Lärmminderungsplanung: Der Schutz vor Umgebungslärm durch Lärmkartierung und Lärmaktionsplanung [1 ed.] 9783428532391, 9783428132393

Die Lärmminderungsplanung nach der EG-Umgebungslärmrichtlinie erfordert die Aufstellung von Lärmkarten und Lärmaktionspl

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German Pages 446 Year 2010

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Lärmminderungsplanung: Der Schutz vor Umgebungslärm durch Lärmkartierung und Lärmaktionsplanung [1 ed.]
 9783428532391, 9783428132393

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Schriften zum Umweltrecht Band 168

Lärmminderungsplanung Der Schutz vor Umgebungslärm durch Lärmkartierung und Lärmaktionsplanung

Von

Ulrich Blaschke

a Duncker & Humblot · Berlin

ULRICH BLASCHKE

Lärmminderungsplanung

Schriften zum Umweltrecht Herausgegeben von Prof. Dr. Michael Kloepfer, Berlin

Band 168

Lärmminderungsplanung Der Schutz vor Umgebungslärm durch Lärmkartierung und Lärmaktionsplanung

Von

Ulrich Blaschke

a Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Bayerischen Julius-Maximilians-Universität Würzburg hat diese Arbeit im Jahre 2009 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2010 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-4247 ISBN 978-3-428-13239-3 (Print) ISBN 978-3-428-53239-1 (E-Book) ISBN 978-3-428-83239-2 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2009 von der Juristischen Fakultät der Bayerischen Julius-Maximilians-Universität Würzburg als Dissertation angenommen. Die Nachweise aus Schrifttum und Rechtsprechung befinden sich auf dem Stand vom 1. Januar 2009. Vereinzelt konnten jüngere Quellen noch berücksichtigt werden. Meinem Doktorvater Professor Dr. Helmuth Schulze-Fielitz danke ich herzlich für die Betreuung meiner Arbeit. Er hat mir die vertiefte Beschäftigung mit dem Umweltrecht ermöglicht und mich erstmals mit dem Lärmschutzrecht konfrontiert, dessen technische Bezüge einen jungen Juristen vor zahlreiche Herausforderungen stellen. Für die offene Gesprächskultur im Rahmen der Betreuung bedanke ich mich sehr herzlich. Der Zeitschriftenrunde seines Lehrstuhls verdanke ich wertvolle Anregungen. Herrn Professor Dr. Horst Dreier darf ich nicht nur für die Erstellung des Zweitgutachtens danken, sondern auch für die wissenschaftliche Prägung, die ich als sein studentischer Mitarbeiter erfahren habe. Bei Herrn Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht Dr. Jochen Hofmann-Hoeppel, der mir stets als Ansprechpartner aus der umweltrechtlichen Praxis zur Verfügung stand und sich dankenswerterweise obendrein der Mühsal des Korrekturlesens unterzogen hat, möchte ich mich sehr herzlich für seine juristische Förderung und freundschaftliche Begleitung in den vergangenen Jahren bedanken. Frau Helga Schmitt-Bussinger MdL war mir eine verständnisvolle Arbeitgeberin und hat das Entstehen dieser Arbeit in vielfältiger Weise unterstützt, wofür ich mich bedanke. Das Dissertationsvorhaben wurde dankenswerterweise vom Europäischen Rechtszentrum der Universität Würzburg gefördert. Herrn Dr. Florian Simon LL.M. und Herrn Professor Dr. Michael Kloepfer danke ich für die Aufnahme der Arbeit in die „Schriften zum Umweltrecht“. Gewidmet ist die vorliegende Arbeit in liebender Dankbarkeit meinen Eltern Dieter und Beate Blaschke, die sich um die Entstehung der Dissertation mindestens so gesorgt haben wie der Doktorand selbst. Ihr Anteil an meinem Werdegang und ihr Beitrag zu dieser Arbeit sind schlicht unermesslich. Würzburg, im September 2009

Ulrich Blaschke

Inhaltsverzeichnis 1. Teil Einführung in das deutsche Lärmschutzrecht A. Lärm als schädliche Umwelteinwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Schall als Immission im Sinne des § 3 Abs. 2 BImSchG . . . . . . . . . . . . . . II. Die Eignung von Schall zur Herbeiführung von Gefahren, Nachteilen und Belästigungen nach dem Stande der Lärmwirkungsforschung . . . . . . 1. Die Schädlichkeit der Einwirkung im Rechtssinne . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die tatsächliche Schädlichkeit von Lärm nach den Erkenntnissen der Wirkungsforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gesundheitsgefahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Belästigende Wirkung von Schall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Der Lärmschutz nach der bislang bestehenden Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Gesetzgebungskompetenzen für den Lärmschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Industrie- und Gewerbelärm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Genehmigungspflichtige Anlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Quellenbezogener Lärmschutz bei genehmigungspflichtigen Anlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Lärmschutz durch Bauleitplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Steuerung im Einzelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nicht genehmigungspflichtige Anlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Quellenbezogener Lärmschutz bei nicht genehmigungspflichtigen Anlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Lärmschutz durch Bauleitplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Steuerung im Einzelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Sport- und Freizeitlärm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sportanlagenlärm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Quellenbezogener Schutz vor Sportanlagenlärm . . . . . . . . . . . . . . . . b) Lärmschutz durch Planung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Steuerung im Einzelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Freizeitlärm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verkehrslärm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Straßen- und Schienenverkehrslärm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Produktbezogener Lärmschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23 24 24 25 25 27 27 29 30 30 30 32 32 33 36 38 39 39 40 40 41 41 41 43 43 43 44 45 45

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Inhaltsverzeichnis b) Schutz vor Straßen- und Schienenverkehrslärm durch Planung . . . c) Steuerung im Einzelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fluglärm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Die mangelnde Gesamtgeräuschbewertung im untergesetzlichen Regelwerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Die Lärmminderungsplanung nach § 47a BImSchG a. F. als Instrument flächenbezogenen Lärmschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Der verhaltensbezogene Lärmschutz nach den Immissionsschutzgesetzen der Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46 48 48 50 52 54

2. Teil Der innovative Charakter der Lärmminderungsplanung nach der Umgebungslärmrichtlinie als Herausforderung für das deutsche Verwaltungsrecht

58

A. Die Zielsetzung und die Regelungen der Richtlinie im Überblick . . . . . . . . . . .

58

B. Der Managementansatz als Hauptinnovation der Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die allgemeine Bedeutung des Managementansatzes für den Lärmschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Managementansatz – ein Fremdkörper in der deutschen Verwaltungskultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

59

C. Die Einführung einheitlicher Bewertungsstandards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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D. Die Vorbehalte gegen die Lärmminderungsplanung wegen hohen Verwaltungsaufwands und hoher Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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59 61

3. Teil Der Gang der Gesetzgebung A. Das gemeinschaftsrechtliche Zustandekommen der RL 2002/49/EG . . . . . . . . I. Der Richtlinienvorschlag der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Änderungsvorschläge des Europäischen Parlaments und der Ausschüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Vom Gemeinsamen Standpunkt des Rates zum Vermittlungsverfahren und Inkrafttreten der Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Umsetzung der Richtlinie in das mitgliedstaatliche Recht der Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der ursprüngliche Gesetzentwurf (BT-Drs. 15/3782) . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einwände gegen den Gesetzentwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70 70 70 71 75 78 78 79 81

Inhaltsverzeichnis

II.

a) Einwände des Bundesrates und der Parlamentsopposition . . . . . . . . b) Kritik aus Fachöffentlichkeit und Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kritik des Arbeitskreises für Umweltrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der Gesetzentwurf des Arbeitskreises für Umweltrecht . . . . . . cc) Sonstige Stimmen im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einigung im Vermittlungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Erlass der Verordnung über die Lärmkartierung (34. BImSchV) . . . . 1. Der Entwurf einer Verordnung über die Strategische Lärmkartierung (BR-Drs. 95/05) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Erlass der Verordnung über die Lärmkartierung (34. BImSchV) . .

11 82 83 83 86 88 91 92 93 94

4. Teil Gegenstand und Anwendungsbereich der Lärmminderungsplanung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz

97

A. Die Regelungsstruktur des § 47a BImSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97

B. Das Verhältnis von § 47a BImSchG zu § 2 BImSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97

C. Der Begriff des Umgebungslärms als Gegenstand der Lärmminderungsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Umgebungslärm als schädliche Umwelteinwirkungen? . . . . . . . . . . . . . . . . II. Durch Aktivitäten von Menschen verursachte Geräusche . . . . . . . . . . . . . . III. Geräusche im Freien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Belästigender oder gesundheitsschädlicher Charakter . . . . . . . . . . . . . . . . .

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D. Die Begrenzung des Anwendungsbereiches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die positiv umschriebenen Fallkonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Festlegung auf das Schutzgut Mensch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Festlegung besonders schützenswerter Gebäude und Gebiete . . . . II. Die negativen Bereichsausnahmen des § 47a S. 2 BImSchG . . . . . . . . . . . 1. Ausnahmevorschrift zugunsten der Landesverteidigung . . . . . . . . . . . . . 2. Ausnahme des Lärms am Arbeitsplatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ausnahme für Lärm durch Tätigkeiten in der Wohnung . . . . . . . . . . . . 4. Ausnahme für Nachbarschaftslärm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Untauglichkeit des Nachbarbegriffs des Immissionsschutzrechts zur Begriffsklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Begriff des Nachbarschaftslärms im Kontext der Lärmminderungsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ausnahmen für Bagatellkonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Selbst hervorgerufene Geräusche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Lärm in Verkehrsmitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis 5. Teil Die Lärmkartierung

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A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtsgrundlagen und Vollzugshilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Lärmkartierung als Rechtspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die grundsätzliche Vorgehensweise in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Prioritätensetzung durch gestaffelte Vollzugsfristen . . . . . . . . . . . . . . .

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B. Die kartierungspflichtigen Gebiete im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Lärmkartierung außerhalb von Ballungsräumen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Hauptverkehrsstraßen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Straßenkategorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Bundesfernstraßen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Landesstraßen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die sonstigen grenzüberschreitenden Straßen . . . . . . . . . . . . . . b) Das erforderliche Verkehrsaufkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Berücksichtigung von Teilstrecken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Haupteisenbahnstrecken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Schienenweg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das erforderliche Verkehrsaufkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Großflughäfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Eigenschaft als Verkehrsflughafen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das erforderliche Verkehrsaufkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Lärmkartierung innerhalb von Ballungsräumen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Begriff des Ballungsraums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Exkurs: Die Reichweite der Begriffsbestimmungen des § 47b BImSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Hauptlärmquellen innerhalb des Ballungsraums . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Berücksichtigung von im Ballungsraum gelegenen bzw. zumindest auch im Ballungsraum gelegenen Hauptlärmquellen . . b) Die europarechtswidrige Nichtberücksichtigung der einwirkenden, außerhalb des Ballungsraums gelegenen Hauptlärmquellen . . . . . . aa) Die Verfehlung des Richtlinienziels als unzureichende Richtlinienumsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Bereinigung der europarechtswidrigen Zielverfehlung . . . (1) Freiwillige Ausweitung der Vollzugspraxis . . . . . . . . . . . . . (2) Nichtanwendung der 34. BImSchV wegen Verstoßes gegen das Bundes-Immissionsschutzgesetz . . . . . . . . . . . . . (3) Unmittelbare Wirkung der Richtlinienvorschrift . . . . . . . . . (4) Richtlinienkonforme Auslegung der 34. BImSchV unter teleologischer Extension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

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cc) Zwischenergebnis zur Korrektur der Europarechtswidrigkeit . . c) Zwischenergebnis zur Kartierung der Hauptlärmquellen im Ballungsraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zusätzliche zu kartierende Lärmquellen im Ballungsraum . . . . . . . . . . a) Sonstige Straßen (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 der 34. BImSchV) . . . . . . . . . . b) Sonstige Eisenbahnstrecken (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 der 34. BImSchV) . . c) Sonstige Flugplätze für den zivilen Luftverkehr (§ 4 Abs. 1 Nr. 4 der 34. BImSchV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Schienenwege von Straßenbahnen (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 der 34. BImSchV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Industrie- und Gewerbegelände einschließlich Häfen (§ 4 Abs. 1 Nr. 5 der 34. BImSchV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Industrie- und Gewerbegelände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Häfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Das Hervorrufen erheblichen Umgebungslärms (§ 4 Abs. 1 der 34. BImSchV) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Keine Kartierung von Sport- und Freizeitlärm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Keine Kartierung ruhiger Gebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Keine flächendeckende Kartierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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C. Die Anforderungen an Form und Inhalt der Lärmkarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Anforderungen im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Darstellungsformen, Verwendungszwecke und grundlegenden Formvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die zulässigen Darstellungsformen in Lärmkarten . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Erstellung einheitlicher Lärmkarten trotz unterschiedlicher Verwendungszwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Grundlegende Formvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Georeferenzierung der Lärmkarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die digitale Erarbeitung von Lärmkarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Erstellung von Lärmkarten zur Verwendung auf lokaler oder landesweiter Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Abbildung der Lärmsituation und der Überschreitung von Grenzwerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Darstellung in Isophonenbändern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Verwendung einheitlicher Indizes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Indizes Lden und Lnight . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die vorläufigen Berechnungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die verfassungswidrige Festlegung der Berechnungsverfahren bb) Die Berechnungsverfahren im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die VBUS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die VBUSch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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174 175 175 179 179 179 180 181 181 182 182 183 184 185 185 185

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Inhaltsverzeichnis (3) Die VBUF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Die VBUI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Die Vergleichbarkeit der Rechenergebnisse . . . . . . . . . . . . . 3. Die zur Darstellung ausgewählten Grenzwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Darstellung in separaten Lärmkarten und der Anspruch einer Gesamtlärmbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Anordnung separater Lärmkarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Anspruch einer Gesamtlärmbewertung in strategischen Lärmkarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Die Angaben zu Umgebung, Gesamtfläche und Belastetenzahlen . . . . . . 1. Die Beschreibung der Umgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Ermittlung der Belastetenzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Ermittlung lärmbelasteter Wohnungen, Schulen und Krankenhäuser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ermittlung der lärmbelasteten Flächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

186 187 188 188 190 190 191 197 197 197 198 201 201

D. Die Verfahrensvorschriften zur Lärmkartierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Datensammlung und -erhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Datenübermittlung durch Behörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Ausschluss der Datenerhebung durch die Gemeinden . . . . . . . b) Die Trennung der Regelungen für Gemeinden bzw. sonstige Behörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Datenübermittlung durch Private . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Kreis der Anordnungsadressaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Datenerhebung bei Privaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Mitteilungspflichten der zuständigen Behörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeine Mitteilungen an die EU-Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Bestandsmitteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Mitteilung der Lärmkarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Überarbeitung der Lärmkarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Veröffentlichung der Lärmkarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

202 202 204 204

E. Die Zuständigkeit im Rahmen der Lärmkartierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Zuständigkeitsregelung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz . . 1. Die allgemeine Zuständigkeitsregel (§ 47e Abs. 1 BImSchG) . . . . . . . 2. Die Indienstnahme oberster Landesbehörden (§ 47e Abs. 2 BImSchG) 3. Die gesonderte Zuständigkeit des Eisenbahn-Bundesamtes (§ 47e Abs. 3 BImSchG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

224 224 224 225

205 207 208 209 210 212 213 217 217 218 219 220 222

226

F.

Inhaltsverzeichnis

15

4. Die Kostentragung für den Verwaltungsvollzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die formalen und informalen Zuständigkeitsverschiebungen in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Die Kartierungszuständigkeiten in den Ländern im Überblick . . . . . . . II. Die verfassungsrechtlichen Problemstellungen bezüglich der Lärmkartierungszuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Verhältnis der Lärmkartierung zum kommunalen Selbstverwaltungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Stellung der Gemeinden im Staatsaufbau und die Gewährleistung kommunaler Selbstverwaltung gemäß Art. 28 Abs. 2 GG . . b) Die Stellung der Lärmkartierung zum gemeindlichen Aufgabenkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zur Regelungskompetenz des Bundesgesetzgebers für eine Kartierung durch die Gemeinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Schlussfolgerungen für die Anwendung des § 47e BImSchG . . . . . . . . . .

230 231 233 234 235 235 237 240 245

Die Rechtsnatur der Lärmkarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246

G. Die I. II. III.

Rechtskontrolle bei der Lärmkartierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Ausfall des unmittelbaren gerichtlichen Individualrechtsschutzes . . . Die Selbstkontrolle der Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die mittelbare Rechtskontrolle durch eine mehrstufige Inzidentüberprüfung im Rahmen des Individualrechtsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

247 247 247 248

6. Teil Die Lärmaktionsplanung A. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtsgrundlagen und Vollzugshilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Begriff der Aktionsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Lärmaktionsplanung als Rechtspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Pflicht zur Lärmaktionsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die aktionsplanungspflichtigen Bereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Orte in der Nähe von Hauptlärmquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ballungsräume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Vollzugsfristen für die Lärmaktionsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Das Auslösetatbestandsmerkmal des Vorliegens regelungsbedürftiger Lärmprobleme und Lärmauswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Vollständigkeit der Richtlinienumsetzung hinsichtlich der Auslösung der Aktionsplanungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Erforderlichkeit von Auslösewerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

250 250 250 252 253 254 254 255 258 258 259 261 263

16

Inhaltsverzeichnis a) Terminologische Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Interessenlagen zur Festlegung von Auslösewerten . . . . . . . . . . c) Die Höhe der Auslösewerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zur Vorgabe von Auslösewerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zur Höhe von Auslösewerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Grundlegende Gesichtspunkte der Diskussion um Auslösewerte . . 4. Die Besonderheiten beim Schutz ruhiger Gebiete . . . . . . . . . . . . . . . . .

264 265 267 269 269 271 274 274

C. Die inhaltlichen Anforderungen an die Lärmaktionspläne . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Geltung des Abwägungsgebotes für die Lärmaktionsplanung . . . . . . 1. Der Planungscharakter der Lärmaktionsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Geltung des Abwägungsgebotes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Reichweite des „Ermessens“ aus § 47d Abs. 1 S. 3 BImSchG . . . . . 1. Die Wesensverschiedenheit von Ermessen und planerischer Gestaltungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Streit um das „Ermessen“ zur Maßnahmenfestlegung . . . . . . . . . . a) Die Streitfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Lösung anhand des Planungscharakters der Lärmaktionsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Vereinbarkeit der gefundenen Lösung mit dem Europarecht . . IV. Die Beschreibung der Ausgangslage zur Aufbereitung des Abwägungsmaterials . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Die abwägungsrelevanten Belange und die Kriterien zu ihrer Gewichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausschluss sämtlicher nicht unmittelbar lärm- bzw. umweltschutzbezogener Belange? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die einzelnen Belange und die spezifischen Gewichtungskriterien . . a) Die Lärmbelastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die städtebauliche Konzeption der Gemeinde . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anderweitige Planungen und Planungsabsichten . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anderweitige Planungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Anderweitige Planungsabsichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Gründe des allgemeinen Wohls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Insbesondere Naturschutzbelange . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Insbesondere Mobilitätsbedürfnisse der Gesellschaft . . . . . . . . cc) Inbesondere der Schutz von Wirtschaft und Arbeitsplätzen . . e) Private Belange . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Kostengesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Kein eigenständiger Belang der Öffentlichkeitsbeteiligung . . . . . . .

276 277 278 278 280 283 283 285 285 286 290 293 295 296 300 300 302 305 305 306 307 307 308 310 311 313 314

Inhaltsverzeichnis VI. Die Beachtung von Planungsleitsätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Ziele der Raumordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Verbot vermeidbarer Natureingriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Die Festlegung von Maßnahmen als Kernstück der Aktionsplanung . . . . 1. Die Vielfalt rechtmäßiger Möglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Festsetzungsmöglichkeiten im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Straßen- und Schienenunterhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verkehrsvermeidung und Verkehrslenkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verhaltenssteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Produktauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Planungsbeiträge für Regional- und Fachplanung . . . . . . . . . . . . . . . f) Planungsbeiträge für die Bauleitplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die lärmschutzrelevanten Festsetzungen in Bebauungsplänen (1) Die Festsetzung von Verkehrsflächen (§ 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Festsetzungen mit Schutzwirkung vor Verkehrslärm . . . . . . (a) Die Art der baulichen Nutzung (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Die Bauweise, die überbaubare Grundstücksfläche und die Stellung der baulichen Anlagen (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 BauGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Die Festsetzung von Nebenanlagen (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 BauGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Die Festsetzung von Gemeinbedarfsflächen sowie von Sport- und Spielanlagen (§ 9 Abs. 1 Nr. 5 BauGB) . . (e) Die Festsetzung öffentlicher und privater Grünflächen (§ 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (f) Die immissionsschutzbezogenen Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Besonderheiten bei Industrie- und Gewerbebetrieben . . . . . . . . . . . . h) Besonderheiten beim Luftverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Besonderheiten beim Schutz ruhiger Gebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Der Sonderfall des Verzichts auf Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Nutzungsbeendigung als einzig denkbare Maßnahme . . . . . . . . . . 2. Der erfolgreiche Schutz eines ruhigen Gebietes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Folge des Verzichts auf Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17 315 315 316 316 316 320 320 322 326 327 327 328 328 331 331 332 332

332 333 334 334 334 336 337 339 340 340 343 343

D. Die Formvorschriften im Rahmen der Lärmaktionsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . 344 E. Die Verfahrensvorschriften für die Lärmaktionsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345

18

Inhaltsverzeichnis II. Behördenbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Öffentlichkeitsbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die ausstehende gemeinschaftsrechtskonforme Umsetzung . . . . . . . . . 2. Die Anforderungen an eine richtlinienkonforme Öffentlichkeitsbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Rechtsfolgen der Öffentlichkeitsbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Strategische Umweltprüfung bei Lärmaktionsplänen . . . . . . . . . . . . . . V. Die Mitteilungspflichten der Aktionsplanungsbehörden . . . . . . . . . . . . . . . VI. Die Veröffentlichung der Lärmaktionspläne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Die Überarbeitung der Lärmaktionspläne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

F.

Die Zuständigkeit für die Lärmaktionsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die gesetzlichen Zuständigkeitszuweisungen im Bund und in den Ländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Lärmaktionsplanung als Aufgabe kommunaler Selbstverwaltung . . . 1. Die einhellige Auffassung des Schrifttums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Stellungnahme zur Auffassung des Schrifttums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Aktionsplanung im Ballungsraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Aktionsplanung außerhalb des Ballungsraums . . . . . . . . . . . . . . c) Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Festlegung der Zuständigkeit durch den Bundesgesetzgeber . . . . . . . .

G. Die I. II. III.

Wirkungen der Lärmaktionspläne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Grundsätze der Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Bindungswirkung bei Maßnahmen (§ 47 Abs. 6 S. 1 BImSchG) . . . Die Bindungswirkung bei Planungsbeiträgen (§ 47 Abs. 6 S. 2 BImSchG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Wirkung der Lärmaktionspläne als Optimierungsgebote? . . . . . . . . . . . . . . V. Die Besonderheiten im Bahnbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Durchsetzung von Lärmaktionsplänen bei privaten Eisenbahnunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Umsetzung der Lärmaktionsplanung bei Eisenbahnunternehmen in öffentlichem Eigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Gesellschaften der Deutschen Bahn AG als Privaten gleichstehende Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die verbleibenden Steuerungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

H. Individualansprüche, Rechtsnatur und Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zur Frage von Individualansprüchen bei der Lärmaktionsplanung . . . . . . 1. Die Beurteilung nach der Schutznormlehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Keine Verschiebungen aufgrund Gemeinschaftsrechts analog der Feinstaubentscheidung des Europäischen Gerichtshofes . . . . . . . . . . . .

345 347 347 348 351 354 355 355 356 356 357 360 360 361 361 362 366 368 369 369 371 375 377 378 378 381 381 388 388 389 389 391

Inhaltsverzeichnis

19

3. Verschiebungen aufgrund der Schutzpflichtendimension der Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 II. Die Rechtsnatur der Lärmaktionspläne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 III. Der Rechtsschutz gegen Lärmaktionspläne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397

7. Teil Vorläufige Bewertung der Lärmminderungsplanung

399

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439

Abkürzungsverzeichnis a. A. AdR a. E. AKP AKUR BayLfU BayStMUGV Bbg Bek. Bln BMU BMVBS BMVBW BR-Drs. BT-Drs. BW DTV DVP endg. EP ESVGH

EUDUR EzKommR

i. d. F. i.V. m. KOM

anderer Ansicht Ausschuss der Regionen der Europäischen Gemeinschaft am Ende Fachzeitschrift für alternative Kommunalpolitik Arbeitskreis für Umweltrecht Bayerisches Landesamt für Umweltschutz, seit 01.08.2005 Bayerisches Landesamt für Umwelt Bayerisches Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz (15. Wahlperiode) Brandenburg Bekanntmachung Berlin/Berliner/Berlinisch Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (16. Wahlperiode) Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (15. Wahlperiode) Bundesrats-Drucksache Bundestags-Drucksache Baden-Württemberg durchschnittliche tägliche Verkehrsmenge Deutsche Verwaltungspraxis (Zeitschrift) endgültig Europäisches Parlament Entscheidungen des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg mit Entscheidungen der Staatsgerichtshöfe beider Länder H.-W. Rengeling (Hrsg.), Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht, mehrere Bände ab 1998 F.-L. Knemeyer/J. Hofmann-Hoeppel (Hrsg.), Entscheidungssammlung zum Kommunalrecht, Loseblattsammlung, Stand: 83. Lfg. (Dezember 2008) in der Fassung in Verbindung mit Kommissionsdokument (insbesondere Legislativvorschläge und Dokumente der Kommission für andere Organe der EU)

Abkürzungsverzeichnis LAI LBO LSA LT-Drs. M-V Nds. NW o. g. ORH OVGE

PlPr RL RP SEK

SH SL SRU SVR Tz. UMK WRV WSA ZfL

21

ehemals: Länderausschuss für Immissionsschutz; nunmehr: Bund/ Länderarbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz Landesbauordnung Land Sachsen-Anhalt Landtags-Drucksache Mecklenburg-Vorpommern Niedersachsen Nordrhein-Westfalen oben genannte(r) Bayerischer Oberster Rechnungshof Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster und für das Land Niedersachsen in Lüneburg mit Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes NordrheinWestfalen und des Niedersächsischen Staatsgerichtshofes Plenarprotokoll Richtlinie (ohne nähere Bezeichnung: Richtlinie 2002/49/EG) Rheinland-Pfalz Kommissionsdokument (sonstige Dokumente der Kommission, die weder als KOM geführt noch als C-Dokument im ABl. EG veröffentlicht werden) Schleswig-Holstein Saarland Rat von Sachverständigen für Umweltfragen (amtliche Kurzbezeichnung: Umweltrat) Straßenverkehrsrecht (Zeitschrift) Textziffer Umweltministerkonferenz Weimarer Reichsverfassung vom 11.08.1919 Wirtschafts- und Sozialausschuss der Europäischen Gemeinschaft Zeitschrift für Lärmbekämpfung; fortgeführt als „Lärmbekämpfung“

Im Übrigen orientieren sich die Abkürzungen an H. Kirchner, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 6. Aufl. 2008.

1. Teil

Einführung in das deutsche Lärmschutzrecht Die Bekämpfung des Lärms hat eine sozialstaatliche Komponente. Sie kommt den unteren Einkommensschichten überproportional zugute, da preiswertes Wohnen häufig durch höhere Lärmbelastungen erkauft wird. Die Intensität der Lärmbekämpfung ist daher sozial selektiv wirksam.1 Diese Erkenntnis und der Befund, dass das Auftreten von Lärm zu den subjektiv am stärksten wahrgenommenen Belästigungen zählt, machen die Lärmbekämpfung zu einer umweltpolitischen und umweltrechtlichen Daueraufgabe. Rund 80 Prozent der deutschen Bevölkerung wurden im Jahr 2000 durch Lärm belästigt.2 In der Europäischen Union lebten 1999 mit ca. 80 Mio. Personen rund 20 Prozent der Bevölkerung unter einer Lärmbelastung, die von Lärmwirkungsforschern als untragbar angesehen wird; weitere 170 Mio. waren zumindest tagsüber lärmbelästigt.3 Trotz an sich erfolgreicher Schallschutzmaßnahmen an der Quelle blieb die Lärmbelastung insbesondere wegen der festzustellenden Zunahme des Straßen-, Schienen- und Luftverkehrs dauerhaft hoch.4 Auf nationaler5 wie supranationaler6 Ebene wurde und wird vor diesem Hintergrund Handlungsbedarf gesehen. Mit der Richtlinie 2002/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.06.2002 über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm7 hat die Europäische Gemeinschaft einen neuen An1 H. Schulze-Fielitz, Lärmschutz bei der Planung von Verkehrsvorhaben, DÖV 2001, 181 ff. (183). 2 H. Wende/J. Ortscheid, Ruf nach Ruhe: Jeder Fünfte fühlt sich stark belästigt, Der Städtetag 10/2002, 23 ff. (23). 3 Europäische Kommission, Grünbuch Künftige Lärmschutzpolitik, KOM (1996) 540 endg., S. 2. 4 Rat von Sachverständigen für Umweltfragen (SRU), Umweltpolitische Handlungsfähigkeit sichern, Umweltgutachten 2004, BT-Drs. 15/3600, S. 317 (Tz. 628); ders., Für eine neue Vorreiterrolle, Umweltgutachten 2002, BT-Drs. 14/8792, S. 38 (Tz. 90*), S. 271 (Tz. 582); V. Irmer, Harmonisierung der Lärmschutzpolitik in Europa, ZfL 1999, 195 ff. (197). 5 Bundesregierung, Perspektiven für Deutschland. Unsere Strategie für eine nachhaltige Entwicklung, hrsg. vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, 2002, S. 132, S. 138 f.; dies., Perspektiven für Deutschland. Unsere Strategie für eine nachhaltige Entwicklung, Fortschrittsbericht 2004, hrsg. vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, 2004, S. 102 ff. 6 Europäische Kommission, Grünbuch (Fn. 3), S. 3 ff. 7 ABl. EG 2002 Nr. L 189 S. 12.

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1. Teil: Einführung in das deutsche Lärmschutzrecht

satz der Lärmbekämpfung vorgegeben, der mittlerweile in die deutsche Rechtsordnung und die Lärmschutzpraxis integriert wurde. Die vorliegende Untersuchung führt in die immissionsschutzrechtlichen Grundlagen zur Bewältigung von Lärmereignissen ein, stellt die Neuerungen durch die EG-Umgebungslärmrichtlinie vor und bemüht sich um eine Gesamtübersicht zum Recht der neuen Lärmminderungsplanung in Deutschland.

A. Lärm als schädliche Umwelteinwirkung Der Begriff des Lärms bezeichnet keine neutrale physikalische Größe, sondern ist schon vom allgemeinen Sprachgebrauch negativ konnotiert. Anders als bei vielen Naturwissenschaftlern, die den Begriff des „Schalls“ bevorzugen, hat sich der Begriff im juristischen Sprachgebrauch dennoch etabliert, da er zugleich eine rechtliche Wertung enthält.

I. Schall als Immission im Sinne des § 3 Abs. 2 BImSchG Der neutrale physikalische Sachverhalt besteht im Auftreten von Schallwellen, die als solche messbar sind und innerhalb eines bestimmten Frequenzbereichs als Geräusch wahrgenommen werden.8 Bei Geräuschen handelt es sich um Emissionen im Sinne des § 3 Abs. 3 BImSchG, sofern sie von einer Anlage im Sinne des BImSchG ausgehen.9 Zugleich stellen sie Immissionen im Sinne des § 3 Abs. 2 BImSchG dar. Dies darf allerdings nicht zu der fälschlichen Annahme verleiten, Immission und Emission seien mithin in eins zu setzen. Zwar ist eine Immission ohne eine Emission nicht denkbar, doch können sich Emission und Immission hinsichtlich mehrerer Parameter grundlegend unterscheiden. Während es bei einer Betrachtung der Emission z. B. auf Stärke, Zeitpunkt und Dauer eines Ereignisses an der Quelle ankommt, ist für die Immission jeweils die Situation am Einwirkungspunkt maßgeblich.

8 Die Messung bezieht sich auf den von der Schallwelle ausgehenden Druck. Der hierdurch gewonnene Schalldruckpegel L wird in Dezibel (dB) angegeben, üblicherweise aber anhand der sog. „Bewertungskurve A“ korrigiert, um die in unterschiedlichen Frequenzbereichen unterschiedlich stark ausgeprägte Empfindsamkeit des menschlichen Gehörs abzubilden. Der so korrigierte Schalldruckpegel wird unter Verwendung der Maßeinheit db(A) angegeben. Vgl. hierzu SRU, Umweltgutachten 2002, BT-Drs. 14/8792, S. 272 (Informationskasten „Schallmessung“); ders., Umwelt und Gesundheit. Risiken richtig einschätzen, Sondergutachten 1999, BT-Drs. 14/2300, S. 159 (Informationskasten „Lärmmessung“); R. Kürer, Ermittlung und Bewertung von Lärm-Kenngrößen, in: H.-J. Koch (Hrsg.), Schutz vor Lärm, 1990, S. 21 ff. (21–23). 9 Zum weiten Anlagenbegriff des BImSchG vgl. H. Jarass, Bundes-Immissionsschutzgesetz, Kommentar, 7. Aufl. 2007, § 3 Rn. 12, 66 ff. m.w. N.

A. Lärm als schädliche Umwelteinwirkung

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Das Vorliegen einer Immission ist allerdings nur eine notwendige, nicht eine hinreichende Bedingung für die Auslösung der Schutzbestimmungen des BImSchG und der hierzu ergangenen Rechtsvorschriften. Vielmehr muss es sich bei der fraglichen Immission um eine schädliche Umwelteinwirkung handeln. Die im folgenden näher zu erörternde Eignung der Immission zur Schädlichkeit freilich ist es, die aus Schall – im allgemeinen Sprachempfinden wie auch im rechtlichen Sinne – Lärm werden lässt.

II. Die Eignung von Schall zur Herbeiführung von Gefahren, Nachteilen und Belästigungen nach dem Stande der Lärmwirkungsforschung 1. Die Schädlichkeit der Einwirkung im Rechtssinne Die sog. „schädliche Umwelteinwirkung“ ist die zentrale Begrifflichkeit des BImSchG.10 Nach § 3 Abs. 1 BImSchG handelt es sich dabei um Immissionen11, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Unter Gefahr versteht man dabei die Möglichkeit eines Schadens im Sinne einer erheblichen Beeinträchtigung eines durch die Norm geschützten Rechtsguts.12 Dies umfasst auf Seiten des Schutzgutes Mensch insbesondere Gesundheitsverletzungen.13 Diese sind wegen der Schutzpflicht des Art. 2 Abs. 2 GG von der Rechtsordnung nicht hinzunehmen; vielmehr löst die drohende Gesundheitsverletzung einen Lärmschutzanspruch des Einzelnen aus.14 Dabei gehen 10 E. Kutscheidt, Schädliche Umwelteinwirkungen, in: D. Czajka/K. Hansmann/ M. Rebentisch (Hrsg.), Immissionsschutzrecht in der Bewährung. 25 Jahre Bundes-Immissionsschutzgesetz, Festschrift für Gerhard Feldhaus zum 70. Geburtstag, 1999, S. 1 ff. (1); vgl. auch Koch, in: H.-J. Koch/D. Scheuing/E. Pache (Hrsg.), Gemeinschaftskommentar zum Bundes-Immissionsschutzgesetz, Loseblattsammlung, Stand: 24. Lfg. (Dezember 2007), § 3 Rn. 1; Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 1. 11 Zur Aufnahme des Wortes „Immissionen“ in den Normtext trotz des vermeintlichen Synonymausdrucks „Umwelteinwirkungen“ vgl. Kutscheidt, Schädliche Umwelteinwirkungen, S. 1. 12 Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 24, 26a und 29; Kutscheidt, Schädliche Umwelteinwirkungen, S. 7 f., 12 f. 13 Zur praktischen Handhabbarkeit der von der WHO geprägten Definition von Gesundheit als „Zustand vollständigen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur des Freiseins von Krankheiten“ vgl. G. Jansen, Zum Stand der Wirkungsforschung, in: H.-J. Koch (Hrsg.), Schutz vor Lärm, 1990, S. 9 ff. (9 f.), G. Jansen/G. Notbohm/S. Schwarze, Gesundheitsbegriff und Lärmwirkungen, 1999, S. 7 ff., Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, Vor §§ 47a–47f Rn. 11, sowie SRU, Sondergutachten 1999, BT-Drs. 14/2300, S. 38 ff. (Tz. 18 ff.). 14 BVerwGE 111, 108 (116 f.); G. Halama, Lärmschutz in der Planung, in: Deutsches Anwaltsinstitut e. V. (Hrsg.), Brennpunkte des Verwaltungsrechts 2002, Referate

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1. Teil: Einführung in das deutsche Lärmschutzrecht

Bundesverwaltungsgericht und Bundesgerichtshof davon aus, dass die Schwelle der Gesundheitsgefährdung jedenfalls bei einem Beurteilungspegel von 70 bis 75 db(A) tags und 60 bis 65 db(A) nachts erreicht ist;15 im einzelnen sind die Grenzen jedoch unklar.16 Neuerdings hat das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung über die Planfeststellung des Flughafens Berlin-Schönefeld an einer Gesundheitsgefährdung bei Dauerschallpegeln von über 70 db(A) festgehalten, bis hinunter zu einer Schwelle von 65 db(A) gesundheitliche Risiken jedoch nicht gänzlich ausschließen wollen.17 Eine Belästigung ist demgegenüber jede Beeinträchtigung des menschlichen körperlichen oder seelischen Wohlbefindens unterhalb der Schwelle einer erheblichen Beeinträchtigung der menschlichen Gesundheit.18 Unter Nachteilen schließlich werden alle sonstigen negativen Auswirkungen verstanden, bei denen es sowohl an einem Schaden an einem geschützten Rechtsgut, als auch an einer Belästigung fehlt.19 In Betracht kommen insoweit insbesondere Vermögenseinbußen sowie Beeinträchtigungen der Umweltmedien Luft, Wasser und Boden, sofern sie noch nicht die Qualität eines Schadens erreicht haben.20

der 8. Jahresarbeitstagung für Verwaltungsrecht in Berlin, 2002, S. 110 ff. (112); K. Dolde, Immissionsschutzrechtliche Probleme der Gesamtlärmbewertung, in: K. Dolde (Hrsg.), Umweltrecht im Wandel, Bilanz und Perspektiven aus Anlass des 25-jährigen Bestehens der Gesellschaft für Umweltrecht (GfU), 2001, S. 451 ff. (465); eingehend zum verbleibenden Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers H. Schulze-Fielitz, Aktuelle Grundprobleme des Verkehrsimmissionsschutzes, Die Verwaltung 26 (1993), 515 ff. (519 f.). Zur Entwicklung der verfassungsrechtlichen Schutzpflichtendogmatik vgl. H. Dreier, Dimensionen der Grundrechte, Von der Wertordnungsjudikatur zu den objektiv-rechtlichen Grundrechtsgehalten, 1993, S. 47 ff.; J. Berkemann, Verfassungsrechtlicher Schutzanspruch des Bürgers versus Förderung des Luftverkehrs und Notwendigkeit der Verteidigung, ZfL 2001, 134 ff. (135 f.); K.-A. Schwarz, Die Dogmatik der Grundrechte – Schutz und Abwehr im freiheitssichernden Staat, in: U. Blaschke/ A. Förster/S. Lumpp/J. Schmidt (Hrsg.), Sicherheit statt Freiheit? Staatliche Handlungsspielräume in extremen Gefährdungslagen, 2005, S. 29 ff. (34 ff.). 15 Halama, Lärmschutz, S. 113; Dolde, Probleme der Gesamtlärmbewertung, S. 466; bezüglich der Enteignungsschwelle auch BayVGH, 8 A 96.40084 vom 14.01.1997, Juris, sowie Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, Vor §§ 47a–47f Rn. 12 m.w. N. Zum Verhältnis von Gesundheitsschutz und Schutz des Eigentums einschließlich gesunder Wohn- und Lebensverhältnisse vgl. P. Wysk, Rechtliche Aspekte des neuen Fluglärmgesetzes, Lärmbekämpfung 2007, 243 ff. (243 f.). 16 Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, Vor §§ 47a–47f Rn. 11 m.w. N. 17 BVerwG, NVwZ 2006, Heft 8, Beilage I, S. 33 (Tz. 368 f.). 18 Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 27; Kutscheidt, Schädliche Umwelteinwirkungen, S. 14 und S. 16 f. Vgl. auch SRU, Umweltgutachten 2004, BT-Drs. 15/3600, S. 320 (Tz. 633). 19 Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 28. 20 Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 29; Kutscheidt, Schädliche Umwelteinwirkungen, S. 13 und S. 14.

A. Lärm als schädliche Umwelteinwirkung

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In allen drei Fällen muss überdies eine Erheblichkeit im Sinne einer Unzumutbarkeit festzustellen sein.21 Gesundheitsschäden indes sind stets erheblich; ihre wahrscheinliche Verursachung ist als Gefahr zu bewerten.22 Zu beachten ist weiter, dass jeweils die Eignung, eine entsprechende negative Folge auslösen zu können, für die Annahme der Schädlichkeit genügt, sofern der Störungseintritt über eine rein theoretische Möglichkeit hinaus mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist.23 2. Die tatsächliche Schädlichkeit von Lärm nach den Erkenntnissen der Wirkungsforschung Zur Überprüfung der Schädlichkeit von Schall im Rechtssinne ist der Jurist auf die Erkenntnisse der Lärmwirkungsforschung angewiesen.24 a) Gesundheitsgefahren Im Hinblick auf mögliche Gesundheitsgefahren durch Schalleinwirkungen ist zwischen dem auralen, d.h. unmittelbar auf das Hörvermögen bezogenen, Bereich und dem extraauralen Bereich, der die sonstigen gesundheitlichen Beeinträchtigungen umfasst, zu unterscheiden.25 Im auralen Bereich gilt, dass eine dauerhafte Schallbelastung von 85 db(A) eine Lärmschwerhörigkeit auslösen kann.26 Dem wird unter anderem in Ziffer 3.7 des Anhanges zu § 3 Abs. 1 der Arbeitsstättenverordnung27 Rechnung getragen; im Umweltbereich spielt die Lärmschwerhörigkeit jedoch üblicherweise

21 Siehe hierzu näher Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 46 f.; Dolde, Probleme der Gesamtlärmbewertung, S. 466. Zur Gleichsetzung von Unzumutbarkeit und Erheblichkeit vgl. auch die Nachweise bei H. Schulze-Fielitz, Die neue TA Lärm, DVBl. 1999, 65 ff. (65), sowie BVerwGE 50, 49 (55); 101, 157 (162). 22 Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 51; Kutscheidt, Schädliche Umwelteinwirkungen, S. 13. 23 Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 24 und 39; Kutscheidt, Schädliche Umwelteinwirkungen, S. 11 f. 24 Zu den grundlegenden Schwierigkeiten hiermit vgl. W. Vallendar, Sanierungsansprüche im Bereich der Verkehrswegeplanung – ein juristisches Märchen zu Ehren eines märchenhaften Juristen, in: FS Feldhaus, S. 249 ff. (253 ff.). 25 SRU, Umweltgutachten 2002, BT-Drs. 14/8792, S. 272 (Tz. 587). 26 Jansen, Wirkungsforschung, S. 11 f. Der SRU sieht die Schwelle für mögliche aurale Schädigungen mittlerweile offenbar schon bei einem auf 24 Stunden bezogenen Schallmittelungspegel von mehr als 70–75 db(A); vgl. SRU, Umweltgutachten 2002, BT-Drs. 14/8792, S. 273 (Tz. 590) sowie ders., Sondergutachten 1999, BT-Drs. 14/ 2300, S. 160 (Tz. 389 ff.). 27 Verordnung über Arbeitsstätten vom 12.08.2004 (BGBl. I S. 2179), zuletzt geändert durch Art. 9 der Verordnung vom 18.12.2008 (BGBl. I S. 2768).

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1. Teil: Einführung in das deutsche Lärmschutzrecht

keine Rolle, weil hier derartig hohe Einzelpegel allenfalls bei Tiefflügen zu gewärtigen sind.28 Schwieriger gestaltet sich die Suche nach eindeutigen Wirkungszusammenhängen zwischen Schall und gesundheitlichen Beeinträchtigungen im extraauralen Bereich. Hier lässt sich keine monokausale Beziehung feststellen; vielmehr treten physiologische, psychologische und soziologische Aspekte in eine schwer zu durchschauende Wechselwirkung.29 Als gesichert kann aber wiederum angesehen werden, dass Schallereignisse als Stressfaktor wirken können.30 Der menschliche Organismus reagiert mit einer generell erhöhten körperlichen Aktivität31 auf Schallereignisse; nach ihrem Wegfall kehrt der Organismus in den Ruhezustand zurück. Insoweit handelt es sich um eine normale körperliche Reaktion, die keinerlei gesundheitliche Besorgnis auszulösen braucht.32 Problematisch wird es jedoch, wenn diese Entlastung ausbleibt und der Organismus dauerhaft in einem vom Ruhezustand abweichenden Zustand verbleibt,33 da bei permanenter Überaktivierung sog. „Disstress“ entsteht, der pathologische Prozesse insbesondere im Hinblick auf das Herz-Kreislaufsystem, den Verdauungstrakt und das Immunsystem auslösen kann.34 Während mittlerweile ein deutlicher Zusammenhang zwischen einer chronischen Schallbelastung und dem Auftreten behandlungsbedürftigen Bluthochdrucks aufgezeigt wurde,35 konnte ein gleichermaßen signifikantes Herzinfarktrisiko bislang nicht belegt werden;36 allerdings sah der SRU bereits in seinem Sondergutachten 1999 einen konsistenten Trend in diese Richtung.37 Valide Aussagen über den exakten Zusammenhang unter Nennung konkreter Grenzwerte für eine bestimmte Immissionsexposition sind der Lärmwirkungsforschung aber bislang nicht möglich.38

28 SRU, Sondergutachten 1999, BT-Drs. 14/2300, S. 29 (Tz. 83*) und S. 160 (Tz. 391). 29 SRU, Umweltgutachten 2002, BT-Drs. 14/8792, S. 273 (Tz. 589); Jansen, Wirkungsforschung, S. 15. 30 Vgl. zum folgenden Jansen/Notbohm/Schwarze, Gesundheitsbegriff, S. 37 f. 31 SRU, Sondergutachten 1999, BT-Drs. 14/2300, S. 160 f. (Tz. 392). 32 SRU, Sondergutachten 1999, BT-Drs. 14/2300, S. 160 f. (Tz. 392). 33 SRU, Umweltgutachten 2002, BT-Drs. 14/8792, S. 273 (Tz. 589). 34 SRU, Sondergutachten 1999, BT-Drs. 14/2300, S. 161 (Tz. 397). 35 SRU, Umweltgutachten 2004, BT-Drs. 15/3600, S. 324 (Tz. 639); deutlich zurückhaltender noch ders., Sondergutachten 1999, BT-Drs. 14/2300, S. 168 (Tz. 422). 36 SRU, Umweltgutachten 2004, BT-Drs. 15/3600, S. 326 (Tz. 640). 37 SRU, Sondergutachten 1999, BT-Drs. 14/2300, S. 174 (Tz. 434). Gegen eine Behandlung von insignifikanten Ergebnissen als signifikant indes ausdrücklich Jansen/ Notbohm/Scharze, Gesundheitsbegriff, S. 58. 38 So im Ergebnis auch SRU, Umweltgutachten 2004, BT-Drs. 15/3600, S. 321 (Tz. 634).

A. Lärm als schädliche Umwelteinwirkung

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b) Belästigende Wirkung von Schall Deutlicher tritt die belästigende Wirkung von Schall zutage. Die dauerhafte Exposition gegenüber Schallereignissen beeinträchtigt Konzentrations- und Leistungsfähigkeit39, Kommunikationsprozesse sowie Schlaf-, Ruhe- und Erholungsmöglichkeiten, mithin die Lebensqualität40 des Menschen.41 Auch hier ist aber eine tabellenartige Gegenüberstellung von Schalldruckpegeln, Expositionsdauer und Belästigungswirkung nicht möglich.42 Denn die Lästigkeit des auftretenden Schalls hängt von vielerlei Faktoren ab. Zu nennen sind hier nicht nur die Schallfrequenzbreite, die Impuls-, Ton- und Informationshaltigkeit des Geräusches.43 Auch soziologische Faktoren wie die gesellschaftliche Bewertung der Lärmquelle44 – z. B. werden Eisenbahnimmissionen als vergleichsweise weniger belastend empfunden als die anderer Verkehrsträger45 –, die Frage der Vermeidbarkeit durch den Emittenten etwa bei Nachbarschaftslärm oder die Ortsüblichkeit spielen hier eine Rolle.46 Persönliche Veranlagung und Lärmempfindlichkeit47 oder die Zugehörigkeit zu einer vulnerablen Gruppe (z. B. Schwangere, Kinder, Senioren)48 tun ein Übriges. Überragende Bedeutung kommt dem Expositionszeitpunkt zu: Die Beeinträchtigung der Nachtruhe wird als besonders belastend empfunden.49 Zugleich deuten wissenschaftliche Erkenntnisse auf eine hohe Relevanz der Nachtruhe für gesundheitliche Beeinträchtigungen hin.50

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SRU, Sondergutachten 1999, BT-Drs. 14/2300, S. 179 ff. (Tz. 445 ff.). Für eine stärkere Inblicknahme der Lebensqualität anstelle allein der Gesundheitsbeeinträchtigung etwa SRU, Umweltgutachten 2002, BT-Drs. 14/8792, S. 275 f. (Tz. 595 f.). 41 Zusammenfassend Jansen/Notbohm/Schwarze, Gesundheitsbegriff, S. 47 f. 42 SRU, Umweltgutachten 2004, BT-Drs. 15/3600, S. 318 (Tz. 630). 43 SRU, Umweltgutachten 2004, BT-Drs. 15/3600, S. 327 (Tz. 642). 44 SRU, Umweltgutachten 2002, BT-Drs. 14/8792, S. 274 (Tz. 594). 45 Zu einzelnen Verkehrsträgern siehe Jansen/Notbohm/Schwarze, Gesundheitsbegriff, S. 43 f. 46 Zusammenfassend hierzu Jansen/Notbohm/Schwarze, Gesundheitsbegriff, S. 41 f. In diesem Sinne auch SRU, Umweltgutachten 2002, BT-Drs. 14/8792, S. 273 (Tz. 588 a. E.). 47 SRU, Sondergutachten 1999, BT-Drs. 14/2300, S. 180 (Tz. 453); ders., Umweltgutachten 2002, BT-Drs. 14/8792, S. 274 (Tz. 594); Jansen/Notbohm/Schwarze, Gesundheitsbegriff, S. 24 ff. 48 SRU, Sondergutachten 1999, BT-Drs. 14/2300, S. 181 ff. (Tz. 456–460). Ausführlich hierzu auch Jansen/Notbohm/Schwarze, Gesundheitsbegriff, S. 19 ff. 49 SRU, Umweltgutachten 2002, BT-Drs. 14/8792, S. 273 f. (Tz. 591). Ausführlich Jansen/Notbohm/Schwarze, Gesundheitsbegriff, S. 73 ff. 50 SRU, Umweltgutachten 2004, BT-Drs. 14/8792, S. 321 (Tz. 635) und S. 327 (Tz. 643). 40

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1. Teil: Einführung in das deutsche Lärmschutzrecht

III. Zusammenfassung Zusammengefasst kann also festgehalten werden, dass Schallereignisse von bestimmter Dauer und Intensität Immissionen darstellen, die erhebliche Belästigungen und vermutlich sogar Gesundheitsgefahren auslösen können. Diese als „Lärm“ zu bezeichnenden51 Immissionen stellen folglich „schädliche Umwelteinwirkungen“ im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes dar.

B. Der Lärmschutz nach der bislang bestehenden Rechtslage Der Schutz vor Lärm erfolgt bislang auf der Grundlage einer großen Bandbreite von Rechtsvorschriften und sonstigen untergesetzlichen Regelwerken. Nachfolgend sollen die Gesetzgebungskompetenzen (I.) sowie die jeweiligen Rechtsgrundlagen zur Bewältigung des Industrie- und Gewerbelärms (II.), des Sport- und Freizeitlärms (III.) sowie des Verkehrslärms (IV.) im Hinblick auf Lärmschutzmöglichkeiten durch Emissionsvermeidung an der Quelle, durch Planung bzw. durch Steuerung im Einzelfall in Grundzügen dargestellt werden.52 Zu zeigen sein wird, dass die hierbei überwiegende Einzelbetrachtungsweise in Bezug auf einzelne Lärmarten kritikwürdig ist (V.). Eine nach dem BImSchG eigentlich gebotene Gesamtbetrachtung verfolgte im Ansatz die Lärmminderungsplanung nach § 47a BImSchG a. F. (VI.). Schließlich ist auf die Immissionsschutzgesetze der Länder einzugehen, die vor allem den verhaltensbezogenen Lärmschutz regeln (VII.).

I. Die Gesetzgebungskompetenzen für den Lärmschutz Seit der Änderung des Grundgesetzes durch die Föderalismusreform I53 hat der Bund gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG die Gesetzgebungskompetenz für „die Lärmbekämpfung (ohne Schutz vor verhaltensbezogenem Lärm)“. Es handelt sich um eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz, die infolge der Neufassung des Art. 72 Abs. 2 GG nicht mehr an der Erforderlichkeitsklausel zu messen ist.

51 In diesem Sinne auch die Begriffsprägung durch den SRU, vgl. nur ders., Sondergutachten 1999, BT-Drs. 14/2300, S. 29 (Tz. 82*). 52 Vgl. zu dieser Systematik H.-J. Koch, Fünfzig Jahre Lärmschutzrecht. Rückblick und Ausblick, ZfL 2002, 235 ff. (243 f.), sowie Schulze-Fielitz, Planung, DÖV 2001, 181 (182). 53 Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28.08.2006 (BGBl. I S. 2034), in Kraft seit 01.09.2006.

B. Der Lärmschutz nach der bislang bestehenden Rechtslage

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Neu ist an dieser Kompetenzverteilung die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Bundesländer für den Schutz vor verhaltensbezogenem Lärm.54 Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG a. F. hatte noch „die Lärmbekämpfung“ schlechthin der konkurrierenden Gesetzgebung unterstellt. Mit der Neuregelung wurden letztlich die Kompetenzen verfassungsrechtlich festgeschrieben, wie sie sich bereits zuvor in der tatsächlichen Rechtspraxis etabliert hatten. Denn der Bund hatte sich schon früher im Wesentlichen auf die Regelung des produkt-, anlagen- und gebietsbezogenen Lärmschutzes beschränkt und den Schutz vor verhaltensbezogenem Lärm den Ländern überlassen.55 Vor allem das Bundes-Immissionsschutzgesetz zeichnet sich seit jeher durch einen starken Anlagenbezug aus.56 Die in und aufgrund dieses Gesetzes ergangenen Regelungen sind, wie sich sogleich zeigen wird, letztlich nicht Regelungen zum Gewerbe-, Sport-, Freizeit- und Verkehrslärm, sondern zum Gewerbe-, Sport-, Freizeit- und Verkehrsanlagenlärm. Dies entspricht dem Wortlaut des § 3 Abs. 3 BImSchG, wonach Emissionen die von einer Anlage ausgehenden Geräusche sind. Auch der Lärmschutz durch Planung (vgl. § 50 BImSchG) ist letztlich anlagenbezogen, da über die Anordnung von Anlagetypen im Raum entschieden wird. Die Abgrenzungsschwierigkeiten der Praxis zwischen verhaltensbezogenem und sonstigem Lärm bleiben freilich erhalten.57 Sie sind nunmehr allerdings in den Stand verfassungsrechtlicher Fragestellungen erhoben.58 Wegen der Ausgestaltung als Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung haben die Länder in Fragen des nicht verhaltensbezogenen Lärms gemäß Art. 72 Abs. 1 GG im Übrigen das Recht der Gesetzgebung, solange und soweit der Bund keine abschließende Regelung getroffen hat.59 Dies soll für nicht genehmigungsbedürftige Anlagen noch der Fall sein, da nur im Bereich der genehmi-

54 H. Schulze-Fielitz, Umweltschutz im Föderalismus – Europa, Bund und Länder, NVwZ 2007, 249 ff. (256). 55 Eingehend mit Hinweisen zur Entstehungsgeschichte der Normtextänderung K. Hansmann, Die Gesetzgebungskompetenz für die Lärmbekämpfung nach der Föderalismusreform, NVwZ 2007, 17 ff. (18 f.); ebenso Schulze-Fielitz, Umweltschutz im Föderalismus, NVwZ 2007, 249 (256). 56 Vgl. zum Anlagenbezug des BImSchG eingehend Koch, in: GK-BImSchG, § 3 Rn. 30 ff.; W. Hoppe/M. Beckmann/P. Kauch, Umweltrecht, 2. Aufl. 2000, § 21 Rn. 11; H. Müller, Landeskompetenzen im Umweltrecht, BayVBl. 1988, 289 ff. (290). 57 Siehe hierzu Hansmann, Gesetzgebungskompetenz, NVwZ 2007, 17 (19), sowie die Ausführungen unter B. VII., S. 54 ff. 58 Schulze-Fielitz, Umweltschutz im Föderalismus, NVwZ 2007, 249 (256). 59 Stettner, in: H. Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, Band II, 2. Aufl., Supplementum 2007, Art. 74 Rn. 118; Hoppe/Beckmann/Kauch, Umweltrecht, § 22 Rn. 28; M. Kloepfer/M. Kohls/V. Ochsenfahrt, Umweltrecht, 3. Aufl. 2004, § 14 Rn. 47; Müller, Landeskompetenzen, BayVBl. 1988, 289 (289 f.).

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1. Teil: Einführung in das deutsche Lärmschutzrecht

gungsbedürftigen Anlagen von einer umfassenden bundesrechtlichen Regelung gesprochen werden könne.60

II. Industrie- und Gewerbelärm Hinsichtlich des Schutzes vor Industrie- und Gewerbelärm ist zwischen genehmigungspflichtigen und nicht genehmigungspflichtigen Anlagen zu unterscheiden, da diese unterschiedlichen immissionsschutzrechtlichen Anforderungen unterliegen. 1. Genehmigungspflichtige Anlagen Errichtung und Betrieb besonders emissionsträchtiger Anlagen unterliegen zum Schutz von Umwelt und Bevölkerung einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt61 und sind mithin genehmigungspflichtig. Die Genehmigungspflichtigkeit bestimmt sich dabei nach § 4 Abs. 1 S. 1 BImSchG i.V. m. § 1 sowie dem Anhang der 4. BImSchV62. Kernfrage der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsfähigkeit ist die Einhaltung der Grundpflichten des Anlagenbetreibers nach § 5 Abs. 1 BImSchG. Dieser hat die Anlage gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BImSchG so zu errichten und zu betreiben, dass „schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können“; dies wird in Anlehnung63 an die Terminologie des § 1 Abs. 1 BImSchG gemeinhin als „Schutzpflicht“64 des Betreibers bezeichnet. Daneben hat der Betreiber gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BImSchG Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen, sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen zu treffen, insbesondere durch dem Stand der Technik entsprechende Maßnahmen. Dabei sind mit schädlichen Umwelteinwirkungen jeweils Immissionen im o. g. Sinne gemeint, mit sonstigen Gefahren, Nachteilen und Belästigungen solche, 60 Jarass, BImSchG, Einl Rn. 44; Hoppe/Beckmann/Kauch, Umweltrecht, § 22 Rn. 30. 61 F. Petersen, Schutz und Vorsorge. Strukturen der Risikoerkenntnis, Risikozurechnung und Risikosteuerung der Grundpflichten im Bundes-Immissionsschutzgesetz, 1993, S. 28 m.w. N. 62 Vierte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen – 4. BImSchV) i. d. F. der Bek. vom 14.03.1997 (BGBl. I S. 504), zuletzt geändert durch Art. 3 G vom 23.10.2007 (BGBl. I S. 2470). 63 Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 6. 64 H.-J. Koch, Industrie- und Gewerbelärm, Sport- und Freizeitlärm, in: H.-W. Rengeling (Hrsg.), Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht (EUDUR), Band II: Besonderes Umweltrecht, 1. Teilband, 2. Aufl. 2003, § 56 Rn. 18. Kritisch zu dieser Begriffsbildung Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 6 m.w. N.

B. Der Lärmschutz nach der bislang bestehenden Rechtslage

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die nicht auf Immissionen, sondern anderweitigen Einflüssen beruhen.65 Als Stand der Technik gilt kraft § 3 Abs. 6 BImSchG der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zur Begrenzung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, (. . .) oder sonst zur Vermeidung oder Verminderung von Auswirkungen auf die Umwelt zur Erreichung eines allgemein hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt gesichert erscheinen lässt. Die Schutz- und die Vorsorgepflicht des Betreibers betreffen mithin den quellenbezogenen Lärmschutz. a) Quellenbezogener Lärmschutz bei genehmigungspflichtigen Anlagen Sowohl die Erkenntnis über die erforderlichen Maßnahmen zur Vermeidung erheblicher und damit unzumutbarer Belästigungen, Nachteile und Gefahren als auch der Stand der Technik zur Vorsorge hiergegen unterliegen dem wissenschaftlichen und technischen Fortschritt. Wegen dieser Dynamik ist eine Festschreibung des konkret anzulegenden Schutzniveaus bzw. des erreichten Standes der Technik in Parlamentsgesetzen untunlich. Vielmehr ist es zweckmäßig, diese unbestimmten Rechtsbegriffe in Rechtsverordnungen oder Verwaltungsvorschriften zu konkretisieren.66 Für den Bereich der genehmigungspflichtigen Anlagen ist dabei vor allem die TA Lärm 199867 maßgeblich. Dabei handelt es sich nach überwiegender Lesart um eine normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift.68 Diese bindet als solche zwar primär die Verwaltungsbehörden; wegen der von hohem Sachverstand getragenen näheren Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe durch generelle Standards, die dem gleichmäßigen und berechenbaren Gesetzesvollzug dienen, kommt ihr gleichwohl eine Beachtlichkeit im gerichtlichen Verfahren zu.69 In 65

Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 7. Zweifel können hieran allerdings in Anbetracht des Umstandes entstehen, dass die TA Lärm von 1968 dreißig Jahre lang nicht novelliert wurde; vgl. Koch, Industrieund Gewerbelärm, § 56 Rn. 21. 67 Sechste Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz (Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm – TA Lärm) vom 26.08.1998 (GMBl. S. 503). 68 Siehe hierzu näher M. Uechtritz, Bewertung von Lärm in der Bauleitplanung. Zur Bewertung der lärmtechnischen Regelwerke, in: W. Erbguth/J. Oebbecke/H.-W. Rengeling/M. Schulte (Hrsg.), Planung. Festschrift für Werner Hoppe zum 70. Geburtstag, S. 567 ff. (570 f.). Die gewählte Rechtsnatur als Verwaltungsvorschrift kritisiert wegen der normähnlichen Festsetzungen und der politischen Entscheidungsfindung H. Schulze-Fielitz, 30 Jahre TA Lärm. Auf dem Weg zum gesetzeskonformen Lärmschutz?, in: H.-J. Koch (Hrsg.), Aktuelle Probleme des Immissionsschutzrechts, 1998, S. 191 ff. (207 f.), der den Erlass einer Rechtsverordnung bevorzugte. 69 BVerwG, UPR 1996, 306; DVBl. 1995, 516 (517); K. Hansmann, in: Landmann/ Rohmer, Umweltrecht, Loseblattsammlung, Stand: 53. Lfg. (April 2008), Vorbemerkung TA Lärm Rn. 6. Zurückhaltender Schulze-Fielitz, 30 Jahre TA Lärm, S. 208. 66

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ihren Anwendungsbereich fallen nach Nr. 1 TA Lärm alle Anlagen, die den Anforderungen des Zweiten Teils des Bundes-Immissionsschutzgesetzes unterliegen, mit Ausnahme enumerativ bezeichneter Anlagen, etwa Sportanlagen, Freiluftgaststätten und Tagebauen, die wegen ihrer andersartigen Lärmcharakteristik70 eigenständigen Regelungen unterstellt wurden. Im Wesentlichen sind somit industrielle und gewerbliche Lärmemittenten erfasst. Die TA Lärm übernimmt den Begriff der schädlichen Umwelteinwirkung des BImSchG (Nr. 2.1), trifft Festsetzungen zur Lärmbewertung z. B. durch Vorgabe des Einwirkungsbereichs der Anlage (Nr. 2.2), des maßgeblichen Immissionsortes (Nr. 2.3) sowie der gültigen Lärmindizes (Nr. 2.6 ff.) und verfügt, dass eine Genehmigung nur zu erteilen ist, wenn die Einhaltung der Schutz- und Vorsorgepflicht sichergestellt ist (Nr. 3.1). Hinsichtlich der Einhaltung der Vorsorgepflicht, die der Verminderung von verbleibenden Risiken trotz Einhaltung der Schutzpflicht und der Erhaltung eines Spielraums für weitere Belastungsquellen dienen soll,71 wäre insbesondere eine Konkretisierung des Standes der Technik vonnöten.72 Insoweit bestimmt Nr. 3.3 TA Lärm aber nur, dass das Maß der Vorsorgepflicht einzelfallbezogen und zwar unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit von Aufwand und erreichbarer Lärmminderung zu beurteilen ist; entscheidend ist der Stand der Technik zur Lärmminderung als solcher.73 Darüber hinausgehende Konkretisierungen, insbesondere in Form von Emissionswerten, fehlen.74 Insoweit ist zu Recht von einem verbleibenden Raum zur Fortschreibung der TA Lärm gesprochen worden.75 Zur Beurteilung der Einhaltung der Schutzpflicht indes gibt die TA Lärm sog. „Immissionsrichtwerte“ vor, die drittschützende Wirkung haben76 und außerhalb (Nr. 3.2.1 i.V. m. Nr. 6.1) bzw. innerhalb (Nr. 6.2) von Gebäuden bei der Beurteilung der Genehmigungsfähigkeit heranzuziehen sind. Bei den Richtwerten handelt es sich nicht um strikte Grenzwerte. Vielmehr können die Richtwerte unter Durchführung einer Sonderfallprüfung nach Nr. 3.2.2 oder wegen der Zulässigkeit einer Zwischenwertbildung bei Gemengelagen77 unterschiedlich immissionsempfindlicher Gebiete (Nr. 6.7) im Einzelfall überschritten wer70 Vgl. hierzu die Amtl. Begründung, BR-Drs. 254/98, S. 47; Schulze-Fielitz, TA Lärm, DVBl. 1999, 65 (66 f.). 71 Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Nr. 3 TA Lärm Rn. 49; vgl. auch Jarass, BImSchG, § 5 Rn. 47: Schaffung einer Sicherheitszone vor der Gefahrenschwelle. 72 Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Nr. 3 TA Lärm Rn. 51. 73 Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Nr. 3 TA Lärm Rn. 52. 74 Bedauernd G. Feldhaus, Einführung in die TA Lärm 1998, UPR 1999, 1 ff. (6). 75 Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Nr. 3 TA Lärm Rn. 53. 76 Jarass, BImSchG, § 48 Rn. 56 m.w. N. 77 Näher hierzu Feldhaus, Einführung, UPR 1999, 1 (3).

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den.78 Dies verdankt sich dem Umstand, dass die Richtwerte der TA Lärm auf den Regelfall zugeschnitten sind;79 eine strikte Verfahrensweise könnte somit wegen der Nichtberücksichtigung besonderer Umstände des Einzelfalles zu einer rechtswidrigen Entscheidung führen.80 Die Immissionsrichtwerte orientieren sich dabei an der unterschiedlichen Schutzwürdigkeit einzelner Gebiete, die grundsätzlich81 den Gebietskategorien der §§ 2–11 BauNVO entsprechen. In dieser Anlehnung an die Bestimmungen der BauNVO besteht die rechtsdogmatische Schaltstelle82 hin zum Lärmschutz durch Bauleitplanung.83 Weitere für den Lärmschutz an der Quelle bedeutsame Anforderungen an die immissionsschutzrechtliche Genehmigungsfähigkeit der Errichtung und des Betriebs einer Anlage ergeben sich aus ihrer Genehmigungsfähigkeit nach dem öffentlichen Baurecht. Denn dessen Normen sind wegen der Konzentrationswirkung des § 13 BImSchG als möglicherweise entgegenstehende sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG im immissionsschutzrechtlichen Verfahren zu prüfen. Für diejenigen Fälle, in denen keine planerischen Festsetzungen der Gemeinde vorliegen, richtet sich die immissionsschutzrechtliche Genehmigungsfähigkeit also auch danach, ob die Umgebung des Anlagenstandortes nach § 34 Abs. 2 BauGB einem Baugebiet der BauNVO entspricht, in dem eine solche Anlage zulässig wäre, oder ob sich die Anlage ansonsten in die nähere Umgebung einfügt (§ 34 Abs. 1 BauGB). Andernfalls ist die Anlage wegen Verstoßes gegen das Rücksichtnahmegebot baurechtlich unzulässig.84 Gleiches gilt im Außenbereich, wenn das Vorhaben wegen der erwarteten schädlichen Umwelteinwirkungen öffentliche Belange beeinträchtigt (§ 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BauGB).85 Keine Genehmigung ist ferner zu erteilen, wenn die Anlage im Einzelfall wegen 78

Schulze-Fielitz, TA Lärm, DVBl. 1999, 65 (67 f.); Feldhaus, Einführung, UPR 1999, 1 (2); Jarass, BImSchG, § 48 Rn. 16. 79 Feldhaus, Einführung, UPR 1999, 1 (2). 80 Gegen eine Bindung der Gerichte an die TA Lärm in solchen Fällen daher Schulze-Fielitz, 30 Jahre TA Lärm, S. 209 m.w. N. 81 Zu der fehlenden Entsprechung für besondere Wohngebiete i. S. d. § 4a BauNVO vgl. Schulze-Fielitz, TA Lärm, DVBl. 1999, 65 (67) mit Fn. 30. Eine Ausnahme bildet ferner Nr. 6.1 lit. f TA Lärm, die allerdings den nach § 11 Abs. 2 S. 2 BauNVO zulässigen Festsetzungen für sonstige Sondergebiete nahe kommt; vgl. hierzu Feldhaus, Einführung, UPR 1999, 1 (3). 82 H.-J. Koch, Der Schutz der Umwelt in der Rechtsprechung zum Bauplanungsrecht, Die Verwaltung 31 (1998), 505 ff. (542). 83 Dazu sogleich unter b). 84 Koch, Industrie- und Gewerbelärm, § 56 Rn. 35; ders., Schutz der Umwelt, Die Verwaltung 31 (1998), 505 (534 f., 536). 85 Koch, Industrie- und Gewerbelärm, § 56 Rn. 35; ders., Schutz der Umwelt, Die Verwaltung 31 (1998), 505 (537).

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unzumutbarer Belästigungen oder Störungen gemäß § 15 Abs. 1 S. 2 BauNVO als unzulässig anzusehen ist.86 b) Lärmschutz durch Bauleitplanung Lärmschutz ist auch im Wege der gemeindlichen Bauleitplanung möglich und geboten (vgl. nur § 1 Abs. 6 Nr. 7 BauGB sowie § 50 BImSchG). Der Lärmschutz im Rahmen der Bauleitplanung steht in einer Wechselbeziehung zum Lärmschutz nach den lärmschutztechnischen Regelwerken. Einerseits sind bei der Beurteilung der immissionsschutzrechtlichen Schutzbedürftigkeit des Gebietes, in dem der Anlagenwerber die Anlage errichten und betreiben möchte, gemäß Nr. 6.6 TA Lärm vorrangig die Festsetzungen bestehender Bebauungspläne zugrunde zu legen.87 Die gemeindliche Bauleitplanung setzt sich also im Immissionsschutzrecht in gewisser Weise fort.88 Zu nennen sind in diesem Zusammenhang v. a. die Festsetzung von Baugebieten (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB i.V. m. § 1 Abs. 3, Abs. 2, §§ 2–11 BauNVO) und Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB. Andererseits wäre eine Bauleitplanung mit planerischen Festsetzungen, deren Verwirklichung an den immissionsschutzrechtlichen Regelwerken scheitern müsste, wegen Funktionslosigkeit nichtig.89 Bei der Wahrnehmung ihrer planerischen Gestaltungsfreiheit haben die Gemeinden daher Umweltbelange i. S. d. § 1 Abs. 6 Nr. 7 BauGB, etwa Darstellungen aus immissionsschutzrechtlichen Plänen, zu berücksichtigen. An die Vorgaben der TA Lärm sollen die Gemeinden, da sie nicht Adressat der Verwaltungsvorschrift seien, anders als bei Rechtsverordnungen zwar nicht unmittelbar gebunden sein; diese Vorgaben seien ohnedies anlagen- und nicht gebietsbezogener Natur.90 Allerdings empfiehlt sich die nichtstrikte Orientierung an ihren

86 Dabei ist gemäß § 15 Abs. 3 BauNVO nicht starrschematisch und abschließend auf die typisierende verfahrensrechtliche Einordnung der Anlage nach der 4. BImSchV abzustellen, sondern eine eigenständige städtebauliche Beurteilung des konkreten Störgrades anzustellen – vgl. H. Fickert/H. Fieseler, Baunutzungsverordnung, 11. Aufl. 2008, § 15 Rn. 33 f., wie auch Bielenberg, in: W. Ernst/W. Zinkahn/W. Bielenberg/ M. Krautzberger, Baugesetzbuch, Kommentar, Loseblattsammlung, Stand: 88. Lfg. (Juni 2008), § 15 BauNVO Rn. 34 f. m.w. N. 87 Schulze-Fielitz, TA Lärm, DVBl. 1999, 65 (67); Feldhaus, Einführung, UPR 1999, 1 (3). 88 Vgl. hierzu auch Koch, Schutz der Umwelt, Die Verwaltung 31 (1998), 505 (525 f.). 89 BVerwGE 109, 246 (249 f.); Uechtritz, Bewertung, FS Hoppe, S. 585 m.w. N.; Koch, Schutz der Umwelt, Die Verwaltung 31 (1998), 505 (515); ders., Industrie- und Gewerbelärm, § 56 Rn. 36. 90 Siehe hierzu Uechtritz, Bewertung, FS Hoppe, S. 584.

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Maßgaben zur Verringerung der Abwägungsfehleranfälligkeit der Planung.91 Weitere Hilfestellungen bieten private Regelwerke, etwa die DIN 18005 über Schallschutz im Städtebau, die sich direkt an die Gemeinde wendet und auch flächenbezogene Anforderungen enthält.92 Selbst wenn die privaten Regelwerke an sich keinerlei Normgeltung für sich beanspruchen können, haben sie gleichwohl in der Praxis ihren festen Stellenwert gefunden und werden als Anhaltspunkte93, Orientierung94 oder Entscheidungshilfe95 von der Rechtsprechung herangezogen.96 Die Vorgaben des Immissionsschutzrechts für die Bauleitplanung können nach dem Grad ihrer Verbindlichkeit in drei Stufen kategorisiert werden:97 Zum einen sind die nach § 2 Abs. 3 BauGB98 zu ermittelnden und bewertenden Belange des Lärmschutzes als Umweltbelange im Sinne des § 1 Abs. 6 Nr. 7 BauGB in die Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB einzustellen (Berücksichtigungsgebot – niedrigste Stufe).99 Zum anderen bestehen sog. „Optimierungsgebote“: Sie sind mit besonderem Gewicht in die Abwägung einzustellen (mittlere Stufe).100 Als Beispiele seien der – in einer neueren Rechtsprechung des 4. Senats nur mehr als „Abwä91

Uechtritz, Bewertung, FS Hoppe, S. 584 f. Zur DIN 18005 vgl. Uechtritz, Bewertung, FS Hoppe, S. 587 f. 93 BVerwGE 88, 143 (148 f.). 94 OVG Bremen, NVwZ-RR 1997, 165 (166). 95 BayVGH, EzKommR Nr. 2574.67. 96 Zusammenfassend Uechtritz, Bewertung, FS Hoppe, S. 571 f. m.w. N. Kritisch zu einer Bewertung privater Regelwerke als antizipierte Sachverständigengutachten wegen der damit verbundenen Vermischung von Kognitiv- bzw. Normativakt D. Scheuing, Selbstbindungen der Verwaltung, VVDStRL 40 (1982), 153 ff. (161 f.), der eine Qualifizierung als Vorschläge für die Setzung von Richterrecht für zutreffender hält. 97 Siehe hierzu etwa W. Hoppe, Die Bedeutung von Optimierungsgeboten im Planungsrecht, in: ders., Grundfragen des Planungsrechts, Ausgewählte Veröffentlichungen, 1998, S. 343 ff. (vormals DVBl. 1992, 853 ff.). 98 In dieser neuen Vorschrift mag man mit E. Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, Grundlagen und Aufgaben der verwaltungsrechtlichen Systembildung, 2., erw. und überarb. Aufl. 2006, Rn. 150, ein erstes behutsames Umsteuern von einem zu stark materiell ausgerichteten auf ein prozedurales Konzept des Verwaltungshandelns erblicken. Dass die Anordnung der Ermittlung und Bewertung des Abwägungsmaterials in § 2 Abs. 3 BauGB n. F. ausweislich der Gesetzesbegründung als neue Verfahrensgrundnorm im Sinne eines europäischen Begriffsverständnisses aufzufassen sei, ist mangels eines jeglichen praktisch wirksamen Regelungsgehaltes, der dieser Norm über die bisherige materiell-rechtliche Abwägungslehre im Planungsrecht hinaus zukäme, wie W. Hoppe, Die Abwägung im EAG Bau nach Maßgabe des § 1 VII BauGB 2004, NVwZ 2004, 903 ff. (905), konstatiert, jedoch in der Tat schwer nachvollziehbar. 99 Koch, Schutz der Umwelt, Die Verwaltung 31 (1998), 505 (513 f.). 100 BVerwGE 71, 163 (165); NVwZ 1989, 151 (152); 4 B 201/88 vom 27.01.1989, Juris; Koch, Schutz der Umwelt, Die Verwaltung 31 (1998), 505 (514 f.); vgl. auch die Erwägung in BVerwGE 104, 68 (74 f.) zu § 8a Abs. 1 BNatSchG a. F. 92

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1. Teil: Einführung in das deutsche Lärmschutzrecht

gungsdirektive“ bezeichnete 101 – § 50 BImSchG hinsichtlich des Schutzes von Wohngebieten („so weit wie möglich“) und der allgemeine städtebauliche Grundsatz der Trennung konfligierender Nutzungsarten genannt,102 die freilich ihrerseits wegen höherer Verkehrsimmissionen aufgrund der dadurch zurückzulegenden Wege Probleme bereiten.103 Die in früheren Zeiten übliche Anlage ganzer Werkssiedlungen in unmittelbarer Nachbarschaft einer Industrieanlage ist danach beispielsweise nicht mehr möglich; die Folge sind Pendelverkehre von der Wohnung zur Arbeitsstätte. Schließlich besteht eine strikte Beachtenspflicht für gesetzliche Planungsleitsätze. Solche Belange sind jeder relativierenden Abwägung entzogen (höchste Stufe).104 Faktisch eingeschränkt ist der Lärmschutz durch Bauleitplanung allerdings insoweit, als im Einzelfall planerische Festsetzungen während des konkreten Genehmigungsverfahrens im Ausnahmen- und Befreiungswege (§ 31 BauGB) überwunden werden können. Insgesamt kommt es also zu einer Wechselwirkung zwischen Bauplanungsrecht und Immissionsschutzrecht, indem die bauplanungsrechtliche Vorgabe einer Gebietsart und die für ein solches Gebiet gültigen immissionsschutzrechtlichen Standards gemeinsam das zumutbare gebietsadäquate Immissionsniveau ergeben.105 c) Steuerung im Einzelfall Nach Erteilung der Genehmigung besteht auf Grundlage des § 17 Abs. 1 S. 1 BImSchG eine Befugnis zu nachträglichen behördlichen Anordnungen, um auf 101 BVerwGE 108, 248 (253); 4 BN 16/04 vom 07.07.2004, Juris, Rn. 4; NVwZ 2006, Heft 8, Beilage I („Berlin-Schönefeld“), S. 13 (Tz. 163 f.); vgl. auch H. SchulzeFielitz, Verkehrslärmschutz und Bauleitplanung unter veränderten umweltrechtlichen Rahmenbedingungen, UPR 2008, 401 ff. (401) mit Fn. 4. Eine inhaltliche Abweichung ist nach den Ausführungen des Senats in der Schönefeld-Entscheidung (NVwZ-Beilage a. a. O.) offenbar nicht mit der veränderten Diktion verbunden; unerfindlich ist, weshalb das Gericht von einem Minus auszugehen scheint, wenn es in seiner Entscheidung vom 07.07.2004 „§ 50 BImSchG als – bloße – Abwägungsdirektive“ bezeichnet (Hervorhebung durch d. Verf.). 102 BVerwGE 71, 163 (164); 4 NB 28/89 vom 15.11.1989, Juris; Koch, Schutz der Umwelt, Die Verwaltung 31 (1998), 505 (514 f., 520). Vgl. auch BVerwGE 45, 309 (328 f.). 103 So auch H. Schulze-Fielitz, Der Straßenverkehrslärm und das Umweltrecht, ZUR 2002, 190 ff. (190 f.); ders., Planung, DÖV 2001, 181 (184). 104 BVerwGE 48, 56 (59); 71, 163 (164). Ein Planungsleitsatz ist etwa das strikte Verbot von höhengleichen Kreuzungen bei Autobahnen gemäß § 1 Abs. 3 S. 1 FStrG. Siehe auch die Beispiele bei Koch, Schutz der Umwelt, Die Verwaltung 31 (1998), 505 (515 f.). 105 Koch, Schutz der Umwelt, Die Verwaltung 31 (1998), 505 (530 f.).

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die Erfüllung der immissionsschutzrechtlichen Pflichten hinzuwirken. Erweist sich der Schutz der Allgemeinheit oder der Nachbarschaft gegenüber schädlichen Umwelteinwirkungen oder sonstigen Gefahren nachträglich als unzureichend, verdichtet sich die Befugnis zu einem Anordnungssollen (§ 17 Abs. 1 Satz 2 BImSchG). 2. Nicht genehmigungspflichtige Anlagen Deutlich geringer fallen demgegenüber die immissionsschutzrechtlichen Anforderungen an den Betreiber einer nicht genehmigungspflichtigen Anlage aus. Er hat gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BImSchG lediglich solche umweltschädlichen Einwirkungen zu verhindern, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind, und ansonsten gemäß Nr. 2 nach dem Stand der Technik nicht vermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen auf ein Mindestmaß zu beschränken. a) Quellenbezogener Lärmschutz bei nicht genehmigungspflichtigen Anlagen Die nicht genehmigungspflichtigen Anlagen bedürfen zwar keiner immissionsschutzrechtlichen, vielfach aber einer anderen, insbesondere einer Baugenehmigung. In diesen Fällen sind im (Bau-)Genehmigungsverfahren die Voraussetzungen des § 22 BImSchG zu prüfen.106 Diese konkretisiert wiederum die TA Lärm, da auch die nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen den Vorschriften des Zweiten Teils des BImSchG, nämlich §§ 22 ff., unterfallen (vgl. Nr. 1 TA Lärm). Auch für sie übernimmt die TA Lärm in Nr. 4.1 die gesetzlichen Grundpflichten des Betreibers aus dem BImSchG. Die Einhaltung der o. g. Immissionsrichtwerte nach Nr. 6 ist laut Nr. 4.2 auch bei nicht genehmigungspflichtigen Anlagen sicherzustellen; dies gilt kraft Nr. 4.3 allerdings nur insoweit, als die Richtwerte nach dem Stand der Technik zur Lärmminderung eingehalten werden können, wobei der Stand der Technik auch hier nicht näher konkretisiert wird; dieser ist von den Immissionsschutzbehörden wiederum aus anderweitigen Erkenntnisquellen zu erschließen.107 Sind die Einwirkungen danach unvermeidbar, sind die Einwirkungen zu minimieren, wofür die TA Lärm den Behörden durch ausdrückliche Bezugnahme auf organisatorische Maßnahmen im Betriebsablauf, zeitliche Betriebsbeschränkungen, einzuhaltende Schutzabstände und Schallschutzmaßnahmen ein Regelungsinstrumentarium an die Hand gibt. 106 Jarass, BImSchG, § 22 Rn. 68; BVerwGE 109, 314 (319); 74, 315 (322). Zum materiellen Prüfungsumfang nach Art. 72 Abs. 1 S. 1 BayBO a. F. A. Lechner, in: A. Simon/J. Busse (Hrsg.), Bayerische Bauordnung, Kommentar, Band 1, Loseblattsammlung, Stand: 87. Lfg. (August 2007), Art. 72 Rn. 195 (Bearbeitung 2003). 107 Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Nr. 3 TA Lärm Rn. 53.

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1. Teil: Einführung in das deutsche Lärmschutzrecht

Hinsichtlich der sonstigen Bedeutung des baurechtlichen Genehmigungsverfahrens für den Lärmschutz (§§ 34, 35 BauGB, § 15 BauNVO) kann auf das oben zu den genehmigungspflichtigen Anlagen Ausgeführte verwiesen werden.108 Allerdings stellt die TA Lärm nicht die einzige Konkretisierung des BImSchG im Bereich der nicht genehmigungspflichtigen Anlagen dar. Vielmehr begrenzt neuerdings auch die 32. BImSchV109, die aufgrund § 23 Abs. 1 S. 1 BImSchG erging, das Inverkehrbringen und die Inbetriebnahme der im Anhang der Verordnung aufgeführten und zur Verwendung im Freien bestimmten Geräte und Maschinen (z. B. Kreissägemaschinen, Kompressoren, Hydraulikhämmer, Altglassammelbehälter und Rasenmäher) durch Verweisungen auf europarechtliche Vorgaben.110 Überdies trifft die 32. BImSchV, die eine Vielzahl von Normen für einzelne Maschinen ersetzt, Regelungen hinsichtlich der erlaubten Betriebszeiten solcher Geräte in empfindlichen Baugebietskategorien. Da es sich um eine Rechtsverordnung als Gesetz im materiellen Sinne handelt, sind Behörden und Gerichte wegen Art. 20 Abs. 3 GG an diese gebunden, solange und soweit sie das formelle Gesetz zutreffend konkretisiert, also ein Schutzniveau sicherstellt, das der formell-gesetzlichen Vorgabe des BImSchG gerecht wird.111 b) Lärmschutz durch Bauleitplanung Für den Lärmschutz durch Bauleitplanung ergeben sich keine wesentlichen Abweichungen im Vergleich zu den obigen Ausführungen für genehmigungspflichtige Anlagen.112 Der Schutz vor Lärm ist in der Abwägung zu berücksichtigen, Optimierungsgebote sind besonders zu gewichten. Die Orientierung an den lärmschutztechnischen Regelwerken verhilft diesen zu einer mittelbaren Bedeutung für die Bauleitplanung. c) Steuerung im Einzelfall Für betriebene nicht genehmigungspflichtige Anlagen hält § 24 BImSchG eine Befugnis zur Anordnung der nach § 22 BImSchG und den Rechtsverord108

Siehe oben B. II. 1. a), S. 33. 32. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Geräte- und Maschinenlärmschutzverordnung – 32. BImSchV) vom 29.08.2002 (BGBl. I S. 3478), zuletzt geändert durch Art. 6 Abs. 5 der Verordnung vom 06.03.2007 (BGBl. I S. 261). 110 Zu den europarechtlichen Rahmenvorgaben durch die RL 2000/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 08.05.2000, ABl. EG Nr. L 162 S. 1, siehe die Ausführungen von Koch, Industrie- und Gewerbelärm, § 56 Rn. 5 ff. 111 Uechtritz, Bewertung, FS Hoppe, S. 569 f. 112 Siehe oben B. II. 1. b), S. 36 ff. 109

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nungen erforderlichen Maßnahmen bereit. Kommt der Betreiber einer Anlage einer solchen vollziehbaren Anordnung nicht nach, kann die zuständige Behörde den Betrieb ganz oder teilweise bis zur Erfüllung der Anordnung untersagen (§ 25 Abs. 1 BImSchG), im Falle einer Gefährdung von Leben, Gesundheit oder bedeutenden Sachwerten durch von der Anlage hervorgerufene schädliche Umwelteinwirkungen soll sie dies sogar (§ 25 Abs. 3 BImSchG).

III. Sport- und Freizeitlärm Nach eigenständigen Regelungen erfolgt der Schutz vor Sport- und Freizeitlärm. 1. Sportanlagenlärm Dem hohen Konfliktpotential, das sich insbesondere aus dem Wunsch nach ruhigem Wohnen einerseits und dem Geräuschpotential sportlicher Betätigung andererseits ergibt, die oftmals und mit guten Gründen in unmittelbarer Nähe von Wohnnutzungen stattfindet, soll mithilfe der auf § 23 Abs. 1 BImSchG beruhenden 18. BImSchV113 begegnet werden.114 a) Quellenbezogener Schutz vor Sportanlagenlärm Als Sportanlagen im Sinne der 18. BImSchV gelten gemäß § 1 der Verordnung ortsfeste Einrichtungen (dies setzt ein Mindestmaß an hierzu erforderlichen Vorrichtungen voraus)115, die zur regelwerkgerechten Sportausübung bestimmt sind116 und keiner Genehmigungspflicht im Sinne von § 4 BImSchG unterliegen, einschließlich derjenigen Einrichtungen, die mit der Anlage in einem engen räumlichen und betrieblichen Zusammenhang stehen. 113 18. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Sportanlagenlärmschutzverordnung – 18. BImSchV) vom 18.07.1991 (BGBl. I S. 1588, ber. S. 1790), geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 09.02.2006 (BGBl. I S. 324). 114 U. Numberger, Probleme des Freizeitlärms, NVwZ 2002, 1064 ff. (1064); Koch, Industrie- und Gewerbelärm, § 56 Rn. 27. Beispielhaft für die Konflikte zwischen Wohnnutzung und Breitensport vor Inkrafttreten der 18. BImSchV E. Schwerdtner, Sport und Umwelt – ein nicht zu lösendes Problem?, NVwZ 1989, 936 ff. 115 Nicht der 18. BImSchV unterfallen daher bloße Sportgelegenheiten, die nicht primär dem Sport dienen, z. B. Freiflächen im Park u. dgl.; siehe hierzu G. Ketteler, Die Sportanlagenlärmschutzverordnung (18. BImSchV) in Rechtsprechung und behördlicher Praxis, NVwZ 2002, 1070 ff. (1072) m.w. N. 116 Eher abzulehnen ist daher der Einbezug von Bolzplätzen u. ä., zumal es in diesen Fällen überdies an einem Betreiber als einer wesentlichen Voraussetzung für den Anlagenbegriff des BImSchG fehlen dürfte. Vgl. hierzu BayVGH, NVwZ-RR 1994, 246 (247); Numberger, Freizeitlärm, NVwZ 2002, 1064 (1067); Ketteler, Sportanlagenlärmschutzverordnung, NVwZ 2002, 1070 (1071) m.w. N.

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1. Teil: Einführung in das deutsche Lärmschutzrecht

Da es sich um nicht genehmigungsbedürftige Anlagen im Sinne des BImSchG handelt, hat der Betreiber die Grundpflichten des § 22 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1 und 2 BImSchG zu erfüllen, also nach dem Stand der Technik vermeidbare schädliche Umwelteinwirkungen zu vermeiden und unvermeidbare auf ein Mindestmaß zu begrenzen. In Ermangelung eines immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens kommt somit wiederum der Prüfung dieser Anforderungen im Rahmen des baurechtlichen Genehmigungsverfahrens, dem Sportanlagen regelmäßig als bauliche Anlagen im Sinne des Bauordnungsrechts unterfallen,117 herausragende Bedeutung zu.118 Die Anforderungen des § 22 BImSchG an Sportanlagen werden durch die 18. BImSchV konkretisiert, insbesondere durch Immissionsrichtwerte, die in Abhängigkeit von Baugebieten der BauNVO die Unzumutbarkeit einer Lärmbelastung kennzeichnen (§ 2 d. 18. BImSchV).119 Diese Richtwerte werden gleichwohl von der Rechtsprechung als Grenzwerte betrachtet; werden sie eingehalten, ist eine erhebliche Belästigung schlechterdings ausgeschlossen.120 Dabei sind gemäß Nr. 1.1 des Anhangs alle Geräusche zu berücksichtigen, die von den Sportgeräten, den Sporttreibenden, Zuschauern oder dem Geschehen auf dem anlageneigenen Parkplatz ausgehen. Eine Überschreitung ist gemäß § 5 Abs. 5 hinzunehmen, wenn es sich um seltene Ereignisse handelt, die nach Nr. 1.5 des Anhangs allenfalls an 18 Tagen im Kalenderjahr auftreten dürfen.121 Gegebenenfalls ist die Einhaltung der Grenzwerte durch Nebenbestimmungen zur Baugenehmigung sicherzustellen (§ 5 Abs. 1 d. 18. BImSchV). Die Regelungen der 18. BImSchV gelten nach § 1 Abs. 1 nur, soweit die Sportanlage tatsächlich zum Zwecke der Sportausübung betrieben wird. Die etwa in der hohen Zahl zulässiger seltener Ereignisse oder des Messabschlags der Nr. 1.6 des Anhangs um 3 db(A) zum Ausdruck kommende Privilegierung soll nämlich nur für den Sport gelten, nicht etwa für auf der Sportanlage stattfindende sportfremde Veranstaltungen (z. B. Konzerte).122 Insofern kommt die Anwendung der Regeln für Freizeitlärm in Betracht.123

117

Ketteler, Sportanlagenlärmschutzverordnung, NVwZ 2002, 1070 (1070). Zu Einzelheiten vgl. die obigen Ausführungen unter B. II. 2. a), S. 39 f. mit Fn. 106. 119 BVerwGE 109, 246 (249); 109, 314 (319); Ketteler, Sportanlagenlärmschutzverordnung, NVwZ 2002, 1070 (1072). 120 BVerwG, NVwZ 1995, 993 f.; H.-J. Koch/U. Prall, Entwicklungen des Immissionsschutzrechts, NVwZ 2002, 666 ff. (675). 121 Siehe hierzu auch BVerwG, NVwZ 2001, 1167 (1169). 122 Vgl. hierzu Ketteler, Sportanlagenlärmschutzverordnung, NVwZ 2002, 1070 (1071 f.) m.w. N.; Jarass, BImSchG, § 23 Rn. 27; BVerwG, NVwZ 2001, 1167 (1169). Kritisch hinsichtlich der privilegierenden Funktion Numberger, Freizeitlärm, NVwZ 2002, 1064 (1069 f.). 123 Hierzu sogleich unter B. III. 2., S. 43. 118

B. Der Lärmschutz nach der bislang bestehenden Rechtslage

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b) Lärmschutz durch Planung Im Bereich der Planung gilt die 18. BImSchV nur mittelbar, insbesondere im Rahmen der Abwägung.124 Von vordringlicher Bedeutung sind dabei wiederum wegen § 2 Abs. 6 S. 1 d. 18. BImSchV die Festlegung von Baugebieten nach der BauNVO bzw. planerische Festsetzungen im Bebauungsplan; hier sei v. a. auf § 9 Abs. 1 Nrn. 5 und 15 BauGB hingewiesen. Im Übrigen ist auf die obigen Ausführungen zu verweisen. c) Steuerung im Einzelfall Zur Durchsetzung eines verordnungsgerechten Immissionsschutzniveaus besteht gemäß § 5 Abs. 2 d. 18. BImSchV die Befugnis der Behörde, Maßnahmen anzuordnen, die in § 3 d. 18. BImSchV nicht abschließend aufgeführt sind (z. B. die dezentrale Errichtung von Lautsprecheranlagen; technische und bauliche Schallschutzmaßnahmen; Einwirken auf das Zuschauerverhalten; lärmmindernde Parkplatzorganisation), oder die Betriebszeiten der Anlage zu beschränken. Im Übrigen gelten §§ 24, 25 BImSchG.125 Anlässlich der in Deutschland ausgetragenen Fußball-Weltmeisterschaft wurde 2006 eine neue Ausnahmevorschrift in die Verordnung eingefügt, nach der die zuständigen Behörden für internationale oder nationale Sportveranstaltungen von herausragender Bedeutung im öffentlichen Interesse Ausnahmen von den Bestimmungen des § 5 Abs. 5, einschließlich einer Überschreitung der Anzahl der seltenen Ereignisse nach Nummer 1.5 des Anhangs, zulassen können (§ 6 S. 1 der 18. BImSchV).126 2. Freizeitlärm Für den Schutz vor sonstigem Freizeitlärm besteht indes keine eigene Rechtsverordnung. Gemeint sind damit Geräusche, die von nicht genehmigungsbedürftigen ortsfesten oder beweglichen Anlagen ausgehen, die im weitesten Sinne der Freizeitgestaltung dienen (z. B. Festplätze, Veranstaltungshallen, Biergärten, Diskotheken).127 Da es sich um nicht genehmigungsbedürftige Anlagen handelt, die die Betreiberpflicht nach § 22 BImSchG auslösen, kann hinsichtlich der Bedeu-

124

BVerwGE 109, 246 (249 f.). Zur Bedeutung von § 24 BImSchG neben § 5 der 18. BImSchV siehe Jarass, BImSchG, § 24 Rn. 1 m.w. N. 126 Angesichts des Ausnahmecharakters der Fußball-Weltmeisterschaft, mit der allenfalls Olympische Spiele vergleichbar sein dürften, als Anlass der Neuregelung viel zu weit Reidt/Schiller, in: Landmann/Rohmer, § 6 18. BImSchV Rn. 9 ff., 23 f. 127 In diesem Sinne auch Koch, Industrie- und Gewerbelärm, § 56 Rn. 12. 125

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1. Teil: Einführung in das deutsche Lärmschutzrecht

tung des Baugenehmigungsverfahrens128 und der gemeindlichen Bauleitplanung129 auf oben verwiesen werden. Eine bundesrechtliche konkretisierende Vorschrift besteht für diesen Bereich nicht; solche Anlagen unterfallen weder der TA Lärm (vgl. Nr. 1 lit. b TA Lärm), noch der 18. BImSchV. Deshalb kann hier allenfalls auf eine Musterverwaltungsvorschrift des Bund-/Länderausschusses für Immissionsschutz (LAI)130, die sog. Freizeitlärmrichtlinie131, zurückgegriffen werden, die eigene Immissionsrichtwerte enthält132 und – soweit sie nicht in einigen Bundesländern als Verwaltungsvorschrift in Kraft gesetzt wurde133 – ein privates Regelwerk darstellt, das nach der Rechtsprechung in Genehmigungsverfahren als Anhaltspunkt134 bzw. Entscheidungshilfe mit Indizcharakter135 für die Ausformung der Anforderungen des § 22 BImSchG herangezogen werden darf. Hinsichtlich der Bedeutung für die Bauleitplanung kann somit auf das oben zu DIN 18005 Ausgeführte verwiesen werden.136 Für die Steuerung im Einzelfall kommen wiederum §§ 24, 25 BImSchG in Betracht.

IV. Verkehrslärm Bei der Bewältigung des besonders belastenden Verkehrslärms137 ist zwischen Straßen- und Schienenverkehrslärm einerseits bzw. Fluglärm andererseits zu trennen. 128

Siehe oben B. II. 2. a), S. 39. Siehe oben B. II. 2. b), S. 40. 130 Zur Funktion des LAI siehe näher H. Schulze-Fielitz, Immissionsschutz als Feld bundesstaatlichen Wettbewerbs?, NuR 2002, 1 ff. (2 f.). 131 Anhang B zur Musterverwaltungsvorschrift zur Ermittlung, Beurteilung und Verminderung von Geräuschimmissionen vom 02.–04.05.1995, beschlossen in der 88. Sitzung des Länderausschusses für Immissionsschutz vom 02.05.–04.05.1995 in Weimar, abgedruckt bei C. Ule/H. Laubinger (Hrsg.), Bundes-Immissionsschutzgesetz, Loseblattsammlung, Stand: 106. Lfg. (November 2008), unter Ziffer LAI 16. 132 Eingehend hierzu H.-J. Koch/C. Maaß, Die rechtlichen Grundlagen zur Bewältigung von Freizeitlärmkonflikten, NuR 2000, 69 ff. (74 ff.). 133 Vgl. die Nachweise hierzu bei Ketteler, Sportanlagenlärmschutzverordnung, NVwZ 2002, 1070 (1071) m. Fn. 17. In Bayern wird auch nach der Abschaffung der früheren Ziff. 22.1 der Vollzugsbekanntmachung zum BImSchG (VB BImSchG 2.0, AllMBl. 1998 S. 117; aufgehoben durch Bek. v. 09.10.2003, AllMBl. 2003 S. 846) weiterhin die 18. BImSchV entsprechend angewendet; vgl. BayLfU, Kurzanleitung zur Bestimmung der Beurteilungspegel für die Geräusche von Sport- und Freizeitanlagen, http://www.lfu.bayern.de/laerm/fachinformationen/doc/sport_kurzanleitung.pdf (17.12. 2008). 134 BVerwGE 88, 143 (148 f.). 135 BVerwG, NVwZ 2001, 1167 (1168). 136 Siehe oben B. II. 1. b), S. 37. 137 H.-J. Koch, Verkehrslärm, in: H.-W. Rengeling (Hrsg.), Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht, Band II: Besonderes Umweltrecht, 1. Teilband, 2. Aufl. 2003, § 55 Rn. 11 ff. 129

B. Der Lärmschutz nach der bislang bestehenden Rechtslage

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1. Straßen- und Schienenverkehrslärm a) Produktbezogener Lärmschutz Fahrzeuge aller Art müssen nach § 38 Abs. 1 BImSchG so beschaffen sein, dass ihre Emissionen die zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen einzuhaltenden Grenzwerte nicht überschreiten; vermeidbare Emissionen sind zu verhindern, unvermeidbare zu minimieren. Wegen der vollständigen Harmonisierungspolitik der EG138 im Bereich der Beschaffenheit von Kraftfahrzeugen und Motorrädern, dem Schwerpunkt139 des europäischen Lärmschutzes, ist die praktische Relevanz des § 38 BImSchG im Verhältnis zu den zahlreichen EGRichtlinien140 aber gering,141 die über Verweisungen in § 49 StVZO in die deutsche Rechtsordnung integriert wurden. Für Schienenfahrzeuge fehlte es bislang an solchen Vorgaben weitgehend.142 Gestützt auf Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2001/16/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Interoperabilität des konventionellen transeuropäischen Eisenbahnsystems143 hat die Europäische Kommission jedoch mittlerweile produktbezogene Emissionsgrenzwerte auch für Schienenfahrzeuge festgelegt. Das entsprechende Regelwerk trägt die Bezeichnung einer „Technischen Spezifikation für die Interoperabilität des Teilsystems ,Lärm‘ des konventionellen transeuropäischen Bahnsystems“ – kurz: „TSI Lärm“ oder auch „TSI Noise“ – und wurde rechtsförmig als Entscheidung der Kommission144 i. S. d. Art. 249 Abs. 4 EGV erlassen. Die TSI Lärm betrifft gemäß Ziffer 1.1 die von Güterwagen, Lokomotiven, Triebzügen und Reisezugwagen ausgehenden Lärmemissionen und unterscheidet jeweils Grenzwerte für das Standgeräusch, das Anfahrgeräusch, das Fahrgeräusch sowie das Innengeräusch im Führerstand konventioneller Bahnfahrzeuge (Ziffer 2.1). Erste praktische Wirkungen entfaltet die TSI Lärm im Bereich des Güterverkehrs, wo die neuen Produktvorschriften eine weitere Verwendung von herkömmlichen Grauguss-Bremsen unmöglich machen und eine Umstellung der Bremssysteme auf sog. K-Sohlen-Systeme erfordern, die eine Rillenbildung auf 138

Hierzu Koch, Verkehrslärm, § 55 Rn. 55. Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, Vor §§ 38–43 Rn. 72; Koch, Verkehrslärm, § 55 Rn. 68. 140 Siehe hierzu im Überblick Koch, Verkehrslärm, § 55 Rn. 16 ff.; Schulze-Fielitz, Straßenverkehrslärm, ZUR 2002, 190 (191); ausführlich ders., in: GK-BImSchG, § 38 Rn. 22 ff. 141 Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 38 Rn. 81. 142 Koch, Verkehrslärm, § 55 Rn. 27; ders., Fünfzig Jahre, ZfL 2002, 234 (240). 143 RL 2001/16/EG vom 19.03.2001, ABl. EG 2001 Nr. L 110 S. 1. 144 Entscheidung der Kommission Nr. 2006/66/EG vom 23.12.2005, ABl. EG 2006 Nr. L 37 S. 1. 139

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1. Teil: Einführung in das deutsche Lärmschutzrecht

der Radlauffläche beim Bremsvorgang verhindern und dadurch der Entstehung lauter Rollgeräusche vorbeugen.145 Die hierdurch erreichbare Reduzierung des Schalldruckpegels eines vorbeifahrenden Güterzugs um 8 db(A) bis 10 db(A),146 also mithin etwa eine Halbierung des Lärms,147 zeigt erneut die überragende Bedeutung des Lärmschutzes an der Quelle gegenüber aktiven oder passiven Maßnahmen auf dem Schallausbreitungsweg auf. b) Schutz vor Straßen- und Schienenverkehrslärm durch Planung Große Bedeutung hat für den Schutz vor Straßen- und Schienenverkehrslärm das Planungsrecht und hier insbesondere das Fachplanungsrecht, das sich überwiegend in Planfeststellungsverfahren (z. B. § 17 FStrG, § 18 AEG, § 28 PBefG) vollzieht.148 Dabei ist das Stufenmodell149 der §§ 50, 41 bis 43 BImSchG einzuhalten: Auf der ersten Stufe sind durch eine schonende Trassenplanung Verkehrsimmissionsbelastungen weitestgehend zu vermeiden (vgl. § 50 BImSchG);150 hierbei ist auch der raumordnungsrechtliche Grundsatz der Verkehrsvermeidung zu beachten (§ 2 Abs. 2 Nr. 12 S. 3 i.V. m. § 4 Abs. 2 ROG).151 Auf der zweiten Stufe ist bei Bau und wesentlicher Änderung von Straßen- oder Schienenwegen gemäß § 41 Abs. 1 BImSchG sicherzustellen, dass nach dem Stand der Technik vermeidbare Umwelteinwirkungen nicht hervorgerufen werden können (aktiver Lärmschutz); es handelt sich dabei um einen durch Abwägung nicht überwindbaren Planungsleitsatz.152 Ist dies wegen finanzieller Unverhältnismäßigkeit (§ 41 Abs. 2 BImSchG) untunlich oder technisch nicht durchführbar, sind als dritte Stufe bei Überschreitung der maßgeblichen Grenzwerte passive Schallschutzmaßnahmen an belasteten baulichen Anlagen angezeigt, wobei die erforderlichen Aufwendungen des Eigentümers zu entschädigen sind (§ 42 Abs. 1 und 2 BImSchG). 145 Instruktiv hierzu M. Fleckenstein/C. Vogt, Umgebungslärm – Maßnahmen der Deutschen Bahn AG zur Minderung des Schienenverkehrslärms, Lärmbekämpfung 2007, 24 ff. (25). 146 Fleckenstein/Vogt, Maßnahmen der Deutschen Bahn AG, Lärmbekämpfung 2007, 24 ff. (25). 147 SRU, Sondergutachten 1999, BT-Drs. 14/2300, S. 159 (Informationskasten „Lärmmessung“). 148 Zum straßenbezogenen Lärmschutz siehe insbesondere S. Strick, Lärmschutz an Straßen, 2. Aufl. 2006. 149 Siehe hierzu Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 41 Rn. 2. Ähnlich Koch, Verkehrslärm, § 55 Rn. 30: Entschädigung nach § 74 Abs. 2 S. 2 VwVfG als vierte Stufe. Vgl. auch M. Schulte, Schienenverkehrslärm, ZUR 2002, 195 ff. (197). 150 Schulze-Fielitz, Planung, S. 183. 151 Näher W. Erbguth, Verkehrsvermeidung durch Raumordnung – Zugleich zur nachhaltigkeitsbedingten „Wegwägsperre“, NVwZ 2000, 28 ff. (30). 152 Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 41 Rn. 20.

B. Der Lärmschutz nach der bislang bestehenden Rechtslage

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Welche Immissionen nach dem Stand der Technik153 als unzumutbar anzusehen sind,154 konkretisiert die 16. BImSchV155, deren § 2 Außen-Immissionsgrenzwerte enthält, die eine ungestörte Kommunikation tagsüber bzw. ungestörten Schlaf nachts ermöglichen.156 Allerdings werden Geräuschpegelspitzen nicht als solche erfasst, sondern „weggemittelt“, obwohl es sich um Pegel jenseits der Aufweckschwelle handeln kann.157 Problematisch ist weiter, dass die Regelungen der 16. BImSchV nur für die bei der Errichtung und wesentlichen Änderung158 von Verkehrswegen an sich auftretenden Belastungen gelten; für Anwohner, die unter der schleichenden Zunahme der Belastung an einem unveränderten Verkehrsweg oder Ausweichverkehr infolge einer Veränderung andernorts leiden, ergibt sich keine lärmschützende Wirkung.159 Ein Anspruch auf Lärmsanierung an solchen Strecken ist nicht vorgesehen.160 Der Schienenverkehr wird gemäß § 3 i.V. m. Anlage 2 der 16. BImSchV mit einem Pegelabschlag von 5 db(A) privilegiert. Für die Erforderlichkeit der passiven Schallschutzmaßnahmen gelten die eigenständigen innenraumbezogenen161 Immissionsgrenzwerte der 24. BImSchV.162 An diesen Werten hat sich auch die Beurteilung der Zumutbarkeit von Körperschallereignissen in Gebäuden zu orientieren.163 Die gemeindliche Bauleitplanung kann zu Lärmschutzzwecken Verkehrsleitplanung in den Grenzen des § 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB i.V. m. dem genannten Stufenmodell betreiben.164 153

Hierzu näher Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 41 Rn. 65 f. Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 41 Rn. 58 und 60 ff. m.w. N.: Auf ein Vorsorgeniveau ziele § 41 BImSchG nicht ab (str.). 155 Sechzehnte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verkehrslärmschutzverordnung – 16. BImSchV) vom 12.06.1990 (BGBl. I S. 1036), zuletzt geändert durch Art. 3 G vom 19.09.2006 (BGBl. I S. 2146). 156 Schulze-Fielitz, Planung, DÖV 2001, 181 (184); vgl. auch BVerwG, NJW 1995, 2572 (2573). 157 Schulze-Fielitz, Planung, DÖV 2001, 181 (189). 158 Eingehend hierzu H. Jarass, Neues von den Schwierigkeiten des Verkehrsimmissionsschutzes, in: FS Feldhaus, S. 235 ff. (235). 159 Jarass, Schwierigkeiten, FS Feldhaus, S. 237; Schulze-Fielitz, Straßenverkehrslärm, ZUR 2002, 190 (193). 160 Dies wohl vor allem aus fiskalischen Gründen; vgl. hierzu Koch, Verkehrslärm, § 55 Rn. 32; Schulze-Fielitz, Planung, DÖV 2001, 181 (191): „größtes Defizit“; Schulte, Schienenverkehrslärm, ZUR 2002, 195 (199). Zur Lärmsanierung an Schienenwegen aufgrund Haushaltsrechts anschaulich Fleckenstein/Vogt, Maßnahmen der Deutschen Bahn AG, Lärmbekämpfung 2007, 24 (25). 161 Jarass, BImSchG, § 42 Rn. 19. 162 24. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verkehrswege-Schallschutzverordnung – 24. BImSchV) vom 04.02.1997 (BGBl. I S. 172, ber. S. 1253), zuletzt geändert durch Art. 3 der Verordnung vom 23.09.1997 (BGBl. I S. 2329). 163 VGH BW, EzKommR Nr. 1500.1478 = ZUR 2006, 549. 164 Koch, Verkehrslärm, § 55 Rn. 34 f. 154

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1. Teil: Einführung in das deutsche Lärmschutzrecht

c) Steuerung im Einzelfall Für Steuerungsmöglichkeiten abseits der Planung ist an die straßenrechtliche Widmung einer Verkehrsfläche z. B. als Fußgängerbereich zu denken, ferner an straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen aufgrund § 45 StVO.165 Da das Straßenverkehrsrecht aber als Gefahrenabwehrrecht vordringlich der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs zu dienen bestimmt ist, eignet es sich nur bedingt zur ökologischen Vorsorge.166 Eine Nutzungsuntersagung ähnlich § 25 BImSchG gibt es für Verkehrswege freilich nicht.167 2. Fluglärm Ein produktbezogener Schutz vor Fluglärm ist auf nationaler Ebene nicht sinnvoll. Deshalb werden durch Übereinkommen der Internationalen Zivilluftfahrtsorganisation ICAO Flugzeugtypen schalltechnisch klassifiziert, woran sich auch die LuftVZO168 orientiert. Die Klassifizierung kann als Grundlage für die Versagung der Verkehrszulassung, für Lärmentgelte und Landeverbote für laute Maschinen dienen.169 Ansatzpunkt für den planerischen Lärmschutz ist § 8 Abs. 1 LuftVG170: Hiernach sind die Errichtung und Erweiterung von Flughäfen planfestzustellen. Neben der planerischen Bewältigung der Lärmproblematik (Planrechtfertigung, Alternativstandorte, Lage der Startbahnen) unter Würdigung aller nicht unerheblichen Lärmschutzbelastungen in der Abwägung kommen die Festsetzung von Betriebsregelungen (z. B. Nachtflugbeschränkungen) sowie Schallschutzmaßnahmen in Betracht, bei denen die aktiven aber den passiven nicht wie in §§ 41 ff. BImSchG vorgehen.171 Seit 2007 verlangt § 8 Abs. 1 S. 3 LuftVG dabei – endlich – die Beachtung der jeweils anwendbaren Werte des zeitgleich novellierten172 § 2 Abs. 2 des Fluglärmschutzgesetzes.173 Dieses sieht die Einrichtung von Lärmschutzberei165

Koch, Verkehrslärm, § 55 Rn. 39 f. So Schulze-Fielitz, Straßenverkehrslärm, ZUR 2002, 190 (194 f.). 167 Jarass, Schwierigkeiten, FS Feldhaus, S. 245. 168 Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung (LuftVZO) i. d. F. vom 10.07.2008 (BGBl. I S. 1229). 169 Die internationale Zusammenarbeit erleichtert wie erschwert dabei effizienten Lärmschutz; vgl. Koch, Verkehrslärm, § 55 Rn. 22 ff.; ders., Fünfzig Jahre, ZfL 2002, 235 (238). 170 Luftverkehrsgesetz i. d. F. der Bekanntmachung vom 10.05.2007 (BGBl. I S. 698), zuletzt geändert durch Art. 9 G vom 11.12.2008 (BGBl. I S. 2418). 171 D. Czybulka, Die rechtliche Bewältigung der Fluglärmproblematik, UPR 1999, 126 ff. (128); Schulze-Fielitz, Planung, S. 185. 172 Gesetz zur Verbesserung des Schutzes vor Fluglärm in der Umgebung von Flugplätzen vom 01.06.2007 (BGBl. I S. 986). 166

B. Der Lärmschutz nach der bislang bestehenden Rechtslage

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chen vor (§ 2 Abs. 1), in denen Bauverbote bestehen bzw. besonderer Schallschutz gewährt wird (§ 5 ff. FluglärmG).174 Die Abgrenzung der Schutzbereiche erfolgt nach dem Maße der Lärmbelastung. § 2 Abs. 2 FluglärmG hält hierfür jeweils unterschiedliche Schallpegel für neue bzw. wesentlich geänderte zivile Flugplätze bereit. Während die Dauerschallpegel tagsüber jeweils noch zwei Schutzzonen unterscheiden (LAeq Tag = 60/55 db[A] für neue bzw. 65/ 60 db[A] für bestehende Flugplätze), gelten nachts einheitliche Dauerschallpegel von 53 db(A) für neue/geänderte Flugplätze bzw. von 55 db(A) für bestehende Flugplätze. Gänzlich neu ist, dass nachts maximale Spitzenpegelereignisse von LAmax = 653 db(A) bzw. 657 db(A) normiert sind. Ab 2011 werden die Nachtwerte für neue und geänderte Flughäfen jeweils nochmals reduziert. Militärische Flugplätze sind demgegenüber privilegiert. Darin liegt eine deutliche Verbesserung gegenüber dem Fluglärmschutzgesetz 1971. Dieses ging von zulässigerweise erreichbaren Mittelungspegeln aus, die seit Jahren als völlig untragbar angesehen wurden.175 Der Lärmschutzbereich wurde durch äquivalente Dauerschallpegel in Schutzzone 1 und 2 von mehr als 75/67 db(A) definiert, also Werten, die als gesundheitsgefährdend anzusehen sind. Die Bewertungsregeln sahen auch keine Berücksichtigung von Geräuschspitzen vor, die insbesondere für die Nachtruhe176 von Bedeutung sind. Deshalb handelte es sich bei dem Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm auch eher um ein Gesetz zum Schutz des Flugverkehrs vor Restriktionen.177 Eine nicht überwindbare äußerste Grenze der zumutbaren Beeinträchtigung sahen die Gerichte zwar in § 9 Abs. 2 LuftVG. Jedoch lag die konkrete Auslegung dieser Grenze mit 55 db(A) (innen) an der Aufweckschwelle.178 Am 19.11.2008 hat das Bundeskabinett die 1. Fluglärmschutzverordnung (1. FlugLSV) zum novellierten Fluglärmgesetz beschlossen.179 Die Verkündung 173

Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm i. d. F. vom 31.10.2007 (BGBl. I S. 2550). Siehe zum Schutzkonzept des novellierten Fluglärmgesetzes eingehend Wysk, Fluglärmgesetz, Lärmbekämpfung 2007, 243 ff. Näher zum Anspruch auf passiven Schallschutz zum Schutze vor nächtlichem Fluglärm jüngst BVerwG, NVwZ 2007, 219. 175 Schulze-Fielitz, Planung, DÖV 2001, 181 (185); Czybulka, Bewältigung, UPR 1999, 126 (128 f.); Koch, Fünfzig Jahre, ZfL 2002, 235 (238). 176 Die Nachtzeit wird überdies mit 22–6 Uhr extrem kurz bemessen, s. Anlage zu § 3 Nr. 1a. 177 Schulze-Fielitz, Planung, DÖV 2001, 181 (185). Ähnlich Czybulka, Bewältigung, UPR 1999, 126 (127): „Unterregulierung“; Koch, Fünfzig Jahre, ZfL 2002, 235 (238): „Regelungsversagen“; a. A. BVerfGE 56, 54 (80 ff.) – keine evidente Untätigkeit oder offensichtlich fehlsame Maßnahmen. 178 BVerwGE 56, 110 (123, 129 f.); 87, 332 (341 ff., 372 ff.); 107, 313 (322 f.); Schulze-Fielitz, Planung, DÖV 2001, 181 (185). Zu weiteren Modifizierungen der Zumutbarkeitskriterien durch die Rspr. vgl. eingehend K. Dolde, Rechtliche Aspekte einer Gesamtlärmbetrachtung, ZfL 2001, 100 ff. (104). 179 BMU, Pressemitteilung Nr. 268/08 vom 19.11.2008. 174

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1. Teil: Einführung in das deutsche Lärmschutzrecht

der 1. FlugLSV wird erfolgen, sobald die insoweit vorgreiflichen Regelwerke AzB180 und AzD181 im Bundesanzeiger veröffentlicht sind.182 Mit diesem Schritt dürfte dann auch der unübliche Halbierungsparameter q = 4 im Flugbereich zugunsten des allgemein üblichen Parameters q = 3 verschwinden.

V. Die mangelnde Gesamtgeräuschbewertung im untergesetzlichen Regelwerk Das BImSchG will nach mittlerweile einhelliger Ansicht im Schrifttum einen wirksamen Schutz vor Immissionen im Sinne einer Gesamtbelastung bieten. Aus wie vielen Quellen welcher Art die Belastungsanteile stammen, ist für die Situation des Rezipienten am Einwirkungsort schließlich unerheblich.183 Die vorstehende Einführung in die Rechtsgrundlagen hat jedoch gezeigt, dass diese entgegen der Akzeptororientierung des BImSchG segmentiert bei den einzelnen Arten von Lärmquellen ansetzen und dabei überwiegend nur auf die konkrete Anlage blicken. Zwar bemüht sich neuerdings die TA Lärm um einen stärkeren Akzeptorbezug,184 indem sie eine Zwischenwertbildung bei Gemengelagen unterschiedlich schutzwürdiger Gebiete (Nr. 6.7) und eine Berücksichtigung der Vorbelastung (Nr. 2.4 i.V. m. Nr. 3.2.1 bzw. Nr. 4.2 lit. c) vorsieht; letzteres gilt aber nur bei einer Vorbelastung durch Anlagen, die gleichfalls der TA Lärm unterliegen.185 Insbesondere der Verkehrslärm ist wegen der Beschränkung des Anwendungsbereichs auf Anlagen i. S. d. § 3 Abs. 5 BImSchG von vorneherein als Element der Summenbildung ausgeschlossen.186 Auch die 18. BImSchV sieht eine Gesamtbeurteilung beim Aufeinandertreffen mehrerer Sportanlagen vor (§ 2 Abs. 1). Eine summative Betrachtung mit anderen Anlagen findet jedoch nicht statt; so sieht die Rechtsprechung in der 18. BImSchV die verordnungsgeberische Wertung, Sportlärm in Grenzen der 180

Anleitung zur Berechnung von Lärmschutzbereichen. Anleitung zur Datenerfassung über den Flugbetrieb. 182 BMU, Stellungnahme „Untergesetzliches Regelwerk zum Fluglärmgesetz“, Stand: 21.11.2008, http://www.bmu.bund.de (14.12.2008). 183 Dolde, Probleme der Gesamtlärmbewertung, S. 452; ders., Gesamtlärmbetrachtung, ZfL 2001, 100 (100); Schulze-Fielitz, Planung, DÖV 2001, 181 (187); H.-J. Koch, Die rechtliche Beurteilung der Lärmsummation nach BImSchG und TA Lärm 1998, in: FS Feldhaus, S. 215 ff. (218). Zu weiteren Summationsproblematiken im Umweltrecht vgl. N. Herrmann/Th. Wagner, Grenzen der Summation und Kumulation im Umweltrecht, NuR 2005, 20 ff. 184 Diese Ansätze hält Schulze-Fielitz, Planung, DÖV 2001, 181 (187), dennoch für nicht ausreichend. 185 Dolde, Gesamtlärmbetrachtung, ZfL 2001, 100 (101). 186 Dolde, Probleme der Gesamtlärmbewertung, S. 453. 181

B. Der Lärmschutz nach der bislang bestehenden Rechtslage

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18. BImSchV sei grundsätzlich trotz einer Vorbelastung durch andere Anlagen zumutbar, sofern diese den ihrerseits beachtlichen Regeln entsprächen.187 Der Ziel- und Quellverkehr der Sportanlage ist nach Nr. 1.1 des Anhangs der 18. BImSchV ausdrücklich gesondert zu beurteilen. Die LAI-Freizeitlärmrichtlinie sieht keine Gesamtbetrachtung mit gleichoder andersartigen Anlagen vor.188 Auch § 2 Abs. 1 FluglärmG blickt bei der Ausweisung von Schutzzonen allein auf die Belastung durch Fluggeräusche.189 Besonders stark fällt die Segmentierung im Bereich der 16. BImSchV aus, wo ausschließlich auf die hinzutretende Belastung durch den neuen Verkehrsweg bzw. durch die Änderung des bestehenden Wegs abgestellt wird.190 Es wird vorgeschlagen, diesem als nicht gesetzeskonform191 erkannten Zustand durch ein Ausweichen in Sonderfallprüfungen zu begegnen;192 hierfür existieren jedoch keine konkretisierten Maßstäbe.193 Eine ebenfalls vorgeschlagene gesetzeskonforme Auslegung insbesondere der 16. BImSchV lehnt das Bundesverwaltungsgericht ab: § 41 Abs. 1 BImSchG schließe einen Akzeptorbezug wie in § 3 Abs. 1 BImSchG zwar nicht aus, gebiete ihn aber auch nicht. Nach der zulässigen gesetzgeberischen Wertung müsse eine Vorbelastung nicht berücksichtigt werden, sofern keine Gesundheitsgefahr eintrete.194 Zu Recht ist dem entgegengehalten worden, dass nicht ersichtlich ist, dass der Gesetzgeber den einheitlichen Begriff der schädlichen Umwelteinwirkung insoweit aufgeben wollte; im Übrigen kann gerade die Frage einer Gesundheitsgefahr nur bei der abgelehnten Gesamtbetrachtung sinnvoll beantwortet werden.195 Zwar konnte die Lärmwirkungsforschung bislang letztlich keine Verfahren zu einer einheitlichen Bewertung verschiedenartigen Lärms zur Verfügung stel-

187

BVerwG, NVwZ 2001, 1167 (1169). Dolde, Gesamtlärmbetrachtung, ZfL 2001, 100 (102 f.). 189 So auch Dolde, Probleme der Gesamtlärmbewertung, S. 457. 190 Schulze-Fielitz, Planung, DÖV 2001, 181 (187). 191 Statt vielen Koch, Lärmsummation, FS Feldhaus, S. 227, 233; H. Schulze-Fielitz, Die neuere Verwaltungsrechtsprechung zum Lärmschutz als technische und fiskalische Gratwanderung, Die Verwaltung 35 (2002), 525 ff. (535). 192 G. Feldhaus, 30 Jahre TA Lärm. Auf dem Wege zum gesetzeskonformen Lärmschutz?, in: H.-J. Koch (Hrsg.), Aktuelle Probleme des Immissionsschutzrechts, 1998, S. 181 ff. (184). Zustimmend Koch, Lärmsummation, FS Feldhaus, S. 224, 232. 193 Kritisch daher Dolde, Gesamtlärmbetrachtung, ZfL 2001, 100 (101). Zu den Schwierigkeiten der Sonderfallprüfungsregelung der Nr. 3.2.2 TA Lärm als einer generalklauselartigen Bestimmung, die in zwei Sätzen zwei Dutzend unbestimmte Rechtsbegriffe enthalte, siehe Schulze-Fielitz, 30 Jahre TA Lärm, S. 200 f. 194 BVerwGE 101, 1 (3 ff., 9 ff.). 195 Koch, Lärmsummation, FS Feldhaus, S. 217 f.; Schulze-Fielitz, Neuere Verwaltungsrechtsprechung, Die Verwaltung 35 (2002), 525 (535f.); Dolde, Gesamtlärmbetrachtung, ZfL 2001, 100 (102); ders., Probleme der Gesamtlärmbewertung, S. 456. 188

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1. Teil: Einführung in das deutsche Lärmschutzrecht

len.196 Zumindest im Bereich gleichartigen Lärms197 ist aber eine Gesamtgeräuschbetrachtung grundsätzlich möglich, wenn auch nur unter größeren technischen Schwierigkeiten. Mit der bislang im Entwurfsstadium steckengebliebenen VDI 3722 – Blatt 2 könnte jedenfalls für die verschiedenen Arten der Verkehrsimmissionen ein erheblicher Fortschritt in Richtung einer Gesamtgeräuschbewertung bevorstehen. Das untergesetzliche Regelwerk wird daher dem gesetzlichen Anspruch schon derzeit alles in allem nicht gerecht.198 Prägendes Element des deutschen Lärmschutzrechts ist für Dolde nicht die durch § 3 Abs. 1 BImSchG vorgegebene Gesamtbetrachtung von Geräuschen, sondern die Segmentierung der Schallquellen, die nur bereichsweise den Anlagenbezug überschreite. An keiner Stelle des einschlägigen Regelwerks gebe es eine Pflicht zur Bewertung des Gesamtlärms und ein taugliches Instrument zur Erfüllung dieser Pflicht.199 Dem ist zuzustimmen. Zugegeben schwierige Folgefragen200 nach Irrelevanzschwellen, der Zurechenbarkeit der Verursachungsanteile und der gerechten Verteilung der Vermeidungslasten einschließlich fiskalischer Belastungen ändern nichts an der Erforderlichkeit einer Weiterentwicklung.

VI. Die Lärmminderungsplanung nach § 47a BImSchG a. F. als Instrument flächenbezogenen Lärmschutzes Einen Ansatz in Richtung einer Gesamtgeräuschbetrachtung bot § 47a BImSchG a. F.201, der eine Lärmminderungsplanung als Instrument eines flächenbezogenen Lärmschutzes vorsah.202 Danach hatten die zuständigen Behör-

196 H. Schulze-Fielitz, Der Raum als Determinante im Immissionsschutzrecht, in: H. Dreier/H. Forkel/K. Laubenthal (Hrsg.), Raum und Recht. Festschrift 600 Jahre Würzburger Juristenfakultät, 2002, S. 711 ff. (732); Berkemann, Schutzanspruch, S. 144. 197 Siehe hierzu aber noch unten 5. Teil, C. IV. 2., S. 194 f. 198 Prägnant Dolde, Gesamtlärmbetrachtung, S. 103; ebenso S. Moradi Karkaj, Die Gesamtlärmbewertung im Immissionsschutzrecht, 2008, S. 305. 199 Dolde, Probleme der Gesamtlärmbewertung, S. 458. 200 Siehe hierzu insbesondere Dolde, Probleme der Gesamtlärmbewertung, S. 470 f.; ders., Gesamtlärmbetrachtung, ZfL 2001, 100 (109 f.); Berkemann, Schutzanspruch, ZfL 2001, 134 (144). 201 § 47a BImSchG, eingefügt durch Art. 1 Nr. 27 des Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes vom 11.05.1990 (BGBl. I S. 870) in der durch Art. 1 Nr. 10 des Siebten Gesetzes zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes vom 11.09.2002 (BGBl. I S. 3622) geänderten Fassung, aufgehoben durch Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Umsetzung der EG-Richtlinie über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm vom 24.06.2005 (BGBl. I S. 1794). 202 Vgl. hierzu die seinerzeitige Kommentierung von H. Jarass, Bundes-Immissionsschutzgesetz, Kommentar, 6. Aufl. 2005, § 47a Rn. 1.

B. Der Lärmschutz nach der bislang bestehenden Rechtslage

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den, in der Regel die Gemeinden, die Lärmbelastung und ihre Umweltauswirkungen zu erfassen (Abs. 1). Wurden für Wohn- oder andere schutzwürdige Gebiete nicht nur vorübergehend schädliche Umwelteinwirkungen aufgrund von Geräuschen festgestellt oder erwartet, die nur über ein abgestimmtes Vorgehen gegen verschiedenartige Lärmquellen, d.h. insbesondere unter Beteiligung von Behörden verschiedener Verwaltungsträger,203 beseitigt oder vermindert werden konnten, so waren für diese Gebiete Lärmminderungspläne aufzustellen (Abs. 2). Maßgebliche Anhaltspunkte für das dabei angezeigte Vorgehen bot eine Musterverwaltungsvorschrift des LAI204, die empfahl, zunächst in einer vereinfachten Vorprüfung abzuschätzen, für welche Gebiete erhebliche Belästigungen erwartet werden konnten (Nr. 4). Für diese waren Ist-Belastung (Schallimmissionspläne) und Belastungsgrenze (Immissionsempfindlichkeitspläne) gesondert nach Lärmquellen unter Zugrundelegung der jeweils maßgeblichen Regelwerke zeichnerisch darzustellen (Nr. 5.2, 5.3). In Gebieten, in denen die Grenzwerte nur knapp eingehalten wurden, war durch Einzelfallprüfung eine kumulative erhebliche Belästigung aufgrund verschiedener Lärmarten zu prüfen (Nr. 5.4). Wurde ein Grenzwert überschritten oder in zwei Lärmarten um max. 5 db(A) unterschritten, war ein Lärmminderungsplan aufzustellen (Nr. 6). Dieser bestand gemäß § 47a Abs. 3 BImSchG a. F. aus einem deskriptiven Teil und einem Maßnahmenteil. Als Maßnahmen zur Lärmvermeidung bzw. -verminderung kamen dabei vor allem solche des Straßenverkehrs-, Straßenund Bauplanungsrechts in Betracht.205 Der Plan band gemäß § 47a Abs. 4 i.V. m. § 47 Abs. 6 S. 1 BImSchG a. F. andere Behörden, die die geplanten Maßnahmen im Zuge ihrer Tätigkeit umzusetzen hatten, soweit sie dies rechtmäßig tun konnten. § 47a BImSchG a. F. war dabei keine Ermächtigungsgrundlage für belastende Maßnahmen gegenüber dem Bürger.206 Nach S. 2 bestand eine geringere Bindungswirkung bei planerischen Festlegungen, die die Planungsträger lediglich bei ihrer planerischen Abwägung zu berücksichtigen hatten.207

203 Für Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47a a. F. Rn. 173 (Bearbeitung 1995), ist das Kooperationserfordernis entscheidend; bei „verschiedenartigen Lärmquellen“ müsse es sich aber teleologisch nicht zwingend um verschiedene Lärmarten handeln. Wohl zustimmend A. Schmidt, Weiterentwicklung der Lärmminderungsplanung. Die Rechtsgrundlagen in § 47a BImSchG und die EG-Richtlinie 2002/49/EG über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm, UPR 2002, 327 ff. (331); Jarass, BImSchG, 6. Aufl., § 47a Rn. 4; unklar K. Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47a BImSchG Rn. 20. 204 LAI-Musterverwaltungsvorschrift zur Durchführung des § 47a BImSchG vom 30.03.–01.04.1992, abgedruckt bei Ule/Laubinger, unter Ziffer LAI 8. 205 Jarass, BImSchG, 6. Aufl., § 47a Rn. 7; Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47a a. F. Rn. 202 ff. 206 Jarass, BImSchG, 6. Aufl., § 47a Rn. 9; Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47a a. F. Rn. 208. 207 Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47a a. F. Rn. 209.

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1. Teil: Einführung in das deutsche Lärmschutzrecht

§ 47a BImSchG a. F. stellte also keine Gesamtgeräuschbetrachtung im eigentlichen Sinne dar. Vielmehr baute auch die seinerzeitige Lärmminderungsplanung auf der segmentierten Bewertung von Lärm auf, versuchte aber immerhin durch eine kombinierende Darstellung der Belastung einer Gesamtbewertung nahe zu kommen. Im Ergebnis freilich wurde die Lärmminderungsplanung überwiegend als wenig wirksam bzw. sogar als „Papiertiger“ bewertet.208 Hoher finanzieller Aufwand für die Gemeinden und wenig gesicherter Einfluss der Maßnahmen v. a. auf die Verkehrsvermeidung im Zuständigkeitsbereich anderer Verwaltungsträger, von Flughafengesellschaften und DB AG führten offenbar zu einer geringen kommunalen Neigung, der Planungspflicht209 des § 47a Abs. 2 BImSchG a. F. zu entsprechen.210 Mitverantwortlich wurde dafür das Fehlen konkreter, angesichts der Planungspflicht an sich unnötiger, Umsetzungsfristen gemacht.211 Zumindest dieses Vakuum dürfte die Lärmminderungsplanung auf Grundlage der Umgebungslärmrichtlinie nunmehr füllen.212

VII. Der verhaltensbezogene Lärmschutz nach den Immissionsschutzgesetzen der Länder Schon vor der Föderalismusreform I fanden sich rechtliche Regelungen zum Schutz vor verhaltensbezogenem Lärm in den Immissionsschutzgesetzen der Länder sowie in weiteren Rechtsvorschriften auf der Ebene des Landesrechts.213

208 So wörtlich K. Wilhelm, Neues zum Stand der Technik in der Lärmminderungsplanung, ZfL 2002, 102 f. (102). Vgl. auch Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, Vor §§ 47a–47f Rn. 30; ders., Raum, FS 600 Jahre Würzburger Juristenfakultät, S. 723; Schmidt, Weiterentwicklung, UPR 2002, 327 (327); E. Heinrichs, Kommunale Lärmminderungsplanung – Top oder Flop?, ZfL 2001, 208 ff. (210); ebenso die Bundesregierung, BT-Drs. 15/3782, S. 14. Naturgemäß etwas anders sehen dies Vertreter beteiligter Ingenieurbüros, z. B. S. Nozon/H. Mazur/C. Weisner, Lärmminderung im laufenden Planverfahren, ZfL 2004, 74 ff. 209 Schmidt, Weiterentwicklung, UPR 2002, 327 (327); Jarass, BImSchG, 6. Aufl., § 47a Rn. 5. 210 Vgl. hierzu E. Heinrichs, Förderprogramme effizienter einsetzen, Der Städtetag 10/2002, 14 ff. (15 f.); ders., Lärmminderungsplanung, ZfL 2001, 208 (212 f.); Schmidt, Weiterentwicklung, UPR 2002, 327 (327, 333); Schulze-Fielitz, Straßenverkehrslärm, ZUR 2002, 190 (192). Dass „in Bayern nicht mehr als eine Hand voll, vielleicht zwei Hände voll von Gemeinden diese kommunale Pflichtaufgabe wahrgenommen haben“, schätzt Lorenz, in: Bayerischer Landtag, Anhörung zum Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Bayerischen Immissionsschutzgesetzes (LT-Drs. 15/8783), Gemeinschaftliche Sitzung des Ausschusses für Umwelt und Verbraucherschutz (96. Sitzung) und des Ausschusses für Kommunale Fragen und Innere Sicherheit (90. Sitzung) gemäß § 137 der Geschäftsordnung für den Bayerischen Landtag vom 05.12.2007, S. 22. Das Wortprotokoll der Anhörung kann beim Bayerischen Landtag, Landtagsamt, Maximilianeum, 81627 München, angefordert werden. 211 Schmidt, Weiterentwicklung, UPR 2002, 327 (328 f.). 212 Optimistisch Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, Vor §§ 47a–47f Rn. 31 f.

B. Der Lärmschutz nach der bislang bestehenden Rechtslage

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Dies ist auf den bereits angesprochenen Anlagenbezug des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zurückzuführen. Da sich Anlagen durch die Möglichkeit, betrieben zu werden, auszeichnen, fallen sonstige Tätigkeiten, die mangels eines gewissen Organisationsgrads nicht als Betrieb einer Anlage aufgefasst werden können, nicht in den Anwendungsbereich des BImSchG.214 Allerdings bereitet die praktische Abgrenzung von rein verhaltensbezogenen bzw. anlagenbezogenen Geräuschimmissionen und mithin der Anwendbarkeit von Bundesoder Landesrecht vielfach Schwierigkeiten.215 Dies betrifft zum einen die Frage, ob ein bestimmtes Gerät oder Hilfsmittel als Anlage im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes aufgefasst werden kann. Während die Eigenschaft als Anlage im Sinne des § 3 Abs. 5 Nr. 2 BImSchG bei einem Rasenmäher in Anbetracht der Regelungen der 32. BImSchV (vgl. Nr. 32 des Anhangs) unstreitig anzunehmen ist,216 ist dies etwa bei Tonwiedergabegeräten217 und Kinderspielplätzen218 heftig umstritten. Zum zweiten ergeben sich Abgrenzungsschwierigkeiten, wenn die Immissionen zwar an sich nicht von einer Anlage ausgehen, ihre Entstehung aber wesentlich mit einer Anlage im Sinne des BImSchG zusammenhängt. So soll das 213 Neben Immissionsschutzgesetzen ist etwa an Smog-Verordnungen oder Polizeiverordnungen zur Lärmbekämpfung zu denken, vgl. Kloepfer/Kohls/Ochsenfahrt, Umweltrecht, § 14 Rn. 47 m.w. N. und Rn. 49; siehe auch die Aufstellungen bei Jarass, BImSchG, Einl Rn. 23 ff., und Hoppe/Beckmann/Kauch, Umweltrecht, § 22 Rn. 29 f. 214 Roßnagel, in: GK-BImSchG, § 22 Rn. 37; Hoppe/Beckmann/Kauch, Umweltrecht, § 21 Rn. 11 und 37. 215 Kloepfer/Kohls/Ochsenfahrt, Umweltrecht, § 14 Rn. 352. 216 So auch Roßnagel, in: GK-BImSchG, § 22 Rn. 34. 217 Die Anlageneigenschaft bejahend Roßnagel, in: GK-BImSchG, § 22 Rn. 34; Müller, Landeskompetenzen, BayVBl. 1988, 289 (290); Jarass, BImSchG, § 22 Rn. 7 und 10; verneinend wegen fehlender Vergleichbarkeit mit dem Betreiben einer technischen (tendenziell Gewerbe-)Anlage mit beachtenswerten Gründen E. Kutscheidt, Immissionsschutz bei nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen, NVwZ 1983, 65 ff. (66 f., 70), der auf die letztlich maßgebende allgemeine Verkehrsanschauung hinweist. Gerade vor deren Hintergrund aber erscheint die Einordnung einer Stereoanlage als Anlage im Sinne des BImSchG als umso fragwürdiger, als Roßnagel (a. a. O., Rn. 38) und Jarass (a. a. O., Rn. 10) die Anlageneigenschaft eines Musikinstrumentes hingegen verneinen. Dass folglich das Musizieren auf einem Klavier als einer zweifelsohne ebenfalls ortsveränderlichen technischen Einrichtung dem handlungsbezogenen Lärmschutzrecht unterfallen soll, das Abspielen aufgenommener Klaviermusik indes dem anlagenbezogenen Lärmschutzrecht, erscheint nicht recht einleuchtend. Eine einheitliche Zuordnung der Benutzung von Musikinstrumenten und Tonwiedergabegeräten zum handlungsbezogenen Lärmschutz findet sich etwa bei Hoppe/Beckmann/Kauch, Umweltrecht, § 22 Rn. 30. 218 Bejahend BayVGH, BayVBl. 1984, 499 (500); Hess. VGH, NJW 1981, 2315 (2316); Roßnagel, in: GK-BImSchG, § 22 Rn. 32 m.w. N.; differenzierend VG Münster, NVwZ 1982, 327 (328); verneinend Kutscheidt, Immissionsschutz, NVwZ 1983, 65 (66 f.). Siehe auch die Nachweise bei Hoppe/Beckmann/Kauch, Umweltrecht, § 21 Rn. 38.

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1. Teil: Einführung in das deutsche Lärmschutzrecht

Bundes-Immissionsschutzgesetz nicht nur solche Immissionen erfassen, die durch eine Anlage oder ihre Teile selbst verursacht werden, sondern auch solche, die in einem betriebstechnischen oder funktionellen Zusammenhang mit ihr stehen.219 Dieser Linie folgt auch die Sportanlagenlärmschutzverordnung, indem gemäß Ziffer 1.1 des Anhangs zur 18. BImSchV die Geräusche durch technische Einrichtungen und Geräte, durch die Sporttreibenden, durch die Zuschauer und durch die sonstigen Nutzer sowie die Geräusche, die von Parkplätzen auf dem Anlagengelände ausgehen, der Sportanlage als solcher zuzurechnen sind. Zum dritten stellt sich die Frage, ob bei nicht genehmigungspflichtigen Anlagen im Sinne des BImSchG zusätzlich Vorschriften des Landesrechts beachtlich sein können oder ob die Regelungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes insoweit eine Sperrwirkung gegenüber landesrechtlichen Regelungen entfalten.220 Von praktischer Bedeutung ist dies z. B. im Zusammenhang mit Sperrzeitenverordnungen oder Rechtsvorschriften zum Schutz der Nachtruhe, die regelmäßig jegliches geräuschvolles Handeln, also mitunter auch das Betreiben von nicht genehmigungspflichtigen Anlagen, vermeiden möchten. Gegen eine Sperrwirkung sprechen ganz wesentlich die Vorschrift des § 22 Abs. 2 BImSchG, wonach weitergehende öffentlich-rechtliche Vorschriften unberührt bleiben, sowie die in § 23 Abs. 2 S. 1 BImSchG enthaltene Ermächtigung der Landesregierungen zum Erlass von Vorschriften zu Errichtung, Beschaffenheit und Betrieb nicht genehmigungspflichtiger Anlagen im Sinne des § 23 Abs. 1 BImSchG. Das Bundes-Immissionsschutzgesetz ist folglich hinsichtlich der an nicht genehmigungsbedürftige Anlagen zu stellenden Anforderungen nicht abschließend; entsprechendes Landesrecht wird somit nicht gesperrt. Etwas anderes kann nach richtiger Ansicht nur gelten, sobald und soweit die Bundesregierung selbst durch eine Rechtsverordnung im Sinne des § 23 Abs. 1 BImSchG die Anforderungen an den jeweiligen Anlagentypus einer abschließenden Regelung zugeführt hat.221 219 So BVerwGE 101, 157 (165 f.) für Verkehrsgeräusche, die das Gericht dem Betrieb einer Diskothek zurechnete, solange sich der an- bzw. abfließende Verkehr nicht mehr bzw. noch nicht in den allgemeinen Straßenverkehr integriere und deshalb als zum Betrieb gehörig anzusehen sei. Zustimmend Jarass, BImSchG, § 22 Rn. 6b. Für die Annahme der Anlageneigenschaft bei Kinderspielplätzen aus Gründen des Funktionszusammenhangs daher letztlich auch Hoppe/Beckmann/Kauch, Umweltrecht, § 21 Rn. 37 f. Trotz des Funktionszusammenhangs scharf trennend zwischen Lärmbelästigung durch spielende Kinder und Spielgeräten als einer Betreiberpflichten unterworfenen Anlage VG Münster, NVwZ 1982, 327 (328). 220 Überblick des Streitstandes bei Hoppe/Beckmann/Kauch, Umweltrecht, § 22 Rn. 31; Nachzeichnung der früheren Diskussion bei A. Ziegler, Das Bundes-Immissionsschutzgesetz und das verhaltenswertende Recht, UPR 1986, 406 ff. (406 f.). 221 So auch Kloepfer/Kohls/Ochsenfahrt, Umweltrecht, § 14 Rn. 351; Hoppe/Beckmann/Kauch, Umweltrecht, § 22 Rn. 31; mit Blick auf die Entstehungsgeschichte des BImSchG und die beabsichtigte „Besitzstandswahrung“ hinsichtlich des durch das

B. Der Lärmschutz nach der bislang bestehenden Rechtslage

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Insgesamt ist jedoch festzustellen, dass die Immissionsschutzgesetze und sonstigen Lärmschutzvorschriften der Länder ihre frühere Vorreiterrolle eingebüßt haben und heute neben dem übermächtigen Bundes-Immissionsschutzgesetz eine Randexistenz führen.222

Polizei- und Ordnungsrecht erlangten Rechtszustandes in den Ländern ebenso Kutscheidt, Immissionsschutz, NVwZ 1983, 65 (69 f.). Für Ziegler, Verhaltenswertendes Recht, UPR 1986, 406 (408 f.), ist zudem von Bedeutung, dass das BImSchG anders als das Landesrecht nur nach dem Stand der Technik vermeidbare, nicht aber wegen gesellschaftlicher Missbilligung zu vermeidende Immissionen untersage. Anderer Ansicht Müller, Landeskompetenzen, BayVBl. 1988, 289 (290): Der bayerische Landesgesetzgeber habe mit dem Erlass von Art. 11 BayImSchG zum Schutze der Nachtruhe seine Gesetzgebungskompetenz überschritten, soweit sich dieser auch auf Anlagen im Sinne des BImSchG beziehe. 222 Kloepfer/Kohls/Ochsenfahrt, Umweltrecht, § 21 Rn. 351. Zur historischen Entwicklung des Lärmschutzrechts aus dem allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht heraus vgl. Kutscheidt, Immissionsschutz, NVwZ 1983, 65 (65 f.).

2. Teil

Der innovative Charakter der Lärmminderungsplanung nach der Umgebungslärmrichtlinie als Herausforderung für das deutsche Verwaltungsrecht Das europäische Gemeinschaftsrecht stellt mit der Lärmminderungsplanung aufgrund der Umgebungslärmrichtlinie erstmals ein Instrument des gebietsbezogenen Lärmschutzes zur Verfügung. Der innovative Charakter der Umgebungslärmrichtlinie ergibt sich neben einer ersten europaweiten Vereinheitlichung von Bewertungsstandards vor allem aus dem „Managementansatz“, den die Richtlinie zur Erreichung ihrer Zielsetzungen verfolgt. Der Managementansatz stellt das deutsche Verwaltungsrecht allerdings hinsichtlich seiner Regelungstradition und seiner überlieferten Dogmatik vor große Herausforderungen.

A. Die Zielsetzung und die Regelungen der Richtlinie im Überblick Die Umgebungslärmrichtlinie der Europäischen Gemeinschaft vom 25.06. 2002 (RL 2002/49/EG) stützt sich auf Art. 175 Abs. 1 EGV1, mithin auf eine umweltpolitische Gemeinschaftskompetenz im Sinne des Art. 174 EGV. Ihre Mechanismen lassen sich in wenigen Worten zusammenfassen. Die Richtlinie verfolgt zwei Zielsetzungen. Zum einen soll das Auftreten von Umgebungslärm durch eine Kartierung der Belastungssituation nach europaweit vereinheitlichten Maßstäben aufgezeigt werden. Aus diesen Erkenntnissen heraus sollen Aktionspläne entwickelt werden, mit denen die Lärmbelastung vermindert oder ihr Anstieg vermieden werden kann. Zum anderen soll die Richtlinie eine Grundlage für weitere emissionsbezogene Produktvorschriften der EG bilden. 1 Zur Bedeutung von Art. 175 EGV für den Lärmschutz vgl. M. Schulte/R. Schröder, Europäisches Lärmschutzrecht. Gegenwärtiger Stand und Entwicklungsperspektiven im Lichte der Erweiterung der EU, DVBl. 2000, 1085 ff.; allgemein zu Art. 175 EGV als Rechtsgrundlage für den Erlass sekundären Gemeinschaftsrechts D. Scheuing, Europäisches Umweltverfassungsrecht im Spiegel der Rechtsprechung des EuGH, in: K. Dolde (Hrsg.), Umweltrecht im Wandel, S. 129 ff. (143 ff.).

B. Der Managementansatz als Hauptinnovation der Richtlinie

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Die möglichen Maßnahmen in Lärmaktionsplänen werden nur in allgemeiner Form angesprochen und in das Ermessen der mitgliedstaatlichen Behörden gestellt. Vorschriften zur Durchsetzung der Aktionspläne enthält die Richtlinie selbst nicht. Die Öffentlichkeit ist im Verfahren zu beteiligen, auch um einen höheren Handlungsdruck für die Behörden zu erzeugen.2 Dem dient ebenfalls die Festlegung konkreter Termine für die Erarbeitung der Lärmkarten und Aktionspläne in jeweils zwei Dringlichkeitsphasen einschließlich umfangreicher Berichtspflichten.3 Die Bewertung des Lärms erfolgt mittels eines über 24 Stunden gemittelten Dauerschallpegels, der eine Gewichtung der Tag-, Abend- und Nachtbelastung nach Stundenanteilen vorsieht. Bis zur Ermittlung europaweit einheitlicher Bewertungsmethoden dürfen die mitgliedstaatlichen Methoden, die an die Anforderungen des Anhangs II RL anzupassen sind, oder besonders empfohlene Methoden einzelner Länder verwendet werden. Hingegen enthält die Richtlinie selbst keine materiellen Umweltqualitätsziele, etwa in Form von Grenzwerten. Die Bestimmung des maßgeblichen Umweltschutzniveaus bleibt vielmehr den Mitgliedstaaten vorbehalten.

B. Der Managementansatz als Hauptinnovation der Richtlinie I. Die allgemeine Bedeutung des Managementansatzes für den Lärmschutz Das maßgebliche Charakteristikum der neuen Lärmminderungsplanung stellt der sog. „Managementansatz“ der Richtlinie dar. Die Bezeichnung rührt aus der englischen Urfassung der Richtlinie, deren Zielsetzung dort mit „to manage noise issues and effects“ wiedergegeben wird.4 Kern dieses Ansatzes ist, dass anstelle einer konditionalen Programmierung des Verwaltungshandelns für bestimmte Einzelfälle eine finale Orientierung auf 2

Zur bisherigen Praxis siehe Schmidt, Weiterentwicklung, UPR 2002, 327 (328). Diese Fristen hält V. Irmer, Die EG-Richtlinie zur Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm, ZfL 2002, 176 ff. (180), für die „politisch wichtigste Änderung“. Zur Bedeutung des Berichtswesens vgl. G. Steinebach/M. Rumberg, Die Umgebungslärmrichtlinie der EU und ihre Umsetzung in deutsches Recht, ZfBR 2005, 344 ff. (346). 4 So zur Begriffsbildung ebenfalls P. Cancik, Aktionspläne zur Lärmminderung – effektives Instrument oder „Aktionismus“?, ZUR 2007, 169 ff. (172), die auf den Passus „to manage noise issues and effects“ verweist; vgl. auch die englische Bezeichnung der Richtlinie 2002/49/EG als „relating to the assessment and management of environmental noise“. 3

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2. Teil: Der innovative Charakter der Lärmminderungsplanung

ein zu erreichendes Ziel – zwar unter Beachtung strenger Verfahrensregeln, aber im Übrigen mit großer Freiheit bei der Wahl der Mittel – vorgegeben wird.5 Ähnlich wie seinerzeit die UVP-Richtlinie verzichtet die Umgebungslärmrichtlinie jedoch auf die Vorgabe materieller Entscheidungsmaßstäbe, indem die Wahl geeigneter Grenzwerte den Mitgliedstaaten überlassen bleibt.6 Es geht mit anderen Worten darum, dass an die Stelle eines ordnungsrechtlich geprägten Handelns im Rahmen von Vorhabenzulassungen eine rechtlich verbindliche Zielsetzung tritt, die Belastungssituation ganzer Gebiete dem Grunde nach zu verringern, indem auf einer weit vorverlagerten Ebene Entwicklungen gesteuert und Konflikte vermieden werden.7 Statt striktem Vollzug materieller Anforderungen lautet die Verpflichtung, Problembereiche zu erkennen und sich mit Handlungskonzeptionen überhaupt zu beschäftigen.8 Durch die Verdeutlichung der verpflichtenden Richtlinienwirkung in Gestalt von festen Handlungsfristen und durch den politisch aktivierenden Einsatz der Öffentlichkeit wird zugleich einem Vollzugsdefizit vorgebeugt.9 Die Richtlinie schließt damit eine bestehende Lücke des Lärmschutzrechts. Sie sorgt in weit größerem Umfange als die bisherige Lärmminderungsplanung nach § 47a BImSchG a. F. als Daueraufgabe10 dafür, dass Lärmschutz aus dem Kontext der Einzelvorhaben herausgelöst und im Sinne eines flächenbezogenen strategischen Gesamtansatzes betrieben wird.11 Neben den quellenbezogenen Lärmschutz tritt ein verursacherunabhängiges Umweltgüterecht.12 Wegen der vorhabensübergreifenden Sichtweise wird der Blick zugleich weiter in Richtung

5 Zu konditionalen bzw. finalen Regelungsprogrammen siehe sogleich näher unter B. II., S. 63 f. 6 Vgl. zum Regelungsgehalt der UVP-Richtlinie F. Schoch, Die europäische Perspektive des Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungsprozessrechts, in: E. Schmidt-Aßmann/W. Hoffmann-Riem (Hrsg.), Strukturen des Europäischen Verwaltungsrechts, 1999, S. 279 ff. (S. 283, 303). 7 A. Scheidler, Die Lärmminderungsplanung im Gesetzentwurf zur Umsetzung der EU-Umgebungslärmrichtlinie, UPR 2005, 247 ff. (247); ders., in: G. Feldhaus (Hrsg.), Bundes-Immissionsschutzrecht, Loseblattsammlung, Stand: 148. Lfg. (Oktober 2008), Vor §§ 47a–47f BImSchG Rn. 3. 8 Ähnlich H. Schulze-Fielitz, Umgebungslärm als neuartige rechtliche Herausforderung, in: R. Hendler/P. Marburger/P. Reiff/M. Schröder (Hrsg.), Jahrbuch des Umweltund Technikrechts 2008, S. 7 ff. (S. 36 f.). 9 Optimistisch auch Schulze-Fielitz, Umgebungslärm, Jahrbuch Umwelt- und Technikrecht 2008, S. 42 f.; vgl. auch Schmidt, Weiterentwicklung, UPR 2002, 327 (328); Irmer, Richtlinie, ZfL 2002, 176 (180), bezeichnet dies sogar als die „politisch wichtigste Änderung“. 10 Siehe hierzu eingehend Schulze-Fielitz, Umgebungslärm, Jahrbuch Umwelt- und Technikrecht 2008, S. 38 ff. 11 Scheidler, Lärmminderungsplanung, UPR 2005, 247 (247); ders., in: Feldhaus, Vor §§ 47a–47f BImSchG Rn. 3. 12 Stettner, in: Ule/Laubinger, Vor §§ 47a–47f BImSchG Rn. A 3.

B. Der Managementansatz als Hauptinnovation der Richtlinie

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einer lärmartunabhängigen Gesamtbewertung geöffnet.13 Die Richtlinie bietet also von ihrem Grundansatz her gute Voraussetzungen, spürbare Verbesserungen gegenüber den heutigen Lärmbelastungen im Bestand zu erreichen. Es bleibt zu hoffen, dass das bisherige Defizit im Bereich der Lärmsanierung hierdurch eine gewisse Reduzierung erfahren wird.14 Inwieweit dies tatsächlich gelingt, steht unter dem Vorbehalt der Handhabung der Methode in der Praxis, die im Laufe dieser Untersuchung noch gesondert dargestellt wird.

II. Der Managementansatz – ein Fremdkörper in der deutschen Verwaltungskultur Der gemeinschaftsrechtlich implementierte Managementansatz als Methode stellt auf den ersten Blick ein neues Steuerungsmodell im deutschen Lärmschutzrecht dar. Dieser Befund bedarf jedoch schon bei einem zweiten Blick einer Relativierung. Denn der Gedanke einer Lärmminderungsplanung im Sinne der Erfassung bestehender Belastungen und der Suche nach Abhilfe war im Bundes-Immissionsschutzgesetz bereits seit der Einführung des § 47a BImSchG a. F. im Jahre 199015 verankert.16 Mit § 12a LImSchG NW gab es schon seit 1985 eine Vorgängernorm im Landesrecht. Erste Vorschläge für eine Integration eines solchen Instrumentes in das Bundes-Immissionsschutzgesetz wurden seit den späten siebziger Jahren vorgetragen.17 Diese Überlegungen datieren also deutlich vor jedem gemeinschaftsrechtlichen Tätigwerden. Ungeachtet dessen bildet der Managementansatz einen Fremdkörper in der deutschen Verwaltungskultur18. Das liegt an einem grundlegenden Perspektiv13 Dies begrüßen mit unterschiedlichen Auffassungen hinsichtlich der Reichweite dessen etwa Franßen, Rebentisch, Sellner, Halama und Dolde, in: AKUR, Anhörung des Arbeitskreises für Umweltrecht zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der EG-Richtlinie über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm am 28.10.2004 in Bonn, S. 31 ff. Das lesenswerte stenographische Protokoll kann über die Geschäftsstelle des Arbeitskreises, Godesberger Allee 108–112, 53175 Bonn, bezogen werden. 14 So auch Strick (BMVBS) laut dem Tagungsbericht von D. Hönig, Umsetzung und Vollzug von EG-Richtlinien im Straßenrecht, UPR 2003, 431 f. (431). 15 Drittes Gesetz zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes vom 11.05. 1990 (BGBl. I S. 870). 16 Zu den Ähnlichkeiten siehe Irmer, Richtlinie, ZfL 2002, 176 (180); C. Popp, Strategische Lärmkartierung ist machbar für Deutschland, Der Städtetag 10/2002, 26 ff. (28); Steinebach/Rumberg, Umgebungslärmrichtlinie, ZfBR 2005, 344 (347); Schmidt, Weiterentwicklung, UPR 2002, 327 (327). 17 H. Schulze-Fielitz/A. Berger, Lärmminderungspläne als neue Form der Umweltplanung, DVBl. 1992, 391 ff. (391). 18 Vgl. etwa E. Schmidt-Aßmann, Verwaltungsverfahren und Verwaltungskultur, NVwZ 2007, 40 ff. (40, 41 f.).

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2. Teil: Der innovative Charakter der Lärmminderungsplanung

unterschied zwischen dem deutschen Verwaltungsrecht und den Verwaltungsrechtstraditionen anderer Mitgliedstaaten der EG, von denen die gemeinschaftsrechtliche Rechtsordnung notwendigerweise mitbeeinflusst wird.19 Das deutsche Verwaltungsrecht begreift das Verhältnis von Verwaltung und Bürger als Rechtsverhältnis, in dem sich Rechte und Pflichten der Beteiligten gegenüberstehen.20 Die zu gesetzmäßigem Handeln verpflichtete Behörde verfügt zur Erfüllung ihrer Aufgaben über gesonderte Eingriffsbefugnisse,21 der Bürger indes über Abwehrrechte und Rechtsansprüche gegenüber der Verwaltung. Der Schwerpunkt der Verwaltungskontrolle liegt in den Händen der Gerichte, was zu einer weitgehenden Zurückdrängung eigener Entscheidungsspielräume der Verwaltung22 und gleichzeitig zu einer Entpolitisierung des Verwaltungshandelns zugunsten einer stärkeren Verrechtlichung23 geführt hat.24 Erst jüngst wurde mit der grundsätzlichen Abschaffung des Widerspruchsverfahrens in einigen Bundesländern die Kontrolllast noch weiter auf die Gerichte verschoben und die Selbstkontrolle der Verwaltung geschwächt.25

19 Zum Wettbewerb der mitgliedstaatlichen Systeme siehe R. Breuer, Zunehmende Vielgestaltigkeit der Instrumente im deutschen und europäischen Umweltrecht – Probleme der Stimmigkeit und des Zusammenwirkens, NVwZ 1997, 833 ff. (834 f.). Vgl. auch A. Voßkuhle, Methode und Pragmatik im Öffentlichen Recht, Vorüberlegungen zu einem differenziert-integrativen Methodenverständnis am Beispiel des Umweltrechts, in: H. Bauer/D. Czybulka/W. Kahl/A. Voßkuhle (Hrsg.), Umwelt, Wirtschaft und Recht, Wissenschaftliches Symposium aus Anlass des 65. Geburtstages von Reiner Schmidt, 2002, S. 171 ff. (S. 177 ff.). 20 Eingehend R. Breuer, Umsetzung von EG-Richtlinien im neuen Energiewirtschaftsrecht, NVwZ 2004, 520 ff. (523 f.); K. Hansmann, Harmonisierung unterschiedlicher Normstrukturen im europäischen und im deutschen Umweltrecht, NVwZ 2006, 51 ff. (52). 21 Näher Hansmann, Harmonisierung, NVwZ 2006, 51 (53). 22 R. Wahl, Das deutsche Genehmigungs- und Umweltrecht unter Anpassungsdruck, in: K. Dolde, Umweltrecht im Wandel, S. 237 ff. (258), stellt fest, das deutsche öffentliche Recht „kultiviere eine ermessens- und spielraumfeindliche Haltung“, was einen Sonderweg der deutschen Dogmatik in Europa darstelle, auf dem ihr die meisten anderen Staaten wahrscheinlich nicht folgen würden. 23 Kritisch Schoch, Europäische Perspektive, S. 282 f.: Mutation des Verwaltungsverfahrens zu einem Gerichtsverfahren lediglich mit anderen Mitteln. 24 K. Dolde, Verwaltungsverfahren und Deregulierung, NVwZ 2006, 857 ff. (857 f.). 25 Ablehnend wegen der Verlagerungswirkungen H. Biermann, Das Widerspruchsverfahren unter Reformdruck, Förmliche verwaltungsinterne Kontrolle als nutzloses und kostenintensives Auslaufmodell?, DÖV 2008, 395 ff. (403). Zur neuen Rechtslage in Bayern mit verfassungsrechtlichen Bedenken H. Geiger, Die Neuregelung des Widerspruchsverfahrens durch das AGVwGO, BayVBl. 2008, 161 ff. (161 f., 166); zum vorangegangenen Modellversuch bereits kritisch J. Hofmann-Hoeppel, Statistik als Wille und Vorstellung, Zu den rechtstatsächlichen Grundlagen der Verlängerung des Modellversuchs zur Abschaffung des Widerspruchsverfahrens im Regierungsbezirk Mittelfranken, BayVBl. 2007, 73 ff. (78). Ein Überblick über die Rechtslage in allen 16 Bundesländern findet sich bei M. Kamp, Reform des Widerspruchsverfahrens in

B. Der Managementansatz als Hauptinnovation der Richtlinie

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Eine Verrechtlichung des Verhaltungshandelns wiederum bedarf klar definierter Rechtspositionen der Beteiligten, was einer Kodifizierung der materiellen Rechtspositionen Vorschub leistet. Diese Entwicklung in Deutschland seit 1945 ist unter anderem durch historische Erfahrungen aus Zeiten der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft beeinflusst,26 vollzog sich aber dennoch zunächst schrittweise, wie etwa ein Blick auf die Diskussion um die früheren sog. „besonderen Gewaltverhältnisse“ beweist.27 Die subjektiven öffentlichen Rechte des Einzelnen kennzeichnen im deutschen Verwaltungsrecht jedoch nicht nur bloße materielle Rechtspositionen; sie sind im Zusammenhang mit Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG, der auf die eigenen Rechte des Bürgers Bezug nimmt, zugleich die entscheidende „Stellschraube“ für den Zugang zu gerichtlicher Kontrolle.28 Gegenüber dem materiellen Recht nimmt das Verfahrensrecht nur eine dienende Stellung ein.29 Auch der Gedanke einer Richtigkeitsgewähr durch Verfahren30 ist dem deutschen Verwaltungsrecht daher traditionell eher fremd.31 Die Betonung der materiell-rechtlichen Perspektive zeitigt auch Auswirkungen auf die Normstrukturen des deutschen Verwaltungsrechts. Da Regelungen nach einem Wenn-Dann-Schema der Verwaltung eine – schon aus Gleichheitsgründen gebotene – berechenbare, identische und gleichmäßige Handhabung ihres Umgangs mit geltend gemachten subjektiven öffentlichen Rechten der Bürger erheblich erleichtern,32 haben sich konditional gefasste Normtexte im deutschen Verwaltungsrechtsverständnis über lange Jahre als Standard etabliert.33 Zwar ist auch dem deutschen Verwaltungsrecht ein finales Denken, d.h. der Ablauf eines Entscheidungsprozesses nach einem Zweck-Mittel-Schema, nicht völlig fremd. Ein solches finales Normverständnis wurde für das Planungsrecht,

Nordrhein-Westfalen, NWVBl. 2008, 41 ff. (42 f.), der selbst keine negativen Auswirkungen auf die Selbstkontrolle der Verwaltung erwartet (45). 26 Siehe hierzu näher Breuer, Vielgestaltigkeit, NVwZ 1997, 833 (836). 27 Siehe hierzu BVerfGE 33, 1 (9 ff.). 28 Schoch, Europäische Perspektive, S. 283 f. 29 Breuer, Vielgestaltigkeit, NVwZ 1997, 833 (836); Dolde, Verwaltungsverfahren, NVwZ 2006, 857 (858). 30 So im Zusammenhang mit der UVP-Richtlinie BayVGH, DVBl. 1994, 1198 (1199); a. A. indes in demselben Verfahren BVerwG, NVwZ 1996, 1016 (1018): Die Annahme des VGH, das Fehlen einer nach dem UVP-Gesetz oder der UVP-Richtlinie gebotenen Umweltverträglichkeitsprüfung indiziere ohne Weiteres und ohne Rücksicht auf die im konkreten Verfahren durchgeführten Untersuchungen bereits einen Fehler im Abwägungsvorgang, sei mit Bundesrecht nicht zu vereinbaren. 31 Vgl. Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, Rn. 148 f. 32 Vgl. hierzu N. Luhmann, Lob der Routine, VerwArch 55 (1964), 1 ff. (7 f., 9). 33 Siehe nur die Feststellung von K. König, Planung und Koordination im Regierungssystem, VerwArch 62 (1971), 1 ff. (3 f.): „Die Rechtssätze enthalten Tatbestand und Rechtsfolge. (. . .) Der juristische Entscheidungsprozess ist insoweit nach dem Wenn-Dann-Schema festgelegt.“

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2. Teil: Der innovative Charakter der Lärmminderungsplanung

bei dem es ja gerade auf die Eröffnung von Gestaltungsfreiräumen ankommt, ab den sechziger Jahren entwickelt.34 Dennoch hat die beschriebene Entwicklung auch im Umweltrecht mit seinen zahlreichen Zulassungs- und Genehmigungstatbeständen zu einer vorrangig konditional geprägten Normenstruktur geführt. Die Verknüpfung des Genehmigungsanspruchs mit vergleichsweise strengen, an der Machbarkeit orientierten Grenzwerten35 brachte Deutschland zeitweise eine umweltpolitische Vorreiterrolle ein;36 mittlerweile wird aber zunehmend hinterfragt, ob dieser Regelungsansatz der komplexen Realität noch gerecht werde.37 Der Managementansatz der Umgebungslärmrichtlinie, durch die konzentrierte verfahrensmäßige Beschäftigung mit einem Umweltproblem ohne Grenzwertvorgaben zu besseren Ergebnissen zu kommen, muss daher als ein relativ harter Bruch mit bisherigen Verwaltungstraditionen erscheinen. Die Verwaltungskultur in Frankreich und Großbritannien ist demgegenüber eine andere. Hier besteht weniger Scheu vor ausgeprägten Beurteilungs- und Entscheidungsfreiräumen der Verwaltung.38 Entsprechend sind die materiellen Rechtspositionen der Beteiligten weniger stark kodifiziert und finale Strukturen häufiger. Um die hierdurch erschwerte Ergebniskontrolle von Verwaltungshandeln auszugleichen, liegt der Fokus der Rechtskontrolle stärker auf dem Weg zum Ergebnis, also auf der Einhaltung eines ordnungsgemäßen Verwaltungsverfahrens.39 Namentlich in diesen Einflüssen liegt der Ursprung für die im gemeinschaftsrechtlichen Bereich immer wieder thematisierte Prozeduralisierung des Verwaltungshandelns und seiner Kontrolle.40 Einen besonderen Aspekt zur Qualitätssicherung auf dem Weg zur Entscheidungsfindung stellt dabei die Indienstnahme 34 Siehe zu der schrittweisen Herleitung einer finalen Struktur von Planungsrechtsnormen aus einem entscheidungstheoretischen Ansatz heraus insbesondere Luhmann, Routine, VerwArch 55 (1964), 1 (7 ff.); König, Planung, VerwArch 62 (1971), 1 (3, 8); P. Oberndorfer, Strukturprobleme des Raumordnungsrechts, Die Verwaltung 5 (1972), 257 ff. (261 f., 264); W. Hoppe, Zur Struktur von Normen des Planungsrechts, Bemerkungen zu rechtsstaatlichen Anforderungen an die Begriffsbildung im Planungsrecht, DVBl. 1974, 641 ff. (642, 643 f.) m.w. N.; vgl. noch Schulze-Fielitz, Umgebungslärm, Jahrbuch Umwelt- und Technikrecht 2008, S. 36. 35 Schulze-Fielitz, Umgebungslärm, Jahrbuch Umwelt- und Technikrecht 2008, S. 36 f.; Hansmann, Harmonisierung, NVwZ 2006, 51 (52). 36 Breuer, Vielgestaltigkeit, NVwZ 1997, 833 (833 f.). 37 Siehe nur die Nachweise bei Schoch, Europäische Perspektive, S. 280. 38 Eingehend wiederum Breuer, Umsetzung von EG-Richtlinien, NVwZ 2004, 520 (524 f.). Zur Ausgestaltung des französischen Rechtsschutzsystems siehe näher J. Masing, Die Mobilisierung des Bürgers für die Durchsetzung des Rechts, Europäische Impulse für eine Revision der Lehre vom subjektiv-öffentlichen Recht, 1997, S. 196 ff. 39 Schmidt-Aßmann, Verwaltungskultur, NVwZ 2007, 40 (41). 40 Siehe hierzu näher M. Schmidt-Preuß, Gegenwart und Zukunft des Verfahrensrechts, NVwZ 2005, 489 ff. (492 f.); Schoch, Europäische Perspektive, S. 282 f.; speziell zum EG-Umweltrecht Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, Rn. 144 ff.

B. Der Managementansatz als Hauptinnovation der Richtlinie

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der Öffentlichkeit dar. Sie erfährt eine Mobilisierung zur Durchsetzung des objektiven Rechts.41 Dadurch verschiebt sich der Ausgangspunkt der Verwaltungskontrolle von einem Handeln des Bürgers aus privaten Interessen zunehmend auf ein Handeln mit Gemeinbezug.42 Während in Deutschland insbesondere aus standortpolitischen Gründen seit Jahren eine Beschleunigung der Verwaltungsentscheidungen durch Privatisierung, Deregulierung, Verfahrensvereinfachung und insbesondere Unbeachtlichkeitsregeln für Verfahrensfehler verfolgt wird,43 wird zeitgleich die Bedeutung des Verfahrens im Gemeinschaftsrecht zunehmend stärker betont.44 Behörden werden hier mehr und mehr als politische Akteure wahrgenommen statt als bloße Vollzugsstellen; das ist für deutsche Umweltbehörden mindestens ungewohnt.45 Der Managementansatz der Umgebungslärmrichtlinie verdeutlicht mithin erneut den bereits vielfach festgestellten gegenwärtigen Kollisionskurs46 von deutschem und europäischem Verwaltungsrechtsverständnis. Aufgrund der beträchtlichen Systemunterschiede wird vor einem unbedachten Nebeneinanderstellen der materiellrechtlichen Rechtskontrolle und der Rechtskontrolle über Verfahrensrecht durch bloße Kumulation der jeweiligen Instrumente innerhalb einer Rechtsordnung zu Recht gewarnt.47 Es gehört darum zu den größten Herausforderungen der Richtlinienumsetzung im Mitgliedstaat, einen größtmöglichen Einklang zwischen Rechtssystem und Richtlinieninstrumenten herzustellen.48 Dieses ist jedoch im vorliegenden Verfahren nur teilweise 41 Prägend Masing, Mobilisierung des Bürgers, S. 21 ff., 42 ff., 50 ff., insb. 50 f.; siehe auch H. Dreier, Die drei Staatsgewalten im Zeichen von Europäisierung und Privatisierung, DÖV 2002, 537 ff. (545); Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, Rn. 144 a. E. 42 Masing, Mobilisierung des Bürgers, S. 175. 43 Siehe nur Schoch, Europäische Perspektive, S. 288; Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, Rn. 147; J. Ziekow, Von der Reanimation des Verfahrensrechts, NVwZ 2005, 263 ff. (264 f.); Dolde, Verwaltungsverfahren, NVwZ 2006, 857 (858 f.). Zu der hierin liegenden Politisierung der Rechtsschutzfragen kritisch H. Schulze-Fielitz, Verwaltungsgerichtliche Kontrolle der Planung im Wandel – Eröffnung, Maßstäbe, Kontrolldichte, in: FS Hoppe, S. 997 ff. (S. 1004 ff.). 44 So schon Breuer, Vielgestaltigkeit, NVwZ 1997, 833 (837); Dolde, Verwaltungsverfahren, NVwZ 2006, 857 (859 ff.); Schmidt-Aßmann, Verwaltungskultur, NVwZ 2007, 40 (43). 45 K. Faßbender, Grundfragen und Grundherausforderungen des europäischen Umweltplanungsrechts, NVwZ 2005, 1122 ff. (1132); Hansmann, Harmonisierung, NVwZ 2006, 51 (53). 46 Schmidt-Aßmann, Ordnungsidee, Rn. 149; Masing, Mobilisierung des Bürgers, S. 176. 47 Dolde, Verwaltungsverfahren, NVwZ 2006, 857 (862). 48 Eingehend Hansmann, Harmonisierung, NVwZ 2006, 51 (54); für eine Verantwortung des Gesetzgebers auch Dolde, Verwaltungsverfahren, NVwZ 2006, 857 (862 f., 864).

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2. Teil: Der innovative Charakter der Lärmminderungsplanung

gelungen. Die nähere Beleuchtung der einzelnen Verfahrensstufen der Lärmminderungsplanung wird zeigen, dass sich Probleme insbesondere im Hinblick auf die zerklüfteten Behördenzuständigkeiten bei der Umsetzung von Lärmschutzmaßnahmen ergeben. Infolge des föderalistischen Staatsaufbaus samt der starken Stellung der Gemeinden und des Verbots der Mischverwaltung einerseits und der starken Verrechtlichung des Verwaltungshandelns in Bezug auf die Verwaltungsbefugnisse andererseits gibt es keine Behörde, die über einen so weitreichenden Entscheidungsspielraum verfügte, dass sie die Stärken des Managementansatzes voll ausspielen könnte. Stattdessen muss über Beteiligungsregelungen und Bindungsnormen mühsam eine Verbindlichkeit der Aktionsplanung hergestellt werden.49

C. Die Einführung einheitlicher Bewertungsstandards Ein weiterer innovativer Aspekt der Richtlinie liegt in der erstmaligen europaweit einheitlichen Festlegung bestimmter Standards hinsichtlich der Geräuschermittlung und Geräuschbeurteilung, die eine Harmonisierung des Lärmschutzes in ganz Europa befördern könnten; diese Standards liegen allerdings noch nicht sämtlich in endgültiger Form vor.50 Für das deutsche Lärmschutzrecht bringt der neue einheitliche Lärmindex Lden jedenfalls die Neuerung mit sich, dass bei der Bewertung von Geräuschen unterschiedlicher Lärmarten erstmals ein einheitlicher Index verwendet wird.51 Dabei stellt die Richtlinie nicht ausschließlich auf klassische Immissionswerte ab, sondern setzt auf europaweit einheitliche Maßstäbe zu einer schwellenwertunabhängigen Betroffenheitsermittlung; dazu sollen künftig Dosis-WirkungsRelationen52 dienen, die die Berechnung von Betroffenenzahlen in Betroffenheitskategorien erlauben.53 Rechtsfolgen ergeben sich danach also nicht aus der bloßen Erreichung bzw. Überschreitung eines Grenzwertes, sondern daraus, ob eine gewisse Zahl betroffener Personen Belästigungen oder Schlafstörungen erleiden dürfte.54 Zwar bleibt die klassische, an Grenzwertüberschreitungen orien49

Siehe hierzu eingehend unten 6. Teil, G., S. 369 ff. Steinebach/Rumberg, Umgebungslärmrichtlinie, ZfBR 2005, 344 (346 f.). 51 Irmer, Richtlinie, ZfL 2002, 176 (180). 52 Zum Stand der Wirkungsforschung siehe J. Ortscheid/H. Wende, BeLL: Belästigung eines Landes durch Lärm, Stand der Erarbeitung von Dosis-Wirkungs-Beziehungen bezüglich Belästigung und Schlafstörung, in: Lärmkontor GmbH (Hrsg.), Das Gesetz zur Umsetzung der EG-Umgebungslärmrichtlinie – und was machen die Anderen?, Tagung in Hamburg, 16. und 17. März 2006, www.laermkontor.de/deutsch/ Veroeffentlichungen/download/ULR2006/Kurzfassungen_Vorträge_ULR2006.pdf (27.08. 2006), S. 8 f. (9). 53 Steinebach/Rumberg, Umgebungslärmrichtlinie, ZfBR 2005, 344 (348). 54 Steinebach/Rumberg, Umgebungslärmrichtlinie, ZfBR 2005, 344 (346); Ortscheid/ Wende, BeLL, S. 8. 50

D. Vorbehalte gegen die Lärmminderungsplanung

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tierte Lärmkarte auch für die strategische Lärmkartierung der Ausgangspunkt.55 Steinebach/Rumberg halten dennoch erhebliche Auswirkungen der neuen Darstellungsformen in Betroffenheitsrelationen für möglich, da durch die DosisWirkungs-Relationen die Belastungssituation der Bevölkerung deutlicher in den Mittelpunkt trete und somit in Planungsverfahren die bisherige zentrale Bedeutung von Grenzwerten erschüttert werden könnte.56

D. Die Vorbehalte gegen die Lärmminderungsplanung wegen hohen Verwaltungsaufwands und hoher Kosten Ohne jeden Zweifel stellt die Lärmminderungsplanung nach der Umgebungslärmrichtlinie ein ausgesprochen ambitioniertes Projekt dar, mit dem hoher Verwaltungsaufwand und entsprechend hohe Kosten einhergehen. Die Anforderungen übersteigen teilweise die personelle und finanzielle Leistungskraft kleiner und mittlerer Gemeinden deutlich. Es verwundert daher kaum, dass gerade im Bereich der kommunalen Spitzenverbände erhebliche Vorbehalte gegenüber der Lärmminderungsplanung laut wurden.57 Insbesondere wurde der Nutzen der Kosten für die Lärmkartierung und Aktionsplanung mit dem Argument in Frage gestellt, dass dieses Geld besser unmittelbar für Lärmschutzmaßnahmen ausgegeben werden sollte. In der Tat sind die Kosten für die Lärmkartierung auf nicht unerhebliche Beträge geschätzt worden. Die Europäische Kommission veranschlagte in der Begründung ihres Richtlinienvorschlags58 aufgrund einer Studie aus dem Jahre 1999 für die Ausarbeitung der ersten Generation von Lärmkarten für Ballungsräume einen Gesamtbetrag59 in Höhe von 50 bis 75 Mio. Euro, was einem Betrag von 10 bis 15 Mio. Euro pro Jahr entspreche. Zwar lagen der Kommission keinerlei Angaben über den Kostenanfall für Aktionspläne vor; sie ging jedoch davon aus, dass sich die Kosten in der gleichen Größenordnung bewegen würden. In der Summe stand für die Erstellung von Lärmkarten und Aktionsplänen für Ballungsräume somit ein Gesamtaufwand von 20 bis 30 Mio. Euro pro Jahr 55

Irmer, Richtlinie, ZfL 2002, 176 (177 f.). Steinebach/Rumberg, Umgebungslärmrichtlinie, ZfBR 2005, 344 (348). 57 So etwa das Geschäftsführende Vorstandsmitglied des Bayerischen Städtetags R. Knäusl, EU-Lärm-Richtlinie: Viel Papier und wenig Wirkung, BayBgm 2005, 314 f. (314), der die Strategische Lärmminderungsplanung für „weitgehend überflüssig“ erachtet. 58 KOM(2000) 468 endg. vom 26.07.2000. 59 Die Ausweisung dieses Betrages als Jahresbetrag in der deutschsprachigen Fassung des Richtlinienvorschlags (a. a. O., S. 7) beruht auf einem Übertragungsfehler; vgl. die englischsprachige Fassung (S. 6). 56

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2. Teil: Der innovative Charakter der Lärmminderungsplanung

zu Buche. Diesen sich rechnerisch ergebenden Betrag reduzierte die Kommission allerdings angesichts der Tatsache, dass verschiedene Mitgliedstaaten und Städte bereits Lärmkarten und Aktionspläne eingeführt hätten und die Kosten der Überarbeitung und Anpassung solcher Karten und Pläne geringer seien als bei der erstmaligen Erstellung, auf einen lediglich bei 10 bis 20 Mio. Euro liegenden zusätzlichen Kostenanfall, der durch die vorgeschlagene Richtlinie ausgelöst werde. In gleicher Weise schätzte die Kommission die zusätzlichen Kosten für die Erstellung von Lärmkarten und Aktionsplänen bezüglich der Hauptverkehrsstraßen und Haupteisenbahnstrecken ebenfalls auf die Größenordnung von 10 bis 20 Mio. Euro im Jahr. Für die Ausarbeitung der Lärmkarten und Aktionspläne für insgesamt 150 betroffene Flughäfen veranschlagte die Kommission bis zu 15 Mio. Euro jährlich, wobei sie auch hier wegen des angeblichen Vorbestandes früherer Karten und Pläne von geringeren zusätzlichen Kosten in Höhe von allenfalls 10 Mio. Euro im Jahr ausging. Zusammenfassend erwartete die Kommission zusätzliche Kosten in Höhe von 30 bis 40 Mio. Euro im Jahr.60 Die Bundesregierung schätzte in ihrem Gesetzentwurf zur Umsetzung der Umgebungslärmrichtlinie den Gesamtkostenaufwand aufgrund einer Studie im Auftrage des BMVBW auf 39,54 bis 72,07 Mio. Euro bis zum Juni 2012,61 was gerechnet auf acht Jahre einen Jahresdurchschnittsaufwand von 4,94 bis 9,0 Mio. Euro für das Gebiet der Bundesrepublik bedeuten würde. An dieser Studie im Auftrag des BMVBW orientierte sich auch der Bundesrat, der ferner eine Schätzung des LAI heranzog, derzufolge sich die Kosten für die Kartierung in Ballungsräumen im Bundesdurchschnitt auf 1,00 Euro bis 2,00 Euro pro Einwohner belaufen würden.62 Die kommunalen Spitzenverbände in Deutschland gingen ihrerseits von Gesamtkosten für die Erstellung von Lärmkarten in Höhe von ca. 1,50 Euro pro Einwohner sowie in Höhe von weiteren 2,50 Euro pro Einwohner für die Erstellung von Aktionsplänen aus.63 Für die Landeshauptstadt München mit etwa 1,25 Mio. Einwohnern64 ergebe sich hieraus ein Kartierungsaufwand von ca. 60

Richtlinienvorschlag, KOM(2000) 468 endg., S. 7. Vgl. Begründung des Gesetzentwurfs vom 27.09.2004, BT-Drs. 15/3782, S. 22. 62 BR-Drs. 710/05, S. 13 f.; bei den Einzelwerten ergaben sich hier allerdings erhebliche Spannweiten von 0,4 bis 11,40 Euro pro Einwohner (S. 14). 63 Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände, Stellungnahme zum Entwurf einer Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über die Strategische Lärmkartierung) vom 20.01.2005, S. 2 (nicht veröffentlicht; zu beziehen über die Geschäftsstelle der Bundesvereinigung, Postfach 120315, 10593 Berlin). 64 Bevölkerungszahl zum Stichtag 31.12.2005: 1.259.677, vgl. Bayerisches Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung, Datenbank GENESIS-Online Bayern, www. statistik.bayern.de (30.12.2006). 61

D. Vorbehalte gegen die Lärmminderungsplanung

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1,9 Mio. Euro.65 Der Bayerische Städtetag rechnete für München mit Gesamtkosten von über 5 Mio. Euro.66 Angesichts dieser Größenordnung der erwarteten Kostenbelastung für die Kommunen forderten die kommunalen Spitzenverbände den Bund auf, ausreichende Finanzmittel zur Verfügung zu stellen, und rügten überdies einen „Verstoß gegen das Konnexitätsprinzip“;67 dabei handelte es sich freilich nur um ein Konnexitätsprinzip im Sinne einer politischen Forderung nach Kostenübernahme, da ein bundesrechtliches Konnexitätsprinzip, aufgrund dessen entsprechend einigen landesverfassungsrechtlichen Regelungen68 bei der Übertragung neuer Aufgaben auf die Gemeinden die entstehenden Kosten vom Bund zu tragen wären, de lege lata nicht besteht.69 Der Forderung nach zusätzlichen Finanzmitteln des Bundes zugunsten der Kommunen schloss sich auch der Bundesrat in einer Entschließung zur 34. BImSchV an.70 Darüber hinaus werden voraussichtlich Kosten für die Bereitstellung überlieferungspflichtiger Daten bei Infrastrukturunternehmen und einzelnen betroffenen Wirtschaftsunternehmen in nicht bezifferbarer Höhe anfallen. Allerdings wird die Hauptbelastung eindeutig bei den Trägern öffentlicher Verwaltung liegen. Der Mitteleinsatz bei Behörden ist also zweifelsohne hoch. Wie gut dieses Geld „angelegt“ ist, wird sich erst in einigen Jahren klären lassen, da erst dann absehbar sein wird, zu welchen gesellschaftlichen Kostenreduzierungen eine möglicherweise erfolgreiche Lärmminderungsplanung beitragen kann.

65 Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände, Stellungnahme vom 20.01. 2005, S. 2; ebenso der Umweltreferent der Landeshauptstadt München, J. Lorenz, in: Bayerische Staatszeitung Nr. 50 vom 16.12.2005, S. 5. 66 Knäusl, EU-Lärm-Richtlinie, BayBgm 2005, 314 (314). 67 Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände, Stellungnahme zum Entwurf einer Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über die Lärmkartierung) vom 24.08.2005, S. 1 f. (nicht veröffentlicht; zu beziehen über die Geschäftsstelle, vgl. oben Fn. 63). 68 Etwa für Bayern gemäß Art. 83 Abs. 3 BV; für Nordrhein-Westfalen gemäß Art. 78 Abs. 3 NWVerf. Zur Problematik der Umgehung der landesrechtlichen Konnexitätsprinzipien siehe unten 5. Teil, E. I. 4., S. 230; E. II. 2., S. 244. 69 Künftig ist freilich schon eine solche Ausgangssituation wegen Art. 84 Abs. 1 S. 7 GG n. F. ausgeschlossen. 70 BR-Drs. 710/05 (Beschluss), S. 8, Ziffer 3.

3. Teil

Der Gang der Gesetzgebung A. Das gemeinschaftsrechtliche Zustandekommen der RL 2002/49/EG I. Der Richtlinienvorschlag der Kommission Am 26.07.2000 legte die Europäische Kommission ihren Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm vor,1 der sich auf die Vorschriften des Titels XIX (Umwelt) des EG-Vertrages stützte. Die Kommission stellte ihren Entwurf ausdrücklich in den Zusammenhang zu ihrem Grünbuch „Künftige Lärmschutzpolitik“2 von 1996, in dem sie ungeachtet der langjährigen Betätigung der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Verringerung von Lärmemissionen durch Erlass von Produktvorschriften und ungeachtet auch der immensen Beeinträchtigung der Bevölkerung durch Lärmphänomene ein mangelndes Problembewusstsein bei Entscheidungsträgern und in der Folge eine unzureichende Bedeutung der Lärmschutzbelange in politischen Prozessen festgestellt sowie einen schrittweisen Ansatz zur Festlegung einer neuen gemeinschaftlichen Lärmschutzpolitik skizziert hatte.3 Insbesondere hatte die Kommission gefordert, durch eine bessere Integration und Koordinierung sicherzustellen, dass Gemeinschaftsmaßnahmen mit Auswirkung auf die Lärmsituation der Bürger auch tatsächlich positive Effekte auf die Lärmbekämpfung zeitigten, wozu unter anderem die Einführung gemeinsamer Lärmbewertungsverfahren und die Festlegung gemeinsamer Lärmbelastungsgrößen notwendig seien, um die unzureichende Datenlage über die Lärmbelastung und den entsprechenden Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft zu verbessern. Zugleich sollten durch eine verstärkte Unterrichtung der Öffentlichkeit das Problembewusstsein geschärft und die Bürger stärker in die Lärmbekämpfungsstrategien einbezogen werden.4 1 KOM(2000) 468 endg.; Textentwurf ebenfalls veröffentlicht in ABl. EG 2000 Nr. C 337 E S. 251. 2 KOM(96) 540 endg. 3 Grünbuch, KOM(96) 540 endg., Einleitung bzw. Kapitel 5. 4 Grünbuch, KOM(96) 540 endg., Kapitel 4.1.

A. Das Zustandekommen der RL 2002/49/EG

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Diesen Schlussfolgerungen des Grünbuches sollte der Richtlinienvorschlag der Kommission Rechnung tragen, die durch die vorgeschlagenen Instrumente Öffentlichkeit und Behörden gleichermaßen in die Lage versetzen wollte, Lärmsituationen, Lösungsansätze und Fortschritte europaweit zu vergleichen, worin sie eine wichtige Grundlage für Verbesserungen sah. Anders als 1996 erwogen5 verzichtete die Kommission jedoch auf die Vorgabe von Zielgrenzwerten, die vielmehr von den Mitgliedstaaten auf der Grundlage der in dem Richtlinienvorschlag enthaltenen Mindestanforderungen, Leitlinien oder allgemeinen Ziele nach jeweils eigenen Methoden und Ansätzen entwickelt werden müssten, und beschränkte die Funktion der Europäischen Gemeinschaft auf die Einführung gemeinsamer Indizes (Lden, Lnight), die Harmonisierung von Berechnungs- und Messmethoden für die Lärmbelastung, die Überwachung der Lärmbelastung in der EU, die Entwicklung einer europäischen Strategie zur Verbesserung der Lage und zum Informationsaustausch sowie schließlich den Erlass produktbezogener Geräuschemissionsvorschriften.6 Die Kommission sah hierin einen ähnlichen Ansatz wie bei der Bekämpfung der Luftverschmutzung durch die Richtlinie 96/62/EG7.

II. Die Änderungsvorschläge des Europäischen Parlaments und der Ausschüsse Der Richtlinienvorschlag der Kommission fand bei allen europäischen Institutionen, die im Rahmen des Mitentscheidungsverfahrens gemäß Art. 175 Abs. 1 i.V. m. Art. 251 EGV8 beteiligt bzw. im Beschlussverfahren des Rates gemäß Art. 175 Abs. 1 EGV anzuhören waren, grundlegende Zustimmung. So billigte das Europäische Parlament den Richtlinienvorschlag in erster Lesung am 14.12.2000 unter Änderungen.9 Im Rat konnte am 18.12.2000 ein einstimmiges politisches Einvernehmen über einen später zu formulierenden Gemeinsamen Standpunkt zum Richtlinienvorschlag erzielt werden.10 Auch die nach Art. 175 Abs. 1 EGV anzuhörenden Ausschüsse äußerten sich zustimmend. Der Wirtschafts- und Sozialausschuss begrüßte in seiner Stellungnahme vom 29.11.200011 den Vorschlag nachdrücklich. Ziel sei es, eine größere 5

Grünbuch, KOM(96) 540 endg., Kapitel 4.1. Richtlinienvorschlag, KOM(2000) 468 endg., S. 5 (Ziffer 4.). 7 ABl. EG 1996 Nr. L 296 S. 55. 8 Jeweils i. d. F. des Amsterdamer Vertrages vom 02.10.1997 (BGBl. 1998 II S. 387, ber. 1999 II S. 416). 9 EP (1. Lesung), ABl. EG 2001 Nr. C 232 S. 305. 10 Pressemitteilung Conseil/00/486 vom 18.12.2000 zur 2321. Tagung des Rates (Umwelt) am 18./19.12.2000 in Brüssel; EU-Bulletin Nr. 12-2000, Ziffer 1.4.40. 11 ABl. EG 2001 Nr. C 116 S. 48. 6

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3. Teil: Der Gang der Gesetzgebung

Sensibilisierung für die Gefährdung der Gesundheit der Menschen, des Zusammenlebens und der Kommunikation durch den sog. „Umgebungslärm“ zu erreichen. Der Ausschuss verlieh überdies seiner Befürchtung Ausdruck, dass den künftigen Generationen eine schädliche „Lärmkultur“ weitergegeben werde, in der der Lärm zu einer Gewohnheit im alltäglichen Leben und somit durchaus hinnehmbar werde.12 Der ebenfalls anzuhörende Ausschuss der Regionen begrüßte in seiner Stellungnahme vom 14.02.200113 seinerseits die vorgeschlagene Richtlinie und wertete sie als entscheidenden Schritt zu einer gemeinsamen europäischen Politik auf dem Gebiet der Lärmbekämpfung. Die vorgesehenen Rechtsinstrumente lieferten zwar keine Lösung für alle Probleme, berücksichtigten aber erstmals alle Formen der Geräuschbelästigung.14 Ungeachtet dieser grundsätzlichen Zustimmung zum Richtlinienvorschlag der Kommission wurden zahlreiche Änderungsvorschläge im Laufe des Verfahrens eingebracht. So beschloss allein das Europäische Parlament in erster Lesung 37 Änderungsvorschläge,15 die teils grundlegend die Systematik des Richtlinienvorschlags berührten.16 So forderte das Parlament erstens die Ausweitung der Richtlinie auf Emissionsgesichtspunkte. Die Notwendigkeit einer Verschärfung bzw. erstmaligen Festlegung von Lärmemissionsgrenzwerten sollte in den Erwägungsgründen festgehalten sowie die Kommission zu Vorschlägen für entsprechende Produktvorschriften angehalten werden.17 Zweitens sollte sich die Richtlinie nicht auf die Harmonisierung der Ermittlungs- und Bewertungsmethodik beschränken, sondern überdies eigenständige EU-Grenzwerte für den Umgebungslärm von Flugzeugen im Umfeld von Flughäfen, Straßen, Eisenbahnstrecken und Industrieanlagen festschreiben, wobei die Festlegung von Grenzwerten für den Umgebungslärm im Umfeld von Flugplätzen besonders dringlich sei.18 Dem Sachzusammenhang nach handelt es sich bei den hier geforderten EU-Grenzwerten um Immissionsgrenzwerte. Die beiden vorgenannten Ziele sollten drittens gesetzgebungstechnisch durch die Ausgestaltung der Umgebungslärmrichtlinie als Rahmenrichtlinie und ihre Ergänzung durch Tochterrichtlinen sichergestellt werden, in denen verpflich12

Stellungnahme des WSA, ABl. EG 2001 Nr. C 116 S. 48 (S. 49, Ziffer 2.1.). ABl. EG 2001 Nr. C 148 S. 7. 14 Stellungnahme des AdR, ABl. EG 2001 Nr. C 148 S. 7 (S. 7, Ziffer 1.1.). 15 EP (1. Lesung), ABl. EG 2001 Nr. C 232 S. 305. 16 So auch die Bewertung von Irmer, Richtlinie, ZfL 2002, 176 (176). 17 EP (1. Lesung), ABl. EG 2001 Nr. C 232 S. 305 (S. 306 f., Abänderungen 5, 38 und 11). 18 EP (1. Lesung), ABl. EG 2001 Nr. C 232 S. 305 (S. 306 f., Abänderungen 8, 10 und 11). 13

A. Das Zustandekommen der RL 2002/49/EG

73

tende Qualitätsstandards auf der Immissionsseite festgelegt sowie auf der Emissionsseite im Rahmen eines kombinierten Ansatzes von der Kommission Emissionsbegrenzungen für Nutzfahrzeuge (einschließlich der Geräuschemissionen von Motoren, Reifen und Aufbauten), für Motorräder (einschließlich der Geräuschemissionen von Motoren und Reifen), für Schienenfahrzeuge und Schienenwege sowie Flugzeuge vorgesehen werden sollten.19 Darüber hinaus sahen die Änderungsvorschläge des Europäischen Parlamentes vor, dass Lärmkarten sowie Aktionspläne nicht nur bei Erfüllung der entsprechenden Tatbestandsvoraussetzungen der Richtlinienvorschriften und im Rahmen der vorgegebenen Fristen hierfür ausgearbeitet werden müssten, sondern auch „im Falle ernsthafter Beschwerden der Bevölkerung über die Lärmpegel“.20 Mit einer solchen Änderung wäre eine starke Subjektivierung der Kartierungsund Planungsverpflichtungen der Mitgliedstaaten einhergegangen, die in der Praxis wohl zu erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten geführt hätte und deshalb zu Recht nicht in die endgültige Fassung der Richtlinie Eingang fand.21 Schließlich sollten nach dem Willen des Parlaments Personen oder Einheiten, die für erhebliche Lärmemissionen aus „Punktquellen“ wie beispielsweise Industrieanlagen und Baustellen verantwortlich seien, verpflichtet werden, einen individuellen Aktionsplan auszuarbeiten.22 Auch dieser Änderungswunsch wurde nicht in die Richtlinie übernommen, da der Industrie- und Gewerbelärm in Ballungsräumen bereits von der Kartierung und Aktionsplanung erfasst werde und außerhalb von Ballungsräumen der Schutz ruhiger Gebiete auf dem Lande ebenfalls gewährleistet sei.23 Das erscheint vor dem Hintergrund richtig, dass die Richtlinie einen koordinierten quellenübergreifenden Lärmschutz bezweckt. Eine solche Koordinierungsleistung können einzelne Vorhabensträger aber gerade nicht erbringen. Auch der Ausschuss der Regionen vertrat in seiner Stellungnahme die Auffassung, dass zumal für die Flughäfen über die Standardisierung der Lärmindizes (im Sinne der Formeln für Lden und Lnight) hinaus gemeinsame Interventionsschwellen entsprechend den nachweislich gesundheitsbelastenden Lärm19 EP (1. Lesung), ABl. EG 2001 Nr. C 232 S. 305 (S. 306 f., Abänderungen 38 und 11). Die exakte Abgrenzung von Emissions- und Immissionsseite ist wegen des insoweit nicht differenzierenden europäischen Sprachgebrauchs mitunter schwierig (vgl. die englischsprachige Fassung). 20 EP (1. Lesung), ABl. EG 2001 Nr. C 232 S. 305 (S. 310, Abänderungen 23 und 25). 21 Ablehnung durch die Kommission, Mitteilung SEK/2001/892 endg., Ziffer 3.2.3., wie durch den Rat, Begründung zum Gemeinsamen Standpunkt, ABl. EG 2001 Nr. C 297 S. 49 (S. 71, Ziff. VII.). 22 EP (1. Lesung), ABl. EG 2001 Nr. C 232 S. 305 (S. 310, Abänderung 26). 23 Kommission, Mitteilung SEK/2001/892 endg., Ziff. 3.2.3.; Begründung des Rates zum Gemeinsamen Standpunkt, ABl. EG 2001 Nr. C 297 S. 49 (S. 71, Ziff. VII. a. E.).

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3. Teil: Der Gang der Gesetzgebung

niveaus festgelegt werden sollten.24 Jedenfalls sollten nach dem Vorbild des Grünbuches Leitwerte in den Richtlinientext aufgenommen werden, die benötigt würden, um seitens der Mitgliedstaaten Grenzwerte entwickeln zu können.25 Mit Unklarheiten ist hingegen die Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses behaftet: Der Ausschuss ging davon aus, dass die Kommission beabsichtige, koordinierte Rahmenbedingungen für die Lärmmessung und die Information der Öffentlichkeit zu schaffen, um so im Zusammenwirken mit den in Art. 5 genannten einzelnen „Grenzwerten“ für den Straßenverkehrslärm, Eisenbahnlärm, Fluglärm im Umfeld von Flughäfen und den Industrie- und Gewerbelärm zu einer späteren Harmonisierung der „Lärmindizes“ auf Gemeinschaftsebene zu gelangen.26 Eine spätere Harmonisierung der Lärmindizes auf Gemeinschaftsebene könnte sich über die bereits in der Richtlinie selbst vorgenommene Definition der Indizes Lden und Lnight hinaus allenfalls auf die zu verwendenden Berechnungsverfahren beziehen; für deren Vereinheitlichung spielen aber von Mitgliedstaaten in deren Rechtsvorschriften vorgesehene „Grenzwerte“ im Sinne des Art. 5 Abs. 3 des Richtlinienvorschlags, bei deren Überschreitung die zuständigen Behörden Lärmschutzmaßnahmen in Erwägung ziehen oder einführen (so die Legaldefinition in Art. 3 lit. s des Richtlinienvorschlags), keine ersichtliche Rolle. Umgekehrt könnte die Zusammenschau solcher Grenzwerte der Mitgliedstaaten aber einen Anhaltspunkt für gemeinschaftsrechtliche „Grenzwerte“ bieten. Insofern ist wohl davon auszugehen, dass der Ausschuss ähnlich wie vom Parlament gefordert die spätere Festlegung von EU-Immissionsgrenzwerten befürworten wollte. An diesem Punkte wird auch die besondere Herausforderung deutlich, trotz der Sprachenvielfalt in der EU zu einer in sich schlüssigen Gemeinschaftsgesetzgebung zu gelangen. Eine schlichtweg falsche deutsche Übersetzung der englischen Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses erweckt mit ihrer Beschreibung der Erarbeitung von Lärmkarten gestützt auf „vorliegende Daten, jedoch nach einer konsequent harmonisierten Methodik“ den Eindruck eines wesentlich geringeren operativen Aufwands als die englische Fassung, die die Erarbeitung der Lärmkarten – zutreffend – als zweiten Schritt zur Darstellung der Lärmbelastung auf Grundlage der Daten, die aufgrund des vorstehend benannten ersten Schritts einer Festlegung einheitlicher Bewertungsverfahren erst noch gewonnen werden konnten und mussten, kennzeichnet.27

24

Stellungnahme des AdR, ABl. EG 2001 Nr. C 148 S. 7 (S. 7, Ziff. 1.4.). Stellungnahme des AdR, ABl. EG 2001 Nr. C 148 S. 7 (S. 8, Ziff. 2.4.). 26 Stellungnahme des WSA, ABl. EG 2001 Nr. C 116 S. 49 (S. 50, Ziff. 2.5.). 27 Stellungnahme des WSA, ABl. EG 2001 Nr. C 116 S. 48 (S. 48, Ziff. 1.3.) in deutsch („gestützt auf vorliegende Daten“) bzw. englisch („on the basis of the above data“). 25

A. Das Zustandekommen der RL 2002/49/EG

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Insgesamt verdeutlicht diese Auswahl der im Rahmen der jeweils erstmaligen Befassung der Institutionen mit dem Vorschlag vorgebrachten Änderungswünsche eine Tendenz hin zu einer Ausweitung der Richtlinie. Vorbehalte gegen möglicherweise übermäßige Anforderungen an die mit der Lärmkartierung und Aktionsplanung betrauten öffentlichen Stellen lassen sich nicht ausmachen. Anders als deutsche Kommunalvertreter fürchteten die Beteiligten offenbar nicht die „operative Knochenarbeit“28 der Umsetzung der Richtlinie in die Vollzugspraxis. Immerhin erkannten sowohl der Wirtschafts- und Sozialausschuss als auch der Ausschuss der Regionen frühzeitig Probleme in Hinblick auf die Definition des „Ballungsraums“ und regten Präzisierungen insbesondere mit Blick auf mögliche Mehrfachzuständigkeiten innerhalb der Ballungsräume an.29

III. Vom Gemeinsamen Standpunkt des Rates zum Vermittlungsverfahren und Inkrafttreten der Richtlinie Am 07.06.2001 verabschiedete der Rat den Gemeinsamen Standpunkt im Sinne des Art. 251 Abs. 2 Unterabsatz 2 EGV.30 Darin akzeptierte der Rat grundlegend die vom Europäischen Parlament vorgeschlagene Erweiterung des Anwendungsbereichs der Richtlinie auf Belange des produktbezogenen Emissionsschutzes. So wurde ein neuer Art. 1 Abs. 2 in den Richtlinienentwurf aufgenommen, wonach die Richtlinie auch eine Grundlage für die Einführung von Gemeinschaftsmaßnahmen zur Minderung des von spezifischen Lärmquellen hervorgerufenen Lärms darstellen solle. Art. 11 des Richtlinienvorschlages wurde dahingehend verändert, dass die Kommission untersuchen solle, ob Maßnahmen für eine Minderung von Lärmemissionen durch im Freien verwendete Geräte und Maschinen, Verkehrsmittel, Verkehrsinfrastruktureinrichtungen bzw. industrielle Tätigkeiten erforderlich seien. Allerdings verzichtete der Rat aus Respekt gegenüber dem alleinigen Initiativrecht der Europäischen Kommission darauf, Fristen für entsprechende Richtlinienvorschläge zu setzen. Stattdessen erging eine entsprechende Protokollerklärung.31 Angesichts der ablehnenden Haltung der Kommission in der vorangegangenen internen Stellungnahme an den Rat verzichtete der Rat ebenfalls auf die Einfügung europäischer Lärmgrenzwerte in den Richtlinientext. Da solche Lärmgrenzwerte nach dem Vorschlag der Kommission nicht in den Anwen28

Lorenz, in: Bayerische Staatszeitung Nr. 50 vom 16.12.2005, S. 5. Stellungnahme des WSA, ABl. EG 2001 Nr. C 116 S. 48 (S. 50, Ziff. 3.2.3.); Stellungnahme des AdR, ABl. EG 2001 Nr. C 148 S. 7 (S. 8, Ziff. 2.6.). 30 Gemeinsamer Standpunkt (EG) Nr. 25/2001, ABl. EG 2001 Nr. C 297 S. 49. 31 Vgl. Begründung des Rates, ABl. EG 2001 Nr. C 297 S. 49 (S. 69, Ziff. VI., zu Abänderungen 11, 5, 8 und 38; S. 70, Ziff. VII., zu Abänderung 1). 29

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3. Teil: Der Gang der Gesetzgebung

dungsbereich des Richtlinienentwurfs fielen, seien weder Rat noch Parlament befugt, entsprechende Erweiterungen vorzunehmen.32 Die Europäische Kommission wiederum bekundete in ihrer Unterrichtung des Europäischen Parlaments gemäß Art. 251 Abs. 2 Unterabsatz 2 EGV vom 08.06.2001, den Gemeinsamen Standpunkt im Großen und Ganzen mittragen zu wollen.33 Die Kommission akzeptierte insbesondere das Ansinnen des Rates und des Parlaments, grundsätzlich auch Maßnahmen zur Emissionsminderung im Rahmen der Richtlinie in den Blick zu nehmen, lehnte es aber ab, eine Verschärfungsnotwendigkeit für Lärmemissionsgrenzwerte von Straßen- und Schienenfahrzeugen sowie Reifen in der Richtlinie festzuschreiben. Dies sei unangemessen, da auch andere Quellen zum Umgebungslärm beitrügen und vor weiteren Maßnahmen Erkenntnisse über die gesamte Lärmsituation abgewartet werden müssten.34 Ebenfalls als verfrüht abgelehnt wurde der Antrag des Parlaments, europäische Immissionsgrenzwerte festzulegen, da keine ausreichenden einheitlichen Informationen über die Lärmsituation vorlägen, um solche einheitlichen Grenzwerte vorschreiben zu können. Entsprechendes wollte die Kommission allenfalls im Rahmen der Überprüfungs- und Berichterstattungsklausel des Art. 11 der Richtlinie in Erwägung ziehen.35 Aus diesen Gründen lehnte die Kommission jegliche Änderung ab, die einen Erlass von Tochterrichtlinien zum Inhalt gehabt hätte.36 Sie wies außerdem darauf hin, dass Tochterrichtlinien auch gesetzgebungstechnisch als unnötig anzusehen seien, da entsprechende Grenzwerte im Rahmen vorhandener Rechtsvorschriften geregelt werden könnten.37 Das Europäische Parlament hielt gleichwohl auch in zweiter Lesung an seiner Forderung fest, dass die Kommission Einzelrichtlinien vorschlagen solle, in denen Qualitätsstandards festgelegt werden sollten, die die Mitgliedstaaten einhalten müssten, wobei diese Tochterrichtlinien sämtliche Lärmquellen erfassen sollten.38 Die Europäische Kommission wies dies wiederum mit der Begründung zurück, dass es verfrüht sei, die Festlegung neuer Höchstwerte in Erwägung zu ziehen, bevor Lärmkarten ausgearbeitet worden seien und somit vergleichbare Informationen über die Lärmbelastung der Bevölkerung in ganz Eu32 Begründung des Rates, ABl. EG 2001 Nr. C 297 S. 49 (S. 70, Ziff. VII., zu Abänderung 8). 33 Mitteilung der Kommission, SEK/2001/892 endg., Ziff. 3.1. 34 Mitteilung der Kommission, SEK/2001/892 endg., Ziff. 3.2.3. (zu Änderung 5). 35 Mitteilung der Kommission, SEK/2001/892 endg., Ziff. 3.2.3. (zu Änderung 8). 36 Mitteilung der Kommission, SEK/2001/892 endg., Ziff. 3.1. 37 Mitteilung der Kommission, SEK/2001/892 endg., Ziff. 3.2.3. (zu Änderung 8). 38 EP (2. Lesung), ABl. EG 2002 Nr. C 87 E S. 118 (S. 118 f., Abänderungen 3 und 33).

A. Das Zustandekommen der RL 2002/49/EG

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ropa zur Verfügung stünden,39 weswegen am 26.02.2002 gemäß Art. 251 Abs. 3 Satz 2 EGV der Vermittlungsausschuss von Rat und Parlament einberufen wurde. Der Vermittlungsausschuss einigte sich am 27.02.2002 auf einen gemeinsamen Entwurf der Richtlinie, nach dem die Richtlinie nicht nur auf die Erarbeitung von Lärmkarten für sämtliche Ballungsräume der Union abzielen solle, sondern auch auf die Festlegung eines Rahmens für künftige Maßnahmen der Gemeinschaft zur Verringerung von Lärmemissionen aus den wichtigsten Lärmquellen.40 Dies bedeutete endgültig die Aufnahme des neuen Art. 1 Abs. 2 in den Richtlinientext, wonach die Richtlinie auch eine Grundlage für die Entwicklung weiterer Produktvorschriften darstellt.41 Die genannte Vorschrift enthält ferner eine Verpflichtung der Kommission, dem Parlament und dem Rat geeignete Vorschläge für entsprechende Rechtsvorschriften vorzulegen. Dies veranlasste die Kommission zu einer Erklärung im Vermittlungsausschuss, dass Vorschläge für Rechtsvorschriften zur Verringerung des Lärms aus größeren Quellen auf der Grundlage solider, diese Vorschläge stützender Daten unterbreitet werden sollten. In dieser Hinsicht stellten die Berichte der Mitgliedstaaten nach der Richtlinie aufgrund der harmonisierten Lärmindikatoren ein wichtiges Element dar. Die Kommission werde daher entsprechend dem EGV prüfen, ob neue Rechtsvorschriften notwendig seien, und sich das Recht vorbehalten, darüber zu entscheiden, ob und wann solche Vorschläge zweckmäßig seien. Dieses Vorgehen stehe im Einklang mit dem im EGV verankerten Initiativrecht der Kommission, das durch die Vorschriften des Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie bezüglich der Unterbreitung neuer Vorschläge innerhalb einer gesetzten Frist offensichtlich beeinträchtigt werde.42 Nach der Annahme des Vermittlungsergebnisses durch das Europäische Parlament am 15.05.200243 sowie durch den Rat am 21.05.200244 wurde die Richtlinie als Richtlinie 2002/49/EG am 25.06.2002 ausgefertigt und am 18.07.2002 im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht.45 Sie trat gemäß Art. 15 RL am Tage ihrer Veröffentlichung in Kraft.

39 Stellungnahme der Kommission gemäß Art. 251 Abs. 2 Unterabsatz 3 lit. c EGV vom 24.10.2001, KOM(2001) 621 endg., Ziff. 4.2. 40 EU-Bulletin, Nr. 1/2-2002, Ziff. 1.4.62. 41 Für Irmer, Richtlinie, ZfL 2002, 176 (177), lässt diese Ausweitung des Geltungsbereichs die gesamte Richtlinie, die vom Ansatz her eine Richtlinie zur Regelung der Geräuschimmissionen darstelle, in sich weniger konsistent erscheinen. 42 Erklärung der Kommission im Vermittlungsausschuss, ABl. EG 2002 Nr. L 189 S. 26. 43 ABl. EG 2003 Nr. C 180 E S. 233. 44 EU-Bulletin, Nr. 5-2002, Ziff. 1.4.44. 45 ABl. EG 2002 Nr. L 189 S. 12 (S. 17).

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3. Teil: Der Gang der Gesetzgebung

B. Die Umsetzung der Richtlinie in das mitgliedstaatliche Recht der Bundesrepublik Deutschland I. Die Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes Die Umsetzung der Umgebungslärmrichtlinie in das mitgliedstaatliche Recht gelang in Deutschland erst nach dem Verstreichen der europarechtlichen Umsetzungsfrist, die am 18.07.2004 endete. Die (konkurrierende) Gesetzgebungskompetenz des Bundes ergab sich dabei aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 (Lärmbekämpfung) i.V. m. Art. 72 Abs. 2 GG a. F. Der hohe Zeitdruck – offenbar durch Kompetenzkonflikte zwischen BMU und BMVBW hinsichtlich der Federführung mitverursacht46 – bestimmte dabei auch die Art der Umsetzung: Die Schaffung eines eigenständigen, umfassenden Lärmschutzgesetzes wurde aus Zeitnot nicht verfolgt; der sprichwörtliche „große Wurf“ blieb damit aus.47 Ebenfalls verworfen wurde die Variante, die Lärmminderungsplanung je nach Lärmart in den jeweiligen Fachgesetzen zu verankern, etwa im BauGB sowie im Fluglärmschutzgesetz. Dieses hätte umfangreiche Änderungsverfahren bezüglich einer Mehrzahl von Gesetzen erfordert und insbesondere in Bezug auf Landeseisenbahnen und Landesstraßen kompetenzrechtliche Probleme aufgeworfen,48 weswegen man sich letztendlich für eine lärmartübergreifende gemeinsame gesetzliche Grundlage im BundesImmissionsschutzgesetz durch Einfügung eines neuen Sechsten Teils entschied.49 Im Hinblick auf die Gesamtbelastungsperspektive dieses Gesetzes und auch im Sinne einer Vermeidung einer weiteren Zersplitterung des Lärmschutzrechts erscheint dieser Regelungsansatz im Nachhinein als vorzugswürdig.50

46 U. Repkewitz, Probleme der Umsetzung der Umgebungslärmrichtlinie, VBlBW 2006, 409 ff. (409) m.w. N.; Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, Vor §§ 47a–47f Rn. 21. 47 Vgl. Begr., BT-Drs. 15/3782, S. 17; Irmer, Richtlinie, ZfL 2002, 176 (180 f.); Scheidler, Lärmminderungsplanung, UPR 2005, 247 (248). Kritik hieran äußern Steinebach/Rumberg, Umgebungslärmrichtlinie, ZfBR 2005, 344 (347), die ohne eine weitergehende Bereinigung und Vereinheitlichung des deutschen Lärmschutzrechts eine weitere Verschärfung der bereits bestehenden tief greifenden Inkonsistenzen bei der Lärmbewertung und -bekämpfung sowie in der Folge eine Ausweitung der bestehenden Intransparenzen erwarten, aber zugleich zugestehen, dass die Richtlinie alleine aufgrund fehlender oder nur vorläufiger Parameter noch keine ausreichende Grundlage für eine Umgestaltung des deutschen Lärmschutzrechts darstellen könne (S. 348). Kritisch auch Stettner, in: Ule/Laubinger, Vor §§ 47a–47f BImSchG Rn. C3. 48 Begr., BT-Drs. 15/3782, S. 17. 49 Zu den Aspekten Problemdruck und Problemeingrenzung durch Zeitdruck vgl. auch R. Wahl, Materiell-integrative Anforderungen an die Vorhabenzulassung. Anwendung und Umsetzung der IVU-Richtlinie, in: Gesellschaft für Umweltrecht (Hrsg.), Die Vorhabenzulassung nach der UVP-Änderungs- und der IVU-Richtlinie, Dokumentation zur Sondertagung der Gesellschaft für Umweltrecht e. V. Berlin 1999, 2000, S. 67 ff. (67 f.).

B. Umsetzung der Richtlinie in das mitgliedstaatliche Recht

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1. Der ursprüngliche Gesetzentwurf (BT-Drs. 15/3782) Einen ersten Gesetzentwurf zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes legte die Bundesregierung am 27.09.2004 auf Bundestags-Drucksache 15/3782 vor.51 Um auch die Lärmminderungsplanung bezüglich des Fluglärms einheitlich im Bundes-Immissionsschutzgesetz regeln zu können, wurde hierin zunächst der Anwendungsbereich des Gesetzes auf Verkehrsflughäfen und andere Flugplätze ausgeweitet, allerdings beschränkt auf den Kontext der Lärmminderungsplanung (§ 2 Abs. 2 BImSchG-E). Die bisherige Vorschrift zur Lärmminderungsplanung gemäß § 47a BImSchG a. F. sollte gemäß Art. 1 Nr. 4 des Artikelgesetzes aufgehoben und stattdessen als örtliche Lärmminderungsplanung im Wesentlichen inhaltsgleich in §§ 47a, 47d BImSchG-E übernommen werden. Neu war dabei in Anlehnung an den weiten Begriff des Umgebungslärms eine Kartierungsmöglichkeit hinsichtlich nicht erheblicher Belästigungen und Nachteile (§ 47a Abs. 1 S. 2 BImSchG-E), ferner eine Öffentlichkeitsbeteiligung (s. u.). Die Planungspflicht sollte nunmehr gemäß § 47d BImSchG-E für Fälle eintreten, die ein „abgestimmtes Vorgehen gegen mehrere Lärmquellen“ erfordern; die missverständliche Formulierung „verschiedenartig“ aus § 47a Abs. 2 S. 1 BImSchG a. F. sollte entfallen.52 Die örtliche Lärmkartierung und Lärmminderungsplanung sollte insgesamt neben die Lärmminderungsplanung aus der Richtlinie treten, da für sie ein eigener Anwendungsbereich verbleibe, soweit Gebiete nicht in der Umgebung der in der Richtlinie genannten Hauptlärmquellen liegen.53 Ansonsten sollten §§ 47a, 47d gemäß §§ 47a Abs. 2, 47d Abs. 5 BImSchG-E ausdrücklich subsidiärer Natur gegenüber der Lärmminderungsplanung aus der Umsetzung der Richtlinie sein. Diese sollte hinsichtlich der Kartierung in § 47b, hinsichtlich der Aktionspläne, die wiederum Lärmminderungspläne heißen sollten, in § 47e BImSchG-E geregelt werden. Sie sollte gemäß § 47f BImSchG-E vor allem das Ziel verfolgen, die Belastung der Bevölkerung durch Umgebungslärm so weit zu senken, dass kurzfristig Gefährdungen für die Gesundheit und langfristig erhebliche Belästigungen vermieden werden.

50 In diesem Sinne auch F. Feldmann, Wandel im Lärmschutz: Die Umgebungslärmrichtlinie und ihre Umsetzung in deutsches Recht, ZUR 2005, 352 ff. (354); SchulzeFielitz, in: GK-BImSchG, Vor §§ 47a–47f Rn. 24. 51 Die hierin vorgesehenen Gesetzesformulierungen werden im Folgenden regelmäßig nicht nach den Änderungsziffern des Gesetzentwurfs für ein Artikelgesetz, sondern als konsolidierter Wortlaut unter der Kurzbezeichnung BImSchG-E zitiert. 52 Vgl. oben 1. Teil, Fn. 203. 53 Gegenäußerung der Bundesregierung zum Bundesrat, BT-Drs. 15/3921, S. 2.

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3. Teil: Der Gang der Gesetzgebung

Für die Durchführung der strategischen Lärmkartierung sollten diejenigen Behörden bestimmt werden, die am ehesten über die erforderlichen Daten verfügen (§ 47b BImSchG-E).54 Für die Aktionsplanung sollten dagegen vorrangig die Gemeinden zuständig sein, da bei ihnen die einzelnen Planungsbeiträge am besten koordiniert und zusammengefasst werden könnten. Allerdings sah der Gesetzentwurf eine Öffnungsklausel für landesrechtliche Bestimmungen vor, um einerseits verfassungsrechtliche Zweifel hinsichtlich einer unzulässigen unmittelbaren Aufgabenübertragung des Bundes auf die Gemeinden zu vermeiden55 und andererseits Fällen Rechnung tragen zu können, in denen nur eine überörtliche Lösung sinnvoll erscheint.56 Aus diesem Grund war etwa eine zentrale Zuständigkeit für Fluglärm bei der Landesluftfahrtbehörde vorgesehen (§ 47n Nr. 3 BImSchG-E).57 Die Planung selbst sollte mehrstufig erfolgen: Zunächst sollte in einem vorgezogenen Verfahrensschritt über das Planungserfordernis zu entscheiden sein. Verneinendenfalls sollte der Entwurf der Entscheidung öffentlich ausgelegt bzw. eine Behördenbeteiligung durchgeführt werden (§ 47g Abs. 1 i.V. m. §§ 47h Abs. 2, 47i Abs. 2, 47j Abs. 3 BImSchG-E). Hielte die Behörde eine Planung hingegen für erforderlich, so sollte sie das Aufstellungsverfahren einleiten (§ 47g Abs. 2 BImSchG-E) und davon frühzeitig Behörden und Öffentlichkeit unterrichten (§§ 47h Abs. 1, 47i Abs. 1 BImSchG-E), die Gelegenheit zur Äußerung erhalten sollten. Vor dem Beschluss des Plans wären der Entwurf öffentlich auszulegen (§ 47h Abs. 2 BImSchG-E) sowie behördliche Stellungnahmen einzuholen gewesen (§ 47i Abs. 2 BImSchG-E). Der Beschluss sollte im Einvernehmen der Gemeinde mit den anderweitig betroffenen Behörden (§ 47n Nr. 3 BImSchG-E) erfolgen. In die Lärmkarten und Lärmminderungspläne wäre nicht nur jedermann Einsicht zu gestatten gewesen; diese hätten auch in geeigneter Weise verbreitet werden müssen (§ 47m BImSchG-E). Die Bindungswirkung des Plans (§ 47e Abs. 4 i.V. m. § 47d Abs. 4 BImSchG-E) sollte der oben58 dargestellten aus § 47a Abs. 4 i.V. m. § 47 Abs. 6 BImSchG a. F. entsprechen. § 47p BImSchG-E schließlich enthielt eine umfassende Verordnungsermächtigung. Die zustimmungspflichtige Rechtsverordnung sollte die erforderlichen Konkretisierungen hinsichtlich der Abgrenzung der Ballungsräume, der die Pla-

54 55 56 57 58

Begr., BT-Drs. 15/3782, S. 35. Siehe hierzu unten 5. Teil, E. II. 2., S. 240; 6. Teil, F. III., S. 368. Begr., BT-Drs. 15/3782, S. 36. Begr., BT-Drs. 15/3782, S. 36 f. Vgl. oben 1. Teil, B. VI., S. 53.

B. Umsetzung der Richtlinie in das mitgliedstaatliche Recht

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nungspflicht auslösenden Voraussetzungen sowie der technischen Standards erbringen.59 Der Gesetzentwurf traf zunächst keine Regelung für eine Bewältigung der mit der Lärmminderungsplanung verbundenen Kosten insbesondere bei den Kommunen. Im Zuge der Ausschussberatungen des Deutschen Bundestages wurde der Gesetzentwurf auf Antrag60 und mit den Stimmen61 der Fraktionen SPD und Bündnis90/Die Grünen um einen zweiten Artikel ergänzt, der eine Änderung des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes vorsah.62 Durch die Erweiterung der nach dem GVFG förderungsfähigen Vorhaben um Straßenbaumaßnahmen, sofern durch diese eine erhebliche Lärmminderung für Wohngebiete erreicht werden kann, sowie um die Aufstellung und Überarbeitung von Lärmkarten und Lärmminderungsplänen sollte ein Anreiz für die Kommunen geschaffen werden, eine effektive Lärmminderungsplanung durchzuführen, und sie zugleich überhaupt in die Lage versetzen, diese Planungen auch zu realisieren. Nicht nur die Lärmvorsorge im Rahmen der 16. BImSchV, sondern auch die mit der neuen Lärmminderungsplanung eingeleitete Lärmsanierung sei als notwendiger Teil der Verkehrsinvestition zu begreifen.63 Damit wäre freilich nicht ein Mehr an Finanzmitteln für Verkehrsinvestitionen einschließlich des Lärmschutzes verbunden gewesen, sondern lediglich eine Umschichtung der hierfür zur Verfügung gestellten Mittel; eine Mehrbelastung des Bundeshaushaltes sollte nach der Antragsbegründung der Regierungsfraktionen ausdrücklich nicht erfolgen.64 Der Deutsche Bundestag folgte der Beschlussempfehlung des Umweltausschusses; am 28.10.2004 beschloss der Bundestag mit den Stimmen der Fraktionen SPD und Bündnis90/Die Grünen den Gesetzentwurf in der Ausschussfassung.65 2. Einwände gegen den Gesetzentwurf Der Gesetzentwurf sah sich zahlreichen Einwänden aus Bundesrat, Parlamentsopposition und Schrifttum ausgesetzt, die nicht nur zu einer kritischen 59 Siehe zu den vorgeschlagenen Einzelvorschriften auch die ausführliche Darstellung des Gesetzentwurfs bei Scheidler, Lärmminderungsplanung, UPR 2005, 247 (248 ff.). 60 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, BT-Drs. 15/4024, S. 7. 61 Beschlussempfehlung, BT-Drs. 15/4024, S. 1. 62 Beschlussempfehlung, BT-Drs. 15/4024, S. 3. 63 So ausdrücklich die Antragsbegründung, vgl. Beschlussempfehlung, BT-Drs. 15/ 4024, S. 7. 64 Beschlussempfehlung, BT-Drs. 15/4024, S. 7. 65 BT-PlPr 15/135, S. 12416; BR-Drs. 855/04.

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3. Teil: Der Gang der Gesetzgebung

Stellungnahme des Bundesrates im Gesetzgebungsverfahren66, sondern letztlich zur Ablehnung67 des vom Bundestag beschlossenen Gesetzes führten. a) Einwände des Bundesrates und der Parlamentsopposition Die Einwände des Bundesrates bezogen sich dabei zunächst darauf, dass das Gesetz die Richtlinie nicht eins zu eins umsetze, sondern in vielerlei Hinsicht darüber hinausgehe. So falle die mehrphasige Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung, die sich zu stark an der Bauleitplanung orientiere, insbesondere im Blick auf die Prüfung des Planungserfordernisses zu umfangreich und restriktiv für ein bloßes Verwaltungsinternum aus.68 Die Vorgabe konkreter Zuständigkeiten stelle einen Eingriff in die Gesamtverantwortung der Länder für den Vollzug des BImSchG dar,69 deren Existenz die Bundesregierung zu Recht grundlegend bestritt.70 Schließlich bestehe neben der richtliniengemäßen Planung kein Bedürfnis mehr für eine örtliche Lärmminderungsplanungspflicht; freiwillige Planungen blieben ja möglich.71 Auch die Bundestagsopposition äußerte Kritik am Gesetzentwurf. So monierten etwa die Abgeordneten der CDU/CSU-Fraktion im Umweltausschuss des Bundestages (neben dem Fehlen von konkreten europaweit einheitlichen Richtund Grenzwerten schon in der Richtlinie), der Umsetzungsentwurf entspreche nicht den in ihn gesetzten Erwartungen, da er im Wesentlichen lediglich Verfahrensvorschriften zur Aufstellung von Strategischen Lärmkarten und von Lärmminderungsplänen enthalte. Zu hinterfragen sei bereits der gesetzgebungstechnische Ansatz einer Umsetzung im Bundes-Immissionsschutzgesetz. Vor allem aber gebe es zahlreiche Einwände von betroffener Seite, die die Art der Umsetzung als eine überzogene und unangebrachte Regulierung der inneren Abläufe des betrieblichen Geschehens charakterisiert hätten. Schließlich sei zu

66 Stellungnahme des Bundesrates vom 24.09.2004, BR-Drs. 610/04 (Beschluss), ebenfalls abgedruckt als Anlage 2 in BT-Drs. 15/3782, S. 39 ff. 67 Beschluss des Bundesrates vom 26.11.2004, BR-PlPr 806, S. 36. 68 Stellungnahme des Bundesrates vom 24.09.2004, BR-Drs. 610/04 (Beschluss), S. 1, Nr. 1, 3. Spiegelstrich. 69 Stellungnahme des Bundesrates, BR-Drs. 610/04 (Beschluss), S. 3, 1. Spiegelstrich (zu Nr. 1). 70 Bundesregierung, BT-Drs. 15/3921, S. 5, mit Hinweis auf die bestehenden und nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes unzweifelhaften Verwaltungskompetenzen des Bundes im Lärmschutzrecht (z. B. des EBA bei der Änderung von Schienenwegen); vgl. hierzu auch unten 5. Teil, E. I. 3., S. 229 mit Fn. 388. Eine fehlende Letztverantwortung der Länder sagt freilich noch nichts darüber aus, ob der Bund konkrete Zuständigkeitsvorgaben treffen durfte; siehe hierzu eingehend unten 5. Teil, E. II. 2., S. 240; 6. Teil, F. III., S. 368. 71 Stellungnahme des Bundesrates vom 24.09.2004, BR-Drs. 610/04 (Beschluss), S. 7 (zu Nr. 5).

B. Umsetzung der Richtlinie in das mitgliedstaatliche Recht

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befürchten, dass den Einwänden des Bundesrates nicht Rechnung getragen würde.72 Die Abgeordneten der FDP-Fraktion erhoben zunächst Einwände gegen die Absicht der Bundesregierung, zentrale materielle Fragen nicht durch das Gesetz selbst, sondern per Rechtsverordnung zu regeln; dies betreffe etwa die Klärung, wie der Begriff der Hauptlärmquelle oder bestimmte Zielwerte für die Lärmminderungspläne zu definieren seien. Darin liege eine inakzeptable Selbstentmachtung des Parlaments zugunsten der Bundesregierung als Verordnungsgeberin. Des Weiteren fielen die Verfahrensregeln im Gesetzentwurf weitaus komplizierter aus, als dies nach der Richtlinie erforderlich gewesen wäre. Weitere Einwände richteten sich gegen eine fehlende Verkehrsträgerneutralität der Kostenzuordnung im Bereich der überregionalen Verkehre und gegen die Übernahme der mangels eines neuen Fluglärmschutzgesetzes nach wie vor unzureichenden Schutzstandards im Bereich des Luftverkehrs für den Kontext der Lärmminderungsplanung.73 b) Kritik aus Fachöffentlichkeit und Schrifttum Aber auch aus Fachöffentlichkeit und Schrifttum erhob sich Kritik an den vorgeschlagenen Gesetzesformulierungen. Dies wurde insbesondere bei einer Anhörung des Arbeitskreises für Umweltrecht (AKUR) deutlich (hierzu unter aa);74 in der Folge legte der AKUR neben einer veröffentlichten Stellungnahme einen deutlich schlankeren Gesetzentwurf vor (hierzu unter bb).75 Weitere Kritik wurde in diversen Aufsätzen laut (hierzu unter cc). aa) Kritik des Arbeitskreises für Umweltrecht Die Kritik des AKUR erstreckte sich zum einen auf die regelungstechnische Konzeption des Gesetzentwurfs, dem eine schwer zu durchschauende Regelungsstruktur76 sowie ein „eklatantes Missverhältnis zwischen Umfang des Textes und materieller Substanz“77 bescheinigt wurden. Die diesbezüglichen Einlas72

Beschlussempfehlung, BT-Drs. 15/4024, S. 4 f. Beschlussempfehlung, BT-Drs. 15/4024, S. 5. 74 Anhörung des Arbeitskreises für Umweltrecht zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der EG-Richtlinie über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm am 28.10.2004 in Bonn. Siehe hierzu schon den obigen Nachweis (2. Teil, Fn. 13). 75 AKUR, Stellungnahme des Arbeitskreises für Umweltrecht (AKUR) zum Gesetz zur Umsetzung der EG-Richtlinie über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm, NVwZ 2005, 64 ff. 76 Halama, in: AKUR, Stenographisches Protokoll (2. Teil, Fn. 13), S. 6 f. 77 Dolde, in: AKUR, Stenographisches Protokoll (2. Teil, Fn. 13), S. 11. 73

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3. Teil: Der Gang der Gesetzgebung

sungen reichten bis zu „furchtbar aufgebläht und viel zu geschwätzig“78. Beispielhaft sei die sehr ausführlich gehaltene Verordnungsermächtigung des § 47p BImSchG-E angeführt, dessen Abs. 2 teilweise für verzichtbar gehalten wurde.79 Die „Weitschweifigkeit“ des Gesetzestextes mit 16 Paragraphen führe zu einem systematischen Bruch im Verhältnis zu den deutlich strafferen anderen Teilen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes; so komme die mindestens ebenso wichtige Regelung der Luftreinhalteplanung mit lediglich fünf Paragraphen aus.80 Zahlreiche Regelungen wurden folgerichtig als überflüssig zur Streichung empfohlen.81 Dies betraf etwa die in § 47k BImSchG-E vorgesehene Pflicht zur Durchführung einer Strategischen Umweltprüfung im Zuge der Lärmminderungsplanung mangels vorstellbarer Anwendungsfälle, in denen die Durchführung einer Umweltprüfung im Rahmen der Lärmminderungsplanung effizienter sein könnte als im Rahmen eines konkreten Planungsverfahrens.82 Auch die geplante Vorschrift des § 47l BImSchG-E zur (sinnvollen) Verfahrensbündelung bei gleichzeitiger Aufstellung mehrerer Fachpläne wurde als verzichtbar angesehen, da es sich hierbei um ein bekanntes Phänomen handele, das keiner gesonderten gesetzlichen Regelung bedürfe.83 Auf Kritik stieß ferner die Ausgestaltung der im Grunde begrüßenswerten und erforderlichen84 Öffentlichkeitsbeteiligung, die trotz der Rechtsqualität der Lärmminderungspläne als Verwaltungsinterna extensiver ausfalle als bei einem Bebauungsplan, im Extremfall eine bis zu viermalige Beteiligung der Öffentlichkeit erfordere und somit als „Beitrag zur Verlebendigung der Verwaltung“, nicht aber zu mehr Verwaltungseffizienz aufgefasst werden müsse.85 Auf Lob stieß dagegen die Aufnahme einer so nicht von der Richtlinie vorgesehenen Behördenbeteiligung in den Gesetzentwurf.86 Im Hinblick auf die Öffentlichkeitsbeteiligung wurde jedoch ebenso wie im Hinblick auf das Planungsverfahren und die Durchsetzung der Pläne die Frage aufgeworfen, weshalb „ohne zwingenden Grund“ unterschiedliche Regelungen im Vergleich zur Luftreinhaltepla-

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Rebentisch, in: AKUR, Stenographisches Protokoll (2. Teil, Fn. 13), S. 15. Rebentisch, in: AKUR, Stenographisches Protokoll (2. Teil, Fn. 13), S. 16. 80 AKUR, Stellungnahme, NVwZ 2005, 64 (64). 81 AKUR, Stellungnahme, NVwZ 2005, 64 (65) mit Fn. 8. 82 Halama, in: AKUR, Stenographisches Protokoll (2. Teil, Fn. 13), S. 6; zustimmend Dolde, ebd., S. 11 f. 83 Halama, in: AKUR, Stenographisches Protokoll (2. Teil, Fn. 13), S. 6. 84 Dolde, in: AKUR, Stenographisches Protokoll (2. Teil, Fn. 13), S. 12 und 29; Beckert, ebd., S. 24; Krane, ebd., S. 30. 85 Halama, in: AKUR, Stenographisches Protokoll (2. Teil, Fn. 13), S. 5. 86 Halama, in: AKUR, Stenographisches Protokoll (2. Teil, Fn. 13), S. 7; Dolde, ebd., S. 12. 79

B. Umsetzung der Richtlinie in das mitgliedstaatliche Recht

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nung vorgesehen würden, obwohl es sich bei beiden Planungen um Bereiche der immissionsschutzrechtlichen Fachplanung handele.87 Trotz seines beträchtlichen Umfangs ließ der Gesetzestext in den Augen der AKUR-Sachverständigen wesentliche Fragen offen. Vermisst wurde zum einen eine Regelung des Anwendungsbereichs der Lärmminderungsplanung, der vom parlamentarischen Gesetzgeber im Gesetz selbst und nicht erst auf Verordnungsebene festgelegt werden solle.88 Zum anderen kritisierte der Arbeitskreis, dass selbst die grundsätzliche Frage, ob in Ballungsräumen nur eine auf die Hauptlärmquellen bezogene Planung oder aber eine die Gesamtlärmsituation berücksichtigende umfassende Planung erfolgen solle, offen bleibe.89 Insgesamt ergebe sich hieraus in Verbindung mit einem nicht sachgerechten Aufbau und teils unklaren und unverständlichen Bestimmungen ein Verstoß gegen das Gebot einer klaren, verständlichen und auf das Notwendige beschränkten Rechtsetzung.90 Fachlich sei die Beibehaltung der bisherigen Lärmminderungsplanung nach § 47a BImSchG a. F. in Form einer neuen örtlichen Lärmminderungsplanung für Wohngebiete (§§ 47a, 47d BImSchG-E) nicht erforderlich und zudem wenig sinnvoll, wenn sie gemäß § 47a Abs. 2 und § 47d Abs. 5 BImSchG-E alle Hauptlärmquellen außer Betracht lassen solle.91 Erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken wurden hinsichtlich der Zuständigkeitszuweisungen des Gesetzentwurfs an Landesbehörden im Allgemeinen (§ 47n Abs. 1 Nr. 1 lit. b und c, § 47n Abs. 1 Nr. 2 lit. b, § 47n Abs. 1 Nr. 3 lit. b, § 47n Abs. 1 Nr. 4, § 47n Abs. 2 BImSchG-E) sowie an die Gemeinden im Besonderen (§§ 47d Abs. 1, 47h Abs. 2 und vor allem § 47n Abs. 1 Nr. 3 lit. a BImSchG-E) geäußert.92 Ferner wurden Einvernehmenserfordernisse von Landes- mit Bundesbehörden als rechtswidrig erachtet.93 Auch für die zahlreichen Verfahrensregelungen insbesondere der §§ 47g bis 47o BImSchG-E äu87 AKUR, Stellungnahme, NVwZ 2005, 64 (64 f.); anders zur Systematik der geltenden Gesetzesfassung Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, Vor §§ 47a–47f Rn. 25: Die unterschiedlichen Probleme und Eigenarten der jeweiligen Planungen ließen einen gemeinsamen, auf Luftverunreinigungen und Lärmimmissionen zugeschnittenen Regelungskomplex nicht zu. Siehe hierzu auch unten 6. Teil, C. II. 1., S. 278. 88 Dolde, in: AKUR, Stenographisches Protokoll (2. Teil, Fn. 13), S. 11. 89 AKUR, Stellungnahme, NVwZ 2005, 64 (65). 90 AKUR, Stellungnahme, NVwZ 2005, 64 (65) mit Fn. 7 und 9. 91 AKUR, Stellungnahme, NVwZ 2005, 64 (65); im einzelnen ablehnend etwa Dolde, in: AKUR, Stenographisches Protokoll (2. Teil, Fn. 13), S. 10; Halama, ebd., S. 5; Rebentisch, ebd., S. 15. 92 Halama, in: AKUR, Stenographisches Protokoll (2. Teil, Fn. 13), S. 4; Dolde, ebd., S. 9; Rebentisch, ebd., S. 17. Siehe hierzu eingehend unten 5. Teil, E. II. 2., S. 240; 6. Teil, F. III., S. 368. 93 Diese sind hingegen weitgehend erforderlich, vgl. unten 6. Teil, G., S. 369 ff.

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3. Teil: Der Gang der Gesetzgebung

ßerte der Arbeitskreis Zweifel an der Vereinbarkeit mit Art. 72 Abs. 2 GG a. F., da nur schwerlich festgestellt werden könne, dass sich ohne sie eine erhebliche, das bundesstaatliche Sozialgefüge beeinträchtigende Divergenz der Lebensverhältnisse oder eine Gefährdung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit94 ergebe.95 Gemeinschaftsrechtliche Bedenken schließlich brachte der Arbeitskreis im Hinblick auf die Sonderregelung des § 47e Abs. 3 Satz 3 BImSchG-E vor, wonach für die Lärmminderungsplanung für Verkehrsflughäfen die Festsetzungen des zu novellierenden Fluglärmschutzgesetzes und des Luftverkehrsgesetzes genügen und weitergehende Planungen lediglich im Ermessen der Behörden stehen sollten; das Fluglärmschutzgesetz beinhalte lediglich Baubeschränkungen und Entschädigungsregelungen und stelle somit keine Lärmminderungsplanung dar, wie sie von der Richtlinie zwingend verlangt werde.96 bb) Der Gesetzentwurf des Arbeitskreises für Umweltrecht Der vom Arbeitskreis für Umweltrecht vorgelegte Alternativentwurf97 für ein Artikelgesetz mit nur drei Artikeln beschränkte sich auf eine Neufassung des § 47a BImSchG (Art. 1), eine Aufnahme von Lärmsanierungstatbeständen in das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (Art. 2) sowie eine Regelung des Inkrafttretens (Art. 3) und fiel in der Tat deutlich schlanker aus als der vom Bundestag exakt am Tag der AKUR-Anhörung beschlossene Gesetzestext. § 47a BImSchG-E (AKUR) sollte lauten: „§ 47a. Lärmminderungspläne (1) Die nach Landesrecht zuständigen Behörden haben die Lärmbelastung in Ballungsräumen und in der Umgebung von Hauptlärmquellen i. S. des Art. 7 der Richtlinie 2002/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.06.2002 über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm (ABl. EG Nr. L 189 S. 12) zu ermitteln und in Lärmkarten darzustellen; für Eisenbahnstrecken und sonstige Betriebsanlagen von Eisenbahnen des Bundes ist insoweit das Eisenbahn-Bundesamt zuständig. Zu dem in Satz 1 genannten Zweck können die zuständigen Behörden die unentgeltliche Erhebung und Übermittlung von quellenbezogenen Daten durch die Träger der Lärmquellen und von Daten zur betroffenen Wohnbevölkerung und zur Wohnbebauung durch die Gemeinden verlangen und eigene Erhebungen durchführen. Die Lärmkarten müssen den Mindestanforderungen nach Anhang IV 94

Hierzu grundlegend BVerfGE 106, 62. AKUR, Stellungnahme, NVwZ 2005, 64 (64). Unter eingehender Prüfung weiterhin überaus kritisch zur Erforderlichkeit einer bundeseinheitlichen Regelung SchulzeFielitz, in: GK-BImSchG, Vor §§ 47a–47f Rn. 14 f. Nach erheblichen Bedenken zur Entwurfsfassung nunmehr hinsichtlich der Gesetz gewordenen Fassung bedenkenfrei Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Vor § 47a BImSchG Rn. 11, sowie Stettner, in: Ule/Laubinger, Vor §§ 47a–47f BImSchG Rn. B 3. 96 AKUR, Stellungnahme, NVwZ 2005, 64 (64). 97 Abgedruckt bei AKUR, Stellungnahme, NVwZ 2005, 64 (65 f.). 95

B. Umsetzung der Richtlinie in das mitgliedstaatliche Recht

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der Richtlinie 2002/49/EG genügen. Sie sind mindestens alle fünf Jahre zu überprüfen und bei Bedarf zu überarbeiten. (2) Zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen oder zum Schutz ruhiger Gebiete gegen eine Zunahme von unerwünschtem Lärm haben die nach Landesrecht zuständigen Behörden für Orte in der Nähe von Hauptlärmquellen und für weitere schutzwürdige Gebiete unter Beachtung der Mindestanforderungen nach Anhang IV der Richtlinie 2002/49/EG Lärmminderungspläne aufzustellen. Die Lärmminderungspläne werden bei bedeutsamen Entwicklungen für die Lärmsituation, mindestens jedoch alle fünf Jahre nach dem Zeitpunkt ihrer Aufstellung, überprüft und erforderlichenfalls überarbeitet. § 47 Abs. 5 und 6 gilt entsprechend. (3) Die Bundesregierung wird ermächtigt, nach Anhörung der beteiligten Kreise durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates unter Beachtung der Anforderungen der Richtlinie 2002/49/EG nähere Einzelheiten zur Datenerhebung und Datenübermittlung sowie zu Voraussetzungen, Zeitpunkt der Erstellung, Form und Inhalt von Lärmkarten und Lärmminderungsplänen zu regeln.“

Dieser Normtextentwurf entwickelt aufgrund seiner erfrischenden Kürze tatsächlich einen nicht unerheblichen „Charme“, der freilich durch eine konsequente Verweisungssystematik auf die Umgebungslärmrichtlinie und Verlagerung weiterer Entscheidungen auf die Verordnungsebene „erkauft“ wurde. Die eigentliche Grundaufgabe des parlamentarischen Gesetzgebers bei der Transformation von Richtlinien in mitgliedstaatliches Recht, eben nicht stereotyp den Normtext der Richtlinie abzupausen, sondern Akzentuierungen und Anpassungen an bestehende Regelungsstrukturen vorzunehmen, wurde durch die Verweisungstechnik somit an sich in ganz ähnlichem Maße verweigert, wie es beim endgültigen Gesetzestext durch Abschreiben des Richtlinienwortlauts im mitgliedstaatlichen Normtext der Fall war. Allerdings ist diese Kritik für den AKUR-Vorschlag nicht durchgängig gerechtfertigt. Der Vorschlag setzt in der Tat Akzente für die weitere Umsetzung, am deutlichsten wohl in der Formulierung des Absatzes 2. Anders als nach der Linie der Bundesregierung wurde hier ein deutliches Signal für einen konsequenten Schutz ruhiger Gebiete vor Verlärmung gesetzt, indem diese gleichrangig neben der Umgebung von Hauptlärmquellen in die Vorschrift zur Erstellung von Lärmminderungsplänen aufgenommen und nicht lediglich als nicht zu beplanende „Restmenge“ aus der Gesamtmenge aller vorfindlichen Gebiete abzüglich der Gebiete mit Hauptlärmquellen gesehen wurden. Diese Entscheidung „aus Vorsorgegründen“98 verdient Zustimmung. Kennzeichnend für den Entwurf des Arbeitskreises ist die folgerichtige Umsetzung der o. g. eigenen Kritikpunkte am BImSchG-E. Der Arbeitskreis verzichtet fachlich auf das Nebeneinander von örtlicher und strategischer Lärmminderungsplanung, bemüht sich um klare und verständliche Normfassung, folgt einem übersichtlichen Normaufbau in der Abfolge von jeweils eigenen 98

AKUR, Stellungnahme, NVwZ 2005, 64 (66), Begründung, Ziffer I. a. E.

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3. Teil: Der Gang der Gesetzgebung

Absätzen zu Lärmkartierung, Lärmminderungsplanung bzw. Verordnungsermächtigung, regelt Öffentlichkeitsbeteiligung, Plandurchsetzung und Planwirkung unter Rückbesinnung auf die gemeinsame Zugehörigkeit zur immissionsschutzrechtlichen Fachplanung durch Verweisung auf die entsprechenden Regelungen der Luftreinhalteplanung, überlässt die Behördenbeauftragung mit Ausnahme des Eisenbahn-Bundesamtes, für das zweifelsfrei eine Verwaltungskompetenz des Bundes besteht, und der Gemeinden hinsichtlich der Meldedaten bzw. Bebauungssituation den Ländern und vermeidet gemeinschaftsrechtliche Bedenken durch Nichtberücksichtigung der kritisierten Ausnahmeregelung für Verkehrsflughäfen. Allerdings fällt die Straffung des Normtextes durch den Arbeitskreis für Umweltrecht etwas zu ambitioniert aus. Vermutlich hielte der Entwurf zwar einer verfassungsrechtlichen „Wesentlichkeitsprüfung“ stand; fragwürdig erscheint aber insbesondere jeglicher Verzicht des parlamentarischen Gesetzgebers, allgemeine Zielvorstellungen oder Bewertungskriterien für eine Auslösung der Planungsverpflichtungen zu benennen. Die Bestimmung des Schutzniveaus würde somit komplett in die Hände der Exekutive und der Vollzugspraxis gelegt. Diese Kritik trifft allerdings die geltende Gesetzesfassung in gleicher Weise.99 cc) Sonstige Stimmen im Schrifttum Neben den Mitgliedern des Arbeitskreises für Umweltrecht äußerten weitere Autoren ihren Unmut über den von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf. Insbesondere Fickert brachte dem Bundesrat „volles Verständnis“ für seine angesichts der sonst üblichen „Spitzenleistungen ministerieller Höflichkeit“ ungewöhnliche Ablehnung des Gesetzentwurfs „als nicht diskutierfähig“ entgegen, da dieser zu Recht als rechtstechnisch unverständlich, zu umfangreich und über eine Eins-zu-eins-Umsetzung hinausgehend erachtet worden sei. Fickert störte sich des Weiteren an der Erhaltung der vormaligen Lärmminderungsplanung im Gewande der Örtlichen Lärmminderungsplanung gemäß §§ 47a und 47d BImSchG-E, da ein Nebeneinander von „deutscher“ und „europäischer“ Lärmminderungsplanung den ohnehin erwartungsgemäß erheblichen Verwaltungsaufwand nochmals drastisch erhöhe.100 Kritik erhob sich auch zur lärmschutzpolitischen Zielsetzung der BImSchGNovelle. Gemäß § 47f BImSchG-E sollte „die Lärmminderungsplanung nach § 47e (. . .) vor allem das Ziel verfolgen, die Belastung der Bevölkerung durch 99

Siehe hierzu unten 6. Teil, B. III. 1., S. 261 ff. H. Fickert, Zum Einfluss der in Deutsches Recht umgesetzten UmgebungslärmRichtlinie der EU auf die Lärmsituation in den Gemeinden und auf die Bürger – Zugleich ein kritischer Beitrag zur heutigen Lärmschutzproblematik, BauR 2006, 920 ff. (921). 100

B. Umsetzung der Richtlinie in das mitgliedstaatliche Recht

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Umgebungslärm so weit zu senken, dass 1. kurzfristig Gefährdungen für die Gesundheit und 2. langfristig erhebliche Belästigungen vermieden werden.“ So führten insbesondere Philipp-Gerlach und Hensel aus, das erstere Ziel sei gar keines, da bereits de lege lata bei der Planung von Vorhaben Gefährdungen der Gesundheit vermieden werden müssten. Im Übrigen sei zu befürchten, dass wegen der Beschränkung der zweiten Zielvorgabe auf erhebliche Belästigungen das Ziel der Richtlinie mit ihrem weiteren Lärmbegriff verfehlt werde.101 Dieser Kritik kann nicht gefolgt werden. Immerhin hätte sich der Gesetzgeber in § 47f Nr. 1 BImSchG-E überhaupt einmal zu konkretisierbaren Schutzvorgaben mit Auswirkung für die Lärmsanierung durchgerungen.102 Bislang findet eine Lärmsanierung allein aufgrund haushaltsrechtlicher Bestimmungen in einem dementsprechend unzureichenden Maße statt.103 Die von den Autorinnen in Bezug genommene Pflicht zur Vermeidung von Gesundheitsgefährdungen greift eben – und das ist die Schwäche des Lärmschutzes durch Planung – gerade im Bereich des besonders stark belastenden Verkehrslärms nur bei der Erstellung neuer oder der wesentlichen Änderung bestehender Verkehrswege; an unzähligen de facto untragbaren Lärmbelastungen im Bestand wird sich deshalb auf absehbare Zeit nichts ändern. Die hinderliche Einschränkung auf neue oder geänderte Vorhaben sah der Gesetzentwurf bei der Lärmminderungsplanung gerade nicht vor. Vielmehr sollte die Aktionsplanung auf eine Senkung gesundheitsgefährdender Belastungen schlechthin zuarbeiten, wobei die Senkung obendrein sogar „kurzfristig“ eintreten sollte. Sicher ist einzuräumen, dass eine entsprechende Abbildung einer gesundheitsgefährdenden Belastung und eine umgehende Maßnahmenplanung noch nichts über den Zeitraum besagen können, binnen dessen eine Verbesserung erreicht und insbesondere die öffentlichen Ressourcen für Lärmminderungsmaßnahmen zur Verfügung gestellt werden können. Ungeachtet dessen beinhaltete die Zielvorgabe des § 47f Nr. 1 BImSchG-E eine deutliche Akzentverschiebung des Gesetzgebers hin zur Lärmsanierung, die als solche zu begrüßen gewesen wäre. Nicht ohne weiteres ist hingegen die im Rahmen der AKUR-Anhörung von Krane geäußerte Kritik von der Hand zu weisen, der die Zielvorgaben für „viel zu unkonkret und unbestimmt“ und mithin nicht ergiebig genug hielt; nicht nur die Frage einer Definition von Kurz- bzw. Langfristigkeit, sondern auch die Frage eines gefährdenden Charakters sah der Ingenieur als „nicht so einfach zu 101 U. Philipp-Gerlach/J. Hensel, Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung der EG-Richtlinie über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm, ZUR 2004, 329 ff. (332). 102 Vgl. hierzu die Einzelbegründung zu § 47f BImSchG-E, BT-Drs. 15/3782, S. 30. 103 Die Aufwendungen für die Lärmsanierung an Bundesfernstraßen blieben mit insgesamt 716,4 Mio. Euro bis einschließlich 2003 deutlich hinter den Aufwendungen für die Lärmvorsorge in Höhe von insgesamt 2.944,4 Mio. Euro zurück; vgl. Amtl. Begr., BT-Drs. 15/3782, S. 30.

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3. Teil: Der Gang der Gesetzgebung

beantworten“ an. Eine Antwort auf diese Befürchtung hätte sich wohl erst aus der Praxis heraus ableiten lassen. Systematisch hätte Krane überdies eine Einbindung der Zielvorstellungen in § 1 BImSchG bevorzugt.104 In jedem Falle kann es nur als sinnvoll angesehen werden, dass der Gesetzgeber überhaupt eine Vorschrift in den Gesetzentwurf aufgenommen hat, die eine Zielsetzung der Lärmminderungsplanung zum Gegenstand hatte. Der Ansicht Rebentischs, der eine ausdrückliche Zielvorgabe im Gesetzestext unter Verweis auf die Begründung des Gesetzentwurfs für entbehrlich hält,105 kann aus mehreren Gründen nicht gefolgt werden: Zum einen zeigt gerade der weitere Verlauf der Umsetzung der Umgebungslärmrichtlinie, dass eine Verankerung von Zielsetzungen und Motivationen im Normtext sinnvoll ist. Infolge der kompletten Neufassung des Gesetzestextes im Vermittlungsverfahren liegt nunmehr keinerlei Einzelbegründung der jeweiligen Vorschriften mehr vor;106 die amtliche Begründung des ursprünglichen Entwurfs ist nur in wenigen Fällen eindeutig übertragbar. Zum anderen lassen sich nur bei ausdrücklichen – im Übrigen gerade im Umweltrecht (vgl. etwa § 1 BImSchG, § 1 UVPG, § 1 UIG oder § 1 BNatSchG) üblichen – Zielvorgaben Anhaltspunkte für die Auslegung streitiger Normen erschließen. Drittens ist es in jedem Stande eines jeglichen Verfahrens sinnvoll, das gestellte Ziel nicht aus den Augen zu verlieren, wozu eine Verankerung im Normtext beitragen kann. Schließlich ist die Frage der Zielsetzung nicht nur unter Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten zu betrachten: Die Verpflichtungen zur Herausgabe vorhandender Informationen bzw. Duldung von Erkundungsmaßnahmen der Behörden weisen jedenfalls in Bezug auf private Beteiligte einen Eingriffscharakter auf107 und haben folglich dem rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz hoheitlichen Handelns zu genügen, für dessen Angemessenheit im engeren Sinne der Eingriffszweck denknotwendiger Bezugspunkt und das Vorliegen eines legitimen Zwecks mithin Rechtmäßigkeitsvoraussetzung ist. Eine möglichst präzise Zielbeschreibung ist somit für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Eingriffsregelung selbst hilfreich. Umso bedauerlicher ist, dass eine Zielvorgabe in der Gesetz gewordenen Fassung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes nicht mehr enthalten ist. Auch die 104

Krane, in: AKUR, Stenographisches Protokoll (2. Teil, Fn. 13), S. 20. Rebentisch, in: AKUR, Stenographisches Protokoll (2. Teil, Fn. 13), S. 16. Nicht gegen eine Zielvorgabe im Gesetz an sich, sondern lediglich gegen eine redaktionelle Doppelung mit Widersprüchlichkeiten wandte sich Dolde, ebd., S. 11. 106 So auch C. Beckert, Stand der Umsetzung der Umgebungslärmrichtlinie in Deutschland, Zusammenfassende Darstellung von Gesetz und (geplanten) Verordnungen, in: Lärmkontor GmbH (Hrsg.), Das Gesetz zur Umsetzung der EG-Umgebungslärmrichtlinie – und was machen die Anderen?, Tagung in Hamburg, 16. und 17. März 2006, www.laermkontor.de/deutsch/Veroeffentlichungen /download/ULR2006/Kurzfassungen_Vorträge_ULR2006.pdf (27.08.2006), S. 4 f. (4). 107 So auch Scheidler, Lärmminderungsplanung, UPR 2005, 247 (250): „Ermächtigungsgrundlage zum Erlass eines dementsprechenden Verwaltungsaktes“. 105

B. Umsetzung der Richtlinie in das mitgliedstaatliche Recht

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34. BImSchV beschränkt sich auf eine Darstellung in bestimmten Isophonenbändern, die allenfalls eine gewisse Kategorisierung erkennen lassen; insofern ist eine gewisse „Ziellosigkeit“ der Lärmminderungsplanung zu konstatieren.108 3. Einigung im Vermittlungsverfahren Nach der Ablehnung des Gesetzes durch den Bundesrat beantragte die Bundesregierung am 01.12.2004 die Durchführung des Vermittlungsverfahrens.109 Dieses fand unter den Vorzeichen äußerster Eilbedürftigkeit statt, da die Bundesrepublik bekanntlich den Umsetzungszeitpunkt hatte verstreichen lassen und somit ein Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Gemeinschaft zu gewärtigen hatte. Über den Verhandlungsgang im Vermittlungsverfahren lässt sich wegen der Vertraulichkeit dieses Vorganges naturgemäß nur mutmaßen. Jedenfalls legte der Vermittlungsausschuss am 15.06.2005 ein Vermittlungsergebnis110 vor, das sich von Umfang und Wortlaut her deutlich von dem ursprünglichen Gesetzentwurf unterschied und sich weitaus stärker an den Wortlaut der Richtlinie anlehnte. Schon äußerlich wurde die rigide Veränderung des ursprünglichen Gesetzentwurfes deutlich: Statt 16 Paragraphen regeln nur mehr sechs Paragraphen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes die Lärmminderungsplanung. Für den Vollzug der neuen Regelungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes bedeutet dies zugleich, dass bei der Auslegung nahezu keine Gesetzesmaterialien zur Verfügung stehen, auf die zurückgegriffen werden könnte. Etwas anderes kann allenfalls für diejenigen Begriffe und Regelungen gelten, die bereits im ersten Gesetzentwurf vorgesehen waren. Das Vermittlungsergebnis verringerte in seiner nahezu kompletten Neufassung des Sechsten Teils des Bundes-Immissionsschutzgesetzes insbesondere die Anforderungen an die Öffentlichkeitsbeteiligung und ebenso an das sonstige Verwaltungsverfahren gravierend. Auch die Änderung des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes sah das Vermittlungsergebnis nicht mehr vor, was angesichts der Zielsetzung zugunsten der Kommunen und auch im Hinblick auf die damit bezweckte Aufwertung der Bemühungen um eine Lärmsanierung als Teil der Verkehrsinvestition zu bedauern ist. Das Vermittlungsergebnis wurde am 16.06.2005 vom Deutschen Bundestag beschlossen.111 Die Zustimmung des Bundesrates erfolgte am 17.06.2005 in der vorletzten Sitzung vor den vorzeitigen Neuwahlen zum 16. Deutschen Bundes108 109 110 111

Vgl. hierzu unten 6. Teil, Fn. 57; ebd., Fn. 65. BT-Drs. 15/4412. BT-Drs. 15/5734. BT-PlPr 15/181, S. 17109 (A); BR-Drs. 496/05.

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3. Teil: Der Gang der Gesetzgebung

tag.112 Damit konnte die Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sozusagen noch kurz vor Toresschluss der 15. Wahlperiode ausgefertigt und im Bundesgesetzblatt verkündet werden. Eine weitere Verzögerung hätte die Umsetzung der Richtlinie wegen des Grundsatzes der materiellen Diskontinuität113 und des dann erforderlich gewordenen neuen Gesetzgebungsverfahrens in der 16. Legislaturperiode auf unabsehbare Zeit zurückgeworfen. Da der Vermittlungsvorschlag trotz aller Rigidität in den Abweichungen vom ursprünglichen Gesetzentwurf entsprechende Wünsche des Bundesrates aufgriff und sich somit im Rahmen des Anrufungsbegehrens und des zugrunde liegenden Gesetzgebungsverfahrens bewegte, ist die Vorlage einer komplett neuen Gesetzesfassung durch den Vermittlungsausschuss verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.114

II. Der Erlass der Verordnung über die Lärmkartierung (34. BImSchV) Die zeitlichen Verzögerungen bei der nicht fristgerechten Umsetzung der Umgebungslärmrichtlinie in das Bundes-Immissionsschutzgesetz wirkten sich auch auf den Erlass der erforderlichen untergesetzlichen Rechtsvorschriften aus. Aufgrund der näher rückenden Termine für die erstmalige Durchführung der Lärmkartierung entschloss sich die Bundesregierung, sich zunächst auf eine Verordnung über die Lärmkartierung zu beschränken. Die Konkretisierung der 112

BR-PlPr 812, S. 239 (A); BR-Drs. 496/05 (Beschluss). Grundlegend J. Jekewitz, Der Grundsatz der Diskontinuität der Parlamentsarbeit im Staatsrecht der Neuzeit und seine Bedeutung unter der parlamentarischen Demokratie des Grundgesetzes, Eine rechtshistorische und rechtsdogmatische Untersuchung, 1977, S. 22 f., 270 ff.; R. Belz, Die Diskontinuität der Parlamente, Verfassungsgeschichtliche Entwicklung und geltendes Recht, Diss. iur. Tübingen 1968, S. 59 ff. Die Rechtsnatur der materiellen Diskontinuität ist umstritten; es dürfte sich um ein hinsichtlich seines Geltungsbereichs auf das Parlament beschränktes Verfassungsgewohnheitsrecht handeln, vgl. etwa H. Schulze-Fielitz, Parlamentsbrauch, Gewohnheitsrecht, Observanz, in: H.-P. Schneider/W. Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland, 1989, § 11 Rn. 5, 12. Gegen die Auffassung von Belz, a. a. O., S. 66, wonach es sich um einen Rechtssatz des Verfassungsrechts handele, der im Wege der Auslegung aus dem Grundgesetze abzuleiten sei, spricht der fehlende Wortlautbezug. Auch die Auffassung von C. Tomuschat, Verfassungsgewohnheitsrecht?, Eine Untersuchung zum Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, 1972, S. 29 f., 85 f., wonach sich die Diskontinuität als selbstverständlicher Bestandteil der formellen Verfassung daraus ergebe, dass der Verfassunggeber das Parlament in bewusster Anknüpfung an vorkonstitutionelle Vorbilder geschaffen habe, scheint eher auf das Bestehen einer Rechtsüberzeugung schon zu Beginn der gleichförmigen Übung und mithin auf entstehendes Verfassungsgewohnheitsrecht hinzudeuten. Eine Verankerung in der Geschäftsordnung alleine vermag die Geltung des Grundsatzes jedenfalls nicht zu begründen; vgl. Jekewitz, a. a. O., S. 271. 114 So auch Schulze-Fielitz, GK-BImSchG, Vor §§ 47a–47f Rn. 20; siehe allgemein zu den Voraussetzungen BVerfGE 101, 297 (297, 307). 113

B. Umsetzung der Richtlinie in das mitgliedstaatliche Recht

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Anforderungen an die Lärmaktionsplanung sollte den hierfür geltenden Fristen entsprechend in einem gesonderten Verfahren erfolgen. Gleichwohl bedurfte es zweier Anläufe, um die zustimmungspflichtige Rechtsverordnung zur Lärmkartierung durch den Bundesrat zu bringen. 1. Der Entwurf einer Verordnung über die Strategische Lärmkartierung (BR-Drs. 95/05) Am 04.02.2005 übersandte der Bundeskanzler dem Präsidenten des Bundesrates die von der Bundesregierung beschlossene „Verordnung über die Strategische Lärmkartierung“.115 Der Verordnungsentwurf wurde somit zu einer Zeit vorgelegt, zu der das Vermittlungsverfahren zu dem am 28.10.2004 vom Bundestag beschlossenen, aber vom Bundesrat zurückgewiesenen Gesetz zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes noch in vollem Gange war. Ob die Bundesregierung dabei aufgrund des immensen Zeitdrucks den ehrgeizigen Versuch unternahm, eine auch in ihren Feinheiten auf den noch im Flusse befindlichen Gesetzentwurf abgestimmte Verordnung zustande zu bringen, oder ob sie womöglich zuversichtlich davon ausging, im Vermittlungsverfahren ohne grundlegende Änderungen des Gesetzes auszukommen, kann an dieser Stelle nicht geklärt werden. Jedoch ist bereits aus dem Verordnungsentwurf selbst ersichtlich, dass die Bundesregierung darin erste Zwischenergebnisse des Vermittlungsverfahrens berücksichtigte. So stützt sich der Verordnungsentwurf ausweislich des Einleitungssatzes auf „§ 47m Abs. 1 und 2 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes“. § 47m BImSchG-E enthielt jedoch keine Verordnungsermächtigung; diese war vielmehr für § 47p BImSchG-E vorgesehen.116 Die letztlich Gesetz gewordene Fassung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes wiederum beinhaltet gar keine Bestimmung mit dieser Bezeichnung. Offenbar orientierte sich die Bundesregierung also an einer dritten, nicht veröffentlichten Gesetzesformulierung des Vermittlungsausschusses. Aufgrund der zahlreichen grundlegenden Veränderungen im Zuge des Vermittlungsverfahrens war der Verordnungsentwurf der Bundesregierung letztlich jedoch nicht zu halten. So wies der federführende Bundesratsausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit in seiner Ausschussempfehlung vom 30.06.2005 auf die erheblichen Änderungen in dem mittlerweile beschlossenen Umsetzungsgesetz hin und befand, dass die nunmehr in § 47f BImSchG verortete Ermächtigungsgrundlage nicht mehr als Grundlage für den Erlass der Verordnung über die Strategische Lärmkartierung ausreiche, da sich der überwiegende Teil der ursprünglich der Verordnung vorbehaltenen Regelungen mittler115 116

BR-Drs. 95/55 vom 02.02.2005. BT-Drs. 15/3782 i.V. m. BR-Drs. 855/04.

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3. Teil: Der Gang der Gesetzgebung

weile im Gesetz selbst wiederfinde.117 In der Tat waren etliche Regelungen, so etwa die Begriffsbestimmungen des § 2 des Verordnungsentwurfs durch die entsprechenden Regelungen in § 47b BImSchG, überflüssig geworden. Dieser Auffassung folgte der Bundesrat, der sich auf Antrag des Landes Baden-Württemberg118 in seiner Sitzung vom 08.07.2005 mit dem Verordnungsentwurf befasste und die Verordnung ablehnte, ohne die noch ausstehenden Beratungen des Finanz-, Verkehrs- und Wirtschaftsausschusses zu der Vorlage abzuwarten.119 Die Debatte über diese eher formale Entscheidung im Bundesratsplenum zeigte allerdings auch erhebliche inhaltliche Meinungsunterschiede zwischen der Bundesregierung und einigen Ländern der B-Seite auf. So kritisierte der Bayerische Staatsminister für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz, Schnappauf, die Festlegung von 65 dB(A) für Lden bzw. von 55 dB(A) für Lnight in § 8 Abs. 7 des Verordnungsentwurfs als mitgliedstaatliche Grenzwerte für die Prüfung der Erforderlichkeit von Lärmaktionsplänen im Sinne von Art. 3 lit. s der Umgebungslärmrichtlinie. Die Festlegung solcher genereller, pauschaler Lärmwerte für Straße, Schiene, Luft, Gewerbe und Freizeit (sic!) zeige, dass auf der einen Seite alles über einen Leisten geschoren werde und auf der anderen Seite so hehre Ziele formuliert würden, dass sie nicht erreicht werden könnten.120 Der Minister plädierte für zwar ehrgeizige, aber realistische und realisierbare Werte. Mit den in Deutschland im Rahmen der Lärmsanierung im Verkehrsbereich vorgesehenen Grenzwerten von 70 dB(A) bzw. 60 dB(A) könnte man einer „1:1-Umsetzung“ genügen.121 Auch die baden-württembergische Ministerin Gönner forderte die Beschränkung auf eine „1:1-Umsetzung“ der Umgebungslärmrichtlinie.122 2. Der Erlass der Verordnung über die Lärmkartierung (34. BImSchV) Am 28.09.2005 übermittelte der Bundeskanzler dem Präsidenten des Bundesrats erneut eine von der Bundesregierung beschlossene Bundes-Immissionsschutzverordnung, die nunmehr die Bezeichnung „Verordnung über die Lärmkartierung“ tragen sollte.123 Der Verordnungsentwurf stützte sich auf die bereits in Kraft befindliche Ermächtigungsgrundlage des § 47f BImSchG n. F.

117 118 119 120 121 122 123

Ausschussempfehlung, BR-Drs. 95/1/05 vom 30.06.2005, A. 2. Vgl. Anmerkung in BR-Drs. 95/1/05 zu B. BR-Drs. 95/05 (Beschluss); BR-PlPr 813, S. 302 f. (Tagesordnungspunkt 93). BR-PlPr 813, S. 303 (A). BR-PlPr 813, S. 303 (B). Anlage 17 zu BR-PlPr 813, S. 319 (B). BR-Drs. 710/05 vom 29.09.2005.

B. Umsetzung der Richtlinie in das mitgliedstaatliche Recht

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Auch diese Verordnung erfuhr im Zuge der Beratungen des Bundesrats weitreichende Änderungen. Während der Finanzausschuss dem Bundesrat sogar empfahl, der Verordnung gemäß Art. 80 Abs. 2 GG nicht zuzustimmen, da auch in der neuen Entwurfsfassung die von den Ländern in weiten Teilen übereinstimmend und wiederholt vorgetragenen Änderungswünsche überwiegend unberücksichtigt geblieben seien und die Verordnung somit weiterhin über eine 1:1-Umsetzung der Richtlinie hinausgehe,124 legten die übrigen beteiligten Ausschüsse eine insgesamt gestraffte Fassung einer Verordnung vor.125 Zugleich unterbreiteten die Ausschüsse 29 weitere Änderungsempfehlungen, über deren Berücksichtigung der Bundesrat jeweils zu befinden hatte.126 Die Neuformulierungen in der Ausschussfassung sowie die Änderungsvorschläge betrafen in Teilen grundlegende konzeptionelle Fragen. So legten die Ausschüsse Wert darauf, die Festlegung von Auslöseschwellen und Auslösekriterien für die Lärmaktionsplanung einer nachfolgenden Verordnung über die Aktionsplanung zu überlassen, wobei man davon ausging, dass die Regelungen zur Aktionsplanung im Wege einer Änderungsverordnung Eingang in die vorgelegte Kartierungsverordnung finden würden.127 Der Bundesrat entschied sich vielmehr, dem Richtlinienerfordernis von Grenzwerten im Sinne des Art. 3 lit. s RL, bei deren Überschreitung die Behörden Maßnahmen zum Schutz vor Lärm in Erwägung zu ziehen haben, zunächst allein durch die Anordnung Rechnung zu tragen, in Lärmkarten die Überschreitung solcher Werte graphisch darzustellen, wie sie sich bis zur Festlegung gesonderter Aktionsplanungs-Grenzwerte aus den bestehenden Vorschriften der 16. BImSchV, der TA Lärm, dem Fluglärmschutzgesetz bzw. den Regelungen zur freiwilligen Lärmsanierung an Bundesfernstraßen und Schienenwegen des Bundes ergeben.128 Der Bundesrat forderte ferner, die Berechnungsverfahren für die jeweiligen Lärmarten durch Veröffentlichung im Bundesanzeiger zu konkretisieren.129 Auf Antrag des Freistaates Bayern130 fasste der Bundesrat § 2 der Verordnung gegenüber der Ausschussfassung neu, wodurch einerseits der zunächst vorgesehene Anhang zur Verordnung entbehrlich und der Text weiter gestrafft wurde. Andererseits schlich sich durch die Annahme dieses Antrages ein redaktioneller Fehler in die 34. BImSchV ein: Da die Neufassung des § 2 keine Be-

124 125 126 127 128

Ausschussempfehlungen, Ausschussempfehlungen, Ausschussempfehlungen, Ausschussempfehlungen, Ausschussempfehlungen,

BR-Drs. BR-Drs. BR-Drs. BR-Drs. BR-Drs.

710/1/05 vom 05.12.2005, B. 710/1/05, A. 1. 710/1/05, A. 2.–30. 710/1/05, S. 10 (Begründung zu A. 1.). 710/1/05, S. 21 (A. 18.); BR-PlPr 818, S. 420

(D). 129

Ausschussempfehlungen, BR-Drs. 710/1/05, S. 23 (A. 22.); BR-PlPr 818, S. 420

(D). 130

BR-Drs. 710/2/05 vom 15.12.2005.

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3. Teil: Der Gang der Gesetzgebung

griffsbestimmung für den Rechtsbegriff der „Hauptlärmquelle“ mehr enthielt und überdies eine dem Rechtsbegriff beigefügte Verweisung auf § 47b Nr. 3 bis 5 BImSchG, die im bayerischen Antrag als Folgeänderung in § 4 Abs. 2 eingefordert worden war, wegen der völligen Streichung dieses letztgenannten Absatzes ebenfalls entfiel,131 ist der mehrfach in der 34. BImSchV verwendete unbestimmte Rechtsbegriff der „Hauptlärmquelle“ nunmehr weder im Bundes-Immissionsschutzgesetz noch in der Lärmkartierungsverordnung legaldefiniert.132 Der Bundesrat stimmte am 21.12.2005 der so geänderten Verordnung zu,133 die von der Bundesregierung am 06.03.2006 erlassen und am 15.03.2006 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurde.134 Die Verordnung trat gemäß § 8 der 34. BImSchV am 16.03.2006 in Kraft.

131 Annahme der Ausschussempfehlung Nr. 14; vgl. BR-Drs. 710/1/05, S. 18, sowie BR-PlPr 818, S. 420 (D). 132 Siehe unten 5. Teil, B., S. 126. 133 BR-PlPr 818, S. 421 (A). 134 BGBl. I S. 516 (518).

4. Teil

Gegenstand und Anwendungsbereich der Lärmminderungsplanung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz A. Die Regelungsstruktur des § 47a BImSchG Der neu in das Bundes-Immissionsschutzgesetz eingefügte Sechste Teil gilt gemäß § 47a BImSchG für den Umgebungslärm, dem Menschen insbesondere in bebauten Gebieten, in öffentlichen Parks oder anderen ruhigen Gebieten eines Ballungsraums, in ruhigen Gebieten auf dem Land, in der Umgebung von Schulgebäuden, Krankenhäusern und anderen lärmempfindlichen Gebäuden und Gebieten ausgesetzt sind. Er gilt nicht für Lärm, der von der betroffenen Person selbst oder durch Tätigkeiten innerhalb von Wohnungen verursacht wird, für Nachbarschaftslärm, Lärm am Arbeitsplatz, in Verkehrsmitteln oder Lärm, der auf militärische Tätigkeiten in militärischen Gebieten zurückzuführen ist. Durch diese nahezu wortwörtlich aus der deutschsprachigen Fassung des Art. 2 der Richtlinie übernommene Formulierung umgrenzt der Gesetzgeber den Anwendungsbereich des Sechsten Teils in der Weise, dass dem zentralen Begriff des Umgebungslärms1 als dem Gegenstand der Lärmminderungsplanung einerseits positiv erläuternde Beispiele für relevante Sachverhalte2 beigefügt, andererseits aber negativ Bereichsausnahmen3 getroffen werden.

B. Das Verhältnis von § 47a BImSchG zu § 2 BImSchG Dabei lassen sich dem Schrifttum unterschiedliche Auffassungen zur Frage des Verhältnisses zwischen § 47a BImSchG und § 2 BImSchG entnehmen. Hansmann, Stettner und Scheidler/Tegeder gehen davon aus, dass § 47a BImSchG und § 2 BImSchG als selbstständige Normen nebeneinander stehen. Für Hansmann handelt es sich bei § 47a BImSchG um eine „ergänzende Regelung, nicht um eine Spezialvorschrift, die den Rückgriff auf § 2 ausschließt“. 1 2 3

Siehe hierzu sogleich unter C., S. 101 ff. Siehe hierzu unten D. I., S 107. Siehe hierzu unten D. II., S. 110.

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4. Teil: Gegenstand und Anwendungsbereich

Beide Autoren stützen sich dabei auf ein genetisches Argument: Durch die ausdrückliche Änderung des § 2 Abs. 2 Satz 1 BImSchG habe der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass er § 47a BImSchG nicht als vorrangige Spezialbestimmung ansehe; denn ansonsten wäre die Änderung des § 2 BImSchG nicht erforderlich gewesen.4 Hingegen betrachten Schulze-Fielitz und Repkewitz § 47a BImSchG als lex specialis zu § 2 BImSchG, die den Anwendungsbereich des primär anlagenbezogenen Bundes-Immissionsschutzgesetzes für die Fragen der Lärmminderungsplanung erweitere.5 Die systematische Einordnung von § 47a und § 2 BImSchG als selbstständig nebeneinander stehende Rechtsvorschriften wäre vor dem Hintergrund der Einheit der Rechtsordnung als oberster Grundidee einer Rechtssystematik, die durch ein in sich widerspruchsfreies Ineinandergreifen von Rechtsnormen gekennzeichnet ist,6 nur dann zutreffend, wenn sich die Normen widerspruchsfrei nebeneinander zur Anwendung bringen ließen. Dies ist nach dem Wortlaut jedoch nicht der Fall. Über die Legaldefinition des § 47b Nr. 1 BImSchG ist als Umgebungslärm im Sinne des § 47a BImSchG auch der Straßen- und Schienenverkehrslärm anzusehen. Das ist mit dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 Nrn. 3 und 4 BImSchG nicht vereinbar, wonach Kraftfahrzeug- und Verkehrsanlagenlärm allenfalls nach Maßgabe der §§ 38 bis 40 bzw. §§ 41 bis 43 BImSchG in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen soll. Vermutlich ist dies mit Repkewitz7 und Schulze-Fielitz8 als handwerklicher Fehler anzusehen, zumal in der ersten Fassung des Gesetzentwurfs für den Verkehrsanlagenlärm wie für den Flugplatzlärm eine Änderung des § 2 Abs. 1 Nr. 4 BImSchG vorgesehen war.9 Ob dies zutrifft, muss angesichts fehlender Materialien zur Normtextgenese im Vermittlungsverfahren offen bleiben. Jegliche Erklärung ändert aber nichts an der objektiven Widersprüchlichkeit der beiden 4 Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47a BImSchG Rn. 2; Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47a BImSchG Rn. B 1; Scheidler/Tegeder, in: Feldhaus, § 47a BImSchG Rn. 7. 5 Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47a Rn. 2; Repkewitz, Probleme, VBlBW 2006, 409 (411); jedenfalls im Verhältnis zu § 3 Abs. 1 BImSchG für einen Charakter als vorrangige Sondervorschrift selbst A. Scheidler, Der Begriff des Umgebungslärms im neuen Sechsten Teil des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, Immissionsschutz 2007, 31 ff. (33). 6 B. Rüthers, Rechtstheorie, 4. Aufl. 2008, Rn. 744 ff.; H. Coing, Juristische Methodenlehre, 1972, S. 29. 7 Repkewitz, Probleme, VBlBW 2006, 409 (411). 8 Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47a Rn. 3. 9 Gesetzentwurf, BT-Drs. 15/3782, Art. 1 Nr. 2 lit. a, sowie die entsprechende Einzelbegründung (S. 23).

B. Das Verhältnis von § 47a BImSchG zu § 2 BImSchG

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Vorschriften in Bezug auf ihren Wortlaut, die es methodisch korrekt aufzulösen gilt. Die Normtextgenese gibt hierfür wenig her: Denn das Vorliegen einer Änderung für den Flugplatzlärm einerseits und das Fehlen einer Änderung für den Verkehrsanlagenlärm andererseits sprechen eher gegen als für ein tieferes Bewusstsein des historischen Gesetzgebers hinsichtlich des Verhältnisses der beiden Rechtsnormen, wie es Hansmann und Stettner behaupten. Unabhängig hiervon treten die Vorstellungen des historisch handelnden Gesetzgebers nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts und der herrschenden Lehre, die sich für eine objektive Auslegungstheorie entschieden haben,10 regelmäßig hinter den objektivierten Willen des Gesetzgebers zurück, wie er sich aus dem Wortlaut und dem Sinnzusammenhang ergibt.11 Nach dem Grundsatz lex specialis derogat legi generali verdrängt bei gleichrangigen Normen die speziellere Vorschrift die Maßgaben der allgemeineren Vorschrift, sofern und soweit sie hiervon abweicht. Denn andernfalls verbliebe für die speziellere Vorschrift kein Anwendungsbereich. Ob eine Vorschrift die speziellere Vorschrift ist, ist auf der Grundlage der herkömmlichen Auslegungsregeln unter besonderer Berücksichtigung des Normzwecks zu ergründen.12 Die Unvereinbarkeit von § 47a und § 2 BImSchG nach dem Wortlaut wurde bereits festgestellt. Auch die Schwäche des genetischen Arguments wurde schon aufgezeigt. Vorläufer-Rechtsnormen für die Strategische Lärmminderungsplanung aufgrund der Umgebungslärmrichtlinie existieren nicht, da es sich um ein neues europarechtlich gestaltetes Instrumentarium handelt; insbesondere stellt der eigenständig zu betrachtende § 47a BImSchG a. F. zur örtlichen Lärmminderungsplanung trotz gleicher numerischer Bezeichnung keine Vorgängerregelung zur europarechtlichen Lärmminderungsplanung dar. Eine historische Auslegung13 ist somit nicht möglich. Systematisch ist beiden Rechtsvorschriften gemeinsam, dass es sich um unvollständige Rechtssätze handelt, die ihre konstitutive Wirkung erst im Zusam10 K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995, Rn. 54; kritisch ders., a. a. O., Rn. 55 ff.; Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 806 ff.; unter grundsätzlicher Kritik an der h. L. auf der Basis einer „Strukturierenden Rechtslehre“ F. Müller/R. Christensen, Juristische Methodik, Band I (Grundlagen, Öffentliches Recht), 9. Aufl. 2004, Rn. 442 f. 11 BVerfGE 1, 299 (312); 10, 234 (244); 11, 126 (130); 62, 1 (45); Müller/Christensen, Methodik I, Rn. 440 f. m.w. N. in Fn. 856 zu Rn. 442: Andernfalls würde mithilfe von Nicht-Normtexten des Entstehungsstadiums die Grenzfunktion des Norm-Wortlauts ausgehebelt. Kritisch zur Spruchpraxis des BVerfG Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 799 f. 12 K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 267 f.; Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 771. 13 Zur Unterscheidung von genetischer und historischer Auslegung vgl. Müller/ Christensen, Methodik I, Rn. 360.

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4. Teil: Gegenstand und Anwendungsbereich

menhang mit anderen Rechtssätzen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, etwa einer der o. g. Befugnisse zur Steuerung des Einzelfalls, erlangen.14 Sie erfüllen eine dienende Funktion, indem sie den Anwendungsbereich der nachfolgenden Einzelregelungen begrenzen. § 2 BImSchG erfüllt seine dienende Funktion durch Begrenzung des Anwendungsbereichs universell gegenüber sämtlichen Einzelvorschriften des Gesetzes. § 47a BImSchG erfüllt nach der Systematik des Gesetzes dieselbe Funktion nur hinsichtlich des Sechsten Teils, also bezogen auf das spezielle Instrumentarium der Lärmminderungsplanung. Dies spricht für eine systematische Einordnung als lex specialis. Hinzu kommt, dass die Verwendung von leges speciales gegenüber § 2 BImSchG bereits mehrfach Eingang in die Systematik des Bundes-Immissionsschutzgesetzes gefunden hat. Dies betrifft die Regelungen zum gebietsbezogenen15 bzw. raumbezogenen Lärmschutz der §§ 44 ff. und § 50 BImSchG, bei denen eine Berücksichtigung des Verkehrsanlagen- und Flugplatzlärms auch ohne Erweiterung des § 2 BImSchG erreicht wurde.16 Entscheidende Bedeutung kommt somit Sinn und Zweck des Gesetzes zu, die sich nicht als freie subjektive Wertung darstellen dürfen, sondern wiederum aus den Auslegungsregeln heraus ergeben müssen.17 Im vorliegenden Fall kann ausschlaggebend auf einen aus Wortlaut und Systematik hergeleiteten, mithin objektiv teleologischen Gesichtspunkt18 verwiesen werden: Das Gesetz zur Umsetzung der EG-Richtlinie über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm vom 24.06.2005 enthält einen amtlichen Hinweis, wonach die Rechtsvorschriften der Umsetzung der RL 2002/49/EG dienen sollen.19 Stünden die Vorschriften des § 47a und des § 2 BImSchG anstelle eines Spezialitätsverhältnisses derart nebeneinander, dass § 2 BImSchG den Vorfilter für den Anwendungsbereich des Gesetzes insgesamt bildete, so dass § 47a BImSchG nur noch eine Teilmenge der hierdurch umgrenzten Materien regeln könnte, liefen die Regelungen bezüglich des Verkehrsanlagenlärms leer. Dies würde die Ratio des Gesetzes nach objektiv teleologischen Maßstäben verfehlen, indem es die richtlinienkonforme Umsetzung der Umgebungslärmrichtlinie vereitelte.

14

Larenz, Methodenlehre, S. 257 f.; Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 129. Zum Begriff Jarass, BImSchG, § 2 Rn. 12. 16 Jarass, BImSchG, § 2 Rn. 12 f., § 50 Rn. 10 m.w. N.; Führ, in: GK-BImSchG, § 2 Rn. 3 und 8; Feldhaus, § 50 BImSchG Rn. 3; vgl. auch BVerwGE 75, 214 (233): Berücksichtigung auch des Fluglärms im Rahmen des § 50 BImSchG. 17 Müller/Christensen, Methodik I, Rn. 364. 18 Zur Begrifflichkeit vgl. R. Christensen, Wahrheit, Recht und Folter – Eine methodische Betrachtung, in: U. Blaschke/A. Förster/S. Lumpp/J. Schmidt (Hrsg.), Sicherheit statt Freiheit? Staatliche Handlungsspielräume in extremen Gefährdungslagen, 2005, S. 133 ff. (S. 148). Andere Begriffsbildung bei Larenz, Methodenlehre, S. 333. 19 Vgl. Fußnote zur Gesetzesüberschrift, BGBl. 2005 I S. 1794. 15

C. Der Begriff des Umgebungslärms

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Eine solche Rechtsfolge ziehen allerdings weder Hansmann20 noch Stettner21 in Betracht. Die von ihnen beschriebene Rechtsfolge eines Unberührtbleibens22 der Regelungen außerhalb des Sechsten Teils von den Bestimmungen des § 47a BImSchG entspricht vielmehr exakt den Folgen, die sich aus der Spezialität des § 47a BImSchG ergeben würden: Derogation hinsichtlich des Widersprüchlichen, keine Derogation hinsichtlich des Widerspruchsfreien. Insofern leuchtet nicht ein, weshalb § 47a BImSchG aus Sicht dieser Autoren keine lex specialis darstellen soll. Im Ergebnis ist § 47a BImSchG somit vor allem aus teleologischen Gründen als lex specialis gegenüber § 2 BImSchG für alle Belange im Zusammenhang mit dem Instrumentarium der Strategischen Lärmminderungsplanung einzuordnen, deren Regelungen diejenigen des § 2 BImSchG verdrängen, sofern und soweit sich ein Widerspruch ergibt. Im Übrigen bleibt § 2 BImSchG unberührt; z. B. bleibt es mangels eines abweichenden Wortlauts bei der durch § 2 angeordneten Begrenzung auf anlagenbezogene Immissionen und folglich dem Ausschluss verhaltensbedingter Immissionen aus der Lärmminderungsplanung. Wegen des Spezialitätszusammenhangs ist die erfolgte Erweiterung des § 2 Abs. 2 BImSchG für Flughäfen rein deklaratorischer Natur, die unterbliebene Erweiterung des § 2 Abs. 1 Nr. 4 BImSchG für Verkehrsanlagen indes unschädlich. Die erforderliche Erweiterung des Anwendungsbereichs des Gesetzes ergibt sich schon unmittelbar aus § 47a BImSchG.

C. Der Begriff des Umgebungslärms als Gegenstand der Lärmminderungsplanung Der Begriff des Umgebungslärms wird in § 47b Nr. 1 BImSchG als belästigende oder gesundheitsschädliche Geräusche im Freien, die durch Aktivitäten von Menschen verursacht werden, einschließlich des Lärms, der von Verkehrsmitteln, Straßenverkehr, Eisenbahnverkehr, Flugverkehr sowie Geländen für industrielle Tätigkeiten ausgeht, legaldefiniert. Auch diese Begriffsbestimmung lehnt sich eng an die entsprechende Legaldefinition des Art. 3 lit. a der Richtlinie an. Allerdings sind im Bundes-Immissionsschutzgesetz „belästigende“ an die Stelle von „unerwünschten“ Geräuschen getreten; auch der Verweis der Richtlinie auf die Qualifikation von Industriegeländen nach der Richtlinie 96/ 61/EG unterblieb zugunsten einer späteren Präzisierung in § 4 Abs. 1 Nr. 5 der 34. BImSchV.

20 Eindeutiger Einbezug der Haupteisenbahnstrecken trotz § 2 BImSchG bei Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47c BImSchG Rn. 5. 21 Siehe zum gleichen Thema Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47c BImSchG Rn. B 3. 22 So ausdrücklich Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47a BImSchG Rn. 3.

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4. Teil: Gegenstand und Anwendungsbereich

I. Umgebungslärm als schädliche Umwelteinwirkungen? Auf den ersten Blick augenfällig ist dabei der Verzicht des Gesetzgebers auf den Terminus der „schädlichen Umwelteinwirkungen“, jenen Zentralbegriff des Bundes-Immissionsschutzgesetzes23, den der Rechtsanwender womöglich an dieser Stelle erwartet hätte. Schließlich sind als Lärm nach bisheriger Lesart diejenigen Geräusche zu verstehen, mit denen eine zumindest erhebliche Belästigung oder sogar eine Gefährdung einhergeht, was vorwiegend anhand der Grenz- bzw. Richtwertfestsetzungen der Durchführungsverordnungen zum BImSchG, der übrigen zur Konkretisierung der Unzumutbarkeitsgrenze ergangenen untergesetzlichen Regelungswerke sowie unter Einbezug wertender Gesichtspunkte zu beurteilen ist.24 Somit stellt sich die Frage, ob es sich bei Umgebungslärm um etwas anderes als Lärm im vorbezeichneten Sinne handelt und mithin eine andere Kategorie als diejenige der schädlichen Umwelteinwirkungen für die Strategische Lärmminderungsplanung maßgeblich ist. Der Begriff des Umgebungslärms stellt eine neue Begrifflichkeit im Recht des Bundes dar. Er kommt nur im Zusammenhang mit der Lärmminderungsplanung vor (vgl. z. B. Ziffer 4 der Anlage 5 zur LuftVZO). Die einzige ersichtliche Ausnahme in Ziffer 1.4.1.2.5 des Anhangs 4 zur ABBergV25 behandelt Warnsignale bei starken Hintergrundgeräuschen und ist für die hiesige Begriffsbestimmung ohne Belang. Dem aus dem europäischen Recht übernommenen26 unbestimmten Rechtsbegriff kann somit kein gefestigter Inhalt aufgrund einer vorangegangenen Begriffsbildung im deutschen Recht zugeordnet werden. Demgegenüber war dem Gesetzgeber bei der Einfügung des Sechsten Teils in das Bundes-Immissionsschutzgesetz der Begriff der schädlichen Umwelteinwirkungen selbstverständlich bekannt, was schon auf den ersten Blick gegen eine Gleichsetzung der Begrifflichkeiten sprechen dürfte. Umso richtiger erweist sich diese Einschätzung, als die Legaldefinition des Umgebungslärms nicht von erheblich belästigenden oder gesundheitsschädlichen, sondern allgemein von belästigenden oder gesundheitsschädlichen Geräuschen spricht. Die untere Schwelle für die Relevanz eines Geräusches ist 23 E. Kutscheidt, Schädliche Umwelteinwirkungen, FS Feldhaus, S. 1; vgl. auch Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 1. 24 Siehe hierzu oben 1. Teil, A., S. 24 ff. 25 Allgemeine Bundesbergverordnung vom 23.10.1995 (BGBl. I S. 1466), zuletzt geändert durch Art. 1 der Dritten Verordnung zur Änderung bergrechtlicher Verordnungen vom 24.01.2008 (BGBl. I S. 85). 26 So auch die Einschätzung von A. Scheidler, Die Neuregelungen im Bundes-Immissionsschutzgesetz zur Lärmminderungsplanung, UPR 2005, 334 ff. (335). Wahlweise kann der genannte Beitrag von Scheidler erstaunlicherweise auch in UPR 2005, 423 ff. nachgelesen werden.

C. Der Begriff des Umgebungslärms

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beim Umgebungslärm also gegenüber der schädlichen Umwelteinwirkung27 herabgesetzt.28 Dass dies nicht als eine sprachliche Ungenauigkeit bei der Formulierung, sondern als eine gewollte Abstufung hinsichtlich des Belästigungsgrades aufzufassen sein dürfte, legen Wortlaut wie Regelungsziel der Umgebungslärmrichtlinie nahe. Der in Art. 3 lit. a der Richtlinie verwandte Terminus des „unerwünschten“ Geräusches weist mit seiner tendenziell subjektiv geprägten Konnotation29 auf eine eher niedrige untere Relevanzschwelle hin: Vieles, was nach objektiven Kriterien noch keine belästigende Geräuscheinwirkung darstellt, mag bereits unerwünscht sein.30 Diese Annahme erweist sich auch mit Blick auf das Regelungsziel der Richtlinie als richtig: Die Umgebungslärmrichtlinie verfolgt unter Zugrundelegung des bereits angesprochenen Managementansatzes nicht nur die Zielsetzung, Lärmbelastungen dort zurückzudrängen, wo sie gesundheitsschädliche Auswüchse angenommen haben, sondern bezweckt auch die Erhaltung der Umweltqualität in denjenigen Fällen, in denen sie zufriedenstellend ist (vgl. Art. 1 Abs. 1 lit. c RL). Der Schutz bislang ruhiger Gebiete ist ein wesentlicher Gesichtspunkt, weshalb Ziffer 1 des Anhangs V RL auch die Angabe der von den Behörden zum Schutz ruhiger Gebiete geplanten Maßnahmen 27

Vgl. hierzu oben 1. Teil, A. II. 1., S. 25 ff. So auch die Begründung des nicht Gesetz gewordenen Gesetzentwurfs vom 27.09.2004, BT-Drs. 15/3782, S. 15; vgl. ferner Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47b Rn. 8 f.; Scheidler, in: Feldhaus, Vor §§ 47a–47f BImSchG Rn. 13; ders., Begriff des Umgebungslärms, Immissionsschutz 2007, 31 (33); Scheidler/Tegeder, in: Feldhaus, § 47b BImSchG Rn. 8 und 12; Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47b BImSchG Rn. C 1; Wysk, in: L. Giesberts/M. Reinhardt (Hrsg.), Umweltrecht, Beck’scher Online-Kommentar, Edition 7 (01.04.2008), § 47b BImSchG Rn. 3; wohl auch Feldmann, Wandel im Lärmschutz, ZUR 2005, 352 (353), der in diesem Zusammenhang den anders gelagerten Grundansatz der Richtlinie betont; kritisch H. Fickert, Die Umgebungslärmrichtlinie der EU und ihre Umsetzung in deutsches Recht im Verhältnis zum Lärmschutz beim Bau von Verkehrswegen aus der Sicht eines kritischen Praktikers, DVBl. 2004, 1253 ff. (1254 ff.); ders., Einfluss, BauR 2006, 920 (924 ff.), jeweils unter eingehender Nachzeichnung der Begriffsentwicklung im deutschen Lärmschutzrecht. 29 Vgl. Wysk, in: Giesberts/Reinhardt, § 47b BImSchG Rn. 2. 30 In diesem Sinne auch Feldmann, Wandel im Lärmschutz, ZUR 2005, 352 (354): Es gehe darum, den Umgebungslärm zu erfassen, egal ob schädlich oder nur unerwünscht, ob erheblich oder nur schlicht belästigend. Auch die Aktionsplanung setze nicht erst bei einer bestimmten Schwelle ein, vielmehr sollten Lärmprobleme und Lärmauswirkungen schlechthin bekämpft werden. Vgl. auch Scheidler, Lärmminderungsplanung, UPR 2005, 247 (247) m.w. N. – Einer anderen Begriffsauffassung folgt offenbar Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47b BImSchG Rn. 4, der ausführt, eine nicht belästigende Einwirkung könne auch nicht unerwünscht sein; nach diesem Verständnis wären unerwünschte Geräusche somit ein Maius bzw. Idem gegenüber belästigenden Geräuschen. In diesem Sinne auch Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47b Rn. 7, sowie Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47b BImSchG Rn. C 1: Ein belästigendes Geräusch sei stets auch unerwünscht. Für eine inhaltliche Gleichsetzung von unerwünschten und belästigenden Geräuschen auch Scheidler/Tegeder, in: Feldhaus, § 47b BImSchG Rn. 12. 28

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4. Teil: Gegenstand und Anwendungsbereich

als eine Mindestanforderung für Lärmaktionspläne nach Art. 8 RL ansieht. Diesem Schutzzweck könnte die Lärmminderungsplanung nicht genügen, würde sie von vorneherein den Blick auf solche Immissionen beschränken, die sich als erheblich belästigend und mithin als schädliche Umwelteinwirkungen jenseits der Zumutbarkeitsgrenze erweisen.31 Der unbestimmte Rechtsbegriff des Umgebungslärms im Sinne des § 47b Nr. 1 BImSchG ist somit unabhängig vom Begriff der schädlichen Umwelteinwirkung zu sehen.32 Die maßgebliche Schwelle ist bereits unterhalb der erheblichen Belästigung anzusetzen; vielmehr ist eine Beeinträchtigung des Wohlbefindens eines sog. „Durchschnittsmenschen“ ausreichend.33

II. Durch Aktivitäten von Menschen verursachte Geräusche Nach der Legaldefinition des § 47b Nr. 1 BImSchG handelt es sich bei Umgebungslärm um Geräusche, die durch Aktivitäten von Menschen verursacht werden. Ausgeschlossen sind somit alle Geräusche, die der Natur zuzurechnen sind, wie etwa das Rauschen eines Flusses oder Laute wildlebender Tiere.34 Vielmehr muss sich das Geräusch auf gesteuertes oder wenigstens steuerbares menschliches Verhalten zurückführen lassen.35 Dass Umgebungslärm einschließlich des durch Verkehrsmittel, Straßenverkehr, Eisenbahnverkehr, Flugverkehr und Industriegelände verursachten Lärms verstanden werden soll, macht zugleich deutlich, dass sich der Begriff des Umgebungslärms nicht auf diese exemplarisch genannten Lärmquellen beschränkt, sondern als eine umfassendere Größe anzusehen ist.36 Einbezogen sind somit vom Grundsatz her insbesondere auch der Freizeit- sowie Sportanlagenlärm.37 31 Dieser Gedanke spricht gegen die Begriffsdeutung von Hansmann, vgl. oben Fn. 30. Siehe hierzu auch Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47b Rn. 9. 32 Ähnlich Feldmann, Wandel im Lärmschutz, ZUR 2005, 352 (353), für den Ansatzpunkt der Richtlinie nicht schädliche Umwelteinwirkungen aufgrund von Geräuschen, sondern letztlich bestimmte zu kartierende Hauptlärmquellen unabhängig vom Vorliegen einer bestimmten Höhe der Lärmbelastung sind; siehe auch unten 5. Teil, A. III., S. 123. 33 Repkewitz, Probleme, VBlBW 2006, 409 (411). 34 Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47b BImSchG Rn. 8; Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47b BImSchG Rn. C 7; Scheidler/Tegeder, in: Feldhaus, § 47b BImSchG Rn. 14. 35 Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47b Rn. 16. 36 Ebenso Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47b BImSchG Rn. 9; Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47b Rn. 17; Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47b BImSchG Rn. C 14. 37 Stettner, in Ule/Laubinger, Vor §§ 47a–47f BImSchG Rn. A 4; Scheidler/Tegeder, in: Feldhaus, § 47a BImSchG Rn. 17; Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47a Rn. 20; implizit wohl auch Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47a BImSchG Rn. 10. Siehe hierzu aber unten 5. Teil, B. III., S. 167 ff.

C. Der Begriff des Umgebungslärms

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III. Geräusche im Freien Bei den für den Umgebungslärm relevanten Geräuschen soll es sich weiterhin um Geräusche im Freien handeln. Diese Formulierung ist insoweit unpräzise, als sie offen lässt, ob für die Geräuschbeurteilung die Emissionslage an der Lärmquelle oder die Immissionslage maßgeblich sein soll. Aus dem Gesamtzusammenhang lässt sich allerdings erschließen, dass der Immissionslage an einem noch näher zu bestimmenden Immissionspunkt die entscheidende Bedeutung zukommt. Denn zum einen setzt sich der gemäß Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie zu verwendende Tag-Abend-Nacht-Pegel Lden nach Anhang I der Richtlinie bzw. § 2 Abs. 1 der Lärmkartierungsverordnung aus A-bewerteten Dauerschallpegeln nach ISO 1996-2:1987 zusammen. Dieser internationale Standard stellt auf die Immissionslage ab, nicht auf Emissionswerte. Unter Geräuschen im Sinne des Rechtsbegriffes Umgebungslärm sind also Immissionen zu verstehen. Zum anderen weisen auch die Bestimmungen für die Ermittlung des maßgeblichen Berechnungs- bzw. Messpunktes in Anhang I der Richtlinie auf die Immissionssituation hin. Zur Ermittlung der Lärmbelastung in Gebäuden bzw. in der Nähe von Gebäuden ist demnach ein Punkt in grundsätzlich vier Metern Höhe über dem Boden an der am stärksten lärmbelasteten Fassade heranzuziehen. Diese wiederum ist die der Lärmquelle am nächsten zugewandte Außenfassade. Entscheidend ist also auch hiernach, was beim Messpunkt „ankommt“, nicht was von der Quelle ausgeht. Für die akustische Planung sowie die Ausweisung von Gebieten mit bestimmter akustischer Qualität – dies zugleich ein Hinweis auf die Möglichkeiten der Lärmaktionsplanung – gilt nach dem Anhang I der Richtlinie Entsprechendes. Dieser zweite Gesichtspunkt erklärt zugleich, was unter Geräuschen im Freien zu verstehen ist. Gemeint ist, dass der maßgebliche Immissionsermittlungspunkt selbst außerhalb des Gebäudes anzusetzen ist, selbst wenn letztlich die Lärmbelastung der Bewohner eines Gebäudes ermittelt und bewertet werden soll.38 Eine Geräuschbewertung innerhalb von Gebäuden hätte wegen großer Unterschiede in der baulichen Schalldämmung zu größeren Verzerrungen der Ergebnisse geführt und wäre folglich nicht sinnvoll gewesen.39 Da die Immissionsbelastung außerhalb von Gebäuden zu ermitteln ist, fallen z. B. Körperschallereignisse in Gebäuden nicht unter die Definition des Umgebungslärms.40

38

Vgl. Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47b BImSchG Rn. 7. Scheidler/Tegeder, in: Feldhaus, § 47b BImSchG Rn. 11. Einen Hinweis auf die Bedeutung baulicher Schalldämmung an Gebäuden liefern auch Nr. 1.5, 1.6 und 2.5 des Anhangs VI zur RL 2002/49/EG. 40 Scheidler/Tegeder, in: Feldhaus, § 47b BImSchG Rn. 11. 39

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4. Teil: Gegenstand und Anwendungsbereich

Im Gegensatz hierzu ist unerheblich, ob die Lärmquelle im Freien oder im umschlossenen Raum positioniert ist.41 Es kommt also z. B. nicht darauf an, ob die Tätigkeit im Rahmen einer Industrieanlage auf einem Freiplatz oder in einer Halle stattfindet sowie ob ein Verkehrsweg oberirdisch, eingehaust oder unterirdisch verläuft. Es ist somit gleichermaßen erforderlich wie ausreichend, dass sich das Geräusch zumindest zeitweise im Freien entfaltet hat42 und auch seine Bewertung als Immission im Freien erfolgt.

IV. Belästigender oder gesundheitsschädlicher Charakter Der belästigende bzw. gesundheitsschädliche Charakter eines Geräusches im Sinne der Begriffsbestimmung des Umgebungslärms kann wie bereits ausgeführt43 zumindest hinsichtlich der unteren Relevanzschwelle nicht mit dem Überschreiten von Grenzwerten, die die Unzumutbarkeit einer Immission konkretisieren, gleichgesetzt werden. Eine exakte Konkretisierung einer Belästigungsschwelle ist der Gesetz- und Verordnungsgeber jedoch schuldig geblieben; allenfalls lässt sich aus den Darstellungsanforderungen der Lärmkartierung rückschließen, was offenbar nicht als belästigend genug angesehen wurde, um eine Kartierung zu rechtfertigen.44 Gesundheitsschädliche Geräusche im Sinne einer physisch oder psychisch beeinträchtigenden Einwirkung45 sind stets auch belästigend, da es sich hierbei im rechtlichen Sinne um eine niedriger angesetzte Schutzstufe handelt.46 Die Grenzen sind dabei fließend.47

D. Die Begrenzung des Anwendungsbereiches Der vorstehend entwickelte Begriff des Umgebungslärms ist weiter gefasst, als er den Regelungen zur Lärmminderungsplanung zugrunde liegen soll. So begrenzt der Gesetzgeber in § 47a BImSchG den Anwendungsbereich des Sechsten Teils zum einen durch Bereichsausnahmen (§ 47a S. 2 BImSchG). Zum anderen finden sich dort nicht abschließende Umschreibungen für einige be41

Scheidler/Tegeder, in: Feldhaus, § 47b BImSchG Rn. 11. Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47b Rn. 15. 43 Siehe oben C. I., S. 102. 44 Siehe hierzu unten 5. Teil, C. III., S. 181 ff., insb. S. 188 f.; vgl. auch SchulzeFielitz, in: GK-BImSchG, § 47b Rn. 10. 45 BVerwGE 77, 285 (289); eingehend Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47b Rn. 12 f.; vgl. auch Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47b BImSchG Rn. C 2; Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47b BImSchG Rn. 5. 46 Siehe auch Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47b BImSchG Rn. C 1. 47 Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47b Rn. 14. 42

D. Die Begrenzung des Anwendungsbereiches

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stimmte, ausdrücklich der Anwendung unterworfene Fallgestaltungen, die eine gesonderte Betrachtung erfordern (§ 47a S. 1 BImSchG); auch diese stellen letztlich Einschränkungen des Anwendungsbereiches dar.48 Die Lärmminderungsplanung betrifft somit nur eine Teilmenge des Umgebungslärms an sich.

I. Die positiv umschriebenen Fallkonstellationen Der Sechste Teil des Bundes-Immissionsschutzgesetzes gilt gemäß § 47a S. 1 BImSchG für den Umgebungslärm, dem Menschen insbesondere in bebauten Gebieten, in öffentlichen Parks oder anderen ruhigen Gebieten eines Ballungsraums, in ruhigen Gebieten auf dem Land, in der Umgebung von Schulgebäuden, Krankenhäusern und anderen lärmempfindlichen Gebäuden und Gebieten ausgesetzt sind. Durch die Übernahme dieses ganzen Kataloges von Fallkonstellationen aus Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie hat der Gesetzgeber einen bemerkenswert konturenlosen Abgrenzungsversuch hinsichtlich des Anwendungsbereichs der Regelungen zur Lärmminderungsplanung unternommen. 1. Festlegung auf das Schutzgut Mensch Maßgebliches Schutzgut für den Schutz vor Umgebungslärm ist der Mensch. Durch die ausdrückliche Begrenzung des Anwendungsbereichs der Vorschriften zur Lärmminderungsplanung auf den Umgebungslärm, dem Menschen ausgesetzt sind, werden zugleich die Einwirkungen auf die – nach § 1 BImSchG ebenfalls als Schutzgut anzusehende – Tierwelt aus der Betrachtung ausgenommen.49 2. Die Festlegung besonders schützenswerter Gebäude und Gebiete Soweit allerdings in § 47a S. 1 BImSchG einzelne Gebiete in Ballungsräumen und auf dem Land sowie einzelne Gebäude und deren Umgebung in nicht abschließender Weise als besonders schutzwürdig aufgezählt werden, ist die Formulierung des Gesetzgebers im Prinzip unbrauchbar. Dies ergibt sich schon daraus, dass fast jede Stellungnahme im Schrifttum zu anderen Deutungen der Norm kommt.50 Von einer abgrenzenden Funktion kann mithin keine Rede sein. So entnimmt Scheidler mit nachvollziehbaren Gründen der Regelung, dass wegen der Formulierung „und anderen ruhigen Gebieten eines Ballungsraums“ 48

In diesen Sinne auch Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47a BImSchG Rn. 4. Ebenso Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47a BImSchG Rn. 5, und Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47a BImSchG Rn. C 2. 50 Vgl. auch Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47a Rn. 8: Aufzählung entbehrt jeder nachvollziehbaren Systematik. 49

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4. Teil: Gegenstand und Anwendungsbereich

auch die bebauten Gebiete ruhige Gebiete des Ballungsraums sein müssten, weshalb hierfür allenfalls Wohn- oder Mischgebiete in Betracht kämen. Neben die ruhigen Gebiete des Ballungsraums träten ruhige Gebiete auf dem Land und die Umgebung lärmempfindlicher Gebäude und Gebiete als zweite und dritte Fallgruppe, wobei in der letzteren aber die Gebiete als solche, nicht deren Umgebung gemeint sein müssten. Das steht freilich insoweit in Widerspruch zum Regelungsziel der Richtlinie, als Lärmminderung ja gerade in Gebieten ansetzen muss, die tatsächlich bereits verlärmt sind. Diese Zielsetzung komme in § 47a S. 1 BImSchG nur versteckt zum Ausdruck und werde erst sichtbar, wenn man die beispielhafte Aufzählung der ruhigen Gebiete bei der Lektüre weglasse. Danach gelte der Sechste Teil des BImSchG „für den Umgebungslärm, dem Menschen ausgesetzt sind“.51 Mit diesem Ergebnis kann man sich freilich jegliche Abgrenzungsbemühung ersparen. Hansmann zieht aus § 47a S. 1 BImSchG den Schluss, dass neben bebauten auch erst beplante Gebiete erfasst würden. Die Aufzählung solle im Übrigen verdeutlichen, dass es um den Schutz lärmempfindlicher Gebäude und Gebiete und darüber hinaus um die Bewahrung eines möglichst lärmfreien Zustandes in ruhigen Gebieten gehe.52 Stettner sieht die bebauten Gebiete und öffentlichen Parks einerseits als spezialisierte Fälle beruhigter Zonen eines Ballungsraums an, bezieht aber bei den bebauten Gebieten andererseits auch die relativ lauten Gewerbe- und Industriegebiete ein. Neben die spezialisierten Fälle träten andere ruhige Gebiete eines Ballungsraums und ruhige Gebiete auf dem Land, was Folgen für Windkraftanlagen zeitigen könne. Bei den Schulgebäuden und Krankenhäusern müsse es sich um solche außerhalb von Ballungsräumen handeln, da diejenigen innerhalb der Ballungsräume bereits unter „bebaute Gebiete“ fielen.53 Schulze-Fielitz schließlich betont die parallele Aufzählung von bebauten Gebieten und anderen lärmempfindlichen Gebieten. Entscheidend sei somit das Kriterium der Lärmempfindlichkeit an sich, was insbesondere zu einer Schutzbedürftigkeit aller bebauten Gebiete führe, die auch zum Wohnen dienten. Besonders hervorgehoben würden die ruhigen Gebiete im Sinne der Richtlinie. Nicht lärmempfindlich seien hingegen Gewerbe-, Industrie- und Sondergebiete für gewerbliche Nutzungen.54 Eine allgemein zufriedenstellende Lösung kann vor diesem Hintergrund auch hier nicht angeboten werden. In der Zusammenschau der vorgetragenen Ansich51 A. Scheidler, Der Schutz ruhiger Gebiete gegen Zunahme von Lärm, NWVBl. 2007, 245 ff. (246). 52 Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47a BImSchG Rn. 7. 53 Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47a BImSchG Rn. C 2 ff. 54 Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47a Rn. 9 ff.

D. Die Begrenzung des Anwendungsbereiches

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ten kommt es aber wohl vor allem auf die Schutzbedürftigkeit an, die sich aus der Gebietsnutzung ergibt. Das bedeutet, dass insbesondere Wohnnutzungen in den Blick zu nehmen sind, des weiteren die Nutzung für Krankenhäuser, Schulen, Altenheime, Sanatorien und öffentliche Erholungsflächen, wie sie durch die öffentlichen Parks gekennzeichnet werden. Dabei kann nicht maßgeblich sein, ob das nach seiner Nutzung schutzbedürftige Gebiet selbst ruhig oder bereits verlärmt ist; denn gerade verlärmte Gebiete bedürfen der Lärmminderung besonders. Aus der Vorschrift herauszulesen ist ferner, dass ruhige Gebiete eine besondere Stellung einnehmen sollen, und zwar sowohl auf dem Land, als auch im Ballungsraum. Für die ruhigen Gebiete auf dem Land kann die gemeinschaftsrechtliche Definition aus Art. 3 lit. l RL herangezogen werden. Danach handelt es sich um ein von der zuständigen Behörde festgesetztes Gebiet, das keinem Verkehrs-, Industrie-, Gewerbe- oder Freizeitlärm ausgesetzt ist. Das Gebiet muss also außerhalb des Einflussbereichs jeglicher Lärmquellen liegen. Ein ruhiges Gebiet im Ballungsraum definiert Art. 3 lit. m RL jedoch über eine Lärmindex-Festlegung des Mitgliedstaates.55 Diese dringend erforderliche Konkretisierung hat der Gesetzgeber jedoch bislang leider nicht vorgenommen. Die Problematik der ruhigen Gebiete ist vielmehr im gesamten Umfang der Lärmminderungsplanung vollkommen ungelöst.56 Jenseits der ruhigen Gebiete sollte man sich ungeachtet der vorstehenden Bemühungen nicht mit allzu kleinlichen Abgrenzungsversuchen „verzetteln“.57 Denn zum einen ist die Aufzählung nicht abschließend.58 Zum anderen wirkt sich im Ergebnis die Konturlosigkeit des § 47a S. 1 BImSchG nicht in der Praxis aus. Das liegt an einem Perspektivwechsel: Während das Gesetz bei Anwendungsbereich und Aktionsplanung auf bestimmte Gebiete blickt (vgl. neben § 47a S. 1 BImSchG auch § 47d Abs. 1 BImSchG), liegt der Fokus bei der Lärmkartierung allein auf Lärmquellen, die bestimmte Kriterien erfüllen. Die Auswahl der Gebiete für die Lärmminderungsplanung erfolgt also letztlich durch die Auswahl der Lärmquellen und die Errechnung ihrer Einwirkungsbereiche. Denn nur wo Kartierungserkenntnisse vorliegen, kann auch eine Lärmaktionsplanung erfolgen. Das ist systematisch zwar nicht konsequent. Bislang ergibt sich aber nicht der Eindruck, dass dies zu schlechteren Ergebnissen in der Lärmaktionsplanungspraxis führen würde.

55 Siehe zu Vorschlägen hierzu näher im Zusammenhang mit der Lärmkartierung unter 5. Teil, B. IV., S. 169 ff. 56 Kritisch auch Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47a BImSchG Rn. C 2. 57 Dieses Wort von Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 29, gilt auch hier. 58 Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47a BImSchG Rn. 7.

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4. Teil: Gegenstand und Anwendungsbereich

II. Die negativen Bereichsausnahmen des § 47a S. 2 BImSchG Jedenfalls ausgeschlossen sind demgegenüber Fallgestaltungen, die den negativ formulierten Bereichsausnahmen zuzurechnen sind. Der Sechste Teil des Bundes-Immissionsschutzgesetzes gilt nach § 47a S. 2 BImSchG nicht für Lärm, der von der davon betroffenen Person selbst oder durch Tätigkeiten innerhalb von Wohnungen verursacht wird, für Nachbarschaftslärm, Lärm am Arbeitsplatz, in Verkehrsmitteln oder Lärm, der auf militärische Tätigkeiten in militärischen Gebieten zurückzuführen ist. Fünf Kategorien von Ausnahmen können hierbei ausgemacht werden. 1. Ausnahmevorschrift zugunsten der Landesverteidigung Bei der Ausnahme von militärischen Tätigkeiten in militärischen Gebieten handelt es sich um eine der zahlreichen Ausnahmevorschriften, die im Bereich des Umweltrechts, des Fachplanungsrechts (vgl. nur § 30 Abs. 1 LuftVG), der Raumordnung und darüber hinaus dem hohen Stellenwert einer effektiven Landesverteidigung Rechnung tragen.59 Auch im Bereich des Immissionsschutzrechts werden die Streitkräfte gegenüber sonstigen Emittenten bevorzugt, und zwar sowohl verwaltungsverfahrensrechtlich durch die Ausnahmevorschriften der §§ 10 Abs. 11, 59 BImSchG i.V. m. den Regelungen der 14. BImSchV60, als auch materiell-rechtlich durch die Ausnahmevorschrift des § 60 BImSchG; auch Ausnahmen im Sinne des § 60 BImSchG können allerdings keine dauerhaften gesundheitsschädlichen Einwirkungen rechtfertigen.61 Die hier interessierende Regelung des § 47a BImSchG unterscheidet nicht zwischen der Bundeswehr und anderen in Deutschland befindlichen Streitkräften; es spricht von Militär in einem umfassenden Sinne. Somit betrifft die Ausnahmevorschrift gleichermaßen die Bundeswehr und die NATO-Stationierungskräfte in Deutschland.62 Aus der Gesetzesformulierung, wonach eine Ausnahme zugunsten von militärischen Tätigkeiten in militärischen Gebieten eingeräumt wird, ergibt sich, dass zwei Tatbestandsmerkmale kumulativ verwirklicht sein müssen, um den gesetzlichen Ausnahmetatbestand zu erfüllen. 59 Einen instruktiven Überblick bietet hierzu A. Scheidler, Umweltsonderrecht für Vorhaben der Landesverteidigung, NuR 2005, 8 ff. 60 Vierzehnte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes vom 09.04.1986 (BGBl. I S. 380). 61 BVerwG, NVwZ 1991, 886 (887 f.); Jarass, BImSchG, § 60 Rn. 8. 62 Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47a Rn. 25; Scheidler/Tegeder, in: Feldhaus, § 47a Rn. 18.

D. Die Begrenzung des Anwendungsbereiches

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Zum einen müssen die fraglichen Immissionen von einem abgegrenzten oder abgrenzbaren Gelände ausgehen, das der Benutzung durch Streitkräfte zugewiesen ist.63 Maßgeblich hierfür sind die Widmungsverhältnisse. In Betracht kommen somit insbesondere Truppenübungsplätze und Kasernengelände, Depots, Schießstände, Militärflugplätze und dergleichen. Geräuscheinwirkungen aufgrund militärischer Tätigkeit andernorts, beispielsweise das Befahren von Straßen, die der Benutzung durch die Allgemeinheit gewidmet sind, durch Panzerkolonnen, scheiden hingegen aus.64 Zum anderen muss es sich gleichzeitig um Einwirkungen handeln, die auf eine militärische Tätigkeit zurückzuführen sind (etwa Schießlärm, Kraft- und Luftfahrzeuggeräusche).65 Aus gänzlich anderen Gründen auftretende Immissionen, etwa aufgrund der Veranstaltung eines Volksfestes auf dem Kasernengelände, unterfallen folglich nicht dem Ausnahmetatbestand. Für die im Einzelfall erforderliche Abgrenzung militärischer Tätigkeiten von sonstigen Tätigkeiten erscheint es zweckmäßig, die bekannten strengen Maßstäbe der §§ 59, 60 BImSchG heranzuziehen;66 danach müsste eine militärische Tätigkeit unmittelbar der Landesverteidigung dienen,67 was bei Büro- und Schulungsgebäuden, Unterkünften und Kantinen nicht der Fall sein soll. Gegen eine pauschale Gleichsetzung der Anforderungen aus §§ 59, 60 BImSchG mit denjenigen aus § 47a BImSchG spricht zwar der unterschiedliche Wortlaut der Tatbestandsmerkmale „Anlage der Landesverteidigung“ bzw. „militärische Tätigkeit“. Anders als für §§ 59, 60 BImSchG68 hat sich der Gesetzgeber bei § 47a BImSchG auch nicht näher hinsichtlich seines Begriffsverständnisses geäußert. Weiterhin geht es auch nicht um die – deutlich einschneidendere – Abweichung von materiellen Standards bei Errichtung und Betrieb emittierender Anlagen, sondern lediglich um eine Lärmsituationsbeschreibung. Jedoch spricht schon die Ausgestaltung der Vorschrift als Ausnahmetatbestand für eine restriktive Auslegung. Vor allem aber würde durch eine weite Auslegung tendenziell die Anforderung eines kumulativen Vorliegens zweier Tatbestandsmerkmale obsolet: Hätte der Gesetzgeber auch die Immissionen aus nicht unmittelbar der Landesverteidigung dienenden Tätigkeiten als Ausnahme behandeln wollen, hätte er sich auf

63

Vgl. Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47a BImSchG Rn. 13. So auch Scheidler/Tegeder, in: Feldhaus, § 37a BImSchG Rn. 18. 65 So auch Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47a BImSchG Rn. 13. Für einen Ausschluss von Tieffluglärm Wysk, in: Giesberts/Reinhardt, § 47a BImSchG Rn. 17. 66 So auch Scheidler/Tegeder, in: Feldhaus, § 47a Rn. 18, und Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47a BImSchG Rn. 13. 67 Vgl. Jarass, BImSchG, § 60 Rn. 3 m.w. N. 68 Der Gesetzgeber stellte seinerzeit ausdrücklich auf ein besonderes Sicherungsbedürfnis ab, das bei solchen Anlagen fehle, die keiner besonderen Geheimhaltung bedürften; siehe hierzu die Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drs. 7/179, S. 47 (zu § 45); vgl. auch Jarass, BImSchG, § 59 Rn. 3 m.w. N. 64

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4. Teil: Gegenstand und Anwendungsbereich

die Normierung einer Ausnahme für Lärm aus militärischen Gebieten schlechthin beschränken können. Dies ist nicht der Fall. Da die beiden genannten Voraussetzungen kumulativ vorliegen müssen, handelt es sich bei den hier relevanten Immissionen letztlich ungeachtet der Bezeichnung als auf militärische „Tätigkeiten“ zurückgehende Immissionen also doch um Immissionen, die einer militärischen Einrichtung und mithin einer Anlage zugerechnet werden. Eine Ausweitung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes auf den Schutz vor verhaltensbezogenen Immissionen liegt nicht vor. Insofern wäre es allerdings vorteilhafter gewesen, wenn der Gesetzgeber anstelle einer Übernahme des europarechtlichen Wortlauts entsprechend dem Normenbestand der §§ 59, 60 BImSchG von Immissionen aus Anlagen zur Landesverteidigung gesprochen hätte. Ob der Einwirkungsort der fraglichen Immissionen innerhalb oder außerhalb eines militärischen Geländes liegt, ist für das Vorliegen des Ausnahmetatbestandes unerheblich. Denn ausgeschlossen ist nach dem Gesetzestext nicht der Lärm in militärischen Gebieten, der auf militärische Tätigkeiten zurückzuführen ist, sondern der Lärm, der auf militärische Tätigkeiten in militärischen Gebieten zurückzuführen ist.69 So üblich Ausnahmeregelungen für Zwecke der Landesverteidigung sind, so sehr verwundern sie an dieser Stelle. Denn dem mit der Lärmminderungsplanung verfolgten Managementansatz, Lärmbelastungen zunächst einmal festzustellen, läuft die Außerachtlassung der Belastungen durch Streitkräfte eigentlich zuwider. Gerade aber im Falle von ausnahmsweise gemäß § 60 BImSchG höheren Immissionsbelastungen, als sie nach den einschlägigen Regelwerken zulässig wären, bestünde an sich (zumindest in lärmschutzpolitischer Hinsicht) ein Bedürfnis für eine Erhebung der Lärmbelastungssituation.70 Ausschlaggebend dürften insofern aber letztlich kompetenzrechtliche Probleme auf Gemeinschaftsebene gewesen sein.71

69 Dies übersieht Wysk, in: Giesberts/Reinhardt, § 47a BImSchG Rn. 17, der infolgedessen unnötigerweise das Tatbestandsmerkmal der „militärischen Gebiete“ auf deren Nachbarschaft erstrecken möchte, um zum gleichen Ergebnis zu gelangen. Der von Wysk angenommene Ausschluss des Tieffluglärms folgt in Bezug auf die Anflugstrecken schon aus der Zurechnung zur Militärflughafenanlage, in Bezug auf die Flugrouten indes aus den allgemeinen Regeln für die Berücksichtigung des Flugverkehrs; vgl. unten 5. Teil, C. III. 2. b) bb) (3), S. 186. 70 Eine ähnliche Einschätzung findet sich bei Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47a BImSchG Rn. 13. 71 Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47a BImSchG Rn. D 2.

D. Die Begrenzung des Anwendungsbereiches

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2. Ausnahme des Lärms am Arbeitsplatz Ebenfalls nicht in den Anwendungsbereich des Sechsten Teils des BundesImmissionsschutzgesetzes fällt Lärm am Arbeitsplatz. Diese Ausnahme ergibt sich nicht etwa schon daraus, dass für eine Regelung im Sinne des Arbeitsschutzes eine Kompetenzgrundlage für den Erlass einer Richtlinie fehlte. Vielmehr verfügt die Europäische Gemeinschaft gemäß Art. 137 Abs. 1 lit. a EGV über eine Kompetenz zur Verbesserung insbesondere der Arbeitsumwelt zum Schutz der Gesundheit und der Sicherheit der Arbeitnehmer, worunter nach einem weiten Begriffsverständnis sämtliche körperlichen und sonstigen Faktoren zu fassen sind, die die Gesundheit und die Sicherheit der Arbeitnehmer in ihrem Arbeitsumfeld unmittelbar oder mittelbar berühren, was auch den Schutz vor Berufskrankheiten einschließt.72 Wegen der Vermeidung einer Lärmschwerhörigkeit gehörte hierzu auch der Lärmschutz zugunsten des Arbeitnehmers. Die Ausnahme im vorliegenden Falle ergibt sich indes aus der Zielsetzung der Richtlinie, die insbesondere aufgrund des Art. 175 Abs. 1 EGV ergangen ist und mithin den Schutz der Umwelt, nicht den Arbeitsschutz im Blick hat. Hieraus ergibt sich freilich nicht automatisch, dass die Exposition von Arbeitnehmern gegenüber von außen an den Arbeitsplatz herangetragenen Immissionen anderer Herkunft unberücksichtigt zu bleiben hätte. Eine solche Unterscheidung zwischen einem nicht arbeitenden Lärmbetroffenen und einem vom gleichen externen Geräusch betroffenen Arbeitnehmer lässt sich aus dem Ausschluss des Lärms am Arbeitsplatz nicht ableiten.73 Lärm am Arbeitsplatz kann insoweit lediglich die am Arbeitsplatz einwirkende und aus eben dieser Sphäre stammende Immissionsbelastung bedeuten. Eine andere Auslegung gestattet auch der Umstand nicht, dass im Bereich des Bundes-Immissionsschutzgesetzes üblicherweise auch die in einer emittierenden Anlage tätigen Arbeitnehmer als Immissionsbetroffene derselben Anlage berücksichtigt werden.74 Denn wären nach diesem Grundsatz Arbeitnehmer so72 Högl, in: H. von der Groeben/J. Schwarze (Hrsg.), Kommentar zum Vertrag über die Europäische Union und zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, Band 3, 6. Aufl. 2003, Art. 137 EG Rn. 10; Rebhahn, in: J. Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 1. Aufl. 2000, Art. 137 EGV Rn. 11. Der europäische Gesetzgeber hat von dieser Kompetenz auch vielfach Gebrauch gemacht, wie etwa die RL 89/391/EWG (ABl. EG 1989 Nr. L 183 S. 1, zuletzt geändert durch VO 1882/2003/EG, ABl. EG 2003 Nr. L 284, S. 1, 27) sowie die zahlreichen hierzu ergangenen Einzelrichtlinien zeigen; Nachweise hierzu etwa in C.-D. Ehlermann/R. Bieber (Hrsg.), Handbuch des Europäischen Rechts, Loseblattsammlung, Stand: 466. Lfg. (März 2005), Nr. I A 56/5.9a). 73 Ebenso Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47a Rn. D 1; vgl. auch die Ausführungen von Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 36. 74 Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 37, zum Nachbarbegriff. Vgl. auch Roßnagel, in: GKBImSchG, § 5 Rn. 146; Kutscheidt, in: Landmann/Rohmer, § 3 BImSchG Rn. 6d; H. Müggenborg, Lärmschutz im Industriepark, NVwZ 2003, 1025 ff. (1031) m.w. N.; a. A. H. Schmatz/M. Nöthlichs, Immissionsschutz, Kommentar zum Bundes-Immissions-

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4. Teil: Gegenstand und Anwendungsbereich

wohl hinsichtlich externer als auch hinsichtlich anlageninterner Geräusche als Betroffene zu werten, verbliebe schlicht kein Anwendungsfall für die Bereichsausnahme, die der Gesetzgeber jedoch ausdrücklich ins Gesetz aufgenommen hat. Somit muss es beim obigen Ergebnis bleiben. Ohnehin keine Aussage trifft der Ausschluss des Lärms am Arbeitsplatz endlich über die Betroffenheit von betriebsfremden Personen, die den vom Arbeitsplatz ausgehenden Emissionen ausgesetzt sind. Andernfalls würde der für diese Personen maßgebliche Immissionspunkt systemwidrig mit dem Emissionspunkt in eins gesetzt. 3. Ausnahme für Lärm durch Tätigkeiten in der Wohnung Drittens sollen Geräusche, die auf Tätigkeiten innerhalb von Wohnungen zurückzuführen sind, nach dem Wortlaut des § 47a S. 2 BImSchG keine Rolle für die Lärmminderungsplanung spielen. Das leuchtet unmittelbar ein. Zwar erscheint es zweifelhaft, mit Hansmann bzw. Scheidler/Tegeder bereits den Immissionscharakter der Geräusche zu verneinen, da Immissionen begrifflich Emissionen voraussetzten und deshalb nur vorlägen, wenn die Geräusche den Entstehungsort verlassen hätten und auf andere75 Personen oder Sachen einwirkten.76 Denn die Einwirkung auf Außenstehende ist bei einer Tätigkeit innerhalb einer Wohnung nicht ausgeschlossen (z. B. Klavierspiel, das im ganzen Haus zu hören ist). Allerdings handelt es sich hierbei um Geräusche, die im Rahmen des Privatlebens unvermeidlich anfallen, in der Regel nicht zu schwer wiegenden Belästigungen anderer führen77 und einer Lösung durch Aktionsplanung nicht zugänglich sind.78 Anders als z. B. eine Fahrplantaktung lassen sie ein Mindestmaß an Regelmäßigkeit vermissen, das sie erst zu einem sinnvollen Gegenstand der Aktionsplanung machen kann. Insofern reicht der Schutz durch das private Nachbarrecht und Hausordnungen völlig aus. Indes hätte es einer Normierung des Ausnahmetatbestandes der Geräusche durch Tätigkeiten in Wohnungen überhaupt nicht bedurft: Sämtliche vorstehenden Phänomene sind verhaltensbedingte Immissionen und mangels Anlagenbeschutzgesetz und Textsammlung, Loseblattsammlung, Stand: 45. Lfg. (Oktober 2008), Erl. zu § 1 BImSchG Anm. 3. 75 Hervorhebung im Original. 76 Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47a BImSchG Rn. 9 mit Verweis auf Rn. 8; Scheidler/Tegeder, in: Feldhaus, § 47a BImSchG Rn. 14. 77 In diesem Sinne auch Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47b Rn. 15 a. E.; Scheidler/Tegeder, in: Feldhaus, § 47a BImSchG Rn. 16 f., mit Einschränkungen für regelmäßig auftretenden Lärm. 78 Ähnlich Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47a BImSchG Rn. 9.

D. Die Begrenzung des Anwendungsbereiches

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zugs allein nach dem Landes-Immissionsschutzrecht zu beurteilen. Dies gilt auch im Hinblick auf die Vorschriften des Sechsten Teils des Bundes-Immissionsschutzgesetzes. Denn dem Wortlaut der lex specialis des § 47a BImSchG ist keine Ausweitung des Anwendungsbereichs des Sechsten Teils auf verhaltensbedingte Immissionen zu entnehmen.79 Das wäre nach der neuen Verfassungslage auch nicht mehr zulässig. Der Ausnahmetatbestand für Lärm aufgrund von Tätigkeiten innerhalb einer Wohnung im Sinne des § 47a S. 2 BImSchG ist mithin lediglich deklaratorischen Charakters. 4. Ausnahme für Nachbarschaftslärm Der neue Sechste Teil des Bundes-Immissionsschutzgesetzes gilt neben dem Lärm in Wohnungen viertens nicht für sog. „Nachbarschaftslärm“ (§ 47a S. 2 BImSchG). Hierbei handelt es sich um einen auslegungsbedürftigen80 unbestimmten Rechtsbegriff, der bislang keine Verwendung im deutschen Recht gefunden hat. a) Die Untauglichkeit des Nachbarbegriffs des Immissionsschutzrechts zur Begriffsklärung Zwar findet der Begriff der „Nachbarschaft“ insgesamt fünfzehn weitere Male im Bundes-Immissionsschutzgesetz Verwendung.81 Dort geht es jeweils um den Schutz von Nachbarschaft und Allgemeinheit. Allein auf die Nachbarschaft abgestellt wird ferner bei der Verordnungsermächtigung im Zusammenhang mit Grenzwerten zum Lärmschutz an Verkehrswegen (§ 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BImSchG).

79 Wie hier Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47b BImSchG Rn. 9 und § 47a BImSchG Rn. 10; a. A. offenbar Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47b Rn. 21; Scheidler/Tegeder, in: Feldhaus, § 47a BImSchG Rn. 17. 80 So auch Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47a BImSchG Rn. 10. 81 Dies betrifft die Begriffsbestimmung der „schädlichen Umwelteinwirkungen“ (§ 3 Abs. 1 BImSchG) sowie die Vorschriften zur Genehmigungsbedürftigkeit einer Anlage (§ 4 Abs. 1 S. 1 BImSchG), zu den Betreiberpflichten bei genehmigungsbedürftigen Anlagen (§ 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und Abs. 3 Nr. 1 BImSchG), zur Möglichkeit nachträglicher Anordnungen (§ 17 Abs. 1 S. 1 BImSchG), zum vereinfachten Verfahren (§ 19 Abs. 1 S. 1 BImSchG), zur verpflichtenden Beseitigungsanordnung (§ 20 Abs. 2 S. 2 BImSchG), ferner die Verordnungsermächtigung bezüglich der Anforderungen an Errichtung und Betrieb nicht genehmigungsbedürftiger Anlagen (§ 23 Abs. 1 S. 1 BImSchG), deren Untersagung (§ 25 Abs. 2 BImSchG), die behördliche Überwachungspflicht (§ 52 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 BImSchG), sowie die Stellung des Störfallbeauftragten (§§ 58a Abs. 1 S. 2, 58b Abs. 1 S. 2 Nr. 2, 58c Abs. 3 BImSchG).

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4. Teil: Gegenstand und Anwendungsbereich

In seiner räumlichen Ausdehnung umfasst der Nachbarschaftsbegriff des Bundes-Immissionsschutzgesetzes dabei den gesamten Einwirkungsbereich der fraglichen Immissionsquelle, also diejenige Umgebung, in der der Immissionsbeitrag der Quelle bei Normalbetrieb oder Störfällen zumindest zeitweise belegbar ist; dabei muss der Immissionsbeitrag der fraglichen Quelle noch hinreichend zugerechnet werden können.82 Zusätzlich muss eine qualifizierte Betroffenheit in Form einer persönlichen oder sachlichen Bindung an den räumlichen Einwirkungsbereich vorliegen, kraft derer eine Person nach ihren Lebensumständen den Einwirkungen der fraglichen Anlage in vergleichbarer Weise ausgesetzt ist, wie sie der Wohnort vermittelt.83 Eingeschlossen sind hierbei insbesondere Arbeitnehmer,84 wohingegen Reisende und andere nur vorübergehend sich am Einwirkungsort aufhaltende Personen als „Publikum“ der Allgemeinheit zuzurechnen sind.85 Nach dieser kumulativen Begriffsbildung versteht das Bundes-Immissionsschutzgesetz also unter dem Begriff der Nachbarschaft den qualifiziert Drittbetroffenen, der aufgrund seiner Lebensumstände aus dem Kreis der betroffenen Allgemeinheit herausgehoben und darum besonders schützenswert ist.86 Der Begriff des Nachbarn bezieht sich also auf die typische Interessenkonfliktlage, die man bei Genehmigung, Errichtung und Betrieb einer immissionsträchtigen Anlage vorfindet. Dem Interesse des Emittenten an unbehinderter Emission steht der Wunsch nach Verhinderung bzw. größtmöglicher Vermeidung derselben seitens des Immissionsbetroffenen gegenüber. Diese typische Sichtweise ist jedoch für den Begriff des Nachbarschaftslärms nicht zielführend.87 Es geht bei der Lärmminderungsplanung gerade nicht um die Immissionsbelastung durch einzelne Vorhaben, sondern um den Schutz ganzer Gebiete vor Verlärmung aus mehreren relevanten Quellen. Auch die Gegenüberstellung von Nachbarschaft und Allgemeinheit als den besonders schutzwürdigen Betroffenen bzw. den nur allgemein Betroffenen führt nicht zu einem sinnvollen Ergebnis. Wie sollte die Lärmminderungsplanung ihr Ziel erreichen, ruhige Gebiete zu schützen und verlärmte Gebiete zu beruhigen, wenn infolge des Ausschlusses des Nachbarschaftslärms nur die Lärmbelastung der Allgemeinheit maßgeblich wäre, nicht aber die der Nachbarn? Diese Überlegung ist schon unter dem Gesichtspunkt abwegig, dass Lärm kleinräumig auftritt, also im Gegensatz etwa zu schädlichen Umwelteinwirkungen in Form von Luftverunreinigungen, Belastung der Atmosphäre, Einleitung 82 Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 33; Nds. OVG, GewArch 1980, 203 (206); vgl. auch die Amtl. Begründung zu § 3 BImSchG, BT-Drs. 7/179, S. 29. 83 BVerwGE 101, 157 (164 f.); NJW 1983, 1507 (1507 f.); Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 34. 84 BVerwG, NJW 1983, 1507 (1508); Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 36 f. 85 Jarass, BImSchG, § 3 Rn. 38 m.w. N. 86 BVerwGE 101, 157 (164 f.). 87 So auch Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47a BImSchG Rn. 10.

D. Die Begrenzung des Anwendungsbereiches

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chemischer Substanzen in Gewässer oder Strahlung kaum Fernwirkungen erzeugen kann.88 Die Betroffenheit von Nachbarschaft und Allgemeinheit fällt beim Auftreten von Lärm also zumindest räumlich tendenziell ineinander. Deshalb stellt ja die Verordnungsermächtigung zu den Immissionsschutzverordnungen zum Schutz vor Verkehrslärm als einzige weitere Norm des BImSchG auch folgerichtig allein auf die Nachbarschaft ab und berücksichtigt die Allgemeinheit nicht. b) Der Begriff des Nachbarschaftslärms im Kontext der Lärmminderungsplanung Die vorstehenden Überlegungen zeigen, dass es bei dem Begriff des Nachbarschaftslärms im Kontext der Lärmminderungsplanung nicht um die Qualifizierung des Immissionsadressaten geht, sondern sich das Merkmal der Nachbarschaft auf die Herkunft der Immission beziehen muss, sofern dem Begriff überhaupt ein Sinngehalt zugemessen werden soll. Nach zutreffender Ansicht ergänzt der Begriff des Nachbarschaftslärms wohl am ehesten die Fallgruppe der Tätigkeit in Wohnungen. Es geht um Geräusche, die typischer Weise in bebauten Gebieten, öffentlichen Parks oder Erholungsgebieten vorkommen, also insbesondere auch das Wohnumfeld betreffen. Wegen des Ausschlusses verhaltensbezogenen Lärms aus dem Geltungsbereich des Bundes-Immissionsschutzgesetzes kann es sich nur um Anlagenlärm handeln. Sofern man nicht schon mit Teilen von Rechtsprechung und Schrifttum die Anlageneigenschaft verneint,89 kommen als Lärmquellen des Nachbarschaftslärms etwa Grillplätze, gemeinschaftlich genutzte Terrassen und Freisitze in Wohnanlagen, Bolzplätze, Kinderspielplätze, Außenanlagen von Kindergärten u. ä. in Betracht. Auch liturgisches Geläut und das Zeitschlagen können hierzu gerechnet werden.90 All das sind typische Geräusche in engem Zusammenhang mit der Wohnnutzung,91 wie sich auch aus den Nutzungskatalogen der BauNVO 88 Zu den räumlichen Dimensionen des Immissionsschutzes vgl. allgemein SchulzeFielitz, Raum als Determinante, FS 600 Jahre Würzburger Juristenfakultät, S. 714 ff. 89 Siehe hierzu schon oben, 1. Teil, bei Fn. 217. 90 Mit dem liturgischen Geläut hatte sich bereits das Reichsgericht in einer Entscheidung vom 19.11.1903 (RGZ 56, 25) zu befassen; vgl. hierzu H.-W. Laubinger, Nachbarschutz gegen kirchliches Glockengeläut, VerwArch 83 (1992), 623 ff. (623 f.); zur Justiziabilität kirchlichen Geläuts siehe ebenda S. 633 ff. m.w. N.; vgl. auch BVerwGE 68, 62 (67); BayVGH, BayVBl. 2003, 241; NVwZ-RR 2005, 315. Zum Zeitschlagen siehe BVerwGE 90, 163 (165, 167); BayVGH, NVwZ-RR 2004, 829 (830); H. Jarass, Zum Kampf um Kirchturmuhren und nächtens betriebene Tankstellen, Neuere Entscheidungen des BVerwG zur Schädlichkeit von Immissionen, JZ 1993, 601 ff. (602 f.). 91 Vgl. VGH BW, NVwZ 1990, 988 (989): Einrichtung von Kinderspielplätzen als Bestandteil des Wohnens.

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4. Teil: Gegenstand und Anwendungsbereich

für Wohngebiete ergibt,92 auf die es bei der Lärmminderungsplanung im großen strategischen Maßstab nicht ankommt. Zweifelhaft könnte allenfalls die Bewertung von Sportplätzen sein. Diese sind heutzutage je nach Angebot und Größe teilweise auf einen Einzugsbereich ausgerichtet, der die unmittelbare Nachbarschaft weit übersteigt, und können schwere Belästigungen für Anwohner nach sich ziehen.93 Sportanlagen mit dem Charakter eines kleineren Stadions können sicherlich nicht mehr als unerheblicher Nachbarschaftslärm betrachtet werden. Die Abgrenzung kann aber letztlich dahinstehen. Denn der Gesetzgeber hat sich gegen eine Lärmkartierung für Sport- und Freizeitlärm entschieden und diese zugleich als nicht aktionsplanungsrelevante Lärmquellen eingestuft.94 5. Ausnahmen für Bagatellkonstellationen Schließlich soll der Anwendungsbereich gemäß § 47a S. 2 BImschG von der betreffenden Person selbst hervorgerufene Geräusche sowie Lärm in Verkehrsmitteln nicht erfassen. Dabei handelt es sich um für eine Planung unbedeutende vorübergehende Einwirkungen, die zu einer fünften Fallgruppe der Bagatellkonstellationen zusammengefasst werden können. a) Selbst hervorgerufene Geräusche Selbst hervorgerufene Geräusche bedürfen keiner Lärmminderungsplanung. Der Urheber hat es selbst in der Hand, seine eigene Anlage zu steuern. Laut Hansmann bzw. Scheidler/Tegeder95 fehlt es zudem bereits am Immissionscharakter. Vor allem aber passt die Fallgruppe überhaupt nicht zur Perspektive der Lärmminderungsplanung. Insofern fehlt es tatsächlich an einer halbwegs nachvollziehbaren Systematik des Gesetzgebers. Bei der Lärmminderungsplanung geht es schließlich um den gebietsbezogenen flächenhaften Lärmschutz unabhängig von einzelnen Vorhabensbetrachtungen. Wie bei einer solchen strategischen Herangehensweise der Umstand relevant sein soll, dass ein Betroffener unter Vielen möglicherweise selbst Urheber einer Belastung ist, bleibt schleierhaft. 92

Vgl. für Kindergärten etwa OVG NW, BauR 1995, 69 (70). Siehe hierzu allein aus der Rechtsprechungspraxis des Bundesverwaltungsgerichts die Entscheidungen in BVerwGE 81, 197; 88, 143; 109, 314; BayVBl. 1992, 58; NVwZ 1995, 993. 94 Siehe unten 5. Teil, B. III., S. 167 ff. 95 Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47a BImSchG Rn. 8; Scheidler/Tegeder, in: Feldhaus, § 47a BImSchG Rn. 14. 93

D. Die Begrenzung des Anwendungsbereiches

119

b) Lärm in Verkehrsmitteln Ebenfalls keiner Lärmminderungsplanung bedarf der Lärm in Verkehrsmitteln. Denn hierbei handelt es sich um eine bloß vorübergehende Lärmexposition ohne konstant bestehende Bedeutung für die Nutzer des Verkehrsmittels. Der Tatbestand des Lärms im Verkehrsmittel erfasst dabei sowohl die Lärmemissionen des Verkehrsmittels selbst, als auch jegliche sonstige Geräusche unabhängig von ihrer Lärmquelle, die beim bloßen Passieren eines Ortes in einem Verkehrsmittel wahrgenommen werden (also etwa Gewerbelärm angrenzender Betriebe). Die Lärmemissionen eines Verkehrsmittels sind selbst somit allenfalls als Lärmquelle für die Beurteilung der Immissionslage außerhalb, also in Bezug auf die passierten Gebäude und Gebiete relevant, nicht im Hinblick auf den Gesundheitsschutz der Benutzer. Dieser wird vielmehr durch den quellenbezogenen Lärmschutz in Form entsprechender Vorschriften zur Bauart der Fahrzeuge gewährleistet.

5. Teil

Die Lärmkartierung Die Lärmkartierung stellt nach der Systematik der Umgebungslärmrichtlinie ein eigenständiges, in sich geschlossenes Verfahren als erste Stufe innerhalb einer mehrstufigen Gesamtkonzeption dar. Die Ermittlung, Darstellung und Veröffentlichung der jeweiligen Lärmbelastungssituation erfolgt unabhängig von allen Schritten einer nachfolgenden Aktionsplanung, obwohl sie zugleich deren notwendige Voraussetzung bildet.1 Dies verbindet die strategische Lärmkartierung nach der Umgebungslärmrichtlinie einerseits mit der früheren örtlichen Lärmminderungsplanung nach § 47a BImSchG a. F., die ebenfalls ein zweistufiges Verfahren zur Situationsermittlung (Abs. 1) und aufgrund dieser Erkenntnisse zur Erstellung von Lärmminderungsplänen vorsah (Abs. 2–4). Andererseits fasste § 47a BImSchG a. F. die beiden Einzelschritte jedoch in einem einheitlichen Planwerk zusammen,2 was die Gefahr eines vorzeitigen Ab- und Wegwägens von Belangen anstelle einer „schonungslosen“ Lärmsituationsbeschreibung erhöht. Der europäische Gesetzgeber hat sich insofern für klar getrennte Verfahrensschritte entschieden.3 Die Rechtsnormen sind überdies insoweit strikter, als sie mit klaren Handlungsfristen die Vollzugsbehörden zum Tätigwerden zwingen.

A. Allgemeines Vor einer Einzelbetrachtung der jeweils zu kartierenden Lärmereignisse und Örtlichkeiten sowie der jeweiligen Anforderungen an die Kartierung sind einige Ausführungen zu allgemeinen Fragen der Lärmkartierung angebracht.

I. Rechtsgrundlagen und Vollzugshilfen Die maßgeblichen Rechtsgrundlagen für die Lärmkartierung finden sich insbesondere in § 47c i.V. m. § 47b BImSchG und weiteren Vorschriften des Sechsten Teils des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sowie in der Verordnung über 1

Feldmann, in: AKUR, Stenographisches Protokoll (2. Teil, Fn. 13), S. 37. Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47c BImSchG Rn. A 1; Wysk, in: Giesberts/Reinhardt, § 47c BImSchG Rn. 1. 3 Repkewitz, Probleme, VBlBW 2006, 409 (411). 2

A. Allgemeines

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die Lärmkartierung (34. BImSchV). Diese konkretisiert die Anforderungen des § 47c BImSchG an Lärmkarten (§ 1 der 34. BImSchV). Daneben sind auch im Rahmen des Verwaltungsvollzugs grundsätzlich die Regelungen der Umgebungslärmrichtlinie selbst im Blick zu behalten, um in Fällen unzureichender Regelungsdichte des mitgliedstaatlichen Rechts bzw. im Fall von Unklarheiten einen europarechtskonformen Vollzug sicherstellen zu können.4 Eine Sonderstellung nehmen in diesem Zusammenhang die Anhänge IV und VI der Richtlinie 2002/49/EG ein. Denn nach § 47c Abs. 2 BImSchG haben die Lärmkarten „den Mindestanforderungen des Anhangs IV der Richtlinie 2002/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Juni 2002 über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm (ABl. EG Nr. L 189 S. 12) zu entsprechen und die nach Anhang VI der Richtlinie 2002/49/EG an die Kommission zu übermittelnden Daten zu enthalten.“ Die genannten Mindestanforderungen ergeben sich dabei nicht etwa aus einzelnen Teilbereichen der genannten Anhänge, sondern die Anhänge definieren ausweislich ihrer Überschriften jeweils in Gänze und ausschließlich die Mindestanforderungen. Durch die Verweisung auf diese Richtlinienanhänge, mit der sich der Bundesgesetzgeber vermutlich der eigenständigen Formulierung zahlreicher formeller Anforderungen im Dienste einer „schlanken“ Richtlinienumsetzung entledigen wollte, sind die Bestimmungen der Anhänge IV und VI zu vollumfänglich gültigen Rechtssätzen des deutschen Rechts im Range eines formellen Bundesgesetzes geworden. Es handelt sich hierbei mithin um ein mit europäischen Regelungen wortgleiches deutsches Recht, das von den Vollzugsbehörden und Gerichten unmittelbar anzuwenden ist. Die Wortgleichheit der Regelungen gilt allerdings nur derzeit. Denn der Gesetzgeber hat durch den Verweis auf die Richtlinie samt Datum und Fundstelle der Bekanntmachung eine statische Verweisung gewählt. Im Falle einer europarechtlichen Änderung der Mindestanforderungen nach den Anhängen IV und VI der Richtlinie müsste der Bundesgesetzgeber also gesondert über eine Änderung des § 47c Abs. 2 BImSchG befinden, um eine Anpassung der deutschen Rechtslage herbeizuführen. Dies mag im Vergleich zu anderweitig bekannten dynamischen Verweisungen („in der jeweils geltenden Fassung“)5 umständlich erscheinen, ist aber wegen der europäischen Regelungspraxis unumgänglich, die keine geänderten Richtlinien, sondern nur ändernde Richtlinien als solche 4 Die Unverzichtbarkeit der Richtlinienkenntnis betont zu Recht Wysk, in: Giesberts/Reinhardt, § 47a BImSchG Vorbemerkung vor Rn. 1 und Rn. 11. 5 Am Beispiel einiger Landesverwaltungsverfahrensgesetze H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Aufl. 2006, § 5 Rn. 19; zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit vgl. BVerfGE 47, 285 (311 ff.); kritisch W. Schenke, Verfassungsrechtliche Grenzen gesetzlicher Verweisungen, in: P. Oberndorfer/H. Schambeck (Hrsg.), Verwaltung im Dienste von Wirtschaft und Gesellschaft, Festschrift für Ludwig Fröhler zum 60. Geburtstag, 1980, S. 87 ff. (S. 99 ff., 125 f.).

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5. Teil: Die Lärmkartierung

kennt.6 Ein Einbezug dieser Änderungsrichtlinie indes verletzte die Wortlautgrenze. Eine Dynamisierung der Verweisung wird auch nicht dadurch erreicht, dass Nr. 9 des Anhangs IV bzw. Nr. 3 des Anhangs VI eine Befugnis der Europäischen Kommission zur Ausarbeitung von Leitlinien mit weiteren Anforderungen an Lärmkarten bzw. an die Übermittlung der relevanten Angaben vorsehen. Denn die Ausübung der hierin jeweils gewährten Durchführungsbefugnisse in einem Regelungsverfahren gemäß Art. 13 Abs. 2 RL 2002/49/EG i.V. m. Art. 5 des Beschlusses 1999/468/EG7 führt wiederum stets nur zu weiteren Maßnahmen, nicht zu einer Änderung der Richtlinie selbst. Ohne Verletzung der Wortlautgrenze kann in solchen weiteren Maßnahmen jedoch keinesfalls eine Bestimmung des Richtlinienanhangs selbst erblickt werden, aus dem sich die Mindestanforderungen ja unmittelbar ergeben. Somit wird es dem Bundesgesetzgeber obliegen, im Falle einer Änderungsrichtlinie wie auch im Falle des Erlasses von Durchführungsmaßnahmen der Kommission über eine Anpassung des § 47c Abs. 2 BImSchG zu entscheiden. Keine Rechtsnormqualität, aber praktische Relevanz als fachliche Vollzugshilfe entfalten demgegenüber die LAI-Hinweise zur Lärmkartierung,8 die auch die Empfehlungen des „Good Practice Guide“ einer entsprechenden EU-Arbeitsgruppe zur Lärmbewertung berücksichtigen.9 Dem entsprechenden Beschluss des LAI enthielt sich allein der Vertreter des Freistaates Bayern.10

II. Die Lärmkartierung als Rechtspflicht Die Durchführung der Lärmkartierung ist eine Rechtspflicht der Behörden im Sinne eines gebundenen Verwaltungshandelns.11 Dies ergibt sich schon aus dem 6 Ruffert, in: C. Calliess/M. Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Das Verfassungsrecht der Europäischen Union mit Europäischer Grundrechtecharta, Kommentar, 3. Aufl. 2007, Art. 249 EGV Rn. 55. 7 Beschluss des Rates vom 28.06.1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse, ABl. EG Nr. L 184 S. 23. 8 Hinweise zur Lärmkartierung, veröffentlicht als Anlage 1 der Beratungsunterlage und Niederschrift zu TOP 9.3.1 der 112. Sitzung der Bund/Länderarbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz am 7. und 8. September 2006 in Dessau, http://www.munlv. nrw.de/umwelt/pdf/hinweise.pdf (04.06.2007). Zur Bedeutung von LAI-Hinweisen siehe schon oben 1. Teil, B. III. 2., S. 44. 9 European Commission Working Group Assessment of Exposure to Noise, Good Practice Guide for Strategic Noise Mapping and the Production of Associated Data on Noise Exposure, Final Draft vom 13.01.2006, http://www.lfu.bayern.de/laerm/fachinformationen/eu_umgebungslaermrichtlinie/vollzug/doc/good_practice_guide_2006.pdf (29.08.07). 10 Niederschrift zu TOP 9.3.1 der 112. LAI-Sitzung (Fn. 8).

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insoweit eindeutigen Wortlaut des § 47c BImSchG, der keinerlei Entschließungs- oder Auswahlermessen12 auf der Rechtsfolgenseite vorsieht. Vielmehr sind bei der Erfüllung der jeweiligen Tatbestandsvoraussetzungen zwingend Lärmkarten zu erstellen (Abs. 1), die bestimmten Mindestanforderungen genügen müssen (Abs. 2), erstellte Lärmkarten turnusmäßig zu prüfen und im Bedarfsfalle zu überarbeiten (Abs. 4) sowie Informationspflichten gegenüber anderen Stellen zu erfüllen (Abs. 5, 6). Selbst die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union bei der Ausarbeitung von Lärmkarten für Grenzgebiete ist als gebundene Verwaltungsaufgabe ausgestaltet (Abs. 3).13

III. Die grundsätzliche Vorgehensweise in der Praxis Aufgrund der engen Zeitfenster für eine fristgemäße Lärmkartierung der ersten Stufe bis zum 30.06.2007 waren und sind die Vollzugsbehörden darauf angewiesen, schnell und pragmatisch eine gleichermaßen die inhaltlichen Anforderungen erfüllende wie von der Verwaltung zu bewältigende Vorgehensweise zu entwickeln. Diesem Ziel dienten unter anderem Werkstätten und Praxisforen, anhand derer Konzepte zur Durchführung der Kartierung entwickelt wurden.14 Dabei hat sich herausgestellt, dass die erforderlichen Eingangsdaten für die Lärmkartierung in Deutschland entweder verfügbar sind oder zumindest mit einem vertretbaren Mehraufwand an die Vorgaben der Lärmkartierungsbestimmungen angepasst bzw. neu ermittelt werden können.15 Hierfür ist zweierlei ausschlaggebend. Zum einen erfolgt die Festlegung der zu kartierenden Bereiche aus einer Lärmquellenperspektive.16 Nicht etwa eine geschätzte Gesamtimmissionsbelastung in einem Gebiet, sondern das bloße Vorhandensein bestimmter näher qualifizierter Lärmquellen führt zur Kartierungsverpflichtung. Damit bewegen sich die Verwaltungsbehörden angesichts der vorhandenen Straßenverzeichnisse, Pläne oder Unterlagen aus Genehmigungsverfahren jedenfalls teilweise auf bekanntem Terrain. 11 Vgl. Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47c BImSchG Rn. 1, sowie Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47c BImSchG Rn. B 1. 12 Zur Begrifflichkeit siehe Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rn. 7. 13 Hierzu eingehend Wysk, in: Giesberts/Reinhardt, § 47c BImSchG Rn. 23. 14 Siehe hierzu näher E. Stöcker-Meier/R. Hillen/A. Czerwinski/L. Plümer, Umsetzung der Umgebungslärmrichtlinie aus der Sicht des Landes Nordrhein-Westfalen, Lärmbekämpfung 2007, 7 ff. (8 ff.). 15 Eingehend hierzu L. Plümer/A. Czerwinski/Th. Kolbe, Machbarkeitsstudie Umsetzung der EU-Umgebungslärmrichtlinie in Nordrhein-Westfalen, http://www.munlv. nrw.de/umwelt/pdf/machbarkeitsstudie.pdf (12.04.2007), S. 15 ff. 16 Wysk, in: Giesberts/Reinhardt, § 47b BImSchG Rn. 8.

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5. Teil: Die Lärmkartierung

Zum zweiten ist aber auch dann nicht die Emissionslage maßgeblich, sondern wird die Kartierungspflicht durch das Vorliegen leichter ermittelbarer nicht-akustischer Kriterien ausgelöst.17 Für den Verkehrsanlagenlärm ist z. B. das jährliche Verkehrsaufkommen auf einer Strecke maßgeblich.18 Dieses kann anhand der durchschnittlichen täglichen Verkehrsmenge (DTV), die den Straßenbaubehörden überwiegend bekannt ist bzw. durch Erkenntnisse etwa aus der Verkehrszählung für die Bundesfernstraßen 2005 ergänzt werden kann, errechnet werden.19 Auch bei den Schienenstrecken und Großflughäfen steht regelmäßig geeignetes Datenmaterial bezüglich der Anzahl der Verkehrsbewegungen zur Verfügung. Akustisch bedeutsame Parameter wie etwa die auf einer Strecke zulässige Höchstgeschwindigkeit, die Beschaffenheit des Bodenbelags oder der Anteil des besonders belastenden Schwerlastverkehrs am Gesamtverkehrsaufkommen bleiben bei der Bestimmung des Kartierungsumfangs hingegen außer Betracht. Aufgrund dieser Ausgangsdatenlage erübrigte sich zumindest für die erste Stufe der Lärmkartierung bis zum 30.06.2007 die aufwändige Festlegung eines Untersuchungsrahmens, wie sie etwa vom sog. „Scoping“ für den Umweltbericht im Bauleitplanverfahren (§§ 2 Abs. 4 S. 2, 12 Abs. 2 S. 2 BauGB) bekannt ist20 und auch in Ziffer 1.2 der LAI-Hinweise zur Lärmkartierung angesprochen wird. Der Verzicht auf den Einbezug akustisch bedeutsamer Parameter bei der Bestimmung des Kartierungsumfangs soll aber nach ersten Praxiserfahrungen dazu geführt haben, dass viele Lärmbrennpunkte unerkannt geblieben seien.21 Probleme bei der Datenlage bereiten vor allem fehlende Geodäsie-Daten, insbesondere die 3D-Lagen von Straßen sowie die Lage und Höhe von Schallschutzwänden.22 Hierfür sind teilweise Mess-Befahrungen des Straßennetzes erforderlich.23 17

Ablehnend Moradi Karkaj, Gesamtlärmbewertung, S. 283. Siehe hierzu etwa für Straßen sogleich unter B. I. 1. b), S. 131. 19 Zum Teil wurde auch aus Zeitgründen auf Daten der Bundesverkehrszählung 2000 zurückgegriffen, vgl. K. Giering/P. Fischer-Stabel/M. Gillé, Strategische Lärmkartierung in Rheinland-Pfalz und im Saarland, Lärmbekämpfung 2007, 96 ff. (97 f.). 20 Siehe hierzu grundlegend Jäde, in: H. Jäde/F. Dirnberger/J. Weiß, Baugesetzbuch/Baunutzungsverordnung, Kommentar, 5. Aufl. 2007, § 2 BauGB Rn. 54 und § 12 BauGB Rn. 65–68, sowie S. Mitschang, Restriktionen europäischer Richtlinien für die kommunale Planungshoheit, ZfBR 2006, 642 ff. (649 f.). 21 Sehr kritisch E. Heinrichs/C. Popp, In der Ruhe liegt die Kraft. Möglichkeiten und Grenzen der Lärmaktionsplanung, Lärmbekämpfung 2008, 95 ff. (96). 22 Stöcker-Meier/Hillen/Czerwinski/Plümer, Umsetzung NW, Lärmbekämpfung 2007, 7 (10); L. Plümer/A. Czerwinski/Th. Kolbe, Machbarkeitsstudie Umsetzung der EUUmgebungslärmrichtlinie in Nordrhein-Westfalen, http://www.munlv.nrw.de/umwelt/ pdf/machbarkeitsstudie.pdf (12.04.2007), Zusammenfassung S. 1; Giering/Fischer-Stabel/Gillé, Lärmkartierung Rheinland-Pfalz, Lärmbekämpfung 2007, 96 (97 f.). 18

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Insgesamt hat sich für die Lärmkartierung im Zuge des ersten Kartierungsverfahrens ergeben, dass zumindest in den Flächenstaaten eine zentrale Kartierungszuständigkeit tendenziell kostengünstiger zu Kartierungsergebnissen führen kann, zumal das erforderliche technische Wissen etwa bei den Landesämtern für Umwelt und vergleichbaren Behörden gebündelt zur Verfügung steht, was insbesondere bei kleineren Gemeinden nicht der Fall wäre.24 Für die Kartierung empfiehlt sich somit in den Grenzen der verfassungsrechtlichen Möglichkeiten25 eine weitgehende Zentralisierung. Für alle Einzelbereiche der Lärmkartierung gilt ferner gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 der 34. BImSchV, dass die Lärmbelastung zu errechnen ist. Auf aufwändigere und stärker von den Wetterbedingungen abhängige Messungen soll hingegen verzichtet werden.

IV. Die Prioritätensetzung durch gestaffelte Vollzugsfristen Die Prioritätensetzung bei der Lärmkartierung ergibt sich unmittelbar aus den Rechtsgrundlagen. Diese treffen nicht nur eine Vorauswahl hinsichtlich besonders belastender Lärmquellen, sondern sehen überdies eine zweistufige Kartierungsverpflichtung vor. In einer ersten Stufe waren bis 30.07.2006 eine Teilmenge der Hauptverkehrsstraßen und Haupteisenbahnstrecken mit besonders hohem Verkehrsaufkommen, die Großflughäfen sowie die größeren Ballungsräume zu kartieren. Bis zum 30.06.2012 folgen weitere Hauptverkehrsstraßen, Haupteisenbahnstrecken und Ballungsräume. Diese zweistufige Fristenregelung diente einem schnellen Einstieg in die Lärmkartierung, hat aber zugleich zur Folge, dass in bestimmten Bereichen mit dem Eintreten in die zweite Phase unvermeidbare Verschiebungen im Kartierungsumfang und in der Folge aufgrund unterschiedlicher Erkenntnisgewinne Verschiebungen auch im Bereich der Aktionsplanung eintreten. So hatten Ballungsräume der zweiten Prioritätsstufe bis 30.06.2007 nur Hauptlärmquellen in ihrem Bereich zu kartieren, wohingegen sie bis 30.06.2012 die Kartierung auf weitere Lärmquellen ausdehnen müssen.26 Dies führt zu einer sehr kurzen „Halbwertszeit“ der ersten Kartierung, was mit Blick auf den Umsetzungswillen in den betroffenen Kommunen möglicherweise ungünstige Folgen haben könnte. Eine einheitliche Lösung mit entsprechend 23 Eingehend Giering/Fischer-Stabel/Gillé, Lärmkartierung Rheinland-Pfalz, Lärmbekämpfung 2007, 96 (97 f.). 24 Stöcker-Meier/Hillen/Czerwinski/Plümer, Umsetzung NW, Lärmbekämpfung 2007, 7 (10 f.). Zu den Zuständigkeiten für die Lärmkartierung siehe unten E., S. 224. 25 Siehe hierzu unter E. II., S. 234. 26 Eingehend und sehr kritisch J. Richard, EU 1:1+x, die Formel für eine erfolgreiche Lärmminderungsplanung, Lärmbekämpfung 2007, 19 ff. (20); vgl. auch SchulzeFielitz, in: GK-BImSchG, § 47c Rn. 15.

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5. Teil: Die Lärmkartierung

längerer Fristsetzung wäre zur Vermeidung einer „Vollzugsmüdigkeit“ sinnvoller gewesen.

B. Die kartierungspflichtigen Gebiete im Einzelnen Für welche Gebiete binnen welcher Fristen in wessen Verantwortung Lärmkarten zu erstellen sind, richtet sich insbesondere danach, ob das Gebiet innerhalb oder außerhalb eines Ballungsraums gelegen ist. Letzten Endes soll nach Durchlaufen sämtlicher Kartierungsstufen jedoch eine strategische Kartierung sämtlicher Hauptverkehrsstraßen, Haupteisenbahnstrecken und Großflughäfen unabhängig von ihrer Belegenheit erreicht sein. Für die Hauptverkehrsstraßen und Haupteisenbahnstrecken ergibt sich dies aus § 47c Abs. 1 S. 2 BImSchG, für die Großflughäfen in der Bundesrepublik aus § 47c Abs. 1 S. 1 BImSchG. Bei diesen Hauptverkehrsstraßen, Haupteisenbahnstrecken und Großflughäfen im Sinne der Legaldefinitionen des § 47b Nrn. 3–5 BImSchG handelt es sich um die vielfach zitierten sog. „Hauptlärmquellen“ i. S. d. § 4 Abs. 1 der 34. BImSchV, deren Legaldefinition aufgrund eines redaktionellen Versehens sowohl im Bundes-Immissionsschutzgesetz als auch in der Lärmkartierungsverordnung versäumt wurde.27 Letzten Endes soll überdies eine Kartierung sämtlicher Ballungsräume der Bundesrepublik gelingen (§ 47c Abs. 1 S. 2 BImSchG).

I. Die Lärmkartierung außerhalb von Ballungsräumen Für die Lärmkartierung außerhalb von Ballungsräumen trifft die Lärmkartierungsverordnung keine nähere Präzisierung hinsichtlich der Frage, welche Lärmquellen bei der Kartierung zu berücksichtigen sind. Eine Vorschrift, die vergleichbar dem auf die Kartierung von Ballungsräumen bezogenen § 4 Abs. 1 der 34. BImSchV einzelne Lärmquellen explizit aufführte, fehlt in der Verordnung. Für die Kartierung außerhalb von Ballungsräumen verbleibt es somit strikt bei der bereits in § 47c Abs. 1 BImSchG getroffenen Beschränkung relevanter Lärmquellen auf Hauptverkehrsstraßen, Haupteisenbahnstrecken und Großflughäfen.

27 Siehe hierzu oben 3. Teil, B. II. 2., S. 95 f.; ebenso LAI-Hinweise zur Lärmkartierung Nr. 1.2 sowie Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47c Rn. 27 f.; der Auffassung von Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47c BImSchG Rn. B 4, der auch Industriegelände und Häfen zu den Hauptlärmquellen rechnet, kann wegen der Gegenüberstellung von „Hauptlärmquellen“ und „ferner“ zu kartierenden „sonstigen Lärmquellen“ nach den Nrn. 1–5 in § 4 Abs. 1 der 34. BImSchV nicht gefolgt werden.

B. Die kartierungspflichtigen Gebiete im Einzelnen

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1. Die Hauptverkehrsstraßen Als „Hauptverkehrsstraße“ definiert § 47b Nr. 3 BImSchG „eine Bundesfernstraße, Landesstraße oder auch sonstige grenzüberschreitende Straße, jeweils mit einem Verkehrsaufkommen von über drei Millionen Kraftfahrzeugen pro Jahr“. Diese Begriffsbestimmung lehnt sich an die europarechtliche Definition der Richtlinie an, laut deren Art. 3 lit. n eine Hauptverkehrsstraße „eine vom Mitgliedstaat angegebene regionale, nationale oder grenzüberschreitende Straße mit einem Verkehrsaufkommen von über drei Millionen Kraftfahrzeugen pro Jahr“ sein soll. Allerdings ist die deutsche Begriffsbestimmung nicht vollständig geglückt. a) Die Straßenkategorien Die Begriffsbestimmung geht zunächst von bestimmten Straßenkategorien aus. aa) Die Bundesfernstraßen Bundesfernstraße ist jede Bundesstraße des Fernverkehrs im Sinne des § 1 Abs. 1 FStrG28; erfasst sind daher die Bundesautobahnen und die Bundesstraßen mit den Ortsdurchfahrten (§ 1 Abs. 2 FStrG). Dies entspricht den nationalen Straßen der Richtliniendefinition.29 Die neueren straßenrechtlichen Entwicklungen, aufgrund derer Private an Bau, Finanzierung und Betrieb von Bundesfernstraßen beteiligt werden, vermögen hieran nichts zu ändern. Denn weder nach dem sog. „Betreibermodell“ (AModell), bei dem der Bund Träger der Straßenbaulast und Eigentümer des Straßengrundstücks bleibt,30 noch nach dem sog. „F-Modell“ des Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetzes31, bei dem der Private gem. § 1 Abs. 1 und Abs. 3 FStrPrivFinG lediglich einzelne Aufgaben des Aus- und Neubaus sowie lediglich einzelne Rechte und Pflichten des Straßenbaulastträgers übertragen erhält, werden die Widmungsverhältnisse i. S. d. § 2 Abs. 1 und 2 FStrG verändert. An28 Bundesfernstraßengesetz i. d. F. der Bekanntmachung vom 28.06.2007 (BGBl. I S. 1206). 29 Wysk, in: Giesberts/Reinhardt, § 47b BImSchG Rn. 9; Scheidler/Tegeder, in: Feldhaus, § 47b BImSchG Rn. 20; Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47b Rn. 27. 30 Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung/Bayerisches Staatsministerium des Innern, Pilotprojekt Betreibermodell, Ausbau der Autobahn A8 Augsburg-München, hrsg. von der Autobahndirektion Südbayern, http://www.stmi.bayern. de/imperia /md/content/stmi/bauen/strassen-undbrueckenbau/veroeffentlichungen /a8_ betreiber.pdf (17.06.2007), S. 4. 31 Gesetz über den Bau und die Finanzierung von Bundesfernstraßen durch Private (Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetz – FStrPrivFinG) i. d. F. der Bekanntmachung vom 06.01.2006 (BGBl. I S. 49).

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5. Teil: Die Lärmkartierung

sonsten müsste eine europarechtskonforme Auslegung den Einbezug privater Straßen mit Fernstraßencharakter sicherstellen. bb) Die Landesstraßen Landesstraße im Sinne des § 47b Nr. 3 BImSchG ist zumindest jede Straße, die in die Straßenklasse einer Landesstraße oder in einigen Bundesländern einer Staatsstraße eingestuft wurde. Denn Landes- bzw. Staatsstraßen sind nach den weitgehend ähnlichen Legaldefinitionen in den Straßengesetzen der Länder solche Straßen, die untereinander und gemeinsam mit den Bundesfernstraßen ein zusammenhängendes Verkehrsnetz bilden und insbesondere dem überörtlichen Durchgangsverkehr zu dienen bestimmt sind (vgl. z. B. Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 BayStrWG, § 3 Abs. 1 Nr. 1 HessStrG, § 3 Abs. 1 Nr. 1 SächsStrG); teils wird auch ausdrücklich von einer mindestens regionalen Verkehrsbedeutung der Landesstraßen gesprochen (§ 3 Abs. 2 StrWG NW, § 3 Abs. 2 BbgStrG). Die Landesstraßen im straßenrechtlichen Sinne erfüllen somit auf jeden Fall das Tatbestandsmerkmal einer „regionalen“ Straße im Sinne des Art. 3 lit. n RL.32 Allerdings stellt sich die Frage, ob die Inbezugnahme der Landesstraßen alleine zur Umsetzung der Richtlinie ausreichend ist oder ob auch Straßen niederer Straßenklassen mit überörtlicher Verkehrsbedeutung, etwa Kreis- und Gemeindeverbindungsstraßen (vgl. z. B. Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BayStrWG, § 3 Abs. 3 BbgStrG, § 3 Abs. 1 Nr. 2 HessStrG, § 3 Abs. 3 StrWG NW, § 3 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 lit. a SächsStrG), als Landesstraßen i. S. d. § 47b Nr. 3 BImSchG aufgefasst werden müssen.33 Eine solche Auslegung des Rechtsbegriffs der „Landesstraße“ im Sinne von „Straße nach Landesrecht“ wäre wohl mit der Wortlautgrenze noch vereinbar. Dagegen spricht, dass der Gesetzgeber mit dem Begriff der „Landesstraße“ einen seit Jahren eingeführten und in seinem Bedeutungsgehalt feststehenden straßenrechtlichen Fachbegriff für eine bestimmte Straßenklasse verwendet hat, ebenso wie er den europäischen Rechtsbegriff der nationalen Straße unter Rückgriff auf den straßenrechtlichen Fachbegriff der „Bundesfernstraßen“ in deutsches Recht umgesetzt hat.

32

Scheidler/Tegeder, in: Feldhaus, § 47b BImSchG Rn. 21. Dafür K. Hansmann, Rechtsprobleme der Lärmminderungsplanung, in: M. Führ/ R. Wahl/P. von Wilmowsky (Hrsg.), Umweltrecht und Umweltwissenschaft, Festschrift für Eckard Rehbinder, 2007, S. 331 ff. (345); ders., in: Landmann/Rohmer, § 47b BImSchG Rn. 12 f.; Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47b BImSchG Rn. E 1; SchulzeFielitz, in: GK-BImSchG, § 47b Rn. 28; ähnlich Scheidler/Tegeder, in: Feldhaus, § 47b BImSchG Rn. 21 f., jedoch unter europarechtskonformer Korrektur des Begriffs der „sonstigen Straßen“; dagegen unter Verweis auf die Klassifizierung nach den Landesstraßengesetzen Wysk, in: Giesberts/Reinhardt, § 47b BImSchG Rn. 9. 33

B. Die kartierungspflichtigen Gebiete im Einzelnen

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Allerdings bleibt der Wille des Gesetzgebers auch an dieser Stelle im Dunkeln. Denn die Begriffsbestimmung des § 47b Nr. 3 BImSchG fand erst im Zuge des Vermittlungsverfahrens Eingang ins Gesetz. Ursprünglich sollte die Definition erst durch die Kartierungsverordnung erfolgen. Deren erster Entwurf definierte „Hauptverkehrsstraße“ als eine „Straße des überörtlichen Verkehrs oder auch eine sonstige grenzüberschreitende Straße“ (§ 2 Nr. 3 VO-E); in der Einzelbegründung wurde auf Bundesfernstraßen und „Straßen nach Landesrecht“ verwiesen, im Gegensatz zu denen die sonstigen grenzüberschreitenden Straßen auch örtliche Straßen sein könnten.34 Nach dieser Formulierung wären somit auch niedrigere überörtliche Straßenklassen erfasst gewesen. Es ist jedoch überhaupt nicht ersichtlich, ob die Neufassung der Begriffsbestimmung im Vermittlungsausschuss nur eine sprachliche Vereinfachung in Anlehnung an die Trias der Richtliniendefinition oder eine inhaltliche Veränderung im Sinne einer Begrenzung darstellen sollte. Der Wille des deutschen Gesetzgebers ist somit nicht ermittelbar. Aus diesem Grunde kann Hansmann35 nicht gefolgt werden, soweit dieser sein mit der hier vertretenen Ansicht übereinstimmendes Ergebnis gerade mit jener Entwurfsfassung begründen möchte. Für eine Ausweitung des Begriffs der Landesstraße auf andere Straßen überörtlicher Bedeutung spricht indes, dass das europäische Recht aus Rücksicht auf die unberührte Staatsorganisationshoheit der Mitgliedstaaten gleichsam „blind“ für die Einzelheiten des Staatsaufbaus der Mitgliedstaaten ist.36 Als „Region“ werden im europäischen Sprachgebrauch somit Gebietskörperschaften unterschiedlichen Zuschnitts und unterschiedlichen Kompetenzumfangs bezeichnet.37 Gemeinsam ist allen Regionen, dass sie einerseits auf einer Ebene unterhalb des Mitgliedstaates rangieren, andererseits oberhalb der örtlichen Gemeinschaft, der sog. „lokalen“ Ebene, angesiedelt sind (arg. e Art. 263 Abs. 1 EGV). So werden in Deutschland zwar einerseits die Bundesländer als europäische Regionen bezeichnet (vgl. Art. 3a S. 2 BV); andererseits findet sich der Begriff der Region auch bei den neuen Europäischen Metropolregionen wieder, die überörtliche Zusammenschlüsse unterhalb der Landesebene bezeichnen.38 34

Begr., BR-Drs. 95/05, S. 29. Hansmann, Lärmminderungsplanung, FS Rehbinder, S. 336 f. 36 Probleme bei der Umsetzung von EG-Richtlinien bereitete das Landesstraßenrecht bereits im Zusammenhang mit der UVP-Richtlinie (RL 85/337EWG vom 27.06.1985, ABl. EG Nr. L 175 S. 40). Seinerzeit konnte die UVP-Pflichtigkeit bestimmter Straßenbauvorhaben wegen der Gesetzgebungskompetenz der Länder nicht im UVPG des Bundes umgesetzt werden, vgl. Sangenstedt, in: Landmann/Rohmer, § 3d UVPG Rn. 9. Die Länder blieben zunächst jedoch weitgehend untätig, was zur direkten Anwendbarkeit des Richtlinienrechts führen muss, vgl. B. Stüer, Handbuch des Bau- und Fachplanungsrechts, 3. Aufl. 2005, Rn. 3042. Erhebliche Bedenken gegen die Praxis der Länder auch bei BayVGH, NVwZ 1996, 490 (491), und BVerwG, NVwZ-RR 1996, 253 (253). 37 Suhr, in: Calliess/Ruffert, Art. 263 EGV Rn. 17 f. 38 Von einem eher unscharf „oszillierenden“ Begriff der Region spricht Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47b Rn. 26. 35

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5. Teil: Die Lärmkartierung

Aus dieser Sicht wäre als „regionale“ Straße im Sinne der Richtlinie somit jede überörtliche Straße unterhalb der nationalen Straßen zu verstehen. Eine Unterscheidung nach der mitgliedsstaatlichen Trägerschaft zwischen erfassten und nicht erfassten Straßen mit überörtlicher Bedeutung müsste aus Sicht des Europarechts willkürlich und beliebig erscheinen.39 Die Richtlinienbegründung verschafft keinen näheren Aufschluss, weshalb der europäische Gesetzgeber sich überhaupt zur Frage der Straßenklassen geäußert hat und es nicht allein bei dem „harten“ Auswahlkriterium der erforderlichen Verkehrsmenge belassen hat.40 Aus der Trias „national, regional, grenzüberschreitend“ ergibt sich jedoch eindeutig ein überörtlicher Bezug; denn auch jede grenzüberschreitende Straße zur Verbindung zweier Mitgliedstaaten hat per se eine überörtliche Bedeutung. Dies rechtfertigt lediglich den Ausschluss von Straßen rein örtlicher Bedeutung ohne grenzüberschreitenden Verlauf aus der Betrachtung. Nach der hier vertretenen Ansicht ist somit unter „Landesstraße“ im Sinne des § 47b Nr. 3 BImSchG jede Landes- bzw. Staatsstraße i. e. S. sowie aufgrund einer europarechtskonformen Auslegung jede sonstige nach dem Landesrecht zu beurteilende Straße von überörtlicher Bedeutung zu verstehen. cc) Die sonstigen grenzüberschreitenden Straßen Als dritte relevante Straßenkategorie benennt § 47b Nr. 3 BImSchG die „sonstigen grenzüberschreitenden Straßen“. Nach der hier vertretenen Ansicht zu den Straßen überörtlicher Bedeutung, die auch Straßenklassen unterhalb der Landes- bzw. Staatsstraße als Landesstraße ansieht, kann es sich dabei nur noch um Straßen handeln, die nach ihrer straßenrechtlichen Einstufung nicht über eine örtliche Verkehrsbedeutung hinauskommen, aber wegen eines grenzüberschreitenden Verlaufs im Sinne der Überschreitung einer Grenze zwischen EUMitgliedstaaten41 gleichwohl in die Betrachtung einbezogen werden sollen.42 Die Formulierung dieser dritten Straßenkategorie ist sprachlich missglückt. Nach dem Wortlaut „Bundesfernstraße, Landesstraße oder auch sonstige grenzüberschreitende Straße“ müsste es sich bei Bundesfernstraßen und Landesstraßen ebenfalls um grenzüberschreitende Straßen handeln; dies ist jedoch nicht der Fall. Sprachlich korrekt wäre die Formulierung „grenzüberschreitende sonstige Straße“. 39 Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47b BImSchG Rn. 13; Scheidler/Tegeder, in: Feldhaus, § 47b BImSchG Rn. 22. 40 KOM(2000) 468 endg., S. 10 (Anhang I Nr. 3). 41 Scheidler/Tegeder, in: Feldhaus, § 47b BImSchG Rn. 22. 42 Folgerichtig andere Einteilung bei Wysk, in: Giesberts/Reinhardt, § 47b BImSchG Rn. 9, sowie Scheidler/Tegeder, in: Feldhaus, § 47b BImSchG Rn. 22.

B. Die kartierungspflichtigen Gebiete im Einzelnen

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b) Das erforderliche Verkehrsaufkommen Aus den drei vorgenannten Straßenkategorien sind jeweils nur diejenigen Straßen „Hauptverkehrsstraßen“ i. S.d. § 47b Nr. 3 BImSchG, die ein jährliches Verkehrsaufkommen von über drei Millionen Kraftfahrzeugen aufweisen. Rechtlich gesehen handelt es sich dabei um ein weiteres Tatbestandsmerkmal, das kumulativ zu der Zuordnung zu einer der o. g. Straßenkategorien erfüllt sein muss und deshalb nicht bereits für die Definitionsbestimmung der Straßenkategorien herangezogen werden darf.43 Gleichwohl stellt das Verkehrsaufkommen gleichsam das eindeutigste Tatbestandsmerkmal für das Vorliegen einer Hauptverkehrsstraße und zugleich das eigentlich der Zielsetzung am stärksten entsprechende Kriterium dar. Als Hauptlärmquelle sollen schließlich insbesondere diejenigen Straßen herausgehoben werden, von denen der Gesetzgeber wegen des Verkehrsaufkommens davon ausgeht, dass es sich um Brennpunkte – sog. „hot spots“ – im Hinblick auf die Lärmbelastung handelt.44 Es ist zu vermuten, dass der Kreis der relevanten Straßen bei einer Legaldefinition, die sich allein auf das Verkehrsaufkommen der Straße gestützt hätte, nicht sonderlich anders zusammengesetzt wäre als nach der komplizierteren Definition aus Richtlinie und Bundes-Immissionsschutzgesetz. Denn das Verkehrsaufkommen entspricht einer DTV von über 8.200 KfZ/Tag, die nur in wenigen Fällen jenseits der umschriebenen Straßenkategorien vorkommen dürfte. Abweichungen ergäben sich wohl allenfalls in Bezug auf stark befahrene innerörtliche Verkehrsadern, sofern diese nicht eine Ortsdurchfahrt und mithin eine Bundesfernstraße darstellen. Maßgeblich für das erforderliche Verkehrsaufkommen ist gem. § 47c Abs. 1 S. 1 BImSchG das Aufkommen des Vorjahres vor dem Kartierungstermin.45 Im Rahmen der zeitlich gestaffelten Prioritätensetzung waren bis zum 30.07. 2006 zunächst Hauptverkehrsstraßen mit einem Jahresverkehrsaufkommen von über sechs Millionen Kraftfahrzeugen zu kartieren, für die der Gesetzgeber eine besondere Lärmrelevanz angenommen hat. Die übrigen Hauptverkehrsstraßen folgen in der zweiten Kartierungsstufe. Somit unterfielen der ersten Kartierungsstufe etwa 10.300 km von insgesamt rund 12.000 Bundesautobahnkilometern sowie etwa 4.000 km von insgesamt rund 41.000 Bundesstraßenkilometern. Insgesamt geht die Bundesregierung von 17.000 Kilometern an Hauptverkehrsstraßen der ersten Stufe aus. In der zweiten Stufe werden voraussichtlich weitere 1.480 Bundesautobahnkilometer und wei-

43 Holm, Die Bedeutung der EU-Umgebungslärmrichtlinie für die Bundesfernstraßen, NuR 2003, 144 ff. (145); Scheidler/Tegeder, in: Feldhaus, § 47b BImSchG Rn. 19. 44 Vgl. Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47b Rn. 28. 45 Vgl. auch LAI-Hinweise zur Lärmkartierung, Nr. 1.4.

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5. Teil: Die Lärmkartierung

tere 18.000 Bundesstraßenkilometer kartiert werden müssen.46 Europaweit wurden in der ersten Kartierungsstufe etwa 82.000 km an Hauptverkehrsstraßen berücksichtigt.47 c) Die Berücksichtigung von Teilstrecken Bei der Kartierung von Hauptverkehrsstraßen sollen nach den LAI-Hinweisen zur Lärmkartierung möglichst auch solche Streckenabschnitte berücksichtigt werden, die als Teilstück einer Straße selbst nicht die erforderliche DTV aufweisen (Nr. 2.1). Der hierdurch erreichte Lückenschluss soll sinnvollerweise insbesondere die Lärmaktionsplanung in den fraglichen Bereichen erleichtern. Mit anderen Worten genügt die Überschreitung des maßgeblichen Verkehrsaufkommens auf einem Teilstück einer Hauptverkehrsstraße, um die Kartierungspflicht für die Gesamtstraße auszulösen.48 2. Die Haupteisenbahnstrecken „Haupteisenbahnstrecke“ im Sinne des § 47b Nr. 4 BImSchG ist „ein Schienenweg von Eisenbahnen nach dem Allgemeinen Eisenbahngesetz mit einem Verkehrsaufkommen von über 30.000 Zügen pro Jahr“. Auch für die Haupteisenbahnstrecken nimmt das Gesetz somit zunächst eine allgemeine Definition vor, die um ein zusätzliches Erfordernis eines bestimmten Verkehrsaufkommens ergänzt wird. a) Der Schienenweg Für Haupteisenbahnstrecken kommen nur Schienenwege in Betracht, die widmungsgemäß für die Benutzung durch Eisenbahnen im Sinne des Allgemeinen Eisenbahngesetzes49 vorgesehen sind. Darin liegt eine europarechtskonforme 46 U. Stelkens, Von der umweltgerechten zur umweltbestimmten Planung, Gemeinschaftsrechtliche Zwänge zur anlassunabhängigen Umweltkartierung und ihre Auswirkungen auf das Planungsrecht, NuR 2005, 362 ff. (366); Holm, Bundesfernstraßen, NuR 2003, 144 (145); Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47b Rn. 28; Bundesregierung, Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Lutz Heilmann u. a., BT-Drs. 16/7798, S. 6. 47 H. Schwedler, Stand der Umsetzung der Umgebungslärmrichtlinie in den 25 EGMitgliedstaaten, in: Lärmkontor GmbH (Hrsg.), Das Gesetz zur Umsetzung der EGUmgebungslärmrichtlinie – und was machen die Anderen?, Tagung in Hamburg, 16. und 17. März 2006, www.laermkontor.de/deutsch/Veroeffentlichungen/download/ ULR2006/Kurzfassungen_Vorträge_ULR2006.pdf (27.08.2006), S. 5. 48 Wysk, in: Giesberts/Reinhardt, § 47b BImSchG Rn. 9; Schulze-Fielitz, in: GKBImSchG, § 47b Rn. 28. 49 Allgemeines Eisenbahngesetz vom 27.12.1993 (BGBl. I S. 2378, ber. I S. 2396, ber. 1994 I S. 2439), zuletzt geändert durch Art. 8 des Gesetzes vom 26.02.2008 (BGBl. I S. 215).

B. Die kartierungspflichtigen Gebiete im Einzelnen

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Konkretisierung des Gesetzgebers auf Eisenbahnen klassischer Bauweise.50 Denn nur diese erfasst das AEG (§ 1 Abs. 2 S. 1 AEG). Hingegen unterfallen Magnetschwebebahnen (in dem fraglichen Umfang in Deutschland bislang nicht existent51), Straßenbahnen, Bergbahnen und sonstige Schienenbahnen, die ebenfalls über eine feste Spurführung und mithin einen Schienenweg verfügen, gemäß § 1 Abs. 2 S. 2 AEG nicht dem Anwendungsbereich des Gesetzes. Deren Schienenwege werden somit zumindest nicht als Hauptlärmquellen im Rahmen der Lärmkartierung berücksichtigt.52 Weitere Anforderungen an den Schienenweg als solchen stellen weder § 47b Nr. 4 BImSchG noch Art. 3 lit. o RL. Mithin ist also für die Lärmkartierung insbesondere unerheblich, ob sich der fragliche Schienenweg im Eigentum der öffentlichen Hand oder eines privaten Infrastrukturunternehmens befindet. b) Das erforderliche Verkehrsaufkommen In gleicher Weise wie bei den Hauptverkehrsstraßen muss kumulativ ein bestimmtes Verkehrsaufkommen festgestellt werden können, um einen Schienenweg eine Haupteisenbahnstrecke im Sinne des § 47b Nr. 4 BImSchG werden zu lassen. Haupteisenbahnstrecken müssen mindestens 30.000 Züge pro Jahr, also etwa 82 Züge pro Tag, aufweisen. Maßgeblich sind hierfür wiederum die Zahlen des Vorjahres. Anders als bei den Hauptverkehrsstraßen ist hier jedoch umstritten, welche Bewegungen auf dem Schienenweg für die Ermittlung des Verkehrsaufkommens zu berücksichtigen sind. Zum Teil sollen Fahrten einzelner Lokomotiven ohne Waggons von der Erfassung ausgenommen sein. Die Zahl der angehängten Waggons sei indes unerheblich, sofern überhaupt Waggons mitgeführt würden.53 Diese Meinung stützt sich wohl vor allem auf den Begriff des „Zuges“, der eine Zusammenkopplung mehrerer Elemente impliziert. Eine solche Begriffsbildung erscheint jedoch im modernen Bahnenwesen nicht mehr sinnvoll. Längst haben Triebwagensysteme, bei denen ein Fahrzeug zugleich als Antriebsquelle wie Personenwagen dient, klassische Lokomotive-Wagen-Gespanne ergänzt und teilweise abgelöst. Demnach müssten bei einer Begriffsbestimmung eines „Zuges“ als einer Einheit zusam-

50 Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47b BImSchG Rn. 14; Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47b Rn. 29. 51 Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47b Rn. 29. 52 Einhellige Meinung, vgl. Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47b Rn. 29; Wysk, in: Giesberts/Reinhardt, § 47b BImSchG Rn. 10; Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47b BImSchG Rn. 14; Scheidler/Tegeder, in: Feldhaus, § 47b BImSchG Rn. 23; Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47b BImSchG Rn. F 1. 53 Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47b BImSchG Rn. 15.

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5. Teil: Die Lärmkartierung

mengekoppelten Wagenmaterials einzeln verkehrende Triebwagen z. B. trotz Bedienung eines Linienverkehrs bei der Ermittlung des maßgeblichen Verkehrsaufkommens unberücksichtigt bleiben. Dies erscheint unrichtig. Richtigerweise sind somit jegliche Bewegungen auf einem Schienenweg zwischen zwei Haltepunkten als „Zug“ im Sinne des § 47b Nr. 4 BImSchG zu zählen.54 Hierfür spricht auch, dass weder die europarechtliche noch die immissionsschutzrechtliche Definition eine Unterscheidung nach akustischen Kriterien vornimmt, die es erlauben würde, einzelne Lokomotiven möglicherweise als unbedeutendes Schallereignis außerhalb der Betrachtung zu lassen. Vielmehr wird allein auf zählbare Verkehrsereignisse jedweder Art abgestellt. Ob es sich um – unterschiedlich lauten – Güterverkehr oder Personenverkehr, Fernverkehr oder Nahverkehr sowie Fahrzeuge eines öffentlichen oder eines privaten Verkehrsunternehmens handelt, ist unerheblich.55 Bezüglich des Verkehrsaufkommens an Schienenwegen stellt sich indes ein Summationsproblem bei zeitweise parallel verlaufenden Gleisen. Herkömmlich werden Gleise unter Bezugnahme auf den jeweiligen Streckenverlauf hin zu einem bestimmten Zielbahnhof benannt und auch separat in der Kilometerzählung erfasst. Insbesondere im Rahmen der Gleisbündelung vor der Einfahrt in Bahnhöfe kann dies dazu führen, dass unterschiedliche Gleise kilometerweit in Parallellage geführt werden. Fraglich ist somit, ob diese als unterschiedliche Schienenwege mit jeweils eigenem Verkehrsaufkommen oder als einheitlicher Schienenweg mit einem Gesamtaufkommen aufzufassen sind. Unter Umständen kann sich hieran die Kartierungspflichtigkeit entscheiden. Zur Problemlösung ist es deshalb nicht ausreichend, dass die Immissionen der beiden Gleise bei der Kartierung summiert dargestellt werden können. Denn hierzu käme es ja gar nicht, wenn beide Gleise bei getrennter Zählweise jeweils unter dem Tagesaufkommen blieben. Vorzugswürdig erscheint es, parallel geführte Gleise zumindest in diesem Streckenabschnitt als einen Schienenweg aufzufassen und die Zugbewegungen zu addieren. Denn für die Lärmbelastung ist es unerheblich, ob die Belastung von zwei gleichartigen oder einer Emissionsquelle ausgeht. Insofern sollte sich trotz der grundsätzlich aus der Lärmquellenperspektive erfolgenden Ermittlung der Kartierungsverpflichtung eine schutzgutbezogene Sichtweise durchsetzen. Insgesamt sind rund 12.000 km Schienenwege zu kartieren. Hiervon werden ca. 4.400 km aufgrund eines Verkehrsaufkommens von mehr als 60.000 Zügen 54 Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47b Rn. 30; Scheidler/Tegeder, in: Feldhaus, § 47b BImSchG Rn. 23. 55 Fleckenstein/Vogt, Maßnahmen der Deutschen Bahn AG, Lärmbekämpfung 2007, 24 (28); Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47b Rn. 30.

B. Die kartierungspflichtigen Gebiete im Einzelnen

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im Jahr (§ 47c Abs. 1 S. 1 BImSchG) bereits im Rahmen der ersten Kartierungsstufe erfasst; weitere ca. 8.000 km folgen in der zweiten Priorität.56 3. Die Großflughäfen Als dritte Hauptlärmquelle sind Großflughäfen anzusehen. Ein „Großflughafen“ ist gemäß § 47b Nr. 5 BImSchG legaldefiniert als „ein Verkehrsflughafen mit einem Verkehrsaufkommen von über 50.000 Bewegungen pro Jahr, wobei mit ,Bewegung‘ der Start oder die Landung bezeichnet wird, hiervon sind ausschließlich der Ausbildung dienende Bewegungen mit Leichtflugzeugen ausgenommen“. Auch bei Großflughäfen handelt es sich somit um eine Begriffsbestimmung, die sich kumulativ aus der Bestimmung eines Anlagentyps und dem Vorliegen eines bestimmten Verkehrsaufkommens ergibt. a) Die Eigenschaft als Verkehrsflughafen Bei einem Großflughafen muss es sich zunächst um einen Verkehrsflughafen handeln. Dies greift einen gefestigten Fachbegriff aus dem Luftverkehrsrecht auf. Ein Verkehrsflughafen ist gemäß § 38 Abs. 2 Nr. 1 LuftVZO ein Flughafen des allgemeinen Verkehrs. Hierdurch unterscheidet er sich von Sonderflughäfen für besondere Zwecke i. S. d. § 38 Abs. 2 Nr. 2 LuftVZO, mithin sowohl von Werksflughäfen als auch von militärischen Flughäfen.57 Dies entspricht der Definition aus Art. 3 lit. p RL und den Ausnahmeregelungen im Zusammenhang mit der Landesverteidigung.58 Als Flughafen wird dabei nur derjenige Flugplatz i. S. d. § 6 Abs. 1 LuftVG bezeichnet, der eines Bauschutzbereichs gemäß § 12 Abs. 1 LuftVG bedarf. Hierdurch unterscheidet sich der Flughafen von sonstigen Flugplätzen, nämlich von Landeplätzen (§ 6 Abs. 1 LuftVG i.V. m. § 49 Abs. 1 LuftVZO) und Segelfluggeländen (§ 6 Abs. 1 LuftVG i.V. m. § 54 Abs. 1 LuftVZO). Bereits die Klassifizierung als Flughafen legt nach dem Umfang des Flugbetriebs eine gewisse Größe der Anlage nahe.

56 Bundesregierung, BT-Drs. 16/7798, S. 6; Fleckenstein/Vogt, Maßnahmen der Deutschen Bahn AG, Lärmbekämpfung 2007, 24 (26); Schulze-Fielitz, in: GKBImSchG, § 47b Rn. 30; Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47b BImSchG Rn. F 1. 57 Wysk, in: Giesberts/Reinhardt, § 47b BImSchG Rn. 12 und 12.1; Scheidler/Tegeder, in: Feldhaus, § 47b BImSchG Rn. 24; Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47b BImSchG Rn. G 1; Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47b Rn. 31. 58 Siehe hierzu oben 4. Teil, D. II. 1., S. 110.

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5. Teil: Die Lärmkartierung

b) Das erforderliche Verkehrsaufkommen Um Großflughafen i. S. d. § 47b Nr. 5 BImSchG zu sein, muss der Verkehrsflughafen ferner ein Luftverkehrsaufkommen von über 50.000 Bewegungen im Jahr aufweisen. Dies entspricht knapp 137 Bewegungen am Tag. Jeder Start und jede Landung zählen dabei entsprechend internationalen Gepflogenheiten als eine Bewegung.59 Ausgenommen hiervon sind durch den letzten Halbsatz Bewegungen von Leichtflugzeugen60, sofern die Bewegungen (nicht: die Leichtflugzeuge) ausschließlich der Ausbildung dienen. Mangels weiterer Ausnahmen sind im Übrigen Flugbewegungen jeglicher Luftfahrzeuge i. S. d. § 1 Abs. 2 LuftVG (z. B. auch „Drehflügler“, also Hubschrauber, und Fesselballons) erfasst.61 Dies soll auch militärische Flüge zum bzw. vom Verkehrsflughafen einschließen, solange diese nicht von einem deutlich abgegrenzten militärischen Bereich i. S. d. § 47a S. 2 BImSchG aus erfolgen.62 In Deutschland bestehen derzeit neun Großflughäfen. Dabei handelt es sich um die Flughäfen Berlin-Tegel, Düsseldorf, Frankfurt Rhein-Main, HamburgFuhlsbüttel, Hannover, Köln/Bonn, München, Nürnberg und Stuttgart.63 Ursprünglich ging man zum Teil von elf (nicht einzeln bezeichneten) deutschen Großflughäfen aus.64

II. Die Lärmkartierung innerhalb von Ballungsräumen Des weiteren sind gemäß § 47c Abs. 1 S. 1 BImSchG Lärmkarten für Ballungsräume zu erarbeiten. In der ersten Kartierungsstufe sind dabei Ballungsräume mit mehr als 250.000 Einwohnern zu berücksichtigen. In einer zweiten Stufe folgen sämtliche sonstigen Ballungsräume (§ 47c Abs. 1 S. 2 BImSchG). Die genannten Vorschriften des Bundes-Immissionsschutzgesetzes werden für die Kartierung der Ballungsräume insbesondere durch § 4 Abs. 1 der 34. BImSchV näher konkretisiert.

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Wysk, in: Giesberts/Reinhardt, § 47b BImSchG Rn. 13. Siehe hierzu näher Scheidler/Tegeder, in: Feldhaus, § 47b BImSchG Rn. 24 m.w. N. 61 Wysk, in: Giesberts/Reinhardt, § 47b BImSchG Rn. 13. 62 Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47b BImSchG Rn. 16; Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47b Rn. 31. 63 Vgl. die Meldung der Bundesrepublik Deutschland an die Kommission mit Schreiben des BMU vom 03.02.2006, Gz.: IG I 7-45050-1/0, http://circa.europa.eu/ Public/irc/env/d_2002_49/library?l=/reporting_2005/ms_reports/germany&vm=detail ed&sb=Title, ZIP-File „DE.zip“, Datei „A(2006)2745 BMU.Schreiben.KOM.DG. ENV.2006.02.03.pdf“ (30.06.2007), Anhang nebst Anlagen. 64 Gesetzentwurf, BT-Drs. 15/3782, S. 25; Stelkens, Umweltbestimmte Planung, NuR 2003, 362 (366); Feldmann, Wandel im Lärmschutz, ZUR 2005, 352 (355). 60

B. Die kartierungspflichtigen Gebiete im Einzelnen

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1. Der Begriff des Ballungsraums Als Ballungsraum bezeichnet die Legaldefinition des § 47b Nr. 2 BImSchG „ein Gebiet mit einer Einwohnerzahl von über 100.000 und einer Bevölkerungsdichte von mehr als 1.000 Einwohnern pro Quadratkilometer“. In der Angabe einer numerisch bestimmten Bevölkerungsdichte liegt bereits eine Konkretisierung gegenüber der Begriffsbestimmung aus Art. 3 lit. k RL, wonach es sich bei einem Ballungsraum um „einen durch den Mitgliedstaat festgelegten Teil seines Gebiets mit einer Einwohnerzahl von über 100.000 und einer solchen Bevölkerungsdichte, dass der Mitgliedstaat den Teil als Gebiet mit städtischem Charakter betrachtet“, handeln muss.65 Nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz ist ein Gebiet somit als Ballungsraum anzusehen, wenn beide Tatbestandsmerkmale der erforderlichen Einwohnerzahl sowie der erforderlichen Bevölkerungsdichte kumulativ vorliegen.66 Die Begriffsbestimmung des Gesetzes ist hingegen indifferent hinsichtlich politischer Gemeindegrenzen; ob das fragliche Gebiet nur eine Teilfläche einer politischen Gemeinde bildet, sich mit dem Gemeindegebiet deckt oder hierüber hinaus geht, ist unerheblich.67 Ein Ballungsraum i. S. d. § 47b Nr. 2 BImSchG liegt vielmehr nur dann, aber auch immer dann vor, wenn eine entsprechende Einwohnerzahl und eine entsprechende Einwohnerdichte gleichzeitig erfüllt sind.68 Erheblichen rechtlichen Bedenken muss daher die überaus pragmatische und aus praktischen Gründen angesichts der Zeitnot verständliche Vollzugspraxis einiger Bundesländer, insbesondere Nordrhein-Westfalens69 und Bayerns70, begegnen, nach der Ballungsräume nur in Entsprechung zu politischen Gemeindegrenzen gemeldet wurden. Beispielsweise wurde in Bayern lediglich das Stadtgebiet der Stadt Nürnberg als Ballungsraum der ersten Kartierungsstufe gemeldet, obwohl die Stadtgebiete 65 Scheidler/Tegeder, in: Feldhaus, § 47b BImSchG Rn. 18; Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47b BImSchG Rn. D 1; Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47b BImSchG Rn. 10; Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47b Rn. 22. Eine weitere Konkretisierung in der 34. BImSchV vermisst Wysk, in: Giesberts/Reinhardt, § 47b BImSchG Rn. 7. 66 Scheidler/Tegeder, in: Feldhaus, § 47b BImSchG Rn. 18; Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47b BImSchG Rn. D 1; Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47b Rn. 22. 67 Scheidler/Tegeder, in: Feldhaus, § 47b BImSchG Rn. 18; Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47b BImSchG Rn. D 1; Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47b BImSchG Rn. 11; ders., Lärmminderungsplanung, FS Rehbinder, S. 344 f.; Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47b Rn. 23 f. 68 In diesem Sinne offenbar auch Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47b BImSchG Rn. D 1; siehe auch Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47b BImSchG Rn. 11; SchulzeFielitz, in: GK-BImSchG, § 47b Rn. 23. 69 Stöcker-Meier/Hillen/Czerwinski/Plümer, Umsetzung NW, Lärmbekämpfung 2007, 7 (8); vgl. ferner BMU, Meldung (Fn. 63), Anhang, Nr. 10, S. 7. 70 BMU, Meldung (Fn. 63), Anhang, Nr. 2 vorbehaltlich einer – laut BayLfU nicht abweichend erfolgten – Konkretisierung im Zuge der Kartierung.

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5. Teil: Die Lärmkartierung

der beiden kreisfreien Städte Nürnberg und Fürth über weite Strecken durch einen Bebauungszusammenhang nahezu nahtlos ineinander übergehen und die Städte gemeinsam mit einer Gesamtbevölkerungszahl von 615.743 Einwohnern71 und einer Einwohnerdichte von 2463,46 Einwohnern/Quadratkilometer72 die Definition eines in der ersten Kartierungsstufe zu berücksichtigenden Ballungsraums erfüllen. Auch zu einem offenbar zunächst in Niedersachsen angedachten Einbezug des Stadtgebiets von Delmenhorst in den Ballungsraum Bremen73 kam es ausweislich der Meldung des BMU an die Kommission nicht. Dabei ist auch hier angesichts einer fehlenden räumlichen Trennung, einer Bevölkerungszahl von insgesamt 625.043 Einwohnern74 und einer Einwohnerdichte von 1613,64 Einwohnern/Quadratkilometer75 von einem Ballungsraum i. S. d. § 47b Nr. 2 BImSchG auszugehen. Dem gegenüber haben die Freie und Hansestadt Hamburg und das Land Schleswig-Holstein rechtlich zutreffend einen länderübergreifenden Ballungsraum „Hamburg“ gemeldet, der sowohl das Staatsgebiet der Hansestadt Hamburg als auch das Gebiet von 14 angrenzenden schleswig-holsteinischen Gemeinden umfasst.76 Innerhalb Schleswig-Holsteins wurde der Ballungsraum Kiel aus der Landeshauptstadt selbst und angrenzenden (Teil-)Gemeindegebieten gebildet.77 Beispiele für eine hinter dem Gemeindegebiet zurückbleibende Ballungsraumsraumabgrenzung liefern Dresden und Leipzig, wo auf zusammenhängende Stadtteile abgestellt wurde, die ihrerseits die Mindestbevölkerungsdichte aufweisen.78 71 Nürnberg: 501.615 Ew., Fürth: 114.128 Ew., vgl. Amt für Stadtforschung und Statistik für Nürnberg und Fürth, Monatsbericht April 2007, http://www.statistik. nuernberg.de/aktuelles/old/monat200704.pdf (30.06.2007). 72 Gesamtfläche: 249,95 qkm; Anteil Nürnberg: 186,6 qkm, vgl. http://www.statistik. nuernberg.de/geoinf/n_lage.htm (30.06.2007); Anteil Fürth: 63,35 qkm, vgl. Flächennutzungsplan der Stadt Fürth mit integriertem Landschaftsplan, Erläuterungsbericht, Ziff. 2.2, S. 12, http://www.fuerth.de/Portaldata/1/Resources/stadtentwicklung/ dokumente/flaechennutzungsplan/fnp_erlaeuterungsbericht.pdf (30.06.2007). 73 So eine Übersichtskarte des mittlerweile aufgelösten Niedersächsischen Landesamts für Ökologie, http://cdl.niedersachsen.de/blob/images/C7284220_L20.pdf (30.06. 2007). 74 Anteil Stadt Bremen: 545.869 Einwohner, vgl. http://www.bremen.de/sixcms/ detail.php?id=1357227&_hauptid=551437&_subid=635659 (30.06.2007); Anteil Stadt Delmenhorst: 79.174 Einwohner, vgl. http://www.delmenhorst.de/stadt/bevoelkerung. htm (30.06.2007). 75 Anteil Stadt Bremen: 325,0 qkm, vgl. http://www.bremen.de/sixcms/detail. php?id=1357227&_hauptid=551437&_subid=635659 (30.06.2007); Anteil Stadt Delmenhorst: 62,35 qkm, vgl. http://www.delmenhorst.de/stadt/geographie.htm (30.06. 2007). 76 BMU, Meldung (Fn. 63), Anhang, Nr. 6. 77 Bundesregierung, BT-Drs. 16/7798, S. 3. 78 Bundesregierung, BT-Drs. 16/7798, S. 2.

B. Die kartierungspflichtigen Gebiete im Einzelnen

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Entgegen der erstgenannten „pragmatischen“ Vollzugspraxis kann eine Befugnis zu einer gewillkürten Festlegung von Ballungsräumen wahlweise nach Gemeindegebietsgrenzen oder in Abweichung hiervon nicht aus dem Bundes-Immissionsschutzgesetz abgeleitet werden. Hierfür ermangelt es jeglichen normtextlichen Anknüpfungspunktes. Insbesondere enthält § 47b Nr. 2 BImSchG anders als die Richtlinie keinen Hinweis auf eine „Festsetzung“ eines Gebietes, der möglicherweise einen Gestaltungsspielraum der Landesbehörden eröffnen könnte. Auch die weitaus komplizierter gehaltene Begriffsbestimmung aus § 2 Nr. 1 des ursprünglichen Verordnungsentwurfs79, die ausdrücklich die Möglichkeiten von Übereinstimmung mit, Zurückbleiben hinter oder Hinausgreifen über politische Gemeindegebiete vorsah, trägt nichts zur Problemlösung bei. Nach der hier vertretenen Ansicht ist eine Meldung von Ballungsräumen, die sich auf ein politisches Gemeindegebiet beschränkt, obgleich die allein maßgeblichen Kriterien von Bevölkerungszahl und Einwohnerdichte über das Gemeindegebiet hinaus erfüllt sind, mithin rechtswidrig. Eine Zulässigkeit einer Beschränkung auf einheitliche Gemeindegebiete ergibt sich auch nicht etwa aus der Zuständigkeitsregelung des § 47e Abs. 1 BImSchG zugunsten der Gemeinden.80 Weder wird die Annahme gemeindeübergreifender Ballungsräume durch die örtliche Begrenztheit gemeindlicher Zuständigkeiten vereitelt; denn die Meldung der Ballungsräume obliegt gemäß §§ 47c Abs. 5, 47e Abs. 2 BImSchG den jeweiligen obersten Landesbehörden, die überörtlich zuständig sind, oder von ihnen benannten Stellen. Noch ergibt sich aus Zuständigkeitsgrenzen ein jeglicher Dispens von der Begriffsdefinition für Ballungsräume; vielmehr ist die Aufgabe nötigenfalls im Wege kommunaler oder sogar länderübergreifender Zusammenarbeit zu erfüllen, wie dies insbesondere Hamburg und Schleswig-Holstein für den länderübergreifenden Ballungsraum Hamburg bereits vorgeführt haben. Trotz des Verstoßes rechtswidriger Meldungen gegen das Bundes-Immissionsschutzgesetz muss in der an politischen Gemeindegrenzen orientierten Meldung von Ballungsräumen nicht zwangsläufig zugleich ein Verstoß gegen das Europarecht liegen. Denn die Begriffsbestimmung des Art. 3 lit. k RL ist weiter gefasst als § 47b Nr. 2 BImSchG. Die Richtlinie spricht von einem durch den Mitgliedstaat „festgelegten“ Teil seines Gebietes, was wiederum für einen Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten gegenüber der Kommission sprechen könnte. Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass eine Auslegung noch vertretbar sein könnte, wonach der Mitgliedstaat im Rahmen der Festsetzung eine Vorfestlegung treffen dürfte, dass nur für einheitliche Gemeindegebiete die Ermittlung einer Einwohnerdichte erfolgen solle, um die Teilfläche des Staatsgebiets als 79

Verordnungsentwurf, BR-Drs. 95/05. So aber offensichtlich die Rechtsauffassung des Landes Nordrhein-Westfalen in seinen erläuternden Hinweisen bei BMU, Meldung (Fn. 63), Anhang, Nr. 10. 80

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5. Teil: Die Lärmkartierung

mit städtischem Charakter ausgestattet ansehen zu können. Insofern verstieße die Meldung lediglich gegen die überschießende strengere nationale Regelung, ohne den Rahmen des europarechtlich Zulässigen zu verlassen. Schon hieraus ergibt sich aber, sofern die Gesetzeslage gleich bleibt, wegen des Verfassungsgebotes rechtmäßiger Verwaltung die Rechtspflicht der deutschen Behörden, rechtswidrige Meldungen spätestens im Laufe der zweiten Kartierungsstufe zu korrigieren. Die Einwohnerdichte ist als Mittelungswert der Einwohnerzahl bezogen auf die Gesamtfläche des fraglichen Gebietes zu ermitteln.81 Insbesondere kann die Zulässigkeit einer Mittelung über die Gesamtfläche nicht davon abhängig gemacht werden, ob der städtische Charakter gewahrt bleibe:82 Wenn die Bestimmung der Einwohnerdichte nach der Konkretisierungsentscheidung des Gesetzgebers gerade der Ermittlung dessen dienen soll, ob ein städtischer Charakter gegeben ist, ist ein Abhängigmachen der Ermittlungsmethode von einem vorliegenden städtischen Charakter zirkulär. Einer Festlegung der Ballungsräume im Sinne eines förmlichen Rechtsakts bedarf es nicht.83 Für das Erfordernis der Festlegung durch den Mitgliedstaat zum Zwecke einer klaren Abgrenzung gemäß Art. 3 lit. k RL reicht vielmehr die entsprechende Meldung des Ballungsraums aus. Wiewohl die eigentliche Gebietsabgrenzung der Ballungsräume innerhalb der Bundesrepublik durch die Meldung der obersten Landesbehörden gemäß §§ 47c Abs. 5, 47e Abs. 2 BImSchG vorgenommen wird,84 dürfte allerdings als Festlegung durch den Mitgliedstaat im Sinne des Europarechts frühestens die Mitteilung der Bundesregierung an die Kommission im Sinne des Art. 10 Abs. 2 i.V. m. Anhang VI Nr. 1 RL anzusehen sein, da erst hier die erforderliche Außenwirkung gegenüber der Europäischen Gemeinschaft hergestellt wird. Denn aus europäischer Sicht sind die Meldungen der obersten Landesbehörden lediglich ein mitgliedstaatliches Internum, keine verbindliche Äußerung des Mitgliedstaates selbst. Für die erste Stufe der Lärmkartierung wurden aus Deutschland auf dieser Grundlage 27 Ballungsräume gemeldet. Dabei handelt es sich um die Ballungsräume Stuttgart, Mannheim und Karlsruhe in Baden-Württemberg, die Ballungsräume München, Nürnberg und Augsburg in Bayern, die Ballungsräume Berlin, Bremen und Hamburg, die Ballungsräume Frankfurt a. M. und Wiesbaden in Hessen, den Ballungsraum Hannover in Niedersachsen, die Ballungsräume Aachen, Bielefeld, Bochum, Bonn, Dortmund, Düsseldorf, Duisburg, Essen, Gelsenkirchen, Köln, Mönchengladbach und Wuppertal in Nordrhein-West81

Scheidler/Tegeder, in: Feldhaus, § 47b BImSchG Rn. 18. Unrichtig Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47b BImSchG Rn. 11. 83 Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47b Rn. 24. 84 Vgl. insoweit Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47b Rn. 24, sowie Repkewitz, Probleme, VBlBW 2006, 409 (412). 82

B. Die kartierungspflichtigen Gebiete im Einzelnen

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falen, die Ballungsräume Dresden und Leipzig in Sachsen sowie den Ballungsraum Kiel in Schleswig-Holstein.85 Insgesamt dürfte die Zahl der Ballungsräume i. S. d. § 47b Nr. 2 BImSchG bei wenigstens 80 liegen.86 2. Exkurs: Die Reichweite der Begriffsbestimmungen des § 47b BImSchG Anhand der Begriffsbestimmung für Ballungsräume lässt sich im Übrigen zeigen, dass dem Gesetzgeber bei der Formulierung des § 47b BImSchG ein redaktioneller Fehler hinsichtlich der Reichweite der Begriffsbestimmungen unterlaufen ist. Denn ausweislich des eindeutigen Wortlauts des § 47b BImSchG gelten die fünf Begriffsbestimmungen „im Sinne dieses Gesetzes“ und mithin für das gesamte Bundes-Immissionsschutzgesetz. Ein anderes Textverständnis, insbesondere etwa ein Bezug auf das Artikelgesetz zur Umsetzung der Umgebungslärmrichtlinie anstelle auf das Bundes-Immissionsschutzgesetz, ist ausgeschlossen.87 Während es im Hinblick auf die übrigen vier Begriffsbestimmungen keine Überschneidungen mit anderweitigen Legaldefinitionen im Rahmen des Gesetzes gibt,88 erweist sich die Legaldefinition des Ballungsraumbegriffs als problematisch im Hinblick auf eine abweichende Begriffsbestimmung in § 1 Nr. 7 der 22. BImSchV. Die Verordnung über Immissionswerte für Schadstoffe in der Luft89 stützt sich auf § 48a Abs. 1 und Abs. 3 BImSchG und dient der Umsetzung der RL 1996/62/EG90. Gemäß § 1 Nr. 7 der 22. BImSchV ist Ballungsraum demnach „ein Gebiet mit mindestens 250.000 Einwohnern, das aus einer oder mehreren Gemeinden besteht, oder ein Gebiet, das aus einer oder mehreren Gemeinden besteht, welche jeweils eine Einwohnerdichte von 1.000 Ein85 Vgl. BMU, Meldung (Fn. 63), sowie Stöcker-Meier/Hillen/Czerwinski/Plümer, Umsetzung NW, Lärmbekämpfung 2007, 7 (9), Tabelle 2. 86 Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47b BImSchG Rn. D 1; Stelkens, Umweltbestimmte Planung, NuR 2005, 362 (366). 87 Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47b Rn. 5 und 26; Wysk, in: Giesberts/Reinhardt, § 47b BImSchG Einleitung vor Rn. 1; vgl. auch Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47b BImSchG Rn. B 1; wohl gleicher Auffassung A. Scheidler, Neue Aufgaben für die Gemeinden durch die Neuregelungen im BImSchG zur Lärmminderungsplanung, DVBl. 2005, 1344 ff. (1346 f.). 88 Vgl. insoweit Wysk, in: Giesberts/Reinhardt, § 47b BImSchG Einleitung vor Rn. 1. 89 Zweiundzwanzigste Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über Immissionswerte für Schadstoffe in der Luft – 22. BImSchV) i. d. F. der Bekanntmachung vom 04.06.2007 (BGBl. I S. 1006). 90 Richtlinie 96/62/EG des Rates vom 27.09.1996 über die Beurteilung und die Kontrolle der Luftqualität (ABl. EG Nr. L 296 S. 55).

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5. Teil: Die Lärmkartierung

wohnern oder mehr je Quadratkilometer bezogen auf die Gemarkungsfläche haben und die zusammen mindestens eine Fläche von 100 Quadratkilometern darstellen“. Gälte § 47b Nr. 2 BImSchG tatsächlich „im Sinne dieses Gesetzes“, ginge die Begriffsbestimmung als lex superior der Konkretisierungsentscheidung des Verordnungsgebers in der 22. BImSchV vor. Ein solches Ergebnis war ersichtlich niemals beabsichtigt,91 selbst wenn eine solche Konkretisierung der maßgeblichen Richtlinienbestimmung des Art. 2 Nr. 10 RL 1996/62/EG angesichts einer niedrigeren Bevölkerungsschwelle und einer identischen Bevölkerungsdichte im Vergleich zur 22. BImSchV noch entsprechen dürfte: Die Richtlinie definiert nämlich als Ballungsraum „ein Gebiet mit mehr als 250.000 Einwohnern oder, falls 250.000 oder weniger Einwohner in dem Gebiet wohnen, einer Bevölkerungsdichte pro Quadratkilometer, die nach Auffassung der Mitgliedstaaten die Beurteilung und die Kontrolle der Luftqualität rechtfertigt“. „Im Sinne dieses Gesetzes“ ist somit im Wege einer teleologischen Reduktion als „im Sinne des Sechsten Teils dieses Gesetzes“ zu lesen,92 soweit Widersprüche zu anderweitigen aktuellen Regelungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes einschließlich der hierzu ergangenen Rechtsverordnungen auftreten. Die Begriffsbestimmungen haben danach Geltung für die §§ 47a bis 47f BImSchG sowie für die aufgrund § 47f BImSchG ergangenen Rechtsverordnungen.93 Für diese Lösung spricht auch die grundsätzliche systematische Einordnung, wonach Begriffsbestimmungen mit Geltung für das gesamte Gesetz üblicherweise in § 3 BImSchG niedergelegt werden.94 Allerdings ist bei künftigen Rechtsänderungen die Aufnahme der neuen Begriffsbestimmungen in das Bundes-Immissionsschutzgesetz zu berücksichtigen.95 Ob dies im Wege der Formulierung einer Ausnahme bei Regelungen jenseits der Lärmminderungsplanung oder – vorzugswürdig – im Wege einer Korrektur des zu weit gefassten § 47b BImSchG erfolgt, bleibt dem Gesetzgeber überlassen.

91

Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47b BImSchG Rn. 3. Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47b Rn. 26; Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47b BImSchG Rn. B 1; so im Ergebnis auch Scheidler, Neue Aufgaben, DVBl. 2005, 1344 (1347). 93 Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47b BImSchG Rn. 3; Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47b Rn. 26. 94 Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47b BImSchG Rn. B 1; Schulze-Fielitz, in: GKBImSchG, § 47b Rn. 5; bezüglich § 2 BImSchG ebenso Hansmann, in: Landmann/ Rohmer, § 47b BImSchG Rn. 3. 95 Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47b Rn. 5. 92

B. Die kartierungspflichtigen Gebiete im Einzelnen

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3. Die Hauptlärmquellen innerhalb des Ballungsraums Die Lärmkarten für Ballungsräume haben sich gemäß § 4 Abs. 1 der 34. BImSchV zunächst auf sämtliche darin gelegenen Hauptlärmquellen zu erstrecken. a) Die Berücksichtigung von im Ballungsraum gelegenen bzw. zumindest auch im Ballungsraum gelegenen Hauptlärmquellen Als Hauptlärmquellen im Sinne der Vorschrift sind wie bereits dargelegt96 die Hauptverkehrsstraßen, Haupteisenbahnstrecken und Großflughäfen im Sinne des § 47b Nr. 3 bis 5 BImSchG anzusehen. Hinsichtlich der Begriffsbestimmungen kann daher auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.97 Die Zuordnung der Kartierungspflicht zur ersten oder zweiten Kartierungsphase erfolgt bei den Ballungsräumen ausschließlich anhand der Einwohnerzahl. Jenseits dieses Kriteriums findet keine weitere Priorisierung statt. Insbesondere erfolgt bei der Kartierung der Hauptlärmquellen innerhalb der Ballungsräume im Unterschied zu ihrer Kartierung außerhalb der Ballungsräume keine weitere zeitliche Staffelung nach der Zahl der Verkehrsbewegungen. Dies hat zur Folge, dass einige Hauptlärmquellen, die außerhalb von Ballungsräumen wegen eines entsprechend geringen Verkehrsaufkommens erst in der zweiten Stufe zu kartieren wären, innerhalb des Ballungsraums bereits in der ersten Stufe zu kartieren sind. Diesem Regelungszusammenhang kann wohl die grundsätzliche Einschätzung des Gesetzgebers entnommen werden, dass die Hauptlärmquellen innerhalb von Ballungsräumen zu schwerwiegenderen Immissionsbelastungen führen dürften als außerhalb. § 4 Abs. 1 der 34. BImSchV fordert für die Kartierung der Ballungsräume ausdrücklich den Einbezug der „darin gelegenen“ Hauptlärmquellen. Dies ist hinsichtlich solcher Hauptlärmquellen unproblematisch, die sich vollständig und ausschließlich im Ballungsraum befinden. Das kann beispielsweise für eine autobahnähnlich ausgebaute Schnellstraße innerhalb eines Ballungsraums zur Verbindung mehrerer Städte des Ballungsraums zutreffen. Schon dieses Beispiel zeigt aber, dass sich die Belegenheit einer Hauptlärmquelle nur selten vollständig im Ballungsraum erschöpfen wird. Im Regelfall wird es sich bei den als Hauptlärmquelle zu berücksichtigenden Verkehrswegen um überörtliche Verbindungen handeln, etwa Fernverkehrstraßen der Bahn und Bundesfernstraßen, die einen Ballungsraum durchqueren oder 96 97

Siehe oben B., S. 126. Vgl. oben B. I. 1.–3., S. 127 ff.

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5. Teil: Die Lärmkartierung

dort zumindest ihren Ausgang- bzw. Zielpunkt finden. Diese Hauptlärmquellen sind folglich zumindest auch im Ballungsraum gelegen und mithin „darin gelegene Hauptlärmquellen“ im Sinne des § 4 Abs. 1 der 34. BImSchV. Aus diesem Grunde ist die in Nr. 1.2 der LAI-Hinweise zur Lärmkartierung vorgesehene Berücksichtigung solcher auch im Ballungsraum gelegener Hauptlärmquellen „bezüglich des gesamten auf den Ballungsraum einwirkenden Lärms“ rechtlich geboten. b) Die europarechtswidrige Nichtberücksichtigung der einwirkenden, außerhalb des Ballungsraums gelegenen Hauptlärmquellen Im Umkehrschluss erstrecken sich die Lärmkarten für Ballungsräume nach dem Wortlaut des § 4 Abs. 1 der Lärmkartierungsverordnung nicht auf außerhalb des Ballungsraums gelegene Hauptlärmquellen. Aus der Kartierung sind somit auch solche außerhalb gelegenen Lärmquellen ausgenommen, deren Immissionen im Ballungsraum wahrnehmbar sind und dort zur Gesamtimmissionsbelastung beitragen. Dies erweist sich als europarechtswidrig. aa) Die Verfehlung des Richtlinienziels als unzureichende Richtlinienumsetzung Die Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft überlassen gemäß Art. 249 Abs. 3 EGV den Mitgliedstaaten zwar die Wahl von Formen und Mitteln, sind jedoch hinsichtlich des zu erreichenden Ziels für die Mitgliedstaaten verbindlich. Gefordert ist die vollständige Erreichung des Richtlinienziels unter tatsächlicher Verwirklichung des gesamten Richtlinienprogramms in der Verwaltungspraxis.98 Die Zielsetzung der jeweiligen Richtlinie ist dabei durch Auslegung zu ermitteln. Die Umgebungslärmrichtlinie soll die Gewährleistung eines hohen Gesundheits- und Umweltschutzniveaus als Teil der Gemeinschaftspolitik verfolgen. Ein Ziel der Gemeinschaftspolitik ist der Lärmschutz (Erwägungsgrund 1 der Richtlinie). Für bestimmte Gebiete, die von besonderer Bedeutung sind, soll die Ausarbeitung strategischer Lärmkarten vorgeschrieben werden, da sich hiermit die Daten gewinnen ließen, die für eine Darstellung der in den betreffenden Gebieten wahrgenommenen Lärmpegel erforderlich seien (Erwägungsgrund 10). Im Anschluss daran sollen in Aktionsplänen für diese Gebiete, die von besonderer Bedeutung sind, Prioritäten bei der Lärmbekämpfung gesetzt werden (Erwägungsgrund 11). 98 Ruffert, in: Calliess/Ruffert, Art. 249 EGV Rn. 49; Hetmeier, in: C. Lenz/K.-D. Borchardt (Hrsg.), EU- und EG-Vertrag, Kommentar, 3. Aufl. 2003, Art. 249 EGV Rn. 9.

B. Die kartierungspflichtigen Gebiete im Einzelnen

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Diese Erwägungen sind bei der genetischen Auslegung der Richtlinienvorschriften wegen ihrer hervorgehobenen Verankerung als Erwägungsgründe in der Richtlinie selbst mit besonderem Gewicht als Ausdruck der Regelungsabsichten des historischen Gesetzgebers zu berücksichtigen. In ihnen kommt der ursprüngliche Regelungswille der Kommission als Trägerin des Initiativrechts zum Tragen, der im Zuge der Beratungen weiter geformt wurde und so eine Bekräftigung durch den Gesetzgeber erfahren hat.99 Aufgrund europarechtlicher Besonderheiten soll sogar eine Unterscheidung zwischen subjektiven Vorstellungen des Richtliniengebers und dem objektiven Sinn und Zweck der Regelung selbst nicht sinnvoll sein, da beides praktisch identisch sei.100 Indem Art. 7 Abs. 1 und 2 der Richtlinie die Erstellung von Lärmkarten für sämtliche europäischen Ballungsräume im Sinne des Art. 3 lit. k RL vorschreibt, wird zugleich zum Ausdruck gebracht, dass es sich bei Ballungsräumen um solche Gebiete von besonderer Bedeutung im Sinne der Erwägungsgründe 10 und 11 handelt. Die Erwägungen 10 und 11 beziehen sich also gerade auch auf die europäischen Ballungsräume. Art. 7 RL wird seinerseits durch die in Anhang IV dargelegten Anforderungen für die Ausarbeitung strategischer Lärmkarten präzisiert. Dabei handelt es sich ausweislich der Überschrift ausdrücklich um „Mindestanforderungen“. Nach Ziffer 3 des Anhangs IV weisen strategische Lärmkarten für Ballungsräume besonders (im Sinne von insbesondere)101 Lärm aus folgenden Quellen aus: Straßenverkehr, Eisenbahnverkehr, Flughäfen, Industriegelände einschließlich Häfen. Lärm von „Flughäfen“ ist dabei ungeachtet der scheinbar auf die Anlage Flughafen als solche beschränkten Formulierung nach zutreffender Ansicht umfassend als „Fluglärm“ unter Einbezug insbesondere der An- und Abflugrouten zu verstehen.102 In dieser Mindestanforderung liegt eine Festlegung des Richtliniengebers auf die als wesentlich erachteten Lärmquellen, die den Schwerpunkt der Belastung im Ballungsraum ausmachen. Die Kartierung der maßgeblichen Immissionsbeiträge soll die lärmschutzbezogenen Brennpunkte („hot spots“) aufzeigen.103 Ziffer 3 des Anhangs IV RL trifft keinerlei Unterscheidung nach der Belegenheit der Lärmquelle. Es gibt mithin keine Anzeichen dafür, dass irgendwelche Einwirkungen aus Quellen der genannten Kategorien unberücksichtigt bleiben sollen. Im Gegenteil knüpft Erwägungsgrund 10 ausdrücklich an die in 99 M. Frisch, Die richtlinienkonforme Auslegung nationalen Rechts, 2000, S. 25 f.; M. Lutter, Die Auslegung angeglichenen Rechts, JZ 1992, 593 ff. (600). 100 Frisch, Richtlinienkonforme Auslegung, S. 35 f. 101 Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47c Rn. 25. 102 Siehe hierzu näher unten C. III. 2. b) bb) (3), S. 186 f. 103 Vgl. die Überlegung von Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47c Rn. 49.

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5. Teil: Die Lärmkartierung

den besonders bedeutsamen Gebieten „wahrgenommenen“ Lärmpegel an, die in einer Lärmkarte dargestellt werden sollen. Maßgeblich ist somit allein der Immissionsbeitrag, nicht der Standort der fraglichen Anlage. Die entscheidende Zielsetzung der Richtlinie, die für den Mitgliedstaat bei der Umsetzung der Richtlinie verbindlich ist, beläuft sich bei der Kartierung in Ballungsräumen also auf eine vollumfängliche Erfassung der im Ballungsraum wahrgenommenen Geräusche aus den genannten Quellen. Erst diese ermöglicht auch die zutreffende Prioritätensetzung im Sinne des Erwägungsgrundes 11 – ein Problem, das auch Eingang in Ziffer 1.2 der LAI-Hinweise zur Lärmkartierung gefunden hat; die Hinweise beschränken sich allerdings auf eine sehr weiche Formulierung, wonach auch Lärmquellen außerhalb des Ballungsraums relevant sein können, wolle man die tatsächliche Belastungssituation darstellen. Genau dies ist in Bezug auf die genannten Quellen aber gefordert. Diese entscheidende Zielsetzung der Richtlinie in Bezug auf Ballungsräume verfehlt die Umsetzungsvorschrift des § 4 Abs. 1 der 34. BImSchV, indem Hauptlärmquellen unabhängig von einem wahrgenommenen Immissionsbeitrag ausgenommen bleiben, sofern sie außerhalb des Ballungsraums in seinen (teils sehr engen) gemeldeten Grenzen belegen sind. Denn dabei handelt es sich nicht etwa nur um eine (wohl richtlinienkonforme) typisierende Festlegung des Verordnungsgebers, ab welcher Entfernung eine Lärmquelle regelmäßig nicht mehr relevant für den Ballungsraum sein dürfte, sondern um einen schlichten Ausschluss möglicherweise relevanter Quellen entgegen den Mindestanforderungen der Richtlinie. Besonders augenfällig wird dies für den Fall eines Großflughafens, der aus Gründen der räumlichen Trennung konfligierender Nutzungen in erreichbarer Entfernung vor den Toren des Ballungsraums angesiedelt wurde, dessen Anund Abflugbewegungen jedoch gleichwohl zu einer – bei Fluglärm überdies besonders belästigenden – Gesamtbelastung im Ballungsraum beitragen. Gleiches gilt für am Ballungsraum entlang verlaufende Hauptverkehrsstraßen und Haupteisenbahnstrecken sowie für Industriegelände und Häfen. Dabei spielt es keine Rolle, dass etwa ein außerhalb gelegener Großflughafen bereits selbstständig als Hauptlärmquelle kartiert werden muss. Dieser Umstand mag lediglich durch Datenweitergabe zur Erleichterung der Kartierung im Ballungsraum beitragen. Entscheidend ist, dass der selbstständig kartierte Großflughafen nach dem Wortlaut der 34. BImSchV nicht in den Lärmkarten des Ballungsraums berücksichtigt wird. Da es sich bei der Darstellung der wahrgenommenen Lärmimmissionen jedoch um Mindestanforderungen für die Lärmkartierung handelt, liegt in der Abweichung von den Mindestanforderungen durch § 4 Abs. 1 der 34. BImSchV eine unzureichende Umsetzung der Umgebungslärmrichtlinie.

B. Die kartierungspflichtigen Gebiete im Einzelnen

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bb) Die Bereinigung der europarechtswidrigen Zielverfehlung Somit stellt sich die Frage, ob und in welcher Weise die Europarechtskonformität der deutschen Richtlinienumsetzung trotz des fehlgehenden Tatbestandsmerkmals der Belegenheit im Ballungsraum gemäß § 4 Abs. 1 der 34. BImSchV methodisch einwandfrei sichergestellt und dem Europarecht zu seiner Durchsetzung verholfen werden kann. (1) Freiwillige Ausweitung der Vollzugspraxis Eine schlichte Ausweitung der Kartierung auch auf einwirkende, aber außerhalb des Ballungsraums gelegene Hauptlärmquellen durch eine freiwillig erweiterte Verwaltungspraxis genügt dabei den Anforderungen des europäischen Rechts nicht. Denn eine kontinuierliche richtlinienkonforme Praxis bietet keine Gewähr einer auch künftigen vollumfänglichen Richtlinienumsetzung. 104 Wiewohl sich diese freiwillige Lösung aus Gründen einer weitsichtigen Vollzugsgestaltung sicherlich anböte (vgl. auch den Hinweis in Ziffer 1.2 LAI-Hinweise zur Lärmkartierung), um auch die Ausgangslage für eine sachgerechte Aktionsplanung signifikant zu verbessern, ist infolge des spürbaren politischen Willens zu einer Eins-zu-eins-Umsetzung der Richtlinie eine Zustimmung der zuständigen Verwaltungsspitzen ohnehin als ungewiss einzustufen. Eine rechtliche Lösung des Problems bleibt deshalb vonnöten. (2) Nichtanwendung der 34. BImSchV wegen Verstoßes gegen das Bundes-Immissionsschutzgesetz Da der Gesetzgeber durch die Verweisung in § 47c Abs. 2 BImSchG den Text des Anhangs IV der Richtlinie wörtlich in das Bundes-Immissionsschutzgesetz inkorporiert hat, könnte der Gedanke naheliegen, das problematische Tatbestandsmerkmal schlicht außer acht zu lassen und sich bei der Auswahl der zu kartierenden Hauptlärmquellen direkt und ausschließlich auf den Wortlaut der Ziffer 3 des Anhangs IV als Teil des Gesetzes zu stützen. Denn für die Auslegung der Ziffer 3 des Anhangs IV als Teil des BundesImmissionsschutzgesetzes kann insoweit nichts anderes gelten als für die Auslegung der gleichen Ziffer als Teil der Richtlinie: Der Bundesgesetzgeber wollte durch die Verweisung auf den Richtlinienanhang gerade eine Eins-zu-eins-Umsetzung unter Erfüllung der vorgeschriebenen Mindestanforderungen und gleichzeitiger Beschränkung auf ebendiese erreichen.105 Der Zweck des Gesetzes ist 104 Ruffert, in: Calliess/Ruffert, Art. 249 EGV Rn. 59; Hetmeier, in: Lenz/Borchardt, Art. 249 EGV Rn. 10. 105 Repkewitz, Probleme, VBlBW 2006, 409 (412); Schulze-Fielitz, in: GKBImSchG, § 47c Rn. 20.

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5. Teil: Die Lärmkartierung

folglich die möglichst zielgenaue Einhaltung der Mindestanforderungen, nicht deren Unterschreitung. Sofern sich der Wortlaut des § 4 Abs. 1 der 34. BImSchV also nicht anderweitig überwinden lässt, liegt darin ein Verstoß gegen das Bundes-Immissionsschutzgesetz und mithin ein Verstoß gegen höheres Recht. Nach dem Grundsatz „lex superior derogat legi inferiori“ verdrängt die höherrangige Rechtsnorm die hierzu im Widerspruch stehende niederrangige Rechtsnorm.106 Letztere ist nach der deutschen Rechtstradition ipso iure nichtig.107 Das einengende Tatbestandsmerkmal der Belegenheit im Ballungsraum wäre somit an sich rechtlich inexistent. Dennoch hilft dies zur Überwindung des richtlinienwidrigen Tatbestandsmerkmals in der Vollzugspraxis nicht weiter. Die bloße Nichtanwendung des Tatbestandsmerkmals der Belegenheit im Ballungsraum würde nämlich ein Normverwerfungsrecht der Exekutive voraussetzen, das dieser nach zutreffender Meinung nicht zusteht. Die Verwaltung was es mit Teilen men anzuwenden, halten werden.108 Exekutive.

ist gemäß Art. 20 Abs. 3 GG an Recht und Gesetz gebunden, der Literatur unzumutbar erscheinen lassen mag, Rechtsnordie für verfassungs- oder in sonstiger Weise rechtswidrig geDies spräche für ein inzidentes Normverwerfungsrecht der

Dagegen wird zum Teil mit Blick auf die praktischen Folgen eingewandt, dass ein Recht der Verwaltung, Rechtsnormen aus eigener Bewertung als nichtig aufzufassen und nicht anzuwenden, zu großer Rechtsunsicherheit führe. Nicht nur sei eine sehr unterschiedliche Handhabung durch verschiedene Behörden zu befürchten, auch der durch die Bekanntmachung der Rechtsnorm gesetzte Rechtsschein verlange nach einem ausdrücklichen Aufhebungsakt anstelle

106 M. Wehr, Inzidente Normverwerfung durch die Exekutive, Zum kompetentiellen Verhältnis von Normsetzung und Normanwendung, 1998, S. 31, 34 f. 107 Wehr, Normverwerfung, S. 37; vgl. für den vorliegenden Fall einer Rechtsverordnung Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 13 Rn. 16 f. 108 F. Kopp, Das Gesetzes- und Verordnungsprüfungsrecht der Behörden, DVBl. 1983, 821 ff. (823 f., 828 f.); ebenso für formelle Gesetze bei Dringlichkeit und i. E. wohl auch für Rechtsverordnungen und Satzungen Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 4 Rn. 56 f., der als Ausweg für letztere unter Verweis auf die gerichtliche letztentscheidende Überprüfung vorschlägt, den Weg der Normenkontrolle nach § 47 VwGO zu beschreiten oder – trotz häufigen Vorbringens des Schrifttums in der Vollzugspraxis wohl eher selten – ggf. das Verfahren auszusetzen und sich mit der normgebenden Stelle mit dem Ziel der „Aufhebung“ der Norm in Verbindung zu setzen. Für untergesetzliche Normen auch K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band III/1, 1988, § 74 II. 2. c), S. 1347, unter besonderer Betonung der Einhaltung des Remonstrationsverfahrens. Weitere Nachweise bei Wehr, Normverwerfung, S. 89 f. und S. 94 mit Fn. 141.

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einer bloßen inzidenten Nichtanwendung.109 Weiter wird angeführt, veröffentlichte formelle Gesetze trügen eine Vermutung der Verfassungsmäßigkeit110 in sich, gegenüber der die Behauptung der Verfassungswidrigkeit nur „subjektives Meinen“ sei.111 Bei materiellen Gesetzen im Range unterhalb des Parlamentsgesetzes soll zudem die Gehorsamspflicht des Beamten einer Verwerfung von Rechtsnormen übergeordneter Verwaltungsstellen entgegenstehen.112 Die Befürworter eines inzidenten Normverwerfungsrechts der Verwaltung blicken im Schwerpunkt somit auf die materielle Rechtslage.113 Gegen höherrangiges Recht verstoßendes Recht sei nichtig, mithin kein „Recht“ im Sinne des Art. 20 Abs. 3 GG und daher nicht zur Anwendung zu bringen.114 Dem wird zu Recht entgegen gehalten, dass die (zutreffende) Beurteilung der materiellen Rechtslage noch keine Auskunft darüber gebe, welches staatliche Organ in welchem Verfahren und in welcher Form zur Feststellung der materiellen Rechtslage und zur Entscheidung über die Anwendung oder Nichtanwendung der rechtswidrigen Norm berufen sei.115 Insbesondere Wehr hat in seiner eingehenden Untersuchung überzeugend herausgearbeitet, dass die Frage eines Normverwerfungsrechts der Exekutive vor allem eine Frage des kompetentiellen Verhältnisses zwischen Normgeber und Normadressaten darstellt.116 Den Ausgangspunkt jeder Überlegung muss dabei Art. 20 Abs. 3 GG bilden, der unter Fortführung des Gewaltenteilungsprinzips des Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG die Bindung von Rechtsprechung und Verwaltung an Gesetz und Recht anordnet. Der hierin grundgelegte Vorrang des Gesetzes bringt die Verpflichtung von Rechtsprechung und Verwaltung zum Ausdruck, Entscheidungen des Gesetzgebers als bindende Konkretisierungen der Verfas109

Wehr, Normverwerfung, S. 96. F. Ossenbühl, Normenkontrolle durch die Verwaltung, Die Verwaltung 2 (1969), 393 ff. (402); kritisch Kopp, Gesetzes- und Verordnungsprüfungsrecht, DVBl. 1983, 821 (823). 111 F. Ossenbühl, Normenkontrolle, Die Verwaltung 2 (1969), 393 (402, 404). 112 So jedenfalls für Außenrechtssätze vorgesetzter Stellen, im Übrigen aber ablehnend J. Pietzcker, Zur Inzidentverwerfung untergesetzlicher Rechtsnormen durch die vollziehende Gewalt, AöR 101 (1976), 374 ff. (386 f.). 113 Wehr, Normverwerfung, S. 107. 114 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 4 Rn. 57; Kunig, in: I. von Münch/P. Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Band 1, 5. Aufl. 2000, Art. 1 Rn. 61 a. E.; vgl. auch die Nachweise bei Wehr, Normverwerfung, S. 108. 115 Ossenbühl, Normenkontrolle, Die Verwaltung 2 (1969), 393 (402, 408); Wehr, Normverwerfung, S. 108; so auch noch Pietzcker, Inzidentverwerfung, AöR 101 (1976), 374 (389 ff., 398 f.); dieser hat jedoch an seiner Auffassung, eine Inzidentverwerfung bedeute einen Kompetenzübergriff, wegen der diesbezüglich bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten der normgebenden Stelle nicht festgehalten, vgl. J. Pietzcker, Inzidentverwerfung rechtswidriger untergesetzlicher Rechtsnormen durch die Verwaltung, DVBl. 1986, 806 ff. (808). 116 Wehr, Normverwerfung, S. 107 f., 108 f. 110

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sung anzuerkennen;117 er beinhaltet für Gesetze im formellen wie auch im materiellen Sinne, mithin auch wie vorliegend für eine Rechtsverordnung, ein Anwendungsgebot und ein Abweichungsverbot,118 wobei zusätzlich der Grundsatz der vorrangigen Anwendung der rangniederen als der konkreteren Rechtsnorm vor der abstrakteren höherrangigen Rechtsnorm zu beachten ist.119 Eine kompetentielle Durchbrechung dieser Bindung der Normanwender an die Prärogative des Normgebers findet sich zugunsten der Judikative insbesondere in Art. 100 Abs. 1 GG.120 Die Aussetzungs-, also Nichtanwendungs-, und Vorlagepflicht bei der Einschätzung eines formellen Gesetzes als verfassungswidrig wird dabei als Rechtfertigung für die inzidente Nichtanwendung jeglicher rechtswidriger Rechtsnormen seitens der rechtsprechenden Gewalt aufgefasst.121 Streng begrenzt auf die besonderen Kompetenzen des Bundesverfassungsgerichts finden sich weitere Durchbrechungen der Regel zudem in Art. 93 Abs. 1 Nr. 2, 2a, 4 und 4a GG. Eine solche modifizierende Kompetenzregel des Grundgesetzes findet sich für Verwaltungsbehörden weder hinsichtlich formeller Gesetze noch für Gesetze im materiellen Sinne.122 Es bleibt somit bei der strikten Bindung an Recht und Gesetz im Sinne des Art. 20 Abs. 3 GG.123 Die Nichtanwendung von Rechtsnormen durch die Verwaltung setzt demgegenüber die eigene Beurteilung der Rechtslage an die Stelle der Entscheidung des Normgebers und erweist sich als begründungsfreier Übergriff des Normanwenders in die Kompetenzsphäre des Normgebers. Dies gilt nicht nur im Hinblick auf Parlamentsgesetze, sondern auch im Hinblick auf Rechtsverordnungen und Satzungen als von der Verwaltung gesetzte Rechtsnormen im materiellen Sinne.124 Auch hier ist der Normanwender an die vorgelagerte Konkretisierungsentscheidung des Normgebers gebunden.125 Die Verwaltung bliebe demnach selbst bei einer materiell-rechtlichen Derogation des Tatbestandsmerkmals aus § 4 Abs. 1 der 34. BImSchV bis zu einer 117

Wehr, Normverwerfung, S. 181. F. Ossenbühl, Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, in J. Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band V, 3. Aufl. 2007, § 101 Rn. 4 ff.; C. Gusy, Der Vorrang des Gesetzes, JuS 1983, 189 ff. (191); Wehr, Normverwerfung, S. 72. 119 Wehr, Normverwerfung, S. 190 m.w. N.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 4 Rn. 50. 120 Wehr, Normverwerfung, S. 111. 121 Wehr, Normverwerfung, S. 182 f. 122 Wehr, Normverwerfung, S. 183. 123 Wehr, Normverwerfung, S. 184 f. 124 So auch aus kommunalverfassungsrechtlichen Kompetenzgründen OVG SL, NVwZ 1990, 172 (172 f.). 125 Wehr, Normverwerfung, S. 186 f., 188 f. 118

B. Die kartierungspflichtigen Gebiete im Einzelnen

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Wortlautänderung durch den Verordnungsgeber an den europarechtswidrig zu eng gefassten Kartierungsumfang gebunden. Die Lärmkartierungsverordnung genießt dabei wegen ihres konkreteren Charakters (arg. e § 1 S. 2 der 34. BImSchV) einen Anwendungsvorrang vor § 47c Abs. 2 BImSchG i.V. m. Ziffer 3 Anhang IV RL. Eine bloße Nichtanwendung der problematischen Vorschrift wegen Verstoßes gegen das höherrangige Bundes-Immissionsschutzgesetz kommt damit unter keinem Gesichtspunkt in Betracht. (3) Unmittelbare Wirkung der Richtlinienvorschrift Stattdessen könnte eine unmittelbare Wirkung der Richtlinienvorschrift zur Überwindung der europarechtswidrigen Bestimmung in Betracht kommen. Die Möglichkeit einer unmittelbaren Wirkung ergibt sich nach einer mittlerweile gefestigten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes aus dem Vorrang des europäischen Rechts vor dem Recht der Mitgliedstaaten. Im Sinne einer effektiven und europaweit einheitlichen Durchsetzung des Europarechts (effet utile) und zur Vermeidung einer europarechtswidrigen Rechtsgestaltung oder Rechtspraxis der Mitgliedstaaten kann danach auf der Grundlage von Art. 249 Abs. 3 i.V. m. Art. 10 Abs. 2 EGV126 eine europäische Richtlinie unter bestimmten Bedingungen die Anwendung entgegenstehenden nationalen Rechts ausschließen.127 Voraussetzung hierfür ist, dass die Richtlinie trotz verstrichener Umsetzungsfrist nicht, nicht gänzlich oder fehlerhaft umgesetzt wurde und die einzelne128 fragliche Richtlinienbestimmung inhaltlich unbedingt und hinreichend genau ist.129 Als fehlerhafte Umsetzung gilt dabei auch die Nichterreichung des Richtlinienziels.130 Die Umsetzungsfrist der Richtlinie 2002/49/EG ist seit 18.07.2004 abgelaufen. Die Richtlinie wurde infolge des für die Zielerreichung zu engen Tatbestandmerkmals der Belegenheit in § 4 Abs. 1 der 34. BImSchV auch fehlerhaft umgesetzt. 126

Frisch, Richtlinienkonforme Auslegung, S. 60 m.w. N. Ruffert, in: Calliess/Ruffert, Art. 249 EGV Rn. 74 ff. m.w. N.; H. Müggenborg/J. Duikers, Die Direktwirkung von Richtlinien der EU im Immissionsschutzrecht, NVwZ 2007, 623 ff. (624). Zur Frage der damit verbundenen Normverwerfung siehe Ruffert, in: Calliess/Ruffert, Art. 249 EGV Rn. 103 f. m.w. N. 128 Ruffert, in: Calliess/Ruffert, Art. 249 EGV Rn. 79. 129 Ruffert, in: Calliess/Ruffert, Art. 249 EGV Rn. 77 ff.; Frisch, Richtlinienkonforme Auslegung, S. 60, Müggenborg/Duikers, Direktwirkung, NVwZ 2007, 623 (624); Hetmeier, in: Lenz/Borchardt, Art. 249 EGV Rn. 12; Lutter, Auslegung, JZ 1992, 593 (598). 130 Ruffert, in: Calliess/Ruffert, Art. 249 EGV Rn. 78. 127

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5. Teil: Die Lärmkartierung

Inhaltlich unbedingt ist eine Richtlinienbestimmung, wenn sie vorbehaltlos und ohne Bedingung anwendbar ist und insbesondere keiner weiteren Maßnahme der Mitgliedstaaten oder der Gemeinschaft bedarf.131 Dabei sind Wahlmöglichkeiten der Mitgliedstaaten an anderen Stellen unschädlich.132 Vorliegend ist eine Lärmkartierung jeglicher Einwirkungen anstelle nur derjenigen, deren Ursprung im Ballungsraum selbst gelegen ist, unmittelbar möglich. Die Kartierungsverpflichtung besteht ebenfalls bereits vorbehaltslos. Die Frage, was genau unter Fluglärm, Eisenbahnlärm usw. zu verstehen ist, ist zwar ausfüllungsbedürftig, aber an anderweitiger Stelle geregelt und umgesetzt worden, so dass es sich um Wahlmöglichkeiten des Mitgliedstaates an anderer Stelle handeln dürfte. Somit ist die Richtlinienbestimmung der Ziffer 3 des Anhangs IV RL inhaltlich unbedingt. Hinreichend genau ist die Bestimmung der Richtlinie, wenn sie unzweideutig eine Verpflichtung begründet, also rechtlich in sich abgeschlossen ist und als solche von jedem Gericht angewandt werden kann.133 Durch die Qualifizierung als Mindestanforderung ist der verpflichtende Charakter der Ziffer 3 des Anhangs IV RL klargestellt. Auch der Wortlaut ist hinreichend genau. Da unbestimmte Rechtsbegriffe unschädlich sind,134 ist die nähere Qualifizierung von Fluglärm usw. auch im Hinblick auf die Genauigkeit der Richtlinienbestimmung unproblematisch. An einem Erfordernis, dass die Richtlinie subjektive Rechte gewähren müsse, so dass sich der Einzelne hierauf berufen könne,135 ist seit der Entscheidung „Großkrotzenburg“ des EuGH nicht mehr festzuhalten. Auch Richtlinienbestimmungen, die reine Behördenpflichten enthalten, können unmittelbar gelten.136 Entscheidend ist allein, ob von einer Richtlinie aufgestellte objektiv-rechtliche Verpflichtungen von einem Mitgliedstaat eingehalten wurden oder nicht.137 Die Mitgliedstaaten trifft vorliegend eindeutig die objektiv-rechtliche Verpflichtung zum Tätigwerden im Rahmen der Lärmkartierung. 131 Ruffert, in: Calliess/Ruffert, Art. 249 EGV Rn. 80; Müggenborg/Duikers, Direktwirkung, NVwZ 2007, 623 (624). 132 Ruffert, in: Calliess/Ruffert, Art. 249 EGV Rn. 80. 133 Ruffert, in: Calliess/Ruffert, Art. 249 EGV Rn. 80; vgl. auch Müggenborg/Duikers, Direktwirkung, NVwZ 2007, 623 (624 f.). 134 Ruffert, in: Calliess/Ruffert, Art. 249 EGV Rn. 80. 135 Siehe hierzu eingehend Ruffert, in: Calliess/Ruffert, Art. 249 EGV Rn. 94 ff. 136 J. Staupe, Anwendung der UVP-Änderungsrichtlinie nach Ablauf der Umsetzungsfrist, in: Gesellschaft für Umweltrecht (Hrsg.), Die Vorhabenzulassung nach der UVP-Änderungs- und der IVU-Richtlinie, Dokumentation zur Sondertagung der Gesellschaft für Umweltrecht e. V. Berlin 1999, 2000, S. 35 ff. (44). 137 EuGH, Rs. C-431/92, Slg. 1995, S. I-2189 („Großkrotzenburg“), Tz. 26 = NVwZ 1996, 369 (370); siehe auch Wehr, Normverwerfung, S. 55 f.; Müggenborg/ Duikers, Direktwirkung, NVwZ 2007, 623 (625); kritisch Ruffert, in: Calliess/Ruffert, Art. 249 EGV Rn. 95, 100 f. m.w. N. Vgl. zur objektiven Wirkung von Richtlinien auch U. Haltern, Europarecht, Dogmatik im Kontext, 2. Aufl. 2007, Rn. 746 ff.

B. Die kartierungspflichtigen Gebiete im Einzelnen

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Allerdings würde durch eine direkte Wirkung und Anwendung der Richtlinienbestimmung möglicherweise die Rechtsposition privater Anlagenbetreiber in belastender Weise berührt: Die Betreiber außerhalb des Ballungsraums gelegener Industrieanlagen und Häfen würden erstmals in den Kreis der Mitwirkungspflichtigen gem. § 3 Abs. 1 der 34. BImSchV einbezogen; für etwaige private Betreiber von Haupteisenbahnstrecken, Großflughäfen und Hauptverkehrsstraßen (letzteres ist nicht ersichtlich) könnte eine Inanspruchnahme in der ersten Prioritätsstufe anstelle der zweiten Kartierungsphase die Folge sein. Es ist fraglich, ob diese Belastung im Sinne einer Geringfügigkeit der Mehrbelastung außer Betracht bleiben darf. Denn dem Mitgliedstaat ist es aus Gründen von Treu und Glauben verwehrt, sich gegenüber dem Bürger auf seine eigene Säumnis bei der Richtlinienumsetzung zu berufen, um eine direkte Belastung des Bürgers zu begründen.138 Vorliegend sind zwar die Mitwirkungspflichten und Eingriffsbefugnisse nicht in § 4 Abs. 1, sondern gesondert in § 3 Abs. 1 der 34. BImSchV geregelt worden. Diese Vorschrift selbst würde also nicht durch eine unmittelbar wirkende Richtliniennorm ersetzt. Jedoch ergäbe sich die Tatbestandserfüllung für den genannten Personenkreis erst aus der Verbindung der Eingriffsbefugnis mit der direkt angewendeten Richtlinienvorschrift. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs wird dabei durchaus unterschiedlich bewertet. Während teilweise als gesichert anzusehen sein soll, dass eine rein verfahrensmäßige Belastung Privater durch eine unmittelbare Anwendung von Richtlinienvorschriften möglich sein soll,139 wird andererseits betont, dass für die Zulässigkeit einer Belastung der technisch-normative Mechanismus der Belastung ebenso wenig entscheidend sein könne wie die Frage, ob es sich um materiell-rechtliche oder verfahrensrechtliche Regelungen handele. Zu Recht sei deshalb auch in der Judikatur des EuGH niemals von einer Unmittelbarkeit der Belastung die Rede gewesen. Bloße Mitwirkungspflichten genügten schon für das Vorliegen einer Belastung.140 Eine unmittelbare Wirkung der Richtlinie ist vorliegend somit als mindestens rechtlich zweifelhaft, eher noch als ausgeschlossen anzusehen, da auch Verfah-

138 EuGH, Rs. 152/84, Slg. 1986, S. 723 („Marshall“), Tz. 48; Rs. C-201/02, Slg. 2004, S. I-723 („Delena Wells“), Tz. 56; Frisch, Richtlinienkonforme Auslegung, S. 61; Ruffert, in: Calliess/Ruffert, Art. 249 EGV Rn. 83; Müggenborg/Duikers, Direktwirkung, NVwZ 2007, 623 (625); Hetmeier, in: Lenz/Borchardt, Art. 249 EGV Rn. 12 a. E. 139 Wahl, Materiell-integrative Anforderungen, S. 88. 140 M. Schmidt-Preuß, Integrative Anforderungen an das Verfahren der Vorhabenzulassung. Anwendung und Umsetzung der IVU-Richtlinie, in: Gesellschaft für Umweltrecht (Hrsg.), Die Vorhabenzulassung nach der UVP-Änderungs- und der IVU-Richtlinie, Dokumentation zur Sondertagung der Gesellschaft für Umweltrecht e. V. Berlin 1999, 2000, S. 94 ff. (98).

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5. Teil: Die Lärmkartierung

rensaufwand zur spürbaren Last werden kann,141 deren Auferlegung als treuwidrig anzusehen ist. Die Annahme einer unmittelbaren Wirkung der Richtlinie greift tief in das mitgliedstaatliche Recht ein.142 Sie hebelt letztlich den in Art. 249 EGV niedergelegten Unterschied zwischen unmittelbar geltenden europäischen Verordnungen und den lediglich in der Zielsetzung verbindlichen EG-Richtlinien aus, indem die vom Mitgliedstaat gewählte Form der Umsetzung übergangen wird. Der Europäische Gerichtshof hat deshalb mehrfach einen subsidiären Charakter der unmittelbaren Wirkung von Richtlinien betont. Eine unmittelbare Wirkung scheidet danach aus, wenn eine Behebung des Missstandes durch eine richtlinienkonforme Auslegung des mitgliedstaatlichen Rechts und somit im Rahmen einer innerstaatlichen Lösung erreicht werden kann. Letztere ist daher vorrangig zu prüfen.143 (4) Richtlinienkonforme Auslegung der 34. BImSchV unter teleologischer Extension Die richtlinienkonforme Auslegung bedient sich ähnlich der verfassungskonformen Auslegung144 der Maßgabe, dass bei mehreren möglichen Lesarten einer mitgliedstaatlichen Norm, von denen nicht alle in Einklang mit der entsprechenden Richtlinienvorschrift stehen, stets eine Auslegungsvariante zu wählen ist, die eine Vereinbarkeit mit der Richtlinie gewährleistet.145 Im Unterschied zur verfassungskonformen Auslegung, die das Verdikt einer Verfassungswidrigkeit146 einer niederrangigen Norm aufgrund eines Verstoßes gegen eine Verfassungsbestimmung wegen der unerwünschten Folge der Nichtigkeit und mithin mit dem Ziele der Erhaltung des Geltungsanspruchs der niederrangigen Norm zu vermeiden versucht, beschränken sich die Auswirkungen der richtlinienkon141

Schmidt-Preuß, Integrative Anforderungen, S. 98. Kritisch zum Aspekt einer Schonung des nationalen Gesetzgebers durch Vorrang der richtlinienkonformen Auslegung H. Jarass, Richtlinienkonforme bzw. EG-rechtskonforme Auslegung nationalen Rechts, Europarecht 26 (1991), 211 ff. (212). 143 Frisch, Richtlinienkonforme Auslegung, S. 61; W. Brechmann, Die richtlinienkonforme Auslegung, Zugleich ein Beitrag zur Dogmatik der EG-Richtlinie, 1994, S. 62; hinsichtlich des wechselseitigen Ausschlusses vgl. auch Ruffert, in: Calliess/ Ruffert, Art. 249 EGV Rn. 120, sowie bereits Jarass, Richtlinienkonforme Auslegung, Europarecht 26 (1991), 211 (212, 218). 144 Siehe hierzu zusammenfassend H. Dreier, Grundrechtsdurchgriff contra Gesetzesbindung? Exemplarische Betrachtungen zum Verhältnis von Verfassungs- und Verwaltungsrecht anhand der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, Die Verwaltung 36 (2003), 105 ff. (110 f.), sowie Jarass, Richtlinienkonforme Auslegung, Europarecht 26 (1991), 211 (213 ff.). Kritisch G. Ress, Die richtlinienkonforme „Interpretation“ innerstaatlichen Rechts, DÖV 1994, 489 ff. (491 f.). 145 A. Metallinos, Die europarechtskonforme Auslegung, 1994, S. 1. 146 Dreier, Grundrechtsdurchgriff, Die Verwaltung 36 (2003), 105 (110). 142

B. Die kartierungspflichtigen Gebiete im Einzelnen

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formen Auslegung auf die Auslegung der mitgliedstaatlichen Norm und die Frage einer vorrangigen Anwendung einer Bestimmung des Gemeinschaftsrechts.147 Die Normgeltung selbst kann durch das Gelingen bzw. Misslingen einer europarechtskonformen Auslegung schon deshalb nicht berührt werden, weil es im Verhältnis von Europarecht und mitgliedstaatlichem Recht an einer einheitlichen Rechtsordnung fehlt.148 Nach gefestigter Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sind alle zur Rechtsanwendung berufenen Stellen des Mitgliedsstaates verpflichtet, jegliches nationale Recht unter voller Ausschöpfung ihres Beurteilungsspielraumes in Übereinstimmung mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht auszulegen und anzuwenden.149 Grundlage hierfür sind wiederum Effet-utile-Gesichtspunkte, die Umsetzungspflicht aus Art. 249 Abs. 3 EGV sowie die Pflicht zur Gemeinschaftstreue im Sinne des Art. 10 Abs. 2 EGV.150 In der Beschränkung auf den bestehenden Beurteilungsspielraum liegt zugleich der Hinweis auf die Grenzen der richtlinienkonformen Auslegung.151 Die richtlinienkonforme Auslegung erfordert nach überzeugender Ansicht keine Rechtsfortbildung contra legem, sondern findet ihre Grenzen in der Systematik des mitgliedstaatlichen Rechts. Andernfalls würde wiederum der grundlegende Unterschied zwischen direkt geltenden EG-Verordnungen und umsetzungsbedürftigen EG-Richtlinien gemäß Art. 249 EGV eingeebnet.152 Auch bei der

147 F. Müller/R. Christensen, Juristische Methodik, Band II (Europarecht), 2. Aufl. 2007, Rn. 187, 567 f.; Frisch, Richtlinienkonforme Auslegung, S. 59; Wehr, Normverwerfung, S. 59 f.; Ruffert, in: Calliess/Ruffert, Art. 249 EGV Rn. 121. 148 Müller/Christensen, Methodik II, Rn. 568; Frisch, Richtlinienkonforme Auslegung, S. 73 f.; vgl. auch Wehr, Normverwerfung, S. 49. 149 EuGH, Rs. 14/83, Slg. 1984, S. 1891 („von Colson und Kamann“), Tz. 28 = NJW 1984, 2021 (2022 a. E.); Rs. 79/83, Slg. 1984, S. 1921 („Harz“), Ls. 1; Rs. C-106/89, Slg. 1990, S. I-4135 („Marleasing“), Tz. 8; BVerfGE 75, 223 (237); Ruffert, in: Calliess/Ruffert, Art. 249 EGV Rn. 114; Müggenborg/Duikers, Direktwirkung, NVwZ 2007, 623 ff. (624) m.w. N.; zum notwendigen Einbezug auch der Verwaltung schon Jarass, Richtlinienkonforme Auslegung, Europarecht 26 (1991), 211 (219). Auch hier kritisch Ress, Richtlinienkonforme „Interpretation“, DÖV 1994, 489 (493 f.). 150 Ruffert, in: Calliess/Ruffert, Art. 249 EGV Rn. 114 f.; Müller/Christensen, Methodik II, Rn. 572 ff. Für einen lediglich hilfsweisen Einbezug des Art. 10 Abs. 2 EGV Brechmann, Richtlinienkonforme Auslegung, S. 289. Zu der früher häufiger vertretenen Ansicht einer richtlinienkonformen Auslegungsverpflichtung aus dem Umsetzungswillen des nationalen Gesetzgebers heraus und mithin kraft nationalen Rechts vgl. Jarass, Richtlinienkonforme Auslegung, Europarecht 26 (1991), 211 (216 f.); dann bezöge sich die Pflicht zur Auslegung aber allein auf die vom Umsetzungswillen des Gesetzgebers umfassten Rechtsnormen, vgl. Müller/Christensen, Methodik II, Rn. 569 f. 151 Müggenborg/Duikers, Direktwirkung, NVwZ 2007, 623 (624). 152 Frisch, Richtlinienkonforme Auslegung, S. 91; Müller/Christensen, Methodik II, Rn. 588; Jarass, Richtlinienkonforme Auslegung, Europarecht 26 (1991), 211 (217 f.);

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5. Teil: Die Lärmkartierung

richtlinienkonformen Auslegung sind somit die hergebrachten Canones heranzuziehen.153 Dies gilt insbesondere für die Wortlautgrenze. Denn ungeachtet der teilweise grundlegend vorgebrachten Bedenken gegen die Annahme einer Wortlautgrenze, die sich aus der Kontextabhängigkeit des Wortlautverständnisses ergeben sollen,154 bestehen jedenfalls Fälle, in denen das Sprachverständnis und der Sprachgebrauch eindeutig sind.155 So liegt es hier. An sich scheitert eine richtlinienkonforme Auslegung des § 4 Abs. 1 der 34. BImSchV an der Wortlautgrenze: Eine in einem Gebiet „gelegene“ Anlage weist als solche einen körperlichen Standort in diesem Gebiet auf. Damit ist es sprachlich unvereinbar, eine Anlage, die keinen Standortbezug im Gebiet hat und nur über Schallwellen auf den Ballungsraum einwirkt, ebenfalls als im Ballungsraum gelegen anzusehen. Allerdings bietet die juristische Methodik über die Rechtsfigur der teleologischen Extension eine Möglichkeit, die Wortlautgrenze im Rahmen der Auslegung unter bestimmten Umständen zu überwinden. Die teleologische Extension stellt das Gegenstück zur teleologischen Reduktion156 des Normwortlautes dar. Während bei der teleologischen Reduktion aus objektiv-teleologischen Gründen ein irrtümlich zu weit gefasster Normtext in seinem Anwendungsbereich begrenzt wird, wird bei der teleologischen Extension ein irrtümlich zu eng gefasster Normtext in seinem Anwendungsbereich erweitert.157 Es handelt sich dabei letztlich um einen Lückenschluss unter Rückgriff auf die Zielsetzung einer anderen Rechtsnorm und mithin um eine Form der Gesetzesanalogie.158 Vorliegend hat der Verordnungsgeber in dem ausdrücklichen Willen zur Konkretisierung der Anforderungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes an die Lärmkartierung (vgl. § 1 S. 2 der 34. BImSchV) eine Rechtsregel erzeugt, die trotz der insoweit umfassenderen Mindestanforderungen der in das Bundesrecht inkorporierten Ziffer 3 des Anhangs IV RL diesen nicht gerecht wird, indem eine Teilmenge der zu kartierenden Hauptlärmquellen zweckwidrig aus der Bewohl für eine Rechtsfortbildung contra legem indes Lutter, Auslegung, JZ 1992, 593 (607); gegen diesen ausdrücklich Müller/Christensen, Methodik II, Rn. 190 f. 153 Müller/Christensen, Methodik II, Rn. 588 ff., insbesondere Rn. 591; Frisch, Richtlinienkonforme Auslegung, S. 57 f., 92 f.; Jarass, Richtlinienkonforme Auslegung, Europarecht 26 (1991), 211 (217). 154 Vgl. die Ausführungen bei Brechmann, Richtlinienkonforme Auslegung, S. 266 f. 155 Frisch, Richtlinienkonforme Auslegung, S. 93; Brechmann, Richtlinienkonforme Auslegung, S. 270, S. 272 sowie S. 267 mit Fn. 52; vgl. auch J. Neuner, Die Rechtsfindung contra legem, 2. Aufl. 2005, S. 96 f., 114 f. 156 Siehe hierzu grundlegend Larenz, Methodenlehre, S. 391 ff. 157 Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 904; Larenz, Methodenlehre, S. 397, 400 unten. 158 Rüthers, Rechtstheorie, Rn. 904.

B. Die kartierungspflichtigen Gebiete im Einzelnen

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trachtung ausgeschlossen wird. Dies erweist sich mangels vernünftiger Gründe als ungewollte Wertungslücke159 durch zu enge Fassung des Normtextes. Der Normtext ist daher teleologisch auch auf solche Hauptlärmquellen auszudehnen, die zwar außerhalb des Ballungsraums gelegen sind, aber einen im Ballungsraum wahrnehmbaren Immissionsbeitrag zur Gesamtimmissionsbelastung beisteuern. Mit diesem Ergebnis wird die europarechtswidrig zu enge Umgrenzung des Wortlauts des § 4 Abs. 1 der 34. BImSchV bereinigt und zugleich das Verdikt eines Verstoßes der Lärmkartierungsverordnung gegen das Bundes-Immissionsschutzgesetz vermieden. Allerdings ist kritisch anzumerken, dass sich auch im Rahmen einer richtlinienkonformen Auslegung die Frage nach der Wahrung des Vertrauensschutzes als einem allgemeinen Rechtsgrundsatz des Gemeinschaftsrechts stellt. Auch bei der richtlinienkonformen Auslegung ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes daher eine Belastung Privater infolge einer fehlerhaften Umsetzung unzulässig.160 Insofern stellt sich wiederum die Frage nach der Belastung Privater durch Mitwirkungspflichten im Sinne des § 3 Abs. 1 der 34. BImSchV i.V. m. den Mindestanforderungen der Richtlinie. Die Mehrbelastung besteht zumindest teilweise lediglich in einer zeitlichen Vorverlagerung einer in der zweiten Kartierungsstufe ohnehin bestehenden Verpflichtung. Die Belastung ist also insbesondere nicht mit einer strafrechtlichen Belangung zu vergleichen, wie sie den EuGH-Entscheidungen „Pretore di Salò“ und „Kolpinghuis Nijmegen“ zugrunde lag. Insofern mag es zu rechtfertigen sein, den Stellenwert des Vertrauensschutzes gegenüber der Richtlinienumsetzung wegzuwägen. Restlos zu überzeugen vermag diese Lösung allerdings nicht, weshalb der Verordnungsgeber dringend zu einer Bereinigung des Wortlauts des § 4 Abs. 1 der 34. BImSchV ansetzen sollte. Dies gilt umso mehr, als die Grenzen zwischen einer Normtextkorrektur durch teleologische Extension und einer bloßen Nichtanwendung im Hinblick auf das der Verwaltung nicht zustehende Normverwerfungsrecht als eher unscharf und fließend erscheinen müssen. cc) Zwischenergebnis zur Korrektur der Europarechtswidrigkeit Der richtlinienwidrige Wortlaut des § 4 Abs. 1 der 34. BImSchV ist hinsichtlich des Ausschlusses von außerhalb des Ballungsraums gelegenen, aber auf 159 Vgl. Christensen, Wahrheit, S. 150 f. Zur Lückenfeststellung siehe auch Larenz, Methodenlehre, S. 401, sowie Coing, Methodenlehre, S. 52. 160 EuGH, Rs. 80/86, Slg. 1987, S. 3969 ff. („Kolpinghuis Nijmegen“); Müller/ Christensen, Methodik II, Rn. 580 f.

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5. Teil: Die Lärmkartierung

diesen einwirkenden Hauptlärmquellen im Rahmen einer richtlinienkonformen Auslegung durch teleologische Extension zu korrigieren. Für eine (ohnehin zweifelhafte) unmittelbare Wirkung der Ziffer 3 des Anhangs IV RL ist somit kein Raum. Durch die teleologische Extension wird zugleich eine Vereinbarkeit des § 4 Abs. 1 der 34. BImSchV mit Ziffer 3 des Anhangs IV als Teil des Bundes-Immissionsschutzgesetzes hergestellt und das Verdikt eines Verstoßes der Lärmkartierungsverordnung gegen höherrangiges Recht vermieden. c) Zwischenergebnis zur Kartierung der Hauptlärmquellen im Ballungsraum Im Ergebnis sind somit sämtliche vollständig oder zumindest auch im Ballungsraum gelegenen Hauptlärmquellen sowie sämtliche Hauptlärmquellen, die zwar außerhalb des Ballungsraums gelegen sind, aber einen wahrnehmbaren Beitrag zur Lärmimmissionsbelastung des Ballungsraums leisten, bei der Lärmkartierung des Ballungsraumes zu berücksichtigen. 4. Zusätzliche zu kartierende Lärmquellen im Ballungsraum Neben den Hauptlärmquellen erfassen die Lärmkarten für den Ballungsraum gemäß § 4 Abs. 1 der Lärmkartierungsverordnung zusätzlich einige sonstige Lärmquellen, sofern diese erheblichen Umgebungslärm hervorrufen. Die sonstigen Lärmquellen werden dabei nach ihrer Art enumerativ benannt. a) Sonstige Straßen (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 der 34. BImSchV) Sonstige Straßen im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 1 der 34. BImSchV sind Straßen jeder straßenrechtlichen Klasse, die nicht bereits Hauptverkehrsstraßen im Sinne des § 47b Nr. 3 BImSchG sind. Sonstige Straßen weisen folglich ein Verkehrsaufkommen bis höchstens drei Millionen Kraftfahrzeuge pro Jahr auf; dies entspricht gerundet einer DTV von bis zu 8.200 Kraftfahrzeugen pro Tag. Die Unterscheidung zwischen Hauptlärmquellen und sonstigen Lärmquellen ergibt sich aus dem Umstand, dass die Mindestanforderungen der Ziffer 3 des Anhangs IV RL die Kartierung von Straßenverkehrs-, Eisenbahn-, Flug-, Industrie- und Hafenlärms an sich verlangen und die Kartierungspflicht nicht etwa auf Hauptverkehrsstraßen, Haupteisenbahnstrecken oder Großflughäfen im Sinne des Art. 3 lit. n–p RL beschränken. Hieraus ist zu Recht161 seitens des Gesetzgebers gefolgert worden, dass der Kartierungsumfang in Ballungsräumen weiter zu fassen sei als hinsichtlich der Hauptlärmquellen, die innerhalb wie außerhalb des Ballungsraums zu kartieren sind.162 161 Keineswegs zwingend erscheint dies Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47c Rn. 26.

B. Die kartierungspflichtigen Gebiete im Einzelnen

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Andernfalls wäre nicht einsichtig, weshalb bei den der Kommission gemäß Ziffern 1.5 und 1.6 des Anhangs VI RL zu den Ballungsräumen zu übermittelnden Angaben der Lärmbeitrag von Hauptverkehrsstraßen, Haupteisenbahnstrecken und Großflughäfen gesondert aufgeführt werden soll. Wäre die Kartierung für Ballungsräume nicht weiter gefasst als auf die Hauptlärmquellen, entspräche der jeweilige Lärmpegel schließlich schon den Beiträgen der Hauptlärmquellen, die jeweils in gesonderten Karten dargestellt werden; auch die einzig fehlende Lärmart aus Ziffer 3 des Anhangs IV RL (Industrielärm einschließlich Hafenlärms) ist in einer gesonderten Karte niedergelegt. Sofern dieser Angabe also irgendein Informationswert zukommen soll, muss die Lärmkartierung in Ballungsräumen über die Kartierung von Hauptlärmquellen hinausreichen. Bei den „sonstigen Straßen“ hat der Verordnungsgeber in richtlinienkonformer Weise auf das Erfordernis einer Belegenheit im Ballungsraum verzichtet; das entsprechende Tatbestandsmerkmal bezieht sich sprachlich nämlich nur auf die Hauptlärmquellen. Die Lage der sonstigen Straßen ist mithin unerheblich. Eine Begrenzung der Kartierung ergibt sich somit allein danach, ob die sonstigen Straßen „erheblichen Umgebungslärm hervorrufen“.163 b) Sonstige Eisenbahnstrecken (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 der 34. BImSchV) In ähnlicher Weise erstreckt sich die Lärmkartierung im Ballungsraum gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 der 34. BImSchV auf sonstige Schienenwege von Eisenbahnen nach dem Allgemeinen Eisenbahngesetz164. Sonstige Schienenwege sind sämtliche Schienenwege, die nicht selbst Haupteisenbahnstrecke im Sinne des § 47b Nr. 4 BImSchG sind. Ihr Verkehrsaufkommen darf folglich höchstens 30.000 Züge pro Jahr ausmachen; dies entspricht in etwa 82 Zügen pro Tag. Zu kartieren sind somit sämtliche Eisenbahnstrecken unabhängig von ihrer Lage (zumindest auch) im Ballungsraum bzw. in dessen Umfeld, sofern sie als sonstige Lärmquellen erheblichen Umgebungslärm hervorrufen.165 Hinsichtlich der Gründe für die Erweiterung des Kartierungsumfangs kann auf die Ausführungen zu den „sonstigen Straßen“ im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 1 der 34. BImSchV verwiesen werden.166

162 Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drs. 15/3782, S. 25; wie hier Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47c BImSchG Rn. B 4. 163 Siehe hierzu sogleich unter B. II. 4. f), S. 165. 164 Zu dieser Einschränkung siehe schon oben B. I. 2. a), S. 132. 165 Siehe hierzu unten B. II. 4. f), S. 165. 166 Siehe oben B. II. 4. a), S. 158.

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5. Teil: Die Lärmkartierung

c) Sonstige Flugplätze für den zivilen Luftverkehr (§ 4 Abs. 1 Nr. 4 der 34. BImSchV) Gleiches gilt für die Kartierung des Umgebungslärms von Flugplätzen für den zivilen Luftverkehr im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 4 der 34. BImSchV. Auch hier handelt es sich um den Einbezug einer kleineren „Klasse“ im Verhältnis zu der entsprechenden Hauptlärmquelle „Großflughafen“ in die Lärmkartierung für Ballungsräume. Nach der Legaldefinition des § 6 Abs. 1 S. 1 LuftVG handelt es sich bei Flugplätzen im Rechtssinne um Flughäfen, Landeplätze oder Segelfluggelände. Bei Flughäfen wird zwischen Verkehrsflughäfen als Flughäfen des allgemeinen Verkehrs bzw. Sonderflughäfen als Flughäfen für besondere Zwecke unterschieden (§ 6 Abs. 1 S. 1 LuftVG i.V. m. § 38 Abs. 2 LuftVZO); die gleiche Unterscheidung nach einer Widmung zugunsten des allgemeinen Verkehrs bzw. für besondere Zwecke ergibt sich für Verkehrs- und Sonderlandeplätze aus § 49 Abs. 2 LuftVZO. Als Beispiele für Sonderflughäfen werden Werksflughäfen und Militärflughäfen genannt.167 Bei der Definition der Großflughäfen in § 47b Nr. 5 BImSchG hat der Gesetzgeber durch Rückgriff auf den eingeführten Rechtsbegriff des Verkehrsflughafens für klare Definitionsverhältnisse gesorgt. Demgegenüber hat sich der Verordnungsgeber nicht auf die Unterscheidung zwischen Verkehrsflughafen bzw. Verkehrslandeplatz und Sonderflughafen bzw. Sonderlandeplatz gestützt, sondern eine Begrenzung auf den „zivilen Luftverkehr“ vorgenommen. Unstreitig ausgenommen sind vom Kartierungsumfang daher militärisch genutzte Flugplätze. Hingegen kann eine Nutzung durch den „zivilen Luftverkehr“ nicht mit einer Nutzung für Zwecke des allgemeinen Verkehrs gleichgesetzt werden. Der allgemeine Verkehr ist ziviler Natur und deckt daher einen Teilbereich des „zivilen Luftverkehrs“ ab. Auch der Flugverkehr auf Sonderflughäfen kann allerdings ziviler im Sinne von nicht-militärischer Natur sein. In Betracht kommen hierfür beispielsweise Werksflughäfen wie derjenige eines Flugzeugherstellers in Hamburg-Finkenwerder. Auch Sonderlandeplätze wie Hubschrauberlandeplätze an Krankenhäusern u. ä. sind ggf. zu berücksichtigen.168 Somit sind bei der Kartierung im Ballungsraum neben Verkehrsflughäfen, Verkehrslandeplätzen und Segelfluggeländen auch Sonderflughäfen und Sonderlandeplätze zu berücksichtigen, sofern sie nicht-militärischen Zwecken dienen. Einschränkende Voraussetzung ist das Hervorrufen erheblichen Umgebungslärms.169 167 168

Siehe schon die Nachweise in Fn. 57. LAI-Hinweise zur Lärmkartierung Nr. 4.

B. Die kartierungspflichtigen Gebiete im Einzelnen

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d) Schienenwege von Straßenbahnen (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 der 34. BImSchV) Als gänzlich neue Kategorie von Lärmquellen werden Schienenwege von Straßenbahnen im Sinne des § 4 des Personenbeförderungsgesetzes in die Lärmkartierung von Ballungsräumen einbezogen. Bei Straßenbahnen im Sinne des § 4 Abs. 1 PBefG handelt es sich um „Schienenbahnen, die 1. den Verkehrsraum öffentlicher Straßen benutzen und sich mit ihren baulichen und betrieblichen Einrichtungen sowie in ihrer Betriebsweise der Eigenart des Straßenverkehrs anpassen oder 2. einen besonderen Bahnkörper haben und in der Betriebsweise den unter Nummer 1 bezeichneten Bahnen gleichen oder ähneln, und ausschließlich oder überwiegend der Beförderung von Personen im Ortsoder Nachbarschaftsbereich dienen.“ Da gemäß § 4 Abs. 2 PBefG auch Untergrundbahnen und Hochbahnen als Straßenbahnen gelten, obwohl sie an sich keine sind, sind auch ihre Schienenwege solche von Straßenbahnen im Sinne des § 4 PBefG und bei der Kartierung zu berücksichtigen. Eine Begrenzung des Kartierungsumfangs nach der Höhe des jeweiligen Verkehrsaufkommens findet nicht statt. Stattdessen ist auch hier zu kartieren, sofern der Schienenweg als sonstige Lärmquelle erheblichen Umgebungslärm hervorruft.170 e) Industrie- und Gewerbegelände einschließlich Häfen (§ 4 Abs. 1 Nr. 5 der 34. BImSchV) Als eine weitere neue Kategorie von Lärmquellen tritt bei der Lärmkartierung für Ballungsräume erstmals auch der Gewerbelärm ins Blickfeld. Es ist auffallend, dass gerade diese Lärmart, die als erste in Deutschland über die TA Lärm einer Regelung zugeführt wurde, in der Umgebungslärmrichtlinie nur eine untergeordnete Rolle spielt.171 Der Schwerpunkt der Richtlinie liegt eindeutig auf dem Verkehrslärm172 – ein Hinweis auf eine veränderte Problemlage oder zu169

Siehe hierzu unten B. II. 4. f), S. 165. Siehe hierzu unten B. II. 4. f), S. 165. 171 Die pauschale Einordnung von Gewerbelärm als Nicht-Hauptlärmquelle mag mit Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47c Rn. 28, angesichts der konkreten Verhältnisse in einzelnen Gebieten in der Tat „oft faktisch offensichtlich zweifelhaft“ erscheinen. Eine Definition der Hauptlärmquellen in Abhängigkeit von der konkreten Situation hält allerdings auch Schulze-Fielitz rechtlich nicht für zutreffend. 172 Vgl. auch Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47c Rn. 27 und Rn. 30. 170

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5. Teil: Die Lärmkartierung

mindest ein verändertes Problembewusstsein hinsichtlich der Verkehrsbelastung seit der Entstehungszeit der TA Lärm. Umgekehrt soll die zurückgenommene Rolle des Industrie- und Gewerbelärms auf eine funktionierende immissionsschutzrechtliche Genehmigungspraxis zurückzuführen sein, die Konflikte zwischen Gewerbe- und Industrielärm und Wohnnutzung weitgehend minimiert habe.173 aa) Industrie- und Gewerbegelände Gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 5 der 34. BImSchV sollen sich die Lärmkarten für Ballungsräume auf „Industrie- oder Gewerbegelände, auf denen sich eine oder mehrere Anlagen gemäß Anhang I der Richtlinie 96/61/EG des Rates vom 24. September 1996 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung befinden, einschließlich Häfen für die Binnen- oder Seeschifffahrt mit einer Gesamtumschlagsleistung von mehr als 1,5 Millionen Tonnen pro Jahr“ erstrecken. Dies gilt wiederum, soweit die genannten Lärmquellen erheblichen Umgebungslärm hervorrufen.174 Auffallend ist zunächst, dass nicht die Gewerbe- und Industrieanlagen als solche – so formulierte der Verordnungsgeber denselben Paragraphen jedenfalls hinsichtlich der Verkehrsanlagen und Großflughäfen – mit ihren Auswirkungen kartiert werden sollen, sondern die Gelände, auf denen sich entsprechende Anlagen befinden. Liegt darin nur eine redaktionelle Umständlichkeit oder ein Unterschied in der Sache? Ein Gelände ist nach dem gängigen Sprachgebrauch jedenfalls nicht mit einem Gebiet zu verwechseln, wie sie der Raumordnung oder der Bauleitplanung zugrunde liegen. Ein Gewerbe- oder Industriegelände im Sinne des § 4 Nr. 5 der 34. BImSchV ist mithin kein Gewerbegebiet im Sinne von § 8 BauNVO und kein Industriegebiet im Sinne von § 9 BauNVO. Ein Gelände bezeichnet vielmehr schlicht eine zusammenhängende Fläche als Standort für einen Betrieb oder eine Anlage. Die Kartierungsverordnung geht dabei davon aus, dass sich darauf ein oder auch mehrere relevante Anlagen befinden können. Umgekehrt erscheint es nicht sinnvoll, in einer Kartierung des „Geländes“ eine räumliche Begrenzung der Kartierung auf die Auswirkungen auf dem Gelände selbst erblicken zu wollen. Für die Darstellung des Umgebungslärms als Immission ist ja gerade die Auswirkung außerhalb des eigenen Emissionspunktes von Interesse. Eine Lesart als räumliche Begrenzung auf das Emissionsgelände ist damit nicht vereinbar. 173 Stöcker-Meier/Hillen/Czerwinski/Plümer, Umsetzung NW, Lärmbekämpfung 2007, 7 (13); Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47c Rn. 30. 174 Siehe hierzu unten B. II. 4. f), S. 165.

B. Die kartierungspflichtigen Gebiete im Einzelnen

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Aufschluss verschafft indes der Blick auf die Formulierung des Art. 3 lit. a RL, die Umgebungslärm als Geräusche einschließlich des Lärms definiert, der von „Geländen für industrielle Tätigkeiten“175 nach der IVU-Richtlinie ausgeht. Mithin ist der Einschränkung auf Gelände, auf denen sich wenigstens eine relevante Anlage befindet, kein eigener Regelungsgehalt zuzumessen. Es handelt sich um eine überflüssige sprachliche „Pirouette“ infolge einer Vermischung der Richtlinienformulierung mit dem Anlagenbegriff im Rahmen der Rechtsverordnung. Auffallend ist weiter, dass der Verordnungsgeber die IVU-Richtlinie als Anknüpfungspunkt für die Auswahl relevanter Anlagen gewählt hat. In dem ersten Verordnungsentwurf der Bundesregierung wurde indes noch auf immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlagen im Sinne der 4. BImSchV abgestellt, die zusätzlich in besonderer Weise geeignet sein sollten, Umgebungslärm hervorzurufen (§ 2 Nr. 6 lit. 3 VO-E)176. Durch die neue Formulierung ist der Kreis fraglicher Anlagen im Vergleich zur früher vorgeschlagenen Fassung eingeengt worden. Die Richtlinie 1996/61/EG des Rates vom 24. September 1996 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung177 verfolgt einen sog. „integrativen“ Ansatz. Im Bereich der Anlagenzulassung für Industrieanlagen soll sichergestellt werden, dass über entsprechende Genehmigungserfordernisse, geeignete Verfahrensgestaltung und materielle Anforderungen an Immissionsvermeidungsvorkehrungen im Anlagenbereich ein medienübergreifender Umweltschutz in den Blick genommen wird, der durch die Verknüpfung von Anforderungen im Hinblick auf die drei Umweltmedien Wasser, Luft und Boden ein insgesamt hohes Umweltschutzniveau begünstigt. Anstelle der bloßen Auferlegung medienspezifischer Auflagen, die die Gefahr einer Verlagerung der Belastung auf ein anderes Umweltmedium in sich tragen oder auch natürliche Beeinflussungsprozesse zwischen den Umweltmedien vernachlässigen, sollen bei der Genehmigung einer Anlage die Wechselwirkungen auf die übrigen Medien berücksichtigt werden.178 Die Richtlinie wurde insbesondere durch eine 175

Hervorhebung durch den Verfasser. BR-Drs. 95/05. 177 ABl. EG Nr. L 257 S. 26. 178 K. Engelhardt, Die Umsetzung der IVU-Richtlinie in Deutschland. Unter Berücksichtigung des Gesetzes zur Umsetzung der UVP-Änderungsrichtlinie, der IVURichtlinie und weiterer EG-Richtlinien zum Umweltschutz vom 27. Juli 2001 (sog. Artikelgesetz), 2002, S. 23 ff., 24, 28 ff.; A. Wasielewski, Stand der Umsetzung der UVP-Änderungs- und der IVU-Richtlinie, in: Gesellschaft für Umweltrecht (Hrsg.), Die Vorhabenzulassung nach der UVP-Änderungs- und der IVU-Richtlinie, Dokumentation zur Sondertagung der Gesellschaft für Umweltrecht e. V. Berlin 1999, 2000, S. 8 ff. (13 f.); Wahl, Materiell-integrative Anforderungen, S. 74 ff., 76 ff.; Schmidt176

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5. Teil: Die Lärmkartierung

Aufnahme der Anlagen nach Anhang I der IVU-Richtlinie in die 1. Spalte des Anhangs zu § 1 Abs. 1 S. 1 der 4. BImSchV umgesetzt, soweit dort nicht ohnehin schon in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Nr. 1 der 4. BImSchV ein Genehmigungserfordernis im förmlichen Verfahren nach § 10 BImSchG vorgesehen war.179 Auf diesen Zusammenhang verweist auch der Regierungsentwurf zur ersten Gesetzesfassung ausdrücklich.180 Insofern verwundert es, dass der Verordnungsgeber nicht auf die mitgliedstaatlichen Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinie, mithin Spalte 1 des Anhangs zu § 1 Abs. 1 S. 1 der 4. BImSchV, sondern auf die Richtlinie selbst verweist. Damit wird den Vollzugsbehörden ein an sich überflüssiges zusätzliches Konkretisierungserfordernis aufgebürdet. Zuzugeben ist allerdings, dass auch die entsprechende Formulierung des ersten Verordnungsentwurfs nicht vollständig zu überzeugen vermochte. Erstens ist durch den pauschalen Verweis auf „Anlagen im Sinne der 4. BImSchV“ und mithin auf immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlagen überhaupt der Kreis relevanter Anlagen deutlich weiter gefasst als nach der Umgebungslärmrichtlinie erforderlich; dies entsprach zumindest nicht dem politischen Willen einer Eins-zu-eins-Umsetzung. Vor allem aber ist zweitens überaus ausfüllungsbedürftig und nur schwer vollziehbar, welche dieser Anlagen „in besonderer Weise geeignet (sein sollen), Umgebungslärm hervorzurufen“.181 Im Ergebnis haben die Vollzugsbehörden somit aufgrund der ausdrücklichen Anweisung des Verordnungsgebers auf den Anhang I der IVU-Richtlinie abzustellen. Zu der erforderlichen Konkretisierung haben sie indes gleichwohl auf die entsprechenden Einträge in Spalte 1 des Anhangs zu § 1 Abs. 1 S. 1 der 4. BImSchV zurückzugreifen, eben weil dieser die maßgebliche Umsetzungsvorschrift zur IVU-Richtlinie darstellt.

Preuß, Integrative Anforderungen, S. 95 f.; vgl. auch die Begründung des Gesetzentwurfs auf BT-Drs. 14/4599, S. 76. 179 Gesetz vom 27.07.2001 (BGBl. I S. 1950, insb. 1979 ff.); siehe hierzu die Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drs. 14/4599, S. 76 und 131; vgl. auch Engelhardt, IVU-Richtlinie, S. 37; Jarass, BImSchG, § 4 Rn. 2a. 180 Begr., BT-Drs. 15/3782, S. 25. 181 Wysk, in: Giesberts/Reinhardt, § 47b BImSchG Rn. 6, hat es als „unklar“ bezeichnet, ob die Verordnung den Gesetzgeber authentisch interpretiere oder ob sie eine gesetzwidrige Einengung enthalte. Weshalb eine Begrenzung auf IVU-Anlagen, die in der Richtlinie und im ersten Verordnungsentwurf, der parallel zur BImSchG-Änderung beraten wurde, ebenfalls enthalten ist, nicht eine zulässige Konkretisierung eines weiter gefassten Gesetzesbegriffs darstellen können sollte, ist nicht ersichtlich. Wysks Argument, dass wegen bewusster Abweichungen des Gesetzes von der Richtlinie ein redaktioneller Missgriff in § 47b BImSchG kaum angenommen werden könne, erscheint angesichts der in dieser Untersuchung zahlreich angesprochenen redaktionellen Unstimmigkeiten zumindest optimistisch.

B. Die kartierungspflichtigen Gebiete im Einzelnen

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bb) Häfen Der Einbezug von Häfen ergibt sich in der Sache bereits aus den Mindestanforderungen der Ziffer 3 des Anhangs IV RL, die ausdrücklich die Berücksichtigung von Häfen bei der Lärmkartierung in Ballungsräumen vorsehen. Die Unterscheidung nach Häfen für die Binnen- bzw. Seeschifffahrt führt gegenüber dem Oberbegriff „Häfen“ zu keinem zusätzlichen Erkenntnisgewinn und dient allenfalls einer Klarstellung: Häfen sind entweder Binnen- oder Seehäfen oder eine Kombination aus beidem. Andere Hafenkategorien sind nicht denkbar. Der Verordnungsgeber hat in richtlinienkonformer Weise eine Eingrenzung der relevanten Häfen auf solche vorgenommen, die eine Umschlagsmenge von wenigstens 1,5 Millionen Tonnen im Jahr aufweisen. In diese Kategorie von Häfen fallen wenigstens 34 bedeutende Binnenhäfen182 und wenigstens 15 Seehäfen183. Hierbei ist eine große Spannbreite festzustellen; so wurden beispielsweise 2006 im Binnenhafen Duisburg 51,3 Mio. Tonnen umgeschlagen, im kleinsten relevanten Binnenhafen Bremerhaven indes nur 1,504 Mio. Tonnen.184 Durch die Bezugnahme auf eine Umschlagsleistung im Sinne von Transportgütern sind somit Häfen und Anlegestellen, die ausschließlich der Personenschifffahrt dienen, aus der Kartierung ausgenommen. f) Das Hervorrufen erheblichen Umgebungslärms (§ 4 Abs. 1 der 34. BImSchV) Die vorgenannten sonstigen Lärmquellen im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 der 34. BImSchV sind nur zu kartieren, sowie sie „erheblichen Umgebungslärm hervorrufen“ (§ 4 Abs. 1 der 34. BImSchV). Diese Verordnungsvorschrift ist einerseits misslungen, andererseits ausfüllungsbedürftig. Misslungen ist die Formulierung insoweit, als sie mit dem Adjektiv „erheblich“ einen bereits durch die Unzumutbarkeitsschwelle im Sinne des § 3 Abs. 1 182 Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2007, Datenblatt 16.12, Güterumschlag in Binnenhäfen: Brunsbüttel, Hamburg (Elbegebiet); Bremen, Bremerhaven, Nordenham (Wesergebiet); Bülstringen, Salzgitter-Beddingen (Mittellandkanalgebiet); Dortmund, Emden, Essen, Gelsenkirchen, Hamm, Marl-Brassert (Westdeutsches Kanalgebiet); Andernach, Düsseldorf, Duisburg, Frankfurt a. M., Hanau, Heilbronn, Karlsruhe, Kehl, Köln, Krefeld-Uerdingen, Leverkusen, Ludwigshafen, Mainz, Mannheim, Neuss, Orsoy, Saarlouis-Dillingen, Wesseling (Rheingebiet); Regensburg (Donaugebiet); Königs-Wusterhausen (Gebiet Brandenburg und Binnengebiet Mecklenburg-Vorpommern). 183 Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2007, Datenblatt 16.15.3, Seegüterumschlag deutscher Häfen nach Häfen: Hamburg, Bremen/Bremerhaven, Wilhelmshaven, Lübeck, Rostock, Brunsbüttel, Brake, Bützfleth, Puttgarden, Emden, Wismar, Nordenham, Kiel, Saßnitz, Cuxhaven. 184 Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 2007, Datenblatt 16.12, Güterumschlag in Binnenhäfen.

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5. Teil: Die Lärmkartierung

BImSchG besetzten und seit langem eingeführten Rechtsbegriff heranzieht, ohne dass dem Begriff im vorliegenden Kontext der gleiche Bedeutungsgehalt zukommen könnte. Denn es wurde bereits gezeigt,185 dass der Rechtsbegriff des Umgebungslärms schon unterhalb der erheblichen Belästigung als der Untergrenze von schädlichen Umwelteinwirkungen gemäß § 3 Abs. 1 BImSchG anzusiedeln ist, wenn auch dem Schutz ruhiger Gebiete bzw. dem Schutz von lärmbelasteten Gebieten vor weiterer Verlärmung in irgendeiner Form Rechnung getragen werden soll. Mit dem Hervorrufen „erheblichen Umgebungslärms“ im Sinne des § 4 Abs. 1 der 34. BImSchV muss vielmehr das Hervorrufen von Umgebungslärm gemeint sein, der von solcher Intensität ist, dass er für die Lärmkartierung relevant sein kann und eine Kartierung der fraglichen Lärmquellen neben den Hauptlärmquellen nach § 47b Nr. 3 bis 5 BImSchG im Ballungsraum rechtfertigt. Es geht also um die o. g. sonstigen Lärmquellen, soweit sie „maßgeblichen“ Umgebungslärm hervorrufen.186 Ausfüllungsbedürftig ist die Formulierung insofern, als es sich bei dem Tatbestandsmerkmal „erheblicher Umgebungslärm“ (im Sinne von maßgeblichem Umgebungslärm) um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt, der im Wege der Auslegung zu konkretisieren ist. Eine ausdrückliche Angabe von Schalldruckpegeln ist dem Tatbestandsmerkmal nicht vom Verordnungsgeber beigeordnet worden. Zunächst wäre denkbar, für das Erheblichkeitskriterium auf die seitens der Bundesrepublik gemeldeten Grenzwerte im Sinne des Art. 3 lit. s RL zurück zu greifen, bei deren Überschreitung die Behörden des Mitgliedstaats Lärmschutzmaßnahmen in Erwägung ziehen oder ergreifen. Dies ist jedoch nicht zielführend. Denn zum einen entsprechen die Grenzwerte, die die Bundesregierung bisher an die Europäische Kommission gemeldet hat,187 den in die europäischen Lärmindizes Lden bzw. Lnight umgerechneten Immissionsgrenzwerten bzw. Immissionsrichtwerten der deutschen untergesetzlichen Regelwerke und bilden somit wiederum die Werte für die Grenzen zum Vorliegen schädlicher Umwelteinwirkungen im Sinne der Unzumutbarkeit ab; dieses ist aber soeben als nicht zutreffend verworfen worden. Zum zweiten passt eine Heranziehung dieser Werte systematisch nicht in das Konzept der Lärmkartierung. Denn in den Lärmkarten sollen gemäß § 47c Abs. 2 BImSchG i.V. m. Ziffer 1 des Anhangs IV RL sowohl die aktuelle, frühere oder vorhersehbare Lärmsituation durch einen Lärmindex ausgedrückt, als auch die Überschreitung eines Grenzwertes dargestellt werden. Dies betrifft zwei verschiedene Dinge. Noch deutlicher geht dies aus der Begriffsdefinition des Art. 3 lit. q RL für die „Ausarbeitung von 185

Siehe hierzu oben 4. Teil, C. I., S. 102. So auch LAI-Hinweise zur Lärmkartierung Nr. 1.6. 187 Vgl. insoweit die Anlage zu den LAI-Hinweisen zur Lärmkartierung. Hiervon zu unterscheiden sind die Auslöse-Grenzwerte für die Lärmaktionsplanung, die erst im Rahmen des Verordnungserlasses zur Lärmaktionsplanung festgelegt werden sollten. 186

B. Die kartierungspflichtigen Gebiete im Einzelnen

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Lärmkarten“ im Sinne des Art. 7 i.V. m. Anhang IV RL hervor. Danach handelt es sich bei der Ausarbeitung von Lärmkarten um „die Darstellung von Informationen über die aktuelle oder voraussichtliche Lärmsituation anhand eines Lärmindexes mit Beschreibung der Überschreitung der relevanten Grenzwerte, der Anzahl der betroffenen Personen in einem bestimmten Gebiet und der Anzahl der Wohnungen, die in einem bestimmten Gebiet bestimmten Werten eines Lärmindexes ausgesetzt sind.“188 Es geht also einerseits um die Darstellung der Lärmsituation durch die Exposition gegenüber bestimmten Lärmpegeln und zusätzlich hierzu um die Grenzwertüberschreitungen. Ein Rückgriff auf die seitens der Bundesregierung bisher gemeldeten Grenzwerte würde somit für die sonstigen Lärmquellen im Ballungsraum bedeuten, dass ausschließlich solche Lärmquellen neben den Hauptlärmquellen kartiert würden, die selbst und für sich genommen schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen und mithin die Grenzwerte verletzen. Dies würde dem Ziel einer Gesamterfassung der Lärmsituation keinesfalls gerecht. Sinnvoll und zweckmäßig ist es hingegen, in entsprechender Heranziehung des § 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 der 34. BImSchV von der Hervorrufung „erheblichen Umgebungslärms“ auszugehen, wenn die Schalldruckpegel der fraglichen Anlagen Werte von mindestens Lden = 55 db(A) bzw. Lnight = 50 db(A) erreichen.189 Dann ist ein Gleichlauf zwischen der Auswahl der zu kartierenden sonstigen Lärmquellen und den in der Karte darzustellenden Belastungspegeln erreicht. Dies erscheint stimmig. Im Ergebnis wird also „erheblicher Umgebungslärm“ im Sinne des § 4 Abs. 1 der 34. BImSchV hervorgerufen, wenn Werte von Lden = 55 db(A) und Lnight = 50 db(A) erreicht werden.

III. Keine Kartierung von Sport- und Freizeitlärm Hingegen sehen weder das Bundes-Immissionsschutzgesetz noch die 34. BImSchV eine Kartierung des Lärms von Sport- und Freizeitanlagen vor. Auch im ersten Gesetzentwurf190 und im ersten Verordnungsentwurf191 war dies nicht der Fall. Zwar ist der Rechtsbegriff des Umgebungslärms nach nahezu einhelliger Ansicht so weit gefasst, dass hierunter auch Sport- und Freizeitlärm zu zählen sind.192 Die entsprechenden Freizeit- und Sportanlagen sind aber weder als 188

Hervorhebungen durch den Verfasser. So auch LAI-Hinweise zur Lärmkartierung Nr. 1.6. 190 BT-Drs. 15/3782. 191 BR-Drs. 95/05. 192 Siehe hierzu schon oben 4. Teil, C. II., S. 104, mit den Nachweisen in Fn. 37; a. A. ersichtlich nur Irmer, Richtlinie, ZfL 2002, 176 (177). 189

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5. Teil: Die Lärmkartierung

Hauptlärmquellen im Sinne des § 47b Nr. 3 bis 5 BImSchG ausgewiesen noch gemäß § 4 Abs. 1 der 34. BImSchV „ferner“ als „sonstige Lärmquellen“ bei der Kartierung in Ballungsräumen zu berücksichtigen. Auch die LAI-Hinweise zur Lärmkartierung sehen dies nicht vor. Dies ist lärmschutzpolitisch zu bedauern. Denn eine Geringfügigkeit der Belastung aus Sport- und Freizeitanlagen kann ohne weiteres nicht angenommen werden, selbst wenn für die Belastungsbewertung nicht Spitzenpegel, sondern zutreffend Jahresmittelungspegel herangezogen werden. Bei Freibädern, Sportanlagen für Vereins- und Schulsportzwecke oder Freiluftkonzertarenen dürften sich wenigstens saisonal mehr als geringfügige Werte ergeben.193 Auch ganzjährige Immissionsbelastungen können auftreten, wenn Anlagen etwa im Rahmen einer Mehrfachnutzung wechselweise dem Eislauf durch Jedermann, dem Austragen von Eishockey-Begegnungen oder auch Rock-Konzerten dienen. Zu denken ist ferner an Freizeitparks, Motorsportanlagen (z. B. Kart-Center), die regelmäßig hohe Immissionsbelastungen aufweisen, oder neuerdings sogar an Freizeitgelände, auf denen als Vergnügung schweres Baugerät bewegt werden kann.194 Letztere fallen trotz gewerblicher Nutzung auch nicht in die Kategorie des Industrie- und Gewerbelärms, da es sich nicht um Anlagen im Sinne der Spalte 1 des Anhangs zu § 1 Abs. 1 S. 1 der 4. BImSchV handelt. Diese Beispiele zeigen, dass im Sinne einer aussagekräftigen Kartierung der Lärmschwerpunkte zumindest im Ballungsraum eine Berücksichtigung von Sport- und Freizeitanlagen als sonstige Lärmquelle, sofern erheblicher Umgebungslärm hervorgerufen wird, lärmschutzpolitisch wünschenswert gewesen wäre.195 Lärmschutzrechtlich ist dies jedoch nicht zwingend geboten. Zwar findet der Freizeitlärm eine ausdrückliche Erwähnung in Art. 3 lit. m der Umgebungslärmrichtlinie, wo ein ruhiges Gebiet auf dem Lande als ein Gebiet definiert wird, das unter anderem auch frei von Freizeitlärm sein muss. Zwar spricht auch die Begründung des Richtlinienvorschlags der Europäischen Kommission hinsichtlich des Geltungsbereichs der Richtlinie von Schall, der durch Tätigkeiten der Menschen erzeugt wurde, und verweist ausdrücklich auf den Bereich der „Freizeit“.196 Jedoch fand die Kartierung von Sport- und Freizeitlärm keinen Niederschlag in den Mindestanforderungen an die Lärmkartierung nach Anhang IV der Richtlinie. Insbesondere wurde der Lärm von Sport- und Freizeitanlagen nicht im Sinne der Ziffer 3 in den Katalog der im Ballungsraum „besonders“ zu berücksichtigenden Lärmarten aufgenommen. Eine Kartierung von Sport- und Freizeitlärm ist nach der Richtlinie mithin nicht geboten, wohl aber gestattet. Ziffer 8 des Anhangs IV RL sieht ausdrück193 194 195 196

Vgl. auch Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47b BImSchG Rn. C 15. Nürnberger Nachrichten vom 12.07.2007, S. 16. Kritisch auch Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47b BImSchG Rn. C 15. Richtlinienvorschlag der Kommission, KOM(2000) 468 endg., S. 3 (Nr. 2).

B. Die kartierungspflichtigen Gebiete im Einzelnen

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lich die Möglichkeit vor, dass im Ballungsraum zusätzlich zu den Karten über Straßenverkehrslärm, Eisenbahnlärm, Fluglärm bzw. Industrie- und Gewerbelärm „Karten für andere Lärmquellen“ erstellt werden können. Diese Vorschrift ist freilich ausfüllungsbedürftig.197 Indem der Gesetz- und Verordnungsgeber auf die Normierung dieser fakultativen Möglichkeit verzichtete, nutzte er somit schlicht in rechtlich nicht zu beanstandender Weise seinen europarechtlich eingeräumten Gestaltungsspielraum im Sinne einer Minimalumsetzung.198 Der Lärm von Sport- und Freizeitanlagen ist mithin in Deutschland von Rechts wegen nicht bei der Lärmkartierung zu berücksichtigen. Eine freiwillige Ausweitung der Lärmkartierung auf örtlich bedeutsame Sport- und Freizeiteinrichtungen durch die zuständige Kartierungsbehörde ist damit rechtlich nicht ausgeschlossen. Die Lärmkartierungsverordnung ist wohl nicht in der Weise zu verstehen, dass sie jenseits der Konkretisierung der zwingenden Mindest-Kartierungsverpflichtungen zugleich ein bindendes Höchstmaß vorgäbe. Ferner fällt der Sport- und Freizeitlärm auch grundsätzlich unter den Begriff des Umgebungslärms. Allerdings ist die Kartierungsbehörde in diesem Fall bei der Datenerhebung auf sich selbst gestellt. Eine Inanspruchnahme privater Anlagenbetreiber scheidet wegen der Begrenzung der Mitwirkungspflicht des § 3 Abs. 1 S. 2 der 34. BImSchV auf die enumerierten Betreiber und Unternehmen „nach Satz 1“ schon mangels Eingriffsbefugnis aus. Lediglich bei anderen Behörden vorliegende Daten dürften auch in diesem Fall gemäß § 3 Abs. 3 der 34. BImSchV einholbar sein, da die Frage, welche Daten für die Lärmkartierung im Sinne der Vorschrift „erforderlich“ sind, prärogativ von der ersuchenden, nicht aber der ersuchten Behörde zu entscheiden ist, so dass auch Daten über Sport- und Freizeitanlagen abgefragt werden können. Als praktisches Vollzugshindernis dürfte sich allerdings erweisen, dass weder die Richtlinie noch das hierzu ergangene deutsche Recht angepasste Berechnungsverfahren zur Verfügung stellen.

IV. Keine Kartierung ruhiger Gebiete Keine Lärmkartierung findet ferner hinsichtlich der sog. „ruhigen Gebiete“ statt. Deren Einpassung in ein konsistentes System der Lärmkartierung und Lärmaktionsplanung erweist sich als besonders schwierig. Dies liegt schon an der grundlegenden Orientierung der Richtlinie an den Hauptlärmquellen, was die Kartierung anbelangt. Der Fokus liegt also auf der Betrachtung von Lärm-

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Vgl. hierzu Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47c BImSchG Rn. C 4. So auch Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47b BImSchG Rn. C 15; Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47a Rn. 20. 198

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5. Teil: Die Lärmkartierung

ereignissen, nicht von fehlenden Lärmereignissen; die Ruhe hat insoweit keine Dimension.199 Die Umgebungslärmrichtlinie unterscheidet zwei Kategorien ruhiger Gebiete, nämlich ruhige Gebiete auf dem Lande und ruhige Gebiete im Ballungsraum. Beide werden als schutzwürdige Gebiete in Art. 2 Abs. 1 RL genannt. Sie unterscheiden sich einerseits hinsichtlich der Maßstäbe für das Vorliegen eines ruhigen Charakters und andererseits hinsichtlich der rechtlichen Verpflichtungen, die sich aus der entsprechenden Einstufung ergeben. Ein ruhiges Gebiet auf dem Lande ist gemäß Art. 3 lit. m RL ein von der zuständigen Behörde festgelegtes Gebiet, das keinem Verkehrs-, Industrie- und Gewerbe- oder Freizeitlärm ausgesetzt ist. Verkehrslärm ist dabei als Oberbegriff für Straßen-, Schienen- und Luftverkehrslärm zu sehen. Ein solches ruhiges Gebiet dürfte einem Gebiet größtmöglicher Stille annähernd gleichkommen. Ein ruhiges Gebiet in einem Ballungsraum zeichnet sich indes gemäß Art. 3 lit. l RL nur als ein von der zuständigen Behörde festgelegtes Gebiet aus, in dem beispielsweise der Lden-Index oder ein anderer geeigneter Lärmindex für sämtliche Schallquellen einen bestimmten, von dem Mitgliedstaat festgelegten Wert nicht übersteigt. Stille ist hier nicht erforderlich, sondern lediglich die Einhaltung bestimmter Grenzwerte, die in Deutschland bislang für ruhige Gebiete nicht festgelegt wurden. Nach einem sehr bedenkenswerten Vorschlag von Petz sollte dabei der ruhige Charakter eines Gebiets stets in Relation zu seiner Umgebung beurteilt werden. Schließlich kann beispielsweise ein Naherholungsgebiet mitten in einem besonders verkehrsbelasteten Teil eines Ballungsraum immer noch eine „Ruheoase“ für die Anwohner darstellen, obwohl die Schallbelastung objektiv höher liegen mag als in anderen, weniger belasteten Gebieten des Ballungsraums. Petz schlägt insofern eine Schallpegeldifferenz von 10 db(A) vor, um von einem ruhigen Gebiet zu sprechen.200 Während der Schutz ruhiger Gebiete gemäß Art. 8 Abs. 1 lit. b RL Teil der Aktionsplanung für Ballungsräume sein soll, knüpfen sich an das Vorliegen eines ruhigen Gebietes auf dem Lande nach der Richtlinie an sich keine weiteren operativen Rechtspflichten (anders nach § 47d Abs. 2 S. 2 BImSchG).201 Für beide Kategorien ruhiger Gebiete ist jedoch in Art. 3 RL festgelegt, dass die jeweiligen Gebiete durch eine zuständige Behörde festgesetzt werden müs199 Treffend Feldmann, in: AKUR, Stenographisches Protokoll (2. Teil, Fn. 13), S. 41 f. 200 Petz, in: Bayer. Landtag, Anhörung (1. Teil, Fn. 210), S. 18. 201 So auch Krane, in: AKUR, Stenographisches Protokoll (2. Teil, Fn. 13), S. 20; laut Feldmann, ebd., S. 41, soll die geringe Ausprägung der Regelungen zu ruhigen Gebieten Folge einer Abschichtung ursprünglicher Wünsche der Kommission sein, die insofern nur noch rudimentär erhalten geblieben seien. Zu der anderweitigen Regelung des § 47d Abs. 2 S. 2 BImSchG siehe unten 6. Teil, B. III. 4., S. 274.

B. Die kartierungspflichtigen Gebiete im Einzelnen

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sen. Dies meint letztlich eine räumliche Abgrenzung eines bestimmten Teils der Erdoberfläche, die lärmschutzbezogen eigentlich nur aufgrund von Kartierungsergebnissen bzw. Evidenz-Abschätzungen möglich ist.202 Eine solche räumliche Abgrenzung findet zumindest im Rahmen der Lärmkartierung nicht statt. Noch weniger wird etwa eine Lärmbestandsaufnahme für denkbare ruhige Gebiete durch Kartierung getroffen, anhand derer sowohl die derzeitige Einstufung als ruhig als auch die künftige Verbesserung, Unverändertheit oder Verschlimmerung der Situation abgelesen werden könnte. Dieses soll nach der Richtlinie auch nicht gewollt sein.203 Der Gesetz- und Verordnungsgeber ist vielmehr der Auffassung gefolgt, dass ein ruhiges Gebiet stets dort sei, wo keine Lärmquellen kartiert würden. Dies ist jedoch für Gebiete auf dem Lande eine falsche Annahme. Denn dort findet lediglich eine „Korridor-Kartierung“ anhand der Hauptlärmquellen gemäß § 47b Nr. 3 bis 5 BImSchG statt; Hauptlärmquellen in diesem Sinne sind aber nur Hauptverkehrsstraßen, Haupteisenbahnstrecken oder Großflughäfen ab einem bestimmten Verkehrsaufkommen. Hieraus kann nicht geschlossen werden, dass das Gebiet keinerlei Verkehrslärm ausgesetzt wäre; noch weniger ist eine Aussage hinsichtlich der Belastung durch Industrie- und Gewerbelärm bzw. Freizeitlärm möglich, da ersterer nicht außerhalb von Ballungsräumen und letzterer gar nicht kartiert wird. Die europarechtlich gebotene Festsetzung der ruhigen Gebiete auf dem Lande steht somit noch aus. Für ruhige Gebiete im Ballungsraum ist die Gleichung, wonach sich das Vorliegen eines ruhigen Gebiets als „Negativ“ aus der Kartierung der belasteten Gebiete ergebe,204 ebenfalls nicht ohne weiteres zutreffend. Denn der noch nicht festgelegte Grenzwert für ein ruhiges Gebiet im Sinne des Art. 3 lit. l RL muss nicht identisch sein mit dem Schwellenwert, ab dem eine Kartierungsnotwendigkeit im Sinne der Eins-zu-eins-Umsetzung der Richtlinie besteht. Denn die Darstellung in den Lärmkarten für Ballungsräume muss nach den Mindestvorgaben aus Ziffer 5 des Anhangs IV i.V. m. Ziffern 1.5, 1.6 des Anhangs VI RL – und insoweit folgend auch nach den Festlegungen des § 4 Abs. 4 der 34. BImSchV – lediglich Lärmbelastungen ab Lden = 55 db(A) aufwärts bzw. Lnight = 50 db(A) ausweisen. Ein Schalldruckpegel von Leq(3) = 50 db(A) kann allerdings bereits Kommunikationsstörungen hervorrufen205 und es mithin fraglich erscheinen lassen, ob insofern von einem ruhigen Gebiet gesprochen werden kann. Eine endgültige Klärung dieser Frage ist erst ab Vorlage des entsprechenden Grenzwertes im Sinne des Art. 3 lit. l RL möglich. 202

Vgl. Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 49. Dieser Ansicht zumindest der zuständige Referatsleiter im BMU, Feldmann, in: AKUR, Stenographisches Protokoll (2. Teil, Fn. 13), S. 41 f. 204 So Wysk, in: Giesberts/Reinhardt, § 47c BImSchG Rn. 11. 205 SRU, Umweltgutachten 2002, BT-Drs. 14/8792, S. 276 (Tabelle 3.2.2-6). 203

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5. Teil: Die Lärmkartierung

Insofern ist aber zugleich aufgezeigt, dass die Umgebungslärmrichtlinie für den Bereich der ruhigen Gebiete unterkomplex ausgestaltet ist. Das gewünschte Ziel einer Festlegung ruhiger Gebiete durch die Mitgliedstaaten ist zumindest mit den seitens der Richtlinie zur Kartierung vorgesehenen Schalldruckpegeln von Lden = 55 db(A) bzw. Lnight = 50 db(A) nicht sinnvoll zu gewährleisten. Eine Erklärung hierfür mag in einer Rücknahme weitergehender Zielvorstellungen im Zuge der Richtlinienerarbeitung auf europäischer Ebene liegen.206 Eine Kartierung ruhiger Gebiete ist ungeachtet der obigen Erwägungen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz und der Lärmkartierungsverordnung im Ergebnis somit nicht vorgeschrieben.

V. Keine flächendeckende Kartierung Der deutsche Gesetz- und Verordnungsgeber hat sich für eine quellenorientierte Vorgehensweise entschieden, nach der die von lärmschutzrelevanten Anlagen (von Verkehrsanlagen bis zu einzelnen Industrieanlagen) ausgehenden Lärmbelastungen in ihrem Einwirkungsbereich erfasst und abgebildet werden. Durch die Auslesevorgänge bei der Auswahl der kartierungspflichtigen Quellen und den Verzicht auf die Kartierung ruhiger Gebiete ergibt sich somit, dass eine flächendeckende Kartierung weder außerhalb noch innerhalb der Ballungsräume stattfindet.207 Die Ansicht von Richard, dass in Ballungsräumen eine flächendeckende Lärmkarte Pflicht sei,208 ist unzutreffend; eine solche flächendeckende Kartierungspflicht kann den Rechtsvorschriften angesichts der lärmquellenorientierten Vorgehensweise nicht entnommen werden. Denn die Kartierung erfolgt gemäß § 4 Abs. 4 Nr. 1 der 34. BImSchV nur in Isophonenbändern ab mindestens Lden = 55 db(A) und Lnight = 50 db(A) bzw. optional allenfalls ab Lnight = 45 db(A). Eine Kartierung „bis auf Null“ ist also nicht vorgesehen. Davon gehen zu Recht auch die LAI-Hinweise zur Lärmkartierung aus. Dass danach in der Praxis keine flächendeckende Kartierung angestrebt wird, verdeutlicht das Beispiel des Straßenverkehrslärms: Zu kartieren sind Straßenverkehrsanlagen, die entweder aufgrund ihres Verkehrsaufkommens Hauptlärmquellen sind oder als sonstige Lärmquellen maßgeblichen Umgebungslärm hervorrufen. Welche Straßen als sonstige Lärmquellen in Betracht kommen, soll nach Nr. 2.2 der LAI-Hinweise zur Lärmkartierung auf der Grundlage eines Entfer206

So jedenfalls Feldmann, in: AKUR, Stenographisches Protokoll (2. Teil, Fn. 13),

S. 41. 207 Für die Hauptlärmquellenkartierung außerhalb der Ballungsräume Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47c Rn. 11; kritisch auch Richard, EU 1:1+x, Lärmbekämpfung 2007, 19 ff. (20). 208 Richard, EU 1:1+x, Lärmbekämpfung 2007, 19 ff. (19).

C. Anforderungen an Form und Inhalt der Lärmkarten

173

nungsmodells abgeschätzt werden (Anlage 1 zu den LAI-Hinweisen zur Lärmkartierung). Zunächst werden typische Fallgestaltungen hinsichtlich der DTV und der zulässigen Höchstgeschwindigkeit berechnet. Ausgehend hiervon wird für diese Straßentypen eine Entfernung ermittelt, ab der regelmäßig keine relevanten Schalldruckpegel mehr auftreten werden; zur Sicherheit erfolgt eine Berechnung für Lden = 53 db(A) statt 55 db(A) und Lnight = 48 db(A) statt 50 db(A). Nur die Bereiche innerhalb dieser Entfernungsradien um die jeweiligen Straßen werden kartiert. Es wird also in der Praxis ein Netz relevanter Einflussgebiete über den Ballungsraum gelegt; demzufolge sind zugleich „weiße Flecken“ zu erwarten, in denen nicht kartiert wird. Eine flächendeckende Kartierung ist von der Umgebungslärmrichtlinie auch nicht zwingend vorgeschrieben, wenngleich sie für die Aktionsplanung sinnvoll hätte sein können, um z. B. auch Verlagerungswirkungen bei der Aktionsplanung prognostizieren zu können.209 Der Verzicht auf eine nach der Richtlinie fakultativ mögliche flächendeckende Kartierung210 liegt somit im Gestaltungsermessen des Gesetzgebers, der hiervon im Interesse einer Eins-zu-eins-Umsetzung in europarechtskonformer Weise Abstand genommen hat.

C. Die Anforderungen an Form und Inhalt der Lärmkarten Die Lärmkartierung stellt letztlich ein in sich geschlossenes Verfahren dar. Aufgrund dieses prozeduralen Gesamtcharakters ist eine Unterscheidung nach formell-rechtlichen Anforderungen (im Sinne von Zuständigkeit, Form und Verfahren) und materiell-rechtlichen Anforderungen kaum möglich.211 Dies zeigt sich vor allem bei dem Versuch, Anforderungen an die formale Gestaltung der Lärmkarten von Anforderungen an die inhaltliche Aussagekraft zu trennen. Denn so sehr die inhaltlichen Anforderungen die nötige Form prägen, so sehr prägen die formalen Vorgaben der Umgebungslärmrichtlinie auch die inhaltliche Aussagekraft. Beispielsweise ist die Festlegung, die Lärmsituation durch Isophonenbänder in 5 db(A)-Stufen abzubilden, von ihrer Funktion her gleichermaßen formale Gestaltungsvorschrift als auch Inhaltsbestimmung. Dieser wechselseitigen Verschränkung trägt die folgende Darstellung Rechnung, indem

209 Eindringlich Heinrichs/Popp, Ruhe, Lärmbekämpfung 2008, 95 (96): Die Aktionsplanung für den Straßenverkehr solle grundsätzlich für zusammenhängende Netze durchgeführt, die Lärmkartierung daher ggf. nachverdichtet werden. 210 So auch Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47c Rn. 9; Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47c BImSchG Rn. B 2. 211 Ähnlich Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47c Rn. 21; zweifelhaft indes die Aufteilung bei Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47c BImSchG Rn. 8 ff.

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5. Teil: Die Lärmkartierung

Form und Inhalt der Lärmkarten in ihren jeweiligen Bezügen gemeinsam erläutert werden.212

I. Die Anforderungen im Überblick Auf einer strategischen Lärmkarte sollen gemäß § 47c Abs. 2 BImSchG i.V. m. Ziffer 1 des Anhangs IV RL Daten zu der aktuellen, früheren oder vorhersehbaren Lärmsituation in Form eines Lärmindexes, Daten zur Überschreitung eines Grenzwerts, Daten zur geschätzten Zahl von Wohnungen, Schulen und Krankenhäusern in einem bestimmten Gebiet, die bestimmten Werten eines Lärmindexes ausgesetzt sind, sowie Daten zur geschätzten Anzahl der Menschen in einem lärmbelasteten Gebiet dargestellt werden. Diese Mindestanforderungen werden durch den Anforderungskatalog des § 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 bis 8 der 34. BImSchV konkretisiert. Hiernach bestehen Lärmkarten aus einer graphischen Darstellung der Lärmsituation mit Isophonenbändern zu bestimmten Lden- bzw. Lnight-Werten (Nr. 1), einer graphischen Darstellung von Grenzwertüberschreitungen (Nr. 2), tabellarischen Angaben über die Bewohnerzahl im Einflussbereich mit Lärmindexwerten nach Nr. 1 (Nr. 3), einer allgemeinen Beschreibung der Hauptlärmquellen (Nr. 4), einer Beschreibung der Umgebung (Nr. 5), Angaben über Lärmaktionspläne und Lärmschutzprogramme (Nr. 6), einer tabellarischen Angabe über lärmbelastete Flächen und die geschätzte Zahl von Wohnungen, Schulen und Krankenhäusern in diesem Bereich (Nr. 7) sowie schließlich Angaben über die für die Lärmkartierung zuständigen Behörden (Nr. 8). Indem Lärmkarten nach dem Vorschriftenwortlaut aus den o. g. Angaben „bestehen“, sind diese Anforderungen als bindend einzustufen. Weitere Angaben sind gemäß § 4 Abs. 4 S. 2 der 34. BImSchV auf freiwilliger Basis zulässig.

II. Die Darstellungsformen, Verwendungszwecke und grundlegenden Formvorschriften Lärmkarten können nach den Mindestanforderungen aus § 47c Abs. 2 BImSchG i.V. m. Anhang IV RL sowie nach den Konkretisierungsvorschriften der Lärmkartierungsverordnung in mehrerlei Formen dargestellt werden (1.). Zumindest die Umgebungslärmrichtlinie verknüpft die Darstellung und den Informationsgehalt einzelner Lärmkarten obendrein mit dem konkreten Verwendungszweck der Karte (2.). Zwar gibt es nicht „die“ eine, einheitliche Lärm212 Zu Verfahren i. e. S. und Zuständigkeit vgl. ferner unten D., S. 202, bzw. E., S. 224.

C. Anforderungen an Form und Inhalt der Lärmkarten

175

karte, wie noch zu zeigen sein wird. Gleichwohl gibt es einige wesentliche grundlegende Formvorschriften, die bei der Erstellung von Lärmkarten jeglicher Art zu beachten sind (3.). 1. Die zulässigen Darstellungsformen in Lärmkarten Lärmkarten im Sinne der Umgebungslärmrichtlinie hat man sich mitnichten stets als graphische Darstellungen im Sinne eines Planwerkes ähnlich einer Landkarte vorzustellen. Vielmehr sind Lärmkarten als Graphik, als Zahlenangaben in Tabellen oder als Zahlenangaben in elektronischer Form denkbar (Art. 47c Abs. 2 BImSchG i.V. m. Ziffer 2 des Anhangs IV RL). In der Lärmkartierungsverordnung hat sich der Gesetzgeber für eine weitgehend graphische Darstellung der Lärmsituation einschließlich der Grenzwertüberschreitungen (§ 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 und 2 der 34. BImSchV), für eine tabellarische Darstellung der Betroffenenzahlen und der belasteten Flächen mit den zugehörigen Wohnungen, Schulen und Krankenhäusern (§ 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 und 7 der 34. BImSchV) sowie im Übrigen für eine textliche Darstellung hinsichtlich der Hauptlärmquellen, der jeweiligen Umgebung, der Angaben über durchgeführte und laufende Lärmaktionspläne und Lärmschutzprogramme wie auch hinsichtlich der zuständigen Behörden (§ 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 4, 5, 6 und 8 der 34. BImSchV) entschieden.213 Die gewählten Darstellungsformen entsprechen daher grundsätzlich den Vorgaben des Europarechts. Die Einführung graphischer Darstellungen der Lärmsituation kommt wegen der hiermit verbundenen Veranschaulichung der Ergebnisse vor allem dem Dialog mit dem Bürger zugute.214 2. Die Erstellung einheitlicher Lärmkarten trotz unterschiedlicher Verwendungszwecke Hingegen besteht insoweit eine eindeutige Abweichung von den Vorgaben der Umgebungslärmrichtlinie, als die Lärmkartierungsverordnung keine unterschiedlichen Typen von Lärmkarten unterscheidet. Aus dem Anforderungskatalog des § 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 bis 8 der 34. BImSchV ergibt sich im Prinzip ein einheitliches „Lärmkartenprofil“ mit identischen Merkmalen sämtlicher Lärmkarten. Im Unterschied hierzu sieht Ziffer 4 des Anhangs IV RL eine Differenzierung der Lärmkartenprofile je nach Verwendungszweck der jeweiligen Karte vor. Die Ausarbeitung strategischer Lärmkarten diene danach drei Zwecken: 213 214

So auch Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47c Rn. 65. Vgl. auch Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47c Rn. 64.

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5. Teil: Die Lärmkartierung

zum einen der Aufbereitung der an die Europäische Kommission zu meldenden Daten, zum zweiten der Erarbeitung einer Informationsquelle für die Bürger und zum dritten der Schaffung einer Grundlage für die Aktionsplanung. Für jeden dieser Zwecke bedürfe es einer anderen Art von strategischer Lärmkarte, legt Ziffer 4 des Anhangs IV RL ausdrücklich fest. Die Mindestanforderungen an Lärmkarten, mit deren Hilfe der Kommission Daten übermittelt werden sollen, sollen sich gemäß Ziffer 4 des Anhangs IV RL aus den Ziffern 1.5, 1.6, 2.5, 2.6 und 2.7 des Anhangs VI RL ergeben. Diese Ziffern betreffen vor allem die Betroffenenzahlen für bestimmte Ldenbzw. Lnight-Werte im Ballungsraum und in der Umgebung von Hauptlärmquellen (jeweils unter Berücksichtigung besonderer Schalldämmungen bzw. ruhiger Fassaden) sowie die entsprechende Gesamtfläche, Gesamtwohnungs- und Gesamtbewohnerzahl in diesen Gebieten. Gegenüber diesen Lärmkarten zu Händen der Kommission, die gleichsam den Grundtypus bilden, sollen die Lärmkarten zur Information der Bürger sowie zur Vorbereitung der Lärmaktionsplanung zusätzliche und ausführlichere Informationen beinhalten.215 Die nicht abschließende („zusätzliche und ausführlichere Informationen [. . .] wie [. . .]“)216 und mithin beispielhafte217 Aufzählung der Ziffer 6 des Anhangs IV RL nennt insbesondere eine graphische Darstellung, Karten mit Darstellung einer Grenzwertüberschreitung, Differenzkarten zum Vergleich der gegenwärtigen mit einer künftigen Lärmsituation sowie Karten zur Darstellung von Lärmpegeln auf einer anderen als der „genormten“ Berechnungshöhe von 4 m über dem Erdboden. Den Mitgliedstaaten wird ausdrücklich das Recht eingeräumt, Regeln für die Art und das Format dieser Karten für die Bürgerinformation und Aktionsplanungsvorbereitung aufzustellen. Entgegen der nachgerade „apodiktischen“ Forderung der Richtlinie, wonach es für jeden Verwendungszweck eines eigenen Kartentyps bedürfe, sehen die deutschen Kartierungsvorschriften ein einheitliches Lärmkartenprofil vor, das für sämtliche Verwendungszwecke geeignet sein soll und mithin eine Vollzugsvereinfachung mit sich bringt.218 Liegt hierin nun ein Verstoß gegen das Europarecht? Entscheidend ist zunächst, ob das Lärmkartenprofil diejenigen Anforderungen erfüllt, die nach der Richtlinie mindestens zu beachten sind.

215 Im Ergebnis gleichsinnig, wenngleich aus umgekehrter Perspektive Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47c Rn. 46, demzufolge die Karten für die Kommission „informationsärmer“ als die übrigen Karten sein sollen. 216 Hervorhebung durch den Verfasser. 217 So auch Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47c Rn. 46. 218 Vgl. hierzu Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47c Rn. 46 und 55: Ziel einer Vereinfachung ohne Verfälschung.

C. Anforderungen an Form und Inhalt der Lärmkarten

177

Jede Karte muss demnach die Informationen enthalten, die an die Kommission zu melden sind. Die hierfür erforderlichen Angaben gemäß Nr. 1.5, 1.6, 2.5, 2.6 und 2.7 des Anhangs VI RL werden in deutschen Lärmkarten gemäß § 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 1, Nr. 3 i.V. m. Abs. 5 und Nr. 7 der 34. BImSchV dargestellt und sind mithin enthalten.219 Zweifelhaft kann in diesem Zusammenhang allenfalls sein, ob der Gesetzund Verordnungsgeber a priori darauf verzichten durfte, Betroffenenzahlen in Gebäuden mit besonderer Schalldämmung oder in Wohnungen an ruhigen Fassaden zu übermitteln. Ziffer 1.5 und Ziffer 2.6 des Anhangs VI RL sehen für Ballungsräume bzw. die Umgebung von Hauptlärmquellen zumindest eine Meldung vor, wenn entsprechende Betroffenheiten vorliegen und Datenmaterial hierzu vorhanden ist. Der deutsche Gesetzgeber hat gleichsam die Nichtexistenz von Datenmaterial vorab fingiert. Dies dürfte jedoch im Rahmen des europarechtlich Zulässigen liegen. Denn die entsprechenden Passagen der Ziffern 1.5 und 2.6 des Anhangs VI RL sind insbesondere in der englischen Originalfassung der Richtlinie unzweifelhaft als bloße Soll-Vorschriften gekennzeichnet. Dies ergibt sich daraus, dass zwingende Vorschriften nach dem Einleitungssatz („The data to be sent to the Commission are as follows“) in Form bloßer Aufzählungen angeführt werden, die hier fraglichen Sätze indes abweichend mit den Worten „In addition it should be stated“ eingeführt werden. Allerdings entbehren auch Soll-Vorschriften nicht jeglichen normativen Gehalts; es erscheint daher angebracht, mit Schulze-Fielitz im Wege einer europarechtskonformen Auslegung die Übermittlung solcher Daten im Rahmen der freiwilligen Angaben zu fordern.220 Somit erfüllen die deutschen Lärmkarten grundsätzlich die Anforderungen an Kommissionskarten als Grundprofil der europäischen Lärmkarte. Darüber hinaus erfüllen die deutschen Lärmkarten auch die Anforderungen, die weitergehend an die Karten zum Zwecke der Öffentlichkeitsinformation bzw. zur Vorbereitung der Lärmaktionsplanung gestellt werden. Denn das deutsche Lärmkartenprofil sieht sowohl die graphische Darstellung der Lärmsituation als auch die graphische Darstellung von Grenzwertüberschreitungen vor. Aufgrund des beispielhaften Charakters der Aufzählung in Ziffer 6 des Anhangs IV RL ist ein Fehlen von Differenzkarten bzw. einer Pegelangabe in der nicht vorgeschriebenen abweichenden Höhe unschädlich. Weitere Informationen sind nach § 4 Abs. 4 S. 2 der 34. BImSchV überdies als freiwillige Darstellungen möglich. Unter dieser Einschränkung erfüllt das deutsche Lärmkartenprofil die Anforderungen der Richtlinie.221 219 220 221

Vgl. hierzu Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47c Rn. 55. Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47c Rn. 56. So im Ergebnis auch Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47c Rn. 60.

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5. Teil: Die Lärmkartierung

Ein Verstoß gegen die Richtlinie wegen der Vorhaltung einheitlicher Lärmkarten könnte somit allenfalls dann vorliegen, wenn hierdurch eine Überflutung der Kommission mit unerwünschten Zusatzinformationen einträte, die ihre Arbeit erheblich behinderte, oder die europaweite Vergleichbarkeit der Lärmkarten aufgrund der zusätzlichen Daten vereitelt wäre.222 Das könnte ein gemeinschaftsunfreundliches Verhalten der Bundesrepublik entgegen ihren Verpflichtungen aus Art. 10 EGV darstellen. Eine solche Beeinträchtigung der Kommissionsarbeit ist aber allein schon deshalb nicht zu befürchten, als sich die zusätzlichen Informationen im Wesentlichen auf die zusätzlichen graphischen Darstellungen beschränken; graphische Darstellungen sind indes nach Ziffer 1.7 des Anhangs VI RL fakultativ möglich, mithin dem Grunde nach zulässig. Auch die sonstigen Zusatzinformationen wie die Beschreibung der Umgebung der Hauptlärmquellen bzw. der Ballungsräume, die Angaben über laufende Lärmschutzprogramme und Aktionspläne oder die Angabe der zuständigen Behörden gemäß § 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 4, 5, 6 und 8 der 34. BImSchV können nicht zu einer Überforderung der Kommission führen. Denn diese Informationen sind samt und sonders ohnehin der Kommission zu übermitteln (vgl. Ziffern 1.1, 1.2, 1.3, 2.1, 2.2 und 2.3 des Anhangs VI RL). Insofern kann die Aufnahme solcher Daten auch nicht die europaweite Vergleichbarkeit der Lärmkarten beeinträchtigen.223 Wenn somit das deutsche Lärmkartenprofil einerseits sämtliche erforderlichen Informationen beinhaltet und andererseits nicht zu einer Informationsüberflutung der Kommission führt, ist die verbindliche Festlegung auf unterschiedliche Kartentypen je nach Verwendungszweck eine schlicht überflüssige „Förmelei“. Im Gegenteil ist die deutsche Kartengestaltung als gelungenes Beispiel einer rechtlich möglichen Vereinfachung der Vollzugspraxis zu begrüßen. Einen Verstoß gegen das Europarecht kann man hierin nicht sehen. Dies gilt umso mehr, als die Richtlinie selbst widersprüchlich ist. Wenn es möglich ist, durch einheitliche Regelung in Ziffer 6 des Anhangs IV RL inhaltlich ebenfalls einheitliche Kartenmindeststandards für wenigstens zwei Verwendungszwecke festzulegen,224 leuchtet schlechterdings nicht ein, weshalb für jeden Verwendungszweck eine gesonderte Kartenart erforderlich sein sollte. Die in der Lärmkartierungsverordnung vorgesehene Verwendung eines einheitlichen Kartenprofils unabhängig vom Verwendungszweck ist mithin als europarechtskonform zu bewerten.

222 223 224

Ähnlich Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47c Rn. 59. Vgl. Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47c Rn. 57 und 59. Vgl. auch Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47c Rn. 46.

C. Anforderungen an Form und Inhalt der Lärmkarten

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3. Grundlegende Formvorschriften Einige grundlegende Formvorschriften sind bei der Erstellung jedweder Lärmkarte zu beachten. Dies betrifft insbesondere die Georeferenzierung und die elektronische Erstellung der Karten. Weitere Vorgaben hinsichtlich der Separierung nach Lärmarten, der Darstellung der Isophonenbänder oder der Veröffentlichung der Karten werden daselbst behandelt.225 a) Die Georeferenzierung der Lärmkarten Gemäß § 4 Abs. 3 S. 1 der 34. BImSchV müssen die Lärmkarten georeferenziert sein. Dies bedeutet eine dreidimensionale Erfassung und Darstellung der örtlichen Begebenheiten, was für die Ausbreitungsrechnung bei Schallimmissionen von Bedeutung ist.226 Zu diesem Zweck stellt das Bundesamt für Kartographie und Geodäsie den Kartierungsbehörden aufgrund ausdrücklicher Anordnung in § 5 Abs. 4 S. 1 der 34. BImSchV zentral das Digitale Geländemodell für Deutschland (DGM-D) zur Verfügung. Das DGM-D erfasst Deutschland derzeit flächendeckend in Gitterweiten von 25 m sowie 50 m bei einer Höhengenauigkeit von 1 m bis 3 m und wird vom Bundesamt gemeinsam mit den Landesvermessungsämtern laufend fortgeführt. Ein wesentlicher Anwendungsbereich ist der Hochwasserschutz, wofür Gitterweiten kleiner 5 m und eine Höhengenauigkeit von ungefähr 25 cm angestrebt werden.227 Eine ergänzende Verwendung von detaillierteren geographischen Daten, die teilweise bei den Bundesländern vorliegen sollen, ist gemäß § 5 Abs. 4 S. 2 der 34. BImSchV zulässig. Dieses empfiehlt auch Nr. 6.2 der LAI-Hinweise zur Lärmkartierung, um zusätzlich lokale Geländeinformationen mit Bedeutung für die Schallausbreitung berücksichtigen zu können. b) Die digitale Erarbeitung von Lärmkarten Die Lärmkarten sind sind alle Daten in einer ermöglicht (§ 4 Abs. 3 insbesondere auch dem

225

in elektronischer Form zu erstellen. Dementsprechend Form vorzuhalten, die eine digitale Weiterverarbeitung S. 2 und S. 3, 1. Hs. der 34. BImSchV). Dies dient leichteren und kostengünstigeren Datenaustausch zwi-

Siehe unten C. III., S. 181; C. IV., S. 190; D. IV., S. 222. Vgl. hierzu auch Wysk, in: Giesberts/Reinhardt, § 47c BImSchG Rn. 22c. 227 Bundesamt für Kartographie und Geodäsie, DGM-Deutschland, http://www.bkg. bund.de/nn_147352/DE/Bundesamt/Geoinformationswesen/GI__Entwicklung/DGMDeutschland/DGM-Deutschland__node.html (11.08.2007); Giering/Fischer-Stabel/ Gillé, Lärmkartierung Rheinland-Pfalz, Lärmbekämpfung 2007, 96 (97). 226

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5. Teil: Die Lärmkartierung

schen beteiligten Behörden und der leichteren Datenübermittlung an die Kommission.228 Eine digitale Verarbeitung ist insofern naheliegend, als ohnehin sämtliche wesentlichen Parameter errechnet werden und als Ergebnis von Datenverarbeitungsprozessen vorliegen. Unabhängig davon muss jedoch sichergestellt sein, dass die Karten auch in körperlicher Form herstellbar sind (§ 4 Abs. 3 S. 3, 2. Hs. der 34. BImSchV). Dies erscheint insbesondere für die Einsichtnahme durch Bürger auf Ämtern zweckmäßig, dürfte allerdings gleichwohl eher eine Selbstverständlichkeit darstellen. c) Die Erstellung von Lärmkarten zur Verwendung auf lokaler oder landesweiter Ebene Zu beachten ist schließlich gemäß § 47c Abs. 2 BImSchG i.V. m. Ziffer 7 des Anhangs IV RL, dass strategische Lärmkarten mit Darstellungen gemäß Anhang VI RL zur lokalen oder landesweiten Verwendung erstellt werden. „Landesweit“ bezieht sich im Rahmen des europäischen Sprachgebrauchs auf die gesamte mitgliedstaatliche Ebene, in Deutschland also auf die gesamte Bundesrepublik. Hieraus lässt sich schließen, dass eine Lärmkartierung bis hinauf auf die Bundesebene jedenfalls technisch möglich sein muss. Zwingend vorgeschrieben ist dies nicht. Insbesondere lässt sich der Umgebungslärmrichtlinie nicht entnehmen, dass die Meldung der Bundesregierung an die Europäische Kommission in Gestalt einer das gesamte Bundesgebiet erfassenden Lärmkarte erfolgen müsste. Somit kann die Bundesrepublik ihren Mitteilungsverpflichtungen grundsätzlich auch durch die Vorlage kleinteiligerer Lärmkarten auf regionaler Ebene genügen, also etwa insbesondere mit Lärmkarten der Bundesländer, oder sogar mit Lärmkarten der lokalen Ebene, die z. B. nur den jeweiligen Ballungsraum erfassen. Dies ergibt sich auch daraus, dass die Vorschriften des Anhangs VI RL die Übermittlung von Angaben vorsehen, die kleinteiligerer Natur sind. So ist beispielsweise in Ziffer 1.1 („Beschreibung des Ballungsraums“)229 i.V. m. Ziffer 1.5 des Anhangs VI RL die Übermittlung von Daten zu einzelnen Ballungsräumen angelegt, nicht indes die Übermittlung einer Gesamtsumme von Bewohnern für sämtliche Ballungsräume der Bundesrepublik. Auch bei den Hauptlärmquellen außerhalb der Ballungsräume wird auf lokale Größenordnungen abgestellt, wie Ziffer 2.2 des Anhangs VI RL zeigt: Hier wird auf eine Umgebungsbeschrei-

228 229

So auch Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47c Rn. 64. Hervorhebung durch den Verfasser.

C. Anforderungen an Form und Inhalt der Lärmkarten

181

bung einer konkreten Hauptlärmquelle Wert gelegt, die im Rahmen einer bundesweiten Lärmkarte kaum erfolgen könnte. Unabhängig davon erscheint eine Zusammenfassung zumindest der Daten zu Betroffenenzahlen im Bundesgebiet natürlich sinnvoll, um eine Abschätzung der Problemlast für die deutsche Bevölkerung vornehmen zu können. Sie ist nur nicht rechtlich geboten.

III. Die Abbildung der Lärmsituation und der Überschreitung von Grenzwerten Ein wesentlicher inhaltlicher Bestandteil der Lärmkarten ist die Abbildung der Lärmsituation sowie der Überschreitung relevanter Grenzwerte. Hierzu bedient sich die Umgebungslärmrichtlinie neuer europaweit angeglichener Lärmindizes und angeglichener Berechnungsverfahren. 1. Die Darstellung in Isophonenbändern Der deutsche Gesetz- und Verordnungsgeber hat sich im Wesentlichen für eine graphische Darstellung der Lärmsituation in sog. Isophonenbändern entschieden (§ 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 der 34. BImSchV). Dies bedeutet eine Abbildung der Lärmbelastung mit bestimmten Schalldruckpegeln durch Einfärbung der jeweiligen betroffenen Bereiche in einem Kartenwerk, wie sie in Deutschland bereits im Rahmen der Lärmminderungsplanung nach § 47a BImSchG a. F. üblich war.230 Das maßgebliche Farbschema ist gemäß § 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 der 34. BImSchV ebenfalls wie bisher der DIN 18005 – Teil 2, Ausgabe September 1991, zu entnehmen. Abzubilden sind Isophonenbänder in 5 db(A)-Schritten von Lden = 55 db(A) bis 75 db(A) sowie darüber bzw. von Lnight = 50 db(A) bis 70 db(A) sowie darüber. Diese Abstufung trägt dem höheren Ruhebedürfnis während der Nachtstunden Rechnung; optional kann deshalb sogar eine Darstellung des Bereichs von Lnight = 45 db(A) bis 50 db(A) erfolgen. Mithin erfolgt keine Kartierung des Lärms „bis auf Null“. Auch dies ist mitursächlich, dass es weder eine flächendeckende Kartierung noch eine Kartierung ruhiger Gebiete geben wird. Der gewählte Teilausschnitt der denkbaren Pegelwerte ist auch maßgeblich dafür, dass Wohn- und Spielstraßen als relevante Lärmquellen regelmäßig nicht in Frage kommen werden, sondern eine Kartierung ihren Bereich allenfalls dann erfassen wird, wenn diese Straßen – in regelmäßig baugebietsuntypischer Weise – bedeutenden Lärmeinflüssen ausge230 Wysk, in: Giesberts/Reinhardt, § 47c BImSchG Rn. 1; vgl. zur Lärmminderungsplanung alter Prägung oben 1. Teil, B. VI., S. 52.

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5. Teil: Die Lärmkartierung

setzt sind.231 Keinesfalls jedoch führt schon die Einstufung als Wohn- oder Spielstraße selbst zu einer Kartierungsfreiheit.232 Für die flächenmäßige Darstellung der Lärmbelastung ist dabei gemäß § 5 Abs. 3 S. 3 der 34. BImSchV ein Raster von höchstens 50 m mal 50 m zu wählen. Nr. 6.7 LAI-Hinweise zur Lärmkartierung empfiehlt indes ein Raster von 10 m mal 10 m, um die geforderte Isophonendarstellung im Nahbereich von Lärmquellen richtig abbilden zu können. 2. Die Verwendung einheitlicher Indizes Im Sinne einer europaweiten Vergleichbarkeit gibt die Umgebungslärmrichtlinie erstmals einheitliche Lärmindizes vor, also definierte Beurteilungspegel, die für Zwecke der Lärmkartierung in der Bundesrepublik Deutschland in § 2 der 34. BImSchV rechtsverbindlich vorgeschrieben werden (a).233 Entgegen Wysk bedurfte es auch einer „Verbindlichmachung im nationalen Recht“, da etwa im Hinblick auf die maßgeblichen Uhrzeiten für Tagesabschnitte Abweichungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten bestehen (vgl. Art. 5 i.V. m. Anhang I Ziffer 1 RL).234 Einheitliche Geräuschdeskriptoren lassen aber nur dann einen europaweiten Vergleich zu, wenn auch die Bewertungskriterien vereinheitlicht werden (b). a) Die Indizes Lden und Lnight Die in § 2 der 34. BImSchV vorgeschriebenen Lärmindizes Lden und Lnight sind jeweils A-bewertete Dauerschallpegel nach ISO 1996-2: 1987, wobei der maßgebliche Beurteilungszeitraum ein Jahr beträgt; es handelt sich also um Langzeitbeurteilungspegel (vgl. Anhang I Ziffer 1 RL einerseits, § 2 Abs. 1 der 34. BImSchV andererseits). Das Beurteilungsjahr soll dabei gemäß § 2 Abs. 1 S. 2 der 34. BImSchV einerseits das für die Schallemission ausschlaggebende Kalenderjahr (vgl. die Vorjahresbezugspflicht des § 47c Abs. 1 BImSchG) sein, zugleich aber ein hinsichtlich der Witterungsbedingungen durchschnittliches Kalenderjahr. Ob und welche Korrekturen dieser Witterungsbezug bei der Berechnung möglicherweise auslöst, muss sich in der Vollzugspraxis zeigen. Somit sind beispielsweise für Lnight sämtliche Nachtwerte eines Jahres zu ermitteln. 231 232 233 234

Vgl. Feldmann, Wandel im Lärmschutz, ZUR 2005, 352 (355). Missverständlich Wysk, in: Giesberts/Reinhardt, § 47c BImSchG Rn. 12. Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47c Rn. 32. Wysk, in: Giesberts/Reinhardt, § 47c BImSchG Rn. 6.

C. Anforderungen an Form und Inhalt der Lärmkarten

183

Der Index Lden wiederum ergibt sich als Lday-evening-night als zusammengesetzter Beurteilungspegel aus den Einzelindizes Lday, Levening und Lnight, die zueinander im Verhältnis des zeitlichen Anteils am Gesamttag einerseits und nach der unterschiedlichen generellen Ruhebedürftigkeit andererseits gewichtet werden. Hieraus ergibt sich folgende Formel: Lden

1 ˆ 10 lg 24

 Lday Lnight ‡10  Levening ‡5 10 10 ‡ 4  10 ‡ 8  10 10 12  10

Die maßgeblichen Zeitscheiben für die Einzelpegel werden in § 2 Abs. 1 der 34. BImSchV auf 12 Stunden für Lday, beginnend um 6 Uhr, auf 4 Stunden für Levening, beginnend um 18 Uhr, sowie 8 Stunden für Lnight, beginnend um 22 Uhr, festgelegt. Diese Regelung unterscheidet sich zwar nicht hinsichtlich der zeitlichen Gewichtung der Tageszeiten zueinander von den Vorgaben des Anhangs I Ziffer 1 RL, wohl aber hinsichtlich des Beginns der jeweiligen Tageszeit; die Richtlinie hatte als Standarduhrzeiten 7–19 Uhr, 19–23 Uhr und 23–7 Uhr vorgeschlagen.235 Diese Offenheit der Richtlinie ermöglicht die Berücksichtigung unterschiedlicher Lebensgewohnheiten in den Mitgliedstaaten.236 Die Verwendung zusätzlicher Lärmindizes etwa zur Berücksichtigung einer besonderen Impulsartigkeit der Schallereignisse ist nach Anhang I Ziffer 3 RL zulässig. b) Die vorläufigen Berechnungsverfahren Allerdings existieren bislang keine europaweit einheitlichen Bewertungsverfahren für die Messung oder Berechnung der jeweiligen Beurteilungspegel. Solche sollen gemäß Art. 6 Abs. 2 RL von der Kommission im Wege einer Überprüfung des Anhangs II RL noch festgelegt werden. Bis dahin sind vorläufige Berechnungsverfahren zu verwenden. In Anhang II Ziffer 2.2 RL werden für die jeweiligen Lärmarten passende Berechnungsmethoden einzelner Mitgliedstaaten zur vorläufigen Verwendung empfohlen, wobei diese jeweils an die Definition von Lden und Lnight anzupassen sind (Anhang II Ziffer 2.2 a. E. RL). Die Richtlinie räumt den Mitgliedstaaten aber auch die Möglichkeit ein, bestehende nationale Bewertungsverfahren auch für die Zwecke der Lärmkartierung zu verwenden, sofern diese vergleichbare Ergebnisse liefern können. Die nationalen Methoden sind ebenfalls entsprechend anzupassen (Anhang II Ziffer 3 RL). 235

Insofern unzutreffend Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47c BImSchG Rn. C 2. Vgl. die Forderung von Fickert, Umgebungslärmrichtlinie, DVBl. 2004, 1253 (1258), nach der Berücksichtigung des jeweils unterschiedlichen „Volkscharakters“ hinsichtlich der Lärmtoleranz. 236

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5. Teil: Die Lärmkartierung

Die Bundesrepublik Deutschland hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, ihre angestammten nationalen Bewertungsmethoden auch für die Lärmkartierung zu nutzen. Hierzu sind auf Grundlage des § 5 Abs. 1 S. 2 der 34. BImSchV angepasste vorläufige Bewertungsverfahren für Straßen-, Schienen-, Flug- sowie Industrie- und Gewerbelärm erlassen worden. aa) Die verfassungswidrige Festlegung der Berechnungsverfahren Erstaunlich ist, dass bislang offenbar als einziger Autor Schulze-Fielitz auf einen gravierenden Fehler des Verordnungsgebers hingewiesen hat: § 5 Abs. 1 der 34. BImSchV ist wegen Verstoßes gegen Art. 80 GG verfassungswidrig.237 Der Grund hierfür ist, dass § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bis 3 der 34. BImSchV die Festlegung der erforderlichen Berechnungsverfahren an das BMVBS (Nr. 1), an das BMU (Nr. 3) bzw. an beide Ministerien im Einvernehmen weiterdelegiert, ohne dass die Delegation durch die Verordnungsermächtigung des § 47f BImSchG gedeckt wäre. § 47f Abs. 1 und 2 BImSchG ermächtigt nämlich jeweils nur die Bundesregierung als Kollegialorgan zum Erlass von Rechtsverordnungen im Zusammenhang mit der Umgebungslärmbekämpfung. Gemäß Art. 80 Abs. 1 S. 1 GG sind zwar neben der Bundesregierung auch einzelne Bundesminister als Ermächtigungsadressaten denkbar. Eine Ermächtigung kann durch Rechtsverordnung auch auf andere Adressaten weiter übertragen werden.238 Jedoch setzt dies nach Art. 80 Abs. 1 S. 4 GG voraus, dass die Übertragungsmöglichkeit schon durch Gesetz vorgesehen ist. Daran fehlt es vorliegend. § 5 Abs. 1 S. 2 der 34. BImSchV ist somit verfassungswidrig und in der Folge nichtig. Es ist dabei erstaunlich, dass dieser evidente Fehler offenbar im Verordnungsverfahren unbemerkt blieb. Womöglich wurde die Entscheidung über derart „kleinteilige“ Fragen von der Politik unter Zeitdruck und aus durchaus nachvollziehbarer Überlegung239 schlicht auf die Fachverwaltung abgeschoben. Jedenfalls handelt es sich bei diesem Verfassungsverstoß um einen weiteren Beleg, mit welch „heißer Nadel“ die Umsetzungsakte zur Umgebungslärmrichtlinie gestrickt wurden. 237

Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47c Rn. 7. Jarass, in: H. Jarass/B. Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, 9. Aufl. 2007, Art. 80 Rn. 19; Bryde, in: I. v. Münch/P. Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Band 3, 5. Aufl. 2003, Art. 80 Rn. 25; Mann, in: M. Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 5. Aufl. 2009, Art. 80 Rn. 33; Bauer, in: H. Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, Band II, 2. Aufl. 2006, Art. 80 Rn. 38. 239 Nicht unzweckmäßig findet auch Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47c Rn. 7, die Übertragung auf die Ministerien. 238

C. Anforderungen an Form und Inhalt der Lärmkarten

185

Die Nichtigkeit der Rechtsnorm ändert nichts an ihrer Heranziehung in der Praxis. Bereits im Zusammenhang mit § 4 Abs. 1 der 34. BImSchV wurde dargelegt, dass der Verwaltung ein inzidentes Normverwerfungsrecht nicht zusteht. Mithin ist die Verwaltung gehalten, die verfassungswidrige Norm gleichwohl anzuwenden. Indes ist der Verordnungsgeber aufgerufen, die Verfassungswidrigkeit des § 5 Abs. 1 der 34. BImSchV zu beseitigen. Denkbar wäre z. B. ein Erlass der vorläufigen Berechnungsverfahren als Rechtsverordnung der Bundesregierung. bb) Die Berechnungsverfahren im Einzelnen Entsprechend der (verfassungswidrigen) Vorgabe aus § 5 Abs. 1 der 34. BImSchV haben die betroffenen Bundesministerien vorläufige Berechnungsverfahren erarbeitet und im Bundesanzeiger bekanntgemacht.240 Es handelt sich dabei um die Vorläufigen Berechnungsmethoden für den Umgebungslärm an Straßen (VBUS), an Schienenwegen (VBUSch), an Flugplätzen (VBUF) bzw. durch Industrie und Gewerbe (VBUI), jeweils vom 22.05.2006. (1) Die VBUS Die Vorläufige Berechnungsmethode für den Umgebungslärm an Straßen (VBUS) lehnt sich an die bisherigen Richtlinien für den Lärmschutz an Straßen (RLS-90)241 an.242 Allerdings ergeben sich hier z. B. Unterschiede bei der Festlegung der Abendzeiten, der Berücksichtigung von Kreuzungszuschlägen und Parkflächen, der Abgrenzung von Pkw und Lkw sowie der Berechnung der Dämpfung durch Abschirmung.243 (2) Die VBUSch Die Vorläufige Berechnungsmethode für den Umgebungslärm an Schienenwegen (VBUSch) findet ihre Grundlage in der bisherigen Methode Schall 03. Ihr Anwendungsbereich erstreckt sich auf alle Schienenwege nach dem AEG, allerdings auch auf solche nach dem PBefG.244 Ein Vergleich der Anforderungen der Schall 03 mit den Anforderungen der VBUSch ergibt gravierende Un240

Bundesanzeiger Nr. 154a (Beilage) vom 17.08.2006. VkBl. 1990 S. 258. 242 LAI-Hinweise zur Lärmkartierung Nr. 2. 243 W. Bartolomaeus/L. Schade, VBUS und RLS-90, Worin unterscheidet sich die „Vorläufige Berechnungsmethode für den Umgebungslärm an Straßen (VBUS)“ von den „Richtlinien für den Lärmschutz an Straßen (RLS-90)“?, ZfL 2006, 115 ff. (115 f.); Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47c Rn. 39. 244 LAI-Hinweise zur Lärmkartierung Nr. 3. 241

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5. Teil: Die Lärmkartierung

terschiede, die letztlich zu einer Unvergleichbarkeit der Rechenergebnisse führen. So wird etwa der Schienenbonus, der im Rahmen der Schall 03 die angebliche geringere Belästigungswirkung von Schienenlärm im Vergleich zu anderen Lärmarten mit 3 db(A) belohnt, im Rahmen der VBUSch nicht berücksichtigt. Die stärkere Bewertung der Ruhezeiten am Abend und in der Nacht im Rahmen des zusammengesetzten Lärmindexes Lden kennt nur die VBUSch. Aus der Anpassung der Schall 03 an die niederländische Referenzmethode folgen indes die Berücksichtigung eines 2 db(A)-Zuschlags für Betonschwellen auch für Holzschwellen und die Einführung eines Emissionspegels für aerodynamische Geräusche in 4,5 m Höhe ab einer Fahrgeschwindigkeit von 200 km/h.245 (3) Die VBUF Für den Flugverkehr gilt fortan die Vorläufige Berechnungsmethode für den Umgebungslärm an Flugplätzen, die aus einem Datenerfassungssystem (VBUFDES) und einer Anleitung zur Berechnung (VBUF-AzB) besteht, die sich wiederum an die bisherigen Vorschriften für das Datenerfassungssystem für die Ermittlung von Lärmschutzbereichen an zivilen Flugplätzen (DES) bzw. die Anleitung zur Berechnung von Lärmschutzbereichen an zivilen und militärischen Flugplätzen (AzB) anlehnen.246 Besondere Beachtung verdient im Zusammenhang mit der VBUF, was genau als „Fluglärm“ im Sinne der Umgebungslärmrichtlinie und der Umsetzungsvorschriften zu erfassen und zu berechnen ist. Die Frage ist, ob als Fluglärm die Geräusche des Flughafens als Anlage, diese und zusätzlich die Geräusche von Flugbewegungen oder nur letztere maßgeblich sein sollen. Grundlage dieser Zweifelsfrage ist die Formulierung des Anhangs IV Ziffer 3 RL, wonach in Ballungsräumen insbesondere der Lärm von „Flughäfen“ (englisch: „airports“) darzustellen ist. Dies könnte dafür sprechen, nur die Geräusche „innerhalb des Zauns“247 zu berücksichtigen, die gemeinhin als „Bodenlärm“ bezeichnet werden: Triebwerksprobeläufe, das Rollen im Bereich der Flugsteige und zur Start- und Landebahn, Bewegungen von Straßenfahrzeugen (Tankfahrzeuge, Busse) auf dem Flugplatzgelände u. ä.248 Weder kann jedoch davon ausgegangen werden, dass die Umgebungslärmrichtlinie angesichts der Sprachenvielfalt der Gemeinschaft bis ins letzte Detail sprachlich die Unterscheidungen des deutschen Anlagenzulassungsrechts nach245 Siehe zum Ganzen Fleckenstein/Vogt, Maßnahmen der Deutschen Bahn AG, Lärmbekämpfung 2007, 24 (26). 246 LAI-Hinweise zur Lärmkartierung Nr. 4. 247 Repkewitz, Probleme, VBlBW 2006, 409 (413). 248 Beispiele entnommen aus LAI-Hinweisen zur Lärmkartierung Nr. 4.

C. Anforderungen an Form und Inhalt der Lärmkarten

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vollzöge,249 noch ist der Wortlaut der Richtlinie diesbezüglich eindeutig nur auf „Flugplätze“ beschränkt. Im Gegenteil: Die Begriffsbestimmung des Art. 3 lit. a RL spricht von Lärm, der von „Flugverkehr“ (englisch: „air traffic“) ausgeht. Art. 5 Abs. 4 RL befasst sich mit Grenzwerten für „Fluglärm im Umfeld von Flughäfen“ (englisch: „aircraft noise around airports“). Anhang I Ziffer 3 RL nennt als Anwendungsfall für besondere Indizes beispielhaft den Lärm „eines vorbeifliegenden Flugzeugs“. Bei den empfohlenen Berechnungsmethoden wird gemäß Anhang II Ziffer 2.2 RL von „Fluglärm“ sowie den Varianten „zur Modellierung von Flugwegen“ gesprochen. Auch die Begründung des Richtlinienentwurfs schließlich geht hinsichtlich des Geltungsbereichs von einer Konzentration auf „Fluglärm im Umfeld von Flughäfen“ aus.250 Im Ergebnis hat die Richtlinie also mitnichten allein den Bodenlärm des Flugplatzes selbst im Auge. Es geht vielmehr ausdrücklich auch um den Fluglärm, der mit dem Flugplatz verbunden ist. Daher ist es zweckmäßig, die Lärmkartierung auch auf den Lärm der An- und Abflugrouten des Flugplatzes zu erstrecken, mangels Flughafenbezugs indes nicht auf die übrigen Flugrouten.251 Unabhängig davon ist nicht ersichtlich, weshalb der Bodenlärm der Anlage selbst ausgeschlossen bleiben soll. So ist aber nach der VBUF zu verfahren.252 Der Grund hierfür liegt vermutlich schlicht in einer Fortführung der bisherigen Praxis. Dies ist als Konkretisierungsentscheidung grundsätzlich hinzunehmen. Auch hier gilt allerdings die Maßgabe, für relevante Lärmereignisse im Wege einer europarechtskonformen Auslegung die Aufnahme der Daten als zusätzliche Angaben der Lärmkarte im Sinne des § 4 Abs. 4 S. 2 der 34. BImSchV zu verlangen. (4) Die VBUI Für Industrie- und Gewerbelärm schließlich ist die VBUI anzuwenden, die ihrerseits auf der angepassten TA Lärm beruht. Die LAI-Hinweise zur Lärmkartierung empfehlen für die Ermittlung relevanter IVU-Anlagen eine gestufte Vorgehensweise. Durch Abgleich der bei den Genehmigungsbehörden vorliegenden Erkenntnisse sollten zunächst Anlagen ausgeschieden werden, bei denen die relevanten Lärmwerte nicht erreicht werden (LAI-Hinweise zur Lärmkartierung Nr. 5.1). Für die übrigen Anlagen ist eine Emissionsmodellierung vorzunehmen, 249

Repkewitz, Probleme, VBlBW 2006, 409 (413) mit Fn. 56. Begründung, KOM(2000) 468endg, S. 3 (Nr. 2). 251 Im Ergebnis ebenso U. Repkewitz, Festlegung von Flugrouten – Materielle und formelle Anforderungen, Rechtsschutz, VBlBW 2005, 1 ff. (6); ders., Probleme, VBlBW 2006, 409 (413). Vgl. auch Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47c Rn. 29; Wysk, in: Giesberts/Reinhardt, § 47c BImSchG Rn. 16; für den Einbezug der An- und Abflugwege auch Fickert, Einfluss, BauR 2006, 920 (934). 252 LAI-Hinweise zur Lärmkartierung Nr. 4. 250

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5. Teil: Die Lärmkartierung

bei denen Zuschläge nach der TA Lärm bzw. Abschläge nach Nr. 6.9 der TA Lärm unberücksichtigt bleiben (LAI-Hinweise zur Lärmkartierung Nr. 5.2). (5) Die Vergleichbarkeit der Rechenergebnisse Insgesamt lässt sich somit feststellen, dass die nationalen Bewertungsmethoden teils erhebliche Veränderungen erfahren haben.253 Die europaweite angenäherte Vergleichbarkeit ist somit erkauft durch eine Unterteilung von Lärmindizes für die Umgebungslärmbekämpfung bzw. für die akustische Planung. Diese Werte sind nicht mehr unmittelbar miteinander vergleichbar.254 In der Vollzugspraxis wird sich deshalb herausstellen müssen, wie groß der Anwendungsnutzen der neuen Methoden ist und ob ggf. bei der Vorhabenplanung zum Abgleich mit den Vorgaben der Lärmaktionsplanung doppelte Berechnungen vorgenommen werden müssen. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls in einer ersten Entscheidung bereits festgehalten, dass sich aus § 47a ff. BImSchG nicht ergebe, dass die in der 34. BImSchV definierten Lärmindizes auch in einem Verfahren zur Vorhabenzulassung für die Beurteilung der Lärmauswirkungen des Vorhabens zu benutzen seien.255 3. Die zur Darstellung ausgewählten Grenzwerte Gemäß § 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 der 34. BImSchV enthalten Lärmkarten eine graphische Darstellung der Überschreitung eines Wertes, bei dessen Überschreitung Lärmschutzmaßnahmen in Erwägung gezogen oder eingeführt werden. Diese Formulierung gibt fast wörtlich die Begriffsbestimmung für „Grenzwerte“ im Sinne des Art. 3 lit. s RL wieder, die der Kommission gemäß Art. 5 Abs. 4 RL ausgedrückt in Lden bzw. Lnight mitzuteilen sind. In diesem Zusammenhang muss man sich erstens unbedingt das selbständige Begriffsverständnis des Gemeinschaftsrechts vor Augen führen. Der Begriff des „Grenzwertes“ im Sinne der Umgebungslärmrichtlinie unterscheidet sich erheblich von der im deutschen immissionsschutzrechtlichen Sprachgebrauch geprägten Bedeutung eines „Immissionsgrenzwertes“, der nicht überschritten werden darf oder im Gegensatz zu „Immissionsrichtwerten“ zu sehen ist.256 Das gemeinschaftsrechtliche Begriffsverständnis ist weiter gefasst. Gemeint ist jeder 253

Wysk, in: Giesberts/Reinhardt, § 47c BImSchG Rn. 9.1. Ähnlich Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47c Rn. 39. 255 BVerwG, 4 B 43/07 vom 14.05.2008, Juris, Rn. 5. 256 Zu den rechtssprachlichen Gepflogenheiten vgl. auch die Parallelproblematik in Österreich, wo nunmehr zwischen „Grenzwerten“ und „Schwellwerten für Aktionsplanung“ als Grenzwerten im Sinne der Richtlinie unterschieden werden soll: W. Talasch/ C. Lechner, Ansätze zur Bewältigung der technischen Problemstellungen zur Umsetzung der Umgebungslärmrichtlinie in Österreich, Lärmbekämpfung 2007, 16 ff. (17). 254

C. Anforderungen an Form und Inhalt der Lärmkarten

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Wert, dem im Regelungsprogramm des Mitgliedstaates irgendeine lärmschutzrechtliche Relevanz zukommt; die Mitgliedstaaten sind gänzlich frei in der Festlegung ihrer Grenzwerte nach Art. 3 lit. s RL. Hierin kommt auch eine Rücksichtnahme auf die Verantwortungsbereiche der Mitgliedstaaten zum Ausdruck.257 Zweitens hat man sich insbesondere zu vergegenwärtigen, dass wegen der weitgefassten Begriffsbildung nicht etwa nur die Auslösewerte für die Lärmaktionsplanung vom Begriff der Grenzwerte nach Art. 3 lit. s RL erfasst werden. Dies wird gerade in der deutschen Meldung an die Kommission deutlich.258 Die Bundesrepublik hat bislang nämlich keine Grenzwerte zur Auslösung der Lärmaktionsplanungsverpflichtungen erlassen. Die von der Bundesregierung gemeldeten Grenzwerte sind vielmehr den Regelwerken für die akustische Planung einerseits sowie den Richtlinien für die Lärmsanierung andererseits entnommen. Gemeldet wurden somit für den Straßenverkehrslärm die Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV und die Sanierungswerte nach den Richtlinien für den Verkehrslärmschutz an Bundesfernstraßen in der Baulast des Bundes (VLärmSchR 97)259, für den Schienenverkehrslärm wiederum die Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV und die Sanierungswerte der Richtlinie für die Förderung von Maßnahmen zur Lärmsanierung an bestehenden Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes260, für den Fluglärm die Grenzwerte nach dem Fluglärmschutzgesetz 1971 (dieses bereitet bei der Umrechnung in die europäischen Lärmindizes wegen des unüblichen Halbierungsparameters q = 4 besondere Probleme) sowie für den Industrie- und Gewerbelärm die Immissionsrichtwerte der TA Lärm, jeweils umgerechnet in Lden und Lnight. Ein Vergleich der Werte in db(A) nach den nationalen Regelwerken bzw. nach Umrechnung in die europäischen Lärmindizes führt zwar fast ausschließlich zu (nominalen!) Abweichungen von allenfalls 1 db(A). Dies darf natürlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Berechnungsverfahren erheblich voneinander abweichen und daher die Werte nicht unmittelbar verglichen werden können. In den deutschen Lärmkarten werden somit als Grenzwertüberschreitungen diejenigen Belastungen eingetragen, die einer in Lden bzw. Lnight ausgedrückten Überschreitung von Planungswerten bzw. Sanierungswerten nach deutschem Regelwerk entsprechen. Über die Auslösung einer Lärmaktionsplanungsverpflichtung sagen diese Darstellungen der Lärmkarte hingegen nichts aus. 257 258 259 260

Siehe hierzu auch Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47c Rn. 42. BMU, Meldung (Fn. 63), Anlage „Bund“, Datenblatt 5 („noise limit values“). VkBl. 1997 S. 434. VkBl. 2005 S. 176.

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5. Teil: Die Lärmkartierung

IV. Die Darstellung in separaten Lärmkarten und der Anspruch einer Gesamtlärmbewertung Die Darstellung der Lärmbelastung erfolgt dabei grundsätzlich in einzelnen, nach den jeweiligen Lärmarten getrennten Lärmkarten (1.). Die bereits im Rahmen der Zusammenfassung des deutschen Lärmschutzrechts angesprochenen Probleme einer starken Segmentierung des Lärmschutzrechts und einer fehlenden Gesamtlärmbewertung bleiben trotz eines ambitionierten Grundansatzes der Umgebungslärmrichtlinie letztlich auch im europäischen Kontext weitgehend ungelöst (2.) 1. Die Anordnung separater Lärmkarten Gemäß der eindeutigen Anordnung in § 4 Abs. 2 der 34. BImSchV hat die Ausarbeitung von Lärmkarten getrennt für jede Lärmart zu erfolgen. Durch einen Klammerzusatz werden zugleich die jeweiligen Lärmarten legaldefiniert; es handelt sich um die vier Kategorien Straßenverkehrslärm, Schienenverkehrslärm, Fluglärm sowie Industrie- und Gewerbelärm einschließlich Hafenlärms. Die Abgrenzung der Lärmarten erfolgt somit in Entsprechung zu den Anwendungsbereichen der vorläufigen Berechnungsverfahren. Eine Trennung nach Lärmarten zumindest für die Lärmkarten in Ballungsräumen fordert ausdrücklich auch § 47c Abs. 2 BImSchG i.V. m. Anhang IV Nr. 8 RL.261 Dies soll unter anderem der Absicht dienen, mit Blick auf die Aktionsplanung die spezifischen Lärmverursacher erkennen zu können.262 Eine Trennung nach Lärmarten ist indes nicht gleichbedeutend mit einer Trennung nach Lärmquellen. Das bedeutet, dass bei einem Zusammentreffen von Lärmbelastungsanteilen mehrerer gleichartiger Lärmquellen ein Gesamtpegel zu bilden und als solcher in die Lärmkarte einzutragen ist.263 Die Verpflichtung zur Gesamtpegelbildung ergibt sich zum einen beim Aufeinandertreffen mehrerer gleichartiger Hauptlärmquellen außerhalb der Ballungsräume, etwa in Kreuzungsbereichen von Hauptverkehrsstraßen oder beim Parallelverlauf eigenständiger Haupteisenbahnstrecken.264 Vor allem aber betrifft die erforderliche Gesamtpegelbildung das Aufeinandertreffen von gleichartigen Lärmquellen im Ballungsraum, wo u. U. auch gleichartige Lärmquellen mit unterschiedlichen Kartierungsverantwortlichen aufeinan261

Vgl. zum Ganzen Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47c Rn. 63. Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47c Rn. 63. 263 So wohl auch Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47c BImSchG Rn. C 5. 264 Offenbar a. A. Repkewitz, Probleme, VBlBW 2006, 409 (412) – Beschränkung auf Ballungsräume. 262

C. Anforderungen an Form und Inhalt der Lärmkarten

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der treffen können. So stellen sowohl Haupteisenbahnstrecken als auch sonstige Eisenbahnstrecken nach dem Allgemeinen Eisenbahngesetz und Schienenwege von Straßenbahnen im Sinne des Personenbeförderungsgesetzes Quellen des Schienenverkehrslärms dar, die einheitlich nach der VBUSch zu beurteilen sind. Da nur eine separate Erfassung nach Lärmarten, nicht aber nach Lärmquellen angeordnet ist, sind die Immissionsbeiträge aller dieser Schienenverkehrslärmquellen zusammenzufassen. Durch die Anwendung desselben Regelwerkes steht auch einer energetischen Addition der jeweiligen Lden- bzw. Lnight-Werte nichts im Wege. Gleiches gilt für die gesamtheitlich zu bewertenden Lärmimmissionsbeiträge von Großflughäfen und sonstigen Flugplätzen in Lärmkarten für Ballungsräume. Insbesondere bei den Schienenverkehrswegen ist ein Auseinanderfallen der Kartierungszuständigkeit innerhalb der betroffenen Lärmart wegen der zentralen Zuständigkeit des Eisenbahn-Bundesamtes für die Kartierung von Haupteisenbahnstrecken gemäß § 47e Abs. 3 BImSchG unvermeidlich. Die Zuständigkeit für die Gesamtpegelbildung trifft mangels anderweitiger Regelung mithin den Kartierungsverantwortlichen für die Erstellung der Ballungsraumlärmkarten; denn nur in ihnen sind die Lärmbeiträge der unterschiedlichen Schienenwege bzw. Flugplätze samt und sonders zu erfassen (vgl. § 4 Abs. 1 der 34. BImSchV). Im Ergebnis sind somit die Lärmkarten nach Lärmarten getrennt zu erstellen. Innerhalb derselben Lärmart sind Lärmereignisse aus unterschiedlichen Quellen zusammengefasst zu kartieren; dies betrifft vor allem die Lärmkarten für Ballungsräume. 2. Der Anspruch einer Gesamtlärmbewertung in strategischen Lärmkarten In Bezug auf die Frage nach einer Gesamtbewertung des auftretenden Lärms offenbart die Umgebungslärmrichtlinie letzten Endes die gleiche innere Zerrissenheit zwischen einem übergeordneten Anspruch zugunsten einer Gesamtlärmbewertung und einer ungenügenden Ausgestaltung der rechtlichen Instrumente zur Erreichung dieses Anspruchs wie das deutsche Lärmschutzrecht.265 Das Ziel einer Gesamtlärmbetrachtung ist dabei in der Richtlinie eindeutig angelegt. Dies belegen vor allem die Definition der strategischen Lärmkarte gemäß Art. 3 lit. r RL, wonach es sich bei einer strategischen Lärmkarte um „eine Karte zur Gesamtbewertung der auf verschiedene Lärmquellen zurückzuführenden Lärmbelastung in einem bestimmten Gebiet oder für die Gesamtprognosen für ein solches Gebiet“ handelt, sowie die Maßgaben der Ziffern 1.5 und 1.6 265

Siehe hierzu schon die Ausführungen oben 1. Teil, B. V., S. 50.

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5. Teil: Die Lärmkartierung

Anhang VI RL, wonach die Mitgliedstaaten für Ballungsräume jeweils mitzuteilen haben, welchen Einfluss Hauptverkehrsstraßen, Haupteisenbahnstrecken und Großflughäfen „auf den Lärmpegel haben“.266 Teileinflüsse von einzelnen Lärmquellen auf „den Lärmpegel“ können aber logisch nur dort angegeben werden, wo zuvor eine Gesamtbetrachtung stattgefunden hat. Ungeachtet dessen ist schon bei der grundlegenden Frage, ob die Richtlinie überhaupt eine Gesamtlärmbetrachtung verfolge, vieles umstritten. Die Einzelansichten sind breit gefächert. So vertritt der zuständige BMU-Referatsleiter Feldmann die Ansicht, der Terminus „Gesamtbewertung“ sei eine Fehlübersetzung des englischen Passus’ „global assessment of noise exposure“. Es gehe nicht um die Gesamtbewertung des Einflusses verschiedener Quellen auf einen Einwirkungsort, sondern um die räumlich übergeordnete Verfolgung der Lärmwirkungen von Hauptlärmquellen quer durch die ganze Republik. Der strategische Charakter der Richtlinie liege mithin darin, dass man sich von dem „Klein-Klein“ der Wohngebiete entferne und stattdessen auf einer übergeordneten Ebene bewege.267 Allenfalls auf der Stufe der Aktionsplanung habe man gegebenenfalls eine Gesamtbewertung vorzunehmen, wenn auch nur in sehr pragmatischer Weise, solange es keine hinreichend klaren wissenschaftlichen Grundlagen gebe, wie man eine Gesamtbewertung mittels eines rechnerischen Gesamtpegels durchzuführen habe.268 Auch Wysk geht davon aus, dass die Richtlinie ebensowenig wie § 47c BImSchG eine Ermittlung und Bewertung des Gesamtlärms durch Summierung aller auf ein Grundstück einwirkenden Geräusche fordere. Die Lärmquellen seien vielmehr einzeln zu untersuchen, so dass die Hoffnung, die Richtlinie werde Wege zu einer Gesamtlärmbewertung aufzeigen, enttäuscht worden sei.269 Zwei Oberverwaltungsgerichte haben in vereinzelten Entscheidungen eine Verpflichtung zur Summationsbewertung fast apodiktisch ausgeschlossen.270 Das mag aber an dem Versuch der Beteiligten gelegen haben, aus der Richtlinie unmittelbare Folgen für die (Un-)Zulässigkeit einzelner Vorhaben abzuleiten, was in der Tat nicht Gegenstand der Richtlinie ist.

266

Hervorhebungen jeweils durch den Verfasser. Feldmann, in: AKUR, Stenographisches Protokoll (2. Teil, Fn. 13), S. 34 f.; ihm einerseits zustimmend, andererseits indes für eine Grundanlage einer summativen Betrachtung Rebentisch, ebd., S. 37 f. bzw. S. 31. 268 Feldmann, in: AKUR, Stenographisches Protokoll (2. Teil, Fn. 13), S. 35. 269 Wysk, in: Giesberts/Reinhardt, § 47c BImSchG Rn. 20. 270 OVG NW, 20 D 134/00.AK u. a. vom 10.12.2004, Juris, Rn. 8; 20 D 135/00.AK vom 10.12.2004, Juris, Rn. 118 ff.; 20 D 128/05.AK u. a. vom 16.05.2007, Juris, Rn. 127; 20 D 5/06.AK u. a. vom 27.08.2008, Juris, Rn. 138; Hess. VGH, 11 C 2089/ 07.T vom 17.06.2008, Juris, Rn. 180 ff. 267

C. Anforderungen an Form und Inhalt der Lärmkarten

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In dieser Eindeutigkeit scheint die Ablehnung einer Gesamtbewertung nicht richtig zu sein. Zu Recht ist der Auffassung von Feldmann entgegengehalten worden, dass die Richtlinie nun einmal den Begriff der Gesamtbewertung enthalte.271 Dieser Begriff ist über § 47c Abs. 2 BImSchG i.V. m. mit Anhang IV, Art. 7 und Art. 3 lit. r RL auch in das Bundes-Immissionsschutzgesetz integriert worden. Im Einzelnen stellt sich die Lage wie folgt dar: Es ist einerseits zutreffend, dass die Umgebungslärmrichtlinie und ihr folgend die 34. Bundes-Immissionsschutzverordnung eine Erstellung separater Lärmkarten anordnen. Andererseits wird in Art. 3 lit. r RL ausdrücklich eine Gesamtbewertung gefordert; in Ziffern 1.5 und 1.6 des Anhangs VI RL ist eine Gesamtbewertung ebenfalls angelegt.272 Beides muss letztlich also in der Vollzugspraxis seinen Niederschlag finden, soll die Richtlinie gemeinschaftsrechtskonform umgesetzt werden. Fraglich ist dabei vor allem, was konkret unter „Gesamtbewertung“ zu verstehen ist. Mit Gesamtbewertung könnte zunächst die Bildung eines Gesamtpegels durch energetische Addition der Schalldruckpegel sämtlicher auf einen Ort einwirkender Lärmquellen gemeint sein.273 Eine solche Addition ist allerdings nur dann sinnvoll, wenn die einzelnen Pegel aufgrund einheitlicher Bewertungsmethoden ermittelt wurden; dies ist eine Frage der zugrunde gelegten Regelwerke.274 Beispielsweise Schalldruckpegel, die über einen längeren Zeitraum gemittelt wurden, mit Schalldruckpegeln zu kombinieren, für die Kurzzeitbetrachtungen mit besonderer Berücksichtigung von Maximalspitzen ausschlaggebend waren, hieße „Äpfel mit Birnen zu vergleichen“. Einen Gesamtpegel aus mehreren Einzelpegeln unterschiedlicher Lärmarten zu bilden, kann somit nur auf der Basis eines einheitlichen Regelwerkes gelingen. In der Entwicklung des Lärmschutzrechts wurden aber gerade aus der Erkenntnis heraus, dass unterschiedliche Lärmarten aufgrund ihrer jeweiligen Eigenart tendenziell unterschiedliche Belästigungswirkungen erzielen, unterschiedliche segmentierte Bewertungsmethoden entwickelt, die gerade darauf Rücksicht nehmen sollten. 271

Steiger, in: AKUR, Stenographisches Protokoll (2. Teil, Fn. 13), S. 35. Für einen irgendwie gearteten Gesamtlärmbewertungsanspruch der Richtlinie grundsätzlich auch Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47c BImSchG Rn. 10; Repkewitz, Probleme, VBlBW 2006, 409 (412); Sellner, in: AKUR, Stenographisches Protokoll (2. Teil, Fn. 13), S. 31 f.; Halama, ebd., S. 33; Dolde, ebd., S. 33; wohl auch Franßen, ebd., S. 31 und S. 36. 273 Ablehnend Sellner, in: AKUR, Stenographisches Protokoll (2. Teil, Fn. 13), S. 31, zugunsten einer mehr qualitativen Bewertung aller Lärmquellen, sowie Dolde, ebd., S. 33. 274 Vgl. zur energetischen Addition Dolde, Probleme der Gesamtlärmbewertung, S. 462 f., sowie aus physikalischer Sicht A. Schick, Schallbewertung, Grundlagen der Lärmforschung, 1990, S. 105 f. 272

194

5. Teil: Die Lärmkartierung

Die Zielsetzung und die entscheidende Anfrage an die Naturwissenschaft aus rechtlicher Sicht lauten für die Belange der Gesamtbewertung somit, wie es Dolde in bemerkenswerter Klarheit formuliert hat: „Das Ziel besteht darin, Verfahren zur Ermittlung von Kennwerten zu finden, die sicherstellen, dass den gleichen Kennwerten die gleichen Wirkungen entsprechen. Zumindest dürfen gleiche Kennwerte signifikant unterschiedliche Wirkungen nicht ignorieren.“275 Mit anderen Worten: „Inwieweit sind die unterschiedlichen Verfahren zur Ermittlung der Kennwerte für die Schallimmissionen durch die Wirkung einzelner Geräuscharten bedingt und inwieweit können diese Verfahren vereinheitlicht werden, ohne die unterschiedliche Wirkung verschiedener Geräuscharten zu ignorieren?“276 In Bezug auf die einheitliche Bewertung von Lärmkenngrößen ist die Umgebungslärmrichtlinie durch Vorgabe der europaweit einheitlichen Lärmindizes Lden und Lnight einen großen Schritt vorangegangen. Wenigstens liegen nunmehr Pegeldefinitionen mit einheitlichen Zeitscheiben (abgesehen von nationalen Abweichungsmöglichkeiten) und einheitlicher Gewichtung der Zeitscheiben nach dem typisierten Ruhebedürfnis des menschlichen Lebensrhythmus’ vor. Allerdings liegen den jeweiligen Lden- bzw. Lnight-Werten weiterhin unterschiedliche Berechnungsvorschriften zugrunde. Ein Lden-Wert für Straßenverkehrslärm ist beispielsweise nicht identisch mit dem nominal gleichen LdenWert für Fluglärm. Auch die europäischen Projekte IMAGINE277 bzw. Harmonoise befassen sich für die Zukunft lediglich mit der Entwicklung einheitlicher Bewertungsmethoden je Lärmart, nicht indes einer einheitlichen Bewertungsmethode, die lärmartübergreifend zur Anwendung zu bringen wäre. Gerade vor diesem Hintergrund wäre ein Inkrafttreten der VDI 3277 – Blatt 2 ein wertvoller Fortschritt, da diese Kriterien für die Gesamtbewertung verschiedenartiger Verkehrsimmissionen enthalten wird; sie ist jedoch bislang im Entwurfstadium stecken geblieben. Die Bedingungen für eine Gesamtpegelbildung im Sinne energetischer Addition sind somit weiterhin nicht optimal.278 Auch an dem Befund einer Zerrissenheit des Umgebungslärmschutzes zwischen Gesamtbewertungsanspruch und unzureichenden Instrumenten wird sich somit kurzfristig nichts ändern. Allerdings sieht das Umweltbundesamt zumindest im Wege einer pragmatischen

275

Dolde, Probleme der Gesamtlärmbewertung, S. 462. Dolde, Probleme der Gesamtlärmbewertung, S. 462. 277 Improved Methods for the Assessment of the Generic Impact of Noise in the Environment, vgl. http://www.imagine-project.org bzw. http://harmonoise.org. 278 In diese Richtung Richard, EU 1:1+x, Lärmbekämpfung 2007, 19 (20), der lediglich eine Zusammenfassung von Straßen- und Schienenlärmwerten für möglich hält. 276

C. Anforderungen an Form und Inhalt der Lärmkarten

195

Schätzung der Gesamtbelästigung die Möglichkeit, eine energetische Addition der Mittelungspegel der einzelnen Quellen bzw. Quellenarten durchzuführen.279 Demgegenüber könnte als weitere Möglichkeit der „Gesamtbewertung“ allenfalls in Betracht kommen, sich bei der Kartierung auf die separate Lärmartkartierung zu beschränken und die Gesamtbewertung erst im Rahmen der Aktionsplanung als eine Art „Gesamtwürdigung“ der aus den einzelnen Karten gewonnenen Einsichten vorzunehmen.280 Das wäre allerdings eine Art allzu „pragmatischen“281 Umgangs mit der Problematik, der erstens die Frage aufwürfe, ob es denn ohne eine Gesamtbewertung in der Kartierungsphase überhaupt zwingend zu einer Aktionsplanungsphase kommen würde, in der die Gesamtwürdigung vorgenommen werden könnte. Zweitens und vor allem würde dies aber den Festlegungen der Richtlinie nicht gerecht. Denn Art. 3 lit. r RL sieht die Gesamtbewertung ausdrücklich im Rahmen einer strategischen Lärmkarte vor. Eine bloße Gesamtwürdigung in der nachfolgenden Aktionsplanungsphase würde diese Anforderung nicht erfüllen. Vor allem aber muss man sich vergegenwärtigen, dass die Richtlinie zwei Sorten von Lärmkarten kennt: die Ausarbeitung „einfacher“ Lärmkarten nach Art. 3 lit. q RL und die strategische Lärmkarte nach Art. 3 lit. r RL.282 Nach Art. 3 lit. q RL betrifft die Ausarbeitung von Lärmkarten „die Darstellung von Informationen über die aktuelle oder voraussichtliche Lärmsituation anhand eines Lärmindexes mit Beschreibung der Überschreitung der relevanten geltenden Grenzwerte, der Anzahl der betroffenen Personen in einem bestimmten Gebiet und der Anzahl der Wohnungen, die in einem bestimmten Gebiet bestimmten Werten eines Lärmindexes ausgesetzt sind“. Demgegenüber meint „strategische Lärmkarte“ i. S. d. Art. 3 lit. r RL „eine Karte zur Gesamtbewertung der auf verschiedene Lärmquellen zurückzuführenden Lärmbelastung in einem bestimmten Gebiet oder für die Gesamtprognosen für ein solches Gebiet“. Diese Unterscheidung wird vom deutschen Recht bislang nicht ausdrücklich nachvollzogen. Jedoch verlangen Art. 7 und Anhang IV RL, über letzteren mithin auch § 47c Abs. 2 BImSchG, ausdrücklich die Ausarbeitung „strategischer Lärmkarten“ bzw. stellen Mindestanforderungen für „strategische Lärmkarten“ auf.

279 Umweltbundesamt, Richtlinie über die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm – Auslösekriterien für die Lärmaktionsplanung, März 2006, http://www. umweltbundesamt.de/laermprobleme/publikationen/UBA_Kriterien_ULR.pdf (22.05. 2008), S. 3 f. 280 So wohl der Vorschlag von Feldmann, in: AKUR, Stenographisches Protokoll (2. Teil, Fn. 13), S. 35. 281 Feldmann, in: AKUR, Stenographisches Protokoll (2. Teil, Fn. 13), S. 35 f. 282 Hierauf verweist zu Recht Franßen, in: AKUR, Stenographisches Protokoll (2. Teil, Fn. 13), S. 36.

196

5. Teil: Die Lärmkartierung

Im Wege einer gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung der 34. BImSchV ist daher zu fordern, dass im Rahmen der Lärmkartierung unbeschadet der o. g. unterschiedlichen zulässigen Darreichungsformen wenigstens auch eine Karte erstellt wird, in der sämtliche relevanten Pegelwerte aller Lärmarten eingetragen sind, um die Überschneidungsbereiche ungleichartiger Lärmeinflüsse deutlich zu machen.283 Ansonsten würde die Anordnung „strategischer“ Lärmkarten innerhalb der Kartierungsphase europarechtswidrig verfehlt. Die Verpflichtung zur Gesamtbewertung gilt zwar in besonderer Weise, aber nicht nur für die Ballungsräume;284 auch für die Hauptlärmquellen außerhalb von Ballungsräumen ordnet Art. 7 Abs. 1 RL ausdrücklich die Ausarbeitung „strategischer“ Lärmkarten an. Dass die Lärmwirkungsforschung bislang nicht alle notwendigen Grundlagen für eine Gesamtpegelbildung liefern konnte, vermag schließlich nichts an der Verpflichtung zu ändern, die nach überzeugender Auffassung bestehende Gesamtbewertungsvorgabe der Richtlinie im Umfange des tatsächlich Möglichen nachzuvollziehen. Insgesamt ist daher dem Vorschlag des Umweltbundesamtes zu folgen, im Sinne einer pragmatischen Annäherung an eine Gesamtgeräuschbewertung und allen technischen Schwierigkeiten zum Trotz eine energetische Addition der Mittelungspegel der einzelnen Quellen bzw. Quellenarten durchzuführen.285 Denn nur dieses Verfahren erlaubt es den zuständigen Stellen, tatsächlich eine strategische Lärmkarte zur Gesamtbelastung anzufertigen. Eine Gesamtbewertung im Rahmen der Aktionsplanung ist demgegenüber nicht darstellbar. Im Übrigen benötigt die Aktionsplanung klare Auslösekriterien.286 Auch solche sind nur über das Verfahren der Gesamtpegelbildung zu erhalten. Im Ergebnis ist daher unter Inkaufnahme technischer Unzulänglichkeiten eine Gesamtpegelbildung vorzunehmen und eine strategische Lärmkarte mit der Abbildung des Gesamtpegels anzufertigen. In der bisherigen Kartierungspraxis sind solche Lärmkarten, soweit aus den Internetveröffentlichungen ersichtlich, noch nicht angefertigt worden. Derzeit stehen aber auch teilweise noch die Lärmdaten zu den Haupteisenbahnstrecken aus, die hierfür erforderlich wären.

283 So auch Franßen, in: AKUR, Stenographisches Protokoll (2. Teil, Fn. 13), S. 36; Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47c BImSchG Rn. C 5; Hansmann, Lärmminderungsplanung, FS Rehbinder, S. 345; wohl auch Dolde, in: AKUR, Stenographisches Protokoll (2. Teil, Fn. 13), S. 33, und Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47c Rn. 63. Ebenso mittlerweile offenbar Feldmann, Wandel im Lärmschutz, ZUR 2005, 352 (357). 284 So aber Repkewitz, Probleme, VBlBW 2006, 409 (412). 285 Umweltbundesamt, Auslösekriterien (Fn. 279), S. 3 f. 286 Siehe hierzu unten 6. Teil, B. III. 3. a), S. 269 f.

C. Anforderungen an Form und Inhalt der Lärmkarten

197

3. Zwischenergebnis Die Lärmkartierung ist grundlegend in gesonderten Lärmkarten je Lärmart vorzunehmen. Als Lärmarten sind der Straßenverkehrslärm, der Schienenverkehrslärm, der Fluglärm sowie der Gewerbe- und Industrielärm einschließlich Hafenlärms anzusehen. Innerhalb derselben Lärmart ist angesichts der Verwendung derselben Beurteilungsmethoden eine Gesamtpegelbildung vorzunehmen. Die Umgebungslärmrichtlinie verfolgt einen Gesamtbewertungsansatz, dem sie aber in Ermangelung einheitlicher lärmartübergreifender Bewertungsmethoden bislang nicht vollständig nachzukommen vermag. Diesem Anspruch ist gleichwohl im Rahmen des Möglichen Rechnung zu tragen. Zumindest ist als strategische Lärmkarte zur Gesamtbewertung eine zusätzliche Karte anzufertigen, in der sämtliche relevanten Pegelwerte unabhängig von der jeweiligen Lärmart eingetragen sind. Darüber hinaus ist im Rahmen der technischen Möglichkeiten durch energetische Addition ein Gesamtpegel zu bilden, der als solcher in die strategische Lärmkarte einzutragen ist. Eine strategische Lärmkartierung in diesem Sinne findet in der bisherigen Kartierungspraxis noch nicht statt.

V. Die Angaben zu Umgebung, Gesamtfläche und Belastetenzahlen Schließlich sind in Lärmkarten noch Informationen zur Umgebung der Hauptlärmquellen und Ballungsräume, zur belasteten Gesamtfläche sowie zu den Belastetenzahlen aufzunehmen. 1. Die Beschreibung der Umgebung Gemäß § 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 5 der 34. BImSchV bestehen Lärmkarten unter anderem aus einer Beschreibung der Umgebung. Als relevante Gesichtspunkte werden genannt: Ballungsräume mit Lage, Größe und Einwohnerzahl, Städte, Dörfer, die Zugehörigkeit zu einer ländlichen Gegend, die Flächennutzung sowie das Vorkommen anderer Hauptlärmquellen. Das Vorkommen „anderer“ Hauptlärmquellen legt nahe, dass die Verordnungsverfasser vor allem die Beschreibung der Umgebung einer Hauptlärmquelle bei der Formulierung im Blick hatten. Unabhängig davon gilt die Verpflichtung zur Beschreibung der Umgebung auch für die Lärmkarten von Ballungsräumen. Denn die Formulierung des § 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 5 der 34. BImSchV bildet gleichsam die Vereinigungsmenge der Ziffern 1.1 und 2.1 des Anhangs VI RL. Nach Ziffer 1.1 des Anhangs VI RL ist der Kommission eine kurze Beschreibung des Ballungsraums nach Lage,

198

5. Teil: Die Lärmkartierung

Größe und Einwohnerzahl zu übermitteln; nach Ziffer 2.2 des Anhangs VI RL ist eine Beschreibung der Umgebung der Hautplärmquellen nach Ballungsräumen, Dörfern, ländlicher oder nicht ländlicher Gegend, Flächennutzung und anderen Hauptlärmquellen zu liefern. Beide Vorschriften sind im Wortlaut des § 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 5 der 34. BImSchV zusammengefasst; bei der sprachlich zunächst naheliegenden Anwendung nur auf Hauptlärmquellen fehlte eine Umsetzung der Ziffer 1.1 des Anhangs VI RL. Folglich ist eine Beschreibung der Umgebung sowohl für Hauptlärmquellen außerhalb von Ballungsräumen als auch für die Ballungsräume selbst zu liefern. 2. Die Ermittlung der Belastetenzahlen Gemäß § 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 der 34. BImSchV müssen die Lärmkarten tabellarische Angaben über die geschätzte Zahl der Menschen enthalten, die in denjenigen Gebieten wohnen, die innerhalb der Isophonenbänder nach § 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 der 34. BImSchV liegen. Festzuhalten ist demnach zunächst dreierlei: Relevant sind erstens nur Menschen, die in den bezeichneten Gebieten wohnen. Ein Aufenthalt zu anderen Zwecken muss von den Kartierungsbehörden nicht ermittelt werden, insbesondere also keine Anwesenheit zu Arbeitszwecken. Es genügt zweitens, dass die Zahl der Menschen geschätzt wird; eine personengenaue Erhebung ist nicht erforderlich. Drittens gilt als Belasteter nur, wer einer Belastung ausgesetzt ist, wie sie sich aus den Isophonenbändern nach § 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 lit. a bzw. lit. b der 34. BImSchV ergibt. Belastet ist somit, wer Pegelwerten von wenigstens Lden = 55 db(A) oder Lnight = 50 db(A) ausgesetzt ist; da die Kartierung von Belastungen in Höhe von Lnight = 45 db(A) bis 50 db(A) nur freiwillig vorgeschrieben ist, wird diese Bevölkerungsgruppe nicht von der Belastetenerfassungspflicht umfasst. Eine Angabe entsprechender Zahlen ist aber als freiwillige Information i. S. d. § 4 Abs. 4 S. 2 der 34. BImSchV zulässig. Die Zahl der belasteten Personen ist gemäß § 4 Abs. 5 der 34. BImSchV separat für jede Lärmart anzugeben, wobei die Zahlenangaben auf die nächste Hunderterstelle zu runden sind. Dies entspricht der Praxis, auch die Isophonenbänder bezogen auf die jeweiligen Lärmarten gesondert auszuweisen. Zur Konkretisierung der technischen Anforderungen, die gemäß § 5 Abs. 3 der 34. BImSchV bei der Ermittlung der Belastetenzahlen nach § 4 Abs. 5 der 34. BImSchV zu beachten sind, wurde die Vorläufige Berechnungsmethode zur Ermittlung der Belastetenzahlen durch Umgebungslärm (VBEB) vom 09.02. 2007 im Bundesanzeiger bekanntgemacht.287

287

Bundesanzeiger Nr. 75 vom 20.04.2007, S. 4137.

C. Anforderungen an Form und Inhalt der Lärmkarten

199

Die Ermittlung der Belastetenzahlen folgt demnach folgenden Grundsätzen: Zunächst ist die Lage entsprechender Wohngebäude im Raum festzustellen. Dies kann anhand der bei den Baugenehmigungsbehörden vorliegenden bzw. im Zuge der Bauleitplanungsverfahren gewonnenen Kenntnisse festgestellt werden. Den Fassaden der Gebäude bzw. Gebäudekomplexe werden sodann sog. „Immissionspunkte“ zugeteilt (Nr. 3.1 VBEB). Diese müssen gemäß § 5 Abs. 2 bzw. § 5 Abs. 3 S. 1 der 34. BImSchV in einer Höhe von 4 m über dem Boden und direkt auf der Gebäudefassade liegen. Große Fassaden werden hierzu erforderlichenfalls in mehrere gleich lange Teilfassaden mit einer Länge zwischen 2,5 m und 5 m aufgeteilt. Zu kleine aufeinanderfolgende Fassaden werden nötigenfalls zu einer Fassade zusammengefasst. Die Immissionspunkte liegen in der Mitte der Fassade bzw. Teilfassade. Für jeden dieser Immissionspunkte wird getrennt nach Lärmarten der Wert von Lden bzw. Lnight entsprechend den einschlägigen Vorläufigen Berechnungsmethoden bestimmt (Nr. 3.2 VBEB). Um eine Aussage über die Zahl der belasteten Personen in den jeweiligen Gebäuden treffen zu können, muss zunächst den Gebäuden eine Bewohnerzahl zugeordnet werden (Nr. 3.3 VBEB); anschließend ist die Zuordnung der im Gebäude wohnenden Personen zu den jeweiligen Pegelwerten vorzunehmen (Nr. 3.4 VBEB). Das einschlägige Verfahren (Nr. 3.3.1 bis Nr. 3.3.4 VBEB) richtet sich dabei nach dem vorhandenen Datenschatz, über den die Gemeinden oder sonstige Behörden verfügen und den diese den Kartierungsbehörden unentgeltlich zu überlassen haben (§ 3 Abs. 2 bzw. Abs. 3 der 34. BImSchV). Als verwertbare Eingangsdaten kommen Einwohnerzahlen pro Ort, Baugebiet, Gebäudekomplex, Gebäude oder Wohnung, etwa aufgrund melderechtlicher Bestände, Angaben über die Gebäudehöhe sowie statistische Daten über die durchschnittliche Wohnfläche pro Einwohner in Betracht. Unabdingbar sind als Eingangsdaten die Grundfläche sowie die Geschosszahl der betroffenen Gebäude.288 Für eine erste Fallgruppe ist Voraussetzung, dass Einwohnerzahlen in Bezug auf eine bestimmte Einheit vorhanden sind. Liegen Einwohnerzahlen (EZ) für einzelne Wohnungen vor, kann die Einwohnerzahl des Gebäudes als Summe der Einwohnerzahlen der Wohnungen berechnet werden:

288 Zur Datenlage in Rheinland-Pfalz und im Saarland siehe Giering/Fischer-Stabel/Gillé, Lärmkartierung Rheinland-Pfalz, Lärmbekämpfung 2007, 96 (98 f.).

200

5. Teil: Die Lärmkartierung EZGebaude ˆ

n X

EZWohnung;i

iˆ1

Liegen die Einwohnerzahlen (EZ) nur für Baublockseiten, Baublöcke, Ortsteile oder den Gesamtort vor, kann die Einwohnerzahl eines Gebäudes anhand des Verhältnisses des Volumens (V) des Gebäudes (unter Zugrundelegung der Grundfläche G, der Geschosszahl GZ und der Geschosshöhe h) zum Gesamtvolumen aller Wohngebäude abgeschätzt werden: EZGebaude ˆ

VGebaude  EZgesamt mit VGebaude ˆ GGebaude  GZGebaude  h Vgesamt

Eine zweite Fallgruppe ermöglicht das Abschätzen der Bewohnerzahlen, wenn anders als in der ersten keine Einwohnerzahlen (EZ), jedoch als statistischer Wert die Wohnfläche pro Einwohner (WE) bekannt ist (Nr. 3.3.2 VBEB). Für letztere verweist die VBEB auf Erkenntnisse des Statistischen Bundesamtes aus dem Jahr 2003, wonach die mittlere Wohnfläche pro Einwohner bei 41 qm (alte Bundesländer) bzw. 38 qm (neue Bundesländer) liegen soll. Hieraus ergibt sich folgende Formel: EZGebaude ˆ

GGebaude  GZGebaude  0;8 WE

Der Faktor 0,8 dient dabei der Zurückführung der Bruttogeschossfläche des Gebäudes auf die tatsächlich nutzbare Wohnfläche des Gebäudes. Nach einer dritten Fallgruppe ist zu verfahren, wenn nur Angaben zu Wohnflächen (F) in Bezug auf Wohnungen, Gebäude oder größere Einheiten verfügbar sind. n P Die Wohnfläche für Wohnungen ist bekannt: EZGebaude ˆ Die Wohnfläche des Gebäudes ist bekannt:

EZGebaude ˆ

iˆ1

FWohnung;i WE

FGeb aude WE

Die Wohnfläche im Baublock, Ortsteil o. ä. ist bekannt: EZGebaude ˆ

VGebaude Fgesamt  Vgesamt WE

mit VGebaude ˆ GGebaude  GZGebaude  h

Schließlich ist aufgrund einer vierten Fallgruppe die Abschätzung der Belastetenzahlen selbst dann möglich, wenn weder Einwohnerzahlen noch Wohnflächen bekannt sind. In diesen Fällen wird die Einwohnerzahl maßgeblich aufgrund der statistischen Wohnfläche bestimmt:

C. Anforderungen an Form und Inhalt der Lärmkarten EZGebaude ˆ

201

GGebaude  GZGebaude  0;8 WE

Da die Lage, die Größe und der Grundriss der einzelnen Wohnungen in einem Gebäude regelmäßig nicht bekannt sind, wird die ermittelte Einwohnerzahl des betreffenden Gebäudes durch Division gleichmäßig auf die einzelnen Immissionspunkte an der Gebäude verteilt, wodurch zugleich die Zuordnung der Belastetenzahl zu einem bestimmten Lärmpegel erfolgt (Nr. 3.4 VBEB). Gleichwohl wird bei den Lärmkarten zum Teil eine hinreichende Verortung der Betroffenen im Kartierungsgebiet für die Zwecke einer gelungenen Aktionsplanung vermisst.289 3. Die Ermittlung lärmbelasteter Wohnungen, Schulen und Krankenhäuser In analoger Anwendung der vorstehend beschriebenen Ermittlungsmethodik kann auch die nach § 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 7 der 34. BImSchV erforderliche tabellarische Angabe über die geschätzte Zahl der Wohnungen, Schulen und Krankenhäuser in den lärmbelasteten Gebieten ermittelt werden (Nr. 5 VBEB). Dabei sind jedoch gemäß § 4 Abs. 6 S. 2 i.V. m. Abs. 6 S. 1 der 34. BImSchV nur Belastungsgruppen zu den Werten Lden > 55 db(A), Lden > 65 db(A) und Lden > 75 db(A) zu bilden; die Zwischenstufen entfallen. Steht die Zahl der Bewohner pro Wohnung nicht zur Verfügung, soll der Abschätzung nach der VBEB ein Wert von 2,1 Bewohnern pro Wohnung zugrunde gelegt werden. 4. Ermittlung der lärmbelasteten Flächen Schließlich haben Lärmkarten eine Angabe über lärmbelastete Flächen zu enthalten (§ 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 7 der 34. BImSchV). Hierbei ist gemäß § 4 Abs. 6 S. 1 der 34. BImSchV die Gesamtfläche der belasteten Gebiete anzugeben, die nach S. 2 in drei Gruppen für Lden > 55 db(A), Lden > 65 db(A) und Lden > 75 db(A) einzuteilen sind. Die Ermittlung der Gesamtfläche erfolgt durch Berechnung aufgrund des verwendeten Rastergitters im Geländemodell. Beispielsweise wird bei einem Raster von 10 m mal 10 m einem Immissionspunkt die Fläche von 100 qm zugeordnet. Zwischenergebnisse sind dabei allerdings mit einer Auflösung von 1 qm zu bestimmen (Nr. 4 VBEB). Die Gesamtflächenangabe erfolgt gerundet auf ganze Quadratkilometer. 289

Heinrichs/Popp, Ruhe, Lärmbekämpfung 2008, 95 (96).

202

5. Teil: Die Lärmkartierung

D. Die Verfahrensvorschriften zur Lärmkartierung Das Verfahren, nach dem die Lärmkarten in der soeben beschriebenen Qualität erstellt werden sollen, ist weithin ungeregelt. Nur einzelne Aspekte der Verfahren zur Datensammlung, zur Datenerhebung, zu Mitteilungspflichten an andere Stellen und zur Veröffentlichung sind überhaupt im Bundes-Immissionsschutzgesetz oder in der 34. Bundes-Immissionsschutzverordnung angesprochen. Diese Regelungen sind ihrerseits oftmals unterkomplex.290 Mithin gilt zuvörderst der allgemeine Grundsatz des Verwaltungsverfahrensrechts, wie er etwa § 10 S. 2 VwVfG zu entnehmen ist: Verwaltungsverfahren sind einfach, zweckmäßig und zügig durchführen. Dies gilt auch dann, wenn nicht – wie in § 10 i.V. m. § 9 VwVfG angelegt – ein Verwaltungsakt oder ein öffentlich-rechtlicher Vertrag, sondern eine Lärmkarte am Ende des Verfahrens stehen soll.291 Die nähere Ausgestaltung des Verfahrens liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Verwaltungsbehörden.292 Sofern Grundrechtsträger am Verfahren teilhaben, ist dabei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in besonderer Weise zu beachten. Insgesamt ist festzustellen, dass das Verfahren der Lärmkartierung im Wesentlichen als verwaltungsinternes Verfahren durchgeführt wird. Beteiligungsrechte anderer Behörden oder gar Einvernehmenserfordernisse sind nach den bundesrechtlichen Regelungen nicht festzustellen.293

I. Die Datensammlung und -erhebung Der Hauptarbeitsaufwand im Rahmen der Lärmkartierung besteht nicht in der Erstellung der Lärmkarten und somit in der Rechenleistung der eingesetzten Software, wenngleich eine so umfassende Kartierung noch vor wenigen Jahren wohl angesichts der Rechenkapazitäten noch nicht denkbar gewesen wäre. Der Hauptarbeitsaufwand besteht vielmehr in der Sammlung, Zusammenstellung und einheitlichen Aufbereitung der erforderlichen Eingangsdaten, damit diese in die entsprechenden Rechenprogramme eingespeist werden können.294 Auch teil290 Vgl. zum Ganzen Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47c Rn. 67 und 82; Wysk, in: Giesberts/Reinhardt, § 47c BImSchG Rn. 22; Repkewitz, Probleme, VBlBW 2006, 409 (413). 291 Vgl. hierzu nur F. Kopp/U. Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, 10. Aufl. 2008, § 10 Rn. 5a. 292 Repkewitz, Probleme, VBlBW 2006, 409 (413); von der „praktischen Klugheit der zuständigen Behörden“ spricht in diesem Zusammenhang Schulze-Fielitz, in: GKBImSchG, § 47c Rn. 67. 293 Wysk, in: Giesberts/Reinhardt, § 47c BImSchG Rn. 22; Schulze-Fielitz, in: GKBImSchG, § 47c Rn. 67; Repkewitz, Probleme, VBlBW 2006, 409 (413 f.). 294 So auch Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47c Rn. 82.

D. Die Verfahrensvorschriften zur Lärmkartierung

203

weise bereits vorhandene Datensätze sind somit unter Umständen arbeitsaufwendig zu bearbeiten, um ihre Verwendbarkeit im Rahmen der Lärmkartierung sicherstellen zu können. Die Regelungen der 34. BImSchV bieten hierfür nahezu keine Hilfestellung. Im Gegenteil bietet § 5 Abs. 5 der 34. BImSchV ein gutes Beispiel für eine unterkomplexe Regelung.295 Danach sind bei der Berechnung für jede Lärmart dieselben Gebäude- und Einwohnerdaten zu verwenden; gleiches soll für sonstige Bauwerke auf dem Ausbreitungswege, also etwa auch Brückenkonstruktionen, Bahndämme und ähnliche Einrichtungen, gelten. Damit ist zwar das gewünschte Ergebnis festgehalten. Die entscheidende Verfahrensfrage aber ist: Wie kann diese Ergebnis erreicht werden? Wer bestimmt, welche Daten im Zweifelsfalle verwendet werden? Der bloße Hinweis auf die zuständige Lärmkartierungsbehörde hilft hier nicht weiter, wie ein Blick auf Haupteisenbahnstrecken im Ballungsraum verdeutlicht. Die Kartierung der Haupteisenbahnstrecken erfolgt zentral durch das EBA; eine nach Landesrecht zuständige Behörde, regelmäßig die Kommune, ist für die Ballungsraumkartierung und mithin auch die Zusammenführung von Lärmdaten von Haupteisenbahnstrecken, sonstigen Eisenbahnstrecken und Schienenwegen zuständig. Richtet sich nun die Kommune bei der Berechnung der sonstigen Eisenbahnstrecken und Schienenwege nach den Datensätzen, die das EBA zugrunde legte? Oder soll sich vielmehr das EBA nach den Daten richten, die die Kommune z. B. hinsichtlich der Bauwerke auf dem Schallausbreitungswege für zutreffend gehalten hat? Die Verordnung schweigt. Im Ergebnis macht dies aufwendige Abstimmungsvorgänge erforderlich, bei denen die Kartierungsbehörden auf die Kooperationsbereitschaft der jeweils anderen Seite angewiesen sind. Der Hinweis, es sei wichtig, dass sich EBA und Kommunen über die verwendeten Daten abstimmen, um Mehraufwand zu vermeiden,296 hilft hier nicht nicht weiter. Aus systemischer Sicht erscheint es für die Praxis jedenfalls wenig wahrscheinlich, dass lokale Gestaltungswünsche auf allzu große Gegenliebe bei zentralen Kartierungszuständigen stoßen werden. Dies weist zugleich auf die Fragestellung hin, wie sich Zentralität und Dezentralität im Zuge der Lärmkartierung sinnvoll kombinieren lassen.297 Die Verordnungsermächtigung des § 47f Abs. 2 Nr. 2 BImSchG und dieser folgend auch § 3 der 34. BImSchV unterscheiden die beiden Fallkonstellationen der Datenerhebung und der Datenübermittlung. Mit „Datenübermittlung“ ist da295 Entsprechender Vorwurf hinsichtlich der Mitwirkungspflichten anderer Beteiligter bei Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47c Rn. 82. 296 So der Abteilungsleiter Immissionsschutz im BMU, vgl. U. Lahl/S. Scholz, Der Rechtsrahmen lässt großen kommunalen Gestaltungsspielraum, AKP 5/2006, 41 ff. (41). 297 Siehe hierzu näher unten E. I. 5., S. 231.

204

5. Teil: Die Lärmkartierung

bei das Zur-Verfügung-Stellen bereits anderweitig vorhandener Daten von dritten Stellen an die Lärmkartierungsbehörde gemeint (vgl. den Wortlaut des § 3 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 und Abs. 3 der 34. BImSchV). Demgegenüber meint „Datenerhebung“ die erstmalige Ermittlung noch nicht vorhandener Daten (vgl. § 3 Abs. 1 S. 2 der 34. BImSchV). Die erforderliche Datensammlung durch die Lärmkartierungsbehörde besteht somit aus Datenübermittlung und Datenerhebung. 1. Die Datenübermittlung durch Behörden Die 34. Bundes-Immissionsschutzverordnung sieht zum einen eine Datenübermittlung durch Behörden vor. Hierbei wird zwischen Gemeinden und sonstigen Behörden unterschieden. Die Gemeinden haben gemäß § 3 Abs. 2 der 34. BImSchV die für die Lärmkarten erforderlichen Daten über die vom Umgebungslärm betroffene Wohnbevölkerung, soweit vorhanden, den Lärmkartierungsbehörden zur Verfügung zu stellen. Andere Behörden haben gemäß § 3 Abs. 3 der 34. BImSchV die dort vorhandenen und für die Lärmkartierung erforderlichen Daten den Lärmkartierungsbehörden zur Verfügung zu stellen. In beiden Fällen ist festgelegt, dass die Datenübermittlung unentgeltlich zu erfolgen hat. Die hierbei anfallenden Aufwendungen der in Anspruch genommenen Gemeinden und Behörden sind folglich von diesen selbst zu tragen, und zwar mangels einer weiteren Unterscheidung (vgl. im Gegensatz hierzu etwa die nach Kosten und Auslagen differenzierende Regelung des § 8 VwVfG) unabhängig von ihrer Art und Höhe. a) Der Ausschluss der Datenerhebung durch die Gemeinden Mithin ist beiden Normabsätzen gemeinsam, dass ausschließlich vorhandene Daten den Lärmkartierungsbehörden zu übermitteln sind und dass dies unentgeltlich zu erfolgen hat.298 Die Trennung in zwei verschiedene Absätze ist normtextgenetisch zu erklären: Sowohl der Regierungsentwurf für die Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (§ 47c Abs. 2 und 3 BImSchG-E)299 als auch der zweite Regierungsentwurf für die 34. BImSchV (§ 4 Abs. 2 und 3 VOE)300 sahen noch unterschiedliche Verpflichtungen für die Gemeinden einerseits und sonstige Behörden andererseits vor. Während sonstige Behörden nur die 298 Zum Ausschluss der Datenerhebung vgl. auch Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47c Rn. 85. 299 BT-Drs. 15/3782. 300 BR-Drs. 710/05.

D. Die Verfahrensvorschriften zur Lärmkartierung

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dort vorhandenen Daten unentgeltlich zur Verfügung stellen sollten, sollte die Gemeinden eine Erhebungspflicht hinsichtlich der noch nicht vorhandenen Daten zur betroffenen Wohnbevölkerung und auch zur relevanten Wohnbebauung treffen. Diese Erhebungspflicht der Gemeinden hat letztendlich jedoch keine Gesetzeskraft erlangt; die Verpflichtung, erforderliche Daten erstmals zu erheben, trifft nunmehr die Kartierungsbehörden.301 Die politische Entscheidung, den Gemeinden keine Erhebungsverpflichtung kraft Bundesrechts aufzuerlegen, kommt in dem ausdrücklichen Einschub in § 3 Abs. 2 der 34. BImSchV, „soweit vorhanden“, mittlerweile klar zum Ausdruck. Dadurch wird freilich eine Entscheidung des Landesgesetzgebers nicht ausgeschlossen, bestimmte Landesbehörden gleichwohl mit der Datenerhebung zu beauftragen.302 b) Die Trennung der Regelungen für Gemeinden bzw. sonstige Behörden Im Übrigen erweist sich die Aufrechterhaltung der Trennung nach Gemeinden und anderen Behörden im Sinne der Absätze 2 und 3 in § 3 der 34. BImSchV als legistisch unnötig und sachlich unzutreffend. Denn weder erschöpft sich die Übermittlungspflicht der Gemeinden in der Regelung nach Abs. 2, noch ist die Regelung umstandslos geeignet, die Übermittlung der Daten zur Wohnbevölkerung lückenlos sicherzustellen. Beides ergibt sich letztlich aus der im Gesetzgebungs- und Verordnungsverfahren nur unzureichend berücksichtigten Organisationshoheit der Länder und einer demgegenüber unangebrachten und unterkomplexen Verengung des Blicks auf „die“ Gemeinden als örtlich Zuständige. Welche Behörde über welche Daten verfügt, die zur Lärmkartierung benötigt werden, ist indes schlicht nicht bundeseinheitlich. Es wäre grob sinnwidrig, könnten die Gemeinden mit Verweis auf eine vermeintliche Beschränkung der Datenübermittlungspflicht auf die Wohnbevölkerungsdaten in § 3 Abs. 2 der 34. BImSchV die Übermittlung von Daten verweigern, die ihnen z. B. als Trägerin der Planungshoheit bzw. als unterer Baugenehmigungsbehörde über die Wohnbebauung und Gebietsnutzung oder etwa als unterer Immissionsschutzbehörde über die Immissionen aus gewerblichen Anlagen vorliegen. Das würde im Ergebnis bedeuten, dass je nach landesrechtlicher Regelung in Konstellationen, in denen die Zuständigkeit als untere Baugenehmigungsbehörde oder untere Immissionsschutzbehörde auf einer höheren Ebene 301

Repkewitz, Probleme, VBlBW 2006, 409 (413). Vgl. für Nordrhein-Westfalen Stöcker-Meier/Hillen/Czerwinski/Plümer, Umsetzung NW, Lärmbekämpfung 2007, 7 (12) – Beauftragung des Landesbetriebs Straßenbau NRW (Straßen.NRW). 302

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5. Teil: Die Lärmkartierung

angesiedelt ist, dieselben Daten verpflichtend zu übermitteln wären, die in Konstellationen mit Gemeindezuständigkeit nicht zu übermitteln wären. Ein solches Ergebnis wäre zufällig und willkürlich, kann mithin nicht Ziel der Regelung sein. Vielmehr haben Gemeinden selbstverständlich auch solche Daten herauszugeben, die jenseits der Frage der Wohnbevölkerung zuständigkeitshalber bei ihnen vorhanden sind. Im Gegenzug wird das erklärte Ziel, die Wohnbevölkerungsdaten bei den Stellen abzufragen, die in erster Linie über sie verfügen,303 durch die Benennung der Gemeinden nicht vollständig erreicht. Denn der offenbar zugrunde liegende Gedanke von stets bei den Gemeinden vorliegenden Einwohnerdaten kraft melderechtlicher Zuständigkeit ist rechtsirrig. Mitnichten ist jede Gemeinde Meldebehörde. Die Einrichtung der Behörden obliegt auch im Melderecht den Ländern, weshalb § 1 Abs. 1 S. 1 MRRG304 in der zu Recht gebotenen Zurückhaltung von den „für das Meldewesen zuständigen Behörden der Länder (Meldebehörden)“ spricht. So sind beispielsweise in Schleswig-Holstein gemäß § 1 Abs. 1 LMG SH305 und in Brandenburg gemäß § 1 Abs. 1 BbgMeldeG306 teilweise die sog. „Ämter“ die Meldebehörde. Die Ämter waren gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 BbgAmtsO307 bzw. sind gemäß § 133 Abs. 1 BbgKVerf308 Körperschaften des öffentlichen Rechts, die aus aneinandergrenzenden Gemeinden desselben Landkreises bestehen und die im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften als Träger von Verwaltungsaufgaben an die Stelle der Gemeinden traten (§§ 1 Abs. 2 S. 2, 5 Abs. 1 S. 1 BbgAmtsO) bzw. nunmehr zum einen Weisungsaufgaben nach gesetzlicher Zuweisung, zum anderen einzelne von der Gemeinde auf das Amt übertragene Selbstverwaltungsaufgaben der Gemeinden wahrnehmen werden (§ 135 Abs. 1 und Abs. 5 S. 1 BbgKVerf). Entsprechendes gilt in Schleswig-Holstein (§§ 1 Abs. 1 S. 2, 3 Abs. 2, 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 AO SH309). Dabei handelt es sich 303 Gesetzentwurf, BT-Drs. 15/3782, Einzelbegründung zu § 47c BImSchG-E, S. 26; Verordnungsentwurf, BR-Drs. 710/05, Einzelbegründung zur § 4 VO-E, S. 17. 304 Melderechtsrahmengesetz i. d. F. der Bekanntmachung vom 19.04.2002 (BGBl. I S. 1342), zuletzt geändert durch Art. 26b G v. 20.12.2007 (BGBl. I S. 3150). 305 Meldegesetz für das Land Schleswig-Holstein (Landesmeldegesetz – LMG) i. d. F. vom 24.06.2004 (GVOBl. S. 214), zuletzt geändert durch Gesetz v. 01.02.2005 (GVOBl. S. 57). 306 Gesetz über das Meldewesen im Land Brandenburg (Brandenburgisches Meldegesetz – BbgMeldeG) i. d. F. der Bekm. vom 17.01.2006 (GVBl. I S. 6). 307 Amtsordnung für das Land Brandenburg (Amtsordnung – AmtsO) i. d. F. der Bekm. vom 10.10.2001 (GVBl. I S. 188); teilweise außer Kraft getreten (§§ 1–10, 12, 15, 16) durch Art. 4 des Gesetzes vom 18.12.2007 (GVBl. I S. 286). 308 Kommunalverfassung des Landes Brandenburg (BbgKVerf) vom 18.12.2007 (GVBl. I S. 286), zuletzt geändert durch G. v. 23.09.2008 (GVBl. I S. 202). 309 Amtsordnung für Schleswig-Holstein (Amtsordnung – AO) i. d. F. der Bekm. vom 28.02.2003 (GVOBl. S. 112).

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nicht um „Gemeinden“ als ursprüngliche und allzuständige Gebietskörperschaften der örtlichen Gemeinschaft,310 sondern um eine Zwischenstufe zu Gemeindeverbänden311 als einem eigenständigen Körperschaftstypus mit einem gegenüber den Gemeinden abgeschwächten Selbstverwaltungsrecht und eigenem Aufgabenkreis.312 Da es wiederum zweckwidrig wäre, wenn dieselben Meldedaten je nach landesrechtlicher Ausgestaltung an die Lärmkartierungsbehörden zu übermitteln wären oder nicht, ist auch hier ein Gleichlauf herzustellen. Die glücklose Norm könnte entweder dergestalt interpretiert werden, dass der Begriff der „Gemeinde“ i. S. d. § 3 Abs. 2 der 34. BImSchV auch Gemeindeverbände umfassen soll, was angesichts der klaren begrifflichen Abgrenzung bis in die Ebenen des Verfassungsrechts (Art. 28 Abs. 2 GG) Bedenken begegnen muss, oder indem die Ämter als sonstige Behörden im Sinne des § 3 Abs. 3 der 34. BImSchV aufgefasst werden. Es zeigt sich mithin, dass die Trennung nach Gemeinden und sonstigen Behörden völlig überflüssig und eher noch problematisch denn problemlösend ist. Sinnvoller wäre angesichts nunmehr einheitlicher Verpflichtungen eine einheitliche Formulierung wie folgt gewesen: „Bei Verwaltungsbehörden vorhandene und für die Ausarbeitung von Lärmkarten erforderliche Daten sind den für die Lärmkartierung zuständigen Behörden unentgeltlich zur Verfügung zu stellen.“ c) Schlussfolgerung Im Ergebnis haben somit die Gemeinden und sämtliche sonstigen Behörden in gleicher Weise sämtliche Daten, die bei ihnen vorhanden sind und für die Lärmkartierung benötigt werden, unentgeltlich bereitzustellen. Streng genommen wären hier auch die Träger der Straßenbaulast zu verorten, die jedoch in die überwiegend für Private geltende Regelung des § 3 Abs. 1 S. 1 der 34. BImSchV einbezogen wurden.313

310 Siehe hierzu allein die Leitsätze 2 und 4 der „Rastede“-Entscheidung des BVerfG, BVerfGE 79, 127. 311 Für eine unmittelbare Einstufung als Gemeindeverband Hellermann, in: V. Epping/C. Hillgruber (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar GG, Edition 2 (01.10. 2008), Art. 28 Rn. 19.2. Vgl. jedenfalls auch die Bezugnahme in § 1 Abs. 1 S. 2 BbgAmtsO (außer Kraft) bzw. § 133 Abs. 1 S. 2 BbgKVerf: Die Ämter gelten als Gemeindeverbände, sofern in Gesetzen der Sammelbegriff Gemeindeverband verwendet wird. 312 BVerfGE 77, 288 (302); Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 28 Rn. 17 und 27 f. 313 Vgl. die Ausschussempfehlungen des Bundesrates, BR-Drs. 710/1/05, S. 12 f.

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5. Teil: Die Lärmkartierung

Dabei steht den Lärmkartierungsbehörden eine Einschätzungsprärogative zu, welche Daten sie für erforderlich halten dürfen.314 Eine Beeinträchtigung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts ist angesichts der Beschränkung auf vorhandene Daten – anders als u. U. bei der nicht mehr Gesetz gewordenen Datenerhebungspflicht – nicht zu besorgen. Da die Übermittlungspflichten der Gemeinden und sonstigen Behörden an ihre jeweils bereits bestehenden Aufgaben anknüpfen, deren Wahrnehmung zur Entstehung der übermittlungspflichtigen Datengrundlage geführt hat, und die Pflicht nur subsidiär und im Einzelfall durch ein Ersuchen der Lärmkartierungsbehörde ausgelöst wird, sind die Regelungen des § 3 Abs. 3 und 4 der 34. BImSchV als besondere Erscheinungsform der Amtshilfe einzuordnen.315 Je nach Trägerzugehörigkeit der beteiligten Behörden handelt es sich um eine einfachgesetzliche Konkretisierung des Art. 35 Abs. 1 GG316 bzw. um eine spezialgesetzliche Regelung, die den §§ 4–8 VwVfG, soweit jene anwendbar sind, vorgeht. 2. Die Datenübermittlung durch Private Nicht nur Behörden, sondern auch Privaten erlegt die 34. Bundes-Immissionsschutzverordnung Mitwirkungspflichten auf, was die Datensammlung für die Lärmkartierung anbelangt. Hierbei ist zwischen der Datenübermittlung vorhandener Daten und der Mitwirkung an der erstmaligen Datenerhebung zu unterscheiden. Die Übermittlung vorhandener Daten ist in § 3 Abs. 1 S. 1 und 3 der 34. BImSchV geregelt. § 3 Abs. 1 S. 1 der 34. BImSchV stellt eine Befugnisnorm zugunsten der für die Lärmkartierung zuständigen Behörden dar.317 Soweit die für die Ausarbeitung der Lärmkarten zuständigen Behörden nicht auf Bestände zurückgreifen können, können sie anordnen, dass ihnen von bestimmten Betreibern kartierungsrelevanter Anlagen bestimmte dort vorhandene Daten unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden. Berechtigt aus der Befugnisnorm sind die Lärmkartierungsbehörden; die genaue Behördenbestimmung richtet sich somit nach § 47e Abs. 1 und Abs. 3 BImSchG bzw. dem zu § 47e Abs. 1 BImSchG ergangenen Landesrecht. 314

Ähnlich Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47c Rn. 85. Zu den Voraussetzungen der Amthilfe vgl. Bauer, in: Dreier, GG II, Art. 35 Rn. 13, 18 ff.; Kopp/Ramsauer, § 4 Rn. 10 ff., 18; § 5 Rn. 9 ff.; B. Holznagel, Informationsbeziehungen in und zwischen Behörden, in: W. Hoffmann-Riem/E. SchmidtAßmann/A. Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band II, 2008, § 24 Rn. 28 ff. 316 Siehe zu den Anwendungsbereichen von Art. 35 Abs. 1 GG bzw. §§ 4 ff. VwVfG Bauer, in: Dreier, GG II, Art. 35 Rn. 12; Kopp/Ramsauer, § 4 Rn. 3 f. 317 So auch Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47c Rn. 92. 315

D. Die Verfahrensvorschriften zur Lärmkartierung

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a) Der Kreis der Anordnungsadressaten Die möglichen Adressaten der Anordnung sowie zugleich die jeweils anforderungsfähigen Datentypen werden in § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis Nr. 5 der 34. BImSchV aufgezählt. Diese Aufzählung ist nach dem Wortlaut der Norm abschließend. Es handelt sich dabei zunächst um Eisenbahninfrastrukturunternehmen hinsichtlich des durch Eisenbahnen hervorgerufenen Umgebungslärms (Nr. 1); durch die Inbezugnahmen von „Eisenbahnen“ insgesamt gilt diese Vorschrift sowohl für die Betreiber von Haupteisenbahnstrecken als auch für Betreiber von sonstigen Eisenbahnstrecken im Sinne des AEG. In gleicher Weise können Verkehrsunternehmen für den durch Straßenbahnen im Sinne des § 4 PBefG einschließlich Untergrund- und Hochbahnen hervorgerufenen Umgebungslärm herangezogen werden (Nr. 2). Problematisch ist indes die Formulierung des § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 der 34. BImSchV. Obgleich die Lärmkarten im Ballungsraum neben den Umgebungslärmimmissionen von Verkehrsflughäfen auch die Immissionen von Verkehrslandeplätzen, Segelfluggeländen, Sonderflughäfen und Sonderlandeplätzen darstellen müssen,318 hat der Verordnungsgeber den Kreis der Anordnungsadressaten auf die Betreiber von Verkehrsflughäfen beschränkt. Eine Ausweitung auf andere Betreiber erscheint wegen des klaren Wortlauts ausgeschlossen. Gründe für diese Einschränkung durch den Verordnungsgeber sind nicht ersichtlich; ein redaktionelles Versehen kann daher nicht ausgeschlossen, aber auch nicht belegt werden. Möglicherweise sollten Betreiber kleinerer Anlagen nicht überfordert werden; im Falle firmeneigener Sonderflughäfen erscheint dies allerdings fragwürdig. Ebenso können Betreiber von emittierenden Anlagen und Häfen zur Datenübermittlung hinsichtlich des Umgebungslärms dieser Anlagen verpflichtet werden (Nr. 4), wobei hinsichtlich der relevanten Anlagen wiederum auf die Einschränkungen nach § 4 Abs. 1 Nr. 5 der 34. BImSchV verwiesen wird. Schließlich können auch die Träger der Straßenbaulast verpflichtet werden, Daten zum Umgebungslärm durch Straßenverkehr weiterzugeben (Nr. 5). Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass diese als Behörden systematisch eigentlich dem § 3 Abs. 3 der 34. BImSchV zuzurechnen wären und insofern einen Fremdkörper in § 3 Abs. 1 S. 1 der 34. BImSchV darstellen. Hinsichtlich der Übermittlungsverpflichtungen vorhandener Daten ergeben sich keine Unterschiede aus der getroffenen Einordnung; anderes gilt für die Mitwirkungspflicht im Rahmen der Datenerhebung bei Dritten, regelmäßig Privaten.319

318 319

Siehe hierzu oben B. II. 4. c), S. 160. Hierzu sogleich unter D. I. 3., S. 213.

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5. Teil: Die Lärmkartierung

Von anderen Adressaten als den vorgenannten kann die Übermittlung vorhandener Daten unbeschadet des § 3 Abs. 2 und Abs. 3 der 34. BImSchV rechtmäßig nicht verlangt werden. b) Die weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen Tatbestandlich ist für die Ausübung der Befugnis zunächst erforderlich, dass die Lärmkartierungsbehörden nicht über Daten verfügen, die entweder nach Maßgabe der §§ 4 und 5 der 34. BImSchV für die Erarbeitung von Lärmkarten erforderlich sind oder bereits Ergebnisdaten für Lärmkarten darstellen. Die „Erforderlichkeit“ der Daten stellt dabei einen unbestimmten Rechtsbegriff dar, der der vollständigen richterlichen Nachprüfung zugänglich ist. Wegen der teils erheblichen Kostenauswirkungen auf die in Anspruch genommenen Unternehmen ist die Forderung nach einer „engen“ Auslegung des Tatbestandsmerkmals320 berechtigt. Die Aufnahme von „Ergebnisdaten für Lärmkarten“ neben den vorgenannten „für die Erarbeitung von Lärmkarten erforderlichen Daten“ in den Verordnungstext erfolgte erst im Zuge der Ausschussberatungen des Bundesrates.321 Ausweislich der Begründung der Ausschussempfehlungen des Bundesrats-Umweltausschusses gegenüber dem Bundesratsplenum322 sollten mit den für die Erarbeitung erforderlichen Daten die nötigen Eingangsdaten für die akustische Berechnung gemeint sein, wohingegen Ergebnisdaten bereits berechnete Werte bezeichnen sollten, wie sie das Eisenbahn-Bundesamt für Lärmkarten über Schienenwege gemäß § 47e Abs. 3 BImSchG ermittele. Auch die Straßenbaulastträger sollten nach dieser Begründung ggf. vorhandene Ergebnisdaten übermitteln müssen, weshalb die Straßenbaulastträger nachträglich in den Katalog der Anordnungsadressaten (s. u.) aufgenommen wurden. Damit zerstörte der Bundesrat nicht nur die vorgesehene und an sich logische Normstruktur des § 3 der 34. BImSchV, wonach in Abs. 1 unter Berufung auf das Verursacherprinzip323 die Mitwirkungspflichten von regelmäßig oder zumindest teilweise privatrechtlich organisierten und mithin grundrechtsberechtigten Anlagenbetreibern behandelt werden sollten, während die übrigen Absätze die Mitwirkungspflichten von Gemeinden und Behörden, also öffentlich-rechtlichen Beteiligten ohne Grundrechtsposition324, regeln sollten. Der Bundesrat übersah

320 321 322 323

Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47c Rn. 94. Vgl. die Textfassung in BR-Drs. 710/05 (Beschluss). BR-Drs. 710/1/05, S. 13. Vgl. Gesetzentwurf, BT-Drs. 15/3782, Einzelbegründung zu § 47c BImSchG-E,

S. 26. 324 Zur Grundrechtsfähigkeit der Gemeinden vgl. aber insbesondere BayVerfGHE n. F. 37, 101; siehe auch die weiteren Nachweise unten, 6. Teil, in Fn. 207.

D. Die Verfahrensvorschriften zur Lärmkartierung

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auch noch, dass die von ihm beschlossene Neufassung die Intentionen aus der Begründung der Ausschussempfehlung überhaupt nicht umzusetzen vermag. Denn das Eisenbahn-Bundesamt ist als selbständige Bundesoberbehörde Genehmigungs- und Aufsichtsbehörde für Eisenbahnverkehrs- und Eisenbahninfrastrukturunternehmen (vgl. §§ 4 Abs. 2 S. 1, 5 Abs. 2 S. 1 AEG i.V. m. §§ 2, 3 BEVVG325), nicht aber selbst ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen i. S. d. § 2 Abs. 1, 2. Alt. AEG. Nur Eisenbahninfrastrukturunternehmen sind aber Verpflichtete gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 der 34. BImSchV. Entgegen der Annahme des Bundesrats sind Daten des Eisenbahn-Bundesamtes somit weiterhin gemäß § 3 Abs. 3 der 34. BImSchV als von einer sonstigen Behörde herauszuverlangen. Indem in § 3 Abs. 3 der 34. BImSchV nur allgemein von „für die Lärmkarten erforderlichen“ Daten die Rede ist, können nach dieser Vorschrift in gleicher Weise Eingangs- wie Ergebnisdaten abgefragt werden. Tatbestandliche Voraussetzung für die Befugnisausübung ist nur, dass erforderliche Daten oder Ergebnisdaten nicht bei der Lärmkartierungsbehörde vorhanden sind. Nicht ist Voraussetzung, dass diese bei den Mitwirkungspflichtigen auch tatsächlich vorhanden wären. Die Begrenzung auf vorhandene Daten beschränkt lediglich die sich als Rechtsfolge ergebende Mitwirkungspflicht in ihrem Umfang. Somit ist auch eine Anordnung der Lärmkartierungsbehörde ohne vorherige Kenntnis über das Vorhandensein der angefragten Daten als rechtmäßig zu qualifizieren; die Anordnung geht hinsichtlich nicht vorhandener Daten lediglich ins Leere. Somit ist zwar nicht der Umfang der zu übermittelnden Daten bereits auf Tatbestandsebene geregelt, wohl aber der Umfang der rechtmäßigen Anordnung der Behörde. Die Behörde darf nur die Übermittlung von Daten anordnen, „soweit“ sie nicht auf Bestände zurückgreifen kann. Damit unvereinbar ist die Abfrage bereits der Behörde vorliegender Daten, z. B. zu Abgleichszwecken, sofern dies nicht im Sinne der §§ 4 und 5 der 34. BImSchV erforderlich ist. Die Begrenzung der Anordnungsbefugnis auf Daten, „soweit“ diese fehlen, dient der Begrenzung der Eingriffstiefe zulasten der Anordnungsadressaten und somit auch der Verhältnismäßigkeit der Anordnung. Fraglich ist in diesem Zusammenhang ferner, ob es sich bei den „Beständen“, auf die die Lärmkartierungsbehörde nicht zurückgreifen können darf, um die Anordnungsbefugnis nutzen zu können, zwingend um unmittelbar eigene Bestände der Behörde handeln muss oder ob als Bestände auch der abrufbare Datenbestand anderer Behörden aufgefasst werden kann. Mit anderen Worten: Ist der Abruf von Daten anderer Behörden vorrangig gegenüber der Inanspruchnahme von Betreibern? Hierfür könnte sprechen, dass die Abrufmöglichkeit bei 325 Gesetz über die Eisenbahnverkehrsverwaltung des Bundes (Bundeseisenbahnverkehrsverwaltungsgesetz – BEVVG) vom 27.12.1993 (BGBl. I S. 2378), zuletzt geändert durch Art. 2 G v. 16.04.2007 (BGBl. I S. 522).

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5. Teil: Die Lärmkartierung

Behörden keinen Eingriff in private, grundrechtlich geschützte Rechtspositionen erfordert und insoweit milder ist. Dagegen spricht indes das als Strukturmerkmal im Bundes-Immissionsschutzrecht verankerte Verursacherprinzip sowie das Prinzip der möglichst einfachen und effizienten Verfahrensgestaltung. Dem dient es, wenn Daten dort abgerufen werden, wo sie am ehesten vorhanden sind. Eine Präzedenzauswahl zugunsten anderer Behörden ist damit nicht vereinbar. Als Bestände, auf die ein Rückgriff möglich ist, sind somit nur die eigenen Datenbestände der Lärmkartierungsbehörde selbst anzusehen.326 Da nicht nur eine einzige Lärmkarte zu erstellen ist, sondern die Lärmbelastung in mehreren gesonderten Karten und in jeweils unterschiedlicher Kartierungszuständigkeit abgebildet wird, ist auch eine mehrfache Inanspruchnahme desselben Betreibers durch unterschiedliche Kartierungsbehörden denkbar. Dies kann etwa den Fall der Kartierung der Haupteisenbahnstrecken durch das EBA einerseits und durch die Ballungsraumkartierungsbehörde andererseits betreffen. Die zweifache Inanspruchnahme des Eisenbahninfrastrukturunternehmens bezüglich derselben Strecke ist allerdings ebenfalls als Folge des Verursacherprinzips als akzeptabel anzusehen. Im Übrigen ist davon auszugehen ist, dass im Falle einer bereits erfolgten anderweitigen Kartierung eher die hierdurch verfügbaren Ergebnisdaten als neuerliche Eingangsdaten für eine eigene Berechnung abgefragt werden dürften und insofern eine gewisse Schonung der Betreiber eintreten wird. c) Die Rechtsfolgen Sind die vorbezeichneten tatbestandlichen Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 S. 1 der 34. BImSchV erfüllt, können die Kartierungsbehörden eine Datenübermittlung anordnen. Die fragliche Anordnung der Kartierungsbehörde als Maßnahme einer Verwaltungsbehörde auf Grundlage des öffentlichen Immissionsschutzrechts regelt die Datenübermittlungspflicht eines individuellen Mitwirkungspflichtigen in einem konkreten Einzelfall und entfaltet mithin eine Rechtswirkung außerhalb des Rechtskreises der Kartierungsbehörde. Die Anordnung stellt somit einen Verwaltungsakt i. S. d. § 35 S. 1 VwVfG dar, gegen den sich die in Anspruch genommenen Privaten im Wege der Anfechtungsklage bzw. zunächst, sofern gesetzlich noch vorgesehen, durch Widerspruchseinlegung zur Wehr setzen können. Indem die Lärmkartierungsbehörden die Datenübermittlung anordnen „können“, ist die Anordnung in das pflichtgemäße Ermessen der Kartierungsbehör326 So wohl auch das Begriffsverständnis von Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47c Rn. 81.

D. Die Verfahrensvorschriften zur Lärmkartierung

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den nach Maßgabe des § 40 VwVfG gestellt. Es gelten die herkömmlichen Anforderungen im Sinne der Ermessensfehlerlehre. In besonderer Weise ist die Verhältnismäßigkeit zu wahren. In der Rechtsfolge hat der Adressat des Verwaltungsakts die angeforderten Daten zu übermitteln, sofern sie bei ihm vorhanden sind. Eine Verpflichtung zur Erhebung nicht vorhandener Daten, wie sie noch im Regierungsentwurf zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes vorgesehen war,327 ist damit ausgeschlossen. Das Vorhandensein der angeforderten Daten bezieht sich dabei wohl nicht nur auf die Existenz der Daten überhaupt, sondern auch auf ihre Beschaffenheit. Eine behördliche Anordnung zur Herausgabe von Daten in einer bestimmten Form, die erst eine erhebliche Umarbeitung, Umrechnung, Neuzusammenstellung o. ä. erforderlich macht, wird wohl nicht mehr mit der Beschränkung auf die „vorhandenen“ Daten vereinbar sein. Im Grundsatze sind danach Daten zu übermitteln, sofern und so wie sie beim Verfügungsadressaten vorhanden sind. Die Anpassung von Eingangsdaten an die Erfordernisse der Weiterverarbeitung ist vielmehr Angelegenheit der Kartierungsbehörde. Die Anordnung wird durch Übermittlung der vorhandenen Daten bzw. Negativmitteilung hinsichtlich des Nichtvorhandenseins erfüllt und zur Erledigung gebracht; letzteres kann allenfalls dann nicht gelten, wenn sich ein Anordnungsadressat auf das Nichtvorhandensein von Daten stützt, die nach einer Rechtsvorschrift von ihm vorzuhalten wären. Die Datenübermittlung hat unentgeltlich zu erfolgen; die anfallenden Kosten für die Datenzusammenstellung und -übermittlung trägt also der Verpflichtete. Gemäß § 3 Abs. 1 S. 3 der 34. BImSchV ist § 52 Abs. 5 und 7 BImSchG entsprechend anzuwenden. Diese Vorschriften räumen den Anlagenbetreibern ein Zeugnisverweigerungsrecht bei drohender Selbstbelastung ein328 bzw. untersagen die Weitergabe erlangter Informationen an die Finanzbehörden329. 3. Die Datenerhebung bei Privaten Nach dem bisher Gesagten trifft die (meist privaten) Anlagenbetreiber i. S. d. § 3 Abs. 1 S. 1 der 34. BImSchV zwar nach geltendem Recht keine Verpflichtung, erforderliche Daten selbst erstmals zu erheben; entsprechende Pläne wurden im Rahmen des Gesetzgebungs- und Verordnungsverfahrens fallengelassen. Im Gegenzuge wurden die Anlagenbetreiber aber zur Mitwirkung an der Erhe327 328 329

Vgl. § 47c Abs. 1 BImSchG-E, BT-Drs. 15/3782. Siehe hierzu Jarass, BImSchG, § 52 Rn. 37. Siehe hierzu Jarass, BImSchG, § 52 Rn. 57 i.V. m. § 27 Rn. 13 f.

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5. Teil: Die Lärmkartierung

bung erforderlicher Daten durch die nunmehr hierfür zuständigen Lärmkartierungsbehörden verpflichtet. Eine mit dem heutigen § 3 Abs. 1 S. 2 der 34. BImSchV fast wortgleiche Vorschrift findet sich erstmals in der Urfassung des zweiten Verordnungsentwurfs der Bundesregierung (§ 4 Abs. 1 S. 2 VO-E330). Die heutige Vorschrift erhielt ihre endgültige Gestalt im Zuge der Ausschussberatungen des Bundesrats;331 sie unterscheidet sich von der vorgeschlagenen Fassung durch eine Beschränkung der Betretungsrechte auf die üblichen Geschäftszeiten sowie durch die Ergänzung, dass nur vorhandene Unterlagen zur Verfügung zu stellen sind. Die Vorschrift ähnelt damit der Regelung des § 52 Abs. 2 BImSchG. Gleichwohl war eine eigenständige Rechtsnorm erforderlich, um eine Mitwirkungspflicht der betroffenen Anlagenbetreiber zu begründen; denn § 52 Abs. 2 BImSchG gilt nur im Zusammenhang mit der immissionsschutzrechtlichen Überwachung im Sinne des § 52 Abs. 1 BImSchG.332 Im vorliegenden Fall liegt dem Mitwirkungsbegehren der Kartierungsbehörde jedoch nicht eine Überwachungsaufgabe dergestalt zugrunde, dass die Einhaltung immissionsschutzrechtlicher Regelungen seitens der Betreiber überprüft würde, sondern die hiervon losgelöste Aufgabe der Lärmkartierung. Der Mitwirkungsverpflichtung der Anlagenbetreiber steht spiegelbildlich die Befugnis der Kartierungsbehörden gegenüber, die Mitwirkung der Betreiber zu verlangen. Das Mitwirkungsverlangen hat regelnden Charakter und weist mithin ebenso wie die Datenübermittlungsanordnung nach § 3 Abs. 1 S. 1 der 34. BImSchV Verwaltungsaktsqualität auf, so dass Rechtsschutz durch Anfechtungsklage sowie ggf. vorgängige Widerspruchseinlegung begehrt werden kann. Die Mitwirkungspflicht der Betreiber wird tatbestandlich nur durch die Erforderlichkeit der Datenerhebung begründet. Ob eine Datenerhebung erforderlich ist, ist als unbestimmter Rechtsbegriff der vollen richterlichen Nachprüfung zugänglich. Einschränkend wird man angesichts der je nach den Umständen tiefen Eingriffe in die Freiheiten der Unternehmen333 hinzufügen müssen, dass als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal auch die Inanspruchnahme des Mitwirkungspflichtigen selbst erforderlich sein muss. Denn eine Inanspruchnahme zu einer für sich genommen nicht erforderlichen Mitwirkung an der Datenerhebung würde als einschneidendere Maßnahme gegenüber der Datenerhebung ohne Mitwirkung des Betreibers nicht das mildeste geeignete Mittel der Aufgabenwahrnehmung darstellen, mithin unverhältnismäßig und ermessensfehlerhaft sein. 330 331 332 333

BR-Drs. 710/05, S. 2. Vgl. BR-Drs. 710/05 (Beschluss). Jarass, BImSchG, § 52 Rn. 20. Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47c Rn. 94.

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Mitwirkungspflichtig sind nur diejenigen, zumeist privatrechtlich organisierten Betreiber, die in § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis Nr. 5 der 34. BImSchV genannt sind. Insofern kann auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.334 Der Umfang der Mitwirkungspflicht ist in § 3 Abs. 1 S. 2 der 34. BImSchV nicht abschließend geregelt. Es werden lediglich einige typische Mitwirkungsvorgänge aufgezählt, die „insbesondere“ in den Rahmen der Mitwirkungspflichten fallen. Hierzu gehört zum einen die Verpflichtung, vorhandene Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Ferner sind „während der üblichen Geschäftszeiten das Betreten von Betriebsgrundstücken und -räumen zu dulden“ sowie „Anlagen und Einrichtungen zugänglich zu machen“. Diese Verpflichtung ist in mehrerlei Hinsicht problematisch. Die genaue Abgrenzung eines Betretungsrechts der Behörde und der Verpflichtung des Betreibers, seine Anlagen zugänglich zu machen, ist nicht ganz trennscharf. Der Zugang zu einer Anlage setzt das Betretungsrecht bereits als notwendig voraus, das nach herkömmlicher Lesart ein Besichtigungsrecht einschließt.335 Demgegenüber umfasst die Verpflichtung, eine Anlage zugänglich zu machen, zusätzlich die Beseitigung von Hindernissen oder die Bereitstellung einer ausreichenden Beleuchtung.336 Das Betretungsrecht der Kartierungsbehörde soll sich regelmäßig auf übliche Geschäftszeiten beschränken. Diese Begrenzung wurde im Zuge der Ausschussberatungen des Bundesrates in den Verordnungstext aufgenommen, um verfassungsrechtlichen Bedenken Rechnung zu tragen.337 Konkret sollte wohl der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts etwa zu Betretungsrechten nach den Landes-Rundfunkgesetzen Rechnung getragen werden, wonach Rechte zum Betreten von Betriebsräumen dann nicht gegen Art. 13 Abs. 1 GG verstoßen, wenn eine besondere gesetzliche Vorschrift zum Betreten ermächtigt, das Betreten einem erlaubten Zweck dient und für dessen Erreichung erforderlich ist, das Gesetz Zweck, Gegenstand und Umfang des Betretens erkennen lässt und das Betreten auf Zeiten beschränkt wird, in denen die Räume normalerweise für die betriebliche Nutzung zur Verfügung stehen.338 Was als übliche Geschäftszeit anzusehen ist, richtet sich nach den konkreten Gepflogenheiten des betroffenen Betriebes. Übliche Geschäftszeiten können demnach bei nachts laufenden Anlagen auch während der Nachtstunden zu be334

Siehe hierzu oben D. I. 2. a), S. 209. Jarass, BImSchG, § 52 Rn. 28 m.w. N. 336 Vgl. hierzu Jarass, BImSchG, § 52 Rn. 35. 337 Ausschussempfehlungen, BR-Drs. 710/1/05, Nr. 7, S. 15; BR-PlPr 818, S. 420 (D), zu Ziffer 7. 338 BVerfGE 97, 228 (266); siehe auch Jarass, BImSchG, § 52 Rn. 29. 335

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5. Teil: Die Lärmkartierung

jahen sein. Dies zeigt allerdings schon, wie fraglich es ist, ob in der Praxis durch die Begrenzung auf übliche Geschäftszeiten auch tatsächlich eine Verminderung der Belastung der Betriebe durch Betretungen erreicht werden wird. Denn regelmäßig werden Betretungen zur Lärmerkundung ohnehin während der lärmrelevanten Betriebszeiten der Anlage erfolgen. Umgekehrt wird man zur Ermittlung von Lnight-Werten den Kartierungsbehörden die Betretung während der nächtlichen Zeitscheibe trotz anderweitiger Geschäftszeiten nicht verwehren können, sofern Messungen für die Eingangsdatenerhebung erforderlich sind.339 Wesentlich schwerwiegender ist in diesem Zusammenhang die Frage nach der Einschränkung des Grundrechts der Unverletzlichkeit der Wohnung. Bekanntlich unterfallen auch Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume dem Schutzbereich des Art. 13 GG.340 Eingriffe, die nicht Durchsuchung oder technische Überwachung sind, können nach Art. 13 Abs. 7 GG aufgrund Gesetzes erfolgen. Voraussetzung für den Eingriff in Geschäftsräume ist, dass dieser aufgrund einer besonderen gesetzlichen Vorschrift einen erlaubten Zweck verfolgt.341 Fraglich ist somit, aufgrund welchen Gesetzes, das zugleich das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG beachtet, hier die Betretung erfolgen dürfen soll. Eine Minderheit des Bundesrates wollte in § 3 Abs. 1 S. 3 der 34. BImSchV ausdrücklich auch auf § 52 Abs. 6 BImSchG Bezug nehmen, da darin die maßgebliche gesetzliche Grundlage für die Betretungsrechte der Behörden liegen solle,342 konnte sich damit aber nicht durchsetzen.343 Die Vorschrift des § 52 Abs. 6 BImSchG betrifft an sich das Recht der Behörden zur Betretung von Grundstücken, die nicht verantwortlichen Personen gehören. Das Zutritts- und Prüfungsrecht reicht nach dieser Vorschrift weniger weit als nach den Vorschriften über die Rechte gegenüber Verantwortlichen, insbesondere also § 52 Abs. 2 S. 1 BImSchG.344 Vorliegend sind mit den Betreibern der enumerativ aufgezählten Anlagentypen aber gerade Verantwortliche zur Mitwirkung verpflichtet worden – dies allerdings in einem Zusammenhang, der mit den eigentlich in § 52 BImSchG geregelten Aufgaben der Überwachung immissionsschutzrechtlicher Anlagen nichts zu tun hat. Es wurde bereits angesprochen, dass § 52 Abs. 2 BImSchG deshalb nicht zur Anwendung gebracht werden kann. 339 Insoweit bestehen Parallelen zu den maßgeblichen Effizienzgesichtspunkten bei Betretungen zu Überwachungszwecken; siehe hierzu Hansmann/Röckinghausen, in: Landmann/Rohmer, § 52 BImSchG Rn. 68. 340 BVerfGE 32, 54 (68 ff.); 42, 212 (219); 44, 353 (371); 76, 83 (88); 96, 44 (51); 97, 228 (265). 341 Jarass, BImSchG, § 52 Rn. 29. 342 Ausschussempfehlungen, BR-Drs. 710/1/05, Nr. 9, S. 15 f. 343 BR-PlPr 818, S. 420 (D), zu Ziffer 9. 344 Jarass, BImSchG, § 52 Rn. 42 und 23 f.

D. Die Verfahrensvorschriften zur Lärmkartierung

217

Insofern mag es mit Bedenken noch als zulässig erscheinen, die Regelung des § 52 Abs. 6 BImSchG, wonach der Zutritt erfolgen darf, sofern zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes oder der hierzu ergangenen Rechtsverordnungen Immissionen zu ermitteln sind, auch vorliegend zur Einschränkung der Rechte von Anlagenbetreibern aus Art. 13 GG heranzuziehen. Eine ausdrückliche Bezugnahme im jeweiligen Verordnungstext ist angesichts der formell-gesetzlichen Regelung hierfür schließlich nicht vonnöten. Gänzlich zweifelsfrei ist diese Vorgehensweise allerdings nicht.345 Auch im Zuge der Datenerhebung sind das Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52 Abs. 5 BImSchG und das Weitergabeverbot nach § 52 Abs. 7 BImSchG von der Lärmkartierungsbehörde zu beachten (§ 3 Abs. 1 S. 3 der 34. BImSchV). Anders als bei der Datenübermittlung gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 der 34. BImSchV ist hinsichtlich der Mitwirkungspflichten bei der Datenerhebung nicht ausdrücklich geregelt, ob auch diese unentgeltlich zu erfüllen sind. Aus der Gesamtschau der übrigen Einzelregelungen des § 3, die Behörden und Private samt und sonders zur unentgeltlichen Mitwirkung verpflichten, lässt sich jedoch schließen, dass auch die Duldung von Betretungen und das Bereitstellen von Unterlagen bei der Datenerhebung unentgeltlich erfolgen sollen. Sofern ein Unternehmen also etwa Unterlagen nur in Form von Ablichtungen zugänglich machen möchte, was ihm aus Verhältnismäßigkeitsgründen zu gestatten ist, hat es die Kosten für deren Anfertigung selbst zu tragen.

II. Die Mitteilungspflichten der zuständigen Behörden Dem Bereich der verfahrensrechtlichen Regelungen sind ferner die zahlreichen Mitteilungs- und Berichtspflichten zuzuordnen, die sich in der Richtlinie selbst, aber auch im Bundes-Immissionsschutzgesetz und der 34. Bundes-Immissionsschutzverordnung finden. Die einzelnen Mitteilungspflichten orientieren sich dabei jeweils an den Mitteilungspflichten der nächsthöheren Ebene. Im Wesentlichen handelt es sich um Bestandsmitteilungen zu bestimmten Hauptlärmquellen und Ballungsräumen sowie um die Mitteilung von Informationen aus Lärmkarten. 1. Allgemeine Mitteilungen an die EU-Kommission Bereits vorab waren seitens der Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. 4 Abs. 2 RL die für die Durchführung der Lärmminderungsplanung zuständigen Behörden mitzuteilen, wobei die EU-Kommission eine konkrete Mitteilung der

345

Zweifel hat offenkundig auch Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47c Rn. 94.

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5. Teil: Die Lärmkartierung

örtlichen und sachlichen Zuständigkeiten bis hinunter auf die lokale Ebene einschließlich der jeweiligen Anschriften erwartete.346 Stichtag war insoweit der 18.07.2005, der wegen des Inkrafttretens des BImSchG-Änderungsgesetzes am 30.06.2005 und der mit der Behördenzuständigkeitsbestimmung in den Ländern verbundenen Zeitabläufe freilich nicht eingehalten werden konnte. Ebenfalls zum 18.07.2005 waren der Kommission gemäß Art. 5 Abs. 4 RL alle relevanten deutschen Grenzwerte nebst Erläuterungen mitzuteilen. 347 2. Die Bestandsmitteilungen Gemäß Art. 7 Abs. 1 S. 2 RL teilen die Mitgliedstaaten der Kommission bis zum 30.06.2005 und danach alle fünf Jahre die Hauptverkehrsstraßen, Haupteisenbahnstrecken, Großflughäfen und Ballungsräume der ersten Kartierungsstufe mit. Gleiches gilt gemäß Art. 7 Abs. 2 S. 2 RL zum 31.12.2008 für sämtliche Ballungsräume, Hauptverkehrsstraßen und Haupteisenbahnstrecken im Gebiet der Mitgliedstaaten, also auch für jene der zweiten Kartierungsstufe. Die Erfüllung dieser mitgliedstaatlichen Verpflichtung sollte durch § 47c Abs. 5 BImSchG sichergestellt werden. Danach teilen die zuständigen Behörden dem Bund zu den genannten Stichtagen bzw. alle fünf Jahre die jeweiligen Bestände mit. Zuständig i. S. d. § 47c Abs. 5 BImSchG sind nach § 47e Abs. 2 BImSchG die obersten Landesbehörden oder von diesen benannte Stellen bzw. nach § 47e Abs. 3 BImSchG für Haupteisenbahnstrecken das Eisenbahn-Bundesamt. Durch die Zuständigkeitszuweisung an die obersten Landesbehörden wird eine länderbezogene Bündelung der Informationen und mithin eine Entlastung des BMU im Verfahren erreicht. Als praktisch nicht umsetzbar erscheint indes die Festlegung der Mitteilungspflichten auf exakt diejenigen Stichtage, an denen das BMU selbst bereits spätestens die Daten an die Kommission übermitteln muss. Dieses Redaktionsversehen348 muss wohl dergestalt bereinigt werden, dass die Länder aus Gründen der Bundestreue und des europarechtskonformen Verwaltungsvollzugs sowie das Eisenbahn-Bundesamt mindestens aus dem letztgenannten Grunde die Verpflichtung trifft, ihre Daten so rechtzeitig zu übermitteln, dass eine fristgerechte Weitergabe an die EU-Kommission nach allgemein vorhersehbaren Abläufen sichergestellt ist. Die Länder und das EBA dürfen die Fristen des § 47c Abs. 5 BImSchG somit nicht vollständig ausschöpfen.349 346 Feldmann, Wandel im Lärmschutz, ZUR 2005, 352 (356); vgl. auch die Einträge in BMU, Meldung (Fn. 63), nebst Anlagen. 347 BMU, Meldung (Fn. 63), Anlage „Bund“, Datenblatt 5 („noise limit values“). 348 Für Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47c Rn. 76, eine „schlichte gesetzgeberische Fehlleistung“; vgl. auch Repkewitz, Probleme, VBlBW 2006, 409 (412).

D. Die Verfahrensvorschriften zur Lärmkartierung

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Entsprechend muss die Fristsetzung innerhalb der Bundesländer gehandhabt werden. Mindestens überraschend ist, dass der Bundesgesetzgeber als erste Frist für die Bestandsmitteilung den 30.06.2005 festgesetzt hat. Dieses Datum entspricht zwar den Vorgaben der Richtlinie, markiert zugleich jedoch erst den Tag des Inkrafttretens des Gesetzes. Angesichts der Annahme des Gesetzes im Bundestag am 16.06.2005 und der Zustimmung des Bundesrates am 17.06.2005 musste dem Bundesgesetzgeber bei der Verabschiedung auch klar sein, dass diese Frist von den Bundesländern nicht eingehalten werden konnte. Vermutlich wollte man unbedingt vermeiden, eine nicht richtlinienkonforme Fristsetzung in das Gesetz aufzunehmen, um sich diesbezüglich nicht Vertragsverletzungsvorwürfen auszusetzen. Zugunsten der Länder ist somit der Grundsatz anzuführen, wonach Unmögliches von niemandem gefordert werden kann (ultra posse nemo obligatur). Mehr als eine Bearbeitung binnen angemessener Frist und ohne vermeidbare Verzögerungen konnte von den Bundesländern somit wohl nicht verlangt werden. Als noch angemessen muss jedenfalls derjenige Zeitraum angesehen werden, den die Richtlinie zwischen dem Ablauf der Umsetzungsfrist am 18.07. 2004 und der Bestandsmitteilung zum 30.06.2005 vorgesehen hatte, mithin etwa ein Jahr.350 Gründe für eine Annahme einer „subsidiär im Gesetz vorgesehenen Fünfjahresfrist“351, also das Verschieben der Bestandsmitteilungen auf den Termin der zweiten Kartierungsstufe bzw. der erstmaligen Überprüfung der ersten Kartierungsstufe, sind nicht ersichtlich. Eine solche Auslegung wäre wegen eines vermeidbaren Kartierungsausfalls europarechtswidrig. 3. Die Mitteilung der Lärmkarten Nach Art. 7 Abs. 1 S. 1 RL haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass für die Hauptlärmquellen und Ballungsräume der ersten Kartierungsstufe bis zum 30.06.2007 strategische Lärmkarten ausgearbeitet werden. Gleiches gilt nach Art. 7 Abs. 2 S. 1 RL bis zum 30.06.2012 für sämtliche Ballungsräume und Hauptlärmquellen, also wiederum einschließlich der zweiten Kartierungsstufe. Die Informationen aus den Lärmkarten, die der Kommission gemäß Ziffer 6 des Anhangs IV bzw. Ziffern 1.5, 1.6, 2.5, 2.6 und 2.7 des Anhangs VI RL zu übermitteln sind, müssen der Kommission gemäß Art. 10 Abs. 2 RL jeweils spätestens sechs Monate später vorliegen. 349

Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47c Rn. 76. Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47c Rn. 75; vgl. auch Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47c BImSchG Rn. 17: unverzügliche Nachholung, Ergänzung und Berichtigung bei Fristversäumnis. 351 Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47c BImSchG Rn. F 1. 350

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5. Teil: Die Lärmkartierung

Aus diesem Grunde sind die nach § 47c Abs. 1 BImSchG zum 30.06.2007 bzw. 30.06.2012 von den Lärmkartierungsbehörden zu erarbeitenden vollständigen Lärmkarten gemäß § 6 Abs. 2 der 34. BImSchV ebenfalls zum 30.06.2007 bzw. 30.06.2012 an die obersten Landesbehörden zu übermitteln. Die obersten Landesbehörden i. S. d. § 47e Abs. 2 BImSchG leiten die Lärmkarten gemäß § 6 Abs. 1 der 34. BImSchV spätestens vier Monate später an den Bund weiter. Eine Ausnahme bevorzugt insoweit das Eisenbahn-Bundesamt. Dieses muss wie die obersten Landesbehörden die von ihm erstellten Lärmkarten gemäß § 6 Abs. 1 der 34. BImSchV i.V. m. § 47e Abs. 3 BImSchG erst binnen vier Monaten ab den Stichtagen 30.06.2007 bzw. 30.06.2012 an den Bund weiterreichen. Der Empfänger der Mitteilungen ist auf Seiten des Bundes gemäß § 47c Abs. 6 BImSchG jeweils das Bundesumweltministerium oder eine von diesem benannte Stelle. Mittlerweile wurde das Umweltbundesamt als solche Stelle benannt.352

III. Die Überarbeitung der Lärmkarten Verfahrensrechtlich sind ferner Überprüfungen und Überarbeitungen der Lärmkarten vorgesehen. Die maßgeblichen Rechtsgrundlagen finden sich in § 47c BImSchG. Nach § 47c Abs. 1 S. 2 BImSchG sind bis zum 30.06.2012 und danach alle fünf Jahre Lärmkarten für alle Ballungsräume und Hauptlärmquellen der Bundesrepublik auszuarbeiten. Gemäß § 47c Abs. 4 BImSchG werden die Lärmkarten mindestens alle fünf Jahre nach dem Zeitpunkt ihrer Erstellung überprüft und bei Bedarf überarbeitet. Diese beiden Regelungen behandeln unterschiedliche Gegenstände: § 47c Abs. 1 S. 2 BImSchG betrifft nur die erstmalige Ausarbeitung von Lärmkarten für einen bestimmten Ballungsraum oder eine Hauptlärmquelle, für die bislang keine Lärmkartierung erfolgte. Hingegen gilt § 47c Abs. 4 BImSchG für die Überarbeitung bereits zu einem früheren Zeitpunkt erstellter Lärmkarten. Dies entspricht der Regelungsstruktur des Art. 7 RL, der in Abs. 2 S. 1 und Abs. 5 ebenfalls zwischen der Erarbeitung zum 30.06.2012 und alle fünf weiteren Jahre einerseits und der Überarbeitung bestehender Lärmkarten in einem Fünfjahresrhythmus andererseits unterscheidet.353

352

Bundesregierung, BT-Drs. 16/7798, S. 6. Wie hier Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47c BImSchG Rn. 7 und 16; Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47c Rn. 16 f.; a. A. Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47c BImSchG Rn. E 1, der in § 47c Abs. 4 BImSchG eine „Konkretisierung“ des Abs. 1 S. 2 erblicken möchte; keine Unterscheidung des Anwendungsbereichs bei Wysk, in: Giesberts/Reinhardt, § 47c BImSchG Rn. 24 f. 353

D. Die Verfahrensvorschriften zur Lärmkartierung

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Fälle des § 47c Abs. 1 S. 2 BImSchG liegen somit beispielsweise vor, wenn aufgrund der Neuschaffung einer Hauptlärmquelle, der erstmaligen Überschreitung eines Schwellenwerts hinsichtlich des Verkehrsaufkommens oder der erstmaligen Erreichung des Ballungsraumstatus’ aufgrund gestiegener Einwohnerzahlen eine Kartierung erforderlich wird.354 Demgegenüber sind bestehende Lärmkarten spätestens fünf Jahre nach ihrer Erstellung zu überprüfen und bei Bedarf zu überarbeiten. Der Bedarfsfall liegt zum einen vor, wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse dergestalt verändert haben, dass eine veränderte Ausgangslage für die nachfolgende Aktionsplanung zu gewärtigen ist oder sich im Hinblick auf die Mitteilungsverpflichtungen gegenüber der Kommission ein Anpassungsbedarf in der Lärmkarte herausstellt.355 Der Bedarfsfall liegt aber wohl auch vor, wenn sich die rechtlichen Rahmenbedingungen verändert haben.356 Dies betrifft insbesondere den künftigen Erlass einheitlicher Berechnungsmethoden seitens der Kommission, der somit ebenfalls eine Überarbeitungsnotwendigkeit zur Folge haben wird. Fraglich ist, ob über die routinemäßige Überprüfung mindestens alle fünf Jahre nach der Erstellung der Lärmkarten hinaus eine frühere Prüfung erfolgen muss, wenn tatsächliche Änderungen zu vermuten sind, die zu einer Änderung der Beurteilung der Lärmsituation führen können.357 Dem ist entgegenzuhalten, dass der Gesetzgeber in der Parallelvorschrift des § 47d Abs. 5 BImSchG für die Überprüfung und Überarbeitung von Lärmaktionsplänen ausdrücklich eine zeitunabhängige anlassbezogene Überprüfungspflicht neben der gleichfalls vorgesehenen Routineprüfung im Fünfjahresrhythmus vorgesehen hat, die § 47c Abs. 4 BImSchG gerade nicht enthält.358 Der Gesetzgeber hat gleichsam die Einschätzung Gesetz werden lassen, dass eine Überprüfung der Lärmkarten nach längstens fünf Jahren für die Aktualität der Lärmkarten hinreichend ist. Dass ihm dies nicht gestattet gewesen wäre, ist nach dem Wortlaut des Art. 7 Abs. 5 RL, dem § 47c Abs. 4 BImSchG nahezu wörtlich entspricht, nicht ersichtlich. Eine Prüfungspflicht „vor der Zeit“ besteht somit nicht. Allerdings ist eine freiwillige Prüfung vor Ablauf von fünf Jahren durchaus zulässig, wie die Festlegung auf „mindestens“ alle fünf Jahre deutlich macht. Nicht ausdrücklich geregelt ist in Art. 7 RL, ob auch die überarbeiteten Lärmkarten erneut der Kommission übersandt werden müssen. Die gemäß

354

Vgl. Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47c BImSchG Rn. 7. Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47c BImSchG Rn. 16; Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47c Rn. 18. 356 So wohl auch Wysk, in: Giesberts/Reinhard, § 47c BImSchG Rn. 25, der auf „veränderte Maßstäbe“ abstellt. 357 Hierfür Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47c Rn. 17. 358 Vgl. auch Wysk, in: Giesberts/Reinhardt, § 47c BImSchG Rn. 24, § 47d BImSchG Rn. 28. 355

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5. Teil: Die Lärmkartierung

Art. 10 Abs. 2 RL genannten Zeitpunkte des Art. 7 RL müssen aber auch die jeweils um fünf Jahre fortgeschriebenen Zeitpunkte erfassen, wenn die Kommission gemäß Art. 10 Abs. 4 RL alle fünf Jahre einen Kurzbericht über die Informationen aus den strategischen Lärmkarten vorlegen können soll. Auch die überarbeiteten Lärmkarten sind somit spätestens sechs Monate nach den Fünfjahresstichtagen an die Kommission zu übermitteln. Unstimmig erscheint indes die Maßgabe des Art. 7 Abs. 1 S. 2 RL, wonach die Mitgliedstaaten alle fünf Jahre die Hauptlärmquellen und Ballungsräume der ersten Kartierungsstufe fortgeschrieben mitzuteilen haben. Entsprechendes fehlt in Art. 7 Abs. 2 S. 2 RL, wo nur punktuell zum 31.12.2008 sämtliche Ballungsräume sowie Hauptverkehrsstraßen und Haupteisenbahnstrecken mitgeteilt werden sollen. Dies verwundert insofern, als gerade die erstmalige Erstellung neuer Lärmkarten in regelmäßigen Abständen, für deren Bewertung durch die Kommission aktuelle Daten benötigt werden, in Art. 7 Abs. 2 RL geregelt ist, wohingegen die Karten der ersten Stufe sozusagen als einmaliges Ereignis vorweg erstellt wurden. Das passt nicht zusammen und ist wohl als redaktionelles Versehen zu bewerten.

IV. Die Veröffentlichung der Lärmkarten Gemäß Art. 9 Abs. 1 RL sind Lärmkarten der Öffentlichkeit zugänglich zu machen bzw. an sie zu „verteilen“. Dies stellt nicht nur eine beliebige Verfahrensvorschrift dar, sondern ist wesentlicher Teil des Handlungskonzepts der Umgebungslärmrichtlinie, indem durch den Einbezug einer informierten Öffentlichkeit Handlungsdruck zur Verbesserung der Lärmsituation erzeugt wird. Diesem hohen Stellenwert der Öffentlichkeitsinformation hat auch eine europarechtskonforme Umsetzung im nationalen Recht Rechnung zu tragen.359 Gestützt auf die Ermächtigungsgrundlage des § 47f Abs. 1 Nr. 3 BImSchG konkretisiert § 7 der 34. BImSchV die Anforderungen an die Information der Öffentlichkeit über Lärmkarten. Gemäß § 7 S. 1 der 34. BImSchV werden „geeignete Ausfertigungen“ der Lärmkarten zur Unterrichtung der Öffentlichkeit „verbreitet“. Welche Ausfertigungen geeignet sind, ist insbesondere an Art. 9 Abs. 2 RL sowie an § 47c Abs. 2 BImSchG i.V. m. Ziffer 6 des Anhangs IV RL zu messen. Danach hat die Information deutlich, verständlich und zugänglich zu sein (Art. 9 Abs. 2 S. 1 RL). Eine Zusammenfassung mit den wichtigsten Punkten muss verfügbar sein (Art. 9 Abs. 2 S. 2 RL). Die Lärmkarte muss ihren Inhalt im Wege graphischer Darstellungen verdeutlichen und insbesondere Grenzwert359 Vgl. Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47c Rn. 96. Siehe allgemein zum Einbezug der Öffentlichkeit schon oben 2. Teil, B. II., S. 64 f.

D. Die Verfahrensvorschriften zur Lärmkartierung

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überschreitungen markieren (Ziffer 6 des Anhangs IV RL). Dies greift die 34. BImSchV auf. Gemäß § 7 S. 2 der 34. BImSchV hat die Verbreitung in für die Öffentlichkeit verständlicher Darstellung und leicht zugänglichen Formaten zu erfolgen. Wenn eine Zusammenfassung nur „erforderlichenfalls“ zur Verfügung gestellt werden soll (S. 3), ist mit Blick auf Ziffer 6 des Anhangs IV RL davon auszugehen, dass die Verfügbarkeit einer Zusammenfassung regelmäßig geboten sein wird. Nicht berücksichtigt werden indes „Differenzkarten“ i. S. d. Ziffer 6 des Anhangs IV RL, auf denen die gegenwärtige Lage mit zukünftigen Situationen verglichen wird. Dies verwundert nicht, da eine Prognose künftiger Lärmbelastungen im gesamten deutschen Umsetzungsrecht nicht stattfindet. Dies kann allerdings nur schwerlich als ein Versäumnis des Gesetz- und Verordnungsgebers bewertet werden, da auch die Richtlinie selbst jegliche Anleitung zur Prognose künftiger Zustände vermissen lässt. Nicht abgebildet werden ferner Daten für Lärmindizes auf einer anderen Höhe als 4 Meter; dies ist schlüssig, da das deutsche Recht generell auf eine fakultative Berechnung in anderer Höhe verzichtet. Die Maßgabe des „Verbreitens“ greift den Sprachgebrauch des Umweltinformationsgesetzes des Bundes360 bzw. der Umweltinformationsgesetze der Länder auf, die zur Umsetzung der auch in Art. 9 Abs. 1 RL in Bezug genommenen Richtlinie 90/313/EWG361 bzw. nunmehr der Richtlinie 2003/4/EG362 ergangen sind. Diese Gesetze unterscheiden den „Zugang zu Umweltinformationen“ im Sinne einer antragsbedürftigen Einsichtsmöglichkeit des Bürgers und die „Verbreitung“ im Sinne einer aktiven und systematischen Unterrichtung der Öffentlichkeit durch die informationspflichtigen Stellen.363 Geht im ersteren Falle der Bürger auf die Behörde zu, geht diese im Falle der Verbreitung auf den Bürger zu. Auch im Übrigen greift § 7 der 34. BImSchV die nahezu gleichlautenden Formulierungen des § 10 Abs. 3 und 4 UIG weitgehend auf, wonach zur Information der Öffentlichkeit vorhandene elektronische Kommunikationsmöglichkeiten genutzt werden sollen und die Unterrichtung auch durch Einrichtung entsprechender Internetseiten erfolgen darf.

360

Umweltinformationsgesetz vom 22.12.2004 (BGBl. I S. 3704). Richtlinie 90/313/EWG des Rates vom 07.06.1990 über den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt, ABl. EG Nr. L 158 S. 56. 362 Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28.01. 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates, ABl. EG Nr. L 41 S. 26. 363 Vgl. nur §§ 3 Abs. 1 S. 1, 10 Abs. 1 UIG; Art. 3 Abs. 1 S. 1, 10 Abs. 1 BayUIG vom 08.12.2006 (GVBl. S. 933); §§ 3 Abs. 1, 10 Abs. 1 HessUIG vom 14.12.2006 (GVBl. I S. 659). 361

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5. Teil: Die Lärmkartierung

Unabhängig von der behördlichen Verpflichtung zur Unterrichtung der Öffentlichkeit über die Lärmkarten besteht jedenfalls auch ein Anspruch des interessierten Bürgers auf Zugang zu den entsprechenden Informationen aus § 3 Abs. 1 S. 1 i.V. m. § 2 Abs. 3 Nr. 2 UIG bzw. nach dem Umweltinformationsgesetz desjenigen Landes, dem die jeweilige Kartierungsbehörde angehört.364 Zuständig für die Unterrichtung der Öffentlichkeit sind die Lärmkartierungsbehörden nach § 47e Abs. 1 BImSchG sowie das Eisenbahn-Bundesamt nach § 47e Abs. 3 BImSchG.

E. Die Zuständigkeit im Rahmen der Lärmkartierung Zur Bestimmung der für die Lärmkartierung zuständigen Behörden hält das Bundes-Immissionsschutzgesetz mit § 47e eine bundesrechtliche Regelung bereit (I.). Diese sieht sich ungeachtet formaler und informaler Abweichungen in der Kartierungspraxis erheblicher verfassungsrechtlicher Kritik hinsichtlich der Verwaltungskompetenzordnung des Grundgesetzes ausgesetzt und wirft überdies Fragen nach dem Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden auf (II.). Vor der Erörterung der verfassungsrechtlichen Problemstellungen ist jedoch zunächst die Zuständigkeitsregelung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes darzulegen.

I. Die Zuständigkeitsregelung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz § 47e BImSchG gliedert sich eine allgemeine Zuständigkeitsregel für den Vollzug des neuen Sechsten Teils des Gesetzes (Abs. 1), eine Sonderregel für Mitteilungen an die Bundesregierung (Abs. 2) und eine Ausnahmevorschrift für die Lärmkartierung seitens des Eisenbahn-Bundesamtes (Abs. 3). 1. Die allgemeine Zuständigkeitsregel (§ 47e Abs. 1 BImSchG) Nach der allgemeinen Zuständigkeitsregel des § 47e Abs. 1 BImSchG sind die zuständigen Behörden für die Aufgaben des Sechstens Teils des Bundes-Immissionsschutzgesetzes die Gemeinden oder die nach Landesrecht zuständigen Behörden, soweit nicht nachstehend, also in den Absätzen 2 und 3 der Vorschrift, Abweichendes geregelt ist. Die Aufgaben des Sechsten Teils umfassen die gesamte Lärmminderungsplanung, also insbesondere die Lärmkartierung einschließlich der Datensammlung und Datenerhebung, die Lärmaktionsplanung, die Erfüllung der Mitteilungsver364

Vgl. Wysk, in: Giesberts/Reinhardt, § 47c BImSchG Rn. 22e.

E. Die Zuständigkeit im Rahmen der Lärmkartierung

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pflichtungen an höhere Stellen und die Unterrichtung der Öffentlichkeit über die Ergebnisse der Lärmminderungsplanung. Die Zuständigerklärung der Gemeinden bringt zunächst die Einschätzung des Bundesgesetzgebers zum Ausdruck, dass diese am ehesten geeignet seien, die Aufgaben der Lärmminderungsplanung rechtlich einwandfrei und praktisch effizient zu erfüllen.365 Insofern ist die Gemeindezuständigkeit als Regelzuständigkeit, nicht etwa als subsidiäre Zuständigkeitszuweisung zu betrachten.366 Zugleich verweist die allgemeine Zuständigkeitsregel jedoch auf die Möglichkeit einer anderweitigen Zuständigkeit innerhalb der Bundesländer, was der Regelung unter anderem den Vorwurf einer Kompetenzkonfliktverursachung eingetragen hat.367 Sehr weitgehend wird sogar der Regelungscharakter der Norm in Frage gestellt, da sie letztlich nur deklaratorischen Inhalts sei.368 Es überrascht, dass im Gesetzgebungsverfahren gerade als Reaktion auf die Kritik an der weitaus differenzierteren, problematischen Fassung des § 47n BImSchG-E369 eine im Hinblick auf den Durchgriff des Bundes auf den Verwaltungsraum der Länder370 so problematische Formulierung gewählt wurde, zumal es sich dabei um die Übernahme der bekannten Formulierung aus § 47a Abs. 1 BImSchG a. F. handelt.371 Diese hatte sich selbst bereits Kritik ausgesetzt gesehen und stand schon während des seinerzeitigen Gesetzgebungsverfahrens im Fokus einer spiegelbildlichen Debatte hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit und Zweckmäßigkeit einer alternativen Zuständigkeitszuweisung.372 Aus dieser Debatte hat der Gesetzgeber offensichtlich keine Schlüsse gezogen. 2. Die Indienstnahme oberster Landesbehörden (§ 47e Abs. 2 BImSchG) Abweichend von der allgemeinen Regel des § 47e Abs. 1 BImSchG bestimmt § 47e Abs. 2 BImSchG die obersten Landesbehörden oder die von ih365

Vgl. zum Regelungskonzept Wysk, in: Giesberts/Reinhardt, § 47e BImSchG

Rn. 2. 366 Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47e Rn. 12 ff.; a. A. Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47e BImSchG Rn. 6 f. 367 Stettner, in: Ule/Laubinger, Vor §§ 47a–47f BImSchG Rn. B 9; vgl. schon Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47a a. F. Rn. 274. 368 Kritisch Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47e Rn. 11; vgl. auch Stettner, in: Ule/Laubinger, Vor §§ 47a–47f BImSchG Rn. B 10. 369 Vgl. dazu insbesondere die o. g. Kritik des AKUR, 3. Teil, B. I. 2. b) aa), S. 85. 370 Siehe hierzu unten E. II. 2., S. 240. 371 Vgl. zur Entstehungsgeschichte Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47e BImSchG Rn. A 1. 372 Siehe hierzu einerseits Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47a a. F. Rn. 274, andererseits Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47a BImSchG a. F. Rn. 11 und 15.

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5. Teil: Die Lärmkartierung

nen benannten Stellen als zuständige Behörden für Mitteilungen im Sinne des § 47c Abs. 5 und 6 sowie § 47d Abs. 7 BImSchG. Gegenstand der Zuständigkeitszuweisung ist somit die Mitteilung der jeweiligen Bestände an Hauptlärmquellen und Ballungsräumen, der Lärmkarten und der Informationen aus Lärmaktionsplänen an die Bundesregierung. Oberste Landesbehörden sind nach dem verwaltungsrechtlichen Sprachgebrauch die zuständigen Ministerien der Bundesländer, wobei die Festlegung des jeweils zuständigen Ressorts in die Organisationshoheit der Länder fällt. Denkbar ist demnach auch eine gemeinsame Zuständigkeit mehrerer betroffener Landesministerien im Einvernehmen oder – wenngleich eher unüblich – des Ministerpräsidenten bzw. (Regierenden) Bürgermeisters oder der Landesregierung als Kollegialorgan.373 Die Zuständigkeit der obersten Landesbehörden soll die praktische Durchführbarkeit der Datenweiterleitung an die Europäische Kommission sicherstellen, die nach plausiblen Erwägungen wohl nur im Wege einer vorgängigen Bündelung auf Landesebene zu bewerkstelligen ist.374 Insofern kann eine Benennung anderer zuständiger Stellen nur erfolgen, wenn dies die Zielsetzung einer gebündelten Datenübermittlung nicht in Frage stellt. Eine Delegation auf die einzelnen kartierungspflichtigen Gemeinden anstelle der obersten Landesbehörden würde dem jedenfalls nicht gerecht. Denkbar erscheint aber eine Benennung von Lärmkartierungsverantwortlichen mit zentralen Zuständigkeiten, etwa der Landesämter für Umweltschutz oder auch zentral zuständiger Beliehener.375 Die Beauftragung anderer Landesbehörden kann mangels Eingriffscharakters der Mitteilungsaufgabe gegenüber Außenstehenden formlos durch Weisung der obersten Landesbehörde erfolgen.376 3. Die gesonderte Zuständigkeit des Eisenbahn-Bundesamtes (§ 47e Abs. 3 BImSchG) Eine weitere Ausnahme von der allgemeinen Regel des § 47e Abs. 1 BImSchG sowie auch hinsichtlich der Indienstnahme der obersten Landesbehörden durch § 47e Abs. 2 BImSchG für Mitteilungen an die Bundesregierung stellt die Vorschrift des § 47e Abs. 3 BImSchG dar. 373 Vgl. zum Ganzen Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47e BImSchG Rn. 8; Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47e Rn. 21. 374 Insoweit übertragbar der Gesetzentwurf, BT-Drs. 15/3782, Einzelbegründung zu § 47n BImSchG-E, S. 36; siehe auch Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47e BImSchG Rn. B 3; Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47e Rn. 19. 375 Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47e BImSchG Rn. 9; Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47e Rn. 21. 376 Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47e Rn. 20; Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47e BImSchG Rn. 9.

E. Die Zuständigkeit im Rahmen der Lärmkartierung

227

Hiernach ist das Eisenbahn-Bundesamt „zuständig für die Ausarbeitung der Lärmkarten für Schienenwege von Eisenbahnen des Bundes nach § 47c sowie insoweit für die Mitteilung der Haupteisenbahnstrecken nach § 47c Abs. 5, für die Mitteilung der Informationen nach § 47c Abs. 6 und für die Information der Öffentlichkeit über Lärmkarten nach § 47f Abs. 1 S. 1 Nr. 3.“ Diese Zuständigkeitszuweisung betrifft anders als die allgemeine Zuständigkeitsregel des § 47e Abs. 1 BImSchG nicht sämtliche Aufgaben der Lärmminderungsplanung im Sinne des Sechsten Teils des Gesetzes, sondern lediglich die Phasen der Bestandsermittlung sowie der Lärmkartierung einschließlich der zugehörigen Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten.377 Zuständigkeiten des Eisenbahn-Bundesamtes im Zusammenhang mit der Lärmaktionsplanung werden indes nicht begründet.378 Dabei beschränkt sich die EBA-Zuständigkeit auf die Schienenwege von Eisenbahnen des Bundes. Dies ergibt sich für die Ausarbeitung der Lärmkarten aus der ausdrücklichen Gesetzesformulierung. Wegen des Wortes „insoweit“ beziehen sich auch die weiteren Aufgaben der Bestandsmitteilung, Datenübermittlung und Verbreitung der Lärmkarten jeweils nur auf Schienenwege von Eisenbahnen des Bundes. Die Zuständigkeiten für Schienenwege von Eisenbahnen der Länder oder von Privaten sind somit nach der allgemeinen Zuständigkeitsregel des § 47e Abs. 1 BImSchG zu ermitteln.379 Die Ausarbeitung von Lärmkarten bezieht sich auf sämtliche „Schienenwege“ von Eisenbahnen des Bundes, also sowohl auf Haupteisenbahnstrecken als auch auf sonstige Eisenbahnstrecken nach dem AEG, wie sie etwa gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 der 34. BImSchV im Ballungsraum zu kartieren sind. Dem folgen die Mitteilungs- und Verbreitungsverpflichtungen hinsichtlich der vom EBA erarbeiteten Lärmkarten. Die Bestandsmitteilungsverpflichtung kann sich auf die Haupteisenbahnstrecken beschränken, da nach § 47c Abs. 5 BImSchG nur Hauptlärmquellen und Ballungsräume als solche als Bestand mitzuteilen sind, nicht indes sonstige einzelne Lärmquellen innerhalb der Ballungsräume. Die Begriffsdefinition für Schienenwege von Eisenbahnen des Bundes ergibt sich aus dem Allgemeinen Eisenbahngesetz. Eisenbahnen sind gemäß § 2 Abs. 1 AEG öffentliche Einrichtungen oder privatrechtlich organisierte Unternehmen, die Eisenbahnverkehrsleistungen erbringen (Eisenbahnverkehrsunternehmen) oder eine Eisenbahninfrastruktur betreiben (Eisenbahninfrastrukturunternehmen). Eisenbahnen des Bundes sind gemäß § 2 Abs. 6 AEG solche Unternehmen, die sich überwiegend in der Hand des Bundes oder eines mehrheitlich dem Bund 377

So auch Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47e BImSchG Rn. 4. Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47e Rn. 22; Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47e BImSchG Rn. B 4. 379 Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47e Rn. 22; Wysk, in: Giesberts/Reinhardt, § 47e BImSchG Rn. 5; Hansmann, Lärmminderungsplanung, FS Rehbinder, S. 351. 378

228

5. Teil: Die Lärmkartierung

gehörenden Unternehmens befinden. Dasselbe Ergebnis liefert die Begriffsdefinition des Art. 73 Abs. 1 Nr. 6a GG. Schienenweg ist jede feste Spurführung für ein Verkehrsmittel.380 Damit wird das gesamte Netz der Deutschen Bahn AG samt ihrer Infrastrukturtöchter DB Netz AG, DB RegioNetz Infrastruktur GmbH und DB Station&Service AG als den drei wichtigsten Eisenbahninfrastrukturunternehmen des Bundes381 und mithin der weit überwiegende Teil des deutschen Eisenbahnnetzes von der Kartierungszuständigkeit des Eisenbahn-Bundesamtes erfasst.382 Nicht erfasst werden die Netzanteile der privat getragenen Anbieter unter den derzeit insgesamt genehmigten 281 Eisenbahninfrastrukturunternehmen in Deutschland.383 In juristischer Hinsicht ist das Bemerkenswerte an dieser Ausnahmevorschrift, dass der Bundesgesetzgeber damit den Grundsatz des Vorrangs ländereigener Verwaltung durchbrochen und sich für eine bundeseigene Verwaltung entschieden hat. Eine Abweichung vom Grundsatz ländereigener Verwaltung ist gemäß Art. 83 GG nur zulässig, soweit das Grundgesetz anderes bestimmt oder zulässt. Dieses sieht eine bundeseigene Verwaltung nur in sehr wenigen Bereichen vor, insbesondere im Bereich des Auswärtigen Dienstes, der Bundesfinanzverwaltung, der Bundeswasserstraßenverwaltung, der Bundespolizei bzw. des Bundeskriminalamtes (Art. 87 GG) und der Streitkräfte (Art. 87a GG). Bundeseigene Verwaltung ist darüber hinaus hinsichtlich der Gewährleistungsverwaltung einiger Infrastrukturbereiche vorgeschrieben. Dies gilt etwa für die Luftverkehrsverwaltung (Art. 87d GG), im hier interessierenden Zusammenhang aber vor allem auch für die Eisenbahnverkehrsverwaltung für die Eisenbahnen des Bundes (Art. 87e Abs. 1 S. 1 GG). Auf diese Verwaltungszuständigkeit des Bundes soll sich offenbar auch die Ausnahmevorschrift des § 47e Abs. 3 BImSchG stützen, wie sich schon aus der dort ebenfalls vorfindlichen Begrenzung des Zuständigkeitsbereichs auf Eisenbahnen des Bundes ergibt; Effizienzgründe wurden hierfür als Begründung an380

Vgl. hierzu etwa Windthorst, in: Sachs, GG, Art. 87e Rn. 14. Hinzu kommen als Eisenbahninfrastrukturunternehmen des Bundes beispielsweise noch die Usedomer Bäderbahn GmbH als 100-prozentige DB-Tochter (http:// www.ubb-online.com; 05.12.2008) oder die Energiewerke Nord GmbH, vgl. Fn. 383 i.V. m. Bundesministerium der Finanzen, Beteiligungsbericht 2007, S. 29 (abrufbar über http://www.bundesfinanzministerium.de; 05.12.2008). 382 Zu den historischen Hintergründen der staatlichen Dominanz auf dem Eisenbahnsektor seit der Reichsverfassung von 1871 vgl. Wieland, in: H. Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, Band III, 2. Aufl. 2008, Art. 87e Rn. 3 ff. 383 Vgl. die Liste des Eisenbahn-Bundesamts, Genehmigte Eisenbahninfrastrukturunternehmen in Deutschland, Stand: November 2008, http://www.eba.bund.de/Service/ ref11/s_11_evub.htm (05.12.2008). 381

E. Die Zuständigkeit im Rahmen der Lärmkartierung

229

geführt.384 Diese Zuweisung entspricht dem Regelfall des Art. 87e Abs. 1 S. 1 GG; von der fakultativen Möglichkeit einer Delegation auf die Länder gemäß Art. 87e Abs. 1 S. 2 GG wurde folglich abgesehen. Nicht gänzlich ausgeschlossen erscheinen indes Zweifel, ob es sich bei der Lärmkartierung tatsächlich noch um Eisenbahnverkehrsverwaltung und nicht etwa um materielle Immissionsschutz- und somit Umweltschutzverwaltung handelt, die nach der Grundregel des Art. 83 GG den Ländern zufällt.385 Dem mag man entgegenhalten, dass der Begriff der Eisenbahnverkehrsverwaltung nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts relativ weit zu fassen ist. Er umfasst demnach alle hoheitlichen Ordnungs- und Steuerungsaufgaben, die das Eisenbahnwesen einschließlich des Baus und des Betriebs der Eisenbahnen betreffen.386 Den Auslegungsmerkmalen des „Traditionellen“ und „Herkömmlichen“ kommt aus entstehungsgeschichtlichen Gründen eine wesentliche Bedeutung zu.387 Zu den vorgenannten Steuerungsaufgaben gehören insbesondere auch die Aufgaben der Planfeststellungsbehörde. Im Rahmen seiner Zuständigkeit als Planfeststellungsbehörde gemäß § 18 AEG i.V. m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 BEVVG hat das Eisenbahn-Bundesamt mithin auch über die Einhaltung einschlägiger immissionsschutzrechtlicher Vorschriften zu wachen. Selbst wenn die Lärmkartierung als in ihren Rechtswirkungen unverbindliche Vorstufe der Lärmaktionsplanung keine unmittelbaren Bezüge zur Planfeststellung aufweist, kann man wegen des hieraus gewonnenen Erkenntnisgewinns zur vorfindlichen Lärmsituation für die Planfeststellung einerseits und der Zuständigkeit des EBA für die Bewertung von Lärmschutzbelangen in deren Rahmen andererseits doch zumindest von einem ausreichenden Aufgabenzusammenhang ausgehen, der es rechtfertigt, die Aufgabe der Lärmkartierung noch der Eisenbahnverkehrsverwaltung zuzuordnen.388 384

Gesetzentwurf, BT-Drs. 15/3782, Einzelbegründung zu § 47n BImSchG-E, S. 35

a. E. 385 Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47e Rn. 9; a. A. Hansmann, in: Landmann/ Rohmer, § 47e BImSchG Rn. 3, unter (zu) allgemeinem und zirkulärem Hinweis auf die Notwendigkeit der Aufgabenwahrnehmung durch das EBA – die Verfassung begrenzt normativ die Notwendigkeiten, nicht umgekehrt. 386 BVerfGE 97, 198 (222). 387 BVerfGE 97, 198 (219). Vgl. auch Windthorst, in: Sachs, GG, Art. 87e Rn. 17: „die herkömmlichen Verwaltungsaufgaben, d.h. insbesondere präventive und repressive ordnungsrechtliche Verwaltungsmaßnahmen, aber auch Hoheitsakte bei Planungsund Leistungsverwaltung“. 388 Gegenteiliger Ansicht Stelkens, Umweltbestimmte Planung, NuR 2005, 362 (368), der die Lärmkartierung als eigenständige Umweltaufgabe begreift und deshalb eine Qualifizierung als Aufgabe der Eisenbahnverkehrsverwaltung ablehnt. Rechtlich und praktisch bedenklich ist indes die von ihm, a. a. O., Fn. 90, in Bezug genommene Lösung einer Aufgabenwahrnehmung durch das EBA unter Aufsicht der obersten Landesimmissionsschutzbehörde. Eine solche Konstellation würde die Grenzen der Amts-

230

5. Teil: Die Lärmkartierung

Die Ausnahmevorschrift des § 47e Abs. 3 BImSchG ist somit verfassungsrechtlich unbedenklich.389 4. Die Kostentragung für den Verwaltungsvollzug Besondere Regelungen zur Kostentragung enthält der Sechste Teil des Bundes-Immissionsschutzgesetzes nicht. Insbesondere wurde die als Kompensation für Mehrbelastungen ursprünglich vorgesehene GVFG-Änderung nicht ins Werk gesetzt.390 Es verbleibt somit bei der allgemeinen Regelung des Art. 104a Abs. 1 GG, wonach der Bund und die Länder gesondert die Ausgaben tragen, die sich aus der Wahrnehmung ihrer jeweiligen Aufgaben ergeben. Ein Konnexitätsprinzip zwischen Bund und Ländern besteht bekanntlich nicht.391 Die Gemeinden sind insoweit staatsorganisationsrechtlich den Ländern zuzuordnen.392 Direkte Finanzbeziehungen zwischen dem Bund und den Kommunen bestehen nicht. Die Frage der Kostentragungsverteilung zwischen den Ländern und ihren Gemeinden richtet sich somit allein nach dem Verfassungs- und Kommunalfinanzierungsrecht der Bundesländer.393 Insofern mag es manchen Bundesländern strategisch vorteilhaft erschienen sein, sich nicht allzu sehr gegen hilfe sprengen, da dann kein subsidiäres Ersuchen im Einzelfalle im Raum stünde; vgl. Bauer, in: Dreier, GG II, Art. 35 Rn. 13; zum amtshilferechtlichen Ausnahmekriterium eingehend B. Schlink, Die Amtshilfe, Ein Beitrag zu einer Lehre von der Gewaltenteilung in der Verwaltung, 1982, S. 156 ff. Vielmehr läge ein Fall der besonders begründungsbedürftigen Organleihe vor, vgl. insofern BVerfGE 63, 1 (41); 119, 331 (367); J. Isensee, in: J. Isensee/P. Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band VI, 3. Aufl. 2008, § 126 Rn. 194; Lerche, in: T. Maunz/ G. Dürig (Begr.), Grundgesetz, Kommentar, Loseblattsammlung, Stand: 53. Lieferung, Oktober 2008, Art. 83 Rn. 26; Hermes, in: Dreier, GG III, Art. 83 Rn. 51; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 30 Rn. 10. Zwar wird das EBA derzeit im Wege der Organleihe für einige Bundesländer als Eisenbahnaufsichtsbehörde kraft Verwaltungsabkommens tätig, vgl. Hermes/Schweinsberg, in: G. Hermes/D. Sellner (Hrsg.), Beck’scher AEGKommentar, 2006, § 5 Rn. 62 ff. Anders als hier ist dort aber eine Länderkompetenz ausdrücklich festgelegt (§ 5 Abs. 1a Nr. 2 AEG), während hier eine Bundeskompetenz ohne Weiteres vertretbar anzunehmen ist und es überdies vorteilhafter erscheint, das EBA einheitlich statt nach divergierenden Weisungen von 16 Landesimmissionsschutzbehörden die Kartierung erstellen zu lassen. 389 Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47e BImSchG Rn. 3; ders., Lärmminderungsplanung, FS Rehbinder, S. 340, allerdings jeweils nur mit der pauschalen Begründung, es handele sich um Aufgaben der Eisenbahnverwaltung, weil das EBA diese Aufgabe ohnehin im Rahmen seiner allgemeinen Verwaltungsaufgaben wahrnehmen müsse; Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47e BImSchG Rn. B 1; im Ergebnis wegen eines bestehenden Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers kraft Sachzusammenhangs ebenfalls bedenkenfrei Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47e Rn. 9. 390 Vgl. hierzu oben 3. Teil, B. I. 1., S. 81. 391 Siehe zum Ganzen Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47e Rn. 24; Wysk, in: Giesberts/Reinhardt, § 47e BImSchG Rn. 6 f. 392 Siehe hierzu unten E. II. 1. a), S. 235. 393 Vgl. hierzu Dreier, in: Dreier, GG II, Art. 28 Rn. 122.

E. Die Zuständigkeit im Rahmen der Lärmkartierung

231

die problematische Aufgabenzuweisung des Bundes an die Gemeinden zu sträuben. Soweit für die Aufgabenerfüllung die Zuständigkeit der Gemeinden rechtlich oder sachlich geboten ist, „erspart“ im eigentlichen Wortsinne die bundesrechtliche Regelung nämlich den Ländern die Anwendung des Konnexitätsprinzips394 zugunsten der Gemeinden, die bei einer Aufgabenübertragung durch den Landesgesetzgeber u. U. anspruchsberechtigt für einen Kostenausgleich gewesen wären.395 5. Die formalen und informalen Zuständigkeitsverschiebungen in der Praxis Ungeachtet der bundesrechtlichen Regelung in § 47e BImSchG sind in der Vollzugspraxis hiervon abweichende Zuständigkeitsverschiebungen festzustellen. Diese sind teils formaler, teils informaler Natur. Eine formale Zuständigkeitsverschiebung liegt vor, wenn durch Rechtssatz oder Organisationsanordnung die Aufgabe auf eine andere als die bundesrechtlich vorgesehene Behörde übertragen wird. Ein Beispiel hierfür ist die Zuständigkeit des Bayerischen Landesamts für Umwelt für die Lärmkartierung nach Art. 8a Abs. 1 BayImSchG. Informaler Natur sind Zuständigkeitsverschiebungen dann, wenn die Aufgabenzuständigkeit bei den Behörden im Sinne des § 47e BImSchG verbleibt, aufgrund Rechtssatzes oder Organisationsanordnung andere Stellen aber zur Beisteuerung bestimmter Beiträge oder Dienstleistungen herangezogen werden. Es handelt sich somit zumeist um Dienste im Sinne der Amtshilfe zugunsten der Lärmkartierungsbehörden. Deutlich wird dies am Beispiel Nordrhein-Westfalens. Hier wurde aufgrund einer Machbarkeitsstudie durch Beschluss des Landeskabinetts vom 04.07.2006 festgelegt, dass die Zuständigkeit der Gemeinden nach § 47e Abs. 1 BImSchG Bestand haben soll, das LANUV NW aber zentrale Hilfestellungen anbieten soll. Dies betrifft insbesondere die Bereitstellung landesweiter Geometrie- und Verkehrsdaten sowie die Erhebung und Bereitstellung der Emissionsdaten für Gewerbe- und Industrieanlagen.396 Eine formale Zuständigkeitsverschiebung liegt in Nordrhein-Westfalen indes vor, soweit das LANUV – ähnlich wie in Bayern das BayLfU – die Kartierung von Hauptverkehrsstraßen außerhalb der Ballungsräume sowie der Großflughäfen Düsseldorf und Köln/Bonn selbständig durchführen soll. Eine formale Zuständigkeitsverschiebung liegt auch in der Beauftragung des LANUV mit der 394

Siehe hierzu schon die obigen Nachweise (2. Teil, Fn. 68). Zu den begrenzten Rechtsschutzmöglichkeiten der Gemeinden siehe unten E. II. 2., S. 244. 396 Stöcker-Meier/Hillen/Czerwinski/Plümer, Umsetzung NW, Lärmbekämpfung 2007, 7 (12). 395

232

5. Teil: Die Lärmkartierung

Sammlung der Lärmkarten und ihrer Übermittlung an das BMU, da hierdurch die Zuständigkeit nach § 47e Abs. 2 BImSchG komplett geändert und nicht nur eine Hilfestellung für den Verantwortlichen geleistet wird.397 Die Ursache für die vorgenannten formalen wie informalen Zuständigkeitsverschiebungen in Nordrhein-Westfalen ist der Versuch, aufgrund der Erkenntnisse der o. g. eingehenden Machbarkeitsstudie eine möglichst effiziente und kostengünstige Kartierungsarbeit zu ermöglichen. Dazu sollen insbesondere vorhandene Verwaltungskenntnisse und Verwaltungskompetenzen (i. S. von Erfahrungen) genutzt werden.398 Vor allem im Bereich kleinster und kleiner Kommunen hat sich im Gegensatze hierzu ergeben, dass diese weder fachlich noch personell in der Lage sein würden, eine Lärmkartierung durchzuführen. Insoweit müssten teure Aufträge an externe Ingenieurbüros vergeben werden. Zudem hat sich herausgestellt, dass im Vergleich zu Einzelkartierungen durch Gemeinden insbesondere im Bereich von Großflughäfen und Industrieanlagen eine zentrale Kartierung zu erheblichen Einsparungen führen kann, die mit bis zu 60 Prozent (Fluglärm) bzw. sogar 90 Prozent (Gewerbelärm) der Kosten angegeben werden.399 Insgesamt zeigt sich daran, dass die in § 47e BImSchG vorgesehenen Zuständigkeiten mitnichten „der Weisheit letzter Schluss“ sind und keine bestmöglich effiziente Aufgabenwahrnehmung zur Folge haben. Die bundesrechtliche Zuständigkeitsregelung ist in ihrer rein tatsächlichen Ausgestaltung – also unabhängig von der Frage, ob der Bund überhaupt zur Regelung der Zuständigkeit in der beschriebenen Weise berechtigt war400 – in großem Maße unterkomplex geraten und wird den Anforderungen der Praxis insbesondere angesichts fehlender Verknüpfung von Beiträgen der verschiedenen einzubindenden Akteure nicht gerecht.401 Dies gilt umso mehr, als die Ballungsräume wie gezeigt an sich gemeindegebietsübergreifende Gebilde darstellen und somit regelmäßig mehrere Zuständige zusammenarbeiten müssen. Insoweit sind die Länder aufgerufen, die in ihrem Zuständigkeitsbereich optimierte Lösung zu finden und zu wählen. Denkbar sind hierfür auch Zweckverbandsstrukturen oder andere Formen kommunaler Zusammenarbeit.

397 Stöcker-Meier/Hillen/Czerwinski/Plümer, Umsetzung NW, Lärmbekämpfung 2007, 7 (12). Gegenteiliger Auffassung trotz gleicher Erkenntnisquelle Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47e Rn. 18: bloßes Angebot an die Kommunen bei „faktischer“ Wahrnehmung der Kartierung von den fachlich sachverständigsten Behörden. 398 Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47e Rn. 17. 399 Stöcker-Meier/Hillen/Czerwinski/Plümer, Umsetzung NW, Lärmbekämpfung 2007, 7 (10 f.). 400 Siehe hierzu sogleich unter E. II. 2., S. 240. 401 Kritische Würdigung auch bei Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47e Rn. 25 sowie § 47c Rn. 82.

E. Die Zuständigkeit im Rahmen der Lärmkartierung

233

6. Die Kartierungszuständigkeiten in den Ländern im Überblick Im Einzelnen402 gestalten sich die Zuständigkeiten in den Ländern für die Erstellung der Lärmkarten (ohne Mitteilungszuständigkeiten) wie folgt: Baden-Württemberg

Ballungsräume: Gemeinden Hauptlärmquellen: Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz403

Bayern

Bayerisches Landesamt für Umwelt404

Berlin

Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz, aufgrund Verwaltungsvereinbarung mit EBA auch hinsichtlich der Schienenwege des Bundes

Brandenburg

Landesumweltamt Brandenburg im Benehmen mit Landesregierung und Gemeinden405

Bremen

Senator für Umwelt, Bauen, Verkehr und Europa

Hamburg

Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt, z. T. in Kooperation mit Schleswig-Holstein

Hessen

Hessisches Landesamt für Umwelt und Geologie406

MecklenburgVorpommern

Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie407

Niedersachsen

Ballungsräume: Gemeinden (bei gemeindeüberschreitenden Ballungsräumen gemeinsam) Hauptverkehrsstraßen, Großflughäfen: Gewerbeaufsichtsamt Hildesheim408

Nordrhein-Westfalen Gemeinden mit Hilfestellung durch LANUV Hauptverkehrsstraßen außerhalb von Ballungsräumen, Großflughäfen: LANUV409 Rheinland-Pfalz

Gemeinden (unter 80.000 Ew. zentrale Auftragsvergabe des Landes an externe Auftragnehmer)

Saarland

Gemeinden

Sachsen

Gemeinden

402

Soweit nicht anders angegeben übernommen aus BT-Drs. 16/7798, S. 4 f. § 8 Abs. 5 S. 1 BImSchZuVO BW. 404 Art. 8a Abs. 1 BayImSchG; BT-Drs. 16/7798 ist insoweit überholt. 405 § 1 Abs. 4 S. 1 ImSchZV Bbg. 406 § 7 Abs. 1 der Verordnung über Zuständigkeiten nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz und zur Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung bei der Zulassung eines Vorhabens durch mehrere Behörden, GVBl. 2007 I S. 678. 407 § 2 Nr. 18 ImSchZustVO M-V. 408 § 1 Abs. 1 ZustVO-Umwelt-Arbeitsschutz mit Anlage 1 Nr. 8.1.1.11. 409 Stöcker-Meier/Hillen/Czerwinski/Plümer, Umsetzung NW, Lärmbekämpfung 2007, 7 (12). 403

234

5. Teil: Die Lärmkartierung

Sachsen-Anhalt

Gemeinden410

Schleswig-Holstein

Gemeinden411

Thüringen

Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie

II. Die verfassungsrechtlichen Problemstellungen bezüglich der Lärmkartierungszuständigkeit Die Zuständigkeit für die Lärmkartierung wirft mehrere verfassungsrechtliche Probleme auf. Die erste verfassungsrechtliche Problematik betrifft die in § 47e BImSchG vorgenommene unmittelbare Beauftragung der Gemeinden durch Bundesgesetz, die sich im Ergebnis als verfassungswidrig erweist (siehe hierzu sogleich unter 2.). Die zweite verfassungsrechtliche Problematik betrifft das Verhältnis der Lärmkartierung zum kommunalen Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden. Nach einer zunächst im Schrifttum und von einigen Landesverfassungsgerichten vertretenen Auffassung schützt Art. 28 Abs. 2 GG die Gemeinden nicht nur vor einem Entzug eigener örtlicher Aufgaben, sondern auch vor der gesetzlichen Übertragung von Aufgaben.412 Dem hat sich jüngst auch das Bundesverfassungsgericht angeschlossen.413 Rechtfertigungsbedürftig ist mithin jede gesetzliche Ausgestaltung des Aufgabenbestandes der Gemeinden. Die Frage, ob die Lärmkartierung vor dem Maßstab des Art. 28 Abs. 2 GG eine Selbstverwaltungsangelegenheit darstellt oder nicht, hat somit auch Auswirkungen darauf, ob der Landesgesetzgeber die Gemeinden ohne Weiteres mit der Lärmkartierung betrauen oder aber wie z. B. in Bayern, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen die Zuständigkeit zentralen Behörden zuordnen durfte. Da die Lösung dieser zweiten verfassungsrechtlichen Fragestellung hilfreiche Erkenntnisse für die Beurteilung der in § 47e BImSchG erfolgten unmittelbaren Beauftragung der Gemeinden durch Bundesgesetz beisteuert, soll das Verhältnis der Lärmkartierung zum kommunalen Selbstverwaltungsrecht zuerst erörtert werden (siehe hierzu sogleich unter 1.). 410

§ 1 Abs. 1 ZustVO GewAIR LSA mit Anhang 2 Nr. 9.1.2.10. Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein, Leitfaden für die Aufstellung von Aktionsplänen zur Umsetzung der Umgebungslärmrichtlinie, http://www.umwelt.schleswig-holstein.de/ULR/de/aktion/ nps/Leitfaden_Aktionsplanung_SH.pdf (22.05.2008), S. 5. 412 Dreier, in: Dreier, GG II, Art. 28 Rn. 120 f. m.w. N.; Hellermann, in: Epping/ Hillgruber, Art. 28 Rn. 32 m.w. N. 413 BVerfGE 119, 331 (354 f.); siehe auch Hellermann, in: Epping/Hillgruber, Art. 28 Rn. 32. 411

E. Die Zuständigkeit im Rahmen der Lärmkartierung

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Zur Zuständigkeit des Eisenbahn-Bundesamtes als der dritten verfassungsrechtlichen Problematik wurde bereits ausgeführt,414 dass die Lärmkartierung in verfassungsmäßiger Weise materiell-rechtlich noch als Aufgabe der Eisenbahnverkehrsverwaltung angesehen werden kann. Diese wird aufgrund ausdrücklicher Anordnung des Art. 87e Abs. 1 S. 1 GG in unmittelbarer Bundesverwaltung ausgeübt, sofern nicht eine fakultative Delegation auf die Länder gemäß Art. 87e Abs. 1 S. 2 GG erfolgt. Aus der verfassungsrechtlichen Vorfestlegung auf eine bundesunmittelbare Verwaltung folgt zugleich die formell-rechtliche alleinige Regelungskompetenz des Bundes hinsichtlich des Verwaltungsverfahrens und der Einrichtung seiner Behörden.415 1. Das Verhältnis der Lärmkartierung zum kommunalen Selbstverwaltungsrecht Die Aufgabe der Lärmkartierung ist Teil des Verwaltungsvollzuges des Bundes-Immissionsschutzgesetzes. Es handelt sich somit materiell um die Wahrnehmung einer umweltrechtlichen Aufgabe. Da für diese im Grundgesetz weder eine bundeseigene Verwaltung noch eine Bundesauftragsverwaltung vorgeschrieben oder zugelassen ist, ist die Aufgabe der Lärmkartierung gemäß Art. 83 GG durch die Bundesländer in ländereigener Verwaltung zu erfüllen. Damit ist jedoch noch nicht die Frage beantwortet, ob innerhalb der Länder staatliche oder kommunale Stellen die Verwaltungsaufgabe tragen. Dies ist auf der Grundlage der grundsätzlichen Stellung der Gemeinden im Staatsaufbau und der Gewährleistung kommunaler Selbstverwaltung (a) für den jeweiligen Einzelfall (b) zu klären. a) Die Stellung der Gemeinden im Staatsaufbau und die Gewährleistung kommunaler Selbstverwaltung gemäß Art. 28 Abs. 2 GG Zu den Bundesländern gehören staatsorganisationsrechtlich auch die Gemeinden. Nach herrschender Meinung zeichnet sich der Staatsaufbau der Bundesrepublik Deutschland durch eine Zweistufigkeit von Bund und Ländern aus. Die Kommunen bilden keine eigenständige Staatsebene.416 Da die Gemeinden staatsorganisationsrechtlich Teil der Bundesländer sind, sind kommunalverfassungsrechtliche Fragestellungen einschließlich der Aufgabenzuweisung von den Bundesländern in eigener Verantwortung zu regeln.417 Maßgeblich sind das je414

Siehe schon oben E. I. 3., S. 228 f. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 83 Rn. 2; Dittmann, in: Sachs, GG, Art. 83 Rn. 18; so wohl auch Hermes, in: Dreier, GG III, Art. 83 Rn. 22 mit Fn. 94. 416 BVerfGE 39, 96 (109); 86, 148 (215); Dreier, in: Dreier, GG II, Art. 28 Rn. 95 m.w. N.; Nierhaus, in: Sachs, GG, Art. 28 Rn. 34; Hellermann, in: Epping/Hillgruber, Art. 28 Rn. 17. 417 Dreier, in: Dreier, GG II, Art. 28 Rn. 95. 415

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5. Teil: Die Lärmkartierung

weilige Landesverfassungsrecht sowie die jeweiligen Kommunalverfassungen, Gemeindeordnungen und das sonstige Kommunalrecht der Länder. Allerdings zieht das Grundgesetz für die Ausgestaltung des Kommunalrechts einen verfassungsrechtlichen Rahmen. Nach Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG muss den Gemeinden das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Die Gewährleistung der Selbstverwaltung umfasst gemäß Art. 28 Abs. 2 S. 3, 1. Hs. GG ausdrücklich auch die Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung. Der Bund gewährleistet nach Art. 28 Abs. 3 GG, dass die verfassungsmäßige Ordnung der Länder den Bestimmungen des Art. 28 Abs. 2 GG entspricht. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der Verwaltungsgerichte sowie im verfassungs- und kommunalrechtlichen Schrifttum wurde der Umfang des kommunalen Selbstverwaltungsrechts weiter ausgearbeitet und in einer kaum noch überschaubaren Vielzahl von Entscheidungen418 näher konturiert. Nach einer auf Klaus Stern zurückgehenden Begriffsbildung beinhaltet Art. 28 Abs. 2 GG eine institutionelle Rechtssubjektsgarantie, die die bloße Existenz nicht der konkreten Gemeinde als solcher, wohl aber der Gemeinden überhaupt verfassungsrechtlich absichert, eine objektive Rechtsinstitutionsgarantie, die den Gemeinden den Verbleib inhaltlicher Kernelemente einer eigenverantwortlichen Aufgabenerfüllung sichert, und eine subjektive Rechtsstellungsgarantie, wodurch die geschützten Rechtspositionen von den Kommunen auf dem Rechtswege gegen Eingriffe verteidigt werden können.419 Die Selbstverwaltungsgarantie begrenzt also materiell-rechtlich die „Auslieferung“ des gemeindlichen Wirkens an den „Rahmen der Gesetze“; dem Gesetzesvorbehalt des Art. 28 Abs. 2 GG420 wird eine „Schranke“ entgegenstellt.421 Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darf auch durch eine gesetzliche Ausgestaltung der Wesensgehalt der gemeindlichen Selbstverwaltung nicht ausgehöhlt werden,422 zu dem zwar kein gegenständlich bestimmter Aufgabenkatalog, wohl aber die Befugnis gehöre, sich aller Angelegenheiten 418 Vgl. allein die Zahl von 1574 leitsatzmäßig dokumentierten gerichtlichen Entscheidungen zur Planungsautonomie der Gemeinden bei F.-L. Knemeyer/J. HofmannHoeppel (Hrsg.), Entscheidungssammlung zum Kommunalrecht (EzKommR), Loseblattsammlung, Stand: 83. Lfg. (Dezember 2008), Gruppe 1500. 419 K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band I, 2. Aufl. 1984, § 12 II. 4., S. 409 ff.; Dreier, in: Dreier, GG II, Art. 28 Rn. 99 m.w. N.; Nierhaus, in: Sachs, GG, Art. 28 Rn. 40 m.w. N. 420 Siehe hierzu näher Nierhaus, in: Sachs, GG, Art. 28 Rn. 59 f. 421 Nierhaus, in: Sachs, GG, Art. 28 Rn. 64. 422 BVerfGE 1, 167 (174 f.); 22, 180 (204 f.); 38, 258 (278 f.); 76, 107 (118); 79, 127 (146); st. Rspr.; vgl. hierzu auch die (überholte) sog. „Subtraktionsmethode“ nach BVerwGE 6,19 = EzKommR Nr. 1300.1.

E. Die Zuständigkeit im Rahmen der Lärmkartierung

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der örtlichen Gemeinschaft, die nicht durch Gesetz bereits anderen Verwaltungsträgern zugewiesen sind, ohne besonderen Kompetenztitel anzunehmen.423 Eingegriffen wird in die kommunale Selbstverwaltung jedoch nicht nur durch den gesetzlichen oder faktischen Entzug einer Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft,424 sondern auch durch die Auferlegung neuer Aufgaben, seien es als gemeindliche Pflichtaufgaben „falsch ausgeflaggte“ staatliche Aufgaben oder staatliche Aufgaben im übertragenen Wirkungskreis.425 Der Grund hierfür ist, dass die Zuweisung weiterer Aufgaben wegen der Begrenztheit personeller und sachlicher Mittel den Gemeinden die Wahrnehmung ihrer bestehenden Selbstverwaltungsaufgaben oder die Übernahme neuer Selbstverwaltungsaufgaben erschwert.426 Die Beschränkungen dienen also dem Schutz des Kernbereichs der Selbstverwaltungsgarantie.427 Die den Gemeinden fest zugestandenen Kernbestandteile der eigenverantwortlichen kommunalen Selbstverwaltung lassen sich in den sog. „Gemeindehoheiten“ typisierend zusammenfassen, im Einzelnen der Gebietshoheit, der Organisationshoheit, der Personalhoheit, der Finanzhoheit, der Satzungshoheit und der Planungshoheit.428 b) Die Stellung der Lärmkartierung zum gemeindlichen Aufgabenkreis Zu klären ist somit, ob es sich bei der Lärmkartierung um eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft handelt, die einer der vorgenannten Hoheiten zuzurechnen ist und für die somit eine materiell-verfassungsrechtliche Vorfestlegung zugunsten einer eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung durch die Gemeinde besteht; dann müsste der Entzug der Lärmkartierung durch Zuweisung an staatliche Behörden besonders begründet werden. Andernfalls stellt sich die Frage nach der Zulässigkeit einer Aufgabenübertragung auf die Gemeinde. Gegen eine Einstufung der Lärmkartierung als Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft spricht zunächst, dass diese Teil des Vollzugs des Bundes-Immissionsschutzgesetzes ist, der von etlichen Bundesländern als staatliche Aufgabe 423

BVerfGE 79, 127 (146). Hellermann, in: Epping/Hillgruber, Art. 28 Rn. 36; siehe hierzu noch näher im Zusammenhang mit der Lärmaktionsplanung unten 6. Teil, F. II., S. 360 ff. 425 Dreier, in: Dreier, GG II, Art. 28 Rn. 120 f. 426 BVerfGE 119, 331 (354); Dreier, in: Dreier, GG II, Art. 28 Rn. 120 f. 427 Hellermann, in: Epping/Hillgruber, Art. 28 Rn. 36; Dreier, in: Dreier, GG II, Art. 28 Rn. 124 ff. 428 Vgl. die Systematisierung bei Dreier, in: Dreier, GG II, Art. 28 Rn. 130 ff.; F.-L. Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht, 11. Aufl. 2004, Rn. 17; Hellermann, in: Epping/Hillgruber, Art. 28 Rn. 29–29.7; siehe auch Nierhaus, in: Sachs, GG, Art. 28 Rn. 53. 424

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5. Teil: Die Lärmkartierung

angesehen wird.429 Dies kann freilich nur Indizwirkung entfalten, da sich die Einstufung des Landesgesetzgebers ja gerade an Art. 28 Abs. 2 GG messen lassen muss. Kein eindeutiges Ergebnis liefert jedenfalls der erste Anschein. Bei unbefangener Betrachtung kann nicht eindeutig beantwortet werden, ob es sich bei der Lärmkartierung um eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft handelt. Die Lärmkartierung oszilliert gewissermaßen zwischen den Polen der Örtlichkeit und der Überörtlichkeit: Das Auftreten des Lärmereignisses vor Ort an sich ist zwar ein örtliches Phänomen. Allerdings kann die Urheberschaft hierfür eine überörtliche sein, wie vor allem die Lärmimmissionen von Haupteisenbahnstrecken, Hauptverkehrsstraßen und Großflughäfen zeigen. Es handelt sich demnach um eine „zumindest auch“ örtliche Angelegenheit. Unzweifelhaft dürfte daher lediglich sein, dass sich die Kommune somit bei fehlender anderweitiger Aufgabenzuweisung der Aufgabe im Sinne der Rastede-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts annehmen könnte.430 Aufgrund dieser „Zwitterstellung“ der Lärmereignisse führt eine Trennung in angeblich „rein örtliche“, für die eine Zuständigkeit der Gemeinde erforderlich sein soll, und angeblich „überörtliche“ Lärmsituationen, für die eine Zuständigkeit keinesfalls bestehen dürfe, nicht weiter.431 Denn diese – vorrangig bei der Lärmaktionsplanung virulente432 – Gleichung geht wegen der stets und immer örtlichen Auswirkungen des Lärms nicht auf. Weitergehend ist deshalb zu prüfen, ob die Vornahme der Lärmkartierung einer der vorgenannten typisierten Gemeindehoheiten zuzurechnen ist und von daher in einer den Gesetzgeber beschränkenden Weise „zwingend“ den Gemeinden als eigene Aufgabe zustehen muss. In Betracht kommt hierfür die gemeindliche Planungshoheit.433 Die Planungshoheit der Gemeinden äußert sich vor allem in der Wahrnehmung der gemeindlichen Bauleitplanung. Sie ist gekennzeichnet durch die eigenverantwortliche Festlegung der bodenrechtlichen Verhältnisse und baulichen Nutzungen im Gemeindegebiet und damit durch eine zwar in den rechtlichen Bahnen des Baugesetzbuchs gelenkte, aber ansonsten im Wesentlichen freie Gestaltung des unmittelbaren Lebensumfeldes der örtlichen Gemeinschaft durch

429 Vgl. etwa Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 BayImSchG; ebenso BayVGH, NVwZ 2003, 1280 (1281); § 1 Abs. 2 BImSchZuVO BW; § 3 Nr. 2 und 5 ImSchZustVO M-V. 430 BVerfGE 79, 127 (146). 431 Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Vor § 47a BImSchG Rn. 13; § 47c BImSchG Rn. 13; § 47e BImSchG Rn. 6 a. E.; Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47e Rn. 7; Stettner, in: Ule/Laubinger, Vor §§ 47a–47f BImSchG Rn. B 10. 432 Siehe deshalb hierzu näher unten 6. Teil, F. II, S. 360 ff. 433 Siehe hierzu näher Dreier, in: Dreier, GG II, Art. 28 Rn. 140 f.

E. Die Zuständigkeit im Rahmen der Lärmkartierung

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die Gemeindeorgane. Diese planerische Freiheit und Gestaltungsmöglichkeit macht den Kern der Planungshoheit der Gemeinde im Hinblick auf die Erarbeitung der Bauleitpläne aus. Eine solche gestalterische Freiheit ist der Lärmkartierung indes völlig fremd. Die Lärmkartierung ist nahezu vollständig durchnormiert im Sinne eines penibel abzuarbeitenden Arbeitsprogramms. Die rechtlichen Regelungen geben unmittelbar vor, welche Lärmquellen in welcher Weise zu erfassen und in ihrer belastenden Wirkung abzubilden sind. Die Gemeinde hat also bei der Lärmkartierung nahezu keinen Spielraum, abgesehen von der Frage, ob zur Vermeidung von „Korridorkartierungen“ freiwillig weitergehende Kartierungen in Auftrag gegeben werden. Anders als bei der Bauleitplanung und unter Umständen bei der Lärmaktionsplanung434 geht es bei der Lärmkartierung, die als selbständige Verfahrensstufe im System der Lärmminderungsplanung losgelöst von der Aktionsplanung zu sehen ist, also nicht um planerisches Gestalten und die Ausgestaltung des örtlichen Lebensumfeldes. Wegen der in ihren Einzelheiten abschließend und einheitlich geregelten Standards der Lärmkartierung werden durch die Durchführung der Lärmkartierung auch nicht der Umfang oder die gestalterischen Möglichkeiten der Lärmaktionsplanung vorgeprägt in einer Weise, dass eine Gemeinde durch die Ausgestaltung der Lärmkartierung an einer bestimmten Lärmaktionsplanung gehindert wäre. Der Pflichtumfang und der Aussagegehalt der Lärmkartierung sind dieselben unabhängig davon, wer die Kartierung durchführt; die Ergebnisse sind auf jeden Fall vergleichbar. Auch eine freiwillige weitergehende Kartierung ist den Gemeinden bei einer anderweitigen Kartierungszuständigkeit nicht verwehrt, indem sie eine solche aufbauend auf den Pflichtlärmkarten durch eigene Kräfte oder Auftragsvergabe ergänzend vornehmen können. In der Sache handelt es sich bei der Lärmkartierung also gerade nicht um eine Planungsentscheidung, die sich durch gestalterisches Ermessen auszeichnet, sondern um eine standardisierte eigene Verfahrensstufe, die nicht der Planungshoheit zuzurechnen ist. Dies gilt selbst für den Fall, dass die nachfolgende Lärmaktionsplanung als Teil der kommunalen Planungshoheit zu bewerten wäre, da die Lärmaktionsplanung durch die standardisierte Lärmkartierung nicht vorherbestimmt wird. Im Ergebnis besteht daher keine materiell-verfassungsrechtliche Vorfestlegung, wonach zwingend den Gemeinden die Aufgabe der Lärmkartierung zuge-

434

Siehe hierzu unten 6. Teil, F. II., S. 360 ff.

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5. Teil: Die Lärmkartierung

wiesen werden müsste.435 Die Beauftragung anderer Landesbehörden in einigen Bundesländern ist somit auch mit Blick auf Art. 28 Abs. 2 GG zulässig. Soweit man wegen des fehlenden Charakters als eindeutig örtlicher Angelegenheit von einer staatlichen Verwaltungsaufgabe aufgeht, kann diese jedenfalls dann den Gemeinden übertragen werden, wenn diese dadurch nicht so stark gebunden werden, dass ihnen eine Übernahme neuer Selbstverwaltungsaufgaben erschwert wird,436 oder gar ihre Verwaltungskapazitäten so sehr in Anspruch genommen werden, dass sie nicht mehr ausreichen, um einen Mindestbestand an Selbstverwaltungsaufgaben des eigenen Wirkungskreises wahrzunehmen, der für sich genommen und im Vergleich zu zugewiesenen staatlichen Aufgaben ein Gewicht aufweist, das der institutionellen Garantie als Selbstverwaltungskörperschaft gerecht wird.437 Eine solche übermäßige Inanspruchnahme durch die Lärmkartierung erscheint insbesondere bei kleinen Gemeinden mitnichten ausgeschlossen, kann aber nur im Einzelfall beurteilt werden. Gegebenenfalls können sich Gemeinden, soweit ihre Zuständigkeit unmittelbar durch § 47e BImSchG begründet ist, mit einer Kommunalverfassungsbeschwerde gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG wehren; im Übrigen sind landesverfassungsrechtliche Rechtsbehelfe in Betracht zu ziehen. Zu beachten ist dabei aber, dass die bloße Umgehung landesverfassungsrechtlicher Konnexitätsregeln infolge der direkten Zuständigkeitszuweisung in § 47e BImSchG für sich genommen nicht ausreichen dürfte, um eine Beschwerde in Karlsruhe zum Erfolg zu führen.438 2. Zur Regelungskompetenz des Bundesgesetzgebers für eine Kartierung durch die Gemeinden Damit ist allerdings noch nicht geklärt, ob dem Bundesgesetzgeber überhaupt das Recht zustand, die Aufgabenzuweisung an die Gemeinden oder die zuständigen Landesbehörden selbst vorzunehmen. Maßgeblich für die Beurteilung dessen sind die Regelungen der Art. 83 ff. GG, insbesondere des Art. 84 Abs. 1 GG, in der vor der Föderalismusreform geltenden Fassung. In Art. 70 ff. GG einerseits bzw. Art. 83 ff. GG andererseits kommt eine aus der deutschen Staatsrechtstradition herrührende Trennung zwischen Gesetzgebungskompetenzen und Verwaltungskompetenzen zum Ausdruck. Im Vergleich zu den allgemeinen Gesetzgebungskompetenzen dominiert für Vollzugsfragen 435 Gegenteiliger Ansicht für örtliche Lärmprobleme Stettner, in: Ule/Laubinger, Vor §§ 47a–47f BImSchG Rn. B 10. 436 BVerfGE 119, 331 (354). 437 So BVerfGE 119, 331 (354 f.) für die Kreise als Gemeindeverbände. Für die Gemeinden als noch stärker geschützte ursprüngliche Gebietskörperschaften kann dann aber erst recht nichts Geringeres gelten. 438 Vgl. BVerfGE 119, 331 (355 f.).

E. Die Zuständigkeit im Rahmen der Lärmkartierung

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die Verantwortung der Länder.439 Die Anordnung ländereigener Verwaltung, sofern das Grundgesetz nichts anderes bestimmt oder zulässt (Art. 83 GG), beinhaltet einen Vorrang der Ausführung von Gesetzen durch die Länder vor einer eigenen Ausführung durch den Bund. Der Gesetzesvollzug liegt nur in Ausnahmefällen in den Händen des Bundes. Zugleich statuiert Art. 83 GG einen Vorrang der ländereigenen Verwaltung insbesondere vor der Länderverwaltung in Form der Bundesauftragsverwaltung (sog. „doppeltes Regel-Ausnahme-Verhältnis“).440 Die ländereigene Verwaltung schließt dabei die eigenverantwortliche Ausgestaltung des Verwaltungsvollzuges durch die Länder mit ein.441 Gleichwohl bestimmte Art. 84 Abs. 1 GG a. F., dass der Bund durch zustimmungspflichtiges Bundesgesetz Regelungen zur Einrichtung der Behörden und zum Verwaltungsverfahren erlassen durfte. Die Frage der Einrichtung der Behörden betrifft dabei nicht nur die Errichtung einer Behörde als Organisationseinheit und deren innere Struktur, sondern auch die Zuweisung ihrer Aufgaben,442 weshalb die Zuständigkeitsregelung des § 47e Abs. 1 BImSchG hinsichtlich der Gemeinden als Vorschrift zur Einrichtung einer Behörde zu qualifizieren ist.443 Art. 84 Abs. 1 GG a. F. betrifft dabei nur Regelungen für den Vollzug eines Bundesgesetzes im materiellen Sinne, also ggf. einschließlich von Rechtsverordnungen des Bundes.444 Der Vollzug von Landesgesetzen aufgrund genuin landesrechtlicher Gesetzgebungskompetenz ist von den Vorschriften nicht betroffen.445 Die Zuweisung an die Gemeinden oder sonstige Landesbehörden erfolgte vorliegend zum Zwecke des Vollzugs des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, mithin eines formellen Bundesgesetzes, sowie durch ein formelles Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrats, mithin in den Formen des Art. 84 Abs. 1 GG a. F. 439

Hermes, in: Dreier, GG III, Art. 83 Rn. 16. Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 83 Rn. 9; Hermes, in: Dreier, GG III, Art. 83 Rn. 19; Dittmann, in: Sachs, GG, Art. 83 Rn. 3 und 6. 441 Hermes, in: Dreier, GG III, Art. 83 Rn. 19; Dittmann, in: Sachs, GG, Art. 83 Rn. 6 f. 442 BVerfGE 77, 288 (299); 105, 313 (331); Lerche, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 84 Rn. 25; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 84 Rn. 3; Hermes, in: Dreier, GG III, Art. 84 Rn. 35. 443 Vgl. BVerfGE 22, 180 (181 – Ls. 2); 77, 288 (299); Hermes, in: H. Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, Band III, 1. Aufl. 2000, Art. 84 Rn. 41; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 84 Rn. 3; a. A. Lerche, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 84 Rn. 27: Die Gemeinden seien nicht Behörde im Sinne des Art. 84 Abs. 1 GG, weshalb der Bund eine ungeschriebene Kompetenz zur Festlegung der allgemeinen Verwaltungsebene in Anspruch nehme. 444 Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 83 Rn. 5. 445 Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 83 Rn. 3; Dittmann, in: Sachs, GG, Art. 83 Rn. 3. 440

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5. Teil: Die Lärmkartierung

Allerdings ergibt sich durch die einerseits bestehende Einflussmöglichkeit des Bundes gemäß Art. 84 Abs. 1 GG a. F. und die andererseits in Art. 83 GG grundgelegte Eigenverantwortlichkeit der Länder beim Verwaltungsvollzug ein Spannungsfeld, unter welchen Voraussetzungen der Bund zu welchen Regelungen hinsichtlich der Verwaltungstätigkeit der Länder berechtigt ist. Denn es ist davon auszugehen, dass Verwaltung nicht nur schematisch abläuft, sondern dass in ihrem Rahmen auch Handlungs- und Entscheidungsspielräume zur Verfügung stehen,446 deren Ausfüllung durchaus unterschiedlich gelenkt werden kann. Aus diesem Grunde ist die Frage der Verfahrensgestaltung stets auch eine Frage politischen Einflusses und mithin der Machtverteilung zwischen Bund und Ländern. In Bezug auf den Umfang der Verwaltungskompetenz des Bundes herrscht eine verfassungsdogmatische Unsicherheit, die mit dem im Einzelnen ungeklärten systematischen Verhältnis der Verwaltungskompetenzen zu den Gesetzgebungskompetenzen des Grundgesetzes zusammenhängt.447 Der verbreitete Satz auch des Bundesverfassungsgerichts, wonach die Verwaltungskompetenz des Bundes seine äußerste Grenze in seiner Gesetzgebungskompetenz finde,448 verhilft insoweit zu keinem Erkenntnisgewinn. Während eine Ansicht des Schrifttums davon ausgeht, dass eine Verwaltungsregelungsbefugnis des Bundes in jenen Fällen bestehe, in denen sich die Verwaltungsregelung als Annex zu einer materiell dem Bund zustehenden Gesetzgebungskompetenz darstelle, weshalb Art. 83 ff. GG nur Modifikationen wie etwa eine Zustimmungspflichtigkeit beinhalte,449 sieht eine andere Ansicht die Bestimmungen der Art. 83 ff. GG, mithin auch des Art. 84 Abs. 1 GG a. F., als alleinig kompetenzbegründend an.450 Die zweite Ansicht zieht dem Bund somit tendenziell engere Grenzen und schont die Verwaltungsverantwortung der Länder, indem etwa im Bereich des Art. 84 Abs. 1 GG a. F. dem Bund nur eine Einflussmöglichkeit hinsichtlich des Verfahrens und der Behördeneinrichtung zusteht, nicht aber eine darüber hinausgehende Vollzugssteuerung obliegt. Nach der erstgenannten Ansicht besteht tendenziell nur eine Zustimmungspflichtigkeit für diese beiden Aspekte, während die Regelungskompetenz darüber hinausgehen kann. Wegen der oftmals nur schwer trennbaren Eigenschaft als Verfahrensnorm oder materielle Norm bzw. wegen der oftmals festzustellenden Verschränkung beider Aspekte insbesondere bei der Umsetzung des europäischen Ge446

Hermes, in: Dreier, GG III, Art. 83 Rn. 18. Überblick bei Hermes, in: Dreier, GG III, Art. 83 Rn. 20 ff. 448 BVerfGE 12, 205 (229); 15, 1 (16); 78, 374 (386); Hermes, in: Dreier, GG III, Art. 83 Rn. 16. 449 Hermes, in: Dreier, GG III, Art. 83 Rn. 24; Dittmann, in: Sachs, GG, Art. 84 Rn. 5 f. 450 Lerche, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 83 Rn. 37; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 83 Rn. 2. 447

E. Die Zuständigkeit im Rahmen der Lärmkartierung

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meinschaftsrechts erscheint die erstgenannte Auffassung tendenziell vorzugswürdig.451 Gerade die Umgebungslärmrichtlinie selbst liefert ein gutes Beispiel für eine untrennbare Verschränkung materieller Anforderungen mit Verfahrensanforderungen im europäischen Kontext. Unabhängig von den unterschiedlichen Auffassungen kann jedoch zum einen als geklärt angesehen werden, dass die Länder jedenfalls bei Fehlen einer bundesrechtlichen Zuständigkeitsregelung den Vollzug des Gesetzes durch Festlegung der Behördenzuständigkeit sicherzustellen haben.452 Eine Begründung des Bundes, man habe eine wie auch immer geartete Regelung in § 47e BImSchG treffen müssen, da sonst kein Vollzug möglich gewesen wäre, ginge somit in die Irre. Zum zweiten wurden gerade für die hier interessierende Beauftragung der Gemeinden vom Bundesverfassungsgericht Maßstäbe formuliert, die der Bundesgesetzgeber zu beachten hat. Danach hatte der Bundesgesetzgeber dann das Recht, die Zuständigkeit der Gemeinden anzuordnen, wenn sich dies als punktuelle Annexregelung zu einer materiellen Bundesregelung erwies und zugleich für den wirksamen Vollzug der materiellen Bestimmungen des Gesetzes notwendig war.453 Diese Rechtsprechung wurde vor allem hinsichtlich der Bauleitplanung entwickelt, deren Regelung als Materie des Bodenrechts dem Bund oblag und für deren Wahrnehmung der Bund ein ortsnahes Konzept verwirklicht sehen wollte, dem eine Wahrnehmung durch überörtliche Stellen keineswegs entsprochen hätte.454 In Bezug auf die Lärmkartierung mag die Regelung einer Zuständigkeit der Gemeinden als Annex zur Normierung der Kartierungsverpflichtung in ihrer konkreten bundesrechtlichen Ausprägung erscheinen.455 Indes ist keinerlei Notwendigkeit für die Festlegung einer Zuständigkeit auf Gemeindeebene seitens des Bundes zu konstatieren. Die Lärmkartierung führt wie gezeigt wegen ihrer umfassenden Normierung in allen Einzelheiten zu stets vergleichbaren Ergebnissen unabhängig davon, welche örtliche oder überörtliche Behörde die Lärmkarten berechnet. In praktischer Hinsicht ist angesichts der aufgezeigten formalen und informalen Zuständigkeitsverschiebungen in der Kartierungspraxis sogar anzunehmen, dass eine Kartierung mit zentralen Zuständigkeiten effizienter durchzuführen ist, ohne 451

Mit guten Gründen kritisch Hermes, in: Dreier, GG III, Art. 83 Rn. 23 f. BVerfGE 37, 363 (385); 55, 274 (318); 75, 108 (150); Dittmann, in: Sachs, GG, Art. 83 Rn. 8 m.w. N. 453 BVerfGE 22, 180 (210); 77, 288 (299). 454 BVerfGE 77, 288 (300). Hierin liegt zugleich die Rechtfertigung für die zahlreichen bundesrechtlichen Vorschriften zur Lärmkartengestaltung und anderer Verfahrensvorschriften im Rahmen der Lärmminderungsplanung. 455 So auch Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Vor § 47a BImSchG Rn. 12. 452

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5. Teil: Die Lärmkartierung

dass eine Zentralisierung wegen Verstoßes gegen die kommunale Selbstverwaltungsgarantie verfassungsrechtlich unzulässig wäre. Darüber hinaus ist eine Notwendigkeit der gemeindlichen Aufgabenwahrnehmung schon deshalb zu verneinen, weil das Gesetz selbst nicht von ihr ausgeht.456 Das Gesetz selbst sieht schließlich in § 47e Abs. 1 BImSchG die Möglichkeit vor, dass auch andere Behörden kraft Landesrechts für die Lärmkartierung zuständig sein können. Das schließt die Notwendigkeit des Durchgriffs auf die Gemeinden logisch aus.457 Im Ergebnis ist somit die Beauftragung der Gemeinden mit der Lärmkartierung durch den Bund nach dem Maßstab des Art. 84 Abs. 1 GG a. F. als verfassungswidrig anzusehen.458 Die Rechtsschutzmöglichkeiten der Gemeinden sind in diesem Zusammenhang jedoch als gering einzuschätzen. Denn die Kommunalverfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG folgt nicht den Regeln der abstrakten Normenkontrolle, sondern sieht in aller Regel einen auf Art. 28 Abs. 2 GG beschränkten Prüfungsmaßstab vor.459 Eine Überprüfung des § 47e BImSchG am Maßstab der Verwaltungskompetenzordnung des Grundgesetzes scheidet damit aller Voraussicht nach aus. Auch die Umgehung der landesrechtlichen Konnexitätsregelungen, die durch die verfassungswidrige unmittelbare Beauftragung ausgelöst wurde, verhülfe einer Kommunalverfassungsbeschwerde nicht zum Erfolg.460 Die Bundesländer wiederum können infolge der Ermöglichung einer anderweitigen landesrechtlichen Zuweisung in § 47e BImSchG immerhin im Rahmen des Gesetzeswortlauts anderweitige Zuständigkeitsregelungen treffen, ohne hierfür zunächst den Gang nach Karlsruhe antreten zu müssen. Alternativ wäre theoretisch auch eine Inanspruchnahme des Art. 125a Abs. 1 S. 2 GG n. F. zur Begründung einer abweichenden landesrechtlichen Regelung möglich. De constitutione lata wäre ein vergleichbarer bundesrechtlicher Durchgriff auf die 456 Zweifelnd auch Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Vor § 47a BImSchG Rn. 12; Stettner, in: Ule/Laubinger, Vor §§ 47a–47f BImSchG Rn. B 9. 457 So auch Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, Vor §§ 47a–47f Rn. 18; a. A. Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Vor § 47a BImSchG Rn. 13, und Stettner, in: Ule/Laubinger, Vor §§ 47a–47f BImSchG Rn. B 10 (wiederum anders für überörtliche Lärmphänomene), wobei sich diese Ergebnisse v. a. als Konsequenz aus der anders als hier nicht erfolgenden getrennten Beurteilung der Zuständigkeiten für Kartierung und Aktionsplanung ergeben. 458 Anderer Ansicht Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, Vor §§ 47a–47f Rn. 19, und Hansmann, Lärmminderungsplanung, FS Rehbinder, S. 339 f., die die Norm über eine verfassungskonforme Auslegung retten wollen, was allerdings auch hier im Kontext der gemeinsamen Betrachtung von Kartierungs- und Aktionsplanungszuständigkeit steht. 459 Erst jüngst BVerfGE 119, 331 (356 f., 359 f.); st. Rspr. 460 BVerfGE 119, 331 (358 f.).

E. Die Zuständigkeit im Rahmen der Lärmkartierung

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kommunale Aufgabenzuordnung wegen des klaren Verbots des Art. 84 Abs. 1 S. 7 GG nämlich ausgeschlossen.461 Den Übergriff des Bundes im Klagewege zu beseitigen, hat bislang kein Bundesland unternommen. Die Gründe liegen auf der Hand: Anderweitige Zuständigkeitsregelungen sind möglich, die Inkaufnahme des Übergriffs indes erspart den Bundesländern mit Konnexitätsregelungen den Kostenersatz für die Lärmkartierung. Es ist bedauerlich, dass der Bund somit durch sein verfassungswidriges Vorgehen zugleich Negativwerbung für das Instrument der Lärmkartierung bei den dadurch belasteten Gemeinden betrieben hat. Die Akzeptanz der Lärmminderungsplanung als einer wichtigen Voraussetzung zur Vermeidung von Vollzugsdefiziten wurde so sicherlich nicht gefördert.

III. Schlussfolgerungen für die Anwendung des § 47e BImSchG Im Ergebnis ist somit festzustellen, dass die allgemeine Aufgabenzuweisung des § 47e Abs. 1 BImSchG an die Gemeinden mangels Notwendigkeit des bundesrechtlichen Durchgriffs verfassungswidrig ist. Richtigerweise hätte die Einrichtung der Behörden den Ländern überlassen bleiben müssen. Die Länder sind dabei auch vor dem Hintergrund der Garantie kommunaler Selbstverwaltung aus Art. 28 Abs. 2 GG frei, andere Stellen als die Gemeinden mit der Lärmkartierung zu betrauen, da die Aufgabe der Lärmkartierung nicht den Gemeindehoheiten als wesentlichem Bestandteil der kommunalen Selbstverwaltung zuzuordnen ist. Unabhängig von der verfassungsrechtlichen Bewertung ist festzuhalten, dass die Aufgabenzuweisung an die Gemeinden im Bundesgesetzblatt steht. Mithin ist das Gesetz in Ermangelung eines Normverwerfungsrechts der Exekutive462 durch die Gemeinden zu vollziehen, sofern nicht eine abweichende landesrechtliche Regelung ergangen ist. Die zentrale Kartierungszuständigkeit des Eisenbahn-Bundesamtes gemäß § 47e Abs. 3 BImSchG ist hingegen verfassungskonform und überdies einem Zugriff durch landesrechtliche Regelung entzogen.

461 Siehe zu den Problemen dieser neuen Vorschrift näher H. Hennecke, Durch Bundesgesetze dürfen Gemeinden und Gemeindeverbänden Aufgaben nicht übertragen werden, Betrachtungen aus Anlass der Nichtausfertigung des Verbraucherinformationsgesetzentwurfs und der Änderung des SGB XII, NdsVBl. 2007, 57 ff., sowie W. Försterling, Das Aufgabenübertragungsverbot nach Art. 84 Abs. 1 Satz 7 GG, Der Landkreis 2/2007, S. 56 ff. 462 Siehe hierzu ausführlich bereits oben B. II. 3. b) bb) (2), S. 148.

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5. Teil: Die Lärmkartierung

F. Die Rechtsnatur der Lärmkarten Die Frage nach der Rechtsnatur der Lärmkarten ist nicht leicht zu beantworten, selbst wenn bzw. gerade weil die bekannten Kategorien jeweils ausgeschlossen werden können. Bei Lärmkarten handelt es sich nicht um Rechtsvorschriften, da sie weder in den Formen eines zum Beschluss von Rechtsnormen vorgesehenen Verfahrens ergehen noch einen materiellen Rechtsbefehl beinhalten. Insbesondere enthalten die Lärmkarten keinen Rechtsbefehl zur Durchführung der Lärmaktionsplanung. Die Rechtspflicht zur Aktionsplanung ergibt sich vielmehr aus dem gesetzlichen Auslösetatbestandsmerkmal des Vorliegens regelungsbedürftiger Lärmprobleme und Lärmauswirkungen des § 47d Abs. 1 S. 1 BImSchG,463 ggf. konkretisiert durch verwaltungsintern vorgegebene Auslösewerte.464 Es handelt sich nicht um Verwaltungsakte i. S. d. § 35 S. 1 VwVfG, da es Lärmkarten an einer Regelungswirkung fehlt. Es handelt sich auch nicht um Pläne, da Lärmkarten weder ein zu erreichendes Ziel vorgeben noch ein Handlungsinstrumentarium entwerfen, das zur Erreichung des Zieles geeignet und gedacht ist.465 Positiv gewendet handelt es sich bei Lärmkarten vielmehr um verwaltungsinterne Zahlenwerke und Datensammlungen, die aufgrund gesetzlicher Verpflichtung erarbeitet, ggf. anderen Verwaltungsbehörden zur Erfüllung ihrer Aufgaben zur Verfügung gestellt und der Öffentlichkeit zur Kenntnis gegeben werden. Am ehesten sind die Lärmkarten daher als fachgutachtliche Stellungnahmen zur derzeitigen Lärmsituation in einem Gebiet aufzufassen. Sie ähneln dabei in gewisser Weise den im politischen Bereich üblichen Sachverständigengutachten: Ähnlich wie Vierjahresgutachten des Sachverständigenrates für Umweltfragen aufgrund Erlasses466 oder das Jahresgutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung aufgrund gesetzlicher Anordnung467 stellen die Lärmkarten aufgrund gesetzlicher Anordnung die derzeitigen tatsächlichen Auswirkungen bestehender gesetzlicher Regelungen in der Praxis fest und geben sie dem zuständigen Entscheidungsträger der Exekutive als fachliche Grundlage für nachfolgende Gestaltungsentscheidungen zur Hand. 463

Siehe unten 6. Teil, B. III., S. 259 ff. Siehe unten 6. Teil, B. III. 2., S. 263 ff. 465 Siehe zum Planungsbegriff ausführlich unten 6. Teil, C. II. 1., S. 278. 466 § 7 des Erlasses (BMU) über die Einrichtung eines Sachverständigenrates für Umweltfragen bei dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit vom 01.03.2005 (GMBl. 2005, Nr. 31, S. 662). 467 § 6 des Gesetzes über die Bildung eines Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung vom 14. August 1963 (BGBl. I S. 685). 464

G. Die Rechtskontrolle bei der Lärmkartierung

247

Möglicherweise werden den Lärmkarten aber auch künftig ähnliche Kartenwerke für andere Umweltbelastungen folgen, so dass es in einigen Jahren gerechtfertigt sein könnte, generell von einem umweltrechtlichen Format der „Umweltkarte“ zu sprechen.

G. Die Rechtskontrolle bei der Lärmkartierung Das ungewöhnliche Handlungsformat der Lärmkarte führt zu Folgefragen hinsichtlich der Rechtskontrolle bei der Lärmkartierung. Hierbei ist mehrfach zu differenzieren.

I. Der Ausfall des unmittelbaren gerichtlichen Individualrechtsschutzes Zunächst ist festzustellen, dass eine Rechtskontrolle im Wege eines unmittelbaren gerichtlichen Individualrechtsschutzes bis auf wenige Einzelfragen ausgeschlossen ist. Da die Lärmkarte keine Rechtsvorschrift i. S. d. § 47 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 VwGO darstellt, kann ihre Wirksamkeit nicht im Wege einer prinzipalen Normenkontrolle nach § 47 VwGO überprüft werden. Die Lärmkarte ist auch kein Verwaltungsakt, der i. S. d. § 42 Abs. 1 VwGO angefochten oder zu dessen Erlass die untätige Lärmkartierungsbehörde verpflichtet werden könnte. Im Übrigen sehen die Vorschriften zur Lärmkartierung keine subjektiv-öffentlichen Rechte des Bürgers468 vor, zu deren Rechtsverfolgung er die Gerichte anrufen könnte.469 Weder die Durchführung noch die Unterlassung einer Lärmkartierung verletzen subjektiv-öffentliche Rechte. Lediglich die im Rahmen der Datenerhebung bei privaten Stellen belasteten Unternehmen können gegen die sie belastenden Verwaltungsakte klagen und damit einzelne Verfahrensschritte überprüfen lassen.

II. Die Selbstkontrolle der Verwaltung Wegen dieses Ausfalls des unmittelbaren gerichtlichen Individualrechtsschutzes ruht eine besondere Kontrollverantwortung auf den Schultern der Verwaltung selbst. Diese Selbstkontrolle der Verwaltung kann dabei in zweierlei Pers468

Siehe hierzu noch näher unten 6. Teil, H. I., S. 389. Einhellige Meinung des Schrifttums, soweit behandelt: Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Art. 47c BImSchG Rn. 4; Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47c BImSchG Rn. B 1; Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47c Rn. 97 f. 469

248

5. Teil: Die Lärmkartierung

pektive wahrgenommen werden. Zum einen können vorgesetzte Stellen durch klare und vollziehbare Vorgaben sowie durch beratende Begleitung und Anleitung die korrekte Durchführung der Lärmkartierung befördern. Zum zweiten können die Rechts- und Fachaufsichtsbehörden die fristgerechte Durchführung und die Ergebnisse der Lärmkartierung überwachen. Eine Fachaufsicht ist dabei auch hinsichtlich der kartierenden Gemeinden möglich, da diese nach der hier vertretenen Auffassung wegen der fehlenden Zugehörigkeit der Lärmkartierung zum Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung (vorbehaltlich einer anderweitigen landesgesetzlichen Zuweisung als Aufgabe des eigenen Wirkungskreises, die bislang nirgends erfolgt ist) im übertragenen Wirkungskreis tätig werden. Die Selbstkontrolle der Verwaltung kann vom Bürger – und sei er auch bestens informiert470 – zwar nicht erzwungen, sondern lediglich angeregt werden.471 Dieser Umstand dürfte dennoch nicht zu größeren Vollzugsdefiziten führen, da den größten Disziplinierungseffekt für die Lärmkartierung ohnehin die Furcht der Verwaltungsspitzen vor gemeinschaftsrechtlichen Konsequenzen bei unzureichender Umsetzung der Richtlinie haben dürfte.

III. Die mittelbare Rechtskontrolle durch eine mehrstufige Inzidentüberprüfung im Rahmen des Individualrechtsschutzes Daneben kommt aber auch eine mittelbare Rechtskontrolle der Lärmkartierung in Betracht. Diese kann sich aus einer mehrstufigen Inzidentüberprüfung im Zuge eines zeitlich deutlich später folgenden Individualrechtsschutzes ergeben. Hierzu ist es hilfreich, sich die Stellung der Lärmkartierung im System der Lärmminderungsplanung – teils unter Vorgriff auf die folgenden Ausführungen – vor Augen zu führen und dabei insbesondere auf die möglichen Auswirkungen von Kartierungsfehlern zu achten. 470 Zur Kontrollfunktion der Öffentlichkeitsbeteiligung siehe näher H. Schulze-Fielitz, Zusammenspiel von öffentlich-rechtlichen Kontrollen der Verwaltung, in: E. Schmidt-Aßmann/W. Hoffmann-Riem (Hrsg.), Verwaltungskontrolle, 2001, S. 291 ff. (307 f.), sowie H. Rossen-Stadtfeld, Kontrollfunktion der Öffentlichkeit – ihre Möglichkeiten und ihre (rechtlichen) Grenzen, ebd., S. 117 ff. Generell kritisch zur Verantwortung des Bürgers im Bereich politischer Meinungsbildung und zum damit vermeintlich verbundenen „Hohelied auf die Verantwortung aller Bürger für den Staat“ angesichts einer „Zuschauerdemokratie als Normalität“ des demokratischen Verfassungsstaates hingegen O. Depenheuer, Bürgerverantwortung im demokratischen Verfassungsstaat, VVDStRL 55 (1996), 90 ff. (118 f.). 471 Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Art. 47c BImSchG Rn. 4; Stettner, in: Ule/ Laubinger, § 47c BImSchG Rn. B 1; Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47c Rn. 98.

G. Die Rechtskontrolle bei der Lärmkartierung

249

Es wurde bereits festgehalten, dass eine Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte unmittelbar durch eine Lärmkarte ausscheidet. Gleiches gilt grundsätzlich für die Lärmaktionsplanung, da diese nicht zu belastenden Eingriffen in subjektive Rechte führt und auch die Verfahrensschritte bei der Aktionsplanung keine subjektiven Rechte vermitteln. Die in den Aktionsplänen festgelegten Maßnahmen und Planungsbeiträge fließen jedoch in darauf folgende Einzelakte bzw. weitere Planungsentscheidungen ein, die als solche belastenden Charakter haben können. An dieser Stelle kann es erstmals zur Wahrnehmung verwaltungsgerichtlichen Individualrechtsschutzes kommen. Eine wesentliche Funktion der Lärmkarte ist es, die Lärmbelastungssituation darzustellen, die dann als Abwägungsmaterial Eingang in die planerische Abwägung der Lärmaktionsplanungszuständigen findet. Falsche Eingangsdaten können zu einem Abwägungsdefizit führen, das sich in einem falschen Abwägungsergebnis niederschlägt. Stützt die den Lärmaktionsplan um- bzw. durchsetzende Behörde ihre Ermessensentscheidung bzw. ihre eigene planerische Abwägung jedoch auf dieses abwägungsfehlerhafte Ergebnis des Lärmaktionsplans, kann daraus die Rechtswidrigkeit des den Bürger belastenden Aktes bzw. der ihn belastenden Planung folgen. Aus diesem Grunde ist bei Rechtsschutzbegehren gegen Maßnahmen und Planungen, die durch Lärmaktionspläne beeinflusst wurden, über die Stufe des inzident geprüften Lärmaktionsplans in einer weiteren Stufe auch die inzidente Überprüfung der zugrunde liegenden Lärmkarte möglich und geboten.

6. Teil

Die Lärmaktionsplanung In den Lärmkarten wird die Belastungssituation lediglich abgebildet. Verbesserungen der tatsächlich vorhandenen Belastungssituation sowie die Vermeidung zusätzlicher Verlärmung sollen auf der Grundlage der Kartierungsergebnisse mit den Mitteln der Lärmaktionsplanung erreicht werden. Hierbei handelt es sich um die zweite Stufe im Rahmen des Gesamtkonzepts der Lärmminderungsplanung.

A. Allgemeines Wie bei der Lärmkartierung stellen sich auch im Zusammenhang mit der Lärmaktionsplanung die Schwierigkeiten einer nicht ganz klaren Normstruktur der Rechtsgrundlagen, unvollständiger bzw. unterkomplexer Regelungsdichte sowie einer unkritischen Übernahme europarechtlichen Vorschriftenwortlauts anstelle einer eigenständigen mitgliedstaatlichen, in sich und mit den vorhandenen deutschen immissionsschutzrechtlichen Normen abgestimmten Gesetzesfassung. Nur unter großen Problemen ist daher eine systematisch halbwegs befriedigende Strukturierung der Regelungsgehalte nach formellen und materiellen Kriterien möglich.

I. Rechtsgrundlagen und Vollzugshilfen Ihre wesentliche Rechtsgrundlage findet die Lärmaktionsplanung in § 47d BImSchG. Dieser Paragraph verweist in seinem Abs. 2 zum einen auf die Anhänge V sowie VI der Umgebungslärmrichtlinie und inkorporiert diese folglich in deutsches Gesetzesrecht;1 auf die obigen Ausführungen zu § 47c Abs. 2 BImSchG kann insoweit verwiesen werden.2 Zum anderen wird für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit gemäß § 47d Abs. 4 BImSchG die entsprechende Anwendung des für die Lärmkartierung geltenden § 47c Abs. 3 BImSchG angeordnet. Drittens verweist § 47d Abs. 6 hinsichtlich der Rechtswirkungen 1 Einschränkend hinsichtlich der Befugnis der Kommission zum Erlass weiterer Leitlinien gemäß Ziff. 4 des Anhangs V RL, im Übrigen aber wie hier Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 9. 2 Siehe oben 5. Teil, A. I., S. 121.

A. Allgemeines

251

der Lärmaktionspläne auf die luftreinhalterechtlichen Regelungen in § 47 Abs. 3 S. 2 und Abs. 6 BImSchG. Die Zuständigkeit der Behörden ergibt sich bundesrechtlich wiederum aus § 47e BImSchG, wobei sich ähnliche verfassungsrechtliche Probleme wie bei der Lärmkartierung stellen. Im Weiteren sind landesrechtliche Regelungen zu beachten.3 Eine Rechtsverordnung im Sinne des § 47f BImSchG ist zur Lärmaktionsplanung bislang nicht ergangen.4 Zwar liegt dem Bundesrat seit dem 20.04.2006 ein Antrag des Landes Baden-Württemberg auf Änderung der 34. BImSchV vor, durch den im Wesentlichen der Anwendungsbereich der §§ 1, 6 und 7 der 34. BImSchV auf die Lärmaktionspläne erstreckt und ein weiterer Paragraph zur Definition von Auslösegrenzwerten sowie von Orten im Sinne des § 47d Abs. 1 Nr. 1 BImSchG eingefügt werden soll.5 Eine Beschlussfassung ist hierzu nicht erfolgt; mit ihr ist wohl auch nicht mehr zu rechnen. Denn die Bundesregierung geht davon aus, bereits alles Erforderliche zur Umsetzung der Richtlinie getan zu haben.6 Eine weitere Verordnung sei darum nicht mehr nötig. Der maßgebliche europarechtliche Anknüpfungspunkt für die Lärmaktionsplanung ist neben den bereits in deutsches Recht inkorporierten Anhängen V und VI im Wesentlichen in Art. 8 RL 2002/49/EG zu sehen; hinzu treten insbesondere der Erwägungsgrund 11, Art. 1 Abs. 1 lit. c sowie Art. 9 der Richtlinie. Als Vollzugshilfe sind mittlerweile LAI-Hinweise zur Lärmaktionsplanung ergangen.7 In der Verwaltungspraxis dürften sich überdies all diejenigen Stellen mit der Umsetzung der Lärmminderungsplanung nach neuem Recht leichter tun, die sich schon intensiv mit der Lärmminderungsplanung nach § 47a BImSchG a. F. auseinandergesetzt und praktische Erfahrungen gewonnen haben.8 Das zeigt: Gesetzeskonformer Verwaltungsvollzug kann sich lohnen.

3

Siehe hierzu noch im Einzelnen unter F., S. 356 ff. Siehe hierzu näher B. III. 1., S. 261. 5 Verordnungsantrag des Landes BW, BR-Drs. 280/06 vom 20.04.2006. 6 Bundesregierung, BT-Drs. 16/7798, S. 8. 7 LAI-Hinweise zur Lärmaktionsplanung, gemäß UMK-Umlaufbeschluss 33/2007 von der Umweltministerkonferenz zur Kenntnis genommen, abrufbar z. B. unter http:// www.lung.mv-regierung.de/dateien/laermakt_plang_hinweis.pdf (20.05.2008). 8 Ein Beispiel zur Lärmkartierung bietet G. Wiechers, Lärmminderung und Lärmaktionsplanung in Düsseldorf, Lärmbekämpfung 2008, 102 ff. (102 f.). 4

252

6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

II. Der Begriff der Aktionsplanung Im Rahmen des Lärmschutzrechts handelt es sich bei dem Begriff der Aktionsplanung bzw. der Aktionspläne um eine begriffliche Neuschöpfung, nicht indes im Rahmen des Immissionsschutzrechts überhaupt. Der Begriff des lärmbezogenen Aktionsplans entstammt dem Wortschatz der Umgebungslärmrichtlinie (vgl. insbesondere die Begriffsdefinition des Art. 3 lit. t RL sowie die – demgegenüber teils redundante – Fassung des Art. 8 Abs. 1 RL) und ersetzt den bisher gebräuchlichen Begriff des Lärmminderungsplans nach § 47a BImSchG a. F., jedenfalls soweit dieser sich mit der Lärmminderung und nicht nur der Lärmsituationsbeschreibung entsprechend der heutigen Lärmkartierung befasste. Der Begriff des Aktionsplans ist jenseits des Lärmschutzes bereits aus dem Luftreinhalterecht bekannt. § 47 Abs. 2 S. 1 BImSchG verpflichtet die zuständigen Behörden zur Aufstellung von Aktionsplänen, sobald die Gefahr besteht, dass die jeweils geltenden Luftimmissionsgrenzwerte oder Alarmschwellen überschritten werden. Im Aktionsplan sollen kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen festgelegt werden, die geeignet sind, die Gefahr der Grenzwertüberschreitung zu verringern oder den Überschreitungszeitraum zu verkürzen (§ 47 Abs. 2 S. 2 BImSchG). Der Aktionsplan des Luftreinhalterechts ist also als eine Art „Akutplan“ aufzufassen. Dies unterscheidet ihn von den Luftreinhalteplänen i. S. d. § 47 Abs. 1 BImSchG, die allgemein auf die Sicherung der Immissionsgrenzwerte abzielen und im allgemeinen eher langfristige Maßnahmen enthalten.9 Das Luftreinhalterecht ist also von einem zwei- bzw. unter Einbezug der Pläne nach § 47 Abs. 3 BImSchG sogar mehrstufigen System verschiedener Plantypen geprägt. Das Recht der Lärmminderungsplanung kennt indes nur einen Plantypus,10 der seit der Neufassung im Vermittlungsausschuss leider immissionsschutzrechtlich inkonsistent11 und insofern systematisch fehlsam ebenfalls als Aktionsplan bezeichnet wird. Infolge dieser systematischen Unterschiede ist es methodisch von vorneherein fragwürdig, aus der Bezeichnung als Aktionsplan unter Rückgriff auf die Begrifflichkeiten der Luftreinhalteplanung oder Lärmminderungsplanung nach § 47a BImSchG a. F. irgendwelche materiellen Erfordernisse der neuen Lärmaktionspläne ableiten zu wollen.12 § 47d BImSchG ist insofern gerade kein Ge9

Jarass, BImSchG, § 47 Rn. 3. Vgl. insoweit Wysk, in: Giesberts/Reinhardt, § 47d BImSchG Rn. 1. 11 Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 2. 12 Gefährlich daher Cancik, Aktionspläne, ZUR 2007, 169 (172), die ausführt: „Wie im Luftqualitätsrecht ist Kennzeichen des Aktionsplans – im Gegensatz zum längerfristig planenden Luftreinhalteplan respektive dem alten Lärmminderungsplan, dass 10

A. Allgemeines

253

genstück zu § 47 BImSchG.13 Im Ergebnis mögen die aus einer solchen Gegenüberstellung abgeleiteten Erkenntnisse sogar zutreffend sein; nur muss sich dies aus der Systematik der Lärmminderungsplanung selbst heraus ergeben, nicht gleichsam aus systematischer Auslegung der soeben festgestellten „Fehlsystematik“. Die inhaltlichen Anforderungen an Lärmaktionspläne sind mithin allein aus den einschlägigen Lärmschutzvorschriften europäischer und mitgliedstaatlicher Provenienz herzuleiten, nicht aus dem Luftreinhalterecht. Ein anderes gilt nur, soweit § 47d BImSchG ausdrücklich auf § 47 BImSchG verweist.14

III. Die Lärmaktionsplanung als Rechtspflicht Die Durchführung der Lärmaktionsplanung ist eine Rechtspflicht der zuständigen Behörden.15 Dies ergibt sich unzweifelhaft aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 47d Abs. 1 S. 1 BImSchG, wonach die zuständigen Behörden Lärmaktionspläne „aufstellen“ und nicht etwa nur aufstellen können oder dürfen. Die Rechtspflicht zur Aktionsplanung besteht freilich nur in den Grenzen des gesetzlichen Tatbestandes. Hierbei sind grundsätzlich die gesetzlichen Tatbestände für die erstmalige Aufstellung von Aktionsplänen (§ 47d Abs. 1 BImSchG) sowie für die Überprüfung und Überarbeitung bereits erstellter Lärmaktionspläne (§ 47d Abs. 5 BImSchG) zu unterscheiden.16 Vier Tatbestandsmerkmale bzw. Tatbestandsgruppen sind in der Vorschrift des § 47d Abs. 1 BImSchG auszumachen: erstens das Handeln der zuständigen Behörden, zweitens die Fristsetzungen zum 18.07.2008 bzw. 18.07.2013, drittens die aktionsplanungspflichtigen Bereiche (Satz 1 Nrn. 1 und 2) sowie viertens das „Auslösetatbestandsmerkmal“ des Vorliegens regelungsbedürftiger Lärmprobleme und Lärmauswirkungen. Schulze-Fielitz hat zur Systematisierung des Tatbestandes nachvollziehbar die Unterscheidung nach „Anwendungsbereichen“

er zumindest auch kurzfristig wirksame, gefahrenabwehrende Maßnahmen enthält.“ Relativierend nunmehr dies., Umweltrechtliche Aktionspläne in der Bauleitplanung – eine Annäherung an Probleme der Verzahnung von Planungsinstrumenten, DVBl. 2008, 546 ff. (549). 13 So aber Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47d BImSchG Rn. B 1; hiergegen SchulzeFielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 2. 14 Ähnlich Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 2; Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47d BImSchG Rn. 2 („jedenfalls keine Einschränkungen“). 15 Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47d BImSchG Rn. 5; Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 19; wohl auch Jarass, BImSchG, § 47d Rn. 2 f., Wysk, in: Giesberts/Reinhardt, § 47d BImSchG Rn. 1 („zentrale Pflichtennorm“), Repkewitz, Probleme, VBlBW 2006, 409 (414), und Irmer, Richtlinie, ZfL 2002, 176 (178 f.). 16 Zum Überprüfungstatbestand siehe unten E. VII., S. 356.

254

6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

(örtlich, zeitlich, sachlich) vorgeschlagen.17 Denkbar erscheint auch eine Systematisierung nach zwei formellen (Zuständigkeit, Fristen als Verfahrensproblem) sowie zwei materiellen Tatbestandsmerkmalen (aktionspflichtige Bereiche, Auslösetatbestandsmerkmal). Vorliegend wird eine Gliederung in ein formelles Tatbestandsmerkmal (Zuständigkeit) sowie drei materielle Tatbestandsmerkmale (Vorliegen aktionspflichtiger Bereiche, „Fälligkeit“ nach den Vollzugsfristen, „Auslösetatbestandsmerkmal“) für vorzugswürdig erachtet. Die Einordnung ist allerdings zweitrangig, sofern dem Rechtsanwender hinreichend bewusst wird, welche Tatbestandsmerkmale erfüllt sein müssen, um seine Planungspflicht auf der Rechtsfolgenseite auszulösen. Nicht hierher gehört jedenfalls die – ziemlich verunglückte – Regelung des § 47d Abs. 1 S. 3 BImSchG, wonach die Festlegung von Maßnahmen in das Ermessen der zuständigen Behörden gestellt ist, wobei gewisse Prioritätensetzungen angeregt werden. Diese Vorschrift ist hinsichtlich der Reichweite des Ermessens und hinsichtlich seines Bezugspunktes (die Festlegung von Maßnahmen an sich oder die Durchführung der festgelegten Maßnahmen) äußerst umstritten und unterschiedlich interpretiert worden.18 Beide Sichtweisen betreffen jedoch die Gestaltung der Aktionspläne und die Durchführung nachfolgender Maßnahmen. Es geht also stets um die Frage, wie die einmal ausgelöste Planungspflicht rechtmäßig zu erfüllen ist. Demgegenüber ist die Anordnung des § 47d Abs. 1 S. 1 BImSchG, wonach bei Vorliegen der vier genannten Tatbestandsmerkmale die Behörden Aktionspläne „aufstellen“, unbedingt und eindeutig: Die Aktionsplanung ist verpflichtend vorzunehmen, wenn der gesetzliche Tatbestand erfüllt ist.

B. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Pflicht zur Lärmaktionsplanung Im Folgenden werden zunächst die drei o. g. materiellrechtlichen Tatbestandsvoraussetzungen der Lärmaktionsplanungspflicht erläutert. Das formelle Tatbestandsmerkmal der Zuständigkeit wird später gesondert beschrieben.19

I. Die aktionsplanungspflichtigen Bereiche Erste Voraussetzung für die Auslösung der Lärmaktionsplanungspflicht ist das Vorliegen eines aktionsplanungspflichtigen Bereichs. Denn gemäß § 47d

17 18 19

Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 19 ff. Siehe hierzu unten C. III., S. 283 ff. Siehe unten F., S. 356 ff.

B. Voraussetzungen für die Pflicht zur Lärmaktionsplanung

255

Abs. 1 S. 1 und 2 BImSchG werden Lärmaktionspläne (nur) für Orte in der Nähe von Hauptlärmquellen (Nr. 1) sowie für Ballungsräume (Nr. 2) aufgestellt. 1. Orte in der Nähe von Hauptlärmquellen Die Vorschrift des § 47d Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BImSchG, wonach sich Lärmaktionspläne auf Orte in der Nähe bestimmter Hauptverkehrsstraßen, Haupteisenbahnstrecken und der Großflughäfen beziehen sollen, wurde wörtlich aus Art. 8 Abs. 1 S. 1 lit. a RL übernommen. Für die Definition der Hauptverkehrsstraßen, Haupteisenbahnstrecken und Großflughäfen sind auch im Rahmen der Lärmaktionsplanung die Begriffsbestimmungen des § 47b Nr. 3 bis 5 BImSchG maßgeblich, so dass auf die obigen Abgrenzungen im Zusammenhang mit der Lärmkartierung verwiesen werden kann.20 Dabei sind stets auch die Mindestverkehrszahlen des § 47b BImSchG zu beachten, ab deren Vorliegen erst von einer Hauptlärmquelle im Sinne des Sechsten Teils des Bundes-Immissionsschutzgesetzes ausgegangen werden kann. Hinsichtlich der Fälligkeit der Planung gemäß den vorgegebenen Vollzugsfristen ist hinsichtlich des Verkehrsaufkommens weiter zu unterscheiden.21 Näher zu bestimmen bleibt, was unter „Orten“ im Sinne der Vorschrift zu verstehen ist und wann diese „in der Nähe“ von Hauptlärmquellen liegen. Aus der Gegenüberstellung von § 47d Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BImSchG mit der dortigen Nr. 2 ergibt sich jedenfalls, dass als „Ort in der Nähe“ von Hauptlärmquellen nur ein solcher Ort infrage kommt, der nicht selbst Teil eines Ballungsraumes ist; solche sind ggf. im Rahmen des Aktionsplans für den Ballungsraum zu berücksichtigen.22 Der Begriff des Ortes beschreibt ansonsten ganz grundlegend eine Raumbeziehung hinsichtlich des Aufenthalts einer Person oder der Auffindbarkeit eines Gegenstandes. Dabei kann „Ort“ sowohl punktuell im Sinne von „Stelle“ als auch weitergehend im Sinne einer irgendwie zusammengehörenden Gesamtheit von punktuellen Orten, mithin als „Ortschaft“, Gemeindeteil (vgl. etwa die gängige Bezeichnung als „Altort“ im Gegensatz zu Neubaugebieten), Gesamtort im Sinne einer politischen Gemeinde oder gar als Gebiet losgelöst von politischen Gemeindegrenzen verstanden werden.23

20

Siehe oben 5. Teil, B. I. 1.–3., S. 127 ff. Siehe hierzu unten B. II., S. 258. 22 So auch Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 29. 23 Vgl. die Deutungen bei Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47d BImSchG Rn. 6; Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47d BImSchG Rn. C 1; Fickert, Einfluss, BauR 2006, 920 (934). 21

256

6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

Allzu trennscharf wird man den unbestimmten Rechtsbegriff des „Ortes“ wohl nicht fassen können. Stimmig erscheint der Hinweis, dass es bei der Lärmminderungsplanung insgesamt um gebietsbezogenen Lärmschutz geht, weshalb eine bloß punktuelle Begriffsinterpretation unpassend erscheint; richtig ist weiter, dass eine z. B. nach Ziffer 3 des Anhangs V RL erforderliche Angabe von Betroffenenzahlen nur gebietsbezogen, nicht punktbezogen denkbar ist.24 Keinerlei Anhaltspunkte finden sich hingegen dafür, dass ein Bebauungszusammenhang als Ortschaft oder gar eine Eigenschaft als politische Gemeinde oder Teil hiervon vorliegen müsste.25 Insbesondere kann aus der – verfassungsrechtlich zweifelhaften – Festlegung einer Aktionsplanungszuständigkeit der Gemeinden mitnichten geschlossen werden, dass es sich deshalb bei Orten im Sinne der Vorschrift auch um Teilgebiete derselben handeln müsste.26 Richtig ist daran allenfalls, dass jedes maßgebliche Gebiet einer oder mehreren Gemeinden zuzuordnen ist, sofern es sich nicht um ein ausmärkisches Gebiet handelt. Für die Aktionsplanungspflicht ist eine solche Zuordnung zu einer Gemeinde im politischen Sinne jedoch nicht relevant; nur für die gesondert zu betrachtende örtliche Zuständigkeit der Behörden kann anderes gelten. Aus alledem ergibt sich, dass an die Eigenschaft eines „Ortes“ keine hohen Anforderungen zu stellen sind. Geeigneter Anknüpfungspunkt für einen Aktionsplan als „Ort“ ist nahezu jedes irgendwie abgrenzbare Gebiet. Ähnlich weit ist zu fassen, welche Orte sich „in der Nähe“ von Hauptlärmquellen befinden. Als in der Nähe einer Hauptlärmquelle gelegen ist zumindest jeder Ort anzusehen, an dem Immissionen der Hauptlärmquelle festzustellen sind. Das entspricht dem immissionsbezogenen Grundansatz der Aktionsplanung.27 Dabei kommt es zunächst nicht darauf an, in welcher Intensität dies der Fall ist. Insbesondere ist eine feststellbare Grenzwertüberschreitung keine Voraussetzung, um einen Ort in der Nähe der Hauptlärmquelle annehmen oder andere ausschließen zu können. Dies gilt umso mehr, als die Aktionsplanung auch dem Schutz ruhiger Gebiete zu dienen bestimmt ist (§ 47d Abs. 2 S. 2 BImSchG). Das kann nur gelingen, wenn beispielsweise auch solche Orte in die Aktionsplanung einbezogen werden können, an denen zwar derzeit keine Einwirkungen festzustellen sind, an denen aber infolge nicht völlig ausgeschlossener Entwicklungen im Bereich einer bestehenden Hauptlärmquelle eine Verlärmung absehbar eintreten 24 Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47d BImSchG Rn. 5; ders., Lärmminderungsplanung, FS Rehbinder, S. 347; zustimmend Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 25; vgl. auch Moradi Karkaj, Gesamtlärmbewertung, S. 297. 25 Wie hier Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 25; Hansmann, Lärmminderungsplanung, FS Rehbinder, S. 347; a. A. Fickert, Einfluss, BauR 2006, 920 (934). 26 So aber Fickert, Einfluss, BauR 2006, 920 (934). 27 Schulze-Fielitz, Umgebungslärm, Jahrbuch Umwelt- und Technikrecht 2008, S. 25.

B. Voraussetzungen für die Pflicht zur Lärmaktionsplanung

257

könnte. Danach ist streng genommen nicht einmal eine derzeitige Belastung erforderlich.28 Daher erscheint es auch zweifelhaft, mit Hansmann für die Abgrenzung des Einwirkungsbereichs entsprechend auf Nr. 2.2 der TA Lärm abzustellen.29 Danach soll maßgeblich sein, wo die von der betrachteten Hauptlärmquelle ausgehenden Einwirkungen noch weniger als 10 db(A) unter dem Beurteilungswert liegen. Es ist fraglich, weshalb ausgerechnet diese Vorschrift hier zur analogen Anwendung gelangen soll, zumal damit wiederum eine starke Segmentierung der Betrachtung verbunden wäre. Gerade aber auch Orte mit kumulativen Einflüssen verschiedenartiger Hauptlärmquellen sollen ja mittels der Aktionsplanung geschützt werden. Zutreffend ist hingegen, dass die Hauptlärmquelle nicht zwingend selbst im Aktionsplangebiet liegen muss.30 Einen auf die räumliche Lage schutzwürdiger Nutzungen bzw. auf die Zahl immissionsbetroffener Bürger abstellenden Ansatz sah der Verordnungsantrag des Landes Baden-Württemberg vor, um die Nähe eines Ortes zu ermitteln (§ 8 Abs. 3 VO-E).31 Eine solche Vorgehensweise wäre denkbar; allerdings scheint hierfür die Datenlage aus den Lärmkarten nicht klar genug zu sein.32 Jedenfalls kann eine solche Lösung nur im Wege einer Rechtsänderung bewerkstelligt werden. Aus dem geltenden Recht ist sie nicht ableitbar. Im Endeffekt wird somit nur ein solcher Ort als nicht in der Nähe einer Hauptlärmquelle angesehen werden können, der vollends fernab jeder Hauptlärmquelle liegt. Das gilt selbst dann, wenn er durch eine sonstige Lärmquelle immissionsbelastet ist.33 Im Gegenzuge ist jedenfalls jeder Ort einzubeziehen, der irgendwelchen Immissionen einer Hauptlärmquelle ausgesetzt ist.34 Diese sehr weite Begriffsbildung wird in der Praxis nicht zu einer unbotmäßigen Überdehnung der Planungspflicht führen. Denn die Festlegung der aktionspflichtigen Bereiche stellt quasi nur die Grobsteuerung dar. Die Feinsteuerung übernimmt das „Auslösetatbestandsmerkmal“ des Vorliegens regelungsbedürftiger Lärmauswirkungen und Lärmprobleme. Weitergehend ist bei der Maßnahmenplanung, also im Rahmen der Erfüllung der Planungsverpflichtung, eine nochmalige Prioritätensetzung möglich, so dass ein „Dammbruch“ bei der Aktionsplanung durch einen zu weit gefassten örtlichen Bezug nicht zu befürchten ist. 28

So wohl auch Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 25. Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47d BImSchG Rn. 7; kritisch Schulze-Fielitz, GK-BImSchG, § 47d Rn. 26 f. 30 Hansmann, Lärmminderungsplanung, FS Rehbinder, S. 347. 31 BR-Drs. 280/06. 32 Heinrichs/Popp, Ruhe, Lärmbekämpfung 2008, 95 (96). 33 Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 29. 34 Ähnlich Moradi Karkaj, Gesamtlärmbewertung, S. 297: das gesamte Gebiet, in dem eine Hauptlärmquelle wirksam ist. 29

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6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

Insgesamt handelt es sich bei der Formulierung „Orte in der Nähe“ um einen Begriff, der mangels greifbarer Abgrenzungswirkungen als juristische Kategorie nahezu untauglich ist. Daher ist dem Ratschlag von Schulze-Fielitz durchaus näher zu treten, sich nach Möglichkeit nicht mit allzu kleinlichen Abgrenzungsbemühungen „zu verzetteln“.35 2. Ballungsräume Auch für die Ballungsräume im Sinne des § 47d BImSchG ist auf die Begriffsbestimmungen des § 47b Nr. 2 BImSchG und mithin auf die oben getroffenen Ausführungen zur näheren begrifflichen Abgrenzung zu verweisen.36 Die räumliche Abgrenzung der Ballungsräume musste von den zuständigen Stellen bereits im Zuge der Meldepflichten zur Lärmkartierung vorgenommen werden, so dass für die Vollzugspraxis im Rahmen der Lärmaktionsplanung keine besonderen Schwierigkeiten zu erwarten sind.

II. Die Vollzugsfristen für die Lärmaktionsplanung Weiterhin sind als Teil des gesetzlichen Tatbestandes die unterschiedlichen Vollzugsfristen zu beachten, aus denen sich die jeweilige „Fälligkeit“ der Aktionsplanung ergibt. Gemäß § 47d Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BImSchG sind außerhalb der Ballungsräume zunächst Orte in der Nähe von Hauptverkehrsstraßen mit einem Verkehrsaufkommen von jährlich über sechs Millionen Kraftfahrzeugen, in der Nähe von Haupteisenbahnstrecken mit einem Verkehrsaufkommen von über 60.000 Zügen sowie in der Nähe der Großflughäfen in die Aktionsplanung einzubeziehen. Stichtag war insoweit der 18.07.2008. Gemäß § 47d Abs. 1 S. 2 BImSchG folgen bis zum 18.07.2013 sämtliche Hauptverkehrsstraßen und Haupteisenbahnstrecken im Sinne des § 47b BImSchG. Bei den Ballungsräumen waren zum 18.07.2008 die Ballungsräume mit wenigstens 250.000 Einwohnern und sind zum 18.07.2013 die sonstigen Ballungsräume im Sinne des § 47b BImSchG einzubeziehen. Diese Aufteilung entspricht zum einen der Richtlinienregelung aus Art. 8 Abs. 1 und Abs. 2 RL, zum anderen der Prioritätsabstufung im Rahmen der Lärmkartierung (§ 47c Abs. 1 BImSchG). Nach der gesetzgeberischen Intention ist somit jeweils ein knappes Jahr ab den Stichtagen zur Fertigstellung der Lärmkarten (30.06.2007 bzw. 30.06.2012) für die Aktionsplanung veranschlagt. 35 36

Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 29. Siehe hierzu oben 5. Teil, B. II. 1., S. 137.

B. Voraussetzungen für die Pflicht zur Lärmaktionsplanung

259

Dies lässt an sich keinen Raum für Verzögerungen.37 Aufgrund der verschleppten Richtlinienumsetzung lassen sich derzeit ersichtlich noch keine fertigen Aktionspläne vorweisen.

III. Das Auslösetatbestandsmerkmal des Vorliegens regelungsbedürftiger Lärmprobleme und Lärmauswirkungen Nach beinahe allgemeiner Ansicht löst das Vorliegen eines Ortes in der Nähe einer Hauptlärmquelle oder das Vorliegen eines Ballungsraums in Verbindung mit der jeweiligen Fälligkeit der Aktionsplanung für sich genommen noch keine Aktionsplanungspflicht aus.38 Die räumliche Abgrenzung dient gleichsam nur der Grobsteuerung der Aktionsplanungspflicht. Als feinsteuerndes Tatbestandsmerkmal muss ein Regelungsbedürfnis hinzutreten. Denn die Rechtspflicht gilt nach der insoweit übereinstimmenden Anordnung des § 47d Abs. 1 S. 1 BImSchG bzw. des Art. 8 Abs. 1 S. 1 RL39 für die Aufstellung von Aktionsplänen, mit denen Lärmprobleme und Lärmauswirkungen geregelt werden. Eine Regelung kann aber nicht getroffen werden, wo nichts zu regeln ist. Die Aktionsplanungspflichtigkeit setzt also zwingend das Vorliegen eines Regelungsbedürfnisses hinsichtlich bestimmter Lärmprobleme oder Lärmauswirkungen voraus.40 Daraus ergibt sich erstens, dass grundsätzlich keine vollflächige Aktionsplanung für alle Orte in der Nähe von Hauptlärmquellen und die Ballungsräume angeordnet wird. Zweitens hat es zur Folge, dass das Aktionsplanungsge-

37

Repkewitz, Probleme, VBlBW 2006, 409 (414). Im Wesentlichen übereinstimmend Hansmann, Lärmminderungsplanung, FS Rehbinder, S. 346; Schulze-Fielitz, Umgebungslärm, Jahrbuch Umwelt- und Technikrecht 2008, S. 23 f., S. 25; Repkewitz, Probleme, VBlBW 2006, 409 (414); Stettner, in: Ule/ Laubinger, § 47d BImSchG Rn. C 1; Jarass, BImSchG, § 47d Rn. 3; wohl auch Moradi Karkaj, Gesamtlärmbewertung, S. 297; vgl. auch die Bundesregierung, Einzelbegründung zu § 47e BImSchG-E, BT-Drs. 15/3782, S. 27; ergebnisgleich trotz anderer Begründung Wysk, in: Giesberts/Reinhardt, § 47d BImSchG Rn. 5 und 8, sowie Scheidler, Neue Aufgaben, DVBl. 2005, 1344 (1349) – siehe sogleich. Anderer Auffassung offenbar P. Cancik, Die Pflicht zur Aufstellung von Aktionsplänen zur Lärmminderung und ihre Kopplung an „Auslösewerte“, NVwZ 2008, 167 ff. (168, 169), die die räumliche Situation genügen lassen will, indes aber eine Grenzwertorientierung für die Abgrenzung derselben ins Gespräch bringt. 39 Diese Erwähnung des Regelungsbedürfnisses blendet Cancik, Pflicht zur Aufstellung, NVwZ 2008, 167 (169), aus, wenn sie behauptet, die Lärmkartierungs- und die Aktionsplanungspflicht sei räumlich identisch in Art. 7 und 8 RL geregelt. 40 Wie hier Hansmann, Lärmminderungsplanung, FS Rehbinder, S. 346; SchulzeFielitz, Umgebungslärm, Jahrbuch Umwelt- und Technikrecht 2008, S. 23 f., S. 25; Repkewitz, Probleme, VBlBW 2006, 409 (414); Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47d BImSchG Rn. C 1; Jarass, BImSchG, § 47d Rn. 3; wohl auch Moradi Karkaj, Gesamtlärmbewertung, S. 297. Zweifelnd trotz nachempfundenem Argument Cancik, Pflicht zur Aufstellung, NVwZ 2008, 167 (168). 38

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6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

biet nicht zwingend mit dem Lärmkartierungsgebiet identisch sein muss.41 Das ergibt sich teilweise schon vorgreiflich durch den Perspektivwechsel von der Kartierung der Hauptlärmquellen an sich hin zur Beplanung von Orten in deren Nähe.42 Nicht hierhin gehört indes die Frage, ob sich die Festlegung von Maßnahmen und Planungsbeiträgen zwingend auf das gesamte Gebiet der aktionsplanungspflichtigen Bereiche zu erstrecken hat.43 Denn dies ist im Zusammenhang mit der Prioritätenauswahl bei der Maßnahmenfestlegung zu sehen und damit im Bereich der planerischen Abwägung zu erörtern. Die einschränkende Regelung des § 47d Abs. 1 S. 1 BImSchG stellt hingegen eine einfachgesetzliche Konkretisierung der Anforderungen an die Planrechtfertigung dar.44 Ob regelungsbedürftige Lärmprobleme und Lärmauswirkungen im räumlich relevanten Gebiet vorliegen, ist eine Tatfrage, die von den für die Aktionsplanung zuständigen Stellen geklärt werden muss. Wann indes überhaupt vom Vorliegen regelungsbedürftiger Lärmprobleme und Lärmauswirkungen ausgegangen werden kann, ist hingegen eine Rechtsfrage. Es handelt sich um einen ausfüllungsbedürftigen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Konkretisierung ggf. gerichtlich voll nachprüfbar ist.45 Denn besondere Anhaltspunkte, dass der Gesetzgeber der Verwaltung hinsichtlich der Begriffskonkretisierung im Sinne eines Beurteilungsspielraums, wie er etwa aus dem Bereich der Dienstlichen Beurteilungen46, Prüfungsentscheidungen47 und Prognoseentscheidungen48 bekannt ist, ein Letztentscheidungsrecht einräumen wollte49 oder die rechtsprechende Gewalt bei einer Überprüfung an ihre funktionellen Grenzen stieße50, sind nicht ersichtlich. 41 Allg. Auffassung; offenbar lediglich Cancik, Pflicht zur Aufstellung, NVwZ 2008, 167 (169), möchte dies jedenfalls nicht ausschließen. 42 Moradi Karkaj, Gesamtlärmbetrachtung, S. 297, unter Hinweis auf den deutlicheren immissionsbezogenen Ansatz der Aktionsplanung im Vergleich zur Lärmkartierung; vgl. hierzu auch Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 25. 43 So aber Scheidler, Neue Aufgaben, DVBl. 2005, 1344 (1349), sowie Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47d BImSchG Rn. C 5. 44 Siehe hierzu näher unten C. III. 2. b), S. 287 f. 45 Vgl. hierzu grundlegend BVerfGE 84, 34 (49 f.); BVerwG, NVwZ 1995, 707 (708). 46 BVerwG, EzKommR Nr. 1400.245 = ZBR 2002, 184; OVG NW, EzKommR Nr. 1400.287; OLG Hamm, EzKommR Nr. 1400.228. 47 BVerfGE 84, 34 (50 ff.). 48 BVerfGE 88, 40 (60 f.); 106, 62 (150 ff.). 49 Siehe hierzu eingehend E. Pache, Tatbestandliche Abwägung und Beurteilungsspielraum, Zur Einheitlichkeit administrativer Entscheidungsfreiräume und zu deren Konsequenzen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren – Versuch einer Modernisierung, 2001, S. 38 ff. 50 Siehe hierzu näher H. Schulze-Fielitz, Neue Kriterien für die verwaltungsgerichtliche Kontrolldichte bei der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe, JZ 1993, 772 ff. (778 f.).

B. Voraussetzungen für die Pflicht zur Lärmaktionsplanung

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In diesem Zusammenhang stellt sich zunächst die Frage, ob die bisher zur Lärmminderungsplanung ergangenen deutschen Rechtsvorschriften zu einer europarechtskonformen Umsetzung der Umgebungslärmrichtlinie ausreichen oder ob aus europarechtlicher Sicht ein näheres Konkretisierungserfordernis hinsichtlich des Vorliegens regelungsbedürftiger Lärmprobleme und Lärmauswirkungen besteht (1.). In der Fachwelt ist dabei durchaus umstritten, ob es hierzu einer Festsetzung von Auslösewerten bedürfe und in welcher Höhe diese gegebenenfalls anzusetzen seien (2.). Hierzu ist Stellung zu nehmen (3.). Für den Schutz ruhiger Gebiete bestehen Besonderheiten (4.). 1. Die Vollständigkeit der Richtlinienumsetzung hinsichtlich der Auslösung der Aktionsplanungspflicht Anders als zur Lärmkartierung wurde zur Aktionsplanung bekanntlich bisher keine Bundes-Immissionsschutzverordnung erlassen, die die Anforderungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes konkretisiert hätte. Neuerdings wird vorgetragen, einer solchen bedürfe es auch nicht mehr, da die Umgebungslärmrichtlinie gesetzgeberisch bereits vollständig umgesetzt worden sei. Diese Ansicht äußerte mit Lahl zunächst der oberste Immissionsschützer im Bundesumweltministerium.51 Mittlerweile ist dies auch die offizielle Haltung der Bundesregierung.52 Dies überrascht. Denn die geltende Gesetzeslage und insbesondere das Gesetzgebungsverfahren sprachen bislang eine andere Sprache. So enthält der geltende § 47f Abs. 1 S. 1 Nr. 4 BImSchG eine Verordnungsermächtigung „zu Kriterien für die Festlegung von Maßnahmen in Lärmaktionsplänen“. Der geltende § 47f Abs. 2 Nr. 1 BImSchG ermächtigt zum Verordnungserlass von Regelungen „zum Format und Inhalt von (. . .) Lärmaktionsplänen“. Der gescheiterte erste Gesetzentwurf53 sah sogar ausdrücklich in § 47p Abs. 2 Nr. 8 BImSchG-E eine Verordnungsermächtigung zu der Frage vor, „welche Kriterien für die Erforderlichkeit der Aufstellung von Lärmminderungsplänen maßgeblich sind“. § 47f BImSchG-E wählte bereits auf Gesetzesebene die Vermeidung von Gesundheitsgefährdungen als kurzfristiges bzw. die Vermeidung erheblicher Belästigungen als langfristiges Ziel der Lärmminderungsplanung. Der ebenfalls gescheiterte erste Verordnungsentwurf zur Lärmkartierung54 regelte in § 8 Abs. 7 VO-E bereits ausdrücklich, dass eine Überschreitung der Werte von Lden = 65 db(A) und Lnight = 55 db(A) für die Prüfung der Erforderlichkeit der 51

Lahl/Scholz, Rechtsrahmen, AKP 5/2006, 41 (41). Bundesregierung, BT-Drs. 16/7798, S. 8 f.; kritisch Cancik, Pflicht zur Aufstellung, NVwZ 2008, 167 (168), und Schulze-Fielitz, Umgebungslärm, Jahrbuch Umweltund Technikrecht 2008, S. 10 und 23 f. 53 BT-Drs. 15/3782; vgl. dort auch die Einzelbegründung zu § 47e BImSchG-E, S. 27. 54 BR-Drs. 95/05. 52

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6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

Aufstellung von Lärmminderungsplänen von Bedeutung sei; diese Festlegung war auch Gegenstand der Debatte im Bundesratsplenum.55 Auch der brachliegende Verordnungsantrag des Landes Baden-Württemberg zur Änderung der 34. BImSchV56 sah eine Konkretisierung nach Grenzwerten (§ 8 Abs. 1 und 2 VO-E) sowie eine räumliche Abgrenzung des Aktionsplangebiets durch zahlenmäßige Betroffenheiten vor (§ 8a Abs. 3 VO-E). All diese offenen Probleme im Zusammenhang mit der Lärmaktionsplanung sollen nun also nicht mehr regelungsbedürftig und eine Konkretisierung des 47d BImSchG nicht mehr vonnöten sein. Woher rührt dieser plötzliche Sinneswandel? Offenbar war im Bundesrat eine politische Einigung über passende Werte auch vor dem Hintergrund befürchteter Finanzfolgelasten nicht möglich.57 Die angesprochenen Fragen sind jedoch nicht nur politischer, sondern auch rechtlicher Bedeutung. Denn nur eine vollständige Umsetzung der Umgebungslärmrichtlinie ist auch eine europarechtskonforme Richtlinienumsetzung. Dabei ist besonders zu beachten, dass nach europäischem Recht eine vollständige Richtlinienumsetzung in Rechtssätzen erforderlich ist. Eine bloße europarechtskonforme Verwaltungspraxis genügt wie bereits gezeigt nicht.58 Ob eine Umsetzung vollständig ist, richtet sich insbesondere danach, welchen Konkretisierungsbedarf die Richtlinie selbst aufzeigt. Eine Richtlinienumsetzung dürfte unvollständig sein, wenn die Richtlinienbestimmungen selbst erkennbar darauf angelegt sind, vom Mitgliedstaat rechtlich ausgefüllt zu werden.59 Im Hinblick auf die Umgebungslärmrichtlinie ist deshalb besonders darauf zu verweisen, dass sich die Richtlinie jeglicher Vorgabe materieller Standards enthält. Die Festlegung von Grenzwerten im Sinne des Art. 3 lit. s RL bzw. im Sinne des Art. 5 Abs. 4 RL wird vollständig den Mitgliedstaaten überlassen. Lediglich die Festlegung bestimmter Expositionsbereiche im Rahmen der Mindestanforderungen an die Lärmkartierung (Ziffern 1.5, 1.6, 2.5, 2.6 Anhang VI RL) enthält einen allenfalls vorsichtigen Hinweis auf den möglichen Rahmen derjenigen Werte, an denen sich auch die hierauf aufbauende Aktionsplanung 55

Siehe schon oben 3. Teil, B. II. 1., S. 93 f. BR-Drs. 280/06. 57 U. Lahl, Vorhandene Spielräume nutzen, Lärmbekämpfung 2007, 1; ders./Scholz, Rechtsrahmen, AKP 5/2006, 41 (42, 43); Cancik, Pflicht zur Aufstellung, NVwZ 2008, 167 (168). Der Hinweis von Lahl/Scholz, a. a. O. (S. 41), der vom Bund gewählte Ansatz überlasse die Festlegung von Zielwerten den Ländern bzw. der kommunalen Ebene, wirkt vor diesem Hintergrund eher euphemistisch. 58 Ruffert, in: Calliess/Ruffert, Art. 249 EGV Rn. 49, 59; Hetmeier, in: Lenz/Borchardt, Art. 249 EGV Rn. 9, 10. 59 Schulze-Fielitz, Umgebungslärm, Jahrbuch Umwelt- und Technikrecht 2008, S. 35 f. 56

B. Voraussetzungen für die Pflicht zur Lärmaktionsplanung

263

orientieren könnte. Auch die mit dem deutschen § 47d Abs. 1 S. 1 BImSchG übereinstimmende Formulierung des Art. 8 Abs. 1 S. 1 RL, die hinsichtlich des unbestimmten Rechtsbegriffs der Regelung von Lärmproblemen und Lärmauswirkungen ebenso ausfüllungsbedürftig ist wie die deutsche Rechtsnorm, legt einen bestehenden Konkretisierungsbedarf nahe. Damit wäre die Richtlinienumsetzung tendenziell unvollständig. Eine abschließende Beantwortung dieser Frage ist aber nicht möglich, ohne sich mit den tatsächlichen Konkretisierungsbedürfnissen der Aktionsplanungspraxis vertraut gemacht zu haben. 2. Die Erforderlichkeit von Auslösewerten Für eine Konkretisierung des Auslösetatbestandsmerkmals der regelungsbedürftigen Lärmprobleme und Lärmauswirkungen kommt vor allem eine Festlegung von Auslösewerten in Betracht. Solche Auslösewerte sind zwar sicher nicht die einzigen denkbaren Kriterien, um das Vorliegen regelungsbedürftiger Lärmprobleme und Lärmauswirkungen zu bejahen oder zu verneinen. Denkbar wäre auch eine rein räumliche Abgrenzung nach der Lärmbetroffenheit der Wohnbevölkerung.60 Allerdings verlagert sich dann der Problemschwerpunkt nur auf die Frage, ab wann jemand als hinreichend lärmbetroffen zu werten ist. Die Frage nach Grenzwerten hierfür (z. B. entsprechend dem niedrigsten Isophonenband der Lärmkartierung) stünde dann erneut im Raume. Denkbar wäre auch eine Gleichsetzung der Aktionsplanungspflichtigkeit mit dem Auftreten von Umgebungslärm schlechthin.61 Allerdings ist auch die Legaldefinition hierfür aus § 47a i.V. m. § 47b Nr. 1 BImSchG nicht aus sich heraus im Vollzug handhabbar. Jedenfalls haben etliche Bundesländer mittlerweile im Wege ministerieller Weisungen Schalldruckpegel vorgegeben oder wenigstens zur Beachtung empfohlen.62 Lediglich das Land Schleswig-Holstein regt für die Bestimmung der Auslöseschwelle leicht abweichend eine kombinierte Betrachtung aus der Betroffenenzahl und der Höhe der Belastung an, letztere allerdings wiederum ab-

60 Siehe den Ansatz von Cancik, Pflicht zur Aufstellung, NVwZ 2008, 167 (169), wonach sich die Pflicht zur Aufstellung von Plänen alleine aus Verbindung zu einem Ballungsraum oder einem Verkehrsweg ergebe; dass dort Lärmprobleme und Lärmauswirkungen bestünden, werde gleichsam unterstellt. Das führt im Ergebnis aber entgegen dem eingrenzenden Tatbestandsmerkmal des Regelungsbedürfnisses zu einer flächendeckenden Aktionsplanung. 61 In diese Grundrichtung offenbar die LAI-Hinweise zur Lärmaktionsplanung, Nr. 2, die aber sogleich heranziehbare Schalldruckpegel anführen. 62 Siehe hierzu sogleich unter B. III. 2. c), S. 267.

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6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

gegrenzt nach bestimmten Schalldruckpegeln.63 Offenbar stellen Auslösewerte also ein besonders praxistaugliches Abgrenzungskriterium dar. a) Terminologische Abgrenzung Hinsichtlich des Begriffs des „Auslösewertes“ ist höchste terminologische Genauigkeit vonnöten. Auch wenn die Richtlinie selbst in Art. 3 lit. s, Art. 5 Abs. 4 und andernorts einheitlich nur den Begriff des „Grenzwertes“ als einem mitgliedstaatlich festgelegten Schalldruckpegel verwendet, sollten auf der Umsetzungsebene wenigstens vier Begriffskategorien unterschieden werden, da sie jeweils unterschiedliche Zusammenhänge betreffen. Als „Grenzwerte“ sollten nur diejenigen Werte bezeichnet werden, bei denen der Mitgliedstaat im Sprachgebrauch der Richtlinie Lärmschutzmaßnahmen ergreift oder in Betracht zieht. Das sind die von der Bundesregierung gemäß Art. 5 Abs. 4 RL gemeldeten und in Lden bzw. Lnight umgerechneten Immissionsgrenzwerte bzw. Immissionsrichtwerte der TA Lärm, der 16. BImSchV, des Fluglärmgesetzes sowie die Lärmsanierungswerte nach VLärmSchR 97 und der Richtlinie für die Lärmsanierung an Schienenwegen. Als „Auslösewerte“ sollten demgegenüber diejenigen Werte bezeichnet werden, deren Vorliegen die Aktionsplanungspflicht an sich auslöst. Sie markieren somit das Vorliegen regelungsbedürftiger Lärmprobleme oder Lärmauswirkungen. Es geht dabei ausschließlich um die Einschätzung des Wertegebers (z. B. der Verwaltungsspitze), ab welchen Werten eine Planung überhaupt stattfinden sollte. Hierbei ist eine große Varianz denkbar, weshalb die Auslösewerte per se keine qualitative Aussage (z. B. über das Vorliegen von Gefahren oder aber des Vorsorgebereichs) treffen und deshalb auch nicht den bisherigen Kategorien aus Grenz-, Richt-, Alarmschwellen-, Prüf- und anderen Werten zugeordnet werden können. Davon sind wiederum diejenigen Werte zu unterscheiden, bei deren Vorliegen innerhalb der Aktionsplanung konkret Maßnahmen und Planungsbeiträge in den Aktionsplan aufgenommen werden oder anhand derer die Prioritäten bei der Maßnahmenfestlegung abgestuft werden. Denn die Aktionsplanungspflicht zieht wegen des Erfordernisses der planerischen Prioriätensetzung nicht zwingend eine plangebietsdeckende Pflicht nach sich, Maßnahmen zu ergreifen.64 Solche Werte sollten als „Maßnahmenwerte“ bezeichnet werden. Als vierte begriffliche Gruppe sind „Zielwerte“ zu nennen, die vorgeben, welches Lärmschutzniveau kurz-, mittel- oder langfristig erreicht werden soll.65 63

Leitfaden SH (5. Teil, Fn. 411), Nr. 2.1. In diesem Sinne auch Graf, in: Bayer. Landtag, Anhörung (1. Teil, Fn. 210), S. 22. 64

B. Voraussetzungen für die Pflicht zur Lärmaktionsplanung

265

Die folgenden Ausführungen zu Auslösewerten betreffen somit ausschließlich die Frage nach der Auslösung der Aktionsplanungspflicht. b) Die Interessenlagen zur Festlegung von Auslösewerten Der Streit um die Notwendigkeit von Auslösewerten wird weniger von rechtlicher, als vielmehr von politischer Warte aus geführt. Dabei sind nur teilweise rechtspolitische Überlegungen maßgeblich. Über weite Strecken wird die Diskussion von allgemein-politischen und finanzpolitischen Erwägungen geleitet. In bemerkenswerter Klarheit sind die verschiedenen Interessenlagen der Beteiligten in einer Anhörung des Bayerischen Landtags zur Änderung des Bayerischen Immissionsschutzgesetzes zum Ausdruck gekommen.66 Gegen eine Festlegung von Auslösewerten wird zum einen ganz grundlegend in Stellung gebracht, dass eine jegliche Wertfestsetzung immer dazu verleite, dass die dadurch eingeräumten Spielräume bis an ihre Obergrenze ausgereizt würden.67 Hierdurch verringere sich das Lärmminderungspotenzial des neuen Vorgehens, was letztendlich zum Stillstand führen könne. Gegen Auslösewerte spreche weiterhin, dass eine zu hoch angesetzte Auslöseschwelle Lärmminderungspotenziale verschenke, eine zu niedrig angesetzte Schwelle indes zu unrealistischen Erwartungen der Bevölkerung hinsichtlich der kurz- und mittelfristig erreichbaren Realisierung und mithin zu großer Frustration, politischer Abwendung und mangelnder Akzeptanz für die Lärmminderungsplanung insgesamt führen könne.68 Ambitionierte Auslösewerte führten ferner schnell zu erheblichen Ausgabenmehrungen, die angesichts der öffentlichen Haushaltslage eine Realisierung der Planinhalte umso unwahrscheinlicher machten.69 Neben den allgemeinen finanziellen Folgen spielen Erfahrungen aus der Luftreinhaltung eine Rolle. Etliche Beteiligte fürchten ganz offenkundig, dass durch 65 Beispielhaft die von der Rostocker Bürgerschaft beschlossenen Umweltqualitätsziele bei S. Nozon, LMP = LAP + x. Praxiserfahrungen mit der Lärmminderungsplanung und Lärmaktionsplanung in der Hansestadt Rostock, Lärmbekämpfung 2008, 108 ff. (108) mit Tab. 1, leider jedoch ohne Angabe des Regelwerkes, nach dem die Werte bestimmt wurden. 66 Bayerischer Landtag, Anhörung zum Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Bayerischen Immissionsschutzgesetzes (LT-Drs. 15/8783), Gemeinschaftliche Sitzung des Ausschusses für Umwelt und Verbraucherschutz (96. Sitzung) und des Ausschusses für Kommunale Fragen und Innere Sicherheit (90. Sitzung) gemäß § 137 der Geschäftsordnung für den Bayerischen Landtag vom 05.12.2007. Siehe hierzu schon den obigen Nachweis (1. Teil, Fn. 210). 67 Vgl. zur Grenz- und Zielwertfestsetzung Feldmann, Wandel im Lärmschutz, ZUR 2005, 352 (357); Moradi Karkaj, Gesamtlärmbewertung, S. 290. 68 So der Münchener Umwelt- und Gesundheitsreferent Lorenz, in: Bayer. Landtag, Anhörung (1. Teil, Fn. 210), S. 17; P. M. Huber, ebd., S. 17 und 21. 69 Weigl (BayStMUGV), in: Bayer. Landtag, Anhörung (1. Teil, Fn. 210), S. 22.

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6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

die Normierung von Auslöseschwellen möglicherweise subjektiv-öffentliche Rechte und damit Ansprüche auf die Aktionsplanerstellung oder gar bestimmte Maßnahmen in bzw. neben den Plänen verbunden sein könnten.70 Eine solche Befürchtung kann freilich je nach politischem Standpunkt auch als wünschenswert angesehen werden. Schließlich wird in Abhängigkeit von der landesverfassungsrechtlichen Situation offenbar seitens mancher Bundesländer befürchtet, dass die mit der Festlegung von Auslösewerten verbundene Vorgabe von Standards finanzielle Ausgleichsansprüche der aktionsplanungspflichtigen Kommunen gegenüber dem jeweiligen Bundesland aus Konnexitätsgesichtspunkten auslösen könnte.71 Gerade das Setzen von Standards kann aber im Gegenteil auch gerade für eine Vorgabe bestimmter Auslösewerte sprechen. Denn auf diese Weise könnte eine einheitliche und an den europarechtlichen Effizienzanforderungen orientierte Vollzugspraxis sichergestellt oder zumindest befördert werden. Klare Auslösewerte würden den Planungsakteuren jedenfalls verdeutlichen, ob und wo sie tätig werden müssen.72 Bundesweit oder wenigstens landesweit einheitliche Standards könnten ferner einen Lärmschutz-Wettbewerb vermeiden helfen, der von den Kommunen offenbar als eher bedrohlich denn förderlich angesehen wird.73 Aus Lärmschutzgesichtspunkten heraus könnte man einen Wettbewerb um die beste Lärmminderung und damit um die besten Lebensbedingungen freilich auch begrüßen. Wohl nicht ganz unbegründet wird aber von den Betroffenen eher befürchtet, dass bei allzu „freihändiger“ Entscheidung über die Aufstellung von Aktionsplänen bei lärmschutzambitionierten Gemeinden mehr Finanzmittel gebunden und infolge der angestrebten Maßnahmen höhere Hürden etwa bei der Ansiedlung neuer Unternehmen am Ort eintreten könnten. Das könnte gerade im ländlichen Raum mit seinen Strukturproblemen einen Wettbewerbsnachteil der ambitionierteren Gemeinde nach sich ziehen. Einheitliche Auslösewerte würden schließlich auch insofern den Vollzug erleichtern, als damit den Rechts- und Fachaufsichtsbehörden gleichsam „harte“ Kriterien für ihre Aufsichtstätigkeit an die Hand gegeben würden. 70 Busse (Bayer. Gemeindetag), in: Bayer. Landtag, Anhörung (1. Teil, Fn. 210), S. 16. 71 Bemerkenswert offen hierzu Weigl, in: Bayer. Landtag, Anhörung (1. Teil, Fn. 210), S. 19; entsprechende Forderungen bei Lorenz, ebd., S. 9, sowie Busse, ebd., S. 16, und Seide (Bayer. Städtetag), ebd., S. 17 f. Zu den Konnexitätsregelungen der Bayerischen Verfassung und anderer Landesverfassungen siehe ausführlich C. Zieglmeier, Das strikte Konnexitätsprinzip am Beispiel der Bayerischen Verfassung, NVwZ 2008, 270 ff.; für Nordrhein-Westfalen siehe auch NWVerfGH, NVwZ 1997, 793 (793 f.). 72 Petz, in: Bayer. Landtag, Anhörung (1. Teil, Fn. 210), S. 10. 73 Vgl. Lorenz, in: Bayer. Landtag, Anhörung (1. Teil, Fn. 210), S. 9 und 17.

B. Voraussetzungen für die Pflicht zur Lärmaktionsplanung

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c) Die Höhe der Auslösewerte Hinsichtlich der Höhe möglicher Auslösewerte decken die verschiedenen Vorschläge ein sehr weites Spektrum ab. Im Wesentlichen lassen sich drei Grundansätze ausmachen.74 Ein erster Ansatz orientiert sich an den Isophonenbändern, die im Rahmen der Lärmkartierung ausgewiesen werden.75 Danach wären die Ballungsräume und Orte in der Nähe von Hauptlärmquellen bis auf eine Grenze von Lden = 55 db(A) und Lnight = 50 db(A) zu kartieren (§ 4 Abs. 4 Nr. 1 der 34. BImSchV). Dieser im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens geäußerte Gedanke fand in der Praxis ersichtlich keinen Widerhall.76 Ein zweiter Ansatz blickt auf das Erreichen bzw. Überschreiten von Grenzwerten, die von der Bundesrepublik im Sinne des Art. 5 Abs. 4 RL gemeldet wurden.77 Im Regelfall fände folglich keine Aktionsplanung für diejenigen Gebiete statt, in denen ein Erreichen der Grenzwerte erst künftig droht. Als konkrete Auslösewerte werden zumeist sogar Werte von Lden = 70 db(A) und Lnight = 60 db(A) genannt.78 Diese Werte liegen somit im Bereich der Lärmsanierungswerte, die von der Bundesregierung ebenfalls als „Grenzwerte“ im o. g. Sinne an die Europäische Kommission gemeldet wurden. Ein dritter Ansatz blickt auf die kurzfristigen Handlungsempfehlungen des Sachverständigenrates für Umweltfragen zur Vermeidung erheblicher Belästigungen aus dem Sondergutachten 1999. Entsprechend werden Auslösewerte um Lden = 65 db(A) und Lnight = 55 db(A) vorgeschlagen.79 Weiterhin werden vermittelnde Lösungen80 wie auch Stufenlösungen81 vorgeschlagen.

74 Vgl. die Systematik bei Weigl, in: Bayer. Landtag, Anhörung (1. Teil, Fn. 210), S. 19. 75 Cancik, Pflicht zur Aufstellung, NVwZ 2008, 167 (169). 76 Vgl. die u.g. Empfehlungen der Bundesländer sowie Weigl, in: Bayer. Landtag, Anhörung (1. Teil, Fn. 210), S. 19. 77 Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47d BImSchG Rn. 9; Jarass, BImSchG, § 47d Rn. 4 (hilfsweise: Schwelle zu drohenden Gesundheitsauswirkungen); als Jedenfalls-Kritierium auch Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47d BImSchG Rn. C 1. 78 So für die Landeshauptstadt München Lorenz, in: Bayer. Landtag, Anhörung (1. Teil, Fn. 210), S. 17; siehe im Übrigen die nachfolgende Aufstellung der Werte aus den Bundesländern m.w. N. 79 Umweltbundesamt, Auslösekriterien (5. Teil, Fn. 279), S. 1; in diese Richtung auch Petz, in: Bayer. Landtag, Anhörung (1. Teil, Fn. 210), S. 10. 80 Petz, in: Bayer. Landtag, Anhörung (1. Teil, Fn. 210), S. 18: wenigstens L den = 67 db(A). 81 Lorenz, in: Bayer. Landtag, Anhörung (1. Teil, Fn. 210), S. 17.

268

6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

Das Umweltbundesamt spricht sich beispielsweise für eine Auslöseschwelle bei einem wenigstens alternativen Überschreiten von Lden = 65 db(A) oder Lnight = 55 db(A) in einer ersten Phase bzw. bei einem Überschreiten von Lden = 60 db(A) oder Lnight = 50 db(A) in einer zweiten Phase aus.82 Auch der Verordnungsentwurf des Landes Baden-Württemberg83 enthielt eine Stufenlösung, die sich allerdings auf eine gestufte Überprüfungsverpflichtung der Bundesregierung beschränkte, ob die Eingangsstufenwerte von Lden = 70 db(A) und Lnight = 60 db(A) ab 2018 auf Lden = 67 db(A) und Lnight = 57 db(A) bzw. weitergehend auf Lden = 65 db(A) und Lnight = 55 db(A) gesenkt werden müssten (§ 8 Abs. 2 VO-E). Ausgerechnet die LAI-Hinweise zur Lärmaktionsplanung als wichtige Vollzugshilfe halten sich demgegenüber relativ bedeckt. Der grundsätzliche Hinweis in Nr. 2, dass mit Lärmproblemen und Lärmauswirkungen belästigende oder gesundheitsschädliche Geräusche, die gemäß § 47b Abs. 1 BImSchG als Umgebungslärm bezeichnet werden, gemeint seien, hilft zur Abgrenzung kaum weiter. Eine Lärmaktionsplanungspflicht soll jedenfalls für kartierte Gebiete mit Grenzwertüberschreitungen i. S. d. § 4 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 der 34. BImSchV bestehen; des weiteren wird ohne nähere Konkretisierung auf die Umwelthandlungsziele des SRU-Sondergutachtens 1999 verwiesen. Offenbar fanden die schon dem Erlass einer Verordnung entgegenstehenden Meinungsunterschiede zwischen Bund und Ländern im Rahmen des LAI ihre Fortsetzung. Folgende Bundesländer haben für die Aktionsplanung Auslösewerte empfohlen: Baden-Württemberg

Lden = 70 db(A), Lnight = 60 db(A)84

Bayern

keine Vorgabe85

Berlin

1. Stufe: Lden = 70 db(A), Lnight = 60 db(A) 2. Stufe: Lden = 65 db(A), Lnight = 55 db(A)86

Brandenburg

Lden = 65 db(A), Lnight = 55 db(A)87

Hamburg

1. Stufe: Lden = 70 db(A), Lnight = 60 db(A) 2. Stufe: Lden = 65 db(A), Lnight = 55 db(A)88

MecklenburgVorpommern

Lden = 70 db(A), Lnight = 60 db(A) bzw. Lden = 65 db(A), Lnight = 55 db(A)89

82

Umweltbundesamt, Auslösekriterien (5. Teil, Fn. 279), S. 1. BR-Drs. 280/06. 84 Schulze-Fielitz, Umgebungslärm, Jahrbuch Umwelt- und Technikrecht 2008, S. 24. 85 Weigl, in: Bayer. Landtag, Anhörung (1. Teil, Fn. 210), S. 19. 86 Heinrichs/Popp, Ruhe, Lärmbekämpfung 2008, 95 (96). 87 Heinrichs/Popp, Ruhe, Lärmbekämpfung 2008, 95 (96). 88 Heinrichs/Popp, Ruhe, Lärmbekämpfung 2008, 95 (96). 89 Nozon, LMP, Lärmbekämpfung 2008, 108 (112). 83

B. Voraussetzungen für die Pflicht zur Lärmaktionsplanung Niedersachsen

269

Lden = 70 db(A), Lnight = 60 db(A) für Hauptverkehrsstraßen bzw. Lden = 65 db(A), Lnight = 55 db(A) für „Hauptflugplätze“ 90

Nordrhein-Westfalen Lden = 70 db(A), Lnight = 60 db(A) an Wohnungen, Schulen, Krankenhäusern und anderen schutzwürdigen Gebäuden; weitergehende Kriterien sind zulässig91 Schleswig-Holstein

Empfehlung zur Belastungsbewertung anhand Pegelhöhe, Betroffenenanzahl und Schutzwürdigkeit der Fläche mit folgenden Pegelgruppen zur Orientierung92: „sehr hohe Belastung“: Lden = 70 db(A), Lnight = 60 db(A) „hohe Belastung“: Lden = 65 db(A), Lnight = 55 db(A) „Belastung/Belästigung“: Lden < 70 db(A), Lnight < 60 db(A)

Eine gesetzlich festgelegte Hilfestellung weist demgegenüber nur das novellierte Fluglärmgesetz aus. Gemäß § 14 FluglärmG sind bei der Lärmaktionsplanung die jeweils anwendbaren Werte des § 2 Abs. 2 FluglärmG zu beachten. Diese nach verschiedenen Flugplatzgruppen, zwei Schutzzonen, Tageszeiten und zeitlichen Staffelungen (bis 2010 bzw. ab 2011) differenzierten Dauerschalldruckpegel zwischen LAeq Tag = 65 db(A) und LAeq Nacht = 50 db(A) sind ausweislich der amtlichen Überschrift des § 14 FluglärmG als „Schutzziele für die Lärmaktionsplanung“ zu verstehen. Daraus lässt sich schließen, dass eine Aktionsplanungspflicht jedenfalls mindestens beim Auftreten solcher Schutzzielwerte nach ihrer Umrechnung in Lden bzw. Lnight ausgelöst sein muss.93 Bei der Frage, wie weit darunter zweckmäßiger Weise eine Aktionsplanung stattfinden sollte, bleibt dennoch erheblicher Interpretationsraum. 3. Stellungnahme Mehrere Schlussfolgerungen können aus der vorstehend beschriebenen Diskussion gezogen werden. a) Zur Vorgabe von Auslösewerten Erstens zeigen die Vorgehensweise der Bundesländer, zumindest Empfehlungswerte auszusprechen, und die Stellungnahmen aus dem Kreise der Planer, 90 Internetseite des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt und Klimaschutz, http://www. umwelt.niedersachsen. de/master/C44646685_N38913568_L20_D0_I598. html (24.11.2008). 91 Runderlass des Ministeriums für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, V-5-8820.4.1, vom 07.02.2008, MBl. NW 2008 S. 105, Nr. 2; Wiechers, Lärmminderung Düsseldorf, Lärmbekämpfung 2008, 102 (105). 92 Leitfaden SH (5. Teil, Fn. 411), Nr. 2.1 mit Tab. 3. 93 Siehe hierzu näher Wysk, Fluglärmgesetz, Lärmbekämpfung 2007, 243 (249).

270

6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

dass für eine geordnete und nicht willkürliche Planungspraxis ein erheblicher Konkretisierungsbedarf besteht, wenn die Vorgaben der Umgebungslärmrichtlinie eingehalten werden sollen. Gerade die Behörden vor Ort sind offenbar auf klare Handlungsanweisungen angewiesen, um Orientierung zu finden. Das Ausbleiben klarer Standardvorgaben würde vermutlich dazu führen, dass trotz der verpflichtenden Zeitvorgaben der Richtline ein ähnliches Vollzugsdefizit wie bei der kommunalen Lärmminderungsplanung gemäß § 47a BImSchG a. F. drohte.94 Das wäre mit der Richtlinie nicht vereinbar. Vor dem Hintergrund, dass eine bloße Verwaltungspraxis zur Richtlinienumsetzung nicht ausreicht, sondern alle wesentlichen Schritte durch Rechtsnorm vorgegeben werden müssen,95 steht damit zugleich fest, dass die Umgebungslärmrichtlinie durch die bisher ergangenen Rechtsvorschriften mitnichten vollständig umgesetzt worden ist. Die Umsetzung ist unvollständig und steht daher nicht im Einklang mit dem Europarecht. Zweitens zeigt sich, dass in Ermangelung anderer belastbarer Kriterien wohl nur die Festsetzung von Auslöseschwellen durch Vorgabe von Auslösewerten zur Konkretisierung in Betracht kommt. Zwar ist einzuräumen, dass eine unglückliche Auswahl der Schwellenwerte zu Realisierungsdefiziten und damit verbundener politischer Frustration der Betroffenen führen kann. Dies ist aber zum einen eine Frage der Höhe der Standards und nicht der Entscheidung für Werte überhaupt. Zum zweiten sollte man nicht übersehen, dass die Richtlinie gerade auf den Einbezug der Öffentlichkeit und die Nutzbarmachung des politischen Willens der interessierten Bevölkerung angelegt ist. Sich dieser Willenskraft der Öffentlichkeit als Planungsstelle auszusetzen, ist gerade gewollt. Deshalb kann die Befürchtung langer Realisierungszeiträume nicht schon gegen die Festlegung von Standards sprechen. Generell kann der Verzicht auf Standards nicht mit den hohen Kostenfolgen oder den durch die Vorgaben möglicherweise ausgelösten Verschiebungen der Finanzierungsverantwortung begründet werden. Denn das würde letztlich bedeuten, dass wegen der Schwierigkeit der Aufgabe die ordnungsgemäße Aufgabenwahrnehmung verweigert würde. Dies wäre vor dem Hintergrund des Effizienzgebots des Europarechts ein Richtlinienverstoß. Im Übrigen stellen Auslösewerte eine wesentliche Voraussetzung dar, um die Aufsichtstätigkeit überhaupt zu ermöglichen. Diese wiederum ist für die Durchsetzung der Aktionsplanungspflicht wegen des fast ausschließlich objektiv-recht94 Lorenz, in: Bayer. Landtag, Anhörung (1. Teil, Fn. 210), S. 22, spricht von einer bis höchstens zwei „Handvoll“ Gemeinden in Bayern, die ihrer Planungspflicht nachgekommen seien. Dass diese Planungspflicht „nicht so intensiv wahrgenommen wurde“, will Weigl, ebd., S. 20, auf die erkennbare europäische Neuregelung zurückführen, weshalb der Freistaat Bayern die alte Lärmminderungsplanung auch „nicht mehr strapaziert“ habe. 95 Siehe hierzu schon die Nachweise in Fn. 58.

B. Voraussetzungen für die Pflicht zur Lärmaktionsplanung

271

lichen Charakters der Aktionsplanungspflicht96 und dem daraus folgenden Ausfall des Individualrechtsschutzes von überragender Bedeutung. Ohne funktionierende Rechts- und Fachaufsicht kann ein Vollzugsdefizit wie bei der früheren Lärmminderungsplanung nicht ausgeschlossen werden. b) Zur Höhe von Auslösewerten Was die Höhe der zu wählenden Auslösewerte anbelangt, lässt die Umgebungslärmrichtlinie den Mitgliedstaaten großen Spielraum.97 Konkrete Vorgaben für Auslösewerte gibt es nicht. Dennoch sind der Richtlinie zwei Grundgedanken zu entnehmen, an denen sich der Mitgliedstaat bei der rechtlichen Konkretisierung der Auslöseschwelle orientieren kann bzw. sogar sollte. Erstens ist festzuhalten, dass die Richtlinie durchaus eine Priorisierung im Rahmen der Aktionsplanung kennt und gutheißt. Dies ergibt sich zum einen aus dem Erwägungsgrund 11 der Richtlinie, zum anderen aus Art. 8 Abs. 1 S. 2 RL, wonach die Maßnahmen der Behörden „insbesondere auf die Prioritäten eingehen, die sich gegebenenfalls aus der Überschreitung relevanter Grenzwerte oder aufgrund anderer von den Mitgliedstaaten festgelegter Kriterien ergeben, und insbesondere für die wichtigsten Bereiche (der strategischen Lärmkarten) gelten (sollen)“. Diese Vorschrift gilt zwar unmittelbar nur für die Maßnahmenfestlegung. Jedoch setzt eine Prioritätenauswahl anhand von Grenzwertverletzungen bzw. anderer Kriterien schon begrifflich Auswahlmöglichkeiten voraus. Die Aktionsplanungsbereiche sollten folglich maßvoll über die Prioritätsgebiete der Maßnahmenplanung hinausreichen und nicht gleichsam „auf Kante genäht sein“. Zweitens strebt die Richtlinie ein hohes Gesundheits- und Umweltschutzniveau an (Erwägungsgrund 1 RL). Im Zusammenhang mit den Begriffsbestimmungen der Richtlinie wurde bereits ausgeführt, dass die Richtlinie und auch der Sechste Teil des Bundes-Immissionsschutzgesetzes daher schon unterhalb der Grenze zur schädlichen Umwelteinwirkung im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes ansetzen. Die in Lden bzw. Lnight umgerechneten Grenzwerte der einzelnen Lärmregelwerke kennzeichnen jedoch grundsätzlich eben jene Schwelle zur schädlichen Umwelteinwirkung. Beide Gesichtspunkte sprechen also gegen eine Gleichsetzung der Auslösewerte mit den maßgeblichen Grenzwerten im Sinne der Meldung zu Art. 5 Abs. 4 RL. Dies gilt in besonderer Weise, soweit eine Gleichsetzung mit den Lärmsanierungswerten oder allgemein Werten um Lden = 70 db(A) bzw. Lnight = 60 db(A) vorgeschlagen werden. Diese Werte bewegen sich im Bereich der Ge96 97

Streitig; siehe hierzu unten H. I., S. 389 ff. Vgl. insoweit Lahl, Spielräume nutzen, Lärmbekämpfung 2007, 1.

272

6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

sundheitsgefährdung98 und sind deshalb für eine Abgrenzung der regelungsbedürftigen Lärmprobleme und Lärmauswirkungen nicht hinreichend und daher untauglich. Auch zwei rein praktische Gründe streiten gegen die Gleichsetzung von Auslösewerten und Grenzwerten. Zum einen ist es gerade bei Verkehrslenkungsmaßnahmen unerlässlich, die Auswirkungen einer Verkehrsveränderung auch auf den Ausweichstrecken zu erfassen. Nur im Wege einer solchen netzorientierten Betrachtung kann die „versehentliche“ Verlärmung von Alternativstrecken vermieden werden. Das erfordert einen Einbezug noch nicht von Grenzwertüberschreitungen betroffener Gebiete in den Planbereich.99 Zum anderen ist zu bedenken, dass es den „einen“ Grenzwert schlicht nicht gibt. Vielmehr hat die Bundesregierung die Grenzwerte der einzelnen Regelwerke in all ihrer segmentierenden Fülle und ihrer Zersplitterung nach Lärmart, Lärmquellen und Schutzbedürftigkeit der jeweiligen Gebietsnutzung an die Kommission gemeldet. Eine allgemeinverbindliche Konkretisierung für den Gesamtpegel in der strategischen Lärmkarte gibt es nicht. Folglich würde eine abstrakte Gleichsetzung der Auslösewerte mit den Grenzwerten ein umfangreiches Screening-Verfahren100 erfordern, um die jeweilige Gebietsnutzung mit den jeweiligen Regelwerken und den darin enthaltenen Grenzwerten abzugleichen. Demgegenüber erscheint es vorzugswürdig, eine konkret in Lden bzw. Lnight bezifferte Auslöseschwelle festzulegen, bei deren Erreichen in welcher Lärmart auch immer eine Aktionsplanung für das betroffene Gebiet verpflichtend einzuleiten ist. Diese sollte zumindest langfristig deutlich unterhalb der Lärmsanierungswerte und wenigstens im Bereich der kurzfristigen Handlungsziele des SRU, besser noch unterhalb der gesundheitlichen Belästigungsgrenze angesiedelt werden. Dabei erscheint es durchaus vertretbar und sogar sinnvoll, zur Vermeidung unnötiger Frustrationen und zur Verdeutlichung der „Mammutaufgabe“ Lärmbekämpfung von vorneherein abgestufte Auslösewerte zu normieren. Dies hat zum einen den Vorteil, den Etappencharakter des ersten Schrittes deutlich zu machen, und zwar sowohl in Richtung des Bürgers, der nicht eine Lösung von jetzt auf gleich erwarten kann, als auch in Richtung von Planungspflichtigen und Lärmverursachern, die sich auf weitere Schritte einstellen müssen. Zum an98 Cancik, Pflicht zur Aufstellung, NVwZ 2008, 167 (168); siehe im Übrigen die Nachweise im 1. Teil, Fn. 15 ff. 99 Anschaulich Heinrichs/Popp, Ruhe, Lärmbekämpfung 2008, 95 (96); ebenso Petz, in: Bayer. Landtag, Anhörung (1. Teil, Fn. 210), S. 18. 100 Moradi Karkaj, Gesamtlärmbewertung, S. 282, will gleichsam die gesamte Lärmkartierung als Screening-Verfahren für die Lärmaktionsplanung ansehen.

B. Voraussetzungen für die Pflicht zur Lärmaktionsplanung

273

deren ist der politische Handlungsdruck auf den Gesetz- und Verordnungsgeber derzeit relativ hoch, da die Stichtage für die erste Aktionsplanungsphase verstreichen, ohne dass die Aufgabe tatsächlich europarechtskonform erledigt wäre. In einem solchen politischen Umfeld kann eine zweite Qualitätsstufe möglicherweise leichter verankert werden, als in einigen Jahren, wenn sich die Lärmminderungsplanung etabliert hat und kein unmittelbarer rechtlicher Umsetzungszwang hinsichtlich der Richtlinie mehr besteht. Ob es zur europarechtskonformen Erreichung der Ziele der Richtlinie tatsächlich derzeit geboten ist, die Aktionsplanung auf sämtliche kartierungspflichtigen Bereiche zu erstrecken, erscheint fragwürdig. Das ließe die von der Richtlinie ausdrücklich eingeräumte und erwünschte Freiheit der Akteure zur Prioritätensetzung völlig außer Acht. Zu bedenken ist auch, dass mit jedem niedrigeren Auslösewert der Verwaltungsaufwand in noch nicht abzuschätzender Weise steigt. Die Rückmeldungen aus der Praxis sind hierzu bislang uneinheitlich.101 Einen gleichermaßen lärmschutzpolitisch hinreichend ambitionierten wie praktisch verwirklichbaren Ansatz stellt vor dem Hintergrund der vorigen Überlegungen der Vorschlag des Umweltbundesamtes dar. Der Verordnungsgeber sollte sich auf die dort angeregte Zweistufenlösung mit Auslösewerten von Lden = 65 db(A) oder Lnight = 55 db(A) in einer ersten Stufe bzw. Lden = 60 db(A) oder Lnight = 50 db(A) in einer zweiten Stufe einlassen, zumal diese auch den kurzfristigen Handlungsvorgaben des SRU entsprechen. Langfristig sollte allerdings, sofern sich Fortschritte durch die Aktionsplanung feststellen lassen, durchaus über eine dritte Stufe nachgedacht werden. Diese könnte sich dann tatsächlich am Rahmen der Lärmkartierung, an den vom Umweltbundesamt102 an sich für die Vermeidung deutlicher Beeinträchtigungen für erforderlich gehaltenen Werten von Lden = 55 db(A) bzw. Lnight = 45 db(A) oder an dem langfristigen Zielwert des SRU103 von 55 db(A) orientieren. Bis zu einer Konkretisierung durch den Gesetz- oder Verordnungsgeber sollten die Planungsakteure freiwillig Auslösewerte im Bereich der SRU-Handlungsempfehlungen als notwendig anerkennen. Eine Aktionsplanung „jedenfalls bei Grenzwertverletzungen“ ist zweifelsohne in jedem Falle geboten, reicht aber aus den o. g. Gründen nicht aus. 101 Vgl. hierzu Wiechers, Lärmminderung Düsseldorf, Lärmbekämpfung 2008, 102 (105), für die Landeshauptstadt Düsseldorf (gegenüber 70/60 db[A] um 5 db[A] niedrigere Auslöseschwelle führe nur in wenigen Fällen zu einer zusätzlichen Betroffenheit weiterer Straßenabschnitte) einerseits, Lorenz, in: Bayer. Landtag, Anhörung (1. Teil, Fn. 210), S. 9 und 17, für die Landeshauptstadt München andererseits (bei 65/55 db[A] ergebe sich eine Verdreifachung der Betroffenheit im Vergleich zu 70/60 db[A]). 102 Umweltbundesamt, Auslösekriterien (5. Teil, Fn. 279), S. 2. 103 SRU, Sondergutachten 1999, BT-Drs. 14/2300, S. 184 (Tz. 465).

274

6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

c) Grundlegende Gesichtspunkte der Diskussion um Auslösewerte Letztlich stecken hinter der Diskussion um Auslösewerte aber nicht nur politische oder finanzpolitische Erwägungen. Darum geht es nur vordergründig. Im Hintergrund betrifft die Diskussion die Grundfragen des neuen Managementansatzes. Im Sinne eines konsequent verfolgten Managements müssten die Beteiligten sich eigentlich gerade auf das vergleichsweise „freie Spiel“ der politischen Interessen und der daraus folgenden Prioritäten einlassen. Sie müssten auf die Kraft der interessierten Öffentlichkeit und auf einen entsprechend hohen Stellenwert der Lärmaktionsplanung setzen, der theoretisch zu optimalen Ergebnissen im Rahmen der Durchsetzbarkeit führen könnte. Offenbar aber fehlt ein solches Vertrauen auf die guten Ergebnisse des neuen Denkansatzes in der Praxis noch. Der Verfasser nimmt sich davon ausdrücklich nicht aus. Ob das Streben nach verlässlichen, kontrollierbaren Standards dabei einem unreifen Verhaftetbleiben an alten Konditional-Vorstellungen entspringt oder ob es tatsächlich ohne klare Schwellenfestsetzungen nicht geht, kann dabei noch nicht abschließend geklärt werden. Für die aktuelle Planungspraxis muss jedoch jedenfalls derzeit wohl noch eher von letzterem ausgegangen werden. 4. Die Besonderheiten beim Schutz ruhiger Gebiete Besonderheiten gelten beim Schutz ruhiger Gebiete. Auch im Bereich der Lärmaktionsplanung setzen sich die erheblichen Unsicherheiten im Umgang mit ruhigen Gebieten fort, die sich aus der fehlenden allgemeinverbindlichen Begriffskonkretisierung, den fehlenden Grenzwerten im Sinne von Art. 3 lit. l RL und der nicht vorgesehenen Kartierung ruhiger Gebiete ergeben.104 Sehr fraglich ist vor diesem Hintergrund vor allem, wann bei ruhigen Gebieten vom Vorliegen regelungsbedürftiger Lärmprobleme und Lärmauswirkungen gesprochen werden kann, was die Aktionsplanungsverpflichtung auslöst. Denn dass eine Verpflichtung auch zur Aktionsplanung für ruhige Gebiete besteht, ist unzweifelhaft. § 47d Abs. 2 S. 2 BImSchG ordnet ausdrücklich an, dass es Ziel der Lärmaktionspläne auch sein soll, ruhige Gebiete gegen eine Zunahme des Lärms zu schützen. Damit hat der Bundesgesetzgeber die Planungsverpflichtung sogar weiter gezogen als der Richtliniengeber. Denn die in Art. 8 Abs. 1 S. 1 lit. b RL getroffene Einschränkung, dass der Schutz ruhiger Gebiete vor Lärmzunahme nur die Aktionsplanung für die Ballungsräume treffen soll, wurde im Bundes-Immissionsschutzgesetz aufgegeben. Somit besteht eine Aktionsplanungspflicht grundsätzlich gleichermaßen für ruhige Gebiete in

104 Siehe hierzu oben 5. Teil, B. IV., S. 169. Vgl. auch Hansmann, Lärmminderungsplanung, FS Rehbinder, S. 349 f.

B. Voraussetzungen für die Pflicht zur Lärmaktionsplanung

275

Orten in der Nähe von Hauptlärmquellen außerhalb der Ballungsräume wie für ruhige Gebiete in den Ballungsräumen selbst.105 Das Tatbestandsmerkmal der regelungsbedürftigen Lärmauswirkungen und Lärmprobleme passt dabei eigentlich schon sprachlich nicht auf den Schutz ruhiger Gebiete. Denn bei den ruhigen Gebieten geht es nicht um die Steuerung und ggf. Minderung bestehender Belastungen, sondern eher um die Erhaltung des Nichtbestehens relevanter Belastungen. Maßgebliche Lärmauswirkungen und Lärmprobleme können also nur künftige Lärmauswirkungen und -probleme sein, egal ob sie sich bereits ansatzweise abzeichnen, wegen konkreter Vorhaben drohen oder nur hypothetisch denkbar erscheinen. Es erscheint ausgesprochen schwierig, einen Auslösewert in dem Sinne zu bestimmen, ab dessen Vorliegen oder Drohen ein bis dato ruhigeres Gebiet Gegenstand einer Aktionsplanung werden müsste. Hier stößt das Arbeiten mit Schwellenwerten klar an seine Grenzen. Die Vorgabe allgemein gültiger Standardwerte ist in diesem Zusammenhang anders als bei hohen Lärmbelastungen, wo man auf die vergleichsweise „harten“ Kriterien der beginnenden Gesundheitsgefährdung und konkrete Grenzwerte für bestimmte Gebietstypen zurückgreifen kann, auch nicht unbedingt der sinnvolle Weg. Denn Petz hat Recht, dass ein Gebiet als ruhiges Gebiet auch dann angesehen werden kann, wenn die Belastung zwar objektiv höher liegt als andernorts, sich das Gebiet aber dennoch für die Bevölkerung als spürbar ruhiger als die sonstige Umgebung darstellt (z. B. ein Park inmitten einer lauten Großstadt, der zwar selbst deutlich stärker schallbelastet ist als ein vergleichbarer Park in einem ruhigeren Umfeld, aber dennoch als ruhiger Ort wahrgenommen wird).106 Allerdings fehlen für die Umsetzung seines sehr sinnvollen Vorschlags, ein ruhiges Gebiet anzunehmen, wo die Belastung um 10 db(A) niedriger liegt als in der benachbarten Umgebung, die Erkenntnisgrundlagen. Denn eine Lärmkartierung „bis auf Null“ oder zumindest in Bereiche deutlich unterhalb der Belästigungswirkung findet ja nicht statt, anhand derer diese relativ ruhigen Bereiche sicher abgegrenzt werden könnten. Der ebenfalls vorgeschlagene Ansatzpunkt, sich bei der Definition ruhiger Gebiete an den Baugebietstypen der BauNVO bzw. im Sinne der DIN 18005 zu orientieren,107 erscheint eher fragwürdig. Denn damit würden schließlich nur bereits bebaute oder zur Bebauung vorgesehene Gebiete erfasst; in unbebauten Gebieten lässt sich schließlich kein Baugebietstypus festlegen. Ruhige Gebiete werden in § 47a S. 1 BImSchG aber ausdrücklich als gesonderte Begriffskate-

105

Wie hier Repkewitz, Probleme, VBlBW 2006, 409 (415). Petz, in: Bayer. Landtag, Anhörung (1. Teil, Fn. 210), S. 18. 107 Siehe hierzu etwa Weigl, in: Bayer. Landtag, Anhörung (1. Teil, Fn. 210), S. 20; Scheidler, Schutz ruhiger Gebiete, NWVBl. 2007, 245 (246). 106

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6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

gorie neben den ebenfalls genannten bebauten Gebieten aufgeführt. Das legt den Schluss nahe, dass vom Begriff der ruhigen Gebiete also gerade die unbebauten Bereiche abgedeckt werden sollen. Hierzu trägt der Baugebietsansatz nichts bei. Doch auch beim Schutz bebauter ruhiger Gebiete ist nicht recht ersichtlich, welche positive Folge dieser Ansatz haben sollte. Denn die DIN 18005 und die BauNVO schützen ja Gebiete gerade in Bezug auf ihren Gebietstyp. Ein bebautes ruhiges Gebiet wäre dann ein Gebiet, das einem bestimmten Typus entspricht und das wie bisher vor Typenwandel aufgrund typfremder Nutzungen geschützt wird. Worin soll dann also der zusätzliche Schutz eines ruhigen Gebiets durch die Aktionsplanung bestehen? Vor diesem Hintergrund bleibt den Planungsverantwortlichen derzeit nur ein einziger gangbarer Weg, um ihre Planungsverpflichtung für ruhige Gebiete zu erfüllen: die gleichsam „intuitive“ gewillkürte Festsetzung von Gebieten, die aus der Kenntnis der örtlichen Situation heraus als relativ ruhig und darum schutzwürdig angesehen werden. Für diesen pragmatischen Notansatz spricht die Erfahrung, dass sich auch bei der Kartierung der Lärmbelastung oftmals die intuitiv angenommenen Lärmschwerpunkte tatsächlich als die objektiven Lärmschwerpunkte herausgestellt haben. Den kommunalen und sonstigen Aktionsplanungspflichtigen ist daher zu raten, innerhalb der Orte in der Nähe von Hauptlärmquellen und innerhalb der Ballungsräume wenigstens ihre herausragenden Naherholungsgebiete als planungsbedürftige ruhige Gebiete anzusehen, um mittels der Aktionsplanung künftige Verschlechterungen der Geräuschsituation vermeiden zu können. Als einzige Einschränkung ist freilich zu beachten, dass diese gewillkürte Einstufung den objektiven Ergebnissen der Lärmkartierung nicht widersprechen darf. Ein ruhiges Gebiet kann nicht anhand dieser Überlegung rechtsfehlerfrei angenommen werden, wo aufgrund der Kartierung klar ist, dass schädliche Umwelteinwirkungen vorliegen, Grenzwerte überschritten sind oder Gesundheitsgefahren bestehen.

C. Die inhaltlichen Anforderungen an die Lärmaktionspläne Die Anforderungen an den Inhalt der Lärmaktionspläne ergeben sich vermittels der Verweisungsvorschrift des § 47d Abs. 2 S. 1 BImSchG aus Anhang V RL, der die Mindestanforderungen für Aktionspläne nach Art. 8 RL konkretisiert, sowie aus Anhang VI RL hinsichtlich der an die Europäische Kommission zu übermittelnden Daten. Lediglich für ruhige Gebiete außerhalb von Ballungsräumen enthält § 47d Abs. 2 BImSchG eigenständige inhaltliche Anforderun-

C. Die inhaltlichen Anforderungen an die Lärmaktionspläne

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gen.108 Es wurde bereits erörtert, dass durch die Vorschrift des § 47d Abs. 2 S. 2 BImSchG die Mindestanforderungen an Aktionspläne mitgliedstaatlich gegenüber der Richtlinie erweitert wurden.109

I. Grundsätzliches Der Katalog der Ziffer 1 des Anhangs V RL über die verpflichtenden Angaben und Unterlagen in Aktionsplänen ist gleichermaßen umfassend wie kleinteilig gehalten. Gefordert werden nicht nur beschreibende Angaben und Unterlagen, sondern auch bewertende und prognostische Aussagen. Hinzu tritt als Sollvorschrift die Angabe von Schätzwerten für die Reduzierung der Zahl der betroffenen Personen (Ziffer 3). Ziffer 2 des Anhangs V RL zählt beispielhaft und damit nicht abschließend auf, auf welche Themenfelder und Mechanismen bei der Entwicklung des Maßnahmenteils in den Aktionsplänen insbesondere zurückgegriffen werden kann. Vor allem was die verpflichtenden Aussagegehalte der Lärmaktionspläne in Gestalt von Angaben oder beizufügenden Unterlagen betrifft, scheint eine klare Unterscheidung von Form- und sogar Verfahrensvorschriften einerseits und materiellen Anforderungen andererseits auf den ersten Blick schwierig.110 So lässt sich z. B. die Beschreibung des Ballungsraums im Aktionsplan partiell als Formerfordernis, partiell aber auch als materielle Anforderung an die inhaltliche Aussagekraft des Aktionsplans verstehen. Tatsächlich greifen die verschiedenen Anforderungen im Sinne einer Abwägungssystematik ineinander. Den Abwägungscharakter der Aktionsplanung, der sich aus dem Wesen der Aktionsplanung als rechtsstaatlicher Planung ergibt, hat der Gesetzgeber bei der Richtlinienumsetzung entweder nicht hinreichend bedacht oder wenigstens nicht angemessen in der Ausgestaltung der Umsetzungsvorschriften berücksichtigt. Auch im Schrifttum wurde der Abwägungszusammenhang bislang nicht klar konturiert.111 Bei der gebotenen konsequenten Behandlung der Aktionsplanung als Abwägungsentscheidung lassen sich sowohl die Einzelanforderungen an Aktionspläne systematisch halbwegs befriedigend 108 Kritisch P. Cancik, Umweltrechtliche Aktionspläne in der Bauleitplanung – eine Annäherung an Probleme der Verzahnung von Planungsinstrumenten, DVBl. 2008, 546 ff. (549): „Der mögliche Inhalt eines Lärmaktionsplans ist in den Regelungen des § 47d BImSchG mit größtmöglicher Unklarheit umschrieben.“ 109 Siehe oben B. III. 4., S. 274. 110 Vgl. etwa zur Einordnung der beschreibenden Elemente Schulze-Fielitz, Umgebungslärm, Jahrbuch Umwelt- und Technikrecht 2008, S. 26. 111 Siehe zwar Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 84; ders., Verkehrslärmschutz und Bauleitplanung, UPR 2008, 401 (408); Wysk, in: Giesberts/Reinhardt, § 47d BImSchG Rn. 21; nunmehr auch Stettner/Tegeder, in: Feldhaus, § 47d BImSchG Rn. 17 f.; allerdings werden die näheren Folgen hieraus für die Systematik der Lärmaktionsplanung kaum beleuchtet.

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6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

strukturieren als auch die umstrittenen Fragen hinsichtlich der Reichweite des vermeintlichen „Ermessens“ aus § 47d Abs. 1 S. 3 BImSchG und hinsichtlich der vorgeblichen Europarechtswidrigkeit der Vorschrift einer Lösung zuführen.

II. Die Geltung des Abwägungsgebotes für die Lärmaktionsplanung Das namentlich in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelte Abwägungsgebot gilt auch für die Lärmaktionsplanung. Denn auch bei der Lärmaktionsplanung handelt es sich um Planung im Rechtssinne, die rechtsstaatlichen Anforderungen genügen muss. 1. Der Planungscharakter der Lärmaktionsplanung Planung112 ist eine zukunftsgestaltende Programmsetzung zur Erreichung vorgefasster Ziele. Es geht allgemein um die Entwicklung einer vernünftigen Zukunftsperspektive und die Skizzierung eines gangbaren Weges im Sinne eines gedanklichen Vorwegnehmens der zur Zielverwirklichung erforderlichen Verhaltensweisen. Planung ist darum stets ein methodisch ausgestalteter Vorgang der Auswahl und Prioritätensetzung, ein prognostisches Denken in Alternativen und eine Entscheidung, an deren Rationalität aufgrund der Vielzahl und Mannigfaltigkeit der ihr zugrunde liegenden und in die Entscheidungssuche einfließenden Einzelinformationen höchste Anforderungen gestellt werden.113 Planung ist deshalb notwendig mit Auswahlmöglichkeiten und Entscheidungsspielräumen verbunden.114 Planung ohne Gestaltungsfreiheit wäre ein Widerspruch in sich.115 Öffentlich-rechtliche Planung ist dabei auf der Ebene der Staatslenkung und Gesetzgebung ebenso denkbar wie auf der Ebene des Gesetzesvollzuges. Sie

112 Zu ethymologischen Gesichtspunkten vgl. W. Hoppe, Planung, in: J. Isensee/ P. Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band IV, 3. Aufl. 2006, § 77 Rn. 6; zum Vorkommen von Planung bereits seit der Antike und in der Gegenwart siehe K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band II, 1980, § 40 I. 2., S. 701 f. 113 Zum Planungsbegriff vgl. etwa E. Schmidt-Aßmann, Planung unter dem Grundgesetz, DÖV 1974, 541 ff. (541); Stern, Staatsrecht II, § 40 I. 3., S. 704; Pache, Tatbestandliche Abwägung, S. 31; Stüer, Handbuch, Rn. 4; Hoppe, Planung, HStR IV, § 77 Rn. 1 und 7; W. Köck, Pläne, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, GVwR II, § 37 Rn. 9 ff.; Jarass, BImSchG, § 50 Rn. 6; Schulze-Fielitz, in: GKBImSchG, § 47d Rn. 52; ders., Umgebungslärm, Jahrbuch Umwelt- und Technikrecht 2008, S. 28. Zu Definitionsversuchen in diversen Planungsgesetzentwürfen siehe die Zitate und Nachweise bei Stern, Staatsrecht II, § 40 I. 3. c), S. 705. 114 Köck, Pläne, GVwR II, § 37 Rn. 92; Hoppe, Planung, HStR IV, § 77 Rn. 21 f. 115 BVerwGE 34, 301 (304); 48, 56 (59); st. Rspr.

C. Die inhaltlichen Anforderungen an die Lärmaktionspläne

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kann als Gesamtplanung oder auf thematische Einzelfelder beschränkte Fachplanung ausgestaltet sein.116 In diesem Sinne ist auch die Lärmaktionsplanung Planung. Denn auf der Grundlage zahlreicher und differenzierter Eingangsdaten namentlich aus der Lärmkartierung, unter Rückgriff auf verschiedenste denkbare Steuerungsmechanismen (vgl. nur Ziffer 2 des Anhangs V RL) und unter Zugrundelegung einer langfristigen Strategie sollen Lärmaktionspläne Maßnahmen und Planungsbeiträge für die Regelung von Lärmproblemen und Lärmauswirkungen ggf. einschließlich der Lärmminderung sowie einschließlich der Vermeidung künftiger Verlärmung festsetzen. Die Lärmaktionsplanung ist somit final zukunftsorientiert, gestalterischer Natur und Ausdruck eines rationalen Lenkungswillens bezüglich der künftigen Entwicklung auf der Grundlage einer hochkomplexen Ausgangssituation.117 Da die Planung speziell auf eine Gestaltung der Zukunft in Bezug auf Umweltaspekte bzw. näherhin in Bezug auf Schallimmissionen abzielt, ist sie als umweltrechtliche Fachplanung aufzufassen.118 Der Planungscharakter der Lärmaktionsplanung wird nicht dadurch gehindert, dass die Umsetzung der enthaltenen Maßnahmen bzw. der enthaltenen Planungsbeiträge nur im Rahmen anderweitiger Befugnisse bzw. im Rahmen anderweitiger Planungen stattfinden kann (§ 47d Abs. 6 i.V. m. § 47 Abs. 6 BImSchG). Auch Ziele und Grundsätze der Raumordnung, die in einem Raumordnungsplan i. S. d. § 7 Abs. 1 S. 1 ROG durch Abwägung (vgl. nur § 3 Nr. 2 ROG) konkretisiert wurden, entfalten beispielsweise letztlich erst durch die strikte Beachtung bzw. Berücksichtigung in nachfolgenden Verfahren ihre Wirkung (§ 4 Abs. 1 bzw. Abs. 2 ROG);119 gleichwohl hat die Aufstellung des Raumordnungsplans selbst Planungs- und Abwägungscharakter.120 Ähnliches gilt für Flächennutzungspläne. Trotz ihres Charakters als (nur) vorbereitende Bauleitpläne (§ 1 Abs. 2 BauGB), deren Darstellungen regelmäßig erst durch 116 Stern, Staatsrecht II, § 40 I. 3. d), S. 705 f., sowie § 40 II., S. 707 ff.; Typologien bei Köck, Pläne, GVwR II, § 37 Rn. 38 ff., sowie bei Hoppe, Planung, HStR IV, § 77 Rn. 9 ff., der den Ertrag der Kategorisierung allerdings als gering veranschlagt (a. a. O., Rn. 8). 117 Ähnlich zu den hohen Anforderungen an Lärmaktionspläne Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 54 f. 118 So auch Köck, Pläne, GVwR II, § 37 Rn. 40; zur Einstufung von Aktionsplänen zur Lärmminderung als „Form exekutivischer Selbstprogrammierung“ vgl. H. Hill, Normsetzung und andere Formen exekutivischer Selbstprogrammierung, in: HoffmannRiem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, GVwR II, § 34 Rn. 59. Einstufung der Lärmminderungspläne nach § 47a BImSchG a. F. als „Institut der Umweltschutzplanung i. e. S.“ bei Schulze-Fielitz/Berger, Lärmminderungspläne, DVBl. 1992, 391 (398); für grundlegende systematische Anmerkungen zu Umweltplänen siehe E. Schmidt-Aßmann, Struktur und Gestaltungselemente eines Umweltplanungsrechts, DÖV 1990, 169 ff. (173 f.). 119 Siehe hierzu näher Runkel, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 1 BauGB Rn. 65b. 120 Siehe nur BVerwG, NVwZ, 2003, 738 (739); NVwZ 2006, 339 (339).

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6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

Anpassung der Planungen anderer öffentlicher Planungsträger gemäß § 7 S. 1 BauGB bzw. durch die Entwicklung der Bebauungspläne als verbindlichen Bauleitplänen (§ 1 Abs. 2 BauGB) aus den Flächennutzungsplänen gemäß § 8 Abs. 2 S. 1 BauGB planerisch wirken, handelt es sich um Planungen im Rechtssinne, weshalb § 1 Abs. 7 BauGB folgerichtig die gerechte Abwägung ohne Unterschied für alle Bauleitpläne und mithin auch für die Flächennutzungspläne anordnet. Dass die Festsetzungen der Lärmaktionspläne eine Vielzahl unterschiedlicher Steuerungsansätze zusammenfassen und sich dabei allein an der Zielsetzung der Pläne, nicht aber an den Ressortzuständigkeiten der Durchführungsverantwortlichen orientieren, mag zwar zu einem koordinierenden Charakter der Lärmaktionspläne führen. Das rechtfertigt es jedoch nicht, den Regelungscharakter der Aktionspläne im Verhältnis zur dadurch erfolgenden Datenbereitstellung weitgehend auszublenden und die Lärmaktionspläne als bloße Datensammlungen über die einzelnen Beiträge der Akteure einzustufen.121 Trotz der Vielzahl der Adressaten und der verschiedenen denkbaren Ansatzpunkte ist und bleibt Gegenstand des Aktionsplans die final programmierte Steuerung einer vernünftigen Zukunftsentwicklung durch eigenständige Festsetzungen, bleibt der Lärmaktionsplan also auch eigenständige Planung im Rechtssinne. 2. Die Geltung des Abwägungsgebotes In ständiger Rechtsprechung fordert das Bundesverwaltungsgericht die Beachtung des sog. Gebotes gerechter Abwägung bei jeglicher öffentlichen Planung. Das Abwägungsgebot wurde zunächst in Entscheidungen zur Bauleitplanung entwickelt.122 Seine dogmatische Grundlage findet das Gebot gerechter Abwägung in der besonderen Normenstruktur der Planungsrechtsnormen, die einen spezifischen Entscheidungsfreiraum der planenden Verwaltung im Sinne eines Planungsermessens oder zutreffender bezeichnet123 einer planerischen Gestaltungsfreiheit124 zwingend voraussetzen.125 Planung umfasst dabei ersichtlich auch Elemente des Bewertens, Gewichtens und Wollens.126 Nur im Wege einer gerechten Abwägung ist deshalb die Aufgabe einer final ausgerichteten Planung 121 So aber offenbar Repkewitz, Probleme, VBlBW 2006, 409 (414 f.): „Der Lärmaktionsplan ist danach weniger eigene Planung der planaufstellenden Behörde als vielmehr die zusammenfassende Darstellung sämtlicher Maßnahmen zur Lärmbekämpfung unterschiedlicher Planungs- und Maßnahmenträger in einem Gebiet, um sie aufeinander abstimmen zu können.“ 122 Insbesondere BVerwGE 34, 301. 123 BVerwGE 48, 56 (59); 55, 110 (116). 124 Hierzu sogleich näher unter C. III. 1., S. 283. 125 BVerwGE 34, 301 (304). 126 BVerwGE 34, 301 (304).

C. Die inhaltlichen Anforderungen an die Lärmaktionspläne

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unter fairem Ausgleich der vielen widerstreitenden Belange und Interessen einschließlich der Grundrechtsbetroffenheiten und unter Wahrung des rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu bewältigen.127 Letztlich ergibt sich das Gebot gerechter Abwägung ungeachtet einfachgesetzlicher Positivierung somit direkt aus den Anforderungen des Rechtsstaatsprinzips des Art. 20 Abs. 3 GG.128 Schnell wurde erkannt, dass es sich bei der beschriebenen Aufgabenstellung nicht um ein Spezifikum allein des Rechts der Bauleitplanung handelte. Folgerichtig wurde das Abwägungsgebot sodann als Anforderung jeglicher rechtsstaatlichen Planung auch auf andere Planungen einschließlich der Planfeststellungen übertragen.129 Hierbei wie auch bei der Entwicklung des Abwägungsgebotes überhaupt folgten die Rechtsprechung und das Schrifttum dem Bundesverwaltungsgericht ohne größere Widerstände.130 Auch der Gesetzgeber orientiert sich bis heute an der Rechtsprechung und reagiert darauf z. B. mit besonderen Normen zu Fehlerfolgen im Sinne einer Planerhaltung (vgl. etwa § 214 f. BauGB, § 29 Abs. 8 PBefG).131 Damit ist das Gebot gerechter Abwägung zum charakteristischen Merkmal der Planungspraxis in Deutschland geworden. Die näheren Einzelheiten des Abwägungsgebotes formulierte das Bundesverwaltungsgericht zunächst in negativer Abgrenzung aus einer Kontrollperspektive: „Das Gebot gerechter Abwägung ist verletzt, wenn eine (sachgerechte) Abwägung überhaupt nicht stattfindet. Es ist verletzt, wenn in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt wer-

127

Vgl. Hoppe, Planung, HStR IV, § 77 Rn. 24. Ansatzweise schon BVerwG, NJW 1969, 1868 (1869); deutlicher BVerwGE 30, 301 (304); BVerwGE 48, 56 (63). 129 So schon BVerwGE 48, 56 (59) zur Fernstraßenplanung; BVerwGE 55, 110 (117) zur luftverkehrsrechtlichen Planung; weitere Nachweise zur Rechtsprechungsentwicklung hinsichtlich der wasser-, luft- und abfallrechtlichen Planfeststellung bei H. Schulze-Fielitz, Das Flachglas-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts – BVerwGE 45, 309. Zur Entwicklung der Diskussion um das planungsrechtliche Abwägungsgebot, Jura 1992, 201 ff. (203) mit Fn. 11. Zur personenbeförderungsrechtlichen Planfeststellung nach § 28 PBefG siehe aus jüngerer Zeit etwa auch OVG Bremen, NordÖR 2001, 483. Allgemein vgl. Köck, Pläne, GVwR II, § 37 Rn. 104. 130 So bereits W. Hoppe, Die „Zusammenstellung des Abwägungsmaterials“ und die „Einstellung der Belange“ in die Abwägung „nach Lage der Dinge“ bei der Planung, in: ders., Grundfragen des Planungsrechts, Ausgewählte Veröffentlichungen, 1998, S. 200 ff. (200 f.) – vormals DVBl. 1977, 136 ff.; weiterhin H.-J. Koch, Das Abwägungsgebot im Planungsrecht, Einige Bemerkungen zur Intensität verwaltungsgerichtlicher Kontrolle, veranlasst durch BVerwG, Urteil vom 21.08.1981, DVBl. 1983, 1125 ff. (1125); Schulze-Fielitz, Flachglas-Urteil, Jura 1992, 201 ff. (203, 204 f.) m.w. N. 131 Siehe hierzu näher Köck, Pläne, GVwR II, § 37 Rn. 112 ff. 128

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6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

den muss. Es ist ferner verletzt, wenn die Bedeutung der betroffenen privaten Belange verkannt oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot jedoch nicht verletzt, wenn sich die zur Planung berufene Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet.“132 Nach eingebürgerter Terminologie werden diese vier Fehlerquellen als Abwägungsausfall, Abwägungsdefizit, Abwägungsfehleinschätzung und Abwägungsdisproportionalität bezeichnet.133 Diese Kontrollperspektive impliziert bereits eine richterliche Zurückhaltung, was die Kernbereiche der Gewichtungsentscheidung angeht.134 Da Verfahrensfehler in den drei letztgenannten Bereichen nicht stets zu einem fehlerhaften Ergebnis führen, ein vertretbar erscheinendes Ergebnis aber nicht stets zugleich den Schluss zulässt, dass tatsächlich alle relevanten Belange im Verfahren gesehen und einbezogen wurden (in Fällen also, in denen das Ergebnis bei Einbezug gleich oder anders hätte ausfallen dürfen), wurde das Abwägungsgebot bald zusätzlich zum Abwägungsvorgang auch auf das Abwägungsergebnis erstreckt.135 Insofern ergibt sich für die Kontrolle des Abwägungsergebnisses eine Begründbarkeitskontrolle im Sinne einer rechtlichen Vertretbarkeit der Entscheidung und für die Kontrolle des Vorgangs eine Begründungskontrolle im Sinne einer fehlerfreien Herleitung des Ergebnisses.136 Nachfolgende Entscheidungen betonten ferner die grundsätzliche Gleichrangigkeit privater und öffentlicher Belange hinsichtlich der Abwägungsfehleinschätzung und der Abwägungsdisproportionalität.137

132 BVerwGE 34, 301 (309); 45, 309 (314 f.); 48, 56 (63 f.); 71, 166 (170 f.); 90, 329 (331). 133 Begriffsprägend W. Hoppe, Die Schranken der planerischen Gestaltungsfreiheit (§ 1 Abs. 4 und 5 BBauG), Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Dezember 1969 zum Abwägungsgebot (§ 1 Abs. 4 Satz 2 BBauG) und seiner Rechtskontrolle, in: ders., Grundfragen des Planungsrechts, Ausgewählte Veröffentlichungen, 1998, S. 108 ff. (S. 111) – vormals BauR 1970, 15 ff.; vgl. auch Schulze-Fielitz, Flachglas-Urteil, Jura 1992, 201 (205). 134 Zurückhaltend schon BVerwGE 34, 301 (308 f.); 48, 56 (64). 135 Klarstellend BVerwGE 45, 309 (315); fortgeführt in BVerwGE 48, 56 (64) – st. Rspr. 136 Einleuchtend Koch, Abwägungsgebot, DVBl. 1983, 1125 (1127), der allerdings angesichts letztlich gleicher Kontrollmaßstäbe die gleichzeitige Anwendung von Begründbarkeitskontrolle und Begründungskontrolle für überflüssig hält, da eine fehlerfreie tragfähige Begründung stets auch die Begründbarkeit des Ergebnisses mit sich bringe (a. a. O., S. 1128 f.). 137 BVerwG, NJW 1975, 841 (841 f., 843); BVerwGE 48, 56 (63 f.); 90, 329 (331).

C. Die inhaltlichen Anforderungen an die Lärmaktionspläne

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Im Zuge der weiteren Verfassungsentwicklung wurde in neuerer Zeit speziell für Umweltpläne ein weiterer Begründungsansatz für das Abwägungsgebot aus der Staatszielbestimmung Umweltschutz (Art. 20a GG) heraus entwickelt.138 Wenig bis keine Neuerung birgt indes die starke europarechtliche Betonung des Verfahrensschrittes der Ermittlung und Bewertung der einzustellenden Belange in sich; diese Anforderung ist schon seit jeher Teil der Abwägungslehre.139 Aufgrund der rechtsstaatlichen Anforderungen an Planungen jeder Art gilt das Abwägungsgebot somit auch für die Lärmaktionsplanung des § 47d BImSchG.

III. Die Reichweite des „Ermessens“ aus § 47d Abs. 1 S. 3 BImSchG Gemäß § 47d Abs. 1 S. 3 BImSchG ist die Festlegung von Maßnahmen in das „Ermessen“ der Planungsverantwortlichen gestellt. Diese Formulierung des Gesetzgebers wirft einige dogmatische Fragen auf. 1. Die Wesensverschiedenheit von Ermessen und planerischer Gestaltungsfreiheit Es wurde bereits gezeigt, dass auch die Lärmaktionsplanung den Charakter einer Planung aufweist. Planung setzt planerische Gestaltungsfreiheit voraus, die weit verbreitet auch als sog. „Planungsermessen“ bezeichnet wird.140 Die Bezeichnung als „Planungsermessen“ verstellt allerdings den Blick auf die kategorialen Unterschiede zwischen Ermessen und planerischer Gestaltungsfreiheit und sollte daher gemieden werden.141

138 Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG II, Art. 20a Rn. 46 ff.; Hoppe, Planung, HStR IV, § 77 Rn. 25 a. E. 139 BVerwGE 45, 309 (322 f.), 48, 46 (64); Schmidt-Aßmann, Planung, DÖV 1974, 541 (544), mit frühem Hinweis zur hohen Bedeutung einer richtigen Ausgestaltung des Weges zur Entscheidungsfindung im Verhältnis zur Absicherung der Entscheidung selbst; frühe Systematisierung bei Hoppe, Zusammenstellung des Abwägungsmaterials, S. 202, 204 ff., 213 ff.; Stüer, Handbuch, Rn. 1413 ff.; vgl. ferner die Nachweise und Bemerkungen oben in Fn. 135. 140 Jüngst etwa Köck, Pläne, GVwR II, § 37 Rn. 92 ff., 99 ff.; vgl. auch die Nachweise bei Pache, Tatbestandliche Abwägung, S. 30 f. mit Fn. 105; zur Verwendung des Begriffs des Planungsermessens in der Rechtsprechung siehe beispielsweise BVerwGE 119, 25 (Ls. 1); VGH BW, EzKommR Nr. 1500.154 = Der Landkreis 1992, 191; BayVGH, EzKommR Nr. 1500.126 = Die Fundstelle 1990, Nr. 311, S. 787; BayVGH, EzKommR Nr. 1500.625; Nds. OVG, EzKommR Nr. 1500.1033 = DVBl. 2002, 713; OVG RP, EzKommR Nr. 1500.853. 141 BVerwGE 48, 56 (59); 56, 110 (116); Hoppe, Struktur, DVBl. 1974, 641 (644).

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6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

Denn nach herkömmlicher Anschauung werden planerische Gestaltungsfreiheit und das allgemeine Verwaltungsermessen als wesensverschieden angesehen. Die Unterscheidung ergibt sich aus der unterschiedlichen Normstruktur der Gesetzesvorschriften, die Ermessen bzw. planerische Gestaltungsfreiheit einräumen.142 Das traditionelle Ermessen hat seinen angestammten Platz in Rechtsnormen, die der Verwaltung bei Vorliegen eines bestimmten Tatbestandes143 ein Wahlrecht zwischen mehreren denkbaren Entscheidungsmöglichkeiten auf der Rechtsfolgenseite einräumen. Es handelt sich dabei um konditional strukturierte Rechtsnormen, die einem Wenn-Dann-Schema folgen. In aller Regel ist die Wahlmöglichkeit der Verwaltung auf wenige Handlungsalternativen beschränkt, beispielsweise ob eine Versagungsverfügung erlassen oder unterlassen wird. Aus der überschaubaren Zahl der Entscheidungsvarianten wurde für die Normstruktur der ermessengewährenden Rechtsnormen gefolgert, dass gleichsam der Gesetzgeber schon sämtliche in Betracht kommenden Rechtsfolgen vorausgesehen und sie der Verwaltung lediglich für eine im Einzelfalle rechtmäßige und zweckmäßige Entscheidung zur Auswahl gestellt hat.144 Von einer solchen Voraussicht kann bei einem Planungsvorgang keine Rede sein. Planung schafft sich gleichsam erst die Realität, auf deren Grundlage die abschließende Entscheidung getroffen wird. Die angestrebte Zukunftsgestaltung ist vielgestaltig denkbar und übersteigt jede Vorstellung von einer bloßen Auswahlmöglichkeit aus wenigen vorausgesehenen und zur Verfügung gestellten Entscheidungsvarianten. Der Charakter der Planung als wägender Vorgang unter Gewichtung, Bevorzugung und Zurückstellung einzelner Belange ist daher nicht konditional, sondern final geprägt. Gleiches gilt für die Normstruktur der Planungsnormen, die der Verwaltung im Wesentlichen ein Ziel und den Auftrag vorgeben, das Ziel auf rechtsstaatlich einwandfreie Weise zu erreichen.145 142 Prägend Hoppe, Struktur, DVBl. 1974, 641 (643 ff.); ders., Planung, HStR IV, § 77 Rn. 21 f.; eingehend Pache, Tatbestandliche Abwägung, S. 30 ff.; kritisch Koch, Abwägungsgebot, DVBl. 1993, 1125 (1125); Köck, Pläne, GVwR II, § 37 Rn. 93; ablehnend Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 1 BauGB Rn. 181. 143 Ein neuartiges, auf der Abwägungsmethodik basierendes Modell der Handhabung von Entscheidungsspielräumen der Verwaltung auch auf der Tatbestandsseite und damit jenseits des herkömmlichen Verständnisses von Beurteilungsspielraum, Ermessen und planerischer Gestaltungsfreiheit entwickelt Pache, Tatbestandliche Abwägung, S. 453 ff., S. 457 ff. Damit solle der Wandel der Bundesrepublik vom freiheitsschützenden Justizstaat hin zum modernen Optimierungs- und Abwägungsstaat nachvollzogen werden (a. a. O., S. 455 f.). 144 Hoppe, Planung, HStR IV, § 77 Rn. 22; Krautzberger, in: U. Battis/M. Krautzberger/R. Löhr, Baugesetzbuch, 10. Aufl. 2007, § 1 Rn. 88; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/ Bielenberg/Krautzberger, § 1 BauGB Rn. 181; anschaulich Pache, Tatbestandliche Abwägung, S. 23 f. und S. 32 oben. 145 Schmidt-Aßmann, Planung, DÖV 1974, 541 (546) m.w. N.; Hoppe, Planung, HStR IV, § 77 Rn. 22; Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 1 Rn. 89; Söfker,

C. Die inhaltlichen Anforderungen an die Lärmaktionspläne

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Das ist letztlich auch der Grund für die Herausbildung einer eigenständigen Abwägungslehre für Planungsentscheidungen, wenngleich die Abwägungsfehlerlehre manche Parallelen zur Ermessensfehlerlehre aufweist.146 Diesen kategorialen Unterschied zwischen planerischer Gestaltungsfreiheit und Ermessen im herkömmlichen Sinne hat der Gesetzgeber bei der Formulierung des § 47d Abs. 1 S. 3 BImSchG nicht kenntlich gemacht. Obwohl Lärmaktionsplanung Planung ist, hat der Gesetzgeber es versäumt, eine (wegen der verfassungsrechtlichen Herleitung allerdings nur deklaratorische) Verpflichtung zu gerechter Abwägung zu formulieren oder wenigstens von planerischer Gestaltungsfreiheit bzw. Planungsermessen zu sprechen. Er hat vielmehr mit geringen Modifikationen den europarechtlichen Vorschriftenwortlaut abgeschrieben, weshalb Repkewitz mit der Vermutung nicht Unrecht haben dürfte, dass die Ursache für die nachfolgend beschriebene Streitfrage wohl am ehesten in einer verunglückten Formulierung beim Abschreiben der Richtlinie im Vermittlungsausschuss zu finden sei.147 2. Der Streit um das „Ermessen“ zur Maßnahmenfestlegung a) Die Streitfrage Scheidler und Stettner meinen, die Festlegung von Maßnahmen dürfe nicht wie in § 47d Abs. 1 S. 3 BImSchG geschehen in das Ermessen der Behörden gestellt werden, da die Richtlinie hierfür kein Ermessen vorsehe. Das in Art. 8 Abs. 1 S. 2 RL genannte Ermessen beziehe sich nach dem Wortlaut der Norm vielmehr ausschließlich auf „die in den Plänen genannten Maßnahmen“ und betreffe folglich erst die Phase der Durchsetzung der verbindlich festzulegenden Maßnahmen.148 Die Festlegung von Maßnahmen an sich sei hingegen als verpflichtend anzusehen und in § 47e Abs. 3 S. 1 BImSchG-E i. d. F. des ersten Gesetzentwurfs der Bundesregierung149 auch zutreffend zum Ausdruck gekommen.150

in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 1 BauGB Rn. 181; Pache, Tatbestandliche Abwägung, S. 31 f. 146 Vgl. etwa zu Ermessensfehlern Pache, Tatbestandliche Abwägung, S. 28 ff., zu Abwägungsfehlern Stüer, Handbuch, Rn. 1410 ff. 147 Repkewitz, Probleme, VBlBW 2006, 409 (415). 148 Scheidler, Neue Aufgaben, DVBl. 2005, 1344 (1349); ders., Neuregelungen, UPR 2005, 334 (336); Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47d BImSchG Rn. C 5; bis hierhin zustimmend auch Repkewitz, Probleme, VBlBW 2006, 409 (415), der allerdings hieraus nicht auf die Europarechtswidrigkeit der Umsetzung schließen möchte. 149 BT-Drs. 15/3782. 150 Scheidler, Neue Aufgaben, DVBl. 2005, 1344 (1349); ders., Neuregelungen, UPR 2005, 334 (336); Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47d BImSchG Rn. C 5.

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6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

Die geltende Fassung des § 47d Abs. 1 S. 3 BImSchG enthalte indes keinerlei Verpflichtung der Behörden zur Maßnahmenfestlegung, solange nicht ihr Ermessen auf Null reduziert sei.151 Dies führe zu einer Europarechtswidrigkeit der Vorschrift,152 die auch nicht im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung des Gesetzes überwunden werden könne.153 Die sogleich aufzuzeigenden Ungereimtheiten dieser Auffassung haben offenbar zu einer modifzierten vermittelnden Argumentation in der Kommentierung von Scheidler/Tegeder geführt.154 Zwar bestehe ein Planungsermessen der Behörde, das sich jedoch in der Auswahl der Maßnahmen erschöpfe; es beziehe sich nur auf das Wie, nicht das Ob der Festlegung von Maßnahmen. Das tragende Argument der früheren Auffassung, das Ermessen beziehe sich nur auf die Durchsetzungsebene, wurde demnach fallengelassen. Jedoch vermag auch diese vermittelnde Auffassung letztlich nicht zu überzeugen. b) Die Lösung anhand des Planungscharakters der Lärmaktionsplanung Die vorgenannte Auffassung in ihrer ursprünglichen argumentativen Ausprägung durch Scheidler und Stettner erscheint vor dem Hintergrund des Planungscharakters der Lärmaktionsplanung und der damit verbundenen Verpflichtung zu gerechter Abwägung unrichtig. Zutreffend dürfte vielmehr Folgendes sein: Da die Lärmaktionsplanung Planungscharakter hat, da Planungen stets eine sich aus der Natur der Planung und der Struktur der Planungsrechtsnormen ergebende planerische Gestaltungsfreiheit voraussetzen, die sich kategorial von herkömmlichem Verwaltungsermessen unterscheidet und deren Wahrnehmung deshalb an den besonderen Anforderungen des Abwägungsgebotes zu messen ist, das sich wiederum unmittelbar aus dem Rechtsstaatsgebot des Grundgesetzes ergibt, wäre eine Auslegung des § 47d Abs. 1 S. 3 BImSchG, die das dort genannte „Ermessen“ als herkömmliches Verwaltungsermessen begriffe und mithin der Anwendung des Gebotes gerechter Abwägung entzöge, verfassungswidrig. Um das Verdikt einer Verfassungswidrigkeit der Norm zu vermeiden, muss folglich der Begriff des „Ermessens“ im Wege verfassungskonformer Auslegung als „Planungsermessen“ bzw. gleichsinnig als planerische Gestaltungsfreiheit ausgelegt werden.

151

Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47d BImSchG Rn. C 5. Scheidler, Neue Aufgaben, DVBl. 2005, 1344 (1349); ders., Neuregelungen, UPR 2005, 334 (336); Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47d BImSchG Rn. C 5. 153 Ohne nähere Begründung der fehlenden Heilbarkeit Scheidler, Neue Aufgaben, DVBl. 2005, 1344 (1349). 154 Scheidler/Tegeder, in: Feldhaus, § 47d BImSchG Rn. 17 f. (Bearbeitung Mai 2007). 152

C. Die inhaltlichen Anforderungen an die Lärmaktionspläne

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Maßgeblich für Auslegung und Anwendung des § 47d Abs. 1 S. 3 BImSchG ist also die planerische Gestaltungsfreiheit in der Ausgestaltung, die sie durch die Rechtsprechung und das Schrifttum erfahren hat. Danach ist festzuhalten, dass die planerische Gestaltungsfreiheit grundsätzlich nicht nur das „Wann“ und „Wie“, sondern auch das „Ob“ einer Planung umfasst.155 Jedoch bestehen rechtsstaatliche Begrenzungen für die Eröffnung der Planungsbefugnis im konkreten Fall. Denn sowohl bei der Bauleitplanung als auch bei den Fachplanungen gilt, dass eine rechtsstaatliche Planung wegen der damit einhergehenden Grundrechtseinschränkungen einer gesonderten Rechtfertigung im Sinne einer Erforderlichkeit der Planung bedarf.156 Allgemein, aber insbesondere im Bereich des Fachplanungsrechts spricht man insoweit von dem zumeist ungeschriebenen Institut der „Planrechtfertigung“, das die gerichtlich voll überprüfbare157 Voraussetzung für eine Eröffnung der (Fach-)Planungsbefugnis darstellt.158 Selbstverständlich kann der Gesetzgeber die Schranken der Planungsbefugnis auch einfachgesetzlich festschreiben. Das Paradebeispiel hierfür ist der für die Bauleitplanungsbefugnis der Gemeinde maßgebliche § 1 Abs. 3 S. 1 BauGB, nach dem eine Planungsverpflichtung der Gemeinde ausgelöst (und im Gegenzuge zugleich die Planungsbefugnis begrenzt)159 wird, sobald und soweit eine Planung städtebaulich erforderlich ist.160 Die Vorschrift verbindet das Gebot erforderlicher Planungen mit dem Verbot nicht erforderlicher Planungen und begrenzt somit die planerische Gestaltungsfreiheit der Gemeinde.161 Zwar ist bei der Beurteilung der städtebaulichen Erforderlichkeit der Planung zunächst von der eigenen städtebaulichen Konzeption der Gemeinde auszugehen.162 Jedoch kann sich die Planungsbefugnis zu einer Planungsverpflichtung verdichten, wenn sich eine Entscheidung für eine Nichtplanung aufgrund einer qualifizierten städtebaulichen Situation als nicht mehr vertretbar erweist.163 Eine weitere einfachgesetzliche Vorschrift, die Einfluss auf die Planungsbefugnis der Gemeinde nimmt, ist § 1 Abs. 4 BauGB: Erforderlich wird eine Planung nämlich

155

BVerwGE 119, 25 (28). Siehe zur Bauleitplanung BVerwGE 45, 309 (312); zur Fachplanung BVerwGE 48, 56 (60). 157 BVerwG, NJW 1986, 1508 (1509); kritisch Köck, Pläne, GVwR II, § 37 Rn. 98. 158 BVerwGE 48, 56 (60); 55, 110 (118 ff.); 71, 166 (168 f.); eingehend Stüer, Handbuch, Rn. 3951, sowie Köck, Pläne, GVwR II, § 37 Rn. 96 ff. 159 BVerwG, NVwZ 2002, 1509 (1510); Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 1 Rn. 25. 160 Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 1 Rn. 25; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 1 BauGB Rn. 30 und näher Rn. 32 ff. 161 BVerwGE 119, 25 (29) m.w. N. 162 BVerwGE 119, 25 (31); 40, 258 (263). 163 BVerwGE 119, 25 (32). 156

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6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

auch, wenn nicht mehr wegwägbare, da endgültig abgewogene Ziele der Raumordnung ein planerisches Tätigwerden notwendig machen, weil ihnen ansonsten nicht mehr genügt werden könnte.164 In ähnlicher Weise wie bei der städtebaulichen Erforderlichkeit der Bauleitplanung hat der Gesetzgeber die Planrechtfertigung zur Erstellung von Lärmaktionsplänen geregelt, und zwar sogar im Sinne einer Planungspflicht.165 Diese Verpflichtung findet sich allerdings bereits in § 47d Abs. 1 S. 1 BImSchG, nicht in Abs. 1 S. 3: Denn dem Merkmal der städtebaulichen Erforderlichkeit bei der Bauleitplanung bzw. dem Merkmal der Planrechtfertigung entspricht bei der Lärmaktionsplanung das Auslösetatbestandsmerkmal des Vorliegens regelungsbedürftiger Lärmprobleme und Lärmauswirkungen. Die städtebauliche Erforderlichkeit i. S. d. § 1 Abs. 3 S. 1 BauGB, die fachplanerische Planrechtfertigung und auch das Vorliegen regelungsbedürftiger Lärmprobleme und Lärmauswirkungen nach § 47d Abs. 1 S. 1 BImSchG kennzeichnen also, dass überhaupt eine Abwägungsentscheidung herbeigeführt werden darf bzw. muss. Damit verdeutlichen sie jedoch nur die Verpflichtung zur Durchführung der Abwägung und nehmen nicht schon das Abwägungsergebnis vorweg.166 Diesen Zusammenhang übersehen Scheidler und Stettner. Sie setzen das Erfordernis, überhaupt eine Planung durchführen zu müssen, in unzulässiger Weise mit einer Verpflichtung gleich, nach einer gerechten Abwägung auch Maßnahmen festzusetzen. Tatsächlich aber ist die Festsetzung von Maßnahmen als Ergebnis gerechter Abwägung gesondert von der einfachgesetzlich konkretisierten Planrechtfertigung zu betrachten.167 Zwar ist einzuräumen, dass sich Wechselwirkungen zwischen dem Vorliegen regelungsbedürftiger Lärmprobleme und Lärmauswirkungen einerseits und den Erfordernissen gerechter Abwägung andererseits ergeben können. Selbstverständlich legt das Vorliegen insbesondere von regelungsbedürftigen Lärmproblemen nahe, dass eine gerechte Abwägung in vielen, wenn nicht sogar den allermeisten Fällen zu dem Ergebnis führen wird, dass bestimmte Maßnahmen oder Planungsbeiträge vonnöten sind. Das rechtfertigt es aber nicht, Planrechtfertigung und Abwägung zu vermengen. 164 Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, § 1 Rn. 32 m.w. N.; vgl. auch Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 1 BauGB Rn. 37, sowie Runkel, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 1 BauGB Rn. 65b: Erstplanungspflicht bei neuen Zielen der Raumordnung. 165 Siehe schon oben A. III., S. 253. 166 Graf, in: Bayer. Landtag, Anhörung (1. Teil, Fn. 210), S. 22. 167 Vgl. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 1 BauGB Rn. 33: Unterscheidung zwischen den Belangen, die die Erforderlichkeit begründen und zum Anlass genommen werden, eine Planung aufzugreifen, und der Frage, ob und inwieweit sich diese gegenüber entgegenstehenden Gründen nach Maßgabe des § 1 Abs. 7 BauGB durchsetzen.

C. Die inhaltlichen Anforderungen an die Lärmaktionspläne

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Solche Wechselwirkungen sind schließlich auch aus dem Verhältnis von § 1 Abs. 3 und § 1 Abs. 7 BauGB bekannt: Einerseits muss jede Maßnahmenfestsetzung im Rahmen der Abwägung auch ihre Erforderlichkeit in sich tragen.168 Die Erforderlichkeit ist also Voraussetzung für die Festsetzung. Umgekehrt kann ein mit einer gerechten Abwägung unvereinbarer Zustand die städtebauliche Erforderlichkeit einer Planung begründen.169 Erforderlichkeit und Abwägungsgebot greifen somit eng ineinander. Dennoch gilt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass die konkrete planerische Lösung nach den Maßstäben des Abwägungsgebotes zu beurteilen ist.170 Es ist also rechtlich zwischen der Erforderlichkeit der Abwägung und der Abwägung selbst zu trennen. Das gilt auch für die Lärmaktionsplanung: Selbst wenn Auslösetatbestand und planerische Abwägung eng ineinandergreifen, sind sie jedoch im Übrigen rechtlich zu trennen. Dabei gibt es durchaus Fälle, in denen trotz gesetzeskonformen, weil erforderlichen Eintretens in die Abwägung der Verzicht auf die Festsetzung von Maßnahmen und Planungsbeiträgen am Ende einer gerechten Abwägung stehen kann.171 Sofern die rechtsstaatlichen Anforderungen an Abwägungsvorgang und Abwägungsergebnis erfüllt sind, ist auch dieses Ergebnis von der planerischen Gestaltungsfreiheit der Lärmaktionsplaner gedeckt. Im Gegenteile ist zu fragen, welchen Sinn eigentlich die von den Scheidler und Stettner vorgeschlagene Auslegung des § 47d Abs. 1 S. 3 BImSchG haben soll. Wäre nur die Durchsetzung von Maßnahmen, nicht aber deren Festlegung in das „Ermessen“ der Planungsakteure gestellt, müsste die Maßnahmenfestsetzung ähnlich einer gebundenen Entscheidung erscheinen, die gleichsam nur das Auffinden einer bereits vorgezeichneten Entscheidung erfordert. Das widerspricht freilich der finalen Normstruktur, die wie gezeigt gerade die Planungsrechtsnormen auszeichnet. Vor allem aber können Scheidler und Stettner nicht begründen, woraus sich bei Nichteinräumung von „Ermessen“ bzw. planerischer Gestaltungsfreiheit eigentlich die Befugnis der Planungsverantwortlichen ergeben soll, einzelne kollidierende Belange zu bevorzugen und damit notwendig andere Belange zurückzustellen. Das ist aber gerade typischerweise mit der bei jeder Planungsentscheidung und auch hier gebotenen Abwägung verbunden, wie das Bundesverwaltungsgericht schon in seiner grundlegenden Entscheidung hervorgehoben hat.

168 BVerwG, NVwZ 2004, 856 (856); 4 BN 38/05 vom 16.03.2006, Juris = ZfBR 2006, 468. 169 Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 1 BauGB Rn. 41: mittelbare Planungspflichten; H. Dürr/H. König, Baurecht, 4. Aufl. 2000, Rn. 25 m.w. N. 170 BVerwG, NVwZ 2002, 1509 (1510); 4 BN 38/05 vom 16.03.2006, Juris = ZfBR 2006, 468. 171 Siehe hierzu unten C. VIII., S. 340.

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6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

Eine rechtmäßige Prioritätenabstufung, wie sie Planungsentscheidungen regelmäßig kennzeichnet, kann nur begründet werden, wenn das Gesetz den Planungsakteuren auch hinsichtlich der Festlegung von Maßnahmen die nötige planerische Gestaltungsfreiheit einräumt. Dieser Einsicht folgt nunmehr grundsätzlich auch die modifizierte Auffassung von Scheidler/Tegeder.172 Die Gestaltungsfreiheit bei der Maßnahmenfestlegung wird grundsätzlich anerkannt. Allerdings wird behauptet, die Gestaltungsfreiheit betreffe aus europarechtlichen Gründen nur eine Auswahlentscheidung zwischen mehreren denkbaren Maßnahmen, nicht das Ob der Maßnahmenfestsetzung überhaupt. Das hierfür vorgetragene Argument, ein Aktionsplan ohne Maßnahmen sei „leer“ und somit kein „Aktionsplan“,173 ist allerdings bei genauem Hinsehen nur ein Scheinargument. Auch diese Formulierung setzt nämlich das Ergebnis gerechter Abwägung unzulässig mit der Verpflichtung gleich, in eine Abwägung überhaupt eintreten zu müssen. Der verpflichtende Charakter der Aktionsplanung besteht aber nur darin, für bestimmte Gebiete überhaupt eine planerische Abwägung vorzunehmen. Die Festlegung von Maßnahmen muss indes nicht zwingend am Ende der Abwägung stehen. Wie noch zu zeigen sein wird, ist auch eine Nichtfestlegung von Maßnahmen unter engen Voraussetzungen in europarechtskonformer Weise von der planerischen Gestaltungsfreiheit gedeckt. Im Übrigen ist die Annahme, ein Aktionsplan ohne Maßnahmen sei „leer“, schon deshalb nicht zutreffend, weil in jedem Aktionsplan zwingend beschreibende und bewertende Elemente zur lärmfachlichen Situation und zu abwägungserheblichen Belangen enthalten sein müssen und damit ein wertvoller Erkenntnisgewinn für jegliche Handlungsakteure einhergeht, die im Rahmen ihrer Zuständigkeit Lärmbetroffenheiten zu berücksichtigen haben.174 c) Die Vereinbarkeit der gefundenen Lösung mit dem Europarecht Die hier vertretene Lösung ist auch mit der Umgebungslärmrichtlinie vereinbar. Die Wahrnehmung planerischer Gestaltungsfreiheit ist nach der Richtlinie zulässig und wird von ihr sogar vorausgesetzt. Im Weiteren ist auch eine Nichtfestsetzung von Maßnahmen nicht europarechtlich gänzlich ausgeschlossen. Die Wahrnehmung von Gestaltungsfreiheit ist fester Bestandteil des Richtlinienkonzeptes. Denn gleich mehrfach ist in der Umgebungslärmrichtlinie das Setzen von Prioriäten verankert. 172 173 174

Scheidler/Tegeder, in: Feldhaus, § 47d BImSchG Rn. 18. Scheidler/Tegeder, in: Feldhaus, § 47d BImSchG Rn. 17. Siehe hierzu näher sogleich unter C. IV., S. 293.

C. Die inhaltlichen Anforderungen an die Lärmaktionspläne

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So dienen Aktionspläne nach dem Erwägungsgrund 11 RL der Festsetzung von Prioritäten für Gebiete von besonderer Bedeutung. Die Maßnahmen in den Aktionsplänen sollen gemäß Art. 8 Abs. 1 S. 2 RL auf Prioritäten eingehen, die sich aus Grenzwertüberschreitungen oder aufgrund anderer mitgliedstaatlicher Kriterien ergeben. Ferner sollen die Maßnahmen insbesondere für die wichtigsten Bereiche gelten, wie sie in den strategischen Lärmkarten ausgewiesen werden. Die Festsetzung von Prioritäten im Dienste der Entwicklung und Abarbeitung eines nach Dringlichkeiten abgestuften langfristigen175 Handlungskonzeptes anstelle unkoordinierter Einzelmaßnahmen gehört somit zu den festen Bestandteilen des Richtlinienkonzepts.176 Den Planungsverantwortlichen kommt dabei unter anderem die Aufgabe zu, die Ausgangslage im Plangebiet im Sinne einer Abstufung nach vordringlich und weniger vordringlich zu bekämpfenden Problemlagen zu bewerten.177 Da das Herausbilden von Prioritäten zugunsten bestimmter Sachverhalte in aller Regel mit der Zurückstellung anderer Sachverhalte verbunden ist, eine Prioritätenwahl aber von der Richtlinie ausdrücklich gefordert wird, ergibt sich bereits an dieser Stelle, dass die Wahrnehmung einer zur Auswahl berechtigenden Gestaltungsfreiheit auch von der Richtlinie vorausgesetzt sein muss.178 Dieses Ergebnis findet eine weitere Bestätigung in dem Umstand, dass nach dem Wortlaut der Ziffer 2 des Anhangs V RL die zuständigen Behörden „zum Beispiel“ bestimmte Maßnahmen in Betracht ziehen „können“. Auch diese Richtlinienbestimmung geht also von einer planerischen Gestaltungsfreiheit der Behörden aus.179 Nach dem Vorstehenden besteht nach der Richtlinienkonzeption also wenigstens eine Auswahlfreiheit hinsichtlich bestimmter vordringlicher Gebiete und hinsichtlich der Art der zu ergreifenden Maßnahmen. Damit ist jedenfalls der strengen ursprünglichen Ansicht von Scheidler und Stettner180 der Boden entzogen. Doch auch die vermittelnde Kommentierung von Scheidler/Tegeder, wonach sich die planerische Gestaltungsfreiheit nach der Richtlinie nur auf das „Wie“ 175

Vgl. nur Ziffer 1, 10. Spiegelstrich, des Anhangs V RL. Vgl. Schulze-Fielitz, Umgebungslärm, Jahrbuch Umwelt- und Technikrecht 2008, S. 28 f. 177 So auch Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 78. 178 Wie hier Hansmann, Lärmminderungsplanung, FS Rehbinder, S. 337; ähnlich Cancik, Aktionspläne, ZUR 2007, 169 (174); beide sprechen insoweit allerdings von einem „Ermessen“ hinsichtlich der Auswahl der Maßnahmen. 179 Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 83. 180 Scheidler, Neue Aufgaben, DVBl. 2005, 1344 (1349); Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47d BImSchG Rn. C 5. 176

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6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

der Maßnahmenfestsetzung und nicht ihr „Ob“ beziehen könne,181 findet keine Stütze in der Richtlinie. Erstens spricht schon die Formulierung des englischsprachigen Originalwortlauts des Art. 8 Abs. 1 S. 2 RL nicht so eindeutig gegen eine Einräumung von Gestaltungsfreiheit hinsichtlich des „Ob“ der Maßnahmenfestsetzung, wie es die deutsche Fassung für sich allein genommen vermuten ließe. Das englische „the measures within the plans are at the discretion of the competent authorities“ ist weiter gefasst als das deutsche „die in den Plänen genannten Maßnahmen sind in das Ermessen der zuständigen Behörden gestellt“ und schließt ein Satzverständnis, wonach auch die Festlegung an sich in der Gestaltungsfreiheit der Behörden liege, nicht aus. Richtigerweise hätte die Übersetzung daher lauten müssen: „Die in den Plänen zu treffenden Maßnahmen stehen im ,Ermessen‘ 182 der zuständigen Behörden.“ Das heißt mit anderen Worten, es können auch keine Maßnahmen getroffen werden. Zweitens kann auch der Wortlaut der Ziffer 2 des Anhangs V RL, wonach die Behörden bestimmte Maßnahmen in Betracht ziehen „können“, sprachlich sowohl auf die Art der Maßnahmen als auch auf ihre Festlegung an sich bezogen werden. Drittens ist in systematischer Auslegung zu beachten, dass sich der europäische Sprachgebrauch hinsichtlich des Ermessensbegriffs von der herkömmlichen Bedeutung in der deutschen Rechtssprache unterscheidet. Aufgrund eines starken französischen Einflusses ist der europarechtliche Ermessensbegriff deutlich umfassender zu verstehen als der deutsche Ermessensbegriff. Der Europäische Gerichtshof bezeichnet sämtliche der Verwaltung eröffneten Entscheidungs-, Beurteilungs- und Gestaltungsspielräume auf der Tatbestands- wie der Rechtsfolgenseite einer Norm einheitlich als Ermessen und behandelt sie nach einheitlichen Regeln.183 Wenn aber die Maßnahmen innerhalb der Pläne im o. g. weitgefassten Sinne („the measures within the plans“) im europarechtlichen Ermessen der Behörden stehen sollen und der Ermessensbegriff des Art. 8 Abs. 1 S. 2 RL einen deutlich weiteren Gestaltungsspielraum beinhaltet als der deutsche Ermessensbegriff und sogar für einen tatbestandlichen Beurteilungsspielraum stehen kann, leuchtet nicht recht ein, weshalb ausgerechnet das „Ob“ der Maßnahmenfestlegung nicht in der gestalterischen Freiheit der Behörden stehen sollte. Denn viertens sind überdies lärmfachliche Gegebenheiten vorstellbar, in denen eine Maßnahmenfestlegung als untunlich erscheint.184 Dieses Ergebnis 181 Scheidler/Tegeder, in: Feldhaus, § 47d BImSchG Rn. 17 f. (Bearbeitung Mai 2007). 182 Der Begriff des „Ermessens“ ginge freilich auch hier generell fehl, vgl. oben C. III. 1., S. 283. 183 Eingehend Pache, Tatbestandliche Abwägung, S. 390 f. m.w. N.; vgl. auch R. Streinz, Europarecht, 8. Aufl. 2008, Rn. 598.

C. Die inhaltlichen Anforderungen an die Lärmaktionspläne

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deckt sich mit der Zielvorgabe des Art. 8 Abs. 1 S. 1 RL, wonach Aktionspläne zur Regelung von Lärmproblemen und Lärmauswirkungen „erforderlichenfalls einschließlich der Lärmminderung“ (englisch: „including noise reduction if necessary“) ausgearbeitet werden sollen. Das lässt den Umkehrschluss zu, dass nach der Richtlinie auch Lärmaktionspläne ohne Maßnahmen zur Lärmminderung vorstellbar sind. Damit wäre aber eine Verpflichtung zur Maßnahmenfestsetzung, wie sie die Gegenauffassung vertritt, unvereinbar. Im Ergebnis ist die Umsetzung der Richtlinie somit europarechtskonform.185

IV. Die Beschreibung der Ausgangslage zur Aufbereitung des Abwägungsmaterials Gemäß § 47d Abs. 2 S. 1 BImSchG müssen die Lärmaktionspläne den Mindestanforderungen des Anhangs V RL entsprechen. Nach dessen Ziffer 1 müssen die Aktionspläne etliche Angaben und Unterlagen enthalten, die das Plangebiet tatsächlich beschreiben, dabei Auskunft über die lärmfachliche Ausgangslage geben (z. B. durch die Zusammenfassung der Daten aus der Lärmkartierung) und den rechtlichen und administrativen Hintergrund darstellen (z. B. durch die Angabe von Grenzwerten und Zuständigkeiten). Die Lärmkarten müssen ferner gemäß § 47d Abs. 2 S. 1 BImSchG die nach Anhang VI RL an die Kommission zu übermittelnden Daten beinhalten. All diese Informationen müssten sich nach der deutschen Planungspraxis zwar ohnehin inzidenter aus der Planbegründung ergeben, sofern die Planung einer Überprüfung vor den Maßstäben des Abwägungsgebotes standhalten sollte. Auffallend ist jedoch, dass die beschreibenden Elemente gleichsam in Form einer „Checkliste“ an erster Stelle der Mindestanforderungen der Richtlinie aufgezählt werden, mithin noch vor den möglichen Maßnahmentypen, die ja eigentlich den Kern einer Planungsentscheidung darstellen. Das legt die Vermutung nahe, dass der Richtliniengeber tatsächlich vorab eine Verdeutlichung der Ausgangslage für die Planer erwartet und damit eine intensive Aufbereitung des Abwägungsmaterials als Einstieg in die Planung bezweckt. Damit ist Ziffer 1 des Anhangs V RL wohl ein weiterer Beleg für die Tendenz des europäischen Gesetzgebers, seinen Fokus auf die tatsächlichen Abläufe bei Planungsentscheidungen und deren Dokumentation zu legen, anstatt auf die Begründungskraft der Entscheidung an sich zu vertrauen.186 184

Siehe unten C. VIII., S. 340. So auch Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 83; Hansmann, Lärmminderungsplanung, FS Rehbinder, S. 337; Repkewitz, Probleme, VBlBW 2006, 409 (415). 186 Vgl. zum angeblichen Charakter des § 2 Abs. 3 BauGB n. F. als neuer Verfahrensgrundnorm schon oben, 1. Teil, Fn. 98 m.w. N.; allgemein zu dieser Entwicklung oben 2. Teil, B. II., S. 64 f. mit Fn. 44. 185

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6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

Möglicherweise handelt es sich bei dem Erfordernis umfangreicher Beschreibungen aber auch um ein Strukturmerkmal von Umweltplänen, für die SchmidtAßmann herausgearbeitet hat, dass sie sämtlich erhebliches Gewicht auf einen deskriptiv-analytischen Teil legten, da sie die planerische Absicht dokumentierten, neben regulatorischen Wirkungen auch durch Information und Überzeugung zu wirken.187 In tatsächlicher und lärmfachlicher Hinsicht sind gemäß Ziffer 1 des Anhangs V RL der Ballungsraum bzw. die im Aktionsplangebiet vorfindlichen oder angrenzenden, aber das Plangebiet beeinflussenden Hauptlärmquellen und sonstigen relevanten Schallquellen zu beschreiben. Desweiteren sind die Betroffenheiten der lärmexponierten Bevölkerung und markante Problemlagen darzulegen. Soweit schon Maßnahmen zur Lärmminderung durchgeführt werden oder in Planung stehen, sind diese ebenfalls vorzustellen. Schließlich ist eine Zusammenfassung der Daten aus der Lärmkartierung aufzunehmen. Eine besondere Bedeutung kommt der Beschreibung der lärmfachlichen Ausgangslage zu, soweit sich die Gesamtbelastung der Bevölkerung nicht bzw. auch nicht näherungsweise in einem Gesamtschalldruckpegel ausdrücken lässt.188 Gerade Gemengelagen verschiedenartiger Lärmeinflüsse, die nicht rechnerisch darstellbar sind, muss dabei eine erhöhte Aufmerksamkeit gewidmet werden, um die Lärmsituation in nachfolgenden Schritten angemessen bewerten zu können.189 Zum Teil wird im Schrifttum offenbar angenommen, dass neben den Lärmkarten auch die Aktionspläne sämtliche der Kommission zu übermittelnden Daten im Sinne des Anhangs VI zu enthalten hätten.190 Eine Stütze findet diese Ansicht zwar vordergründig in § 47d Abs. 2 S. 1 BImSchG, der nicht nur auf Anhang V, sondern auch auf Anhang VI RL verweist. Bei näherer Betrachtung erscheint diese Schlussfolgerung jedoch nicht zwingend. Denn Anhang VI RL konkretisiert nach seiner Überschrift die Datenübermittlungspflichten nach Art. 10 RL. In Art. 10 Abs. 2 RL ist jedoch ausdrücklich von den „in Anhang VI genannten Informationen aus den strategischen Lärmkarten und (den) dort genannten Zusammenfassungen der Aktionspläne“ die Rede. Daraus folgt, dass Anhang VI für die Aktionsplanung nur insoweit von Bedeutung ist, als nach Ziffer 1.8 Zusammenfassungen der Aktionspläne für die Europäische Kommission gefertigt werden müssen. Im Übrigen ist mit der Datenübermittlung an die Kommission im Rahmen der Lärmkartierung die detaillierte Mitteilungspflicht im Sinne des Anhangs VI RL erfüllt.

187 188 189 190

Schmidt-Aßmann, Umweltplanungsrecht, DÖV 1990, 169 (174; 176). Siehe hierzu oben 5. Teil, C. IV. 2., S. 191. Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 42. So etwa Wysk, in: Giesberts/Reinhardt, § 47d BImSchG Rn. 4.

C. Die inhaltlichen Anforderungen an die Lärmaktionspläne

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Im Ergebnis ist es lärmfachlich also ausreichend, in den Aktionsplänen die wesentlichen Ausgangsdaten der Lärmkartierung und die wesentlichen Merkmale der sonstigen lärmfachlichen Ausgangslage aufzuführen. Dies ist allerdings in demjenigen Umfang zwingend, der erforderlich ist, um eine nachvollziehbare, aussagekräftige und tragfähige Grundlage für die nachfolgenden Bewertungs- und Planungsentscheidungen zu bereiten. Doppelungen mit den Lärmkarten werden sich daher nicht gänzlich vermeiden lassen. Diese sind aber schon deshalb nicht vermeidbar, weil das Kartierungsgebiet und das Aktionsplanungsgebiet nicht zwingend identisch sein müssen. Unter Umständen müssen in einem Aktionsplanungsgebiet nur Teilergebnisse der Kartierung oder aber Ergebnisse mehrerer angrenzender Kartierungen berücksichtigt werden. Hieraus folgen dann die Beschreibungspflichten in ihrem spezifischen Umfange. Auf jeden Fall und unabhängig von der Mitteilung im Rahmen der Lärmkartierung sind wegen der ausdrücklichen Nennung in Ziffer 1 des Anhangs V RL die behördlichen Zuständigkeiten, der rechtliche Hintergrund und alle geltenden Grenzwerte gemäß Art. 5 RL in den Aktionsplan aufzunehmen. Hierbei handelt es sich um die Beschreibung der rechtlichen Ausgangslage der Aktionsplanung, die ebenso wie die lärmfachliche Ausgangslage eine wichtige Entscheidungsgrundlage für die planerische Abwägung darstellt.

V. Die abwägungsrelevanten Belange und die Kriterien zu ihrer Gewichtung Eine Abwägungsentscheidung besteht in dem gewichtenden Inbezugsetzen der abwägungsrelevanten Belange. Das Spektrum der zu berücksichtigenden Belange wird dabei im Einzelnen durch den gesetzlichen Planungsauftrag bestimmt.191 Üblicherweise erfolgt die Ermittlung der maßgeblichen Belange zweistufig durch eine zunächst abstrakt-begriffliche Abgrenzung der abwägungserheblichen Gesichtspunkte (1. Stufe) und eine nachfolgende Subsumtion konkret vorliegender Umstände unter diese Begriffe (2. Stufe).192 Leider hat der Gesetzgeber bei der Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes nicht ebenso transparent wie bei der kataloghaften Aufzählung des § 1 Abs. 6 BauGB dargestellt, welche abstrakt-begrifflichen Belange er insbesondere als abwägungsrelevant ansieht. Der Gesetzesanwender ist insoweit auf einige wenige, allerdings ihrerseits nicht abschließende, Stichworte verwiesen, die sich als Hinweise in der Richtlinie und im Bundes-Immissionsschutzgesetz finden. 191

So Schmidt-Aßmann, Umweltplanungsrecht, DÖV 1990, 169 (177). Vgl. schon frühzeitig Hoppe, Zusammenstellung des Abwägungsmaterials, S. 206 f. 192

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6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

Ähnliches gilt für die Kriterien zur Gewichtung der Belange, die § 47d Abs. 1 S. 3 BImSchG „insbesondere“ und daher nicht abschließend andeutet. Vor einer Erörterung der einzelnen Belange und der spezifischen Kriterien zu ihrer Gewichtung ist allerdings zunächst eine grundsätzliche Fragestellung aufgeworfen. 1. Ausschluss sämtlicher nicht unmittelbar lärmbzw. umweltschutzbezogener Belange? Bei der Lärmaktionsplanung handelt es sich um eine umweltbezogene Fachplanung,193 nicht um eine räumliche Gesamtplanung wie die Raumordnung und Landesplanung oder auf gemeindlicher Ebene die Bauleitplanung. Schmidt-Aßmann hat für Umweltpläne den Gedankengang entwickelt, dass eine globale Abwägung die Aufgabe der räumlichen Gesamtplanung sei, weswegen es sich bei der Festlegung des gesetzlichen Planungsauftrages nicht empfehle, die Abwägung bei der Aufstellung von Umweltleitplänen umfassend auf eine angemessene Berücksichtigung aller berührten öffentlichen Belange zu verpflichten. Umweltpläne sollten mit einer solchen globalen Abwägung nicht vorschnell belastet werden, da es ihre Aufgabe sei, zunächst einmal ein optimales Ergebnis aus der Sicht des Umweltschutzes darzustellen. Damit vertrage sich nicht eine Pflicht, auch anderweitige Belange derart zur Geltung zu bringen, dass eventuell nur noch ein für den Umweltschutz reduziertes Ergebnis am Ende der Planung stünde. Umweltplanung solle vielmehr auch Planungsalternativen hervorbringen können, weshalb auch eine strikte Bindung an Ziele der Raumordnung nicht zielführend sei, sondern im Gegenteil die Änderung von bestehenden Raumordnungszielen aufgrund spezieller ökologischer Kenntnisse in den Raum gestellt werden sollte.194 Diese Überlegung wirft die klärungsbedürftige Frage auf, ob in die Abwägung über den Lärmaktionsplan nur unmittelbar umweltschutzbezogene oder sogar nur unmittelbar lärmschutzbezogene Belange eingestellt werden dürfen. Sind folglich sämtliche sonstige denkbare Belange auszublenden oder einzubeziehen? Ersteres bedeutete eine ökologische Optimierung der Planungsentscheidung, letzteres könnte zu einer Schwächung oder sogar Verwässerung der ökologischen Planung führen. Die Problematik sei an zwei Beispielen näher verdeutlicht: • Beispiel 1 Der Lärmaktionsplan-Entwurf der zuständigen Landesbehörde für den Ballungsraum B sieht vor, dass bei allen Straßensanierungsmaßnahmen zur Lärm193 194

Siehe schon oben bei Fn. 118 m.w. N. So sinngemäß Schmidt-Aßmann, Umweltplanungsrecht, DÖV 1990, 169 (177 f.).

C. Die inhaltlichen Anforderungen an die Lärmaktionspläne

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minderung offenporiger Flüsterasphalt aufzubringen ist, sofern die Belastung des fraglichen Gebiets insgesamt bestimmte Lden-Werte übersteigt. Die Gemeinde G ist Teil dieses Ballungsraums. Ihr Gebiet ist infolge ihrer „verkehrsgünstigen“ Lage so stark verlärmt, dass die o. g. Dezibelwerte überschritten sind. Die S-Straße, ein kleines Sträßlein im touristisch bedeutsamen und gut erhaltenen historischen Ortskern, weist verkehrssicherheitsrelevante Schäden auf, die eine alsbaldige Sanierung erforderlich machen. Die S-Straße ist von so untergeordneter verkehrlicher Bedeutung, dass bei der Unterhaltungsmaßnahme nach dem Landes-Straßengesetz keine straßenrechtliche Planfeststellung durchzuführen ist, sondern die Baumaßnahme aufgrund einfachen Gemeinderatsbeschlusses erfolgt.195 Der Gemeinderat von G würde zwar jede Lärmminderung begrüßen, fürchtet aber um das städtebauliche Erscheinungsbild des historischen Ortskerns, wenn anstelle der althergebrachten historischen Pflasterung im Sanierungsabschnitt schnöder grauer Asphalt verwendet würde. Mit jeder weiteren Sanierungsmaßnahme würde sich das Ortsbild weiter verändern und die Attraktivität der Gemeinde für den Fremdenverkehr stark abnehmen. Dürfen die städtebaulichen und touristischen Bedenken der Gemeinde als Belang in der Abwägungsentscheidung über den Lärmaktionsplan berücksichtigt werden? • Beispiel 2 Die Gemeinde G möchte einen Lärmaktionsplan aufstellen. Der Beschlussvorschlag der Verwaltung sieht als Maßnahme ein Durchfahrtsverbot für LKW über 7,5 Tonnen in der S-Straße vor, die infolge hoher Verkehrsbelastung stark verlärmt ist und deren Anwohner infolge einer hoch aufragenden Bebauung bei minimalem Straßenquerschnitt durch mehrfache Schallreflexionen hochgradig belastet sind. Im Gemeinderat werden Bedenken gegen die Maßnahme laut, weil als Ausweichstrecke für die S-Straße eigentlich nur der R-Ring in Betracht komme, dessen Lärmbelastung zwar bislang wegen der weniger schluchtenartigen Bebauung geringer sei als in der S-Straße, bei dem aber schon heute sehr hohe Feinstaubkonzentrationen gemessen würden. Eine weitere Luftqualitätsverringerung könne den Anwohnern des R-Rings nicht mehr zugemutet werden, auch wenn die Feinstaub-Grenzwerte wohl noch eingehalten werden könnten. Dürfen die Luftqualitätsbedenken des Gemeinderates bei der Abwägungsentscheidung über den Lärmaktionsplan berücksichtigt werden? 195 Vgl. etwa Art. 35 ff. BayStrWG, insbesondere Art. 36 Abs. 3 i.V. m. Art. 37 BayStrWG: Sind die genannten Voraussetzungen für eine UVP-Pflichtigkeit nicht erfüllt, findet bei Ortsstraßen keine straßenrechtliche Planfeststellung statt.

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6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

Beiden Beispielen ist gemeinsam, dass die vom Gemeinderat angesprochenen Belange – im Beispielsfall 2 ein anderer Umweltschutzbelang, im Beispielsfall 1 ein andersartiger Belang – überhaupt nicht mehr zum Tragen kommen können, wenn sie nicht schon bei der Abwägung des Lärmaktionsplans berücksichtigt werden dürfen. Denn in beiden Fällen geht es bei den Lösungsvorschlägen des Aktionsplanentwurfs um Maßnahmen, die nach dem Wortlaut des § 47d Abs. 6 i.V. m. § 47 Abs. 6 S. 1 BImSchG bei nachfolgenden Entscheidungen einer Verwaltungsbehörde im Rahmen der für die Entscheidung geltenden Rechtsvorschriften durch die Behörde verbindlich durchzusetzen sind. Eine Abweichung von den Vorgaben des Lärmaktionsplans wäre indes nur möglich, wenn es sich bei den Vorgaben um planungsrechtliche Festlegungen im Sinne des § 47d Abs. 6 i.V. m. § 47 Abs. 6 S. 2 BImSchG handelte. Solche Festlegungen sind im Rahmen der nachfolgenden Planungsentscheidung vom Planungsträger als Belange in der Abwägung zu berücksichtigen (bei Annahme eines Optimierungsgebotes sogar mit besonderem Gewicht)196, könnten aber bei Vorliegen hinreichend guter Gründe auch weggewogen werden. In den Beispielsfällen kommt eine nachfolgende Planungsentscheidung jedoch nicht in Betracht. Im Fall 1 ist eine straßenrechtliche Planfeststellung im Landes-Straßengesetz nicht vorgesehen, so dass es einer Planfeststellung an der Planrechtfertigung mangelte. Im Fall 2 wäre die Maßgabe des Lärmaktionsplans durch eine Anordnung der Straßenverkehrsbehörde nach § 45 Abs. 1 Nr. 3 StVO durchzusetzen, also durch eine (durch den Aktionsplan gelenkte) Ermessensentscheidung. In beiden Fällen wäre die Folge eines auf Umweltschutz- bzw. Lärmschutzbelange beschränkten Belangspektrums bei der Lärmaktionsplanung die völlige Nichtachtung der anderen Belange zugunsten des optimierten Lärmschutzes, obwohl sie zumindest nicht völlig abwegig erscheinen. Eine solche Folge wäre ausgesprochen fragwürdig; es käme gleichsam zu einem Lärmschutz „um jeden Preis“. Besonders deutlich wird die Fragwürdigkeit im Fall 2 hinsichtlich der Nichtbeachtung der Luftqualitätsbedenken, wenn man bedenkt, dass § 47 Abs. 6 S. 1 BImSchG nicht nur in entsprechender Anwendung gemäß § 47d Abs. 6 BImSchG zugunsten des Lärmaktionsplans streitet, sondern auch unmittelbar zur Durchsetzung möglicherweise vorhandener Luftreinhaltepläne anzuwenden ist. Eine unauflösliche Kollision von Lärmschutz und Luftreinhaltung war aber sicher weder vom Gesetzgeber bezweckt noch vom Richtliniengeber beabsichtigt. Denn es gibt keinerlei Hinweis auf einen etwaigen Vorrang der Umgebungslärmrichtlinie über die Richtlinien zur Luftreinhaltung. Vielmehr ist die Umgebungslärmrichtlinie im Sinne ihres Erwägungsgrundes 1 einem insgesamt 196

Siehe hierzu unten G. IV., S. 377.

C. Die inhaltlichen Anforderungen an die Lärmaktionspläne

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hohen Umwelt- und Gesundheitsschutzniveau als Ziel der Gemeinschaftspolitik verpflichtet, wobei der Lärmschutz (nur) einen Teilbereich dessen darstellt. Die beschriebene Folge der zwangsläufigen Bevorzugung lärmschutzrechtlicher Ziele gegenüber der Luftreinhaltung würde es wohl rechtfertigen, anstelle von rechtsstaatlicher Abgewogenheit von rechtsstaatswidriger Einseitigkeit des Aktionsplans zu sprechen.197 Hinweise auf eine gegenteilige Vorstellung des Gesetzgebers ergeben sich vielmehr aus der Raumordnungsklausel des § 47d Abs. 6 i.V. m. § 47 Abs. 3 S. 2 BImSchG. Wenn dort der Konnex zur räumlichen Gesamtplanung hergestellt und die Beachtung der Raumordnungsziele und Berücksichtigung der übrigen Grundsätze und Erfordernisse der Raumordnung angeordnet wird, wird ja schon durch diese Anordnung selbst der Kreis der berücksichtigungspflichtigen Belange weiter gezogen als um Fragen des Umwelt- oder Lärmschutzes. Wegen des Gesamtplanungscharakters der Raumordnung fließen schließlich indirekt auch andersartige Belange jenseits des Umweltschutzes in die Abwägung ein. Somit ist kein auch nur irgendwie im Gesetz begründeter Anhaltspunkt ersichtlich, der es rechtfertigte, andersartige Belange bei der Abwägung auszublenden. Im Ergebnis sind somit sämtliche Belange, die durch die Lärmaktionsplanung berührt werden, unabhängig von ihrer Art in die Abwägung einzustellen und angemessen zu gewichten. Im Beispiel 1 dürfen daher die städtebaulichen und touristischen Bedenken der Gemeinde als Abwägungsbelang berücksichtigt werden. Im Beispiel 2 dürfen die Luftqualitätsbedenken des Gemeinderates ebenfalls berücksichtigt werden. Auch Nr. 6 der LAI-Hinweise zur Lärmaktionsplanung geht von einem Charakter der Lärmaktionsplanung als einer „querschnittsorientierten Planung“ aus, die in einer „wechselseitigen Verzahnung“ mit den Bauleitplänen der Gemeinde und ggf. auch mit überörtlichen Planungen Anregungen und Impulse zur Lärmvermeidung und Lärmminderung geben soll. Eine Wechselseitigkeit impliziert freilich schon den Einbezug entsprechender Belange in die Abwägungsentscheidung. Gleichwohl ist im Rahmen der späteren Abwägungsentscheidung (nicht schon: der Belangermittlung) darauf zu achten, dass die Lärmaktionsplanung nicht letztlich zu einer Gesamtplanung wird; denn Gegenstand der Aktionsplanungsentscheidung bleibt eine Umweltplanung, die gezielt Lärmschutzbelange in den Blick anderer Stellen rücken und auch – wie Schmidt-Aßmann zutreffend fordert – Planungsalternativen aufzeigen können soll. Nur dafür sind die Lärmaktionsplaner kraft Gesetzes zuständig. 197

Vgl. Schmidt-Aßmann, Umweltplanungsrecht, DÖV 1990, 169 (177).

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6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

Im Übrigen sei schon an dieser Stelle erwähnt, dass die Beispielsfälle auf weitere Problematiken hindeuten. Im Beispielsfall 1 scheint das Problem der Beteiligungs- oder sogar Mitentscheidungsrechte der Gemeinden bei überörtlicher Aktionsplanungszuständigkeit aufgrund Landesrechts auf.198 Im Fall 2 wird die Problematik der Einschränkung eines eigentlich gesetzlich anderweitig eingeräumten Ermessens durch Maßnahmen der Lärmaktionsplanung sichtbar.199 Auf beides wird zurück zu kommen sein. 2. Die einzelnen Belange und die spezifischen Gewichtungskriterien In seiner inhaltlich mit Art. 8 Abs. 1 S. 2 RL übereinstimmenden, allerdings sprachlich teilweise entglittenen Maßgabe des § 47d Abs. 1 S. 3 BImSchG, wonach die Maßnahmen (nicht: die Festlegung derselben) in den Plänen „insbesondere für die wichtigsten Bereiche gelten (sollen), wie sie in den strategischen Lärmkarten ausgewiesen wurden“ und ihre Festlegung „auch unter Berücksichtigung der Belastung durch mehrere Lärmquellen insbesondere auf die Prioritäten eingehen (solle), die sich gegebenenfalls aus der Überschreitung relevanter Grenzwerte oder aufgrund anderer Kriterien ergeben“, hat der Bundesgesetzgeber nicht zwischen berücksichtigungsfähigen Belangen und Kriterien zu ihrer Gewichtung unterschieden. Vielmehr bezieht sich der Wortlaut unmittelbar auf den Vorgang der Prioritätenabschichtung, also der Belanggewichtung. Allerdings lassen sich aus den genannten Kriterien zur Gewichtung Rückschlüsse auf die insbesondere berücksichtigungsfähigen Belange ziehen; auch die in Ziffer 2 des Anhangs V RL vorgeschlagenen Lösungsinstrumente der Verkehrsplanung bzw. Raumordnung lassen Rückschlüsse auf möglicherweise tangierte Belange zu. Im Einzelnen erscheinen insbesondere die nachfolgenden Belange berücksichtigungswürdig. Die Aufzählung kann dabei freilich schon deshalb nicht abschließend sein, weil der Kreis der tatsächlich berührten Belange untrennbar mit den jeweils angedachten Maßnahmen und Planungsbeiträgen zur Problembewältigung verbunden ist und von daher nur im konkreten Einzelfall endgültig bestimmt werden kann. a) Die Lärmbelastung Zwingend abwägungserheblich ist der Belang der Lärmbelastung, die als Gegenstand der Lärmminderungsplanung zentral im Fokus der Abwägung stehen muss. Eine Lärmminderungsplanung ohne Schallbelastungsbelange wäre offenkundig abwägungsdefizitär. 198 199

Siehe hierzu unten F. II., S. 360 ff., insb. auch S. 367 f. Siehe hierzu unten G. II., S. 371 ff., insb. S. 373 f.

C. Die inhaltlichen Anforderungen an die Lärmaktionspläne

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Gemäß § 47d Abs. 1 S. 3 BImSchG bzw. Art. 8 Abs. 1 S. 2 RL können sich Prioritäten aus einer Überschreitung relevanter Grenzwerte ergeben; daneben werden aber auch „andere Kriterien“ ausdrücklich in den Raum gestellt. Schon hierdurch wird den Akteuren ein weiter Spielraum für die Auswahl geeigneter Anknüpfungspunkte für eine Gewichtung der Abwägungsbelange eröffnet.200 Dieser Spielraum wird noch vergrößert, indem die Festlegung von Maßnahmen insbesondere für die wichtigsten Bereiche gelten soll, wie sie in den Lärmkarten ausgewiesen werden. Damit hat der Gesetzgeber gleichsam neben den Grenzwertüberschreitungen und den genannten anderen (möglicherweise v. a. akustisch gemeinten) Kriterien eine zweite Säule errichtet, die die Gewichtung ebenfalls stützen und dabei offenbar besonders wichtige, aber nicht näher bestimmte, Gebiete eigens in den Blick nehmen soll. Als dritten Fingerzeig hat der Gesetzgeber ausdrücklich in den Vorschriftenwortlaut aufgenommen, dass auch eine Belastung durch mehrere Lärmquellen bei der Abwägung zu berücksichtigen ist. Die Errichtung dieser zweiten „Säule“ und der Hinweis auf eine Berücksichtigungsbedürftigkeit mehrfacher Betroffenheit legen nahe, dass sich die Gewichtung der Lärmbelastung wohl nicht allein in einer simplen Reihung nach festgestellten Pegelwerten erschöpfen soll. Die Gewichtung soll offenbar für weitere Wertungen offenstehen; denn anderenfalls wäre die gesonderte Erwähnung der wichtigen Bereiche und der Mehrfachbelastungen überflüssig. Schon an dieser Stelle entfaltet das Erfordernis einer Gesamtstrategie (vgl. Ziffer 1 Anhang V RL) anstelle eines eindimensionalen Problemverständnisses erkennbar seine Vorwirkungen. Im Einzelnen kommen für die Gewichtung des Belangs zuvorderst diejenigen Parameter in Betracht, anhand derer die Lärmbelastung in den Lärmkarten ermittelt und dargestellt wurde. Hierzu gehören zum einen die Indikatoren für die Intensität der Schallbelastung, z. B. die Schallpegelhöhe als solche, das hierdurch gekennzeichnete Erreichen kommunikationshinderlicher, schlafstörender oder gesundheitsgefährdender Immissionsschwellen (vgl. Ziffer 3 des Anhangs V RL) oder eben die Überschreitung relevanter Grenzwerte. Daneben kommt aber auch eine Gewichtung anhand von Betroffenheiten in Betracht. Das meint zum einen die Zahl der Betroffenen in einem bestimmten Teilbereich des Plangebiets (vgl. nur Ziffer 1 des Anhangs V RL). Zum anderen kann auch die strukturelle Zusammensetzung der betroffenen Personengruppe und ihre jeweilige Schutzbedürftigkeit eine Rolle spielen.201 Wenn schon im Rahmen der Lärmkartierung gemäß Ziffer 1 des Anhangs IV RL neben den allgemeinen Betroffenheitszahlen gesondert die Zahl der lärmbelasteten Schulen

200 201

So auch Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 81. Ähnlich Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47d BImSchG Rn. 13.

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6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

und Krankenhäuser dargestellt werden muss, legt dies nahe, dass auch im Rahmen der Aktionsplanung die besonderen Expositionsempfindlichkeiten von Kindern oder Kranken eigenständige Berücksichtigung finden können. Die Erkenntnis über das Vorliegen solcher besonderer Expositionsempfindlichkeiten wird sich dabei vor allem aus den Informationen über die Art der baulichen Nutzung im Plangebiet ergeben. Deshalb sollten auch das Vorliegen explizit ausgewiesener oder faktischer Baugebiete, die ja ihrerseits eine gestufte spezifische Schutzbedürftigkeit zum Ausdruck bringen, sowie das Vorkommen bestimmter einzelner sensibler Nutzungen als Gewichtungskriterien herangezogen werden. Eine solche Orientierung an Nutzungsgebieten lässt sich mit der gesetzlichen Begründungssäule des Vorliegens besonders wichtiger Bereiche trefflich rechtfertigen. Das Gewichtungsmerkmal des Vorliegens eines besonders wichtigen Bereiches lässt auch den angemessenen Einbezug von wenig belasteten Ruhezonen und Erholungsflächen innerhalb des Plangebietes zu. Insofern erhält die Ruhe indirekt eben doch eine Dimension202 oder wird wenigstens zur abwägbaren Größe. Gerade die planvolle Kombination mehrerer o. g. Einzelkriterien kann ein sinnvolles Mittel zur Ermittlung und Gewichtung des Lärmbelastungsbelangs darstellen. So weist der Leitfaden Schleswig-Holstein in beispielhafter Weise auf die Kombinationen von sehr hoher Belastung bei geringer zahlenmäßiger Betroffenheit, hoher Belastung bei hoher Betroffenheit und hoher Belastung durch Mehrfachexposition zur Bewertung von Lärmproblemen hin.203 Besonders eingehende Aufmerksamkeit ist bei der Ermittlung und Gewichtung des Belangs der Lärmbelastung wiederum denjenigen örtlichen Situationen zu widmen, deren Gesamtbelastung sich in der Lärmkarte schon nicht (und sei es nur annäherungsweise) durch einen Summenschalldruckpegel, sondern nur durch sprachliche Zusammenfassung beschreiben ließ. Gerade für die Ermittlung und Bewertung dieser Problemlagen kann die Anhörung der betroffenen Öffentlichkeit hilfreiche Anhaltspunkte liefern.204 b) Die städtebauliche Konzeption der Gemeinde Die Berücksichtigung der unterschiedlichen Schutzwürdigkeit einzelner Teilbereiche weist zugleich auf die bereits im obigen Beispielsfall 1 angesprochene städtebauliche Konzeption der Gemeinde als weiteren Belang hin. Konflikte 202 203 204

Vgl. oben, 5. Teil, Fn. 199. Leitfaden SH (5. Teil, Fn. 411), Nr. 2.4. Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 45.

C. Die inhaltlichen Anforderungen an die Lärmaktionspläne

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zwischen Lärmschutzzielen und städtebaulicher Konzeption können sich sowohl im Hinblick auf beabsichtigte als auch auf verwirklichte städtebauliche Vorstellungen ergeben. Schwerpunktmäßig treten diese Fälle auf, wenn die Lärmaktionsplanungszuständigkeit nicht in der Hand der Gemeinde selbst liegt. Maßgaben der Lärmaktionsplanung können in vielfältiger Weise in Widerspruch zu den Entwicklungswünschen der Gemeinde treten. Eine nach dem Willen des Lärmaktionsplans zu verändernde Verkehrsführung kann z. B. zu Verlagerungswirkungen führen, die Stadtumbaumaßnahmen i. S. d. § 171a Abs. 3 S. 2 Nr. 2 BauGB zu konterkarieren drohen. Die geforderte Errichtung von Schallschutzwänden oder -wällen kann örtlichen Festsetzungen widersprechen, die zu einer alleeähnlichen Baumanpflanzung oder einem optisch vorteilhafteren Lärmschutz durch Heckengürtel (§ 9 Abs. 1 Nr. 25 lit. a BauGB) führen sollen. Eine im Lärmaktionsplan vorgesehene Erhaltung von Freiflächen als Erholungsflächen kann mit dem Wunsch der Gemeinde auf Nachverdichtung oder Überplanung des Gebietes mit dem Ziel ausgeweiteter gewerblicher Nutzung kollidieren. Ein im Aktionsplan beabsichtigtes LKW-Durchfahrtsverbot für eine bestimmte Straße kann die Gemeinde um die ausreichende Erschließung ihres bestehenden Gewerbegebietes mit vielen verkehrsintensiven Zulieferungsbetrieben fürchten lassen. Der Beispiele sind viele denkbar. Ob und in welcher Weise die städtebauliche Konzeption als Belang bei der Lärmaktionsplanung berücksichtigt werden muss, lässt sich letztlich nur im konkreten Einzelfall bestimmen. Allgemein scheinen jedoch folgende Feststellungen zutreffend und angebracht. Jedenfalls in denjenigen Fällen, in denen die städtebaulichen Anliegen der Gemeinde wegen des Maßnahmencharakters der beabsichtigten Lösung nicht mehr in nachfolgenden Verfahren zur Geltung gebracht werden können (vgl. die obigen Beispiele 1 und 2), ist die städtebauliche Vorstellung der Gemeinde schon bei der Aktionsplanung zwingend als Belang zu berücksichtigen.205 Jenseits dessen, insbesondere bei Planungsbeiträgen des Aktionsplans, ist die städtebauliche Konzeption der Gemeinde umso mehr einzubeziehen, umso stärker sie durch den Aktionsplan berührt, beeinträchtigt oder gar vereitelt werden kann. Das gebietet die verfassungsrechtlich in besonderer Weise geschützte Planungshoheit der Gemeinde, die letztlich die Gesamtverantwortung für die städtebauliche Entwicklung trägt. Denn wiewohl Planungsbeiträge grundsätzlich in nachfolgenden Verfahren weggewogen werden können, ist doch eine erhebliche Gewichteverschiebung in dem nachfolgenden Planungsverfahren zu erwarten, sobald eine bestimmte Lösung durch einen Aktionsplan präferiert wird.

205 Zu den hieraus folgenden Beteiligungserfordernissen siehe näher unten E. II., S. 345.

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6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

Damit stellt sich jedoch die Frage nach dem erforderlichen Konkretisierungsgrad der Planungsvorstellungen der Gemeinde. Keine Probleme ergeben sich diesbezüglich, wenn ein entsprechender Bauleitplan in Kraft ist, ein städtebauliches Entwicklungskonzept oder sonstige städtebauliche Planungen i. S. d. § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB beschlossen wurden oder wenigstens ein Planaufstellungsbeschluss gefasst wurde. Gleichwohl kann dieses nicht als Mindestbedingung für eine Berücksichtigung des Belangs gefordert werden; denn anders als etwa beim Erlass einer Veränderungssperre oder einer Zurückstellung von Baugesuchen könnte sich eine solche Forderung auf keine gesetzliche Grundlage berufen. Auch die Ausgangssituation ist nicht vergleichbar: Während im Falle der Veränderungssperre und des Zurückstellens von Baugesuchen die Baufreiheit eines Anlagenwerbers als Ausfluss des Eigentums und die Planungshoheit der Gemeinde im Wettstreit stehen, steht der Planungshoheit der Gemeinde bei der Verabschiedung von Lärmaktionsplänen keine der Baufreiheit vergleichbare individuelle wehrfähige Grundrechtsposition gegenüber, sondern nur eine Planungsvorstellung einer anderen Behörde. Die Gemeinde befindet sich also vielmehr mindestens in einer Situation, in der die kommunale Selbstverwaltungsgarantie als wehrfähige Rechtsstellung206 beeinträchtigt zu werden droht, oder sogar – der zutreffenden bayerischen Verfassungsrechtsprechung207 folgend – in einer grundrechtstypischen Gefährdungslage, die besondere Rücksichten anderer Behörden erfordert. Somit kann auch eine bloße Willensbekundung der Gemeinde – etwa aufgrund Gemeinderatsbeschlusses – einen berücksichtigungspflichtigen Belang in das Verfahren einführen. Allerdings erscheint es auch hier angemessen, ähnlich wie bei der Bauleitplanung rechtswidrige oder missbräuchliche, rein negierende Verhinderungsbestrebungen ohne jegliche zugrunde liegende positive städtebauliche Vorstellung208 zum Ausschluss des Belanges aus dem Abwägungsvorgang führen zu lassen. Denn rechtswidrige oder rechtsmissbräuchliche „Belange“ können keine Berücksichtigung in einem rechtsstaatlichen Planungsverfahren beanspruchen. Die besondere verfassungsrechtliche Stellung der Gemeinden rechtfertigt auch eine privilegierte Behandlung ihrer Planungsabsichten im Verhältnis zu den Planungen anderer Planungsträger.209

206 Siehe hierzu etwa näher C. Kirchberg, Die kommunale Selbstverwaltungsgarantie als wehrfähiges Recht, in: Deutsches Anwaltsinstitut e. V. (Hrsg.), Brennpunkte des Verwaltungsrechts 2002, Referate der 8. Jahresarbeitstagung für Verwaltungsrecht in Berlin, 2002, S. 35 ff. 207 BayVerfGHE n. F. 29, 1 (5); 29, 105 (119 f.); 37, 101 (105 ff.); DVBl. 1978, 806 (808 f.); Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht, Rn. 43; a. A. BVerfGE 61, 82 (100 ff.). 208 Jäde, in: Jäde/Dirnberger/Weiß, § 1 BauGB Rn. 44–47 und § 14 BauGB Rn. 16. 209 Siehe hierzu unmittelbar im Anschluss unter c).

C. Die inhaltlichen Anforderungen an die Lärmaktionspläne

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c) Anderweitige Planungen und Planungsabsichten Die Lärmaktionspläne können freilich nicht nur die städtebauliche Konzeption der Gemeinde tangieren, sondern auch zu räumlichen Gesamt- und Fachplanungen anderer Planungsträger in Widerspruch treten. Solche anderweitigen Planungen sind, sofern sie nicht schon den Tatbestand eines gesetzlichen Planungsleitsatzes erfüllen,210 als Belange in der Abwägung zu berücksichtigen. Probleme bereiten in diesem Zusammenhang jedoch bloße Planungsabsichten. aa) Anderweitige Planungen Anderweitige Planungen sind zum einen die Grundsätze und sonstigen Erfordernisse der Raumordnung, die nach der ausdrücklichen Anordnung des § 47d Abs. 6 i.V. m. § 47 Abs. 3 S. 2, 2. Hs. BImSchG bei der Lärmaktionsplanung zu berücksichtigen sind. Dabei handelt es sich um die Begrifflichkeiten des § 3 Nr. 3 und 4 ROG.211 Ferner kommen nahezu sämtliche weiteren raumbezogenen Planungen als Abwägungsbelange in Betracht (vgl. Nr. 6 der LAI-Hinweise zur Lärmaktionsplanung). Das betrifft sowohl Bereiche der Maßnahmenplanung, als auch in besonders augenfälliger Weise die Verkehrsentwicklungs- und Umweltplanung. Die Berücksichtigung solcher anderweitiger Planungen als Belange im Rahmen der planerischen Abwägung ist in zweierlei Hinsicht geboten. Zum einen wird die Lärmaktionsplanung umso mehr Erfolg zeitigen können, als es ihr gelingt, mit diesen anderen Planungen koordinierte212 Lösungsansätze zur Lärmminderung aufzuzeigen. Dies gilt im Hinblick auf die politische Überzeugungskraft der Lärmaktionsplanung, wenn mit einer Maßnahme gleich mehrere Ziele befördert werden können, wie dies bei Lärmminderung und Luftreinhaltung signifikant der Fall sein soll.213 Durch die Verknüpfung mit anderweitigen Planungen, die wie beispielsweise die Luftreinhalteplanung aufgrund verbindlicher Grenzwerte eine noch höhere Durchsetzungskraft aufweisen, kann zudem die Realisierungschance der Aktionsplanfestsetzungen erhöht werden. Zum anderen sind die Lösungsvorstellungen des Lärmaktionsplans abwägend an den Bedürfnissen der anderen Planungen zu messen. Ein dem geltenden Luftreinhalteplan zuwiderlaufender Lärmaktionsplan kann sich zwar als abwägungsfehlerfrei er-

210

Siehe hierzu sogleich unter C. VI., S. 315. Vgl. auch S. Mitschang, Die Umgebungslärmrichtlinie und ihre Auswirkungen auf die Regional- und Bauleitplanung, ZfBR 2006, 430 ff. (439). 212 Vgl. Repkewitz, Probleme, VBlBW 2006, 409 (414 f.). 213 LAI-Hinweise zur Lärmaktionsplanung Nr. 6, S. 9; Heinrichs/Popp, Ruhe, Lärmbekämpfung 2008, 95 (99); R. Fröhlich/J. Richard, Lärmminderung und Luftreinhaltung in Neuruppin, Der Städtetag 6/2006, 26 ff. (26, 28). 211

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6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

weisen; an ihn werden jedoch höhere Begründungsanforderungen zu stellen sein als bei einem Gleichlauf mit dem Luftreinhalteplan. bb) Anderweitige Planungsabsichten Differenziert ist die Frage zu beantworten, ob und in welcher Weise bloße anderweitige Planungsabsichten zu berücksichtigen sind. Zweifelsohne sinnvoll und geboten ist die Berücksichtigung solcher Planungsabsichten, die auf eine Veränderung der tatsächlichen Situation gerichtet sind, beispielsweise straßen-, eisenbahn- oder luftverkehrsrechtliche Planfeststellungen. Schließlich verminderte es die Effizienz der Lärmaktionsplanung geradezu „schildbürgerhaft“, würde man die Aktionspläne auf einen in absehbarer Zeit nicht mehr zutreffenden Sachzustand hin konzipieren. Im Gegenteile sollte sich die Lärmaktionsplanung gerade im Hinblick auf bevorstehende Veränderungen zum Ziel setzen, gestalterisch lärmmindernde Vorschläge zu entwickeln, die dann im Rahmen der Planung bzw. Planfeststellung berücksichtigt werden müssen. So kann etwa auf die Art der infolge der Änderung anstehenden Lärmvorsorge gezielt Einfluss genommen werden. Insofern ist die Ausgangssituation gerade eine andere als z. B. bei der Lärmsanierung an Schienenwegen, wo bevorstehende Lärmvorsorgemaßnahmen aus haushälterischen Gründen zum Ausschluss von Lärmsanierungsmaßnahmen führen (§ 6 Abs. 3 S. 2 der Lärmsanierungsrichtlinie für Schienenwege). Ebenfalls zweckmäßig erscheint die bereits angesprochene Abstimmung mit anderweitigen Planungsabsichten, soweit dadurch ein Gleichklang der verschiedenen umweltschützenden Planungen erreicht werden soll. Problematisch ist demgegenüber, ob anderweitige Planungsabsichten als Belange berücksichtigt werden müssen, die Lösungsvorschlägen des Aktionsplans entgegenstehen könnten. Dann würde gleichsam nicht der zeitlich frühere Lärmaktionsplan einen maßgeblichen Belang in der späteren anderweitigen Planungsentscheidung bilden, sondern die noch nicht ergangene anderweitige Planungsentscheidung die Lärmaktionsplanung konterkarieren. Eine gesetzliche Regelung für solche Fälle gibt es nur für die Raumordnungsund Landesplanung als räumliche Gesamtplanung: Da der Gesetzgeber gemäß § 47d Abs. 6 i.V. m. § 47 Abs. 3 S. 2, 2. Hs. BImSchG die Berücksichtigung sonstiger Erfordernisse der Raumordnung angeordnet hat, sind darunter gemäß § 3 Nr. 4 ROG auch die in Aufstellung befindlichen Ziele der Raumordnung zu verstehen.214 Solche müssen also als Belang einbezogen werden. Im Umkehr-

214 Zur Anwendbarkeit der Begriffsdefinitionen des ROG vgl. Jarass, BImSchG, § 47 Rn. 33.

C. Die inhaltlichen Anforderungen an die Lärmaktionspläne

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schluss gilt dies nicht für in Aufstellung befindliche bloße Grundsätze der Raumordnung. Für anderweitige Planungen ist eine vorzeitige Berücksichtigungspflicht nicht gesetzlich angeordnet. Dabei handelt es sich auch nicht etwa um eine planwidrige Regelungslücke. Denn gemäß § 47d Abs. 6 i.V. m. § 47 Abs. 6 S. 2 BImSchG sollen die planungsrechtlichen Festlegungen der Lärmaktionspläne ja gerade Abwägungsmaterial für die zeitlich nachfolgenden Planungsentscheidungen hervorbringen. Darin liegt ja gerade der Verbesserungsansatz zugunsten des Lärmschutzes. Insofern verbietet sich eine vorzeitige Berücksichtigung entgegenstehender anderweitiger Planungsabsichten als ein gesetzlich nicht vorgesehener „vorauseilender Gehorsam“. Der Unterschied zu der oben bezüglich der städtebaulichen Konzeption der Gemeinde vertretenen Lösung rechtfertigt sich aus der besonderen verfassungsrechtlichen Stellung der Gemeinden, deren Planungsabsichten wegen des garantierten Selbstverwaltungsrechts und der grundrechtsähnlichen wehrfähigen Position gegenüber Eingriffen eine privilegierte Behandlung erfahren müssen. d) Gründe des allgemeinen Wohls Soweit sie nicht schon von den vorgenannten diversen Planungen erfasst werden, kommen auch sonstige Gründe des allgemeinen Wohls als berücksichtigungswürdige Belange in Betracht. Diese Belange können in eine dem Lärmschutz förderliche, aber auch in eine gegenteilige Richtung weisen. Hinsichtlich der dem Lärmschutz förderlichen Belange ist nicht zu vergessen, dass Lärmschutz bereits an sich mit seiner Zielsetzung der Sicherung eines hohen Umweltschutzniveaus, der damit verbundenen Minderung von Gesundheitsrisiken und der bezweckten Erhöhung der Lebensqualität einen gewichtigen Grund des allgemeinen Wohls darstellt. Die Allgemeinwohlbedeutung der Lärmminderung oder Vermeidung drohender Verlärmung darf bei der Gewichtung der Allgemeinwohlbelange keinesfalls übersehen werden. aa) Insbesondere Naturschutzbelange Flankierend hierzu ist an gleichlaufende Naturschutzbelange zu denken, etwa die mit einer Verkehrsberuhigung einhergehende Sicherung der Vielfalt, Eigenart und Schönheit sowie des Erholungswertes von Natur und Landschaft (vgl. nur § 1 Nr. 4 BNatSchG). Auch die Minderung der Belastungen für wild lebende Tiere durch eine Senkung des allgemeinen Lärmbelastungsniveaus (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 9 S. 2 BNatSchG) kann beispielsweise als positiv wirkender Belang in die Abwägung einbezogen werden. Straßenverkehrsbezogene Lärmschutzmaßnahmen können sich u. U. zugleich als sinnvoll für die Bekämpfung des klimafeindlichen CO2-Ausstoßes erweisen (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 6 BNatSchG).

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6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

Allerdings können naturschutzrechtliche Belange auch gegen die planerische Festsetzung bestimmter Lärmschutzmittel in Aktionsplänen streiten. So kann eine umfangreiche Errichtung von Schallschutzwänden entlang von Hauptverkehrsstraßen oder Haupteisenbahnstrecken vorhandene Naturbestände wie Wald, Hecken, Wegraine u. ä. beeinträchtigen (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 10 BNatSchG), den Lebensraum und die natürlichen Wanderungsbewegungen wild lebender Tiere durchtrennen (vgl. wiederum § 2 Abs. 1 Nr. 9 S. 2 BNatSchG) oder die erhaltenswürdige Landschaft optisch entwerten (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 13, 14 BNatSchG). Bei Vorliegen der weiteren tatbestandsmäßigen Voraussetzungen ist die für den Aktionsplan angedachte Maßnahme, die unvermeidbar in Natur und Landschaft eingreift, an der naturschutzrechtlichen Ausgleichsregelung des § 19 Abs. 2 BNatSchG zu messen.215 Die Minimierung solcher unvermeidbarer Eingriffe ist dabei wegen des Charakters der gesetzlichen Regelung als Optimierungsgebot mit besonderem Gewicht in der Abwägung zu berücksichtigen.216 Gegebenenfalls ist auf entsprechende Planaussagen bzw. das Erfordernis eines Begleitplans i. S. d. § 20 Abs. 4 S. 1 BNatSchG zu achten. bb) Insbesondere Mobilitätsbedürfnisse der Gesellschaft Der Mobilität kommt in der heutigen Gesellschaft ein hoher Stellenwert zu; Mobilität wird vielfach erwartet und ist deshalb weithin unverzichtbar geworden. Dies gilt für den privaten wie öffentlichen Bereich gleichermaßen.217 Die Verkehrsbedürfnisse der Gesellschaft haben sogar Verfassungsrang errungen (Art. 87e Abs. 4 GG). Umso wichtiger ist zugleich die möglichst allgemeinverträgliche Organisation der vielfältigen Mobilitätsbedürfnisse geworden, sei es im Rahmen des Straßen-, Schienen- oder auch Luftverkehrs. Soweit diese Aspekte nicht schon in Gestalt eines abgewogenen Fachplans in die Lärmaktionsplanungsabwägung eingebracht werden, sind auch die Mobilitätsbelange der Gesellschaft angemessen zu berücksichtigen. Auch hier gilt, dass die Einbeziehung in die Abwägung umso eher geboten ist, umso weniger die Belange in nachfolgenden Entscheidungsstadien noch zur Geltung gebracht werden können (insbesondere also bei Maßnahmenentscheidungen statt Planungsbeiträgen). In funktionaler Perspektive ist in diesem Zusammenhang vor allem an den öffentlichen Nah- und Fernverkehr, an den Individualverkehr sowie an das Transportwesen zu denken.

215

Siehe näher unten C. VI. 2., S. 316. BVerwG, NVwZ 1991, 69 (70). 217 Zum Charakter verkehrlicher Mobilität als Fortschrittssymbol und Existenzvoraussetzung der Industriegesellschaft sowie zu den Grenzen einer utilitaristischen Verkehrsmoral siehe schon Schulze-Fielitz, Grundprobleme des Verkehrsimmissionsschutzes, Die Verwaltung 26 (1993), 515 (515, 541). 216

C. Die inhaltlichen Anforderungen an die Lärmaktionspläne

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Die Funktionsfähigkeit öffentlicher Verkehrsmittel ist ein unmittelbar gemeinwohlbezogener Belang, da sie nicht nur sozialstaatlichen Bedürfnissen, sondern insbesondere infolge eines günstigen Einflusses auf den sog. „Modal Split“ der Verkehrsmittel auch dem Schutz vor Lärm und Abgasen dient.218 Hinzu treten positive Einflüsse auf die Leichtigkeit des Verkehrs insgesamt. Die Entlastungsfunktion der öffentlichen Verkehre ist dabei umso stärker, umso attraktiver das Verkehrsangebot sich darstellt. Insoweit können Lärmminderungsmaßnahmen mit Aspekten der Attraktivitätssteigerung in Konflikt geraten. Ein Tempolimit auf einem Schienenweg senkt regelmäßig die Lärmbelastung, führt aber zu längeren Fahrzeiten und damit erwartbar zu einer geringeren Entlastungswirkung des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs auf der Schiene. Ein ausnahmsloses LKW-Verbot für bestimmte Straßen kann zu einer Umleitung von Omnibuslinien mit längeren Fahrtzeiten führen oder in Folge der Verlagerung auf staugefährdete Strecken den Fahrplantakt durcheinander bringen. Ein Rückbau einer Straße zum Zwecke einer Verkehrsberuhigung und Geschwindigkeitsreduzierung kann zur Unpassierbarkeit der Straße mit überlangen Gelenkbussen führen, deren Einsatz aber zur Befriedigung der Fahrgastnachfrage erforderlich wäre. Solche und ähnliche Aspekte sind nach den Maßstäben des Einzelfalls als Belange des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs in der planerischen Abwägung zu berücksichtigen. Aber auch die Leichtigkeit des Individualverkehrs kann als allgemeinwohlbezogener Belang gebotener Bestandteil der Abwägung sein. Unbedachte Verkehrslenkungsmaßnahmen, die zu erhöhter Staubildung andernorts führen, können Anwohner und Umwelt spürbar belasten. Die Verkehrssicherheit kann betroffen sein, wenn ein LKW-Durchfahrtsverbot zu Verlagerungen auf eine Straße führt, an der sich mehrere Kindergärten und Schulgebäude mit ihrem typischerweise erhöhten Unfallrisiko befinden. Auf die Erhaltung der Erschließungsfunktionen bestimmter Straßenzüge wurde bereits im Rahmen der städtebaulichen Belange hingewiesen. Aus den luftverkehrsrechtlichen Planungsverfahren bekannt sind die widerstreitenden Belange zwischen Lärmschutz durch Flugbewegungsbegrenzung und dem Interesse an einer vielfältigen und möglichst unbehinderten Luftverkehrsanbindung des Einzugsbereichs eines Verkehrsflughafens oder Verkehrslandeplatzes. Auch diese Mobilitätswünsche in Verbindung mit der damit verbundenen Sinnhaftigkeit umfangreicher öffentlicher Investitionsausgaben können als Belange in die Abwägung aufzunehmen sein.

218 M. Fehling, Das Recht der Eisenbahnregulierung, in: J. Lüdemann (Hrsg.), Telekommunikation, Energie, Eisenbahn. Welche Regulierung brauchen die Netzwirtschaften?, 2008, S. 118 ff. (125), hinsichtlich der Schienenverkehre.

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6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

Nicht zuletzt ist auch an das in den letzten Jahren stetig zunehmende Frachtaufkommen zu denken. Insbesondere im Zusammenhang mit der Etablierung von Just-In-Time-Zulieferungen in der Industrie und der erfolgten Liberalisierung des innergemeinschaftlichen Handels, aber auch infolge des mit dem Siegeszug des Internets zunehmend beliebter gewordenen Fernabsatzgeschäfts sind zusätzliche Verkehre entstanden, für die eine möglichst zeitgenaue Abwicklung zum Kernbereich der Interessen gehört. Auch diese Warenströme werden durch Tempolimits auf Straße und Schiene, Einfahrtsverbote in Stadtzentren, verpflichtende Nutzung von Güterverkehrszentren zum Umladen von schweren LKW auf Transporter u. ä. tangiert. Nicht zu unterschätzen ist z. B. im Bereich des Schienenverkehrs, dass die Auslastung der Schienenwege bereits derzeit teilweise an ihre Kapazitätsgrenzen stößt.219 Verspätungen und Störungen im Betriebsablauf sind die Folge. Weitreichende Tempolimits auf den Strecken können zu einer Verschärfung dieses Problems beitragen. Besonders deutlich werden die widerstreitenden Ruhe- bzw. Mobilitätsbedürfnisse an der Anlieferungspraxis zahlreicher Einzelhändler. Damit die Anlieferung von Waren möglichst nicht zu Störungen der einkaufenden Kunden führt, ist vielfach die Anlieferung in frühen Morgen- oder späteren Abendstunden zu beobachten, was dem Ruhebedürfnis insbesondere in den Randzeiten des Tages zuwiderläuft. cc) Inbesondere der Schutz von Wirtschaft und Arbeitsplätzen Damit ist bereits ein ganz wesentliches Interesse der Wirtschaft angesprochen, deren möglichst reibungsloses Tätigwerden auch als solches im Allgemeininteresse liegt (vgl. nur § 1 Abs. 6 Nr. 8 lit. a BauGB). Umladevorgänge, Umleitungen und Zufahrtsbeschränkungen sowie das Abbilden von Ruhezeiten können wirtschaftlich deutlich abbildbare Kosten verursachen, zu deren Vermeidung der Rückzug von Verbrauchermärkten und anderen Betrieben aus den bewohnten Stadtbereichen zugunsten der „grünen Fläche“ ins Auge gefasst werden könnte. Dann wäre auch der Belang einer möglichst verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung tangiert. Auch die Anordnung entsprechender Bepflanzungen oder der Vollzug anderer Gestaltungsvorschriften können Kosten für die Wirtschaftsbetriebe entstehen lassen. Im Zusammenhang mit Verkehrsunternehmen ist an schwindende Fahrgastzahlen und entsprechend sinkende Umsätze bei verlängerten Fahrzeiten durch Geschwindigkeitsbeschränkungen zu denken. Allerdings können Belange der Wirtschaft auch positiv von Lärmminderungsmaßnahmen betroffen werden. Hohe Lärmbelastung bedeutet eine Wertminde219 Vgl. etwa BMVBS (Hrsg.), Bericht zum Ausbau der Schienenwege 2007, Stand: 31.12.2006, http://www.bmvbs.de/static/Schiene2007/Gesamtbericht.pdf (09.11.2008), Teil D 4., S. 129, S. 135 f.

C. Die inhaltlichen Anforderungen an die Lärmaktionspläne

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rung von Immobilien und Folgekosten zur Abhaltung des Lärms, beispielsweise durch Einbau von Schallschutzfenstern. Entsprechend kann eine Lärmminderung oder Vermeidung der Verlärmung Werte erhalten und Folgekosten vermeiden. Eine Schwarz-Weiß-Betrachtung nach dem Motto „Umweltschutz gleich Wirtschaftsschwächung“ wäre vor diesem Hintergrund nicht angemessen. Differenziert zu beantworten ist auch die Frage möglicher Auswirkungen von Lärmminderungsmaßnahmen auf die Erhaltung, Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen, einem Gemeinwohlbelang, der öffentliche Planungsträger in besonderer Weise zu beeinflussen imstande ist. Selbstverständlich wird gerade bei Beschränkungen umweltbelastender Handlungen der Wirtschaft unmittelbar der Einwand erhoben, dass hierdurch Arbeitsplätze in Gefahr gerieten. Zum Beispiel bei der Beschränkung des Luftverkehrs durch Nachtflugverbote an Großflughäfen mit entsprechenden Frachtdrehkreuzen sind solche Diskussionen durchwegs an der Tagesordnung. Trotz der grundsätzlichen Notwendigkeit, betroffene Allgemeinwohlbelange in der Abwägung zu berücksichtigen, ist bei der Frage des Arbeitsplatzschutzes jedoch zu bedenken, dass spürbare Auswirkungen bloßer Lärmminderungsmaßnahmen auf Arbeitsplätze nur in einzelnen wenigen Fällen in Betracht kommen werden. Einzelne Durchfahrtsverbote, die Anordnung bestimmter Begrünungen zum Schallschutz oder sonstige Einzelmaßnahmen erscheinen nicht als geeignet, ein Risiko für den Wegfall von Arbeitsplätzen darzustellen. Relevante Risiken werden voraussichtlich nur durch Entscheidungen wie das o. g. Nachtflugverbot o. ä. ausgelöst, die aber regelmäßig nur als Planungsbeiträge in die Lärmaktionspläne Eingang finden können. Eine Vorverlagerung der dort erforderlichen gesonderten Abwägung vom eigentlich dafür bestimmten Verfahren in die Lärmaktionsplanung erscheint weder sinnvoll noch geboten. Eine Berücksichtigung drohenden Arbeitsplatzverlustes wird deshalb nur in seltenen Ausnahmefällen in der Abwägung zum Lärmaktionsplan angezeigt sein. e) Private Belange In jeder rechtsstaatlichen Abwägung sind neben den öffentlichen Belangen betroffene private Belange angemessen zu berücksichtigen.220 Die Lärmaktionsplanung bildet dazu keine Ausnahme; auch durch sie können private Belange in vielfältiger Weise tangiert werden. Stärker noch als in früheren Jahrzehnten rücken private Belange in den Blickwinkel, seit das Instrument der Privatisierung und die Handlungsformen der Gewährleistungsverwaltung Einzug in das Handeln des Staates gehalten haben. In besonderer Weise wird dies am Beispiel der Eisenbahn als einer vormals klas220

BVerwG, NJW 1975, 841 (841 f., 843); BVerwGE 48, 56 (63 f.); 90, 329 (331).

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6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

sisch hoheitlichen Verwaltungsdomäne221, nunmehr aber als einer regulierten Netzwirtschaft deutlich. Nicht nur werden die Eisenbahnen des Bundes seither als Wirtschaftsunternehmen in privat-rechtlicher Form geführt (Art. 87e Abs. 3 S. 1 GG), auch wenn diese – nach der infolge der Kapitalmarktkrise 2008 ausgesetzten Privatisierung der Deutschen Bahn AG jedenfalls bis auf Weiteres – im Eigentum des Bundes stehen. Sondern auch im engsten Sinne private Eisenbahnverkehrsunternehmen haben Anspruch auf diskriminierungsfreien Netzzugang.222 Die Aufgabe der hoheitlichen Eisenbahnverkehrsverwaltung richtet sich daher wesentlich auf die Gewährleistung dieses Netzzugangsanspruchs über die Instrumente der Zugangsregulierung und der diese flankierenden Entgeltregulierung.223 Bei der Regulierungsverwaltung handelt sich um die Wettbewerbsherstellung und -sicherung in den Netzwirtschaften nach Kriterien der Marktgesetze, mithin um wettbewerbsbezogenes Verwaltungsrecht.224 Mit ihrem verstärkten Netzzugang treten folglich subjektive Nutzungsrechte Privater auf den Plan, die beispielsweise durch Geschwindigkeitsbeschränkungen auf einzelnen Schienenwegsabschnitten mit der Folge von Taktverlängerungen, verschärften Kapazitätsengpässen und folglich minderer Attraktivität für Fahrgäste und Transportkunden beeinträchtigt werden können. Eine einseitige Beschwer bestimmter Unternehmen (z. B. durch deren besondere Betroffenheit von einer bestimmten Maßnahme) kann abwägungsfehlerhaft sein. Insoweit treten heute private Belange und Einzelinteressen (mit möglichen Auswirkungen auf das Gemeinwohl) eigenständig neben den Gemeinwohlbelang der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verkehrssysteme, unter den in Zeiten der früheren hoheitlichen Eisenbahnverwaltung durch die Deutsche Bundesbahn auch die ersteren einheitlich subsumiert werden konnten. Als Kriterium zur Gewichtung der Belange drängt sich insofern neben dem Grad der Gemeinwohlauswirkungen der angedachten Lärmminderungslösung das Kriterium der Erhaltung einer diskriminierungsfreien Netznutzung auf. 221 Vgl. nur Art. 41–47 Reichsverfassung 1871, Art. 89–96 WRV; zuletzt siehe Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG i. d. F. bis 22.12.1993: „In bundeseigener Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau werden geführt (. . .) die Bundeseisenbahnen (. . .).“ Zu den zeitgenössischen verfassungsrechtlichen Einschätzungen der Bahnreform 1994 vgl. überblicksartig Uerpmann, in: I. von Münch/P. Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Band 3, 3. Aufl. 1996, Art. 87e Rn. 1 f. 222 Näher Fehling, Eisenbahnregulierung, S. 129 ff. 223 Anschaulich Vizepräsidentin der Bundesnetzagentur I. Henseler-Unger, Die Bundesnetzagentur als Regulierungsbehörde, in: J. Lüdemann (Hrsg.), Telekommunikation, Energie, Eisenbahn, S. 37 ff. (39 f., 42 ff., 48). 224 J. Masing, Zur Möglichkeit und Notwendigkeit übergreifender Grundsätze der Netzregulierung, in: J. Lüdemann (Hrsg.), Telekommunikation, Energie, Eisenbahn, S. 155 ff. (159, 161), der wegen der Einschlägigkeit zahlreicher aus dem Verwaltungsrecht bekannter Konstellationen für die Netzregulierung eine Vereinheitlichung des Rechtsschutzes und dessen Ansiedlung bei der Verwaltungsgerichtsbarkeit fordert (166 f.).

C. Die inhaltlichen Anforderungen an die Lärmaktionspläne

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Ähnliche Fragen stellen sich bei Nachtflugverboten und vergleichbaren luftverkehrlichen Maßnahmen hinsichtlich der Vergabe der Nutzungsrechte für einzelne Fluggesellschaften. Aber auch jenseits der regulierten Netzwirtschaften und des Flugverkehrs sind private Betroffenheiten denkbar. Beispielsweise kann es die Belegenheit eines planungsrechtlich zulässigen Betriebsgeländes einer Frachtspedition oder eines Omnibusunternehmens erforderlich machen, bei einem von der aktionsplanenden Gemeinde, die zugleich Straßenverkehrsbehörde ist, beabsichtigten LKW-Durchfahrtsverbot für die das Grundstück erschließende Straße Ausnahmen zuzulassen. Jedenfalls sofern derartige Auswirkungen nicht zum Gegenstand nachfolgender Planungsverfahren gemacht werden können, sind die so berührten privaten Belange – wenn möglich – wiederum bereits in der Lärmaktionsplanungsabwägung zu berücksichtigen, etwa die Ermessenserwägungen der sich selbst bindenden Gemeinde im letztgenannten Beispiel bereits im Rahmen der Lärmaktionsplanung anzustellen. f) Kostengesichtspunkte Gemäß Ziffer 1 des Anhangs V RL müssen die Lärmaktionspläne finanzielle Informationen enthalten, falls solche verfügbar sind. Beispielhaft sind in diesem Zusammenhang die Stichworte Finanzmittel, Kostenwirksamkeitsanalyse und Kosten-Nutzen-Analyse aufgezählt. Wiewohl es sich bei dieser Bestimmung des Anhangs nur um eine Formvorschrift handelt, weisen die genannten Stichworte doch auf einen gewichtigen Gemeinwohlbelang hin: die Kosten, die durch das Planergebnis in der einen oder anderen Planungsvariante hervorgerufen werden. Seit langem sind in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Kostengesichtspunkte als ein berücksichtigungsfähiger öffentlicher Belang, dem durch das Wirtschaftlichkeits- und Sparsamkeitsgebot des § 7 BHO Gewicht verliehen worden sei, für Planungsverfahren anerkannt.225 Entsprechende Aufforderungen zu wirtschaftlichem und sparsamem Handeln finden sich auch in den Haushaltsordnungen (z. B. Art. 7 Abs. 1 S. 1 BayHO) und dem Kommunalrecht der Länder (z. B. Art. 61 Abs. 2 S. 1 BayGO). Es ist also in der Tat davon auszugehen, dass es sich rechtlich um eine auf allen Ebenen öffentlichen Handelns geltende Maßgabe des jeweiligen Gesetzgebers handelt, um einen sachgerechten Mitteleinsatz zu gewährleisten. Die praktische Bedeutsamkeit der Haushaltsaspekte steht ohnehin außer Frage. Daraus folgt zwar nicht, dass finanzielle Gesichtspunkte ohne weiteres zur „Eindampfung“ jeglicher Lärmminderungsbestrebungen führen könnten. Eine 225

BVerwGE 71, 163 (166); NVwZ-RR 1989, 458 (459); NVwZ 1993, 362 (364).

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6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

§ 41 Abs. 2 BImSchG entsprechende Vorschrift gibt es für die Lärmaktionsplanung nicht. Die Planungspflicht besteht auch in angespannten Haushaltslagen. Jedoch ist es auch aus planerischer Sicht durchaus sinnvoll, gerade in unübersichtlichen Interessenlagen den Blick intensiv auf Nutzen-Kosten-Analysen zu richten. Der Nutzen-Parameter zeigt sinngemäß, was an qualitativer Verbesserung der Lärmsituation erreichbar ist; der Kosten-Parameter kennzeichnet, in welchem Zeitraum dies verwirklicht werden kann. Zu Recht wird man deshalb von einer planerischen Abwägung, die sich für eine gleichermaßen wirksame planerische Lösung mit höherem Mittelbedarf oder eine gleich teuere Lösung mit geringerer Wirksamkeit entscheidet, ein erhebliches Maß an Begründungsführung erwarten müssen.226 Die Betrachtung der ausgelösten Kosten sollte sich freilich nicht nur auf die unmittelbaren Investitionskosten beschränken. Dies wäre zu kurz gegriffen. Denn auch die ungeminderte Lärmbelastung führt zu materiellen und immateriellen, aber wirtschaftlich darstellbaren Kosten, die im Rahmen der Lärmminderung sinken können und somit bei einer an Nachhaltigkeitsgesichtspunkten orientierten Abwägung in die Kosten-Nutzen-Analyse einbezogen werden sollten.227 Insoweit spielt auch die erhobene Zahl der betroffenen Personen eine wichtige Rolle.228 Die Kosten der Maßnahmen verringern sich im Rahmen der Kosten-NutzenAnalyse weiter, wenn man die Synergieeffekte einbezieht, die entstehen, wenn durch dieselben Maßnahmen verschiedene Planungsziele gleichzeitig erreicht werden können (z. B. Senkung der PM10-Belastung).229 g) Kein eigenständiger Belang der Öffentlichkeitsbeteiligung Hingegen stellt die Öffentlichkeitsbeteiligung als solche keinen abwägungsrelevanten Belang dar, auch wenn die Richtlinie das Protokoll der öffentlichen Anhörungen gemäß Art. 8 Abs. 7 RL zu einem zwingenden Bestandteil des Lärmaktionsplans erhebt (Ziffer 1 des Anhangs V RL). Dabei handelt es sich lediglich um eine Formvorschrift, die die – zentrale – Verfahrensvorschrift einer intensiven Öffentlichkeitsbeteiligung flankiert.230 Selbstverständlich ist die Meinung der Öffentlichkeit im Rahmen der Aktionsplanung gefragt. Sie ist sogar ein ganz wesentlicher Baustein im Konzept 226 Vgl. auch Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 55: Bindung der Maßnahmen zur Lärmminderung an Effizienz- und Effektivitätsüberlegungen. 227 Unter Anführung etlicher instruktiver Beispiele so auch die LAI-Hinweise zur Lärmaktionsplanung Nr. 10. 228 Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 56. 229 Heinrichs/Popp, Ruhe, Lärmbekämpfung 2008, 95 (98). 230 Siehe hierzu näher unten E. III., S. 347.

C. Die inhaltlichen Anforderungen an die Lärmaktionspläne

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der Lärmminderungsplanung und soll als Movens gegenüber den zuständigen Behörden zugunsten einer ambitionierten Planung und einer raschen Verwirklichung der Lärmminderungsmaßnahmen wirken. Die Anregungen der interessierten Öffentlichkeit mit ihrer intensiven Ortskenntnis, die diejenige der Behörden oftmals übersteigt, sollten auch intensiv bei der Einstellung dessen, was nach Lage der Dinge als Belang in die Abwägung einzustellen ist, bedacht werden. Dabei geht es aber um die Nutzbarmachung besonderer Kenntnisse, etwa um das Aufdecken verborgener Problemlagen, nicht aber um einen Belang der „öffentlichen Meinung“, der zur Gewichtung der ermittelten Belange heranzuziehen oder gar als weiterer Belang neben und gegen die wie beschrieben ermittelten Belange zu stellen wäre. Eine solche Einbeziehung und Gewichtung der eingereichten Äußerungen im Sinne eines „öffentlichen Willens“ oder eines „Volksempfindens“ ist einer rechtsförmlichen Planungsentscheidung zu Recht fremd. Denn eine gerechte Abwägung kann ihre Legitimation nur aus einer sachlich zutreffenden und angemessenen Gewichtung der relevanten Belange beziehen, nicht aus einer diffusen Wertung „auf Zuruf“ oder aus einer Gewichtung nach der „Lautstärke“ und strukturellen Konfliktfähigkeit derjenigen, die ihre Interessen vorgetragen haben. Wesentlich ist für die Planung als Verwaltungsentscheidung demgegenüber die staatliche Kompetenzordnung nach den gesetzlichen Regelungen, wie auch das Bundesverfassungsgericht aus anderem Anlass hervorgehoben hat.231

VI. Die Beachtung von Planungsleitsätzen Jeder Abwägung entzogen und stattdessen einer strikten Beachtenspflicht unterworfen sind gesetzliche Planungsleitsätze.232 Solche bestehen auch für die Lärmaktionsplanung. Beispielhaft sei auf die Ziele der Raumordnung und auf das Verbot vermeidbarer Natureingriffe hingewiesen. 1. Die Ziele der Raumordnung Gemäß § 47d Abs. 6 i.V. m. § 47 Abs. 3 S. 2, 1. Hs. BImSchG sind bei der Aufstellung der Lärmaktionspläne die Ziele der Raumordnung zu beachten. Ziele der Raumordnung sind gemäß § 3 Nr. 2 ROG233 verbindliche Vorgaben in Form von abschließend abgewogenen Festlegungen in Raumordnungsplänen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raums. Schon aus dieser Begriffsdefinition ergibt sich, dass die Festlegungen, da bereits abschließend abgewogen,

231

BVerfGE 8, 104 (115 f.). Siehe schon oben die Nachweise im 1. Teil, B. II. 1. b), insb. S. 38 mit Fn. 104. 233 Zur Anwendbarkeit der Legaldefinitionen des ROG siehe Jarass, BImSchG, § 47 Rn. 33. 232

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6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

keiner weiteren Abwägung unterzogen werden dürfen, es sich mithin um einen gesetzlichen Planungsleitsatz handelt.234 Die Anordnung der Beachtenspflicht durch § 47d i.V. m. § 47 BImSchG stellt eine Spezialregelung zu § 4 Abs. 1 ROG dar, der insoweit verdrängt wird. Grundsätze und sonstige Erfordernisse der Raumordnung sind demgegenüber nur als Abwägungsbelange in der Abwägung zu berücksichtigen.235 2. Das Verbot vermeidbarer Natureingriffe Auch das Gebot des § 19 Abs. 1 BNatSchG, vermeidbare Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu unterlassen, ist als striktes Recht und mithin als Planungsleitsatz anzusehen.236 Für die Lärmaktionsplanung kann dieser Planungsleitsatz jedenfalls grundsätzlich von Bedeutung sein, da der Lärmaktionsplan behördliches Handeln anstoßen soll und der Eingriff somit ggf. im Sinne des § 20 Abs. 1, 2. Alt. BNatSchG von einer Behörde durchgeführt wird.

VII. Die Festlegung von Maßnahmen als Kernstück der Aktionsplanung Die Festlegung von Maßnahmen stellt das Kernstück der Lärmaktionsplanung dar und steht damit zugleich im Zentrum der gesamten Lärmminderungsplanung.237 1. Die Vielfalt rechtmäßiger Möglichkeiten Den Planungsverantwortlichen steht eine breite Vielfalt von Möglichkeiten zur Verfügung, um lärmmindernde Festsetzungen im Lärmaktionsplan zu treffen. Bereits die Umgebungslärmrichtlinie selbst nennt in Ziffer 2 ihres Anhangs V etliche Maßnahmen, die im Rahmen der Lärmaktionsplanung in Betracht kommen können. Ausdrückliche Erwähnung finden dort die Verkehrsplanung, die Raumordnung, auf die Geräuschquelle ausgerichtete technische Maßnah-

234 BVerwG, NVwZ 1993, 167 (167 f.); 4 BN 5/04 vom 17.06.2004, Juris, Rn. 11; ebenso Hoppe/Beckmann/Kauch, Umweltrecht, § 7 Rn. 63; anders für § 35 Abs. 3 BauGB wegen des enthaltenen Ausnahmevorbehalts BVerwG, NVwZ 2003, 738 (741). 235 Siehe hierzu schon oben C. V. 2. c) aa), S. 305. 236 BVerwG, NVwZ 1991, 69 (70); NVwZ 1993, 565 (568); zustimmend Hoppe/ Beckmann/Kauch, Umweltrecht, § 15 Rn. 78; a. A. noch Hess. VGH, NVwZ 1988, 1040 (1044): bloße Abwägungsdirektive. 237 Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47d BImSchG Rn. 14; Schulze-Fielitz, Umgebungslärm, Jahrbuch Umwelt- und Technikrecht 2008, S. 28; Scheidler/Tegeder, in: Feldhaus, § 47d BImSchG Rn. 25.

C. Die inhaltlichen Anforderungen an die Lärmaktionspläne

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men, die Wahl von Quellen mit geringerer Lärmentwicklung, die Verringerung der Schallübertragung sowie verordnungsrechtliche oder wirtschaftliche Maßnahmen oder Anreize. Dieser Katalog der Ziffer 2 des Anhangs V RL ist bereits sehr umfassend gehalten, aber seinerseits nicht abschließender Natur, wie der Einleitungssatz deutlich macht („zum Beispiel“).238 Darüber hinaus können etwa auch Maßnahmen der Verkehrslenkung239, der Bauleitplanung o. ä. in Frage kommen.240 Nicht in diesem Beispielskatalog enthalten sind Anforderungen an den produktbezogenen Lärmschutz. Die auf die Geräuschquelle ausgerichteten technischen Maßnahmen beziehen sich vielmehr auf Maßnahmen des aktiven Lärmschutzes wie z. B. Einhausungen der emittierenden Anlagen. Das ist insofern folgerichtig, als die örtlichen Planungsverantwortlichen regelmäßig ohnehin keinen Einfluss auf Produktvorschriften haben. Da nach treffender Formulierung von Schulze-Fielitz Lärmminderungsplanung Verwaltung im Rahmen der Gesetze, keine Aufforderung zu gemeindlicher Rechtspolitik auf Bundes- oder Landesebene ist,241 bleibt den Planungsverantwortlichen nur ein Rückgriff auf die ebenfalls angesprochene Wahl geräuschärmerer Produkte, etwa bei der Zusammenstellung des öffentlichen Fuhrparks. Was jenseits dieser Beschränkung mit der Maßgabe gemeint sein soll, dass die zuständigen Behörden „jeweils für ihren Zuständigkeitsbereich“ bestimmte Maßnahmen in Betracht ziehen können, bleibt unklar. Dieser Hinweis ist an sich schon deshalb unangebracht, da sich die Richtlinien der EG nur an den Mitgliedstaat als solchen richten (Art. 249 Abs. 3 EGV), die innerstaatliche Zuständigkeitsordnung diesen aber im Rahmen der Umsetzung zur freien Regelung überlassen bleibt. § 47d BImSchG enthält gegenüber den Richtlinienbestimmungen keine eigenständigen Festlegungen, die den Kreis der in Betracht kommenden Maßnahmen beschränken oder erweitern würden. Vielmehr lehnt sich § 47d Abs. 1 S. 3 BImSchG fast wortwörtlich an die Formulierung des § 8 Abs. 1 S. 2 RL an. Das erklärt wohl auch, weshalb in § 47d Abs. 1 S. 3 BImSchG fälschlich nur „Maßnahmen“ Erwähnung finden, nicht aber die Planungsbeiträge. Die Unterscheidung von Maßnahmen und Planungsbeiträgen wird schließlich nicht erst bei der Durchsetzung der Lärmaktionspläne im Zusammenhang mit der unterschiedlichen Bindungskraft von Maßnahmen und Planungsbeiträgen gemäß § 47d Abs. 6 i.V. m. § 47 Abs. 6 BImSchG bedeutsam; vielmehr kann die Einstufung eines Lösungsansatzes als Maßnahme oder Planungsbeitrag wegen der unterschiedlichen Möglichkeit, im weiteren Verlauf noch Belange zu berück238 So auch Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 58 f.; Stettner, in: Ule/ Laubinger, § 47d BImSchG Rn. C 4. 239 Vgl. hierzu auch die Begriffsbestimmung bei Repkewitz, Probleme, VBlBW 2006, 409 (415) m. Fn. 75. 240 Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 59 und 67 ff. 241 Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 61.

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6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

sichtigen, wie bereits gezeigt für die Abwägung maßgeblich werden. Desweiteren kann sich derselbe reale Vorgang (z. B. das Aufbringen offenporigen Asphalts) nach dem jeweiligen Anlass und den rechtlichen Umständen des Einzelfalls in einem Fall als bloße Maßnahme und im anderen Fall als Planungsbeitrag darstellen; die planerische Gestaltungsfreiheit der Lärmaktionsplaner ist jedoch in beiden Fällen zu betätigen. Deshalb ist der Begriff der „Maßnahme“ in § 47d Abs. 1 S. 3 BImSchG als Oberbegriff für jegliche Festsetzung des Lärmaktionsplanes zu verstehen.242 Dass der Begriff der „Maßnahme“ ohne terminologische Rücksicht auf die Begriffsunterscheidung des § 47 Abs. 6 BImSchG in § 47d Abs. 1 S. 3 BImSchG übernommen wurde, stellt lediglich ein weiteres Beispiel für die unselige Praxis des bloßen Abschreibens europarechtlicher Vorschriften im Sinne einer unterkomplexen, falsch verstandenen „1:1“-Umsetzung dar.243 Schon ein kurzer Blick auf die beispielhaften Maßnahmenkategorien der Ziffer 2 des Anhangs V RL offenbart im Übrigen, dass die Lärmaktionsplanung die herkömmlichen Grenzen des Ressortdenkens sprengt.244 Die Aufgabenbereiche unterschiedlichster Verwaltungsträger und unterschiedlichster Einzelbehörden können betroffen sein. Das erfordert eine kooperative und abgestimmte Vorgehensweise in der Planungspraxis, konstruktives Miteinander anstelle eines destruktiven Gegeneinander der Behörden.245 Insoweit stellen sich allerdings Fragen hinsichtlich der Rechtsverbindlichkeit der Aktionsplanung für Behörden anderer Verwaltungsträger.246 Mangels sonstiger Einschränkungen kommt jegliches staatliche oder kommunale Handeln als „Maßnahme“ für Lärmaktionspläne in Betracht. Dieses Handeln kann gleichermaßen rechtsetzend wie rechtsvollziehend, allgemein- wie einzelfallbezogen, rechtsförmig wie Realakt, planerischer Beitrag wie nichtplanerischer Akt sein.247 Es kann kurz-, mittel- und langfristig angesetzt sein.248 Erforderlich ist nur die Eignung zur Lärmminderung oder zum Schutz vor zusätzlicher Verlärmung, die technisch nicht realisierbare Festsetzungen im Gegenzug verbietet.249 Die einzelnen Maßnahmen und Planungsbeiträge sollen dabei, wie sich schon Ziffer 1 des Anhangs V RL entnehmen lässt, jedoch nicht wahllos kombiniert 242 Gleiches Begriffsverständnis bei Cancik, Verzahnung von Planungsinstrumenten, DVBl. 2008, 546 (549): Maßnahmen im engeren bzw. weiteren Sinne. 243 Siehe auch die berechtigte harsche Kritik von Cancik, Verzahnung von Planungsinstrumenten, DVBl. 2008, 546 (549) mit Fn. 22. 244 Heinrichs/Popp, Ruhe, Lärmbekämpfung 2008, 95 (97). 245 Siehe hierzu auch Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 12. 246 Siehe hierzu unten G. I., S. 369. 247 Vgl. Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47d BImSchG Rn. 14; Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 60. 248 LAI-Hinweise zur Lärmaktionsplanung Nr. 12. 249 Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 66.

C. Die inhaltlichen Anforderungen an die Lärmaktionspläne

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werden, sondern einer langfristigen Überlegung folgen.250 Eine Gesamtstrategie ist schon deshalb vonnöten, weil sich nach den Erkenntnissen der Praxis Verbesserungen regelmäßig nur durch eine Kombination mehrerer Maßnahmen erreichen lassen.251 Eine Einschränkung freilich gibt es: Die vorgesehenen Maßnahmen dürfen nicht gegen geltendes Recht verstoßen.252 Insbesondere muss für die rechtmäßige Festsetzung von Maßnahmen, die Eingriffscharakter haben, wenigstens grundsätzlich (d.h. vorbehaltlich der Prüfung in konkreten Einzelfällen durch die vollziehende Behörde) eine anderweitige Eingriffsbefugnis als Rechtsgrundlage in Betracht kommen. § 47d BImSchG verleiht den Planungsverantwortlichen nach allgemeiner Auffassung keine eigenständigen Eingriffsbefugnisse.253 Die Durchsetzung von Maßnahmen mit Eingriffscharakter ist somit gemäß Art. 20 Abs. 3 GG davon abhängig, dass den Umsetzungsverpflichteten im Rahmen ihres Aufgabenbereichs eine entsprechende Rechtsgrundlage (etwa aus dem Immissionsschutz-, Straßen-, Straßenverkehrs- oder allgemeinen Ordnungsrecht) zur Verfügung steht. Art. 20 Abs. 3 GG kommt insoweit eine Fernwirkung auch für die Aktionsplaner zu. Ersichtlich rechtswidrige Festsetzungen, für die sich im geltenden Recht keine Grundlage findet, darf die Aktionsplanungsbehörde nicht vornehmen. Ein (durchaus denkbares) politisches „Vor-sich-her-Treiben“ vermeintlich zögerlicher anderer Träger öffentlicher Verwaltung in Bezug auf deren Zuständigkeiten mit dem rechtlichen Mittel der Planung wäre u. U. ein Verstoß gegen das Gebot gesetzmäßiger Verwaltung (ggf. in Verbindung mit Erwägungen bundesfreundlichen Verhaltens und der daraus folgenden Pflicht aller Verwaltungsträger zu gemeinschaftsfreundlichem Verhalten).254 Auch hier gilt das o. g.

250

Dies betonend auch Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 54. Fröhlich/Richard, Lärmminderung Neuruppin, Der Städtetag 6/2006, 26 (27); Heinrichs/Popp, Ruhe, Lärmbekämpfung 2008, 95 (100). 252 BVerwG, 4 BN 38/05 vom 16.03.2006, Juris = ZfBR 2006, 468: Unzulässigkeit einer Planung mangels städtebaulicher Erforderlichkeit, „wenn sie sich als nicht vollzugsfähig erweist, weil ihr auf unabsehbare Zeit unüberwindliche rechtliche oder tatsächliche Hindernisse im Wege stehen“; ebenso BVerwG, NVwZ 2004, 856 (856); NVwZ 2002, 1509 (1510). Vgl. auch Jarass, BImSchG, § 47d Rn. 7; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 1 BauGB Rn. 35. 253 Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47d BImSchG Rn. 28; Repkewitz, Probleme, VBlBW 2006, 409 (416); Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 89; Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47d BImSchG Rn. G 2; Wysk, in: Giesberts/Reinhardt, § 47d BImSchG Rn. 17 f. 254 BVerwG, NJW 1990, 266 (266); zum Erfordernis bundesfreundlichen Verhaltens siehe näher Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Abschn. IV Rn. 119 f.; siehe ferner Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 16 und 18. Vgl. auch die Erwägungen in BVerfGE 8, 104 (116 f.); 8, 122 (137 f.), aus Anlass von Volksbefragungen als politischem Druckmittel. 251

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6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

Wort, wonach Lärmminderungsplanung Verwaltung im Rahmen der Gesetze, nicht Aufforderung zur Rechtspolitik ist.255 2. Die Festsetzungsmöglichkeiten im Einzelnen Im Nachfolgenden sind einige denkbare Festsetzungen in Lärmaktionsplänen zu erläutern. Einen Anspruch auf Vollständigkeit erheben die Ausführungen nicht. Welche Maßnahme recht- und zweckmäßig ist, richtet sich stets nach den Besonderheiten des Einzelfalles. Allerdings lassen sich einige Hauptbetätigungsfelder für die Planungsverantwortlichen herausarbeiten. Wertvolle Anregungen für die Praxis bieten insbesondere auch die LAI-Hinweise zur Lärmaktionsplanung.256 Vorrangig empfehlen sich Maßnahmen des aktiven Schallschutzes an der Schallquelle bzw. auf dem Ausbreitungswege, da sie zu einer Verringerung der Lärmbelastung insgesamt und nicht nur wie passiver Schallschutz zu einer bloßen Abschirmung von Innenräumen zur Vermeidung verkehrslärmbedingter Kommunikations- oder Schlafstörungen257 führen.258 Gegebenenfalls ist aber hilfsweise259 auch passiver Schallschutz sinnvoll.260 Da etliche rein tatsächliche Lärmminderungsschritte je nach Lage des Einzelfalls im Lärmminderungsplan als Maßnahme oder als Planungsbeitrag enthalten sein können, orientiert sich die nachfolgende Übersicht an Handlungsfeldern, nicht so sehr nach der rechtlichen Qualifizierung des Instruments oder gar der Zuständigkeit hierfür. Dabei trägt die Darstellung dem Umstand Rechnung, dass insbesondere der Straßenverkehrslärm als Hauptverursacher der Lärmprobleme in den Ortschaften angesehen werden muss.261 a) Straßen- und Schienenunterhaltung Spürbare Lärmsenkungen können schon durch Unterhaltungsmaßnahmen am vorhandenen Straßen- und Schienenbestand erreicht werden. Schadhafte Fahr255

Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 61. Siehe im Übrigen die Beispiele bei Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 58 ff., 67 ff.; Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47d BImSchG Rn. 14; Scheidler/Tegeder, in: Feldhaus, § 47d BImSchG Rn. 25 ff.; Wysk, in: Giesberts/Reinhardt, § 47d BImSchG Rn. 19; Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47d BImSchG Rn. C 4. 257 BVerwG, NJW 1995, 2572 (2573). 258 LAI-Hinweise zur Lärmaktionsplanung Nr. 12; Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 64; Scheidler/Tegeder, in: Feldhaus, § 47d BImSchG Rn. 25. 259 Insofern sollte der aus § 41 ff. BImSchG bekannte Grundsatz des Vorrangs aktiver vor passiver Schallschutzmaßnahmen (vgl. die Nachweise im 1. Teil, Fn. 149 ff.) auch hier Nachahmung finden. 260 Beispiel bei Wiechers, Lärmminderung Düsseldorf, Lärmbekämpfung 2008, 102 (104). 261 Fröhlich/Richard, Lärmminderung Neuruppin, Der Städtetag 6/2006, 26 (26). 256

C. Die inhaltlichen Anforderungen an die Lärmaktionspläne

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bahndecken, unnötig viele Fugen und häufige Belagwechsel erhöhen die Lärmbelastung der Anwohner und können zugleich zu einer höheren PM10-Belastung beitragen.262 Deshalb ist die Sanierung lärmintensiver Beläge als sehr effektiv einzuschätzen. Neben bloßen Ausbesserungen gilt dies im Besonderen für den Einsatz offenporigen „Flüster“-Asphalts gegenüber herkömmlichem Asphalt wie auch für den Einsatz herkömmlichen Asphalts anstelle einer Pflasterung.263 Bei städtebaulichen Gründen für einen Pflasterbelag sind Betonsteinpflaster lärmgünstiger als Natursteine.264 Solche Sanierungsmaßnahmen lösen zwar Investitionserfordernisse bei Staat und Kommunen aus. Jedoch ist zu bedenken, dass eine frühzeitige, wenigstens aber haltbarkeitsgerechte Unterhaltung der Straßen auch der Erhaltung des darin verkörperten öffentlichen Anlagevermögens dient. So hat der Bayerische Oberste Rechnungshof in seinem Jahresbericht 2004 den zu geringen Mitteleinsatz für die Bestandserhaltung (scil. Instandsetzung und Erneuerung) der 13.600 km Staatsstraßen in Bayern mit über 4.500 Brücken gerügt. Zur Erhaltung des auf 11 Mrd. Euro berechneten Anlagevermögens forderte der BayORH den Einsatz von wenigstens 1% des Anlagevermögens pro Jahr; der tatsächliche Einsatz von nur 0,5% habe zu einem Substanzwertverlust von 1996 bis 2003 um 7% geführt. Auch bei der bloßen Instandsetzung, insbesondere der Versiegelung ausgemagerter und rissiger Fahrbahndecken zur Vermeidung von Frostschäden, müsse eine Straßendecke fast 36 Jahre halten, obwohl eine Fahrbahndecke an sich alle 15 bis 20 Jahre zu verbessern sei.265 Angesichts der allgemeinen Haushaltsprobleme von Bund, Ländern und Gemeinden in den vergangenen Jahren ist zu befürchten, dass der Straßenzustand bei anderen Straßenbaulastträgern nicht besser ist. Das zeigt einerseits den hohen Investitionsbedarf auf, verdeutlicht aber zugleich, welche immensen Lärmminderungschancen in den Maßnahmen der kommenden Jahre stecken. Ähnliches gilt für den Bereich des Schienenbestandes der Eisenbahnen und Straßenbahnen. Auch hier ist eine Lärmminderung durch regelmäßiges Ausbessern schadhafter Stellen, Resonanzdämpfung an Fahrwegen und Brücken, Vermeidung von Körperschall, akustisch optimiertes Rad- und Schienenschleifen

262 Fröhlich/Richard, Lärmminderung Neuruppin, Der Städtetag 6/2006, 26 (27); LAI-Hinweise zur Lärmaktionsplanung Nr. 12.1.2.4 a. E. 263 LAI-Hinweise zur Lärmaktionsplanung Nr. 12.1.2.4; Nozon, LMP, Lärmbekämpfung 2008, 108 (110); Beispiel zur Geräuschminderung bei Wiechers, Lärmminderung Düsseldorf, Lärmbekämpfung 2008, 102 (104). 264 Fröhlich/Richard, Lärmminderung Neuruppin, Der Städtetag 6/2006, 26 (27); LAI-Hinweise zur Lärmaktionsplanung Nr. 12.1.2.4. 265 Bayerischer Oberster Rechnungshof, Jahresbericht 2004, http://www.orh. bayern.de/files/Jahresberichte/2004/Jahresbericht2004.pdf (12.11.2008), Abschnitt 22, S. 71 ff.

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6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

sowie Schienenschmieren in Gleisbögen möglich.266 Für Nahverkehrsbahnen kommt auch der Einsatz des Rasengleises anstelle des Schottergleises in Betracht.267 b) Verkehrsvermeidung und Verkehrslenkung Ein besonders großes Lärmminderungspotenzial liegt in der Verkehrsvermeidung und Verkehrslenkung. Die Verkehrsvermeidung ist dabei allerdings auf örtlicher und regionaler Ebene nur eingeschränkt möglich. Zwar können attraktive Nahverkehrsangebote mit geeigneten Umsteigestationen vom Individualverkehr und flächendeckende Radwegenetze auf lange Sicht zu einer Veränderung des Modal-Split zugunsten umweltverträglicher Verkehrsmittel beitragen, wodurch der motorisierte Individualverkehr teilweise vermieden wird. Maßnahmen der Parkraumbewirtschaftung (z. B. Parkzeitbeschränkungen und Gebührengestaltung) können diese Entwicklung unterstützen.268 Andere Verkehre werden dagegen unweigerlich zunehmen. Dem gestiegenen Verbraucherwillen, sich Produkte möglichst ins Haus schicken zu lassen, und dem dadurch ausgelösten Verkehrsbedarf kann eine Lärmminderungsplanung nichts entgegensetzen. Insofern kommt es für die Lärmaktionsplaner vor allem darauf an, die verbleibenden Verkehrsströme so zu lenken, dass ihre Belastungswirkungen möglichst minimiert werden. Ansatzpunkte können sein, bestimmte Verkehrsarten gänzlich oder wenigstens in bestimmten Zeiten oder an bestimmten Orten auszuschließen und den Verkehr im Übrigen sinnvoll auf die zur Verfügung stehenden Verkehrsflächen zu verteilen. Als straßenrechtliche Maßnahme kommt zum Ausschluss von Verkehren die Einrichtung von Fußgängerzonen in Betracht (vgl. z. B. Art. 53 Nr. 2 BayStrWG), soweit dies in Übereinstimmung mit den bauleitplanerischen Rahmenbedingungen möglich ist.269 Im Übrigen aber stellt das Straßenrecht mit seiner an der objektiven Verkehrsbedeutung ansetzenden Straßenklassifizierung und dem entsprechenden Gemeingebrauch im Rahmen der Widmungsverhältnisse (vgl. etwa Art. 3 Abs. 1, 6 Abs. 1, 14 BayStrWG) weniger ein Lösungs266 LAI-Hinweise zur Lärmaktionsplanung Nr. 12.2 (Maßnahmen an den Fahrzeugen, Maßnahmen an den Fahrwegen, Vermeidung von Körperschall). 267 LAI-Hinweise zur Lärmaktionsplanung Nr. 12.2 (Maßnahmen auf dem Ausbreitungsweg); Wiechers, Lärmminderung Düsseldorf, Lärmbekämpfung 2008, 102 (104 f.). 268 Eingehend V. von Bomhard, Immissionsschutz durch gemeindliches Verwaltungshandeln, 1996, S. 187 f. 269 Eingehend v. Bomhard, Immissionsschutz, S. 170 ff., insbesondere S. 173 f. m.w. N.

C. Die inhaltlichen Anforderungen an die Lärmaktionspläne

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instrument zur Minderung des Straßenverkehrslärms als vielmehr oftmals eine äußere Grenze für die Lärmminderung durch straßenverkehrsrechtliche Anordnungen dar (sog. „Vorbehalt des Straßenrechts“).270 Insoweit können Substanzeingriffe zur Verringerung der Verkehrsbedeutung in Betracht kommen.271 Den Schwerpunkt der rechtlichen Möglichkeiten zur Verkehrslenkung und ausschnittweisen Verkehrsvermeidung bilden straßenverkehrsrechtliche Anordnungen.272 Die zentrale Rechtsvorschrift dazu ist § 45 StVO. Anders als für die Durchsetzung der Luftreinhaltepläne und Aktionspläne nach § 47 BImSchG enthält das Bundes-Immissionsschutzgesetz jedoch für Verkehrsbeschränkungen aus Anlass von Lärmproblemen keine gesonderte Rechtsgrundlage nach Vorbild des § 40 BImSchG.273 Eine Rechtsgrundlage für allgemeine Verkehrsverbote in verlärmten Zonen mit nach Verursachungsanteilen gestaffelten Ausnahmen nach Vorbild der Umweltzonen und der Plakettenlösung der 35. BImSchV besteht daher derzeit nicht, die aber erforderlich wäre, um die mit dem Verbot verbundene Eigentumsbeschränkung im Wege einer Inhaltsbestimmung des Eigentums rechtfertigen zu können.274 Im Ergebnis lassen sich jedoch auch auf Grundlage des § 45 StVO zahlreiche lärmmindernde Regelungen erreichen.275 § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StVO erlaubt im Rahmen einer Ermessensentscheidung Verkehrsbeschränkungen zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen.276 Insofern muss zumindest anteilig eine Wohnnutzung in dem fraglichen Verkehrsbereich feststellbar sein. Ferner ist Voraussetzung für eine Verkehrsbeschränkung, dass ein Lärmschutzbedürfnis im Sinne einer Überschreitung des ortsüblich akzeptablen Maßes vorliegt. Ein solches Bedürfnis kann dabei nach der Rechtsprechung auch schon unterhalb der Zumutbarkeitsgrenze der 16. BImSchV vorliegen und ist aufgrund einer Gesamtschau zu bestimmen.277 270

Janker, in: J. Jagow/M. Burmann/R. Heß, Straßenverkehrsrecht, 20. Aufl. 2008, Einführung, Rn. 91 f.; v. Bomhard, Immissionsschutz, S. 178 f. 271 A. Rebler, Verkehrsbeschränkungen aus Gründen des Immissionsschutzes, SVR 2005, 211 ff. (216); H. Jarass, Luftqualitätsrichtlinien der EU und die Novellierung des Immissionsschutzrechts, NVwZ 2003, 257 ff. (266). 272 Zur Bedeutung der ordnungsrechtlichen Handhabe vgl. Fröhlich/Richard, Lärmminderung Neuruppin, Der Städtetag 6/2006, 26 (29). 273 Kritisch Wysk, in: Giesberts/Reinhardt, § 47d BImSchG Rn. 20. 274 Siehe hierzu R. Klinger, Umweltzonen in deutschen Großstädten – Rechtsfragen der 35. Verordnung zum Bundes-Immissionsschutzgesetz, NVwZ 2007, 785 ff. (785 f., 786 f.). 275 Übersichtlich A. Rebler, Lärmschutz im Straßenverkehr, SVR 2004, 173 ff. (177 f.). 276 Siehe hierzu näher Heß, in: Jagow/Burmann/Heß, § 45 StVO Rn. 9a; zu den Ermessenserwägungen eingehend Rebler, Lärmschutz, SVR 2004, 173 (176 f.). 277 BVerwG, NJW 2655 (2656); NZV 2000, 386; Heß, in: Jagow/Burmann/Heß, § 45 StVO Rn. 9a.

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6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

Insofern kommt dem Lärmaktionsplan im Zusammenhang mit § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StVO eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zu, da dort vorgesehene Verkehrsbeschränkungen zugleich die planerische Einschätzung zum Ausdruck bringen, dass ein Lärmschutzbedürfnis vorliegt. Daneben sind straßenverkehrsrechtliche Anordnungen gemäß § 45 Abs. 1b Nr. 5 StVO auch allgemein zum Schutz der Bevölkerung vor Lärm und Abgasen oder zur Unterstützung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung möglich. Hierzu ist allerdings ein hinreichend konkretisiertes Konzept der Gemeinde erforderlich, das der Gemeinde regelmäßig jedoch nur ein Vetorecht gegenüber der Straßenverkehrsbehörde einräumt.278 Ferner können neuerdings zum Zwecke des § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StVO, also zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen, auch Verkehrsbeschränkungen und -verbote angeordnet werden, soweit sie durch Mautausweichverkehr ausgelöste erhebliche Auswirkungen beseitigen oder abmildern können (§ 45 Abs. 9 StVO).279 Auf dieser rechtlichen Grundlage kommen Verkehrsverbote i. S. d. § 41 Abs. 2 Nr. 6 StVO in Betracht. Hierdurch kann namentlich der Durchgangsverkehr mit schweren Lastkraftwagen ausgeschlossen werden; das Verbot muss sich aber nicht darauf beschränken.280 Insoweit kann auch an eine Kombination aus teilweisen Einfahrtsverboten für schwere Nutzfahrzeuge in Verbindung mit der Einrichtung von möglichst mehrmodalen Umschlageterminals gedacht werden, an denen die von mehreren Verkehrssystemen (Straße, Schiene, Binnenschifffahrt) beförderten Güter auf weniger belastende kleinere Nutzfahrzeuge zur Verteilung im Nahbereich umgeladen werden. Das Minderungspotenzial ist bei Straßen mit hohem Lkw-Anteil besonders hoch, da ein Lkw im Stadtverkehr etwa der Belastung von 20 Pkw entspricht.281 Unterhalb der Verkehrsverbote sind Geschwindigkeitsbeschränkungen anzusiedeln. Dabei handelt es sich ebenfalls um Maßnahmen mit einem hohen Minderungspotenzial, die überdies kostengünstig eingeleitet werden können und positive Synergien zu Aspekten der Verkehrssicherheit, der Aufenthaltsqualität und der Luftreinhaltung aufweisen.282 Im Einzelnen ist an Tempolimits auf bestimmten Streckenabschnitten, ggf. nach Tageszeiten gestaffelt, im innerörtlichen Bereich darüber hinaus auch an die Einrichtung von Tempo 30-Zonen 278 BVerwG, NZV 1994, 493 (493 f.); Rebler, Lärmschutz, SVR 2004, 173 (177); vgl. auch Heß, in: Jagow/Burmann/Heß, § 45 StVO Rn. 10. 279 Siehe zur Einstufung der „Erheblichkeit“ der Auswirkungen jüngst BVerwG, NJW 2008, 2867 (Ls. 4); zu den Auswirkungen auf die Vollzugspraxis vgl. die Anmerkung von H. Geiger, SVR 2008, 235. Siehe ferner Hess. VGH, ESVGH 56, 192; BayVGH, BayVBl. 2007, 241; VG Ansbach, AN 10 S 06.02663 vom 18.08.2006, Juris; AN 10 K 06.02661 vom 25.05.2007, Juris. 280 Siehe z. B. Rebler, Lärmschutz, SVR 2004, 173 (177 f.). 281 LAI-Hinweise zur Lärmaktionsplanung Nr. 12.1.1. 282 LAI-Hinweise zur Lärmaktionsplanung Nr. 12.1.2.1.

C. Die inhaltlichen Anforderungen an die Lärmaktionspläne

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(§ 45 Abs. 1c StVO) und verkehrsberuhigten Geschäftsbereichen (§ 45 Abs. 1d StVO) zu denken. Zwar sind gemäß Ziffer V. der VwV-StVO zu § 45 Abs. 1 bis 1f StVO283 für Anordnungen von Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Lärm und Abgasen seitens des Bundesverkehrsministeriums im Einvernehmen mit den obersten Landesbehörden die „Richtlinien für straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Lärm (Lärmschutz-Richtlinien-StV)“ ergangen,284 nach deren Ziffer 4.1 durch straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen mindestens eine Minderung des Mittelungspegels von 3 db(A) erreicht werden soll. Das sollte jedoch nicht zum Anlass genommen werden, formalistisch nur dort Geschwindigkeitsbeschränkungen vorzunehmen, wo durch eine Maßnahme alleine diese Pegelminderung erreicht werden kann. Zum einen führen die Lärmschutz-Richtlinien-StV in Ziffer 4.6 selbst aus, dass wirksame Geschwindigkeitsbeschränkungen die Geräusche besonders stark mindern, was dazu führe dass Geschwindigkeitsbeschränkungen subjektiv positiver bewertet würden, als im Mittelungspegel zum Ausdruck komme. Dies deckt sich mit Erfahrungen der heutigen Praxis.285 Zum anderen ist den lärmfachlichen Äußerungen zu entnehmen, dass Einzelmaßnahmen alleine nicht zu einer effektiven Lärmminderung führen werden, sondern stets eine Kombination mehrerer Maßnahmen vonnöten ist.286 Das Ziel der koordinierten Abhilfe, das die Lärmminderungsplanung kraft Gesetzes verfolgt, würde durch eine solche formalistische Einzelbetrachtung konterkariert. Auch kommt es im Rahmen der Lärmminderungsplanung gerade auch auf Summenwirkungen an, was von der Rechtsprechung teilweise im Zusammenhang mit der Feststellung eines Lärmschutzbedürfnisses für § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StVO verneint wurde.287 Der neue Lösungsansatz der Lärmaktionsplanung, der dem Richtliniengeber von 1981 selbstverständlich nicht bekannt sein konnte, rechtfertigt es demgegenüber, einen vom geregelten Fall abweichenden Fall anzunehmen und die Soll-Vorschrift der Ziffer 4.1 der Richtlinien-Lärmschutz-StV außer Acht zu lassen.288 Dem Bereich vernünftiger Verkehrslenkung zuzurechnen sind auch Maßnahmen, die zu einer Verstetigung des Verkehrsflusses und damit zu einer Vermei283

Abgedruckt z. B. bei Jagow/Burmann/Heß, § 45 StVO vor Rn. 1. VkBl. 1981 S. 428; auszugsweise abgedruckt auch bei Strick, Lärmschutz an Straßen, S. 149 f. 285 Nozon, LMP, Lärmbekämpfung 2008, 108 (110). 286 Siehe zum Zuschnitt von Verwaltungsvorschriften auf den Regelfall schon den Nachweis im 1. Teil, Fn. 79. 287 Siehe die jeweiligen Nachweise bei Rebler, Lärmschutz, SVR 2004, 173 (177) m. Fn. 37 f. 288 In diese Richtung auch ausdrücklich LAI-Hinweise zur Lärmaktionsplanung Nr. 12; siehe hierzu auch die dortigen Beispiele in Nr. 12.1.1 mit Abb. 4 und Nr. 12.1.2.1, 2. Absatz. 284

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6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

dung besonders geräuschintensiver Anfahr-, Beschleunigungs- und Abbremsbewegungen führen (z. B. Ampelschaltung auf „grüne Welle“, Dauerrot für selten genutzte Querungen, Einsatz von Kreisverkehrregelungen statt Ampelkreuzungen).289 Von besonderer Bedeutung erscheint gerade in Zeiten des sich zunehmend an individuellen Navigationsgeräten orientierenden Kraftfahrers eine überzeugende Ausschilderung und der Einsatz möglichst dynamisierter Park- und Verkehrsleitsysteme. Nur wenn der ortsfremde Kraftfahrer überzeugt ist, dass das öffentliche Verkehrsleitsystem ihm die beste Streckenführung aufzeigt, wird er den aus Umweltgründen ausgeschilderten Verkehrsführungen folgen, anstatt sich auf sein individuelles Navigationsgerät zu stützen oder sich auf eigene Faust den Weg durch den Ballungsraum zu suchen. c) Verhaltenssteuerung In einem geringeren Maße lassen sich daneben auch Maßnahmen zur Verhaltenssteuerung einsetzen. Als solche kommt etwa die Anzeige der aktuell gefahrenen individuellen Geschwindigkeit auf Monitoren in Betracht, um den Kraftfahrer z. B. in einer Tempo-30-Zone auf sein zu schnelles Fahren hinzuweisen. Ferner können schwerpunktmäßige Geschwindigkeitskontrollen auf geschwindigkeitsbeschränkten Strecken außer- wie innerorts und ein vermehrtes Einschreiten der Polizei bei Missachtung von Nachtfahrverboten in Wohnvierteln, sog. „Kavalierstarts“ und anderen schalltechnisch rücksichtslosen Fahrweisen eine Verhaltensänderung begünstigen, sofern sich der erhöhte Kontrolldruck „herumspricht“.290 Allerdings setzt eine solche Forderung eine hinreichende Personalausstattung der Landespolizeien voraus, was angesichts der Personalentwicklung in den Ländern eher geringe Chancen auf eine Realisierung bedeuten dürfte.291 Eine unbewusste Verhaltenssteuerung kann auch durch eine optisch zu langsamerer Fahrweise anregende Straßengestaltung erreicht werden. Abmarkierungen, Einrichtung von Schrägparkplätzen und nötigenfalls der Rückbau des Straßenprofils kommen hierfür in Betracht, sofern die Verkehrssicherheit dadurch

289 Vgl. hierzu LAI-Hinweise zur Lärmaktionsplanung Nr. 12.1.2.2; Nozon, LMP, Lärmbekämpfung 2008, 108 (112). Zu den fehlenden Abbildungsmöglichkeiten der durch Verstetigung erreichten Belästigungsreduzierung im Rahmen der VBUS vgl. LAI-Hinweise zur Lärmaktionsplanung Nr. 12. 290 So auch LAI-Hinweise zur Lärmaktionsplanung Nr. 12.1.2.1; Nozon, LMP, Lärmbekämpfung 2008, 108 (111); grundlegend zu Fragen der Verhaltensbeeinflussung v. Bomhard, Immissionsschutz, S. 56 ff. 291 Vgl. etwa H. Benker, Nach der Wahl ist vor der Wahl, Polizeispiegel Bayern 11/ 2008, 1, sowie den Beitrag (o.V.) Sicherheitspolitik in Deutschland – Von Einheit keine Spur, Polizeispiegel 11/2008, 5 ff. (5, 8).

C. Die inhaltlichen Anforderungen an die Lärmaktionspläne

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nicht beeinträchtigt wird.292 Die letztgenannte Maßnahme kann aber erhebliche Kosten zeitigen, insbesondere wenn eine Änderung des Straßenquerschnitts zu Kanalveränderungen führt, so dass in solchen Fällen besonderer Wert auf eine ausführliche Kosten-Nutzen-Analyse gelegt werden sollte. Verhaltenssteuerung kann auch zur Lärmminderung im Bereich Industrie, Gewerbeanlagen und Häfen hilfreich sein. Beispielsweise kann durch informales argumentatives Einwirken,293 evtl. aber auch durch immissionsschutzrechtliche Einzelfallanordnung,294 dafür gesorgt werden, dass Betriebshallentore geschlossen bleiben, so dass die mögliche Schallminderung auch tatsächlich zum Tragen kommt.295 d) Produktauswahl Nachdem auf örtlicher, regionaler und Landesebene Vorschriften für Produktanforderungen kaum bis gar nicht beeinflusst werden können, ein Lärmaktionsplan des insoweit in den gemeinschaftsrechtlichen Grenzen zuständigen Bundes aber nicht gesetzlich vorgesehen ist, bleibt hinsichtlich des quellenbezogenen Lärmschutzes in Lärmaktionsplänen vor allem die Festlegung von bestimmten Anforderungen an die Auswahl verwendeter Produkte. Das betrifft die Zusammenstellung und insbesondere auch Erneuerung der oftmals im LKW-Bereich wie im Schienenbereich deutlich in die Jahre gekommenen öffentlichen Fuhrparke ebenso wie die Anforderungen an die Leistungserbringung bei der Vergabe von Dienstleistungsaufträgen oder Konzessionen an Dritte.296 Dabei ist auf das Reifenrollgeräusch besonders zu achten.297 Bei der Verkehrsbestellung können im öffentlichen Nahverkehr durch eine solche Verpflichtung zur Verwendung modernen Wagenmaterials zugleich Synergieeffekte zugunsten eines bequemeren, barrierefreien und damit attraktiveren öffentlichen Verkehrsangebots und somit zur Verbesserung des Modal-Split erzielt werden. e) Planungsbeiträge für Regional- und Fachplanung Die Lärmaktionspläne können neben zahlreichen Maßnahmen insbesondere Planungsbeiträge vorsehen (§ 47d Abs. 6 i.V. m. § 47 Abs. 6 S. 2 BImSchG). 292

LAI-Hinweise zur Lärmaktionsplanung Nr. 12.1.2.2 und Nr. 12.1.2.3. Siehe hierzu v. Bomhard, Immissionsschutz, S. 70 ff. 294 Siehe hierzu oben 1. Teil, B. II. 2. c), S. 40. 295 Vgl. Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47d BImSchG Rn. 14. 296 Vgl. hierzu etwa LAI-Hinweise zur Lärmaktionsplanung Nr. 12.1.4, Nr. 12.2; v. Bomhard, Immissionsschutz, S. 239. 297 LAI-Hinweise zur Lärmaktionsplanung Nr. 12.1.4; ähnlich Nozon, LMP, Lärmbekämpfung 2008, 108 (109): Umstellung von Bus auf Schiene. 293

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6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

Diese werden sich jedoch nur in seltenen Fällen auf die Ebene der Raumordnung- und Landesplanung beziehen, da die örtlich wirkende Lärmproblematik kaum mit den abstrakteren Mitteln der überörtlichen Raumordnung und Landesplanung bekämpft werden kann, auch wenn § 2 Abs. 2 Nr. 8 S. 7 ROG den Schutz der Allgemeinheit vor Lärm als Grundsatz der Raumordnung benennt.298 Denkbar scheint allenfalls, dass bestimmte Vorrang- oder Vorbehaltsgebiete im Einzelfall lärmintensive Nutzungen reflexartig ausschließen. Selbstverständlich können Lärmaktionspläne auch Planungsbeiträge für fachplanerische Verfahren liefern. So können die Vorzüge bestimmter Planungsalternativen betont werden. Allerdings werden die Ansätze des Lärmaktionsplans bei Fachplanungsvorhaben in der Regel durch die dann ja greifenden Vorschriften zur Lärmvorsorge, etwa nach der 16. BImSchV, überlagert werden. Vermutlich aus diesem Grunde werden Lärmaktionsplanbeiträge für solche Planungen im Schrifttum ersichtlich nicht näher thematisiert. f) Planungsbeiträge für die Bauleitplanung Auch für die Bauleitplanung können Lärmaktionspläne Planungsbeiträge in vielfältiger Weise festsetzen.299 aa) Allgemeines Grundlegend ist zunächst festzuhalten, dass die Verkehrsmenge an sich wesentlich von externen Faktoren abhängt, die von der Bauleitplanung nur bedingt beeinflusst werden können. Der bereits genannte steigende Bedarf an Belieferung durch Fernabsatzgeschäfte und die allgemeine Zunahme der Fahrzeugzahlen und des Individualverkehrs können mit der Bauleitplanung nicht unmittelbar beeinflusst werden. Wohl aber sind indirekte Einflüsse auf den Verkehrslärm denkbar, indem die Gemeinde über die generelle Gebietsnutzung entscheidet. Die Gestaltungsmöglichkeiten für eine Lärmminderung durch Bauleitplanung sind bei der Neuplanung von Gebieten grundsätzlich größer als bei der Überplanung des Bestandes. Neue Handlungsspielräume für die Bauleitplanung in den Ballungsräumen ergeben sich derzeit durch die nicht unerheblichen Flächen, die als nicht mehr benötigte ehemalige Bahn- oder Bahnpostanlagen in oftmals zentraler Lage auf-

298 So auch Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47d BImSchG Rn. G 1 m.w. N.; a. A. offenbar Mitschang, Umgebungslärmrichtlinie, ZfBR 2006, 430 (440), der insoweit aber auch keine Einzelbeispiele nennt. 299 Zum Lärmschutz durch Bauleitplanung siehe allgemein schon oben 1. Teil, B. II. 1. b), S. 36.

C. Die inhaltlichen Anforderungen an die Lärmaktionspläne

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gelassen werden und damit die Neuplanung ganzer Stadtquartiere nach modernen städtebaulichen Erkenntnissen ermöglichen. Ähnliches gilt für die militärischen Konversionsflächen, die von der Bundeswehr aufgegeben wurden oder von anderen Streitkräften an die Bundesrepublik zurückgefallen sind. Hier ergibt sich ein breites Betätigungsfeld für die Gemeinden, in dessen Rahmen auch Lärmminderungsmaßnahmen durch Bauleitplanung ins Werk gesetzt werden können. Bei der Neuplanung sind die Einflussmöglichkeiten der Bauleitplanung jedoch begrenzt, sobald überörtliche Vorhaben im Raum stehen. Denn das vorhabenbezogene Instrumentarium der Bauleitplanung tritt gemäß § 38 S. 1 BauGB hinter die privilegierte Fachplanung zurück, sofern die Fachplanung sich im Wege eines Planfeststellungsverfahrens vollzieht oder die Fachplanungsentscheidung die Wirkungen einer Planfeststellung für ein Vorhaben aufweist und die Gemeinden in diesem Verfahren beteiligt wurden. Das ist auch Ausdruck der Konzentrationswirkung dieser umfangreichen förmlichen Verwaltungsverfahren (vgl. § 75 Abs. 1 VwVfG). Damit kommt es insbesondere auf ein gemeindliches Einvernehmen i. S. d. § 36 BauGB nicht mehr an. Auch wenn bei Entscheidungen i. S. d. § 38 BauGB städtebauliche Belange zu berücksichtigen sind, hat dies zur Folge, dass die Gemeinden mit ihrer Bauleitplanung bei den wesentlichen Planungsentscheidungen zu den besonders immissionsrelevanten Verkehrseinrichtungen im Vergleich zu einer eigenen Planung weitgehend „außen vor“ sind. Das gilt nicht nur für Fernstraßen (§ 16 Abs. 3 S. 3, § 17 ff. FStrG), sondern auch für Schienenwege von Eisenbahnen (§ 18 ff. AEG) und Straßenbahnen (§ 28 ff. PBefG), obwohl gerade letztere dank der Ansiedlungen von Bahnhöfen oder wegen der bestimmungsgemäßen Linienführung in Innenstadtbereichen oftmals das Gemeindegebiet in zentraler Lage durchqueren oder sonst das Gemeindegebiet jedenfalls tangieren. Die Trassenplanung als solche kann von den Gemeinden also kaum beeinflusst werden, obwohl hiervon maßgebliche Immissionseinflüsse auf das Gemeindegebiet ausgehen.300 Allerdings ist demgegenüber zu ergänzen, dass unter bestimmten Voraussetzungen selbst Bundesfernstraßen im Rahmen einer sog. isolierten Straßenplanung im Wege der gemeindlichen Bauleitplanung und damit gleichsam von der Gemeinde an Stelle des Staates geplant oder geändert werden können (vgl. § 16 Abs. 3 FStrG). Gleiches gilt für Staatsstraßen (vgl. etwa Art. 36 Abs. 1 i.V. m. Art. 38 Abs. 3 S. 1 BayStrWG).301 Das verbessert die Gestaltungsmöglichkeiten der Gemeinde natürlich erheblich. 300

Vgl. Busse, in: Bayer. Landtag, Anhörung (1. Teil, Fn. 210), S. 8 und 15. Vgl. etwa BVerwG, NJW 1971, 1627; NVwZ 1994, 275 (277); NJW 1995, 2572 (2572); siehe auch Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 9 BauGB Rn. 102. 301

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6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

Hingegen sind bahnbezogene Nutzungen von der Privilegierung der eisenbahnrechtlichen Fachplanung erfasst und entziehen sich von vorneherein der allgemeinen bauplanungsrechtlichen Zuständigkeit der Gemeinde.302 Auch im vorhandenen Gebietsbestand kann mit den Mitteln der Bauleitplanung nur bedingt etwas bewirkt werden. Anders als bei der Neuplanung von Gebieten in Randlagen vollzieht sich die bauliche Weiterentwicklung der Städte in den bereits im Zusammenhang bebauten Innenlagen überwiegend über das Instrumentarium des § 34 BauGB.303 Der Bestand prägt somit eher die ergänzende Bauleitplanungstätigkeit der Gemeinden als umgekehrt (vgl. etwa die ergänzende Festsetzung freizuhaltender Flächen nach § 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB).304 Der Handlungsspielraum der Bauleitplanung in Bestandslagen wird ferner durch den Bestandsschutz ansässiger Anlagenbetreiber eingeschränkt, deren Anlagen Verkehr und damit Verkehrsimmissionen generieren. Eine Überplanung eines bereits beplanten oder einem Gebietstyp tatsächlich entsprechenden Gebietes in der Weise, dass weniger verkehrsanziehende Nutzungen vorgesehen werden, dürfte zwar nicht schon am Anspruch der Nachbarn auf Erhaltung der einmal festgesetzten Gebietsart scheitern, da dieser nur die Zulassung einzelner gebietstypfremder Vorhaben betrifft.305 Allerdings sind bei der Überplanung unter Gebietsänderung natürlich sowohl das Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB als auch die Anforderungen des § 50 BImSchG zu bedenken, die eine weitreichende Veränderung des Gebietstyps erschweren (vgl. nur die – im Zusammenhang mit den sich aus dem eigentumsrechtlichen Bestandsschutz ergebenden Problemen zu sehenden – Regelungen des § 1 Abs. 10 Sätze 1 bis 3 BauNVO, die gem. S. 4 auch bei der Überplanung durch neuen Bebauungsplan herangezogen werden können)306. Zwischen Bauleitplanung und Verkehrslärmschutz ergeben sich insgesamt Wechselwirkungen in zweierlei Richtung. Einerseits führt die Festsetzung bestimmter Baugebietstypen klassischer Weise zur Anwendbarkeit bestimmter Grenzwerte für Verkehrsimmissionen. Denn die Staffelung der Immissionsgrenzwerte des § 2 Abs. 1 der 16. BImSchV richtet sich nach den jeweiligen Gebietstypen, die gemäß § 2 Abs. 2 den Bebauungsplänen zu entnehmenden sind. Andererseits führt eine Senkung der Verkehrslärmvorbelastung durch eine

302

Stüer, Handbuch, Rn. 3126. Siehe hierzu Lorenz, in: Bayer. Landtag, Anhörung (1. Teil, Fn. 210), S. 17 und 22; ebenso Seide, ebd., S. 22. 304 Vgl. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 9 BauGB Rn. 94. 305 Vgl. BVerwG, NJW 1994, 1546 (1548). 306 Siehe hierzu näher Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 1 BauNVO Rn. 106 ff., sowie Jäde, in: Jäde/Dirnberger/Weiß, § 1 BauNVO, Rn. 65 ff. 303

C. Die inhaltlichen Anforderungen an die Lärmaktionspläne

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erfolgreiche Lärmminderung auch zu erweiterten Planungsspielräumen und mehr Gestaltungsfreiheit der Gemeinden.307 Aus dieser Zusammenschau ergibt sich, dass gebietsbezogene Planungsbeiträge zur Lärmminderung überwiegend für die Neuplanung neuer Siedlungsgebiete oder die Überplanung größerer Brachen von Bedeutung sein werden. Für den vorhandenen Bestand ist hinsichtlich der Gesamtordnung der Nutzungen im Plangebiet keine nennenswerte Gestaltungsbreite zu erwarten. Bauleitplanerische Vorgaben für den Bestand werden sich daher überwiegend auf die Umgestaltung von Straßen und die unmittelbar angrenzenden Flächen beschränken müssen. bb) Die lärmschutzrelevanten Festsetzungen in Bebauungsplänen Im Einzelnen werden dabei die Handlungsspielräume der Gemeinden durch den Numerus Clausus der in Bebauungsplänen zulässigen Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 BauGB begrenzt. Ein Festsetzungsfindungsrecht haben die Gemeinden insoweit nicht.308 (1) Die Festsetzung von Verkehrsflächen (§ 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB) Soweit die Gemeinden den Planungsabsichten der Fachplanungsträger Rechnung tragen müssen309 oder soweit den Gemeinden das Planungsrecht für Verkehrsanlagen selbst zusteht, kommt eine Festsetzung von Verkehrsflächen in Betracht. Diese können innerhalb des Anwendungsbereichs sowohl den überörtlichen wie örtlichen Verkehr und sowohl ober- als auch unterirdische Flächen betreffen.310 Dabei dürfte es sich um einen der wichtigsten Aspekte der Planungsbeiträge von Lärmaktionsplänen für die Bauleitplanung handeln. Hierdurch kann die Gemeinde zum einen auf die Ausgestaltung der Trassenführung Einfluss nehmen. Zum anderen kann sie auch Verkehrsflächen mit besonderer Zweckbestimmung festsetzen. Hierzu gehören z. B. Fußgängerbereiche, insbesondere in der Gestalt innerstädtischer Fußgängerzonen, durch deren Festsetzung der Verkehrslärm von den betroffenen Bereichen weitgehend ferngehalten werden kann. Die Verfolgung nicht nur verkehrlicher, sondern auch städtebaulicher Absichten im Rahmen der Festsetzung ist dabei zulässig.311 Auch die

307 Bayerischer Städtetag, Schriftliche Stellungnahme, in: Bayer. Landtag, Anhörung (1. Teil, Fn. 210), Anlage 2a, Frage B 10, S. 34. 308 Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 9 BauGB Rn. 12 m.w. N.; BVerwGE 92, 56 (62); ständige Rechtsprechung. 309 Siehe hierzu eingehend Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 9 BauGB Rn. 102. 310 Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 9 BauGB Rn. 103. 311 Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 9 BauGB Rn. 105.

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6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

optisch zu langsamerer Fahrweise anregende Gestaltung des Straßenraums ist auf diesem Wege möglich.312 Zu denken ist auch an Sonderspuren und gesonderte Gleiskörper für öffentliche Verkehrsmittel, die die Attraktivität des öffentlichen Nahverkehrs steigern und damit den Modal-Split zwischen ÖPNV und Individualverkehr günstig beeinflussen können. Hingegen ist die bloße Verkehrsregelung einer Festsetzung im Bebauungsplan entzogen.313 (2) Festsetzungen mit Schutzwirkung vor Verkehrslärm Soweit die Gemeinde nicht im vorgenannten Sinne auf die Trassenführung und Verkehrsanlage an sich Einfluss nehmen kann, hat sie jedoch die Möglichkeit, Festsetzungen zu wählen, die gleichwohl einen gewissen Schutz vor Verkehrslärm bieten können. (a) Die Art der baulichen Nutzung (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB) Die Festsetzung eines bestimmten Baugebietstyps beinhaltet über die Systematik der allgemein oder im Einzelfall zulässigen Vorhaben auch eine Vorfestlegung hinsichtlich der Verkehrsströme, die in einem Gebiet entstehen. Besondere Probleme sind hinsichtlich der Ruhebedürftigkeit des Wohnens einerseits und dem Mobilitätsbedarf der übrigen Nutzungen andererseits in Misch- und Kerngebieten zu gewärtigen. Insofern mag die stärkere räumliche Trennung von Wohngebieten (WA- bzw. WR-Gebiete) von anderen Gebietstypen im Sinne der BauNVO sinnvoll erscheinen. Allerdings ist zu bedenken, dass das eine städtebauliche Entwicklung weg von traditionellen Stadtstrukturen bedeuten kann. Bei weitgehendem Ausschluss von Wohnnutzungen in innerstädtischen Lagen kann die Verödung ganzer Bereiche ab Ende der üblichen Geschäftszeiten die Folge sein. Die möglichen Folgen der Attraktivitätsminderung und evtl. auch der entstehenden öffentlichen Sicherheitsprobleme sind mit dem Nutzen für den Schutz vor Verkehrslärm abzuwägen. (b) Die Bauweise, die überbaubare Grundstücksfläche und die Stellung der baulichen Anlagen (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 BauGB) Soweit nicht auf die Verkehrsentstehung Einfluss genommen werden kann, kommt aber eine Anordnung der baulichen Vorhaben im Raum in Betracht, 312

Siehe hierzu schon oben C. VII. 2. c), S. 326. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 9 Rn. 105, mit Verweis auf Sächs. OVG, KommJur 2004, 475. 313

C. Die inhaltlichen Anforderungen an die Lärmaktionspläne

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durch die eine Ausbreitung des Schalls im Raum gesteuert und bestimmte sensible Gebäude geschont werden können (z. B. Abschirmung durch die erste Reihe der Bebauung von einer Verkehrsanlage her).314 Zu diesem Zweck kann die Festsetzung einer geschlossenen Bauweise (§ 22 BauNVO) in der ersten Reihe oder die Festsetzung einer bestimmten Baulinie (§ 23 BauNVO; z. B. kein unmittelbares Bauen an der Grundstücksgrenze hin zu einem Schienenweg, sondern größerer Abstand, der ggf. eine schalldämpfende Begrünung erlaubt) sinnvoll sein. Ähnliches gilt für die Stellung der baulichen Anlagen im Raum.315 Demgegenüber kommen vom Landesbauordnungsrecht abweichende größere Abstandsflächen (§ 9 Abs. 1 Nr. 2a BauGB) für die Verkehrslärmminderung eher nicht in Betracht, denn Abstandsflächen beziehen sich stets auf den Abstand zwischen zwei Gebäuden, nicht zwischen einem Gebäude und einer Verkehrsanlage.316 (c) Die Festsetzung von Nebenanlagen (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 BauGB) In Betracht kommt dafür wiederum, die nach anderen Vorschriften auf den einzelnen Grundstücken erforderlichen Nebenanlagen geschickt anzuordnen. Beispielsweise kann die nach Landesbaurecht erforderliche Stellplatzanlage als Pufferfläche zwischen Verkehrsanlage und Wohngebäuden eingepasst werden, wohingegen die Durchleitung des Anliegerparkverkehrs zwischen den Wohngebäuden zu einer rückwärtigen Fläche des Baugrundstücks die Immissionen gerade erst in die Siedlung hineinträgt. Solche Flächen eignen sich eher für die erholungsbezogenen Nebenanlagen, die dann durch die Bebauung von den Immissionen abgeschirmt werden.317 Auch Tiefgaragenanlagen können die Belastung der Anwohner durch den Parkverkehr senken; hierbei ist aber in besonderer Weise die Wirtschaftlichkeit zu beachten.318 Ähnliche Überlegungen gelten für die Festsetzung von Gemeinschaftsanlagen nach § 9 Abs. 1 Nr. 22 BauGB.319 314

Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 9 BauGB Rn. 40. Vgl. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 9 BauGB Rn. 41: Abschirmung vor Immissionen. 316 Vgl. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 9 BauGB Rn. 42d a. E. 317 Vgl. zum Ganzen Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 9 BauGB Rn. 51 ff. 318 Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 9 BauGB Rn. 55. 319 Eingehend hierzu Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 9 BauGB Rn. 178 f. 315

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6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

(d) Die Festsetzung von Gemeinbedarfsflächen sowie von Sport- und Spielanlagen (§ 9 Abs. 1 Nr. 5 BauGB) Auch bei der Festsetzung von Gemeinbedarfsflächen sowie Sport- und Spielanlagen ist zu beachten, welche Verkehrsimmissionen damit generiert werden. Rechtlich sind die Verkehre eines Sportplatzes zwar gemäß § 1 Abs. 3 S. 2 i.V. m. Ziffer 1.1 des Anhangs der 18. BImSchV grundsätzlich dem Betrieb der Anlage Sportplatz zuzurechnen. Für die Anwohner wirkt sich der Anfahrtslärm aber faktisch trotzdem als Verkehrslärm aus. Insofern geraten der Wunsch nach wohnnutzungsnaher Anlage von Sportplätzen und die Vermeidung von Verkehren in Widerspruch. (e) Die Festsetzung öffentlicher und privater Grünflächen (§ 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB) Die Festsetzung öffentlicher und privater Grünflächen kann nicht nur dem Erholungsbedarf der Bürger dienen, sondern auch bei geschickter Anordnung einen lärmmindernden Grüngürtel um andere Nutzungen herum ziehen. Allerdings darf dies nicht dazu führen, dass der Erholungswert der in Nr. 15 genannten Nutzungen entfällt; eine solche Festsetzung wäre wohl unzulässig.320 Zu beachten ist auch, dass grundsätzlich eine genaue Festsetzung der jeweiligen Nutzung von der Rechtsprechung als erforderlich angesehen wird: Die bloße Bezeichnung als Grünfläche ist möglich, erlaubt dann aber nicht ohne weiteres eine Nutzung als Kinderspielplatz.321 Zu verkennen ist ferner nicht, dass gerade die genannten Nutzungen jenseits der bloßen Grünfläche eher immissionsschutzbedürftig sind, als sich als Lärmriegel zu eignen (z. B. Zeltplatz, Badeplatz). Soweit diese Nutzungen ihrerseits Verkehr anziehen, ist der Schutz der Anwohner zu berücksichtigen.322 (f) Die immissionsschutzbezogenen Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB Besondere Bedeutung kommt den immissionsschutzbezogenen Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB zu.323 320 Siehe im Einzelnen Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 9 BauGB Rn. 122 f. 321 Vgl. die Nachweise bei Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 9 BauGB Rn. 128. 322 Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 9 BauGB Rn. 132 m.w. N. 323 Siehe hierzu näher v. Bomhard, Immissionsschutz, S. 132 ff.

C. Die inhaltlichen Anforderungen an die Lärmaktionspläne

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Zu unterscheiden sind dabei drei wesentliche Fallgruppen324: zum einen die Festsetzung von Schutzflächen, die vor allem der Trennung konfligierender Baugebiete bzw. Anlagen und damit der Vermeidung von Gemengelagen dienen sollen;325 zum zweiten die Festsetzung von gesonderten Flächen für (selbständige) Anlagen (z. B. Lärmschutzwälle und -wände)326 und (unselbständige) Vorkehrungen327 zum Immissionsschutz; zum dritten die unmittelbare Festsetzung von Schutzanlagen und Vorkehrungen an sich. Die Vorkehrungen müssen baulicher oder sonstiger technischer Art sein. Eine Festsetzung von Immissionsgrenzwerten o. ä. ist dadurch unmittelbar nicht möglich. Allerdings kann für die Erforderlichkeit solcher Vorkehrungen oder die konkretisierende Beschreibung der nötigen technischen Qualifikationen auf die Grenzwerte und Richtwerte maßgeblicher Regelwerke, hier insbesondere der DIN 18005 Städtebau, Bezug genommen werden.328 Auch eine vorbeugende immissionsschützende Bauleitplanung, die künftige Entwicklungen voraussieht und deshalb strengere Werte als das Immissionsschutzrecht ansetzt, ist unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Allerdings dürfen sich die Festsetzungen nicht in direkten Widerspruch zu den immissionsschutzrechtlichen Regelungen setzen, deren Einhaltung ja einem Anlagenwerber einen Genehmigungsanspruch geben kann, der ansonsten vereitelt würde.329 Neben den bereits erwähnten Lärmschutzanlagen können auch die Verwendung bestimmter Baustoffe, die Errichtung bestimmter schallmindernder Gebäudeelemente (z. B. Laubengänge, Überdachungen), oder die Verwendung von passiven Lärmschutzmaßnahmen wie Schallschutzfenstern Gegenstand der Festsetzungen sein. Zu beachten ist, dass auch die Festsetzungen für Vorkehrungen stets einen bodenrechtlichen Bezug auf Flächen oder Anlagen aufweisen müssen. Bloße Betriebsregelungen (z. B. Nutzungszeiten für Sportplätze)330 sind mit dem baulichen oder technischen Charakter der Vorkehrungen unvereinbar.331 Nicht sämtliche denkbaren Vorkehrungen müssen schon im Zuge der Bebauungsplanung festgesetzt werden. In gewissem Umfang ist auch eine planerische

324 325

Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 9 BauGB Rn. 200. Vgl. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 9 BauGB Rn. 198,

201. 326

Vgl. VGH BW, NVwZ-RR 1997, 694. Zur Begriffsunterscheidung von Anlage und Vorkehrung siehe Söfker, in: Ernst/ Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 9 BauGB Rn. 205. 328 Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 9 BauGB Rn. 206 und 208. 329 Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 9 BauGB Rn. 211 ff. 330 VGH BW, NVwZ-RR 1997, 694. 331 Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 9 BauGB Rn. 208 f. m.w. N. 327

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6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

Zurückhaltung und die Verweisung auf ggf. später stattfindende Genehmigungsverfahren möglich.332 Im Zusammenhang mit diesen Festsetzungen stellen sich hohe Anforderungen an die gemeindliche Abwägungsentscheidung und die Beachtung der umfangreichen Rechtsprechungskasuistik. g) Besonderheiten bei Industrie- und Gewerbebetrieben Jenseits der o. g. Ansätze zur Verhaltenssteuerung333 ist den LAI-Hinweisen zur Lärmaktionsplanung zuzugeben, dass Lärmminderungsmaßnahmen bei Industrie und Gewerbe rechtlich schwieriger zu erreichen sind als z. B. im Straßenverkehr, da die maßgeblichen immissionsschutzrechtlichen Anforderungen in den anlagenbezogenen Vorschriften konkretisiert sind und bei deren Einhaltung Genehmigungsansprüche bestehen. Es ist zutreffend, dass die §§ 47a bis 47f BImSchG insoweit keine weitergehenden Anforderungen enthalten.334 Daraus kann jedoch entgegen den LAI-Hinweisen nicht der Schluss gezogen werden, dass in der Regel eine Lärmaktionsplanung nicht erforderlich wäre. Dies verkennt insbesondere die Zielsetzung der Lärmminderungsplanung, verstärktes Augenmerk auf die Summierungseffekte zu richten. Auch wenn die Lärmaktionspläne den Betreibern nicht unmittelbar neue Pflichten auferlegen können, können doch Lärmschutzbelange für mögliche Änderungsgenehmigungsverfahren oder Neuansiedlungen formuliert werden. Hierbei ist insbesondere an Aspekte der Geräuschkontingentierung zur Vermeidung des sog. „WindhundPrinzips“ zu denken.335 Lärmaktionspläne können auch deutlich machen, welche Verursachungsanteile bestehen und welche Anteile besonders gut minimiert werden könnten. Auf dieser Grundlage erscheinen auch vertragliche Regelungen zur Beteiligung der Betreiber an der Finanzierung öffentlicher Lärmschutzmaßnahmen denkbar. Durch eine entsprechende Absichtserklärung im Lärmaktionsplan kann durchaus im Einzelfall eine Motivation eines Betreibers befördert werden, sich öffentlich als ökologisch verantwortlich handelndes Unternehmen zu präsentieren. Gerade der Bereich der Industrie- und Gewerbebetriebe ist also ein Paradebeispiel dafür, wie ordnungsrechtliches Vorgehen durch kreatives informales Handeln der Verwaltung ergänzt oder ersetzt werden könnte. Als letzter Ausweg kann auch ein Schallschutzfensterprogramm angeregt werden. Von 332 Nds. OVG, 1 K 4008/972 vom 17.12.1998, EzKommR Nr. 1500.690: Der Bebauungsplan muß die in einem Lärmgutachten für ein Parkhaus vorgeschlagenen Maßnahmen zur Lärmdämmung nicht als Festsetzungen übernehmen, sondern kann dies im Sinne der planerischen Zurückhaltung dem Baugenehmigungsverfahren vorbehalten. 333 Siehe oben C. VII. 2. c), S. 326. 334 LAI-Hinweise zur Lärmaktionsplanung Nr. 12.4. 335 Eingehend H. Fischer/K. Tegeder, Geräuschkontingentierung-DIN 45691, BauR 2007, 323 ff. (324).

C. Die inhaltlichen Anforderungen an die Lärmaktionspläne

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einer generell nicht bestehenden Erforderlichkeit für Lärmaktionsplanungen im Bereich von Industrie und Gewerbe kann also keine Rede sein.336 h) Besonderheiten beim Luftverkehr Ein offenes Problemfeld ist die Frage, welche Maßnahmen und Planungsbeiträge in Lärmaktionsplänen bezüglich des Fluglärms sinnvollerweise festgesetzt werden können.337 Selbstverständlich können in Lärmaktionsplänen Forderungen nach einer Begrenzung des Nachtflugaufkommens, weiterer Begrenzung der Luftfahrzeugtypen, nach einer bestimmten Ausgestaltung der Bauschutzbereiche oder ähnliche Fragen, die die Flughafenplanung betreffen, erhoben werden.338 Jedoch gehört die Frage des Fluglärmschutzes ohnehin schon zu den heiß umkämpften Aspekten jeder Flughafenplanung. Eine Bedeutungszunahme des Lärmschutzbelangs in der Abwägung durch den bloßen Umstand, dass der Belang zusätzlich in Gestalt eines Lärmaktionsplans vorgetragen wird, ist wohl nicht anzunehmen. Zielführender könnte es womöglich sein, die Änderung von Flugrouten anzuregen.339 Deren Rechtsnatur ist unklar. Sofern es sich bei der Festlegung von Flugrouten ebenfalls um eine Planungsentscheidung handeln sollte,340 die in Form einer Rechtsverordnung des Luftfahrtbundesamtes ergeht (§ 27a Abs. 2 LuftVO), wäre ein entsprechendes Petitum nur als Planungsbeitrag in der Abwägung zu berücksichtigen, die sich aber primär an der Gewährleistung eines sicheren Flugverkehrs, dem Hauptziel der Flugroutenfestlegung, auszurichten hat.341 Sollte es sich bei der Flugroutenfestlegung um eine nichtplanerische sonstige Entscheidung des Luftfahrtbundesamtes handeln, bei der die Abwägung bestimmten Besonderheiten unterliegt,342 änderte dies zum einen nichts an der vorrangigen Bedeutung der Flugsicherheitsbelange, stellten sich jedoch zum anderen schwierige Fragen der Bindungsmöglichkeit einer normgebenden Bundesbehörde durch die örtliche oder regionale Lärmaktionsplanung.343 Auch ist die formale Durchsetzungskraft der Lärmaktionsplanung prognostisch eher als gering einzuschätzen. 336 Siehe insoweit auch die Maßnahmenvorschläge von Scheidler/Tegeder, in: Feldhaus, § 47d BImSchG Rn. 31. 337 Wysk, Fluglärmgesetz, Lärmbekämpfung 2007, 243 (249). 338 Vgl. die Beispiele von Scheidler/Tegeder, in: Feldhaus, § 47d BImSchG Rn. 30. 339 Zum Verhältnis von Flughafenplanung und Flugroutenfestlegung vgl. Repkewitz, Festlegung von Flugrouten, VBlBW 2005, 1 (8). 340 So noch BVerwG, NJW 2000, 3584 (3585); bekräftigend Repkewitz, Festlegung von Flugrouten, VBlBW 2005, 1 (3) m.w. N. 341 BVerwG, NVwZ 2004, 1229 (1232); Repkewitz, Festlegung von Flugrouten, VBlBW 2005, 1 (2). 342 So nunmehr BVerwG, NVwZ 2004, 1229 (1230). 343 Siehe hierzu näher unter G. II., insb. S. 373.

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6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

Umso wichtiger erscheint es, informale Wege zu beschreiten und etwa gemeinsame Absichtserklärungen mit der vorschlagsberechtigten Fluglärmkommission nach § 32b LuftVG herbeizuführen, deren Zielsetzungen dann im Lärmaktionsplan niedergelegt werden könnten.344 Insgesamt aber scheint diesbezüglich großer Optimismus nicht angebracht. Unzutreffend erscheint jedenfalls die Behauptung von Wysk, § 14 FluglärmG errichte der Sache nach ein gesetzliches Verbot, durch Lärmaktionspläne auf Flächen, in denen die Immissionswerte des § 2 Abs. 2 FluglärmG unterschritten würden, Maßnahmen vorzusehen,345 sofern damit ein gänzlicher Ausschluss von Lärmaktionsplanmaßnahmen gemeint sein sollte. Auch wenn Wysk anhand der von ihm dargelegten Entstehungsgeschichte des Vorschriftenwortlautes zuzugeben ist, dass die Streichung eines weiteren Halbsatzes, der weitergehende Lärmminderungsplanungen in das Ermessen der zuständigen Behörde stellen wollte, als einschränkende Verengung des Wortlautes aufzufassen ist, darf doch der Anwendungsbereich des Gesetzes gemäß § 1 FluglärmG nicht übersehen werden. Zweck des Gesetzes ist es, in der Umgebung von Flugplätzen bauliche Nutzungsbeschränkungen und baulichen Schallschutz zum Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor Gefahren, erheblichen Nachteilen und erheblichen Belästigungen durch Fluglärm sicherzustellen. Es geht also um die Einrichtung von Bauschutzbereichen (§ 2 ff. FluglärmG), in denen bestimmte Bauverbote bestehen (§ 5 FluglärmG) und bestimmte Anforderungen an den passiven Schallschutz der übrigen Bauten gestellt werden (§ 6 f. FluglärmG). Hierfür werden die Grundstückseigentumer entschädigt bzw. erhalten sie ihre Aufwendungen erstattet (§ 8 f. FluglärmG). Diesen eingeschränkten Regelungszusammenhang hatte bei der Neufassung des Gesetzentwurfes auch die Ausschussmehrheit im Blick, wie der Ausschussbericht beweist.346 Folglich sollte sich die Beschränkung des § 14 FluglärmG auch nur auf die geregelten Materien beziehen, nämlich die Reichweite der Lärmschutzbereiche und die damit 344

LAI-Hinweise zur Lärmkartierung Nr. 12.3. Wysk, Fluglärmgesetz, Lärmbekämpfung 2007, 243 (249). 346 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, BT-Drs. 16/3813, S. 12: „Das Petitum einiger Fluglärmschutzverbände, im Fluglärmgesetz auch den aktiven Schallschutz zu regeln, laufe rechtssystematisch ins Leere. Das Fluglärmgesetz regele den Lärmschutz für Anrainer von Flugplätzen. Es beziehe sich dabei ausdrücklich auf den so genannten passiven Schallschutz. Der so genannte aktive Schallschutz, zu dem technische Anflugregelungen aber auch Regelungen zum Flugverkehr zu festgelegten Tageszeiten gehörten, werde im Luftverkehrsgesetz (LuftVG) erfasst. Änderungen im LuftVG würden im Rahmen der vorliegenden Gesetzesnovelle nur in dem Maße vorgenommen, wie sie der Regelungsinhalt des FlugLG erfordere. Eine Änderung des LuftVG sei nicht Teil der derzeitigen Gesetzesinitiative. Es bleibe einer Genehmigungsbehörde auch nach der Novellierung des Fluglärmgesetzes z. B. in einem Planfeststellungsverfahren unbenommen, in der Genehmigung begründet höhere Anforderungen an den aktiven Schallschutz festzuschreiben.“ 345

C. Die inhaltlichen Anforderungen an die Lärmaktionspläne

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verbundenen Entschädigungs- und Erstattungsfolgen. Sonstige, sich nicht hierauf beziehende Maßnahmen und Planungsbeiträge können in Lärmaktionsplänen somit rechtmäßig festgesetzt werden. i) Besonderheiten beim Schutz ruhiger Gebiete Ziel der Lärmaktionspläne soll es auch sein, ruhige Gebiete gegen eine Zunahme des Lärms zu schützen (§ 47d Abs. 2 S. 2 BImSchG). Dabei handelt es sich nicht um ein Verschlechterungsverbot.347 Die Gegenauffassung348 findet schlicht keine Stütze im übereinstimmenden Wortlaut von Art. 8 Abs. 1 S. 1 lit. b RL und § 47d Abs. 2 S. 2 BImSchG. Erstens handelt es sich bei dem Einbezug des Schutzes ruhiger Gebiete nur um eine Sollvorschrift;349 schon das spricht gegen das Vorliegen eines strikten Verschlechterungsverbotes. Zweitens aber lässt die Vorgabe, die Gebiete vor einer Zunahme des Lärms zu schützen, nicht den Schluss zu, dass eine Lärmzunahme unter allen Umständen zwingend verhindert werden müsse oder unzulässig sei.350 Hätten Richtlinien- und Gesetzgeber dies gewollt, hätten sie es so formulieren müssen. Auch systematisch lässt sich ein Verschlechterungsgebot für ruhige Gebiete nicht begründen. Die genannten Vorschriften stellen den Schutz ruhiger Gebiete als weiteres Ziel der Lärmaktionsplanung neben den Schutz verlärmter Gebiete vor bestehenden und künftigen Belastungen, wofür planerische Gestaltungsfreiheit gilt. Es ist nicht ersichtlich, dass der Schutz ruhiger Gebiete gegenüber der dort erforderlichen gerechten Abwägung eine noch stärker herausgehobene Stellung einnehmen sollte. Ein Lärmschutzauftrag besteht in beiden Fällen. Deshalb erscheint es auch zweifelhaft, für den Schutz ruhiger Gebiete isoliert von einem Optimierungsgebot auszugehen.351 Allenfalls könnte sich der Charakter eines Optimierungsgebotes einheitlich für die gesamten Festsetzungen der Lärmaktionspläne ergeben.352 Zum Schutz ruhiger Gebiete können zum einen Maßnahmen in Betracht kommen, die die Schallausbreitung der von bereits bestehenden Schallquellen im Umfeld des ruhigen Gebiets ausgehenden Immissionen mindern. Insofern ist auf die obigen Ausführungen zu verweisen. Zum zweiten werden Lärmaktions347 Wysk, in: Giesberts/Reinhardt, § 47d BImSchG Rn. 14; so wohl auch zu verstehen Hansmann, Lärmminderungsplanung, FS Rehbinder, S. 349 f. 348 Noch auf Basis des ersten Gesetzentwurfs und der Richtlinie Philipp-Gerlach/ Hensel, Gesetzesentwurf, ZUR 2004, 329 (333); ohne weiteres Argument übernommen von Mitschang, Umgebungslärmrichtlinie, ZfBR 2006, 430 (431). 349 Hansmann, Lärmminderungsplanung, FS Rehbinder, S. 350. 350 Insoweit zutreffend trotz falschen Gesetzeswortlauts Hansmann, Lärmminderungsplanung, FS Rehbinder, S. 349 f. 351 So aber Wysk, in: Giesberts/Reinhardt, § 47d BImSchG Rn. 14. 352 Siehe hierzu aber unten G. IV., S. 377.

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6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

pläne vor allem Planungsbeiträge im Sinne eines Ausschlusses der Festsetzung bestimmter angrenzender Baugebietstypen oder im Sinne eines planerischen Ausschlusses immissionsträchtiger Vorhaben und Verkehrsanlagen enthalten können.353 Insofern kommt vor allem eine von städtebaulichen Erwägungen getragene und mithin rechtmäßige sog. „Freihalteplanung“ in Betracht.354 Da es bei dem Schutz ruhiger Gebiete nicht in erster Linie um die Zurückdrängung bereits wahrnehmbarer Einflüsse, sondern um die vorausschauende Vermeidung möglicher Einflüsse geht, ist in diesem Punkt eine besondere planerische Sensibilität gefordert. Insbesondere sollte sich die lärmaktionsplanende Stelle immer wieder vergewissern, dass andernorts vorgesehene Lärmminderungsmaßnahmen nicht zu negativen Verlagerungswirkungen zum Nachteil der ruhigen Gebiete führen werden. Umso deutlicher wird der Bedarf einer möglichst flächendeckenden Lärmkartierung, damit derartige Verlagerungen überhaupt erkannt werden können.355

VIII. Der Sonderfall des Verzichts auf Maßnahmen In seltenen Ausnahmefällen ist sogar ein Verzicht auf die Festlegung von Maßnahmen in europarechtskonformer und abwägungsfehlerfreier Weise denkbar.356 Diese Ausnahmesituation ergibt sich im Wesentlichen aus dem Vorhandensein bestimmter Problemlagen im Bestand sowie aus der Diskrepanz zwischen nutzungszulassenden Grenzwerten und den darunter liegenden ambitionierteren Auslösewerten und Zielvorstellungen der Lärmminderungsplanung. Zum Tragen kommen dürften solche Fälle allerdings voraussichtlich erst in einer späteren Aktionsplanungsrunde, nachdem erhebliche lärmmindernde Schritte erfolgreich unternommen wurden. Die Überlegung lässt sich anhand zweier Fallgruppen und weniger Beispiele verdeutlichen. 1. Die Nutzungsbeendigung als einzig denkbare Maßnahme Ausgangspunkt des Gedankenganges ist die Tatsache, dass es ungeachtet aller Lärmminderungsbestrebungen lärmträchtige Nutzungen gibt, die als solche je353

Wysk, in: Giesberts/Reinhardt, § 47d BImSchG Rn. 14. Vgl. z. B. VGH BW, 3 S 2588/06 vom 12.03.2008, Juris, Rn. 42 f. 355 Deutlich Nozon, LMP, Lärmbekämpfung 2008, 108 (112): Der Schutz ruhiger Gebiete werde in Rostock erst in der zweiten Aktionsplanungsphase in Angriff genommen, da das jetzige „Schrumpfnetz“ einer notwendig flächenhaften Analyse entgegenstehe. 356 Gegenteiliger Auffassung Scheidler, Neue Aufgaben, DVBl. 2005, 1344 (1349); Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47d BImSchG Rn. C 5; Scheidler/Tegeder, in Feldhaus, § 47d BImSchG Rn. 17 f.; siehe hierzu schon oben bei Fn. 173. 354

C. Die inhaltlichen Anforderungen an die Lärmaktionspläne

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doch gesellschaftlich erforderlich oder wenigstens erwünscht sind. Dem trägt der planerische Trennungsgrundsatz des § 50 BImSchG zwar Rechnung. Jedoch lassen sich auch bei weitgehender Trennung konfligierender Nutzungen Beeinträchtigungen nicht komplett ausschließen, insbesondere wenn der Schutz des Außenbereichs vor Bebauung nicht vollends aufgegeben werden soll. Noch größere Schwierigkeiten ergeben sich bei althergebrachten Gemengelagen im Bestand. Gute Beispiele für laute, aber gesellschaftlich geforderte Nutzungen sind Flughäfen und Rangierbahnhöfe. Beides findet sich aus historischen Gründen oftmals in unmittelbarer Nähe zu Wohnbebauung. • Beispiel 1 Der Rangierbahnhof befindet sich inmitten des Ballungsraums. Er hält sämtliche Immissionsgrenzwerte ein, die bei einer Neuanlage oder wesentlichen Änderung der Anlage zu erfüllen wären. Der Auslösewert der Landesregierung für die Lärmaktionsplanung ist aber überschritten. Der Rangierbetrieb erfolgt nicht durch Ablaufenlassen, sondern durch geräuscharme Lokomotiven. Der Betriebsablauf ist so organisiert, dass Lautsprecherdurchsagen entfallen, Sirenen und Hupen nur im Notfall betätigt werden. Die Schienen und Räder werden regelmäßig akustisch geschliffen. Das K-Sohlen-Programm für Güterzüge ist mittlerweile umgesetzt. Der Bahnhof wird von Schutzbepflanzung und Schallschutzwänden umgeben. Die anliegenden Fassaden wurden mit Schallschutzfenstern ausgerüstet. Die einzige noch denkbare Maßnahme ist die Verlagerung des Rangierbahnhofes aus der Stadtmitte auf eine vorhandene Fläche in Randlage. • Beispiel 2 Der Flughafen befindet sich am Rande der Stadt S. Die restriktiven Auflagen des Planfeststellungsbeschlusses sind eingehalten. Für den Flughafen gilt ein Nachtflugverbot. Es dürfen ihn nur Flugzeuge der niedrigsten Schallklassen anfliegen. Der Anflug erfolgt je nach Windrichtung nur noch über die beiden am wenigsten belastenden Anflugrouten. Andere Anflugrouten sind mit der Sicherheit des Luftverkehrs nicht vereinbar. Der Betriebsablauf ist akustisch optimiert. Die Erschließung erfolgt allein von der der Wohnbebauung abgewandten Seite. Die Lärmschutzbereiche nach dem Fluglärmgesetz sind eingerichtet. Die Bauverbote sind eingehalten und der Wohnbestand mit entsprechenden Schallschutzeinrichtungen versorgt; eine Ausdehnung wäre wegen § 14 FluglärmG rechtswidrig. Trotz dieser Maßnahmen sind die Auslösewerte für die Lärmaktionsplanung überschritten. Ein besser geeigneter Standort ist nicht vorhanden. Die einzige noch denkbare Maßnahme ist die Schließung des Flughafens.

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6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

• Beispiel 3 Die Stadt S liegt an einem großen Strom, der ihr Stadtgebiet hälftig teilt. Der Verkehr zwischen den beiden Stadthälften wird über vier Brücken abgewickelt. Diese vier Nadelöhre wurden nach allen Regeln der Kunst lärmgemindert. Es gelten Geschwindigkeitsbegrenzungen, der Verkehr fließt stetig, es wurde offenporiger Asphalt verbaut, es gilt ein Durchfahrtsverbot für LKW über 7,5 Tonnen, die über eine Brücke verlaufenden Straßenbahnschienen liegen im Rasengleis, sind geschliffen und geschmiert, desgleichen die Fahrzeugräder der Straßenbahnen. Die Brücken sind teilweise eingehaust. Eine Untertunnelung des Flussverlaufs ist aus hydrogeologischen Gründen unmöglich. Die angrenzenden Gebäude wurden passiv schallgeschützt. Niedrigere Belastungen kommen nur bei Schließung der Brücken für den Verkehr in Betracht. Dann würde der Verkehr in der Stadt endgültig zusammenbrechen; die Flußseite könnte nur noch über die naheverlaufende Autobahn mit kilometerlangen Umwegen gewechselt werden. Allen drei Beispielen ist gemeinsam, dass sich die Abwägungsentscheidung auf eine Maximalentscheidung zwischen dem Lärmminderungsbelang und dem Nutzungsbelang konzentriert. Das bei Fortbestand der Nutzung Erreichbare ist getan, ohne dass dadurch die angestrebten Zielwerte der Lärmminderungsplanung erreicht worden wären. In Betracht kommen nur die Fortführung der Nutzung an einem anderen Standort, was mit immensen Investitionskosten verbunden wäre (Beispiel 1), oder die Aufgabe der Nutzung, was den Verlust von Milliardeninvestitionen und Arbeitsplätzen nach sich zöge (Beispiel 2). Im Beispiel 3 wäre eine städtebaulich völlig unvertretbare Teilung der beiden Stadthälften das Ergebnis. Es wurde bereits ausgeführt, dass auch bei der Lärmaktionsplanung jeder betroffene Belang unabhängig von seiner Art und nicht nur Umwelt- oder Lärmschutzbelange berücksichtigt werden müssen. Insofern kann in derartigen dramatischen Ausnahmekonstellationen das bloße Vorhandensein eines Lärmschutzbelanges nicht schon zur Determinierung der Abwägungsentscheidung zugunsten dieses Belanges führen. Darauf liefe aber auch die oben kritisierte Ansicht von Scheidler, Stettner und Scheidler/Tegeder hinaus: Bezöge sich das Ermessen der Planer nur auf die Auswahl bestimmter Maßnahmen, nicht aber auf das Ob ihrer Festsetzung, müsste die Nutzungsbeendigung in allen drei Beispielen im Lärmaktionsplan festgesetzt werden. Dann müsste die Stadt S in der Lärmaktionsplanung die Schließung des Flughafens verlangen, auch wenn sie wirtschaftlich von der Entwicklung des Flughafens abhängig wäre. Das Ergebnis wäre unzulässige planerische Einseitigkeit statt gebotener gerechter Abwägung im Einzelfall. Eine solche Festsetzung der Nutzungsbeendigung wäre als Planungsbeitrag einzustufen, da sämtlichen genannten Beispielen Planungen zugrunde liegen,

C. Die inhaltlichen Anforderungen an die Lärmaktionspläne

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die geändert bzw. aufgehoben werden müssten. Insoweit könnten die Planungsbeiträge auch in der Abwägung überwunden werden. Soll aber etwa die Stadt S im Beispiel 3 tatsächlich rechtlich gezwungen sein, in ihrer Lärmaktionsplanung eine Kappung der Verkehrsbeziehungen zu beschließen und diese in der dadurch ausgelösten Bauleitplanung bzw. Straßenplanung wieder wegzuwägen? Ein solches Vorgehen wäre nicht nur absurd, sondern wegen Einseitigkeit der Lärmaktionsplanung rechtswidrig und würde das Instrumentarium der Lärmminderungsplanung insgesamt in der Öffentlichkeit diskreditieren. In solchen dramatischen Fällen muss deshalb der Verzicht auf die Maßnahmenfestsetzung als Abwägungsergebnis rechtmäßig möglich sein. 2. Der erfolgreiche Schutz eines ruhigen Gebietes Weniger dramatisch, aber durchaus praxisrelevant stellt sich die zweite Fallgruppe dar. Der Schutz ruhiger Gebiete beruht nicht in erster Linie auf der Zurückdrängung bestehender Verlärmung, sondern auf der Vermeidung künftiger Belastungen, die den Charakter des Gebietes bedrohen.357 Der Lärmaktionsplan kann deshalb z. B. den Planungsbeitrag festsetzen, dass an der bislang freien und noch nicht beplanten Seite eines Parks nur ein reines Wohngebiet festgesetzt werden möge. Sobald dieser Planungsbeitrag verwirklicht ist und sich herausstellt, dass der Park seinen Charakter als ruhiges Gebiet nicht verloren hat, stellt sich die Frage, welche Maßnahme im neuen Aktionsplan eigentlich festgesetzt werden soll, wenn die Gemeinde wegen des Vorliegens eines ruhigen Gebietes aber im Hinblick auf mögliche Veränderungen weiterhin zur Aktionsplanung verpflichtet ist. Auch in solchen Fällen scheint der derzeitige Verzicht auf konkrete Maßnahmen möglich. 3. Die Folge des Verzichts auf Maßnahmen Gleichwohl ist in den vorgenannten Fallgruppen der Lärmaktionsplan an sich nicht überflüssig oder inhaltsleer. Denn der Lärmaktionsplan erfüllt zum einen weiterhin seine Informationsfunktion, indem die lärmfachliche Ausgangslage für das Plangebiet, das ja nicht mit dem Gebiet der einzelnen Lärmkarten deckungsgleich sein muss,358 beschrieben und bewertet wird. Zum anderen dient der Lärmaktionsplan der Darstellung der mit den Vorgängerplänen – erfolgreich – verfolgten Lärmminderungsstrategie, die von der Umgebungslärmrichtlinie ausdrücklich gefordert wird (vgl. nur Ziffer 1 des Anhangs V RL), und damit letztlich zugleich ihrer Evaluierung. Diese stellt ebenfalls einen wichtigen Bestand357 358

Siehe schon oben B. III. 4., insb. S. 275. Siehe schon oben B. III., S. 259 f., bei Fn. 41.

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6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

teil der Lärmminderungsplanung dar, muss aber nach dem Wortlaut der Ziffer 1 des Anhangs V RL nicht unmittelbar im Aktionsplan selbst erfolgen.

D. Die Formvorschriften im Rahmen der Lärmaktionsplanung Eine bestimmte Form ist für Lärmaktionspläne nicht vorgeschrieben. Entscheidend für die Wahl der Form ist somit, dass die Form den Praxiserfordernissen gerecht wird, sich insbesondere auch für eine Übermittlung an andere Stellen eignet. Da es sich bei Lärmaktionsplänen gemäß § 47d Abs. 2 S. 1 BImSchG i.V. m. Anhang V RL um eine Zusammenstellung von Ausgangsdaten und Maßnahmenkatalogen handelt, wird ein Plan in Form zeichnerischer Darstellungen nicht in Betracht kommen. Zweckmäßig sind vielmehr Pläne in Form verbalisierter Texte.359 Ein Schriftformerfordernis im engeren Sinne wird man hierfür nicht annehmen müssen;360 Textform oder elektronische Form, sofern in einem allgemein zugänglichen Format abrufbar, dürften insoweit ebenfalls ausreichend sein. Probleme für die Vollzugspraxis sind hier jedenfalls nicht zu erwarten. Als Formerfordernisse sind im Einzelnen die Aufnahme der gewünschten Unterlagen und Informationen nach Ziffer 1 des Anhangs V RL in den Plan zu nennen, insbesondere also die Mitteilung der Datengrundlagen, die Beschreibung der rechtlichen Ausgangssituation, die Informationen zu der durchgeführten Öffentlichkeitsbeteiligung, Aussagen zur langfristigen Strategie und zu der beabsichtigten Evaluation. Schließlich ist an die Anfertigung einer Kurzzusammenfassung für die Europäische Kommission i. S. d. Ziffer 1.8 des Anhangs VI RL zu denken. Ob es zur – sicherlich als solcher gerechtfertigten – Sicherstellung der gebotenen Kürze insoweit der Angabe einer Höchstseitenzahl von 10 Seiten bedurfte oder ob ggf. sogar noch die Angabe der gehörigen Schriftgröße erforderlich gewesen wäre, mag dahinstehen und von Bürokratieüberprüfungskommissionen bewertet werden; über § 47d Abs. 2 S. 2 BImSchG hat jedenfalls auch die Höchstseitenzahl Gesetzesrang erlangt.

E. Die Verfahrensvorschriften für die Lärmaktionsplanung Das Verfahren für die Lärmaktionsplanung bleibt im Bundes-Immissionsschutzgesetz weitgehend ungeregelt.361 359

Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 34. So aber Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 34; Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47d BImSchG Rn. 22. 361 Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 149. 360

E. Die Verfahrensvorschriften für die Lärmaktionsplanung

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I. Allgemeines Eigene Verfahrensregelungen zur Lärmaktionsplanung finden sich nur in § 47d Abs. 3, 4 und 6 BImSchG. Geregelt werden nur die Öffentlichkeitsbeteiligung, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit sowie die Mitteilungspflichten der Aktionsplanungsbehörden. Die Regelungen bleiben dabei rudimentär und gehen nicht ins Detail.362 Soweit das Bundes-Immissionsschutzgesetz keine eigenständigen Regelungen vorsieht, müssen somit die allgemeinen Verfahrensregeln zur Geltung kommen. Das bedeutet zunächst, dass jede tätig werdende Behörde das für sie geltende Verfahrensrecht zur Anwendung bringt. Das führt im Regelfall zur Anwendung des jeweiligen Landes-Verwaltungsverfahrensgesetzes.363 Da eine Durchführung des förmlichen Verfahrens nicht gesetzlich angeordnet ist (§ 63 Abs. 1 VwVfG), gilt auch hier die Maßgabe des § 10 VwVfG, wonach das Verfahren nicht an bestimmte Formen gebunden und im Übrigen einfach, zweckmäßig und zügig durchzuführen ist. Den Bundesländern ist es zwar unbenommen, etwa in ihrem Landes-Immissionsschutzgesetz die Durchführung des förmlichen Verwaltungsverfahrens gesetzlich anzuordnen. Damit befände man sich mit einem gesetzgeberischen „Schlag“ wieder auf bekanntem Terrain und die meisten offenen Verfahrensfragen wären beantwortet; klare Fristen und Formen gälten beispielsweise für die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung. Dennoch ist den Ländern von einem solchen Schritt abzuraten. Denn das nichtförmliche Verwaltungsverfahren bietet eine höhere Flexibilität und damit einen ganz entscheidenden Vorteil: Es ermöglicht unproblematisch die Verknüpfung der Lärmaktionsplanung mit der Luftreinhalteplanung oder anderen Planungen, für die andere Vorschriften gelten. So können Synergien nicht nur bei der Maßnahmenfestsetzung, sondern auch schon im Verfahren nutzbar gemacht werden.364 Dies kann von besonderem Interesse sein, wenn Lärmminderung und Luftreinhaltung in den Händen unterschiedlicher Behörden liegen.365

II. Behördenbeteiligung Auch unabhängig von einer solchen Verknüpfung zweier Planungen unterschiedlicher Träger öffentlicher Verwaltung sind im Lärmaktionsplanungsverfah362 Wysk, in: Giesberts/Reinhardt, § 47d BImSchG Rn. 25; Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47d BImSchG Rn. 19. 363 Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47d Rn. 19. 364 Vgl. das Plädoyer von Fröhlich/Richard, Lärmminderung Neuruppin, Der Städtetag 6/2006, 26 (28). 365 Beispiel bei Nozon, LMP, Lärmbekämpfung 2008, 108 (112): Hansestadt Rostock bzw. Wirtschaftsministerium M-V.

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6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

ren andere Behörden zu beteiligen, deren Zuständigkeitsbereich von der Lärmaktionsplanung betroffen werden kann. Beteiligung meint insofern ein gezieltes Herantreten an die Behörde, mit dem Ziel, diese zu einer aktiven Mitwirkung zu bewegen. Diese Beteiligungsverpflichtung soll schon aus dem allgemeinen Grundsatz einer ordnungsgemäßen Verwaltung folgen.366 Sie ergibt sich jedenfalls aus dem Gebot einer zweckmäßigen Verfahrensgestaltung (§ 10 S. 2 VwVfG). Denn Beteiligungspflichten und Bindungswirkung der Lärmaktionspläne stehen in einer Wechselwirkung zueinander. Dies gilt insbesondere, wenn durch den Lärmaktionsplan das Ermessen einer anderen Behörde, die für die im Lärmaktionsplan festgesetzte Maßnahme zuständig ist, gebunden oder gelenkt werden soll. Eine Beteiligung solcher Behörden ist hierfür eine Mindestanforderung, wenn nicht sogar ein Einvernehmen erforderlich ist, um eine Umsetzung des Lärmaktionsplans sicherzustellen.367 Besonderes Augenmerk verdient insoweit der Eisenbahnbereich. Hier ist hinsichtlich der auf die Eisenbahnplanung, also den Neubau und die wesentliche Änderung von Schienenwegen,368 sich beziehenden Lösungsansätze des Aktionsplans das Eisenbahn-Bundesamt als zuständige Planfeststellungsbehörde zu beteiligen. Problematisch sind aber die Beteiligungspflichten hinsichtlich der Festsetzungen im Übrigen, soweit sie sich auf das Betreiben der Eisenbahninfrastruktur und den Betrieb der Eisenbahnverkehre beziehen. Denn Maßnahmen an der Strecke unterhalb eines Planungserfordernisses, also insbesondere bloße Unterhaltungsmaßnahmen,369 fallen in den Zuständigkeitsbereich der Eisenbahninfrastrukturunternehmen, die samt und sonders Private sind.370 Dieser Status gilt seit der Bahnreform 1994 insbesondere auch für die DB Netz AG als dem größten deutschen Eisenbahninfrastrukturunternehmen. Maßnahmen hinsichtlich der Verkehrsdurchführung betreffen die ebenfalls privaten Eisenbahnverkehrsunternehmen. Auch wenn es sich bei diesen Aufgabenträgern im Bahnbereich nicht mehr um Behörden handelt,371 empfiehlt es sich doch, diese wie Behörden aktiv in das Verfahren einzubeziehen, gezielt an sie heranzutreten und nicht nur abzuwarten, ob sich die Unternehmen durch die allgemeine Öffentlichkeitsbe366 Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47d BImSchG Rn. 21; Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 153. 367 Siehe hierzu im Einzelnen unten G., S. 369 ff., insb. S. 374, 381, 388. 368 Siehe hierzu im Überblick Stüer, Handbuch, Rn. 3094 ff., insbesondere Rn. 3099 ff. 369 Stüer, Handbuch, Rn. 3116. 370 Siehe zur Bindungswirkung der Lärmaktionsplanung im Bahnbereich und zum privaten Charakter auch der Eisenbahnunternehmen des Bundes die eingehenden Erläuterungen bei G. V. 2., S. 381 ff. 371 So allerdings Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 10.

E. Die Verfahrensvorschriften für die Lärmaktionsplanung

347

teiligung angesprochen fühlen. Denn die Eisenbahnunternehmen sind unverzichtbare Kooperationspartner, um Lärmminderungen an Schienenwegen durchzusetzen.372 Für eine Einbeziehung der Eisenbahninfrastrukturunternehmen in die tiefergehende Behördenbeteiligung spricht auch, dass sie öffentlichen Verkehrszwecken gewidmete Anlagen des öffentlichen Sachenrechts betreiben (arg. e § 23 Abs. 1 AEG) und deshalb letztlich trotz ihrer Stellung als Private bis zum Abschluss des Stilllegungsverfahrens nach § 11 AEG und der („Freistellung“ genannten) Entwidmung nach § 23 AEG einer gewissen Gemeinwohlbindung hinsichtlich der Eisenbahninfrastruktur unterliegen.373

III. Öffentlichkeitsbeteiligung Die Beteiligung der Öffentlichkeit hat im gesamten System der Lärmminderungsplanung eine zentrale Bedeutung. Zum einen ist es ausdrückliches Ziel der Umgebungslärmrichtlinie, die Information der Öffentlichkeit über Umgebungslärm und seine Auswirkungen sicherzustellen (Art. 1 Abs. 1 lit. b RL). Zum anderen ist die Information der Öffentlichkeit nicht nur Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck. Die Öffentlichkeit soll nicht nur zur Information der Behörden beitragen, sondern darüber hinaus Handlungsdruck für die zuständigen Behörden erzeugen, um schnell und wirksam zu Lärmminderungsschritten zu gelangen.374 Aus diesem Grunde schreibt Art. 8 Abs. 7 Unterabs. 1 RL eine effektive Anhörung und Mitwirkung der Öffentlichkeit an der Lärmaktionsplanung vor. In § 47d Abs. 3 BImSchG werden diese Maßgaben der Richtlinie mehr oder minder wortwörtlich abgeschrieben. Von der Verordnungsermächtigung des § 47f Abs. 1 Nr. 3 BImSchG wurde kein Gebrauch gemacht. 1. Die ausstehende gemeinschaftsrechtskonforme Umsetzung Damit sind die Vorgaben der Richtlinie zur Öffentlichkeitsbeteiligung bislang nicht gemeinschaftsrechtskonform umgesetzt.375 Der Bundesgesetzgeber hat 372

Siehe insbesondere unten G. V. 2. b), S. 388. Im Einzelnen streitig; vgl. W. Frotscher/U. Kramer, Sechs Jahre nach der Bahnreform – Das Allgemeine Eisenbahngesetz auf dem Prüfstand, NVwZ 2001, 24 ff. (31) mit Fn. 111; B. Hildebrandt, Zur Bedeutung der Streckenstilllegung nach § 11 AEG bei der Privatisierung von Bahnstrecken, LKV 2001, 300 (301); E. Frenzel, Die Änderungen des Eisenbahnrechts nach der AEG-Novelle 2005 – Zugleich Anschauungsunterricht zur Gesetzgebungspraxis des Bundes, NZV 2006, 57 ff. (62); U. Kramer, Die aktuelle Entwicklung des deutschen Eisenbahnrechts – Auf dem Weg zu einem perfekt regulierten Markt?, NVwZ 2006, 26 ff. (31 f.). 374 Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, Vor §§ 47a-47f Rn. 31; Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47d BImSchG Rn. E 1; Wysk, in: Giesberts/Reinhardt, § 47d BImSchG Rn. 25; Repkewitz, Probleme, VBlBW 2006, 409 (416). 375 So im Ergebnis auch Wysk, in: Giesberts/Reinhardt, § 47d BImSchG Rn. 26; Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 155 f. 373

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6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

sich darauf beschränkt, die Anforderungen der Richtlinie in Indikativsätze umzuschreiben. Aus dem Auftrag an die Mitgliedstaaten, dafür zu sorgen, dass die Öffentlichkeit zu Vorschlägen angehört wird (Art. 8 Abs. 7 Unterabs. 1 S. 1 RL), wurde so der Wortlaut des § 47d Abs. 3 S. 1 BImSchG: „Die Öffentlichkeit wird zu Vorschlägen für Lärmaktionspläne gehört.“ Entsprechendes gilt für die weiteren Vorgaben des Richtliniensatzes. Damit ist zwar die grundsätzliche Anhörungspflicht gesetzlich verankert, der eigentliche Regelungsauftrag an den Mitgliedstaat jedoch bleibt unerfüllt: Wann ist anzuhören? Auf welcher Datengrundlage ist anzuhören? In welcher Form ist anzuhören? Wie sieht die geforderte Mitwirkung jenseits der bloßen Anhörung aus? Auch zu den sehr streitigen Fragen von Fehlerfolgen bzw. Mitwirkungsansprüchen Einzelner bleibt der Gesetzgeber somit die Antwort schuldig. Besonders deutlich wird dieses Versäumnis bei der Verpflichtung des Art. 8 Abs. 7 Unterabs. 1 S. 2 RL, wonach angemessene Fristen mit einer ausreichenden Zeitspanne für jede Phase der Mitwirkung der Öffentlichkeit „vorzusehen sind“. Diese Verpflichtung reicht der Bundesgesetzgeber gleichsam wörtlich weiter. „Vorgesehen“ ist also tatsächlich nichts. Sicherlich sind die mit der Lärmaktionsplanung betrauten Behörden rein faktisch aufgrund ihrer Erfahrungen in anderen Verfahren in der Lage, eine Öffentlichkeitsbeteiligung zu organisieren, die den Erwartungen des Richtliniengebers entspricht.376 Unter rechtlichen Gesichtspunkten genügt eine bloße richtlinienkonforme Verwaltungshandhabung jedoch nicht den Anforderungen an eine korrekte Richtlinienumsetzung; denn anders als eine rechtssatzförmige Umsetzung bietet sie keine Gewähr für einen korrekten Richtlinienvollzug auch in Zukunft.377 Die Auffassung der Bundesregierung, die Anforderungen zur Öffentlichkeitsbeteiligung seien vollständig umgesetzt,378 ist daher unzutreffend. 2. Die Anforderungen an eine richtlinienkonforme Öffentlichkeitsbeteiligung In ihrer Verwaltungspraxis sollten sich die zuständigen Behörden daher unbedingt vergewissern, dass ihre Vorgehensweise eine effektive Beteiligung der Öffentlichkeit ermöglicht und begünstigt. Natürlich kann sich eine Behörde an ihr vertrauten Regelungen, etwa aus der Bauleitplanung oder förmlichen Verwaltungsverfahren, orientieren. Allerdings 376 Vgl. nur das Vorgehen der Stadt Norderstedt, dargelegt als Beispiel 6 in Anhang 2 der LAI-Hinweise zur Lärmaktionsplanung. 377 Ruffert, in: Calliess/Ruffert, Art. 249 EGV Rn. 59; Hetmeier, in: Lenz/Borchardt, Art. 249 EGV Rn. 10; Repkewitz, Probleme, VBlBW 2006, 409 (416). 378 Bundesregierung, BT-Drs. 16/7798, S. 8 f.

E. Die Verfahrensvorschriften für die Lärmaktionsplanung

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darf sie berücksichtigen, dass ein dem Bauleitplanungsverfahren entsprechendes Verfahren, wie es noch im ersten Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgesehen war, vom Gesetzgeber gerade verhindert wurde; insoweit bestehen größere Freiheiten der Behörde hinsichtlich der Verfahrensgestaltung als in jenen förmlichen Verfahren.379 Vor allem jedoch sollte die Behörde die Unterschiede jener Verfahren zur Lärmaktionsplanung nicht übersehen. Die Öffentlichkeitsbeteiligung im Planungsrecht und insbesondere auch bei Planfeststellungen, die eine Vorhabensgenehmigung zum Gegenstand haben, dient dem Rechtsschutz von potenziell Betroffenen, die vor der Schaffung vollendeter Tatsachen geschützt werden sollen, frühzeitig Kenntnis von Einzelheiten des Vorhabens erhalten und Einwendungen hiergegen bereits im Verwaltungsverfahren geltend machen können sollen.380 Das Instrument der Öffentlichkeitsbeteiligung wird dabei gewählt, um den zunächst unübersehbaren Kreis möglicherweise Betroffener, die nicht selbst Verfahrensbeteiligte i. S. d. § 13 Abs. 1 VwVfG sind, überhaupt erreichen und einbeziehen zu können.381 Zugleich dient die Beteiligung im Verwaltungsverfahren aber auch der Abschichtung von relevanten Belangen und der Präklusion nicht geltendgemachter Belange im verwaltungsgerichtlichen Verfahren (vgl. z. B. § 73 Abs. 4 S. 3 VwVfG).382 Da es sich bei derartigen Verwaltungsverfahren häufig um Massenverfahren mit Hunderten oder gar Tausenden von Einwendungen handelt, die von der Planungs- bzw. Genehmigungsbehörde abgearbeitet werden müssen, findet eine mündliche Verhandlung über die rechtzeitig erhobenen genehmigungsrelevanten Einwendungen statt (vgl. z. B. zum Genehmigungsverfahren für genehmigungsbedürftige Anlagen § 14 Abs. 1 der 9. BImSchV383). Hiervon unterscheiden sich die Ziele der Öffentlichkeitsbeteiligung im Rahmen der Lärmaktionsplanung erheblich. Es geht nicht in erster Linie um den frühzeitigen Rechtsschutz durch Anhörung im Verwaltungsverfahren und gar nicht um den Ausschluss rechtlicher Einwendungen. Anstelle eines negativ-abwehrenden Einschreitens der Bevölkerung soll eine konstruktiv-voranbringende Einbeziehung der Bevölkerung erreicht werden. Die Öffentlichkeit soll „mitge379 Repkewitz, Probleme, VBlBW 2006, 409 (415 f.); Schulze-Fielitz, in: GKBImSchG, § 47d Rn. 157. 380 So etwa für das Atomrecht BVerfG, NVwZ 1988, 427 (428 f.). 381 Hoppe/Beckmann/Kauch, Umweltrecht, § 11 Rn. 7, 10. 382 Hierzu näher Hoppe/Beckmann/Kauch, Umweltrecht, § 11 Rn. 19. Zu den Funktionen von Beteiligung vgl. allgemein H. Rossen-Stadtfeld, Beteiligung, Partizipation und Öffentlichkeit, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, GVwR II, § 29 Rn. 35 ff. 383 Neunte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes i. d. F. der Bekanntmachung vom 29.05.1992 (BGBl. I S. 1001), zuletzt geändert durch Art. 4 G v. 23.10.2007 (BGBl. I S. 2470).

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6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

nommen“ werden und partiell mit ihren Vorstellungen umgekehrt auch die Behörden „mitreißen“. Das ergibt sich aus der Gegenüberstellung des Erfordernisses einer bloßen „Anhörung“ einerseits und dem Erfordernis einer „Mitwirkung“ der Öffentlichkeit in Art. 8 Abs. 7 RL bzw. § 47d Abs. 3 S. 2 BImSchG.384 Deshalb verlangt die Öffentlichkeitsbeteiligung im Rahmen der Lärmaktionsplanung nach anderen Formen als einem klassischen Erörterungstermin. Das Wecken von Interesse durch Flugblätter, Internetauftritte und Veröffentlichungen in Tageszeitungen, die Veranstaltung mobiler Bürgerversammlungen an Planungsbrennpunkten, die Organisation runder Tische mit Bürgervereinen und Umweltschutzverbänden, die Strukturierung von Gesprächsforen zu Einzelaspekten, an denen jedermann freiwillig mitwirken kann, und die kontinuierliche Information der Öffentlichkeit über den Fortgang versprechen insofern mehr Erfolg. Beteiligen darf sich letztlich, wer sich für die Beteiligung interessiert. Denn die mangels anderweitiger Regelungen heranzuziehende385 Begriffsbestimmung des Art. 3 lit. v RL, wonach „Öffentlichkeit“ eine oder mehrere natürliche oder juristische Personen sowie gemäß den nationalen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten die Vereinigungen, Organisationen oder Gruppen dieser Personen bezeichne, bewirkt letztlich keine Einschränkung des Personenkreises. Im Einzelnen ergibt sich aus § 47d Abs. 3 BImSchG ein Vier-Phasen-Modell.386 Die Öffentlichkeit ist zu den Entwürfen eines Lärmaktionsplanes zu hören. Sie muss die Möglichkeit haben, aktiv an der Erarbeitung oder Weiterentwicklung der Entwürfe mitzuwirken. Die Ergebnisse der Öffentlichkeitsbeteiligung sind in der Abwägungsentscheidung der Planungsbehörde zu berücksichtigen. Schließlich ist die Öffentlichkeit über die getroffenen Entscheidungen zu informieren. Die vierte Stufe, nämlich die Information über die Beschlüsse, fällt allerdings mit der Veröffentlichung der Lärmaktionspläne als solcher zusammen. Eine Beteiligung findet hier allenfalls in der Perspektive auf eine Abänderung im kommenden Überprüfungsverfahren statt, weshalb es wohl auch gerechtfertigt wäre, nur von einem Drei-Phasen-Modell zu sprechen.

384 Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47d BImSchG Rn. 20; Stettner, in: Ule/ Laubinger, § 47d BImSchG Rn. E 3; Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 156; Scheidler/Tegeder, in: Feldhaus, § 47d BImSchG Rn. 46; Holm, Bundesfernstraßen, NuR 2003, 144 (147). 385 Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47d BImSchG Rn. E 2. 386 Mitschang, Umgebungslärmrichtlinie, ZfBR 2006, 430 (438); in dem Fünf-Phasen-Modell von Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 154, sind m. E. die Phasen 1 und 5 identisch.

E. Die Verfahrensvorschriften für die Lärmaktionsplanung

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Weshalb die Mitwirkungsmöglichkeit der Öffentlichkeit (2. Phase) erst ab der ersten Novellierung des Lärmaktionsplans, nicht aber schon bei seiner erstmaligen Erstellung greifen solle,387 ist unerfindlich und schlicht contra legem. Ganz im Gegenteil fordert § 47d Abs. 3 S. 2 BImSchG die Mitwirkungsmöglichkeit der Öffentlichkeit an der „Ausarbeitung und Überprüfung“, also ab der Erarbeitung des ersten Planes. Diese Verfahrenspflicht steht selbständig neben der Pflicht der Behörde, die Öffentlichkeit zu den formulierten Entwürfen anzuhören; die Anhörung ist nicht etwa vorgreifliche Voraussetzung für die Mitwirkung. Hinsichtlich der Angemessenheit der Fristen wird man wohl die aus dem Planungsrecht bekannten Monatsfristen für die Ermöglichung von Stellungnahmen als ausreichend ansehen müssen.388 Im Sinne der durch Öffentlichkeitsbeteiligung erreichbaren höheren Transparenz und Akzeptanz des Verfahrens sollte man eine großzügigere Handhabung jedoch nicht von vorneherein ausschließen. 3. Die Rechtsfolgen der Öffentlichkeitsbeteiligung Bereits die o. g. dritte Phase der Öffentlichkeitsbeteiligung spricht ihre maßgebliche Rechtsfolge aus: Die Ergebnisse der Mitwirkung sind zu berücksichtigen. Das meint den Einbezug in die planerische Abwägung, jedoch nicht in der Gestalt eines eigenständigen Belanges. Vielmehr sind die einzelnen Anregungen und Kritikpunkte der beteiligten Bürgerinnen und Bürger bei den jeweils tangierten Belangen zu würdigen. Einen eigenständigen Belang der „öffentlichen Meinung“ oder eines vermeintlichen „Volksempfindens“, der etwa der Nahverkehrsplanung der Gemeinde gegenüberzustellen wäre, kann es schon wegen der Informalität ihrer Erarbeitung und der fehlenden Legitimation eines Beschlusses runder Tische oder anderer Foren nicht geben.389 Anderes kann insoweit allenfalls für Beschlüsse mitberatender Gemeindeorgane wie z. B. die Empfehlungen der bayerischen Bürgerversammlungen nach Art. 18 Abs. 4 S. 1 BayGO gelten. Strikt ausgeschlossen ist der Beschluss des Lärmaktionsplanes an sich durch Runde Tische und sonstige Gruppierungen der Öffentlichkeitsbeteiligung. Der Beschluss obliegt allein den zuständigen Behörden. Denn „Mitwirkung“ bedeutet nicht „Mitentscheidung“. Über die Ergebnisse der Öffentlichkeitsbeteiligung sind Zusammenfassungen zu fertigen, die dem Aktionsplan beizulegen sind (Ziffer 1 des Anhangs V RL). Da eine mündliche Erörterung der Aktionsplanentwürfe nirgends vorgeschrieben ist, kann es jedenfalls keine Rechtspflicht geben, Wortlautprotokolle zu erstel387 388 389

So aber Mitschang, Umgebungslärmrichtlinie, ZfBR 2006, 430 (438). So auch Scheidler/Tegeder, in: Feldhaus, § 47d BImSchG Rn. 48. Siehe hierzu schon oben C. V. 2. g), S. 314.

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6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

len.390 Eine solche Pflicht besteht im Übrigen nicht einmal bei den Erörterungsterminen im Anlagengenehmigungsverfahren (vgl. § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 der 9. BImSchV) und ist deshalb erst recht bei der Lärmaktionsplanung unnötig. Ungewiss ist weitgehend, welche Folgen Fehler bei der Öffentlichkeitsbeteiligung nach sich ziehen und ob Einzelne ein klagbares Recht auf Beteiligung am Aufstellungsverfahren geltend machen können. Bislang wird im Schrifttum überwiegend darauf abgestellt, dass sich Fehler bei der Öffentlichkeitsbeteiligung wohl nicht auf die Rechtmäßigkeit des Lärmaktionsplans auswirkten, da es sich dabei nicht um verbindliches Außenrecht handele, sondern um einen Innenrechtsplan, der nur behördeninterne Wirkung entfalte.391 Dem ist zuzugeben, dass das Verfahrensrecht in wesentlichen Teilen dem Schutz materieller Rechte von Beteiligten dient, weswegen die Bedeutung des Verfahrensrechts aus dieser Warte umso geringer wird, umso weniger unmittelbar mit einem Eingriff in den Rechtskreis eines Grundrechtsträgers gerechnet werden muss.392 Dem ist weiter zuzugeben, dass gerade auch in das Recht der Planungen und Planfeststellungen vermehrt Planerhaltungsnormen Einzug gehalten haben, die die Heilung von Verfahrensmängeln durch ergänzende Verfahren oder sogar die Nichtbeachtlichkeit bestimmter Verfahrensfehler vorsehen (§ 214 Abs. 1 S. 1 BauGB; § 18e Abs. 6 S. 2 AEG; § 17e Abs. 6 S. 2 FStrG; § 14e Abs. 6 S. 2 WaStrG; § 10 Abs. 8 S. 2 LuftVG; § 29 Abs. 8 S. 2 PBefG; wohl auch § 75a Abs. 1a VwVfG393). Gleiches gilt im Bereich der Verwaltungsakte (§§ 45, 46 VwVfG). Es besteht mithin im deutschen Verfahrensrecht eine Tendenz zur Herausbildung von sog. „sanktionslosen“ Normen.394 Diese Tendenz steht jedoch im Widerspruch zu dem verfahrensbasierten Managementansatz der Umgebungslärmrichtlinie. Bereits in der Vergangenheit wurde im Schrifttum zu Recht angezweifelt, dass gemeinschaftsrechtlich zwingend vorgeschriebene Verfahrensschritte nicht durch nationale Planerhaltungs390 Möglicherweise in diese Richtung Scheidler/Tegeder, in: Feldhaus, § 47d BImSchG Rn. 48 a. E. 391 Scheidler, Neue Aufgaben, DVBl. 2005, 1344 (1350); Scheidler/Tegeder, in: Feldhaus, § 47d Rn. 49. Gleichsinnig wohl Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 157 f.: nicht dieselben unmittelbaren rechtlich nachteiligen Folgen von Fehlern wie bei anderen Planungen. Zweifelnd an der konstitutiven Wirkung der Öffentlichkeitsbeteiligungsvorschriften auch Holm, Bundesfernstraßen, NuR 2003, 144 (147). 392 BVerfG, NVwZ 1988, 427 (428 f.); Hoppe/Beckmann/Kauch, Umweltrecht, § 11 Rn. 9; Rossen-Stadtfeld, Beteiligung, GVwR II, § 29 Rn. 39. 393 Bonk/Neumann, in: P. Stelkens/H. Bonk/M. Sachs (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Aufl. 2008, § 75 Rn. 38. 394 Stüer, Handbuch, Rn. 1117; vgl. zur Entwicklung auch Uechtritz, in: W. Spannowsky/M. Uechtritz (Hrsg.), Öffentliches Baurecht, Beck’scher Online-Kommentar, Edition 5 (01.01.2009), § 214 Rn. 1–4.1; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 45 Rn. 10 ff. m.w. N.

E. Die Verfahrensvorschriften für die Lärmaktionsplanung

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normen umgangen werden dürften.395 Im Hinblick auf die ausdrückliche Zielsetzung der Umgebungslärmrichtlinie, die Öffentlichkeit zu informieren, und die Verfahrensweise, die informierte Öffentlichkeit gezielt als Antriebskraft für die Lärmminderung einzusetzen, sind Zweifel an einer sanktionslosen Umgehungsmöglichkeit auch hier angebracht. Im Ergebnis wird man deshalb wohl nicht von einer planvernichtenden Folge jedes einzelnen Verfahrensfehlers bei der Durchführung der Öffentlichkeitsbeteiligung, wohl aber aus edukatorisch-generalpräventiven Gründen396 von der Rechtswidrigkeit des Plans bei einer vollständigen oder nahezu vollständigen Nichtbeachtung der Öffentlichkeitsbeteiligung ausgehen müssen. Unabhängig davon ist zu sehen, wer eine solche Rechtswidrigkeit geltend machen kann. Nach Ansicht von Schulze-Fielitz soll der Verpflichtung zur Öffentlichkeitsbeteiligung ein echtes einklagbares Mitwirkungsrecht Einzelner als Teil der Öffentlichkeit gegenüberstehen.397 Das erscheint nicht zutreffend. Denn um ein Klagerecht des Einzelnen zu begründen, müssten die Vorschriften nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern gerade auch dem Schutz des Einzelnen oder eines abgrenzbaren Personenkreises dienen.398 Das ist jedoch nicht der Fall. Die dort genannte Öffentlichkeit ist als Personengesamtheit gerade der Gegenbegriff zum Individuum. Beteiligt wird gerade eine „subjektlose Kontrollöffentlichkeit“ 399. Insofern lässt sich ein individuelles Beteiligungsrecht nicht aus § 47d Abs. 3 BImSchG bzw. Art. 8 Abs. 7 RL ableiten. Dies ergibt sich – auch mit Blick auf die Anforderungen des Europäischen Gerichtshofes – insbesondere daraus, dass die Frage der Öffentlichkeitsbeteiligung anders als die Frage der Planaufstellung an sich keinen maßgeblichen Einfluss auf die Effektivität des mit der Planung bezweckten Gesundheitsschutzes400 hat.401 Die Betei395 Hoppe, in: W. Hoppe/S. Grotefels, Öffentliches Baurecht, 1. Aufl. 1995, § 5 Rn. 132; Schmaltz, in: H. Schrödter (Begr.), Baugesetzbuch, 6. Aufl. 1998, § 214 Rn. 49 a. E.; D. Sellner, Zur Umweltverträglichkeitsprüfung bei vorhabenbezogenen Bebauungsplänen, in: J. Berkemann/G. Gaentzsch/G. Halama/H. Heeren/E. Hien/H. Lemmel (Hrsg.), Planung und Plankontrolle, Entwicklungen im Bau- und Fachplanungsrecht, Otto Schlichter zum 65. Geburtstag, 1995, S. 257 ff. (S. 275); so auch noch Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 7. Aufl. 1999, Vorb §§ 214–216 Rn. 8 a. E.; aus jüngerer Zeit siehe etwa Quaas/Kukk, in: H. Schrödter (Begr.), Baugesetzbuch, 7. Aufl. 2006, § 214 Rn. 7. Ein ähnlicher Gedanke zum Vorrang gemeinschaftsrechtlicher Verfahrensregeln findet sich bei Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 45 Rn. 168. 396 Hierzu M. Sachs, Verfahrensfehler im Verwaltungsverfahren, in: HoffmannRiem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, GVwR II, § 31 Rn. 56. 397 Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 161. 398 BVerwG, NJW 1999, 592 (593); vgl. auch Hoppe/Beckmann/Kauch, Umweltrecht, § 11 Rn. 83, 127. 399 Rossen-Stadtfeld, Kontrollfunktion der Öffentlichkeit, S. 177 f. 400 Zu dessen Bedeutung näher einerseits unten H. I. 2., insb. S. 392; andererseits unten H. I. 3., S. 394 f.

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6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

ligung am Verfahren kann auch nicht über das Umweltrechtsbehelfsgesetz eingeklagt werden; denn die Richtlinie 2003/35/EG402, zu deren Umsetzung das Umweltrechtsbehelfsgesetz dient, erfasst die Lärmminderungsplanung nicht (vgl. Anhang I der Richtlinie). Ein individuelles Beteiligungsrecht lässt sich auch nicht auf § 3 Abs. 1 S. 1 UIG stützen. Denn diese Vorschrift gewährt nur ein Recht auf Kenntnis, nicht auf Mitwirkung darüber hinaus.403 Die Vorschriften der Öffentlichkeitsbeteiligung sind deshalb als rein objektives Recht zu einzustufen.404

IV. Die Strategische Umweltprüfung bei Lärmaktionsplänen Gemäß Anlage 3 Nr. 2.1 i.V. m. § 14b Abs. 1 Nr. 2 UVPG ist bei der Aufstellung von Lärmaktionsplänen eine Strategische Umweltprüfung durchzuführen, wenn der Plan für Entscheidungen über die Zulässigkeit von in der Anlage 1 UVPG aufgeführten Vorhaben oder von Vorhaben, die nach Landesrecht einer Umweltverträglichkeitsprüfung oder Vorprüfung des Einzelfalls bedürfen, einen Rahmen setzen. Pläne und Programme setzen gemäß der Legaldefinition in § 14b Abs. 3 UVPG dann einen Rahmen für die Entscheidung über die Zulässigkeit von Vorhaben, wenn sie Festlegungen mit Bedeutung für spätere Zulassungsentscheidungen, insbesondere zum Bedarf, zur Größe, zum Standort, zur Beschaffenheit, zu Betriebsbedingungen von Vorhaben oder zur Inanspruchnahme von Ressourcen, enthalten. Insofern ist eine SUP-Pflichtigkeit der Lärmaktionsplanung vor allem dann zu prüfen, wenn sie bestimmenden Einfluss auf straßenrechtliche Planfeststellungen und die gemeindliche Bauleitplanung nehmen soll.405 Dies wird jedoch nur der Fall sein, wenn tatsächlich eine Bindung nachfolgend tätiger Behörden eintritt, was bei Planungsbeiträgen regelmäßig eine Selbstbindung voraussetzt.406 Teilweise wird aber schon die Beeinflussung nachfolgender Verfahren 401 Vgl. hierzu auch R. Sparwasser, Gerichtlicher Rechtsschutz im Umweltrecht, in: K. Dolde (Hrsg.), Umweltrecht im Wandel, S. 1017 ff. (1023): Verfahrensvorschriften begründen grundsätzlich kein selbständig durchsetzbares subjektives öffentliches Recht. Vielmehr besteht die Möglichkeit einer Rechtsverletzung nur bei gleichzeitiger materieller Rechtsbeeinträchtigung. Skeptisch hinsichtlich einer zwingenden Aufgabe der Schutznormlehre nur wegen der Prozeduralisierung auch Schmidt-Preuß, Gegenwart, NVwZ 2005, 489 (494). 402 Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.05.2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der Richtlinien 85/337/ EWG und 96/61/EG des Rates in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten, ABl. EG 2003 Nr. L 156 S. 17. 403 Vgl. auch Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 161. 404 Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47d BImSchG Rn. E 4 mit Fn. 20. 405 Scheidler/Tegeder, in: Feldhaus, § 47d BImSchG Rn. 57.

E. Die Verfahrensvorschriften für die Lärmaktionsplanung

355

durch die Darstellung der Lärmsituation als rahmensetzend angesehen.407 In der Folge sind ggf. gemäß § 14e UVPG die besonderen Verfahrensanforderungen der §§ 14f bis 14o UVPG einzuhalten, insbesondere eine entsprechende Öffentlichkeitsbeteiligung herbeizuführen, die allerdings hinter der Mitwirkungsmöglichkeit nach § 47d Abs. 3 BImSchG zurückbleibt, und ein Umweltbericht i. S. d. § 14g UVPG anzufertigen.408 Möglicherweise kann die Lärmaktionsplanung aber auch von der Ausnahmevorschrift des § 14d Abs. 1 S. 1 UVPG profitieren, soweit der Lärmaktionsplan nur auf die Nutzung kleiner Gebiete auf lokaler Ebene Einfluss nimmt; dies erscheint nicht ausgeschlossen, zumal eine eigene Festsetzung der Nutzung durch den Lärmaktionsplan – demgegenüber ein Maius, das aber schon die Ausnahme auslöst – kaum erfolgen wird.

V. Die Mitteilungspflichten der Aktionsplanungsbehörden Auch bei den Lärmaktionsplänen ist ein Berichtswesen vorgesehen, das die Information der Bundesregierung und der Europäischen Kommission sicherstellt. Gemäß § 47d Abs. 7 i.V. m. § 47e Abs. 2 BImSchG ist die Bundesregierung von den obersten Landesbehörden zu unterrichten. Unklar ist aber, welche Informationen aus den Lärmkarten dort benötigt werden. Denn der Umfang der Mitteilungspflichten sollte gemäß § 47d Abs. 7 BImSchG eigentlich in der Rechtsverordnung nach § 47f BImSchG festgelegt werden, auf die nunmehr verzichtet wurde. Insofern ist den Landesbehörden zu raten, die Lärmaktionspläne als solche, jedenfalls aber die zehnseitigen Kurzzusammenfassungen für die EU-Kommission nach Berlin zu melden. Denn diese muss die Bundesregierung auf jeden Fall nach Maßgabe der Ziffer 1.8 des Anhangs VI RL an die Europäische Kommission weiterreichen.

VI. Die Veröffentlichung der Lärmaktionspläne Die beschlossenen Lärmaktionspläne müssen veröffentlicht werden. Damit vollziehen die Planungsbehörden die vierte Phase der Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 47d Abs. 3 S. 4 BImSchG409 und kommen zugleich der Aufforderung des Art. 9 Abs. 1 RL nach, wonach die Lärmkarten nicht nur zugänglich gemacht werden müssen, was ein Recht auf Einsichtnahme (ggf. nach § 4 UIG) 406 Vgl. Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 165; geringe Fallzahlen erwartet Wysk, in: Giesberts/Reinhardt, § 47d BImSchG Rn. 27; ebenso der Runderlass NW (Fn. 91), Nr. 8; a. A. offenbar A. Scheidler, Strategische Umweltprüfung für Lärmaktionspläne, NuR 2005, 628 ff. (631). 407 Sehr weitgehend Scheidler, Strategische Umweltprüfung, NuR 2005, 628 (631). 408 Scheidler/Tegeder, in: Feldhaus, § 47d BImSchG Rn. 58 f.; Stettner, in: Ule/ Laubinger, § 47d BImSchG Rn. J 2. 409 Siehe oben E. III. 2., insb. S. 350.

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6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

auslöst, sondern die Aktionspläne an die Öffentlichkeit verteilt werden. Erforderlich ist also ein offensives Anbieten, nicht nur ein Bereithalten der Pläne. Insoweit bieten sich Veröffentlichungen in Amtsblättern, Hinweise in Tageszeitungen und vor allem die Veröffentlichung im Internet an. Diese Information muss nach Art. 9 Abs. 2 RL deutlich, verständlich und zugänglich sein, was eine Kostenpflichtigkeit ausschließen dürfte. Zur Vermeidung einer Informationsüberflutung des Bürgers muss auch eine Zusammenfassung der wichtigsten Punkte angeboten werden.

VII. Die Überarbeitung der Lärmaktionspläne Gemäß § 47d Abs. 5 BImSchG müssen die Lärmaktionspläne alle fünf Jahre ab ihrer Erstellung überprüft und erforderlichenfalls überarbeitet werden. Da auch Art. 8 Abs. 5 RL auf den Zeitpunkt der (i. e. S. nicht erforderlichen) „Genehmigung“ des einzelnen Aktionsplans abstellt, bezieht sich die Fünf-JahresFrist auf den konkreten Tag des Lärmaktionsplanbeschlusses, nicht auf allgemeine Stichtage in Fortsetzung der erstmaligen Vollzugsfristen. Notwendig ist zunächst nur eine Überprüfung der Aktualität des Aktionsplans. Das Erfordernis einer Neuplanung wird sich demgegenüber nur ergeben, wenn sich bestimmte Festsetzungen als überholt oder nicht zielführend erweisen sowie wenn sich die Ausgangslage in akustischer oder sonstiger Hinsicht (z. B. neue Baugebiete) verändert hat. Insofern bieten die turnusgemäß geprüften und ggf. erneuerten Lärmkarten eine wertvolle Informationsquelle.410 Insoweit bedarf es nicht unbedingt einer konkretisierenden Rechtsverordnung, auch nicht für den weiteren Überprüfungstatbestand einer bedeutsamen Entwicklung für die Lärmsituation.411 Zweifelhaft erscheint aber die praktische Relevanz dieses weiteren Tatbestandes angesichts der ohnehin sehr kurzen Überprüfungsspanne von nur fünf Jahren und vor allem angesichts der großen Abhängigkeit von den Daten der Lärmkartierung, die in Ermangelung eines weiteren Überprüfungstatbestands stets nur alle fünf Jahre erneuert werden müssen.

F. Die Zuständigkeit für die Lärmaktionsplanung Auch im Rahmen der Lärmaktionsplanung wirft die Frage der Zuständigkeit etliche Probleme auf. Nach einer Darstellung der Zuständigkeitsregelung des § 47e Abs. 1 BImSchG und der hiervon abweichenden gesetzlichen Zuständigkeitsregelungen in den Bundesländern (hierzu sogleich unter I.) ist zu klären, inwieweit es sich bei der Lärmaktionsplanung um eine Angelegenheit der kom410 Siehe zu den Kriterien auch eingehend Scheidler/Tegeder, in: Feldhaus, § 47d BImSchG Rn. 60. 411 So Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47d BImSchG Rn. F 1.

F. Die Zuständigkeit für die Lärmaktionsplanung

357

munalen Selbstverwaltung handelt (hierzu unter II.). Daraus ergeben sich wie schon bei der Lärmkartierung wertvolle Hinweise für die Beurteilung der unmittelbaren Festlegung der Zuständigkeit durch den Bundesgesetzgeber (hierzu unter III.).

I. Die gesetzlichen Zuständigkeitszuweisungen im Bund und in den Ländern Die allgemeine Zuständigkeitsregel des § 47e Abs. 1 BImSchG, wonach die Gemeinden oder die nach Landesrecht zuständigen Behörden für die Aufgaben des Sechsten Teils des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zuständig sind, gilt auch für die Lärmaktionsplanung. Insofern kann auf die obigen Ausführungen zur Zuständigkeit bei der Lärmkartierung weitestgehend verwiesen werden.412 Ein wesentlicher Unterschied zur Lärmkartierung ergibt sich jedoch, indem eine Zuständigkeit des Eisenbahn-Bundesamtes für die Aktionsplanung nicht besteht; § 47e Abs. 3 BImSchG gilt hier nicht. Mithin findet keinerlei Lärmaktionsplanung unter der Führung einer Bundesbehörde statt. Von der Regelung des § 47e Abs. 1 BImSchG sind etliche Bundesländer abgewichen. Im Einzelnen gestalten sich die Zuständigkeiten in den Ländern für die Aufstellung der Lärmaktionspläne (also ohne Zuständigkeiten für Mitteilungen) wie folgt: Baden-Württemberg

Gemeinden Großflughäfen: Regierungspräsidien413

Bayern

Gemeinden im Einvernehmen mit Regierungen und ggf. Staatsregierung414 Bundesautobahnen, Großflughäfen, Haupteisenbahnstrecken: Regierungen im Einvernehmen mit Gemeinden415

Berlin

Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz416

Brandenburg

amtsfreie Gemeinden und Ämter, jeweils im Benehmen bzw. bei geplanter Kostentragung durch Bund oder Land im Einvernehmen mit Landesregierung417

412

Siehe oben 5. Teil, E. I., S. 224 ff. § 8 Abs. 5 S. 2 BImSchZuVO BW. 414 Art. 8a Abs. 2 S. 3 BayImSchG. 415 Art. 8a Abs. 2 S. 1 und 4 BayImSchG. 416 Internetseite der Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz, http://www.berlin.de/den/umwelt/laerm/laermminderungsplanung/de/laermaktionsplan/ index.shtml (24.11.2008). 417 § 13 Nr. 2 ImSchZV Bbg. 413

358

6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

Bremen

Stadtgemeinden Bremen bzw. Bremerhaven418

Hamburg

Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt419

Hessen

Regierungspräsidien im Einvernehmen mit den für die Umsetzung zuständigen Behörden420

MecklenburgVorpommern

Oberbürgermeister der kreisfreien Städte, Amtsvorsteher und Bürgermeister der amtsfreien Gemeinden421

Niedersachsen

Gemeinden (bei gemeindeübergreifenden Ballungsräumen gemeinsam)422

Nordrhein-Westfalen Gemeinden im Benehmen mit Planungsträgern bzw. im Einvernehmen mit für Maßnahmen zuständigen Behörden423 Rheinland-Pfalz

Gemeinden424

Saarland

Gemeinden425

Sachsen

Landkreise und kreisfreie Städte426

Sachsen-Anhalt

Gemeinden427

Schleswig-Holstein

Gemeinden428

Thüringen

Gemeinden im Einvernehmen mit den für die Umsetzung der Maßnahmen bzw. für lärmbedeutsame Planungen nach Bundesrecht zuständigen Behörden429

Hieraus ergibt sich folgendes Gesamtbild: Nur acht Bundesländer haben es bei der Regelzuständigkeit der Gemeinden annähernd „in Reinform“ belassen (Bremen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfa418 Internetseite des Senators für Umwelt, Bau, Verkehr und Europa, http://www. umwelt.bremen.de/de/detail.php?gsid=bremen179.c.7506.de (24.11.2008). 419 Ziffer I der Anordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes. 420 § 7 Abs. 2 der Verordnung über Zuständigkeiten nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz und zur Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung bei der Zulassung eines Vorhabens durch mehrere Behörden. 421 § 5 Nr. 1 ImSchZustVO M-V. 422 § 1 Abs. 1 ZustVO-Umwelt-Arbeitsschutz mit Anlage 1 Nr. 8.1.1.14. 423 Runderlass NW (Fn. 91), Nr. 2 und 9 a. E. 424 Internetseite des Ministeriums für Umwelt, Forsten und Verbraucherschutz, http://www.mufv.rlp.de/themen/laerm/umgebungslaermrichtlinie_rp.html (24.11.2008). 425 § 1 ZVO-BImSchG-TEHG SL i.V. m. § 47e Abs. 1 BImSchG. 426 § 1 Nr. 3 i.V. m. § 2 Abs. 1 S. 3 Sächs. AGImSchG. 427 § 1 Abs. 1 ZustVO GewAIR LSA mit Anhang 2 Nr. 9.1.2.10. 428 Leitfaden SH (5. Teil, Fn. 411), S. 5. 429 § 6 Abs. 1 Nr. 1 der Thüringer Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten und zur Übertragung von Ermächtigungen auf dem Gebiet des Immissionsschutzes.

F. Die Zuständigkeit für die Lärmaktionsplanung

359

len, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen). Drei Länder haben die Zuständigkeit in Teilen auf Gemeindeverbände übertragen (Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen). Die beiden Stadtstaaten Hamburg und Berlin haben ihren spezifischen Strukturen Rechnung getragen. Zwei weitere Länder haben die gemeindliche Zuständigkeit in Teilbereichen durch eine Zuständigkeit der staatlichen Mittelbehörde ersetzt (BadenWürttemberg, Bayern). Das Land Hessen schließlich hat die Lärmaktionsplanung als einziges Land komplett bei der Mittelbehörde angesiedelt. In Sachsen ist dabei ausdrücklich normiert, dass es sich bei den Aufgaben der Landkreise und kreisfreien Städte um Weisungsaufgaben, also Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises, handelt (§ 2 Abs. 5 SächsAGImSchG). In anderen Ländern ergibt sich dies indirekt aus der rechtlichen Eigenart der Ämter als Träger gesetzlich zugewiesener Weisungsaufgaben (§ 135 Abs. 1 BbgKVerf, § 4 Abs. 1 AO SH). In diesen Ländern ist der Gesetzgeber somit ebenso wie in Bayern430 und wohl auch Hessen also davon ausgegangen, dass es sich bei der Lärmaktionsplanung nicht um eine gemeindliche Selbstverwaltungsaufgabe handelt. Zum Teil bestehen Benehmens- und Einvernehmenserfordernisse mit den für die Umsetzung der Aktionsplanungen zuständigen Behörden oder den Behörden, die (meist mit der Umsetzung einhergehend) die Kostenlast treffen wird. Dies ist im Zusammenhang mit dem Streben nach größtmöglicher Verbindlichkeit des Aktionsplanes zu sehen und daher dem Grunde nach sinnvoll. Interessant dürfte allerdings werden, ob das sehr weitgehende hessische, thüringische und teils auch nordrhein-westfälische Einvernehmenserfordernis mit sämtlichen zur Umsetzung berufenen Behörden angesichts der zersplitterten Durchführungszuständigkeiten nicht zu erheblichen Zeitproblemen und gegenseitigen Blockaden führen wird. Festzustellen ist damit, dass die Lärmaktionsplanung ganz überwiegend auf der örtlichen Ebene angesiedelt wurde. Eine Ausnahme bilden insoweit die Zuständigkeiten der Gemeindeverbände sowie die Zuständigkeiten der Mittelbehörden in Baden-Württemberg für Großflughäfen, in Hessen und Bayern. Die bayerische Rechtslage weist die Besonderheit auf, dass die Gemeinden stets im Einvernehmen mit der Regierung als einer der sieben staatlichen Mittelbehörden und die Regierungen stets im Einvernehmen mit den betroffenen Gemeinden die Aktionspläne erstellen. In Bayern werden also stets die örtliche und die überörtliche Ebene miteinander verklammert. Das könnte sich als besonders gut geeignetes Modell zur Verzahnung der unterschiedlichen Lösungsansätze erweisen. Hintergrund der Regelung ist die Annahme, dass etliche 430 Vgl. zumindest die Begründung des insoweit nicht mehr veränderten Gesetzentwurfs der Bayerischen Staatsregierung, LT-Drs. 15/8783, Zu § 1 Nr. 6, S. 5: „Die Gemeinden nehmen dabei eine Aufgabe im übertragenen Wirkungskreis wahr.“

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6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

kleine Gemeinden, die außerhalb von Ballungsräumen im Einflussbereich von Hauptlärmquellen liegen, mit der Durchführung der Lärmaktionsplanung überfordert sein dürften.431 Kritisch anzumerken ist aber hier wie bei der Ausnahmeregelung in Baden-Württemberg, dass es eine Aktionsplanung für „Großflughäfen“, „Haupteisenbahnstrecken“ und „Bundesautobahnen“ an sich nicht gibt. Gefordert sind Aktionspläne für Orte in der Nähe von Hauptlärmquellen unter Berücksichtigung der Gesamtbelastung, nicht ein Bündel von Plänen für Einzellärmquellen! Nach der bayerischen Regelung müssten streng genommen bei einem Gemeindegebiet, das zugleich von einer Bundesautobahn und einer Bundesstraße als Hauptverkehrsstraße verlärmt wird, sowohl die Regierung als auch die Gemeinde Lärmaktionspläne für dasselbe Gebiet entwickeln und hierzu jeweils das Einvernehmen der anderen Stelle erwirken. Das ist widersinnig und eine glatte gesetzgeberische Fehlleistung. In der Praxis ist freilich davon auszugehen, dass Regierung und Gemeinde aus eigenem Interesse eine Einigung über die Verfahrensleitung anhand einer Schwerpunktbetrachtung oder anhand der Leistungsfähigkeit der Gemeinde herbeiführen werden.

II. Die Lärmaktionsplanung als Aufgabe kommunaler Selbstverwaltung Wie schon bei der Lärmkartierung432 ist auch bei der Lärmaktionsplanung zu klären, ob es sich bei der Lärmaktionsplanung um eine Selbstverwaltungsangelegenheit handelt, die nach Art. 28 Abs. 2 GG kraft Verfassung den Gemeinden zusteht. Der einhelligen Auffassung des Schrifttums (hierzu sogleich unter 1.) ist eine differenzierende Auffassung für die Aktionsplanung im Ballungsraum (hierzu unter 2. a)) bzw. für die Aktionsplanung außerhalb des Ballungsraums (hierzu unter 2. b)) gegenüberzustellen. Hieraus ergeben sich Schlussfolgerungen für die abweichenden Zuständigkeitszuweisungen der Länder (hierzu unter 2. c)). 1. Die einhellige Auffassung des Schrifttums Anders als einige Bundesländer geht das Schrifttum bislang einhellig davon aus, dass die Lärmaktionsplanung jedenfalls in denjenigen Fällen, in denen sich 431 Siehe zur Einschätzung durch die damaligen drei im Landtag vertretetenen Fraktionen insbesondere die Äußerung des seinerzeitigen Innenausschussvorsitzenden Kreidl, in: Bayer. Landtag, Anhörung (1. Teil, Fn. 210), S. 14, aber auch die hinsichtlich der kommunalen Leistungsfähigkeit einschränkenden Anmerkungen der Abgeordneten Wörner, ebd., S. 12 (personell nicht leistbar) und Paulig, ebd., S. 13 (Lärmaktionspläne für größere Städte leistbar); kritisch auch die Stellungnahmen der Sachverständigen Lorenz, ebd., S. 22 (Landeshauptstadt München habe sich schon bei früherer kommunaler Lärmminderungsplanung „völlig überfordert gefühlt“), und Petz, ebd., Anlage 4, sowie des Bayer. Städtetags, ebd., Anlage 2a (zu B. 4). 432 Vgl. oben 5. Teil, E. II. 1., S. 235 ff.

F. Die Zuständigkeit für die Lärmaktionsplanung

361

die Pläne alleine auf das Gebiet einer Gemeinde bezögen, Teil der gemeindlichen Planungshoheit sei und mithin eine genuine gemeindliche Selbstverwaltungsaufgabe darstelle, für die ein verfassungsrechtlicher Zuständigkeitsvorrang zugunsten der Gemeinde bestehe. Denn es handele sich bei der Lärmaktionsplanung um die Bekämpfung eines örtlich auftretenden und kleinräumig wirkenden Problems, von dem die Gemeinde aufgrund ihrer Ortsnähe nicht nur die beste Kenntnis habe, sondern mit der gemeindlichen Bauleitplanung zugleich über die wesentlichen Lösungsinstrumente verfüge. Ohne eine Beteiligung der betroffenen Gemeinden könnten die Lärmaktionspläne ihre Ziele nur schwer erreichen. Somit liege eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft vor, deren Wahrnehmung der gemeindlichen Zuständigkeit vorbehalten sei und im eigenen Wirkungskreis erfolge. Die Gemeinden seien somit geradezu die „geborenen“ Aufgabenträger. Eine anderweitige Zuständigkeitszuweisung könne nur für überörtliche Fallgestaltungen rechtmäßig sein, wo ein Tätigwerden des Landesgesetzgebers aus verfassungsrechtlichen Gründen dann aber auch erforderlich sei. Für diese Fälle könne eine Zuweisung nach Wahl des Gesetzgebers an kommunale oder staatliche Behörden erfolgen.433 2. Stellungnahme zur Auffassung des Schrifttums Die Auffassung des Schrifttums verdient teilweise Zustimmung. Teilweise fordert sie aber auch kritische Rückfragen heraus. Möglicherweise ist eine nach Teilbereichen der Aktionsplanung differenzierende Beurteilung der verfassungsrechtlichen Vorentscheidungen für die Zuständigkeitszuordnung geboten. a) Die Aktionsplanung im Ballungsraum Zustimmung verdient die Auffassung des Schrifttums in Bezug auf die Lärmaktionsplanung in Ballungsräumen. Hier sind ihre Argumente sicherlich zutreffend. Denn die Lärmgesamtbelastung, die es zu mindern gilt, ergibt sich aus einer Vielzahl zusammenwirkender Einzeleinflüsse von Hauptlärmquellen und sonstigen Lärmquellen, die vom Großflughafen, Haupteisenbahnstrecken und Hauptverkehrsstraßen, die den Ballungsraum mit dem übrigen Raum verbinden und ihn erschließen, über das eigenständige Netz an Hauptverkehrsstraßen innerhalb des Ballungsraums bis hin zu gewerblichen Nutzungen und Häfen reichen. Der Ballungsraum produziert gleichsam seinen „eigenen“ Lärm, der innerhalb des 433 Hansmann, Lärmminderungsplanung, FS Rehbinder, S. 339 f.; ders., in: Landmann/Rohmer, Vor § 47a BImSchG Rn. 12 f.; § 47d BImSchG Rn. 16; Stettner, in: Ule/Laubinger, Vor §§ 47a–47f BImSchG Rn. B 9 f.; Schulze-Fielitz, in: GKBImSchG, § 47e Rn. 4–7; Scheidler, Neue Aufgaben, DVBl. 2005, 1344 (1347); Fickert, Einfluss, BauR 2006, 920 (934).

362

6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

Ballungsraums sinnvoll verteilt und wo möglich, vermieden werden soll. Hierzu bedarf es wegen der zersplitterten Zuständigkeiten für die Durchsetzungsmaßnahmen und weiteren Planungen einer koordinierenden Hand. Wegen der Größe der Gemeinden, die gemeinsam oder für sich alleine einen Ballungsraum bilden, sind dabei etliche der Lösungsinstrumentarien in der gemeindlichen Zuständigkeit. Die Gemeinden sind nicht nur Träger der Bauleitplanung, sondern regelmäßig auch Straßenbaulastträgerin, Straßen- und Straßenverkehrsbehörde, Trägerin des ÖPNV samt zugrunde liegenden Entwicklungsplanungen, untere Naturschutzbehörde, untere Bauaufsichtsbehörde, untere Immissionsschutzbehörde und vieles mehr. Die Gemeinden haben dadurch die notwendigen Handhabe, um Verschiebungen der Belastung bei der Auswahl von Maßnahmen und Planungsbeiträgen erkennen und abwägen zu können. Im Ergebnis liegt also in der Tat ein vor Ort entstandenes Problem vor, das aufgrund der umfassenden Zuständigkeiten der Gemeinden auch vor Ort weitgehend lösbar ist oder dessen Lösung jedenfalls wegen der bereits vorhandenen Zuständigkeiten vor Ort effizient koordiniert werden kann. Das rechtfertigt es auch, von einer in der örtlichen Gemeinschaft wurzelnden Fragestellung, die das Zusammenleben der Bevölkerung in der Gemeinde betrifft, und mithin von einer Selbstverwaltungsangelegenheit im Sinne der Rastede-Entscheidung zu sprechen. Eine dergestalt vorgezeichnete Selbstverwaltungsaufgabe darf vom Landesgesetzgeber nur aus Gründen des Gemeininteresses, insbesondere wegen einer Gefährdung der Aufgabenerfüllung in Folge fehlender Leistungsfähigkeit, entzogen werden.434 Insofern begegnet die hessische Regelung für Ballungsräume großen Bedenken; es ist nicht ersichtlich, dass etwa die Stadt Frankfurt a. M. mit einer Lärmaktionsplanung überfordert würde. b) Die Aktionsplanung außerhalb des Ballungsraums Außerhalb der Ballungsräume stellt sich die Situation allerdings etwas anders dar. Mehrere Aspekte geben Anlass, außerhalb der Ballungsräume an dem Vorliegen einer echten Selbstverwaltungsaufgabe zu zweifeln. Zuzugeben ist der Auffassung des Schrifttums zunächst, dass das Vorliegen einer Selbstverwaltungsangelegenheit anhand der aus der Rastede-Entscheidung bekannten Formel von den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft zu prüfen ist. Eine historische Betrachtungsweise verbietet sich, da sich der Aufgabenbestand, der mit dem Recht auf kommunale Selbstverwaltung verbunden ist, im Laufe der Zeit wandeln kann.435 Auch neue Aufgaben können sich als echte Selbstverwaltungsaufgaben erweisen.436 434

BVerfGE 79, 127 (153).

F. Die Zuständigkeit für die Lärmaktionsplanung

363

Diese Prüfung muss differenziert nach der Größe der betroffenen Gemeinden vorgenommen werden; sie hat anhand von Sachkriterien unter Orientierung an den Anforderungen zu erfolgen, die an eine ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung zu stellen sind. Eine Aufgabe muss sich dabei nicht hinsichtlich all ihrer Teilaspekte und nicht für alle Gemeinden gleichermaßen als Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft darstellen. Sie kann vielmehr auch nur teilweise oder nur für bestimmte – größere – Gemeinden als örtlich anzusehen sein, im Übrigen aber als überörtlich erscheinen. Insoweit darf der Gesetzgeber typisieren.437 Auf der Grundlage dieser Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts ist somit im Ergebnis nicht ausgeschlossen, dass für die Lärmaktionsplanung außerhalb von Ballungsräumen eine andere Bewertung zutreffend sein kann als innerhalb von Ballungsräumen. Ebensowenig ausgeschlossen ist, dass in der Gruppe der Gemeinden unterhalb der Ballungsraumgrenze, die ja wenigstens eine Bevölkerungszahl von 100.000 Menschen erfordert, weitere typisierende Unterscheidungen getroffen werden müssen. In einer Gemeinde mit 80.000 Einwohnern kann anderes gelten als in einer Gemeinde mit 5.000 Einwohnern; beide Gemeindegrößen sind von der Lärmaktionsplanung außerhalb des Ballungsraums erfasst. Die Auffassung des Schrifttums gibt vor diesem Hintergrund Anlass zu einigen Nachfragen. Zunächst kann die Definitionsmacht für die Frage, ob eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft vorliegt, nicht allein darin liegen, ob sich der Lärmaktionsplan in seinem Geltungsbereich auf das Gebiet einer Gemeinde beschränkt oder ein überörtliches Plangebiet aufweist.438 Denn ob sich die Planung auf das Gemeindegebiet beschränken soll oder ein größeres Plangebiet zusammengefasst wird, beruht ja entweder auf einer bewussten Entscheidung des zuständigen Planungsträgers oder auf seinem örtlichen Zuständigkeitsbereich, setzt also die Klärung der sachlichen Zuständigkeit und mithin der Frage nach der „Angelegenheit örtlicher Gemeinschaft“ bereits voraus. Bei gemeindlichen Aufgaben kann sich ja das Plangebiet aus Zuständigkeitsgründen nur aus dem Gemeindegebiet ergeben. Eine Beschränkung des Plans auf das Gebiet der Gemeinde kann also auch bloße Folge des Vorliegens statt Abgrenzungskriterium für das Vorliegen einer örtlichen Gemeinschaftsangelegenheit sein. Zuzugeben ist der Auffassung des Schrifttums zwar, dass Schallereignisse kleinräumig wirken und deshalb in der Regel einen nur örtlichen Wirkungskreis 435 Siehe zur rechtshistorischen Entwicklung der gemeindlichen Planungshoheit etwa die umfangreiche Darstellung von J. Hofmann-Hoeppel, Anmerkung zu BVerfGE 77, 288 (Flächennutzungsplanung durch Stadtverband Saarbrücken), EzKommR Nr. 2700.12, insb. unter IV. (S. 14 ff.). 436 Siehe näher Hellermann, in: Epping/Hillgruber, Art. 28 GG Rn. 30 m.w. N. 437 BVerfGE 79, 127 (153 f.). 438 So Hansmann, Lärmminderungsplanung, FS Rehbinder, S. 339.

364

6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

haben, sofern die Schallquelle nicht gerade ausnahmsweise an einer Gemeindegrenze belegen ist. Das spricht zunächst für die Annahme eines örtlichen Bezuges. Insofern besteht außerhalb der Ballungsräume aber eine Besonderheit. Die Lärmaktionsplanungspflicht besteht ja nur für Orte in der Nähe von Hauptlärmquellen.439 Hauptlärmquellen in diesem Sinne sind aber nur Großflughäfen, Hauptverkehrsstraßen und Haupteisenbahnstrecken, die sich jeweils durch ein starkes Verkehrsaufkommen auszeichnen. Soweit sich diese – wie oftmals in kleinen Landgemeinden – nicht zu einem eigenen Netzzusammenhang innerhalb der Gemeinde verbinden, dienen die Hauptlärmquellen also bestenfalls der Einbindung des Ortes in überörtliche oder sogar überregionale Verkehrsströme; schon hier kann man zweifeln, ob bei einer Lärmaktionsplanung zur Minderung der Immissionen solcher Quellen der örtliche oder der überörtliche Bezug überwiegt. Erfüllen die Hauptlärmquellen tatsächlich nicht einmal eine solche Erschließungsfunktion, weil z. B. eine Bundesautobahn ohne Abfahrtsmöglichkeit oder eine reine ICE-Schnellfahrstrecke ohne Haltepunkt, auf der auch kein Schienenpersonennahverkehr abgewickelt wird, über das Gemeindegebiet führen, wachsen die Zweifel, ob die Lärmaktionsplanung hinreichend prägend das Zusammenleben und -wohnen der Menschen in der Gemeinde betrifft,440 so dass man hieraus mit dem Bundesverfassungsgericht eine gemeindliche Zuständigkeit ableiten könnte. Denkbar wäre vielmehr auch, die Minderung der nicht nur an einem einzelnen Ort, sondern an jedem Ort entlang der gesamten Strecke ähnlich auftretenden örtlichen Belastung wegen ihrer Entstehung aus der überörtlichen Verkehrsabwicklung ebenfalls als eine überörtlich geprägte Aufgabe anzusehen. Nach diesem Verständnis wäre die Lösung der durch eine überörtliche Aufgabe hervorgerufenen Probleme gleichfalls eine überörtliche Aufgabe. Gerade in solchen Situationen, in denen eine kleine Gemeinde nur durch eine oder wenige Hauptlärmquellen tangiert wird, ohne dass diese einen eigenen Netzzusammenhang innerhalb der Gemeinde bilden, greift auch das Argument des Schrifttums, der Gemeinde seien ja zudem die Mittel der örtlichen Problemlösung vor allem in Gestalt der gemeindlichen Bauleitplanung an die Hand gegeben, nicht vollständig durch. Denn gerade im Bestand können durch bauleitplanerische Ansätze nur geringe Verbesserungen erzielt werden.441 Der Vorrang des Eisenbahnrechts bzw. der straßenrechtlichen Fachplanung verringern diese Möglichkeiten weiter. Außer durch den Bau von Umgehungsstraßen wird sich der Verkehr auch nicht anders lenken lassen. Die für die Lärmminderung an der

439 440 441

Siehe hierzu oben B. I. 1., S. 255. So die Formulierung aus BVerfGE 79, 127 (127; Ls. 4). Siehe hierzu oben C. VII. 2. f) aa), insb. S. 330.

F. Die Zuständigkeit für die Lärmaktionsplanung

365

Hauptlärmquelle selbst maßgebliche Umsetzungszuständigkeit wird ebenfalls regelmäßig nicht bei der Gemeinde selbst liegen.442 Zweifel am Vorliegen einer örtlichen Angelegenheit drängen sich also vor allem auf, wenn weder der Entstehung der Belastung noch ihrer Minderung eindeutig ein örtlicher Charakter zugeordnet werden kann. Der Erwähnung wert erscheint in diesem Zusammenhang auch der Umstand, dass die Auffassung des Schrifttums sich im Wesentlichen auf die schon zur früheren Lärmminderungsplanung nach § 47a BImSchG a. F. identisch vorgetragene Argumentation stützt.443 Möglicherweise werden bei dieser Bezugnahme die Unterschiede der heutigen Lärmminderungsplanung zur alten Lärmminderungsplanung noch nicht hinreichend berücksichtigt. Die frühere Lärmminderungsplanung bezog sich auf die Bekämpfung schädlicher Umwelteinwirkungen insbesondere in Wohngebieten, also auf die Zurückdrängung unzumutbarer einzelner örtlicher Belastungen. Die heutige Lärmaktionsplanung setzt schon deutlich darunter an und nimmt insbesondere die großen Verkehrsbeziehungen in den Blick. Eine abgestimmte, strategische Lenkung der Gesamtentwicklung einschließlich des Schutzes ruhiger Gebiete ist das Ziel der Umgebungslärmrichtlinie.444 Gerade bei überregionalen Verkehrswegen bedarf eine solche strategische Lenkung aber auch eines Überblickens der überregionalen Zusammenhänge. Es ist fraglich, ob etwa bei entlangführenden Bundesfernstraßen oder Haupteisenbahnstrecken eine bloß auf die jeweilige Örtlichkeit blickende lokal angesiedelte Aktionsplanung etwas erreichen kann. Eine – zugespitzt formuliert – „kirchturmbezogene“ Aktionsplanung dergestalt, dass z. B. jede tangierte Ge-

442 Vgl. etwa nur für die Bundesstraßen (außerhalb von Ortsdurchfahrten) in Bayern die straßenverkehrsrechtliche Regelzuständigkeit der Landratsämter, kreisfreien Städte und Großen Kreisstädte als untere Straßenverkehrsbehörden (Art. 4 Abs. 1 S. 1, Art. 2 Nr. 2 BayZustGVerk i.V. m. § 44 Abs. 1 S. 1 StVO) bzw. die straßenrechtliche Regelzuständigkeit der Staatlichen Bauämter als Straßenbaubehörden nach dem Bundesfernstraßengesetz (Art. 62a Abs. 1 S. 2 Nr. 2 lit. a BayStrWG i.V. m. § 22 Abs. 4 S. 1 FStrG). 443 Vgl. nur die frühere Kommentierung von Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47a Rn. 274 f. (Stand der Bearbeitung: 15. Aktualisierungslieferung Oktober 2004), auf die etwa Stettner, in: Ule/Laubinger, Vor §§ 47a–47f BImSchG Rn. B 9, B 10, rekurriert. Verweisung auf die identische frühere Formulierung auch bei Hansmann, Lärmminderungsplanung, FS Rehbinder, S. 339. 444 Plastisch Feldmann, in: AKUR, Stenographisches Protokoll (2. Teil, Fn. 13), S. 34 f.: „Es geht deshalb um eine Strategie, weil umfassend sämtliche Hauptlärmquellen erfasst und beurteilt werden sollen, wir uns also mit dieser Lärmkartierung nicht im Klein-Klein der Wohngebiete bewegen wollen. Vielmehr ist die europäische Dimension (. . .) immer mit zu sehen. Und für diese Dimension sind die Hauptlärmquellen relevant, Hauptlärmquellen im Sinne von Autobahnen, Haupteisenbahnstrecken, die quer durch die Republik führen, Großflughäfen. Mit anderen Worten, die Umgebungslärmrichtlinie verfolgt einen über das Klein-Klein hinausgehenden Ansatz, genau wie auch die SUP-Richtlinie mit der Strategischen Umweltprüfung, die sich abhebt von einer Prüfung der Umweltauswirkungen einzelner Vorhaben (. . .).“

366

6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

meinde eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf „ihrem“ Abschnitt der Haupteisenbahnstrecke fordert, wird weder der strategischen Perspektive einer Gesamtentwicklung gerecht noch wird es die Gemeinde vermögen, hinreichenden Druck auf das Eisenbahninfrastrukturunternehmen aufzubauen,445 um tatsächlich eine reelle Verwirklichungschance zu erhalten. Eine solche Situation ruft eigentlich eher nach einem zentralen Zuständigen, der die Lärmminderung entlang überörtlicher Verkehrswege im Zusammenhang koordinieren kann. Das ist indes keine rechts- oder verwaltungspolitische Frage. Denn es besteht jedenfalls die Möglichkeit, dass eine örtliche Lärmaktionsplanungszuständigkeit wegen zu geringer Einflussmöglichkeiten der zuständigen Behörde die Richtlinienzielsetzung verfehlen und deshalb der gemeinschaftsrechtlichen Pflicht zur effektiven Richtlinienumsetzung nicht mehr entsprechen könnte. Das könnte es erforderlich machen, eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft in Bezug auf die Lärmaktionsplanung außerhalb der Ballungsräume erst ab einer bestimmten Gemeindegröße zu bejahen. Ob man vor dem Hintergrund des Gebotes effektiver Richtlinienumsetzung, das trotz des Nichtberührens der mitgliedstaatlichen Kompetenzordnung als solcher auch auf das deutsche Verfassungsrecht einwirkt, insoweit das Postulat, bei der Einstufung als örtliche Angelegenheit sei die Leistungskraft der Gemeinden außer Acht zu lassen,446 vollständig wird aufrecht erhalten können, erscheint fraglich. Diese Anfragen an die Auffassung des Schrifttums zeigen jedenfalls auf, dass es nicht unproblematisch ist, außerhalb der Ballungsräume stets von einer Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft und mithin einer gemeindlichen Selbstverwaltungsaufgabe auszugehen. Je kleiner eine Gemeinde ist, desto größer sind die Zweifel an einer vorrangigen Aufgabenverantwortlichkeit der Gemeinde. c) Schlussfolgerungen Folgt man den aufgezeigten Zweifeln und geht man für die Lärmaktionsplanung außerhalb der Ballungsräume von einer überörtlichen Aufgabe aus, waren die Landesgesetzgeber frei, die Aufgabe wahlweise den Gemeinden447 oder anderen, staatlichen Stellen zu übertragen. Auch die Kennzeichnung als Weisungsaufgabe war danach möglich. Folgt man den Zweifeln nur insoweit, dass die Lärmaktionsplanung jedenfalls in kleineren Gemeinden keine örtliche Aufgabe ist, da diese Gemeinden nicht zu einer effektiven Umsetzung der Richtlinienvorgaben in der Lage sind, kam insoweit nur eine Zuordnung an leistungsfähigere Stellen in Betracht. 445

Zu diesem besonders problematischen Bereich siehe unten G. V., S. 378 ff. BVerfGE 79, 127 (127, 4. Ls.). 447 Zu den Grenzen einer Aufgabenübertragung zum Schutz der Selbstverwaltungsgarantie siehe schon oben 5. Teil, E. II. 1. a), insb. S. 237. 446

F. Die Zuständigkeit für die Lärmaktionsplanung

367

Folgt man indes der einhelligen Auffassung des Schrifttums, so liegt bei der Lärmaktionsplanung eine Selbstverwaltungsangelegenheit vor, die den Gemeinden nur entzogen werden darf, wenn es das Gemeininteresse erfordert. Bei der Prüfung eines solchen Eingriffs ist in Ansehung der Leistungskraft der Gemeinden in besonderer Weise das Gebot des Gemeinschaftsrechs zu effektiver Richtlinienumsetzung zu würdigen. Jedenfalls eine Lärmaktionsplanungszuständigkeit von Kleinstgemeinden entlang einzelner Hauptlärmquellen erscheint danach fragwürdig, weil sie wohl als tendenziell ineffektiv eingeschätzt werden muss. Neben der Leistungsfähigkeit und der Sicherstellung der Aufgabenerfüllung hat der Gesetzgeber bei einem Entzug gemeindlicher Selbstverwaltungsaufgaben stets das Gebot der Verhältnismäßigkeit im Blick zu behalten.448 Ein Entzug darf auch bei typisierender Betrachtung nur so weit reichen, wie dies sachlich gerechtfertigt und unbedingt zur Zielerreichung erforderlich ist. Vor diesem Hintergrund ist etwa der Entzug der Aktionsplanungszuständigkeit für Großflughäfen als geeignet und erforderlich einzuschätzen. Denn Großflughäfen legen ihren Schallteppich regelmäßig über mehrere Gemeinden und Kreise, so dass eine regionale Zuständigkeit erforderlich erscheint. Als verhältnismäßig ist auch die bayerische Regelung zur Zuständigkeit der Regierungen anzusehen. Denn der Gesetzgeber hat zwar eine auf den ersten Blick sehr grobe Typisierung getroffen, die davon ausgeht, dass die Gemeinden außerhalb der Ballungsräume hinsichtlich der Bundesautobahnen, Großflughäfen und Haupteisenbahnstrecken samt und sonders überfordert zu werden drohten.449 Er hat gleichzeitig jedoch den Gemeinden durch ein Einvernehmenserfordernis die größte denkbare Einflussmöglichkeit nach einer eigenständigen Aufgabenwahrnehmung an die Hand gegeben. Ohne die Zustimmung der Gemeinde kommt der Lärmaktionsplan nicht zustande. Sie wird deshalb in der Planungspraxis erhebliche Mitgestaltungsmöglichkeiten haben und mithin ihre eigenen Belange effektiv verfolgen können. Problematischer erscheint die bayerische Regelung hinsichtlich des Einvernehmenserfordernisses der Regierung für gemeindliche Lärmaktionspläne. Wegen der überörtlichen Verkehrsströme wird man dieses für die gemeindliche 448

Siehe näher Stüer, Handbuch, Rn. 142. Siehe schon die Nachweise oben in Fn. 431. Im Übrigen kann bereits die Begründung des ursprünglichen Gesetzentwurfs der Staatsregierung in dieser Weise verstanden werden. Diese rechtfertigt die Abweichung von der gemeindlichen Regelzuständigkeit für die Bekämpfung des Umgebungslärms als einem lokal wirkendem Ereignis, das auch von den Gemeinden angemessen bekämpft werden könne, wie folgt (LT-Drs. 15/8783, A., S. 4): „Davon ausgenommen werden sollen Bundesautobahnen und Haupteisenbahnstrecken aufgrund der übergreifenden Netzfunktion sowie Großflughäfen aufgrund ihrer gemeindeübergreifenden Auswirkungen. Wegen des damit verbundenen hohen lärmschutzfachlichen Anspruchs gewährleistet die Zuständigkeit einer mit Fachpersonal ausgestatteten Behörde den Erfolg mit vertretbarem Aufwand.“ 449

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6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

Lärmaktionsplanung außerhalb der Ballungsräume für Hauptverkehrsstraßen ohne Bundesautobahnen wohl noch rechtfertigen können. Weshalb die Ballungsräume München, Nürnberg oder Augsburg indes eines Einvernehmens der Regierung für ihre Aktionsplanung bedürften, ist bisher nicht dargetan. Als verfassungswidrig erscheint demgegenüber die hessische Regelung, die den örtlichen Charakter der Lärmaktionsplanung schlechterdings ignoriert, hierbei nicht abgestuft nach den Erfordernissen der Leistungserfüllung vorgeht und auch kein Einvernehmenserfordernis mit den betroffenen Gemeinden vorsieht. Solange dennoch so verfahren wird, haben die Gemeinden zwar kein Mitentscheidungs-, aber auf jeden Fall ein Mitwirkungsrecht an der (vermeintlich überörtlichen) Planung der Regierungspräsidien.450

III. Die Festlegung der Zuständigkeit durch den Bundesgesetzgeber Die bisherige Untersuchung hat ergeben, dass die Aufgabe der Lärmaktionsplanung über weite Strecken als Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft anzusehen ist, dies aber nicht generell und in allen Fällen gelten kann. Ferner sind Leistungsgrenzen der Gemeinden im Hinblick auf die effektive Durchführung der Lärmminderungsplanung nach den Vorgaben der Umgebungslärmrichtlinie zu beachten. Zum Teil erweist sich eine Befassung überörtlicher Behörden als notwendig. Einvernehmenserfordernisse können die Effektivität der Lärmaktionsplanung aufgrund höherer Verbindlichkeit sogar noch erhöhen.451 Der hieraus sich ergebende Abgrenzungs- und Anpassungsbedarf hat in der Hälfte der Bundesländer zu eigenen Zuständigkeitsregelungen geführt. Diese Entwicklung wurde wohl auch hinsichtlich der Lärmaktionsplanung vom Bundesgesetzgeber vorausgesehen, der in § 47e Abs. 1 BImSchG ausdrücklich auch andere Zuständigkeiten nach Landesrecht neben den Gemeinden erwähnt. Insofern ist nicht ersichtlich, dass eine Festlegung der gemeindlichen Zuständigkeit im Sinne der bereits im Zusammenhang mit der Lärmkartierung erläuterten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts notwendig gewesen wäre, um das Lärmaktionsplanungskonzept zu verwirklichen, auch wenn es sich dabei um einen Annex zu einer bundesrechtlichen Regelung des Immissionsschutzrechts handelt.452 Mithin war die Festlegung der gemeindlichen Zuständigkeit im direkten Durchgriff des Bundes auch nach Maßgabe der früheren Fassung des Art. 84 Abs. 1 GG verfassungswidrig.

450 So schon BVerwG, EzKommR Nr. 1500.11 = DÖV 1969, 428; vgl. auch BVerfG, NJW 1981, 1659 (Ls. 3). 451 Siehe hierzu sogleich unter G. 452 Siehe hierzu schon oben 5. Teil, E. II. 2., insb. S. 243.

G. Die Wirkungen der Lärmaktionspläne

369

G. Die Wirkungen der Lärmaktionspläne Die Lärmaktionspläne bewirken selbst noch keine Veränderung der Lärmbelastungssituation; sie bedürfen insoweit der Umsetzung bzw. Durchsetzung.453 Hierzu verweist § 47d Abs. 6 BImSchG auf die luftreinhalterechtliche Vorschrift des § 47 Abs. 6 BImSchG.454

I. Die Grundsätze der Bindungswirkung Nach völlig einhelliger und zutreffender Auffassung verleiht § 47d BImSchG den Lärmaktionsplanungsbehörden keine zusätzlichen Kompetenzen hinsichtlich der Durchführung der in die Lärmaktionspläne aufgenommenen Maßnahmen und Planungsbeiträge. Weder ändert sich die sachliche Zuständigkeit der zur Umsetzung berufenen Behörden, noch stellen § 47 Abs. 6 BImSchG oder der Lärmaktionsplan selbst eigenständige Eingriffsbefugnisnormen zulasten Dritter dar.455 Die zu einer gemeinschaftsrechtskonformen Richtlinienumsetzung erforderliche Rechtsmacht, Lärmprobleme effektiv zu beeinflussen,456 wird für die Lärmaktionsplanung somit durch die Anordnung einer Bindungswirkung der Pläne für andere Behörden hergestellt. Diese sollen die Lärmaktionspläne mit den ihnen jeweils an die Hand gegebenen und rechtmäßig eingesetzten457 Instrumenten verwirklichen. Dabei erstreckt sich die Bindungswirkung grundsätzlich auf Behörden aller Träger öffentlicher Verwaltung, mithin alle Behörden des Bundes, der Länder und der Gemeinden sowie auf sonstige Rechtspersönlichkeiten, die Aufgaben öffentlicher Verwaltung wahrnehmen.458 Nicht dem Behördenbegriff unterfallen von vorneherein Parlamente; insbesondere kann durch einen Lärmaktionsplan also nicht in das Budgetrecht des Gesetzgebers eingegriffen

453

Zur Begrifflichkeit vgl. Scheidler/Tegeder, in: Feldhaus, § 47d BImSchG Rn. 66. Zur grundlegenden Kritik an dieser Vorgehensweise nach § 47a Abs. 4 i.V. m. § 47 Abs. 3 BImSchG a. F. siehe schon H. Schulze-Fielitz, Rechtsfragen der Durchsetzung von Luftreinhalte- und Lärmminderungsplänen, UPR 1992, 41 ff. (42 f.). 455 Scheidler/Tegeder, in: Feldhaus, § 47d BImSchG Rn. 65, 67; Stettner, in: Ule/ Laubinger, § 47d BImSchG Rn. H 2; Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 89; Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47d BImSchG Rn. 28, § 47 BImSchG Rn. 29; ders., Lärmminderungsplanung, FS Rehbinder, S. 350; Jarass, BImSchG, § 47d Rn. 12, § 47 Rn. 41; Herrmann, in: GK-BImSchG, § 47 Rn. 100. 456 So die Formulierung von Wysk, in: Giesberts/Reinhardt, § 47d BImSchG Rn. 15. 457 Jarass, BImSchG, § 47d Rn. 12, § 47 Rn. 41; Herrmann, in: GK-BImSchG, § 47 Rn. 100. 458 Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47d BImSchG Rn. 29, § 47 BImSchG Rn. 29; ders., Lärmminderungsplanung, FS Rehbinder, S. 350; Jarass, BImSchG, § 47 Rn. 43; Herrmann, in: GK-BImSchG, § 47 Rn. 103. 454

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6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

werden.459 Private sind nicht Adressat der Regelung und werden somit nicht gebunden.460 Die Bindungswirkung ist für Maßnahmen einerseits und planungsrechtliche Festlegungen andererseits unterschiedlich ausgestaltet (§ 47 Abs. 6 Sätze 1 bzw. 2 BImSchG). Die Abgrenzung erfolgt danach, ob die Festlegungen der Pläne in einem nachfolgenden Planungsverfahren oder aber in sonstiger Weise durch Anordnungen oder sonstige Entscheidungen zur Umsetzung gelangen können. Zu den sonstigen Entscheidungen sind auch Rechtsetzungsakte wie etwa der Erlass von Rechtsverordnungen zu zählen, sofern der Rechtsetzungsakt nicht gerade den Beschluss eines Planes betrifft (z. B. Erlass eines Bebauungsplans als Satzung gemäß § 10 Abs. 1 BauGB).461 Nach zutreffender Ansicht sind Planfeststellungsbeschlüsse im hiesigen Zusammenhang wie Planungsverfahren zu behandeln.462 Es handelt sich zwar der Sache nach um Zulassungsentscheidungen für Einzelvorhaben mit Charakter eines Sammelverwaltungsaktes (§ 35 S. 2 VwVfG). Jedoch unterliegen die Planfeststellungen einem den Planungsverfahren stark angenäherten Verfahren und sind vor allem ebenso wie die Planungen grundsätzlich dem rechtsstaatlichen Abwägungsgebot unterworfen.463 Die hierin zum Ausdruck kommende Funktion einer Zukunftsausgestaltung unter weitgehender Gestaltungsfreiheit und unter hohen Anforderungen an die Rationalität

459 LAI, Durchsetzung von Luftreinhalte- und Lärmminderungsplänen nach §§ 47 Abs. 3, 47a Abs. 4 BImSchG n. F., zur Kenntnis genommen in der 77. Sitzung des LAI vom 06.–08.05.1991 in Bayreuth, abgedruckt in: NVwZ 1991, 1161 (B. 2. f). 460 Jarass, BImSchG, § 47 Rn. 43; Herrmann, in: GK-BImSchG, § 47 Rn. 103. So auch LAI, Durchsetzung von Lärmminderungsplänen, NVwZ 1991, 1161 (B. 1.). 461 Vgl. die Einordnung als Mittel zur Maßnahmenverwirklichung im Sinne des § 47 Abs. 6 S. 1 BImSchG bei Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 119, sowie bei Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47d BImSchG Rn. H 3; a. A. LAI, Durchsetzung von Lärmminderungsplänen, NVwZ 1991, 1161 [B. 2. e)]; Jarass, BImSchG, § 47 Rn. 45, der sämtliche Rechtsvorschriften der Gemeinde unabhängig von ihrem Charakter als planungsrechtliche Festlegungen nach § 47 Abs. 6 S. 2 BImSchG behandelt wissen möchte; für „echte Rechtsetzung der Gemeinden mit Lärmauswirkungen“ zum Schutz des kommunalen Selbstverwaltungsrechts auch Stettner, a. a. O., Rn. H 4, da diese stets planerische Elemente beinhalte. Allerdings greift bei gemeindlichen Rechtsverordnungen, also Rechtsvorschriften in Fragen des übertragenen Wirkungskreises mit fachaufsichtlichen Eingriffsmöglichkeiten, schon die Satzungshoheit der Gemeinde gar nicht ein; soweit es aber um den Erlass von Satzungen geht, ist die Gemeinde nach der hier vertretenen Ansicht durch die Einschränkung der Bindungswirkungen von Maßnahmen auch bei einer Einstufung als Maßnahme hinreichend geschützt (so i. E. auch LAI, a. a. O., a. E.). 462 BVerwG, NVwZ 2004, 1238 (1239); Jarass, BImSchG, § 47d Rn. 12, § 47 Rn. 45 m.w. N.; Schulze-Fielitz, Durchsetzung von Lärmminderungsplänen, UPR 1992, 41 (43); ebenso wohl Rehbinder in einem nicht veröffentlichten Rechtsgutachten, zitiert bei Cancik, Verzahnung von Planungsinstrumenten, DVBl. 2008, 546 (549 mit Fn. 27); a. A. Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47 BImSchG Rn. H 4. 463 Siehe hierzu die obigen eingehenden Ausführungen unter C. II. 2., S. 280 ff.

G. Die Wirkungen der Lärmaktionspläne

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der Entscheidungsfindung rechtfertigt eine Subsumtion unter § 47 Abs. 6 S. 2 BImSchG. Jedenfalls dem Grundsatze nach wird § 47 Abs. 6 S. 1 BImSchG allgemein aufgrund seines Wortlautes, wonach die Maßnahmen „durchzusetzen sind“, eine strikte und unmittelbare Bindung der zuständigen Behörden entnommen.464 Das Berücksichtigungsgebot planungsrechtlicher Festlegungen in Planungsverfahren nach § 47 Abs. 6 S. 2 BImSchG ist demgegenüber als ein Minus einzuordnen, das den zuständigen Behörden vergleichweise größere Entscheidungsspielräume belässt.465 Eine Bindungswirkung kann jedoch nur dort überhaupt eintreten, wo der Lärmaktionsplan in formell und materiell rechtmäßiger Weise zustandegekommen ist.466 Denn anders als Rechtsnormen kann ein umweltrechtlicher Fachplan keine für andere Behörden vorgegebene Geltung beanspruchen; er profitiert insoweit auch nicht von der fehlenden Normverwerfungskompetenz der Verwaltung. Da im Bundes-Immissionsschutzgesetz spezielle Maßgaben zu Fehlerfolgen oder zur Planerhaltung bei Lärmaktionsplänen fehlen, wird gerichtlich zu klären sein, ob und inwieweit zur Lückenfüllung die Vorschriften des VwVfG oder die Erhaltungsvorschriften anderer Planungen entsprechend herangezogen werden können; im Zweifel ist einstweilen eher von einer Teilunwirksamkeit des Lärmaktionsplans und damit einer fehlenden Bindungswirkung der unwirksamen Teile auszugehen.

II. Die Bindungswirkung bei Maßnahmen (§ 47 Abs. 6 S. 1 BImSchG) Diejenigen Maßnahmen des Lärmaktionsplans, die keine planungsrechtlichen Festlegungen darstellen, sind gemäß § 47 Abs. 6 S. 1 BImSchG durch Anordnungen oder sonstige Entscheidungen der zuständigen Träger öffentlicher Verwaltung nach diesem Gesetz oder nach anderen Rechtsvorschriften durchzusetzen. Die Vorschrift verweist allein auf die den jeweiligen Behörden bereits anderweitig zustehenden Zuständigkeiten und Befugnisse und erweitert diese nicht.467 Das ergibt sich insbesondere auch aus einem Vergleich mit der im Lärmschutzbereich nicht anwendbaren468 Vorschrift des § 40 Abs. 1 S. 1 BImSchG, 464 Jarass, BImSchG, § 47d Rn. 12, § 47 Rn. 44; Scheidler/Tegeder, in: Feldhaus, § 47d BImSchG Rn. 62; Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47d BImSchG Rn. 29. 465 Vgl. Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 123; Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47d BImSchG Rn. 30; Jarass, BImSchG, § 47d Rn. 12, § 47 Rn. 44. 466 Wysk, in: Giesberts/Reinhardt, § 47d BImSchG Rn. 18, 23; wohl auch SchulzeFielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 92. 467 Siehe schon soeben unter G. I., S. 369. 468 So auch Wysk, in: Giesberts/Reinhardt, § 47d BImSchG Rn. 20.

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6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

nach der die zuständige Straßenverkehrsbehörde bei entsprechenden Vorgaben der Luftreinhalte- oder Aktionspläne unmittelbar verpflichtet wird, die vorgesehenen Verkehrsbeschränkungen nach Maßgabe der Straßenverkehrsrechts anzuordnen. Diese Verpflichtung wird nach nicht unbestrittener, aber wohl noch vorherrschender Auffassung als bloße Rechtsfolgenverweisung gesehen. Die Maßgaben des Straßenverkehrsrechts sollen danach lediglich die Formen der Durchführung auf den Kanon der im Straßenverkehrsrecht vorgesehenen Instrumente beschränken. Die straßenverkehrsrechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung eines Verkehrsverbotes sollen hingegen unerheblich sein, da sich der Tatbestand der Anordnung unmittelbar aus § 40 BImSchG in Verbindung mit dem Luftreinhalteplan ergebe.469 Für die Lärmaktionspläne wird eine solche unmittelbare Bindung bislang zu Recht nicht vertreten. Denn die Vorschrift des § 47 Abs. 6 S. 1 BImSchG nennt anders als § 40 BImSchG weder die zuständige Behörde noch die konkrete Maßnahme noch das maßgebliche Rechtsgebiet. § 47 BImSchG ist also deutlich weiter gefasst als § 40 BImSchG, der insoweit als echte Ausnahmevorschrift anzusehen ist, deren Auslegung nicht auf § 47 Abs. 6 S. 1 BImSchG übertragen werden kann. Unabhängig davon soll durch § 47d Abs. 6 i.V. m. § 47 Abs. 6 S. 1 BImSchG eine Bindungswirkung vor allem hergestellt werden, indem der Ermessensspielraum der zuständigen Umsetzungsbehörden eingeengt wird.470 Mindestens sollen die Argumente, die im Rahmen einer behördlichen Entscheidung zugunsten der Durchführung einer Lärmminderungsmaßnahme sprechen, durch die Verankerung der Maßnahme im Lärmaktionsplan verdeutlicht, verstärkt und näher akzentuiert werden. Eine strikte Verpflichtung zur Umsetzung der Maßnahme im Sinne einer gebundenen Entscheidung kann es trotz des vermeintlich zwingenden Wortlauts des § 47 Abs. 6 S. 1 BImSchG nicht in allen Fällen geben. Eine strikte Bindung kommt zwar insbesondere dann in Betracht, wenn die Maßnahme im Wege ohnehin gebundenen Verwaltungshandelns durchgeführt 469 Jarass, BImSchG, § 40 Rn. 8; Herrmann, in: GK-BImSchG, § 47 Rn. 104; Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 40 BImSchG Rn. 15; wohl auch LAI, Durchsetzung von Lärmminderungsplänen, NVwZ 1991, 1161 (C. 1.) für § 40 Abs. 2 BImSchG: Charakter als Befugnisnorm; a. A. Storost, in: Ule/Laubinger, § 40 BImSchG Rn. C 5. 470 Weitestgehend Hansmann, Lärmminderungsplanung, FS Rehbinder, S. 350; ders., in: Landmann/Rohmer, § 47d BImSchG Rn. 29; mit Abweichungen im Einzelnen hinsichtlich der einschränkenden Wirkung Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47 Rn. 97: kein intendiertes Ermessen; Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47d BImSchG Rn. H 3, sowie Jarass, BImSchG, § 47 Rn. 44: keine automatische Ermessensreduzierung auf Null; Scheidler/Tegeder, in: Feldhaus, § 47d BImSchG Rn. 62: Entscheidung in eigener Zuständigkeit über Anwendbarkeit der Vorschrift, aber Einfluss des Lärmaktionsplans bis hin zur Ermessensreduzierung bis auf Null; vgl. auch Wysk, in: Giesberts/Reinhardt, § 47d BImSchG Rn. 18; Mitschang, Umgebungslärmrichtlinie, ZfBR 2006, 430 (439).

G. Die Wirkungen der Lärmaktionspläne

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werden soll.471 Gleiches gilt, wenn die Maßnahme nicht geeignet ist, in Rechte Dritter einzugreifen, und die zur Durchführung berufene Behörde der Lärmaktionsplanungsbehörde organisationsrechtlich nachgeordnet ist oder eine Aufgabe nach deren Weisungen zu erfüllen hat.472 Denn in diesen Fällen nimmt die lärmaktionsplanende Behörde im Zweifel zugleich ihre Kompetenz als übergeordnete bzw. weisungsbefugte Behörde wahr. Eine solche strikte Bindung kann jedoch erstens nicht bestehen, wenn durch den Lärmaktionsplan andere Träger öffentlicher Verwaltung oder deren Behörden verpflichtet werden sollen.473 Denn das Tätigwerden als Staatsorgan – gleichgültig in welcher Form und mit welcher Wirkung – ist im freiheitlichdemokratischen Rechtsstaat durch Kompetenznormen verfassungsrechtlich begrenzt.474 Mit der Kompetenzordnung des Grundgesetzes und auch der verfassungsrechtlichen Absicherung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts der Gemeinden wäre es unvereinbar, die Lärmaktionsplanungsbehörde gleichsam als eine Super-Behörde mit bindender Befugnis anzusehen und damit letztlich der Anordnung des § 47 Abs. 6 S. 1 BImSchG eine kompetenzübersteigende und damit verfassungs- und gesetzesderogierende Wirkung zuzumessen.475 Es kann beispielsweise keine Bindungswirkung entstehen, wollte eine Gemeinde das Eisenbahn-Bundesamt durch Lärmaktionsplan verpflichten, künftig bundesweit nur noch Fahrzeuge mit besonders leisen Bremssystemen zuzulassen. Ebenso wenig vermag das Bundesland die Gemeinde durch Aktionsplan zu verpflichten, eine bestimmte Pflasterung bei der Ausbesserung der Gemeindestraßen zu verwenden, oder ihr unter Aushebelung ihrer Satzungsautonomie den Erlass einer Satzung aufzugeben.476 Eine strikte Bindung kann zweitens nicht bestehen, wenn die im Lärmaktionsplan vorgesehene Maßnahme belastenden Charakter hat und der zuständigen Behörde ein Ermessen eingeräumt ist.477 Denn die mit der Sachkompetenz verbundene Verantwortung der Behörde für gesetzmäßiges Handeln im Einzelfall kann nicht durch die Lärmaktionsplanung eines unzuständigen Verwaltungsträgers beseitigt werden. Die Einräumung von Ermessen dient der Wah471 Siehe hierzu LAI, Durchsetzung von Lärmminderungsplänen, NVwZ 1991, 1161 [B. 2. a)]. 472 Vgl. Wysk, in: Giesberts/Reinhardt, § 47d BImSchG Rn. 18; Herrmann, in: GKBImSchG, § 47 Rn. 107 f. 473 Instruktiv LAI, Durchsetzung von Lärmminderungsplänen, NVwZ 1991, 1161 (B. 2.). 474 BVerfGE 8, 104 (116). 475 Insbesondere Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 97; vgl. auch Mitschang, Umgebungslärmrichtlinie, ZfBR 2006, 430 (439); Scheidler/Tegeder, in: Feldhaus, § 47d BImSchG Rn. 62. 476 Vgl. zu letzerem insbesondere Herrmann, in: GK-BImSchG, § 47 Rn. 113 f. 477 Vgl. auch LAI, Durchsetzung von Lärmminderungsplänen, NVwZ 1991, 1161 [B. 2. b)].

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6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

rung der Einzelfallgerechtigkeit.478 Der belastete Bürger hat mindestens einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Dieser richtet sich gegen die jeweils handelnde Umsetzungsbehörde; die ungeprüfte Übernahme der Wertung des Lärmaktionsplanes durch die Umsetzungsbehörde stellte demgegenüber einen Ermessensausfall dar und führte schon deshalb zur Rechtswidrigkeit der Maßnahmenumsetzung. Dieser Anspruch aus der jeweiligen Befugnisnorm kann auch nicht durch den Lärmaktionsplan beseitigt werden.479 Einerseits kann also aus kompetenzrechtlichen Gründen keine strikte Bindungswirkung bestehen, sobald eine Behörde eines anderen Verwaltungsträgers weisungsfrei zur Aufgabenwahrnehmung berufen ist oder die Behörde Ermessen hinsichtlich der Belastung Dritter betätigen muss. Andererseits kann dem gemeinschaftsrechtlichen Gebot effektiver Richtlinienumsetzung nicht entgegengehalten werden, dass der Mitgliedstaat aus innerstaatlichen Kompetenzgründen eine effektive Lärmaktionsplanung nicht sicherstellen kann.480 Diesem Dilemma kann wirksam nur durch Einvernehmenserfordernisse im Rahmen der Lärmaktionsplanung begegnet werden, also durch die Zustimmung wenigstens der erkennbar betroffenen übrigen Träger öffentlicher Verwaltung. Hierdurch wird dann jedenfalls eine Selbstbindung481 der anderen Verwaltungsträger erreicht, die ihnen verbietet, sich später auf anderweitige Zweckmäßigkeitserwägungen im Rahmen ihrer Sachkompetenz zu berufen.482 Daher dürften die Einvernehmenserfordernisse in den Regelungen der Bundesländer (trotz der damit erschwerten Verabschiedung der Lärmaktionspläne) nicht nur sinnvoll, sondern sogar im Hinblick auf das Gemeinschaftsrecht rechtlich geboten sein. Eine solche Selbstbindung trifft auch den lärmaktionsplanenden Träger hinsichtlich seiner eigenen Umsetzungskompetenzen.483 Das Instrument der Selbstbindung durch Zustimmung bei der Verabschiedung des Lärmaktionsplans hilft jedoch nicht weiter, wo Ermessen zugunsten Dritter auszuüben ist, es sei denn, dass dessen Belange bereits vor der Entscheidung der Umsetzungsbehörde über die Erteilung ihres Einvernehmens sachgerecht 478 Diese kann auf der Ebene der Lärmaktionsplanung auch regelmäßig nicht überblickt werden, vgl. LAI, Durchsetzung von Lärmminderungsplänen, NVwZ 1991, 1161 [B. 2. b)]; siehe zur Funktion des Ermessens schon oben C. III. 1., insb. S. 284. 479 Ähnlich Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47d BImSchG Rn. H 3. 480 Wysk, in: Giesberts/Reinhardt, § 47d BImSchG Rn. 16. 481 Siehe zu „Selbstbindungen der Verwaltung“ grundlegend etwa die Berichte von D. Scheuing, W. Hoffmann-Riem und B. Raschauer, VVDStRL 40 (1982), 153 ff., 187 ff., 240 ff. 482 Ähnlich Scheidler/Tegeder, in: Feldhaus, § 47d BImSchG Rn. 62; Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 97. 483 Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 93; Hansmann, Lärmminderungsplanung, FS Rehbinder, S. 350; für eigene planungsrechtliche Festlegungen insoweit auch angenommen von Scheidler/Tegeder, in: Feldhaus, § 47d BImSchG Rn. 63.

G. Die Wirkungen der Lärmaktionspläne

375

von ihr (nicht etwa der Lärmaktionsplanungsbehörde) geprüft und zutreffend als nachrangig bewertet wurden. Insofern empfiehlt sich ein solches Vorgehen für erkennbare Beeinträchtigungen Dritter. Allerdings kann die Selbstbindung nur soweit reichen, wie die Ermessensbetätigung selbst rechtmäßig ist. Denn hinsichtlich einer rechtswidrigen Entscheidung kann sich die Behörde nicht rechtmäßig binden.

III. Die Bindungswirkung bei Planungsbeiträgen (§ 47 Abs. 6 S. 2 BImSchG) Die Bindungswirkung bei planungsrechtlichen Festlegungen ist demgegenüber geringer. Gemäß § 47 Abs. 6 S. 2 BImSchG haben die zuständigen Planungsträger planungsrechtliche Festlegungen in den Lärmaktionsplänen bei ihren Planungen zu berücksichtigen. Nach der üblichen planungsrechtlichen Terminologie sind die Planungsbeiträge der Lärmaktionspläne somit als Belange in die Abwägung einzustellen und angemessen und gerecht zu gewichten. In der Sache kann aber eine abweichende Abwägungsentscheidung ergehen, wenn gegenläufige Gesichtspunkte nach gerechter Abwägung überwiegen.484 Für die gemeindliche Bauleitplanung ist in § 1 Abs. 6 Nr. 7 lit. g BauGB ausdrücklich die Berücksichtigung der Darstellungen von Plänen des Immissionsschutzrechts in der Abwägung vorgeschrieben; hierzu sind auch die Lärmaktionspläne zu zählen. Dass in § 1 Abs. 6 Nr. 7 lit. g BauGB nur von der Berücksichtigung von „Darstellungen“ die Rede ist, was im Bauplanungsrecht im Gegensatz zu „Festsetzungen“ herkömmlicherweise nicht verbindliche Planungsbestandteile bezeichnet, hingegen § 47 Abs. 6 S. 2 BImSchG von planungsrechtlichen „Festlegungen“ spricht, ist hierbei ohne Bedeutung.485 Selbst wenn „Darstellungen“ sich als Minus auch gegenüber „Festlegungen“ erweisen sollten, folgt aus der Berücksichtigungsanordnung für die Darstellungen erst recht auch eine Berücksichtigungsanordnung für alle anderen stärker bindenden Maßgaben. Im Übrigen ist die Berücksichtigung ja schon ohnehin durch § 47 Abs. 6 S. 2 BImSchG bindend vorgeschrieben. Die Bindungswirkung nach § 47d Abs. 6 i.V. m. beschränkt sich also im Wesentlichen darauf, dass stellungen der Lärmaktionsplaner zwingend in die genommen und abgearbeitet werden müssen, ohne

§ 47 Abs. 6 S. 2 BImSchG bestimmte planerische Vorplanerische Abwägung aufdas Ergebnis vorwegzuneh-

484 Siehe zur gestuften Verbindlichkeit von Abwägungsbelangen schon oben 1. Teil, B. II. 1. b), insb. S. 37 f. 485 Vgl. zu diesem Aspekt Cancik, Verzahnung von Planungsinstrumenten, DVBl. 2008, 546 (550 ff.).

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6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

men.486 Dadurch können z. B. auch Alternativplanungen in die Planungsverfahren eingebracht werden. Eine Verpflichtung zur Planung in dem nach dem Lärmaktionsplan vorgezeichneten Sinne ergibt sich nur in Ausnahmefällen, wenn jede andere planerische Bewältigung der Problemlage abwägungsfehlerhaft wäre.487 Dies dürfte jedoch nur selten der Fall sein.488 Nach zutreffender Ansicht kann ein Lärmaktionsplan jedoch unterhalb dessen – wenn auch nur indirekt – zur städtebaulichen Erforderlichkeit einer Planung im Sinne des § 1 Abs. 3 BauGB bzw. zur fachplanerischen Planrechtfertigung führen, wenn der Lärmaktionsplan in hinreichend konkreter Weise ordnungsbedürftige Zustände offenbart oder daraus deutlich wird, dass eine Planung vernünftigerweise geboten ist.489 Da sich die städtebauliche Erforderlichkeit in Eingrenzung der gemeindlichen Gestaltungsfreiheit als rechtlich voll nachprüfbare Frage darstellt, kann sich eine planungsunwillige Gemeinde den Erkenntnissen und Bewertungen der Lärmaktionspläne jedenfalls nicht ohne Weiteres entziehen. Damit wird der Gemeinde nicht etwa ihr Recht als Planungsträgerin genommen, über das Ob einer Planung selbst zu befinden. Über die Einleitung der Planung entscheidet weiterhin die Gemeinde und nicht direkt der Lärmaktionsplan; allerdings muss die gemeindliche Entscheidung auch in Ansehung der neuen Erkenntnisse des Lärmaktionsplans rechtmäßig ausfallen.490 Sieht also ein selbst abwägungsfehlerfrei zustandegekommener Lärmaktionsplan bauplanungsrechtliche Schritte vor, liegt darin ein „praktisch unwiderlegliches Indiz für die Erforderlichkeit“ eines Bebauungsplans.491 Zu welchem konkreten Ergebnis die bauleitplanerische Abwägung kommt, ist allerdings eine andere Frage.

486 Insbesondere Scheidler/Tegeder, in: Feldhaus, § 47d BImSchG Rn. 63: „notwendiges Abwägungsmaterial“; vgl. auch Wysk, in: Giesberts/Reinhardt, § 47d BImSchG Rn. 18; Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 123; Hansmann, in: Landmann/Rohmer, § 47d BImSchG Rn. 30; Jarass, BImSchG, § 47 Rn. 46. Zur Behandlung von Lärmminderungsplänen nach alter Rechtslage und Planentwürfen siehe BVerwG, NVwZ 2006, 331 (335). 487 So wohl Cancik, Verzahnung von Planungsinstrumenten, DVBl. 2008, 546 (553). 488 Vgl. hierzu auch Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 98. 489 So auch Cancik, Verzahnung von Planungsinstrumenten, DVBl. 2008, 546 (553); Schulze-Fielitz, Verkehrslärmschutz und Bauleitplanung, UPR 2008, 401 (405). 490 Daher nicht überzeugend LAI, Durchsetzung von Lärmminderungsplänen, NVwZ 1991, 1161 (B. 3.). 491 So Schulze-Fielitz, Verkehrslärmschutz und Bauleitplanung, UPR 2008, 401 (405).

G. Die Wirkungen der Lärmaktionspläne

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IV. Wirkung der Lärmaktionspläne als Optimierungsgebote? Anhand der vorstehend beschriebenen differenzierten Bindungswirkungen ist auch zu beantworten, ob die Festlegungen der Lärmaktionspläne als Optimierungsgebote492 verstanden werden müssen.493 Hinsichtlich der Maßnahmen in Lärmaktionsplänen ist zu berücksichtigen, dass das Gemeinschaftsrecht eine effiziente Umsetzung der Lärmminderungsplanung erfordert. Weiter ist zu sehen, dass der Bundesgesetzgeber eine möglichst strikte immissionsschutzrechtliche Bindungswirkung erreichen wollte, namentlich eine Bindung, die über die bloße Berücksichtigung bei der Entscheidung (wie sie für planungsrechtliche Festlegungen besteht) hinausgeht. Diese Bindung soll vor allem auch deshalb bestehen, weil die Lärmaktionspläne eine bündelnde und koordinierende Funktion in komplexen Gemengelagen wahrnehmen. Diese Gesichtspunkte sprechen dafür, den Maßnahmen der Lärmaktionspläne ein besonders herausgehobenes Gewicht zuzumessen. Die Maßnahmen sollen nach der gesetzlichen Konstruktion möglichst umfassend umgesetzt werden. Damit erreichen sie einen den sog. Optimierungsgeboten bzw. Abwägungsdirektiven vergleichbaren Rang. Diese Begrifflichkeiten beziehen sich zwar auf das Planungsrecht; in der Sache jedoch handelt es sich wohl um nichts anderes. Dogmatisch passender erscheint es darum, die Ermessensbefugnisse der Umsetzungsbehörden in bundes- und gemeinschaftsrechtsorientierter Auslegung wegen der hohen erstrebten Bindungswirkungen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz sowie wegen des Effektivitätsgebotes des Europarechts nicht als „Kann“Vorschriften, sondern als „Soll“-Vorschriften zu interpretieren.494 Danach ist die Maßnahme grundsätzlich durchzuführen, sofern nicht ausnahmsweise zwingende Gründe entgegenstehen. Das erscheint im Hinblick auf die gesetzliche Regelung angemessen. Für Planungsbeiträge besteht eine geringere Bindungswirkung. Sie werden den Planungsträgern nur zur zwingenden Bearbeitung in der Abwägung im Sinne einer planungsrechtlichen Berücksichtigungspflicht aufgegeben. Für eine bevorzugte Behandlung im Rahmen der Abwägung im Sinne einer Verwirklichung der Planungsvorschläge, sofern nur irgendwie möglich, ergibt sich im Gesetzeswortlaut keinerlei Anhaltspunkt. Das spricht gegen eine Einstufung als 492

Zur Begrifflichkeit siehe schon oben 1. Teil, B. II. 1. b), S. 37. Für eine „denkbare“ höhere Bindungswirkung Cancik, Verzahnung von Planungsinstrumenten, DVBl. 2008, 546 (553). Befürwortend für die früheren kommunalen Lärmminderungspläne nach § 47a BImSchG a. F. H. Dürr, Die rechtlichen Grundlagen zur Lärmminderung in Städten, UPR 1992, 241 ff. (247); vgl. Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47a BImSchG Rn. 257 (zitiert nach 15. Aktualisierungslieferung Oktober 2004); für Luftreinhaltepläne auch Herrmann, in: GK-BImSchG, § 47 Rn. 101. 494 Vgl. LAI, Durchsetzung von Lärmminderungsplänen, NVwZ 1991, 1161 [B. 2. b)]. 493

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6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

Optimierungsgebot bzw. Abwägungsdirektive. Anderes könnte man allenfalls aus einer besonderen Notwendigkeit aus Gründen des Gemeinschaftsrechts herleiten. Die Richtlinie sieht zwar die Verfolgung eines insgesamt hohen Umweltschutzniveaus vor. Jedoch sind im Rahmen von Planungsentscheidungen zahlreiche Einzelbelange des Umweltschutzes zu bewältigen, die ihrerseits einen hohen Stellenwert beanspruchen können, etwa Belange der Luftreinhaltung oder des Naturschutzes. Insofern ist die Ausgangslage bei den komplexen Planungsentscheidungen eine andere als bei den bloßen sonstigen Maßnahmen. Auch bestehen anders als bei der Luftreinhaltung keine verbindlichen Grenzwerte, die unbedingt eingehalten werden müssen. Aus dieser Gesamtschau erscheint daher fraglich, woraus sich eine Einstufung ausgerechnet des Lärmschutzbelanges als Optimierungsgebot begründen lassen sollte.495

V. Die Besonderheiten im Bahnbereich Die vorstehend beschriebenen Bindungswirkungen gelten auch für den Bahnbereich. Allerdings ergeben sich hier besondere Komplikationen im Hinblick auf die Besonderheiten der Netzwirtschaften und ihrer Ausgestaltung als Gewährleistungsverwaltung. Im Ergebnis sind im Bahnbereich gravierende Vollzugsdefizite vorgezeichnet. 1. Die Durchsetzung von Lärmaktionsplänen bei privaten Eisenbahnunternehmen Derzeit bestehen in Deutschland 281 öffentliche Eisenbahninfrastrukturunternehmen und 377 öffentliche Eisenbahnverkehrsunternehmen.496 Hiervon sind etliche rein privatwirtschaftlich getragene Unternehmungen.497 Das Merkmal des „Öffentlichen“ bezieht sich insofern nicht auf die Trägerschaft, sondern auf die Benutzbarkeit des Eisenbahnverkehrsunternehmens durch Jedermann bzw. durch die Verpflichtung der Unternehmen, Zugang zu Eisenbahninfrastruktur

495 In diese Richtung wohl auch Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47d BImSchG Rn. H 2: „Lärmaktionspläne mit ihren Festsetzungen nur als ein Belang unter anderen“; allerdings ders., a. a. O., Rn. H 4: Bei gemeindlicher Bauleitplanung „sind eventuelle Festlegungen von Lärmaktionsplänen in besonderem Maße einzubringen“ (Hervorhebung d. Verf.). 496 Siehe die entsprechenden Aufstellungen des Eisenbahn-Bundesamtes, Stand: November 2008, http://www.eba.bund.de/Service/ref11/s_11_evub.htm (05.12.2008). 497 Beispielhaft seien genannt die Deutsche Regionaleisenbahn GmbH als das mit 792 km Streckenlänge wohl derzeit größte privat getragene Eisenbahninfrastrukturunternehmen in Deutschland (http://www.regionaleisenbahn.de; 07.12.2008) bzw. die Veolia Verkehr GmbH (ehemals Connex) mit diversen Einzelgesellschaften als Eisenbahnverkehrsunternehmen (http://www.veolia-verkehr.de; 05.12.2008).

G. Die Wirkungen der Lärmaktionspläne

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und Schienenwegen gewähren zu müssen (§ 3 Abs. 1 AEG); nichtöffentlich sind demgegenüber z. B. Werksbahnen auf Fabrikgeländen.498 Da Private gemäß § 47d Abs. 6 i.V. m. § 47 Abs. 6 BImSchG nicht durch Lärmaktionspläne gebunden werden, sind gesonderte Schritte zur Um- bzw. Durchsetzung der dort vorgesehenen Vorschläge für Maßnahmen und planerische Schritte vonnöten. Das erweist sich vor allem im derzeitigen Bestand als problematisch. Denn hierzu mangelt es an geeigneten Befugnisnormen. Bei der Durchführung eines eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsverfahrens zur Neuplanung oder wesentlichen Änderung einer Strecke besteht zwar eine Bindungswirkung für die Planfeststellungsbehörde nach den o. g. Grundsätzen. Insoweit sind die Vorschläge des Aktionsplans in die Abwägung einzubeziehen. Bei bestandskräftiger Planfeststellung kommt hingegen allenfalls die Anordnung nachträglicher Schutzvorkehrungen wegen nicht voraussehbarer nachteiliger Wirkungen des Vorhabens nach §§ 18 S. 3, 18c AEG i.V. m. § 75 Abs. 2 S. 2 VwVfG in Betracht. Zuständig ist hierfür gemäß § 75 Abs. 2 S. 3 VwVfG die Planfeststellungsbehörde. Die Voraussetzungen für eine nachträgliche Anordnung sind jedoch durch Lärmaktionspläne regelmäßig nicht zu erfüllen, denn diese setzen einen Antrag eines Betroffenen voraus (§ 75 Abs. 3 S. 1 VwVfG); Anordnungen von Amts wegen finden nicht statt.499 Eine entsprechende Antragstellung durch Betroffene kann jedoch nicht im Lärmaktionsplan vorgesehen werden. Als Ausnahmefall kommt wohl nur diejenige Konstellation in Betracht, dass die mit der Lärmaktionsplanung betraute Gemeinde zugleich durch unvorhersehbare Wirkungen der planfestgestellten Strecke in ihrer Planungshoheit gestört wird; dann steht auch der Gemeinde die Antragsbefugnis nach § 75 Abs. 3 und 3 VwVfG zu.500 Eine solche Antragstellung könnte die Gemeinde auch im Lärmaktionsplan vorsehen. Eine Umsetzung der Lärmminderungsvorschläge im Wege einer Durchbrechung der Bestandskraft des Planfeststellungsbeschlüsse hat ebenfalls nur wenig Aussicht auf Erfolg. Einem (Teil-)Widerruf durch die Genehmigungsbehörde nach § 49 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG wegen schwerer Nachteile für das Gemeinwohl stehen zwar weder § 72 noch § 75 Abs. 2 VwVfG entgegen.501 Jedoch ist dies aus Verhältnismäßigkeitsgründen das letzte Mittel der Genehmigungsbehörde, wenn schonendere Mittel nicht in Betracht kommen, um einer verfassungsrechtlichen Schutzpflicht zu genügen.502 Es erscheint vor diesem Hintergrund zwei498

Siehe näher Hermes, in: Hermes/Sellner, § 3 Rn. 4 ff., 9. Vgl. auch Bonk/Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 75 Rn. 84 m.w. N. 500 BVerwG, NVwZ 1989, 253 (254 f.), mit näheren Voraussetzungen. 501 BVerwG, NVwZ 1998, 281 (282 f.), für atomrechtliche Planfeststellungen; NVwZ 2004, 869 (869), für luftverkehrsrechtliche Planfeststellungen. 502 BVerwG, NVwZ 2004, 869 (869) m.w. N.; ebenso Bonk/Neumann, in: Stelkens/ Bonk/Sachs, § 75 Rn. 64. 499

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6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

felhaft, wie die Erforderlichkeit eines (Teil-)Widerrufs durch den Lärmaktionsplan begründet werden soll. Dazu müssten schließlich schwerste Auswirkungen auf das Gemeinwohl vorgetragen werden, letztlich also vor allem Gesundheitsgefahren für Anwohner der Bahnstrecke. Diesen und ggf. der in ihrer Planungshoheit beeinträchtigten Gemeinde steht aber in solchen Fällen zunächst das Verfahren nach § 75 Abs. 2 VwVfG offen, das zu milderen Einschnitten führt. Das private Eisenbahninfrastrukturunternehmen hat aber einen Anspruch darauf, dass die Genehmigungsbehörde im Rahmen des § 49 Abs. 2 Nr. 5 VwVfG verhältnismäßige Entscheidungen trifft. Dass die Genehmigungsbehörde nur deshalb unmittelbar zu einem (Teil-)Widerruf berechtigt sein dürfte, weil dies ein behördlicher Lärmaktionsplan vorschlägt und in diesen Fällen keine Antragsbefugnis für mildere nachträgliche Anordnungen vorliegt, die aber tatsächlich unmittelbar Betroffene ausüben könnten, ist weder mit Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten noch mit der erhöhten Bestandskraft für Planfeststellungsbeschlüsse vereinbar. Spezifische Eingriffsbefugnisse zugunsten von Lärmminderungsmaßnahmen sieht das AEG nicht vor. Auch die eisenbahnrechtliche Befugnisgeneralklausel des § 5a Abs. 2 AEG ermächtigt nicht zu einer Anordnung von Lärmminderungsmaßnahmen gegenüber Eisenbahninfrastruktur- und Eisenbahnverkehrsunternehmen.503 Denn diese beziehen sich allein auf die Aufgabe des § 5a Abs. 1 AEG, die Einhaltung der in § 5 Abs. 1 AEG genannten Vorschriften, nämlich des AEG und der hierzu ergangenen Rechtsverordnungen, sicherzustellen und dabei insbesondere Gefahren abzuwehren, die beim Betrieb der Eisenbahn entstehen oder von den Betriebsanlagen ausgehen. Dies zielt jedoch im Wesentlichen auf die Sicherheit des Bahnverkehrs ab.504 Der Lärmschutz ist nicht Gegenstand des AEG (vgl. § 1 Abs. 1 S. 1 AEG) und damit auch nicht der Befugnisse nach § 5a AEG. 503 Eine solche Eingriffsbefugnisnorm enthielt das AEG zunächst nicht. Das BVerwG, NVwZ 1995, 379 (380), folgerte aus der Formulierung von Aufsichtsaufgaben einerseits und dem Fehlen von Befugnisnormen andererseits, dass das EBA im Rahmen seiner Aufgaben auch befugt sei, gesetzmäßiges Handeln der DB AG sicherzustellen, da der Gesetzgeber letztere nicht von jedem hoheitlichen Zugriff freistellen habe wollen. Diese nachvollziehbare, sich allerdings an der Grenze eines unzulässigen Schluss von der Aufgabe auf die Befugnis bewegende Entscheidung diente also dem Schließen einer erheblichen Gesetzeslücke. Auf die Überlegungen des Beschlusses kann deshalb nach der Ergänzung des AEG um § 5a nicht mehr zurückgegriffen werden. 504 Vgl. den Auszug aus der amtlichen Begründung sowie die Beispiele in der Erläuterung von K. Wittenberg/H. Heinrichs/W. Mittmann/F. Zwanziger, Kommentar zum Allgemeinen Eisenbahngesetz (AEG), 2004, § 5a AEG Rn. 2 sowie Rn. 12 f.; Hermes/Schweinsberg, in: Hermes/Sellner, § 5a Rn. 13 ff.: Abwehr eisenbahnspezifischer Gefahren; Kramer, Aktuelle Entwicklung, NVwZ 2006, 26 (28); vgl. auch S. Liebler, Pflicht von Eisenbahninfrastrukturunternehmen – hier der DB Netz AG – zur Vorhaltung ihrer Strecken in betriebssicherem Zustand, Anmerkung zu BVerwG 3 C 51/06 vom 25.10.2007, Juris Praxisreport-BVerwG 11/2008 Anm. 5, Juris.

G. Die Wirkungen der Lärmaktionspläne

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Folglich fehlt es an einer tauglichen Eingriffsbefugnis, um Vorschläge der Lärmaktionspläne jenseits der Durchführung von Planfeststellungsverfahren gegenüber Eisenbahninfrastrukturunternehmen oder Eisenbahnverkehrsunternehmen durchzusetzen. Der einzige realistische Weg, zu Lärmminderungsmaßnahmen an Eisenbahnanlagen und Fahrzeugen zu kommen, ist deshalb der frühzeitige Einbezug der Unternehmen mit dem Ziel, eine Selbstbindung durch vertragliche Vereinbarung oder wenigstens freiwillige Lärmminderungsbeiträge der Unternehmen zu erreichen. Ohne Kooperation ist ein Lärmminderungserfolg nicht zu erreichen, insbesondere kann er zwangsweise nicht durchgesetzt werden. 2. Die Umsetzung der Lärmaktionsplanung bei Eisenbahnunternehmen in öffentlichem Eigentum Die besondere Brisanz der Umsetzung von Lärmaktionsplänen im Bahnbereich besteht jedoch darin, dass die soeben beschriebenen Durchsetzungsdefizite auch hinsichtlich der in Privatrechtsform geführten Eisenbahnen des Bundes, also insbesondere hinsichtlich den Eisenbahninfrastrukturunternehmen der Deutschen Bahn, bestehen. Denn diese sind infolge der Einführung der Gewährleistungsverwaltung im Bereich der Netzwirtschaften nicht mehr als Behörde, sondern als wenigstens teilweise grundrechtsberechtigte Unternehmen anzusehen, weshalb es auch zu ihrer Verpflichtung gesetzlicher Eingriffsbefugnisse bedarf, soweit eine freiwillige Mitwirkung nicht erreicht werden kann (a). Die wenigen verbleibenden Steuerungsmöglichkeiten (b) führen dazu, dass die Wirksamkeit der Lärmaktionsplanung im Bahnbereich weitgehend in Frage gestellt ist. a) Die Gesellschaften der Deutschen Bahn AG als Privaten gleichstehende Unternehmen Eine unmittelbare Bindung der verschiedenen Gesellschaften der Deutschen Bahn AG an die Vorschläge der Lärmaktionsplanung im Sinne der §§ 47d Abs. 6, 47 Abs. 6 BImSchG scheidet aus, da es sich bei den Eisenbahnen des Bundes nach zutreffender Ansicht nicht um Behörden, sondern um Privaten gleichstehende Unternehmen handelt. Private werden jedoch durch § 47 Abs. 6 BImSchG nicht gebunden. Eine Behörde im organisatorischen Sinne505 stellen die einzelnen Verkehrsund Infrastrukturunternehmen der Deutschen Bahn AG sowie diese selbst als Holding schon deshalb nicht dar, weil sie kraft ausdrücklicher Anordnung des Art. 87e Abs. 3 S. 1 GG als Wirtschaftsunternehmen in privatrechtlicher Form 505

Vgl. hierzu etwa Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 1 Rn. 237 m.w. N.

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6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

geführt werden, mithin außerhalb des hierarchisch gegliederten staatlichen Verwaltungsaufbaus stehen. Insbesondere ist ein lenkender Einfluss des Bundes nur über seine Gesellschafterstellung in den Formen des Gesellschaftsrechts, nicht aber im Sinne bürokratischer Weisungsbefugnisse506 möglich.507 Die Privatrechtlichkeit der Organisationsform und die Privatwirtschaftlichkeit der Unternehmensführung sollen den Unternehmen sogar als grundrechtsähnliche Rechte garantiert sein.508 Die Eisenbahnen des Bundes sind aber auch keine Behörden im funktionalen Sinne.509 Dies ergibt sich aus der Überleitung der früheren staatlichen Durchführungsverantwortung für Eisenbahndienstleistungen in eine Gewährleistungsverwaltung als neuem Grundmodus der Aufgabenwahrnehmung in der Erscheinungsform der Regulierungsverwaltung.510 Deren Charakteristika sind noch nicht durchwegs geklärt und manche Begrifflichkeit schillernd.511 Streitig ist in Bezug auf die Neufassung des Art. 87e GG insbesondere die Frage, ob die Dienstleistungen der Eisenbahnen des Bundes im Verkehrs- und Infrastrukturbereich weiterhin als Verwaltungsaufgaben aufzufassen sind. Einig506 Zu der – nur scheinbar paradoxen – Fortführung eines auf Bürosystem, striktem Weisungsrecht und Berufsbeamtentum beruhenden hierarchischen Modells als Funktionserfordernis demokratischer Staatlichkeit siehe H. Dreier, Hierarchische Verwaltung im demokratischen Staat. Genese, aktuelle Bedeutung und funktionelle Grenzen eines Bauprinzips der Exekutive, 1991, S. 125 ff., S. 145 ff. 507 BVerwG, NVwZ 1995, 379 (380): Die Bundesbahn sei infolge ihrer Privatisierung aus der Gesetzes- und Rechtsbindung der vollziehenden Gewalt entlassen und der unmittelbaren Aufsicht durch übergeordnete Behörden entzogen. An die Stelle der Behörden DB und DR trete das EBA. Vgl. auch BGH, NStZ 2004, 677 (677 f.): Deutsche Bahn AG mangels hinreichender staatlicher Steuerung ihrer Geschäftsabläufe nicht einer Behörde gleichzusetzen. 508 Windthorst, in: Sachs, GG, Art. 87e Rn. 36; Gersdorf, in: H. v. Mangoldt/ F. Klein/C. Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Band 3, Art. 83–146, 5. Aufl. 2005, Art. 87e Rn. 52. 509 Zu diesem stets im jeweiligen Regelungszusammenhang zu bestimmenden Behördenbegriff vgl. für das allgemeine Verfahrensrecht Schmitz, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, § 1 Rn. 240 ff., für das Presserecht OVG NW, 5 B 1183/08 vom 28.10.2008, Juris, Rn. 4 f., sowie für Verkehrsflughäfen Hess. VGH, 9 N 639/02 vom 15.12.2003, Juris, Rn. 42 ff. (insoweit nicht abgedruckt in ESVGH 54, 190). 510 Siehe hierzu grundlegend H. Schulze-Fielitz, Grundmodi der Aufgabenwahrnehmung, in: W. Hoffmann-Riem/E. Schmidt-Aßmann/A. Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, 2006, § 12 Rn. 18 f., 51 ff., 57 ff.; zur ideengeschichtlichen Entwicklung eines Gewährleistungsstaates als modernem Gegenentwurf zum traditionellen Modell der Daseinsvorsorge, dessen Begriff und seiner Konzeption siehe M. Knauff, Der Gewährleistungsstaat: Reform der Daseinsvorsorge, Eine rechtswissenschaftliche Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung des ÖPNV, 2004, S. 59 ff., insbesondere S. 60 ff., 66 ff., 74 ff. 511 Masing, Grundsätze der Netzregulierung, S. 157 f.; Schulze-Fielitz, Grundmodi, GVwR I, § 12 Rn. 59. Zu konzeptionellen Unsicherheiten der Gewährleistungsidee vgl. auch C. Franzius, Die europäische Dimension des Gewährleistungsstaates, Der Staat 45 (2006), 547 ff. (550 ff.).

G. Die Wirkungen der Lärmaktionspläne

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keit herrscht dahingehend, dass die Anordnung des Art. 87e Abs. 3 S. 1 GG, dass die Eisenbahnen des Bundes als Wirtschaftsunternehmen in privatrechtlicher Form geführt werden müssen, eine Organisationsprivatisierung512 zur Folge hatte.513 Unterschiedlich wird aber gesehen, ob daneben auch eine materielle Privatisierung stattgefunden hat514 oder eine solche wenigstens als Programm für die Zukunft515 angeordnet wurde. Dann hätte der Staat die Aufgabe, Eisenbahndienstleistungen zu erbringen, in staatsentlastender Weise dem privaten Sektor überantwortet.516 Die staatlich beherrschten Unternehmen wären dann auf jeden Fall normale Marktteilnehmer wie privat gehaltene Unternehmen auch.517 Gegen die Annahme einer materiellen Privatisierung wird vor allem in Stellung gebracht, dass jedenfalls für Eisenbahninfrastrukturunternehmen die Eigentümerstellung des Bundes, ein Gesetzesvorbehalt bei einer Anteilsveräußerung und der Verbleib der Mehrheitsanteile beim Bund angeordnet sind (Art. 87e Abs. 3 S. 2–4 GG).518 Dieser Streit kann hier nicht umfänglich ausgetragen werden. Nicht gänzlich fernliegend ist der Gedanke, dass der Streit um die Organisations- oder Aufgabenprivatisierung auf eine unterschiedliche Definition der „Aufgabe“ zurückzuführen sein könnte: Sieht man nur eine einheitliche Aufgabe „Eisenbahnwesen“, verbleiben materielle Aufgaben der Eisenbahnverkehrsverwaltung und Regulierung als Teilaufgaben beim Staat; geht man von getrennten Aufgaben der 512 Zur Begrifflichkeit siehe Schulze-Fielitz, Grundmodi, GVwR I, § 12 Rn. 109: Der Verwaltungsträger bedient sich zur effizienteren Erledigung bestimmter Verwaltungsaufgaben der Organisationsformen des Privatrechts, entledigt sich aber nicht zugleich seiner Aufgabe. 513 Windthorst, in: Sachs, GG, Art. 87e Rn. 35, 38; G. Jochum, Die Grundrechtsbindung der Deutschen Bahn, NVwZ 2005, 779 ff. (779); so wohl auch Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 87e Rn. 4. 514 Jochum, Grundrechtsbindung, NVwZ 2005, 779 (779): „beschränkte Aufgabenprivatisierung“; vgl. für eine materielle Privatisierung im Telekommunikationsbereich jüngst OVG NW, 5 B 1183/08 vom 28.10.2008, Juris, Rn. 6: Die öffentliche Hand bediene sich der Deutschen Telekom AG nicht zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben, da sich der Staat von der Aufgabe der Leistungserbringung zurückgezogen und damit nicht nur eine private Rechtsform für staatliches Handeln gewählt habe. 515 Windthorst, in: Sachs, GG, Art. 87e Rn. 35, 42: Verfassungsauftrag in Form eines Staatszieles, der sich nach Erreichen in eine Einrichtungsgarantie wandele. Kritisch Wieland, in: Dreier, GG III, Art. 87e Rn. 20: kein materielles Privatisierungsgebot in dem Sinne, dass der Bund von Verfassungs wegen verpflichtet würde, sein Eigentum an den Eisenbahnunternehmen aufzugeben oder auch nur einzuschränken; ablehnend auch R. Uerpmann-Wittzack, Verkehr, in: HStR IV, § 89 Rn. 42 und 46. Vgl. noch Gersdorf, in: v. Mangoldt/Klein/Stark, GG III, Art. 87e Rn. 58: materielle Privatisierung für Eisenbahnverkehrsunternehmen jedenfalls zulässig. 516 Zur Begrifflichkeit siehe Schulze-Fielitz, Grundmodi, GVwR I, § 12 Rn. 112 m.w. N. 517 Vgl. insoweit auch Knauff, Gewährleistungsstaat, S. 67. 518 Wieland, in: Dreier, GG III, Art. 87e Rn. 15: materielle Privatisierung des Schienennetzes ausgeschlossen.

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6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

„Eisenbahnverwaltung“, „Regulierung/Gewährleistung“ und „Dienstleistungserbringung“ aus, ist der dritte Aufgabenkomplex komplett weggefallen. Überzeugender erscheint es, hinsichtlich der Erbringung von Eisenbahndienstleistungen tatsächlich von einer Aufgabenprivatisierung auszugehen. Denn das Wesen der Regulierungsverwaltung ist es ja gerade, dass die fortbestehende Ergebnisverantwortung des Staates nunmehr als Gewährleistungsverantwortung (i. S. v. Regulierung, Aufsicht und Reservefunktion) und nicht mehr als eigene Erfüllungsverantwortung wahrgenommen wird.519 Hierzu sollte man sich die verschiedenen Sphären des Handelns des Bundes im Eisenbahnbereich noch einmal verdeutlichen. Das gemeinschaftsrechtlich 520 und haushaltspolitisch521 initiierte Ziel, zu einem insgesamt effizienteren Eisenbahnwesen zu gelangen, soll durch die Eröffnung eines marktwirtschaftlichen Wettbewerbs unter Überwindung der sich aus dem natürlichen Infrastruktur-Monopol ergebenden Wettbewerbshindernisse erreicht werden.522 Dazu gehört, dass sich auch die bundeseigenen Eisenbahnen als anbietende Wirtschaftsunternehmen am Wettbewerb beteiligen, und zwar sowohl im Verkehrs- als auch im Infrastrukturbereich (Art. 87e Abs. 3 GG). Darin liegen zugleich ein Verbot, Eisenbahndienstleistungen im Verwaltungswege zu erbringen,523 und die Einschätzung des Verfassunggebers, dass Eisenbahndienstleistungen keine Domäne des Staates sind, sondern auch durch Private erbracht werden können. Davon strikt getrennt ist die Wahrnehmung der hoheitlichen Aufgaben der Eisenbahnverkehrsverwaltung (Art. 87e Abs. 1 und 2 GG).524 Diese wird hinsichtlich der Eisenbahnaufsicht, also der Genehmigungen und Zulassungen sowie der Sicherheit des Bahnbetriebs, vom Eisenbahn-Bundesamt wahrgenom519 C. Franzius, Der Gewährleistungsstaat, VerwArch 99 (2008), 351 ff. (355); Knauff, Gewährleistungsstaat, S. 67 f., der für die beschriebene Konstellation allerdings eine Einstufung als „funktionale Privatisierung“ vorschlägt, in deren Rahmen der private Leistungserbringer als Verwaltungshelfer des gewährleistenden Staates tätig werde (S. 82 m.w. N.). Dagegen spricht, dass die von unternehmerischen Entscheidungen getragene Aufgabenerfüllung unter bloßer Regulierungsaufsicht nicht recht zu dem tradierten Bild vom weisungsabhängigen Verwaltungshelfer passen mag. Da aber auch der Verwaltungshelfer jedenfalls Privater ist, kann diese Frage hier letztlich offenbleiben. 520 Siehe hierzu Wieland, in: Dreier, GG III, Art. 87e Rn. 9 ff. 521 Fehling, Eisenbahnregulierung, S. 126 f.; eindrucksvolle Zahlen finden sich noch in der früheren Bearbeitung von Windthorst, in: M. Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 4. Aufl. 2007, Art. 87e Rn. 2. 522 Zu den Mechanismen siehe Fehling, Eisenbahnregulierung, S. 128 ff. 523 Windthorst, in: Sachs, GG, Art. 87e Rn. 44; Jochum, Grundrechtsbindung, NVwZ 2005, 779 (779); wohl auch Wieland, in: Dreier, GG III, Art. 87e Rn. 20. 524 Windthorst, in: Sachs, GG, Art. 87e Rn. 8, 16 f.; Jochum, Grundrechtsbindung, NVwZ 2005, 779 (779); Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 87e Rn. 1; Knauff, Gewährleistungsstaat, S. 237.

G. Die Wirkungen der Lärmaktionspläne

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men. Den freien Netzzugang aller Marktteilnehmer zu der von den Eisenbahnen des Bundes betriebenen Infrastruktur, dessen Bedingungen vertraglich ausgehandelt werden (§ 14 AEG), sichert die Bundesnetzagentur (§ 14b ff. AEG). Bei beiden Aufgabenkomplexen handelt es sich um hoheitliche, ordnungsrechtlich geprägte bzw. regulierende Verwaltungstätigkeiten.525 An diesen hoheitlichen Tätigkeiten wirkt die Deutsche Bahn AG nicht mit,526 sondern ist selbst der Kontrolle der genannten Behörden unterworfen wie andere Marktteilnehmer auch. Das gilt sogar besonders für die DB Netz AG als größtem Infrastrukturunternehmen, das auch den privat getragenen Konkurrenten der Deutschen Bahn AG den Netzzugang gewähren muss. Als der Kontrolle unterworfene Wirtschaftsunternehmen nehmen die Gesellschaften der Deutschen Bahn AG also gerade keine Behördenfunktion wahr, sind mithin auch unter diesem Gesichtspunkt keine gebundene Behörde im Sinne des § 47 Abs. 6 BImSchG. Daran ändert auch die Gewährleistungsverantwortung des Bundes nach Art. 87e Abs. 4 GG nichts.527 Denn die Verpflichtung, zur Vermeidung eines Marktversagens528 sicherzustellen, dass dem Wohl der Allgemeinheit und ihren Verkehrsbedürfnissen beim Ausbau des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes und bei den Verkehrsangeboten hierauf Rechnung getragen wird, trifft nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Grundgesetzes zunächst den Bund unmittelbar, nicht seine Eisenbahnen als der Erwerbserzielung verpflichtete Wirtschaftsunternehmen.529 Dem Bund ist dabei weitgehend freigestellt, auf welche Art und Weise er seinen Gewährleistungsauftrag erfüllen möchte.530 Vorrangig kommt der Staat seiner Gewährleistungsverantwortung durch Rechtsetzung nach.531 Als ein spezielles Instrument ist ihm daneben zwar auch die Mehrheitsgesellschafterstellung an den Eisenbahninfrastrukturunternehmen des Bundes verfassungsrechtlich verbrieft. Diese für die Zukunft gesicherte gesellschafts-

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Vgl. BVerfGE 97, 198 (222); Wieland, in: Dreier, GG III, Art. 87e Rn. 21. BVerwG, NVwZ 1995, 379 (380). 527 Kritisch zur sprachlichen wie inhaltlichen Ausgestaltung der Vorschrift Knauff, Gewährleistungsstaat, S. 238 ff. 528 Zur sog. Auffangverantwortung im Bereich der Gewährleistungsverwaltung vgl. Schulze-Fielitz, Grundmodi, GVwR I, § 12 Rn. 158 f., 166; siehe auch Franzius, Gewährleistungsstaat, VerwArch 99 (2008), 351 (378 f.). 529 M. Lang, Die Grundrechtsberechtigung der Nachfolgeunternehmen im Eisenbahn-, Post- und Telekommunikationswesen, NJW 2004, 3601 ff. (3603 f.). Siehe hierzu auch die Nachweise bei Wieland, in: Dreier, GG III, Art. 87e Rn. 31, der allerdings selbst wohl neben der Verantwortung des Bundes auch eine unmittelbare Bindung des öffentlichen Unternehmens an den öffentlichen Zweck annimmt. 530 Windthorst, in: Sachs, GG, Art. 87e Rn. 64; Fehling, Eisenbahnregulierung, S. 143 f. 531 Franzius, Gewährleistungsstaat, VerwArch 99 (2008), 351 (355) m.w. N. 526

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rechtliche Einflussmöglichkeit ist jedoch zu trennen von der Teilnahme der Unternehmen am Marktgeschehen selbst, für die eine weitreichende unternehmerische Entscheidungsautonomie gewährt wird.532 Denn die Ergebnisverantwortung des Gewährleistungsstaates vollzieht sich ja gerade nicht als eigene Erfüllungsverantwortung. Gegen diese Einstufung der Rolle der Eisenbahnen des Bundes als normale Marktteilnehmer, deren Gesellschafter lediglich der Bund ist, kann eingewandt werden, dass der Staat Staat bleibe, auch wenn er in anderen Rechtsformen handele (keine Flucht ins Privatrecht).533 Das ist grundsätzlich richtig, übersieht aber die besondere Konstellation der regulierten Netzwirtschaften.534 Anders als bei den gemeindlichen Daseinsvorsorgeaufgaben, die in den Gemeindeordnungen explizit den Kommunen aufgegeben werden (vgl. z. B. Art. 57 BayGO), sieht das Grundgesetz die Leistungserbringung bei den Netzwirtschaften jenseits der Gewährleistungsverantwortung gerade nicht mehr als zwingende Aufgabe des Staates an. Der Staat unterstellt die von ihm gehaltenen Eisenbahnen vielmehr ganz bewusst einer hoheitlichen Aufsichtstätigkeit und unterwirft sie damit den gleichen Bedingungen wie die übrigen privaten Eisenbahnunternehmen. Er nimmt ihnen die monopolistische Sonderstellung, um damit einen Wettbewerb zu erzeugen, in dem das Sinken des Marktanteils seiner Unternehmen letztlich gewollt ist. Das ist etwas kategorial Anderes als die bloße Wahl einer günstigeren Rechtsform zur Wahrnehmung eigener Aufgaben im gemeindlichen Bereich. Damit hat das Grundgesetz aber zugleich die Wirtschaftsunternehmen in eine grundrechtstypische Gefährdungslage versetzt, die es rechtfertigt, eine Grundrechtsberechtigung im Sinne des Art. 19 Abs. 3 GG anzunehmen, soweit die

532 Windthorst, in: Sachs, GG, Art. 87e Rn. 48 und 57; Jochum, Grundrechtsbindung, NVwZ 2005, 779 (779); ähnlich Fehling, Eisenbahnregulierung, S. 142 f., der allerdings den Erhalt eines substantiellen Einflusses auf die Geschäftsführung der Infrastrukturunternehmen für notwendig hält; wohl auch Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 87e Rn. 7: keine unmittelbare Einwirkung des Bundes im Bereich des Abs. 3 S. 1; vgl. ferner Wieland, in: Dreier, GG III, Art. 87e Rn. 31. 533 Kritisch Jochum, Grundrechtsbindung, NVwZ 2005, 779 (781) m.w. N.; siehe hierzu allgemein Schulze-Fielitz, Grundmodi, GVwR I, § 12 Rn. 125 ff., insbesondere Rn. 132, sowie Dreier, in: H. Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, Band I, 2. Aufl. 2004, Art. 19 III Rn. 68, 70: Die fehlende Grundrechtsberechtigung bei öffentlicher Hand als alleinigem Anteilseigner sei unzweideutig. Allerdings erfolgt dieser Befund in Ansehung der „traditionellen“ Modelle kommunaler Daseinsvorsorge, in denen sich die öffentliche Hand ansonsten gleichsam entscheiden könnte, durch Rechtsformwahl grundrechtsberechtigt zu werden. Es ist überlegenswert, für die regulierten Netzwirtschaften wegen der verfassungsrechtlichen Anordnung der Privatrechtsform der Leistungserbringung zu anderen Ergebnissen zu kommen (s. o.). 534 So auch Vesting, in: E. Denninger/W. Hoffmann-Riem/H.-P. Schneider/E. Stein (Hrsg.), Alternativkommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl., Loseblattsammlung, Stand: 2. Lfg. (August 2002), Art. 87e Rn. 40 f.

G. Die Wirkungen der Lärmaktionspläne

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Grundrechte ihrem Wesen nach auf juristische Personen anwendbar sind.535 Maßgeblich für das Vorliegen der grundrechtstypischen Gefährdungslage ist insofern die Verpflichtung und das hieraus resultierende Recht der Eisenbahnunternehmen auf eine wirtschaftliche Unternehmensführung jenseits öffentlicher Zwecke.536 Gegen die vom Bundesverfassungsgericht entwickelte engere Durchgriffstheorie537, wonach eine Grundrechtsberechtigung juristischer Personen des öffentlichen Rechts nur im Hinblick auf den Schutz der Grundrechte der hinter der juristischen Person stehenden natürlichen Personen in Betracht kommen könne, ist bereits zu Recht eingewandt worden, dass Art. 19 Abs. 3 GG den Kreis der Grundrechtsberechtigten erweitern soll, was letztlich ausbliebe, wenn man wiederum nur auf die Grundrechte der Dahinterstehenden abstellte.538 Es erscheint ferner fraglich, ob mit der Übernahme der aus dieser Rechtsprechung folgenden Anteilseignerbetrachtung539 tatsächlich die verfassungsrechtlich angeordneten komplexen Gemengelagen aus privatwirtschaftlichen Handlungsgrundsätzen und gemeinwohlorientierter Gewährleistungsverwaltung540 im Bereich der Netzwirtschaften bewältigt werden können,541 zumal infolge der bisherigen vermögensprivatisierenden Schritte jenseits des Eisenbahnwesens die gemischt öffentlich-private Trägerschaft an früheren Monopolunternehmen bereits vorherrscht und im Eisenbahnwesen absehbar ist, sobald der Bundesgesetzgeber die Modalitäten der weiteren Bahnprivatisierung festlegen wird. Dass sämtliche früheren Monopolisten im Gegensatz zu ihren Konkurrenten dann weiterhin nicht grundrechtsberechtigt sein sollten, erschiene zweifelhaft. Dem Wesen nach anwendbar auf juristische Personen im Sinne des Art. 19 Abs. 3 GG ist jedenfalls die allgemeine Handlungsfreiheit,542 woraus sich zugleich ergibt, dass für belastende Eingriffe gegenüber der Deutschen Bahn AG und ihren Tochtergesellschaften schon aufgrund des klassischen Verständnisses des Gesetzesvorbehalts543 eine Ermächtigungsgrundlage erforderlich ist.

535 So auch Windthorst, in: Sachs, GG, Art. 87e Rn. 49; Uerpmann-Wittzack, Verkehr, HStR IV, § 126 Rn. 47; Vesting, in: AK-GG, Art. 87e Rn. 40 f. 536 Eingehend Lang, Grundrechtsberechtigung, NJW 2004, 3601 (3604). 537 Aus jüngerer Zeit etwa BVerfG, NVwZ 2007, 1420 (1420 f.); siehe zum Meinungsstand eingehend Dreier, in: Dreier, GG I, Art. 19 III Rn. 30 ff., 44 ff., 55 ff., 68 ff. 538 Lang, Grundrechtsberechtigung, NJW 2004, 3601 (3602). Siehe im Übrigen die Nachweise bei Dreier, in: Dreier, GG I, Art. 19 III Rn. 32. 539 Siehe zu den gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen eingehend Dreier, in: Dreier, GG I, Art. 19 III Rn. 72 ff. 540 Vgl. Wieland, in: Dreier, GG III, Art. 87e Rn. 33 a. E. 541 Zweifelnd auch Vesting, in AK-GG, Art. 87e Rn. 41. 542 Dreier, in: Dreier, GG I, Art. 19 III Rn. 36. 543 Näher Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG II, Art. 20 (Rechtsstaat) Rn. 107.

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6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

b) Die verbleibenden Steuerungsmöglichkeiten Da die Eisenbahnen des Bundes nicht als Behörden unmittelbar gemäß § 47 Abs. 6 BImSchG an die Ergebnisse der Lärmaktionsplanung gebunden sind, sie folglich zu Lärmminderungsmaßnahmen wie private Eisenbahnunternehmen nur aufgrund entsprechender Befugnisnormen verpflichtet werden können, die sich jedoch als fehlend bzw. kaum erfolgversprechend erweisen, bleiben nur wenige Möglichkeiten, eine effektive Umsetzung der Lärmaktionspläne zu erreichen. Zum einen ist daran zu denken, dass das BMVBS selbst eine Behörde darstellt, die gemäß § 47 Abs. 6 BImSchG an die Vorschläge der Lärmaktionsplanung in den o. g. Grenzen gebunden ist. Zur Verwirklichung der Lärmaktionsplanung könnte das Ministerium die Einflussmöglichkeiten nutzen, die dem Bund als Gesellschafter der Eisenbahnen des Bundes zur Verfügung stehen. Ein Eingriff auf diesem Wege in einzelne Geschäftsführungsfragen unterliegt jedoch engen Grenzen, wie soeben gezeigt wurde. Im Wesentlichen bleibt daher auch im Bereich der Eisenbahnen des Bundes nur die Möglichkeit, die betroffenen Infrastruktur- und Verkehrsgesellschaften beizeiten in die Lärmaktionsplanung einzubeziehen, um dadurch eine möglichst umfassende Selbstbindung zu erreichen. Erzwingen kann man die Bereitschaft hierzu nicht. Es ist somit zu befürchten, dass im Eisenbahnbereich insgesamt erhebliche Umsetzungsdefizite auftreten werden.

H. Individualansprüche, Rechtsnatur und Rechtsschutz Zu den umstrittensten Fragen im Zusammenhang mit gemeinschaftsrechtlich initiierten Umweltvorschriften gehört die Frage nach damit verbundenen subjektiv-öffentlichen Rechten des Einzelnen. Das erklärt sich aus der Divergenz der Anschauungen des Gemeinschaftsrechts bzw. der deutschen Verwaltungsrechtstradition hinsichtlich der dogmatischen Abgrenzung betroffener Personenkreise und betroffener Interessen sowie hinsichtlich der Indienstnahme der Bürger für die Effektivierung der umweltrechtlichen Neuregelungen.544 Die Frage nach individuellen Rechtsansprüchen stellt sich auch für die Lärmaktionsplanung, zumal darin ein gewichtiges Präjudiz für die Qualifizierung der Rechtsnatur der Lärmaktionspläne und damit zugleich für die Rechtsschutzmöglichkeiten im Zusammenhang mit Lärmaktionsplänen zu erblicken ist.

544 Masing, Mobilisierung des Bürgers, S. 176, konstatiert sogar ein „schroffes Aufeinanderprallen“ der europäischen Konzeption der Mobilisierung des Bürgers und der deutschen Fundierung des Verwaltungsrechts in der Lehre vom subjektiv-öffentlichen Recht.

H. Individualansprüche, Rechtsnatur und Rechtsschutz

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I. Zur Frage von Individualansprüchen bei der Lärmaktionsplanung Überwiegend gehen die bisher erschienenen Stellungnahmen im Schrifttum davon aus, dass aus den Vorschriften des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zur Lärmaktionsplanung sowie der Umgebungslärmrichtlinie grundsätzlich keine individuellen Ansprüche Einzelner hergeleitet werden können, und zwar weder als Anspruch auf die Planaufstellung überhaupt bzw. auf eine bestimmte Planung,545 noch als Anspruch auf Durchführung der Pläne546 oder gar als Anspruch auf Einhaltung bestimmter Immissionswerte.547 Auch erste Judikate haben sich auf den Standpunkt gestellt, dass subjektiv-öffentliche Rechte nicht bestehen.548 Das erweist sich im Wesentlichen als zutreffend. Das Ergebnis auf dem Boden der Schutznormlehre (1.) bedarf insbesondere keiner Verschiebungen aufgrund Gemeinschaftsrechts analog der jüngsten Feinstaubentscheidung des Europäischen Gerichtshofs (2.). Lediglich für Belastungen durch zivilen Fluglärm und für Gesundheitsgefahren muss wegen der Schutzpflichtendimension der Grundrechte etwas anderes gelten (3.). Ein Anspruch auf Öffentlichkeitsbeteiligung wurde bereits oben diskutiert und abgelehnt.549 1. Die Beurteilung nach der Schutznormlehre Nach der in Deutschland herrschenden Schutznormlehre werden subjektiv-öffentliche Rechte begründet, wenn eine Rechtsnorm die Verwaltung zu einem 545 Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 159; ders., Verkehrslärmschutz und Bauleitplanung, UPR 2008, 401 (409); Scheidler/Tegeder, in: Feldhaus, § 47d BImSchG Rn. 77; Jarass, BImSchG, § 47d Rn. 14; Repkewitz, Probleme, VBlBW 2006, 409 (416). Für ein Recht auf Planaufstellung, letztlich aber nur unter ähnlichen Umständen wie nach der hier vertretenen folgenden Ansicht, hingegen Cancik, Aktionspläne, ZUR 2007, 169 (173). Für einen grundsätzlichen Anspruch am weitesten gehend B. Söhnlein, Die Umsetzung der Umgebungslärmrichtlinie in deutsches Recht, NuR 2006, 276 ff. (278), in enger Anlehnung an die Feinstaubentscheidung des BayVGH, NVwZ 2005, 1094. In der übrigen Kommentarliteratur erstaunlicherweise offenbleibend. 546 Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 159; Scheidler/Tegeder, in: Feldhaus, § 47d BImSchG Rn. 76. 547 Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 159. 548 Insbesondere VG Ansbach, AN 10 K 06.2910 u. a. vom 07.12.2007, Juris, Rn. 32. Ansonsten hatten sich die Gerichte überwiegend mit beteiligtenseits behaupteten Schutzwirkungen der Umgebungslärmrichtlinie zur Abwehr eines missliebigen Vorhabens zu befassen, also der Fallgruppe der Einhaltung bestimmter Werte. Siehe im Einzelnen OVG Bremen, 1 D 224/04 vom 13.01.2005, Juris, Rn. 125; OVG NW, 10 B 2383/04 vom 09.03.2005, Juris, Rn. 15 (insoweit nicht abgedruckt in BauR 2005, 1677); 10 B 2462/04 vom 11.03.2005, Juris, Rn. 30; OVG RP, 8 A 11488/04 vom 21.01.2005, Juris, Rn. 23; VG Dresden, 3 K 255/05 vom 30.05.2006, Juris, Rn. 56. 549 Siehe oben E. III. 3., insb. S. 353 f.

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bestimmten Verhalten verpflichtet und die Rechtsnorm zugleich zumindest auch dem Schutz der Interessen einzelner Bürger zu dienen bestimmt ist.550 Die Interessenrichtung der Rechtsnorm ist dabei durch Auslegung zu ermitteln, insbesondere wenn die fragliche Norm nicht schon wortwörtlich einen „Anspruch“ verleiht.551 § 47d Abs. 1 BImSchG enthält wie gezeigt eine objektive Rechtspflicht der zuständigen Behörden, beim Vorliegen bestimmter Tatbestandsmerkmale einen Lärmaktionsplan aufzustellen. § 47d Abs. 6 i.V. m. § 47 Abs. 6 BImSchG verpflichtet andere Behörden dem Grunde nach zur Durchführung der aufgestellten Pläne. Insofern liegen objektive Handlungsverpflichtungen der Behörden vor. Zu besonderen Betroffenheiten äußern sich die Vorschriften nicht. Es ist auch nicht ersichtlich, dass bestimmte Interessen Einzelner jenseits des öffentlichen Interesses an einer Gesamtverbesserung der Lärmsituation in besonderer Weise herausgehoben würden (z. B. als Nachbarn bestimmter Vorhaben o. ä.). Vielmehr erfolgen Planaufstellung und Plandurchführung im Sinne eines gesamtgebietbezogenen Vorgehens, mithin im Interesse der Allgemeinheit. Einen allgemeinen Anspruch auf Planaufstellung gibt es nach dem traditionellen Verwaltungsrechtsdenken in Deutschland jedoch ebensowenig552 wie einen allgemeinen Plandurchführungsanspruch553. Auf dem Boden der Schutznormlehre können Bürgerinnen und Bürger somit keine individuellen Ansprüche geltend machen. Eine Ausnahme ergibt sich jedoch im Fluglärmbereich. Gemäß § 14 FluglärmG sind bei der Lärmaktionsplanung die jeweils anwendbaren Werte des § 2 Abs. 2 FluglärmG zu beachten. Das kennzeichnet wie bereits gezeigt554 eine Mindest-Auslöseschwelle für die Lärmaktionsplanung, begründet also eine Handlungspflicht der Verwaltung im Sinne des § 47d Abs. 1 BImSchG. Die Werte des § 14 FluglärmG werden ausweislich der amtlichen Überschrift als „Schutzziele“ bezeichnet. Es ergibt sich somit schon aus dieser Bezeichnung, dass die genannten Werte wenigstens auch dem Schutze der betroffenen Bevölkerung dienen. Mithin liegen die Voraussetzungen für die Anerkennung eines subjektiv-öffentlichen Rechts nach der Schutznormlehre vor. Wird eine Lärmbelastung durch Fluglärm jenseits der Schutzwerte festgestellt, haben die hiervon Betroffenen somit einen Anspruch auf Erstellung eines Aktionsplans. Das gilt 550 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 8 Rn. 8; zur rechtshistorischen Entwicklung siehe insbesondere H. Bauer, Geschichtliche Grundlagen der Lehre vom subjektiven öffentlichen Recht, 1986, S. 80 ff., 141 ff. 551 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 8 Rn. 9. 552 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 16 Rn. 28; R. Klinger/F. Löwenberg, Rechtsanspruch auf saubere Luft?, ZUR 2005, 169 ff. (173). 553 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 16 Rn. 33 m.w. N. 554 Siehe oben B. III. 2. c), S. 269.

H. Individualansprüche, Rechtsnatur und Rechtsschutz

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auch im Bestand, da § 2 Abs. 2 Nr. 2 FluglärmG auch Werte für bestehende Flugplätze enthält. Der Anspruch kann sich jedoch nur bei einer Belastung durch zivilen Fluglärm ergeben, da der militärische Fluglärm bereits nicht dem Anwendungsbereich der Lärmaktionsplanung unterfällt (§ 47a S. 2 BImSchG). 2. Keine Verschiebungen aufgrund Gemeinschaftsrechts analog der Feinstaubentscheidung des Europäischen Gerichtshofes In gemeinschaftsrechtlich überwölbten Fragestellungen, insbesondere also bei der Anwendung mitgliedstaatlichen Rechts, das zur Umsetzung europäischer Richtlinien ergangen ist, sind jedoch Verschiebungen gegenüber der Schutznormlehre zu beachten.555 Dies ergibt sich daraus, dass Richtlinien bereits auf Gemeinschaftsrechtsebene subjektiv-öffentliche Rechte verleihen können, deren effektive Wahrnehmung (insbesondere im Rechtsschutzwege) nicht mit Hinweis auf besondere Befindlichkeiten der deutschen Verwaltungsrechtsdogmatik vereitelt werden darf.556 Die praktische Relevanz dessen besteht aufgrund der Spruchpraxis des Europäischen Gerichtshofes, der sich bei der Abgrenzung subjektiv-öffentlicher Rechte an der weniger restriktiven Interessentenklage des französischen Verwaltungsprozessrechts orientiert.557 Danach ist es für die Annahme von Individualrechten bereits ausreichend, dass ein bestimmtes öffentliches Teilinteresse betroffen ist und das Interesse des Einzelnen jenem Teilsektor des öffentlichen Interesses zugeordnet werden kann.558 Für die Lärmaktionsplanung ergeben sich jedoch auch aufgrund dieser Verschiebungen im Grundsatz keine wesentlichen Änderungen. Das zeigt insbesondere ein Vergleich mit der Rechtsentwicklung im Bereich der Feinstaubbekämpfung. Hier hat der Europäische Gerichtshof jüngst mit seiner Entscheidung vom 25.07.2008559 einen wenigstens vorläufigen Schlusspunkt unter die Diskussion zur Erstellung von Aktionsplänen i. S. d. § 47 BImSchG gesetzt und einen Anspruch Einzelner auf die Planerstellung bejaht. Dies soll selbst dann gelten, wenn planunabhängige Maßnahmen ebenfalls zu einer Reduzierung der Feinstaubbelastung führen können.

555 Siehe hierzu eingehend C. Calliess, Feinstaub im Rechtsschutz deutscher Verwaltungsgerichte – Europarechtliche Vorgaben für die Klagebefugnis vor deutschen Gerichten und ihre dogmatische Verarbeitung, NVwZ 2006, 1 ff. (2 ff.); vgl. auch G. Winter, Individualrechtsschutz im deutschen Umweltrecht unter dem Einfluss des Gemeinschaftsrechts, NVwZ 1999, 467 ff. (468 ff.). 556 G. Iglesias, Gedanken zum Entstehen einer Europäischen Rechtsordnung, NJW 1999, 1 ff. (6); Klinger/Löwenberg, Rechtsanspruch, ZUR 2005, 169 (173). 557 Calliess, Feinstaub, NVwZ 2006, 1 (2 f., 4). 558 Eingehend Calliess, Feinstaub, NVwZ 2006, 1 (3) m.w. N.; Winter, Individualrechtsschutz, NVwZ 1999, 467 (470). 559 EuGH, Rs. C 237/07, NVwZ 2008, 984 (Janecek).

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Indes ist die Situation der Lärmaktionsplanung nicht mit derjenigen der Luftreinhalte-Aktionsplanung vergleichbar. Anders als die Luftreinhalteregeln wird die Lärmminderungsplanung nicht von Anhang I der RL 2003/35/EG erfasst, so dass alleine hierauf und auf das Umweltrechtsbehelfsgesetz ein Gerichtszugang und mithin eine subjektive Rechtsposition nicht gestützt werden kann.560 Zwar hat der Gerichtshof in seiner Feinstaub-Entscheidung ebenso wie in früheren Entscheidungen das subjektiv-öffentliche Recht maßgeblich damit begründet, dass die Richtlinie dem Schutz der Gesundheit dienen solle.561 Da das Interesse Einzelner an der Aufstellung des Aktionsplans ebenfalls den Schutz der Gesundheit verfolgt, entspricht das Einzelinteresse dem öffentlichen Teilinteresse, weshalb Individualrechte begründet werden. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass die Umweltpolitik der Gemeinschaft und mithin schlechterdings alle nach dem Umweltrechtstitel des Art. 175 EGV erlassenen Sekundärrechtsakte der Gemeinschaft stets auch den Schutz der menschlichen Gesundheit zum Ziel haben (Art. 174 Abs. 1 EGV). Streng genommen würde dies bedeuten, dass somit jeder Umweltrechtsakt jedermann individuelle Rechte verleihen und insofern de facto Popularklagemöglichkeiten eröffnen würde. Ein solches Ergebnis aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes herauslesen zu wollen, wäre aber wohl zu weitgehend.562 Vielmehr hält der Gerichtshof auch in seiner Feinstaubentscheidung an einer grundlegenden Trennung von Allgemeininteresse und Einzelbetroffenheit fest. Der Gerichtshof hat nämlich die Entstehung subjektiver Rechte eigens begründet und sich nicht allein auf die indirekt ebenfalls getroffene Feststellung beschränkt, dass die Regelung sich auf den Schutz der öffentlichen Gesundheit bezieht.563 Das Recht, die Erstellung eines Aktionsplans zu erwirken, hat vielmehr jeder „unmittelbar betroffene Einzelne“, genauer „natürliche oder juristische Personen, die unmittelbar von der Gefahr einer Überschreitung der Grenzwerte oder der Alarmschwellen betroffen sind“.564 Die unmittelbare Betroffenheit des Einzelnen ergibt sich also maßgeblich aus der drohenden Verletzung der gemeinschaftsrechtlich unmittelbar vorgegebenen Luftqualitätsstandards in 560

Siehe schon oben zur Öffentlichkeitsbeteiligung E. III. 3., S. 353 f. EuGH, NVwZ 2008, 984 (985, Tz. 37). Zu früheren Entscheidungen des EuGH mit Gesundheitsbezug siehe D. Scheuing, Instrumente zur Durchführung des Europäischen Umweltrechts, NVwZ 1999, 475 ff. (484), sowie Winter, Individualrechtsschutz, NVwZ 1999, 467 (470). 562 Gegen die Notwendigkeit einer umweltrechtlichen Popularklage vor dem Hintergrund der Rechtsprechung auch Scheuing, Instrumente, NVwZ 1999, 475 (484). 563 EuGH, NVwZ 2008, 984 (985, Tz. 37 f.); zu insoweit bestehenden Gemeinsamkeiten von europäischer und deutscher Rechtsprechung siehe näher Schmidt-Preuß, Gegenwart, NVwZ 2005, 489 (493). 564 EuGH, NVwZ 2008, 984 (985, Tz. 42). 561

H. Individualansprüche, Rechtsnatur und Rechtsschutz

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Form von Grenzwerten und Alarmschwellen565, die über § 48a BImSchG i.V. m. der 22. BImSchV auch im mitgliedstaatlichen Recht Verbindlichkeit erlangt haben. Dass diese gemeinschaftsrechtlichen Grenzwerte und Alarmschwellen schon aufgrund ihrer Definition566 in Art. 2 Nr. 5 bwz. Nr. 7 der RL 96/62/EG Drittschutz nach der o. g. Rechtsprechung des Gerichtshofes verleihen, dürfte eindeutig sein.567 Desweiteren dürfte erst durch die unmittelbare Festlegung von Grenzwerten und Alarmschwellen im Gemeinschaftsrecht auch der nötige Bestimmtheitsgrad hinsichtlich der Handlungspflichten der Behörden verliehen worden sein. Auch dieses ist nach wie vor ein Kriterium des Gerichtshofes für die Annahme individueller Rechte des Einzelnen.568 An solchen Grenzwertfestsetzungen fehlt es im Kontext der Lärmaktionsplanung jedoch. Der Gemeinschaftsgesetzgeber hat auf europaweit geltende Grenzwerte verzichtet. Materielle Standards wurden bewusst nicht gesetzt, sondern den Mitgliedstaaten überlassen. Mithin könnten sich Grenzwertüberschreitungen analog zur Feinstaubentscheidung allenfalls aus den für verbindlich erklärten mitgliedstaatlichen Grenzwerten ergeben.569 Gerade die deutschen Grenzwerte sind jedoch für die klassische Situation des Lärmaktionsplans nicht hilfreich. Die Lärmvorsorgewerte gelten nur im Vorsorgefall, also etwa im Falle der wesentlichen Änderung eines Verkehrsweges, und nur lärmartspezifisch. Die Lärmsanierungswerte stehen unter Haushaltsvorbehalt; auf Sanierungsmaßnahmen besteht kein Anspruch. Mit anderen Worten fehlt es an einem einschlägigen Grenzwert für die in der Lärmaktionsplanung virulente Fragestellung der

565 Diese ergeben sich in Ergänzung der grundlegenden Richtlinie 96/62/EG (ABl. EG 2006 Nr. L 296 S. 55) für die einzelnen Schadstoffe aus den Tochterrichtlinien 1999/30/EG, 2000/69/EG und 2002/3/EG; vgl. hierzu Jarass, BImSchG, § 48a Rn. 15. Mit Inkrafttreten am 11.06.2008 sind die Luftqualitätsvorgaben der EG nunmehr in der neuen Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.08.2005 über Luftqualität und saubere Luft für Europa, ABl. EG 2008 Nr. L 152 S. 1, nebst ihren Anhängen kodifiziert. 566 Danach bezeichnet „Grenzwerte“ einen Wert, der aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse mit dem Ziel festgelegt wird, schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und/oder die Umwelt insgesamt zu vermeiden, zu verhüten oder zu verringern, und der innerhalb eines bestimmten Zeitraums erreicht werden muss und danach nicht überschritten werden darf (Nr. 5). „Alarmschwelle“ bezeichnet einen Wert, bei dessen Überschreitung bei kurzfristiger Exposition eine Gefahr für die menschliche Gesundheit besteht und bei dem die Mitgliedstaaten umgehend Maßnahmen gemäß dieser Richtlinie ergreifen (Nr. 7). 567 So auch BVerwG, NJW 2007, 3591 (3591); R. Sparwasser, Luftqualitätsplanung zur Einhaltung der EU-Grenzwerte – Vollzugsdefizite und ihre Rechtsfolgen, NVwZ 2006, 369 ff. (370) m.w. N. 568 Vgl. EuGH, NVwZ 2008, 984 (985, Tz. 36). 569 Für eine Relevanz der deutschen Grenzwerte auch Cancik, Aktionspläne, ZUR 2007, 169 (173).

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6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

hohen Belastung im an sich unveränderten Bestand und insbesondere hinsichtlich der Gesamtsummenwirkung der festgestellten Lärmeinflüsse. Auch die von einzelnen Bundesländern vorgesehenen Auslösewerte verleihen dem Einzelnen keinen Planungsanspruch. Diese Werte stellen nur Anhaltspunkte für die handelnden Behörden für das Vorliegen von Lärmproblemen dar, von denen im Einzelfall auch abgewichen werden kann. Sie sind letztlich also als bloße Verwaltungsvorschriften ohne Außenwirkung anzusehen, auf die sich der Einzelne nicht berufen kann. Auf die Ausnahme im zivilen Fluglärmbereich wurde bereits hingewiesen.570 Gegen eine vorschnelle Gleichsetzung der Individualrechte im Bereich der Lärmaktionsplanung mit Individualrechten in der Feinstaub-Diskussion spricht nicht zuletzt, dass die dort behandelten Aktionspläne im Gegensatz zu den allgemeinen Luftreinhalteplänen sozusagen Akutpläne für zugespitzte Situationen mit kurzfristig greifenden Notfallmaßnahmen darstellen.571 Mit dieser besonderen Planform des Luftreinhalterechts ist der Lärmaktionsplan wohl schon deshalb nicht zu vergleichen, weil es insoweit an einer Zweistufenlösung fehlt; Notlärmaktionspläne sind nicht vorgesehen. Der wesentliche Unterschied,572 dass im Bereich der Lärmaktionsplanung anders als für die Aktionsplanung gegen Feinstaub keine Grenzwerte vorhanden sind, die eine herausgehobene Betroffenheit begründen können, sowie die Unterschiede der Lärmaktionsplanung zur Luft-Aktionsplanung als Akutplanung rechtfertigen es, grundsätzlich keine subjektiv-öffentlichen Rechte anzunehmen. 3. Verschiebungen aufgrund der Schutzpflichtendimension der Grundrechte Das vorgenannte Ergebnis muss jedoch eine Abänderung erfahren, soweit die Schutzpflichtendimension der Grundrechte573 tangiert wird. Insofern kehrt der

570

Siehe soeben H. I. 1., insb. S. 390 f. Siehe zur Gegenüberstellung von Luftreinhalteplan und Aktionsplan etwa Jarass, Luftqualitätsrichtlinien, NVwZ 2003, 257 (261 f.). Vgl. auch die obigen Ausführungen bei A. II., S. 252. 572 Für die Wesentlichkeit spricht schon, dass auch das BVerwG, NJW 2007, 3591 (3591), der BayVGH, NVwZ 2007, 233 (236), sowie etliche Stellungnahmen im Schrifttum, die zu einem Anspruch auf Planaufstellung oder Plandurchführung bei Luft-Aktionsplänen gelangen, zur Begründung dessen zentral auf den drittschützenden Charakter der Grenzwerte abstellen. Vgl. etwa Sparwasser, Luftqualitätsplanung, NVwZ 2006, 369 (370 f., 373); Jarass, Luftqualitätsrichtlinien, NVwZ 2003, 257 (264); J. Hentschel/G. Wurzel, Nochmals Feinstaub: Das Urteil des BVerwG vom 27.9. 2007, NVwZ 2008, 165 ff. (167 a. E.). 573 Vgl. zur Schutzpflichtendogmatik schon die obigen grundlegenden Nachweise (1. Teil, Fn. 14). Vgl. im Übrigen auch Calliess, Feinstaub, NVwZ 2006, 1 (5). 571

H. Individualansprüche, Rechtsnatur und Rechtsschutz

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Gesichtspunkt der soeben erörterten Gesundheitsgefährdung in anderem Gewande wieder. Sobald Einzelne einer Lärmbelastung ausgesetzt sind, die als gesundheitsverletzend oder so gesundheitsgefährdend eingeschätzt werden muss, dass ihre Hinnahme mit der Schutzpflichtendimension der Grundrechte, insbesondere des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit, unvereinbar wäre, muss jedenfalls unter der weiteren Voraussetzung, dass eine Reduzierung der Lärmbelastung nicht auf anderem rechtlichen Wege, sondern nur im Wege einer koordinierten Lärmaktionsplanung erreichbar ist, ein subjektiv-öffentliches Recht des Einzelnen auf Planaufstellung angenommen werden.574 Insofern besteht dann auch eine gewisse Parallele zu den o. g. Aktionsplänen als Akutplänen mit Notfallmaßnahmen für zugespitzte Situationen. Ein solcher Anspruch auf Planaufstellung wird vor allem in unübersichtlichen Gemengelagen mit Einflüssen verschiedenartiger Lärmquellen in Betracht kommen, die zu einer unerträglichen Gesamtbelastung führen. Gerade für diese Fälle wäre es freilich unbedingt wünschenswert und auch objektiv an der Zeit, dass die Rechtsprechung ihre kategorische Verweigerung gegenüber einer Gesamtlärmbetrachtung aufgibt575 und sich wenigstens auf die vom Umweltbundesamt mittlerweile offenkundig für möglich gehaltene annähernde Gesamtbetrachtung einlässt.576 Es gibt aufgrund dieser Entwicklung keinen juristischen Grund, die Verwirklichung des im Bundes-Immissionsschutzgesetz angelegten Akzeptorbezuges weiter zu verzögern.577 In Fällen, in denen ausnahmsweise ein Anspruch auf die Planerstellung besteht, dürften die Ermessensspielräume der Umsetzungsbehörden hinsichtlich geeigneter vorgeschlagener Maßnahmen weitestgehend erschöpft sein, so dass auch insofern Ansprüche Einzelner ausnahmsweise nicht von vorneherein ausgeschlossen werden können.

II. Die Rechtsnatur der Lärmaktionspläne Der soeben erläuterte Befund, wonach Individualansprüche im Regelfalle nicht bestehen und Ausnahmen lediglich bei schweren Gesundheitsgefährdungen in Betracht kommen, zeitigt auch Wirkungen auf die Qualifizierung der Lärmaktionspläne hinsichtlich ihrer Rechtsnatur. 574 Ähnlich Schulze-Fielitz, Verkehrslärmschutz und Bauleitplanung, UPR 2008, 401 (409). Vgl. auch Cancik, Aktionspläne, ZUR 2007, 169 (173). 575 Vgl. nur oben 1. Teil, B. V., S. 50 ff. 576 Siehe hierzu oben 5. Teil, C. IV. 2., insb. S. 194 f. 577 Selbstkritisch hinsichtlich des Nutzens der schutzpflichtbezogenen Rechtsprechung zum Verkehrslärm für den Umweltschutz H. Sendler, Vom Nutzen und Nachteil der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für den Umweltschutz, in: K. Dolde (Hrsg.), Umweltrecht im Wandel, S. 975 ff. (978 f.).

396

6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

Bei Plänen, die nicht schon aufgrund eindeutiger Anordnung des Gesetzgebers in Rechtssatzform als Satzung (z. B. Bauleitplan) bzw. Verordnung (diverse Landesentwicklungsprogramme) ergehen, ist die Rechtsnatur des Plans nach den jeweiligen Umständen, insbesondere nach dem Zustandekommen des Plans, seiner Inhalte und Bindungswirkungen, zu bestimmen.578 Gegen die Annahme eines Verwaltungsaktes spricht, dass eine strikte Regelungswirkung nicht mit dem Lärmaktionsplan einhergeht und die maßgebliche regelnde Einwirkung auf die Belange Dritter, wie sie für den Verwaltungsakt typisch ist, gerade erst in der Umsetzungsstufe erfolgt.579 Gegen die Annahme einer Rechtsvorschrift580 spricht, dass die Bindungswirkung der Vorschrift gerade nicht den Bürger, sondern nur (andere) Träger öffentlicher Verwaltung erfasst.581 Stattdessen enthält der Lärmaktionsplan Vorgaben und Vorschläge für andere Behörden, die aber nicht in jedem Falle zwingend zu einer Verwirklichung führen müssen. Infolge dieses zweistufigen Vorgehens aus Vorgabe und eingeschränktem Vollzug ähnelt der Lärmaktionsplan weniger zwingendem Recht als vielmehr einem vorbereitenden Plan wie einem Flächennutzungsplan, der ebenfalls nicht als Rechtsvorschrift eingeordnet wird.582 Dieses Ergebnis wird auch nicht durch die jüngste Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in Frage gestellt, das für Darstellungen in Flächennutzungsplänen i. S. d. § 35 Abs. 3 BauGB seit 2007 Normenkontrollklagen entsprechend § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO zulässt.583 Denn hinter den Wirkungen solcher Darstellungen, die wie die Festsetzungen eines Bebauungsplans Inhalt und Schranken des Eigentums i. S. v. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG bestimmen und deshalb eine Normenkontrolle rechtfertigen,584 bleiben die Darstellungen des Lärmaktionsplans deutlich zurück. Gegen die Annahme einer Verwaltungsvorschrift spricht, dass Verwaltungsvorschriften in der Regel vertikale Bindungswirkung entfalten, also das Handeln und insbesondere Ermessen nachgeordneter Stellen lenken sollen, während eine Bindungswirkung der Lärmaktionspläne auch horizontal zwischen verschiede578 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 16 Rn. 18, 23. Siehe hierzu auch BVerwG, NVwZ 2004, 614 (615): Auch Regelungen, die anhand formeller Kriterien nicht oder nicht eindeutig als Rechtsnormen zu qualifizieren sind, sind vom Kreis der Rechtsvorschriften nicht von vornherein ausgeschlossen. 579 So auch Scheidler/Tegeder, in: Feldhaus, § 47d BImSchG Rn. 64; SchulzeFielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 91. 580 So aber Repkewitz, Probleme, VBlBW 2006, 409 (417): Rechtsverordnung. 581 Scheidler/Tegeder, in: Feldhaus, § 47d BImSchG Rn. 64; Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 90. 582 So BVerwG, NVwZ 2004, 614 (616 f.), im Gegensatz zu Zielen der Raumordnung (S. 616). 583 BVerwG, NVwZ 2007, 1081 (1082); 4 BN 16/08 vom 23.10.2008, Juris, Rn. 4. 584 BVerwG, ebd.

H. Individualansprüche, Rechtsnatur und Rechtsschutz

397

nen Verwaltungsträgern eintreten kann. Allerdings zielt die Bindungswirkung der Lärmaktionspläne wie die Verwaltungsvorschriften namentlich auf die Ermessensspielräume der Verwaltung. Insgesamt erscheint es deshalb am passendsten, Lärmaktionspläne als verwaltungsvorschriftsähnliche verwaltungsinterne, wenn auch trägerübergreifende, Umweltfachpläne einzuordnen.585

III. Der Rechtsschutz gegen Lärmaktionspläne Für die Rechtsschutzmöglichkeiten Privater gegen Lärmaktionspläne ergibt sich hieraus, dass diese Rechtsschutz im Wesentlichen im Wege einer Inzidentprüfung im Rahmen des Rechtsschutzes gegen Umsetzungsmaßnahmen oder Planungsentscheidungen, deren Urheber sich durch Vorgaben des Lärmaktionsplans in ihren Spielräumen eingeschränkt sehen mussten, erreichen können.586 Denn sobald die Bindungswirkung eines Lärmaktionsplans im Raume steht, ist letztlich stets von einer Vorgreiflichkeit für die Folgemaßnahme auszugehen; denn entweder die Frage, ob sich die Behörde von rechtswidrigen Planinhalten leiten ließ, oder die Frage, ob die Behörde rechtmäßige Planinhalte hinreichend gewürdigt hat, stellt sich im Hinblick auf den Anspruch des Bürgers auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Vollzugsbehörde allemal.587 Der seltene Anspruch auf Planaufstellung588 kann durch Leistungsklage verfolgt werden. Ein unmittelbares Vorgehen Privater gegen den Lärmaktionsplan selbst wegen darin vorgesehener Maßnahmen scheidet regelmäßig aus, da hierdurch noch keine Rechtseingriffe zustande kommen, mithin keine Klage- bzw. Antragsbefugnis für ein gerichtliches Verfahren besteht.589 Anderes gilt für Behörden, die nach § 47 Abs. 6 BImSchG gebunden werden. Jedenfalls die Gemeinden müssen die Frage ihrer Bindung im Hinblick auf ihr Selbstverwaltungsrecht gerichtlich klären lassen können. Insofern kommen wohl vor allem Feststellungsklagen in Betracht. Nicht gänzlich auszuschließen ist aber auch, dass die Gerichte Lärmaktionspläne in solchen Fällen wie Rechtsvor585 So auch Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 89; Stettner, in: Ule/Laubinger, § 47d BImSchG Rn. H 2; Jarass, BImSchG, § 47d Rn. 13; a. A. Scheidler/ Tegeder, in: Feldhaus, § 47d BImSchG Rn. 64: Akte sui generis. 586 Vgl. Wysk, in: Giesberts/Reinhardt, § 47d Rn. 23; Schulze-Fielitz, in: GKBImSchG, § 47d Rn. 159 f. 587 Insofern verwundert die Betonung des Ausnahmecharakters der Inzidentprüfung bei Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 160, und Repkewitz, Probleme, VBlBW 2006, 409 (417). 588 Siehe oben H. I. 1., insb. S. 390, bzw. H. I. 3., S. 394 f. 589 Schulze-Fielitz, in: GK-BImSchG, § 47d Rn. 159.

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6. Teil: Die Lärmaktionsplanung

schriften behandeln und den Weg zur Normenkontrolle nach § 47 VwGO eröffnen werden.590 Dies erscheint vor dem Hintergrund der engen Voraussetzungen, unter denen das Bundesverwaltungsgericht nunmehr bei Flächennutzungsplänen eine Normenkontrolle für statthaft erachtet, allerdings eher unwahrscheinlich.591

590 591

Rn. 4.

So auch die Überlegung von Söhnlein, Umsetzung, NuR 2006, 276 (279). Vgl. BVerwG, NVwZ 2007, 1081 (1082); 4 BN 16/08 vom 23.10.2008, Juris,

7. Teil

Vorläufige Bewertung der Lärmminderungsplanung Aufgrund der Verzögerungen bei der Umsetzung der Umgebungslärmrichtlinie ist die erste Phase der Lärmaktionsplanung in Deutschland zum Zeitpunkt der Beendigung der vorliegenden Untersuchung rein faktisch noch nicht abgeschlossen. Eine Bewertung der neuen Lärmminderungsplanung kann daher nur vorläufiger Natur sein. Dennoch lassen sich einige Schlussfolgerungen bereits heute ziehen. Der gemeinschaftsrechtlich begründete verpflichtende Charakter der Lärmminderungsplanung hat im Zusammenspiel mit den festen Vollzugsfristen schon jetzt zu einer bundesweiten Beschäftigung von Behörden und Gemeinden mit der Lärmminderung in einem bisher nicht gekannten Ausmaß geführt. Der früheren kommunalen Lärmminderungsplanung nach § 47a BImSchG a. F. war eine solche Beachtung nicht geschenkt. Schon dies ist ein erster Erfolg der Umgebungslärmrichtlinie. Allein die regelmäßig wiederkehrende Durchführung der Lärmkartierung und der Lärmaktionsplanung wird zu einer noch stärkeren Bewusstseinsbildung bei Behörden hinsichtlich des Lärms als Umweltproblem führen. Die Dringlichkeit der Lärmbekämpfung kommt z. B. bei der Lärmaktionsplanaufstellung im Gemeinderat sehr viel deutlicher zum Ausdruck als bei der bloßen Behandlung einer Lärmproblematik als einem Abwägungsbelang unter vielen bei der Bauleitplanung. Eine stärkere Bewusstseinsbildung wird insbesondere auch bei solchen Verwaltungsstellen eintreten, die anders als die Umweltfachbehörden nicht ständig mit der Bekämpfung des Lärms befasst sind, sich nun aber der bindenden Aufforderung des Lärmaktionsplans ausgesetzt sehen, ihre Befugnisse auch im Sinne der Lärmbekämpfung einzusetzen. Noch bedeutender ist die Wirkung der Lärmminderungsplanung auf die Bürgerinnen und Bürger einzuschätzen. Der entscheidende Gesichtspunkt ist dabei jedoch gar nicht so sehr in der (insgesamt begrüßenswerten) Öffentlichkeitsbeteiligung beim Aufstellen des Lärmaktionsplans zu sehen. Es erscheint nämlich nicht ausgeschlossen, dass die dortigen Mitwirkungsmöglichkeiten vor allem von interessierten Kreisen wahrgenommen werden, die sich schon bisher für die Umweltschutzpolitik ihrer Gemeinde eingesetzt haben. Das dürfte noch stärker zutreffen, wenn die Aktionsplanung nicht vor Ort, sondern bei den überörtlichen Mittelbehörden stattfindet.

400

7. Teil: Vorläufige Bewertung der Lärmminderungsplanung

Die maßgebliche Veränderung in der Wahrnehmung des Lärmproblems durch den Bürger wird vielmehr schon früher einsetzen, nämlich bei der Lärmkarte. Spiegelte sich bisher die Lärmbelastung vor Ort gleichsam nur im subjektiven Empfinden wider, steht nunmehr für viele Lärmbrennpunkte erstmals eine objektive Datengrundlage zur Verfügung, die über die Internetseiten der Lärmkartierungsbehörden problemlos zugänglich ist. Diese Verfügbarkeit objektiver Daten wird sich schnell auch jenseits von Umweltschutzbestrebungen auswirken. Wenn die Existenz von Lärmkarten erst einmal bekannt ist, werden diese sicherlich schnell als willkommenes Hilfsmittel bei der Wohnungssuche eingesetzt werden. Darauf lässt die Erfahrung schließen, welch regen Zuspruch Luftbildaufnahmen und Kartendarstellungen im Internet bereits heute finden. Sehr schnell werden sich Verkäufer von Immobilien mit dem Vorhalt konfrontiert sehen, ihre Preisvorstellungen seien anhand der dokumentierten Lärmbelastungssituation deutlich zu hoch gegriffen. Die Lärmkarten werden somit einen Beitrag leisten, der Öffentlichkeit die immensen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kosten der Lärmbelastung vor Augen zu führen. Wie von der Umgebungslärmrichtlinie bezweckt, wird die Kenntnis der tatsächlichen Lärmbelastungssituation zu einem höheren politischen Handlungsdruck führen. Nicht nur die Forderungen betroffener Bürger nach Entlastung durch freiwillige Lärmsanierungsmaßnahmen werden sich häufen. Langfristig wird das gesamte Lärmschutzrecht unter einen zunehmenden Veränderungsdruck geraten. Die Erfahrung insbesondere aus planungs- und immissionsschutzrechtlichen Erörterungsterminen lehrt, dass der Öffentlichkeit die stark segmentierte Betrachtung nach einzelnen Lärmquellen sowie die Ausblendung andersartigen Lärms und der Summenwirkungen im heutigen Lärmschutzrecht ohnehin schwer zu vermitteln ist. Die Erwartungshaltung eines Bürgers z. B. in einem Anlagenzulassungsverfahren, der für sein Haus bereits in der bestehenden Lärmkarte eine violette (> 70 db[A]) oder gar blaue Einfärbung (> 75 db[A]) ausgemacht hat, wird sich dauerhaft nicht mit der Auskunft befriedigen lassen, bei der Zulassungsentscheidung komme es darauf von Rechts wegen aber nicht an oder der Wert sei wegen einer anderen Berechnung jedenfalls niedriger. Das Dilemma des Lärmschutzrechts, umweltpolitischen Erwartungen wegen der Abhängigkeit von den noch unzureichenden Erkenntnissen der Lärmwirkungsforschung nicht nachkommen zu können, wird folglich noch deutlicher zutage treten. Rechtspolitisch sollte man daher in Erwägung ziehen, die zu erwartenden einheitlichen europäischen Berechnungs- und Bewertungsmethoden für den Umgebungslärm nach Möglichkeit auch auf die übrigen Bereiche des Lärmschutzrechts zu übertragen, um zu einer stärkeren Vergleichbarkeit der Einzelergebnisse aus Lärmminderungsplanung und Lärmvorsorge zu gelangen. In besonderer Weise sollte die Implementierung von Dosis-Wirkungs-Relationen

7. Teil: Vorläufige Bewertung der Lärmminderungsplanung

401

in das deutsche Lärmschutzrecht geprüft werden, sobald solche vorliegen. Außerdem sollte sich die Rechtsprechung im Sinne einer stärkeren Berücksichtigung des Akzeptorbezuges des Bundes-Immissionsschutzgesetzes behutsam auf die vom Umweltbundesamt offenbar für möglich erachtete annähernde Gesamtlärmbewertung durch pragmatische Schätzung einlassen und eine solche jedenfalls nicht kategorisch verweigern. Die Lärmminderungsplanung stellt die betroffenen Behörden insgesamt vor große Herausforderungen. Der Gesetzgeber hat ihnen die Arbeit dabei nicht erleichtert, indem er in weitem Umfang die Richtlinienvorschriften abgeschrieben hat, anstatt sich um die systemgerechte Implementierung in den vorhandenen Vorschriftenbestand zu bemühen. Dies führt zu Widersprüchlichkeiten und erheblichem Korrekturbedarf bei der Handhabung der gesetzlichen Bestimmungen. Das Beispiel der Lärmminderungsplanung ist deshalb eine Mahnung an den Gesetzgeber, das politische Prinzip der 1:1-Umsetzung von EG-Richtlinien nicht als legistisches Prinzip zu behandeln. Gleichwohl ist ein optimistisches Fazit angemessen. Die Aufgabe der Lärmminderungsplanung ist anspruchsvoll, aber nicht aussichtslos. Dies zeigen erste ermutigende Beispiele aus der Lärmminderungsplanungspraxis. Eine Reduzierung der Lärmbelastung erscheint möglich. Umso mehr sind die Beteiligten aufgerufen, sich der Lärmminderungsverantwortung ernsthaft zu stellen und die Lärmminderungsplanung nicht etwa nur pro forma zu betreiben. Das gilt in besonderer Weise für die Durchsetzung der beschlossenen Lärmaktionspläne. Denn die Effizienz der Lärmminderungsplanung hängt entscheidend von ihrer Durchsetzungsfähigkeit ab, wie Klaus-Peter Dolde zu Recht bemerkt. Aufwändige Planungen zu erstellen, die ihre Wirkung gleichwohl verfehlen, wäre unnützer Verwaltungsaufwand und würde auf lange Sicht zu einer Geringschätzung und Vernachlässigung bei allen Beteiligten führen.1 Der Erfolg der Lärmminderungsplanung ist daher letzten Endes von der Bereitschaft der verschiedenen öffentlichen und privaten Akteure abhängig, sich auf die Vorschläge der Lärmaktionspläne einzulassen und diese umzusetzen. In besonderer Weise wird es darauf ankommen, dass die Haushaltsgesetzgeber in Bund und Ländern auch deren Finanzierung ermöglichen. Das gilt vor allem für den unterfinanzierten Bereich der Lärmsanierung. Die bereits eingangs erwähnte sozialstaatliche Komponente der Lärmbekämpfung2 bietet hierfür ein gutes Argument.

1 2

Vgl. Dolde, in: AKUR, Stenographisches Protokoll (2. Teil, Fn. 13), S. 13. Siehe hierzu Schulze-Fielitz (1. Teil, Fn. 1).

Zusammenfassung 1. Teil Mit dem Rechtsbegriff des „Lärms“ werden herkömmlich Schallimmissionen bezeichnet, die mindestens zu erheblichen Belästigungen führen können und deshalb schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes darstellen. Der Schutz vor Lärm richtet sich nach einer großen Bandbreite von lärmartspezifischen Regelwerken, die die Anforderungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes an Industrie- und Gewerbeanlagen, Verkehrsanlagen, Sportanlagen und Freizeitanlagen konkretisieren. Dabei ist jeweils zwischen einem Schutz durch Produktvorschriften, durch Planung sowie durch Anordnungen zur Steuerung im Einzelfall zu unterscheiden. Der Schutz vor Fluglärm ist eigenständig im Fluglärmgesetz geregelt und erfährt gewisse Privilegierungen. Trotz eines umfassenden Akzeptorbezuges des Bundes-Immissionsschutzgesetzes leidet der Lärmschutz in Deutschland unter einer starken Segmentierung nach Lärmarten. Auch vor dem Hintergrund noch nicht ausreichender Erkenntnisse der Lärmwirkungsforschung findet die an sich gebotene Gesamtgeräuschbetrachtung bislang nahezu nicht statt. Die Lärmminderungsplanung nach § 47a BImSchG a. F. bot hierzu erste Ansätze, konnte eine nachhaltige Wirkung wegen hoher Vollzugsdefizite aber nicht entfalten. Die Bundesländer haben die alleinige Gesetzgebungskompetenz für den Schutz vor verhaltensbezogenem Lärm. Im Übrigen unterfällt das Lärmschutzrecht der konkurrierenden Gesetzgebung, für die der Bund jedenfalls im Bereich der genehmigungspflichtigen Anlagen erschöpfend Gebrauch gemacht haben dürfte. Neben dem Bundes-Immissionsschutzgesetz führen die landesimmissionsschutzrechtlichen Regelungen nahezu eine Randexistenz. 2. Teil Mit der Lärmminderungsplanung stellt die Umgebungslärmrichtlinie erstmals ein gemeinschaftsrechtliches Instrument des gebietsbezogenen Lärmschutzes zur Verfügung. Der innovative Charakter der Lärmminderungsplanung besteht vor allem in dem sog. „Managementansatz“ der Richtlinie. Gemeint ist damit eine final ausgerichtete mehrstufige Verfahrensweise, die durch die Kartierung der vorhande-

Zusammenfassung

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nen Lärmbelastungssituation und eine darauf aufbauende Lärmaktionsplanung eine Verbesserung der lärmbezogenen Umweltqualität insgesamt erreichen soll. Ohne den Mitgliedstaaten durch Grenzwerte Vorgaben hinsichtlich der Umweltgüte an sich aufzuerlegen, soll allein das verpflichtende Verfahren nach festen Abläufen und Handlungsfristen sowie unter dem mobilisierenden Einbezug der Öffentlichkeit die Lärmminderung in Europa vorantreiben. Die hierin zum Ausdruck kommende Prozeduralisierung des Verwaltungshandelns durch das Gemeinschaftsrecht stellt das deutsche Verwaltungsrecht hinsichtlich seiner Regelungstradition und seiner überlieferten Dogmatik vor große Herausforderungen. Dieses ist anders als etwa die Rechtsordnungen in Frankreich und Großbritannien bislang stark durch die Orientierung an subjektiven öffentlichen Rechten, durch eine hierauf ausgerichtete Kontrolle des Verwaltungshandelns vornehmlich durch die Gerichte und durch einen eher konditional programmierten Normenbestand geprägt. Diese Systemunterschiede erschweren die wertungswiderspruchsfreie Implementierung der neuen Lärmminderungsplanung gerade im Hinblick auf die deregulierende und verfahrenserleichternde Beschleunigungsgesetzgebung der letzten Jahre. Der innovative Charakter der Umgebungslärmrichtlinie ergibt sich ferner aus der erstmaligen Einführung europaweit einheitlicher Bewertungsmethoden, die eine europaweite Vergleichbarkeit der Lärmsituation ermöglichen werden. Der hohe Verwaltungsaufwand und die Kosten der Lärmminderungsplanung führten zu erheblichen Vorbehalten hinsichtlich der neuartigen Vorgehensweise.

3. Teil Im Zuge des europäischen Gesetzgebungsverfahrens wurde der ursprüngliche Entwurf der Richtlinie um die Zielsetzung erweitert, Erkenntnisse für eine Fortentwicklung des gemeinschaftsrechtlichen produktbezogenen Emissionsschutzes zu gewinnen. Auf die Vorgabe materieller Grenzwerte wurde nach eingehender Diskussion indes verzichtet. Die Umsetzung der Umgebungslärmrichtlinie in Deutschland gestaltete sich sehr schwierig und gelang erst nach Verstreichen der Umsetzungsfrist. Ein erster, sehr ausführlich gehaltener Gesetzentwurf zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sah sich starken Einwänden des Bundesrates, der Parlamentsopposition sowie der Fachöffentlichkeit und des juristischen Schrifttums ausgesetzt; er wurde schließlich vom Bundesrat abgelehnt. Der Vermittlungsausschuss einigte sich auf eine deutlich gestraffte Gesetzesfassung. Auch die 34. BImSchV zur Lärmkartierung konnte erst nach einem vergeblichen ersten Anlauf verabschiedet werden. Zu einem Erlass der ursprünglich vorgesehenen Verordnung über die Lärmaktionsplanung kam es nicht mehr.

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Zusammenfassung

4. Teil Gegenstand der Strategischen Lärmminderungsplanung ist der sog. „Umgebungslärm“. Dabei handelt es sich nach einer Legaldefinition um belästigende oder gesundheitsschädliche Geräusche im Freien, die vom Menschen verursacht werden, einschließlich des Verkehrs- und Gewerbelärms. Der unbestimmte Rechtsbegriff des „Umgebungslärms“ darf dabei nicht mit dem Begriff der „schädlichen Umwelteinwirkungen“ gleichgesetzt werden, da Umgebungslärm nach der Zielsetzung des Gesetzes bereits unterhalb der Schwellenwerte zu einer erheblichen Belästigung im Sinne einer Unzumutbarkeit anzunehmen ist. Der Anwendungsbereich des Sechsten Teils des Bundes-Immissionsschutzgesetzes umfasst jedoch nur eine Teilmenge des Umgebungslärms. Der Anwendungsbereich wird durch die Beifügung ausdrücklich einzubeziehender Fallbeschreibungen einerseits und ausdrückliche Bereichsausnahmen andererseits begrenzt. Der Aufgabe einer präzisen Umschreibung des Anwendungsbereichs hat sich der Bundesgesetzgeber durch eine nahezu wortwörtliche Übernahme des Art. 2 RL entledigt. Insbesondere die Aufzählung schutzwürdiger Gebiete entbehrt einer nachvollziehbaren Systematik und trägt nicht zu einer Abgrenzung bei. Dieser Mangel wirkt sich infolge eines Perspektivwechsels bei der Lärmkartierung jedoch nicht aus. Die dortige Lärmquellenbetrachtung steuert die Auswahl relevanter Bereiche weitgehend selbstständig. Die negativen Bereichsausnahmen sind teils redundant, da sie sich auf verhaltensbezogene Lärmereignisse beziehen. Im Übrigen sind anlagenbezogene Lärmereignisse am Arbeitsplatz, im Nachbarschaftsbereich und im Umfeld von Militäranlagen für explizit militärische Tätigkeiten von der Lärmminderungsplanung ausgenommen. Wegen der Zielsetzung der Richtlinie, sowohl bestehende Lärmbelastungen zurückzudrängen als auch bislang ruhige Gebiete vor Verlärmung zu schützen, kann der Anwendungsbereich der Lärmminderungsplanung nicht auf lärmbelastete Gebiete beschränkt werden. Vielmehr sind auch ruhige Gebiete in geeigneter Weise einzubeziehen.

5. Teil A. Die Lärmkartierung stellt ein in sich geschlossenes Verfahren als erste Stufe innerhalb der mehrstufigen Gesamtkonzeption der Lärmminderungsplanung dar. Ihre Rechtsgrundlagen finden sich in § 47c BImSchG und der 34. BImSchV. Daneben ist aber auch die Richtlinie selbst für Zweifelsfragen heranzuziehen. Die Anhänge IV und VI der Richtlinie wurden vollständig bzw. teilweise in das Bundes-Immissionsschutzgesetz inkorporiert.

Zusammenfassung

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Die Durchführung der Lärmkartierung ist eine Rechtspflicht der zuständigen Behörden, wobei durch gestaffelte gesetzliche Vollzugsfristen Prioritäten hinsichtlich der vorrangig zu kartierenden Gebiete gesetzt werden. Die Festlegung der zu kartierenden Bereiche erfolgt aus einer Lärmquellenperspektive anhand von nicht-akustischen Parametern. Die Lärmbelastung wird dabei errechnet, nicht gemessen. Zumindest in den Flächenstaaten erweist sich eine zentrale Kartierung als tendenziell kostengünstiger. B. Mit Blick auf die einzelnen kartierungspflichtigen Bereiche ist zwischen der Lärmkartierung außerhalb bzw. innerhalb von Ballungsräumen zu differenzieren. Außerhalb der Ballungsräume sind die sog. „Hauptlärmquellen“ zu kartieren. Dabei handelt es sich um Hauptverkehrsstraßen, Haupteisenbahnstrecken und Großflughäfen. Die Begriffsbestimmungen der Hauptlärmquellen bestehen jeweils in der Kombination aus einem Rechtsbegriff und einem spezifischen erforderlichen Verkehrsaufkommen. So sind z. B. als Hauptverkehrsstraßen Bundesfernstraßen, Straßen nach Landesrecht und grenzüberschreitende sonstige Straßen anzusehen, die ein jährliches Verkehrsaufkommen von über drei Millionen Kraftfahrzeugen aufweisen. Innerhalb von Ballungsräumen besteht eine erweiterte Lärmkartierungspflicht. Hier sind zum einen sämtliche im Ballungsraum gelegenen Hauptlärmquellen zu kartieren, wegen einer erforderlichen richtlinienkonformen Auslegung der 34. BImSchV darüber hinaus aber auch sämtliche Hauptlärmquellen, die auf den Ballungsraum einwirken, ohne selbst in ihm belegen zu sein. Zum anderen sind als zusätzliche Lärmquellen sonstige Straßen, sonstige Eisenbahnstrecken, sonstige Flugplätze für den zivilen Luftverkehr, die Schienenwege von Straßenbahnen und Industrie- und Gewerbegelände einschließlich Häfen zu kartieren, sofern sie „erheblichen Umgebungslärm“ hervorrufen. Das Merkmal der Erheblichkeit ist dabei unabhängig von dem Grad einer „erheblichen Belästigung“ in entsprechender Heranziehung des § 4 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 der 34. BImSchV zu bestimmen. Die Begriffsbestimmung für Ballungsräume, die kumulativ auf das Vorliegen einer Einwohnerzahl von über 100.000 und einer Bevölkerungsdichte von mehr als 1.000 Einwohnern pro Quadratkilometer abstellt, ist hinsichtlich politischer Gemeindegrenzen indifferent. Bei Vorliegen der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen sind deshalb von Rechts wegen nach dem Beispiel des Ballungsraums Hamburg auch mehrere Gemeinden, ggf. sogar unterschiedlicher Bundesländer, zu einem einheitlichen Ballungsraum zusammenzufassen. Weder innerhalb noch außerhalb des Ballungsraums sind Sport- und Freizeitanlagen zu kartieren. Hierin liegt eine rechtlich nicht angreifbare Ausschöpfung

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des Gestaltungsspielraums des mitgliedstaatlichen Gesetz- und Verordnungsgebers, die gleichwohl lärmschutzpolitisch zu bedauern ist. Auch ruhige Gebiete sind weder innerhalb noch außerhalb von Ballungsräumen zu kartieren. Hierfür ist die zweifelhafte Ansicht des Gesetz- und Verordnungsgebers ursächlich, dass ruhige Gebiete dort belegen seien, wo keine Kartierung stattfinde. Dies ist schon mit Blick auf die Festlegungsverpflichtung für ruhige Gebiete europarechtlich bedenklich. Allerdings ist die Richtlinie selbst in Bezug auf ruhige Gebiete unterkomplex ausgestaltet, so dass die Probleme im Umgang mit ruhigen Gebieten im Wesentlichen auf unzureichende Regelungen der Richtlinie zurückzuführen sind. Eine flächendeckende Kartierung findet wegen der lärmquellenorientierten Vorgehensweise, der Auslesevorgänge bei der Bestimmung der kartierungspflichtigen Anlagen sowie des Verzichts auf eine Kartierung ruhiger Gebiete nicht statt. C. Die Anforderungen an Inhalt und Form der Lärmkarten lassen sich nur schwerlich voneinander unterscheiden. Die inhaltlichen Anforderungen prägen die notwendige Form der Karten in gleicher Weise, wie die formalen Vorgaben der Umgebungslärmrichtlinie die inhaltliche Aussagekraft der Lärmkarten steuern. Als Lärmkarten kommen nicht nur graphische Darstellungen als klassische Planwerke, sondern auch sonstige Graphiken, Zahlenangaben in Tabellen oder textliche Darstellung in Betracht. Trotz der apodiktisch anmutenden Forderung der Richtlinie, für verschiedene Verwendungszwecke (etwa die Unterrichtung der Europäischen Kommission) müssten stets auch verschiedenartige Lärmkarten konzipiert werden, erweist sich die Erstellung einheitlicher Lärmkarten für diese Zwecke als ausreichend. Das deutsche Lärmkartenprofil erfüllt im Wesentlichen die Anforderungen der Richtlinie; fehlende Daten infolge von SollVorschriften können als freiwillige Daten mitgeliefert werden. Die Lärmkarten sind georeferenziert und in elektronischer Form zu erstellen, wobei die Herstellbarkeit von Karten in körperlicher Form sichergestellt sein muss. Die Darstellung der Lärmbelastungssituation erfolgt in verschiedenfarbigen Isophonenbändern unter Verwendung der europaweit vereinheitlichten Lärmindizes Lden und Lnight. Die Berechnung der Werte richtet sich nach Vorläufigen Berechnungsmethoden (VBUS, VBUSch, VBUF, VBUI), die auf angepassten nationalen Berechnungsvorschriften beruhen. Diese Berechnungsvorschriften sind allerdings verfassungswidrig zustande gekommen, da der Verordnunggeber die Festlegung der Berechnungsvorschriften gemäß § 5 Abs. 1 der 34. BImSchV auf die beteiligten Bundesministerien delegiert hat, obwohl es hierfür an der erforderlichen gesetzlichen Delegationsermächtigung i. S. d. Art. 80 Abs. 1 S. 4 GG fehlt.

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In den Lärmkarten sind Überschreitungen von Grenzwerten kenntlich zu machen, deren Auswahl dem Mitgliedstaat überlassen bleibt. Der deutsche Verordnunggeber hat sich insoweit für eine Darstellung der in Lden und Lnight umgerechneten Immissionsgrenz- bzw. Immissionsrichtwerte aus den bekannten lärmschutztechnischen Regelwerken entschieden (z. B. TA Lärm, 16. BImSchV, FluglärmG, Lärmsanierungswerte). Gemäß § 4 Abs. 2 der 34. BImSchV hat die Ausarbeitung der Lärmkarten getrennt nach Lärmarten zu erfolgen. Dies ist indes nicht gleichbedeutend mit einer Trennung nach Lärmquellen, weshalb die Wirkungen mehrerer gleichartiger Lärmquellen auch bei unterschiedlichen Kartierungsverantwortlichkeiten als Gesamtpegel darzustellen sind; dies betrifft vor allem die Ballungsräume. Darüber hinaus ist jedoch auch eine Gesamtlärmbewertung bei verschiedenartigen Lärmquellen in der Richtlinie angelegt. Dies ergibt sich schon aus der Begriffsdefinition der strategischen Lärmkarte gemäß Art. 3 lit. r RL. Auch unter Würdigung der unzureichenden Möglichkeiten der Lärmwirkungsforschung und der drohenden Verzerrungen infolge der Anwendung unterschiedlicher Rechenwerte ist deshalb dem Vorschlag des Umweltbundesamtes zu folgen, im Sinne einer Annäherung an eine Gesamtgeräuschbewertung allen Schwierigkeiten zum Trotz eine energetische Addition der Mittelungspegel durchzuführen. In der Praxis wurde dies bislang ersichtlich nicht beherzigt. Lärmkarten haben ferner Angaben zur Beschreibung der Umgebung und zur Zahl der Betroffenen zu enthalten. Letztere können aufgrund von Meldedaten, Daten über die Bebauung und notfalls statistischen Daten errechnet werden. D. Das Verfahren, nach dem die Lärmkarten erstellt werden sollen, ist weithin ungeregelt. Nur einzelne Verfahrensaspekte wie etwa die Datensammlung und -erhebung, die Mitteilungspflichten an andere Behörden oder die Veröffentlichung der Lärmkarten werden überhaupt im Bundes-Immissionsschutzgesetz oder der 34. BImSchV angesprochen; diese Regelungen bleiben jedoch unterkomplex. Über weite Strecken gilt somit der allgemeine Grundsatz des Verwaltungsverfahrensrechts, wonach Verwaltungsverfahren möglichst einfach, zweckmäßig und zügig durchzuführen sind. Insgesamt ist das Verfahren im Wesentlichen als verwaltungsinternes Verfahren angelegt. Beteiligungsrechte anderer Behörden oder Einvernehmenserfordernisse bestehen nicht; auch eine Öffentlichkeitsbeteiligung jenseits der Verbreitung der Lärmkarten findet nicht statt. Die Datensammlung und -erhebung ist in § 3 der 34. BImSchV geregelt. Die Vorschrift wurde im Zuge des Verordnungsverfahrens mehrfach geändert, worunter die Normstruktur erheblich gelitten hat. So erweist sich die Unterscheidung zwischen den Datenübermittlungspflichten der Gemeinden bzw. anderer Behörden gemäß § 3 Abs. 2 bzw. Abs. 3 der 34. BImSchV als legistisch unnö-

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tig, da sich deren Übermittlungspflichten infolge der Änderungen nunmehr decken. Daneben stellt sich die besondere Inanspruchnahme der Gemeinden hinsichtlich vorhandener Daten zur Wohnbevölkerung als teilweise rechtsirrig heraus, da die Aufgaben der Meldebehörden nicht in allen Bundesländern den Gemeinden zugewiesen sind. Im Ergebnis haben sowohl die Gemeinden als auch sonstige Behörden die bei ihnen zuständigkeitshalber vorhandenen und für die Lärmkartierung erforderlichen Daten unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Dabei handelt es sich um eine gesetzlich geregelte besondere Erscheinungsform der Amtshilfe. Nicht vorhandene benötigte Daten haben die Lärmkartierungsbehörden ggf. selbst zu erheben. Auch die (regelmäßig privaten) Betreiber von relevanten Anlagen müssen vorhandene Datenbestände unentgeltlich zur Verfügung stellen. Mit § 3 Abs. 1 S. 1 der 34. BImSchV steht den Kartierungsverantwortlichen hierfür eine Befugnisnorm zur Verfügung. Ob die angeforderten Daten für die Kartierung tatbestandsmäßig „erforderlich“ sind, unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff voller gerichtlicher Nachprüfung. Eine Pflicht zur Datenerhebung ist damit nicht verbunden. Die Privaten müssen aber an einer etwaigen Datenerhebung durch die Kartierungsbehörde mitwirken, indem sie z. B. Unterlagen zur Verfügung stellen und das Betreten ihrer Anlagen dulden müssen. Die Heranziehung des § 52 Abs. 6 BImSchG zur Einschränkung des Grundrechts der Unverletzlichkeit der Wohnung ist hierbei nicht gänzlich zweifelsfrei. Vor dem Hintergrund des eindeutig auf Private zugeschnittenen Regelungsbestandes des § 3 Abs. 1 der 34. BImSchV stellt sich die Erstreckung der Norm auf Träger der Straßenbaulast im Verordnungsverfahren als systematischer Fehlgriff dar. Sowohl der Bestand an Hauptlärmquellen und Ballungsräumen als auch die Lärmkarten selbst sind der Europäischen Kommission mitzuteilen. Dem dienen entsprechende Mitteilungspflichten der Länder an den Bund. Die Lärmkarten sind alle fünf Jahre zu überprüfen und bei Bedarf zu überarbeiten. Eine vom Zeitablauf unabhängige anlassbezogene Überprüfungspflicht besteht dagegen nicht. Ferner sind die Lärmkarten in geeigneten Formaten sowie unter Nutzung elektronischer Medien aktiv an die Öffentlichkeit zu verbreiten. E. Das Bundes-Immissionsschutzgesetz enthält mit § 47e BImSchG eine höchst problematische Zuständigkeitsregelung. Für die gesamte Lärmminderungsplanung, mithin auch für die Lärmkartierung, wird gemäß § 47e Abs. 1 BImSchG eine Regelzuständigkeit der Gemeinden oder der nach Landesrecht zuständigen Behörden angeordnet. Insoweit hat der Gesetzgeber die bereits seinerzeit kritisierte Formulierung des § 47a BImSchG a. F. erneut aufgegriffen. Abweichend von der Grundregel des § 47e Abs. 1 BImSchG werden für diverse

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Mitteilungspflichten der Länder an den Bund die obersten Landesbehörden in Dienst genommen (§ 47e Abs. 2 BImSchG). Ausschließlich für die Stufe der Lärmkartierung, nicht indes für die Lärmaktionsplanung, besteht eine Zuständigkeit des Eisenbahn-Bundesamtes als Lärmkartierungsbehörde für die Schienenwege von Eisenbahnen des Bundes (§ 47e Abs. 3 BImSchG). Insoweit hat sich der Gesetzgeber für eine bundeseigene Verwaltung entschieden, was wegen der Zugehörigkeit der Lärmkartierung zur Aufgabe der Eisenbahnverkehrsverwaltung verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist. In der Lärmkartierungspraxis sind formale wie informale Zuständigkeitsverschiebungen gegenüber der bundesgesetzlichen Regelung festzustellen. In einigen Ländern wurde die Kartierungszuständigkeit formal den Landesämtern für Umwelt übertragen; zum Teil leisten diese nur informale Hilfestellung. In verfassungsrechtlicher Hinsicht ist zum einen das Verhältnis der Lärmkartierung zum kommunalen Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden zu bestimmen. Dies hat Auswirkungen auf die Frage, ob die Länder andere Behörden als die Gemeinden mit der Lärmkartierung betrauen dürfen, bzw. ob eine Zuweisung an die Gemeinden eine Aufgabe im eigenen oder im übertragenen Wirkungskreis betrifft. Nach der hier vertretenen Auffassung oszilliert die Lärmkartierung zwischen den Polen der Örtlichkeit und der Überörtlichkeit, da Wirkung und Ursprung des Lärmproblems nicht deckungsgleich sein müssen. Es handelt sich um eine zumindest auch örtliche Angelegenheit. Entscheidend für die Einstufung ist daher, dass die Lärmkartierung keiner der typisierten Gemeindehoheiten zugeordnet werden kann. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Planungshoheit, da der Lärmkartierung wegen der vollständigen Durchnormierung des abzuarbeitenden Arbeitsprogramms jede gestalterische Freiheit fremd ist. Es handelt sich bei der Lärmkartierung somit um eine staatliche Verwaltungsaufgabe, die der Landesgesetzgeber staatlichen Stellen oder den Gemeinden zuweisen kann. Verfassungswidrig ist indes die unmittelbare Beauftragung der Gemeinden durch Bundesgesetz. Diese stellt einen kompetenzwidrigen Übergriff des Bundes in den Verwaltungsraum der Länder dar. Zwar mag die Zuständigkeitsregelung als Annex zu der bundesrechtlichen Regelung der Kartierungspflichten erscheinen. Eine Festlegung der gemeindlichen Zuständigkeit durch den Bund war jedoch nicht notwendig. Die Gemeinden können sich gegen diese Aufgabenzuweisung anders als die Bundesländer selbst nicht wehren, da sie weder den Verstoß gegen die Kompetenzordnung noch die damit verbundene Umgehung der landesrechtlichen Konnexitätsbestimmungen im Wege der Kommunalverfassungsbeschwerde rügen können.

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F. Bei den Lärmkarten handelt es sich von der Rechtsnatur her nicht um Rechtsvorschriften, Verwaltungsakte oder Pläne. Lärmkarten sind vielmehr verwaltungsinterne Zahlenwerke und Datensammlungen, die aufgrund gesetzlicher Verpflichtungen erarbeitet, ggf. anderen Verwaltungsbehörden zur Erfüllung ihrer Aufgaben zur Verfügung gestellt und der Öffentlichkeit zur Kenntnis gegeben werden. Am ehesten sind die Lärmkarten daher als fachgutachtliche Stellungnahmen zur derzeitigen Lärmsituation in einem Gebiet aufzufassen. Sie ähneln dabei in gewisser Weise den im politischen Bereich üblichen Sachverständigengutachten. Möglicherweise kann in einigen Jahren aber auch generell von einem umweltrechtlichen Format der „Umweltkarte“ gesprochen werden. G. Eine Rechtskontrolle im Wege eines unmittelbaren gerichtlichen Individualrechtsschutzes ist bis auf wenige Einzelfragen im Rahmen der Datensammlung ausgeschlossen. Da es sich bei Lärmkarten nicht um Rechtsvorschriften oder Verwaltungsakte handelt, kommen weder eine Normenkontrolle nach § 47 VwGO noch Anfechtungs- oder Verpflichtungsklagen nach § 42 VwGO in Betracht. Im Übrigen sehen die Vorschriften zur Lärmkartierung keine subjektivöffentlichen Rechte vor. Insofern kommt der Selbstkontrolle der Verwaltung hohe Bedeutung zu. Die Furcht vor gemeinschaftsrechtlichen Konsequenzen bei unzureichender Umsetzung der Richtlinie dürfte hierbei den größten Disziplinierungseffekt haben. Allerdings kommt eine mittelbare Rechtskontrolle der Lärmkartierung in Betracht. Diese kann sich aus einer mehrstufigen Inzidentüberprüfung im Zuge eines späteren Individualrechtsschutzes ergeben, da falsche Lärmkarten zu Abwägungsfehlern in der Lärmaktionsplanung und diese wiederum zu fehlerhaften Ermessensentscheidungen oder Planungen mit belastendem Charakter führen können. 6. Teil A. Die Lärmaktionsplanung bildet die zweite Stufe im Rahmen des Gesamtkonzepts der Lärmminderungsplanung. Ihre wesentliche Rechtsgrundlage findet sie in § 47d BImSchG sowie den in deutsches Recht inkorporierten Anhängen V und VI der Richtlinie. Eine Aktionsplanungsverordnung existiert nicht. Der Begriff des Aktionsplans entstammt der Umgebungslärmrichtlinie. Da die Lärmminderungsplanung nur einen Plantypus kennt, kann aus der gleichlautenden Begrifflichkeit im Rahmen der zweistufigen Luftreinhalteplanung, wo der Aktionsplan als Akutplan neben dem Luftreinhalteplan fungiert, nichts für die Lärmminderungsplanung hergeleitet werden. Die Durchführung der Lärmaktionsplanung ist eine unbedingte Rechtspflicht in den Grenzen des gesetzlichen Tatbestandes. Der gesetzliche Tatbestand be-

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steht aus dem formellen Tatbestandsmerkmal der Zuständigkeit sowie drei materiellrechtlichen Tatbestandsvoraussetzungen. B. Die erste materiellrechtliche Tatbestandsvoraussetzung ist das Vorliegen eines aktionsplanungspflichtigen Bereichs. Außerhalb der Ballungsräume besteht die Aktionsplanungspflicht für „Orte in der Nähe“ von Hauptlärmquellen, was sich als nahezu untaugliche juristische Kategorie ohne nennenswerte Abgrenzungsfunktion erweist. Ferner sind die Ballungsräume an sich aktionsplanungspflichtig. Die zweite Tatbestandsvoraussetzung ist die „Fälligkeit“ der Aktionsplanung entsprechend den gestaffelten Vollzugsfristen der Richtlinie bzw. des BundesImmissionsschutzgesetzes. Da mit der Lärmaktionsplanung Lärmprobleme und Lärmauswirkungen geregelt werden sollen, ist die dritte Voraussetzung für die Aktionsplanungspflicht das Auslösetatbestandsmerkmal des „Vorliegens regelungsbedürftiger Lärmprobleme und Lärmauswirkungen“. Dabei handelt es sich um einen ausfüllungsbedürftigen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Handhabbarkeit in der Vollzugspraxis einen außerordentlich hohen Konkretisierungsbedarf auslöst. Der Konkretisierungsbedarf der Praxis äußert sich vor allem in der verwaltungsinternen Vorgabe von empfohlenen Auslösewerten für die Lärmaktionsplanung. Der Bundesgesetzgeber hat zu einer Konkretisierung bislang wenig beigetragen. Insbesondere hat er vermutlich aus politischen Gründen auf den Erlass einer Rechtsverordnung i. S. d. § 47 f BImSchG verzichtet, mit der die näheren Anforderungen an die Lärmaktionsplanung geregelt werden sollten. Da die Richtlinie selbst keine materiellen Vorgaben enthält, der Bund keine rechtssatzförmige Konkretisierung vorgenommen hat, wegen des hohen Konkretisierungsbedarfs der Vollzugspraxis aber eine sehr unterschiedliche Handhabung der Lärmaktionsplanung droht, die die Wirkung des Instruments insgesamt schwächen könnte, und da eine bloße richtlinienkonforme Verwaltungspraxis zu einer korrekten Richtlinienumsetzung nicht ausreichend ist, wurde die Umgebungslärmrichtlinie entgegen der Ansicht der Bundesregierung im Ergebnis noch nicht vollständig in deutsches Recht umgesetzt. Zur Behebung dieses Zustandes sollte der Verordnungsgeber Auslösewerte definieren, ab deren Vorliegen eine Lärmaktionsplanung durchgeführt werden soll. Bei der Höhe solcher Auslösewerte sollte sich der Verordnunggeber deutlich unterhalb der Lärmsanierungswerte und wenigstens im Bereich der kurzfristigen Handlungsziele des SRU bewegen. Das Umweltbundesamt hat hierzu eine geeignete Stufenlösung vorgeschlagen. Beim Schutz ruhiger Gebiete ist eine Abgrenzung nach Pegelwerten kaum möglich, zumal die Lärmkarten für ruhige Gebiete nur begrenzte Erkenntnisse liefern. Hier bleibt letztlich nur eine intuitiv-wertende Vorgehensweise.

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C. Bei der Lärmaktionsplanung handelt es sich um eine Planung im Rechtssinne, die wie jede öffentliche Planung dem rechtsstaatlichen Abwägungsgebot unterliegt. Damit gilt für die Lärmaktionsplanung als umweltrechtliche Fachplanung insbesondere auch die Abwägungsfehlerlehre des Bundesverwaltungsgerichts. Diese Zusammenhänge hat der Gesetzgeber bei der Umsetzung der Richtlinie entweder nicht bedacht oder wenigstens nicht angemessen bei der Ausgestaltung der Umsetzungsvorschriften berücksichtigt. Auch im Schrifttum wurden der Planungscharakter und die Zusammenhänge mit dem Abwägungsgebot bislang noch nicht klar und durchgängig für alle Einzelanforderungen an die Lärmaktionsplanung konturiert. Der Gesetzgeber hat es ungeachtet des Planungscharakters der Lärmaktionsplanung und der sich hieraus ergebenden Besonderheiten vorgezogen, den Richtlinienwortlaut weitgehend wörtlich zu übernehmen, um sich hierdurch auf eine 1:1-Umsetzung der Richtlinie zu beschränken. Die aus diesen übernommenen und teilweise unpassenden Formulierungen entstehenden Probleme sind konsequent aus dem Wesen der Planung und den Anforderungen des Abwägungsgebotes zu lösen. Auf diese Weise ist etwa die Streitfrage zu lösen, ob das „Ermessen“ der Planungsverantwortlichen i. S. d. § 47d Abs. 1 S. 3 BImSchG vermeintlich europarechtswidrig auch das Ob der Festlegung von Maßnahmen erfasse oder vielmehr nicht nur die Durchführung der in den Plänen genannten Maßnahmen betreffe. Nach der hier vertretenen Auffassung ist der Begriff des „Ermessens“ in verfassungskonformer Auslegung als „planerische Gestaltungsfreiheit“ auszulegen, die auch zum Verzicht auf die Festsetzung von Maßnahmen führen kann. Die Gegenauffassung übersieht, dass die Frage, ob überhaupt eine Planung durchgeführt wird, eine Frage der Erforderlichkeit der Planung bzw. der Planrechtfertigung ist, die aber bereits durch § 47d Abs. 1 S. 1 BImSchG geregelt wird, und setzt somit die Frage der Planrechtfertigung regelwidrig mit dem Ergebnis einer gerechten Abwägung in eins. Die Umsetzungsvorschrift ist daher europarechtskonform. Zur Aufbereitung des Abwägungsmaterials ist zunächst die Ausgangslage der Planung zu beschreiben. Als Abwägungsbelange kommen nicht nur lärmschutz- oder allgemein umweltschutzbezogene, sondern auch sonstige Belange in Betracht. Zwingend abwägungserheblich ist der Belang der Lärmbelastung, die als Gegenstand der Lärmminderungsplanung zentral im Fokus der Abwägung stehen muss. Daneben sind aber auch die städtebauliche Konzeption der Gemeinde, anderweitige Planungen bzw. anderweitige Planungsabsichten, Gründe des allgemeinen Wohls, private Belange und Kostengesichtspunkte nach Lage der Dinge in die

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Abwägung einzustellen und in der Abwägung zu berücksichtigen. Als Gründe des allgemeinen Wohls kommen namentlich Naturschutzbelange, Mobilitätsbedürfnisse der Gesellschaft sowie der Schutz von Wirtschaft und Arbeitsplätzen in Betracht. Einen gesonderten Belang der Öffentlichkeitsbeteiligung gibt es hingegen nicht; diese soll vielmehr etwaiges Abwägungsmaterial hervorbringen. Auch bei der Lärmaktionsplanung sind gesetzliche Planungsleitsätze jeder Abwägung entzogen und einer strikten Beachtenspflicht unterworfen. Zu beachten sind z. B. die Ziele der Raumordnung und das Verbot unvermeidbarer Natureingriffe. Die Festlegung von Maßnahmen im weiteren Sinne stellt das Kernstück der Lärmaktionsplanung dar und steht damit zugleich im Zentrum der gesamten Lärmminderungsplanung. Den Planungsverantwortlichen steht eine große Vielzahl rechtmäßiger Möglichkeiten zur Verfügung. Als Maßnahme kommt jegliches staatliche oder kommunale Handeln in Betracht, das gleichermaßen rechtsetzend wie rechtsvollziehend, allgemein- wie einzelfallbezogen, rechtsförmig wie Realakt, planerischer Beitrag wie nichtplanerischer Akt sein kann. Die Maßnahmen sollen dabei in eine Gesamtstrategie eingebettet werden. Die vorgesehenen Maßnahmen müssen rechtmäßig sein. Da § 47d BImSchG selbst keine Eingriffsbefugnisse verleiht, ist kommt es bei eingreifenden Maßnahmen auf die Befugnisse der zur Umsetzung der Planung berufenen Behörden (z. B. aus dem Immissionsschutz-, Straßen-, Straßenverkehrs- oder allgemeinen Ordnungsrecht) an. Festgesetzt werden können etwa lärmmindernde Maßnahmen der Straßenund Schienenunterhaltung, der Verkehrsvermeidung und Verkehrslenkung, der Verhaltenssteuerung (z. B. optisch wirkende Anreize zur Verringerung der Geschwindigkeit), der Auswahl lärmarmer Produkte (z. B. öffentliche Fuhrparke) sowie Planungsbeiträge für die Regional-, Fach- und Bauleitplanung. Im Bereich der Industrie- und Gewerbeanlagen ist dabei zwar zu berücksichtigen, dass die Anforderungen für Vorhabenzulassungen bereits anderweitig rechtlich konkretisiert werden und dass bei deren Einhaltung ein Zulassungsanspruch besteht; dennoch verbleiben sinnvolle Festsetzungsmöglichkeiten für den Lärmaktionsplan. Schwierigkeiten ergeben sich in Bezug auf den Luftverkehr. Beim Schutz ruhiger Gebiete gelten Besonderheiten; insofern kommt vor allem ein Planungsbeitrag hinsichtlich einer zulässigen Freihalteplanung in Betracht. In seltenen Sonderfällen kann trotz ausgelöster Planungsverpflichtung ein Verzicht auf die Festsetzung von Maßnahmen am Ende der Abwägung stehen. Dies kommt etwa bei der nach Abwägung unvertretbaren Nutzungsbeendigung als einziger denkbarer Lärmminderungsmaßnahme oder bei dem erfolgreichen Schutz eines ruhigen Gebietes in Betracht. In diesen Fällen erfüllt der Lärmaktionsplan aber noch eine Informationsfunktion.

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D. Eine bestimmte Form ist für Lärmaktionspläne nicht vorgeschrieben. Allerdings sind die Aufnahme bestimmter Unterlagen in den Plan und die Anfertigung einer Kurzzusammenfassung für die Europäische Kommission als Formerfordernisse zu werten. E. Verfahrensregelungen zur Lärmaktionsplanung finden sich nur in § 47d Abs. 3, Abs. 4 und Abs. 6 BImSchG. Die dortigen Regelungen zur Öffentlichkeitsbeteiligung, zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und zu den Mitteilungspflichten bleiben jedoch rudimentär. Ein förmliches Verwaltungsverfahren findet mangels gesetzlicher Anordnung nicht statt. Die Nichtförmlichkeit des Lärmaktionsplanungsverfahrens erleichtert dabei die Verzahnung mit anderweitigen Planungen, etwa der Luftreinhalteplanung. Zweckmäßigerweise sind andere Behörden zu beteiligen, deren Zuständigkeitsbereich von der Lärmaktionsplanung betroffen werden kann. Dies ist vor allem für jene Behörden von besonderer Bedeutung, für die eine Bindungswirkung des Lärmaktionsplans durch Selbstbindung erreicht werden soll. Besonderes Augenmerk ist dabei auf den Eisenbahnbereich zu legen. Hier ist nicht nur das Eisenbahn-Bundesamt als Behörde zu beteiligen. Da Unterhaltungsmaßnahmen an den Schienenwegen in den Zuständigkeitsbereich der Eisenbahninfrastrukturunternehmen fallen, die selbst keine Behörden mehr sind und deren Bindung umso mehr nur durch Selbstbindung erreicht werden kann, empfiehlt es sich, diese Unternehmen wie Behörden bereits im Verfahren aktiv zu beteiligen. Die Beteiligung der Öffentlichkeit hat im System der Lärmminderungsplanung eine zentrale Bedeutung. Es ist erklärtes Ziel der Richtlinie, die Information der Öffentlichkeit über den Umgebungslärm und seine Auswirkungen sicherzustellen. Die informierte Öffentlichkeit soll einen Handlungsdruck für die zuständigen Behörden erzeugen, um schnell und wirksam zu Lärmminderungsschritten zu gelangen. Deshalb schreibt die Richtlinie eine effektive Anhörung und Mitwirkung der Öffentlichkeit an der Lärmaktionsplanung vor. Die Vorgaben der Richtlinie zur Öffentlichkeitsbeteiligung sind bislang nicht gemeinschaftsrechtskonform umgesetzt. Der Bundesgesetzgeber hat sich darauf beschränkt, die Anforderungen der Richtlinie in Indikativsätze umzuschreiben, ohne hierzu substantielle Regelungen zu treffen (z. B. zu angemessenen Fristen für die Beteiligung der Öffentlichkeit). Der eigentliche Regelungsauftrag an den Mitgliedstaat bleibt damit unerfüllt. Einstweilen sollten die Vollzugsbehörden auf eine effektive Beteiligung der Öffentlichkeit achten. Dabei können sie sich an vertrauten Regelungen, etwa aus der Bauleitplanung oder förmlichen Verwaltungsverfahren, orientieren. Beachtet werden sollte allerdings, dass die Umgebungslärmrichtlinie andere Zwecke als die Öffentlichkeitsbeteiligung in förmlichen Verfahren verfolgt und entsprechend nach anderen Formen verlangt. Es geht im Rahmen der Lärm-

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aktionsplanung nicht nur um die Hervorbringung von Abwägungsmaterial und gar nicht um die Präklusion möglicher Einwendungen, sondern um ein „Mitnehmen“ der Bevölkerung bei der Planung. Ein klassischer Erörterungstermin kann dieses kaum leisten. Vielversprechender erscheinen beispielsweise die Veranstaltung mobiler Bürgerversammlungen an Brennpunkten, die Organisation runder Tische mit Bürgervereinen und Umweltschutzgruppen sowie die Bildung von Foren, in denen Interessierte selbst mitarbeiten können. Aus § 47d Abs. 3 BImSchG ergibt sich ein Vier-Phasen-Modell (Anhörung zu Planentwürfen, aktive Mitarbeit an der Weiterentwicklung der Entwürfe, Berücksichtigung der einzelnen Erkenntnisse in der Abwägungsentscheidung, Information der Öffentlichkeit über die Beschlüsse). Mitwirkung bedeutet allerdings nicht Mitentscheidung. Der Beschluss des Lärmaktionsplans obliegt alleine den zuständigen Behörden. Weitgehend ungeklärt ist, welche Folgen Fehler bei der Öffentlichkeitsbeteiligung zeitigen. Überwiegend wird wegen des Charakters des Aktionsplans als bloßem Innenrechtsplan mit nur behördeninterner Wirkung vertreten, dass sich Fehler nicht auf die Rechtmäßigkeit des Plans auswirken. Wegen der besonderen Stellung der Öffentlichkeitsbeteiligung in der Umgebungslärmrichtlinie sind jedoch Zweifel an einer sanktionslosen Umgehungsmöglichkeit angebracht. Jedenfalls bei einer vollständigen oder nahezu vollständigen Nichtbeachtung der Öffentlichkeitsbeteiligung wird man von der Rechtswidrigkeit des Aktionsplans ausgehen müssen. Eine solche Rechtswidrigkeit kann jedoch nicht gerichtlich geltend gemacht werden, da die Vorschriften der Öffentlichkeitsbeteiligung als rein objektives Recht einzustufen sind. Die Lärmaktionspläne sind der Europäischen Kommission mitzuteilen, zu veröffentlichen und regelmäßig zu überprüfen. F. Die allgemeine Zuständigkeitsregelung des § 47e Abs. 1 BImSchG gilt auch im Rahmen der Lärmaktionsplanung. Anders als bei der Lärmkartierung ist eine Zuständigkeit des Eisenbahn-Bundesamtes nicht begründet. Von der gesetzlichen Regelung sind zahlreiche Bundesländer abgewichen. Nur acht Bundesländer haben es bei der Regelzuständigkeit der Gemeinden nach dem Bundes-Immissionschutzgesetz annähernd belassen. Drei Länder haben die Zuständigkeit auf Gemeindeverbände übertragen. Die Stadtstaaten Hamburg und Berlin haben ihren spezifischen Strukturen Rechnung getragen. Zwei Länder haben die gemeindliche Zuständigkeit in Teilen durch eine Zuständigkeit der staatlichen Mittelbehörde ersetzt (Baden-Württemberg, Bayern). Hessen hat die Zuständigkeit für die Lärmaktionsplanung als einziges Land komplett bei der Mittelbehörde angesiedelt. Teilweise bestehen Benehmens- und Einvernehmenserfordernisse mit den für die Umsetzung der Aktionsplanungen zuständigen Behörden oder Behörden, die

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eine Kostenlast treffen wird. In Bayern entscheiden die Gemeinde und die Mittelbehörde stets im Einvernehmen; die örtliche und die überörtliche Ebene werden somit verklammert. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Zuständigkeitsbestimmungen durch die Länder richtet sich maßgeblich danach, ob es sich bei der Lärmaktionsplanung um eine Selbstverwaltungsangelegenheit handelt. Das Schrifttum geht einhellig davon aus, dass die Lärmaktionsplanung in denjenigen Fällen, in denen sich die Pläne nur auf das Gebiet einer Gemeinde bezögen, Teil deren gemeindlicher Planungshoheit sei, da es sich um die Bekämpfung eines örtlich auftretenden Problems handele, das die Gemeinde auch mit den Mitteln der Bauleitplanung lösen könne; insofern liege eine Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft vor. Bei überörtlichen Fallgestaltungen liege eine staatliche Aufgabe vor. Diese Auffassung des Schrifttums verdient Zustimmung für die Lärmaktionsplanung in Ballungsräumen. Außerhalb der Ballungsräume kann jedoch am Vorliegen einer Selbstverwaltungsaufgabe der Gemeinden gezweifelt werden. Diese Zweifel sind umso größer, je kleiner die fragliche Gemeinde ist. Sie gründen sich auf die Überlegung, dass sich eine Aufgabe nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht für Gemeinden jeder Größe in gleicher Weise als Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft darstellen muss, dass die bloße Beschränkung einer Planung auf das Gemeindegebiet eine bewusste Entscheidung des Planungsträgers darstellt und folglich die Klärung der sachlichen Zuständigkeit voraussetzt, dass die Lärmaktionsplanung Orte in der Nähe von Hauptlärmquellen mit hohen Verkehrsmengen betrifft, die insoweit oftmals eine überörtliche Erschließungsfunktion wahrnehmen, und dass gerade bei überörtlichen Verkehrswegen die Gemeinden wegen des Vorrangs der Fachplanung keine weitreichenden Einflussmöglichkeiten haben und so auch nicht die örtlich auftretenden Probleme lösen können. Hinzu kommt, dass die Argumentation des Schrifttums derjenigen zu § 47a BImSchG a. F. entspricht; dort ging es jedoch um die Lärmminderungsplanung insbesondere in Wohngebieten, nicht im strategischen Maßstab entlang überregionaler Verkehrsströme, was eine andere Bewertung rechtfertigen kann. Folgt man dieser Auffassung, liegt eine staatliche Aufgabe vor. Folgt man dem Schrifttum, können die abweichenden Zuständigkeitszuweisungen der Länder als verhältnismäßiger Aufgabenentzug nur mit einer mangelnden Leistungsfähigkeit der Gemeinden begründet werden. Dies ist für die Aktionsplanung an Großflughäfen nachvollziehbar. Gerechtfertigt ist auch der Aufgabenentzug der Gemeinden in Bayern außerhalb der Ballungsräume. Zweifel ergeben sich indes an der Notwendigkeit des Einvernehmens der Regierungen für die Lärmaktionspläne der bayerischen Ballungsräume. Verfassungswidrig ist die hessische Regelung, die den örtlichen Charakter der Lärmaktionsplanung schlechterdings ignoriert.

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Die unmittelbare Zuständigerklärung der Gemeinden durch Bundesgesetz erweist sich auch im Zusammenhang mit der Lärmaktionsplanung als verfassungswidriger Übergriff in die Verwaltungskompetenz der Länder. G. Hinsichtlich der Rechtswirkungen der Lärmaktionspläne verweist § 47d Abs. 6 BImSchG auf die luftreinhalterechtliche Vorschrift des § 47 Abs. 6 BImSchG. Weder diese Vorschriften noch der Lärmaktionsplan selbst stellen Eingriffsbefugnisse zur Durchsetzung der enthaltenen Maßnahmen dar. Die gemeinschaftsrechtlich geforderte Rechtsmacht, Lärmprobleme effektiv zu beeinflussen, wird über die Anordnung einer Bindungswirkung der Pläne für andere Behörden des Bundes, der Länder oder der Gemeinden hergestellt. Private werden nicht gebunden. Die Bindungswirkung, die nur von einem rechtmäßig zustandegekommenen Lärmaktionsplan ausgehen kann, ist für Maßnahmen bzw. planungsrechtliche Festlegungen unterschiedlich ausgestaltet. Die Abgrenzung erfolgt danach, ob die Festlegung des Aktionsplans in einem nachfolgenden Planungsverfahren (dann planungsrechtliche Festlegung) oder in sonstiger Weise (etwa durch Verwaltungsakt) umgesetzt werden muss. Maßnahmen sind von den zuständigen Behörden strikt durchzusetzen (§ 47 Abs. 6 S. 1 BImSchG), sofern sie über entsprechende Befugnisse verfügen. Eine strikte Bindung scheidet jedoch aus Gründen der rechtsstaatlichen Kompetenzverteilung aus, wenn eine Behörde eines anderen Verwaltungsträgers verpflichtet werden soll, da sonst dem Lärmaktionsplan eine gesetzesderogierende Kraft zukäme. Auch der Anspruch eines Bürgers auf ermessensfehlerfreie Entscheidung kann nicht durch die Bindungswirkung beseitigt werden. Da eine wirksame Umsetzung der Richtlinie nicht an innerstaatlichen Kompetenzregeln scheitern darf, ist eine weitestmögliche Selbstbindung der Umsetzungsbehörden bei der Aktionsplanung anzustreben. Planerische Festlegungen sind in der nachfolgenden planerischen Abwägung als Belang zu berücksichtigen (§ 47 Abs. 6 S. 2 BImSchG). Dies ergibt sich für den Bereich der Bauleitplanung auch aus § 1 Abs. 6 Nr. 7 lit. g BauGB. Da planerische Festlegungen nur zu „berücksichtigen“ sind, ist ein Wegwägen im Rahmen der planerischen Abwägung möglich. Im Einzelfall kann ein Lärmaktionsplan auch zur städtebaulichen Erforderlichkeit bzw. fachplanerischen Planrechtfertigung und mithin zu einer Planungsverpflichtung anderer Stellen führen, ohne jedoch deren Abwägungsentscheidung vorwegzunehmen. Da Maßnahmen der Lärmaktionspläne ein herausgehobenes Gewicht zuzumessen ist, ist es gerechtfertigt, Ermessensbefugnisse der Umsetzungsbehörden in bundes- und gemeinschaftsrechtsorientierter Auslegung nicht als Kann-, sondern als Soll-Vorschriften zu interpretieren. Hingegen ist ein planungsrechtliches Optimierungsgebot für Planungsbeiträge nicht anzunehmen.

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Im Bahnbereich bestehen Besonderheiten für die Bindungswirkung. Private Eisenbahnunternehmen werden nicht selbst gemäß § 47 Abs. 6 BImSchG gebunden. Das AEG sieht keine Eingriffsbefugnisse der Eisenbahnaufsichtsbehörden zum Zwecke des Lärmschutzes vor. Die Hürden für die Anordnungen nachträglicher Schutzvorrichtungen durch die Planfeststellungsbehörde sind hoch. Der einzige realistische Weg, zu Lärmminderungsmaßnahmen zu kommen, ist deshalb der frühzeitige Einbezug der Eisenbahnunternehmen mit dem Ziel, eine Selbstbindung durch vertragliche Vereinbarung oder wenigstens freiwillige Lärmminderungsbeiträge zu erreichen. Diese Durchsetzungsprobleme bestehen auch im Fall der Gesellschaften der Deutschen Bahn AG. Denn wiewohl diese im Eigentum des Bundes stehen, sind die Eisenbahnverkehrs- und Eisenbahninfrastrukturunternehmen im Ergebnis wie Private zu behandeln. Dies liegt an den Besonderheiten der Überleitung der früheren staatlichen Durchführungsverantwortung für Eisenbahndienstleistungen in eine Gewährleistungsverantwortung als neuem Grundmodus der Aufgabenwahrnehmung in der Erscheinungsform der Regulierungsverwaltung. Die gemäß Art. 87 Abs. 3 GG als Wirtschaftsunternehmen in privatrechtlicher Form geführten Einzelunternehmen der DB AG sind der Kontrolle der Eisenbahnaufsicht sowie der Bundesnetzagentur wie andere Marktteilnehmer unterworfen, was sie in eine grundrechtstypische Gefährdungslage versetzt. Sie können sich in den Grenzen des Art. 19 Abs. 3 GG daher auf Grundrechte berufen. Wegen der Anwendbarkeit der allgemeinen Handlungsfreiheit auf Unternehmen bedürfte es daher auch in ihrem Falle einer (nicht existierenden) Ermächtigungsgrundlage. Als Steuerungsmöglichkeiten im Bahnbereich bleiben somit nur die begrenzten Einflussmöglichkeiten, die dem Bundesverkehrsministerium als Gesellschafter zustehen, das wiederum als Behörde durch einen Lärmaktionsplan gebunden werden kann. Im Ergebnis sind daher im Eisenbahnbereich insgesamt erhebliche Umsetzungsdefizite zu befürchten. H. Zu den umstrittensten Fragen im Zusammenhang mit gemeinschaftsrechtlich initiierten Umweltvorschriften gehört die Frage nach damit verbundenen subjektiv-öffentlichen Rechten des Einzelnen. Dies erklärt sich aus der Divergenz der Anschauungen des Gemeinschaftsrechts bzw. der deutschen Verwaltungsrechtstradition hinsichtlich der dogmatischen Abgrenzung betroffener Personenkreise und betroffener Interessen sowie hinsichtlich der Indienstnahme der Bürger für die Effektivierung der umweltrechtlichen Neuregelungen. Nach den bisher erschienenen Stellungnahmen im Schrifttum können aus den Vorschriften des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zur Lärmaktionsplanung sowie aus der Umgebungslärmrichtlinie grundsätzlich keine individuellen Ansprüche Einzelner hergeleitet werden, und zwar weder als Anspruch auf die Planaufstellung überhaupt bzw. auf eine bestimmte Planung, noch als Anspruch auf

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Durchführung der Pläne oder gar als Anspruch auf Einhaltung bestimmter Immissionswerte. Dies erweist sich im Wesentlichen als zutreffend. Nach der in Deutschland herrschenden Schutznormlehre können die Bürgerinnen und Bürger im Zusammenhang mit der Lärmaktionsplanung grundsätzlich keine individuellen Ansprüche geltend machen. Zwar liegen in § 47d Abs. 1 und § 47d Abs. 6 i.V. m.§ 47 Abs. 6 BImSchG objektive Handlungsverpflichtungen der Behörden hinsichtlich der Planaufstellung und Plandurchführung begründet. Die Vorschriften heben jedoch keine bestimmten Interessen Einzelner hervor, so dass Planaufstellung und Plandurchführung im Interesse der Allgemeinheit erfolgen. Einen allgemeinen Anspruch auf Planaufstellung gibt es jedoch ebensowenig wie einen allgemeinen Plandurchführungsanspruch. Eine Ausnahme bereits nach der Schutznormlehre ergibt sich im Fluglärmbereich. Die Werte des § 14 FluglärmG, die Auslösewerte für die Lärmaktionsplanung darstellen und mithin eine Handlungsverpflichtung der Behörden begründen, werden ausdrücklich als „Schutzwerte“ bezeichnet, weshalb ihnen drittschützende Wirkung zukommt. Bei einem Überschreiten der Werte durch den zivilen Luftverkehr ergibt sich auch für den Bestand ein subjektiv-öffentliches Recht auf Planaufstellung. Das Ergebnis auf dem Boden der Schutznormlehre bedarf keiner Korrektur aufgrund Gemeinschaftsrechts. Zwar können sich bei der Anwendung mitgliedstaatlichen Rechts, das zur Umsetzung von Richtlinien ergangen ist, Verschiebungen gegenüber der Schutznormlehre ergeben, da Richtlinien bereits auf der Gemeinschaftsrechtsebene subjektiv-öffentliche Rechte verleihen können, deren effektive Wahrnehmung nicht mit Hinweis auf besondere Befindlichkeiten der deutschen Verwaltungsrechtsdogmatik vereitelt werden darf. Hierfür besteht bei der Lärmaktionsplanung jedoch kein Anlass, insbesondere nicht im Hinblick auf die jüngste Feinstaub-Entscheidung des EuGH. Denn die Situation der Lärmaktionsplanung ist nicht mit der Luftreinhalteplanung vergleichbar. Für diese hat der Gerichtshof zwar subjektive Rechte damit begründet, dass die Richtlinie dem Schutz der Gesundheit dienen solle, was bei allen Richtlinien zum Schutz der Umwelt gemäß Art. 174 Abs. 1 EGV der Fall ist. Der Gerichtshof hat hieraus jedoch keine individuellen Rechte für jedermann abgeleitet, sondern die Entstehung subjektiver öffentlicher Rechte auf „unmittelbar betroffene Einzelne“ beschränkt, wobei sich diese unmittelbare Betroffenheit aus der konkret drohenden Überschreitung der gemeinschaftsrechtlich unmittelbar vorgegebenen Luftqualitätsstandards in Form von Grenzwerten und Alarmschwellen ergibt. Solche Qualitätsstandards existieren für die Lärmaktionsplanung weder im Gemeinschaftsrecht noch im deutschen Recht (mit Ausnahme der Schutzwerte des FluglärmG). Im Übrigen spricht der Charakter der Aktionspläne des Luftreinhalterechts als Akutplan mit Notfallmaßnahmen gegen eine Übertragung der

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dortigen Erkenntnisse auf die Lärmaktionspläne, denen ein solcher Charakter nicht zu eigen ist. Das Ergebnis nach der Schutznormlehre bedarf indes einer Korrektur, soweit die Schutzpflichtendimension der Grundrechte, insbesondere des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit, dies erfordert. Ein Anspruch des Einzelnen auf Planaufstellung kann in Fällen begründet sein, in denen eine Reduzierung der grundrechtswidrigen Lärmbelastung nur im Wege einer koordinierten Lärmaktionsplanung erreicht werden kann. Dies kommt vor allem in unübersichtlichen Gemengelagen in Betracht, weshalb die Rechtsprechung ihre kategorische Verweigerung gegenüber einer Gesamtlärmbetrachtung aufgeben sollte. In Fällen des Planaufstellungsanspruchs sind auch Plandurchführungsansprüche Einzelner nicht von vorneherein ausgeschlossen. Die Rechtsnatur von Plänen ist nach den jeweiligen Umständen ihres Zustandekommens, ihrer Inhalte und Bindungswirkungen zu bestimmen. Lärmaktionspläne sind danach keine Verwaltungsakte, da die maßgebliche regelnde Einwirkung auf Belange Dritter erst in der Umsetzungsstufe erfolgt. Lärmaktionspläne sind auch keine Rechtsvorschriften, da die Bindungswirkung gerade nicht den Bürger, sondern nur andere Behörden erfasst, denen in unterschiedlicher Verbindlichkeit Vorschläge für eigenes Handeln unterbreitet werden. Der Lärmaktionsplan ähnelt insofern einem vorbereitenden Plan wie dem Flächennutzungsplan, der grundsätzlich ebenfalls nicht als Rechtsvorschrift eingeordnet wird. Gegen die Annahme einer Verwaltungsvorschrift spricht, dass diese vertikale Bindungswirkungen entfalten, während eine Bindungswirkung der Lärmaktionspläne auch horizontal zwischen verschiedenen Verwaltungsträgern eintreten kann. Allerdings zielen beide namentlich auf die Steuerung der Ermessensspielräume der Verwaltung. Lärmaktionspläne sind daher als verwaltungsvorschriftsähnliche verwaltungsinterne, wenn auch trägerübergreifende, Umweltfachpläne einzuordnen. Rechtsschutzmöglichkeiten für Private bestehen im Wesentlichen im Wege einer Inzidentüberprüfung im Rahmen des Rechtsschutzes gegen belastende Umsetzungsmaßnahmen und nachfolgende Planungsentscheidungen. Der seltene Anspruch auf Planaufstellung kann durch Leistungsklage verfolgt werden. Ein unmittelbares Vorgehen Privater gegen den Lärmaktionsplan selbst wegen darin vorgesehener Maßnahmen scheidet regelmäßig aus, da hierdurch noch keine Rechtseingriffe zustande kommen, mithin keine Klage- bzw. Antragsbefugnis für ein gerichtliches Verfahren besteht. Von der Bindungswirkung des § 47 Abs. 6 BImSchG erfasste Behörden, jedenfalls aber die Gemeinden müssen die Frage ihrer Bindung gerichtlich klären können. Insofern kommen vor allem Feststellungsklagen in Betracht. Dass die Gerichte Lärmaktionspläne wie Rechtsvorschriften behandeln und den Weg zu einer Normenkontrolle nach § 47 VwGO eröffnen werden, erscheint nicht gänz-

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lich ausgeschlossen, vor dem Hintergrund der jüngsten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zur Normenkontrolle bei Flächennutzungsplänen aber eher unwahrscheinlich. 7. Teil Aufgrund der faktisch noch nicht abgeschlossenen ersten Phase der Lärmaktionsplanung ist derzeit nur eine vorläufige Bewertung der neuen Lärmminderungsplanung möglich. Die gemeinschaftsrechtliche Handlungsverpflichtung mit festen Vollzugsfristen hat zu einer so bisher nicht gekannten bundesweiten Beschäftigung von Behörden und Gemeinden mit der Lärmminderung geführt. Das ist ein erster Erfolg der Umgebungslärmrichtlinie. Die regelmäßige Durchführung der Lärmminderungsplanung wird zu einer stärkeren Bewusstseinsbildung bei Behörden hinsichtlich des Lärms als Umweltproblem führen. Noch bedeutender wird die Wirkung auf die Bürgerinnen und Bürger sein. Dies ist nicht so sehr auf die Öffentlichkeitsbeteiligung bei der Planaufstellung, sondern bereits auf die Einführung der Lärmkarten zurückzuführen. An die Stelle eines bloßen Empfindens von Lärm treten verfügbare objektive Datengrundlagen. Diese Erkenntnismöglichkeiten werden sehr schnell auch jenseits des Umweltschutzes Verwendung finden, etwa im Immobilienbereich. Damit leisten die Lärmkarten einen Beitrag zur stärkeren Verdeutlichung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kosten der Lärmbelastung. Wie von der Richtlinie bezweckt, wird sich ein erhöhter politischer Handlungsdruck einstellen. Langfristig wird das gesamte Lärmschutzrecht unter Veränderungsdruck geraten. Dem Dilemma der unzureichenden Erkenntnisse der Lärmwirkungsforschung sollte rechtspolitisch begegnet werden, indem man eine Übertragung der künftigen einheitlichen europäischen Berechnungs- und Bewertungsmethoden auf die übrigen Bereiche des Lärmschutzrechts in Erwägung zieht. Auch die Implementierung von Dosis-Wirkungs-Relationen sollte geprüft werden, sobald diese vorliegen. Die Rechtsprechung sollte sich bis dahin einer vom Umweltbundesamt für möglich erachteten annähernden Gesamtlärmbewertung jedenfalls nicht kategorisch verweigern. Die Lärmminderungsplanung stellt die Beteiligten vor große Herausforderungen. Der Gesetzgeber hat den Vollzug durch die oftmals bloße Übernahme des Richtlinienwortlauts in deutsches Recht nicht erleichtert. Das Beispiel der Lärmminderungsplanung ist eine Mahnung an den Gesetzgeber, das politische Prinzip der 1:1-Umsetzung von Richtlinien nicht auch als legistisches Prinzip zu behandeln.

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Ein optimistisches Fazit ist angemessen. Die Aufgabe der Lärmminderungsplanung ist anspruchsvoll, aber nicht aussichtslos, wie erste Praxisergebnisse zeigen. Die Beteiligten sind aufgerufen, sich der Lärmminderungsverantwortung zu stellen. Das gilt in besonderer Weise für die Durchsetzung der Lärmaktionspläne, da hiervon die Effizienz der Lärmminderungsplanung wesentlich abhängt. Aufwändige Planungen ohne Wirkung wären unnützer Verwaltungsaufwand und würden auf lange Sicht zu einer Geringschätzung und Vernachlässigung bei allen Beteiligten führen. Der Erfolg der Lärmminderungsplanung wird letzten Endes von der Bereitschaft der beteiligten öffentlichen und privaten Akteure abhängen, sich auf die Vorschläge der Lärmaktionsplanung einzulassen. In besonderer Weise kommt es hierbei auf eine Finanzierung durch die Haushaltsgesetzgeber in Bund und Ländern an, vor allem hinsichtlich der unterfinanzierten Lärmsanierung. Die sozialstaatliche Komponente der Lärmbekämpfung bietet hierfür ein gutes Argument.

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AzB siehe Anleitung zur Berechnung von Lärmschutzbereichen AzD siehe Anleitung zur Datenerfassung Ballungsraum – Begriff 75, 137 ff., 141 ff. – Lärmaktionsplanung 85, 258, 294, 328, 361 ff. – Lärmkartierung 67 f., 126, 136 ff., 172 f., 180, 190 f. – Umgebungslärm 107 ff. – Vollzugsfristen 125, 258 Bauleitplanung 35, 36 ff., 40 ff., 279 f., 328 ff., 331 ff. Bebauungsplan 331 ff. Behördenbeteiligung 53, 80, 84, 345 ff., 414 Beurteilungsspielraum 155, 260, 284, 292 Budgetrecht 369 f. Bund/Länderarbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz siehe LAI bundesfreundliches Verhalten 319 Datenerfassungssystem für die Ermittlung von Lärmschutzbereichen an zivilen Flugplätzen (DES) 186 Deregulierung 65 DES siehe Datenerfassungssystem Deutsche Bahn AG 54, 228 f., 312, 346, 380, 381 ff., 418 DIN 18005 (Schallschutz im Städtebau) 37, 44, 181, 275 f., 335 Dosis-Wirkungs-Relation 66, 400 f., 421 Eingriffsbefugnisse 38 f., 40 f., 43, 62, 66, 100, 153, 208 ff., 212 f., 213 ff., 319, 371, 380

440

Stichwortverzeichnis

Eins-zu-eins-Umsetzung von Richtlinien 88, 94, 95, 147, 164, 171, 173, 318, 401, 412, 421 Einvernehmenserfordernisse 80, 85, 202, 346, 357 ff., 367 f., 374, 407, 415 f. Eisenbahn-Bundesamt 86, 88, 191, 210 f., 218, 220, 224, 226 ff., 235, 245, 346, 357, 373, 384 f., 409, 414 Eisenbahninfrastrukturunternehmen 133, 208 ff., 211 f., 227 f., 346 f., 366, 378 ff., 381 ff., 414, 418 Eisenbahnverkehrsunternehmen 227, 312, 346, 378 ff., 383 Eisenbahnverkehrsverwaltung 211, 228 f., 235, 312, 383 f., 409 Emission, Begriff 24 Ermessen 283 ff., 285 ff., 292, 372 ff., 412, 416 Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetz (FStrPrivFinG) 127 Flächennutzungsplan 279 f., 396, 398, 420, 421 Fluglärm – Bewertung und Grenzwerte 74, 184 ff., 186 f., 189, 407 – Bodenlärm 186 f. – Flugrouten 112, 145, 187, 337 – Gesamtgeräuschbewertung 51 – Lärmaktionsplanung 264, 269, 337 ff., 389, 390 f., 394 – Lärmkartierung 95, 145, 146, 152, 169, 190, 194, 197 – Lärmschutz 44, 48 ff., 86, 402 – Tieffluglärm 111, 112 – Umgebungslärm 98 ff., 104 – Zuständigkeit 80, 232 Fluglärmschutzgesetz – Anspruch auf Lärmaktionsplanaufstellung 390 f., 419 – Novelle 48 ff. Föderalismusreform 20, 54, 240 Freizeitlärm – Begriff 31, 43, 402

– Lärmkartierung 118, 167 ff., 405 – Lärmschutz 41, 42, 43 f. – ruhiges Gebiet 109 – Umgebungslärm 104 Freizeitlärmrichtlinie 44, 51 Gemeindegebietsgrenze 137 ff., 255 Gemeindehoheiten 237, 238, 379, 416 Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) 81, 86, 91, 230 gemeindliches Einvernehmen 329 gemeinschaftsfreundliches Verhalten 319 Georeferenzierung 179 Gesamtgeräuschbewertung 50 ff., 60 f., 78, 85, 190 f., 191 ff., 294, 395, 401, 402, 407 – energetische Addition 193 ff. – Lärmaktionsplanung 272, 294 – Lärmkartierung 123, 407 – Lärmminderungsplanung nach § 47a BImSchG a. F. 30, 52 ff. Gesellschafterstellung des Bundes 388, 418 Gesetzgebungskompetenz 30 ff., 57, 78, 240 ff., 368, 402 Gesetzmäßigkeit der Verwaltung 40, 62, 148 ff., 319, 371, 373 Gesundheit – Begriff 25 – Gesundheitsbelastung 73, 80 – Gesundheitsgefährdung 26, 27 ff., 30, 41, 49, 51, 72, 80, 89, 272, 275, 276, 380, 301, 380, 389, 395 – gesundheitsschädliche Geräusche 27 ff., 29, 101, 103, 106, 268, 404 – Gesundheitsverletzung 25, 27, 395 Gesundheitsschutz – Arbeitnehmer 27, 113 – Benutzer von Verkehrsmitteln 119 – Richtlinienziel 144, 261, 271, 299, 353, 392, 419 Gewerbelärm siehe Industrie- und Gewerbelärm Großflughafen 135 f.

Stichwortverzeichnis Grünbuch „Künftige Lärmschutzpolitik“ 70 f., 74 Grundrechtsberechtigung 210, 381, 386 f. Hauptlärmquelle – Begriff 95 f., 126, 132 f. – Vollzugsfristen 125, 258 Immission, Begriff 24 Individualanspruch siehe Anspruch Individualrechte siehe subjektive öffentliche Rechte Individualrechtsschutz siehe Rechtsschutz Industrie- und Gewerbelärm – Begriff 31 – Bewertung und Grenzwerte 72, 74, 94, 184, 185, 187 f., 189 – Lärmaktionsplanung 73, 327, 336 ff., 413 – Lärmkartierung 126, 145, 146, 153, 158 f., 161 ff., 168 f., 190, 197, 405 – Lärmschutz 30, 32 ff. – ruhiges Gebiet 109, 170 f., 172 – Umgebungslärm 103, 104, 106, 108, 119, 404 – Zuständigkeit 231 f. Isophonenbänder 173, 174, 181 ff., 198 kommunales Selbstverwaltungsrecht 235 ff., 360 ff., 409, 416 Kommunikationsstörung 29, 47, 72, 172, 301, 320 Konnexitätsprinzip 69, 230, 231, 240, 244, 245, 266, 409 Kosten 67 ff., 81, 83, 125, 180, 204, 210, 213, 217, 230 ff., 245, 270, 310 f., 313 f., 327, 357, 359, 400, 403, 405, 412, 416, 421 LAI 44, 53, 68, 122, 251, 320, 336 länderübergreifende Zusammenarbeit 139, 139 Lärm – am Arbeitsplatz 113 f.

– – – –

441

Begriff 24 ff. in Wohnungen 114 f. Schädlichkeit 27 ff. verhaltensbezogener 30 f., 54 ff., 112, 117, 402, 404 Lärmaktionsplanung – Abwägungsbelange 295, 296 ff., 300 ff., 302 ff., 305 ff., 307 ff., 311 ff., 313 ff., 412 ff. – anderweitige Planungen 305 ff. – Auslösetatbestandsmerkmal 254, 257, 259 ff., 275, 411 – Auslösewerte 189, 263 ff., 267 ff., 269 ff., 273, 394, 411 – Begriff 252 – Belastetenzahlen 257 – Beschreibungen 293 ff. – Bindungswirkung 369 ff., 371 ff., 375 ff., 378 ff., 396, 416, 418 – Form 344 – Geltung des Abwägungsgebots 277 ff., 280 ff., 286 ff., 412 – Industrie und Gewerbe 336 f. – Kosten 314 f. – Lärmbelastung 300 ff. – Luftverkehr 337 ff., 413 – Maßnahmen 285 ff., 291 f., 316 ff., 320 ff., 370, 371 ff., 377, 413 – Maßnahmenverzicht 289, 340 ff., 343 ff. – Mitteilungspflichten 294, 355, 415 – Mobilitätsbedürfnisse 308 ff. – Naturschutzbelange 307 f. – Öffentlichkeitsbeteiligung 270, 314 f., 347 ff., 351 ff., 414 – Orte in der Nähe von Hauptlärmquellen 255 ff., 411 – Planungsbeiträge 328 ff., 370, 375 ff., 377, 413 – Planungscharakter 278 f., 286 ff., 412 – Planungsgebiet 254 ff., 259 f., 262 f. – Planungsleitsätze 315 f., 413 – Planungspflicht 54, 253 f., 259, 410 f.

442

Stichwortverzeichnis

– Rechtsgrundlagen 250 f. – Rechtsnatur 395 f., 420 – ruhige Gebiete 170, 274 ff., 339 ff., 343, 411 – städtebauliche Konzeption 302 ff. – Überarbeitung 356, 415 – Verfahren 345 ff., 414 – Veröffentlichung 355 f., 415 – Vollzugsfristen 254, 258 f., 411 – Wirtschaftsbelange 310 – Zielsetzung 79, 88 f., 90 f., 107 f., 264 – Zuständigkeit 254, 256, 356 ff., 368 ff., 415 ff. Lärmbelastung – Abwägungsbelang 300 ff., 412 – Darstellung 171, 181 f., 190 ff., 212, 406 – Ermittlung 105, 112, 125, 405 – gesundheitsgefährdende 395, 420 – Kosten 310 f., 314, 400, 421 – Prognose 223 – vorhandene 23 Lärmkartierung – Belastung und Belastete 198 ff., 201 – Beschreibungen 197 ff., 201 – Darstellung 66 f., 173, 174 ff., 179, 181 f., 182 ff., 190 ff. – Datenerhebung 202 ff., 204 f., 213 ff., 407 f. – Datenlage 123 f., 199 ff. – Datenübermittlung 202 ff., 204 ff., 208 ff., 407 f. – Erheblichkeitskriterium 165 f. – Flughäfen und Flugplätze 135 ff., 160 – freiwillige Ausweitung 169, 177 – Häfen 165 – Industrie- und Gewerbegelände 161 ff. – Kartierungsumfang 131 f., 134 f., 172, 180 f., 275, 405 – Kosten 67 ff., 230 f.

– Lärmquellen im Ballungsraum 143 ff., 158 ff. – Mitteilungspflichten 217 ff., 221 f. – Öffentlichkeitsbeteiligung 177 – Rechtsgrundlagen 126 – Rechtsnatur der Lärmkarten 246, 410 – Rechtspflicht 122 f. – ruhige Gebiete 169 ff., 181, 405 – Schalldruckpegel 105, 181 ff., 201 – Schienenwege 132 ff., 159, 161 – Sport- und Freizeitlärm 167 ff. – Straßen 127 ff., 158 f. – Überarbeitung 220 ff., 408 – Verfahren 202 ff., 407 – Verkehrsaufkommen 131, 133, 136, 158, 159 – Veröffentlichung 222 ff., 408 – Vollzugsfristen 125, 131, 219 – Zuständigkeit 203, 224 ff., 231 ff., 233 f., 234 ff., 245, 408 Lärmsanierung 81, 86, 89, 91, 95, 306, 400, 401 – Anspruch 47 – Bewertung und Grenzwerte 94, 95, 189, 264, 267, 393 – Defizite 61, 89 – Lärmaktionsplanung 271 f. – Lärmkartierung 189 – Richtlinien 95, 189, 264, 306 Lärmschutz – aktiver 46, 48, 317, 320, 338 – passiver 46, 47, 48, 49, 320, 335, 338, 342 – produktbezogener 45, 48, 71, 75, 317, 403 – quellenbezogener 23, 30, 33, 35, 39, 41, 60, 119, 327 Lärmschutzmaßnahmen 23, 39, 43, 46, 47, 48, 66, 67, 74, 166, 188, 264, 307, 320, 335, 336 Lärmwirkungsforschung 27 ff. Luftreinhalteplanung 252, 298, 391 ff., 419 f.

Stichwortverzeichnis Managementansatz 58, 59 ff., 61 ff., 103, 112, 274, 352, 402 f. Militär 38, 97, 110 ff., 135 f., 160, 186, 329, 391, 404 Nachbarschaftslärm 115 ff., 117 f. Normverwerfungsrecht der Verwaltung 148 ff., 157, 185, 245, 371 Nutzungsbeendigung 340 ff. Öffentlichkeitsbeteiligung – Gesetzentwurf 84 f. – Lärmaktionsplanung 270, 314 f., 347 ff., 351 ff., 414 – Lärmkartierung 177 – Mobilisierung 64 f., 70, 399 Optimierungsgebote 37, 40, 298, 308, 339, 377 f., 417 Planfeststellung 26, 46, 229, 281, 297, 298, 306, 329, 338, 346, 349, 352, 354, 418 Planung – Begriff 278 ff. – planerische Gestaltungsfreiheit 283 ff. – Planrechtfertigung 48, 260, 287, 288, 298, 412, 417 – Planungsleitsätze 38, 46, 305, 315 f., 316, 413 – Planungsrecht 63 f., 238 f., 280 ff. Produktauswahl 327 Prozeduralisierung des Verwaltungshandelns 37, 64 f., 293, 403 Raumordnung und Landesplanung 279, 299, 315 f. Rechtsschutz – Datensammlung 214 – Lärmaktionsplanung 270 f., 353, 388 ff., 397 ff., 415, 419, 420 f. – Lärmkartierung 247, 409, 410 – mehrstufige Inzidentüberprüfung 248 f., 397, 410, 420 – Öffentlichkeitsbeteiligung 353

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Rechtstraditionen in Europa 61 ff. Regulierungsverwaltung 312, 382 ff., 385 f., 418 Richtlinie 2002/49/EG siehe Umgebungslärmrichtlinie Richtlinie für die Förderung von Maßnahmen zur Lärmsanierung an bestehenden Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes 189 Richtlinien für den Lärmschutz an Straßen (RLS-90) 185 Richtlinien für den Verkehrslärmschutz an Bundesfernstraßen in der Baulast des Bundes (VLärmSchR 97) 189, 264 Richtlinien für straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Lärm (Lärmschutz-Richtlinien-StV) 325 richtlinienkonforme Auslegung 154 ff., 177 richtlinienkonforme Vollzugspraxis 147, 262, 270, 348, 411 ruhiges Gebiet – Begriff 87, 107 ff., 168, 170 – Lärmaktionsplanung 170, 274 ff., 339 ff., 343, 411 – Lärmkartierung 169 ff., 181, 405 schädliche Umwelteinwirkung 30, 32, 42, 45, 115, 116 – Bauplanungsrecht 35 – Begriff 25, 402 – Begriffsabgrenzung zu Umgebungslärm 102 ff., 104, 404 – Einzelanordnung 39, 41 – Fachplanungsrecht 46, 51 – Lärmminderungsplanung 102 ff., 166 f., 271, 365 – Lärmminderungsplanung (alt) 53, 365 – ruhiges Gebiet 276 – TA Lärm 34 Schall – Begriff 24 – siehe Lärm

444

Stichwortverzeichnis

Schallschutz siehe Lärmschutz Schallschutzfenster 311, 335, 336, 341 Schallschutzmaßnahme siehe Lärmschutzmaßnahme Schallschutzwand 124, 303, 308, 341 Schienenfahrzeuge 45, 73, 76 Schienenweg 133, 191 Schienenwegsunterhaltung 320 ff. Schlafstörung 29, 47, 66, 301, 320 Schutznormlehre 353 f., 389 ff., 391, 419, 420 Schutzpflicht – des Anlagenbetreibers 32 f., 34 – gemäß Fluglärmschutzgesetz 390 f. – grundrechtliche 25 f., 379, 389, 394 f., 420 Selbstbindung 354, 374 f., 381, 388, 414, 417 Selbstkontrolle der Verwaltung 62 f., 247 f., 266, 270 f., 370, 410 Sozialstaat 1, 23, 309, 401, 422 Sportanlage – Begriff 41 – Festsetzung durch Bebauungsplan 334, 335 Sportanlagenlärm – Begriff 31, 41, 56 – Gesamtgeräuschbewertung 50 f. – Lärmkartierung 118, 167 ff., 405 – Lärmschutz 41 ff., 334, 335, 402 – TA Lärm 34 – Umgebungslärm 104, 118 Sportanlagenlärmschutzverordnung (18. BImSchV) 41 ff., 44, 55 f. Standortwettbewerb 266 Straßenklassen 127 ff. Straßenrecht 48, 127 ff., 158, 297, 298, 322 ff., 354, 365 Straßenunterhaltung 320 ff. Straßenverkehrsrecht 48, 298, 322 ff., 365, 372 Strategische Umweltprüfung 84, 354 ff., 365

subjektive öffentliche Rechte – Bedeutung im deutschen Verwaltungsrecht 63, 403 – Gemeinden 236 f. – Gemeinschaftsrecht 391 ff., 418 f. – Fluglärm 390 f. – Lärmaktionsplanung 249, 270, 388 ff., 394 f. – Lärmkartierung 247, 249, 410 – Luftreinhaltung 391 ff. – Schutznormlehre 353 f., 389 ff., 391, 419, 420 – unmittelbare Richtlinienanwendung 152 – Verfahrensvorschriften 354 – zu einzelnen subjektiven öffentlichen Rechten siehe Anspruch TA Lärm 32 ff., 36, 39 f., 50 teleologische Extension 156 Umgebungslärm – Begriff 97 ff., 101 ff. – Bewertung und Grenzwerte 59, 66, 72 f., 94, 105, 166 f., 173, 174, 181 f., 182 ff., 185 ff., 188 ff., 261 f., 264, 267 ff., 403 Umgebungslärmrichtlinie – Entstehung 70 ff., 71 ff., 75 ff. – Umsetzung in Deutschland 65 f., 78 ff., 261 f., 401, 403 – Umsetzungsdefizite 144 ff., 177, 261 ff., 347 ff., 411, 414 – Verweisung auf Anhänge 87, 121 f., 147, 276 – Zielsetzung 58 f., 145 f. Umweltbundesamt 194, 196, 220, 268, 273, 395, 401, 407, 411, 421 umweltrechtliche Fachplanung 279 Umweltverträglichkeitsprüfung 63, 354 f., 297 unmittelbare Richtlinienwirkung 151 ff. UVP-Richtlinie 60, 63, 129

Stichwortverzeichnis VBUF, VBUI, VBUS, VBUSch siehe Vorläufige Bewertungsmethode für den Umgebungslärm Verfahrensfehler 65, 282, 352, 353 verhaltensbezogener Lärm 30 f., 54 ff., 112, 117, 402, 404 Verhaltenssteuerung 326 f. Verkehrslärm – Begriff 31 – Bewertung und Grenzwerte 47, 74, 189, 191, 194 – Gesamtgeräuschbewertung 50 – immissionsschutzrechtliches Stufenmodell 46 f. – Lärmaktionsplanung 320, 323, 328, 330, 331, 332 ff. – Lärmkartierung 161, 169, 172, 190, 197 – Lärmschutz 44 ff., 89, 117 – ruhiges Gebiet 170 f. – Umgebungslärm 98 Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) 47, 51, 81, 95, 189, 264, 323, 328, 330, 407 Verkehrsvermeidung und -lenkung 322 ff. Vermittlungsverfahren 91 f. Verordnung über die Lärmkartierung (34. BImSchV) – Entstehung 92 ff., 403 – Verfassungswidrigkeit 184 Verordnungsermächtigung 80 f., 87, 184, 203 f., 261, 411 Verursacherprinzip 60, 190, 210, 212, 272, 320

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Verwaltungsaufwand 67 ff., 88, 273, 401, 403, 422 Verwaltungskultur 61 ff., 64 Vollzugsdefizite 54, 60, 245, 248, 270 f., 378, 381, 388, 402, 418 Vollzugsfristen – Lärmaktionsplanung 254, 258 f., 411 – Lärmkartierung 125, 131, 219 – Wirkung 54, 59, 60, 73, 120, 395 Vorläufige Bewertungsmethode für den Umgebungslärm – an Flugplätzen (VBUF) 185, 186 f., 406 – an Schienenwegen (VBUSch) 185 f., 191, 406 – an Straßen (VBUS) 185, 326, 406 – durch Industrie und Gewerbe (VBUI) 185, 187 f., 406 – Richtlinie 183 f. – Verfassungswidrigkeit 184 f. Vorsorgepflicht des Anlagenbetreibers 32 f., 34 Wirkungsforschung siehe Lärmwirkungsforschung Wirtschafts- und Sozialausschuss (EU) 71 f., 74, 75 Zuständigkeit – Lärmaktionsplanung 254, 256, 356 ff., 368 ff., 415 ff. – Lärmkartierung 203, 224 ff., 231 ff., 233 f., 234 ff., 245, 408