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German Pages 236 Year 2012
Beiträge zum Informationsrecht Band 31
Der gestufte Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen vor Parlament, Presse und jedermann Von Clemens Helbach
Duncker & Humblot · Berlin
CLEMENS HELBACH
Der gestufte Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen vor Parlament, Presse und jedermann
Beiträge zum Informationsrecht Herausgegeben von Prof. Dr. Hansjürgen Garstka, Prof. Dr. Michael Kloepfer, Prof. Dr. Friedrich Schoch
Band 31
Der gestufte Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen vor Parlament, Presse und jedermann
Von Clemens Helbach
Duncker & Humblot · Berlin
Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn hat diese Arbeit im Jahre 2011 als Dissertation angenommen.
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© 2012 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
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Meinen Eltern
Vorwort Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind für den Erfolg eines Unternehmens von zunehmender Bedeutung. Gleichzeitig wächst die Gefahr ihrer Offenlegung, einerseits durch den technischen Fortschritt, andererseits durch vom Gesetzgeber neu geschaffene Informationsmöglichkeiten des Einzelnen. Vor diesem Hintergrund ist es angezeigt, den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen in der heutigen „Informationsgesellschaft“ zu analysieren und zu strukturieren, um den Umgang mit sensiblen Daten zu erleichtern und Rechtssicherheit herzustellen. Diese Arbeit soll hierzu einen Beitrag leisten. Sie wurde im September 2011 von der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bonn als Dissertation angenommen. Literatur und Rechtsprechung sind bis zu diesem Zeitpunkt berücksichtigt. Ich danke meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Christian Waldhoff, für die Betreuung der Arbeit, die sich nicht in der Annahme eines Doktoranden und der Erstattung des Erstgutachtens erschöpfte, sondern viele motivierende Gespräche und Anregungen mit sich brachte. Herrn Prof. Dr. Matthias Leistner, LL.M. danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Bei der Fertigstellung des Manuskripts haben mich Frau Jeannine Flür, Herr Peter Dieterich, LL.M. sowie Herr Max Müller, LL.M. durch aufmerksames Korrekturlesen unterstützt, wofür ich ebenfalls sehr dankbar bin. Schließlich danke ich ausdrücklich der FAZIT-STIFTUNG Gemeinnützige Verlagsgesellschaft mbH für die großzügige finanzielle Unterstützung sowohl des Entstehens als auch des Veröffentlichens dieser Arbeit. Bonn, im Januar 2012
Clemens Helbach
Inhaltsverzeichnis A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17
I.
Entwicklungen in der „Informationsgesellschaft“ . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17
II.
Gegenstand der Arbeit und Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
19
III. Bisherige Behandlung in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21
IV.
Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23
B. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse und die verschiedenen Informationsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
24
I.
Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
24
1. Historische Entwicklung des Geheimnisschutzes . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zum Begriff des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses . . . . . . . . . . 3. Die Bedeutung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen . . . . . . . . a) Perspektive der Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Perspektive der Allgemeinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Tatsache mit Unternehmensbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fehlende Offenkundigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Allgemeine Bekanntheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Leichte Zugänglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Geheimhaltungswille . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Berechtigtes Geheimhaltungsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Abgrenzung zu den immateriellen Schutzrechten . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zivilrechtlicher Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Verfassungsrechtliche Gewährleistung des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Art. 12 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Art. 14 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Art. 2 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Recht auf informationelle Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . bb) Schutz der Unternehmenssphäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
24 26 28 28 29 30 32 33 33 34 35 36 39 40 41 41 42 43 43 44
10
Inhaltsverzeichnis
II.
cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Binnendifferenzierung als Abwägungsmaßstab? . . . . . . . . . . . . . . .
44 45 45
Das parlamentarische Fragerecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
46
1. Begriff und Bedeutung des parlamentarischen Fragerechts . . . . . . . 2. Verfahrensrechtliche Ausgestaltung in der parlamentarischen Praxis a) Große Anfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kleine Anfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einzelfrage und Fragestunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Aktuelle Stunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsgrundlage und verfassungsrechtliche Herleitung des parlamentarischen Fragerechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verfassungsrechtliche Herleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Konkretisierung des Zitierrechts aus Art. 43 Abs. 1 GG . . bb) Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG („Statusthese“) . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Annexkompetenz bzw. „Implied-powers“-Lehre . . . . . . . . dd) Keine verfassungsrechtliche Grundlage für einen allgemeinen Informationsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Originärer Informationsanspruch oder Teilhaberecht? . . . . . . . . c) Antwortpflicht der Regierung als Korrelat . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Justitiabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Funktionswandel von Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . 4. Reichweite und Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anspruchsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Allgemeiner Verantwortungsbereich der Regierung . . . . . bb) Verpflichtung zu gegenseitiger Rücksichtnahme . . . . . . . . (1) Gefährdung der Funktions- und Arbeitsfähigkeit der Regierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung . . . . . . . cc) Berechtigte Geheimhaltungsinteressen, insbesondere Grundrechte Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Herstellung praktischer Konkordanz über die Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages (Anlage 3 GOBT) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Fehlender Mandatsbezug der Frage . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Einbettung in das System parlamentarischer Kontrollrechte . . . . . . 6. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
46 49 49 50 50 51 52 53 53 54 55 56 56 58 62 63 64 65 65 66 66 68 68 68 70 70
71 73 74 76
Inhaltsverzeichnis III. Der presserechtliche Auskunftsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
IV.
11 76
1. Entstehungsgeschichte und Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Funktion des presserechtlichen Auskunftsanspruchs . . . . . . . . . . . . 3. Voraussetzungen und Gegenstand des Auskunftsanspruchs . . . . . . . a) Anspruchsberechtigte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anspruchsverpflichtete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anforderungen an die Antragstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Gegenstand des Auskunftsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Schranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) § 4 Abs. 2 Nr. 1 LPG: Gefährdung der sachgemäßen Durchführung eines schwebenden Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) § 4 Abs. 2 Nr. 2 LPG: Entgegenstehen von Vorschriften über die Geheimhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Potentielle Geheimhaltungsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . bb) Interessenabwägung im Rahmen des § 4 Abs. 2 Nr. 2 LPG cc) Sonstige Vorschriften (Beamtenrechtliche Verschwiegenheitspflichten, Verwaltungsvorschriften, Vorschriften der Gemeindeordnungen über den Ausschluss der Sitzungsöffentlichkeit) c) § 4 Abs. 2 Nr. 3 LPG: Überwiegendes öffentliches oder schutzwürdiges privates Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) § 4 Abs. 2 Nr. 4 LPG: Überschreitung des Umfangs der Auskunft über das zumutbare Maß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die Durchsetzung des Informationsanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Verfassungsrechtliche Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grammatikalische und historische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . b) Konzeption der Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Telos und „institutionelle Seite“ der Pressefreiheit . . . . . . . . . . aa) Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtsinstitut einer freien Presse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Systematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Demokratie- und rechtsstaatliche Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . 7. Ergebnis und Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
100 100 101 103 104 106 106 107 111 111 112
Der Informationszugangsanspruch nach dem IFG . . . . . . . . . . . . . . . . .
113
1. 2. 3. 4.
113 114 116 118 119 120 121
Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vom Aktengeheimnis zur Verwaltungstransparenz . . . . . . . . . . . . . Zielrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Recht auf Informationszugang und Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anspruchsberechtigte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anspruchsverpflichtete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Antragstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
76 78 80 81 82 85 86 88 90 91 91 92
96 97
12
Inhaltsverzeichnis d) Bewilligung, Zuständigkeit und Frist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Anspruchsgegenstand und Art des Zugangs . . . . . . . . . . . . . . . . f) Beteiligung Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Verhältnis zu anderen Auskunftsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Gerichtliche Durchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verwaltungsprozessuales Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) In-camera-Verfahren? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Verfassungsrechtlicher Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Entstehungsgeschichte, Wortlaut und Funktion: Das „dogmatischtraditionelle“ Verständnis des Grundrechts der Informationsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Behördenakten als „allgemein zugängliche Quellen“ im Rahmen von Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG: Bestimmungsrecht des Staates? aa) BVerfG-Beschluss „Leipziger Volkszeitung“ . . . . . . . . . . . bb) „n-tv-Entscheidung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zirkuläre Argumentation? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Neuinterpretation des Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG? . . . . . . . . . . aa) Die Staatsstrukturprinzipien des Art. 20 GG als Grundlage eines allgemeinen Informationszugangsanspruchs . . . . . . . bb) Die Staatsstrukturprinzipien des Art. 20 GG als Stütze eines allgemeinen Informationszugangsanspruchs . . . . . . . . . . . cc) Bedürfnis eines allgemeinen, verfassungsunmittelbaren Informationszugangsanspruchs? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Art. 38 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Objektivrechtliche Dimension und ihre Wirkung . . . . . . . . . . . . f) Ergebnis und Umfang der Grundrechtsaktivierung . . . . . . . . . . 7. Grenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ausnahmen zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Schutz vertraulich erhobener oder ermittelter Informationen (§ 3 Nr. 7 IFG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Schutz der Kontroll- oder Aufsichtsaufgaben der Finanz-, Wettbewerbs- und Regulierungsbehörden (§ 3 Nr. 1 lit. d IFG) cc) Pflicht zur Geheimhaltung, Geheimnisschutz (§ 3 Nr. 4 IFG) dd) § 6 S. 2 IFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Prüfung durch die Behörde; Abwägungsbefugnis? . . (2) Sonderfall: Rechtswidriges Verhalten und berechtigtes Geheimhaltungsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
122 123 125 126 126 128 128 129 131
133 134 135 136 137 138 138 139 140 144 145 145 146 146 148 148 149 149 150 150 152 152 154
Inhaltsverzeichnis (3) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Praktische Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13 156 158 159
C. Analyse der Intensität des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen in Abhängigkeit zum Informationsanspruch und Entwurf eines Schutzstufenmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 I.
II.
Vergleich der Informationsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
160
1. Zielrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtliche Grundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bestandsaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vorrang der Verfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
160 162 163 163 166
Ausgleich zwischen den Informationsansprüchen und Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen: Eine Rechtsprechungsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . 167 1. Parlamentarisches Fragerecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorgegebener Modus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsprechungsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) VerfGH NW, NVwZ-RR 2009, 41 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) BayVerfGH, NVwZ 2007, 204 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) BVerfGE 67, 100 – „Flick-Untersuchungsausschuss“ . . . . dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Presserechtlicher Auskunftsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorgegebener Modus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsprechungsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Entscheidung zugunsten des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen: VGH München, NVwZ-RR 2007, 767 bb) Entscheidungen zugunsten der Presse . . . . . . . . . . . . . . . . (1) VG Arnsberg, Urt. v. 30. 01. 2009 – 12 K 136/08 . . . (2) VG Hamburg, AfP 2009, 296 und Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, Urt. v. 04.10.2010 – 4 Bf 179/09.Z (3) VG Düsseldorf, Urt. v. 14. 12. 2001 – 1 K 6481/99 und OVG Münster, NJW 2005, 618 (Berufungsinstanz) . . (4) VG Düsseldorf, Urt. v. 15. 10. 2008 – 1 K 3286/08 . . (5) VG Berlin, AfP 1994, 175 und OVG Berlin, ZUM 1996, 250 (Berufungsinstanz) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (6) VG Frankfurt (Oder), Beschl. v. 23. 9. 2009 – 3 L 208/ 09 und OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 19. 10. 2009 – 10 S 58.09 (Beschwerdeinstanz) . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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176 176
14
Inhaltsverzeichnis 3. Informationszugangsanspruch nach dem IFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorgegebener Modus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsprechungsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Entscheidungen zugunsten von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) VG Braunschweig, ZUM 2008, 254 . . . . . . . . . . . . . . (2) VG Frankfurt a. M., NVwZ 2008, 1384 . . . . . . . . . . . (3) OVG Schleswig, NordÖR 2005, 528 . . . . . . . . . . . . . (4) VG Frankfurt a. M., Urt. v. 28. 1. 2009 – 7 K 4037/07.F (5) VG Frankfurt a. M., Urt. v. 18. 2. 2009 – 7 K 4170/07.F (6) OVG Schleswig, NVwZ 2007, 1448 . . . . . . . . . . . . . . (7) VG Saarlouis, Urt. v. 18. 10. 2002 – 1 K 96/01 . . . . . (8) VG Berlin, Urt. v. 12. 10. 2009 – 2 A 20.08 . . . . . . . . bb) Entscheidungen zugunsten der Informationszugangsfreiheit (1) VG Düsseldorf, Urt. v. 9. 7. 2004 – 26 K 4163/03 . . . (2) VG Hamburg, Urt. v. 22. 5. 2008 – 13 K 1173/07 und BVerwG, NuR 2009, 555 (Revisionsinstanz) . . . . . . . (3) VG Köln, Urt. v. 23. 10. 2008 – 13 K 5055/06 und OVG Münster, DVBl. 2011, 698 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) BVerwG, NVwZ 2009, 1114 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) VG Berlin, Urt. v. 26. 6. 2009 – 2 A 62.08 . . . . . . . . . (6) VG Köln, NuR 2005, 665 und OVG Münster, NVwZ-RR 2006, 248 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (7) OVG Münster, NWVBl. 2006, 292 (293 f.) . . . . . . . . . (8) OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 02. 10. 2007 – 12 B 12.07 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (9) VG Berlin, Urt. v. 24. 08. 2004 – 23 A 1.04 . . . . . . . . (10) VG Berlin, Urt. v. 11. 11. 2010 – 2 K 35/10 . . . . . . . . cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vergleichende Analyse und Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Kategorisierung nach Geheimnisinhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
177 177 177 177 177 177 178 179 179 180 180 181 182 182 182 183 183 184 184 185 186 186 187 187 188 189
1. Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 2. Mögliche Differenzierungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 a) Begriffskomponenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 b) Leistung und Immaterialgutcharakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 c) Unternehmensbezug und Gegenständlichkeit der Information . . 193 d) Interne Nutzung der Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 e) Sozialbezug der Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 f) Alter und Detaillierungsgrad der Information . . . . . . . . . . . . . . 196 g) Spezialgesetzliche Wertungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197
Inhaltsverzeichnis
3. 4. 5. 6. IV.
h) Eigene Schutzvorkehrungen des Geheimnisherrn . . . . . . . . . . . i) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abgrenzung zwischen Binnendifferenzierung und der Bestimmung, ob ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis vorliegt . . . . . . . . . . . . . . Ergebnis: Abstufung nach Bedeutung des Geheimnisses als Abwägungshilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenhang zwischen Kategorisierung und Informationsanspruch? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Entwurf eines Schutzstufenmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Konstellationen möglicher Kollisionen von Informationsansprüchen und Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Informationsanspruch trifft auf „illegales Geheimnis“ . . . . . . . . b) Allgemeiner Informationszugangsanspruch trifft auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnis aus dem Unternehmenssozialbereich bzw. Unternehmenskernbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Presserechtlicher Auskunftsanspruch trifft auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnis aus dem Unternehmenssozialbereich . . . . . . . d) Presserechtlicher Auskunftsanspruch trifft auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnis aus dem Unternehmenskernbereich . . . . . . . . e) Informationsanspruch des Abgeordneten trifft auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnis aus dem Unternehmenssozialbereich bzw. Unternehmenskernbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Öffentlichkeitsprinzip des demokratischen Parlamentarismus und Geheimschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schutzstufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schutzstufe 0 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schutzstufe 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Schutzstufe 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Schema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15 198 199 200 201 202 203 203 204 204
205 206 209
210 212 214 214 215 215 215 216 216
D. Zusammenfassung der Ergebnisse und Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . .
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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
233
A. Einleitung I. Entwicklungen in der „Informationsgesellschaft“ Wikileaks, Whistleblowing oder Wirtschaftsspionage – so unterschiedlich die Interessen und Motive der dahinterstehenden Personen sein mögen, alle drei Begriffe stehen für das Aufdecken von Geheimnissen. Eine exakte und verbindliche Umschreibung dessen, was das Wort „Geheimnis“ bedeutet, ist allenfalls intra-, nicht aber interdisziplinär vornehmbar. 1 Dessen ungeachtet ist Kennzeichen aller Geheimnisse grundsätzlich ein Interessengegensatz: Der Inhaber ist um ihre Wahrung, der Informationssuchende um ihre Aufdeckung bemüht. Der Umgang mit Geheimnissen führt daher naturgemäß zu Kontroversen und Konflikten. Die Einen erinnert Wikileaks-Gründer Julian Assange an „Robin Hood, der von den Mächtigen nahm, um es den Unterdrückten zu geben“ 2, die Anderen setzen alles daran, den gesteigerten und für sie regelmäßig nachteiligen Informationsfluss mit allen Mitteln zu unterbinden – und werden ihrerseits Opfer von Boykottaufrufen. 3 Ein gesteigerter Informationsfluss geht auch von sog. Whistleblowern aus. 4 Sie genießen beispielsweise in den USA starken Schutz („Whistleblower Protection Act“) und werden im Falle eines angezeigten Betrugs zu Lasten der Regierung an der erzielten Schadensersatzsumme beteiligt. In Deutschland sind Beamte von ihrer Verschwiegenheitspflicht befreit, wenn sie einen durch Tatsachen begründeten Korruptionsverdacht anzeigen wollen, § 37 Abs. 2 Nr. 3 BeamtStG. Auch wenn der zur Regelung des Anzeigerechts des Arbeitnehmers geplante § 612a BGB n. F. (noch) nicht erlassen wurde, ist Whistleblowing bereits jetzt nicht mehr automatisch 1 s. etwa den kommunikationswissenschaftlichen Ansatz bei Westerbarkey, Das Geheimnis, 1991, S. 22 ff. oder den psychologischen Ansatz bei Spitznagel, in: ders. (Hrsg.), Geheimnis und Geheimhaltung, 1998, S. 26 ff.; das „Betriebs- und Geschäftsgeheimnis“ als Unterfall des Begriffs Geheimnis und rechtlicher Terminus ist dagegen für eine handhabbare Definition hinreichend spezifiziert, s. hierzu B. I. 2. 2 Vgl. den „Zeit“-Artikel „Maulwürfe im Unternehmen“ von Jochen Mai, Daniel Rettig und Manfred Engeser: http://www.zeit.de/karriere/beruf/2010-12/betriebsgeheimnis -risiko-mitarbeiter?page=2, Stand: 08. 03. 2011. 3 Erinnert sei an die Unternehmen Paypal, Amazon und Mastercard, die zuvor die Zusammenarbeit mit Wikileaks eingestellt hatten. 4 Unter Whistleblowing versteht man das Aufdecken von Missständen in Unternehmen durch Beschäftigte.
18
A. Einleitung
als Verstoß gegen die „Treuepflicht“ des Arbeitnehmers und damit als Kündigungsgrund anzusehen. 5 Ein für die Unternehmen größeres, da auch redliche Geheimnisinhaber betreffendes Problem ist die Wirtschaftsspionage. Hierunter ist die von einem fremden Nachrichtendienst gesteuerte Aushorchung sowohl der Wirtschaft als auch der Wissenschaft zu verstehen. 6 Es ist offensichtlich, dass mit dem technologischen Fortschritt eine Steigerung der Gefährdung von Unternehmensdaten einhergeht. Die Wirtschaftsspionage verursacht – wie die Betriebsspionage – Schäden in Milliardenhöhe 7 und stellt die Unternehmen vor die große Herausforderung der Geheimhaltung sensibler Informationen. In den drei Beispielfällen wird der Interessenkonflikt beim Geheimhalten von Informationen deutlich. Dabei können die Beweggründe sowohl auf Seiten des Geheimnisinhabers als auch auf Seiten des -aufdeckers rechtlich oder moralisch zu missbilligen sein. Für die Feststellung, dass es sich bei „Geheimnis“ und „Öffentlichkeit“ um „antagonistische und zugleich komplementäre Begriffe handelt“ und Geheimnisse tendenziell Öffentlichkeit oder jedenfalls Neugier provozieren 8, spielt dies freilich keine Rolle. Die beispielhaft skizzierten Sachverhalte zogen und ziehen nicht nur unabhängig von den im Einzelfall veröffentlichten Informationen das Interesse der Öffentlichkeit auf sich, wie das große Medienecho zum Fall Assange zeigt. Sie zeugen auch von einer allgemein zunehmenden Tendenz zur Publizierung originär geheimer bzw. nichtöffentlicher Informationen. Diese Tendenz spiegelt sich seit wenigen Jahren auch im Umgang mit Behördeninformationen wider. Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes (IFG) vom 5. September 2005, das am 1. Januar 2006 in Kraft trat (BGBl. I S. 2722), ist einer von mehreren Belegen für eine Entwicklung in Deutschland, die sich vom lange Zeit währenden Grundsatz der beschränkten Aktenöffentlichkeit hin zu mehr Transparenz staatlichen Handelns bewegt. Dieser Prozess wurde mit dem Umweltinformationsgesetz des Bundes aus dem Jahr 1994 (BGBl. I S. 1490) eingeläutet und von vier allgemeinen Informationsfreiheitsgesetzen der Bundesländer Brandenburg, Berlin, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen fortgesetzt. Das IFG eröffnet – wie diese Gesetze – jedermann die Möglichkeit, Einsicht in amtliche Akten (oder andere Datenträger) zu nehmen bzw. Auskünfte über diese einzuholen. Dabei besteht die Besonderheit, dass der Zugang zu den Informationen nicht davon abhängt, dass der Bürger ein tatsächliches oder rechtliches Interesse darlegt, was bislang den Grundsatz der beschränkten Aktenöffentlichkeit 5
Vgl. BAG, NJW 2007, 2204. Többens, NStZ 2000, 505 mit terminologischer Abgrenzung zur Betriebsspionage bzw. Konkurrenzausspähung, die Ausforschungsbemühungen von Unternehmen untereinander betrifft. 7 Dazu näher unter B. I. 3. a). 8 Westerbarkey, Das Geheimnis, 1991, S. 16, 71. 6
II. Gegenstand der Arbeit und Fragestellung
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kennzeichnete. Im Gegenteil: Im Falle der Versagung des Informationszugangs muss die Behörde einen der im IFG verankerten Ausschlussgründe vorbringen. Dieser Informationszugangsanspruch reiht sich in das herkömmliche System der allgemeinen öffentlich-rechtlichen Informationsansprüche ein. Mit Blick auf den Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit seien hier insbesondere diejenigen des Parlaments (bzw. des Abgeordneten) und der Presse genannt. 9 Parallel zu dieser Entwicklung zeigt sich die zunehmende Bedeutung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen für den Erfolg von Unternehmen. Nur durch Geheimhaltung bestimmter Prozesse oder des „know-how“ ist ein Unternehmen in der Lage, sich von der Konkurrenz abzusetzen und Wettbewerbsvorteile zu erarbeiten. Nicht ohne Grund gibt es inzwischen einen Markt für Informationen 10; Wissen ist Macht (Francis Bacon) – und kann heutzutage geldwert sein. Es liegt auf der Hand, dass auch ein Informationsanspruch gegenüber Behörden, gleich wer ihn stellt, Konfliktpotenzial im Hinblick auf geheime Unternehmensdaten mit sich bringen kann: Gibt die Behörde dem Begehren des Petenten statt, so kann dies einerseits einen wirtschaftlichen Schaden für das Unternehmen verursachen, andererseits aber auch die Behörde zum Ersatz dieses Schadens gegenüber dem Betroffenen verpflichten. Unternehmen und ihre Daten stehen oft im Interesse der Öffentlichkeit, auch wenn es meist nur darum geht, das Handeln des Staates zu hinterfragen und zu überprüfen. Dennoch ist es wegen des grundsätzlich voraussetzungslosen Zugangs denkbar, dass es dem Bürger nur auf die Kenntnis der Unternehmensdaten ankommt und nicht auf die Kontrolle eines Verwaltungsvorgangs oder dass Pressevertreter (wirtschafts-)sensible Daten in der Hoffnung auf hohe Auflagen veröffentlichen wollen; Missbrauchsabsichten werden hierdurch begünstigt. Hinzu kommt, dass Anfragen von Abgeordneten bei der Bundesregierung und deren Antworten regelmäßig in den Bundestagsdrucksachen veröffentlicht und so der Allgemeinheit preisgegeben werden.
II. Gegenstand der Arbeit und Fragestellung All diesen Konstellationen ist gemein, dass sie ein dreipoliges Verhältnis betreffen. Auf der einen Seite steht der originäre Informationsinhaber, dessen Daten, etwa im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens oder einer Auftragsvergabe, bei einer Behörde hinterlegt wurden. Diese nimmt eine Zwischenposition ein, denn auf der anderen Seite steht der Informationssuchende. Die Behörde 9 Abgesehen vom presserechtlichen Auskunftsanspruch, der allein in größtenteils übereinstimmenden Landespressegesetzen geregelt ist (hierzu B. III.), soll vorrangig die Ebene des Bundes beleuchtet werden. Auf landesrechtliche Regelungen (insbesondere zu den Landes-IFG) wird im Einzelfall eingegangen. 10 Masing, VVDStRL 63, 377 (404).
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A. Einleitung
hat somit einerseits Geheimhaltungsinteressen, andererseits Publizitätsinteressen gerecht zu werden, befindet sich also inmitten des eingangs erwähnten Interessenkonflikts. Vor dem Hintergrund des oben angedeuteten Systems allgemeiner Informationsansprüche stellt sich daher die Frage, ob es sich auf den Grad des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen auswirkt, dass die Ansprüche von verschiedenen Personengruppen gestellt werden und sich auf unterschiedliche Rechtsgrundlagen stützen. Dies lässt sich in folgendem Schema veranschaulichen: Parlamentarisches Kontroll- und Fragerecht
Presserechtlicher Auskunftsanspruch
Allgemeiner Informationszugangsanspruch
Schutzniveau?
Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse
Ziel der Arbeit ist es, die einzelnen Informationsansprüche zu untersuchen, einander vergleichend gegenüberzustellen und vor allem Schlussfolgerungen hinsichtlich des Niveaus des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen zu ziehen. Aus dem Zusammenhang von Schutzniveau und Anspruchsart lässt sich ein Schutzstufenmodell für Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse erstellen, das von einer Stufe, auf der kein Schutz gewährt wird, bis zu einem weitgehend absoluten Schutz reichen wird. Dieses Stufenmodell kann niemals die Abwägung der konfligierenden Rechtsinteressen im Einzelfall ersetzen; es dient vielmehr – ähnlich wie andere der Rechtsdogmatik bekannte Stufenlehren 11 – der Vorstrukturierung und Vorjustierung des Abwägungsprozesses im Einzelfall.
11
Dazu C. IV. 4.
III. Bisherige Behandlung in der Literatur
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III. Bisherige Behandlung in der Literatur Die Literatur zu den unterschiedlichen Informationsansprüchen ist kaum noch zu überschauen. Speziell im Zusammenhang mit der Verabschiedung des IFG ist es zu zahlreichen Publikationen gekommen. Gesondert hinzuweisen ist hier etwa auf die Habilitationsschrift von Matthias Rossi, der sich mit den Wechselwirkungen zwischen den Informationsfreiheitsgesetzen und der Verfassungsordnung auseinandergesetzt und hierbei auch Reichweite und Grenzen von Informationsansprüchen näher beleuchtet hat. 12 Weitere Monographien, die sich einem allgemeinen Informationszugangsanspruch widmen, haben dazu beigetragen, dass man heute von einer eigenen Rechtsmaterie „Informationsrecht“ sprechen kann. 13 Auch im Hinblick auf den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen existieren Publikationen, die aber überwiegend dem Straf- bzw. Wettbewerbsrecht entstammen. 14 Die Konfrontation dieses Schutzguts mit (öffentlichrechtlichen) Informationsansprüchen wird hier jedoch kaum thematisiert. Einige Autoren setzen sich auch mit der Reichweite von Informationsansprüchen (insbesondere demjenigen des IFG) im Hinblick auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse auseinander. 15 Auch hier lässt sich jedoch konstatieren, dass eine vergleichende Gegenüberstellung verschiedener Informationsrechte und deren Auswirkungen auf den Schutz von Daten Dritter selten oder nur oberflächlich erfolgt. Dies ist angesichts der großen Anzahl der (insbesondere bereichsspezifischen) Informationsansprüche, verbunden mit einer notwendigen thematischen Eingrenzung, nicht verwunderlich. Das Phänomen des Schutzes von Betriebsund Geschäftsgeheimnissen ist also bislang – soweit ersichtlich – aus der Perspektive von Informationsansprüchen allenfalls ansatzweise untersucht worden. 12
Rossi, Informationszugangsfreiheit und Verfassungsrecht, 2004. Z. B. Kloepfer, Informationsrecht, 2002; Sitsen, Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, 2009; Scherzberg, Die Öffentlichkeit der Verwaltung, 2000; Wegener, Der geheime Staat, 2006; Angelov, Grundlagen und Grenzen eines staatsbürgerlichen Informationszugangsanspruchs, 2000; Gurlit, Die Verwaltungsöffentlichkeit im Umweltrecht, 1989; Lodde, Informationsrechte des Bürgers gegen den Staat, 1996. 14 Aldoney Ramírez, Der strafrechtliche Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, 2009; Maass, Information und Geheimnis im Zivilrecht, 1970; Pfister, Das technische Geheimnis – „know how“ als Vermögensrecht, 1974; Kochmann, Schutz des „Know-how“ gegen ausspähende Produktanalysen („Reverse Engineering“), 2009; Maier, Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen im schwedischen, englischen und deutschen Recht, 1998; Schneider, Schutz des Unternehmensgeheimnisses vor unbefugter Verwertung, 1989. 15 Kiethe / Groeschke, WRP 2006, 303; Sieberg / Ploeckl, DB 2005, 2062; Schoch, AfP 2010, 313; Hoeren, Thomas: Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen und das IFG, in: Dix, Alexander / Franßen, Gregor / Kloepfer, Michael / Schaar, Peter / Schoch, Friedrich (Hrsg.), Informationsfreiheit und Informationsrecht: Jahrbuch 2008, S. 105 – 122; Ekardt / Exner / Beckmann, VR 2007, 404; Taeger, Die Offenbarung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, 1988. 13
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A. Einleitung
Dagegen gibt es verschiedene Abhandlungen, die auf Seiten des Geheimnisschutzes Abstufungen im Schutzniveau problematisieren. 16 Insbesondere die Arbeit von Torben Frank befasst sich eingehend mit diesem Thema. Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen wird hier auf abstrakter Ebene untersucht. Obwohl Frank von erweiterten Informationszugangsmöglichkeiten und verstärkten Privatisierungs-, bzw. damit einhergehenden Regulierungstendenzen auf eine gesteigerte Schutzwürdigkeit von Unternehmensgeheimnissen schließt 17, liegt der Fokus nicht auf der konkreten Gegenüberstellung solcher „Gefahrenquellen“ (seien es tripolare Konstellationen wie Informationsansprüche gegenüber Behörden oder staatliches (Informations-)Handeln, seien es bipolare Konstellationen wie etwa Industriespionage) mit Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen und den sich hieraus ergebenden Konsequenzen. Vielmehr werden die Gründe für die gesteigerte Gefahrensituation dargestellt und als Anlass für die Entwicklung eines neuen Schutzkonzepts für Unternehmensgeheimnisse genommen. 18 Die vorliegende Arbeit hat einen anderen Ansatz: Ausgehend von drei konkreten und – wie noch zu zeigen sein wird – strukturell unterschiedlichen Informationsansprüchen gegenüber staatlichen Stellen als Inhabern geheimer Daten Dritter soll – unter Gegenüberstellung mit dem Schutzgut „Betriebs- und Geschäftsgeheimnis“ – ein Schutzstufenmodell entwickelt werden. Die abstrakte Sichtweise auf dieses Schutzgut soll ebenfalls Berücksichtigung finden und dadurch zu einem „zweiseitig flexiblen“ Modell 19 beitragen. Das Rechtsgebiet des „Informationsrechts“ wächst. Gleichzeitig wird es angesichts der Fülle von Informationsansprüchen mit ihren zahlreichen Ausnahmebestimmungen zunehmend unübersichtlicher. Aus der für die Arbeit notwendigerweise vorzunehmenden Beschränkung auf drei (wesensverschiedene) Informationsansprüche folgt indessen nicht, dass sich Aussagen und Ergebnisse nicht auch auf andere als die in dieser Abhandlung beleuchteten Konstellationen übertragen ließen. Denn viele andere Informationsansprüche nähern sich in ihrer Struktur, ihren Voraussetzungen und Ausnahmen den hier besprochenen an. 20 Auch für die informationsrechtliche Rechtsprechungs- und -anwendungspraxis sollen Maßstäbe entwickelt werden, die zu einer erhöhten Sicherheit und Vorhersehbarkeit im Umgang mit sensiblen Daten Dritter, insbesondere Betriebs16 Vgl. etwa Frank, Der Schutz von Unternehmensgeheimnissen im Öffentlichen Recht, 2009, S. 54 ff., 197 ff.; Schneider, Schutz des Unternehmensgeheimnisses vor unbefugter Verwertung, 1989, S. 30 ff., 91 ff.; Aldoney Ramírez, Der strafrechtliche Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, 2009, S. 74 ff.; Druey, Information als Gegenstand des Rechts, 1995, S. 366 ff. 17 Frank, Der Schutz von Unternehmensgeheimnissen im Öffentlichen Recht, 2009, S. 73 ff., 110 ff. 18 Frank, Der Schutz von Unternehmensgeheimnissen im Öffentlichen Recht, 2009, S. 163. 19 s. C. IV. 20 Vgl. etwa die IFG der Länder oder das UIG, s. hierzu insbes. C. II.
IV. Gang der Darstellung
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und Geschäftsgeheimnissen, führen können. Die Arbeit soll demnach einen Beitrag zur Systematisierung und Praktikabilisierung des Informationsrechts beim Umgang mit der Ausnahmebestimmung „Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen“ leisten und dadurch die Entwicklung dieses Rechtsgebiets vorantreiben.
IV. Gang der Darstellung Angesichts ihrer Rolle als Ausgangspunkt für die Untersuchung der Reichweite der verschiedenen Informationsansprüche sind Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse am Anfang der Arbeit zu thematisieren (B. I.). Dabei wird u. a. auf die Begrifflichkeit und die verfassungsrechtliche Verankerung eingegangen. In den anschließenden Kapiteln erfolgt eine Skizzierung der allgemeinen Informationsansprüche des Abgeordneten (B. II.), des Pressevertreters (B. III.) und des Bürgers (B. IV.), ihrer Herleitung und Bedeutung, ihrer rechtlichen Verortung und der Frage nach ihrer verfassungsrechtlichen Unterfütterung. Sodann soll im zweiten Teil der Arbeit eine Gegenüberstellung in Bezug auf die Berücksichtigung der Rechte Dritter – hier am Beispiel von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen – Rückschlüsse auf unterschiedliche Schutzstufen liefern. Eröffnet wird der zweite Teil durch einen kurzen Vergleich der drei bis dahin isoliert dargestellten Informationsansprüche (C. I.). Ein wesentlicher Aspekt bei der Erarbeitung eines Schutzstufenmodells ist die Behandlung der Thematik durch die Rechtsprechung. Diese soll eingehend analysiert und den im ersten Teil gefundenen Ergebnissen gegenübergestellt werden (C. II.). Im Anschluss erfolgt eine Binnendifferenzierung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen: Eine Kategorisierung nach Geheimnisart wird anhand verschiedener Differenzierungskriterien unternommen (C. III.). Diese erlaubt die Beleuchtung verschiedener Schutzstufen „von der anderen Seite“: nicht von der Durchschlagskraft der einzelnen Informationsansprüche her betrachtet, sondern aus der Perspektive der Schutzwürdigkeit bestimmter Geheimnisse im Vergleich zu anderen. Abschließend soll auf Basis dieser Erkenntnisse ein (entsprechend zweiseitiges) Schutzstufenmodell entwickelt werden (C. IV.), welches in eine Schlussbetrachtung (C. V.) mündet.
B. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse und die verschiedenen Informationsansprüche I. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse 1. Historische Entwicklung des Geheimnisschutzes Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen wurde und wird in erster Linie durch strafrechtliche Vorschriften 1 geprägt, insbesondere durch die §§ 17 ff. des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (UWG). Dieses trat am 1. Juli 1896 in Kraft, wobei der strafrechtliche Schutz zunächst in den §§ 9 und 10 geregelt war. 2 Im Jahr 1909 erfolgte die Übernahme in die bis heute dem Geheimnisschutz dienenden §§ 17 ff. UWG unter kleinen Änderungen. 3 Am 9. März 1932 weitete Reichspräsident Paul von Hindenburg den wettbewerbsrechtlichen Geheimnisschutz der §§ 17 ff. UWG in Anbetracht der sich durch die Weltwirtschaftskrise verschärfenden Bedingungen mittels Notverordnung aus. 4 1 Bzw. durch die Rechtsprechung hierzu, Maier, Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen im schwedischen, englischen und deutschen Recht, 1998, S. 271 f., 285; zur Reichweite der Ausstrahlungswirkung der UWG-Vorschriften zum Geheimnisschutz auf andere Gesetze, insbesondere das IFG, s. I. 4. und B. IV. 7. b) dd). 2 Vgl. Köhler, in: ders. / Bornkamm (Hrsg.), UWG, § 17, Rn. 1; sowohl das preußische Strafgesetzbuch von 1851 als auch das Reichsstrafgesetzbuch von 1871 enthielten noch keine Vorschriften zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, insbesondere infolge des technologischen Fortschritts wurden diese jedoch seit den 1880er Jahren zunehmend gefordert und auch vom 19. Deutschen Juristentag 1888 in seiner abschließenden Empfehlung angeraten, s. Taeger, Die Offenbarung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, 1988, S. 27; Kochmann, Schutz des „Know-how“ gegen ausspähende Produktanalysen („Reverse Engineering“), 2009, S. 90; Aldoney Ramírez, Der strafrechtliche Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, 2009, S. 92 f.; zum älteren § 139b GewO s. unter I. 2. 3 Maier, Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen im schwedischen, englischen und deutschen Recht, 1998, S. 285 f.; Kochmann, Schutz des „Know-how“ gegen ausspähende Produktanalysen („Reverse Engineering“), 2009, S. 92; Taeger, Die Offenbarung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, 1988, S. 29; Ohly, in: ders. / Sosnitza (Hrsg.), UWG, § 17, Rn. 3. 4 Taeger, Die Offenbarung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, 1988, S. 35 f.; Maier, Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen im schwedischen, englischen und deutschen Recht, 1998, S. 285 f.; Kochmann, Schutz des „Know-how“ gegen ausspähende Produktanalysen („Reverse Engineering“), 2009, S. 92 f.: U.a. wurden Auslandstaten für strafbar erklärt und der Strafrahmen angehoben.
I. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse
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Die heutigen Vorschriften beruhen schließlich maßgeblich auf Änderungen, die (erst) das Zweite Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität von 1986 mit sich brachte. Diese führten im Wesentlichen zu einer Anpassung an die technischen Entwicklungen des Wirtschaftslebens, insbesondere wurde bereits das Ausspähen von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen als solches – unabhängig von einer möglichen Verwertungshandlung – unter Strafe gestellt. 5 Das Phänomen des Geheimhaltens von Betriebsinterna, Erfindungen, Rezepten oder Herstellungsverfahren ist jedoch weitaus älter als die Genese seines strafrechtlichen Schutzes vermuten lassen mag. Es reicht tatsächlich bis in die Antike zurück, auch wenn das Bedürfnis für einen Geheimnisschutz erst mit zunehmender Verstädterung bzw. wachsender Bedeutung des Handwerksgewerbes entstand. 6 Als Beispiele aus vorchristlicher Zeit seien hier die Purpurfärbetechniken der Phönizier, die Seiden- oder Glasherstellung oder Rezepte für ein neues, exklusives Gericht genannt. 7 Aus der frühen Neuzeit wird überliefert, schon Galileo Galilei und Martin Luther hätten sich für ihre Ideen um Geheimhaltung bemüht bzw. für diese Schutz beansprucht. 8 Die Geheimhaltung bestimmter Informationen reicht demnach zeitlich weit zurück; von rechtlicher Ausformung konnte jedoch bei Weitem keine Rede sein. Im Mittelalter gab es zumindest Zunftregeln, die unter anderem auch die Weitergabe von Informationen untersagten. 9 Diese äußerten sich meist in Auswanderungs- oder Abwerbungsverboten, die verhindern sollten, dass Gesellen Fertigungstechniken ihres alten Meisters beim neuen Meister einbringen konnten. 10 Darüber hinaus ist – im Gegensatz zu einigen lokalen Verordnungen der einzelnen Preußischen Provinzen – § 148 Teil II Titel 20 des Allgemeinen Preußischen Landrechts von 1794 erwähnenswert, der zwar den Verrat von „Fabriken- und Handlungsgeheimnisse[n]“ unter Strafe stellte, dies jedoch aus staats- und nicht aus unternehmensschützenden Motiven. 11 Individualschützender Charakter kam hingegen nach Vorbild des 5 Kochmann, Schutz des „Know-how“ gegen ausspähende Produktanalysen („Reverse Engineering“), 2009, S. 93 f.; Aldoney Ramírez, Der strafrechtliche Schutz von Betriebsund Geschäftsgeheimnissen, 2009, S. 98 f. 6 Brammsen, in: Heermann / Hirsch (Hrsg.), Münchner Kommentar zum UWG, vor § 17, Rn. 1 f. 7 Zimmermann, GRUR 1967, 173 mit weiteren Beispielen; Hauck, Wirtschaftsgeheimnisse – Informationseigentum kraft richterlicher Rechtsbildung?, 1987, S. 13; Frank, Der Schutz von Unternehmensgeheimnissen im Öffentlichen Recht, 2009, S. 49; Brammsen, in: Heermann / Hirsch (Hrsg.), Münchner Kommentar zum UWG, vor § 17, Rn. 1: Die Tochter des chinesischen Kaisers soll das gut gehütete Geheimnis der Seidengewinnung einst nach Japan verraten haben. 8 Taeger, Die Offenbarung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, 1988, S. 26. 9 Vgl. Frank, Der Schutz von Unternehmensgeheimnissen im Öffentlichen Recht, 2009, S. 49; Brammsen, in: Heermann / Hirsch (Hrsg.), Münchner Kommentar zum UWG, vor § 17, Rn. 2. 10 Brammsen, in: Heermann / Hirsch (Hrsg.), Münchner Kommentar zum UWG, vor § 17, Rn. 2.
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französischen Art. 418 code pénal von 1810 einigen Partikularstrafgesetzen der Territorialstaaten zu. 12 Der Rechtsgedanke dieser Vorschriften fand jedoch weder Eingang in das Preußische Strafgesetzbuch vom 14. Mai 1851 noch in das auf diesem basierende allgemeinverbindliche Reichsstrafgesetzbuch vom 15. Mai 1871, so dass bis 1896 kein einheitlicher strafrechtlicher Geheimnisschutz bestand. 13 Danach beschränkte sich der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen zunächst allein auf die technische Seite. Anfang des 20. Jahrhunderts kam es zur Einbeziehung persönlichkeitsrechtlicher – und damit auch geschäftlicher 14 – Aspekte in den Geheimnisschutz. Hierdurch sollte ein möglichst umfassender Schutz unternehmerischer Informationen gewährleistet werden. Geheimnisschutz wurde nicht mehr ausschließlich als Eigentums-, sondern auch als Persönlichkeitsschutz empfunden. 15 So wurden und werden nunmehr nicht nur Informationen des Unternehmens, sondern auch solche über das Unternehmen erfasst. 16 Kennzeichnend war jedoch für die frühen UWG-Vorschriften, dass sie primär den internen Schutz gegen Verrat unter Vertrauensgesichtspunkten bezweckten und der externe Schutz gegen Spionage noch weitgehend vernachlässigt wurde. 17 2. Zum Begriff des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses Das Begriffspaar des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses hat sich in der deutschen Rechtsterminologie etabliert. 18 Es findet sich in verschiedenen Nor11 Brammsen, in: Heermann / Hirsch (Hrsg.), Münchner Kommentar zum UWG, vor § 17, Rn. 3; Frank, Der Schutz von Unternehmensgeheimnissen im Öffentlichen Recht, 2009, S. 49; § 148 lautete: „Wer Fabrikenvorsteher, Bediente oder Arbeiter zum Auswandern verleitet und ihnen dabey behilflich ist; oder sonst Fabriken- und Handlungsgeheimnisse Fremden verräth; ingleichen wer seinem Vaterlande andere Vorteile dieser Art zugunsten fremder Staaten vorsätzlich entzieht, der hat vier bis acht jährige Festungsoder Zuchthausstrafe verwirkt.“ 12 Brammsen, in: Heermann / Hirsch (Hrsg.), Münchner Kommentar zum UWG, vor § 17, Rn. 4; Taeger, Die Offenbarung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, 1988, S. 26. 13 s. Fn. 2. 14 Zur begrifflichen Differenzierung von „Betrieblichem“ und „Geschäftlichem“ sogleich unter I. 2. 15 Frank, Der Schutz von Unternehmensgeheimnissen im Öffentlichen Recht, 2009, S. 50 f. 16 Frank, Der Schutz von Unternehmensgeheimnissen im Öffentlichen Recht, 2009, S. 51; zur Differenzierung zwischen diesen „Informationssphären“ s. C. III. 17 Aldoney Ramírez, Der strafrechtliche Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, 2009, S. 94. 18 So auch Frank, Der Schutz von Unternehmensgeheimnissen im Öffentlichen Recht, 2009, S. 37; Taeger, Die Offenbarung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, 1988,
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men wieder, z. B. in § 17 UWG, § 30 VwVfG, § 203 StGB, § 138 Abs. 2 TKG, in den Informationsfreiheitsgesetzen der Länder und in § 6 S. 2 IFG. 19 Strafrechtliche „Vorreiternorm“ war, wie dargelegt, die Vorschrift des § 17 UWG. Im Öffentlichen Recht kam diese Rolle § 139b GewO zu, der 1891 in die Gewerbeordnung eingefügt wurde. 20 Hiernach darf die Gewerbeaufsichtsbehörde Betriebs- und Geschäftsverhältnisse der ihrer Besichtigung und Prüfung unterliegenden Anlagen nur in gesetzlich geregelten Fällen offenbaren. Die Aufspaltung in einen zweigliedrigen Begriff hat keine weitergehende Funktion, als einen möglichst umfassenden Schutz sprachlich abzubilden. 21 Nach allgemeiner Auffassung erfasst das Betriebsgeheimnis die technische, das Geschäftsgeheimnis die kaufmännische Seite eines Unternehmens. 22 Zu den Betriebsgeheimnissen gehören etwa Produktionsmethoden, Verfahrensabläufe, Stoffzusammensetzungen, Rezepturen und Ähnliches. Kalkulationen, Bilanzen, Umsatzzahlen, Geschäftsverbindungen, Marktstrategien, Lieferanten- und Kundenlisten, Forschungsprojekte, Vertriebssysteme oder Kreditdaten können Geschäftsgeheimnisse darstellen. 23 Praktikablere Neuformulierungen wie etwa S. 21 f. merkt hingegen an, dass für die Rechtsfigur des „Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses“ noch keine einheitliche Terminologie existiere. Seit den 80er Jahren hat sich das Informationsrecht jedoch erheblich weiterentwickelt; spätestens mit Verabschiedung der Informationsfreiheitsgesetze und den hierzu ergangenen Entscheidungen (s. u. Fn. 25) kann daher von einer inzwischen weitgehend einheitlichen Nutzung des Begriffs „Betriebs- und Geschäftsgeheimnis“ gesprochen werden. 19 Taeger, Die Offenbarung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, 1988, S. 20, spricht allein von 40 bundesgesetzlichen Vorschriften, die durch ausdrückliche Nennung von „Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen“ oder synonymen Bezeichnungen die Schutzwürdigkeit der Geheimsphäre eines Unternehmens zum Ausdruck bringen; dies bereits Ende der 80er Jahre. 20 Auch wenn hier nicht explizit von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, sondern von Betriebs- und Geschäftsverhältnissen die Rede ist, vgl. Frank, Der Schutz von Unternehmensgeheimnissen im Öffentlichen Recht, 2009, S. 52 (dort Fn. 172); zu weiteren Geheimnisschutzvorschriften Taeger, Die Offenbarung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, 1988, S. 36 ff. 21 Vgl. Taeger, Die Offenbarung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, 1988, S. 31; Brammsen, in: Heermann / Hirsch (Hrsg.), Münchner Kommentar zum UWG, § 17, Rn. 7; Breuer, NVwZ 1986, 171 (172); hierzu präzise Aldoney Ramírez, Der strafrechtliche Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, 2009, S. 24 f., 28 f.; zu den Begriffen des Geheimseins und ihrer Abhängigkeit von einem Bezugsobjekt (z. B. Betrieb, Brief oder Beichte) zur Begründung ihrer Schutzwürdigkeit instruktiv Druey, Information als Gegenstand des Rechts, 1995, S. 251 ff., 254. 22 BVerfGE 115, 205 (230 f.); BVerwG, NuR 2009, 555 (556); Maier, Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen im schwedischen, englischen und deutschen Recht, 1998, S. 272; Kloepfer / Greve, NVwZ 2011, 577 (579); Kiethe / Groeschke, WRP 2006, 303 (304) m.w. N. 23 BVerfGE 115, 205 (230 f.); Maier, Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen im schwedischen, englischen und deutschen Recht, 1998, S. 282; Jastrow / Schlatmann, IFG, § 6, Rn. 38; s. auch Hoeren, Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheim-
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„Wirtschaftsgeheimnis“ oder „Unternehmensgeheimnis“ konnten sich bislang – trotz entsprechender Tendenzen im Schrifttum 24 – insbesondere in neuerer Rechtsprechung und Gesetzgebung nicht durchsetzen. 25 Gelegentlich wird auch der Begriff „know-how“ als Synonym für Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse verwendet. 26 Allerdings wird hiermit vorwiegend das aus Erfahrungen und Versuchen gewonnene Wissen bezeichnet. 27 Insofern ist der Begriff des Betriebsund Geschäftsgeheimnisses weitergehend, da er etwa auch Kundenlisten erfassen kann. Know-how ist daher zwar stets ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis, jedoch nicht umgekehrt. 28 3. Die Bedeutung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen a) Perspektive der Unternehmen Für die deutsche Wirtschaft wird die durch Betriebs- und Wirtschaftsspionage verursachte Schadenssumme auf jährlich bis zu 25 Milliarden Euro geschätzt, 29 wobei eine erhebliche Dunkelziffer existiert, die auf ein überaus restriktives nissen und das IFG, in: Dix / Franßen / Kloepfer / Schaar / Schoch (Hrsg.), Informationsfreiheit und Informationsrecht: Jahrbuch 2008, S. 105 (108); Maass, Information und Geheimnis im Zivilrecht, 1970, S. 94. 24 Vgl. nur Aldoney Ramírez, Der strafrechtliche Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, 2009, S. 27 und Frank, Der Schutz von Unternehmensgeheimnissen im Öffentlichen Recht, 2009, S. 36 ff. mit zahlreichen Nachweisen. 25 Vgl. nur BVerfGE 115, 205; BVerwG, NVwZ 2010, 189; NVwZ 2009, 1114; VerfGH NW, NVwZ-RR 2009, 41 (43 f.); Maier, Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen im schwedischen, englischen und deutschen Recht, 1998, S. 271 ff.; Taeger, Die Offenbarung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, 1988, S. 31; zur Begrifflichkeit in anderen Rechtsordnungen s. Druey, Information als Gegenstand des Rechts, 1995, S. 365 und Pfister, Das technische Geheimnis – „know-how“ als Vermögensrecht, 1974, S. 8; auch in neueren Gesetzestexten ist weiterhin von „Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen“ die Rede, vgl. etwa § 6 S. 2 des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes, die entsprechenden Vorschriften der Informationsfreiheitsgesetze der Länder oder § 2 Nr. 2 c) des Verbraucherinformationsgesetzes aus dem Jahr 2007. 26 Ann, GRUR 2007, 39 (41 f.); Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, S. 472; ausführlich zum Begriff „know-how“ Kochmann, Schutz des „Know-how“ gegen ausspähende Produktanalysen („Reverse Engineering“), 2009, S. 19 ff. und Kalbfus, Know-how-Schutz in Deutschland zwischen Strafrecht und Zivilrecht – welcher Reformbedarf besteht?, 2011, S. 7 ff.; zur mehrdeutigen Benutzung des Begriffs Pfister, Das technische Geheimnis – „know-how“ als Vermögensrecht, 1974, S. 9 f. 27 Frank, Der Schutz von Unternehmensgeheimnissen im Öffentlichen Recht, 2009, S. 53; zum Verhältnis der Begriffe „know-how“ und „Betriebs- und Geschäftsgeheimnis“ Loschelder, in: Ann / ders. / Grosch (Hrsg.), Praxishandbuch Know-how-Schutz, 2010, Rn. 68 ff. 28 Vgl. Köhler, in: ders. / Bornkamm (Hrsg.), UWG, § 17, Rn. 4b; Maass, Information und Geheimnis im Zivilrecht, 1970, S. 94.
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Anzeigeverhalten der geschädigten Unternehmen zurückzuführen ist. 30 Einzelne betroffene Unternehmen müssen dabei nicht selten Schäden in mehrstelliger Millionenhöhe hinnehmen. Die Ursachen hierfür sind offensichtlich: Es werden zum Beispiel neue Vermarktungsstrategien erschlossen, deren Erarbeitung dem Unternehmen A großen Kosten- und Zeitaufwand abverlangt hat. Durch gezielte Wirtschaftsspionage werden diese neuen Methoden mit verhältnismäßig geringem Aufwand kopiert und daraufhin vom konkurrierenden Unternehmen B praktiziert. Dadurch ist der mühsam herausgearbeitete Wettbewerbsvorteil von Unternehmen A zumindest reduziert, die vorher durch die Geheimhaltung „implizierte faktische Monopolstellung“ 31 aufgehoben. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass Geheimnisverrat und Betriebsspionage zu einem lukrativen Wirtschaftszweig avanciert sind. 32 Gerade die stetig wachsenden Möglichkeiten von Informationsbeschaffung und -austausch im Zuge der elektronischen Datenverarbeitung und der rasanten Entwicklung des Internets weisen auf eine gesteigerte Gefahrenlage hin. Die insbesondere für diese Arbeit interessierende Gefahr, welche durch die Weitergabe von sensiblen Informationen durch die öffentliche Verwaltung ausgeht, steigt mit jedem verabschiedeten Informationsfreiheitsgesetz. In den USA wird das Informationszugangsrecht gegenüber Behörden in 80 % der Fälle von konkurrierenden Unternehmen genutzt. 33 Angesichts des oben angedeuteten Wertes von Wirtschaftsinformationen lässt sich die Interessenlage der betroffenen Unternehmen auf eine schlichte Formel bringen: Proportional zur Gefahr der Ausforschung und zum damit verbundenen potentiellen Schaden steigt auch das Geheimhaltungsinteresse der Unternehmen. b) Perspektive der Allgemeinheit Das Interesse der Allgemeinheit an der Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen liegt einerseits an der Unverfälschtheit des Wettbewerbs. Denn dieser wird nur bei einer gewissen Informationsasymmetrie unter den Wettbewerbern aufrechterhalten. 34 Diese führt dazu, dass Alternativentwicklungen vor29 Harte-Bavendamm, in: ders. / Henning-Bodewig (Hrsg.), UWG, vor §§ 17 –19, Rn. 3; Brammsen, in: Heermann / Hirsch (Hrsg.), Münchner Kommentar zum UWG, vor § 17, Rn. 7; vgl. a. Aldoney Ramírez, Der strafrechtliche Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, 2009, S. 4 m.w. N. und Föbus, Die Insuffizienz des strafrechtlichen Schutzes von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen nach § 17 UWG, 2011, S. 23 ff., die jedoch auf die Schwierigkeit der Berechnung hinweisen. 30 Kiethe / Hohmann, NStZ 2006, 185. 31 Aldoney Ramírez, Der strafrechtliche Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, 2009, S. 3. 32 Brammsen, in: Heermann / Hirsch (Hrsg.), Münchner Kommentar zum UWG, vor § 17, Rn. 8; Kiethe / Hohmann, NStZ 2006, 185. 33 Sieberg / Ploeckl, DB 2005, 2062; Kiethe / Groeschke, WRP 2006, 303; Sellmann / Augsberg, WM 2006, 2293.
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angetrieben werden können. 35 Die betriebswirtschaftlich günstigere Anpassung an das Konkurrenzunternehmen infolge der Erlangung sonst nicht zugänglicher Information hat auf volkswirtschaftlicher Ebene nachteilige Auswirkungen, da der Anreiz zu innovativem unternehmerischem Handeln entfällt. 36 Außerdem ergibt sich die Wettbewerbshemmung auch daraus, dass die Anpassung nicht über den Markt (etwa in Form von Lizenzen) als Informationsquelle erfolgt. 37 Andererseits ist der Staat in erhöhtem Maße auf die Kooperationsbereitschaft der Unternehmen angewiesen. Denn nicht jeder Information, die der Staat erhält, steht eine rechtliche Verpflichtung der Unternehmen zur Preisgabe von Daten gegenüber. Nur wenn Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse in angemessenem Umfang geschützt werden, sind die Inhaber zu deren Offenbarung gegenüber der Behörde bereit. 38 Zudem bedeutete eine Informationsbeschaffung über „förmliche“ Auskunftsverlangen oder Beschlagnahmen stets eine erhebliche Mehrarbeit für die Behörde gegenüber für unproblematische Fälle eigentlich ausreichenden, „einfachen“ Auskunftsverlangen. 39 Aber auch wenn eine Verpflichtung zur Offenlegung gegenüber der Behörde besteht, kann ein hinreichender Geheimnisschutz zu einer allgemein vertrauensvolleren Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Behörde und zur Preisgabe der Information führen. 40 4. Voraussetzungen Eine gesetzliche Begriffsbestimmung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen findet sich – obwohl der Begriff im Gesetzestext nicht explizit aufgeführt ist 41 – allein in § 5 Abs. 1 Nr. 3 des Brandenburgischen Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes (AIG): 34
v. Danwitz, DVBl. 2005, 597 (598). Köhler, in: ders. / Bornkamm (Hrsg.), UWG, vor §§ 17 –19, Rn. 6; Schomerus / Scheel, ZUR 2010, 188 (190); neben der Entwicklung von Alternativen ist auch der Immitationswettbewerb als im Sinne der Allgemeinheit schützenswert anzusehen. 36 Vgl. BVerfGE 115, 205 ff.; Schneider, Schutz des Unternehmensgeheimnisses vor unbefugter Verwertung, 1989, S. 97. 37 Frank, Der Schutz von Unternehmensgeheimnissen im Öffentlichen Recht, 2009, S. 157. 38 Frank, Der Schutz von Unternehmensgeheimnissen im Öffentlichen Recht, 2009, S. 199. 39 Burholt, BB 2006, 2201. 40 Knemeyer, DB 1993, 721; zu Informationspflichten gegenüber der Verwaltung und deren Grenzen Herrmann, Informationspflichten gegenüber der Verwaltung, 1997, S. 331 ff. 41 Ekardt / Exner / Beckmann, VR 2007, 404 (406): Zusammenhang und Gesetzesbegründung (LT-Drs. 2/4417, S. 16) sprechen jedoch dafür, dass es sich bei § 5 Abs. 1 Nr. 3 AIG um eine Definition des Begriffs handelt. 35
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„Der Antrag auf Akteneinsicht ist vorbehaltlich der Absätze 2 und 3 abzulehnen, soweit dadurch ein Antragsteller oder ein Dritter von einer Tatsache Kenntnis erlangen würde, die nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt ist, zu einem bestimmten Geschäftsbetrieb in Beziehung steht und die nach dem Willen des Unternehmens geheimzuhalten ist oder an deren Geheimhaltung das Unternehmen ein schutzwürdiges Interesse hat.“
Diese Definition entspricht – bis auf einen kleinen, aber bedeutenden Unterschied – dem zivil-, vor allem aber dem strafrechtlichen Begriff, wie er von Literatur und Rechtsprechung insbesondere zu § 17 UWG und § 203 StGB entwickelt worden ist und wie ihn der Gesetzgeber des IFG, ähnlich der Rezeption beim Umweltinformationsgesetz, hat aufnehmen wollen. 42 Die Gesetzesbegründung verweist insoweit auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 17 UWG. 43 Die neuere Rechtsprechung hat diesen Begriff des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses im Wesentlichen rezipiert: Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind danach Tatsachen, die mit einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zusammenhängen, nur einem begrenzten Personenkreis bekannt sind und nach dem erkennbaren Willen des Inhabers und nach dessen berechtigten und schutzwürdigen wirtschaftlichen Interessen geheim gehalten werden sollen. 44
Der erwähnte und bedeutende Unterschied zur brandenburgischen Regelung liegt darin, dass die Merkmale des Geheimhaltungswillens und des Geheimhaltungsinteresses kumulativ vorliegen müssen. 45 Die Eigenschaft des Betriebsund Geschäftsgeheimnisses hängt hierbei also nicht allein vom Willen des Unternehmers ab. Es ergeben sich mithin nach ganz herrschender Ansicht vier Voraussetzungen für das Vorliegen eines Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses: a) Tatsache mit 42 Vgl. Maier, Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen im schwedischen, englischen und deutschen Recht, 1998, S. 271: Als Begründung für den Verzicht einer Legaldefinition im UWG von 1896 wurde vor allem die freie richterliche Würdigung im Einzelfall und die allgemeine Bekanntheit des Begriffs genannt, s. a. Taeger, Die Offenbarung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, 1988, S. 21, 28 mit Verweis auf die Denkschrift des 23. Deutschen Juristentags, der von einer Definition des „Begriffs Geheimnis“ abriet; Schomerus / Scheel, ZUR 2010, 188 (191). 43 BGH, NJW 1995, 2301; vgl. BT-Drs. 15/4493, S. 14; Hoeren, Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen und das IFG, in: Dix / Franßen / Kloepfer / Schaar / Schoch (Hrsg.), Informationsfreiheit und Informationsrecht: Jahrbuch 2008, S. 105 (108); Perwin, Geistiges Eigentum und Informationszugang. Der Einfluss der deutschen Informationszugangsrechte auf das geistige Eigentum in Deutschland, 2010, S. 108; grundlegend schon BGH GRUR 1955, 424 (425). 44 Statt vieler BVerfGE 115, 205 (230); BVerwG, NVwZ 2010, 189 (192); NuR 2009, 555 (556); OVG Münster, DVBl. 2011, 698 (701); VG Braunschweig, ZUM 2008, 254 (257). 45 Ekardt / Exner / Beckmann, VR 2007, 404 (406).
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Unternehmensbezug, b) fehlende Offenkundigkeit, c) Geheimhaltungswille und d) berechtigtes Geheimhaltungsinteresse. a) Tatsache mit Unternehmensbezug Es muss sich bei dem Geheimzuhaltenden zunächst um Tatsachen handeln. Hierunter sind sinnlich wahrnehmbare, konkrete äußere oder innere Geschehnisse oder Zustände der Vergangenheit oder Gegenwart zu verstehen. 46 Es kommt entscheidend auf die äußere Wahrnehmbarkeit an, so dass auch Wertungen eine Tatsache darstellen können, solange sie nach außen in Erscheinung getreten sind, etwa durch Aufzeichnungen. 47 Ferner muss die Tatsache einen Unternehmensbezug aufweisen, um sie von privaten oder solchen Geheimnissen abzugrenzen, die alle in einer bestimmten Branche tätigen Unternehmen betreffen. 48 Auch Untersuchungsergebnissen nicht erwerbswirtschaftlich tätiger Institutionen (regelmäßig etwa Universitäten) fehlt der Unternehmensbezug. 49 Es muss sich eindeutig um das Schutzgut eines konkreten Unternehmens handeln. Zur Abgrenzung kann untersucht werden, ob die Tatsache das Unternehmen zum Inhalt hat oder in dessen Sphäre entstanden ist. Lässt sich ein Bezug nicht herstellen, ist die Information auch nicht als Betriebs- und Geschäftsgeheimnis schutzwürdig. 50 Umgekehrt kann aber schon allein die Geschäftsbezogenheit einer Tatsache Gegenstand eines Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses sein, etwa wenn geheim ist, dass sich eine Firma eines an sich bekannten Verfahrens bedient. 51 Im Übrigen sind 46 Frank, Der Schutz von Unternehmensgeheimnissen im Öffentlichen Recht, 2009, S. 39, dort Fn. 103, in Anlehnung an den Tatsachenbegriff in der Legaldefinition des Staatsgeheimnisses, vgl. Stree / Sternberg-Lieben, in: Schönke / Schröder (Hrsg.), StGB, § 93, Rn. 3; Brammsen, in: Heermann / Hirsch (Hrsg.), Münchner Kommentar zum UWG, § 17, Rn. 10. 47 Brammsen, in: Heermann / Hirsch (Hrsg.), Münchner Kommentar zum UWG, § 17, Rn. 10; Aldoney Ramírez, Der strafrechtliche Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, 2009, S. 11 favorisiert wegen der Gefahr der engen Auslegung des Begriffs „Tatsache“ den weiteren Begriff „Information“; die Umfassendheit des Schutzgegenstands kommt auch in BVerfGE 115, 205 (230) zum Ausdruck: „Als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse werden alle auf ein Unternehmen bezogene Tatsachen, Umstände und Vorgänge verstanden (...)“. 48 Köhler, in: ders. / Bornkamm (Hrsg.), UWG, § 17, Rn. 5; Harte-Bavendamm, in: ders. / Henning-Bodewig (Hrsg.), UWG, § 17, Rn. 2; Rengier, in: Fezer (Hrsg.), UWG, § 17, Rn. 10 f.; Frank, Der Schutz von Unternehmensgeheimnissen im Öffentlichen Recht, 2009, S. 46 f.; Hoeren, Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen und das IFG, in: Dix / Franßen / Kloepfer / Schaar / Schoch (Hrsg.), Informationsfreiheit und Informationsrecht: Jahrbuch 2008, S. 105 (109); Kiethe / Hohmann, NStZ 2006, 185 (186) mit Beispielen; kritisch Aldoney Ramírez, Der strafrechtliche Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, 2009, S. 30 ff. 49 Ohly, in: ders. / Sosnitza (Hrsg.), UWG, § 17, Rn. 6. 50 Frank, Der Schutz von Unternehmensgeheimnissen im Öffentlichen Recht, 2009, S. 47.
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nur Tatsachen mit Bezug zu privaten Unternehmen geschützt. Behördeninterna können daher nicht unter Berufung auf den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen unter Verschluss gehalten werden. 52 Hiervon ist nur für den Fall eine Ausnahme zu machen, dass die Behörde ihrerseits privatwirtschaftlich tätig ist. 53 b) Fehlende Offenkundigkeit Kennzeichnendes und begriffsnotwendiges Merkmal für ein Geheimnis ist die fehlende Offenkundigkeit. Diese tritt ein, wenn die Tatsache allgemein bekannt oder zumindest leicht zugänglich ist. 54 Die Nichtoffenkundigkeit einer Tatsache ist aber nicht nur objektive Voraussetzung für das Vorliegen eines Geheimnisses, sondern oft auch grundlegender wertbildender Faktor. 55 Denn ein Wettbewerbsvorsprung basiert meist auf der Geheimheit bestimmter Informationen. aa) Allgemeine Bekanntheit Von allgemeiner Bekanntheit ist auszugehen, wenn die entsprechenden Daten in allgemein zugänglichen Medien veröffentlicht wurden, etwa in Presse, Rundfunk oder Internet. 56 Aber auch Informationen über Patente 57, Gebrauchs- 58 oder Geschmacksmuster 59 sind als allgemein bekannt anzusehen. 60 Ferner gilt 51 BGH, GRUR 1955, 424; Maier, Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen im schwedischen, englischen und deutschen Recht, 1998, S. 276 f. 52 Hoeren, Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen und das IFG, in: Dix / Franßen / Kloepfer / Schaar / Schoch (Hrsg.), Informationsfreiheit und Informationsrecht: Jahrbuch 2008, S. 105 (109). 53 OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 2. 10. 2007 – 12 B 12.07, Rz. 36: „Wenn eine am privaten Wirtschaftsverkehr teilnehmende Behörde auch hinsichtlich ihrer fiskalischen Tätigkeit zur Auskunftserteilung verpflichtet ist, muss sie jedenfalls grundsätzlich das Recht haben, ihre wirtschaftlichen Interessen in gleichem Umfang schützen zu können wie Private.“; OVG Münster, NWVBl. 2006, 292 (294) – allerdings legt § 8 S. 5 IFG NRW ausdrücklich fest, dass Betroffener auch eine öffentliche Stelle sein kann; Hoeren, Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen und das IFG, in: Dix / Franßen / Kloepfer / Schaar / Schoch (Hrsg.), Informationsfreiheit und Informationsrecht: Jahrbuch 2008, S. 105 (109); ausführlich Polenz, DÖV 2010, 350 (352 ff.). 54 Köhler, in: ders. / Bornkamm (Hrsg.), UWG, § 17, Rn. 6; Harte-Bavendamm, in: ders. / Henning-Bodewig (Hrsg.), UWG, § 17, Rn. 3 f.; Rengier, in: Fezer (Hrsg.), UWG, § 17, Rn. 12 ff.; Ohly, in: ders. / Sosnitza (Hrsg.), UWG, § 17, Rn. 7; Brammsen, in: Heermann / Hirsch (Hrsg.), Münchner Kommentar zum UWG, § 17, Rn. 13; Frank, Der Schutz von Unternehmensgeheimnissen im Öffentlichen Recht, 2009, S. 41; Maier, Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen im schwedischen, englischen und deutschen Recht, 1998, S. 273. 55 Frank, Der Schutz von Unternehmensgeheimnissen im Öffentlichen Recht, 2009, S. 42.
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B. Betriebsgeheimnisse und verschiedene Informationsansprüche
dies hinsichtlich der für Kapitalgesellschaften veröffentlichungspflichtigen Daten wie Jahresabschlüsse nach §§ 242, 264 und 325 HGB. Ausreichend ist, dass eine Kenntnisnahme durch die interessierten Fachkreise zu erwarten ist. 61 Es bedarf daher keines Rückgriffs auf einen durchschnittlich informierten Beobachter. An Offenkundigkeit fehlt es hingegen, wenn die Tatsache nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt ist. Dabei ist nicht die Anzahl der Wissenden entscheidend, sondern ob der Geheimnisträger noch hinreichend Kontrolle über den Kreis der Eingeweihten hat. 62 Eine Tatsache kann demnach (noch) nicht offenkundig sein, wenn alle Mitarbeiter eines Unternehmens sie kennen, aber bereits offenkundig, wenn ein einzelner (außenstehender) Dritter sie erfährt. Allerdings führt dieser Fall nicht zwangsläufig zur Offenkundigkeit, solange der Personenkreis noch überschaubar ist. 63 Im Interesse eines umfassenden Geheimnisschutzes und wegen des Korrektivs der leichten Zugänglichkeit ist der Kreis hier nicht zu eng zu ziehen. 64 bb) Leichte Zugänglichkeit Ob eine Information leicht zugänglich ist, hängt davon ab, ob für jeden Interessierten die Möglichkeit besteht, mithilfe lauterer (Recherche-)Mittel Kenntnis 56
Vgl. OVG Münster, NWVBl. 2006, 292 (294); VG Berlin, Urt. v. 26. 6. 2009 – 2 A 62.08, Rn. 28. 57 Allgemeines Einsichtsrecht nach § 31 PatG bzw. Veröffentlichung nach § 32 PatG. 58 Bekanntmachung nach § 8 Abs. 3 GebrMG. 59 Bekanntmachung nach § 20 GeschMG. 60 Köhler, in: ders. / Bornkamm (Hrsg.), UWG, § 17, Rn. 7. 61 Ohly, in: ders. / Sosnitza (Hrsg.), UWG, § 17, Rn. 9; Köhler, in: ders. / Bornkamm (Hrsg.), UWG, § 17, Rn. 7. 62 Frank, Der Schutz von Unternehmensgeheimnissen im Öffentlichen Recht, 2009, S. 41; Rengier, in: Fezer (Hrsg.), UWG, § 17, Rn. 14; Maier, Der Schutz von Betriebsund Geschäftsgeheimnissen im schwedischen, englischen und deutschen Recht, 1998, S. 275; Harte-Bavendamm, in: ders. / Henning-Bodewig (Hrsg.), UWG, § 17, Rn. 4; Ohly, in: ders. / Sosnitza (Hrsg.), UWG, § 17, Rn. 8; Hoeren, Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen und das IFG, in: Dix / Franßen / Kloepfer / Schaar / Schoch (Hrsg.), Informationsfreiheit und Informationsrecht: Jahrbuch 2008, S. 105 (110); Ekardt / Exner / Beckmann, VR 2007, 404 (406); Taeger, Die Offenbarung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, 1988, S. 70 f. unter Hinweis auf die wegen u.U. fehlender Nachweisbarkeit des Geheimnisbruchs bestehenden Schwierigkeiten des „Beherrschbarkeitskriteriums“; kritisch hierzu auch Aldoney Ramírez, Der strafrechtliche Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, 2009, S. 37 f., der allein auf das Kriterium der (Un)Zugänglichkeit (s. u.) abstellt. 63 Zur Relativität und Mehrdimensionalität der Unbekanntheit einer Tatsache Druey, Information als Gegenstand des Rechts, 1995, S. 257 ff. 64 Köhler, in: ders. / Bornkamm (Hrsg.), UWG, § 17, Rn. 7a: Als Beispiel wird der Bahnreisende genannt, der zufällig Unterlagen mit Betriebsgeheimnissen findet und diese seinen Bekannten zeigt, was noch nicht zur Offenkundigkeit führt.
I. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse
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zu erlangen. 65 Als problematisch erweist sich in diesem Zusammenhang das sog. reverse engineering. Hinter diesem Begriff verbirgt sich ein Verfahren, durch das die Zusammensetzung oder Funktionsweise eines Produktes durch dessen Analyse aufgedeckt wird. 66 Ob eine Information hierdurch leicht zugänglich und somit offenkundig wird, hängt davon ab, ob die Entschlüsselung mittels reverse engineering für einen Durchschnittsfachmann ohne größeren zeitlichen oder finanziellen Aufwand möglich ist. 67 Die theoretische Möglichkeit einer Rekonstruktion oder einer identischen Herstellung schadet der Geheimnisqualität demnach nicht, weil ein gewisser Wettbewerbsvorsprung auch für den Fall anzunehmen ist, in dem das reverse engineering nur unter erheblichem Zeit- und Kostenaufwand möglich ist. 68 Allerdings ist zu beachten, dass aus dem Sacheigentum nicht notwendig auch auf das Eigentum an der der Sache zugrunde liegenden Information geschlossen werden kann, solange der „bestimmungsund vereinbarungsgemäße[r] Gebrauch keine entsprechenden Kenntnisnahmemöglichkeiten bietet“ 69. c) Geheimhaltungswille Der Geheimhaltungswille als subjektives Tatbestandsmerkmal unterscheidet das Geheimnis von dem Zustand der bloß fehlenden Bekanntheit einer Tatsache. 70 An die Erkennbarkeit des Geheimhaltungswillens sind dabei keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Es genügt vielmehr im Einzelfall, dass sich 65 RG, GRUR 1939, 733 (735); Aldoney Ramírez, Der strafrechtliche Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, 2009, S. 39; Brammsen, in: Heermann / Hirsch (Hrsg.), Münchner Kommentar zum UWG, § 17, Rn. 13; Hoeren, Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen und das IFG, in: Dix / Franßen / Kloepfer / Schaar / Schoch (Hrsg.), Informationsfreiheit und Informationsrecht: Jahrbuch 2008, S. 105 (111); Maier, Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen im schwedischen, englischen und deutschen Recht, 1998, S. 273. 66 Ohly, in: ders. / Sosnitza (Hrsg.), UWG, § 17, Rn. 10; eingehend Kochmann, Schutz des „Know-how“ gegen ausspähende Produktanalysen („Reverse Engineering“), 2009, S. 43 ff. 67 Kiethe / Hohmann, NStZ 2006, 185 (187) mit Beispiel; Ohly, in: ders. / Sosnitza (Hrsg.), UWG, § 17, Rn. 10; Ekardt / Exner / Beckmann, VR 2007, 404 (406); Köhler, in: ders. / Bornkamm (Hrsg.), UWG, § 17, Rn. 8; dabei gehen technische Fortschritte dieser Verfahren, welche die Analyse vereinfachen, zu Lasten des Geheimnisträgers. 68 Maier, Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen im schwedischen, englischen und deutschen Recht, 1998, S. 273 f. 69 Brammsen, in: Heermann / Hirsch (Hrsg.), Münchner Kommentar zum UWG, § 17, Rn. 15. 70 BGH, GRUR 1964, 31; Maier, Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen im schwedischen, englischen und deutschen Recht, 1998, S. 277; Frank, Der Schutz von Unternehmensgeheimnissen im Öffentlichen Recht, 2009, S. 42; Ohly, in: ders. / Sosnitza (Hrsg.), UWG, § 17, Rn. 11; Ekardt / Exner / Beckmann, VR 2007, 404 (406).
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B. Betriebsgeheimnisse und verschiedene Informationsansprüche
dieser Wille aus der Natur der geheimzuhaltenden Tatsache ergibt. 71 Daraus folgt eine Vermutung des Geheimhaltungswillens für alle nicht offenkundigen Betriebsinterna, sofern nicht besondere Umstände dagegen sprechen. 72 Dies gilt sogar dann, wenn die betreffende Information dem Betriebsinhaber unbekannt ist, etwa wenn ein Angestellter sie erzeugt hat. Es genügt, dass die zu schützende Information ohne das Dienstverhältnis nicht entstanden wäre und dass der Unternehmer sie im Falle seiner Kenntnis als geheim behandelt hätte. 73 Damit muss der Wille folglich weder ausdrücklich noch konkludent geäußert werden. Aufgrund dieser Relativierungstendenzen wird der Voraussetzung des Geheimhaltungswillens teilweise die Geltungsberechtigung abgesprochen 74 und darauf abgestellt, ob der Geheimnisträger mit der Bekanntgabe einverstanden war oder in die Weitergabe der Information eingewilligt hat. 75 Im Strafrecht kommt es jedoch auf die Erkennbarkeit des Geheimhaltungswillens an, da nur in diesem Fall von einer vorsätzlichen Tat ausgegangen werden kann. 76 d) Berechtigtes Geheimhaltungsinteresse Von entscheidender Bedeutung ist die Feststellung eines berechtigten bzw. (objektiv) schutzwürdigen Geheimhaltungsinteresses. Denn nur, wenn ein solches besteht, ist es gerechtfertigt, den freien Informationsfluss im Sinne eines effektiven, aber maßvollen Geheimnisschutzes zu unterbinden. Zudem bedarf es – ins71 BGH, NJW 1995, 2301; Kiethe / Hohmann, NStZ 2006, 185 (187); Rengier, in: Fezer (Hrsg.), UWG, § 17, Rn. 18; Maier, Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen im schwedischen, englischen und deutschen Recht, 1998, S. 277. 72 Frank, Der Schutz von Unternehmensgeheimnissen im Öffentlichen Recht, 2009, S. 42, dort Fn. 120; Taeger, Die Offenbarung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, 1988, S. 71; Harte-Bavendamm, in: ders. / Henning-Bodewig (Hrsg.), UWG, § 17, Rn. 5; ein besonderer Umstand kann in diesem Sinne die fehlende, obwohl obligatorische Kennzeichnung einer Information als Betriebs- und Geschäftsgeheimnis sein, vgl. Rossi, IFG, § 6, Rn. 73. 73 BGH, GRUR 1977, 539 (540); Taeger, Die Offenbarung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, 1988, S. 72; Maier, Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen im schwedischen, englischen und deutschen Recht, 1998, S. 278; Ohly, in: ders. / Sosnitza (Hrsg.), UWG, § 17, Rn. 11; vgl. a. Aldoney Ramírez, Der strafrechtliche Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, 2009, S. 47 ff. mit je nach Kenntnis bzw. Unkenntnis des Betriebsinhabers differenzierendem Vorschlag. 74 Vgl. Brammsen, in: Heermann / Hirsch (Hrsg.), Münchner Kommentar zum UWG, § 17, Rn. 23 f.; zur (jahrelangen) Diskussion über die objektiven Voraussetzungen „Geheimhaltungswille“ („Willenstheorie“) und „objektives Geheimhaltungsinteresse“ („Interessentheorie“) Taeger, Die Offenbarung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, 1988, S. 33 f. 75 Brammsen, in: Heermann / Hirsch (Hrsg.), Münchner Kommentar zum UWG, § 17, Rn. 24; Köhler, in: ders. / Bornkamm (Hrsg.), UWG, § 17, Rn. 10. 76 Maier, Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen im schwedischen, englischen und deutschen Recht, 1998, S. 278 f.
I. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse
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besondere in strafrechtlichen Konstellationen – der objektiven Korrektur eines vom einseitigen Willen des Geheimhaltenden abhängenden Geheimnisschutzes. 77 In der Regel ist von einem objektiven Geheimhaltungsinteresse auszugehen, wenn eine Aufdeckung der Tatsachen geeignet wäre, dem Geheimnisträger einen wirtschaftlichen Schaden zuzufügen. 78 Dieses wirtschaftliche Interesse an der Geheimhaltung besteht, wenn eine Offenbarung des Geheimnisses die Stellung der Konkurrenz im Wettbewerb verbessern oder die des Unternehmens verschlechtern würde. 79 Das Bundesverwaltungsgericht hat hierzu ausgeführt: „[...] Ein solches Interesse fehlt, wenn die Offenlegung der Information nicht geeignet ist, exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen den Marktkonkurrenten zugänglich zu machen und so die Wettbewerbsposition des Unternehmens nachteilig zu beeinflussen.“ 80
Auf dieser Grundlage stellen Informationen über Landwirtschaftsunternehmen und diesen gewährte Ausfuhrerstattungen kein Geschäftsgeheimnis dar, da diese keine Rückschlüsse auf wettbewerbsrelevante Umstände (z. B. Umfang des Exportgeschäfts, Kundenstruktur, Marktstrategien) zulassen und deshalb eine Offenlegung die Wettbewerbsposition der betroffenen Unternehmen nicht nachteilig beeinflusst. 81 Berücksichtigt werden muss außerdem in zeitlicher Hinsicht, ob das schutzwürdige Geheimhaltungsinteresse noch besteht. Besteht z. B. in einem Vergabeverfahren keine Gefahr mehr, dass durch Preisabsprachen oder Übernahme von Ideen das Ergebnis der Ausschreibung verfälscht wird, weil das Verfahren abgeschlossen ist, unterliegen die Vergabedaten in der Regel keinem schutzwürdigen Geheimhaltungsinteresse mehr. 82 Nicht entscheidend ist hingegen, ob das Geheimnis als solches für den Empfänger einen wirtschaftlichen 77 Aldoney Ramírez, Der strafrechtliche Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, 2009, S. 53; Kiethe / Hohmann, NStZ 2006, 185 (187): „Willkürausschluss“; ähnlich Mayer, GRUR 2011, 884 (887); Kloepfer / Greve, NVwZ 2011, 577 (582). 78 BGH, NJW 1995, 2301; ausführlich hierzu Sitsen, Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, 2009, S. 286 ff. und Aldoney Ramírez, Der strafrechtliche Schutz von Betriebsund Geschäftsgeheimnissen, 2009, S. 53 ff. 79 VG Braunschweig, ZUM 2008, 254 (257); VG Berlin, Urt. v. 26. 06. 2009 – 2 A 62.08, Rz. 27; Frank, Der Schutz von Unternehmensgeheimnissen im Öffentlichen Recht, 2009, S. 43; Ohly, in: ders. / Sosnitza (Hrsg.), UWG, § 17, Rn. 12; Köhler, in: ders. / Bornkamm (Hrsg.), UWG, § 17, Rn. 9; Brammsen, in: Heermann / Hirsch (Hrsg.), Münchner Kommentar zum UWG, § 17, Rn. 20; Schoch, IFG, § 6, Rn. 54. 80 BVerwG, NVwZ 2009, 1114 (1116); NuR 2009, 555 (556); NVwZ 2010, 189 (192 f.) mit Gegenbeispiel. 81 BVerwG, NuR 2009, 555 (556); s. zu diesem Fall C. II. 3. b) bb) (2); Gleiches gilt für die Offenlegung jährlicher Subventionszahlungen für Unternehmen im Agrarsektor, s. OVG Münster, DVBl. 2011, 698 (702); s. zu diesem Fall C. II. 3. b) bb) (3). 82 Hoeren, Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen und das IFG, in: Dix / Franßen / Kloepfer / Schaar / Schoch (Hrsg.), Informationsfreiheit und Informationsrecht: Jahrbuch 2008, S. 105 (113).
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B. Betriebsgeheimnisse und verschiedene Informationsansprüche
Wert hat. So hat beispielsweise die Tatsache der Überschuldung eines Unternehmens keinen unmittelbaren Vermögenswert für den Empfänger, kann sich jedoch auf den Ruf des Unternehmens und damit auf dessen Stellung im Wettbewerb nachteilig auswirken. 83 Fraglich und umstritten ist, ob auch an sitten- oder gesetzeswidrigen Geheimnissen ein objektives Geheimhaltungsinteresse bestehen kann. 84 Dies wird von einer beachtlichen Anzahl von Autoren im Lauterkeitsrecht bejaht. 85 § 17 UWG diene vorwiegend dem individuellen Vermögensschutz. Auch das Privatgeheimnis i. S. d. § 203 StGB bestehe unabhängig von seinem rechtswidrigen Inhalt. Zudem werde auch der Dieb gegen den Diebstahl der rechtswidrig weggenommenen Sache geschützt. Schließlich dürfe die Frage nach der Rechtswidrigkeit der Offenbarung eines Geheimnisses nicht auf die Stufe der Tatbestandsmäßigkeit gehoben werden, damit eine klare Grenzziehung zwischen Tatbestand und Rechtswidrigkeit bestehen bleibe. 86 Problematisch ist hierbei aus strafrechtlicher Sicht, dass der Geheimnisverletzende, der nach dieser Ansicht tatbestandsmäßig handelt, nach einer im Rahmen der Rechtswidrigkeit vorzunehmenden Abwägung strafbar handeln könnte. 87 Gerade im Hinblick auf das in der Einleitung angesprochene Phänomen des Whistleblowings (Strafanzeige durch Beschäftigte) erschiene es jedoch widersprüchlich, rechtswidrigen Zuständen strafrechtlichen Schutz zu gewähren. 88 Die Ansicht ist zudem angesichts des maßgeblich auch dem freien Wettbewerb dienenden UWG fragwürdig. Denn eine Verzerrung des freien Wettbewerbs läge beim Schutz auf rechtswidriger Basis bestehender Geheimnisse nahe. Die Entscheidung des Meinungsstreits kann hier dahinstehen. Ob im Rahmen der Informationsansprüche – insbesondere des IFG-An83
Köhler, in: ders. / Bornkamm (Hrsg.), UWG, § 17, Rn. 11. Vgl. Rützel, GRUR 1995, 557; Brammsen, in: Heermann / Hirsch (Hrsg.), Münchner Kommentar zum UWG, § 17, Rn. 22; Hoeren, Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen und das IFG, in: Dix / Franßen / Kloepfer / Schaar / Schoch (Hrsg.), Informationsfreiheit und Informationsrecht: Jahrbuch 2008, S. 105 (116); Ekardt / Exner / Beckmann, VR 2007, 404 (407); Taeger, Die Offenbarung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, 1988, S. 76 ff.; Maier, Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen im schwedischen, englischen und deutschen Recht, 1998, S. 280 ff.; Mayer, GRUR 2011, 884 (887). 85 Köhler, in: ders. / Bornkamm (Hrsg.), UWG, § 17, Rn. 9; Harte-Bavendamm, in: ders. / Henning-Bodewig (Hrsg.), UWG, § 17, Rn. 6; Rengier, in: Fezer (Hrsg.), UWG, § 17, Rn. 21; Ohly, in: ders. / Sosnitza (Hrsg.), UWG, § 17, Rn. 12; Brammsen, in: Heermann / Hirsch (Hrsg.), Münchner Kommentar zum UWG, § 17, Rn. 22 m.w. N.; vgl. Schoch, AfP 2010, 313 (319). 86 Brammsen, in: Heermann / Hirsch (Hrsg.), Münchner Kommentar zum UWG, § 17, Rn. 22; s. a. Mayer, GRUR 2011, 884 (887). 87 Ausführlich Aldoney Ramírez, Der strafrechtliche Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, 2009, S. 345 ff. 88 Aldoney Ramírez, Der strafrechtliche Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, 2009, S. 352 ff., 359; Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, S. 474. 84
I. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse
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spruchs – etwas anderes gelten muss, wird an entsprechender Stelle zu klären sein. 5. Abgrenzung zu den immateriellen Schutzrechten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse weisen Parallelen zu den immateriellen Schutzrechten wie z. B. Urheber- und Patentrechten auf. 89 Sie haben für das Unternehmen einen wirtschaftlichen Wert und sind auch in Form von Lizenzoder Kaufverträgen veräußerbar. 90 Dabei stellen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse einen „sonstigen Gegenstand“ i. S. d. § 453 Abs. 1 BGB dar, auf den die §§ 433 – 451 BGB entsprechende Anwendung finden. 91 Die Übertragung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen ist nach ganz herrschender Auffassung möglich, Uneinigkeit besteht lediglich hinsichtlich der rechtlichen Grundlage. 92 Allerdings verleihen § 15 Urhebergesetz und § 9 S. 1 Patentgesetz dem Urheber bzw. dem Patentinhaber Ausschließlichkeitsrechte, d. h. absolute Rechte auf ausschließliche Benutzung. Vergleichbare gesetzliche Regelungen fehlen beim Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen. Vielmehr ist es jedem Dritten unbenommen, die geheime Information, sofern er sie redlich erworben hat, auch ohne Lizenzen o.ä. für eigene Zwecke zu nutzen. 93 Somit endet der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen regelmäßig mit deren Offenbarung. 94 Genauso wenig besteht ein Anspruch auf exklusive Nutzung gegenüber solchen Personen, die sich das Wissen selbst erarbeitet haben. 95 Andererseits weisen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse gegenüber den gewerblichen Schutzrechten 89
Hierzu insbesondere Druey, Information als Gegenstand des Rechts, 1995, S. 367 ff. Wolff, NJW 1997, 98 (99); Ohly, in: ders. / Sosnitza (Hrsg.), UWG, vor §§ 17 –19, Rn. 5; Köhler, in: ders. / Bornkamm (Hrsg.), UWG, vor §§ 17 –19, Rn. 3 f. 91 Köhler, in: ders. / Bornkamm (Hrsg.), UWG, vor §§ 17 –19, Rn. 3 f. 92 Vgl. Frank, Der Schutz von Unternehmensgeheimnissen im Öffentlichen Recht, 2009, S. 64, dort Fn. 247; Köhler, in: ders. / Bornkamm (Hrsg.), UWG, vor §§ 17 –19, Rn. 3; Ohly, in: ders. / Sosnitza (Hrsg.), UWG, vor §§ 17 – 19, Rn. 5; es wird vertreten, die Übertragung richte sich nach § 929 S. 1 BGB analog, nach den §§ 413, 398 BGB oder aber die Pflichten des Verkäufers seien durch ergänzende Vertragsauslegung zu ermitteln; s. a. Forkel, Zur Übertragbarkeit geheimer Kenntnisse, in: FS-Schnorr v. Carolsfeld, S. 105 ff. 93 Wolff, NJW 1997, 98 (100); Ohly, in: ders. / Sosnitza (Hrsg.), UWG, vor §§ 17 –19, Rn. 5; daher auch die Bezeichnung des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses als „unvollkommenes Ausschließlichkeitsrecht“, vgl. Druey, Information als Gegenstand des Rechts, 1995, S. 367, der diese Ansicht jedoch nicht teilt. 94 Köhler, in: ders. / Bornkamm (Hrsg.), UWG, vor §§ 17 – 19, Rn. 1; Ohly, in: ders. / Sosnitza (Hrsg.), UWG, vor §§ 17 – 19, Rn. 3; vgl. Druey, Information als Gegenstand des Rechts, 1995, S. 369 f.; Maass, Information und Geheimnis im Zivilrecht, 1970, S. 97: „numerus clausus der gewerblichen Ausschlussrechte“ und S. 112 f., Heydt zitierend; s. a. Druey, Information als Gegenstand des Rechts, 1995, S. 274. 95 Schneider, Schutz des Unternehmensgeheimnisses vor unbefugter Verwertung, 1989, S. 117. 90
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B. Betriebsgeheimnisse und verschiedene Informationsansprüche
den entscheidenden Vorteil auf, dass sie nicht offenkundig 96 werden und bis zur Offenlegung ein zeitlich unbegrenzter Schutz besteht 97 (Ausnahme ist der seltene Fall der Parallelerarbeitung des Wissens). Für viele Unternehmen sind Betriebsund Geschäftsgeheimnisse daher auch wertvoller als gewerbliche Schutzrechte. Prominentes Beispiel ist die Coca-Cola-Rezeptur, die als bestgehütetes Geheimnis gilt. 98 Abschließend ist festzuhalten, dass das System des Geheimnisschutzes nicht nur solche Informationen erfasst, die auf einer Leistung des Unternehmens beruhen, was stets Kennzeichen des immateriellen Schutzrechts ist. Dies führt zu einem im Vergleich zu den gewerblichen Schutzrechten vielseitigeren Schutzbereich. 99 Hierauf wird im Rahmen einer Binnendifferenzierung einzugehen sein. 100 6. Zivilrechtlicher Schutz Neben den bereits skizzierten öffentlich-rechtlichen und strafrechtlichen Schutznormen 101 bieten auch zivilrechtliche Vorschriften Schutz für Betriebsund Geschäftsgeheimnisse. Seit § 19 UWG a.F., der eine Schadensersatzpflicht bei Zuwiderhandlungen gegen §§ 17, 18 UWG anordnete, gestrichen wurde, konkurrieren lauterkeitsrechtliche, bürgerlich-rechtliche und sondergesetzliche Ansprüche um die Regelung der zivilrechtlichen Folgen von Geheimnisverrat. 102 Sofern dieser die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 UWG erfüllt, kommt über § 9 S. 1 UWG eine Schadensersatzpflicht oder über § 8 Abs. 1 UWG eine Unterlassungspflicht in Betracht. Ansonsten können vor allem deliktsrechtliche Ansprüche gegeben sein, hier insbesondere aus § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. § 17 UWG oder § 826 BGB. 103 Über § 823 Abs. 2 und § 1004 BGB analog i.V. m. § 17 UWG lassen sich auch verschuldensunabhängige Unterlassungs- bzw. Beseitigungsansprüche konstruieren. 104 Ob Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse ein sonstiges 96
Vgl. Fn. 57 – 59. Das Urheberrecht erlischt 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers, § 64 UrhG; das Patent dauert 20 Jahre, § 16 Abs. 1 S. 1 PatG. Darum wird die Geheimhaltung von Erfindungen der Patentanmeldung auch häufig vorgezogen, vgl. Schneider, Schutz des Unternehmensgeheimnisses vor unbefugter Verwertung, 1989, S. 96 und Maass, Information und Geheimnis im Zivilrecht, 1970, S. 94, 101, der sich eingehend mit dem Verhältnis von Betriebsgeheimnis und Patentrecht auseinandergesetzt hat. 98 Ohly, in: ders. / Sosnitza (Hrsg.), UWG, vor §§ 17 –19, Rn. 2; zur Frage, welche Aspekte für und welche gegen eine Patentanmeldung sprechen s. Huber, in: Ann / Loschelder / Grosch (Hrsg.), Praxishandbuch Know-how-Schutz, 2010, Rn. 375 ff. 99 Frank, Der Schutz von Unternehmensgeheimnissen im Öffentlichen Recht, 2009, S. 61 f. 100 Vgl. I. 8. und C. III. 101 Vgl. I. 1. und 2. 102 Köhler, in: ders. / Bornkamm (Hrsg.), UWG, § 17, Rn. 51. 103 Köhler, in: ders. / Bornkamm (Hrsg.), UWG, § 17, Rn. 53. 97
I. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse
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Recht im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB darstellen, ist umstritten. 105 Die Tatsache, dass Geheimnisse selbständig übertragbar sind 106, spricht dafür, sie als subjektive Rechtspositionen im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB anzusehen. 107 Allerdings muss bei Verletzung eines sonstigen Rechts die Rechtswidrigkeit stets im Rahmen einer Interessenabwägung gesondert festgestellt werden. 108 Ist eine Geheimhaltungspflicht vertraglich vereinbart, kommt auch ein Schadensersatzanspruch über § 280 Abs. 1 BGB in Betracht. Zudem kann der Geheimnisverrat einen Eingriffskondiktionsanspruch nach § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 2 BGB auslösen oder eine angemaßte Eigengeschäftsführung i. S.v. § 687 Abs. 2 BGB darstellen. 109 Sondergesetzlichen Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen bieten etwa die §§ 69a ff. UrhG, wenn Gegenstand des Geheimnisses ein Computerprogramm ist. 110 7. Verfassungsrechtliche Gewährleistung des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen Dass Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse ein von der Verfassung geschütztes Rechtsgut darstellen, ist unumstritten, auch wenn dieser Schutz nicht ausdrücklich verbürgt ist. 111 Allein die Frage, welche Grundrechte hierbei einschlägig sind, wird unterschiedlich beantwortet. a) Art. 12 Abs. 1 GG Der grundrechtliche Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen wird einerseits wegen der Berufsbezogenheit allein auf Art. 12 Abs. 1 GG gestützt. 112 104
Ohly, in: ders. / Sosnitza (Hrsg.), UWG, vor §§ 17 –19, Rn. 10; Köhler, in: ders. / Bornkamm (Hrsg.), UWG, § 17, Rn. 63. 105 Vgl. Ohly, in: ders. / Sosnitza (Hrsg.), UWG, vor §§ 17 –19, Rn. 10 und § 17, Rn. 38 ff.; Köhler, in: ders. / Bornkamm (Hrsg.), UWG, § 17, Rn. 53; Brammsen, in: Heermann / Hirsch (Hrsg.), Münchner Kommentar zum UWG, § 17, Rn. 6, jeweils m.w. N.; s. a. Maass, Information und Geheimnis im Zivilrecht, 1970, S. 108 ff. 106 s. o. I. 5. 107 Vgl. Frank, Der Schutz von Unternehmensgeheimnissen im Öffentlichen Recht, 2009, S. 63 ff. 108 Köhler, in: ders. / Bornkamm (Hrsg.), UWG, § 17, Rn. 53. 109 Frank, Der Schutz von Unternehmensgeheimnissen im Öffentlichen Recht, 2009, S. 63; Köhler, in: ders. / Bornkamm (Hrsg.), UWG, § 17, Rn. 54 ff. 110 Köhler, in: ders. / Bornkamm (Hrsg.), UWG, § 17, Rn. 57. 111 Taeger, Die Offenbarung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, 1988, S. 53. 112 BVerfGE 115, 205 (230 f.); das Gericht schließt jedoch eine Berührung anderer Schutzbereiche nicht explizit aus; Wolff, NJW 1997, 98 (101); wohl auch Polenz, DÖV 2010, 350 (351 f.).
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B. Betriebsgeheimnisse und verschiedene Informationsansprüche
Denn Art. 12 Abs. 1 GG schütze auch vor der Offenlegung exklusiven, wettbewerbserheblichen Wissens gegenüber Konkurrenten, damit die Berufsausübung unter Rückgriff auf dieses Wissen erfolgreich gestaltet werden könne. 113 Insbesondere komme Art. 14 Abs. 1 GG nicht zur Anwendung, weil dieser voraussetze, dass die Vermögensposition dem Rechtsinhaber rechtlich zugeordnet sei. Der Bestand verfassungsrechtlichen Eigentums hängt davon ab, was das einfache Recht als Eigentum definiert. 114 Ungeachtet der straf- und auch deliktsrechtlichen Erfassung seien Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse aber, im Gegensatz zu den Immatrialgüterrechten 115, nicht dem Rechtsinhaber ausschließlich zugeordnet und könnten daher nicht zum verfassungsrechtlich gewährleisteten Eigentum nach Art. 14 Abs. 1 GG gehören. 116 b) Art. 14 Abs. 1 GG Die Gegenauffassung verweist demgegenüber ausschließlich auf Art. 14 Abs. 1 GG. Bei einem Betriebs- und Geschäftsgeheimnis handele es sich um ein Vermögensgut. 117 Genauer gesagt seien Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse „inhaltsbeschränktes Informationseigentum“ 118. Das Argument, die einfachen Gesetze verliehen dem Geheimnisinhaber keine Ausschließlichkeitsrechte i. S. d. Urheber- oder Patentrechts, greift nach dieser Ansicht deshalb nicht, weil Art. 14 Abs. 1 GG drittwirkende Ausschließlichkeitsrechte gerade nicht verlange. 119 Die Eigentumsgarantie gestatte dem Gesetzgeber vielmehr, auch Vermögenswerte mit eingeschränkter Schutzgewährleistung zu schaffen. Vorschriften wie § 93 Abs. 1 AktG 120, § 85 GmbHG 121, §§ 17 ff. UWG oder § 203 StGB statuierten bestimmte Rücksichtnahmegebote, welche der für den Schutz durch Art. 14 Abs. 1 113
BVerfGE 115, 205 (230). BVerfGE 58, 300 (336). 115 Vgl. hierzu I. 5. 116 Wolff, NJW 1997, 98 (99 f.); Polenz, DÖV 2010, 350 (352). 117 Taeger, Die Offenbarung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, 1988, S. 62; Brammsen, in: Heermann / Hirsch (Hrsg.), Münchner Kommentar zum UWG, § 17, Rn. 5; ausführlich: Brammsen, DÖV 2007, 10 ff. (17); Köhler, in: ders. / Bornkamm (Hrsg.), UWG, vor §§ 17 – 19, Rn. 2; Lüttgau, AnwBl. 2010, 462 (463). 118 Brammsen, DÖV 2007, 10 (17). 119 Brammsen, DÖV 2007, 10 (13). 120 § 93 Abs. 1 S. 3 AktG: „Über vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft, namentlich Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, die den Vorstandsmitgliedern durch ihre Tätigkeit im Vorstand bekanntgeworden sind, haben sie Stillschweigen zu bewahren.“ 121 § 85 Abs. 1 GmbHG: „Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer ein Geheimnis der Gesellschaft, namentlich ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, das ihm in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer, Mitglied des Aufsichtsrats oder Liquidator bekanntgeworden ist, unbefugt offenbart.“ 114
I. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse
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GG allein ausreichenden institutionellen Absicherung genügten. Auch hierdurch würde ein „Grundtatbestand an privatrechtlichen Befugnissen [gewahrt], die den unerlässlichen und elementaren Bestand grundrechtlich geschützter Betätigung im vermögensrechtlichen Bereich konstituieren“ 122. Uneinigkeit besteht lediglich darüber, ob es ein eigens von Art. 14 Abs. 1 GG geschütztes Recht am Geheimnis gibt oder ob ein solches nur dem von Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Recht am Unternehmen bzw. am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb folgt. 123 Da aber zumindest mittelbar ein Schutz über Art. 14 Abs. 1 GG angenommen wird, muss diese Frage hier nicht näher erörtert werden. c) Art. 2 Abs. 1 GG Vereinzelt wird die Möglichkeit eines Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen über das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Unternehmens oder das Recht auf Schutz der Unternehmenssphäre in ihren aus Art. 2 Abs. 1 GG entwickelten Ausprägungen in Betracht gezogen. 124 aa) Recht auf informationelle Selbstbestimmung Beim Recht auf informationelle Selbstbestimmung liegt der Schutzschwerpunkt jedoch darauf, dem Staat weitreichende Einblicke in die „beruflichen, betrieblichen oder sonstigen wirtschaftlichen Verhältnisse nicht zu ermöglichen“ 125. Beim Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen geht es jedoch vorrangig um die Verhinderung der Weitergabe von Informationen, die sich bereits in den Händen des Staates befinden, an Dritte. Der Schutzbereich der informationellen Selbstbestimmung passt demnach nicht auf die vorliegende Konstellation. Aber auch in Konstellationen zwischen Privaten, in denen Grundrechte etwa über die Figur der „mittelbaren Drittwirkung“ 126 zum Tragen kommen können, bleibt die Frage, ob das als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts natürlicher Personen entwickelte Recht auf informationelle Selbstbestimmung über Art. 19 Abs. 3 GG überhaupt auf juristische Personen anwendbar ist. 127 Als Konkretisierung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dient das informationelle Selbstbe122
Brammsen, DÖV 2007, 10 (13); vgl. BVerfGE 58, 300 (339). Vgl. Ohly, in: ders. / Sosnitza (Hrsg.), UWG, vor §§ 17 –19, Rn. 8; Wolff, NJW 1997, 98 (99); Taeger, Die Offenbarung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, 1988, S. 60 ff. 124 Knemeyer, DB 1993, 721; Frank, Der Schutz von Unternehmensgeheimnissen im Öffentlichen Recht, 2009, S. 188 f. 125 BVerfGE 67, 100 (142). 126 Vgl. hierzu Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 351 ff., 356. 123
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B. Betriebsgeheimnisse und verschiedene Informationsansprüche
stimmungsrecht dem Schutz von Wert und Würde der (natürlichen) Person, die in freier Selbstbestimmung als Glied einer freien Gesellschaft wirkt. 128 Bestimmung und Reichweite dieses Rechts sind dadurch klar umrissen und begrenzt. Informationen eines Unternehmens könnten allenfalls dann in den Schutzbereich dieses Grundrechts fallen, wenn die bedrohte Verfügungsbefugnis über diese Information bei einer natürlichen Person liegt. Dies ist jedoch regelmäßig nicht der Fall, weil Zurechnungsobjekt das Unternehmen als Ganzes ist. 129 bb) Schutz der Unternehmenssphäre Auch der Schutzbereich der – ebenfalls von Art. 2 Abs. 1 GG geschützten – Unternehmenssphäre als räumlich zu verstehendes Schutzkonzept ist nicht berührt. Denn so, wie diese Teilgewährleistung verstanden wird, ist in den hier interessierenden Konstellationen die Sphäre des Unternehmens nicht betroffen, wenn der Staat (oder ein Privater) Zugang zu solchen Daten gewährt, die sich gerade nicht mehr in den Räumlichkeiten des Unternehmens befinden. 130 cc) Zwischenergebnis Insofern erscheint es, insbesondere angesichts der umfangreichen Abdeckung betrieblich oder geschäftlich relevanter Geheimnisse durch die Schutzbereiche der Art. 14 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG, gerade im wettbewerblichen und vermögensrechtlichen Bereich, angemessener, auf diese Grundrechte zurückzugreifen. 131
127 Vgl. hierzu Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Art. 19 III, Rn. 37; ablehnend Taeger, Die Offenbarung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, 1988, S. 58; ähnlich Herrmann, Informationspflichten gegenüber der Verwaltung, 1997, S. 395 f. 128 BVerfGE 65, 1 (41); Taeger, Die Offenbarung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, 1988, S. 57. 129 s. Taeger, Die Offenbarung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, 1988, S. 55, zum Schutz des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses als Ausprägung des Persönlichkeitsrechts. 130 Frank, Der Schutz von Unternehmensgeheimnissen im Öffentlichen Recht, 2009, S. 187 f. 131 So Taeger, Die Offenbarung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, 1988, S. 54 ff.; auch Frank, Der Schutz von Unternehmensgeheimnissen im Öffentlichen Recht, 2009, S. 186 ff.; man kann freilich den aus Art. 14 I und Art. 12 I GG folgenden Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen als „Paradefall für die informationelle Selbstbestimmung des Unternehmers“ bezeichnen, auch wenn dies begrifflich eine Verwechslungsgefahr birgt, vgl. Breuer, NVwZ 1986, 171 (172).
I. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse
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d) Ergebnis Eine exakte Subsumtion von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen unter den Schutzbereich eines der genannten Grundrechte ist aufgrund des Facettenreichtums dieses Rechtsguts schwer vorzunehmen. 132 So stellen etwa Fertigungstechniken oder Rezepturen Geheimnisse mit Vermögensbezug dar, da sie vermögenswerte Informationen verkörpern, die im Wege von Lizenzverträgen veräußert werden können. Andererseits sind sie meistens die Basis des Unternehmens dafür, sich am Markt von der Konkurrenz abzusetzen und dadurch einen wettbewerblichen Vorteil zu erlangen. Daher wird zu Recht überwiegend auf Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG rekurriert, da sowohl das Verhalten und die Stellung des Unternehmens im Wettbewerb als auch das bereits erworbene Wissen im Sinne eines Vermögensgutes Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse darstellen können. 133 Nach Art. 19 Abs. 3 GG gelten die Grundrechte auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind. Für Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG wird von einer prinzipiellen Geltung für juristische Personen ausgegangen. 134 Damit kann auch für die vorliegenden Konstellationen, in denen die Unternehmen als Geheimnisinhaber anzusehen sind, von der Geltung von Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG ausgegangen werden. 8. Binnendifferenzierung als Abwägungsmaßstab? Überall dort, wo Geheimhaltungsinteressen auf Offenlegungsinteressen stoßen, muss ein Ausgleich zwischen diesen Positionen gefunden werden. Oftmals ordnet der Gesetzgeber eine Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen an. 135 Auch beim parlamentarischen Fragerecht ist beiden Positionen durch die Herstellung praktischer Konkordanz zu größtmöglicher Wirkung zu verhel132
Vgl. I. 2. Statt vieler BVerwG, NVwZ 2009, 1114 (1116); VG Braunschweig, ZUM 2008, 254 (257 f.); OVG Schleswig, NVwZ 2007, 1448 (1448 f.); Herrmann, Informationspflichten gegenüber der Verwaltung, 1997, S. 400; Jastrow / Schlatmann, IFG, § 6, Rn. 36; Knemeyer, DB 1993, 721 (722); Tyczewski / Elgeti, NWVBl. 2006, 281 (283); Sieberg / Ploeckl, DB 2005, 2062 (2063); v. Danwitz, DVBl. 2005, 597 (600); Kloepfer / Greve, NVwZ 2011, 577 (579); ausführlich Frank, Der Schutz von Unternehmensgeheimnissen im Öffentlichen Recht, 2009, S. 172 ff. 134 Dreier, in: ders. (Hrsg.), GG, Art. 19 III, Rn. 36; Lennartz / Kiefer, DÖV 2006, 185 (190); a. A. hinsichtlich Art. 12 Abs. 1 GG Taeger, Die Offenbarung von Betriebsund Geschäftsgeheimnissen, 1988, S. 59 f.; trotz des personalen Gehalts ist der Grundrechtsschutz aus Art. 12 Abs. 1 GG für juristische Personen allgemein anerkannt, vgl. nur BVerfGE 115, 205 (227 f.); zur Frage, ob sich die öffentliche Hand auf den Schutz eigener Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse berufen kann Polenz, DÖV 2010, 350 (352 ff.). 135 Z. B. in § 9 Abs. 1 UIG, § 8 S. 3 IFG NRW, § 4 Abs. 2 Nr. 2 / Nr. 3 LPresseG NRW. 133
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B. Betriebsgeheimnisse und verschiedene Informationsansprüche
fen, was nichts anderes als eine Abwägung der Interessen des Abgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG 136 mit denen des Geheimnisinhabers aus Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG nach sich zieht. Es ließe sich nun, angesichts der bereits angedeuteten Vielfalt der möglichen Geheimnisinhalte, überlegen, Leitlinien für eine solche Abwägung anhand bestimmter Gewichtungskriterien aufzustellen. Dabei könnte eine Rolle spielen, ob das Geheimnis Ergebnis eigener Leistung ist (wie etwa bei Produktionsmethoden) oder „bloß“ eine Information über das Unternehmen verkörpert (wie etwa Mitarbeiter- oder Umsatzzahlen). 137 Im Hinblick auf den Gegenstand und Schwerpunkt dieser Arbeit, nämlich die Untersuchung der Schutzintensität von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen in Abhängigkeit zur Art des Informationsanspruchs, wäre eine solche Binnendifferenzierung jedoch (noch) nicht zielführend. Wirkkraft und Reichweite der verschiedenen Informationsansprüche von Parlament (bzw. Abgeordneten), Presse und jedermann sollen zunächst einheitlich beurteilt werden können. Die Berücksichtigung eines variablen Abwägungsmaßstabes würde diese Prüfung vielschichtiger und damit unübersichtlicher machen. Insofern ist für den Gegenstand dieser Untersuchung zunächst ein gleichmäßig starkes, von Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG gestütztes Schutzkonzept zugrunde zu legen, unabhängig vom konkreten Inhalt des Geheimnisses. Hierdurch kann eine Abstufung im Schutzniveau aus der Perspektive der Anspruchsteller nachgewiesen werden. Erst im Anschluss hieran ist eine Kategorisierung nach Geheimnisinhalten in Abhängigkeit zu den einzelnen Informationsansprüchen sinnvoll, die zum Entwurf eines Schutzstufenmodells beitragen kann.
II. Das parlamentarische Fragerecht 1. Begriff und Bedeutung des parlamentarischen Fragerechts Neben den im Grundgesetz ausdrücklich normierten parlamentarischen Informationsrechten 138 ist die Existenz eines allgemeinen parlamentarischen Informationsanspruchs im Sinne eines Fremdinformationsrechts 139 anerkannt. Auf diesen konzentriert sich die vorliegende Arbeit. Das allgemeine parlamentarische Fragerecht umfasst alle Fragen, „die vom Parlament oder aus dem Parlament im 136
Zum parlamentarischen Informationsanspruch s. unter II. Wobei diese Informationen freilich mittelbar auch auf Leistung zurückzuführen wären; ausführlich hat sich Frank, Der Schutz von Unternehmensgeheimnissen im Öffentlichen Recht, 2009, insbes. S. 193 ff. mit dieser Problematik auseinandergesetzt. 138 Vgl. hierzu II. 5. 139 Hierbei werden Informationen seitens der Bundesregierung vermittelt, wohingegen Selbstinformationsrechte dazu berechtigen, sich das benötigte Wissen selbst zu beschaffen, vgl. Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 43, Rn. 75. 137
II. Das parlamentarische Fragerecht
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Plenum an die Regierung oder einzelne ihrer Mitglieder gerichtet, von diesen (grundsätzlich) parlamentsöffentlich in mündlicher oder schriftlicher Form beantwortet werden und eine rechtliche Regelung [...] erfahren haben“ 140. Seine Bedeutung und Existenzberechtigung wurzelt in der organadäquaten Kompetenzordnung des Grundgesetzes, die die Exekutive als „informierte Gewalt“ 141 ansieht. 142 Diese Grundaussage wird nicht explizit in der Verfassung getroffen, geht jedoch aus einzelnen Normen wie z. B. Art. 53 S. 3 GG oder Art. 23 Abs. 2 S. 2 GG hervor. Nach der Verfassungsordnung des Grundgesetzes sind Bundestag und Bundesregierung eigenständige Verfassungsorgane mit strukturellen Unterschieden. Die Bundesregierung kann sich zur Bewältigung der Staatsaufgaben auf ihre Ministerialbürokratie stützen und hat einen breiten Verwaltungsapparat unter sich, der die erforderlichen Informationen sammelt, sichtet und aufbereitet. 143 Der einzelne Abgeordnete verfügt demgegenüber regelmäßig nur über eine Schreibkraft und wissenschaftliche Mitarbeiter und kann auf den Wissenschaftlichen Dienst der Bundestagsverwaltung zurückgreifen. Dies vermag den Informationsvorsprung der Regierung nicht aufzuheben. 144 Die (Informations-)Balance zwischen den Gewalten ist somit zuungunsten des Parlaments verschoben. 145 Soll es auch dem Parlament und vor allem den Oppositionsfraktionen möglich sein, die eigene (Gesetzes-)Initiativfunktion wahrzunehmen, ohne dabei lediglich reagierend auf die seitens der Regierung freiwillig offenbarten Informationen zurückgreifen zu müssen, sondern auch eigene, alternative Ideen zu entwickeln, so müssen auch sie über einen ausreichenden Informationsstand verfügen. 146 Weiter ist neben der Gesetzgebung die Kontrolle der Regierung eine Hauptaufgabe des Parlaments. 147 Durch die Gesetzgebung und die aus Art. 20 Abs. 3 GG folgende Bindung der Exekutive an die Gesetze wird bereits eine vorauswirkende Kontrolle durch das Parlament erzielt. 148 Diese ist jedoch von der 140
Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 43, Rn. 76. Linck, DÖV 1983, 957 (959). 142 Ausführlich Magiera, Rechte des Bundestages und seiner Mitglieder gegenüber der Regierung, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland, § 52, Rn. 44 ff. 143 Magiera, Rechte des Bundestages und seiner Mitglieder gegenüber der Regierung, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland, § 52, Rn. 48, 52 ff. 144 Brüning, Der Staat, Bd. 43 (2004), 511 (513). 145 Hierin ist einer der Gründe zu sehen, warum gemeinhin von einer „Krise des Parlamentarismus“ gesprochen wird, s. Bodenheim, ZParl. 1980, 38 (47); vorsichtiger Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 575. 146 Vgl. auch Brüning, Der Staat, Bd. 43 (2004), 511 (525). 147 Bodenheim, ZParl. 1980, 38 (46); Geck, Die Fragestunde im Deutschen Bundestag, 1986, S. 58 ff.; Weis, DVBl. 1988, 268 (270) m.w. N.; vgl. auch jüngst OVG Lüneburg, DVBl. 2009, 920. 141
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B. Betriebsgeheimnisse und verschiedene Informationsansprüche
Parlamentsmehrheit abhängig, die im Regelfall mit den die Regierung bildenden Koalitionsparteien übereinstimmen und daher keine unabhängige Regierungskontrolle durchführen wird. Zudem gehen rund 80% der Gesetzesentwürfe von der Bundesregierung aus, die ihrerseits im Vorfeld mit Verbänden und Vertretern von Privatinteressen verhandelt. 149 Das Parlament nimmt nur selten inhaltliche Änderungen von Gesetzentwürfen vor. 150 Um dennoch eine Regierungskontrolle wirksam wahrnehmen zu können, bedarf es Möglichkeiten der Informationsgewinnung auch für einzelne Abgeordnete, da die Regierung von der Mehrheit der Parlamentsmitglieder getragen wird und sich jeglicher Kontrolle durch die Opposition durch Mehrheitsbeschluss im Bundestag entziehen könnte; für die Parlamentsmehrheit besteht grundsätzlich eine Interessenidentität zwischen Kontrolleur und Kontrolliertem. 151 Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu in einer zum Untersuchungsausschussrecht ergangenen Entscheidung ausgeführt: „Der Grundsatz der Gewaltenteilung [...] gebietet gerade im Hinblick auf die starke Stellung der Regierung [...] eine Auslegung des Grundgesetzes dahin, dass parlamentarische Kontrolle wirksam sein kann“ 152; in anderem Zusammenhang führte das Gericht aus: „Für das politische Schicksal des Abgeordneten ist der Grad seiner Informiertheit von entscheidender Bedeutung“ 153. Dies lässt folgenden Schluss zu: Nur wenn dem Parlament (und seinen Mitgliedern) ein hinreichender Einblick in die Regierungspraxis möglich ist, kann es überprüfen, ob die verfassungsrechtliche Bindung der Exekutive an seine Beschlüsse und Gesetze gem. Art. 20 Abs. 3 GG gewahrt ist. 154 Wirksam ist diese Kontrolle dabei erst, wenn sie öffentlich erfolgen kann. 155 Denn nur dann werden mögliche Missstände innerhalb der Regierung auch dem Wähler kommuniziert, der die Regierungsparteien bei der 148 Brüning, Der Staat, Bd. 43 (2004), 511 (516); Schmidt, Die demokratische Legitimationsfunktion der parlamentarischen Kontrolle, 2007, S. 74 ff.: „Parlamentarische Rechtskontrolle“. 149 Schulze-Fielitz, Theorie und Praxis parlamentarischer Gesetzgebung, 1988, S. 280 ff., 285 f.: „Faktisches Gesetzeserarbeitungsmonopol der Ministerialbürokratie(n)“ und „Insuffizienz des Bundestages als Gesetzesinitiant“; Ossenbühl, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Bd. III, 1. Aufl. 1988, § 63, Rn. 11 ff.; Brüning, Der Staat, Bd. 43 (2004), 511 (524); zur Entparlamentisierung politischer Entscheidungen im Allgemeinen Morlok, VVDStRL 62, 37 (39 ff.); zur verfassungsrechtlichen Bewertung der Aushandlung von Laufzeitverlängerungen deutscher Kernkraftwerke zwischen Regierung und Energieversorgungsunternehmen Waldhoff / v. Aswege, ZNER 2010, 328 (338 ff.). 150 Ossenbühl, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Bd. III, 1. Aufl. 1988, § 63, Rn. 11; Brüning, Der Staat, Bd. 43 (2004), 511 (524). 151 Brüning, Der Staat, Bd. 43 (2004), 511 (517). 152 BVerfGE 67, 100 (130). 153 BVerfGE 44, 308 (320). 154 Bodenheim, ZParl. 1980, 38 (47). 155 Vogelsang, ZRP 1988, 5 (8); Linck, DÖV 1983, 957 (964); vgl. auch ders., DÖV 1973, 513 (515 f.); Lepsius, „Volksvertreter fragen – die Regierung schweigt: Aushöhlung
II. Das parlamentarische Fragerecht
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nächsten Wahl durch Stimmenentzug entsprechend sanktionieren kann. 156 Die an das Kontrollergebnis anknüpfenden Sanktionen sind daher im Regelfall politischer Natur, nicht rechtlicher, was die Öffentlichkeit gerade für die Opposition zu einem wesentlichen Instrument zur Kontrolle der Regierung macht. 157 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das parlamentarische Fragerecht eine Voraussetzung für die sachgerechte Kompetenzwahrnehmung des Bundestages (und seiner Mitglieder) darstellt. 158 Es bildet das notwendige Gegengewicht zur Informationsüberlegenheit der Bundesregierung im parlamentarischen Regierungssystem. 159 Ausgehend von diesen Grundüberlegungen soll im Folgenden der Fokus auf die Informationsmöglichkeiten des einzelnen Abgeordneten gerichtet werden. 2. Verfahrensrechtliche Ausgestaltung in der parlamentarischen Praxis Bevor auf den verfassungsrechtlichen Hintergrund des parlamentarischen Fragerechts eingegangen wird, soll zunächst ein Überblick über die den Abgeordneten zur Verfügung stehenden Verfahren zum Erhalt von Informationen der Bundesregierung gegeben werden. 160 Die einzelnen Ausübungsmodalitäten von Fragen 161 sind in der Geschäftsordnung des Bundestages (GOBT) geregelt. a) Große Anfrage Die sog. Große Anfrage kann von einer Fraktion oder von 5 % der Mitglieder des Bundestages an die Bundesregierung gestellt werden, §§ 75 Abs. 1 lit. f, 76 Abs. 1 GOBT. Die §§ 100 –103 GOBT regeln das Nähere zu Fristen und inhaltlichen Anforderungen. Nach § 100 S. 1 GOBT sind Große Anfragen dem Bundestagspräsidenten zu übergeben, der sie an die Bundesregierung weiterleider parlamentarischen Kontrolle?“, in: Kritische Justiz (Hrsg.), Verfassungsrecht und gesellschaftliche Realität, S. 81 (85 f.). 156 Vgl. Brüning, Der Staat, Bd. 43 (2004), 511 (520). 157 Morlok, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 38, Rn. 45. 158 Linck, DÖV 1983, 957 (958); s. a. Thür VerfGH, DVBl. 2009, 245 (246); Sächs VerfGH, Beschl. v. 5. 11. 2009 – Vf. 133-I-08, Rz. 2 a. 159 Welche verfassungsrechtliche Grundlage das Fragerecht hat und wer im Einzelfall ausübungsbefugt ist, ist Gegenstand von II. 3. 160 Vgl. ausführlich Magiera, Rechte des Bundestages und seiner Mitglieder gegenüber der Regierung, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland, § 52, Rn. 16 ff. und Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 43, Rn. 89 ff.; knapper Vogelsang, ZRP 1988, 5. 161 So explizit Bodenheim, ZParl. 1980, 38 (39).
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tet und diese nach § 101 S. 1 GOBT zu einer Erklärung auffordert, ob und wann sie antworten werde. Nach §§ 77 Abs. 1, 75 Abs. 1 lit. f. GOBT werden Große Anfragen und die hierauf gegebenen Antworten als Bundestagsdrucksache veröffentlicht. Da im Falle einer Antwort auf Antrag des o.a. Quorums eine Beratung der aufgeworfenen Themen erfolgt (§ 101 S. 3 GOBT), hat die Große Anfrage – in erster Linie für die Oppositionsfraktionen – die Funktion, der Bundesregierung eine Stellungnahme zu Grundsätzlichem zu entlocken und hierüber eine Debatte in Gang zu setzen. In dieser erhält die Opposition die Möglichkeit, ihre Vorstellungen und ggf. Alternativen darzustellen. 162 Punktuelle Informationsbeschaffung ist indessen nicht der vorrangige Zweck der Großen Anfrage. 163 Zudem stellt die Große Anfrage für den einzelnen Abgeordneten wegen des notwendigen Quorums kein taugliches Informationsbeschaffungsinstrument dar, weshalb sie für den Gegenstand dieser Untersuchung von eher geringer Bedeutung ist. b) Kleine Anfrage Ähnliches gilt für die Kleine Anfrage. Auch sie kann gem. §§ 75 Abs. 3, 76 Abs. 1 GOBT nur von einer Fraktion oder von 5% der Bundestagsmitglieder gestellt werden, wird vom Bundestagspräsidenten an die Bundesregierung weitergeleitet und – im Falle einer Antwort – als Bundestagsdrucksache veröffentlicht. Nach § 104 Abs. 2 GOBT fordert der Bundestagspräsident die Bundesregierung zu einer Antwort innerhalb von 14 Tagen auf, bei Zustimmung der Fragesteller auch innerhalb einer längeren Frist. Der wesentliche Unterschied zur Großen Anfrage besteht darin, dass keine Aussprache im Plenum erfolgt. Insofern liegt hier der Zweck vorrangig in der Informationsbeschaffung und weniger in der politischen Auseinandersetzung mit grundsätzlichen Themen. 164 c) Einzelfrage und Fragestunde Für den einzelnen Abgeordneten besteht gem. § 105 S. 1 GOBT die Möglichkeit, Einzelfragen zur mündlichen oder schriftlichen Beantwortung an die Bundesregierung zu richten. 165 Die nähere Ausgestaltung richtet sich nach An162
Schwerin, Der Deutsche Bundestag als Geschäftsordnungsgeber, 1998, S. 91 f. Magiera, Rechte des Bundestages und seiner Mitglieder gegenüber der Regierung, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland, § 52, Rn. 19. 164 Magiera, Rechte des Bundestages und seiner Mitglieder gegenüber der Regierung, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland, § 52, Rn. 21; Schwerin, Der Deutsche Bundestag als Geschäftsordnungsgeber, 1998, S. 92. 163
II. Das parlamentarische Fragerecht
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lage 4 GOBT. Danach kann der Abgeordnete zur mündlichen Beantwortung durch die Bundesregierung für die Fragestunden einer Sitzungswoche bis zu zwei Fragen stellen, die in jeweils zwei Unterfragen unterteilt sein können. Er hat hierzu die Fragen schriftlich beim Bundestagspräsidenten bis zum Freitag der Vorwoche um 10 Uhr und bei der Bundesregierung um 12 Uhr einzureichen, Anlage 4 II. Nr. 8 GOBT. Zudem kann er bei mündlicher Beantwortung der Frage im Rahmen der sog. Fragestunde zwei weitere Zusatzfragen stellen. Das Gleiche gilt, mit Genehmigung des Bundestagspräsidenten, auch für andere Abgeordnete. Zur schriftlichen Beantwortung kann jeder Abgeordnete in jedem Monat bis zu vier Fragen stellen. Zu beachten ist, dass die Fragen in jedem Fall kurz gefasst sein und eine kurze Beantwortung ermöglichen müssen, Anlage 4 I. Nr. 1 Abs. 3 GOBT. Die Antwort erfolgt binnen einer Woche nach Eingang und wird – zusammen mit der Frage – in der folgenden Woche in einer Bundestagsdrucksache veröffentlicht. Von der Möglichkeit, mündliche und schriftliche Fragen an die Bundesregierung zu stellen, wurde und wird – insbesondere von den oppositionellen Bundestagsabgeordneten – reger Gebrauch gemacht. 166 Aufgrund des begrenzten Umfangs ist das Instrument der Einzelfrage zur Erlangung punktueller Information geeignet. Insbesondere bei einer Fragestellung zur mündlichen Beantwortung kann es jedoch im Rahmen der Fragestunde durch die Möglichkeit der Zusatzfragen zu größeren Diskussionen kommen. 167 d) Aktuelle Stunde Die sog. Aktuelle Stunde (§ 106 GOBT) findet häufig im Anschluss an eine Fragestunde statt. In der Aktuellen Stunde sollen Themen von allgemeinem aktuellem Interesse in Kurzbeiträgen von fünf Minuten diskutiert werden. Nach Anlage 5 I. Nr. 1 GOBT sind jedoch wiederum nur bestimmte Gruppen zur Einberufung berechtigt, nämlich der Ältestenrat, die Fraktionen oder 5 % der Mitglieder des Bundestages. Für den einzelnen Abgeordneten stellt die Aktuelle Stunde daher eine Informationsquelle von eingeschränkter Bedeutung dar. 165
Insofern ist es nicht nachvollziehbar, dass das BVerfG in seinem Beschl. v. 1. 7. 2009 – E 124, 161 (185 f.) die in Streit stehenden „Kleinen Anfragen“ den einzelnen Antragstellern bzw. Abgeordneten zuordnet. Diese hätten zur Stellung der Kleinen Anfrage des gem. §§ 75 Abs. 3, 76 Abs. 1 GOBT für dieses Institut notwendigen Quorums bedurft, s. o. 166 Schwerin, Der Deutsche Bundestag als Geschäftsordnungsgeber, 1998, S. 94: In der 12. Wahlperiode gab es 16.665 schriftliche und 4.215 mündliche Anfragen. 167 Magiera, Rechte des Bundestages und seiner Mitglieder gegenüber der Regierung, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland, § 52, Rn. 23.
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3. Rechtsgrundlage und verfassungsrechtliche Herleitung des parlamentarischen Fragerechts Die genannten Vorschriften der Geschäftsordnung des Bundestags legen zwar die Regeln für parlamentarische Fragen (rechts-)verbindlich 168 fest. Allerdings räumt Art. 40 Abs. 1 S. 2 GG dem Bundestag lediglich die Befugnis ein, „sich“ eine Geschäftsordnung zu geben. Angesichts dieses binnenrechtlichen Charakters kann die Geschäftsordnung des Bundestages als Intraorganrecht gegenüber der Bundesregierung und allen anderen außenstehenden Rechtssubjekten keine (verfassungsrechtlichen) Rechte und Pflichten begründen. 169 Selbst das Hausrecht des Parlaments, das durch den Bundestagspräsidenten ausgeübt wird, ist ausdrücklich in Art. 40 Abs. 2 S. 1 GG geregelt, um Außenwirkung entfalten zu können. 170 Das staatsorganisationsrechtliche Verhältnis von Bundestag und Bundesregierung kann daher nur auf Ebene der Verfassung geklärt werden 171, zumindest muss sich hier die Grundlage für eine einfachrechtliche Informationsverpflichtung finden lassen. 172 Eine explizite Regelung des parlamentarischen Fragerechts und einer korrespondierenden Antwortpflicht der Bundesregierung fehlt im Grundgesetz jedoch. 173 Dieser Befund scheint im Widerspruch zur fundamentalen Bedeutung des Anspruchs zu stehen. 174 Allerdings sind die verfassungsrechtlichen Rechte 168 Die Geschäftsordnungen der obersten Bundesorgane enthalten objektive, (verfassungs-)gerichtlich überprüfbare Rechtssätze, vgl. Magiera, Rechte des Bundestages und seiner Mitglieder gegenüber der Regierung, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland, § 52, Rn. 36. 169 Magiera, Rechte des Bundestages und seiner Mitglieder gegenüber der Regierung, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland, § 52, Rn. 37; Geck, Die Fragestunde im Deutschen Bundestag, 1986, S. 64; Haug, Bindungsprobleme und Rechtsnatur parlamentarischer Geschäftsordnungen, 1994, S. 130 f.; Schwerin, Der Deutsche Bundestag als Geschäftsordnungsgeber, 1998, S. 89; Weis, DVBl. 1988, 268 (269); Vogelsang, ZRP 1988, 5 (6); Bodenheim, ZParl. 1980, 38 (40); Schwarz, LKV 1998, 262; Kehrhahn, ZParl. 1985, 484 (485); Schmidt, Die demokratische Legitimationsfunktion der parlamentarischen Kontrolle, 2007, S. 100 f. 170 Magiera, Rechte des Bundestages und seiner Mitglieder gegenüber der Regierung, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland, § 52, Rn. 37. 171 Bodenheim, ZParl. 1980, 38 (40). 172 Brüning, Der Staat, Bd. 43 (2004), 511 (534). 173 Linck, DÖV 1983, 957 (958); Lepsius, „Volksvertreter fragen – die Regierung schweigt: Aushöhlung der parlamentarischen Kontrolle?“, in: Kritische Justiz (Hrsg.), Verfassungsrecht und gesellschaftliche Realität, S. 81; Haug, Bindungsprobleme und Rechtsnatur parlamentarischer Geschäftsordnungen, 1994, S. 129 f.; landesverfassungsrechtliche Ausnahmen sind z. B. Art. 51 Abs. 1 S. 1 Sächs LV, Art. 100 Abs. 1 Brem LV oder Art. 53 Abs. 2 Thür LV, vgl. Berger, NordÖR 2009, 1. 174 Brüning, Der Staat, Bd. 43 (2004), 511 (529); vgl. hierzu oben II. 1.
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und Pflichten zwischen Bundestag und Bundesregierung nicht abschließend im Grundgesetz normiert. 175 Verfassungsgeschichtlich lässt sich das Fehlen einer ausdrücklichen Regelung des Informationsanspruchs dadurch erklären, dass sowohl eine Aufnahme in die Verfassung des Norddeutschen Bundes als auch in die Reichsverfassung von 1871 mit der Begründung abgelehnt wurde, das parlamentarische Fragerecht bestehe vermöge der übrigen Rechte und verstehe sich von selbst. 176 Seit der Zeit des Konstitutionalismus hat sich die Rolle des Parlaments im Staat jedoch erheblich verändert. Es ist zum obersten Staatsorgan aufgestiegen. 177 Daher verwundert es, dass sich mit dem Bedeutungswandel nicht auch ein Verfassungswandel vollzogen hat, der zur Klärung „zahlreiche[r] Rechtsstreitigkeiten in dem und um das Parlament“ 178 beitragen könnte. Konsequenz einer fehlenden positiv-rechtlichen Verfassungsregelung ist der Meinungsstreit darüber, ob und wie sich das parlamentarische Fragerecht verfassungsrechtlich herleiten lässt. a) Verfassungsrechtliche Herleitung aa) Konkretisierung des Zitierrechts aus Art. 43 Abs. 1 GG Ein Teil der Literatur leitet das Fragerecht des Abgeordneten aus dem parlamentarischen Zitierrecht nach Art. 43 Abs. 1 GG ab. 179 Es sei anerkannt, dass zur Anwesenheitspflicht der Regierungsmitglieder auch die Pflicht gehöre, Fragen zu beantworten. Die Regelungen der Geschäftsordnung des Bundestages (§§ 100 ff.) 180 seien Konkretisierungen des Art. 43 Abs. 1 GG. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift sind die Träger der aus dem Zitierrecht folgenden Befugnisse jedoch nur der Bundestag und seine Ausschüsse. 181 Die in den Vorschriften der GOBT geregelten Fragerechte sind demgegenüber Minderheitenrechte. Der verfassungsrechtliche Hintergrund lässt sich daher nicht aus Art. 43 Abs. 1 GG herleiten, da das hier verbürgte Recht, die Anwesenheit jedes Regierungsmitglieds im Bundestag zu verlangen, einen Mehrheitsbeschluss nach Art. 42 Abs. 2 S. 1 GG voraussetzt. 182 Außerdem regelt die Geschäftsordnung 175
Weis, DVBl. 1988, 268 (270); Kehrhahn, ZParl. 1985, 484 (487). Vgl. Bodenheim, ZParl. 1980, 38 (46). 177 Gusy, JuS 1995, 878. 178 Ebd. 179 Schwerin, Der Deutsche Bundestag als Geschäftsordnungsgeber, 1998, S. 103 ff.; Stern, Staatsrecht, Bd. II, S. 55 m.w. N.; wohl auch Schwarz, LKV 1998, 262; s. auch Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 43, Rn. 79 m.w. N. 180 Vgl. hierzu II. 2. 181 s. für den vergleichbaren Fall des Art. 45 Abs. 2 LVerf NW: VerfGH NW, DVBl. 1994, 48 (48 f.); Kehrhahn, ZParl. 1985, 484 (486); Lepsius, „Volksvertreter fragen – die Regierung schweigt: Aushöhlung der parlamentarischen Kontrolle?“, in: Kritische Justiz (Hrsg.), Verfassungsrecht und gesellschaftliche Realität, S. 81. 176
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B. Betriebsgeheimnisse und verschiedene Informationsansprüche
des Bundestages das Zitierrecht in § 42 GOBT, was gegen eine Konkretisierung desselben durch die §§ 100 ff. GOBT spricht. 183 Ferner richten sich die geschäftsordnungsmäßigen Fragen an die Regierung als Ganzes und nicht – wie bei Art. 43 Abs. 1 GG – an einzelne Regierungsmitglieder. 184 Aufgrund dieser Inkongruenz von verfahrensrechtlicher Ausgestaltung und verfassungsrechtlicher Regelung kann sich ein allgemeines parlamentarisches Fragerecht nicht auf Art. 43 Abs. 1 GG stützen. 185 bb) Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG („Statusthese“ 186) Heute geht die überwiegende Auffassung dahin, das Fragerecht als Bestandteil des verfassungsrechtlichen Status des Abgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG einzuordnen. 187 Der Abgeordnete müsse über ausreichende Informationen 182
Bodenheim, ZParl. 1980, 38 (42); Geck, Die Fragestunde im Deutschen Bundestag, 1986, S. 67; Haug, Bindungsprobleme und Rechtsnatur parlamentarischer Geschäftsordnungen, 1994, S. 130; a. A. Schwerin, Der Deutsche Bundestag als Geschäftsordnungsgeber, 1998, S. 106 f. mit dem konstruiert und ergebnisorientiert wirkenden Ansatz, nach dem der Mehrheitsbeschluss, mit dem die Geschäftsordnung samt ihrer Interpellationsrechte in Kraft gesetzt wurde, an die Stelle des Herbeirufungsbeschlusses tritt und dadurch den Fragen der einzelnen Abgeordneten die Verfassungskraft des Art. 43 Abs. 2 GG zuteil wird. 183 Schmidt, Die demokratische Legitimationsfunktion der parlamentarischen Kontrolle, 2007, S. 101. 184 Geck, Die Fragestunde im Deutschen Bundestag, 1986, S. 67; Hölscheidt, DÖV 1993, 593 (595); Vogelsang, ZRP 1988, 5 (6 f.), der jedoch ein verfassungsrechtlich verbürgtes allgemeines Fragerecht generell ablehnt; Schwerin, Der Deutsche Bundestag als Geschäftsordnungsgeber, 1998, S. 104 bezeichnet dieses Argument als „kleinlich und begriffsjuristisch“. 185 So auch Kestler, Zparl. 2001, 258 (262); Schröder, in: Dolzer / Vogel / Waldhoff / Graßhof (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 43, Rn. 3 ff., 10. 186 Zum Begriff s. Teuber, Parlamentarische Informationsrechte, 2007, S. 158. 187 BVerfGE 124, 161 (185, 188) (i.V. m. Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG); BVerfGE 70, 324 (355); VerfGH NW, DVBl. 1994, 48 (49) und VerfGH NW, NVwZ-RR 2009, 41 (43), jeweils bezogen auf Art. 30 Abs. 2 LVerf NW; Bay VerfGH, NVwZ 2002, 715 (716) und Bay VerfGH, NVwZ 2007, 204 (205), jeweils bezogen auf Art. 13 Abs. 2 BayVerf.; Saarl VerfGH, LVerfGE 13, 303 (306), bezogen auf Art. 66 Abs. 2 S. 1 SVerf; Achterberg / Schulte, in: v. Mangoldt (Begr.) / Klein (Fortf.) / Starck (Hrsg.), GG, Art. 38, Rn. 90; Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 43, Rn. 82 ff.; Brocker, in: Epping / Hillgruber (Hrsg.), GG, Art. 43, Rn. 10; Schreiber, in: Friauf / Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 38, Rn. 117; Kretschmer, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf (Hrsg.), GG, Art. 43, Rn. 19; Magiera, Rechte des Bundestages und seiner Mitglieder gegenüber der Regierung, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland, § 52, Rn. 52 ff.; Lennartz / Kiefer, DÖV 2006, 185; Hölscheidt, DÖV 1993, 593 (595); Kunig, Jura 1993, 220 (221); Kestler, Zparl. 2001, 258 (263); Schmidt, DÖV 1986, 236; Lepsius, „Volksvertreter fragen – die Regierung schweigt: Aushöhlung der parlamentarischen Kontrolle?“, in: Kritische Justiz (Hrsg.), Verfassungsrecht und gesellschaftliche Realität, S. 81 (82); Brenner, Reichweite und Grenzen des
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verfügen können, um für Debatten und Abstimmungen im Bundestag die notwendige Sachkenntnis zu haben. 188 Außerdem habe neben dem Parlament als Kollegialorgan auch der einzelne Abgeordnete ein Recht auf Kontrolle der Arbeit der Regierung. Diese könne nur durch gezieltes Hinterfragen bestimmter Sachverhalte wahrgenommen werden. Damit das Fragerecht nicht leer laufe, korrespondiere ihm eine Antwortpflicht der Regierung. 189 Die Verweigerung einer Antwort sei daher begründungsbedürftig und dürfe nur in einem der durch verfassungsrechtliche Grenzen abgesteckten Fälle erfolgen. cc) Annexkompetenz bzw. „Implied-powers“-Lehre Teilweise wird ein parlamentarischer Informationsanspruch als Annex zu den jeweiligen parlamentarischen Kompetenzen angesehen. 190 Sollte der Bundestag keine Möglichkeiten zur Informationsgewinnung über seine Aufgabenbereiche betreffende Gegenstände haben, würden seine verfassungsrechtlichen Kompetenzen – wie etwa Gesetzgebung, Kontrolle, Repräsentation und Integration – weitgehend leerlaufen. 191 Insofern sei das parlamentarische Fragerecht als vorbereitendes Instrument insbesondere für die parlamentarische Kontrollzuständigkeit zu verstehen. 192 Dieser Befund werde auch nicht durch die verfassungsrechtlich geregelten, ausdrücklichen Informationspflichten der Regierung (z. B. in Art. 43 Abs. 1 oder Art. 53a Abs. 2 S. 1 GG) in Frage gestellt, sondern bestätigt. 193 Mit dieser „Implied-powers“-Lehre verknüpft ist der Ansatz Teubers, der aus dem Zusammenspiel der drei Gewalten eine einheitsbildende, integrierende Kraft herleitet, die – verstanden als Kooperationsverpflichtung der einzelnen Staatsorgane als Akteure im gewaltenteilenden Staat – in Verbindung mit den Aufgaben des Parlaments Informationsrechte desselben begründet. 194
parlamentarischen Fragerechts, 2009, S. 19; ähnlich OVG Lüneburg, DVBl. 2009, 920, bezogen auf Landtagsabgeordnete. 188 Magiera, Rechte des Bundestages und seiner Mitglieder gegenüber der Regierung, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland, § 52, Rn. 53. 189 Kunig, Jura 1993, 220 (221). 190 Linck, DÖV 1983, 957 (959); Bodenheim, ZParl. 1980, 38 (48); wohl auch Kehrhahn, ZParl. 1985, 484 (486 f.). 191 Linck, DÖV 1983, 957 (958). 192 Bodenheim, ZParl. 1980, 38 (48). 193 Linck, DÖV 1983, 957 (959). 194 Teuber, Parlamentarische Informationsrechte, 2007, S. 174 ff., 180.
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dd) Keine verfassungsrechtliche Grundlage für einen allgemeinen Informationsanspruch Vogelsang vertritt die Auffassung, dass es jenseits von Art. 43 Abs. 1 GG keine verfassungsrechtliche Grundlage für einen allgemeinen Informationsanspruch des Parlaments gegenüber der Bundesregierung gebe und ein solcher auch entbehrlich sei. 195 Sämtliche speziellen Rechte des Bundestages seien explizit und abschließend im Grundgesetz geregelt. Ein Informationsanspruch des Parlaments gegenüber der Bundesregierung könne sich nur dann – etwa aus dem Gewaltenteilungsprinzip – ergeben, wenn die Bundesregierung dem Bundestag Informationen offensichtlich missbräuchlich vorenthielte und dadurch das durch die Trennung der Gewalten beabsichtigte Gleichgewicht verloren ginge. 196 ee) Ergebnis Der Auffassung, die sich auf eine verfassungsrechtliche Herleitung des parlamentarischen Fragerechts aus Art. 43 Abs. 1 GG stützt, ist zugute zu halten, dass diese Norm die einzige des Grundgesetzes ist, die jedenfalls implizit eine Aussage zur Antwortpflicht der Regierung gegenüber dem Bundestag trifft. 197 Die hieraus abgeleitete Annahme, aus Art. 43 Abs. 1 GG ergebe sich ein allgemeines parlamentarisches Fragerecht auch für einzelne Abgeordnete, erscheint jedoch aufgrund der schon oben erläuterten Bedenken verfehlt. Zudem sind Konflikte zwischen der Regierung und der Parlamentsmehrheit als Inhaberin des Zitierrechts aufgrund weitgehender Interessenidentität heutzutage selten. Als antagonistische Parteien stehen sich vielmehr Regierung und Opposition gegenüber. 198 Deshalb hat auch das Zitierrecht als Kontrollinstrument an Bedeutung verloren, was insbesondere an der geringen Anzahl entsprechender Anträge bzw. Mehrheitsbeschlüsse deutlich wird. 199 Weiter können dieser Auffassung praktische Erwägungen entgegengehalten werden: Das herbeizitierte Mitglied der Bundesregierung muss sich den Fragen der Abgeordneten direkt in der parlamentarischen Debatte stellen. Es bleibt ihm keine Zeit, sich vertieft Sachkenntnis über Spezialmaterien zu verschaffen, so dass das parlamentarische Zitierrecht, im Gegensatz zum Fragerecht, weniger zur umfassenden denn zur sofortigen In195
Vogelsang, ZRP 1988, 5 (9 f.). Vogelsang, ZRP 1988, 5 (9). 197 Bodenheim, ZParl. 1980, 38 (45). 198 Gusy, JuS 1995, 878, 879; Brenner, Reichweite und Grenzen des parlamentarischen Fragerechts, 2009, S. 17. 199 Brüning, Der Staat, Bd. 43 (2004), 511 (522); vgl. Teuber, Parlamentarische Informationsrechte, 2007, S. 165: In den ersten 14 Wahlperioden wurden insgesamt 77 Anträge auf Herbeizitierung gestellt, von denen in nur 17 Fällen ein entsprechender Beschluss erging; ähnlicher Befund bei Schwerin, Der Deutsche Bundestag als Geschäftsordnungsgeber, 1998, S. 90 f. 196
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formierung des Parlaments taugt. Gerade auf eine prägnante und vollständige Unterrichtung zielt jedoch das Fragerecht ab. 200 Art. 43 Abs. 1 GG kann daher allenfalls einen Ausschnitt des parlamentarischen Fragerechts erfassen. 201 Dass sich ein allgemeiner parlamentarischer Informationsanspruch nur in Missbrauchsfällen aus dem Gewaltenteilungsprinzip ergeben soll, ist angesichts des bereits in der organadäquaten Kompetenzordnung des Grundgesetzes angelegten Informationsungleichgewichts zwischen Regierung und Bundestag und des gleichzeitigen Bedürfnisses nach Informationen zur Erfüllung der parlamentarischen Aufgaben 202 nicht nachvollziehbar. Es bedarf einer verfassungsrechtlichen Grundlage, auf die im Einzelfall auch eine Organklage gestützt werden könnte. Allein das ausdrücklich in der Verfassung geregelte Zitierrecht vermag das Informationsbedürfnis gerade von parlamentarischen Minderheiten nicht zu befriedigen. Die Lehre von den „implied powers“ 203 geht von der Zuweisung all derjenigen ungeschriebenen Befugnisse an einen Kompetenzträger aus, die für diesen zur Erfüllung seiner Aufgaben notwendig sind. Gegen sie wird eingewandt, einen verfassungskräftigen Informationsanspruch des Parlaments als Annexkompetenz zu den Kernkompetenzen des Bundestages anzusehen, widerspreche der dogmatischen Trennung von Aufgaben- und Befugnisnormen. 204 Die Zuweisung der Aufgaben Gesetzgebung und Kontrolle impliziere gerade nicht auch die Befugnis, Informationen von der Regierung verlangen zu können. Außerdem müsse zur Klärung der Frage, welche Befugnisse bei der Wahrnehmung der Kontrolle der Regierung notwendig seien, zunächst festgestellt werden, welches Ausmaß an Kontrolle verfassungsrechtlich gewollt sei. Hierzu müsse man jedoch mangels anderer Anhaltspunkte auf die seitens der Verfassung zur Verfügung gestellten Mittel zurückgreifen, was in einen Zirkelschluss mündete. 205 Die Regelungen im Grundgesetz sind allerdings – wie bereits festgestellt – als nicht abschließend anzusehen. Insofern taugen sie auch nicht als Grenzmarkung oder Auslegungshilfe zur Festlegung des verfassungsrechtlich gewollten Kontrollumfangs. 206 Freilich ist der „Implied-powers“-Doktrin – auch in Verbindung 200
Teuber, Parlamentarische Informationsrechte, 2007, S. 165 f. Schröder, in: Dolzer / Vogel / Waldhoff / Graßhof (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 43, Rn. 10; a. A. Schwerin, Der Deutsche Bundestag als Geschäftsordnungsgeber, 1998, S. 105, der das parlamentarische Fragerecht als Minus zum Zitierrecht ansieht. 202 Vgl. unter II. 1. 203 Zum Begriff s. Brüning, Der Staat, Bd. 43 (2004), 511 (531). 204 Waechter, ZG 1996, 84 (87); Brüning, Der Staat, Bd. 43 (2004), 511 (532); a. A. Teuber, Parlamentarische Informationsrechte, 2007, S. 149. 205 Waechter, ZG 1996, 84 (87). 206 So auch Teuber, Parlamentarische Informationsrechte, 2007, S. 170. 201
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mit dem Prinzip der Gewaltenteilung 207 – aus anderen, im Folgenden darzustellenden Gründen, die für die Statusthese streiten, nicht zu folgen. Gerade vor dem Hintergrund, dass der Abgeordnete nach Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG kraft seines Mandats das Recht hat, an den Verhandlungen und Entscheidungen des Parlaments teilzunehmen, muss ihm ein eigener Informationsanspruch zuteil werden. Das vom Wähler erteilte Abgeordnetenmandat und die Möglichkeit der hierfür notwendigen Informationsbeschaffung hängen untrennbar zusammen. 208 Mit dem Mandat sind Aufgaben verbunden, zu deren Erfüllung der Abgeordnete einen (aus seinem Status erwachsenden) Informationsanspruch hat. 209 Dies lässt den Schluss zu, dass auch in der Statusthese auf aufgabenbezogene Befugnisse gestützte Argumente stecken, ähnlich der „Implied-powers“Lehre. 210 Allerdings muss eine Kontrolle der Regierung – wie erörtert – auch und gerade durch Minderheiten oder Einzelne möglich sein, so dass ein Rückgriff auf Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG als der Zentralnorm des Status des einzelnen Abgeordneten folgerichtig erscheint. 211 Die Statusthese hat dadurch den Vorteil, sich auf eine konkrete Verfassungsnorm stützen zu können, welche die Rechte des Abgeordneten verkörpert, wohingegen der Lehre von den „Implied-powers“ bzw. von der Annexkompetenz aufgrund der fehlenden verfassungsrechtlichen Greifbarkeit der Charakter der Ergebnisorientiertheit anhaftet. Dem Kritikpunkt, allein Mitwirkungsrechte im Parlament könnten keine Ansprüche des einzelnen Abgeordneten im Interorganverhältnis zur Exekutive entfalten, 212 ist entgegenzuhalten, dass Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG in seiner heutigen Auslegung durch die Gerichte nicht mehr bloß Abwehr-, Mitwirkungs- und Teilhaberechte statuiert, sondern auch – im Sinne der Effektivierung parlamentarischer Minderheitenrechte – ein leistungsrechtliches Element 213 mit Außenwirkung: Den Informations- und Antwortanspruch gegenüber der Regierung. Im Ergebnis ist daher der Statusthese zu folgen. b) Originärer Informationsanspruch oder Teilhaberecht? Eng mit den Erwägungen über die verfassungsrechtliche Herleitung verknüpft 214 ist die Frage, wer im Einzelfall berechtigt ist, den Informationsan207
Vgl. Teuber, Parlamentarische Informationsrechte, 2007, S. 180. Vgl. Bay VerfGH, NVwZ 2002, 715 (716); Kestler, Zparl. 2001, 258 (263). 209 Kunig, Jura 1993, 220 (221); VerfGH NW, DVBl. 1994, 48 (49) – zur Parallelvorschrift des Art. 30 Abs. 2 LVerf NW. 210 Vgl. auch Brüning, Der Staat, Bd. 43 (2004), 511 (532). 211 Zur (fehlenden) Möglichkeit der Geltendmachung von Rechten des Bundestages durch einzelne Abgeordnete sogleich unter II. 3. b). 212 Teuber, Parlamentarische Informationsrechte, 2007, S. 168. 213 Zum Funktionswandel dieser Norm Gusy, JuS 1995, 878 (880), vgl. näher II. 3. d). 208
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spruch geltend zu machen und ggf. auch im Wege eines Organstreitverfahrens 215 nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, §§ 13 Nr. 5, 63 ff. BVerfGG einzuklagen. 216 Wenn bislang vom „parlamentarischen Fragerecht“ die Rede war, so sollte hierüber noch keine Aussage getroffen werden. 217 Im Rahmen der Antragsbefugnis ist entscheidend, ob der Antragsteller die Verletzung oder die Gefährdung eigener verfassungsmäßiger Rechte – oder ausnahmsweise prozessstandschaftlich die Verletzung der Rechte des Organs, dem er angehört – geltend machen kann (vgl. § 64 Abs. 1 BVerfGG). Nach herrschender Meinung kann ein einzelner Abgeordneter – im Gegensatz zu Fraktionen – nicht die Rechte des Bundestages im Wege der Prozessstandschaft geltend machen. 218 Als selbständiges Verfassungsorgan kann der Abgeordnete einen Organstreit daher nur dann führen, wenn er Rechte aus seinem Status als Abgeordneter anführt. 219 Allerdings kann auch die Geltendmachung der Verletzung eines Teilhaberechts – abzuleiten aus dem Status des einzelnen Abgeordneten – für die Antragsbefugnis genügen. 220 Insofern scheint die Klärung der Frage, ob dem einzelnen Abgeordneten ein originärer Informationsanspruch oder nur ein Teilhaberecht zusteht, nicht von verfassungsprozessrechtlicher Notwendigkeit zu sein. Dennoch soll auf diese Problematik – insbesondere wegen einer bislang fehlenden klaren dogmatischen Zuordnung 221 – im Folgenden näher eingegangen werden. Gerade vor dem Hintergrund, dass die Wurzeln des parlamentari214 Für die Befürworter einer Herleitung des parlamentarischen Fragerechts aus Art. 43 Abs. 1 GG oder für die Gegner einer verfassungsrechtlichen Verankerung stellt sich diese Frage beispielsweise nicht, weil hier durch die Klärung der Vorfrage der Herleitung bereits die Folgefrage der Inhaberschaft mitbeantwortet ist. 215 Zur Justiziabilität der parlamentarischen Interpellation sogleich unter II. 3. d). 216 Vgl. Bodenheim, ZParl. 1980, 38 (49); VerfGH NW, DVBl. 1994, 48: „Gegenstand des Organstreits sind nur aus der Verfassung selbst abzuleitende Rechte und Pflichten der Beteiligten.“ Dieser Satz ist ohne Weiteres auf die verfassungsprozessrechtliche Bundesebene übertragbar, s. § 64 Abs. 1 BVerfGG; Magiera, Rechte des Bundestages und seiner Mitglieder gegenüber der Regierung, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland, § 52, Rn. 83. 217 s. auch die in dieser Hinsicht offene Definition des allgemeinen parlamentarischen Fragerechts unter II. 1. 218 BVerfGE 90, 286 (342 f.); Umbach, in: ders. / Clemens / Dollinger (Hrsg.), Bundesverfassungsgerichtsgesetz, §§ 63, 64, Rn. 8 m.w. N.; a. A. wohl Schlaich / Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, Rn. 94. 219 Schlaich / Korioth, Das Bundesverfassungsgericht, Rn. 91. 220 Nur so lässt sich erklären, warum das BVerfG in E 124, 161 im Rahmen der Zulässigkeit vom „Fragerecht des Abgeordneten“ (S. 185), im Rahmen der Begründetheit hingegen vom „Frage- und Informationsrecht des Deutschen Bundestages“ spricht, „an dem die einzelnen Abgeordneten [...] teilhaben [...]“ (S. 188); die verfassungsprozessuale, durch Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG verliehene Rechtsstellung des Abgeordneten findet hier auf Begründetheitsebene keine materiellrechtliche Entsprechung. 221 Diese manifestiert sich vor allem in den sogleich zu zitierenden Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen.
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schen Informationsanspruchs in der Wahrnehmung der Aufgaben des Bundestages (durch seine Mitglieder) liegen, die verfassungsrechtliche Grundlage jedoch nach überwiegender und auch überzeugender Auffassung in Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG zu finden ist, muss die Frage geklärt werden, ob der einzelne Abgeordnete ein originäres oder nur ein Teilhaberecht wahrnimmt, ob er „Ausübungsbefugter“ 222, „Träger des parlamentarischen Informationsanspruchs“ 223 oder „modal zuständig“ 224 ist. 225 In Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ist festgestellt worden, dass die Antworten der Bundesregierung auf schriftliche Anfragen „Teil des Frageund Interpellationsrechts des Parlaments“ 226 seien oder dass der Abgeordnete sich „an der Ausübung des Frage- und Informationsrechts des Parlaments“ beteilige. 227 Zwischenzeitlich hatte das Bundesverfassungsgericht demgegenüber befunden, dass dem einzelnen Abgeordneten aus seinem in Art. 38 Abs. 1 GG gewährleisteten Status ein Recht darauf erwachse, „dass ihm grundsätzlich diejenigen Informationen nicht vorenthalten werden, die ihm eine sachverständige Beurteilung [...] ermöglichen“ 228. Diese uneinheitlichen Aussagen haben Teile der Literatur dazu bewogen, dem einzelnen Abgeordneten einen originären Informationsanspruch abzusprechen. 229 Gestützt wird diese These mit einem Verweis auf die Aufgaben und Befugnisse, die verfassungsrechtlich dem Bundestag als Kollegialorgan, nicht aber dem einzelnen Abgeordneten zuzuschreiben seien. 230 Dies sei auch Art. 20 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 GG zu entnehmen, der mit „besonderes Organ der Gesetzgebung“ das Parlament als Ganzes meine. 231 222 Magiera, Rechte des Bundestages und seiner Mitglieder gegenüber der Regierung, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland, § 52, Rn. 60. 223 Teuber, Parlamentarische Informationsrechte, 2007, S. 182. 224 Bodenheim, ZParl. 1980, 38 (50). 225 Vgl. hierzu die Stellungnahme der Bundesregierung, BVerfGE 124, 161 (177). 226 BVerfGE 57, 1 (5). 227 BVerfGE 80, 188 (218); gerade in dieser Entscheidung zeigt sich die Problematik: Obwohl auf dem Status des Abgeordneten gemäß Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG aufbauend (S. 217 f.), spricht das Gericht vom Frage- und Informationsrecht des Parlaments [S. 218, Anm.: Hervorhebung nur hier]; ferner: „Indem die Abgeordneten diese Befugnisse ausüben, wirken sie an der Erfüllung der Aufgaben des Bundestages im Bereich der Gesetzgebung, [...], des [...] Informations- und Kontrollrechts [...] mit [...]“; deutlicher noch BVerfGE 124, 161 (185, 188). 228 BVerfGE 70, 324 (355) zum Recht auf Informationen über den Haushaltsplan; in diese Reihe inkonsequenter Entscheidungen gliedert sich nun BVerfGE 124, 161 (185, 188) ein; eine umfassende Übersicht über die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum parlamentarischen Fragerecht bietet Teuber, Parlamentarische Informationsrechte, 2007, S. 158 ff. 229 Vogelsang, ZRP 1988, 5 (5 ff.); Burkholz, VerwArch 1993, 203 (217 ff.); Teuber, Parlamentarische Informationsrechte, 2007, S. 182 f. 230 Burkholz, VerwArch 1993, 203 (218).
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Der Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen hat hingegen festgestellt, dass der einzelne Abgeordnete selbst darüber befinden können muss, „welcher Informationen er für eine verantwortliche Erfüllung seiner Aufgaben bedarf“ 232. Eine bloße Teilhabe an der dem Parlament zur Verfügung gestellten Information werde diesem Zweck nicht gerecht. 233 Das Parlament nehme zwar die ihm zugeschriebenen Aufgaben und Befugnisse in ihrer Gesamtheit wahr, jedoch nicht losgelöst von seinen Mitgliedern. 234 Zudem vernachlässige ein nur dem Parlament als Ganzem zustehender Informationsanspruch die normative Verankerung im Abgeordnetenstatus. 235 Diese Auffassung, die der überwiegende Teil des Schrifttums und auch die neuere Rechtsprechung teilt 236, erscheint, gerade mit Rücksicht auf die bereits angestellten Erwägungen zur Bedeutung des parlamentarischen Fragerechts als Recht des Einzelnen bzw. von Minderheiten, vorzugswürdig. 237 Wäre das Informationsrecht nur ein solches des Parlaments insgesamt, könnte die Parlamentsmehrheit – im parlamentarischen Regierungssystem folglich die Regierungsmehrheit – über den Informationsstand der Minderheit bestimmen. Denn aufgrund der regelmäßig konträren Interessenlage von regierungstragender Mehrheit und oppositioneller Minderheit könnte ein allein auf Parlamentsbeschluss beruhender Informationsanspruch durch die Regierungsmehrheit blockiert werden. Dies würde Funktion und Position des Parlaments als gleichermaßen zur Staatsleitung berufenes Organ zugunsten der Regierung entwerten. 238 Eine wirksame parlamentarische Kontrolle der Exekutive kann also nur dadurch gewährleistet werden, dass Minderheiten und auch einzelne Abgeordnete mit eigenen verfassungswirksamen Informationsansprüchen ausgestattet sind. 239 Dies ist auch die logische Konsequenz des jedem 231
Teuber, Parlamentarische Informationsrechte, 2007, S. 169, 182. VerfGH NW, DVBl. 1994, 48 (49); ebenso Thür VerfGH, DVBl. 2009, 245 (246). 233 VerfGH NW, DVBl. 1994, 48 (50). 234 Vgl. BVerfGE 80, 188 (217 f.). 235 VerfGH NW, DVBl. 1994, 48 (49). 236 VerfGH NW, NVwZ-RR 2009, 41 (43) – ebenfalls zu Art. 30 Abs. 2 LVerf NW; Bay VerfGH, NVwZ 2002, 715 (716) und Bay VerfGH, NVwZ 2007, 204 (205) – jeweils zu Art. 13 Abs. 2 BayVerf; Thür VerfGH, DVBl. 2009, 245 (246); Saarl VerfGH, LVerfGE 13, 303 (306); s. auch OVG Lüneburg, DVBl. 2009, 920; Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 43, Rn. 82 ff., 85; Magiera, Rechte des Bundestages und seiner Mitglieder gegenüber der Regierung, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland, § 52, Rn. 60 ff.; Gusy, JuS 1995, 878 (879 f.); Bodenheim, ZParl. 1980, 38 (49 f.); Schmidt, DÖV 1986, 236; Kunig, Jura 1993, 220 (221); Schmidt, Die demokratische Legitimationsfunktion der parlamentarischen Kontrolle, 2007, S. 96 (der allerdings eine positivrechtliche Verankerung des Informationsanspruchs im Status des Abgeordneten ablehnt, S. 102). 237 Dies gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass dem einzelnen Abgeordneten – wie gesehen – nach herrschender Meinung die Geltendmachung von Rechten des Bundestages verwehrt ist. 238 Gusy, JuS 1995, 878 (880). 232
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B. Betriebsgeheimnisse und verschiedene Informationsansprüche
Abgeordneten in gleichem Maße durch die Wahl vermittelten Mandats. 240 Denn hiermit wäre es unvereinbar, Informationsansprüche faktisch den der Parlamentsmehrheit angehörenden Abgeordneten vorzubehalten. Aus diesem Grund kann auch die Ansicht nicht überzeugen, dem einzelnen Abgeordneten werde durch das „im demokratischen Prinzip wurzelnde Schutzgebot parlamentarischer Minderheiten“ die Ausübung des Fragerechts „zu einem Mindestmaß“ im parlamentarischen Innenverhältnis ermöglicht. 241 Denn auch hier besteht die Gefahr der parlamentsinternen Blockierung oppositioneller Interessen. Ein Verständnis des Fragerechts als bloße Wahrnehmungsmöglichkeit des Einzelnen zu einem Mindestmaß würde der grundlegenden Bedeutung der Informiertheit des einzelnen Abgeordneten nicht gerecht. Das parlamentarische Informationsrecht steht somit originär (und mit Außenwirkung gegenüber der Exekutive) dem einzelnen Abgeordneten zu. c) Antwortpflicht der Regierung als Korrelat Mit dem Fragerecht des Abgeordneten korreliert nach zutreffender Ansicht eine Antwortpflicht der Bundesregierung. 242 Wäre die Entscheidung über das Erteilen einer Antwort, mithin das „Ob“, grundsätzlich in das freie Befinden der Bundesregierung gestellt, würde das Fragerecht weitgehend leerlaufen. Dies wäre mit der herausragenden Bedeutung des parlamentarischen Fragerechts (s. II. 1.) und seinem verfassungsrechtlichen Hintergrund (s. II. 3. a)) nicht zu vereinbaren. Hinsichtlich des „Ob“ einer Antwort besteht darum ein nur sehr enger Entscheidungsspielraum. 243 Ein Bestreiten der generellen Antwortpflicht durch die Bundesregierung würde daher – spiegelbildlich zur verfassungsrechtlichen Grundlage – eine Verletzung des verfassungsrechtlichen Status des Abgeordne239
Bay VerfGH, NVwZ 2002, 715 (716); vgl. Gusy, JuS 1995, 878, 880 mit Verweis auf das Urteil des VerfGH NW, DVBl. 1994, 48; Brenner, Reichweite und Grenzen des parlamentarischen Fragerechts, 2009, S. 17. 240 Schmidt, Die demokratische Legitimationsfunktion der parlamentarischen Kontrolle, 2007, S. 96; darum kann es auch nicht genügen, dass für Fraktionen zugunsten des Minderheitenschutzes die Möglichkeit besteht, die Rechte des Bundestages geltend zu machen. 241 Teuber, Parlamentarische Informationsrechte, 2007, S. 168. 242 BVerfGE 124, 161 (188); VerfGH NW, NVwZ-RR 2009, 41 (43); DVBl. 1994, 48 (50); Bay VerfGH, NVwZ 2002, 715 (716); Saarl VerfGH, LVerfGE 13, 303 (308); Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 43, Rn. 83 f.; Morlok, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 38, Rn. 150; Schröder, in: Dolzer / Vogel / Waldhoff / Graßhof (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 43, Rn. 7; Hölscheidt, DÖV 1993, 593 (596); Brenner, Reichweite und Grenzen des parlamentarischen Fragerechts, 2009, S. 29; Weis, DVBl. 1988, 268 (269, 271); a. A. Schneider, in: Denninger / Hoffmann-Riem / ders. / Stein (Hrsg.), AK-GG, Art. 43, Rn. 6; Vogelsang, ZRP 1988, 5 (9 f.). 243 Bay VerfGH, NVwZ 2002, 715 (716); NVwZ 2007, 204 (205).
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ten bedeuten. 244 Es bleibt ihr allein die Möglichkeit, die Antwort im Einzelfall mit der Berufung auf verfassungsrechtlich anerkannte Gründe 245 zu verweigern. Insofern kann man von einer „Antwortpflicht mit substantiiertem Ablehnungsvorbehalt“ 246 sprechen: Die formelle Antwortpflicht der Bundesregierung verdichtet sich zu einer materiellen, wenn ihr keine substantiierte Antwortverweigerung gelingt. 247 Eine solche erfordert wiederum eine ausführliche Darlegung der Gründe für die Verweigerung. Nur dann kann der Fragende beurteilen und entscheiden, ob er die Verweigerung der Antwort akzeptiert und welche weiteren Schritte er unternimmt, sein Auskunftsverlangen ganz oder zumindest teilweise durchzusetzen. 248 d) Justitiabilität Es wird vertreten, die Erfüllung der Antwortpflicht sei nicht erzwingbar, mithin auch nicht im Wege eines Organstreitverfahrens durchsetzbar. Es handele sich um eine rein politische Frage, die allein im parlamentarischen, nicht jedoch im verfassungsgerichtlichen Prozess erörterungsfähig sei. 249 Die Ansicht wird unter anderem darauf gestützt, dass bei der Interpellation keine Antwortpflicht der Bundesregierung bestehe. Dies ergebe sich aus § 102 GOBT. 250 Wie jedoch bereits festgestellt, ergibt sich eine formelle Antwortpflicht der Bundesregierung schon aus dem Abgeordnetenstatus, mithin direkt aus der Verfassung. Die Geschäftsordnung des Bundestages kann nicht zur Negierung verfassungskräftiger Rechtspositionen herangezogen werden, genauso wenig wie zur Begründung derselben. 251 Sie liefert nur den prozeduralen Rahmen für die Ausübung der parlamentarischen Fragerechte. 252 244
Bodenheim, ZParl. 1980, 38 (52). s. dazu unten II. 4. b). 246 Bodenheim, ZParl. 1980, 38 (53); oder aber VerfGH NW, DVBl. 1994, 48 (52): „Regel-Ausnahme-Verhältnis von Antwortpflicht und Antwortverweigerung“. 247 Bodenheim, ZParl. 1980, 38 (53); Geck, Die Fragestunde im Deutschen Bundestag, 1986, S. 97; über den Inhalt der Antwortpflicht sogleich unter II. 4. a). 248 Vgl. BVerfGE 124, 161 (193), das hier jedoch wiederum inkonsequenterweise ausschließlich auf das Parlament als Anspruchsinhaber abstellt, vgl. hierzu II. 3. b); s. a. Thür VerfGH, DVBl. 2009, 245 (247). 249 Schneider, in: Denninger / Hoffmann-Riem / ders. / Stein (Hrsg.), AK-GG, Art. 43, Rn. 6. 250 Ebd.; § 102 S. 1 GOBT lautet: „Lehnt die Bundesregierung überhaupt oder für die nächsten drei Wochen die Beantwortung der Großen Anfrage ab, so kann der Bundestag die Große Anfrage zur Beratung auf die Tagesordnung setzen.“ 251 s. schon unter II. 3. 252 s. o. unter II. 2.; § 102 S. 1 GOBT trägt lediglich dem Umstand Rechnung, dass die Bundesregierung die Antwort auf eine Große Anfrage im Einzelfall verweigern kann. 245
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B. Betriebsgeheimnisse und verschiedene Informationsansprüche
Verfassungsrechtlich verbürgte Rechte müssen auch verfassungsgerichtlich durchsetzbar sein, ansonsten drohen sie leerzulaufen. Allenfalls unter Berücksichtigung der früher vertretenen „Impermeabilitätstheorie“, nach der staatliche Organe untereinander keine gerichtlich durchsetzbaren Rechtspositionen, sondern allein Kompetenzen oder Wahrnehmungszuständigkeiten unter dem gemeinsamen Zurechnungspunkt „Staat“ haben konnten, 253 wäre eine solche Sichtweise vertretbar. Allerdings ist schon seit langem anerkannt, dass Organe und Organteile des Staates ihre wechselseitigen Rechte und Pflichten auch im Klagewege geltend machen können. 254 Die Beziehungen von Staatsorganen werden also nicht mehr im „rechtsleeren Raum“ angesiedelt, sondern als Rechtsverhältnis angesehen. 255 Dokumentiert ist diese Erkenntnis in Art. 93 Abs. 1 Nr.1 GG. Der einzelne Abgeordnete kann im Organstreit die behauptete Verletzung oder Gefährdung jedes verfassungsrechtlich mit seinem Status verbundenen Rechts geltend machen. 256 Die Antwortpflicht der Bundesregierung ist daher auch per Organklage durchsetzbar. 257 e) Funktionswandel von Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG verbürgt Rechte des Abgeordneten, die sich ursprünglich insbesondere auf die Unabhängigkeit von Weisungen und Aufträgen sowohl gegenüber den Wählern als auch gegenüber der eigenen Partei richteten. 258 Die vorausgehenden Ausführungen zeigen, dass Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG nunmehr auch ein leistungsrechtliches Element innewohnt, von der Regierung die Beantwortung einer Frage verlangen zu können. Der Normwandel umfasst mithin sowohl Inhalt als auch Adressaten von Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG. 259 Letztlich ist die Annahme eines originären Informationsanspruchs des einzelnen Abgeordneten daher nur eine logische Konsequenz der Verortung seiner verfassungsrechtlichen Grundlage in Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG. 260 Das Fehlen ausdrücklicher Verfassungs253
Vgl. anschaulich Bodenheim, ZParl. 1980, 38 (43 ff.). Bodenheim, ZParl. 1980, 38 (44 f.). 255 Linck, DÖV 1983, 957 (959). 256 Saarl VerfGH, LVerfGE 13, 303 (306). 257 Statt vieler Magiera, Rechte des Bundestages und seiner Mitglieder gegenüber der Regierung, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland, § 52, Rn. 81; Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 43, Rn. 114; s. a. die Fallbesprechung bei Frenzel, Jura 2010, 220 (221 f.). 258 Gusy, JuS 1995, 878, 880. 259 Vgl. Gusy, JuS 1995, 878, 880, der jedoch auch den Rechtsträger vom Normwandel umfasst sieht; a. A. Schwerin, Der Deutsche Bundestag als Geschäftsordnungsgeber, 1998, S. 102. 260 Zur Verwobenheit der Aspekte der Herleitung und der Anspruchsinhaberschaft s. unter II. 3. b). 254
II. Das parlamentarische Fragerecht
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normen führt zu einem gesteigerten Bedarf an Rechtsfortbildung. 261 Diese wurde hier vor allem durch den Verfassungsgerichtshof des Landes Nordrhein-Westfalen und den Bayerischen Verfassungsgerichtshof betrieben. 4. Reichweite und Grenzen a) Anspruchsinhalt Fraglich ist zunächst, welchen Inhalt der dem einzelnen Abgeordneten gegenüber der Bundesregierung zustehende Antwortanspruch hat. Der Rechtsprechung des nordrhein-westfälischen Verfassungsgerichtshofs nach muss die Beantwortung der Frage „vollständig“ und „zutreffend“ sein. 262 Diese Kriterien sind jedoch angemessen anzuwenden. Wenn beispielsweise nach politischen Einschätzungen gefragt wurde, ist eine „zutreffende“ Antwort aufgrund notwendigerweise enthaltener wertender Faktoren nur schwer festzustellen. 263 Gleichermaßen müssen die Anforderungen an eine „vollständige“ Antwort angemessen sein. 264 Zunächst können Antworten auf Anfragen von Abgeordneten weniger ausführlich bzw. detailliert ausfallen, je länger der aufzuklärende Sachverhalt zurückliegt und je weniger aktuelle Bezüge er aufweist. 265 Weiter ist stets auf den Umfang des durch die Regierung ermittelbaren Informationsbestands abzustellen. 266 Andernfalls wäre der parlamentarische Informationsanspruch verletzt, sobald die Regierung an die rechtlichen oder tatsächlichen Grenzen ihrer Informationsbeschaffungsmöglichkeiten stieße. Was der Staat jedoch nicht wissen darf – etwa höchstpersönliche Daten – kann er auch nicht weitergeben. 267 Es kommt beim Umfang der Informationsbeschaffungspflicht entscheidend auf die Informations- und Einwirkungsmöglichkeiten der Regierung sowie der nachgeordneten staatlichen Behörden an. 268 Daher kann sich das Fragerecht auch auf die Tätigkeit privatwirtschaftlich organisierter Unternehmen erstrecken, sofern 261
Gusy, JuS 1995, 878, 880. VerfGH NW, DVBl. 1994, 48 (50); NVwZ-RR 2009, 41 (43). 263 Vgl. Thür VerfGH, DVBl. 2009, 245: „Das Fragerecht ist nicht auf bestimmte Themenbereiche begrenzt und auch nicht nur auf Tatsachen bezogen. Zulässig sind auch hypothetische Fragen und Fragen mit Prognosecharakter.“ Im Unterschied zur Bundesebene ist das parlamentarische Fragerecht in Thüringen explizit geregelt, Art. 53 Abs. 2 und Art. 67 Thür Verf. 264 Vgl. hierzu Berger, NordÖR 2009, 1 (3 f.). 265 Bay VerfGH, NVwZ 2002, 715 (717). 266 Lennartz / Kiefer, DÖV 2006, 185 (193); hierbei können die Bundesregierung bei länger zurückliegenden Vorgängen im Rahmen des Zumutbaren Rekonstruktionspflichten treffen, vgl. BVerfGE 124, 161 (197); Sächs VerfGH, Beschl. v. 5. 11. 2009 – Vf. 133-I-08, Rz. 2b f. 267 Gusy, JuS 1995, 878 (881). 268 Sächs VerfGH, Beschl. v. 5. 11. 2009 – Vf. 133-I-08, Rz. 2 ee ff. 262
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B. Betriebsgeheimnisse und verschiedene Informationsansprüche
die öffentliche Hand für die Erfüllung der Aufgaben verantwortlich bleibt. 269 Zu beachten ist ferner, dass das Fragerecht des einzelnen Abgeordneten im System der parlamentarischen Frage- und Kontrollrechte 270 mangels Quorums weniger strengen Voraussetzungen unterliegt als beispielsweise die Einberufung eines Untersuchungsausschusses. Insofern kann der Antwortanspruch keine Eingriffsbefugnisse gegenüber Dritten erfassen, sondern ist allein auf die der Regierung vorliegenden bzw. unter zumutbarem Aufwand ermittelbaren Informationen bezogen. b) Grenzen Da der Informationsanspruch des Abgeordneten und die Antwortpflicht der Bundesregierung – wie soeben erörtert – verfassungsrechtlichen Ursprungs sind, kann auch die Verweigerung einer Antwort nur unter Berufung auf verfassungsrechtliche Rechtspositionen erfolgen. 271 Jeder Entscheidung der Bundesregierung, die Antwort zu verweigern, muss eine individuelle Würdigung und Abwägung der widerstreitenden Interessen im Einzelfall vorausgehen. Ein pauschales Berufen auf einen der verfassungsrechtlichen Gründe für ein Informationsverweigerungsrecht ist demnach unzureichend (vgl. o.). 272 Die Grenzen des Informationsanspruchs sind dann erreicht, wenn andere Verfassungswerte im Einzelfall entgegenstehen. Zur Bestimmung derselben ist, in Ermangelung ausdrücklicher Vorschriften, auf die in der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung entwickelten Fallgruppen zurückzugreifen. 273 aa) Allgemeiner Verantwortungsbereich der Regierung Eine dieser Fallgruppen bildet sowohl den Ausgangs- als auch Endpunkt des parlamentarischen Fragerechts: Die Verantwortlichkeit der Regierung für den 269 Sächs VerfGH, Beschl. v. 5. 11. 2009 – Vf. 133-I-08, Rz. 2 ee.; Bay VerfGH, NVwZ 2007, 204 (206) – Beispiel: Mitglieder der Staatsregierung sind Teile von Organen selbständiger juristischer Personen des Privatrechts und ihnen kommen gerade als Teil der Exekutive Mitgliedschaftsrechte zu. 270 Vgl. hierzu unten II. 5. 271 Vgl. Linck, DÖV 1983, 957 (958); Weis, DVBl. 1988, 268 (271); Kunig, Jura 1993, 220 (222); Lepsius, „Volksvertreter fragen – die Regierung schweigt: Aushöhlung der parlamentarischen Kontrolle?“, in: Kritische Justiz (Hrsg.), Verfassungsrecht und gesellschaftliche Realität, S. 81 (82); entsprechend für das Land Bremen Berger, NordÖR 2009, 1 (2). 272 BVerfGE 124, 78 (128); Handreichung der Bundesministerien des Innern und der Justiz vom 19. 11. 2009, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Beantwortung parlamentarischer Fragen durch die Bundesregierung, Az. V I 2 – 110 111/0 und IV A 2 1040 – 46 682/2009, S. 5 f. 273 Lennartz / Kiefer, DÖV 2006, 185 (186).
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hinterfragten Bereich. 274 Ist sie für einen Gegenstand nicht verantwortlich, kann sie hierüber – meist schon aus faktischen Gründen – nicht unterrichten. Als wesentliche Beispiele für fehlende Verantwortlichkeit seien genannt: die eigenen Angelegenheiten der Länder (fehlende Verbandskompetenz), das Verhalten von Abgeordneten (fehlende Organkompetenz), Bürgern und nichtstaatlichen Institutionen oder Maßnahmen ausländischer Regierungen, die die Bundesrepublik Deutschland nicht betreffen und daher auch keine Reaktionspflicht der Regierung auslösen können. 275 Die fehlende Verantwortlichkeit muss im Einzelfall ausführlich begründet werden. 276 Ausnahmsweise kann jedoch unzuständiges Handeln der Bundesregierung zum Gegenstand des Fragerechts gemacht werden. 277 Denn auch Zuständigkeitsüberschreitungen fallen in ihren Verantwortungsbereich. 278 Gerade im Hinblick auf die Kontrollfunktion des parlamentarischen Fragerechts 279 muss die Regierung in Fällen, in denen sie ihren Zuständigkeitsbereich verlässt, zur Rechenschaft gezogen werden können. Beispielhaft hierfür ist das Einmischen der Bundesregierung in die der Kulturhoheit der Länder unterfallende Bildungspolitik. 280 Weiter ist zu beachten, dass die Verantwortlichkeit der Regierung dort größer ist, wo sie unbegrenzte Einwirkungsmöglichkeiten hat. Im Rahmen der unmittelbaren Staatsverwaltung (Aufgabenwahrnehmung unmittelbar durch die Regierung oder ihr nachgeordnete Behörden) kann sich die Rechenschaftspflicht somit auch auf die Zweckmäßigkeit des Handelns erstrecken, im Rahmen der mittelbaren Staatsverwaltung (Aufgabenwahrnehmung etwa durch rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts) jedoch nur auf die Rechtmäßigkeit. 281 274 BVerfGE 124, 161 (189, 196); VerfGH NW, NVwZ-RR 2009, 41 (43); Bay VerfGH, NVwZ 2007, 204 (205 f.); Sächs VerfGH, Beschl. v. 5. 11. 2009 – Vf. 133-I-08, Rz. 2 ff.; Geck, Die Fragestunde im Deutschen Bundestag, 1986, S. 81 ff., der auch auf den personellen Verantwortungsbereich hinweist, der sich auf alle Mitglieder der Bundesregierung und die ihrer Weisung oder Aufsicht unterliegenden Personen erstreckt; Schwarz, LKV 1998, 262 (263); Kehrhahn, ZParl. 1985, 484 (489); Brenner, Reichweite und Grenzen des parlamentarischen Fragerechts, 2009, S. 22, 49 ff. 275 Weis, DVBl. 1988, 268 (271); weitere Beispiele bei Brenner, Reichweite und Grenzen des parlamentarischen Fragerechts, 2009, S. 55. 276 Vgl. o. BVerfGE 124, 161 (196); Bay VerfGH, NVwZ 2007, 204 (205); VerfGH NW, DVBl. 1994, 48 (52). 277 Bay VerfGH, NVwZ 2002, 715 (716); Lennartz / Kiefer, DÖV 2006, 185 (186); Frenzel, Jura 2010, 220 (223). 278 Lennartz / Kiefer, DÖV 2006, 185 (187); auch Brenner, Reichweite und Grenzen des parlamentarischen Fragerechts, 2009, S. 52 weist darauf hin, dass der Verantwortungsbereich einer Regierung nicht vollständig mit dem Zuständigkeitsbereich gleichgesetzt werden könne. 279 s. o. II. 1. 280 Es kann auch eine einvernehmliche Beteiligung der Bundesregierung etwa an den gemeinsamen Überlegungen der Landesinnenminister über die Organisation der Polizeibehörden in Großstädten Gegenstand des Fragerechts sein, vgl. Geck, Die Fragestunde im Deutschen Bundestag, 1986, S. 84.
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bb) Verpflichtung zu gegenseitiger Rücksichtnahme Das Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme (auch: Verfassungsorgantreue 282) verpflichtet den Abgeordneten, bei Anfragen an die Regierung sowohl deren Funktions- und Arbeitsfähigkeit als auch diejenige des Bundestages zu beachten. Außerdem muss der Regierung ein für Abgeordnete nicht ausforschbarer Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung erhalten bleiben. (1) Gefährdung der Funktions- und Arbeitsfähigkeit der Regierung Aus dem verfassungsrechtlichen Prinzip der Verfassungsorgantreue ergibt sich, dass eine Anfrage nicht die Funktions- und Arbeitsfähigkeit der Regierung bzw. des Bundestages beeinträchtigen darf. 283 Dies wäre etwa dann der Fall, wenn die Regierung ihre sonstigen Aufgaben durch übermäßige Inanspruchnahme des Fragerechts in unvertretbarem Umfang vernachlässigen müsste. 284 Die Festlegung einer absoluten Obergrenze dürfte aufgrund der unterschiedlich weit gehenden Fragen schwierig sein. 285 Aus diesem Grund ist der Regierung eine Einschätzungsprärogative über die Art und Weise sowie in Grenzen auch über den Zeitpunkt, mithin über das „Wie“ der Antwort zuzugestehen. 286 Allein der Vorwand, die Beantwortung der parlamentarischen Anfrage sei mit nicht unerheblichem Arbeitsaufwand verbunden, genügt jedoch nicht, da dies in der Natur der Sache des parlamentarischen Fragerechts liegt und die Regierung entsprechende Arbeitskapazitäten einzuplanen hat. 287 (2) Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung Im sogenannten Flick-Untersuchungsausschuss-Urteil hat das Bundesverfassungsgericht – in Anlehnung an Rupert Scholz 288 – den Begriff des „Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung“ als Begrenzung parlamentarischer Kontrollrechte aufgegriffen. 289 Dieser Kernbereich umfasst einen grundsätzlich nicht 281
Bay VerfGH, NVwZ 2007, 204 (206). Hierzu Schenke, Die Verfassungsorgantreue, 1977; Lorz, Interorganrespekt im Verfassungsrecht, 2001. 283 Zum Aspekt der Funktionsfähigkeit der Regierung als Antwortverweigerungsgrund am Beispiel Thüringens Brenner, Reichweite und Grenzen des parlamentarischen Fragerechts, 2009, S. 39 ff. 284 VerfGH NW, DVBl. 1994, 48 (50). 285 Lennartz / Kiefer, DÖV 2006, 185 (192). 286 VerfGH NW, NVwZ-RR 2009, 41 (43); DVBl. 1994, 48 (50); Bay VerfGH, NVwZ 2002, 715 (716 f.). 287 VerfGH NW, DVBl. 1994, 48 (50); Brenner, Reichweite und Grenzen des parlamentarischen Fragerechts, 2009, S. 43. 288 Scholz, AöR 105 (1980), 564 (598). 282
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ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich. Das Gewaltenteilungsprinzip gebietet, dass insbesondere Vorgänge wie regierungsinterne Willensbildung und Vorbereitungen von Ressort- und Kabinettsentscheidungen nicht zum Gegenstand parlamentarischer Untersuchung gemacht werden dürfen. 290 Auch hierbei ist der Regierung ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Einschätzungsspielraum hinsichtlich des Zeitpunkts, Umfangs und Gegenstands der Antwort einzuräumen. Als Beurteilungskriterien können der politische Stellenwert des Gegenstands der Fragen, ihr Schwierigkeitsgrad oder die Dringlichkeit des Informationsbedürfnisses herangezogen werden. 291 Zu beachten ist jedoch, dass eine parlamentarische Anfrage zwar den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung berühren kann, eine Antwortpflicht aber dennoch besteht, sofern der Prozess der internen Willensbildung derart abgeschlossen ist, dass eine „verantwortungsfähige Entscheidungsreife“ gegeben ist. 292 Das „Flick-Urteil“ betrifft zwar Aktenvorlage- und Informationsrechte eines Untersuchungsausschusses, die stärker sind als die allgemeinen parlamentarischen Fragerechte. 293 Allerdings lässt sich a majore ad minus sagen, dass selbst Untersuchungsausschüssen vorenthaltene Informationen auch nicht von parlamentarischen Fragerechten erfasst sein können. 294 Insofern kann der Aspekt des grundsätzlich nicht ausforschbaren Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung auf die vorliegend interessierende Konstellation parlamentarischer Fragerechte übertragen werden. 295
289 BVerfGE 67, 100 (139); ebenso BVerfGE 124, 161 (185, 189); VerfGH NW, NVwZ-RR 2009, 41 (43); VerfGH NW, DVBl. 1994, 48 (50); s. hierzu auch Algermissen, ZParl. 2004, 487 (491 ff.). 290 BVerfGE 67, 100 (139); Thür VerfGH, DVBl. 2009, 245 (247 f.) mit Bezug auf Art. 67 III S. 1 Nr. 2 Thür Verf; Weis, DVBl. 1988, 268 (272); Magiera, Rechte des Bundestages und seiner Mitglieder gegenüber der Regierung, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland, § 52, Rn. 76 f.; Schwarz, LKV 1998, 262 (263); Lepsius, „Volksvertreter fragen – die Regierung schweigt: Aushöhlung der parlamentarischen Kontrolle?“, in: Kritische Justiz (Hrsg.), Verfassungsrecht und gesellschaftliche Realität, S. 81 (84); Frenzel, Jura 2010, 220 (223 f.); ausführlich Lennartz / Kiefer, DÖV 2006, 185 (191 f.). 291 VerfGH NW, DVBl. 1994, 48 (50 f.). 292 Thür VerfGH, DVBl. 2009, 245 (248); Lennartz / Kiefer, DÖV 2006, 185 (191). 293 Zum „Stufenverhältnis“ parlamentarischer Informationsrechte vgl. Teuber, Parlamentarische Informationsrechte, 2007, S. 148 ff. und unten II. 5. 294 Vogelsang, ZRP 1988, 5 (7); Gleiches gilt für den Beschluss des BVerfGE 124, 78, in dem es um Aussage- und Vorlagepflichten gegenüber dem BND-Untersuchungsausschuss ging. 295 Dies hat der Verfassungsgerichtshof NRW in den o.a. Entscheidungen auch so praktiziert.
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cc) Berechtigte Geheimhaltungsinteressen, insbesondere Grundrechte Dritter (1) Ausgangslage Eine weitere Begrenzung des parlamentarischen Informationsanspruchs stellen berechtigte Geheimhaltungsinteressen in Form von Staats- bzw. Dienstgeheimnissen zum Schutz der äußeren und inneren Sicherheit dar. 296 In solchen Fällen ist der Informationsanspruch im Interesse des Wohls des Bundes oder eines Landes zu begrenzen. 297 In der Flick-Untersuchungsausschuss-Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht allerdings festgestellt, dass dem parlamentarischen Informationsbegehren auch in solchen Konstellationen Folge geleistet werden muss, in denen Parlament und Regierung Vorkehrungen für den Geheimnisschutz getroffen haben. 298 Der Fragestellung der Arbeit entsprechend stehen hier jedoch die Grundrechte Dritter als Begrenzungskriterium für den Informationsanspruch des Abgeordneten im Vordergrund. Die Einbringung parlamentarischer Fragen und deren Beantwortung sind Ausübung öffentlicher Gewalt, diese ist insbesondere an die Grundrechte gebunden, Art. 1 Abs. 3 GG. 299 Von einem Informationsanspruch gegenüber der Regierung betroffen sein können z. B. das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung oder auf Privatsphäre aus Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG. 300 Hier soll jedoch der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen aus Art. 14 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 GG 301 im Fokus stehen. Sollten diese Grundrechtspositionen durch ein Informationsbegehren eines Abgeordneten berührt werden, stehen sich – nach den bisher gefundenen Ergebnissen – zwei Rechtspositionen mit Verfassungsrang gegenüber. Das praktische Beispiel für die Betroffenheit von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen bildet die begehrte Offenlegung von konkreten Unternehmensdaten wie etwa Produktionskosten, Kalkulationsgrundlagen oder Steuerdaten im Rahmen eines Subventionsverfahrens. 302 Die der Regierung regelmäßig vorliegenden 296 BVerfGE 67, 100 (134 ff.); 70, 324 (358); Schwarz, LKV 1998, 262 (263); Weis, DVBl. 1988, 268 (272). 297 BVerfGE 124, 78 (123); Handreichung der Bundesministerien des Innern und der Justiz vom 19. 11. 2009, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Beantwortung parlamentarischer Fragen durch die Bundesregierung, Az. V I 2 – 110 111/0 und IV A 2 1040 – 46 682/2009, S. 11. 298 So etwa die Geheimschutzordnung des Bundestages, die Bestandteil der GOBT ist, BVerfGE 67, 100 (144); ähnlich BVerfGE 77, 1 (56) – „Neue Heimat“. 299 Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 43, Rn. 113; Frenzel, Jura 2010, 220 (224). 300 Hierzu Klenke, NVwZ 1995, 644 (645 ff.). 301 Zur verfassungsrechtlichen Gewährleistung des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen s. I. 7.
II. Das parlamentarische Fragerecht
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Zahlen stellen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des subventionierten Unternehmens dar, jedenfalls soweit sie nicht leicht öffentlich zugänglich und damit offenkundig sind. 303 Es entsteht somit ein Dreiecksverhältnis zwischen Abgeordnetem, Bundesregierung und Unternehmen. Die Bundesregierung hat sowohl die Offenbarungsinteressen des Abgeordneten als auch die Geheimhaltungsinteressen des Unternehmens zu beachten, sofern dieses – wovon auszugehen sein wird – nicht seine Einwilligung in die öffentliche Beantwortung der parlamentarischen Anfrage gegeben hat. In derartigen Fällen ist beiden Rechtspositionen durch Herstellung praktischer Konkordanz zu größtmöglicher Wirkung zu verhelfen. 304 Dabei ist insbesondere der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. 305 Eine Grundrechtseinschränkung darf nicht weiter gehen, als es zum Schutz öffentlicher Interessen unerlässlich ist. 306 (2) Herstellung praktischer Konkordanz über die Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages (Anlage 3 GOBT) Im oben genannten Beispiel ist gewissermaßen als „Zwischenweg“ über eine ausnahmsweise geheime Weitergabe der sensiblen Daten – etwa durch Verschlusssache – nachzudenken. 307 § 2a Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages (GSOBT) nimmt insoweit ausdrücklich Bezug auf private Geheimnisse. In diesem Fall erfolgt die Antwort auf die parlamentarische Anfrage zweigeteilt: In einem nicht nach Geheimschutzregeln eingestuften (und als Drucksache zu veröffentlichenden) Teil ist nachvollziehbar darzulegen, warum der andere Teil nicht veröffentlichungsfähig ist. Als Anlage ist dieser Teil dann mit der in der Geheimschutzordnung vorgesehenen Kennzeichnung (etwa „VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH“, „VS-VERTRAULICH“ oder „GEHEIM“) entweder dem gesamten Bundestag oder – über die Geheimschutzstelle des Bundestages – nur bestimmten, konkret zu benennenden Abgeordneten zur Kenntnis zu geben. 308 Eine Grundrechtsverletzung des Geheimnisinhabers dürfte in diesem 302 Vgl. BVerfGE 67, 100 – „Flick“; VerfGH NW, NVwZ-RR 2009, 41 – „Ruhrkohle-AG“. 303 Vgl. I. 4. b). 304 BVerfGE 67, 100 (142 ff.); 77, 1 (47); Bay VerfGH, NVwZ 2007, 204 (208); VerfGH NW, NVwZ-RR 2009, 41 (45); Linck, DÖV 1983, 957 (963); Kestler, ZParl 2001, 258 (268); Raap, NJW 1997, 508 (509); Frenzel, Jura 2010, 220 (225); Berger, NordÖR 2009, 1 (3). 305 BVerfGE 67, 100 (144); 77, 1 (46 f.). 306 BVerfGE 67, 100 (143); 77, 1 (47); 124, 78 (125) zur Einschränkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. 307 Vgl. BVerfGE 67, 100 (144); 77, 1 (56); s. a. den Hinweis in BVerfGE 124, 161 (193). Nach § 1 II der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages sind Verschlusssachen Angelegenheiten aller Art, die durch besondere Sicherheitsmaßnahmen gegen die Kenntnis durch Unbefugte geschützt werden müssen; für die Falllösung s. Frenzel, Jura 2010, 220 (225).
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B. Betriebsgeheimnisse und verschiedene Informationsansprüche
Fall regelmäßig nicht eintreten, da die geheimzuhaltenden Informationen nicht veröffentlicht werden und auch nur Wettbewerbern des Geheimnisinhabers nutzen dürften, zu denen Abgeordnete in aller Regel nicht gehören. 309 Zudem sind die Geheimschutzregeln als Teil der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages für jeden Abgeordneten verbindlich, eine Weitergabe sensibler Daten an Dritte durch den oder die „eingeweihten“ Abgeordneten gestattet das Gesetz nicht. 310 Zu beachten ist jedoch grundsätzlich, dass die Kontrollfunktion des Bundestages eine Sanktionswirkung nur dann wirklich entfalten kann, wenn eine politisch brisante Debatte öffentlich erfolgt. 311 Insofern wäre eine ausschließlich dem oder 308 Zum Prozedere vgl. Jahn / Engels, Geheimschutzordnung des Bundestages, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland, § 20, Rn. 8 ff., die allerdings den erst 2001 eingefügten § 2a GSOBT noch nicht kennen konnten und sein Fehlen kritisch hinterfragten bzw. eine analoge Anwendung des § 2 II und III GSOBT für private Vorgänge befürworteten (Rn. 20 f.); vgl. ferner die Handreichung der Bundesministerien des Innern und der Justiz vom 19. 11. 2009, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Beantwortung parlamentarischer Fragen durch die Bundesregierung, Az. V I 2 – 110 111/0 und IV A 2 1040 –46 682/2009, S. 12; Lepsius, „Volksvertreter fragen – die Regierung schweigt: Aushöhlung der parlamentarischen Kontrolle?“, in: Kritische Justiz (Hrsg.), Verfassungsrecht und gesellschaftliche Realität, S. 81 (86, 88 f.) weist darauf hin, dass eine – von der Regierung beabsichtigte – Informierung nur eines Teils des Bundestages mit Art. 38 GG nicht zu vereinbaren ist. Wenn andere Abgeordnete dieselbe Information begehren, muss dem entsprochen werden. 309 Handreichung der Bundesministerien des Innern und der Justiz vom 19. 11. 2009, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Beantwortung parlamentarischer Fragen durch die Bundesregierung, Az. V I 2 – 110 111/0 und IV A 2 1040 –46 682/2009, S. 14. 310 Jahn / Engels, Geheimschutzordnung des Bundestages, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland, § 20, Rn. 15 f., 22, die allerdings auf die fehlende Möglichkeit parlamentarischer Sanktionen hinweisen, was jedoch der Erwägung zugrunde liegen könnte, „daß der einzelne Abgeordnete sich ohnehin einer erheblichen Kontrolle seines Verhaltens durch Wähler, Öffentlichkeit, Fraktion, Partei und Verbände gegenübersieht“, Rn. 46. Ferner hat der Abgeordnete bei der Weitergabe privater Informationen entgegen den Regeln der GSOBT wohl keine strafrechtlichen Konsequenzen zu befürchten: Er zählt nicht zum Täterkreis nach § 203 II StGB bzw. gibt keine Informationen frei, die Staatsgeheimnisse nach §§ 93 ff. StGB darstellen würden. Ein Anderes kann gelten, wenn die geheime Behandlung eines Vorgangs vorher durch einen Ausschuss nach § 7 I 2, VII GSOBT beschlossen worden ist. Dann kommt eine Strafbarkeit nach § 353b II Nr. 1 StGB in Betracht. Problematisch ist hier das Tatbestandsmerkmal der Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen durch die Bekanntgabe. Die Rechtsprechung bejaht dieses jedoch bereits dann, wenn die Offenbarung das Vertrauen in die Verschwiegenheit staatlicher Stellen erschüttert, so dass im Einzelfall auch die Weitergabe privater Informationen eine Strafbarkeit nach § 353b II Nr. 1 StGB nach sich ziehen kann, s. Jahn / Engels, Geheimschutzordnung des Bundestages, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland, § 20, Rn. 29 ff., 36 ff. 311 Zur Bedeutung öffentlicher Diskussion für die Kontrolle der Regierung s. II. 1. und zum Öffentlichkeitsprinzip des demokratischen Parlamentarismus C. IV. 1. f).
II. Das parlamentarische Fragerecht
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den Abgeordneten erteilte Information als weniger effektives Kontrollinstrument anzusehen. Allerdings wird so der Exekutive (wenigstens) die Möglichkeit genommen, den Abgeordneten unter Berufung auf private Geheimhaltungsinteressen oder das Staatswohl Informationen vollständig vorzuenthalten. Hierin ist der wesentliche Wert des durch die Regelungen der Geheimschutzordnung festgeschriebenen parlamentarischen Diskretionsschutzes zu sehen. 312 Die „Geheimschutzbestimmungen sind Ausdruck der Tatsache, daß das Parlament ohne eine Beteiligung am geheimen Wissen der Regierung weder das Gesetzgebungsrecht noch das Haushaltsrecht noch das parlamentarische Kontrollrecht gegenüber der Regierung auszuüben vermöchte.“ 313 Sollte die Regierung der Ansicht sein, Informationen den Abgeordneten vollständig vorenthalten zu müssen, so bedarf es hierzu einer ausführlichen Begründung, warum bereits durch die Bekanntgabe gegenüber einem oder mehreren Abgeordneten so gravierend in Grundrechtspositionen eingegriffen wird. 314 Angesichts des oben angesprochenen Diskretionsschutzes dürfte eine vollständige Zurückhaltung der Informationen zugunsten privater Geheimhaltungsinteressen nur schwer zu rechtfertigen sein. Auf die Problematik der Schutzintensität von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen gegenüber dem parlamentarischen Fragerecht wird – gerade auch in Beziehung zu den beiden anderen in dieser Arbeit behandelten Informationsansprüchen – im zweiten Teil näher einzugehen sein. dd) Fehlender Mandatsbezug der Frage Der Abgeordnete darf von seinem Informationsrecht nur im Rahmen seiner parlamentarischen Tätigkeit Gebrauch machen. Es muss ein Zusammenhang zwischen Frage und parlamentarischer Arbeit bestehen. 315 Die Freiheit des Mandats gewährt ihm hierbei einen weiten Spielraum, der nicht thematisch beschränkt 312 Jahn / Engels, Geheimschutzordnung des Bundestages, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland, § 20, Rn. 2. 313 BVerfGE 67, 100 (135); ebenso Lepsius, „Volksvertreter fragen – die Regierung schweigt: Aushöhlung der parlamentarischen Kontrolle?“, in: Kritische Justiz (Hrsg.), Verfassungsrecht und gesellschaftliche Realität, S. 81 (86). 314 Handreichung der Bundesministerien des Innern und der Justiz vom 19. 11. 2009, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Beantwortung parlamentarischer Fragen durch die Bundesregierung, Az. V I 2 – 110 111/0 und IV A 2 1040 –46 682/2009, S. 14; dabei ist allein die Befürchtung, dass durch die Bekanntgabe an Abgeordnete letztlich doch Informationen an die Öffentlichkeit gelangen könnten, nicht ausreichend, vgl. BVerfGE 124, 78 (124, 139). 315 Lepsius, „Volksvertreter fragen – die Regierung schweigt: Aushöhlung der parlamentarischen Kontrolle?“, in: Kritische Justiz (Hrsg.), Verfassungsrecht und gesellschaftliche Realität, S. 81 (83).
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B. Betriebsgeheimnisse und verschiedene Informationsansprüche
werden darf, etwa auf das Sachgebiet eines Ausschusses oder Ähnliches. Fragen, die ausschließlich Privatbezug aufweisen oder lediglich auf „administrative Überkontrolle“ 316 abzielen, sind jedoch nicht Gegenstand des Informationsrechts. 317 5. Einbettung in das System parlamentarischer Kontrollrechte Der parlamentarische Informationsanspruch fügt sich ein in das System der parlamentarischen Kontroll- und Informationsrechte. Diese lassen sich in Selbstinformationsrechte und Fremdinformationsrechte aufteilen, d. h. in Rechte mit Eingriffsbefugnissen (etwa Einsichtsrechte) und solche, deren Inhalt sich auf die Unterrichtung durch die Regierung beschränkt. Der allgemeine parlamentarische Informationsanspruch stellt ein Fremdinformationsrecht dar, da er allein auf die Beantwortung einer Frage durch die Bundesregierung gerichtet ist. Wie bereits festgestellt wurde, bedarf es zur Geltendmachung dieses Anspruchs keines Quorums. In manchen Bereichen werden der Bundesregierung ferner Unterrichtungspflichten auferlegt, was eine größere Intensität der Parlamentsinformation darstellt, da sie unabhängig von der Wahrnehmung von Fragerechten bestehen. 318 Um einen Untersuchungsausschuss einzuberufen, bedarf es gem. Art. 44 Abs. 1 S. 1 GG eines Viertels der Mitglieder des Bundestages, um ein Regierungsmitglied in den Bundestag zu zitieren und zu befragen gem. Art. 43 Abs. 1 i.V. m. Art. 42 Abs. 2 S. 1 GG gar eines Mehrheitsbeschlusses des Bundestages. 319 Der Untersuchungsausschuss hat gem. Art. 44 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 1 GG Beweiserhebungs- und somit Eingriffsrechte. Das vom Bundestag herbeizitierte Regierungsmitglied hat eine sofortige Erscheinungs- und Antwortpflicht. 320 Dies deutet darauf hin, dass die Verfassung die Intensität der von ihr statuierten Informationsrechte an bestimmte Voraussetzungen knüpft. Je stärker der Kontrollmechanismus bzw. die Reichweite des jeweiligen Informationsanspruchs, desto strenger sind die Voraussetzungen, desto höher muss das Quorum der parlamentarischen Zustimmung sein. 321 Deshalb ist darauf zu achten, dass der einzelne Abgeordnete durch die Geltendmachung eines einfachen In316 BVerfGE 67, 100 (140); Lepsius, „Volksvertreter fragen – die Regierung schweigt: Aushöhlung der parlamentarischen Kontrolle?“, in: Kritische Justiz (Hrsg.), Verfassungsrecht und gesellschaftliche Realität, S. 81 (84). 317 Handreichung der Bundesministerien des Innern und der Justiz vom 19. 11. 2009, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Beantwortung parlamentarischer Fragen durch die Bundesregierung, Az. V I 2 – 110 111/0 und IV A 2 1040 –46 682/2009, S. 7. 318 Z. B. in Art. 13 Abs. 6 S. 1, Art. 23 Abs. 2 S. 2 GG; zum Stufenverhältnis des Parlamentsinformationsrechts s. Teuber, Parlamentarische Informationsrechte, 2007, S. 149 ff. 319 Weitere Informationsrechte ergeben sich z. B. aus Art. 45a Abs. 2, Art. 45b und Art. 45c GG. 320 Vgl. Teuber, Parlamentarische Informationsrechte, 2007, S. 164 ff.
II. Das parlamentarische Fragerecht
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formationsanspruchs im Organstreitverfahren nicht die gleiche Rechtsstellung erlangt, die er sonst nur im parlamentarischen Untersuchungsausschuss mithilfe des erforderlichen Quorums erreichen könnte. 322 Diese Gefahr besteht jedoch, weil dem Antragsteller nach § 20 BVerfGG ein Recht auf Akteneinsicht zusteht, welches sich auf die seitens des Bundesverfassungsgerichts nach § 26 Abs. 1 S. 1 BVerfGG eingezogenen Akten und Urkunden bezieht. Das im Grundgesetz angelegte Stufensystem parlamentarischer Kontrollrechte droht hierdurch leerzulaufen. 323 Dieses ist bei jeder gerichtlichen Überprüfung der Antwortpflicht der Bundesregierung zu beachten, soll das Bundesverfassungsgericht nicht als Instrument politischer Interessen missbraucht werden. 324 Grundsätzlich gilt daher Folgendes: Geht es um politische Zentralfragen, so ist die Anfrage des einzelnen Abgeordneten nicht das richtige Mittel, wohingegen bei thematisch eng umgrenzten Einzelfragen die Einberufung eines Untersuchungsausschusses verfehlt wäre. Dementsprechend ist die Beantwortung der Anfrage eines einzelnen Abgeordneten für die Bundesregierung zwar verfassungsrechtlich verpflichtend, allerdings dürfen an die Intensität der Antwort nicht zu hohe Anforderungen gestellt werden. Den unterschiedlichen Voraussetzungen parlamentarischer Kontrollinstrumente korrespondiert somit auch eine unterschiedliche Intensität der Antwortpflicht der Regierung. Eine diesen Grundsätzen widersprechende Ausübung des Fragerechts könnte eine Gefährdung der Funktions- und Arbeitsfähigkeit von Bundesregierung und Bundestag 325 darstellen. Insoweit kommt der Einschätzungsprärogative der Bundesregierung 326 eine entscheidende Rolle zu. Sie darf den Abgeordneten beispielsweise – anstelle einer Beantwortung seiner Anfrage – auf ein laufendes parlamentarisches Untersuchungsverfahren verweisen, soweit dessen Gegenstand mit dem der Frage thematisch übereinstimmt. 327
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Gusy, JuS 1995, 878 (882). Ebd. 323 Ebd.; vgl. zur ähnlichen Konstellation i. R. d. Verwaltungsprozesses (§ 100 I VwGO) IV. 5. 324 Gusy, JuS 1995, 878 (883). 325 Auch der parlamentarische Geschäftsgang würde durch zu umfangreiche oder zu intensive Inanspruchnahme des Fragrechts des einzelnen Abgeordneten behindert. 326 Vgl. hierzu II. 4. b) bb). 327 So für den vergleichbaren Fall auf Landesebene VerfGH NW, DVBl. 1994, 48 (51 f.); die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses führt jedoch nicht zu einer Verdrängung des parlamentarischen Fragerechts, da die Informationsinteressen auch divergieren können, BVerfGE 124, 161 (192). 322
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B. Betriebsgeheimnisse und verschiedene Informationsansprüche
6. Schlussfolgerungen Dem einzelnen Abgeordneten erwächst aus seinem Status unmittelbar aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG das Recht, Fragen an die Bundesregierung zu stellen und eine Beantwortung zu verlangen. Verfahrenstechnisch hierfür geeignet und vorgesehen ist insbesondere die Einzelfrage nach § 105 S. 1 GOBT. Der Informationsanspruch ist verfassungsrechtlich gewährleistet, so dass er auch im Wege eines Organstreitverfahrens durchgesetzt werden könnte, vgl. Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG. Allein die Möglichkeit hierzu wird die grundsätzliche Antwortbereitschaft der Bundesregierung erhöhen. 328 Außerdem kann eine Einschränkung des Fragerechts ihrerseits nur auf verfassungskräftigen Erwägungen beruhen. Solche können insbesondere im Fall von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen Dritter, wie oben erörtert, gegeben sein. Allerdings ist eine Weitergabe der Informationen als Verschlusssache an einzelne Abgeordnete stets in Betracht zu ziehen. Schließlich ist das in der Verfassung angelegte Stufensystem parlamentarischer Kontrollrechte zu beachten. Dieses verbietet eine durch prozessuale Möglichkeiten bewirkte faktische Gleichstellung der Rechte des einzelnen Abgeordneten mit denen von Untersuchungsausschüssen. 329 Zudem sind an die Antwortpflicht der Bundesregierung keine unverhältnismäßig hohen Anforderungen zu stellen. Großen Anfragen und Untersuchungsausschüssen ist insbesondere in zeitlicher Hinsicht größere Aufmerksamkeit zu widmen als Einzelfragen. 330 Zur Einhaltung dieser Regeln gebührt der Bundesregierung eine verfassungsgerichtlich nur begrenzt überprüfbare Einschätzungsprärogative.
III. Der presserechtliche Auskunftsanspruch 1. Entstehungsgeschichte und Grundlagen Der Auskunftsanspruch der Presse gegenüber Behörden ist in den Landespressegesetzen einfachgesetzlich geregelt, zumeist in § 4 Landespressegesetz (LPG). 331 Der Entstehung der LPG liegt eine turbulente Geschichte zugrunde. Bemühungen des Bundes, nach dem Reichspressegesetz von 1874, das auch nach dem zweiten Weltkrieg 332 zunächst als Landesrecht fortbestand, 333 ein Bun328
Kehrhahn, ZParl. 1985, 484 (490). Gleiches gilt für andere, an bestimmte Quoren gebundene Rechte. 330 Dies ergibt sich bereits aus der verfahrensrechtlichen Ausgestaltung, vgl. hierzu II. 2. c). 331 Abweichend: Bayern (Art. 4 LPG), Brandenburg (§ 5 LPG), Hessen (§ 3 LPG), Rheinland-Pfalz (§ 6 Landesmediengesetz) und das Saarland (§ 5 Saarländisches Mediengesetz). 329
III. Der presserechtliche Auskunftsanspruch
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desrahmengesetz zu schaffen, scheiterten sämtlich aufgrund nicht überwindbarer Differenzen zwischen Staat und Presse und – vor allem – Verlegerverbänden. 334 Zwischenzeitliche Voll- bzw. Teilregelungen des Presserechts durch einige Länder führten zu einer Rechtszersplitterung, die durch den unterschiedlichen Einfluss der Besatzungsmächte noch verstärkt wurde. 335 Diesem Zustand wurde schließlich durch die Ständige Innenministerkonferenz der Länder im Jahre 1963 abgeholfen: Unter redaktioneller Hilfe des Deutschen Presserates – und nach Überarbeitung eines ersten Entwurfes aus dem Jahre 1960 – entwickelte sie einen Modellentwurf als Grundlage für möglichst übereinstimmende Pressegesetze. 336 Die meisten Landespressegesetze beruhen auf diesem Modellentwurf. 337 Lediglich Bayern hielt an seinem aus dem Jahre 1949 stammenden Pressegesetz fest. Auch die neuen Bundesländer haben sich bei der Gesetzgebung im Wesentlichen an den bereits bestehenden Pressegesetzen orientiert. 338 Das Ergebnis ist ein in den wesentlichen Punkten einheitliches Presserecht, wenn auch eine vollständige Vereinheitlichung an dem Bestreben der meisten Länder scheiterte, „ihrem“ Pressegesetz „eine besondere Note zu geben“. 339 Der Anerkennung der „öffentlichen Aufgabe“ der Presse 340 als Ausdruck einer veränderten Wahrnehmung und Wertschätzung ihrer Arbeit ist es zu verdanken, dass alle Landespressegesetze nun einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf Auskunft gegenüber Behörden gewähren. 341 332 Zur Pressefreiheit in den Jahren „der demokratischen Erneuerung“ und der Lizenzzeit (Pressetätigkeiten waren von der Vergabe einer Lizenz durch die Besatzungsmächte abhängig) nach dem Zweiten Weltkrieg Stammler, Die Presse als soziale und verfassungsrechtliche Institution, 1971, S. 122 ff. 333 Bullinger, in: Löffler, LPG, Einl., Rn. 83 f.; Stammler, Die Presse als soziale und verfassungsrechtliche Institution, 1971, S. 125. 334 Schröer-Schallenberg, Informationsansprüche der Presse gegenüber Behörden, 1987, S. 37; Bullinger, in: Löffler, LPG, Einl., Rn. 85 f.; Stammler, Die Presse als soziale und verfassungsrechtliche Institution, 1971, S. 130; vor allem die in dem Referentenentwurf für ein Bundespressegesetz („Lüders-Entwurf) aus dem Jahr 1952 vorgesehene Bildung von Landespresseausschüssen als Überwachungsorgane wurde als Bedrohung für die Pressefreiheit empfunden. 335 Stammler, Die Presse als soziale und verfassungsrechtliche Institution, 1971, S. 125 ff.: Den Pressegesetzen in den Ländern der US-Zone lag vornehmlich die Anerkennung und Ausformung der „öffentlichen Aufgabe der Presse“ zugrunde, denjenigen in den Ländern der britischen Zone vor allem die Aufrechterhaltung des Reichspressegesetzes. 336 Bullinger, in: Löffler, LPG, Einl., Rn. 88. 337 Vgl. Schröer-Schallenberg, Informationsansprüche der Presse gegenüber Behörden, 1987, S. 38. 338 Bullinger, in: Löffler, LPG, Einl., Rn. 90. 339 Bullinger, in: Löffler, LPG, Einl., Rn. 91. 340 Hierzu sogleich unter III. 2.
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B. Betriebsgeheimnisse und verschiedene Informationsansprüche
2. Funktion des presserechtlichen Auskunftsanspruchs Jeder Staatsbürger bedarf zur verantwortlichen Ausübung seiner demokratischen Rechte eines ausreichenden Informationsstands. 342 Erst wenn er über alle für den politischen Willensbildungsprozess relevanten Informationen, die Ausübung der staatlichen Gewalt und die verschiedenen Meinungen hierüber unterrichtet ist, kann er seine Rolle in der Demokratie gewissenhaft wahrnehmen. 343 Dieser Gedanke hat in der Informationsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG seinen Niederschlag gefunden. Dabei spielen Presseerzeugnisse als „allgemein zugängliche Quellen“ seit jeher eine zentrale Rolle. 344 Die Presse ihrerseits muss ihre Arbeit jedoch auf weitergehende Informationen als die allgemein zugänglichen stützen können, um die Wächterrolle, die ihr in einem demokratischen Staat zufällt, auch wahrnehmen zu können. 345 In den Landespressegesetzen wird (in Nuancen abweichend) die „öffentliche Aufgabe“ der Presse 346 – obgleich private Institution 347 – in § 3 LPG 348 beschrieben: „Die Presse erfüllt dadurch eine öffentliche Aufgabe, dass sie Nachrichten beschafft und verbreitet, Stellung nimmt oder Kritik übt.“ Durch die Presse kann der Bürger „umfassende Informationen über tatsächliche Vorgänge und Verhältnisse, Missstände, Meinungen und Gefahren erhalten, die ihm sonst verborgen bleiben würden, die aber Bedeutung für eine abgewogene Beurteilung der für seine Meinungsbildung essenziellen Fragen haben können“. 349 Sie ermöglicht ihm ferner die Kontrolle staatlicher Vorgänge und bei 341 Vgl. Stammler, Die Presse als soziale und verfassungsrechtliche Institution, 1971, S. 132. 342 Groß, DÖV 1997, 133. 343 BVerfGE 20, 162 (174 f.); Löffler / Ricker, Presserecht, 18. Kap., Rn. 1; Groß, Presserecht, Rn. 391 f.; Thum, AfP 2005, 30 (32). 344 Vgl. OVG Berlin, ZUM 1996, 250 (253); VG Berlin, AfP 1994, 175 (177); VG Dresden, AfP 2009, 301 (307); zum Verhältnis von Informations- und Pressefreiheit vgl. Burkhardt, in: Löffler, LPG, § 4, Rn. 10; Starck, AfP 1978, 171 (172); Groß, Presserecht, Rn. 394 ff.; ders., DÖV 1997, 133 (135); Püschel, AfP 2006, 401 (402); s. auch BGH, NJW 2005, 1720. 345 VG Berlin, AfP 1994, 175 (177); VG Dresden, AfP 2009, 301 (307); Evers, AfP 1974, 548; Soehring, Presserecht, § 1, Rn. 5; § 4, Rn. 1 f. 346 Hierzu eingehend Rotta, Nachrichtensperre und Recht auf Information, 1986, S. 84 ff.; Scheuner, VVDStRL 22 (1965), 1 (74 ff.); Stammler, Die Presse als soziale und verfassungsrechtliche Institution, 1971, S. 206 ff., 209, weist neben der „politischen öffentlichen Aufgabe“ der Presse auch auf die „gesellschaftlich öffentliche Aufgabe“ bzw. „öffentliche Aufgabe im weiteren Sinne“ hin; zu den mit der „öffentlichen Aufgabe der Presse“ verbundenen Pflichten ebd., S. 132 f., 212 ff. 347 Soehring, Presserecht, § 1, Rn. 8; Rotta, Nachrichtensperre und Recht auf Information, 1986, S. 86; Scheuner, VVDStRL 22 (1965), 1 (75 f.); Stammler, Die Presse als soziale und verfassungsrechtliche Institution, 1971, S. 205. 348 Abweichend: Bayern (Art. 3), Rheinland-Pfalz (§ 5), Saarland (§ 4).
III. Der presserechtliche Auskunftsanspruch
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der nächsten Wahl oder Abstimmung eine Reaktion, die auf einer fundierten politischen Meinung beruht. Nicht alle Informationen sind öffentlich zugänglich oder für Laien ohne Weiteres verständlich. Auch die Öffentlichkeit der Parlamentssitzungen nach Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG oder der Gerichtsverhandlungen nach § 169 GVG bietet, gerade im Hinblick auf die Möglichkeit des Ausschlusses der Öffentlichkeit, nur einem kleinen Teil der Bevölkerung die Gelegenheit unmittelbarer Kenntnisnahme. 350 Insbesondere die öffentliche Verwaltung ist ein für Bürger oftmals, wenn auch seit Inkrafttreten des IFG nicht mehr verschlossenes, so doch zumindest schwer durchschaubares Gebilde. Redaktionell aufbereitete und auf das Wesentliche reduzierte Beiträge ermöglichen und fördern nicht nur die Kenntnisnahme, sondern auch das Verständnis von Informationen. Insofern arbeitet die Presse als Vermittler zwischen staatlichen Institutionen und dem Inhaber der Staatsgewalt, dem Volk, 351 wodurch auch dem Grundsatz der Volkssouveränität in Art. 20 Abs. 2 GG Rechnung getragen wird. 352 Das Bundesverfassungsgericht hat die Pressefreiheit als für die freiheitliche Demokratie „schlechthin konstituierend“ bezeichnet. 353 Die Bedeutung der Presse für die Demokratie findet ihren Ausdruck auch explizit im Gesetz: § 1 Abs. 1 LPG 354 besagt, dass die Presse frei sei und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung diene. Neben der Informationsbeschaffung und -verbreitung wirkt die Presse durch eine kritische Berichterstattung auch meinungsbildend. 355 Eine möglichst vielfältige und polarisierende Presse hat belebenden Einfluss auf den Meinungsmarkt, einerseits als Träger einer eigenen, originären Meinung, andererseits als Verstärker für die Meinungen Dritter. 356 Diese ebenfalls demokratietheoretische Funktion könnte von einer organisierten staatlichen Gewalt nicht sachgerecht und vor allem nicht unabhängig wahrgenommen werden. 357 Sie führt dazu, dass die freie 349
BGH, NJW 2005, 1720; VGH München, NVwZ-RR 2007, 767 (768); VG Hamburg, AfP 2009, 296 (299); Köhler, NJW 2005, 2337. 350 Groß, DÖV 1997, 133 (134). 351 Hierzu BVerfGE 20, 162 (175): „In der repräsentativen Demokratie steht die Presse zugleich als ständiges Verbindungs- und Kontrollorgan zwischen dem Volk und seinen gewählten Vertretern in Parlament und Regierung.“; VG Dresden, AfP 2009, 301 (307); Schröer-Schallenberg, Informationsansprüche der Presse gegenüber Behörden, 1987, S. 39; Stammler, Die Presse als soziale und verfassungsrechtliche Institution, 1971, S. 205. 352 Groß, DÖV 1997, 133 (134). 353 In Anlehnung an die Bezeichnung der Meinungsfreiheit als „schlechthin konstituierend“ in BVerfGE 7, 198 (208) – „Lüth“; 10, 118 (121); 20, 162 (174); hierzu Stammler, Die Presse als soziale und verfassungsrechtliche Institution, 1971, S. 204 f. 354 Der Wortlaut unterscheidet sich in den einzelnen LPG geringfügig. 355 Löffler / Ricker, Presserecht, 18. Kap., Rn. 5; Rotta, Nachrichtensperre und Recht auf Information, 1986, S. 83. 356 Groß, DÖV 1997, 133 (134); Stammler, Die Presse als soziale und verfassungsrechtliche Institution, 1971, S. 207. 357 Paschke, Medienrecht, Rn. 213.
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B. Betriebsgeheimnisse und verschiedene Informationsansprüche
Presse grundrechtlich als Rechtsinstitut charakterisiert wird; neben der subjektiv-rechtlichen weist Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG somit auch eine objektiv-rechtliche Dimension auf. 358 Dieser objektiv-rechtliche Gehalt verpflichtet den Staat – vornehmlich den Gesetzgeber – zum Erhalt und zum Schutz des Kernbestands der grundrechtlich gewährleisteten Pressefreiheit. 359 Aus der Institutsgarantie der freien Presse können dadurch auch Auskunftspflichten der Behörden folgen. 360 Denn um die Funktionen der Informationsbeschaffung und -verteilung sowie der öffentlichen Meinungsbildung sachgerecht wahrnehmen zu können, muss die Presse ihrerseits durch staatliche Stellen informiert werden. 361 Eine Behörde, die der Presse die Auskunft ohne rechtfertigenden Grund verweigert, wird der ihr vom Grundgesetz auferlegten und durch das Demokratieprinzip im Sinne von Art. 20 Abs. 1 GG verstärkten Pflicht nicht gerecht. 362 Um diese Verpflichtung auch einklagbar zu machen, steht der Presse ein allgemeiner Auskunftsanspruch gegenüber Behörden gem. § 4 LPG 363 zu. Durch diesen soll die Presse in die Lage versetzt werden, sachgemäß über aktuelle Vorgänge in Staat und Verwaltung zu berichten. 364 Ob die Regelungen der Landespressegesetze lediglich Konkretisierungen eines ohnehin schon unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG folgenden Informationsanspruchs der Presse sind, ist umstritten und wird unter 6. näher thematisiert. 3. Voraussetzungen und Gegenstand des Auskunftsanspruchs Die Voraussetzungen für die Geltendmachung des presserechtlichen Auskunftsanspruchs lassen sich den Gesetzen nicht präzise entnehmen. Bei einer Durchsetzung im Klagewege sind jedoch – neben den Schranken – die Fragen 358 BVerfGE 10, 118 (121); 12, 205 (260); 20, 162 (175); 36, 193 (204); 66, 116 (133); 80, 124 (133); BVerfG, NJW 2001, 503 (504); OVG Münster, NJW 2005, 618; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 5 I, II, Rn. 226; Lorz / Bosch, AfP 2005, 97 (99); ausführlich Degenhart, in: Dolzer / Vogel / Waldhoff / Graßhof (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 5 Abs. 1 und 2, Rn. 345 ff.; Paschke, Medienrecht, Rn. 210 ff.; allgemein zur Bedeutung von Einrichtungsgarantien unter dem Grundgesetz Mager, Einrichtungsgarantien, 2003; zum Rechtsinstitut der freien Presse als möglicher Stütze eines verfassungsunmittelbaren Informationsanspruchs s. u. 6. c) bb). 359 BVerfGE 20, 162 (175 f.); Thum, AfP 2005, 30 (31). 360 BVerfGE 20, 162 (176). 361 Groß, Presserecht, Rn. 394; OVG Berlin, ZUM 1996, 250 (253). 362 Burkhardt, in: Löffler, LPG, § 4, Rn. 10. 363 Abweichend: Bayern (Art. 4 LPG), Brandenburg (§ 5 LPG), Hessen (§ 3 LPG), Rheinland-Pfalz (§ 6 Landesmediengesetz) und das Saarland (§ 5 Saarländisches Mediengesetz). 364 Thum, AfP 2005, 30.
III. Der presserechtliche Auskunftsanspruch
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nach Anspruchsberechtigten, -verpflichteten und Anspruchsgegenstand regelmäßig von Bedeutung. a) Anspruchsberechtigte Die verschiedenen Landespressegesetze benennen als Anspruchsberechtigte größtenteils die „Vertreter der Presse“, teilweise auch nur die „Presse“ 365 oder die „Medien“ 366. Sachlich unterscheiden sich diese Begriffe nicht: Mit „Medien“ und „Presse“ sollen die Anspruchsinhaber, mit den „Vertretern der Presse“ diejenigen benannt sein, die den Anspruch geltend machen dürfen. 367 Unter Presse im engeren Sinn versteht man alle zur Verbreitung an die Allgemeinheit bestimmten Druckerzeugnisse. 368 Hier zielt der Begriff aber eher auf die Presse als Institution ab. Wer als Vertreter der Presse ausübungsbefugt ist, muss anhand einer teleologischen Auslegung ermittelt werden. 369 Dabei ist unter Berücksichtigung von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG ein weiter Maßstab anzulegen. 370 Der Sinn und Zweck des presserechtlichen Auskunftsanspruchs ist bereits skizziert worden und vorrangig in der Wahrnehmung der öffentlichen Aufgabe der Informationsbeschaffung bzw. -vermittlung und der öffentlichen Meinungsbildung zu sehen. 371 Daraus folgt, dass anspruchsberechtigt diejenigen Personen sind, die sich mit Informationsbeschaffung und -verbreitung beschäftigen, d. h. hauptsächlich Vertreter von Nachrichtenagenturen, Reporter oder freie Journalisten. 372 Auch Verleger und Herausgeber (auch von Büchern) sind der Presse zuzuordnen. 373 Allerdings müssen diese Personen nicht notwendig persönlich Auskunft ersuchen. Vielmehr 365
So § 3 HessPG und Art. 4 BayPG, § 4 MVLPG. So § 6 LMG Rhld.-Pf. 367 Löffler / Ricker, Presserecht, 19. Kap., Rn. 3; ausführlich zu den Begrifflichkeiten Burkhardt, in: Löffler, LPG, § 4, Rn. 33 ff., 41 ff.; im Landespressegesetz Bayerns wird der Kreis der Anspruchsberechtigten in § 4 Abs. 1 S. 2 konkretisiert: „Sie [Anm.: die Presse] kann es [Anm.: das Recht auf Auskunft] nur durch Redakteure oder andere von ihnen genügend ausgewiesene Mitarbeiter von Zeitungen oder Zeitschriften ausüben.“ 368 Zur Entwicklungsoffenheit des Pressebegriffs – auch in Bezug auf neue Medien – vgl. Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 5 I, II, Rn. 89 ff.; vgl. auch die Legaldefinition für „Druckwerke“ in § 7 der Landespressegesetze (in Bayern Art. 6, in Hessen § 4). 369 VG Saarlouis, AfP 2006, 596 (597); Soehring, Presserecht, § 4, Rn. 9; Burkhardt, in: Löffler, LPG, § 4, Rn. 37; ausführlich Schröer-Schallenberg, Informationsansprüche der Presse gegenüber Behörden, 1987, S. 40 ff. 370 VG Hamburg, AfP 2009, 296 (299); Köhler, NJW 2005, 2337 (2337 f.). 371 s. unter III. 2. 372 Löffler / Ricker, Presserecht, 19. Kap., Rn. 4; Soehring, Presserecht, § 4, Rn. 9 f.; im Zweifel muss der Anspruchsteller jedoch seine Verbindung zu einer über den Handel erhältlichen Pressepublikation oder anderweitige Medienkontakte benennen, s. BVerwG, Beschl. v. 2. 4. 2009 – 6 B 83/08, Rz. 6; OVG Münster, Beschl. v. 30. 6. 2008 – 5 A 2794/ 05. 366
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B. Betriebsgeheimnisse und verschiedene Informationsansprüche
kann jeder für die Presse Beschäftigte, etwa auch eine Redaktionssekretärin oder ein Hausanwalt, nach den allgemeinen Stellvertretungsregeln des BGB den Auskunftsanspruch vorbringen. 374 Um Missbrauch zu vermeiden, besteht jedoch in Zweifelsfällen eine Ausweispflicht. 375 Für unmittelbar mit Pressetätigkeiten Betraute genügt der Presseausweis, für die speziell Beauftragten muss ein Legitimationsschreiben der Redaktion vorgelegt werden. 376 Mit Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG unvereinbar wäre es, den Auskunftsanspruch nur der „seriösen Presse“ zuzubilligen und der „Sensationspresse“ zu verwehren. 377 Denn aus der Pressefreiheit und dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG folgt die Neutralitätspflicht des Staates, die ihm eine Differenzierung nach (Meinungs-)Inhalten verbietet. 378 Eine Beschränkung des Auskunftsanspruchs auf eine bestimmte Art von Presse würde dieses Neutralitätsgebot verletzen. 379 Schließlich haben auch ausländische Presseangehörige gegenüber deutschen Behörden einen Auskunftsanspruch. Dies folgt aus der Pressefreiheit als Ausdruck eines allgemeinen Menschenrechts und aus der Tatsache, dass auch die ausländische Presse im Inland meinungsbildend wirken kann. 380 b) Anspruchsverpflichtete Die Landespressegesetze nennen als Adressaten des Anspruchs „die Behörden“. 381 Das Fehlen einer Legaldefinition in den Landespressegesetzen führt 373 BGH, NJW 2005, 1720; VG Hamburg, AfP 2009, 296 (299); Branahl, Medienrecht, S. 35 f.; Löffler / Ricker, Presserecht, 19. Kap., Rn. 4; Soehring, Presserecht, § 4, Rn. 10; Burkhardt, in: Löffler, LPG, § 4, Rn. 38; Schröer-Schallenberg, Informationsansprüche der Presse gegenüber Behörden, 1987, S. 59; Ausnahme: Bayern, s. Fn. 367. 374 Löffler / Ricker, Presserecht, 19. Kap., Rn. 4; Groß, DÖV 1997, 133 (141); a. A. Soehring, Presserecht, § 4, Rn. 10; Burkhardt, in: Löffler, LPG, § 4, Rn. 45. 375 Groß, Presserecht, Rn. 435; ders., DÖV 1997, 133 (141); Burkhardt, in: Löffler, LPG, § 4, Rn. 47. 376 Löffler / Ricker, Presserecht, 19. Kap., Rn. 6; Soehring, Presserecht, § 4, Rn. 11; Burkhardt, in: Löffler, LPG, § 4, Rn. 43, 51; Schröer-Schallenberg, Informationsansprüche der Presse gegenüber Behörden, 1987, S. 57. 377 Groß, Presserecht, Rn. 405; ders., DÖV 1997, 133 (136); Soehring, Presserecht, § 4, Rn. 12; Burkhardt, in: Löffler, LPG, § 4, Rn. 39; VG Saarlouis, AfP 2006, 596 (598) zur Aktivlegitimation eines „PR-Mitarbeiters“. 378 BVerfGE 80, 124 (134); Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 5 I, II, Rn. 228; Soehring, Presserecht, § 4, Rn. 34. 379 Löffler / Ricker, Presserecht, 19. Kap., Rn. 7. 380 Löffler / Ricker, Presserecht, 19. Kap., Rn. 9; Groß, DÖV 1997, 133 (136); Soehring, Presserecht, § 4, Rn. 13; Burkhardt, in: Löffler, LPG, § 4, Rn. 40. 381 Abweichend nur Bremen (§ 4 Abs. 1: „Landesbehörden und der Landesaufsicht unterstehende Körperschaften des öffentlichen Rechts“.) und Thüringen (§ 4 Abs. 1: „Die Behörden sowie die der Aufsicht des Landes unterliegenden Körperschaften des öffentlichen Rechts“.).
III. Der presserechtliche Auskunftsanspruch
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dazu, dass Umfang und Grenzen des Behördenbegriffs durch Auslegung bestimmt werden müssen. 382 Behörden im Sinne der Landespressegesetze sind demnach alle nach außen handelnden Organe der Körperschaften, Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechts, unabhängig davon, in welcher Organisationsform sie ihre Aufgaben erfüllen. 383 Der Auskunftsanspruch kann sich somit auch gegen privatrechtlich organisierte Gesellschaften richten, sofern ihre Anteile ganz oder überwiegend von der öffentlichen Hand gehalten werden und sie öffentliche Aufgaben erfüllen. 384 Der Bundesgerichtshof hat einen eigenständigen, „funktionell-teleologischen“ Behördenbegriff im Presserecht gebildet: „Die Berichterstattung der Presse über Vorgänge im staatlichen Bereich beschränkt sich nicht lediglich auf die staatliche Eingriffsverwaltung, die typische Form staatlichen Handelns. Vielmehr nimmt die Verwaltung eine Fülle sonstiger Aufgaben gerade im Bereich der Leistungsverwaltung wahr. Überall dort, wo zur Wahrnehmung staatlicher Aufgaben öffentliche Mittel eingesetzt werden, von deren konkreter Verwendung Kenntnis zu erlangen ein berechtigtes öffentliches Interesse besteht, wird auch ein Informationsbedürfnis der Presse und der Bevölkerung begründet. Auf dieses Bedürfnis hat es keinen Einfluss, ob sich die Exekutive zur Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben im Einzelfall einer privatrechtlichen Organisationsform bedient.“ 385
Der Behördenbegriff im Presserecht ist aber auch in sonstiger Hinsicht nicht im traditionellen Sinn zu verstehen. 386 So können auch Stellen der Parlamentsund der Gerichtsverwaltung 387 auskunftspflichtig sein. 388 Denn auch hier be382 OVG Saarlouis, AfP 1998, 426 (427); Burkhardt, in: Löffler, LPG, § 4, Rn. 52; wiederum ausführlich Schröer-Schallenberg, Informationsansprüche der Presse gegenüber Behörden, 1987, S. 60 ff. 383 Löffler / Ricker, Presserecht, 19. Kap., Rn. 10. 384 BGH, NJW 2005, 1720 (1720 f.); ihm folgend VGH München, NVwZ-RR 2007, 767 (768); OVG Saarlouis, AfP 1998, 426 (427 f.); VG Hamburg, AfP 2009, 296 (299); VG Arnsberg, Urt. v. 30. 01. 2009 – 12 K 136/08, Rz. 23; LG München, WRP 2007, 99 (101); Branahl, Medienrecht, S. 34 f.; Löffler / Ricker, Presserecht, 19. Kap., Rn. 10; Paschke, Medienrecht, Rn. 344; Soehring, Presserecht, § 4, Rn. 19; Burkhardt, in: Löffler, LPG, § 4, Rn. 57; Schoch, AfP 2010, 313 (316); Zieglmeier, JZ 2007, 309: „Die Organe der kommunalen Unternehmen geben rechtlich zwar eigenes, faktisch aber das Geld der Bürger aus“. 385 BGH, NJW 2005, 1720 (1721); VGH München, NVwZ-RR 2007, 767 (768); VG Hamburg, AfP 2009, 296 (299); dementsprechend verneinte das OVG Münster, AfP 2008, 656 (657) die Passivlegitimation der Deutschen Telekom AG mit der Begründung, der Staat habe sich im Zuge der Liberalisierung des Post- und Telekommunikationsmarkts von der Erfüllung der ursprünglich aus der Daseinsvorsorge entstandenen Aufgaben der Leistungserbringung zurückgezogen und nicht lediglich eine private Rechtsform für staatliches Handeln gewählt (zudem fehle es wegen der Minderheitsbeteiligung des Bundes am erforderlichen beherrschenden Einfluss der öffentlichen Hand). 386 Der traditionelle Behördenbegriff knüpft an die „in den Organismus der Staatsverwaltung eingeordnete[n] organisatorische[n] Einheit[en] von Personen und sächlichen Mitteln [...]“ an, mithin an die Exekutive; vgl. BVerfGE 10, 20 (48).
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B. Betriebsgeheimnisse und verschiedene Informationsansprüche
steht – etwa im Hinblick auf Sitzungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit (z. B. Ausschusssitzungen) – ein öffentliches Unterrichtungsinteresse. Dem Bürger als Souverän muss durch die Presse eine restlose Informierung über jegliche Ausübung staatlicher Gewalt ermöglicht werden. 389 Vom Behördenbegriff im Sinne des Presserechts umfasst sind auch Bundesbehörden, denn auch diese sind zur Beachtung von Landesgesetzen verpflichtet. 390 Problematisch ist, ob auch Kirchen gegenüber der Presse auskunftspflichtig sind. Insbesondere die katholische und die evangelische Kirche sind zwar nach Art. 140 GG i.V. m. Art. 137 Abs. 5 S. 1 WRV Körperschaften des öffentlichen Rechts. Als solche sind sie jedoch grundsätzlich nicht Träger öffentlicher, vom Staat abgeleiteter Gewalt. 391 Ausnahmen bestehen nur für die Fälle, in denen ihnen Hoheitsrechte ausdrücklich verfassungsrechtlich oder gesetzlich verliehen sind und sie nicht ausschließlich eigene Angelegenheiten im Sinne von Art. 140 GG i.V. m. Art. 137 Abs. 3 S. 1 WRV ordnen und verwalten (sog. res mixtae). Als Beispiel mag die Erhebung einer Kirchensteuer dienen, vgl. Art. 140 GG i.V. m. Art. 137 Abs. 6 WRV. In diesen Bereichen sind die Kirchen gegenüber der Presse auskunftspflichtig. 392 Private sind außerhalb des funktionell-teleologischen Behördenbegriffs nach dem eindeutigen Wortlaut nicht von § 4 LPG erfasst. 393 Fraglich und umstritten ist weiterhin, ob öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten Adressaten des Auskunftsanspruchs sein können. 394 Da diese selbst Träger der aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG folgenden Rundfunkfreiheit sind, die gleichrangig neben der Pressefreiheit steht, würde sich die Wettbewerbssituation gegenüber der Presse durch Zuerkennung eines Informationsanspruchs zulasten der 387
s. hierzu die von Lorz / Bosch, AfP 2005, 97 ff. vorgenommene Analyse des „Mannesmann“-Verfahrens, die sich mit der Öffentlichkeitsarbeit der Justiz auseinandersetzt. 388 Schröer-Schallenberg, Informationsansprüche der Presse gegenüber Behörden, 1987, S. 67 f.; Groß, Presserecht, Rn. 437 ff., 438, 441; Branahl, Medienrecht, S. 33; Burkhardt, in: Löffler, LPG, § 4, Rn. 56. 389 Groß, Presserecht, Rn. 440; ders., DÖV 1997, 133 (141 f.). 390 OVG Berlin, ZUM 1996, 250 (253); VG Berlin, AfP 1994, 175 (176 f.); Schröer-Schallenberg, Informationsansprüche der Presse gegenüber Behörden, 1987, S. 74; Soehring, Presserecht, § 4, Rn. 17; Groß, Presserecht, Rn. 437; ders., DÖV 1997, 133 (141); Burkhardt, in: Löffler, LPG, § 4, Rn. 54; Ausnahme: Bremen (s. Fn. 381). 391 Starck, in: v. Mangoldt (Begr.) / Klein (Fortf.) / ders. (Hrsg.), GG, Art. 4 Abs. 1, 2, Rn. 129. 392 Soehring, Presserecht, § 4, Rn. 21; Löffler / Ricker, Presserecht, 19. Kap., Rn. 10; Branahl, Medienrecht, S. 34; Burkhardt, in: Löffler, LPG, § 4, Rn. 64; Schröer-Schallenberg, Informationsansprüche der Presse gegenüber Behörden, 1987, S. 86; a. A. Groß, DÖV 1997, 133 (142). 393 Branahl, Medienrecht, S. 33; Löffler / Ricker, Presserecht, 19. Kap., Rn. 10; i. E. auch Groß, DÖV 1997, 133 (142); Soehring, Presserecht, § 4, Rn. 78; Burkhardt, in: Löffler, LPG, § 4, Rn. 70 f. 394 Hierzu insbesondere VG Köln, Urt. v. 19. 11. 2009 – 6 K 2032/08, Rz. 45 ff.
III. Der presserechtliche Auskunftsanspruch
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Rundfunkanstalten verschlechtern. 395 Allerdings könnte ein Auskunftsanspruch dann anzuerkennen sein, wenn er staatliche Subventionierung 396 oder behördenähnliches Handeln wie etwa den Gebühreneinzug betrifft. 397 Zwar umfasst die Rundfunkfreiheit auch das Recht der Programmfinanzierung, jedoch führt ein auf diesen engen Bereich gerichteter Informationsanspruch nicht zu einer unverhältnismäßigen Beschränkung der Rundfunkfreiheit. Insofern können also auch öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten anspruchsverpflichtet sein. 398 Schließlich muss sich der Auskunftsanspruch stets gegen den Behördenleiter oder einen von diesem Beauftragten richten. 399 Denn Adressat des Anspruchs ist die Behörde als solche. Andere Beamte oder Behördenangestellte sind aufgrund vertraglicher Verschwiegenheitspflichten nicht zur Auskunft gegenüber der Presse befugt, so dass insoweit auch kein Anspruch besteht. 400 Hat der Pressevertreter jedoch Informationen von einem Sachbearbeiter erhalten, ist er rechtlich auch nicht daran gehindert, diese zu veröffentlichen. 401 c) Anforderungen an die Antragstellung Das Auskunftsverlangen ist weder an eine Frist noch an eine bestimmte Form gebunden. 402 Eine Ausnahme hiervon ist für die Fälle zu machen, in denen das Begehren eine komplizierte und umfangreiche Fragestellung betrifft. Hier kommt nur ein schriftliches Auskunftsverlangen in Betracht. 403 Ferner ist das Auskunftsrecht der Presse nicht davon abhängig, dass der Anspruchsteller hierfür eine 395
BVerfG, NJW 1989, 382. Kull, AfP 1985, 75 (76 f.) verweist insoweit zu Recht darauf, dass öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten darüber Rechenschaft abzulegen haben, ob das Prinzip der Freiheit des Rundfunks gegenüber dem Staat durch die staatliche Subventionierung verletzt sein könnte. 397 Diese Frage hat das Bundesverfassungsgericht (Fn. 395) ausdrücklich offen gelassen; vgl. auch Schröer-Schallenberg, Informationsansprüche der Presse gegenüber Behörden, 1987, S. 81 ff.; VG Köln, Urt. v. 19. 11. 2009 – 6 K 2032/08, Rz. 47 ff. 398 Löffler / Ricker, Presserecht, 19. Kap., Rn. 10; Burkhardt, in: Löffler, LPG, § 4, Rn. 66. 399 Soehring, Presserecht, § 4, Rn. 15 f.; Branahl, Medienrecht, S. 35; Groß, DÖV 1997, 133 (138); dies ist in den Landespressegesetzen von Sachsen, Sachsen-Anhalt (§ 4 Abs. 1 S. 2) und Bayern (§ 4 Abs. 2) ausdrücklich geregelt, folgt ansonsten aber schon aus beamten- bzw. dienstrechtlichen Vorschriften, vgl. Löffler / Ricker, Presserecht, 19. Kap., Rn. 11. 400 Löffler / Ricker, Presserecht, 19. Kap., Rn. 11; Soehring, Presserecht, § 4, Rn. 16. 401 Branahl, Medienrecht, S. 35. 402 VG Berlin, AfP 1994, 175 (177); VG Dresden, AfP 2009, 301 (306); VG Cottbus, AfP 2008, 114; Burkhardt, in: Löffler, LPG, § 4, Rn. 75 f. 403 Schröer-Schallenberg, Informationsansprüche der Presse gegenüber Behörden, 1987, S. 97. 396
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B. Betriebsgeheimnisse und verschiedene Informationsansprüche
formelle Begründung vorträgt. 404 Hierzu gibt der Gesetzestext keinen Anhalt, ein anderes Verständnis wäre mit der Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG nicht zu vereinbaren. Vielmehr ergibt sich der Grund für die Anspruchstellung bereits aus der öffentlichen Aufgabe der Informationsbeschaffung und -verbreitung. 405 Eine hinreichend konkrete Fragestellung, die sich auf einen bestimmten Sachverhalt bezieht, kann dem Antragsteller jedoch abverlangt werden. 406 d) Gegenstand des Auskunftsanspruchs § 4 Abs. 1 LPG lautet: „Die Behörden sind verpflichtet, den Vertreterinnen und Vertretern der Presse die der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben dienenden Auskünfte zu erteilen.“ 407 Daraus ergibt sich, dass die Presse nicht jede erdenkliche Information von den Behörden verlangen kann, die Auskunft muss vielmehr „der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe“ dienen. Insoweit ist der Auskunftsanspruch zweckgebunden. Die Presse hat jedoch einen Einschätzungsvorrang hinsichtlich der dem öffentlichen Informationsbedürfnis unterfallenden Fragen. 408 Die Behörde trifft demgegenüber die Last, das Fehlen eines Bezugs der Information zur öffentlichen Aufgabe darzulegen und zu beweisen. 409 Die öffentliche Aufgabe wird erfüllt, indem Nachrichten von öffentlichem Interesse beschafft und verbreitet werden. Bei der Bestimmung des öffentlichen Interesses verbietet sich jedoch – wie schon bei der Frage der Anspruchsberechtigung – eine Unterscheidung zwischen seriöser und Sensationspresse. 410 Von der Erfüllung der öffentlichen Aufgabe der Presse kann erst dann keine Rede mehr sein, wenn Berichte über Privatangelegenheiten ohne Belang für die Öffentlichkeit erstellt werden sollen. 411 Praktische Bedeutung dürfte der Zweckgebundenheit allerdings kaum zukommen, da sämtliche denkbaren Fälle fehlenden öffentlichen Interesses zugleich ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 4 Abs. 2 LPG darstellen dürften. 412 404
VG Cottbus, AfP 2002, 360 (361). Weberling, AfP 2003, 304; s. o. § 3 LPG. 406 VG Berlin, NJW 2001, 3799 (3800); VG Dresden, AfP 2009, 301 (305); Groß, DÖV 1997, 133 (143). 407 Der Wortlaut unterscheidet sich wiederum geringfügig; Ausnahmen: Bayern (Art. 4 Abs. 1 S. 1: „Die Presse hat gegenüber Behörden ein Recht auf Auskunft.“) und Hessen (§ 3 Abs. 1 S. 1: „Die Behörden sind verpflichtet, der Presse die gewünschten Auskünfte zu erteilen.“). 408 VG Dresden, AfP 2009, 301 (306). 409 Köhler, NJW 2005, 2337 (2339); s. a. VG Saarlouis, AfP 2006, 596 (599). 410 Starck, AfP 1978, 171 (175). 411 VG Düsseldorf, Urt. v. 15. 10. 2008 – 1 K 3286/08, Rz. 31. 412 Burkhardt, in: Löffler, LPG, § 4, Rn. 86 unter Hinweis auf Vorgänge der Intimoder Privatsphäre; zu den Auskunftsverweigerungsgründen sogleich unter III. 4. 405
III. Der presserechtliche Auskunftsanspruch
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Die Auskunftspflicht umfasst alle Vorgänge, mit denen die betreffende Behörde amtlich befasst war, befasst ist oder befasst werden soll. 413 Sie ist zur wahrheitsgemäßen und vollständigen Auskunftserteilung verpflichtet, ansonsten ist der Anspruch nicht erfüllt und kann auch weiterhin, notfalls gerichtlich, verfolgt werden. 414 Form und Zeitpunkt der Auskunftsverpflichtung stehen hingegen im Ermessen der Behörde und sind in jedem Einzelfall festzulegen. 415 Sie kann eine Pressekonferenz abhalten, Aktenauszüge zur Verfügung stellen, eine amtliche Presseerklärung abgeben oder einen anderen Weg wählen. Maßgeblich ist, dass eine sachgerechte, d. h. geeignete Form gewählt wird. 416 Die Einzelfallbetrachtung kann daher auch zu einer Ermessensreduzierung hinsichtlich der Art der Auskunftsgewährung führen: Wenn etwa komplexe Datensätze oder Gutachten Gegenstand des Auskunftsanspruchs sind, ist eine schriftliche Erteilung oder gar ein Akteneinsichtsrecht oft der einzig geeignete Weg einer vollständigen Auskunftserteilung. 417 Umgekehrt kann auch eine schnelle, mündliche Auskunft bei besonderer Eilbedürftigkeit geboten sein. 418 Die Behauptung seitens des Behördenleiters oder des zur Information der Presse Beauftragten, er verfüge nicht über die notwendige Sachkenntnis, kann eine Auskunftsverweigerung nicht stützen. Es kommt stets auf das behördenintern bestehende, leicht ermittelbare Wissen an. 419 Der Auskunftsanspruch kann auch auf die Mitteilung einer – soweit bereits vorhandenen bzw. gebildeten – (Rechts-)Auffassung der Behörde gerichtet sein. 420 Eine Beschränkung der Auskunftspflicht auf Tatsachen findet in den LPG keine Stütze. Allerdings kann die Behörde nicht erst zur Bildung einer Meinung und zur Kundgabe mittels Interviews gezwungen werden. 421 413
Burkhardt, in: Löffler, LPG, § 4, Rn. 59; Zieglmeier, JZ 2007, 309 – „hoheitlicher Bezug“ – weist darauf hin, dass der Auskunftsanspruch gegenüber einer kommunalen GmbH (vgl. o. 3. b) nicht weiter gehen könne als gegenüber der Kommune. 414 VGH München, AfP 2004, 473 (474); Löffler / Ricker, Presserecht, 19. Kap., Rn. 2; Burkhardt, in: Löffler, LPG, § 4, Rn. 82. 415 VG Dresden, AfP 2009, 301 (304); Schröer-Schallenberg, Informationsansprüche der Presse gegenüber Behörden, 1987, S. 99; Löffler / Ricker, Presserecht, 19. Kap., Rn. 2; Branahl, Medienrecht, S. 37; Püschel, AfP 2006, 401 (404). 416 Branahl, Medienrecht, S. 37; Burkhardt, in: Löffler, LPG, § 4, Rn. 80. 417 Vgl. VG Cottbus, AfP 2002, 360 (361); Gegenstand des zugrundeliegenden Falls war eine aufgrund des presserechtlichen Auskunftsanspruchs begehrte Einsicht in ein Organisationsgutachten; ebenso VG Cottbus, AfP 2008, 114 (115); Burkhardt, in: Löffler, LPG, § 4, Rn. 84. 418 Löffler / Ricker, Presserecht, 19. Kap., Rn. 2. 419 Groß, DÖV 1997, 133 (143). 420 Groß, DÖV 1997, 133 (143); Paschke, Medienrecht, Rn. 345; a. A. OVG Münster, NJW 1995, 2741 (2742); Weberling, AfP 2003, 304 (305). 421 Groß, DÖV 1997, 133 (143); es kommt darauf an, was behördenintern bereits manifestiert wurde, VG Saarlouis, AfP 2006, 596 (600); die „Gedankenwelt“ einzelner
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B. Betriebsgeheimnisse und verschiedene Informationsansprüche
Die Zielrichtung des presserechtlichen Auskunftsanspruchs liegt darin, punktuelle Informationen über einen bestimmten Sachverhalt zu erhalten. Insofern wäre es verfehlt, in § 4 Abs. 1 LPG die Grundlage für eine laufende Informationspflicht der Verwaltung ohne vorheriges Auskunftsverlangen der Presse zu erblicken. 422 Diese Perspektive würde den Auskunftsanspruch zu einem stumpfen Schwert machen, indem die Initiative des Informierungsprozesses von der Presse auf die Verwaltung verlagert würde und dadurch die Gefahr einer Instrumentalisierung der Presse entstünde. 423 Dies wäre dem Institut der „freien Presse“ nicht zuträglich. 424 Allerdings kann es für die Behörde im Einzelfall praktischer sein, Pressemitteilungen im Rahmen ihrer aktiven Öffentlichkeitsarbeit zu erstellen, wenn eine Vielzahl von Anfragen zu erwarten ist oder einfach das Verhältnis zu den Medien im eigenen Interesse entspannt werden soll. 425 Wenn sich die Behörde im Rahmen ihres Ermessens einer solchen „antizipierten Auskunftserteilung“ bedient, hat sie allerdings bei der Auswahl der Adressaten den allgemeinen Gleichheitssatz zu berücksichtigen. 426 4. Schranken Die in den Landespressegesetzen geregelten Schranken eines presserechtlichen Auskunftsanspruchs sind Ausdruck der verfassungsrechtlichen Spannungslage zwischen Informationszugang auf der einen und (berechtigten) Geheimhaltungsinteressen bzw. Funktionsfähigkeit des Staates auf der anderen Seite. 427 Der (Landes-)Gesetzgeber hat sie jedoch teilweise unterschiedlich ausgestaltet. Das Bayerische Landespressegesetz enthält die geringste BeschränkungsmögPolitiker oder Amtsträger ist nicht vom presserechtlichen Auskunftsanspruch erfasst, s. OVG Saarlouis, AfP 2008, 653 (654 ff.). 422 OVG Münster, NVwZ-RR 1998, 311 (312); Berg, JuS 1998, 997 (1000); Löffler, Anm. zu VG Stuttgart, AfP 1986, 89 (92); Soehring, Presserecht, § 4, Rn. 35; Burkhardt, in: Löffler, LPG, § 4, Rn. 87. 423 Zwar verlöre die Presse hierdurch nicht ihren Auskunftsanspruch, allerdings könnte das seitens der Behörden zur Verfügung gestellte Material schnell den Eindruck der Vollständigkeit und Umfassendheit vermitteln, was zu einem Rückgang von Auskunftsersuchen führen könnte. 424 Berg, JuS 1998, 997 (1000). 425 Soehring, Presserecht, § 4, Rn. 5; Starck, AfP 1978, 171 (175); ausführlich Burkhardt, in: Löffler, LPG, § 4, Rn. 138 ff. 426 VG Stuttgart, AfP 1986, 89 (90 f.); Soehring, Presserecht, § 4, Rn. 35; Burkhardt, in: Löffler, LPG, § 4, Rn. 87; s. auch OVG Münster, NVwZ-RR 1998, 311 (312), das den allgemeinen Gleichheitssatz bei der Herausgabe von städtischen Pressemitteilungen als gewahrt ansah, da zwischen den belieferten Medienvertretern und dem Kläger kein Wettbewerbsverhältnis bestand, mithin ein sachlicher Grund für eine differenzierende Behandlung vorlag. 427 Vgl. Püschel, AfP 2006, 401 (405).
III. Der presserechtliche Auskunftsanspruch
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lichkeit, 428 während die auf dem Modellentwurf von 1963 beruhenden Landespressegesetze die weitreichendsten Schranken aufweisen. 429 Hiernach können Auskünfte unter den in § 4 Abs. 2 LPG 430 genannten Voraussetzungen durch die Behörden verweigert werden. Diese sind im Wesentlichen sinngemäß: 1. Die Gefährdung der sachgemäßen Durchführung eines schwebenden Verfahrens, 2. das Entgegenstehen von Vorschriften über die Geheimhaltung, 3. die Verletzung eines überwiegenden öffentlichen oder schutzwürdigen privaten Interesses oder 4. die Überschreitung des Umfangs der Auskunft über das zumutbare Maß. Nach fast allen Landespressegesetzen „können“ die Behörden bei Vorliegen eines der Auskunftsverweigerungsgründe in § 4 Abs. 2 LPG die Auskunft verweigern. Hierdurch wird den Behörden ein Ermessensspielraum eingeräumt. 431 Allerdings führt eine entgegenstehende Geheimhaltungsvorschrift regelmäßig zu einer Ermessensreduzierung auf Null. Die Pressegesetze sind nicht geschaffen worden, um gesetzliche Geheimhaltungspflichten zu unterlaufen. 432 Die Bestimmung der Reichweite des presserechtlichen Informationsanspruchs ist grundsätzlich zu unterscheiden von der Frage, was die Presse tatsächlich veröffentlichen darf. Diese braucht im Vorfeld der Berichterstattung einen gewissen Spielraum, über den die Behörden nicht im Rahmen ihrer Entscheidung über den Auskunftsanspruch befinden dürfen. Der Auskunftsanspruch kann daher weiter gehen als das Veröffentlichungsrecht. 433 Die Erwägung, die Presse könnte mit den erteilten Informationen nicht sorgfältig umgehen und dadurch Rechte Dritter verletzen, kann somit eine Auskunftsverweigerung nicht tragen. 434 Dies ergibt sich schon daraus, dass § 6 LPG 435 der Presse gesetzliche Sorgfaltspflich428 Art. 4 Abs. 2 S. 2 LPG Bayern: „Die Auskunft darf nur verweigert werden, soweit auf Grund beamtenrechtlicher oder sonstiger gesetzlicher Vorschriften eine Verschwiegenheitspflicht besteht.“ 429 Burkhardt, in: Löffler, LPG, § 4, Rn. 89; nach Köhler, NJW 2005, 2337 (2340) handelt es sich bei den folgenden Auskunftsverweigerungsgründen um Ausprägungen eines allgemeinen Rechtsgedankens, so dass sie auch für die Landespressegesetze Geltung beanspruchen, in denen sie nicht ausdrücklich genannt sind. 430 Abweichend: Mecklenburg-Vorpommern (§ 4 Abs. 3). 431 Burkhardt, in: Löffler, LPG, § 4, Rn. 90 f.; allein Nordrhein-Westfalen sieht keine Ermessensentscheidung der Behörde vor (§ 4 Abs. 2: „Ein Auskunftsanspruch der Presse besteht nicht, soweit ...“). Praktisch ergibt sich jedoch wegen der Notwendigkeit einer Prognoseentscheidung kaum ein Unterschied. 432 Burkhardt, in: Löffler, LPG, § 4, Rn. 92, 100; zu dieser Schranke sogleich unter III. 4. b). 433 Soehring, Presserecht, § 4, Rn. 54; s. auch VG Berlin, AfP 1994, 175 (178); VG Dresden, AfP 2009, 301 (306); zur wechselseitigen Verantwortung von Presse und Behörden bei Ermittlungs- und Strafverfahren Kürschner, DRiZ 1981, 401 (401 f.).
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B. Betriebsgeheimnisse und verschiedene Informationsansprüche
ten auferlegt und die Behörden nicht zu deren Bewachung berufen sind. 436 Im Folgenden werden die einzelnen Schranken näher dargestellt. a) § 4 Abs. 2 Nr. 1 LPG: Gefährdung der sachgemäßen Durchführung eines schwebenden Verfahrens 437 Vor dem Hintergrund, dass gerade schwebende Verfahren von besonderem öffentlichem Interesse sind und die Presse hierbei ihre Wächterrolle besonders entfalten kann, ist diese Regelung restriktiv auszulegen. 438 Unter einem Verfahren ist die rechtlich geregelte Behandlung eines Einzelfalls zu verstehen. 439 Schwebend ist es dann, wenn die in den Verfahrensvorschriften vorgesehene erste Maßnahme ergriffen, der letzte abschließende Akt jedoch noch nicht vollzogen ist. 440 Problematisch ist, welche Arten von Verfahren erfasst werden sollen. Teilweise werden alle förmlichen Verfahren aus den Bereichen der Verwaltung, Justiz und Gesetzgebung berücksichtigt, 441 teilweise wird eine Beschränkung auf gerichtliche oder gerichtsähnliche Verfahren gefordert. 442 Für die Berücksichtigung aller Verfahrensarten spricht die historische Auslegung: Der Modellentwurf von 1960 sah noch vor, dass ein Auskunftsverweigerungsgrund nur bei Gefährdung der sachgemäßen Durchführung eines Straf-, Bußgeld- oder Disziplinarverfahrens gegeben sein sollte. Dennoch wählten die Landesgesetzgeber 1963 die aktuelle, allgemeine Formulierung. 443 Mit Blick auf den Sinn und 434
VG Hamburg, AfP 2009, 296 (299 f.); Soehring, Presserecht, § 4, Rn. 74a. Abweichend: Bayern (Art. 3), Berlin (§ 3), Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen (alle § 5). 436 Weberling, AfP 2003, 304 (305); VG Berlin, NJW 2001, 3799 (3801 f.); OVG Berlin, ZUM 1996, 250 (255), das jedoch eine andere Beurteilung für die Fälle zulässt, in denen mit hoher Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass die geplante Information durch die Presse die Grenzen zulässiger Berichterstattung überschreiten würde. Diese Sichtweise ist allerdings vor dem Hintergrund schwer zu beurteilender Grenzfälle und der Gefahr einer Vorzensur bedenklich; zur aus der öffentlichen Aufgabe folgenden Verantwortung der Presse Stammler, Die Presse als soziale und verfassungsrechtliche Institution, 1971, S. 212 ff. 437 Abweichend: Bayern (fehlend), Berlin (Nr. 3), Mecklenburg-Vorpommern (Abs. 3 Nr. 1), Sachsen (Nr. 2), geringfügig unterschiedliche Regelungen in Hamburg, Hessen und Thüringen. 438 VG Cottbus, AfP 2008, 114; Burkhardt, in: Löffler, LPG, § 4, Rn. 94. 439 Löffler / Ricker, Presserecht, 20. Kap., Rn. 5 b; Burkhardt, in: Löffler, LPG, § 4, Rn. 95. 440 Burkhardt, in: Löffler, LPG, § 4, Rn. 96; Schröer-Schallenberg, Informationsansprüche der Presse gegenüber Behörden, 1987, S. 115. 441 OVG Münster, Beschl. v. 21. 08. 2008 – 8 B 913/08, Rz. 13; Burkhardt, in: Löffler, LPG, § 4, Rn. 95. 442 Groß, DÖV 1997, 133 (139). 443 Löffler / Ricker, Presserecht, 20. Kap., Rn. 5 b; Groß, DÖV 1997, 133 (139). 435
III. Der presserechtliche Auskunftsanspruch
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Zweck des presserechtlichen Auskunftsanspruchs, der öffentlichen Aufgabe der Presse zu dienen, und unter Berücksichtigung der gebotenen restriktiven Interpretation sollte der Begriff des „Verfahrens“ jedoch auf strafrechtliche Verfahren einschließlich Ermittlungs- und Untersuchungsverfahren beschränkt werden, will man eine uferlose Ausdehnung dieses Auskunftsverweigerungsgrundes auf sämtliche Verfahren vermeiden. 444 Dahinter steckt der Gedanke, dass durch die öffentliche Erörterung von Informationen z. B. über eine geplante Razzia die Erfolgsaussichten solcher Verfahren mangels Überraschungseffekts beeinträchtigt werden könnten. In allen anderen Verfahren besteht eine vergleichbare Gefährdung jedoch nicht. 445 Sonstige behördliche oder private Interessen werden hinreichend durch die Schranke des „überwiegenden öffentlichen oder schutzwürdigen privaten Interesses“ (s. u.) geschützt. 446 Die Behörde muss ferner darlegen, dass die sachgemäße Durchführung des Verfahrens vereitelt, erschwert, verzögert oder gefährdet wird, damit die Auskunft zu Recht verweigert werden kann. 447 Diese Merkmale bergen die Gefahr einer extensiven Auslegung, die zu einer Auskunftsverweigerung bei nahezu jedem schwebenden Verfahren führen könnte. Sie sind ebenso wie der Begriff des „Verfahrens“ eng auszulegen. Erforderlich ist daher eine konkrete Gefährdung. 448 b) § 4 Abs. 2 Nr. 2 LPG: Entgegenstehen von Vorschriften über die Geheimhaltung 449 aa) Potentielle Geheimhaltungsvorschriften Geheimhaltungsvorschriften im Sinne der Regelung sind Vorschriften, die öffentliche oder private Geheimnisse schützen sollen und die zumindest auch die zur Auskunft verpflichtete Behörde (bzw. den zur Auskunftserteilung berufenen Behördenleiter 450) zum Adressaten haben. 451 Durch diese Schranke soll 444 Schröer-Schallenberg, Informationsansprüche der Presse gegenüber Behörden, 1987, S. 114 f. 445 Löffler / Ricker, Presserecht, 20. Kap., Rn. 5 b; wegen dieser Gefahr einen Auskunftsanspruch gegenüber einer Ermittlungsbehörde ablehnend VG Potsdam, AfP 2009, 534; erst recht kein Verfahren im Sinne der Vorschrift stellen Umstrukturierungsüberlegungen einer Aktiengesellschaft dar, an der das um Auskunft ersuchte Land Anteile hat, s. VG Düsseldorf, Urt. v. 15. 10. 2008 – 1 K 3286/08, Rz. 34 ff. 446 So auch Schröer-Schallenberg, Informationsansprüche der Presse gegenüber Behörden, 1987, S. 112. 447 Paschke, Medienrecht, Rn. 350. 448 VG Potsdam, AfP 2009, 534; Burkhardt, in: Löffler, LPG, § 4, Rn. 97; Schröer-Schallenberg, Informationsansprüche der Presse gegenüber Behörden, 1987, S. 116. 449 Abweichend: Bayern (Art. 4 Abs. 2 S. 2), Berlin (Nr. 1), Hessen (fehlend), Mecklenburg-Vorpommern (Abs. 3 Nr. 3), Sachsen (Nr. 1).
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B. Betriebsgeheimnisse und verschiedene Informationsansprüche
der Einklang der Auskunftspflicht mit anderweitig bestehenden gesetzlichen Schweigepflichten hergestellt werden. 452 § 4 Abs. 2 Nr. 2 LPG fungiert somit als Rezeptionsnorm. Es kommen sowohl Geheimhaltungsvorschriften zugunsten öffentlicher als auch solche zugunsten privater Interessen in Betracht. 453 Geheimhaltungsvorschriften im Sinne von § 4 Abs. 2 Nr. 2 LPG sind etwa §§ 93 ff., 202, 203, 353d Nr. 3 StGB, § 43 DRiG, § 30 AO, § 30 VwVfG, § 35 SGB I oder § 85 Abs. 1 GmbHG. 454 bb) Interessenabwägung im Rahmen des § 4 Abs. 2 Nr. 2 LPG Diese Vorschriften bringen die Entscheidung des Gesetzgebers zum Ausdruck, Geheimhaltungsinteressen in bestimmten Fällen grundsätzlich den Vorrang vor Offenbarungsinteressen einzuräumen. Diese „fixierte Interessenabwägung“ 455 ist bei der Auslegung des § 4 Abs. 2 Nr. 2 LPG zu berücksichtigen. Insofern ist die Reichweite des Auskunftsverweigerungsrechts von der Reichweite der Geheimhaltungsvorschrift abhängig. 456 Bestimmt also etwa § 43 DRiG, dass der Richter über den Hergang bei der Beratung und Abstimmung auch nach Beendigung seines Dienstverhältnisses zu schweigen hat, so gilt auch das Auskunftsverweigerungsrecht im LPG ohne Ausnahme, wenn über entsprechende Vorgänge Auskunft ersucht wird. § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO erlaubt eine Offenbarung des Steuergeheimnisses, soweit hierfür ein „zwingendes öffentliches Interesse“ besteht. 457 In manchen Vorschriften wird zudem durch den Begriff „unbefugt“ eine mögliche Offenbarungsberechtigung indiziert. Für den hier besonders interessieren450
Vgl. III. 3. b). Vgl. Soehring, Presserecht, § 4, Rn. 48. 452 Burkhardt, in: Löffler, LPG, § 4, Rn. 100; vertragliche Verschwiegenheitspflichten fallen daher nicht unter diese Schranke, Zieglmeier, JZ 2007, 309 (310). 453 Zieglmeier, JZ 2007, 309 (310); Soehring, Presserecht, § 4, Rn. 48; Schröer-Schallenberg, Informationsansprüche der Presse gegenüber Behörden, 1987, S. 119 verweist gegenüber der Gegenmeinung auf den Wortlaut und die gesetzliche Wertung der Geheimhaltungsvorschriften und kommt zu Recht zu dem Ergebnis, dass presserechtlich nicht das gefordert werden könne, was anderweitig untersagt sei. 454 Vgl. die Übersichten bei Burkhardt, in: Löffler, LPG, § 4, Rn. 100; Löffler / Ricker, Presserecht, 20. Kap., Rn. 8; Schröer-Schallenberg, Informationsansprüche der Presse gegenüber Behörden, 1987, S. 117; Paschke, Medienrecht, Rn. 349; Zieglmeier, JZ 2007, 309; Groß, Presserecht, Rn. 422 ff., der die Vorschriften jedoch unabhängig von § 4 Abs. 2 Nr. 2 LPG als Beschränkungen („absolute Schweigegebote“) des Auskunftsrechts der Presse ansieht. 455 Schröer-Schallenberg, Informationsansprüche der Presse gegenüber Behörden, 1987, S. 129. 456 Ebd.; hierfür spricht auch der Wortlaut der meisten LPG: „Auskünfte können verweigert werden, soweit [...] ihnen Vorschriften über die Geheimhaltung entgegenstehen [...]“; [Anm.: Hervorhebung nur hier]. 457 Hierzu OLG Hamm, NJW 1981, 356 (357 f.); Schnorr, StuW 2008, 303 (311). 451
III. Der presserechtliche Auskunftsanspruch
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den § 203 Abs. 2 StGB, der unter anderem explizit vor der Offenbarung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen schützt, gilt daher, dass diese Geheimhaltungsvorschrift einer Auskunft nur dann entgegensteht, wenn eine Offenbarung des Geheimnisses unbefugt geschehen würde. 458 Auch § 404 Abs. 1 AktG und § 85 Abs. 1 GmbHG stellen nur das unbefugte Verbreiten von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen unter Strafe. 459 Von einer entsprechenden Befugnis kann nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen dann ausgegangen werden, wenn eine gesetzliche Mitteilungspflicht besteht, die Offenbarungsinteressen die Geheimhaltungsinteressen überwiegen oder der Betroffene zustimmt. 460 Der Bestimmung der „Unbefugtheit“ hat also – das Fehlen einer gesetzlichen Mitteilungspflicht 461 und einer Einwilligung des Betroffenen unterstellt – eine Interessenabwägung nach Maßgabe der presserechtlichen Regelungen vorauszugehen, die die öffentliche Aufgabe der Presse einerseits und die (hier) privaten Geheimhaltungsbedürfnisse andererseits berücksichtigen muss. 462 Dabei begründet das allgemeine 458 Uneinigkeit besteht sowohl auf presserechtlicher als auch auf strafrechtlicher (vgl. nur Fischer, StGB, § 203, Rn. 44 m.w. N.) Seite über das Verhältnis von § 4 Abs. 1 LPG zu § 203 Abs. 2 StGB. Gegen § 203 Abs. 2 StGB als Geheimhaltungsvorschrift i. S. d. § 4 Abs. 2 Nr. 2 LPG insbesondere Treffer, ZUM 1990, 507 (508); Wente, NStZ 1986, 366 und die in Fn. 462 aufgeführten Entscheidungen. Dafür insbesondere Burkhardt, in: Löffler, LPG, § 4, Rn. 100; Schröer-Schallenberg, Informationsansprüche der Presse gegenüber Behörden, 1987, S. 117; Zieglmeier, JZ 2007, 309; Fischer, StGB, § 203, Rn. 44; zu Wentes Begründung, Geheimhaltungsvorschriften seien nur solche, deren Adressat die Behörde ist: Vorschriften wie §§ 93 ff. StGB, § 43 DRiG und § 30 AO richten sich auch gegen (einzelne) Amtsträger, sind aber als Geheimhaltungsvorschriften i. S.v. § 4 Abs. 2 Nr. 2 LPG anerkannt, s. a. OLG Hamm, NJW 1981, 356 (357), Schnorr, StuW 2008, 303 (310) und – zum vergleichbaren Verhältnis zwischen § 3 Nr. 4 IFG und § 8 I 1 WpHG – VG Frankfurt a. M., NVwZ 2008, 1384 (1386): „Denn es ist nicht nachvollziehbar, warum Bedienstete der genannten Verschwiegenheitspflicht unterliegen sollen, nicht aber die Behörde selbst.“ 459 Der presserechtliche Auskunftsanspruch kann sich, wie gesehen, auch gegen Wirtschaftsunternehmen (also auch Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung) der öffentlichen Hand richten; ausführlich hierzu Köhler, WRP 2007, 62; s. a. VG Arnsberg, Urt. v. 30. 01. 2009 – 12 K 136/08, Rz. 36. 460 Schröer-Schallenberg, Informationsansprüche der Presse gegenüber Behörden, 1987, S. 123; s. hierzu auch die Ausführungen des OLG Schleswig, AfP 1985, 46 (48), das jedoch in der Folge über das Ziel hinausschießt, s. u. 461 Eine gesetzliche Mitteilungspflicht bzw. -befugnis in § 4 Abs. 1 LPG zu sehen, wäre hier ein Zirkelschluss. Sämtliche Vorschriften mit dem Merkmal „unbefugt“ wären dadurch ausgehebelt. Es soll ja gerade geklärt werden, ob Geheimhaltungsvorschriften dem Auskunftsanspruch entgegenstehen. Diese Frage ist jedoch nicht durch Rückgriff auf die den Ausnahmevorschriften vorgelagerte Ebene der Anspruchsgrundlage zu beantworten. In dieser Hinsicht ist die Entscheidung des LG München, WRP 2007, 99 (101 f.), die sich mit § 85 Abs. 1 GmbHG befasst, fragwürdig; ähnlich Burkhardt, in: Löffler, LPG, § 4, Rn. 100 zu § 203 Abs. 2 StGB; wie hier Zieglmeier, JZ 2007, 309 (310); Schoch, AfP 2010, 313 (320); die Frage, ob § 203 Abs. 2 StGB einem Auskunftsanspruch entgegensteht, darf nicht mit derjenigen nach der möglichen Rechtfertigung einer Straftat durch § 4 Abs. 1 LPG verwechselt werden.
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B. Betriebsgeheimnisse und verschiedene Informationsansprüche
öffentliche Interesse, welchem der Auskunftsanspruch der Presse im Rahmen der Erfüllung der öffentlichen Aufgabe dient, allein noch kein überwiegendes Offenbarungsinteresse. 463 Bei der Abwägung kann auf die von Rechtsprechung und Schrifttum entwickelten Kriterien zum Schutz von Persönlichkeitsrechten zurückgegriffen werden. 464 So kann berücksichtigt werden, ob die Sozial-, Privatoder die Intimsphäre betroffen ist oder ob derjenige, über den die Behörde um Information ersucht wird, hierzu selbst beigetragen hat. 465 Ebenso spielen – soweit grundrechtlich geschützte Positionen betroffen sind – der Wesensgehaltsschutz des Art. 19 Abs. 2 GG, ein etwaiger Bezug zur Menschenwürdegarantie und vor allem der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eine Rolle. 466 Außerdem gilt, dass Behörden umso eher zur Auskunft berechtigt bzw. verpflichtet sind, je intensiver das private Interesse bereits Gegenstand öffentlicher Erörterungen war. 467 Auch 462 Zur Abwägungsoffenheit des § 4 Abs. 2 Nr. 2 LPG s. Paschke, Medienrecht, Rn. 349; Branahl, Medienrecht, S. 43; Kürschner, DRiZ 1981, 401 (403); Fischer, StGB, § 203, Rn. 44; Schröer-Schallenberg, Informationsansprüche der Presse gegenüber Behörden, 1987, S. 127 f. weist zutreffend darauf hin, dass die verbreitete Bezeichnung „absolute Schweigegebote“ oder „zwingend ausschließende Vorschriften zur Geheimhaltung“ im Rahmen von § 4 Abs. 2 Nr. 2 LPG die Gefahr birgt, diesen Auskunftsverweigerungsgrund als abwägungsunzugänglich aufzufassen und insoweit allein § 4 Abs. 2 Nr. 3 LPG für anwendbar zu halten; diesem Irrtum war das OLG Schleswig, AfP 1985, 46 (48 f.) erlegen, ähnlich OVG Münster, NJW 2005, 618; deutlich VG Düsseldorf, Urt. v. 14. 12. 2001 – 1 K 6481/99, Rz. 32, 40, 53 („Die hiernach verfassungsrechtlich gebotene Abwägung der widerstreitenden Grundrechtspositionen wäre aber ausgeschlossen, wenn sich § 4 Abs. 2 Nr. 2 PresseG auch auf § 203 Abs. 2 StGB erstreckte, da in diesem Fall das Gesetz dem privaten Interesse am Geheimhaltungsschutz stets und ausnahmslos den Vorrang vor der Pressefreiheit einräumte.“ [Anm.: Hervorhebung nur hier]) und Urt. v. 15. 10. 2008 – 1 K 3286/08, Rz. 41; richtigerweise wird eine Abwägung – so (wie bei § 203 Abs. 2 StGB) vorgesehen – jedoch auf Ebene der Geheimhaltungsvorschrift vorgenommen und das Ergebnis auf § 4 Abs. 2 Nr. 2 LPG „übertragen“. Erst dadurch entscheidet sich, ob und inwieweit eine Geheimhaltungsvorschrift entgegensteht. Nur so kann der gesetzgeberischen Wertung der Geheimhaltungsvorschrift, die § 4 Abs. 2 Nr. 2 LPG als Rezeptionsnorm aufgreift und der der Auskunftsanspruch der Presse nachgeordnet ist, entsprochen werden; so auch VG Saarlouis, NJW 2003, 3431 (3433), OLG Hamm, NJW 1981, 356 (357) und Schnorr, StuW 2008, 303 (310 f.) zum Steuergeheimnis. Hierfür spricht außerdem der Wortlaut (s. Fn. 456), der genügend Raum für eine pressefreundliche und verfassungsgemäße Auslegung lässt. 463 Schröer-Schallenberg, Informationsansprüche der Presse gegenüber Behörden, 1987, S. 127. 464 Statt vieler Evers, AfP 1974, 548 (549). 465 Löffler / Ricker, Presserecht, 20. Kap., Rn. 10; Lorz / Bosch, AfP 2005, 97 (101); VG Berlin, NJW 2001, 3799 (3800 f.); VG Saarlouis, NJW 2003, 3431 (3433); VG Dresden, AfP 2009, 301 (307) – hier fiel die Abwägung u. a. deswegen zugunsten des öffentlichen Informationsinteresses aus, da die begehrten Informationen die berufliche Vergangenheit des sächsischen Ministerpräsidenten in der DDR betrafen und insoweit ein erhebliches Kontrollbedürfnis bestand. Zudem war dieser nur in seiner Sozialsphäre betroffen und hatte selbst im Rahmen einer weitreichenden „Informationsoffensive“ dargelegt, dass er mit seiner DDR-Biografie offen umgehe. 466 Vgl. Lorz / Bosch, AfP 2005, 97 (101).
III. Der presserechtliche Auskunftsanspruch
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die möglichen Folgen einer Auskunftserteilung bzw. -verweigerung sind in den Abwägungsprozess einzubeziehen. 468 Ein besonderes öffentliches Informationsinteresse kann bei Auskünften über ein in der Öffentlichkeit stehendes Großunternehmen gegeben sein, etwa wegen der besonders hohen Zahl bedrohter Arbeitsplätze oder durch fehlerhafte Produkte potentiell betroffener Verbraucher. Unternehmen sind zum Beispiel bei Berichten über Anfall und Abwicklung von Versicherungsbeschwerden nur in ihrer Öffentlichkeits- bzw. Sozialsphäre betroffen. 469 In einem vom Oberverwaltungsgericht Berlin entschiedenen Fall hätten demnach die entsprechenden Versicherungsunternehmen aufgrund des überwiegenden öffentlichen Publikationsinteresses auf Antrag des ZDF vom Bundesaufsichtsamt für Versicherungswesen konkret genannt werden müssen, obwohl die genaue Aufschlüsselung der Beschwerden nach Versicherungsunternehmen und bestimmten Versicherungssparten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse darstellten. 470 Entscheidend war in diesem Fall, dass das Interesse derjenigen Versicherungsunternehmen mit hoher Beschwerdezahl an der Weitergabe einer bloß anonymisierten Statistik nicht berücksichtigt werden konnte, da in diesem Fall auch solche Versicherungen schlechter dagestanden hätten, gegen die sich nur wenige Beschwerden gerichtet hatten. 471 Wegen des überwiegenden öffentlichen Offenbarungsinteresses wäre eine Auskunft hier also nicht unbefugt gewesen. Weitere Anhaltspunkte (aber auch nicht mehr) können aus spezialgesetzlichen Abwägungsregeln gewonnen werden. Helmut Köhler hat diesbezüglich auf die Möglichkeit einer analogen Anwendung von § 131 Abs. 3 Nr. 1 AktG hingewiesen, der dem Vorstand der AG gegenüber dem Aktionär ein Auskunftsverweigerungsrecht gibt, soweit die Erteilung der Auskunft nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung geeignet ist, der Gesellschaft oder einem verbundenen Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zuzufügen. 472 467
VG Berlin, AfP 1994, 175 (178). VG Berlin, NJW 2001, 3799 (3801); VG Saarlouis, NJW 2003, 3431 (3433). 469 OVG Berlin, ZUM 1996, 250 (254); im Ergebnis ebenso die Vorinstanz VG Berlin, AfP 1994, 175 (178); dies gilt generell bei allen Auskünften über Unternehmen, s. Löffler / Ricker, Presserecht, 20. Kap., Rn. 11 – auch wenn diese Grundsätze zum Schutz von Persönlichkeitsrechten natürlicher Personen entwickelt wurden, ist dem im Ergebnis zuzustimmen. 470 OVG Berlin, ZUM 1996, 250 (254) spricht insoweit von „Geschäftsinteressen“, welche durch Veröffentlichung der Beschwerdezahlen beeinträchtigt werden könnten; die Daten in der begehrten Form sind jedoch ohne Weiteres unter den Begriff des Betriebsund Geschäftsgeheimnisses subsumierbar, s. hierzu I. 4. Daher ist die Auffassung der Vorinstanz, VG Berlin, AfP 1994, 175 (177) fraglich, die entsprechenden Daten seien keine Privatgeheimnisse (zu denen auch Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse gehören); Anm.: Nach § 23 I LPG Bln gelten die wesentlichen Vorschriften des LPG Bln für den Rundfunk entsprechend, so dass sich das ZDF hier auf § 4 I LPG Bln berufen konnte. 471 OVG Berlin, ZUM 1996, 250 (254). 468
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B. Betriebsgeheimnisse und verschiedene Informationsansprüche
Der Ansicht, das öffentliche Interesse an einer Information aus dem politischen Bereich wiege grundsätzlich schwerer als dasjenige an Informationen aus den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur, da hierbei eine Verletzung von schutzwürdigen Belangen der Betroffenen wegen eines regelmäßig schwieriger herzustellenden Bezugs zu Belangen der Öffentlichkeit näher liege, ist nicht zu folgen. 473 Denn gerade im Hinblick auf Vorgänge in der Wirtschaft besteht regelmäßig ein großes öffentliches Informationsinteresse. Dies gilt insbesondere für anhängige Strafverfahren gegen Führungskräfte von Wirtschaftsunternehmen, speziell im Hinblick auf die Frage, mit welchem Nachdruck die Ermittlungen geführt werden. 474 cc) Sonstige Vorschriften (Beamtenrechtliche Verschwiegenheitspflichten, Verwaltungsvorschriften, Vorschriften der Gemeindeordnungen über den Ausschluss der Sitzungsöffentlichkeit) Die allgemeinen Pflichten von Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes zur Dienstverschwiegenheit (z. B. Art. 14 Abs. 1 S. 1 des Gesetzes über die Bayerische Landesanstalt für Aufbaufinanzierung 475) sind nicht als Vorschriften über die Geheimhaltung zu qualifizieren, da sie die Pflichten des einzelnen Beamten im Verhältnis zu ihrer Behörde, nicht aber diejenigen der Behörde selbst (im Außenverhältnis) betreffen. 476 Andernfalls könnten sämtliche Behörden die Auskunft unter Hinweis auf formelle beamtenrechtliche Verschwiegenheitspflichten verweigern. Diese hindern folglich die Presse nur daran, jeden Bediensteten um Auskunft zu ersuchen, und verweisen sie an den Behördenleiter (oder dessen Beauftragte, z. B. Pressereferenten), dem die Erteilung der Auskunft nach den beamten- und richterrechtlichen Bestimmungen des Bundes und der Länder übertragen ist. 477 Ebenfalls nicht von § 4 Abs. 2 Nr. 2 LPG erfasst sind Verwaltungsvorschriften, die nicht auf einer gesetzlichen Ermächtigung beruhen. 478 Ansonsten hätte 472
Köhler, WRP 2007, 62 (63 ff.). So noch Soehring in Presserecht, 3. Auflage (2000), Rn. 4.25 f.; nunmehr mit dem zurückhaltenderen Hinweis, dass „der Abwägungsvorgang in diesen Bereichen [Anm.: Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur] meist differenzierter aus[falle] als im politischen Bereich ...“, s. Presserecht, § 4, Rn. 26. 474 VG Berlin, NJW 2001, 3799 (3801). 475 Hierzu VGH München, NVwZ-RR 2007, 767. 476 VGH München, NVwZ-RR 2007, 767 (769); Löffler / Ricker, Presserecht, 20. Kap., Rn. 8 ff.; Branahl, Medienrecht, S. 42; Groß, Presserecht, Rn. 417; ders., DÖV 1997, 133 (137); Paschke, Medienrecht, Rn. 349; Burkhardt, in: Löffler, LPG, § 4, Rn. 105; Schröer-Schallenberg, Informationsansprüche der Presse gegenüber Behörden, 1987, S. 122; Schoch, AfP 2010, 313 (319 f.). 477 Vgl. oben III. 3. b); Groß, Presserecht, Rn. 421; ders., DÖV 1997, 133 (137). 473
III. Der presserechtliche Auskunftsanspruch
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die Verwaltung den Informationsstand der Presse weitgehend in der Hand. Aus diesem Grund ist auch die Kennzeichnung einer Angelegenheit als „Verschlusssache“ in der Regel nicht als Auskunftsverweigerungsgrund geeignet. 479 Geheimhaltungsvorschriften i. S.v. § 4 Abs. 2 Nr. 2 LPG können nur Gesetze oder Verordnungen sein, die materielle Verschwiegenheitspflichten statuieren. 480 Alle anderen Geheimhaltungsvorschriften haben nur das Ziel, die Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Informationswege durch ihre Adressaten zu sichern, nicht jedoch die Beschränkung des presserechtlichen Auskunftsanspruchs gegenüber der Behörde als solche. 481 Vorschriften der Gemeindeordnung, die für Sitzungen des Gemeinderats den Ausschluss der Öffentlichkeit anordnen, haben allenfalls indizielle Wirkung dafür, dass eine Verschwiegenheitspflicht nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 LPG besteht. 482 Sie sind als Verfahrensvorschriften nicht dazu geeignet, den presserechtlichen Auskunftsanspruch einzuschränken. c) § 4 Abs. 2 Nr. 3 LPG: Überwiegendes öffentliches oder schutzwürdiges privates Interesse 483 Diese Vorschrift kann als Generalklausel bzw. Auffangtatbestand bezeichnet werden, da schon die vorhergehenden Ausnahmetatbestände infolge möglicher überwiegender öffentlicher oder privater Interessen bestehen. 484 Erfasst werden sollen alle Fälle, die sich der Natur der Sache nach nicht im Vorfeld definieren 478 Soehring, Presserecht, § 4, Rn. 45; Schröer-Schallenberg, Informationsansprüche der Presse gegenüber Behörden, 1987, S. 120 ff. 479 Trotz des durch die „Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen“ (VSA) vorgeschriebenen Verfahrens besteht doch die Gefahr, dass die Verwaltung in einem bestimmten Ausmaß über den gesetzlichen Anspruch zu disponieren vermag; vgl. zur Parallelproblematik im Informationszugangsrecht Schoch, IFG, § 3, Rn. 142; Burkhardt, in: Löffler, LPG, § 4, Rn. 104 mit Gegenbeispielen. 480 Schröer-Schallenberg, Informationsansprüche der Presse gegenüber Behörden, 1987, S. 121 f.; Soehring, Presserecht, § 4, Rn. 46, 46a; vgl. auch VGH München, NVwZ-RR 2007, 767 (769), der auf Art. 20 des Bayerischen Beamtengesetzes i. d. F. vom 28. 10. 1946 als beamtenrechtliche Bestimmung im materiellen Sinn verweist, da die geheimzuhaltenden Angelegenheiten explizit aufgeführt waren; als materielle Verschwiegenheitspflichten statuierende Geheimhaltungsvorschriften sind bspw. die §§ 3 ff. IFG anzusehen, welche einzeln aufgeführte Sachbezüge vom Informationszugangsanspruch ausnehmen. 481 Soehring, Presserecht, § 4, Rn. 46a. 482 VGH München, AfP 2004, 473 (474); VG Cottbus, AfP 2008, 114 (115). 483 Abweichend: Bayern, Hessen und Thüringen (fehlend), Mecklenburg-Vorpommern (Abs. 3 Nr. 2), leicht abweichende Regelung in Berlin. 484 Vgl. Löffler / Ricker, Presserecht, 20. Kap., Rn. 9; Schröer-Schallenberg, Informationsansprüche der Presse gegenüber Behörden, 1987, S. 108; Paschke, Medienrecht,
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B. Betriebsgeheimnisse und verschiedene Informationsansprüche
lassen. 485 Die Unbestimmtheit und Weite (jedenfalls) des Begriffs des öffentlichen Interesses birgt jedoch die Gefahr einer extensiven Anwendung. 486 Im Hinblick auf die Bedeutung des presserechtlichen Auskunftsanspruchs ist er daher – wie schon der Begriff des „Verfahrens“ in Nr. 1 – restriktiv auszulegen. 487 Ein überwiegendes öffentliches Interesse kann bei außenpolitischen Angelegenheiten oder im Vorfeld währungspolitischer Entscheidungen gegeben sein. Aber auch die von Nr. 1 nicht erfassten Vorgänge der Gesetzesentstehung, beispielsweise die Phase der Erarbeitung von Beratungs- und Entscheidungsgrundlagen in den Ministerien, können ein überwiegendes öffentliches Interesse im Sinne von Nr. 3 Var. 1 darstellen. 488 Im Gegensatz zu den öffentlichen Interessen, die überwiegend sein müssen, wird für die privaten Interessen nur deren Schutzwürdigkeit verlangt, um einen Auskunftsverweigerungsgrund darstellen zu können. Sind die privaten Interessen schutzwürdig, gelten sie als vorrangig, so dass der Auskunftsanspruch in der Regel entfällt. 489 Zu den privaten Interessen im Sinne der Vorschrift zählen alle privaten Belange, seien sie persönlicher oder geschäftlicher Natur, die noch nicht durch eine Geheimhaltungsvorschrift geschützt sind. 490 Bei der Bestimmung der Schutzwürdigkeit ist eine Abwägung der widerstreitenden Interessen vorzunehmen. 491 Hierbei hat die Behörde einen Ermessensspielraum, allerdings muss sie ihrer Entscheidung auch den objektiv-rechtlichen Gehalt der Pressefreiheit zugrunde legen (s. o.). Aufgrund der großen Reichweite des § 203 Abs. 2 StGB als (neben dem allgemeinen Vertrauen in die Verschwiegenheit der Angehörigen bestimmter Berufe auch) Privatinteressen schützende Geheimhaltungsvorschrift im Sinne des § 4 Abs. 2 Nr. 2 LPG bleibt für § 4 Abs. 2 Nr. 3, Var. 2 LPG nur ein verhältnismäßig kleiner Anwendungsbereich. 492 Dennoch gibt es Konstellationen – insbesondere Rn. 351; Branahl, Medienrecht, S. 43; Burkhardt, in: Löffler, LPG, § 4, Rn. 108; Kürschner, DRiZ 1981, 401 (403). 485 Burkhardt, in: Löffler, LPG, § 4, Rn. 108. 486 Löffler / Ricker, Presserecht, 20. Kap., Rn. 9. 487 Zur grundsätzlich restriktiven Auslegung der generalklauselartigen Schrankenvorschriften Branahl, Medienrecht, S. 41. 488 Vgl. Burkhardt, in: Löffler, LPG, § 4, Rn. 109. 489 Burkhardt, in: Löffler, LPG, § 4, Rn. 111; Schröer-Schallenberg, Informationsansprüche der Presse gegenüber Behörden, 1987, S. 109; s. a. VG Dresden, AfP 2009, 301 (305), das § 4 Abs. 2 Nr. 3, Var. 2 LPG insoweit als „Koppelungsvorschrift“ ansieht; ebenso Evers, AfP 1974, 548 (549). 490 Schröer-Schallenberg, Informationsansprüche der Presse gegenüber Behörden, 1987, S. 132; Branahl, Medienrecht, S. 43. 491 BVerwGE 70, 310 (315); VG Berlin, NJW 2001, 3799 (3800); OVG Berlin, ZUM 1996, 250 (254); VG Düsseldorf, Urt. v. 15. 10. 2008 – 1 K 3286/08, Rz. 54 ff.; Evers, AfP 1974, 548 (549); Lorz / Bosch, AfP 2005, 97 (105); Burkhardt, in: Löffler, LPG, § 4, Rn. 111 m.w. N.
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im Rahmen aktiver Öffentlichkeitsarbeit 493 oder bei der Mitteilung von Auffassungen –, in denen eine Auskunft an die Presse schutzwürdige private Interessen verletzt, ohne dass es sich dabei um (Privat-)Geheimnisse handelt. Die vorzunehmende Abwägung hätte beispielsweise zugunsten der privaten Interessen ausfallen müssen, wenn die Behörde in einer Pressemitteilung behauptet, Teigwarenprodukte eines Unternehmens seien „mikrobiell verdorben“, ohne auf die Tatsache hinzuweisen, dass es sich dabei um einen bloßen Verdacht handelt und die entsprechenden Produkte – selbst bei Bestätigung des Verdachts – tatsächlich weder gesundheitsschädlich noch ekelerregend sind. Denn durch eine solche Äußerung wird erkennbar in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Unternehmens eingegriffen. 494 Das Oberlandesgericht Stuttgart hatte außerdem über einen Antrag gegenüber dem Amtsgericht Reutlingen auf Erteilung einer Strafurteilsabschrift zu entscheiden. 495 Aufgrund der Tatsache, dass das Verfahren schon einige Jahre zurücklag und inzwischen Tilgungsreife eingetreten war, hielt das Gericht die privaten Interessen für schutzwürdig und insoweit § 4 Abs. 2 Nr. 3, Var. 2 LPG für einschlägig. Die detaillierte Abschrift sei in erster Linie für die Verfahrensbeteiligten bestimmt. Das öffentliche Informationsinteresse sei demgegenüber durch die im engen Zusammenhang mit dem Strafverfahren erfolgende aktuelle Berichterstattung aus öffentlicher Hauptverhandlung befriedigt. 496 Die Behörde hat jedenfalls darauf zu achten, dass die Auskunft – etwa durch herabwürdigendes Werturteil (§§ 185 ff. StGB) – nicht das Recht der persönlichen Ehre verletzt 497 oder der Betroffene keine Rufschädigung erleidet. Eine Pressemitteilung, in der ein Oberstaatsanwalt entgegen des Ergebnisses des Ermittlungsverfahrens behauptet, ein Tierarzt sei für eine Trichinose-Epidemie verantwortlich, stellt beispielsweise einen unverhältnismäßigen Eingriff in dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht dar. 498
492 Letztlich ist der Streit um die Einordnung der Privatgeheimnisse in die Schranke der Nr. 2 oder der Nr. 3, Var. 2 rein dogmatischer Natur (so auch VG Saarlouis, NJW 2003, 3431 (3433) zum Steuergeheimnis), auch wenn die Rechtsprechung (s. Fn. 462) das teilweise anders sieht. Hier wie dort hat eine Abwägung der widerstreitenden Interessen nach den von Rechtsprechung und Schrifttum entwickelten Kriterien stattzufinden [s. III. 4. b)]. 493 Vgl. o. III. 3. d); s. a. Evers, AfP 1974, 548 (551 f.), der den Fall Bismarcks hinzuzieht, der ein Exempel zu statuieren versuchte, indem er eine bereits erledigte Anklageschrift seines politischen Widersachers Geffcken veröffentlichte. 494 OLG Stuttgart, NJW 1990, 2690 (2694). 495 OLG Stuttgart, AfP 1992, 291. 496 OLG Stuttgart, AfP 1992, 291 (292). 497 Vgl. Kürschner, DRiZ 1981, 401 (404); VG Saarlouis, NJW 2003, 3431. 498 OVG Koblenz, NJW 1991, 2659 (2659 f.).
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d) § 4 Abs. 2 Nr. 4 LPG: Überschreitung des Umfangs der Auskunft über das zumutbare Maß 499 Bei dieser Schranke handelt es sich um eine Ausprägung des allgemeinen Verbots des Rechtsmissbrauchs. 500 Auch hier stellt sich das Problem der Auslegungsbedürftigkeit des unbestimmten Rechtsbegriffs des „zumutbaren Maßes“. Dieses könnte durch die Behörde zu ihren Gunsten weit ausgelegt werden und dadurch vorschnell zu einer Auskunftsverweigerung führen, 501 weshalb die Vorschrift im Hinblick auf Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG als bedenklich anzusehen ist. 502 Auch bei dieser Schranke ist daher eine restriktive Handhabung im Interesse des Informationsanspruchs der Presse geboten. Insofern ist von einer Überschreitung des zumutbaren Maßes nur bei einer erheblichen Belastung der Behörde in der Form auszugehen, dass sie ihre sonstigen Aufgaben nicht mehr ordnungsgemäß erfüllen könnte, nicht schon bei bloßen Lästigkeiten. 503 Aber auch eine erhebliche Belastung steht dem Auskunftsanspruch in Ausnahmefällen nicht entgegen, wenn das Informationsinteresse der Presse von besonderem Gewicht ist. Dies hat die Behörde im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung zu berücksichtigen. 504 5. Die Durchsetzung des Informationsanspruchs Ansprüche sind subjektive Rechte, zu deren Charakteristik die Möglichkeit ihrer gerichtlichen Durchsetzung gehört. 505 Um dem Anspruchsteller angemessenen Rechtsschutz gewähren zu können, ist die Behörde verpflichtet, ihm die Gründe mitzuteilen, auf denen die Auskunftsverweigerung beruht. Dies versetzt den Antragsteller in die Lage, sein Begehren gerichtlich überprüfen lassen zu können. 506 Für die Durchsetzung des hier interessierenden presserechtlichen Auskunftsanspruchs ist grundsätzlich der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO eröffnet. 507 Statthafte Klageart ist die allgemeine Leistungsklage, da die Auskunftserteilung mangels Regelungsqualität nicht als Verwaltungs-, 499
Abweichend: Mecklenburg-Vorpommern (Abs. 3 Nr. 4), Bayern, Berlin, Bremen, Hamburg, Hessen, Thüringen (fehlend). 500 Soehring, Presserecht, § 4, Rn. 39; Burkhardt, in: Löffler, LPG, § 4, Rn. 120; Schröer-Schallenberg, Informationsansprüche der Presse gegenüber Behörden, 1987, S. 131. 501 Löffler / Ricker, Presserecht, 20. Kap., Rn. 12. 502 Groß, DÖV 1997, 133 (140). 503 Schröer-Schallenberg, Informationsansprüche der Presse gegenüber Behörden, 1987, S. 130; Branahl, Medienrecht, S. 44 f.; Paschke, Medienrecht, Rn. 352; Löffler / Ricker, Presserecht, 20. Kap., Rn. 13. 504 Löffler / Ricker, Presserecht, 20. Kap., Rn. 13. 505 Röhl / Röhl, Allgemeine Rechtslehre, S. 380 f. 506 VGH München, AfP 2004, 473 (474).
III. Der presserechtliche Auskunftsanspruch
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sondern als Realakt anzusehen ist. 508 Da es der Presse jedoch häufig auf eine aktuelle Berichterstattung ankommt, wird ihr ein unter Umständen Jahre dauernder Prozess selten weiterhelfen. 509 Insofern ist die Möglichkeit einer Schadensersatzpflicht der Behörde gemäß Art. 34 GG i.V. m. § 839 BGB für die Durchsetzung des Anspruchs möglicherweise bedeutsamer. 510 Zudem besteht die Option, zur Erlangung schnellen Rechtsschutzes einen Antrag auf einstweilige Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO zu stellen. Zwar würde die Entscheidung hierüber regelmäßig zu einer Vorwegnahme der Hauptsache und damit zur Unzulässigkeit des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz führen. Allerdings ist hiervon im Sinne des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG für die Fälle eine Ausnahme zu machen, in denen dem Antragsteller unzumutbare und irreversible Nachteile entstünden und effektiver Rechtsschutz anderweitig nicht gewährleistet wäre. 511 6. Verfassungsrechtliche Dimension Fraglich ist, ob es sich bei den Regelungen der Landespressegesetze nur um bloße einfachgesetzliche Ausgestaltungen eines ohnehin unmittelbar aus der Pressefreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG ableitbaren Informationsanspruchs der Presse handelt. Ist der presserechtliche Auskunftsanspruch bloße Regelungsmaterie des Landesrechts oder genießt er Verfassungsrang? Dieses Problem 507 Groß, Presserecht, Rn. 453; ders., DÖV 1997, 133 (143); Gundel, AfP 2001, 194; Weberling, AfP 2003, 304 (306); Köhler, NJW 2005, 2337 (2341); VG Berlin, NJW 2001, 3799; VG Stuttgart, AfP 1986, 89; Burkhardt, in: Löffler, LPG, § 4, Rn. 169; Soehring, Presserecht, § 4, Rn. 76; umstritten ist, ob für Auskunftsansprüche gegenüber Justizbehörden die abdrängende Sonderzuweisung des § 23 EGGVG eingreift, vgl. Paschke, Medienrecht, Rn. 353; OLG Koblenz, wistra 1987, 359; OLG Hamm, NJW 1981, 356; Kürschner, DRiZ 1981, 401 (404); s. a. Gundel, AfP 2001, 194, der mit guten Argumenten die ordentlichen Gerichte für zuständig hält, soweit auf beiden Seiten Privatrechtssubjekte stehen; so auch vertreten vom VG Hannover in dem vom BGH, NJW 2005, 1720 entschiedenen Fall und vom VG Hamburg, AfP 2009, 296 (298). 508 OVG Münster, NJW 1995, 2741; VG Saarlouis, AfP 2006, 596 (597); VG Stuttgart, AfP 1986, 89; VG Arnsberg, Urt. v. 30. 01. 2009 – 12 K 136/08, Rz. 16; VG Düsseldorf, Urt. v. 15. 10. 2008 – 1 K 3286/08, Rz. 19; ebenso Löffler / Ricker, Presserecht, 22. Kap., Rn. 3; Burkhardt, in: Löffler, LPG, § 4, Rn. 170 f.; Köhler, NJW 2005, 2337 (2341); Soehring, Presserecht, § 4, Rn. 76; Starck, AfP 1978, 171 (177); offen gelassen vom VG Berlin, AfP 1994, 175 (176). 509 Branahl, Medienrecht, S. 45; Groß, Presserecht, Rn. 456; Soehring, Presserecht, § 4, Rn. 75. 510 Löffler / Ricker, Presserecht, 22. Kap., Rn. 4. 511 VGH München, AfP 2004, 473 (475); VG Dresden, AfP 2009, 301 (303); VG Cottbus, AfP 2008, 114 (115); VG Berlin, NJW 2001, 3799 (3800); VG Frankfurt (Oder), Beschl. v. 23. 9. 2009 – 3 L 208/09, Rz. 24 f.; Löffler / Ricker, Presserecht, 22. Kap., Rn. 5; Burkhardt, in: Löffler, LPG, § 4, Rn. 174; Branahl, Medienrecht, S. 45; Paschke, Medienrecht, Rn. 354; Löffler, Anm. zu VG Stuttgart, AfP 1986, 89 (94); Soehring, Presserecht, § 4, Rn. 77; Weberling, AfP 2003, 304 (306); a. A. Starck, AfP 1978, 171 (177).
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B. Betriebsgeheimnisse und verschiedene Informationsansprüche
wird schon seit längerem im Presserecht diskutiert. 512 Relevant werden könnte diese Frage beispielsweise bei Regelungslücken in den Landespressegesetzen, die durch einen unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG folgenden Informationsanspruch geschlossen werden könnten 513 oder bei Gesetzesänderungen, 514 vor allem jedoch bei Abwägungsentscheidungen: Da vorliegende Arbeit sich mit dem Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen auseinandersetzt, ist es von großer Bedeutung, ob und inwieweit dem presserechtlichen Informationsanspruch verfassungsunmittelbare Wirkung zukommt. 515 Anerkannt ist, dass aus der institutionellen Bestandsgarantie der Pressefreiheit die objektive Rechtspflicht des Staates folgt, Auskunftspflichten der Behörden zu begründen. 516 Dem Grundrecht der Pressefreiheit kommt somit nicht nur eine bloße Abwehrfunktion zu. Diese Aussage des für die Pressefreiheit grundlegenden „Spiegel-Urteils“ des Bundesverfassungsgerichts vom 5. August 1966 kann als Ausgangspunkt der vorliegenden Diskussion angesehen werden. Ob jedoch aus einer objektiven Rechtspflicht des Staates ein verfassungsunmittelbares subjektives Recht der Presse aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG folgt, ist fraglich. 517 Ein verfassungsunmittelbarer Informationsanspruch der Presse wird zwar von einigen als gegeben angesehen. 518 Der überwiegende Teil der Rechtsprechung und Teile des Schrifttums lehnen ihn jedoch ab. 519 Dies verhilft den einfachge512 Laut Heintschel von Heinegg, AfP 2003, 295 schon über 30 Jahre; vgl. a. Burkhardt, in: Löffler, LPG, § 4, Rn. 16 ff.; Schröer-Schallenberg, Informationsansprüche der Presse gegenüber Behörden, 1987, S. 21. 513 Beispiele bei Burkhardt, in: Löffler, LPG, § 4, Rn. 21, 55. 514 Vgl. Schröer-Schallenberg, Informationsansprüche der Presse gegenüber Behörden, 1987, S. 21. 515 Die hierzu gefundenen Ergebnisse werden im zweiten Teil der Arbeit gegenübergestellt und analysiert. 516 Vgl. o. III. 2. und BVerfGE 20, 162 (176). 517 Hierzu insbesondere unten 6. c). 518 OLG Schleswig, AfP 1985, 46 (47); VG Saarlouis, NJW 2003, 3431 (3432); Soehring, Presserecht, § 1, Rn. 10 ff., 10d; Heintschel von Heinegg, AfP 2003, 295 (297 ff.); Lorz / Bosch, AfP 2005, 97 (100); Groß, Presserecht, Rn. 397 ff., 413 ff.; ders., DÖV 1997, 133 (134 ff.); Löffler, Anm. zu VG Stuttgart, AfP 1986, 89 (92); Kull, AfP 1985, 75 (76); Degenhart, in: Dolzer / Vogel / Waldhoff / Graßhof (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 5 Abs. 1 und 2, Rn. 394; i. E. auch Rotta, Nachrichtensperre und Recht auf Information, 1986, S. 90 ff., der aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG einen Anspruch auf einen „Mindeststandard an staatlicher Information“ zur Sicherung des Instituts „Freie Presse“ und zur Bildung der öffentlichen Meinung ableitet, der teils eingeschränkter, teils weitergehender als der einfach-gesetzliche Auskunftsanspruch nach den LPG ist; dieser Ansatz lässt jedoch sowohl dogmatische Klarheit als auch praktische Handhabbarkeit – insbesondere im Hinblick auf Überschneidungen der Anspruchsvoraussetzungen und -grenzen – vermissen. 519 BVerwGE 70, 310 (313 ff.); bestätigt durch BVerwGE 85, 283 (284 f.); OVG Münster, NJW 1995, 2741 (2742); NVwZ-RR 1998, 311 (312); OVG Saarlouis, AfP 1998, 426
III. Der presserechtliche Auskunftsanspruch
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setzlichen Regelungen der Landespressegesetze zu konstitutiver Wirkung. Das Bundesverfassungsgericht hat die Frage ausdrücklich offen gelassen. 520 In Bezug auf die Rundfunkfreiheit hat es hingegen entschieden, dass Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG keinen Anspruch auf Eröffnung einer Informationsquelle enthalte. 521 Die Rundfunkfreiheit reiche nicht weiter als die Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG, die als Abwehrrecht nur den Zugang zu allgemein zugänglichen Informationsquellen gegen staatliche Beschränkungen sichere. 522 Aufgrund der Strukturähnlichkeit von Presse- und Rundfunkfreiheit dürfte die Kernaussage dieser Entscheidung auf presserechtliche Auskunftsansprüche gegenüber der Exekutive zu übertragen sein. 523 Trotz der scheinbar klaren Position der Rechtsprechung sollen die einzelnen Argumente für und gegen die Verfassungsunmittelbarkeit des Informationsanspruchs der Presse im Folgenden dargestellt und auf ihre Stichhaltigkeit überprüft werden. a) Grammatikalische und historische Auslegung Der Wortlaut mag zunächst nicht für eine leistungsrechtliche Komponente des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG sprechen. Hierfür ist der Normtext des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG einerseits zu knapp und unbestimmt, 524 andererseits drückt er eher ein passives Element aus, ein Freisein der Presse von staatlichem Zwang. 525 Allerdings darf dem Wortlaut bei der Frage, ob Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG einen Informationsanspruch begründet, nicht allzu große Bedeutung beigemessen werden. Die (427); VG Frankfurt (Oder), Beschl. v. 23. 9. 2009 – 3 L 208/09, Rz. 6; VG Dresden, AfP 2009, 301 (307); VG Düsseldorf, Urt. v. 15. 10. 2008 – 1 K 3286/08, Rz. 23; VG Saarlouis, AfP 2006, 596 (600); Starck, AfP 1978, 171 (175); ders., in: v. Mangoldt (Begr.) / Klein (Fortf.) / ders. (Hrsg.), GG, Art. 5 Abs. 1, 2, Rn. 77; Schröer-Schallenberg, Informationsansprüche der Presse gegenüber Behörden, 1987, S. 36; Püschel, AfP 2006, 401; Thum, AfP 2005, 30 (34); Berg, JuS 1998, 997 (999); Scheuner, VVDStRL 22 (1965), 1 (72 f., 78); Stern, Staatsrecht, Bd. IV/1, S. 1532 f.; Jarass / Pieroth, GG, Art. 5, Rn. 31; Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 5, Rn. 137; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 5 I, II, Rn. 248; Wendt, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GG, Art. 5, Rn. 35; Clemens, in: Umbach / ders. (Hrsg.), GG, Art. 5, Rn. 82; Löffler / Ricker, Presserecht, 18. Kap., Rn. 6 m.w. N.; unklar Burkhardt, in: Löffler, LPG, § 4, Rn. 16 ff. 520 BVerfG, NJW 1989, 382 (Kammerentscheidung). 521 BVerfGE 103, 44 (59 ff.). 522 BVerfGE 103, 44 (59 f.); zum Grundrecht der Informationsfreiheit als möglicher Grundlage eines verfassungsrechtlichen Auskunftsanspruchs für jedermann gegenüber Behörden s. IV. 6. 523 In diesem Sinne auch BVerfG, AfP 2009, 581 (582 f.). 524 BVerwGE 70, 310 (313); Thum, AfP 2005, 30 (33); Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG lautet: „Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet.“ 525 Schröer-Schallenberg, Informationsansprüche der Presse gegenüber Behörden, 1987, S. 26.
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offene und knappe Formulierung ist nicht als Zeichen von Beliebigkeit, sondern von Umfassendheit und der Dynamik des Pressewesens gerecht werdender Flexibilität zu werten. 526 Andererseits war sich der Parlamentarische Rat – gerade mit Blick auf die Erfahrungen mit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft – der Notwendigkeit einer freien Presse bewusst und hat auch die ausdrückliche verfassungsrechtliche Regelung eines Informationsanspruchs in Erwägung gezogen. Eine Aufnahme in den Verfassungstext wurde letztendlich jedoch abgelehnt und die Regelung des Verhältnisses von Presse und Behörden der künftigen Pressegesetzgebung vorbehalten. 527 Indes kommt der Entstehungsgeschichte einer Norm – speziell bei der Auslegung von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG – nach herrschender Meinung nur begrenzte Aussagekraft zu. 528 Dies ist der Tatsache geschuldet, dass das Pressewesen dem stetigen gesellschaftlichen Wandel Rechnung zu tragen hat. 529 Gewandelt haben sich daher auch die Bedingungen, unter denen die Presse heute arbeitet. 530 Wachsender Konkurrenz- und Zeitdruck bei der Beschaffung und Verbreitung von Informationen seien hier nur beispielhaft genannt. Vor diesem Hintergrund kann dem Willen des Verfassungsgebers nurmehr eine Indizwirkung zugesprochen werden. b) Konzeption der Grundrechte Mit dem Wortlautargument verknüpft ist die Annahme, die Konzeption und Formulierung der Grundrechte als Abwehrrechte des Bürgers gegenüber dem Staat lasse grundsätzlich nicht den Schluss auf ein aus der Pressefreiheit resultierendes Leistungsrecht zu. 531 Hiergegen könnte eingewandt werden, dass in anderen Fällen auch ein Leistungsanspruch direkt aus den Grundrechten hergeleitet worden ist, 532 obwohl sich ein solcher nicht unmittelbar aus dem Wortlaut 526
Vgl. Rotta, Nachrichtensperre und Recht auf Information, 1986, S. 77. s. Der Parlamentarische Rat, Akten und Protokolle, Bd. 5/II, Ausschuß für Grundsatzfragen, 1993, 26. Sitzung vom 30. 11. 1948, Dok. Nr. 33, S. 766 ff.; BVerwGE 70, 310 (314); Thum, AfP 2005, 30 (33); vgl. auch Lorz / Bosch, AfP 2005, 97 (100). 528 BVerfGE 67, 100 (130) sieht die Entstehungsgeschichte nur als Anhaltspunkt, Heintschel von Heinegg, AfP 2003, 295 (297) misst ihr keine eigenständige Bedeutung mehr zu; Lorz / Bosch, AfP 2005, 97 (100). 529 Thum, AfP 2005, 30 (33); Schröer-Schallenberg, Informationsansprüche der Presse gegenüber Behörden, 1987, S. 29. 530 Lorz / Bosch, AfP 2005, 97 (100); zum Strukturwandel der Presse (bis 1971) Stammler, Die Presse als soziale und verfassungsrechtliche Institution, 1971, S. 200 ff. 531 Löffler / Ricker, Presserecht, 18. Kap., Rn. 6; Thum, AfP 2005, 30 (30 f.); Berg, JuS 1998, 997 (999), der diesen Gedanken für die Pressefreiheit durch die ausdrückliche Nennung des Zensurverbotes in Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG hervorgehoben sieht; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 5 I, II, Rn. 121; speziell zur Pressefreiheit als Abwehrrecht seit der Paulskirchenverfassung Paschke, Medienrecht, Rn. 202 ff. 527
III. Der presserechtliche Auskunftsanspruch
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erschloss. 533 Insofern hat sich also bereits ein Wandel im Verständnis der Grundrechte vollzogen, der speziell für die Pressefreiheit zu der Forderung nach der „Befreiung aus dem status negativus“ 534 und nach einer dynamischen Interpretation der Verfassung im Lichte einer veränderten Wirklichkeit 535 geführt hat. Richtig ist, dass die Pressefreiheit mehr ist als ein „klassisches Abwehrrecht“. 536 Dies ist vom Bundesverfassungsgericht – wie gesehen – mehrfach herausgestellt worden und auch allgemein anerkannt. 537 Richtig ist aber auch – und das wird hier von den Befürwortern übersehen –, dass ungeschriebene Teilhaberechte und Leistungsansprüche aus Grundrechten stets auf der Prämisse beruhten, diese Grundrechte könnten sonst nicht mehr verwirklicht werden. 538 Eine vergleichbare „Notlage“ der Pressefreiheit ist indessen nicht anzunehmen, wenn ein verfassungsunmittelbarer Auskunftsanspruch verwehrt wird. 539 Denn die durch die Landespressegesetze statuierten Auskunftsansprüche versetzen die Presse in die Lage, sich die nötigen Informationen zu verschaffen. Es sind bislang keine Fälle ersichtlich, in denen ein etwaiger verfassungsunmittelbarer Auskunftsanspruch die einzige Möglichkeit dargestellt hätte, dem Grundrecht der Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG zum Erfolg zu verhelfen. Es lässt sich somit bis zu diesem Punkt feststellen, dass weder aus der grammatikalischen noch aus der historischen Auslegung – trotz der teilweise schlüssigen Entkräftung der Gegenargumente durch die Befürworter – überzeugende Argumente für eine Verfassungsunmittelbarkeit des presserechtlichen Auskunftsanspruchs gewonnen werden können. Gegen eine solche spricht insbesondere die Tatsache, dass eine überzeugende Begründung für eine ausnahmsweise Leistungsfunktion des Grundrechts der Pressefreiheit fehlt. 532
Vgl. BVerfG, NJW 2006, 1116 (1117) – Einsichtsrecht des Patienten in seine Krankenunterlagen unmittelbar aus dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG; BVerfGE 33, 303 (330 ff.) – Recht auf Zulassung zum Hochschulstudium aus Art. 12 Abs. 1 GG i.V. m. Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsgebot. 533 Lorz / Bosch, AfP 2005, 97 (100); s. auch Degenhart, in: Dolzer / Vogel / Waldhoff / Graßhof (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 5 Abs. 1 und 2, Rn. 394. 534 Groß, Presserecht, Rn. 398; ders., DÖV 1997, 133 (135). 535 Heintschel von Heinegg, AfP 2003, 295 (299) nennt als Belege einer veränderten Wirklichkeit zunehmende Korruption und Misswirtschaft entgegen haushaltsrechtlichen Grundsätzen. 536 Soehring, Presserecht, § 1, Rn. 8. 537 s. nur BVerfGE 20, 162 (175); 80, 124 (133); neben einem Abwehrrecht ist die Pressefreiheit auch objektive Grundsatznorm für die Freiheitlichkeit des Pressewesens insgesamt, aus der Schutzpflichten des Staates folgen. 538 BVerfG, NJW 2006, 1116 (1117); BVerfGE 33, 303 (330 ff.); so auch Thum, AfP 2005, 30 (31). 539 BVerwGE 70, 310 (315); a. A. Löffler, Anm. zu VG Stuttgart, AfP 1986, 89 (92).
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c) Telos und „institutionelle Seite“ der Pressefreiheit aa) Teleologische Auslegung Die von den Befürwortern angeführte veränderte „Verfassungswirklichkeit“ 540 könnte unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Pressefreiheit zu einer anderen Sichtweise führen. Unter Hinzuziehung der oben 541 gewonnenen Erkenntnisse stellt sich folgende Frage: Ist die Verankerung eines Informationsanspruchs in Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG notwendig, damit die Presse ihre öffentliche Aufgabe erfüllen kann? Der Schutzbereich der Pressefreiheit reicht von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachrichten und Meinungen. 542 Da die Pressefreiheit in ihrem Bestand institutionell geschützt ist und auch die Beschaffung von Informationen umfasst, könnte man annehmen, dass auch der Auskunftsanspruch unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG folgen muss. 543 Inhalt der Einrichtungsgarantie ist jedoch nur die Gewährleistung seitens des Staates, prinzipiell z. B. die freie Gründung von Presseorganen, den freien Zugang zu den Presseberufen und Auskunftspflichten der öffentlichen Behörden sicherzustellen. 544 Nur wenn diese Sicherstellung nicht erfolgt, ist die Pressefreiheit verletzt, da die Presse die ihr zufallende öffentliche Aufgabe erst dann nicht mehr erfüllen kann, wenn die „Informationsquelle Staat“ versiegt bzw. gar nicht erst „zum Sprudeln“ gebracht wird. 545 An dieser Stelle lässt sich wiederum das Argument fruchtbar machen, mit dem schon die grundsätzliche leistungs- bzw. teilhaberechtliche Komponente des Grundrechts der Pressefreiheit abgelehnt wurde: Der Staat – genauer die Landesgesetzgeber – sind durch die Kodifizierung presserechtlicher Auskunftsansprüche ihrer aus der Einrichtungsgarantie folgenden objektiven Rechtspflicht gefolgt 546 und haben dadurch einer „Notlage“ der Pressefreiheit vorgebeugt. Die540 Groß, Presserecht, Rn. 398; ders., DÖV 1997, 133 (135); Heintschel von Heinegg, AfP 2003, 295 (299). 541 s. III 2. 542 BVerfGE 10, 118 (121); 20, 162 (176); 21, 271 (279); BVerfG, NJW 2001, 503 (504); Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 5 I, II, Rn. 95 m.w. N. 543 So etwa Heintschel von Heinegg, AfP 2003, 295 (297 f.). 544 BVerfGE 20, 162 (175 f.); ähnlich Rotta, Nachrichtensperre und Recht auf Information, 1986, S. 89 f.; zur Einrichtungsgarantie s. 6. c) bb). 545 A. A. Kull, AfP 1985, 75 (76), der dem Wortlaut des Spiegel-Urteils die Existenz eines verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs entnehmen will. Er verweist hierzu auf die zuerst genannten prinzipiellen Folgerungen aus der Gewährleistungspflicht des Staates (freie Gründung von Presseorganen und freier Zugang zu Presseberufen), welche gerade nicht von einer Pressegesetzgebung abhängig seien. Der Schluss, auch für die Auskunftspflichten sei daher kein Gesetz notwendig, überzeugt jedoch nicht; denn die Freiheit, etwas tun zu dürfen (z. B. Gründung eines Presseorgans), kann nicht mit dem Recht, etwas verlangen zu dürfen (Auskunft von einer Behörde), verglichen werden, da letzteres als Leistungsrecht weiter geht.
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ser objektiven Rechtspflicht kann nicht mehr entnommen werden, als ihr seitens des Bundesverfassungsgerichts mit auf den Weg gegeben wurde, nämlich die Pflicht des Staates, für ausreichende Information zu sorgen. 547 Der Inhalt der objektiven Rechtspflicht wird auch durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu staatlichen Fördermaßnahmen für die Presse verdeutlicht, in der es heißt: „In dieser Eigenschaft erlegt das Grundrecht dem Staat eine Schutzpflicht für die Presse auf und bindet ihn bei allen Maßnahmen, die er zur Förderung der Presse ergreift. Daraus folgt allerdings für den einzelnen Träger der Pressefreiheit noch kein grundrechtlicher Anspruch auf staatliche Förderung.“ 548
Auch hier wird klar: Aus staatlichen Schutzpflichten entstehen keine unmittelbaren subjektiven Rechte. Außerdem ist zu beachten, dass Informationen über die steigende, laut Wolf Heintschel von Heinegg die „veränderte Wirklichkeit“ kennzeichnende Korruption wohl kaum durch die korrumpierte Behörde selbst preisgegeben würden. Wenn es um für den Staat nachteilige Informationen geht, sind informelle Quellen in aller Regel ergiebiger. Hieran würde sich auch durch einen verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch nichts ändern. 549 Der öffentlichen Aufgabe der Presse wird folglich bereits der einfachgesetzliche Auskunftsanspruch gerecht, so dass auch eine teleologische Auslegung nicht die Annahme rechtfertigt, das Informationsrecht ergebe sich unmittelbar aus dem Grundrecht der Pressefreiheit. bb) Rechtsinstitut einer freien Presse Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und herrschender Ansicht im Schrifttum ist das Institut der freien Presse verfassungsrechtlich garantiert. 550 Wegen ihrer grundlegenden Bedeutung für den demokratischen Wil546 Bildlich gesprochen; die meisten pressegesetzlichen Auskunftsansprüche bestanden schließlich schon vor dem „Spiegel-Urteil“ des BVerfG. 547 So auch Thum, AfP 2005, 30 (34); Püschel, AfP 2006, 401 (402); zu weit gehend jedoch Herzog, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 5, Rn. 139, nach dem die spezialgesetzliche Regelung des presserechtlichen Informationsanspruchs eine „freiwillige Leistung“ des Gesetzgebers sei, die auch jederzeit verfassungsgemäß rückgängig gemacht werden könnte. 548 BVerfGE 80, 124 (133). 549 Thum, AfP 2005, 30 (34); ähnlich BVerwGE 70, 310 (314), das anmerkt, die Presse sei fähig, auch außerhalb behördlicher Auskünfte eine Vielzahl von Informationsmöglichkeiten zu nutzen; a. A. Heintschel von Heinegg, AfP 2003, 295 (298). 550 BVerfGE 10, 118 (121); 12, 205 (260); 20, 162 (175); 36, 193 (204); 66, 116 (133); 80, 124 (133); die Terminologie reicht hierbei von „Gewährleistung der institutionellen Eigenständigkeit der Presse“ über „Garantie des Instituts ‚Freie Presse‘“ zu „Garantie
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lensbildungsprozess statuiere die Pressefreiheit nicht nur ein subjektives Recht der im Pressewesen Tätigen, sondern sei auch objektiv im Sinne eines Instituts der freien Presse geschützt. 551 Diese Einrichtungsgarantie 552 trägt zum einen zur Schutzbereichsbestimmung 553 von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG bei, zum anderen hat sie eine objektiv-rechtliche Funktion als Auslegungsmaßstab 554 für das einfache Recht. 555 In der schutzbereichsbestimmenden Wirkung wird im Schrifttum ein weiterer Argumentationsstrang zur Begründung eines verfassungsrechtlichen Informationsanspruchs der Presse gesehen. 556 Zur Beurteilung dieser Ansicht muss die Rechtsfigur der „Einrichtungsgarantie“ näher untersucht werden. der Freiheitlichkeit des Pressewesens insgesamt“; in BVerfG, NJW 2001, 503 (504) ist von „objektiv-rechtlichen Gehalten des Grundrechts der Pressefreiheit“ die Rede; Rotta, Nachrichtensperre und Recht auf Information, 1986, S. 88; Mager, Einrichtungsgarantien, 2003, S. 247 ff.; Scheuner, VVDStRL 22 (1965), 1 (70 f.); Thum, AfP 2005, 30 (32 f.); Berg, JuS 1998, 997 (999); Lorz / Bosch, AfP 2005, 97 (99); Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 5 I, II, Rn. 215; Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 5, Rn. 72; Schemmer, in: Epping / Hillgruber (Hrsg.), GG, Art. 5, Rn. 47; s. a. Stammler, Die Presse als soziale und verfassungsrechtliche Institution, 1971, S. 219; Geiger, Die Grundrechte der Informationsfreiheit, in: FS-Arndt, S. 119 (131 f.); kritisch Starck, in: v. Mangoldt (Begr.) / Klein (Fortf.) / ders. (Hrsg.), GG, Art. 5 Abs. 1, 2, Rn. 8 ff.; a. A. Pieroth / Schlink, Grundrechte Staatsrecht II, Rn. 72; wohl auch de Wall, Der Staat 38 (1999), 377 (382). 551 BVerfGE 10, 118 (121); 20, 162 (175); Scheuner, VVDStRL 22 (1965), 1 (70 f., 76) sieht die Bedeutung der Pressefreiheit als subjektives Recht gegenüber der institutionellen Sicht untergeordnet; Stammler, Die Presse als soziale und verfassungsrechtliche Institution, 1971, S. 199 sah es noch als Streitpunkt an, ob die Pressefreiheit als Grundrecht und / oder als institutionelle Garantie zu verstehen sei, mit dem Ergebnis, dass das „individuelle Substrat“ der Pressefreiheit verloren gegangen sei (S. 218) und Art. 5 I 2 GG ausschließlich den Inhalt einer objektiv-rechtlichen Garantie des Instituts Freie Presse habe (S. 222). 552 Der Begriff „Einrichtungsgarantie“ ist der Oberbegriff von Instituts- und institutionellen Garantien, s. Mainzer, Die dogmatische Figur der Einrichtungsgarantie, 2003, S. 35 ff.; die Pressefreiheit lässt sich jedoch nicht zweifelsfrei einer dieser Kategorien zuordnen, da sie einerseits Bedeutung für Gesellschaft und Demokratie hat, andererseits aber ihre Verschiedenheit und kritische Distanz zum Staat wesensbestimmend sind, s. Fiebig, AfP 1995, 459 (460). 553 s. schon unter 6. c) aa): Der Schutzbereich der Pressefreiheit reicht von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachrichten und Meinungen. 554 BVerfGE 20, 162 (175): „Der Staat ist (...) verpflichtet, in seiner Rechtsordnung überall, wo der Geltungsbereich einer Norm die Presse berührt, dem Postulat ihrer Freiheit Rechnung zu tragen.“; s. a. VG Frankfurt (Oder), Beschl. v. 23. 9. 2009 – 3 L 208/09, Rz. 15. 555 Mager, Einrichtungsgarantien, 2003, S. 250 ff., die jedoch die schutzbereichsbezogene Bedeutung hervorhebt, S. 255; ein Überblick über die verschiedenen institutionellen Interpretationen der Pressefreiheit bei Fiebig, AfP 1995, 459 (460 ff.). 556 Rotta, Nachrichtensperre und Recht auf Information, 1986, S. 88 f., 90; Heintschel von Heinegg, AfP 2003, 295 (297 f.); Lorz / Bosch, AfP 2005, 97 (100); Löffler, Anm. zu VG Stuttgart, AfP 1986, 89 (92); vgl. a. Fiebig, AfP 1995, 459 (461); s. schon unter 6. c) aa).
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Einrichtungsgarantien sind von der Verfassung vorausgesetzte, d. h. nicht erst zu schaffende, notwendige rechtliche Regelungskomplexe, auf deren Gewährleistung die Verfassung abzielt. 557 Das klassische Verständnis von den institutionellen und den Institutsgarantien, welches insbesondere auf Carl Schmitt zurückgeht, 558 lag zunächst in einer Abgrenzung der verfassungsrechtlichen Garantienormen von individuellen Freiheitsrechten 559 – trotz gleicher Stoßrichtung, die in der Abwehr staatlicher Eingriffe zu sehen war und ist. 560 Die Rechtsfigur sollte in erster Linie die Unzulänglichkeiten des inhomogenen und unklaren Grundrechtsteils der Weimarer Reichsverfassung ausgleichen helfen und – in Ermangelung effektiver Schranken-Schranken – ein Leerlaufen der Grundrechte verhindern. Zudem sollte eine Bindungswirkung für den einfachen Gesetzgeber erzeugt bzw. bestimmte Institutionen seiner Disposition entzogen werden. 561 Hintergrund hierfür waren historische Erfahrungen mit legislativen Gefährdungen solcher Einrichtungen. 562 Heute ist anerkannt, dass die Einstufung einer Norm als Einrichtungsgarantie nicht den Weg zu einem subjektiven Recht verstellt: Sie kann einerseits dennoch als klassisches Grundrecht, grundrechtsähnliches Recht oder zumindest grundrechtsnah eingestuft werden. 563 Andererseits können sich auch aus Einrichtungsgarantien – trotz des Charakters einer objektiven Gewährleistung – nach herrschender Meinung aus Effektivitätsgründen subjektive Rechtspositionen (auch Ansprüche auf staatliche Leistungen) ergeben. 564 557
Vgl. de Wall, Der Staat 38 (1999), 377 (380). Schmitt, Verfassungslehre, S. 170 ff.; vgl. ferner Mager, Einrichtungsgarantien, 2003, S. 21; de Wall, Der Staat 38 (1999), 377 (384); Fiebig, AfP 1995, 459. 559 Schmitt, Verfassungslehre, S. 170 f., 180; Mager, Einrichtungsgarantien, 2003, S. 24. 560 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 279, dort Fn. 4; de Wall, Der Staat 38 (1999), 377 (388); Rotta, Nachrichtensperre und Recht auf Information, 1986, S. 88 zieht daher für die Pressefreiheit den Begriff der „objektiv-rechtlichen Gewährleistung“ zur Abgrenzung von der Schmitt’schen Lehre vor; hierzu auch Mainzer, Die dogmatische Figur der Einrichtungsgarantie, 2003, S. 45 ff. 561 Schmitt, Verfassungslehre, S. 170, 173; Mager, Einrichtungsgarantien, 2003, S. 31; Mainzer, Die dogmatische Figur der Einrichtungsgarantie, 2003, S. 66; unter anderem aus diesen Gründen sei diese dogmatische Figur unter dem Grundgesetz (mit seinem veränderten Grundrechtsverständnis und der aus Art. 1 III, 19 II und 20 III GG folgenden Bindungswirkung) entbehrlich geworden, S. 182 ff., 228; ähnlich Fiebig, AfP 1995, 459 (463) (a. A. in dieser Hinsicht Mager, Einrichtungsgarantien, 2003, S. 400, 482 f.). 562 Schmitt, Verfassungslehre, S. 180; Mager, Einrichtungsgarantien, 2003, S. 31. 563 Mainzer, Die dogmatische Figur der Einrichtungsgarantie, 2003, S. 160; Rotta, Nachrichtensperre und Recht auf Information, 1986, S. 89; Mager, Einrichtungsgarantien, 2003, S. 443 ff. 564 Mainzer, Die dogmatische Figur der Einrichtungsgarantie, 2003, S. 123; de Wall, Der Staat 38 (1999), 377 (384, 392); auch Schmitt, Verfassungslehre, S. 172 räumte bereits ein, dass es institutionelle Garantien mit subjektiven Rechten gebe, diese jedoch nicht „zum Wesen der institutionellen Garantie“ gehörten; in Bezug auf die Pressefreiheit zweifelnd Starck, AfP 1978, 171 (173). 558
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Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass die Einrichtung als Ganzes bedroht ist. 565 Übertragen auf die Problematik eines aus der institutionellen Gewährleistung der freien Presse folgenden verfassungsrechtlichen Informationsanspruchs bedeutet dies, dass ein solcher (erst) dann anzunehmen ist, wenn staatliche Informationspflichten nicht (mehr) gesetzlich gesichert sind und dadurch die Einrichtung der freien, informierenden, aufklärenden und meinungsbildenden Presse bedroht ist. Die Forderungen der Garantie richten sich hier vor allem gegen den Gesetzgeber, mithin auf den Schutz eines Mindestbestandes bestimmter einfachgesetzlicher, die Realisierung der Pressefreiheit in der sozialen Wirklichkeit 566 ermöglichender Normen. 567 Sämtliche Pressegesetze der Bundesländer normieren gerichtlich durchsetzbare Informationspflichten der Behörden gegenüber der Presse. Der Kernbestand des presserechtlichen Regelungskomplexes ist demnach geschützt, die Garantiefunktion dadurch erfüllt. Dass das Institut „Freie Presse“ verfassungsrechtlich durch Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG garantiert ist, kann somit nicht als Argument für einen verfassungsunmittelbaren Informationsanspruch der Presse ins Feld geführt werden. Diese Aussage deckt sich im Übrigen mit den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts, wenn es von der „Sicherstellung“ bestimmter Gewährleistungen spricht. 568 Was von der Einrichtungsgarantie einer freien Presse für den presserechtlichen Auskunftsanspruch bleibt, ist die objektiv-rechtlich funktionelle Seite des Auslegungsmaßstabs, insbesondere bei Abwägungsentscheidungen. 569 Insofern kann – in Abgrenzung zu einer möglichen verfassungsrechtlichen Fundierung – von einer verfassungsrechtlichen Flankierung des presserechtlichen Auskunftsanspruchs gesprochen werden.
565 Mainzer, Die dogmatische Figur der Einrichtungsgarantie, 2003, S. 124; für die Pressefreiheit ähnlich Stammler, Die Presse als soziale und verfassungsrechtliche Institution, 1971, S. 221, 227 („subjektive Reflexrechte“); s. etwa BVerwGE 70, 290 (292) zum Anspruch einer privaten Ersatzschule auf Finanzhilfe aus Art. 7 IV GG. 566 Stammler, Die Presse als soziale und verfassungsrechtliche Institution, 1971, S. 225. 567 Mainzer, Die dogmatische Figur der Einrichtungsgarantie, 2003, S. 47, 120; vgl. a. Scheuner, VVDStRL 22 (1965), 1 (78), der von einem aus der institutionellen Sicht folgenden Gebot an den Staat ausgeht, ein angemessenes Maß an Information sicherzustellen; wie diese Sicherstellung auszusehen hat, bleibt jedoch offen. 568 BVerfGE 20, 162 (175 f.). 569 Als Beispiel hierfür BVerfG, NJW 2001, 503 (504 f.): Auslegung des § 12 Abs. 1 GBO im Lichte der Pressefreiheit, die eine staatliche Bewertung des Informationsanliegens der Presse verbietet.
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d) Systematik Wie bereits festgestellt wurde, besteht ein enger Zusammenhang zwischen der Pressefreiheit und der Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG. 570 Die Feststellung, dass die Presse für ihre Arbeit auch auf nicht allgemein zugängliche Quellen zugreifen können muss, verdient Zuspruch. Nur dann lässt sich auch von Informationsbeschaffung sprechen, nur dann wird die Aufmerksamkeit des Lesers geweckt. 571 Ebenso ist der Ansicht zuzustimmen, die Pressefreiheit sei das „politisch stärkste“ Grundrecht, mit dem insbesondere die Informationsfreiheit, die auf allgemein zugängliche Quellen der Medien angewiesen sei, stehe und falle. 572 Aber auch hieraus ergibt sich nicht zwingend ein unmittelbar aus der grundrechtlichen Pressefreiheit folgendes Informationsrecht. Denn die durch die pressegesetzlichen Informationsansprüche eröffneten Quellen sind keinesfalls (notwendigerweise) allgemein zugänglich. 573 Mit ihnen lässt sich das Grundrecht der Informationsfreiheit in hinreichendem Maße verwirklichen. Auch systematische Argumente sprechen demnach nicht für einen Informationsanspruch unmittelbar aus der Pressfreiheit. e) Demokratie- und rechtsstaatliche Erwägungen Wie eingangs erörtert, ist die durch die Presse ermöglichte Informiertheit des Volkes für eine moderne und funktionierende Demokratie unerlässlich. Rolf Groß sieht daher einen verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch der Presse als unbedingte Voraussetzung zur Verwirklichung der Volkssouveränität an. 574 Wenn danach das Bedürfnis eines verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs aus dem Informationsbedürfnis des Volkes, mithin aus dem Demokratieprinzip abzuleiten wäre, könnte allerdings jeder, der in irgendeiner Art geltend machen kann, Informationen zum Zwecke der staatlichen Willensbildung zu benötigen, ein verfassungsimmanentes Auskunftsrecht geltend machen. Dasjenige der Presse verlöre dadurch seine Exklusivität. 575 Dies stünde im Widerspruch zu Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG, der jedermann lediglich das Recht gewährt, sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten, nicht aber neue Quellen für den Einzelnen zu eröffnen. 576 570
s. III. 2. Soehring, Presserecht, § 1, Rn. 4 f. 572 Löffler, Anm. zu VG Stuttgart, AfP 1986, 89 (92). 573 Daran hat sich auch nach Inkrafttreten des IFG wegen der unterschiedlichen Ausgestaltung der Schranken und der begrenzten „Aktivierung“ des Grundrechts der Informationsfreiheit nichts geändert, s. hierzu IV. 6. und 7. 574 Groß, Presserecht, Rn. 399; ders., DÖV 1997, 133 (135). 575 Thum, AfP 2005, 30 (34); vgl. auch Starck, AfP 1978, 171 (174 f.). 576 Ebd.; hierzu IV. 6. 571
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B. Betriebsgeheimnisse und verschiedene Informationsansprüche
Gegen die Anerkennung eines verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs der Presse sprechen aber auch rechtsstaatliche Erwägungen. Aus der Unbestimmtheit des Normtextes folgte die Konkretisierungsbedürftigkeit des Anspruchsinhalts, welche der Rechtsprechung überlassen bliebe. Dies würde zu einer Einzelfalljurisprudenz führen, die zum einen der Rechtssicherheit abträglich wäre, zum anderen über Art. 1 Abs. 3 und Art. 20 Abs. 3 GG unklare Bindungen der staatlichen Gewalt zur Folge hätte. 577 Zwar ergeben sich auch beim Verständnis der klassischen Grundrechte Definitionsprobleme; allerdings spielt die Bestimmtheit gerade bei Forderungs- oder Leistungsrechten eine besondere Rolle. 578 Diese kann nur durch eine einfachgesetzliche Ausgestaltung des Auskunftsanspruchs hergestellt werden. 579 Auch das Prinzip der Gewaltenteilung würde verletzt, ist doch primär der Gesetzgeber für die Ausgestaltung von Leistungsrechten verantwortlich. 580 Dies folgt nicht zuletzt aus dessen Finanz- und Haushaltskompetenz. 581 Nur die Anerkennung eines ausschließlich einfachgesetzlich gewährleisteten Auskunftsanspruchs verhindert, dass die bestehenden Landespressegesetze einer latenten Geltungskrise durch einen darüber stehenden, höchst unbestimmten verfassungsrechtlichen Anspruch ausgesetzt sind. 582 7. Ergebnis und Schlussfolgerungen Es lässt sich konstatieren, dass die besseren Argumente gegen die Verfassungsunmittelbarkeit des presserechtlichen Auskunftsanspruchs sprechen. Die von den Landespressegesetzen statuierten Auskunftspflichten sind daher als abschließend, die Grenzen derselben als nicht auf Grundlage der Verfassung überwindbar anzusehen, so dass die Abwägung mit den widerstreitenden Interessen allein auf einfach-gesetzlicher Ebene stattfindet. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse werden durch die entsprechenden Geheimhaltungsvorschriften in Verbindung mit § 4 Abs. 2 Nr. 2 LPG geschützt. Der objektiv-rechtliche Gehalt der Pressefreiheit bewirkt jedoch, dass der Staat verpflichtet ist, überall dort, wo der Geltungsbereich einer Norm die Presse 577 OVG Münster, NJW 1995, 2741 (2742); Thum, AfP 2005, 30 (31); Starck, AfP 1978, 171 (173). 578 Schröer-Schallenberg, Informationsansprüche der Presse gegenüber Behörden, 1987, S. 35; vgl. a. Wendt, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GG, Art. 5, Rn. 35. 579 Schröer-Schallenberg, Informationsansprüche der Presse gegenüber Behörden, 1987, S. 36; VG Saarlouis, AfP 2006, 596 (600). 580 BVerwGE 70, 310 (315). 581 Starck, AfP 1978, 171 (173). 582 Starck, AfP 1978, 171 (175); dies gälte auch für das von Rotta, Nachrichtensperre und Recht auf Information, 1986, S. 90 f. favorisierte Modell des verfassungsrechtlichen Anspruchs der Presse auf einen Mindeststandard an staatlicher Information neben dem einfachgesetzlichen Auskunftsanspruch nach den LPG.
IV. Der Informationszugangsanspruch nach dem IFG
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berührt, dem Postulat ihrer Freiheit Rechnung zu tragen. 583 Demnach müssen Behörden und Gerichte diese grundsätzliche Wertentscheidung bei der Auslegung pressegesetzlicher Normen und ihrer konkreten Anwendung im Einzelfall berücksichtigen. 584 Schließlich fordert die institutionelle Gewährleistung einer freien Presse unter anderem die Sicherstellung von Auskunftspflichten der Behörden durch den Staat. Dabei ist der Gesetzgeber verpflichtet, im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit diejenige Alternative zu wählen, die die Wahrnehmung der öffentlichen Aufgabe ermöglicht bzw. deren Erfüllung erleichtert. 585 Bei Untätigkeit des (Landes-)Gesetzgebers ist ein unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG folgender Minimalstandard an Information für die Presse anzuerkennen, der auch einklagbar ist. 586 Andernfalls wäre die mit dem objektiv-rechtlichen Gehalt der Pressefreiheit einhergehende Pflicht zur Sicherstellung behördlicher Auskunftspflichten nicht erfüllt und das Grundrecht der Pressefreiheit ließe sich nicht mehr verwirklichen.
IV. Der Informationszugangsanspruch nach dem IFG 1. Entstehungsgeschichte Nachdem das eingangs erwähnte Umweltinformationsgesetz (UIG) von 1994, das auf der damaligen Richtlinie 90/313/EWG beruhte, 587 den Anfangspunkt für einen voraussetzungslosen Informationszugangsanspruch gegenüber Behörden markiert hatte und in den Jahren 1998 bis 2001 die Länder Brandenburg, Berlin, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen allgemeine Informationsfreiheitsgesetze erlassen hatten, kam es schließlich am 5. September 2005 zur 583
BVerfGE 20, 162 (175); BVerfG, NJW 2001, 503 (504); Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 5 I, II, Rn. 231. 584 BVerfG NJW 2001, 503 (504); OVG Münster, NJW 2005, 618; VG Arnsberg, Urt. v. 30. 01. 2009 – 12 K 136/08, Rz. 34; Schröer-Schallenberg, Informationsansprüche der Presse gegenüber Behörden, 1987, S. 36. 585 Hoffmann-Riem, in: Denninger / ders. / Schneider / Stein (Hrsg.), AK-GG, Art. 5 Abs. 1, 2, Rn. 178. 586 Vgl. Jarass / Pieroth, GG, Art. 5, Rn. 31; Burkhardt, in: Löffler, LPG, § 4, Rn. 20 mit Verweis auf die insofern vom Presserecht abweichende Situation im Rundfunkrecht; BVerwGE 70, 310 (313); Schröer-Schallenberg, Informationsansprüche der Presse gegenüber Behörden, 1987, S. 36. 587 Richtlinie des Rates vom 7. 6. 1990 über den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt – Abl. EG 1990 Nr. L 158, 56; inzwischen wurde sie ersetzt durch die Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. 1. 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates – Abl. EG 2003 Nr. L 41, 26, vgl. Sokol, CR 2005, 835, dort Fn. 7.
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B. Betriebsgeheimnisse und verschiedene Informationsansprüche
Verabschiedung des Gesetzes zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes (Informationsfreiheitsgesetz, IFG). 588 Hierbei fand ein seit den Koalitionsvereinbarungen im Jahr 1998 andauernder Prozess sein vorläufiges Ende. Seitdem hatte es regelmäßig Bestrebungen gegeben, ein Informationsfreiheitsgesetz zu schaffen, allerdings scheiterten diese zumeist an Bedenken von Teilen der Wirtschaft und einigen Bundesministerien. 589 Ein nicht ganz unwesentlicher Beitrag an der Verabschiedung des IFG wird auch der Veröffentlichung eines Gesetzesentwurfs für ein IFG durch eine Gruppe von Nichtregierungsorganisationen im April 2004 zugeschrieben. 590 Auf Länderebene sind inzwischen neun Informationsfreiheitsgesetze erlassen worden. 591 Im Fokus soll hier aber – wie eingangs erwähnt – das IFG des Bundes stehen. Im Rahmen der Rechtsprechungsanalyse wird auf einzelne Entscheidungen einzugehen sein, die auf Anwendung von Landesrecht beruhen, aber auch Relevanz für die Bundesebene besitzen. 592 2. Vom Aktengeheimnis zur Verwaltungstransparenz Das bis ins Mittelalter zurückgehende, auf Absicherung von Herrschaft abzielende und im Absolutismus des 17. und 18. Jahrhundert verfestigte Prinzip des Aktengeheimnisses 593 ist mit der kontinuierlichen Einführung spezieller 588 Zur historischen Entwicklung s. Schaar, Tätigkeitsbericht 2006/2007, BT-Drs. 16/ 8500, S. 10; Fluck, DVBl. 2006, 1406 (1407); Perwin, Geistiges Eigentum und Informationszugang. Der Einfluss der deutschen Informationszugangsrechte auf das geistige Eigentum in Deutschland, 2010, S. 96 f.; seit dem haben zudem die Länder Mecklenburg-Vorpommern (29. 7. 2006), Hamburg, Bremen (beide 1. 8. 2006), Saarland (15. 9. 2006), Thüringen (29. 12. 2007), Sachsen-Anhalt (1. 10. 2008) und Rheinland-Pfalz (1. 1. 2009) eigene Informationsfreiheitsgesetze erlassen. 589 Kugelmann, NJW 2005, 3609 (3610); Schmitz / Jastrow, NVwZ 2005, 984 (985); zur Entstehungsgeschichte auch Schoch, IFG, Einl., Rn. 122 ff. 590 Sokol, CR 2005, 835 (836); Weber, RDV 2005, 243 (249); Bräutigam, DVBl. 2006, 950; darunter waren z. B. der Deutsche Journalisten-Verband und Transparency International. 591 In Kraft getreten sind Informationsfreiheitsgesetze in den Bundesländern Brandenburg (zum 11. März 1998), Berlin (zum 16. Oktober 1999), Schleswig-Holstein (zum 10. Februar 2000), Nordrhein-Westfalen (zum 1. Januar 2002), Mecklenburg-Vorpommern (zum 29. Juli 2006), Hamburg (zum 1. August 2006), Bremen (zum 1. August 2006), Saarland (zum 15. September 2006), Thüringen (zum 29. Dezember 2007), Sachsen-Anhalt (zum 1. Oktober 2008) und Rheinland-Pfalz (zum 1. Januar 2009). 592 s. hierzu C. II. 593 Vgl. Weber, RDV 2005, 243 (244); Scherzberg, ThürVBl. 2003, 193 (193 f.); Wegener, Der geheime Staat, 2006, S. 4 ff. merkt an, dass es an einer normativen Grundlage dieses Prinzips fehle; insbesondere Vorschriften, die Verwaltungsbedienstete zur Wahrung der ihnen anvertrauten Geheimnisse verpflichten oder die Verwaltung als solche verpflichtende Geheimhaltungsvorschriften wie § 30 VwVfG oder § 30 AO seien nicht geeignet, einen allgemeinen Grundsatz amtlicher Geheimhaltung zu begründen.
IV. Der Informationszugangsanspruch nach dem IFG
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Einsichtsrechte wie etwa in § 29 VwVfG zu einem Prinzip der beschränkten Aktenöffentlichkeit geworden. 594 Die Akteneinsicht war stets von bestimmten Voraussetzungen abhängig, im Falle des § 29 VwVfG davon, dass ein Beteiligter in einem Verwaltungsverfahren Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten verlangte, deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung seiner rechtlichen Interessen erforderlich war. Der ungeschriebene Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung über einen Antrag auf Informationszugang setzte ebenfalls ein – irgendwie geartetes – berechtigtes Interesse des Antragstellers voraus. 595 Akteneinsicht beschränkte sich folglich auf Rechtsschutz. 596 Das Umweltinformationsgesetz war das erste Gesetz auf Bundesebene, welches einen voraussetzungslosen Anspruch statuierte, allerdings beschränkt auf Umweltinformationen. 597 Mit dem IFG besteht nun ein allgemeines Informationszugangsrecht. Seit dem Erlass des Gesetzes wird mit Blick auf die oben angesprochenen Prinzipien vielfach von einem Paradigmenwechsel gesprochen. 598 § 1 Abs. 1 S. 1 IFG gewährt jedem nach Maßgabe des Informationsfreiheitsgesetzes gegenüber Behörden des Bundes einen Anspruch auf Informationszugang. Die Fassung des Gesetzentwurfs enthielt noch den Zusatz: „... ohne ein rechtliches Interesse darlegen zu müssen“. Der Bundestags-Innenausschuss hat diesen Passus schließlich gestrichen, weil er zu der Annahme hätte führen können, es sei zwar kein „rechtliches“, wohl aber ein „berechtigtes“ Interesse darzulegen. 599 Der Zugangsanspruch sollte aber gerade auch insofern voraussetzungslos sein.
594 Schoch, IFG, Einl., Rn. 12; Schmitz / Jastrow, NVwZ 2005, 984 (985); Masing, VVDStRL 63, 377 (383 ff.); Weber, RDV 2005, 243 (244); Rapp, AnwBl 2010, 460; Albers, ZJS 2009, 614; Kaufmann, Grundrechtlicher Anspruch auf Akteneinsicht als Voraussetzung der Demokratie?, in: Demokratie und Freiheit, Tagungsband der 39. Assistierendentagung Öffentliches Recht, S. 41 (43 ff.): „Akzessorische Akteneinsicht“. 595 BVerwGE 30, 154 (160); Wegener, Der geheime Staat, 2006, S. 7 f. 596 Masing, VVDStRL 63, 377 (381 f.); vgl. a. Rapp, AnwBl 2010, 460. 597 Zur Schwierigkeit im Umgang mit der Missbrauchsklausel des § 8 II Nr. 1 UIG, wenn ein Auskunftsbegehren den Zwecken des UIG zuwiderlaufen kann vgl. BVerwG, NVwZ 2010, 189 (191); Kaufmann, Grundrechtlicher Anspruch auf Akteneinsicht als Voraussetzung der Demokratie?, in: Demokratie und Freiheit, Tagungsband der 39. Assistierendentagung Öffentliches Recht, S. 41 (62) maß dem UIG – aufgrund fehlender Gegenleistungspflichten des Informationssuchenden – keine Vorbildfunktion „für eine neuartige öffentlich-rechtliche Informationsordnung“ bei; das Gegenteil ist eingetreten. 598 Schoch, IFG, Einl., Rn. 126; ders., AfP 2010, 313 (318); Ekardt / Exner / Beckmann, VR 2007, 404; Reinhart, DÖV 2007, 18 (19); Kloepfer, K&R 2006, 19 (21); Sellmann / Augsberg, WM 2006, 2293; Scherzberg, ThürVBl. 2003, 193; Albers, ZJS 2009, 614 (615 f.); Just / Sailer, DVBl. 2010, 418; Fluck / Merenyi, VerwArch 2006, 381 (382); kritisch zu dieser Entwicklung Rapp, AnwBl 2010, 460 (461); zum Verhältnis von verfahrensbezogenen und voraussetzungslosen Akteneinsichtsrechten Rossi, DVBl. 2010, 554 (555). 599 Schoch, IFG, § 1, Rn. 7 f.
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B. Betriebsgeheimnisse und verschiedene Informationsansprüche
3. Zielrichtung Der grundsätzlich freie Zugang zu Informationen von Bundesbehörden beruht auf einer Vielzahl von Zielvorstellungen. 600 Zusammenfassend lassen sie sich mit den Begriffen Transparenz, Kontrolle, Partizipation und Akzeptanz umschreiben. Dabei kann die Transparenz staatlichen Handelns als Zwischenziel aufgefasst werden, das die Hauptziele des IFG, nämlich die Partizipation an behördlichen Entscheidungen sowie deren Kontrolle und Akzeptanz ermöglicht. 601 Diese Sichtweise erscheint präzise, denn Transparenz um ihrer selbst Willen hat nur geringen Wert. 602 Als Zwischenziel führt sie zunächst zu zwei verschiedenen Arten von Kontrolle 603: Ex ante bewirkt sie, dass der Staat sich der jederzeitigen Möglichkeit bewusst ist, dass Informationen über sein Handeln publik werden. Dies führt zu einer präventiven, mittelbaren Kontrolle, 604 die Lenkungsfunktion hat. Ex post werden die üblichen Kontrollmechanismen aktiviert, die Verstößen gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung folgen können (etwa die Strafanzeigenerstattung im Falle von Korruption oder die Eröffnung eines Verwaltungs(gerichts)verfahrens). Transparenz kann auch das Interesse und die Teilhabe der Bürger an staatlichen Vorgängen fördern, denn allein die Möglichkeit der Informierung kann Neugier wecken. Das IFG stellt zudem eine Reaktion auf ein verändertes Verwaltungsverständnis dar, das neben dem autoritativen Handeln des Staates mehr und mehr eine konsensorientierte Kooperation mit dem Bürger anerkennt. 605 Der Bürger kann insoweit durch Einbringen der eigenen Meinung auf bestimmte Entscheidungen hinwirken. Durch die stärkere Einbindung des Bürgers in die Aktivitäten des Staates werden seine demokratischen Beteiligungsrechte gestärkt. 606 Dies soll gleichzeitig zu einer Minderung des durch den staatlichen Informationsvorsprung gegebenen „Machtvorteils“ führen. 607 Insofern werden die Partizi600 Vgl. nur amtl. Begründung, BT-Drs. 15/4493, S. 6; Schaar, Tätigkeitsbericht 2006/ 2007, BT-Drs. 16/8500, S. 9; Sitsen, Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, 2009, S. 41 ff.; Kugelmann, DÖV 2005, 851 (857); Gurlit, Verw 40, 441; Sokol, CR 2005, 835 (836 f.); BVerwG, NVwZ 2009, 1114 (1116) zum IFG SchlH; ausführlich zu den Zielen des IFG: Rossi, Informationszugangsfreiheit und Verfassungsrecht, 2004, S. 67 ff. 601 Rossi, Informationszugangsfreiheit und Verfassungsrecht, 2004, S. 76, 77 ff., 93 weist zu Recht darauf hin, dass zwischen den Funktionen und den tatsächlichen Wirkungen allgemeiner Informationszugangsfreiheit wegen der Ungewissheit über deren Wahrnehmung durch die Berechtigten ein Unterschied besteht; s. auch VG Hamburg, Urt. v. 23. 04. 2009 – 19 K 4199/07, Rz. 36; VG Stuttgart, NZI 2009, 739 (739 f.). 602 Zum Begriff der Öffentlichkeit im Allgemeinen und zu ihrer Bedeutung Smend, Zum Problem des Öffentlichen und der Öffentlichkeit, in: FS-Jellinek, S. 11 ff. 603 Vgl. hierzu Rossi, Informationszugangsfreiheit und Verfassungsrecht, 2004, S. 98. 604 Sitsen, Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, 2009, S. 42. 605 BT-Drs. 15/4493, S. 6; Reinhart, DÖV 2007, 18 (18 f.). 606 BT-Drs. 15/4493, S. 6; Schmitz / Jastrow, NVwZ 2005, 984 (985).
IV. Der Informationszugangsanspruch nach dem IFG
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pation des Einzelnen und der Abbau von Wissensbarrieren gefördert. Durch die Zusammenarbeit mit dem Bürger erhält die Behörde ferner unter Umständen zusätzliche Informationen. Dies kann zu einer Erhöhung der Verwaltungseffizienz als Nebenfolge führen. 608 Schließlich dient die Transparenz der Behördeninformationen auch der Nachvollziehbarkeit und der Vorhersehbarkeit staatlicher Entscheidungen und fördert dadurch die Akzeptanz und das Vertrauen des Bürgers gegenüber dem Staat. 609 Auch die Akzeptanz staatlichen Handelns führt zu mehr Effizienz der Verwaltung, da behördliche Maßnahmen auch regelmäßiger befolgt werden. 610 Tatsächlich haben Informationsfreiheitsgesetze auch (oder vorwiegend 611) enorme wirtschaftliche Relevanz. 612 Unternehmen werden in die Lage versetzt, gezielt Informationen zu staatlichen Planungen oder zu den Bereichen Wirtschaft und Finanzen zu beziehen. 613 Letztlich leistet das IFG auch einen Beitrag dazu, dass Deutschland zu den im sonstigen (insbesondere europäischen) Ausland geltenden Standards im Informationsrecht aufschließt. 614 Nichtsdestotrotz wird angemahnt, das IFG dürfe nicht Anfang und gleichzeitig Ende einer Entwicklung zu mehr Verwaltungstransparenz sein, sondern es seien noch „weitere Schritte“ auf dem Weg „in eine informationsrechtliche Zukunft“ erforderlich. 615 Soweit nach etwa fünf Jahren des Informationsfreiheitsgesetzes auf Bundesebene ab607 Sokol, CR 2005, 835 (837); Weber, RDV 2005, 243 (244) – „Waffengleichheit“; Scherzberg, ThürVBl. 2003, 193 weist darauf hin, dass staatliche Datensammlungen andernorts nicht oder nicht in gleichem Umfang verfügbar seien, weshalb der Staat ein „Wissensmonopol“ habe. 608 Rossi, Informationszugangsfreiheit und Verfassungsrecht, 2004, S. 104; OVG Schleswig, NVwZ 2007, 1448 (1450 f.) zu § 4 IFG SH, das diesen Aspekt allerdings einseitig in den Vordergrund stellt. 609 Weber, RDV 2005, 243 spricht gar vom Informationszugang als Option, „den Bürger mit einer ihm ansonsten obrigkeitsstaatlich gegenübertretenden Verwaltung bzw. Staatlichkeit zu versöhnen“. 610 Rossi, Informationszugangsfreiheit und Verfassungsrecht, 2004, S. 105. 611 Dies zeigt die bereits unter I.3.a) angesprochene Erfahrung, dass beispielsweise das US-amerikanische Informationszugangsrecht in 80 % der Fälle von Unternehmen genutzt wird. 612 Sitsen, Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, 2009, S. 43. 613 Sellmann / Augsberg, WM 2006, 2293 (2294); zur Kollision des allgemeinen Informationszugangsanspruchs mit Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen Dritter s. u. IV. 7. b). 614 Schmitz / Jastrow, NVwZ 2005, 984 (986); Rossi, Informationszugangsfreiheit und Verfassungsrecht, 2004, S. 28 ff.; Scherzberg, ThürVBl. 2003, 193; Schaar, Tätigkeitsbericht 2006/2007, BT-Drs. 16/8500, S. 11; Just / Sailer, DVBl. 2010, 418: Im Jahr 2005 war Deutschland neben Luxemburg das einzige europäische Land ohne IFG. 615 Kloepfer, K&R 2006, 19 (20, 26) bezeichnet die IFG als „gesetzgeberische Erstlingswerke“ bzw. „Einstiegsgesetze“, die Akzeptanz für einen voraussetzungslosen Informationsanspruch gegenüber der Verwaltung schaffen sollten; die tatsächliche Bedeutung des neuen Rechts relativierend Gusy, Die Informationsbeziehungen zwischen Staat und
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B. Betriebsgeheimnisse und verschiedene Informationsansprüche
schätzbar, zeigen sich denn auch zahlreiche Probleme bei der Rechtsanwendung, die in vielen Bereichen zuungunsten der Informationszugangsfreiheit ausfällt. 616 Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Peter Schaar, hat hierzu anlässlich des fünften Jahrestages des IFG ausgeführt: „Der freie Informationszugang hat zwar den Weg in das Bundesgesetzblatt gefunden. In den Köpfen und Herzen der Entscheidungsträger ist er aber noch nicht überall angekommen. Immer noch zu oft wird über vom Gesetz nicht vorgegebene Einengungen des Anwendungsbereiches, Bereichsausnahmen und Ausnahmetatbestände nachgedacht und der Informationszugang verweigert. Der Paradigmenwechsel weg vom geheimnistuerischen staatlichen Herrschaftswissen und hin zum grundsätzlich unbeschränkten Informationszugang ist rein rechtlich mit dem IFG vollzogen, er hat sich aber im Amtsund Selbstverständnis der Verwaltung noch nicht richtig durchgesetzt.“ 617
Die angestrebten Ziele scheinen daher bislang schwieriger zu realisieren als anfangs vermutet. 618 4. Recht auf Informationszugang und Verfahren Die Voraussetzungslosigkeit des Informationszugangsanspruchs ist das zentrale Merkmal des Informationsfreiheitsgesetzes. Es ist gleichgültig, ob der Antragsteller die Informationen zu seinem eigenen wirtschaftlichen Vorteil nutzen will oder aus bloßer Neugier handelt. 619 Dennoch sind im Rahmen der Wahrnehmung des Anspruchs einige verfahrensrechtliche Besonderheiten zu beachten. Dies geht schon aus der Formulierung „... nach Maßgabe dieses Gesetzes ...“ in § 1 Abs. 1 S. 1 IFG hervor. 620 Daher sollen in diesem Abschnitt die Einzelheiten des Anspruchsgegenstands und die Verfahrensmodalitäten in der gebotenen Kürze erläutert werden. Bürger, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, § 23, Rn. 89 f. 616 Ausführlich zu den ersten Erfahrungen und Problemen Schaar, Tätigkeitsbericht 2006/2007, BT-Drs. 16/8500, S. 12 ff. und ders., Tätigkeitsbericht 2008/2009, BT-Drs. 17/1350, S. 12 ff.; s. auch Hartleb, NVwZ 2009, 825 ff.; zur aktuellen Entwicklung Schoch, NJW 2009, 2987 ff. und Rossi, DVBl. 2010, 554. 617 http://www.bfdi.bund.de/cln_134/IFG/Oeffentlichkeitsarbeit/RedenUndInter views/2011/5JahreIFG.html?nn=411766, Stand: 08. 03. 2011. 618 Vgl. Hartleb, NVwZ 2009, 825. 619 VG Frankfurt a. M., Urt. v. 17. 6. 2009 – 7 K 2282/08.F (3), Rz. 42 (die gewonnenen Informationen sollten die Chancen des Anspruchstellers in einer zivilrechtlichen Auseinandersetzung gegenüber der Behörde erhöhen); ebenso auf Landesebene, vgl. VG Berlin, Urt. v. 24. 08. 2004 – 23 A 1.04, Rz. 15; Sellmann / Augsberg, WM 2006, 2293 (2294); Schoch, AfP 2010, 313 (316). 620 Schoch, IFG, § 1, Rn. 17.
IV. Der Informationszugangsanspruch nach dem IFG
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a) Anspruchsberechtigte Das Informationszugangsrecht ist gemäß dem Wortlaut von § 1 Abs. 1 S. 1 IFG ein Jedermannrecht. 621 Auch Ausländer können demnach einen Antrag stellen, ebenso juristische Personen des Privatrechts (im Gegensatz zu einigen Landesinformationsfreiheitsgesetzen). 622 Auf Zwecke und Motive des Antragstellers kommt es nicht an. 623 Die Tatsache, dass der Antrag auf Informationszugang von einem Insolvenzverwalter gestellt wird, um eine mögliche Insolvenzanfechtung vorzubereiten, schließt die Anspruchsberechtigung beispielsweise nicht aus. 624 Um Verbandsklagen ausschließen zu können, muss es sich dabei jedoch um mit eigener (Teil-)Rechtsfähigkeit ausgestattete Personenvereinigungen handeln. 625 Bürgerinitiativen und Verbände sind demnach nicht zugangsberechtigt. 626 Auch juristische Personen des öffentlichen Rechts sind vom Informationszugangsanspruch ausgenommen, da für diese Amtshilfevorschriften, Auskunftsrechte oder Übermittlungsbefugnisse einschlägig sind. 627 Letztlich liegt hierin allerdings kein wirklicher Nachteil, denn in der Regel können Beschäftigte oder einzelne Bürger einen Antrag stellen und die erhaltenen Informationen an die dahinter stehende Organisation weitergeben. 628 An dem Sinn des Ausschlusses von Bürgerinitiativen und Verbänden aus dem Kreis der Anspruchsberechtigten können nicht nur deshalb berechtigte Zweifel erhoben werden. Schließlich sind gerade 621
Jastrow / Schlatmann, IFG, § 1, Rn. 5; vgl. BT-Drs. 15/4493, S. 7. Scheel, in: Berger / Roth / ders. (Hrsg.), IFG, § 1, Rn. 9 f.; Schoch, IFG, § 1, Rn. 44 f.; Sellmann / Augsberg, WM 2006, 2293 (2295); Sokol, CR 2005, 835 (837); Sitsen, Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, 2009, S. 73; vgl. BT-Drs. 15/4493, S. 7. 623 Dies betonend Rossi, DVBl. 2010, 554 (558), der auf eine insoweit fragwürdige Entscheidung des BayVGH, DVBl. 2009, 323 verweist, in der dem Interesse des Antragstellers auf Informationszugang wegen dessen wirtschaftlichen Motiven geringere Bedeutung beigemessen wurde; VGH Kassel, Beschl. v. 30. 4. 2010 – 6 A 1341/09, Rz. 6; Beschl. v. 24. 3. 2010 – 6 A 1832/09, Rz. 8; Brock / Morbach, PharmR 2009, 108 (109). 624 OVG Münster, NZI 2008, 699 (699 f.); VG Hamburg, Urt. v. 23. 04. 2009 – 19 K 4199/07, Rz. 28 f., Urt. v. 07. 05. 2010 – 19 K 288/10, Rz. 20 ff. und Urt. v. 27. 08. 2010 – 7 K 619/09, Rz. 25 f.; VG Stuttgart, NZI 2009, 739; zustimmend Schoch, NJW 2009, 2987 (2988). 625 Beispiele bei Sitsen, Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, 2009, S. 74. 626 Jastrow / Schlatmann, IFG, § 1, Rn. 10; Schmitz / Jastrow, NVwZ 2005, 984 (987); vgl. BT-Drs. 15/4493, S. 7; kritisch hierzu Kloepfer, K&R 2006, 19 (20); a. A. Gurlit, WM 2009, 773 (774); Schoch, NJW 2009, 2987 (2988 f.); Albers, ZJS 2009, 614 (620). 627 Vgl. BT-Drs. 15/4493, S. 7.; eingehend, auch zu Ausnahmen: Sitsen, Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, 2009, S. 77 ff. 628 Jastrow / Schlatmann, IFG, § 1, Rn. 11, 14; Rossi, DVBl. 2010, 554 (558); ausführlich zur sog. Strohmann-Problematik Schoch, IFG, § 1, Rn. 65 ff.; in NRW sind ausdrücklich nur natürliche Personen anspruchsberechtigt; aber auch hier ist es grundsätzlich unerheblich, ob der Antragsteller die Weitergabe der Informationen an eine andere natürliche Person oder an eine juristische Person beabsichtigt, vgl. OVG Münster, Beschl. v. 21. 08. 2008 – 8 B 913/08, Rz. 25 ff. 622
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B. Betriebsgeheimnisse und verschiedene Informationsansprüche
sie es, die regelmäßig die für die demokratische Kontrolle notwendige Motivation und Arbeitskapazität mitbringen. 629 b) Anspruchsverpflichtete Als Anspruchsverpflichtete benennt § 1 Abs. 1 S. 1 IFG die Behörden des Bundes. Zu diesen zählen zunächst alle Bundesministerien und die ihnen nachgeordneten Behörden. 630 Der Behördenbegriff entspricht dem funktionalen Begriff des § 1 Abs. 4 VwVfG, anspruchsverpflichtet ist also jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. 631 Hierzu gehört auch fiskalisches Handeln, da hierbei jedenfalls mittelbar eine im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe wahrgenommen wird. 632 Private sind nicht Adressaten des Informationsfreiheitsgesetzes, auch dann nicht, wenn eine juristische Person des öffentlichen Rechts die Mehrheit von Anteilen an einer privatrechtlichen Gesellschaft hält, die (originär) öffentliche Aufgaben erfüllt. 633 Dies ist von dem in § 1 Abs. 1 S. 3 IFG geregelten Fall zu unterscheiden, 634 dass sich der Bund zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben privater Personen oder Unternehmen bedient, ohne diese zu beleihen. 635 Von „bedienen“ kann gesprochen werden, wenn die Behörde ihre Angelegenheiten auf Grundlage öffentlichrechtlicher oder privatrechtlicher Verpflichtung von der Privatperson erledigen lässt, ohne dass dadurch der Charakter der öffentlichen Aufgabe verloren geht. 636 Nur dann ist die Einbeziehung privater Personen wegen der Nähe zum staatlichen 629
Gusy, Die Informationsbeziehungen zwischen Staat und Bürger, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, § 23, Rn. 90. 630 Jastrow / Schlatmann, IFG, § 1, Rn. 22; zur Anwendung des richtigen Informationsfreiheitsgesetzes nach formaler Verbandszugehörigkeit und nicht nach Sitz einer Behörde Rossi, DVBl. 2010, 554 (559); z. B. sind die Bundesbehörden mit Sitz in Berlin nur nach dem IFG, nicht (auch) nach dem IFG Bln zugangsverpflichtet. 631 Sitsen, Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, 2009, S. 86; Kugelmann, NJW 2005, 3609 (3611); vgl. BT-Drs. 15/4493, S. 7. 632 Sitsen, Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, 2009, S. 103; zu beachten ist jedoch der Ausnahmetatbestand des § 3 Nr. 6 IFG. 633 Jastrow / Schlatmann, IFG, § 1, Rn. 25; Schoch, IFG, § 1, Rn. 76 mit den Beispielen der privatisierten Unternehmen Deutsche Bahn AG, Postbank und Telekom; a. A. Kugelmann, NJW 2005, 3609 (3611); Sellmann / Augsberg, WM 2006, 2293 (2295); hier liegt ein Unterschied zum presserechtlichen Auskunftsanspruch, der sich auch gegen von der öffentlichen Hand beherrschte Unternehmen richten kann, s. III. 3. b). 634 Sellmann / Augsberg, WM 2006, 2293 (2295 f.) unterscheiden insoweit nicht zwischen Privaten als Ergebnis einer Privatisierung und solchen, derer sich der Staat bedient. 635 Beliehene sind selbst Behörden i. S.v. § 1 Abs. 4 VwVfG; gemeint sind vor allem Verwaltungshelfer, die unselbständig, auf Weisung und im Auftrag der Behörde handeln, vgl. Scheel, in: Berger / Roth / ders. (Hrsg.), IFG, § 1, Rn. 67.
IV. Der Informationszugangsanspruch nach dem IFG
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Handeln gerechtfertigt. Die Regelung trägt dem Grundsatz „Keine Flucht ins Privatrecht“ Rechnung. 637 Über § 1 Abs. 1 S. 3 IFG werden daher auch Informationen von Privatpersonen erfasst, wobei der Antrag gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 IFG stets gegenüber der Behörde gestellt werden muss, deren Aufgaben betroffen sind. Durch das Wort „soweit“ wird angedeutet, dass nur solche Informationen betroffen sind, die in Bezug zu der zu erfüllenden Aufgabe stehen. 638 Zusätzlich werden durch § 1 Abs. 1 S. 2 IFG sonstige Bundesorgane einbezogen, soweit sie öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen, also auch Bundestag, Bundesrat, Bundesverfassungsgericht, Bundesgerichte und Bundesbank. 639 c) Antragstellung § 7 IFG, der die Überschrift „Antrag und Verfahren“ trägt, stellt kaum formelle Anforderungen an den Antrag auf Informationszugang. Folglich wird auf das allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht zurückgegriffen und dadurch eine Doppelregelung vermieden. 640 Gemäß § 10 S. 1 VwVfG ist – in Ermangelung besonderer Rechtsvorschriften für die Form des Verfahrens – die Antragstellung formfrei und kann daher schriftlich, elektronisch, mündlich (auch telefonisch) oder durch schlüssiges Verhalten erfolgen. 641 Problematisch ist der zu fordernde Grad an Bestimmtheit des Antrags, besteht doch die Gefahr von Ausforschungsanträgen, die allein den Sinn haben, der Behörde möglichst viele zusammenhanglose Informationen zu entlocken. 642 Das Verwaltungsgericht Frankfurt a. M. hat entschieden, dass Art, Umfang und Ziel der begehrten Information aus dem Antrag hervorgehen müssen. 643 Dem Gesetz lässt sich diese Forderung indessen nicht entnehmen, 644 mag sie auch sinnvoll sein. 645 Gleiches gilt für die Identität des Antragstellers, die nicht offengelegt zu werden braucht, auch wenn Name und Anschrift die Zusendung von Informationsmaterial ermöglichen würden. 646 Es liegt mithin im eigenen Interesse des Petenten, einen möglichst präzisen Antrag zu stellen. Im Notfall hat die Behörde 636
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Ausführlich Sitsen, Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, 2009, S. 133 ff.,
Vgl. Sellmann / Augsberg, WM 2006, 2293 (2295). Sitsen, Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, 2009, S. 139. 639 Schmitz / Jastrow, NVwZ 2005, 984 (987); Scheel, in: Berger / Roth / ders. (Hrsg.), IFG, § 1, Rn. 55; Sokol, CR 2005, 835 (838); vgl. BT-Drs. 15/4493, S. 7. 640 Jastrow / Schlatmann, IFG, § 7, Rn. 18 f. 641 Schoch, IFG, § 7, Rn. 15; Berger, in: ders. / Roth / Scheel (Hrsg.), IFG, § 7, Rn. 8. 642 Vgl. Sitsen, Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, 2009, S. 325. 643 VG Frankfurt a. M., NVwZ 2008, 1389. 644 Schoch, IFG, § 7, Rn. 20. 645 Etwa im Hinblick auf von der Behörde erst noch zu sichtende Datenbestände oder zusammenzustellende Informationen, vgl. VG Frankfurt a. M., NVwZ 2008, 1389. 638
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B. Betriebsgeheimnisse und verschiedene Informationsansprüche
gem. § 25 Abs. 1 S. 1 VwVfG auf eine Antragstellung hinzuwirken, die den Antrag erst bearbeitungsfähig und den Anspruch überhaupt erfüllbar macht. 647 Abgesehen von dem in § 7 Abs. 1 S. 3 IFG geregelten Sonderfall – der Betroffenheit von Daten Dritter im Sinne von § 5 Abs. 1 und 2 und § 6 IFG – bedarf der Antrag keiner Begründung. Dies ist der Voraussetzungslosigkeit des Anspruchs geschuldet. Aber auch hier gilt, dass der Antragsteller im eigenen Interesse begründen kann, warum er Informationen über Behördenakten begehrt, etwa um das Verfahren zu beschleunigen oder möglichen Ablehnungsgründen entgegenzuwirken. 648 d) Bewilligung, Zuständigkeit und Frist Die Entscheidung der Behörde über den Informationszugang ist ein Verwaltungsakt. 649 Sie kann eine Ablehnung, eine teilweise oder eine volle Stattgabe des Informationszugangsbegehrens darstellen. 650 Zuständig ist die Behörde, die zur Verfügung über die begehrten Informationen berechtigt ist, § 7 Abs. 1 S. 1 IFG. Entscheidend ist, wer in der verwaltungsinternen Zuständigkeitsordnung die Akte führt. Dies können auch mehrere Behörden gleichzeitig sein. 651 § 7 Abs. 3 S. 1 IFG legt die Formfreiheit der Auskunftserteilung fest. Im Falle einer Ablehnung oder bei Beteiligung Dritter muss die Behörde ihre Entscheidung begründen. 652 Die Frist, in der dem Antragsteller die Entscheidung mitzuteilen ist, ergibt sich aus § 9 Abs. 1 i.V. m. § 7 Abs. 5 S. 2 IFG. Danach soll die Behörde sie dem Antragsteller innerhalb eines Monats mitteilen und – im Falle einer Stattgabe – innerhalb derselben Frist den Informationszugang ermöglichen. 653 Durch die Monatsfrist wird die Pflicht der Behörde zum unverzüglichen Zugänglichmachen in § 7 Abs. 5 S. 1 IFG konkretisiert. 654 Das Informationsfreiheitsgesetz sieht keine eigene Rechtsfolge für den Fall vor, dass die Behörde 646 Schoch, IFG, § 7, Rn. 17; a. A. für bestimmte Einzelfälle (z. B. Drittbezug) Berger, in: ders. / Roth / Scheel (Hrsg.), IFG, § 7, Rn. 8; Jastrow / Schlatmann, IFG, § 7, Rn. 21 f.; Schmitz / Jastrow, NVwZ 2005, 984 (989), die sich auf BT-Drs. 15/4493, S. 14 bzw. das Verfahrensermessen der Behörde nach § 10 VwVfG berufen. Allerdings kann dieses nicht zu einem vom Gesetz gerade nicht vorgesehenen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ermächtigen. 647 Schoch, IFG, § 7, Rn. 20. 648 Schoch, IFG, § 7, Rn. 23. 649 Vgl. § 9 Abs. 4 S. 1 IFG. 650 Der teilweise Informationszugang nach § 7 Abs. 2 IFG ist verfahrensrechtlicher Ausdruck des Übermaßverbotes, Berger, in: ders. / Roth / Scheel (Hrsg.), IFG, § 7, Rn. 13. 651 Sitsen, Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, 2009, S. 323 f. 652 Jastrow / Schlatmann, IFG, § 7, Rn. 29; Schmitz / Jastrow, NVwZ 2005, 984 (989). 653 Zum Streitpunkt der Frist im Gesetzgebungsverfahren s. Jastrow / Schlatmann, IFG, § 7, Rn. 46 ff.; Berger, in: ders. / Roth / Scheel (Hrsg.), IFG, § 7, Rn. 18 f.
IV. Der Informationszugangsanspruch nach dem IFG
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nicht unverzüglich handelt. In diesem Fall kommt eine Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO in Betracht. 655 e) Anspruchsgegenstand und Art des Zugangs Den Gegenstand des Informationszugangsanspruchs bilden laut § 1 Abs. 1 S. 1 IFG amtliche Informationen. Diese werden in § 2 Nr. 1 IFG definiert. Danach ist amtliche Information im Sinne des IFG jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung, wobei Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, ausgenommen sind. Vom Begriff der Aufzeichnung erfasst sind alle Formen festgehaltener Information, die auf einem Informationsträger gespeichert ist. 656 Der Anspruch beschränkt sich auf die bei den Behörden vorhandenen Informationen, eine Informationsbeschaffungspflicht besteht somit nicht. 657 Eine Ausnahme hiervon ist für den Fall zu machen, dass die Behörde die Informationen in Kenntnis der (beabsichtigten) Antragstellung aus der Hand gibt oder löscht. 658 Problematisch kann in solchen Fällen die fehlende Möglichkeit der Behörde zur Wiederbeschaffung der Information bei Weigerung des Inhabers werden. 659 Unerheblich ist, wer Urheber der Informationen ist, auch solche, die ihren Ursprung außerhalb des Bundes haben (insbesondere in den Ländern), werden Bestandteil der amtlichen Informationen des Bundes, wenn sie diesem dauerhaft 654 Schmitz / Jastrow, NVwZ 2005, 984 (990); abweichend bei Beteiligung Dritter, s. unter IV. 3. f). 655 Schmitz / Jastrow, NVwZ 2005, 984 (990); insbesondere fehlt eine Frist für die Bescheidung von Widersprüchen, was zu erheblichen Verzögerungen führen kann, vgl. hierzu Schaar, Tätigkeitsbericht 2006/2007, BT-Drs. 16/8500, S. 19. 656 Scheel, in: Berger / Roth / ders. (Hrsg.), IFG, § 2, Rn. 10; Schmitz / Jastrow, NVwZ 2005, 984 (988); Sitsen, Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, 2009, S. 143 mit Beispielen; vgl. BT-Drs. 15/4493, S. 8; wegen des Erfordernisses der Speicherung besteht kaum ein Unterschied zur grundsätzlichen begrifflichen Anknüpfung an „Dokumente“ (wie im FOIA) oder „Akten“ (wie im AIG Brandenburg), vgl. Bräutigam, DVBl. 2006, 950 (951). 657 VG Berlin, NVwZ 2009, 856 (857); Rossi, DVBl. 2010, 554 (559); Kloepfer, K&R 2006, 19 (25); Sitsen, Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, 2009, S. 150; Sellmann / Augsberg, WM 2006, 2293 (2297); Rossi, IFG, § 2, Rn. 11. 658 So auch OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 02. 10. 2007 – 12 B 12.07, Rz. 32 auf Ebene des IFG Bln.; Rossi, IFG, § 2, Rn. 19; ders., DVBl. 2010, 554 (560). 659 So lag der Fall bei VG Berlin, NVwZ 2009, 856: Nach Ablehnung eines ersten Antrags auf Informationszugang und anschließender Klage des Antragstellers gab die Behörde die entsprechenden Informationen (es handelte sich um eine Studie) während des Klageverfahrens an den Urheber zurück. Dieser verweigerte in der mündlichen Verhandlung die erneute Herausgabe, worauf sich die Behörde mit Erfolg berufen konnte; kritisch hierzu Hartleb, NVwZ 2009, 825 (825 f.), der den Gesetzgeber zur Lösung des Problems des „behördlicherseits vereitelten IFG-Anspruchs“ in der Pflicht sieht.
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B. Betriebsgeheimnisse und verschiedene Informationsansprüche
zugehen. 660 Amtlichen Zwecken dienen alle Aufzeichnungen, die in Erfüllung einer amtlichen Tätigkeit angefallen sind. 661 Daher sind auch private Informationen, die beispielsweise im Rahmen eines Genehmigungs-, Aufsichts- oder Vergabeverfahrens erhoben wurden, als amtlich im Sinne des Informationsfreiheitsgesetzes zu verstehen. 662 Es sind auch Informationen über fiskalisches Handeln der Behörde erfasst, so dass es nicht auf eine hoheitliche Handlungsform bzw. Verwaltungstätigkeit ankommt. 663 Nur Informationen, die ausschließlich privaten Zwecken dienen, fallen nicht unter § 2 Nr. 1 IFG. 664 Eine andere Sichtweise geht aus dem Gesetz nicht hervor. Ferner würden die §§ 5 und 6 IFG sonst weitgehend leerlaufen. 665 Ebenso fallen auch alle Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines (amtlichen) Vorgangs werden sollen, nicht unter den Begriff der amtlichen Information. Bei den Arten des Informationszugangs lehnt sich das IFG an die Regelung des Umweltinformationsgesetzes an (§ 3 Abs. 2 S. 1 und 2 UIG). 666 Nach § 1 Abs. 2 S. 1 IFG hat die Behörde hinsichtlich der Art des Informationszugangs Ermessen. Es stehen Auskunftserteilung, Akteneinsicht oder eine Informationserteilung in sonstiger Weise (z. B. das Hören eines Tonbandes 667) zur Verfügung. Das Ermessen wird jedoch begrenzt, sofern der Antragsteller eine bestimmte Zugangsform begehrt, § 1 Abs. 2 S. 2 IFG. Von der begehrten Zugangsart darf die Behörde dann gem. § 1 Abs. 2 S. 2 IFG nur aus wichtigem Grund abweichen. 668 Als solcher kommen ein deutlich höherer Verwaltungsaufwand (§ 1 Abs. 2 S. 3 IFG) oder materielle Schutzbelange nach §§ 3 bis 6 IFG in Betracht. 660
Schoch, IFG, § 1, Rn. 26; Schmitz / Jastrow, NVwZ 2005, 984 (988); Scheel, in: Berger / Roth / ders. (Hrsg.), IFG, § 1, Rn. 73; vgl. BT-Drs. 15/4493, S. 7. 661 VG Berlin, Urt. v. 26. 06. 2009 – 2 A 62.08, Rz. 24; Sellmann / Augsberg, WM 2006, 2293 (2296); vgl. BT-Drs. 15/4493, S. 9. 662 Unerheblich ist außerdem, ob die Behörde die Informationen selbst ermittelt oder von Dritten erlangt hat, absichtlich oder zufällig, vgl. Schoch, IFG, § 2, Rn. 41; Kugelmann, NJW 2005, 3609 (3610). Das bloße Vorhandensein von Informationen reicht daher aus, s. Kiethe / Groeschke, WRP 2006, 303 (304); Gurlit, WM 2009, 773 (776). 663 Vgl. zu § 1 IFG Bln OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 02. 10. 2007 –12 B 11.07, Rn. 18 (privatrechtliche Erhebung von Wassertarifentgelten); Rossi, DVBl. 2010, 554 (559); Sellmann / Augsberg, WM 2006, 2293 (2296); Schoch, IFG, § 2, Rn. 38; a. A. anscheinend Sitsen, Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, 2009, S. 145; allerdings ist amtliche Tätigkeit nicht zwangsläufig mit öffentlich-rechtlicher Verwaltungstätigkeit gleichzusetzen. 664 Jastrow / Schlatmann, IFG, § 2, Rn. 7; Schoch, IFG, § 2, Rn. 40. 665 Hierzu sogleich unter IV. 7. 666 Schmitz / Jastrow, NVwZ 2005, 984 (989). 667 Schoch, IFG, § 1, Rn. 142; vgl. BT-Drs. 15/4493, S. 8. 668 Hierin liegt ein weiterer Unterschied zum presserechtlichen Auskunftsanspruch, bei dem die Behörde ermessensgerecht entscheiden kann, auf welche Art sie Auskunft erteilt, s. III. 3. d); vgl. auch Partsch, AfP 2002, 198 (200).
IV. Der Informationszugangsanspruch nach dem IFG
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f) Beteiligung Dritter Nach § 8 Abs. 1 IFG hat die Behörde einem Dritten Gelegenheit zur Stellungnahme einzuräumen, wenn die Möglichkeit besteht, dass dessen Belange durch den Informationszugang berührt sein könnten. Nach § 2 Nr. 2 IFG ist Dritter im Sinne des Gesetzes jeder, über den personenbezogene Daten oder sonstige Informationen vorliegen. Als schutzwürdige Belange kommen vor allem die in den §§ 5 und 6 IFG geschützten Rechtsgüter in Betracht. 669 Erforderlich ist, dass der Dritte ein schutzwürdiges Interesse am Ausschluss des Informationszugangs haben kann. Die Möglichkeit der Rechtsbetroffenheit muss ferner konkret sein. 670 § 8 Abs. 2 S. 2 IFG sieht im Falle der Betroffenheit vor, dass der Informationszugang erst dann erfolgen darf, wenn die Entscheidung dem Dritten gegenüber bestandskräftig ist oder die sofortige Vollziehung angeordnet worden ist und seit der Bekanntgabe der Anordnung an den Dritten zwei Wochen verstrichen sind. Da das Gesetz die Stellungnahme des Dritten an eine Monatsfrist knüpft (§ 8 Abs. 1 IFG), kann es zu einer Abweichung der Fristenregelung in § 7 Abs. 5 IFG kommen. Insbesondere im für diese Arbeit relevanten Fall des Informationszugangs zu Datenbeständen mit Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen gilt es für die Behörde, diese Verfahrensschritte einzuhalten. § 8 IFG kann insofern als prozedurale Schutznorm für Unternehmerinteressen angesehen werden. 671 Zwar hat die Behörde das letzte Wort bei der Entscheidung über den Informationszugang; durch Beibringung neuer überzeugender Argumente durch den Dritten kann die Behörde jedoch zu einer anderen Gewichtung der Interessenlage gelangen. 672 Um Unklarheiten im Vorfeld auszuräumen, empfiehlt es sich für Dritte, die der Behörde erteilten Informationen bereits bei Abgabe als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zu deklarieren und einer Weitergabe provisorisch zu widersprechen. 673 Gegen die Entscheidung der Behörde kann der Dritte – wie der Antragsteller – Widerspruch einlegen, klagen oder einstweiligen Rechtsschutz erlangen, vgl. § 8 Abs. 2 S. 3, § 9 Abs. 4 IFG. 674 Da § 9 Abs. 4 IFG nur entsprechend gilt, ist der Dritte nicht auf eine Verpflichtungsklage beschränkt, sondern kann auch Drittanfechtungsklage erheben. 675
669
VGH Kassel, NVwZ 2009, 60 (61); Schmitz / Jastrow, NVwZ 2005, 984 (990); vgl. BT-Drs. 15/4493, S. 15. 670 VGH Kassel, NVwZ 2009, 60 (61); Berger, in: ders. / Roth / Scheel (Hrsg.), IFG, § 8, Rn. 3. 671 Vgl. Sellmann / Augsberg, WM 2006, 2293 (2298). 672 Schmitz / Jastrow, NVwZ 2005, 984 (990); Sellmann / Augsberg, WM 2006, 2293 (2298); Albers, ZJS 2009, 614 (621); vgl. BT-Drs. 15/4493, S. 15. 673 Kiethe / Groeschke, WRP 2006, 303 (305 f.). 674 Hierzu Sellmann / Augsberg, WM 2006, 2293 (2298, 2301). 675 Sitsen, Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, 2009, S. 338.
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B. Betriebsgeheimnisse und verschiedene Informationsansprüche
g) Kosten Nach § 10 Abs. 1 S. 1 IFG werden für Amtshandlungen nach diesem Gesetz Gebühren und Auslagen erhoben. Allerdings müssen die Kosten der Verwaltung nicht gedeckt werden. Die Gebühren und Auslagen dürfen zwar kostendeckend, jedoch nicht abschreckend sein. 676 So soll eine Prohibitivwirkung bei der Wahrnehmung des Informationszugangsanspruchs vermieden werden. 677 Nach § 10 Abs. 1 S. 2 IFG sind daher auch einfache Auskünfte kostenfrei. Die genauen Gebührentatbestände und Gebührensätze sind in der Informationsgebührenverordnung des Bundesministeriums des Innern vom 2. Januar 2006 geregelt (vgl. die Verordnungsermächtigung in § 10 Abs. 3 S. 1 IFG). 678 In der Praxis sind Antragsteller in der Anfangszeit häufig vorab zur Entrichtung einer geschätzten Gebühr veranlasst worden, was den Verdacht erregt, der Bürger solle von seinem Informationszugangsbegehren abgebracht werden. Einige Petenten haben sich daraufhin mit Beschwerden an den Bundesbeauftragten für die Informationsfreiheit gewandt, vgl. § 12 Abs. 1 IFG. 679 Zwar ist beim Umgang mit den Kosten stets Offenheit zu fordern, andererseits aber auch Angemessenheit in ihrer Höhe. h) Verhältnis zu anderen Auskunftsnormen § 1 Abs. 3 IFG ordnet den Vorrang bereichsspezifischer Auskunftsnormen gegenüber dem allgemeinen Informationszugangsanspruch an, 680 um eine Unterwanderung derselben durch das Informationsfreiheitsgesetz zu vermeiden. 681 Dies gilt für alle spezialgesetzlichen Informationsansprüche, egal ob sie weiter oder enger gefasst sind oder erst nach dem IFG geschaffen wurden. 682 Wenn alle unter eine speziellere Norm fallenden Sachverhalte auch unter eine generelle Norm subsumiert werden könnten, dies jedoch umgekehrt nicht gilt, liegt ein Spezialitätsverhältnis vor. 683 Der Vorrang der spezielleren Norm ergibt sich bereits 676
Jastrow / Schlatmann, IFG, § 10, Rn. 1; Schmitz / Jastrow, NVwZ 2005, 984 (991). Schoch, IFG, § 10, Rn. 11; Sitsen, Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, 2009, S. 332; vgl. auch § 10 Abs. 2 IFG: „Die Gebühren sind auch unter Berücksichtigung des Verwaltungsaufwandes so zu bemessen, dass der Informationszugang nach § 1 wirksam in Anspruch genommen werden kann.“ 678 Danach können Gebühren von bis zu 500 € erhoben werden. 679 Schaar, Tätigkeitsbericht 2006/2007, BT-Drs. 16/8500, S. 19. 680 Mit Ausnahme von § 29 VwVfG und § 25 SGB X; der allgemeine Informationszugangsanspruch kann somit neben den durch diese Vorschriften gegebenen Ansprüchen bestehen, vgl. Sokol, CR 2005, 835 (839). 681 Vgl. Sitsen, Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, 2009, S. 51; zum Verhältnis von Informationszugangsfreiheit und Vergaberecht (dem das Geheimhaltungsprinzip zugrunde liegt) Just / Sailer, DVBl. 2010, 418 (419 ff.). 682 Sellmann / Augsberg, WM 2006, 2293 (2294); vgl. BT-Drs. 15/4493, S. 8. 677
IV. Der Informationszugangsanspruch nach dem IFG
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aus dem Grundsatz lex specialis derogat legi generali, so dass § 1 Abs. 3 IFG insofern nur klarstellende Bedeutung hat. 684 Nicht geklärt ist allerdings, ob und inwieweit spezielle Informationszugangsrechte die Anwendbarkeit des IFG ausschließen. 685 Zu einer Kollision mit anderen Vorschriften kann es kommen, wenn beide Bestimmungen denselben Sachverhalt zum Gegenstand haben, die Sondervorschrift eine tatsächlich abschließende Regelung trifft – was mit Blick auf den Sinn und Zweck zu bestimmen ist 686 – und sich die Rechtsfolgen der Normen logisch ausschließen. 687 Derselbe Sachverhalt ist dann anzunehmen, wenn das spezielle Einsichtsrecht und der IFG-Anspruch denselben sachlichen Regelungsgegenstand haben, nämlich den Zugang zu amtlichen Informationen. 688 Als Beispiel kann der Informationsanspruch nach § 3 Abs. 1 S. 1 des eingangs erwähnten Umweltinformationsgesetzes angeführt werden. 689 Ist ein Zugang zu Umweltinformationen nach diesem Gesetz ausgeschlossen, kann nicht auf das Informationsfreiheitsgesetz zurückgegriffen werden. 690 Die Anordnung des Vorrangs der „Regelungen in anderen Rechtsvorschriften“ folgt der Annahme, dass Auskunftsansprüche je nach Sachgebiet unterschiedlich ausgestaltet sind. Außerdem soll vermieden werden, dass ein und dieselbe Handlung nach einer Norm als rechtmäßig, nach einer anderen aber als rechtswidrig anzusehen wäre. 691 Die Verdrängung des Informationsfreiheitsgesetzes durch das Fachrecht geschieht vollständig, d. h. es existiert keine „soweit“-Einschränkung. 692 Das Informationsfreiheitsgesetz soll gerade keinen, bei Vermischung mit anderen Rechtsgrundlagen zu Anwendungsproblemen führenden Minimalstandard an Informationen gewähren. 693
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Reinhart, DÖV 2007, 18 (19). Schoch, IFG, § 1, Rn. 161. 685 s. Rossi, DVBl. 2010, 554 (557). 686 Sokol, CR 2005, 835 (839). 687 VG Hamburg, Urt. v. 23. 04. 2009 – 19 K 4199/07, Rz. 39 ff.; Reinhart, DÖV 2007, 18 (20); Just / Sailer, DVBl. 2010, 418 (420). 688 VG Hamburg, Urt. v. 23. 04. 2009 – 19 K 4199/07, Rz. 39 ff.; Schoch, IFG, § 1, Rn. 165. 689 Vgl. Schoch, IFG, § 1, Rn. 171. 690 Fluck, DVBl. 2006, 1406 (1408); Sellmann / Augsberg, WM 2006, 2293 (2294); anderes gilt hingegen für sonstige Informationen der informationspflichtigen Stelle. 691 Reinhart, DÖV 2007, 18 (20). 692 Schoch, IFG, § 1, Rn. 167. 693 Sitsen, Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, 2009, S. 49; Schoch, IFG, § 1, Rn. 170 ff. und Schmitz / Jastrow, NVwZ 2005, 984 (989) mit einigen Beispielen für bereichsspezifische Auskunftsansprüche, z. B. § 3 des Stasi-Unterlagen-Gesetzes oder §§ 4 und 5 des Bundesarchivgesetzes; zum (problematischen) Verhältnis von § 84a Abs. 2 AMG und § 1 Abs. 1 S. 1 IFG s. Wudy, PharmR 2009, 161 (163 f.) und Brock / Morbach, PharmR 2009, 108. 684
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B. Betriebsgeheimnisse und verschiedene Informationsansprüche
5. Gerichtliche Durchsetzung Nach § 9 Abs. 1 IFG gibt die Behörde dem Antragsteller die Entscheidung über den Informationszugang innerhalb eines Monats bekannt (vgl. § 7 Abs. 5 S. 2 IFG). Bei der Entscheidung handelt es sich – wie gesehen – um einen Verwaltungsakt, der gemäß § 9 Abs. 4 S. 1 IFG nach Durchführung eines Widerspruchsverfahrens im Wege der Verpflichtungsklage einklagbar ist. 694 Ob es sich bei dieser Vorschrift um eine aufdrängende Sonderzuweisung für die Verwaltungsgerichtsbarkeit handelt, kann dahinstehen, da jedenfalls nach § 40 Abs. 1 VwGO der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist. 695 Die Gewährung des Informationszugangs als solche ist demgegenüber als Verwaltungsrealakt zu qualifizieren. 696 Aus der positivrechtlichen Festlegung auf die Verpflichtungsklage 697 in § 9 Abs. 4 S. 1 IFG lässt sich jedoch schließen, dass dieser nicht Gegenstand des Rechtsschutzbegehrens ist, sondern die Behörde im Falle der Verurteilung auch den tatsächlichen Zugang gewähren wird. 698 Allein mit dem Erlass des Verwaltungsaktes wäre dem tatsächlichen Begehren des Antragstellers nicht gedient. Vorläufigen Rechtsschutz kann er über § 123 Abs. 1 S. 2 VwGO erlangen, auch wenn § 9 Abs. 4 IFG hierzu keine Aussage trifft. Eine im Fall der Regelungsanordnung zwangsläufig eintretende Erledigung der Hauptsache kann im Interesse effektiven Rechtschutzes nach Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG hinzunehmen sein, wenn die für den Antragsteller zu erwartenden Nachteile im Falle einer Versagung des Zugangs unzumutbar und im Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären sowie ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache spricht. 699 a) Verwaltungsprozessuales Problem Ein prozessrechtliches Problem des Informationsfreiheitsrechts entsteht, wenn die informationspflichtige Behörde ihrer dem Gericht gegenüber grundsätzlich 694
VG Frankfurt a. M., NVwZ 2008, 1384; Sitsen, Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, 2009, S. 337; Sellmann / Augsberg, WM 2006, 2293 (2300); Gurlit, WM 2009, 773 (779). 695 Hierzu ausführlich VG Hamburg, Urt. v. 23. 04. 2009 – 19 K 4199/07, Rz. 23; VG Stuttgart, NZI 2009, 739; s. a. Rossi, DVBl. 2010, 554 (556). 696 Sitsen, Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, 2009, S. 337. 697 Die Festlegung erfolgte aufgrund der im Rahmen des Umweltinformationsrechts geführten Diskussion um die statthafte Klageart, vgl. Berger, in: ders. / Roth / Scheel (Hrsg.), IFG, § 9, Rn. 10. 698 Schoch, IFG, § 9, Rn. 78. 699 VG Frankfurt a. M., NVwZ 2009, 1182; Schoch, IFG, § 9, Rn. 97; zur Parallelproblematik im Umweltinformationsrecht s. OVG Münster, DVBl. 2011, 968, zu derjenigen im Presserecht III. 5.
IV. Der Informationszugangsanspruch nach dem IFG
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bestehenden Vorlage- und Auskunftspflicht nach § 99 Abs. 1 S. 1 VwGO aufgrund einer durch die oberste Aufsichtsbehörde abgegebenen Sperrerklärung nach § 99 Abs. 1 S. 2 VwGO nicht nachkommt. 700 Denn dies führte – aufgrund der nicht möglichen Einbeziehung der entsprechenden Unterlagen in die Entscheidungsfindung – zu einer Beeinträchtigung des Gebots wirksamen Rechtsschutzes, wohingegen eine Vorlage wegen der gerichtlichen Aktenöffentlichkeit (§ 100 Abs. 1 VwGO) zur Folge haben könnte, dass der Kläger prozessual das erreichte, was ihm nach den IFG-Vorschriften möglicherweise versagt bleiben müsste. 701 Hierdurch könnten wiederum Geheimhaltungsansprüche Dritter i. S. d. §§ 5 und 6 IFG verletzt werden, denn die Abgabe der Sperrerklärung nach § 99 Abs. 1 S. 2 VwGO hängt nach herrschender Meinung nicht von etwa einschlägigen Ausnahmetatbeständen des IFG ab. 702 Die Problematik besteht hier also darin, dass das Recht auf Informationszugang gerade den Streitgegenstand in der Hauptsache und nicht nur ein prozessrechtliches Hilfsmittel darstellt. b) In-camera-Verfahren? Das IFG sieht zur Lösung dieses Konflikts kein Zwischenverfahren (sog. in-camera-Verfahren, vgl. § 99 Abs. 2 VwGO) vor, in welchem unter Ausschluss der gerichtlichen Aktenöffentlichkeit über die Vorlagepflicht der Behörde entschieden werden könnte. 703 Ein solches wäre im Übrigen auch durch den nach § 189 VwGO einzurichtenden Fachsenat, mithin nicht durch das mit der Hauptsache befasste Gericht durchzuführen. 704 Demgegenüber ist die durch Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG gebotene umfassende Prüfung des Rechtsschutzbegehrens nur dann gewährleistet, wenn das zuständige Gericht des Hauptsacherechtsstreits über alle entscheidungserheblichen Tatsachen 705 verfügen kann, anstatt auf Grundlage von Beweislastregeln entscheiden zu müssen. 706 Dies gilt im Übrigen nicht nur für 700
Hierzu eingehend Weber, NVwZ 2008, 1284 (1285 ff.). Schoch, NJW 2009, 2987 (2992 f.); Weber, NVwZ 2008, 1284 (1285 ff.); Schaar, Tätigkeitsbericht 2008/2009, BT-Drs. 17/1350, S. 25 f.; allgemein in Bezug auf „prinzipale Auskunftsansprüche“ Gärditz / Orth, JuS 2010, 317; ähnliche Problematik bei BVerfGE 115, 205 (234 ff.); zur parallelen Konstellation im Verfassungs(prozess)recht s. II 5. 702 BVerwG, DVBl. 2006, 1245 (1246). 703 Die Gesetzesbegründung will ein solches nur für nach § 3 Nr. 4 IFG als Verschlusssache qualifizierte Informationen durchführen lassen, BT-Drs. 15/4493, S. 16. 704 So VGH Kassel, Beschl. v. 30. 4. 2010 – 6 A 1341/09, Rz. 2; Beschl. v. 24. 3. 2010 – 6 A 1832/09, Rz. 2. 705 Zu den Anforderungen an die Entscheidungserheblichkeit der zurückgehaltenen Akten als Voraussetzung für ein in-camera-Verfahren s. BVerwG, NVwZ 2010, 194 (195) und OVG Lüneburg, NVwZ 2010, 198. 706 Schoch, NJW 2009, 2987 (2993); Kugelmann, NJW 2005, 3609 (3613); i. E. wohl auch Gärditz / Orth, JuS 2010, 317 (321). 701
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B. Betriebsgeheimnisse und verschiedene Informationsansprüche
die Fälle einer behördlichen Vorlage- bzw. Informationsverweigerung, sondern auch für diejenigen einer möglicherweise die Rechte Dritter verletzenden Akten- bzw. Informationszugangsgewährung. 707 Zur Auflösung der aufgezeigten prozessrechtlichen und materiellrechtlichen Friktionen muss daher richtiger Ansicht nach ein in-camera-Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO – unter Ausschluss von § 100 Abs. 1 VwGO gem. § 99 Abs. 2 S. 9 VwGO – auf den Rechtsstreit in der Hauptssache erstreckt werden können, auch wenn es insoweit an einer expliziten gesetzlichen Regelung fehlt und unter Umständen der Anspruch auf rechtliches Gehör (vgl. § 108 Abs. 2 VwGO) eingeschränkt würde. 708 Dies entspräche der Rechtsprechungspraxis zwischen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit des § 99 Abs. 1 S. 2 i.V. m. Abs. 2 S. 1 VwGO a.F. vom 27. Oktober 1999 709 und dem In-Kraft-Treten des neuen § 99 VwGO am 1. Januar 2002. 710 Auch im Telekommunikationsrecht entscheidet auf Antrag das Gericht der Hauptsache in camera über die Vorlagepflicht. 711 Nur so kann sichergestellt werden, dass der gesetzliche Richter (Art. 102 Abs. 1 S. 2 GG) nicht nur formal, sondern auch tatsächlich den Rechtsstreit über den Informationszugang entscheidet. 712 Eine gerichtliche Überprüfung nur der behördlichen Begründung der Informationsverweigerung (bzw. deren Glaubhaftmachung) würde den hohen Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG nicht gerecht. 713 Zur Herbeiführung eines einheitlichen Prüfungsmaßstabs sind – entgegen der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts – bei der Abgabe der Sperrerklärung die 707 Nach h.M. kann nämlich auch ein Dritter, der die seitens der Behörde beabsichtigte Vorlage von Akten aus Geheimnisschutzgründen verhindern will, die Feststellung begehren, dass diese nicht an das Gericht herausgegeben werden dürfen, „erweiterte“ Auslegung von § 99 II 1 VwGO, s. OVG Lüneburg, NVwZ 2010, 199 m.w. N. 708 Kugelmann, NJW 2005, 3609 (3613); Schaar, Tätigkeitsbericht 2008/2009, BT-Drs. 17/1350, S. 26 wünscht sich eine gesetzgeberische Klarstellung; Schoch, NJW 2009, 2987 (2993); zurückhaltender, da den Fachsenat nach § 189 VwGO als zuständig ansehend noch Schoch, IFG, § 9, Rn. 92 ff., 94 und Sitsen, Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, 2009, S. 345; a. A. Schmitz / Jastrow, NVwZ 2005, 984 (991); i. E. ebenso Weber, NVwZ 2008, 1284 (1288); Rossi, IFG, § 9, Rn. 33; ähnlich BVerwG, K&R 2004, 95 (97). 709 BVerfGE 101, 106. 710 s. Sommer / Bosch, K&R 2002, 456. 711 § 138 II und III TKG; vgl. hierzu BVerwGE 127, 282; v. Danwitz, DVBl. 2005, 597; Gärditz / Orth, JuS 2010, 317 (318, 321). 712 Schoch, NJW 2009, 2987 (2993); vgl. a. die praktische Lösung des VG Frankfurt a. M., Urt. v. 18. 2. 2009 – 7 K 4170/07.F, Rz. 43, das sich die fraglichen Unterlagen von der beklagten Behörde in der mündlichen Verhandlung zur vorübergehenden Einsichtnahme vorlegen ließ, um zu einer zweifelsfreien Entscheidung über die Geheimhaltungsbedürftigkeit der Informationen zu gelangen; zweifelnd Sommer / Bosch, K&R 2002, 456 (460). 713 Vgl. Schoch, IFG, § 9, Rn. 91; Gärditz / Orth, JuS 2010, 317 (318); vgl. a. BVerwG, NVwZ 2010, 194 (195).
IV. Der Informationszugangsanspruch nach dem IFG
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spezialgesetzlichen Regeln des IFG im Rahmen der Prüfung nach § 99 Abs. 1 S. 2 VwGO zugrunde zu legen. 714 Hierfür spricht schon der Wortlaut der Vorschrift. 715 Das durch diese Bestimmung eingeräumte Ermessen ist somit im Falle des Vorliegens eines Ausnahmetatbestandes nach dem IFG auf Null reduziert mit der Folge, dass eine Sperrerklärung zwingend abzugeben ist. 716 Anschließend ist dann, wenn ein Beteiligter dies beantragt, in camera gem. § 99 Abs. 2 VwGO zu prüfen, ob die Abgabe der Sperrerklärung – und entsprechend auch die Verweigerung des Zugangs – rechtmäßig waren. 6. Verfassungsrechtlicher Hintergrund Ähnlich wie beim Informationsanspruch der Presse stellt sich auch bei demjenigen nach dem IFG die Frage, ob nicht ohnehin schon ein unmittelbar aus der Verfassung ableitbarer Anspruch auf Zugang zu Behördenakten besteht. 717 Dogmatisch konstruiert wird ein subjektives Recht auf Zugang zu Behördenakten durch ein grundsätzliches objektiv-rechtliches Öffentlichkeitsgebot der Verwaltung, welches zu einer Auslegung der „allgemein zugänglichen Quellen“ im Rahmen des Grundrechts der Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG führt, die staatliche Datensammlungen inkludiert. Ein ähnlicher Ansatz stützt sich auf ein erweitertes Verständnis von Art. 38 GG. 718
714 Sinnvollerweise sollte die Sperrerklärung daher, statt von der obersten Aufsichtsbehörde, von der den Informationsverweigerungsgrund vorbringenden Behörde abgegeben werden, so dass insoweit § 99 Abs. 1 S. 2 VwGO analog i.V. m. §§ 3 –6 IFG zur Anwendung kommt, s. Schoch, IFG, § 9, Rn. 94. 715 „Wenn das Bekanntwerden des Inhalts dieser Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente oder dieser Auskünfte dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen, kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage von Urkunden oder Akten, die Übermittlung der elektronischen Dokumente und die Erteilung der Auskünfte verweigern.“ [Anm.: Hervorhebung nur hier]. 716 Weber, NVwZ 2008, 1284 (1287); ähnlich Schoch, NJW 2009, 2987 (2993); a. A. BVerwG, DVBl. 2006, 1245 (1246). 717 Dafür Wegener, Der geheime Staat, 2006, S. 480 ff.; ders., Informationsfreiheit und Verfassungsrecht, in: FS-Bartlsperger, S. 165 (169 ff.); Scherzberg, Die Öffentlichkeit der Verwaltung, 2000, S. 378 ff.; ders., ThürVBl. 2003, 193 (200 f.); Angelov, Grundlagen und Grenzen eines staatsbürgerlichen Informationszugangsanspruchs, 2000, S. 81 ff.; i. E. wohl auch Roßnagel, Möglichkeiten für Transparenz und Öffentlichkeit im Verwaltungshandeln – unter besonderer Berücksichtigung des Internet als Instrument der Staatskommunikation, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Verwaltungsrecht in der Informationsgesellschaft, S. 257 (266 f.) und Albers, ZJS 2009, 614 (619); vorsichtig Nolte, DÖV 1999, 363 (368 f.). 718 Angelov, Grundlagen und Grenzen eines staatsbürgerlichen Informationszugangsanspruchs, S. 88.
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B. Betriebsgeheimnisse und verschiedene Informationsansprüche
Die herrschende Ansicht geht jedoch mit dem Bundesverfassungsgericht davon aus, dass ein Recht auf Zugang zu Informationen von Behörden – mit wenigen Ausnahmen 719 – grundrechtlich, insbesondere durch Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG, nicht gewährleistet sei. 720 Hieraus folge gleichzeitig, dass eine verfassungsrechtliche Pflicht zur Schaffung eines IFG nicht bestanden habe. 721 Das Recht, „sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten“, stelle ein Abwehr- und kein Leistungsrecht dar. 722 Zudem seien Informationen, über die staatliche Stellen verfügen, gerade nicht „allgemein zugänglich“. 723 Obwohl höchstrichterlich entschieden, ist diese Streitfrage – gerade mit Blick auf das Informationsfreiheitsgesetz – nach wie vor aktuell. Relevanz besitzt sie für die in der vorliegenden Arbeit problematisierte Schutzintensität von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen im Rahmen von Informationsansprüchen in der Form, dass eine fehlende verfassungsrechtliche Grundlage des allgemeinen Informationszugangsanspruchs zu einem strukturellen Übergewicht der verfassungsrechtlich „abgesicherten“ Ausnahmetatbestände führen könnte. 724 719 Z. B. BVerfG, NJW 2006, 1116 (1117) – Anspruch auf Einsicht in die eigenen Krankenunterlagen aus dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung, Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, oder BVerwGE 118, 270 (271 f.) – Anspruch auf Informationen über Details der einem Konkurrenten erteilten Konzession, um sich seinerseits mit Erfolgsaussicht bewerben zu können aus Art. 12 Abs. 1 GG. 720 BVerfGE 103, 44 (59 ff.), für Art. 5 Abs. 1 S. 1 Var. 2 GG gelte nichts anderes als für Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG; BVerfG, NJW 1986, 1243; BVerwGE 47, 247 (251 f.); OVG Münster, OVGE 14, 199 (201); VG Braunschweig, ZUM 2008, 254 (258); Sitsen, Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, 2009, S. 35; Schoch, IFG, Einl., Rn. 52; Kloepfer, Informationsrecht, 2002, § 3, Rn. 78 und § 10, Rn. 15; ders., DÖV 2003, 221 (227); Sokol, Brennpunkte des Datenschutzes, in: Roßnagel (Hrsg.), Handbuch Datenschutzrecht, Rn. 9; Kugelmann, Die informatorische Rechtsstellung des Bürgers, 2001, S. 60 ff.; ders., DÖV 2005, 851 (856); Jastrow / Schlatmann, IFG, Einl., Rn. 16 f.; Rossi, Informationszugangsfreiheit und Verfassungsrecht, 2004, S. 88 ff.; Kaufmann, Grundrechtlicher Anspruch auf Akteneinsicht als Voraussetzung der Demokratie?, in: Demokratie und Freiheit, Tagungsband der 39. Assistierendentagung Öffentliches Recht, S. 41 (48); Degenhart, in: Dolzer / Vogel / Waldhoff / Graßhof (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 5 Abs. 1 und 2, Rn. 312; Wendt, in: v. Münch / Kunig (Hrsg.), GG, Art. 5, Rn. 25; Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu / Hofmann / Hopfauf (Hrsg.), GG, Art. 5, Rn. 9; Bethge, in: Sachs (Hrsg.), GG, Art. 5, Rn. 60; Schemmer, in: Epping / Hillgruber (Hrsg.), GG, Art. 5, Rn. 33; Clemens, in: Umbach / ders. (Hrsg.), GG, Art. 5, Rn. 53; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 5 I, II, Rn. 244; Starck, in: v. Mangoldt (Begr.) / Klein (Fortf.) / ders. (Hrsg.), GG, Art. 5 Abs. 1, 2, Rn. 50; Stern, Staatsrecht, Bd. IV/1, S. 1408; Hufen, Staatsrecht II, Grundrechte, § 26, Rn. 8 f.; im Ergebnis ebenso Lodde, Informationsrechte des Bürgers gegen den Staat, 1996, S. 136. 721 Jastrow / Schlatmann, IFG, Einl., Rn. 16, 19; Schoch, IFG, Einl., Rn. 47 spricht von einer „rechtspolitischen Entscheidung“; zu einer etwa bestehenden objektivrechtlichen Dimension der Informationsfreiheit im Sinne eines Handlungsauftrags an den Gesetzgeber s. unter IV. 6. e). 722 Kloepfer, Informationsrecht, 2002, § 10, Rn. 15; Schoch, IFG, Einl., Rn. 52. 723 Vgl. Sokol, Brennpunkte des Datenschutzes, in: Roßnagel (Hrsg.), Handbuch Datenschutzrecht, Rn. 9.
IV. Der Informationszugangsanspruch nach dem IFG
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Im Folgenden werden die einzelnen Begründungsansätze und (Gegen-)Argumente näher beleuchtet, um die Frage nach der verfassungsrechtlichen Unterfütterung des allgemeinen Informationszugangsanspruchs beantworten zu können. a) Entstehungsgeschichte, Wortlaut und Funktion: Das „dogmatisch-traditionelle“ Verständnis des Grundrechts der Informationsfreiheit Das Grundrecht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten, ist unter dem Eindruck der Unterdrückungsherrschaft des NS-Regimes entstanden. 725 Primär sollte den Verboten des (Ab-)Hörens ausländischer Rundfunksender (sog. Feindsender) und des Bezugs ausländischer bzw. unerwünschter Druckerzeugnisse begegnet werden. Dieser historische Hintergrund wird auch in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung aufgegriffen. 726 Allerdings wird angemerkt, dass dieses Verständnis angesichts des offenen Wortlauts keine zwingende Schranke für ein gewandeltes Verständnis des Begriffs der „allgemein zugänglichen Quellen“ darstellen könne. 727 Dem ist zugutezuhalten, dass der Entstehungsgeschichte als Auslegungsmethode nach herrschender Meinung nur begrenzte Aussagekraft zukommt. 728 Neben ihrer Indizwirkung kann man aber – wenn schon das Wortlautargument bemüht wird – aus dem Wort „ungehindert“ schließen, dass die Zielrichtung dieses Grundrechts in der Abwehr staatlicher Restriktionen liegen sollte und soll. 729 Allerdings spricht dies nicht notwendigerweise gegen einen Anspruch auf Zugang zu Verwaltungsinformationen. Denkbar wäre es, auch diesen als Anspruch gegen die Verwehrung des Zugangs zu Verwaltungsinformationen, demgemäß also ebenfalls als Abwehranspruch zu konzipieren. 730 Angreifbarer erweist sich demgegenüber das Argument, 724
Wegener, Informationsfreiheit und Verfassungsrecht, in: FS-Bartlsperger, S. 165 befürchtet gar einen „exzessiven Gebrauch der weit gefassten Ausnahmetatbestände“. 725 Vgl. nur Degenhart, in: Dolzer / Vogel / Waldhoff / Graßhof (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 5 Abs. 1 und 2, Rn. 7; Weber, RDV 2005, 243 (244); Angelov, Grundlagen und Grenzen eines staatsbürgerlichen Informationszugangsanspruchs, 2000, S. 47 f.; Lodde, Informationsrechte des Bürgers gegen den Staat, 1996, S. 121; Albers, ZJS 2009, 614 (616). 726 Grundlegend BVerfGE 27, 71 (80, 84). 727 Wegener, Der geheime Staat, 2006, S. 481 ff.; ders., Informationsfreiheit und Verfassungsrecht, in: FS-Bartlsperger, S. 165 (179). 728 s. bereits o. III. 6. a). 729 Statt vieler Starck, in: v. Mangoldt (Begr.) / Klein (Fortf.) / ders. (Hrsg.), GG, Art. 5 Abs. 1, 2, Rn. 52; ausführlich hierzu Lodde, Informationsrechte des Bürgers gegen den Staat, 1996, S. 131 ff. 730 Wegener, Der geheime Staat, 2006, S. 484 f.; ders., Informationsfreiheit und Verfassungsrecht, in: FS-Bartlsperger, S. 165 (180); Nolte, DÖV 1999, 363 (369); vgl. auch Schoch, IFG, Einl., Rn. 155.
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B. Betriebsgeheimnisse und verschiedene Informationsansprüche
die Gewährung von Informationszugang sei keine Leistung, da die Information durch Gewährung des Zugangs nicht verbraucht werde. 731 Alleine das Zurverfügungstellen von Kapazitäten (etwa Räume zur Einsicht) bzw. der gesteigerte Personalaufwand (etwa zur Entgegennahme von Zugangsgesuchen oder Erteilung von Information) kann bereits als Leistung aufgefasst werden. 732 Sofern jedoch Leistungen im Raum stehen, ist zu deren Ausgestaltung der Gesetzgeber berufen, was sich aus dessen Finanz- und Haushaltskompetenz ergibt. 733 Was den Wortlaut betrifft, so ergibt sich dasselbe Problem wie beim presserechtlichen Auskunftsanspruch: Durch die Unklarheit des Anspruchsobjekts kann ein Informationszugangsanspruch nicht mit derselben Verbindlichkeit gewährleistet werden wie ein Abwehrrecht. 734 Auch wenn es ergebnisorientiert wirken mag, so lässt sich diesen Problemen mit der Konzeption eines Abwehranspruchs gegen die Verwehrung des Zugangs zu Informationen der Verwaltung begegnen. Entscheidende Argumente für einen unmittelbar aus der Verfassung ableitbaren Anspruch auf Zugang zu Behördenakten können hieraus jedoch nicht entnommen werden. Das „dogmatisch-traditionelle“ Verständnis des Grundrechts der Informationsfreiheit spricht demnach zunächst weder explizit für noch gegen die Einbeziehung von Behördenakten in den Schutzbereich von Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG. Entscheidend ist vielmehr die Auslegung des Tatbestandsmerkmals der „allgemein zugänglichen Quellen“. b) Behördenakten als „allgemein zugängliche Quellen“ im Rahmen von Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG: Bestimmungsrecht des Staates? An diesem Punkt spitzt sich die Diskussion um ein subjektives Recht auf Zugang zu Informationen der Verwaltung aus dem Grundrecht zu. Zählt man 731 Wegener, Der geheime Staat, 2006, S. 485; ders., Informationsfreiheit und Verfassungsrecht, in: FS-Bartlsperger, S. 165 (180); ähnlich Lodde, Informationsrechte des Bürgers gegen den Staat, 1996, S. 134. 732 A. A. Angelov, Grundlagen und Grenzen eines staatsbürgerlichen Informationszugangsanspruchs, 2000, S. 87, Informationen seien immaterielles Gut, so dass es kaum haushaltsrechtliche Konsequenzen gäbe [Anm.: Hervorhebung nur hier]. 733 Vgl. o. III. 6. e). 734 Starck, in: v. Mangoldt (Begr.) / Klein (Fortf.) / ders. (Hrsg.), GG, Art. 5 Abs. 1, 2, Rn. 77 zum verfassungsrechtlichen Informationsanspruch der Presse; diese Problematik lässt sich jedoch auf einen allgemeinen Informationszugangsanspruch aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG übertragen; Lodde, Informationsrechte des Bürgers gegen den Staat, 1996, S. 134; a. A. Angelov, Grundlagen und Grenzen eines staatsbürgerlichen Informationszugangsanspruchs, 2000, S. 88; vgl. zu diesem Problem beim presserechtlichen Auskunftsanspruch III. 6. a) und e).
IV. Der Informationszugangsanspruch nach dem IFG
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Behördenakten zu den „allgemein zugänglichen Quellen“, wäre der Zugang zu ihnen grundrechtlich durch die Informationsfreiheit gesichert. Anknüpfend an die Entstehungsgeschichte kann festgestellt werden, dass als Informationsquellen im Sinne von Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG vorwiegend Massenmedien wie z. B. Presse und Rundfunk anzusehen sind. Um jedoch einer nur mediatisierten Aufnahme von Information vorzubeugen, ist auch die Informierung am Ereignis selbst (z. B. öffentliche Rede) grundrechtlich geschützt. 735 Nach der Definition des Bundesverfassungsgerichts ist eine Informationsquelle dann allgemein zugänglich, wenn sie „geeignet und bestimmt ist, der Allgemeinheit, also einem individuell nicht bestimmbaren Personenkreis, Informationen zu verschaffen“. 736 Entscheidend sind die Merkmale geeignet und bestimmt. Die Frage nach der Eignung richtet sich nach den technischen Möglichkeiten, 737 die nach der Bestimmung danach, ob der Inhaber der Information – bei Behördenakten also der Staat – eine in seinem Verantwortungsbereich liegende (Informations-)Quelle für die Allgemeinheit öffnet oder nicht. 738 Die Allgemeinzugänglichkeit einer Informationsquelle bestimmt sich somit einerseits objektiv nach der Eignung, andererseits subjektiv nach der Bestimmung des Berechtigten. 739 aa) BVerfG-Beschluss „Leipziger Volkszeitung“ Dies wird freilich in Frage gestellt, 740 überwiegend unter Berufung auf eine Formulierung des Bundesverfassungsgerichts aus der Grundsatzentscheidung zur „Leipziger Volkszeitung“, in der es zur Allgemeinzugänglichkeit heißt: 735 Starck, in: v. Mangoldt (Begr.) / Klein (Fortf.) / ders. (Hrsg.), GG, Art. 5 Abs. 1, 2, Rn. 42 f. 736 BVerfGE 27, 71 (83); 90, 27 (32); 103, 44 (60); ebenso Kugelmann, DÖV 2005, 851 (856); Schoch, IFG, Einl., Rn. 52. 737 An diesem Merkmal dürfte die Allgemeinzugänglichkeit im Zeitalter des technischen Fortschritts (insbesondere des Internets) kaum noch scheitern, vgl. Rossi, Informationszugangsfreiheit und Verfassungsrecht, 2004, S. 212. 738 Sitsen, Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, 2009, S. 36 f.; vgl. BVerfGE 103, 44 (60); Degenhart, in: Dolzer / Vogel / Waldhoff / Graßhof (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 5 Abs. 1 und 2, Rn. 292 f. 739 Rossi, Informationszugangsfreiheit und Verfassungsrecht, 2004, S. 209 f.; Schemmer, in: Epping / Hillgruber (Hrsg.), GG, Art. 5, Rn. 26.1; ähnlich Kloepfer, Informationsrecht, 2002, § 10, Rn. 15; Schoch, IFG, Einl., Rn. 153 ff. („Widmung“). 740 Vgl. nur Wegener, Der geheime Staat, 2006, S. 477, 484; Starck, in: v. Mangoldt (Begr.) / Klein (Fortf.) / ders. (Hrsg.), GG, Art. 5 Abs. 1, 2, Rn. 44 (obwohl im Ergebnis einen verfassungskräftigen Informationsanspruch gegen den Staat ablehnend, Rn. 50); Weber, RDV 2005, 243 (245 f.); Angelov, Grundlagen und Grenzen eines staatsbürgerlichen Informationszugangsanspruchs, 2000, S. 46; Ekardt / Exner / Beckmann, VR 2007, 404 (405).
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B. Betriebsgeheimnisse und verschiedene Informationsansprüche
„Entscheidend ist allein die tatsächliche Art der Abgabe der Information, nicht die staatliche Bestimmung oder Verfügung.“ 741
Bei der Leipziger Volkszeitung handelte es sich um eine Informationsquelle, die – als DDR-Propagandaorgan – vom Staat mit einem Importverbot belegt wurde. Das Bestimmungsrecht über die Allgemeinzugänglichkeit stand ihm hier jedoch nicht zu, da es sich nicht – wie bei Behördenakten – um (eigene) staatliche Informationen handelte. Allein hierauf zielt der zitierte Passus ab. Zwar war die Leipziger Volkszeitung (damals) eine von der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands beherrschte Schrift aus der DDR und konnte somit zumindest Anlass zum Verdacht strafrechtlich relevanter Inhalte geben. 742 Dies führte jedoch nicht dazu, dass der Staat bestimmen konnte, es handele sich nicht um eine allgemein zugängliche Quelle und der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG sei nicht eröffnet. Eine Begrenzung des Schutzbereichs vorbei an der „Hürde“ des Art. 5 Abs. 2 GG sollte in dieser Konstellation unterbunden werden. 743 Eine Negierung des doppelten Maßstabs (der objektiven Eignung und der subjektiven Bestimmung) der Allgemeinzugänglichkeit lässt sich dem Beschluss jedoch nicht entnehmen, im Gegenteil: Dadurch, dass das Bundesverfassungsgericht hier allein auf die faktische Bestimmung der Allgemeinzugänglichkeit (der Leipziger Volkszeitung) abstellte, wurde implizit auch die subjektive Bestimmung des Berechtigten (hier eben gerade nicht des Staates) als schutzbereichskonstituierend angesehen. 744 Diesen Ansatz bestätigt die Formulierung des Gerichts, „Zeitungen und andere Massenkommunikationsmittel [seien] von Natur aus allgemein zugängliche Informationsquellen“. 745 Die Leipziger Volkszeitung sollte eben, wie vom Bestimmungsberechtigten vorgesehen und der Natur einer Zeitung entsprechend, eine allgemein zugängliche Quelle sein. Alles Weitere war im Rahmen der Schranke der „allgemeinen Gesetze“ in Art. 5 Abs. 2 GG zu klären. bb) „n-tv-Entscheidung“ Die sogenannte n-tv-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Januar 2001 bestätigt 746 den Befund, dass nach wie vor die subjektive Bestimmung des Berechtigten mitentscheidet. 747 Hier heißt es: 741 BVerfGE 27, 71 (84); ähnlich BVerfGE 90, 27 (32) – Parabolantenne: „Diese Eignung richtet sich allein nach den tatsächlichen Gegebenheiten.“ 742 Vgl. BVerfGE 27, 71 (78 f.). 743 Ähnlich bei BVerfGE 90, 27 (32) – Parabolantenne: „Rechtsnormen, die den Informationszugang regulieren, umgrenzen nicht den Schutzbereich der Informationsfreiheit, sondern sind als grundrechtsbeschränkende Normen an der Verfassung zu messen.“ Auch hierbei galt es, Restriktionen des nicht bestimmungsberechtigten Staates zu begegnen. 744 Rossi, Informationszugangsfreiheit und Verfassungsrecht, 2004, S. 210. 745 BVerfGE 27, 71 (83).
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„Das Grundrecht gewährleistet aber nur das Recht, sich ungehindert aus einer schon für die allgemeine Zugänglichkeit bestimmten Quelle zu unterrichten. Fehlt es an dieser Bestimmung, ist die Informationsbeschaffung nicht vom Grundrecht der Informationsfreiheit geschützt.“ 748
Hieraus folgt, dass das Grundrecht der Informationsfreiheit ab dem Moment greift, in dem eine Informationsquelle als allgemein zugänglich bestimmt wurde, vorher jedoch nicht. cc) Zirkuläre Argumentation? Den Gegnern einer verfassungsunmittelbaren Herleitung wird weiter vorgeworfen, ihre Argumentation sei zirkulär bzw. tautologisch. 749 Dabei beruhe der auf einer bisher unterbliebenen Ausübung des Bestimmungsrechts basierende Schluss auf fehlende Allgemeinzugänglichkeit auf überkommenen Vorstellungen von der Natur der Verwaltungsinformationen als regelmäßig geheimhaltungsbedürftig. 750 Ansatzpunkt dieser Kritik ist eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster aus dem Jahr 1958, nach der behördliche Akten keine allgemein zugänglichen Informationsquellen darstellen könnten, weil sie der öffentlichen Einsicht nicht allgemein zugänglich seien. 751 Ähnlich urteilte das Bundesverwaltungsgericht 1974, nach dem „der behördliche Bereich“ nicht zu den einem unbestimmten Personenkreis faktisch und damit allgemein zugänglichen Quellen gehöre. 752 Diese „Begründungen“ können offensichtlich nicht verfangen. Sie machen aber eines deutlich: Es bedarf eines subjektiven Elements zur Bestimmung der Allgemeinzugänglichkeit von Informationsquellen. Ansonsten wäre der von der herrschenden Meinung getragene Ausschluss von Behördenakten aus dem Schutzbereich der Informationsfreiheit – wie vom OVG Münster veranschaulicht – nicht begründbar und dessen Bestimmung allein vom technischen Fort746 Weber, RDV 2005, 243 (245) spricht von „Modifizierung“, was insofern auf eine abweichende Interpretation der älteren Entscheidung hindeutet, vgl. o. 747 BVerfGE 103, 44 (59 ff.); Rossi, Informationszugangsfreiheit und Verfassungsrecht, 2004, S. 209 f. 748 BVerfGE 103, 44 (60). 749 Wegener, Informationsfreiheit und Verfassungsrecht, in: FS-Bartlsperger, S. 165 (178): Die Informationen der Verwaltung seien nicht allgemein zugänglich, weil sie nicht allgemein zugänglich seien; Berger, in: ders. / Roth / Scheel (Hrsg.), IFG, vor § 1, Rn. 4; ähnlich Ekardt / Exner / Beckmann, VR 2007, 404 (405); Gurlit, Die Verwaltungsöffentlichkeit im Umweltrecht, 1989, S. 99 f. 750 Wegener, Informationsfreiheit und Verfassungsrecht, in: FS-Bartlsperger, S. 165 (178). 751 OVG Münster, OVGE 14, 199 (201). 752 BVerwGE 47, 247 (252).
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B. Betriebsgeheimnisse und verschiedene Informationsansprüche
schritt abhängig. 753 Alles, was theoretisch einem individuell nicht bestimmbaren Personenkreis zugänglich gemacht werden könnte, wäre demnach allgemein zugänglich im Sinne von Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG. Dies gälte im Übrigen auch für sämtliche Informationen privater Quellen. Dies zeigt deutlich, dass das Merkmal der subjektiven Bestimmung des Berechtigten nicht ausgeblendet werden kann. dd) Zwischenergebnis Behördenakten unterliegen nach alledem unter Zugrundelegung des doppelten Maßstabs der Allgemeinzugänglichkeit dem Bestimmungsrecht des Staates. Im Ergebnis muss daher überall dort, wo der Staat sich einer Bestimmung (primär durch Normen 754) über die Allgemeinzugänglichkeit ihm vorliegender Informationen enthalten hat, davon ausgegangen werden, dass umgekehrt die von den bislang gesetzlich geregelten Fällen nicht erfassten Informationen nicht allgemein zugänglich im Sinne von Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG sind. 755 Der Bestimmung über die Allgemeinzugänglichkeit folgt also in dieser Hinsicht diejenige des Umfangs der Informationsfreiheit. 756 c) Neuinterpretation des Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG? Eine weitere Aussage des n-tv-Urteils bietet (anscheinend) Anlass zur Diskussion: „Wird die Informationsquelle mit Einschränkungen – etwa speziell des rundfunkmäßigen Zugangs – eröffnet, dann hängt die Verfassungsmäßigkeit der einschränkenden Norm davon ab, ob eine solche Beschränkung vom Recht zur Bestimmung des Zugangs gedeckt ist, ohne dass sie sich zusätzlich an Art. 5 Abs. 2 GG messen lassen müsste. Folgt aber aus Verfassungsrecht, dass der Zugang als solcher weiter oder gar unbeschränkt hätte eröffnet werden müssen, kann dies vom Träger des Grundrechts der Informationsfreiheit [...] geltend gemacht werden.“ 757 753
Kugelmann, Die informatorische Rechtsstellung des Bürgers, 2001, S. 61 f.; Rossi, Informationszugangsfreiheit und Verfassungsrecht, 2004, S. 212 f.; vgl.o. 754 Schoch, IFG, Einl., Rn. 153. 755 Sitsen, Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, 2009, S. 37; Schoch, IFG, Einl., Rn. 52 spricht vom „normgeprägten Schutzbereich“ des Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG; instruktiv Rossi, Informationszugangsfreiheit und Verfassungsrecht, 2004, S. 211 ff. und Degenhart, in: Dolzer / Vogel / Waldhoff / Graßhof (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 5 Abs. 1 und 2, Rn. 280 ff., 292 ff.; ähnlich BVerfG, NJW 1986, 1243, das feststellt, dass Behördenakten schon ihrer Natur nach nicht öffentlich seien, es sei denn, aus ihrer konkreten Zweckbestimmung ergebe sich im Einzelfall etwas anderes. 756 Vgl. Berger, in: ders. / Roth / Scheel (Hrsg.), IFG, vor § 1, Rn. 1. 757 BVerfGE 103, 44 (61).
IV. Der Informationszugangsanspruch nach dem IFG
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Verschiedentlich 758 wird hieraus gelesen, dass die Eröffnung einer Quelle als allgemein zugänglich im Sinne von Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG aus Verfassungsrecht folgen kann. Wortlaut und Kontext der zitierten Passage lassen jedoch allein den Schluss zu, dass Verfassungsrecht lediglich den Umfang der Zugänglichkeit einer bereits allgemein zugänglich gemachten Quelle – bis hin zum unbeschränkten Zugang – erweitern kann. 759 Dass die Verfassung die Eröffnung einer Informationsquelle (speziell Behördeninformationen) nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG gebieten kann, ist hiermit nicht gesagt. Ungeachtet dessen soll aber im Folgenden der Frage nachgegangen werden, ob dennoch eine neue Auslegung des Grundrechts der Informationsfreiheit in Richtung eines subjektiven Rechts auf Zugang zu Informationen der Verwaltung verfassungsrechtlich angezeigt ist. 760 Dabei ist vornehmlich die Rolle der Staatszielbestimmungen des Art. 20 GG – insbesondere des Demokratie- und Rechtsstaatsprinzips – zu untersuchen. aa) Die Staatsstrukturprinzipien des Art. 20 GG als Grundlage eines allgemeinen Informationszugangsanspruchs Zunächst ist zu klären, ob sich aus diesen auch unmittelbar ein subjektives Recht auf Zugang zu Informationen der Verwaltung herleiten lässt. Die in Art. 20 GG verankerten Staatsstrukturprinzipien geben zwar allgemeine Leitlinien für die Öffentlichkeit und die Transparenz staatlichen Handelns. 761 Allerdings ist ihre normative Reichweite aufgrund der Unbestimmtheit und Konkretisierungsbedürftigkeit fraglich. 762 Auch spricht die im Grundgesetz angelegte klare Trennung von subjektiv-öffentlichen Rechten und Staatszielbestimmungen gegen eine unmittelbare Ableitung von Informationszugangsansprüchen aus den Staatsstrukturprinzipien. Speziell für das Demokratieprinzip gilt, dass die Entscheidung für die repräsentative Demokratie (im Gegensatz zur unmittelbaren Demokratie) keinen Raum für eine Versubjektivierung in Richtung eines Infor758 Albers, ZJS 2009, 614 (617 f.); Wegener, Informationsfreiheit und Verfassungsrecht, in: FS-Bartlsperger, S. 165 (181). 759 Zum Umfang der durch das IFG ermöglichten Zugänglichkeit von Behördenakten s. u. IV. 6. f). 760 Dafür Angelov, Grundlagen und Grenzen eines staatsbürgerlichen Informationszugangsanspruchs, 2000, S. 81 ff.; Wegener, Der geheime Staat, 2006, S. 480 ff.; ders., Informationsfreiheit und Verfassungsrecht, in: FS-Bartlsperger, S. 165 (169 ff.); Scherzberg, Die Öffentlichkeit der Verwaltung, 2000, S. 378 ff.; ders., ThürVBl. 2003, 193 (200 f.); zurückhaltend Kugelmann, Die informatorische Rechtsstellung des Bürgers, 2001, S. 62 und (damals) Gurlit, Die Verwaltungsöffentlichkeit im Umweltrecht, 1989, S. 98 ff. 761 Kugelmann, DÖV 2005, 851 (855); Gurlit, DVBl. 2003, 1119 (1125). 762 So schon BVerfGE 7, 89 (92 f.) zum Rechtstaatsprinzip; Schoch, IFG, Einl., Rn. 58; Kugelmann, Die informatorische Rechtsstellung des Bürgers, 2001, S. 33 ff., 55 f.; vgl. auch Rossi, Informationszugangsfreiheit und Verfassungsrecht, 2004, S. 84.
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B. Betriebsgeheimnisse und verschiedene Informationsansprüche
mationsanspruchs lässt. 763 Schließlich drohte das Parlament als Kernorgan des repräsentativen Systems – und damit als zuvorderst zur Kontrolle der Exekutive berufener Instanz – andernfalls seine staatsorganisatorisch herausgehobene Stellung zu verlieren. Die objektiven Strukturprinzipien des Art. 20 GG lassen sich somit nicht zu einem allgemeinen Informationsanspruch verdichten. 764 bb) Die Staatsstrukturprinzipien des Art. 20 GG als Stütze eines allgemeinen Informationszugangsanspruchs Allerdings wird von einigen Autoren das Demokratie-, und teilweise auch das Rechtsstaatsprinzip 765 zur Unterstützung bzw. Begründung einer neuen Auslegung des Tatbestandsmerkmals der „allgemein zugänglichen Quellen“ in Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG herangezogen. 766 Das Gebot der Rechtsstaatlichkeit verlange zunächst – im Sinne eines erweiterten Verständnisses gewaltenteiliger „checks and balances“ – nach einer Optimierung der Ausübung staatlicher Gewalt. Diese könne nur durch grundsätzliche Öffentlichkeit der Verwaltung erreicht werden, die wiederum zu einer reflexiven Selbstkontrolle der Amtsträger führe. 767 Aus dem Rechtsstaatsprinzip können zwar durchaus Transparenzverpflichtungen für staatliches Handeln entstehen. Diese gelten jedoch primär für potentiell (Norm-)Betroffene, die seitens der Verwaltung über das ihnen gegenüber angewandte Recht informiert werden müssen, um das staatliche Handeln für sie einerseits vorhersehbarer und berechenbarer zu machen, ihnen andererseits aber auch die Möglichkeit zu geben, ihre Rechte wahrzunehmen und durchzusetzen. 768 Von staatlichem Handeln rechtlich Betroffene haben regelmäßig besondere Einsichtsrechte (z. B. §§ 99 Abs. 1, 100 Abs. 1 VwGO). 769 Auch können sich solche im Einzelfall aus 763
Lodde, Informationsrechte des Bürgers gegen den Staat, 1996, S. 109; so auch Wegener, Der geheime Staat, 2006, S. 478 f.; ders., Informationsfreiheit und Verfassungsrecht, in: FS-Bartlsperger, S. 165 (168 f.). 764 Allgemeine Ansicht, vgl. nur Rossi, Informationszugangsfreiheit und Verfassungsrecht, 2004, S. 87; Kugelmann, Die informatorische Rechtsstellung des Bürgers, 2001, S. 33 ff., 35; Gusy, Die Informationsbeziehungen zwischen Staat und Bürger, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, § 23, Rn. 18, 21; Wegener, Der geheime Staat, 2006, S. 478 f.; ders., Informationsfreiheit und Verfassungsrecht, in: FS-Bartlsperger, S. 165 (168 f.); sogar Scherzberg, Die Öffentlichkeit der Verwaltung, 2000, S. 332 merkt an, dass die Staatszielbestimmungen des Art. 20 GG als objektive Rechtssätze nicht zur Begründung subjektiver Rechte geeignet seien; a. A. wohl Weber, RDV 2005, 243 (245). 765 Scherzberg, Die Öffentlichkeit der Verwaltung, 2000, S. 320 ff.; ders., ThürVBl. 2003, 193 (197 f.); unklar Albers, ZJS 2009, 614 (619). 766 s. Fn. 717. 767 Scherzberg, Die Öffentlichkeit der Verwaltung, 2000, S. 328 ff.; ders., ThürVBl. 2003, 193 (198).
IV. Der Informationszugangsanspruch nach dem IFG
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Grundrechten ergeben. 770 Ein Bedürfnis für ein allgemeines, voraussetzungsloses Informationszugangsrecht zu Behördenakten lässt sich aus rechtsstaatlichen Erwägungen jedoch nicht ableiten. 771 Hieran ändert auch ein „modifiziertes und reduziertes Verständnis von Funktion und Leistung der Gewaltenteilung“ 772 (als Kernelement formeller Rechtsstaatlichkeit 773) nichts. Dem originären Zweck der Gewaltenteilung, der in der Sicherung der Freiheit der Bürger durch Verhinderung von Machtkonzentration zu sehen ist, ein Gebot der grundsätzlichen Offenheit von Datensammlungen der Verwaltung zu entnehmen, stellt ein primär politisch motiviertes, über das Ziel hinausschießendes Vorhaben dar. Denn eine greifbare Konkretisierung dieser theoretischen Erwägungen lässt sich dem Grundgesetz nicht entnehmen. 774 Ohne eine solche kann eine Überlegung jedoch nicht zum verfassungsrechtlichen Argument erstarken. 775 Vor diesem Hintergrund kann das Rechtsstaatsprinzip weder ein unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG folgendes subjektives Recht im Wege einer Neuauslegung der allgemein zugänglichen Quellen (mit-)tragen noch eine verfassungsrechtliche Notwendigkeit zur Schaffung eines IFG begründen. 776 Das in Art. 20 Abs. 1 und 2 GG wurzelnde Demokratieprinzip spielt indessen beim Informationszugangsrecht aufgrund seiner Partizipationsfunktion eine bedeutendere Rolle. 777 Aber auch hier stellt sich die Frage, ob es in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG einen verfassungsunmittelbaren Informationszugangsanspruch gebietet. 778 Kern der Argumentation der Befürworter ist ein durch das Demokratieprinzip begründetes Öffentlichkeitserfordernis für Datenbestände der Verwaltung. Für parlamentarische Verfahren gelte seit jeher das Öffentlichkeitsprinzip; die Entwicklung der Verwaltung zu mehr Eigenständigkeit (Stichwort Kooperation mit Privaten) gebiete keine scharfe Trennung mehr zwischen die768
Gurlit, DVBl. 2003, 1119 (1126); Schoch, IFG, Einl., Rn. 57; Gusy, Die Informationsbeziehungen zwischen Staat und Bürger, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, § 23, Rn. 18. 769 Sitsen, Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, 2009, S. 37. 770 s. Fn. 719. 771 So auch Wegener, Der geheime Staat, 2006, S. 478 f.; ders., Informationsfreiheit und Verfassungsrecht, in: FS-Bartlsperger, S. 165 (168 f.); Schoch, IFG, Einl., Rn. 57. 772 Scherzberg, Die Öffentlichkeit der Verwaltung, 2000, S. 330; ders., ThürVBl. 2003, 193 (198). 773 Sommermann, in: v. Mangoldt (Begr.) / Klein (Fortf.) / Starck (Hrsg.), GG, Art. 20 Abs. 2, Rn. 207. 774 Rossi, Informationszugangsfreiheit und Verfassungsrecht, 2004, S. 86, 88. 775 Rossi, Informationszugangsfreiheit und Verfassungsrecht, 2004, S. 86. 776 So auch Schoch, IFG, Einl., Rn. 57. 777 s. unter IV. 3. 778 So unter ausführlicher Argumentation Wegener, Informationsfreiheit und Verfassungsrecht, in: FS-Bartlsperger, S. 165 (178 ff.).
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B. Betriebsgeheimnisse und verschiedene Informationsansprüche
sen beiden Gewalten, so dass auch Verwaltungsangelegenheiten grundsätzlich öffentlich sein sollten. 779 Die in einer Demokratie notwendige Möglichkeit der beständigen Einflussnahme auf die Ausübung staatlicher Gewalt sei allein durch Wahlen nicht zu erreichen. 780 Daher gelte, dass Informationen, die sich im Besitz der Verwaltung befänden, unter Geltung des Grundsatzes der Volkssouveränität prinzipiell der Öffentlichkeit gewidmet seien. 781 Da Wissen Macht sei, müsse das Wissen über Angelegenheiten des staatlichen Allgemeinwesens stets ein allgemeines sein. 782 Dies sei auch für den öffentlichen Meinungs- und Willensbildungsprozess essentiell, der als Korrektiv zur amtlichen Meinung in Parlament, Regierung und Verwaltung fungiere. 783 Das nach der grundgesetzlichen Ordnung erst- und vorrangig mächtige und Macht delegierende Volk bedürfe ferner der Information, um den Gebrauch und den möglichen Missbrauch delegierter Herrschaft überprüfen zu können. 784 Denn das Demokratieprinzip verlange nicht nur nach einem ausreichenden Niveau, sondern nach einer Optimierung der Legitimation staatlichen Handelns und damit nach einer transparenten Verwaltung. 785 Das Prinzip der Einheit der Verfassung führe in diesem Sinne zu einer neuen, „demokratietheoretischen“ 786 Auslegung der „allgemein zugänglichen Quellen“ in der Form, dass die Verfassung die Bestimmung über die Allgemeinzugänglichkeit staatlicher Verfügung unterliegender Datenbestände selbst treffe. 787 Darum seien Informationen der Verwaltung als allgemein zugängliche Quellen im Sinne von Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG Gegenstand des Grundrechts auf Informationsfreiheit und als solches jedermann 788 zugänglich. Die Feststellung, der Bürger bedürfe möglichst umfassender Information zur verantwortlichen Teilhabe am Willensbildungsprozess des Volkes, ist vom Bundesverfassungsgericht stets bestätigt worden, 789 ebenso der Bezug der Informati779
Albers, ZJS 2009, 614 (619). Scherzberg, ThürVBl. 2003, 193 (197). 781 Wegener, Der geheime Staat, 2006, S. 429 f.; ders., Informationsfreiheit und Verfassungsrecht, in: FS-Bartlsperger, S. 165 (173). 782 Wegener, Informationsfreiheit und Verfassungsrecht, in: FS-Bartlsperger, S. 165 (172 f.). 783 Angelov, Grundlagen und Grenzen eines staatsbürgerlichen Informationszugangsanspruchs, 2000, S. 71 f. 784 Wegener, Der geheime Staat, 2006, S. 429; ders., Informationsfreiheit und Verfassungsrecht, in: FS-Bartlsperger, S. 165 (174). 785 Wegener, Der geheime Staat, 2006, S. 434. 786 So Wegener, Informationsfreiheit und Verfassungsrecht, in: FS-Bartlsperger, S. 165 (178). 787 Scherzberg, Aussprache zu Masing, VVDStRL 63, 377 (453); ders., ThürVBl. 2003, 193 (200). 788 Lediglich Angelov, Grundlagen und Grenzen eines staatsbürgerlichen Informationszugangsanspruchs, 2000, S. 88 sieht den Kreis der Anspruchsberechtigten auf Deutsche begrenzt. 780
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onsfreiheit zum demokratischen Prinzip des Art. 20 Abs. 1 und 2 GG. 790 Lässt sich aber aus der Feststellung der Bedeutung der Informiertheit der Bevölkerung in einer Demokratie zugleich auf ein demokratisches Gebot der generellen Öffentlichkeit von Verwaltungsinformationen schließen, welches – subjektiv verdichtet – in einen verfassungsunmittelbaren Datenzugangsanspruch mündet? Zwar kann sich das Verständnis der notwendigerweise abstrakt gefassten Strukturbestimmungen auch ändern, allerdings gilt es in ihrem Interesse, mit vorschnellen, verfassungsrechtlichen Ableitungen politischer Forderungen zurückhaltend umzugehen. 791 Nicht jede geforderte staatliche Maßnahme, die sich mit dem Inhalt der Strukturprinzipien deckt, wird durch diese Kongruenz zugleich verfassungskräftig. 792 Anders ausgedrückt: Nicht alles, was (rechts- oder) demokratiestaatlich förderlich sein mag, ist auch verfassungsrechtlich geboten. Das demokratie-, wie auch das rechtsstaatliche Argument darf nicht durch pauschalen Verweis ausgehöhlt werden. Vielmehr gilt es, das tatsächlich prinzipiell Geforderte in den Fokus zu nehmen: Das Demokratieprinzip als Staatsstrukturbestimmung errichtet ein institutionelles Gerüst und setzt Regeln für den politischen Prozess. 793 Es verlangt jedoch gerade nicht nach einer Optimierung, 794 die wiederum den Nährboden für die Konstitutionalisierung bestimmter politischer Forderungen darstellen könnte. In Bezug auf den verfassungsrechtlich geforderten Grad demokratischer Legitimation hat das Bundesverfassungsgericht beispielsweise ein „hinreichendes“, nicht ein „optimales“ Legitimationsniveau verlangt. 795 Vor diesem Hintergrund kann das Demokratieprinzip auch keine generelle Öffentlichkeit von Verwaltungsinformationen gebieten. Verständlich ist daher die Aussage, es stelle einen Kurzschluss dar, aus dem objektiv-rechtlichen Prinzip der Öffentlichkeit der Verwaltung ein subjektives, verfassungsunmittelbares Datenzugangsrecht zu folgern. 796 Ein solches stellte nur eine allgemeine Abwägungsformel dar, die einer konkreten (und vor allem gesetzgeberischen 789
Vgl. nur BVerfGE 20, 162 (174); 44, 125 (147). BVerfGE 27, 71 (81); s. auch Gurlit, Die Verwaltungsöffentlichkeit im Umweltrecht, 1989, S. 98; Lodde, Informationsrechte des Bürgers gegen den Staat, 1996, S. 121 f. 791 Vgl. oben, Rossi, Informationszugangsfreiheit und Verfassungsrecht, 2004, S. 86; ähnlich Kaufmann, Grundrechtlicher Anspruch auf Akteneinsicht als Voraussetzung der Demokratie?, in: Demokratie und Freiheit, Tagungsband der 39. Assistierendentagung Öffentliches Recht, S. 41 (58). 792 Rossi, Informationszugangsfreiheit und Verfassungsrecht, 2004, S. 86 f.; Gusy, Die Informationsbeziehungen zwischen Staat und Bürger, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, § 23, Rn. 21 bezeichnet die (von Wegener vorgenommene) Neuinterpretation des Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG als „rechtssystematisch zu weitgehend“. 793 Waldhoff, JZ 2009, 144 (146 f.). 794 Waldhoff, JZ 2009, 144 (147) m.w. N.; eingehend zu verfassungsrechtlichen Optimierungsgeboten Lerche, in: FS-Stern, S. 197 ff. 795 BVerfGE 83, 60 (71 f.); 93, 37 (67); vgl. Waldhoff, JZ 2009, 144 (147). 796 Masing, VVDStRL 63, 377 (Aussprache, 464). 790
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und damit demokratischen) Bestimmung, wie weit Öffentlichkeit reichen soll, abträglich wäre. 797 cc) Bedürfnis eines allgemeinen, verfassungsunmittelbaren Informationszugangsanspruchs? Eine solche konkrete Bestimmung ist inzwischen in Form des IFG erlassen worden. Vielleicht waren die Rufe nach einem subjektiven Recht auf Datenzugang unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG deshalb lauter geworden, weil Deutschland im internationalen Vergleich bei der Kodifizierung von Informationsfreiheitsgesetzen weit abgeschlagen war. 798 Die Befürchtung eines Zustands „informationeller Unterversorgung“ konnte man demnach durchaus als begründet ansehen. Jean Angelov stützte die Notwendigkeit eines allgemeinen, verfassungsrechtlichen Informationszugangsanspruchs beispielsweise unter anderem auf die Feststellung, dass die Presse den Bürger aufgrund der vielen Ausnahmen zu den Informationsansprüchen der Landespressegesetze und des fehlenden Anspruchs aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG 799 nicht hinreichend informieren könne. 800 Mit der Schaffung der IFG auf Bundes- und Landesebene und den immer weiter fortschreitenden technischen Möglichkeiten ist jedoch eine „informationelle Unterversorgung“ der Bürger heute kaum noch denkbar. 801 Aber selbst eine solche unterstellt, wäre ein allgemeines, verfassungsrechtliches Einsichtsrecht auch nur eine Abhilfemöglichkeit von vielen (es könnte z. B. auch das Einsichtsrecht der Presse gestärkt oder die staatliche Informationspolitik intensiviert werden). 802
797 Masing, VVDStRL 63, 377 (Aussprache, 464); Gusy, Die Informationsbeziehungen zwischen Staat und Bürger, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann / Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, § 23, Rn. 21, 24. 798 s. o. IV. 3. und Fn. 614; vgl. a. die Darstellung bei Roßnagel, Möglichkeiten für Transparenz und Öffentlichkeit im Verwaltungshandeln – unter besonderer Berücksichtigung des Internet als Instrument der Staatskommunikation, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Verwaltungsrecht in der Informationsgesellschaft, S. 257 (308 ff.). 799 Vgl. hierzu III. 6. 800 Angelov, Grundlagen und Grenzen eines staatsbürgerlichen Informationszugangsanspruchs, 2000, S. 82 ff. 801 Vgl. Sitsen, Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, 2009, S. 37 f.; Voßkuhle, Der Wandel von Verwaltungsrecht und Verwaltungsprozeßrecht in der Informationsgesellschaft, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Verwaltungsrecht in der Informationsgesellschaft, S. 349 (379). 802 Sitsen, Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, 2009, S. 38.
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dd) Zwischenergebnis Im Ergebnis überzeugen die Neuinterpretationen der „allgemein zugänglichen Quellen“ im Rahmen von Art. 5 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 GG verfassungsrechtlich nicht. Pauschale Verweise auf unbestimmte Postulate wie das Rechtsstaats- bzw. Demokratieprinzip vermögen hieran nichts zu ändern. Es bleibt die Vermutung, dass insbesondere aufgrund der lange fehlenden gesetzlichen Regelung eines allgemeinen Informationsfreiheitsrechts und der weiter fortgeschrittenen Entwicklung in anderen Staaten versucht wurde, Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG ein subjektives Recht auf Informationszugang gegenüber Behörden zu entnehmen. 803 Maßgebend für die Bestimmung von allgemein zugänglichen Quellen bleibt daher die vom Bundesverfassungsgericht zuletzt in der „n-tv-Entscheidung“ vorgenommene Definition. Hiernach sind Behördenakten als nicht allgemein zugänglich anzusehen. 804 d) Art. 38 Abs. 1 GG Vereinzelt wird versucht, einen Informationszugangsanspruch aus Art. 38 Abs. 1 GG herzuleiten. 805 Die Verbindung der im Maastricht-Urteil zum Ausdruck gebrachten Subjektivierung des Demokratieprinzips 806 mit dem grundsätzlichen Informationsbedürfnis des Einzelnen zur verantwortlichen Teilhabe an der politischen Willensbildung des Volkes 807 erlaube eine Ausdehnung des Schutzbereichs des Art. 38 Abs. 1 GG insoweit, als er einen unmittelbaren staatsbürgerlichen Informationszugang gegenüber Behörden mitumfasse. 808 Auch hier scheint es jedoch, als werde das Bedürfnis umfassender Informiertheit des Bürgers mittels demokratieprinzipieller Erwägungen ohne verfassungsrechtliche Konkretisierung und Notwendigkeit zu einem Informationsanspruch „gezüchtet“. Mehr
803 Zu dieser Vermutung passend Lodde, Informationsrechte des Bürgers gegen den Staat, 1996, S. 136: „Das unstreitig vorhandene Transparenz- und Kontrolldefizit im Exekutivbereich und das [...] Informationsbedürfnis zur Wahrnehmung der demokratischen Rechte „schreien“ zwar nach staatlicher Abhilfe, doch kann hieraus eine juristisch zwingende Ableitung eines verfassungsunmittelbaren allgemeinen Informationsrechts nicht begründet werden.“ 804 s. o. IV. 6. b) dd). 805 Angelov, Grundlagen und Grenzen eines staatsbürgerlichen Informationszugangsanspruchs, 2000, S. 88 ff.; zurückhaltend Nolte, DÖV 1999, 363 (367 f.). 806 BVerfGE 89, 155 (171): Art. 38 Abs. 1 GG enthält nicht nur das Wahlrecht, sondern auch einen „grundlegenden demokratischen Gehalt“, dessen Verletzung in bestimmten Fällen vom einzelnen Bürger geltend gemacht werden kann. 807 s. o. Fn. 788, 789. 808 Angelov, Grundlagen und Grenzen eines staatsbürgerlichen Informationszugangsanspruchs, 2000, S. 90.
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als ein allgemeines Informationsbedürfnis des Wahlberechtigten dürfte Art. 38 Abs. 1 GG jedoch nicht zu entnehmen sein. 809 e) Objektivrechtliche Dimension und ihre Wirkung Art. 5 Abs. 1 GG enthält anerkanntermaßen neben der Abwehrdimension auch ein objektives Prinzip, welches dem Gesetzgeber aufgibt, die in Art. 5 Abs. 1 GG verbürgten Freiheiten zu schützen und zu sichern. 810 Im Vergleich zur Pressefreiheit, bei der die objektive Dimension von zentraler Bedeutung ist, überwiegt bei der Informationsfreiheit allerdings die subjektive Abwehrkomponente. 811 Nichtsdestoweniger hat der Staat auf Grundlage von Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG eine Informationsvorsorge zu leisten. 812 Allerdings liegt die Ausgestaltung dieser Vorsorge in seiner Hand. Er ist verfassungsrechtlich nicht verpflichtet, subjektive Rechte auf Zugang zu amtlichen Informationen zu kodifizieren, 813 vielmehr kann er auch seine aktive Informationspolitik intensivieren oder andere Maßnahmen ergreifen. 814 Die Schaffung des IFG war demnach eine rechtspolitische Entscheidung, die Ausdruck staatlicher Informationsvorsorge, nicht hingegen Folge verfassungsrechtlicher Verpflichtung ist. 815 f) Ergebnis und Umfang der Grundrechtsaktivierung Hiernach lässt sich feststellen, dass vor Erlass des IFG auch kein verfassungsunmittelbarer Anspruch auf Zugang zu Behördenakten des Bundes bestand. Es lässt sich demnach aus dem Grundrecht der Informationsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG kein Grundrecht der Informationszugangsfreiheit ableiten – auch nicht unter „Zuhilfenahme“ der Staatsstrukturprinzipien. 816 Mit dem IFG sind Behördenakten im Wege der Ausübung des Bestimmungsrechts des Staates hingegen zu allgemein zugänglichen Quellen im Sinne von Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG geworden. Der Schutzbereich dieses Grundrechts wurde mithin durch das IFG „aktiviert“. 817 809
Rossi, Informationszugangsfreiheit und Verfassungsrecht, 2004, S. 85 f. m.w. N. Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 5 I, II, Rn. 213; vgl. schon oben III.6., 7. 811 Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 5 I, II, Rn. 213. 812 Schoch, IFG, Einl., Rn. 56. 813 So aber Kugelmann, DÖV 2005, 851 (856). 814 Schoch, IFG, Einl., Rn. 56; vgl. o. IV. 6. c) cc). 815 Vgl. Rossi, Informationszugangsfreiheit und Verfassungsrecht, 2004, S. 91 f. u. Nachw. unter Fn. 720. 816 Den Unterschied der Begriffe „Informationsfreiheit“ und „Informationszugangsfreiheit“ betonend Kloepfer DÖV 2003, 221 (223, 227). 810
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Problematisch ist jedoch der Umfang der Grundrechtsaktivierung. Sind Behördenakten in ihrer Sachgesamtheit Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG zuzuordnen 818 oder sind die Ausschlusstatbestände in die Bestimmung der allgemein zugänglichen Quellen einzubeziehen? 819 Für die erstgenannte Ansicht könnte sprechen, dass es bei der Einordnung einer Informationsquelle als allgemein zugänglich um eine Art Kategorisierung geht. Staatliche Archive und Bibliotheken etwa bleiben auch dann generell allgemein zugänglich, wenn einzelne Teile der Einrichtungen einer externen Nutzung entzogen werden. 820 Besonders stichhaltig ist dieses Argument jedoch nicht; genauso gut könnte man sagen, dass nur die für die externe Nutzung gedachten Teile von Archiven und Bibliotheken allgemein zugängliche Quellen sind. Weiter spricht gegen die erste Meinung, dass der Gesetzgeber nicht zur Schaffung eines Informationsfreiheitsgesetzes verpflichtet war und die Reichweite des Informationszugangs durch Ausnahmetatbestände frei regulieren konnte. Insofern konnte er also auch die Reichweite der öffentlichen Zugänglichkeit frei regeln. 821 Auch wenn im n-tv-Urteil anklingt, dass eine Erweiterung des Umfangs der Zugänglichmachung verfassungsrechtlich intendiert sein kann, so lässt sich für Behördeninformationen eine solche Notwendigkeit aus den gleichen Argumenten nicht finden, wie auch schon die Eröffnung dieser Daten als allgemein zugängliche Informationsquelle nicht verfassungsrechtlich verbindlich ist. 822 Wenn die Ermittlung der Allgemeinzugänglichkeit neben der objektiven Eignung die subjektive Bestimmung des Berechtigten voraussetzt, ist es nur konsequent, die subjektive Seite durch eine Gesamtschau der gesetzlichen Bestimmungen, nicht aber durch eine einzelne Norm ausgefüllt zu sehen. 823 Der Gesetzgeber bestimmt mit dem IFG also zugleich Inhalt und Schranken der Allgemeinzugänglichkeit von Behördeninformationen. 824 Dies wird auch durch die Aussage des Bundesverfassungsgerichts unterstrichen, nach der der Schutzbereich der Informationsfreiheit „erst nach Herstellung der allgemeinen Zugänglichkeit und nur in ihrem Umfang betroffen sein kann“. 825 Im Ergebnis sind daher durch das IFG Informationen der öffentlichen Verwaltung nur unter Einbeziehung der Ausnah817 Rossi, Informationszugangsfreiheit und Verfassungsrecht, 2004, S. 207 ff., 214 f.; Sitsen, Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, 2009, S. 37; Berger, in: ders. / Roth / Scheel (Hrsg.), IFG, vor § 1, Rn. 5 ff. 818 So Schoch, IFG, Einl., Rn. 157 f.; Berger, in: ders. / Roth / Scheel (Hrsg.), IFG, vor § 1, Rn. 5 ff. 819 So Rossi, Informationszugangsfreiheit und Verfassungsrecht, 2004, S. 216 ff.; VG Braunschweig, ZUM 2008, 254 (258). 820 Schoch, IFG, Einl., Rn. 158. 821 VG Braunschweig, ZUM 2008, 254 (258). 822 s. o. IV. 6. c) bb). 823 Rossi, Informationszugangsfreiheit und Verfassungsrecht, 2004, S. 218. 824 Ebd.
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metatbestände Bestandteile der allgemein zugänglichen Quellen i. S. d. Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG geworden. 826 7. Grenzen a) Allgemein Das IFG sieht in den §§ 3 ff. Ausnahmen vom Informationszugang vor. Diese waren im Gesetzgebungsverfahren der rechtspolitisch umstrittenste Teil des IFG. 827 Unbestritten ist zwar, dass ein voraussetzungsloses Informationszugangsrecht Beschränkungen braucht. Teilweise sei der Gesetzgeber aber insbesondere beim Schutz öffentlicher Belange über das Ziel hinausgeschossen. 828 Im daraus resultierenden extensiven Umgang mit den zahlreichen Ausnahmebestimmungen äußerten sich außerdem „unverändert vorhandene Beharrungstendenzen“. 829 Die §§ 3 bis 6 IFG behandeln Ausnahmetatbestände, die dem Schutz öffentlicher und privater Belange dienen. Als Ausnahmevorschriften sind sie eng auszulegen. 830 Ansonsten bliebe vom Grundsatz der Informationszugangsfreiheit nicht mehr viel übrig. 831 So reicht beispielsweise ein formaler Hinweis auf nicht von vornherein auszuschließende, abstrakt gegebene „nachteilige Auswirkungen“ nicht aus, um einen Ausschlussgrund nach § 3 Nr. 1 IFG zu begründen. 832 Die Behörde hat bei Verweigerung des Informationszugangs vielmehr hinreichend substantiiert 825 So Rossi, Informationszugangsfreiheit und Verfassungsrecht, 2004, S. 219 unter Verweis auf BVerfGE 103, 44 (60), [Anm.: Hervorhebung nur hier]. 826 Rossi, Informationszugangsfreiheit und Verfassungsrecht, 2004, S. 219 weist auf die dadurch erheblich reduzierte Grundrechtswirkung des Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG hin: Sofern ein Antrag nach dem IFG Erfolg hat, ist es für den Antragsteller unerheblich, ob ihm zusätzlich das Grundrecht der Informationsfreiheit zur Seite steht; sofern er (wegen eines Ausschlussgrunds) keinen Erfolg hat, kann er sich nicht auf Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG berufen. Diese Sichtweise ist jedoch nach der hier vertretenen Auffassung von der Bestimmung allgemein zugänglicher Quellen konsequent. 827 Kloepfer, K&R 2006, 19 (20) bezeichnet das Ergebnis aufgrund der Fülle von Ausnahmetatbeständen als „Ausnahme(n)gesetz“; ähnlich kritisch Bräutigam, DVBl. 2006, 950 (956): „Kodifizierung des Amtsgeheimnisses“. 828 Kloepfer, K&R 2006, 19 (21) nennt beispielhaft den kategorischen Ausschluss des Anspruchs gegenüber Nachrichtendiensten nach § 3 Nr. 8 IFG und prangert eine fehlende Differenzierung zwischen sicherheitsspezifischen und sonstigen Interessen an, da nur Erstere eine Ausnahme vom Informationszugang rechtfertigen können sollten. 829 Ekardt / Exner / Beckmann, VR 2007, 404. 830 VG Frankfurt a. M., NVwZ 2008, 1384 (1385) und Urt. v. 18. 2. 2009 – 7 K 4170/ 07.F, Rz. 24 zu § 3 IFG; Gurlit, WM 2009, 773 (776); Schoch, AfP 2010, 313 (318); vgl. BT-Drs. 15/4493, S. 9. 831 Vgl. Schaar, Tätigkeitsbericht 2006/2007, BT-Drs. 16/8500, S. 12. 832 VG Frankfurt a. M., NVwZ 2008, 1384 (1386) zu § 3 Nr. 1 (lit. d); dieser Ausschlussgrund fordert die Möglichkeit „nachteiliger Auswirkungen“ der Gewährung des
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darzulegen, welche Umstände einem Informationszugang konkret entgegenstehen. 833 b) Ausnahmen zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen Aufgrund des offenen Wortlauts einiger Ausnahmetatbestände kommen neben dem ausdrücklich dem Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen gewidmeten § 6 S. 2 IFG auch andere, im Folgenden kurz zu untersuchende Vorschriften hierzu in Betracht. Dabei wird nicht übersehen, dass die Ausnahmetatbestände in § 3 IFG zum Schutz besonderer öffentlicher Belange bestehen. 834 Eine mittelbare bzw. reflexartige Schutzwirkung für Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse kann von diesen aber dennoch ausgehen. aa) Schutz vertraulich erhobener oder ermittelter Informationen (§ 3 Nr. 7 IFG) Diese Vorschrift soll primär Hinweisgeber und Informanten schützen, um die – oft auf freiwilliger Basis beruhende – Informationszusammenarbeit der Behörden mit Bürgern und Unternehmen zu erhalten. 835 Der offene Wortlaut erlaubt es hingegen, die Vorschrift auch auf sonstige seitens der Unternehmen übermittelte Informationen anzuwenden. Dies könnte jedoch dazu führen, dass sämtliche als vertraulich deklarierte Informationen nach § 3 Nr. 7 IFG vom Informationszugangsanspruch ausgenommen wären. 836 Richtigerweise können nach dem Zweck der Vorschrift nur freiwillig übermittelte und als vertraulich gekennzeichnete Informationen Gegenstand dieser Schranke sein, denn für zwangsweise erhobene Informationen besteht kein schützenswerter Anreiz zur Kooperation mit der Behörde. 837
Informationszugangs etwa auf internationale Beziehungen (Nr. 1 lit. a) oder Angelegenheiten der externen Finanzkontrolle (Nr. 1 lit. e). 833 VG Frankfurt a. M., NVwZ 2008, 1384 (1387) und Urt. v. 18. 2. 2009 – 7 K 4170/ 07.F, Rz. 24; bei einem Aktenumfang von mehreren tausend Ordnern genügt es, dass die Behörde das Vorliegen von Ausschlussgründen zur Überzeugung des Gerichts substantiiert darlegt, ohne die konkrete, den Anspruch ausschließende Stelle zu benennen, VG Berlin, Urt. v. 12. 10. 2009 – 2 A 20.08, Rz. 43. 834 Dies hervorhebend Wudy, PharmR 2009, 161 (163). 835 Sellmann / Augsberg, WM 2006, 2293 (2300); vgl. BT-Drs. 15/4493, S. 11. 836 VGH Kassel, Beschl. v. 24. 3. 2010 – 6 A 1832/09, Rz. 18. 837 Sitsen, Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, 2009, S. 189; Brock / Morbach, PharmR 2009, 108 (109 f.); a. A. Sellmann / Augsberg, WM 2006, 2293 (2300).
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bb) Schutz der Kontroll- oder Aufsichtsaufgaben der Finanz-, Wettbewerbs- und Regulierungsbehörden (§ 3 Nr. 1 lit. d IFG) Die Offenlegung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen gegenüber Konkurrenten im sensiblen Bereich des Finanz-, Wettbewerbs- und Regulierungsrechts kann wettbewerbsverfälschende Wirkung haben. 838 Außerdem wird die Kooperationsbereitschaft der beaufsichtigten Unternehmen stark eingeschränkt, wenn jederzeit mit der Offenlegung der sie betreffenden Daten gerechnet werden muss. Da die Aufsichts- und Kontrollaufgaben der entsprechenden Behörden vor allem in der Erhebung und Überprüfung von Marktdaten bestehen, kann sich eine solche Praxis nachteilig hierauf auswirken. 839 Zumindest mittelbar könnte so ein Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen durch § 3 Nr. 1 lit. d IFG erreicht werden. 840 Zu beachten ist jedoch, dass sich die entsprechende Behörde nicht unter pauschalem Hinweis auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse beaufsichtigter Unternehmen auf § 3 Nr. 1 lit. d IFG berufen kann. Dies käme einer Bereichsausnahme gleich, die indessen nach § 3 Nr. 8 IFG nur für den Zugang zu Informationen der Nachrichtendienste und der Bundesbehörden und sonstigen öffentlichen Stellen des Bundes im Rahmen der Erfüllung von Aufgaben im Sinne von § 10 Nr. 3 des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes normiert worden ist. 841 Der Schutz kann vielmehr nur reflexhaft erfolgen, wenn die Behörde hinreichend substantiiert und konkret darlegt, welche Akteninhalte aus welchen Gründen nicht freigegeben werden können. 842 cc) Pflicht zur Geheimhaltung, Geheimnisschutz (§ 3 Nr. 4 IFG) Auch § 3 Nr. 4 IFG besteht nur im öffentlichen Interesse. 843 Dennoch kann es auch durch diese Norm zu einer redundanten Absicherung von Betriebs838
Sellmann / Augsberg, WM 2006, 2293 (2300); Burholt, BB 2006, 2201 (2203). Burholt, BB 2006, 2201 (2203). 840 Vgl. Sitsen, Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, 2009, S. 163. 841 VGH Kassel, Beschl. v. 30. 4. 2010 – 6 A 1341/09, Rz. 11; vgl. a. Brocker / Andrzejewski, GWR 2011, 378. 842 Eingehend VGH Kassel, Beschl. v. 30. 4. 2010 – 6 A 1341/09, Rz. 7 ff., 12 f.; Beschl. v. 24. 3. 2010 – 6 A 1832/09, Rz. 10 ff.; VG Frankfurt, Beschl. v. 18. 5. 2010 – 7 K 1645/09.F, Rz. 10 ff.: Erforderlich ist die „konkrete Möglichkeit einer erheblichen und spürbaren Beeinträchtigung der Aufgabenerfüllung durch die Behörde als Folge der Ermöglichung des Zugangs zu bestimmten unternehmens- oder drittbezogenen Informationen“. Für entgegenstehende Belange Privater sei der Schutz nach §§ 5, 6 IFG ausreichend, vgl. VG Frankfurt a. M., NVwZ 2008, 1384 (1386), Urt. v. 28. 01. 2009 – 7 K 4037/07.F, Rz. 38 und Urt. v. 17. 6. 2009 – 7 K 2282/08.F (3), Rz. 46; Rossi, DVBl. 2010, 554 (560); Sitsen, Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, 2009, S. 163; a. A. wohl VG Berlin, Urt. v. 03. 12. 2008 – 2 A 132.07, Rz. 24, das nachteilige Auswirkungen nach § 3 Nr. 1 IFG schon bei jedem (abstrakt) in Betracht kommenden Nachteil annehmen will. 839
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und Geschäftsgeheimnissen neben § 6 S. 2 IFG kommen. 844 Beispielsweise kann § 30 VwVfG 845 eine Geheimhaltungspflicht im Sinne von § 3 Nr. 4 IFG begründen. 846 Gleiches gilt für die Berufsgeheimnisse etwa von Rechtsanwälten (§ 43a BRAO) oder Notaren (§ 18 BNotO), die sich auch auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse ihrer Mandanten erstrecken können. 847 Auch § 9 KWG, § 8 WpHG und § 9 WpÜG erlegen den bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) Beschäftigten Geheimhaltungspflichten auf. 848 Ungeklärt ist, ob diese Vorschriften über § 3 Nr. 4 IFG dem § 6 S. 2 IFG vorgehen. 849 Da es sich bei diesen um spezielle banken- und kapitalmarktaufsichtsrechtliche Normen handelt, die den Schutzumfang für Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nur ausschnittweise wiedergeben, kann diese Frage an dieser Stelle unerörtert bleiben. Der als Rezeptionsnorm fungierende § 3 Nr. 4 IFG setzt bereichsspezifische Verschwiegenheitsvorschriften voraus, so dass sich der Geheimnisschutz durch diese selbst bestimmt und sich Art und Umfang des Geheimnisschutzes je nach Rechtsgebiet unterscheiden. 850 Es würde hier zu weit führen, die einzelnen Vor-
843
Deutlich Schoch, IFG, § 3, Rn. 136. Schoch, IFG, § 3, Rn. 139; Sitsen, Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, 2009, S. 178 f. 845 „Die Beteiligten haben Anspruch darauf, dass ihre Geheimnisse, insbesondere die zum persönlichen Lebensbereich gehörenden Geheimnisse sowie die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, von der Behörde nicht unbefugt offenbart werden.“ 846 Burholt, BB 2006, 2201 (2205); Schoch, IFG, § 3, Rn. 139; a. A. Sitsen, Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, 2009, S. 177 f.; allerdings gewährt § 3 Nr. 4 IFG i.V. m. § 30 VwVfG dem betroffenen Unternehmen keinen weitergehenden Schutz als § 6 S. 2 IFG, da eine Befugnis zur Offenbarung aus Rechtsvorschriften oder allgemeinen Rechtsgrundsätzen folgen kann und somit nicht von der Einwilligung des Betroffenen abhängt. 847 Vgl. Schoch, IFG, § 3, Rn. 145 f. 848 s. hierzu die umfangreiche „BaFin-Rechtsprechung“: VGH Kassel, Beschl. v. 30. 4. 2010 – 6 A 1341/09; Beschl. v. 24. 3. 2010 – 6 A 1832/09; VG Frankfurt, z. B. NVwZ 2008, 1384 (1386 f.), Urt. v. 28. 01. 2009 – 7 K 4037/07.F, Urt. v. 17. 6. 2009 – 7 K 2282/08.F (3), Urt. v. 18. 2. 2009 – 7 K 4170/07.F und Beschl. v. 18. 5. 2010 – 7 K 1645/ 09.F; grundsätzlich zum Verhältnis zwischen IFG und Finanz- und Wirtschaftsaufsicht Scholz, BKR 2008, 485; vgl. a. Schaar, Tätigkeitsbericht 2006/2007, BT-Drs. 16/8500, S. 43 f.; zum (gescheiterten) Versuch des Bundesrates, eine Bereichsausnahme für Finanzaufsichtsbehörden zu schaffen ders., Tätigkeitsbericht 2008/2009, BT-Drs. 17/1350, S. 28 und Tolkmitt / Schomerus, NVwZ 2009, 568 (570); ferner zum Geheimnisschutz durch die BaFin in den Grenzen des Informationsfreiheitsgesetzes Brocker / Andrzejewski, GWR 2011, 378. 849 Zum Streitstand s. die Nachweise bei Gurlit, WM 2009, 773 (777); dafür VGH Kassel, Beschl. v. 30. 4. 2010 – 6 A 1341/09, Rz. 33; Beschl. v. 24. 3. 2010 – 6 A 1832/09, Rz. 23; unklar VG Frankfurt a. M., Urt. v. 28. 01. 2009 – 7 K 4037/07.F, Rz. 40 ff. und Urt. v. 18. 2. 2009 – 7 K 4170/07.F, Rz. 42. 850 VG Frankfurt a. M., NVwZ 2008, 1384 (1386 f.) und Urt. v. 28. 01. 2009 – 7 K 4037/07.F, Rz. 46; BT-Drs. 15/4493, S. 11; die Vorschrift gleicht insofern § 4 II 844
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schriften im Lichte des § 3 Nr. 4 IFG zu analysieren. Jedenfalls bieten sie keinen weitergehenden Schutz als § 6 S. 2 IFG. 851 dd) § 6 S. 2 IFG Aus diesem Grund soll die im IFG selbst angelegte Schutzvorschrift für Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Zentrum der Untersuchung stehen. §§ 5 und 6 IFG berücksichtigen ausdrücklich die Interessen privater Dritter, die durch Gewährung des Zugangs zu Behördeninformationen betroffen sein können. In § 6 S. 2 IFG findet sich die für den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen entscheidende Regelung: „Zugang zu Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen darf nur gewährt werden, soweit der Betroffene eingewilligt hat.“ Der Begriff des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses ist in Kapitel I bereits erörtert worden. Der Gesetzgeber 852 des IFG, die Rechtsprechung 853 und das Schrifttum 854 verweisen auf die auch dort zugrunde gelegten Quellen, zur Definition insbesondere auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs 855 und ein aktuelleres Judikat des Bundesverfassungsgerichts. 856 Die in Kapitel I gewonnenen Erkenntnisse bedürfen im Lichte des Informationsfreiheitsgesetzes jedoch teilweise einer Konkretisierung. (1) Prüfung durch die Behörde; Abwägungsbefugnis? Der Gesetzgeber hat sich durch den Einwilligungsvorbehalt für einen absoluten Schutz von Unternehmensdaten entschieden. Diese Vorschrift steht damit im Gegensatz zum UIG sowie zu vielen Landes-IFG, welche eine Abwägung der widerstreitenden Interessen vorsehen. 857 Trotz dieser strengen Regelung wird auf die gesteigerte Gefahr der Ausforschung von Unternehmensdaten hingewiesen. 858 Nr. 2 LPG, s. hierzu III. 4. b); zur Einstufung von Informationen als Verschlusssache und zur Verfassungsmäßigkeit des § 3 Nr. 4 IFG BVerwG, NVwZ 2010, 326 (327). 851 So auch Gurlit, WM 2009, 773 (777 f.); § 9 KWG, § 8 WpHG, § 9 WpÜG und auch § 203 StGB verbieten beispielsweise, wie § 30 VwVfG, nur die unbefugte Offenbarung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, wohingegen § 6 S. 2 IFG – wie sogleich gezeigt wird – die Offenbarung unter einen Einwilligungsvorbehalt des Betroffenen stellt; zur Thematik auch eingehend Schaar, Tätigkeitsbericht 2006/2007, BT-Drs. 16/8500, S. 44 und ders., Tätigkeitsbericht 2008/2009, BT-Drs. 17/1350, S. 28, 86 f. 852 BT-Drs. 15/4493, S. 14. 853 VG Braunschweig, ZUM 2008, 254 (257). 854 Rossi, IFG, § 6, Rn. 63; Schoch, IFG, § 6, Rn. 44. 855 BGH, NJW 1995, 2301. 856 BVerfGE 115, 205 (230). 857 Zu § 8 S. 1 IFG NW s. Franßen / Seidel, Das Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen, 2007, § 8, Rn. 872 ff. 858 Sieberg / Ploeckl, DB 2005, 2062; Kiethe / Groeschke, WRP 2006, 303.
IV. Der Informationszugangsanspruch nach dem IFG
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Zwar muss die Behörde Dritte im Falle ihrer Betroffenheit gemäß § 8 Abs. 1 IFG anhören. 859 Sie darf jedoch – wegen des Gebots der engen Auslegung von § 6 S. 2 IFG als Ausnahmevorschrift – nicht jede behauptete Geheimnisqualität gelten lassen. 860 Die Entscheidung, ob ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, insbesondere ein berechtigtes und schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse, vorliegt und somit die Einwilligung des Betroffenen erforderlich ist, obliegt vielmehr allein der Behörde. 861 Diese Entscheidung unterliegt zudem gänzlich der Kontrolle des Verwaltungsgerichts, 862 so dass sie vom Antragsteller mit Erfolg gerichtlich angegriffen werden könnte. Die Prüfung setzt dabei notwendigerweise auch eine wertende Einschätzung der Wettbewerbsposition des betroffenen Unternehmens sowie der möglichen Folgen einer Offenlegung von Unternehmensdaten voraus. 863 Hierbei darf jedoch nicht die gesetzgeberische Wertung des absoluten Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen dadurch unterlaufen werden, dass auf Ebene des berechtigten bzw. schutzwürdigen Geheimhaltungsinteresses eine Abwägung mit den Interessen der Allgemeinheit vorgenommen wird. 864 Entscheidend ist allein die objektive Interessenlage auf der Unternehmerseite. 865 Der praktische Unterschied zwischen Abwägungsvorbehalt (etwa auf Länderebene oder beim UIG) und dem absoluten Schutz des § 6 S. 2 IFG mag aufgrund der schon im Rahmen der Bestimmung des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses vorzunehmenden Wertungen gering sein. 866 Einen wesentlichen 859
Vgl. hierzu IV. 4. f). Schrader, ZUR 2005, 568 (572); Bräutigam, DVBl. 2006, 950 (954). 861 VG Braunschweig, ZUM 2008, 254 (257); Schoch, IFG, § 6, Rn. 65; Sellmann / Augsberg, WM 2006, 2293 (2299); Rossi, IFG, § 6, Rn. 74; Schaar, Tätigkeitsbericht 2008/2009, BT-Drs. 17/1350, S. 14 f. 862 Schoch, IFG, § 6, Rn. 65; Berger, in: ders. / Roth / Scheel (Hrsg.), IFG, § 6, Rn. 14; Rossi, IFG, § 6, Rn. 78. 863 Sellmann / Augsberg, WM 2006, 2293 (2299); Breuer, NVwZ 1986, 171 (172); vgl. hierzu I. 4. d). 864 Schoch, IFG, § 6, Rn. 55; Sellmann / Augsberg, WM 2006, 2293 (2299); Rossi, IFG, § 6, Rn. 76, 78; Albers, ZJS 2009, 614 (624); in umweltrechtlichem Kontext Breuer, NVwZ 1986, 171 (172); ausführlich Sitsen, Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, 2009, S. 289 ff.; so aber Hoeren, Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen und das IFG, in: Dix / Franßen / Kloepfer / Schaar / Schoch (Hrsg.), Informationsfreiheit und Informationsrecht: Jahrbuch 2008, S. 105 (114 ff.); andeutend Wudy, PharmR 2009, 161 (163) und ähnlich Ekardt / Exner / Beckmann, VR 2007, 404 (408), die ein Abwägungserfordernis verfassungsrechtlich begründet sehen; Berger, in: ders. / Roth / Scheel (Hrsg.), IFG, § 6, Rn. 14 ff. zieht die „allgemeinen Rechtsgrundsätze“ zur befugten Offenbarung (vgl. § 30 VwVfG) heran, um eine Abwägung im Rahmen von § 6 S. 2 IFG zu ermöglichen. 865 Breuer, NVwZ 1986, 171 (172 f.). 866 Vgl. Kloepfer / v. Lewinski, DVBl. 2005, 1277 (1284); Sellmann / Augsberg, WM 2006, 2293 (2300) weisen diesbezüglich auf eine Entscheidung des VG Schleswig, Urt. v. 31. 8. 2004 (Az.: 6 A 245/02) hin, in der die nach § 11 Abs. 1 IFG SH vorzunehmende Abwägung zugunsten des Offenbarungsinteresses der Allgemeinheit ausfiel, 860
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B. Betriebsgeheimnisse und verschiedene Informationsansprüche
dogmatischen Unterschied gilt es jedoch zu beachten: Der Umstand, dass bei der Bestimmung des berechtigten Geheimhaltungsinteresses wertende Faktoren eine Rolle spielen (Feststellung eines drohenden wirtschaftlichen Schadens, zeitliche Komponente 867), führt nicht automatisch zu einer Güterabwägung unter Einbeziehung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der betroffenen Allgemeininteressen. 868 Die gefundenen Ergebnisse können zwar deckungsgleich sein, wie der Fall des Verwaltungsgerichts Schleswig 869 zeigt. Dies darf jedoch nicht über die unterschiedliche dogmatische Begründung hinwegtäuschen. Diese Sichtweise führt auch aufgrund der letztlich allein von der Behörde zu treffenden Entscheidung, ob ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis vorliegt, nicht zu einem Informationszugangsrecht, welches „allein vom subjektiven Willen und den wirtschaftlichen Interessen der Industrie“ abhängt, 870 auch wenn man einen wesentlichen Einfluss des Unternehmens an dieser Entscheidung nicht abstreiten kann. (2) Sonderfall: Rechtswidriges Verhalten und berechtigtes Geheimhaltungsinteresse Fraglich ist, ob der Ansicht, ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse könne auch bei rechtswidrigem (Vor-)Verhalten bestehen, zuzustimmen ist. 871 Beim wettbewerbsrechtlichen Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen mag diese Ansicht wegen der auch dem individuellen Vermögensschutz dienenden Vorschrift des § 17 UWG noch nachvollziehbar sein. 872 Im Kontext des IFG ist dies jedoch anders zu beurteilen. Von „berechtigtem“ Geheimhaltungsinteresse weil keine nachteiligen Wettbewerbswirkungen für das betroffene Unternehmen zu befürchten gewesen seien. Insofern hätte die Entscheidung auf Grundlage des IFG des Bundes gleich ausfallen müssen, da das Fehlen nachteiliger Wettbewerbswirkungen bereits zum Wegfall eines berechtigten Geheimhaltungsinteresses und damit eines Betriebsund Geschäftsgeheimnisses geführt hätte. 867 Vgl. hierzu I. 4. d). 868 So aber Hoeren, Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen und das IFG, in: Dix / Franßen / Kloepfer / Schaar / Schoch (Hrsg.), Informationsfreiheit und Informationsrecht: Jahrbuch 2008, S. 105 (114); wie hier Schoch, IFG, § 6, Rn. 55; Gurlit, WM 2009, 773 (777 f.). 869 s. Fn. 866. 870 Diesen Schluss zieht jedoch Hoeren, Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen und das IFG, in: Dix / Franßen / Kloepfer / Schaar / Schoch (Hrsg.), Informationsfreiheit und Informationsrecht: Jahrbuch 2008, S. 105 (114); ähnlich Bräutigam, DVBl. 2006, 950 (954); vertretbar wäre diese Position allenfalls bei Zugrundelegung des Geheimnisbegriffs, wie er § 5 Abs. 1 Nr. 3 AIG entspricht, s. I. 4. 871 s. o. I. 4. d). 872 Schoch, IFG, § 6, Rn. 57; ähnlich Stabno, Keine Einsicht in die Prüfungsunterlagen eines Wahlgerätes – Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, in: Dix / Franßen / Kloepfer / Schaar / Schoch (Hrsg.), Informationsfreiheit und Informationsrecht: Jahrbuch 2008, S. 261 (268); vgl. o. I. 4. d); a. A. Sitsen, Das Informationsfreiheitsgesetz des Bun-
IV. Der Informationszugangsanspruch nach dem IFG
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kann hier nicht mehr gesprochen werden, wenn dieses Interesse im Widerspruch zur Rechtsordnung steht. 873 Für dieses Ergebnis streitet auch das Gebot der engen Auslegung der Ausnahmevorschriften, 874 auch wenn der Schutzbereich für Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse dann noch enger ausgestaltet ist als beim strafbewehrten § 17 UWG. 875 Gerade im Hinblick auf einen der Gesetzeszwecke des IFG, die Korruptionsbekämpfung, 876 erschiene es zweckwidrig, solche Geheimhaltungsinteressen dem Schutz des § 6 S. 2 IFG zu unterstellen, die auf objektiv rechtswidrigem Verhalten beruhen. Die Offenbarung von Informationen über Schmiergeldzahlungen darf nicht an § 6 S. 2 IFG scheitern. 877 Es bedarf insoweit einer IFG-spezifischen Auslegung des Begriffs des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses. 878 Herauszustellen ist allerdings, dass die Gesetzeszwecke des IFG vorwiegend auf die Transparenz staatlichen Handelns gerichtet sind und nicht als Argument für die Ausleuchtung Privater missbraucht werden dürfen. Rückkoppelungen zwischen illegalem Verhalten Dritter und Behörden, welche über entsprechende Informationen verfügen, können jedoch regelmäßig gegeben sein, wenn etwa die Frage nach der Reaktion der Verwaltung auf rechtswidrige Zustände im Raum steht. Insofern kann das Argument des Gesetzeszwecks zur Begründung des Ausschlusses „illegaler Geheimnisse“ aus dem Schutzbereich des § 6 S. 2 IFG dienen, muss jedoch stets der Prüfung unterzogen werden, ob ein hinreichender Bezug zu staatlichem (Nicht-) Handeln besteht. 879 des, 2009, S. 298, der jedoch andere Beispiele (§§ 93, 203 StGB und § 404 AktG) nennt, in denen der Schutzzweck für eine Einbeziehung illegaler Geheimnisse spricht. 873 Schoch, IFG, § 6, Rn. 57; ders., NJW 2009, 2987 (2992); ders., AfP 2010, 313 (319); Rossi, IFG, § 6, Rn. 77; s. a. Polenz, DÖV 2010, 350 (351), der das Beispiel des § 2 Nr. 2 S. 2 des Verbraucherinformationsgesetzes anführt, nach dem Verstöße u. a. gegen das Lebensmittel- und Futtergesetzbuch nicht unter die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse fallen. 874 Ekardt / Exner / Beckmann, VR 2007, 404 (407); Stabno, Keine Einsicht in die Prüfungsunterlagen eines Wahlgerätes – Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, in: Dix / Franßen / Kloepfer / Schaar / Schoch (Hrsg.), Informationsfreiheit und Informationsrecht: Jahrbuch 2008, S. 261 (267 f.). 875 Dies feststellend OVG Schleswig, NordÖR 2005, 528 (530); diese Sichtweise gilt jedoch nur bei Befolgung der im Wettbewerbsrecht vertretenen Auffassung, vgl. I. 4. d). 876 Vgl. BT-Drs. 15/4493, S. 6. 877 Ekardt / Exner / Beckmann, VR 2007, 404 (407); § 7 S. 2 IFG Bln lautet beispielsweise: „Gegenüber der Offenbarung tatsächlicher Anhaltspunkte für das Vorliegen einer strafbaren Handlung können sich die Betroffenen und die öffentliche Stelle nicht auf Satz 1 berufen.“ [Anm.: Satz 1 gilt dem Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen]. 878 Ähnlich Sitsen, Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, 2009, S. 298 ff., 304, der jedoch allein Art. 12 Abs. 1 GG als Auslegungsmaxime in Ansatz bringt und dadurch Geheimnisse, die auf „bloß formalen Rechtsverstößen“ beruhen, durch § 6 S. 2 IFG geschützt sieht. 879 Diesen Bezug stellte das BVerwG, NVwZ 2009, 1114 (1116) beispielsweise durch die Feststellung her, die Kenntnis über unerlaubte Produktionsverfahren ermögliche ein
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B. Betriebsgeheimnisse und verschiedene Informationsansprüche
Allerdings wäre das Haftungsrisiko für die entscheidende Behörde zu hoch, wenn sie zuerst prüfen müsste, ob ein Verdacht rechtswidrigen Verhaltens begründet ist und dadurch § 6 S. 2 IFG einem Informationszugangsanspruch nicht entgegensteht. Insofern können nur solche Informationen vom Schutz des § 6 S. 2 IFG ausgenommen werden, die auf Handlungen beruhen, deren Rechtswidrigkeit durch ein Gericht oder eine Behörde rechts- bzw. bestandskräftig festgestellt worden ist. 880 Auch unter diesem Gesichtspunkt kann es zu gleichen Ergebnissen beim IFG ohne und UIG (bzw. Landes-IFG) mit Abwägungsvorbehalt kommen, wie der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Januar 2009 zeigt. Im Rahmen der Abwägung der widerstreitenden Interessen nach § 11 Abs. 1 IFG SchleswigHolstein stellte es ein Überwiegen des Offenbarungsinteresses fest, da das als Betriebs- und Geschäftsgeheimnis in Frage kommende Produktionsverfahren des betroffenen Dritten illegal war. 881 Zum gleichen Ergebnis hätte man nach der hier vertretenen Auffassung auch auf Bundesebene kommen müssen. Trotzdem sei auch hier auf den rechtsdogmatischen Unterschied des Prozesses der Ergebnisfindung hingewiesen. (3) Kritik Die Vorschrift des § 6 S. 2 IFG hat verschiedentlich Kritik erfahren. 882 Dabei wird die Regelung angesichts der Abwägungsmöglichkeit in § 5 Abs. 1 S. 1 IFG, Urteil darüber, „ob und in welcher Weise die rechtswidrige Tätigkeit (...) behördlich überwacht wurde und ob dieser Tätigkeit bereits früher ein Ende hätte gesetzt werden können und müssen“. 880 Hoeren, Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen und das IFG, in: Dix / Franßen / Kloepfer / Schaar / Schoch (Hrsg.), Informationsfreiheit und Informationsrecht: Jahrbuch 2008, S. 105 (117 f.); vgl. VG Berlin, LMRR 2006, 93 zu § 7 S. 1 IFG Bln.; diese Sichtweise bescheinigt auch „vorerst illegalen Geheimnissen“, denen ein zunächst rechtswidriges, später jedoch u.U. rechtmäßiges Verhalten zugrunde liegt, einen gewissen „einstweiligen Schutz“, indem sie eine rechts- bzw. bestandskräftige gerichtliche oder behördliche Entscheidung zur Bestimmung der Rechtswidrigkeit unternehmerischen Verhaltens verlangt; zudem ist diese Grenzziehung klarer und praxisfreundlicher als beispielsweise das Modell des OVG Schleswig, NordÖR 2005, 528 (530), nur solche Geheimnisse vom Schutz auszunehmen, deren Informationen auf einem Rechtsverstoß beruhen, der „tragende Grundsätze der Rechtsordnung berührt“. 881 BVerwG, NVwZ 2009, 1114 (1116); das Gericht setzt sich nicht explizit mit der Berechtigung des Geheimhaltungsinteresses bei rechtswidrigem Verhalten auseinander, deutet aber auf die Problematik hin: „[...] überwiegt das von den Kl. verfolgte öffentliche [...] Interesse an vollständiger Aktenkenntnis die Geheimhaltungsinteressen der Beigel. zu 1 – sofern sie überhaupt anerkannt werden können – so eindeutig, dass [...]“. [Anm.: Hervorhebung nur hier]; näher hierzu unter C. II. 3. b) bb) (3). 882 Etwa durch Kugelmann, DÖV 2005, 851 (858): „Zugeständnis an die Wirtschaft“; Kloepfer, K&R 2006, 19 (22) spricht von der Möglichkeit der Blockade von Informationsansprüchen; Hoeren, Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen und das
IV. Der Informationszugangsanspruch nach dem IFG
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welcher sich dem Schutz personenbezogener Daten widmet, vielfach für verfassungsrechtlich bedenklich gehalten, da sie die Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG höher einstufe als das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG. 883 Dieses rechtspolitisch begründete Ungleichgewicht mag als inkonsequent angesehen werden, 884 es kann jedoch nicht pauschal als Argument dazu instrumentalisiert werden, in § 6 S. 2 IFG doch eine Abwägung zu implementieren. 885 Dies spräche gegen den klaren Wortlaut und den darin zum Ausdruck gebrachten gesetzgeberischen Willen, wie auch gegen die Rechtssystematik, wie ein Vergleich zum UIG (und auch zu vielen Landes-IFG) zeigt, in das ein Abwägungsvorbehalt ausdrücklich aufgenommen wurde. 886 Dieser verlöre seine Bedeutung, wenn eine Abwägungsmöglichkeit ansonsten, etwa auf Tatbestandsebene, ohnehin bestünde. 887 Eine „Ungleichbehandlung von Grundrechten“ kann ferner nicht von Art. 3 Abs. 1 GG erfasst werden, es bedarf hierzu vielmehr eines Vergleichs konkreter Sachverhalte. 888 Aber auch eine Ungleichbehandlung zweier § 5 Abs. 1 S. 1 und § 6 S. 2 IFG unterfallender Sachverhalte wäre jedenfalls nicht willkürlich: Die Zweckentfremdung des IFG zugunsten erleichterter Wirtschaftsspionage würde einerseits durch einen allgemeinen Abwägungsvorbehalt gefördert. 889 Andererseits enthält der Begriff „Betriebs- und Geschäftsgeheimnis“ wertende Elemente, was auf den Begriff „personenbezogene Daten“ nicht zutrifft, 890 so dass insofern sachliche Gründe für eine unterschiedliche Behandlung vorliegen. Beide hinter § 5 und § 6 IFG stehenden Grundrechtspositionen stehen ferner unter einem Schrankenvorbehalt. Ihre Ausgestaltung unterliegt dem Gestaltungswillen des Gesetzgebers. Dieser hat lediglich den verfassungsrechtlich verbürgten Minimalstandard des Grundrechtsschutzes zu wahren. 891 Daher sind beide Vorschriften für sich genommen verfassungsgemäß. Die unterschiedliche Ausgestaltung des IFG, in: Dix / Franßen / Kloepfer / Schaar / Schoch (Hrsg.), Informationsfreiheit und Informationsrecht: Jahrbuch 2008, S. 105 (119 f.); Bräutigam, DVBl. 2006, 950 (956). 883 Kugelmann, NJW 2005, 3609 (3612); Kloepfer / Greve, NVwZ 2011, 577 (584); Sokol, CR 2005, 835 (840); Rossi, IFG, § 6, Rn. 2; Kloepfer, K&R 2006, 19 (23); Wudy, PharmR 2009, 161 (163); Lüttgau, AnwBl. 2010, 462 (463); Kloepfer / v. Lewinski, DVBl. 2005, 1277 (1283) sprechen von einem „schweren Strukturfehler des Gesetzes“; Bräutigam, DVBl. 2006, 950 (956). 884 Bräutigam, DVBl. 2006, 950 (956). 885 So aber Ekardt / Exner / Beckmann, VR 2007, 404 (408); vgl.o. 886 VG Braunschweig, ZUM 2008, 254 (258). 887 Sitsen, Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, 2009, S. 297. 888 Sitsen, Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, 2009, S. 294; offen gelassen vom VG Braunschweig, ZUM 2008, 254 (258); so aber Kloepfer / v. Lewinski, DVBl. 2005, 1277 (1284); Kugelmann, NJW 2005, 3609 (3612). 889 Sitsen, Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, 2009, S. 295. 890 Schoch, IFG, § 6, Rn. 77. 891 Breuer, NVwZ 1986, 171 (174 f.).
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B. Betriebsgeheimnisse und verschiedene Informationsansprüche
Schutzes personenbezogener und unternehmensbezogener Daten im IFG kann mit guten Gründen als rechtlich bedenklich oder inkonsequent angesehen werden. Dies führt jedoch nicht zu ihrer Verfassungswidrigkeit. Ein Gesetz darf nicht aufgrund rechtspolitischer Bedenken – seien sie auch noch so ernsthaft – für verfassungswidrig erklärt werden. 892 Hierfür streitet auch der Grundsatz, dass ein Gesetz nicht als verfassungswidrig bzw. nichtig gilt, solange es im Einklang mit der Verfassung ausgelegt werden kann. 893 Die Grenzen der verfassungskonformen Auslegung, nämlich deren Unvereinbarkeit mit dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers, sind hier nicht erreicht. 894 Ein weiterer Kritikpunkt ist eher semantisch-logischer Natur: Im Falle einer Einwilligung des Betroffenen kann kein Zugang zu einem Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis mehr gewährt werden, da durch die Einwilligung der Geheimhaltungswille und damit der Geheimnischarakter entfällt. 895 Dieser „Schönheitsfehler“ hätte sich allerdings nur durch komplizierte und kaum griffige Formulierungen 896 vermeiden lassen können und ist somit hinzunehmen. Schließlich führe § 6 S. 2 IFG ins Leere, da dem Antragsteller im Falle einer gerichtlichen Verfolgung des Zugangsbegehrens wegen des Grundsatzes der gerichtlichen Aktenöffentlichkeit (vgl. § 100 Abs. 1 VwGO) ohnehin die entscheidenden Daten zur Verfügung gestellt werden müssten. 897 Dieser Kritik lässt sich jedoch mit der hier vertretenen analogen Anwendung des § 99 Abs. 1 S. 2 VwGO 898 bzw. mit der Ermöglichung eines in-camera-Verfahrens für alle in §§ 3 – 6 IFG geschützten Belange begegnen. 899 Deren Schutz darf nicht durch prozessuale „Kniffe“ (§ 100 Abs. 1 VwGO) ausgehebelt werden. 900 ee) Praktische Folgen Die praktische Umsetzung des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen bei Informationszugangsanträgen ist dem IFG nicht zu entnehmen. Die 892
Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 80. Starck, in: v. Mangoldt (Begr.) / Klein (Fortf.) / ders. (Hrsg.), GG, Art. 1 Abs. 3, Rn. 327 m.w. N. 894 Vgl. hierzu BVerfGE 18, 97 (111). 895 Vgl. I. 4. c); Rossi, IFG, § 6, Rn. 79. 896 Z. B.: „Zugang zu Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen darf nicht gewährt werden. Willigt der Betroffene ein, sind die entsprechenden Informationen zugänglich zu machen.“ 897 Hoeren, Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen und das IFG, in: Dix / Franßen / Kloepfer / Schaar / Schoch (Hrsg.), Informationsfreiheit und Informationsrecht: Jahrbuch 2008, S. 105 (121). 898 Vgl. Schoch, IFG, § 9, Rn. 89 ff. 899 Vgl. IV. 5. a). 900 Ebenso Weber, NVwZ 2008, 1284 (1285 f.). 893
IV. Der Informationszugangsanspruch nach dem IFG
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Behörde hat die entsprechenden Passagen zu schwärzen oder, wenn sich eine partielle Schwärzung als unzweckmäßig darstellt, etwa weil dadurch der Rest der Information keinen Sinn mehr ergäbe, die entsprechenden Aktenbestandteile auszusondern und an deren Stelle Platzhalter einzuheften, auf denen der Grund für die Entnahme zu vermerken ist. 901 Zu beachten ist ferner, dass auch Informationen, die Rückschlüsse auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zulassen, nicht zugänglich gemacht werden dürfen. 902 8. Schlussfolgerungen Der Informationszugangsanspruch nach § 1 S. 1 IFG unterliegt zahlreichen Ausnahmebestimmungen, von denen hier nur solche zum Schutz von Betriebsund Geschäftsgeheimnissen – insbesondere § 6 S. 2 IFG – nähere Betrachtung finden konnten und sollten. Es wurde festgestellt, dass der rechtsgebietsübergreifende Begriff des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses im Lichte des IFG präzisiert werden muss. Eine von § 6 S. 2 IFG nicht vorgesehene Abwägung der widerstreitenden Interessen darf nicht durch „die Hintertür“ des berechtigten Geheimhaltungsinteresses eingeführt werden. Ein solches besteht hingegen nicht bei Informationen, die auf rechtswidriger Basis entstanden sind. Eine verfassungsrechtliche Unterfütterung des allgemeinen Informationszugangsanspruchs zu Daten der öffentlichen Verwaltung ist nicht gegeben. Das IFG führt jedoch zu einer Aktivierung des Schutzbereichs des Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG. Nach dem hier vertretenen Verständnis der Bestimmung des Begriffs „allgemein zugängliche Quellen“ erfolgt diese allerdings nur unter Einbeziehung der Ausnahmebestimmungen.
901
VG Frankfurt a. M., NVwZ 2008, 1384 (1388 f.). So BVerwG, NVwZ 2010, 189 (193) zum Zugänglichmachen von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen nach § 9 I 1 Nr. 3 UIG. 902
C. Analyse der Intensität des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen in Abhängigkeit zum Informationsanspruch und Entwurf eines Schutzstufenmodells I. Vergleich der Informationsansprüche Im ersten Teil der Arbeit ist jeder einzelne der drei zu untersuchenden Informationsansprüche dargestellt und seine Wirkkraft herausgearbeitet worden. Die verschiedenen Ansprüche sollen im Folgenden durch eine kurze Gegenüberstellung zusammengeführt werden. Ein abstrakter Vergleich kann Anhaltspunkte für eine unterschiedliche Reichweite im Falle einer Kollision mit Interessen Dritter – insbesondere Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen – liefern. Welche Zielrichtung verfolgt der Anspruch? Welche rechtliche Grundlage hat er? Isoliert sind diese Fragen bereits im ersten Teil geklärt worden. Nun gilt es festzustellen, inwieweit sich die Ansprüche speziell bei diesen zentralen Punkten gleichen oder voneinander abheben und ob dies Auswirkungen auf die Fragestellung der Arbeit hat. 1. Zielrichtungen Das allgemeine parlamentarische Fragerecht dient als Ausgleich zur organadäquaten Informationsübermacht der Exekutive als der „informierten Gewalt“. Es soll dem einzelnen Abgeordneten ferner eine eigenverantwortliche Wahrnehmung seiner Aufgaben als Mandatsträger ermöglichen, die einen ausreichenden Informationsstand voraussetzt. Ein weiterer zentraler Gesichtspunkt des Fragerechts ist die Kontrolle exekutiver Arbeit. Missstände im Verantwortungsbereich der Regierung kann nur – gegebenenfalls mittels Untersuchungsausschusses – nachgegangen werden, wenn die Abgeordneten sich davon Kenntnis verschaffen können. Der presserechtliche Auskunftsanspruch bezweckt primär die Information des Bürgers über staatliches Handeln. Die Presse – insoweit in einer Position des Mittlers zwischen Staat und Volk – hat ferner die Aufgabe, dieses Handeln redaktionell aufzuarbeiten und für den Bürger dadurch verständlich und handhabbar zu machen. Zur Umsetzung dieser Ziele bedürfen Pressevertreter auch des Zugangs
I. Vergleich der Informationsansprüche
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zu nicht allgemein zugänglichen Informationsquellen. Sonst wäre der presserechtliche Auskunftsanspruch sinnlos, weil Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG dieses Recht ohnehin gewährleistet. 1 Die Presse kann und soll Einfluss auf die Meinung des Lesers ausüben; Meinungspluralismus ist wesentliches Kennzeichen einer Demokratie. Der Bürger wird so in den Stand versetzt, seine demokratischen Rechte gestützt auf ein breit gefächertes Tatsachen- und Meinungsfundament ausüben zu können. Wegen ihrer beobachtenden und nachforschenden Position wird der Presse zudem eine „Wächterrolle“ zugeschrieben. 2 Der allgemeine Informationszugangsanspruch nach dem IFG fördert die Transparenz von Behördenakten und -entscheidungen, die dem Bürger die Kontrolle staatlichen Handelns auf direktem Wege ermöglicht. Die Arkantradition, welche vom Grundsatz der Geheimhaltung behördlicher Vorgänge ausging und der stets eine Informationsübermacht der Verwaltung innewohnte, soll endgültig aufgegeben werden. Weiter kann der Anspruch – seine Wahrnehmung vorausgesetzt – zu mehr Akzeptanz staatlicher Entscheidungen führen, welche auf diesem Wege eine stärkere Legitimation erfahren. Auf Basis der so geschaffenen „Nähe zum Staat“ werden zudem Kooperationsmöglichkeiten eröffnet, welche die Teilhabe der Bürger stärken und dadurch auch zu mehr Effizienz der Verwaltung führen sollen. Allen Informationsansprüchen ist gemein, dass sie – zumindest mittelbar – die Kontrolle des Anspruchsverpflichteten bezwecken. Wie die Reaktion des Informierten aussieht, ist dabei zunächst sekundär. Schon die Möglichkeit der Weitergabe bzw. Publizität der entsprechenden Informationen hat präventiven Kontrollcharakter und wirkt insoweit handlungslenkend. 3 Weiter sollen jedenfalls das parlamentarische Fragerecht und der IFG-Anspruch einen durch ungleiche Informationsstände gegebenen systemimmanenten Machtvorteil des Anspruchsverpflichteten ausgleichen helfen. 4 Beim presserechtlichen Auskunftsanspruch steht demgegenüber die vermittelnde Funktion der Presse als „dritte Person“ im Vordergrund. Demokratietheoretische Elemente spielen schließlich sowohl beim presserechtlichen als auch beim Informationsanspruch nach dem IFG eine Rolle, bei Ersterem, da durch die Presse eine eigenverantwortliche und auf einer gefestigten (politischen) Meinung beruhende Wahrnehmung der demokratischen Rechte sowie Meinungsvielfalt ermöglicht werden, bei Letzterem, da er die Teilhabe an behördlichen Entscheidungen für jeden Einzelnen ermöglicht, wodurch deren Legitimation und der Grundsatz der Volkssouveränität nach Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG gestärkt werden. 1
OVG Berlin, ZUM 1996, 250 (253). Vgl. BGH, NJW 2006, 599 (601); EGMR, NJW 2004, 2647 (2649). 3 s. B. IV. 3.; dies gilt nicht nur für den IFG-Anspruch. 4 Indirekt trifft dies auch auf den presserechtlichen Auskunftsanspruch zu, dient er doch letztendlich der Informierung des Bürgers. 2
162
C. Intensität des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen
Der presserechtliche Auskunftsanspruch ist der einzige der Informationsansprüche, welcher seine Wirkungen nur indirekt entfalten kann, denn hierzu sind weitere Zwischenschritte nötig (Sammlung, Sichtung, redaktionelle Aufarbeitung, Veröffentlichung). 5 Die Presse beschafft die Information nur um ihrer Weitergabe (mittels Veröffentlichung) willen. Demgegenüber liegt sowohl beim parlamentarischen als auch beim allgemeinen Informationszugangsanspruch in der Person des Anspruchstellers zugleich auch die bestimmungsgemäße Zielperson, gewissermaßen der „Endverbraucher“ der Information. So erfolgt denn auch die Kontrolle des Anspruchsgegners beim presserechtlichen Auskunftsanspruch – im Gegensatz zu den anderen Ansprüchen – nur auf indirektem Wege (Mittlerposition der Presse); der Bürger muss hierzu den „Umweg“ über die Presse nehmen. Weiterhin lassen sich Unterschiede in der Schwerpunktsetzung von Sinn und Zweck ausmachen. Diese zu nuancieren, hat indes wenig Sinn bei der Ermittlung der Reichweite in Bezug auf den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen. Denn ob ein Anspruch eher kontroll-, meinungs- oder teilhabeorientiert ist, sagt per se nichts über seine Intensität aus. Den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen berührt dieser Aspekt auch deshalb nicht, weil er allein die Beziehung zwischen Anspruchsteller und Anspruchsverpflichtetem betrifft. Daten Dritter kommen nur reflexhaft ins Spiel, sie unterfallen nicht originär dem Anspruchszweck. Ferner lässt sich – wegen der Vielschichtig- und der grundsätzlichen Gleichrangigkeit der hinter den Ansprüchen steckenden Motive 6 – eine Bedeutungsrangordnung der rationes nicht aufstellen. Der Kontrollaspekt kann nicht von vornherein eine größere Bedeutung für sich beanspruchen als der Meinungsbildungsaspekt. Die Informationsansprüche mögen daher unterschiedlich stark gewichtete Motive verfolgen, daraus lassen sich jedoch keine Anhaltspunkte für die Lösung von Konflikten mit Geheimhaltungsinteressen Dritter ableiten. 2. Rechtliche Grundlage Fruchtbarer erscheint zur Klärung dieser Frage ein Blick auf die rechtlichen Grundlagen der einzelnen Informationsansprüche. Hierin ist ein maßgebliches Kriterium zum Nachweis einer unterschiedlichen Schutzintensität zu sehen; eine stärkere (verfassungs-)rechtliche Grundlage spricht für ein schwächeres Schutz-
5 Auch Wirkungen wie die Wahrnehmung der parlamentarischen Rechte oder die Erhöhung der Verwaltungseffizienz erfordern weitere Zwischenschritte; beim presserechtlichen Auskunftsanspruch ist dies jedoch ausnahmslos der Fall. 6 Vgl. Schulze-Fielitz, Theorie und Praxis parlamentarischer Gesetzgebung, 1988, S. 521 ff., 555.
I. Vergleich der Informationsansprüche
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niveau für die dem Informationsanspruch gegenübergestellten Geheimhaltungsinteressen Dritter. a) Bestandsaufnahme Die Analyse der einzelnen Informationsansprüche im ersten Teil hat ergeben, dass allein das parlamentarische Fragerecht direkt aus der Verfassung folgt. Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG verleiht dem einzelnen Abgeordneten eine Rechtsstellung, kraft derer er Fragen an die Bundesregierung stellen und von dieser eine Antwort verlangen kann. 7 Demgegenüber haben sowohl der presserechtliche Auskunftsanspruch 8 als auch der allgemeine Informationszugangsanspruch 9 nur eine einfachgesetzliche Grundlage. Für den Anspruch der Presse ist eine Ausnahme hiervon nur für den (nicht absehbaren) Fall zu machen, dass ein Informationsanspruch gegenüber den Behörden gesetzlich nicht (mehr) geregelt ist, der Staat mithin seiner aus der Einrichtungsgarantie der freien Presse folgenden objektiven Rechtspflicht zur Sicherstellung behördlicher Auskunftspflichten nicht nachkommt. Dann gebietet es die Pressefreiheit, einen entsprechenden Anspruch unmittelbar aus Art. 5 Abs. 2 S. 1 GG anzuerkennen. Zu beachten ist aber, dass der Staat aufgrund der institutionellen Absicherung einer freien Presse bei jeglicher Rechtsanwendung und -auslegung diese verfassungsrechtlich verbürgte Garantie berücksichtigen muss. Der Anspruch nach dem IFG führt außerdem dazu, dass der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG aktiviert wird, jedoch nur unter Berücksichtigung der im IFG geregelten Ausnahmetatbestände. Das bedeutet, wie gesehen, dass ein Antragsteller sich bei Versagung des Informationszugangs aus Gründen, die das IFG regelt, nicht auf Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG berufen kann. 10 Demgegenüber genießen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse auf der anderen Seite stets unmittelbaren verfassungsrechtlichen Schutz (Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG). 11 b) Vorrang der Verfassung Das Aufeinandertreffen verfassungsrechtlich verbürgter und (nur) einfachgesetzlich garantierter Interessen ruft das Prinzip des Vorrangs der Verfassung auf den Plan. 12 Dieses geht aus Art. 1 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3, Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 und 7
B. II. 3. In der Regel § 4 LPG (zu Abweichungen vgl. B. III. 2.). 9 § 1 Abs. 1 S. 1 IFG. 10 s. hierzu B. IV. 6. f). 11 s. B. I. 7. 8
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C. Intensität des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen
Art. 100 Abs. 1 GG hervor. 13 Der Vorrang der Verfassung vor dem einfachen Gesetz hat sich als (rechtsstaatlicher) Grundsatz endgültig mit der im Grundgesetz angelegten Institutionalisierung des Bundesverfassungsgerichts im Jahre 1951 etabliert. Nur wenn es eine eigenständige Verfassungsgerichtsbarkeit gibt, kann dieser Grundsatz auch rechtstatsächlich Platz greifen. 14 Der Vorrang der Verfassung bedeutet gleichzeitig den Nachrang des Gesetzes, dadurch auch des Gesetzgebers. 15 Die Verfassung enthält das Recht der Rechtssetzung und ist so den Normen vorgeordnet, die nach ihren Regeln zustande kommen. 16 Vor diesem Hintergrund wird die Verfassung als bedingendes, nicht selbst bedingtes Recht bezeichnet. 17 Zugleich fordert der Grundsatz eine Distanz zwischen Verfassung und einfachem Recht, die zum Beispiel durch die Institutionalisierung einer „verfassungsändernden Gewalt“ im Gegensatz zum „einfachen“ Gesetzgeber manifestiert wird. 18 Auf der anderen Seite ist beispielsweise das Verwaltungsrecht – obgleich dem „einfachen Recht“ zuzuordnen – als konkretisiertes Verfassungsrecht anzu12 Zur Entwicklung vgl. anschaulich Wahl, Der Staat 20 (1981), 485 ff.: Gegen den Vorrang der Verfassung waren Anfang des 20. Jahrhunderts u. a. noch Laband und Anschütz („dem deutschen Recht fremdes Institut des nordamerikanischen Staatsrechts“) als Vertreter der herrschenden positivistischen Lehre, die eine stillschweigende Verfassungsdurchbrechung anerkannte. Damals galt die Verfassung noch als einfaches formelles Gesetz. Diese Sichtweise war jedoch der dualistischen Ordnung von Krone und Volksvertretung ohne einheitlichen Bezugspunkt geschuldet, die zu einer „historischen Unmöglichkeit“ einer allgemeingültigen Verfassungsgerichtsbarkeit und somit eines Vorrangs der Verfassung führte. Die Verfassung hatte mehr Direktiv- und Programmcharakter als rechtlichen Gehalt. Eine wichtige Voraussetzung für das Prinzip des Vorrangs der Verfassung ist daher die Überwindung der dualistischen Struktur zugunsten des demokratischen Monismus der Gewalten. 13 Wahl, NVwZ 1984, 401 (403). 14 Vgl. Wahl, Der Staat 20 (1981), 485 (499 ff.). 15 Wahl, Der Staat 20 (1981), 485 (487); das Dilemma der Grundrechtsbindung des Gesetzgebers besteht in seiner gleichzeitigen Kompetenz zur Grundrechtsschrankensetzung und der alleinigen Prüfungskompetenz des Bundesverfassungsgerichts; handelt es sich um eine verfassungsmäßige Beschränkung eines Grundrechts oder um dessen Verletzung und einen damit verbundenen Verstoß gegen die Bindungsklausel nach Art. 1 Abs. 3 GG? Vgl. Starck, in: v. Mangoldt (Begr.) / Klein (Fortf.) / ders. (Hrsg.), GG, Art. 1 Abs. 3, Rn. 266; zu Kompetenzproblemen bei (verfassungsrechtlichen) Abwägungsfragen Ossenbühl, DVBl. 1995, 904 (909 ff.). 16 Isensee, in: ders. / Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Bd. VII, 1. Aufl. 1992, § 162, Rn. 37: „norma normans“. 17 Hillgruber, Verfassungsinterpretation, in: Die Entstehung des Verfassungsgesetzes, in: Depenheuer / Grabenwarter (Hrsg.), Verfassungstheorie, 2010, § 15, Rn. 37; zur rechtlichen Bedingtheit von Normen Grabenwarter, Die Verfassung in der Hierarchie der Rechtsordnung, in: Depenheuer / ders. (Hrsg.), Verfassungstheorie, 2010, § 11, Rn. 7 ff. 18 Vgl. Wahl, Der Staat 20 (1981), 485 (489); zur verfassunggebenden Gewalt umfassend Waldhoff, Die Entstehung des Verfassungsgesetzes, in: Depenheuer / Grabenwarter (Hrsg.), Verfassungstheorie, 2010, § 8.
I. Vergleich der Informationsansprüche
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sehen. 19 Insofern besteht das wesentliche Problem in der Unterscheidung dieser Normebenen. 20 Rechtsinstitute wie die Ausstrahlung der Grundrechte in das einfache Recht bzw. die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte als Folge ihrer Grundsatzwirkung erschweren diesen Prozess: Was gehört dem einfachen Recht an, wird also bloß „angestrahlt“ und was ist tatsächlich als vorrangiges Verfassungsrecht anzusehen? 21 Die Problematik spiegelt sich in der Eingrenzung des verfassungsprozessualen Prüfungsumfangs auf das „spezifische Verfassungsrecht“ wider, welches jedoch der für das einfache Recht charakteristischen materiellrechtlichen Prägnanz entbehrt. 22 Die für diese Arbeit wichtigen Fragen nach dem verfassungsrechtlichen Hintergrund der drei untersuchten Informationsansprüche einerseits, des Rechtsguts „Betriebs- und Geschäftsgeheimnis“ andererseits sind geklärt worden. Allenfalls verfassungsrechtlich „angestrahlt“ werden demnach die nur einfachrechtlich verbürgten Informationsansprüche nach den LPG und dem IFG, tatsächlich als vorrangiges Verfassungsrecht anzusehen sind der Informationsanspruch des Abgeordneten sowie Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Die Figur der Ausstrahlungswirkung der Grundrechte in das einfache Recht birgt die Gefahr des Verlusts der Eigenständigkeit und Selbständigkeit dieser – die verfassungsrechtlichen Schranken einhaltenden – Normen. 23 Der Kritik Wahls kann jedoch auf Ebene des IFG durch den ohnehin die Normhierarchie widerspiegelnden absoluten Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen in § 6 S. 2 IFG begegnet werden: Die Eigenständigkeit des IFG wird hier nicht durch übergeordnete, verfassungsrechtlich anders zu bewertende Rechtssätze relativiert. Im Presserecht wird demgegenüber die Möglichkeit einer Abwägung eröffnet, in die verfassungsrechtliche Erwägungen einfließen müssen. Die vom Bundesverfassungsgericht vorgegebene Berücksichtigung der Pressefreiheit bei jeglicher Berührung durch das einfache Recht 24 negiert jedoch nicht dessen Eigenständigkeit, sondern stellt ein Miteinander von gesetzgeberischer Entscheidung und verfassungsrechtlicher Implikation dar. Auf Ebene des parlamentarischen Informationsanspruchs spielt das einfache Recht ohnehin keine Rolle. 25 19
Werner, DVBl. 1959, 527; Wahl, NVwZ 1984, 401 (403). Wahl, Der Staat 20 (1981), 485 (502). 21 Wahl, Der Staat 20 (1981), 485 (502 f.); ders., NVwZ 1984, 401 (407 f.). 22 s. a. Wahl, NVwZ 1984, 401 (402). 23 Wahl, NVwZ 1984, 401 (407 f.) kritisch gegenüber dem Bild der Ausstrahlungswirkung der Grundrechte ins einfache Recht: „wenn und soweit die Grundrechte spezifische Einwirkungen auf das einfache Recht haben, dann muß diesen Einwirkungen durch spezifische Regelungen im Gesetzesrecht genügt werden.“ s.a. Wahl, Der Staat 20 (1981), 485 (514): Im Grundsatz ist Wahl gegen eine Wechselwirkung von Verfassungsrecht und einfachem Recht, was auch gegen die Konzeption der „Grundrechtsaktivierung“ durch das IFG [s. B. IV. 6. f)] spräche. 24 Vgl. B. III. 6. c) bb). 25 Lediglich die GOBT legt die prozeduralen „Spielregeln“ fest, s. B. II. 2. 20
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C. Intensität des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen
Letztlich wird auch durch die in der Arbeit gewonnenen Erkenntnisse die Eigenständigkeit des einfachen Rechts nicht in Frage gestellt. Etwaige verfassungsrechtliche Unterfütterungen sollen vielmehr Anhaltspunkte für eine abgestufte Schutzintensität von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen liefern, die insbesondere bei Abwägungsentscheidungen zum Tragen kommen können. Weitere, die Normhierarchie und die Dogmatik des Vorrangs der Verfassung berührende Ansätze sind weder Ergebnis noch Intention hiesiger Ausführungen. c) Schlussfolgerungen Die bisherigen Ausführungen zur rechtlichen Grundlage der drei Informationsansprüche erlauben folgende Schlussfolgerungen: Ansprüchen, die eine unmittelbare verfassungsrechtliche Grundlage haben, kommt wegen der Normhierarchie in Bezug auf die Abwägung mit gegenläufigen Postulaten von sich aus eine höhere Durchschlagskraft zu als solchen mit einfachgesetzlicher Grundlage. Offenbar wird diese Aussage bei Kollisionen mit entgegenstehenden Interessen, die ihrerseits Verfassungsrang genießen. Das parlamentarische Fragerecht etwa steht dem grundrechtlich gewährleisteten Datenschutz (Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) auf gleicher normativer, nämlich auf verfassungsrechtlicher Ebene gegenüber. 26 Geraten verfassungsrechtlich verbürgte Interessen in einen Konflikt, sind sie – dem Gebot der Einheit der Verfassung folgend – nach dem Prinzip praktischer Konkordanz einander so zuzuordnen, dass jedes von ihnen Wirklichkeit gewinnt. 27 Der Rechtsbegriff „Herstellung praktischer Konkordanz“, hinter dem nichts anderes als eine Abwägung der widerstreitenden Interessen steckt, unterscheidet sich vom klassischen Verhältnismäßigkeitsbegriff nur in der Form, dass es keinen hoheitlichen Eingriff gibt, dessen Angemessenheit anhand einer Abwägung zu überprüfen wäre. 28 Allerdings müssen auch hier die Grenzziehungen für jedes Rechtsgut verhältnismäßig sein, d. h. sie dürfen nicht weiter gehen als für die Herstellung praktischer Konkordanz notwendig. 29 26
Klein, in: Maunz / Dürig, GG, Art. 43, Rn. 113. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 72; Isensee, in: ders. / Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Bd. VII, 1. Aufl. 1992, § 162, Rn. 41; Rüfner, Grundrechtskonflikte, in: Starck (Hrsg.), Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz, Bd. II, S. 453 (465 ff.) mit Beispielen; zur Abwägung im Verfassungsrecht eingehend Ossenbühl, DVBl. 1995, 904 ff., der das Lüth-Urteil (BVerfGE 7, 198) als Ausgangspunkt ansieht; ders., in: Merten / Papier, HbdGR, Bd. I, 2004, § 15, Rn. 30; dabei wird nicht übersehen, dass es sich beim parlamentarischen Fragerecht nicht um ein Grundrecht handelt. Die Herstellung praktischer Konkordanz ist aber dennoch im Sinne der Einheit der Verfassung angezeigt; hiervon geht ersichtlich auch die Rechtsprechung aus, s. die in B. II. 4. b) cc) (1) aufgeführten Entscheidungen. 28 Ossenbühl, DVBl. 1995, 904 (906 f.). 29 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 72; kritisch Wahl, Der Staat 20 (1981), 485 (504). 27
II. Rechtsprechungsanalyse
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Demgegenüber lässt sich für jegliche Informationsansprüche, die nicht auf Verfassungsrecht beruhen, feststellen, dass sie im „Kollisionsfall“ 30 selbigem auf der Gegenseite stets unterliegen. Dies ist die Konsequenz des Vorrangprinzips, nach dem sich kein staatlicher Akt mit der Verfassung in Widerspruch setzen darf. 31 Dass verfassungsrechtlich fundierte Rechtsgüter ihrerseits verfassungsmäßigen Beschränkungen unterworfen werden können, steht auf einem anderen Blatt. Hier geht es schlicht um die Einordnung der Durchschlagskraft eines Informationsanspruchs auf der Basis seiner rechtlichen Grundlage, d. h. um eine abstrakte Sichtweise, die Rückschlüsse und Grundüberlegungen für bestimmte Konstellationen liefern soll. Eine weitergehende Verfassungsinterpretation kann demgegenüber nur bezogen auf ein konkretes Problem vollzogen werden. 32 Darum soll es an dieser Stelle jedoch noch nicht gehen. Für den parlamentarischen Informationsanspruch gilt daher, dass er im Vergleich zu den beiden anderen hier untersuchten Ansprüchen von vornherein ein größeres Gewicht hat. Ob und wie sich diese abstrakten Vorgaben in der (Rechtsprechungs-) Praxis widerspiegeln, behandelt der folgende Abschnitt.
II. Ausgleich zwischen den Informationsansprüchen und Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen: Eine Rechtsprechungsanalyse Die im ersten Teil der Arbeit für die einzelnen Ansprüche herausgearbeiteten Vorgaben zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen sollen in diesem Abschnitt der Rechtsprechungspraxis gegenübergestellt werden. 1. Parlamentarisches Fragerecht a) Vorgegebener Modus 33 Auch in Auseinandersetzungen mit dem parlamentarischen Fragerecht liegt der Bestimmung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen die allgemeine rechts30 Das Wort „Kollision“ ist deshalb in Anführungszeichen gesetzt, da eine solche voraussetzt, dass sich rechtliche Interessen auf derselben rechtlichen Ebene begegnen. 31 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 199; Zum Vorrang der Verfassung s. a. Isensee, in: ders. / Kirchhof, HbdStR, Bd. VII, 1. Aufl. 1992, § 162, Rn. 36 ff., 38. 32 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 64; zur Verfassungsinterpretation eingehend Hillgruber, Verfassungsinterpretation, in: Die Entstehung des Verfassungsgesetzes, in: Depenheuer / Grabenwarter (Hrsg.), Verfassungstheorie, 2010, § 15. 33 Ausführlich hierzu B. II. 4. b) cc).
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C. Intensität des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen
gebietsübergreifende Definition zugrunde, welche zuletzt vom Bundesverfassungsgericht konkretisiert worden ist. 34 Nach von diesem nicht explizit geteilter, jedoch überwiegender Auffassung erfahren Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse einen verfassungsrechtlichen Schutz nach Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG. Demgegenüber lässt sich das parlamentarische Fragerecht aus der staatsorganisationsrechtlichen Vorschrift des Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG herleiten. Beide Rechtspositionen sind im Wege der Herstellung praktischer Konkordanz miteinander in Einklang zu bringen. Dies erfolgt durch eine Abwägung im konkreten Fall. Wie die Gerichte diese Vorgaben im Einzelfall berücksichtigt haben, wird eine Darstellung einzelner Entscheidungen veranschaulichen. b) Rechtsprechungsanalyse aa) VerfGH NW, NVwZ-RR 2009, 41 Der Verfassungsgerichtshof des Landes Nordrhein-Westfalen hatte über einen Organstreit zu entscheiden, in dem es um eine, nach Ansicht des Antragstellers – eines Mitglieds des Landtags –, unzureichende Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage durch die Landesregierung ging. Gegenstand des Falls waren Informationen über die Umstrukturierung der vom Bund und dem Land Nordrhein-Westfalen subventionierten Ruhrkohle-AG, insbesondere über zu erwartende Altlasten, spezifische Förderkosten der noch aktiven Bergwerke, die Haftung der Gesellschafter und die weitere Unternehmensplanung. Die Landesregierung hatte die Beantwortung der Anfragen teilweise unter Hinweis auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Ruhrkohle-AG verweigert. Das Verfassungsgericht zweifelte zunächst an, dass aufgrund der Monopolstellung der Ruhrkohle-AG die Gefahr einer Schwächung der Wettbewerbsposition der Betroffenen, mithin ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse bestehe, klärte diese Frage aber nicht abschließend. 35 Stattdessen ging es zu der Frage über, ob die Landesregierung die widerstreitenden Interessen in einer verfassungsrechtlichen Anforderungen genügenden Weise gegeneinander abgewogen hatte. Die Landesregierung habe nicht die verfassungsrechtlich geforderte praktische Konkordanz zwischen grundrechtlichem Datenschutz und parlamentarischem Informationsanspruch hergestellt. Denn die fraglichen Informationen hätten in nichtöffentlicher, vertraulicher oder geheimer Form weitergegeben werden können. Dies hätte auf der einen Seite einen im Vergleich zur gänzlichen Vorenthaltung geringeren Eingriff in das parlamentarische Informationsrecht, auf der anderen Seite eine hinreichende Wahrung der Geheimhaltungsinteressen der Ruhrkohle-AG dargestellt. 36 34 35 36
Vgl. BVerfGE 115, 205 (230) und B. I. 4. VerfGH NW, NVwZ-RR 2009, 41 (44). VerfGH NW, NVwZ-RR 2009, 41 (45).
II. Rechtsprechungsanalyse
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bb) BayVerfGH, NVwZ 2007, 204 In diesem Fall ging es um einen umfangreichen Fragenkomplex, der der Bayerischen Staatsregierung seitens einiger Abgeordneter bzw. einer Fraktion des Bayerischen Landtages zur Beantwortung vorgelegt worden war. Die Fragen betrafen unter anderem die Geschäftspraxis der Bayerischen Landesanstalt für Aufbaufinanzierung (LfA), die Subventionspraxis der Bayerischen Staatsregierung (Fördervolumina) und die Kosten eines Gutachtens, welches von einem durch den Freistaat Bayern beherrschten Unternehmen in Auftrag gegeben worden war. Bei diesem Unternehmen handelte es sich um die Sonderabfall-Entsorgung Bayern GmbH (GSB), an welcher der Freistaat Bayern zu 53 % beteiligt war. Die Offenlegung privatrechtlicher Beziehungen zu dem Auftragnehmer sollte jedoch wegen dessen Geheimhaltungsinteressen nur unter Ausschluss der Aufnahme der Antwort in die Landtagsdrucksachen erfolgen. 37 Was die Kosten für die Deponien der GSB anbelangte, stellte das Landesverfassungsgericht ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse in Abrede, da Konkurrenten aus den gewünschten Informationen keine Vorteile am Markt ziehen könnten. 38 Ein weiterer Teil der Fragen richtete sich auf die seitens der LfA an Mitglieder des Vorstands oder des Aufsichtsrats abgegebenen Anteile an dem Unternehmen Schneider AG. Das Gericht erkannte zwar an, dass auch die LfA als Anstalt des öffentlichen Rechts Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse haben können müsse. Allerdings sah es hier das Informationsinteresse der Abgeordneten als schwerwiegender an, gerade weil die LfA mit öffentlichen Geldern wirtschaftete. Die Verweigerung der Nennung des genauen Kaufpreises im Einzelfall wurde hingegen als rechtmäßig erachtet. 39 Schließlich ging es um die seitens der Landesregierung gewährten Subventionen, deren Höhe und Bestimmung hätten mitgeteilt werden müssen. Als Empfänger öffentlicher Mittel müssten subventionierte Unternehmen mit einem erhöhten Interesse des die Landesregierung kontrollierenden Parlaments rechnen. Spezifische Betriebsinterna, wie etwa zu Überschüssen und Anteilen bestimmter Geschäftsbereiche am Gesamtumsatz unterlägen jedoch dem Schutz von Betriebsund Geschäftsgeheimnissen. 40 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass dem Informationsanspruch der Abgeordneten weitgehend Rechnung getragen und Übergewicht eingeräumt wurde. 37 38 39 40
BayVerfGH, NVwZ 2007, 204 (209); ähnlich der Vorstellung des VerfGH NW, s. o. BayVerfGH, NVwZ 2007, 204 (209). BayVerfGH, NVwZ 2007, 204 (208). BayVerfGH, NVwZ 2007, 204 (209).
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C. Intensität des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen
cc) BVerfGE 67, 100 – „Flick-Untersuchungsausschuss“ Diese viel beachtete Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts behandelt zwar Informationsrechte eines Untersuchungsausschusses, trifft jedoch auch wesentliche Grundaussagen in Bezug auf das parlamentarische Informationsrecht im Allgemeinen und darf daher an dieser Stelle nicht unerörtert bleiben. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass in beiden Fällen das Informationsrecht in der Verfassung selbst abgesichert ist. Gegenstand des Verfahrens waren Informationen über eine mögliche Einflussnahme des Flick-Konzerns auf die Bundesregierung im Hinblick auf die Genehmigung von Reinvestitionen aus Veräußerungserlösen und damit verbundene Steuervorteile. Hinsichtlich der begehrten Unterlagen kam es unter anderem auf die Frage an, ob die darin enthaltenen (insbesondere) steuerlichen Angaben und Verhältnisse der Geheimhaltung unterlagen. Eine der Grundaussagen betrifft das Kollisionsmoment zwischen parlamentarischen Informations- und privaten Geheimhaltungsinteressen: „Beweiserhebungsrecht des parlamentarischen Untersuchungsausschusses und grundrechtlicher Datenschutz stehen sich mithin auf Ebene des Verfassungsrechts gegenüber und müssen im konkreten Fall einander so zugeordnet werden, dass beide soweit wie möglich ihre Wirkungen entfalten.“ 41
Diese Feststellung zum verfassungsrechtlichen Gebot der Herstellung praktischer Konkordanz lässt sich unmittelbar auf die Ebene „Parlamentarisches Fragerecht und Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse“ übertragen. Ein weiterer zentraler Grundsatz, der auch in den oben bereits genannten Entscheidungen der Landesverfassungsgerichte schon beherzigt worden ist, betrifft den Modus zur Herstellung dieser praktischen Konkordanz: „Die Bedeutung, die das Kontrollrecht des Parlaments sowohl für die parlamentarische Demokratie als auch für das Ansehen des Staates hat, gestattet in aller Regel dann keine Verkürzung des Aktenherausgabeanspruchs zugunsten des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und des Eigentumsschutzes, wenn Parlament und Regierung Vorkehrungen für den Geheimschutz getroffen haben, die das ungestörte Zusammenwirken beider Verfassungsorgane auf diesem Gebiete gewährleisten, und wenn der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist. Eine Ausnahme hiervon gilt indessen für solche Informationen, deren Weitergabe wegen ihres streng persönlichen Charakters für die Betroffenen unzumutbar ist.“ 42
Zum jetzigen Zeitpunkt der Untersuchung lässt sich hieraus für die Erteilung von Informationen seitens der Bundesregierung festhalten, dass Betriebsund Geschäftsgeheimnisse, selbst wenn sie geheimhaltungsbedürftig sind, dem Fragenden nach den Regeln der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundes41 42
BVerfGE 67, 100 (143 f.). BVerfGE 67, 100 (144).
II. Rechtsprechungsanalyse
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tages 43 zugänglich zu machen sind. Auf diese Weise wird eine Veröffentlichung in der Bundestagsdrucksache und ein damit verbundener tieferer Eingriff in Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG vermieden. Wie sich die Aussage, streng persönliche Daten seien selbst auf diesem Wege nicht weiterzugeben, auf die vorliegende Konstellation mit Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen – die augenscheinlich nicht als „streng persönlich“ zu qualifizieren sind – übertragen lässt, wird später noch Gegenstand der Untersuchung sein. 44 dd) Zwischenergebnis Es zeigt sich, dass Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse vor dem Informationsbedürfnis einzelner Abgeordneter kaum geschützt sind, wenn ein hinreichendes Interesse an diesen Daten begründet werden kann. Im Fall des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs wurde dies beispielsweise für Informationen abgelehnt, die aus dem Verantwortungsbereich der Landesregierung herausfallen. Insoweit wurde letztlich ein anderer Antwortverweigerungsgrund 45 fruchtbar gemacht, der reflexhaft den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen zur Folge hatte. Ansonsten hat das „Flick-Urteil“ den Weg gewiesen: Im Falle der Schutzwürdigkeit von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen ist über die Geheimschutzregeln eine Beantwortung unter Ausschluss der Öffentlichkeit (keine Veröffentlichung in der Bundestagsdrucksache) oder gar der restlichen Abgeordneten in Betracht zu ziehen. Eine vollständige Antwortverweigerung löst hingegen eine ausführliche Begründungspflicht der Bundesregierung aus; sie dürfte nur in Ausnahmefällen zu rechtfertigen sein. 2. Presserechtlicher Auskunftsanspruch a) Vorgegebener Modus 46 Die Landespressegesetze ordnen eine Abwägung der widerstreitenden Interessen an. Bei dieser kommt es maßgeblich auf die Frage der Angemessenheit des jeweiligen Eingriffs an. 47 Insofern wird einfachgesetzlich das gefordert, was verfassungsrechtlich nicht geboten ist, nämlich die grundsätzliche Gleichrangigkeit des presserechtlichen Auskunftsanspruchs und der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse betroffener Dritter. Diese genießen jedoch – im Gegensatz zum presserechtlichen Auskunftsanspruch – unmittelbaren verfassungsrechtlichen Schutz. 43 44 45 46 47
s. hierzu B. II. 4. b) cc). s. u. IV., Entwurf eines Schutzstufenmodells. s. hierzu B. II. 4. b) aa). Ausführlich hierzu – insbesondere zur umstrittenen Dogmatik – B. III. 4. b). BVerfG, NJW 2001, 503 (505 f.).
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C. Intensität des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen
Im Rahmen der Abwägung muss diese aus der abstrakten Gegenüberstellung hervorgehende Sichtweise Berücksichtigung finden. Dasselbe gilt allerdings für den unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG folgenden objektiv-rechtlichen, institutionellen Gehalt der Pressefreiheit. Insoweit ist der presserechtliche Auskunftsanspruch zwar nicht verfassungsrechtlich fundiert, aber immerhin verfassungsrechtlich „flankiert“. Dies führt zu einer „Quasi-Kollision“ von Verfassungsgütern beim Aufeinandertreffen mit Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen. b) Rechtsprechungsanalyse Aufgrund der enger umgrenzten Sachverhalte lassen sich die Entscheidungen im Rahmen des presserechtlichen Auskunftsanspruchs und des allgemeinen Informationszugangsanspruchs jeweils in zwei Gruppen einteilen: Einerseits in Entscheidungen zugunsten des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, andererseits in Entscheidungen zugunsten der Anspruchsteller. aa) Entscheidung zugunsten des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen: VGH München, NVwZ-RR 2007, 767 Die Landesanstalt für Aufbaufinanzierung des Freistaats Bayern (LfA) war hier Adressatin des Auskunftsanspruchs einer Redakteurin eines Börsenmagazins. Es ging um Informationen über das Engagement der LfA (Aktienkäufe und -verkäufe) bei einem insolvent gegangenen Unternehmen. Die Brisanz des Falles lag darin, dass nach Angaben des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie beim Verkauf der Aktien dieses Unternehmens ein Millionenverlust zu verzeichnen gewesen sei, was jedoch mit Blick auf den Kursverlauf seit Kauf der Anteile nicht nachvollziehbar war. Die Klägerin wollte mit dem Auskunftsanspruch insbesondere ihrem Verdacht nachgehen, dass die Aktien mit einem unüblich hohen Abschlag verkauft oder gar verschenkt und damit zu Lasten des Steuerzahlers Käufer in Millionenhöhe begünstigt worden sein könnten. In weiten Teilen hatte die Klage der Redakteurin Erfolg. Unter welchen Umständen und zu welchen Preisen Aktienverkäufe durch die LfA vorgenommen worden waren, war im Hinblick auf die sinnvolle Verwendung von Steuergeldern eine Frage von überwiegendem öffentlichem Interesse. Der Frage, mit wem aus welchen Gründen ein vom Marktüblichen abweichender Aktienkaufpreis vereinbart wurde, standen jedoch schutzwürdige, private Rechte der betroffenen Dritten entgegen, obwohl sie auch einem unmittelbaren öffentlichen Informationsinteresse diente. 48 Insofern fiel die Abwägung zugunsten der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Geschäftspartner der LfA aus.
II. Rechtsprechungsanalyse
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Weitere Entscheidungen zugunsten von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen sind nicht ergangen. bb) Entscheidungen zugunsten der Presse (1) VG Arnsberg, Urt. v. 30. 01. 2009 – 12 K 136/08 Ein freier Journalist wollte in diesem Fall Informationen von einem Landkreis über die Beteiligung desselben an der RWE AG erhalten. Dem Kläger ging es in erster Linie darum, im Dialog mit Kommunen und Kreisen den kommunalen Einfluss auf den Energieerzeuger RWE zu ermitteln. Insbesondere mögliche Verkaufsabsichten des beklagten Landkreises könnten zum Wegfall einer evtl. noch bestehenden Sperrminorität führen, was einer „feindlichen Übernahme“ aus dem Ausland zuträglich sein könnte. Das Verwaltungsgericht Arnsberg verurteilte den Beklagten zur Preisgabe der gewünschten Informationen. Insbesondere Betriebsund Geschäftsgeheimnisse der Beteiligungsgesellschaft des Kreises seien durch die Frage, ob Aktien ge- bzw. verkauft wurden, mangels Offenlegung von Details nicht berührt. 49 Speziell die Frage nach den Verkaufsabsichten könne mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden, ohne den konkreten Zeitpunkt oder die Bedingungen für einen etwaigen Verkauf kundzutun, die unter Umständen eine geschützte Marktstrategie offenlegen könnten. 50 (2) VG Hamburg, AfP 2009, 296 und Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, Urt. v. 04. 10. 2010 – 4 Bf 179/09.Z Eine von der Stadt Hamburg getragene GmbH, die Hallen-, Schwimm- und Freizeitbäder betreibt, war Adressatin des Auskunftsbegehrens eines Hamburger Verlegers bzw. des Redakteurs einer Tageszeitung. Begehrt wurden Informationen über die genauen Besucherzahlen der einzelnen, von der beklagten GmbH betriebenen Bäder, die diese jedoch unter Berufung auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nicht preisgeben wollte. Die GmbH konnte hier zunächst wegen des funktionell-teleologischen Behördenbegriffs im Presserecht 51 Anspruchsverpflichtete nach § 4 LPG Hamburg sein. 52 Ferner war zu erörtern, ob Betriebsund Geschäftsgeheimnisse einer Auskunft entgegen standen. Das Gericht war nicht davon überzeugt, dass die bloße Bekanntgabe der Besucherzahlen einen 48 VGH München, NVwZ-RR 2007, 767 (770); Geschäftsverbindungen können Geschäftsgeheimnisse darstellen, s. B. I. 2. 49 VG Arnsberg, Urt. v. 30. 01. 2009 – 12 K 136/08, Rz. 42 ff. 50 VG Arnsberg, Urt. v. 30. 01. 2009 – 12 K 136/08, Rz. 47. 51 s. B. III. 3. b). Danach werden auch diejenigen juristischen Personen des Privatrechts vom presserechtlichen Behördenbegriff erfasst, deren sich die öffentliche Hand zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben bedient und die von dieser beherrscht werden. 52 VG Hamburg, AfP 2009, 296 (299).
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C. Intensität des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen
wirtschaftlichen Schaden nach sich ziehen könnte. Insbesondere seien die für jedes einzelne Bad aufgeschlüsselten Besucherzahlen nur bedingt aussagekräftig, da sich eine Vielzahl von Faktoren, die Einfluss auf die Besucherzahlen gehabt hätten, nicht mehr ermitteln ließ. 53 Wegen nicht zu befürchtender Wettbewerbsnachteile und deswegen fehlenden berechtigten Geheimhaltungsinteresses lag ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis nicht vor. Der hiergegen gerichtete Antrag auf Zulassung der Berufung wurde vom Hamburgischen Oberverwaltungsgericht unter Verweis auf die Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts abgelehnt. 54 (3) VG Düsseldorf, Urt. v. 14. 12. 2001 – 1 K 6481/99 und OVG Münster, NJW 2005, 618 (Berufungsinstanz) Dem Rechtsstreit lag ein Auskunftsbegehren eines Zeitschriftenherausgebers und seiner verantwortlichen Redakteurin gegenüber der Stadt Essen zugrunde. Erfragt werden sollten die Kosten eines Gutachtens zum Ausbau des U-BahnNetzes in Essen, welches seit seiner Erstellung im Jahr 1998 Gegenstand öffentlicher Diskussionen gewesen war. Diese Auskunft wurde seitens der Stadt unter Berufung auf Geheimhaltungsinteressen des Vertragspartners verweigert. Die Kläger machten demgegenüber u. a. geltend, dass auch die Kenntnis der Kosten des Gutachtens für dessen Bewertung im Rahmen der Diskussion um den U-Bahn-Bau von Bedeutung sei und dass eine kritische Berichterstattung über das Finanzgebaren der öffentlichen Hand möglich bleiben müsse. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf stellte fest, dass ohne Kenntnis der abgerechneten Stunden und sonstiger Details die bloße Honorarangabe keine Rückschlüsse auf die Preiskalkulation und die betrieblichen Verhältnisse des Unternehmens liefern könne. 55 Auch sei die Mitteilung der Honorarhöhe eine eng umgrenzte Auskunft, die nichts über die dem Unternehmen durch die Auftragserledigung entstandenen Kosten aussage. 56 Ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse des Gutachters „S & Partner“ war demnach zu verneinen. Das Oberverwaltungsgericht Münster bestätigte diese Entscheidung. 57
53
VG Hamburg, AfP 2009, 296 (300). Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, Urt. v. 04. 10. 2010 – 4 Bf 179/09.Z, insb. Rz. 35 ff. 55 VG Düsseldorf, Urt. v. 14. 12. 2001 – 1 K 6481/99, Rz. 67. 56 VG Düsseldorf, Urt. v. 14. 12. 2001 – 1 K 6481/99, Rz. 68. 57 OVG Münster, NJW 2005, 618 (618 f.) 54
II. Rechtsprechungsanalyse
175
(4) VG Düsseldorf, Urt. v. 15. 10. 2008 – 1 K 3286/08 Der gleiche Begründungsansatz lässt sich in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 15. Oktober 2008 erkennen. Gegenstand dieses Rechtsstreits war das Auskunftsbegehren eines „Informationsdienstverlags“ gegenüber dem Land Nordrhein-Westfalen, der Informationen über Beratungsleistungen einer US-amerikanischen Bankengruppe – insbesondere die Beratungskosten – im Zusammenhang mit der Beteiligung des Landes an der Westdeutschen Landesbank erhalten wollte. Das Verwaltungsgericht entschied, dass allein aus der Mitteilung der Honorarhöhe noch keine Rückschlüsse auf die betriebliche und wirtschaftliche Situation des Unternehmens möglich seien. 58 Damit blieb es seiner bereits im Urteil vom 14. 12. 2001 59 gefolgten Linie treu: Mangels Geheimhaltungsinteresses lag kein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis der Bankengruppe vor, so dass die Beratungskosten mitgeteilt werden mussten. (5) VG Berlin, AfP 1994, 175 und OVG Berlin, ZUM 1996, 250 (Berufungsinstanz) In diesem Fall ging es um ein Auskunftsbegehren des ZDF gegenüber dem Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen. Gegenstand desselben waren Beschwerdestatistiken, die vom Bundesaufsichtsamt in einer Presseerklärung lediglich in anonymisierter Form preisgegeben worden waren. Das ZDF verlangte nun unter Berufung auf §§ 4, 23 LPG Berlin eine Aufgliederung der Statistiken nach konkreten Versicherungsunternehmen. Eine solche wurde vom Bundesaufsichtsamt unter Berufung auf schutzwürdige private Interessen der Versicherungsunternehmen versagt. Das Verwaltungsgericht wie auch das Oberverwaltungsgericht Berlin bestätigten jedoch das Vorliegen eines solchen Anspruchs mit der Begründung, an einer nur anonymisierten Wiedergabe von Beschwerdestatistiken in der Versicherungsbranche bestehe nur für die negativ auffallenden Unternehmen ein schutzwürdiges Interesse. 60 Dieses Interesse lässt sich – auf Grundlage der Erkenntnisse in B. III. 4. b) – wie folgt qualifizieren: Eine Offenlegung der (entanonymisierten) Beschwerdestatistiken hätte für die betroffenen Unternehmen eine Rufschädigung zur Folge, die einen wirtschaftlichen Schaden nach sich ziehen könnte. Hierin ist ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse als Voraussetzung für ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis zu erkennen. Die Gerichte entschieden jedoch, dass dieses in diesem Fall geringer einzustufen sei als dasjenige der Öffentlichkeit, zu erfahren, wie sich die statistisch erfassten und veröffentlichten Beschwerdezahlen auf die einzelnen Unternehmen verteilten. 61 58 59 60 61
VG Düsseldorf, Urt. v. 15. 10. 2008 – 1 K 3286/08, Rz. 64 f. VG Düsseldorf, Urt. v. 14. 12. 2001 – 1 K 6481/99. VG Berlin, AfP 1994, 175 (177 f.); OVG Berlin, ZUM 1996, 250 (254 f.). OVG Berlin, ZUM 1996, 250 (254 f.).
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C. Intensität des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen
(6) VG Frankfurt (Oder), Beschl. v. 23. 9. 2009 – 3 L 208/09 und OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 19. 10. 2009 – 10 S 58.09 (Beschwerdeinstanz) Auch in diesem Beispiel ging es um die Frage eines Pressevertreters nach der Höhe eines von der öffentlichen Hand an einen Privaten gezahlten Geldbetrages. Die Stadt Frankfurt (Oder) hatte zur Imagepflege eine Filmproduktion in Auftrag gegeben, deren Kosten das Interesse der Medien auf sich zogen. Die Abwägung fiel auch hier zugunsten des Antragstellers aus: Die Höhe des für die Filmproduktion gezahlten Entgelts erlaube weder Rückschlüsse auf die interne Preiskalkulation noch auf die betrieblichen Verhältnisse oder die wirtschaftliche Situation der betroffenen GmbH. 62 Demgegenüber wiege das Offenbarungsinteresse des Antragstellers vor dem Hintergrund knapper öffentlicher Mittel schwerer. 63 Implizit wurde demnach auch hier eine wirtschaftliche Relevanz der Information und damit das berechtigte Geheimhaltungsinteresse der Betroffenen durch das Gericht in Abrede gestellt. cc) Zwischenergebnis Die Mehrheit der Entscheidungen spricht sich für ein Überwiegen des Offenbarungsinteresses und damit für den presserechtlichen Auskunftsanspruch aus. Hierdurch wird dem starken Einfluss von Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG bei der Auslegung der Pressegesetze, insbesondere beim Abwägungsvorgang mit privaten Geheimhaltungsinteressen, Ausdruck verliehen. Besonders aussagekräftig ist die Argumentationsstruktur der meisten Gerichte: Vielfach wird ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse der Unternehmen (teils implizit, teils explizit) abgelehnt und dadurch bereits das Vorliegen eines Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses negiert. Diese enge Auslegung der Voraussetzungen führt dazu, dass es zu der vom Gesetz intendierten Abwägung der widerstreitenden Interessen gar nicht kommt. Fälle, in denen es zu einer Kollision von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen und presserechtlichem Auskunftsanspruch kam, waren demnach in der Vergangenheit selten, da meist schon kein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis anerkannt wurde; trotz der Tatsache, dass dem Presserecht – im Gegensatz zum Informationszugangsrecht – die „legislative Handbremse“ des Einwilligungsvorbehalts (§ 6 S. 2 IFG) fremd ist.
62 63
VG Frankfurt (Oder), Beschl. v. 23. 9. 2009 – 3 L 208/09, Rz. 21. VG Frankfurt (Oder), Beschl. v. 23. 9. 2009 – 3 L 208/09, Rz. 22.
II. Rechtsprechungsanalyse
177
3. Informationszugangsanspruch nach dem IFG a) Vorgegebener Modus 64 Nach § 6 S. 2 IFG bedarf es der Einwilligung des Betroffenen, sofern Zugang zu Datenbeständen mit Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen begehrt wird. Der Gesetzgeber hat sich mithin zu einem absoluten Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen bekannt, mit der Folge, dass eine Abwägung der widerstreitenden Interessen nicht stattfindet. Wertungen – aber auch nicht mehr – können und sollen bei der behördlicherseits vorzunehmenden Bestimmung, ob ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis vorliegt, einfließen. Hierbei ist vor allem die Frage entscheidend, ob dem Betroffenen ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse zur Seite steht. Die Umsetzung dieser Vorgaben durch die Gerichte wird im Folgenden dargestellt. b) Rechtsprechungsanalyse aa) Entscheidungen zugunsten von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen (1) VG Braunschweig, ZUM 2008, 254 Dem Rechtsstreit lag das Begehren des Klägers – eines Wissenschaftsjournalisten – gegenüber dem Bundesministerium des Innern zugrunde, ihm zur Überprüfung der Zuverlässigkeit und Manipulationssicherheit eines elektronischen Wahlgerätes zur Stimmerfassung und -zählung die Prüfunterlagen zukommen zu lassen. Das Verwaltungsgericht entschied, dass eine Weitergabe dieser Informationen geeignet wäre, dem (beigeladenen) Hersteller einen wirtschaftlichen Schaden zuzufügen, weil andere Unternehmen in der Lage wären, vergleichbare Geräte zu produzieren und insofern vom langjährigen Forschungs- und Entwicklungsaufwand des Herstellers zu profitieren. 65 Hierdurch werde ein berechtigtes (wirtschaftliches) Geheimhaltungsinteresse der Beigeladenen begründet. Neben Ausführungen zum fehlenden Abwägungsvorbehalt bei § 6 S. 2 IFG und zu dessen Verfassungsmäßigkeit 66 stellte das Gericht fest, dass wegen der fehlenden Einwilligung der Beigeladenen der Informationszugang nicht zu gewähren sei. (2) VG Frankfurt a. M., NVwZ 2008, 1384 Einen Teil der das Verwaltungsgericht Frankfurt a. M. seit Einführung des Informationsfreiheitsgesetzes beschäftigenden Fälle von Informationszugangsbegehren gegenüber der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht („BaFin64 65 66
Ausführlich hierzu B. IV. 7. b) dd). VG Braunschweig, ZUM 2008, 254 (257). VG Braunschweig, ZUM 2008, 254 (258).
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C. Intensität des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen
Rechtsprechung“ 67) bildete der Rechtsstreit über die Erteilung von der BaFin vorliegenden Informationen über die Beteiligung von Porsche bei VW. Hinsichtlich der Informationen über mögliche Verstöße gegen Insiderhandelsverbote und Publizitätsvorschriften und ein hierüber seitens der BaFin geführtes Verfahren gab das Gericht dem Kläger Recht. Die begehrte uneingeschränkte Akteneinsicht würde jedoch die Offenbarung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen mit sich bringen und sei daher mangels Einwilligung der Porsche AG nach § 6 S. 2 IFG nicht zu gewähren. 68 (3) OVG Schleswig, NordÖR 2005, 528 Gegenstand dieses Falles war der Antrag eines Verbraucherschutzverbandes gegenüber den schleswig-holsteinischen Eichämtern auf Auskunft über Beanstandungen bei Füllmengenkontrollen. Ein wesentliches Problem, das die Relevanz dieses Falls auch für die Bundesebene aufzeigt, lag in der Anerkennung eines berechtigten Geheimhaltungsinteresses der betroffenen Unternehmen trotz deren rechtswidriger Abfüllpraxis. Im vorliegenden Fall wurden so, wie durch § 11 Abs. 1 IFG-SH angeordnet, allgemeines Informationszugangsrecht und Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse mit dem Ergebnis gegeneinander abgewogen, dass Ersteres zurücktreten müsse, da der Verbraucherschutz kein Rechtsgut von Verfassungsrang sei. 69 Außerdem könne den betroffenen Unternehmen ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse nicht aufgrund „einfacher“ rechtswidriger Handlungen abgesprochen werden. Hierzu bedürfe es eines Rechtsverstoßes, der gleichzeitig tragende Grundsätze der Rechtsordnung berühre. 70 Übertragen auf das IFG des Bundes hätte die Streitigkeit wegen der Anerkennung eines berechtigten Geheimhaltungsinteresses und der fehlenden Einwilligung des Betroffenen zum gleichen Ergebnis führen müssen, § 6 S. 2 IFG. Dass Geheimnisse, die auf objektiv rechtswidrigem Verhalten beruhen, jedoch mit Blick vor allem auf den Gesetzeszweck nicht durch das IFG geschützt werden sollten, wurde bereits festgestellt. 71 Insofern hätte der Informationszugang auf Bundesebene gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 IFG gewährt werden müssen. 67
s. hierzu bereits B. IV. 7. b) bb) und cc). VG Frankfurt a. M., NVwZ 2008, 1384 (1388); zwar definiert das Gericht recht ausführlich, was unter Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen zu verstehen sei, lässt jedoch eine saubere Subsumtion vermissen. 69 OVG Schleswig, NordÖR 2005, 528 (530); problematisch ist in diesem Zusammenhang, ob der Beweggrund für den Informationszugangsantrag in die Abwägungsentscheidung einfließen sollte. Gesetzeszweck und Voraussetzungslosigkeit des Anspruchs (vgl. B. IV. 3. und 4.) sprechen eher dagegen. Im Fokus soll hier jedoch die Problematik des auf rechtswidrigem Verhalten beruhenden berechtigten Geheimhaltungsinteresses liegen. 70 OVG Schleswig, NordÖR 2005, 528 (530). 71 s. B. IV. 7. b) dd) (2). 68
II. Rechtsprechungsanalyse
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(4) VG Frankfurt a. M., Urt. v. 28. 1. 2009 – 7 K 4037/07.F Anspruchsverpflichtete dieses Rechtsstreits war abermals die BaFin. Sie sollte den Zugang zu Unterlagen und Dokumenten eröffnen, welche Informationen über eine von ihr beaufsichtigte Privatbank enthielten, die trotz eröffneten Insolvenzverfahrens und zwischenzeitlicher Entziehung der Bankgeschäftsführungserlaubnis durch die BaFin weiter Bankgeschäfte führte. Die Kläger gehörten zu einer Gruppe von Anlegern, denen infolge dieser Geschäftstätigkeit ein beträchtlicher Vermögensschaden entstanden war. Einsicht „in Sachgesamtheiten, die den Kern der Geschäftstätigkeit des Beigeladenen betreffen“, durfte nach Ansicht des Gerichts wegen fehlender Einwilligung nach § 6 S. 2 IFG nicht gewährt werden. In den Verträgen, Testaten der Wirtschaftsprüfer und in dem Prüfungsbericht würden Bewertungen vorgenommen, welche die Ertragslage, die Umsätze und die Kreditwürdigkeit des Beigeladenen beträfen. 72 Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens sei ferner nicht das Entfallen des Geheimnisschutzes verbunden. 73 Wiederum lässt sich hier auf die schon oben und unter B. IV. 7. b) dd) (2) gemachten Feststellungen verweisen: Unternehmen, deren geheime Daten in objektiv rechtswidrigem Handeln wurzeln, sollte das berechtigte Geheimhaltungsinteresse abgesprochen werden. 74 Soweit geheimhaltungsbedürftige Daten von Geschäftspartnern der Privatbank vorliegen, bedarf es jedoch unter Umständen einer Trennung bzw. Schwärzung der entsprechenden Passagen. (5) VG Frankfurt a. M., Urt. v. 18. 2. 2009 – 7 K 4170/07.F Einen weiteren Fall der „BaFin-Rechtsprechung“ stellte eine Streitigkeit über den Anspruch auf Zugang zum Auflösungsbericht eines Fonds dar, dessen Anteilsinhaberin die Klägerin war. Das Gericht wies die Klage jedoch ab und befand, der Auflösungsbericht enthalte „detaillierte Informationen zu den im Berichtszeitraum getätigten Wertpapiergeschäften des Fonds, eine Ertrags- und Aufwandsrechnung sowie Angaben zur Entwicklung des Fondsvermögens im Berichtszeitraum und ein[en] Mehrjahresvergleich“. Deshalb sei eine Einsichtnahme geeignet, Rückschlüsse auf konkrete Anlagestrategien der Beigeladenen, mithin Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zu offenbaren. 75 Wegen der fehlenden, aber nach § 6 S. 2 IFG erforderlichen Einwilligung sei der Informationszugang nicht zu gewähren. 72
VG Frankfurt a. M., Urt. v. 28. 1. 2009 – 7 K 4037/07.F, Rz. 57. VG Frankfurt a. M., Urt. v. 28. 1. 2009 – 7 K 4037/07.F, Rz. 59. 74 Ob und inwieweit die geschäftlichen Handlungen der Privatbank als objektiv rechtswidrig einzustufen waren (etwa aus insolvenzrechtlicher Perspektive), hätte jedoch – zur Entlastung der BaFin als auskunftsverpflichteter Behörde – zweifelsfrei feststellbar sein müssen, vgl. B. IV. 7. b) dd) (2). 75 VG Frankfurt a. M., Urt. v. 18. 2. 2009 – 7 K 4170/07.F, Rz. 43. 73
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C. Intensität des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen
Interessant ist in diesem Fall der prozessuale Ablauf: Dem Verwaltungsgericht ist von der BaFin in der mündlichen Verhandlung der Auflösungsbericht zur vorübergehenden Einsichtnahme vorgelegt worden, ohne dem Bevollmächtigten der Klägerin – mit dessen Einverständnis – gleichfalls Einblick zu gewähren. Es fand also eine Art formloses, im IFG so nicht vorgesehenes in-cameraVerfahren durch das Hauptsachegericht statt. Diese Handhabe ermöglicht eine flexiblere Beweiswürdigung und dadurch eine sachgerechte Entscheidung über den Rechtsstreit auf Informationszugang. 76 (6) OVG Schleswig, NVwZ 2007, 1448 Das Oberverwaltungsgericht Schleswig hatte in camera 77 über einen Fall zu entscheiden, in dem die Aktenvorlage eines von einem Ingenieurbüro erstellten Ergebnisberichts zur Sanderkundung und Prüfung der Rohstoffeinstufung nach dem Bundesberggesetz von der zuständigen Behörde gemäß § 99 Abs. 1 S. 2 VwGO verweigert worden war. Nach § 99 Abs. 2 VwGO entschied das Gericht, dass wegen § 11 Abs. 1 IFG Schleswig-Holstein, der den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen zum Gegenstand hat, keine Vorlagepflicht bestehe. Der Ergebnisbericht sollte insbesondere Auskunft über die wirtschaftliche Nutzbarkeit verschiedener Grundstücke geben. Er sei als Betriebsgeheimnis einzustufen, weil eine Bekanntgabe dazu führen könne, dass Konkurrenten sich der dort enthaltenen Daten unter Einsparung der entsprechenden Aufwendungen bedienten. 78 Dieser Umstand begründe ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse. Zwar eröffnet § 11 Abs. 1 IFG Schleswig-Holstein – im Gegensatz zu § 6 S. 2 IFG – eine Abwägungsmöglichkeit, was die Relevanz des Beschlusses für diese Untersuchung einschränken könnte. Allerdings wird im vorliegenden Fall das Kriterium des berechtigten Geheimhaltungsinteresses als wirtschaftliches Interesse bestätigt. 79 Es ist anzuerkennen, sobald dem Betroffenen ein wirtschaftlicher Schaden dadurch droht, dass die eigene Stellung im Wettbewerb verschlechtert oder – wie hier – die der Konkurrenz verbessert wird. (7) VG Saarlouis, Urt. v. 18. 10. 2002 – 1 K 96/01 Der Kläger, ein im Bereich der Umwelttechnik tätiger Unternehmensberater, hatte in diesem Fall vom Landesamt für Umweltschutz des Saarlandes erfolglos Zugang zu Informationen über eine Abfallentsorgungsanlage (u. a. Auslastung sowie Menge und Art der angenommenen Abfälle und der gewonnenen Wertstoffe) begehrt. Der Beklagte berief sich – nach entsprechender Instruierung 76 77 78 79
Zur Problematik des in-camera-Verfahrens bei IFG-Streitigkeiten s. B. IV. 5. Ebd. OVG Schleswig, NVwZ 2007, 1448 (1448 f.). s. B. I. 4. d).
II. Rechtsprechungsanalyse
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durch das betroffene Abfallentsorgungsunternehmen – auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die einem Informationszugang gem. § 8 Abs. 1 UIG a.F. entgegenstünden. Diese Rechtsansicht teilte das Verwaltungsgericht Saarlouis: Der Ein- und Ausgang von Abfällen und Wertstoffen stelle ein wesentliches Element der Geschäftstätigkeit des Betroffenen dar und bilde die Grundlage eines Entsorgungsfachunternehmens. 80 Informationen hierüber könnten Rückschlüsse auf das Produktionsverfahren und die Produktionsmenge erlauben, 81 solche über die Auslastung wiederum Anhaltspunkte für die Produktivität der Anlage und dadurch die Kosten- und Gewinnsituation des Unternehmens liefern. 82 Das Interesse des Antragstellers war demgemäß als nachrangig zu qualifizieren. Da die Offenbarung dieser Daten für den Geheimnisinhaber aufgrund der Besserstellung der Konkurrenz einen wirtschaftlichen Schaden nach sich ziehen würde, ist ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse in diesem Fall zu bejahen. Das Urteil hätte auf Ebene des IFG entsprechend ausfallen müssen. (8) VG Berlin, Urt. v. 12. 10. 2009 – 2 A 20.08 Gegenstand dieses Rechtsstreits war ein gegen eine Rechtsnachfolgerin der Treuhandanstalt 83 gerichtetes Begehren auf Zugang zu Akten und Informationen über die Privatisierung der Erdölraffinerie in Leuna („Leunawerke“) und des Mineralölkonzerns Minol, bei der der französische Konzern Elf Aquitaine den Zuschlag erhalten hatte. Der Kläger war im Zuge der Privatisierung als Lobbyist für Elf Aquitaine tätig gewesen und in Frankreich wegen Beihilfe zur Untreue und Hehlerei verurteilt worden. Er erhoffte sich durch den Aktenzugang sachdienliche Hinweise zu seiner Rolle bei der Privatisierung. Die Beklagte hatte einige Fragen des Klägers beantwortet und diesem Aktenauszüge – teilweise unter Schwärzung geheimhaltungsbedürftiger Passagen – zur Verfügung gestellt, wies jedoch dessen weitere Begehr auf Akteneinsicht unter Verweis auf § 6 S. 2 IFG zurück. Das Gericht stellte fest, dass „Akten, die die Privatisierung zweier Unternehmen zum Gegenstand haben, generell eine Fülle derartiger Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse“ 84 enthielten. Die Beklagte habe hinreichend dargelegt, dass die insgesamt 4.255 Aktenordner Verträge, Vertragsentwürfe, wirtschaftliche Stellungnahmen, Preise, technische Gesichtspunkte zur Produktionsweise sowie die Angebote von Mitbewerbern im Bietverfahren und Unterlagen über den Neubau einer Raffinerie enthielten.
80
VG Saarlouis, Urt. v. 18. 10. 2002 – 1 K 96/01, Rz. 123. VG Saarlouis, Urt. v. 18. 10. 2002 – 1 K 96/01, Rz. 137. 82 VG Saarlouis, Urt. v. 18. 10. 2002 – 1 K 96/01, Rz. 142. 83 Die Treuhandanstalt hatte u. a. die Aufgabe, die volkseigenen Unternehmen der ehemaligen DDR zu privatisieren. 84 VG Berlin, Urt. v. 12. 10. 2009 – 2 A 20.08, Rz. 43. 81
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C. Intensität des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen
bb) Entscheidungen zugunsten der Informationszugangsfreiheit Dass es in der Rechtsprechung auch zahlreiche Fälle gibt, in denen das Vorliegen eines Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses, insbesondere des berechtigten Geheimhaltungsinteresses, verneint wurde, zeigt der folgende Überblick. (1) VG Düsseldorf, Urt. v. 9. 7. 2004 – 26 K 4163/03 Gegenstand dieser Entscheidung war ein Informationszugangsbegehren, das darauf abzielte, den Spender einer neuen Amtskette für den Bürgermeister zu ermitteln. Dieser verweigerte die Information unter Berufung auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des spendenden Unternehmens. Das Gericht entschied, dass kein berechtigtes Interesse des Spenders an der Geheimhaltung seiner Identität bestehe. Durch diese Information sei weder die technische noch die kaufmännische Seite des Unternehmens betroffen. Insbesondere sei die Offenlegung der Information nicht geeignet, einen wirtschaftlichen Schaden hervorzurufen. Dieser könne auch in der Möglichkeit weiterer Spendenanfragen nicht gesehen werden. 85 Ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis lag mithin nicht vor, der Bürgermeister wurde gemäß § 4 Abs. 1 IFG NRW zur Gewährung von Akteneinsicht verurteilt. (2) VG Hamburg, Urt. v. 22. 5. 2008 – 13 K 1173/07 und BVerwG, NuR 2009, 555 (Revisionsinstanz) Das Verwaltungsgericht Hamburg und das Bundesverwaltungsgericht hatten über einen Fall zu entscheiden, in dem es um ein Auskunftsersuchen von Seiten der Umweltorganisation Greenpeace gegenüber dem Hauptzollamt Hamburg ging. 86 Antragsgegenstand waren Informationen über Adressaten und Höhe der vom Hauptzollamt gewährten Ausfuhrerstattungen im Bereich Landwirtschaft für die Haushaltsjahre 2003/2004 sowie 2004/2005. Die Auskunft wurde unter Berufung auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Subventionierten verweigert. Das Verwaltungsgericht verurteilte das Hauptzollamt zur Erteilung der begehrten Informationen, die Sprungrevision hiergegen zum Bundesverwaltungsgericht hatte keinen Erfolg. Kern der Entscheidungen war einmal mehr ein – durch Mitteilung der Tatsache, dass und in welcher Höhe ein Unternehmen subventioniert sei – nicht zu erwartender wirtschaftlicher Nachteil gegenüber Konkurrenten. 87 Rückschlüsse auf die Kundenstruktur sowie auf den Umfang des Exportgeschäfts und die Finanzierungsstruktur seien hieraus nicht zu zie85
VG Düsseldorf, Urt. v. 9. 7. 2004 – 26 K 4163/03, Rz. 25. Zum Fall s. a. Schomerus / Scheel, ZUR 2010, 188 (191 f.). 87 VG Hamburg, Urt. v. 22. 5. 2008 – 13 K 1173/07, Rz. 47; BVerwG, NuR 2009, 555 (556). 86
II. Rechtsprechungsanalyse
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hen. 88 Ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse (und somit ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis) war demnach zu verneinen. (3) VG Köln, Urt. v. 23. 10. 2008 – 13 K 5055/06 und OVG Münster, DVBl. 2011, 698 Auch in diesem Fall ging es um die Frage, ob die Tatsache, dass und in welcher Höhe ein Unternehmen Agrarsubventionen erhält, ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis darstellen kann und insoweit § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 UIG einem Informationszugang entgegensteht. Die Umweltorganisation Greenpeace hatte gegenüber dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) erfolglos Zugang zu Informationen über Direktzahlungen an bestimmte Unternehmen für die Haushaltsjahre 2004/2005 aus dem EU-Agrarhaushalt begehrt. Das Verwaltungsgericht Köln hatte noch entschieden, dass die Höhe der gewährten Subventionen Rückschlüsse auf Kalkulationsgrundlagen liefern und insofern als Geschäftsgeheimnis angesehen werden könnte. Demgegenüber verneinte das Oberverwaltungsgericht ein berechtigtes Interesse der Agrarunternehmen an der Nichtverbreitung von Informationen über die Subventionszahlungen mit der Begründung, es sei nicht ersichtlich, dass allein anhand der Jahresbeträge der Subventionen Rückschlüsse auf exklusives kaufmännisches Wissen gezogen werden könnten. (4) BVerwG, NVwZ 2009, 1114 Das Bundesverwaltungsgericht hatte in diesem Zwischenverfahren 89 gemäß § 99 Abs. 2 S. 13 VwGO über Beschwerden gegen einen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Schleswig nach § 99 Abs. 2 S. 1 VwGO zu entscheiden. Dieses hatte befunden, die Verweigerung der Aktenvorlage sei teilweise rechtswidrig gewesen, was das Bundesverwaltungsgericht bestätigte. Es ging um ein auf Grundlage des schleswig-holsteinischen IFG erhobenes Informationszugangsbegehren über das jahrelang mit illegalem Lösungsmittel betriebene Produktionsverfahren von Kaffeearomastoffen der Beigeladenen. Vor dem Hintergrund der Gesetzesziele der Informationsfreiheitsgesetze überwiege das Interesse der Allgemeinheit an der Aktenkenntnis die Geheimhaltungsinteressen der Beigeladenen – „sofern sie überhaupt anerkannt werden können“ – eindeutig. 90 So könne überprüft werden, ob und in welcher Weise die rechtswidrigen Handlungen des beigeladenen Unternehmens behördlich überwacht worden sind und unter Umständen schon früher hätten unterbunden werden können. 91 Dieser Fall ist sehr 88 89 90 91
Ebd. s. hierzu B. IV. 5. BVerwG, NVwZ 2009, 1114 (1116). Ebd.
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C. Intensität des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen
anschaulich für den Hintergrund der Dogmatik des fehlenden berechtigten Geheimhaltungsinteresses bei illegalem (Vor-)Verhalten. 92 Die Formulierungen des Bundesverwaltungsgerichts deuten auf eine ähnliche Sichtweise hin. (5) VG Berlin, Urt. v. 26. 6. 2009 – 2 A 62.08 Das Flugzeugunglück von Überlingen vom 1. Juli 2002 bildete den Hintergrund für den Fall des Verwaltungsgerichts Berlin. Die Klägerin – Eigentümerin der in das Unglück involvierten Tupolew – begehrte vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (Beklagte war die Bundesrepublik Deutschland) Zugang zu einem zwischen diesem und Dritten (DHL und Versicherungen) geschlossenen außergerichtlichen Vergleich. Die Beklagte gewährte den Zugang unter anderem unter Berufung auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Dritten in teilweise nur geschwärzter Form. Das Verwaltungsgericht Berlin entschied demgegenüber, dass nicht hinreichend dargelegt worden sei, dass es sich bei den geschwärzten Stellen um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse handele. 93 Handwerkliche Fehler bei den Schwärzungen (und damit verbundene Offenkundigkeit), insbesondere aber die durch bloße Nennung der Vertragsbeteiligten nicht entstehende Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung der Wettbewerbsposition derselben führten nicht zu einem Ausschluss des Informationszugangs nach § 6 S. 2 IFG. 94 Soweit jedoch konkrete Angaben über die zu erbringenden Leistungen (Zahlungen, Anerkenntnisse, Verantwortlichkeiten) in Rede stünden, sei eine Offenbarung dieser Daten geeignet, nachteilige Auswirkungen auf die Wettbewerbsposition der Beteiligten zu entfalten, so dass Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse geschützt werden müssten und ein Informationszugangsanspruch insoweit an § 6 S. 2 IFG scheitern müsse. 95 Die Entscheidung zeigt: Eine klare Festlegung dessen, was genau Betriebs- und Geschäftsgeheimnis ist und was nicht, entscheidet über den Informationszugang. (6) VG Köln, NuR 2005, 665 und OVG Münster, NVwZ-RR 2006, 248 Die Monsanto Agrar Deutschland GmbH richtete sich gegen die Anordnung des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, eine Rattenfütterungsstudie nicht als vertraulich zu behandeln, vgl. § 17a Abs. 1 S. 3 GenTG. 96 Fraglich war hier, ob den Informationen aus der Studie der Charak92
s. schon oben und unter B. IV. 7. b) dd) (2). VG Berlin, Urt. v. 26. 6. 2009 – 2 A 62.08, Rz. 27. 94 VG Berlin, Urt. v. 26. 6. 2009 – 2 A 62.08, Rz. 29 ff. 95 VG Berlin, Urt. v. 26. 6. 2009 – 2 A 62.08, Rz. 34. 96 § 17a GenTG lautet: „Angaben, die ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis darstellen, sind vom Betreiber als vertraulich zu kennzeichnen. Er hat begründet darzulegen, daß eine Verbreitung der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse ihm betrieblich oder geschäft93
II. Rechtsprechungsanalyse
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ter eines Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses innewohnte. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Köln bestand kein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung von Ergebnissen der Rattenfütterungsstudie, da diese ausschließlich Rückschlüsse auf die Wirkungen von MON 863-Mais zuließe und insofern für andere genveränderte Maissorten keine Relevanz besäße. Daraus könne Monsanto kein wirtschaftlicher Nachteil erwachsen. 97 Dem Informationsanspruch des Beigeladenen – der Umweltschutzorganisation Greenpeace – nach § 3 Abs. 1 S. 1 UIG stünde demnach kein Versagungsgrund entgegen. Das OVG Münster begründete die fehlende Geheimnisqualität mit § 17a Abs. 2 Nr. 6 GenTG a.F., der „die Beurteilung der vorhersehbaren Wirkungen, insbesondere schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt“ vom Begriff des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses ausnahm. 98 Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die mit Sofortvollzug getroffene Anordnung des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit durch die Monsanto GmbH blieb daher ohne Erfolg. (7) OVG Münster, NWVBl. 2006, 292 (293 f.) Gegenstand dieses Rechtsstreits war ein Begehren gegenüber einem kommunalen Rechnungsprüfungsamt auf Einsicht in Prüfberichte bezüglich der Gebührenabrechnungen von Abfallwirtschaftsbetrieben. Das Oberverwaltungsgericht gab der Klage statt, teils wegen ohnehin bereits bestehender allgemeiner Zugänglichkeit der fraglichen Daten, teils wegen eines nicht zu erwartenden wettbewerbsrelevanten wirtschaftlichen Schadens. Denn die betroffenen Abfallwirtschaftsbetriebe gingen als „eigenbetriebsähnlich geführte Einrichtung“ keiner wirtschaftlichen – mithin auf Gewinnerzielung gerichteten – Betätigung nach und finanzierten sich nur kostendeckend. 99 (Betriebs- und) Geschäftsgeheimnisse seien daher in den Prüfberichten nicht zu sehen. Das Gericht stützte dies zwar nicht explizit, aber dogmatisch wiederum auf das wegen nicht zu erwartenden wirtschaftlichen Schadens fehlende Geheimhaltungsinteresse. lich schaden könnte. Hält die zuständige Behörde die Kennzeichnung für unberechtigt, so hat sie vor der Entscheidung, welche Informationen vertraulich zu behandeln sind, den Antragsteller zu hören und diesen über ihre Entscheidung zu unterrichten. Personenbezogene Daten stehen Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen gleich und müssen vertraulich behandelt werden.“ 97 VG Köln, NuR 2005, 665 (666); zum Fall s. a. Schomerus / Scheel, ZUR 2010, 188 (191); Fluck / Merenyi, VerwArch 2006, 381 (403 ff.). 98 OVG Münster, NVwZ-RR 2006, 248 (249); heute lautet § 17a Abs. 2 Nr. 6 GenTG: „Nicht unter das Betriebs- und Geschäftsgeheimnis im Sinne des Absatzes 1 fallen (...) Risikobewertung.“ Dies stellt eine redaktionelle Angleichung an die FreisetzungsRL 2001/18/EG dar, vgl. OVG Münster, NVwZ-RR 2006, 248 (250); zum Binnendifferenzierungskriterium der spezialgesetzlichen Wertungen s. C. III. 2. g). 99 OVG Münster, NWVBl. 2006, 292 (294).
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C. Intensität des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen
(8) OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 02. 10. 2007 – 12 B 12.07 In diesem Urteil ging es um einen Antrag nach § 3 Abs. 1 S. 1 IFG Bln gegenüber dem Land Berlin, gerichtet auf Einsicht unter anderem in ein Wirtschaftsprüfergutachten und Kalkulationsgrundlagen, die der Genehmigung für Wassertarife der Berliner Wasserbetriebe zu Grunde lagen. Das Gericht konnte ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse der beigeladenen Berliner Wasserbetriebe, die sich als juristische Person des öffentlichen Rechts ausnahmsweise auch auf den Schutz ihrer Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse berufen konnten, 100 nicht mit letzter Sicherheit feststellen. 101 Begründungsansatz war wiederum die Annahme, dass eine Offenlegung der fraglichen Unterlagen keine Schwächung der Marktposition des betroffenen Unternehmens erwarten ließ. Zu differenzieren war jedoch zwischen den beiden Leistungsgebieten in Berlin und in Brandenburg. In Berlin hat die Betroffene eine Monopolstellung inne, so dass eine Offenbarung der Informationen mangels Konkurrenz keinen wirtschaftlichen Schaden nach sich ziehen würde. 102 Letztlich ließ das Gericht die Entscheidung jedoch offen und verwies auf die im IFG des Landes Berlin gegebene Abwägungsoption zwischen Informations- und Geheimhaltungsinteresse (§ 7 Satz 1 IFG Bln), um einen Informationszugangsanspruch hinsichtlich der nur Berlin betreffenden Daten zu bejahen. 103 Die Argumentation ließe sich jedoch unmittelbar auf die Bundesebene übertragen und könnte – in Ermangelung einer Abwägungsmöglichkeit – auch rechtstatsächlich entscheidend sein. (9) VG Berlin, Urt. v. 24. 08. 2004 – 23 A 1.04 Ein ebenfalls nach dem IFG Berlin zu entscheidender Fall behandelte das Begehren eines Architekten, Einsicht in beim Bezirksamt Reinickendorf Berlin vorhandene Bauakten zu nehmen. Hintergrund war ein Bauvorhaben, welches seinerzeit unter der Ägide des Klägers nicht umgesetzt werden konnte und nun – nach Wechsel des Bauherrn und mit neuem Architekten – genehmigt wurde. Der Kläger erhoffte sich durch die Einsicht Aufschluss darüber, ob das ursprünglich von ihm geplante Bauvorhaben nicht doch genehmigungsfähig gewesen sein könnte bzw. die von ihm gefertigten Entwürfe bei der Errichtung des Bauwerks urheberrechtswidrig verwendet worden sein könnten. Das Gericht prüfte, ob einer Einsicht in die Bauakten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des neuen Architekten entgegenstehen könnten und verneinte dies unter Hinweis 100 OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 02. 10. 2007 –12 B 12.07, Rn. 36, ausführlich Polenz, DÖV 2010, 350 (352 ff.). 101 OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 02. 10. 2007 –12 B 12.07, Rn. 39 ff. 102 OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 02. 10. 2007 –12 B 12.07, Rn. 42 ff.; vgl. diesen Gedankengang schon bei VerfGH NW, NVwZ-RR 2009, 41 (44) (s. o.); so auch Rossi, DVBl. 2010, 554 (561). 103 OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 02. 10. 2007 –12 B 12.07, Rn. 48 ff.
II. Rechtsprechungsanalyse
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auf ein fehlendes berechtigtes Geheimhaltungsinteresse. Die Pläne des Architekten seien für seine weitere Wettbewerbsfähigkeit nicht von Bedeutung. Einerseits sei die geplante Außenansicht – nach erfolgter Ausführung des Baus – für jedermann wahrnehmbar. Aber auch hinsichtlich der im Einzelnen nicht einsehbaren Innengestaltung sei nicht ersichtlich, dass deren Geheimhaltung für den wirtschaftlichen Erfolg des Architekten wichtig sei. 104 Insofern waren die in den Bauakten enthaltenen Informationen mangels berechtigten Geheimhaltungsinteresses schon nicht als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse anzusehen. (10) VG Berlin, Urt. v. 11. 11. 2010 – 2 K 35/10 Das Verwaltungsgericht Berlin hatte schließlich über die Klage eines Journalisten und Redakteurs zu entscheiden, dessen Antrag auf Zugang zu Informationen über von Bundestagsabgeordneten im Rahmen ihres Amtsausstattungsanspruchs beschafften Geschäfts- und Bürobedarf (insbesondere „Montblanc“-Schreibgeräte) zuvor von der Bundestagsverwaltung u. a. mit dem Hinweis auf Betriebsund Geschäftsgeheimnisse des liefernden Unternehmens zurückgewiesen worden war. Das Gericht entschied, dass die Offenlegung des von der Bundestagsverwaltung für die Montblanc-Füller gezahlten Kaufpreises nicht geeignet sei, einen Wettbewerbsnachteil des liefernden Unternehmens herbeizuführen. Die Kenntnis des Kaufpreises lasse keine Rückschlüsse auf Kalkulationen oder etwaige Rabatte zu, so dass im Ergebnis ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse und damit ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis i. S.v. § 6 S. 2 IFG nicht vorliege. cc) Zwischenergebnis Die Entscheidungsübersicht macht deutlich: Eine Abwägung wird auf Ebene des IFG des Bundes – wie gesetzlich vorgesehen – nicht vorgenommen. Wertende Elemente kommen bei der Bestimmung, ob überhaupt ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis des Betroffenen vorliegt, zum Tragen. Das „Einfallstor“ hierfür bildet das Tatbestandsmerkmal des berechtigten Geheimhaltungsinteresses. Zu beachten ist, dass die Entscheidungen teilweise auf Basis von LandesIFG oder des UIG ergingen. Dennoch lassen sich die hier gefundenen Argumentationslinien auf die Ebene des IFG des Bundes übertragen, da gesetzesübergreifend die gleiche Definition von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen zugrunde gelegt wird und deren Schutz verfassungsrechtlich determiniert ist. 105 Liefern Informationen keine Rückschlüsse auf betriebliche Verhältnisse des betroffenen Unternehmens, ist ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse – und damit auch ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis – mit der Folge zu verneinen, dass die 104
VG Berlin, Urt. v. 24. 08. 2004 – 23 A 1.04, Rz. 21. s. hierzu den ausdrücklichen Hinweis des BVerwG in NuR 2009, 555 (556); Rossi, DVBl. 2010, 554 (561). 105
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C. Intensität des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen
Einwilligung nach § 6 S. 2 IFG nicht Voraussetzung für den Informationszugang ist. Gleiches gilt für Geheimnisse, die auf rechtswidrigem Vorverhalten des Betroffenen basieren oder deren Offenbarung (etwa wegen fehlender Konkurrenz) keinen wirtschaftlichen Schaden für das Unternehmen nach sich ziehen. 4. Vergleichende Analyse und Ergebnis Die Untersuchung der Entscheidungsauswahl hat die im ersten Teil der Arbeit herausgearbeiteten theoretischen Grundlagen bestätigt. Dabei hat die Argumentation manches – speziell mit presserechtlichen Streitigkeiten befassten – Gerichts überrascht. Anstelle der vom Gesetz vorgesehenen Abwägung der Interessen der Presse mit denen der Geheimnisinhaber wurde überwiegend die Vorfrage des Vorliegens eines Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses thematisiert und ein solches nicht selten abgelehnt. Ähnliches ist bei den auf Landesebene zu entscheidenden Rechtsstreitigkeiten der Länder zu beobachten, deren IFG einen Abwägungsvorbehalt haben. Diese Vorgehensweise nähert sich derjenigen der Gerichte an, die sich mit dem allgemeinen Informationszugangsanspruch auf Bundesebene auseinanderzusetzen hatten. Der Unterschied liegt darin, dass diese Methode im IFG des Bundes vorgezeichnet ist. Ex ante hätte man, auf Grundlage der im ersten Teil herausgearbeiteten Ergebnisse, eine Annäherung der judikativen Praxis des presserechtlichen Auskunftsanspruchs eher zu derjenigen des parlamentarischen Fragerechts vermuten können. Dieser Befund zeigt, dass der Frage „Abwägungsvorbehalt ja oder nein?“ – insbesondere im Rahmen der Diskussion um eine verfassungsrechtliche Inkonsequenz im Verhältnis von § 5 und § 6 IFG – möglicherweise zu viel Bedeutung beigemessen wurde. 106 Entscheidend ist die Offenheit des Rechtsbegriffs „Betriebs- und Geschäftsgeheimnis“ (§ 6 S. 2 IFG) im Vergleich zum Rechtsbegriff „Personenbezogene Daten“ (§ 5 Abs. 1 S. 1 IFG). Das Minus an Abwägungsspielraum durch den Einwilligungsvorbehalt wird durch das Plus an Wertungsspielraum im Rahmen der Definierung dessen, was als Betriebs- und Geschäftsgeheimnis anzusehen ist, nahezu ausgeglichen, ohne den dogmatischen Unterschied zu negieren. Die Rechtsprechung zum parlamentarischen Fragerecht konzentriert sich im Wesentlichen auf die Herstellung praktischer Konkordanz unter Zuhilfenahme der prozeduralen Möglichkeiten der Informationsübermittlung. Die Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages flexibilisiert den Umgang mit parlamentarischen Anfragen und verschafft diesen dadurch gegenüber den anderen beiden Informationsansprüchen einen entscheidenden Vorsprung an Effektivität. Sie liefert die Vorkehrungen zur Geheimhaltung, durch die die Abgeordneten die für ihre Arbeit notwendigen Informationen auch in den Fällen beanspruchen können, in denen das Geheimhaltungsinteresse Vorrang vor dem parlamentarischen 106
Vgl. B. IV. 7. b) dd) (3).
III. Kategorisierung nach Geheimnisinhalten
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Prinzip der Öffentlichkeit hat. 107 Dieser Vorsprung ist aber auch systemgerecht: Während der Abgeordnete im Falle einer ihm vertraulich oder geheim übermittelten Information grundsätzlich zur Verschwiegenheit nach außen gesetzlich verpflichtet ist (§ 4 GSOBT) und eine Offenbarung privater Informationen entgegen den Regeln der GSOBT im Falle eines Ausschussbeschlusses eine Strafbarkeit nach § 353b Abs. 2 Nr. 1 StGB auslösen kann 108, existieren für Pressevertreter und jedermann keine entsprechenden Regelungen. 109 Dies macht die Folgen einer Geheimnisoffenbarung gegenüber (einem) Abgeordneten im Gegensatz zu den anderen beiden Informationsansprüchen vorhersehbarer.
III. Kategorisierung nach Geheimnisinhalten Eingangs, im Rahmen der Untersuchung des Begriffs „Betriebs- und Geschäftsgeheimnis“ (B. I.), wurde bereits auf den Facettenreichtum dieses Rechtsbegriffs hingewiesen. Dieser spiegelt sich in der Berührung der Schutzbereiche zweier Grundrechte (Art. 12 Abs. 1 und 14 Abs. 1 GG) wider. Einerseits können unmittelbar auf eigener (geistiger) Leistung beruhende Informationen, wie zum Beispiel Rezepturen oder Marktstrategien, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse darstellen, die den von Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Ausschließlichkeitsrechten (z. B. Urheberrecht, Patentrecht) nahekommen. Andererseits sind es nicht zuletzt auch Informationen über ein Unternehmen (etwa Kreditdaten oder Statistiken), deren Offenbarung geeignet ist, die eigene Wettbewerbsposition gegenüber Konkurrenten zu beeinträchtigen und dadurch Art. 12 Abs. 1 GG zu berühren. 110 Auf Basis dieser Grundüberlegungen soll im Folgenden eine Kategorisierung nach Geheimnisinhalten unternommen werden. Diese könnte dann die Feststellung erlauben, welche Arten von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen von welchem Informationsanspruch erfasst werden können und welche nicht und auf diese Weise zum Entwurf eines (zweiseitigen) Schutzstufenmodells beitragen. Die 107 Jahn / Engels, Geheimschutzordnung des Bundestages, in: Schneider / Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland, § 20, Rn. 7. 108 s. B. II. 4. b) cc) (2). 109 Auf das grundsätzliche Fehlen von Verwendungsgrenzen hinsichtlich der durch Einsichtsrechte erlangten Informationen hinweisend Frank, Der Schutz von Unternehmensgeheimnissen im Öffentlichen Recht, 2009, S. 195 f. Es sei daher stets davon auszugehen, dass die Informationen nach der Veröffentlichung zu demjenigen gelangten, bei dem sie für das betroffene Unternehmen am nachteiligsten seien. 110 Frank unterscheidet primär zwischen informationellem Selbstbestimmungs- und Wettbewerbsrecht einerseits und eigentumsartigen Rechten andererseits, um eine Abstufung nach Geheimnisinhalt zu erreichen, s. Frank, Der Schutz von Unternehmensgeheimnissen im Öffentlichen Recht, 2009, S. 163 ff., 193; vgl. zu den Wirtschaftsgeheimnisse prägenden Leistungen Hauck, Wirtschaftsgeheimnisse – Informationseigentum kraft richterlicher Rechtsbildung?, 1987, S. 262 ff.
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C. Intensität des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen
Binnendifferenzierung nach Geheimnisinhalten hat bislang – trotz der erheblichen Bedeutung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen für Unternehmen und Allgemeinheit (s. B. I. 3.) – im rechtswissenschaftlichem Schrifttum kaum Beachtung gefunden. Dabei könnte eine Kategorisierung der Geheimnisse Maßstäbe insbesondere für gesetzlich angeordnete oder verfassungsrechtlich gebotene Abwägungsentscheidungen setzen und dadurch, ungeachtet der Bedeutung einer Einzelfallbetrachtung, einen Beitrag zu erhöhter Rechtssicherheit liefern. 1. Terminologie In Anlehnung an die zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art 1 Abs. 1 GG entwickelte „Sphärentheorie“ 111 könnte man Geheimnisse, die den Kern dessen darstellen, was ein Unternehmen ausmacht, als Informationen aus dem Unternehmenskernbereich ansehen. 112 Solche, die eine bestimmte Eigenschaft eines Unternehmens wiedergeben bzw. Daten über ein Unternehmen darstellen, aber nicht zum elementaren Bestand des Unternehmenszwecks gehören, sind als Informationen aus dem Unternehmenssozialbereich zu qualifizieren. 113 Vereinfacht ausgedrückt: Daten aus dem Unternehmenskernbereich „verkörpern“ das Unternehmen, solche aus dem Unternehmenssozialbereich „beschreiben“ das Unternehmen und haben eine gewisse Außenwirkung. Als Beispiel für ein Geheimnis aus dem Kernbereich eines Unternehmens mag die bereits angesprochene Coca-Cola-Rezeptur gelten, als solches aus dem Unternehmenssozialbereich Umsatz- oder Mitarbeiterzahlen oder die geplante Fusion zweier Konkurrenten 114, soweit diese Daten nicht bereits offenkundig sind. 115 Zur Ermöglichung der Unterscheidbarkeit und der Zuordnung einzelner Infor111
Vgl. BVerfGE 6, 32 (41); 35, 202 (220); 80, 367 (373); Pieroth / Schlink, Grundrechte Staatsrecht II, Rn. 376; kritisch Starck, in: v. Mangoldt (Begr.) / Klein (Fortf.) / ders. (Hrsg.), GG, Art. 2 Abs. 1, Rn. 16. 112 Nicht selten sind es diese Geheimnisse, die den eigentlichen Wertfaktor eines Betriebes darstellen, s. Schneider, Schutz des Unternehmensgeheimnisses vor unbefugter Verwertung, 1989, S. 96. 113 Frank, Der Schutz von Unternehmensgeheimnissen im Öffentlichen Recht, 2009, S. 197 spricht insoweit von „zu immateriellen Eigentumspositionen konkretisierte[n] Informationen“ auf der einen, und solchen, „die lediglich durch ihren inhaltlichen Bezug auf das betroffene Unternehmen schutzwürdig sind“, auf der anderen Seite; Schneider, Schutz des Unternehmensgeheimnisses vor unbefugter Verwertung, 1989, S. 30 ff., 91 ff. unterteilt die „Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisse“ (dem schweizerischen Recht entstammende Begriffe) in solche mit Immaterialgutcharakter und Beziehungsgeheimnisse, Druey, Information als Gegenstand des Rechts, 1995, S. 366 in „positive“ und „negative“, Aldoney Ramírez, Der strafrechtliche Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, 2009, S. 74 ff., 83 f. in „offensive“ und „defensive“ Geheimnisse. 114 s. Schneider, Schutz des Unternehmensgeheimnisses vor unbefugter Verwertung, 1989, S. 33, 109: „Insiderinformationen“.
III. Kategorisierung nach Geheimnisinhalten
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mationen zu den beiden Kategorien ist eine Aufstellung bestimmter Differenzierungskriterien angezeigt. 2. Mögliche Differenzierungskriterien a) Begriffskomponenten Es bietet sich zunächst ein Blick auf die bereits unter B. I. 2. vorgenommene Binnendifferenzierung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen in die Begriffsbestandteile Betriebsgeheimnis auf der einen und Geschäftsgeheimnis auf der anderen Seite an. 116 Trotz der Feststellung, dass der zweigliedrige Begriff nur um der sprachlichen Abbildung eines möglichst umfassenden Schutzes willen existiert, deutet Vieles darauf hin, Betriebsgeheimnissen aufgrund der technischen Komponente und dem damit verbundenen Erfordernis einer gewissen „Erfindungshöhe“ einen höheren Wert beizumessen als den Geschäftsgeheimnissen mit ihrer primär geschäftliche Vorgänge betreffenden Eigenschaft. 117 Diese Anschauung mag auf einer Parallelisierung des Geheimnisschutzrechts mit dem Patentrecht beruhen, bei welchem „kommerziellem Wissen“ keine Patentfähigkeit zukommt. 118 b) Leistung und Immaterialgutcharakter Hinter dieser Vermutung steckt nichts anderes als das bereits eingangs dieses Abschnitts angesprochene Leistungsmerkmal. Informationen, die unmittelbar auf eigener Leistung gleich welcher Art beruhen, erscheinen wertvoller und damit schützenswerter als andere. Dass jedoch auch unternehmerische Marketingstrategien und -konzepte – augenscheinlich den Geschäftsgeheimnissen 115 Schneider, Schutz des Unternehmensgeheimnisses vor unbefugter Verwertung, 1989, S. 112 weist darauf hin, dass sich Beziehungsgeheimnisse, sprich Geheimnisse aus dem Unternehmenssozialbereich, erfahrungsgemäß nicht auf Dauer geheim halten lassen; hier überschneiden sich mithin faktische und normative Geheimhaltungsgrenzen. 116 Betriebsgeheimnisse umfassen die technische, Geschäftsgeheimnisse die kaufmännische Seite eines Unternehmens, s. B. I. 2. mit einzelnen Beispielen. 117 Vgl. Frank, Der Schutz von Unternehmensgeheimnissen im Öffentlichen Recht, 2009, S. 55 f., der auf eine vom Bundeskartellamt vorgenommene Auslegung von Betriebsgeheimnissen rekurriert, nach der von diesem Begriff nur „technisch qualifizierte Leistungen“ erfasst sind, „die den Grundvoraussetzungen einer Erfindung genügen müssen, d. h. unter Berücksichtigung des bisherigen Standes der Technik neu und fortschrittlich sind sowie eine gewisse Erfindungshöhe aufweisen“; Maass, Information und Geheimnis im Zivilrecht, 1970, S. 101 merkt an, dass schätzungsweise die meisten Betriebsgeheimnisse tatsächlich patentfähige Erfindungen seien. 118 Schneider, Schutz des Unternehmensgeheimnisses vor unbefugter Verwertung, 1989, S. 96, dort Fn. 47.
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C. Intensität des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen
zuzuordnen – auf einer Leistung beruhen, offenbart die Schwäche des allein an der Begrifflichkeit ansetzenden Differenzierungsversuchs. 119 Zur bereits erwähnten „Erfindungshöhe“ (in Anlehnung an das Patentrecht) beim technisch orientierten Betriebsgeheimnis gesellt sich auf Seite des kaufmännisch orientierten Geschäftsgeheimnisses somit eine Art „Schöpfungshöhe“ (in Anlehnung an das Urheberrecht) als Grenze, ab der man von einer Leistung sprechen kann. 120 Ein Unterfall des Leistungskriteriums ist die Frage, ob die einem Geheimnis zugrunde liegenden Erkenntnisse Ergebnis eigener Investitionen (Materialund Personaleinsatz) des Unternehmens sind. Auch dies spielt bei der Differenzierung zwischen Daten aus dem Unternehmenskern- und -sozialbereich eine Rolle. 121 Erkenntnisse, die gezielt gewonnen wurden, sind anders zu behandeln als solche, die im Rahmen der Geschäftstätigkeit – gewissermaßen als Nebenfolge – anfallen. 122 Ebenfalls dem Investitions- und damit dem Leistungskriterium zuzuordnen ist die Frage, ob die aufgewendeten Kosten bereits amortisiert sind. 123 Als weiterer Anhaltspunkt für das Vorliegen einer auf Leistung beruhenden Information kann die zu erwartende Reaktion eines Konkurrenten auf den Erhalt der entsprechenden Daten dienen. Die Nähe zum Immaterialgüterrecht (z. B. Urheberrecht, gewerbliche Schutzrechte) und damit zum Leistungsmerkmal ist dadurch gekennzeichnet, dass ein Konkurrent die erhaltene Information zur Nachahmung eines konkreten Produkts oder einer konkreten Strategie gebrauchen wird, sie mithin im ursprünglichen Wortsinn verwertet und dadurch einen unmittelbaren Vorteil erlangt; 124 die Nähe zu dem nichtimmaterialgüterartigen Bereich angehörenden Daten zeichnet sich hingegen dadurch aus, dass 119
Ebenso Schneider, Schutz des Unternehmensgeheimnisses vor unbefugter Verwertung, 1989, S. 32. 120 Ähnlich Frank, Der Schutz von Unternehmensgeheimnissen im Öffentlichen Recht, 2009, S. 56. 121 Vgl. Frank, Der Schutz von Unternehmensgeheimnissen im Öffentlichen Recht, 2009, S. 164; Breuer, NVwZ 1986, 171 (178). 122 Frank, Der Schutz von Unternehmensgeheimnissen im Öffentlichen Recht, 2009, S. 165 bemüht vor diesem Hintergrund das „Finalitätskriterium“ als Differenzierungsmerkmal, das jedoch – wie er selbst feststellt – im Vergleich zum Leistungskriterium keine abweichenden Ergebnisse liefert und insoweit als Unterpunkt desselben angesehen werden kann. Ähnliches gilt für das „Komplexitätskriterium“ (S. 166), das notwendig mit dem Leistungskriterium verknüpft ist: Denn wo unter Personal- und Materialaufwand Verfahren oder Strategien erarbeitet werden, entstehen komplexe Informationszusammenhänge; ebenso Schneider, Schutz des Unternehmensgeheimnisses vor unbefugter Verwertung, 1989, S. 98. 123 Breuer, NVwZ 1986, 171 (178); wobei beachtet werden sollte, dass ein auf Leistung beruhendes Betriebs- und Geschäftsgeheimnis auch lange Zeit nach Amortisation der Investitionskosten einen erheblichen Wert für das Unternehmen haben kann. 124 Erst in der Verwertung des Geheimnisses ist der unmittelbare Schaden für den Geheimnisinhaber zu sehen, wenngleich die Offenbarung die Gefahr der unbefugten
III. Kategorisierung nach Geheimnisinhalten
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der Konkurrent sein Handeln im Wettbewerb aufgrund der neuen Informationslage anpasst und dadurch allenfalls einen mittelbaren Vorteil erlangt 125 (eine auf Grundlage solcher Informationen getätigte Entscheidung kann sich im Nachhinein auch als verlustbringend herausstellen, wohingegen aus Geheimnissen mit immaterialgüterartigem Charakter stets ein unmittelbarer, auch geldwerter Vorteil erwächst 126). Eine solche Anpassung kann etwa in der Veränderung der Lohnstruktur oder in einer Verlagerung der Geschäftspraxis ins Ausland liegen. Der Wert eines solchen Geheimnisses liegt demnach für den Inhaber nicht in der exklusiven Verwendung leistungsbezogener Informationen, sondern im Ausschluss der Kenntnisnahme und einer entsprechenden Reaktion im Wettbewerb durch Konkurrenten. 127 Das Leistungsmerkmal, ergänzt durch die Berücksichtigung der möglichen Reaktion der Konkurrenz, lässt sich mit einem Seitenblick auf die gewerblichen Schutzrechte vergleichsweise einfach konkretisieren und eignet sich somit gut zur Einordnung eines Geheimnisses in den Unternehmenskern- oder -sozialbereich. c) Unternehmensbezug und Gegenständlichkeit der Information Als weiteres Unterscheidungskriterium könnte der (fehlende) Unternehmensbezug 128 einer Information fungieren. Während ein dem Immaterialgüterrecht Verwertung deutlich steigert, vgl. Schneider, Schutz des Unternehmensgeheimnisses vor unbefugter Verwertung, 1989, S. 114; Aldoney Ramírez, Der strafrechtliche Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, 2009, S. 80 f. 125 Frank, Der Schutz von Unternehmensgeheimnissen im Öffentlichen Recht, 2009, S. 57, unter Verweis auf Stückelberger, Unternehmensinformation und Recht – eine Übersicht, 2004, S. 54, nach dem ein Konkurrent ein immaterialgüterartiges Geheimnis verwerte, ein anderes hingegen auswerte; anders Schneider, Schutz des Unternehmensgeheimnisses vor unbefugter Verwertung, 1989, S. 122 ff., der zwischen Verwerten und Verwenden unterscheidet (allerdings zur Erfassung des Tatbestandsmerkmals „verwertet“ der schweizerischen Strafnorm Art. 6 UWG); aufgrund der Fülle der Reaktionsmöglichkeiten der Konkurrenz und der Multivalenz des Begriffs „verwerten“ erscheint jedoch auch ein einheitlich von diesem Begriff ausgehender Ansatz plausibel (Verwerten meint, den Nutzen aus etwas zu ziehen; Auswerten und Verwenden könnten insoweit als Unterfälle von Verwerten gesehen werden); s. a. Druey, Information als Gegenstand des Rechts, 1995, S. 366 ff. 126 Schneider, Schutz des Unternehmensgeheimnisses vor unbefugter Verwertung, 1989, S. 128 mit dem Beispiel der unterlassenen Kreditvergabe an den Geheimnisherrn, von dessen finanziellen Schwierigkeiten man erfahren hat, die sich aber im Nachhinein auch als vorteilhaft hätte herausstellen können. 127 Frank, Der Schutz von Unternehmensgeheimnissen im Öffentlichen Recht, 2009, S. 57. 128 Nicht zu verwechseln mit der Unternehmensbezogenheit einer Tatsache als Voraussetzung für das Vorliegen eines Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses, s. B. I. 4. a).
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C. Intensität des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen
nahekommendes Geheimnis – nach dem Differenzierungskriterium „Leistung“ also ein solches aus dem Unternehmenskernbereich – auch abstrakt, d. h. losgelöst vom jeweiligen Geheimnisinhaber Verwendung finden kann, ist bei Geheimnissen aus dem Unternehmenssozialbereich stets ein Bezug zum betreffenden Unternehmen notwendig, um einen Aussagegehalt und dadurch ggf. ein Interesse an der Kenntnisnahme zu erzeugen. 129 Dass Informationen aus dem Unternehmenskernbereich losgelöst vom Unternehmen verwertet werden können, scheint zunächst ein Widerspruch zu sein, der allerdings allein auf begrifflich-bildlicher Ebene besteht. Solche Daten sind vielmehr so wertvoll, dass sie unabhängig jedes Unternehmensbezugs einen Nutzen liefern können. 130 In diesem Kontext spricht Torben Frank von dem letztlich entscheidenden Kriterium der Gegenständlichkeit einer Information: Je gegenständlicher sie ist, desto leistungs- und eigentumsbezogener. 131 d) Interne Nutzung der Information Als weiteres Differenzierungskriterium kann die Art der Nutzung der Information bzw. die Intention der Geheimhaltung dienen. 132 Solche Daten, die sich (zumeist) als Resultat eigener Forschung oder Planung und damit Leistung darstellen, werden im Ergebnis vom Unternehmen im Arbeitsprozess eingesetzt und somit genutzt. Sie werden geheim gehalten, um Wettbewerbern gegenüber einen Vorsprung zu erarbeiten bzw. zu halten oder auszubauen. Ein effizienteres Produktionsverfahren erlaubt etwa eine schnellere und günstigere Herstellung, die wiederum ein Angebot des Produktes zu einem günstigeren Preis ermöglicht. Hierdurch wird wiederum die Nachfrage des Produktes bei eben diesem Unternehmen erhöht. Insofern liefert die dem neuen Verfahren zugrunde liegende Information dem Unternehmen einen direkten Nutzen. 129 Vgl. Schneider, Schutz des Unternehmensgeheimnisses vor unbefugter Verwertung, 1989, S. 31 f.; daher auch der Begriff „Beziehungsgeheimnis“, s. o. Fn. 113; Aldoney Ramírez, Der strafrechtliche Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, 2009, S. 80; aus dem Blickwinkel der Übertragbarkeit Forkel, Zur Übertragbarkeit geheimer Kenntnisse, in: FS-Schnorr v. Carolsfeld, S. 105 (113 ff.). 130 Forkel, Zur Übertragbarkeit geheimer Kenntnisse, in: FS-Schnorr v. Carolsfeld, S. 105 (117); Frank, Der Schutz von Unternehmensgeheimnissen im Öffentlichen Recht, 2009, S. 168 thematisiert dies unter dem Aspekt „Ablösungskriterium“. Er weist jedoch auch auf den Doppelcharakter mancher Informationen hin. So können etwa Kalkulationsunterlagen sowohl mit als auch ohne konkreten Unternehmensbezug einen Nutzen haben (S. 168 f.). 131 Frank, Der Schutz von Unternehmensgeheimnissen im Öffentlichen Recht, 2009, S. 169 f.; zur Vergegenständlichung von Information Druey, Information als Gegenstand des Rechts, 1995, 4. Kap., III. 4. und IV. 3. 132 Vgl. hierzu auch das von Aldoney Ramírez, Der strafrechtliche Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, 2009, S. 82 vorgestellte Modell der „offensiven“ und „defensiven“ Geheimnisse.
III. Kategorisierung nach Geheimnisinhalten
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Demgegenüber stehen solche Geheimnisse, deren Offenbarung lediglich einen negativen Effekt für den Geheimnisherrn nach sich ziehen könnte. Sie bleiben allein aus dem Grund unter Verschluss, um Konkurrenten keinen Einblick in Betriebsinterna zu gewähren und dadurch eine Anpassung [Auswertung, vgl. o. 2. b)] ihres Verhaltens zu vermeiden. 133 Einen Nutzen im Sinne des Einsatzes im Unternehmensbetrieb (Verwertung) haben diese Informationen nicht. 134 Geheimnisse, deren Offenbarung lediglich eine Auswertung durch die Konkurrenz erlaubt, bei denen das primäre Interesse des Geheimnisherrn in der Geheimhaltung an sich liegt, sind dem weniger schutzwürdigen Unternehmenssozialbereich zuzuordnen, weil sie sich nicht zur unmittelbaren Verwertung eignen und daher ein geringerer Schutzbedarf besteht [vgl. o. 2. b)]. 135 Letztlich steht das Nutzungskriterium in engem Zusammenhang zum Leistungskriterium und dürfte in den meisten Fällen zu einer gleichen Einordnung des Geheimnisses führen, wenngleich es einen anderen Ansatzpunkt hat. e) Sozialbezug der Information Als Indiz für ein weniger schutzwürdiges Geheimnis kann außerdem der Sozialbezug einer Information dienen. 136 Dieser Aspekt gilt vor allem für Informationen solcher Unternehmen, die ihre (marktbeherrschende) Stellung in der Wirtschaft der (früheren) Finanzierung aus öffentlichen Mitteln zu verdanken haben. Insbesondere die Deutsche Telekom AG kann sich wegen verfassungs(Art. 87 f. Abs. 1 und 2 S. 1 GG) und telekommunikationsrechtlicher (z. B. § 2 Abs. 2 Nr. 2 TKG) Vorgaben dann nicht auf die Geheimhaltung von Betriebsund Geschäftsgeheimnissen berufen, wenn eine Offenlegung derselben für einen chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerb im Telekommunikationssektor unabdingbar ist. 137 Dem ließe sich entgegnen, dass Art. 87 f. Abs. 1 GG neben der Wettbewerbsöffnung auch (und vorwiegend) ein Infrastrukturgewährleistungsauftrag zu entnehmen ist, welcher die Wahrung von Betriebs133 Schneider, Schutz des Unternehmensgeheimnisses vor unbefugter Verwertung, 1989, S. 107 f. mit Beispielen; die „Anpassung“ erfolgt dabei nach Einordnung der Information in ein größeres Ganzes bzw. in ein Informationsnetz, vgl. S. 127. 134 Vgl. Frank, Der Schutz von Unternehmensgeheimnissen im Öffentlichen Recht, 2009, S. 167 f. 135 Im Einzelfall kann es für ein Unternehmen freilich wichtiger sein, eine Information aus dem Unternehmenssozialbereich (z. B. Unterlagen zur Kreditwürdigkeit) unter Verschluss zu halten, als beispielsweise eine bestimmte Rezeptur. Die Binnendifferenzierung soll jedoch auch nur Anhaltspunkte für Abwägungsentscheidungen liefern, nicht jedoch die Einzelfallbetrachtung ersetzen, s. auch unten III. 4. 136 Vgl. BVerwG, K&R 2004, 95 (98 f.). 137 BVerwG, K&R 2004, 95 (98); a. A. OVG Münster, Beschl. v. 13. 10. 2004 – Az. 13a D 14/04, Rz. 24 ff.; kritisch auch v. Danwitz, DVBl. 2005, 597 (600, 602): „Kein Eigentum ‚Zweiter Klasse‘“.
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C. Intensität des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen
und Geschäftsgeheimnissen erfordert. 138 Auch wenn hierbei telekommunikationsbzw. regulierungsspezifische Grundgedanken 139 eine Rolle spielen, lässt sich die Argumentation auch auf die generelle Binnendifferenzierung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen übertragen: Je höher der soziale Bezug der Information, je höher also die Bedeutung derselben für die Allgemeinheit, desto geringer die Schutzintensität. 140 Insoweit unterfallen diese Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse dem „Unternehmenssozialbereich“. 141 Als weitere Beispiele könnten etwa Fusionspläne zweier großer Unternehmen dienen, die mit erheblichem Stellenabbau einhergehen. Abgesehen von spezialgesetzlichen Wertungen [dazu sogleich unter g)], die die Schutzintensität bestimmter Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse prägen können, sind darüber hinaus beispielsweise Informationen mit Umweltbezug wegen der staatlichen Verantwortung für den Umweltschutz (Art. 2 Abs. 2 GG i.V. m. dem Anspruch auf effektiven Rechtsschutz bzw. Art. 20a GG) und dem damit verbundenen höheren sozialen Bezug einer grundsätzlich geringeren Schutzintensität unterworfen. 142 f) Alter und Detaillierungsgrad der Information Weitere Differenzierungskriterien können Alter und Detaillierungsgrad der Information darstellen. 143 Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse etwa, die bereits abgeschlossene oder weit zurückliegende Sachverhalte betreffen, sind als weniger schutzwürdig anzusehen als solche mit aktuellem Bezug. Es kommt entscheidend darauf an, ob aus den Informationen (noch) Rückschlüsse auf die Gegenwart oder Zukunft gezogen werden können. 144 Der Detaillierungsgrad der 138
s. v. Danwitz, DVBl. 2005, 597 (603) mit Verweis auf BVerfGE 108, 370 (393). Vgl. hierzu Sommer / Bosch, K&R 2002, 456 (462 f.); v. Danwitz, DVBl. 2005, 597 (602 f.). 140 Andeutungen in diese Richtung auch bei Forkel, Zur Übertragbarkeit geheimer Kenntnisse, in: FS-Schnorr v. Carolsfeld, S. 105 (120), der für die Offenbarung im Patentverfahren und damit für die Zugänglichmachung des für die Allgemeinheit wertvollen Wissens plädiert; s. a. Schneider, Schutz des Unternehmensgeheimnisses vor unbefugter Verwertung, 1989, S. 95. 141 Das BVerwG, K&R 2004, 95 (99) führt – gewissermaßen als Korrektiv – an, dass nachhaltige oder gar existenzbedrohende Nachteile für den Betroffenen nicht zu befürchten sein dürften; kritisch hierzu v. Danwitz, DVBl. 2005, 597 (604): „Opfergrenze zu hoch angesetzt“. 142 Vgl. Breuer, NVwZ 1986, 171 (172); Taeger, Die Offenbarung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, 1988, S. 76; zum gesteigerten allgemeinen Interesse an dem Wissen um den Verbleib von EU-Agrar-Subventionen Schomerus / Scheel, ZUR 2010, 188 (192). 143 Vgl. Sommer / Bosch, K&R 2002, 456 (462). 144 Sommer / Bosch, K&R 2002, 456 (462); vgl. BVerwGE 127, 282 (284 f.) und OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 02. 10. 2007 –12 B 12.07, Rn. 41, wonach aus einem Vergleich 139
III. Kategorisierung nach Geheimnisinhalten
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entsprechenden Daten kann ebenfalls eine Kategorisierung erlauben. Lässt sich diesen überhaupt ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis entnehmen 145 und – bejahendenfalls – inwieweit lassen sie Schlussfolgerungen auf betriebliche oder geschäftliche Interna zu? g) Spezialgesetzliche Wertungen Möglicherweise können auch spezialgesetzliche Wertungen (z. B. § 17a Gentechnikgesetz: Ergebnissen aus Tierversuchsstudien wird der ausschließlichkeitsrechtliche Charakter abgesprochen mit der Folge, dass allenfalls ein finanzieller Ausgleichsanspruch besteht) eine innere Abstufung nach Geheimniswert indizieren. 146 Diese sind, soweit sie für die in dieser Arbeit behandelten Informationsansprüche eine Rolle spielen, bereits erörtert worden [s. zum IFG B. IV. 7. b) dd)]. Im Übrigen können sie jedoch auch zu einem rechtsgebietsübergreifenden Ansatz zur Binnendifferenzierung nach Geheimnisinhalt beitragen. 147 Das Oberverwaltungsgericht Münster hat beispielsweise ausgeführt: „Die speziellen Vorschriften des Gentechnikrechts über die Vertraulichkeit von Unterlagen zielen nicht auf die Offenlegung eines Produktionsgeheimnisses, das das Knowhow eines Unternehmens, und damit sein – auch wirtschaftlich werthaltiges – geistiges Eigentum verkörpert. [...] Die Offenlegung der Rohdaten einer Tierversuchsstudie berührt danach lediglich den Randbereich der geschützten Grundfreiheiten.“ 148
Diese – im Hinblick auf die Begrifflichkeiten des Geheimnisschutzrechts untechnisch wirkenden – Aussagen erlauben den Schluss, dass Geheimnisse, die unter die Vertraulichkeitsvorschriften des Gentechnikgesetzes subsumierbar sind, grundsätzlich weniger leistungs- bzw. eigentumsbezogen sind und insoder Kalkulationsunterlagen verschiedener Jahre Weichenstellungen und Planungen zu ersehen sein könnten, die Aufschluss über gegenwärtige oder künftige Kostenkalkulationen geben könnten. 145 Zu beachten ist hierbei jedoch, dass grundsätzlich auch Informationen, die (bloß) Rückschlüsse auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zulassen, als solche zu behandeln sind, vgl. BVerwG, NVwZ 2010, 189 (193). 146 Vgl. VG Köln, NuR 2005, 665 (666); OVG Münster, NVwZ-RR 2006, 248 (249). 147 OVG Münster, NVwZ-RR 2006, 248 (249): „§ 17a GenTG konkretisiert die Reichweite des Geheimnisschutzes für den Bereich des öffentlichen Rechts, insbesondere des Informationsrechts nach § 4 I UIG, indem bestimmte, in § 17a II GenTG bezeichnete Angaben und Unterlagen, die den wettbewerbsrechtlich geprägten Begriff des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses erfüllen mögen, für den hier betroffenen Rechtsbereich aus dem Schutzbereich ausgenommen werden“ [Anm.: Hervorhebung nur hier]. § 17a II GenTG nimmt bestimmte Inhalte vom Begriff des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses in § 17a I GenTG aus, z. B. allgemeine Merkmale oder Beschreibung der gentechnisch veränderten Organismen oder die Risikobewertung. 148 OVG Münster, NVwZ-RR 2006, 248 (250 f.).
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C. Intensität des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen
weit – nach der hiesigen Terminologie – in den Unternehmenssozialbereich fallen. Allerdings sollte dies stets im Einzelfall geprüft werden, wenn beispielsweise ein Antragsteller nach § 1 Abs. 1 S. 1 IFG oder § 4 Abs. 1 LPG gegenüber dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit Zugang zu Informationen eines „Gen-Food-Unternehmens“ begehrt. Ähnliches gilt für § 22 Abs. 3 des Chemikaliengesetzes. Dieser enthält einen Negativ-Katalog von Informationen, die keine Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse darstellen. 149 Für das Arzneimittelrecht wird schließlich vertreten, Informationen über spezifische Gesundheitsrisiken und beobachtete Verdachtsfälle unerwünschter Arzneimittelwirkungen sowie durch das Pharmaunternehmen oder einen Stufenplanbeauftragten vorgenommene Arzneimittelbewertungen stellten keine Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse dar. 150 Rechtstechnisch fraglich bleibt bei diesen spezialgesetzlichen Regelungen und Wertungen, ob sie, wie der Wortlaut dies nahelegt, ex ante die Eigenschaft als Betriebs- und Geschäftsgeheimnis für bestimmte Daten auch rechtsgebietsübergreifend mit der Folge negieren, dass eine Kategorisierung der Geheimnisse in Ermangelung der Geheimniseigenschaft obsolet wäre. Wie weit geht die vom Oberverwaltungsgericht Münster 151 angesprochene Konkretisierung der Reichweite des Geheimnisschutzes, wenn ein Informationszugangsanspruch nach § 1 Abs. 1 S. 1 IFG über gentechnische Informationen geltend gemacht wird? Führt der Ausschluss der Geheimniseigenschaft im Gentechnikrecht auch zum Ausschluss des § 6 S. 2 IFG? Vieles spricht für eine Betrachtung des Einzelfalls, ohne über den Weg des Gentechnikrechts vorschnell die Tür zur IFG-spezifischen Schutznorm „zuschlagen“ zu müssen. Eine ausführliche Erörterung dieser Problematik würde hier zu weit führen, 152 entscheidend ist, dass die den Gesetzen zugrundeliegenden Wertungen bei der Binnendifferenzierung von Betriebsund Geschäftsgeheimnissen berücksichtigt werden können. h) Eigene Schutzvorkehrungen des Geheimnisherrn Eigene Schutzvorkehrungen des Geheimnisinhabers erhöhen den Geheimhaltungsgrad und können ein Indiz für die erhöhte Schutzwürdigkeit der Information darstellen. 153 Hierdurch besteht zwar einerseits die Möglichkeit der Subjektivierung des Schutzwürdigkeitsmaßstabs, den der Geheimnisinhaber durch entspre149 Vgl. Breuer, NVwZ 1986, 171 (173), auf den damaligen § 12 IV ChemG bezugnehmend. 150 Hieke, PharmR 2005, 35 (40); Brock / Morbach, PharmR 2009, 108 (111); zu weiteren spezialgesetzlichen Schutzausnahmen s. Kloepfer / Greve, NVwZ 2011, 577 (583 f.). 151 OVG Münster, NVwZ-RR 2006, 248 (249). 152 Zum Vorrang bereichsspezifischer Auskunftsnormen (die jedoch im GenTG und im ChemG nicht enthalten sind) s. B. IV. 4. h).
III. Kategorisierung nach Geheimnisinhalten
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chende Vorkehrungen steuern kann: Ein Unternehmer könnte ein Geheimnis in Eigenregie dem Unternehmenskernbereich zuordnen, ungeachtet seines tatsächlichen Inhalts. Allerdings bedarf es zur Manifestation eines besonderen Geheimhaltungswillens nach außen einer gewissen Spezifizierung und genauen Bezeichnung des jeweiligen Geheimnisses. 154 Eine „Universalabsicherung“ für alle innerhalb eines Unternehmens anfallenden Geheimnisse wird daher den Geheimhaltungsgrad per se nicht steigern können. Außerdem wird der Geheimnisinhaber wegen des großen Aufwands besondere Schutzvorkehrungen nur für solche Geheimnisse treffen, die für seine Wettbewerbsstellung von Bedeutung sind. 155 Solche Schutzvorkehrungen können beispielsweise besondere vertragliche Abreden oder die interne Speicherung sensibler Daten auf gesonderten Servern mit beschränkter Zugriffsmöglichkeit sein. i) Zwischenergebnis Informationen aus dem Unternehmenskernbereich sind nach dem Vorstehenden solche, die eine gewisse Erfindungs- bzw. Schöpfungshöhe aufweisen und Ergebnis eigener Leistung und Investitionen sind und damit den Immaterialgüterrechten nahekommen. 156 Als weiteres Indiz für ein Datum aus dem Kern eines Unternehmens mag die Vergegenständlichung der Information, sprich die Unabhängigkeit von ihrem Inhaber und die damit verbundene unmittelbare Verwertbarkeit durch Dritte dienen. Ebenso ist die unternehmensinterne Nutzung durch den Geheimnisinhaber – im Gegensatz zur bloß geheimen Verwaltung der Information – als Kriterium zur Binnendifferenzierung von Geheimnisinhalten geeignet. Schließlich können ein hoher Detaillierungsgrad sowie die Aktualität der Information bzw. der (unter Umständen mit dem zeitlichen Fortschritt verbundene) Kostenamortisierungsstand Indikatoren für ein bedeutendes Betriebsund Geschäftsgeheimnis sein. Spiegelbildlich hierzu sind als Kennzeichen eines Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses, das dem Unternehmenssozialbereich unterfällt, zunächst Informationen zu sehen, die nur in Beziehung zu dem sie betreffenden Unternehmen 153
Pfister, Das technische Geheimnis – „know-how“ als Vermögensrecht, 1974, S. 102; Schneider, Schutz des Unternehmensgeheimnisses vor unbefugter Verwertung, 1989, S. 119 ff., 121; vgl. auch Hauck, Wirtschaftsgeheimnisse – Informationseigentum kraft richterlicher Rechtsbildung?, 1987, S. 263, der in den der Geheimhaltung dienenden Leistungen zwar eine Begründung für ein Schutzgebot sieht, jedoch auch den fehlenden inneren Zusammenhang zu dem, was sich hinter der Geheimhaltung verbirgt, herausstellt. 154 Schneider, Schutz des Unternehmensgeheimnisses vor unbefugter Verwertung, 1989, S. 120. 155 Schneider, Schutz des Unternehmensgeheimnisses vor unbefugter Verwertung, 1989, S. 121. 156 Zur Abgrenzung zu denselben s. B. I. 5.
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C. Intensität des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen
einen (Aussage-)Wert haben. Was nützen etwa Mitarbeiter- oder Umsatzzahlen, wenn sie abstrakt und anonym bekannt werden? Welchen Aussagegehalt haben Fusionsgerüchte, wenn sie nicht zwei konkreten Unternehmen zugeordnet werden können? Weiterhin unterfallen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse unterhalb einer gewissen Erfindungs- und Schöpfungshöhe regelmäßig dem Unternehmenssozialbereich. Das Gleiche gilt für bloß geheim gehaltene, jedoch nicht auch im Unternehmensbetrieb genutzte Informationen. Zudem können spezialgesetzliche Wertungen die Kategorisierung von Geheimnisinhalten beeinflussen. Ein hoher Sozialbezug des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses – vorwiegend bei der Verwendung von Steuergeldern oder der Gefährdung einer hohen Zahl von Arbeitsplätzen – kann schließlich zu einer Zuordnung zum Unternehmenssozialbereich führen. Bei diesem Kriterium ist jedoch Zurückhaltung geboten, eine Verabsolutierung sollte vermieden werden. Insbesondere gibt es kein „Eigentum zweiter Klasse“, nur weil ein privatisiertes Unternehmen auf staatliche Vorleistungen oder Infrastrukturen zurückgreift. 157 3. Abgrenzung zwischen Binnendifferenzierung und der Bestimmung, ob ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis vorliegt Schwierig ist bisweilen die klare Abgrenzung zwischen der Bestimmung, welche Geheimnisse schützenswerter sind als andere, und derjenigen, ob ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse und somit (überhaupt) ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis vorliegt. Diese Problematik scheint teilweise in der Rechtsprechung auf, wird jedoch nicht immer der erforderlichen dogmatischen Zuordnung zugeführt. 158 Zudem wird gelegentlich das oben zur Binnendifferen157
Vgl. v. Danwitz, DVBl. 2005, 597 (600, 602). Z. B. in BVerwG, K&R 2004, 95 (99): Das Korrektiv „nachhaltiger oder existenzbedrohender Nachteil für den Betroffenen“ darf nicht mit dem Kriterium des „wirtschaftlichen Nachteils“ als Voraussetzung für das Vorliegen eines berechtigten Geheimhaltungsinteresses und damit eines Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses verwechselt werden; das VG Köln, NuR 2005, 665 (666) deutet in seiner Entscheidung an, an der Geheimhaltung einer Rattenfütterungsstudie bestehe für die Betroffene insbesondere aufgrund der Wertungen des Gentechnikgesetzes kein berechtigtes Interesse. Solche Erwägungen sollten jedoch im Rahmen einer Binnendifferenzierung Platz greifen und nicht bereits bei der Bestimmung des Vorliegens eines Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses. Unklar ferner OVG Münster, NVwZ-RR 2006, 248 (251), das zwar die Gefahr anerkennt, durch die Offenlegung der Rohdaten der Rattenfütterungsstudie könnten Konkurrenten „gewisse finanzielle und zeitliche Vorteile“ haben (was für ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis ausreichend wäre), auf der anderen Seite aber eine Darlegung der Betroffenen verlangt, dass das Bekanntwerden „mit ernstlicher Wahrscheinlichkeit gravierende wirtschaftliche Nachteile“ mit sich brächte. Eine klare Abgrenzung zwischen Vorliegen und Wertigkeit eines Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses wäre hier wünschenswert gewesen. Vgl. zum berechtigten Geheimhaltungsinteresse B. I. 4. d) und B. IV. 7. b) dd) (2). 158
III. Kategorisierung nach Geheimnisinhalten
201
zierung hinzugezogene Leistungskriterium bereits auf Seiten der Definition von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen bemüht. 159 Hierbei ist – nicht nur im Sinne einer einheitlichen exekutiven und judikativen Handhabung – Vorsicht geboten. Gesetzgeberische Wertungen, welche in den Schutzvorschriften der einzelnen Gesetze auf der „traditionellen“ Definition von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen beruhen, könnten durch die Implementierung des Leistungskriteriums unterlaufen werden. Wenn man etwa als Betriebs- und Geschäftsgeheimnis im Sinne des § 6 S. 2 IFG nur Informationen anerkennen wollte, die auf einer Leistung mit finanziellem Aufwand beruhen, fielen alle sonstigen – in der hergebrachten und vom Gesetzgeber berücksichtigten Definition 160 unter die Betriebsund Geschäftsgeheimnisse fallenden – Informationen aus dem Schutzbereich von § 6 S. 2 IFG heraus (z. B. Forschungsprojekte, Fusionspläne oder Kreditdaten). Eine Unterscheidung der beiden Ebenen der Einordnung als Betriebs- und Geschäftsgeheimnis und der (darauffolgenden) Kategorisierung desselben ist daher unbedingt notwendig. 4. Ergebnis: Abstufung nach Bedeutung des Geheimnisses als Abwägungshilfe Die einzelnen aufgezeigten Differenzierungskriterien lassen teilweise eine gewisse Konturenschärfe vermissen. Dies ist an gelegentlichen Überschneidungen in Begründungsansätzen und Kategorisierungsergebnissen zu erkennen. 161 Aber nicht nur in horizontaler (einzelne Unterscheidungsmerkmale), sondern auch in vertikaler (Geheimnis aus dem Unternehmenskern- oder -sozialbereich?) Hinsicht gibt es schwer zuordbare Grenzfälle. Eine komplexe Kundenliste kann beispielsweise als Ergebnis der Leistung eines Unternehmens angesehen werden. Ein einzelner Kundenkontakt wäre demgegenüber eher als Information aus dem Unternehmenssozialbereich einzuordnen. 162 Kundenlisten sind ohnehin ein Sonderfall unter den Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, da ihnen regelmäßig ein vierpoliges Verhältnis zugrunde liegt. In den bisher thematisierten Konstellationen ging es stets um drei Parteien. 163 Bei Kundenlisten hat die an159
s. etwa VG Köln, NuR 2005, 665 (666); v. Danwitz, DVBl. 2005, 597 (600), der zuvor (S. 598) noch die „traditionelle“ Definition heranzieht. 160 Vgl. BT-Drs. 15/4493, S. 14. 161 Überschneidungen beispielsweise beim Leistungs- und beim Nutzungskriterium sowie bei eigenen Schutzvorkehrungen des Geheimnisherrn [b), d) und h)] oder beim Sozialbezugskriterium und den Wertungen einzelner Spezialgesetze [e) und g)]; dies stellt auch Aldoney Ramírez, Der strafrechtliche Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, 2009, S. 83 hinsichtlich der von ihm vorgestellten Systematisierungsmodelle fest. 162 Beispiel bei Schneider, Schutz des Unternehmensgeheimnisses vor unbefugter Verwertung, 1989, S. 33.
202
C. Intensität des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen
spruchsverpflichtete Stelle nicht nur die Geheimhaltungsinteressen des Inhabers der Liste, sondern auch diejenigen der Kunden selbst (Name / Firma, Adresse, etc.) gegenüber dem Informationssuchenden zu wahren. 164 Die Differenzierung nach einzelnen Geheimnisinhalten hat indessen auch nicht die Intention, feste Vorgaben und Maßstäbe für die Bestimmung der Schutzwürdigkeit einzelner Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zu formen. Eine Kategorisierung und die damit einhergehende Bewertung einzelner Geheimnisse kann vielmehr nur eine Orientierungshilfe darstellen; eine konkrete Einzelfallbetrachtung kann sie nicht ersetzen. 165 In Kollisionslagen, die eine Interessenabwägung erfordern (hier insbesondere beim Aufeinandertreffen von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen mit den Informationsansprüchen des Abgeordneten und der Presse), liefert sie einen Beitrag zur Gewichtung des Geheimhaltungsinteresses des Unternehmers, das zur Entscheidung über das Vorliegen eines Auskunftsanspruchs im konkreten Einzelfall in die Waagschale geworfen wird. Hierdurch kann vielleicht der jeder Abwägung innewohnenden Gefahr der „Willkür und Manipulation“ 166 ein Stück weit entgegengewirkt werden. 5. Beispiele Geheimnisse aus dem Unternehmenskernbereich können – nach den soeben aufgestellten Kriterien – folgenden Inhalt haben: Markt- und Marketingstrategien, (geplante) Patentanmeldungen, Entgeltgestaltungen, Kundenlisten, Ergebnisberichte, Baupläne von Maschinen, Produktionsmethoden, Verfahrensabläufe, Modelle und Muster, Stoffzusammensetzungen, Rezepturen, Vertriebssysteme oder Aufzeichnungen über Versuche. Geheimnisse aus dem Unternehmenssozialbereich sind beispielsweise: Daten über Umsätze, Inhalte von Geschäftsbüchern und -statistiken, Daten zu Ertrags163
s. A. II. Zum Beispiel bei einer Anfrage gegenüber dem Bundesministerium für Verteidigung, wie sich durch welche Interessenten die Nachfrage bei einem (u.U. subventionierten) Rüstungsunternehmen entwickelt hat. 165 Vgl. v. Danwitz, DVBl. 2005, 597 (603), der sich jedoch ausschließlich mit der durch § 99 I 2 VwGO eröffneten Abwägung beschäftigt; zur Einzelfallbezogenheit als Voraussetzung jedweder Abwägung Ossenbühl, DVBl. 1995, 904 (907). 166 Ossenbühl, DVBl. 1995, 904 (911 f.); Kategorisierung nach Geheimnisinhalten als „rationale Grundlagen“ für die Abwägungsentscheidung; vgl. auch Ossenbühl, in: Merten / Papier, HbdGR, Bd. I, § 15 Rn. 28: „Abwägung bedeutet also Einzelfallabwägung. Die Abwägungskriterien müssen hier aus der spezifischen Sachnähe gewonnen werden. Sie lassen sich günstigenfalls in einem längeren Abklärungsprozeß auf einer mittleren Abstraktionsebene durch abstrakt formulierte, falltypische Entscheidungsmuster in einer Weise bestimmen, dass der Vorgang der Grundrechtsanwendung rationaler und rechtssicherer gestaltet werden kann.“ 164
IV. Entwurf eines Schutzstufenmodells
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lagen, Informationen zur Kreditwürdigkeit, Daten zu Bezugsquellen, Informationen über Vertragsbedingungen oder Fusionsvorhaben. 6. Zusammenhang zwischen Kategorisierung und Informationsanspruch? Fraglich ist, welchen Mehrwert die Geheimniskategorisierung für die in der Arbeit zu beantwortende Frage nach der Schutzintensität von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen gegenüber den drei Informationsansprüchen des Abgeordneten, der Presse und des Bürgers hat. Die einzelnen, im vorstehenden Abschnitt aufgestellten Kriterien liefern letztlich nur abstrakte Abstufungsansätze. Aus Sicht der Anspruchsteller ist ein Geheimnis aus dem Unternehmenskernbereich jedoch womöglich weniger wert als ein solches aus dem Unternehmenssozialbereich. Die Presse etwa interessiert es regelmäßig mehr, ob ein Unternehmen massiven Stellenabbau plant oder Umweltverschmutzung betreibt als die Entwicklung eines neuen Produktionsverfahrens. Wie jedoch bereits festgestellt, soll und kann die Binnendifferenzierung nach dem Geheimnisinhalt keine festen Vorgaben machen. Die Kategorisierung der Geheimnisse inkludiert nicht die möglichen Interessen desjenigen, der sie aufdecken möchte; dies wäre in abstrakter Form auch nicht möglich. So kann es sein, dass – um im soeben genannten Beispiel zu bleiben – der Presse die Auskunft zu verweigern ist, obwohl es sich bei der begehrten Information „nur“ um ein Geheimnis aus dem Unternehmenssozialbereich handelt. Bei der Einordnung des Geheimnisses in die beiden Bereiche kann das Interesse des Informationsanspruchstellers daher zunächst keine Berücksichtigung finden. Dies erfolgt erst auf der nächsten Stufe bei der (ggf. angezeigten) Einzelfallabwägung der widerstreitenden Interessen, wenn bereits feststeht, dass ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis vorliegt (vgl.o. III. 3.) und welcher Kategorie es angehört. 167 Der Abwägung hat insofern eine Klärung der Vorfragen: „Betriebs- und Geschäftsgeheimnis ja oder nein?“ und – wenn ja – „aus welcher Kategorie?“, vorauszugehen.
IV. Entwurf eines Schutzstufenmodells Ausgehend von den bis zu diesem Punkt erarbeiteten Ergebnissen lässt sich eine Zuordnung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen zu den einzelnen Informationsansprüchen vornehmen. Wie bereits angemerkt wurde, entscheidet stets der Einzelfall über eine Informationszugangsgewährung. Abstrakt lässt sich
167
s. hierzu das folgende Kapitel, C. IV.
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C. Intensität des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen
jedoch mit der doppelten Abstufung nach rechtlicher Grundlage und Geheimnisinhalt ein zweiseitig flexibles Schutzstufenmodell entwickeln. 1. Konstellationen möglicher Kollisionen von Informationsansprüchen und Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen Um aus den untersuchten Informationsansprüchen und den einzelnen Formen von Geheimnissen Schutzstufen entwickeln zu können, bedarf es zunächst eines Überblicks über die möglichen Konstellationen. Dabei sollen sowohl die in Teil B als auch die in der Rechtsprechungsanalyse und der Geheimniskategorisierung gewonnenen Erkenntnisse Berücksichtigung finden und in eine Ergebnisformulierung münden. a) Informationsanspruch trifft auf „illegales Geheimnis“ Zunächst gebührt hierbei den in dieser Arbeit thematisierten „illegalen Geheimnissen“ 168 Aufmerksamkeit. Sie sind – wie erörtert – mangels berechtigten Geheimhaltungsinteresses nicht als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zu klassifizieren. Konsequenterweise erfahren sie darum auch keinen Schutz im Hinblick auf Informationsansprüche Dritter: Die im Informationszugangsrecht allein in Frage kommende Vorschrift des § 6 S. 2 IFG ist nicht einschlägig, Ähnliches gilt für den beim presserechtlichen Auskunftsanspruch über § 4 Abs. 2 Nr. 2 LPG zu berücksichtigenden § 203 Abs. 2 StGB. Zwar wird vertreten, dass § 203 StGB auch „illegale Geheimnisse“ erfasse – wenngleich hierbei regelmäßig der Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen übergeordnete Begriff des Privatgeheimnisses zugrunde gelegt und dadurch auch anderen Schutzerwägungen als etwa bei § 17 UWG Raum verschafft wird. 169 Allerdings wäre bei der dann gebotenen Abwägung der Freiheit der Presse in der Weise Rechnung zu tragen, dass das Informationsinteresse regelmäßig das Geheimhaltungsinteresse überwiegt. 170 Ein solches Ergebnis gebietet auch der „Erst-recht-Schluss“, dass – unter Berücksichtigung der Wertungen von Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG und Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG – der Presse nicht das vorenthalten werden darf, was dem einzelnen Bürger zugänglich gemacht werden müsste. 171 Ähnliches gilt für das parlamentarische 168
Zu diesen s. B. I. 4. d) und B. IV. 7. b) dd) (2). Neben dem Individualschutz beispielsweise das Vertrauen der Allgemeinheit in die Verschwiegenheit der in § 203 StGB aufgeführten Berufsgruppen, Rützel, GRUR 1995, 557 (558 f.); vgl. a. Lackner / Kühl, StGB, § 203, Rn. 1 m.w. N. 170 Vgl. B. III. 7. 171 Abgesehen davon, dass sich die Presse jederzeit auch auf § 1 Abs. 1 S. 1 IFG als Anspruchsnorm berufen könnte, s. B. IV. 4. a). 169
IV. Entwurf eines Schutzstufenmodells
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Fragerecht: Eine Abwägung zwischen „illegalem Geheimhaltungsinteresse“ und verfassungsrechtlich fundierten Informationsinteressen des bzw. der Abgeordneten fiele stets zugunsten Letzterer aus. Zudem bestünde mangels Eigenschaft als Betriebs- und Geschäftsgeheimnis kein oder zumindest ein im Abwägungsprozess mit den Informationsinteressen des Abgeordneten unterliegender grundrechtlicher Schutz aus Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG. „Illegale Geheimnisse“ stehen somit allen in dieser Arbeit untersuchten Informationsansprüchen offen. Die Gerichte hatten sich selten mit der Problematik des Schutzes „illegaler Geheimnisse“ zu befassen. In zwei Fällen kam es zu einer Auseinandersetzung im Rahmen eines allgemeinen Informationszugangsanspruchs nach dem IFG Schleswig-Holstein. Während das Oberverwaltungsgericht Schleswig ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse nur im Falle eines tragende Grundsätze der Rechtsordnung berührenden Rechtsverstoßes ablehnen wollte, 172 entschied das Bundesverwaltungsgericht in einem anderen Fall, dass die Ziele der Informationsfreiheitsgesetze zu einem eindeutigen Überwiegen der Offenbarungsinteressen gegenüber „illegalen Geheimhaltungsinteressen“ führten, sofern diese überhaupt anerkannt werden könnten. 173 Aufgrund der im IFG Schleswig-Holstein gegebenen Abwägungsmöglichkeit bedurfte es hier keiner endgültigen Festlegung auf ein umfassendes Aberkennen des berechtigten Geheimhaltungsinteresses bei illegalem Vorverhalten. Die Inbezugnahme der Gesetzeszwecke und die Formulierung „sofern sie überhaupt anerkannt werden können“ sprechen jedoch für die hier vertretene Auffassung, die folgende Ergebnisformulierung erlaubt. Für „illegale Geheimnisse“ besteht vor den hier untersuchten Informationsansprüchen kein Schutz. b) Allgemeiner Informationszugangsanspruch trifft auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnis aus dem Unternehmenssozialbereich bzw. Unternehmenskernbereich Eine Abwägung der widerstreitenden Interessen ist in § 6 S. 2 IFG nicht vorgesehen. Insoweit können Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, gleich ob sie den Unternehmenskern- oder -sozialbereich betreffen, stets nur nach Einwilligung des berechtigten Unternehmens offenbart werden. Hiergegen ist auch verfassungsrechtlich nichts zu erinnern. 174 Allein solche Informationen, die auf illegales Verhalten zurückzuführen sind, genießen keinen Schutz nach § 6 S. 2 IFG, da sie – wie erörtert – nicht mehr als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse anzu-
172 173 174
OVG Schleswig, NordÖR 2005, 528 (530), s. C. II. 3. b) aa) (3). BVerwG, NVwZ 2009, 1114 (1116), s. C. II. 3. b) bb) (3). Vgl. B. IV. 6. und C. I. 2.
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C. Intensität des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen
sehen sind. Somit bleibt für Informationsansprüche nach dem IFG festzuhalten, dass Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse absolut geschützt sind. Die Gerichte bestätigen diese Erkenntnis. Sobald das Vorliegen eines berechtigten Geheimhaltungsinteresses bejaht wird und der Geheimnisinhaber die Einwilligung versagt, ist der Informationszugangsanspruch abzulehnen. 175 Die Rechtsprechungsanalyse hat jedoch auch ergeben, dass nicht selten das Vorliegen eines Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses mangels berechtigten Geheimhaltungsinteresses abgelehnt wird. 176 Insofern kann und muss zwar gesagt werden, dass Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Rahmen des allgemeinen Informationszugangsanspruchs einem absoluten Schutz unterstehen. „Betriebs- und Geschäftsinterna“ – um die nicht die Hürde des berechtigten Geheimhaltungsinteresses überwindenden Informationen untechnisch zu bezeichnen –, die der Betroffene unter Umständen dennoch gerne unter Verschluss halten würde, sind dem Antragsteller demgegenüber nach § 1 Abs. 1 S. 1 IFG regelmäßig zugänglich zu machen. Für die Arbeit gilt nichtsdestotrotz: Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse – gleich welcher Kategorie – bleiben ohne Einwilligung des Berechtigten für den sich auf § 1 Abs. 1 S. 1 IFG berufenden Antragsteller verschlossen. Ihre Schutzintensität ist demnach in diesen Fällen hoch. c) Presserechtlicher Auskunftsanspruch trifft auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnis aus dem Unternehmenssozialbereich Der presserechtliche Auskunftsanspruch nach § 4 Abs. 1 LPG besteht nicht schon verfassungsunmittelbar. Ein Unterschied zum allgemeinen Informationszugangsanspruch nach dem IFG ergibt sich aber in dieser Hinsicht aus der institutionellen Seite der Pressefreiheit. 177 Sie dient als Auslegungsmaßstab für das einfache Recht und zwingt den Gesetzesanwender zu ihrer Berücksichtigung bei jeder die Pressefreiheit berührenden Norm. 178 Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind im Presserecht über die §§ 4 Abs. 2 Nr. 2 LPG und 203 Abs. 2 StGB geschützt. Die durch diese Normen eröffnete Abwägung zwischen den Offenbarungsinteressen der Presse und den Geheimhaltungsinteressen der Unternehmen 175 s. nur VG Braunschweig, ZUM 2008, 254; VG Frankfurt a. M., NVwZ 2008, 1384; VG Frankfurt a. M., Urt. v. 28. 1. 2009 – 7 K 4037/07.F; VG Frankfurt a. M., Urt. v. 18. 2. 2009 – 7 K 4170/07.F. 176 Vgl. BVerwG, NuR 2009, 555; VG Düsseldorf, Urt. v. 9. 7. 2004 – 26 K 4163/ 03; VG Hamburg, Urt. v. 22. 5. 2008 – 13 K 1173/07; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 02. 10. 2007 –12 B 12.07; VG Berlin, Urt. v. 24. 08. 2004 – 23 A 1.04. 177 s. hierzu B. III. 6. c). 178 Vgl. VG Frankfurt (Oder), Beschl. v. 23. 9. 2009 – Az. 3 L 208/09, Rz. 15.
IV. Entwurf eines Schutzstufenmodells
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ist somit wegen des Berücksichtigungspostulats zugunsten der Pressefreiheit „vorgewichtet“. Andererseits genießen auch Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse verfassungsrechtlichen Schutz über Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG. Bei der Abwägung spielt eine wesentliche Rolle, welches Maß das für die Auskunft streitende Informationsinteresse hat und in welche Sphäre des Gewerbebetriebs eingegriffen wird. 179 Insbesondere Informationen, derer die Presse zur Wahrnehmung der ihr verfassungsrechtlich zugewiesenen „Wächterrolle“ bedarf, sind dem Anspruchsteller konsequenterweise regelmäßig preiszugeben. Auch wenn es sich um Informationen handelt, die für die Meinungsbildung des Bürgers essentiell sind, fällt dies zugunsten des Auskunftsanspruchs der Presse besonders ins Gewicht; in diesen Fällen kann die institutionelle Seite den Ausschlag geben. Wie oben 180 festgestellt wurde, sind unter Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen aus dem Unternehmenssozialbereich insbesondere solche Informationen zu verstehen, die nur in Bezug zu einem konkreten Geheimnisinhaber einen (Aussage-)Wert haben. 181 Auf diese Informationen fokussiert sich in der Regel auch das Interesse der Presse. Gleichzeitig ist hierbei aber auch die weniger schutzwürdige Unternehmenssozialsphäre betroffen. Vor dem Hintergrund der öffentlichen Aufgabe der Presse sind es vor allem diejenigen Informationen, die die breite Öffentlichkeit wesentlich tangieren, die von der Presse erfragt werden. Dies deckt sich mit der in § 3 der meisten Landespressegesetze formulierten öffentlichen Aufgabe, die in erster Linie in der Beschaffung und Verbreitung von Nachrichten in Angelegenheiten von öffentlichem Interesse liegt. 182 Die untersuchten Fälle haben gezeigt, dass insbesondere der Umgang mit öffentlichen Finanzmitteln ein Thema ist, das das öffentliche Interesse – und damit auch das der Presse – auf sich zieht. 183 Der Höhe des Honorars für die Erstellung eines durch die öffentliche Hand in Auftrag gegebenen Gutachtens wurde zwar gerichtlich der Charakter eines Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses abgesprochen, so dass es gar nicht zu einer Abwägung kam. 184 Überhaupt gab es – ähnlich den zum IFG-Anspruch ergangenen Entscheidungen – einige 179
BVerfG, NJW 2001, 503 (505 f.). C. III. 181 Aufgrund der Vielfalt der Differenzierungskriterien kann es zu Überschneidungen in der Form kommen, dass auch Informationen, die nur in Bezug zu einem konkreten Unternehmen einen Wert haben, dem Unternehmenskernbereich angehören können; hierzu sogleich unter d). 182 s. B. III. 2. und Bullinger, in: Löffler, LPG, § 3, Rn. 36. 183 Vgl. die Entscheidungen zugunsten der presserechtlichen Auskunft in der Rechtsprechungsanalyse unter C. II. 2. b) bb). 184 VG Düsseldorf, Urt. v. 14. 12. 2001 – 1 K 6481/99 und OVG Münster, NJW 2005, 618; s. a. VG Düsseldorf, Urt. v. 15. 10. 2008 – 1 K 3286/08; anders, trotz gleichen Ausgangspunkts (Umgang mit öffentlichen Mitteln) VG Frankfurt (Oder), Beschl. v. 23. 9. 2009 – Az. 3 L 208/09. 180
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C. Intensität des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen
Fälle, in denen das berechtigte Geheimhaltungsinteresse abgelehnt wurde. 185 Allerdings zeigen die Fälle die grundsätzliche Ausrichtung des öffentlichen Interesses: Selbst wenn ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse für die Fälle öffentlicher Zahlungen an private Dritte bejaht würde, stünden allenfalls den Sozialbereich des jeweiligen Unternehmens betreffende Informationen in Rede. 186 Auch entanonymisierte Beschwerdestatistiken von Versicherungsunternehmen 187 sind dem Unternehmenssozialbereich zuzuordnen und sollen zur Aufklärung und Meinungsbildung des Bürgers beitragen. In allen Fällen kommt der Kontrollcharakter des presserechtlichen Auskunftsanspruchs zum Tragen – einerseits gegenüber der öffentlichen Hand, andererseits aber auch gegenüber dem betroffenen Unternehmen. Demgegenüber zeigt die Rechtsprechungsübersicht aber auch: Informationen aus dem Unternehmenskernbereich wurden und werden kaum nachgefragt. Produktionsverfahren und Vertriebssysteme sind selten essentiell für die Bildung einer öffentlichen Meinung. Fälle, in denen etwa Produktionsabläufe mit Rechtsverstößen (z. B. Umweltverschmutzungen) einhergehen, sind schon gar nicht zu den Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen zu zählen und genießen von vornherein keinen Schutz. 188 Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse aus dem Unternehmenssozialbereich bilden – neben den „illegalen“ Geheimnissen – das Hauptinteressenfeld der Presse. In diesen Fällen nimmt sie die ihr verfassungsrechtlich zugewiesene „Wächterrolle“ wahr. Eine Abwägung zwischen den Offenbarungsinteressen der Presse und den Geheimhaltungsinteressen der Unternehmen hat hier regelmäßig zugunsten der Presse auszufallen. Dies folgt nicht allein aus dem gesteigerten Interesse der Presse an diesen Informationen, sondern maßgeblich aus der vorgelagerten Ebene der beim Abwägungsvorgang stets zugrunde zu legenden Wertentscheidung des Grundgesetzes, nach der die Presse frei ist und einen wesentlichen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung leistet, Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG 189 sowie dem Eingriff in die vergleichsweise weniger schutzwürdige Unternehmenssozialsphäre. Die Schutzintensität ist demnach in dieser Konstellation für Betriebsund Geschäftsgeheimnisse vergleichsweise gering.
185 Z. B. VG Hamburg, AfP 2009, 296; VG Düsseldorf, Urt. v. 14. 12. 2001 – 1 K 6481/ 99 und OVG Münster, NJW 2005, 618; VG Düsseldorf, Urt. v. 15. 10. 2008 – 1 K 3286/08. 186 Zu den Kriterien s. C. III. 187 VG Berlin, AfP 1994, 175 und OVG Berlin, ZUM 1996, 250. 188 s. o. C. IV. 1. a). 189 Vgl. B. III. 7.
IV. Entwurf eines Schutzstufenmodells
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d) Presserechtlicher Auskunftsanspruch trifft auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnis aus dem Unternehmenskernbereich Dagegen können Daten über den Unternehmenskernbereich nur in Ausnahmefällen von den Behörden preisgegeben werden. Hierzu zählt vor allem ein durch die Bedrohung hochrangiger Rechtsgüter überragendes Offenbarungsinteresse der Allgemeinheit. In jedem Fall gilt, dass die Informationen im Falle der Weitergabe an die Presse ihren Status als Betriebs- und Geschäftsgeheimnis wegen der zu erwartenden Offenkundigkeit einbüßen. Die Frage ist, ob es an Informationen aus dem Unternehmenskernbereich überhaupt ein überragendes Offenbarungsinteresse der Allgemeinheit geben kann. Wie bereits angedeutet, sind Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse aus dem Unternehmenssozialbereich aufgrund des größeren öffentlichen Interesses hieran für die Presse bedeutender. Spiegelbildlich hierzu verhält sich das Interesse an den eigentlich schützenswerteren Unternehmensdaten: Ob Baupläne von Maschinen oder Modelle und Muster; die den Unternehmenskern ausmachenden Daten sind kaum geeignet, einen essentiellen Beitrag zur Meinungsbildung der Bürger zu leisten. Die öffentliche Meinung wird selten maßgeblich dadurch geprägt oder beeinflusst, dass Unternehmen A ein neues Produktionsverfahren entwickelt hat und wie dieses genau funktioniert. Insofern überwiegen hier die Geheimhaltungsinteressen des Unternehmers. Die breite Öffentlichkeit interessiert vielmehr, ob Unternehmen A mit Unternehmen B unter Einsparungsmaßnahmen (z. B. Arbeitsplatzabbau) fusionieren möchte, ein Joint Venture plant oder kurz vor der Insolvenz steht. Gewiss handelt es sich beim „öffentlichen Interesse“ weder um ein definier- noch eingrenzbares Gebilde, was entsprechend zur Gleichbehandlung aller Presseerzeugnisse in einem weiten Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG und zu der Annahme führt, dass die Presse grundsätzlich selbst darüber befinden darf, welcher Informationen sie zur Befriedigung des öffentlichen Interesses bedarf. 190 Aber gemäß der Funktion und der Bedeutung der Presse für die Meinungsbildung werden vom presserechtlichen Auskunftsanspruch vorwiegend solche Informationen erfasst, die den „Durchschnittsbürger“, nicht den Fachmann oder Konkurrenten interessieren. 191 Im Einzelfall kann es dennoch zum Zusammenfallen von öffentlichem Interesse und Informationen aus dem Unternehmenskernbereich kommen, etwa wenn es um die Frage geht, ob ein Arzneimittel extreme Nebenwirkungen verursachende Bestandteile aufweist. In diesem Fall bestünde wegen etwaiger Gesundheitsrisiken ein allgemeines 190 Vgl. die Anspruchsberechtigung beim presserechtlichen Auskunftsanspruch, B. III. 3. a) und den Gegenstand des Auskunftsanspruchs, B. III. 3. d). 191 Zwar gibt es auch Fachpresse mit entsprechender Leserschaft, die auch z. B. an neuen Fertigungstechniken ein Interesse haben kann. Allerdings kann dieses Interesse aufgrund der geringen Breitenwirkung nicht als für die Allgemeinheit überragend wichtig angesehen werden.
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C. Intensität des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen
Offenbarungsinteresse an der Zusammensetzung des Präparats, mithin an einer Information, die dem Unternehmenskernbereich zuzuordnen wäre. Aufgrund des überragend wichtigen Gesundheitsschutzes wäre dieses hier vermutlich auch als schwerwiegender anzusehen. Dass solche Fälle – soweit ersichtlich – gleichwohl als Ausnahmefälle anzusehen sind, belegt der Blick auf die presserechtliche Rechtsprechung: In der Vergangenheit ist noch kein Fall gerichtlich entschieden worden, in dem der presserechtliche Auskunftsanspruch auf die Offenbarung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen aus dem Unternehmenskernbereich abzielte. Konstellationen, in denen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse aus dem Unternehmenskernbereich für die öffentliche Meinungsbildung essentiell sind, sind selten. Insofern stimmen die verfassungsrechtlichen Vorgaben mit der tatsächlichen Interessengewichtung weitgehend überein. Für das zu entwerfende Schutzstufenmodell bleibt (dennoch) festzuhalten: Die nach der Binnendifferenzierung als grundsätzlich schutzwürdiger anzusehenden Geheimnisse aus dem Unternehmenskernbereich genießen gegenüber dem presserechtlichen Auskunftsanspruch einen starken Geheimnisschutz. e) Informationsanspruch des Abgeordneten trifft auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnis aus dem Unternehmenssozialbereich bzw. Unternehmenskernbereich Informationsinteressen des Abgeordneten haben – im Gegensatz zu denen der Presse und des Bürgers – Verfassungsrang. Die Herstellung praktischer Konkordanz erfordert eine verhältnismäßige Einschränkung der verfassungsmäßigen Rechtsgüter. Wenn demgemäß Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse dem einzelnen Abgeordneten zugänglich gemacht werden können, ohne den Status als nicht offenkundige Tatsache (und damit als Betriebs- und Geschäftsgeheimnis) einzubüßen, 192 spricht dies dafür, dass Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Abgeordneten umfassend zugänglich zu machen sind. Dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechend, ist insbesondere bei der Übermittlung von Geheimnissen, die den „Unternehmenskernbereich“ betreffen, auf die Einhaltung der Vorschriften der Geheimschutzordnung des Bundestages – Anlage 3, § 2a GOBT – zu achten. 193 In diesem Fall bleiben die entsprechenden Informationen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, da sie nicht offenkundig werden. 194 In Ausnahmefällen kann dies auch für Geheimnisse aus dem Unternehmenssozialbereich gelten. Die Geheimschutzordnung des Bundestages erlaubt hier einen flexiblen Umgang mit 192
Vgl. B. II. 4. b) cc) (2). Vgl. BVerfGE 67, 100 (144); s. a. den Hinweis in BVerfG, Beschl. v. 1. 7. 2009 – 2 BvE 5/06, Rz. 132. 194 Vgl. B. I. 4. b). 193
IV. Entwurf eines Schutzstufenmodells
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den Daten (etwa Einstufung der Information als „vertraulich“ oder „geheim“), je nach Umfang der Sensibilität. 195 In der Regel können aber Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die „nur“ den Unternehmenssozialbereich betreffen, im Wege der Beantwortung der Fragen als Bundestagsdrucksache veröffentlicht werden. 196 Sollte die Regierung der Ansicht sein, Informationen den Abgeordneten dennoch vollständig vorenthalten zu müssen, so bedarf es hierzu einer ausführlichen Begründung, warum bereits durch die Bekanntgabe gegenüber einem oder mehreren Abgeordneten so gravierend in Grundrechtspositionen eingegriffen wird. 197 Angesichts des gegebenen Diskretionsschutzes dürfte eine vollständige Zurückhaltung der Informationen zugunsten privater Geheimhaltungsinteressen nur schwer zu rechtfertigen sein. Eine Ausnahme ist für solche Informationen zu machen, „deren Weitergabe wegen ihres streng persönlichen Charakters für die Betroffenen unzumutbar ist“. 198 Hinsichtlich der Weitergabe von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen dürfte diesen schon wegen des notwendigen Unternehmensbezugs 199 kein „streng persönlicher“ Charakter zukommen. Ausgehend vom sog. Flick-Urteil setzten sich die untersuchten Urteile mit den Möglichkeiten einer Informationsübermittlung in vertraulicher oder geheimer Form mithilfe der von „Parlament und Regierung getroffenen Vorkehrungen für den Geheimschutz“ 200 auseinander. 201 Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse durften demnach Abgeordneten nicht vorenthalten, sondern lediglich die Aufnahme von Frage und Antwort in die Bundes- / Landtagsdrucksachen ausgeschlossen werden. 202 Dies deckt sich mit den oben angegebenen Grundaussagen und erlaubt folgende Ergebnisformulierung: Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, gleich ob dem Unternehmenskern- oder -sozialbereich zuzuordnen, sind vor der Kenntnisnahme durch Abgeordnete 195
B. II. 4. b) cc) (2). Vgl. hierzu den bei Frenzel, Jura 2010, 220 (225) besprochenen Fall, in dem ein Abgeordneter nach Beratungsleistungen von Anwaltskanzleien für die Bundesregierung fragt; hierbei handelte es sich nur um „Rahmendaten über die Beratungsleistungen (Vertragspartner, Honorar)“. 197 Handreichung der Bundesministerien des Innern und der Justiz vom 19. 11. 2009, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Beantwortung parlamentarischer Fragen durch die Bundesregierung, Az. V I 2 – 110 111/0 und IV A 2 1040 –46 682/2009, S. 14; dabei ist allein die Befürchtung, dass durch die Bekanntgabe an Abgeordnete letztlich doch Informationen an die Öffentlichkeit gelangen könnten, nicht ausreichend, vgl. BVerfG, Beschl. v. 17. 6. 2009 – 2 BvE 3/07, Rz. 130, 165. 198 BVerfGE 67, 100 (144). 199 B. I. 4. a). 200 Vgl. BVerfGE 67, 100 (144). 201 So VerfGH NW, NVwZ-RR 2009, 41; BayVerfGH, NVwZ 2007, 204. 202 BayVerfGH, NVwZ 2007, 204 (209). 196
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C. Intensität des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen
kaum geschützt. Dies wird durch die im Einzelfall geheime Weitergabe der Information gerechtfertigt, die deren Geheimnischarakter nicht entfallen lässt und dadurch nur einen geringen bzw. verhältnismäßigen Grundrechtseingriff darstellt. f) Öffentlichkeitsprinzip des demokratischen Parlamentarismus und Geheimschutz Das Dilemma des Abgeordneten besteht darin, dass er zwar die gewünschte Information erhält, sie aber unter Umständen im parlamentarischen Diskurs nicht offenbaren darf und dadurch nicht auf von ihm gewünschte Mehrheiten hinwirken kann. Dies gilt nicht nur vor dem mit einer potentiellen Informierung der Besucher bzw. Zuschauer einhergehenden Hintergrund der grundsätzlichen Öffentlichkeit parlamentarischer Sitzungen (Art. 42 Abs. 1 S. 1 GG), sondern auch – im Falle des Ausschlusses der Öffentlichkeit – mit Blick auf die als streng geheim gekennzeichneten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die ggf. nur einzelnen Abgeordneten mitgeteilt werden und insofern keinen Eingang in die parlamentarische Verhandlung finden (dürfen). 203 Die Bedeutung des Öffentlichkeitsprinzips im demokratischen Parlamentarismus ist vom Bundesverfassungsgericht stets hervorgehoben worden. 204 Die mit der Öffentlichkeit der parlamentarischen Verhandlung verbundene Möglichkeit eines besseren Ausgleichs von Interessen 205 droht vor dem Hintergrund des grundrechtlich gebotenen Diskretionsschutzes leerzulaufen. Was nützt dem Abgeordneten die Möglichkeit, von sensiblen Informationen Kenntnis zu nehmen, ohne diese in der parlamentarischen Debatte verwerten zu dürfen? Sie nützt in solchen Fällen allenfalls für die eigene Entscheidungsfindung, bei gleichzeitigem Wissen um die Exklusivität der Information. Dieser Grundwiderspruch spiegelt sich auch in der FlickEntscheidung wider, in der ein Ausschluss der Öffentlichkeit im Rahmen von Verhandlungen des Untersuchungsausschusses thematisiert wurde. Die wesentliche Aussage hierüber lässt sich wiederum für die vorliegende Konstellation fruchtbar machen: 203
Vgl. B. II. 4. b) cc) (2). BVerfGE 40, 237 (249); deutlich 70, 324 (355): „Öffentliches Verhandeln von Argument und Gegenargument, öffentliche Debatte und öffentliche Diskussion sind wesentliche Elemente des demokratischen Parlamentarismus. Gerade das im parlamentarischen Verfahren gewährleistete Maß an Öffentlichkeit der Auseinandersetzung und Entscheidungssuche eröffnet Möglichkeiten eines Ausgleichs widerstreitender Interessen, die bei einem weniger transparenten Vorgehen sich so nicht ergäben.“; im Rahmen von Untersuchungsverfahren 77, 1 (46 ff., 48); 124, 78 (125 f.): „Zu berücksichtigen ist hierbei allerdings auch die Bedeutung des Öffentlichkeitsprinzips im demokratischen Parlamentarismus [...], dem, wie Art. 44 Abs. 1 GG belegt, gerade für das parlamentarische Untersuchungsverfahren, insbesondere bei Missstandsenquêten, ein besonderer Stellenwert zukommt.“ 205 BVerfGE 40, 237 (249). 204
IV. Entwurf eines Schutzstufenmodells
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„Den Ausschluß der in Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG vorgesehenen Öffentlichkeit kann die Bundesregierung, wenn sie dem Ausschuß geheimes Material übermittelt, nicht erzwingen. Vielmehr ist nach der Verfassung der Untersuchungssausschuß Herr über die Öffentlichkeit seiner Verhandlungen. Die Bundesregierung, die eine eigene, aus der ihr anvertrauten Regierungsgewalt herrührende Verantwortung für die Wahrung der Dienstgeheimnisse hat, ist aber nicht verpflichtet, Verschlußsachen, die Dienstgeheimnisse enthalten, dem Untersuchungsausschuß vorzulegen, wenn dieser nicht den von der Bundesregierung für notwendig gehaltenen Geheimschutz gewährleistet. Aus der Befolgung der Geheimschutzordnung folgt zugleich die Pflicht des Untersuchungsausschusses, in der Begründung seiner Beschlußempfehlungen und in seinem Bericht die Mitteilung der von der Regierung übermittelten Tatsachen zu unterlassen, die in nichtöffentlicher Sitzung erörtert wurden, es sei denn, sie ist unter Geheimschutzgesichtspunkten auch nach Auffassung der Bundesregierung unbedenklich.“ 206
Übertragen auf die hiesige Problematik bedeutet dies, dass die Bundesregierung zwar einerseits nicht auf einer parlamentarischen Verhandlung unter Ausschluss der Öffentlichkeit bestehen kann (dies geht schon aus Art. 42 Abs. 1 S. 2 GG hervor), andererseits Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse dann unter Verschluss halten darf, wenn sich Abgeordnete nicht an die Regeln der Geheimschutzordnung halten wollen. 207 Gleichzeitig dürfen als geheim eingestufte Informationen – wie im Untersuchungsverfahren – allenfalls in nichtöffentlicher Sitzung behandelt werden. Im Ergebnis bleibt es also bei dem Dilemma, dass – je nach Geheimhaltungsbedürftigkeit – Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zwar dem Abgeordneten mitgeteilt, aber von diesem nicht in öffentlicher Diskussion zur Sprache gebracht werden dürfen. Andererseits kann es keine Situation geben, in der einzelne Abgeordnete im Wege des parlamentarischen Fragerechts Informationen erhalten, die anderen Abgeordneten vorenthalten werden. Eine solche Ungleichbehandlung wäre mit Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG nicht zu vereinbaren. 208 Insofern ist davon auszugehen, dass sich die Abgeordneten bei wichtigen Themen die für eine Diskussions- und Entscheidungsgrundlage notwendigen Informationen beschaffen werden. 209 Inwieweit dann bei der Informierung von etwa 600 Personen noch von 206
BVerfGE 67, 100 (137). Die Geheimschutzordnung des Bundestages erweist sich vor diesem Hintergrund als Instrument zur Informationsweitergabe zwischen Bundesregierung und Abgeordneten, ohne das den Abgeordneten unter Berufung auf private Geheimhaltungsinteressen oder das Staatswohl Informationen vollständig vorenthalten werden könnten, s. schon B. II. 4. b) cc) (2). 208 Recht auf Gleichbehandlung aller Abgeordneten, s. Morlok, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 38, Rn. 161 ff.; s. a. Lepsius, „Volksvertreter fragen – die Regierung schweigt: Aushöhlung der parlamentarischen Kontrolle?“, in: Kritische Justiz (Hrsg.), Verfassungsrecht und gesellschaftliche Realität, S. 81 (86, 88 f.). 209 Vor diesem Hintergrund wäre es unter Umständen praktikabler, den gesamten Bundestag unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu informieren. 207
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C. Intensität des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen
rechtlicher, geschweige denn tatsächlicher Nichtoffenkundigkeit einer Tatsache die Rede sein kann, bleibt dahingestellt. 210 g) Schlussfolgerungen Die Einteilung eines Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses in die Kategorien „Unternehmenskern- und -sozialbereich“ hat somit primär Relevanz für die Abwägung im Rahmen des presserechtlichen Auskunftsanspruchs. Die Schutzintensität im Rahmen des IFG-Anspruchs und des Informationsanspruchs des Abgeordneten ist einer Binnendifferenzierung gegenüber weitgehend indifferent: Beim IFG-Anspruch besteht absoluter, bei demjenigen des Abgeordneten praktisch kein Schutz. 211 Es ergeben sich demnach einzelne Schutzstufen, die ihr Profil zwar „von zwei Seiten“ erhalten, deren Flexibilität jedoch auf presserechtliche Konstellationen beschränkt bleibt. Sie sollen im folgenden Abschnitt veranschaulicht werden. 2. Schutzstufen Die Einteilung in Schutzstufen erfolgt bewusst plakativ. Ein Modell bedarf zunächst einer gewissen Griffigkeit, um seinen vorrangigen Zweck, der in der vereinfachenden Veranschaulichung einer komplexen Problematik zu sehen ist, erfüllen zu können. Das Thema des Geheimschutzes gegenüber Informationsansprüchen macht von diesem Grundsatz keine Ausnahme. Im Gegenteil: Die tripolaren Beziehungen und Interessen steigern den Grad an Komplexität und das Plastizitätsbedürfnis. Auch wenn eine exakte Unterscheidung aufgrund der Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls nicht möglich ist, erhöht eine schematische Übersicht doch die Nachvollziehbarkeit der herausgearbeiteten Differenzierungskriterien und kann im Rahmen der Einzelfallbetrachtung das argumentative Rüstzeug zur Ergebnisfindung bereitstellen. Es sei an dieser Stelle noch einmal betont: Die Stufenbildung dient der Vorjustierung der stets auf den Einzelfall bezogenen konkreten Abwägungsentscheidung. Für die vorliegende Untersuchung ergeben sich drei Schutzstufen.
210 Zudem gibt es bei einer Offenbarung des Geheimnisses durch den Abgeordneten entgegen der Geheimschutzordnung (etwa auch an Außenstehende) in der Regel keine Sanktionsmöglichkeiten, s. B. II. 4. b) cc) (2), dort Fn. 310. 211 Allenfalls bei der (Rechtsfolgen-)Frage, ob die Informationen als BT-Drs. veröffentlicht werden, kann die Geheimniskategorisierung eine Rolle spielen.
IV. Entwurf eines Schutzstufenmodells
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a) Schutzstufe 0 Für „illegale Geheimnisse“ besteht nach dem Vorstehenden gegenüber keinem der untersuchten Informationsansprüche rechtlicher Schutz. Insofern könnte man den Begriff „Schutzstufe“ als unpassend bezeichnen. Andererseits kann durch die Zuordnung der „Schutzstufe 0“ am besten ausgedrückt werden, dass diese Form von Geheimnis nach hiesigem Verständnis gar nicht erst dem Schutzgut „Betriebs- und Geschäftsgeheimnis“ unterfällt. b) Schutzstufe 1 Gegenüber dem parlamentarischen Fragerecht kommt Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen nur in bisher nicht praktisch relevanten Ausnahmefällen Schutz zu. Grundsätzlich gilt, dass Abgeordneten keine Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse vorenthalten werden dürfen. Allerdings besteht insoweit ein „Schutzreflex“, als die Sensibilität des Geheimnisses – insbesondere bei einem solchen aus dem Unternehmenskernbereich – es erfordern kann, die Informationsübermittlung geheim und unter Ausschluss der Aufnahme in die Parlamentsdrucksache vorzunehmen. In diesem Fall bleibt der Charakter einer nicht offenkundigen Information (wohl) zumindest rechtlich bestehen, da der Kreis der Informierten zwar nicht durch den Geheimnisinhaber beherrsch-, aber wenigstens überschaubar ist. 212 Für den Gegenstand der Untersuchung ist dieser Schutzreflex jedoch zweitrangig, entscheidend ist der grundsätzlich gegenüber Abgeordneten fehlende Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen. Gleiches gilt für solche Geheimnisse aus dem Unternehmenssozialbereich, die dem presserechtlichen Auskunftsanspruch gegenüberstehen. Allein gegenüber dem allgemeinen Informationszugangsanspruch besteht auch für Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse aus dem Unternehmenssozialbereich der absolute Schutz des § 6 S. 2 IFG. Sie unterfallen daher grundsätzlich der „Schutzstufe 1“. c) Schutzstufe 2 Den stärksten Schutz erfahren Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse aus dem Kernbereich eines Unternehmens. Wie erörtert, haben allein Abgeordnete Zugang zu diesen Informationen, sowohl dem Bürger als auch regelmäßig der Presse gegenüber bleiben sie verschlossen. Auch wenn es diesbezüglich zu einer Ausnahme im Rahmen des Presserechts kommen sollte, 213 ist eine Zuordnung zur „Schutzstufe 2“ für Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse aus dem Unternehmenskernbereich gerechtfertigt. 212 213
Vgl. B. I. 4. b) aa). s. hierzu das Beispiel in IV. 1. d) aa).
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C. Intensität des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen
d) Schema Informationsanspruch
Geheimnisart
Parlamentarisches Fragerecht
Betriebs- und Geschäftsgeheimnis Unternehmenskernbereich
Presserechtlicher Auskunftsanspruch
Betriebs- und Geschäftsgeheimnis Unternehmenssozialbereich
IFGAnspruch
„Illegales Geheimnis“
Schutzstufe
Schutzstufe 2
Schutzstufe 1
Schutzstufe 0
3. Fazit Mit der Entwicklung eines Stufenmodells betritt man in der Rechtswissenschaft kein Neuland. Unter den bereits existierenden seien beispielhaft der „Drei-Stufen-Test“ im Rundfunkrecht (§ 11 f. Abs. 4 RStV), der der Überprüfung öffentlich-rechtlicher Online-Angebote dient 214, oder die von Hans Peter Ipsen begründete „Zwei-Stufen-Theorie“ im Allgemeinen Verwaltungsrecht zur Einordnung bestimmter Rechtsverhältnisse der Verwaltung in Öffentliches bzw. Privatrecht durch die Unterscheidung von Grund- und Abwicklungsverhältnis genannt. 215 Prominentestes Beispiel für die Schematisierung bzw. Typisierung eines Problemkomplexes im Sinne einer Vorstrukturierung oder Vorjustierung der eigentlichen Abwägung ist die im „Apothekenurteil“ des Bundesverfassungsgerichts 216 entwickelte sogenannte Drei-Stufen-Theorie, die der Veranschaulichung und Vereinfachung der Verhältnismäßigkeitsprüfung eines Eingriffs in die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG dienen soll. 217 Unterschieden wird 214
Eingehend Huber, ZUM 2010, 201. Ehlers, in: Schoch / Schmidt-Aßmann / Pietzner (Hrsg.), VwGO, 18. Aufl. 2009, § 40, Rn. 245. 216 BVerfGE 7, 377 (405 ff.). 215
IV. Entwurf eines Schutzstufenmodells
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zwischen Berufsausübungs- und (subjektiven bzw. objektiven) Berufswahlregelungen. Berufsausübungsregelungen sind (bereits) durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls zu rechtfertigen. 218 Ein Eingriff in Form einer subjektiven Berufswahlregelung (etwa bestimmte Prüfungsleistungen als Zugangskriterium) ist nur zulässig, wenn er dem Schutz eines überragenden Gemeinschaftsgutes dient. 219 Objektive Berufswahlregelungen, die sich durch die fehlende Beeinflussbarkeit des Betroffenen auszeichnen (etwa Bedarfsprüfungen), können nur bei einer nachweisbaren oder höchstwahrscheinlichen Gefahr für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut gerechtfertigt sein. 220 Diese Einstufung hat verschiedentlich Kritik erfahren. 221 Zunächst kann im Einzelfall die Abgrenzung zwischen Berufsausübungs- und Berufswahlregelungen schwierig bzw. ein Eingriff auf niedrigerer Stufe tatsächlich intensiver sein als ein Eingriff auf höherer. 222 Zudem verschwimmen die Anforderungen an einen legitimen Zweck, die Erforderlichkeit einer Regelung und deren Verhältnismäßigkeit in dogmatisch kaum entwirrbarer Weise. 223 So ist die Drei-Stufen-Theorie denn auch in ihrer im Rahmen der Apothekenentscheidung erhaltenen Ausformung in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts mehr und mehr in einer Verhältnismäßigkeitsprüfung mit den bekannten Stufen Eignung, Erforderlichkeit und Zumutbarkeit aufgegangen. 224 Die typisierende Terminologie verschiedener Regelungen bzw. Schutzziele ist jedoch erhalten geblieben und wird – unter Verweis auf die Apothekenentscheidung – weiterhin der Prüfung einer Verletzung der Berufsfreiheit zugrundegelegt. 225 Die Drei-Stufen-Theorie wird nach wie vor als „Fundament der Dogmatik“ des Art. 12 Abs. 1 GG angesehen. 226 Sie fungiert 217 Hierzu Pieroth / Schlink, Grundrechte Staatsrecht II, Rn. 846 ff.; Manssen, in: v. Mangoldt (Begr.) / Klein (Fortf.) / Starck (Hrsg.), GG, Art. 12 Abs. 1, Rn. 138 ff. 218 BVerfGE 7, 377 (405). 219 BVerfGE 7, 377 (406). 220 BVerfGE 7, 377 (407 f.). 221 s. etwa Rupp, AöR 92 (1967), 212 (232 ff.); Ossenbühl, AöR 115 (1990), 1 (8 ff.). 222 Rupp, AöR 92 (1967), 212 (234 f.); Ossenbühl, AöR 115 (1990), 1 (10); Pieroth / Schlink, Grundrechte Staatsrecht II, Rn. 852; Manssen, in: v. Mangoldt (Begr.) / Klein (Fortf.) / Starck (Hrsg.), GG, Art. 12 Abs. 1, Rn. 141 f.; s. a. Wieland, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 12, Rn. 111 ff. m.w. N. zur Kritik. 223 Manssen, in: v. Mangoldt (Begr.) / Klein (Fortf.) / Starck (Hrsg.), GG, Art. 12 Abs. 1, Rn. 140. 224 s. nur BVerfGE 30, 292 (316 f.); 80, 1 (24 ff.); 97, 228 (255, 258 ff.); 104, 357 (364 ff.); vgl. Hufen, Staatsrecht II, Grundrechte, § 35, Rn. 34; Manssen, in: v. Mangoldt (Begr.) / Klein (Fortf.) / Starck (Hrsg.), GG, Art. 12 Abs. 1, Rn. 143 ff. 225 BVerfGE 30, 292 (316): „[...] mit sachgerechten und vernünftigen Erwägungen des Gemeinwohls [...]“; 80, 1 (23 f.): „Die ärztliche Prüfung [...] ist eine subjektive Zulassungsvoraussetzung, durch die in das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) eingegriffen wird (grundlegend BVerfGE 7, 377 [406] – Apothekenurteil).“; 97, 228 (255): „Die Berufsfreiheit ist nicht vorbehaltlos gewährleistet, sondern unterliegt gesetzlichen Beschränkungen, deren Umfang davon abhängt, ob sie sich auf die Berufswahl oder die Berufsausübung beziehen (vgl. BVerfGE 7, 377 [402 f.]). Das Kurzberichterstat-
218
C. Intensität des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen
freilich nicht als End-, sondern als Anfangspunkt bzw. „Grobraster“ 227 für die Feststellung einer Eingriffsrechtfertigung und kann als „systematisches Koordinatensystem“ mit „heilsamem Zwang zu rationaler, begrifflich strukturierter Argumentation“ verstanden werden. 228 Die Begleiterscheinungen der Drei-Stufen-Theorie lassen sich analog auf das in dieser Arbeit entwickelte Schutzstufenmodell übertragen: Auch hier ist im Einzelfall die genaue Zuordnung eines Geheimnisses zu einer der drei Geheimniskategorien und damit die Beantwortung der Frage nach dem Schutz gegenüber einem der drei Informationsansprüche unter Umständen problematisch, auch hier kann die Offenlegung eines Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses aus dem Unternehmenssozialbereich oder eines „illegalen Geheimnisses“ unter Umständen einen intensiveren Eingriff darstellen als die Offenlegung eines Geheimnisses aus dem Unternehmenskernbereich. Jedem Modell wohnt – will es verständlich sein – aufgrund des hohen Abstraktionsgrades naturgemäß ein gewisses Präzisionsdefizit inne. Nichtsdestoweniger kann auch ein solches Grobraster als Anfangspunkt rechtlicher Beurteilung nicht nur die „Plastizität der Judikatur“, 229 sondern auch die Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit im Umgang mit sensiblen Daten durch die Exekutive erhöhen. Das Schutzstufenmodell bietet insoweit die Grundlage zur Strukturierung von Argumentationslast: Das Gegenteil ist stets durchaus vertretbar, erfordert dann aber umso höheren argumentativen Aufwand. Mit Rüdiger Breuer kann man auch hier von einem „heilsamen Zwang zu rationaler Argumentation“ 230 sprechen.
tungsrecht betrifft allein die Berufsausübung. Für solche Regelungen gilt, daß sie mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar sind, soweit vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls sie als zweckmäßig erscheinen lassen und das Grundrecht nicht unverhältnismäßig eingeschränkt wird (vgl. BVerfGE 7, 377, [404 ff.]; stRspr.).“; 104, 357 (364): „Gesetzliche Eingriffe in die Freiheit der Berufsausübung sind nur dann mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn sie durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sind.“ 226 Wieland, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 12, Rn. 116. 227 Manssen, in: v. Mangoldt (Begr.) / Klein (Fortf.) / Starck (Hrsg.), GG, Art. 12 Abs. 1, Rn. 143; Wieland, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 12, Rn. 107. 228 Breuer, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Bd. VI, 1. Aufl. 1989, § 148, Rn. 8. 229 Vgl. Tettinger, NJW 1987, 294 (298). 230 Breuer, in: Isensee / Kirchhof (Hrsg.), HbdStR, Bd. VI, 1. Aufl. 1989, § 148, Rn. 8.
D. Zusammenfassung der Ergebnisse und Schlussbetrachtung Die in der Einleitung formulierte Frage nach dem Zusammenhang von Schutzniveau und Anspruchsart konnte mit der Untersuchung der Ansprüche und des Schutzgegenstands im ersten Teil der Arbeit, die zusammen mit den Ergebnissen des zweiten Teils in die Unterscheidung einzelner Schutzstufen mündete, beantwortet werden. Es hat sich herausgestellt, dass das Schutzniveau für Betriebsund Geschäftsgeheimnisse maßgeblich von der Informationsanspruchsart – hier insbesondere von der (verfassungs-)rechtlichen Grundlage –, zu einem Teil aber auch vom nach einer Binnendifferenzierung unter Berücksichtigung verschiedener Kriterien ermittelten „Geheimniswert“ abhängt. Die nach Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse lassen sich danach den beiden Kategorien „Unternehmenskernbereich“ oder „Unternehmenssozialbereich“ zuordnen. Insbesondere dem Immaterialgüterrecht nahekommende Informationen erfahren dabei einen hervorgehobenen Grundrechtsschutz. Hinzu tritt die zwar nicht mehr dem Begriff „Betriebs- und Geschäftsgeheimnis“ unterfallende Kategorie der „illegalen Geheimnisse“, die aber dennoch aufgrund ihrer die Öffentlichkeit wesentlich interessierenden Wirkung zum Gegenstand der Untersuchung gemacht worden ist. Mithilfe dieser Faktoren war es möglich, unterschiedliche Schutzstufen für das Rechtsgut „Betriebs- und Geschäftsgeheimnis“ bei Informationsansprüchen Dritter herauszuarbeiten. Das Fehlen einer verfassungsrechtlichen Grundlage sowohl des allgemeinen Informationszugangs- als auch des presserechtlichen Auskunftsanspruchs verleiht den einfachgesetzlichen Anspruchsgrundlagen (§ 1 Abs. 1 S. 1 IFG und § 4 Abs. 1 LPG 1) konstitutive Wirkung. Verfassungsrechtliche Implikationen können aufgrund der Abwägungsoption insbesondere beim presserechtlichen Auskunftsanspruch Platz greifen. Hier spielt die institutionelle Seite der Pressefreiheit bei der Abwägung mit den verfassungsrechtlich verbürgten Geheimhaltungsinteressen des Unternehmens eine wichtige Rolle. Die Gewährleistung des Instituts „freie Presse“ bewirkt eine „verfassungsrechtliche Flankierung“ des Informationsanspruchs der Presse, die – trotz des dogmatischen Unterschieds – der Verfassungskraft des Informationsanspruchs des Abgeordneten faktisch nahekommt. Informationen, die für die öffentliche Meinungsbildung essentiell sind, können der Presse nur in Ausnahmefällen vorenthalten werden. Dies führt dazu, dass 1
Zu abweichenden Paragraphen in den einzelnen LPG s. B. III. 2.
220
D. Zusammenfassung der Ergebnisse
Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse aus dem Unternehmenssozialbereich, die neben den „illegalen Geheimnissen“ das Hauptinteressenfeld der Presse und der Allgemeinheit darstellen, 2 regelmäßig vom presserechtlichen Auskunftsanspruch umfasst werden, wohingegen Informationen aus dem Unternehmenskernbereich aufgrund der mit der Weitergabe an die Presse verbundenen Veröffentlichungsvermutung und der gesteigerten Schutzwirkung dieser Geheimniskategorie 3 nicht weitergegeben werden dürfen. Die Rechtsprechungsanalyse hat jedoch gezeigt, dass solche Daten ohnehin nur selten das Interesse der Presse auf sich ziehen, so dass grundsätzlich von einer Kongruenz dessen ausgegangen werden kann, was die Presse wissen will und was sie wissen darf. Beim IFG-Anspruch besteht wegen des eindeutigen Wortlauts von § 6 S. 2 IFG allein im Rahmen der Bestimmung des berechtigten Geheimhaltungsinteresses als Voraussetzung für ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis ein gewisser Wertungsspielraum, der jedoch keine Abwägungsmöglichkeit „durch die Hintertür“, sondern allein die Ausklammerung der „illegalen Geheimnisse“ aus dem Schutzbereich dieser Vorschrift zur Folge hat. In Bezug auf den Streitpunkt über die verfassungsrechtliche Inkonsequenz von § 5 und § 6 IFG hat die Rechtsprechungsanalyse den im Rahmen der Untersuchung des IFG-Anspruchs geäußerten Verdacht bestätigt. Erstens eröffnet der bei der Feststellung eines berechtigten Geheimhaltungsinteresses gegebene Wertungsspielraum zwar keine Abwägungsmöglichkeit, lässt aber das Einfließen von Schutzwürdigkeitserwägungen zu, die beispielsweise bei der Feststellung des Tatbestandsmerkmals „personenbezogenes Datum“ im Rahmen von § 5 IFG aufgrund der klaren Umgrenztheit des Begriffs keinen Raum haben. Zweitens wird selbst bei Landes-IFG mit Abwägungsvorbehalt das Augenmerk auf die Voraussetzung des berechtigten Geheimhaltungsinteresses (hier insbesondere auf einen (nicht) zu erwartenden wirtschaftlichen Nachteil) gelegt, so dass der Unterschied zu einer Schutzvorschrift mit Abwägungsvorbehalt rechtsfaktisch geringer ausfällt als es zunächst den Anschein haben mag. Der Informationsanspruch des Abgeordneten hat – im Gegensatz zu den beiden andern behandelten Ansprüchen – in Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG eine unmittelbare verfassungsrechtliche Grundlage. Die beim Aufeinanderprallen verfassungsrechtlich geschützter Interessen gebotene Herstellung praktischer Konkordanz verlangt nach einer Einschränkung des einen Rechtsguts nur in dem Maße, wie es zur Verwirklichung des anderen Rechtsguts unbedingt notwendig ist. Hierbei kommt der Geheimschutzordnung des Bundestages eine entscheidende Rolle zu. Wie schon aus dem Flick-Urteil des Bundesverfassungsgerichts hervorgeht, kommt eine Einschränkung des parlamentarischen Informationsrechts zugunsten Geheimhaltungsinteressen Dritter dann nicht in Frage, wenn Parla2 3
Stichwort „Wächterrolle“; vgl. a. die Rechtsprechungsanalyse in C. II. 2. b). s. hierzu C. III.
D. Zusammenfassung der Ergebnisse
221
ment und Regierung Vorkehrungen für den Geheimschutz getroffen haben und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist. Die Geheimschutzordnung des Bundestages regelt u. a. die vertrauliche bzw. geheime Weitergabe von Informationen zwischen Bundesregierung und Bundestag. In diesem Fall werden die in den Datensätzen enthaltenen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Dritter nicht offenkundig. Unabhängig von der Kategorie des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses bedeutete die vollständige Verweigerung der Antwort durch die Regierung angesichts dieser prozeduralen Möglichkeiten eine Verletzung des aus seinem Status nach Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG folgenden Informationsrechts des Abgeordneten. Aufgrund der grundsätzlichen Wahrung des Geheimnischarakters 4 ist die Weitergabe der entsprechenden Informationen durch die Bundesregierung regelmäßig als verhältnismäßig, hier insbesondere mangels milderen, gleich geeigneten Mittels zur Informierung des Abgeordneten auch als erforderlich anzusehen. Die mit dem Inkrafttreten des IFG und der Landes-IFG einhergehende Steigerung judikativer Beanspruchung 5 erfordert – gerade bei problematischen trioder multipolaren Rechtsverhältnissen – ein stetes Weiterentwickeln rechtlicher Maßstäbe und Leitlinien. Dies gilt nicht nur vor dem Hintergrund neuer Gesetze: Auch eine Vergegenwärtigung und Hinterfragung der Einzelheiten „traditioneller“ Informationsansprüche ist mit Blick auf die gestiegenen Anforderungen an den Geheimnisschutz und den (nicht endenden) Fortschritt des Internets angezeigt. Die vorliegende Untersuchung versucht, hierzu einen Beitrag zu leisten. Die Problematik des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen im allgemeinen Informationszugangsrecht wurde den hergebrachten Konstellationen im Presse- bzw. Abgeordnetenrecht gegenübergestellt und aus den strukturellen sowie rechtsdogmatischen Unterschieden wurden Erkenntnisse über abgestufte Schutzwirkungen gewonnen. Diese können zum einen zu mehr Rechtssicherheit für Betroffene führen. Zum anderen können die der Schutzstufeneinteilung zugrundeliegenden Argumentationsstränge Behörden und Gerichten eine Orientierung im Umgang mit und in der Entscheidung über Informationszugangsbegehren mit Drittbezug geben.
4 Hinter dem tatsächlichen Umgang des Abgeordneten mit vertraulichen oder geheimen Informationen bleibt freilich ein Fragezeichen. 5 Ausführliche Übersicht interessanter Entscheidungen zu Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit dem IFG bei Schaar, Tätigkeitsbericht 2006/2007, BT-Drs. 16/8500 und ders., Tätigkeitsbericht 2008/2009, BT-Drs. 17/1350.
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Sachwortverzeichnis Abgeordnetenstatus 54, 56 ff., 63 f., 64 f. Aktengeheimnis 114 f. Aktenöffentlichkeit, beschränkte 18, 114 Akzeptanz staatlichen Handelns 117 Annexkompetenz 55, 56 ff. Aufzeichnung 123 f. Ausschließlichkeitsrecht 39, 42 Behördenbegriff 83, 120 Berufsfreiheit 41 f., 216 f. Bestimmungsrecht des Staates 134 ff., 146 Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse 24 ff., 70, 93, 125, 149 ff., 157 ff., 167 ff., 204 ff. – Abgrenzung zu den immateriellen Schutzrechten 39 f. – Bedeutung 19, 28 f. – Begriff 26 – Historische Entwicklung 24 – Verfassungsgerichtliche Gewährleistung 41 ff. – Voraussetzungen 30 ff. – Fehlende Offenkundigkeit 33 ff. – Geheimhaltungsinteresse, berechtigtes 36 ff. – Geheimhaltungswille 35 – Tatsache mit Unternehmensbezug 32 – Zivilrechtlicher Schutz 40 Betriebsgeheimnis 27, 191 f. Betriebsspionage 18, 28 Demokratieprinzip 80, 111, 139 ff., 145 Drei-Stufen-Theorie 216 f. Eigentumsfreiheit 42 f.
Einrichtungsgarantie 107 ff., 163 Entstehungsgeschichte – des Geheimnisschutzes 24 – der Informationsfreiheit 133 – des Informationszugangsanspruchs nach dem IFG 113 – der Pressefreiheit 103 f. – des presserechtlichen Auskunftsanspruchs 76 Funktions- und Arbeitsfähigkeit Regierung 66, 75
der
Geheimhaltungsinteresse 20, 29, 36 ff., 70, 153 ff., 176, 187, 200 f. Geheimhaltungswille 35 f., 158 Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages 71, 210 Geschäftsgeheimnis 27, 191 f. Geschäftsordnung des Bundestages 49 ff., 52 ff. Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 24 ff., 154 f. Gewaltenteilung 48, 55 ff., 69, 112, 141 Gewerbebetrieb, eingerichteter und ausgeübter 43 Gleichbehandlungsgrundsatz 82, 88, 157 f. Illegales Geheimnis 36, 154, 204, 215 Immaterielles Schutzrecht 39, 192 f. Implied-powers-Lehre 55, 56 ff. In-camera-Verfahren 129 ff. Informationelle Selbstbestimmung 43, 157 Informationsbeschaffungspflicht 123
234
Sachwortverzeichnis
Informationsfreiheit 78, 111, 131 ff. Informationsgesellschaft 17 Informationszugangsanspruch nach dem IFG 113 ff., 177 ff., 205 f. – Abwägungsbefugnis 152 – Allgemein zugängliche Quellen 134 ff., 138 ff. – Anspruchsberechtigte 119 – Anspruchsverpflichtete 120 – Antragstellung 121 – Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse 149 ff. – Entstehungsgeschichte 113 – Geheimhaltungspflicht 150 – Gerichtliche Durchsetzung 128 – Grenzen 148 ff. – Grundrechtsaktivierung 146 – In-camera-Verfahren 129 – Informationsfreiheit 131 ff. – Kontroll- oder Aufsichtsaufgaben 150 – Objektivrechtliche Dimension 146 – Rechtswidriges Verhalten 154 – Staatsstrukturprinzipien 139 ff. – Verfahren 118 ff. – Verfassungsrechtlicher Hintergrund 131 ff., 162 – Vertraulich erhobene oder ermittelte Informationen 149 – Zielrichtung 116, 160 f. Juristische Person 45, 119 f. Kategorisierung nach Geheimnisinhalten 45, 189 ff., 200 f., 203 – Alter und Detaillierungsgrad der Information 196 f. – Begriffskomponenten 191 – Differenzierungskriterien 191 ff. – Gegenständlichkeit 193 f. – Immaterialgutcharakter 191 ff. – Interne Nutzung der Information 194 f. – Leistung 191 ff. – Schutzvorkehrungen 198 f.
– Sozialbezug der Information 195 f. – Spezialgesetzliche Wertungen 197 f. – Unternehmensbezug 193 f. Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung 68 f. Klageart, statthafte 100, 128 Know-how 28 Konkretisierungsthese 53 Kontrolle 47 f., 55, 72, 74, 78, 116, 160 f. Kosten 126, 192 Mandatsbezug 73 Mehrheitsbeschluss 53, 56, 74 Neutralitätsgebot 82 Offenbarungsinteresse 20, 92 ff., 204 ff. Offenkundigkeit 33 f. Öffentlichkeitsprinzip 212 Optimierung 142 f. Organstreitverfahren 59, 63 f., 75 Parlamentarisches Fragerecht 46 ff., 167 ff., 210 ff. – Antwortpflicht 52, 62 – Bedeutung 46, 160 f. – Begriff 46 – Grenzen 66 ff. – Justitiabilität 63 – Rechtsgrundlage 52 ff., 162 – Verfahrensrechtliche Ausgestaltung 49 ff. Partizipation 116 Personenbezogene Daten 125, 157 f., 188 Persönlichkeitsrecht, allgemeines 43, 94, 99 Praktische Konkordanz 45, 71, 166 ff. Pressefreiheit 79, 98, 101 ff., 106, 163 Presserechtlicher Auskunftsanspruch 76 ff., 171 ff., 206 ff. – Anspruchsberechtigte 81 – Anspruchsverpflichtete 82 – Antragstellung 85
Sachwortverzeichnis – – – – – – – – –
Durchsetzung 100 Entstehungsgeschichte 76 Funktion 78, 160 f. Gegenstand 80 ff., 86 Geheimhaltungsvorschriften 91 ff. Grammatik 103 Historie 103 f. Interessenabwägung 92, 97 Rechtsinstitut einer freien Presse 80, 102, 107 – Schranken 88 ff. – Schwebendes Verfahren 90 – Systematik 111 – Telos 106 ff. – Überschreitung des Umfangs der Auskunft über das zumutbare Maß 100 – Überwiegendes öffentliches oder schutzwürdiges privates Interesse 97 – verfassungsrechtliche Grundlage 101 ff., 162 Publizitätsinteresse siehe Offenbarungsinteresse Quorum 74 f. Rechtsprechung 31, 167 ff., 172 ff., 177 ff. Rechtsschutz, einstweiliger 101, 128 Rechtsstaatsprinzip 112, 139 ff. Reichspressegesetz 76 Reverse Engineering 35 Rücksichtnahme 68 ff. Rundfunkfreiheit 84 f., 103 Schutzstufen 203 ff., 214 ff. Schutzstufenmodell 20, 203 ff., 216 Sphärentheorie 190 Statusthese 54, 56 ff.
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Tatsache mit Unternehmensbezug 31 f. Teilhaberecht 58 ff. Transparenz 116 f., 155, 161 Umweltinformationsgesetz 18, 31, 113, 115, 124, 127 Unternehmensgeheimnis 28 Unternehmenskernbereich 190, 199, 205 ff., 209 f. Unternehmenssozialbereich 190, 199 f., 205 ff. Unternehmenssphäre 44 Untersuchungsausschuss 66, 74 ff., 170, 212 f. Verfassungsorgantreue 68 Verfassungsrechtliche Gewährleistung – des Informationszugangsanspruchs nach dem IFG 131 ff. – des parlamentarischen Fragerechts 53 ff. – des presserechtlichen Auskunftsanspruchs 101 ff. – des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen 41 ff. Verschlusssache 71 ff., 76, 97 Verschwiegenheitspflicht 17, 92, 96 Verwaltungseffizienz 117 Verwaltungsrechtsweg 100, 128 Verwaltungsvorschrift 96 f. Vorrang der Verfassung 163 ff. Wettbewerb 29, 37 f. Whistleblowing 17, 38 Wirtschaftsgeheimnis 28 Wirtschaftsspionage 17 f., 28 f. Zitierrecht 53, 56 ff.