtyrers gelebt. Nicht erheblich anders sind, soweit unsre Kenntnis reicht, die um Aussprüche gruppierten legendären Biographien anderer sufischen Meister dieser »mit dem Leben bezeugenden« Art, in denen sich die Gestalt des »vollkommenen Menschen« darstellte, zu der literarischen Form gelangt, die auf uns gekommen ist. In ganz andrer Weise, und doch letztlich in der gleichen Bahn vollzieht sich der Prozeß, von dem ich spreche, im Zen. Der ursprüngliche, der feste Kern der Koan-Literatur ist der schon in der Frühzeit »von Mund zu Mund gehende« Bericht von einer Situation zwischen Angehörigen des Zen-Buddhismus und von dem dort und damals Gesprochenen. Das ist jene »Wolke von Zeugen«, von der wir hören. Im Lauf von Generationen zeichnet immer wieder ein Klosterbruder eine ihm besonders wichtige »Kundgebung« auf, allmählich entstehen erst kleine, dann größere Zusammenschlüsse; mit der Gewinnung der »literarischen« Gestalt kommen, schon von Verfassern verfaßt, die Erläuterungen, die Gesänge hinzu, bis, Jahrhunderte nach den Anfängen der Berichtstradition, eine Schrift vorgelegt werden kann. Charakteristischerweise hat ein Späterer diesen Weg als das »Zen der Anekdotenbetrachtung« herabzusetzen versucht. 4.
Auch in dieser Hinsicht ist der Hergang in dem – eben nicht in diesem Sinn »mystischen« – Franziskanertum, das wie gesagt typologisch nicht hierher gehört, ein anderer: die Legende wird von Ordens wegen verfaßt und redigiert.
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Die gleiche strukturelle Zweiheit finden wir im Chassidismus wieder, ja sie wird hier besonders deutlich. Die kohärente Doktrin wird ganz überwiegend von ihren Denkern selbst niedergeschrieben oder von ihnen ihren Schülern zur Niederschrift übermittelt. Die in Aussprüchen zentrierenden Begebenheiten hingegen, die man von den Meistern naturgemäß großenteils schon bei ihren Lebzeiten berichtet, gehen von Mund zu Ohr und werden erst nach einiger Zeit aufgezeichnet. Wir haben hier vor uns ein spätes, aber nachdrückliches Beispiel für das Bestreben einer oralen Tradition dieser Art, den Lebensgeist des Lehrspruchs dadurch zu erhalten, daß sein Zusammenhang mit den Situationen gewahrt wird, denen er wie der Funke dem Stahl entsprang. Wo immer man in der menschlichen Glaubensgeschichte darauf ausgeht, den faktischen Charakter des gesprochenen Wortes den kommenden Geschlechtern unverletzt zu übermitteln, wo immer man es vor der Gefahr der »objektiven« Verbegrifflichung retten will, beläßt man es in dem Geschehen, das es gebar, man tradiert es eben als Bestandteil eines personhaften Vorgangs, von diesem unablösbar. Das aber vermag naturgemäß nichts so sehr wie die Mündlichkeit, die je und je durch Ton und Gebärde unterstützt wird. Freilich droht im Gang der Weitergabe allerhand Unursprüngliches in die Erzählung einzudringen, und sobald dies wahrgenommen wird, stellt sich bald, um weiterer Verderbnis vorzubeugen, der Wille zur Niederschrift ein, dem etwas früher oder später der zur Sammlung des Zueinandergehörigen folgt. Im Chassidismus sucht man nach der Möglichkeit, die Namen früher Tradenten den einzelnen Legenden voranzusetzen. Die späte Niederschrift, die späte Sammlung, gar die späte Veröffentlichung von Zyklen mystischer Legenden hat daher keinerlei Beweiskraft für die Behauptung ihrer Fragwürdigkeit als Quelle. Die grundlegende Sammlung von Baalschem-Legenden z. B. ist 55 Jahre nach seinem Tode im Druck erschienen. Was will das für die Frage nach ihrer »Entstehung« besagen? – Die Geschichte der spezifischen Zuverlässigkeit mündlicher Überlieferung in der Religionsgeschichte ist (trotz wichtiger Feststellungen, die mir vorliegen) noch nicht hinreichend erfaßt.
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Vorwort [zu Werke, Dritter Band, »Schriften zum Chassidismus«]
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Wie ich in den ersten Band der »Werke« zwei frühe Arbeiten (das Buch »Daniel«, verfaßt 1912, und den Aufsatz »Die Lehre vom Tao«, verfaßt 1909) aufgenommen habe, um die Ausgangspunkte meines Denkens deutlich zu machen, so habe ich es auch bei der Zusammenstellung des dritten Bandes gehalten, indem ich in ihm Stücken aus den Einleitungen zu meinen ersten Büchern, den »Geschichten des Rabbi Nachman« (1906, dieses nur auszugsweise) 1 und der »Legende des Baalschem« (1907) 2 Raum gewährt habe. Doch muß hier vermerkt werden, daß ich diesen meinen ersten Schriften über den Chassidismus ferner gerückt bin als jenen frühen philosophischen Versuchen. Diese größere Ferne ist nicht bloß an der Sprache zu erkennen: es hat sich hier (zur Zeit des ersten Weltkriegs) eine fundamentale Änderung in meinem Verhältnis zum Gegenstand vollzogen. Er hat damals aufgehört, nur ein »Gegenstand« zu sein, dem damit genug getan ist, daß er zulänglich »behandelt« wird. Um was es hier letztlich geht, ist am genauesten wohl in antikritischen Äußerungen der letzten Jahre 3 geklärt. Doch seien hier zur Ergänzung einige Sätze von 1924 wiedergegeben. 4 »Seit ich die Arbeit, am chassidischen Schrifttum begonnen habe, ist es mir um die Lehre und den Weg zu tun. Aber damals meinte ich, das sei etwas, was man auch bloß betrachten könne und dürfe; seither habe ich erfahren, daß die Lehre zum Lernen und der Weg zum Gehen da ist. Je tiefer ich es erfuhr, um so mehr ist mir diese Arbeit, an der sich mein Leben maß und vermaß, zur Frage, zum Leid und doch auch zum Trost geworden.« An den Schluß des Bandes ist, ebenso wie an den Schluß des zweiten Bandes, ein dichterisches Werk gesetzt, das durch seinen Gegenstand mit dem Inhalt des Bandes verknüpft ist, aber darüber hinaus diesen auf jene Weise zu ergänzen geeignet erscheint, die eben der Dichtung gegeben ist.
1. 2. 3. 4.
Siehe S. 9 »Die jüdische Mystik«, überdies S. 895 »Rabbi Nachman von Bratzlaw«. Siehe S. 19 »Vom Leben der Chassidim«. Siehe S. 975 »Zur Darstellung des Chassidismus« und S. 989 »Noch einiges zur Darstellung des Chassidismus«. Schluß des Geleitworts des Buches »Das verborgene Licht«, das später in den »Erzählungen der Chassidim« aufgegangen ist.
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Editorische Notiz Der vorliegende Band folgt den neuen, in Band 9 der MBW (»Schriften zum Christentum«) erstmals vorgestellten Editionskriterien. Die Einleitungen, die der Textsammlung vorausgehen, enthalten allgemeine Hinweise zur Entstehungsgeschichte der Texte, ordnen sie in Bubers Gesamtwerk ein und erläutern ihre zeitgenössische Rezeption. Die hier gebotenen Fassungen von Bubers Texten sind auf Grundlage der Erstdrucke erstellt und folgen ihnen in Orthographie und Interpunktion. Die Texthervorhebungen der Originaltexte mit gesperrter und kursiver Schrift sowie Kapitälchen werden beibehalten. Die Reihenfolge der Texte Bubers im vorliegenden Band folgt einer möglichst chronologischen Ordnung. Bei Texten, die zeitgleich an zwei verschiedenen Orten erschienen sind, wurde auf diejenige Publikation als Druckvorlage zurückgegriffen, die als philologisch verlässlicher erschien, etwa eher auf die Buch- als die Zeitschriftenveröffentlichung. Als Druckvorlage für »Die Idee der Erlösung im Chassidismus«, der zunächst auf Hebräisch publiziert und bislang nicht auf Deutsch veröffentlicht worden ist, wurde auf die Übersetzung zurückgegriffen, die Simone Pöpl für die Martin Buber Werkausgabe angefertigt hat. Berichtigende Eingriffe werden nur im Fall von offenkundigen Druckfehlern und angesichts von Korrekturen Bubers in späteren Drucken vorgenommen. Diese Eingriffe sind im Variantenapparat des Kommentarteils zum jeweiligen Text verzeichnet. Im Falle der Namen der Zaddikim und Chassidim wird im Kommentar auf die Umschriften zurückgegriffen, die auch von Buber verwendet worden sind. * Im Kommentarteil des Bandes wird zu jedem Text zunächst eine individuelle Einleitung geboten, die auf die Textentstehung eingeht, die Quellen analysiert, die zeitgenössische Rezeption mit einbezieht und die aktuelle Forschungsliteratur, soweit vorhanden, benennt. Anschließend werden die in den Variantenapparaten berücksichtigten, mit Siglen versehenen Textzeugen aufgelistet und, falls erforderlich, kurz charakterisiert. Darunter befinden sich ggf. Handschriften und Typoskripte aus dem MBA und die zu Bubers Lebzeiten erschienenen, d. h. die von ihm autorisierten Drucke. Der Bestimmung der Druckvorlage folgen ggf. die bibliographischen Angaben zu den Übersetzungen des Textes.
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Darauf folgend, wird ein Variantenapparat geboten, der inhaltliche, den Sinn des Textes verändernde Abweichungen der vorhandenen Textfassungen von der Druckvorlage verzeichnet. Einträge des Herausgebers sowie herausgeberbezogene Zeichen werden kursiv, der edierte Text recte formatiert. Der Kommentarteil zu dem jeweiligen Text wird durch Wort- und Sacherläuterungen abgeschlossen. Den Abschluss des Bandes bilden umfangreiche Register zu der verwendeten Literatur, den Bibelstellen, den Sachbegriffen und den Personen. Die chassidischen Zaddikim werden in einem gesonderten Register aufgeführt. Es wurde darauf verzichtet, die chassidischen Originalquellen, die bereits im Kommentar zu MBW 18 Chassidismus III: Die Erzählungen der Chassidim dokumentiert worden sind, in diesem Band aufzuführen. An den entsprechenden Stellen finden sich dafür Verweise auf MBW 18.
Diakritische Zeichen Ko r r e k t u re n v o n B u b e r s Ha n d : [Text] Texttilgung hTexti Texteinfügung ! Korrektur zu folgender Variante Herausgeberbezogene Zeichen: x, xx, xxx … Unentzifferte(s) Zeichen X Unentzifferte Zeichenfolge ? unsichere Lesung des davor stehenden Wortes [Textverlust] eindeutig fehlende, nicht ergänzbare Textlücken wegen Schreibabbruch, Textzeugenbeschädigung etc. {Text} Variante aus einem Textzeugen, eingeblendet innerhalb einer Variante aus einem anderen Textzeugen / Zeilenumbruch Te x t z e u g e n - S i g l e n : D1, D2… Drucke d1, d2… Teilabdrucke, Druckfahnen und Korrekturbögen H1, H2… Handschriften 1 2 h,h… Teilhandschriften TS1, TS2… Typoskripte TS1.1, TS1.2… Schichten innerhalb eines Textzeugen
Einzelkommentare Mein Weg zum Chassidismus Der biographische Essay entstand im Auftrag des Verbandes der jüdischen Jugendorganisationen Deutschlands. Dessen Vorstand hatte Buber im Jahr 1917 gebeten, ihm für eine »Sondernummer« der Mitteilungen des Verbandes der jüdischen Jugendorganisationen Deutschlands – der seit 1909 publizierten Zeitschrift jener Dachorganisation jüdischer Jugendverbände – eine autobiographische Skizze zu verfassen. Man geht sicherlich nicht fehl, in dieser Bitte einen Ausdruck der hohen Wertschätzung zu erblicken, die Buber insbesondere bei denjenigen jungen Menschen genoss, denen es um ein selbstbewusstes und aktives jüdisches Leben in Deutschland ging. Formaler Anlass der Sonderausgabe jener Mitteilungen war das Bedürfnis, den »jüdischen Soldaten des deutschen Feldheeres« zu Chanukka einen besonderen Gruß zu übermitteln. Spätestens seit seinen Drei Reden über das Judentum (1909-1910), die 1911 zum ersten Mal im Druck erschienen, war Martin Buber zu einer Leitfigur der jüdischen Jugendkultur und des Zionismus avanciert. (Vgl. Zohar Maor, Das Bild der Jugend: Der Prager Kreis zu Beginn des 20. Jahrhunderts, in: Yotam Hotam (Hrsg.), Deutsch-Jüdische Jugendliche im »Zeitalter der Jugend«, Göttingen 2009, S. 193-212, hier S. 199201.) Buber fühlte sich – schließlich war er damals erst 40 Jahre alt – noch ein wenig zu jung, um mit einer autobiographischen Abhandlung aufzuwarten und beschränkte sich daher darauf, die ihn prägenden geistigen Impulse zu beschreiben. Die »Sondernummer« der Mitteilungen wurde im Dezember 1917 publiziert. Bereits im darauffolgenden Jahr erschien sein Essay, stilistisch leicht überarbeitet, als eigenständige Broschüre im Druck. Buber ergänzte hier seinen kurzen Vorspruch um den Satz: »Aus dem Versuch, über die vielleicht bedeutsamste, jedenfalls wohl fruchtbarste dieser Begegnungen, die mit dem Chassidismus, ein weniges niederzuschreiben, erwuchsen die nachstehenden Aufzeichnungen.« (In diesem Band, S. 41.) Die Widmung des kleinen Buches – »Meinem lieben Vater gewidmet« (ebd.) –, die wohl als Gabe zu Carl Bubers (1848–1935) 70. Geburtstag gedacht war, fiel indessen auf keinerlei fruchtbaren Boden. Martin Buber sah sich von seinem Vater in einem undatierten Brief schroff in die Schranken gewiesen: »Beim Lesen Deiner Bekenntnisse sind mir schwere Bedenken aufgestiegen. Schon die Schilderung Deines Werdens wird schwerlich akzeptiert werden und der Ausdruck Seite 49 ›ich wurde des
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Einzelkommentare
Berufs inne‹ etc. ist ganz verfehlt. Du kündigst Dich ja förmlich als Messias an, das kann unmöglich stehen bleiben […].« (B I, S. 520-521.) Bereits in einem Brief zum Geburtstag seines Sohnes vom 6. Februar 1908 (vgl. B I, S. 260-261) hatte Carl Buber sein Missfallen über dessen Befassung mit dem Chassidismus artikuliert: »Glücklich wäre ich, wenn du dich von den Chassidischen und Sohar-Sachen lossagen würdest, da selbe nur geistesverwüstend und unheilvoll einwirken und es ist schade, Deine Fähigkeiten auf so ein fruchtloses Thema zu verwenden und so viel Arbeit und Zeit, sich und der Welt nutzlos, zu verbrauchen.« Bei Weggefährten und Rezensenten fand die kleine Schrift hingegen ein weitaus positiveres Echo. So schreibt etwa Gustav Landauer in einem Brief an Buber vom 10. Mai 1918: »Ich danke Ihnen für Ihren Weg zum Chassidismus. Was Sie da, vom Bericht zum Bekenntnis und zur Lehre aufsteigend, sagen, hat mir innig wohlgetan.« (B I, S. 531.) Eine geradezu enthusiastische Rezension in der Zeitschrift Neue Jüdische Monatshefte verfasste niemand geringeres als der bedeutende Musikwissenschaftler, Maler und Dichter Arno Nadel (1878-1943). Er befand: »Jede Seite des Heftes ist voll der für uns Juden, d. h. nichts anderes als für uns heutige Menschen, für uns, Kinder Gottes, die wir in allem und bei allem auf Gott schauen […] – jeder Satz ist voll der bedeutsamsten Probleme und Aufschlüsse.« (Arno Nadel, Rezension, in: Neue Jüdische Monatshefte 1 [1918/19], S. 23.) Tatsächlich verbindet Martin Buber in seinem Essay biographische Skizzen und Reminiszenzen über seinen Werdegang bis etwa 1910 (vgl. die dritte seiner Reden über das Judentum) mit grundsätzlichen Äußerungen über den Wesenskern des Judentums, über die ideale menschliche Gemeinschaft – wie sie sich ihm im osteuropäischen Chassidismus zu zeigen schien –, und schließlich über den Zionismus und die menschliche Verantwortung vor Gott. Der auf den ersten Blick recht unscheinbar wirkende Text enthält etliche zentrale Auffassungen Bubers – über den Chassidismus und darüber hinaus – die er in Teilen noch Jahrzehnte später aufrechterhielt. Die begeisterte Zustimmung mancher seiner Zeitgenossen, wie eben auch Arno Nadels, verwundert vor diesem Hintergrund keineswegs. Textzeugen: H: Handschrift im MBA (Arc. Ms. Var 350 dalet 31); 22 lose, paginierte Blätter; einseitig beschrieben mit blauer Tinte; undatiert; mit vielen Korrekturen versehen. D1: Mitteilungen des Verbandes der Jüdischen Jugendvereine Deutschlands, Chanukka-Nummer 5678/1917, 10. Dezember 1917, S. 181190 (MBB 186).
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D2: Frankfurt a. M.: Rütten & Loening 1918 (MBB 200), 28 S. d3: Teilabdruck des Abschnitts 45,24-47,38 unter dem Titel »Mein Weg zum Chassidismus«, in: Selbstwehr, Heft 28, 12. Jg., 26. Juli 1918, S. 2-3 (in MBB nicht verzeichnet). d4: Teilabdruck des Abschnitts 49,35-52,25 unter dem Titel »Eine humoristische und sinnvolle Begebenheit«, in: Selbstwehr, Heft 33, 12. Jg., 6. September 1918, S. 3 (in MBB nicht verzeichnet). D5: Die chassidischen Bücher, Hellerau: Jakob Hegner 1928, S. 657-672 (MBB 356). D6: Hinweise. Gesammelte Essays, Zürich: Manesse 1953, S. 179-196 (MBB 919). D7: Werke III, S. 959-973 (MBB 1219). Druckvorlage: D2 Übersetzungen: Tschechisch: in: Chasidske Povidky, ausgewählt und übersetzt von Otto F. Babler, Hlasy 1933 (MBB 556). Englisch: My Way to Hasidism, in: Hasidim and Modern Man, ed. and transl. by Maurice Friedman, New York: Horizon Press 1958 (MBB 1085). Niederländisch: Mijn weg naar het chassidisme, in: Martin Buber, De Chassidische bodschap, übers. von R. Boerke und C. Verhulst, Wassenaar: Servire 1968 (MBB 1311). Variantenapparat: 41,3 Meinem lieben Vater gewidmet] fehlt D1, D6, D7 41,4-5 Leitung des Verbandes […] hatte] Redaktion dieser Zeitschrift hat H 41,6-7 Es erschien mir verfrüht […] zusammenfassend] Aber es dünkt mich heute, da ich, wiewohl [an der Schwelle] ! im vierzigsten Jahr, das eigentliche Werk noch vor mir sehe, verfrüht, mein Leben überblicken und davon [wie von einem Ganzen] ! zusammenfassend H 41,6 Es erschien mir verfrüht] Doch dünkte es mich heute, da ich, wiewohl im vierzigsten Jahr, das eigentliche Werk noch vor mir sehe, verfrüht D1 41,7-8 zu wollen, ich kann nur erst] zu wollen. Wohl aber kann ich H, D1 41,9-14 Aus dem Versuch […] gern zugestimmt] Hier sei der vielleicht bedeutsamsten, jedenfalls wohl fruchtbarsten dieser Begegnungen gedacht: der mit dem Chassidismus H, D1
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41,16 Das hebräische Wort] Was ist der Chassidismus? / Das hebräische Wort H, D1 41,17-18 die den Namen Chassidim, Fromme, trugen] die diesen Namen trugen D1 41,18 von den Chassidim] fehlt D6 41,18 von jenen, über die] von denen H, D1 41,19-20 über eine […] berichtet] von einer der Lehre treugebliebenen und für sie kämpfenden Schar meldet D1 41,21 was dein ist, ist dein] was dein ist, ist mein D6, D7 41,22 bis auf jene] bis zu jenen D7 41,28 der Entartung verfiel] entartete H 41,36-42,1 Der zuweilen […] Historiker Graetz] Graetz H, D1 42,9-10 Seelenkraft] Seelenkraft [und die Seelenfreiheit] H 42,11-12 Unsterbliche] Göttliche H 42,12 sterblichen Leben] irdischen Leben H 42,22 in jedem Ding zu finden] überall zu finden H 42,23 jede reine Tat] alles H 42,24 gleichzusetzen] zu identifizieren H 42,25 Für die chassidische Lehre […] ganze Welt] [Gott ist für die chassidische Lehre nicht in der Welt unendlich? weniger] ! Die ganze Welt ist für die chassidische Lehre H 42,24 der pantheistischen] mit der pantheistischen D1 42,30-31 ganz in göttlicher Intention gesammelt,] und mit gesammelter Seele H 42,30-31 ganz in göttlicher Intention gesammelt] auf Gott gerichtet und gesammelt D6, D7 42,31 Intention] Ausrichtung D5 42,32 nur Gott] Gott D5, D6 42,38-39 Daß er […] Dingen bewähre] fehlt H, D1 43,1 g a n z e ] nicht hervorgehoben D5, D6, D7 43,2-3 Trennung zwischen […] Bewährung] [Scheidung] ! Trennung zwischen [Religiösem und Profanem] zwischen Lehre und Leben, hzwischen Wahrheit und Bewährungi H 43,4 Moral] Sittlichkeit H 43,4-5 e i n Reich, e i n Geist, e i n e Wirklichkeit] nicht hervorgehoben D5, D6, D7 43,11-12 Vollkommener] Bewährter, Vollkommener D6, D7 43,13 Bescheid zu wissen] Bescheid zu wissen, sie sprechen von »Aberglauben« und glauben Bescheid zu wissen H 43,15 Größe der Ahnen] Größe der Ahnen [, die die gläubige Phantasie der Gemeinschaft mit allen] H
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43,16 geschwunden] [erloschen] ! geschwunden H 43,16 sie bemühen sich] etliche bemühen sich D6 43,17 bewahren] erhalten H 43,19 Gestalt] [Gebärde] ! Gestalt H 43,19 verzerren] [verdrängen] ! verzerren H 43,20-22 wohl lebt […] der Ersten] wohl ist es nicht mehr jener hohe Glauben der ersten Chassidim, was in der heutigen Gemeinde lebt, nicht mehr jene [reine] ! starke Hingabe der Ersten H 43,21-22 , jene starke Hingabe der Ersten,] fehlt D7 43,23 das Unsterbliche seine sterbliche Erfüllung] Gott seine irdische Erfüllung H 43,23-24 vielmehr wenden sich die Heutigen] [und die ihm als einem Strahl der [Glorie] ! Urglorie huldigten] ! [dem »Wagen Gottes« huldigten] ! vielmehr wenden sie sich H 43,25 zu erlangen hoffen] erlangen können H 43,25-26 immer noch […] urtiefer Ehrfurcht] [urtiefer Seelenschauder] ! immer noch […] urtiefer Ehrfurcht H 43,28 zögernder] leiser H 43,29 Entarteten] Abgearteten D6, D7 43,35-36 Dies habe ich […] »finstern« chassidischen Masse […] erfahren] Dies ist es, was ich […] »dunklen« chassidischen Masse […] erfahren habe H, D1 44,1-2 wird der Zaddik […] angegangen] war es nun wesentlich Hilfe in irdischen Nöten, um die der Zaddik angegangen wurde H 44,4 , der Lehrer des Weltsinns,] h, der Lehrer des Weltsinns,i H 44,7 Seele] [Menschen] ! Seele H 44,9 dämmerten diese Fragen] [dämmerte dieses Wissen] ! dämmerten diese Fragen H 44,12-13 gottesfürchtiger] frommer H 44,14-15 doch unversehrt] dennoch unverkennbar H 44,16 G e m e i n d e […] F ü h r e r s c h a f t ] nicht hervorgehoben D7 44,19 Chassidim] Chassidim, die »grosse Klaus«, H 44,19 verzückten] lauten und gewaltsamen H, D1 44,20-21 den Rebbe […] empfand ich] zum erstenmal [einem Hochzeitstanz zugesehen] ! [dem Tanz mit der Thora zusah, fühlte ich »Gemeinde«, und als ich zum erstenmal] den Rebben das Gebet »Antworte uns« sprechen hörte, fühlte ich H 44,28 nach mehreren Jahren] nach einiger Zeit D1 44,39-40 den entscheidenden Jugendjahren […] und wohl] fehlt D1 44,40-41 wohl die schöpferische […] das Kind besaß] dem natürlichen Schauen und Erfahren des Kindes D6, D7
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45,6 Leben] wirklichen Leben H 45,8 vernahm ich] hörte ich H 45,11-12 (Herr des Guten […] geistigen Mächte)] (Meister vom Guten Namen) D6, D7 45,12 dem Sinn nach etwa Meister der geistigen Mächte] d. i. etwa Meister der Gewalten D1 45,13 Stifter] [Begründer] ! Stifter H 45,16-17 in diesem Krieg] fehlt D6, D7 45,17-18 armer Kleinkinderlehrer] Kleinkinderlehrer D7 45,24 Kindheit, die Zeit] Kindheit d3 45,25 Midraschforschers] grossen Midraschforschers H 45,26 Salomon Buber] mein Grossvater H 45,29 edlen] fehlt H 45,30 Bücher der Bibeldeutung] Deutungsbücher H, D1 45,30-31 , zerstreut in tausend Fragmenten,] h, zerstreut in tausend Fragmenten,i H 45,31 verbirgt] aufbaut H 45,33 Zuverlässigkeit] [Exaktheit] ! Zuverlässigkeit H 45,34 des talmudischen Meisters] [des Talmudisten] ! des talmudischen Meisters H 45,35 Bezügliche] Zugehörige H 45,35 Literatur] [einschlägigen] Literatur H 46,1 und einem elementaren Judenwesen] hund einem elementaren Judenweseni H 46,3 klang es […] Fürsten] tönte es [als sei ein König] ! wie die Rede eines Fürsten, der aus der Verbannung in sein Reich wiedergekehrt ist H 46,1 wie immer] wie häufig D6, D7 46,4 machte sich keine Gedanken] hatte keine Ideen H 46,4-5 er hatte das Judentum selber in sich] es wohnte in ihm D6, D7 46,6 in seinem Hause lebte] bei ihm lebte D6, D7 46,6 in den Wurzeln] [gegen die Einflüsse] ! in den Wurzeln H 46,7-8 nachdem ich es] nachdem ich sein Haus D6, D7 46,8 Wirbel] [Geisteswirbel] ! Gedankenwirbel H 46,12 Zentrum] [Fundament] ! Zentrum H 46,15 – in beweglicher Fülle […] ohne Judentum] – in beweglicher Fülle des Geistes, aber wie ohne Judentum H 46,17 Zionismus] Zionismus [, richtiger die Kunde vom ersten Zionistenkongress] H 46,18 Wiederherstellung] [Rückgabe] ! Wiederherstellung H 46,21 Intellekt] [Geist] ! Intellekt H
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46,22 unter den Jünglingen dieser Art und dieses Schicksals] unter diesen H, D1 46,23-24 die […] Bindung an heimatliche Erde] [das natürlich eingeborene Haften an] ! von Jahrtausenden ererbte, zutiefst eingeborene Verbindung mit heimatlicher Erde H das […] Band mit heimatlicher Erde D1 46,31 Insignien] [Güter] ! Insignien H 46,33 erfaßte] hinnahm H 46,41 , nach einigem Umhertappen,] h, nach einigem Umhertappen,i H 47,5-10 Hier sei eine Warnung […] Müttern bahnen.] fehlt D5, D6, D7 47,6-9 Es darf […] ankommt] es [gibt keine Übersetzungen] ! darf für ihn keine Übersetzungen geben. hÜbersetzungen führen in die Irre.i Mehr noch, es [gibt keine Chrestomathien] ! darf für ihn auf die Dauer keine Chrestomathien geben. hChrestomathien ertöten die Anstrengung des Steigens, auf die es ankommt.i H 47,13 der Welt des Wirrsal] dem Olam-ha-Tohu H, D1 47,14 das in keine] das wohl in keine D7 47,15 adäquat] fehlt H 47,16 ungelenker] fehlt D7 47,19 Testament] das Vermächtnis D6, D7 47,21 Eifers] [Bereitseins] ! Eifers H 47,23 zeugen] schaffen H, D1 47,24 als er seine Welt erzeugte] der seine Welt erschuf H, D1 als er Welten erzeugte D5 47,28 Gehalt] Kern H 47,30-32 Das Bild aus […] Menschen.] h[Die Erinnerung] ! Das Bild aus […] Menschen.i H 47,32-33 Und ich wurde des Berufs inne] Und ich fühlte den Beruf in mir H Zugleich wurde ich des Berufs inne D6, D7 47,33 sie der Welt zu verkünden] seine Botschaft der Welt zu verkünden H der Welt die Botschaft zu verkünden, D1 47,34-38 Erst aber kam […] entdeckend.] fehlt D5 47,35 der Partei] der zionistischen Bewegung D7 48,8-9 , in einer offenbar sehr entstellten Form,] fehlt D7 48,9 Form] Gestalt H 48,10 vornehmlich orientalischen] orientalischen und deutschen H 48,11-12 allegorisierende Geschichten, aus dem Niederschlag […] gewoben] allegorisierende Erzählungen D6, D7 48,17 haftete] haftete offenbar D7
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48,22-23 wenn ich dabei […] als Kinder] [wenn ich eine Absicht dabei hatte, so war es keine andere als die, meine Kinder, vielleicht auch andere] ! wenn ich dabei […] als Kinder H 48,24-25 den verwandten Geschichten aus Tausend und einer Nacht durchaus ebenbürtig] weit dürftiger als die verwandten Geschichten aus Grimms Sammlung und Tausend und einer Nacht H weit dürftiger als die verwandten Geschichten aus »Tausend und einer Nacht« D1 48,29 wahren] erhalten H 48,31 der rechte Maler] ein rechter Maler d6, D7 48,34 »Geschichte von dem Stier und dem Widder«] ergänzt Anmerkung In diese Ausgabe nicht mehr aufgenommen. D5 49,1 Gedicht] Werk d6, D7 49,4-5 Ich hatte die wahre Treue gefunden] Es war die [wahrhaftige] ! wahre Treue, was ich in der Arbeit gefunden hatte H 49,7 Noch stärker] kein Absatzwechsel d6, D7 49,7 meine eingeborene innere Verbindung] meinen Zusammenhang H 49,10 selber entnahm] entnahm D1 49,14-15 aufgezeichnet] [erzählt] ! aufgezeichnet H 49,19-20 von der Legende als rechtschaffenen Bericht meiner Erfahrung] als rechtschaffenem Bericht meiner Erfahrung von der Legende H, D1 49,23 Vollendung] [Veröffentlichung] ! Vollendung H 49,24 andere Art] andere, adäquatere Art D7 49,24-25 Treue gegen die volkstümliche chassidische Erzählung] Treue zur volkstümlichen chassidischen Erzählung D7 49,25-26 eine Art, deren Zeugnis […] sein wird] fehlt D5, D6, D7 49,26 z u m Chassidismus] nicht hervorgehoben D5, D6, D7 49,30-31 (neben manchen andern […] bleiben sollen)] h(nebst manchen anderen […] sollen)i H fehlt D6, D7 49,32 vor ungefähr sieben Jahren] 1910 oder 1911 D5, D6, D7 49,35 Nach einem Vortrag] kein Absatzwechsel D6, D7 49,35 dort] in Czernowitz d4 49,Anm Zukunftsbrief] ungeschriebene Brief H, D1 50,2-3 in ein Kaffeehaus, um, wie es mir lieb ist] in ein Kaffeehaus, [ich konnte schon damals keine Gelegenheit, junge Menschen kennen zu lernen und auf sie einzuwirken], ! um, wie es mir lieb ist H 50,3 die in ihrer Form] deren Form D6, D7 50,5 im Eingehen] [in der Anwendung auf Gegenstände] ! im Eingehen H 50,10 beantwortete] erwiderte H 50,15 lauschte] hörte H
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50,19 den Inhalt] [die Bedeutung] ! den Inhalt H 50,22 er mir vielleicht etwas zu sagen hätte] er [etwa einen Wunsch habe, den ich ihm erfüllen könnte] ! mir vielleicht etwas zu sagen hätte H 50,27-28 Das Gespräch […] standen auf.] fehlt D6, D7 50,30 beschloß] ergänzt mit den jungen Leuten D6 50,41 präsumtiven Eidam] [jungen Menschen] ! präsumtiven Eidam H 51,8 , offenbar als Letztes] fehlt H 51,9 gehen] fehlt D1 51,13 halb klagenden, halb begreifenden] [verstehend?] ! [nicht verständnisvollen] ! [von der Notwendigkeit X X] ! halb klagenden, halb [anerkennenden] ! begreifenden Blick H 51,15 w o l l e n ] nicht hervorgehoben d4, D5 51,19 ihn gewährt] ihn gewährt [, ich lernte X eine Funktion der Zaddikim X X kennen] H 51,20-22 und durch die befleckte Wirklichkeit hindurch […] geahnt] in der Erscheinung der befleckten Wirklichkeit […] zu ahnen bekommen D7 51,27-29 sondern ein vor Gott […] vergehender Mensch] [sondern ein ewig neu um ihn ringender und ewig neu an seinen Abgründen gefährdeter Mensch] ! sondern ein vor Gott […] vergehender Mensch H 51,28 ewig […] ewig] immer […] immer D1, D5, D6, D7 51,30 entgegnend] antwortend H 51,31 Entgegnenden] Antwortenden H 51,31 von innen] ergänzt – damals zum erstenmal D5, D6, D7 51,31 erlebte] erfuhr D7 51,32-33 Ve r a n t w o r t u n g ] nicht hervorgehoben D5, D6, D7 51,35 bewegt sich] [handelt] ! bewegt sich H 51,36 Bewegungen] [Handlungen] ! Bewegungen H 51,41 winziger] [geringer] ! winziger H 52,1-2 unendlichen] [tiefen] ! unendlichen H 52,7 ungeheuer] unendlich H 52,8 dem Allgemeinen] dem Allgemeinen [nicht Verkörperten, dessen Blick sie] H 52,11 Entscheidung heischt] Entscheidung heischt [; sie haben es mit Abstraktionen, nicht mit Personen – nur mit Allgemeinheiten nicht mit] H 52,12 den wahren Zaddik] den Zaddik als Idee H 52,16 kleinen] berichtigt aus klein nach d4, D6, D7 52,17 Menschen] [Scharen] ! Menschen H
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52,18 Ausspruch] Anspruch d4 52,20 besteht nichts Leibliches] [ist Leibliches und Geistiges unsäglich verschmolzen] ! besteht nichts Leibliches H 52,20 nicht verklärt, besteht kein Stoff, der] fehlt H 52,21 zum Geist] zu seinem Geiste H 52,21-22 e r e r h e b t i h r e N o t , e h e e r s i e s t i l l t ] nicht hervorgehoben H 52,22 der Helfer im Geist] ihnen der wahrhafte Helfer, der Helfer im Geist H Wort- und Sacherläuterungen: 41,18 Chassidim] Die Chassidim (griech. Assidaioi; vgl. 1 Makk 2,42) waren eine religiös traditionalistisch ausgerichtete Gruppe, die sich dem Aufstand der Makkabäer (ab 167/166 v. Chr.) anschloss. 41,21 »Was mein ist […] was dein ist, ist dein«] Redewendung aus der Mischna mAv V, 10 (BT, Bd. IX, S. 680), die darauf verweist, man solle als Chassid in einer Streitigkeit besser dem Gegenüber recht geben, selbst wenn man im Unrecht ist, als unversöhnlich auf dem eigenen Recht zu beharren. In den späteren Abdrucken in Hinweise und der Werkausgabe von 1963 wurde die Stelle irrtümlich verändert, vgl. hierzu den Variantenapparat zu 41,21. 41,22-23 bis auf jene »Chassidim«, deren anderthalbtausend im Jahr 1700] Angeführt von Rabbi Jehuda Chassid (1660-1700) zog im Jahre 1700 eine Gruppe von 1500 aschkenasischen Juden nach Palästina und ließ sich in Jerusalem nieder. Die Auswanderung bildete den Höhepunkt einer Bußkampagne, bei der Jehuda in Polen, Böhmen, Mähren und Deutschland um Bußfertige warb. Das Unternehmen verlief allerdings tragisch; man schätzt, dass allein bei der beschwerlichen Reise nach Palästina ein Drittel der Teilnehmer ums Leben kam. 42,1-2 Graetz weiß diesen »Neuchassidäern« […] nachzusagen.] Der berühmte Historiker des Judentums Heinrich Graetz (1817-1891) vermittelt in seiner monumentalen elfbändigen Geschichte des jüdischen Volkes ein überaus negatives Bild des osteuropäischen Chassidismus. Vgl. »Das neue Chaßidäertum«, in: Geschichte des jüdischen Volkes, Bd. 11, Leipzig 1900, Zweite Auflage, S. 95-118. 42,3 Moses Heß] Moses Hess (1812-1875) war einer der frühen Sozialisten und Urväter der zionistischen Bewegung. In seinem 1862 entstandenen Hauptwerk Rom und Jerusalem heißt es: »Der Chasidäismus dagegen bildet noch innerhalb des lebendigen jüdischen Geistes selber der mehr instinktmässig als bewusst, von der modernen Zeit ergriffen wurde, den Uebergang aus dem mittelalterlichen Judent-
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hum zu einem regenerirten, welches erst in der Entstehung begriffen ist; die Folgen des Chasidäismus sind unberechenbar, wenn sich die nationale Bewegung seiner bemächtigt.« Moses Hess, Rom und Jerusalem, Leipzig 1899, Zweite Auflage, S. 179. 42,11 wie Jakob den Engel] Vgl. Gen 32,23-32. 42,25-31 Für die chassidische Lehre […] gesammelt, vollbringt.] Buber bietet hier eine kurze Zusammenfassung einiger Konzepte des Baal Schem Tov. Ihm zufolge ergibt sich aus der Schöpfung der Welt durch das Wort (vgl. Gen 1,3 u. ö.), dass die ganze Welt aus Buchstaben zusammengesetzt ist, in denen göttliche Essenz (»Funken«; der Begriff stammt aus den kosmogonischen Reflexionen Isaak Lurias; 1534-1572) verborgen ist. Daraus ergibt sich, dass Gott in jedem Ding, in jedem Lebewesen, aber auch in jedwedem menschlichen Reden und Handeln in verhüllter Weise präsent ist: »Kein Ort ist leer von Ihm.« – lautet folgerichtig eine der Kernsätze des Baal Schem Tov. Wer in »göttlicher Intention« (wieder ein zentraler Begriff Lurias: Kawwana) hinter die Oberfläche der Dinge, Worte und Taten zu blicken bereit ist, wird dort Gott entdecken. 43,10 Sadagora] Sadagóra, eine kleine Stadt nahe Czernowitz, diente ab 1842 als Sitz Israels von Rižin (1797-1850), des Begründers der Friedman-Dynastien. Israel von Rižin, ein Urenkel des Großen Maggid von Mesritsch (1704-1772), hatte sechs Söhne, von denen fünf eigene chassidische Dynastien begründeten (vgl. Husiatyń, Buhuşi, Bojan, Czortkóv, Ştefăneşti und Sadagóra). Die meisten von ihnen spielen noch heute eine wesentliche Rolle. 43,27-28 beim dritten Sabbatmahl] Das dritte Sabbatmahl (hebr. Seʿ uda Schlischit), das letzte und eigentlich kleinste der drei vorgeschriebenen Essen am Sabbat, wurde durch die Kabbalisten des 17. und 18. Jahrhunderts in seiner Bedeutung aufgewertet. Die Chassidim übernahmen diesen Brauch. Das dritte Sabbatmahl entwickelte sich in einigen chassidischen Dynastien zu einer öffentlichen Veranstaltung, während derer der Zaddik (Rebbe) seine Anhänger an einer langen Tafel (»Tish«) begrüßte und ihnen u. a. Worte der Tora mit auf den Weg gab. 43,30-33 das Wort des Rabbi Eleaser […] den vollkommenen«] Das vollständige Zitat aus bJoma 38b lautet: »Es sagte Rabbi Elʾ asar: Sogar um eines [einzigen] Gerechten [Zaddik] willen wurde die Welt geschaffen, wie gesagt ist: ›Und Gott sah das Licht, dass es gut war.‹ (Gen 1,4) – [Es bedeutet aber] nicht ›gut‹, sondern Gerechter, wie gesagt ist (Jes 3,10): ›Sagt dem Gerechten, dass er gut ist.‹« (Vgl. auch BT, Bd. III, S. 104.)
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44,35-36 David Mosche] David Mosche von Czortkow (1828-1903): in der Einleitung zu Die Erzählungen der Chassidim (1949) schildert ihn Buber als: »eine[n] Mann von weicher, den Kreaturen zugewandter Menschlichkeit«, S. 72 (jetzt in: MBW 18.1, S. 165). 45,26 Salomon Buber] (1827-1906); Großvater Martin Bubers. Salomon Buber war einer der Ersten, der den rabbinischen Midrasch erforschte. Er sammelte Handschriften und seltene Drucke und gab zahlreiche kritische Editionen dieser Texte heraus. 46,13-14 »Olam ha-Tohu«, die Welt des Wirrsals] Olam ha-Tohu (hebr. »Welt des Chaos« bzw. »Zeitalter des Chaos«) bezeichnet ein kabbalistisches Konzept, das insbesondere bei Luria die erste Phase der Entwicklung der Schöpfung repräsentiert. Olam ha-Tohu ist gekennzeichnet von absteigenden spirituellen Welten, die im Verlaufe der Geschichte des Universums wieder zu ihrem göttlichen Ursprung emporgehoben werden müssen. Im Kontext lurianischer Kabbala (und auch vieler chassidischer Systeme) wird jenes Zurückführen als Tikkun (hebr. »Reparatur«; »In-Urstand-Setzung«) bezeichnet. Folgerichtig bezeichnet Olam ha-Tikkun (hebr. »die Welt der In-UrstandSetzung«) das epochale Gegenstück zur Olam ha-Tohu, und ist so die zweite Phase der Entwicklung der Welt. Gleichzeitig stehen Olam haTohu und Olam ha-Tikkun für mentale und psychische Urzustände – für Depression und Enthusiasmus, Niedergang und Aufstieg, Resignation und Aktion etc. 47,8 Chrestomathien] Sammelschriften von Texten oder Textauszügen. 47,10 den Weg zu den Müttern] Vgl. in Johann Wolfgang Goethes Faust II, die Szene »Finstere Galerie«. 47,19-20 »Zewaat Ribesch«] Beim Tzawaʾ at ha-Ribasch (Das Testament des Rabbi Israel Baal Schem; 1793 erstmals gedruckt) handelt es sich um eine Sammlung von Sentenzen und Anleitungen zum spirituellen Leben (sog. Hanhagot). Anders als der Name suggeriert, repräsentieren sie die Auffassungen des Dow Bär, des Großen Maggid von Mesritsch (poln. Międzyrzecz). Das von Buber erwähnte Zitat findet sich im Tzawaʾ at ha-Ribasch (Warschau 1915) auf S. 5 (fol. 3a; vgl. Ausgabe Brooklyn 1998 § 20, S. 9). Vgl. Des Baal-Schem-Tow Unterweisung, in diesem Band S. 105. 47,35 Tätigkeit in der Partei] gemeint ist die zionistische Verbandstätigkeit. 48,5 »Sippure Maaßijot«] Die Sippure Maʿ assijot des Nachman von Brazlaw (1772-1811) erschienen erstmals postum 1815 im Druck. Buber tut ihnen Unrecht, wenn er sie als »entstellt« brandmarkt. In jedem Fall inspirierten sie große Autoren der hebräischen und jid-
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dischen Literatur (wie Schmuʾ el Josef Agnon [1888-1970] oder Pinchas Kahanowitsch [1884-1950], genannt »der Nister«) zu eigenen kunstvollen Erzählungen. 48,34 »Geschichte von dem Stier und dem Widder«] Diese Erzählung, die in Die Geschichten des Rabbi Nachman enthalten ist, hat Buber nicht in sein 1928 erschienenes Sammelwerk Die chassidischen Bücher aufgenommen, weil sie ihm inzwischen »allzu fremd geworden« war. Buber, Die chassidischen Bücher, S. IX (jetzt in: MBW 18.1, S. 88). 49,8 dem zweiten Buch] Die Legende des Baalschem, Frankfurt a. M.: Rütten und Loening 1908 (jetzt in: MBW 16). 49,20-22 »Ich trage in mir […] sie in mir neu geworden«.] Vgl. ebd., S. 5. 49,25-26 »Die Welt der Chassidim«] Ein Buch diesen Titels ist von Buber nicht realisiert worden. 49,35-50,1 es war die dritte meiner »Drei Reden über das Judentum«] Es handelt sich dabei um die Rede »Die Erneuerung des Judentums«, in: Buber, Drei Reden über das Judentum, S. 57-102 (jetzt in: MBW 3, S. 238-256). 49,30-51,33 Wohl aber gehört noch […] in seiner Ve r a n t w o r t u n g .] Kaum verändert aufgenommen in Begegnung. Autobiographische Fragmente, S. 29-32 (jetzt in: MBW 7, S. 291-293). 51,30 den wahren Zaddik] Der »wahre Zaddik« resp. der Zaddik ha-Dor (hebr. »Der Zaddik der Generation«) ist ein Begriff, der beispielsweise bei Nachman von Brazlaw eine große Rolle spielt. Das Konzept besagt, dass unter den zahlreichen (teils auch zweifelhaften) Führungsgestalten einer Generation jeweils einer verborgen ist, der das Potential zur messianischen Erlösung hat, sollte sich seine Zeit ihrer als würdig erweisen. Vgl. in diesem Band, S. 52. Geleitwort [Geleitwort zu Der große Maggid und seine Nachfolge] Mit Der große Maggid und seine Nachfolge nahm Martin Buber 1921 seine Edition chassidischer Erzählungen nach einer längeren Unterbrechung wieder auf. Seit der Publikation von Die Legende des Baalschem (1908) hatte er im Wesentlichen nur noch einzelne Erzählungen in Zeitschriften und Anthologien veröffentlicht (vgl. deren Einzelnachweis in MBW 18.2, S. 760-779). Mit Der große Maggid und seine Nachfolge legte er seine bisher umfänglichste Sammlung chassidischer Erzählungen vor. Den Legen-
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den, die er nach ihren Hauptakteuren chronologisch ordnete (vgl. MBW 18.1, S. 51-67), stellte Buber ein ausführliches »Geleitwort« voran, das der religionshistorischen und geistesgeschichtlichen Verortung des Chassidismus und der von ihm ausgewählten Texte dient. Dieses »Geleitwort« kommt in dem vorliegenden Band zum Abdruck. Der große Maggid und seine Nachfolge erlebte im Jahre 1937 eine zweite Auflage. Schon 1928 hatte Buber die Sammlung in seine erste große Anthologie seiner chassidischen Werke aufgenommen, die unter dem Titel Die chassidischen Bücher bei Jakob Hegner in Hellerau erschienen war (Dokumentation der Sammlung in: MBW 18.1, S. 88-114). Anders als seine Erstlinge, Die Geschichten des Rabbi Nachman (1906) und Die Legende des Baal Schem, benötigte Der große Maggid und seine Nachfolge dafür nach Bubers Einschätzung keine durchgreifende Neubearbeitung, sondern erfuhr lediglich Ergänzung durch weitere Legenden (vgl. Buber, Die chassidischen Bücher, S. IX-X, jetzt in: MBW 18.1, S. 88 f.). Bubers »Geleitwort« zeigt sich streng dreiteilig konzipiert und durchgeführt: Auf eine generelle Kontextualisierung des Chassidismus als einer Reformströmung im Vergleich zu anderen spirituellen Bewegungen innerhalb und außerhalb des Judentums (unter dem Titel »Geist«, vgl. in diesem Band, S. 53-61), folgt eine ausführliche Darlegung der Funktion des Zaddik innerhalb des osteuropäischen Chassidismus (»Leib«, S. 6173), bevor Buber die Helden der in der Sammlung enthaltenen Legenden, vom Baal Schem Tov und seinen Schülern bis zu Menachem Mendel von Kozk (1787-1857), kurz einführt und vorstellt (»Schicksal«, S. 73-96). Buber hatte – so lässt der Briefwechsel zwischen ihm und Gershom Scholem erkennen – vor Erscheinen des Werks seinen späteren Kontrahenten um dessen Meinung zum »Geleitwort« nachgesucht (vgl. B I, S. 86-89 und S. 90-91). Die Diskussion beider kreiste letztlich um die Frage, ob es im chassidischen Lehrgebäude gegenüber der Kabbala neue Entwicklungen gebe. So schreibt Scholem in seinem Brief vom 15. Oktober 1921: »Daß da irgend etwas Neues ist, gibt ja jeder nach wie vor zu, im Gegenteil, es wird jetzt erst wichtig, hinter dieses Etwas zu kommen.« (B II, S. 87.) Buber suchte den innovativen Ansatz des Chassidismus mit dem Terminus der »Entschematisierung des Mysteriums« zu erfassen, was den stets skeptischen Scholem nicht restlos überzeugte (vgl. ebd., S. 88). Er ziehe es vor, in der deutlichen Rückbindung an das historische Denken das Unterscheidungsmerkmal des Chassidismus gegenüber der Kabbala zu erkennen (vgl. ebd., S. 87-88). Ursächlich für die definitorischen Schwierigkeiten – so Scholem sehr zu recht – sei der Umstand, dass man weder von der Kabbala, noch vom Chassidismus als einer homogenen Größe sprechen dürfe (vgl. ebd., S. 88-89).
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Textzeugen: h: Handschrift im MBA (Arc. Ms. Var 350 dalet 10); 14 lose, unpaginierte Blätter, einseitig beschrieben mit blauer Tinte; undatiert; mit zahlreichen Korrekturen versehen; enthält den ersten Abschnitt »Geist«, in diesem Band S. 53-61. d1: Vorabdruck von Teilen des Abschnitts »Geist« unter dem Titel »Chassidische Lehre«, in: Die neue Rundschau, 12. Jg., Bd. 2, 1921, S. 724-732 (in MBB nicht verzeichnet). D2: Der große Maggid und seine Nachfolge, Frankfurt a. M.: Rütten und Loening 1922, S. XIII-XCVI (MBB 267). d3: Teilabdruck. Enthält die Abschnitte 54,16-21, 54,27-33, 59,11-40, 61,11-15, 62,8-63,18. 63,32-64,41, 65,13-27, 65,31-66,2, 67,9-13, 67,3868,16, 69,6-30 unter dem Titel »Religiöses Wirken«, in: Blätter für Religiösen Sozialismus, 3. Jg., Heft 9, September 1922, S. 34-36 (MBB 278). D4: Die chassidischen Bücher, Hellerau: Jakob Hegner 1928, S. 340-404 (MBB 365). (Seit 1931 als Titelauflage im Schocken Verlag Berlin [MBB 446]). d5: Teildruck der ersten beiden Abschnitte unter dem Titel »Geist und Leib der chassidischen Bewegung«, in: Deutung des Chassidismus. Drei Versuche, Berlin: Schocken 1935, S. 7-41 (MBB 519). D6: Der große Maggid und seine Nachfolge, Berlin: Schocken Verlag 1937, S. 19-100 (MBB 557). 7 d : Teildruck der ersten beiden Abschnitte unter dem Titel »Geist und Leib der Bewegung«, in: Die chassidische Botschaft, Heidelberg: Lambert Schneider 1952, S. 95-127 (MBB 886). d8: Teildruck der ersten beiden Abschnitte unter dem Titel »Geist und Leib der Bewegung«, in: Werke III, S. 803-828 (MBB 1219). Druckvorlage: D2 Übersetzungen: Textgrundlage der Übersetzungen ist jeweils der Teildruck d5 »Geist und Leib der chassidischen Bewegung«. Hebräisch: Rucha we-gufa schel ha-tnuʿ a, in: Martin Buber, Be-fardes ha-chassidut. Ijunim be-machschavta va-havajata, Tel Aviv: Mossad Bialik 1945, S. 59-78 (MBB 724). Englisch: Spirit and Body of the Hasidic Movement, in: Martin Buber, Mamre. Essays in Religion, translated by Greta Horn, Melbourne: Melbourne University Press 1946 (MBB 741); Spirit and Body of the Hasidic Movement, in: Martin Buber, Hasidism, New York: The Philosophical Library 1948 (MBB 785); Spirit and Body of the Hasidic
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Movement, in: Martin Buber, The Origin and Meaning of Hasidism, edited and translated by Maurice Friedman, New York: Horizon Press 1960 (MBB 1139). Variantenapparat: 53,1-7 Bewegungen, die eine […] Gedankens gegenüber] [Zum Unterschied von gesellschaftlichen [Umwälzungen] ! Bewegungen, die der vorgefundenen Ordnung zumeist die Axt an die Wurzel legen] ! Bewegungen, die eine [Umwälzung des Gesellschaftlichen] ! Erneuerung der Gesellschaft anstreben, [weil sie dem Gewordenen, das sie als von Grund aus [böse oder] als entartet verwerfen, ein von Grund aus X Gedachtes und Gewolltes gegenüber] ! wollen der vorgefundenen Ordnung zumeist die Axt an die Wurzel legen; sie setzen dem Gewordenen, das sie als übel X X oder als entartet verwerfen, ein von Grund aus andersartiges Erzeugnis des wollenden Gedankens gegenüber H 53,9-10 das von einer echten religiösen Bewegung vertreten wird] das sie verstehen H 53,16-17 Bewegungen in ihrem Verhältnis […] fortschreiten] Bewegungen [aber können sehr verschiedene Entwicklungen führen] ! [sehr verschieden entwickeln] ! in ihrem Verhältnis […] fortschreiten H 53,17 Entweder das altneue Prinzip] [Geschieht es, dass das altneue Prinzip sich der Idee, die es trägt X X, in einem Menschen so unbedingt als in dem zu Wiederbringung und Einlösung Gekommenen verkörpert, dass schon die Urgemeinde [es nicht mehr von ihm] ! es nur noch [in Verbindung mit ihm] ! als mit ihm identisch, also nicht mehr als reine Botschaft sondern als sein Leben selbst zu fassen vermag, dann vollzieht sich die völlige Scheidung nach einem oder wenigen Geschlechtern: der zentrale Mensch tritt in die alte Götterwelt ein oder er verdunkelt sie, in beiden Fällen wandeln sich die mythisch-dogmatischen und die magisch kultischen Funktionen in ihrem ganzen Ausmass; solche Bewegungen werden als stifterische bezeichnet.] ! Entweder das altneue Prinzip H 53,18 als Licht] ans Licht D4, D6, d7, d8 53,20 dem Spätstand] fehlt H 53,22 Wandlung und Scheidung] [Scheidung nach einem oder wenigen Geschlechtern] ! Wandlung und Scheidung H 53,22-23 ; solche Bewegungen […] bezeichnet werden] h; solche Bewegungen […] bezeichnet werdeni H 53,26-27 die mythisch-dogmatischen […] unberührt bleiben] [nicht die mythisch-dogmatischen und die magisch-kultischen Funktionen
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selbst sondern nur der Überbau sich wandelt] ! die mythisch-dogmatischen […] unberührt bleiben H 53,28 im Wesentlichen] fehlt H 53,31 ungeschmälerter] ungeschmälerter und ungeschwächter H 53,35 Beseeltheit] [Bedeutung] ! Beseeltheit, einen neuen Ausdruck H 53,37 Scheidung] [formale] Scheidung H 54,2-3 von innen] [mit ihrer Wärme] ! von innen H 54,4-13 das sich bald […] noch fortbesteht] [in dem diesen die Enderfolge zuzufallen pflegen, zumindest der Erfolg zufällt, die Intensität der Bewegung erheblich zu mindern xxx] Leerstelle im Text H 54,14 wollen nicht etwa dem Menschen] [ist es eigentümlich, dass sie nicht auf ein allgültiges System des Seins und Sollens, eines Zusammenhangs von Aussagen über das heimliche Wesen der Welt und von Vorschriften] ! wollen dem Menschen nicht H 54,18-19 Aber unter ihnen […] um ein allgültiges] Es ist ihnen nicht um ein allgültiges d3 54,19 allgültiges Wissen] allgültige Wahrheit H 54,20-21 , den ewigneuen Schoß der ewigen Wahrheit,] fehlt H 54,21-26 Darum eben […] neu erscheinend] fehlt d3 54,21 diese Bewegungen] sie d1 54,22 einen Zusammenhang] [das System] ! einen Zusammenhang H 54,22 Glaubenssätze] Aussagen H 54,27 Besonders deutlich] davor kein Absatzwechsel d5 54,27-28 Von oberstem Belang] Von entscheidender Wichtigkeit H 54,29 dem Menschen] der Welt »von selbst?« H 54,33 verkündet.] ergänzt [Der Chassidismus ist vor allem andern die Lehre von der metaphysischen Verantwortung.] H 54,37 der riesenhafteste Aufbau] das gewaltigste System H 54,39 der Gnosis […] überlegen] nach der Gnosis der [bedeutendste] ! durchgebildetste Aufbau geistlicher Kunde H 55,1-2 Individual verbunden […] Kabbalisten] Diese zwei Überlieferungsreihen waren naturgemäss immer wieder individual vereinigt gewesen – jeder Kabbalist war ja dem Gesetz [botmäßig] untertan H 55,7 Gottes in der Welt.] ergänzt [Auch dieses Prinzip selber ist das X einer Synthese. / Auch dieses Prinzip selbst aber ist das Produkt einer Synthese zweier Elemente, deren eines aus den Geisterwelt? des Gesetzes, das andere aus dem der Kabbala stammen] H 55,9 metaphysischen] transzendentalen d8 55,9 heimlicher] [ist [ein uralter jüdischer Grundzug] ! eine uralte jüdische Idee im Judentum, unendlicher] ! heimlicher H 55,12 Gerechten] Rechtschaffenen D6
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55,16 hervortritt] [erscheint] ! hervortritt H 55,17 Schicksal in der Welt] [Weltschicksal] ! Schicksal in der Welt H 55,18 Mythisch lebendig] Bildkräftig H 55,18 schon in iranischer Religiosität] in Auswirkungen iranischer Religiosität D6, d8 55,18-19 – uns überliefert […] –, dann begrifflicher] , begrifflicher D6, d8 55,19 Umbildung] Ausformung H 55,21 werden soll.] ergänzt [Dieser Konzeption eigentümlich ist der Glaube an eine urböse] H 55,25 Wesen] [Prinzip] ! Wesen H 55,31 Herrlichkeit] Glorie d8 55,34-35 Sinn der Weltschöpfung] [notwendig] ! fundamentalen Sinn der Weltschöpfung [und Weltführung] H 55,37 Gott ist?] ergänzt [Wie kann neben dem Unbedingten ein Bedingtes, ausser dem Unendlichen ein Endliches bestehen? Wie kann auch etwas neben dem Unbedingten, ausser dem Unendlichen bestehen?] H 56,1-2 Mangelhafte] Unvollkommnes H 56,3 Gott schränkte sich] Gott [in seinem ureinen Sein wollte die Zwei, die zwischen dem die Einheit wieder wollte] ! schränkte sich H 56,5 erkannt, geliebt] [erkennen und] erkannt [werden], [lieben und] geliebt H 56,7-8 So entstrahlten ihm die Sphären] [Darum schränkte sich Gott zur Welt ein] ! So [entstrahlte ihm das schrankenlose Urlicht] ! entstrahlten ihm die Sphären H 56,11 »Ort«] »Ort« – so wird der uralte Gottesname Makom schon früh erklärt – H 56,11 Kern er ist.] ergänzt Dieser Prozess ist nicht zeitlich, die Zeit selber entstrahlt; am deutlichsten sagt das ein chassidisches Wort: als einer den grossen Maggid fragte, warum Gott die Welt nicht »früher« erschaffen habe antwortete er: »Auch die Zeit ist erschaffen worden«. Und der Prozess ist nicht sinnlich, der Raum selber entstrahlt; wieder sagt ein chassidisches Wort es am deutlichsten: H 56,13 über den unteren wären] über den unteren sind d1 56,18 Unbegrenzten] Schrankenlosen d8 56,19-20 , die äußerste […] genannt] fehlt d7, d8 56,21 kein Böses] [nicht das Unvollkommene] ! kein Böses H 56,21-22 das Mangelhafte […] Vollkommneren] [es gibt nur die Schalenhaftigkeit] ! ja alles Unvollkommene und Bedingte besteht nur insofern, als alles Schale eines Vollkommneren und dieses wieder Schale ist [: das Böse ist nicht Substanz sondern] H
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56,21-22 ist nur Hülle und Haft eines Vollkommneren] ist Gewand eines Vollkommneren, alles Übel Gehäuse des Guten d1 56,23-24 Alles Weltsein […] dieses System] Ist somit alles Weltsein [nur eine Hülle] ! nicht substanzhaft real, sondern, wiewohl nicht Schein, so doch nur ein System immer dichterer Verhüllungen, so ist es doch eben dieses System H 56,23 ist somit] ist somit nicht substanzhaft real; es ist d1 56,25-26 , schicksallos, eine schicksalerfahrene] eine schicksalhafte, schicksalerfahrene H 56,29 reine] [erstgeborene] ! reine H 56,30 Welt der Ideen] Welt der Ideen [, die Stätte des Genius] H 56,33-34 dieser unüberbietbar schalenhaften,] fehlt d7, d8 56,35 hausen] [leben] ! hausen H 56,35 lichtätherhafter] hlichtätherhafteri H 57,3 wollte] wollte [und erzeugte] H 57,4 Anderheit] Wesenheit, Anderheit H 57,6 Macht] Wesenheit H 57,10-11 Sphäre reckte sich […] Welt hinweg] Sphäre schoss an Sphäre an, Welt baute sich auf Welt auf H 57,11-12 der Wandlungen] [des Zeugenden] ! der Wandlungen H 57,19 äußerstes] letztes, äußerstes H 57,25-26 in vorderasiatischen] in [vielerlei Gestalt in Manichäismen und Hermetik, jüdischer Apokalyptik und jüdisch] ! [iranischen Kulturen und X Mysterien X X] ! vorderasiatischen H 57,33-34 aus dem Wuchern aller Sphären gewachsen] aus [allen Elementen gemischt] ! dem Wuchern aller Sphären gewachsen H 57,36 stoffwechselnde] [weibgeborne] ! stoffwechselnde H 57,36 unzählbar] [myriadenhaft] ! unzählbar H 57,37 Anderheit] Wesenheit H 57,39 volle Erbe] echte Erbe H 58,2-3 von hier aus erst kann »der Jordan aufwärts fließen«] [hier kann erst kann die Umkehr geschehen] ! von hier aus erst kann »der Jordan aufwärts fließen« H 58,3 die Entscheidung.] ergänzt Absatzwechsel [Keine der oberen, innerlicheren Welten, erst diese äusserste, diese Welt der Schalen ist befähigt zum Olam hatikun.] H 58,4 Lehren] [Religiositäten] ! Lehren H 58,10-11 seinem Ursinn nach] hseinem Ursinn nachi H 58,14 nähere] [vereine] ! nähere H 58,15 Gott harrt seiner] hGott harrt seineri H 58,16 A n t w o r t ] ergänzt Gott erlöst die umkehrende Welt. H
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58,19-20 , in der »die Gestalt […] zu geben] h, in der »die Gestalt […] zu gebeni H 58,22 des Menschen.] ergänzt Absatzwechsel »Henoch war ein Schuhflikker. Bei jedem Stich seiner Ahle, der Sohle und Oberleder verband, sprach er: Um [den Heiligen, gesegnet sei Er,] ! Gott und seine Schechina zu vereinigen.« / Dies ist das altneue Prinzip, das der Chassidismus vertritt: das Prinzip der [metaphysischen] ! kosmischen und metakosmischen Verantwortung des Menschen [, die Weihe des All-Tags]. Darum ist dem Chassidismus – wie schon dem alten Judentum, nicht bloß dem urchristlichen, sondern auch dem echten pharisäischen – der Sünder so wesentlich: weil der die Kraft der Umkehr hat.] H 58,25 notwendigen Wegs.] ergänzt [Erst der Sünder hat die Kraft der Umkehr.] H 58,31 mit ihm geht] ihm folgt [, und je weiter der Fall X, desto mehr »hängt alles an der Umkehr«] H 58,33-35 einer kosmischen K o n z e p t i o n […] vollzogen] der [kosmologischen mit historiosophischer] ! kosmischen mit geschichtlicher Konzeption von Bannung und Lösung, [der Kabbala mit mancher andern] ! nach altjüdischen Überlieferungen in der Kabbala ausgeführt [und in ihr mit andern Erscheinungsformen] H 58,33 K o n z e p t i o n ] nicht hervorgehoben d1, D4, d5, D6, d7, d8 58,37 eingeengt] in ihrem [Absolutheitscharakter] ! Unbedingtheitscharakter geschwächt und eingeengt H 58,39-59,3 hinzugeben […] entsteht leicht] zu verlieren. Wenn die Kausalität der Tat aus dem Aspekt der Ahnung in den der Erfahrung gerückt [wird, ergibt sich leicht eine theurgische Praxis, die die Erlösung durch bestimmte] ! und [der Anbruch der Ewigkeit] ! die Vermählung von Zeit und Ewigkeit, die man nicht begreifen und doch wollen kann, einen erträumten künftigen Geschichtsabschnitt als Ziel einer aussergeschichtlichen Aktion substituiert wird, ergibt sich leicht H 59,3 formelhafte] normierte H 59,4-5 Diese Praxis erhebt sich […] Überspannungen] So entstehen jene [magieartigen] ! gewaltigen und ins Leere wuchtenden Überspannungen H 59,11 Chassidismus] ergänzt – in seiner reinsten Form – H 59,12 altneue] geläutert wiederhergestellte H 59,13-14 kosmisch-metakosmischen Macht und Verantwortung] kosmisch-metakosmischen Verantwortung d3
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59,16-18 , kraft dessen reiner Intensität der Chassidismus zur religiösen B e w e g u n g wird] fehlt H 59,19 (nicht Vertilgung)] fehlt H 59,20 Formelgläubigkeiten und Mystosophien] [Grübeleien und Formelanhäufungen] ! Formelgläubigkeiten und Mystosophien H 59,20 Mitte] Zentrum H 59,21 einer Gemeinschaft] zur Grundlage einer Gemeinschaft H 59,22 Erlösung] hWeltiErlösung H 59,24 Unterfangen] Werken H 59,25 – das »nicht zu bedrängen« […] ein alter Spruch gebietet –] fehlt d8 59,25 alter Spruch] altes Wort H 59,28 nicht mehr] [keine Handlungen, nicht eine, die entscheidend wird] ! nicht mehr H 59,29-30 wie das Geheimnis […] Dinge gesellt] wie [die erfüllte Gegenwart vor die geheimniserfüllte] ! das Geheimnis gegenwärtiger Erfüllung [vor die kommenden Dinge tritt] ! sich stärkend und erhellend der Bereitung der kommenden Dinge gesellt H 59,32 abgestreiften] abgeworfenen H 59,33-40 Der Chassidismus […] heiligen kann.«] fehlt H 60,6 – wie schon der Talmud lehrt –] fehlt H 60,9 Wetter] Sturm H 60,11 Schaden] Mangel H 60,12 Schaden zu«, und die] Mangel zu«, [und wer seine Seele schädigt, schädigt die Schechina] ! und die H 60,20-21 »Die edelste Bitternis […] und die gemeinste] »Noch die edelste […] aber noch die gemeinste d1, D4, d5, D6, d7, d8 60,25 Erde] Stadt d1, D4, d5, d7, d8 60,28 zusammennähte, verband er Gott und seine Schechina] verband, sprach er: »Um Gott und seine Schechina zu vereinigen« H 60,33 variiert] angeführt H 60,35-36 Es ist die Lehre […] Alltags.] hEs ist die Lehre […] Alltags.i H 61,1 Auch die Werke sind Schalen] davor Absatzwechsel d8 61,9-10 obsiegen mußte; doch siegt ja […] Kern ob] obsiegte d7, d8 61,11 Ohnehin hat es keine Lehre so schwer] Keine Lehre hat es so schwer d3 61,12 Lebens] Menschenlebens H 61,13-15 nicht duldet, daß der Mensch […] Sollens flüchte] hervorgehoben d3 61,17 und rückhaltlosen] hund rückhaltloseni H 61,29 »Was ist das«] davor Absatzwechsel D4, d5, D6, d8 62,5 »die Gerechten«] die Rechtbeschaffenen D6
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62,5 die Rechtmäßigen] die Rechtmäßigen, die Bewährten d8 62,28 verblaßt sogar] verblaßt sogar scheinbar D4, d5, D6, d7, d8 62,Anm 1 Homo nobilis […] genuit.] fehlt d3, d5, D6, d7, d8 63,2 der niederströmenden Gnade] der ungebrochen niederströmenden Gnade d5, d7, d8 63,10 metaphysische Verantwortung] transzendentale Verantwortung d7, d8 63,22 Gerechten] Zaddik D6 63,38 nichts anderes als die Umkehr] nichts als die Umkehr d3 64,21-22 Was sich hier in der Handlung äußert, ist Bereitschaft] Es handelt sich um die Bereitschaft d3 64,23 aus der […] sich auswirken kann] an der […] sich auswirken kann D4, d5, D6, d7, d8 64,28 ursprünglich] zunächst d5 64,28 ursprünglich das Bekenntnis der Einheit Gottes] zunächst, wie die Einheit Gottes, so das Bekenntnis zu ihr d7, d8 65,1-13 Es ist von […] kreisartiger Kausalprozeß.] fehlt d3 65,28-31 Aus dieser Unterscheidung […] Jichud dagegen] Jichud ist d3 65,34-39 Wohl ist manche […] Allweihe: kein Tun] Kein Tun d3 65,36 Intentionen] Ausrichtungen D4, d5, D6, d7 67,2 richten] ausrichten, richten d7, d8 67,29 Laubhüttenfest] Hüttenfest d5, D6, d7, d8 67,41 w i r k l i c h e r ] nicht hervorgehoben d3, D4, d5, D6, d7, d8 67,41-68,2 einem Schülerschüler […] Gestalt des Chassidismus] einem Zaddik d3 68,12 Hier, im wahrhaften Gebet] davor kein Absatzwechsel d3, D6, d7, d8 68,24 Mincha spreche] Mincha bete d7, d8 68,27 Kundgebung] Sinai-Kundgebung D4, d5, D6, d7, d8 68,28 Und Mose stieg vom Berge nieder zum Volk] Mose schritt vom Berg {hernieder D4, D6 hinab d7, d8} zum Volk D4, D6, d7, d8 69,7-8 heißt es in den Sprüchen der Väter] steht in den »Vätersprüchen« geschrieben d7, d8 69,11 inneren Kammern] Kammern d3, D4, d5, D6, d7, d8 69,16 damit, daß du] sei nicht böse damit, daß du d7, d8 69,21-22 »Liebe deinen Nächsten […] Seiende.« ] »Liebe deinen Genossen dir gleich: i c h b i n d e r D a s e i e n d e .« D4, D6 »Halte lieb deinen Genossen dir gleich: I c h b i n d e r H e r r .« d7, d8 69,24-28 »Wenn ein Mensch […] aus den Schalen.«] fehlt d7 69,28 Rabbi Rafael] Rabbi Rafael von Berschad, Rabbi Pinchas Lieblingsschüler d7, d8 71,11-12 , der »Gaon«,] fehlt d7, d8
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71,14 , der »Raw von Reußen«,] fehlt d7, d8 71,30 einem Wesen] Einem Wesen d8 72,20 der Zaddik] der Enkel des Zaddiks d7, d8 73,1 »Einen Altar aus Erde sollst du mir machen …«] »Mir mache einen Altar von Ackererde …« D4 »Von Ackererde mache mir eine Schlachtstatt …« D6 »Von Ackererde mache mir einen Altar …« d7 73,2-3 »machst du mir aber […] ihn entweiht«] »machst du mir aber einen Altar aus Steinen, einbaue die nicht gehauen, denn hast du dein Eisen über ihm geschwungen, {hättest du ihn geschändet D4 hast du ihn preisgegeben d7}.« D4, d7»machst du mir aber eine Schlachtstatt von Steinen, einbaue die nicht gehauen; denn hast du dein Eisen über ihr geschwungen, hast du sie geschändet.« D6 73,18 Schicksal] fehlt und folgende zwei Absätze nach Leerzeile angeschlossen d5, d7, d8 74,4-5 der schon in der […] (wörtlich Landvolk)] fehlt d7, d8 74,9 menschlichen Welt] Menschenwelt D4, d5, D6, d7, d8 74,13 der Weg.] d e r Weg. Ende des Textes in d5, d7, d8 74,36 chassidische Welt schaffen] chassidische Gemeinschaft bauen D4, D6 74,37 heißt das] bedeutet das D4, D6 74,38 Es heißt] Es bedeutet D4, D6 75,Anm 7 ; durch den Chassidismus bekam das Wort einen neuen Sinn] fehlt D4 78,2 der Kern alles seines Willens] der innerste D4, D6 80,7-8 jene haben den tiefen Glanz […] diese den üppigen] sie haben nicht mehr den tiefen Glanz […] sondern den üppigen D6 80,21-22 tragikomisches Schicksal] wunderliches Schicksal D4, D6 84,22 Laubhüttenfestes] Hüttenfestes D4, D6 84,37-39 geheimnisvollen Gesang der Heiligung, der die Zwiesprache der Engelchöre umfaßt] Gesang der Heiligung Gottes D4, D6 87,8-10 , der eben nicht lautet […] der Seiende] fehlt D4, D6 87,33 die ich schon früher einmal erzählt habe] an ihrem Ort einmal erzähle D4, D6 89,7 magische Kraft] Kraft D4, D6 89,20 des Propheten] des Propheten, des Künders D4, D6 89,38-39 die Gerechten] die Zaddikim D6 90,Anm 11 ihrem Wesen […] vorbehalten ist] ein Ganzes für sich ist D4, D6 92,27 darauf beziehen] dahinrücken D4, D6 92,37 e i n e m ] nicht hervorgehoben D4 93,22-23 vor 20 Jahren] einmal D4, D6
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93,24-26 Seit – vor etwa 10 Jahren – […] gesammelt worden ist, darf dieses] Seither aber ist […] gesammelt worden und nun darf dieses D4, D6 93,Anm 12] fehlt D4, D6 94,20 von da an kam er jedesmal] von da an begab er sich D4, D6 95,28 ›Wenn du zum Kriege ausziehst gegen den Widersacher‹] ›Wenn du ausfährst zum Krieg wider deinen Feind‹ D4, D6 96,15-16 symbolisch vollziehend] ergänzt zugleich aber das Gesetz emphatisch verletzend D4 Wort- und Sacherläuterungen: 54,39 Gnosis] Die Gnosis (griech. für »Erkenntnis«) ist ein Sammelbegriff für synkretistische Strömungen, die ab dem 2. Jh. n. Chr. entstanden. Gnostische Lehren und Gemeinschaften unterschiedlichster Ausprägung verbreiteten sich im römischen Kaiserreich und stellten sowohl für das werdende Christentum, wie auch für das werdende Judentum eine große Herausforderung dar. Im Kern propagierten die Gnostiker ein dualistisches Gottes- und Menschenbild. Sie negierten die diesseitig-materielle, von einem als böse gedeuteten Schöpfergott (Demiurg) geschaffene Welt – und mithin ihre eigene Körperlichkeit – zugunsten einer rein geistigen Existenz. Buber verwendet den Begriff hin und wieder auch zur allgemeinen Kennzeichnung dualistischer Systeme. 54,40 Kabbala] Die Kabbala (hebr. für »Tradition«) bezeichnet eine esoterische Strömung im mittelalterlichen Judentum, die sich ab dem 12. Jh. in der Provence und Nordspanien entwickelte. Ihr Grundansatz besteht darin, die gesamte vorfindliche Tradition (daher der Name) von der Bibel, über die rabbinische Literatur bis hin zu Brauch und Liturgie einer durchgreifenden Neu-Interpretation zu unterziehen. 55,12-13 »Die Gerechten […] oberen Herrschaft.«] Vgl. Ekha rabbati zu Klgl 1,6: »Und sie gingen kraftlos vor dem Verfolger.« »R. Asarja im Namen ders R. Jehuda bar R. Simon hat gesagt: Wenn die Israeliten den Willen Gottes thun, so vermehren sie die Kraft Gottes von oben, wie es heisst Ps. 60,14: ›In Gott wird uns Kraft, wenn die Israeliten aber den Willen Gottes nicht thun, so schwächen sie die grosse Kraft von oben‹«. Der Midrasch Echa Rabbati. Das ist die haggadische Auslegung der Klagelieder, mit Noten und Verbesserungen von J. Fürst u. O. Straschun, Hildesheim 1967, S. 70. 55,19 mandäischer und manichäischer Umbildung] Mandäer (von mand./aram. »Erkenntnis«) sind eine gnostische Gruppe mit noch
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heute etwa 100.000 Anhängern. Vermutlich gehen sie auf eine syropalästinische Täufergruppe des 1. Jh., den »Elkesaïten«, zurück, die in den Süden des heutigen Irak einwanderte. Das Glaubenssystem der Mandäer ist synkretistisch; es integriert jüdische, gnostische und christliche Überzeugungen. Die manichäische Religion (von aram. »Mani lebt«) führt sich auf das Wirken eines gewissen Mani (ca. 216276/77) zurück und entwickelte sich – zunächst unter dem Schutz der Sassaniden – im heutigen Iran und Irak. Mani war zunächst Anhänger der täuferischen Elkesaïten, bevor er eigene Offenbarungen empfing. Seit dem späten 3. Jh. wurden die Manichäer immer wieder verfolgt und unterdrückt. Der Manichäismus, wie der Mandaismus eine synkretistisch-gnostische Strömung, unterscheidet dualistisch zwischen den zwei Prinzipien des Lichts und der Finsternis. 55,22 die Sophia] Die Sophia (griech. »Weisheit«) gilt in etlichen gnostischen Systemen als die unterste Emanation (Äon) der rein geistig gedachten obersten Gottheit. Bei der Schöpfung der Welt, die als materiell und damit als negativ betrachtet und einer eigenen Gottheit, dem Demiurgen, zugerechnet wird, kommt der Sophia die Rolle einer oftmals unfreiwilligen Helferin zu. Gleichzeitig gilt sie als Urbild der menschlichen Seele. 55,32 Schechina] Die Schechina (hebr. für »Einwohnung«) ist der von den spätantiken rabbinischen Gelehrten entwickelte Begriff für die Präsenz Gottes auf Erden bzw. bei den Menschen. In der Kabbala wird diese Vorstellung weiter entfaltet. Die Schechina erscheint dann als weiblich konnotierte zehnte Emanation (»Sefira«), als die den Menschen und der Erde am nächsten stehende Mittlerin der Segensströme Gottes. 56,3 Gott schränkte sich zur Welt ein] Buber spielt hier auf das Konzept des Zimzum (hebr. für »Kontraktion«) an. Zimzum ist ein zentraler Begriff in einigen kabbalistischen Systemen, insbesondere bei Luria und einigen frühen chassidischen Denkern. Er beschreibt den ›Rückzug‹ des Ewigen in sich selbst, um gewissermaßen ›Raum‹ für die Schöpfung zu schaffen. Vgl. Gershom Scholem, Die jüdische Mystik in ihren Hauptströmungen, S. 285-295. 56,11 Emanation] Emanation (lat. für »das Hervorgehen, Herausfließen«) bezeichnet das ewige Hervorgehen von etwas aus seiner göttlichen Quelle. Etliche philosophische und theologische Systeme seit der Spätantike nutzten dieses Denkmodell, um die Entstehung des Endlich-Vielen aus dem Unendlich-Einen zu veranschaulichen. Kabbalistische Entwürfe griffen diese Vorstellung auf, wobei die Quelle – der transzendente, völlig unerkennbare Teil des Ewigen – und die
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emanierenden Kräfte – die zehn Sefirot – weiterhin strikt als Einheit gedacht werden. 56,12-18 »nicht, wie die Kreaturen […] gesegnet sei Er«] Die hebräische Übersetzung »Rucha we-gufa schel ha-tnuʿ a«, in: Martin Buber, Befardes ha-chassidut. Ijunim be-machschavta va-havajata, Tel Aviv: Mossad Bialik 1945, S. 62 weist die Stelle nicht als Zitat, sondern als Paraphrase aus. 56,20 »Welt der Schalen«] Die »Schalen« (hebr. Klippot) resp. die »Welt der Schalen« ist ein Begriff aus der lurianischen Kabbala. Er bezeichnet die nach dem ersten (und gescheiterten) Anlauf zur Weltschöpfung zurückgebliebenen Reste der für das Einströmen göttlichen Lichts in den Raum vorgesehenen Lichtgefäße. Diese hielten dem intensiven Licht des Ewigen nicht stand und zerbrachen (vgl. Schvirat Kelim bzw. »Bruch der Gefäße«). Dabei verbanden sie sich mit einem Teil der in ihnen enthaltenen göttlichen Lichtfunken, die vor dem Anbruch der Erlösung (hebr. Tikkun) zu Gott zurückgeführt werden müssen. In gewisser Weise dienen die »Schalen« in der lurianischen Kabbala und in vielen chassidischen Systemen als eine Metapher für das Böse. 57,5 Zimzum] vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 56,3. 57,9-10 »das Mysterium des Zerbrechens der Gefäße«] vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 56,20. 57,15-16 Adam Kadmon] (hebr. in etwa »Urmensch«). Bei Luria fungiert der Begriff als Metapher für die ursprünglich intendierte Struktur des Universums. Er ist gleichsam das göttliche Nichts, die Quelle jedweder Emanation. 57,22-23 der Mythus vom »Allopfer«, der Opferung des Urmenschen] Buber spielt vermutlich auf eine Passage der Rigveda 10.90 an, in der der Urmensch (Sanskrit: »Purusha«) von den Göttern geopfert wird, aus dem dann die Einzelschöpfung entsteht. Vgl. Jan Gonda, Die Religionen Indiens. Bd. I. Veda und älterer Hinduismus (in der Reihe Die Religionen der Menschheit, hrsg. von Christel Matthias Schröder, Bd. 11.1.), Stuttgart 1960, S. 186 f. 58,3 »der Jordan aufwärts fließen«] vgl. Jos 3,13 u. 18; 4,7 u. 18. 58,18 Olam ha-Tikkun] (hebr. für »Welt der In-Urstand-Setzung«); vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 46,13-14. 58,19-20 »die Gestalt der Schechina aus der Verborgenheit tritt«] Fehlt in »Rucha we-gufa schel ha-tnuʿ a«, in: Buber, Be-fardes ha-chassidut, S. 64. 58,25 der Sündenfall] Vgl. Gen 3. Der Ausdruck »Sündenfall« wird im Judentum jedoch kaum verwendet.
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58,26 des kosmischen Exils der Schechina] Die Metapher vom Exil der Schechina, die sowohl im kabbalistischen, wie auch im chassidischen Denken sehr populär war und ist, besagt, dass sich die zehnte Sefira – eben die Schechina, welche die Präsenz Gottes auf Erden symbolisiert – gemeinsam mit Israel im Exil befindet. Die Rückführung der Schechina aus dem Exil in die Sphäre Gottes ist ein zentrales Bild für den Tikkun. 58,28 Irrsal] »Irrsal und Wirrsal« ist Bubers spätere Übersetzung des hebr. tohu wa-vohu (Gen 1,2: »wüst und leer«). Vgl. Die fünf Bücher der Weisung, verdeutscht von Martin Buber gemeinsam mit Franz Rosenzweig, Köln u. Olten: Jakob Hegner 1954, S. 9. 58,32 »alles an der Umkehr hangt«] Im Talmud wird von R. Elasar ben Dordaja, einem großen Sünder, erzählt, der in seiner letzten Lebensstunde umkehrt und damit nicht nur göttliche Vergebung erlangt, sondern sich sogar den Titel Rabbi erwirbt. Vgl. bAS 17a (BT, Bd. IX, S. 485). 59,3 theurgische Praxis] Theurgisch (griech. für »der Handlung Gottes gemäß«) sind Riten und Handlungen, die den Kontakt zu Gott ermöglichen sollen – in der Regel mit dem Ziel, die Situation hienieden zu verbessern. 59,14-16 »Alle Welten hangen […] Guttat des Menschen.«] Das Zitat fehlt in der hebr. Übersetzung »Rucha we-gufa schel ha-tnuʿ a«, in: Buber, Be-fardes ha-chassidut, S. 65. 59,24-25 um des Endes willen – das »nicht zu bedrängen« ein alter Spruch gebietet –] bKet 111a (BT, Bd. V, S. 358). 59,37-40 »Für den geistigen […] heiligen kann.«] Zitat nicht nachgewiesen. Das Zitat fehlt gänzlich in der hebr. Version (S. 65). 60,2 bei Esther zu Gast war] Vgl. Est 5,7-12. Die klassische rabbinische Paraphrase des Textes findet man in bMeg 10a-16b (BT, Bd. IV, S. 38-71). In den Pirqé de-Rabbi Eliʾ eser, einer frühmittelalterlichen Nacherzählung biblischer Texte, erfreut sich Haman am Gastmahl der Esther, weil er sich geehrt wähnt. 60,3-5 von Abraham heißt es […] des Essens kannte] Vgl. Gen 18,2. Midrasch BerR XLVIII,19. In »Über ihnen«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 390 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [461]), schreibt Buber Sussja von Annopolje (starb 1800) die entsprechende Aussage zu. 60,6-8 wo ein Mann und ein Weib […] Schechina über ihnen ruht] Der Ursprung der Tradition liegt vermutlich in bSota 17a (BT, Bd. VI, S. 66). Buber verarbeitet das Motiv in »Von der Gastfreundschaft«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 587 f. (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [776]).
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60,9-11 »Ich hatte gehofft […] Hälfte eines Leibs.«] Vgl. Grözinger (Hrsg.), Die Geschichten vom Baʾ al Schem Tov. Schivche ha-Bescht, Bd. I, S. 147. 60,11-12 »wer seinem Körper […] Schaden zu«] Die Ablehnung der Askese war eines der hervorstechendsten Merkmale der Lehre des Israel ben Eliʾ eser. Die hebr. Übersetzung »Rucha we-gufa schel ha-tnuʿ a«, in: Buber, Be-fardes ha-chassidut, S. 66, weist die Sentenz nicht als Zitat aus. 60,14 den »bösen Trieb«] Der »böse Trieb« (hebr. jetzer ha-ra) ist für alles Böse irgendwie verantwortlich, wurde aber wie der »gute Trieb« (hebr. jetzer ha-tov) dem Menschen vom Ewigen eingepflanzt, damit sich der Mensch in der Welt bewähren kann. Der jetzer ha-ra wird sowohl intrinsisch (als Hang zum Bösen oder als Neigung zu Unzufriedenheit), als auch extrinsisch (Satan, Todesengel) verwendet. Besser als der deutsche Begriff »Trieb« vermittelt das englische Wort »inclination« (»Neigung«), was mit jetzer eigentlich gemeint ist. Die »Neigung zum Bösen« verursacht nicht notwendig unethisches Verhalten; sie kann (und muss!) durch den freien Willen zu gutem Handeln »instrumentalisiert« werden. Entsprechend formuliert der Midrasch BerR IX,7: »›Und siehe, es war sehr gut!‹ – Das ist der Böse Trieb! Ist denn der Böse Trieb sehr gut? [Verstehe dies so:] Gäbe es keinen Bösen Trieb, würde kein Mensch ein Haus bauen, er würde kein Weib nehmen und keine Kinder zeugen. Und so spricht auch Salomo [Pred 4,4]: ›Und ich sah, dass alles Mühen und alles Gelingen nur Eifersucht des einen gegen den andern ist!‹« Das ›Gegenmittel‹ zum rechten Gebrauch der »Neigung zum Bösen« ist die Tora. Vgl. bQid 30b (BT, Bd. VI, S. 606). 60,16 »Du hast den bösen Trieb böse gemacht«] Midrasch Tanchuma, Bereschit, 1:7. 60,17 »fremden Gedanken«] »Fremde Gedanken« sind ein in kabbalistischen und chassidischen Schriften oft erwähntes Ärgernis. Sie mindern die Konzentration und Ausrichtung (hebr. Kawwana) beim Gebet; sie lenken den Frommen bei der Ausführung häufig wiederkehrender spiritueller Riten und Pflichten vom eigentlichen Kern seines Handelns ab. Viele jüdische Autoren haben sich intensiv mit Strategien zur Abwehr »fremder Gedanken« befasst. Der Baal Schem Tov hingegen empfahl, sie zu einem »Thron für das Gute« zu machen; durch Kontemplation der Präsenz des Ewigen in allen Dingen könne man auch das Böse (wie die sich in das Gebet einschleichenden »fremden Gedanken«) von der »Schale« lösen und sie dadurch letztlich zum Ewigen zurückführen (vgl. Tikkun).
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60,18 »Zerbrechen der Gefäße«] vgl. die Wort- und Sacherläuterungen zu 56,20. 60,20-21 »Die edelste Bitternis […] der Heiligkeit.«] Zitat nicht nachgewiesen. 60,23-24 »Die Wege am Firmament […] Stadt Nehardea«] Buber spielt auf (Mar) Samuel von Nehardea an. Das Zitat findet sich in bBer 58b (BT, Bd. I, S. 262), vgl. auch den Midrasch zu den Psalmen MTeh 19,4. 60,26 »man kann zu Gott nicht anders kommen als durch die Natur«] Die Umkehrung des Zitats weist Martin Buber (vgl. »Die Straßen von Nahardea«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 488; jetzt in: MBW 18.1, Nr. [622]) Schalom Schachna (1769-1802), dem Enkelsohn des Großen Maggid, zu. 60,28-29 »Henoch war […] seine Schechina.«] Das Zitat entstammt den Toldot Jaʿ aqov Josef des Jaakob Jossef von Polnoe (vgl. Wajjera, fol. 20a; vgl. auch Sefer Baʿ al Schem Tov Jerusalem 1999, Bd. I, S. 107 § 179) und lautet im Original: »›Und Henoch wandelte mit Gott‹ (Gen 6,9; recte 5,22). Unsere Meister, seligen Angedenkens, sagten: Henoch war ein Schuster, und mit jeder einzelnen Naht vereinte er den Heiligen, [Er sei gepriesen], mit seiner Schechina. […] Im Namen meines Lehrers hörte ich die Auslegung des Verses ›Alles, was deine Hand zu tun findet, tue mit deiner Kraft.‹ (Koh 9,10) […] Die Sache mit Metatron, der mit jeder Naht den Heiligen, [Er sei Gepriesen], mit seiner Schechina vereinte, […] war so: Das Denken wird ʾ En Sof genannt und JHWH, und das Tun ist ʾ ADoNaJ. Und wenn man beim Vollbringen einer Tat das Tun mit dem Denken verbindet, wird dies Jichud, Vereinung, des Heiligen, [Er sei gepriesen], mit seiner Schechina genannt.« (Übersetzung nach Grözinger, Jüdisches Denken, Bd. 2, S. 782 mit weiteren Parallelstellen. Eine ausführliche Würdigung des Zitats und der mit ihm verbundenen Implikationen bietet Grözinger, ebd., S. 781-789.) Zu Jaakob Jossef von Polnoe vgl. die Einleitung zu diesem Band, S. 17 f. 60,31 Verwandlung in den demiurgisch gewaltigen Metatron] Der biblische Henoch, der nach der merkwürdigen Notiz Gen 5,24 durch Gott von der Erde »hinweggenommen« wurde, wurde der spätantiken Hekhalot-Tradition zufolge (vgl. insbesondere 3. Henoch) in den Himmel erhöht und zum Engel Metatron transformiert. Metatron (griech./hebr.; Bedeutung unklar) diente insbesondere in der Hekhalot-Literatur als eine zentrale Engelsgestalt, die Himmelsreisende in die höchsten Sphären begleitet und das sich dort Befindliche und Ereignende deutet. 3. Henoch § 5-13 weiß von der Transformation des biblischen Henoch in Metatron zu berichten, der als höchster unter
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den Engeln gilt. Die Bezeichnung Hekhalot (hebr. für »Hallen«, »Paläste«) bezieht sich in der spätantiken und frühmittelalterlichen jüdischen esoterischen Literatur auf die himmlischen Paläste bzw. Hallen, die ein Himmelsreisender durchqueren muss, um vor den Thron des Ewigen zu gelangen. Die Hekhalotmystik befasst sich mit solcherlei gefahrvollen Himmelsreisen, die dem Eingeweihten Kenntnisse über Struktur und Ereignisse der oberen Sphären vermitteln soll. Im Talmud bChag 15a (BT, Bd. IV, S. 284) wird Metatron als himmlischer Schreiber geführt. 60,32 »Fürsten des Angesichts«] Der »Fürst des Angesichts« (hebr. Sar ha-Panim) wird an einigen Stellen in den Hekhalottexten mit Metatron synonym gebraucht. Von Metatron wird erzählt, dass er siebzig Namen habe (3. Henoch §§ 4.76). 61,6 mit Intention] d. i. mit Kawwana; vgl. die Wort- und Sacherläuterungen zu 60,17. 61,29-32 »Was ist das« […] selbst eine Thora«] Vermutlich geht das »Zitat« Bubers auf folgendes Diktum des Arje Leib Saraʾ s (1730-1791) zurück: »Leib Sara’s meinte einst über die Tora sagenden Rabbanim: Wozu sagen sie Tora? Merken sie nicht, dass das ganze Tun und Verhalten des Menschen Tora ist? Aber auch [der Mensch] selbst sei Tora, denn er handle auf all seinen Wegen als Tora, bis dass die Menschen von ihm lernen können […] Und so sagte der heilige Rebbe, sein Andenken sei zum Segen: Ich reiste nicht zum Haus des Großen Maggid, Rabbi Dow Bär von Mesritsch, seligen Angedenkens, um von ihm Tora zu hören, sondern um zu sehen, wie er sich seine Filzschuhe auszieht und wie er sie bindet.« (Megillat Juchasin we-seder ha-dorot mi-talmide ha-Bescht, Lemberg 1865, S. 64.) In zwei Anekdoten gleichen Titels aufgespalten findet sich dieses Dictum bei Buber mit »Lehre sagen und Lehre sein«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 205 u. 284 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [146] u. [297]). 61,30 »verborgener Zaddik«] Dem Talmud (bSan 97b; BT, Bd. IX, S. 67) ist der Fortbestand der Welt nur dann gesichert, wenn mindestens 36 Gerechte auf ihr leben. Nach dem hebräischen Zahlsymbol für 36 (Lamed-Waw) bezeichnet man sie als Lamed-Wowniks oder Verborgene (Nistorim). Zahlreiche Legenden und literarische Bearbeitungen ranken sich um dieses Konzept, das besonders im chassidischen Osteuropa populär war, vgl. Gershom Scholem, Die 36 verborgenen Gerechten in der jüdischen Tradition, in: Judaica I, Frankfurt 1986, S. 216-225 Die bekannteste literarische Adaptation des Motivs ist womöglich André Schwarz-Barts, Le Dernier des Justes, Paris 1959 (Deutsch: Der Letzte der Gerechten, Frankfurt/M. 1960).
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61,33-37 »Der Weise sinne […] Lehre sich ausbreite«] Zitat nicht nachgewiesen. 61,38 der Zaddik von Apt] Abraham Jehoschuʾ a Heschel von Opatów (Apta, 1748-1825) war ein Schüler des berühmten Zaddik Elimelech von Lisensk, dem Begründer des polnisch-galizischen Chassidismus. Er gehörte zu den führenden Zaddikim der dritten Generation. Zu Elimelech von Lisensk vgl. auch die Einleitung zu diesem Band, S. 18 f. 62,1 Rabbi Israel, des nachmaligen Rižiners] Israel Friedman von Rižin/ Sadagóra (1797-1850) war ein Urenkel des Großen Maggid von Mesritsch (1704-1772) und der Begründer der Friedman-Dynastien. Er galt als Prototyp des fürstlichen Zaddik. Vgl. auch die Wort- und Sacherläuterungen zu 43,10. 62,2-3 die heilige Handlung der Gelila: der Einfaltung der Thorarolle] Nach Verlesen der Tora im Gottesdienst wird die Zeremonie damit abgeschlossen, dass die Tora zunächst emporgehoben (hebr. hagbaha) wird und die Gemeinde Dtn 4,44 spricht. Sodann wird die Tora eingerollt, zugebunden und in den Toramantel eingehüllt. Die letzteren drei Handlungen heißen gelila. Nach bMeg 32a (BT, Bd. IV, S. 131) ist die gelila sogar ehrenvoller als das Verlesen der Tora. 62,9-10 dem russischen Staretz […] Dostojewski dargestellt hat] Ein Staretz (russ. »Alter«/Ältester; weibliche Form: Starza) ist eine besonders verehrte Persönlichkeit ohne formales Amt im russisch-orthodoxen Christentum. Seine asketische Praxis und ein oft zurückgezogenes Leben erzeugen eine Aura der Heiligkeit, die ihn für andere Menschen zu einem charismatischen Ratgeber macht. Der Staretz Sossima ist eine zentrale Figur in Fjodor M. Dostojewskijs (1821-1881) Roman Die Brüder Karamasow (1880). 62,Anm 1 28 Sätze Meister Eckharts] Das volle Zitat lautet: »Der edle Mensch ist nicht damit zufrieden, dass er selbst jener eingeborene Sohn ist, den der Vater ewig gezeugt hat, wenn er nicht auch selbst Vater sein will und wenn er nicht eintritt in dieselbe Ähnlichkeit mit der ewigen Vaterschaft und den zeugt, von dem ich ewig gezeugt bin.« Zitiert nach Karl Heinz Witte, Die Entwicklung der Gottesgeburtslehre Eckharts in den Kölner Predigten, in: Meister Eckharts Straßburger Jahrzehnt (Meister Eckhart Jahrbuch 2/2008), hrsg. von Andrés Quero-Sánches u. Georg Steer, Stuttgart 2008, S. 75. 63,13-14 der »untere«, irdische Mensch] Der irdische Mensch, dessen Seele als vom Ersten Adam (hebr. Adam ha-Rischon, der Urseele) abstammend dargestellt wird, gilt in vielen kabbalistischen Systemen als Abbild des Adam Kadmon (vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 57,15-16).
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63,16 »kein Knecht der Zeit, sondern über ihr«] Eine vergleichbare Aussage findet sich bei Elimelech von Lisensk. Vgl. Noʾ am Elimelekh, Lemberg 1865, fol.40a (Paraschat Emor). 63,21-22 »die großen Töpfe kochen«] Zitat nicht nachgewiesen. Die hebr. Übersetzung »Rucha we-gufa schel ha-tnuʿ a«, in: Buber, Be-fardes ha-chassidut, S. 69, weist die Stelle nicht als Zitat aus. 63,22-23 »Gerechten«, Sprüche Salomos 10, 25] Das Zitat Spr 10,25 lautet: »Gerechtigkeit gründet die Welt.« bzw. »Der Gerechte (Zaddik) ist das Fundament der Welt.« 63,22-31»Der Zaddik […] seiner Seele.«] Zitat nicht nachgewiesen. In der hebr. Übers., S. 69, endet das Zitat bei »eben geboren wurde« (63,28). Hierzu vgl. Mosche Efrajim von Sadylkow, Degel Machane Efrajim, Korzec 1810, Paraschat Noach, im Abschnitt »Lescham jiwaled«. 63,25 die Schechina mit Gott zu vereinen] Ein zentraler kabbalistischer Mythos beinhaltet die Vereinigung der zehnten Sefira, der Schechina, welche weiblich gedacht wird, mit ihrem Gegenstück, der sechsten Sefira Tifʾ eret, welche männlich vorgestellt wird. Tifʾ eret repräsentiert den personalen Gott, wie er in biblischen Texten beschrieben wird. Sobald sich die beiden Sefirot miteinander vereinigen – was durchaus erotische Untertöne hat – können die Segensströme aus den himmlischen Sphären auf die Erde geleitet werden. 64,2-3 »wird in jedem Augenblick von der Erneuerung der Kreatur bewegt«] In der hebr. Übersetzung, S. 69, nicht als Zitat ausgewiesen. 64,6-11 »Denn die Zaddikim […] des Schlafs.«] Meschullam Sussja Weissblum von Annopolje (starb 1800) war der Bruder des Elimelech von Lisensk. Er begründete weder einen Hof, noch eine Dynastie, sondern lebte als eine Art »freier Zaddik«. Viele Legenden kontrastieren seinen Lebensentwurf mit dem seines Bruders. Zu Sussjas Aussage, vgl. »Das Geheimnis des Schlafs« in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 395 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [473]). 64,12 das Tauchbad] hebr. Mikwe. Im orthodoxen Judentum sind nur verheiratete Frauen verpflichtet, sie aufzusuchen, um sieben Tage nach Ende ihrer Regelblutung wieder rein zu werden. In kabbalistischen und chassidischen Kreisen gehen auch vielfach Männer zur Mikwe, insbesondere vor Sabbaten und Feiertagen. 64,14 Essäer und »Morgentäufer«] Essäer bzw. Essener sind eine judäische Gruppierung der Spätantike, die sich u. a. durch besondere Reinheitskonzepte (u. a. Tauchbäder) auszeichneten. Sie lebten in verschiedenen Dörfern und Städten der südlichen Levante. Angaben zu ihrer Lebensweise finden sich bei Philo von Alexandrien (prob. lib
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72-91) und Josephus (Bell. II, 119-161). In welcher Beziehung die Essener zur Qumrangruppe standen, ist umstritten; viele Forscher sehen jedoch einen engen Zusammenhang zwischen beiden. Als »Morgentäufer« bezeichnen rabbinische Texte – vgl. tJad II,20; jBer II,6.6c; bBer 22a (BT, Bd. 1, S. 95) – eine judäische Gruppierung, die – ähnlich wie die Essener und die Qumran-Gruppe – großen Wert auf den Ritus der Mikwe legte. Die »Morgentäufer« sollen mit den Pharisäern darüber uneins gewesen sein, ob man vor einem morgendlichen Tauchbad den Namen des Ewigen aussprechen dürfe. 64,19 Inbrunst] die Hitlahavut; von hebr. hitlahev »entbrennen«, »sich begeistern«: Die Hitlahavut ist ein kabbalistisch-chassidisches Handlungskonzept, dem zufolge man sich bei der Ausübung spiritueller Akte seiner Körperlichkeit quasi in geistiger Erhebung entäußert. Entsprechende Vorstellungen entwickelt beispielsweise Dow Bär von Mesritsch in seinen Homilien. 64,20-21 »Abstreifung der Leiblichkeit«] Das Abstreifen der Leiblichkeit (hebr. Hitpaschtut ha-gaschmijut) – ebenfalls ein Konzept, das prominent bei Dow Bär, dem Großen Maggid, entfaltet wird – geht in eine ähnliche Richtung. Die Hitpaschtut ha-gaschmijut bildet die Voraussetzung für die spirituelle Annäherung an den Ewigen: »Alle Zaddikim, die ihre Körperlichkeit abgestreift haben, können – jeder einzelne entsprechend seines Abstreifens der Physis – [das verhüllte Licht] erreichen. In der Weise, dass er beispielsweise, wenn er nur diese [Untere] Welt abstreift, dasjenige erreichen kann, was sich in der nächsthöheren Welt befindet – und weiter ad infinitum.« (Rivka Schatz-Uffenheimer [Hrsg.], Maggid Devaraw le-Jaʾ aqov, Jerusalem 1990, § 134, S. 234.) 64,22 in die »Beschaffenheit des Nichts« einzukehren] Das letztliche Ziel der Hitpaschtut ist die Nichtung des körperlich Seienden (hebr. Bittul ha-Jesch). Das Nichts, in dem sich letztlich Alles birgt, ist die göttliche Weisheit – der zu nahen das Ziel der spirituellen Akte darstellt. 64,27 »Einung«, des Jichud] Jichud (hebr. für »Einung«) beschreibt die segensvolle Vereinigung der männlichen und weiblichen Aspekte (der »Sefirot«) des offenbaren Teils Gottes. 65,20-21 die ewig neue Vermählung der »Majestät« mit dem »Reich«] Die sich ewig neu vermählenden Sphären: vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 63,25. Buber benennt hier die beiden wesentlichen Komponenten des zentralen kabbalistischen Einungsmythos, nämlich Tifʾ eret (»Majestät«, die sechste Sefira) und die Schechina-Malkhut (Malkhut bedeutet »Königtum«; bei Buber hier »Reich«, die zehnte Sefira).
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65,34-38 Tradition der Buchstabengeheimnisse […] chassidischen Lehre berührt.] Tatsächlich zeigt sich das kosmologische System des Baal Schem Tov – soweit es rekonstruierbar ist – von Alphabet-mystischen Konzepten (wie dem des Abraham Abulafia, etwa 1240-1291) beeinflusst. Kawwanot, wie sie auf je ihre Weise bei den mittelalterlichen Chasside Aschkenas (vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 144,11-145,5) und Isaak Luria für das tägliche Gebet gefordert werden, finden sich hingegen beim Baal Schem Tov eher nicht, dafür jedoch die Forderung, die spirituellen Akte in Hingabe und Konzentration – Kawwana im allgemeinen Sinn – auszuführen. 66,3-13 Von dem Zaddik von Berditschew […] erhabene Einungen stiftet.«] Vgl. Buber, »Weltliche Rede« in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 347 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [388]). 66,3 Zaddik von Berditschew] Bei diesem handelt es sich um den berühmten Maggid-Schüler Levi Jizchak von Berdyczów (ca. 17401809), der als erster chassidisch geprägter Rabbiner Polens in das Fadenkreuz der Gegner geriet. Nach kurzer Wirkungszeit in Pińsk gelang es ihm, sich dauerhaft als Rabbiner von Berdyczów zu etablieren. Levi Jizchak fungierte als Mittler zwischen den auseinanderstrebenden Gruppen des entstehenden Chassidismus. Er wurde von nahezu allen Zaddik-Kollegen geschätzt. Sein Hauptwerk, Qeduschat Lewi (»Heiligkeit Levis«), bietet seinen Lesern eine Kompromissposition bei der Interpretation des Zaddik und seiner öffentlichen Verantwortung. 66,4 dem Nikolsburger Rabbi] Der Nikolsburger Rav, Schmuʾ el Schmelke Horowitz von Nikolsburg (1726-1787), ebenfalls ein Schüler des Großen Maggid, wirkte als Rabbiner in Ryczywół und Sieniawa, bevor er im mährischen Mikulov ein entsprechendes Amt übernahm. Durch Schmelke kamen etliche der Schüler des Großen Maggid an dessen Hof. 66,5-6 doppelte Phylakterien] griech. Bezeichnung für die Gebietsriemen, hebr. Tefillin. Doppelte Tefillin: Da es zwischen dem maßgeblichen Bibel- und Talmudkommentator Raschi (Akronym für Rabbi Schlomo Jizchaki, 1040-1105) und seinem Enkel Jakob Rabbejnu Tam umstritten war, welche biblischen Texte in die am Kopf zu befestigenden Kapseln einzulegen sind, nutz(t)en manche Beter zwei Sätze Tefillin, um sicher zu gehen. 66,15-23 Von einem wird erzählt, […] einem reinen Feuer.«] Zitat nicht nachgewiesen. Eine alternative Einbettung des abschließenden Dictums bietet Buber unter dem Titel »Arzenei« in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 187 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [112]).
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66,25 Pinchas von Korez] Pinchas von Korzec (1726-1791) entstammte einer angesehenen Gelehrtenfamilie. Er sammelte einen Schülerkreis um sich, der sich dem Studium der rabbinischen und kabbalistischen Tradition und einer heiligen Lebensführung verschrieb. Er wurde auf den Baal Schem Tov aufmerksam, der ihn wohl von seiner extrem asketischen Lebensführung abbrachte. Die beiden begegneten einander nur etwa zwei bis drei Mal. Auch nach dem Tode des Baalschem wirkte Pinchas weiter als charismatische Integrationsfigur eines eigenständigen kabbalistischen Zirkels. 66,25-26 Das ganz auf Buchstaben-Kawwanot ausgerichtete Gebetbuch Lurias] vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 65,34-38. Die von Buber zitierte Episode findet sich als »Das Gebetbuch« in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 227 f. (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [190]). 66,36-40 »Wer in seinem Gebet« […] von selber ein.«] Tzawaʾ at ha-Ribasch (1998), § 118, S. 54. 67,1-8 Ein Zaddik sprach: »Merke wohl […] erst nach langer Mühe erweckte.] Vgl. »Die ursprüngliche Bedeutung«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 638 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [875]). 67,13-14 Von einem Zaddik wird erzählt […] zum Sterben bestellte.] Das Zitat findet sich unter dem Titel »Ehe er zum Beten ging« in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 610 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [807]). Ähnlich ist auch die Anekdote »Das Wagnis des Gebets« in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 425 f. (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [520]). 67,15-20 Ein andrer lehrte seine Schüler […] Dies ist das Wesen des Gebets«.] Vgl. »Das Wesen des Gebets« in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 619 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [830]). 67,29-37 Rabbi Jehuda Leib […] unbewegten Wolke genaht.] Vgl. »In der Laubhütte« in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 479 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [613]). 67,35-36 Donnergetöses und des rauchenden Bergs] Ex 19,16. 68,1 Rabbi Mendel von Kozk] Menachem Mendel Morgenstern von Kozk (1787-1859) gehörte zu den Zaddikim der Schule von Pžysha (bzw. Przysucha). Er war zweifelsohne ein Zaddik der ganz besonderen Art: In seinem Streben nach Wahrheit ging er bis zum Äußersten, war rigoros im Umgang mit seinen Schülern und Anhängern, unerbittlich hart vor allem gegen sich selbst. Weder kümmerten ihn die materiellen Besorgnisse seiner Anhänger noch die Zuwendungen seiner reichen Gönner. Menachem Mendel radikalisierte das Profil der Schule von Pžysha (vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 93,22): Er wollte Lehrer und Mentor weniger auserwählter Schüler sein, die sich mit ihm auf die Suche nach der absoluten Wahrheit begaben.
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68,14-15 Pinchas von Korez] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 66,25. 68,15-16 »sie beteten vor Gott. […] Wesenstand der Gottheit«.] Vgl. »Er ist dein Psalm«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 227 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [189]). 68,20 Rabbi Chajim von Zans] Chajim Halberstam von Nowy Sącz (1797/ 99-1876) war der Begründer der Dynastie von »Sanz«, einer noch heute einflussreichen Gruppe von chassidischen Gemeinschaften (vgl. Bobov, Sanz-Klausenburg, Sanz-Zhmigrod u. a.). Er war ein prominenter Schüler des »Sehers« von Lublin, vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 81,1-2. Chajim war ein herausragender Gelehrter, der sich zeit seines Wirkens als Zaddik – seit ca. 1830 amtierte er als Zaddik und Rabbiner in Zans (Nowy Sącz) – mit den »königlichen« (dafür aber zumeist wenig gelehrten) Rebbes auseinandersetzte. Legendär gestaltete sich der Kampf mit den Söhnen des Israel von Rižin (vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 62,1), des Rebben von Sadagóra. 68,20-69,3 wurde einmal nach dem Minchagebet […] versammelten Chassidim.] Vgl. »Zum Volke«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 694 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [966]). 68,24 wer Mincha spreche] Mincha bezeichnet die zweite tägliche Gebetszeit, die am Nachmittag vor Anbruch der Dämmerung angesetzt ist. 68,24 Welt der Ursonderung] Vermutlich bezieht sich Buber auf die Olam ha-Atzilut (hebr. für »Welt der Erhabenheit«) – den Moment der allerersten Emanation bzw. die höchste (rein geistige) der emanierten Welten. 68,28-30 ›Und Mose stieg […] Volk zuwandte.‹] Ex 19,14: »Da stieg Mosche vom Berg hinab zum Volk«. Der Kommentar Raschis (vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 66,5-6) zur Stelle in der Übertragung des Julius Dessauer lautet: »will andeuten, daß Mosche sich mit keiner andern Angelegenheit beschäftigte und gleich vom Berge zum Volk ging.« Der Pentateuch. Die fünf Bücher Mosche mit worttreuer deutscher Übersetzung. Nebst dem Raschi-Commentare, 2. verbesserte Aufl., Budapest 1905, S. 165. 69,7 »Sei nicht böse vor dir selber«] mAv II,13 (BT, Bd IX, S. 669): »Rabbi Schimʾ on pflegt zu sagen, […] Sei kein Frevler vor dir selbst.« 69,8 Rabbi Baruch] Baruch von Mesbiž (poln. Międzyboż) (ca. 17561811) war der Enkelsohn des Baal Schem Tov. Obwohl kaum verlässliche Angaben über sein Wirken als Zaddik zu erhalten sind, sieht es so aus, als sei er dem praktischen Zaddikismus zugeneigt gewesen. Er soll als einer der ersten seine Residenz mit fürstlichem Gepränge um-
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geben haben. Die Tatsache, dass er seinen Hof schließlich in Mesbiž errichtete, muss wohl als Folge seines Anspruchs auf das großväterliche Erbe gedeutet werden, wozu sicher auch die Aufsicht und Kontrolle über das Grab des Baalschem gehörte. 69,9-17 »Jeder Mensch […] durch Einsamkeit.«] Vgl. »Vor dir selber«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 182 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [103]). 69,20-21 am »Wagen«: an dem kosmischen Träger der befreiten Herrlichkeit.] Der Thronwagen (hebr. Merkava) nach Ez Kapitel 1-3 und 10-11. Er ist der Träger der Kavod (hebr. »Gewichtigkeit«; Buber: »Herrlichkeit«), das ist der priesterliche Terminus technicus für die Präsenz des Ewigen im Tempel zu Jerusalem. 69,21-22 »Liebe deinen Nächsten wie dich selbst: ich bin der Seiende.«] Lev 19,18b: »Du wirst deinen Gefährten lieben wie dich selbst – Ich bin der Ewige.« »Der Seiende« ist die Übersetzung des Tetragramms, des göttlichen Eigennamens, die auf die Übersetzung der Septuaginta zu Ex 3,14 zurückgeht. Zur Problematik der Übersetzung des Tetragramms hat sich Buber verschiedentlich geäußert, vgl. z. B. »Zu einer neuen Verdeutschung der Schrift« – Beilage zu dem Werk Die fünf Bücher der Weisung, verdeutscht von Martin Buber, Olten (Schweiz): Jakob Hegner 1954, S. 28-31 (jetzt in: MBW 14, S. 206-210). 69,24 Rabbi Rafael von Berschad] Raphael von Bershad (um 1751-1816 oder 1827). Der bedeutendste Schüler und Nachfolger des Pinchas von Korez (vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 66,25). 69,39 Bittzetteln] Bittzettel, jidd. Kvitlekh, sind kleine Zettel mit Anliegen oder Bitten, die dem Zaddik von seinen Anhängern überreicht werden, damit dieser für sie beim Ewigen interveniert oder den Betreffenden seinen Rat erteilt. 70,37 »Zwangsgemeinde«] Als »Zwangsgemeinde« apostrophiert Buber hier die lokale jüdische Gemeinschaft (hebr. Qahal bzw. Qehila; jidd. Kehille) mit ihren Institutionen, an deren Spitze ein in der Halacha gelehrter Rav oder Rabbiner steht. Der Chassidismus entwickelte demgegenüber »Personalgemeinden« mit dem Rebben (bzw. Zaddik) an der Spitze, der charismatisch oder dynastisch legitimiert wurde. 71,5 »Herzensdienstes«] (hebr. Avoda sche-ba-lev): Der Talmud (bTaan 2a; BT, Bd. III, S. 638) stellt das Gebet als »Dienst des Herzens« – wobei das Herz der Sitz des Verstandes ist – an die Stelle des priesterlichen Kults im Tempel zu Jerusalem, der ja nach der Zerstörung durch Titus 70 n. Chr. zum Erliegen gekommen war. 71,11 Rabbi Elijahu von Wilna] Elija ben Schlomo Salman (1720-1797), mit dem Ehrentitel Gaon (etwa: »Erhabener«) von Wilna ausgezeich-
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net, war das unumstrittene Haupt der Mitnagdim, der Gegner des Chassidismus. 71,13-14 Rabbi Schnëur Salman, der »Raw von Reußen«] Schneʾ ur Salman von Ljady (ca. 1745-1812), der jüngste unter den Schülern des Großen Maggid Dow Bär von Mesritsch, begründete seinen »Hof« im heutigen Weißrussland (»Reußen«), im äußersten Nordosten des damaligen chassidischen Einzugsgebietes. Der Begründer der Chabad-Lubavitsch-Strömung entstammte einer angesehenen Familie und verfasste – angeblich auf Bitten Dow Bärs – ein halachisches Kompendium, genannt Schulchan Arukh ha-Rav. Der Schulchan Arukh (hebr. »Gedeckter Tisch«) ist der ultimative Kodex halachischer Satzungen (eigentlich dessen Zusammenfassung), die Josef Karo (1488-1575) auf der Grundlage seines umfassenden halachischen Kompendiums, dem Bet Josef, verfasste. 71,36-38 »Oftmals […] Antwort Spricht.«] Vgl. »Das Ohr, das kein Ohr ist«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 229 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [195]). 71,39 Gleichnis vom Vogelnest] Vgl. »Das Vogelnest«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 136 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [38]). 72,5-21 Einige Schüler des Rabbi Nachum von Tschernobil […] »schloß sich der Ring.«] Nachum von Tschernobil (Menachem Mendel Twersky, 1730-1797), der Ahnherr der zahlreichen Twersky-Dynastien (vgl. Skver/Skvira, Rachmastrivka, Trisk u. a.) war ein Schüler des Großen Maggid. Das »Geleitmahl der Königin« (hebr. Melawe Malka) ist das festliche Mahl, das direkt nach Abschluss des Sabbat stattfindet. Ursprünglich kaum rituell elaboriert, erfuhr es durch die Kabbalisten des 17. und 18. Jahrhunderts eine große Aufwertung, die auch von vielen Chassidim übernommen wurde. Zur Episode vgl. »Der Zaddik und seine Chassidim«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 288 f. (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [302]). 72,23-34 Rabbi Sußja […] Buße an!«] Zu Rabbi Sußja, vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 64,6-11. Die beschriebene Episode findet sich als »Zaddikim und Chassidim«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 383 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [446]). 73,1 »Einen Altar aus Erde sollst du mir machen …«] Vgl. Ex 20,24. 73,4 der Rižiner] Israel von Rižin, vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 62,1. Zu seiner Auslegung dieses Bibelverses, vgl. »Der rechte Altar«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 449 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [639]). 73,7-11 Der Zaddik scheut […] Und sprach nicht weiter.] Der Zaddik ist Rabbi Baruch von Mesbiž, vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu
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69,8. Zur zitierten Sentenz vgl. »Schön reden«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 188 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [115]). 73,15-17 So oft in der dämmrigen Stube das Schweigen einkehrt, bringt es ein Sausen der Ewigkeit mit.] Anklänge an I Kön 19,12 (die Gotteserscheinung des Elija), von Buber mit »eine Stimme verschwebenden Schweigens« übersetzt. Vgl. Das Buch Könige, verdeutscht von Martin Buber gemeinsam mit Franz Rosenzweig, Berlin: Lambert Schneider 1929, S. 119. 74,12-13 jeder Weg, der zu Gott führt, ist der Weg.] In Die chassidische Botschaft, S. 127 heißt es: »jeder Weg, der zu Gott führt, ist der Weg«. Damit endet dort der vierte Abschnitt »Geist und Leib der Bewegung«. Die hier im Folgenden besprochenen Zaddikim stellt Buber in der Einleitung zu Die Erzählungen der Chassidim, S. 29-110 (jetzt in: MBW 18.1, S. 138-189) vor. Die Erläuterungen zum Baalschem, dem Großen Maggid, sowie zu Jaakob Jossef von Polnoe weichen von der hiesigen Fassung ab, während die weiteren Zaddikim sehr ähnlich charakterisiert werden. 74,20-21 des zaubermächtigen, geheimen Gottesnamens] Gemeint ist das Tetragrammaton. Baʿ al Schem (»Herr des Namens«) bezeichnet jemanden, der die arkane Fähigkeit besitzt, mit Hilfe jenes unaussprechlichen Namens Rettung und Heilung zu wirken. Baʿ al Schem Tov (»Herr des Guten Namens«) besagt eigentlich dasselbe: jemand, der sich des Guten Namens (Gottes) vollmächtig bedienen kann. 74,24 Von seiner Seele sagt ein Zaddik] Vgl. »Am Baum der Erkenntnis«, in: Erzählungen der Chassidim, S. 111 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [1]). 74,25 Ursünde aus Adam] vgl. Gen 2-3. Strenggenommen gibt es im Judentum keine »Erbsündenlehre«. Etwas Vergleichbares findet sich erst in kabbalistischen Systemen (vgl. Sohar Chadasch fol. 10c, besonders bei Luria: Chajim Vital, Schaʿ ar ha-Pesuqim, Sidrat Kitvé haAri, Jerusalem 1961, fol. 6b oder Ders., Schaʿ ar ha-Gilgulim, Jerusalem 1961, S. 36), denen zufolge der Adam Rischon den Zweck seiner Erschaffung – nämlich einen Tikkun heraufzuführen – verfehlte, so dass dieser den folgenden Generationen übertragen wurde. 74,34 einst sechzig Helden das Lager Salomos umstanden] Vgl. »Die sechzig Helden«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 111 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [2]); »sechzig Helden« vgl. Hhld 3,7. 74,37-39 »Was heißt das, […] weiterwandern muß.«] Vgl. »Die Wahrheit«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 158 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [66]).
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75,5-10 Die Legende […] und beugte sich] Buber hat den Stoff für zwei Anekdoten genutzt: »Samael«, in: Der Jude, III/12, März 1919, S. 583 (jetzt in: MBW 18.1, S. 45) und »Das Ebenbild«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 165 f. (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [80]). 75,12 Dow (Dob) Bär von Mesritsch, der große Maggid] Dov Ber Friedman, der »Große Maggid« von Międzyrzecz (starb 1772), vgl. die Einleitung zu diesem Band, S. 16-18. 75,15 die Worte des Baalschem] Der Baal Schem Tov hinterließ (von wenigen Briefen abgesehen) keine eigenen Texte. Seine theologischen Konzeptionen lassen sich nur aus den Werken weniger seiner Anhänger herausfiltern. Unter ihnen gelten die Schriften des Jaakob Jossef von Polnoe als besonders wertvolle und ergiebige Quelle. 75,31 Jaakob Jossef und Dow Bär] Beide entstammten bedeutenden Gelehrtenfamilien und genossen eine umfangreiche und sorgfältige traditionell-jüdische Ausbildung. Vom Baal Schem Tov gilt weder das eine noch das andere. Zu Jaakob Jossef von Polnoe: Jakob Joseph haKohen Katz von Połonne (starb 1783), vgl. die Einleitung zu diesem Band, S. 17 f. 75,Anm 3 erzählt die Geschichte »Der Widersacher« […] die Geschichte »Die Aufnahme«] »Der Widersacher« in: Buber, Die Legende des Baalschem, S. 175-188 (jetzt in: MBW 16). Vgl. auch »Der Geschichtenerzähler« in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 138-142 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [42]). »Die Aufnahme« in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 193 f. (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [124]). 76,18-20 Nicht ihn, sondern Rabbi Dow Bär erkor der Baalschem […] zu seinem Nachfolger.] Vgl. Grözinger (Hrsg.), Die Geschichten vom Baʾ al Schem Tov. Schivche ha-Bescht. Bd. I, S. 74; bei Buber, »Das Zeichen« in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 196 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [128]). 76,25-30 Rabbi Dow Bär war […] seine Seele.] Es heißt, Dow Bär habe unter einem verkrüppelten Fuß gelitten (vgl. »Der linke Fuß«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 211 [jetzt in: MBW 18.1, Nr. [155]]. Die Erzählung von der Gewinnung des Großen Maggid durch den Bescht gehört zu den beliebtesten chassidischen Legenden überhaupt und liegt in zahlreichen Varianten vor (vgl. Keter Shem Tov ha-shalem [2004], § 424, S. 263-264; Adat Tzaddiqim, S. 50-51; Schivché ha-Bescht, in: Grözinger [Hrsg.], Die Geschichten vom Baʾ al Schem Tov. Schivche ha-Bescht, Bd. I, S. 72-74; Bd. II, S. 50-54 u. ö.). 77,15 der zu dem ewigen Text seine enthusiastischen Marginalien schreibt] Auch der Große Maggid hat keine eigenen Schriften ver-
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fasst. Was heute als seine Homiliensammlungen bekannt ist (vgl. Maggid Devaraw le-Jaʾ aqov, Korzec 1781; die Liqqute jeqarim von 1795/96, auch bekannt als Kitve qodesch, Warszawa 1884/85 und Or ha-emet, Husyatin 1898/99), geht auf Mitschriften seiner Schüler – insbesondere des Levi Jizchak von Berditschew, zurück. Einsichten in das Denken des Dow Bär kann man auch mittels einer kleinen Anthologie mit dem irreführenden Namen »Das Testament des Rabbi Israel Baal Schem Tov« (Tzawaʾ at ha-Ribasch) gewinnen. 78,11 Levi Jizchak von Berditschew] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 66,3. 78,28 Würde eines heimlichen Exilarchen] Titel des Führers der babylonischen Juden im 1. Jahrtausend, dessen Autorität in der jüdischen Welt anerkannt wurde. Er musste davidischer Abstammung sein. 78,28-30 der aus dem armseligen Polenstädtchen […] entsandte.] Dow Bär Friedman von Mesritsch trat Anfang der 1760er Jahre sein Amt als Prediger (Maggid) in dem kleinen Städtchen an. Er errichtete ein Lehrhaus (Bet ha-Midrasch), das große Anziehungskraft ausübte. Viele der Zaddikim der dritten Generation versammelten sich dort. Als der Große Maggid gegen Ende seines Lebens (1771/1772) ins nahegelegene (und größere) Rovno zog, büßte Mesritsch an Bedeutung ein. Der Große Maggid gilt in den chassidischen Annalen als »Nachfolger« des Baal Schem Tov. 78,32-33 mit dem Richterelement der Urgemeinschaft] Eine positive Würdigung der biblischen Richterzeit unternimmt Buber in den ersten beiden Kapiteln von Königtum Gottes, Berlin: Schocken Verlag 1932, S. 3-44 (jetzt in: MBW 15, S. 102-124). 79,1 Abraham, genannt der Engel] Abraham ben Dov Friedman, genannt Abraham Malʾ akh (1740-1776) war der Sohn des Großen Maggid. Er soll – trotz gegenteiliger Lehre des Baal Schem – ein großer Asket gewesen sein. 79,8-10 er habe von Friedrich dem Großen […] auf die göttliche Urkraft zurückzuziehen] Vgl. »Der strategische Rückzug«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 215 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [163]). 79,14 Schalom Schachna] Schalom Schakhna Friedman (1769-1802) war der Sohn des Abraham Malʾ akh. Er wuchs im Hause des Menachem Mendel Twersky (vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 72,5-21) in Pogrebishche (polnisch Bohybryszcze) auf, dessen Tochter er heiratete. Dort begründete er auch einen kleinen chassidischen Hof, der keinerlei Ähnlichkeit zum asketischen Lebensstil seines Vaters aufwies. 79,19 Rabbi Nachum von Tschernobil] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 72,5-21.
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79,21 Gleichnis von der Henne] Vgl. »Die Henne und die Entlein«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 485 f. (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [618]). 79,30 Israel von Rižin] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 62,1. 79,31 den Apter Zaddik mit Mose verglich] Zum Apter vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 61,38. Zu dem Rebbe von Apta als »Mose seiner Generation« vgl. »Zweierlei Zaddikim«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 491 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [627]). 79,33-41 So meinten es die Scharen […] zum Ziel der Massenwallfahrt wurde.] Buber bezieht sich auf den sog. Uschitz-Fall. Dabei handelte es sich um den Mord an zwei Informanten, die den jüdischen Gemeinden im Distrikt Uszyca schweren Schaden zugefügt hatten. Da die Mehrzahl der Juden jenes Gebietes Anhänger des Rižiners waren, verfügten die zaristischen Behörden im September 1836 die Verhaftung des Rebben. Fast vier Jahre verbrachte er in einem Gefängnis in Kiew. Zu Beginn des Jahres 1840 wurde er mangels Beweisen einer Beteiligung an der Tat entlassen. Er durfte unter harten Auflagen nach Rižin zurückkehren, sein Amt als Zaddik konnte er dort jedoch nicht mehr ausüben. Daher floh er zwei Jahre später aus Russland nach Österreich und ließ sich in Sadagóra, nahe Czernowitz, nieder. 80,13 Rabbi Nachman von Bratzlaw] Nachman ben Simcha von Brazlaw (1772-1810) und Begründer der Bratzlawer Chassidim. Nach dem Tode seines Söhnchens Ephraim und seiner Frau begann Nachman im Sommer 1806, seine Sippure Maʾ assijot zu erzählen. Insgesamt gibt es dreizehn »kanonische« dieser märchenhaften Erzählungen. 80,20 Seine sechs Söhne] Israel Friedman von Rižin hatte sechs Söhne, welche die Dynastien von Husiatyń, Buhuşi, Bojan, Czortkóv, Ştefăneşti und Sadagóra begründeten bzw. fortführten. Sein Sohn Dow Bär (ca. 1821-1876), unglücklich in seiner Rolle als Zaddik, schloss sich zeitweilig den jüdischen Aufklärern (den Maskilim) an. Nach einiger Zeit kehrte er reumütig in den Schoß seiner Familie zurück und lebte bis zu seinem Tod zurückgezogen am Hof seines Bruders in Sadagóra. 80,38 Menachem Mendel von Witebsk] Menachem Mendel von Witebsk bzw. Horodok (um 1730 bis 1788). Wirkte als herausragender chassidischer Zaddik in Weißrussland und Litauen, bis er 1777 nach Israel/ Palästina auswanderte und dort die chassidischen Gemeinschaften von Safed und Tiberias begründete. 80,38-39 Schmelke von Nikolsburg] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 66,4. 80,39 Meschulam Sußja (Sische) von Hanipol] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 64,6-11.
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80,39-40 dessen Bruder Elimelech von Lisensk] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 61,38. 80,40 Levi Jizchak (= Isaak) von Berditschew] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 66,3. 80,40-81,1 Schnëur Salman von Ladi] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 71,13-14. 81,1-2 Jaakob Jizchak (= Jakob Isaak) von Lublin] Jakob Jizchak Horowitz, der »Seher von Lublin« (1745-1815), hatte sich verschiedenen chassidischen Meistern angeschlossen. Die für ihn entscheidende Gestalt aber war Elimelech von Lisensk. Sehr viele polnisch-galizische Zaddikim der vierten Generation bezogen sich auf den »Seher« als ihren Mentor oder Lehrer. 81,2-3 Israel der Maggid von Kosnitz] Israel Hapstein/Hopsztajn, der Maggid von Kozienice (ca. 1737-1814), gehörte zu den prägenden Zaddikim der dritten Generation in Kleinpolen. Er war ein anerkannter Gelehrter, dessen Werk Avodat Jisraʾ el (postum 1842 veröffentlicht) zu den Klassikern der chassidischen Literatur zählt. 81,10-14 Menachem Mendel […] Bunam von Pžysha] Buber nennt die folgenden Zaddikim der vierten Generation: Menachem Mendel von Rymanów (1745-1815) war ein Schüler des Schmelke von Nikolsburg und des Elimelech von Lisensk. 1807 errichtete er einen chassidischen Hof in Rymanów (in Galizien, im heutigen Südosten von Polen), wo er bis zu seinem Tode amtierte. Abraham Jehoschua Heschel von Apta (vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 61,38); Mosche Leib Erblich von Sasów (um 1745 bis 1807), ebenfalls ein Schüler des Schmelke, amtierte zunächst in Apta (Opatów), dann im galizischen Sasów (heutige Ukraine); Jaakob Jizchak Rabinowicz, der »Heilige Jude« (1766-1814), grenzte sich vom eher »praktisch« (an den materiellen Bedürfnissen der Anhänger) orientierten Chassidismus seines Mentors Jaakob Jitzchak von Lublin ab. Er begründete die Schule von Pžysha (bzw. Przysucha), die sich als Zentrum der Gelehrsamkeit und der traditionellen Elite definierte. Zu seinem bedeutendsten Schüler und Nachfolger entwickelte sich Ssimcha Bunam; vgl. Wortund Sacherläuterungen zu 93,22. 81,19-20 eine legendäre Überlieferung] Von einer Fahrt zum Baalschem erzählt »Kindheit«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 292 f. (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [307]). 81,23-24 der an dessen Schwelle […] umkehren mußte] Vgl. »Der Einhalt«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 167 f. (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [83]).
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81,34-37 »Einst war das Land Israel […] Rabbi Menachem Mendel war.] Vgl. die Einleitung in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 46 (jetzt in: MBW 18.1, S. 148). 82,2 bei dem Gebet, das man vor dem Einschlafen spricht] Vgl. Israels Gebete, übersetzt und erläutert von Samson Raphael Hirsch, Zürich u. Basel 1992, S. 727-735. 82,6-7 »Die Frucht des Landes«] So lautet der übersetzte Titel des Hauptwerks von Menachem Mendel (vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 80,38). Der Erstdruck von Pri ha-Aretz erschien 1874 in Zhitomir. 82,10 Rabbi Schmelke] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 66,4. 82,26 Ritschewel] Das kleinpolnische Ryczywół. 82,27 Nikolsburg] Mikulov in Südmähren. 82,32 Rabbi Elimelech] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 61,38. 83,8 Rabbi Sußja] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 64,6-11. 83,37 Auch er kannte die zeitlose Welt der Verzückung] Vgl. »Die Uhr«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 396 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [474]). 84,11 Rabbi Levi Jizchak] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 66,3. 84,16 »Klaus«] Jidd. Shtibl: eine von Hauptsynagogen bzw. Lehrhäusern separierte Einrichtung, oft ein kleiner, manchmal ein privater Raum, in dem kabbalistische Bet- und Studierzirkel sich versammelten. 84,17-27 er springt in der Sedernacht […] hinabstürzt.] Vgl. »Verzükkungen« in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 332 f. (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [368]). 84,23 Paradiesapfel […] Bachweide] Buber zählt die vier Bestandteile des Feststraußes (hebr. Lulav) auf, der beim achttägigen Laubhüttenfest (hebr. Sukkot) mitgeführt wird; »Paradiesapfel« ist eine Bezeichnung für den Etrog, eine Zitrusfrucht. 84,28-29 aber auch das weltlichste seiner Worte ist geweiht, ist Jichud.] Vgl. »Weltliche Rede« in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 347 f. (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [389]). 84,37-85,2 den geheimnisvollen Gesang der Heiligung […] »Verherrlicht und geheiligt werde …«] Buber spielt auf den Kaddisch (»Gesang der Heiligung«) des Levi Jitzchak an: »Gut’ Morgen Dir, Herr der Welt! / Ich, Levi Jitzchak ben Sara von Berdiczów, / Bin zu dir gekommen mit einem Rechtsfall für dein Volk Israel! / Was hast du denn gegen dein Volk Israel? // Was hast du deinem Volk Israel abgefordert? Und was immer es sei: ›Sprich vor Israel!‹ / Was immer es sei: ›Gebiete den Kindern Israel!‹ / Und was immer es sei: ›Rede mit den Kindern Israel!‹ // Geliebter Vater! Wie viele Völker gibt es in der Welt? / Me-
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der, Perser, Babylonier. / Was sagen die Russen? Unser Kaiser ist Kaiser! / Und die Deutschen sagen was? Unser König ist König! // Und die Engländer, was sagen sie? Unser Empire ist Empire! / Aber ich, Levi Jitzchak ben Sara aus Berdiczów, sage: ›Der König, der auf dem Throne sitzt, sei erhaben und erhoben!‹ // Und ich, Levi Jitzchak ben Sara von Berdiczów, habe noch etwas zu sagen: / ›Von meinem Ort werde ich nicht weichen, / bis all dies an ein Ende kommt! Und es aufhören muss!‹ / ›Jisgadal we-jisqadasch schʾ mé rabo!‹« (»Erhoben und geheiligt sei Dein großer Name!« – Das ist der Anfang des Kaddisch.) Vgl. Dresner, Levi Yitzhak of Berditchev, S. 86 f. 85,2-10 da kommt er […] spricht zu ihm.] Vgl. »In der Gerbergasse«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 332 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [367]). 85,13 Rabbi Schnëur Salman von Ladi] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 71,13-14. 85,15 Menachem Mendel von Witebsk] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 80,38. 85,14-17 Er hatte im Sinn […] Geheiß eines Traumgesichts] Die verhinderte Auswanderung Schnëur Salmans: vgl. Megillat Juchasin we-seder ha-dorot mi-talmide ha-Bescht, S. 50. 85,18 die »Chabad«-Schule] Chabad: ist ein Akronym aus Chokhma (hebr. »Weisheit«; die zweite Sefira), Bina (hebr. »Einsicht«; die dritte Sefira) und Daʿ at (»Erkenntnis«). Die drei gelten im Lehrgebäude des Schnëur Salman als kognitive Stufen zur Annäherung an Gott. Daʿ at gilt in manchen kabbalistischen Systemen als eine Art äußerer Aspekt der nahezu gänzlich transzendenten ersten Sefira Keter (»Krone«), die zwischen Chokhma und Bina ausgleicht und stabilisiert. Schnëur Salman schreibt: »So [wie in der makrokosmischen Struktur der Sefirot] ist es auch mit der Seele des Menschen, die zweigeteilt ist: Verstand und Sichtweisen [Middot]. Der Verstand umfasst Chokhma, Bina und Daʿ at. Und die Sichtweisen sind die Liebe zum Ewigen und die Ehrfurcht und die Furcht Ihm gegenüber und Sein Lobpreis etc. Und ChaBa“D werden »Mütter« genannt und sie sind die Quelle der Middot. Und die Erklärung für die Angelegenheit ist [die folgende]: Siehe, der Verstand, der in der erkenntnisfähigen Seele ist, erkennt jede Sache. Er wird mit dem Begriff Chokhma benannt: das Potential [Koʿ ach] dessen, was [ma] ist. Wenn jemand imstande ist, sein Potential [Koʿ ach] zur Wirkung zu bringen, sodass er mit seinem Verstand beobachtet, um zur genauen und tiefen Einsicht einer Sache zu gelangen, dann wird die erkenntnisfähige Weisheit in seinem Verstand Einsicht [Bina] genannt. Und dies sind Vater
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[Chokhma; II] und Mutter [Bina; III], welche die Liebe zum Ewigen hervorbringen und Seine Furcht und Ehrfurcht. Wenn nämlich der Verstand, der in der erkenntnisfähigen Seele ist, wenn er also beobachtet und sich sehr in die Größe des Ewigen versenkt, wie Er alle Welten erfüllt und alle Welten umschließt, und [wie] Alles vor Ihm als Nichts erachtet wird, dann wird die Sichtweise [Midda] der Furcht erzeugt und erweckt. […] Die Daʿ at aber […] ist Ausdruck der Verbindung und des Sich-Zusammen-Tuns, da man seine Erkenntnis [Daʿ at] mit einem sehr mächtigen und starken Band verbindet und sein Denken hineinsenkt in die Stärke und die Größe des Ejn Sof [»un-endlich«, der nicht offenbare »Teil« Gottes], Er sei gepriesen.« (Schnëur Salman von Ljady, Sefer ha-Tānja, New York 2009, fol. 7a-b.) 85,35-36 in Petersburg Festungshaft] Schnëur Salman wurde von den Mitnagdim, den innerjüdischen Gegnern des Chassidismus, bei den zaristischen Behörden wegen Gründung einer neuen Religion und illegaler Finanztransaktionen denunziert. Man inhaftierte ihn zwei Mal (1798 und 1800/1801) in Sankt Petersburg. Der Tag seiner ersten Entlassung aus der Haft, der 19. Kislev 5559 (27. November 1798) gilt bei Chabad als Feiertag. 86,19 »Anhaftens«] Hebr. Devekut, »Anhaftung«, ist ein zentraler Begriff der frühen chassidischen Theologie. Er beinhaltet die völlige Ausrichtung des Menschen – über die physische Realität hinweg und durch sie hindurch – auf die Präsenz des Ewigen in der Welt. 86,24 die vier Schüler Elimelechs] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 81,1-2, 81,2-3 und 81,10-14. 86,29 Mosche Leib von Sassow] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 81,10-14. 86,35-36 dem Berditschewer] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 66,3. 87,9-10 »Liebe deinen Nächsten wie dich selbst, ich bin der Seiende«.] Lev 19,18b. Vgl. auch Buber, Einleitung in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 74 f. (jetzt in: MBW 18.1, S. 166 f.). 87,12-13 Rabbi Wolf von Zbaraž] Seʾ ev Wolf Zvi Benjamin von Zbaraž (gest. 1822) war der dritte Sohn des Jechiʿ el Michel Aschkenasi von Złoczów. 87,15 Rabbi Jechiel Michal] Jechiʿ el Michel Aschkenasi von Złoczów (1726-1781) war ein Prediger, Gelehrter und (praktischer) Kabbalist und als solcher anerkannt und umstritten. Er amtierte als Rabbiner in Ostróg, seiner Geburtsstadt Brody und anderen Städten. Als »Kabbalist alten Stils« kann man ihn als gleichgestellten »Konkurrenten«
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des Baal Schem Tov bezeichnen. Er begegnete sowohl dem Baal Schem Tov, als auch Dow Bär von Mesritsch, mit dem er studierte. 87,22 Abraham Jehoschua von Apt] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 61,38. 87,32-36 Die Wende im Leben […] und wandelt sich] Vgl. »Die Wende«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 567, sowie die Einleitung, ebd., S. 76 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [741] sowie S. 168). 87,37-38 er sieht ihn im Zusammenhang […] aufgegeben ist.] Besonders erkennbar in »Weinen und Lachen«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 576 f. (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [757]). 87,40 Rabbi Mendel von Rymanow] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 81,10-14. 88,10-12 als Gottes eingesetzter Vertreter […] vor die Wahl stellt.] Vgl. »Am Offenbarungsfest«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 590 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [781]). 88,20 der Maggid von Kosnitz] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 81,2-3. 88,Anm 10 die Geschichte »Das dreimalige Lachen«] Die Erzählung vom »dreimaligen Lachen« findet man u. a. in Michael Rodkinson, Adat Tzaddiqim, Lemberg 1865, S. 4-7. 88,23-24 kein »fremder Gedanke« genaht sein] Vgl. »Zeugnis«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 443 f. (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [553]). 88,25 achthundert Bücher der Kabbala] Vgl. »Die Erkenntnis«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 440 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [546]). 88,30-37 Wenn er das Wort […] zu sprechen] Vgl. Buber, Einleitung, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 56 (jetzt in: MBW 18.1, S. 155). 88,37-38 Er sagt einmal, […] mit emporzutragen.] Vgl. »Die toten Gebete und das lebende«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 444 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [554]). 89,5-12 Er soll Napoleons Triumph […] Schleuder aufgesammelt.«] Vgl. »Die Bachkiesel«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 455 f. (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [575]). 89,14-15 der »Seher von Polen«, Rabbi Jaakob Jossef von Lublin] Wohl verschrieben für Rabbi Jaakob Jizchak, den »Seher von Lublin«; vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 81,1-2. 89,16-18 »des Lubliners Augen […] nicht gehabt«] Vgl. Nifleʾ ot ha-Choze, Piotrków 1911, S. 3. 89,22-29 Durch den Propheten […] umflossen ist.] Weiter ausgearbeitet findet sich dieser Gedankengang z. B. in Bubers Aufsatz »Prophetie, Apokalyptik und die geschichtliche Stunde«, in: Merkur, 8. Jg., Heft 12, Dezember 1954, S. 1101-1114 (jetzt in: MBW 15, S. 380-393).
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89,34 Es heißt im Talmud (Babli, Chagiga 12a)] bChag 12a (BT, Bd. IV, S. 270). 89,34-39 »Das Licht […] die Gerechten der künftigen Zeit.«] Leicht verändert hat Buber diese Worte dem Verborgenen Licht (1924), sowie Or ha-ganuz (1946), dem hebr. Pendant zu Die Erzählungen der Chassidim, vorangestellt. 90,3 Bittzettel] Jidd. Kvitlekh: vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 69,39. Zur Erzählung vgl. »Von seinem Schauen«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 461 f. sowie die Einleitung hierzu, S. 56-58 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [582] sowie S. 155-156). 90,9-10 Lebens-und Seelgeist] Die vegetative (Nefesch) und die intelligible (Ruach) Seele. Zur Erzählung vgl. »Reinigung der Seelen«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 466 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [588]). 90,11-14 Und die Schüler […] vergaß das Exil nicht] Zur Erzählung vgl. »Das kleine Heiligtum«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 467 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [591]). 90,14-21 Unablässig […] seinem Anhauch] Buber spielt hier auf den sog. Großen Fall des Lubliner Rebben an, vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 324,33-34. Zu den Texten im Original vgl. Mosche Walden, Nifleʾ ot ha-Rabbi, Warschau 1918, S. 11-12; Zvi Jecheskel Michelson, Nifleʾ ot ha-Jehudi, Piotrków 1908, S. 78-79; Nifleʾ ot haChoze, S. 18-20 u. ö. 90,36-91,3 Wenn es etwa […] mit drohendem Wort] Erzählung nicht nachgewiesen. 91,5 dem »Jehudi«] Jakob Jizchak Rabinowicz, der »Heilige Jude«; vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 81,10-14. 91,23-28 Als Knabe schon wollte der Jehudi […] Scheune zu beten] Vgl. Nifleʾ ot ha-Choze, S. 41. 91,29-37 Alle meinten von ihm […] vor dem Buche liegen] Vgl. ebd. 91,38 Rabbi Abraham Jehoschuas] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 61,38. 91,40-41 Eine Zeit danach […] sein einziger Freund war] Laut der Einleitung zu Die Erzählungen der Chassidim, S. 93 (jetzt in: MBW 18.1, S. 178) handelt es sich bei diesem Freund um Rabbi David von Lelow; vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 242,14. 91,41-92,6 dem gestand er […] schon erwartete.] Der erste Besuch in Lublin: vgl. Nifleʾ ot ha-Choze, S. 43-45. 92,30-32 »Kehret um« […] Erlösung ist nah!«] Zvi Jecheskel Michelson, Nifleʾ ot ha- Jehudi, Piotrków 1908, S. 40. 92,36-39 »Er wollte« […] vollbrachte sie nicht.«] Uri ben Pinchas von Strelisk (1757-1826) war ein Zaddik der vierten Generation – ein
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Schüler des Schlomo ha-Levi von Karlin (starb 1792). Er betonte den Wert von Armut und Askese und soll zu besonders kraftvollem Gebet fähig gewesen sein. Uris Schüler Schalom Rokeach (1783-1855), begründete die bedeutende Dynastie von Bełz. 93,3-11 Über die Ursache seines Sterbens […] verbunden ist] Zum Tode des Jehudi vgl. Nifleʾ ot ha-Choze, S. 18-20. 93,20 einsamen Baum] Vgl. »Der einsame Baum«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 754 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [1086]). 93,22 Rabbi Ssimcha Bunam von Pžysha] Ssimcḥa Bunem von Przysucha (1765-1827) übernahm nach dem frühen Tod des »Heiligen Juden« die Führung der Chassidim von Przysucha. Anders als die meisten Zaddikim war er weit gereist und verfügte neben einer traditionell-jüdischen auch über eine »weltliche« Ausbildung. Er kann als eigentlicher Begründer der Pžysha-Schule (bzw. Przysucha-Schule) gelten, die auf eine Synthese traditioneller und chassidischer Gelehrsamkeit setzte und den charismatischen, populären Chassidismus rigoros ablehnte. 93,24-25 das Material […] gesammelt worden ist] In dem gesondert gedruckten Quellenverzeichnis zu Der große Maggid und seine Nachfolge, Frankfurt a. M.: Rütten und Loening 1922, S. 12 (jetzt in: MBW 18.1, S. 742) stellt Buber die von Israel Berger zusammengestellte Kollektion Simchat Jisraʾ el, Piotrków 1910, als »sehr reichhaltige Materialsammlung« vor. Lehraussagen des Ssimcha Bunam wurden bereits im Jahre 1859 unter dem Titel Qol Simcha zusammengestellt und publiziert. 94,6-12 zum Handel nach Danzig gereist […] zurecht biegen kann.«] Vgl. »Junge Bäume«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 756 f. (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [1091]). 94,12-16 Ein andermal […] nicht zu schreiben.«] Vgl. »Das Buch Adam«, in: Die Erzählungen der Chassidim, MBW 18.1, Nr. [1113]. 94,35 Naftali von Ropschitz] Naftali Zvi Horowitz von Ropczyce (17601827) war ein Schüler des Menachem Mendel von Rymanów (17451815) und des »Sehers« von Lublin (1745-1815). Er gehörte zu den führenden galizischen Zaddikim der vierten Generation. 94,35-95,2 wohl der geistreichste […] sich mischen).] Vgl. Buber, Einleitung, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 97 (jetzt in: MBW 18.1, S. 180 f.). 95,3 Zaddikimhochzeit zu Ostila] Bei der Hochzeit von Ostila handelte es sich um die Heirat eines Enkels des Avraham Jehoschua Heschel von Apta. Ssimcha Bunam von Pžysha soll sich geweigert haben, dort anwesend zu sein, woraufhin der ohnehin schwelende Konflikt um
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seine vermeintliche »Weltlichkeit« eskalierte. Vgl auch »Auf der großen Hochzeit«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 757 f. (jetzt in: MBW 18.1., Nr. [1092]). 95,26-31 Bunam selbst hat das […] ist es eine Deutung«] Zitat nicht nachgewiesen. 95,33 Mendel von Kozk] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 68,1. 96,9-27 An einem Sabbat […] Ratten gefressen.] Vgl. Buber, Einleitung, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 104-106 (jetzt in: MBW 18.1, S. 185 f.). 96,18 Gerer Zaddik] Jitzchak Meʾ ir Rothenberg-Alter von Ger (Góra Kalwaria; 1789-1866). Er übernahm in der durch den Rückzug Menachem Mendels ausgelösten Krise die Führung der Schule von Pžysha. 96,20 Sabbat-Pekesche] Ein Überkleid, eigentlich die mit Pelz besetzte, taillierte Uniformjacke der polnischen Kavallerie. 96,21-22 Wenn ein Chassid […] »Und das Tauchbad?«] Nicht nachgewiesen. 96,24 der Brunnen Miriams] Der Brunnen Miriams soll von Gott kurz vor Sabbatbeginn geschaffen worden sein, um die Israeliten während der Wüstenwanderung mit Wasser zu versorgen, und wird Miriam als Verdienst zugerechnet. Vgl. mAV V,8 (BT, Bd. IX, S. 679) sowie bTaan 9a (BT, Bd. III, S. 663). Ein Wort über den Chassidismus Die kurze Replik Bubers erschien im Juli 1924 in den Theologischen Blättern (3. Jg., Nr. 7, S. 160-161), einer Zeitschrift, die vom »Eisenacher Kartell akademisch-theologischer Vereine« verantwortet wurde. Ihr Herausgeber, der Neutestamentler Karl Ludwig Schmidt (1891-1956), hatte mit seinen Ausführungen zum Chassidismus, die ebenfalls in den Theologischen Blättern erschienen waren (vgl. Theologische Blätter, 3. Jg., Nr. 3, S. 54-56) den Widerspruch Bubers hervorgerufen. Karl Ludwig Schmidt, den die Nationalsozialisten 1933 aus seiner Professur in Bonn vertrieben, sollte Bubers Pfade noch mehrfach kreuzen. Am wirkmächtigsten dürfte das berühmte Religions»gespräch« beider Gelehrter im Jüdischen Lehrhaus Stuttgart am 14. Januar 1933 gewesen sein, das anschließend unter dem Titel »Kirche, Staat, Volk, Judentum« veröffentlicht wurde. (Vgl. Theologische Blätter, Jg. XII, Nr. 9, Sp. 257274; jetzt in: MBW 9, S. 145-168. Vgl. dazu auch Peter von der OstenSacken, »Begegnung im Widerspruch. Text und Deutung des Zwie-
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gesprächs zwischen Karl Ludwig Schmidt und Martin Buber im Jüdischen Lehrhaus in Stuttgart am 14. Januar 1933« in: Ders. [Hrsg.], Leben als Begegnung. Ein Jahrhundert Martin Buber [1878-1978], Berlin 1982 [2. Auflage], S. 116-144.) Schmidt hatte in seinem Essay einen Satz formuliert, der Bubers Auffassung nach zu größeren Missdeutungen hinsichtlich des Chassidismus Anlass geben könne: »Die Kontroverse, die hier auftaucht, würde sich zu der Frage zuspitzen, inwieweit der Chassidismus etwas Gesetzliches und Messianisches an sich hat, ob er darin noch Gemeinsames hat mit dem allgemeinen Judentum oder ob er sich von diesem entscheidend abhebt.« (Karl Ludwig Schmidt, Buber und der Chassidismus, Theologische Blätter 3 [1924], S. 54-56, hier S. 56.) Tatsächlich bergen beide Topoi, sowohl die Frage nach Stellenwert und Gültigkeit der Halacha (des »Gesetzes«), wie auch die chassidischen Positionen zu messianischen Fragen, Potential für Kontroverse. Schon die Gegner des frühen Chassidismus hatten gemeint – allen voran Elija ben Schlomo, der Gaon von Wilna – von der Avoda ba-Gaschmiʾ ut, der Spiritualisierung des Alltags, auf eine systematische Vernachlässigung des Talmud Tora (des Torastudiums) und von dort auf antinomische Tendenzen im Chassidismus schließen zu dürfen. Letzteres war aber, von sehr wenigen und äußerst randständigen Positionen einmal abgesehen, eindeutig nicht der Fall. Bei den chassidischen Strömungen, wie unterschiedlich sie auch gewesen sein mögen, stand die Geltung der Halacha überhaupt nicht in Frage. Was das Studium des Talmud angeht, so entwickelten einige der frühen chassidischen Meister (vgl. Jaakob Jossef von Polnoe) Konzepte einer Art Arbeitsteilung: Die Zaddikim näherten sich (wie die gebildeten rabbinischen Eliten, aus denen sie zumeist stammten) auf dem »üblichen Weg« des Studiums und des Gebets Gott, wohingegen sich die einfachen Chassidim zwecks Weisung an ihre Rebbes hielten. Unter den Zaddikim – und somit innerhalb der verschiedenen chassidischen Strömungen – gab es selbstverständlich mehr oder weniger originelle Denker und Gelehrte, so dass in manchen Gruppen (wie in Pžysha oder Chabad) der Talmud Tora in höherem Ansehen stand, als in anderen (vgl. Sadagóra oder Tschernobil). Die Frage nach den messianischen Untertönen der chassidischen Bewegung entwickelte sich zu einer handfesten wissenschaftlichen Kontroverse. Es ist dies ein Problem, das sich vor allem vor dem Hintergrund der gescheiterten messianischen Aktivitäten des Sabbatai Zvi (16261676) stellte: War die chassidische Reform darauf aus, die eschatologischen Hoffnungen in andere Bahnen zu lenken (so Ben-Zion Dinur, 1884-1973, und Jeschajahu Tishby, 1908-1992), akute messianische Hal-
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tungen zu unterdrücken (Simon Dubnow und Martin Buber), sie zu neutralisieren (Gershom Scholem) oder gar zu befördern (Elliott Wolfson, Mor Altshuler)? (Eine zusammenfassende Beschreibung der unterschiedlichen Positionen bietet Idel, Messianic Mystics, S. 212-214. Idels eigene These nimmt einen vermittelnden Standpunkt ein: »Eighteenthcentury Hasidism combined extreme spiritual mystical elements with conspicuously messianic concepts and terminology, which were given to interpretations that moderated their apocalyptic aspects.« Ebd., S. 212.) Buber hat in seinem Bestreben, den Chassidismus als Abkehr von dualistisch ausgerichteten (»gnostischen«) Systemen zu beschreiben, dessen Diesseitigkeit und sein Streben nach Einheit und Monismus betont. (Vgl. Guy Stroumsa, Buber as an Historian of Religion: Presence, not Gnosis, S. 87-105, besonders S. 97-101.) Die beiden Hauptthesen Bubers hinsichtlich der chassidischen Lehre von Tora und Endzeit lauten folgerichtig: Die Tora sei hier keine (starre) »Satzung, sondern gnadenreiche Führung«; der »jüdische Messianismus« sei in ein neues Stadium getreten, in der sich die Erlösung auch und gerade präsentisch und innerweltlich vollzieht. Beide, für Buber absolut wesentlichen Überzeugungen, hatte er schon in den Drei Reden über das Judentum (1911) entwickelt (vgl. S. 44-52 u. 71-87; jetzt in: MBW 3, S. 231-235 sowie S. 243-249) und – wie im vorliegenden Text beschrieben – im Geleitwort zu Der große Maggid und seine Nachfolge bekräftigt. Sie werden ihn nicht nur sein Leben lang begleiten, sondern auch und gerade im jüdisch-christlichen Gespräch immer wieder dem Verdikt des Judentums als quasi steriler »Gesetzesreligion« entgegengesetzt. Textzeugen: D: Theologische Blätter, 3. Jg., Heft 7, 1924, S. 103-104 (MBB 300). Druckvorlage: D Wort- und Sacherläuterungen: 97,10 mit jedem ἰῶτα und jeder χεραία] íota: der kleinste Buchstabe im griech. Alphabet; keraía: von griech. »Häkchen«, »Strich«; vgl. Mt 5,18: »Amen, ich sage euch nämlich: Bis dass der Himmel und die Erde vergehen, wird kein Iôta oder kein Häkchen vom Gesetz vergehen, bis das alles sein wird.« 97,10-11 im Geleitwort meines Buchs »Der große Maggid«] Vgl. in diesem Band, S. 61.
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97,21 »Hebung der Heiligen Funken«] Der lurianischen Kosmogonie zufolge wird den Menschen, insbesondere Israel, die Aufgabe zuteil, die nach dem »Bruch der Gefäße« (vgl. die Wort- und Sacherläuterungen zu 56,20) an die »Schalen« verlorenen heiligen Lichtfunken wieder ihrer göttlichen Quelle zuzuführen. Dies ist der Tikkun (hebr.: »Instandsetzung«), der kollektiv gedachte Erlösungsprozess. 97,25-31 »Der eschatologische Antrieb […] wird entscheidend.«] Wiederum im Geleitwort zu Der große Maggid und seine Nachfolge, vgl. in diesem Band, S. 59. 97,32 evangelisch gesprochen] Hier im Sinn von: »aus dem Evangelium zitiert«; in diesem Fall bezieht sich Buber womöglich auf Jesu Gleichnisse vom Königtum Gottes; vgl. Mt 13,19 mit 13,45. Des Baal-Schem-Tow Unterweisung im Umgang mit Gott »Das Buch vom Bescht kommt mir vor, als ob es die Jünger des Bescht selbst geschrieben hätten, und es nicht von einem Gefäß in ein anderes umgeschüttet worden wäre.« (Brief vom 14. November 1927; B II, S. 297) – so lautet die ebenso kurze, wie enthusiastische Stellungnahme Schmuʾ el Josef Agnons zu Des Baal-Schem-Tow Unterweisung. Sie reflektiert die sehr positive Aufnahme, welche die Anthologie bei etlichen Bekannten und Freunden Bubers erfahren hatte. Unter Bubers Werken zum Chassidismus nimmt das Büchlein eine Ausnahmestellung ein, da es sich nicht um eine Anthologie von Legenden, sondern um eine Sammlung handelt, die aus dem zweiten großen Schriftkorpus – dem der sogenannten »theoretischen Literatur« – gespeist ist. Im Falle des Baal Schem Tov gestaltet sich die Zuordnung von Lehraussagen komplizierter als bei anderen chassidischen Meistern, da seine nur in Aphorismen und Gleichnissen erhaltenen Auffassungen ausschließlich in den Werken seiner Anhänger und Nachkommen tradiert wurden, allen voran derjenigen des Jaakob Jossef von Polnoe (gest. 1783) und seines Enkels Mosche Efrajim von Sadylkow (1737/48-ca.1800). Man begann schon recht früh, die Worte des Baal Schem Tov aus verschiedenen Quellen zu extrahieren und diese zu Anthologien zu fügen. Deren erste, die Keter Schem Tov (»Krone des Guten Namens«), erschien bereits im Jahre 1784. Die umfangreichste Sammlung, der Sefer Baʿ al Schem Tov (»Buch des Baal schem Tov«), wurde hingegen erst 1937/38 gedruckt; sie stand Buber also nicht zur Verfügung. Des Baal Schem Tow Unterweisung enthält Zitate aus den folgenden Quellen:
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(1) Tzawaʾ at ha-Ribasch (»Das Testament des Baal schem Tov«; 1793): Anders als der Name vermuten lässt, handelt es sich um eine Sammlung von praktischen Handlungsmaximen (Hanhagot) aus dem Umfeld des Großen Maggid von Mesritsch. (2) Keter Schem Tov (»Krone des Guten Namens«; 1784): Der Keter Schem Tov ist die älteste Anthologie von Sentenzen des Baal Schem Tov, wie sie aus Werken seiner Anhänger kompiliert wurde. (3) Jaakob Jossef von Polnoe: Die Werke des Jaakob Jossef von Polnoe, aus denen ein Großteil der in den Bescht-Anthologien versammelten Zitate stammt, umfassen die folgenden Sammlungen: Toldot Jaʾ aqov Josef (Korzec 1780), die Homilien zu allen Teilen der Tora beinhaltet; Ben Porat Josef (Korzec 1781; mit Homilien zur Genesis), Zafnat Paʿ aneach (Korzec 1782; Interpretationen zum Exodus) und Ketonet Passim (Lemberg 1866; Texte zu Levitikus und Numeri). (4) Mosche Efrajim von Sadylkow, Degel Machane Efrajim (Korzec 1810). Der schmale Band, der eine Sequenz von eher religionswissenschaftlichen Werken Bubers zum Chassidismus ergänzt, wurde bereits 1925 bei Rütten und Loening angekündigt, erschien dann aber erst zwei Jahre später – und zwar bei Jakob Hegner. Im nämlichen Verlagshaus wurden auch Die chassidischen Bücher veröffentlicht. Nachdem Jakob Hegner 1930 Konkurs anmelden musste, wurden Bubers ursprünglich in Hellerau verlegte Werke vom Schocken-Verlag übernommen. Schocken brachte 1935 eine Neuausgabe der Unterweisung heraus. Ein drittes Mal, rechnet man nur die Auflagen zu Lebzeiten Bubers, wurde die Anthologie als Teil der Werkausgabe Bubers gedruckt (vgl. Werke III, S. 4767). Der Wunsch, die Sammlungen von chassidischen Erzählungen durch Arbeiten zum Lehrgebäude des frühen Chassidismus zu ergänzen, stand in Zusammenhang mit dem »Corpus Hassidicum« – einem Publikationsprojekt, an dem Buber gemeinsam mit Schmuʾ el J. Agnon arbeitete (vgl. Buber, Einleitung, in: Die chassidischen Bücher, S. [IX]; jetzt in: MBW 18.1, S. 88). Er habe, so Buber in seiner Vorbemerkung zu Die chassidischen Bücher, etliches zum Chassidismus geschrieben und Legenden herausgegeben, aber: »Außerhalb davon bleiben nur: was ich an lehrenden Texten – nicht, wie es bei jenen, fast als Rohstoff erhaltenen, sein mußte, bildnerisch, sondern, wie es diesen gebührte, in treuer Wahrung des Worts – eingedeutscht habe und wovon eben jetzt ein erstes Büchlein veröffentlicht worden ist« (vgl. ebd.). Im Unterschied zu den Legenden, die Buber nach eigenem Bekunden erst aus einem Rohzustand heben musste, habe er die in der Des Baal-
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Schem-Tow Unterweisung vorliegenden Texte »in treuer Wahrung des Worts« übersetzt. Das auf vier Bände angelegte »Corpus Hassidicum« kam nie zustande. Dafür war zunächst ein verheerender Brand in Agnons Bad Homburger Wohnung verantwortlich, der sämtliche dort befindliche Manuskripte und Materialien vernichtete. Unter ihnen befand sich auch der beinahe fertig gestellte erste Teil des »Corpus« (vgl. B II, S. 192-193 u. S. 205). Trotz verschiedentlicher Bekundungen, das Projekt fortsetzen zu wollen, traten weitere gravierende Verzögerungen ein, so dass es schließlich im Sande verlief (vgl. ebd., S. 263, S. 265, S. 288-289 u. S. 424-425). So blieb der kleine Band mit Lehraussagen des Baal Schem Tov ein Solitär im Gefüge der narrativen Anthologien und der Essays Bubers über den Chassidismus. Ungewöhnlich, mindestens im Vergleich zu etlichen anderen seiner Werke, ist zudem das sehr knappe Vorwort, welches er der Sammlung voranstellt. In ihr betont er die anthropologische Dimension der frühen chassidischen Mystik: Nach dem Baal Schem sei es nicht mehr nötig, sich von der Welt abzukehren, um »zum wahren Sein zu gelangen«, vielmehr würde »die Wirklichkeit zwischen Gott und ihm [dem Menschen]« zum Gegenstand des wahren Dienstes werden. (Vgl. Buber, Des Baal-Schem-Tow Unterweisung im Umgang mit Gott, in diesem Band, S. 101.) Die Botschaft des Baal Schem sei derart ungewöhnlich, dass man gut daran tue, »alles, was man von der Geschichte weiß, und alles, was man von der Mystik zu wissen meint, zu vergessen« (ebd., S. 102). Die Sentenzen selbst wurden von Buber in fünfzehn thematische Einheiten gegliedert, die gleichsam von der Motivation zur Handlung leiten. Den eigentlichen Texten sind Erläuterungen (vgl. »Zur Erklärung«; in diesem Band, S. 123-128) beigefügt, die teils den traditionsgeschichtlichen Hintergrund erhellen, teils aber auch zusätzliches Material zur Vertiefung beifügen. Textzeugen: h: Handschrift zu d1 im MBA (Arc. Ms. Var. 350 dalet 54); 3 lose paginierte Blätter, einseitig beschrieben mit schwarzer Tinte; undatiert; mit wenigen Korrekturen versehen. Enthält die Abschnitte 121,11-17, 120,25-121,5, 103,3-19, 103,22-104,4. Enthält unter dem Titel »Palme und Zeder« ein zusätzliches Textstück; vgl. hierzu die Beschreibung von d1. d1: Teildruck unter dem Titel »Unterscheidung – Worte des Baalschem«, in: Soncino-Blätter. Beiträge zur Kunde des jüdischen Buches, Berlin: Soncino-Gesellschaft 1925, S. 70-71 (MBB 312). Enthält die Ab-
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schnitte 121,11-17, 120,25-121,5, 103,3-19, 103,22-104,4. Ein zusätzliches Textstück wurde stark gekürzt und überarbeitet unter dem Titel »Palme und Zeder« in Die Erzählungen der Chassidim, S. 197 f. (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [131]) aufgenommen. Wegen erheblicher Varianz im Folgenden abgedruckt. 2 D : Hellerau: Jakob Hegner 1927, 117 S. (MBB 339). D3: Berlin: Schocken Verlag 1935, 118 S. (MBB 518). d4: Teildruck unter dem Titel »Zwei Aussprüche des Baalschemtow«, in: Almanach des Schocken-Verlags für das Jahr 5696, Berlin 1935, S. 7475 (MBB 531). D5: Werke III, S. 47-67 (MBB 1219). Druckvorlage: D2 Übersetzungen: Englisch: The Baal-Shem-Tov’s Instruction in Intercourse with God, in: Hasidism and Modern Man, edited and translated by Maurice Friedman, New York: Horizon Press 1958. Niederländisch: Ondervizzing in de omgang met God, in: Martin Buber, De Chassidische bodschap, übers. von R. Boerke und C. Verhulst, Wassenaar: Servire 1968 (MBB 1311). Abdruck des zusätzlichen Textstücks in h, d1: 2. Zweierlei Gute »Der Gerechte wird wie die Dattelpalme Blüte treiben, wie die Zeder des Libanons wird er emporwachsen«. Es gibt zwei Arten von Gerechten, und beide sind vollkommen, aber dies ist der Unterschied zwischen ihnen: Der eine hängt beständig an Gott und tut den ihm zugeteilten Dienst, doch ist er ein Gerechter allein für sich selber und nicht für das was außer ihm lebt; das ist, er schüttet von seiner Rechtlichkeit nicht über andere aus. Dieser wird der Zeder verglichen, von der unsre Lehrer gesagt haben, sie trage keine Früchte; denn er trägt keine Frucht, daß er andre zum Guten bekehrte, und die Gerechten in der Welt sich mehrten, sondern für sich selber wächst er empor und mehrt seinen Lohn. Der andere aber ist der Palme verglichen, die Früchte trägt; dieser wird wie die Palme Blüte treiben, das ist, er »holt Köstliches aus dem Gemeinen« und bringt zum Blühen und mehrt das Gute in der Welt. Beide sind vollkommen, aber der Palmengleiche allein steht in der großen Gnade.
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Variantenapparat: In D5 sind die Bibelstellen durch zusätzliche Anmerkungen nachgewiesen. Der Variantenapparat verzichtet auf die Wiedergabe dieser Ergänzungen. 103,4 deuten] verstehn h, d1 103,6 Arten des Nichtwissenkönnens] Gattungen des Nichtwissens h, d1 103,6-8 da beginnt einer […] zu wissen] dieser hebt gar nicht an zu forschen und zu erkennen, weil zu wissen ja doch unmöglich ist h, d1 103,8 Ein andrer aber] Der andre h, d1 103,10 wem sind sie wohl zu vergleichen] wem ist das Ding zu vergleichen h wem ist das zu vergleichen d1 103,11 lernen wollen] zu lernen begehren h, d1 103,12 Schatzkammern] Schätzen h, d1 103,14-15 nicht möglich ist […] wollen wir gar nicht einreden, sondern uns […] bescheiden] nicht möglich sei […] wolle er gar nicht erst eintreten, sondern sich alsbald […] bescheiden h, d1 103,16 jene Worte Gottes bedeuten] jenes Wort Gottes bedeutet h, d1 103,22 Warum sprechen wir] davor Titel 5. Zweierlei Gnaden h, d1 103,23 Gattungen] Arten h, d1 103,24-25 und sein Glaube ist stark] dennoch aber ist sein Glaube stark h, d1 103,25-26 Und dies ist der Unterschied zwischen ihnen] Der Unterschied zwischen ihnen ist dieser h, d1 103,28 vorbringen mag, denn] vorbringt: h, d1 103,28-29 weil er von den Vätern übernommen ward] weil er ihn von den Vätern übernahm h, d1 103,29 haftet daran] ist in ihm h, d1 103,31-32 weil er Gott […] gelangt ist] der den Schöpfer durch großes Forschen erkannte, glaubend und liebend im starken Sinn der Erkenntnis steht h, d1 103,32-34 an ihm haftet […] zu erschüttern] in ihm ist ein Mangel: Daß sein Glaube durch widersprechenden Beweis leichterhand zu erschüttern ist h, d1 103,34 Wer jedoch beides] Wer aber beide Eigenschaften h, d1 104,2 damit wird gesagt] es wird damit bekräftigt h, d1 104,3-4 das Göttliche] die Gottheit h, d1 105,6 seine Welt] seine Welten D5 105,8 was du zu tun vermögend bist] was deine Hand zu tun findet D5 105,16 gütige Liebe] Holdschaft bieten D5 105,17 züchtig wandeln] bescheiden gehen D5 105,20 Züchtig wandeln] Bescheiden gehen D5 109,27 Tr e u e ] nicht hervorgehoben D5
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110,9-10 Aus der Ferne ist mir der Herr erschienen] Fernher gibt sich der Herr mir zu sehen D5 112,3 Herrlichkeit Gottes] Einwohnenden Herrlichkeit D5 117,20-21 Wahrlich […] dieser Stätte] So denn, der Herr west an diesem Ort D5 117,22 schauervoll ist diese Stätte] schauerlich ist dieser Ort D5 117,23 Gegenwärtig ist ER an dieser Stätte] Der Herr west an diesem Ort D5 117,28 Und er] Er D5 117,28 schauervoll ist diese Stätte] schauerlich ist dieser Ort D5 119,24 Hier bin ich] Da bin ich D5 120,19-20 Manchem, der aus der Ferne] davor Absatzwechsel D5 120,25-31 Es gibt zwei […] zwischen ihnen] 3. Zweierlei Böse / Da sind zwei Menschenarten. Eine – das ist der vollkommen Böse, der seinen Herrn kennt und mit dem Willen sich wider ihn empört. Die andere – das ist der Mensch, dem der böse Trieb die Augen verschließt, daß er sich ein vollkommen Gerechter bedünkt, und auch in den Augen der Geschöpfe erscheint er als ein vollkommen Gerechter. In Wahrheit aber, ob er auch unablässig lernt und betet, und sich kasteit, umsonst müht er sich, denn er hat das Haften am Schöpfer nicht und die zuverlässige Treue nicht. Der Unterschied zwischen ihnen ist dieser h, d1 121,1 seines Gebrechens] seiner Wunde h, d1 121,2 seinem ganzen Herzen] dem ganzen Herzen d1 121,2-3 ihn bittet […] Licht wohnt] »den Weg« erfährt, »wo das Licht wohnt« h, d1 121,3-4 Der andre aber, der unvermögend ist] Für den andern aber gibt es keine Herstellung, denn er ist unvermögend h, d1 121,4 Größe] Macht h, d1 121,4 schauen] [schauen] ! betrachten h 121,5 weil er in seinem eignen Auge gerecht ist] und sich selber sieht er als einen Gerechten h 121,7-10 Der Hochmut […] in der Welt weilen.«] fehlt D5 121,12 Auch die Jünger Abrahams] davor mit Titel versehen 1. Gute und Böse h, d1 121,13 hatten] kannten d1 121,14 erdreisteten sich […] Wegen Gottes] erniederten sich in ihren Augen und trauten sich nicht zu h, d1 121,14-15 erdreisteten sich […] zu vollbringen] erkühnten sich zu den Wegen Gottes, das Grosse zu vollbringen h 121,17 das heißt] dessen Sinn ist h, d1
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121,16-17 Weiche vom Bösen und tue das Gute] Weiche vom Bösen, tu Gutes D5 121,7 Ich erwecke die Morgenröte] Ermuntern will ich das Morgenrot D5 122,9 bedeckt man über euch] entsühnt man euch D5 122,12 Gott reinigt ihr euch] dem Herrn werdet ihr rein D5 123,32 züchtigen Wandeln] bescheidnen Gehen D5 124,25 G e s e t z ] nicht hervorgehoben D5 124,31 i s t ] nicht hervorgehoben D5 125,1 über ihr] über der Welt D5 126,2 G a n z h e i t ] nicht hervorgehoben D5 126,3 I n n e r l i c h k e i t d e s Wo r t s ] nicht hervorgehoben D5 Wort- und Sacherläuterungen: 101,12 Zinzendorfs] Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf (1700-1760) war einer der führenden Köpfe des deutschen Pietismus und Begründer der Herrnhuter Brüdergemeine. Buber hielt die Gleichzeitigkeit der beiden prägenden Gemeinschaftsgründer für das Resultat der Mentalität der Zeit. Tatsächlich wird in der Forschung diskutiert, inwieweit der Chassidismus als eine Form der europäischen Erweckungsbewegung gedeutet werden kann. Einen eingehenden Vergleich der beiden Strömungen unternahm letzthin Patrick Wulfleff, Die Freiheit der Gläubigen. Umstrittene Tendenzen der Frömmigkeit in den Anfängen von Chassidismus und Pietismus, Göttingen 2012. 101,18 Schleiermacher] Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher (17681834) erfuhr seine frühe Ausbildung bei den Herrnhutern, von denen er sich später jedoch abwandte. In seinen theologischen Werken (vgl. insbesondere Der christliche Glaube nach den Grundsätzen der evangelischen Kirche im Zusammenhange dargestellt, 1821) war es ihm darum zu tun, die Theologie mit den Herausforderungen zu versöhnen, die u. a. durch die europäische Aufklärung und den Pietismus auf die Agenda gesetzt worden waren. Gegenüber den üblichen Denksystemen und Dogmen betonte er die Freiheit des Subjekts und die »Innerlichkeit des Gefühls« in Fragen der Religion. 101,18 Cohens] Hermann Cohen (1842-1918), ein vor allem von Immanuel Kants (1724-1804) Philosophie geprägter jüdischer Philosoph, wandte sich in seinem höheren Lebensalter verstärkt der jüdischen Religionsphilosophie zu. In seinem postum erschienenen Werk Die Religion der Vernunft aus den Quellen des Judentums (1919) begründet er seinen monotheistischen Gottesbegriff (als Fundament der Ethik) in dem tiefen Aufeinander-Bezogensein von Gott in seinem unendlichen Erbarmen und dem Menschen in seiner seelischen Not.
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Auch bei Cohen wird mithin die Welt der innigen Gefühle in das Zentrum der Religion gerückt. 101,22 einer Mystik, für die die Welt nicht ein Scheingebilde ist] Ob die Welt nur »ein Scheingebilde« ist, wird von den frühen chassidischen Meistern unterschiedlich beantwortet. Dow Bär zeigt durchaus Tendenzen dazu, die materielle Wirklichkeit als nur sehr vorläufig und von zweifelhafter ontischer Qualität anzusehen; bei seinem Schüler Schnëur Salman von Ladi ist der Akosmismus, die Lehre, nach der der Kosmos keine eigenständige Wirklichkeit besitzt, voll ausgeprägt. 103,3-19 Hätten die doch […] Lehre bewahrten!] Vgl. Jaakob Jossef, Ben Porat Josef § 2,1, fol 22a (in der Ausgabe Zolkiew 1794, fol. 2c-d; in der neuen, umfassenden Edition Keter Shem Tov ha-shalem, New York 2004, S. 7-8; für alle folgenden Belege wird die Ausgabe New York [2004] zitiert, da sie recht übersichtlich ist und über die Einteilung in Paragraphen verfügt). 103,3 Hätten sie doch […] Lehre bewahrt!] jChag I,7; EkhaR II. 103,22-104,4 Warum sprechen wir […] das Göttliche] Keter Shem Tov ha-shalem (2004) § 206b, S. 115. 105,3-6 Der Mensch ergreife […] Welt zeugte.] Tzawaʾ at ha-Ribasch (1998) § 20, S. 9. (Der Erstdruck erfolgte im Jahre 1820 [Zolkiew]; eine neue Edition erschien in New York 1998, auf die sich die Quellenangaben im Folgenden beziehen. Eine englische Übersetzung von Immanuel Schochet erschien 1998 in New York.) 105,8-12 »Alles was du […] Herrlichkeit verbunden.] Keter Shem Tov ha-shalem (2004), § 91, S. 52-53, vgl. Jaakob Jossef, Toldot Jaʾ aqov Josef Wajjera 17; 59,2. Zur Henoch-Figur und ihrer Interpretation im frühen Chassidismus, vgl. die Wort- und Sacherläuterungen zu 60,28-29 und 60,31. 105,8 »Alles, was du […] deiner Kraft!«] Pred 9,10. 105,9-12 von Henoch erzählt […] Herrlichkeit verbunden.] Vgl. BerR XXV,1. Zur biblischen Henoch-Figur vgl. Gen 5,18-24. 105,14-24 Unsere Weisen sagen […] Einwohnenden Herrlichkeit] Quelle nicht nachgewiesen. 105,14 »Micha kam […] auf drei Dinge«] bMak 24a (BT, Bd. IX, S. 234 f.; vgl. die Erklärungen Bubers zur Stelle, in diesem Band, S. 123). 105,17-18 die Mittelsäule, die Ordnung der Wahrheit] Der Autor des Wortes bezieht sich auf die mittlere Achse des kabbalistischen Etz Chajim (hebr. »Baum des Lebens«; eine traditionelle Anordnung der zehn Sefirot), die von den Sefirot Keter (I), Tifʾ eret (VI), Jessod (IX) und Malkhut (X) gebildet wird.
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105,20-21 »Züchtig wandeln […] Brautempfang«] bMak 24a (BT, Bd. IX, S. 234 f.); vgl. die Erklärungen Bubers zur Stelle, in diesem Band, S. 123 f. 105,26-106,2 Durch eine verkehrte Demut […] oberen Welt.] Keter Shem Tov ha-shalem (2004) § 145, S. 79; vgl. Jaakob Jossef, Toldot Jaʾ aqov Josef, Eqev 172,3, fol. 633b. 105,33-106,2 Der Mensch soll […] oberen Welt] Anspielung auf den Traum Jakobs in Bet El (Gen 28,10-22). 107,3-17 Die heiligen Funken […] seinem Vater bringt] Keter Shem Tov ha-shalem (2004) § 53, S. 32; vgl. Jaakob Jossef, Ben Porat, Miqez 74,2, fol. 258a. 107,3-7 Die heiligen Funken […] in Israel.] Der Autor der Sentenz interpretiert die lurianische Kosmogonie und Erlösungslehre, den Tikkun. Vgl. die Wort- und Sacherläuterungen zu 56,20. 107,19-21 Alles, was der Mensch […] werden wollen.] In etwa Keter Shem Tov ha-shalem (2004), § 218, S. 128-129: »Die Tora schützt den Besitz Israels [bJoma 39a]. Und warum ist es so? Weil dies eine bedeutende allgemeine Regel ist, dass jedes Ding, [in] das sich der Mensch kleidet, oder das er ist oder als Werkzeug gebraucht, von lebendigen Wesen herrührt. So gibt es in ebendiesem Ding [Geistiges], wenn es nämlich keine Geistigkeit in sich bergen würde, so hätte es keinen Bestand. Und es gibt dort heilige Funken, die sich von der Wurzel seiner [des Menschen, der sie nutzt] Seele herrühren. Wenn er sich aber ebendiesen Werkzeugs bedient oder Speise isst oder sogar einem Bedürfnis seines Körpers [nachgibt], dann setzt er die Funken instand [erwirkt Tikkun], denn danach wirkt [*der Ewige] mit jener Kraft, die dem Körper zugekommen ist [durch] Kleidung oder Essen oder die übrigen Dinge und durch diese Kraft wirkt der Ewige, Er sei gepriesen, und es wird Tikkun gefunden.« 107,23-25 Alle Dinge dieser Welt […] erhoben werden] Quelle nicht nachgewiesen. 107,27-30 Man ißt Menschen […] Funken erbarmen.] Tzawaʾ at ha-Ribasch (1998) § 109, S. 50. 108,1-5 Achte, daß alles […] gehoben werden.] Keter Shem Tov ha-shalem (2004), § 113, S. 66, vgl. Jaakob Jossef, Toldot Jaʾ aqov Josef, Mischpatim 59, fol. 219b. 108,7-12 In allem […] obere Welt.] Tzawaʾ at ha-Ribasch (1998) § 141, S. 71. 109,3-14 Der Mensch soll Gott […] Dienst vollziehe.] Tzawaʾ at ha-Ribasch (1998) § 3, S. 2.
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109,7 an Gott haften] (hebr. Devekut): Vgl. die Wort- und Sacherläuterungen zu 86,19. 109,8 die Namen Gottes einen] (vgl. Jichudim, »Einungen«) – Der jüdische Mensch ist verschiedenen kabbalistischen Traditionen zufolge aufgerufen, durch ein heiligmäßiges Leben daran mitzuwirken, die Sefirot – von der jede einzelne für einen oder mehrere Namen Gottes steht – in einen ausgewogenen Zustand zu bringen. 109,16-20 Dies ist das Geheimnis […] alles erfüllt.] Keter Shem Tov hashalem (2004), II § 250, S. 150. Vgl. Jaakob Jossef, Toldot Jaʾ aqov Josef, Jitro 49,2, fol. 182a. 109,22-27 Wenn wir nicht glauben […] große Treue.] Quelle nicht nachgewiesen. 109,24-25 »Verwirf mich nicht […] Alterns«] Ps 71,9. 109,26 »Neu an jedem Morgen, groß ist deine Tr e u e «] Vgl. Klgl 3,23. 110,3-14 Zuweilen muß der Mensch […] vollkommene Dienst.] Tzawaʾ at ha-Ribasch (1998) § 137, S. 66. 110,9-10 »Aus der Ferne ist mir der Herr erschienen«] Jer 31,2. 110,16-21 Wer in der Inbrunst […] eine Halbkugel.] Quelle nicht nachgewiesen. 110,16 Inbrunst des Gottanhaftens] Hebr. Hitlahavut der Devekut; zur Devekut vgl. die Wort- und Sacherläuterungen zu 86,19. 110,19 Einwohnenden Herrlichkeit] Beides – Schechina und Kavod – sind traditionelle Metaphern für die Präsenz des Ewigen auf Erden. 110,24-28 »Mit Gott ging Noah.« […] gehen lerne.«] Quelle nicht nachgewiesen. Ein vergleichbares Gleichnis des Baal Schem Tov wird häufiger kolportiert, in der Version des Jaakob Jossef (vgl. Zafnat Paʿ aneach): »Ich hörte eine Schriftauslegung, […] bezüglich der Weise, wie der Vater das Kind zum Gehen auf seinen Füßen anleitet und wenn das Kind selbst gehen kann, dann lässt der Vater das Kind in Ruhe, damit es selbst gehen kann ohne Unterstützung. So ist auch die Angelegenheit der Avoda des Ewigen [des Gottesdienstes]: Anfangs unterstützt der Heilige, Er sei Gepriesen, [den Menschen] und stärkt ihn mit Seiner Hand, dann aber entflammt er [der Mensch] und steigt empor. Danach aber lässt er ihn allein, damit er selbständig gehe und das ist schwer für den Menschen etc.« (Sefer Baʿ al Schem Tov, Bd. I, Jerusalem 1999, S. 100-102; vgl. auch die weiteren Belege in den Werken des Jaakob Jossef, ebd., S. 102, Anm 9.) 111,3-8 Der Mensch vermag […] in der Stille.] Quelle nicht nachgewiesen. 111,10-16 Zuweilen ruht ein Mensch […] wie ein Mensch an.] Tzawaʾ at ha-Ribasch (1998) § 133-134, S. 64-65.
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111,18-27 Es gibt zwei Arten […] Gott erhoben.] Keter Shem Tov hashalem (2004), II § 395, S. 245. 112,3-9 Das Gebet […] Entzückung gelangen.] Tzawaʾ at ha-Ribasch (1998) § 68, S. 54-45; Keter Shem Tov ha-shalem (2004), § 68-69, S. 28. 112,5 Herrlichkeit] In der Quelle: Schechina. 112,6 Haften] In der Quelle: Devekut. 112,11-15 »In meinem Fleische« […] der zeugt.] Keter Shem Tov ha-shalem (2004), § 16, S. 13, vgl. Jaakob Jossef, Ben Porat Josef, Noach § 74, fol 98a. 112,11 »In meinem Fleische« […] Gott schauen.«] Hi 19,26. 112,17-23 Wie die Braut […] von ihr genommen.] Keter Shem Tov hashalem (2004), II § 396, S. 245-246. Der Text ist gekürzt und erheblich verändert. In der Quelle heißt es: »[Das Folgende hörte ich von] meinem Lehrer, dem Baal Schem Tov, […] in der Angelegenheit des Schmückens der Braut, wenn man sie mit etlichen Arten von Gewändern schmückt, damit sie der Paarung nahe kommen [sic]; damit sie Milde findet in Seinen Augen durch die schmückenden Dinge. In der Zeit der Paarung aber werden ihrer [beider] Gewänder von ihnen genommen, wegen der Nähe des Fleisches etc. Denn ›durch mein Fleisch werde ich Gott [Eloah] schauen‹ [Hi 19,26] – gewissermaßen. Das Gebet ist nämlich die Schechina, die Obere Braut, und die Brautführer – das ist der Gerechte [der Zaddik], denn durch ihn wird die Einung und die Obere Paarung vollzogen. Im Gebet aus der Tiefe des Herzens wird geeint; das Gebet ist die Braut für den Gott Israels und Er ist die Obere Paarung. Und deshalb ist es notwendig, vor der Paarung mit etlichem Schmuck und Gewändern zu schmücken (etc.)« Das »Schmücken der Braut« ist eine Metapher, wie man sie besonders im Umfeld der lurianischen Kabbala von Safed findet. Hierbei geht es um das mystische »Schmücken« der Zehnten Sefira (Schechina/Malkhut) z. B. durch das Studium heiliger Texte oder einen herausragend heiligen Lebenswandel. Damit wird sie für ihren Bräutigam, meist die sechste Sefira Tifʾ eret »attraktiver«, sodass die beiden sich in einer »heiligen Hochzeit« vereinen und dadurch Segen auf die Erde verströmt wird. »Nähe des Fleisches« meint den direkten Körperkontakt; vgl. aber auch Gen 2,23-24. Häufig, wenn solcherlei Texte erotische Untertöne bekommen, wird »etc.« gesetzt, um nicht zu explizit werden zu müssen. Das »gewissermaßen« (kivʾ jechol) wird gesetzt, um eine theologisch gewagte Aussage anzuzeigen und abzuschwächen. Der »Gerechte«, der Zaddik, erscheint hier vermutlich bereits in seiner Doppelbedeutung als neunte Sefira (Jessod – Josef – Zaddik) und seinem irdischen »Abbild«. Jichud, die »Ei-
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nung« ist derjenige Prozess innerhalb der Sefirot, der hienieden für Segen und Balance sorgen soll. Mit der Rede davon, dass das Gebet die Braut und der Gott Israels die »obere Paarung« sei, wird hier die kabbalistische Urbild – Abbild – Metaphorik widergespiegelt. 113,3-10 Es ist gesagt […] Ganzen gerichtet.] Tzawaʾ at ha-Ribasch (1998) § 73, S. 30. 113,3»Man bete nicht anders als aus der Schwere des Hauptes.«] bBer 30b (BT, Bd. I, S. 134). 113,3-6 Schwere des Hauptes […] Haupte der Welt ist.] Die Aussage bezieht sich auf die zehnte Sefira, die Schechina (vgl. Sohar III, 187a), resp. ihr Mitleiden am Exil (»Schwere«). Der Mangel und das Leid hienieden spiegelt sich im Leiden der Schechina. Deshalb ist die Not des Menschen gewissermaßen zugleich eine Not Gottes. Aus diesem Grund empfiehlt der Autor, sich im Gebet um das Ganze (das Leiden der Schechina) zu sorgen, weil alle individuellen Probleme darin aufgehoben sind. (Vgl. auch Keter Shem Tov ha-shalem [2004] § 61, S. 34-35; § 395, S. 243.) 113,12-15 Das Gebet […] seine gestillt.] Quelle nicht nachgewiesen. Vergleichbar wäre Keter Shem Tov ha-shalem (2004) II, § 395, S. 243. 113,17-22 Der Mensch sinne […] Eine Einheit.] Quelle nicht nachgewiesen. 113,24-25 Bete stets […] erlöst werde.] Quelle nicht nachgewiesen. 113,27-30 Der Mensch soll alle Dinge […] von Ihm.] Quelle nicht nachgewiesen. 114,3-14 Wenn du redest […] Gott sich finden.] Keter Shem Tov ha-shalem (2004) II, § 301b-c, S. 174. Das Zitat ist relativ frei wiedergegeben. Im Original ist es in der dritten Person Singular formuliert. 114,3 Geheimnis] Hebr. Remez. Das Geheimnis eines Begriffs oder eines Textes bezeichnet dessen metaphysische Dimension. 114,4 Welt des Worts] Hebr. Olam ha-Dibbur. Gemeint ist die Schechina. 114,10-11 Welt des Gedankens] Hebr. Olam ha-Machaschava. Metapher für die dritte Sefira Bina (gleichzeitig die sog. »Obere Schekhina«). Durch angemessene menschliche Rede (v. a. Gebet und Tora) kann eine segensreiche Vereinigung (Jichud) zwischen beiden göttlichen Sphären gewirkt werden. 114,13 »Laß uns dich finden in unseren Bitten!«] Ein Zitat aus den Slichot, aus einem der Bittgebete um Vergebung (Zekhor lanu), das u. a. zum Jom Kippur gebetet wird. 114,16-21 Wer in seinem Gebet […] ein großes Werk.] Tzawaʾ at ha-Ribasch (1998) § 118, S. 54-55. Vgl. Keter Schem Tov, S. 5 (Brief des Baal Schem Tov an seinen Schwager Gerschon von Kutów).
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114,16 Ausrichtungskünste] Hebr. Kawwanot. Besonders in den kabbalistischen Gemeinschaften von Safed: Riten und Interpretationen, die eine besondere mentale Konzentration, eine innere Ausrichtung beim Tun der Gebote oder bei Gebet und Studium unterstützen. Durch besondere Aufmerksamkeit auf Details (Buchstaben, Gesten) sollen alltägliche Verrichtungen, vor allem das Gebet, zu tiefen spirituellen Akten transformiert werden. 114,23-27 In jedem Zeichen […] ohne Grenzen.] Tzawaʾ at ha-Ribasch (1998) § 75a, S. 31: »Es gibt nämlich in jedem Buchstaben Welten, Seelen und Gottheit. Sie [die Buchstaben] steigen auf und verbinden sich und vereinigen sich miteinander, mit der Gottheit. Und danach vereinigen und verbinden sich die Buchstaben miteinander und bilden den Kasten [hebr.: ha-Teva; letztlich das Wort] – dann sind sie wahrhaft miteinander mit der Gottheit vereinigt. Es ist aber jedem Menschen notwendig, seine Seele in jedem einzelnen Aspekt zu umfassen, dann werden nämlich alle Welten zu einer vereint und sie steigen auf und es wird Freude und großes Vergnügen verursacht.« Das Zitat widerspiegelt eine Form der Alphabet-Mystik. Die Sprache (z. B. des Gebets) kommt einem schöpferischen Akt gleich, da sie der Weltschöpfung durch das Wort (vgl. Gen 1) ähnlich ist. Durch reflektierte und sinnvolle Verbindung entfaltet sich das göttliche Potential in den Buchstaben zu Worten, was (wiederum als theurgischer Akt) die segensreiche Verbindung der Sefirot und der in ihnen abgebildeten Welten unterstützen kann. 115,3-4 Der Mensch besinne […] Ausrichtung willen.] Tzawaʾ at ha-Ribasch (1998) § 42a, S. 16. 115,4 Ausrichtung] Gemeint ist die Kawwana. 115,6-12 Wisse, daß jedes Wort […] hingegeben.] Tzawaʾ at ha-Ribasch (1998) § 34–35, S. 14. 116,3-5 Wenn ich meinen Gedanken […] Wurzel gebunden.] Quelle nicht nachgewiesen. 116,7-10 Wenn der Mensch […] von selber.] Quelle nicht nachgewiesen. 117,3-7 In der Stunde […] Verborgenheit mehr.] Keter Shem Tov ha-shalem (2004) § 85, S. 49. Vgl. Jaakob Jossef, Toldot Jaʾ aqov Josef, Bereschit 7, fol. 22a. 117,4-5 fremde Gedanken] Vgl. die Wort- und Sacherläuterungen zu 60,17 117,9-11 Wenn der Mensch […] auf dem Wort.] Tzawaʾ at ha-Ribasch (1998) § 71, S. 29. 117,10 Schalengewalt] Zu den Schalen, hebr.: Klippot, vgl. die Wort- und Sacherläuterungen zu 56,20.
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117,10-11 der Gedanke reitet auf dem Wort] In der Fortsetzung des Originalzitats begründet der Autor, dass Worte mit Pferden verglichen werden können (vgl. Hhld 1,9 mit Tiqune Sohar 8a u. ö.). Sie dienen dem »Reiter«, in diesem Fall dem Betenden mit seinen Gedanken, weit entfernte Orte zu erreichen. Sollten allerdings »fremde Gedanken« sich der Worte des Gebets bemächtigen, könnten diese in unerwünschte Gegenden entführen und es ist besser zu schweigen. 117,13-18 In allen Gedanken […] wahrhaft an.] Keter Shem Tov ha-shalem (2004) § 39b, S. 24-25. 117,13-14 Und jeder Gedanke ist eine vollständige Gestalt] Da die Welt durch das aus Buchstaben zusammengesetzte Wort geschaffen wurde, birgt jeder Gedanke das vollständige Potential zur Schaffung von etwas (»vollständige Gestalt«, hebr: qoma schlema) und enthält somit göttliche Potentialität. 117,15-17 ein böser oder fremder Gedanke aufgeht […] emporsteigen lasse] In dieser Sequenz wird (im Unterschied zur vorangehenden) der »fremde« oder »böse« Gedanke, der sich während des Gebets einstellen mag, als Möglichkeit gesehen, Tikkun zu wirken, d. h. ihn von den »Klippot« zu lösen und zur göttlichen Lichtsubstanz zurück zu führen. 117,17 Joch des Himmelreichs] Hebr. [Qabbalat] Ol Malkhut Schamajim bezeichnet das [Auf-sich-Nehmen] des Joches des Reichs der Himmel und zugleich den ersten Teil des Schʾ ma Jisraʾ el (Dtn 6,4-9), mit dem das Königtum des Ewigen proklamiert wird. 117,20-32 »Und Jakob erwachte […] auseinander.] Keter Shem Tov hashalem (2004) § 93d, S. 54-55. Vgl. Jaakob Jossef, Toldot Jaʾ aqov Josef, Wajjeze 23,3, fol 83b. 117,20-23 »Und Jakob erwachte […] diese Stätte!‹«] Gen 28,16-17. 117,25-27 bösen Gedanken […] Schöpfung zerbrachen] Es wird der kosmogonische Mythos Lurias dargestellt; vgl. die Wort- und Sacherläuterungen zu 56,20. 117,29-30 Schmerz der Herrlichkeit] Bezugnahme auf das Leiden der Schechina, der göttlichen Präsenz auf Erden, die verschiedenen kabbalistischen Konzepten zufolge mit Israel ins Exil ging. In diesem Lehrwort wird das Exil der Schechina als Abstieg in die Klippot (»Niedergang zu den Schalengewalten«) gedeutet. Durch das Erschauern, die Furcht vor dem Bösen wurde eine Einung (Jichud) zwischen der Ursache des Bösen (den Klippot) und der Furcht vollzogen und das Böse somit überwunden. Der Kampf der Schechina mit der Finsternis, mit dem Bösen, ist ein, wenn nicht der zentrale Mythos des Sohar.
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118,2-5 Die fremden Gedanken […] von morgen.] Quelle nicht nachgewiesen. 118,7-11 Der Mensch binde […] für Gott.] Tzawaʾ at ha-Ribasch (1998) § 14, S. 6. 118,7 Regung] Hebr. Midda. Nach Auffassung der rabbinischen Gelehrten verfügt der Ewige über zwei gegensätzliche Perspektiven, mit denen er die Welt betrachtet: die Middat ha-Din (»Perspektive der strengen Gerechtigkeit«) und die Middat ha-Rachamim (»Perspektive des Erbarmens«). Beide garantieren in ihrer dialektischen Anwendung den Bestand der Welt. Dem Menschen werden in der vorliegenden Sentenz mit Liebe und Zorn ebenfalls zwei gegensätzliche Middot (eigentlich: Jetzarim; »Neigungen«) zugeschrieben, die noch dazu in zwei Richtungen wirken können. Den Rabbinen zufolge sind dem Menschen zwei Neigungen (Jetzarim) eingepflanzt: eine Neigung zum Guten und eine zum Bösen. Letztere darf aber nicht als Zwang zum Sündigen (etwa im Sinne Augustinus) verstanden werden, sondern eher als ein Hang zur Unzufriedenheit, der sowohl zu guten, als auch zu schlechten Aktionen instrumentalisiert werden kann. 118,6 böse Liebe] Etliche kabbalistische Systeme vertreten die Auffassung, dass alle Phänomene der guten Schöpfung, der Welt von Reinheit und Heiligkeit, ein negatives Gegenstück in der Sphäre der Unreinheit und des Bösen besitzen. So gibt es – komplementär zu den zehn Sefirot der offenbaren Gottheit – auch zehn Sefirot der Sitra Achra (»andere Seite«), der bösen Gegenwelt. Wie es also eine gute (menschliche) Liebe gibt, die z. B. auf die Erfüllung des Mehrungsgebotes zielt, so existiert auch eine »böse«, die lediglich triebgesteuert ist. 118,9 böse Furcht] So, wie der Zorn eine »böse«, d. i. eine fehlgeleitete Furcht darstellt, so gibt es auch ein positives Pendant, wie beispielsweise die Gottesfurcht. 118,10 Eigenschaft der Gewalt] Hebr. Middat ha-Gvura. Die Middat haGvura resp. Middat ha-Din wurzelt in der gleichnamigen fünften Sefira. 118,11 Wagen für Gott] Hebr. Merkava. Der »Thronwagen« gilt laut der hochgradig esoterischen Vision des Ezechiel (vgl. Ez 1-3 u. ö.) als Symbol für die irdische Präsenz des Ewigen. 119,3-7 Die Einwohnende Herrlichkeit […] Herrlichkeit Gottes.] Mosche Efrajim von Sadylkow, Degel Machane Efrajim, Wajjezé fol. 228c (Ausgabe Jerusalem 1995; vgl. Keter Shem Tov ha-shalem [2004], S. 565).
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119,3 Einwohnende Herrlichkeit] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 110,19. 119,4 das Geheimnis des Wortes] Der Sod, die esoterische oder »mystische« Bedeutungsebene eines biblischen Verses; vgl. Remez, Wortund Sacherläuterungen zu 114,3. 119,4 »Und du belebst sie alle«] Neh 9,6. 119,5-7 Sogar wenn der Mensch […] Herrlichkeit Gottes] Sogar die Sünde trägt noch Spuren der Präsenz des Ewigen in sich, daher die Metapher der Kleidung: Die Schechina ist darin gekleidet, ohne selbst an ihr teilzuhaben. Dennoch leidet die Schechina an der Sündigkeit, vgl. zum Exil der Schechina die Wort- und Sacherläuterungen zu 113,3-7. 119,9-15 In der Geschichte […] wirklichen Bösen.] Tzawaʾ at ha-Ribasch (1998) § 130, S. 61: »Es ist erstaunlich, dass in der Tora geschrieben steht: ›Und sieh, sehr gut!‹ [Gen 1,31 u. ö.] – etliche Male in der Erzählung von der Schöpfung. Und in der ›Mischne Tora‹ [im Deuteronomium] ist geschrieben: ›Siehe, ich lege dir das Leben und das Gute sowie den Tod und das Böse vor‹ [Dtn 30,15] – Woher kommt denn das Böse?! Hier ist aber nicht zu interpretieren, als meinten wir das tatsächlich Böse. Vielmehr: Das Böse ist auch gut [vgl. BerR IX,7], nur hat es einen niederen Rang als das vollendet Gute. Und dies ist der Remez im Sohar: vom Oberen und vom Niederen. [Womöglich Sohar I,49b; vgl. Immanuel Schochet, Tzawaʾ at Harivash, S. 124.] Dies aber ist es: Wenn man Gutes wirkt, dann wird auch das Böse gut gemacht; wenn man aber sündigt – um Himmels willen – dann wird es tatsächlich böse.« Das Böse kann – nach Auffassung des Autors – nur relativ böse sein, wäre es ontisch böse, dann hätte es keinen Bestand, da keine göttliche Präsenz in ihm sein könnte. Hinsichtlich des Menschen ist das in der Tora Verbotene, wenn es denn gewirkt wird, tatsächlich böse. 119,17-20 Die Einwohnende Herrlichkeit […] des Guten.] Keter Shem Tov ha-shalem (2004) § 26, S. 17. In der Quelle: Jaakob Jossef, Ben Porat Josef, Lekh Lekha 29,1, fol. 145a.: »Nachdem die Schechina alle Welten umfasst, die unbelebte [Natur], Pflanzen, Tiere und Menschen, und alles, was geschaffen ist: gute und böse, und ebendiese Schechina die wahrhaftige Einung ist: wie kann sie zwei Gegensätze in einem Subjekt umfassen? Gut und Böse, sie sind die zwei Gegensätze – und sie ist die Einung [Jichud]. Aber in Wahrheit ist alles wohlgeordnet, denn das Böse ist der [Thron] Sitz des Guten.« 119,22-32 Wie die Herrlichkeit […] »Hier bin ich.«] Keter Shem Tov hashalem (2004) § 70, S. 38-39. Vgl. Jaakob Jossef, Ben Porat Josef 127c.
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Zwischen dem ersten Satz (»Wie die Herrlichkeit …«) und dem darauf folgenden (»Als Gott Mose …«) hat Buber ein erhebliches Stück Text ausgelassen. 119,24-31 Als Gott Mose […] »Hier bin ich.«] Die Sequenz bietet eine kabbalistische Interpretation der Berufungserzählung Ex 3,1-12. 120,3-7 Sprich nicht […] Einsicht und Kraft!] Tzawaʾ at ha-Ribasch (1998) § 12, S. 5. Im Original in unpersönlicher Form (»Man sage nicht …«). 120,4 Inbrunst] Hebr. Devekut; vgl. die Wort- und Sacherläuterungen zu 86,19. 120,5 zum Dienst Gottes geschaffen wurden. Und womit] Zwischen dem zweiten und dem dritten Satz wurde die folgende Passage von Buber ausgelassen: »Der Ewige, Er sei gepriesen, aber hat dem Gefährten Verstand gegeben, wie Er einem selbst Verstand gegeben hat.« 120,9-10 Die Leute […] leidet Schaden.] Tzawaʾ at ha-Ribasch (1998) § 50a, S. 22. 120,12-15 Geschieht es die […] e i n Mensch.] Keter Shem Tov ha-shalem (2004) § 89, S. 52; vgl. Jaakob Jossef, Toldot Jaʾ aqov Josef, Lekh Lekha 17,1, fol. 58b: »Wenn es [einem Menschen] begegnet, dass er eine Übertretung sieht oder von einer hört, dann prüfe er, ob es bei ihm [selbst] ein wenig dieser Übertretung gibt und dass er sich selbst instand zu setzen [le-taqen] bemerke. Denn es sagt der Vers, der [damit] verbindet, dass man seine Zunge im Zaum halten solle: Weiche vom Bösen und tue das Gute [Ps 34,14a u. 15a] – und dann kann auch der Frevler zurückkehren in Bußumkehr, sodass auch er mit ihm umfasst sein wird durch eine Einheit, die sie alle [zu] einem Menschen [macht].« In seinem Essay »Gottesliebe und Nächstenliebe« (in: Die chassidische Botschaft; jetzt in diesem Band, S. 217-232) bot Buber eine abweichende Übersetzung der Sentenz: »Widerfährt es einem, daß er etwas sündhaftes sieht oder davon hört, merke er darauf, daß in ihm selber ein Quentchen dieser Sünde ist, und er lasse es sich angelegen sein, sich selber zurechtzumachen […] Dann wird auch der Böse die Umkehr vollziehen, wenn du ihn mit in die Einheit einbeziehst, da doch alle Ein Mensch sind.« (Ebd., S. 231.) 120,17-23 Dies sind die Worte […] du hast nichts getan] Quelle nicht nachgewiesen. 120,25-121,5 Es gibt zwei äußerste Arten […] kann er umkehren?] Tzawaʾ at ha-Ribasch (1998) § 74, S. 30-31. Gekürzt vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 120,30.
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120,25 Es gibt zwei äußerste Arten von Menschen] In der Quelle steht nur: »Es gibt zwei Arten von Menschen«. 120,27-29 Der andre bedünkt sich […] vollkommen Gerechter] In der Quelle: »Der zweite aber, dem die Böse Neigung seine Augen verschlossen hat, dem scheint in seinen Augen, dass er ein vollkommen Gerechter [Zaddik] sei.« 120,30 hat die Treue nicht] In der Quelle: »denn er hat keine Devekut an den Schöpfer, Er sei gepriesen, und kein vollständiges Vertrauen, um gewürdigt zu sein, unablässig an Ihm, er sei gepriesen, zu haften. Und er weiß nicht, dass worin die Hauptsache des Dienstes [an Gott] besteht, sodass er gewürdigt wäre zu lernen und zu beten und die Gebote um ihrer selbst zu tun.« 121,7-10 Der Hochmut […] Welt weilen.«] Jaakob Jossef, Zafnat Paʿ aneach, Jitro, fol. 76d. 121,8 »der inmitten ihrer Unreinheiten wohnt«] Lev 16,16; vgl. bJoma 56b (BT, Bd. III, S. 155). 121,9-10 »Ich und er […] Welt weilen.«] bSota 5a (BT, Bd. VI, S. 16). 121,12-17 Auch der Jünger […] Bösen das Gute.] In der Abfolge der Sätze leicht verändert nach: Keter Shem Tov ha-shalem (2004) § 6869, S. 37-38. 121,12-13 auch die Jünger Bileams kannten die Demut] Grundlage der nachfolgenden Reflexion ist ein Zitat aus Mischna Avot (V,19): »Jeder, der in seinen Händen diese drei Dinge hat, ist von den Schülern unseres Vaters Abraham und wer drei andere Dinge hat, ist von den Schülern des Frevlers Bilʾ am: Ein gutes Auge, und einen demütigen Geist und eine bescheidene Seele – von den Schülern unseres Vaters Abraham. Ein böses Auge, und einen hochmütigen Geist und eine weitgespannte Seele – von den Schülern des Frevlers Bilʾ am. Was unterscheidet die Schüler unseres Vaters Abraham von den Schülern des Frevlers Bilʾ am? Die Schüler unseres Vaters Abraham ›essen‹ in dieser Welt und haben Anteil an der kommenden Welt, wie gesagt ist [Spr 8,21]: ›Denen, die mich lieben Anteil zu geben am Seienden; ihre Schatzhäuser werde ich füllen.‹ Aber die Schüler des Frevlers Bilʾ am erben das Gehinnom und steigen hinab zur Zisterne des Verderbens, wie gesagt ist: [Ps 55, 24] ›Du aber, Gott, lässt sie zur Zisterne des Verderbens hinabsteigen, die Leute der Blutschuld und des Trugs erleben nicht die Hälfte ihrer Tage, ich aber vertraue auf dich.‹« (Vgl. BT, Bd. IX, S. 682.) Der kabbalistischen Überzeugung entsprechend, dass jedes Gute und Böse sein komplementäres Gegenstück hat, modifiziert der Autor das rabbinische Zitat dahingehend, dass die Kinder Abrahams die »gute« Hochmut und Demut
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kultivierten, die Nachkommen Bilʾ ams jedoch ihr Gegenstück, d. h., sie nutzten an sich gute Eigenschaften nicht, um Böses in Gutes zu wandeln. 121,16-17 Weiche vom Bösen und tue das Gute] Ps 34,15. 122,2-16 Wenn zuerst […] männliches Kind geboren.] Keter Shem Tov ha-shalem (2004), § 296, S. 170. 122,3-4 das Männliche ist das Sinnbild des Erbarmens] Einigen kabbalistischen Systemen zufolge symbolisieren die in der »rechten Seite« des Etz Chajim (vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 105,17-18) angeordneten Sefirot (II, IV, VII) gemeinsame mit den oberen drei Sefirot der Mittelachse (I,VI, IX) die als männlich vorgestellten Aspekte der offenbaren Gottheit. Dabei repräsentiert die vierte Sefira ChesedRachamim die Milde resp. das Erbarmen des Ewigen (vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 118,6). 122,5 Wenn zuerst von unten] Gemeint ist: ausgehend von der Sefira Schechina (X). Dies ist eine Anspielung auf den zentralen Mythos des Sohar, dem zufolge sich die Schechina nächtens auf die gefahrvolle Reise zu der Sefira IV (Chessed) macht, um Versöhnung zu wirken. 122,13 Rabbi Akiba] Akiba ben Joseph (50-136 n. Chr.); unterstützte den Aufstand Bar Kochbas gegen die römische Herrschaft und starb den Märtyrertod; einer der wichtigsten Tradenten der Mischna. 122,13-14 »Heil euch Israel […] im Himmel.«] mJoma VIII,9 (BT, Bd. III, S. 251). 123,26 Der Talmud (Makkot 23 f.)] bMak 23b-24a (BT, Bd. IX, S. 233235). 124,4-5 (Bereschit Rabba zu Genesis 1, 5 und 1, 31)] BerR III,7 und IX,2. 124,17-18 »Die Umkehr steckt in der Sünde wie das Öl in der Olive.«] Schatz-Uffenheimer (Hrsg.), Maggid Devaraw le-Jaʾ aqov, § 163, S. 263. 124,23-24 Eigenschaft der Gnade und des Erbarmens] Hebr. Middat haRachamim; vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 118,6. 125,5-6 »Der in seiner Güte […] Anfangs erneut«] Buber bezieht sich auf die erste Berakha vor dem Schʾ ma Israel (genannt Birkat Jotzer Or), die im Morgengottesdienst gesprochen wird, vgl. Hirsch (Übers.), Israels Gebete, S. 106 f. 125,12-19 Wenn der große Maggid […] überhoben ist.] Nicht nachgewiesen. 126,6 (Berachot V)] mBer V,1 (BT, Bd. I, S. 134). 127,16 Klifot] Hebr. Klippot, vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 56,20.
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Geleitwort zur Gesamtausgabe [Geleitwort zu »Die chassidischen Bücher«] Die chassidischen Bücher von 1928 bildeten so etwas wie ein erstes Resümee der Arbeit Bubers am Transfer der osteuropäischen Legenden nach Westeuropa. In der Folgezeit befasste er sich vornehmlich mit religionswissenschaftlichen Betrachtungen zum Chassidismus, den er in das spirituelle Spektrum innerhalb und außerhalb des jüdischen Horizonts einzuordnen trachtete. Als einen Vorläufer dieser Entwicklung kann man die Anthologie Des Baal-Schem-Tow Unterweisung im Umgang mit Gott aus dem Jahre 1927 (jetzt in diesem Band, S. 99-128) interpretieren, in welcher ausschließlich Sentenzen aus nicht-narrativen Texten des Chassidismus kompiliert sind. Im Einzelnen versammelte Buber in Die chassidischen Bücher die folgenden Titel, die er gegenüber den Erstausgaben neu bearbeitete (dies gilt insbesondere von Die Geschichten des Rabbi Nachman; vgl. dazu: Ran HaCohen, MBW 18.2, S. 799) oder ergänzte: (1) Die Geschichten des Rabbi Nachman (1906) (2) Die Legende des Baalschem (1908) (3) Der große Maggid und seine Nachfolge (1922) (4) Das Verborgene Licht (1924) (5) Mein Weg zum Chassidismus (1918; vgl. in diesem Band, S. 41-52 ). In seiner »Vorbemerkung« äußerte sich Buber zu den Prinzipien der Auswahl, die vor allem seine Bearbeitungen narrativer Traditionen enthält: »Außerhalb davon bleiben nur: was ich an lehrenden Texten […], wie es diesen gebührte, in treuer Wahrung des Worts […] eingedeutscht habe, wovon eben jetzt ein erstes Büchlein veröffentlicht worden ist [vgl. Bubers Des Baal Schem Tows Unterweisung; jetzt in diesem Band, S. 99128]; und ein noch unvollendeter ausführlicherer Bericht von den Ursprüngen, dem Werden und dem Schicksal der Bewegung. Beide stehen im Zusammenhang mit einer systematischen Edition der wesentlichen Texte selbst, einem Corpus Hasidicum, an dem ich gemeinsam mit S. J. Agnon zu arbeiten begonnen habe.« (Buber, Die chassidischen Bücher, S. IX; jetzt in: MBW 18.1, S. 88.) Der Band, erschienen in Bubers fünfzigstem Lebensjahr, erfüllt im Schaffen des Gelehrten eine doppelte Funktion: Einerseits bilanziert und vollendet er eine wesentliche Etappe, die wesentlich von seiner Auseinandersetzung mit den narrativen Traditionen des Chassidismus geprägt war – andererseits steht er an der Schwelle einer neuen Unternehmung (des »Corpus Hasidicum«), die allerdings nicht in der geplanten
Geleitwort zu »Die chassidischen Bücher«
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Weise zustande kam (vgl. den Kommentar zu Des Baal-Schem Tow Unterweisung in diesem Band, S. 393). In seinem hier abgedruckten »Geleitwort« befasste sich Buber (erneut) damit, den Chassidismus in die europäisch-jüdische Geistesgeschichte einzuordnen. Einige der ihm dabei wesentlichen Motive, die bereits in seinen Drei Reden über das Judentum eine zentrale Rolle spielten, sind – unter Hinweis auf das Wirken Baruch Spinozas – das Streben nach Einheit (vgl. Drei Reden über das Judentum, S. 44-45; jetzt in: MBW 3, S. 231 f.), der Verweis auf Spinoza (vgl. ebd., S. 48-51; jetzt in: MBW 3, S. 233 f.) und die Sehnsucht nach Erlösung (ebd., S. 45-47; jetzt in: MBW 3, S. 232-233). Als Kulminationspunkt der Zukunftsidee benennt Buber in den Drei Reden allerdings den Sozialismus (vgl. ebd., S. 94 f.; jetzt in: MBW 3, S. 252 f.). Zur Ausformung beider Grundideen habe, so Buber, der Chassidismus wesentliche Einsichten beigetragen. In einer gegenüber den Drei Reden veränderten Perspektive kennzeichnet Buber die »Anredbarkeit Gottes« als die historische Großtat Israels (vgl. »Geleitwort« zu Die chassidischen Bücher, in diesem Band, S. 129). Darin macht sich der Neuansatz geltend, den die Dialogphilosophie für sein Denkgebäude bewirkt hatte. In den Drei Reden hatte er die »Grundbedeutung des Judentums« noch darin sehen wollen, dass es eine Welt verkündet habe, in welcher die »Urzweiheit« zwischen Welt und Gott, dem einzelnen und der Gemeinschaft aufgehoben sei (ebd., S. 56; jetzt in: MBW 3, S. 237 f.). Wie in den früheren Reflexionen, so postuliert Buber jedoch auch in seinem »Geleitwort« einen wesentlichen Beitrag des Chassidismus zu den von ihm identifizierten zentralen Ideen des Judentums. Der Baal Schem und seine Nachfolger geraten zu Paradebeispielen für die Aufhebung der Trennung zwischen Gott und Welt, zu exemplarischen Lehrern des dialogischen Ich und Du (vgl. in diesem Band, S. 134). Textzeugen: H: Handschrift im MBA (Arc. Ms. Var. 350 dalet 30.1); 34 lose paginierte Blätter, beidseitig beschrieben, anfangs mit blauer Tinte, ab der zweiten Seite mit Bleistift; undatiert; mit vielen Korrekturen versehen. TS1: Typoskript im MBA (Arc. Ms. Var. 350 dalet 30.1); 23 lose paginierte Blätter, einseitig beschrieben; undatiert. Das Typoskript ist zweischichtig: TS1.1: Grundschicht: maschinenschriftlich. TS1.2: Überarbeitungsschicht: Korrekturen von Bubers Hand.
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TS2: Typoskript im MBA (Arc. Ms. Var. 350 dalet 30.1); 23 lose paginierte Blätter, einseitig beschrieben; undatiert. Das Typoskript ist zweischichtig: TS2.1: Grundschicht: maschinenschriftlich. Es handelt sich um den Durchschlag von TS1.1. 2.2 TS : Überarbeitungsschicht: Korrekturen von Bubers Hand. D1: Die chassidischen Bücher, Hellerau: Jakob Hegner 1928, S. XI-XXXI (MBB 356; Titelauflage im Schocken-Verlag: MBB 446). d2: Teildruck des Abschnittes 129,8-134,32 unter dem Titel »Spinoza und die chassidische Botschaft«, in: Spinoza-Festschrift, hrsg. von Siegfried Hessing, Heidelberg: Verlag Carl Winter 1932, S. 8-14 (MBB 478a). D3: unter dem Titel »Spinoza, Sabbatai Zwi und der Baalschem« in: Deutung des Chassidismus. Drei Versuche, Berlin: Schocken 1935, S. 42-64 (MBB 519). D4: unter dem Titel »Spinoza, Sabbatai Zwi und der Baalschem« in: Die chassidische Botschaft, Heidelberg: Lambert Schneider 1952, S. 11-31 (MBB 886). D5: unter dem Titel »Spinoza, Sabbatai Zwi und der Baalschem« in: Werke III, S. 742-757 (MBB 1219). Druckvorlage: D1 Variantenapparat: 129,Titel] fehlt H 129,3 Franz Rosenzweig gewidmet] fehlt H 129,8 Baalschem] Baalschem, der Begründer des Chassidismus d2 BaalSchem-Tow D4, D5 129,11 Synagoge] [damals noch bannkräftigen] Synagoge H 129,15-16 ohne geschichtserheblichen Einfluß] [in die Geschichte der jüdischen Gemeinschaft] ! ohne geschichtserheblichen Einfluss H 129,16-17 er gehört doch […] wesentliche Weise] [es gibt einen Geschichtsgang der Wesenheit »Judentum«, in den er entscheidender Weise gehört] ! er gehört doch […] wesentliche Weise H 129,17-18 Abfall […] Infragestellung] [Schicksal das historische Attentat] ! Abfall […] Infragestellung H 129,19 Infragestellung] [Selbstaufhebung] ! Infragestellung H 129,19-20 Gottesglaubens] [Gottesverhältnisses] ! Gottesglaubens H 129,20 Abschluß] [(vorläufigen)] Abschluss H 129,23 Baalschem] Baal-Schem-Tow D4, D5 129,26 Tat] [geistige] Tat H
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129,33 in allen Menschheitsschichten] auf allen Menschheitsstufen D3, D4, D5 129,34-130,1 der Gottheit] [den Göttern] ! der Gottheit H 130,3 das menschgeborne] [ein metaphorisches [Scheingebilde] ! Teilgebilde zu gewähren] ! das menschgeborne H 130,5-6 Der kleine Finger […] genannt.] fehlt D5 130,12 Jesus, aber] Jesus, [in Judäa und Galiläa, in jenen drei Jahrzehnten, sondern] ! aber H 130,19 anreden lernten] anreden lernten [, der Mensch X X] H 130,31 im Licht erscheint, aber im Dunkel west, daß ihm] fehlt D4, D5 130,31 im Dunkel west] im Dunkel [seinen Ursitz hat] ! west H 130,31-32 ihm alle Himmel nicht zulangen] ihn alle Himmel nicht fassen H 131,1 hinwegtun] [aufheben] ! hinwegtun H 131,8 Baalschem] Baal-Schem-Tow D4, D5 131,8 von Spinoza] [von Jesus kaum etwas Zutreffendes, und] von Spinoza H 131,9 Erwiderung] [Antwort] ! Erwiderung H 131,9 Wahrheit] [Wirklichkeit] ! Wahrheit H 131,13 beeinträchtigt nicht ihre Bedeutung] benimmt ihr nichts von ihrer Bedeutung H 131,13-14 Wahrheit der Geschichte] wirkliche Geschichte H 131,18 der Geistesseele] hder Geistesseelei H 131,18 Geistesseele] Geistwesens D5 131,19 an der Welt] han der Welti H 131,21 und Wesen] hund Weseni H 131,23-25 Aller spezifische […] an der Welt] hAller spezifische […] an der Welt.i H 131,23 Sinn] Wesen H, TS1.1, TS2.1 131,26 Menschen] [Menschengeistes] ! Menschen H 131,32 Weltleben] [nicht mehr Angelobung der [Welt] ! Dinge, sondern ihre X; das profane Weltleben läuft nun neben dem »Heiligen« her, eins fürs andere unverbindlich] ! Weltleben H 131,35-36 , die Gebärden des Verkehrs schlagen in die leere Luft] h, die Gebärden des Verkehrs schlagen in die leere Lufti H 131,36-37 seelischen Begleitumstände] hervorgehoben d2 131,38 die Verzückung] [das »Gefühl«] ! die Verzückung H 132,1-2 versunken] entschwunden D3, D4, D5 132,2 aber mit der Welt ist Gott selber versunken,] fehlt d2 132,2 versunken] entschwunden D3, D4, D5 132,4 Monolog] [verkappter] Monolog H
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132,4 Rollen] Rollen [, das Ereignis ist Erlebnis geworden] H 132,6 Spinoza lebte] [Beide Arten der Verselbständigung verschmelzen oft miteinander. Eine Zeit solcher Verschmelzung war es, in der Spinoza lebte. Der ungeheuren Gottentfremdung] ! Spinoza lebte H davor kein Absatzwechsel D3, D4, D5 132,7 Seiner Gottentfremdung] Einer ungeheuren Gottentfremdung H, TS1.1, TS2.1 132,12 Es ist aus Spinozas geistiger Haltung] Es ist, wenn nicht aus direkten [schriftlichen] Zeugnissen, so aus der Gesamthaltung deutlich H 132,13-14 Nicht außer der Welt] [Nicht in der Abkehr von der Welt (zeitweiligen Abkehr, um zu ihr im Alltag [zurückzukehren] ! gottfrei zurückzukehren), oder dauernden, in irgendeiner] ! Nicht ausser der Welt H 132,15 These] These von der Einheit H 132,17 aus dem gleichen] aus dem gleichen [Bereich des Geistes] H 132,20 Verkehr] [Verkehr] ! [Umgang] ! Verkehr H 132,21 unreduzierten] [ungeminderten] ! unreduzierten H 132,22-23 Ansicht, es gebe keine Rede] Ansicht, [Gott könne nicht angeredet werden und rede nicht du] ! es gebe keine Rede H 132,24 Ort Gottes.] Ort Gottes. [hSo hat er, um die Welt zu retten, Gott aufgegeben, denni] H 132,25 Sprecher und Hörer] Sprecher hund ihre Höreri H 132,28-29 Von alters her] Von [urher wusste] ! altersher bekannte H 132,31-32 Durch die Welteinwohnung] [Der Mensch kann nur mit dem welteinwohnenden Gott Umgang haben, aber wäre Gott in der Welt, dann gäbe es keinen Umgang] ! Durch die Welteinwohnung H 132,34 überseiende] [unbedingt] überseiende H 132,37 beschloßne] erschliessbare H 133,6 bereit, Sakrament zu sein,] fehlt TS1.1, TS2.1 133,6-7 wirkliches Erlösungsgeschehen] [Erlösung, Erlösen und] ! wirkliches Erlösungsgeschehen H 133,10 versponnenen] [dunkeln] ! versponnenen H 133,14 Situation absieht] Situation [eben dieses denkerischen Augenblicks] absieht H 133,17 durch keinen Begriff abzubildendes Geheimnis] [Geheimnis des Geheimnisses] ! durch keinen Begriff abzubildendes Geheimnis H 133,18 im Konkretum der Situation] [in der Situation] ! im Konkretum der Situation H 133,21 Ausweitung] [Vollendung] ! Ausweitung H Anweisung TS1.1, TS2.1
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133,23 allem Bereich] aller Substanz H 133,23 Gesetzes] Weisung D5 133,26 Ausweitung] [Vollendung] ! Ausweitung H 133,33 des Gesetzes Scheidung] die gebotene Scheidung D5 134,5 die Seele fällt] die Seele fällt. [Machen wir nur Ernst mit der Einsicht, dass Schicksal] H 134,6 vom Menschen] durch den Menschen D4, D5 134,6 unheilig] unheilig [, was so erscheint ist nur seiner Heiligung bedürftig] H 134,21-22 der Weltentrücktheit und Weltüberlegenheit] [des in seinem Geheimnis X des göttlichen Geheimnisses] ! der Weltentrücktheit und Weltüberlegenheit H 134,29-32 , war das eine, […] Welt zu lieben] fehlt und Ende des Teildrucks d2 134,32 zu lieben] [je älter ich werde, je mehr] zu lieben H 135,9 erschaffen] erschaffen [, aber er hat sie nicht vollendet] H 135,12-13 eine andre Urmacht] eine handre Urmachti H 135,13 als den Kampf] [das Handeln] ! als den Kampf H 135,26-27 das Eindringen in den Schöpfungsvorgang] den Vorgang [des Eindringens] in die Schöpfung selber H 135,32 haftet] [birgt sich] ! haftet H 135,38 verlangend] begehrend D4, D5 135,41-136,1 Selbständigkeit, eine Freiheit] Selbständigkeit und Freiheit D4, D5 136,6 ursprünglicher […] gewordenem] hursprünglicheri […] hgewordenemi H 136,13 sie tun’s nicht, sie haben’s getan] sie tun es, sie haben es getan D4, D5 136,14 erlösungsbedürftigen] herlösungsbedürftigeni H 136,15 Lockung, Wirbel und unentschiednes Tun] [darin das Böse] ! Lockung, Wirbel und unentschiednes Tun H 136,26-27 und Erlösungssucht] hund Erlösungssuchti H 136,27-28 unausdenkbaren Augenblicken] hunausdenkbareni Augenblicken H 136,30 , unmittelbar] unüberwindlich H, TS1.1, TS2.1 137,9-10 unmittelbar] unüberwindlich H, TS1.1, TS2.1 137,10 unmittelbar] unüberwindlich H, TS1.1, TS2.1 137,15 Man kann auch anders fragen.] hMan kann auch anders fragen.i H 137,18-19 nur die entschloßne Einsicht] fehlt TS1.1, TS2.1 137,24 und weiter: damit dies in Wirklichkeit] wolle, dass der Weltweg durch den Abfall zur Erlösung als zur Vollendung der unvollendeten
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Schöpfung führe; und weiter: damit dies in wirkender Wirklichkeit geschehe H, TS1.1, TS2.1 137,26 müsse der Abfall so wirklich sein wie die Erlösung] gestrichen in TS1.2 137,28 abfällt] den Abfall vollzieht D4, D5 137,40 auf die Erlösung zu geschehe] [zum erlösenden Werk geschehe] ! auf die Erlösung hin geschehe H 138,2 Abfall, sei es Umkehr] [unheilige?, sei es erlösende Tat] ! Abfall, sei es Umkehr H 138,15 ich etwas zustandebringe] [es geschah] ! ich etwas zustandebringe H 138,23 vielmehr] [aber im Eigentlichen, der Wahrheit steht er nicht] ! vielmehr H 138,37 sich begibt] [Wirklichkeit ist] ! sich begibt H 138,40 eintue] einzutun verstattet und verlangt H 138,41 wirklich; […] doch rührt jeder eine unmittelbar] wirklich. Jeder rührt unmittelbar D4, D5 139,4 versiegelt] [beschlossen] ! versiegelt H 139,6 der Zeit] fehlt TS1.1, TS2.1 139,13 kabbalistischen] theurgischen D5 139,14 auf das stärkste und deutlichste] immer wieder und deutlich D5 139,17-18 unterschiedslose Heiligung] hunterschiedslosei Heiligung H 139,22-23 – nicht bloß […] erfolgte –] fehlt H 139,28-29 mitwirkenden] [erlösenden] ! mitwirkenden H 139,Anm 1] fehlt D3, D4, D5 140,1-2 Gott […] von der Kreatur aus] Gott [, der zur Vollendung seiner Schöpfung den Menschen braucht,] in den Geschlechtern der Menschheit des einen, [der hervortreten wird als der Würdige, denn es gibt in Wahrheit eine Bewegung von der Kreatur aus] ! in dem die unerlässliche Bewegung von der Kreatur aus H 140,5 ihre Tat] [ihr Werk] ! ihre Tat H 140,8 nach außen] an die [Menschenwelt] ! Menschen H 140,13 ausgegoßne] [ausgeschüttete] ! ausgegossene H 140,14-15 wohl Vorläufer] sind Vorläufer D4, D5 140,24 wesenhaft] [zur essentiell] ! [zur Wirklichkeit] ! wesenhaft H 140,28 Selbstmitteilung ist Zersprengung] [Proklamation ist Zersetzung] ! Selbstmitteilung ist Zersprengung H 140,31 Verhältnis] [elementar negative] Verhältnis H 140,36 , dem wirklichen »Messiasgeheimnis«,] h, dem wirklichen »Messiasgeheimnis«,i H 140,40 unvergleichlich] [weitaus] ! unvergleichlich H
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140,41 Faktum] [ungeheuren] Faktum H 141,5-6 gespielte hinüberglitt und im Abfall endete] [vorgebliche] ! gespielte hinüberglitt [, in der er das einst Unwillkürliche nun mir kundigen Gebärden weiter vorspiegelte] ! und im Abfall endete H 141,8 Äußerungen] [Worte] ! [Kundgebungen] ! Äusserungen H 141,12 das Volk den Proklamationen] [so erlösungdurstige] Volk den [Verheissungen] ! Proklamationen H 141,18 vermaß] unterfing H, TS1.1, TS2.1 141,19 beginnen] anzuheben H, TS1.1, TS2.1 141,21 unserm Zeitalter] [dem heutigen Mensch] ! unserm Zeitalter H 141,28-29 , aber ein Fehlgeschehen] fehlt TS1.1, TS2.1 141,30-142,30 Nach der Katastrophe […] zu verstehen, was] Was D4, D5 141,32-33 im Sinn […] Begegnens] him Sinn […] Begegnensi H 141,33 zwischen einem Einzelnen und einer Schar] fehlt H 141,35 noch einmal] noch einmal [mit gnostizierenden Mysterien] H 141,39 angestrittene Überlieferung] [umstrittene] ! angestrittene Tradition H 142,1 Kampf] [geheimnisvolle] Kampf H 142,8 stifterischen] [religiösen] ! stifterischen H 142,30-31 Sie erhebt sich] Sie steht H, TS1.1, TS2.1 142,35-36 absichtsloses] unwillkürliches H 142,38-39 Absichtslosigkeit] Unwillkürlichkeit H Wort- und Sacherläuterungen: 129,10 Baruch Spinoza] wurde mit dem Bann (hebr. Cherem) belegt und mithin aus der jüdischen Gemeinde ausgeschlossen: Um das Jahr 1656 verhängte die sefardische Gemeinde Amsterdams einen sog. »Kleinen Bann« gegen ihn, um seine Zugehörigkeit zum Kreis des Arztes Juan Prado (1612-1670) zu sanktionieren. Der »Kleine Bann« (hebr. Cherem Katan), der zunächst für dreißig Tage verhängt wurde, sollte den Betroffenen Gelegenheit geben, ihr inkriminiertes Verhalten zu korrigieren. Unterwarfen sie sich nicht (wie in Spinozas Fall), so wurde ein »Großer Bann« verhängt, der letztlich auf soziale Segregation hinauslief. Jener Zirkel um Juan Prado stellte die traditionellen Formen der Offenbarung in Frage und interpretierte die Naturgesetze als alleinige Gesetze Gottes. In der Folgezeit erwies sich vor allem Spinozas 1670 anonym veröffentlichter Tractatus theologico-politicus bei Juden und Christen gleichermaßen als Stein des Anstoßes. 129,11-12 Sabbatai Zwi] Schabtai Zvi war ein Messiasprätendent aus Smyrna, der überaus erfolgreich in Europa und Kleinasien Anhänger um sich scharte und bei vielen Juden seiner Zeit eine akute Endzeit-
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hoffnung weckte, bevor er 1666 (unter Zwang) zum Islam konvertierte. Eine umfangreiche Biographie seines Lebens und der sabbatianischen Bewegung verfasste Gershom Scholem, Sabbatai Zwi. Der mystische Messias, Frankfurt a. M. 1992. 130,5-6 Der kleine Finger seiner linken Hand / Wird Pan genannt.] Mit Pan (griech. »Alles«) ist hier »der Kosmos« gemeint, durch den der Mensch – so Buber – allein mit Gott in Verbindung treten kann, aber es wäre falsch diesen Kosmos zu verabsolutieren wie das im Spinozismus der Fall war und dabei das Größenverhältnis zu missachten, das in diesem Spruch zum Ausdruck kommt: die ganze Welt ist nur der kleine Finger Gottes. 130,16-17 der »Weg« zum Vater] Vgl. Joh 14,6. 130,21 deus sive natura] Lat. »Gott bzw. Natur«. Dieses Schlagwort des Spinozismus kommt nur als Genetivverbindung bei Spinoza selbst vor: »Potentia, quâ res singulares, et consequenter homo suum esse conservat, est ipsa Dei, sive Naturae potentia […] non quatenus infinita est«. (Spinoza, Ethica, Pars Quarta, Axioma, Propositio IV, Demonstratio, in: Ders., Opera/Werke. Lateinisch und Deutsch. Zweiter Band, hrsg. von Konrad Blumenstock, Darmstadt 1967, S. 392.) Spinoza charakterisiert in seiner Ethica Gott als die allem Existierenden zugrunde liegende Substanz, die sich sowohl im Denken, als auch in konkreten Formen manifestiert. Sie ist aus sich selbst heraus tätig (natura naturans). 130,31 im Dunkel west] Vgl. I Kön 8,12a. 130,31-33 daß ihm alle Himmel […] Anredenden kürt] Vgl. I Kön 8,27. 132,29-39 daß nicht die Welt Gottes Ort, sondern Gott »der Ort der Welt« ist] BerR LXVIII,9 zu Gen 28,11. Vgl. Der Midrasch Bereschit Rabba. Das ist die haggadische Auslegung der Genesis, in: Bibliotheca Rabbinica. Eine Sammlung alter Midraschim, hrsg. und übers. von August Wünsche, Leipzig 1881[Nachdruck Hildesheim 1967], S. 329. 132,40-133,1 Die Dinge und Wesen […] Funken erlöse] Buber spielt auf die lurianische Kosmogonie an; vgl. die Wort- und Sacherläuterungen zu 56,20. 133,22-23 »Werdet heilig, denn heilig bin ich«] Lev 19,1. 134,36-37 »des, der bei ihnen wohnt inmitten ihrer Makel«] bJoma 56b (BT, Bd. III, S. 155) zu Lev 16,16. 135,12 Gnosis] (von griech.: »Erkenntnis«); vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 54,39. 135,16 zweiten Teil des Buches Jesaja] Jes 40-55; zum indirekten Zitat Bubers: Jes 45,7.
Geleitwort zu »Die chassidischen Bücher«
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135,25-38 Die kabbalistische Lehre […] sie zu erlösen] Buber referiert hier den kosmogonischen Mythos lurianischer Prägung, der tatsächlich einige chassidische Meister (vgl. Dow Bär von Mesritsch) tief beeinflusst hat. Vgl. die Wort- und Sacherläuterungen zu 56,20. 137,19-20 Gottes Gedanken nicht wie unsre Gedanken beschaffen sind] Vgl. Jes 55,8. 138,31-32 das Gebetswort, daß Gott alletage das Werk der Schöpfung erneut] In der ersten Bracha vor dem Schma Israel (genannt Birkat Jotzer Or). Vgl. Hirsch (Übers.), Israels Gebete, S. 106 f. 139,9 »Niederfließen der Segnung«] Darin eben besteht, einigen kabbalistischen Traditionen zufolge, das Ziel menschlichen Wirkens, dass durch das Tun der Gebote das System der Sefirot solcherart in Balance und Harmonie gehalten wird, dass sich der Segen von oben nach unten verströmen kann. 139,12-13 entgegen dem ungeheuern Apparat der kabbalistischen Anweisungen] Viele kabbalistische Konzepte gehen davon aus, dass jedes Detail der ethischen und kultischen Gebote, der Gebetsworte, Bräuche und Riten im Ganzen des Weltenbaus verankert ist und daher liebevoll und genau ausgeführt werden muss, um theurgisch wirken zu können. Die Kawwanot der lurianischen Schule folgen dieser Auffassung. 139,14 »Bedränger des Endes«] Der lurianischen Kabbala zufolge vollzieht sich die Vollendung der Schöpfung, der Tikkun (die Wieder-Instandsetzung Gottes und des Kosmos) und somit die Erlösung durch das Tun der Gebote (vgl. 139,12-13). Wer hier besonderen Eifer an den Tag legt, befördert die Endzeit und wird somit zum »Bedränger des Endes«. 139,31 des ersten Exils] Buber bezieht sich auf das Babylonische Exil (ab 597 bzw. 587/86 v. Chr.). 139,Anm 1 meinem Buch über den biblischen Glauben] Buber sah sich gezwungen auf dieses »allzu weit ausholende Werk zu verzichten« und verengte es auf eine Untersuchung des Messianismus, die als Tetralogie unter dem Titel »Das Kommende« geplant war (vgl. Bubers Vorwort zu Königtum Gottes, S. I; jetzt in: MBW 15, S. 94). Davon konnte in vorgesehener Form nur Königtum Gottes erscheinen, der zweite Teil wurde unvollendet von Buber als Der Gesalbte (1964) publiziert. Der Glaube der Propheten (hebräisch 1942; deutsch 1950) enthält das Material, das für den dritten Band vorgesehen war (jetzt in: MBW 13). 139,32 »Gottesknechte«] In weiten Teilen der biblisch-theologischen Historiographie (vgl. das sog. Deuteronomistische Geschichtswerk, die
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Bücher Josua, Samuel und Könige umfassend) werden die Propheten, beginnend mit Mose, als Knechte Gottes apostrophiert (vgl. Jer 29,19). Im Deuterojesaja (Jes 40-55) erhält diese Bezeichnung besonderes Gewicht als Titel für Israel insgesamt und den anonymen Propheten, dessen Texte im zweiten Teil des Buches Jesaja enthalten sind. Ausführlich hat sich Buber mit dem »Gottesknecht« bei Deuterojesaja in Der Glaube der Propheten, Zürich: Manesse Verlag 1950, S. 309-334, auseinandergesetzt (jetzt in: MBW 13). 140,15-16 »Messias Sohn Josefs erscheint von Geschlecht zu Geschlecht.«] Der Messias ben Josef bzw. ben Efrajim ist eine Vorläuferfigur des schließlich zur Herrschaft berufenen Messias ben David. Gewöhnlich wird erzählt, dass er in den endzeitlichen Ereignissen zu Tode kommt (vgl. bSuk 52a [BT, Bd. III, S. 400]; vgl. BerR LXXV,6; XCIX,2). Vor allem seit der lurianischen Kabbala (und ihrer Re-Inkarnationslehre) findet man die Auffassung, dass die Seelen der beiden Messiasse in jeder Generation inkarniert sind. Ihr messianisches Potential kann aber nur dann aktualisiert werden, wenn sich die betreffende Generation als dessen würdig erweist. 140,22 der namenlose Prophet] Der Autor der Kapitel Jes 40-55. 140,22-23 Gott sie zum blanken Pfeil spitzt und dann in seinem Köcher versteckt.] Jes 49,2. 140,36 »Messiasgeheimnis«] Ein von William Wrede (1859-1906) geprägter Begriff der das zentrale Konzept des zweiten Evangelisten (Markus) dahingehend beschreibt, dass im Verlaufe des Evangeliums sukzessive die Messianität Jesu offenbar werde: Jene Auffassung verbreitet sich von Jesus selbst (der bei der Taufe die entsprechende Offenbarung empfängt), über die Dämonen (Mk 3,11; 5,7), die Jünger (Mk 8,29-30; der Kulminationspunkt des Evangeliums) bis hin zum »heidnischen Hauptmann unter dem Kreuz« (Mk 15,39). Vgl. William Wrede, Das Messiasgeheimnis in den Evangelien. Zugleich ein Beitrag zum Verständnis des Markusevangeliums, Göttingen 1901. 141,2 der ganzen automessianistischen Reihe] »Automessianismus«: Bubers Begriff für Messiasse, die sich selbst als solche ausrufen. 141,12-13 »Meschichim«] Plural von Meschiach (hebr.: »Messias«). 141,34 Mose Chajim Luzzato] (1707-1746): ein Kabbalist und Poet, der auch bedeutende ethische Traktate, darunter vor allem den Mesillat Jescharim, verfasste. Er wurde beschuldigt, Anhänger Sabbatai Zvis (»Krypto-Sabbatianer«) gewesen zu sein und deshalb verfolgt. 141,35 Jakob Frank] (eigentlich Jankiev Lejbowicz; 1726-1791) war ein sabbatianisch beeinflusster Messias-Prätendent aus der Bukowina. Er lebte einen ausgeprägten Antinomismus, den er auch seiner Gefolg-
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schaft empfahl. 1759 trat er (wie etliche seiner Anhänger) zum Katholizismus über. 142,11-21 Dem Baalschem erscheint […] in der Schlinge des Hochmuts gefangen.«] Die Erzählung in den Schivche ha-Bescht, der maßgeblichen Sammlung von Legenden über den Baal Schem Tov berichtet: »Außerdem erzählte mir jener R[abbi] Joel, daß Schabtaj Zwi zum Bescht gekommen sei, um ihn um einen Tikkun zu bitten. – R. Joel erklärte folgendes mit seinen eigenen Worten: ›Ein Tikkun ist das Aneinanderbinden der drei Seelenstufen, Nefesch an Nefesch, Ruach an Ruach und Neschama an Neschama‹. – So begann er aus Furcht ganz behutsam, sich an ihn zu binden, denn jener war ein großer Frevler. […] R. Joel fügte noch hinzu, der Bescht habe gesagt, ein heiliger Funke sei in ihm [d. h. Schabtaj Zwi] gewesen, doch Sammael, der Widersacher, faßte ihn mit seiner Falle, Gott bewahre!« Vgl. Grözinger (Hrsg.), Die Geschichten vom Baʾ al Schem Tov. Schivche haBescht, Bd. I, S. 76-77. Der Chassidismus Der im Martin-Buber-Archiv als Typoskript erhaltene Vortrag wird in diesem Band erstmals abgedruckt. Martin Buber – so die Überschrift – erarbeitete ihn für die Frankfurt-Loge der Bʾ nei Bʾ rith, wo er am 6. März 1930 gehalten wurde. Die Frankfurter Loge der Bʾ nei Bʾ rith, einer organisatorisch an den Freimaurern orientierten Vereinigung, die sich der Förderung von Bildung und Wohlfahrt unter den Juden widmete, gehörte zu den größten in Deutschland. Sie wurde 1888 gegründet und verfügte über ein repräsentatives Logenhaus in der Eschersheimer Landstraße, in welchem zahlreiche Vorträge zu den unterschiedlichsten Themen stattfanden (vgl. Elias Gut, Geschichte der Frankfurt-Loge 1888-1928. Gewidmet zur Feier ihres 40jährigen Bestehens, Frankfurt a. M. 1928). Einer der prägenden Persönlichkeiten der Frankfurter Bʾ nei Bʾ rith war Nehemia Zvi Anton Nobel (1871-1922), ein modern-orthodoxer Rabbiner und Gelehrter (vgl. Rachel Heuberger, Rabbiner Nehemias Anton Nobel. Die jüdische Renaissance in Frankfurt am Main, Frankfurt a. M. 2005). Seit 1910 amtierte er in Frankfurt, wo er kurze Zeit später eine Dozentur für jüdische Religionswissenschaft und Ethik an der GoetheUniversität erhalten sollte. Es war ebendiese Dozentur, die Martin Buber nach Nobels Tod übernahm. Buber und Nobel, beide Anhänger der kulturzionistischen Strömung, gehörten zu den führenden Gelehrten des
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von Franz Rosenzweig organisierten Freien Jüdischen Lehrhauses, das 1920 gegründet worden war. (Vgl. Martin Buber, B II, S. 146-152. Zum Freien Jüdischen Lehrhaus vgl. Paul Mendes-Flohr, The ›Freies Jüdisches Lehrhaus‹ of Frankfurt, in: Karl Erich Grözinger [Hrsg.], Jüdische Kultur in Frankfurt am Main von den Anfängen bis zur Gegenwart, Wiesbaden 1997, S. 217-229.) Im Winter des Jahres 1930 befand sich Buber, wie so oft, auf einer Vortragsreise. Ende Februar weilte er zu diesem Zweck in Augsburg, München, Nürnberg und Bamberg. Ob der in Augsburg (20. Februar) und Nürnberg (23. Februar) angekündigte Vortrag »Der Chassidismus« mit dem Frankfurter Typoskript identisch war, lässt sich wohl nicht mehr eruieren (vgl. die Vortragsankündigungen in der Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung 4/1930, S. 57-58). Das dominierende Thema des Vortrags ist der Einbezug der einfachen jüdischen Landbevölkerung (Am Haaretz) in das Zentrum spirituellen Lebens, wie er, Buber zufolge, vom Chassidismus bewerkstelligt worden sei. Die explizite Ausrichtung auf die ungebildeten Menschen abseits der ökonomischen und akademischen Eliten leitet Buber auf den zweiten großen Gegenstand seiner Ausführungen (vgl. S. 153-159 im vorliegenden Band) hin: einen Vergleich zwischen dem sog. Urchristentum und dem Chassidismus. Dieses Motiv findet sich bereits in den Drei Reden über das Judentum und im »Geleitwort« zu Der großen Maggid und seine Nachfolge, mit jeweils charakteristischen Eigenheiten. Während es Buber in den Drei Reden vor allem um die »Erneuerung der Religiosität der Tat« ging (vgl. Drei Reden über das Judentum, S. 83; jetzt in: MBW 3, S. 247), die durch das »Urchristentum« – welches recht eigentlich ein »Urjudentum« gewesen sei – verkündet worden sei, konzentrierte er sich im »Geleitwort« auf den Aspekt der Geschichtsdeutung und der mit ihm verbundenen Profile chassidischer (Zaddik) und christlicher (Starez) Führungspersönlichkeiten (vgl. »Geleitwort«, in diesem Band, S. 61-66). Buber lenkt in seinem Vortrag den Blick auf ein zentrales Anliegen beider jüdischer Strömungen, das er – völlig zu Recht – als Ausrichtung auf die Bedürfnisse einfacher Menschen bestimmt. Wenn man den Chassidismus heutigen Tags auch kaum mehr als »religiöse […] Empörung des Am Haarez« (in diesem Band, S. 147) charakterisieren würde, gestaltet sich der Hiatus zwischen den spirituellen Anführern einer Gruppe, die in der Regel (wie auch in den chassidischen Denominationen) den gelehrten Eliten zuzuordnen sind, und ihren Anhängern zu einem steten Begleiter des Werdens und Vergehens von Reformströmungen.
Der Chassidismus
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Textzeugen: TS: Typoskript im MBA (Arc. Ms. Var. 350, dalet 11); 20 paginierte, einseitig beschriebene Blätter; zweischichtig: TS1.1: Grundschicht: maschinenschriftlich. TS1.2: Überarbeitungsschicht: vereinzelte Korrekturen von Bubers Hand in Bleistift. Druckvorlage: TS1.2 Variantenapparat: 146,20 der Mensch drankam] der Mensch da ist TS1.1 147,19-20 »mit all deinem Wesen […] deiner Macht«] »mit deinem ganzen Wesen, mit deiner ganzen Seele, mit deiner ganzen Macht« TS1.1 151,3-4 geringen Bezirken] vollkommen geringen Bezirken TS1.1 151,33-34 in dieser Stunde] in dieser Stadt TS1.1 151,38 wohl geraten ist] geraten ist TS1.1 152,12 das wichtigste Gebilde] das grösste Gebilde TS1.1 152,33 wenn gar am Simchath Thora] wenn etwa wirklich am Simchath Thora TS1.1 153,10-11 Gesetze des Sabbath-Jahres] Gesetze der Sch’mitta, des Sabbath-Jahres TS1.1 154,6 zunächst möchte man etwa sagen] zu Anfang würde man etwa sagen können TS1.1 154,15 dass eine Erfüllung des Gesetzes beabsichtigt war] dass es sich um eine Erfüllung des Gesetzes handelt, die beabsichtigt war TS1.1 158,37 zerschlug] zerschlug, zertrümmerte TS1.1 159,2 viel tiefer] merkwürdigerweise viel tiefer TS1.1 Wort- und Sacherläuterungen 144,11-145,5 keineswegs ein neuer Name […] Hingabe des Menschentums] In allen Epochen der jüdischen Geschichte entstanden Konzepte davon, welchen Forderungen ein Mensch hinsichtlich Gottes und seiner Mitmenschen genügen müsse. Mit Ausnahme des osteuropäischen Chassidismus bezeichnete man diejenigen, die den allgemeinen Normen folgten, als Zaddik (in etwa: Gerechter). Wer sein Verhalten jedoch an besonderen Standards orientierte, konnte als Chassid gelten. Es liegt in der Natur der Sache, dass vor allem die Erwartungen an den herausragend Frommen enorm variierten. In der Zeit der Makkabäer/Hasmonäer (2. Jh. v. Chr.) wissen die Quellen erstmalig von jüdischen Traditionalisten zu berichten, die sich als Chassidim titulierten. Das Erste Makkabäerbuch (1 Makk 2,42; 7,13)
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charakterisiert sie als eine Gruppe von Gelehrten, die sich dem bewaffneten Widerstand gegen die Zwangshellenisierung des seleukidischen Königs Antiochos IV. Epiphanes (um 215-164 v. Chr.) angeschlossen hatten. In den ersten Jahrhunderten n. Chr. sollen, folgt man rabbinischen Quellen, die »früheren Chassidim« besondere Frömmigkeitsstandards gesetzt haben. Sie hätten vor jedem Gebet eine Stunde lang ihre Gedanken auf den Ewigen ausgerichtet und hätten sich nicht einmal in akuter Lebensgefahr dazu bereitgefunden, ein einmal begonnenes Gebet zu unterbrechen (mBer V,1 mit bBer 32b; BT, Bd. I, S. 134 u. 146). Desgleichen hätten sie rigoros auf einer unbedingten Würdigung des Sabbat und auf persönliche Reinheit und Buße geachtet. Eine weitere Neuinterpretation gewann der Begriff Chassid im Aschkenas des 12. und 13. Jahrhunderts. Ein Gelehrtenzirkel, die Chasside Aschkenas genannt, entwickelte unter dem Eindruck der Kreuzzüge und in Reaktion auf christliche Frömmigkeitsbewegungen eine neue Ethik und Spiritualität. Herausragende Vertreter dieses Kreises waren Schmuʾ el ben Kalonymus he-Chassid (2. Hälfte des 12. Jh.), sein Sohn Jehuda he-Chassid (starb 1217) und dessen Schüler Elʿ asar ben Jehuda ben Kalonymus (starb ca. 1230). 145,16-19 wo jener grosse Zug […] in Elend und Verderben endet] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 41,22-23. 146,12 Kawanoth] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 114,16. 147,11 Am Haarez] V. a. in der rabbinischen Literatur bezeichnet der Begriff das ungebildete »Landvolk«, welches aufgrund fehlender halachischer Kenntnisse die Gebote nicht beachtet. 147,19-20 »mit all deinem Wesen, mit all deiner Seele, mit all deiner Macht«] Dtn 6,5. 148,12-20 Da kommt nun […] trägt sie mit sich empor.] Vgl. »Das Pfeifchen«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 155 f. (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [62]). 148,20-40 Es waltet ein schweres Verhängnis […] heilige Einfältigkeit] Quelle nicht nachgewiesen. 148,38 Nistor] Hebr. »der Verborgene«, pl. Nistorim, sind sog. Verborgene Gerechte. Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 61,30. 149,18 System der Kawanoth] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 146,12. 149,28-29 den vierbuchstabige Gottesnamen] JHWH: das Tetragrammaton. 149,29 ausgebildete, sehr lange Gottesnamen] Bereits in der frühen esoterischen Literatur des Judentums wird der Name bzw. die Namen Gottes als einzigartiger Quell göttlicher Weisheit betrachtet. Bei den
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Chasside Aschkenas, insbesondere in den Werken des Elʿ asar von Worms (vgl. die Wort- und Sacherläuterungen zu 144,11-145,5) wird dieses Motiv zur Auffassung entfaltet, dass die gesamte Tora ein einziger Gottesname ist bzw. eine machtvolle Abfolge von Gottesnamen darstellt (vgl. Karl E. Grözinger, Jüdisches Denken, Bd. 1: Vom Gott Abrahams zum Gott des Aristoteles, Frankfurt u. New York 2004, S. 347-349). Die Kabbala griff diese Vorstellung auf und entwickelte sie zu einem theosophischen und meditativen System weiter, wie man es insbesondere bei Abraham Abulafia oder dem frühen Joseph Gikatilla (1248-ca. 1325) beobachten kann (vgl. ebd., Bd. 2, Darmstadt 2005, S. 303-333 u. 346-393). Vgl. auch Gershom Scholem, Der Name Gottes und die Sprachtheorie der Kabbala, in: Judaica 3, Frankfurt a. M. 1970, S. 7-70. 150,40-151,6 Ueberall, in allen Dingen […] Heiligkeit tut] Buber nimmt Bezug auf lurianische Konzepte. Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 56,20. 151,16-17 kaudesch […] chaul] Buber gibt hier die sog. aschkenasische Aussprache des Hebräischen wieder. »Kaudesch« entspricht dem hebräischen qodesch (»heilig«); sein Antonym »chaul« (hebr. chol) bedeutet »alltäglich« oder »profan«. 152,28 Gʾ wir] Ein jiddisches Wort (von hebr. gever, »Starker«, »Held«) für eine einflussreiche Person. 152,32-33 lʾ chajim zutranken] Einander zuprosten. Lʾ chajim (»Auf das Leben!«) entspricht in seiner Verwendung dem Prosit. 152,33 Simchath Thora] Fest der Gesetzesfreude. Man feiert den Abschluss des einjährigen Vorlesezyklus der sabbatlichen Pentateuchlesungen. 153,10-11 Die grossen Gesetze des Sabbath-Jahres und des Jobel-Jahres] Lev 25. 154,15 Erfüllung des Gesetzes] Vgl. Mt 5,17. 154,17-18 die Bergpredigt] Mt 5,1-7,29. 154,28 Machschowaus soraus] Buber bildet hier die aschkenasische Aussprache des Hebräischen nach, in diesem Fall von Machaschawot sarot (»fremde Gedanken«). 155,3-4 »Ja, das Gute, […] das tue ich«] Röm 7,15. 155,12 jene furchtbare Lehre] Gemeint ist die praedestinatio gemina, die doppelte Prädestinationslehre, der zufolge die Menschen bereits vorgeburtlich zur Rettung oder zur Verdammnis vorherbestimmt sind. Der Kirchenlehrer Augustinus (354-430) arbeitete diese Lehre in seiner Schrift Der Gottesstaat aus, die schließlich auch den Reformator Johannes Calvin (1509-1564) beeinflusste.
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155,18-19 Der Baalschem sagt es […] Herr werde.] Vgl. »Grenze des Rats«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 151 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [53]). 155,22 Jezer hora] Aschkenasische Aussprache des hebräischen jetzer ha-ra (hebr. »die Neigung zum Bösen«). Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 60,14 155,23-26 wie es schon im Talmud heisst […] das Gute machen] Vgl. mBer IX,5(=bBer 54a; BT, Bd. I, S. 235); jBer IX,5, 14a; Sohar II, 163a.174a u. ö. 156,3 »Kehrt um!«] Ausruf Johannes des Täufers in Mt 3,2. 156,6 »Denn nahe herangekommen ist das Reich des Himmels«] Mahnung Jesu in Mt 4,17. 156,21-25 wie ein Chassid […] und nach Zion wandern] Vgl. die Erzählung zu Mosche Teitelbaum, »Der Harrende«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 669 f. (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [925]). 156,35 Jichud] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 109,8. 157,1-2 »wie die Kabbalisten es an Buchstaben versuchten«] Vgl. Wortund Sacherläuterungen zu 149,29-30. 157,22-23 Cäsarea Philippi] Mt 16,13-16 u. Mk 8,27-29. 157,30 automessianische] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 141,2. 157,38 die automessianische Versuchung an den Baalschem] Vgl. Wortund Sacherläuterungen zu 142,11-21. 158,14 Nachman von Bratzlaw] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 80,13. 158,26 Hillel] Eine der prominentesten (literarischen) Vorläuferfiguren der rabbinischen Bewegung. Traditionell wird er um die Zeitenwende datiert. Hillel soll – im Gegensatz zu seinem Gegenspieler Schammai – eine liberale Interpretation der Halacha vertreten haben. In der älteren Forschung hat man häufiger mögliche Bezüge zwischen den vermeintlich zeitgleichen prägenden Figuren Paulus und Hillel reflektiert. Die viel zitierte Stelle, die Buber wohl im Sinn hat, ist mShab V,2 (= bShab 31a), die in Goldschmids Übersetzung, BT, Bd. I, S. 521 f. so lautet: »Abermals ereignete es sich, daß ein Nichtjude vor Šammaj trat und zu ihm sprach: Mache mich zum Proselyten unter der Bedingung, daß du mich die ganze Tora lehrst, während ich auf einem Fuße stehe. Da stieß er ihn fort mit der Elle, die er in der Hand hatte. Darauf kam er zu Hillel und dieser machte ihn zum Proselyten und sprach zu ihm: Was dir nicht lieb ist, das tue auch deinem Nächsten nicht. Das ist die ganze Tora und alles andere ist nur die Erläuterung; geh und lerne sie.«
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159,5 zu den Juden als Jude und zu den Griechen als Grieche] Vgl. 1 Kor 9,20 f. 159,21 Fleisch geworden ist] Vgl. Joh. 1,14. 159,37-40 Höchster Glanz im engsten Tale, […] Leibliche Beglaubigung.] Nicht nachgewiesen. Sinnbildliche und sakramentale Existenz im Judentum Dieser Essay Martin Bubers geht, wie etliche andere seiner Aufsätze, auf einen Vortrag zurück. Diesen hielt er auf der zweiten Eranos-Tagung in Ascona, die vom 20. August bis 1. September 1934 stattfand. (Vgl. Elisabetta Barone u. a. [Hrsg.], Pioniere, Poeten, Professoren: Eranos und der Monte Verità in der Zivilisationsgeschichte des 20. Jahrhunderts; darin vor allem: Ron Margolin, Three Approaches to the Study of Religion: Martin Buber, C. G. Jung and Mircea Eliade, S. 97-104.) Es war bereits sein zweiter Auftritt im Rahmen dieser erlesenen Veranstaltung, die sich vor allem der Vermittlung zwischen östlicher und westlicher Weisheit und (später) zwischen Geistes- und Naturwissenschaften verschrieben hatte. Religionswissenschaftliche Beiträge bildeten von Anfang an einen wesentlichen Pfeiler der Eranos-Konferenzen (vgl. Steven M. Wasserstrom, Religion after Religion: Gershom Scholem, Mircea Eliade, and Henry Corbin at Eranos, Princeton 1999). Der auf dem Vortrag basierende Aufsatz wurde in das zweite EranosJahrbuch aufgenommen (Olga Fröbe-Kapteyn, Eranos-Jahrbuch 2, Zürich 1935, S. 339-367), das – wie die gesamte Tagung – unter dem Thema »Ostwestliche Symbolik und Seelenführung« stand. Wiewohl das Prinzip der Zusammenkünfte darin bestand, Forschungsergebnisse möglichst allgemein fasslich zu präsentieren, kann man dem Essay anmerken, dass Buber ihm ein stärker wissenschaftliches Format verlieh, als es in den meisten anderen seiner Äußerungen zum Chassidismus der Fall war. Überdies zeigt sich der Einfluss seiner Tätigkeit an der Frankfurter Universität, an der man im Jahre 1930 seinen Lehrauftrag in eine Honorarprofessur für Religionswissenschaft umgewandelt hatte. Zum Zeitpunkt seines Vortrags in Ascona (und des Erscheinens des Jahrbuchs) hatte er dieses Amt auf Druck des zuständigen Dekans bereits niedergelegt. Er kam damit der Entziehung der Lehrbefugnis durch die Nationalsozialisten zuvor, welche im Herbst 1933 erfolgte (vgl. B II, S. 384 [Ernennung zum Honorarprofessor]; Bubers Auskunft zum Rückzug vom Amt findet sich im Brief an Nachum Glatzer vom 4. Mai 1933, ebd., S. 481). Weitere Vorträge in Ascona musste Buber wegen des
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gegen ihn erlassenen Redeverbots absagen (vgl. seinen Brief vom 24. Juli 1935 an Hans Trüb, ebd., S. 567). Für die Rezeption seines Essays dürfte die ausführliche Reaktion von Abraham Jehoschua Heschel (1907-1972) von besonderem Wert sein, hatte dieser doch Buber eine eigene Arbeit zur der biblischen Prophetie zugesandt (Das prophetische Bewußtsein, Kraków 1936; es war dies seine Dissertation, die in Deutschland nicht mehr gedruckt wurde) und somit eine ganz eigene Stellungnahme zu Bubers Ausführungen zum Thema. Bubers Reaktion auf dieses Werk scheint ablehnend gewesen zu sein – mindestens äußert Heschel sein diesbezügliches Unverständnis. Heschel bekundet in einem Brief vom 27. Juli 1935 zwar seine generelle Anerkennung: »Es steht mir nicht zu, die Schönheit und Tiefe ihrer Ausführungen voll zu würdigen« (ebd., S. 568). Insbesondere die Interpretationen Bubers zu den Propheten, wie sie den ersten Teil der »Sinnbildlichen und Sakramentalen Existenz« prägen, unterzieht er aber einer kritischen Nachfrage. Der Essay ist in zwei Teile gegliedert, wovon der erste die »sinnbildliche Existenz in der Welt der Prophetie« verhandelt (S. 160-167 im vorliegenden Band) und sich vor allem einem Vergleich zwischen der biblischen Prophetie und mantischen Praktiken außerhalb Alt-Israels widmet. Erst im zweiten Teil der Abhandlung kommt Buber – nach einer längeren religionswissenschaftlichen Reflexion der Begriffe Symbol und Sakrament – auf den Chassidismus zu sprechen, den er als »neuen Pansakralismus« (ebd., S. 170) deutet, als eine Rückkehr zu einer Art ursprünglicher Weltdeutung, in der »die Religion« noch nicht zwischen heilig (dem Sakralen) und nicht heilig unterschieden hätte. Texzeugen: H: Handschrift im MBA (Arc. Ms. Var. 350 dalet 40); 28 lose paginierte Blätter; einseitig beschrieben mit blauer Tinte; undatiert; mit vielen Korrekturen von Bubers Hand versehen. TS: Typoskript im MBA (Arc. Ms. Var. 350 dalet 40); 40 lose paginierte Blätter, einseitig beschrieben; undatiert; ohne Korrekturen. Es handelt sich um die Mitschrift der beiden Vorträge Bubers auf der Eranos-Tagung. Die Mitschrift des zweiten Teils setzt mit neuer Paginierung ein. Der Text weicht erheblich sowohl von der Handschrift als auch von der Druckfassung ab und ist mit einer Menge von wohl auf Verständnisschwierigkeiten zurückzuführenden Fragezeichen und Auslassungen versehen. Dennoch ist dieser Text von Interesse und wird daher im Folgenden im Kommentar abgedruckt, weil an ihm der weit ausholende Gestus der mündlichen Rede Bubers abzulesen
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ist. Das Typoskript wird daher unbearbeitet im Folgenden wiedergegeben. D1: Deutung des Chassidismus – Drei Versuche, Berlin: Schocken Verlag 1935, S. 65-93 (MBB 519). Enthält vorhergehend die weiteren Abschnitte »Geist und Leib der chassidischen Bewegung« (jetzt in diesem Band, S. 53-73) und »Spinoza, Sabbatai Zwi und der Baalschem« (jetzt in diesem Band, S. 129-143) sowie eine Vorbemerkung. D2: Eranos-Jahrbuch 1934, Zürich: Rhein-Verlag 1935, S. 340-367 (MBB 527). D3: Die chassidische Botschaft, Heidelberg: Lambert Schneider 1952, S. 128-156 (MBB 886) D4: Werke III, S. 829-849 (MBB 1219). Druckvorlage: D1 Übersetzungen: Hebräisch: Hawaja simlit wa-hawaja saqramentalit, in: Martin Buber, Be-fardes ha-chassidut. Ijunim be-machschavta va-havajata, Tel Aviv: Mossad Bialik 1945, S. 79-96 (MBB 724). Englisch: Symbolisms and Sacramental existence in Judaism, in: Martin Buber, Mamre. Essays in Religion, translated by Greta Horn, Melbourne: Melbourne University Press 1946 (MBB 741); Symbolical and Sacramental Existence in Judaism, in: Martin Buber, Hasidism, New York: The Philosophical Library 1948 (MBB 785); Symbolic and Sacramental Existence, in: Martin Buber, The Origin and Meaning of Hasidism, edited and translated by Maurice Friedman, New York: Horizon Press 1960 (MBB 1139); Symbolic and Sacramental Existence, translated by Ralph Manheim, in: Spiritual Disciplines – Papers from the Eranos Yearbooks, Bd. IV, Bollingen Series XXX, New York: Pantheon Books 1960, S. 168-185. Wiedergabe von TS: 1. Vortrag von Herrn Prof. Buber Sinnbildliche und sakramentale Existenz im Judentum Die symbolische Existenz in der Welt der Prophetie. Sie haben bemerkt, dass ich die Absicht habe, nicht über Symbole, sondern über xxxxx ……, oder wie ich es in einem beschränkenden Sinne ausdrücken möchte, sinnbildliche Existenz, heute zu sprechen. Morgen werde ich über sakramentale Existenz sprechen.
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Ich meine etwas ganz Einfaches, nämlich, dass es menschliche Existenz, reale Existenz einer menschlichen Person zwischen leiblicher Geburt und leiblichem Tod gibt, die Sinnbild ist, sakramental ist, wirkliche, richtige, einmalige, personhafte, menschliche Existenz, vergängliche, sterbliche Existenz, die Sinnbild ist. Also nur das meine ich. Nicht Symbol, wenn es zum Wesen des Symbols gehört, abgelöst von diesem Konkreten, schwebend sich über die Zeiten hinstreckend zu sein, doch Symbol, wenn es auch leibliches Sinnbild gibt, leibliches, sterbliches, vergängliches ….. wenn es ein Sinnbild ….. das gerade dieses Vergänglichen, der Vergänglichkeit dieses Vergänglichen bedarf, um zu erscheinen. Goethe hat seine Beziehung, des Vergänglichen, auf das Gleichnis mit einem ›Nur‹ ausgestattet. Aber das Gleichnis ist das Höchste, was wir als Wirklichkeit überhaupt zu fassen vermögen, und das Vergängliche ist nicht nur ein Gleichnis, sondern das Vergängliche, alles Vergängliche, kann kraft seiner Vergänglichkeit, vermöge seiner Vergänglichkeit, Gleichnis werden. Nur das Vergängliche kann Gleichnis werden. Das Sinnbild, das ich meine, ist die eigentliche Aussprache des Seienden, dessen, was mit einem schlichten Worte …… die eigentliche …… Alles was wir Sprache nennen, ist Uneigentlichkeit dieser eigentlichen Aussprache durch lebende, durch formende Leiblichkeit gegenüber. Leiblichkeit, nicht Geistigkeit. Alle Sprache ist nur Brechung dieses Bildes …… Leiblichkeit, nicht Geistigkeit, denn nur der Leib kann transparent, sinnbildlich werden, nur der geborene, lebende, sterbliche vergängliche Leib, nichts anderes. Das Geistige ist der Gedanke … das Werk ist geschlossen (?). Es weist nicht über sich hinaus, es kann nicht durchscheinen, es ist da, es ist es selber, der Bund des Absoluten mit dem Konkreten. Es gibt nur einen Bund, den des Absoluten mit dem Konkreten. Dieser Bund ist der Bund mit dem Leib, der sinnbildlich da ist, sinnbildlich lebt und stirbt. Dieser Bund des Absoluten mit dem Konkreten, mit diesem Wort ist er als seiender Bund (?) …… ich betone Bund, also nicht Identität, aber Verbundenheit, in allem Ernst, in allem durchdringendem Ernst des Verbundenseins, ich nenne es verbunden …. Dieser Bund des Absoluten mit dem Konkreten äussert sich eben in dem jeweiligen, einmaligen, einzigen personhaften Stand dieses Konkreten, nicht einmalig, nicht über die Zeiten hin, nicht ewig, sondern durchaus leiblich, sterblich, also biographisch; nicht überzeitlich, sondern zeitlich, nicht übersituationshaft (?), sondern situationsgebunden. Hierin äussert sich die sinnbildlich menschliche Existenz, und er ist nicht nur Sein (?), sondern ist auch jeweils geschlossen. Immer wieder schliesst sich der Bund des Absoluten mit dem Konkreten im menschlichen Stande, im leiblichen, menschlichen Geschehen, sakramental, in der Gestalt menschlicher Gebärde, menschlichen Erfahrungsvorganges mit dem Menschen und um den Menschen. Wenn ein Symbol über die Zeiten hingeht, kann es …… wie gestern Bauer sagte, dass das Symbol …… ihre Eigentlichkeit, ihre Unmittelbarkeit verlieren … … gewiesen, das es sich wieder erneuern, sich ebenso, wie sie entstehen … … immer nur in einer menschlichen Existenz. Wenn Jesus das Brot bricht und austeilt, so rührt er an ein altes Symbol und Sakrament seines Volkes. Er vollzieht etwas, was der israelitische Mensch, für den
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ein Opfer, ein Sühnopfer vollzogen wurde an dem Opfertier, tat, er legte die Hände auf das Opfertier und sagte nicht, sondern tat ›das bin ich‹. Das heisst, Opfer ist ursprünglich Selbstopfer. Sich bringt der Mensch dar, und dieses Tieropfer gibt die Möglichkeit der Vertretung, der Darstellung. Man identifiziert sich, stemmt die Hände darauf. Es ist dasselbe, was der Mensch tut, der einem anderen sein Amt übergibt. Die Hände sprechen aus die Einheit: Das bin ich. …… Brot bricht ist …. Dass Jesus dieses alte Bild und Sakrament an dem ungesäuerten Brot vollzieht, das er bricht, dass er sich identifiziert: das ist dieser Leib, den ich für euch gebe. Und gibt den Zwölfen …… wieder an ein Sakrament rührend. ….. er die Könige salbte ….. .. wenn es zum Kampf ging …. die Feldherrn … wenn es galt das Volk zu sammeln, ein Tier zerstückten in 12 Stücke und an die zwölf Stämme sandten, wenn es zusammenkommt, sie sich sammeln und die 12 Stücke zusammenbringen, dann ist das Wesen wieder ganz neu, lebendig. Es geht um Tod und Leben, hiess das, zusammen ist das Leben neu (?). Die Zwölf zusammen, das rührte an ein uraltes Zeichen, Bild, aber in dem Augenblick, wo dieser leibliche Mensch dies tat, das überlieferte und doch anders (?), stieg das erneute neue Sakrament auf, um seinen Zug in die Welt zu beginnen. So bedarf das neue Bild, um wirklich zu werden, dieses leiblichen Menschen. Davon also will ich reden. Und zwar will ich heute von der menschlichen sinnbildlichen Existenz in der Welt der Prophetie reden. Was ist das, Prophetie? Was ist ein Prophet? Man stellt sich vor einen Menschen, der weissagt. Was ist weissagen? Vorhersagen, was sein wird. Das ist ein Prophet. Ganz und garnicht. Mehr wie aus dem Weissagen ….. was in der deutlichsten Gestalt ….. von dem Orakel, wie es sich bei den Griechen, bei dem griechischen Orakel ….. Zunächst nicht fragen, was mit der Zukunft …… wurde da gesprochen …… Plato unterscheidet im Timäus die Weissager ….. und die Aussprecher in der Prophetie. Die einen, das sind die das zu Sagende empfangen in nicht worthafter Gestalt. Die Pythia wird von dem Gott ergriffen, der Gott dringt in sie ein und zwingt sie, etwas in nicht worthafter Gestalt zu sagen, dass es niemand versteht; das ….. die es hören nicht als Sprache als Aussage empfangen können, aber es gibt solche, die das verstehen und in menschliche Sprache übertragen können. .. Prophet …. Spricht: sie sollen weissagen und er würde prophezeien. So sind die Funktionen verteilt. Hier ist das Einsprechende …….. er spricht nicht ein, er weht ein, wie der Wind, wie der Sturm einweht. Der, in den er einweht, kann es nicht aussprechen, aber es dieser andere da, der nun dies wieder wirkt, wahrnimmt, ansieht und in die Sprache überträgt. Es gibt, wenn das erste Sprechen …… zweierlei Sprache in einem ungeheuren Sinn. Die Pythia mag schon das sein, dass man sie selber Prophetess nennen kann. Sie schaut ?, singt in die Luft aus ….. die Apollon ertönen lässt, aber nicht so, dass es jemand als Sprache verstehen könnte, es sei denn der, dessen Amt es ist, der Sprache zu walten und dies in Menschensprache zu übertragen. Und nur er, der Gott selber, Apollon selber ist zugleich Manthei (?) und Prophetess …. Zugleich empfangend und sprechend, vernehmbar, verständlich. Die Manthei …… die noch nicht fertige Rede bricht hervor, ungefasst, unfassbar
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?. Erst von der Prophetess wird sie gefasst und zum Logos geformt. Dieser übersetzt sie aber in einer Sprache, die für das Ohr des nicht Berufenen keine ist. Es gibt jeweils Stadien, Erscheinungen, wo diese differenzierte Person scheinbar überwunden ist. Aber dieselbe Person hat diese Zweiheit ganz in sich vereinigt. Zufall … statt … Person differenziert …. Auch hier entsteht die fertige Rede nicht unmittelbar, sondern zunächst das eine und dann das andere. Zuerst ist das Eingeweihtwerden von der Gewalt und dann dieses wilde Sprechende … die Verbindung im Menschen selbst, diese Zweiheit. Nun, der Nabi in Israel ist der entsprechende Begriff zu den Propheten. Zunächst besteht der Prophetess bei den Griechen nicht bloss in diesem geistigen Sinn, sondern wird auch im Profanen gebraucht, nämlich einer, der etwas öffentlich zu verkündigen hat, dass das Volk ihn vernimmt und versteht. – In Israel ist der Nabi durchaus, lediglich geltend im Verhältnis zwischen Gottheit und Menschheit; aber nicht nur von oben nach unten, sondern auch von unten nach oben. Man sollte glauben, Gott hat das nicht nötig, Gott versteht auch ohne Vermittlung, aber es ist so, dass Gott diesen einen Menschen will, in dem sich die Sprache der Menschen geschlossen, die Bitten, das Flehen des Menschen gesammelt, und nun in einer anderen Rede zu ihm aufsteigt. So wird jeder Mensch auch zum Prophetess, der sich für einen anderen einsetzt, einsteht vor dem göttlichen Nabi ? ……, also einer, der sprechend das Gespräch zwischen der Gottheit und Menschheit herstellt. Das wird noch deutlicher, wenn wir sehen, wie dieser Begriff Nabi manchmal vertauscht wird mit der Bezeichnung ›Mund‹. Der Gott, der Moses zu Pharao schickt, der sagt zu ihm selber: ›Ich gebe dich dem Pharao zu einem Elohim, zu einer gotthaften, einwehenden Gewalt, und Aaron, dein Bruder, wird dein Nabi, dein Künder sein.‹ – Ein Mensch bekommt hier das Amt des Einsprechens, und der andere wird zu seinem Künder. Es kann auch anders übersetzt ? werden. In derselben Erzählung hiess es: der Gott spricht zu Moses, der sich weigerte, zu Pharao hinzugehen, weil er eine zu schwere Zunge hat und nicht reden kann, da heisst es: er, der …… rede für dich zum Volk, und so sei es. Er werde dir zu einem Mund und du werdest ihnen zu einem Elohim, zu einem Gott. Also Mund und Nabi sind hier das gleiche. Nicht …. wie man nicht scheiden kann den Mund eines Wesens von dem ……… wo in diesem Menschen das Wort geboren wird. Es sind verschiedene Organe, aber alle eine Existenz ……… nicht ein Sprachrohr, sondern ein Mund, der Laut als Laut ….. entsteht das Wort anderswo ….. als da wo es geboren wird als Geistwort im Ursinn, als lebendes, brausendes, aber nicht artikuliertes lauthaftes Wort … Dieselbe Existenz, … wenn Gott zu einem dieser Münder, zu Jeremias spricht, in einer Krisis der Existenz dieses Menschen spricht …. nämlich dieser Prophet … Sie wissen ja, dass es das einzige unter den prophetischen Büchern …. von seiner Zukunft sagt, er wird angefeindet, misshandelt, verkannt, verketzert, verlacht. Es gibt Augenblicke, wo er sich mit seinem Menschtum empört, wo er glaubt, es nicht mehr ertragen zu können und von Gott fordert, dass er dieses Unrecht, das ihm geschieht, ahnden soll. Auf diese Empörung antwortet ihm Gott scheinbar zusam-
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menhanglos ….. in Liebe ertragen? … las ob er sich nicht kümmerte darum, nicht gewährend, sondern fordernd ….. bringst du das Echte hervor, des Gemeinen entledige dich …. wie mein Mund sollst du werden. Also Verwandlung im Menschen. Diese Empörung, das ist dieses Schlakenhafte?, woraus das Echte geholt, geschöpft werden soll. Des Unreinen entledigen …. dann sollst du wie mein Mund werden. Der Mund Gottes, das ist der Nabi. Die Person, die ganze Person, nicht weniger als das ist der Mund, ist Gottes Mund …. ihre Rede ist Gottes Rede. Die ganze Person ist Mund. Hier haben wir einen Gegensatz zum Griechischen … nicht drei …. Gott, die einwehende Gewalt, den Manthei und den Prophetess, sondern zwei, die einwehende Gewalt – ich mache Sie darauf aufmerksam, dass das Wort ›wehen‹ ernst zu nehmen ist. Es bedeutet Wind und Geist in der Einheit, wie es in der Schöpfungsgeschichte heisst: Gottes Wind ?, Gott bläst … bei Erschaffung des Menschen ….. kann nicht zwischen Natur und Geist unterscheiden, die eine einwehende Gewalt, das ist das eine, das andere ist der Mensch, der leibliche, sterbliche Mensch, der Sprecher dieser Gewalt. Beachten Sie, was dort nur Apollon zugestanden wurde, beides in Einem, das ist hier dieser Mensch, der dadurch nichts von seiner Bedingtheit und Sterblichkeit verliert, dass er Sprecher der göttlichen Gewalt wird. Was bedeutet das für die Rede? Im Gegensatz zum Griechischen, wo die entstehende Rede nicht die fertige Rede ist (?), sondern zunächst ein ekstatisches Stammeln, und das Stammeln dann in geordnete Rede übertragen wird, dass die hier aus dem Menschen hervorbrechende Rede schon fertig ist, gleich rhythmische, unmittelbar sagende (?) Rede. Das Wort aber in seiner Gesprochenheit ist nicht überzeitlich, (das nicht im Buche steht?) Sondern in … leibliche Gesprochenheit …. jeweils …. sondern ist das Wort dieses Augenblicks, diese Leiblichkeit gehört dazu, einmalige, personhafte Leiblichkeit gehört mit dazu. Darum ist hier die Form, gehört streng dazu. Es ist nicht, dass sich das Wort vom Inhalt ablösen lässt, das sich mit anderen Worten, oder anderem Rhythmus oder anderem Lautgehalt sagen lässt, sondern es ist einmalig, das Wort steht so für ….. dass diese Gestaltung ganz und gar dazu gehört und nicht abgeschält (?) werden kann. Die Form ist hier Element, und schliesslich nicht wie dort, besessen. Hier Aktion (?) und nicht Besessenheit …. hier die schöpferische Rede, die ……… alle Theorien, dass die Entwicklung der Propheten (?) von einem Stamm der Ekstatiker (?) hin zu einem wortgewandten Schrift-Propheten (?) geführt habe, sind falsch. Es gibt keine solche Entwicklung ……… Propheten finden (?). wenn auch nur zu dem gesandt, zu dem Machthaber natürlich. Zum Machthaber … hat jeweils das Eigentliche zu sagen. Das Jeweilige, was er zu sagen hat, wenn es auch nur wie ein Schrei klingt, es ist doch schon das Wort in diesem strengen, harten Sinn, in dem ich es bezeichnete. – Es gibt keine solche Entwicklung. Die Rede, gewiss die Rede beginnt als Spruch (?) der fast wie ein Schrei wird … Später, der nachprophetische Sprecher der Apokalypse, der schreibt Bücher, er redet nicht mehr. – Es beginnt mit dem Schrei, aber dieser Schrei ist keine Besessenheit. Dieser Mensch wird so ergriffen, ergriffen zum Wort, zum Wort an den
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Menschen, an dem Volk und Machthaber der Situation. Die ganze Person ist not, die ungeteilte Person ist not um dieses Funktion, dieses Amtes im Augenblick Herr zu werden. Das prophetische Wort ist das Wort einer Situation, d. h. ganz einfach, dass keine Zukunft vorhergesagt wird, keine Zukunft, die feststünde, auf einer Rolle geschrieben, die nur abzurollen braucht. Vorhersagen heisst, alle zukünftige Geschichte ist auf einer Rolle …… geschrieben, und nun rollt sie ab. Eben dies nicht, es gibt kein Abrollen, es heisst, dass der Augenblick wirklich ist, es heisst, dass jetzt und hier wirklich die Entscheidung fällt. Reale Entscheidungsmächtigkeit des Augenblicks … als der Urgehalt der Schöpfung ist es, wobei das prophetische Wort steht. Hier ist ein unbedingter Gegensatz zum Griechischen. Bei den Griechen ist es so, – bei Heredot wird einmal sehr klar gesagt in der Geschichte von Krösos (?). Er sagt da, dem verhängten Geschick zu entfliehen ist auch einem Gott unmöglich. Doch aus dem Zusammenhang geht hervor, dass … wo es sich um eine Grundrede der delphischen Pythia handelt ….. Prometheus sagt von Zeus, er vermöchte nicht dem Verhängnis zu entfliehen. Der Gegensatz dazu ist der Boden, auf dem der Prophet steht und spricht. In einem Satz der jüdischen Ueberlieferung ist es so formuliert, die Propheten hätten nur auf die Umkehrung hin zu prophezeien. Das heisst, der Augenblick ist entscheidungsmächtig, also was im nächsten Augenblick geschieht, hängt real mit davon ab, was die Menschen dieses Augenblicks, die jetzt in diesem Augenblick atmenden, hörenden Menschen entscheiden oder unentschieden lassen. Ihre Entscheidung oder Entscheidungslosigkeit strömt mit ein in die Entscheidungsmacht dieses Augenblicks. Wir haben dafür im Alten Testament ein richtiges ….. im Buch Jona. Jona wird zu der Stadt Ninive, der grossen Stadt Ninive geschickt, die verrottet, verkommen, in der Zivilisation verkommen ist, und er wird geschickt, ihr …… nicht zu sagen, wenn ihr das nicht tut, wenn ihr nicht Busse tut – ein schauderhaftes Wort, Busse – wenn ihr nicht umkehrt, – umkehren kann man nur mit dem ganzen Wesen …… er sagt also nicht, wenn ihr nicht umkehrt, wird Ninive ….. er wird also hingeschickt nicht mit dem Wort: wenn, sondern: so und so viele Tage, dann wird Ninive untergehen. Er geht nun hin, geht ……… weht sich, er will ein Prophet sein, der weissagt, der ihnen zeigen will ….. solche Propheten will …. Nicht haben. Was geschieht nun? Der Jona wird gezwungen, wie diese Propheten immer gezwungen werden …. Er geht hin und sagt ihnen das Wort an. Was geschieht? Ninive, diese verrottete Stadt, vollzieht diese Achsendrehung, diesen totalen Umschwung, mit dem ganzen Menschen, das ganze Volk vollzieht ihn, und plötzlich ist es nicht mehr auf seinem geläufigen (?) Weg, auf den es sich verlaufen hat, sondern auf dem Weg Gottes. Und dann geschieht eben das nicht, was Ninive durch das Wort, als die Botschaft Gottes, angesagt war. Es hatte sich also die Entscheidung begeben …… von der Entscheidung des Menschen …… und das war der geheime Sinn der Botschaft. Es gibt also keine Zukunft, die vorhergesagt werden kann, sondern das Reden in die Situation hinein, in die zitternde (?), möglichkeitsvolle, entscheidungsmächtige Situation hinein, in die Realität dieser Stunde, dieser Lage hinein, in diese Menschen hinein; nicht irgendwo über die Zeiten hin, in die Ferne, sondern in die Sterblichkeit, in die
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daseinsmächtige Sterblichkeit dieser Stunde hin. Also mit einem Wort schlechthin, wie wir das so ausdrücken: situationsbezogene …… Nun möchte ich doch ……… alle echte religiöse Rede ist situationsbezogen, ist immer situationsbezogen, ist immer eine Rede, die sich mit diesem Augenblick befasst, also mit der Vergänglichkeit sich befassende, mit der vergänglichen Leiblichkeit … wie uns Blut und ….. all das Ungleichartige (?) …… bis in das Innerste … das Widersprechen an die Vermessung (?) hin … also sucht nicht ein ewiges Wesen, sondern jetzt und hier, das allein ist der religiöse Weg, und weil dies so ist, weil sie die Stunde meinen und ihr entsprechen, darum ist sie heilig für künftige Geschlechter, für künftige Nationen.. Und weil dies so gewollt, weil sie so willig und hingegeben auch jeder Not …. Darum heilt und löst sie künftige Nöte. Dies ist ….. deutlich in der Prophetie. Ich glaube es wohl kaum noch erklären zu müssen, die Prophetie ist gegründet auf der Realität aller geschehenden Geschichte. Gegen das, was His ….., gegen alle Geschichtsmystik (?), gegen alles Bescheidwissen in Gnosis (?) und Gnostik, gegen allen Ueberblickswahn, – der Augenblick ist da, es geschieht, es entscheidet sich alle Tage. Die Gnosis zerrinnt. Die Geschichte geschieht …. Der Entscheidung ….. der Mensch steht jeweils im Mittelpunkt des Geschehens. Ja, aber eins müssen wir noch sehen, der Entscheidungsmächtigkeit des Augenblicks tut das gesprochene Wort nicht genug. Ich glaube, dass dies deutlich ist. Eigentlich schon, dass ein Wort, ein abgelöstes Wort, nicht zureichen kann. Notwendig ist dieser ganze Mensch, notwendig, zureichend ist zunächst (?) die Gewalt der Handlung, der zeichenhaften Handlung, um diese Entscheidungsmächtigkeit dieses Augenblicks darzustellen und aufzurufen. Der ganze Mensch. Der ganze Mensch, nicht nur ein abgelöstes Wort. Kommt dem nahe, was ... Symbol .... also Zeichen. In der Bibel finden immer wieder Zeichen statt, die man gewöhnlich nicht recht versteht und annimmt (?) als Beweis, Erkräftigung, Wunder und Zeichen damit man an Gott glauben soll. So ist es nicht. Ich mache das an einem Beispiel deutlich, an der Rede Gottes aus dem Dornbusch. Die Frage des Moses: Wer bin denn ich, dass ich es wage zu Pharao zu gehen? Nun antwortet Gott: ›Ich werde dasein, bei dir, und dies ist dir das Zeichen, dass Ich selber dich schicke, dass du das Volk aus Aegypten geführt hast. In diesem Werk werde ihr Gott dienen‹. Das ist doch keine Beglaubigung, denn wenn alles geschehen ist, werdet ihr Gott dienstbar. Ihr werdet in den Dienst des Sprechers dieser Worte eintreten (?). Wie kann dies sein? Aber Zeichen ist nicht Erweis, nicht Beglaubigung, nicht ein Hilfsmittel, das zum Wort hinzukommt, sondern Zeichen ist einfach Leiblichkeit des Wortes. Leiblich also ….. steht dieser eine sterbliche Leib zur Verfügung. Das Zeichen ist also nicht übersetzbar, nicht ersetzbar durch das gesprochene Wort. Man kann sagen, das ist das …… es gibt kein Traumbuch, ist nicht nachschlagbar, sondern das gesprochene Wort vollendet sich in diesem Zeichen zu seiner Leiblichkeit. Die vollkommene Leiblichkeit des Wortes aus dem Dornbusch erscheint erst da, wenn der Mensch am dem brennenden Berg kam....wie es heisst: ich trug euch auf Adlers Flügeln und brachte euch zu mir. Also, verstehen Sie mich recht, das gesprochene Wort gehört mit dazu …. In
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seiner Gesprochenheit. Denken Sie, wie Wort und Gebärde zusammengehören, was er spricht, nicht was er sinnt (?), es gehört dazu, der ganze Mensch ist Mund, ist Zeichen. Denken Sie an die Analogie des Gleichnisses. Beide, Analogie und Gleichnis, sind nicht ablösbar (?). Jesus hat nicht Gleichnisse ausgesprochen um zu erläutern, was er sonst meinte, sodass man sagen könnte, das ist das und das ist das. Aus beiden, aus Zeichen und Gleichnis, ist nicht eine Ausnahme (?) herauszuholen. Beide sagen, was nicht anders ist, was sozusagen ist. Das ist die adäquate Sprache, gehört mit zum Wort. Das Wort hereingenommen in die Leiblichkeit der Aussprache, das erst ist adäquate Sprache des konkreten Menschen, durch den der da redet. Leib und Bild lassen sich nicht umschreiben. Beide, Leib und Bild, geben erst die Tiefe des Wortes, Intendi …… Geschehen. Es wird ein Geschehen angesagt. Nicht ein schon verhängtes, fertiges Geschehen, sondern ein Geschehen, das abhängt von der Entscheidung des Augenblicks. Ein unbedingtes (?) Geschehen lässt sich nicht nur durch Zeichen …… Geschehen, adäquates Aussprechen (?) ….. Die Entscheidungsfülle des Augenblicks als eines Urplötzlichem, was geschehen, kann nur ein zeichenhaftes Geschehen, eine sinnbildliche Handlung eines ganzen Menschen gewähren. Von da aus sind die zeichenhaften Handlungen dieser biblischen Propheten zu verstehen. Ich füge einige …… Wie zum Beispiel der lebende Mensch in sein Schicksal greift. Jeremias zerbricht einen …… Krug vor den Aeltesten des Volkes. Das geht auf das Zerbrechen des Volkes. Dieses Zerbrechen sagt etwas, was das Wort nicht sagen kann. Ezechiel fügt zwei Hölzer zu einem zusammen …. die zwei zusammen erreichen (?) mehr …. Auch dies führt über die Erklärung hinaus. – Jeremias kauft während der Belagerung einen Acker. Nach demselben gefragt ……… werden in diesem Land. Die Handlung greift immer über das Wort deutlich hinaus. Ezechiel schaut durch ein Mauerloch aus seinem Haus, das er geschlagen hat. – Jeremias hängt sich ein Joch um den Hals als Zeichen der Knechtschaft und geht umher mit dem Joch um den Hals. Daran schliesst sich die Geschichte mit den drei Propheten ….. nicht so ernst zu nehmen. Jesaias geht entblösst und barfuss zum Zeichen der Entblössung selbst (?) der kommenden Entblössung. – Ezechiel liegt lange Zeit auf der linken Seite, dann auf der rechten. Er trägt die Schuld erst des einen, dann des anderen ohne zu reden. Er muss so lange stumm bleiben, er verstummt in der tiefsten Not. – Derselbe Ezechiel darf um seine tote Frau – das ist kein Bild – um seine eigene, eben verstorbene Frau nicht trauern. Es wird ihm der Tod angesagt und dass er nicht trauern darf. Das Heiligtum wird zerstückt und er darf nicht trauern ……… nicht das Wort herausgreifen und noch tiefer …. Hosea heiratet eine Dirne und gibt den Kindern aus dieser Ehe unheilige Namen …. Gebot dieser Mensch lebt das als ……… oft ausgesprochen bei Ezechiel, dieser Mensch ist es, das Ganze tut er als Zeichen. Das Zeichen ist nicht somit, was der Mensch tut, sondern indem er dies tut, ist der Mensch Zeichen. Er selber handelt nicht bloss Zeichen, er selber lebt Zeichen. Die höchste Steigerung und Klärung findet hier ihr Grundverhältnis, auf das ich hingedeutet habe bei Jesaias, eine jener merkwürdigen Stellen in der Bibel, wo ein Grundverhältnis ….. gedeutet wird. Es
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wird Ihnen jetzt dieses Eine, weil es so besonders deutlich und unmittelbar zeigt …… Sie können, wenn Sie recht hören, besser als aus allem anderen, was ich gesagt, verstehen, um was es geht. Es ist die Situation vor der Katastrophe, eine Situation, wo das Volk ganz genau zu wissen glaubt, das ist patriotisch, das ist unpatriotisch …… das hört ihn (?) und seine Art des Handelns (?) ……… sucht zur Bewahrung des Volkes … des Volkes Zerstörung ……… so verrät er jenes andere …… ist treu. Da nun, in dieser vorkatastrophalen Stunde der Verwirrung, die da ist die äusserste Mischung von Wahrheit und Lüge, wo das eine von dem anderen nicht mehr zu scheiden ist, in der tiefsten Not der Seele, wo die Seele nicht mehr wahrnehmen kann, – nur das eine ist ihm noch geboten wo es von sich aus fast nichts mehr wahrnehmen kann, was das Rechte ist, da spricht dieser Jesaias, da bekennt er so: ›Denn so hat Er (steht für Gottes Name) zu mir gesprochen mit zufassender (?) Hand, da er mich vermahnte auf den Weg dieses Volkes zu gehen, ihm schaffe Recht, nicht rechne als Verrat alles, was das Volk als Verrat anspricht, seine Furcht fürchte nicht, erschauere nicht mit in dem Umschauerten (?) … dem Geheiligten (?) …. er sei, was euch fürchten macht, Er, was euch erschauern macht, Er wird zum Heiligtum werden, aber zum Stein des Anstosses, aber zum Felsblock des Strauchelns für beide Häuser Israel, zum Kraftsitz und zum Schnapper für den Ins …… Jeremias …. straucheln werden, unter ihm viele fallen, zerschellen, geschnappt, gefangen werden.‹ So ist die Situation. Und jetzt spricht er weiter. Also für diese Situation gibt es eine Weissagung, eine Kündung, eine Lehre, eine Prophetie. Aber Sie haben schon verstanden, wie er an diese Menschen diese Weisung übergeben ….. wem sie übergeben. Jetzt sagt er: es gilt, die Bezeugung einzuschnüren, die Weisung zu versiegeln in meinen Lehrlingen, also die Weisung, die Weissagung …. die messianische Verkündigung der Erlösung, aber diese ……… ist nicht der Empfänger dieser Weisung, und ich schnüre ….. zu, – wie man eine Urkunde damals, einen Vertrag zuschnürte, – und dann siegle ich einen Lehrling, einen Menschen, aber nicht geradezu (?) abgelöst als Urkunde, sondern im Menschen, im individuellen, existenten Menschen eingeschnürt und versiegelt. Und weiter, und tragen will ich auch ihn, der sein Antlitz dem Hause Jakobs ……, aus ihm will ich ……… belohne (?) euch und die Kinder, die er mir gegeben hat. Denken Sie daran, diese Kinder sind von ihm mit Namen bezeichnet worden, er hat ihnen Namen gegeben, diesen Kindern. Welchen Kindern von Vater und Mutter ……… Katastrophe ….. und der andere Knabe hat den Namen der Verkündigung, während der …… ›ein Rest kehrt um‹. Das ist der Gehalt der Verkündigung dort in der Erlösung. Ein Rest der umkehrt, mit dem Namen, wie angedeutet, mit dem ganzen Wesen umkehrt ……… damit heimkehrt und wiederkehrt zum Leben. Ich und die Kinder, die er mir gegeben, sind zu Zeichen und zu Beglaubigungen in Israel …… von ihnen den umzuarten …. der letzten Erben Zions (?) …… Dieser Mensch, seine leiblichen Kinder, seine Lehrlinge, ja diese kleine Schar Sinnbild – existent-Zeichen-Tragende in dieser Stunde, für diese Stunde, und eben deshalb für die Zeit … dies wird nun dem Orakel und allem Orakelhaften entgegengestellt; wenn sie aber (dies Volk) erforschen ….. und es weigern …… also Dämonen und Orakel .. es soll nicht ein Volk seine Götter beforschen, die es erwählt für die Le-
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benden und Toten, damit sie nicht auch zu euch sprechen? .. Dann zur Weisung hin, zur Bezeugung hin, dann ist der Augenblick gekommen, aus diesen Menschen die Bezeugung aufzuschnüren, die Weisung zu entziehen. Dann weiter, Sprache sei dienen (?), nicht suchen Rede (?) gleich ...... kein Morgenrot …… es aber erst umher …… hungernd wirds geschehen, wenn man hundert …… seinen Obkönig, den sogenannten Moloch …… nicht Gott. Man wendet sich nach oben, man blickt sich um auf der Erde voll ängstender Verfeindeter … nach Tiefe … Bagni (?). Dann löst sich noch aus ein Fall. Die ganze historische Konkretheit der Katastrophe, dann löst sich erst wie der Gesang aus, und zwar gerade aus diesen unmittelbaren Schauern der Tiefe. Das Volk in Finsternis gehend, sichtet ein grosses Licht, und die Siedler im Totenschattenland lichterglänzt … Gleich …. wie die Feuer sich vor seinen Antlitz beim Erntefreudenfest, gleich wie man jubelt beim Beuteverteilen, denn das Joch dieser Frohn, das die Schultern ihnen bückte …. Du zertrittst sie, wie man, …… denn all …… haben gedröhnt (?) …… in Blutlachen gewälzt ……… denn ein Neugeborener ist uns geboren, auf seiner Schulter wird die Fürstschaft sein, sein Name ihnen entlockte Rufe (?) ... Ratsmann des Göttlichen, Held des Ewigvaters, Fürst des Friedens. Reicher Fürstschaft (?) zum Frieden ohne Ende über Davids Stuhl und seiner Königsmacht, zu gründen, zu stützen mit Gerechtigkeit, mit Bewahrung, von jetzt hin in die Zeit, vollbringen wird das … das umzuarten ….. diese Weisung, diese Bezeugung bis zu dem Augenblick, wo ihnen laut werden soll an diesem Menschen, eingeschnürt und versiegelt, und diese Menschen, die zum Zeichen da sind, tragen in sich, an sich, mit ihrer leiblichen Existenz diese Botschaft an die Zeit. Das ist solche tragende, Wort tragende Existenz, ist sinnbildliche Existenz. Es mag sein, ja es ist so, dass dies anders ist, als das, was man Symbol nennt, gewohnt ist, Symbol zu nennen. Aber es scheint mir, dass kein Symbol, keines in den Höhen und keines in den Tiefen wirklich was Wirklichkeit ist und je und je anders gewinnen kann, als in solcher sinnbildlichen Leiblichkeit, – lebende und sterbende menschliche Existenz.
2. Vortrag von Herrn Prof. Buber Die sakramentale Existenz in der Welt des Chassidismus Sie haben wohl gestern im Laufe dessen, was ich gesagt habe, bemerkt, wie sich der Begriff des Symbols gleichbleibend, dennoch modifiziert, wenn man die menschliche Existenz an ihn heranträgt und ihn von hier aus neu begreift. Daher taugt es nicht, auch wenn ich vom Sakrament spreche, mit einer Definition zu beginnen, die das allgemeine (?) und gleichbleibende des Sakraments herausstellt, aber so habe ich damit in diesem Augenblick schon ….. gesagt. Also Sakrament ist jedenfalls heiliges Geschehen. Geschehen d. h. konkretes, körperliches, augenblickhaftes, zeitgebundenes, situationsgebundenes, sterbliches, vergängliches Geschehen. Als solches heiliges Geschehen, Vollzug des Bundes,
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Neuschliessung des Bundes des Absoluten mit dem Konkreten. Und ich sage heilig, so nachdrücklich, als es sich eben sagen lässt, d. h. eben dieses Leibliche, Beiläufige, Augenblickhafte, Flüchtige wird heilig, wird zum Träger des Heils, wird geweiht, und die Weihe, die es empfangen hat, diese verwandelnde Weihe hat einen uns erkennbaren Ursprung, das ist die Verbundenheit, die Verbundenheit des Nicht-Identischen, oder das Nicht-Identische kann sich miteinander verbinden; die Weihe der echten Verbundenheit des Göttlichen mit dem Menschlichen. Diese Nichtidentität wird man so ernst nehmen müssen und gross behandeln müssen wie ihre Identität. Denn wenn wir die Identität gross behandeln und meinen, ihre Nichtidentität würde schon für sich selber sorgen, weil sie ja jeden Augenblick sich uns aufdrängt, dann tun wir direkt Unrecht. Dann verlegen wir die Nichtidentität in die Kleinheit des Zufalls, und die Identität heben wir auf die Höhe des Geistes. Sie sorgt nicht für sich, die Nichtidentität, wir müssen ihr ihre vollkommene Klärung und Verklärung geben, um die Wirklichkeit ganz zu haben, Identität und Nichtidentität in Einem und in Verbundenheit. Verbunden werden können kraft der Nichtidentität, vermöge der Nichtidentität, heiliges Geschehen. Es ist nicht so, es hiesse das missverstehen, wenn man meinte, dass also Sakrament bedeute verbunden werden. Es gibt Sakramente, die scheinbar garnicht einen Vorgang zwischen Göttlichem und Menschlichem meinen. Sakramente, die scheinbar ganz in unsere Welt gestellt erscheinen, an uns sich schliessen, und in denen dennoch die Verbundenheit sich unmittelbar manifestiert. Ich will Ihnen nur ein Beispiel geben. Es ist unter den christlichen Sakramenten das Sakrament der Ehe. Ehe ist, wenn sie Sakrament ist und sich erfüllt, Verbundenheit, aber nicht Verbundenheit von Gott und Mensch, sondern Verbundenheit zweier sterblicher Wesen miteinander. Aber so ernst ist es mit aller Verbundenheit, so wahrhaft meinen alle echt Verbundenen die Verbundenheit. Dass die Ehe ein Sakrament sein kann …… dass es geschehen kann, wie ein jüdisches Wort sagt: Wenn Mann und Weib wahrhaft beisammen sind, ist die Schechina, die göttliche Einwohnung unter ihnen. Die Ehe also, die alles in die Einheit zieht ohne Abstrich, ohne Reduktion, alles, die ganze Vielheit, die Vielfältigkeit der Welt in die Einheit, ist Sakrament, weil sie Verbundenheit ist mit der Gottheit, in der alles Sein in seiner Vielheit und Vielfältigkeit ohne Abstrich, ohne Reduktion, ohne Milderung und Änderung der Vielfältigkeit, ja des Widerspruches des Seins in die lebende Einheit gezogen ist. Etwas, das sich immer wieder nur in der Konkretheit des Lebens manifestiert, nicht in irgend einer geistigen Sensation. Ich glaube damit deutlich gemacht zu haben, was vom Sakrament überhaupt gilt, wie sich in einem ganz irdischen, ganz jeweiligen Menschen das Heilige unmittelbar, eben von der Verbundenheit aus, niederlassen und hier bei uns, in diesem unseren Leibe seine Wohnung nehmen kann. Dies Sakrament ist nicht eine Periode (?) der sogenannten religiösen Entwicklung der Menschheit, nicht so, als ob sie, jene religiöse Einheit herabgekommen sei und nunmehr Sakrament in der Welt sei. Sakrament ist das Urgut des Menschlichen überhaupt, und wenn wir durch Analogie anders …. Können, insoweit es uns erlaubt ist, mit in sogenannte primitive Menschen unserer Zeit (nicht primitiv in Wirklichkeit ?) ein notdürfti-
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ges …… aber auf keinem anderen Weg als den sogenannten primitiven, natürlichen Menschen, zu erschliessen, wie es einst gewesen ist, soweit das erlaubt ist, glauben wir annehmen zu dürfen, bemerken, erkennen zu dürfen, dass das Leben des frühen Menschen ganz erfüllt ist von Sakramentalität. Sie müssen sich deutlich machen, dass Sakrament immer bedeutet irgendein Natürliches, nicht Gewolltes, nicht Gemachtes, sondern irgendein Natürliches, dem Menschen naturhaft gegebenes, leibhaftes Geschehen, das der Mensch dadurch bekommt, wenn irgendein Ding der Welt Naturzweck an irgend einem naturhaft Mächtigen, naturmächtigen Ding der Welt, oder er selbst als naturmächtig etwas tut, das von ihm aus in die Natur geschickt ? … und eben dieses so Natürliche, Ursprüngliche, Unmittelbare wird Träger der Weihe, eben dies ist ihm, wird ihm Zeichen, Werkzeug, Gefäss der Verbundenheit. Und so ist das Leben dieses frühen Menschen, soweit wir ihn erschliessen können; alles, was er tut, erfährt, leuchtet auf in dieser seltsamen Weise, ganz anders als wir das kennen leuchtet von unten herauf und bedeutet nicht bloss Verbundenheit seiner, dieser Person, dieser Zwei (?), Verbundenheit mit dem Göttlichen, sondern es ist das selber, und zwar ohne Einschränkung, ohne Auswahl. Dieser frühe Mensch kennt keine Auswahl, keine Auswahl der Sakramentalität, der sakramentalen Stufen und Vorgänge. Es ist nicht so, dass bestimmt wäre, dies kann Träger des Heiligen sein und dies nicht. Freilich, alles ist mit Vorschriften, mit Regeln, mit Gedanken umgeben. Ich muss auch auf ……… gesprochen werden in diesem Rhythmus so mit dieser ganz gemessenen, ganz gegliederten Gebärde; es musste dies getan werden, damit es gelten und …. Was getan wird …. Zu tun hat, ist nicht eingeschränkt. Aber ….. dann den Sakramentalismus steht, soweit wir erschliessen können, immer neu. Nicht nur damals, in der Dämmerung der Menschheit, sondern immer neu steht vor uns von Anfang an, was wir Religion als geschichtliches Gebilde nennen können, nicht Religiosität. Es gibt nicht vorgeschichtliche Religion (?), Stunden der Menschen, wo die Magie herrschte, wie manche sich vorstellen ……… bemerke, dass er beides hat, Religion und Geschichte, auch heute. Das berühmte ungeschichtliche Leben gibt es nur für den stumpfen Europäerblick. Wenn wir an irgend einem …… peruanischen oder indianischen Stamm richtig erkennen, so sehen wir, dass dort Geschichte ist und Religion zugleich. Auch Religionsgeschichte. Geschichte des Glaubensverhältnisses dieser Menschen. Das Religionsgebilde, dieses eigentümliche Gebilde, wo sich die Religion aus dem Leben der Einheit, der tönenden (?) Einheit herauslöst und übersichtlich wird, geschlossen, ein System in sich, eines Ueberschauers dem Leben gegenüber; vor dem Werden dieses religionshaften Gebildes steht der Pan-Sakramentalismus, und mehr noch, bevor wir dem Anfang einer geschichtlichen Religion wirklich zuzusehen vermögen. Es ist schwer (?) und das meiste, was in dieser Art gebildet wird, ist Illusion. So weit wir diesem Werden zuzusehen vermögen, sehen wir, dass es aus einer Krisis hervorbricht, aus einer Krisis des Sakramentalismus. So ist deutlich, der Pan Sakramentalismus, der am Anfang steht, trägt diese schwere …… Prometheus (?) in sich, dass der Mensch Erfahrungen macht. Diese Erfahrung ist eine Tür, durch die das Unheilige, das Wissen um das Unheilige, in
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die mit heiligenden Regeln ausgestattete Welt einzieht, d. h. das Sakrament ist, die Sakramentsfülle dieses Pan Sakramentalismus zerbricht vor der andringenden Erfahrung des Unheiligen. Dieses Ganze gelöst, hält nicht stand, der Mensch merkt, dass alles so in seinem Bestande ? nicht heilig, dass es unheilig ist, dass was er lebt, dass das sich über alle Unheiligen mit diesem ungeheuren objektiven ? Apparat der heiligenden Regeln hinwegsetzt, hinweggelogen hat. Die harte, strenge Erfahrung beginnt ihr unheimliches Säuberungswerk, und in dieser Krisis, in dieser entweihten, unheiligen, das Heilige nicht mehr zulassenden …… nicht mehr Raum gewährenden … kann der Mensch nicht leben. In dieser Krisis des Sakramentalismus entsteht das neue Gebild. Diese neue Religion … auf den frühen Menschen … ganz unbegreiflich …. Etwas Geschlossenes, wie er dem Leben gegenübersteht, in allen seinen Poren fühlt …. es herrschte ? nun etwas Neues dem Pan Sakramentalismus gegenüber, nämlich die Auslese. Alle geschichtliche Religion ist auf Auslese des Sakramentalen gestellt. Ich meine das ganz buchstäblich. Dieser Stoff ist fertig, Sakrament zu werden, diese Handlung ist fertig, Sakrament zu werden. Diese Auslese ist ja keine intellektuelle ? Auslese, das liegt ?, ist in dem religiösen Gebilde da …. nicht aus der Sphäre der Natur in die Sphäre der Gnade ?, der Religion. Aber ich kann nur andeuten, das Schicksal des Sakraments und die Krisis des Sakraments wiederholt sich verändert, auf Grund des veränderten Tuns ?, wiederholt sich in der Geschichte, der geschichtlichen Religion das Nämliche. Es gibt in einer geschichtlichen Religion die und die bezeichneten auserlesenen, existierenden objektiven Sakramente. Wenn dies und das getan wird, dann geschieht dies und das, dann erfüllt sich das Sakrament. Die geschichtliche Religion, die ein Gebild unter den Gebilden der Kollektivität ist und sich in dieser Kollektivität, ja als Kollektivität, als Kirche erhalten will, dauern will im Schoss der Geschlechter, würde in Frage gestellt werden dadurch, dass eine Generation sich ihr versagt, sich sichern will. Diese geschichtliche Religion verzichtet in dem Masse, in dem sie sich sichern will, auf die entscheidende …., auf die Erfüllung des Sakraments, auf die menschliche Person ?, auf die menschliche Existenz ……… dieser ganze …… so wie er ist, mit Haut und Haaren, mit Leib und Seele, ganz und gar ……… eintritt, dass er sich zur Verfügung stellt mit Fleisch und Blut wirft ? in das Sakrament und es nun lebt …. durch ein anders kann es nicht leben. Auf dieses Entscheidende verzichtet die sich im Schoss der Geschlechter sichernde geschichtliche Religion, und dadurch entsteht notwendig die, grob gesagt, die Desakralisierung des Sakramentes, die Verflachung des Sakraments. Es verliert seine Tiefe, seine dritte Dimension, seine Körperlichkeit. Das Sakrament hat keine körperliche Tiefendimension mehr für den menschlichen Leib, der sich dran gibt. Ich will nur 2 Beispiele geben, denn bevor dies nicht deutlich wird, kann, was ich weiter in Bezug auf etwas Einmaliges zu sagen habe, nicht verständlich werden. Etwas über das Opferkapitel in Israel, von dem ich gesprochen. Es geht darum: ich will mich hergeben, ich kann der Gottheit nur so nahekommen (das hebräische Wort für Opfer heisst Nahung, nahekommen, nahebringen, sich nahebringen), ich kann dies Nahbringen nur so vollziehen, indem ich mich wirklich nah, ganz nah
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da- und darbringe. Es ist mir gewährt, mich durch das mit mir Identische, Lebende vertreten zu lassen. Das bedeutet dieses selbe Aufstemmen der Hände: das bin ich, das darf ich sein ……… ist wenn wirklich die Intention des Sichdarbringens darin ….. meine ich nicht mit in diesem Augenblick ….. die mit Lästerung ? ausgestatteter Tiermord. Das ist es, wogegen die Propheten Israels auftreten, diese Entweihung des Geweihten, diese Desakralisierung des Sakramentalen, die Verflachung ohne die Tiefe wogegen alle Propheten so anstürmen. »Das habe ich euch nicht geboten!« Ein anderes Beispiel, aus der Geschichte des Abendlandes, aber von Israel her …… Israel hat dem Abendland sein Königtum geliefert, namentlich das sakrale Königtum. Das abendländische Königtum, das Königtum der Krönungsriten, der Salbung, das sakramentale Königtum ……… empfunden, dass Kranke gesund werden. Dieses Königtum hat Israel dem Abendland geschenkt, indem die Könige gesalbt wurden. Salbung, das ist Auftrag, dessen Wesen ist, dass er dauernd betraut wird. Salbung heisst dauernd. Eine Stirn wird gesalbt, damit die Berührung des Göttlichen auf ihm dauern ….. Naturmächtiges ? …. Die Stufen ? des Konservierens … steckt in allem Sakramentalen drin, erscheint als das Bewahrende. Der Mensch wird gesalbt nicht als Auftrag für einen Augenblick, sondern als Auftrag für ihn und die, die aus ihm kommen, ein dynastischer Auftrag, ein Auftrag zum Statthaltertum, das eigentliche ? Königtum an Gottes Statt, das Reich zu verwirklichen, in dem seine Wahrheit und seine Gerechtigkeit zum Leben der Menschen miteinander zu ……… ist in das Abendland hinübergekommen, was Gottesgnadentum ? wurde bei diesen Königen in ihren Manifesten und Kundgebungen. Aber ein Auftrag will erfüllt sein, und das Sakrament, ein echtes Sakrament, das diesen Auftrag meint, erteilt, wird ent …. Indem es entleibt ? wird. Auch hier der einzige Leib, die einzige Körperlichkeit, Leiblichkeit, Körperlichkeit, die dieses Sakrament zu erlangen vermag, dass der Mensch wahrhaft Dasein ?. … Intentionen ? …. Wahrhaft als ganzes Wesen habe und erfülle, dass er den Auftrag tue, wozu er eingesetzt ist, dass er diese Sendung, dieses Gesandtsein, diesen Auftrag lebe, weil er dem Gotte gegenüber, seinem Wort verantwortlich, dass er dem Gotte verantwortlich durch sein Leben, dadurch, was er aus der Macht in der Macht als Mensch lebt. Die Geschichte der Krönungsriten ist ein merkwürdiges Kapitel der Sakramentsgeschichte. Es ist die Geschichte ihrer Desakralisierung durch das sich ……… Menschentum der Könige. So ist das Schicksal des Sakraments beschaffen, so ist die Krisis ? des Sakraments beschaffen in der geschichtlichen Religion. Wann immer in einer innerhalb des Gebildes einer geschichtlichen Religion das geschieht, was wir Reformation nennen und beides sein kann: lediglich eine Spaltung in der Religion oder Heraustreten eines neuen Gebildes ….. hängt von ab. Bei jeder solcher Reformation geht es letztlich darum, eine Krisis des Sakraments an das Licht zu heben, das Sakrament zu retten, indem man die Praesens des Menschen neu, ernst nimmt. Aber alle geschichtliche Religion bleibt in der Auslese des Sakramentalen und niemals gibt es ein Zurückbiegen zu jenem Pan Sakramentalismus, und anscheinend kann es keines geben …. unvermeidliches Offizium, diese Auslese zu vollziehen.
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Ich kenne in der Geschichte der Religion nur eine Ausnahme, nur eine religiöse Bewegung, ein religiöses Gebild, in dem es der Intention, dem Versuche, auch der Tat nach, wie sehr auch sie vergeblich geblieben ist, etwas anderes gegeben hat. Ein Neues, nicht ein …… Zurückbiegen zum primitiven Pan Sakramentalismus, das ist ein Weg, der auf ewig verschlossen ist, ein Zurück gibt es nicht auf diesem Gebiet, so wenig wie auf irgend einem anderen, sondern den Aufstieg zu einem Neuartigen, nicht mehr stofflichen Objektiven, sondern ein ganz und gar auf die menschliche erfüllende Gegenwärtigkeit gestellter Pan Sakramentalismus. Und dieses Einmalige, das mit allem Ernst ……im gleichen Augenblick, sonst nicht ? ist im dunkelsten, verachtetsten Winkel Europas, im Ostjudentum im 18. Jahrhundert entstanden, dieser Chassidismus. Es ist keine sektiererische Bewegung, nicht eine Gruppenbewegung, die eine Neubelebung hineinbringt in das religiöse Leben dieser Gemeinschaft, sondern etwas Neues, Einmaliges, etwas, was freilich nicht als geschichtliches Gebilde herausgegangen ist in die Welt, eine Bewegung, wohl zu wissen darum, der vieles gefehlt hat ? …. die nicht in die Welt trug, eine Bewegung, die in der Gemeinschaft blieb und so sehr im Dunkel, dass sie auch jetzt nach fast 2 Jahrhunderten kaum wirklich erkannt wird, auch von denen nicht, deren Aufgabe es wäre. Ein Einmaliges, sage ich, nicht bloss, nur in der Geschichte der Religion …. ist ja das nicht geworden. Und dennoch, als dieses Eine, Einmalige, der einmalige unvergessliche Versuch, das Sakrament, das sakramentale Leben des Menschen zu retten, zu bewahren, es herauszuholen aus dieser Krisis, aus diesem Verderben der Geläufigkeit, des Nicht-Gegenwärtigseins, das nicht wirklich das Lebenswahre mit zu leben …… Es ist ja das geläufige Wesen des Menschen, dass er allerlei treibt und nicht wirklich lebt, das Heiligende nicht tut, beschmutzt und nicht wirkt. Dieser Versuch, ein solcher Versuch, der einzige, den ich kenne, ist der Chassidismus, der Pan Sakramentalismus. Was bedeutet das für den primitiven Menschen? (?) …. stellt sich leicht etwas Falsches darunter vor. Der Same des Heiligen steckt in allem. Nicht der Mensch der Magie (?) als Schauer …… der was er zu tun, zu sagen hat auf die rechte Weise zu tun und zu sagen versteht. Chassidismus ist ganz anders. Es ist nicht ein Same, der nur aufzuwachsen braucht … nur die Gegenwart des Göttlichen sich ……… aber die Gegenwart des Göttlichen, die des Menschen bedarf, nicht eines auf vorgeschriebene Weise tuenden ? Menschen, sondern eines Menschen, der sich hergibt, dieser menschlichen Person, die sich hergibt, ist nicht vorgeschrieben ?, niemals kann sich hergeben ….. schon vorher vorgeschrieben, bekannt, bezeichnet sein .. Dadurch, dass der Mensch sich in dieser unvorhergesehenen ? sich in diesem Augenblick hergibt, in dem was er tut lebt …. gleich werden ?. Alles kann Sakrament werden, wenn der Mensch sein Herz ganz, ohne etwas zurück zu halten hinein trägt, schüttet. Das heisst Heiligung des Lebens. Göttliche Gegenwart ist in allen Dingen, und in allen Dingen ist sie eingehalten, eingestrichen, eingeleibt ? in den ???spruch. Die Dinge sind ???? der Gottheit, und dem Widerstand gegen sie, an ihnen, diesem Stand der Welt begegnet der erfüllende Mensch, der sakrale, existente Mensch mit der Erlösungs-Intention, indem er seine
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Intention, seine Cavan? …., seine Ausrichtung ? nicht etwa bloss aus der Ferne des Dingen entgegenhält, sondern eingeht mit ihr, mit dieser Intention in die Welt der Dinge, in die Welt des gelebten Lebens, dieser Alltagsstunde, der ringenden Stunde, bis in den Tod, immer wieder, immer neu eingeht, drin ist, und lebt und das tut, was zu tun ist; nicht das Ausserordentliche, sondern das je und je zu Tuende tut, in der Weihe der Verbundenheit, sodass die Dinge von ihrem Widerspruch erlöst und rein gegenwärtig werden. Dazu gehört etwas, und das ist das Wesentliche des Chassidismus, nämlich das Ernstnehmen des Widerspruchs. Man kann nicht sich die Dinge so einteilen, wie es die stoffliche Welt, es ist das … die gleichen Sinnbilder, die Ideen ……… nicht eindringend in die gelebten Stunden dieses Alltags. – Ich sage, das Ernstnehmen des Widerspruchs, das Ernstnehmen dessen, was widersteht, was hindert in den Dingen selbst, die Dinge ernstnehmen, die nicht Ideen sind, die nicht Geist sind, sondern dies und das, womit wir lernen, wie zu leben und das Leben mitzuleben ?, was ernst zu nehmen an der Augenblicks?gegenwart, und im Widerspruch das Ernst-nehmen, dessen, was man das Böse zu nennen pflegt, dessen, was uns angeht, was uns vor allem angeht, was uns braucht, womit wir uns abzugeben haben, dessen was erlösungsbedürftig ist; und wenn wir dies umgehen, uns darum herumdrücken, gibt es keine Erlösung. …… ist, was die jüdische Lehre ……… die Einbildsamkeit ? des Bösen … das woraus alles grosse Tun, alles Schaffen des Menschen kommt, ohne das nichts Neues in die Welt geworfen werden kann … der Leidenschaft, das Ernstnehmen der Leidenschaftlichkeit in ihrer sich selbst überlassenen Richtungslosigkeit, aus der nichts wachsen kann, dieses Richtungslose allein, dieses im Wirrsal ? des Richtungslosen …… sich Befindende, diese Richtungslosigkeit allein nennen wir das Böse. Nicht in dem, dass das Gute und Böse wie zwei Balken rechts und links ausgestreckt wären …… nur verschiedenen Richtung, sondern das Gute freilich ist Richtung, und zeigt, wo es die eine Richtung zu nehmen hat, die eine Richtung auf Gut, die …… kann einer nachhinken, das schadet nichts. Das amplifizierte Selbständige … geht um nichts Geringeres als …. Verboten …… aber das Böse sieht nicht aus wie der linke Balken sondern wie die Pein ? des Wirbels ohne Richtung …. Immer im Wirbel ohne eine Entscheidung, in sich verfangen, in sich verlaufen. Die Leidenschaft, die Kraft ohne die kein Werk entstehen kann, das Ernstnehmen der Kraft der Leidenschaft, sie erlösen aus allen Dingen, sodass sie die Richtung empfangen; die eine Richtung zur Verbundenheit, – das ist der Ursprung dieses Chassidischen Pan Sakramentalismus. Ich will nun mit wenigen Worten, – ich kann wieder nur andeuten – das Geschichtliche zu diesem Ursprung bezeichnen. Der Chassidismus ist entstanden aus der Kabbala. Die Kabbala ist eine von jenen Lehren, die man esoterisch nennt. Esoterisch heisst, es gibt da Dinge zu wissen, aber das können nur die Eingeweihten wissen. Die Menschheit teilt sich in Eingeweihte und Uneingeweihte, in solche, die da wissen und andere, die nicht wissen, an solche, an die die Kunde des Geheimnisses überliefert, an andere nicht. Quer durch die Menschheit geht ein Schnitt …… neuer ? .. der Eingeweihten und der Uneingeweihten, hier auch bei der Kabbala. Der Chassidismus, der aus ihr
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entspringt, entsteht gegen sie. Während er entspringt, entsteht gegen sie ein AntiEsoterizismus ?. Er will nicht dulden, dass im Letzten, auch noch im Letzten, auch noch in der Beziehung zum Geheimnis, in der unmittelbaren Beziehung zum Gotte, noch eine Scheidung zwischen sei zwischen den Menschen, die so viele Scheidungen aufgerichtet haben. Im Letzten nicht! Es muss eine Bruderschaft bewahrt bleiben ? im Geheimnisse zwischen den Menschen als gleicher Zugang zur Ewigkeit. Diese anti-esoterische Haltung des Chassidismus, diese, ganz einfach gesagt, diese volkstümliche Haltung im Chassidismus ist es, was ihn gegen die Kabbala stellt. Es gibt keine Kunde des Geheimnisses, die diesem oder jenem vorbehalten ist, kein Wissen um Formeln und Gebärden, das diesem und jenem vorbehalten ist. Ist es vorbehalten, dann ist es nicht die Wahrheit. Ist es vorbehalten, dann ist es nicht das letzte Tun um der Wahrheit willen, um der Religion des Geheimnisses willen. So stellt sich der Chassidismus gegen die Esoterik der Kabbala, und daraus ergibt sich alles andere. Für die Kabbala ? war es so die gleiche biblische Einheitserfahrung, … nenne Einheitserfahrung nicht Glauben ? Manthei ? Schleichers ? Wort Einheitserfahrung das ist: wie Vielfältiges man erfährt, alles ist eins, geht in das Eine. … wenn man die Mächte erkennt, als Mächte erkennt … gar keine Täuschungen macht und die Macht der Mächtigen erkennt und dann merkt ?, wie diese Macht, die in ihrem eigenen Lande ? in Ohnmacht verzagt, und zwar nun nicht zerbricht, sondern verschwindet vor der einen Macht des Mächtigen des Mächtigen, zu dem man …… sich nicht in seiner Wesenheit Person ist …. aber der sich mir zur Person macht, damit ich zu ihm Du sagen und von ihm Du hören kann. Und da geht alle Macht hinein, das ist eine Einfachheit, das Einfache …… und einfach ….. lebende erfüllende ? Einheitserfahrung des biblischen Menschen …… dialogische Mensch ? …. sein Gesprächspartner ….. für Biographie ? und Geschichte ist die Zwiesprache mit Ihm. Diese Einheitserfahrung, die nennen wir die Erfahrung der Ausschliesslichkeit (einfach die Einheit ausschliessend ?) Aber nun das wahrhaft ? Ueberwelthafte bis an die Grenzen dessen was man tragen kann …… diese biblische Einheitserfahrung ist die Erfahrung von ferneren Schwächen wie Sprach ……… und das Heraustreten aus der biblischen ? Erfahrung ist das Erleben, Erfahren des Widerspruchs …. diese Schar? … aus ihrer biblischen Volksexistenz tritt Israel hinein in die Welt, beginnt schon mit dem ersten Exil, verdichtet sich immer mehr, die Tiefenerfahrung des Leids, die Erfahrung des Widerspruchs; die Frage nach dem Sinn des Gottesbildes hält nicht stand. Was heisst das? Dass das Gottesbild zu klein ist, das Leid des Widerspruchs geht in das Bild nicht hinein ….. umbrandet ? das Bild, das Bild wird ……… vom Widerspruch, es will grösser werden. Jede Bedrohung, jedes …… jeder Atheismus ? ist ein Grösser-werden-wollen des Gottesbildes, und da diese ? gegenüber diesem Bedroht-werden von der Erfahrung des Widerspruchs …… dem gegenüber ersteht zunächst die Lehre noch biblisch ? um den Rand? der Bibel, die Lehre vom Geheimnis des Leides, vom geheimen Sinn des Leidens, des Widerspruchs, des Uebels. Wie ist das mit Hiob? Sie wissen nicht, die Freunde, die zu Hiob kommen, … Sinn des Leides ist dies und das, weil du das getan hast, das ist zu …… steht im Katechismus? Nicht die Freunde, die Be-
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scheid wissen um das Leid, den Widerspruch, sondern Hiob, der sich auflehnt, der sagt: ich verstehe es nicht, es ist nicht zu verstehen, der fragt, anklagt, um den Sinn ringt, alles ablehnt, die schlechten falschen Vorschläge, er wird bestätigt; die Freunde werden hinausgewiesen. Dieser Knecht Hiob wird bestätigt, aber wie bestätigt? Indem ihm Gott an einem einfachen Naturbeispiel, an der Naturumwelt zeigt, alles ist Geheimnis, wo du wirklich hinsiehst, wo du dich wirklich in die Dinge hineinbegibst, dich nicht schonst, nichts dir vormachend, triffst du auf das Geheimnis, und zwar nicht auf ein Geheimnis, das irgend einmal aufhören wird, Geheimnis zu sein, wenn die Fähigkeit vorgeschritten sein wird, sondern das Geheimnis, das man zu leben, auszuhalten hat, das man nicht entgeheimnissen kann; wogegen ein Mensch unserer Zeit Iwan …..,…… mit dem Gott des Katechismus angefangen hat, wie man heute zu tun pflegt und selbstverständlich sich so gegen diesen Gott des Katechismus empört, gegen diesen Gott, der so und so ist und so und so nicht ist, dass er schliesslich nicht seine Leiden, die Unbegreiflichkeit seines Leidens ihm entgegenträgt in der Unmittelbarkeit der Zwiesprache …… wie geht es zu, dass kleine Kinder so leiden müssen wie sie leiden und Gott nicht …… oder sich gegen ihn wirklich empört, und zwar in jener äussersten Empörung, die nirgend wo anders als in das hineinführt, was wir ….. Unbegreifliche bezeichnen … Wahnsinn. Das Geheimnis ist nicht dazu da, vernichtet zu werden, sondern ausgehalten, der Widerspruch, der mit zu dem Geheimnis gerechnet wird, nicht dazu da ist, aufgehoben sondern ausgehalten zu werden. In unserem gelebten Leben ist das, was sich ……… Aber der Versuch, die Einheit des einen grösseren Gottesbildes zu bewahren, geht weiter. Die talmudische Lehre von den beiden Attributen Gottes, das Attribut des Wortes ? und des Erbarmens ……… sodass das eigentlich innerste Geschehen hineingenommen ist, in seiner ganzen Dramatik hineingenommen ist. Wenn Gott selber die Zwiesprache, die dramatische Zwiesprache der beiden ………. Gott miteinander ist der Kern des Weltgeschehns. Dem steht nun nicht etwa ein anderes Prinzip gegenüber, so sieht es nicht aus ? Der gleiche Feind, der gleiche Widersacher dieses Lebens …… jener ironische Dualismus …. einfach Widerspruch zu einer Substanz ? …… sucht …… Licht und Finsternis kämpfen allein auf diesem Kriegsschauplatz der Welt mit Hilfe aller Geschöpfe, deren ……… wo man nicht weiss, wird das Licht über Finsternis siegen … ist nicht zu fassen … sondern Substanz grösseren Ranges ? und grösserer Wichtigkeit. Dieser ironische Dualismus ist der eigentliche Widersacher dieser Lebenshaltung und …. sehen wie beide miteinander gerungen haben, sehen in der Geschichte des Christentums, wie diese beiden immer wieder einander gegenüber stehen. Diese Lehre, diese Dramatisierung Gottes kennt keinen gleichwertigen, gleichrangigen, irgendwie diesem Gott gewachsenen Partner, sondern als einzigen Partner diesen elenden, brüchigen, sterblichen, in jedem Augenblick des Lebens schon sterbenden, schon verwesenden Menschen. Kein anderer Partner Gottes! Diese Zwiesprache geht auf diesen Menschen, auf ihn zu. …… auf ihn zu, und der Mensch selbst bietet seine Brust, steht mit seinem Leben da, hat seine Leidenschaf-
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ten empfangen von diesem Gott in der Schöpfung, und er ist Ihm menschlicher Partner. Gott ohne ihn ? ….. hängt auch mit von ihm ab, ob er seiner Leidenschaft die Richtung gibt oder nicht, zu einem Ursprung von Geschehen, zu einem Fühlen ? kommt ….. zu einem …… kommenden Wesen ? in Wahrheit erschaffen …. Kann wählen. Wir können wählen, wir sind Ursprung von Bewegung, von Zeit, von Geschehen. Dies ist das Geheimnis der Schöpfung, dieses Ausgesperrtsein eines Ursprungs von Bewegung in dem sich zur Welt einschränkenden Gott. Diese Einschränkung Gottes zur Welt, sodass ein Herd ? selbständiger Bewegung da ist, da sein kann, ist die eigentliche Lehre der Kabbala. Die Kabbala ist Gnosis, geht auch auf ein Weise-werden, auf ein erlösendes Weise-werden ….. anti-dualistische Gnosis. Die Schöpfungslehre der Kabbala steht darauf, dass der Widerspruch in dem Ursinn der Schöpfung hineingenommen wird ? dem Schöpfer Gott steht nicht ein anderer gegenüber ….. versuchte sein Geheimnis der Schöpfung heraus …. zu kommen, indem ein Demiurg …. Der Widerspruch ist so in die Schöpfung hineingekommen, der Schöpfer ist Einschränkung, die Schöpfung ist Einschränkung, …. Zimmermann ? der Gott … d. h. dass aus dem Schrankenlosen beschränkte Selbständigkeit gesetzt wird. Diese beschränkte Selbständigkeit, diese Gefässe haben ein …… Vermögen, gerade weil sie selbständig und eingeschränkt sind, den Erguss der schöpferischen Fülle, der Schöpfungsgnade ? nicht zu fassen, sie zerbrechen, die Gefässe zerbrechen und die Katastrophe der Urschöpfung tritt ein. Die wirren Urwelten, die Welten der Zerbrochenen gehen der sich bildenden neuen Welt voraus und der Bruch dringt in sie ein ? Ueberall, aus allen Dingen stürzen Funken, aus jenem Bruch der Urgefässe, die Funken jenes Feuergusses der Schöpfung, gebrochen, zerstreut, in die Verbannung geworfen in diese Welt. Und dieser Gegenwärtigkeit der Gottesfunken in den Dingen, aber nicht in den Dingen bloss, sondern in ihm selbst, steht der Mensch gegenüber. Ueberall ist Gottes Gegenwart, und in ihm selbst auch, und über allem ? im Widerstehenden, Widersprechenden. Auch jetzt, hier noch, er hat eine kosmische, metakosmische ? Bestimmung, den Widerspruch zu lösen, die Funken zu erlösen, heimzuholen, die Welt zurecht zu machen, wie es in einem jüdischen Gebet heisst, die Welt zurecht zu machen in dem Königtum Gottes. Nun ist aber die Kabbala ….. gilt als die esoterische Lehre einer Schar? Prometheus ? hausgerichtet?i……… einer doppelten Pro ……, das ihnen dieses esoterische Wissen, ein Bescheidwissen um dieses Geheimnis im Gegensystem der Emanenz ? …… Auf diesem Wege vollzieht sich das Ausstossen der Gottheit zu immer niederen und niederen Welten, ein richtiges theosophisches System, eine Landkarte des Geheimnisses, auf dem man die Punkte der Welt und Zeit aufzufinden vermag, zurecht zu finden vermag, eine überlieferte ? esoterische Landkarte des geheimen Prometheus ? des gnostischen in der Kabbala, und zum Zweiten die …… des erlösenden Akten selbst, es geht wieder um ein geheimes Wissen … die Namen Gottes, die Buchstaben der Namen, die innere Substanz der Welt, des Seins, an denen der geheimkundige Mensch den Akt, den erlösenden, den einigenden, das Zerstreute zu einenden Akt zu vollziehen hat. Also beide, Verletzung ? der menschlichen Beziehung zum Geheimen und zum
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Widerspruch, der sich im Geheimen birgt, das ist das Geheimnis. Das ist uns nicht dazu als geheimes Manifest …. ohne Durchschau zu haben und der Widerspruch auch nicht, sondern das Geheimnis, dass wir in die Gegenseitigkeit zu ihm treten, und es anreden und uns anreden lassen wie von dem vertrauten Wesen, und der Widerspruch ist nicht dazu da, dass wir ihn durch Formeln, durch etwas Wissbares durch geheime Akte, die uns mitgeteilt worden sind und Verwandtes ? überwinden, sondern …… nicht in einem höheren Leben, sondern in diesem sterblichen, brüchigen Leben aufhalten und in jedem Augenblick auf ihn zu leben in der Karn …..?, in der Ausrichtung, in der Intention des ganzen Wesens und uns selber ganz und gar in die ewige Bresche ? stellen, uns selber drin ……… in jedem Augenblick neu, der unvorhersehbar ? ist, als Samen ? des Augenblicks, des unvorhersehbaren ?, die Situation ? wobei …. nicht vorbehalten ?, nicht nachtragen kann, weil noch nicht ganz ….. erschienen als Frage der Gottheit an uns. Also gegen alle Gnosis verkündigt der Chassidismus das Mysterium als aller Schematik, als aller Uebersehbarkeit, allem Bescheidwissen enthoben. Ja, es gibt die Einwohnung Gottes, es gibt die Emanenz, nicht als Wesen Gottes, sondern als das uns Zugekehrte und die Emanenz, auf die zu wir zu leben haben, – wir leben auf die Emanenz zu, wenn wir das, was wir jeweils leben, ganz leben, was wir in diesem Augenblick zu leben haben. Wir suchen es uns ja nicht aus, was uns jetzt begegnet, jetzt in diesem Augenblick, wir haben es uns nicht gewählt, wir wussten es früher nicht. Dieses mit der Hergabe des Lebens leben, aushalten, auch was widersprechend, aushalten, das heisst diesen Augenblick sakramental leben. Das nämlich ist die einzige, wahre, dauernde, unüberwindliche Weihe der Verbundenheit, die Weihe der …… es gibt einen philosophischen Begriff es zu sagen, die Weihe der Kontinuität ?, das Eingeweiht-sein, was man nicht zurückführen kann auf Prinzipien. Das was jetzt ist und vor einem Augenblick noch nicht war, das Geschehende, uns …… Menschen anfordernde, begegnende Sakrament ist Vollzug der Begegnung. Begegnend tritt uns im Geheimnis das Böse, Widerstrebende, Unerträgliche an. Aber es gibt keine Form, in der wir das nicht zu erkennen vermöchten ……… erkannt werden, weil was uns bricht ? …. um dessen willen dieser Augenblick jetzt so geschieht dieses Böse jetzt auf den Weg geworfen ? ist. Die Dinge sind nicht ausgeschlossen …… sagt nicht, beten mit irgend welchen hohen Dingen des Geistes, wir sollen beten mit den Tischen und Bänken …. Kommunion mit den Dingen, die uns hier auf den Weg geschickt werden, da sind, die uns in den Weg des Lebens gelaufen kommen, geschickt worden sind. Das wirkliche Leben, das ist das Leben hier. Wenn irgendwo, ist heiliges Geschehen das Geschehen dieses meines Augenblicks, heiliges Leben. Nichts anderes kann heilig mir sein. Also, diese Lehre von der Chech….., von den Funken, die eingebannt sind in allen Dingen, die eingebannt sind auch in mir selber. Ich selber bin mir so in den Weg geschickt, wie die Dinge und wie die Wesen auch. Ich selber heische ? als ein Ding auf dem Weg von mir Erlösung, Hebung, als Funke Heimholung, Heiligung. Diese Lehre von der Einwohnung Gottes, von der menschlichen Teilnahme an
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der Vollendung des göttlichen Schicksals, das was die Welt Geschichte nennt ist das, was der Chassidismus der Esoterik der Kabbala entgegenstellt. Nichts anderes ist zu wissen. Das zu wissen ist genug, und der Lehre der Kabbala von den Karn…… im Plural, von den vielen Intentionen die man gut kennt ? und wissen kann wie man es zu tun hat, um die Einigung zwischen Gent……, zwischen den Emanationssphären zu stiften ?, stellt der Chassidismus … der einen ? Kabbala entgegen, von der einen Intention, die nichts anderes kennt als die Hergabe dieses Daseins, die jeweilige Hergabe. Die jeweilige ist der Ort des Sakraments. Das wird ganz schlicht von einem Chassidisten so gesagt: er wird gefragt, was seinem toten Lehrer das Wichtigste gewesen sei, das Grosse, das Heilige, die Offenbarung. Er antwortet darauf: ›Das, womit er sich gerade abgab.‹ Das Jeweilige ist der Ort der sakramentalen Erfüllung, das Jeweilige kann Sakrament werden, will Sakrament werden. Es gibt keinen erlesenen Ort der Verbundenheit, die Verbundenheit ist Gottes mit den Menschen, der Gott, der sich den Menschen verbinden will, sucht sich keine Oerter aus, alles kann Ort werden, alles soll Ort werden, und was dazu gehört ist nichts weiter, als dass eben der Mensch dieses ganze, wie wir zu sagen pflegen, weltliche Leben, sein Leben mit der ihm anvertrauten Welt wahrnimmt ? als das Eigentliche, als das Gefäss des Sinnes ?, als die grosse, die einzige Möglichkeit nicht in einem sich über die Wirklichkeit hinwegschwingenden Geiste, sondern in der Tatsächlichkeit des gelebten Lebens die Verbindung zu verwirklichen, an dem Erlösen-wollen Gottes teilzuhaben. Also, dieses, sagen wir Ernstnehmen dieser einzigen Möglichkeit, d. h. das Ernstnehmen, das Heilig-nehmen der gelebten Stunde und sich ganz hergebend, denn weniger als das gilt nicht, sich ganz hergebend erfüllen was die Gelegenheit dieser Stunde, dieser nicht vorhergesehenen Stunde, dieses neue, noch nirgends geschriebene Wort, diese neue, noch nicht Laut gewordene Ansprache, dieser neue Anspruch des Ansprechenden an mich, von mir heischt.
Variantenapparat: Vorbemerkung: in D2 sind die griechischen Begriffe in griechischen Lettern wiedergegeben. 160,Titel] zusätzlicher Untertitel Zwei Vorträge von Martin Buber H 160,24 einbüßen] [verlieren] ! einbüssen H 160,26 geschickten] [getanen] ! geschickten H 160,32 Plato unterscheidet] davor gestrichener Zwischentitel [1. Die sinnbildliche Existenz in der Welt der Prophetie] H 160,34 Empfangenes] Empfangenes [aber noch Unerfasstes] H 161,3 übermenschliche] [göttliche] ! übermenschliche H 161,8 ausraunt] auslautet H 161,25 den Bringer] [als Künder] ! den Bringer H 161,30 »im Mutterleib«] h»im Mutterleib«i H 161,31 mahnende und verheißende] [gebietende] ! mahnende und verheißende H
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Einzelkommentare
161,34 die göttliche Absicht] [es X dem Gott nicht] ! die göttliche Absicht H 162,12 Nawi] [Mund] ! Nabi H 162,16 auslautet] auslautet [, also »überträgt«] H 162,21 Verfolgern angefleht] [Feinden angegangen] ! Verfolgern angefleht H 162,28-29 aussagt] ansagt H 162,40 eben der ist] eben dieses ist D4 163,5 zum Unterschied von] [im Gegensatz zu] ! zum Unterschied von H 163,8 Künder] [Mund] ! Künder H 163,15 Hier gibt es keine Scheidung] [Die Gesprochenheit des Wortes ist hier wesenhaft, dass seine Form sich von seinem Gehalt nicht ablösen lässt] / Hier gibt es keine Scheidung H 163,17 bildnerischen] [schöpferischen] ! bildnerischen H 164,6 die formelhafte »Allmacht« des Dogmas ist,] die dogmatische formelhafte »Allmacht« D5 164,15 dem Propheten] Jona D4 164,20-21 situationsbezogen] situationsbedingt wie die der Pythia, sondern schlechthin situationsbezoge H 164,20-21 situationsbezogen. Ihre Situationsbezogenheit] situationsbedingt wie die der Pythia, sondern schlechthin situationsbezogen. Nur Situationsbezogenheit D2, D3 164,33 uneingeschränkten] [vollen] ! uneingeschränkten H 164,38 begleitende] vertretende H, D2 165,22 Die Sendung] [Jenes Wort] ! Die Sendung H 166,17 in ihrer ersten Kundgebung] hin ihrer ersten Kundgebungi H 166,19 Seiner Nachfolge] JHWHs Nachfolge H, D2 des Herrn Nachfolge D3 166,20 eben berufenen] heben berufeneni H 166,23 reales Sakraldrama] vitales Dromenon H, D2 166,30 ich bin nicht da für euch] ich, für euch bin ich nicht da D4 166,33 Hurenmale] [Hurenzeichen] ! Hurenmale H 166,34 Buhlerinnen merken ab] Buhlerinnen male ab D3, D4 167,1 Verwirrung] [Wirrnis] ! Verwirrung H 167,1-2 anmeldet] [ankündigt] ! anmeldet H 167,12-13 eingibt] [eintut] ! eingibt H 167,19 »nachttiefen Bangnis«] »Bangnis und Verfinsterung« D4, D5 167,23 E r ] JHWH H, D2 der Herr D4 167,25 I h m ] JHWH H, D2 dem Herrn D4 167,29 Das ist etwas anderes] davor Absatzwechsel H
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167,32 lebenden und sterbenden] fehlt D3, D4 167,34 Welt des Chassidismus] zusätzliche Anmerkung Ich habe bei der nachträglichen Ausarbeitung dieses Vortrags nach Hörernotizen mehr noch als bei der des ersten Antworten auf Fragen, die in der Aussprache hervortraten, mit in den Zusammenhang einbezogen. H 168,14 Auch wenn es aber] [Ob seine stoffliche Substanz] ! Auch wenn es aber H 168,15 weihen] [angeboten] ! weihen H 168,15-16 vollzieht sich heimlich jener andere Bund] vollzieht sich heimlich [im Herzen der Vorgang] ! jener andere Bund H 168,18 Flügel] [Schwingen] ! Flügel H 168,31 zur Gebärde] zur [unverbindlichen Zeremonie] ! Gebärde H 168,32 mystische Schwärmerei] mystische [Ekstatik] ! Schwärmerei H 168,34 Gang] [Stoff und] Gang H 168,35-36 stoffliche oder leibliche] [dingliche oder] stoffliche oder [persönliche] ! leibliche H 168,37 geheime] [heimliche] ! geheime H 169,2 Tätigkeiten] [Handlungen] ! Tätigkeiten H 169,5 dranwagt] [drangibt] ! dranwagt H 169,7 die Entdeckung des grundsätzlich Nichtheiligen] [die Erfahrung des grundsätzlich Unheiligen, das sich nicht sakramental befrieden lässt] ! die Entdeckung des grundsätzlich [Unheiligen] ! Nichtheiligen H 169,17 Religion] [geschichtlich] Religion H 169,25 Wesenseinsatz] [Lebenseinsatz] ! Wesenseinsatz H 169,36-37 Dauerauftrag des Statthaltertums Gottes] Dauerauftrag [(Salbung mit Öl geht immer auf Dauerverleihung)] ! des Statthaltertums [des Gottkönigs] ! Gottes H 170,5 Wiederbildung] [Wiederherstellung?] ! Wiederbildung H 170,21 Südseesänger] [polynesische Sänger] ! Südseesänger H 170,26 in ihrem Kern reformative] fehlt D4 170,27 entwarf] [wagte] ! entwarf H 170,32 in der Gesamtheit der Dinge] in [den Dingen] ! der Gesamtheit der Dinge H 171,1 , die große Sache,] fehlt D3, D4 171,1-5 die chassidische, ist vor nahezu […] verblieben. Aber sie muß] die chassidische muß D3, D4 171,12 der sich hergibt] der [im Umgang mit den Dingen sie heiligt] ! sich hergibt H 171,15-17 Auf die Frage […] gerade abgibt.«] fehlt H 171,21 Methoden] [magischen] Methoden H
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Einzelkommentare
171,30 die chassidische Bewegung] [den Chassidismus] ! die chassidische Bewegung H 171,36-37 Dem Bekämpften tritt hier nicht] [Dem Alten tritt nicht] ! Dem Bekämpften tritt hier nicht H 171,38 größer gewordenes] gewachsnes H 171,39 stärker gewordener] gewachsener H 172,1 Gewachsensein] Wachstum H 172,5 meint] [erfordert] ! meint H 172,13 daß bereits drin] dass die Antithetik eine kämpferische war, d. h. dass bereits drin H 172,17 mächtig war] [gegeben hat] ! mächtig war H 172,36 Prägung] Art H 173,4 ausgesprochenen] [offenkundigen] ! ausgesprochenen H 173,5-6 schwererwiegend noch] [was noch mehr wiegt] ! schwererwiegend noch H 173,7 Mannigfaltigkeit] [Vielfältigkeit] ! Mannigfaltigkeit H 173,11 weltverliebt.] weltverliebt. [»Lasst uns Gott in die Welt ziehen, und alles wird gestillt sein] H 173,12 Gegensatz] [Unterschied] ! Gegensatz H 173,13 birgt] [verhüllt] ! birgt H 173,16 , am Zugang,] h, am Zugang,i H 173,19 offen] erschlossen D4 173,19 wissenden Teil] hwissendeni Teil H 173,22 einfältigen Menschen] den einfältigen, den einfaltigen Menschen D2 173,25 immer wieder durchbrechenden] himmer wieder durchbrechendeni H 173,29 an der Welt] han der Welti H 173,30 Urfrage] [Frage] ! Urfrage H 173,33 nachalttestamentliche] [nachbiblische] ! nachalttestamentliche H 173,34 vom Alten Testament angerührten Kulturbereich] [irgendwie von der Bibel] vom Alten Testament angerührten [Bereich] ! Kulturbereich H 173,35 ausdrückliche] ausgesprochene H 174,9 Esra-Apokalypse] Esra-[Offenbarung] ! Apokalypse H 174,28 oder Wesenheiten] hoder Wesenheiteni H 174,33 Mächte] [Götter] ! Mächte H 174,38-39 Bindungen] [Knüpfungen] ! Bindungen H 174,41 Bruchs] Zerbrechens D3, D4 175,12 Zwiefältig aber meldet sich Verwahrung] Eine doppelte Verwahrung aber meldet sich H, D2
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175,12 ungeäußert] unausgesgesprochen H 175,13 Kabbala] [kabbalistische Gnosis] ! Kabbala H 175,15 zentral] [zentrales Anliegen] ! zentral H 175,16 dem Chassidismus] dem Chassidismus [wie alle konkrete Religiosität] H 175,16-17 zentral] [zentrales Anliegen] ! zentral H 175,20 – geläufigerweise, aber selten anders als peripher –] fehlt D5 175,25 Wesensbeziehung zu Gott] [personhaften Gottesbeziehungen] ! Wesensbeziehung zu Gott H 175,31-32 er geht nirgends in das System selber] [die Prinzipien der kabbalistischen Methodik haben] ! er geht nirgends in [die Methodik ein] ! das System selber H 176,2 ewigen Gegenwart.] ewigen Gegenwart. [Wir sind in die Welt des Widerspruchs geschickt.] H 176,24 In der Kabbala] [Diese Mittel können gleicherweise im Zusammenhang mit] ! In der Kabbala H 176,36 lebensweite] [allumfassende] ! lebensweite H 176,39 Intentionsprozeduren] [Intentionsformeln und] Intentionsprozeduren H 177,12 begegnet.] ergänzt Die Weihe der Verbundenheit ist die Weihe der Kontingenz. H 177,18 Was sollen uns] Was scheren uns H 177,21-36 Das Wort Jichud […] welteinwohnenden Glorie«.] fehlt D3, D4 177,23 einen dreifachen Sinn] [eine dreifache Bedeutung] ! einen dreifachen Sinn H 177,25 menschliche Bekenntnis der Einheit] [Bekenntnis des Menschen zur Einheit] ! menschliche Bekenntnis der Einheit H 177,31 Leidenschaften] [Bildsamkeiten] ! Leidenschaften H 177,32 eine auf Gott zu bewegte Einheit] [Eine Bewegung auf Gott] ! eine auf Gott zu bewegte Einheit [der Seele] H 177,33-34 der Einheit einheiligt] [sich einheiligt] ! [heiligt] ! der Einheit einheiligt H Wort- und Sacherläuterungen: 160,22 Regenbogen des Noahbundes] Gen 9,12-17. 160,32 Timaios] 72A-B: »Darum ist es auch Brauch, die Gilde der Verkünder zu Richtern über die gottbegeisterten Weissagungen (καὶ τὸ προφητῶν γένος ἐπι ταῖς ἐνθέοις μανθείαις κριτὰς) zu bestellen, und sie selber werden Wahrsager (μάνθεις) von einigen genannt, denen es ganz unbekannt blieb, daß sie Dolmetscher (ὑποκριταί) der rätselvollen Stimme und Erscheinung, nicht aber Seher
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(μάνθεις) sind und mit dem größten Rechte wohl Verkünder (προφῆται) von Wahrsagenden genannt werden dürfen.« Platon, Timaios – Kritias – Philebos, in: Werke, hrsg. von Günther Eigler, übers. von Hieronymus Müller u. Friedrich Schleiermacher, Bd. 7, Darmstadt 2001, S. 151. 161,4 Pythia] Bezeichnung der Priesterin im Apollon-Tempel von Delphi, die in Trance versetzt dunkle Worte sprach, die sodann von den Priestern gedeutet wurden. 161,4-5 so bekennt er es bei Aischylos] In den »Eumeniden«, der Tragödie des griech. Dichters Aischylos (525-456 v. Chr.), spricht Apoll: »Noch niemals sagt ich auf des Sehertumes Thron / Nicht über Mann noch Weib noch über eine Stadt / Was nicht befohlen Zeus, der Vater im Olymp.« Aischylos, Eumeniden, in: Ders., Tragödien, übers. von Oskar Werner u. hrsg. von Bernhard Zimmermann. Zürich 1996, S. 401. 161,18 Nawi] Hebr. für »Prophet«. 161,26-27 als »Künder« soll Abraham für den Philisterkönig »sich mittlerisch einsetzen«] Gen 20,7. 160,37-161,1 Pindar] Der griech. Dichter Pindar verfasste vor allem Kultgedichte und Preislieder auf Sieger der olympischen Wettkämpfe. 161,28 als »Künderin« singt Mirjam, singt Debora] Ex 15,20-21; Debora wird in Ri 4,4 als Prophetin bezeichnet; ihr Lied findet sich in Ri 5. 161,30 Der Gott wählt sich »im Mutterleib«] Jer 1,5. 163,3-4 »Pythia […] in einer Person (Max Weber).] »Der israelitische Prophet war beides in einer Person«, in: Max Weber, Die Wirtschaftsethik der Weltreligionen. Das antike Judentum, Schriften und Reden 1911-1920, 2. Halbband, hrsg. von Eckart Otto, Tübingen 2005, S. 639 (Bd. 21 der Gesamtausgabe). 163,13 Ruach] Der biblische Begriff für den Geist des Ewigen, der den Propheten in der Regel nicht dauerhaft überkommt. 163,15 mainesthai] Griech. μαίνεσθαι: »rasen«, »außer sich geraten«, »verrückt werden«. 163,16 proeipein] Griech. προειπεῖν: »vorher-sagen«. 163,23 »Zufassen der Hand«] Vermutlich dachte Buber an Jer 15,17. 164,8 Herodot] Historien I, 91. 165,Anm 6 Wortspiel] Der Name Sinai klingt an die Bezeichnung Dornbusch (hebr. Sne) an. 166,9-10 wenn Jeremja vor den Ältesten einen Schöpfkrug zerbricht] Jer 19. 166,10 Ezechiel zwei Hölzer zusammenfügt] Ez 37,15-28.
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166,11-12 wie wenn Hosea […] Unheilsnamen gibt] Hos 1. 166,16-19 »Geh hin« […] Seiner Nachfolge ab.«] Hos 1,2. 166,25-30 Eben noch war […] nicht da für euch«)] Vgl. Hos 1,6-7. 167,4-5 »zum Klappnetz und zum Schnepper / für den Siedler Jerusalems«] Jes 8,14; bei Luther: »ein Fallstrick und eine Schlinge für die Bürger Jerusalems«. 167,15 »Elben«] Das ist eine typische Buber-Übersetzung von »Totengeister« in Jes 8,19. »Und wenn sie euch sagen: Befragt die Ahnen und die Wissensgeister, die wispern und murmeln – ist es nicht so, dass ein Volk seinen Gott [Elohim] befragen sollte, anstelle der Lebenden die Toten?« Der biblische Text ist schwer zu übersetzen. 167,21-22 Verkündigungsnamen »Rest-kehrt-um«] Jes 7,3. 169,28 opus operatum] Lat.: »gewirktes Werk«. Ein Begriff aus der katholischen Sakramentslehre. Das Konzept soll sicherstellen, dass ein Sakrament unabhängig von der Würdigkeit des Sakramentsspenders wirkt. 169,Anm 9 Vgl. Buber, Königtum Gottes S. 99 ff.] Jetzt in: MBW 15, S. 152 f. 170,Anm 10 »Der Gesalbte«] Das Werk ist nur halbfertig geworden, die ersten drei Kapitel sind auf Deutsch zusammenhängend erst 1964 in Werke II veröffentlicht worden (jetzt in: MBW 15, S. 282-379); vgl. den einleitenden Kommentar hierzu in: MBW 15, S. 588-590. 171,3 »Enthüllung« des Stifters] Die Legende berichtet, dass der Baal Schem Tov sich mit 36 Jahren offenbarte (vgl. Grözinger [Hrsg.], Die Geschichten vom Baʾ al Schem Tov. Schivche ha-Bescht, Bd. 1, S. 32). Legt man als Zeitpunkt seiner Geburt das Jahr 1699 zugrunde, ergäbe sich 1735 als Beginn seiner öffentlichen Tätigkeit. Zweifelsohne birgt die Zahl 36 (mit drei Mal zwölf) einen hohen Grad an Symbolik, weshalb man wegen der historischen Zuverlässigkeit jener Angabe Bedenken haben kann. 171,17 »Womit man sich gerade abgibt.«] Vgl. Buber, »Das Wichtigste«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 647 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [899]). 172,Anm 12] Der Literaturhinweis in der Fußnote bezieht sich auf die seit 1928 in Berlin erschienene Encyclopedia Judaica (Jakob Klatzkin, Ismar Elbogen [Hrsg.]: Encyclopaedia Judaica. Das Judentum in Geschichte und Gegenwart, 10 Bde., Berlin 1928-1934). Nach zehn Bänden musste das Erscheinen wegen der nationalsozialistischen Verfolgung eingestellt werden. Zehntausende bereits gedruckte Bände wurden vernichtet.
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173,13 Esoterik] Hier im religionswissenschaftlichen Sinne: nach innen gerichtete, nicht allen zugängliche Traditionen. 173,26 Gnosis] Vgl. die Wort- und Sacherläuterungen zu 54,39. 173,Anm 13 Hans Jonas, Gnosis und spätantiker Geist] Eine Fortsetzung erschien 1954 in Göttingen. 174,5-6 Deuterojesaja] Die Kapitel 40-55 des Buches Jesaja, die einem exilischen oder nachexilischem Autor zugeschrieben werden. 174,7 (Jes 53)] Eine Interpretation dieses Bibeltexts bietet Bubers Vortrag vom 6. April 1925, gehalten in Berlin anlässlich der Eröffnung der Hebräischen Universität in Jerusalem: »Das messianische Mysterium (Jesaja 53)«. (Jetzt in: MBW 15, S. 37-44.) 174,9 4. Esra-Apokalypse (»IV. Buch Esra«)] Das apokalyptische Werk (auch bekannt als 2. Esdras bzw. Esra-Apokalypse) entstand vermutlich zwischen 95 und 100 n. Chr. Es liegen lateinische, syrische, äthiopische, arabische, armenische und georgische Textvarianten vor. 4. Esra gehört zu den bekanntesten Apokalypsen, weil sie in die Vulgata (und auf diesem Wege in die Apokryphen der Lutherbibel) Aufnahme fand. Angesichts der Tempelzerstörung (70 n. Chr.) behandelt sie Fragen der Gerechtigkeit Gottes und des weiteren Schicksals Israels. 174,20 »Räume des Schattens und der Leere«] Vgl. Irenäus, Adversus haereses, Buch I, Kap. 4,1. Vgl. St Irenaeus of Lyons Against the Heresies, übers. und kommentiert von Dominic J. Unger, New York 1992, Bd. 1, S. 30. 174,20 Valentin] Valentinus (um 100 bis nach 160) war ein christlicher Gnostiker aus Ägypten. Von seinen Schriften (Psalmen, Hymnen, Gedichten, Briefen) sind – sieht man von seiner Homilie, dem Evangelium Veritatis, einmal ab – nur wenige Fragmente erhalten. Seine eigentliche Bedeutung erlangte die Lehre des Valentinus durch seine Schüler und Anhänger, die seine Konzepte weiter entwickelten und verbreiteten und somit die sog. Valentinianische Gnosis begründeten. Letztere gehörte zu den einflussreichsten gnostischen Strömungen der Spätantike, die sich bis in das 7. Jh. hinein halten konnte. 174,25 neuplatonische Schemata] Der Neoplatonismus ist eine, maßgeblich von Plotin (205-270) geprägte, Interpretation und Weiterführung platonischer Konzepte. Dabei geht es zentral um die scharfe Trennung zwischen der transzendent-geistigen und der immanentmateriellen Sphäre, die man in der Regel durch die Einführung von Mittler-Instanzen (wie zum Beispiel des Logos, der Weltvernunft, des Noûs/Intellekt oder der Sophia/Weisheit) zu überbrücken sucht. In der Kabbala wird die Kluft zwischen der absoluten Transzendenz (hebr. Ejn Sof, d. h. »ohne Ende«, der nicht offenbare Aspekt Gottes)
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und der Immanenz durch die offenbaren Aspekte (Sefirot) überbrückt. 174,34 »Ohneende«] Hebr. Ejn Sof; vgl. die Wort- und Sacherläuterungen zu 174,25. 174,37 »Schalen«] Hebr. Klippot, vgl. die Wort- und Sacherläuterungen zu 56,20. 174,40-41 des »Sterbens der Urkönige« oder des »Bruchs der Gefäße«] »Bruch der Gefäße« (hebr. Schvirat ha-Kelim; vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 56,20) ist die lurianische Metapher für den »Tod der Urkönige«. Bei dem »Tod der Urkönige« handelt es sich um ein merkwürdiges Konzept des Sohar, spezifischer der »Idra Rabba«, das in Isaak Lurias Kosmogonie eine große Rolle spielt (Sohar II, 127b145a). Die »Idra Rabba« (aram. »Große Versammlung«) ist ein soharisches Narrativ, das von einer Versammlung der zehn Gelehrten berichtet, während derer eine besonders eigenwillige Lehre vorgetragen wird (s. Zitat). Am Ende der Versammlung sterben drei der Gefährten »an Ekstase«. Im Sohar ist (in »Auslegung« von Gen 36,31-39) von einer instabilen präexistenten Konstruktion die Rede, die schließlich Korrektur erfährt: »Im ›Buch des Verborgenen‹ [Sifra di-Zeniʿ uta – ein besonders schwieriger Traktat innerhalb des Sohar, der Interpretationen zu Gen 1-6 enthält (Sohar II, 176b-179a)] wird gelehrt: Bevor der Alte der Alten [ʿ Attika de-ʿ Attikin – die erste Sefira (Keter)] seine Anordnungen [Tikkunim] zubereitete, baute er Könige, gravierte er Könige und maß Könige ab, aber sie hatten keinen Bestand, so dass er von ihnen abließ und sie bis auf später verschloss. Das ist es, was geschrieben steht ›Dies sind die Könige, die im Lande Edom regierten‹ [Gen 36,31]. ›Im Lande Edom‹, das heißt, der Ort, an dem alle Dinim [strenge Gerichtsurteile] sind. Und all diese Könige hatten keinen Bestand, bis das weiße Haupt, der Alte der Alten selbst seine Vollendung [Tikkun] erlangt hatte. Nachdem er aber selbst vollendet war, vollendete er alle Anordnungen der Oberen und der Unteren. [… Aber], solange er nicht selbst in seinen Anordnungen vollendet war, waren all jene nicht vollendet, die der Vollendung bedurften und so wurden alle Welten zerstört. […] Was ist der Grund? Weil der Mensch [das heißt das ausgewogene System der Sefirot] noch nicht vollendet angeordnet war, denn die Vollendung des Menschen in seiner Gestalt enthält alles, und dann kann alles sich in ihm niederlassen. Und weil diese Vollendung des Menschen noch nicht erreicht war, konnte er nicht bestehen und sich niederlassen und sie wurden vernichtet. Glaubst du aber, dass sie wirklich vernichtet wurden? Sie alle sind doch im Menschen enthalten? Vielmehr
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wurden sie aufgehoben und von dieser [Stufe des] Tikkun weggenommen, bis die Vollendung der Gestalt des Menschen erreicht war.« (Sohar III,135a. Hier zitiert nach: Grözinger, Jüdisches Denken, Bd. 2, S. 571-572.) 176,26 »Kawwanot«] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 114,16. 177,21 Jichud] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 109,8. 177,Anm 15 Buber, Die Chassidischen Bücher (1928) 470.] Vgl. »Womit er betete«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 418 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [509]. [Über den Chassidismus] Bei dem Typoskript, das in diesem Band erstmals gedruckt wird, handelt es sich um einen undatierten Vortrag Martin Bubers. Das 24-seitige Schriftstück, dessen Original sich im Martin-Buber-Archiv der Israelischen Nationalbibliothek zu Jerusalem befindet, enthält handschriftliche Korrekturen, die vermutlich auf den Autor selbst zurückgehen. Aufgrund der Sprachgebung – wie etwa zahlreicher Füllworte (»nicht wahr«, »also«) und Floskeln (»wenn ich mich so ausdrücken darf«, »ich weiß nicht, ob ich es deutlich gemacht habe« etc.) – und einiger grob verschriebener Namen und Begriffe (beispielsweise »Rabbi Schmeler« [S. 183 u. ö.], »Eckardt« statt [Meister] Eckhart, »Towler« statt Tauler etc.) ist anzunehmen, dass es sich um eine nachträglich handkorrigierte Mitschrift einer Vorlesung handelt. Im »Gemeindeblatt der Israelitischen Gemeinde Frankfurt am Main« wurde für den 6. Mai 1936 ein Vortrag Bubers in der Westendsynagoge zum Thema Chassidismus angezeigt (vgl. die Ausgabe vom Mai 1936, S. 311). Es wäre denkbar, dass das vorliegende Typoskript den Text dieses Vortrags wiedergibt. Ein Indiz dafür wären die zahlreichen Ideen und Konzepte, die das vorliegende Skript Bubers mit seinem Essay »Der Ort des Chassidismus in der Religionsgeschichte« teilt, bzw. die dort zur Ausformung kommen. Es ist deshalb möglich, dass es sich bei besagtem Vortrag um einen ersten gedanklichen Entwurf dazu handelt, zumal der in Die chassidische Botschaft aufgenommene Aufsatz nach Auskunft Bubers in den Jahren 1940 bis 1943 in Jerusalem verfasst worden ist (vgl. Martin Buber, Die chassidische Botschaft, Vorwort, in diesem Band, S. 253). Der Vortrag befasst sich – ähnlich wie die ihm vermutlich voraufgehende Eranos-Vorlesung »Sinnbildliche und sakramentale Existenz im Judentum« aus dem Jahre 1934 – aus dezidiert religionswissenschaftlicher Perspektive mit dem osteuropäischen Chassidismus. Anders als in
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früheren Werken geht es Buber darum, die Einzigartigkeit jener Strömung herauszuarbeiten. Sogar ihre Klassifizierung als »Mystik« erscheint ihm nunmehr zweifelhaft. Vgl. diesbezüglich etwa Des Baal Schem-Tow Unterweisung im Umgang mit Gott, in diesem Band, S. 101: Dort bringt Buber den Chassidismus noch in einen Zusammenhang mit dem Pietismus der Herrnhuter Brüderunität, während er nun seine dortige Stellungnahme zu Zinzendorf mit der hiesigen korrigiert (in diesem Band, S. 180). In drei Anläufen, in synchroner (S. 180-181) und diachroner (S. 181184) Perspektive sowie in »genetischer Betrachtung« (S. 184-189) bemüht sich Buber um eine Aussage zum Wesenskern des Chassidismus. Wie in seinem Vortrag »Der Chassidismus« (S. 157 in diesem Band) und seinem »Geleitwort« zu Die chassidischen Bücher (S. 129-130 u. 141-142 in diesem Band) markiert er auch hier die Erkenntnis, dass der Ewige angeredet werden kann, und die Abwehr des »Automessianismus« als wesentliche Errungenschaften der osteuropäischen Reformströmung, die damit »Urjüdisches« wieder zutage fördere (vgl. S. 189). Textzeugen: TS: Typoskript im MBA (Arc. Mc. Var. 350 dalet 11); 23 paginierte Blätter, einseitig beschrieben. Das Dokument ist zweischichtig: TS1.1: Grundschicht: maschinenschriftlich. TS1.2: Überarbeitungsschicht: vereinzelte Korrekturen von Bubers Hand. Druckvorlage: TS1.2 Variantenapparat: 178,14 nicht sagen will] nicht meine TS1.1 179,23 das Einzigartige] die eigentliche Versöhnlichkeit TS1.1 179,33 kein Was] kein Was, kein Ich TS1.1 179,36 Person im Geheimnis] Person im Geheimnis. Das wurde Willkürlichkeit des unwillkürlichen Lebens der Person, der Person wird die Lehre gegeben TS1.1 181,8 notwendig gehört] notwendig und unabsehbar TS1.1 181,12-13 des Spontanen] das Spontane menschliche Aktivität, Wichtigkeit für das Verhältnis des Menschen zu Gott TS1.1 181,18 anwenden] in Betracht ziehen TS1.1 181,40 Zenbuddhismus] berichtigt aus Sembuddhismus 181,41 Bedeutung] Bewegung TS1.1 181,13 der Wirklichkeit] der erlösten Wirklichkeit TS1.1
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Einzelkommentare
181,19-20 Beziehung im Gegensatz zu diesem] Beziehung und wenn wir TS1.1 181,22 ich darunter verstehe] man darunter versteht TS1.1 182,27 Zenbuddhismus] berichtigt aus Sembuddismus 182,36 Zenbuddhismus] berichtigt aus Sembuddismus 182,41 zu beachten] zu beachten, vielleicht muss ich dies zur Erkennung der Bedeutung sagen TS1.1 182,41 Zenbuddhismus] berichtigt aus Sembuddismus 183,1 Ordensmystik] Ordensmystik; wenn auch in beiden Richtungen der Askese entgegengetreten werden könnte, so ist doch der Grundton, der Kern der Orden TS1.1 183,15 was den Zenbuddhismus mit dem Chassidismus verbindet] was der Sembuddismus verwendet TS1.1 183,15 Zenbuddhismus] berichtigt aus Sembuddismus TS1.1 183,39 jedem zugewiesen] schon zugewiesen TS1.1 184,6-7 dieses Konkrete] dieses Konkrete, dieses Konkretische TS1.1 184,10 wirklich tut] wirklich tut, dass in allen Dingen eine Gebärde Göttliches TS1.1 184,25-26 geheimes Wissen] gegebenes Wissen TS1.1 184,27 geheime Wissen] gegebene Wissen TS1.1 184,28 Gemeinschaft] ihr dominierende Gemeinschaft TS1.1 184,35 Machen wir uns klar] Ich weiss nicht, ob dies die Sache ganz trifft, machen wir uns klar TS1.1 185,4 getrennten Menschen] verborgenen Menschen TS1.1 185,5-6 dem es um eine […] dem es darum] dem es darum zu tun ist, eine wirklich katholische Umarbeitung der Gemeinschaft, dem es darum TS1.1 185,36 mit der Kabballa?] ergänzt Das zweite ist der Katholizismus, wenn wir auf irgend etwas in der geistigen Geschichte des Judentums hinsehen wollen, sicherlich an seine Theorie nachdrücklich anknüpfen, so ist es eben die kabbalistische Mystik, die Kabballa. TS1.1 186,6 dieser allgemeinen Gnosis] innerhalb dieser allgemeinen Gnosis der Anblick TS1.1 186,8 Richtungen] Dichtungen TS1.1 186,18 lehrbare Gebärden] gradiierte lehrbare Gebärden TS1.1 186,25 in die Negation] in diese Form, in die Negation TS1.1 186,35 allgemeinen Geheimlehre] allgemein gradierten Geheimlehre TS1.1 186,40 Anknüpfung] Anknüpfungsfrage TS1.1 187,9 eigentlich Jüdische] eigentlicher dieser Gaben TS1.1
[Über den Chassidismus]
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187,16 im Judentum etwa eine besondere Ausgestaltung gefunden hat] im Judentum als solches den Begriff Monotheismus besonders ausgestaltet hat TS1.1 187,18 diesem Einen] diesem Glauben TS1.1 187,30-31 was dieser Mitteilung zugrunde liegt. Dass im] was dieser Mitteilung von Gottes Sprache zugrunde liegt ist der Glaube daran, dass alles geschah. Ein Wort Gottes ist, dass er die Menschen nicht immer, oder sagen wir es nur heraus, meist nicht vernimmt, nicht als gute Worte vernimmt, dass im TS1.1 187,40 an das Leben] an das Leben als einen unsterblichen Beruf TS1.1 188,13 leicht abgeführt] von ihrer Wesenheit leicht angeführt TS1.1 188,25 Geschichte Israels] Geschichte Israels, die Geschichte der Diaspora TS1.1 189,16 wirklich ausmacht] wirklich uns äussert. Er ist nicht durch irgend welche Dogmen zu fassen, durch irgend welche Lehren, sondern in dieser ungeheuren Zeit, wo es immer und immer wieder eine andere historische Situation gibt und immer wieder dieselbe Situation von dem bildet, was Gott mit ihm meint und von ihm will TS1.1 189,41-190,1 , wodurch die Urgefässe zerbrachen] und durch die Urgefässe die Schöpfung zerbrach TS1.1 191,7 Pfeilen] berichtigt aus Pfeiler 191,22 die Katastrophe] diese versöhnliche Art die Katastrophe TS1.1 192,7 Seele an Seele] im Lebensprinzip Seele an Seele TS1.1 Wort- und Sacherläuterungen: 179,10-11 Eckart und Tauler bis zu Böhme und Angelus Silesius] Meister Eckhart (bzw. Eckhart von Hochheim; um 1260 bis vor 1328), Johannes Tauler (um 1300 bis 1361), Jakob Böhme (1575-1624) und Angelus Silesius (eigentlich Johannes Scheffler; 1624-1677) sind herausragende Vertreter der deutschen Mystik. Buber hat sich bereits im Zusammenhang mit seiner Dissertation von 1903 eingehend mit der deutschen Mystik beschäftigt. Vgl. Zur Geschichte des Individuationsproblems. (Nicolaus von Cues und Jakob Böhme), in: MBW 2.1, S. 75-101 sowie den Kommentar hierzu, S. 279-286. 179,38 Rabbi Leib Zares] Arje Leib Sara’s (1730-1791), der schon durch den expliziten Bezug auf seine Mutter (Sara’s – Sohn der Sara) auffällige Charismatiker soll ein Schüler des Baal Schem Tov gewesen sein. Den Legenden zufolge besaß er die besondere Fähigkeit, Verborgene Gerechte (vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 61,30) aufzuspüren. 179,39-180,2 zu ihm fährt und wieder fährt […] auf- und zuschnürt] Der Erzählung zufolge (Megillat Juchasin we-seder ha-dorot mi-talmi-
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Einzelkommentare
de ha-Bescht, S. 64) bezieht sich das Dictum des Arje Leib Sara’s (»um zu sehen, wie er seine Sandalen« bindet) nicht auf den Baal Schem, sondern auf Dow Bär, den Großen Maggid von Mesritsch: vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 61,29-32. 180,34 Zinzendorf] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 101,12. 181,24 Mystik des Islam] Gewöhnlich apostrophiert man die verschiedenen Strömungen des Sufismus als »Mystik«. Schon 1909 hat Buber einige Mystiker des Sufismus in Ekstatische Konfessionen, Jena: Eugen Diederichs 1909, S. 10-33, zu Wort kommen lassen (jetzt in: MBW 2.2, S. [66]-81). 181,25-26 Ausformung des Pietismus in China und Japan, die den Namen Zen führt] Diese Einschätzung mag daher rühren, dass ein Teil der älteren Forschung und Literatur zum Thema (vgl. Wilhelm Gundert, Japanische Religionsgeschichte, Stuttgart 1935) aus der Feder von Missionaren mit einem pietistischen Hintergrund stammt. 181,35 Rumi] Ǧalāl ad-Dīn Muḥammad ar-Rūmī (1207-1273) war einer der berühmtesten Dichter persischer Sprache und zugleich ein Sūfī. An ihm orientierte sich eine Gemeinschaft von Derwischen, der nach ihm benannt ist (Mevlevi-Orden, d. i. »unser Herr und Meister«Orden). Zwei seiner Texte hat Buber in Ekstatische Konfessionen, S. 29 f. aufgenommen (jetzt in: MBW 2.2, S. 76 f.). 183,21 Rabbi Schmeler] Mutmaßlich Schmelke von Nikolsburg, vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 66,4. 183,21-31 bittet ihn […] was Du wissen wolltest.] Vgl. »Bereitung«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 315 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [339]). 184,10-11 göttliche Funken zu erlösen] Vgl. die Wort- und Sacherläuterungen zu 56,20. 185,6 eine wirklich »katholische« Gemeinschaft] Buber spielt auf die ursprüngliche Bedeutung des griechischen Wortes kat’holikós (καθολικός; »all-umfassend«, »allgemein«) an. 186,13 in bestimmten Arten den Gottesnamen auszusprechen] Entsprechende Konzepte findet man zum Beispiel bei Abraham Abulafia und bei Joseph Gikatilla, vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 149,29-30. 187,34 »Hineni« = da bin ich] Antwort des Menschen auf Gottes Anruf wie z. B. von Moses in Ex 3,4. 188,33-34 am Schluss des Gesanges nach dem Gang durch das Schilfmeer] Ex 15,18. 188,35-37 diese schwere Problematik […] Theokratie gerufen wurden] Die Spannung zwischen einer reinen Theokratie (vermittelt durch
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Propheten) und der Herrschaft menschlicher »Stellvertreter« wie Königen (vgl. die Jothamsfabel Ri 9,8-15). Vgl. Buber, Königtum Gottes, S. 3-44 (jetzt in: MBW 15, S. 102-124). 188,41 Galuth] Hebr. für »Exil«. 189,39 »Zerbrechen der Gefässe«] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 56,20. 190,7-8 Kawwanoth] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 114,16. 190,19 Automessianismus] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 141,2. 190,28 Sabbatai Zwis] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 129,11-12. 190,33 Ich bin der Weg] Joh 14,6. 191,2-3 Pseudo Jesaja] Eigentlich Deuterojesaja, vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 174,5-6. 191,7 zu Pfeilen zugespitzt] Eigentlich: »zum Pfeil gespitzt«, vgl. Jes 49,2. 191,25 Jakob Frank] Vgl. die Wort- und Sacherläuterungen zu 141,35. Im Typoskript steht ursprünglich »Jakobs Traum«, was von Buber gestrichen wurde ohne dass er eine Ergänzung vorgenommen hat. Der Kontext verweist aber darauf, dass Jakob Frank gemeint gewesen sein muss. 191,40-192,11 eine Legende erzählt […] um was es geht] Zur Versuchung des Baal Schem Tov vgl. die Wort und Sacherläuterungen zu 142,11-21. 192,24 nach dem Tod eines der grössten Zaddikim] Rabbi Mosche ben Israel Polier von Kobryn; vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 209,9. Zur Anekdote vgl. »Das Wichtigste«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 647 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [899]). Die Idee der Erlösung im Chassidismus Der Aufsatz erschien 1941/2 zuerst auf Hebräisch und ist das zweite Heft in der Reihe Arakhim [»Werte«]. Als erstes Heft der Reihe ist ein Aufsatz Gershom Scholems (»Die Idee der Erlösung in der Kabbala« [Hebr.]) und als drittes Heft ein Aufsatz von Nathan Rotenstreich über »Die Nation in der Lehre von A. D. Gordon« [Hebr.] erschienen. Buber nahm den Aufsatz unter dem Titel »Ha-geʿ ula« [Die Erlösung] 1945 in be-fardes ha-chasidut auf, dem hebr. Pendant zu Die chassidische Botschaft. Der Essay befasst sich vordergründig mit der Entwicklung der jüdischen Erlösungslehre (Soteriologie) bis hin zum Chassidismus; hintergründig aber mit der Frage, warum sich der osteuropäische Chassidismus – im Unterschied zum Christentum – nicht universalisierte und
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Einzelkommentare
vom Judentum abspaltete (vgl. in diesem Band, S. 194). Buber macht dafür die Einbindung eines »nationalen Elements« verantwortlich, das im Verbund mit drei weiteren, dem kosmischen, dem persönlichen und dem religiösen Element, die Eigenart chassidischer Soteriologie darstelle (ebd., S. 196). Textzeugen: D1: Raʿ jon ha-geʾ ula ba-chassidut [»Die Idee der Erlösung im Chassidismus«], in: Arakhim. Sifrijat ha-makhon la-madrikhim, Heft 2, Jerusalem: Reuben Mass 1942, 12 Seiten (MBB 653). (Übersetzung aus dem Hebräischen von Simone Pöpl.) D2: Ha-geʾ ula [Die Erlösung], in: Be-fardes ha-chassidut. Ijunim bemachschavta va-havajata, Tel Aviv: Mossad Bialik 1945, 123-132 (MBB 724). Druckvorlage: D1 Übersetzung: Englisch: Redemption, in: Martin Buber, The Origin and Meaning of Hasidism, edited and translated by Maurice Friedman, New York: Horizon Press 1960 (MBB 1139). Wort- und Sacherläuterungen: 193,22 Zerstörung des Zweiten Tempels] Durch die Römer unter der Führung des Titus im Jahre 70 n. Chr. 193,35 Das Exil der heiligen Funken und deren Erlösung] Zur lurianischen Kosmogonie und Soteriologie, vgl. die Wort- und Sacherläuterungen zu 56,20. Dem lurianischen System zufolge, fielen alle (potentiellen) menschlichen Seelen in die Klippot. Die Schechina folgt ihnen dorthin ins »Exil« (der heiligen Funken), da die Seelen sich nicht aus eigener Kraft von der Macht der »Schalen« befreien können. Diese Befreiung wird mit der Metapher des »Einsammelns der heiligen Funken« beschrieben und beinhaltet den Erlösungsprozess. 193,37 »Schalen«] Hebr. Klippot; vgl. die Wort- und Sacherläuterungen zu 56,20. 193,37 »Zerbrechen der Gefäße«] Hebr. Schvirat Kelim. Zur lurianischen Kosmogonie, vgl. die Wort- und Sacherläuterungen zu 56,20. 193,38 Seelenwanderungen] Hebr. Gilgulim; Sg. Gilgul. Auch dies ist ein besonders bei Isaak Luria prominenter Lehrtopos, der beinhaltet, dass der Mensch zu entdecken aufgefordert ist, welchen Entwicklungsstand seine Seele besitzt bzw. welcher »Wurzel« sie zugehörig
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ist. Dies ist gleichbedeutend mit der individuellen Position im Erlösungsprozess, dem »Einsammeln der Funken«. Durch das Tun der Gebote und die Treue zur jüdischen spirituellen Praxis kann die eigene Seele vervollkommnet und können gegebenenfalls die in Tieren und Pflanzen eingeleibten Seelen emporgehoben bzw. zu ihrem göttlichen Ursprung rückgeführt werden. 195,30 Nachman von Bratzlaw] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 80,13. 195,31-196,9 »ist es, die Verstoßenen […] Gründe und Variationen.«] Zitat nicht nachgewiesen. 195,32 Tiefen der Schalen] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 193,35-36. 195,33-34 ›Israel wurde verbannt, um Proselyten zu gewinnen.‹] bPes 87b (BT, Bd. II, S. 585 f.). 195,39 Eretz Israel, der Böse Trieb] Der Böse Trieb (hebr. jetzer ha-ra, vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 60,14) verströmt sich, folgt man kabbalistischen Entwürfen, im Falle innerer Disharmonien der offenbaren Kräfte Gottes aus der fünften Sefira (Din/Gvura) in die zehnte, Malkhut-Schechina, die zugleich mit dem himmlischen Urbild von Land und Volk identifiziert wird. 196,9-22 »Was die Erlösung […] die größer ist.«] Vgl. Keter Shem Tov ha-shalem (2004) § 53, S. 32; vgl. Jaakob Jossef, Ben Porat, Miqez 74,2, fol. 258a. Eine alternative Übersetzung bietet Buber in seinem Des Baal Schem Tow Unterweisung (vgl. in diesem Band, S. 107). Die Anzahl von 248 Gliedern und 365 Sehnen entstammt den rabbinischen Schriften (bMak 23b-24a u. ö.) und entspricht den positiven (248) und negativen (365) Geboten, die sich zu 613 summieren. 196,22-27 »Es ist ein großes Prinzip […] Funken gibt«] Vgl. Keter Shem Tov ha-shalem (2004) § 218a, S. 124-125. 196,27-29 »Deswegen […] gehören, haben.«] Tzawaʾ at ha-Ribasch (1998), § 109, S. 50. 196,30-31 Rabbi Dov Bär, der Maggid von Mesritsch] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 78,28-30. 196,31-35 Sogar mit dem Essen […] entfernt wird.] Zitat nicht nachgewiesen. 196,34-35 Sitra achra] Hebr. für »die andere Seite«. In manchen kabbalistischen Systemen bezeichnet dieser Begriff die unheilige Gegenwelt, die, in spiegelbildlicher Struktur der Sefirot, das Böse und Unreine repräsentiert. 196,41 Seelenwanderungen] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 193,38.
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Einzelkommentare
197,4 Tikkun] Hebr. für »In-Urstand-Setzung«, vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 97,21. 197,4-8 »das ist eine große Sache« […] auf die Stimme hört«.] Zitat nicht nachgewiesen. 197,7-8 »Heute, wenn ihr auf die Stimme hört.«] Ps 95,7. 197,8-9 »jeder Mensch ist eine kleine Welt und in ihm ist Pharao und Ägypten«] Keter Shem Tov ha-shalem (2004) § 110b, S. 63. Vgl. auch Midrasch Tanchuma, Pequdé 3 (u. ö.). 197,10-19 »›Nähere dich […] Welt der Freiheit.«] Zitat nicht nachgewiesen. 197,10-11 ›Nähere dich, meine Seele, um sie zu erlösen.‹] Ps 69,19. 197,16-17 ›Wenn du einen hebräischen Sklaven […] soll er arbeiten‹] Ex 21,2a. 197,20-27 »Unmöglich kann […] Amen.«] Zitat nicht nachgewiesen. 197,30-41 »Einmal«, so wird erzählt, […] es nicht‹«.] Vgl. »Können und Wollen«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 719 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [1013]). 197,31 Jaakob Jizchak von Pžysha] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 81,10-14. 197,39 das He im Namen Gottes] Dies bezieht sich auf das Tetragrammaton. Es enthält zweimal den hebräischen Buchstaben Heh, der das eine Mal mit der dritten Sefira Bina, genannt die »Obere Mutter« (das erste der beiden) bzw. das andere Mal mit der zehnten Sefira Schechina, genannt die »Untere Mutter« (das zweite He“h) identifiziert wird. 198,4-11 »Einmal«, […] Umkehr zu gelangen.«] Vgl. »Das Hindernis«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 467 f. (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [592]). 198,5 der Rabbi] Dem Text in Die Erzählungen der Chassidim zufolge, spricht Jakob Jitzchak Horowitz, der »Seher von Lublin« zum »Heiligen Juden«. 198,17-29 Viele Menschen […] das Vogelnest genannt.«] Das Gleichnis findet sich unter dem Titel »Das Vogelnest« in ähnlicher Form in Bubers Die Erzählungen der Chassidim, S. 136 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [38]). 198,33-37 »›Da sprach der Herr […] aus seinem Land treiben.‹] Ex 6,1. 198,40 Herrschaft der Schalen] Hebr. Klippot, vgl. die Wort- und Sacherläuterungen zu 56,20. 199,7 Jechiel Michel] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 87,15. 199,7-14 Der Knecht […] die es umgab.«] Vgl. »Verbannung und Erlösung«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 226 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [264]).
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199,15-17 »Das größte Exil […] zu ertragen)] Vgl. »Das eigentliche Exil«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 838 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [1272]). 199,17-19 ›der euch aus dem Leiden […] Ägypten hatten.‹«] Vgl. »Ertragen«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 760 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [1098]). 199,21 Achad Ha-am] Eigentlich Ascher Zvi Hirsch Ginzberg (18561927), der Begründer des sog. Kulturzionismus. Im Aufsatz »Nicht dies ist der Weg!« schreibt er: »Auf Grund unserer Ausführungen ist es zweifellos, daß unsere erste Tätigkeit der Wiederbelebung der Herzen gelten mußte, daß wir zunächst verpflichtet waren, die Liebe zum Leben der Gesamtheit zu stärken, die Sehnsucht nach ihrem Wohlergehen zu steigern, damit der Wille erwache und die Arbeiter mit Vertrauen ihre Tätigkeit beginnen.« Achad-Haam, Am Scheidewege, Bd. 1, 2. verbesserte und vermehrte Aufl., Berlin 1913, S. 42. [Hebr.: lo ze ha-derekh; in: Al paraschat drakhim, Bd. 1, Tel-Aviv 1949, S. 46.] 199,24 Mendel aus Witebsk] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 80,38. 199,25-30 »als er in Jerusalem war […] keine Erneuerung sei.«] Vgl. »Am Fenster«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 298 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [317]). 199,34-200,6 »Einmal« […] antwortete ihm.«] Vgl. »Das Versagen«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 209 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [152]). 200,10 Exil der Schechina] Vgl. die Wort- und Sacherläuterungen zu 193,35-36. 200,12-14 Sünde des ersten Menschen […] von Stufe zu Stufe wandern müssen] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 74,25. 200,11-15 Zerbrechen der Urwelten […] mit ihm ins Exil] Jene kosmische Urkatastrophe läuft in den lurianischen Konzepten unter verschiedenen Bezeichnungen um, beispielsweise als »Zerbrechen der Gefäße« (vgl. die Wort- und Sacherläuterungen zu 56,20) oder als »Tod der Urkönige« (vgl. die Wort- und Sacherläuterungen zu 174,40-41). 200,17-19 Das uns aus der Bibel bekannte Bild […] Verbindung] Der Prophet Hosea wird im Sinne einer Zeichenhandlung genötigt, eine untreue Frau zu heiraten, die er verlässt und dann wieder zu sich nimmt (Hos 1-2). 200,30 Rabbi Bunam aus Pżysha] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 93,22.
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200,30-201,9 »Das ist ein Gleichnis […] ja doch alles haben.«] Vgl. »Im Exil«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 749 f. (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [1072]). 201,9-202,6 »Nach dem Tod des Rabbi Uri von Strelisk […] mich zu erlösen.«] Vgl. »Die drei Gefangenen«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 742 f. (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [1052]). 201,10 Rabbi Uri von Strelisk] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 92,36-39. 201,11 Rabbi Schlomo] Rabbi Uris Sohn, der allerdings bereits vier Monate nach seinem Vater verstarb. 201,13 chassidut] Der spirituelle Weg eines chassidischen Rebben. 201,34-35 fragt die Schechina ihren Ehemann] Ein zentraler kabbalistischer Mythos beschreibt die Heilige Hochzeit der Zehnten Sefira (Schechina-Malkhut) mit der männlich vorgestellten sechsten (Tifʾ eret), manchmal auch der neunten (Jessod) Sefira. Die liebevolle Vereinigung der Sefirot verursacht Wohlergehen und Harmonie auch in den irdischen Sphären. Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 112,16-23. 201,41 ›Ich bin Ruth, deine Magd‹] Rut 3,9a. 202,3-4 ›Und du breitest deinen Flügel […] der Erlöser.‹] Rut 3,9b. 202,7 Rabbi Schalom von Belz] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 92,36-39. 202,6-22 »Einige Zeit nach […] hätte ich sie aufgerichtet.‹«] Stark gekürzt als »Warum?«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 691 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [961]). 202,8 Rabbi Schmuel von Kaminka] Vielleicht ist Schalom Rosenfeld von Kaminka (1800-1852) gemeint. Er war ein Schüler des Naftali von Ropschitz. 202,16 ›dein Gatte und dein Schöpfer‹] Jes 54,5. 202,26 Menachem Mendel von Witebsk] Vgl. die Wort- und Sacherläuterungen zu 80,38. 202,27 Nachman von Bratzlaw] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 80,13. Seine von erheblichen Gefahren begleitete Pilgerfahrt nach Israel wurde zum Wendepunkt seines Lebens. Mit dieser Reise beschäftigt sich Buber in »Ein Zaddik kommt ins Land«, in: Israel und Palästina, Zürich: Artemis-Verlag 1950, S. 115-139 (jetzt in: MBW 20). 202,35-203,4 »Die ganze Heiligkeit […] der Heiligkeit.«] Vermutlich eine sehr gekürzte und vereinfachte Paraphrase eines Auszugs von Nachmans Lehrvortrag in Liqquté Mohara“n II,78. Eine Übersetzung des Lehrvortrags enthält Martin Cunz, Die Fahrt des Rabbi Nachman von Brazlaw ins Land Israel (1798-1799), Tübingen 1997, S. 262-270. Der von Buber paraphrasierte Auszug findet sich dort S. 266-267.
Der Ort des Chassidismus in der Religionsgeschichte
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Einen Kommentar zu dieser (wie bei Nachman üblich) höchst komplexen Darlegung bietet Cunz, ebd., S. 151-171. 202,39 Sitra Achra] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 196,34-35. 202,40-41 ›Ihr seid Räuber, weil ihr das Land erobert, das euch nicht gehört‹] BerR I,2. Von Raschi im Kommentar zu Gen 1,1 zitiert. 203,1 derekh eretz] Hebr. für »Weg des Landes«, was der Terminus ist für den »Brauch der Welt« bzw. die landesübliche Verfahrensweise; im übertragenen Sinne wird er auch in der Bedeutung »angemessenes Verhalten« verwendet. Nachman spielt mit der Mehrdeutigkeit des Wortes, indem er ihn wechselweise in seiner wörtlichen Dimension (Weg des Landes resp. Weg in das Land) und in seiner ethischen Facette benutzt. 203,6-18 »Eretz Israel […] des Landes ist.«] Zitat nicht nachgewiesen. 203,11 Transjordaniens […] transjordanischen Stämme] Die zweieinhalb israelitischen »Stämme« (Ruben, Gad und »Halb-Manasse«), die der Bibel zufolge (Num 32; Dtn 3,8-17; Jos 13 u. ö.) Gebiete östlich des Jordans besiedelten. 203,19 Moses Hess] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 42,3. Der Ort des Chassidismus in der Religionsgeschichte Beim »Ort des Chassidismus in der Religionsgeschichte« handelt es sich um einen Essay, den Martin Buber nach eigenem Bekunden (vgl. Die chassidische Botschaft, Vorwort, in diesem Band, S. 253) für die hebräische Fassung seines Hauptwerks zum Chassidismus erarbeitete und den er, gekürzt und bearbeitet, als achten Abschnitt in Die chassidische Botschaft integrierte. Er sei, so der Autor im Vorwort dieses Buches, in den Jahren 1940-1943 entstanden (vgl. ebd.). Wie in seiner Eranos-Vorlesung »Sinnbildliche und sakramentale Existenz im Judentum« aus dem Jahre 1934 – sie fand als fünfter Abschnitt Eingang in Die chassidische Botschaft – und der in diesem Band erstmals im Druck erscheinende (undatierte) Vortrag [»Über den Chassidismus«] (vgl. S. 178-192 des vorliegenden Bandes) näherte sich Buber dem osteuropäischen Chassidismus aus religionswissenschaftlicher Perspektive. Das Besondere an diesem Essay besteht in der komparatistisch-religionssystematischen Methode, die dazu dient »aufzuzeigen, auf wie verschiedene Weise in der Religionsgeschichte verschiedene Typen das gleiche Motiv behandeln, und darüber hinaus, auf wie verschiedene Weise innerhalb des gleichen Typus verschiedene Erscheinungen das gleiche Motiv behandeln« (in diesem Band, S. 204).
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Einzelkommentare
Buber ging es (erneut) darum, das »dem Chassidismus Eigentümliche« (ebd., S. 206) herauszuarbeiten. Zu diesem Zwecke kontrastiert er osteuropäische Legenden mit Erzählungen des Zen-Buddhismus, die ein ähnliches Motiv ausarbeiten. Nach einem ersten Exempel eines solchen Vergleichs (vgl. S. 204-205; Das Ich und Nicht-Ich in der Mystik), wird zunächst in den chinesischen Zen-Buddhismus eingeführt (S. 206-208). Im Hauptteil der Abhandlung (S. 208-215) vollzieht sich an insgesamt sieben Motiven – wie etwa die Spiritualität des Alltags, der Weg zur Erkenntnis, das Schweigen, Gemeinschaft etc. – die intendierte Gegenüberstellung, um abschließend Gemeinsamkeiten und Differenzen der beiden mystischen Strömungen zu resümieren. Buber hatte sich schon früh mit chinesischer Religionsphilosophie befasst. Dieses lebhafte Interesse begleitete ihn auch bis (mindestens) in die vierziger Jahre, wie sich eben auch an diesem Essay zeigt (vgl. dazu die Einleitung von Irene Eber in MBW 2.3, S. 13-15). »In Bubers persönlichem Leben fällt die Auseinandersetzung mit China zeitlich mit seiner Beschäftigung mit chassidischen Materialien und seiner Offenheit für Mythen und Kulturen der Vergangenheit zusammen.« (Ebd., S. 14.) Jene frühe gedankliche und biographische Verbindung zwischen Chassidismus und Zen wird Buber noch in seinen späten Texten verteidigen (vgl. »Noch einiges zur Darstellung des Chassidismus«, in diesem Band, S. 328-332 u. »Zur Darstellung des Chassidismus«, S. 322). Textzeugen: H: Handschrift im MBA (Arc. Ms. Var. 350 dalet 10a); 6 paginierte lose Blätter, beidseitig beschrieben mit blauer Tinte; undatiert; mit einigen Korrekturen versehen. TS1: Typoskript im MBA (Arc. Ms. Var. 350 dalet 10a); 19 lose paginierte Blätter, einseitig beschrieben, undatiert. Das Typoskript ist zweischichtig: 1.1 TS : Grundschicht: maschinenschriftlich. TS1.2: Korrekturschicht: einige Korrekturen von Bubers Hand. TS2: Typoskript im MBA (Arc. Ms. Var. 350 dalet 10a); 19 lose paginierte Blätter, einseitig beschrieben, undatiert. Das Typoskript ist zweischichtig: TS2.1: Grundschicht: maschinenschriftlich. TS2.2: Korrekturschicht: einige Korrekturen von Bubers Hand. D1: Theologische Zeitschrift, II/6, November/Dezember 1946, S. 438-453 (MBB 749).
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D2: Die chassidische Botschaft, Heidelberg: Lambert Schneider 1952, S. 128-156 (MBB 886). D3: Werke III, S. 880-894 (MBB 1219). Druckvorlage: D1 Übersetzungen: Hebräisch: Meqoma schel ha-chassidut be-toldot ha-dat, in: Martin Buber, Be-fardes ha-chassidut. Ijunim be-machschavta va-havajata, Tel Aviv: Mossad Bialik 1945, S. 133-144, (MBB 724). Englisch: The Place of Hasidism in the History of Religion, in: Martin Buber, Hasidism, New York: The Philosophical Library 1948 (MBB 785); The Place of Hasidism in the History of Religion, in: Martin Buber, The Origin and Meaning of Hasidism, edited and translated by Maurice Friedman, New York: Horizon Press 1960 (MBB 1139). Variantenapparat: 204,2 Ermittlung] [Klärung] ! Ermittlung H 204,4 die auf ihn einwirkten] [denen er unterlag] ! die auf ihn einwirkten H 204,5 aufzudecken] [blosszulegen] ! aufzudecken H 204,5 darzulegen] [zu erklären] ! darzulegen H 204,13 danach] sodann D3 204,20 Heraushebung] [Kundmachung] ! [Aufdeckung] ! Heraushebung H 204,22 aufzuzeigen] [klarzustellen] ! aufzuzeigen H 203,23-24 das gleiche Motiv behandeln] [sich mit dem gleichen Motiv befassen] ! das gleiche Motiv behandeln H 204,23-24 behandeln] gestalten D2, D3 204,25 behandeln] gestalten D2, D3 204,27 Determination] [Bestimmung] ! Determination H 204,32 in ihm vollzogen] an ihm vollzogen H 204,33 Zur kritischen Erläuterung] [Wo, wie im Fall des Chassidismus, von einer religiösen Bewegung die Rede ist, deren eigentümlicher Charakter sich weniger in ihrer Lehre als in ihrer Lebensweise ausdrückt, empfiehlt es sich unserer Klärung Texte zugrundezulegen, die von dieser Lebensweise erzählen.] ! Zur kritischen Erläuterung H 205,3 begrüßen] erblicken H, TS1.1, TS2.1 205,Anm 1] fehlt H, D2, D3 205,5 Rabbi Ahron] Ahron D2 Aaron D3 206,2 chinesischen] ostasiatischen D3
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206,13 erfährt] [verspürt] ! erfährt H 206,17 Einsicht] Hinsicht H, D2, D3 206,37 entwickelte daraus] [erweiterte diese] ! entwickelte daraus H 207,5 Ebene] [Fläche] ! Ebene H 207,12 nur daß sie] [verhasst ist ihr nur] ! nur dass sie H 207,16-17 berufen] [stützen] ! berufen H 207,21 Tradition] [Überlieferung] ! Tradition H 207,22 Tradition] [Überlieferung] ! Tradition H 208,16 analogen] [entsprechenden] ! analogen H 208,20 Zaddik] Rabbi H 208,31 dir zu wissen not tut] du zu wissen brauchst H, TS1.1, TS2.1 208,33 Oberen] [Abt] ! Oberen H 208,38-39 des Vorgangs] [der Geschichte] ! des Vorgangs H 208,Anm 3] fehlt H, D2, D3 209,24 Rabbi Mendel] davor Absatzwechsel D3 209,Anm 4] fehlt H, D2, D3 210,4 dem Vers] [den Worten] ! dem Vers H 210,6 Lehre] Thora D3 210,7 vollständige] [vollkommene] ! vollständige H 210,7 Lehre] Thora D3 210,12 wirft seinem Schüler] [ermahnt seinen] ! wirft seinem Schüler H 210,18 wird gesungen] [musiziert man] ! wird gesungen H 210,24 wissest] [zusteht] ! wissest H 210,34 gewiß] offenbar D2, D3 211,9-10 beabsichtigt hatten] [im Sinne hatten] ! beabsichtigt hatten H 211,Anm 5] fehlt H, D2, D3 212,1-2 Heut abends wirst du mit mir essen] Du wirst heute mit mir zu Abend essen D2, D3 212,8 vielverbreitetes Motiv] [uraltes Märchenmotiv] ! vielverbreitetes Motiv H 212,9 sodann] später D3 212,11 Meisterdiebs] [Kunstdiebs] ! Meisterdiebs H 212,18 Das Geschäft] [Das Treiben] ! Das Geschäft H 212,31 geht davon] entfernt sich D2, D3 212,33-34 Du hast also nun] So hast du denn nun H 212,36 erlangen] [erreichen] ! erlangen H 212,37 erlangen] [erreichen] ! erlangen H 212,Anm 6] fehlt H, D2, D3 213,2 Anregung] [Erweckung] ! Anregung H 213,6-7 dein eigenes Wesen; denn dieses Wesen] deine eigene Natur; denn diese Natur H, TS1.1, TS1.2, TS2.1
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213,9 jenseits] [ausserhalb] ! jenseits H 213,10 Haften] Hangen H, TS1.1, TS2.1 213,11 das eigne Wesen] die eigne Natur D2, D3 213,14 Zen-Lehre] Zen-Lehrer D2, D3 213,15-16 erreichen] ersteigen H, TS1.1, TS2.1 213,18 sein Wesen] seine Natur H, TS1.1, TS2.1, D2, D3 213,37 Buddha] [den historischen] Buddha H 213,Anm 7] fehlt H, D2, D3 214,2 geschichtlichen] [historischen] ! geschichtlichen H 214,6 Ereignis] Ergebnis D2 214,8 Anschauung] [Auffassung] ! Anschauung H 214,17 Existenz des Glaubens] [Glaubensgewissheit] ! Existenz H 214,24 flammender] [begeisterter] ! flammender H 214,36 Und wohl ist] Und dies bedeutet auch nicht, die Seele schnitte sich ihren Anteil aus dem allgemeinen Anteil und verliehe ihm Selbständigkeit: im Herzen der Ekstase strahlt der Name des Daseienden. Wohl ist H, TS1.1, TS2.1 214,38 Lehre] Thora D3 215,1 Lehre] fehlt D3 215,13 Wirrsals] Wahns H, TS1.1, TS2.1 215,15 Wirrsals] Wahns H, TS1.1, TS2.1 215,16 Wirrsals] Wahns H, TS1.1, TS2.1 215,17 Wirrsals] Wahns H, TS1.1, TS2.1 215,21 aufgerufen] gerufen D2, D3 215,23 Wirrsals] Wahns H, TS1.1, TS1.2, TS2.1, D2, D3 215,33 Der Hinweis] [Die Unterweisung] ! Der Hinweis H 216,17 inneren Erleuchtung] [Ekstase] ! inneren Erleuchtung H 216,22 der Bereich] das Gebiet H, D2, D3 216,23 der Bereich] das Gebiet H, D2, D3 Wort- und Sacherläuterungen: 204,38-205,11 Von Rabbi Ahron von Karlin […] zum Maggid zurück.] Vgl. »Ich«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 326 f. (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [359]). 204,38 Rabbi Ahron von Karlin] Aharon ben Jaʿ akov (1736-1772) war ein Schüler des Dow Bär von Mesritsch; er begründete ein Lehrhaus in Karlin und mithin die gleichnamige chassidische Dynastie. 204,38-205,1 Maggid von Mesritsch] vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 78,28-30. 205,Anm 1 Ueber diesen vgl. mein Buch »Die chassidischen Bücher« S. 374 ff., 406 ff.] Der Verweis bezieht sich auf das Geleitwort zu Der
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große Maggid und seine Nachfolge, in diesem Band, S. 76, sowie auf die Erzählungen, die Dow Bär zum Mittelpunkt haben, vgl. MBW 18.1, S. 92. 205,13 der sufischen Sekte] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 181,24. 205,14 »Mesnewi«] Rumis poetisches Hauptwerk, ein Mathnawi (lyrisches Werk in Doppelversen) mit dem Titel Mathnawī-yi Maʿ nawī (»Doppelverse mit tieferer spiritueller Bedeutung«). 205,15 Dschelal-ed-din Rumi] Ǧalāl ad-Dīn Muḥammad ar-Rūmī; vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 180,35. 205,24 Louis Massignon] (1883-1962): einer der bedeutendsten Orientalisten Frankreichs des 20. Jahrhunderts. Er befasste sich intensiv mit dem Mystiker al-Hallaj, über den er eine umfangreiche Dissertation verfasste: La passion d’al-Hosayn-Ibn-Mansour al-Hallaj martyr mystique de l’islam exécuté à Bagdad le 26 mars 922: étude d’histoire religieuse, 4 Bde, Paris, 2010. Die zweibändige französische Erstausgabe erschien 1922. Eine Lebensgeschichte des Häretikers präsentiert Massignon in Band I seiner Ausgabe von 1922. 205,24 Paul Kraus] (1904-1944) war ein Arabist und Orientalist, ein Schüler Massignons. 205,25 al-Halladsch] Abū l-Muġīṯ al-Ḥusain ibn Manṣūr al-Ḥallāǧ (857922). Er war ein Sūfī und Dichter aus Fars (Persien). Sein Lehrer war al-Ǧunaid, der allerdings die prominente Selbstaussage seines Schülers (»Ich bin al-ḥaqq«) als Anmaßung interpretierte (Al-ḥaqq gilt als im Qurʾ an überlieferter Name Allahs). Wegen seiner Äußerungen, man könne statt der Wallfahrt nach Mekka (dem Haddsch) auch spirituelle Praktiken im Hause verrichten, wurde al-Ḥallāǧ gefangengesetzt und schließlich hingerichtet. Einige seiner Aussprüche sind von Buber in Ekstatische Konfessionen, S. 17-19, aufgenommen worden (jetzt in: MBW 2.2, S. [70]f.). 205,25 Solami] Abū Abd al-Raḥmān Solamī (937-1021) war ein Sūfī und Tradent sufischer Lehren. 205,32 Türkei in der sabbatianischen Zeit] Buber bezieht sich womöglich auf die Dönmeh (»Konvertiten«), eine Gruppe von Anhängern des Sabbatai Zvi, die es ihrem Meister nachtaten und im Ottomanischen Reich zum Islam konvertierten. 205,36 Bhakti-Mystik] (Sanskrit: »Hingabe«, »Zuwendung«; eigentlich Bhakti-Marga: »Pfad der Hingabe«) bezeichnet das Streben nach permanentem Kontakt mit einer vom Gläubigen bevorzugten Gottheit, zum Beispiel Vishnu-Krishna oder Durga-Kali.
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205,36-37 in der rheinischen Klostermystik des Mittelalters] Der Begriff ist in der Verwendung etwas schwierig. In den Klöstern des Rheinlands lebten viele Mystiker und Mystikerinnen (z. B. Hildegard von Bingen, 1098-1179). In jüngerer Zeit nutzt man den Terminus »Rheinische Mystik«, um sich von dem durch die Nationalsozialisten missbrauchten Begriff der »deutschen Mystik« zu distanzieren. Gewöhnlich rechnet man Meister Eckhart, Johannes Tauler und Heinrich Seuse (1295-1366) zum Kernbestand der »Rheinischen Mystik«. 206,2 dem chinesischen Zen-Buddhismus] (eigentlich: Chan-Buddhismus) im Unterschied zum japanischen (d. i. Zen-Buddhismus). Vgl. Bubers Ausführungen in diesem Band, S. 206,30-34. 206,3-12 Da wird erzählt, wie ein Mönch […] welche Weise er will.«] Zitat nicht nachgewiesen. 206,22 Mahayana] mahāyāna; Sanskrit: »großes Fahrzeug«. Der Begriff umfasst mehrere buddhistische (Reform-)Schulen, die sich zwischen dem 1. Jh. v. Chr. bis zum 2. Jh. n. Chr. entwickelten. Sie formulierten ein neues Verständnis vom Buddha als einer quasi-transzendenten Mittlergestalt und einen neuen, mehr an Mitgefühl und Gemeinschaft der Suchenden ausgerichteten Weg zur Erleuchtung. 206,34-37 Ueber Buddha selber ist überliefert, […] zu finden.] Quelle nicht nachgewiesen. 206,39-40 Lankanvatara Sutra] (Laṅkāvatāra-sūtra; Sanskrit: »Sūtra/ Lehrschrift über die Ankunft [des Buddha] in Laṅkā«) ist einer der zentralen Texte des tibetischen, chinesischen und japanischen Buddhismus und als solcher auch eine wesentliche Grundschrift des Zen. 206,40-41 »Begriffe und Urteile […] zu sagen.«] Zitat nicht nachgewiesen. 207,1 Lao-Tse] Laozi (d. i. »Alter Meister«), ein legendärer Philosoph, der im China des 6. Jh. v. Chr. gelebt haben soll und als Gründungsvater des Dao (oder Tao, d. i. »Weg«) sowie Autor des Dàodéjīng (»Buch des Weges und seiner Macht«) galt. Tatsächlich ist jenes Werk aber wohl erst im 4. Jh. v. Chr. entstanden. 207,1 Tao] Der Daoismus gilt als ursprüngliche Religion/Philosophie Chinas. Über deren Entstehung ist allerdings wenig bekannt; wahrscheinlich entwickelte sie sich über sehr lange Zeiträume unter steter Aufnahme anderer Denksysteme. Womöglich sollte man den Dao eher als generischen Begriff für den erwünschten Lebensweg und die zu lehrende Ethik fassen. 207,1 »Das Tao, das man sagen kann, ist nicht das ewige Tao.«] Vgl. den ersten Satz des Daodejing: »Taò, kann er ausgesprochen werden, ist
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nicht der ewige Taò.« Lao-Tse’s Tao te King. Aus dem Chinesischen ins Deutsche übersetzt, eingeleitet und commentirt von Victor von Strauss, Leipzig 1870. 207,9 Sansara […] und Nirwana] saṃsāra; Sanskrit: »stetes Wandern«; Kreislauf des ständigen Werdens und Vergehens, der Reinkarnationen. Dies leidvolle Wieder-Geborenwerden nimmt erst im Nirwana (nirvāṇa; Sanskrit: »Auswehen«) sein Ende. 207,11-12 »Die höchste Wahrheit […] die Wahl verwirft«] Zitat nicht nachgewiesen. 207,17-20 auf die Erzählung, Buddha habe, […] ebenfalls gelächelt.] Gemeint ist wohl »Die Blumenpredigt, Śākyamuni«. 207,30 »Kwats!«] Bedeutet tatsächlich überhaupt nichts. 207,35-36 »Jedermann«, heißt es, »soll das Herz des Buddha im eignen Herzen finden.«] Zitat nicht nachgewiesen. 208,2-5 er habe, als ihn die Mönche ersuchten […] auf sie selber.] Zitat nicht nachgewiesen. 208,18-31 Von Rabbi Schmelke […] wissen not tut.«] Vgl. »Bereitung«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 315 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [339]). 208,18 Schmelke von Nikolsburg] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 66,4. 208,Anm 3 über ihn »Die chassidischen Bücher« 383 f., 424 ff.] Vgl. Geleitwort zu Der große Maggid und seine Nachfolge, in diesem Band, S. 82 f., sowie die Erzählungen, die ihn zum Mittelpunkt haben, vgl. MBW 18.1, S. 93 f. 208,20-21 Abraham Chajim von Zloczow] (um 1726-1816): ein Schüler Schmelkes und Autor des Buches Orach le-Chajim. 208,33-37 Ein Mönch bittet den Oberen […] die innere Erleuchtung.] Quelle nicht nachgewiesen. 209,9-12 Nach dem Tod des Rabbi Mosche […] womit er sich gerade befaßte.«] Vgl. »Das Wichtigste«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 647 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [899]). 209,9 Mosche von Kobryn] (1778-1858): Schüler des Noach von Lechovitch (aus der Stadt Lyakhavichy/Lachowicze in Belarus; 1774-1832), der wiederum ein Sohn eines Schülers des Schlomo von Karlin (17381792) war. Mosche gehört somit in die Karlin-Stoliner Dynastie. 209,9-10 Rabbi von Kozk] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 68,1. 209,13-17 Und der Abt eines Zen-Klosters […] entgegnet der Lehrer] Zitat nicht nachgewiesen. 209,24-26 Rabbi Mendel von Rymanow pflegte zu sagen, […] Thora gelernt.] Zu Menachem Mendel von Rymanów vgl. Wort- und Sacher-
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läuterungen zu 81,10-14. Zum Ausspruch vgl. Mosche ben Jizchak Eisik Eichenstein, Tefilla le-Mosche, Lwow 1856, S. 45. 209, Anm 4 über ihn »Die chassidischen Bücher« 385, 442 ff.] Vgl. Geleitwort zu Der große Maggid und seine Nachfolge, in diesem Band, S. 83 f., sowie die Erzählungen, die ihn zum Mittelpunkt haben, vgl. MBW 18.1, S. 95. 209,27-36 Als ein Schüler […] das Ziel schon verfehlt.«] Zitat nicht nachgewiesen. 210,3 Gesang vom Erleben der Wahrheit] Gemeint ist vermutlich das »Lied des Erwachens« [zur Wahrheit] (chin. Cheng-tao ke, japan. Shōdōka). Es gehört zu den grundlegenden Texten des ChanBuddhismus und geht auf den chinesischen Meister Yung-chia Hsüan-chüeh (japan. Yōka Genkaku, bekannter als Yōka Daishi, 665713) zurück. 210,4–5 »Hast du nie einen Menschen gesehen, der die Wahrheit selbst ist?«] Zitat nicht nachgewiesen. 210,6 »Und das ist die Lehre des Menschen«] II Sam 7,19. 210,10 »zu viel Chassiduth zu wissen«] Vgl. »Die Bücher«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 632 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [860]). 210,11-14 und einer der Zen-Lehrer […] »regt sich der Ekel in mir«.] Zitat nicht nachgewiesen. 210,23-24 »Lerne zu schweigen, damit du zu reden wissest«] Das Zitat wird traditionell Menachem Mendel von Worki (1819-1868) zugeschrieben. 210,25-26 »Rede ist Schmähung, […] ein steiler Weg.«] Zitat nicht nachgewiesen. 211,14-25 Zu einem der Zen-Lehrer […] eine eigene Schule gegründet.] Quelle nicht nachgewiesen. 211,29-212,2 Einer der Schüler des Rabbi Bunam […] mit mir essen.«] Vgl. »Lehrer und Schüler«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 748 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [1067]). 211,30 Rabbi Bunam von Pschysha] Vgl. die Wort und Sacherläuterungen zu 93,22. 211,Anm 5 Vgl. über ihn »Die chassidischen Bücher« 399 ff., 530 ff.] Vgl. das Geleitwort zu Der große Maggid und seine Nachfolge, in diesem Band, S. 93 f., sowie die sich um Ssimcha Bunam rankenden Erzählungen (jetzt in: MBW 18.1, S. 102 f.). 211,30 Rabbi Henoch] Chanokh von Aleksandrów (1798-1870), ein Schüler des Ssimcha Bunam und des Menachem Mendel von Kozk. Er begründete eine eigene, erfolgreiche chassidische Dynastie (Aleksander) in der Tradition von Pžysha.
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212,11-13 Von einem Chassid […] ein redlicher Mensch geblieben] Quelle nicht nachgewiesen. 212,11 Maggid von Kosnitz] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 81,2-3. 212,14-23 Aus dem Munde einiger Zaddikim […] die der inneren Einheit, zu lernen.] Die Motive finden sich bei Buber, Die Erzählungen der Chassidim, in den Anekdoten »Der starke Dieb«, S. 201, und »Die zehn Grundsätze«, S. 202, sowie »Wie den Sasower ein Dieb belehrte«, S. 532 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [140], [141] und [693]). 212,24-34 Ein Lehrer von Ende des elften Jahrhunderts […] die Kunst erlernt.«] Quelle nicht nachgewiesen. 213,5 Bodhidharma] (chines. Pinyin Pútídámó; ca. 440 bis 528) war ein Mönch tamilischer Herkunft, der als Begründer des Chan-/ZenBuddhismus gilt. 213,6-7»Willst du den Buddha suchen, […] der Buddha selber.«] Zitat nicht nachgewiesen. 213,9-12 »Besondre Ueberlieferung […] Erlangung des Buddhastands.«] Zitat nicht nachgewiesen. 213,13 In dem vierfachen Gelübde] Vierfaches Gelübde: auch Boddhisattva-Gelübde oder »vier bedeutsame Gelübde« ist ein wichtiger und viel zitierter Text des Chen- bzw. Zen-Buddhismus. 213,15-16 »Unzugänglich ist der Pfad […] zu erreichen«] Zitat nicht nachgewiesen. 213,16-17 »Zahllos sind […] alle zu retten.«] Zitat nicht nachgewiesen. 213,32-34 »Wer den Namen Buddha […] Mund spülen.«] Zitat nicht nachgewiesen. 214,1 »Wir tragen sie nicht.«] Zitat nicht nachgewiesen. 214,8 Emanationslehre] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 56,11. 214,38-39 »Und das ist die Lehre des Menschen«] II Sam 7,19. 214,39-41 »Wenn der Mensch […] vollkommene Thora.«] Zitat nicht nachgewiesen. 215,4 Taoismus] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 207,1. 215,5 Tschuang-Tse] Zhuāngzǐ (um 365-290 v. Chr.) war ein chinesischer Philosoph und Dichter, nach dem das (von ihm mitverfasste) Hauptwerk des Daoismus, eben das Zhuangzi, benannt ist. Teile dieses Werks hat Buber übersetzt: Reden und Gleichnisse des TschuangTse. Deutsche Auswahl von Martin Buber, Leipzig: Insel-Verlag 1910 (jetzt in: MBW 2.3, S. 51-125). 215,7-9 »Jetzt weiß ich nicht: […] er sei ein Mensch?«] Nur geringfügig anderen Wortlauts findet sich die Stelle auch in Bubers Reden und Gleichnisse des Tschuang-Tse, S. 9 (jetzt in: MBW 2.3, S. 56).
Gottesliebe und Nächstenliebe im Chassidismus
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215,12-17 von seinem Sohn gefragt: »Wenn es Tote […] Welt des Wirrsals weilt] Vgl. »In der Welt des Wahns«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 658 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [912]). 215,23 Welt des Wirrsals] Hebr. Olam ha-tohu, vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 46,13-14. 215,15-23 »Wenn ein Mensch […] nicht in der Welt des Wirrsals weilt.«] Zitat nicht nachgewiesen. 215,38 »heiligen Funken«] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 56,20. 215,40 Exile göttlicher Wesenheit] Exil der Schechina, vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 193,35-36. Gottesliebe und Nächstenliebe im Chassidismus Die mit »Gottes- und Nächstenliebe im Chassidismus« betitelte kleine Abhandlung hat Martin Buber zunächst in hebräischer Sprache veröffentlicht. Sie fand Eingang in Die chassidische Botschaft, präzise als siebenter Abschnitt des Werks (vgl. die Angaben zu »Der Ort des Chassidismus in der Religionsgeschichte«, in Bubers Die chassidische Botschaft, S. 9). Dem deutschsprachigen Publikum wurde der Aufsatz erstmals im Jahre 1947 durch seinen Abdruck in der schweizerischen Zeitschrift Neue Wege vorgelegt (41. Jahrgang, Heft 7/8, 1947, S. 330345), wodurch sich ein Trend zu manifestieren beginnt, der sich bereits mit »Der Ort des Chassidismus« abzeichnete, der erstmals im Jahre 1946 in der Theologischen Zeitschrift (2. Jahrgang, 6/1946, S. 438-453) erschien: Martin Buber wandte sich bereits in der frühen Nachkriegszeit einer christlichen Leserschaft zu. Bei der Zeitschrift Neue Wege handelte es sich um das Sprachrohr der »Religiösen Sozialisten«, einer protestantischen Gruppierung, mit der Buber sympathisierte. Dies gilt insbesondere für Leonard Ragaz (18681945), mit dem Buber ab 1916 korrespondierte. (Vgl. Grete Schaeder, Einleitung in B I, S. 87: »Ragaz gehörte zu den engsten Freunden Bubers im christlichen Bereich.«) In seinem Brief vom 24. Dezember 1945 (vgl. B III, S. 97) äußerte Buber seine tiefe Erschütterung angesichts der Nachricht von Ragaz’ Tod. Buber hat Ragaz zwei Texte gewidmet: »Unserem Verbündeten (Leonhard Ragaz zum 75. Geburtstag)« ([hebräisch] in: Ha-poel ha-zair, Bd 35, Nr 46, S. 3-4, jetzt in: MBW 9, S. 184-186) und »Ragaz und Israel« (in: Mitteilungsblatt, 10. Jg., Nr. 13 vom 29. März 1946, jetzt in: MBW 9, S. 187-191). Buber war im August 1946 gebeten worden, einen Beitrag für die Zeitschrift Neue Wege zu verfassen (vgl. den Brief des Redakteurs der Neuen
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Wege, Bruno Balscheit [1910-1993], an Buber in B III, S. 117). Die Frage, um die sein Text kreist, ist diejenige nach dem Verhältnis zwischen Religion und Ethik. Buber differenziert in seiner Reflexion dieser Frage zunächst zwischen verschiedenen Adressatenkreisen: diejenigen, die »einen gebietenden und fordernden Gott« voraussetzen und diejenigen, die solches nicht tun; er unterscheidet zwischen gläubigen Individuen und einer religiösen Gemeinschaft. Letztere repräsentiert die ihn eigentlich interessierende Größe, da sich nur hier die »Verwirklichung der ›Heiligkeit‹ in der ganzen Breite und Fülle des Gesamtlebens« realisieren kann (vgl. in diesem Band, S. 220). Für den, der mit Bubers Denken auch nur ein wenig vertraut ist, ist es nicht erstaunlich, dass er in einer Verschmelzung der Gottes- und der Menschenliebe zu einer großen Einheit sein Ideal verwirklicht sieht. Und ebenso wenig verwundert es, wenn Buber diese vorbildliche Stufe im Chassidismus verwirklicht sieht (ebd., S. 221). Dem Nachweis dieser seiner These ist der Essay gewidmet. Textzeugen: H: Handschrift im MBA (Arc. Ms. Var. 350 dalet 10a); 16 lose paginierte Blätter, zweiseitig beschrieben mit blauer Tinte; undatiert; mit vielen Korrekturen versehen. TS1: Typoskript im MBA (Arc. Ms. Var. 350 dalet 10a); 16 lose Blätter, nachträglich mit Bleistift paginiert; undatiert. Das Typoskript ist zweischichtig: TS1.1: Grundschicht: maschinenschriftlich. TS1.2: Korrekturschicht: einzelne Korrekturen von Bubers Hand. TS2: Typoskript im MBA (Arc. Ms. Var. 350 dalet 10a); 16 lose Blätter, nachträglich mit Bleistift paginiert; undatiert. Das Typoskript ist zweischichtig: TS2.1: Grundschicht: maschinenschriftlich. TS2.2: Korrekturschicht: einzelne Korrekturen von Bubers Hand. Bei TS1.1 und TS2.1 handelt es sich um zeichenidentische Durchschläge. D1: Neue Wege, 41. Jg., Nr 7/8, Juli/August 1947, S. 330-345 (MBB 767). D2: Die chassidische Botschaft, Heidelberg: Lambert Schneider 1952, S. 172-197 (MBB 886). D3: Werke III, S. 861-879 (MBB 1219). Druckvorlage: D1
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Übersetzungen: Hebräisch: Ahavat elohim we-ahavat ha-brijot, in: Martin Buber, Be-fardes ha-chassidut. Ijunim be-machschavta va-havajata, Tel Aviv: Mossad Bialik 1945, S. 133-144, (MBB 724); [Auszug] We-ahavta joter, in: Hege vom 27. April 1945, S. 3. Englisch: Love of God and Love of One’s Neighbor, in: Martin Buber, Hasidism, New York: The Philosophical Library 1948, (MBB 785); Love of God and Love of Neighbor, in: Hasidism and Modern Man, edited and translated by Maurice Friedman, New York: Horizon Press 1958. Variantenapparat: 217,1 Gottesliebe und Nächstenliebe im Chassidismus] [Liebe zu Gott und Liebe zu den Menschen] ! Gottesliebe und Nächstenliebe H Gottesliebe und Nächstenliebe TS1.1, TS1.2 217,7-9 , Bestimmtwerden […] innerhalb unser?] fehlt H, D2, D3 217,10 , ihren Vorrang] fehlt D2, D3 217,10 durchzusetzen] zu behaupten D3 217,13 aufeinander] gegeneinander H, D2, D3 217,16-17 von einem will] von [mir will] ! einem will H 217,19-21 , wiewohl es […] im wesentlichen] h, wiewohl es […] im wesentlicheni H 217,27 Auffassung] Konzeption D2, D3 217,27 der Ethik aus] der Ethik aus [; aber beide [wollen] ! müssen zunächst von ihren eigenen Voraussetzungen aus beurteilt werden] H 217,28 Der Mensch glaubt] davor längerer gestrichener Abschnitt [Die Doppelkontroverse ist von einem bedeutenden Religionsdenker unseres Zeitalters, Sören Kierkegaard, zugleich geklärt und verwirrt worden. Er hat mit höchstem Nachdruck ausgesprochen, dass die ethische Reflexion, in der der Mensch sich selber in seinem Verhältnis zu all den relativen Realitäten des Lebens richtet, zwar der unreflektierten, leichtherzig unmittelbaren, »ästhetischen« Daseinsform gegenüber die höhere ist, dass aber, damit der Einzelne wahrhaft er selber werde, von ihm aus der »Sprung« getan werden muss ins [reflektierte] ! ausschliessliche Verhältnis zum Absoluten, [ins Religiöse] ! darin alle jene relativen Realitäten aufgegeben sind, ins Religiöse. Daran ist zweifellos zutreffend, dass das Ethische als solches nicht die höchste Stufe ist; nicht zutreffend ist, dass das Religiöse a l s s o l c h e s , d. h. eines, in dem die relativen Realitäten aufgegeben sind, die [letzte] ! höchste Stufe sei. / [Hier aber wollen wir] ! Verweilen wir vorerst bei einem Argument, mit dem Kierkegaard den Primat
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des Religiösen, wie er ihn lehrt, begründen will. [Er macht es uns anschaulich] ! Er weist auf die Fälle hin, in denen Gott vom Menschen etwas fordert, was der diesem bekannten sittlichen Forderung zuwider läuft. Dafür führt er insbesondere das grosse Beispiel Abrahams an, dem Gott gebietet, ihm seinen Sohn zum Opfer zu bringen. Abraham, meint Kierkegaard, ist bereit das nach [allen] seinen ethischen Begriffen Unsittliche zu tun, weil Gott es gebietet, und so wird er, mit einer paulinischen Bezeichnung, zum »Vater des Glaubens«. Aber für den biblischen Abraham (und nur von diesem lohnt es zu reden) gibt es das Ethische überhaupt nicht; als er sich von den Göttern der Terachiden abwandte, hat er sich selbstverständlich auch von den ihnen [gebotenen] ! erlassenen Lebensregeln abgewandt, und jetzt hält er sich daran, was sein Gott ihm gebietet. Einen Konflikt zwischen dem Ethischen und dem Religiösen gibt es hier also gar nicht, sondern nur den, den der Leser der Bibel in allen Generationen hinter ihrer grossartigen Verschwiegenheit verspürte, zwischen der Liebe zu seinem Gott und der Liebe zu seinem Kind. Aber auch wenn hier doch irgendwie das »Ethische« hineinspielte, wäre aus dem Beispiel nichts zu folgern. Denn Abraham ist ein Offenbarungsempfänger, das heisst, [er hat das Vermögen] ! ihm ist das Vermögen gegeben, zwischen den Stimmen, die den Menschen antreten, untrüglich zu unterscheiden, er läuft nicht Gefahr, eine dämonische für eine göttliche Stimme zu halten. Was für einen solchen gilt, gilt für keinen, der nicht Offenbarungsempfänger ist. Kierkegaard selber wendet ja, ausgesprochener oder unausgesprochenerweise, die Lehre des Beispiels auf sich selber an, der, wie er immer wieder mit grosser Kraft und Deutlichkeit erklärt hat, kein Offenbarungsempfänger war. Er selber hat, auch dies sagt er immer wieder in zahlreichen Variationen, seiner Verlobten abgesagt und auf die Ehe, nach seiner Darstellung die »ethische« Verbindung im eigentlichen Sinn, verzichtet, weil Gott es forderte. Aber was bedeutet das hier konkret, dass Gott es forderte? Kierkegaard hat, in seinen Schriften und seinen Tagebüchern, neben dieser Motivation des Verzichts auch ganz andere, weit menschlichere, [berichtet] ! hervorgezogen und ist anscheindend in sich selbst nie dazu gelangt, alle anderen Motivationen in seiner Reflexion abzustreichen und nur eine einzige als die wahre anzuerkennen; und da er kein Offenbarunsgempfänger war, also [keine Möglichkeit hatte] ! zwischen den Stimmen hnichti untrüglich zu unterscheiden vermochte, hätte er mit der Möglichkeit rechnen müssen, dass hier der Teufel der isolierten Religiosität – und wenn es einen gibt, so gibt es diesen – die Stimme Gottes angenom-
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men hat. Denn das Religiöse, das »über« dem Ethischen sein will, ist das isolierte Religiöse, das Religiöse als Abteilung.] H 217,28 Der Mensch glaubt] Der Mensch [, der nicht Offenbarungsempfänger ist und als einer lebt, der es nicht ist,] glaubt H 217,32 schlechthin recht, wenn sie] schlechthin recht: er soll und kann das Gute nur tun, weil es das Gute ist. Sie hat schlechthin recht, wenn sie H, D2, D3 217,37 Ist er ein religiöser Mensch, so besteht] [Und hinsichtlich ihrer muss freilich unterschieden werden zwischen einem zwar nicht an einen solchen Gott Glaubenden, aber andererseits] ! Ist er ein religiöser Mensch, so besteht H 217,38 isolierten] hisolierteni H fehlt TS1.1 217,38 isolierten] hisolierteni H fehlt TS2.1 218,1 im strengen Sinn keine Verbindung] keine Verbindung im strengen Sinn D2, D3 218,3 irreligiösen] areligiösen H, TS1.1, TS1.2, TS2.1, TS2.2, D2, D3 218,6-7 , d. h. sein Leben […] isoliert] h, d. h. sein Leben […] isolierti H 218,8 irreligiöse] areligiöse D2, D3 218,9-10 Irreligiösen] Areligiösen D2, D3 218,11 In beiden Fällen] [Für den Menschen hingegen, der an einen gebietenden und fordernden Gott glaubt] ! In beiden Fällen H 218,14-15 Nehmen wir zunächst […] wichtig ist] [Auch hier ist eine Unterscheidung zu machen, obgleich die zwar für das, was uns noch zu beschäftigen hat, nicht von Bedeutung ist, aber gleichsam der Vollständigkeit halber hier ihren Platz finden möge.] ! [Hier muss zunächst eine Art angenommen werden, die hier nur am Rande gleichsam berücksichtigt werden mag] ! Nehmen wir zunächst […] wichtig ist H 218,21-22 unmittelbar] [eindeutig] ! unmittelbar H 218,22 dieser Mensch lebt] [für diesen Menschen gibt es zwar grundsätzlich das Problem von Autonomie und Heteronomie nicht] ! dieser Mensch lebt H 218,26 entbrennen] [aufstrahlen] ! entbrennen H 218,31-32 für Gott zu tun] [zu verhalten] ! für Gott zu tun H 218,33 mit seinem Tun und Lassen auszufüllen] hmit seinem Tun und Lasseni zu beantworten hat H 218,35-36 Tiefe am Einheitsquell der Person] Tiefe [, in der alle Kräfte der Seele versiegen?] ! am Einheitsquell der Person H 219,2 völlige] [äusserste] ! völlige H 219,18 ihres] eines D3 219,33 an ihnen] daran D2, D3
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Einzelkommentare
220,6 strahlende Gottesfeuer] [thronende Göttliche] ! strahlende Gottesfeuer H 220,8-9 hebt sich auch innerhalb der in der lebendigen Gewißheit] hebt sich [die Differenz von Heteronomie und Autonomie auf, wie im Leben des Einsamen auch] ! auch innerhalb der in [unerschütterlich] ! der lebendigen Gewissheit H 220,10 Gemeinschaft] Gemeinschaft [wie ausserhalb] H 220,12 seiner eigenen Lebenssubstanz einverleibt] sich einverleibt D2, D3 220,13 Obermacht] Primat H, D2, D3 220,28 und durchaus nicht] als solcher, nicht H 220,39 die Einheit] die [oberen Welten] ! Einheit H 221,3 erreicht hat] [zwar nicht bereits] erreicht hat H 221,11 geschätzten] allgemein geschätzten D2, D3 221,13-14 (»Bewährte« […] genannt)] fehlt H, D2, D3 221,19 von Korez, ein Mann] von Korez, [einer der grossen Weisen des Chassidismus, selbständig und unmittelbar sowohl in der Anschauung wie in der Sprache] ! ein Mann H 221,25 dem sonstigen Sprachgebrauch nach] hdem sonstigen Sprachgebrauch nachi H 221,30 von »Frömmlern«] von »Frömmlern« [, die Pietisten] H 221,31 nur um ihre Beziehung zu Gott] nur hum ihre Beziehung zui Gott H 222,2 unmittelbare Beziehung] hunmittelbarei Beziehung H 222,4 Wirklichkeit] nicht hervorgehoben H, D2, D3 222,5 Gottgedanken] nicht hervorgehoben H, D2, D3 222,5-6 in Wahrheit] hin Wahrheiti H 222,8-9 denn wir sind] denn [sein Urheber] ! wir sind H 222,11 dazu hat] überdies hat D3 222,15 Ungläubiger] Epikuräer H, TS1.1, TS1.2 222,29-30 führt den Menschen] leitet den Menschen D3 223,4-5 Liebe deinen Genossen] Sei liebend zu deinem Genossen D3 223,8 jenes Spruchs, der auch die bloße Güte] [jener Sprüche, die die Frömmelei] ! jenes Spruchs, der auch die bloße Güte H 223,11 Vor einem Enkel des »heiligen Jehudi«] Einem Enkel des »heiligen Juden« D3 223,12 brachte ein Händler] brachte [jemand] ! ein Händler H trug ein Händler D3 223,15 ernährst] [erhältst] ! ernährst H 223,17 Liebe deinen Genossen] Sei liebend zu deinem Genossen D3 223,21 Fremdling] Gastsassen H, D2, D3
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223,22-23 denn jede] [aber wichtig ist, dass im Chassidismus] ! denn jede H 223,28-29 fünften Generation] vierten Generation D2, D3 223,30-31 Liebe deinen Genossen] Sei liebend zu deinem Genossen D3 223,39-40 gelangt in seinem Gottesverhältnis zu Gott] erreicht in seinem Gottesverhältnis Gott D3 224,2 seine Welt liebt] [die Welt schafft] ! seine Welt liebt H 224,7 seine Liebe eng] seine Liebe [gleichsam einseitig und muss sich das ihr fehlende auch] ! eng H 224,11 Mittel] Heilmittel H, D2, D3 224,22 bedeutender] fehlt H, D2 224,22 Rabbi Schmelke] einer der größten aus der Schule des Maggids von Mesritsch, Rabbi Schmelke von Nikolsburg, H, D2, D3 224,23-24 Liebe deinen Genossen] Sei liebend zu deinem Genossen D3 224,28 ihm vergelten] [zurückschlagen] ! ihm vergelten H 224,33 Urquell] Ursein D3 224,36 auf Gott zu tun] berichtigt aus auf Gott tun nach H, D2, D3 224,38-39 ernstesten] [tiefsten] ! ernstesten H 224,39 Denker] Denker, Rabbi Josef von Olesk, auch er ein Schüler des Maggids von Mesritsch H, D2, D3 225,1 Glorie] [Herrlichkeit] ! Glorie H 225,5 Handlungen] [Pflichten] ! Handlungen H 225,26 (so lehrt die Kabbala)] fehlt H, D2, D3 225,27 , seiner »einwohnenden Herrlichkeit«,] fehlt H, D2, D3 225,32 einer Anzahl von] einer Auswahl von TS1.1, TS2.1 einigen TS1.2 etlichen D3 225,32-34 (Auswahl […] reicheren Material)] D2, D3 225,34 Einverleibung] Integration H, D2, D3 225,Anm 1 die Segnung des pflanzlichen Wachstums] der Segen D2, D3 226,4 jenem Gleichnis] [dem zuletzt berichteten Ausspruch] ! jenem Gleichnis H 226,6-7 »Das bist du«] tat twam asi H, D2, D3 226,7-8 Baalschem, den Begründer des Chassidismus,] Baalschem H Baal-Schem-Tow D2, D3 226,13-14 kräftig volkstümliches] [derbes] ! kräftig volkstümliches H 226,14 Gleichnis daneben] Gleichnis daneben, das aus der Schule des Rabbi Jechiel Michal von Zloczow stammt H, D2, D3 226,15 derber] fehlt D3 226,16 kleidet –, einer, daß] kleidet, Rabbi Meir von {Przemyslany H, D2 Primischlan D3} H, D2, D3 226,28 Baalschem] Baal-Schem-Tow D2, D3
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226,34-35 Was tue ich? […] anzublicken vermag.] berichtigt aus: ergänzt nach H, D2, D3 227,37 inneren Gebrechen] [Seelengebrechen] ! inneren Gebrechen H 227,3 wesentlicher] charakteristischer H, TS1.1, TS1.2, TS2.1, D2, D3 227,4 dieser Mensch] er D2, D3 227,9 wahre] [vollkommene] ! wahre H 227,17 Und dies ist das Werk] Dies aber ist Machweise D3 227,20 von seiner Lende] bis zu seinem Fuß, D2 227,20-21 von seiner Lende […] Blüte] bis zu seinem Schaft, bis zu seinem Blust D3 227,24 Ein Getriebe] ein einziges Getriebe D3 228,3 dalag] am Boden lag TS1.2, D2, D3 228,6 Rafael] Rafael von Berschad D2, D3 228,11 ›Schalen‹] ›Schalengewalten‹ H, TS1.1, TS2.1 228,18 Pinchas] Rafael TS1.2, D2, D3 228,21 Zuneigung] [Wohlwollen] ! Zuneigung H 228,24 Worauf es ankommt] davor kein Absatzwechsel D2, D3 228,26-27 jene allbekannte Geschichte] jenes allbekannte Gedicht TS1.1, TS2.1 228,28 Sasow] berichtigt aus Salow nach H, D2, D3 228,37 besprechen] sagen H, D2, D3 229,6 bis sein Haupt ans Wasser rührt] bis wenn er sein Haupt [ins Wasser taucht] ! ans Wasser rührt H bis wenn er sein Haupt ins Wasser führt TS1.1, TS2.1 229,10 ganz Israels] Israels D2, D3 229,11 gezogen] eingezogen D2, D3 229,21 Uebels] Bösen D2, D3 229,23 Jehudi] Jude D2, D3 229,24 beieinander stehen] [einander gegenüberstehen] ! beieinander stehen H 229,26 die kleinsten Zeichen des Alphabets] ja die kleinsten Lettern H 229,26 die kleinsten […] bloße] fehlt D3 229,26 des Alphabets] fehlt D2 229,31-32 verblassen die Wertunterschiede zwischen den Menschen] [schrumpfen die Unterschiede] ! verblassen die Wertunterschiede zwischen den Menschen [zu unerheblichen Artunterschieden zusammen] H 229,37 Gott meint mit] davor kein Absatzwechsel D2, D3 229,40-41 ein eigentümlicher Belang] [eine eigentümliche Wichtigkeit] ! ein eigentümlicher Belang H 230,1 Liebe] Weise H
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230,13 Böse wirkt] Böse in einer Stunde wirkt, da er betet und etwas zu Ehren Gottes tut D3 230,35 Gott verschwendet seine Liebe] Gott [enthält seine Liebe auch nicht dem Bösesten nicht, wie dürfte der Mensch mit] ! verschwendet seine Liebe H 230,37 waren die polnischen Rabbiner zusammengetreten] [wollten die polnischen Rabbiner eine Tagung einberufen] ! waren die polnischen Rabbiner zusammengetreten H 231,1 das Urteil der Scheidung zwischen] das [bereits beschlossene] Urteil der [strengen Fernhaltung von den Abtrünnigen in die Welt sandten] ! Scheidung zwischen H 230,Anm 2] fehlt D2, D3 231,8 »Gottesnarren«] »Gottesgaukler« TS2.2, D2, D3 231,11 »großen Maggids«] Maggids von Mesritsch H, D2, D3 231,14 zu erblicken] [wahrzunehmen] ! zu erblicken H 231,18 Widerfährt] [Begegnet] ! Wiederfährt H 231,23 dem Spruch] ergänzt Anmerkung Psalm 34,15; das hebräische Verb kann sowohl »tun« wie »machen« bedeuten. D3 231,23 und mache das Gute] weiche vom Bösen und mache das Gute TS2.2 231,25 , von ganz anderer Seite her,] h, von ganz anderer Seite her,i H 231,33 selbstzufriedenen] hselbstzufriedeneni H 231,37 was im Chassidismus] [was gegen diese Welt der Unterschiedlichkeit] ! was im Chassidismus [(und vielleicht nicht in ihm allein)] H 231,38-39 was Rabbi Rafael […] sprach] was Rabbi Rafael sprach, als er sich dem Tode nahe wähnte D2, D3 231,38 Rabbi Rafael] R. Pinchas von Korez H, TS1.1, TS2.1 R. Rafael von Berschad TS1.2, TS2.2 231,39 guten Werke] guten Taten (Mizwot) H, TS1.1, TS2.1 [guten Taten] ! [Erfüllung der Gebote] ! guten Werke TS1.2, TS2.2 232,3 Michal] Michal von Zloczow D2, D3 232,5 Gottesdienst] Dienst Gottes D2, D3 232,5-6 Das ist ein Gottesdienst […] Gebet] Mehr als alles Gebet ist dies ein Dienst Gottes D3 232,6 Einverleibung] Integration H, D2, D3 232,9 Glaubensbewegungen] [Bewegungen von Geist und Leben] ! Glaubensbewegungen H 232,16 menschlichen] [lebendigen] ! menschlichen H 232,17 göttlichen] [ewigen] ! göttlichen H 232,19 vorbildlich] exemplarisch H, D2, D3
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232,22 kennen lerne] ergänzt Absatzwechsel Viele von den »Freien« könnten vom Chassidismus lernen, dass es Heiligkeit gibt, Viele von den »Frommen« könnten von ihm lernen, was sie ist. H, TS1.1, TS1.2, TS2.1 Wort- und Sacherklärungen: 221,4-5 Man soll, sagt Kierkegaard, nur mit Gott wesentlich verkehren] Vgl. Sören Kierkegaard, Der Gesichtspunkt für meine Wirksamkeit als Schriftsteller. Eine direkte Mitteilung, Rapport an die Geschichte: »jeder soll nur mit Vorsicht sich mit den ›anderen‹ einlassen und wesentlich nur mit Gott und mit sich selbst reden«, in: Gesammelte Werke, Bd. 10, Jena 1922, S. 80. 221,19 Rabbi Pinchas von Korez] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 66,25. 221,21-23 »Fromm sein«, […] habe ich Gutsein.«] Vgl. »Die führende Eigenschaft«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 235 (jetzt in: MBW 18.1, Nr [208]). 221,34 Schule von Karlin] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 204,38. 221,35-36 »Klugheit ohne Herz ist gar nichts. Fromm ist falsch.«] Zitat nicht nachgewiesen. 222,9 in der sechsten Generation] Die sechste Generation der Zaddikim. Man rechnet den Baal Schem Tov als erste, den Großen Maggid und dessen Gefährten als zweite, dessen Schüler als dritte Generation etc. 222,9 Aufklärungsbewegung] Die jüdische Aufklärung (Haskala). 222,11-12 Rabbi Bunam] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 93,22. 222,13-16 »Wenn jemand […] Vollständigkeit zu dienen.«] Vgl. »Gaben«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 747 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [1065]). 222,41-223,7 »Wenn ein Jude […] wisse, er lügt.«] Jitzchak Zinger (Hrsg.), Seva Ratzon, Podgórze 1900, fol. 8a (S. 15). 223,4-5 ›Liebe deinen Genossen dir gleich.‹] Lev 19,18b. Das Gebetbuch des Isaak Luria kawanat ha-ari hat als Brauch, vor dem Gebet diesen Vers zu sprechen (vgl. ebd.). 223,11-20 Vor einen Enkel des »heiligen Jehudi« […] du den Herrn finden.«] Der »Heilige Jude« war der Beiname des Jakob Jizchak Rabinowicz, vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 81,10-14. Bei Buber wird die Episode in »Wo Gott zu finden ist«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 729 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [1033]), dem Meʾ ir Schalom Rabinowicz von Kałuszyn (gest. 1903), dem Sohn des Jehoschuʿ a Ascher Rabinowicz von Parysów, zugeschrieben. Der Sohn des Jehudi, Jehoschuʾ a Ascher von Złoczów (1801-1862), hatte einen Sohn,
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Jakob Zvi (starb 1889), der in Parysów amtierte. Meʾ ir Schalom dürfte ein Ur-urenkel des Jehudi gewesen sein. 223,28 eines Schülers des Lubliner »Sehers«] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 81,1-2. 223,31-38 ›Liebe deinen Genossen […] den Herrn.«] Jaakob Ahron ben Mosche Janovski, Bet Jaʿ aqov, Piotrków 1899, S. 192. 224,10-17 Einer kam zu einem Zaddik […] Gott zu lieben.«] In Die Erzählungen der Chassidim S. 617 f. wird diese Episode unter dem Titel »Das Mittel« (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [827]) dem Abraham von Stretyn (Stratin, ca. 1805-1865) zugeschrieben. Abraham folgte seinem Vater, Jehuda Zvi Brandwein (ca. 1780-1844), dem Begründer der Dynastie von Stretyn, als Zaddik nach. Jehuda Zvi war ein Schüler des Uri von Strelisk. 224,22 Rabbi Schmelke] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 66,4. 224,22-33 Ein bedeutender Zaddik […] in den ›Schalen‹ verfangen hat.«] Vgl. »Das Gebot der Liebe«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 313 (jetzt in: MBW 18.1, Nr.[334]). 224,32 heiligen Funken sich in den ›Schalen‹ verfangen] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 56,20. 224,38-225,2 »Solange«, schreibt einer der ernstesten chassidischen Denker […] mitsammen sie sehen.«] Zitat nicht nachgewiesen. 225,6 der »Seher« von Lublin] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 223,28. 225,6-11 als er einem armen Wanderer […] Dienst des Hohepriesters!«] Diese oft tradierte Erzählung bei Buber als »Der Dienst«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 479 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [612]). 225,14 Rabbi Mordechais von Neschiz] Mordechai von Nesukhoyshe (1742-1800), war ein Schüler des Jechiʿ el Michel Aschkenasi von Złoczów; vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 87,15. 225,15-24 Er hatte in seiner Jugend […] über das gekaufte Pferd.«] Vgl. »Was macht es aus?«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 275 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [280]). 225,26-27 Schechina] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 55,32. 226,4-5 in jenem Gleichnis […] selber schlägt] Vgl. »Das Gebot der Liebe«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 313 (jetzt in: MBW 18.1, Nr.[334]). 226,6-7 dem indischen »Das bist du«] Chandogya Upanishad 6.8.7. Vgl. Robert Ernest Hume, The Thirteen Principal Upanishads, translated from the Sanskrit, Oxford University Press 1921, S. 246. 226,9-13 »Denn jedermann […] die ganze weg.«] Zitat nicht nachgewiesen.
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226,14-21 Wieder beklagt sich bei einem Zaddik […] stehst dir im Wege!«] Der Zaddik ist Rabbi Meïr von Primischlan (1780-1850), dessen Anekdoten Buber nicht in Die Erzählungen der Chassidim aufnahm. Die Anekdote findet sich als »Das Spiegelbild« in: Das verborgene Licht, Frankfurt a. M.: Rütten und Loening 1924, S. 101 (jetzt in: MBW 18.1, S. 79). 226,29-32 »Es liegt dir ob […] an ihm siehst.«] Zitat nicht nachgewiesen. 226,33-36 »Wie kann ich das Liebesgebot […] Gefährten tun.«] Zitat nicht nachgewiesen. 227,17-21 »Und dies ist das Werk des Leuchters« […] »ein Goldgetriebe von seiner Lende bis zu seiner Blüte«] Ex 25,31. 227,19 der Kosnitzer Maggid] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 81,2-3. 227,21-25 »Der Zaddik soll […] Gottesteil von oben«.] Zitat nicht nachgewiesen. 227,35-38 Vom Baalschem wird berichtet […] zurückgebracht.] Buber, »Mehr lieben«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 233 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [206]) zitiert diese Anekdote indirekt als Tradition der Schüler des Pinchas von Korez über den Baal Schem Tov. 227,39-228,1 »Wenn dich einer […] soll man hassen.«] Vgl. Israel Friedman von Rižin, Peʾ er li-Jescharim, Jerusalem 1921, fol 5b-6a. 228,1-2 Rabbi Pinchas’ echtester Schüler] Raphael von Bershad. 228,2-5 der Tod sei […] keine andere Lösung sah als den Tod] Vgl. »Das Zeugnis«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 242 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [225]). 228,6-11 »Wenn einer sieht […] ›Schalen‹ hinab«] Vgl. »Mehr lieben«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 233 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [206]). Dort ist die Episode den Schülern des Pinchas’ kollektiv zugeschrieben. In der Originalfassung (Midrasch Pinchas) bleibt der Autor der Sentenz unklar. 228,18-22»Auf der Reise im Sommer […] uns weit sein‹.«] Vgl. Buber, ebd.; die Quelle ist Pinchas Schapiro von Korzec, Midrasch Pinchas, Bl. 27a. 228,27-28 Rabbi Mosche Leib von Sasow] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 81,10-14. 228,28-37 Er soll selber erzählt haben […] mehr zu besprechen.] Die in sehr vielen Fassungen überlieferte Erzählung ist unter dem Titel »Wie der Sasower die Liebe lernte«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 533 aufgenommen (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [696]). 229,2-3 »Wie im Wasser Antlitz an Antlitz, so das Herz des Menschen zum Menschen«] Spr 27,19.
Gottesliebe und Nächstenliebe im Chassidismus
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229,3-11 sich zum Gefährten hin […] sei Liebe zu einander gezogen] Vgl. »Im Wasser«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 764 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [1107]). Mose, der »Demütige«, der sich bis zur »Fläche des Bodens« niederbeugt, ist eine Anspielung auf Num 12,3. Die Deutung basiert auf einem hebr. Wortspiel: Gesicht (hebr. panim) ist etymologisch mit »Fläche des Bodens« (hebr.: pene ha-adama) verwandt. 229,12 Zaddik der dritten Generation] Kalonymos Kalman Epstein (1751-1823), Schüler des Elimelech von Lisensk. 229,13-21 Jeder Mensch […] Gewalt des Uebels.] Kalonymus Kalman Epstein, Maʾ or we-Schemesch, o. O. 1842. Tezawé fol. 347a. 229,16-17 ›Als Mose seine Hand erhob‹] Ex 17,11. 229,22-23 Der »heilige Jehudi«] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 81,10-14. 229,23-30 und seine Freunde liebten es […] zugetan sind, ist Gott.] Vgl. »Der Name Gottes«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 661 f. (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [914]). 229,25 zweier »Jud«-Buchstaben] Jud ( )יist der zehnte Buchstabe des hebräischen Alphabets und der erste des Tetragrammatons. Da der Heilige Name Gottes nicht ausgesprochen (und daher auch möglichst nicht geschrieben) wird, hat man ihn verschiedentlich abgekürzt, u. a. mit ( ’הh) oder eben auch mit יי. Setzt man zwei Punkte übereinander (:), so ergibt dies entweder einen Vokal oder markiert – wie in diesem Fall – das Ende eines Verses. 229,34-35 »In jedermann« […] in keinem anderen gibt.«] Vgl. Buber, Or ha-ganuz, Jerusalem: Schocken Verlag 1946, S. 133 (jetzt in: MBW 18.1, S. 729). 230,5-13 Rabbi Pinchas vergleicht dies […] was der Böse wirkt.«] Vgl. »Die Landhäuser«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 230 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [198]). 230,15 »Verachte keinen Menschen«] mAv IV,3 (BT, Bd. IX, S. 675) 230,15-16 der Kosnitzer Maggid] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 81,2-3. 230,18-19 »es gibt keinen Menschen, der nicht seine Stunde hätte«.] mAv IV,3. 230,19-21 »Auch der Böse […] hat Er ihn erschaffen«.] Israel Hofsztajn von Kozienice, Avodat Jisraʿ el, Warschau 1878, Bl. 80 a-b. 230,26 Sasower Rabbi] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 81,10-14. 230,26-31 wird erzählt, um Mitternacht […] in seiner Welt vertragen.«] Vgl. »Die Störung«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 533 (jetzt in: MBW 18.1, Nr [694]).
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Einzelkommentare
230,37-231,5 Einmal waren die polnischen Rabbiner […] wurde nicht fortgesetzt.] Vgl. »Die Abtrünningen«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 533 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [278]). 231,1 ›Jochabwerfern‹] »Jochabwerfer«: Wer mittels der Rezitation des Schʾ ma Jisraʿ el die Einzigkeit Gottes proklamiert, nimmt damit das »Joch des Königtum Gottes« und das »Joch der Gebote« auf sich, weil dies die angemessene Reaktion auf die Gottheit Gottes darstellt. Folgerichtig trägt der erste Abschnitt des Schʾ ma (Dtn 6,4-9) traditionell den Namen »Empfang des Joches des himmlischen Königtums« und der zweite (Dtn 11,13-21) die Bezeichnung »Empfang des Joches der Gebote«. »Jochabwerfer« sind demzufolge Menschen, die sich den Geboten entziehen. 231,2-3 Rabbi Wolf von Zbarez] Vgl. Wort- und Sacherläuzrtungen zu 87,12-13. 231,6-7 »Der vollkommene Zaddik« […] an keinem etwas Böses«.] Vgl. Menachem Nachum Friedman, Massekhet Avot im perusch man, Wien 1920, S. 339. 231,7 Rabbi Susja] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 64,6-11. 231,7-14 So wird von Rabbi Susja […] das Gute an allen zu erblicken.] Die Legende läuft in vielen Fassungen um, bei Buber, »Nur das Gute«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 375 f. (jetzt in: MBW 18.1, Nr [434]). 231,14-16 Nach einer anderen Erzählung […] sich selber vorhielt.] Vgl. »Sussja und der Sündige«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 381 f. (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [443]). 231,18-24 »Widerfährt es einem […] aus dem Bösen das Gute.«] Vgl. Keter Shem Tov ha-shalem, (2004), § 82, S. 52. 231,23 ›und mache das Gute‹] Ps 34,15. 231,24-27 Jüdische Glaubensweisheit […] in Einklang] Buber hat sich verschiedentlich mit chinesischer Philosophie beschäftigt. Vgl. »Gegensätze und Unendlichkeit«, in: Reden und Gleichnisse des TschuangTse, S. 6-9 (jetzt in: MBW 2.3, S. 54-56). 231,38 Rabbi Rafael] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 69,24. 231,38-40 was Rabbi Rafael im letzten Sommer […] irgendeinem Juden mehr sei.«] Vgl. »Mehr lieben«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 233 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [206]). 232,2-3 Rabbi Jechiel Michal] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 87,15. 232,3-6 Er befahl […] größer als alles Gebet«.] Vgl. »Feindesliebe«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 267 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [266]).
Der Weg des Menschen nach der chassidischen Lehre
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Der Weg des Menschen nach der chassidischen Lehre Wie sein Vorgänger (vgl. »Gottes- und Nächstenliebe im Chassidismus«, in diesem Band, S. 217-232), so erschien auch der Essay »Der Weg des Menschen nach der chassidischen Lehre« zunächst in der Zeitschrift Neue Wege der Religiösen Sozialisten (Jahrgang XLII, Juli/August 1948), zugleich aber in der kleinen Druckreihe Pulvis Viarum des bedeutenden Typographen Henri Friedländer (1904-1996). Der Essay geht auf eine Reihe von sechs Vorträgen zurück, die Martin Buber in den vierziger Jahren bei den Woodbrookers, einer holländischen ökumenischen Vereinigung in Bentveld gehalten hat. Buber scheint das Konzept auch in anderen Vorträgen jener Zeit verwendet zu haben. Darauf deutet die Äußerung seines Freundes Hans Trüb (1889-1949): [Im »Weg des Menschen«] »erkannte ich sofort das von Dir in Pura und Zürich Vorgelesene.« (B III, S. 183). Jeder dieser Vorträge wurde von einer chassidischen Erzählung eröffnet, die Buber anschließend interpretierte. Auch in diesem Fall wandte sich Buber an eine christliche Hörer- und Leserschaft, wie es für sein Schaffen nach dem Zweiten Weltkrieg und der Schoa typisch werden sollte. Buber hat den Aufsatz nicht in sein großes Sammelwerk Die chassidische Botschaft integriert, was womöglich mit dem meditativen (und geradezu persönlichen) Charakter des Werks zu tun haben könnte. So nimmt es nicht wunder, dass ausgerechnet ein Schriftsteller wie Hermann Hesse (1877-1962) den »Weg des Menschen« in einem Brief vom 18. Oktober 1948 zu seinem Lieblingsstück erklärte: »Wohl das Schönste, was ich von Ihnen gelesen habe, ist ›Der Weg des Menschen‹. Für dieses edle und unausschöpfliche Geschenk danke ich Ihnen von Herzen. Ich werde es noch oft zu mir sprechen lassen.« (B III, S. 184.) Ähnlich enthusiastisch äußerte sich der Ökonom und Philosoph Kurt Singer (1886-1962), der zu Bubers ältesten Freunden zählte: »dies ist nur ein wort bewundernden dankes für Ihren Weg des Menschen nach der chassidischen Lehre der mir in Ihrem auftrag vom verlag gesandt ist. wie schlicht und groß und treu Sie alle fäden zum knoten zusammenziehen: es ist nun genau die form der erzählung und deutung die ich vor jahren erhoffte, erbat .. es war aber wohl ein ganzes leben dazu nötig so wie der diamant nur unter ungeheuerstem druck so einfach, so strahlend auskristallisiert.« (Ebd., S. 186-187.) Kurz, unter Bubers Äußerungen zum Chassidismus gehört dieser Essay (gemeinsam mit den autobiographischen Texten wie etwa »Mein Weg zum Chassidismus« oder »Der Chassidismus und der abendländische Mensch«) zu den intimeren Stücken des Autors und ragt als solches heraus.
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Einzelkommentare
Textzeugen: D1: Den Haag: Pulvis Viarum 1948, 45 S. (MBB 790). D2: Neue Wege, XLII, 7/8 1948, S. 315-331 (MBB 790). D3: Den Haag: Pulvis Viarum 1950 [Zweite Auflage], 45 S. (in MBB nicht verzeichnet). 4 D : Den Haag: Pulvis Viarum 1953 [Dritte Auflage], 45 S. (in MBB nicht verzeichnet). D5: Werke III (MBB 1219). Druckvorlage: D1 Übersetzungen: Hebräisch: Darko schel adam. Me-olam ha-chassidut, in: Ha-galgal, 3 (1945), S. 13-18, (MBB 728) [basierend auf Rundfunksendungen vom 20.10-17.11. 1945]; Darko schel adam, in: Sefer ha-jovel li-khvod Mordechai Menachem Kaplan li-mleat lo schivʿ im schana, [Festschrift Mordechai Menachem Kaplan zum 70. Geburtstag,] chelek ivri, New York: Bet ha-midrasch la-rabbanim be-Amerika 1953, S. 17-28 (MBB 940); Darko schel adam al-pi torat ha-chassidut, Jerusalem: Mossad Bialik, 1957, 47 S. (MBB 1071). Englisch: The Way of Man. According to the Teaching of Hasidism, London: Routledge, and K. Paul 1950, 46 S. (MBB 859); The Way of Man. According to the Teachings of Hasidism, in: Martin Buber, Hasidism and Modern Man, edited and translated by Maurice Friedman, New York: Horizon Press 1958; The Way of Man. According to the Teaching of Hasidism, Foreword by Maurice Friedman, Wallingford PA: Pendle Hill 1959, 32 S., (MBB 1123); The Way of Man according to the Teachings of Hasidism, in: Religion from Tolstoy to Camus, selected and introduced by Walter Kaufmann, New York: Harper 1961, S. 425-441, (MBB 1178); The Way of Man. According to the Teaching of Hasidism, New York: Citadel Press 1966, 41 S. (MBB 1286). Niederländisch: De Weg van de mens volgens de chassidische leer, übers. aus dem Deutschen von Louise Moor; The Hague: L. J. C. Boucher, 1951, 55 S. (MBB 860); De Weg van de mens volgens de chassidische leer, in: Martin Buber, De Chassidische bodschap, übers aus dem Deutschen von R. Boeke und C. Verhulst, Wassenaar: Servire, 1968. Jiddisch: Der weg fun mentsch, in: Di goldene Keyt, 7. Jg (Tel Aviv 1951), S. 49-64, (MBB 880). Norwegisch: Menneskes vei efter den chassidiske laere, übers. von Johan B. Hygen, Oslo: H. Aschehoug 1963, 55 S., (MBB 1216).
Der Weg des Menschen nach der chassidischen Lehre
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Schwedisch: Människans väg enligt dn chassidiska läran, übers. aus dem Deutschen von Monica Engström, Stockholm: Bonniers 1964, 92 S. (MBB 1251). Variantenapparat: 233,Anm 1] fehlt D2, D5 233,Anm 2] fehlt D2, D5 233,Anm 3] fehlt D2, D5 233,Anm 4] fehlt D2, D5 234,7 Statt nun aber] davor Absatzwechsel D5 234,36 Dasein] Leben D2 235,7 heraus zu gelangen] hinauszugelangen D2 235,20 Die entscheidende] davor Absatzwechsel D2 235,25 Wenn der Gerer Rabbi] davor Absatzwechsel D2 235,Anm 6] fehlt D2, D5 236,4 durch den dämonischen Hochmut] kraft des dämonischen Hochmuts D5 236,17 beispielhaft] vorbildlich D2 236,Anm 7] fehlt D5 236,32 Mit jedem Menschen] davor Absatzwechsel D5 237,22 etliche] fehlt D2 237,32-33 kann ihm nur […] offenbar werden] das vermag ihm nur […] offenbar zu werden D2 237,Anm 8] fehlt D5 237,37 benehmen] verhalten D5 238,28 In der Erzählung vom ›Seher‹] In unserer Erzählung D2 239,9-10 um das an ihr zu vollziehen […]: sie zu heiligen] damit vollzogen werde […]: damit sie geheiligt werde D5 239,12 Lubliner Rabbis] »Sehers von Lublin« D5 241,Anm 9] fehlt D2 242,6 einmal] einst D5 242,18 Baalschem] Baalschemtow D2 heiligen Baalschemtow D5 243,4-5 der Erfassung der Ganzheit hinderlich ist] die Erfassung der Ganzheit behindert D2 243,11 sind] seien D5 244,24 Erkenntnis] hervorgehoben D5 244,25 Willen] hervorgehoben D5 245,Anm 10] fehlt D2, D5 245,26 sich Vorwürfe machen] sich in Gegenwart seines Schwähers Vorwürfe machen D2 246,11 peinigt] quält D2
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Einzelkommentare
246,25-26 Aber die Lehre] davor Absatzwechsel D2 246,31 das Christentum] das Christentum immer wieder D5 247,17 am Versöhnungstag] am Versöhnungstag Jizchak Meïr D2 248,15 Und er lachte] davor kein Absatzwechsel D2 249,2 empfinde] erfahre D5 249,33 im Innersten] zuinnerst D5 250,1 weil zwar nur […] Dasein,] fehlt D5 250,8 beide Welten eine sind und eine] beide Welten in Wahrheit eine sind und in aller Wirklichkeit eine D5 250,25-26 so glauben wir] meint er D2 Wort- und Sacherklärungen: 233,3 Rabbi Schnëur Salman, der Raw von Reussen] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 71,13-14. Reussen ist eine alte Bezeichnung für Weißrussland. 233,3-21 Als Rabbi Schneur […] Herz flatterte.] Vgl. »Wo bist du?«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 416 f. (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [507]). Schnëur Salman war tatsächlich zwei Mal (1798 und 1800/1801) für einige Zeit in St. Petersburg inhaftiert. 233,12 ›Wo bist du?‹] Gen 3,9. 234,37-38 »vor dem Angesicht Gottes«] Gen 3,8. 235,19 »Ich habe mich versteckt«] Gen 3,10. 235,25 der Gerer Rabbi] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 96,18. 235,25-34 an die Worte kam, die Jakob […] über den Menschen zu bringen.«] Vgl. »Die drei Fragen«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 828 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [1252]). 235,26-27 mein Bruder Esau] Esau bzw. Edom firmiert in Texten der jüdischen Tradition häufig als Chiffre für Rom und später für das Christentum. 235,29-31 ›Betrachte […] verantworten hast.‹] mAv III,1 (BT, Bd. IX, S. 670). 236,7 Rabbi Baer von Radoschitz] Issachar Ber von Radoszyce (1765 oder 1775-1843) war ein Schüler des Jaakob Jizchak Horowitz, des Sehers von Lublin, soll aber auch Elimelech Weissblum von Lisensk und Mosche Leib Erblich von Sasów als seine Lehrer anerkannt haben. 236,7-13 bat einst seinen Lehrer […] mit ganzer Kraft erwählen.«] Vgl. »Der Weg«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 473 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [600]). 236,23 Zloczower Maggid] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 87,15.
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236,23-32 »Es heisst: ›Jeder in Israel […] sondern das zu Tuende.«] Vgl. »Den Vätern nachtun«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 255 f. (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [243]). 236,23-25 ›Jeder in Israel […] Jakob, reichen?‹] Tanná de-Be Elijahu (Rabba) XXV,2. Vgl. Tanna debe Eliyyahu. The Lore of the School of Elijah, übs. von William G. Braude u. Israel J. Kapstein, Philadelphia 1981, S. 316. 236,33-237,4 »Pflicht ist es jedermanns […] das Kommen des Messias verzögert.«] In der hebräischen Übersetzung Darko schel adam al-pi torat ha-chassidut, Jerusalem: Mossad Bialik, 1957, S. 15 f. nicht als Zitat gekennzeichnet. 237,7 Der weise Rabbi Bunam] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 93,22. 237,8-10 »Ich möchte nicht […] der blinde Bunam wie Abraham?«] Der häufig kolportierte Spruch findet man als »Nicht tauschen« in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 754 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [1084]). 237,11 Rabbi Susja] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 64,6-11. 237,12-14 »In der kommenden Welt […] nicht Susja gewesen?‹«] Als »Die Frage der Fragen« aufgenommen in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 394 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [470]). 237,22-26 Als etliche Schüler […] ihm dienen kann!«] Vgl. »Auf viele Weisen« in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 474 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [601]). 237,36-238,1 »Jedermann soll sich seiner Stufe […] nicht verwirklicht werden.«] Vgl. Keter Shem Tov ha-shalem, (2004), § 4, S. 8. 238,4 »In jedermann ist etwas Kostbares, das in keinem andern ist.«] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 229,33-34. 238,9 des »Bösen Triebs«] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 60,14. 238,16 Ein Zaddik lehrt] Mosche von Kobryn, vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 209,9. 238,16-21 »Es heisst […] Alles ist Gebot.«] Vgl. »Am Ende der Sache«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 632 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [861]). 238,16-18 ›Am Ende […] fürchte Gott!‹] Pred 12,13. 238,28-30 In der Erzählung vom ›Seher‹ […] angeführt wird.] Vgl. »Flickarbeit«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 477 f. (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [609]). 239,3-4 Den Satz der Schrift […] und sie assen«] Gen 18,8. 239,4-10 deutete Rabbi Susja dahin, der Mensch […] sie zu heiligen.] Vgl. »›Über ihnen‹«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 390 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [461]).
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239,6 Intention] hebr. Kawwana (»Ausrichtung«). Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 60,17. 239,12-23 Ein Chassid des Lubliner Rabbis […] an der Schwelle zu.] Vgl. »Flickarbeit«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 477 f. (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [609]). 240,41 Einung] Hebr.: Jichud, vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 109,8. 241,22 des Lichterfestes] Während des achttägigen Lichterfestes (hebr. Chanukka) wird jährlich der Wiedereinweihung des Zweiten Tempels gedacht. 241,22-23 Rabbi Nachum, ein Sohn des Riziner Rabbis] Menachem Nachum Friedman von Ștefănești (1827-1869). 241,23-31 unerwartet ins Lehrhaus […] wohin man will.«] Vgl. »Das Damspiel«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 518 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [675]). 241,36-242,4 Den Schriftvers […] Werk aus Einem Guss.] Vgl. Keter Shem Tov ha-shalem (2004), S. 26 f. 241,36-37 ›Alles, was deine Hand zu tun findet, tue in deiner Kraft!‹] Pred 9,10. 242,6-22 Einige Grosse in Israel […] an mir selber hangt.«] Vgl. »Selber«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 803 f. (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [1206]). 242,6 Rabbi Jizchak von Worki] Jitzchak von Warka (1779-1848), ein Schüler des »Heiligen Juden« und des Ssimcha Bunem von Pžysha. 242,14 David von Lelow] David Biderman von Lelow (1746-1813) war ein Schüler des Elimelech von Lisensk und des »Seher« von Lublin. Jitzchak von Worki zählte zu seinen Schülern und Bewunderern. 244,3-8 Rabbi Bunam lehrte […] ganzen Welt zu suchen.«] Vgl. »Weltfrieden und Seelenfrieden«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 766 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [1110]). 244,3-4 »Unsere Weisen sagen: ›Suche den Frieden an deinem Ort.‹] jPea I,1,15d, 44-46. 244,5-6 ›Es ist kein Friede in meinem Gebein meiner Sünde wegen‹] Ps 38,4b. Eigentlich ist das im Psalm verwendete Wort »Schalom« im Kontext des Verses eher mit »Fülle«, »Komplettsein« zu übersetzen. 244,33 Rabbi Henoch] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 211,30. 244,33-245,2 »Es gab einmal einen Toren […] sagte der Rabbi.] Vgl. »Das vergebliche Suchen«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 837 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [1270]). 244,33-34 Golem] Der Begriff hat mehrere Facetten. Ursprünglich bezeichnete er die noch ungeformte Materie, davon abgeleitet alles
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noch Unfertige (Ps 139,16). Davon abgeleitet wird die (besonders in der »volkstümlichen Kabbala« populäre) Vorstellung eines durch Magie erzeugten »Kunst«menschen (bereits im Talmud: bSan 65b; BT, Bd. VIII, S. 724) sowie die Verwendung des Begriffs für geistig minder bemittelte Menschen. 245,4-10 Als Rabbi Chajim von Zans […] habt die Welt im Sinn!«] Vgl. »Der Rat«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 699 f. (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [977]). 245,4 Chajim von Zans] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 68,20 245,4 seinen Sohn und die Tochter des Rabbi Elieser] Eliʾ eser Horowitz von Tarnobrzeg-Dzików (1790-1861/1863) war der Sohn des Naftali von Ropczyce und der Begründer der chassidischen Dynastie von Ropszyce-Dzików. Die fragliche Tochter hieß Beila; der Sohn des Chajim Halberstam war Meʾ ir Nathan (1827-1855). Beila und Meʾ ir waren die Eltern des Schlomo Halberstam (1847-1905), des Begründers der Dynastie von Bobowa. 246,12-13 Gerer Rabbi] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 96,18. 246,14-25 »Wer ein Uebel […] ihm entgegen«] Zitat nicht nachgewiesen. 246,23 ›Weiche vom Bösen und tue das Gute‹] Ps 34,15. 247,3-10 Es steht geschrieben […] Korah erlöst.«] Vgl. »Mose und Korah«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 762 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [1103]). 247,4 ›Und es nahm Korah‹] Num 16,1a. 247,16-17 Rabbi von Ger] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 96,18. 247,22 Rabbi Mendel von Kozk] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 68,1. 247,23-25 »Was verlange ich […] nicht meinen.«] Vgl. »Die Grundsätze«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 740 f. (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [1179]). 247,33-248,21 Den Jünglingen […] finden kannst.«] Vgl. »Der Schatz«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 740 f. (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [1050]). 247,34 Rabbi Eisik Sohn Rabbi Jekels] Es könnte R. Jitzchak (Eisik) ben Jakob (Jekel) von Kraków gemeint sein. 248,22 uralte Geschichte] Die Legende ist alt. Eine frühe und einflussreiche Variante stellt die Kappadokia-Erzählung dar, wie sie bereits in der rabbinischen Literatur in vielfacher Form umläuft (vgl. jMSh IV,9, 55b; bBer 56b [= BT, Bd. I, S. 248]; BerR LXVIII,12). 249,18-19 Der Baalschem lehrt […] Bedeutung enträt.] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 247,33-248,21.
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250,5-9 »Auch die Völker […] werden sollen.«] Vgl. »Zwei Welten«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 841 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [1280]). 250,16 Pinchas von Korez] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 66,25. 250,16-19 Man sprach einmal […] wird gestillt sein.«] Vgl. »Das Eine«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 228 f. (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [192]), S. 276. 250,31-34 Rabbi Mendel von Kozk […] ihn einlässt.«] Vgl. »Gottes Wohnung«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 784 f. (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [1155]). Die chassidische Botschaft 1945 erschien die hebräische Ausgabe von Die chassidische Botschaft unter dem Titel Be-fardes ha-chassidut. Ijunim be-machschavta va-havajata (etwa: »Im Garten des Chassidismus. Forschungen in seiner Gedankenwelt und seiner Seinsweise«). 1948 erschien die englische Ausgabe Hasidism, 1952 schließlich die deutsche. Buber zog damit so etwas wie ein Resümee seiner Arbeit zur chassidischen Lehre. Zu diesem Zwecke stellte er jene Essays und Einleitungen zusammen, die sich mit der religionshistorischen und -systematischen Verortung jener Strömung und ihres theologischen Ertrags befassten (vgl. das Inhaltsverzeichnis, in diesem Band, S. 252). Buber stellte sein Werk in der deutschen Ausgabe unter den programmatischen Titel »Die chassidische Botschaft« und bekräftigte damit eine Auffassung, die ihn von Anfang an zu seiner intensiven Befassung mit dem Chassidismus motiviert hatte: »Mit zwei anderen meiner Bücher, ›Die Erzählungen der Chassidim‹ […] und ›Gog und Magog. Eine Chronik‹ […], bildet dies eine Lebens- und Werkeinheit. Unter den dreien ist es dasjenige, in dem ich die Botschaft an die Menschenwelt, die der Chassidismus nicht sein wollte, aber war und ist, unmittelbar als Botschaft ausspreche. Ich spreche sie als solche gegen seinen Willen aus, weil die Welt ihrer heute sehr bedarf.« (Buber, Die chassidische Botschaft, S. 9; in diesem Band, S. 253.) In drei unterschiedlichen Genres, der »legendären Anekdote« (wie Buber sie benennt, vgl. in diesem Band, S. 306), dem Roman (Gog und Magog) und eben den religionswissenschaftlichen Essays hatte er sich im Laufe seines Schaffens dem Chassidismus genähert. Das wesentlich Neue, das Buber in seinem Spätwerk herausarbeiten wollte, bestand in der Universalisierung der chassidischen »Botschaft«, die – so war dem
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Kenner jener Überlieferung deutlich bewusst – den osteuropäischen Quellen natürlich nicht inhärent war. Buber blieb sich darin treu, dass er seine Auseinandersetzung mit der jüdischen Tradition nie um ihrer selbst willen betrieb. Vielmehr war er stets darum bemüht, den Stimmen der Vergangenheit eine relevante Aussage für die Menschheit und die Gegenwart abzuringen. Buber hat die einzelnen Aufsätze in Die chassidische Botschaft derart angeordnet: Erster Abschnitt: Spinoza, Sabbatai Zwi und der Baalschem: Erstdruck unter dem Titel »Geleitwort zur Gesamtausgabe« in: Die chassidischen Bücher, Hellerau: Jakob Hegner 1928, S. XI-XXXI (in diesem Band, S. 129-143). Zweiter Abschnitt: Die Anfänge Erstdruck in Die Chassidische Botschaft (in diesem Band, S. 254-274). Dritter Abschnitt: Der Grundstein Erstdruck in Die Chassidische Botschaft (in diesem Band, S. 275-292). Vierter Abschnitt: Geist und Leib der Bewegung Erstdruck: Die Abschnitte »Geist« und »Leib« in: »Geleitwort« Der große Maggid und seine Nachfolge, Frankfurt a. M.: Rütten und Loening 1922, S. XIII-LII (in diesem Band, S. 53-73). Fünfter Abschnitt: Sinnbildliche und sakramentale Existenz in: Deutung des Chassidismus – Drei Versuche, Berlin: Schocken Verlag 1935, S. 65-93 (in diesem Band, S. 160-177). Sechster Abschnitt: Gott und die Seele Erstdruck in Die chassidische Botschaft (in diesem Band, S. 294-303) Siebenter Abschnitt: Gottesliebe und Nächstenliebe Erstdruck unter dem Titel »Gottesliebe und Nächstenliebe im Chassidismus« in: Neue Wege, XLI, 7/8, Juli/August 1947, S. 330-345 (in diesem Band, S. 217-232). Achter Abschnitt: Der Ort des Chassidismus in der Religionsgeschichte Erstdruck in: Theologische Zeitschrift, II/6, November/Dezember 1946 (in diesem Band, S. 204-216). Im Gefüge des Werks übernimmt der erste Abschnitt »Spinoza, Sabbatai Zwi und der Baalschem« die Funktion einer programmatischen Einlei-
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tung: Ebendiese Aufgabe kam ihm auch in seinem ursprünglichen Kontext zu, der Einleitung in den Sammelband Die chassidischen Bücher (1924, vgl. in diesem Band, S. 129-143). Buber interpretiert, in Übereinstimmung mit der älteren Forschung, den Chassidismus als Krisenphänomen, der die allgemeine Verunsicherung im jüdischen Volk aufgrund der Herausforderungen eines Baruch Spinoza sowie der (pseudo-)messianischen Strömung des Sabbatai Zvi zu bewältigen half. An diesen deutenden Rahmen knüpfen die hier zu kommentierenden Texte an, also die deutschen Erstveröffentlichungen in Die chassidische Botschaft (der zweite, dritte und sechste Abschnitt). Seinen mit »Die Anfänge« überschriebenen zweiten Abschnitt leitet Buber mit der These ein, die chassidische Lehre als solche habe »keine neuen geistigen Elemente« hervorgebracht, sondern stelle nur eine »neu ausgearbeitete, neu formulierte und in einer neuen Einheit komponierte« Auswahl aus späten kabbalistischen und volkstümlichen Traditionen dar (vgl. in diesem Band, S. 254). Auch diese Auffassung war in der älteren Forschung zum Chassidismus (ebenso bei Scholem) verbreitet. Die Suche nach neuen Akzenten der chassidischen Lehre, welche die immensen Umbrüche im mittelosteuropäischen Judentum sollten erklären helfen, bestimmte lange Zeit die Arbeit der Gelehrten. Buber setzt jener fieberhaften Suche die für ihn zentrale Auffassung entgegen, das eigentlich Neue am Chassidismus finde sich nicht in den Lehrtexten, sondern in der Erzählung: »Weil dem so ist, weil der Chassidismus in erster Reihe nicht eine Kategorie der Lehre, sondern eine des Lebens bedeutet, ist unsere Hauptquelle zu seiner Erkenntnis seine Legende, und erst nach ihr kommt seine theoretische Literatur. Diese ist der Kommentar, jene der Text, wiewohl ein in äußerster Korruptheit überlieferter, in seiner Reinheit unwiederherstellbarer. Es ist töricht einzuwenden, die Legende übermittle uns nicht die Wirklichkeit des chassidischen Lebens. Natürlich ist die Legende keine Chronik, aber sie ist wahrer als die Chronik für den, der sie zu lesen versteht.« (Ebd. S. 256.) An dieser Feststellung entzündete sich der heftige Widerspruch Scholems und seiner Schüler. Vgl. den einleitenden Kommentar zu »Zur Darstellung des Chassidismus«. In der Hauptsache befassen sich die Reflexionen Bubers zu den Anfängen des Chassidismus (im zweiten und dritten Abschnitt der Chassidischen Botschaft) mit dessen Verhältnis zur pseudomessianischen Bewegung des Jakob Frank (vgl. Klaus Davidowicz, Jakob Frank, der Messias aus dem Ghetto, Frankfurt a. M. 1998; sowie Rachel Elior [Hrsg.], The Sabbatian Movement and Its Aftermath: Messianism, Sabbatianism and Frankism, 2 Bde., Jerusalem 2001). Da Buber die durch Sabbatai Zvi und
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Jakob Frank ausgelöste Verunsicherung »vor allem andern [als] eine Krisis der Lehre« (in diesem Band, S. 282) deutet, erscheint sein Rückgriff auf die »Kategorie des Lebens« als entscheidendes Merkmal des Chassidismus konsequent, wenn auch nicht unproblematisch. Der sechste Abschnitt »Gott und die Seele« gehört zu den eher religionssystematisch ausgerichteten Ausführungen Bubers. In ihm reflektiert er die Kategorisierung des osteuropäischen Chassidismus als »Mystik«. Den Rahmen setzen hier Vergleiche mit ähnlich gelagerten Phänomenen aus der spätantiken Religionsphilosophie (Plotin), dem Islam (Abū lMuġīṯ al-Ḥusain ibn Manṣūr al-Ḥallāǧ), dem Christentum (v. a. Meister Eckhart) und der älteren Kabbala. Der kurze Essay kulminiert in der sehr einflussreichen und viel diskutierten Auffassung Bubers, der zufolge allein im Chassidismus »die Mystik Ethos geworden« sei. (Vgl. in diesem Band, S. 303. Buber hatte diese These bereits in seiner frühesten Äußerung zum Chassidismus entwickelt, und zwar im Vorwort zu seiner Nacherzählung der Sippure Maʿ assiot Nachmans, vgl. Einleitung, in diesem Band, S. 24.) In seiner Rezension von Die chassidische Botschaft hat der Schriftsteller und Publizist Hermann Stresau (1894-1964) ebendiesen besonderen Aspekt der Arbeit Bubers an den chassidischen Texten besonders hervorgehoben: »Was wir davon erfahren, ist durch die Person des heutigen Interpreten gegangen. Es ist nicht nur der Chassidismus, der seine Botschaft ausspricht, sondern der Chassid Martin Buber, der sie hingibt in einer Sprache, die dem 20. Jahrhundert, einer katastrophenträchtigen Zeit, angehört und ihr etwas zu sagen hat. Es erscheint symptomatisch bedeutsam, daß sich in der ›Botschaft‹ nicht ein einziges Wort findet, das sich zum Schlagwort aufrollen ließe, aber wiederum auch keines, das lediglich als Argument bloßer Diskussion dienen könnte.« (Hermann Stresau, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26. September 1953 [Beilage], S. 5.) Textzeugen: h1: Handschrift im MBA (Arc. Ms. Var. 350 dalet 10 Mappe 2); 2 lose, unpaginierte Blätter; beidseitig beschrieben mit blauer Tinte; mit Korrekturen versehen. Es handelt sich um die deutsche Fassung des Vorwortes für die hebräische Ausgabe. Der Text wird im Folgenden wiedergegeben. h2: Handschrift im MBA (Arc. Ms. Var. 350 dalet 10 Mappe 2); 1 loses, unpaginiertes Blatt; beidseitig beschrieben mit blauer Tinte; mit Korrekturen versehen. Es handelt sich um einen Entwurf der deutschen Fassung des Vorworts der englischen Ausgabe.
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h3: Handschrift im MBA (Arc. Ms. Var. 350 dalet 10 Mappe 2); 1 loses, unpaginiertes Blatt; beidseitig beschrieben mit blauer Tinte. Es handelt sich um die Reinschrift von h2, die zusätzlichen Korrekturen unterzogen worden ist. Der Text wird im Folgenden wiedergegeben. h4: Handschrift im MBA (Arc. Ms. Var. 350 dalet 10 Mappe 2); 10 lose paginierte Blätter; beidseitig beschrieben mit blauer Tinte; undatiert; mit Korrekturen versehen. Die Handschrift enthält den Abschnitt »Gott und die Seele« (in diesem Band, S. 294-303). ts1: Typoskript im MBA (Arc. Ms. Var. 350 dalet 10, Mappe 2); 17 lose paginierte Seiten; einseitig beschrieben; undatiert; mit geringfügigen Korrekturen versehen. Das Typoskript enthält unter dem Titel »Die Anfänge des Chassidismus« den Abschnitt »Die Anfänge« (in diesem Band, S. 254-274). 2 ts : Typoskript im MBA (Arc. Ms. Var. 350 dalet 10, Mappe 2); 17 lose paginierte Seiten; einseitig beschrieben; undatiert; mit geringfügigen Korrekturen versehen. Durchschlag von ts1. 3 ts : Typoskript im MBA (Arc. Ms. Var. 350 dalet 10, Mappe 2); 18 lose paginierte Seiten; einseitig beschrieben; ohne Korrekturen. Das Typoskript trägt einen Datumsvermerk: »December 12th, 1943«. Das Typoskript enthält die Korrekturen, die an ts1 und ts2 vorgenommen worden sind, was auf ein späteres Entstehungsdatum schließen lässt. Desweiteren existiert im MBA ein zusätzliches Textfragment, das zwar dem Komplex Die chassidische Botschaft zugeordnet ist, jedoch keinem Abschnitt als Textvariante zugeordnet werden werden kann. Das Fragment umfasst ein loses, beidseitig mit blauer Tinte beschriebenes Blatt, das undatiert geblieben und mit mehreren Korrekturen versehen ist. Dieses Fragment wird im Folgenden im Anschluß an die Wiedergabe von h1 und h3 abgedruckt. D1: »Die Anfänge«, »Der Grundstein«, »Gott und die Seele«, in: Die chassidische Botschaft, Heidelberg: Lambert Schneider 1952, S. 32-64, S. 65-93, S. 157-171 (MBB 886). 2 D : »Die Anfänge«, »Der Grundstein«, »Gott und die Seele«, in: Werke III, S. 758-781, S. 782-802, S. 850-860 (MBB 1219). Druckvorlage: D1 Übersetzungen: Hebräisch: Be-fardes ha-chassidut. Ijunim be-machschavta va-havajata, Tel Aviv: Mossad Bialik 1945, (MBB 724) [zweite Auflage 1963]; Nur Zweiter Abschnitt und Dritter Abschnitt (Die Anfänge und Der Grundstein): Reschita schel ha-chassidut, in: Jahadut Polin, Jerusa-
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lem 1940, S [25]-39, sowie in Moznajim, 11. Jg., Heft 3/4 (Tamuz/ Av), S. 200-214 (MBB 634). Englisch: Hasidism, New York: The Philosophical Library 1948 (MBB 785); The Origin and Meaning of Hasidism, edited and translated by Maurice Friedman, New York: Horizon Press 1960 (MBB 1139); Nur Zweiter Abschnitt (Die Anfänge): The Beginnings of Hasidism, in: Martin Buber, Mamre. Essays in Religion, translated by Greta Horn, Melbourne: Melbourne University Press 1946 (MBB 741). Niederländisch: Martin Buber, De Chassidische bodschap, übers. von R. Boerke und C. Verhulst, Wassenaar: Servire 1968, 554 S. (MBB 1311). Japanisch: Die chassidische Botschaft, übers. von Zenji Hiraishi, Tokio: Misuzu-shobo 1969, 262 S. (MBB 1326a). Wiedergabe von h1: Es sind jetzt vierzig Jahre, seit ich begonnen habe um den Chassidismus zu dienen. [Obgleich ich] ! In meiner Kindheit und Jugend hatte ich von chassidischen Juden flüchtige Eindrücke empfangen. Auch die dichterischen Bearbeitungen chassidischer Stoffe, die ich später las, haben nur auf mein Gefühl eingewirkt, ohne mir die Tiefe der chassidischen Glaubensbewegung zu erschliessen. Da bekam ich in den Tagen nach dem Tode Herzls von einem Mann der gewiss alles andre eher als ein Chassid war, aber für die Schätze, die hier ungehoben lagen, Blick und Verständnis hatte, Dr. Bernhard Wachstein, ein kleines gedrucktes? Heft geschenkt, es war צוואת [ ריב"שHebr.: Tzawaʾ at Ribasch, Das Testament des Rabbi Israel Baʾ al Schem]. Mit der Lektüre dieses Heftes begann für mich die Entdeckung. [Zum Eigentlichen] ! Sie war noch mit manchem vermischt, was nicht dazu gehörte. Ich war damals leidenschaftlich darauf aus »das Schöpferische« zu finden, und war beglückt ihm hier zu begegnen. Ich war auf »Mystik« aus und zwar nicht auf die hohe spekulative allein, sondern zu ihrer vitalen Ergänzung auch und mit besonderer Neigung auf die bunte, abenteuerliche wie volkstümliche; hier war sie, in ungeahntem Reichtum, und war eben unser, war mein. Es war zwar keineswegs ein ästhetisches Verhältnis zum Gegenstand, das in mir entstanden war: ich empfand wohl, hier war eine Botschaft an mich, hier war eine Botschaft an die Welt, und ich fühlte mich berufen, sie ihr zu übermitteln. Aber noch fehlte etwas Wesentliches: Verbundenheit mit dem L e b e n , aus dem die Botschaft gewachsen war [und Erkenntnis ihrer Wa h r h e i t ]. [Beides] ! Sie hat sich in mir langsam entwickelt. [Zuvörderst von ihnen] ! Langsam lernte ich elementare Antriebe in mir
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selbst als eben dies verstehen, was dort zu grossem [Gemeinschaftsleben geworden war] ! Leben, Leben von Personen und Leben wie Gemeinden, geworden war. Als ich so weit gekommen war, begann eine wichtige Hilfe von aussen, ich bekam von verschiedenen Seiten, organische Nahrung – nicht mehr bloss Literatur, sondern lebendige Kunde: Geschichten und Sprüche, die von Mund zu Mund gewandert waren und so auch zu mir kamen, noch hfrisch undi saftreich, [und lebenmitteilend] ! nicht »Material«, sondern Erguss von Leben in Leben. Das hweitausi Wichtigste darunter war, was ich im Laufe vieler Jahre von S. J. Agnon empfangen habe. Eben, während ich dieses Vorwort schreibe, habe ich ein Bündel Karten und Zettel von seiner Hand aus den Jahren 1921-1924 aufgemacht und vor mir ausgebreitet: welch eine Fülle lebendiger [Kunde] ! Überlieferung! Und nun war auch das Entscheidende zur Reife gekommen: die Erkenntnis der chassidischen Wa h r h e i t . Damit meine ich nicht die Erkenntnis von Gedankenzusammenhängen, von I d e e n , sondern eben die Erkenntnis einer Wahrheit als Wahrheit. Es ist eine Wahrheit, die aus dem Leben stammt, aus einer bestimmten A r t das menschliche Leben zu leben, als die ideelle Deutung und Begründung dieser Lebensweise; und es ihr hinwieder nur darum zu tun, den Weg [zu weisen, wie gelebt] ! zum rechten Leben zu weisen. Als solch eine Wahrheit habe ich sie, wenn auch nur allmählich, schliesslich doch voll erkannt und habe sie angenommen. Hier konnte mir niemand mehr helfen, nur die Wahrheit allein, und sie hat mir geholfen. Vermutlich hat sie es getan, weil ich in grosser Not war; denn ich konnte das Vielfältige nicht mehr brauchen, nur noch die Wahrheit und den Weg. Ich möchte richtig verstanden werden: Ich vermag zwar nicht buchstäblich zu glauben, was der Chassidismus, in den Fusstapfen der späteren Kabbala lehrt: Dass in allen Dingen und Wesen Funken [des göttlichen Urlichts] ! der göttlichen Ursubstanz gefangen sind, die wir dadurch erlösen können, dass wir mit den Dingen und Wesen heiligen Umgang pflegen. Aber ich weiss kein anderes Bild für das, woran ich glaube, das woran mich der Chassidismus glauben gelehrt hat: dass Göttliches Sein von den Dingen und Wesen umschlossen ist, dass ich es nur in wahrhaftem Umgang mit ihnen, im Umgang von Ich und Du, erfahren, dass ich aber in diesem Umgang auch auf es einwirken darf, dass ich auf es »erlösende« Wirkung ausüben darf – nur dass ich hinzufügen muss: wie sie auf mich. Echte Gegenseitigkeit ist, das glaube ich, Erlösung göttlicher Substanz. *
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Dieses so gewonnen Verhältnis zum chassidischen Leben und zur chassidischen Wahrheit ist es, dass mir ermöglicht hat, im Lauf vieler Jahre dieses Buch zu schreiben. Drei seiner Abschnitte sind noch vor der Entstehung des hendgültigeni Buchplans abgefasst und später in ihn hinein verarbeitet worden; es sind dies »G. u. L.« von 1921 (in der ersten Fassung Geleitwort zu meinem Buch »D. g. M.«), »S., SZ und B.« von 1928 (i. d. 1. F. G. zur Gesamtausgabe meiner »Chass. Bücher«) und »S. u. s. Ex.« von 1934 (als Vortrag bei religionsgeschichtlicher »Eranos«-Tag. in Asc. entstanden). Damit aber der Buchplan konzipiert werden konnte, musste etwas hinzu kommen, was immer noch fehlte: die vollständige Erfassung der historischen Zusammenhänge, d. h. der geistesgeschichtlichen Voraussetzungen, die die Entstehung des Chassidismus, die Entstehung dieses besonderen Lebens und dieser besonderen Wahrheit, bestimmt haben. Was ich davon ahnte, war in den zweiten der genannten drei Aufsätze eingegangen; aber es war noch nicht faktisch genug. Auch diesmal kam die Hilfe von aussen: von den grundlegenden Arbeiten G. Scholems über die sabbatianische Theologie, von denen die wichtigste, [ מצוה הבאה מעברהErlösung durch Sünde], bald nach dem letzten der genannte drei Aufsätze (1936) erschien. Jetzt erst konnte mir der [Ausgangspunkt] ! Kern des Buches aufgehen: [die Doppel-Verzweigung] ! [die zweifältige Entwicklung] ! der zwiefältige Prozess, die [sic] vom Sabbatianismus einerseits zum Frankismus, andererseits [zum Chassidismus] ! zu dem diesem entgegengesetzten Chassidismus führte. Damit war dem chassidischen Leben und der chassidischen Wahrheit der historische Ort gefunden. Daraus ergab sich der – 1938 zuerst entworfene – Buchplan gewissermassen von selbst. Das war schon in Jerusalem. Jene drei Aufsätze waren noch in [deutscher] ! fremder Sprache entstanden und mussten hebräisch umgearbeitet werden; alles übrige ist schon als Teile des hebräischen Buches entstanden. Auch dies gehört für mich [nicht zu einer äusseren, sondern] zu einer i n n e r e n Entwicklung. Der Abschnitt הח.’ש.ר. [hebr. Abk. für »Anfänge des Chassidismus«] ist aus zwei Vorträgen hervorgegangen. Die innerhalb eines Vortragszyklus der hebr. Univ. Jer. über das polnische Judentum gehalten worden sind (in der 1. Fassung veröffentlicht in dem חוב’ פוליןvon [ מאזניםHebr.: die Polenbroschüre der Zeitschrift Moznajim]), der Abschnitt [ הגאולהHebr.: »Die Erlösung«] aus einem Kurs für die … [ מדריכיםHebr.: Jugendleiter] (veröffentlicht von der [ מחלקה לעניני הנוערHebr.: Abteilung für die Angelegenheiten der Jugend]); der Abschnitt war für ein von der … מחלקהvorbereitetes Sammelbuch über das polnische Judentum bestimmt.
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* Dieses Buch ist seinem Wesen und seiner Aufgabe nach [eine gedankliche] ! nicht eine [philologische] ! hermeneutische oder historische, sondern eine auf hermeneutischen und historischen Studien basierende g e d a n k l i c h e Arbeit; ich habe nichts dagegen einzuwenden, wenn man in ihm den Versuch einer P h i l o s o p h i e des Chassidismus sieht. Ich habe demgemäss hnicht blossi auf allen wissenschaftlichen Apparat verzichtet [. Ich hoffe aber, dass es mir noch vergönnt sein wird] ! , sondern ich habe es him allgemeineni auch unterlassen, innerhalb der dargestellten Gesamtanschauung das Verhältnis der einzelnen Systeme zueinander zu untersuchen, da es mir darum ging, das ihnen Gemeinsame aufzuzeigen. Ich hoffe aber, dass mir noch vergönnt sein wird, dieses Buch durch ein im genauen Sinn wissenschaftliches, d. h. hermeneutisches und historisches zu ergänzen, dessen Gegenstand notwendigerweise nicht mehr das Gemeinsame, sondern das die Systeme voneinander Unterscheidende sein wird. Wiedergabe von h3: Vorwort
Dieses Buch ist aus Arbeiten hervorgegangen, die sich über vier Jahrzehnte erstrecken. Damals, vor vier Jahrzehnten, begann ich, das Schrifttum einer grossen religiösen Bewegung, des Chassidismus, kennen zu lernen, von deren halb-entarteten Ausläufern ich als Knabe einen flüchtigen Eindruck empfangen hatte ohne zu ahnen, was sie bedeutete, noch auch was sie einst für meinen eigenen Weg bedeuten würde. Seither habe ich [mehr und mehr vom Chassidismus erfahren und kann doch auch heute noch nicht sagen, dass ich ihn ganz inne hätte] ! an der Erkenntnis ihrer Wahrheit, an der Erkenntnis dessen was sich mir innerhalb ihrer als Wahrheit auftat, [habe ich diese Zeit über] gearbeitet. In diesem Buch sind die Ergebnisse dieser Arbeit in ihren wesentlichen Zügen mitgeteilt. Ich halte die chassidische Wahrheit für lebenswichtig für Juden, Christen und andre Menschen, und in dieser Stunde für wichtiger als zuvor. Denn das ist die Stunde, in der vergessen zu werden droht, um wessen willen wir auf Erden sind, und ich weiss von keiner andern Lehre, die mit solcher Kraft wie diese daran erinnert. Der Chassidismus hat nie den Fuss zu dem Schritt in die allgemeine Menschenwelt angesetzt, den das Christentum getan hat. Um seiner
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Wahrheit und um der Not der Stunde willen trage ich ihn gegen seinen Willen in die Welt. Jerusalem, Anfang 1947 Martin Buber Wiedergabe der Handschrift des zusätzlichen Textfragments: Die Schwierigkeiten des Abschnitts erklären sich hauptsächlich daraus, dass er eine späte Komposition aus zumindest auf zwei verschiedenen Wegen überlieferten Baalschem-Worten darstellt, von denen der eine vermutlich auf R. Jakob Josef von Polna, der andere nach Angabe des Textes ( )והקשה הרב הקדוש ו’ דוב בער זלה"ה בשם רבוauf den Maggid von Mesritsch zurückzuführen ist. Aus diesem Umstand dürfte sich der umständliche Aufbau herleiten, in dem von den ineinander verschachtelten Deutungen nicht alle zu Ende geführt sind. Ich versuche ihn zu vereinfachen. Das Hauptthema ist die Frage, warum das Mischnawort »wer seinen Ort kennt, wer sich an seinem Teil freut, wer einen Zaun um seine Worte errichtet« gerade in dem Abschnitt steht, der von der Erwerbung der Lehre handelt. Eingehend beantwortet wird die Frage nur für den ersten Teil des Spruches: »wer seinen Ort kennt«, aber eben dadurch und mitten darin wird sie es auch für die beiden anderen Teile, so dass die Deutung von »wer sich an seinem Teil freut« durch »wer sich freut, dass ein Teil Gottes in ihm ist« (S. 20, l. Spalte oben) als Zusammenfassung wirkt. Die Beantwortung geschieht im wesentlichen dadurch, dass der mystische Doppelsinn des Wortes »Ort« aufgezeigt wird. Dieser Doppelsinn ist in dem Mysterium der Schechina begründet. Gott als [ אין סוףEjn sof: das Unendliche] ist der Ort der Welt; und doch fragen die Engel nach dem Ort Gottes – als ob das Grenzenlose einen Ort haben könnte. Aber Gott als [ שכינהSchechina], als das Wohnungnehmende, hat einen Ort. Dieser Ort ist nicht etwa die Welt. Die Schechina breitet sich im All aus, das in seiner Fülle die Erscheinung ihrer »Ehre« ist, aber sie weilt nicht im All; sie weilt in den Seelen, die sie »einen«, und um so gegenwärtiger, je stärker sie geeint wird. Das bedeutet: das Herz, das Gott »lobt«, eint ihn, versammelt, vereinigt ihn in sich: b e g r e n z t ihn. Mit anderen Worten: Israel ist der Ort Gottes. Daher, wenn die Engel Gott wie Israel loben, [wohnt] ! weilt die Schechina, der begrenzte Gott, in i h n e n . Mit anderen Worten: die Welt ist das potentielle Israel, die התפשטות כבוד [ השכינהHebr.: Auskleiden der Ehre der Schechina] die latente השראת [ שכינהHebr.: Verweilen der Schechina]; jedes Wesen kann sich zur begrenzenden Kraft erheben, jedes hat in sich den Keim der Gottes-Stätte. Was Israel als Gemeinschaft ist, das ist als Einzelwesen der Mensch [ המכיר את מקומוHebr: »wer seinen Ort kennt«]: [Aber Gottes Ort zu werden, muss er zunächst ein eigener Ort werden, aber in jenem anderen
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Sinn des Doppelwortes, wie Gott der Ort der Welt ist X X X X. Wie der weltumfangende Gott X und] der sich als Ort Gottes erkennt, wie Gott der Ort der Welt ist. Wie er als Teil der Welt in Gott steht und dessen Werke betrachtet, so steht Gott in ihm und betrachtet s e i n e Werke. Er ist es, der sich an seinem »Teil«, an dem Anteil, den er an Gott hat, freut; er ist es, der einen »Zaun« um seine Worte errichtet, dass Gott durch sie begrenzt wird. Zur Erklärung [dient] ! soll die eingefügte Deutung vom Lichte hdieneni, die aber nicht geschlossen durchgeführt ist und daher zunächst eher ablenkend wirkt. Das [Urlicht] ! erste Licht [Anm: Das erste Licht ist das nach Gen. I 3 zuerst geschaffene, das aber wohl zu unterscheiden ist von den später geschaffenen Himmelslichtern.] ist von Gott h, da die Welt es nicht anzunehmen vermochte,i [im Geheimnis der Thora] ! in der Thora verborgen worden und es wird darin nur den Zaddikim offenbar. Wie kann dies erfasst werden, da doch das [Urlicht] ! erste Licht nicht wie alles [irdische] ! empirische Licht aus einem Sein sondern aus dem Nichts hervorgegangen ist? Es ist eben zwar von Gott aus gesehen grenzenlos, aber vom Menschen aus gesehen, wie alles, was dem Menschengedanken zu umfangen gegeben ist, [grenzenhaft] ! nicht grenzenlos sondern abgegrenzt, nicht [losgelöst] ! einfach sondern [verknüpft] ! zusammengesetzt, nicht dem Zeitverlauf entrückt sondern erneuerungs-fähig und -bedürftig. Diese Abgrenzung ist aber nicht raumhaft zu verstehen sondern wie die Abgrenzung der Naturelemente durcheinander, [aber im Denken, mit dem der Geist das Seiende denkt] ! unter denen ein doppeltes Prius besteht: das naturhafte [der Elemente einer Verbindung] ! des Einfachen vor dem [Ergebnis des aus ihm] ! daraus Zusammengesetzten und das zeitliche des Zusammensetzenden vor dem Zusammengesetzten. In diesem Sinn ist das erste Licht kein Urlicht, es ist nicht X. Dann aber muss das Gesetz alles empirischen Lichtes darauf Anwendung finden, dass latentes Licht nur durch brennendes Licht entzündet werden (potentielle Energie nur durch kinetische aktualisiert werden) kann. Dieses brennende Licht, welches das [latente] in der Thora verborgene immer wieder erweckt und erneuert, ist die nie verlöschende [ דביקותDevekut], das Gottanhangen der Zaddikim. Variantenapparat: 260,34 4.] berichtigt aus fehlender Zählung nach TS3, D2, D3 272,16 der Herr] JHWH ts1, ts2, ts3 273,3 mit den Gefährten einander zu] mit den Gefährten D2 273,9 emanierten Sphären] Emanationen D2
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288,2-4 Es ist an ihm […] zu wandeln.] fehlt D2 291,9-10 tue in […] dahin du gehst‹.«] tu es mit deiner Kraft) ›nichts‹, ›denn kein Tun ist, noch Berechnung, noch Erkenntnis, noch Weisheit im Gruftreich, wohin du gehen mußt‹.« D2 294,2 Gott und die Seele] Gott und die Seele [im Chassidismus] h4 294,5 Prinzip] [Grundsatz] ! Prinzip h4 294,9 Sonderart] [Art] ! Sonderart h4 294,10 Seelenerfahrung] [Erfahrung] ! Seelenerfahrung h4 294,13-14 nicht in unsere Wahrnehmung tritt] [wie verschwunden] ! nicht in unsere Wahrnehmung tritt h4 294,28-29 , wenn auch das dünnste] h, wenn auch das dünnstei h4 294,34 das Spiel] [die Vielheit] ! das Spiel h4 294,37 konstruktiven] konstitutiven h4 294,39 Eigentümliche] Eigentümliche [und zugleich das, wobei der Mystiker selber] h4 295,1 genauen Sinn] [geschichtlichen] ! genauen Sinn [naturgemäss] h4 295,13 gewachsen ist] gewachsen ist [(und das ist die meiste)] h4 295,34 Ich Gottes ist unvergänglich] Ich Gottes [hat ewigen Bestand. Im Bereich des Umgangs bleibt der Mystiker, der Theist war, Theist. / Anders verhält es sich, wenn die Mystik von Gott redet, wie er an sich, das heisst: ausserhalb] ! ist unvergänglich h4 296,3 das Ich Gottes] das [ewige überzeitliche] Ich Gottes h4 296,10 auch Meister Eckhart] der grösste Denker der abendländischen Mystik, Meister Eckhart h4 296,16 Damit will] Damit [soll aber] ! will h4 296,24 letzthin] [recht eigentlich] ! letzthin h4 296,26 spannt die theistische Mystik] [zieht die Mystik solche radikale Konsequenz] ! spannt die htheistischei Mystik h4 296,32 , gleichsam mystisch verklärt, ohne daß] h, gleichsam mystisch verklärt, ohne dassi h4 296,34 die Welt] [der Kosmos] ! die Welt h4 296,35 Menschengemeinschaft] [Menschenwelt] ! Menschengemeinschaft h4 296,38-39 geht hier die christliche Mystik […] vor] geht hier [, wie die indische theistische Mystik] die christliche Mystik hauf der Höhe ihrer Theologiei vor h4 297,12 vor allem die geschichtliche Offenbarung] [so Schöpfung und Offenbarung] ! vor allem die geschichtliche Offenbarung h4 297,18 an der Grenze] am Rande h4 297,20 versetzt] hineinversetzt h4 297,23 anscheinend] [offenbar] ! anscheinend h4
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297,24-25 Die Frage […] formulieren:] h Die Frage […] formulieren:i h4 297,25 ist Gott] ist [die vollkommene] ! Gott h4 297,27-28 diese Frage […] zu beantworten] hdiese Frage […] zu beantworteni h4 297,28 Denkers] [Theologen] ! Denkers h4 297,30 zusammenzufassen] zusammenzufügen h4 297,31 Theologie] [Lehre] ! Theologie h4 297,33 doch, wenn auch nur tastend] [bedeutsam hinausführt] ! doch, wenn auch nur tastend hinausführt h4 297,36 , wie dargelegt,] bekanntlich h4 298,2 beschränkt; sie ist] beschränkt [, womit selbstverständlich nichts über die Endlichkeit in Raum und Zeit behauptet ist: auch eine Welt, die über Raum und Zeit erhaben ist, ist] ! ; sie ist h4 298,6-7 , sei es auch nur […] Urpunkts,] h, sei es auch nur […] Urpunkts,i h4 298,22 Urakt] [Akt] ! Urakt h4 299,6 Person] [»Gott«] ! Person h4 299,11-12 in den Spuren der Kabbala] hin den Spuren der Kabbalai h4 299,14-15 in der Natur wirkende] in [die Natur eingehende] ! der Natur wirkende h4 299,19 der Gottheit] [Gottes] ! der Gottheit h4 299,24 Um dies zu verstehen] davor kein Absatzwechsel h4 299,33-34 geben] [offenbaren] ! geben h4 300,2-3 , denn »mehr als […] säugen«] h, denn »mehr als […] säugen«i h4 300,5 der Leuchtkraft] [des Lichtes] ! der Leuchtkraft h4 300,9 Gleichnis] [Bild] ! Gleichnis h4 300,10-11 Selbstbeschränkung] Zimzum h4 300,12 der Zaddik] der Zaddik [, der Empfänger des schrankenlosen Lichtes ersteht] h4 300,13 geht] [verbindet sich] ! geht h4 300,15-16 das göttliche Prinzip] [der Buchstab des Anfangs, das Alef] ! das göttliche Prinzip h4 300,16 wird aus dem Buchstaben] [wird er zum wahren Menschen, zum Adam, zu dem, der bestimmt war zum wahren Empfänger des schrankenlosen Lichts] ! wird aus dem Buchstaben h4 300,22-24 von den Voraussetzungen […] Kabbala aus] hvon den Voraussetzungen […] Kabbala ausi h4 300,35 ungewandelt] berichtigt aus umgewandelt 301,10 ist beides zugleich] ist [nicht unpersönlich, sondern] ! beides zugleich h4
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301,11 schrankenlose] [absolute] ! schrankenlose h4 301,26-27 Auf die erste gab die Kabbala die Antwort] [auf beide wird eine einzige gemeinsame Antwort gegeben] ! Auf die erste gab die Kabbala die Antwort h4 302,1 Macht] [Kraft] ! Macht h4 302,5 kann man jene dem Grundwasser vergleichen] [man kann jene den Wasserbächen vergleichen, die die Fläche der Felder durchziehen und den Boden] ! kann man jene dem Grundwasser vergleichen h4 302,22-23 Schechina, die mit uns] Schechina, [in ihn? und redet selber die Worte und schwingt sich in den] ! die mit uns h4 302,36 alle Lehre, alle »Sittlichkeit«] [alles Gebot, alles Gesetz] ! alle Lehre, alles Gebot, alle »Sittlichkeit« h4 302,39 Kraft] [Lebenskraft] ! Kraft h4 303,1 Im Chassidismus] [Um die chassidische Lehre innerhalb dessen zu verstehen, was wir von Mystik wissen, darf man nicht vergessen, dass hier – und anscheinend nur hier – die Mystik Ethos geworden ist.] ! Im Chassidismus h4 303,3 die Seele] [der Mensch] ! die Seele h4 Wort- und Sacherläuterungen: 254,21-22 der Begründer der chassidischen Theologie, Bär von Mesritsch] Dow Bär Friedman von Mesritsch; vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 77,15 und 78,28-30. 254,22 Stifter der chassidischen Bewegung] Beim Tode des Baal Schem im Jahre 1760 war von einer chassidischen Bewegung noch nichts zu sehen. Dow Bär gilt als tatsächlicher »Begründer« des Chassidismus insofern er eine Jeschiva begründete und leitete. Aus ihr gingen die maßgeblichen Zaddikim hervor, welche die Neuansätze jener werdenden Strömung in Podolien, Litauen, Galizien, Belarus und Kleinpolen verbreiteten. 254,24 Geheimnisse und »Einungen«, die Sprache der Vögel] In seiner Einleitung zum Hauptwerk Dow Bärs, dem Maggid Devaraw leJaʾ aqov, schrieb Schlomo von Lutsk (gest. 1813, ein Schüler Dow Bärs: »Und ich [Schlomo] hörte aus seinem [des Dow Bär von Mesritsch] heiligen Mund: Was verwundert es dich, dass er [der Bescht] Erscheinungen Elijas und noch andere sehr hohe spirituelle Ränge hatte? […] Und einmal hörte ich aus seinem heiligen Mund, dass der Bescht, sein Andenken sei zum Leben in der Kommenden Welt, ihn gelehrt habe, mit Vögeln und Palmen zu kommunizieren etc. Auch lernte er mit ihm die geheime Bedeutung der heiligen [Gottes-]Namen und Jichudim [»Einungen«, vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 109,8] […]
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und er sagte ihm Erklärungen für jeden Buchstaben.« Schatz-Uffenheimer (Hrsg.), Maggid Devaraw le-Jaʾ aqov, S. 2. Ähnliches behauptet auch Chajim Vital (1542-1620) von seinem Meister Isaak Luria gelernt zu haben, vgl. Vital, Schaʿ ar Ruʾ ach Qodesch, Tel Aviv 1961, S. 19. 257,10 Sabbatai Zwis] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 129,11-12. 257,13 der von Jehuda Chassid geführten Büßerschar] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 41,22-23. 257,33 Arbeiten Scholems] In h1 (vgl. S. 507 in diesem Band) verweist Buber besonders auf den im Jahre 1937 erschienen Aufsatz Gershom Scholems »Erlösung durch Sünde«. Vgl. Mitzwa ha-baa ba-avera, in: Kʾ nesset le-sekher Bialik II, Jerusalem 1937, S. 337-392; dt.: in: Scholem, Judaica 5, Frankfurt a. M. 1992. Zu den weiteren Vorträgen, Quellensammlungen und Essays Scholem in hebräischer Sprache, auf die Buber Zugriff gehabt haben sollte, gehören be-eqvot meschiach. Ossef mekorot me-reschit hitpatchut ha-emuna ha-schabtaʾ it, meluqatim mi-tokh kitvaw schel R. Avraham Benjamin Natan ben Elischa Chajim Aschkenazi ha-mekhune Natan ha-azati [»Auf den Spuren eines Messias: Quellensammlung von den Anfängen der Entwicklung des sabbatianischen Glaubens. Zusammengestellt aus den Schriften des R. Abraham Benjamin Nathan ben Elischa Chajim Aschkenasi, der Schule des Nathan von Gaza«], Jerusalem 1944; sowie seine diesbezüglichen Vorträge »Paraschat ha-schabtaʾ ut«, die allerdings erst 1955 von Rivka Schatz-Uffenheimer im Druck herausgegeben wurden. Scholems Hauptwerk zum Thema, Sabbatai Zwi. Der mystische Messias, Frankfurt a. M. 1992, kann Buber damals nicht gekannt haben, da die hebräische Erstausgabe erst 1957 erschien. Ferner widmete Scholem dem Sabbatianismus ein Kapitel in seinem Überblickswerk Die jüdische Mystik in ihren Hauptströmungen, S. 315-355. Da dieser Band bereits 1941 in hebräischer Sprache publiziert wurde, könnte Buber womöglich darauf zurückgegriffen haben. Ganz sicher kannte er Scholems Aufsatz, »Über die Theologie des Sabbatianismus im Lichte Abraham Cardosos«, da dieser im Sonderheft von Der Jude zum fünfzigsten Geburtstag Bubers enthalten war (vgl. Der Jude, Sonderheft V, Berlin 1928, S. 123-139). 258,4 gnostischen Verkehrung] Zur Gnosis vgl. die Wort- und Sacherläuterungen zu 54,39. Die Geringschätzung, die gnostische Systeme in der Regel den materiellen Dingen (darunter auch dem eigenen Körper, aber ebenso dem weltlichem Besitz) entgegenbrachten, konnte entweder in asketische oder in libertinistische Verhaltensmaßgaben münden.
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258,6 »Klipa«] Plural: Klippot: hebr. die »Schale«; vgl. die Wort und Sacherläuterungen zu 56,20. 258,19 Fragment eines judenchristlichen Evangeliums] Buber bezieht sich möglicherweise auf ein Fragment des Hebräer-Evangeliums (Klaus Berger, Das Neue Testament und frühchristliche Schriften, Frankfurt a. M. u. Leipzig 2005, S. 979, vermutet als terminus ad quem 140 v. Chr.), welches bei Hieronymus (Kommentar zu Jesaja 11,2) überliefert ist: »Als der Herr aus dem Wasser hinaufstieg, da kam der ganze Heilige Geist als Wasserstrahl auf ihn herab und blieb auf ihm. Der Heilige Geist sagte zu ihm: ›Mein Sohn, in allen Propheten habe ich dich erwartet, daß du kommst und ich in dir bleiben kann. Denn du bist meine Bleibe, du bist mein erstgeborener Sohn, du regierst in Ewigkeit.‹« (Ebd., S. 981. Hieronymus, Commentarius IV in Jesaja 11,2; Jacques-Paul Migne, Patrologia Latina 24,148b-d.) 258,26-27 der gnostische Christus] Vor allem im 2. Jahrhundert verbreitete sich die Ansicht, dass Jesus keinen wahrhaft materiellen Leib besessen haben könnte, sondern nur eine scheinbar körperliche Existenz angenommen habe. Man bezeichnet dies als ›Doketismus‹ (von griech. δοκεῖν; »scheinen«, »meinen«). Etliche frühchristlich-gnostische Autoren des 2. und 3. Jahrhunderts (Satornil, Kerith, Markion, Basilides,) vertraten doketistische Auffassungen. 259,12 Jakob Frank] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 141,35. 259,32 libertinistischen Marranentums] Marranen (marranos, span. für »Schweine«) war die sehr despektierliche Bezeichnung für die im 14. und 15. Jahrhundert zumeist unter Zwang zum Christentum bekehrten Juden und ihrer Nachkommen. Die gleichzeitige Verfolgung jener conversos durch die sog. »Altchristen«, die ein heimliches Festhalten an jüdischen Bräuchen vermuteten (vgl. »Kryptojuden«), und durch ihre jüdische Ursprungsgemeinschaft führte letztlich zu einer identitären Verunsicherung im großen Stil. 260,2-3 die Drei, die die Welt führen […] »Große Bruder«] Dies sind prominente Akteure im Weltbild des Jakob Frank. Der Große Bruder (Esau) steht als Chiffre für den Ewigen, zu dem Jakob [Frank] unterwegs ist. In den biblischen Texten wird Esau allerdings als Ahnherr Edoms geführt; wohingegen Jakob Frank einen Sieg Esaus über Edom voraussagte, das wiederum in der jüdischen Tradition eigentlich als Chiffre für Rom bzw. das Christentum firmiert. (Vgl. die Paragraphen 353, 379, 406, 410, 414 [u. ö.] in Jakob Franks Worte des Herrn. Die Sentenzen Franks wurden von dessen Anhängern zwischen 1755 und 1791 gesammelt und wohl ab 1773 verschriftet. Das letzte vollständige Manuskript der als Księga Słów Pańskich (»Buch
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der Worte des Herrn«) bezeichneten Sammlung wurde bei der Zerstörung Warschaus während des Zweiten Weltkriegs vernichtet. Eine Übersetzung bietet Harris Lenowitz, The Collection of the Words of the Lord [Jacob Frank] from the Polish manuscripts, University of Utah Press 2004.) Die »Drei, die die Welt führen«: »Those three who direct the world [vgl. Sohar III,236b.237a], they don’t know about the king of all kings and have no knowledge of him whatsoever, and about them Solomon said, Schloischo nefluo mimeni, wearboo lau iedaitem [Aschkenasisch(-englische) Transkription des Hebräischen] Three are hidden before me, and I don’t know of the fourth [Prov 30,18]. Those Nephilim spoke violence against a certain place wanting that it be already at that time as it must be now, for that reason they were qua Rebbelizanei [Rebellen] and therefore they fell. They are in prison and wait for us.« (Lenowitz, Collection, § 346.) 260,16 Frank von der Stadt Offenbach aus] Jakob Frank fand im Jahre 1787 Asyl im Isenburger Schloss zu Offenbach am Main, wo er bis zu seinem Tode residierte. 261,36 Disputation der Rabbiner gegen die Sekte] Es fanden zwei Disputationen zwischen den Anhängern Jakob Franks und Vertretern der jüdischen Gemeinschaft in Polen statt: Deren erste, vom 20. bis 27. Juni 1757, ging in Kamieniec-Podolski über die Bühne und hatte vor allem die angeblich blasphemischen Inhalte des Talmud zum Thema. (Die Legende zur Beteiligung des Baal Schem Tov an dieser Disputation findet sich u. a. in den Schivche ha-Bescht, vgl. Grözinger [Hrsg.], Die Geschichten vom Baʾ al Schem Tov. Schivche ha-Bescht, Bd. I, S. 52-53.) Im Gefolge der Disputation wurden etliche Exemplare des Talmud verbrannt. Die zweite Disputation fand am 17. Juli 1759 in Lwów statt. 261,38-262,7 in der Sage […] Verhängnis überwunden] Zur Sage am Vorabend des Versöhnungstages vgl. Grözinger (Hrsg.), Die Geschichten vom Baʾ al Schem Tov. Schivche ha-Bescht, Bd. I, S. 50-52. 262,17-18 Massentaufen der Frankisten] Sie begannen im September 1759. 262,26-263,6 berichtet, einst sei ihm […] nicht an mich!«] Vgl. Schivche ha-Bescht: ebd., S. 76-77. 263,7 Spengler] Oswald Arnold Gottfried Spengler (1880-1936). Die von Buber kritisierte Bezugnahme auf ihn findet sich in Spenglers Hauptwerk, Der Untergang des Abendlandes, Bd. 2, Welthistorische Perspektiven, München 1922, S. 396-397. 264,19-20 Sage von Bär von Mesritsch […] erzählt] Vgl. Grözinger (Hrsg.), Die Geschichten vom Baʾ al Schem Tov, Bd. 1, S. 72-74.
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265,15 »wie er die Sandalen schnüre und löse«] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 61,29-32. 265,24-25 wie 36 verborgene, so auch 36 offenbare Zaddikim] Zitat nicht nachgewiesen. Zu den »Verborgenen Zaddikim« vgl. die Wortund Sacherläuterungen zu 61,30. 265,31-34 »Wie denn […] zubestimmt.] Quelle nicht nachgewiesen. 265,35 »Ich bin gekommen, der ganzen Welt zu helfen«] Quelle nicht nachgewiesen. 265,41-266,4 »Warum« […] und alles gut.«] Das Original der Erzählung findet man in Joʾ ez Rokatz, Siʾ ach sarfé qodesch IV, Łódź 1928 (Nachdruck New York O. J.), S. 101. 266,9 ersten chassidischen Buch] Die Toldot Jaʾ aqov Josef (Korzec 1780) des Jaakob Jossef von Połonne. 266,13-14 »die Zaddikim […] Volksmasse nicht«] Jaakob Jossef wiederholt dies vielerorts in verschiedenen Abwandlungen, so dass das Zitat nicht eindeutig belegt werden kann. 267,12-15 »Man hat mich erwählt […] brennenden Dornbusch«] Zitat nicht nachgewiesen. 267,27 »Kawwanot«] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 114,16. 267,40 Israel von Kosnitz] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 81,2-3. 267,39-268,2 Von einem großen Dulder […] sind ja einfach«] Quelle nicht nachgewiesen. 268,24-25 »der noch nie […] Sinn kam«] Lenowitz, The Collection of the Words of the Lord, § 149. 268,25-28 Die alten Worte seien […] errichtet wird] Ebd., § 125. 268,28-34 »Der euch bekannte […] identisch ist).«] Ebd., § 2142. 268,34-38 Daher verlangt […] ihm nachfolgen] Ebd. § 746. 269,4-5 »Alle Führer müssen ohne Religion sein.«] Zitat nicht nachgewiesen. 269,14-15 »Adiaphora«] Griech. für »nicht verschieden«, »gleichgültig«. Begriff der stoischen Philosophie, für Dinge, die ethisch weder gut noch böse sind. 269,27-28 spätkabbalistische Lehre von den göttlichen Funken] Vgl. die Wort- und Sacherläuterungen zu 56,20. 269,39-270,2 »Warum« […] heilig geworden ist.«] Quelle nicht nachgewiesen. 269,40-41 ›der Zeit, da die Thora gegeben ward‹] Hebr. zman matan toratenu. Der im Gebet verwendete Ausdruck für Schawuot (»Wochenfest«). 270,14 »Seid heilig, […] Herr euer Gott«] Lev 19,2.
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270,14-16 jetzt komme die […] der Gottes kommen] Quelle nicht nachgewiesen. Die Referenz »nach talmudischer Lehre« bezieht sich auf bNid 61b. (BT, Bd. XII, S. 552.) 270,18-23 ein spätes Wort […] in der Schwebe] Vgl. »Kein Götzenbild«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 787 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [1162]). 270,30 Kawwanot] Vgl. die Wort- und Sacherläuterungen zu 114,16. 270,30-31 Einung Gottes und seiner Schechina] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 201,34-35. 270,32-33 »mit der Diele und der Bank betet«] Vgl. »Womit er betete«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 418 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [509]). 270,38 »Jeweils das, womit er sich gerade abgab.«] Vgl. »Das Wichtigste«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 647 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [899]). 271,2-3 dem Stern, der, […] »aus Jakob hervortrat«] Num 24,17b. 271,6 Jakobsleiter] Gen 28,12. 271,8-10 das fremde Feuer […] darbringen könne] Lev 10,1b; Num 3,4; 26,61. 271,12 »Edom«] hier als Chiffre für das Christentum. 271,15 Esaus Ferse zu halten] Gen 25,26. 271,17 Massentaufe] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 262,16-17. 271,20 Klipa] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 56,20. 271,22 große Festung] Nicht nachgewiesen. 271,27 »fremden Gedanken«] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 60,17. 272,5-6 je größer einer sei, um so größer sei sein Trieb] Vgl. bSuk 52a (BT, Bd. III, S. 400). Gemeint ist der Böse Trieb (jetzer ha-ra); vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 60,14. 272,10-11 Baum der Erkenntnis von Gut und Böse] Gen 2,9 ff. 272,20-21 zerbrechen wir die Schale […] gebannt war] Das Zerbrechen der Schalen und die Befreiung der Funken stellen zwei lurianische Metaphern für den Tikkun (hebr. »Erlösung«) dar. 273,6 Schechina] Die zehnte Sefira; vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 201,34-35. 273,19 Chronik seiner Taten] D. i. »Rozmaite, Adnotacje, Przypadki, Czynoście i Anekdoty Pańskie« (»Histörchen, Annotationen, Kasus, Taten (?) und Begebenheiten des Herrn«); ein Autograph der »Chronik« befindet sich in Lublin. 273,20 Gefangenschaft in Czenstochau] Nachdem die katholische Kirche von begründeten Zweifeln an der Rechtgläubigkeit ihres berühm-
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ten Neophyten und seiner Anhänger beschlichen wurde, verhaftete man ihn und setze ihn ab Februar 1760 in Częstochowa fest, wo er bis zur Einnahme der Stadt durch die Russen 1773 festsaß. 273,34 Enkels des Rabbi Mordechai von Staschow] Mordechai Wajngarten-Pardes von Staszów. 273,36 Elimelech von Lisensk] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 61,38. 273,37 »Sehers« von Lublin] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 81,1-3. 273,37-274,5 Dieser sagte zu ihm […] auf euch.«] Quelle nicht nachgewiesen. 275,5 Am-haarez] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 147,11 275,16 Lamdan] Hebr. für »der Gelehrte«. 277,34-35 dort zum Islam, […] hier zum Christentum] Sowohl Sabbatai Zvi und seine Anhänger, als auch Jakob Frank und seine Gefolgschaft konvertierten: Sabbatai zum Islam, Jakob Frank (erst zum Islam und dann) zum Christentum. 280,28-30 eine getreue Überlieferung, die uns sagt […] ihm dienten] Tzawaʾ at ha-Ribasch (1998) § 20, S. 9. 280,30-37 Was die Sage erzählt […] selber bestätigt.] Buber bezieht sich auf verschiedene Erzählungen der Bescht-Hagiographie. Derjenige, der beim Gebet des Baal Schem Tov in Tränen ausbrach, war, einer Legende zufolge Jaakob Jossef von Polnoe; vgl. Grözinger (Hrsg.), Die Geschichten vom Baʾ al Schem Tov, Bd. I, S. 56. Von ihm wird ebenfalls berichtet, dass er durch ›einfache Geschichten‹ von seinem alten, asketischen Lebensweg weg und zum Baal Schem geführt worden sei. Vgl. »Der Geschichtenerzähler«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 138-142 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [41], S. 209-212). 280,34 die Geisteskraft schwand] womöglich bezieht sich dies auf Dow Bär Friedman von Mesritsch, der nach einer nächtlichen Studierstunde mit dem Baal Schem Tov in eine tiefe Ohnmacht gefallen war (vgl. Grözinger, Die Geschichten vom Baʾ al Schem Tov, Bd. I, S. 7374). 280,38 Xenophon] (ca. 430-355 v. Chr.): griech. Politiker, Feldherr und Philosoph. Der Sokratesschüler ist nach Platon (428/427-348/347) die wichtigste Quelle für die Rekonstruktion von Sokrates Lehren. 281,26-30 »Er ergreife die Eigenschaft […] der Welten zeugte.«] Tzawaʾ at ha-Ribasch (1998) § 20, S. 9 (Ausgabe 1998). Das Zitat erscheint auch in »Mein Weg zum Chassidismus«, in diesem Band, S. 47, sowie in Des Baal-Schem-Tow Unterweisung im Umgang mit Gott, in diesem Band, S. 105.
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281,34-37 Die Sage, die erzählt, unter den Hörern […] innersten Lebens] Vgl. »Die Rede«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 136 f. (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [39]). 282,12 »Schöpfen die Schüler […] der Lehre.«] Zitat nicht nachgewiesen. 282,35-36 »das Leben […] das Böse«] Dtn 30,15. 283,40 »Schale«] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 56,20. 285,35-286,6 Die Sage erzählt […] in der Welt.«] Vgl. »Grenze des Rats«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 151 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [53]). 286,20 »fremden Gedanken«] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 60,17. 286,24 Funke, der aus der urfrühen Umwälzung] der primordialen Weltschöpfung, die scheiterte und mit dem »Zerbrechen der Gefäße« (hebr. Schvirat ha-Kelim) endete. 286,25 »Zerbrechen der Gefäße«] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 56,20. 286,26-27 »klare Lichter« […] Kleider angetan haben«] Degel Machane Efrajim, Koretz 1810, Paraschat wajechi, Absatz beginnend mit Schimon, fol. 29a. 286,32-35 hat der Baal-Schem-Tow […] Gefangenschaft von sich.«] Ebd.; Schriftvers »Sie tue das Gewand ihrer Gefangenschaft von sich.«: Dtn 21,11. 287,6-7 »das Joch des Himmelreichs«] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 117,17. 287,9-11 »Nicht umsonst […] wann denn?«] Keter Shem Tov ha-shalem (2004), § 207b, S. 153. 287,15 Gott mit beiden Trieben dienen] bBer 54a (BT, Bd. I, S. 235). 287,17-19 Die Schechina […] als »Thron des Guten«] vgl. Sohar I,242b. Die Schechina wird als (unterer) »Thron« der Tifʾ eret (VI) beschrieben, die seinerseits als »oberer Thron«, nämlich der der Bina (II) gefasst wird. Als der Tempel zu Jerusalem zerstört wurde, welcher als irdisches Abbild des Unteren Thrones (X) gilt, »fiel« die Schechina und wurde von Tifʾ eret getrennt – ein Unheilszustand, der auch den »Fall« des Oberen Thrones (VI) und seines irdischen Abbildes, dem Thron Jakobs resp. der Gelehrten zur Folge hatte. 287,17-18 Die Schechina umfasst beides] Insofern, als die Schechina die Präsenz des Ewigen auf Erden symbolisiert und sich (noch dazu) seit der Zerstörung des Tempels im Exil befindet, hat sie Kontakt zum Bösen resp. den Kräften des Unreinen. In der Kabbala entwickeln sich die metaphorischen Versuche, die Beziehungen der Sefirot zu
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den bösen oder unreinen Phänomenen zu beschreiben, zu zentralen Mythologemen. So wird die Schechina gelegentlich als »Kopf der Schlange« (Sohar III,79a, 119b u. ö. – hier ist natürlich an das rätselhafte Wesen aus Gen 3 gedacht) bezeichnet, die allerdings das ›eigentlich Böse‹, den »Schwanz der Schlange«, im Ganzen oder doch mindestens in Teilen beherrscht. Der Lehre des Baal Schem Tov zufolge, kommt dem Bösen keine ontische Realität zu, da Gott in allen Dingen ist. Das Böse kann nur als das von Gott am meisten Entfernte gefasst werden. Insofern fungiert das Böse tatsächlich als »unterste Stufe« des völlig Guten. Buber bezieht sich bei den Ausführungen vermutlich auf eine Tradition in der Keter Shem Tov ha-shalem (2004), § 70; S. 38-39: »[Der Name Mosche] umfasst alle Welten […], die guten wie die bösen. [Der im Namen Israel ben Eliʾ esers überlieferte Text repräsentiert eine Interpretation von Ex 3,4, als Mosche den Dornbusch näher in Augenschein nehmen will und vom Ewigen mit ›Mosche, Mosche‹ angerufen wird.]. So deutet der Buchstabe Mem von Mosche auf die Malkhut [-Schechina], die ebenfalls alle Dinge umfasst. […] Tatsächlich aber ist das in Ordnung, denn das Böse ist der Thron auf das Gute hin. […] Dadurch, dass man die Taten der Frevler sieht, hat man Freude daran, ein Gerechter zu sein und man hat Freude und Vergnügen und so wird in allen Welten Vergnügen durch das Böse erzeugt, es ist beinahe [so, dass] dadurch auch dem Bösen ein Aufstieg ermöglicht wird. […] Und so ist der böse Gedanke der Thron in der erwähnten Sache. Als Mosche aber beim ersten Mal [, da er gerufen wurde] nicht ›Hier bin ich‹ sagte, war er [gerade] erstaunt darüber, wie die Einung [der Jichud] zustande kam, da Er sich im Dornbusch, dem niedrigsten Rang, offenbarte, und alle Oberen Quellen bis unten geöffnet wurden und was es zu bedeuten hatte, dass der Dornbusch nicht verbrannte. War es denn möglich, dass man das Böse verbrennen konnte, denn dies war der Dornbusch – bis dass Er ihn ein zweites Mal rief: ›Mosche!‹ – da wurde ein Jichud und eine Verbindung und ein Band der unteren mit den oberen Rängen [hergestellt] etc. – da erst antwortete er [Mosche]: Hier bin ich!« 287,24-25 der »Böse Trieb« »verstellt sich […] Herrn auflehnt«] Zum »Bösen Trieb« vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 60,14-17. Die Vorstellung, dass sich der Böse Trieb als Diener verstellt, der sich gegen seinen Herrn auflehnt, findet man in Sohar I, 144b. 288,6-10 »Die Schechina […] Exil der Schechina«] Vermutlich nach Keter Shem Tov ha-shalem (2004) § 19, S. 14. 288,7-8 ›Und du belebst sie alle‹] Neh 9,6.
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Einzelkommentare
288,19-20 »die Verfehlung trägt«] Ex 34,7. 288,26-30 Der eine benimmt sich […] fesseln kann.] Vgl. Keter Shem Tov ha-shalem (2004) § 171, S. 93-94. 288,32 »Wer ist ein Held? Wer seinen Trieb bändigt.«] mAv IV,1 (BT, Bd. IX, S. 674). 288,33-34 »Von jedermann, den sein Herz anregt, sollt ihr meine Hebe nehmen«] Ex 25,2. 288,34-35 deutete der Baalschem so] Vgl. Keter Shem Tov ha-shalem (2004) § 405, S. 253. 289,20 Funkenlehre der späteren Kabbala] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 56,20. Spätere Kabbala ist eine andere Bezeichnung für die lurianische Kabbala. 290,9 »Auf allen deinen Wegen sollst du ihn erkennen«] Spr 3,6. 290,15-26 Henoch erzählt […] seinen Gliedern tue.«] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 60,28-29. 290,18-19 »Alles, was deine Hand zu tun findet, tue in deiner Kraft.«] Pred 9,10. 290,39-291,10 drückt ein Schülersschüler […] dahin du gehst‹.«] Nicht nachgewiesen. 291,36-38 Dieser Wunsch […] zum Gefäße werden] Vgl. Louis Massignon, Quatre textes inédits relatifs à la biographie d’Al-Hosayn-Ibn Mansour Al Hallaj, Paris 1914, S. 81. 294,24 Plotin] Antiker Philosoph; ausgebildet in Alexandria; er selbst verstand sich als Ausleger der Lehre Platons; seit der frühen Neuzeit sieht man ihn als Begründer und wichtigsten Vertreter der philosophischen Schule des Neuplatonismus. 295,37-38 al-Hallâdsch] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 205,25. 295,40-296,1 »Ich rufe dich« […] ›Ich bin es‹.«] Zitat nicht nachgewiesen. 296,22-23 »Nie hat die Gottheit« […] schafft alle Dinge.«] Das von Buber angegebene Zitat Meister Eckharts ähnelt – vor allem in dem, was es belegen soll – am ehesten einer Aussage in seinem Kommentar zur Sapientia (in Sap. Nr. 122, Lateinische Werke Bd. 2, S. 459): »Non enim imaginandum, sicut plurimi autumnant, quasi deus extra se et ad se, non in se creaverit aut produxerit omina, sed a se et in se ›creavit‹.« [Daher sollte man sich nicht vorstellen, wie es viele vermeinen, dass Gott gewissermaßen außerhalb und zusätzlich und nicht in Sich selbst alles geschaffen oder hergestellt hätte, sondern von Sich und in Sich ›schuf‹ Er.] Wörtlich findet sich das Zitat bei Hermann Büttner (Hrsg.), Meister Eckhart, Jena 1938, S. 298.
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296,40-297,1 »Gott und Gottheit« […] und entwird.«] vgl. Gustav Landauer (Hrsg.), Meister Eckarts Mystische Schriften, Berlin 1903, S. 77. 297,17 Šankara] Adi Śankara (8./9. Jh.) war ein indischer Religionsphilosoph. In einem seiner bedeutenden Werke thematisiert er die Unterscheidung zwischen Wirklichem und nicht-Wirklichem, wobei er die materielle Welt mit all ihren sinnlich wahrnehmbaren Phänomenen als Illusion bezeichnet. Entscheidend sei vielmehr die Unterscheidung zwischen Ewigem (dem Brahman) und dem nicht-Ewigen. 297,29 Maggids von Mesritsch] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 77,15 sowie 78,28-30. 297,35 Selbstbeschränkung Gottes] Hebr. Zimzum; vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 56,3. 298,7 Urpunkt] In den kabbalistischen Kosmogonien der Ursprung des Seins, der entweder mit der ersten Sefira Keter (dem göttlichen Nichts) oder mit der zweiten Sefira Chokhma identifiziert wird. 298,23 Chajim Vital […] »Baums des Lebens«] Chajim ben Josef Vital betrachtete sich als den wichtigsten Schüler und geistigen Testamentsvollstrecker des Isaak Luria. Eines seiner bedeutendsten Werke war der Etz Chajim (»Baum des Lebens«), in dem er sein Verständnis der Lehren seines Meisters niederlegte. 298,25-26 Damit Gott seine Güte […] außer ihm geben.] Vital (Etz Chajim, fol. 11a) argumentiert, dass der Ewige und Seine Namen ohne seine Schöpfung nicht vollständig wäre, denn Er könne z. B. nicht als Adonai (»mein Herr«) oder Rachum (»Mitleidvoller«) bezeichnet werden, wenn es die Geschöpfe nicht gäbe. 298,35-39 Und so setzt sich die Selbstbeschränkung […] Leuchtkraft weiter.] Beim Großen Maggid erfährt der Lehrtopos vom Zimzum eine spezifische Färbung: »Warum wird ihnen die Schöpfungsgeschichte offenbart? […] Weil Israel in jeder einzelnen Generation Gerechte [Zaddikim] hervorbringen würde. Es kontrahierte der Ewige, Er sei gepriesen, gewissermaßen Sein Strahlen – ähnlich dem Vater, der seinen Verstand beschränkt und ›kleine‹ Worte um seines kleinen Sohnes willen spricht. […] So erfreute sich der Heilige, Er sei gepriesen, an den Taten der Zaddikim und beschränkte Sich Selbst: ein Zimzum, der Weisheit [Chokhma] genannt wird. Denn die Weisheit ist aus dem Nichts [אין/ Ajin] in der Weise: Die Weisheit findest du aus dem Nichts [Keter; I]. Der Zimzum aber geschah wegen Israel; ebenso verursachte die Liebe den Zimzum.« (Schatz-Uffenheimer [Hrsg.], Maggid Devaraw le-Jaʾ aqov, § 1, S. 9.) Der Zimzum vollzieht sich nicht nur zu Beginn der Schöpfung, um gewissermaßen ›Raum‹ zu schaffen, sondern geschieht je und je (vgl. auch ebd., § 62, S. 99
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Einzelkommentare
sowie § 79, S. 135). Zudem erhält der Begriff eine epistemologische und eine historische Dimension: Der Ewige ›beschränkt‹ seine Weisheit, indem er sie zu Worten kontrahiert und die dem Menschen fasslich macht und Er ›konzentriert‹ sie auf Israel. Die Freude Gottes an den zukünftig in Israel erstehenden Gerechten und die Liebe des himmlischen Vaters zu Israel, seinem ›kleinen Sohn‹ sind letztlich das Movens für die Schöpfung. Jede dieser Perspektiven (Schöpfung, Offenbarung, Erwählung) erfordert einen Zimzum der besonderen Art. 299,2-4 »Man empfängt« […] durch Elohim.«] Zitat nicht nachgewiesen. 299,9-13 Der Maggid geht so weit […] zu Gott umgeschaffen.] Zitat nicht nachgewiesen. 300,2-3 »mehr als das Kalb saugen will, will die Kuh säugen«] bPes 112a (BT, Bd. II, S. 652). 300,5-8 Er handelt dabei wie ein Vater […] Kind zu machen.] Das Gleichnis vom mit seinem Sohn spielenden Vater wird von Dow Bär tatsächlich oft gebracht: »Wie ein Vater, der seinen Sohn mit Nüssen spielen sieht, da spielt auch er aus lauter Liebe mit ihm – obgleich dies für den Vater Torheit und Kinderei ist, dennoch, aus lauter Liebe zu seinem Sohn, dass er Vergnügen von ihm haben soll, schränkt er seinen großen Verstand ein und weilt in Kleinheit, damit es der Kleine ertragen kann. Denn wenn er mit ihm nach seinem [ganzen] Verstande verfahren würde, könnte es der Sohn nicht fassen (ertragen) und der Vater hätte kein Vergnügen von ihm.« (Schatz-Uffenheimer [Hrsg.], Maggid Devaraw le-Jaʾ aqov, § 132, S. 229; Übersetzung: Karl Erich Grözinger, in: Grözinger, Jüdisches Denken, Bd. 2, S. 815.) Vgl. auch Maggid Devaraw le-Jaʾ aqov, § 153, S. 252; § 191, S. 297. 301,11 »Esse est Deus«] Dieser Kernsatz der Lehre Eckarts begegnet in seinen lateinischen Schriften des Öfteren, vgl. Opus prop. 13; Exodus-Kommentar in Exod. 103 (Lateinische Werke II) u. ö. 302,11-12 »Wir gehen im Schöpfer […] zu tun.«] Keter Shem Tov hashalem (2004) § 200a, S. 112. 302,13-14 »wohnt inmitten […] Fußsohle.«] Zitat nicht nachgewiesen. 302,22 »Herr, öffne meine Lippen«] Ps 51,17. Der Chassidismus und der abendländische Mensch Mit seinem Essay »Der Chassidismus und der abendländische Mensch« trat Buber in die letzte Phase seiner Darstellungen jener osteuropäisch-
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jüdischen Strömung ein, deren moderne Interpretation stets mit seinem Namen verbunden bleiben wird. Der Essay erschien 1956 im Merkur, der 1947 als deutsche Zeitschrift für Kultur gegründet worden war. Das letzte Jahrzehnt von Bubers Leben war durch Vortragsreisen und Ehrungen einerseits, andererseits aber auch durch harte Kontroversen gekennzeichnet. Dazu gehören u. a. die Attacken, die Buber in Israel wegen seiner Annahme des Hansischen Goethe-Preises (1951) und des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels (1953) entgegenschlugen – wobei auch in diesem Fall Gershom Scholem zu einem der härtesten Kritiker avancierte. In dieselbe Zeit fiel eine Auseinandersetzung Bubers mit C. G. Jung (1875-1961), die, wesentlich durch Bubers Aufsatz »Religion und modernes Denken« (Merkur 6/1952, S. 101-120, aufgenommen in Gottesfinsternis, jetzt in: MBW 12) eröffnet, ebenso im Merkur statthatte wie der Disput mit Scholem um die Deutung des Chassidismus. Unter diesen Auseinandersetzungen dürfte diejenige zwischen Buber und Scholem um die Interpretation des Chassidismus nicht nur die für Religionshistoriker und Judaisten methodisch und intellektuell interessanteste, sondern auch eine der für Buber persönlich schwierigsten gewesen sein. Der Aufsatz enthält deutlich apologetische Elemente; dürfte also bereits einen Vorgriff auf die folgenden direkten Auseinandersetzungen gewesen sein. Zwei Jahre zuvor hatte Buber – ebenfalls im Merkur – mit dem Philosophen und Schriftsteller Rudolf Pannwitz (1881-1969) publizistisch über die Deutung des Chassidismus als Form der Gnosis gestritten (vgl. Rudolf Pannwitz, Der Chassidismus, Merkur 8 [1954], S. 810830); ein für Buber bedeutsames Thema, bei welchem er seinen Opponenten keinen Kompromiss einräumen konnte. Pannwitz hatte u. a. behauptet, die jüdische Religion sei im Gegensatz zur christlichen »erdgebunden«. »Sphären« habe sie nur da, »wo die ewige Gnosis tausend Stufen und Formen« hätte, »also vorzüglich in der Kabbala und im Chassidismus.« Im Kern dreht sich der Disput zwischen beiden um die Deutung des historischen Jesus resp. des Christus – was aber für den vorliegenden Kontext nicht relevant ist. Der antwortende Aufsatz Bubers ist daher im Band »Schriften zum Christentum« der Werkausgabe enthalten (MBW 9, S. 313-319), vgl. auch die Einleitung zum Text (ebd., S. 443-445). Buber fühlte sich in wesentlichen Punkten seiner Auffassung von Religion(en) im Allgemeinen, insbesondere aber des Christentums und des Chassidismus nicht korrekt verstanden. Er sah sich gezwungen, in seinem Aufsatz »Christus, Chassidismus, Gnosis«, der 1954 im Merkur erschienen ist, die Darstellung auf einen Gegensatz zwischen Devotio und Gnosis zuzuspitzen, wobei er den Chassidismus der ersten Perspektive,
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Einzelkommentare
und eben gerade nicht der zweiten zuwies: »In meinem ersten Buch über den Chassidismus […] schrieb ich, er sei die Ethos gewordene Kabbala. Das ist zwar keine zulängliche Beschreibung des Tatbestands, aber ein zutreffender Hinweis auf ihn. Man muß nur verstehen, was das bedeutet, wenn eine Gnosis Ethos wird: es ist die wahre religiöse Revolution, die nur als Werk der Devotio möglich wird. […] Die chassidische Bewegung übernimmt von der Kabbala nur das, was sie für die theologische Fundierung eines begeisterten und unexaltierten Lebens […] braucht.« (Buber, Christus, Chassidismus, Gnosis, Merkur 8 [1954], S. 923-929, hier S. 929, jetzt in: MBW 9, S. 313-319, hier S. 318 f.) Diese Gegenüberstellung von Devotio und Gnosis, Chassidismus und Christentum, insbesondere aber Bubers strikte Ablehnung der Gnosis, hat sein Freund und langjähriger Wegbegleiter Hugo Bergmann (18831975) als »ungerecht« kritisiert. Vgl. Ders., Martin Buber und die Mystik, in: Paul A. Schilpp u. Maurice Friedman (Hrsg.), Martin Buber, Stuttgart 1963, S. 265-274, hier S. 273. Buber kann und will hier nicht fehlinterpretiert werden, da es sich bei der ganzheitlichen und eben gerade nicht: dualistischen Welt- und Seinsdeutung um die Essenz der chassidischen Botschaft handelt, die er dem »abendländischen Menschen« unbedingt zu vermitteln wünscht. Solches geschieht in der vorliegenden Schrift in besonders eindringlicher Weise. Buber rahmt seine Ausführungen autobiographisch; verknüpft also seine Aussagen im mittleren Teil des Essays (in diesem Band, S. 307-313) bewusst mit der eigenen geistigen Entwicklung und verleiht ihnen somit Gewicht als Frucht eines langen Ringens um Erkenntnis. Der bereits angesprochene mittlere Abschnitt des Textes beginnt mit der grundlegenden These, das »Wichtigste am Chassidismus« sei die »Tendenz, die fundamentale Scheidung zwischen dem Heiligen und dem Profanen immer mehr zu überwinden.« (In diesem Band, S. 307.) Auch hier betont Buber einen unbedingten Monismus gegen jede Art dualistischer Anwandlungen. Der allgegenwärtigen Entfremdung des Menschen gelte es zu wehren (ebd., S. 312), der »Erkrankung des Kontakts mit den Dingen und Wesen« (ebd., S. 313). In einer Welt der Entzweiung, wie sie das 20. Jahrhundert drastischer denn je vorgeführt habe, vermittle gerade die ›chassidische‹ Sehnsucht nach Einung eine universal relevante Botschaft.
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Textzeugen: H1: Handschrift im MBA (Arc. Ms. Var. 350 dalet 23); 9 lose paginierte Seiten, beidseitig beschrieben mit blauer Tinte; undatiert; mit vielen Korrekturen versehen. H2: Handschrift im MBA (Arc. Ms. Var. 350 dalet 23); 19 lose paginierte Seiten; beidseitig beschrieben mit blauer Tinte; undatiert; mit mehreren Korrekturen versehen. Abschrift von H1. 1 TS : Typoskript im MBA (Arc. Ms. Var. 350 dalet 23); 17 zusammengeheftete und paginierte Seiten; einseitig beschrieben; undatiert und ohne Korrekturen. TS2: Typoskript im MBA (Arc. Ms. Var. 350 dalet 23); 17 zusammengeheftete und paginierte Seiten; einseitig beschrieben. Die Titelseite trägt den handschriftlichen Vermerk »Rundfunksendung«. Das Typoskript ist zweischichtig: TS2.1: Grundschicht: maschinenschriftlich. TS2.2: Korrekturschicht: einzelne Korrekturen von Bubers Hand. D1: Merkur, 10. Jg., Nr. 10, Oktober 1956, S. 933-943 (MBB 1028). D2: Juden, Christen, Deutsche, hrsg. von Hans Jürgen Schulz, Stuttgart 1961, S. 83-94 (MBB 1168). D3: Werke III, S. 935-948 (MBB 1219). Druckvorlage: D1 Übersetzungen: Englisch: Hasidism and Modern Man, in: Jewish Heritage, Bd. 1, Heft 1, 1957, S. 16-18 u. 55, (MBB 1057); Hasidism and Modern Man, in: Martin Buber, Hasidim and Modern Man, ed. and transl. by Maurice Friedman, New York: Horizon Press 1958, S. 21-46, (MBB 1085); Hasidism and Modern Man, in: A. Altmann (Hrsg.), Between East and West, London: East and West Library 1958, S. 9-21, (MBB 1099). [Aufsätze zu Ehren von Bela Horovitz.] Französisch: Le Hassidisme et l’homme d’Occident, übers. von M. Catanne, in : Mélanges de Philosophie et de Littérature juive, 1/2, 1956/ 1957, S. [48]-58, (MBB 1059). Niederländisch: Het chassidisme en de westerse mens, in: Martin Buber, De Chassidische bodschap, übers. von R. Boerke und C. Verhulst, Wassenaar: Servire 1968 (MBB 1311). Variantenapparat: 304,Titel und der abendländische Mensch] und das Abendland H1 und die Krise des abendländischen Menschen D2
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304,2 1] fehlt D2 304,3 Es sind mehr als fünfzig Jahre, daß ich damit] Es sind zwei Menschengeschlechter her, daß ich D3 304,5 Bewegung] Bewegung des osteuropäischen Judentums H1 304,7 rede] reden will H1, H2 304,7 geschieht das nicht] geschieht es, ich glaube das getrost sagen zu dürfen, nicht H1, H2 304,11 sollte und soll] wollte und will H1, H2 304,17 verwendbares Gerät] hverwendbaresi Gerät H1 304,19 der jüdischen Überlieferung] [des Judentums] ! der jüdischen Überlieferung H1 304,19-20 außerhalb ihrer keinen] keinen sonst H1 304,22 oder vielmehr sollte] hoder vielmehr solltei H1 304,26 schriftliche und mündliche Überlieferung] Brüder und Menschen H1, H2 304,27 Zeugnis] zureichendes Zeugnis H1, H2 304,28-29 Zusammenhänge] Wirklichkeit H1 304,30 Neugier] schierer Neugier H1, H2 304,30 verstand ich] wusste ich H1, H2 304,31-32 ich trug zwar] wohl trug ich D3 304,32 unzugehörigen] sachfremden H1 304,34 zu vernehmen war] laut wurden H1 304,35 natürliche] gestrichen in TS2.2 304,37 nichts anderes fanden als wüsten Aberglauben] nichts als wüsten Aberglauben zu erkennen wussten H1 305,5 zuverlässig] wesentlich treu H1 im wesentlichen treu H2 305,6 Tradition] Überlieferung H1 305,10 wuchs] nur wachsen, nicht abnehmen konnte H1, H2 305,11-12 der Katastrophe mir spürbar wurde] des {Beginns H1 ersten Stadiums H2} einer Katastrophe im genauesten Wortsinn mir spürbar wurde H1, H2 305,14 existenzverbindlich] [verbindlich] ! existenzverbindlich H1 305,15-16 Es handelte sich dabei nicht um […] nicht um] Es war dies nicht […] nicht TS2.2, D2 305,17-18 es handelte sich um den unwiderstehlich gewordenen] es war der unwiderstehlich gewordene TS2.2, D2 305,19-20 Die Erkenntnis […] mit dem Seienden] Die Lehre vom Menschenleben als der Möglichkeit eines universalen Dialogs, die sich damals in mir herausbildete H1 305,20 Dialogs mit dem Seienden] universalen Dialogs H2 305,23 gewandelt] immer gründlicher gewandelt H1, H2
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305,26 unerläßlichen] [erforderlichen] ! unerläßlichen H1 305,29 Gewiß, ich konnte] [Jedoch nicht das allein, sondern dass der Kern dieses Lebens, auch heute noch, nachdem so viel von der chassidischen Gemeinschaft verfallen, ja gerade heute, in eine unsterbliche Gegenwärtigkeit Eingang gefunden hat, die dem heutigen Menschen] ! Ich konnte H1 305,29-30 unerlaubte] [frevelhafte] ! unerlaubte H1 305,32-33 Wesen […] unterscheiden mußte] Herzen unterscheiden musste zwischen dem, was ich als Offenbarung glauben konnte, und dem, was ich nicht als Offenbarung glauben konnte H1 305,34 Dasein] [Lebensweise] ! Daseinsweise H1 [Lebensweise] ! Dasein H2 305,35 vorgelebt] hrecht eigentlichi vorgelebt H2 305,35-36 und das heißt: […] dem Seienden] das war eben eine menschliche Realisierung jenes universalen Dialogs H1 305,35-36 Dialogs mit dem Seienden] universalen Dialogs H2 305,36-37 gewiesen hatte] gewiesen hatte. hWohlgemerkt, ich sage zwar: Aufgabe, und ich sage: Es galt das zu tun, aber in Wahrheit hat es da nie etwas wie eine Absicht oder gar einen Vorsatz gegeben, – es geschah nur eben was geschah.i H2 305,38-306,4 Das ists, was ich […] Trost geworden.«] fehlt D3 306,5 Durch diese Wandlungen ist im Werk] [Was aus diesen Wandlungen in meinem Leben selbst wurde, davon ist hier nicht zu reden. Im Werk aber ist daraus] ! Durch diese Wandlungen ist im Werk H1 306,10 objektiven] übermächtigen objektiven H1, H2 306,11 zukommenden] zulänglichen H1 306,13 Häuptern] [Führern] ! Häuptern H1 306,17 das Exemplarische] das Exemplarische, das es zu sagen hatte H1 306,18 didaktisch] didaktisch, in Begriffen und Erklärungen H1 306,19 dieser redete, wie eben ein Lebensvorgang redet] er selber sagte, worauf es ankam H1 306,20 Lebensvorgang] Vorgang und wie dessen X Sprechen H1 306,21 auf uns gekommen] überliefert H1 tradiert H2 306,26 bezeugen] [das Unbegreifliche] bezeugen H2 306,26-28 , sowohl das […] überflügeln vermag] fehlt H1 306,33 einer Tatsache] der Tatsache D2 306,36-37 und gerade […] befähigt ist] [ja gerade heute] ! in einer besondern Weise zu wirken [bestimmt und befähigt] ! geeignet ist H1 306,38-39 , litauischen Ghetto ist dessen Kern] Ghetto H1 306,40-41 Erscheinung etwas] Gestalt etwas Allgemeines H1 [Gestalt] ! Erscheinung etwas H2
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306,41 der damaligen Realität urfremd] jenem Leben in seiner damaligen Realität [weder wollte noch ungewollt noch] urfremd war H1 307,4 wirklichkeitsgeladene] wirklichkeitsdurchwobne H1 wirklichkeitsdurchzogne H2 307,5-6 die letztlich unfruchtbare Exaltation der] das eschatologische Fieber der H1 [das chiliastische Fieber der] ! die H2 307,8 vermengte] wild vermengten H1 307,11 Nachleben] Überbleib H1, H2 307,12 modernen Menschen sein Wort zu sprechen] [abendländischen] ! modernen Menschen [zu antworten, so sehr eben an ihm ist] ! sein Wort zu sprechen H2 307,13 2] fehlt D2 307,14 Wichtigste] Lebenswichtigste H1, H2 307,15 im persönlichen Dasein als in dem der Gemeinden] im persönlichen als im gemeindlichen Dasein H1, H2 307,18 ist in die Grundlagen jeder Religion aufgenommen] [die aller Religion zu Grunde liegt, hat im Judentum] ! liegt aller Religion und allen Religionen zugrunde H1 307,18 jeder Religion] jeder [ausgebildeten] Religion H2 307,19 da der Fülle der Dinge] der Gesamtheit der [»gemeinen«] ! allgemeinen Dinge H1 307,19 Fülle] Gesamtheit H2 307,21 in seiner Gesamtheit] miteinander H2 307,22 keinen Eingang finden kann] draussen lagern muss H1, H2 307,24 Bezirk] fester Bezirk H2 307,26 gewährleistet wird] gewährleistet wird, zumeist nicht ohne Gegenleistung H1, H2 307,26-27 Bekennern der Religion] Religionsanhängern H1, H2 307,28-30 auf diesen Bezirk […] eingeräumt würde] innerhalb dieses Bezirks und über ihn hinaus etwa noch im Leben des Hauses sich vollziehen zu lassen, ohne ihm aber für die öffentliche Sphäre [Verbindlichkeit] ! verpflichtende Macht einzuräumen H1 307,33 Bestehendes] Beschlossenes H1 307,34 manches dafür] manches dafür, so die nach Ende des Sabbats gesprochene Anrufung Gottes als dessen, der zwischen dem Heiligen und dem Profanen scheidet H1, H2 307,36-37 die Heiligung in das an sich Ungeweihte hineinreicht] [das Heilige] ! die Heiligung ins Profane ragt H1 308,1 etwa ein neues […] Gebrauch nimmt] die erste Feige des Jahres isst H1 308,3 gewohnte] schlichte H1, H2
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308,10 in der messianischen […] geworden sein] fehlt H1 308,10 heilig geworden sein] [sich zum Heiligen vollenden] ! heilig sein H2 308,11-12 zu einer höchst realistischen Vollendung] zur Vollendung H1 308,13 noch nicht Geheiligte] noch Ungeheiligte am Leben H1, H2 308,15 geheiligt zu werden.] geheiligt zu werden. [Und mehr noch: der Mensch, der sich heiligt, wirkt auf die »Heiligung der Welt ein«.] H1 308,18 dem Göttlichen] der Transzendenz H1, H2 308,25 menschlicher Freiheit und göttlichem Allwissen] Wille und Vorsehung H1 308,27 Geheimnis] [hienieden nicht zu enträtselnden] Geheimnis H1 308,30 Vorbehaltenes] [Ausgespartes] ! Vorbehaltenes H1 308,31 die Wahl oder] fehlt H1, H2 308,31-32 das Beginnen.] ergänzt Ein alter Spruch erklärt das Anfangswort der Schrift, das Wort bereschit, »Im Anfang« damit, die Welt sei um des Anfangs, um des Anfangens willen, um des menschlichen Immer-wieder-Anfangens willen erschaffen worden. [Der Mensch [heisst] ! ist ein »Herr der Wahl« und Heiligung] H1 ergänzt Ein alter Spruch erklärt das Anfangswort der Schrift, das Wort bereschit, »Im Anfang« damit, die Welt sei um des Anfangs, um des Anfangens willen, um des menschlichen Immer-wieder-Anfangens willen erschaffen worden. H2 308,32-33 eine stets erneute Situation der Wahl] unendliches Wählen H1 308,34 das Beginnen sich ereignet] hdas Beginneni sich ontisch vollzieht H1 das Beginnen sich ontisch ereignet H2 308,35 die Heiligung] die Gnade der Heiligung H1 308,38 d e s M e n s c h l i c h e n ] nicht hervorgehoben H1, H2 308,39 chassidisch] von einem späten chassidischen Rabbi H1 308,40 M e n s c h l i c h ] nicht hervorgehoben H1, H2 308,40 heilig sollt ihr] heilig – auf menschliche Weise heilig – sollt ihr TS2.2, D2 308,41-309,1 In dem Leben, […] demgemäß] Es gibt demgemäss in [der chassidischen Welt] ! [dem vom Chassidismus intendierten Leben] ! dem Leben, wie der Chassidismus es meint und verkündet H1 309,1 Wesensunterschied] We s e n s unterschied D2 309,5 erwachen] aufblühn H1, H2 309,5 Als ein Beispiel] davor Absatzwechsel D3 309,26 Lehre] Schrifttum H1 309,29 standzuhalten] zu fassen H1 309,39-40 Was der Chassidismus […] mitteilbar ist] [Wir Heutigen vermögen] ! Uns Heutigen ist es nicht gegeben, mythischen Ausdruck
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dieser Art, auch wenn wir [die daraus sprechende Wahrheit] ! die daraus sprechende gültige Wahrheit erkennen, durch andere Bilder zu ersetzen, und es ist auch nicht not. Dem Chassidismus ist es offenbar um eine zentrale Weisung zu tun, die nur [unmittelbar sinnlich] ! bildhaft, nicht begrifflich [lehrhaft] mitteilbar ist H1 310,13 dem Spruch] dem Spruch (der der festtäglichen Morgenliturgie entnommen ist) H1, H2 310,21-22 dem Ursprunge entgegen, er »erhebt« sie] zum Ursprung ihrer Ursprünge empor H1 dem Ursprung ihrer Ursprünge entgegen, er »erhebt« sie H2 d e m Ursprunge entgegen D2 310,25 auch manches] vieles D2 310,29 Erzählung naiv und gültig gesagt] [Geschichte] ! Erzählung einen naiven und gültigen Ausdruck gefunden H1 310,38 erstellen] [errichten] ! erstellen H2 310,39 der Welt] der Welt, aus unserem, TS2.2, D2 310,40 Gott ein.] Gott ein! D3 310,40 Die Heiligung der Welt wird] [Das Beginnen der Welt an ihrer Heiligung meint] ! Die Heiligung der Welt wird H2 311,2 gewichtigen] unvergesslichen H2 311,3-4 »bei ihnen inmitten ihrer Makel«] »Zelt der Begegnung« (der von Luther so genannten »Stiftshütten«) »bei ihnen inmitten ihrer Makel« H1 311,6 Auch die nachbiblische] davor Absatzwechsel D2 311,8 Schechina] nicht hervorgehoben D2, D3 311,9-11 sich dem aus dem […] vertriebenen Israel] dem haus Kanaani verbannten Volke oder auch [schon der ganzen sündigen] ! schon dem aus dem Paradies verbannten Menschengeschlecht H1 311,12-13 sündigen und leidenden] leidenden H1 311,14-16 ist nicht mehr […] durchdringt sie] ist ihr noch nicht gegeben. Das Werk der vollkommenen? Stillung ist offenbar nicht der Geschichte eingeordnet, es hat eschatologisches Wesen H1 311,14-15 ist nicht mehr geschichtlicher Art] ist der menschlichen Geschichte nicht eingeordnet H2 311,20 Schechina] nicht hervorgehoben D2, D3 311,20 Schechina an] Schechina an [und modifiziert sie zugleich] H2 311,21 verhehle] verbirg H1 311,26 Daseinsweise] Menschenart und Daseinsweise H1, H2 311,40 Erst beide Sprüche] [Der erste Spruch weist auf das noch unerlöste und erlösungsbedürftige, der zweite auf das erlöste Sein hin.] ! Erst beide Sprüche H1 312,1 3] fehlt D2
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312,12-17 Man hat die Krisis […] Erklärungsversuche] Weder einer der geläufigen soziologischen und psychologischen kausalen Erklärungsversuche H1 312,20 den eigentlichen Schaden] die Eigentlichkeit des Schadens H1 312,22 grausame] eingedrungene H1 312,27 bedrohlicher] bedenklicher und bedrohlicher H1 312,35 Dasein] Existenz H1 313,1 Kein Frömmlertum] Es soll sogar, habe ich gehört, Existentialisten ohne Existenz geben H1 313,5 diesem Verhalten des heutigen Menschen] dem Gebaren des heutigen Menschen, woraus ich nur einen besonders kräftigen Zug gekennzeichnet habe H1 313,10-11 im Grunde […] das Rechte] fehlt H1 im Grunde seines Wesens meint H2 313,13-21 Besonders schwerwiegend […] der Welt.] fehlt H1 313,14 Kontakts] [Umgangs] ! Kontakts H2 313,20 Begegnungskraft] [Beziehungskraft] ! Begegnungskraft H2 313,22 4] fehlt D2 313,24 Essenz] Sprache H1 313,25-26 entmythisieren] entmythologisieren D2 313,28-29 Erinnerns des Überwältigenden] Gedächtnisses H1, H2 313,34 die Geheimnisse transzendenten Seins als Wißbarkeiten] die grossen Geheimnisse des Seins als vermeintliche Wissbarkeiten H1 die [grossen] Geheimnisse transzendenten Seins als [esoterische] Wissbarkeiten H2 314,3 als dessen nachgeborener Dolmetsch ich fungiere] dessen Dolmetsch ich bin H1 314,4 langen] lebenslangen H1, H2 314,8 verkündigen] verkündigen; ich [erinnere] ! entsinne mich besonders aus der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg eines Briefs dieses Inhalts von dem Oberbürgermeister einer alten mitteldeutschen Stadt, der später, als ich seiner Anregung nicht folgte, selber einen Bund nichtjüdischer »Chassidim« gegründet haben soll und damit hat er wohl recht getan H1 314,11-12 ich darf in der Tür […] stehenbleiben] das Öffnen eines Fensters in meinem angestammten Haus genügt H1 314,12 auch das hier gesprochene] das zum Fenster hinaus H2 314,12 hier] hervorgehoben D2 314,14 Das chassidische Wort] Und wenn ich es noch einmal zusammenfassen soll: das chassidische Wort H1
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314,16-29 Aber wie läßt […] chassidischen Lehre] Der Mensch aber ist niemals der Mensch dort, er ist immer der Mensch hier. Es sind niemals die andern, immer sinds wir H1, H2 Wort- und Sacherläuterungen: 305,39-306,4 »Seit ich die Arbeit […] Trost geworden.«] Vgl. das Vorwort zu Das verborgene Licht, S. 10 f. (jetzt in: MBW 18.1, S. 73). 307,37-38 Segnet einer Gott […] hat erwachen lassen] Vgl. den Gebetsteil Birkhot ha-Schachar, der die Segenssprüche, die am frühen Morgen zu sprechen sind, enthält. In der entsprechenden Passage des Gebets heißt es: »Gepriesen seist du, Ewiger, unser Gott, Herr der Welt, der den Schlaf wegziehen lässt von meinen Augen und den Schlummer von meinen Lidern.« Vgl. auch Hirsch (Übers.), Israels Gebete, S. 10 f. 308,1-2 wenn er etwa ein neues Haus […] am Leben erhalten worden ist] Wer eine im fraglichen Jahr noch nicht genossene Frucht isst, ein neues Kleid anzieht oder ein neues Gerät in Betrieb nimmt, spricht das sog. Schehechejanu: »Gepriesen seist du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, der uns das Leben geschenkt [sche-hechejanu] und erhalten hat und uns diesen Zeitpunkt erreichen ließ.« Diese Art von Segenssprüchen sind in ebd., S. 720-726 aufgelistet. 308,15-16 »Gott wohnt, wo man ihn einlässt«] Vgl. »Gottes Wohnung«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 784 f. (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [1155]). 308,38-39 »Heilige Menschen sollt ihr mir sein.«] Ex 22,30. 308,40 »M e n s c h l i c h heilig sollt ihr mir sein.«] Vgl. »Heiligkeit«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 790 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [1168]). 309,6-22 Geschichte vom Schlaf des Rabbi Schmelke […] könnten ihn netzen] Vgl. »Der Schlaf«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 309 f. (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [330]). Zu Rabbi Schmelke vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 66,4. 309,19-20 Gesang vom Schilfmeer] Ex 15,1-18. 309,27-28 heiligen Funken: beim »Zerbrechen der Weltgefäße«] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 56,20. 309,31-34 »Alles was der Mensch […] werden wollen.«] Quelle: in etwa Keter Shem Tov ha-shalem (2004), § 218, S. 128-129; vgl. Buber, Des Baal-Schem Tow Unterweisung, in diesem Band, S. 107. 309,34-36 »Darum soll man […] Funken erbarmen.«] Tzawaʾ at ha-Ribasch (1998) § 109, S. 50. Vgl. auch Des Baal-Schem Tow Unterweisung, in diesem Band S. 107.
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310,2-5 »Alle Kreatur […] die Kreatur.«] Originalzitat: Keter Shem Tov ha-shalem (2004) § 53, S. 32; vgl. Jaakob Jossef, Ben Porat, Miqez 74,2, fol. 258a; vgl. Buber, Des Baal-Schem Tow Unterweisung, in diesem Band S. 107. 310,10-15 Gespräch eines großen Zaddiks […] mit der Bank.«] Es wird als ein Gespräch zwischen Schnëur Salman von Ladi, dem Begründer der Chabad, und seinem Sohn Dow Bär (1773-1827) überliefert. Als »Womit er betete« aufgenommen in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 418 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [509]). 310,29-33 Von einem Zaddik wird berichtet […] gestillt sein.«] Die Sentenz wird mit Pinchas von Korez, vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 66,25, in Verbindung gebracht. Vgl. »Das Eine«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 228 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [192]). 311,3-4 er nehme Wohnung »bei ihnen inmitten ihrer Makel«] Lev 16,16b. 311,8 Schechina] Hebr. »Einwohnung«; vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 55,32. 311,21 »Ein Gast bin ich […] deine Gebote«] Ps 119,19. 311,22-24 »Du bist wie ein Gast […] werden kann.«] Die Sentenz wird Baruch von Mesbiž dem Enkel des Baal Schem Tov, zugeschrieben. Vgl. »Die beiden Fremdlinge«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 181 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [101]). 311,27-32 »Die Funken […] Quell empor.«] Vgl. »Arzenei«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 187 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [112]). 311,35-39 »Auch die Völker […] werden sollen.«] Die Aussage wird Henoch von Aleksandrów zugeordnet, vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 211,30. Vgl. »Zwei Welten«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 841 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [1280]). 312,36 faschöse] Faschös: veraltet für misslich; von fâcheux, franz. für »unangenehm«, »misslich«. 313,25-26 Postulat der Stunde, Religion zu entmythisieren] Rudolf Bultmann (1884-1976) vertrat als erster die Forderung der Entmythologisierung in seinem 1941 erschienen Aufsatz »Neues Testament und Mythologie«. 314,20-22 »menschlich heilig« […] »mir«] Vgl. Ex 22,30. Vgl. auch die Wort- und Sacherläuterungen zu 308,39-40.
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Zur Darstellung des Chassidismus In den frühen sechziger Jahren trugen Gershom Scholem und seine Schülerin, Rivka Schatz-Uffenheimer ihre schon länger schwelende Auseinandersetzung mit Martin Buber über die Interpretation des Chassidismus in eben die Öffentlichkeit, die für letzteren in seiner späten Lebensphase immer bedeutender geworden war: in die amerikanische und europäische Leserschaft. (Zur wissenschaftstheoretischen und -historischen Bedeutung dieses Konflikts vgl. die Einleitung zu diesem Band, S. 38-40.) Dabei darf vermutet werden, dass es Scholem in dieser Kontroverse um weit mehr ging, als um eine Klärung der religionshistorischen Verortung chassidischer Lehrgebäude: »Scholems Kritik an Buber [war] vielmehr ein anarchistischer Anschlag auf die ›Institution Buber‹, die sich in zwei Arbeiten niederschlug: zum einen seine Analyse von Bubers Chassidismus und zum anderen einer Zerlegung von Bubers Verständnis des Judentums.« (Davidowicz, Gershom Scholem und Martin Buber. Die Geschichte eines Mißverständnisses, S. 105.) Beide Kontrahenten waren sich darüber im Klaren, dass Bubers Interpretationen keine religionsgeschichtliche Darstellungen waren und sein wollten – aber das begeisterte, überwiegend christliche Publikum in den Vereinigten Staaten und in Europa wusste dies nicht. Insofern war das wachsende Unbehagen Scholems und sein Wunsch nach öffentlicher Korrektur durchaus nachvollziehbar. Andererseits griffen Schatz-Uffenheimer und ihr akademischer Lehrer zu einem, sagen wir, fragwürdigen Mittel, um ihr Anliegen zu verdeutlichen: Sie unterstellten Buber einen Anspruch, den dieser bewusst nicht erhoben hatte: Weit mehr als an historischen Abläufen zeigte er sich an religionssystematischen und philosophischen Zusammenhängen – und eben an der bleibenden Botschaft interessiert, die der osteuropäische Chassidismus seiner Meinung nach zu vermitteln hatte. Scholem und seiner Schülerin war das nicht entgangen; sie ließen diese Einsicht aber zugunsten ihres eigenen Anliegens – nämlich den autoritativen Gestus Bubers zu erschüttern – außer Acht. Der vorliegende kleine Essay Bubers bildet die Antwort Bubers auf die in dem 1963 erschienen Sammelband Martin Buber enthaltene Kritik der Scholem-Schülerin Rivka Schatz-Uffenheimer an seiner Interpretation des osteuropäischen Chassidismus, die sich bereits 1960 zu diesem Thema geäußert hatte (vgl. Martin Buber – Master of Hasidic Teaching, Judaism 9 [1960], S. 227-281). Ihr im repräsentativen Sammelband zu Martin Buber abgedruckter Beitrag »Die Stellung des Menschen zu Gott und Welt in Bubers Darstellung des Chassidismus« (vgl. Martin Buber,
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S. 275-302) erschien zuerst in hebräischer Sprache (vgl. Adam nokheach elohim we-olam be-mischnat Buber al ha-chassidut, Molad 19 [1961], S. 596-609). Der von Paul Schilpp (1897-1993), Fritz Kaufmann (18911958, sein Beitrag zum Band befasste sich mit Martin Bubers Religionsphilosophie, vgl. Martin Buber, S. 180-207) und Maurice Friedman (1921-2012) vorbereitete Band war für die Reihe »The Library of Living Philosophers« vorgesehen, erschien allerdings erst 1967 in englischer Sprache. Die ebenso einfache wie interessante Grundidee dieser Reihe bestand darin, dem jeweiligen Gelehrten Kritiken und Interpretationen zu seinem Werk vorzulegen, und ihn darum zu bitten »gleichzeitig mit seinen Verteidigern und Kritikern das Wort zu ergreifen«, dem denn auch Buber mit seinem im selben Band abgedruckten Beitrag nachkam (vgl. ebd., S. VI). Eigentlich war Gershom Scholem als Beiträger zu Bubers Auffassung des Chassidismus vorgesehen. »Both Paul Arthur Schilpp and Fritz Kaufmann wrote to Scholem urging him to contribute an essay on Buber’s interpretation of Hasidism to The Philosophy of Martin Buber, and Fritz Kaufmann did not give up even after the first attempts met with no success. After Buber had received our list of those we hoped would contribute, he wrote in December 1956, ›I am curious what Scholem, whom I appreciate very highly, will do with it. He has a somewhat ambivalent relation to the subject. My new essay on Hasidism is in some regards an answer to his objections.‹« (Maurice Friedman, Martin Buber’s Life and Work: The Later Years, 1945-1965, New York 1983, S. 282.) Der »neue Essay«, auf den Buber sich in seinem Brief an Friedman bezog, ist der 1956 erschienene »Chassidismus und der abendländische Mensch« (in diesem Band, S. 304-314). Der von Friedman zitierte Brief ist in dem von Grete Schaeder herausgegebenen Briefwechsel aus sieben Jahrzehnten nicht enthalten. Scholem hatte jedoch dem Ansinnen der Herausgeber nicht entsprochen, weil – so berichtet Maurice Friedman – Buber durch den dialogischen Ansatz des Bandes (er durfte auf die ihm gewidmeten Aufsätze antworten) – das letzte Wort in der Sache haben würde: »In 1960 when […] I went for four months to Jerusalem, I visited Scholem and asked him personally whether he would reconsider his decision not to contribute an essay on Buber’s interpretation of Hasidism to The Philosophy of Martin Buber. Scholem was adamant. ›Don’t you have something already written?‹ I persisted. ›I do, but I won’t give it to you,‹ he answered. ›Besides I don’t believe in the principle of The Library of Living Philosophers,‹ he asserted. ›Why not?‹ I asked. ›Because‹, replied Scholem, ›it gives the philosopher the last word.‹« (Friedman, Martin Buber’s Life and Work, S. 284. Hervorhebungen im Original.)
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Vom insgesamt mühseligen und langwierigen Prozess der Vorbereitung jenes Werks weiß denn auch ein Brief Kaufmanns an Buber vom 19. Dezember 1956 beredt Kunde zu geben. Kaufmann schrieb: »Die Vorbereitung für den Band hat sehr viel Arbeit erfordert – und tut es noch […]. Das Anfangsstadium war enttäuschend, weil uns gerade jüdische Freunde, auf die ich glaubte rechnen zu können, im Stich ließen […]. An Scholem, Heschel, Taubes habe ich erneut appelliert: sie hatten wohl nicht ganz verstanden, worum es geht.« (B III, S. 424.) In seinem Briefen an Maurice Friedman vom 8. und 22. September 1958 kündigte Buber an, nun die Arbeit an den Responsa für den Band der »Library« beginnen zu wollen (vgl. ebd., S. 464-465, sowie den Brief vom 15. August des Folgejahres, ebd., S. 481). Im Unterschied zu Scholem zeigte sich dessen Schülerin Schatz-Uffenheimer in ihrem Beitrag zur Philosophy of Martin Buber durchaus bereit, die bleibenden Verdienste Bubers um die Erforschung des Chassidismus anzuerkennen (vgl. Schatz-Uffenheimer, Die Stellung des Menschen zu Gott und Welt in Bubers Darstellung des Chassidismus, in: Martin Buber, S. 275). Sie konzedierte, dass sich »Buber nie als Fachgelehrte[r] im engeren Sinne« gesehen habe (ebd.) und fühlte sich verpflichtet, »darauf hinzuweisen, daß die Schärfe der vorliegenden Kritik nichts Letztgültiges aussagt über den definitiven Wert der Lehre Bubers« (ebd., S. 275276; vgl. Bubers Reaktion: »Zur Darstellung des Chassidismus«, in diesem Band, S. 319 f.). Dies hinderte sie jedoch nicht daran, dessen zentralen Thesen und Werke grundlegend in Frage zu stellen. Als zentrale Aussage Bubers identifizierte sie die folgende: »Bubers große Schau des Chassidismus läßt sich in einem Wort zusammenfassen: im Chassidismus wird die Kluft zwischen Gott und Welt geschlossen.« (Schatz-Uffenheimer, S. 276.) Schatz-Uffenheimer widerspricht dieser Auffassung nachdrücklich. Zum einen sei die Beziehung zur konkreten Alltagswelt für die chassidischen Denker keineswegs so wichtig, wie Buber glauben machen möchte. Zum anderen habe »der Chassidismus keinen Augenblick das gnostische Bewußtsein abgestreift.« (Ebd., S. 278.) Gott und Welt seien »ihm immer Gegensätze gewesen« (ebd., S. 281). Von dieser Position aus kritisiert die Schülerin Scholems nun einzelne Elemente der Darstellungen Bubers, wie dessen Interpretation der »Hinaufhebung der Funken« (ebd., S. 279; vgl. Bubers Replik: »Zur Darstellung des Chassidismus«, in diesem Band, S. 320), der vermeintlichen »Bejahung der Welt« durch die chassidischen Meister (Schatz-Uffenheimer, S. 279281), des »Gottesdiensts in Körperlichkeit« (ebd., S. 282-286; vgl. Buber, »Zur Darstellung des Chassidismus«, S. 321 f.), von Aufgabe und Funktion des Zaddik (Schatz-Uffenheimer, S. 287-288; vgl. Buber, »Zur Dar-
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stellung des Chassidismus«, S. 328 f.) und der Tora (Schatz-Uffenheimer, S. 288-289) und anderes mehr. Natürlich habe Buber, so Schatz-Uffenheimer, seine Sicht auf den Chassidismus nicht einfach »aus der Luft gegriffen« (ebd., S. 293). Sein methodisches Grundproblem sei vielmehr darin zu sehen, dass »er sich vom inneren Reichtum des chassidischen Aphorismus« habe »bezaubern lassen« (ebd.). Hiermit bekräftigt sie einen zentralen Kritikpunkt Scholems, der wiederholt Bubers Umgang mit den chassidischen Quellen beanstandet hatte (vgl. Buber, »Zur Darstellung des Chassidismus«, S. 328). Ihr Essay mündet in eine religionshistorische Auseinandersetzung mit dem Roman Gog und Magog (Schatz-Uffenheimer, S. 294-301; vgl. Buber, »Zur Darstellung des Chassidismus«, S. 330-332) – was die Problematik des Disputs zwischen den beiden Lagern noch einmal verdeutlicht: Scholem und Schatz-Uffenheimer, wohl wissend, dass Buber eine Botschaft vermitteln und keine wissenschaftliche Abhandlung vorlegen wollte, beurteilten dessen Werk ausschließlich aus der eigenen, historisch-kritischen Perspektive, neben der sie keine anderen Zugänge gelten ließen. Bubers Essay, übrigens die umfangreichste »Antwort« unter den Reaktionen im Sammelband, nutzt die Gelegenheit, seine Positionen sowohl gegen Scholems (ebd., S. 315-319) als auch gegen Schatz-Uffenheimers Anwürfe zu verteidigen. Textzeugen: H: Handschrift im MBA (Arc. Ms. Var. 350 dalet 7); 17 lose paginierte Blätter; einseitig beschrieben mit blauer Tinte; undatiert; mit vielen Korrekturen versehen. TS1: Typoskript im MBA (Arc. Ms. Var. 350 dalet 7); 16 lose paginierte Blätter; einseitig beschrieben; undatiert; mit geringfügigen Korrekturen von Tippfehlern versehen. TS2: Typoskript im MBA (Arc. Ms. Var. 350 dalet 7); 15 lose paginierte Blätter; einseitig beschrieben; undatiert; mit geringfügigen Korrekturen von Tippfehlern versehen. Seite 13 fehlt. TS1 und TS2 sind zeichenidentische Durchschläge. D1: Korrekturfahnen für D3 im MBA (Arc. Ms. Var. 350 dalet 13); 5 lose Blätter, undatiert. Die Korrekturfahnen sind zweischichtig: D1.1: Grundschicht. D1.2: Korrekturschicht: wenige Korrekturen von Bubers Hand. D2: Korrekturfahnen für D3 im MBA (Arc. Ms. Var. 350 dalet 13); 5 lose Blätter, undatiert. Es handelt sich bei D1 und D2 um Abzüge desselben Satzes. Das erste Blatt der Korrekturfahnen ist mit einem hand-
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schriftlichen Vermerk versehen: »Manuskript zu Buber, Werke III / an Kösel-Verlag 28. 11. 62«. Die Korrekturfahnen sind zweischichtig: D2.1: Grundschicht. D2.2: Korrekturschicht: mehrere Korrekturen von Bubers Hand. Dem handschriftlichen Vermerk des ersten Blattes sowie den vorgenommenen Änderungen nach zu urteilen konstituiert diese Korrekturschicht D5. 3 D : Merkur XVII/2 (Februar 1963), S. 136-146 (MBB 1225). Auf der Titelseite fälschlich als »Mein Bild des Chassidismus« ausgewiesen. D4: Martin Buber – Philosophen des XX. Jahrhunderts, hrsg. v. Schilpp u. Friedman, Stuttgart: Kohlhammer 1963, S. 626-635 (MBB 1220). D5: Korrekturfahnen für D6 im MBA (Arc. Ms. Var. 350 dalet 13); 6 lose Blätter; undatiert. Die Korrekturfahnen sind zweischichtig: 5.1 D : Grundschicht. Neusatz für D6 auf Grundlage von D2.2. D5.2: Korrekturschicht: mehrere Korrekturen von Bubers Hand. D6: Werke III, S. 977-988 (MBB 1219). Übersetzungen: Englisch: Interpreting Hasidism, in: Commentary, 36. Jg, Heft 3, September 1963, S. 218-225, (MBB 1231); Replies to my critics, in: Paul Arthur Schilpp u. Maurice Friedman (Hrsg.): The Philosophy of Martin Buber, The Library of Living Philosophers XII, La Salle, IL: Open Court 1967, S. 689-747. Niederländisch: Over de beschrijving van het chassidisme, in: Martin Buber, De Chassidische bodschap, übers. von R. Boerke und C. Verhulst, Wassenaar: Servire 1968 (MBB 1311). Druckvorlage: D4 Variantenapparat: 315,1 Zur Darstellung des Chassidismus] Chassidismus H ergänzt Anmerkung Die Darstellung ist ein Teil der »Philosophischen Rechenschaft«, mit der Martin Buber, der am 8. Februar sein 85. Lebensjahr vollendete, in dem ihm gewidmeten Band der Reihe »Philosophen des XX. Jahrhunderts« zu den darin geäußerten Fragen und Kritiken Stellung nimmt. Der Band erscheint in Kürze bei Kohlhammer, Stuttgart. D3 315,2-4 Der Beitrag […] zu klären.] fehlt D2.2, D3, D5.2, D6 315,4 einiger] abschliessender H 315,5 Es wird darauf hingewiesen, meine Darstellung] Es ist darauf hingewiesen worden, meine Darstellung des Chassidismus D2.2, D5.2, D6
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315,14-15 (die früheren Arbeiten waren nicht hinreichend fundiert)] fehlt D3 315,15-16 mir nicht vorgesetzt] [nicht daran gedacht] ! mir nicht vorgesetzt H 315,16 hermeneutisch umfassende] [systematisch vollständige] ! hermeneutisch umfassende H 315,23-24 seine eigentliche Wahrheit und das] hseine eigentliche Wahrheit und dasi H 315,33 Aufgenommene] [Verwendete] ! Aufgenommene H 315,33-34 aufgenommen] [verwendet] ! aufgenommen H 315,34 Unaufgenommene] [unverwendet] ! unaufgenommen Gebliebene H 315,Anm 1] fehlt D3 316,4-5 ein erlauchtes] reines H 316,10-11 »Wiederbelebungsbewegung«] »Erweckungsbewegung« D3 316,11-12 hätte es] wo in aller Welt hat es H 316,Anm 2 a. a. O., 377] Die jüdische Mystik in ihren Hauptströmungen S. 370 ff. D4 fehlt D6 316,Anm 3] fehlt D3, D6 316,16-17 (weniger)] fehlt H (kaum) D1.2, D3, D6 316,18 der Vitalität] [des Atems] ! der Vitalität H 316,24-25 einer asketischen Einschränkung] [der Einkehr in] ! einer asketischen Einschränkung H 316,25-26 ein helfender und lehrender Umgang] [, wie im Franziskanertum,] ein helfender und lehrender Umgang H 316,32 zwiefältigen] zwiefachen D3 317,13 größten Denker] großen Denker D1.1, D2.1 317,17 »Ihn erkenne auf all deinen Wegen«] »In all deinen Wegen erkenne ihn« H »Auf all deinen Wegen erkenne ihn« D3 317,19 deutet er] ergänzt Anmerkung Ich führe nur solche Worte des Baalschem an, deren Echtheit nicht angezweifelt wird. H 317,19-20 »Sogar in allen leiblichen Dingen] [»In allein deinen fleischlichen Wegen« und] ! »Sogar in allen [fleischlichen] ! leiblichen Dingen H 317,27 leiblichen] [fleischlichen] ! leiblichen H 317,28 Verhandlungen] Unterredungen D5.2, D6 317,28 leibliche] [stofflich] ! leibliche H 317,31-33 ist es vor allem […] wiewohl] [sind es zwei vor allem, die diese Lehre ausgebaut haben, Pinchas von Korez und Jechiel Michal von Zloczow. Vom ersten sei hier nur ein wohl hinreichend deutlicher
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Einzelkommentare
Spruch angeführt: »Wer sagt die Worte] ! ist es vor allem […] wiewohl H 317,36 und haftet […] Wurzel haftet] nicht hervorgehoben D6 318,1 ursprüngliche These] Anfangsthese D6 318,5 These] ersten These D6 318,7 und wissen mehrere seiner Jünger] hund wissen mehrere seiner Jüngeri H 318,12 eigentlichen Kritik der] [direkten Stellungnahme] ! eigentlichen Polemik gegen die H 318,14 Doktrin] [mystischen] Doktrin H 318,24 Konfigurationen] [Konstellationen] ! Konfigurationen H 318,27 Theosophie] [Intention] ! Theosophie H 318,28-29 Handelns geworden] Handelns geworden [, biblisch gesprochen: ein [»Bild«] ! »Gebild«] H 318,30 Wortlauts, von einem Netz] Wortlauts [und der Vorschriften für die zu vollziehenden Gebärden] ! von einem Netz H 318,31 bedeckt] [umzogen] ! bedeckt H 318,34 anleiten] [anbefehlen] ! anleiten H 318,39 oder theurgischen] hoder theurgischeni H 318,41-319,1 will einer, Schmelke […] dadurch kitten] sucht einer, Rabbi Schmelke […] dadurch zu kitten H, D3, D6 319,3 zu erheben sucht] zu erheben sucht, offenbar indem er in der Stunde des gemeinsamen Gebets selber mittat oder vielmehr vortat H, D1.1, D2.1 aufruft D3 erhebt D6 319,5 Schlomo] Rabbi Schlomo D6 319,8 nicht sterben«] ergänzt Anmerkung Dieser Spruch liegt in der Fortsetzung einer bekannten Anweisung des Baalschem: »Der Mensch besinne vor dem Gebet, dass er bereit ist zu sterben um der Intention willen.« H 319,9 Mosche] Rabbi Mosche D6 319,11 geheimen] [theurgischen] ! geheimen H 319,21 Intention] Ausrichtung H, D3, D6 319,24 semasiologischen] [schlichten] ! semasiologischen H 319,33 Annehmen] [Empfangen] ! Annehmen H 319,Anm 4] fehlt D6 320,4-5 sie eben dadurch] damit H, D1.1, D2.1 sie eben hierdurch D6 320,40-321,3 Vielleicht noch deutlicher […] eitel tut.] hVielleicht noch deutlicher […] eitel tuti H 320,41 Pinchas] Rabbi Pinchas D6 321,11 Nur hier […] zu sprechen.] hNur hier […] zu sprechen.i H
Zur Darstellung des Chassidismus
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321,19-20 gewählt habe, vielmehr] gewählt habe, [oder vielmehr: ich habe ihm als Sieb gedient] ! vielmehr H 321,21 ein nur eben zu ahnender] [ein noch dunkler, kaum erst sichtbar gewordener] ! ein nur eben zu ahnender H 321,36 mit großer Prägnanz] [konzentriert] ! mit grosser Prägnanz H 321,Anm 5] fehlt D6 321,Anm 6] fehlt H, D1.1, D2.1, D3, D6 322,2 Theorem] [Postulat] ! Theorem H 322,3 interpretiert wird.] ergänzt gestrichenen Absatz [In diesem Punkte äussert sich in der meiner Anschauung geltenden Kritik ein Misstrauen oder Missverstehen dieser Anschauung, die ich wohl einer unzulänglichen Kenntnis meiner Arbeiten zuschreiben muss. So wird mir »die eindeutige Formulierung« imputiert, »es gäbe prinzipiell keinen Unterschied zwischen Mensch und Mensch«. Man braucht nur etwa meine autobiographische Skizze »Mein Weg zum Chassidismus« von 1918 mit einiger Aufmerksamkeit zu lesen, um die Grundlosigkeit dieser Behauptung einzusehen.] H 322,4 Unter den großen] Anders steht es im Leben. Unter den grossen H 322,7 aufs Volk] auf den weiten Kreis seiner Chassidim H 322,12-13 Lehrer und Schulhäupter] Lehrer hund Schulhäupteri H 322,15 Bewegung konzentriert] Bewegung [, die sie vor allen anderen und bekannten mystischen Bewegungen auszeichnet,] konzentriert H 322,19 unwissenden] [gewöhnlichen] ! unwissenden H 322,24 sich Gott lebensmässig hingibt] sich Gott [restlos hinzugeben vermag] ! wahrhaft hingibt H sich Gott wahrhaft hingibt D1.1, D2.1 322,38-39 und seinen Handlungen] hund seinen Handlungeni H 322,Anm 8] fehlt D6 323,3-4 ich hielte den Chassidismus für eine […] Weltanschauung«] daß ich den Chassidismus für eine […] Weltanschauung« halte H, D1.1, D2.1 323,14 und alles] und [eben dadurch die Erlösbarkeit der Welt steigert] ! alles H 323,23-33 Da meine Kritikerin […] bewundert] Hier sei etwas zur Klärung seines Gegenstandes beigetragen D2.2, D6 323,36 Völkerkampf] [Weltkonflikt] ! Völkerkampf H 323,38-324,1, ohne die kabbalistische Grundlehre aufzugeben, im wesentlichen] h, ohne die kabbalistische Grundlehre aufzugeben, im wesentlicheni H 323,Anm 9] fehlt D3, D6 324,2-3 , die die Menschenwelt zum Chaos wandeln,] h, die die Menschenwelt zum Chaos wandeln,i H
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Einzelkommentare
324,5 eigenen Brust] eigenen Brust [, dem inneren Hitler] H 324,5-6 , also durch die […] Leidenschaft,] h, also durch die […] Leidenschaft,i H 324,9-11 Sie »anthropozentrisch« […] bipolar.] hSie »anthropozentrisch« […] [im tiefsten Sinn dialogisch] ! bipolar.i H 324,20 Daß es dem »heiligen Juden«] [Dass der »Jude« in der entscheidenden Phase seines Lebens allen Magismus abgestreift hatte und das insbesondere das Geheimnis seines Todes nichts mit diesem zu tun hat, dass vielmehr die dahingehende Überlieferung sekundär ist, lässt sich – soweit das innerhalb dieser Literaturgattung überhaupt möglich ist – geradezu mit philogischer Genauigkeit erweisen. Über seine »grosse Fahrt«, auf der er zur Umkehr aufrief, »solang noch Zeit ist«, ist in Galizien noch vor dem ersten Weltkrieg Mündliches tradiert worden.] ! Daß es dem »heiligen Juden« H 324,20 »heiligen Juden«] »Juden« D1.1, D2.1 324,22 Spruch] [Kernspruch seiner grossen galizischen Predigt] ! Spruch H 324,32 habe die Sphäre der Erlösung sich unsrer Welt genähert] sei die Sphäre der Erlösung unsrer Welt nahegekommen H, D1.1, D2.1 324,33-325,12 Was aber das Geheimnis […] zu kommen. –] fehlt D6 324,Anm 11] fehlt D4 325,3-12 Übrigens: […] zu kommen. –] fehlt D3 325,9 Im übrigen] [Wer aber auf die einfachste Weise] ! Im übrigen H 325,13 wagt, im höchsten] wagt, [sich alle Spekulationen schiebend X X,] im höchsten H 325,16 unsrer menschlichen] unsrer [eigenen] ! menschlichen H Wort- und Sacherläuterungen: 315,9-10 »aus selektiven Fäden gewirkt«] Schatz-Uffenheimer, Die Stellung des Menschen, in: Martin Buber, S. 276. 316,3 »Die Lehre ist hier ganz in Persönlichkeit verwandelt.«] Scholem schreibt: »Diese ganze Entwicklung [scil. des Chassidismus] findet ihren vornehmsten Ausdruck in der Geschlossenheit der individuellen chassidischen Heiligenfigur, die etwas durchaus Neues ist. Die Lehre ist hier ganz in Persönlichkeit verwandelt, und was dadurch an Rationalität verlorenging, wurde an Wirkungskraft gewonnen.« (Die jüdische Mystik in ihren Hauptströmungen, S. 377. Hervorhebung im Original.) Buber sieht in dieser Äußerung u. a. einen Beleg dafür, dass die chassidische Legende das »Neue« am Chassidismus transportiert.
Zur Darstellung des Chassidismus
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316,30 Dwekuth] Zu Devekut vgl. die Wort- und Sacherläuterungen zu 86,19. 316,38 »der Herr der Geister in allem Fleisch«] Num 16,22. 317,2-3 dieses »ständige Bei-Gott-sein«] Ps 73,23. Der maßgebliche Psalmvers, der in den Texten etlicher chassidischer Meister zur Begründung für die beständige Ausrichtung auf Gott zitiert wird, ist Ps 16,8a: »Ich stelle den Ewigen stets mir gegenüber.« 317,5 Talmud (Kethuboth 111)] bKet 111b: »Es heißt: [Dtn 30,20]: ›Den Ewigen, deinen Gott, zu lieben und sich an Ihn anzuschmiegen‹. Aber ist es denn dem Menschen möglich, sich an die Schechina zu schmiegen? Vielmehr: Jeder, der seine Tochter einem Gelehrtenschüler verheiratet und für Gelehrtenschüler Handwerk [pragmatija] ausübt und Gelehrtenschüler von seinen Einkünften profitieren lässt [Und ihnen dadurch die Befassung mit der Tora erst ermöglicht. Diese Passage ist für die chassidische Lehre (zum Beispiel von den zwei Formen der Devekut bei Jaakob Jossef von Polnoe) sehr belangreich.], dem rechnet es die Schrift an, als hätte er sich an die Schekhina geschmiegt.« (Vgl. auch BT, Bd. V, S. 362.) 317,8 der talmudischen Zwei-Triebe-Lehre] Gott mit beiden Trieben dienen, vgl. bBer 54a (BT, Bd. I, S. 235). Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 60,14. 317,10 Kawwana] Hebr.: »Ausrichtung«, »Intention«; vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 60,17. 317,13-14 Maggid von Mesritsch] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 77,15 und 78,28-30. 317,19-21 »Sogar in allen […] des Himmels willen.«] Zitat nicht nachgewiesen. Vergleichbar wäre Keter Shem Tov ha-shalem II, § 395, S. 243. 317,21-23 »Daß er die Tat […] seine Glieder.«] Der Baal Schem bezog sich häufig auf den von Buber genannten Vers Pred 9,10. So zum Beispiel Keter Shem Tov ha-shalem §§ 42,49,59,91,189 u. ö. Vgl. Wortund Sacherläuterungen zu 60,28-29. 317,25-30 »Der vollkommene Mensch […] Weib Chawa.«] Sefer Baʿ al Schem Tov I, Jerusalem 1999, Beréschit § 189, S. 97: »›Voll ist die Erde seiner Herrlichkeit‹ (Jes. 6,3). Es gibt nichts Großes noch Kleines, das von Ihm getrennt ist, denn Er findet sich in allem Existierenden. Darum kann der vollkommene Mensch aller-höchste Einungen einen – sogar in seinem dinglichen Handeln, sei es Essen, Trinken, Beischlaf, Handel und Wandel, oder die Geschäfte zwischen den Menschen. […] Denn das ist es, was in der Schrift geschrieben steht: ›Erkenne ihn auf all deinen Wegen‹ (Prov 3, 5), in dem Sinne [wie von
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Einzelkommentare
Adam geschrieben steht] ›Und Adam erkannte sein Weib Eva‹ (Gen 4,1), und das ist ja nichts anderes als Vereinigung (Jichud) und Paarung.« (Zitiert nach Grözinger, Jüdisches Denken, Bd. 2, S. 780-781.) 317,32 Jechiel Michal von Zloczow] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 87,15. 317,34 »Seid fruchtbar und mehret euch«] Gen 1,22 u. ö. 317,35-37 »Seid fruchtbar […] sei ihm geweiht.«] Vgl. »Mehret euch!«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 253 f. (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [240]). 318,17-18 kritischen Äußerung, die uns aus dem Mund eines Zaddiks der fünften Generation] Sowohl der Zaddik, auf den Buber hier anspielt, als auch das eigentliche Zitat, sind nicht zu identifizieren. 318,30 Kawwanoth] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 114,16. 318,39 theurgischen Aufgabe] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 59,3. 318,41 Von den großen Betern der dritten Generation] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 222,9. 319,1 Schmelke von Nikolsburg] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 66,4. 319,1-3 den Riß dadurch kitten […] zu erheben sucht] Vgl. »Eine Bußpredigt«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 307-309 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [329]). 319,3-4 Levi Jitzchak von Berditschew] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 66,3. 319,4-5 volkstümliche Grundhaltung des freien Dialogs] Man schreibt ihm eine jiddische Fassung des Kaddisch-Gebets zu. Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 84,38-85,2. 319,5-6 Schlomo von Karlin] Schlomo ben Meʾ ir ha-Levi von Karlin (starb 1792). Er etablierte eine spezifische, lang andauernde und ekstatische Form des Gebets, die sich zu einem Charakteristikum der Chassidim von Karlin entwickelte. 319,6-8 sieht sein eignes Beten […] nicht sterben«)] Vgl. »Das Wagnis des Gebets«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 425 f. (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [520]). 319,9 Mosche von Kobryn] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 209,9. 319,12-16 »Merke wohl […] Gott richten.«] Vgl. »Die ursprüngliche Bedeutung«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 638 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [875]). 319,32 »Womit er sich gerade abgab.«] Vgl. »Das Wichtigste«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 647 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [899]). 319,35 »ein Altar für Gott werden«] Zitat nicht nachgewiesen. In seiner Einleitung zu Die Erzählungen der Chassidim, S. 80 (jetzt in:
Zur Darstellung des Chassidismus
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MBW 18.1, S. 170), schreibt Buber die Sentenz Mosche von Kobryn zu – dort allerdings in der Form »ein Altar vor Gott« werde. 320,7-8 »mit aller Macht […] erhoben werden«] Zitat nicht nachgewiesen. 320,10-11 »sich seiner Geräte […] erbarmen«] Tzawaʾ at ha-Ribasch (1998) § 109, S. 50. 320,13-14 daß er alles Leibliche ohne Ausnahme in die Sphäre der Intention einbezog] Buber will sagen, dass der Baal Schem Tov mit seiner Lehre von der Avoda ba-Gaschmiʾ ut (»Gottesdienst in Körperlichkeit«) jedwede Art von leiblicher Betätigung – eben auch Essen, Trinken, sexuelle Aktivitäten – zur Devekut führen kann, wenn sie in Kawwana, d. h. mit der richtigen Ausrichtung oder Intention ausgeführt werde. Vgl. das Zitat in den Wort- und Sacherläuterungen zu 317,25-30. 320,15 Polnaer Tradition] In der Überlieferung des Jaakob Jossef von Polnoe. Das erwähnte Zitat (vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 317,25-30) wurde aus den Toldot Jaʾ aqov Josef, be-Haʾ alotekha (fol. 137c) in die Anthologie Keter Shem Tov übernommen. 320,25-30 die Wanderung »von Gestein […] ihm nahezukommen«] Keter Shem Tov ha-shalem (2004) § 53, S. 32; vgl. Jaakob Jossef, Ben Porat, Miqez 74,2, fol. 258a. 320,35-38 »Und was sind das für Funken?« […] obere Welt.«] Tzawaʾ at ha-Ribasch (1998) § 141, S. 71. 320,41 Pinchas von Korez] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 66,25. 322,14 Elimelech von Lisensk] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 61,38. 322,14 »Seher« von Lublin] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 81,1-2. 322,15 Berditschewer] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 66,3. 322,16 Sussja von Hampol] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 64,611. 322,16 Mosche Löb von Sasow] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 81,10-14. 322,25-27 dem treuen Strumpfwirker […] gekommen ist«] Schivche haBesch“t, vgl. Grözinger (Hrsg.), Geschichten vom Baʾ al Schem Tov. Schivche ha-Bescht, Bd. I, S. 97-98. Als »Der Strumpfwirker« aufgenommen in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 154 f. (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [60]). 322,35-39 Ich habe in meinen Schriften […] zuspricht.] Vgl. z. B. das »Geleitwort zur Gesamtausgabe« von Die chassidischen Bücher, in diesem Band S. 140.
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Einzelkommentare
323,25-27 Geschichte von des »Sehers« Freude […] Sünder.] Gog und Magog. Eine Chronik, Heidelberg: Verlag Lambert Schneider 1949, S. 15 (jetzt in: MBW 19, S. 45). Vgl. auch »Der fröhliche Sünder«, in: Die Erzählungen der Chassidim, S. 477 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [608]). 323,32-33 von der Schwermut angewandelt, die Schwermutslosigkeit bewundert] Buber brachte auch in Die Erzählungen der Chassidism mehrere Erzählungen, welche die Schwermut des Lubliners thematisieren. Vgl. »Erhellung« und »Sünde und Schwermut«, S. 467 und S. 476 (jetzt in: MBW 18.1, Nr. [590] und Nr. [606]). 323,37-38 der »heilige Jude«] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 81,10-14. 324,12-13 »umkehren«, ehe Gott […] »umkehrt«] Vgl. Jer 18,7-8; 26,3-5; Jon 3,9-10 u. ö. 324,14-16 Lehre, alle eschatologischen Kombinationen […] allein an.] bSan 97b (BT, Bd. IX, S. 68) 324,18-19 »An euch ist der Anbeginn […] Kind geboren.«] Keter Shem Tov ha-shalem (2004), § 296, S. 170. 324,22 Schlomo von Radomsk] Schlomo ha-Kohen Rabinowicz (um 1801-1866) war ein Schüler des Meʾ ir ha-Levi Rotenberg von Apta (bzw. Opatów) (1760-1827 oder 1831) und Begründer der Dynastie von Radomsk. 324,22-24 »Kehret um […] Erlösung ist nah.«] Zvi Jecheskel Michelson, Nifleʾ ot ha- Jehudi, S. 40. 324,33-34 Geheimnis des Todes des »heiligen Juden«] Jaakob Jizchak Rabinowicz starb verhältnismäßig jung und in großer zeitlicher Nähe zum ›Großen Fall‹ des »Sehers« von Lublin, der zunächst Rabinowiczs Lehrer und später sein Opponent war. Der Seher, Jaakob Jizchak von Lublin, hatte sich an jenem denkwürdigen Abend, an Simchat Tora (Fest der Gesetzesfreude) 1814 in sein Zimmer zurückgezogen. Später fand man ihn schwer verletzt auf der Straße vor seinem Haus. Anhänger und Gegner rätselten über die Ursache des Ereignisses, an dessen Folgen der Lubliner Rebbe einige Monate später starb. Während seine Anhänger glaubten, dass er bei einem mystisch-okkulten Versuch, das Kommen des Messias zu beschleunigen, aus dem Fenster gestürzt sei, behaupteten seine Gegner, er wäre wohl betrunken gewesen. Dieses Ereignis erschütterte seinerzeit die chassidische Welt stark und steht im Zentrum von Bubers Roman Gog und Magog. 325,3 Mogielnicer Rabbi] Chajim Meʾ ir Jechiʾ el Schapiro (1789-1849), genannt der »Seraph von Mogielnica«, war ein Enkel des Maggid von Kosnitz.
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325,6 Maggids von Kozienitz] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 81,2-3. 325,8 »Hat also ›Pżysha‹ nicht ›Lublin‹ beigegeben?«] Vgl. Rivka SchatzUffenheimer, Die Stellung des Menschen, S. 299. Es geht hier um die Auseinandersetzung zwischen dem chassidischen Weg von Lublin, der sehr stark auf Leibsorge, den sog. ›praktischen Zaddikismus‹ ausgerichtet war, und dem der Rebbes von Pžysha, welche sich stärker als Mentoren eines neu zu fassenden Studiums der Tradition definierten. Noch einiges zur Darstellung des Chassidismus Die Kontroverse zwischen Buber einerseits und Scholem sowie SchatzUffenheimer andererseits (vgl. den Kommentar zu »Die Darstellung des Chassidismus«) führte zu einer weiteren Replik Bubers. Er sah sich vor seinem nunmehr wichtigsten Adressatenkreis, dem amerikanischen und dem deutschsprachigen Publikum in Frage gestellt. Deswegen legte er großen Wert darauf, dass seine Replik 1963 genau dort erscheinen sollte, wo im Mai des vorangegangenen Jahres auch Scholems Artikel abgedruckt worden war, in der Neuen Zürcher Zeitung (vgl. Brief an Maurice Friedman vom 19. Februar 1963, in: B III, S. 578579). Scholems Artikel war eine Übersetzung und bereits auf Englisch 1961 unter dem Titel »Martin Buber’s Hasidism: A Critique« in der amerikanischen Zeitschrift Commentary, einem politisch und kulturell einflussreichen, im Jahre 1945 vom American Jewish Committee gegründeten und monatlich erscheinenden Magazin publiziert worden (vgl. Commentary 22 [1961], S. 304-316). Bubers Unterfangen gelang, so dass auch der Essay »Noch einiges zur Darstellung des Chassidismus« in der Neuen Zürcher Zeitung am 31. März 1963 und im Commentary am 1. September 1963 publiziert wurde. Die Bedeutung dieser Auseinandersetzung lässt sich auch daran ablesen, dass Buber seine Antworten auf Scholem und Schatz-Uffenheimer in den im selben Jahr erschienen dritten Band seiner Werke aufnahm. Buber ließ sich nicht auf eine detailgenaue Antwort auf die von Scholem genannten Kritikpunkte ein – zum einen gab er ihm in manchem Recht, zum anderen interessierte es ihn wohl auch nicht. Er konzentrierte sich in seinem Respons stattdessen auf die grundsätzlichen Fragen des Umgangs mit dem »große[n] Glaubensgut eines früheren Zeitalters« (vgl. in diesem Band, S. 326). Dabei insistierte er darauf, dass es zwei mögliche Verfahren gäbe, diese Schätze ans Licht zu bringen: das »wis-
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senschaftliche« Scholems im »Verlangen nach […] einer Erkenntnis, die so umfassend und exakt wie möglich sein soll« (ebd.) und das seine, das sich dem »Willen« verpflichtet weiß, von jenen wertvollen Traditionen »der eigenen Zeit das zu übermitteln, was ihr helfen kann, ihre Glaubensnot zu überwinden und die zerrissene Bindung an das Unbedingte zu erneuen.« (Ebd.) Textzeugen: h1: Handschrift im MBA (Arc. Ms. Var. 350 dalet 7); ein loses, mittig gefaltetes Heftblatt, über vier Seiten beschrieben mit blauer Tinte; undatiert; mit vielen Korrekturen versehen. Die Handschrift enthält einen Entwurf für den ersten und für den Beginn des zweiten Abschnitts (in diesem Band, 326,6-327,27). 2 H : Handschrift im MBA (Arc. Ms. Var. 350 dalet 7); Konvolut loser, mittig gefalteter Heftseiten; teils zweiseitig beschrieben mit blauer Tinte; mit vielen Korrekturen versehen. Einige Seiten sind freigelassen, jene Seiten aber, welche die konstituierenden Textabschnitte enthalten, sind durchgehend paginiert. Darin lose eingelegt h1. 1 TS : Typoskript im MBA (Arc. Ms. Var. 350 dalet 7); 8 lose paginierte Seiten; einseitig beschrieben. Das Typoskript ist zweischichtig: TS1.1: Grundschicht: maschinenschriftlich. TS1.2: Überarbeitungsschicht: wenige Korrekturen von Bubers Hand. TS2: Typoskript im MBA (Arc. Ms. Var. 350 dalet 7); 8 lose paginierte Seiten; einseitig beschrieben; undatiert. Das Typoskript ist zweischichtig: TS2.1: Grundschicht: Durchschlag von TS1.1. TS2.2: Überarbeitungsschicht: mehrere Korrekturen von Bubers Hand. Dem ersten Blatt des Typoskripts ist ein Zettel mit einer handschriftlichen Notiz Bubers angeheftet: »Dieser Aufsatz nimmt Bezug auf die von G. Scholem gegen meine Auffassung des Ch. vorgebrachten Einwände … Ich veröffentliche ihn jetzt, weil er meine eben erschienene Entgegnung auf ähnliche Einwände einer Schülerin Scholems (in demselben Band veröffentlicht) ergänzt und das Thema in einen umfassenden religionsgeschichtlichen Zusammenhang einfügt.« D1: Neue Zürcher Zeitung, Beiblatt Literatur und Kunst, 31. März 1963 (MBB 1225). D2: Werke III, S. 991-998 (MBB 1219). Übersetzungen: Englisch: Interpreting Hasidism, in: Commentary, 36. Jg, Heft 3, September 1963, S. 218-225, (MBB 1231).
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Niederländisch: Nog einige kanttekeningen bih de beschrijving, in: Martin Buber, De Chassidische bodschap, übers. von R. Boerke und C. Verhulst, Wassenaar: Servire 1968 (MBB 1311). Druckvorlage: D2 Variantenapparat: 326,1 Noch einiges zur Darstellung] Zur Deutung H2, TS1.1, TS2.1 Noch einiges zur [Deutung] ! Darstellung TS2.2 Einiges zur Darstellung D2 326,2-4 Diese ergänzenden […] veranlaßt.] fehlt H2, TS1.1, TS1.2, TS2.1, TS2.2 326,6 Ein spätes Geschlecht] Auf zweierlei Weise vermag ein spätes Geschlecht h1 Um auf die an meiner Deutung des Chassidismus geübte Kritik zu entgegnen, ist vorerst vonnöten, eine Grundfrage allgemeiner Art zu klären. / Ein spätes Geschlecht H2, TS1.1, TS2.1 326,6 zerfallene] [verschüttete grosse] ! zerfallene h1 326,8 heben] [ziehen] ! [holen] ! heben h1 326,9 wissenschaftlicher] fehlt h1 326,10 – einer Erkenntnis […] sein soll –] fehlt h1 326,12 Forschung] [wissenschaftlichen] Forschung h1 326,12 interpretiert] kommentiert h1 326,13 Ursprünge und Bedingtheiten] [geschichtlichen] Ursprünge und [Voraussetzungen] ! [Vorbedingungen] ! Bedingtheiten h1 326,16 Treue] [Exaktheit] ! Treue h1 326,17 Ergebnisse] [Elemente] ! Ergebnisse H2 326,18 auch zu Elementen] auch [, richtig verarbeitet,] zu Elementen h1 326,19 wesentliche Voraussetzung] Grundvoraussetzung h1 326,20-21 botmäßigen] gerechten h1 326,26 und so exakt] fehlt h1 326,27 Wesenhaft verschiedenen] [Ganz anderen] ! Grundverschiedenen h1 326,28-29 , eine Bewegung […] vitalisierte, ] h, eine Bewegung […] vitalisierte,i h1 326,33 zu erneuern] wiederanzuknüpfen h1 326,34 vergessenen] vergessenen [oder halbvergessenen] h1 326,36-327,1 Wirklichkeit eines […] zusammenhängenden] [Realisierung dieser Lehre [in einem] ! von Einzelnen und in dem von ihnen gestifteten und geleiteten Gemeinden] ! Wirklichkeit eines […] zusammenhängenden h1 327,5 zulängliche] [umfassende] ! zulängliche h1
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Einzelkommentare
327,9-10 der Phänomene, in denen] [dessen, worin] ! der Phänomene, in denen h1 327,13 Handelt er] [Erweist er sich] ! Handelt er h1 327,16 von der Aufgabe her] von [der Aufgabe aus] ! Gesichtspunkt der Aufgabe aus h1 327,20 hinweg sich der Lehre zuwende] auf die Lehre zurückgreife h1, H2 327,21 Stifter] einst Stifter D1 327,24-25 abzulehnen] zurückzuweisen h1, H2, TS1.1, TS1.2, TS2.1 327,26 seine Legitimität] seinen eigenen Sinn und sein eigenes Recht h1 [seinen eigenen Sinn und sein eigenes Recht] ! seine Legitimität H2 327,28 eine neue Lebensweise] eine neue Bewegung und eine neue Lebensweise h1 327,29-31 personhafter […] In dieser seiner] personhaften und gemeindlichen Lebens selber, und in dieser seiner h1 327,30 tiefgreifende] [elementare] ! [fundamentale] ! tiefgreifende H2 327,39 vorherrscht] [die Oberhand gewinnt] ! vorherrscht h1 328,8 Man beanstandet] [Ehe ich aber zu dem [besonderen] ! Sonderthema des Chassidismus übergehe, muss ich noch auf einen methodologischen Einwand allgemeiner Art befassen.] / Man beanstandet H2 328,16 Um die Behauptung] Ehe wir uns der (schon oben berührten) Frage zuwenden, was innerhalb des Chassidismus »produktiv« ist und was nicht, müssen wir die Behauptung H2, TS1.1, TS1.2, TS2.1 328,27-28 bedeutende theoretische Werke] [hohe Beispiele] ! bedeutende theoretische Werke H2 328,28-29 im Mittelpunkt] ihrem Gehalt nach im Mittelpunkt H2 328,Anm 1 , das in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben darf,] fehlt H2, TS1.1, TS2.1 329,2 Verständnis] Verständnis [und Erlebnis] H2 329,6 kühnen] [grossartigen] ! kühnen H2 329,6 Erzeugnissen] berichtigt aus Erzeugnisse nach D2 329,9 zwei Gattungen] [verschiedenen geschichtlichen Erzählungen] ! zwei Gattungen H2 329,9 Mystik] mystischen Literatur TS1.2 329,10 gehören jene] [darf wohl als die bezeichnet werden] ! gehören jene H2 329,14 Evolution der Doktrin] hEvolution deri Doktrin H2 329,16 Zeitgenossen waren] Zeitgenossen waren, einander gegenüber TS1.2 329,17 dem ersten] dem ersten [(neben vielen zitierten Aussprüchen)] H2 329,19-20 seiner überlieferten Lebensgeschichte] [der zum Teil wohl legendären] ! seiner überlieferten Lebensgeschichte H2
Noch einiges zur Darstellung des Chassidismus
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329,25 so wesentlich] hso wesentlichi H2 329,26 theoretische Erörterung] [theologische Dialektik] ! theoretische Erörterung H2 329,30 der Erörterung] der [theologischen Dialektik] ! Erörterung H2 329,31 erheblich] [von Grund aus] ! erheblich H2 329,32 ein ähnliches] [dasselbe] ! ein ähnliches H2 329,38 sublimierenden] [zusammenschliessenden] ! sublimierenden H2 330,2 kein Lehrsatz] [kein Begriff und] kein Lehrsatz H2 330,8 geschlagen] lautlos geschlagen H2, TS1.1, TS1.2, TS2.1 330,17 Meister] [Sufis] ! Meister H2 330,21 Voraussetzung.] Voraussetzung. [Dies hängt eng mit der Absicht jener Anweisung zusammen, die, in Versform gefasst, was aus der Urzeit der Zeit überliefert ist: »Kein Haften an Worten und Zeichen X Hinzeigen auf die Seele des] H2 330,33 erzieherische] erzählerische H2 330,Anm 3 alten] [gewichtigen] ! alten H2 331,6-8 (mit einer charakteristischen Ausnahme […] haben scheint)] h(mit einer charakteristischen Ausnahme, von der noch zu reden sein wird)i H2, TS1.1, TS1.2, TS2.1 331,16 Nicht erheblich anders] [Das ist nicht etwa ein Sonderfall] ! [In den meisten anderen Fällen wissen wir nicht] ! Nicht erheblich anders H2 331,33-34 herabzusetzen versucht] herabzusetzen versucht. [Aber das uns bekannt gewordene Hauptwerk dieser Gattung, die »Niederschrift vor der Smaragdenen Felswand« ist um 1300 als »die vornehmste Schrift der Lehre] H2 332,19 Freilich droht] [Wie es kaum anders sein kann, droht mit der Zeit allerhand Korruptel einzudringen] ! Freilich droht H2 332,27 hat daher] [X, dass ihr lebendiger Zusammenhang mit der Situation gewahrt wird, aus der sie einst wie der Funke dem Stahl entsprang] ! hat daher H2 332,32 Die Geschichte] [Unter den Elementen der Baalschem-Legende sind solche, die wir in einer Schrift seines Enkels, und solche, die wir in den Schriften eines seiner Hauptschüler finden] ! Die Geschichte H2 332,33-34 wichtiger Feststellungen, die mir] wichtigen Feststellungen, die uns D1 332,34 hinreichend erfaßt.] hinreichend erfasst. [ / Echte Botschaft aber [, wird mündlich geboren] ! tritt stets in mündlicher Gestalt in die Welt.] H2
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Einzelkommentare
Wort- und Sacherläuterungen: 328,20 legendäre Anekdote] Buber führte diesen Begriff in seinem Essay »Der Chassidismus und der abendländische Mensch« in die Debatte ein. Vgl. in diesem Band, S. 306 f. 329,1 Tor Andrae] Tor Julius Efraim Andræ (1885-1947) war ein schwedischer Bischof und Religionshistoriker. Der Schüler Nathan Söderbloms (1866-1931) befasste sich vor allem mit der Frühgeschichte des Islams. Buber bezieht sich auf sein 1947 in schwedischer Sprache, 1960 erstmals in Deutsch erschienenes Werk Islamische Mystiker. 329,5 Laotses] Laozi (»Alter Meister«); vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 207,1. 329,7 Schwester Katrei] ein Meister Eckhart zugeschriebenes Exempel, das vermutlich im frühen 14. Jahrhundert entstanden ist (vgl. FranzJosef Schweitzer, Der Freiheitsbegriff der deutschen Mystik. Seine Beziehung zur Ketzerei der »Brüder und Schwestern vom Freien Geist«, mit besonderer Rücksicht auf den pseudoeckartischen Traktat »Schwester Katrei« [Edition], in: Hans-Gert Roloff [Hrsg.], Arbeiten zur mittleren deutschen Literatur und Sprache, Bd. 10, Frankfurt a. M. u. Bern 1981, S. 197). Es berichtet von der ›Gott-Werdung‹ einer Eremitin, die ihrem Beichtvater nach drei Tagen völliger Leblosigkeit von ihren Erfahrungen mit der Transzendenz zu berichten weiß. Buber hat sich während seiner Arbeit an den Ekstatischen Konfessionen, S. 226-231 (jetzt in: MBW 2.2, S. 208-211 sowie die zugehörigen Druckfahnen, ebd., S. 230-241) intensiv mit dem Bericht der Schwester Katrei beschäftigt. 329,14-15 al-Dschunaid] Abū l-Qāsim al-Ǧunaid ibn Muḥammad alḪazzāz al-Qawārīrī (starb 910) war einer der frühen Meister des Sufismus. 329,16 al-Halladsch] Vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 205,25. 329,19-20 aus seiner überlieferten Lebensgeschichte] Buber bezieht sich wohl auf Louis Massignons Forschungen, vgl. Wort- und Sacherläuterungen zu 205,24. 329,29-30 wenn Gott […] Pforten der Erörterung] Nicht nachgewiesen. 329,34 »Koan«] Ein Kōan (»öffentlicher Aushang«) ist eine Sentenz oder Anekdote, die eine Handlung oder ein Wort eines bedeutenden ZenMeisters überliefert. 330,Anm 3 Wilhelm Gundert] (1880-1971) dt. Japanologe, der sich besonders mit der buddhistischen Tradition Chinas und Japans befasste. Der vollständige Titel des Werkes lautet: Bi-yän-lu. Meister Yüanwu’s Niederschrift von der Smaragdenen Felswand verfaßt auf dem Djia-schan bei Li in Hunan zwischen 1111 und 1115 im Druck er-
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Vorwort
schienen in Sitschuan um 1300 verdeutscht und erläutert von Wilhelm Gundert. 3 Bde., München 1960. 331,14-15 der Mann, der […] niederschrieb] Evtl. Abū Manṣūr ʿ Abd alQāhir ibn Ṭāhir al-Baġdādī (um 980-1037). 331,26 »Wolke von Zeugen«] Hebr 12,1. 332,29 Die grundlegende Sammlung von Baalschem-Legenden] Die Schivché ha-Besch“t. Die hebräische Fassung erschien erstmals 1814 in Kopust, jiddische Ausgaben wurden ab 1815 (Ostraha) gedruckt. Bis 1817 wurden insgesamt drei weitere hebräische und jiddische Editionen veranstaltet. Vorwort [zu Werke, Dritter Band, Schriften zum Chassidismus] Im Rahmen der zu Beginn der 1960er Jahre veranstalteten Werkausgabe der Schriften Bubers erschien im Kösel-Verlag in Zusammenarbeit mit dem Verlag Lambert Schneider als dritter und letzter Band die Schriften zum Chassidismus. Der Band enthält: »Die jüdische Mystik«: erstveröffentlicht in Die Zukunft, Bd. 55 vom 23. Juni 1906, S. 439-448 (jetzt in: MBW 2.1, S. 114-123). »Vom Leben der Chassidim«: Teildruck von Die Legende des Baalschem, S. 2-46 (jetzt in: MBW 16). »Des Rabbi Israel ben Elieser genannt Baal-Schem-Tow das ist Meister vom guten Namen Unterweisung im Umgang mit Gott aus den Bruchstücken gefügt« (in diesem Band, S. 99-128). Die Erzählungen der Chassidim (jetzt in: MBW 18.1, S. 121-725). »Der Weg des Menschen nach der chassidischen Lehre« (in diesem Band, S. 233-250). Die chassidische Botschaft (in diesem Band, S. 251-303, zu den übrigen in MBW 17 veröffentlichten Abschnitten, vgl. das Inhaltsverzeichnis S. 252). »Rabbi Nachman von Bratzlaw«: Teildruck aus Die Geschichten des Rabbi Nachman, S. 20-39 (jetzt in: MBW 16) sowie »Ein Zaddik kommt ins Land«, Erstveröffentlichung 1950 in Israel und Palästina, S. 115139 (jetzt in: MBW 20). »Der Chassidismus und der abendländische Mensch« (in diesem Band, S. 304-314). »Christus, Chassidismus, Gnosis«: erstveröffentlicht in Merkur 8 Jg., Heft 10, S. 923-929 (jetzt in: MBW 9, S. 313-319). »Mein Weg zum Chassidismus« (in diesem Band, S. 41-52).
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Einzelkommentare
»Zur Darstellung des Chassidismus« (in diesem Band, S. 315-325). »Noch einiges zur Darstellung des Chassidismus« (in diesem Band, S. 326-332). »Gog und Magog«: Gog und Magog. Eine Chronik (jetzt in: MBW 19, S. 37-275). Textzeuge: D: Werke III, S. [7] (MBB 1219). Druckvorlage: D Wort- und Sacherläuterungen: 333,3 ersten Band der »Werke«] Der erste Band enthält die Schriften zur Philosophie und erschien 1962. Der zweite Band, der 1964 erschienen ist, enthält die Schriften zur Bibel. 333,4 »Daniel«] Daniel, Gespräche von der Verwirklichung, Leipzig: Insel-Verlag 1913 (jetzt in: MBW 1, S. 183-245). 333,4 »Die Lehre vom Tao«] Das Nachwort aus Reden und Gleichnisse des Tschuang-Tse. Deutsche Auswahl von Martin Buber, Leipzig: Insel-Verlag 1913, S. 82-117 (jetzt in: MBW 2.3, S. 101-125). 333,Anm 4 Schluß des Geleitworts […] aufgegangen ist.] Das verborgene Licht, S. 10f. (jetzt in: MBW 18.1, S. 73).
Abkürzungsverzeichnis B I-III
BT
MBA MBB
MBW
Martin Buber, Briefwechsel aus sieben Jahrzehnten, 3 Bde., hrsg. und eingel. von Grete Schaeder, Heidelberg: Verlag Lambert Schneider 1972-75. Bd. I: 1897-1918 (1972), Bd. II: 1918-1938 (1973), Bd. III: 1938-1965 (1975). Lazarus Goldschmidt, Der Babylonische Talmud. Nach der ersten zensurfreien Ausgabe unter Berücksichtigung der neueren Ausgaben und handschriftlichen Materials neu übertragen, Berlin 1929-1936. Martin Buber-Archiv der National Library of Israel. Martin Buber. Eine Bibliographie seiner Schriften, 1897-1978, zusammengestellt von Margot Cohn und Rafael Buber, Jerusalem: Magnes Press, Hebräische Universität und München/New York et al.: K. G. Saur 1980. Martin Buber Werkausgabe: Bd. 1 Frühe Kulturkritische und philosophische Schriften. 1891-1924, bearbeitet, eingeleitet und kommentiert von Martin Treml, Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2001. Bd. 2.1 Mythos und Mystik. Frühe religionswissenschaftliche Schriften, bearbeitet, eingeleitet und kommentiert von David Groiser, Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2013. Bd. 2.2 Ekstatische Konfessionen, eingeleitet und kommentiert von David Groiser, Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2012. Bd. 2.3 Schriften zur chinesischen Philosophie und Literatur, bearbeitet, eingeleitet und kommentiert von Irene Eber, Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2013. Bd. 3 Frühe jüdische Schriften 1900-1922, bearbeitet, eingeleitet und kommentiert von Barbara Schäfer, Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2007. Bd. 7 Schriften zu Literatur, Theater und Kunst. Lyrik, Autobiographie und Drama, bearbeitet, eingeleitet und kommentiert von Emily D. Bilski, Heike Breitenbach, Freddie Rokem u. Bernd Witte, Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2016. Bd. 9 Schriften zum Christentum, bearbeitet, eingeleitet und kommentiert von Karl-Josef Kuschel, Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2011. Bd. 13 Schriften zur biblische Religion, bearbeitet, eingeleitet und kommentiert von Christian Wiese, Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus. Bd. 14 Schriften zur Bibelübersetzung, bearbeitet, eingeleitet und kommentiert von Ran HaCohen, Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2012. Bd. 15 Schriften zum Messianismus, bearbeitet, eingeleitet und kommentiert von Samuel Hayim Brody, Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2014.
558
Abkürzungsverzeichnis
Bd. 16 Chassidismus I. Frühe Erzählungen, bearbeitet eingeleitet und kommentiert von Ran HaCohen und Bernd Witte, Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus. Bd. 18 Chassidismus III. Die Erzählungen der Chassidim, bearbeitet, eingeleitet und kommentiert von Ran HaCohen, Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2015. Bd. 19 Gog und Magog, bearbeitet, eingeleitet und kommentiert von Ran HaCohen, Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 2009. Werke II-III Martin Buber, Werke, 3 Bde., München: Kösel-Verlag, und Heidelberg: Verlag Lambert Schneider 1962-1964. Zweiter Band: Schriften zur Bibel (1964), Dritter Band: Schriften zum Chassidismus (1963).
Hebräische Bibel Gen Ex Lev Num Dtn Jos Ri II Sam I Kön Jes Jer Ez Hos Jon Mi Hab Ps Spr Hi Hhld Rut Klgl Pred Est Neh
Genesis (1. Mose) Exodus (2. Mose) Leviticus (3. Mose) Numeri (4. Mose) Deuteronomium (5. Mose) Josua Richter 2. Samuel 1. Könige Jesaja Jeremia Ezechiel Hosea Jona Micha Habakuk Psalm(en) Sprüche Hiob Hohelied Ruth Klagelieder Prediger Esther Nehemia
559
Abkürzungsverzeichnis
Neues Testament Mt Mk Joh Röm 1 Kor Hebr
Matthäus Markus Johannes Römerbrief 1. Korintherbrief Hebräerbrief
Außerkanonische Schriften 1Makk EvHebr
1. Makkabäer Hebräerevangelium
Rabbinische Literatur mAv mBer mJoma mShab bAS bBer bChag bJoma bKet bMak bMeg bNid bQid bSan bShab bSuk bSota bSuk bTaan bPes bTaan jBer jChag jMSh
Mischna Avot Mischna, Traktat Berakhot Mischna, Traktat Joma Mischna, Traktat Shabbat Talmud Bavli, Traktat Avoda Sara Talmud Bavli, Traktat Berakhot Talmud Bavli, Traktat Chagiga Talmud Bavli, Traktat Joma Talmud Bavli, Traktat Ketubbot Talmud Bavli, Traktat Makkot Talmud Bavli, Traktat Megilla Talmud Bavli, Traktat Nidda Talmud Bavli, Traktat Qiddushin Talmud Bavli, Traktat Sanhedrin Talmud Bavli, Traktat Shabbat Talmud Bavli, Traktat Sukka Talmud Bavli, Traktat Sota Talmud Bavli, Traktat Sukka Talmud Bavli, Traktat Ta`anit Talmud Bavli, Traktat Pesachim Talmud Bavli, Traktat Ta'anit Talmud jeruschalmi, Traktat Berakhot Talmud jeruschalmi, Traktat Chagiga Talmud jeruschalmi, Traktat Ma'aser Sheni
560
jPea tJad BerR BemR EkhaR MTeh Tan SER
Abkürzungsverzeichnis
Talmud Jeruschalmi, Traktat Pea Tosefta Jadajim Bereshit Rabba (Genesis Rabba) Bemidbar Rabba (Numeri Rabba) Ekha Rabbati (zu Klagelieder) Midrasch Tehillim (zu den Psalmen) Tanchuma, Midrasch Tanchuma Seder Elijahu Rabba (= Tanna de be Elijahu Rabba)
Quellen- und Literaturverzeichnis 1. Quellenverzeichnis 2. Literaturverzeichnis 2.1. Bibliographien 2.2. In den Band aufgenommene Schriften Martin Bubers 2.3. Verwendete Werke Martin Bubers 2.4. Verwendete Literatur 2.5 Internetquellen 1. Quellenverzeichnis Aus dem Martin Buber Archiv (MBA) der National Library of Israel sind folgende unveröffentlichte Quellen verwendet worden:
1.1 Handschriften und Typoskripte Mein Weg zum Chassidismus (Handschrift) Arc. Ms. Var 350, dalet 31 Geleitwort zu Der große Maggid und seine Nachfolge (Handschrift) Arc. Ms. Var 350, dalet 10 Des Baal-Schem-Tow Unterweisung im Umgang mit Gott (Handschrift) Arc. Ms. Var 350, dalet 31 Geleitwort zu Die chassidischen Bücher (Handschrift und Typoskripte) Arc. Ms. Var. 350, dalet 30.1 Der Chassidismus (Typoskript) Arc. Ms. Var. 350, dalet 11 Sinnbildliche und sakramentale Existenz im Judentum (Handschrift und Typoskript) Arc. Ms. Var. 350, dalet 11 [Über den Chassidismus] (Typoskript) Arc. Mc. Var. 350, dalet 11 Der Ort des Chassidismus in der Religionsgeschichte (Handschrift und Typoskripte) Arc. Ms. Var. 350, dalet 10a Gottesliebe und Nächstenliebe im Chassidismus (Handschrift und Typoskripte) Arc. Ms. Var. 350, dalet 10a Die chassidische Botschaft (Handschriften und Typoskripte) Arc. Ms. Var. 350, dalet 10, Mappe 2 Der Chassidismus und der abendländische Mensch (Handschriften und Typoskripte) Arc. Ms. Var. 350, dalet 23 Zur Darstellung des Chassidismus (Handschrift und Typoskripte) Arc. Ms. Var. 350, dalet 7
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Quellen- und Literaturverzeichnis
Noch einiges zur Darstellung des Chassidismus (Handschriften und Typoskripte)
Arc. Ms. Var. 350, dalet 7
2. Literaturverzeichnis 2.1 Bibliographie Martin Buber. Eine Bibliographie seiner Schriften, 1897-1978, zusammengestellt von Margot Cohn u. Rafael Buber, Jerusalem: Magnes Press, Hebräische Universität Jerusalem u. München [u. a]: K. G. Saur 1980.
2.2 In den Band aufgenommene Schriften Martin Bubers Des Baal-Schem-Tow Unterweisung im Umgang mit Gott, Hellerau: Jakob Hegner 1927, 117 S. »Die Anfänge«, »Der Grundstein«, »Gott und die Seele«, in: Die chassidische Botschaft, Heidelberg: Lambert Schneider 1952, S. 32-64, S. 65-93, S. 157-171. Der Chassidismus, Typoskript im MBA (Arc. Ms. Var. 350, dalet 11). Der Chassidismus und der abendländische Mensch, Merkur, 10. Jg., Nr. 10, Oktober 1956, S. 933-943. Ein Wort über den Chassidismus, Theologische Blätter, 3. Jg., Heft 7, 1924, S. 103-104. »Geleitwort« zu Die chassidischen Bücher, Hellerau: Jakob Hegner 1928, S. XI-XXXI. »Geleitwort« zu Der große Maggid und seine Nachfolge, Frankfurt a. M.: Rütten und Loening 1922, S. XIII-XCVI. Gottesliebe und Nächstenliebe im Chassidismus, Neue Wege, 41. Jg., Nr. 7/8, Juli/ August 1947, S. 330-345. Die Idee der Erlösung im Chassidismus: Rajon ha-ge'ula ba-chassidut [»Die Idee der Erlösung im Chassidismus«], in: Arakhim. Sifrijat ha-makhon la-madrikhim, Heft 2, Jerusalem: Reuben Mass 1942, 12 Seiten (Übersetzung aus dem Hebräischen von Simone Pöpl). Mein Weg zum Chassidismus, Frankfurt a. M.: Rütten & Loening 1918. Noch einiges zur Darstellung des Chassidismus, in: Werke III, S. 991-998. Sinnbildliche und sakramentale Existenz im Judentum, in: Deutung des Chassidismus – Drei Versuche, Berlin: Schocken Verlag 1935, S. 65-93. [Über den Chassidismus], Typoskript im MBA (Arc. Ms. Var. 350, dalet 11). Vorwort, in: Werke III, S. [7]. Der Weg des Menschen nach der chassidischen Lehre, Den Haag: Pulvis Viarum 1948, 45 S. Zur Darstellung des Chassidismus, in: Martin Buber – Philosophen des XX. Jahrhunderts, hrsg. v. Schilpp u. Friedman, Stuttgart: Kohlhammer 1963, S. 626-635.
Quellen- und Literaturverzeichnis
563
2.3 Verwendete Werke Martin Bubers Begegnung. Autobiographische Fragmente, Stuttgart: W. Kohlhammer Verlag 1960. Das Buch Könige, verdeutscht von Martin Buber gemeinsam mit Franz Rosenzweig, Berlin: Lambert Schneider 1929. Die chassidischen Bücher, Hellerau: Jakob Hegner 1928. Christus, Chassidismus, Gnosis, in: Merkur, Jg. 8, Nr. 10 (1954), S. 923-929. Drei Reden über das Judentum, Frankfurt a. M.: Rütten & Loening 1911. Ein Zaddik kommt ins Land, in: Israel und Palästina, Zürich: Artemis-Verlag 1950, S. 115-139. Ekstatische Konfessionen, Jena: Eugen Diederichs 1909. Die fünf Bücher der Weisung, verdeutscht von Martin Buber gemeinsam mit Franz Rosenzweig, Köln u. Olten: Jakob Hegner 1954. Die Geschichten des Rabbi Nachman – Ihm nacherzählt von Martin Buber, Frankfurt a. M.: Rütten & Loening 1906. Der Glaube der Propheten, Zürich: Manesse Verlag 1950. Gog und Magog. Eine Chronik, Heidelberg: Lambert Schneider 1949. Interpreting Hasidism, in: Commentary, 36/3, Sep. 1963, S. 218-225. Das jüdische Kulturproblem und der Zionismus, in: Die Stimme der Wahrheit. Jahrbuch des wissenschaftlichen Zionismus, hrsg. von Lazar Schön, Würzburg 1905. Königtum Gottes, Berlin: Schocken Verlag 1932. Die Legende des Baalschem, Frankfurt a. M.: Rütten & Loening 1908. Prophetie, Apokalyptik und die geschichtliche Stunde, in: Merkur, 8. Jg., Heft 12, Dezember 1954. Quellenverzeichnis zu Der große Maggid und seine Nachfolge, Frankfurt a. M.: Rütten und Loening 1922. Reden über das Judentum. Gesamtausgabe, Frankfurt a. M. 1923. Reden und Gleichnisse des Tschuang-Tse. Deutsche Auswahl von Martin Buber, Leipzig: Insel-Verlag 1910. Das verborgene Licht, Frankfurt a. M.: Rütten und Loening 1924. Werke III. Schriften zum Chassidismus, München/Heidelberg: Kösel/Lambert Schneider 1963. »Zu einer neuen Verdeutschung der Schrift« – Beilage zu dem Werk Die fünf Bücher der Weisung, verdeutscht von Martin Buber, Olten (Schweiz): Jakob Hegner. Zur Klärung, in: Mitteilungsblatt, 2/23, 4. Juni. 1954, S. 6.
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2.4 Verwendete Literatur Achad-Haam, Am Scheidewege, Bd. 1, 2. verbesserte und vermehrte Aufl., Berlin 1913. Aischylos, Tragödien, übers. von Oskar Werner u. hrsg. von Bernhard Zimmermann, Zürich 1996. Assaf, David, The Regal Way: The Life and Times of Rabbi Israel of Ruzhin, Stanford 2002. Barone, Elisabetta, Riedl, Matthias et al. (Hrsg.), Pioniere, Poeten, Professoren. Eranos und der Monte Veritá in der Zivilisationsgeschichte des 20. Jahrhunderts, Würzburg 2004. Berdyczewski (bin Gorion), Micha, Vom östlichen Judentum. Religiöses, Literarisches, Politisches, Frankfurt a. M. 1918. Berger, Klaus, Das Neue Testament und frühchristliche Schriften, Frankfurt a. M. u. Leipzig 2005. Bergmann, Hugo: Martin Buber und die Mystik, in: Schilpp, Paul A. u. Friedman, Maurice (Hrsg.), Martin Buber, Stuttgart 1963, S. 265-274. Bloch, Chaim, Die Gemeinde der Chassidim. Ihr Werden und ihre Lehre, ihr Leben und ihr Treiben, Berlin u. Wien 1920. Bogratschoff, Chaim, Entstehung, Entwickelung und Prinzipien des Chassidismus, Berlin 1908. Braude, William G. u. Kapstein, Israel J. (Übers.), Tanna debe Eliyyahu. The Lore of the School of Elijah, Philadelphia 1981. Brenner, David A., Marketing Identities: The Invention of Jewish Ethnicity in »Ost und West«, Detroit 1998. Brocke, Michael (Hrsg.), Die Erzählungen des Rabbi Nachman von Bratzlaw, Hamburg 1989. Büttner, Hermann (Hrsg.), Meister Eckhart, Jena 1938. Davidowicz, Klaus, Gershom Scholem und Martin Buber. Die Geschichte eines Mißverständnisses, Neukirchen-Vluyn 1995. Ders., Jakob Frank, der Messias aus dem Ghetto, Frankfurt a. M. 1998. Dessauer, Julius, Der Pentateuch. Die fünf Bücher Mosche mit worttreuer deutscher Übersetzung. Nebst dem Raschi-Commentare, 2. verbesserte Aufl., Budapest 1905. Dinur, Benzion, The Origins of Hasidism and its Social and Messianic Foundations, in: Gershon D. Hundert (Hrsg.), Essential Papers on Hasidism: Origins to Present, New York 1991, S. 86-208 Dresner, Samuel H., Levi Yitzhak of Berditchev. Portrait of a Hasidic Master, New York 1986. Ders., The Zaddik: The Doctrine of the Zaddik According to the Writings of Rabbi Yaakov Yosef of Polnoy, New York 1974 (Northvale 1994). Dubnow, Simon, Geschichte des Chassidismus, 2 Bde., Jerusalem 1969.
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Glossar* Chassidismus: durch Rabbi Israel ben Eliezer, gen. Baal Schem Tov gegr. volkstümliche mystische Bewegung des Judentums; von Osteuropa ausgehend, verbreitete sie sich in der Diaspora ebenso wie im Staat Israel. Chassidut: hebr. ! Chassidismus, als Gesinnung der Lebensfrömmigkeit verstanden. Drittes Sabbatmahl: Das nach dem Nachmittagsgebet eingenommene Hauptmahl des Sabbats, bei dem die Tischgemeinde singt und der ! Zaddik eine Lehrrede spricht. Funken (hebr. Nitzotzot): Nach spätkabbalistischer Lehre, die vom Chassidismus ethisch ausgestaltet worden ist, sind in einer Katastrophe der Urschöpfung Funken der göttlichen Lichtsubstanz in die unteren Welten gesunken und sind in den »Schalen« (hebr.: klippot) der Dinge und Wesen gefangen. Galut(h): hebr. »Verbannung«; Bezeichnung des Exils, der Diaspora, des Aufenthaltes der Juden in Ländern außerhalb Palästinas seit der Zerstörung des zweiten Tempels im Jahr 70; häufig mit negativem Beiklang. Gebetszeiten: das jüdische Gebet ist in einem teilweise sehr engen Zeitfenster zu verrichten, welches sich an die Zeiten orientiert, an denen im Tempel die vorgeschriebenen Opfer dargebracht wurden. Gemara: aram. »Abschluss [der Lehre]«; der spätere und weitaus größere Teil des ! Talmuds, der die ! Mischna erläutert und erörtert. Haskala: hebr. »Erkenntnis«; Bezeichnung der jüdischen Aufklärung in Mittel- und Osteuropa seit der Mitte des 18. Jahrhunderts. Jom Kippur: hebr. »Versöhnungstag«; der Tag des Sündenbekenntnisses und der Läuterung, an dem von einem Abend bis zum andern streng gefastet wird. Der ganztägige Gottesdienst enthält als zentrales Element das Sündenbekenntnis. Vor dem Fest sollen alle einander vergeben, da der Tag nur die Sünden gegen Gott, nicht auch die gegen die Mitmenschen sühnt, solange sie von diesen nicht vergeben sind. Kabbala: hebr. »Überlieferung«; Bezeichnung der jüd. Mystik des Mittelalters und der frühen Neuzeit, die sich durch theurgische Praktiken sowie Spekulationen über das innere Wesen Gottes und die Schöpfung der Welt auszeichnet. Buchstabendeutungen, -permutationen und Zahlenkombinationen stellen ihre wichtigsten hermeneutischen Techniken dar, die aus jedem Zeichen den verborgenen Sinn freilegen sollen. Für den Chassidismus ist besonders die Phase der lurianischen Kabbala, die sich im 16. Jh. in Palästina entwickelte, bedeutsam. Kaddisch: hebr. »Heiligkeitsgebet«; eines der zentralen jüdischen Gebete, gesprochen u.a. für die Verstorbenen. *
Sofern der Begriff in den Schriften Bubers vorkommt, wird dessen Schreibweise übernommen. Alle anderen im Glossar angeführten hebräischen Begriffe folgen der für die MBW festgelegten Umschrift.
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Glossar
Kawwana (Plural Kawwanot): hebr. »Ausrichtung«; die auf Gott gerichtete Intention bei der Ausführung einer (insbesondre kultischen) Handlung. Die Kawanna gewinnt eine zentrale Funktion in der jüd. Mystik: in der Kabbala liegen ihr bestimmte Variationsakte an den Lauten der im Gebet vorkommenden Gottesnamen zugrunde; sie zielen auf die Einung der getrennten göttlichen Wesenheiten ab. Klaus: Betraum einer geschlossenen, im allgemeinen chassidischen, lokalen Gruppe. Kol Nidre: hebr. »alle Gelübde«; der Anfang einer Formel, die am Vorabend des ! Jomkippur zur Lösung von unerfüllten und unerfüllbaren Gelübden gesprochen wird. Diese Gelübde beziehen sich nur auf Eide, die der Mensch Gott versprochen hat. Laubhüttenfest ! Sukkot Metatron: wichtige Gestalt der jüd. Mystik; Engelsfürst, himmlischer Schreiber, mit Michael alternierend, mit dem in den Himmel gefahrenen Henoch identisch. Midrasch: hebr. »Auslegung«, »Studium«. Eine der homiletischen Schriftauslegung gewidmete, an Legenden, Parabeln, Gleichnissen und Weisheitssprüchen reiche, nachtalmudische Literaturgattung. Mincha: hebr. »Gabe«; ursprünglich das für den Nachmittag vorgeschriebene Opfer, später zu dessen Ersatz das Nachmittagsgebet. Mischna: erste autoritative Sammlung des jüdischen Religionsgesetzes; redigiert um 200 n.Chr.; wird in der sog. ! Gemara kommentiert, mit der zusammen sie den ! Talmud bildet. Neu Jahr (hebr. Rosch Haschana): Zweitägiges Fest zu Beginn des jüdischen Neuen Jahrs, welches Gott als Schöpfer, König und Richter der Welt hervorhebt. Offenbarungsfest ! Schawuot. Rabbi: hebr. »mein Lehrer«, »mein Meister«; Anrede verehrter jüd. Lehrer, Gelehrter; seit talmud. Zeit der Titel des ordinierten jüd. Rechtsgelehrten, der die Tora verbindlich auslegen kann und Auskunft in relig. Fragen erteilt; Führer einer chassidischen Gemeinde. Raw ! Rabbi. Rosch Haschana ! Neu Jahr. Sabbat (hebr. Schabbat): der siebte Tag der Woche; ein Freuden- und Feiertag, Ruhetag Gottes, der die Erschaffung der Welt abschließt; die halachisch begründeten Einschränkungen sollen sicherstellen, dass der Mensch an diesem Tag von Arbeit befreit ist und die Heiligkeit des Sabbat gewahrt bleibt. Schawuot: hebr. »[Fest der] Wochen«. Ein sieben Wochen nach ! Passah stattfindendes zweitägiges Fest; es ist zugleich Fest der Erstlingsfrüchte und dem Gedächtnis der Offenbarung am Sinai geweiht. Schechina: hebr. »Einwohnung« [Gottes]; in der rabbinischen Literatur die Gegenwart Gottes im Volke Israel, insbesondere im Heiligtum; von den Kabbalisten als letztes der zehn Attribute Gottes bestimmt, seine weibliche Eigenschaft; wird in der ! Kabbala zum zentralen Symbol der Exilssituation.
Glossar
573
Schofar: hebr. »Widderhorn«; das in der Synagoge, vornehmlich am Fest des ! Neuen Jahres, geblasene Widderhorn. Der Überlieferung nach wird dessen Ruf das Kommen des Messias ankündigen. Schulchan Aruch: hebr. »Gedeckter Tisch«; von Josef Karo (1488-1575) vorgenommene, umfassende Kodifikation des jüdischen Gesetzes, die bis heute maßgeblich ist. Seder: häusliche Feier und Festmahl mit liturgischem Charakter am ersten und zweiten Abend des ! Passah. Sohar: hebr. »Glanz«; das vom Ende des 13. Jahrhunderts stammende Hauptwerk der frühen Kabbala. Sukkot: hebr. »Laubhüttenfest«; achttätiges Fest im Herbst, das ein Erntedankfest ist, und daran erinnert, dass die Israeliten während der Wüstenwanderung in Hütten lebten. Man soll in dieser Zeit, soweit klimatisch möglich, in einer Hütte (hebr. »Sukka«) wohnen. Talmud: Bezeichnung von ! Mischna und ! Gemara, Hauptwerk der jüdischen Lehre und des Religionsgesetzes. Der maßgebliche babylonische Talmud wurde gegen Ende des 5. Jahrhunderts redigiert, der Jerusalemer Talmud ungefähr hundert Jahre zuvor. Tannait: Meister der Mischna und der Gemara. Tefillin: hebr. »Gebetsriemen«; Phylakterien, Lederkästchen, die Schrifttexte auf Pergament enthalten und beim wochentäglichen Morgen-Gottesdienst zum Zeichen des Bundes mit Gott (vgl. Dtn 11,18) mit Riemen an die Stirn und den linken Arm gebunden werden. T(h)ora: wörtl. »Lehre«; Grundbegriff des Judentums; bezeichnet im engeren Sinn den Pentateuch (die fünf Bücher Moses), im weiteren Sinne die jüdische Glaubenslehre insgesamt. Von Buber oftmals mit »Lehre« übersetzt. Versöhnungstag ! Jom Kippur. Wochenfest ! Schawuot. Zaddik (Plural Zaddikim): hebr. »Gerechter«; durch charismatische Eigenschaften oder durch dynastische Abfolge legitimierte höchste relig. Autorität einer Gemeinde von ! Chassidim. Zionismus: im weiteren Sinn die relig.-politische Orientierung am Land Israel, als politische Bewegung 1897 von Theodor Herzl gegr., um den Erwerb eines Territoriums für das jüd. Volk, nach Möglichkeit in Palästina, zu erreichen.
Stellenregister Bibelstellen Hebräische Bibel (Altes Testament) Gen 1 1,2 1,3 1,4 1,22 1,31 2-3 2,9 ff. 2,23 f. 3 3,8 3,9 3,10 4,1 5,18-24 5,22 5,24 6,9 9,12-17 10,21 18,2 18,8 20,7 22 25,26 28,10-22 28,11 28,12 28,16 f. 32,23-32 36,31 36,31-39
403 365 349, 510 349 546 406 377 518 401 364, 521 496 496 496 546 398 367 367 367 453 63 365 497 454 165 521 399 418 518 404 349 457 457
Ex 3,1-12 3,4 3,12 3,14 4,16 6,1 7,1 15,1-18 15,18
407 462, 521 165 375 162 466 162 534 462
15,20 f. 17,11 19,4 19,14 19,16 20,24 21,2a 22,30 25,2 25,31 34,7
454 491 165 374 373 376 466 534, 535 522 490 522
Lev 10,1b 16,16 19,1 19,2 19,18b 25
518 408, 418, 535 418 517 375, 384, 488 425
Num 3,4 11,29 12,3 16,1a 16,22 24,17b 32
518 161 491 499 545 518 469
Dtn 3,8-17 4,44 6,4-9 6,5 11,13-21 21,11 30,15 30,20
469 369 404, 492 424 492 520 406, 520 545
Jos 3,13 3,18 4,7 4,18 13
364 364 364 364 469
Ri 4,4 5
454 454
6,34 9,8-15
162 463
II Sam 7,19
477, 478
I Kön 8,12a 8,27 19,12
418 418 163, 235, 377
Jes 3,10 6,3 7,3 7,11-13 8,11-22 8,14 8,15 8,17-20 8,19 9,1-6 30,8 45,7 49,2 53 54,5 55,8
349 545 455 165 166 455 166 166 455 167 30 418 322, 420, 463 174, 456 468 419
Jer 1,5 15,15 15,17 15,19 f. 18,7 f. 19 26,3-5 29,19 31,2
454 162 454 162 548 454 548 420 272, 400
Ez 1-3 10-13 37,15-28
375, 405 375 454
Hos 1 1-2 1,2
455 467 455
575
Stellenregister 1,6 f. 2,4
12,13
317, 367, 398, 498, 522, 545 497
164 548
Est 5,7-12
365
Mi 6,8
123
Neh 9,6
406, 521
Hab 2,4
123
Jon 3,4 3,9 f.
Ps 16,8a 34,14a 34,15 38,4b 51,17 55,24 60,14 69,19 71,9 73 73,23 95,7 119,19 139,16 Spr 3,5 3,6 8,21 10,25 27,19 30,18 Hi 19,26 Hhld 1,9
455 166
9,10
Neues Testament
545 407 407, 409, 489, 492, 499 498 524 408 362 466 400 317 545 466 535 499 545 317, 522 408 63, 370 490 516
Mt 3,2 4,17 5,1-7,29 5,17 5,18 13,19 13,45 16,13-16
426 426 425 425 390 391 391 426
Mk 3,11 5,7 8,27-29 8,29 f. 15,39
420 420 426 420 420
Joh 1,14 14,6
427 418, 463
Röm 7,15 1 Kor 9,20 f.
Rabbinische Literatur Mischna mAv II,13 III,1 IV,1 IV,3 V,8 V,10 V,19
374 496 522 491 (2x) 388 348 408
mBer V,1 IX,5
409, 424 426
mJoma VIII,9
409
mShab V,2
426
Jerusalemer Talmud jBer II,6,6c IX,5, 14a
371 426
jChag I,7
398
jMSh IV,9,55b-c
499
425 jPea I,1,15d, 44-48 498 427 Babylonischer Talmud
401 (2x)
Hebr 12,1
555
404
Außerkanonische Schriften
Rut 3,9a 3,9b
468 468
1Makk 2,42 7,13
348, 423 423
Klgl 3,23
EvHebr
515
400
Pred 4,4
366
bAS 17a
365
bBer 22a 30b 32b 34b 54a 56b 58b
371 402 424 164 520, 548 499 366
576 bChag 12a 14b 15a
Stellenregister 89, 386 126 368
bTaan 2a 9a
375 388
Tosefta bJoma 38b 39a 56b bKet 111(b) 111a
43, 349 399 408, 418 317, 545 365 123 409, 465 398, 399
bMeg 10a-16b 32a
365 369
bNid 61b
518
bQid 30b
366
bSan 65b 97b bShab 31a
371
Targum, Midrasch, Sammelwerke
bMak 23 f. 23b-24a 24a
bPes 87b 112a
tJad II,20
465 524 499 30, 368, 548
BerR I,2 III,7 IX,2 IX,7 XXV,1 XLVIII,19 LXVIII,9 LXVIII,12 LXXV,6 XCIX,2
II, 127b-145a II, 163a II, 174a II, 176b-179a III, 79a III, 119b III, 135a III, 187a III, 236b III, 237a
457 426 426 457 521 521 458 402 516 516
Sohar Chadasch 10c 377 469 409 409 366, 406 398 365 418 499 420 420
Tiqune Sohar 8a 404 Antike Werke Aischylos Eumeniden v17 ff. 161, 454 615 ff. 161
EkhR I, zu Klgl 1,6 362 II 398
Herodot Historien I,91
MTeh 19,4
367
Irenäus Adversus haereses Buch I, Kap 4,1 456
Tan Ber 1:7 Pequde 3
366 466
SER (= Tanna de be Elijahu Rabba) 25,2 497
426
164, 454
Josephus De bello iudaico II,119-161 371 Philo prob. lib 72-91
370 f.
Andere Literatur bSota 5a 17a bSuk 45b 52a
407 364 30 420, 518
Raschi zu Gen 1,1 469 zu Ex 19,14 374 Sohar I, 49b I, 144b I, 242b
406 521 520
Pindar Fragment 150
161
Plato Timaios 72b 160 72A-B 453 f.
Sachregister Aaron 162, 432 Abendland 132, 442 Abraham 60, 104, 121, 161, 165, 236-237, 239, 408, 482 Absolutes 160, 167-168, 206, 207, 215, 238, 430, 439, 481 Adam 136, 233-235, 300 Adam Kadmon 57, 59, 63, 67, 369 Ägypten 199 Alltag 42, 130, 131, 139, 151, 159, 183, 186, 190, 192, 289, 291-292, 319, 444 –, Heiligung des 60, 66, 134, 307, 389, 470 Altes Testament 173 Am ha-Aretz 30-31, 74, 95, 147, 149, 150, 152-153, 266-268, 270, 271, 275, 292, 422, 424 Anderheit 57, 168 Anekdote 321 –, legendäre 306, 328, 330, 500, 554 Anhaften, siehe Devequt Apokalypse-Esra 174, 456 Apokalyptik 258, 433 Apokalyptiker 156 Askese 15, 58, 59, 145, 238, 239-241, 366, 387 Assimilation 21, 24 Auferstehung 64 Augenblick 54, 61, 62, 123, 125, 138, 164, 166, 171-172, 177, 216, 434-436, 438 Ausrichtung, siehe Intention Barock 132 Begegnung 58, 132, 133, 139, 249, 291 Bergpredigt 154 Bewährung 69, 131 Bewegung, chassidische 54, 73, 77, 78, 91, 93, 145, 153, 171, 254-255, 257, 264-265, 269, 275, 304, 314, 316, 317-318, 321, 389 –, christliche 156 –, geistige 221 –, messianische 188 –, nationale 203 –, pseudomessianische 307 –, reformatorische 53 –, religiöse 53, 59, 180 –, sabbatianische 13, 27, 283, 418 –, stifterische 53 –, zionistische 20, 349
Bibel 135, 144, 163, 187, 234, 362, 435, 436, 445, 448, 482 Bileam 121 Böse, das 56, 72, 119, 121, 124, 127, 134136, 155, 186, 197, 203, 230, 231, 246, 271-272, 282-284, 287-288, 291, 364, 396, 404-406, 407, 408-409, , 444, 448, 465, 520-521 Böser Trieb 60, 196, 238, 258, 287-288, 317, 366, 396, 465, 521 Botschaft, chassidische 132-135, 139, 142, 289 Buber, Martin –, Christus, Chassidismus, Gnosis 36, 525 –, Drei Reden über das Judentum 21, 26, 31, 32, 50, 339, 351, 390, 411, 422 –, Ekstatische Konfessionen 462, 474, 554 –, Die Erzählungen der Chassidim 35, 253, 500 –, Die Geschichten des Rabbi Nachman 23, 48 –, Der Glaube der Propheten 418 –, Gog und Magog 35, 253, 500, 539, 548 –, Der große Maggid und seine Nachfolge 28, 29, 38, 97, 253, 351-352, 390 –, Ich und Du 25 –, Königtum Gottes 419 –, Die Legende des Baal Schem 23, 49, 351352 –, Prophetie, Apokalyptik und die geschichtliche Stunde 385 –, Das verborgene Licht 26 –, Zur Klärung 36 Buch Jona 164 Buch Richter 188 Buddhismus 62, 207, 214, 255 –, indischer 181 –, Zen- 34, 181-182, 206-207, 208, 210216, 316, 322, 328-331, 470, 475, 477, 478 Buße 246 Chabad-Lubawitsch 19, 85, 376, 383 Chassid, Chassidim 41, 43, 144-145, 158, 210, 265-266, 285, 318, 348, 389, 423-424 Chassidut, siehe Frömmigkeit China 181, 206, 210 Chmielnicki-Massaker 13
578 Christentum 31, 62, 130, 153-155, 157-158, 184-185, 194-195, 246, 255, 277, 362, 448, 463, 508 –, Ur- 275, 292, 422 Cohen, Hermann –, Die Religion der Vernunft aus den Quellen des Judentums 397 Corpus Hassidicum 392-393, 410 Czernowitz 49 David 123 Debora 161 Demut 105, 121, 157, 177, 198, 201, 211, 247 Devequt (Inbrunst) 15, 86, 109, 110, 120, 316, 384, 396, 408, 510, 545 Dialog 305, 318 Diaspora 22, 24, 78, 189, 190 Dichter 161, 163 Dienst 77, 111, 134, 171, 174, 264 Ebenbild, Ebenbildlichkeit 47, 220 Einfalt 111 Einfältige, der, siehe auch Am ha-Aretz 148, 150, 173, 267, 322 Einheit 70, 120, 157, 206, 226, 231, 294, 296, 318 Einung 28-29, 62, 64-68, 82, 84, 93, 119, 123, 124, 127, 157, 174, 177, 225, 227, 232, 240-241, 270, 290-291, 317, 330, 367, 371, 400, 401, 404, 406, 513, 521, 526, 545 –, Gottes 82, 101, 114, 156, 314 Ekstase 21, 24, 26, 214 –, asketische 60 Elija 60, 262, 377 Elimelech von Lisensk –, No'am Elimelekh 18-19 Elohim 162, 299-302 Emanation 56, 298, 363-364 Encyclopedia Judaica 455 Endliches, Endlichkeit 125, 175 Engel 239 Entfremdung 312 Entscheidung 58, 156, 164, 188, 272, 283, 312, 321, 434-435 Erbarmen 68, 128 Erfahrung, mystische 294 Erfüllung 153 Erleuchtung 216, 330 Erlösung 57-58, 97, 124, 135-139, 142-143, 156-157, 171-172, 177, 181, 189-192, 193-197, 198-200, 202, 206, 215, 247,
Sachregister 258, 263, 272, 283, 289, 291, 319, 323324, 437, 443-444, 447, 448 –, Israels 193 –, messianische 59, 156 –, der Schöpfung 269 Erneuerung 63-64, 327 –, göttliche 64 –, des Lebens 221 Erster Weltkrieg 11, 22, 24, 25, 31, 305 Erzählung, chassidische 49 Esau 235, 271 Eschatologie 58 Esra-Apokalypse 174, 456 Essäer 64, 370 Esther 60, 365 Ethik, Ethisches 35, 144, 217-218, 220, 221222, 224, 225, 227, 232, 475, 480, 484-485 Exil 45, 47, 57, 85, 90, 119, 127, 135, 137, 180, 193-194, 196-197, 199-200, 287-288, 319, 464 –, babylonisches 193 –, Israels 140, 195, 197-198, 258, 284, 365 –, kosmisches 58 Existentialismus 305 Existenz, sakramentale 170-171, 174, 177 Ezechiel 166, 436 Frankismus 257, 260, 262, 266, 273 Freies Jüdisches Lehrhaus 32, 422 Freiheit 57, 58, 136 »fremde Gedanken« 60, 286, 291, 366, 404 Frieden 244 Frömmigkeit 46, 101, 180-181, 222 –, chassidische 175 Führer 61, 86, 189, 255, 256 Führerschaft, Führertum 44, 71, 264 Funken, die 44, 52, 57, 60, 97, 107-108, 124, 132-136, 142, 150-151, 184, 189-190, 193-194, 195-196, 200, 215, 224, 258, 262, 265, 269-271, 286-290, 309, 311, 319-320, 391, 399, 447, 448, 464-465, 506, 518, 571 Galuth 82, 571 Ganzheit 243 Gebet 15, 66-68, 71, 82, 92, 95, 105, 111, 113-115, 117-118, 124, 126, 129, 154, 214, 219, 267, 310, 318, 401-404, 424 –, Mincha- 68 Gebot, siehe auch Gesetz 15, 109, 269 Geheimnis 54, 61, 72, 75, 133, 137, 138, 150, 161, 173-174, 179-180, 186, 207, 210, 444-448
579
Sachregister –, Messias 140 –, Welt- 54 Geist 133, 241-242, 312-313 –, abendländischer 131 –, heiliger 63 –, Krisis des 131 Gemeinde 44, 61, 71, 73, 82, 86, 88, 148, 152, 255-256, 264, 266, 267 –, chassidische 71, 152 Gemeinschaft 46, 55, 152, 159, 189, 198, 220, 227, 232, 280 –, chassidische 20, 31 –, Menschen- 44 –, religiöse 220 Gerechtigkeit 87, 105 Gericht 68, 128 Geschichte 58, 131, 137, 164, 435, 440 –, Welt- 65, 139, 193 Geschichten aus Tausend und einer Nacht 48 Geschöpflichkeit 135 Gesetz 26, 42, 54, 61, 97, 105, 124, 133, 151, 153-155, 184-185, 268, 270, 308 –, Erfüllung des 154 Gespräch, profanes 210 –, wahrhaftes 187 Gewissen 218-219 Glaube 43, 103, 147, 155, 169, 176, 216, 218, 222, 278 –, Aber- 80, 86, 278, 283 –, jüdischer 193, 258 Gleichnis 160, 165, 430, 436 Gnade 58, 63, 124, 138, 174, 189, 308 Gnosis 54, 55, 135, 173-176, 185-186, 258, 313, 316, 324, 362, 435, 447, 448, 456, 514, 525-526 Golem 244, 498-499 Gott 15, 42, 51, 54, 55-59, 87, 131-132, 134140, 147-148, 150-151, 155, 162, 171172, 177, 181-182, 186-188, 194-195, 205, 214, 217-218, 221, 223-224, 230, 234, 237-238, 246, 263-264, 267, 269, 295-300, 302, 310, 314, 318, 319, 323, 349, 393, 397, 401-402, 414, 418, 432433, 435, 446, 509-510 –, anredbarer 130, 187, 411 –, biblischer 165 Gottes Dienst 65, 108, 131, 201, 212, 238 Gottes Einheit 64, 68, 109, 113, 173, 177 Gottes Einwohnung 132, 134-135, 137, 140, 250, 448 Gottesfurcht 224, 238, 287
Gottes Gegenwart 71, 214, 301 Gottes Herrlichkeit, siehe Schechina Gottesknecht 139, 140, 141, 419 Gottesliebe 35, 42, 87, 111, 222-224, 298 Gott und Mensch 182, 214, 250, 258, 308, 321, 439 Gottesname 65, 111, 117, 124, 126, 127, 149, 156-157, 174, 186, 424-425, 450 Gottes Personsein 130, 188, 297, 301 Gottesreich 62, 141, 188, 192, 194-195, 246, 270, 292 Gottes Schicksal 55-57, 65, 149 Gottes Selbstbeschränkung, siehe Zimzum Gottes Wille 89, 137, 149, 151, 188, 189, 195, 221 Gottes Wirklichkeit 117, 137, 222, 287, 291 Graetz, Heinrich –, Geschichte des jüdischen Volkes 348 Griechenland 193 Gulkowitsch, Lazar –, Der Hasidismus 33 Gute, das 121, 127, 134-136, 155, 174, 186, 197, 203, 217, 231, 246, 272, 282-284, 286-287, 291, 405-406, 444, 521 Habakuk 123 Halacha 24, 388, 426 Haman 60, 365 Handeln, messianisches 142, 269 Handlung, magische 65 Haskala 21, 571 Heil 42, 222 Heiliges 36, 151, 169, 171, 176, 269, 282285, 291-292, 307-309, 312-313 Heiligkeit 156, 220, 232, 258, 271, 283-285, 290, 311, 320 Heiligung 133-134, 139, 150-152, 155, 238, 269, 270, 292, 308, 313, 316, 321, 443, 448 Henoch 60, 105, 290, 291, 358, 367 Herrnhuter Brüdergemeinde 397, 459 Heschel, Abraham Jehoschua –, Das prophetische Bewußtsein 428 Hiob 112, 174, 445 Hochmut 121, 236, 239, 240, 247 Hoffnung 147 –, messianische 284 Hosea 166, 467 Humor 176 Ich und Du 182, 187, 206, 295 Idee 160 Inbrunst 64, 370
580 Intention (Kawanna) 60-61, 65, 66-67, 97, 114-115, 126, 127, 131, 146, 149, 176177, 184, 186, 196, 209, 210, 249, 267, 270, 290, 309, 317, 319-320, 349, 368, 371, 402, 418, 442-444, 448, 449, 547, 572 Isaak 104, 236 Islam 205, 277 Israel (Volk) 22, 26, 107, 127, 129-130, 132133, 153, 187-189, 193-194-195, 197, 199-202, 210, 215, 223, 226, 227, 236, 242, 250, 283, 299-300, 311, 314, 319, 382, 391, 399, 404, 411, 509, 523-524 –, biblisches 169 –, Liebe zu 224
Sachregister 328, 352, 355, 358, 362, 363, 419, 425, 444-445, 447, 449, 456, 509, 520, 525526, 571 –, lurianische 27, 28, 254, 270, 298, 350, 364, 401, 419, 420, 506, 522 –, späte, siehe lurianische –, theurgische 66 Kabbalisten 157 Kawanna, siehe Intention Keter Schem Tov 29, 391 Kirche 22 Koan 329-330, 554 Kommunismus 144 Konflikt 242-243 Konkretes 160, 167-168, 181, 184, 207, 215, 430, 439 Kontemplation 207 Korah 247 Kraft, messianische 140 Kreatur 137, 147 Krisis 169-170, 220, 269, 312
Jakob 104, 117, 235, 236, 271 Jakob Joseph ha-Kohen Katz von Polonne –, Toldot Ja'aqov Josef 17 Japan 181, 206 Jeremija 162, 166, 432, 436, 437 Jerusalem 69, 90, 199, 348 Jesaja 166-167, 436-437 –, Deutero- 135, 174, 191, 420, 456 Jetzt und Hier, siehe Augenblick Jichud, siehe Einung Jona 434 Jonas, Hans –, Gnosis und spätantiker Geist 173, 456 Joseph 242 Der Jude 39 Jude, der 22, 46, 147, 234 Judentum 39, 42, 46-47, 54-55, 62, 63, 97, 129, 130, 140, 144, 147, 153-155, 157159, 172, 182, 184-185, 186-187, 189, 190, 194, 246, 249, 258, 277, 291-292, 307-308, 340, 358, 362, 389, 390, 411 –, biblisches 145 –, litauisches 13 –, mittelalterliches 42, 350 –, nachexilisches 41 –, osteuropäisches 12, 22, 36, 41, 144, 145, 152, 178, 222, 255, 257, 275, 502 –, prophetisches 156 –, rabbinisches 149, 172 –, Renaissance des 21 –, spätexilisches 130
Leben, chassidisches 311, 314 –, heiliges 250 –, monologisches 131 –, religiöses 136, 326 –, sakramentales 171, 172, 174 Legende 49, 179, 256, 331 –, chassidische 148, 173, 267, 544 Lehre 105, 109, 110, 117, 152, 157, 180, 210 –, chassidische 29, 36, 42, 51, 61-62, 65, 74, 92, 95, 97, 126, 150, 191, 242, 254, 309, 311-314, 315, 316, 390 –, jüdische 157, 187 –, kabbalistische 135, 173, 186, 189, 316, 319 –, talmudische 174, 270, 287, 446 –, taoistische 207 Leib 160, 167, 241-242, 430 Leid 174, 181, 445-446 Leidenschaft 134, 155, 272, 444 Liebe 69, 87, 105, 109, 118, 131, 147, 220, 222-224, 227-226, 273, 287, 302 –, Feindes- 231 –, Gottes, siehe Gottesliebe –, Menschen- 222-225 –, Nächsten- 222-223 Lüge 259
Kabbala 24, 30, 34, 54, 55-59, 67, 71, 85, 88, 91, 124, 126, 135, 149-150, 172-177, 184187, 189-190, 193, 225, 258, 268, 273, 286-287, 289, 291, 297, 300, 313, 319,
Magie 65, 66, 176, 440, 443 Makkabäerzeit 144 Mandäer 362-363 Materie 55, 57
581
Sachregister Mensch 57-58, 60, 135, 137-139, 151, 282283, 290, 301-302, 310, 320, 443, 445, 447 –, abendländischer 312, 314 –, biblischer 165, 445 –, chassidischer 192 –, irreligiöser 218 –, moderner 307 –, primitiver 168-169, 440-441, 443 –, prophetischer 189 –, religiöser 217-218 –, Ur-, siehe Adam Kadmon –, vollkommener 47, 283-284, 317, 331 –, wahrhaftiger 63 Menschenliebe 35, 69 Merkur 36, 525 Messias 142, 156, 157, 190, 198, 199, 237, 257, 258, 262-263, 283, 324, 420 –, falscher 157, 262, 291 Messianismus 31, 58, 187-190, 258, 260 –, Auto- 27, 31, 141-142, 157, 190, 192, 323, 420, 459 –, jüdischer 97, 129, 139, 190, 389 Metatron 60, 367, 368, 572 Micha 123 Midrasch 40, 45, 124, 350, 572 Mirjam 96, 161, 388 Mischna 41, 572 Mitnagdim 70, 81, 85, 96, 233, 384 Mizwot, siehe Gesetz 270 Monotheismus 187, 189 Mose 67, 68, 79, 119, 123, 127, 162, 165, 229, 237, 247, 432, 435 Mysterium, messianisches 140 Mystik 21, 24, 34-35, 101-102, 178-179, 206, 214, 216, 276-277, 294-297, 300, 303, 311, 328-330, 393, 470, 503, 505 –, Buchstaben- 176, 403 –, chassidische 398 –, christliche 296, 300, 301 –, deutsche 170, 461, 475 –, Hekhalot- 368 –, indische 300, 301 –, islamische 181-182, 296, 329, 462 –, jüdische 23-24, 149 –, sufische, siehe Mystik, islamische –, theistische Mystik 296-297 Mystiker 295-296 Mythos 313-314 Narr Gottes 83 Nation, jüdische 22 Nationalismus 203 Natur 64, 124, 133
Nawi, siehe Propheten Neoplatonismus 21, 174, 456 Neue Jüdische Monatshefte 339 Neues Testament 154, 156 Neue Wege 35, 482, 493, 595 Nistorim 61, 148, 368 Noah 110 Offenbarung 34, 214, 216, 218, 269, 282283, 285, 287, 296-297, 301 Olam ha-Tikun 58 Opfer 169, 431, 441 Opferkult 132 Orakel 163, 431, 437 Palästina 81, 85, 145, 348 Pansakramentalismus 34, 440-441, 443444 –, chassidischer 171, 172 Pantheismus 170 Persien 193 Person, menschliche 150 Phantasie 286 Pietismus 24, 180-181, 397 Plato –, Timaios 160 Praxis, theurgische 59 Predigt 82 Profane, das 31, 36, 150-151, 169, 171, 176, 269, 282-285, 291-292, 307, 312 Propheten 89, 126, 132, 156-157, 160163, 166, 188, 193, 428, 431-434, 436, 442 Prophetie 33, 164, 428 Psalmen 144 Psychoanalyse 289, 312 Raum 125 Raw 70-71 Rebbe 70-71 Reformation 170, 442 Reich Gottes, siege Gottesreich Reich, messianisches 41 Religion 26, 27, 35, 101, 131, 144, 169-170, 217, 276-277, 307, 313, 440, 480 –, altindische 57 –, geschichtliche 441-442, 444 –, jüdische 22 –, Krise der 277 –, theistische 296 Religionsgeschichte 34, 179-180, 204, 276, 469 –, jüdische 179
582 Religionsgesetz 85 Religionswissenschaft 326 Religiöses 221-222, 224, 225, 227, 232, 481483 Religiosität, iranische 55 Ritualismus 171 Rizhiner Dynastie 19 Ruach 163, 454 Rumi, Dschelal-ed-din –, Mesnewi 205, 474 Sabbat 96, 151, 349, 572 Sabbatianismus 260, 262, 288, 507 Sabbatmahl, drittes 43, 73, 349, 571 Sadagora 19, 43, 49, 79, 80, 349, 380 Safed 81, 401, 403 Sakrament 33, 34, 132-133, 160, 167-169, 177, 438-443, 449 –, christliches 172 Sakramentalismus 170, 176, 442 –, Krisis des 440-441, 442 –, Pan-, siehe Pansakramentalismus Salomo 79, 130 Samurai 208 Schalen, die 56, 61, 69, 107, 117, 124, 127, 174, 193, 195-196, 198-200, 224, 228, 258, 271-272, 283, 286-287, 289, 311, 364, 366, 391, 464 Schechina 55, 56, 57, 58, 60, 62, 63, 69, 78, 82, 83, 85, 105, 108, 110, 112-115, 117, 119, 123, 126, 127, 135, 194, 197, 199, 201, 225, 228, 262, 270, 273, 287-289, 302, 311, 317, 319, 358, 363, 370, 400, 401, 402, 404, 406, 409, 439, 464, 466, 468, 509, 520-521, 525, 545, 572 –, Erlösung der 200-201 –, Exil der 200, 202, 302, 317, 365 Schoa 11, 33, 39, 493 Scholem, Gerschom –, Die jüdische Mystik in ihren Hauptströmungen 23, 514 –, Sabbatai Zwi. Der mystische Messias 514 Schöpfung 56, 57-58, 63, 64, 119, 123, 127, 130, 133, 135-138, 157, 164, 188, 189, 190, 194, 225, 229, 282-283, 296-297, 301-302, 308, 311, 350, 434, 447 Schweigen 210 Seele 131, 133-134 Sefer Jezira 23 Sefirot 85, 149, 174, 273, 400, 401, 402, 403, 405, 409, 419, 457, 465, 466, 468, 520-521
Sachregister Sippure Maaßijot 48 Sohar 23, 71, 95, 198, 340, 404, 406, 409, 457, 573 Sophia 55, 363 Sozialisten, religiöse 35 Spinozismus 418 Sprache 160, 430 –, heilige 203 Staretz 62, 369, 421 Sufi 83, 182, 205, 329 Sufismus 34, 181, 205, 316, 328-330, 331, 462 Sünde 108, 119, 120, 121, 124, 136, 231, 246, 258, 271, 283, 288, 291-292, 299, 320 Sündenfall 58, 123, 364 Symbol 33, 160, 167, 430, 438 Talmud 60, 67, 91, 123, 144, 155, 365, 368, 375, 389, 516, 573 Tao 207, 475 Taoismus 215, 475 Tat 177 –, heilige 133 –, sakramentale 177 –, sittliche 225 Tauchbad 64, 370 Taufe 154 Täufertum 141 Tetragrammaton 124, 298, 300-302, 318, 375, 377, 466, 491 Theokratie 188 Theologie 329 –, sabbatianische 257, 258, 260, 270, 291, 320, 507 Tiberias 81 Tikkun 197, 350, 364, 365, 366, 377, 391, 399, 404, 419, 421, 457-458, 518 Tora 28, 31, 43, 44, 61, 88, 152, 180, 196, 214, 258, 259, 262, 265, 267, 269, 273, 275, 282-285, 299, 349, 368, 369, 389, 390, 399, 402, 406, 425, 426, 513, 545, 573 –, Krisis, der 284, 291 –, mündliche 261 Tradition 32, 54 – , halachische 28 –, jüdische 28, 34, 300, 305 –, kabbalistische 318, 321 Treue 120 Tzawa'at ha-Riba''sch 29, 47, 392
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Sachregister Übel 135 Umkehr 58, 72, 108, 121, 124, 138, 156, 164, 198, 227, 230, 236, 245-246, 288, 320, 324, 358 Unterscheidung 282-284, 289, 291 Urchristentum 22, 31, 32 Verantwortung 51-52, 55 Verband der jüdischen Jugendorganisationen Deutschlands 41, 339 Verborgene, siehe Nistorim Verborgenheit 191 Verein Jüdischer Hochschüler Bar Kochba 21 Vergängliches 160, 165, 430 Versuchung 272, 287 Vertrauen 279 Vital, Chaim –, Baum des Lebens 298 Volk, jüdisches, siehe Israel Volksglauben 277 Volkstum 46-47 Vollendung 69, 108, 137, 138, 188, 191, 270, 278, 283, 291 –, messianische 269, 283 Vollkommenheit, siehe Vollendung Wahl 308 Wahrheit 207, 209, 212 Wahrsager 160-161, 162 Weihe 272-273 Weisheit 222 Welt 55-58, 132-135, 150, 156, 171-172, 223-224, 298, 310
–, –, –, –,
Erlösung der 186 Heiligung der 310 messianische 283, 308 obere 108, 110, 177, 197, 249, 286, 288, 320 –, Schicksal der 51 –, untere 177, 228 Weltliches 42 Werke 60-61 Wille 137, 181 Wirklichkeit 279-280 –, religiöse 150, 181 –, konkrete 208 Wort, gesprochenes 165 Wunder 70, 256, 291 Zaddik, Zaddikim 17, 18, 28, 43-44, 47, 5152, 62-64, 66, 68-71, 73, 78, 148, 157-158, 172, 178-179, 214, 256, 263-264, 266, 268, 299-300, 318, 321-322, 349, 370, 371, 372, 375, 389, 401, 408, 423, 510, 523 –, verborgener 61 –, vollkommener 231, 246 –, wahrer 351 Zeichen 165, 167 Zeit 125, 216, 356 –, messianische 151, 172, 269 Zen-Buddhismus, siehe Buddhismus Zerbrechen der Gefäße 57, 58, 60, 118, 124, 135, 174, 189, 193, 286, 309, 391, 447, 457-458, 467, 520 Zimzum 57, 297-301, 363, 523-524 Zionismus 20, 42, 46, 203, 339
Personenregister 1. Zaddikim Abraham Ben Dov von Mesritsch (1741-1776): genannt Abraham ha-mal’ach (= der Engel) (1741-1776): Sohn von ! Dow Bär von Mesritsch, Vater des ! Schalom Schachna von Probischtsch; pflegte im Gegensatz zu seinem Vater und Sohn einen asketischen Lebensstil. 79, 91, 379 Abraham Chajim von Zloczow (um 1726-1816): Schüler des ! Schmelke von Nikolsburg und Autor des Buches Orach le-Chajim. 208, 476 Abraham Jehoschua Heschel von Apt(a) (1748-1825): Schüler des ! Elimelech von Lisensk und führender Zaddik der dritten Generation. 61, 79, 81, 86, 87, 91, 95, 369, 380, 381, 387 Abraham von Stretyn (ca. 1805-1865): Sohn des ! Jehuda Zvi Brandwein. 489 Ahron von Karlin, d. i. Aharon ben Ja‘akov Perlov, genannt »Ahron der Große« (1736-1772): Schüler des ! Dow Baer, des »Großen Maggid«; brachte den Chassidismus nach Litauen/Weißrussland, wo er auf erbitterten Widerstand stieß; Lehrer des ! Schlomo von Karlin; Ahnherr der Karlin-Stoliner Dynastie. In Ahrons Richtung des Chassidismus spielt das ekstatische Beten eine große Rolle; Verfasser der Sabbat-Hymne Yah ekhsof no’am Schabbat zu der mehr als 20 Melodien bekannt sind. 204-205, 473 Baalschem ! Israel ben Elieser Baer ! Dow Baer Friedman Baer von Radoschitz, d. i. Issachar Ber von Radoszyce (1765 oder 1775-1843): Schüler insbesondere des ! Jaakob Jizchak von Lublin; hatte einen Ruf als Wundertäter. 236, 496 Baruch von Mesbiž (ca. 1756-1811): Enkel des ! Israel ben Elieser; versuchte als Oberhaupt der chassidischen Bewegung, anerkannt zu werden; soll einen prachtvollen »Hof« geführt haben. 69, 73, 374-375, 376, 535 Bunam von Pžysha ! Ssimcha Bunam von Pžysha Chajim von Zans, d. i. Chajim Halberstam von Nowy Sącz (1797/99-1876): Schüler des ! Jaakob Jizchak von Lublin und Begründer der Dynastie von Sanz; sowohl Gelehrter wie Zaddik; erbitterte Auseinandersetzung mit der Dynastie von Israel von Rižin, der er Prunk und Hochmut vorwarf. 68, 245, 374, 499 Chajim Meʾ ir Jechiʾ el Schapiro (1789-1849): genannt der »Seraph von Mogielnica«, Enkel des ! Israel von Kosnitz. 325, 548 David Mosche von Czortkow (1828-1903): Sohn des ! Israel [Friedman] von Rižin. 44, 350
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David [Biderman] von Lelow (1746-1813): Schüler des ! Elimelech von Lisensk und des ! Jaakob Jizchak, des »Sehers von Lublin«. 42, 386, 498 Dow Baer Friedman von Mesritsch (1704-1772): genannt »der große Maggid«, »der Maggid von Mesritsch«; gemäß der chassidischen Geschichtsschreibung Schüler und Nachfolger des ! Israel ben Elieser; fast alle Zaddikim der nachfolgenden Generation waren seine Schüler, die er in die unterschiedlichen Teile Osteuropas schickte, um die Ausbreitung des Chassidismus zu fördern; seine mystischen Konzepte unterscheiden sich von denen des Baalschem. 16-18, 75-78, 79, 80, 81, 82, 84, 85, 87, 90, 124, 125, 196, 199-200, 204-205, 231, 254, 261, 264, 280, 297, 298-299, 299-300, 301, 317, 321, 322, 350, 356, 367, 368, 369, 371, 372, 376, 377, 378, 378-379, 379, 385, 392, 398, 419, 462, 473, 485, 487, 488, 509, 513, 519, 523, 524 Dow Baer Friedman (ca. 1821-1876): Sohn des ! Israel [Friedman] von Rižin, Zaddik in Lewa (Rumänien), der sein Amt als Zaddik 1867 niederlegte. 80, 380 Dow Baer (1773-1827): Sohn und Nachfolger des ! Schnëur Salman von L(j)adi. 535 Eliʾ eser Horowitz von Tarnobrzeg-Dzików (1790-1861/1863): Sohn des ! Naftali von Ropschitz. 245, 499 Elimelech von Lisensk (1717-1786/87): bedeutendster Schüler des ! Dow Bär von Mesritsch, Bruder des ! Sußja von Hanipol; die wichtigsten Vertreter der nachfolgenden Zaddikim-Generation in Polen waren seine Schüler. In seinem Werk No‘am Elimelekh wird die Rolle des Zaddiks als Mittler zwischen Gott und den einfachen Chassidim herausgestellt. 80, 81, 82-83, 83-84, 88, 89, 90, 209, 273, 309, 370, 381, 491, 496, 498 Gerer, Der ! Jitzchak Meʾ ir Rothenberg-Alter von Ger Heilige Jude, Der ! Jaakob Jizchak von Pžysha Henoch von Alexander, d.i. Chanokh von Aleksandrów (1798-1870): polnischer Zaddik und Begründer einer bedeutenden chassidischen Dynastie, Schüler des ! Ssimcha Bunam und des ! Menachem Mendel von Kozk. 211-212, 244-245, 250, 477, 535 Israel ben Elieser (1700-1760): genannt Baalschem bzw. Baal Schem Tow oder als Akronym davon Bescht, hebr. für »Meister des guten Namens«; Begründer des Chassidismus; seine Lehren sind nur durch Schriften seine Schüler bekannt. 1416, 17-18, 19, 27-28, 29, 40, 41, 45, 47, 49, 59-60, 66, 67, 68, 71, 73, 74, 75-78, 80, 81, 85, 88, 90, 99-128, 129, 131, 141-142, 155, 157, 179, 180, 191-192, 195-198, 213, 226, 227, 228-229, 231, 237, 241, 242, 244, 249, 254, 255, 259, 261-267, 280282, 285-292, 309, 317-320, 322, 349, 350, 352, 366, 372, 373, 374, 375, 377, 378, 379, 381, 385, 391-393, 400, 401, 402, 411, 412, 421, 426, 455, 461, 462, 463, 488, 490, 495, 509, 513, 516, 519, 521, 535, 541, 542, 545, 547, 553, 555
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Israel von Kosnitz, d. i. Israel Hapstein/Hopsztajn (1733/7-1814): genannt »der Maggid von Kosnitz«; Schüler des ! Dow Bär von Mesritsch und des ! Elimelech von Lisensk. 81, 86, 87, 90, 94, 212, 227, 230, 267, 325, 381, 548 Israel [Friedman] von Rižin (1796-1850): Sohn von ! Schalom Schachna von Probischtsch und Urenkel des ! Dow Bär, des »Großen Maggid«; führte einen prachtvollen »Hof«, erhob den Anspruch auf die Führungsrolle in der chassidischen Bewegung; hatte eine große Schar von Anhängern; über seine Söhne Ahnherr mehrerer Zaddikimdynastien; nachdem er im Zusammenhang mit einem Mordfall an jüd. Informanten von den russ. Behörden der Mitwisserschaft verdächtigt wurde (1836-1840), floh er aus Russland und ließ sich in Sadagora (Bukowina, nahe Czernowitz) nieder. 19, 44, 62, 73, 79-80, 92, 93, 241, 349, 369, 374, 376, 380, 498 Jaakob Jizchak von Lublin (1745-1815): genannt der »Seher«, Schüler des ! Elimelech von Lisensk; sehr volkstümliche Gestalt; die meisten der folgenden polnischen Zaddikim betrachteten sich als seine Schüler; kümmerte sich vor allem um die »materiellen« Bedürfnisse seiner Anhänger, wie Lebensunterhalt, Hilfe bei Unfruchtbarkeit usw. 67, 67-68, 81, 86, 89-90, 90-93, 94, 223, 225, 236, 239241, 273-274, 323-324, 325, 374, 381, 385, 386, 387, 466, 495, 496, 498, 548, 549 Jaakob Jizchak von Pžysha, d. i. Jakob Jitzchak Rabinowicz von Przysucha (17661814): genannt »der Jehudi« bzw. »der heilige Jude«; zunächst Schüler des Jaakob Jizchak, des Sehers von Lublin, zu dem sich später ein angespanntes Verhältnis entwickelte; gilt als Gründer der Schule von Pžysha, die stärker spirituell ausgerichtet war und eher eine intellektuelle Elite ansprach. 81, 91-93, 93, 94, 95, 197, 223, 229, 237, 324, 325, 381, 386, 488, 489, 548 Jaakob Jossef von Polnoe, d. i. Jakob Joseph ha-Kohen Katz von Połonne (starb 1782): Schüler des ! Israel ben Elieser, unter dessen Einfluss er seit ca. 1741 stand; mehrere Rabbinatsstellen, zuletzt seit 1770 in Polnoe; seine Schriften enthalten klar gekennzeichnete Zitate der Lehren des Baalschem, was ihn zur wichtigsten Quelle für dessen Lehre macht; diese Schriften enthalten auch scharfe Angriffe auf das rabbinische Establishment seiner Zeit; Werke: Toldot Jaʿ aqov Josef (1780), Ben Porat Josef (1781), Zafnat Paʿ aneach (1782) und postum Ketonet Passim (1866). 17-18, 280, 367, 377, 378, 391, 392, 398, 400, 509, 517, 519, 545, 547 Jechiel Michal von Zloczow, d. i. Jechiʿ el Michel Aschkenasi von Złoczów (1726-1781): Prediger, Gelehrter und (praktischer) Kabbalist; seine fünf Söhne amtierten als Zaddikim. 87, 199, 232, 236-237, 317, 383, 383-384, 485, 489, 541 Jehuda Zvi Brandwein (ca. 1780-1844): Schüler des ! Uri Strelisk, Gründer der Dynastie von Stretyn. 489 Jehudi ! Jaakob Jizchak von Pžysha Jehuda Leib: Schüler des ! Jaakob Jizchak von Lublin, Lebensdaten nicht ermittelt. 67 Jizchak Meʾ ir von Ger, d. i. Jitzchak Meʾ ir Rothenberg-Alter von Ger (17891866): Schüler des ! Ssimcha Bunam; übernahm von seinem Schwager ! Men-
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achem Mendel von Kozk die Führung der Schule von Pžysha; seine Dynastie konnte im Vorkriegspolen viele Anhänger gewinnen. 96, 235, 246, 247, 388 Jizchak von Worki, d. i. Jitzchak von Warka (1779-1848): Schüler des ! Jaakob Jizchak von Pžysha und des ! Ssimcha Bunam: 242, 498 Kalonymos Kalman Epstein (1751-1823): Schüler des ! Elimelech von Lisensk; Verfasser des Buches Maʾ or we-Schemesch. 491 Leib Zares, d. i. Arje Leib Sara’s (1730-1791): Schüler des ! Dow Bär, des Maggids von Mesritsch und angeblich des ! Israel ben Elieser; volkstümliche Sagengestalt. 179, 368, 461, 462 Levi Jizchak von Berditschew (1740-1810): Schüler des ! Dow Bär, des Maggids von Mesritsch; aus mehreren Rabbinatsstellen wegen seiner chassidischen Überzeugungen vertrieben; seit ca. 1781 Rabbiner in Berdyczów; bedeutende Gestalt in der jüd. Folklore, besonders als jemand, der sich für Israel bei Gott einsetzt; Autor von Qeduschat Lewi (1811). 66, 78, 80, 81, 84, 84-85, 88-89, 319, 322, 372, 379, 382-383 Meïr von Primischlan (1780-1850): Vertreter der Zaddikimdynastie von Przemyslany (Westukraine). 485, 490 Menachem Mendel von Kozk, d. i. Menachem Mendel Morgenstern von Kozk (1787-1859): Zaddik aus der Schule von Pžysha; kompromisslos im Umgang mit sich selbst, Schülern und Anhängern; zog sich die letzten Jahre seines Lebens vollkommen zurück. 68, 95-96, 209, 247, 250, 352, 373, 477 Menachem Mendel von Rymanow (1745-1815): Schüler des ! Elimelech von Lisensk; bedeutender Zaddik. 81, 86, 87-88, 90, 209, 381, 387 Menachem Mendel von Witebsk (1730-1788): Schüler des ! Dow Bär von Mesritsch; 1777 Übersiedlung nach Palästina und Gründer der chassidischen Gemeinschaften von Safed und Tiberias; Autor von Pri ha-Aretz (postum 1874). 80, 81-82, 85, 199, 202, 380 Menachem Mendel von Worki (1819-1868): Sohn des ! Jizchak von Worki; gilt im Chassidismus als der große Schweiger. 477 [Meschullam] Susja ! Susja von Hanipol Mogielnicer Rabbi ! Chajim Meʾ ir Jechiʾ el Schapiro Mordechai von Neschiz (1742-1800): Schüler des ! Jechiel Michal von Zloczow; berühmt als Wundertäter. 225, 489 Mosche Efrajim von Sadylków (1748-1800): Enkel des ! Israel ben Elieser; Autor des Degel Machane Efrajim (1810), das eine wichtige Quelle für Lehren des Baalschem darstellt. 29, 391, 392 Mosche Teitelbaum (1758-1841): seit 1808 Rabbiner in Ujhely (Ungarn); brachte den Chassidismus nach Ungarn. 426 Mosche von Kobryn (1778-1858): Zaddik, der zu der von ! Ahron von Karlin begründeten Richtung gehört. 209, 319, 463, 476, 497, 547
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Mosche (Jehuda) Leib von Sasow, d. i. Mosche Leib Erblich von Sasów (um 1745 bis 1807): Schüler des ! Schmelke von Nikolsburg und Lehrer des ! Jaakob Jizchak von Pžysha; für seine aufopferungsvolle Menschenliebe gerühmt. 81, 86-87, 228, 230, 322, 381, 478, 490, 496 Nachman von Bratzlaw, d. i. Nachman ben Simcha von Brazlaw (1772-1810): Urenkel des ! Israel ben Elieser, dem Begründer des Chassidismus; 1798/99 Reise durch Palästina; wurde von den meisten anderen Zaddikim seiner Zeit angefeindet; die Bratzlawer Chassidim setzten keinen Nachfolger für ihn als Zaddik ein; Autor der Sippure Ma’assiot (Erzählungen) und der postum veröffentlichten Predigtsammlung Liqqute Moharan. 23, 48-49, 80, 158, 195, 202-203, 350, 351, 380, 468, 468-469, 469, 503 Nachum Friedman, d.i. Menachem Nachum Friedman von Ștefănești (1827-1869): Sohn des ! Israel [Friedman] von Rižin. 241, 500 Nachum von Tschernobil, d. i. Menachem Mendel Twersky (1730-1797): Schüler des ! Dow Bär von Mesritsch; Ahnherr der weitverzweigten Twersky-Dynastien. 72, 79, 376 Naftali von Ropschitz, d. i. Naftali Zvi Horowitz von Ropczyce (1760-1827): Schüler des ! Menachem Mendel von Rymanów und des ! Jaakob Jizchak von Lublin; führender Zaddik seiner Generation. 94, 387, 468, 499 Noach von Lechovitch (1774-1832): Zaddik, der zu der von ! Ahron von Karlin begründeten Richtung gehört. 476 Pinchas von Korez, d. i. Pinchas von Korzec (1726-1791): gilt in der chassidischen Geschichtsschreibung als Schüler des ! Israel ben Elieser, ist aber ein zeitgleicher eigenständiger chassidischer Denker, der einen kabbalistischen Zirkel leitete. 66, 68, 71, 221-222, 227, 228, 229, 230, 250, 320-321, 360, 373, 374, 375, 486, 487, 490, 535, 541 Rafael von Berschad (um 1751-1816 oder 1827): Schüler des ! Pinchas von Korez. 69, 228, 231, 360, 375, 486, 487, Rokeach Schalom ! Schalom von Belz Sasower Rabbi ! Mosche Leib von Sasow Schalom Schachna von Probischtsch, d. i. Schalom Schakhna Friedman (17691802): Sohn von ! Abraham der Engel und Vater des ! Israel von Rižin. 79, 367, 379 Schalom von Belz, d. i. Schalom Rokeach (1779-1855): Begründer der wichtigen Belzer chassidischen Dynastie. 202, 386 Schlomo von Karlin, d. i. Schlomo ben Meir ha-Levi von Karlin (starb 1792): Schüler und Nachfolger des ! Ahron von Karlin. 201, 319, 386, 479, 549 Schlomo von Lutsk (starb 1813): Schüler des ! Dow Bär, des »Großen Maggid«. 513
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Schlomo von Radomsk, d.i. Schlomo ha-Kohen Rabinowicz (um 1801-1866): Schüler des Meʾ ir ha-Levi Rotenberg von Apta (bzw. Opatów) (1760-1827 oder 1831) und Begründer der Dynastie von Radomsk. 548 Schmelke von Nikolsburg, d. i. Schmuʾ el Schmelke Horowitz von Mikulov (1726-1787): Schüler des ! Dow Bär von Mesritsch, an den er viele Schüler weiterleitete; wirkte als Rabbiner in Ryczywół und Sieniawa, seit 1773 als Oberrabbiner in Nikolsburg (heute Mikulov). 66, 80, 81, 82-83, 84-85, 86, 88, 208, 224, 226, 309, 319, 372, 381, 458, 462, 476, 485, 542, Schmuel von Kaminka, vielleicht Schalom Rosenfeld von Kaminka (1800-1852). 202, 468 Schnëur Salman von L(j)adi (1745-1813): auch genannt »der Raw«; Schüler des ! Dow Bär von Mesritsch; Gründer des Chabad-Chassidismus der Lubawitscher Chassidim, die von seinen Nachkommen geleitet werden; Autor des theoretischen Werks Sefer ha-Tanja und einer Neubearbeitung des Gesetzeskodex Schulchan Arukh. 71, 78, 79, 80-81, 85-86, 233, 376, 383-384, 384, 398, 496, 535 S(s)imcha Bunam von Pžysha, d. i. Simcḥa Bunem von Przysucha (1765-1827): erst Mitschüler des ! Jaakob Jizchak von Pžysha, dann dessen Schüler und Nachfolger; wurde von den anderen Zaddikim seiner Zeit teils erheblich angefeindet. 81, 93-95, 200, 201-202, 211-212, 222, 237, 244, 247, 248, 381, 387, 387388, 477, 497, 498 Sus(s)ja von Hanipol, d. i. Meschullam Sussja Weissblum von Annopolje (gest. 1800): Schüler des ! Dow Bär von Mesritsch, Bruder des ! Elimelech von Lisensk; als eine Art »weiser Narr« eine beliebte Gestalt in der jüd. Folklore. 64, 72, 80, 83, 84, 231, 237, 239, 322, 365, 370, Uri von Strelisk, d. i. Uri ben Pinchas von Strelisk (1757-1826): Schüler des ! Schlomo von Karlin. 92, 200, 201, 386-387, 489 Wolf von Zbaraž, d. i. Seʾ ev Wolf Zvi Benjamin von Zbaraż (gest. 1822): Sohn des ! Jechiel Michal von Zloczow. 87, 231, 384 Zloczower Maggid ! Jechiel Michal von Zloczow
2. Weitere Personen Abraham ben Samuel Abulafia (1240-1291): span.-jüd. Kabbalist; Vertreter der sog. prophetischen u. ekstatischen Strömung innerhalb der Kabbala. 372, 425, 462 Achad Ha-am, hebr. »Einer aus dem Volk«, eig. Ascher Ginzberg (1856-1927): hebr. Schriftsteller und zionistischer Theoretiker aus Russland; als Verfechter des sog. Kulturzionismus ein Gegner ! Theodor Herzls. 199, 467
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Agnon, Josef Schmuʾ el, eig. Sh.J. Czaczkes (1888-1970): hebr. Schriftsteller galizischer Herkunft; 1907-13 in Palästina, 1913-24 in Deutschland; ab 1924 in Palästina; plante mit Martin Buber die Herausgabe eines »Corpus Chassidicum«; erhielt 1966 gemeinsam mit Nelly Sachs den Nobelpreis für Literatur. 351, 391-393, 410, 506 Aischylos (525-456 v. Chr.): klass. griech. Dramatiker; gehört mit Sophokles und Euripides zu den bedeutendsten Dichtern attischer Tragödien. 161, 454 Akiba (Akiva) ben Joseph, Rabbi (um 50-136 n. Chr.): bes. bedeutungsvoll für die Ausbildung der halachischen Tradition; unterstützte den Bar Kochba-Aufstand gegen Rom (132-135); erlitt ca. 136 den Märtyrertod; sehr volkstümliche Figur. 122, 409 Al-Halladsch, eig. Abū l-Mughīth al-Husain ibn Mansūr al-Hallādsch, auch Mansur Halladsch (857-922): pers. Sufi und Dichter; aufgrund seiner für ketzerisch erachteten mystischen Umdeutung der Pilgerfahrt nach Mekka zum Tode verurteilt. 205, 295, 329, 331, 474 al-Qawārīrī, Abū l-Qāsim al-Ǧunaid ibn Muhammad al-Ḫazzāz, auch alDschunaid (starb 910): bedeutender Gelehrter des Sufismus. 329, 554 Andrae, Tor Julius Efraim (1885-1947): schwed. Religionshistoriker und Bischof; beschäftigte sich mit der Frühgeschichte des Islam; Mohammed. Hans liv och hans tro (1930, deutsch Mohammed. Sein Leben und sein Glaube, 1932) gilt als Standardwerk. 329, 554 Antiochus IV Epiphanes (215-164 v. Chr.): König aus der Dynastie der Seleukiden. 423 Augustinus (354-430): lat. Kirchenlehrer, Bischof und Philosoph; prägte maßgeblich das theologische und geschichtsphil. Denken Europas; in der kath. Kirche als Heiliger verehrt. 155, 424 Baeck, Leo (1873-1956): dt. Rabbiner und führender Vertreter des liberalen Judentums in Deutschland; seit 1912 Gemeinderabbiner in Berlin; 1933 Präs. der Reichsvertretung der deutschen Juden; bis zu deren Schließung 1942 Dozent an der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums; 1943 deportiert nach Theresienstadt; lebte ab 1945 in London; 1947 gründet er das nach ihm benannte Leo Baeck Institut. 32 Berdyczewski, Micha Josef, Pseud. Micha bin Gorion (1865-1921): hebr. und jidd. Dichter und Literaturhistoriker; geb. in Russland; chassidisch erzogen; besonders bedeutsam als Anthologist jüdischer Sagen; lebte ab 1890 in Deutschland; mit Buber befreundet; Herausgeber div. Anthologien, bes. Die Sagen der Juden, 5 Bde. (1913-27). 27 Bergmann, Hugo (1883-1975): östr. Philosoph und Zionist; Mitglied des Vereins jüdischer Hochschüler Bar Kochba in Prag; mit Buber eng befreundet; Übersetzer bedeutender philosophischer Werke ins Hebräische; 1920 Emigration nach Palästina; Mitbegründer des Brith Schalom; von 1935-38 Rektor der Hebräischen Universität Jerusalem. 526
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Bodhidharma (ca. 440-528): buddhistischer Mönch; gilt als erster Patriarch des Chan- bzw. Zen-Buddhismus. 213, 478 Böhme, Jakob (1575-1624): dt. prot. Mystiker und Theosoph. 179, 461 Buber, Carl (1848-1935): Vater Martin Bubers; Unternehmer in Wien, später Galizien. 339-330 Buber, Salomon (1827-1906): Großvater Martin Bubers; Großgrundbesitzer und Unternehmer in Galizien; jüd. Gelehrter und wiss. Herausgeber von Midraschim, die in seiner Bearbeitung noch bis heute in Gebrauch sind. 45, 350 Buddha, eig. Siddharta Gautama (um 560-480 v. Chr.): indischer Adeliger; Stifter des Buddhismus. 206-207, 213, 475 Bultmann, Rudolf (1884-1976): dt. prot. Theologe; stand unter dem Einfluss der dialektischen Theologie und Existenzphilosophie; strebte nach einer Entmythologisierung des Neuen Testaments; seine Geschichte der synoptischen Tradition (1921) gilt bis heute als Standardwerk zur Exegese des Neuen Testaments. 553 Calvin, Johannes (1509-1564): franz. Reformator und Begründer des Calvinismus. 155, 425 Chajim Vital (1542-1620): Kabbalist, Schüler des ! Isaak Luria; durch Chajim Vital sind Lurias Lehren überliefert. 298, 514, 523 Cohen, Hermann (1842-1918): dt.-jüd. Philosoph; Hauptvertreter des Marburger Neokantianismus; einer der wichtigsten Vertreter der jüdischen Philosophie des 20. Jh.; von 1876-1912 Prof. der Philosophie an der Univ. Marburg; ab 1912 Lehrtätigkeit an der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums in Berlin. 101, 397-398 Dinur, Benzion (1884-1973): israel. Historiker und Politiker. 12, 13 Dostojewskij, Fjodor Michailowitsch (1821-1881): russ. Schriftsteller. 369 Dubnow, Simon (1860-1941): russ.-jüd. Historiker, Publizist, pol. Philosoph; 19221933 in Berlin; ab 1933 in Riga; 1941 in Riga ermordet; verfasste mit seiner Weltgeschichte des Jüdischen Volkes ein Standardwerk. 12, 13, 390 Elʾ asar ben Jehuda ben Kalonymus, auch Elʾ asar von Worms (starb ca. 1230): Schüler des ! Jehuda ben Chassid. 424 Elija von Wilna (1720-1797): auch »Gaon von Wilna« genannt; bedeutender Rabbiner und Gelehrter; Gegner des Chassidismus; gilt im orthodoxen Judentum auch heute noch als Autorität. 71, 375, 389 Elischa ben Abuja (1. Jh. n. Chr.): Tannait; erhielt nach seiner Abkehr vom Judentum den Beinamen »Acher« (=der Andere). 126 Fichte, Johann Gottlieb (1762-1814): dt. Philosoph; bestimmte mit seiner Wissenschaftslehre (1794) maßgeblich die Entwicklung des deutschen Idealismus. 321 Frank, Jakob (1726-1791): poln.-jüd. Begründer des Frankismus, einer messianischen Strömung im osteuropäischen Chassidismus; vertrat einen extremen
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Antinomismus und trat schließlich zum Katholizismus über. 27, 141, 191, 259261, 263, 265-267, 268, 271, 273, 420-421, 463, 502-503, 515-516, 519 Friedländer, Henri (1904-1996): dt.-jüd. Typograph; arbeitete u.a. für Jakob Hegner, im Schocken Verlag; druckte zwischen 1940 und 1945 heimlich verschiedene Schriften, u.a. auch Texte Bubers. 493 Friedman, Maurice (1921-2012): US-amerik. Kultur- und Religionswissenschaftler; Übersetzer der Werke Martin Bubers ins Amerikanische und Buber-Biograph. 38, 537 Friedrich II (1712-1786): König von Preußen. 79 Geiger, Abraham (1810-1874): dt. Rabbiner; führender Vertreter des Reformjudentums; Rabbiner in Breslau bis 1863, danach in Frankfurt a. M; 1870 Mitbegründer der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums in Berlin. 23 Gikatilla, Joseph ben Abraham (1248- ca. 1325): span. Kabbalist, Philosoph und Mystiker. 425, 462 Goethe, Johann Wolfgang von (1749-1832): Dichter, Humanist und Universalgelehrter der dt. Klassik. 430 Graetz, Heinrich (1817-1891): dt.-jüd. Historiker; verfasste mit seiner Geschichte der Juden von der ältesten Zeit bis auf die Gegenwart (1853-1875) eine der wichtigsten Gesamtdarstellungen jüdischer Geschichte. 42, 45, 348 Gulkowitsch, Lazar (1889-1941): russ.-jüd. Philologe, der u.a. zum Chassidismus, der Kabbala, Maimonides und ! Spinoza forschte; lehrte u. a. in Leipzig, seit 1934 Tartu; 1941 in Estland verschollen. 33 Günzig, Israel (1868-1931): böhm. Rabbiner; seit 1918 in Antwerpen. 27 Herodot (470/480-ca. 424 v. Chr.): griech. Geschichtsschreiber der Antike. 164, 212 Herzl, Theodor (1860-1904): östr.-jüd. Schriftsteller u. Journalist; Begründer des modernen Zionismus und Gründer der Zionistischen Organisation; Schriftsteller und Journalist; bis zu seinem Tod Feuilletonredakteur der Wiener Neuen Freien Presse. 20, 505 Heschel, Abraham Jehoschua (1907-1972): Philosoph und Rabbiner; geb. in Warschau; ab 1927 Studium in Berlin; 1937 Nachfolger Bubers am Freien Jüdischen Lehrhaus in Frankfurt a.M.; 1938 Ausweisung nach Polen; ab 1940 in den USA; 1940-45 Lehrer am Hebrew Union College, Cincinnati; ab 1945 am Jewish Theological Seminary, NYC; einer der einflußreichsten zeitgen. Religionsphilosophen in den USA. 428 Hess, Moses (1812-1875): dt.-jüd. Schriftsteller und Journalist; früher Weggenosse von ! Karl Marx und Friedrich Engels; in seiner Schrift Rom und Jerusalem. Die letzte Nationalitätsfrage fordert er bereits 1862 die Errichtung eines jüd. Nationalstaates in Palästina. 42, 203, 348 Hesse, Hermann (1877-1962): dt. Schriftsteller; seit 1926 in der Schweiz; mit Buber befreundet; 1946 Nobelpreis für Literatur. 493
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Hildegard von bingen (1098-1179): dt. Mystikerin; verfasste homiletisch-exegetische, historische und naturkundliche Abhandlungen sowie geistliche Lieder. 475 Hillel (gest. ca. 9 n. Chr.): pharisäischer Rabbiner zur Zeit des Zweiten Tempels; steht für eine weniger strenge Gesetzespraxis, die sich im Judentum durchgesetzt hat. 158, 426 Idel, Moshe: (*1947): israel. Historiker und Philosoph. 390 Jehuda Chassid (1660-1700): jüd. Prediger; führte ab 1697 eine Büßerschar nach Jerusalem. 257, 348 Jehuda he-Chassid (starb 1217): jüd. Gelehrter und Kabbalist im süddeutschen Raum; Sohn von ! Schmuʾ el ben Kalonymus he-Chassid. 424 Jesus von Nazareth (ca. 0 - ca. 30 n. Chr.): zentrale Gründergestalt des Christentums. 129, 154, 156-157, 184, 190, 263, 268, 391, 420, 430, 431, 436, 515 Jung, Carl Gustav (1875-1961): schweiz. Psychologe und Psychiater; zunächst Schüler, dann Kritiker Sigmund Freuds; war stark in die Eranos-Tagungen involviert, an denen 1934 auch Buber teilnahm. 525 Kahanowitsch, Pinchas, genannt »Der Nister« (1884-1950): russ.-jüd. Schriftsteller; in Berditschew geboren und chassidisch erzogen; gilt als bedeutendster Autor jiddischer Literatur in der Sowjetunion; verfasste mythisch-symbolische Erzählungen und das epische Romanwerk Die Brüder Mashber; im Zuge der antijüdischen Kampagnen der Stalinzeit verhaftet; 1950 in Haft umgekommen. 351 Kant, Immanuel (1724-1804): dt. Philosoph; Begründer der klassischen dt. Philosophie. 397 Katz, Jacob (1904-1998): ungar.-jüd. Sozialhistoriker; 1934 Emigration nach England, dann nach Palästina; von 1948 bis 1974 Professuren an der Hebräischen Universität von Jerusalem. 13 Kaufmann, Fritz (1891-1958): dt.-jüd. Philosoph; Assistent Husserls; 1936 Gastprofessur an der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums in Berlin; 1938 Emigration in die USA; seit 1958 lebte er in der Schweiz. 537-538 Kierkegaard, Søren (1813-1855): dän. Philosoph; Vorläufer der modernen Existenzphilosophie; übte großen Einfluss auf die prot. Theologie nach dem Ersten Weltkrieg aus. 155, 221, 312, 481-482, 488 Kraus, Paul (1904-1944): östr. Historiker und Orientalist; arbeitete mit ! Louis Massignon. 205, 474 Landauer, Gustav (1870-1919): belletristischer und politischer Schriftsteller und Anarchist; Erforscher der dt. Mystik; seit 1900 eng mit Buber befreundet, radikaler Kriegsgegner; ab Herbst 1918 in der Münchener Revolution aktiv; 1919 Ermordung durch gegenrevolutionäre Milizionäre; besorgte den dreizehnten Band »Die Revolution« (1907) in der von Buber herausgegebenen Reihe Die Gesellschaft. 25, 340
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Laotse, auch Lao-tse oder Laozi (ca. 6. Jhd. v. Chr.): legendärer chin. Philosoph und Begründer des Daoismus; gilt als Verfasser des Daodejing. 207, 329, 475 Luria, Jitzchak [Isaak] (1534-1572): jüd. Mystiker aus Safed (heute Israel) gab der Kabbala ihre letzte, rezipierte Form; Aufzeichnung seiner Lehre durch den Schüler ! Chajim Vital. 23, 66, 349, 350, 363, 372, 404, 457, 464, 514, 523 Luther, Martin (1483-1546): dt. Theologe und Bibelübersetzer; Kirchenreformator. 170 Luzzato, Mose Chajim (1707-1746): bedeutender jüd. Philosoph und Kabbalist. 141, 420 Maimon, Salomon, eigentl. Shlomo ben-Yehoshua (1753-1800): jüd. Philosoph, aus Polen gebürtig; nach unsteten Wanderungen seit 1781 in Berlin, wo er f. einige Jahre Mitglied des Kreises um M. Mendelssohn war; beschäftigte sich intensiv und kritisch mit der Philosophie ! Immanuel Kants; verfasste eine Lebensgeschichte (1792/93). 16 Mahler, Raphael (1899-1977): israel. Historiker und Judaist. 12, 13 Mani (216-276/77): Begründer des Manichäismus, einer synkretistischen, gnostisch geprägten Offenbarungsreligion. 363 Marx, Karl (1818-1883): dt. Philosoph und Kritiker der pol. Ökonomie; seit 1849 im Londoner Exil; veröffentlichte 1867 sein Hauptwerk Das Kapital; gründete die Internationale Arbeiter-Assoziation. 312 Massignon, Louis (1883-1962): franz. Orientalist; forschte besonders zu ! Al-Halladsch. 205, 474, 558 Meister Eckhart, eig. Eckhart von Hochheim (1260-1328): dt. Theologe und Mystiker; sein Werk wurde um die Jahrhundertwende von Repräsentanten der wilhelminischen Gegenkultur wie ! Gustav Landauer wiederentdeckt. 179, 296297, 300-301, 329, 368, 464, 477, 554 Nadel, Arno (1878-1943): jüd. Schriftsteller, Maler und Musikwissenschaftler; aus Wilna gebürtig seit 1895 in Berlin; dort ab 1916 als Kantor tätig; erstellte eine Anthologie der Synagogenmusik; in Auschwitz ermordet. 340 Nobel, Nehemia Zvi Anton (1871-1922): Rabbiner der Frankfurter orthodoxen Gemeinde und Kulturzionist; gründete mit ! Franz Rosenzweig das Freie Jüdische Lehrhaus. 420-421 Pannwitz, Rudolf (1881-1969): dt. Schriftsteller und Kulturphilosoph; besorgte den 32. Band »Die Erziehung« (1909) in der von Buber herausgegebenen Reihe Die Gesellschaft. 525 Paulus (ca. 10 - ca. 65 n. Chr.): christl. Apostel, der vom Verfolger zum eifrigen Verbreiter der neuen Lehre wurde; formulierte erste Grundlehren des entstehenden Christentums. 154-155, 158-159, 426 Petrus, Simon (gest. um 65): christl. Apostel; erster Bischof von Rom. 157
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Pindar (ca. 522 - ca. 446 v. Chr.): griech. Dichter; bekannt für seine Hymnen auf Sieger der antiken Olympischen Spiele. 160-161, 454 Platon (ca. 428-348 v. Chr.): griech. Philosoph; Begründer der abendländischen Metaphysik. 160, 280, 431, 519, 522 Plotin (205-270): griech. Philosoph; Begründer des Neuplatonismus. 294, 459, 522 Prado, Juan de (1612-1670): span.-jüd. Arzt und Philosoph; seit 1655 in Amsterdam; vertrat einen deistischen Rationalismus und bezweifelte den göttlichen Offenbarungscharakter der mosaischen Gesetze; gleichzeitig mit ! Spinoza 1656 von der jüdischen Gemeinde angeklagt und 1658 exkommuniziert. 417 Ragaz, Leonard (1868-1945): 1908-1925 Prof. für Theologie in Zürich; 1906-1945 Herausgeber der Zeitschrift Neue Wege. Blätter für religiöse Arbeit; beeinflusst von der dialektischen Theologie; setzte sich für den religiösen Sozialismus, den Völkerbundsgedanken und die internationale Friedensbewegung ein; stand Buber nahe. 479 Raschi, Akronym für Schlomo Jizchaki (1040-1105): bedeutendster Bibel- und Talmudkommentator des Mittelalters. 68, 372, 374 Rosenzweig, Franz (1886-1929): dt.-jüd. Philosoph; übersetzte mit Buber die Bibel, mit dem er seit Anfang der Zwanziger Jahre befreundet war; 1919 Leiter der jüdischen Volkshochschule (ab 1920 Freies Jüdisches Lehrhaus); anders als Buber vertrat er eine Rückbesinnung auf das traditionelle Judentum und stand dem Zionismus kritisch gegenüber. 32, 129 157, 422 Rumi oder Dschalāl ad-Dīn Muhammad ar-Rūmī (1207-1273): pers. Dichter und Mystiker des Mittelalters. 181, 205, 462, 474 Sabbatai Zvi, auch Schabtai Zewi (1626-1676): Pseudomessias und zentrale Figur des Sabbatianismus; dieser war die größte und (nahezu weltweit) einflußreichste jüd.-mess. Bewegung der Neuzeit; 1665 Proklamation als Messias; 1666 Konversion zum Islam. 27, 31, 129, 139, 141-142, 157, 190-192, 259, 262, 265, 280, 389, 417-418, 420, 474, 502, 519 Šankara auch Adi Shankara (ca.788- ca.820): hinduistischer Lehrer und Philosoph. 297, 300, 523 Schatz-Uffenheimer, Rivka (1927-1992): israel. Judaistin; Professorin an der Hebräischen Universität Jerusalem; forschte zum Sohar, der Kabbala, Sabbatianismus, Chassidismus, Messianismus; Schülerin ! Gerschom Scholems. 37, 536, 538-539, 549 Schilpp, Paul Arthur (1897-1993): US-amerik. Philosoph deutscher Herkunft; Herausgeber der Reihe Library of Living Philosophers. 537 Schleiermacher, Friedrich (1768-1834): prot. Theologe und Philosoph; Mitglied des frühromantischen Kreises um Friedrich Schlegel. 101, 397 Schmidt, Karl Ludwig (1891-1956): dt. prot. Theologe; Herausgeber der Theologischen Blätter; Mitbegründer der sog. formgeschichtlichen Methode; Mitglied der
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Bekennenden Kirche; 1933 von den Nationalsozialisten abgesetzt; ab 1935 Prof. für Neues Testament an der Universität Basel. 35, 97, 388-389 Schmuʾ el ben Kalonymus he-Chassid (2. Hälfte des 12. Jh.): jüd. Gelehrter aus Speyer; gehörte mit seinem Sohn ! Jehuda he-Chassid dem Chasside Aschkenas genannten Gelehrtenzirkel an, der eine neue Spiritualität entwickelte. 424 Scholem, Gershom (1897-1982): dt.-jüd Religionshistoriker; in seiner Jugend von Buber beeinflusst; nahm später eine kritische Distanz zu ihm ein; Begründer der wissenschaftlichen Erforschung der jüd. Mystik; 1923 Emigration nach Palästina; 1925 Dozent für Judaistik, ab 1933 Prof. für Jüdische Mystik an der Hebräischen Universität Jerusalem. 11, 21, 23, 25, 29, 37-38, 39, 257, 315-317, 326, 352, 390, 418, 463, 502, 507, 514, 525, 536-539, 544, 549-550 Seuse, Heinrich (1295 o. 1297-1366): dt. Mystiker und Theologe; Schüler ! Meister Eckharts. 475 Simon, Ernst Akiba (1899-1988): israel. Germanist, Philosoph, Historiker und Pädagoge dt. Herkunft; 1923-28 Redakteur der von Buber herausgegebenen Zeitschrift Der Jude; 1928 Emigration nach Palästina; gemeinsam mit Buber und ! Gershom Scholem Mitglied im Friedensbund Brit Shalom; von 1950-1967 (Emeritierung) Prof. der Pädagogik an der Hebräischen Universität Jerusalem. 25 Singer, Kurt (1886-1962): dt.-jüd. Philosoph und Wirtschaftswissenschaftler; 19311935 Gastprofessor in Tokio; zunehmend Restriktionen der faschistischen Machthaber ausgesetzt, übersiedelte er 1939 nach Australien; 1946 Professur in Sidney. 493 Solami, Abū Abd al-Raḥmān, auch As-Sulami (937-1021): pers. Mystiker des Islam. 205, 474 Spengler, Oswald (1880-1936): dt. Geschichtsphilosoph u. Kulturkritiker; Vertreter der sog. »Konservativen Revolution«; mit seinem Hauptwerk Der Untergang des Abendlandes (2 Bände 1918 u. 1922) wurde er schlagartig berühmt. 263, 516 Spinoza, Baruch, auch Benedikt de (1632-1677): niederl.-jüd. Philosoph des Rationalismus; beeinflusste pantheistische und materialistische Vorstellungen der Aufklärung; wurde wegen seiner Religionskritik 1656 von der seph.-jüd. Gemeinde Amsterdam verbannt. 27, 129-133, 134, 141, 298, 301, 411, 417 Stresau, Hermann (1894-1964): dt. Schriftsteller und Publizist. 503 Struck, Hermann (1876-1944): dt.-jüd. Maler, Radierer und Schriftsteller; 1902 Mitgründer des Verbands Misrachi (orthodoxe Zionisten); 1923 Einwanderung nach Palästina. Hauptwerke: Die Kunst des Radierens (1908) und zus. mit Arnold Zweig Das ostjüdische Antlitz (1920). 48 Tauler, Johannes (um 1300-1361): dt. Theologe und Prediger; von ! Meister Eckhart beeinflusst; predigte die Einheit von tätigem und beschaulichem Leben; seine Lehren erzielten weite Verbreitung. 179, 461, 475 Trüb, Hans (1889-1949): schweiz. Psychoanalytiker und -therapeut aus der Schule ! Carl Gustav Jungs; begründete unter dem Einfluss Martin Bubers die »Psychosynthese«. 493
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Tschuang-Tse, auch Zhuangzi (365-290 v. Chr.): chin. Philosoph und Dichter; die unter seinem Namen zusammengefassten Schriften gelten neben dem Daodejing ! Lao-Tses als das bedeutendste Werk des Daoismus; Buber stellte aus dieser Sammlung 1910 die Reden und Gleichnisse des Tschuang-Tse zusammen. 215, 478 Valentin, auch Valentinus (um 100 bis nach 160): christl.-gnost. Lehrer. 174, 456 Wachstein, Bernhard (1868-1935): jüd. Gelehrter; betreute die Bibliothek der Wiener Israelitischen Gemeinde; machte den jungen Buber mit Dokumenten des Chassidismus vertraut. 505 Weber, Max (1864-1920): dt. Soziologe, Sozialpolitiker und Nationalökonom; Prof. in Berlin, Wien und München; Arbeiten zur Verflechtung von Ökonomie, Herrschaft und Religion; Hauptwerk u. a. das postum erschienene Wirtschaft und Gesellschaft (1922) 163, 454 Wrede, William (1859-1906): protest. Theologe; ab 1893 Professur in Breslau; Mitbegründer der »Religionsgeschichtlichen Schule«, die das Neue Testament mehr aus geschichtlichen Kontexten als aus innerbiblischen Bezügen zu interpretieren suchte; Hauptschriften u. a. Ueber Aufgabe und Methode der sogenannten Neutestamentlichen Theologie (1897) u. Das Messiasgeheimnis in den Evangelien (1901). 420 Xenophon (425-355 v. Chr.): griech. Politiker, Feldherr und Schriftsteller; Schüler des Sokrates. 280, 519 Yung-Chia-Hsuan-Chueh, jap. Yoka Genkaku (665-713): chin. Mönch und ZenMeister. 477 Zinzendorf, Nikolaus von (1700-1760): dt. pietistischer Theologe; begründete die Herrnhuter Brüdergemeine; verfasste zahlreiche Kirchenlieder. 101, 180, 397, 459 Zwingli, Huldrych (1484-1531): schweiz. Theologe und erster Zürcher Reformator; beeinflusste ! Johannes Calvin. 170