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German Pages 329 [332] Year 2007
Raphael Dammer · Benedikt Jeßing Der Jedermann im 16. Jahrhundert
Quellen und Forschungen zur Literatur- und Kulturgeschichte Begründet als
Quellen und Forschungen zur Sprach- und Kulturgeschichte der germanischen Völker von
Bernhard Ten Brink und Wilhelm Scherer
Herausgegeben von
Ernst Osterkamp und Werner Röcke
42 ( 276 )
≥ Walter de Gruyter · Berlin · New York
Der Jedermann im 16. Jahrhundert Die Hecastus-Dramen von Georgius Macropedius und Hans Sachs
von
Raphael Dammer · Benedikt Jeßing
≥ Walter de Gruyter · Berlin · New York
앝 Gedruckt auf säurefreiem Papier, 앪 das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.
ISBN 978-3-11-019944-4 ISSN 0946-9419 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. 쑔 Copyright 2007 by Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, D-10785 Berlin Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Einbandgestaltung: Sigurd Wendland, Berlin
Here is someone not set up for life’s working out poorly, let alone for the impossible. But who is set up for the impossible that is going to happen? Who is set up for tragedy and the incomprehensibility of suffering? Nobody. The tragedy of the man not set up for tragedy – that is every man’s tragedy. Philip Roth
Vorwort Die „Jedermänner“ der letzten Romane von Philip Roth stehen am vorläufigen Ende einer jahrhundertealten stoffgeschichtlichen Tradition, deren Wurzeln weit in die spätantike Patristik zurückreichen. Die hier in einer kritischen und kommentierten Edition vorgelegten Hecastus-Dramen von Georgius Macropedius und Hans Sachs sind ein Ausschnitt aus dieser Stoffgeschichte; doch auch wenn sie nicht die ersten Variationen über das Jedermann-Motiv sind und nicht die letzten, gehören sie doch zweifellos zu den wichtigsten, da sich in ihnen die Umbrüche der ersten Hälfte des Reformationsjahrhunderts niederschlagen. Die Bedeutung der beiden hier untersuchten Dramen erschöpft sich jedoch nicht in ihrer Thematik, denn sie können exemplarisch dafür stehen, wie im 16. Jahrhundert – und damit lange vor Martin Opitz – (neu)lateinische und frühneuhochdeutsche Literatur aufeinander einwirken. Bewusst ausgeblendet wird hier deshalb beispielsweise, in welchem Verhältnis das von Sachs rezipierte neulateinische Drama des Macropedius seinerseits zu seinen Vorlagen steht. Auch dies wäre eine lohnende Untersuchung, die jedoch den Rahmen unseres Projektes gesprengt hätte. Diese Arbeit ist das Ergebnis einer interdisziplinären Zusammenarbeit von Latinistik und Neugermanistik und richtet sich auch in erster Linie an Leser aus eben diesen beiden Disziplinen. Für den Kommentar ergab sich daraus die Notwendigkeit, auch Dinge zu erläutern, die beispielsweise für Latinisten selbstverständlich sein mögen, mit denen aber Neugermanisten vielleicht nicht im gleichen Maße vertraut sind – und umgekehrt. Auch eine Übertragung des lateinischen Textes in modernes Deutsch schien uns vor diesem Hintergrund geboten zu sein; bei Hans Sachs indes glaubten wir davon absehen zu können (sofern sein Frühneuhochdeutsch heutigen Lesern Verständnisschwierigkeiten bietet, haben wir diesen durch entsprechende Kommentierung zu begegnen versucht).
American Pastoral, Boston – New York 1997, 86.
VI
Vorwort
Hilfreiche Unterstützung in theologischen Fragen erhielten wir von Prof. Dr. Wolfgang Maser, Bochum. Korrigierende Hinweise zu den hebräischen Textanteilen gab uns Cornelia Sonnleitner. Finanziell gefördert wurde das Vorhaben vom Rektorat der Ruhr-Universität Bochum im Rahmen seines Programmes „Anschub von Forschungsprojekten des wissenschaftlichen Nachwuchses“. Dies ermöglichte es Moritz Ahrens, Christoph Kraume und Margarethe Piofczyk, als studentische Hilfskräfte engagiert daran mitzuwirken. Ihnen allen möchten wir an dieser Stelle noch einmal herzlich danken. Bochum, im Dezember 2006
Raphael Dammer und Benedikt Jeßing
Inhalt 1. Einleitung 1.1 1.2 1.3 1.4
Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stoffgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zur Vorgeschichte des Reformationsdramas . . . . . . . . . . . . Georgius Macropedius 1.4.1 Werdegang und Wirken in der Bruderschaft vom gemeinen Leben . . . . . . . . . . . . . . 1.4.2 Macropedius als (Schul-)Dramatiker . . . . . . . . . . . . . . 1.5 Hans Sachs und das Meistersingerdrama in Nürnberg 1.5.1 Werdegang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5.2 Reformation und religiöse Unterweisung in Sachsens literarischem Werk . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5.3 Öffentlichkeit und bürgerliches Theater in Nürnberg 1.6 Macropedius und Sachs: Reformkatholizismus und lutherische sola-fide-Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 2 7 11 14 16 17 22 25
2. Edition und Übersetzung 2.1 Editorisches Vorwort 2.1.1 Macropedius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2 Hans Sachs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.3 Übersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.4 Siglen und Abkürzungen der textkritischen Apparate 2.2 Synoptische Edition Macropedius (1539) – Sachs . . . . . . . . 2.3 Macropedius (Zusätze 1552) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Übersetzung Lateinisch – Deutsch 2.4.1 Hecastus (1539) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.2 Zusätze der Fassung von 1552 . . . . . . . . . . . . . . . . . .
31 32 33 33 34 184 194 255
Inhalt
VIII
3. Kommentar 3.1 Macropedius 3.1.1 Allgemeines 3.1.1.1 Die Sprache des Stückes . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.1.2 Verstechnik und Prosodie . . . . . . . . . . . . . . . 3.1.2 Stellenkommentar 3.1.2.1 Ursprüngliche Fassung (1539) . . . . . . . . . . . . 3.1.2.2 Zusätze der überarbeiteten Fassung (1552) . . 3.2 Hans Sachs 3.2.1 Allgemeines 3.2.1.1 Die Sprache des Stückes . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1.2 Form – Verstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Stellenkommentar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
264 265 268 294 297 297 299
4. Abkürzungen 4.1 Autoren und Texte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Hilfsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
316 318
5. Sekundärliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 6. Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320
1. Einleitung 1.1 Vorbemerkungen In den Jedermann-Dramen der Zeit zwischen ca. 1470 und 1550 spiegelt sich ein entscheidendes Kapitel europäischer Geschichte. Schon am Ausgang des Mittelalters wurde der Stoff – wie man am Beispiel der englischen und der niederländischen Versionen zeigen kann – pointierten konfessionspolitischen bzw. moralisch-theologischen Programmierungen und Überformungen unterzogen. Als dann nach 1517 mit der Reformation in Deutschland und ihrer rasanten Durchsetzung ganz Europa von heftigen konfessionellen Auseinandersetzungen gezeichnet wurde, schlug sich dies auch in den dramatischen Bearbeitungen des Jedermann-Stoffes nieder. Er erwies sich als so vielseitig instrumentalisierbar, dass bald explizit katholische Versionen dezidiert reformatorischen gegenüberstanden, und so, wie es auch innerhalb der beiden konfessionellen Lager z.T. große Differenzen gab, konnte es sie auch zwischen Jedermann-Versionen solcher Autoren geben, die sich prinzipiell demselben Bekenntnis verpflichtet fühlten. Darüber hinaus steht die Bühnengeschichte des Jedermann-Stoffes im Kontext der spezifisch frühneuzeitlichen Instrumentalisierungsformen des Dramas und der Bühne. Die konfessionell unterschiedlich programmierten Texte entstanden unter je andersartigen sozialen und politischen Rahmenbedingungen und verweisen auf die Stellung von Literatur in frühneuzeitlicher Kultur und Gesellschaft ganz allgemein – Literatur unter den Bedingungen völliger Heteronomie. Dass hier gerade die beiden Versionen von Macropedius und Sachs einander gegenübergestellt werden, hat mehrere Gründe: – Der Text von Macropedius war die neulateinische Vorlage, von der Sachs ausging. – Macropedius gehörte der (reform-)katholischen Bruderschaft vom gemeinen Leben an, Sachs hingegen war zu seiner Zeit d e r Dichter des Protestantismus – insofern stellt sich die Frage, inwiefern zwischen beiden Texten konfessionelle Differenzen vorliegen. – Macropedius und Sachs konzipierten ihre Texte für verschiedene Formen literarischer Öffentlichkeit, die für beide Texte gut bekannt sind. – Schließlich kann an der Zusammenstellung d i e s e r beiden Texte eine wesentliche, in der traditionellen Sachs-Forschung notorisch zu kurz kommende Dimension dieser Übertragungsleistung deutlich gemacht werden: In seinen Bearbeitungen und Übersetzungen neulateinischer Vorlagen (viel stärker als bei seiner Adaption klassisch-lateinischer Texte) ‘importierte’ Hans Sachs gleichsam die makrostrukturelle Ästhetik des neulateinischen Dramas, die ja, längst vor der Wiederent-
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Einleitung
deckung der Poetik des Aristoteles1, aus den klassischen Vorlagen gewonnen worden war; welche Anteile dieser Ästhetik Sachs adaptierte und welche er ausließ, wird zu zeigen sein. Insgesamt kann sein Hecastus damit zu einem exemplarischen Text dessen werden, was hier versuchsweise „Nürnberger Klassizismus“ genannt werden soll. Im Folgenden sollen diese beiden Versionen des Jedermann-Stoffes ausreichend kontextualisiert werden. Skizziert werden dazu zunächst die Geschichte des Jedermann-Stoffes und die des frühneuzeitlichen Dramas, sowohl des volkssprachlichen als auch des humanistisch-neulateinischen. Es folgt ein Porträt der beiden Autoren – jeweils mit den wesentlichen institutionellen und konfessionspolitischen Hintergründen und Rahmenbedingungen, innerhalb deren ihre Texte stehen. Dann werden diese Texte selbst thematisiert2, um ihre spezifischen Eigenheiten zu verdeutlichen – mit Blick sowohl auf ihren konfessionellen Kontext als auch auf humanistischen Renaissance-Klassizismus bzw. nürnbergische Adaption klassischer Formensprache im Meistersinger-Drama.
1.2 Stoffgeschichte Der Kern der Fabel, die in den Jedermann-Texten seit dem 15. Jahrhundert je unterschiedlich ausgestaltet wird, ist bereits in dem patristischen Roman von Barlaam und Josaphat enthalten, der Johannes Damaskenos, einem Kirchenlehrer des 7. und 8. Jahrhunderts, zugeschrieben wird.3 Jo1 Die 1498 von Giorgio Valla publizierte erste neulateinische Übersetzung der Poetik wurde ebenso wie der 1508 nachgelegte Urtext lange ignoriert; erst die Separatausgabe von Urtext und Übersetzung durch Alessandro de’Pazzi (Venedig 1536) leitete den poetologischen Aristotelismus des Cinquecento ein. 2 Die Differenzen und Ähnlichkeiten zwischen den beiden Hecastus-Texten sind in der Forschung sehr lapidar behandelt worden: Michael 1984, 340, deutet nur an: „Knappheit bleibt auch das Wesen in der Übersetzung des Hecastus […]. Mehrfach werden Szenen gestrichen, Dialoge verkürzt. Im Verlauf des Ganzen hält Sachs sich recht getreu an das Original, das durch diese Verkürzung an Wirksamkeit gewinnt.“ Michaels Hinweis auf Stevens 1973, dort seien die Relationen zwischen Macropedius, Sachs und Hofmannsthal „vorzüglich herausgebracht“ (Michael 1984, 398), gilt leider nur für das Verhältnis Sachs-Hofmannsthal. Erst mit dem Jahr 1550 setze, so Michael (1984, 341), die „Hochperiode“ der Sachsschen Dramatik ein – was zumindest quantitativ stimmt; in der sehr präzisen Adaption der humanistischen comoedia palliata, wie sie bei Macropedius vorlag, scheint aber schon im Hecastus bei Sachs ein ästhetischer Reifepunkt erreicht. 3 Moderne Übersetzungen: Die Legende von Barlaam und Josaphat, zugeschrieben dem Heiligen Johannes von Damaskus, aus dem Griechischen übersetzt v. L. Burchard, München 1924; [St. John Damascene], Barlaam and Ioasaph, with an English Translation by G.R. Woodward and H. Mattingly, Introduction by D.M. Lang, Cambridge (Mass.) 1967. – Zu den Vermutungen zu den Quellen der Fabel von den drei Freunden vgl. Goedeke 1865, 1-33.
Stoffgeschichte
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saphat bekommt darin von Barlaam eine Parabel von drei Freunden erzählt, die von einem zu Gericht Geladenen um Beistand gebeten werden (13,114-116). Von den drei Freunden werden zwei von dem Manne aufs Höchste geschätzt, der dritte aber nur nebenhin geduldet. Als aber der Mann überfallen und vor den König geschleppt wird, für eine ungeheure Schuld Rechnung abzulegen, geht er zunächst zum ersten Freund, der ihm eine Absage erteilt; der zweite sagt auch ab, lediglich ein Stück begleiten wolle er ihn. Der dritte, ‘halbe’ Freund erst macht sich zum Fürsprecher vor dem königlichen Gericht und bekommt den Mann frei. Auf Josaphats Bitte hin legt Barlaam die Fabel anschließend allegorisch aus und verbindet sie so mit der für die konfessionellen Instrumentalisierungen des 15. und 16. Jahrhunderts wirkungsmächtigsten Interpretation (13,117): Der erste Freund sei Reichtum, Wohlleben und Gewinnstreben, der zweite Familie, Weib, Kind, Anverwandte, „der dritte aber der Reigen der besten Werke, als da sind Glaube, Hoffnung, Liebe, Barmherzigkeit, Menschenfreundlichkeit und die übrige Menge der Tugenden, die es vermag, uns voranzugehen, wenn wir den Leib verlassen haben, und für uns den Herrn durch Bitten zu erweichen, und die uns loskauft von unseren Feinden, den schrecklichen Häschern, die das für uns so bittere Register in der Luft schwingen“.4 Diese explizite geistliche Deutung ermöglicht es in nahezu idealer Weise, die Fabel im Sinne auch einander widersprechender konfessioneller Programme des 16. Jahrhunderts zu instrumentalisieren. Im letzten Drittel des 15. Jahrhunderts entstehen in den Niederlanden und in England zwei dramatische Texte, die einander in Handlungsverlauf und Motivgestaltung sehr nahe stehen, von denen aber nicht sicher geklärt ist, in welchem Abhängigkeitsverhältnis sie zueinander stehen. Der niederländische Elckerlijc ist um 1475 geschrieben worden (als Name des Verfassers wird später Peter van Diest genannt), das englische morall play mit dem Titel Everyman vielleicht unter Edward IV. (1461–1483)5, womöglich auch erst später (der erste Druck datiert von 1510).6 – Der Everyman beginnt mit einem ‘Prolog im Himmel’: Gott und der Tod unterhalten sich über die Rechenschaftspflicht eines jedes Menschen vor Gott, der Tod weist darauf hin, dass vor allem der Reiche rechenschaftspflichtig sei – „es sei, er spendete mit vollen Händen“.7 Gott sendet also den Tod zum Jedermann, der vor Gericht geladen wird und Rechenschaft leisten soll. Die 4 Ioan. Damasc. Barl. 13,117: ¿ äE ᤠôñßôïò ößëïò (…) ¿ ô§í Pñßóôùí hñãùí ÷ïñ’ò êáÝóôçêåí, ïpïí ðßóôéò, dëðßò, PãÜðç, dëåçìïóýíç, öéëáíñùðßá, êár ¿ ëïéð’ò ô§í Pñåô§í ”ìéëïò, ¿ äõíÜìåíïò ðñïðïñåýåóáé ½ì§í dîåñ÷ïìÝíùí ôï™ óþìáôïò, ›ðcñ ½ì§í ôå äõóùðyóáé ô’í Êýñéïí, êár ô§í d÷ñ§í ½ìOò ëõôñïýìåíïò êár äåéí§í öïñïëüãùí, ô§í ëïãïÝóéïí ½ìsí ðéêñ’í dí ô² PÝñé êéíïýíôùí.
5 Vgl. Wiemken 1965, XII f. 6 Vgl. Giebels/Slits 2005, 264, die von der Priorität des Elckerlijc ausgehen. 7 The Somonynge of Every-man – Jedermanns Ladung. In: Wiemken 1965, 1-77, hier 9.
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Einleitung
Figuren, die Jedermann nun zum Rechtsbeistand bittet, sind ausschließlich Allegorien – diese aber folgen der allegorischen Deutung der drei Freunde in der obigen Parabel: Die Freundschaft ( felawship), die Sippschaft (kyndrede) und der Besitz (goodes) lehnen jede Hilfe ab, erst die Guten Werke (good-dedes) mit ihrer Schwester Erkenntnis (knowlege) helfen, führen Jedermann zur Beichte (confessyon), die ihm die Geißel zur Bußübung überreicht und ihm Rettung durch Gute Werke und Erkenntnis verspricht. Schließlich werden nochmals vier allegorische Figuren zum Beistand herbeigebeten: Vernunft (dyscrecyon), Schönheit (beaute), Kraft (strength) und Fünf Sinne ( fyve wittes), alle aber wenden sich von ihm ab, allein good-dedes und knowlege bleiben und retten seine Seele. Der doctour hebt in der Schlussmoral die zentrale Erlösungsfunktion der good-dedes hervor, die nicht zu gering ausfallen dürften. Die Vorrangigkeit der good-dedes macht den katholischen, altkirchlichen Deutungsrahmen sichtbar – dies allerdings vor der konfessionellen Spaltung, im Dienste sowohl einer christlichen Lebensführung als auch der Geldspenden an die Kirche. – Die früheste Adaption der Moralität in der deutschen Literatur ist das so genannte ‘Münchner Spiel’ vom sterbenden Menschen aus dem Jahre 1510, das selbstverständlich die katholische Deutungstradition fortsetzt.8 Die niederländische Version des Dramas wurde 1536 von Christian Ischyrius (Sterck) ins Lateinische übertragen – der Name des Titelhelden wird Homulus. Deutlich hineingearbeitet sind Elemente humanistischer Bildung: Der Bote zu Beginn spricht in asklepiadeisch-choriambischen Strophen, auch der ‘Prolog im Himmel’ ist durchsetzt mit Anspielungen auf antikes Wissen. Die katholische Tendenz der Bearbeitung wird besonders in der ausführlichen Hinwendung des Helden zu Maria deutlich, die dann in einer eingeschobenen Himmelsszene bei Jesus für Homulus bittet. Der Schluss bleibt weitgehend wie bei der englisch-niederländischen Moralität, lediglich der „Doctour“ fehlt. Gedruckt wurde diese neulateinische Fassung bei Jaspar Gennep zu Köln, der 1539 eine deutschsprachige Aufführung des Textes ins Werk setzte und es 1548 auch in eigener Überarbeitung druckte.9 Diese Fassung 8 Abgedruckt mit dem Untertitel „Got zuo lob dem menschen zu besserung sind dise figur vnd Exempel vom aygen gericht vnd sterbenden menschen zu munichen gehalten worden. 1.5.1.0.“. In: Bolte 1927, 1-62; zum Verhältnis des Everyman zum Münchner Spiel siehe v.a. B. Könneker: „Die Moralität ‚The somonynge of Every-man’ und das Münchner Spiel vom Sterbenden Menschen“. In: J.P. Strelka/J. Jungmayr (Hgg.): Virtus et Fortuna. Zur deutschen Literatur zwischen 1400 und 1720. Festschrift für Hans-Gert Roloff zu seinem 50. Geburtstag. Bern – Frankfurt/M. – New York 1983, 91-105. 9 Wiemken 1965, 79-161, liefert eine lexikalisch und orthographisch modernisierte Edition des Textes dieser Bearbeitung: Homulus. Eyn schön Spyl / in wölchem menschlichs lebens vnsicherheit / vnn der welt vntrew erzeigt wirt / vnd wie dem menschen im Todt niemant dan seyn Dügd beystaht. Kurtzweilich und nützlich zu lesen.
Stoffgeschichte
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ist um eine Anzahl Alltagsszenen angereichert, die Gennep aus einer Kompilation von Szenen aus dem Hecastus von Georg Macropedius, dem Bekehrten Sünder von Leonhard Culmann von Crailsheim (beide 1539) und Pamphilus Gengenbachs Weltalterspiel gewann.10 Die Krankheit der Titelfigur wird hier von Gott gesandt und vom Engel überbracht (nicht vom Tod); der Tod allerdings ist es, der Homulus sein nahes Ende verkündigt. Gennep baut in die moralischen Diskussionen scharfe antireformatorische Polemik ein: „[Melusina:] Fasten und beten ist gar verloren, / darumb hab ich mir auserkoren / ein fröhlich Wesen in dieser Zit, / keins guten Wercks bedarf man nit. [Homulus:] Ja, weißt du auch darvon, und bist eine Hur, / hast du auch gehört den neuen Pastor?“11 Gerichtsallegorik, Bildlichkeit der Rechnungsstellung, Drei-Freunde-Motive sind ähnlich wie in den früheren und späteren Texten gestaltet, die z.T. ausführlichen Marienanrufungen oder -gebete12 färben das Ganze deutlich katholisch: Maria bittet auf ein langes Gebet des Homulus hin ihren Sohn, den Sünder zu retten – die Rettung wird vorbereitet, die Engel singen eine mariologische Sequenz.13 Die good-dedes des morall play sind zur Tugend geworden, die allerdings den Homulus wie dort zur Beichte bringt, mitsamt dem Priesterstand wird die Siebenzahl der Sakramente besungen, unter eindeutigem Verweis auf die katholische Transsubstantiationslehre.14 Wie der Everyman wird auch Homulus von den Allegorien der Schönheit, der Stärke, des Verstandes und der fünf Sinne im Moment des Todes verlassen, Tugend und Bekenntnis allerdings sagen ihm ihre treue Begleitung zu – was schließlich zur Rettung führt. Für Hans Sachs entscheidend war die Übertragung der Fabel ins Gewand der humanistischen Komödie durch Macropedius. Die meisten die Handlung verdichtenden Kunstgriffe, die bei Sachs beobachtet werden können, stammen von ihm. Eine Handlung im Jenseits wird ausgespart, das Bühnengeschehen ist ganz im Diesseits angesiedelt; der Kontakt zwischen den beiden Sphären wird durch Boten des Jenseits hergestellt: durch Legat und Teufel. Die Zahl der Personifikationen wird drastisch reduziert: Neben der persona non ficta des Todes (sowie dem Plutus, dem Reichtum) treten an Allegorien nur noch Virtus und Fides auf 15, von denen der letzt10 11 12 13 14 15
Vgl. Wiemken 1965, IX-XLIX, hier XVI. Wiemken 1965, 101. Vgl. Wiemken 1965, 119, 135f.; vgl. auch ebd. 160. Vgl. Wiemken 1965, 138f. Wiemken 1965, 145. Diese Reduktion mag von der Consolatio philosophiae des Boethius inspiriert sein. Auch dort wird der vom Tode Bedrohte von allen Freunden und allen äußeren Gütern verlassen, und es ist neben seiner virtus einzig die philosophia, die ihm auf seinem letzten Wege beisteht. Man brauchte bloß philosophia durch fides zu ersetzen. Dass Macropedius mit der Consolatio vertraut war, ist bei einem Gelehrten seiner Zeit ohnehin anzunehmen, zeigt sich aber auch
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Einleitung
genannten besondere Bedeutung zukommt, denn sie ist es, die letztlich die Rettung des Sünders bewirkt: In einem ausführlichen Glaubensdialog führt der Geistliche (Hieronymus) zunächst die Zerknirschung des Sünders herbei, der wiederholt und damit die Szene strukturierend nach dem Gnadenwillen Gottes fragt: „Wie kann er es wollen, der gerecht ist?“ Dem mehrfachen Hinweis auf Christi Erlösungstat folgt schließlich die Hinzuziehung der Fides, und nach einer weiteren strengen Katechisation ist der Sünder gerettet (zur Kritik, die hieran von katholischer Seite geübt wurde, s. S. 26). Scharf greift in die Auseinandersetzungen der ersten Reformationsjahrzehnte die erweiterte Variante der Jedermann-Fabel ein, die Thomas Naogeorg 1540 mit seinem Mercator vorlegte.16 Der sterbende Kaufmann steht in Auseinandersetzung mit seinem Gewissen, das er zeitlebens vor die Tür gesetzt hatte, das aber jetzt sein Ankläger vor Gott werden wird. Zunächst vertraut der Mercator eher dem Pfaffen, der ihm noch eine große Menge guter Werke abschwatzt. Aus dem Himmel reisen allerdings Paulus und der Arzt Cosmas an, die dem Kaufmann eine scharfe Purgation verabreichen, woraufhin dieser die Menge der guten Werke seines Lebens wieder von sich gibt (Naogeorg greift hier auf die Drastik sowohl des Eckius dedolatus als auch der antireformatorischen Satire Thomas Murners, Von dem Großen lutherischen Narren, zurück). Paulus flößt dem Sterbenden den Glauben an die Gnade Gottes ein, und schließlich kommt der Kaufmann – anders als der Fürst, der Bischof und der Mönch, die unpurgiert mit überflüssigen guten Werken beladen sind und zur Hölle verdammt werden – in die ewige Seligkeit. Naogeorgs neulateinischer Mercator ist bis zum Ende des 16. Jahrhunderts in vier erfolgreichen deutschen Übersetzungen publiziert worden und dokumentiert, in wie hohem Maße sich gerade die Jedermann-Fabel für die konfessionelle Auseinandersetzung instrumentalisieren ließ. Dass auch die letzte Mercator-Übersetzung von Jacob Rulich (Augsburg 159517) nicht der letzte Akt dieser Instrumentalisierung war, kann ein Blick auf den Cenodoxus des Jesuiten Jacob Bidermann (1602) erweisen.18 daran, dass er in seiner Prosoedia (S. 69-72) zur Illustration verschiedener Versmaße zahlreiche Gedichtanfänge aus der Consolatio zitiert: auf S. 69 Cons. 1,3c,1f. und Cons. 2,2c,1f., auf S. 70 Cons. 3,8c,1f., Cons. 2,3c,1f. und Cons. 3,3c,1f., auf S. 71 Cons. 2,4c,1f., Cons. 3,4c,1f., Cons. 3,6c,1, Cons. 4,1c,1f. und Cons. 4,2c,1 sowie auf S. 72 Cons. 3,10c,1-4. 16 Tragoedia alia nova Mercator seu Judicium ... [1540]. Mit einer zeitgenössischen Übersetzung: Der Kaufmann [1541]. Durch herr Thoman Neübaur von Straubingen beschrieben. In: Naogeorg, Thomas: Sämtliche Werke. Hg. von Hans-Gert Roloff. Bd. 2. Berlin – New York 1982. 17 Der Kauffman /oder das Gericht. Ein Geistliche Tragœdi. In: Wiemken 1965, 219-417. 18 Bei Bidermann wird die Fabel ins akademische Milieu übertragen, es geht um Leben und Sterben eines berühmten Medizinprofessors, der, nach einer von den allegorisch dargestellten Mächten des Bösen und des Guten bevölkerten Gerichtsszene, aufgrund seiner Laster und des fehlenden Sinneswandels der ewigen Verdammnis preisgegeben wird.
Zur Vorgeschichte des Reformationsdramas
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1903 wird Hugo von Hofmannsthal auf den englischen Everyman aufmerksam gemacht. Schon 1905 legt er eine erste Prosafassung seines Jedermann vor, aber erst 1910 nimmt er das Projekt wieder auf und bereitet die genauere Übersetzung des englischen Stückes vor; erst dann liest er den Hecastus des Hans Sachs und veranstaltet für die endgültige Fassung 1911 eine Kontamination des englischen ‘morall play’, der Sachsschen ‘comedi’ und namhaft zu machender weiterer Quellen.19 Der Text folgt dann im Wesentlichen der englischen Quelle. Für die Anfangsszenen bürgerlichen Lebens des Hecastus nutzt Hofmannsthal Passagen aus Sachs; einiges von dem, was er dem Todgeweihten in den Mund legt, stammt aus Robert Burtons Anatomy of Melancholy. Die konfessionelle Programmierung des Textes im 16. Jahrhundert ist für Hofmannsthal eher nebensächlich: Insgesamt retten Gute Werke und Glaube den Sünder vor der Verdammnis. Thematisch zentral ist vielmehr das Motiv des Todes mitten im Leben, verkoppelt mit der an Georg Simmel angelehnten modernen Auffassung des Geldes als universeller Ware, als Signatur eines Zeitalters menschlicher (Selbst-)Entfremdung: Das Geld werde begriffen als „der abstrakteste Ausdruck für die uneingeschränkte Austauschbarkeit und Verrechenbarkeit von allem mit allem.“20 Der sprechende Name der Titelfigur – Jedermann – reproduziert diese totale Austauschbarkeit; nur im Tode ist das Selbst unaustauschbar: Hier kann den Menschen niemand vertreten. „Die Bewältigung des Todes wird zur eigentlichen Lebensaufgabe.“21 Der Tod ist hier gleichsam nicht Gegner des Lebens, sondern sein Rand, vielleicht der einzige Punkt, an dem der Einzelne er selber ist. Hofmannsthal macht also aus der frühneuzeitlichen Moralität eine gleichsam existenzphilosophische Reflexion über den Menschen unter den Bedingungen der Moderne.
1.3 Zur Vorgeschichte des Reformationsdramas Für die Hecastus-Dramen von Macropedius und Sachs von größter Bedeutung ist die zunächst humanistische Rezeption der Palliata, d.h. der antiken lateinischen Komödien von Plautus und Terenz, die ihrerseits auf 19 Weitere Quellen Hofmannsthals sind: Albrecht Dürer: „Kein Ding hilft für den zeitling Tod“. In: E. Heidrich (Hg.): Albrecht Dürers schriftlicher Nachlaß. Berlin 1908, 212-215 sowie Lieder der Minnesänger. Ins Hochdeutsche übertr. von E. Escherich. In Bildern von Bernhard Wenig. Berlin 1900 (Hofmannsthal nutzt v.a. die Lieder Nr. 6, 12 und 21); darüber hinaus nutzt er für Details von Figurenzeichnung und Szenencharakteristik auch Goedeke 1865 sowie Calderóns Balthasars Nachtmahl (in der Übersetzung Eichendorffs) und Robert Burtons The Anatomy of Melancholy (1621). 20 Vgl. Mayer 1993, 67. 21 Mayer 1993, 68.
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Einleitung
der hellenistischen neuen Komödie fußen. Dies betrifft alle Bereiche der Wiederentdeckung antiker Komödienpoetik und -praxis: Neben Editionen, Kommentaren und Übersetzungen steht Ende des 15. Jahrhunderts die Orientierung an Sprache und Dramaturgie der römischen Komödie im Zentrum, Plautus und Terenz werden zum klassischen Muster, und bei Aufführungen im Kontext der avancierten Lateinschulen wird, dann auch in Richtung eigener dramatischer Versuche, die Bühnenform übernommen: Zwischen 1470 und 1530 versucht das frühhumanistische Gelehrtentheater, von Italien ausgehend, die Terenzbühne zu rekonstruieren.22 Im Blick auf Neudichtungen im Stil der Palliata ist nicht nur die neulateinische, sondern auch die frühneuhochdeutsche Komödie (‘comedi’) von Belang. Formale Vielfalt in der Anlehnung an die antiken Vorbilder findet sich allerdings zunächst tatsächlich in den neulateinischen Adaptionen: Übernommen werden Titel und Gattungsbezeichnung, Akt- und Szeneneinteilung der Stücke, das summarische Personenverzeichnis und die Personenüberschriften zu den einzelnen Szenen, ebenso die Ausstattung der Texte mit Prologen, Argumenta und Epilogen; in der Metrik sowie der dialogischen Kunst (Stichomythien, Zeilenbrechung) sind Terenz und Plautus die verbindlichen Vorbilder.23 Vor allem in der neulateinischen Dramatik des 16. Jahrhunderts werden die Rückbezüge auf die antike Literatur explizit gemacht: Reuchlins Henno (1498) führt die Fünfaktigkeit in die Komödienpraxis ein, ebenso die Chöre (die freilich im antiken Drama ein Element nicht der Komödie, sondern der Tragödie waren). Der Acolastus sive De filio prodigo (1529) des Gulielmus Gnaphaeus (1493-1568) wird als erstes Stück als „Comoedia“ bezeichnet, Thomas Naogeorgs (1508/09-1563) Pammachius (1539) als „Tragoedia nova“. Prolog, Argumentum und Epilog haben in der neulateinischen und volkssprachlichen Dramatik insgesamt eine weitaus stärkere Bedeutung als in der Palliata. Der Prolog integriert dabei, wie bei Plautus, das Argumentum; die Besonderheit bei Terenz, dass sich die Prologe auch reflexiv oder kritisch auf den Umgang mit griechischen Quellen und Vorlagen beziehen (Andria, Heautontimorumenos), erweist sich in der Frühen Neuzeit als nicht anschlussfähig. Die moralisierenden Epiloge vor allem der frühneuhochdeutschen Dramen unterscheiden sich deutlich von der Palliata-Tradition – hier waren belehrende Sentenzen integriert in Figuren22 Vgl. dazu insgesamt Brauneck 1993, 414ff. 23 Vgl. A. Hugle: Einflüsse der „Palliata“ (Plautus und Terenz) auf das lateinische und deutsche Drama im 16. Jahrhundert. Mit besonderer Berücksichtigung des Hans Sachs. Diss. Heidelberg 1920, 36; vgl. auch A. Dortmund: „Terenz-Rezeption bei Hans Sachs. Zur Rolle des Buchdrucks in der Antikerezeption des Humanismus“. In: S. Füssel (Hg.): Hans Sachs im Schnittpunkt von Antike und Neuzeit. Akten des interdisziplinären Symposiums vom 23./24. September 1994 in Nürnberg. Nürnberg 1995, 151-155.
Zur Vorgeschichte des Reformationsdramas
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reden (etwa die des Sklaven Sceledrus in den Bacchiden des Plautus). Sentenzenhaftigkeit und die Nutzung sprechender Figurennamen sind überhaupt sowohl für das neulateinische als auch für das frühneuhochdeutsche Drama als Adaptionen antiker Gestaltungselemente festzuhalten. Paul Rebhuns Bibeldrama Susanna (Ein Geistlich Spiel von der Gotfürchtigen und keuschen Frauen Susannen, 1536) greift nicht nur auf Fünfaktigkeit und Chöre als Gestaltungsmittel der antiken bzw. neulateinischen Dramatik zurück, sondern versucht zudem, antike Metrik in deutscher Sprache – schon in Übertragung des quantitierenden Systems mit Längen und Kürzen auf ein akzentuierendes mit Hebungen und Senkungen – nachzuahmen; die niederdeutsche Adaption der Thematik des verlorenen Sohnes bei Burkhard Waldis (1490-1556) zeigt nachdrücklich, wie das frühneuhochdeutsche Drama in der Gemengelage aus humanistischer Dramenrezeption und -praxis, spätmittelalterlich-geistlichen Spieltraditionen und Reformation eine eigene Formensprache ausbildete: De parabell vam vorlorn Szohn (1527) kennt eine Aktgliederung, ordnet die zwei (!) Akte aber jeweils dem verlorenen und dem daheimgebliebenen Sohn zu; gerahmt und mittig unterbrochen wird die Aktfolge von Bibellesung, Auslegung des dramatischen Spiels und Choralgesang des Gemeinde-Publikums, so dass die dramatische Form als Anlehnung an den reformierten Wortgottesdienst verstanden werden kann. Die Unterschiede zum Acolastus (1529) sind wohl am ehesten in dieser starken strukturellen Gottesdienstorientierung zu suchen, die für den humanistisch gebildeten Waldis allemal wichtiger gewesen sein mag als die Orientierung an antiken Vorbildern. Neben den Einflüssen der humanistischen Plautus- und Terenzrezeption ist für die Jedermann-Dramen – ganz gleich, ob volkssprachliche oder neulateinische – ein breites Spektrum weiterer gattungsbezogener, stofflicher bzw. motivlicher Traditionen festzumachen. Die Moralität als Gattung spätmittelalterlicher allegorischer Dramatik hat ihren Ursprung in den ‘morall plays’ bzw. ‘moral interludes’ des späten 14. und 15. Jahrhunderts, zunächst in England und in Frankreich. In Anlehnung an die Psychomachia des Prudentius (ca. 400 n.Chr.), die die Kräfte des Guten und des Bösen in einem allegorischen Streit um theologische Fragen vorführte, wird die Formtradition dialogischer Auseinandersetzung mit didaktisch-sinnhafter Vergegenwärtigungsabsicht aufgegriffen, wobei auf allegorische Elemente mittelalterlicher Mysterien und Maskenspiele zurückgegriffen wird.24 1378 ist in York ein allegorisches Paternosterspiel, 1390 in Tours ein Streitspiel zwischen den sieben Kardinaltugenden und 24 Brauneck (1993, 348) nennt etwa das Tegernseer Antichristspiel (um 1160), worin z.B. Ecclesia und Synagoge als Allegorien auftreten, oder das Maastrichter Osterspiel (um 1330).
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den sieben Todsünden nachgewiesen; grundsätzlich geht es in der Moralität um den Streit guter und böser Seelenkräfte um das Seelenheil: virtus, fides, mundus, plutus u.a. Allegorien tauchen hier immer wieder auf. Modellhaft ist das englische Spiel Castle of Perseverance (1425), worin ein junger Mensch, durch die Laster verführt, von einem bonus angelus und der confessio gerettet werden kann; als ihn im Alter die avaritia nochmals zu besiegen droht, retten ihn pax und misericordia und führen ihn zum Throne Gottes. Hier ist das Hecastus-Modell längst angelegt – der Everyman gehört dementsprechend auch zur weiteren Gattungsgeschichte der Moralität in England, deren französische, niederländische (Elckerlijc 1477) und deutsche Fortsetzung hier nicht eigens referiert werden muss.25 Allerdings eignet sich die Gattung allegorischer Vergegenwärtigung von Glaubensinhalten natürlich insbesondere für die Aktualisierung unter den Bedingungen konfessioneller Spaltung in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts.26 Strukturell lässt sich an den Hecastus-Dramen von Macropedius und Sachs zeigen, in wie hohem Maße die Gattung der Moralität im 16. Jahrhundert, unter dem Einfluss starker Antikerezeption, in Akt- und Szeneneinteilung sowie Metrik einer klassizistischen Formgebung unterzogen worden ist; stofflich bietet diese Gattung aber, trotz der geistlich-didaktischen Ausrichtung der Texte, Gelegenheit sowohl zur Gestaltung profaner Themen und alltäglicher Erfahrungsdimensionen als auch für Eigenerfindungen der Autoren. Gerade das letztere aber hat im geistlichen Spiel des Mittelalters schon eine lange Tradition: In Osterspielen wird etwa der Salbenkauf der drei Marien schon seit dem 13. Jahrhundert zu einer eigenständigen Krämerszene ausgebaut. Das Osterspiel von Muri, ein alemannisches Fragment von etwa 1250, weist große Wächter-, Krämer-, Höllenund Magdalenenszenen auf, im Innsbrucker Osterspiel (Hs. Thüringen 1391) nimmt die Krämerszene sogar die Hälfte des Spiels ein: Die realistische Anreicherung des biblischen Inhalts, mithin seine Alltagsanbindung, steigert die Identifikationsfähigkeit des Textes.27 Dass diese zunehmende ‘Welthaltigkeit’ der dramatischen Literatur nicht nur Stimmungsbeigabe oder lokales Kolorit ist, lässt sich an den Anverwandlungsprozessen nachweisen, die die spätmittelalterlichen Gattungen des geistlichen Spiels in der 25 Brauneck (1993, 392ff.) stellt diese Gattungsgeschichte ausführlich dar; für England sind etwa zu nennen Mind, Will, and Understanding (1460) und Mankind (1475), für Frankreich Bien-Avisé, Mal-Avisé (1439) und L’homme pécheur (1494). 26 Neben der Homulus-/Hecastus-/Mercator-Kontroverse auf dem Kontinent ist für England vor allem auf John Bales antikatholisches Kampfstück The Three Laws (1538) und die unter Edward VI. einsetzende antipapistische Agitation im moral play ab 1547 hinzuweisen; zur französischen moralité im Reformationszeitalter vgl. v.a. W. Creizenach: Geschichte des Neueren Dramas. Bd. II: Renaissance und Reformation. Halle/S. 21918, 507-524. 27 Vgl. Brauneck 1993, 312f., 364f.; vgl. dazu insgesamt W. Greisenegger: Die Realität im religiösen Theater des Mittelalters. Ein Beitrag zur Rezeptionsforschung. Wien 1978.
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Reformationszeit betroffen haben: Barbara Könneker konnte zeigen, wie Bartholomäus Krüger in seinem Spiel Eine schöne vnd lustige newe Action von dem Anfang und Ende der Welt (1580) Strategien der Gegenwärtigsetzung der Heilsgeschichte realisiert, die letztlich die Welt zum konkreten, geschichtlichen Ort machen, an dem sich der Kampf zwischen metaphysischen Gewalten abspielt.28 Wie die Allegorik und die Einbindung von alltäglichen Erfahrungsdimensionen keine Erfindungen der frühneuzeitlichen Dramatik, sondern Rückgriffe auf mittelalterliche Spieltraditionen sind, so gilt dies auch für die den Jedermann-Stoff kennzeichnende Gerichts- oder Prozess-Allegorie: Vor allem Passionsspiele und Mysterien sind seit dem Spätmittelalter angereichert um, wiederum allegorische, Handlungsmomente des Gerichtsprozesses – etwa die Auseinandersetzung zwischen iustitia und misericordia um die Erlösung des Menschen in der riesenhaften Passion d’Arras (1425: 25000 Verse, 150 Figuren), die sich inhaltlich von der Erschaffung der Welt bis zur Bestrafung Jerusalems für den Tod Christi erstreckt.
1.4 Georgius Macropedius 1.4.1 Werdegang und Wirken in der Bruderschaft vom gemeinen Leben Joris van Lanckvelt (der sich ab 1502 in humanistischer Weise mit graeco-latinisiertem Namen Georgius Macropedius nannte), wurde 1487 in dem nordostbrabantischen Ritterordensstädtchen Gemert geboren. Nach einer Grundlagenausbildung (vermutlich in der Gemertschen Elementarschule) in Lesen, Schreiben und Singen, evtl. auch schon in Mathematik und Latein, mag er gegen 1497 seinen Geburtsort verlassen haben, um sich in die siebente Stich von Philips Galle aus dem Jahr 1572 (septima, also die zweitunterste) Klasse der Kapitelschule von ’s-Hertogenbosch einzuschreiben. ’s-Hertogenbosch war zu dieser Zeit eine bedeutende Handelsstadt mit ca. 15.500 Einwohnern, das kulturelle und ökonomische Zentrum von Nordostbrabant. Hier bestanden literarisch-rhetorische Kulturvereine der patrizischen Bürger („Redereijker“), hier wirkten bedeutende Künstler, darunter Hieronymus Bosch, und aufgrund der Tatsache, dass hier immerhin 6% der Bevölkerung dem geistlichen Stand angehörten, wurde die Stadt auch „Klein Rom“ ge28 Vgl. B. Könneker: „Luthers Bedeutung für das protestantische Drama des 16. Jahrhunderts“. In: Daphnis 12 (1983), 545-573.
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nannt.29 Die Schule, die Macropedius nun besuchte, stand unter der Leitung des Domkapitels von St. Jan; ein gutes Jahrzehnt zuvor, von 1484 bis 1486, war auch der berühmteste humanistische Gelehrte Westeuropas, Erasmus von Rotterdam, hier in die Lehre gegangen. Hier wurden nicht bloß die eigentlichen Konventschüler unterrichtet; hinzu kamen die Lateinschüler, die sich auf die domus pauperum scolarium (bestehend seit 1450), die domus mediocrum und die domus divitum verteilten. Für das Jahr 1526 sind so 21 Konventschüler, 84-85 arme, 15-16 ‘mediokre’ und 24 reiche Schüler aktenkundig.30 Da die Familie Lanckvelt als mäßig bemittelt gelten darf, kann davon ausgegangen werden, dass Macropedius nicht zu den Armen, sondern zu den mediocres gehörte.31 – Nach erfolgreichem Abschluss der Lateinschule trat er 1502 in das seit 1425 in ’s-Hertogenbosch bestehende Haus der „Brüder vom gemeinen Leben“ ein. Die Gemeinschaft der „Brüder vom gemeinen Leben“ entstand im unmittelbaren Kontext der devotio moderna, einer religiösen Erneuerungsbewegung des 14. bis 16. Jahrhunderts, die von dem niederländischen Bußund Reformprediger Gert Groote (1340-1384) ausging. Von den Niederlanden aus hatte die Bewegung großen Erfolg in annähernd allen Ländern Europas, ihr wichtigster Vertreter im 15. Jahrhundert ist Thomas a Kempis (1379/80-1471), der als Urheber des weit verbreiteten Erbauungsbuches De imitatione Christi („Über die Nachfolge Christi“) gilt. Es ist nicht falsch, die devotio moderna als eine innerkirchliche Reformbewegung aufzufassen: Gegen die starre und formelhaft gewordene Glaubenspraxis der spätmittelalterlichen Kirche setzte man eine Orientierung an apostolischem Urchristentum, ein Leben in Gemeinschaft ohne Privateigentum, in Armut, Demut und individualisierter Frömmigkeit.32 Diese Theologie bestimmte auch das große erzieherische und seelsorgerische Engagement der „Brüder vom gemeinen Leben“, das nicht nur Macropedius prägte, sondern weit in den westeuropäischen Humanismus sowie in die beginnende Reformation hinein ausstrahlte. Den Jugendlichen an den Schulen der Brüderschaft wurde eine (humanistisch fundierte) sprachlich-wissenschaftliche Ausbildung mitsamt religiöser und moralischer Orientierung geboten. Damit leisteten die Brüder einen wesentlichen Beitrag zur Verbreitung eines biblischen bzw. christlichen Humanismus, der letztlich als Signatur des nachmittelalterlichen, vorreformatorischen Zeitalters gelten 29 Vgl. Giebels/Slits 2005, 43. 30 Vgl. Giebels/Slits 2005, 50f. 31 Vgl. Giebels/Slits 2005, 52. – Dazu stimmt auch, was Vladeraccus schreibt: Numquam divitias prece numina magna rogavit, / Contentus modicis, laetus et usque suo, „niemals bat er die großen Götter im Gebet um Reichtum, mit Bescheidenem zufrieden und stets glücklich mit dem, was er besaß“ (Apoth. 167f.). 32 Vgl. dazu Ch. Burger, Art. Devotio moderna. In: RGG4 2 (1999), 776 sowie I. Crusius, Art. Brüder und Schwestern vom gemeinsamen Leben. In: RGG4 1 (1998), 1781f.
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kann.33 Außer den soeben bereits erwähnten Hieronymus Bosch und Erasmus von Rotterdam ging auch Martin Luther aus der devotio moderna, aus einem Haus der „Brüder von gemeinen Leben“ hervor. Angesichts dieser Zusammenhänge ist die Nähe des Hecastus von Macropedius zur reformierten Theologie nicht allzu erstaunlich (mehr dazu auf S. 25). Ein weiteres wichtiges Betätigungsfeld der Brüderschaft – gerade auch in ’s-Hertogenbosch – war die Buchproduktion im weitesten Sinne: Übersetzung fremdsprachiger Texte, Illustration und Illumination sowie Einbinden von Büchern waren die Haupttätigkeiten der dortigen Brüder, zunächst für die eigene Bibliothek, doch allmählich erwuchs daraus ein wesentlicher Anteil ihres Einkommens. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts verfügte das Brüderhaus über einen gutorganisierten Buchherstellungs- und -handelsbetrieb; 1525-26 gründete man eine eigene Druckerei für Schulbücher. An alledem nahm Macropedius regen Anteil: Describit libros sacros, compingit, adornat, Otia ceu pestem defugit atra nimis „er schrieb die heiligen Schriften ab, band sie ein und verzierte sie – und den allzu trüben Müßiggang floh er, als wär’s die Pest“ (Vladeracc. Apoth. 311f.). Schließlich wurde er Leiter des Skriptoriums. Dass das Brüderhaus auch über eine gut bestückte Bibliothek verfügte, versteht sich nach dem Gesagten von selbst. Macropedius standen hier beispielsweise Werke von Ambrosius, Augustin, Eusebius, Hieronymus, Isidor von Sevilla, Albertus Magnus und Thomas von Aquin zur Verfügung; auch Reuchlins philosophischer Prosadialog De verbo mirifico (1494) ist, allerdings in der Edition Paris 1513, in der Bibliothek nachweisbar. Reuchlin war darüber hinaus v.a. allem in seinem dramatischen Schaffen von großem Einfluss auf Macropedius (s. S. 14). Ab 1512 war Macropedius als Lehrer tätig, zunächst in ’s-Hertogenbosch. Von 1524-27 war er Rektor der zu dieser Zeit höchst geschätzten Brüderschule in Lüttich. Ende der 1520er Jahre wechselte er wieder nach ’s-Hertogenbosch, seine griechische Grammatik erschien dort 1530. Ein Jahr später wurde er nach Utrecht berufen bzw. von seinem Orden dorthin gesandt und wurde Lehrer und Rektor an der dortigen Hieronymusschule, an der er bis 1557 verblieb. Als alter Mann, an starker Gicht leidend, kehrte er 1557 nach ’s-Hertogenbosch zurück, wo er im Juli 1558, während einer Pestepidemie, an einem Fieber starb. Sein Grab in der Kirche der Bruderschaft existiert nicht mehr.
33 Vgl. Giebels/Slits 2005, 46; zur pädagogischen Programmatik der Brüder bzw. der devotio moderna insgesamt vgl. Mestwerdt 1917, 142.
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1.4.2 Macropedius als (Schul-)Dramatiker Wie Macropedius in der Vorrede zum Verlorenen Sohn (1537) angibt, fällt der Beginn seiner Tätigkeit als Bühnenschriftsteller in seine ersten Jahre als Lehrer in ’s-Hertogenbosch: „In meiner Jugend habe ich einst ein Stück über den Prasser oder Verschwender geschrieben, von dem das Evangelium erzählt; das war der Auftakt zu meinem gesamten Werke.“34 Die Menge der von ihm verfassten dramatischen Texte lässt sich nicht genau beziffern; Schätzungen des 18. und des beginnenden 19. Jahrhunderts gingen von 15 Dramen, spätere Korrekturen von 11 gesicherten Texten aus.35 Die Anregung zur dramatischen Dichtung erhielt er durch Reuchlin36, dessen Komödien Sergius sive Capitis caput (1496/1504) und Henno (1498) in den Niederlanden stark rezipiert wurden; der Sergius etwa wurde 1509 in Deventer mehrfach gedruckt und um 1511 in Gent aufgeführt. In seiner Dramaturgie unterscheidet sich Macropedius von Reuchlin allerdings deutlich. Wesentliche Punkte benennt schon Jacoby: Macropedius beschränkt seine Akte nicht mehr auf jeweils zwei Szenen, er verwendet sprechende griechische und lateinische Namen zur Figurentypisierung, seine Chorlieder stehen in kommentierender Verbindung zu den einzelnen Akten, und nicht zuletzt in diesen Chorliedern orientiert er sich metrisch streng an antiken Mustern. Wie Reuchlin vermag er in seinen Dramen – die biblische, historische und erfundene Sujets behandeln – auch aktuelle, stadtbürgerliche Stoffe im antiken Gewand zu thematisieren37, und seine Figuren modelliert er – ungeachtet der typisierenden Namen – so realistisch wie kaum ein Dramatiker vor ihm. Dieser „Wirklichkeitsbezug seiner Menschengestaltung stellte eine neue Qualität für die Entwicklung des Dramas dar“38, was sich unmittelbar im humanistisch-gelehrten deutschsprachigen Theater (bei Paul Rebhun) sowie im Meistersingerdrama (bei Hans Sachs) zeigen sollte. Die Arbeit an den Dramen war für Macropedius Teil seiner pädagogischen Aufgabe, denn nichts sei von größerem erzieherischen Nutzen (und zwar für alle Zielgruppen) als die Theaterarbeit.39 Da er die Komödie als 34 Scripsi olim adolescens (…) evangelicum Asotum aut Prodigum, omnis quidem mei laboris initium (Macr. Asot. epist. 7-11). 35 Vgl. die genauen Nachweise sowie die Diskussion über die Zuordnung bei Jacoby 1886, 12. 36 In der Vorrede zur Aluta schreibt Macropedius: Ioannes Capnion, de omnibus literarum studijs bene meritus, (…) mihi primus (ut verum fatear) ansam scribendi dedit, is me primus excitavit, „Johannes Reuchlin, der sich um alle literarischen Bestrebungen sehr verdient gemacht hat, hat mir (um die Wahrheit zu sagen) als erster einen Anstoß zum Schreiben gegeben, er hat mich als erster dazu angereizt“. 37 Vgl. Jacoby 1886, 16ff. 38 Brauneck 1993, 557. 39 Quid enim plus pueris ad eruditionem, plus adolescentibus ad honesta studia : plus provectioribus, immo omnibus in commune ad virtutem conducat, quam docta Comœdia? „Denn was verhilft Kindern eher
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Spiegel des täglichen Lebens, als Abbild der Realität ansah40, diente sie ihm nicht zuletzt zur Vermittlung von Glaubensinhalten und zur Anleitung zur Frömmigkeit. Damit sind seine Dramen charakteristisch für die Frühphase des (neu-)lateinischen Schultheaters, das ab den 1520er Jahren in den Lateinschulen des Reiches obligatorisch wurde. Zweimal im Jahr wurden in Schulen oder Ratssälen, seltener in Privathäusern, lateinische Texte vor Eltern und Honoratioren der Stadt aufgeführt; der pädagogische Zweck war neben der moralischen Belehrung v.a. die Übung in freier Rede, Vortrag und Deklamation, anders gesagt: in gewandtem Auftreten vor der Öffentlichkeit. Damit hatte das Schultheater auch einen berufspraktischen Bezug, indem die Schüler in wesentliche Bereiche der Tätigkeit als Anwälte, Richter, Beamte oder Professoren eingeführt wurden. Die Konjunktur des Schultheaters in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts war zunächst unabhängig von der Reformation. Auch für Martin Luther waren moralischer Zweck, biblische und historische Belehrung und rhetorische Einübung vorrangig. Selbst bei der Stoffwahl gab es zunächst keine Differenz zwischen reformiertem und katholischem Schultheater: Vorzugsweise wurden nicht große Mysterien, Passionen oder Schöpfungsspiele aufgeführt, sondern Gleichnisse und Parabeln des neuen Testaments – der ‘Verlorene Sohn’ ist hier exemplarisch. Im lateinischsprachigen Schultheater waren allerdings mit Wittenberg und Straßburg zunächst reformierte Zentren führend. In Wittenberg wirkten Paul Rebhun, Johannes Agricola und Thomas Naogeorg; Rebhun und Naogeorg schrieben in Latein und Deutsch, Naogeorg gab durch die Kombination der geschlossenen, kleinen Terenzbühne mit der Simultanbühne des Mittelalters dem ganzen Theaterwesen des späteren 16. und frühen 17. Jahrhunderts neue Impulse. Die Straßburger Lateinschule zeigte v.a. ab 1538 unter Johannes Sturm (1507-1589) großes, konfessionell eher unabhängiges Engagement für den Humanismus, allerdings durchaus in einem reformierten Klima. Sturm bevorzugte einen an Cicero orientierten Stoizismus; in seiner Schule wurden zunächst nur antike Stücke aufgeführt: Terenz, Plautus, Aristophanes, erst ab 1565 auch neulateinische Texte. – Gegen dieses meist reformatorisch orientierte Schultheater entwickelte sich seit 1540 das Theater der Jesuiten – die katholische Lateinschule nahm sich erst später des Theaters als eines pädagogischen Mittels an. Der Jesuitenorden entdeckte das Schultheater systematisch als Propagandamittel: Die Bühne wurde zur wichtigsten antireformatorischen Kampfstätte.41 zu Elementarkenntnissen, was Jugendlichen eher zu höherer Bildung, was Fortgeschrittenen, ja überhaupt allen eher zu sittlicher Vollkommenheit als ein Schauspiel mit Niveau?“ (Macr. Alut. praef.). 40 Vgl. Macr. Alut. praef. Comœdia (…) imitatio vitae, speculum consuetudinis, imago veritatis. 41 Zum Schultheater des Reformationsjahrhunderts insgesamt vgl. Brauneck 1993, 538-552.
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1.5 Hans Sachs und das Meistersingerdrama in Nürnberg 1.5.1 Werdegang Hans Sachs wurde am 5. November 1494 als Sohn eines Schneidermeisters in Nürnberg geboren, er starb ebenda am 19. Januar 1576. Zwischen dem siebenten und dem fünfzehnten Lebensjahr besuchte er eine der vier nürnbergischen Lateinschulen; eine poetisch geschönte Angabe über die dortigen Lerninhalte bzw. Fächer zählt „grammatica, rhetorica, logica, arithmetica, astronomia, poetrey und philosophia“ auf.42 Obgleich diese Angaben Holzschnitt von Hans nichts über den Umfang und die Intensität seiner Brosamer aus dem Jahr 1545 Schulausbildung in den einzelnen Fächern aussagen, kann davon ausgegangen werden, dass zumindest seine Lateinkenntnisse ausgereicht haben, um selbstständig (neu-)lateinische Autoren zu lesen – wie er es eben mit Macropedius tat. – An seine Schuhmacherlehre, die er 1509 aufnahm, schlossen sich von 1511-1516 die obligatorischen Wanderjahre des Handwerksgesellen an, die ihn durch das Salzburger Land, durch Bayern, Franken und Mitteldeutschland und auch ins Rheinland führten.43 Im September 1519 heiratete er und erfüllte damit eine der wichtigsten Vorbedingungen für den Meistertitel, den er 1520 erwarb. Schon während seiner Wanderburschenzeit ist Sachs als Schriftsteller aktiv, einige Fastnachtsspiele und Spruchgedichte sind schon aus den Jahren 1515 und 1516 überliefert. Für die Jahre, in denen die Stadt Nürnberg sich nach und nach auf die Seite der Reformation stellte (1520-1523), ist bei Hans Sachs eine eigentümliche Schaffenspause zu beobachten, die in der Forschung als Selbstorientierungsphase in den konfessionellen Auseinandersetzungen aufgefasst wird: Der ursprünglich gläubige Katholik Sachs ‘erlernt’ gleichsam die Reformation, ihr Bibel-, Glaubens- und Kirchenverständnis – und ihre Sozialethik, wie sich in vielen seiner Werke zeigen wird.
42 So im Meisterlied „Die werck gottes“; zu allen biographischen Informationen vgl. die sehr instruktive Darstellung bei Bernstein 1993, hier 23. 43 Zur Rekonstruktion der genaueren Wanderroute vgl. Bernstein 1993, 25f.
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1.5.2 Reformation und religiöse Unterweisung in Sachsens literarischem Werk Bevor hier ausführlicher auf die Formen bürgerlicher Öffentlichkeit eingegangen wird, innerhalb deren Sachsens Texte, zumal die Dramen, gewirkt haben, soll zunächst skizziert werden, welchen Anteil seine Texte an der Durchsetzung der Reformation hatten. Den – polemischen wie propagandistisch erfolgreichen – Auftakt bildete am 8.7.1523 das Spruchgedicht Die Wittenbergisch Nachtigall, eine zur Veröffentlichung geeignete Bearbeitung und (extreme) Erweiterung des Meisterlieds „Das Walt got“. Dieses gehört zum Typus des religiösen Tagelieds, das das Erwachen aus der Nacht der Sünden zum Licht des Glaubens zum Gegenstand hat. Polemisch wird der „Nachtigall“ Luther das Reich des Löwen (Papst Leo) entgegengesetzt, mitsamt seinem tierischen Hofstaat (die Tiernamen deuteten erkennbar auf Parteigänger der Papisten); das Lied rechnet scharf mit Missbrauch klerikaler Macht und Götzendienst altkirchlicher Praxis ab, der die Lehre Luthers gegenübergestellt wird (sola fide). – Die 1524 in rascher Folge publizierten Prosadialoge setzen einerseits diesen Einsatz für die Sache der Reformation fort, zeigen darüber hinaus allerdings schon bedeutende Anteile der konfessionellen Selbstreflexion bzw. -problematisierung und profilieren Sachsens sozial-ethische und weniger konfessionell ausgerichtete Position. Die ersten beiden Dialoge (Disputation zw. einem chorherren und schumacher, Gesprech von den scheinwercken der gaystlichen und ihren gelübden) polemisieren scharf gegen Trägheit und parasitäres Dasein von Chorherren und Mönchstum und präsentieren gleichzeitig in ihren Handwerkerfiguren den selbstbewusst gewordenen Laien als (besseren) Kenner und Ausleger der Heiligen Schrift; der dritte und der vierte Dialog (Argument der Römischen wider das Christlich heüflein, den geytz … betreffend, Gesprech eines Evangelischen Christen mit einem Lutherischen) wenden die Kritik nach innen: Soziale Ausbeutung sei mit Durchsetzung der Reformation keineswegs abgeschafft worden, das Etikett des ‘Reformierten’ dürfe nicht zum Kaschieren von Eigennutz und Unschicklichkeit missbraucht werden.44 Mit der „Wittenbergisch Nachtigall“ und den Reformationsdialogen eröffnete Sachs (gemeinsam mit Hutten u.a.) eine neue Dimension bürgerlicher Öffentlichkeit: Hier wurden tendenziell Kommunikationsprozesse beobachtbar, die mit Habermas als bürgerliche Öffentlichkeit beschrieben werden könnten45, Schutte spricht von „vorsichtiger Vorwegnahme“ einer 44 In der Forschung ist umstritten, inwieweit diese ‘Reformationspropaganda’ aus tätigem Glauben oder auch aus kalkuliert-opportunistischem Verhalten gegenüber dem Nürnberger Rat resultierte (vgl. etwa Bernstein 1993, 48). 45 Vgl. dazu insgesamt B. Balzer: Bürgerliche Reformationspropaganda. Die Flugschriften des Hans Sachs in den Jahren 1523-1525. Stuttgart 1973.
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auf die religiöse Ebene beschränkten Partizipation an der Sphäre der Öffentlichkeit.46 Medialer Bestandteil dieser Öffentlichkeit war zunächst die Flugschriftenliteratur: Sendbriefe, Traktate, Manifeste, Dialoge, Spruchgedichte; die (Aufführungen von) Dramen traten dann später hinzu. „Form und Inhalt dieser reformatorischen Öffentlichkeit entsprachen sich. Der Angriff auf den kirchlichen Autoritätsanspruch, einzig legitime Vermittlungsinstanz zwischen Gott und den Laien zu sein, der Angriff auf die Exklusivität geistlicher Hierarchie, auf ihr Bibelauslegungs- und Verkündigungsmonopol, der Angriff auf den repräsentativen Öffentlichkeitsanspruch, der als personale Darstellung geistlicher wie weltlicher Macht, Herrschaft und Gewalt Kulminationspunkt reformatorischer Publizistik war, praktizierte selbst eine neue Form von Öffentlichkeit, die schon in ihrem Erscheinungsbild auf neue Erfahrungshorizonte und Wertorientierungen verwies.“47 Die Anteilnahme der dramatischen Texte von Hans Sachs an der Reformation ist bisher nicht ausreichend gewürdigt worden. Im Unterschied zur gründlichen Erarbeitung der Reformationspropaganda in seinen Werken aus den 1520er Jahren werden die popularisierenden oder sogar propagandistischen Anteile seines späteren dramatischen Werkes dem moralisierenden bzw. predigthaften Gestus der Texte untergeordnet.48 Gleichwohl kommt – v.a. im Kontext einer städtischen Teil-Analphabeten-Kultur (s. S. 22f.) – gerade dem Drama eine wesentliche Multiplikations- und Popularisierungsrolle zu, die hier beispielhaft untersucht werden soll. Bei der Vorbereitung der Gesamtausgabe seiner Schriften hat Hans Sachs eine Zweiteilung seines dramatischen Werkes außerhalb der Fastnachtsspiele vorgeschlagen und auf die unterschiedlichen Intentionen oder Wirkungsziele je verschiedener dramatischer „Gattungen“ hingewiesen: Dramen aus biblischen Stoffen, „auß der schrifft uberal zusammen gezogen“49, zielten darauf ab, „die gotseligkeit, forcht und liebe Gottes inn die hertzen ein zu bilden unnd zu pflanzen“, Dramen hingegen, die aus weltlicher Quelle geschöpft sind, aus antiker Mythologie oder Literatur, „zu anraitzung der guten tugendt unnd zu abschneidung der schendlichen laster“.50 Diese vom Stoff her motivierte Unterscheidung wiegt viel schwerer 46 J. Schutte: „‘Was ist uns unser freyhait nutz / wenn wir ir nicht brauchen durffen?’ Zur Interpretation der Prosadialoge.“ In: Th. Cramer / E. Kartschoke (Hgg.): Hans Sachs. Studien zur frühbürgerlichen Literatur im 16. Jahrhundert. Bern u.a. 1978, 41-81, hier 79ff. 47 Müller 1985, 36. 48 Vgl. dazu insgesamt Müller 1985; vgl. auch Klein 1988: Hier werden ausgesuchte Dramen im Blick auf Prolog, Handlung und Epilog als Exemplifikationstexte etwa bürgerlicher Ehemoral (vgl. 192ff.) interpretiert, v.a. im Kontext von Handwerk, sozialen Spielregeln u.a.; der Aspekt der religiösen Unterweisung wird dagegen ausgeblendet. 49 KG 13, S. 400. 50 KG 10, S. 7.
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als die zwischen Tragödie und Komödie, da Sachs diese Gattungszuweisung nach dem doch relativ zufälligen (positiven oder negativen) Ausgang der Handlung für die Hauptfigur vornahm.51 Es erscheint aber notwendig, innerhalb von Sachsens dramatischem Schaffen weitere Differenzkriterien einzuziehen – und damit auch den Raum zu umreißen, innerhalb dessen Sachs auch in seinem Spätwerk die weitere Popularisierung oder ggf. propagandistische Unterstützung der Reformation fortführt.52 Eine zentrale Rolle nehmen erstens als Tragödien bezeichnete Texte ein, die tatsächlich „auß der schrifft uberal zusammen gezogen“53 sind, dramatische Fassungen etwa der Passion Christi (1558, nach allen vier Evangelisten)54 oder auch die Tragedia […] des jüngsten gerichtes (1558).55 Diese Texte sind vorrangig als „Inszenierungen der Schrift“ aufzufassen56, also als dramatische Umsetzungen des biblischen Stoffes, der diesen einem (zum Teil noch) illiteraten Publikum zugänglich macht und ihm durch die Darstellung eine andersartige, auch predigthafte Nachdrücklichkeit verleiht. Gleichzeitig aber werden, was am Beispiel des Jüngsten Gerichtes gut gezeigt werden kann, zur Illustration und Verstärkung der Exempelwirkung in die Dramatisierung des biblischen Textes Handlungselemente und Figuren der poetischen Literatur resp. Momente stadtbürgerlichen Alltags eingefügt, die damit den Text für das nürnbergische Publikum nachvollziehbarer, näher, identifikationsheischender machen. So wird etwa im zweiten Akt (von insgesamt sieben) des Jüngsten Gerichtes eine verknappte Version der Jedermann-Figur aufgeboten, die die menschlichen Optionen zwischen Gut und Böse exemplarisch darstellt, im bösen Leben vom Tod überrascht wird und in letzter Minute durch das gläubige Vertrauen auf die Gnade Gottes für das ewige Heil gerettet wird57 (dass eine solche Anreicherung eines geistlichen Spiels durch bürgerlich-alltägliche Inhalte keine „Erfindung“ Sachsens ist, könnte sich bei einem genaueren Blick auf die Passions-, Oster- und Fronleichnamsspiele des vorre51 Vgl. B. Könneker: Hans Sachs. Stuttgart 1971, 50ff.; vgl. auch Bernstein 1993, 110. 52 Auch Rupprichs Unterscheidung nach ‘biblischen Stoffen’, ‘Stücken nach biblischen Themen’, ‘antiken Stoffen’, ‘deutschen Volksbuchstoffen’, ‘Boccaccio’, ‘historischen und andern Stoffen’ und ‘lateinischen Stücken’ reicht nicht hin, da sie nur nach dem Stoffgesichtspunkt, aber nicht nach der in Pro- und Epilogen und evtl. Binnenmoral geäußerten Wirkungsabsicht vorgeht; vgl. H. Rupprich: Die deutsche Literatur vom späten Mittelalter bis zum Barock. Zweiter Teil: Das Zeitalter der Reformation. 1520-1570 (= H. deBoor / R. Newald [Hgg.]: Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zur Gegenwart. Bd. 4.2). München 1973, 342f.; zum gesamten Dramenschaffen Sachsens vgl. auch H. Walz: Deutsche Literatur der Reformationszeit. Darmstadt 1988, 189f. 53 KG 13, S. 400. 54 KG 13, S. 256ff. 55 KG 13, S. 400ff. 56 Siehe dazu insgesamt Epping-Jäger 1996. 57 Vgl. KG 13, S. 406ff.
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formatorischen Spätmittelalters erweisen). – Diese beiden ersten Inszenierungsformen der Schrift dienen natürlich in hohem Maße der Einbettung reformatorischen Gedankengutes: Die Passionsdichtung ist eine getreue Umsetzung des Bibeltextes, und auch der Prolog des Jüngsten Gerichtes ist auf das Wort Gottes und den Glauben fokussiert, auf scriptura und fides; im 6. Akt wird neben der sündhaften weltlichen Obrigkeit in scharfer Polemik v.a. die Papstkirche samt Mönchswesen, Ablasskrämerei und Werkgerechtigkeit angegriffen. Als problematisch erscheint vor diesem Hintergrund die Aussage Dorothea Kleins, Sachs habe die „Brücken zum geistlichen Spiel des hohen und späteren Mittelalters abgebrochen“58; die Passion oder das Jüngste Gericht stehen immerhin in stofflicher Kontinuität zur mittelalterlichen geistlichen Dramendichtung. Klein hat aber völlig recht, wenn sie konstatiert, Sachsens Passio unterscheide sich von allen mittelalterlichen Passionsspielen durch ihre Dramaturgie: Anstelle der Simultanbühne des Mittelalters begegnet bei Sachs erstmals die Anwendung neuer (an antiker Dramatik orientierter) Terminologie und Gattungstechnik „auch in seinen ‘geistlichen Spielen’ – Prolog und Argument, Botenbericht und Monolog als Möglichkeit von Standortbestimmung, die Abteilung des dramatischen Gesamtgeschehens auf dargestellte und szenisch ausgesparte Handlungsteile, das Nacheinander von Schauplätzen, Aktgrenzen, die zur Zeitraffung genutzt werden können –, das alles sind die dramaturgischen Mittel, mit denen die Humanisten bei ihren theatralischen Versuchen operierten“.59 Neben seinen Tragödien, die einen großen Stoffzusammenhang biblischer Überlieferung dramatisch umsetzen, widmet Sachs sich in sogenannten Komödien kleineren Episoden (z.B. Die Auffopferung Isaacs), prophetischen Büchern des Alten Testaments oder Gleichnissen des Neuen. Die Dramatisierung des Buches Jona (1551) ist einerseits wiederum sehr genau die bildliche Darbietung der Schrift, ihre Inszenierung wird andererseits aber auch zum Anlass genommen, die Gnadenfähigkeit des reumütigen Sünders vor Gott (am Beispiel des Volkes von Ninive) zu demonstrieren. Vor allem der Epilog hebt diesen Bezug heraus: Jona sei das der göttlichen Strafe vorausgeschickte Wort Gottes, dem der Sünder glaubend zu gehorchen hat, wolle er der Strafe entgehen („Zu buß durchs evangelion, / Von sünden wider auff zu sthon“). Die Erlösungstat Christi wird als zentraler Glaubensinhalt am Schluss des Epilogs herausgehoben: solus Christus.60 58 Klein 1988, 113 59 Klein 1988, 116. 60 KG 11, S. 95. – Ganz ähnlich kann das Theodizee-Spiel vom Waldtbruder vom heimlichen gericht Gottes als didaxenhafte Reflexion über Gottes Gerechtigkeit, das durch den Glauben neu eingesetzte Verhältnis zwischen Gott und Mensch gelten; vgl. Tietz 2004, 105f.
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Stärker abgelöst vom biblischen Text, gleichsam nur noch das Gerüst der Fabel adaptierend, erscheint das „biblische“ Drama bei Sachs etwa in der Comedia Der verlorn sohn (16.IV.1556) – ein Stoff, der schon vom ersten von Luther deutlich geprägten biblischen Fastnachtsspiel, der Parabell vam verlorn Szohn von Burkhard Waldis (Riga 1527) gestaltet worden war. Sachs bearbeitet allerdings eher den Acolastus von Gnaphaeus (1529), die Anreicherungen des Stoffes mit typischen Figuren der römischen Komödie stammen von diesem. Die Handlung um die Titelfigur wird ‘vernürnbergert’, ganz eingefügt in bürgerlich-städtische Kultur des 16. Jahrhunderts, die Personnage ist erweitert um den Parasiten Wolff, der den jüngeren Sohn zur Auszahlung des Erbes und zum Lasterleben verführt, und um die schöne Dirne Dulceda, die den Sohn schnell um sein Geld bringt. Die weltliche Handlung wird in Pro- und Epilog als Parabel ausgedeutet, eine gleichsam emblematische Struktur von pictura und subscriptio. Jedes Detail der pictura wird ausgelegt im Sinne protestantischer Lehre; die Deutung etwa des älteren, treuen Sohnes entspricht derjenigen bei Waldis: „Der eltest son bedeuten thut / Menschlich vernunfft auß fleysch und blut / Der werkheyligen, stoltzen hauffen / Die mit verdienst wöllen abkauffen / Gott sein hymel, nur auff werk trachten, / Den büssenden sünder verachten, / Den Christus gnedig hat erlöst / Durch sein todt, in aufferweckt und tröst.“61 Der Vater ist der gnädige Gott, der den reuigen Sünder gern wieder empfängt: „Wann Gott will nicht des sünders todt, / Sonder sich beker und lob Gott / Durch Jhesum Christum sein son, / Der gnug hat für sein sünd gethon.“62 Luthersche Gnaden- und Rechtfertigungslehre aus dem Glauben und aus Christus wird also deutlich gegen die Werkgerechtigkeit der Altkirche gesetzt. Das Gleichnis dient in seiner dramatisierten Form sowohl der Popularisierung reformatorischer Lehre als auch der Didaxe bürgerlich-christlicher Ethik. Vollends aus dem Bereich biblischer Stoffe ragt die Comedia Julianus, der Kayser, im badt heraus (1556). Der Stoff aus den Gesta Romanorum wird in protestantisches Denken eingefügt: Selbstüberhebung des Individuums, Hoffart, superbia, werden durch einen göttlichen Boten bestraft, allerdings zur Belehrung auch des Titelhelden, der nach Verzeiflung, Not und sozialer Isolation zur Reue findet und zum idealen Herrscher wird. Die Parabel dient so zur Exemplifikation einer Herrschaftsethik aus dem Glau61 KG 13, S. 240. 62 KG 13, S. 240; die Allegorese betrifft tatsächlich jedes Detail des Gleichnisses – die zitierte Passage wird fortgesetzt: „Das ist das kleidt, der unschuld tuch, / Und legt dem sünder an die Schuch / Des evangeli, das er handel / Forthin in eim christlichen wandel, / Gibt im auch wider an sein handt, / Das fingerlein, des geystes pfandt, / Und speist in mit dem sacramendt. / Das kelblein Christus ist genendt, / Nimbt in wider auff zu eim son, / Des sich denn hoch erfrewen thon / All engel, wie denn sagt Christus: / Wo auff erdt würckt ein sünder buß, / Mer den ob hunderten geschicht, / Welche der buß bedürffen nicht.“
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ben, die allerdings insofern verallgemeinert werden kann, als alles irdische Gut und Glück lediglich als Leihgabe durch die Gnade Gottes interpretiert wird. Dass eine solche Protestantisierung bei Sachs selbst vor antikmythologischen Stoffen nicht Halt macht, könnte ein Blick auf die Clitimestra- [sic!] bzw. die Odysseus-Dramatisierung deutlich machen.63 – In den Kontext solcher weltlichen Stoffe gehört auch sein Hecastus. 1.5.3 Öffentlichkeit und bürgerliches Theater in Nürnberg Seit 1313 freie Reichsstadt, war Nürnberg zu Beginn des 16. Jahrhunderts die mächtigste Handelsstadt im Reich. Sie war günstig gelegen an zwei wichtigen Handelsstraßen; die weitreichenden Handelsbeziehungen, zur Hanse, ins Rhein- und ins Donaugebiet sowie nach Italien, verschafften der Stadt ihren Reichtum. Der konservative, patrizisch besetzte Rat wachte streng über Wareneinfuhr und Qualität und schützte zudem die Händler vor Raubrittern. Die Reformation erschien ihm als willkommene Möglichkeit, sich aus der Abhängigkeit vom Bamberger Bischof zu befreien; aus ökonomischen Gründen sah man sich aber immer wieder zu geschicktem Taktieren gegenüber dem Kaiser gezwungen – was zuweilen zu Predigtverboten und Zensurmaßnahmen (auch gegen Hans Sachs) führte. Mitte des 16. Jahrhunderts gab es in Nürnberg ca. 1.000 Lateinschüler und 4.000 ‘deutsche’ Schüler (bei 30-40.000 Einwohnern)64, doch wurde selbst durch die konsequenteste reformierte Schulpolitik der Analphabetismus nicht beseitigt. Engelsing spricht von einem zwar nicht gewaltigen, doch feststellbaren Teil der Bevölkerung vor allem der Mittel- und Unter63 Sachs besaß eine umfangreiche Bibliothek, die zu etwa einem Fünftel aus griechischen und römischen Autoren bestand (darunter Homer, Herodot, Xenophon, Livius, Vergil, Ovid und Plutarch); die meisten davon kannte er allerdings aus Übersetzungen, so etwa die plautinischen Menaechmi in der Übersetzung Albrecht von Eybs (Sachs: Ein comedi Plauti / heyst Monechmo, 1548) und Homer nach der Übersetzung von Simon Schaidenreisser (1537), aus der er einzelne Episoden in Spruchdichtungen und Komödien aufgriff, z.B. die Geschichte von Odysseus und Penelope, die, dem Epilog zufolge, eheliche Liebe und Treue (Penelope) lehrt sowie Gottergebenheit in aller Lebensgefahr (Odysseus), Ehrfurcht vor den Eltern (Telemach), Liebe gegenüber der Obrigkeit (Hirten) sowie die Gewissheit göttlicher und irdischer Strafe (Buhler). 64 Die Angaben zur Schul- und Alphabetisierungsstatistik und die Details zur Schul(abbrecher)-Wirklichkeit in Nürnberg versammelt etwa R. Endres: „Sozial- und Bildungsstrukturen fränkischer Reichsstädte im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit“. In: H. Brunner (Hg.): Literatur in der Stadt. Bedingungen und Beispiele städtischer Literatur des 15. bis 17. Jahrhunderts. Göppingen 1982, 37-72, hier 59; vgl. auch ders.: „Das Schulwesen in Franken im ausgehenden Mittelalter“. In: B. Moeller/H. Patze/K. Stackmann (Hgg.): Studien zum städtischen Bildungswesen des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit. Bericht über Kolloquien der Kommission zur Erforschung der Kultur des Spätmittelalters 1978 bis 1981 (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Phil.-hist. Klasse, 3. Folge 137). Göttingen 1983, 173-214.
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schicht, der nicht alphabetisiert war.65 Alphabetisierung führt ohnehin nicht automatisch zu einer „autonomen Form der literalen Rezeption“, also dazu, über den bloßen Entzifferungsprozess hinausgehende, selbstständige Sinndeutungs- und Auslegungskompetenz erworben zu haben.66 Allerdings war die literale Erziehung, die Einübung in Lesen und Schriftgebrauch, nicht das einzige, ja nicht einmal das oberste Ziel des Unterrichts an den Lateinschulen; die Einübung in liturgische Unterstützung des Gottesdienstes o.Ä. stand teilweise höher im Kurs. Daher häuften sich Beschwerden der Kaufleute über die vermeintlich unsinnige Latinität; Kinder aus Kaufmanns- und Handwerkerfamilien brachen sogar häufiger den Schulbesuch ab. So scheint die Einrichtung der Lateinschulen der Ausbildung einer volkssprachlichen Literalität nicht förderlich gewesen zu sein, und dies gilt auch für die deutschen Schulen, denn bei ihnen stand die Alphabetisierung ganz im Zeichen der Handhabung kaufmännischhandwerklicher Gebrauchstexte. Auf literarisches Lesen zielte sie nicht. Vor diesem Hintergrund wird verständlich, welche Bedeutung dem bürgerlichen Theater der Stadt zukam; „die mündlichen Aufführungen der Dramentexte [übernahmen] eine Multiplikatorenfunktion, weil durch sie auch die noch nicht hinreichend literalisierten Teile eines literal orientierten Publikums erreicht werden konnten.“67 Die Zielgruppe von Sachsens Texten kann also als hypoliterales (wenn nicht gar analphabetisches) Publikum bezeichnet werden68 – „gemeines Volk“69, für das die hohen Bücherpreise „nahezu unüberwindliche Hindernisse auf dem Weg zu religiöser und weltlicher Bildung“70 darstellten. Vor aller konfessionellen Instrumentalisierung hatten seine Theateraufführungen – sie fanden in der Marthakirche oder im Refektorium des Predigerklosters statt – eine bildungspolitische Funktion: „Sie machten ein 65 Vgl. R. Engelsing: Analphabetentum und Lektüre. Zur Sozialgeschichte des Lesens in Deutschland zwischen feudaler und industrieller Gesellschaft. Stuttgart 1973, 33f. 66 Epping-Jäger 1996, 426. 67 Epping-Jäger 1996, 430f. 68 Der Begriff, den Epping-Jäger hier einführt, stammt von Helmut Glück: Schrift und Schriftlichkeit. Eine sprach- und kulturwissenschaftliche Studie. Stuttgart 1987; bezeichnet wird durch ihn jene kulturelle Übergangsstufe, in der sich literale Kommunikations- und Verhaltensweisen verbreiten und alte Kommunikationsformen in neue literale Rahmenbedingungen integriert werden. Vorreformatorisch identifiziert Epping-Jäger (1996, 190) im Anschluss an Glück eine „orale Applikationskultur der begrenzten Literalität“, in der das Medium Schrift weithin eingebettet bleibe in die Determinanten einer mündlichen Kultur. In einer hypoliteralen Kultur beginne die Schrift, „ihre inhärenten Struktureigenschaften auf Kosten der Dominanz der Mündlichkeit zu emanzipieren“ (ebd. 193), d.h. etwa die Verlagerung literaler Kompetenzen auf die Seite der bisher nur rezeptiven Laienkultur. 69 Klein 1988, 99. 70 Klein 1988, 100f.; vgl. auch W. Krieg: Materialien zu einer Entwicklungsgeschichte der Bücherpreise und des Autorenhonorars vom 15. bis zum 20. Jahrhundert nebst einem Anhange kleiner Notizen zur Auflagengeschichte der Bücher im 15. und 16. Jahrhundert. Wien u.a. 1953, 20f.
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weitgehend literaturunkundiges Publikum mit den literarischen Bildungsgütern der Zeit vertraut, die für Adel und gehobenes Bürgertum längst Selbstverständlichkeit geworden waren.“71 Dies hatte Konsequenzen für die ästhetische Gestalt seiner Texte; denn wie den frühneuzeitlichen Dramenautoren überhaupt ging es auch Sachs mitnichten um „eigenständige schöpferische Durchdringung und Neugestaltung des vorgefundenen Materials, (…) sondern um seine Wiedergabe in neuer Form“, die auf stärkere Publikumswirksamkeit abzielte.72 Sachs greift, wie schon angedeutet, die humanistische Innovation der dramatischen Darstellungstechnik gerne auf; anders als den Humanisten geht es ihm allerdings nicht um „Einübung in Rhetorik und Verbesserung der Sprechfähigkeit“, sondern um „die Aufgabe der Erziehung in Glaubensfragen und in gesellschaftlichem Verhalten“ und um „Vermittlung von Literatur als Bildungsgut“.73 In der Kampfphase der Reformation waren Prosadialog und Flugschrift-Text die adäquaten literarischen Äußerungsformen Sachsens gewesen; in den vierziger Jahren jedoch wurde aufgrund der besonderen reichspolitischen Bedeutung Nürnbergs zu eindeutig pro-reformatorische Literatur zensiert.74 Unter den Bedingungen des nürnbergischen Kampfes um reformatorische Errungenschaften und gegen die Durchsetzung des Interims 1551 „ist ein sprunghaftes Ansteigen der Sachsschen Dramenproduktion zu verzeichnen. In den Jahren zwischen 1550 und 1560 entsteht die überwiegende Mehrzahl der ‘tragedis’ und ‘comedis’, die insbesondere biblische und antike Stoffe aufgreifen“75 – allerdings nicht ohne protestantische Moral und Gnadenlehre zu implementieren. Damit kommt Sachsens Texten – über ihre Bildungsfunktion hinausgehend – eine konfessionell-sozial solidarisierende Funktion zu; das Schauspiel wird zum „Medium der Gemeindestiftung und -bestätigung“.76 Hinzu kommt verstärkt die „unmittelbare Moralisierung, die sich auf die Veränderung individuellen Fehlverhaltens konzentriert“.77 Nach jener ersten Phase der erfolgreichen Propaganda für die Reformation ist die wei71 72 73 74
Klein 1988, 102. Klein 1988, 102f. Klein 1988, 117. Vgl. Müller 1985, 72; vgl. auch W. Theiß: „Der Bürger und die Politik. Zu den zeitkritischen Dichtungen von Hans Sachs“. In: H. Brunner / G. Hirschmann / F. Schnelbögl (Hgg.): Hans Sachs und Nürnberg. Bedingungen und Probleme reichsstädtischer Literatur. Hans Sachs zum 400. Todestag am 19. Jan. 1976. Nürnberg 1976, 76-104, hier 77ff. 75 Müller 1985, 72. 76 Müller 1985, 73. 77 Müller 1985, 73. Müller nimmt allerdings an, dass nach Luthers Tod die aufbrechenden Differenzen im protestantischen Lager Sachs eine Parteinahme unmöglich machten und zu einer Propagierung nicht mehr protestantischer Glaubenslehre, sondern lediglich stadtbürgerlicher Moralität kommen ließen (vgl. ebd.).
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tergehende Popularisierung reformatorischer Ethik ebenso notwendig wie die stete Erinnerung an die evangelische Lehre.78 Insgesamt können die Dramen von Hans Sachs in der neu entstandenen volkssprachlichen Öffentlichkeit, bei der, im mittleren 16. Jahrhundert, noch keinesfalls von einer ausgebildeten laikalen Lese- und Textdeutungskompetenz ausgegangen werden darf, als Orientierungshilfe verstanden werden – als Orientierungshilfe, deren man desto dringender bedurfte, je mehr die Bedeutung literaler Wissensbestände zunahm, und zu diesen gehörte nicht zuletzt Luthers Glaubenslehre; immerhin war von hier aus eine Deutungsperspektive historischer oder mythologischer Stoffe gegeben. Das volkssprachliche Drama bei Sachs erscheint so als ideale Gattung der Hypoliteralität: Schriftlich fixiertes Wissen – ob nun über die Antike, über Literatur oder über die Bibel – wird in einer gestisch-oralen Inszenierung vermittelt und denjenigen zugänglich gemacht, die alleine nicht lesen würden oder können, und diese Vermittlung des Wissens wird zugleich immer auch mit seiner Auslegung verbunden. Gerade dieser letzteren Anforderung kommen dramatische Texte besonders entgegen: Prolog, Epilog und gelegentliche Binnenmoral haben hier ihre Funktion.
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Der Hecastus des Macropedius steht in der geistigen Tradition der reformkatholischen Bewegung der devotio moderna (s. S. 12). Dies bedeutet v.a. zweierlei: Der Reformkatholizismus fordert strikten Biblizismus, also die „Gewohnheit regelmäßiger und fortlaufender Schriftlektüre und Schriftauslegung“.79 Diese Schriftauslegung wird allerdings nicht dem Einzelnen freigegeben, sondern grundsätzlich an Glauben und Schriftwissen gebunden: „Dann ist dein Gewissen gut und dein Denken richtig, wenn du alles gemäß der heiligen Schrift tust, und die letztere so verstehst, wie die Heiligen sie ausgelegt haben und nicht auf deinen eignen Kopf vertraust.“80 Zudem verweist der Vorrang individueller Frömmigkeit vor den „sakramentalen Institutionen“81 den Einzelnen unmittelbar an Christus. Durch diese beiden Prinzipien – den Vorrang der Heiligen Schrift und die Rechtfertigung eher aus dem Glauben an Jesus Christus denn aus guten Werken – steht der Reformkatholizismus der lutherischen Reformation recht 78 Vgl. Otten, Franz: „mit hilff gottes zw tichten ... got zw lob vnd zw auspreittung seines heilsamen wort“. Untersuchungen zur Reformationsdichtung des Hans Sachs. Göppingen 1993, S. 203. 79 Mestwerdt 1917, 117. 80 Mestwerdt 1917, 118 81 Mestwerdt 1917, 91
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nahe82, und dies spiegelt sich auch in den Hecastus-Dramen von Macropedius und Sachs wider. Rekapitulieren wir deshalb einmal knapp die Gestaltung der Fabel bei Macropedius. Der knapp dreißigjährige Hecastus, ein verschwenderischer Lebemann, wird plötzlich von einer tödlichen Krankheit befallen und vor den Richterstuhl Gottes gerufen, um dort genaue Rechenschaft abzulegen. Schnell zeigt sich, dass Hecastus in dieser Lage weder von seinen „Freunden“ noch von seinen Verwandten Beistand erwarten kann; auch Plutus, der personifizierte Reichtum, kann ihm in diesem Falle nicht helfen. Die einzigen, auf die er zählen kann, sind Virtus und Fides. Diese zwei zeigen ihm, was zu tun ist. Als der Tod erscheint, ihn zu holen, ringt Hecastus ihm eine Stunde Aufschub ab. Dies genügt dem Priester Hieronymus, um in Hecastus den rechten Glauben wiederauferstehen zu lassen und so seine Seele dem Satan zu entreißen. Mors und Satan können nur noch den körperlichen Tod durchsetzen, über die Seele haben sie keine Gewalt mehr. So endet denn das Stück nicht mit einer Trauerszene (die wird von Hieronymus im Keim erstickt), sondern mit einem würdig-heiteren Leichenschmaus. Der wesentliche Glaubenssatz, der durch das Stück vermittelt wird, wird von Hieronymus (v. 1379-1384) erläutert und von Fides im Disput mit dem Satan begründet: Für den Sündenerlass und damit für Seelenheil und ewiges Leben ist der Glaube an Jesus Christus notwendige und zugleich hinreichende Voraussetzung. Auch wenn also, wie Hieronymus es später formuliert, eigentlich Gottesfurcht und gute Werke für Aufnahme bei Gott sorgen (vgl. 1783ff.), gilt doch hier: Credit, ergo in aevum cum Deo victurus est (1564f.), denn der Glaube i s t ein gutes Werk (1519 opus bonum), und zwar eines, das schwerer wiegt als alle begangenen Sünden. Macropedius stellt das Konzept der Werkgerechtigkeit also nicht grundsätzlich in Frage, sucht es aber mit dem der Glaubensgerechtigkeit in Einklang zu bringen. Dies scheint schon bald scharfe Reaktionen von katholischer Seite hervorgerufen zu haben; Macropedius referiert sie in der Vorrede der überarbeiteten Version des Hecastus von 1552. Das Stück verleite, so die Kritik, zur Sorglosigkeit (securitas) in Bezug auf das eigene Seelenheil – denn es vertrete die Auffassung, wonach man allein durch den Glauben (sola fide), also durchaus auch o h n e gute Werke, das Seelenheil erlangen könne. Mit einem Wort: Das Stück propagiere protestantische Irrlehre. Wer sich das geistige und politische Klima jener Jahre vergegenwärtigt, erkennt, in welch heikle Lage sich Macropedius mit seinem Hecastus hineinmanövriert hatte. 1534 war der Jesuitenorden gegründet und sechs 82 Vgl. dazu insgesamt auch Mestwerdt 1917, 148f.
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Jahre später von Paul III. bestätigt worden. Mit der päpstlichen Bulle Licet ab initio vom 21.7.1542 wurde das römische Inquisitionsgericht geschaffen, das vor allen Dingen der Verfolgung ketzerischer Irrlehren diente, und das ab 1545 tagende Konzil von Trient zog in strenger Dogmatik eine scharfe Trennlinie zwischen katholischer Rechtgläubigkeit und evangelischer Häresie. Mochte bisher gleichsam zwischen den Fronten noch Platz gewesen sein für eine reformkatholische Brüderschaft wie die der „Brüder vom gemeinen Leben“, so verschärfte sich das Klima nun merklich. Angesichts dessen konnte Macropedius über die Rezeption seines Stückes nicht immer glücklich sein. Denn sein Stück wurde nicht bloß kritisiert, sondern erhielt auch viel Beifall – doch eben oft von der ‘falschen’ Seite. Der Hecastus war ausgesprochen erfolgreich. Er wurde in den Folgejahren immer wieder aufgeführt, in ganz Mitteleuropa bis hinauf nach Königsberg. Außerdem entstehen zahlreiche Übersetzungen bzw. Bearbeitungen, darunter eben die, die 1549 von Hans Sachs vorgelegt wurde. Bemerkenswert ist dabei, dass Sachs sich ausgesprochen eng an Macropedius orientiert, ja diese Orientierung sogar im Titel erkennbar werden lässt: Ein comedi von dem reichen sterbenden menschen, der Hecastus genannt. Die Unterschiede zwischen Macropedius und Sachs sind im Wesentlichen struktureller Art. Bei Macropedius sind im Stück insgesamt 25 Rollen zu besetzen, wozu noch die 6 Mitglieder des (Kinder-)Chores kommen; Sachs reduziert diese Zahl auf 19. An zahlreichen Stellen des Stückes nimmt er (z.T. stärkere) Kürzungen vor, um die Handlung zu straffen; die gelehrten altgriechischen und hebräischen Einstreuungen (z.B. Macr. Hec. 243, 615, 620f.) werden dabei vollständig gestrichen, ebenso manch burleskes oder humoristisches Element (z.B. Macr. Hec. 927-930, 1257-1260). Für die Chorgesänge hatte Sachs, womöglich weniger aus ästhetischen Überlegungen als vielmehr aufgrund anderer Aufführungsbedingungen in der Marthakirche bzw. wegen der Konventionen der Meistersingerdramatik allgemein, keine Verwendung; sie fallen ersatzlos weg. Außerdem verzichtet Sachs auf Sprecherwechsel im Vers und die meisten Frage-Antwort-Partien (Ausnahme: Macr. Hec. 592-600; vgl. Sachs 394-406) und nimmt so viel Tempo aus dem Stück. Insgesamt wirkt sein Stück wesentlich biederer und statischer. Vergleichbar starke t h e o l o g i s c h e Differenzen zu Macropedius wird man bei Sachs hingegen vergeblich suchen; allenfalls wird man sagen können, dass er die reformatorische Tendenz des Stückes stärker betont, so dass beispielsweise auch der von Macropedius unternommene, eher beiläufige Versuch, Werkgerechtigkeit und Glaubensgerechtigkeit miteinander in Einklang zu bringen (s. S. 26), den Kürzungen zum Opfer fällt. Zu einer grundlegenden theologischen Umarbeitung sah Sachs aber offenbar keine Veranlassung – für ihn war das Stück bereits ausgesprochen
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protestantisch, wie auch sein fabula docet zeigt: Der Glaube wird durch das zu Gehör gebrachte Evangelium bewirkt, und dieser Glaube ist allein seligmachend: O christen-mensch, diese barabel / Laß dir im hertzen sein kein fabel (…) / Vor dem strengen Gottes gericht, / (…) dich niemand schützt noch verspricht, / Es sey denn, das du hast gehort / Das heilig thewer Gottes wort, / Das ware evangelium, / Welches den glauben in Christum / In dir krefftig gewürcket hat! (1263-1275)
Macropedius hat sich als Katholik begriffen, und es lag gewiss nicht in seiner Absicht, protestantische Lehre zu propagieren – doch die begeisterte Aufnahme des Stückes gerade von protestantischer Seite dürfte ihn zu der Auffassung gebracht haben, dass es mit der Tendenz des Stückes wohl doch so eine Sache sei. Er sah sich daher schließlich gezwungen, das Stück zu überarbeiten und in der neuen Fassung (1552) mehrfach explizit auf die Frage nach der Glaubensgerechtigkeit einzugehen. In einem umfangreichen Vorwort geht er auf die zwei zentralen Vorwürfe ein, mit denen er sich konfrontiert sieht. In der Frage sola fide? habe er nicht von der katholischen Lehre abweichen wollen; es seien schlichtweg dramaturgische Gründe gewesen, die zu dieser starken Betonung des Glaubens geführt hätten. (Macropedius beruft sich nicht auf Aristoteles und die dramatischen Einheiten, doch scheint er diese im Auge zu haben: Hätte er Hecastus nach seiner Bekehrung durch Hieronymus nun noch zahlreiche gute Werke vollbringen lassen wollen, so hätte die Einheit der Zeit schwerlich gewahrt bleiben können.) Aus diesem Grunde verstehe man das Stück auch falsch, wenn man daraus den Schluss ziehe, man könne sich seines Seelenheiles unbedingt sicher sein; man müsse vielmehr immer darum besorgt sein. Dieses Zugeständnis wird allerdings sogleich wieder relativiert, indem unter Berufung auf zahlreiche Stellen der Schrift dargelegt wird, warum certitudo denn doch angemessen sei. Macropedius belässt es nicht bei dieser vorangestellten Apologie. Um auch bei einer Aufführung des Stückes die ‘richtige’ Interpretation zu gewährleisten, nimmt er auch am Text des Dramas selbst Änderungen vor; der Streichung von lediglich vier Versen (14, 16-18) steht die Ergänzung von 208 Versen gegenüber. Mehrere dieser Ergänzungen streichen die Bedeutung der guten Werke heraus83; die wichtigste davon ist eine umfangreiche Einschaltung noch im Prolog, durch die dem Publikum die ‘richtige’ Interpretation mitgegeben wird: Videbitis, nihilominus, quemadmodum, | Cum paenitentiae operibus seu fructibus | Essent negata nece imminente tempora, | Post criminum confessionem praeviam, | Post lacrimas cordisque paenitudinem | […] Per unicam in Christum fidem Deo patri | Gravissime offenso 83 Deshalb können wir Giebels und Slits nicht zustimmen, wenn sie (2005, 263) schreiben: „Afgezien van de voorrede en de herhaling van de inhoud daarvan in de proloog (…) is er in de toevoegingen aan de eerste editie niets te vinden dat van theologische importantie is.“
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rediit in gratiam […]| Sciat tamen spectator omnis candidus, | Multo quod aliter hunc vel alium quemlibet | Sano et vigenti corpore in proscaenium | Produceret, flagitia post enormia | Manifesta seu latentia, auctor fabulae | Quam morte praeventum hunc virum subitaria, | Quod ad absolutam paenitentiam sciat | Plura requiri quam fidem ipsam catholicam: | […] Haec me volebat proloqui Macropedius, | Ne qui favere eum putent erroribus, | Ecclesiae quod ab unitate catholicae | Et ab orthodoxis discrepare anathema sit. (91-960) Nichtsdestoweniger werdet ihr sehen, wie er, da ihm nun einmal angesichts seines unmittelbar bevorstehenden Todes für Werke (bzw. Früchte) der Reue keine Zeit mehr blieb, nach einem vorhergehenden Sündenbekenntnis (…) einzig und allein durch den Glauben an Christus und obwohl er sich an Gott, dem Vater, aufs Schwerste vergangen hatte, zu Gottes Liebe zurückfand. (…) Doch wisse jeder redliche Betrachter, dass der Autor des Stückes diesen oder jeden beliebigen anderen Mann, wenn er nur körperlich gesund und wohlauf wäre, nach solch ungeheuerlichen Sünden (ob nun offener oder verdeckter Art) in ganz anderer Weise auf die Bühne gebracht hätte als diesen hier, der ganz plötzlich vom Tode ereilt wurde – weiß er doch, dass zu einer vollständigen Reue mehr gehört als der bloße katholische Glaube: (…) Das sollte ich vorausschicken, so wollte es Macropedius, damit nicht jemand glaubt, er hege Sympathie für Irrlehren; denn von der Einheit der katholischen Kirche und dem rechten Glauben abzuweichen, soll mit Exkommunikation bestraft werden.
Unter den gegebenen Umständen ist einfach k e i n e Z e i t mehr für gute Werke – dieser Punkt wird immer wieder betont. Wenn etwa der Knecht Panocnus, ein rechter Faulpelz, geschickt wird, den Priester Hieronymus zu holen, so macht ihm die ratio temporis (1164) auf einmal richtig Beine, und aus demselben Grund wird Philomathes, der auf Hieronymus wartet, allmählich ungeduldig (1587f.). Die Zeit spielt in diesem Stück eine entscheidende Rolle – ist es da ein Zufall, dass den Erstdruck eine allegorische Darstellung der Zeit ziert? 84 Auch dem Lesepublikum des Stückes wird so unmissverständlich deutlich gemacht: Dein Stundglas rinnt aus – nutze die Zeit. Tu gute Werke, und zwar jetzt, denn schon im nächsten Moment kann alles vorbei sein. Für Hecastus jedoch kommt diese Botschaft zu spät: Er hat keine Zeit mehr für gute Werke. In einer solchen Notlage muss auch einmal der Glaube genügen. Ist damit aber wirklich eine klare (und zwar: verneinende) Antwort auf die Frage sola fide? gegeben? Hecastus hat keine Zeit mehr für gute Werke und erlangt deswegen gleichsam eine Ausnahmegenehmigung – wieso sollte man da annehmen, dass nicht auch andere eine solche erlangen können? Wie es scheint, hat Macropedius die theologische Ambivalenz seines Stückes durch die Erläuterungen und Zusätze allenfalls verringern, nicht jedoch aufheben können. 84 Zwar verwendete Michael Hillenius das Tempus-Motiv in seinen Druckerzeichen noch häufiger, doch sind daneben auch einige andere bekannt, z.B. ÔÝëïò êár å§ äüîá oder Laus deo et gloria (vgl. Rouzet 1975, 95).
2. Edition 2.1 Editorisches Vorwort 2.1.1 Macropedius Die einzige moderne Edition des Textes (Bolte 1927, 63-150) ist für ein kritisches Studium des Textes unbrauchbar. Bolte erweckt den Eindruck, er gebe den Text nach dem Erstdruck von 1539, übernimmt aber mehrfach Lesarten der Fassung von 1552, freilich ohne dies auch irgendwo zu vermerken. Einen textkritischen Apparat bietet er nicht, sondern bloß (in einem Nachtrag) eine sehr unvollständige Auflistung von ihm „korrigierter“ Druckfehler. Bei diesen vermeintlichen Korrekturen handelt es sich jedoch z.T. um unhaltbare Eingriffe in den Text, die gewisse Zweifel an Boltes metrischer (s. etwa zu 429) und altsprachlicher Kompetenz (s. zu 466) wecken. Hinzu kommen zahlreiche Druckfehler, die sich v.a. in der Praefatio von 1552 in erstaunlicher Häufung finden. Unbefriedigend ist auch die Behandlung der erweiterten Neufassung von 1552 (Bolte 1927, 151-160), die ein weiteres Vorwort an den Leser sowie 208 zusätzliche Verse enthält. Bolte entschied sich für eine eigene, fortlaufende Nummerierung dieser Verse, beginnend mit 1 (und mit Ungenauigkeiten). Dies ist aus zwei Gründen misslich: Erstens besteht bei der Angabe von Versnummern die Gefahr der Verwechslung mit Versen der Erstfassung, die dieselbe Nummer tragen, und zweitens kann man an der Nummer eines hinzugesetzten Verses nicht ablesen, an welcher Position im Stück er denn eingefügt wurde. Es läge deshalb nahe, die zusätzlichen Verse der Fassung von 1552 mit Kleinbuchstaben zu bezeichnen (9a, 9b etc.). Dies scheitert allerdings an der Länge einiger Zusätze, so dass wir anstelle von Kleinbuchstaben tiefergestellte Ziffern verwenden: 91-964 etc. Orthographisch hat Bolte den Text weitgehend an klassische Normen angeglichen, wie es in modernen Editionen humanistischer Texte durchaus üblich85 und in diesem Falle auch deshalb berechtigt ist, weil die Orthographie der Drucke z.T. in Widerspruch zu dem steht, was Macropedius in seiner Prosoedia ausführt (s. etwa zu 1064). Allerdings ist Bolte in dieser Angleichung nicht konsequent vorgegangen; so blieben bei ihm un85 Vgl. J. Ijsewijn, Companion to Neo-Latin Studies, Amsterdam etc. 1977, 224f.: „The spelling in humanist texts is an awkward problem (…). Editors do not follow a common policy: some of them prefer a radical uniformisation according to classical standard orthography, and perhaps this is wise. (…) In any case it does not make sense to slavishly reproduce the orthography of old printings because it is often influenced by the number of letters which could be put on one line and the presence or absence of a certain character in the printer’s shop.“
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Edition
verändert stehen z.B. aedeis (26/333 u.ö.), foreis (1606), denunciant (83), preciosius (301) oder quanquam (664). Die Angleichung an die Regeln der klassischen Orthographie führt bei uns u.a. zu folgenden Ersetzungen: • Einzelvokal statt Diphthong und umgekehrt, z.B. femina statt fœmina, felicior statt fœlicior; umgekehrt scaena statt scena • i statt j oder y, z.B. filii statt filij, lacrimis statt lachrymis, considero statt consydero • -ti- statt -ci- und umgekehrt, z.B. nuntiet statt nunciet, otium statt ocium; umgekehrt solacium statt solatium • c und t statt ch und th, f statt ph, z.B. lacrimis statt lachrymis, auctoritatem statt authoritatem, ture statt thure, fas nefasque statt phas nephasque • Einzel- statt Doppelkonsonant, z.B. squal- statt squallAnders als Bolte lassen wir die Orthographie der Drucke überall dort unverändert, wo Eingriffe zu metrischen Komplikationen führen würden. Aus diesem Grunde wird z.B. in 484 dextero nicht zu dextro geändert, in 489 repulerit nicht zu reppulerit und in 1279 Salustium nicht zu Sallustium. – Die Interpunktion ist nach modernen Konventionen gestaltet. Benutzt haben wir das Exemplar der Bibliothèque Royale Bruxelles (Ausgabe Antwerpen 1539) bzw. das der Universitätsbibliothek Göttingen (Ausgabe Utrecht 1552). 2.1.2 Hans Sachs Die bis heute maßgebliche Edition des Hecastus von Hans Sachs ist enthalten in der von Adelbert von Keller und Edmund Goetze besorgten Sachs-Gesamtausgabe (Keller-Goetze [KG]), die zwischen 1870 und 1908 in 26 Bänden in Stuttgart erschien. Auch sie weist bestimmte Schwächen auf, die hier kurz erläutert seien. Geplant war zunächst nur der Nachdruck der noch zu Sachsens Lebzeiten veranstalteten „Nürnberger Folioausgabe“ (Fol.), weshalb Keller (unter weitgehendem Verzicht auf Großschreibungen) einfach den Text aus Fol. übernahm; erst als Edmund Goetze hinzugezogen und nach Kellers Tod 1885 alleiniger Herausgeber wurde, wurden auch die Handschriften (S) zu Rate gezogen, d.h. ab Bd. 13 liegt mit der Ausgabe KG eine kritische Edition vor. Der Hecastus allerdings findet sich in Bd. 6 von 1872, ist also bloßer Neudruck von Fol.; im Apparat werden nur minimale Druckabweichungen angezeigt, die sich erst in Nachdrucken von Fol. finden (und deshalb hier vernachlässigt werden
Editorisches Vorwort
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können). Die Varianten (aus S 6) werden in Form eines Nachtrages e r s t i n B a n d 2 1 aufgeführt – was dem Benutzer in Folge fehlender Hinweise nur allzu leicht verborgen bleibt. Ein kritisches Studium des Textes wird dadurch sehr erschwert. Auch wir legen dem Text die Ausgabe letzter Hand (Fol. II, Nürnberg 1560) zugrunde, allerdings unter Beibehaltung der ursprünglichen Großund Kleinschreibung und mit gelegentlichen Korrekturen nach der Handschrift. Nach modernen Konventionen gestaltet ist die Interpunktion sowie die Schreibung von u/v (im Wortanfang sowie im Falle von darvon, das in F durchweg als daruon erscheint; ähnlich zuuersicht in 658). Benutzt haben wir das Exemplar der Universitätsbibliothek Göttingen. Die Kenntnis der Varianten des Manuskriptes (S 6 liegt in der Sächsischen Landesbibliothek Dresden) beruht hingegen nicht auf Autopsie; sie sind aus Goetzes Apparat (KG, Bd. 21, 413-416) übernommen. 2.1.3 Übersetzung Um den lateinischen Text so frei wie nötig und dabei so wortgetreu wie möglich wiederzugeben, haben wir auf eine Versübersetzung verzichtet. Eine Ausnahme davon machen wir jedoch bei den Chorliedern: Weil diese keine Sprechpassagen darstellen, sondern – möglicherweise zu musikalischer Begleitung – gesungen wurden (der Utrechter Ausgabe sind auch Melodien beigegeben), haben wir in ihrem Falle den Versuch einer auch metrisch entsprechenden Übersetzung gewagt. 2.1.4 Siglen und Abkürzungen der textkritischen Apparate a) Macropedius A U B
der Erstdruck, Antwerpen 1539 die überarbeitete Fassung, Utrecht 1552 Boltes Edition von 1927
ibid. om. p.
= ibidem = omisit = pagina
praef. = praefatio v. = vide
b) Sachs S F K
das Manuskript der Spruchdichtungen die Ausgabe letzter Hand (Fol. II, Nürnberg 1560) die Edition Kellers (KG 6, Stuttgart 1872)
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Macropedius (1539)
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HECASTUS MACROPEDII, FABULA NON MINUS PIA quam iucunda, in qua facinorosus quisque mortalium (dummodo salutis suae rationem habebit) tamquam in speculo quodam contemplari poterit, quemadmodum per Christum post veram suorum criminum paenitudinem ad beatam adeoque laetam mortem perveniat.
EXCUDEBAT ANTVERPIAE Michael Hillenius, in Rapo. Anno. M.D.XXXIX.
5 dummodo salutis suae rationem habebit A subitaria morte praeoccupatus U
Hans Sachs
EIN COMEDI von dem reichen sterbenden men= schen / Der Hecastus genant / hat neunzehen Personen und v. Actus zu Spielen.
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Macropedius (1539) – Personae dramatis, seu fabulae interlocutores
Modestissimo iuxta ac doctissimo viro D. Godofrido Montano Endhoviensi Decano dignissimo Georgius Macropedius s. d.
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Quandoquidem tibi, vir ornatissime, iam dudum nostra placere ludicra, domino et fratre nostro Arnoldo communi amico referente, cognovi, etiam tibi serium quiddam lucubrationum nostrarum dicare statui. Ad quod me pariter non modo proborum parentum tuorum amica familiaritas et in nostros collata beneficia, verum etiam tua fratrumque tuorum, cum sub nostris in re litteraria militaretis castris, proba indoles et honesta conversatio plurimum exstimulavit. Accipe igitur hanc Hecastum fabulam nostram pietate honestam, anni praecedentis aestate non sine magno spectantium plausu a nostris tirunculis actam et iam tandem hortantibus amicis editam. Et si quidem eam probaveris, id quod futurum spero, candidis communica, et a Zoilorum dentibus, modo citra contentionem fieri possit, subinde vindica: sin autem ©ò ô’í dðr öáê† ì™ïí improbaveris aut tuo nomine indignam iudicaveris, sic temeritatis me argue, ut nihilo minus amicum erga te animum tametsi in vili munusculo modestus agnoscas. Vale, vir gravissime, et me tui amantissimum iudica! Ex Traiecto pridie Calendas Aprilis, Anno a Christo nato 1539. PERSONAE DRAMATIS, SEU FABULAE INTERLOCUTORES
Hecastus, maritus Epicuria, uxor Philocrates, filius Philomathes, filius Philoponus, servus Panocnus, servus Oeconomus, libertus Daetrus, coquus Ancillae duae Nomodidascalus, legatus Puer legati
Daemones cum duobus amicis Syngenes cum duobus cognatis Mors, larva taeterrima Satan, diabolus Acolytus, persona muta Hieronymus, pastor Virtus, persona feminea Fides, persona feminea Plutus latens et loquens ex arca Chorus ex tribus pueris et tribus puellis familiae Hecasti
AD CANDIDUM LECTOREM Ne mireris, lector, actorum frequentiam, quod magis auditorum scholae nostrae utilitati quam comico artificio studuimus, ut quod alioqui paucioribus, data opera pluribus conducat.
Hans Sachs
[s. S. 183]
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Macropedius (1539) – Argumentum
ARGUMENTUM
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Convivium sibi atque amiculis suis Opiparum Hecastus apparans pleuritide Percellitur subitoque post gravissima Scelera citatur ad supremum iudicem. Cumque anxius neque amiculos neque proximos Neque liberos fidos sibi comites viae Offenderet, despondet animum. Ad ultimum Virtute fultus et Fide post sacrifici Monita salutis postque paenitentiam Vitaeque restitutus est et gratiae. Dein morte sancta spiritali gaudio Se affecit et suos probosque reddidit. PROLOGUS
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Quotquot theatro nostro adestis, tum viri Tum feminae, novam sacramque fabulam Vobis hilariter offero, cui nihil Inest pudendi sceleris aut lasciviae; at Quemadmodum Unusquilibet vel Hecastus hic, Qui candide vobis modo exhibebitur, Post gloriam, luxum et voluptates suas Subito subinde ab omnibus desertus ad Mortem feratur horridam, videbitis. Videbitis gestus pudicos undique Actusque graviter exhiberi comicos. Non hic amator virginum, non leno, non Scortum impudicum, vel quod offendat pios Oculos, modo spectator adsit candidus. State igitur absque turba et absque turbidis Clamoribus nostrumque Hecastum ab initio ad Mortem videte progredi, talemque se Tandem futurum quisque vestrum cogitet! Valete! Hecastum, cuius hinc libertum agam et Oeconomon, huc prodire mox videbitis. Prologus] post 9 interpositi sunt versus LXIV U (v. p. 186) 10 pudicos A honestos U 13 pios A probos U 14 om. U 15 absque turba et absque turbidis A absque turbidis clamoribus U 16-18 om. U
Hans Sachs – Prolog
DER EHRNHOLD tritt ein, neigt sich und spricht.
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Heyl und genad von Got, dem Herrn, Sey euch allen nahet und ferrn, Ir Erbern Herrn und züchting Frawen Und all, so hie wöllen zu schawen Ein schöne Comedi agirn, Wie mit Wirtschafft und Panckadirn Ein junger reicher stoltzer Mann Sein zeit unnützlich hat verthan In allem wollust hie auff Erdt, Darmit sein Leib und Seel beschwert, Das zukünfftig gar nit betracht, Gottes und seines worts nit acht! Hört, schweigt und merckt und habet rhu! Nembt anfang und mittel darzu, Wie es sich darmit enden thu!
12 worcz S 13 habet SF haldet K
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Macropedius (1539) – Actus primi scaena prima
ACTUS PRIMI SCAENA PRIMA Hecastus solus Iambici trimetri
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Nemo omnium mortalium felicior Me vivit usquam gentium, quod nesciam, Si quidlibet meam ad beatitudinem Queat addier. Formosa coniunx, filii Acres, venustae filiae, ampla familia est. Varia supellex ornat aedeis splendidas, Thesaurus auro, argento et electro tumet, Arcaeque perticaeque veste plurima Ex purpura vel coccino aut holoserico Conferta sunt, laeti greges in pascuis Uberrimis, agri feraces, commodi Reditus, sed et possessiones plurimae Et quicquid ad felicitatem conferat, Iuveni valenti ac sospiti simul affluit. Age igitur, anima, fruere rebus propriis! Ede, bibe, epulare cum bonis sodalibus Et amiculis! Nec terreant te, qui tibi Diem futuri examinis praenuntiant, Qui faucibus crepantibus tibi praedicant, Quod exigenda ratio sit de singulis, Quae possides vel prodigis, quemadmodum Expenderis. Nugas agunt, qui haec blactiunt. Nam quilibet, ut humana ratio iudicat, Rerum suarum dominus, haud oeconomus est. Nunc igitur huc mea evocata uxorcula De vespera cena, deinde vesperi De crastina volupe apparanda iussero. Hinc Daemonen amicum adiero et hunc diem Iocis, fritillo ac poculis sepeliero. Prodi, uxor, aedibus, quod aliqua serio, Priusquam amicum adeam, tibi mandanda sint!
28 perticaeque A particaeque U 42 blactiunt A blacterant U blattiunt B (v. praef. p. 32) 48 Daemonen AU Daemonem B contra metrum
Hans Sachs – 1. Akt
HECASTUS, der reich Mann, gehet ein, setzt sich und spricht.
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Ich glaub, das kein glückhaffter Mann Auff Erd sey, der mir gleichen kan, Wann mir felt nichts an gut noch Leib, Ich hab ein schön und freundlichs Weib, Ein groß Haußgsind und dapffer Söhn, Mein Döchter die sind zart und schön, Die schönsten Heuser in der Statt, Darinn den köstlichsten Haußrat, Groß Schätz von Kleinoten und Gelt, Auff dem Land Dörffer, Vieh und Feldt, Schlösser und Sitz an manchem endt, Von den auffheb ich Zinß und Rendt. Drumb leb, mein liebe Seel, von allem Güttern nach deinem wolgefallen Und für ein frewdenreiches leben! Thu fort in allem wollust schweben Mit gutn Gesellen Nacht und tag! Ker dich nit an der Pfaffen sag, Die sprechen, das wir nach dem leben Des Guts halb müssen rechnung geben! Das ich doch alles halt für Lügen. Des wöll wir schlemmen, weil wir mügen. Ietzt geh ich zu meim Freundt Deman, Das Frümal mit im zeren than. Ghe, Knecht, und heiß mir auß dem Hauß Mein Frawen bald kommen herauß!
vor 16 Actus I fehlt SFK 17 kleichen S 18 nichs S 21 sind] fehlt S 27 von den] darfan S zinst S 28 mein F meine K 32 gueten gsellen S 35 guecz S
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Macropedius (1539) – Actus primi scaena secunda
ACTUS PRIMI SCAENA SECUNDA Epicuria, Hecastus, Panocnus Trimetri ut superiores Mi vir, quid evocas me ad aestum et aëra? Quin intus ea, quae erant iubenda, dixeras? HECASTUS Ut delicata, ut tenera facta es, mea rosa! Quin palla vel calyptra operuit has genas? EPICURIA Etiamne rides? HECASTUS Egone? EPICURIA Tu nae. Iam iocis Et ineptiis missis, anime, dic seria! HECASTUS Cura apparari vesperum convivium Et delicatum et splendidum: sint frixa, sint Elixa, sint assata, sint liquata, sint Quaecumque sint in copia. Nam vesperi Nobis viri primarii cum uxoribus Laetissime excipiendi, honeste ac blanditer Tractandi erunt. EPICURIA Convivium, mi vir, recens? Convivae, Hecaste, denuo? Calent adhuc Verua, calent foci calentque chytropodes; Et denuo, mi Hecaste, convivae et recens Convivium? HECASTUS Si quid calet, iam ferveat. Parentur omnia denuo. EPICURIA Hesterno die Quae cocta, nondum absumpta sunt. Suffecerint Quatuor viris totidemque eorum uxoribus, Ut puto. HECASTUS Putas? Abi, coquantur omnia Recentia. EPICURIA Licet. Qui, putas, esuri sunt? HECASTUS Cognati, amici, contribules. Ceterum, Uxor, tua nil interest praescire, quos Adduxero. Cura apparentur, quae gulae et Ventri satisfaciant! EPICURIA
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61 vesperi A nesperi U
71 quatuor AUB (v. praef. p. 32)
Hans Sachs – 1. Akt
EPICURIA, das Weib, kompt und spricht. Mein Mann, warumb ruffstu mir itz Rauß an Lufft und der Sonnen hitz? Kanstu mirs in dem Hauß nit sagen? DER REICH MANN spricht. 45
Du schöne Ros, was thustu klagen? Deck dein Haupt mit eim schleyer zu! EPICURIA, das Weib, spricht. Laß ab dein spott! sag, was wiltu, Das du mich rauß beruffen hast? HECASTUS, der reich Mann, S.
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Da wil ich ietzund gehn zu Gast Zu demonem, meim guten Freundt. Du aber richt uns zu auff heint Ein köstlich Mal auffs aller best (Wann ich wirdt haben ehrlich Gest), Auff das wir ins erbieten wol! DAS WEIB spricht.
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Mein lieber Haußwirt, sag! und sol Ich ein news wider kochen heint, Weil nechten uberblieben seint Speiß gnugsam heint noch auf zwen tisch? HECASTUS, der reich Mann, S.
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Hörst nit? gehe hin, koch lauter frisch! Wer wil dein uberbleibling essen?
44 Künstw S
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Macropedius (1539) – Actus primi scaena secunda
Licet. Tribusne adhuc Si coxero, satis arbitraris? HECASTUS Ut hoc genus Muliercularum illiberale est et tenax! Novem decemve adduxero, ut te Iuppiter, Mala sciscitatrix, perduat! EPICURIA Ne irascere, at Memineris, ut nobis sacerdotes crebro In contione publica denuntiant, Quod de omnibusque et singulis, quae prodigi hic Absumimus, largimur aut expendimus, Coram supremo iudice in novissimo Die exigenda est ratio. HECASTUS Te iam scilicet Terret dies novissimus. Quos tu mihi Narras dies novissimos? Nugantur ii, Qui isthaec ferunt. Quo ex arculis nostris sibi aes Emulgeant, hi nos subinde territant. An non licet mihi meo pro arbitrio, Quae propria sunt, expendere aut partis frui? In parricidas, in latrones, in canes Verpos, in ethnicos et id genus impios Discussio haec desaeviet. Baptisma nos Christusque nos servabit, aut si quid sit in Nobis mali, post lacrimis piabimus. Neque nos sumus virtutis omnino vacui. Quod namque abundat, erogamus interim Pauperibus, orphanis, peregrinis. Sacras Aedes sacris diebus invisimus, Deo Precem dominicam fundimus, fidem quoque Nulla impiorum dogmatùn aspergine Foedam tenemus integram. Vade, stolida, Et coquito, quae coquenda sunt! Novissimus Quidem dies nunc longe abest, venturus est Post multa tandem saecula. Age fruamur his Praesentibus, dum aetas favet, tempus iuvat Fataque sinunt. I, mea rosa, isthaec expedi! Ego Daemonen accedo amicum proximum, EPICURIA
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102 invisimus AB contra metrum ingredimur U 104 dogmatùn AU dogmatùí B 111 Daemonen AU Daemonem B contra metrum
Hans Sachs – 1. Akt
Wie ist dein kargheit so vermessen? Und das dich auch der ritt muß schütten! DAS WEIB spricht.
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Ey vor dem wöll uns Gott behüten! Zürn nicht, mein Mann! bedenck dich baß, Was der Prediger sagen was, Am Jüngsten tag rechnung zu geben, Was wir allhie in diesem leben Etwan so unnützlich verzern! DER REICH MANN spricht.
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Die Pfaffen thun nur sollichs lern Und trowen uns mit solchen dingen, Darmit sie das Gelt von uns bringen, Als weren wir Mörder und Heiden, Denn solche trawort sind bescheiden. Wir sind gut Christn und Hören predig, Geben Almusen und sind ledig. Darumb förcht dir nichts uberal! Richt uns zu ein köstlich Nachtmal! Ietzund gehe ich dahin zu dem Meim guten freund, du weist wol wem,
68 so] gar S
71 sie fehlt S uns] vns zw S 73 trowort S 78 ge S
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Macropedius (1539) – Actus primi scaena tertia
Cum quo iocis, facetiis et lusibus Tempus teram usque ad vesperam. Vade igitur et, Quia imperare non queo tibi nec volo, Regredere quaeso tempori! HECASTUS Heus! EPICURIA Quid nunc? HECASTUS Volo, Si quispiam me quaeritet, ne facile me Prodatis aut sinatis evocarier, Quod hunc diem genio dicavi liberum. Sequere, Panocne! PANOCNUS Hem. HECASTUS Tu familiae praecipe! EPICURIA Curabitur. – Vir hic admodum fit prodigus, Qui ne quidem blandis logis nec asperis Compescitur. Nisi aliquid ego largissimis Illius usque impendiis detraxero, Cito res domestica tota dilabetur. Heus, Heus, Daetre, ades! – Decem viris vel feminis Coqui volebat; alteram partem cate His sumptibus detraxero. Foculis novis Vetera recocta, modo integra, inserenda sunt. – Heus, Daetre! EPICURIA 115
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ACTUS PRIMI SCAENA TERTIA Daetrus, Epicuria Trimetri Daetrus hic. Quid, hera, factum voles? EPICURIA Cape sportulam atque hos aureos solidos duos! Ex omnibus, quae per macellum veneunt, Quantum satist’ decem viris, eme optima! DAETRUS Papae! Decem iam denuo? EPICURIA Denuo decem. DAETRUS Si addas adhuc solidos duos, vix emero. DAETRUS 130
127 detraxero AB subtraxero U
Hans Sachs – 1. Akt 80
Wil bey im biß zu abend bleiben Und mit kurtzweil den tag vertreiben. Du, sag gar niemand, wo ich bin! DIE FRAW spricht. Ich wil es thun; geh du nur hin!
DER REICH MANN spricht. Panocite, kom und gehe mit mir! PANOCITUS, der Knecht, spricht. 85
Ja, Herr, ich wil nach tretten dir. Der Herr geht mit dem Knecht ab. DIE FRAW schreit. Datre, Datre, kom rauß zu mir!
DATRUS, der Koch, kompt und spricht. Hie bin ich, Fraw! was wollet ir? DIE FRAW spricht.
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Da nem den Korb und darmit lauff Hin unter die Fleischbenck und kauff Umb die zwen schilling auff das best! Der Herr wil aber haben Gest. DER KOCH spricht. Ja wol, zwen Schilling klecken nicht. 84 ge S 86 Detre S vor 87 Detrus S
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Macropedius (1539) – Actus primi scaena quarta EPICURIA
Abi, frutex, non emeris?
Non emero, Ut veneunt iam obsonia. At si me audias, Probe admodum tibi consulam. Quae adhuc super Sunt reliquiae veteres, novis, ut recaleant, Interserantur callide. Parcatur huic Dimidio emendi impendio. EPICURIA Recte mones, Si industrie fieri queat. DAETRUS Tam industrie, Ut et nec ipsa sentias, quae feceris. Sine me meo periculo hanc cudere fabam! EPICURIA Sino. Vide, ne in aliquo honori deroges! Mercare, quod putas fore necessarium! Ego interim curabo cum famulitio, Quod ad voluptatem atque splendorem attinet. DAETRUS Vadam. – Tenacitas mehercle mulieri Sordesque natura insita, haud ullo queunt Respectu honoris vellier. Satius mihi Fuit igitur obsequi atque idem suggerere, quod Certe videbam velle eam sibi suggeri, Quod hinc mihi concilio pacem et gratiam. Prospicio Daemonis fores aperirier. Proripio me, ne forte herus me hic opprimat. DAETRUS
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ACTUS PRIMI SCAENA QUARTA Hecastus, Daemones, Panocnus Tetrametri Hoc est, quod intus dixeram tibi, Daemones. Sistamus hic Cum poculis fritillum, ut alea et orbibus lusoriis Moveamus ultro taedia! DAEMONES Hem, sistamus. At quis legibus Certabimus? HECASTUS Victo hauriendus cyathus est. DAEMONES Immo magis Victo hauriendus cantharus cyathusque victori cadat. HECASTUS
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139 parcatur UB precatur A 142 ut et nec ipsa A ut nec vel ipsa U
Hans Sachs – 1. Akt
DIE FRAW spricht. Du hast gnug, du arger Bößwicht! DER KOCH spricht. 95
Nein fürwar, doch gib ich ein Rath: Wir wöllen heint zu abent spat Das nechtig kalt Brates dargegen Under das warm frisch Prates legen, Das wir dest ringer kommen auß. DIE FRAW spricht.
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Ja, thus! ich wil gehn in das Hauß Und all ding verordnen besunder. Die Fraw geht ab, DER KOCH redt mit im selbs und S.
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Ey sol nit einen nemen wunder Von der grossen Kargheit der Frawen? Ich muß nur mit dem Fuchßschwantz hawen Und reden, was geren hört, Das sie sich nit gehn mir entpört.
Der Koch gehet mit dem Korb ab. DER REICH MANN kompt mit seinem Freund Demone und spricht.
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Demone, hie wöll wir herauß An den Lufft sitzen für das Hauß Und ein par stund vertreiben spet Und der lurtz spielen in dem Bret. Das soll gelten ein becher Wein. DEMONES, der Freundt, spricht. Ja wol, das selbig muß ja sein. 96 kalt nechtig braten S 97 praten S 101 einer S 106 Demones S 108 stet S 111 muß] sol S
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Macropedius (1539) – Actus primi scaena quarta
Adhuc placet, non admodum terret capax me cantharus. Puer, ades et his infunde vina poculis, dein domum Te proripe atque satage, ne quid imparatum offendero! Cave deinde, si petat me quispiam, ne me indices! PANOCNUS Non indicabo, sed tibi quis usque cyathissabit et In ceteris minister erit? HECASTUS Iners inertis non eget. Abi, piger, manum laboribus applica! Nos nostra enim Curabimus nobisque cyathissabimus. Redi! PANOCNUS Hem? HECASTUS Mane! Primum omnium dic coniugi nos adfuturos vesperi! PANOCNUS Dicam. HECASTUS Philopono dic, paret vino hauriendo dolium Dulcissimum! PANOCNUS Licet. HECASTUS Inde toti familiae, ut sese excolant, Chorum instruant laetique nos cum carmine excipiant, quod hunc Diem atque noctem subsequam genio dicare statuimus! PANOCNUS Facesso. Numquid aliud est, quod exsequendum praecipis? HECASTUS Nihil. PANOCNUS Valete sospites! HECASTUS Iam nostra agamus ludicra. DAEMONES Agamus. En bis unio. HECASTUS Bis senio. DAEMONES En bis binio. HECASTUS Bis quinio. DAEMONES En bis ternio. HECASTUS Bis quaternio. DAEMONES Bis quaternio. Victoria haec mihi cesserit. HECASTUS Bis ternio. DAEMONES En bis quinio. HECASTUS Bis binio. Descensus usque noster est. HECASTUS
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171 sese AB om. U (contra metrum )
Hans Sachs – 1. Akt
DER REICH MANN spricht.
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Du mein Knecht, schenck uns ein in kheim Und lauff denn eillend wider heim, Das man bereit die Gasterey, Den besten Wein anstechen sey! Den Saal richt zu zu einem dantz Auff heint, zu leben frölich gantz, Und das es gentzlich fehl an nichten! DER KNECHT spricht. Ja, Herr, ich wil es als außrichten.
Der Knecht gehet ab. DER REICH MANN spricht zum Freundt. 120
Von erst fach wir an das lurtz spil! DEMONES wirfft und spricht. Ses, es, die Gab ich geben wil. DER REICH wirfft und spricht. Ich hab Zinck drey, ich wil anfahen. DEMONES wirfft und spricht. All Zincken, den Stein muß ich schlahen.
120 Wuerff her so fach wir an das spil S
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Macropedius (1539) – Chorus
Bis senio.
DAEMONES 180
Ascensus hic spondet mihi victoriam. HECASTUS
Profecto prodigiosus hic iactus fuit.
Bis unio.
Fuit quidem, Sed iam vicissitudinem hanc mutavero. Te verbero. En ternio et quaternio. HECASTUS Me verberas, et ventulus Me verberare visus est sub dextero hoc hypochondrio. DAEMONES Quid somnias? HECASTUS Non somnio, sed intro eamus, obsecro. DAEMONES Eamus. Ast uterque prius exhauriat sibi poculum. HECASTUS Praebibe; sequar. DAEMONES Bibi. Sequere, nam poculo hoc plagae tuae Medebere. HECASTUS Id quod faxit Aesculapius! DAEMONES Faxit! Bibe! HECASTUS Bibi, sed haud dum sentio. Cedamus intro, Daemones, Extraque ventum haec coepta terminemus alacrius. DAEMONES Placet, Nam corpori aegro aquilo intulit persaepe multa pericula. DAEMONES
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CHORUS Iambici dimetri. Ex capite secundo Sapientiae Salomonis
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Nihil, sodales, tandem erit Caro nostra quam exstinctus cinis, Et mollis instar aëris Sese resolvet spiritus. Ut nubili vestigium Haec vita nostra transiet, Ut nebula dissolvenda, quae Radiis liquet solaribus.
184 dextero U dextro AB contra metrum
ante 192 Sapientiae A Sapitneiae U
Hans Sachs – 1. Akt
DER REICH greifft in die seitten und spricht. 125
Und wenn ich soll die warheit sagen, Wie du mir hast den Stein geschlagen, Da ist mir Etwas gar von weitten Geschossen in die lincken Seitten Und sticht mich sehr; o weh, weh mir! DEMONE, der Freundt, spricht. Hecaste, ich mein, es Traum dir. DER REICH MANN spricht.
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Nein, mir Traumbt nit; o laß uns zwen Wider hinein ins Hause ghen! DER FREUNDT spricht. Ja, doch thu ieder vor ein trunck. DER REICH MANN spricht. Des trinckens hab ich schon genunck. Mir ist nit recht; laß mich ins Hauß! DEMONES, der Freundt, spricht.
135
So kom! Ich gib ietz quater Taus. Drinn spilen wir die lurtz gar auß. Sie nemen das Spilbret, gehen ab.
vor 124 die rechten S 130 o laß] ich pit S 131 Las wider in das S
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Macropedius (1539) – Actus secundi scaena prima
Perinde ut umbrae transitus Vitae suavis tempus est, Operisque nostri ac nominis Cum tempore erit oblivium. Igitur, sodales, commodis Fruamur his praesentibus, Veluti iuventa celeriter Imbuti Iaccho et balsamo! Non temporis flos transeat, Vernis coronemur caput Per omne pratum et compitum Rosis, priusquam marceant! Nullus sit exsors gaudii, Laetitiae ubique symbola Linquamus, haec quod una sit Pars atque sors mortalibus! ACTUS SECUNDI SCAENA PRIMA Oeconomus solus Trimetri
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Grandi malo servi putant se obnoxios, Cum imperia sedulo exsequuntur herilia. Id quod mihi quoque tunc persuaseram fore, Cum servitutis colla subderem iugo. Verum secus modo iudico. Nam tum, licet Operans et obsequens, eram multo omnium Liberrimus, curam omnem in alios transferens. Libertus ubi iam factus sum, cura undique Rerum omnium domesticarum me opprimit. Si quid vel intus vel foris vernaculi Neglexerint, mihi imputatur, quasi geram Curam universam. Accedit his, quod nec mihi Oboediunt nec gnaviter suis student
228 gnaviter UB graviter A
Hans Sachs – 2. Akt
Actus II. ECONOMUS, der Haußvogt geht ein, redt mit im selb und spricht.
140
Ich soll den abend und den morgen Meins Herren gantzes Hauß versorgen, Und was versaumbt wirdt spat und fru, Wil man als an mir kommen zu. Des hab ich mit Magden und Knechten Den gantzen tag ohn rhu zu fechten. Sie sind nachlessig und Studfaul,
vor 137 haushalter S 141 maiden S 143 Studfaul F stüdfaul K
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Macropedius (1539) – Actus secundi scaena secunda
Negotiis. Nam aut garriunt aut lusitant Aut in foro omnibus obstrepunt, sua neglegunt. Videbo, quid Daetrum moretur, quominus Ferat coquenda coquatque edenda vesperi. Vos fulcra, mensas, gausape et mantilia, Orbes, quadras vasaque parate, ut iusseram! Audistin’ haec? Parate cuncta, ut iusseram! Non audient me, suspicor, sed, ut abiero, Ad fabulandum aut feriandum confluent. Recta tamen vadam in macellum, uti videam, Quid hactenus Daetrum moratum est. Si quidem Occurrerit, viae laborem ademerit. ACTUS SECUNDI SCAENA SECUNDA Panocnus, Philoponus, Oeconomus cum Daetro Tetrametri Quantumlibet festinet hera, quantumlibet apeleutherus, Res neutiquam processerit, nisi Daetrus adsit, qui coquat, Quae edenda sunt. Quid discus absque edulio? PHILOPONUS Âï™ò Ëïêñéêüò. PANOCNUS Tantisper ergo moremur hic, dum redeat is, qui amissus est; Dumque ille abest, cui labor et omnis opera inutilis est. PHILOPONUS Placet. Miranda sunt profecto, quae de nostro hero memoras mihi. Nam quamquam is hactenus fuit rerum omnium profusior Et ad voluptatem gulae atque Veneris indulgentior, Numquam tamen tam futilem festivitatem prodidit. Timeo hercle, ne res tam insolita siet viro malo omini. PANOCNUS Merito quidem; nam saepe post Phoebi micantis caumata Sequi solent tonitrua, extremumque risus luctus est. Memini, quibus mors imminebat ocius, quod gaudio Intemperato se nimis resolverent. PHILOPONUS Id ominis Dii boni avertant! Utut se habebit hoc negotium, Videbitur. Nos interim curemus ea, quae iusserat Per singula exacte exsequi, si non velimus ulmeis PANOCNUS
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238 uti UB ut A contra metrum
257 ulmeis scripsimus ulmei AUB
Hans Sachs – 2. Akt
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Allein resch und hurtig im Maul. Ich muß gehn schawen, was sie than. Ich sich sie vor dem Hauß dort stan. Ey was steht ir all hie zu klaffen, Als ob ir gar nichts habt zu schaffen? Hat man noch nit abthan die Fisch? Sucht alle ding hinzu zum Tisch Und was ir habt zu schaffen mer, Ehe wann ich euch die Haut zerper! Baldt kompt herein und volgt mir nach, Ehe das ich euch die Lent zerschlach!
152 Ehe] E S 154 Ehe das] E den S
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Macropedius (1539) – Actus secundi scaena secunda
Rebus quibuslibet imparatis reddier. Mensam ampliter Primum instruamus, lectulos sternamus atque pocula Munde eluamus, inde frondibus atrium virentibus, Herbis quoque redolentibus adornemus atque, ut iusserat, Chorum ex ephebis et puellis ordinemus consonum, Ne sit, quod oculos introgressi offendat aut bilem excitet. PANOCNUS Mones probe. At iam tandem adest Daetrus gravis cupediis, Qui utrique nostrum aliam laboris sordidi ansam porriget. Comitatur Oeconomus, cui cura est rei domesticae. Is Iurgabitur, scio, et arguet nos otii aut socordiae. PHILOPONUS Syndule, non te pigeat operis aut laboris sordidi. Nam se omnibus servus fidelis applicat laboribus. Porro huius ego pro iurgio respondeam. OECONOMUS Quid hic foris Nugamini? Nihil est in aedibus, quod exigatis? PHILOPONUS Est, Sed hactenus Daetrum morati ipsum sequemur praevium. DAETRUS Sequiminor impigri! Est enim, quod utrique committam. PHILOPONUS Licet. Te sequimur. PANOCNUS Anne dixeram? PHILOPONUS Praedixeras. Sed obsecro, Quem principem virum eminus videmus huc gravissimis Properare gressibus? Moremur; haud enim mediocris est Vir dignitatis, quisquis est. Id quod suis tum vestibus Tum gestibus, tum maxime qua praeditust’ heroica Maturitate in moribus plane indicat, prae se ferens Ingens decus et auctoritatem regiam. PANOCNUS Videtur hic Legatus esse Caesaris regisve magni nominis, Quod haec severitas et haec maturitas nulli siet Nostratium. Cedamus intro; nam pudet tantum virum Excipere; nam nos appetit. PHILOPONUS Siste, pudor absit rusticus! Quid digne hero respondeas, fugisse si resciverit? Non nos quidem hic momorderit; si quid loquendum, ego eloquar.
260 frondibus AB frudibus U 265 porriget AB porrigit U
Hans Sachs – 2. Akt
Der Haußhalter gehet ein. PHILEPANIS, der Knecht, spricht zu Panocite, dem Knecht. 155
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Schaw! das sagt ich dir im anfang, Wir wurden allhie stehn zu lang Und werden drumb gehandelt wern. Schaw, lieber! wer kompt dort von fern? Fürwar ein erber dapffer Monn Von Kleidung und auch von person, Als sey er etwan ein Legat Von Keyserlicher Mayestat. Ey bleib stehn! laß uns in recht sehen! PANOCITUS, der Knecht, spricht. Ey kom! mich dunckt, er wöll uns nehen. PHILOPANIS, der Knecht, spricht.
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Ey steh! ob er uns gleich anred, So gib ich antwort für uns bed.
vor 155 ein] nein S
Philopanus S 157 würden S
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Macropedius (1539) – Actus secundi scaena tertia
ACTUS SECUNDI SCAENA TERTIA Nomodidascalus, Philoponus, Panocnus Tetrametri NOMODIDASCALUS
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Iamdudum in his mundi infimis convallibus praedivitem Homuncionem habitare multi praedicant, quem rex deum Hominumque maximus iubet citarier, quem singuli et Henecastum et Unumquemlibet compellitant. Hunc primulum Legatione functus opto convenire serio. PHILOPONUS Herum petit. PANOCNUS Verum. NOMODIDASCALUS Heus, boni iuvenes, mihi aedes divites, Quas Hisecastus habitat, ultro ostendite! PHILOPONUS His in aedibus Habet Hisecastus ipse herus noster, domine venerande, quem Omnes Hecastum nuncupant. NOMODIDASCALUS Idem est. Vocetur huc foras! PHILOPONUS
Dudum exiit, mi heros, domo necdum reversus est. Heram Si poscis, ipsa adest. NOMODIDASCALUS Vocetur haec! PHILOPONUS Panocne, heram evoca! PANOCNUS Vocavero. NOMODIDASCALUS Quo abiit herus? PHILOPONUS Ad amiculum animi gratia, Ut poculis vel lusibus iocisve tempus exigat. NOMODIDASCALUS 300
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Tempus terendum lusibus? Tempus terendum poculis, Quo nihil habet pretiosius, quo nihil habet iucundius, Quo debuit vitam priorem lacrimis foedissimam Piare et ad vitae futurae gaudia aspirare, cum Nil morte sit ei certius, nil mortis hora incertius? At quid moratur uxor? Aut quin huc vocata proruit? An despicit summi mandata regis haec, quae perfero?
290 Hunc primulum hoc loco posuimus (in fine versus praecedentis AUB) 297 poscis UB possis A
Hans Sachs – 2. Akt
DER GÖTTLICH LEGAT kompt, S. Ir Knecht, ich bitt euch uberauß: Weist mir des reichn Hecasti Hauß! DER ERST KNECHT spricht. 170
In dem Hauß, Ehrwirdiger Herr, Want Hecastus und ist nit ferr. DER LEGAT spricht. Er ist der recht, heist in herauß Zu mir her kommen für das Hauß! DER ANDER KNECHT spricht. Unser Herr ist ietzt nit da heim. DER LEGAT spricht. Wo ist er denn? sag mirs in kheim! DER ANDER KNECHT spricht.
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Er ist zu einem Freundt hingangen, Das er bey im vertreib die langen Zeit mit dem trincken und dem Spil. DER LEGAT spricht.
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O das ist warlich vil zu vil, Das man die thewren zeit für vol So unnützlich verzeren sol, Darinn man sich zu Gott solt senen, Aller wollust sich abgewenen, Weil nichts gwissers ist, denn der Todt, Der doch kein gwisse Stunde hot. Geht! heist mir sein Weib herauß gehn! 168 mir S fehlt FK reichn S reichen FK 174 sagt S
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Macropedius (1539) – Actus secundi scaena quarta PHILOPONUS
Iamdudum in amplos apparatus vesperae cenae, arbitror, Distracta subito non quit explicare se vel comere. NOMODIDASCALUS 310
O dirae et exsecrandae opes mortalium, ad quid non solent Mentes suorum cogere! PHILOPONUS Eccam heram sua cum ancillula. Heros, vale; nam est, quod agam in aedibus. NOMODIDASCALUS Adolescentule, vale! ACTUS SECUNDI SCAENA QUARTA Epicuria, Nomodidascalus, Puella Trimetri EPICURIA
Papae, quis hic? Salve, vir inclite!
NOMODIDASCALUS
Muliercla!
Salva sis,
Mene quaeris an virum meum? NOMODIDASCALUS Primum omnium tuum maritum, deinde te Quoque admonendum censui. Sed ille ubi est? EPICURIA Ecastor istuc nescio. Solus abiit. NOMODIDASCALUS Videto, quid respondeas! Os namque, quod Mentitur, occidit animam. EPICURIA Egone mentiar? Ne quaeso suspicetur id dominus meus. NOMODIDASCALUS Videlicet, servi tui novere, quod Tu nescias? Mitte igitur ocius, qui eum Adducat! Est enim mihi res seria, Iussum quoque necessarium regis mei Ter maximi, quae et indicare me quidem Quamprimum oportet, ast eum mox exsequi, Modo rationem suae salutis habuerit. EPICURIA
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307 vesperae UB vesperi A muliercula A
308 distracta UB distruta A
313 muliercla UB
Hans Sachs – 2. Akt
DER ERST KNECHT spricht. Sie ist gleich in der Küchen stehn Und richtet zu auffs aller best. Mein Herr wirdt haben heint vil Gest. Ich wil gehn schawen, was sie thut. Der Knecht geht ab. DER LEGAT spricht. 190
O du schendtlich verfluchtes Gut! Du zeuchst den Menschen gar auffs irrdisch, Das er denckt an kein Himelisch, Allein sündtliche lust erbaw. Itzt geht gleich auß dem Hauß die Fraw. DIE FRAW kompt und spricht.
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Mein Herr, nun seidt mir wille kumb! DER LEGAT spricht. Mein Fraw, Gott danck euch widerumb! DIE FRAW spricht. Wölt ir zu mir oder zum Herrn? DER LEGAT spricht. Bey ewrem Mann da wer ich gern. DIE FRAW spricht. Mein Herr, ich weiß nit, wo er ist. DER LEGAT spricht.
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Weib, brauch kein Lüg noch hinterlist! Villeicht so wissens deine Knecht. Schick ein, das er in eilend brecht! Für den höchsten König er muß. Wo er nit kem, müst er zu buß Verlieren beide Seel und Leib.
193 lust erbaw] woluest paw S 194 Schaw icz get aus S 195 gotwilkumb S 198 ewrem] deinem S da] so S 202 eilencz S
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Macropedius (1539) – Actus secundi scaena quarta
Me miseram, ut hoc sermone me quoque territas! NOMODIDASCALUS Hic terror est maioris initium, nisi Nos audiat. Voca virum! EPICURIA Timeo admodum, Ne non velit vocarier. NOMODIDASCALUS Nolit, velit, Ducatur huc! EPICURIA Puella, vade et evoca Nostra ex familia quempiam, – PUELLA Evocavero. EPICURIA Quem mittam in aedeis Daemonis, si fors queat Post pocula inde educier. PUELLA Vocavero. Aliudne dici praecipis? EPICURIA Nihil aliud. At cum vocato regredere, ut dicam tibi, Si forte causa postulet, qui vesperi Sint ordinanda fercula in convivio! PUELLA Facesso. EPICURIA Abi! NOMODIDASCALUS Quid tanta modo pro vespere Est cura tibi convivio, cum nescias, Num habitura sis tuo cum marito vesperem? EPICURIA Quid audio? Iuvenes sumus, sani sumus Lustrumque nondum septimum transegimus; Qui mors subita nos opprimat? Quaeso, melius Mihi ominare, ne quibus terroribus A poculis et ferculis nos distrahas! NOMODIDASCALUS Si mihi vacaret his tibi de singulis, Muliercla, respondere, non quam stulta sis Modo, sed et quam insanias, attenderes. Sed nunc adest puer vocatus; praecipe Ei, marito quod velis referrier! Tantisper hic manebo, dum peregeris. EPICURIA
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Hans Sachs – 2. Akt
DIE FRAW spricht. O wie habt ir mich armes Weib Mit den heffting worten erschreckt Und in die höchsten sorg gesteckt!
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Ancilla, geh! heiß einen Knecht, Auff das er bald den Herren brecht! Lauff bald und schaw denn zu dem essen!
DER LEGAT spricht.
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Die unnütz sorg hat dich besessen, Umb das Nachtmal prechtig zu geben, Und weist nit, ob du wirst erleben Den abendt, du und auch dein Herr. DIE FRAW spricht. O das sey von uns beiden ferr! Auff viertzig Jar sind wir kaum alt. Ir werdt uns schrecken nit so balt Von unsern freuden mit dem Todt. DER LEGAT spricht.
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Du Thörichts Weib, es ist ein spodt Dein red; schaw! itzund kompt dein Knecht. Schaff, das er bald den Herren brecht!
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Macropedius (1539) – Actus secundi scaena quinta
ACTUS SECUNDI SCAENA QUINTA Panocnus, Epicuria, Puella Tetrametri Prodire me foras iubebas, hera? Quid exigi voles? Reverte in aedeis Daemonis quam potueris celerrime Et revoca herum! PANOCNUS Non audeam tentare, quod iubes; nam herus Interminatus est mihi iam serio, ne se hoc die Aut evocarem aut proderem. EPICURIA Novi, sed imminet modo Necessitas ultima; velit nolit, statim accersendus est. Dices virum primarium ter maximique Caesaris Legatum adesse in aedibus, qui iussa perfert seria Sine remora denuntianda, et inquies, quod mortis et Salutis ultimae discrimina imminent, si neglegat. PANOCNUS Legatum adesse dixero, cuius necesse est iussibus Mox serio respondeat. EPICURIA Sic dixeris! PANOCNUS Sic dixero. EPICURIA Alii vide ne dixeris! PANOCNUS Non dixero. EPICURIA Vade interim! Puella, sterne mensam in edito domus triclinio, Ut hospitem excipiamus hunc cum honore summo et gaudio! PUELLA Operam dabo, quo splendide sint apparata quaelibet. EPICURIA Niteant parietes byssinis, hyacinthinis, holosericis Tapetibus. PUELLA Faxo libens. EPICURIA Fac, mensa et auro splendeat Radiante gemmatisque poculis! PUELLA Licet. EPICURIA Loca singula Styrace, ture et galbano suffita sint. PUELLA Suffita erunt. EPICURIA At celeriter. PUELLA Celerrime. PANOCNUS EPICURIA 355
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Hans Sachs – 2. Akt
DER ERST KNECHT spricht. Fraw, was wolt ir, das ich thun soll? DIE FRAW spricht. 225
Lauff und eilend den herrn holl! Sprich, das er eillend kum herheim, Wiewol er mirs verbot in gheim!
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Lauff eilend! und, Ancilla, du Richt den Saal auff das köstlichst zu Mit Döppichen in allen Ecken! Strew Graß unn Blumen, die wol schmecken, Und mach ein rauch von Edlen Würtzen! Auch, den Gesten ir weil zu kürtzen, Laß bringen etlich Seiten spil! ANCILLA, die Magd, spricht.
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Fraw, diß als ich außrichten wil. Seit nur ohn sorg und bleibt mit rhu! Als, was ir wölt, ich alles thu.
223 wolt ihr] wiltw S 224 herren S 225 kum herhaim S kom erheim FK 230 unn] und K 235 mit] zw S 236 wölt] sagt S
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Macropedius (1539) – Actus secundi scaena sexta
Iam comiterque et callide Mihi loquendum cum viro hoc, donec maritus exeat, Si forte venari queam, viro meo quid nuntiet. Ipsusque adit me denuo. –
EPICURIA 375
ACTUS SECUNDI SCAENA SEXTA Nomodidascalus, Epicuria, Puer Tetrametri Mulier, quid est, quod inutili Iubes labore distrahi totam familiam in aedibus, Ut putridam carnem oppleas enutriasque vermibus? Si habeas, quibus vitam tuam serves et hoc corpusculum Moderate operias, aliud his regionibus nil postules. Nam is, cuius hac legatione fungimur, ditissimus est, Qui in propria mensa suis paravit immortalia Sua fercula atque pocula, utpote omnibus sese hac brevi Vita pie colentibus et amantibus. Quid denique in His lacrimarum vallibus congeritis aes, vestes, opes, Captatis ampliter voluptates, honores, commoda, Cras morte certo certius morituri et omnia haec velut Nihilum relicturi? EPICURIA Id quidem cognoscimus, vir optime. Sed, obsecro, quid adeo mortem interminaris iuvenibus Sano atque vegeto corpore? An non plurimis annis adhuc Vitam poterimus prorogare et ultro caelis perfrui? NOMODIDASCALUS
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NOMODIDASCALUS
O si scias, quam haec stulta sit praesumptio, modo trepida Resipisceres, hunc fastum et hunc luxum ut lutum contemneres Iramque flendo iudicis caelestis antevorteres. EPICURIA 395
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Qui stulta? Non propitius est Deus optimus, qui et in ultima Hora diei in vineam properantibus post otium Magnum dabit parvi laboris praemium? NOMODIDASCALUS Si vera sit, Numquam profecto est sera paenitentia. At tu qui scias, Homo bulla inanis et levis, quod horam ad undecimam queas Perducier? Nam qui spopondit paenitenti gratiam, Is neglegenti non spopondit crastinum. Quin etsi ad id Aetatis ultimae senex perveneris, qui nunc scias,
Hans Sachs – 2. Akt
DER LEGAT spricht.
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Weib, was erfülst dein gantzes Hauß Mit müh und arbeit uberauß, Wie du fülst deinen Madensack Und denckest nit auff diesen tack An jenes, das ewige Leben, Das Gott den seinen dort wirdt geben? Weil diß leben zergencklich ist, Gantz hinfellig wie Kot und Mist. Heint lebstu, morgen stirbstu gar. DIE FRAW spricht. O lieber Herr, es ist wol war; Wir aber sind noch frisch und jung. Im alter ist die Buß noch gnung, Wenn wir schier streichen zu dem end. DER LEGAT spricht.
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O weib, nerrisch anschleg das send. Du weist: der mensch ist staub und aschen.
Wie wenn der Todt dich thut erhaschen, Eh wann kompt deines alters Stund? 243 vergencklich S 244 Vnd gancz h. w. der mist S 245 Heint] Hewt S stirbstu] stirbstw S stirbestu FK 246 O] Ja S 253 Eh wann] E den S
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Macropedius (1539) – Actus secundi scaena septima
Quod te in suam paterfamilias vineam missurus est? Quandoquidem donum Dei perfecta paenitentia, haud Res propriae virtutis est? Tuque interim spreta Dei Patientia longa secundum cor tuum non paenitens Tibi in supremum examen iram congeris. EPICURIA Tu territas Me neutiquam mediocriter dirae necis vocabulo. Verumtamen difficile mihi persuadeas, haec omnia, Quae possidemus ampliter, fore deserenda adeo temere Et stulte et inconsulte, ut illis non fruamur libere, Quae vel sua clementia Fortuna vel dii boni Nobis suo favore contulere abundantissime. At Iam sermo suspendendus est; tandem maritus advenit. NOMODIDASCALUS Ut video, non resipueris, donec tibi Letum sua Vitam sagitta transigat. Vade igitur et fac, quod tibi Censueris esse commodum! EPICURIA Vadam et videbo, quid mei Convivio et triclinio apparaverint. Te quoque velim Marito adesse vesperi. NOMODIDASCALUS Is mihi modo conveniendus est. Profer, puer, diploma divinaeque legis codices! PUER Hem tibi, domine, diploma divinaeque legis codices. ACTUS SECUNDI SCAENA SEPTIMA Hecastus, Panocnus, Nomodidascalus Tetrametri Quem sese homo dicebat esse, qui iubebat me sibi Assistere? PANOCNUS Insignem virum magnique regis nuntium. HECASTUS Se nobilem, se divitem, se purpuratum aut splendidum Auro exhibebat nuntius? PANOCNUS Non admodum. Verumtamen Ea est viro in sermone, vultu moribusque auctoritas, Maturitas probitasque, ut (absit verbulo indignatio) HECASTUS
425
412 quae A qua UB 416/17 quod tibi | Censueris esse commodum AB quod tuae | Senses saluti commodum U 422 iubebat AB iubebas U
Hans Sachs – 2. Akt
DIE FRAW spricht. 255
Ir schrecket mich auß hertzen grund, Das ir mir saget von dem Todt. Iedoch was uns das Glück und Gott Beschert hat, werden wir dermassen Durch den Todt nicht so bald verlassen. Secht! dort kompt gleich mein herr zu hauß.
DER LEGAT greifft in Busen und spricht. 260
So nem ich gleich mein Brieff herauß, Das ichs antwort dem reichen Mann, Ein antwort im darauff zu than.
DER REICH MANN kompt mit dem knecht und spricht zum knecht. Sag! wer hat mich heim fodern than? DER KNECHT spricht. Sy, Herr! ein herlich dapffer Mann. DER REICH MANN spricht. 265
Helt er sich rumredig und brechtig? DER KNECHT spricht. In red und geperd ist er mechtig. 259 zu] zn F 262 im S in FK 263 than] lon S 264 Sy] O S herrlich S
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Macropedius (1539) – Actus secundi scaena septima
Te rusticum, te barbarum censerem et hominem sordidum. Nugare. Si pannosus est, si pauper et si ignobilis, Non regius legatus est neque huc bonis avibus venit. Ubi reliquisti virum? PANOCNUS Cum uxore nostris pro aedibus. En tibi hominem! Vide et experire, ipsus quis est vel quantus est! HECASTUS Pol tam gravem non credidi . Relucet ex facie viri Reverenda morum dignitas et honore digna sanctitas. PANOCNUS Haec dixeris, cum hominem loquentem audiveris. HECASTUS Salus tibi Sit, quisquis es, venerande vir! Men’ quaeritas? NOMODIDASCALUS Tibi quoque salus Vitaque functo mors bona et vitae futurae gloria! Tun’ ipsus es, qui vulgo Hecastus diceris? HECASTUS Hecastus sum ego. HECASTUS
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NOMODIDASCALUS 440
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Rex regum et imperator omnium per orbem maximus Me misit ad te nuntium iussitque te absque mora suis Assistere tribunalibus deque omnibus, quibus usus es Vel abusus, et quae sub polo per fas nefasque possides, Sibi rationem reddere. Et ne existimes rem frigidam Et hanc meam legationem subdolam aut minus ratam, En litteras chirographumque, quo suam ad praesentiam Te tanta maiestas citat. HECASTUS Quid Caesari mecum fuit Commune, ut accepti datique subito iustum calculum Suum ad tribunal exigat? Quid? Num imperator me sibi Servum, colonum, debitorem aut oeconomon existimat, Ut referam ei omnem calculum de singulis? An non licet Mihi de meis et quod volo et quantum volo, quando volo et Quibus volo et quemadmodum volo, meo pro arbitrio Impendere?
429 Si pannosus UB Si. Pannosus A et si ignobilis AU et ignobilis B tam consilio quam errore (v. ibid. p. 155) 451 quod AB quid U
Hans Sachs – 2. Akt
Secht, Herr! dort steht er bey der Frawen.
270
275
DER REICH MANN spricht. Ja, ich merck am ersten anschawen, Das er ist gar ein dapffer Mann. Ich wil hin und in reden an. Mein lieber Herr, seyt mir wilkumb! DER LEGAT spricht. Und ich wünsch dir auch widerumb, Als glück und heil wöll dir Gott geben Und nach diesem das ewig leben. Bistu Hecastus? sag mir an! DER REICH MANN spricht. Ja, ich bin gleich der selbig Mann.
280
285
DER LEGAT spricht. Der König uber alle Land Der hat mich her zu dir gesand, Für seinen Richterstul zu kummen Und von alle deinen reichthummen Und auch von deinem gantzen Leben Ein klare rechnung im zu geben. Zu warzeichn hab dir sein Handtgschrifft, So diesen handel gar betrifft! DER REICH MANN stößt den Brieff von im, wil in nit annemmen und spricht. Der Köng hat nichts mit mir zu schaffen, Weder zu fordern noch zu straffen. Derhalb mag ich mit meinem Gut Haben ein gantz frölichen mut. Darff niemandt rechnung geben drumb. 286 straffen] staffen F
73
74
Macropedius (1539) – Actus secundi scaena septima NOMODIDASCALUS
Has lege litteras primum omnium atque intellege! Si postea quid haesitas, tibi clarius praecepero. HECASTUS 455
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Pro Iuppiter, cuiusmodi haec scriptura et haec elementa sunt? Nostrae profecto non habent formam stilumve curiae. Quasi hi characteres Dei digito exarati sint, ita Grandem mihi timoris horrorem ingerunt. NOMODIDASCALUS Quid mussitas? Cito perlege citiusque responde, ut sciam, quid sit mihi Renuntiandum iudici! HECASTUS Tuam fidem! Est in litteris Reverenda quaedam antiquitas punctis figurisque haud parum a Nostra litura discrepans, ut neque legere verbum queam Miser nec intellegere, quae exarata sunt. At sunt mihi Duo filii, quorum alter humanis diu versatus est In litteris. Morare, dum sensum mihi horum versuum Is explicet! NOMODIDASCALUS
470
Vocetur. HECASTUS Heus vocato Philomathea meum Gnatum, ut statim compareat! Post alterum curabis, ut Legatus hic dignissime excipiatur hospitesque ceteri. PANOCNUS Et filium tuum, here, vocabo et alterum curabitur. Numquid aliud me vis? HECASTUS Nihil nisi ut ipsus actutum advolet. Dicesque quamprimum illius me opera indigere. PANOCNUS Dixero.
466 Philomathea AU Philomathen B tam consilio quam errore (v. ibid. p. 150) contra metrum
468
Hans Sachs – 2. Akt
DER LEGAT geit im den Brieff und spricht. 290
Nem hin und schaw den Brieff darumb! Liß in! Was du verstehest nicht, Das gib ich dir weiter bericht. DER REICH thut den Brieff auff und spricht.
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O Herr, was ist das für ein Gschrifft, Die meinem Hertzen schrecken stifft? Dergleich ich sach in keinr Cantzley. Sicht, sams von Gott geschriben sey. DER LEGAT spricht. Was verstumpstu? den Brieff hie ließ! Gib wider antwort mir gewieß, Was ich dem Richter sagen sol! DER REICH MANN spricht.
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Mein lieber Herr, die Schrifft ist wol Gestelt und gar artlich punctirt. Aber ich bin darinn verirrt Und kenn weder Buchstab noch wort. Ich hab aber ein Sone dort. Derselbig der hat lang studirt, Der mir den Brieff außlegen wirt. DER LEGAT spricht. Ja wol, so heiß in kommen rauß! DER REICH MANN spricht.
310
Knecht, eyl und geh hinein ins Hauß Und meinen jüngsten Sone bring! Sprich, ich dürff sein nötiger ding!
vor 290 gipt S 292 Das] Des S weiter] clerer S 298 wider] wider ein S 308 Panocite ge hin ein das h. S 310 ich] id S
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Macropedius (1539) – Actus secundi scaena octava
Me et cura et anxietas et horror artuum simul obruunt. Dolet latus, cor palpitat, quasi febribus concussa sint, Carnes et ossa contremunt. Super omnia haec legatus hic Me et iussa regis maximi torquent pavore maximo; Et ad ipsa quid respondeam, ignoro omnium miserrimus. Heu me, vicissitudo quanta subito rerum est omnium! Sed ecce Philomathes adest gnatus meus iuvenior; hic Mihi, spero post has litteras lectas feret solacium.
HECASTUS
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ACTUS SECUNDI SCAENA OCTAVA Philomathes, Hecastus Trimetri 480
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Subito legentem Hippocraten puer meus Me devocat. Quis hic? Pater quid tristis est? – Salve, pater! Quid tristis es? Quid et manum Lateri apprimis? HECASTUS Me subitus invasit dolor Sub dextero hoc hypochondrio. PHILOMATHES Linguam exsere! HECASTUS Hem. PHILOMATHES Cedo manum! HECASTUS Hem manum. PHILOMATHES Pleuritis est. Morbus profecto neglegendus nemini, Nisi forte cui vitae salus invisa sit. Is namque praecipiti gradu adducit neci, Nisi eam repulerit initio medicans manus. Fidito, pater! Lecto Galeno facile te Servavero. Sola hacne causa subito me Modo devocari iusseras? PHILOMATHES
484 dextero AU dextro B contra metrum 485 contra metrum 486 negligendus nemini AU quamquam Bolte (p. 150) affirmat in A scriptum esse negligendus est nemini) 489 repulerit U reppulerit B (v. praef. p. 32) repuderit A
Hans Sachs – 2. Akt
Der Knecht geht ab. DER REICH MANN redt mit im selb und spricht.
315
Angst, noth, schrecken kompt mir mit schmertz. Mir hebt zu klopfen an mein hertz. Mir zitern beide Füß und Hend. Mein Seitten sticht mich an dem end. O ich armer, was soll ich thun? Dort kompt fürwar mein jüngster Son. Der wirdt mich trösten an der stat, Bald er den Brieff gelesen hat.
PHILEMACHES, der jünger Son, kompt und spricht. 320
Glück zu, Vatter! was bist betrübt? Sag ursach, was dich darzu übt! DER REICH MANN spricht. O, es ist mir weh in der Seitten. DER JUNG SON spricht. O Vatter, so ist nit zu beiten. Reck du mir bald dein zungen auß! Der Vater reckt die zungen auß, schawet die und spricht.
DER SOHN 325
O Vatter, was wil werden drauß? Gib! laß mich auch dein puls begreiffen! Gar schwach dir dein pulsadern pfeifen. Es ist in der Seitten das stechen Und gfehrlich gnug, mag ich wol sprechen. Der Kranckheit wil ich bald rath thun.
319 wes S 325 dein S den FK
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Macropedius (1539) – Actus secundi scaena octava
Non hac quidem, Fili, sed alia, quae premit pectus meum Multo magis. Vidistin’ hunc virum gravem? PHILOMATHES Quin viderim? HECASTUS Magni imperatoris, ut ait Et ut indicat maturitas, legatus est, Qui me suis verbis gravibus et litteris Eius tribunali ocius sisti iubet Et omnium, quae nostra sunt, rationem ibi, Ut nacta sunt vel distributa, reddere. PHILOMATHES Ne cesseris! In ius vocandus est pater, An imperator omnibus nostris bonis Praescribet ultro calculum? HECASTUS Audi cetera! Venerandae adhuc antiquitatis obtulit Diplomata, brevibus quidem illita versibus, Sed litteris tam insignibus, uti non manu Mortalis hominis, at Dei scriptas putes. Tantum ingerunt horroris intuentibus. Quas dum neque intellegere queo neque legere, Te devocavi ex edito museolo, Ut, verba, sensum et ordinem cum expresseris, Sciam, quid alto principi respondeam. PHILOMATHES Diplomata sua mihi vir ipsus displicet Videatque nostro in orbe doctos et sophos. HECASTUS O utinam in hac re, gnate, patri commodes Pro maximis tibi traditis impendiis! PHILOMATHES Et quicquid ad philosophiae artes attinet Omnesque leges tum profanas tum sacras Omnemque linguam haud barbaram novi probe. Quid proposuerit, quod facile non solvero? Sed in viro est, dum attentius considero, Non saecularis dignitas, ut credidi, Fastusve regius, sed horror ac stupor Cultus Dei et caelestis amplitudinis. HECASTUS Hoc dixeris, cum ipsum loquentem audiveris. HECASTUS
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507 scriptas AU scripta B 515 re UB om. A
Hans Sachs – 2. Akt
DER REICH MANN spricht. 330
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Mich truckt ein grössers, lieber Sun! Des höchsten Königes Legat Hat mir bracht ein ernstlich Mandat, Ich soll für sein Gerichtstul kommen Und von allen meinen reichthummen Im da ein klare antwort geben, Wie ichs hab braucht in all meim leben,
Und hat mir geantwort ein Brieff, Der mich erschrecket hat so tieff, Dieweil ich in nit lesen kan. Des must du dich hie nemen an, Lesen und sein verstandt erklern.
DER JÜNGST SON spricht.
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Lieber Vatter, von hertzen gern, Dieweil ich kan fünfferley Sprach Und ich hab auch studirt, hernach In beiden Rechten Doctorirt. Darumb mir nichts verhalten wirt. Ich wil dirs legen an den tag Als, was der Brieff innhalten mag.
340 du] dn F 344 darnach S
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Macropedius (1539) – Actus secundi scaena nona
ACTUS SECUNDI SCAENA NONA Nomodidascalus, Hecastus, Philomathes, Puer Trimetri Hic est, Hecaste, qui tibi regis mei Mandata legat et explicet? HECASTUS Is est. NOMODIDASCALUS Cape, lege! Plus aequo in hoc loco moratus sum; expedi! HECASTUS Quid stipes hic elinguis es? Qui non legis? PHILOMATHES Horror, pater, me invadit, anxietas quoque Non mediocris. Nam elementa quamquam barbara Miram Dei potentiam prae se ferunt. Humaniores litteras scio, barbaras Neque legere neque intellegere, pater, queo. HECASTUS Egone miser, qui post tot auri impendia Nil eruditionis in te nactus sim? An non in hoc te litteris mandaveram, Ut, sicubi res postularet, tu meas Causas viris coram probis defenderes? Et ecce nunc in hoc meo discrimine Stas mutus absque mente, voce et sensibus. Lege vel abi in malam crucem, ignavissime! NOMODIDASCALUS Ne caede gnatum innoxium! Nam tu magis Taxandus es, qui tantum eidem litteras Tradi volebas, quae aut forent rebus tuis Perutiles aut ampliter gnati tui Tum gloriae tum dignitati consulant, Dei optimi et propriae salutis neglegens. Porro ex Deo omne pendet hoc negotium Totumque divinum est, quod hic tractabitur. NOMODIDASCALUS
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Hans Sachs – 2. Akt
DER LEGAT kompt und S. 350
Hecaste, sag! ist das der Mann, Der diesen Brieff außlegen kan? DER REICH MANN spricht. Ja, eben der ist es gewiß. DER LEGAT spricht. So nim hin diesen Brieff und liß! Der Son thut den Brieff auff und lißt nit; DER VATTER spricht. Du stock, ließ her! wie, dast erstumbst? Ließ laut! was hilfft mich, das du brumbst? DER JUNG SON spricht.
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Vatter, mich kompt ein grausen an. Den Brieff ich gar nit lesen kan Und noch viel weniger verstehn. All mein Har mir gehn Berge stehn. Der Brieff zeigt an ein Göttling gwalt. DER REICH MANN spricht.
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O Son, viel Gelts hab ich bezalt Für dich, das du hast gestudirt. Dein Kunst doch hie zu schanden wirt. Schem dich vor diesem ehrlich Mann! DER LEGAT spricht.
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Ob gleich dein Son der Schrifft nit kan, Das ist nicht wunder, weil Gott hat Selbert geschrieben das Mandat, Dich für sein Richtstul geladen. 353 stock! wie das dw hier verstumbst S 363 erling S 367 gericht stuel S
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Macropedius (1539) – Actus secundi scaena nona
Quid audio? Non dixeras exordio Summi imperatoris te adesse nuntium? NOMODIDASCALUS Et esse dixi et sum quidem ðáíôïêñÜôïñïò Et imperatoris minister maximi. An non Deus rex regum et omnium ubilibet Dominantium? Hic suo tribunali iubet Te assistere, ut simul exigaris omnium, Quae gesseris, rationem et artum calculum. De idololatria, infidelitate deque falso Iureiurando, dolo, periurio, Fastu, gula, luxu, libidine, acedia, Furto, philargyria, rapina, caedibus, Livore, bile et id genus facinoribus, Quibus Deum patrem optimum et ter maximum Negare minime veritus es, sed omnibus Tum animi tui tum corporis pulcherrimis His dotibus cum argento et auro plurimo Abusus es. Quorum omnium te, homo, Deus Non principem aut dominum, sed oeconomum sibi Constituerat, quo ea non tuae libidini Sed commodis et gloriae domini tui Expenderes, nunc petitur aequus calculus. HECASTUS Tot atque tantis me procellis obruis, Ut mente desperationi proximus Deficere me putem. Sed ista, qua mihi Minaris, actuum omnium discussio Post longa creditur futura tempora. Quis interim interdixerit fruisci iis, Quae vel labore parta sunt vel annuens Mihi vel patri Fortuna large tradidit? NOMODIDASCALUS Homo bulla inanis, exigis, quis vetuerit? Divina virtus celeriter te eliserit, Te extruserit, te eraserit, te exstinxerit. Divina enim animadversio, et si pluribus Sit differenda serius, tibi imminet Et occupabit neglegentem ocissime. Quapropter expende ocius, quid his super Respondeas! HECASTUS
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561 acedia AB accedia U 571 gloriae AB gloria U
Hans Sachs – 2. Akt
DER REICH MANN spricht.
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Ach Gott, was hör ich für ungnaden? Ich meint, du werst eins Königs Bot; So bist du her gesandt von Gott. DER LEGAT spricht.
375
Ja, eben Gott hat mich zu dir Gesendt und das du solt mit mir Kommen für sein strenges Gericht Und antwort geben, wie er spricht, Von alle deinem leben auch, So du gehabt hast in dem brauch Durch auß und auß dein gantzes leben.
DER REICH MANN spricht.
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Ach Gott, wie soll ich antwort geben? Ich hab gar nie kein gutes than, Wann ich bin noch ein junger Mann. Aber wenn ich kom in das alter, Wirt ich ein bußfertig Haußhalter. Des ich über viel Jar wol kum. DER LEGAT spricht.
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Weist nit? der mensch ist wie ein Blum Und ein vergengklich Wasserblasen. Wenn der Mensch meint, steh aller masen Gantz vest und sey versichert als, So ligt der Todt im auff dem Hals. Drumb rüst bald zu der antwort dich!
375 leben] „in S geändert in lesten oder leften (oder umgekehrt)“ (Goetze)
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Macropedius (1539) – Actus secundi scaena nona
Vehementer urges, nec tamen Tempus locumve examinis certo ordinas. NOMODIDASCALUS Nunc imminere diximus tempus locumQue diximus dudum, atque adhuc recalcitras. HECASTUS At qua via gradiendum erit? NOMODIDASCALUS Te rapuerint Hinc ultro, qui accusaverint, Dei angeli, Tum daemones, tum propria conscientia. Et ipse te tunc, ut modo, accusavero. HECASTUS Cui iudici? NOMODIDASCALUS Inflexibili et horribili Deo, Cuius tremunt vultum inferi, superi quoque. HECASTUS Non advocato causa et epitropis potest Committier? HECASTUS
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NOMODIDASCALUS 600
Coram ipse oportet adsies. Nullaene igitur indutiae? NOMODIDASCALUS Nullae. HECASTUS
590/91 locum-|Que diximus B locumque | Diximus AU 594 daemones UB daemonis A
Hans Sachs – 2. Akt
DER REICH MANN spricht. 390
Ir trenget hart mit worten mich, Zu geben auff den Brieff antwort. Bestimpt mir noch kein zeit und ort! DER LEGAT spricht. So sag ich dirs: ietzt ist dein zeit. DER REICH MANN spricht. Sag! ist der Weg dahin auch weit? DER LEGAT spricht.
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Gottes Engel hant dich verklagt Und dein böß leben angesagt. Von dem Teuffel und deim Gewissen Wirstu für den Richtstul gerissen. DER REICH MANN spricht. Wer ist Richter in dieser not? DER LEGAT spricht.
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Der Allmechtig erschröcklich Gott, Welchen förchten all Creatur. DER REICH MANN spricht. Kündt ich nit das durch Botschafft nur Außrichten, wenn ich ein andern sandt? DER LEGAT spricht. Nein, du must selber thun dein standt. DER REICH MANN spricht.
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Hab ich aber kein zeit noch frist? DER LEGAT spricht. Nein, heut dein letzter Thermin ist. 392 noch] doch S und] noch S 401 furchten S
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Macropedius (1539) – Actus secundi scaena nona
Hei mihi!
HECASTUS
Prosintne opes? NOMODIDASCALUS
Minime. Precesve? Neutiquam. HECASTUS Heu heu miser, quid natus sum! Quot undique Me subito circumdant mala! NOMODIDASCALUS Haec ante omnia et Te praevidere et te cavere, cum diem Tibi otio terere liberet, oportuit. Nunc ergo dic, quid iudici renunties! Neque enim licet posthac morari quidpiam. HECASTUS Angustiae graves mihi sunt undique. Ignoro, quidnam fecero, quandoquidem Durum aggredi et periculosum renuere. Cum nullus igitur sit, legere qui possiet, Hoc ipse lege diploma, quo certo sciam, Quid me citanti iudici respondeam! HECASTUS
NOMODIDASCALUS
605
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601 precesve B precesne HU 602 quot HB quod U
Hans Sachs – 2. Akt
DER REICH MANN spricht. Weh mir! hilfft da kein Gelt noch gut? DER LEGAT spricht. Miet und Gab da nit helffen thut. DER REICH MANN spricht. Hilfft aber vor Gericht kein bitt? DER LEGAT spricht. 410
Ja wol, o mensch, mit nichten nit. All solche ding sind dort verlorn. DER REICH MANN spricht. Weh mir, das ich ie bin geporn! Wie kommet mir das unglück als Ains tages her auff meinen Hals! DER LEGAT spricht.
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Das solt du lang haben betracht. Du aber hast es als veracht, Wo man dir sagt von Gots gericht. Gieb antwort! ich wart lenger nicht. DER REICH MANN spricht.
420
O ich bin gar in grosser angst. Solt mich ja han bereittet langst Zu dem erschröcklichen Gericht. Ich bitt, wölst unterlassen nicht, Den Brieff selb lesen, auff das ich Dem antwort geb, der fordert mich.
412 bin] wart S 415 solt lang her haben S
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Macropedius (1539) – Actus secundi scaena nona
Onus hoc subire tuo haud gravabor nomine. !ysir>p; lqeT. hnEm,. id est: Numeravit hos Vitae tuae dies Deus verissimus Et ponderavit minus habentes maximus, Divisit itaque te e solo iustissimus. En prior. Et altera haec, quam clarius Intellegas, sententia est: ^t,ybel. wc; `hy hT'a; tme yKi quod est: Homo, Domui tuae dispone, quia morieris et Non vixeris! Hic est tonantis nuntius. HECASTUS Ergone moriar? NOMODIDASCALUS Certius quidem nihil. HECASTUS Qui moriar annum vix agens tricesimum? NOMODIDASCALUS Moriere nec posthac habebis crastinum. HECASTUS Egone moriar, opibus qui abundo plurimis, Cui sunt amici, proximi, uxor, liberi? NOMODIDASCALUS Vide, quid hi te iuverint! Moriendum erit. Quid nunc remandas iudici? Dic sine mora? HECASTUS Heu me! Velim nolim, omnium miserrimus Petam supremum iudicem. NOMODIDASCALUS
615
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630
615 !ysr;p;i lq;ti; xn:mi; A (anEm. B) !kmlqrxnj U 619 contra metrum 620 ri;t, ykel> w[; A !qrplw[ U 621 `xy,t. tia {lw> xT;ia; tme yKi A `xyg!al!xxaxq!k U
Hans Sachs – 2. Akt
DER LEGAT List also. 425
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Die erst klaus also innen helt: Gott hat deins leben zeit gezelt Und die auff einer Wag geeicht Und die gefunden gar zu leicht, Drumb als ein richter durch sein schwert Dich abgeschnitten von der Erdt. Der ander sententz lautet eben: Mensch, gib rechenschafft von deim leben! Du must sterbn des tages noch. Das ist der innhalt schwer und hoch. DER REICH MANN spricht.
435
So hör ich wol, das ich muß sterben. DER LEGAT spricht. Du hast nichts gwissers denn verderben, Und das noch den heutigen tag. DER REICH MANN spricht.
440
Soll sterben ich, der doch vermag So grosses Gut, noch also jung Und hab sehr guter Freundt genung, Ein schönes Weib und liebe Kind? DER LEGAT spricht. Schaw, was die ding dich helffen sind! Merck! du must sterben diesen tag. Antwort, was ich dem Richter sag! DER REICH MANN spricht.
445
Weh mir! sol ich und muß ie gehn? Wie soll ich vor Gericht bestehn? Weh mir armen und ewig weh!
426 zeit] tag S 427 geeicht S gereicht FK 438 ich sterben, der ich S
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Macropedius (1539) – Actus secundi scaena decima
Sequere ilico Tu quoque, puer, cape sarcinam! Migremus!
NOMODIDASCALUS
Hem.
PUER
ACTUS SECUNDI SCAENA DECIMA Hecastus solus Trimetri 635
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O Mors, quam amara est mentio tui viro Sano, cui tranquilla rerum est omnium Possessio libetque adhuc capere cibum. O anima mea, solis relicto lumine, Uxore blanda, liberis caris, bonis Amplis, amicis integris et hoc Tuo suavi corpore rapiere nunc Per atram et ignotam viam necis horridae ad Summi tribunal iudicis, cui ne quidem Unum ad decem milia referre potueris; Ubi nec opibus, quia dives est, nec gratia, Quia iustus est, sed nec dolo, quia sapiens, Nec pragmatis, iudex quod ipse et testis est, Agendum erit. Quid obsecro tandem spei Nobis duobus unicis, nisi quod salus Speranda nulla est perditis? O si modo Ex omnibus vel unum amicum offenderem, Qui se meis comitem exhiberet passibus, Qui usque ad tribunal iudicis causam meam Pro viribus defenderet, vir is quidem Non mediocre afferet mihi solacium. Talis mihi intus aut foris prensandus est.
639 contra metrum 652 iudicis AU indicis B
Hans Sachs – 2. Akt
DER LEGAT spricht.
450
Folg ohn verzug und naher geh! Ich wart dein vor des Richters Thor. Laß mich nur nit lang stehn darvor!
Der Legat geht ab. DER REICH MANN wint seine Hend und spricht.
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465
O todt, o Todt, wie sawr bist du Eim gsunden menschen, der in rhu Sitzt und grossen reichthumb vermag Und hat gehabt all seine tag Ehr und gwalt und allen wollust! Ach mein Seel, nun verlassen must Dein Kinder und dein liebes Weib Und auch dein jungen schönen Leib, Dein gute Freund und gute Gseln, Und für den Gericht stul dich steln, Da du denn das tausentest theil Nit kanst verantworten zum heil, Da denn hilfft weder Gelt noch schenck Weder schmeichlen, List oder renck! O das ich einen freunde fünd, Der für mich für Gerichte stünd Und mir mein sach hülff füren auß! Ich wil mein Freundt suchen zu Hauß, Ob ich mit in möcht reden drauß. Der reich Mann geht trawrig ab.
nach 469 trawrig von uns aus trawig (FK) verbessert
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Macropedius (1539) – Chorus
CHORUS Ex Ecclesiastico, Psalmis et Apocalypsi Dimetri O Mors, quam amara est memoria Tui viro sano, cui Tranquilla rerum est copia Libetque adhuc epularier! 660
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O saeva mors, o dira sors Homini scelesto et impio, Cui soluto a corpore Mors imminebit pessima. Mors quamquam acerba corporis, Tamen ipsa momentanea est. At spiritus mors perpes est Adeoque multo acerbior. Mors prior amicum separat Ab amiculis mortalibus, Secunda mors hominem a Deo Vivente in aevum disgregat. Quia quamdiu Deus Deus, Tam diu erit impius impius; Tantisper hic in Tartaro, Quantisper ille in gloria. ACTUS TERTII SCAENA PRIMA Hecastus solus Trimetri Quam is est beatus, qui ita probe vitam suam Instituit, ut morte ingruente neutiquam Timeat, sed audeat ultro adire iudicem,
662 corpore AB copore U
Hans Sachs – 3. Akt
Actus III DER REICH MANN geht ein, setzt sich und spricht. 470
Selig ist der Mensch, der sein leben Fürt, das er Gott kan rechnung geben, Wenn im der Todt sein leben bricht Und in Gott fordert für Gericht! vor 470 spricht cleglich S
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Macropedius (1539) – Actus tertii scaena secunda
Id ex mea infelicitate maxima heu Sero nimis considero. Nam cor meum Tot opprimunt curae, ut, quid expediat mihi Primum omnium tentare, prorsus nesciam. Vitam meam dum pristinam considero, Plus terret orco dira conscientia. Si in posterum emendationem spondeam, Morbus premit, mors imminet, Deus quoque Iratus instat arbiter; cuius quidem Solus tribunal mox adire exhorreo Et nescio, si ex omnibus sit quispiam Amiculis, qui me velit comitarier. Tentare tamen id est necesse maxime, Quod solus hunc non ausim adire iudicem. Se primus ingerit cum amicis Daemones, Is primiter mihi modo conveniendus est. ACTUS TERTII SCAENA SECUNDA Daemones cum duobus amicis, Hecastus Trimetri
695
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Eamus et videamus, ut Hecastus vetus Valeat amicus! AMICUS Eamus! AMICUS Eccum is obviu’st. DAEMONES Ut est, Hecaste? Non adhuc sapiunt tibi Vina vetera? Ecquid tristis es? Qui sese habet Lateris dolor? HECASTUS Quid vina, amice Daemones, Mihi suggeris? Dolor ingravescit plurimum, Verum aliud est, quod urget hoc vehementius. In quo tuum atque ceterorum plurium Consilium et auxilium invoco. DAEMONES Sis bono animo! Nihil est enim, quod viribus, quod opibus et Prudentia tibi non queamus benevoli Impendere. Heus propone causam; nostrum erit Succurrere. DAEMONES
692 non AU om. B
Hans Sachs – 3. Akt
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Ich aber hab zu lang gewart. Drumb peinigt mich mein Gwissen hart. Der Helle forcht erschrecken mich. Ob gleich gern Buß wolt würcken ich, So truckt zu hart mich mein kranckheit. Der Todt drowet mir die kurtzen zeit. Ich wil gehn mein Freund suchen heim, Ob ich trost finden möcht bey eim.
DEMONES, sein Freundt, kompt und spricht.
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Ich wil gleich zu Hecasti gan, Sehen, wie es umb in thut stan. Er gieng vor gleich schwach auß dem hauß. Sich! dort geht er eben herauß. Hecaste, sag! wie geht es dir? Schmeckt dir der Wein noch wie bey mir? Wie stehts noch mit der Seitten dein? DER REICH MANN spricht krencklich.
490
O mein Freund, schweig nur von dem wein! Die kranckheit nimbt sehr uber handt.
478 mich zw hart S 479 drot S 482 gen S 483 ist sten S 484 dem] meim S 490 nempt S
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Macropedius (1539) – Actus tertii scaena secunda
Imperator et rex maximus Suo tribunali iubet me assistere Et de omnibus factis, logis, rebus quoque Mihi creditis rationem ad unguem reddere. At solus apparere summo iudici Quandoquidem non audeam, vos deprecor Pro nostra amica et vetere consuetudine, Ut vel simul cuncti vel unusquilibet Mecum profectus ad tribunal iudicis Pro me advocatus vel patronus adsiet. DAEMONES Confide; nam pro viribus te quisque ibi Iuvabimus. Sed quando proficiscendum erit, Vel quo modo, vel quo, vel ad quem iudicem? HECASTUS Heu me, sine remora vel ante vesperem Sub horrido vitae et necis discrimine In regionem tenebricosam et inviam Migrandum erit, sistendum et alto iudici. DAEMONES Praegrandis est, Hecaste, res, quam praedicas, Nostris quoque impar viribus. Si in proximo Vico vel urbe proxima absque periculo Coramque noto iudice haec, quam nos rogas, Res foret agenda, relinquerem te neutiquam; Sed iam mihi id (quid hi queant, nescio) tibi Praestare non est integrum. AMICUS Mihi quoque Non modo vacat, quod et aliis condixerim. AMICUS Nec mihi per occupationes plurimas. HECASTUS Haec est amicitiae fides? Haec gratia? Sic destituitis in miseria, quem quidem Tantum celebrabatis olim in gloria? DAEMONES Sic mandat hoc Fortuna nobis tempore. Verum probe tibi atque amice consulam: HECASTUS
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Hans Sachs – 3. Akt
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Auch hat eilend nach mir gesandt Der öberst König, dem ich eben Soll vor seim Richtstul antwort geben Von allem meinen Werck und wort. Darumb bitt ich dich an dem ort Umb beystandt vor diesem Gericht. DEMONES, der Freundt, spricht.
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Ey, das laß dich anfechten nicht! Ich wil trewlichen bey dir stehn. Wann must du für den Richter gehn? Und wo ist er in dieser Statt, Der dich für in beruffen hat? DER REICH MANN spricht. Der Richter ist der schröcklich Gott. Zu dem muß ich gehn durch den Todt. Noch heint muß ich für diesen Richter. DEMONES, der Freundt, spricht.
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O das Gericht ist vil zu schwer Und unmüglich Menschlicher krafft, Weil sehr hart dieser Richter strafft. Wers aber an eim andern ort, So wolt ich dich mit Werck und wort Verlassen nicht und bey dir stehn. Hieher kan ich nit mit dir gehn. DER REICH MANN spricht.
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Ist das die Freundtschaft und die trew, Die ich bey dir sucht all tag new, Das du mich verlest in dem stück In meim aller höchsten unglück? DEMONES, der Freundt, spricht. Es gibts also die zeit und stat. Doch gib ich dir ein guten rat. 508 ein ander S 510 dir peysten S bey F bei K 513 alzeit S
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Macropedius (1539) – Actus tertii scaena tertia
En Syngenes reliquique sanguine proximi Ultro tibi sese ingerunt: causam explica! Nihil est, quod ii tibi negaverint. Vale! HECASTUS Ut hoc amici frigidum solacium! ACTUS TERTII SCAENA TERTIA Syngenes cum duobus cognatis, Hecastus Trimetri Quid turbae in aedibus tuis, Hecaste mi? Quid uxor atque liberi illacrimant domi? Quonam repente regio iussu foras Citatus es? HECASTUS Pro pro dolor, cognate mi, ad Summi tribunal iudicis vocatus et Parere iussus sum, nec est, qui iudicem Mecum profectus mitiget, causam meam Defendat aut mihi consulat, si non modo Sit quidpiam a vobis mihi solacii. SYNGENES Cognate, non te deseremus. Fidito! COGNATUS PRIMUS Non deseram te. COGNATUS SECUNDUS Hecaste, non te deseram. Sed quonam eundum et quando, nobis dicito. HECASTUS Statim in horridum mortis ferar periculum et Sistar severo iudici, cui ne quidem Unum queam pro mille adortus reddere. SYNGENES Vices tuas (ita me iuvent pii Ioves) Doleo, sed haec mihi causa paret acerbior, Quam possiet per nos tibi tractarier, Ut nulla nos mortis pericula terreant. SYNGENES
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743 domi? AB domis U post 752 interpositi sunt versus quinque U (v. p. 188)
Hans Sachs – 3. Akt
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Singenes und ander Blutfreundt Die werden dir wol rathen heint. Sag im nur, was dir liget on! Gehab dich wol! ich geh darvon.
SINGENES, der ander Freundt, kompt und spricht.
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Was unglücks ist in deinem Hauß, Das so sehr weinen uberauß Dein Weib und dein gantz Haußgesind? Was ligt dir an? sag mir geschwind! DER REICH MANN spricht.
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Ach ich bin gfodert für Gericht. Nun hab ich keinen Menschen nicht, Der mit mir züg und thet beystandt; Und wo mich ietzt verlest dein handt, Aller Welt ich verlassen bin. SINGENES, der ander Freundt, S. Ey schweig! ich wil selb mit dir hin. Zu beystand ich bereittet bin. Wer ist der Richter? sag mir klar! DER REICH MANN spricht.
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Für Gott, den Richter, muß ich dar Und dem von allem meinem leben In jener Welt dort rechnung geben. SINGENES, der Freundt, spricht. Als mir Gott helff, du jammerst mich, Das solch unglück geht uber dich, Darauß ich dir gar nit kan helffen. 526 gfordert S vor 531 freund K 535 alle S
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Macropedius (1539) – Actus tertii scaena tertia
Quapropter oro, aequanimiter nos audias, Tuae saluti consulere quia cupimus. Tibi sunt opes amplissimae, tibi famuli Fidissimi, tibi liberique acerrimi. Auri tui argentique vim cape maximam asSumptisque famulis atque liberis tuis Securus aggredere severum iudicem; Si quid tui nati haud queant defendere, Tua, cui omnia oboediunt, pecunia Facillime redemeris. Nos coniugem Tuam atque rem domesticam, ut tibi proximi, Tuebimur. COGNATUS PRIMUS
Tuebimur. COGNATUS SECUNDUS
Tuebimur. Nihilominus ubi te paratum scierimus, Adusque portam prosequemur ampliter. COGNATUS PRIMUS Te prosequemur. COGNATUS SECUNDUS Prosequemur insimul Te summo honore et ampliter. HECASTUS Me miserum, ut est Vana et caduca sanguinis fiducia! Sic adiuvatis proximum? SYNGENES Cognate, si Vis, hoc boni consule, quod offerimus! Vale! HECASTUS Heu Parcere meis quidem volebam liberis, Sed ab omnibus desertus hos cogar quoque Mihi obsequentes atque comites reddere. Eccos meum ob malum madentes lacrimis! SYNGENES
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764 acerrimi AB accerrimi U 765/66 maximam as-|Sumptisque scripsimus metri causa maximam | Assumptisque AUB 767 severum AB severem U iudicem AU indicem B
Hans Sachs – 3. Akt 540
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Thu dein Weib und Kinder angelffen! Was Weib und Kind nit mögn erlangen, Magstu durch dein reichtumb empfangen. Nem mit dir all dein Gut und Gelt, Das ietzt Regiert die gantzen Welt! Ich kan nicht mit dir heut noch morgen, Wil abr dieweil dein Hauß versorgen.
Wenn du bist auff die straß bereit, Biß zu dem Thor ich dich beleit.
Singenes, der Freundt, geht ab. DER REICH MANN spricht. 550
Wie bin ich armer so ellendt! Ach wie wanckel mein Freunde sendt! So helffen eim die Freunde sein. Ich wolt verschonn der Söne mein. Aber nun müssens auff die Strassen, So mich sonst all mein Freundt verlassen.
540 Hais dir dein w. v. k. helffen S 541 mögn] thun S
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Macropedius (1539) – Actus tertii scaena quarta
ACTUS TERTII SCAENA QUARTA Philocrates, Philomathes, Hecastus Trimetri Tametsi uterque modo ex ephebis cessimus, Non queo tamen, cum exaudiam patrem anxium, Quin lacrimer. PHILOMATHES Quamvis et ipse sine patre Amodo potissim vivere, tamen me quoque Affectus idem permovens lacrimas ciet. HECASTUS Adeste, filii mei carissimi, Adeste patri dubio in hoc negotio! PHILOCRATES Si quid, pater, possimus, auxilii tibi aut Consilii uterque impendere, haud nos credito Tibi defuturos! Quicquid armis bellicis, Virtute corporis vel animo strenuo Possim, pater, non tibi gravabor exhibere. PHILOMATHES Ad me quod attinet, pater, quicquid scio Vel in sacris vel in profanis legibus Vel in arte disserendi utraque vel integra Philosophia, tibi iure totum vindica, Ut interim sileam, quod et totum tibi Me debeam. Id natura suadet, praecipit Lex atque ratio postulat. HECASTUS Bene dicitis, Gnati mei, et me sublevatis paululum. Quando a propinquis igitur atque amiculis Omnibus ad unum deseror, tum iudicis Meme exigit censura inevitabilis Nec solus audeam mihi male conscius Petere pavendum iudicem, vos obsecro, Quibus imperare assueveram, ut conficere iter Mecum velitis atque adire iudicem. PHILOCRATES 785
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Hans Sachs – 3. Akt
Die zwen Söhn kommen. DER ELTER SON spricht. 555
Wie wol wir beid erwachsen sein, Noch dawert mich im hertzen mein, Weils dem Vatter so ubel ghet. DER JÜNGER SON . Mein hertz auch gantz betrübet stet. DER REICH MANN spricht.
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Mein Söhn, kompt her und helffet mir Auß meinen schweren sachen schir! DER ELTER SOHN spricht.
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Hertz lieber vatter, So wir beid Dir künden helffen auß hertzenleid, So wöll wir unser leben nit sparen. In Kriegen bin ich wol erfaren. Kan ich dir helffen dieser zeit Mit meiner sterck und dapfferkeit, So wil ich geren für dich fechten. DER JUNG SOHN spricht.
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Ich bin gelehrt in beiden Rechten, Auch in der Medicina sunst. Mit solcher meiner hohen Kunst Wil ich dir helffen, wo ich kan. DER REICH MANN spricht. Ir hertzen lieben Söhn, wolan! Ir lindert mir eins teils mein schmertzen, Gehnt anderst ewer red von hertzen. Sonst bin ich von Freunden verlassen. Ich bitt euch: geht mit mir mein Strassen Für das streng erschröcklich Gericht! vor 558 spricht fehlt FK vor 561 son K 576 mein] die S
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Macropedius (1539) – Actus tertii scaena quarta
Quis iste iudex est, pater, quem nuncupas? HECASTUS Caeli imperator atque terrae maximus. PHILOCRATES Horrendus hic. Quis audeat eum accedere? Nihilominus qua quove eundum ad principem? HECASTUS Per mortem in horridam et inviam regionem, ubi Pro singulis dictis meis et actibus Amodo recipiam praemia. PHILOCRATES Apage sis, pater! Moriturus es? HECASTUS Moriar. PHILOCRATES Hodie? HECASTUS Hoc, fili, die. PHILOCRATES Qui scis, pater? HECASTUS Legatus aeterni Dei Indixit hoc mortem mihi diplomate. PHILOMATHES Quin, mi pater, dilationes postulas? Quin superiorem iudicem appellaveras? HECASTUS Nullam sinit dilationem aequissimus, Nullam quoque appellationem maximus. Quapropter oro et obsecro, gnati mei, ut Vestro parenti adsitis in discrimine Causamque nostram vestra ope et patrocinio Reddatis ex aegerrima meliusculam. PHILOCRATES Si cum hostibus, pater, tuis armis iubes Aut viribus confligere, in Philocrate Nullus timor, formido nulla per Herculem Bellive detrectatio; sed horrida Tecum subire mortis in discrimina, Quod animus et natura abhorret, abnego. Si quid tamen frater meus tibi Philomathes Facere amplius sciat, velit vel possiet, Per me licet. PHILOCRATES
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817 amodo AB posthac U 832 detrectatio AB detractatio U
Hans Sachs – 3. Akt
DER ELTER SON spricht. Wer ist Richter? verhalt uns nicht! DER REICH MANN spricht. 580
Der Herr uber Himel und Erden. Vor dem wirdt ich gerichtet werden. DER ELTER SON spricht. Dem Richter kan niemandt entpfliehen. Durch welche strassen must du ziehen Zu dem erschröcklich strengen Richter? DER REICH MANN spricht.
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Ich zeuch zu dem grausamen Schlichter Durch den Todt die hart wüste Straß, Die mir allzeit zu wider was. DER ELTER SON spricht. Ey Vatter, was sagst? must du sterben? DER REICH MANN spricht.
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Ja, heint des tags muß ich verderben, Wann der Richter hat mich zitirt, Das gar kein auffzug helffen wirt. Ich bitt euch, lieben Sön allbeid, Wölt mich in diesem hertzenleid Verlassen nit einig allein, Sonder beid mein Geferdten sein, Mit mir tretten für das Gericht. DER ELTER SON spricht.
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O Vatter, nein, das kan ich nicht. Weil von natur Fleisch unde Blut Vor dem Todt sich entsetzen thut. Wil aber mein Bruder mit dir, Des hat er vollen gwalt von mir. Ich wil noch lenger bleiben hie. 590 auszueg S
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Macropedius (1539) – Actus tertii scaena quarta
Prompta est voluntas, mi pater, Tibi commodare plurimum scientia et Industria, verumtamen pericula Mortis subire non queo nec debeo Hoc maxime, quod nesciam, si te queam Iuvare coram iudice aut defendere. Idcirco consilio meo fretus, pater, Adhibe tibi mancipia et aeris plurimum, Quibus imperes liberrime, ut, si quispiam Tibi inferat violentiam, famuli adsient! Causamque reddat, nisi queas defendere, Mitem vel excusabilem pecunia, Qua nil solet mage flectere animos iudicum. PHILOCRATES Iuxta meam sententiam locutus est Frater. Decet magis obici periculo Tua mancipia quam liberos, ne his perditis Nullus siet, qui hereditatem dividat. HECASTUS Sic, filii, sic deseritis et fallitis Ultro patrem vobis benignum et obvium? Qui vos genuit et enutrivit et extulit, Sic spernitis? PHILOCRATES Non spernimus. PHILOMATHES Non spernimus. Sed improbum iussum probe abnuimus. Vale! HECASTUS Heu, Quid iam spei mihi reliquum? Si filii Linquant patrem, quid reliqua tandem familia? Tentabo, si quid imperando extorqueam. Ocius adeste, singuli vernaculi, Egredimini! PHILOMATHES
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849 nil AB nihil U contra metrum
858 abnuimus AB adnuimus U
Hans Sachs – 3. Akt
DER JÜNGER SON spricht.
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Hertz lieber vatter, ie und ie So war dir mein gemüt geneigt, Zu dienen, wie ich hab erzeigt. Aber mit dir zu gehn in todt, Das kan ich nit thun; helff dir Gott! Nem mit dir dein leib eigen Knecht! Zu den hast besser fug und recht, Zu füren sie in todes gfahr, Denn uns, dein Sön; ist das nit war? DER ELTER SON spricht.
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Ja, mein Bruder redt eben recht. Laß dich beschützen deine Knecht! Laß uns dein Söne lenger leben, Das wir dein Geschlecht mehren eben, Das auch das erb nit werd verlorn! DER REICH MANN spricht. Mein Sön, ich hab euch beid geborn, Senfft gnug ernehret und erzogen. Wirdt ich verlassen und betrogen Von euch und auch veracht darmit? DER JUNG SON spricht.
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Vatter, wir verachten dich nit, Sonder wir mögen nit mit gon. Gehab dich wol! wir gehnt darvon. DER REICH MANN spricht.
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Weh, nun ist all mein hoffnung hin, Weil ich von den verlassen bin. Ich wil allen Knechten im Hauß Zu mir all-da rüffen herauß Und in allen gebietten schir, Das sie auff sein, ziehen mit mir.
610 Sön] sün S Son F son K 617 senftmueg ernert S 618 ich] icz S
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Macropedius (1539) – Actus tertii scaena quinta
ACTUS TERTII SCAENA QUINTA Philoponus, Hecastus, Panocnus Trimetri Tu nos vocaveras, here? Vocaveram non vos modo, sed etiam alios Famulos meos. PHILOPONUS Quid exsequi nos praecipis? HECASTUS Producite huc Plutum meum, meas opes Et quicquid est pretiosum in aedibus, foras! PANOCNUS Producimus. HECASTUS Sine remora! PHILOPONUS Absque ulla mora. HECASTUS Possem invocare coniugem cum ancillulis Blandasque amiculas meas, quarum haud secus Ac coniugis suave consuetudine Hucusque fruitus sum, satis genio meo et Veneri obsequens, et quae me amabant plurimum. Vereor tamen, ne forte sit frustraneum. Quid audeant hic mulieres pavidissimae, Ubi trepidat et fortissimus? Si liberi Non audiunt, quid audiat me uxor procax? Quis intus est garritus? Ecquis exiet? Ipsa uxor est habetque, quod fert aegrius. PHILOPONUS HECASTUS 865
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ACTUS TERTII SCAENA SEXTA Epicuria, Hecastus, Ancillae duae Trimetri 880
Quid est, marite, quod foras Plutum iubes Ex abditis domus locis producier? An morbus ad dementiam te corripit?
EPICURIA
871 suave AU suavi B contra metrum 873 amabant AB amabaut U
Hans Sachs – 3. Akt
DER EIN KNECHT kompt und S. 630
Herr, hast uns gerüfft auß dem Hauß; Was wiltu, das wir richten auß? DER REICH MANN spricht. Bringt Silber, Gelt und all mein Schatz Zu mir herauß auff diesen platz! DER ANDER KNECHT spricht. Herr, wir wöllens bringen gericht. Die Knecht gehnt beide ab. DER REICH MANN spricht.
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Bald, bald! eilet und saumbt euch nicht! Nun muß ich auch mein liebes Weib, Die mir so lieb ist, als mein Leib, Umb hilff bitten; doch ist die sach Verlorn, das Weibsbild ist zu schwach, Weil doch vorhin die starcken Mann Vor dem Tode erzittert han, Mein Freund unn auch mein Sön vorauß. Mein Weib geht eben auß dem Hauß. Sie hat ein zornig angesicht. Doch weiß ich nicht, was ir gebricht.
DAS WEIB kompt und spricht. 645
Mein Mann, was bedeut, das du auß Dein Schatz lest tragen auß dem Hauß? Dich macht leucht unsinn din kranckheit. 631 golt, all meinen S 641 unn F und K 645 mann] fehlt S pedeucz S 647 leicht S dein S
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Macropedius (1539) – Actus tertii scaena sexta
Sine me, uxor, hoc die opibus hisce perfrui, Qui crastino fortasse et his et gloria et Vita carebo et omnibus, mortis quoque Tremebundus ad regionem iturus horridam. EPICURIA Papae, marite, quid hoc, quod occipis loqui? Tu mene, utroque filio, famulitio Et omnibus bonis relictis profugies? An non putem dementis hanc sententiam? HECASTUS Tace, mulier, ut audias, quod neutiquam Insaniam! Vidistin’ hunc paulo prius Virum honore dignum et moribus gravissimum? EPICURIA Vidi. Isque me mirum in modum perterruit, Mortem subinde et acre iudicium Dei Aequissimi mihi memorans. HECASTUS Hic iam rato Magni Dei chåérographo atque diplomate Mortem mihi indicit et ad horridum statim Citat tribunal iudicis, cui ne quidem Unum queo pro milibus reddere. Itaque, Coniux mea, oro et obsecro, etsi non queas Causam meam defendere, ut commortua Mecum profecta sis mihi solacio. EPICURIA Eheu, marite Hecaste, mors tibi imminet? HECASTUS Mors. EPICURIA Nulla prorsus tibi datur dilatio? HECASTUS Nulla. EPICURIA Ergo mortem obibis hoc die? HECASTUS Hoc die. Pauloque post ipsam videbis me aggredi. EPICURIA Me miseram, ut est amara mors! Solum necis Me territat vocabulum. Tibi consule, Mi vir! Profecto non tibi ausim congredi. Aurum cape atque argentum et omne famulitium! Mors territat me, deprecor mortem. HECASTUS Vel has Quaeso puellas linque mihi solacio! ANCILLA PRIMA Ne rogo sinas nos, domina, morti tradier! ANCILLA SECUNDA Ne morte nos, domina, sinas occumbere!
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Hans Sachs – 3. Akt
DER REICH MANN spricht.
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Liebs Weib, hab gedult kurtze zeit! Villeicht muß ich noch heint auffgeben Reichthumb, Gewalt, Ehr, Gut unn leben, Weil mir heint hat der Göttlich Bot Verkündet noch auff heint mein todt.
DIE FRAW spricht. Er schrecket mich auch mit dem Todt. DER REICH MANN spricht. 655
Mein Weib, so bitt ich dich durch Gott, Wölst durch den Todt auch mit mir gehn, Vor dem Gerichtstul bey mir stehn. DIE FRAW spricht. Mein Mann, ich kan dir helffen nicht. DER REICH MANN spricht.
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Noch hab ich ie gut zuversicht, Du werdest selb sterben mit mir, Das ich hab einen trost von dir. DIE FRAW spricht. O der Todt schreckt mich gar zu sehr. Mit dir theil ich leib, Gut und Ehr, Iedoch das ich beleib bey leben.
654 so] ser S durch] fehlt S
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Macropedius (1539) – Actus tertii scaena septima
Servi tui tibi sint, vir, obsecro comites, Sine mihi meas servarier pedissequas! HECASTUS Ut usque miser! Huc mancipia Plutum adferant! EPICURIA Mox efferent. Confidito; vim maximam Pecuniae panumque pauperibus tuae Pro animae salute impartiar. Mi vir, vale! HECASTUS O languidum solacium, si quid mihi Male mortuo dispertias! EPICURIA
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ACTUS TERTII SCAENA SEPTIMA Philoponus, Panocnus, Plutus, Hecastus Trimetri PHILOPONUS
Ut stas piger!
Quod crassus et gravis admodum est! PLUTUS Quid inquietor? Quo feror? PHILOPONUS Te herus vocat. Hic Plutus est, here. HECASTUS Sistite, ut paucis loquar! Heus, Plute, dormis? PLUTUS Itane tractus dormiam? Compacta pridem membra mea tot tractibus Disiecta sunt, lassata sunt, soluta sunt, Ut vix sibi usquam ex integro cohaereant. HECASTUS Mecum profectus hoc die causam meam Iuves oportet apud pavendum iudicem. PLUTUS Qui caecus et crassus queam proficiscier? Res quaslibet tibi domi expedivero. PANOCNUS
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Manum admove!
933 proficiscier AB profisiciscier U
Hans Sachs – 3. Akt
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Reichliche Almuß wil ich geben Den armen Leuthen Gelt und Brot, Wenn du abscheidst nach deinem Todt Für dein Seel, mein hertzlieber Monn! Gehab dich wol! ich gehe darvon.
Die Fraw geht ab. Die zwen knecht bringen den schatz in einer Truhen. DER EIN KNECHT spricht. Greiff zu, du fauler Esel, her! DER ANDER KNECHT spricht. 670
Der Schatz der ist so marter schwer. PLUTUS der schreit im Schrein. Wo wölt ir mich Plutum hintragen? DER EIN KNECHT spricht. Wir thun, wie uns der Herr thut sagen. Herr, secht! hie bringen wir den Schatz. DER REICH MANN spricht.
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Setzt nider in auff diesen platz! Plute, du aller sachen schlichter, Du must heint mit mir für den Richter. PLUTUS in der Truhen spricht. Wie kan ich mit dir wandern hin, Weil ich schwer, darzu Stockblind bin? Daheim wil ich wol mehr außrichten. 665 leuten S Letuhen F letuhen K 668 ge S 679 Herhaim S
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Macropedius (1539) – Actus tertii scaena septima
In alteram regionem oportet exeas. Exi, stupide! PLUTUS Non exeo, etsi distrahas. HECASTUS O Plute, mors mihi imminet. Servi mei, Si non velis ultro, vel invitum quidem Te transferent. PLUTUS Non transferent. Prius quidem Artus et ilia ruperint, quam transferant. In morte nemini opitulor usquam gentium, Quin magis ad alienum dominium transeo. HECASTUS Tentabo, num te mihi rebellem cogere Possim et foras producere. Introducite Vectesque validos comparate ocissime, Quis contumax hinc transferatur longius! Ego iam sequar. PHILOPONUS Paremus. HECASTUS Heu miserum virum! Ut omne longe abest mihi solacium! Nunc ingravescit corporis et animi dolor, Nunc instat hora novissima, et nolim velim Properandum erit, solusque iter vastissimum Heu derelictus ab omnibus confecero, Solumque terribili me oportet iudici Assistere atque ibi rationem reddere, Nisi fors queam Plutum foras producere. HECASTUS
937 servi AB serni U 942 dominium A dominum UB contra metrum
Hans Sachs – 3. Akt
DER REICH MANN spricht. 680
Ich laß dich hinter mir mit nichten. Must mit mir in ein ander Hauß. Mach dich bald auff und steig herauß! PLUTUS spricht. Ich geh nit rauß (das wiß fürwar!) Zerschlügst du gleich die Truhen gar. DER REICH MANN spricht.
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Plute, kom! mir nahet der Todt, Und wo du nit magst gehn im Kot, So müssen dich mein Knecht fein tragen. PLUTUS spricht.
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Ey, schweig! thu mir nit darvon sagen! Ich hilff gar niemandt nach dem Todt. Ich hab zu schaffen nichts bey Gott. Such mir nur bald ein andern herrn. DER REICH MANN spricht. Geht! thut in schlagen und in Kern Und schüt in auß der Truhen raus! Ich wil bald nach hin gehn zu Hauß. Sie tragen den Schatz ab. DER REICH MANN spricht.
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O ich armer elender Mann! Als trostes ich beraubet stan Mein kranckheit die nimpt hefftig zu. Im Gwissen hab ich auch kein rhu. Die Stund ist hie, ich muß dahin. Mit Angsten ich umbfangen bin, Wenn ich denck an den Richter streng, Wil werden mir die Welt zu eng.
688 nichs S 693 dem kasten S
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Macropedius (1539) – Chorus
Nunc ingrediar aedes meas, ut singulis Rite ordinatis et habitu mutato huic Accingar itineri omnium tristissimo. CHORUS Trochaici dimetri 960
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Defluentis instar undae Universi cum dolore Procreati et educati Morte ad ima labimur. Ergo quid vires opesve, Quid voluptas, quidve honores Proderunt post fata, quando his Omnibus privabimur? Delicatus tum putrescet, Fastuosus proteretur Disque nudus obruetur Pulvere, esca vermibus. Corrigamus ergo nostram Moribus vitam probatis, Ne (quod absit) temporalem Mors perennis aggravet! ACTUS QUARTI SCAENA PRIMA Hecastus, Servi duo, Familia, Proximi, Amici Trimetri
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Ut iusseram, lento gradu praecedite Meumque Plutum ferte cauti et commode, Ne offensus ex incommodo mihi obstrepat!
HECASTUS
980 proficiscimur AU proficiscemur B falso A testem invocans (v. ibid. p. 157) 985 relicta a compari scripsimus relicta compari AB relicto compari U
Hans Sachs – 4. Akt
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Ich geh hinein betrübet hart, Wil schicken mich trawriger art Auff mein letzt klägliche hinfart. Der reich Mann geht auch ab.
Actus IIII. DER REICH MANN geht herauß mit all sein Freunden und Haußgesind und spricht. Ir Knecht, geht hin auff ebner Straß! Tragt den Plutum sittlich, auff das Er nit von euch werde geletzet Und sich etwan wider mich setzet!
707 den Plutum S Plutonem FK
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Macropedius (1539) – Actus quarti scaena prima
Cum dixero vale ultimum et domesticis Et proximis et amiculis, mox subsequar. SERVUS Proficiscimur. Sed quem itineris ducem habebimus? HECASTUS Dux neutiquam defecerit: procedite! Iam, uxor, vale; longum valete, liberi, Valete, viscera mea! Iam nos separat Amara mors. EPICURIA Coniux vale dulcissime! Iam more turturis relicta a compari Vidua sedebo in aedibus. FILII Vale, pater Piissime! An sic nos relinques orphanos? Sic separat nos dira mors? Vale, pater! HECASTUS Valete proximi; valete amiculi! PROXIMUS Nos itane, Hecaste, deseres? Longum vale! HECASTUS Desertus ita vos desero. PROXIMUS Comitabimur Te ad usque portam.
Hans Sachs – 4. Akt 710
Geht vor! thut euch umb nichsen gremen! So wil ein weil ich urlaub nemen. Hertzliebes Weib, gesegn dich Gott! Ietzund scheid uns der bitter Todt. DAS WEIB spricht.
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Beleidt dich Gott, hertzlieber Mann! Wem wilt mich arme Witwe lan? Mein zeit wirdt ich einsam vertreiben, Gleich wie ein Thurtelteublein bleiben. DER JÜNGER SON spricht.
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Hertzlieber Vatter, helff dir Gott, Weil uns scheidet der grimme Todt Und wilt uns forthin Waisen lassen! Gott der beleit dich auff der Strassen! DER REICH MANN spricht. Ir Freund unn Nachbarn, gsegn euch gott! Ietzt scheid ich von euch durch den Todt. DEMONES, der erst Freundt, spricht.
725
Hecaste, lieber Freunde mein, Weil es ie kann nit anderst sein, Das du uns verlest durch den Todt, So far hin und beleit dich Gott! DER REICH MANN kleglich spricht. Ich bin verlassen von iederman, Muß allein für den Richter gan. SINGENES, der ander Freundt.
730
Wir wöllen dich beleiten vor Und mit dir gehn biß zu dem Thor.
710 vor S fort FK 712 gesegn S gesegen FK 715 witfraw S 722 unn F und K gsegn S gsegen FK vor 724 Freundt F freund K
119
120
Macropedius (1539) – Actus quarti scaena secunda
Onerosum id est solacium.
HECASTUS
Concedimus. Sed deseretis denuo. Hui, quis tumultus quaeve turba perstrepens Sonat eminus? Iam ingens pavor mentem meam Et horror artus occupat.
AMICUS
HECASTUS 995
ACTUS QUARTI SCAENA SECUNDA Servi duo, Hecastus, Amici, Proximi, Mors Trimetri Mors, Mors adest
SERVUS
A tergo, Hecaste. HECASTUS
Atat!
Quid est, quod loquimini? AMICUS Num mortem adesse dicitis? SERVUS Mors ipsa adest, Horrenda imago, larva abominabilis, Figura tam exsecranda, ut atrum daemona Putetis obvium. PROXIMUS An fuga est consultior? SERVUS Si sapitis. AMICUS En! AMICUS
1000
993 deseretis AB deseritis U
Hans Sachs – 4. Akt
DER REICH MANN spricht.
735
O das ist gar ein kalter trost, Der mir schier all mein gmüt umb stoßt. Ich bin von euch allen verlassen. Ach was kompt daher auff der Strassen Für ein solich grausam gerümpel, Das von dem erschröckling gedümpel Mir zittern beide Füß und Hend, Sam wöll ich vergehn an dem end!
DER EIN KNECHT spricht. 740
Hecaste, lieber Herr, durch Gott, Fliecht! euch eilt hinden nach der Todt. DER REICH MANN sicht umb und spricht. Ach weh, ach weh und immer weh! Vor forcht und schrecken ich vergeh. DEMONES, der erst Freundt, spricht.
745
Was vermeinst du mit dem gschrey? Meinst, ie der Todt verhanden sey? DER ANDER KNECHT spricht. Der Todt kompt dort grausamer gstalt, Heßlich, wie man den Teuffel malt. SINGENES, der ander Freundt, spricht. So geben wir die flucht darvon! DER EIN KNECHT spricht. Seit ir weiß, so werdt ir das thon. DEMONES, der erst Freundt.
750
Schawt, schawt! wie laufft der tod daher!
121
122
Macropedius (1539) – Actus quarti scaena secunda PROXIMUS
Fuge, here; nam te petit. Quo fugero? Et si fugero, haud effugero. Heu Perii miser! MORS Scelerate, sta, sta, perfide! Quid hactenus summi tribunal iudicis Accedere es moratus? HECASTUS Indutias mihi Concede, formidanda Mors! MORS Nihil moror. HECASTUS Obsecro, vel usque in crastinum. MORS Haud in crastinum. HECASTUS Vel ad horulam. SERVUS
HECASTUS
1005
Papae!
Hans Sachs – 4. Akt
SINGENES, der Freundt, spricht. Fliecht, fliecht, eh es uns werd zu schwer! Sie fliehen all; DER ANDER KNECHT spricht. Fliech, lieber herr! der Todt meint dich. DER REICH MANN spricht.
755
Ach wo hin sol doch fliehen ich? Es wil mir sein die welt zu eng Vor dem Todt so grausam und streng. Der reich Mann fleucht auch. DER TODT kompt mit seim Handtpogen und spricht. Nun steh stiller, du loser Mann! Auff dich ich schon gezilet han. Du must für das Gericht zu Gott. DER REICH MANN spricht.
760
O du erschröcklich grimmer Todt, Laß mir doch noch ein Monat frist! DER TODT spricht. Kein Monat lang zu harren ist. DER REICH MANN spricht. Ich bitt: so laß mir frist auff morgen! DER TODT spricht. Das thu ich nit; heint must erworgen. DER REICH MANN spricht. So laß mir doch nur frist ein Stund!
vor 751 Freundt F freund K 752 Flewch S vor 756 Der reich mann f. a.] fehlt S
123
124
Macropedius (1539) – Actus quarti scaena tertia
Vix annuo. Post horulam Revertar huc et te vel invitum traham, Examinandum ad iudicem te pertraham Et ad inferos obnoxium te detraham. HECASTUS Pro Iuppiter, iam cor meum tanto est mihi Horrore mortis anxium, tantus quoque Viscera mea aestus concoquit, ut (eheu dolor) Nec mente nec corpore queam subsistere. Et praeter haec foedissimorum criminum Me terret affligitque conscientia, Iudex superne iratus horrendum intonat, Inferni et ater mihi dehiscit Tartarus, Vallant quoque undique me cruenti spiritus. Neque ullus est ex omnibus caris meis, Qui verbulum solacii mihi suggerat. Quid restat itaque mihi miserrimo nisi Vitae et salutis una desperatio? Attendite et videte quaeso singuli, Qui praeteritis, num dolor quisquam meae Sit calamitati comparandus maximae! – O vetus amica nobilis, Virtus mea, Quam te gradu lento obviam video eminus! Nisi tu adiuves, nihil salutis residuum est Miserrimo. Heu defectus aegritudine et Horrore Mortis imminentis concido.
MORS 1010
1015
1020
1025
1030
ACTUS QUARTI SCAENA TERTIA Virtus, Hecastus Trimetri Hic est amicus pristinus? Hic Hecastus est, Qui me, priusquam deliciae, opes, stemmata Mores bonos mutaverant, et coluit et Veneratus est? Accedam eum, quamquam male De me merentem, pristinae memor viri Erga me amicitiae atque consuetudinis. Hecaste, salvus es!
VIRTUS 1035
1040
Hans Sachs – 4. Akt
DER TODT spricht. 765
Ein Stund die sey dir noch vergund! Darnach so wil ich bey dir sein Und nemen dir das leben dein. Dein Seel denn für den Richter stellen, Ein strenges urtheil dir zu fellen. Der Todt geht ab, spricht.
DER REICH MANN 770
775
780
785
Ach Gott, wie graust mir vor dem Todt! Der angstschweiß bricht mir auß vor not. Der Sündt halb wirdt ich im gewissen Gemartert und hefftig gebissen. Von oben peinigt mein Gesicht Das streng und erschröcklich Gericht. Unden spert auff die Hell den Rachen Mich zu verschlinden in den Sachen. Derhalb muß ich in dieser quel Verzweiffeln beid an Leib und Seel, Weil ich kein trost von niemandt han, Der sich mein hie wil nemen an. Ach mein Freundin, du edle Tugent, Die ich lieb hett in meiner jugent, Ich sich dich dort von ferrn kommen. Wirdt ich von dir nit auffgenommen, So hab ich keinr hilff mehr zu hoffen. All mein krefft haben sich verloffen, Kan nit mehr auff mein Füsen stehn, Muß gleich in der trübsal vergehn. Der reich Mann felt nider. DIE FRAW TUGENT kompt und spricht.
790
Ligt nicht dort der alt Freunde mein, Der mich liebt in der jugent sein, Ehe er kam zu grosser reichthumb? Ich muß ansprechen in darumb. Hecaste, dir sey glück und heil! 768 für gerichte S 780 niemandt F ni mandt K 781 hie mein S 792 Ehe] E S grosem S
125
126
Macropedius (1539) – Actus quarti scaena tertia
Salute nil mihi est, Virtus mea, magis opus sub hoc discrimine, Verum levare ad te quidem lumina mea Pudor vetat et ingratitudo non sinit. VIRTUS Quod ingruit discrimen et quibus indiges? HECASTUS Iam me rapiet amara Mors, neque ullus est Ex omnibus notis meis, qui me suo Consilio et auxilio iuvet; et utinam mihi hoc Tu una licet indignissimo adsis tempore Ferasque suppetias, deinde iudicem Causae meae mecum profecta mitiges! VIRTUS Quanta vides, Hecaste, macritudine Confecta sim oblitaque situ, quod tu hactenus Aliique cultum iure nobis debitum Neglexeritis. Et qui potero sic sordida et Languidula ducere te ad supernum iudicem Causamque, ut ipse fatere, pessimam tibi Defendere? HECASTUS O Virtus mea, fateor equidem, Tuis beneficiis quod indignissima Tunc reddidi, cum aetas vigebat lubrica, Florebat et fortunula. At si tu modo Me deseras, actum est salute de mea. Iam namque desperatione perditum ut Orci cibum me excipiet hiscens Tartarus. VIRTUS Urgent me, Hecaste, preces tuae moventque me Lacrimae tuae, sed neutiquam valeam tibi Prodesse sola, tametsi et incolumis siem. Nae iustus arbiter secus tibi placandus est, Quam existimas, nec sola tibi suffecero. Nihilominus te (ad me quidem quod attinet) Non derelinquam nec tibi abfutura sum. Iubebis interim te ab his vernaculis Reponi in aedibus atque sacrificum tibi HECASTUS
1045
1050
1055
1060
1065
1070
1050 profecta AUB (quamquam B affirmat in A scriptum esse profectus; v. ibid. p. 150) 1067 contra metrum 1070 abfutura AB absutura U
Hans Sachs – 4. Akt
DER REICH MANN spricht. 795
Ich dörfft wol, das mir wurd zu theil; Glück hett ich nie bedörfft so wol, Weil ich steck alles unglücks vol. DIE TUGENT spricht. Mein Hecaste, was felet dir? DER REICH MANN spricht.
800
Der bitter Todt der nahet mir, Von dem kan mir kein Mensch gehelffen. Zu dir thu ich schreyen und gelffen, Das du mir helfst, du edle Tugent! DIE TUGENT spricht.
805
Ja, du hast mich lieb in deinr jugent. In deim reichthumb wurdt ich veracht. Des bin ich mat und gar verschmacht. Wie kan ich denn vor Gott so schwach Dir gut machen dein böse sach? DER REICH MANN spricht.
810
Ja, ich bekenn mein missethat. Doch bitt ich dich umb hilff und rat, Dieweil ich sonst bin gar verlasssen. DIE TUGENT spricht.
815
Dein bitt beweget mich dermassen, Das ich mich ergib dir zu helffen. Doch muß ich vor umb hilff angelffen Fides, mein Schwester, die vor Gott Dich kan erretten in der not. Von dir wil ich nit lang auß sein. Laß tragen dich ins Hauß hinein!
796 Klüecks S 803 hest S der S
127
128
1075
1080
1085
1090
1095
Macropedius (1539) – Actus quarti scaena quarta
Virum pium doctumque mox accersier, Qui unum tibi auctorem salutis praedicet Viamque, per quam iturus es, plane indicet. Ego interim Fidei loquar sororculae Tentaveroque, num valeat inducier Te invisere; id quod si annuerit ipsamque tu Receperis, tuae salutis spem fore Confidito. HECASTUS O Virtus mea et meum unicum Solacium, ferme reduxti ab inferis Vitam meam. Laetus moriar, ubi id egeris. VIRTUS Fidito, vale! Post paululum revertero. HECASTUS Revertere! O quanto est in hac quam in ceteris Plus gratiae maiorque fidei integritas! Quam caecus infelixque, dum felicia Cuncta reputabam, aspicere dedignatus sum, En ultro venit et, ab omnibus dum deseror Mortalibus, spem praesidiaque suggerit. Iamne aliquis egredietur ex famulis meis, Qui me ferat sub tecta quique calicem aquae Suffrigidae mihi porrigat? Me miserum, ut est Mutata sors! Qui magna dudum iusseram, Iam minima cogor postulare nec impetro. Si qua pietatis viscera, famuli mei, Succurrite atque in aedibus reponite! ACTUS QUARTI SCAENA QUARTA Philoponus, Panocnus, Hecastus Trimetri Vocem tuam gementis audivimus, here, Maesti tuamque calamitatem non sine Dolore lacrimisque conspicimus. HECASTUS Quid est, Pueri mei, quod me relicto perfidi Fugistis? Hocine est opus famulantium? Hocine proborum? Hocine et hero fidelium? PHILOPONUS
1100
1083 revertero B revertere A revertar huc U 1088 dum AB cum U
Hans Sachs – 4. Akt
820
Laß hollen dir ein Priester dort, Der dich tröste mit Gottes wort! Ich wil den glauben, mein schwester, bringn.
DER REICH MANN spricht. O edle Tugent, mit den dingen Hast mich getröst, gnad zu erwerben. Nun wil ich dester senffter sterben. O liebe Tugent, kom bald wider! (Die Tugent geht ab.) 825
830
O weh mir armen, das ich sieder, Weil ich die Reichthumb hab empfangen, Bin ich dem wollust angehangen Und hab die Tugent von mir jagt, Die mir ietzt allen trost zu sagt, So sonst aller Welt trost ist auß! O das ein Knecht kem auß dem Hauß, Der mich doch tragen hülff hinein! Wil denn heint keiner bey mir sein?
Die zwen Knecht kommen. DER EIN spricht. 835
Wir haben gehört, O Herre mein, Das kleglich seufftzen und weinen dein, Das wir mit dir trawren dermassen. DER REICH MANN spricht. Wie habt ir mich so gar verlassen In meiner aller grösten not? 820 glaubn S vor 825 fehlt S 833 heut S 834 habn S 835 sewfz S
129
130
Macropedius (1539) – Chorus
Tanto fuimus horrore Mortis territi, Ut non modo deficeret animus anxius, Sed et genua, membra quoque cuncta labascerent. Ignosce quaesumus atque praecipe, quid voles Curarier! Nam Mortis extra angustias Nil iusseris, quod difficile causabimur. HECASTUS Facile remitto. Ceterum satagite, quo Primum omnium domo inferar, dein haustu aquae Amplissimo pectus meum refrigerem, Quod tantus aestus, tanta quoque sitis coquit, Ut ne quidem Hebrus ipsa queat exstinguere! Post indicate liberis, qui sese habet Res nostra, ut ad me uterque sese recipiat, Ut, si quidem morbo meo minus queant Mederier, doctum virum quam ocissime Piumque pastorem advocent, si quo modo Animae meae verbo queat mederier! PHILOPONUS Fiet. Tu abi quaesitum heriles filios; Ego solus aedibus suis herum ingeram. PANOCNUS Non commode solus queas. Te iuvero. Ex Penetralibus curabo adesse liberos, Qui Morte dudum territi cum amiculis Causa animi in horto obambulant. PHILOPONUS Recte. Leva igitur commode, ne viscera Quassata motu non ferant! HECASTUS Ite placide! PHILOPONUS
1105
1110
1115
1120
1125
CHORUS Carmine trochaico
1130
Morte iustus si occupetur, Neutiquam tristabitur, Mente sed feret ipsam alacri, Quod refrigerabitur.
1104 deficeret UB deficerit A 1110 haustu AU hausta B 1125 contra metrum
Hans Sachs – 4. Akt
DER ANDER KNECHT spricht. 840
Uns hat erschröckt der bitter Todt, An den wir sonst verbringen weren Als, was du thust von uns begeren. DER REICH MANN spricht.
845
850
So tragt mich in das Hauß hinein! Gebt mir ein kalten trunck Wassers ein, Das ich erfrisch mein krafftloß hertz, Umbgeben mit sorg, angst und schmertz, Und sagts auch meinen Sönen an, Zu suchen ein gelerten Mann, Der mich tröste mit Gottes wort! Nun hebt mich auff und tragt mich fort, Hinein an mein begertes ort! Die Knecht tragen den Krancken ab.
843 kaltn S 845 vol angst, sorg S 846 sagt S
131
132
1135
Macropedius (1539) – Actus quinti scaena prima
Nam beati scriptitantur, In Deo qui obdormiunt, Hinc quod omnibus quiescant A suis laboribus. Mors profecto ea pretiosa In Dei conspectu erit, Quam beato fine sancti Sponte alacres oppetunt.
1140
Ergo mortem non atrocem Nec pavendam iudico, Quod beatae porta vitae Sit pie viventibus. ACTUS QUINTI SCAENA PRIMA Philocrates, Panocnus, Philomathes Trimetri Panocne, ades, si fors tua indiguerimus Opera, ne inertia tua tuaque acedia Plus noceat intus quam foris negotium! PANOCNUS In me quidem, here, mora nulla. Dum vis, utere! PHILOMATHES Actum, Philocrate, de patris salute, uti Plane recenti ex lotio praeiudico. Nam caerulea si tendit ad nigredinem Urina, mortem proximam denuntiat. Sero meam medentis admisit manum. PHILOCRATES Si sic se habet res, mox hic ablegandus est. Heus tu! PANOCNUS Quid est? PHILOCRATES In vicum abito proximum! PANOCNUS Abibo. PHILOCRATES Et inde sacrificum huc Hieronymum Quam potueris celerrime deducito, Sacra synaxi qui patrem, sed et oleo, ut Decet, sacrato muniat! PHILOCRATES
1145
1150
1155
1154 abito AB abite U
1158 sacrato AB sacrata U
Hans Sachs – 5. Akt
Actus V. Die zwen Sön kommen.
DER JÜNGST SON spricht. Mein Bruder, mir ist warhafft kund, Unser Vatter werd nicht mehr gsund, Sonder es werd sein letztes end. DER ELTER SON spricht. 855
Du Knecht, so lauff du hin behend! Bring den Priester Jeronimum! Sprich zu im, das er eilent kum, Dem Vatter bring das Sacrament Und in tröst an dem Letzten endt!
852 werd S wer FK 853 Sunder heint werd S
133
134
Macropedius (1539) – Actus quinti scaena prima PANOCNUS
Deducam.
Abi! Vide, moram ne feceris; mortem patri In foribus esse dixeris! PANOCNUS Sic dixero. PHILOMATHES Heus tu! PANOCNUS Quid est? PHILOMATHES Arcamque mortuariam Sume opera eadem ab arculario! PANOCNUS Licet. PHILOMATHES Praeter suum morem citus proficiscitur, Ut ratio temporis exigit. Nam mors patri Certo imminet. Verum mihi nondum excidit, Paulo quod ante dixeras, mi Philocrates, De hereditariis bonis contraque fas Contraque leges civicas. Non te sinam Bonis frui potioribus, nisi iure me Superaveris. PHILOCRATES Egon’ tuis praerancidis Sive abrogatis attinebor legibus? Clipeum, machaeram et lanceam mihi vindico Pro legibus. Quod militarem ad balteum ex More attinet, gladii tuebor legibus. PHILOMATHES Si viribus, non iure agas, tu viceris. Verum suos et iura habebunt praesides. Secus loqueris, cum tibi diem dixero Coramque iudice repetundarum egero. PHILOCRATES Abi in malam rem, postume! An mecum putas Hereditarias quod ex aequo patris Possessiones dividas, qui me iunior Et natu et ordine vilior? Per Herculem Te hoc ense malim confodere quam cedere. PHILOMATHES Nec ego tibi latum (quod aiunt) culmulum Cessurus sum nec ensibus me territas. PHILOCRATES
PHILOMATHES 1160
1165
1170
1175
1180
1185
1162 opera AB opere U 1171 abrogatis AB obrogatis U 1181 contra metrum
1180 ex UB om. A
Hans Sachs – 5. Akt
860
Und lauff nach dem ins schreiners hauß! Bring die Bar hinden in das Hauß! DER KNECHT spricht und lauft ab. Junckher, ich wils außrichten fein. DER ELTER SON spricht. Bruder, sag her die meinung dein! DER JÜNGER SON spricht.
865
Ja, du meinst auff die vorig red, Da wir vom Erbfal redten bed. Du vermeinst mich unter zu stauchen, Der besten Erbstück dich zu brauchen Nach unsers lieben Vatters Todt. Das würd ich leiden nit, bey Gott! Ich wolt eh mit dir Rechten schlecht. DER ELTER SON spricht.
870
Was geht mich an dein stinckents Recht? Du Foß, meinst ich solt mit dir Rechten, Weil du kanst mit der Federn fechten? Ey, ich kan fechten mit der Klingen. DER JÜNGER SON spricht.
875
Wie? wolst mich mit droworten zwingen? Ob du geleich ein Kriegßmann bist,
vor 861 lauft F lauff K 859 darnach ins S 862 meinung] mainung S meining FK 869 wirt S 870 stinckencz S 871 fos S
135
136
1190
1195
Macropedius (1539) – Actus quinti scaena secunda
At modo silendum honore pro domestico. Praesto est enim, quem patri adesse voluimus, Probus vir et Dei sacerdos maximi: Praecedat hic. PHILOCRATES Salve! — Sequamur intro, ne, ut Fieri solet, pauperibus elargirier Et exteris plus, quam sat est, persuadeat. PHILOMATHES Id cautum oportet maxime. Novimus enim, Quam tum sibi, tum ceteris, quibus favent, Legata larga extorqueat id hominum genus, Dum morte ditem terminandum viderint. Eamus! Aliae en appropinquant nescio Quae feminae recta petentes hunc locum, Vultusque honestas dignitatem nuntiat. ACTUS QUINTI SCAENA SECUNDA Virtus, Fides Trimetri Vir ipse, de quo dixeram, soror mea, Quod poscat id tua caritas nunc dicier, Probis quidem natalibus progenitus est, Probe educatus, recte et institutus est, Mecumque castam habere consuetudinem, Probitatem amare vitiaque exsecrarier. Verum puer ubi lubricam adolescentiae Aetatem attigit, sensim incipit labascere, Admittere vitia et mei obliviscier. Quid immoror multis tibique molesta sum? Is tandem in omne flagitium praeceps ruit. Hunc destitutum viribus, sed et omnium Mortalium solacio miserata sum Memor favoris pristini atque animum indidi Et spem salutis maximae, si te queam ad Clementiam, quae solita servare impium, Inflectere. Ergo, Fides soror carissima, Per viscera misericordiae Dei obsecro,
VIRTUS 1200
1205
1210
1215
1195 dum AB cum U 1199 VIRTUS om. AUB 1206 contra metrum
Hans Sachs – 5. Akt
Doch müssen wir zu dieser frist Die Sach mit zanck nit tragen auß. Der Priester ist schon in dem Hauß. DER ELTER SON spricht. 880
So bleibs also! laß uns all zwen Wider hinein zum Vatter ghen, Das in nit uberred der Pfaff, Das er viel in die Klöster schaff, Auch andern armen viel zu geben! DER JÜNGER SON spricht.
885
890
Not ist uns, auff zu schawen eben. Die Pfaffen können das gewiß, Das in gar nicht abrin ir Spiß. Drumb laß uns gehn und hören zu! Schaw, Bruder! schaw! es stehnt dort zwu Frawen gantz Engelischer gstalt, Wie man der Heiden Göttin malt. Da kompt der Glaub und Tugent. DIE TUGENT spricht.
895
900
Lieb Schwester, der Mann verzagt, Von dem ich dir vor hab gesagt, Der hat in seiner blüenden jugent Sehr vast geliebet mich, Fraw Tugent, Biß er in grosse Reichthumb kam, Da all sein lieb gehn mir abnam Und thet in allen Lastern verderben. Ietzt aber muß er ellend sterben. Hab ich mich ie erbarmet sein Und bitt dich, liebe Schwester mein, Durch die Gottes barmhertzigkeit,
893 seinr S 897 alln S 899 ie] gleich S
137
138
1220
1225
1230
1235
1240
1245
Macropedius (1539) – Actus quinti scaena secunda
Ut huic misello apud supernum iudicem Opem feras, cuius merita vel nulla sunt Vel minima sunt, quo honor Dei cum gloria Multiplicetur ampliter, sed et ovicula, Pro qua suum pastor profudit sanguinem, Per te ad salutis tramitem reducta non Pereat, sed habeat vitam in aevum et gloriam. Si quid mea imbecillitas in rem tuam Facere queat, promptam et paratam inveneris. FIDES Queas, soror, quod absque te otiosa sit Opera mea, ne dicam subinde mortua. Verum quid hic prodesse possim perfido, Qui me quoque olim ut inutilem reiecit et In luxu, honoribus opibusque fisus est? Nec possum ei fore adminiculo, nisi Deus Paterque luminum suam per gratiam Me denuo iam supplici restituerit. Ad Christum enim nemo venit, nisi quem pater Caelestis ultro traxerit. Sit quispiam, Qui evangelium ei praedicet, videlicet Per Christum Iesum missionem criminum, Fortasse clementissimus pater homini Me denuo donaverit, quoniam quidem Fides ab auditu, sed auditus Dei Per verbum in animum funditur. VIRTUS Sic censeo. Et sic agendum hortata sum, quin et modo Istuc sacerdos doctor agit in aedibus. Veni igitur, ingrediamur intro, te obsecro, Soror, antequam nos antevortat aut Satan Antiquus hostis Morsve praesentissima, Ut, si tui sit usus, adsis proxima. FIDES Pium est, soror, quod me rogas. Praei, sequar. Nam taeter huc sese ingerit modo spiritus.
Hans Sachs – 5. Akt
905
Wölst im in seiner letzten zeit In seinen nöthen bey gestehn Und mit im für den Richter gehn, Das im gestilt werdt Gottes zorn, Das der arm Sünder nit werd verlorn, Für den Christus vergoß sein Blut. DER GLAUB spricht.
910
915
920
Mein Schwester, ja, es wer wol gut. Wie kan ich dem Gottlosen Mann Aber mein geistlich hilffe than, Der in alm wollust ist versuncken Und allen Lastern gar ertruncken Und mich, den Glauben, gar veracht, Gottes wort verspott und verlacht? Weil ich doch nichts schaff an dem ort, Es sey dann vor das Gottes wort, Das im erleucht sein sündig hertz Und ziech es frey zu Gott auffwertz. Drumb wo der arme Sünder hett Ein Priester, der im verkünden thet Gottes huld, güte und genaden, Als denn wirdt ich zu im geladen, So anders Gott mit würcken wolt. DIE TUGENT spricht.
925
Ja, Schwester, es ist war, du solt Mit mir gehn in das Hauß hinein, Ein Priester wirdt schon dinnen sein, Eh uns fürkom der Teuffel heint, Auch der Todt, unser beider Feindt, Das der Kranck kein schaden empfach. DER GLAUB spricht.
930
So geh voran! so folg ich nach.
910 gaistreich S 915 dem] eim S 916 den vor da S 927 vor kumb S
139
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Macropedius (1539) – Actus quinti scaena tertia
ACTUS QUINTI SCAENA TERTIA Satan solus Trimetri 1250
1255
1260
Causam meam scripturus absolutius Adversum Hecastum hic paululum desedero, Ne, si quid insit falsitatis maximis Facinoribus, res tota veniat in gravem Foedamque controversiam. Abstinete vos, Quotquot theatro adestis, a petulantia, Nisi si velitis et hos cachinnos scribier. Primum omnium superbus est et arrogans, Superbus est et arrogans, et arrogans, Tum in aedibus, tum in aedibus; tum in vestibus, Tum in vestibus. Iam reliqua tacitus scripsero, Loquaculi ne exaudiant et deferant. ACTUS QUINTI SCAENA QUARTA Sacerdos, Hecastus, [Fides, Virtus] Trimetri Confessione iam tuorum criminum Tandem absoluta, Hecaste, muniendus es Sacra synaxi et unctione mystica, Nisi te in fide Christi haesitantem invenero. Credisne pro tua salute et omnium Mortalium venisse filium Dei Iesum in orbem perditum, verum Deum Verumque partum virginis? HECASTUS Sic inquiunt, Sic me quoque legere memini. HIERONYMUS
1265
1270
1263 Tandem absoluta, etiam sacerdotis manu | Absolvendus et [non es, ut B p. 157 scriptum est ], mi Hecaste, muniendus es U
Hans Sachs – 5. Akt
Sie gehnt beid ab. Da beicht der Kranck dem Priester heimlich. So kompt DER TEUFEL und spricht.
935
940
945
Ich wil ein weil daniden sitzen, Das ich beschreib mein sach mit witzen, Was übel dieser Reich hat than. Hört auch zu, ir Frawen und Mann! Last ab von sünden und boßheit, Das ich euch auch nit mit der zeit Müß schreiben ein Register lang! Ich schreib: Hecastus im anfang Ist ein Wuchrer und Ehebrecher, Ein brechtig Mann und ein Weinzecher, Ein Spiler, Hasser und ein neider, Ein Gottslestrer und Ehrabschneider Und ein untertrucker der armen, Den sein Nechster nit thet erbarmen. Das ander wil ich stillschweigent schreibn, Auff das es mög verschwigen bleiben Bey Mägd und Knechten in dem Hauß, Die alle ding sonst waschen auß.
DER PRIESTER steht auff von dem Krancken und spricht. 950
Weil du dein sünd nun hast gebeicht, So muß dir werden auch gereicht, Mein Hecaste, vor deinem endt Das heilig wirdig Sacrament, Wo du anderst gelaubest recht. DER REICH STERBENT spricht.
955
Ich glaub die zwölff Artickel schlecht Des Glaubens, das sie all sind war.
931 danider S 933 vbels S 939 ein eprecher S 942 gocz S 955 Dis S
141
142
Macropedius (1539) – Actus quinti scaena quarta
Credisne eum Vixisse cum mortalibus sine crimine Tandemque suffixum cruci atque mortuum? HECASTUS Sic inquiunt, quin et sepultum hunc asserunt. HIERONYMUS Respondeas pro te volo. Anne tu quoque Credis, quod alii scriptitant et dictitant De Christo Iesu filio Dei unico? HECASTUS Qui credere renuam viris gravissimis, Scriptis suis qui haec prodidere fidelibus? Quis ambigat narrasse vera Salustium? Quis Livium? Quis Caesarem? Quis ceteros? HIERONYMUS Credisne mortuum et sepultum, tertio Die resurrexisse vivum a mortuis? HECASTUS Et id astruunt Evangelistae singuli Dieque quadragesimo palam suis Cum gloria assumptum fuisse ad aethera et Patris sedere ad dexteram. Quis haesitet Posse omnia Deum, si velit, ðáíôïêñÜôïñá. HIERONYMUS Secede, nondum adhuc tibi locus est, Fides. HECASTUS An non fides est credere? HIERONYMUS Fidei actus est Credere quidem, valiturus haud tamen tibi, Ni ex vivida et vera fide processerit. Nam et daemones credunt tremuntque perfidi. HECASTUS Quae vivida igitur est fides, quam praedicas? HIERONYMUS Paulatim eam, si intenderis, docebo te. Credis, quod omnia, quae patravit filius Dei unicus, tibi redimendo gesserit, Tibi natus est, tibi vixerit, tibi mortuus Sit, tibi sepultus et tibi surrexerit Mortemque tibi devicerit? HIERONYMUS
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1280
1285
1290
1295
1279 Salustium AU Sallustium B contra metrum
Hans Sachs – 5. Akt
DER PRIESTER spricht. Das ist aber der Glaub nit gar, Sonder allein ein stück darvon. Der Teuffel das auch glauben kon, Dardurch aber nit selig wirt. DER REICH STERBENT spricht. 960
Mein Herr, den Glauben mir declarirt, Welches der war Christlich glaub sey, Der uns mach von den sünden frey, Das mein Gwissen darauff berhu! DER PRIESTER spricht.
965
970
Merck fleissig auff und hör mir zu! Gelaubstu Christum sey geborn Auff erd, dir zu gut mensche worn Und dir zu gut auch sey gestorben, Dir bey dem vatter huld erworben Und aufferstanden von dem todt, Das du versönet seyst mit Gott, Dort ewigklich mit im zu leben? 960 glaubn S Glauben FK (gl-) declarirt S declalirt FK 962 frey F fey K 965 sey] sein S 967 sey] sein S 969 von dem] sein vom S
143
144
Macropedius (1539) – Actus quinti scaena quarta
Miserrimum Me praedicas. Quanto magis enim haec replicas, Tanto magis mihi dolorem exaggeras Barathroque desperationis admoves, Qui his omnibus per sordidam vitam meam Me reddidi indignissimum. Nam scio equidem, Quod non sibi, qui iustus est, verum suis Cultoribus cunctisque peccatoribus, Qui veritate ab agnita se sceleribus Non denuo immersere pestilentibus, Foedissimis gravissimisque – HIERONYMUS Ades, Fides! Nam conscia sceleris in Deum admissi metu Et paenitudine mens viri iam tangitur. FIDES Haec tria quidem, cognitio nempe criminis, Horror geennae et paenitentia, laeta sunt Verae salutis omnium primordia. Iam perge, ut in Deum excites fiduciam! HIERONYMUS Credisne sanctam ecclesiam et omnium Fidelium communionem? HECASTUS Maxime. HIERONYMUS Carnis quoque resurrectionem? HECASTUS Maxime. HIERONYMUS Et vitam in aevum gloriosam? HECASTUS Maxime. HIERONYMUS Quid igitur articulum unicum, qui insertus est, Remissionem criminum, aegre creduis? Putas, Hecaste, quod is pater, qui te semel A morte, cui te addixerat, per unicum Gnatum suum redemit, omnibus tuis Tibi remissis criminibus haud possiet Tibi denuo laxare quamvis maxima Tua scelera et primae saluti reddere, Cui subest, cum voluerit, posse omnia? HECASTUS
1300
1305
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1309 Foedissimisque, haec fecerit. HIE. Iam ades, Fides U 1321 creduis AB creduas U
1316 contra metrum
Hans Sachs – 5. Akt
DER REICH STERBENT spricht.
975
Ja, ich gelaube wol und eben, Das Gottes Son ist Mensche worn, Hab uns versönt des Vatters zorn, Das selb aber allein den frommen, Die seim Gebot und wort nach kommen Und geistlich thun viel guter Werck.
974 Vnd hab versüent S 976 seim S sein FK
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Macropedius (1539) – Actus quinti scaena quarta
Potest quidem, qui omnia potest; potest quidem, Mi domine, condonare si velit, sed haec Obstat mihi scelerum meorum enormitas, Quae iram tremendi iudicis mihi provocat. Potest quidem; sed qui velit, qui iustus est? Heu quod reliqui te improbe, Virtus mea, Sine qua salutis nil mihi spero reliquum! VIRTUS Non frangat haec te res, Hecaste; nam fide Neglecta virtus est tibi recuperabilis. Te doceat hoc pastor tuus verbo Dei. HIERONYMUS Virtus quidem semper Deo accepta est, tamen Non sine fide nec absque misericordiae Fiducia. Mi Hecaste, non credis Deum Ut maximum sic optimum? Num maior est Illi potentia, Hecaste, quam clementia? Cur velle non speras tibi misererier, Quem posse praedicas tibi remittere? Credisne tam remissionem criminum Quam Christum et ortum et passum et in cruce mortuum? Non haec perinde ac illa pars fidei tuae? Christusne ob hoc natus, cruentus, mortuus, Ut criminum remissionem creduas? Neque hoc modo est credendum ei, quod possiet, Sed et quod omnibus sibi fidentibus Velit remittere, immo quod remiserit. Si corde enim credas, quod ore fateris, ut Quod pater Iesum a mortuis revocaverit, Servaberis nec imminet periculum. HECASTUS Pie mones et lacrimas mihi excutis Durissimo. Sed qui velit, qui iustus est? Permittat impunita tanta flagitia? O si mihi persuadeas, Hieronyme, Erga me ita benevolentiam Dei mei, Quemadmodum omnipotentiam persuadeas, Aequanimius quamvis amaram et horridam Mortem imminentem exciperem et alacrius Profectioni accingerer. HECASTUS
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1336 Non feangat [sic ] haec te res, siquidem in Deum fide U 1340 Non sine fide in Deum atque misericordiae U 1348 tuae AB tua U 1353 remittere AB remitttere B remiserit AB servaverit U post 1356 quod nil queas iam nisi dolere et credere U 1364 contra metrum
Hans Sachs – 5. Akt
980
Ich aber hab der sünden Berck So uber schwer auff mich geladen, Das mich Gott gar nit kan begnaden, Wann er ist gar gerecht und streng.
DER PRIESTER spricht.
985
Merck! hestu aller sünden meng Auff dieser gantzen Erden than, Dennoch solt du kein zweiffel han An der Gottes barmhertzigkeit.
DER REICH STERBENT spricht. Die Schrifft aber gezeugknus geit Der Gottes erschröcklichen straff, Die Sodom und Gomorra traff, Pharaonem und ander mehr.
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148
Macropedius (1539) – Actus quinti scaena quarta
Iam asta, Fides! Ostendero tibi Deoque propitio Persuasero. Quomodo velit, qui iustus est, Obieceras. Per Christum Iesum filium Suum unicum, respondeo, quem in hoc pater Demisit orbi perdito, quo ostenderet Magnum suum erga nos favorem et gratiam. Usque adeo namque diligebat perditos, Ut filium suum unigenitum mitteret, Quo omnis, qui in illum creduat, non occidat, Sed vita in aevum gaudeat. Posuit enim, Qui iustus est, iniquitates omnium Nostrum innocenti in filio, quo mortuus Unus pro hominibus omnibus mortem aboleat In singulis. Quod ergo ego, quod tu quoque et Quod singuli vel qui ante nos fuere vel Sunt vel futuri sunt, Deo peccavimus, Id omne in uno filio in cruce mortuo Abolebitur, si lapsi in hunc crediderimus, Omnem si in hunc fiduciam posuerimus. Nam sic tulit nostrum omne delictum suo In corpore, ut iam nulla sit damnatio Nobis reliqua, qui Christo Iesu nitimur, Nec habeat in iustis pater, quod puniat, Pro quibus in horridam necem illum tradidit. Fuge ergo, Hecaste, ad Christum Iesum et spem tuam Fiduciamque totam in illum colloca, Per quem tuorum criminum, si credis his, Mox assequere remissionem et gratiam! HECASTUS Certon’ mihi istuc astruis, Hieronyme? HIERONYMUS Certissime; nil haesites, Hecaste! Nam Verbum Dei haudquaquam potest fieri irritum. HECASTUS O mi Deus, videor renatus denuo. Tribuat tibi Deus vicissitudinem, Mi Hieronyme, quia, nisi tuo fretus forem Ex institutionibus solacio, Paulo minus habitaret anima mea dolens HIERONYMUS
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1366 Deoque propitio AUB an Deumque propitium scribendum? 1367 est AU es B 1377 innocenti AB inocenti U 1382 uno UB unum A 1391 colloca AB collaca U
Hans Sachs – 5. Akt
DER PRIESTER spricht. 990
995
Hecaste, merck recht auff mein Lehr! Diß sind gewest unglaubig Heiden. Uns Christen ist bessers bescheiden. Wir haben den Heiland Christum, Der aller welt sünd auff sich num Und für uns Christen hat getragen. Darumb kein Sünder sol verzagen, Wie groß ist seiner sünde Schar. DER REICH STERBENT spricht. Herr, sind ewer wort gwiß und war? DER PRIESTER spricht.
1000
1005
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Ja, Christus ist allein zu frommen Dem Sünder her auff Erden kommen. Der Gsund bedarff keins Artzets nicht, Wie Jesus Christus selbert spricht, Wann Gott hat die Welt lieben thun, Das er seinen einigen Sun Her gab, das er Mensch würt geborn, Auff das gar niemandt wurt verlorn Von den, so an in glauben eben, Sonder hetten das ewig leben. Schaw zu! das beut dir Christus an, Der ie warhafft nit liegen kan. Gelaubstu das in deinem Leben, So sind dir all dein sünd vergeben Und ist gestilt der Gottes Zorn. DER REICH STERBENT spricht.
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Erst dunckt mich, ich sey new geborn. Gott sey ewig lob, preiß und ehr! Mein Gwissen beist mich gar nit mehr.
992 pessers ist S 993 habeu F 998 deine S 1001 arcztes S 1005 ist mensch geporn S 1010 warlich S
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Macropedius (1539) – Actus quinti scaena quarta
Apud inferos. Mi Domine Iesu, credo te Meae salutis gratia in cruce motuum et Sanguine tuo meum solvisse debitum. Tu solus es mea vita, mea fiducia, Tu solus es meae salutis ancora. Respice, pater mitissime, in faciem obsecro Christi tui, spinis vide caput obsitum, Fossas manus, fossos pedes, membra lacera, Vide vulnera, vide profluentem sanguinem Nec iudices, cui redimendo perdito Oppignerasti in morte vitam filii! HIERONYMUS Ne dubita, Hecaste, per hanc fidem iam solveris Ab omnibus, quibus obligaris, debitis. Dominus tuas iniquitates transtulit. HECASTUS Credo. Sed est, quod adhuc parit mihi scrupulum: Mors horrida atque aspectus atri daemonis, Quis terribilius (inquiunt) nil hominibus, Post paululum quos adfuturos arbitror. HIERONYMUS Aderunt profecto, at eis Fidem atque EÁñåôÞí tuam Individuas comites tuas opposuero, Quae in omnibus periculis te munient. Si languida est Virtus, Fides validissima Ipsam tibi suffulciet. Virtus Fidesque, Adeste huic vobisque fidentem amodo Adversus hostes obstrepentes protegite! Abeo. Vale! Revertar, ut te muniam. HECASTUS Valeto, doctor optime! Actutum redi! Adeste nunc, Virtus mea et Fides mea, Liceatque paululum mihi vos alloqui!
1405 om. U 1407 Respice, pater AB Respice me, pater U contra metrum post 1412 interpositi sunt versus quinque U (v. p. 188) 1413 iam solveris AB absolvendus es U 1425 vobisque AB nobisque U 1430 paululum U paulum AB contra metrum post 1430 FIDES Adsumus et a Satane te tuebimur U
Hans Sachs – 5. Akt
Doch förcht ich noch das schröcklich Bild Des Todtes und des Teuffels wild. Die werden nit lang aussen sein. DER PRIESTER spricht. 1020
1025
So halt zu Christo dich allein! Tritt herzu, du Christlicher glauben! Laß in des Schatz nicht mehr berauben! Und du, Tugent, auch zu im kumb, Biß ich auch her kom widerumb! Schützt in, so Teuffel und der Todt In anfechten in letzter not!
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Macropedius (1539) – Actus quinti scaena quinta
ACTUS QUINTI SCAENA QUINTA Mors, Satan Trimetri MORS
Satan, quid agis?
Ago, quod mihi conduxerit. Quoadusque te morabor, improba bestia? Dum tu pararis, annus est. MORS Quid obfui? SATAN Quid obfui, inquis, belua? Viden’ sacrilegum, Qui hinc exiit? Cuius timeo susurrio Haec te morante elapsa praeda nunc meis Est dentibus. Tu ingrata prorsus es meis Beneficiis, quae per me in orbe amplissima Imperia dilataveris, nam te Deus Ab initio non condidit. Succurrat hoc, Quod me invidente homini sato, ubi iam lapsus est, Tu primum in orbem ingressa sis et hactenus Grassata in omnes, pauculos post nauseam Mihi glutiendos admoves. Atque o utinam De te queam me ulciscier! MORS Tu me, Satan, Ingratitudinis arguis, cum et ipse sis Ingratior me multo et impudentior. Quotquot tibi voranda milia defero, Minus tibi immemori obtulisse iudicor. Ut interim non exprobrem, quod ne quidem Unum bolum deglutias, quem non tibi Praemanderim. Verum tuo insaturabili Quod pauciores ingeramus rictui, Non imputandum nostrae erat socordiae, Quoniam leo, qui exsiliit ex Iudae tribu, Is regna nostra plurimum turbavit et Utrique nostrum maximam cladem intulit. Nam mors mihi tibique morsus factus est. SATAN
1435
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1444 admoves UB admones A 1448 defero UB desero A
Hans Sachs – 5. Akt
Nach dem tritt der Glaub und Tugent zum Krancken; so kompt auch DER TODT und spricht zum Teuffel. Sathan, was wartst du in dem Hauß? DER TEUFFEL spricht.
1030
Das ich möcht etwas bringen rauß. Wie lang muß ich dein warten da, Du langsam böse Bestia! DER TODT spricht. Bin ich gewesen denn zu lang? DER TEUFFEL spricht.
1035
1040
Hast nit gesehen in deim eingang Den dicken Dieb, den Schelming Pfafen? Der hat mit seim schwatzen und klaffen Den Krancken mir auß den Zenen gnumen, Dieweil du bist zu langsam kumen, Du undanckbar schelmiges Thier! Dein gwalt und macht hast du von mier. Als ich felt das Menschlich Geschlecht, Erwarbstu, Todt, erst dein erbrecht. Des bist doch gantz undanckbar mir. DER TODT spricht.
1045
Viel tausent Menschen bring ich dir. Bringstu ir gleich nit viel darvon, Für das selbig ich nichtsen kon. Was du frist, muß ich dir vor kewen. Seit her gestorben ist in trewen Christus für sein glaubige Schar, Ist unser Reich zerstöret gar.
1027 warcztw S 1030 westia S 1038 gwalt S gwart FK 1044 selbig S selbing FK
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1470
Macropedius (1539) – Actus quinti scaena sexta
Saevire in animas solita simul et corpora Vix modo sinor saevire nuda in corpora. Quos tu quoque impellere solebas ad tua Nullo vetante Tartara, hos si Christus hic Defenderit, te invito ad aethera transvehet. SATAN Verum est, soror; cessent querelae inutiles! Rem nostram agamus, ut hactenus consuevimus: Iuvenibus insidiemur et silicerniis, Nullum sinamus, si queamus, omnium Hinc evolare nec migrare ad aethera Et in hoc scelesto id exigamus primulum. Praeibo, tuque me sequeris postea. Nam cum illo erit mihi longa controversia. MORS Vade; interim hic mihi stimulus acuendus est. ACTUS QUINTI SCAENA SEXTA Hecastus, Fides, Satan, Virtus Trimetri Solaris atque roboras me, mea Fides. Putasne, mortuus homo rursum vivet et In hac mea videbo carne Deum meum? FIDES Videbis oculis his die novissimo De putri et arido excitatus pulvere. Canente enim tuba resurgent mortui Corruptione liberi. Nil haesita! HECASTUS Non haesito. Quid igitur obstat, quo minus Mori audeam et carnem sinam hanc putrescere? FIDES Nihil. HECASTUS Nihil timendus hostis Taeterrimus, quem adesse iam praesagio? Nihil ipsa Mors cunctis pavenda, ut inquiunt, Mortalibus? FIDES Paveant ii, qui sine fide Post scelera postque flagitia hinc tandem emigrant. Tu fidito! Nam his hostibus me opposuero et Te protegam. HECASTUS
1475
1480
1485
1482 contra metrum (post hostis supplevit B his verbis est mihi)
Hans Sachs – 5. Akt
1050
Vor hett ich den gewalt von Gott, Ich bracht Leib und die Seel in Todt; Ietzund darff ich den Leib kaum tödten, Die Seel darff ich gar nichts mehr nöten. DER TEUFFEL spricht.
1055
Es ist war, liebe schwester mein! So laß wir unser klagen sein, Weil ist zu wider bringen nicht! Ich wil versuchen den bößwicht, Ob ich in mit listigen dingen Noch möcht in die verzweiflung bringen. Ich wil gehn dückisch an in setzen. DER TODT spricht.
1060
Ja geh! ich wil mein Pfeil vor wetzen, Auff das ich im sein leben brich, Darauff er ubel förchtet sich. Der Todt geht ab. DER REICH MANN spricht.
1065
Du sterckest mich wol, lieber Glaubn! Thut mich der Todt meins lebens raubn, Meinst, ich werd wider erstehn zum leben? DER GLAUB spricht. Ja, zum letzten Gerichte eben Werden all Todte aufferstehn Und die Christglaubigen eingehn Mit Christo in seins Vatters Reich. DER REICH MANN spricht.
1070
Noch ist der Todt mir erschröckleich. DER GLAUB spricht. Der Todt wirdt dir nur sein ein Schlaff, Dem unglaubing ist er ein straff. 1050 und S ond FK 1052 Der sel kann ich gar nimer S 1064 meins] des S
155
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Macropedius (1539) – Actus quinti scaena sexta
Hui, monstrum horridum! Obviam, Fides! Contra crucem nullum valet periculum. Signo hoc vetabo hostemque propulsabo. Tu Fidito. Quid astas hic, cruenta bestia? Hem sta foris! Nihil hic tibi negotii. SATAN Nihil est quidem tecum mihi negotii, o Perfida, sed iste scelestus est meus. FIDES Tuus? Quo iure? SATAN Quo? Legum Dei transgressor est Meisque paruit hactenus, quemadmodum His codicillis veteribus, novis quoque Probabo. FIDES Lege! SATAN Primum omnium superbus est Et arrogans tum in aedibus, tum in vestibus. Laemargus est, scortator est, adulter est, Oppressor est, detractor est, derisor est, Odiosus est et invidus, donat nihil, Orat nihil, ieiunat aut vigilat nihil, Nihil boni umquam gessit, at semper mali Quam plurimum. Haec praecipua capita criminum Sunt; cetera articulatius sub ultimo Examine et coram supremo iudice Citavero. Haec meum hunc fore satis arguunt. VIRTUS Satis arguunt, mendax Satan, hunc fore tuum, Qui veritatis admodum parum obicis, At falsitatis plurimum? SATAN Qui plurimum? VIRTUS Nihil boni umquam gessit (ut tantum tibi, Respondeam, pseudographe) in pueritia Vel prima in adolescentia, quando nihil Praeter Deum et probitatis exercitia in hoc Deprendere potueras? Quid? An nil interim? An non vel hoc in tempore est virtus viro In voto et in opere, modo vita sit comes? Num opus bonum dolere, flere et credere In Christum Iesum, ut nunc vides? HECASTUS FIDES
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1488 obviam scripsimus obvia AUB contra metrum 1491 astas AB actas U ut AB nt U 1513 respondeam AB respondiam U 1516 nil AB nihil U
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Hans Sachs – 5. Akt
DER REICH MANN spricht. Ich förcht mich auch vor dem Sathan. DER GLAUB spricht. 1075
Nichts args er dir zu fügen kan. Ich wil in wol treiben von dir. DER REICH MANN spricht. Schau, schau, was grausams kompt zu mir! Der Teuffel schleicht hinzu. DER GLAUB spricht. Was wilt du hie thun, du Bluthund? Weich von uns in der Helle grund! DER TEUFFEL spricht.
1080
Ich weich nit; dieser Mann ist mein. Umb die groß ubertrettung sein Schaw du mein Schuld register an!
DER GLAUB spricht.
1085
Das hat bezalt ein ander Mann, Jesus Christus, der Gottes Son, Welcher genug für in hat thon, Erworbn im ewiges leben. Demselben hat er sich ergeben In rhew und leid durch waren glauben, Des du in nicht mehr kanst berauben. Weich ab! kein theil hast an im nicht.
1076 was] wz F 1077 hie S fehlt FK 1088 gerauben S
157
158
Macropedius (1539) – Actus quinti scaena sexta
TacebitisNe, virulentae et perfidae? Negare non Audebitis, quin ipsus haec admiserit. Loquatur ipse! Num tua haec facinora sunt? Nonne haec patrasti scelera? Quid submurmuras? Quod conscientia dictat, eloquere palam! HECASTUS Heu, Fides mea, omnia teste conscientia haec Mea facta sunt. Actum est salute de mea, Nisi tu adiuves. FIDES Fide et sile! Refellam enim Tibi cuncta, quae obiecit vel obicere queat Coram superno iudice. HECASTUS O utinam queas! FIDES Fide et sile! In spe namque et in silentio Tua fortitudo erit. HECASTUS Silebo. FIDES Heus tu, Satan, Omnem tuam calumniam probat irritam, Quia iustus est neque talis est, qualem arguis. SATAN Non est? Negare non potest, quin omnia haec Multoque pluria his scelera patraverit. Pseudographum me neutiquam probaveris. FIDES Probabo. Nam si talis aliquando fuit, Nunc iustus est. SATAN Qui iustus est? Quo iure? Quo Iudice? Quibus meritis? Quibus pretiis? QuibusVe paenitentiae operibus? FIDES Simul omnibus Respondeo. Habet hic advocatum apud patrem Et iudicem supremum, Iesum filium Illius et iustissimum et piissimum. Huius quidem iustitiam et omnia merita Sua arbitratur atque se iustum aestimat. SATAN Quid illi et huic commune ais? SATAN
1525
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1529 quae AU quan B 1536 pluria AU plura B contra metrum 1546 sua arbitratur sed iustum existimat U typographi, ut videtur, errore, qui has litteras seq: pro seque positas prave interpretatus est post 1546 interpositi sunt versus duo U (v. p. 189)
Hans Sachs – 5. Akt
DER TEUFFEL spricht. 1090
Ich wil in vor dem strengen Gericht, Vor dem zorning Richter verklagen. Der wirdt das Recht mir nit versagen, Sonder der sünden sein ein Recher. DER GLAUB spricht.
1095
So hat er ein trewen Fürsprecher, Jesum Christum, der in vertritt Und auch den Vatter für in bitt, Das du auch nichts außrichten kanst.
1093 sünden S sünde FK 1094 Da S
159
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Macropedius (1539) – Actus quinti scaena sexta
Multum quidem Modum per omnem. Iure namque duplici Regnum patris sui Iesus hic sibi vindicat: Primum quod heres est, deinde quod etiam Merito suo, sanguine suo morteque sua, Cum iustus esset et neci prorsus nihil Deberet, hoc iure optimo potitus est. Iure altero suam sibi cum patre suo Hereditatem vindicat, verum altero Hecaston hunc, quia pius est, iustificat et Per gratiam sibi coheredem facit. SATAN Ergone Deus iniustus est, qui scelera tot Et tanta non ulciscitur? FIDES Plane ultus est Et graviter ipsa in filio, quem pro omnibus Peccantibus acerbissimae morti crucis Contradidit, quo omnes, qui in illum creduant, Non occidant, sed vita in aevum gaudeant. Hic credit, ergo iustus in fide sua Te invito in aevum cum Deo victurus est. SATAN Victurus est? Non dixeris in ultima Discussione iudicis, ubi singula Et dicta et acta et cogitata exactius Obtrusero. FIDES Ne glorieris; nam pari, Quo nunc, tua argumenta tunc refellero Dilemmate. SATAN Hei conatus est meus irritus. Vah Ðßóôéò exsecranda, quantum obes mihi Tua Pðéóôßá! O si te potissim ulcisci et his Te dentibus velut hanc schedam discerpere! FIDES Funeste, abi, descende in atra Tartara! Nam mox Hecastus ad astra scandet lucida. FIDES
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1562 in AU om. B
1566 contra metrum 1573 potissim AU potessim B
Hans Sachs – 5. Akt
DER TEUFFEL spricht.
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Solt ich dir zerreissen dein Wanst, Du feindselig schendtlicher Glaub? Du entpfürst mir sehr grossen raub, Viel ettlich hundert tausent Seel, Die sonst mein weren und der Hell. O das ich mich an dir köndt rechen! DIE TUGENT spricht.
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So mus man dir dein boßheit brechn, Du neidiger unreiner Geist! Dem Menschlich Gschlecht viel dück beweist Und es stetigs abfürst von Gott. 1098 zerreissen dir S 1106 menschling S
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Macropedius (1539) – Actus quinti scaena septima
Propulsus hinc videbo, si ne aliis queam Imponere, ubi prototypon hoc reposuerim Tuto in diem novissimum. Iam Mors adest Passura mecum mox repulsam, ut arbitror, Non disparem. Nam sacrilegus hic e pyxide Sua, uti solet, aegro vitae edulia porriget Aditumque leto neutiquam laetum sinet. Latebo in hac cavernula, quo conspicer, Morti quid adventus ferat serotinus.
SATAN
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ACTUS QUINTI SCAENA SEPTIMA Philomathes, Hieronymus [cum Acolyto] Trimetri Mortem imminere debili praesagio Ex pulsu et atro lotio. Quid sacrificus Moratur, ut patri prius synaxin et Sacram unctionem porrigat? Sed eccum eum Cum Acolyto bonae spei adolescentulo! HIERONYMUS Salve, Philomathe! PHILOMATHES Salvus es! HIERONYMUS Qui sese habet Pater aeger? Anne spes aliqua salutis est? PHILOMATHES Nulla est, ut atrum hoc lotium atque languidus Arteriarum pulsus indicant. Subi Tectis celeriter, ne probo nobis siet, Si non sacris munitus hinc decesserit! Profecto enim Mors ipsa praesentissima est Et horror illius mea artua concutit. HIERONYMUS Sequere! PHILOMATHES Praei! PHILOMATHES
1590
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post 1599a interpositi sunt versus LIX U (v. p. 189)
Hans Sachs – 5. Akt
Der Todt geht ein. DER TEUFFEL spricht.
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Ietzunder kompt auch gleich der Todt. Wirst gleich so viel schaffen als ich. Den schendtling Pfaffen ich wider sich Mit seiner Püchsen, wirdt der gleichen Dem Krancken Menschen itz dar reichen Die waren lebendigen Speiß, Die in beleit ins Paradeiß. Ich wil stehn und sehen, was der Todt an dem Krancken gwinnen wer.
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164
Macropedius (1539) – Actus quinti scaena octava
ACTUS QUINTI SCAENA OCTAVA Mors, Fides Trimetri Sat distuli. Iam tempus est, Ut spiclum in hunc Hecastum acutum torqueam, Cui hactenus, quamquam Satan aegerrime Tulit, data est dilatio. At iam sentiat, Quam rigida nostra imperia sunt. Aequo pede has Ditissimi pulsabo ut aedeis pauperum. Hecaste, Hecaste, aperi fenestram! Mors adest. FIDES Quis pulsat improbe has foreis? Tu belua? Tu omnem familiam territas? MORS Ego pulsito, Ego territo omnes pro mea libidine. FIDES Tyrannidis, non iuris haec praesumptio. MORS Hoc iure dominor omnibus viventibus, Nedum hominibus, quorum modo hunc, modo alterum, Non aliter atque pastor oviculas suas, Deglutio. FIDES Atqui istuc lupi, haud pastoris est. Scioque futurum, quod ruet regni tui Pars altera. Violenta nulla diutina. MORS Numquam futurum suspicor. Sed alteram Quam tu mihi partem auferendam suggeris? FIDES Regni tui partes duas experti erant, Quoscumque Adam praevaricator severat, Utrasque diras atque formidabiles Gemina tyrannide, nempe mortem duplicem, Et corporum primam et secundam spiritus, Praesentis illam et hanc futuri saeculi. Mortem secundam filius Dei abstulit, Dum saeviente te quidem in cruce mortuus Vivusque te invita regressus ab inferis Mors tua fuit. Tum aeternitatem sustulit Tuae tyrannidis omnibus, qui partem habent In prima PíáóôÜóåé. MORS 1600
1605
1610
1615
1620
1625
1600 spiclum AB spiculum U 1604 ut AB et U 1606 improbe AB improbo U 1613 atqui AB acqui U istuc AU istud B 1615 violenta AB violentia U 1625 dum AB cum U 1627 fuit AB om. U
Hans Sachs – 5. Akt
DER TODT tritt ein, spant seinen Pogen und spricht.
1120
Ietzt ist die zeit, das ich gewiß Mein Pfeyl in den Hecastum schis. Thu auff, thu auff das Fenster dein, Auff das ich schieß mein Pfeil hinein! Ich verschon weder jung noch alt.
165
166
Macropedius (1539) – Actus quinti scaena octava
Qua anastasi putas? Qua quemadmodum de te triumphans filius Per gloriam patris sui surrexit, ut Ita per fidem ipsi suscitati a mortuis Operibus in novitate vitae obambulent. Hanc partem habens Hecastus hic, quamquam aeger est, Minas tuas deridet et stimulos tuos. MORS Deridet? At iam sentiet, quam temere ea Deriserit. FIDES Deridet, et scitissime, Mortem quod hanc vitae sciat portam fore, Cupiens resolvi ergastulo et Christo frui, Certo futurum praesciens corpusculum hoc, Licet putrescat maxime, novissimo Tamen die resuscitandum ad gloriam. Ubi tunc erit stimulus tuus? Ubi tunc erit Victoria tua et arrogantia? Anne tunc, Qua nunc videre in corpora haec grassarier, Destructa erit regni tui pars altera? Nonne in tua victoria absorbeberis? Ingredere nunc et omnibus nervis tuis Grassare in hunc! Non obfuisse videberis, Sed profuisse plurimum, cui gloriae et Vitae perennis tramitem patefeceris. MORS Videbo mox, quid possiem. Quam plurimos Video interim, qui magna de se iactitant, At posteaquam ad proelium pervenerint, Conterriti dilationes postulant. FIDES Qui audacia suisque freti viribus Tibi congredi voluere, talia perpeti Non ambigo. Verumtamen quicum Fides Pugnaverit, tua non pavebit spicula. MORS Tun’ ergo congressura mecum in proelium? FIDES Congrediar atque cliens minas per me tuas Irriserit. MORS Me obtundis his sermonibus. Si sic agatur, invocandus est Satan. MORS
1630
1635
1640
1645
1650
1655
1660
FIDES
1630 contra metrum
1633 obambulent UB obambulant A
Hans Sachs – 5. Akt
DER GLAUB spricht.
1125
1130
1135
Du Bößwicht brauchst ietzt dein gewalt. Kom her! üb all die kreffte dein! Doch wirst du im unschedlich sein. Ob du in bringst gleich in das Grab, Das er rhu von den sünden hab, Wirdt er doch widerumb erstehn, Mit allen außerwelten gehn Am jüngsten Tag zum ewing leben, Darzu du in hie forderst eben. Derhalb er sich nit förcht vor dir, Weil er sich hat ergeben mir. Welch Mensch aber den Glaubn nit hat, Der ist gen dir forchtsam und mat. Denselben magst wol hart erschrecken.
DER TODT spricht. Ich wil im wol ein forcht einstecken. Ich wil den Sathan zu mir nemen, Ob ich in auch mit möcht Beschemen. 1125 gleich pringst S 1134 forchtsam S forschsam FK 1138 mit] noch S
167
168
Macropedius (1539) – Actus quinti scaena nona
ACTUS QUINTI SCAENA NONA Hieronymus, Hecastus, Fides, Virtus Trimetri Audisti, Hecaste, quemadmodum pro te Fides Certaverit. Munitus insuper es sacris Mysteriis. Cave expavescas hostium Horum timorem enervium, sed ab angelis Confide te carnis solutum vinculis Mox evehendum in alta refrigeria! HECASTUS Sic Fido, domine, laetusque Mortem aspexero Tantoque itineri alacriter me accinxero, Sciens me Iesum habere coram iudice Summo et patronum et advocatum strenuum. Sed te obsecro, Fides mea et Virtus mea, Ne deseratis me ultimo in discrimine. FIDES Non deseram vel hinc euntem vel patris Summi tribunal iudicis cum accesseris. VIRTUS Nec ego Fide suffulta modo te deseram. HECASTUS Euge, adsit huc cruenta Mors et ut eximat Me ergastulo, sua vibret in me spicula! FIDES Praesente sis animo! Ipsa Mors nunc ingruit. HIERONYMUS 1665
1670
1675
1680
ACTUS QUINTI SCAENA DECIMA Mors, Fides, Hecastus, Satan Trimetri Ubi est homo tanta tumens superbia, Ut audeat minas meas et spicula Animo volenti interritoque excipere? FIDES Adest, Nec est superbia haec vel arrogantia, Sed in Deum fidei bonae constantia. En tibi hominem! MORS
1685
1672 sciens AB fidens U 1681 animo AB anima U
Hans Sachs – 5. Akt
Der todt gehet ab. DER PRIESTER kompt und spricht. 1140
1145
Hecaste, hast gehört die That, Wie der Glaub für dich kempffet hat? Nun hast du auch das Sacrament. So bald du nimbst ein selig end, So füren dich die Engel blos Dahin ins Abrahames Schos. Darffst fürbaß förchten kein verderben. DER REICH MANN spricht.
1150
Aller erst wil ich geren sterben, Dieweil der Herre Jesu Christ Mein warer Heiland worden ist. Glaub und Tugent, ich bitt durch Gott: Verlast mich nit in letzter not! DER GLAUB spricht. Hecaste, ich verlaß dich nicht Hie noch vor dem strengen Gericht. DIE TUGENT spricht. Ich wil auch nit weichen von dir. DER REICH STERBENT MANN spricht.
1155
Nun mag der Todt kommen zu mir Und in mich schiessen seine Stral! Ich fürcht in nichts mehr uberal. DER TODT spricht. Wo ligt der stoltze kranck mit pracht, Der mich und meine Pfeil veracht? DER GLAUB spricht.
1160
Da ist er; es ist kein Hoffart, Sonder des rechten Glaubens art, Das er, Todt, fürcht nit dein verderben. 1155 seine S seinen FK
169
170
Macropedius (1539) – Actus quinti scaena decima MORS FIDES
1690
1695
1700
Moriturus es.
Et id expeto. Responde ei voce, ut vales, nihil haesitans! HECASTUS Nihil haesito, sed languido vox deficit. FIDES Sic inquies: Fera bestia sitibunda Mors, Non timeo te aut ictus tuos. HECASTUS Non timeo te aut Ictus tuos. FIDES Nil metuo acutam cuspidem. HECASTUS Nil metuo acutam cuspidem. MORS Nihil? HECASTUS Nihil. MORS Quo fretus auxilio? HECASTUS Fide. MORS Hei! FIDES Sed gaudeo Nunc emori. HECASTUS Sed gaudeo nunc emori. FIDES Et Cum Christo in aevum vivere. MORS Hem, tabesco iam. HECASTUS Et Cum Christo in aevum vivere. MORS Haud consto mihi. FIDES Corpus meum licet modo imputrescat in Sterquilinio. HECASTUS Corpus meum licet modo Putrescat in sterquilinio. FIDES Credo die Novissimo resuscitandum ad gloriam. HECASTUS Euge, Ad gloriam. FIDES Quapropter in manus tuas, Domine Deus, commendo spiritum meum. HECASTUS
1700 credo AB fido U
Hans Sachs – 5. Akt
DER TODT spricht. Hecaste, wilt du geren sterben? DER REICH STERBEND spricht. Ja, ja! DER GLAUB spricht. Antwort nur keck! du wirst Gesiegen. DER REICH STERBEND spricht. 1165
Mir wil geleich mein Sprach verliegen. Dich, Todt, förcht ich nicht uberal, Fürcht auch nit deine todten stral. DER TODT spricht. Sag an! warauff verlest du dich? DER REICH STERBENT spricht.
1170
Auff den Glauben verlaß ich mich Und frew mich auch zu sterben eben Mit Christo, dort ewig zu leben. DER TODT spricht. Dennoch wil ich dein Leib erhaschen, Brechen und machen gar zu Aschen. DER REICH STERBENT spricht.
1175
Ob gleich mein Leib fault in der Erd, Ich widerumb erwecket werd. Ich zeuch dahin, ich bin todschwach. DER GLAUB spricht. Hecaste, heb an! sprich mir nach: Mein Geist befilh ich in dein Hend!
1168 verlast S
171
172
Macropedius (1539) – Actus quinti scaena undecima
Quapropter in manus tuas, Domine Deus, Commendo spiritum meum. FIDES Grassare nunc, Cruenta Mors, pallescat os, genae cadant, Oculi haereant cutisque lurida squaleat, Singultiat flatus in anhelo pectore, Animamque promptam ardente tandem spiculo, Quo ictu vales, vitae perenni separa! De te, velis nolis, triumphat spiritus. MORS Morere, caro! FIDES Euge, quietum ad Abrahae sinum Ab angelis deducta mens nobis quoque Comitantibus sursum evolat. MORS Fides, Fides Malefida, quam mihi et Satanae incommodas! Confusa sum. SATAN Victi sumus. Fugiamus hinc!
HECASTUS 1705
1710
1715
ACTUS QUINTI SCAENA UNDECIMA Philoponus, Cognati, Amici, Uxor cum familia Trimetri Heu, heu tribules, flete Hecastum mortuum! Quid ais? Hecastus mortuus? AMICUS Quid clamitas? PHILOPONUS Hecastus est mortuus et huic saligno mox Loculo inserendus est. AMICUS Hecastus mortuus? Eheu, mi Hecaste, doleo, quod te amisimus, Virum integrum et in omnibus amicum strenuum. PHILOPONUS COGNATI
1720
Hans Sachs – 5. Akt
DER REICH STERBENT spricht. Mein Geist befilh ich in dein Hend. DER GLAUB spricht. 1180
1185
Nun greiff an, du grausamer Todt! Mach erpleichen sein Munde rot! Brich sein Augen! erstarr sein Hend Und streck in auß an alle end! Sein Geist der leb dort ewigkleich Mit Christo in seins Vatters Reich! DER TODT steht ob im und spricht. Du irrdisch Fleisch, duck dich und stirb! DER TEUFFEL spricht.
1190
Vor neid und haß ich schier verdirb. Das mein und auch des Todes Banden Der Glaub macht also gar zu schanden. Wir haben beid den Kampff verlorn Und faren auß mit grossem zorn. Sie gehnt auß, der Glaub, Tugent, Todt und Teuffel. DER ERST KNECHT kompt und spricht. Ir Freundt und Nachbarn, kompt herein! Helfft ewren Hecastum bewein! DEMONES, der erst Freundt, kompt und spricht. Was? ist denn der Hecastus todt? DER KNECHT spricht.
1195
Ja, er ist hin; genad im Gott! SINGENES, der ander Freundt, kompt und spricht. Ist er todt? sag an! wenn werden Wir in bestetten zu der Erden?
1179 in fehlt K 1189 schandten K 1192 freündt K
173
174
Macropedius (1539) – Actus quinti scaena undecima
Quis contineat a lacrimis, tanto viro, Tam nobili, tam divite et iuventa florido Suis adempto! AMICUS Et morte tam subitanea. Ubi uxor est? Ubi liberi? PHILOPONUS Maeroribus Se macerant in aedibus miserrime. Eccos! Simul familia tota proruit Suffusa lacrimis. Valete! COGNATI Pro dolor! Tibi dent Dii, cognata nostra Epicuria, et Gnatis tuis in his dolendis casibus Laetam vicissitudinem! EPICURIA Heu viduata sum Viro optimo infelix mulier! Heu me, viro Meo optimo viduata sum! AMICUS Nos quoque viro Fidissimo. Iam quique pullis vestibus Studebimus operirier, quo post die abHinc tertio digne exsequamur funera. COGNATI Dignissime exsequias viro apparabimus, Non aureo parcemus uni aut alteri. Atque utinam eum queamus huc reducere Mille aureis et has redimere lacrimas! COGNATI
1725
1730
1735
1740
1724 contra metrum
Hans Sachs – 5. Akt
1200
DEMONES, der erst Freundt, spricht. Ja, wer köndt doch das trawren lan Umb ein so Jungen reichen Mann, Der hinfert in sein jungen tagen? SINGENES, der Freundt, spricht. Sein schnellen Todt thu ich nur klagen. Ey, wo sind sein Weib unde Kind?
1205
DER ANDER KNECHT spricht. Sie allesam versamelt sind Bey der Leych dinnen in dem Hauß. Schaw! ietzund kommen sie herauß Mit grossem weinen und wehklagen. Man wirdt in bald zu Grabe tragen. Die Fraw und Söhn gehnt ein, weinen. DEMONES, ir Freund, geit ir die hend und spricht. Epicuria, liebe Freundin mein, Gott tröst dich in der trübsal dein!
1210
1215
DIE FRAW spricht. Ich armes weib verlassen bin. Mein lieber Gmahel ist dahin. SINGENES, der ander Freundt, spricht. Wir sind beraubt unsers freunds dagegn. Wir wölln all trawer Kleider anlegn, Das man die Leich zum Grabe trag Ehrlich auff den morgigen tag. DEMONES, der erst Freundt, spricht. Ein Köstlich Grebnus wir zurichten. Den unkost wir sparen mit nichten. Wolt warhafft tausent gülden geben, Das Hecastus noch wer bey leben. 1198 Ja] Ach S 1212 phrawbt v. freuncz dargegn S 1214 leich S leicht FK 1218 tausent F tausend K
175
176
Macropedius (1539) – Actus quinti scaena duodecima
Dulcis mihi affectus patris lacrimas ciet. Quidni excitet? Totus quidem videor mihi In lacrimas resolvier. EPICURIA Pro, pro dolor! Quis det meis oculis perennes lacrimas Aut sempiterna flumina, ut cordis mei Ter maximos queam dolores prodere! ANCILLA I Heu, Te ploro, Hecaste, mortuum. ANCILLA II Heu, quis non fleat Te, amice Hecaste, mortuum? Quis non fleat? EPICURIA O amica lumina, labra blanda, amabiles Genae, ut modo tenebricosa, pallida, squalida! Ut cuncta membra corporis flaccentia! Heu Dolor, dolor! Quin ipsa pro te mortua? Sic separas carissimos, amara Mors! PHILOCRATES
PHILOMATHES
1745
1750
ACTUS QUINTI SCAENA DUODECIMA Hieronymus, Grex Trimetri 1755
1760
1765
Quis planctus iste inordinatus, mulier, est? Quis, liberi et reliqui viri, quis planctus hic? Id scire vos de dormientibus volo, Vos, inquio, quos Christiana roboret Merito fides, ut non perinde ac ceteri, Vitae quibus spes nulla, contristemini. A mortuis si credimus quod filius Dei excitatus est, per illum nos quoque Praemortui de pulvere excitabimur, Quandoquidem Dominus Iesus in die Novissimo descendet in tuba Dei e Caelestibus, dein resurgent mortui. Nam tuba canet caelestis, et qui dormiunt Corpore resurgent integro. Nihil igitur
HIERONYMUS
post 1754 interpositi sunt versus LIII U (v. p. 191) 1758 inquio AB inquo U
Hans Sachs – 5. Akt
DER ELTER SOHN spricht. 1220
Ich muß weinen und seufftzen sencken, Wenn ich meins Vatters thu gedencken. DER JÜNGER SON spricht. Ach, wer wolt aber nit bewein Den hertzen lieben Vatter mein? DIE FRAW spricht.
1225
Ach Gott, ach Gott, wie soll ich than Umb meinen lieben frommen Mann? ANCILLA spricht. Ach, ach des frommen Herren mein! Ach, wer möcht doch umb in nit wein! DIE FRAW spricht.
1230
1235
Ach, wie freundtlich war sein Angsicht, Lieblicher gstalt und gar Rößlicht! Wie ist sein rotter Mund erplichen Und all sein krefft von im gewichen! Wie sind all sein Glieder verdorben! Ach das ich wer für in gestorben! Ach grimmer Todt, wie scheidst selbander Die aller liebsten von einander! DER PRIESTER spricht.
1240
1245
Liebs Weib und Kindt, Weint nit so sehr, Als ob er hett kein hoffnung mehr, Als ander unglaubige Heiden! Uns Christen bessers ist bescheiden. Weil Christus selb ist aufferstanden Am dritten tag auß Todtes banden, Wirdt er auch zu der letzten zeit Aufferwecken mit herrligkeit Alle die seinen Gottes Kind, Die im glauben entschlaffen sind. vor 1220 sohn F son K 1227 möcht] solt S 1231 kraft S 1245 Die] So S
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Macropedius (1539) – Actus quinti scaena duodecima
Tristemini vestro de Hecasto sub fide Hac Christiana mortuo, sed hoc magis Laetemini, quod absolutus corporis Molestiis in pace Christi dormiat In regeneratione reddendus quidem ad Vitam omnibus Christi in fide morientibus! EPICURIA Ergone vita residua est morientibus? HIERONYMUS Residua, non iustis modo, sed et omnibus, Qui post peracta scelera redeunt ad Deum Per paenitentiam. LIBERI Ergo post furta et stupra Sperabimus vitam beatam cum Diis? HIERONYMUS Sperabitis fide atque paenitentia. COGNATI Sperabimusne et nos? HIERONYMUS Item sperabitis. AMICUS Nos itidem? HIERONYMUS Identidem. Neque est acceptio Personae apud Deum, sed omni in gente, qui Timet Deum et operatur ea, quae iusta sunt, Acceptus est ei. Hinc simul resipiscite Et corrigite, quod in Deum peccastis, ut, Cum venerit iudex die novissimo, Non ad necem, sed ad perennis gloriae Vitam resuscitarier mereamini! Ad quod nihil lacrimae hae valent nec luctus hic Nec pulla vestis nec cucullus prominens, Sed vitae honestae melior institutio. PHILOMATHES Recte mones, vir omnium piissime. Linquamus omnem hunc apparatum splendidum, Linquamus omnem luctum inanem et lacrimas Moresque nostros corrigamus pristinos. Si multo amoeniora vitae munia Post hanc calamitatem morantur in fide, Spe et caritate mortuos, quid residuum est Nisi ut hunc diem cum patre agamus mortuo Laetissimum? Non in cibis et poculis
1771 laetemini scripsimus laetamini AUB 1783 in AU de B contra metrum post 1791 sed lacrimae, confessio, ieiunia U 1792 sed] et U post 1794 linquamus cuncta in usum pauperum U
Hans Sachs – 5. Akt
Derhalben so thut alle Buß! So wirdt euch an dem end Christus Alle erwecken von dem Todt, Das ir dort ewig lebt bey Gott.
DER JÜNGER SON spricht. 1250
1255
Ja, ir sagt recht, bey meinen trewen. Wir wölln nit klagen, sonder uns frewn Mit unserm vatter in Gott verschieden, Der nun rhuet und ist zu frieden Von allem zergengklichn irrdischen Und lebet nun in den Himlischen. Drumb, lieben Freundt, kompt all herein!
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Macropedius (1539) – Actus quinti scaena duodecima
Gravioribus, natura quam poposcerit, Nec tympanis et organis, sed maximas Deo exhibendo gratias. Viro pio Congaudeamus intimis affectibus Et absque pompa inutili exsequias pias Patri paremus mortuo! GREX Optime mones. Congratulemur mortuo et Domino Deo Dignas agamus gratias! HIERONYMUS Sic expedit. PHILOCRATES Assentior. Procede, Daetre, ex aedibus Tantisper huc, dum, quod volo, ex te scisciter! Procedat atque Oeconomus huc! OECONOMUS Oeconomus hic. DAETRUS Et Daetrus hic. Iam sciscitare, quod velis, Breviter, quod haud abesse licet obsoniis! PHILOCRATES Quid? Adhucne plene cocta sunt obsonia? DAETRUS Iam cocta sunt verubusque detrahenda sunt. Iube ingredi cito, quos velis accumbere! PHILOCRATES Iubebo. Abi, fac singula expedita sint! DAETRUS Curabitur. PHILOCRATES Tu, Oeconome, paululum foris Morabere, ut dicas vale spectantibus! OECONOMUS Curabitur. PHILOCRATES Cognati et alii amiculi, Quos mane pater ad vesperum convivium Vocaverat, nobiscum ad ipsum ingredimini, Ut, quod gulae paratum erat, sumamus hoc Frugaliter non absque honesto gaudio! GREX Sequimur; praei! OECONOMUS Vos, qui advolastis impigri ad Nostra haec theatra, tum viri tum feminae, Adite nunc vestras domos sine remora! Nam Hecastus hic, quem morte caesum exhibuimus, Non ante tertium diem tumulandus est. Valete cuncti et, si placuimus, plaudite! FINIS
Hans Sachs – 5. Akt
1260
So wöll wir zimlich frölich sein Mit einander das Nachtmal essen, Des trawrens und weinens vergessen Und wölln Gott lobn und seinen Namen, Das er uns auch geb allen samen Ein Christlich end! sprecht alle Amen! Sie gehnt alle in der ordnung ab.
DER EHRNHOLD beschleußt.
1265
1270
O Christen mensch, diese Barabel Laß dir im hertzen sein kein Fabel, Sonder bedenck hertzlich darbey, Wie ungewis die Stunde sey Des Todtes, das du von deim leben Dort must ein schwere rechnung geben Vor dem strengen Gottes gericht, Da dich niemand schützt noch verspricht, 1259 Des trawrens vnd weinens S Trawren und das weinens FK (des K) 1260 Vnd g. loben S
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[s. S. 36]
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Hans Sachs – 5. Akt
1275
1280
Es sey denn, das du hast gehort Das heilig thewer Gottes wort, Das ware Evangelium, Welches den glauben in Christum In dir krefftig gewürcket hat! Der selbig Glaub dich nit verlat, In todtes nöthen dich verficht, Steht dir auch bey in dem Gericht. Derhalb, Mensch, die zeit nit versaum! Die Axt die ligt schon an dem Baum. Würck Buß und kere dich zu Gott, Auff das dir nach dem leibling Todt Dort ewigs leben aufferwachs! Das wünschet uns allen Hans Sachs. Hernach volgen die XIX. Personen in diese Comedi.
1285
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Der Ehrnhold Hecastus, der reich sterbent Mann Epicuria, sein Gemahel Philocrates, 2 Ehelich Söhn Philomaches, Philepanis, 2 Knecht Panocitus, Economus, der Haußvogt Datrus, der Koch Ancilla, die Magd Nomodydastalus, der Legat Virtus, die Tugent Fides, der Glaub Demones, der erst Freund Singenes, der ander Freund Hieronimus, der Priester Plutus, der Schatz Mors, der Todt Sathan, der Teuffel Anno Salutis 1549 Jar, am 6. tag Septembris
nach dem Datum Suma 1284 vers S
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Macropedius (1552) – Ad candidum lectorem in Hecastum praefatio
2.3 Macropedius (Zusätze 1552) AD CANDIDUM LECTOREM IN HECASTUM PRAEFATIO
5
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15
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25
30
Cum, ni fallor, ante annos abhinc decem Hecastum nostram edidissem et paulo post praelo mandassem, fuere multi, quibus (fabulae scopo recte considerato) per omnia placuit, fuere, quibus in ea nonnulla offenderunt, fuere quoque, quibus omnino displicuit, ob hoc praecipue, quod erroribus quibusdam nostri temporis conivere et suffragari videretur – imprimis illi, quod citra paenitentiae opera (satisfactionem dicimus) et ecclesiae sacramenta, per solam in Christum fidem et cordis contritionem, condonationem criminum docere vel asserere videretur et quod quisque certo se fore servandum credere teneretur. Id quod nequaquam nec mente concepi nec umquam docere volui, licet quibusdam fortassis fabulae scopum non exacte considerantibus prima (quod aiunt) fronte sic videri potuerit. Si enim rei scopum, quem in argumento indicabam, penitus observassent, secus fortassis iudicaturi fuissent. Volui siquidem praecipue in fabula ostendere, quo pacto post scelera postque flagitia subitanea morte occupatus seu praeventus quispiam, cum ad extrema pervenerit nec canonicae paenitentiae locus vel tempus reliquum sit, ne pusillanimitate et desperatione fractus pereat, tractandus sit. Cuiusmodi homini (pro mea quidem sententia), cum iamiam moriturus sit, non carnis afflictio, non alia paenitentiae opera, sed ìåôÜíïéá seu detestatio peccati et plena fiducia iam fide in Christum pro nobis mortuum proponenda et inculcanda sunt. Profecto longe aliter hominem quemlibet sanum et extra mortis imminentis periculum, si res postularet, post sceleratam vitam quantumvis resipiscentem et dolentem tractaturus essem, quod ad absolutam peccatoris conversionem et reconciliationem non tantum cordis contritio vel peccatorum detestatio, verum etiam sacramentalis confessio, sacerdotis absolutio, gemitus, luctus, ieiunium, carnis maceratio, eleemosynae et id genus alia tum paenitentiae tum pietatis opera proximo exhibenda requirantur. Oro praeterea pium lectorem, ne in quibusdam fabulae locis suspicionem fortassis aliquam moturis existimet me velle affirmare vel sentire, quod hominem quemlibet Christianum necessario credere oporteat in numero salvandorum se esse aut de sua salute certum esse, cum multae scripturae nos doceant nihil tutius esse quam sub spe semper timere. Nihilominus si certus erat Paulus, quia neque mors neque vita
1 nostrum B 20 plaena U 30 senire B 32 nnmero U
34 quia] quod B
Macropedius (1552) – Ad candidum lectorem in Hecastum praefatio 35
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55
60
65
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neque creatura aliqua se cum aliis piis et fidelibus separare posset a caritate Dei patris, quae est in Christo Iesu Domino nostro, ut colligit ex praecedentibus ad Romanos cap. 8 et manifestius eodem capite: ‘Ipse spiritus testimonium reddit spiritui nostro, quod sumus filii Dei’ cum ceteris, quae prosequitur; si divus Petrus certa promissione credentes dicit gavisuros laetitia inenarrabili etc.; si Ioannes in evangelio dicit: ‘Qui verbum meum audit et credit ei, qui me misit, habet vitam aeternam et in iudicium non venit, sed transiit de morte in vitam’ et manifestius in Epistola: ‘Carissimi nunc filii Dei sumus, et nondum apparuit, quid erimus; scimus autem’ etc.; si (inquam) hi suo tempore adhuc in carne viventes de sua et aliorum salute certi fuerunt, absurdum erit, si etiam hac nostra tempestate pie credamus subinde nonnullos per divinam revelationem seu spiritus testimonio certo cognoscere se filios Dei esse et hinc migrare securos? Quis praeterea, si historiis credimus, innumeros martyrum et confessorum greges de salute sua certos et securos dubitet exspirasse? Annon secura mens Stephano, qui vidit caelos apertos? Annon secura mens Antonio, qui mortem laetus aspexit? Annon secura mens Ambrosio et Martino, quorum alter interrogatus se mortem non timere dicebat, quod bonum Dominum haberet, et alter iamiam moriturus astanti sibi humani generis hosti dicebat: ‘Quid hic astas, cruenta bestia? Nihil in me funeste reperies; Abrahae me sinus recipiet.’? Taceo de multis aliis, de quorum tum in vita tum in morte securitate prolixum esset recensere historias. Cum igitur non abbreviata sit manus Domini, sed adhuc suis caelestis gratiae et consolationis munera impertiatur, quo merito alienum a religione Christiana iudicabitur, si dicatur adhuc nostri temporis quispiam (qualem Hecastum finximus) subinde inveniri, qui divino spiritu suae conscientiae reddente testimonium spem sibi certam suae salutis promittat? Haec prolixius quam destinaram, optime lector, prosecutus sum, ut de Hecasto mentem meam cognoscas et, si qua inter legendum non trivialiter dicta occurrant, pie et candide interpreteris. Traiecti anno 50.
40 gravisuros B 51 Annon] bsnnon B 52 secura] eceura B Amabrosio B 53 timer B 54 stanti B 55 cruentae Asttia B 60 quo scripsimus quŇ U quoniam B
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Macropedius (1552) – [Prologus]
[PROLOGUS] 91
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Videbitis nihilominus, quemadmodum, Cum paenitentiae operibus seu fructibus Essent negata nece imminente tempora, Post criminum confessionem praeviam, Post lacrimas cordisque paenitudinem Non aliter ac pius latro in cruce pensilis Per unicam in Christum fidem Deo patri Gravissime offenso rediit in gratiam Et ab angelis de paenitente ovantibus Subvectus est ad sempiterna gaudia. Sciat tamen spectator omnis candidus, Multo quod aliter hunc vel alium quemlibet Sano et vigenti corpore in proscaenium Produceret, flagitia post enormia Manifesta seu latentia, auctor fabulae Quam morte praeventum hunc virum subitaria, Quod ad absolutam paenitentiam sciat Pluria requiri quam fidem ipsam catholicam, Confessionem et absolutionem eam, Virtute quae fit clavium Petro datarum Ecclesiaeque per ministros publicos. Cuiusmodi est eleemosyna, ieiunium, Orationes lacrimaeque et id genus Alia pia opera, tum in Deum, tum in proximum. Verum sibi persuasit hunc vel quemlibet Morte subita praeoccupatum sic fore Tractandum et exhortandum et hoc solacio Fidei levandum, ne (quod absit), dum nimis Exaggeretur, quam meretur pro suis Excessibus, correctio, moriens sibi Male conscius satisque facere non valens Spe destituta animum miser despondeat Barathrumque desperationis incidat. Certe humilium contrita corda neutiquam Spernit Deus, sero licet resipuerint. Quae vera, nunquam sera paenitentia est. Neque singularem (ut nuncupant) fidem in Deum, 918 pluria U plura B contra metrum
Macropedius (1552) – Chorus
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Verum catholicam et universalem probat Ab apostolis et orthodoxis proditam, Qua non modo esse Deum et creasse haec omnia Et in unitate trinitatem credimus, Christumque natum, passum et in cruce mortuum Dieque tertia excitatum a mortuis, Sed et in Deum qua credimus et in filium, Quem perditis nobis necandum tradidit. Toti fide atque amore in ipsum tendimus Ipsique nos nostram et salutem maxime Totaque cum fiducia committimus. Nec voluit auctor quemlibet debere se Certo beandum credere, quod tutius Nihil sit ac spei timorem adiungere. Verumtamen quis dubitet innumeros adhuc Posse emori tutos sineque periculo, Ut martyrum Christum confitentium Quondam greges, quorumque menti Spiritus Testatus est, Dei quod essent filii? Haec me volebat proloqui Macropedius, Ne qui favere eum putent erroribus, Ecclesiae quod ab unitate catholicae Et ab orthodoxis discrepare anathema sit. Praeterea et hoc paucis monebo, si cui In aliquibus minus pudice visa sit Vel adultera introducta vel meretricula, Nihil est in hac, quod oclos pudicos laeserit. CHORUS Versu Sapphico
201
Foede peccator, resipisce tandem, Iudicis multas citus anteverte, Hora ne tradat cita mortis orco Te cruciandum!
942 Christumque scripsimus Christum UB contra metrum quoque Christumque scribendum?)
954 contra metrum (an hic
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188 205
2010
2015
Macropedius (1552) – [Actus tertii scaena tertia]
Quid tibi gazam, moriture, condis? Quid voluptates, moriture, anhelas? Quid vel affectas, moriture, honores Interituros? Dum viges sanis vegetisque membris Et frui dulce est scelere exsecrando, Macera carnem, peritura sperne Et resipisce, Sera ne non sit metanoea vera, Nempe procedens barathri pavore Prorsus aut nulla, hanc merito negante Iudice iusto! [ACTUS TERTII SCAENA TERTIA]
7521
7525
[COGNATUS SECUNDUS:] Tametsi ad Indos me vel ultra duxeris. Per saxa et ignes perque solitudines, Per maria ab Herculis columnis extimis Cimmerium adusque Bosporum et Maeotidem Tibi comes ero individuus et te protegam. [ACTUS QUINTI SCAENA QUARTA]
13561
[HIERONYMUS:] Quod nil queas iam nisi dolere et credere ½½½
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14125
[HECASTUS:] Tu scis, pater, quam tibi libens rependerem Milia talentorum decem, quae debeo, Modo revalescam humanaque fragilitas sinat. Fido tamen, quod per necem Christi tui Mihi remittes universum debitum. – ½½½
14301
FIDES Adsumus et a Satane te tuebimur.
Macropedius (1552) – [Actus quinti scaena sexta]
[ACTUS QUINTI SCAENA SEXTA] 1546 15461
[FIDES:] sua arbitratur, seque iustum existimat Fidens Dei verbo, quod is beatus est, Cui, quae patravit, scelera non Deus imputat. [ACTUS QUINTI] SCAENA INTERIECTITIA Philomathes, Acolitus Versu trimetro Praei, sequar. Heus puer, cum te sciam Bonae indolis, quin linquis hunc Hieronymum, Bardum rudemque sacrificum? Quin applicas Te litteris humanioribus ac iis Horariis preculis chorique ineptiis Sive ëéôáíåßáéò rancidis, quas audio Cum sacrifico te murmurare sedulo? ACOLITUS Non te puto, domine medice, ex animi tui Istaec loqui sententia. PHILOMATHES Pol maxime. ACOLITUS Sine ergo singulatim ad ea respondeam! PHILOMATHES Respondeas, per me licet. ACOLITUS Primum omnium Pium volebas ut sacrificum, quod rudis Foret atque bardus, linquerem; sed ei magis Ego obsequendum censeo, qui me sua Pietate vitia fugere, Christo fidere et Deum timere verbo et exemplo docet, Ac litteratoribus iis scholaribus De me licet bene meritis, qui gnaviter Mihi tradidere grammatica, dialectica et Rhetorica, ceterum nihil. PHILOMATHES Sed illa, quae Tibi sacrificus nunc suggerit, per Herculem Ad opes, voluptatem atque gloriam nihil Conduxerint.
15991 PHILOMATHES
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1546 seque scripsimus sed UB
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Macropedius (1552) – [Actus quinti] Scaena interiectitia
ACOLITUS Verum ad salutem plurimum. Nihilominus, quem tu rudem ac bardum vocas, Latum (quod aiunt) culmulum haud tibi cesserit, Modo auferas tuos Ioves ter maximos, Apollines et Hercules ac id genus Tua verba sesquipedalia, ampullas tuas, Phaleras tuas, fucos tuos, quae puritas Orationis propriae non exigit. Quantum licuit et res poposcit, litteris Operam dedi politioribus, sed ut Vidi, quod ad veram salutem neutiquam Sine pietate erga Deum conducerent, Vale dixi eis, quod inane sit stultumque sit Iis consenescere et immori. PHILOMATHES Loqueris probe Mentique consentanea et consentiam, Nisi antiphonae, hymni precesque ceterae Tam insulsa sint et barbara, ut mihi nauseam Cantata pariant atque doctis sordeant. ACOLITUS Et ego quidem nonnulla cupiam salsius, Latinius concinniusque prodita, Verum sub iis (ut tibi videntur) sordibus Ego simplicem pietatem honoro, veneror atque Exosculor, quam nec soloecus nec aliqua inConcinnitas nec barbarismus sordidat, Quam et ipsa honestat lingua mihi vernacula. PHILOMATHES Nisi mors patri nunc imminens sensus meos Modo distrahat, quam in rebus his caecutias, Ostenderem! Hui, quam video larvam huc eminus Vibrantem acutum spiculum? ACOLITUS Quam? Haec atra Mors. PHILOMATHES Atat! ACOLITUS Anne medicum litteratum terreat Mors? PHILOMATHES Maxime; moritur enim doctissimus Perinde ut indoctissimus.
159925 quod B quæd U 159934 conducerent scripsimus conduceretur UB contra metrum 159938 antiphonae B antiphùnae U 159939 insulsa B insalsa U 159945-46 nec aliqua in- | Concinnitas B nec aliqua | Inconcinnitas U 159949 caecutias B caecutius U 159950 ostenderem B ostenderam U
Macropedius (1552) – [Actus quinti] Scaena interiectitia 12
ACOLITUS ConsultiusNe sit igitur studere pietati unicae, Qua mortem in aevum non timebo, quam tuis Humanitatis universis litteris, Quae neutiquam te horrore mortis liberant? Sic fugis? PHILOMATHES Atat.
159955
[ACTUS QUINTI] SCAENA INTERIECTITIA 12 Ancillae duae, Famuli duo, Epicuria Trimetri Hera, ingredere, defectio ne spiritus Te turbet et turbetur omnis familia Neu cum marito et te fleamus mortuam! EPICURIA Heu! ANCILLA A Heus famuli, heram reducite a cadavere, Dolore ne deficiat aut lapsam solo Contingat ocius emori et fiat dolor Posterior hic nobis priore dirior! Sustollite! FAMULI Hem. ANCILLA B Nos lugeamus mortuum! Heus socia, Hecastum lugeamus! ANCILLA A Sic decet. Plangamus atque maesta palmis pectora, Quod hera labescat et languore concidat Et amabat hic, dum viveret, nos plurimum. Quid, Hecaste mi! Mi Hecaste, quid! Heu heu dolor! ANCILLA B Pro pro dolor! ANCILLA A Quid est, amice, quod relictis omnibus Caris tibi toto iaces sic corpore Prostratus? An futurus esca vermibus? Egone queam inducier, ut istuc creduam? Qui creduam? Tute hoc sinas? Num tu sines
17541 ANCILLA A
17545
175410
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159954-55 consultius- | Ne sit B consultiusne | Sit U spiratus UB 17545 lapsam B lapsum U
17541 spiritus scripsimus
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Macropedius (1552) – [Actus quinti] Scaena interiectitia 12
Hoc delicatum, amabile et pulcherrimum Corpus tuum corrumpier, putrescere Terebrarierque vermibus? Sed pro dolor, Dum a capite ad imas usque plantas lumina Mea flecto, nil prae se ferunt membra omnia Nisi mortis horrendae abominandam imaginem. Heu Dulciculi oculi, rosea labra, rubentes genae, Ut subito in horrorem nigrum transistis et mutamini! Heu pectus ante eburneum, nunc luridum, Heu venter ante turgidus, nunc flaccidus, Heu tibiae ante candidae, nunc lividae, Heu cuncta quondam vegeta, nunc prae se ferunt Mortis pavendae imaginem! Heu, dum intus nihil Animi viget, pro stupida sunt haec artua Putrique tabo proxima. Heu dolor, dolor! Heus socia, Hecastum lugeamus mortuum et Plangamus ultra maesta palmis pectora! ANCILLA B Decet, heu dolor! ANCILLA A Pro pro dolor! ANCILLA B Pro pro dolor! ANCILLA A Pro pro dolor! ANCILLA B Pro pro dolor! ANCILLA A Quid, Hecaste, te Quaeso impulit mortem aggredi subitaneam? Annon adhuc tibi flos iuventae blandus et Vernans erat roburque corporis integrum? Non pulchra coniunx, non suaves liberi, Non fidi amici proximique sanguine? Annon abundabant tibi cuncta affatim Opes, voluptas atque mundi gloria? Quid ergo in has te mortis aerumnas graves, Hecaste, praecipitasti, in aevum neutiquam Rediturum, ad haec cibum futurum vermibus? Respirat uxor seque cruciat denuo, Cum familiaque flent amici et proximi. Solus sacerdos absque fletu tetricus. Heus socia, Hecastum lugeamus mortuum! 175423 imas B imos U 175425 imaginem. Heu scripsimus metri causa imaginem | Heu UB 175427 contra metrum 175442 roburque B roborque U 175447 quid U qui B
Macropedius (1552) – [Actus quinti scaena duodecima]
[ACTUS QUINTI SCAENA DUODECIMA] 17911
[HIERONYMUS:] Sed lacrimae, confessio, ieiunia ½½½
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[PHILOMATHES:] Linquamus cuncta in usum pauperum.
17941 contra metrum
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Macropedius (1539)
2.4 Übersetzung Lateinisch – Deutsch 2.4.1 Hecastus (1539) DER HECASTUS DES MACROPEDIUS, EIN MINDESTENS SO FROMMES wie heiteres Stück, darin jeder Frevler unter den Sterblichen (sofern er nur auf sein Heil bedacht ist) gleichsam in einem Spiegel wird betrachten können, auf welche Weise er durch Christus nach aufrichtiger Reue über seine Verbrechen zu einem seligen und sogar glücklichen Tode gelangen kann.
GEDRUCKT IN ANTWERPEN bei Michael Hillen, in den Rape, im Jahre 1539
Übersetzung – Widmung
195
Dem gleichermaßen hochehrbaren wie hochgelehrten Manne, Herrn Gottfried Montanus, dem hochwürdigen Dekan zu Eindhoven, entbietet Georg Macropedius seinen Gruß. Da ich nun einmal, hochdekorierter Herr, durch einen Bericht meines Herrn und Bruders Arnold, unseres gemeinsamen Freundes, Kenntnis davon erlangt habe, dass Ihr schon seit längerem Gefallen an meinen Schauspielen findet, [5] habe ich entschieden, Euch nun auch ein etwas ernsteres Resultat meines nächtlichen Schaffens zu widmen. Dazu hat mich in gleicher Weise nicht bloß die freundschaftliche Verbundenheit Eurer ehrbaren Eltern und die mir erwiesenen Wohltaten, sondern auch die Euch und Euren Brüdern, als Ihr unter unserem Kommando Euren Bildungsdienst abgeleistet habt, wesenseigene Rechtschaffenheit und Euer gottesfürchtiger Lebenswandel voller Tugend in höchstem Maße angetrieben. So nehmt denn diesen Hecastus entgegen, [10] unser frommes Tugendstück, das im Sommer des vergangenen Jahres nicht ohne großen Beifall des Publikums von unseren kleinen Zöglingen aufgeführt und nun endlich auf Drängen meiner Freunde herausgegeben worden ist. Und wenn Ihr es denn billigen solltet, worauf ich hoffe, so lasst redliche Leute daran teilhaben und nehmt es, sofern dies ohne größere Bemühung möglich ist, dauerhaft gegen bissige Attacken der Literaturkritiker in Schutz; wenn Ihr es jedoch ©ò ô’í dðr öáê† ì™ïí [15] missbilligen oder Eures Namens unwert erachten solltet, so zeiht mich einer Gedankenlosigkeit nur insoweit, dass Ihr nichtsdestoweniger meine freundschaftliche Gesinnung gegen Euch selbst in dieser noch so wertlosen, winzigen Gabe gütig wollt erkennen. Lebt wohl, hochwürdiger Herr, und seht in mir einen, der Euch zutiefst ergeben ist. Utrecht, am 31. März im Jahre 1539 nach Christus
196
Macropedius (1539)
PERSONEN DES DRAMAS BEZIEHUNGSWEISE SPRECHER DES STÜCKES Hecastus, Gatte Epicuria, seine Gattin Philocrates, Sohn Philomathes, Sohn Philoponus, Knecht Panocnus, Knecht Oeconomus, Freigelassener Daetrus, Koch Zwei Mägde Nomodidascalus, Gesandter Ein Bursche des Gesandten Daemones mit zwei Freunden
Syngenes mit zwei Verwandten Der Tod, eine schreckliche Fratze Satan, der Teufel Acolytus, eine stumme Person Hieronymus, Priester Die Tugend, weibliche Person Der Glaube, weibliche Person Der Reichtum, aus seinem Versteck in der Truhe sprechend Chor aus drei Knaben und drei Mädchen vom Gesinde des Hecastus
AN DEN REDLICHEN LESER Wundere dich, mein Leser, nicht über die hohe Zahl an Schauspielern, denn mir war es eher um den Nutzen des Publikums unserer Schule als um das Regelwerk der Komödie zu tun, auf dass, was andernfalls einem kleineren, nun mit Bedacht einem größeren Kreise nütze. INHALTSANGABE Hecastus ist gerade dabei, für sich und seine „Freunde“ ein prächtiges Gastmahl vorzubereiten, als ihn Schmerzen in der Seite durchzucken und er ganz unvermittelt nach schlimmsten Sünden vor den höchsten Richter zitiert wird. Da er in seiner Angst weder in seinen „Freunden“ noch in seinen Verwandten noch auch in seinen Kindern treue Weggefährten findet, lässt er den Mut sinken. Zu guter Letzt aber wird er durch den Beistand von Tugend und Glauben nach der priesterlichen Belehrung über das Seelenheil und nach einem Reuebekenntnis für das Leben und für Gottes Gnade zurückgewonnen. Daraufhin erfüllt er durch einen frommen Tod sich und die seinen mit geistlicher Freude und macht so rechtschaffene Leute aus ihnen. VORREDE So zahlreich ihr in unserem Theater seid, Männer wie Frauen, ich präsentiere euch heiter ein neues, frommes Stück, das nichts an beschämender
Übersetzung – 1. Akt, 1. Szene
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Sünde oder Frivolität enthält; stattdessen [5] werdet ihr sehen, wie der Herr Jedermann oder Hecastus (wie er hier heißt), der euch gleich prachtvoll vorgeführt wird, nach all seinem Ruhm, seinem Luxus und seinen Ausschweifungen plötzlich einem grausigen Tode entgegengeht und dabei allmählich von allen Leuten im Stich gelassen wird. [10] Sittsames Verhalten werdet ihr ebenso wie komische Handlungen durchweg würdevoll vorgeführt sehen. Hier gibt es keinen Liebhaber junger Mädchen, keinen Kuppler, keine schamlose Hure oder was sonst für fromme Augen anstößig wäre (sofern denn da ein redlicher Zuschauer sitzt). [15] So nehmt denn also Abstand von Unruhe und unruhigem Gelärm und seht, wie unser Hecastus vom Anfang zum Tode schreitet, und ein jeder unter euch bedenke dabei, dass es auch ihm einmal schließlich so ergehen wird! Lebt wohl! Und den Hecastus, dessen Freigelassenen und [20] Verwalter ich spielen werde, den werdet ihr sogleich hierher vortreten sehen. 1. AKT, 1. SZENE Hecastus allein. Jambische Trimeter. Auf der ganzen Welt unter allen Sterblichen lebt keiner, der glücklicher wäre als ich, denn ich wüsste nicht, ob sich mein Glück noch irgendwie vermehren ließe. Meine Gattin ist eine Augenweide, meine Söhne [25] wacker, anmutig meine Töchter und zahlreich mein Gesinde. Allerlei Hausrat ziert mein prächtiges Anwesen, meine Schatzkammer quillt über vor Gold, Silber und Elektron, die Truhen und Kleiderstangen sind voll von reichlich Tuch aus Purpur, Scharlach oder Seide, [30] und trächtige Herden auf übersatten Weiden, fruchtbare Felder und ganz annehmliche Einkünfte, aber auch zahlreiche Besitzungen und was sonst noch alles zum Glücke beitragen kann, das strömt mir zu zuhauf, wobei ich auch noch jung und kerngesund bin. [35] Wohlan denn, Seele, mach Gebrauch von deinem Besitz! Iss, trink, schmause mit deinen lieben Kameraden und Freunden! Und lass dich nicht von denen schrecken, die dir da drohend einen Tag künftiger Prüfung weissagen, die dir mit kläffenden Mäulern davon künden, [40] dass du über alles, was du besitzest oder auch verprasst, Stück für Stück Rechenschaft abzulegen habest, wie du es ausgegeben hast. Unfug treiben sie, die von sowas faseln. Denn wie einem der gesunde Menschenverstand sagt, ist ein jeder seines Besitzes Herr, nicht bloß Verwalter. [45] So will ich jetzt also mein Frauchen hier herausrufen und ihr Anweisungen geben zum Abendmahl (und abends dann zur prächtigen Vorbereitung des morgigen). Dann werde ich meinen Freund
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Macropedius (1539)
Daemones besuchen und diesen Tag mit Späßen, Würfelspiel und Bechern zu Grabe tragen. [50] Komm heraus, Weib, aus dem Hause, denn ich habe dir, bevor ich meinen Freund besuche, recht ernstlich etwas aufzutragen! 1. AKT, 2. SZENE Epicuria. Hecastus. Panocnus. Trimeter wie die vorherigen Mein Gemahl, was rufst du mich heraus in die Hitze und an die Luft? Warum hast du mir nicht drinnen gesagt, was du mir aufzutragen hast? HECASTUS Wie lieblich, wie zart du doch geschaffen bist, meine Rose! [55] Warum hat sich kein Gewand, kein Schleiertuch über diese Wangen gebreitet? EPICURIA Du machst dich auch noch lustig? HECASTUS Ich? EPICURIA Natürlich du. Spaß und Scherz beiseite jetzt, mein Herz, und sprich im Ernst. HECASTUS Lass ein Gastmahl für heute abend vorbereiten, ein leckeres und prächtiges. Gebratenes soll’s geben, [60] Gesottenes, Geschmortes, Zerlaufenes und überhaupt alles, was der Vorrat hergibt. Denn heute abend haben wir bedeutende Herren mit ihren Gattinnen aufs Prächtigste zu empfangen und uns würdevoll und schmeichelnd gegen sie zu benehmen. EPICURIA Ein Gastmahl, mein Gatte, noch eins? [65] Schon wieder Gäste, Hecastus? Die Spieße sind ja noch warm, die Öfen noch warm, die Kessel noch warm. Und schon wieder Gäste, mein Hecastus, und noch ein Gastmahl? HECASTUS Wenn da noch was warm ist, soll’s gleich glühen. Alles soll nochmal bereitet werden. EPICURIA [70] Was am gestrigen Tage zubereitet worden ist, ist noch nicht verzehrt. Es reicht bestimmt für vier Männer und für die gleiche Anzahl ihrer Gattinnen, glaube ich. HECASTUS So, glaubst du? Geh, das soll alles noch mal neu zubereitet werden. EPICURIA Gut. Was meinst du, wer die Esser sind? EPICURIA
Übersetzung – 1. Akt, 2. Szene
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Verwandte, Freunde, Nachbarn. Und außerdem, [75] Frau, geht’s dich nichts an, vorher zu wissen, wen ich mitbringen werde. Sorg du dafür, dass vorbereitet wird, was Kehle und Bauch befriedigt! EPICURIA Gut. Meinst du denn, wenn ich für noch drei koche, dass es dann reicht? HECASTUS Wie dreist und hartnäckig dieses Weibervolk doch ist! [80] Soll doch Jupiter dich züchtigen, du neugieriges Weibsbild, neun oder zehn werde ich mitbringen. EPICURIA Zürne nicht, sondern bedenke, wie uns die Priester beim Gottesdienst immer wieder öffentlich verkünden, dass wir über all das, was wir hier mit vollen Händen [85] vergeuden, verschenken oder ausgeben, vor dem obersten Richter am jüngsten Tage Stück für Stück werden Rechenschaft abzulegen haben. HECASTUS Klar, dich schreckt schon der jüngste Tag. Was erzählst du mir da von jüngsten Tagen? [90] Wer sowas verbreitet, erzählt Unsinn. Die wollen doch damit bloß Geld aus unserer Schatulle für sich lockermachen, die uns immer wieder damit erschrecken. Oder darf ich etwa nicht nach meinem Ermessen ausgeben, was mir gehört, oder mich an dem erfreuen, was ich mir geschaffen habe? Gegen Mörder, Räuber, [95] Beschnittene (die Hunde!), gegen Heiden und diese ganzen Gottlosen, gegen die wird dieses Verhör wüten. Uns aber wird die Taufe, wird Christus beschützen, und wenn wir irgendein Übel in uns tragen, so werden wir es später durch Tränen sühnen. Und so ganz ohne Tugend sind wir auch nicht, [100] geben wir doch manchmal den Überschuss für Arme, Waisen und Pilgerer aus. An den Feiertagen besuchen wir die Kirche, bringen vor Gott unser Gebet zum Herrn dar und bewahren unseren Glauben unbefleckt vom Unrat der Ketzerlehren [105] und rein. Geh, du Dummchen, und koch, was zu kochen ist! Der jüngste Tag ist jetzt gewiss noch weit weg, und kommen wird er erst nach vielen Jahren. Komm, nutzen wir das Jetzt und Hier, solange uns das Alter wohl will, die Zeit uns unter die Arme greift [110] und das Schicksal uns lässt. Geh, meine Rose, erledige das. Ich gehe jetzt zu Daemones, meinem engsten Freund, mit dem ich mir bei Spaß, Witz und Spiel die Zeit bis zum Abend vertreiben werde. EPICURIA So geh denn, und da ich dir nun einmal nicht befehlen kann noch will, [115] bitte ich dich, beizeiten heimzukehren. HECASTUS Ach, äh –! EPICURIA Was ist nun noch? HECASTUS Für den Fall, dass irgendwer nach mir fragt, will ich nicht, dass du leichthin verrätst, wo ich bin, oder mich rufen lässt, denn diesen freien Tag habe ich meinem Genius geweiht. Folg mir, Panocnus! HECASTUS
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Macropedius (1539)
Hm. Und du gib dem Gesinde seine Anweisungen. EPICURIA [120] Wird gemacht. (Hecastus und Panocnus ab.) Dieser Mann wird zu einem ordentlichen Verschwender; und nicht einmal mit Schmeichel- noch mit Schimpfreden lässt er sich zügeln. Wenn ich nicht seine gewaltigen Ausgaben immer wieder ein bisschen beschneide, wird sich unser ganzer Hausstand im Nu verflüchtigen. – He, [125] he, Daetrus, hierher! – Er wollte für zehn Männer oder auch Frauen kochen lassen; diesen Aufwand werde ich listig um die Hälfte beschneiden. Den neuen Gerichten sollen die alten aufgekocht beigegeben werden, sofern sie noch frisch sind. – He, Daetrus!
PANOCNUS HECASTUS
1. AKT, 3. SZENE Daetrus. Epicuria. Trimeter Schon da, der Daetrus. Was wollt ihr erledigt sehen, Herrin? [130] Nimm einen Korb und diese zwei Solidi aus Gold! Kauf das beste von allem, was auf dem Markt angeboten wird, soviel, dass es für zehn Männer reicht! DAETRUS Mensch! Schon wieder zehn? EPICURIA Wieder zehn. DAETRUS Und wenn ihr noch zwei Solidi hinzugebt: ich werd’s kaum kriegen. EPICURIA [135] Ach, geh, du Holzkopf, wirklich nicht? DAETRUS Nein, wirklich nicht – so, wie jetzt schon die Beilagen verkauft werden. Doch wenn ihr auf mich hören wollt, will ich euch wohl einen guten Rat geben. Was noch an alten Resten übrig ist, sollte man geschickt unter frische Speisen geben, so dass sie wieder warm werden. Diese [140] Hälfte des Kaufpreises sollte man sich doch sparen. EPICURIA Da hast du Recht mit deinem Rat, wenn das denn geschickt möglich ist. DAETRUS So geschickt, dass selbst ihr nicht merkt, was ihr da gemacht habt. Lasst mich auf eigene Gefahr diese Bohne dreschen. EPICURIA Das lasse ich dich. Sieh aber zu, dass du in keinem Punkt an unserer Ehre sparst! [145] Ersteh’, was du für nötig hältst! Ich werde mich in der Zwischenzeit mit dem Gesinde um alles kümmern, was zu Genuss und Eleganz gehört. DAETRUS
EPICURIA
Übersetzung – 1. Akt, 4. Szene DAETRUS
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Ich gehe gleich.
(Epicuria ab.) Wahrhaftig, Raffgier und Geiz liegen in der Natur des Weibes, und [150] bloß aus Prestigegründen lassen die sich auf keinen Fall rupfen. Also war es besser für mich, zu gehorchen und genau den Vorschlag zu machen, den sie sich gemacht sehen wollte – ich hab’s ja deutlich gemerkt –, denn so verschaffe ich mir Ruhe und Dankbarkeit. Ich sehe, wie sich die Tür bei Daemones öffnet. [155] Ich mach’ mich davon, damit mich nicht etwa mein Herr hier erwischt. (Ab.) 1. AKT, 4. SZENE Hecastus. Daemones. Panocnus. Tetrameter Das ist’s, was ich dir drinnen gesagt habe, Daemones. Lass uns Würfelbecher und Kelche hier hinstellen, um uns mit Würfel und einigen Runden Spaß weiter die Langeweile zu vertreiben! DAEMONES Gut, tun wir das. Aber nach welchen Regeln wollen wir spielen? HECASTUS Wer verliert, muss einen ganzen Becher auf einmal trinken. DAEMONES Nein, besser noch: [160] Wer verliert, muss einen ganzen K r u g auf einmal trinken; den Becher kriegt der Sieger. HECASTUS Soll mir auch recht sein, ein voller Krug schreckt mich nicht besonders. He, Bursche, komm her und gieß Wein hier in die Kelche, und dann mach, dass du nach Hause kommst – sieh zu, dass ich nachher auch ja alles fertig vorfinde! Und nimm dich in Acht: Wenn einer nach mir fragt, sag ihm nicht, wo ich bin! PANOCNUS [165] Werd’ ich nicht tun; doch wer wird euch einschenken und auch sonst zu Diensten sein? HECASTUS Ein Faulpelz braucht den andern nicht. Los, du Nichtsnutz, krieg die Hände an die Arbeit! Um unsere Sachen kümmern wir uns selbst, wir schenken uns selber ein. (Panocnus entfernt sich.) Halt, komm zurück! PANOCNUS Ja? HECASTUS Moment noch! Zuallererst sag meiner Frau, dass wir heute abend kommen werden! PANOCNUS [170] Gut, ich sag’s ihr. HECASTUS
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Macropedius (1539)
Sag Philoponus, er soll ein vorzügliches Fässchen Wein zu trinken bereitstellen! PANOCNUS In Ordnung. HECASTUS Und dann dem ganzen Gesinde, dass sie sich fein herausputzen sollen, einen Chor bilden und uns mit fröhlichem Gesang empfangen, denn wir haben beschlossen, den heutigen Tag und die folgende Nacht unserem Genius zu weihen. PANOCNUS Mach ich. Habt Ihr mir sonst noch etwas an Besorgungen aufzutragen? HECASTUS [175] Nichts weiter. PANOCNUS Dann gehabt Euch wohl! (Ab.) HECASTUS Nun wollen wir unserem Spiele frönen! DAEMONES Genau. Da! Zwei Einsen. HECASTUS Zwei Sechsen. DAEMONES Da! Zwei Zweien. HECASTUS Zwei Fünfen. DAEMONES Da! Zwei Dreien. HECASTUS Zwei Vieren. DAEMONES Zwei Vieren. Dieser Sieg wird meiner sein. HECASTUS Zwei Dreien. DAEMONES Da! Zwei Fünfen. HECASTUS Zwei Zweien. Mit mir geht’s immer mehr bergab. DAEMONES Zwei Sechsen. [180] Diese Steigerung verspricht mir den Sieg. HECASTUS Zwei Einsen. Der Wurf war gewiss ein schlechtes Zeichen. DAEMONES Das war er zwar, doch jetzt werde ich den Spieß umdrehen. Ich schlage dich. Da! Drei und Vier. HECASTUS Du schlägst mich, und auch dieser Luftzug scheint mich zu schlagen, hier unter dem rechten Hypochondrium. DAEMONES [185] Was phantasierst du da? HECASTUS Ich phantasiere nicht. Lass uns hineingehen, bitte! DAEMONES Gut, gehen wir. Aber vorher trinken wir jeder unseren Becher aus. HECASTUS Trink du zuerst, ich mach’s dir nach. DAEMONES Ausgetrunken! Jetzt du. Mit diesem Becher wirst du dein Stechen kurieren. HECASTUS Dafür sorge Aeskulap! DAEMONES Das wird er! Trink! HECASTUS Ausgetrunken habe ich, doch noch merke ich nichts. Gehen wir rein, Daemones, [190] da ist’s nicht so zugig, und bringen wir das hier zu einem furiosen Finale!
HECASTUS
Übersetzung – Chor
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Ist recht. Einen kranken Leib hat der Nord schon oft in große Gefahr gebracht. (Beide ab.)
DAEMONES
CHOR Iambische Dimeter. Nach dem zweiten Kapitel Salomo.
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Ihr Freunde, nichts wird schließlich sein Als kalte Asche unser Fleisch Und einer zarten Brise gleich Verflüchtigt einst sich unser Geist. Wie einer Wolke bloße Spur Zieht unser Leben hier vorbei, Wie Nebel, der zerfließt, wenn er Sich lichtet unterm Sonnenglanz.
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Nicht anders als ein Schatten huscht Vorbei des schönen Lebens Zeit, Und was wir wirkten, wer wir war’n, Wird mit der Zeit vergessen sein. Wohlan denn, lasst uns unser Glück Genießen, Freunde, jetzt und hier, Geschwind (als wär’s ein Jugendquell) Getränkt mit Balsam und mit Wein! Was heut’ nur blüht, das lasst nicht zieh’n! Ums Haupt gelegt den Frühlingskranz, Auf jeder Wiese, jedem Weg, Aus Rosen, ehe welk sie sind! Am Frohsinn habe jeder teil, Der Freude Siegel überall Hineingedrückt! Denn dieses ward Als Los zuteil den Sterblichen!
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Macropedius (1539)
2. AKT, 1. SZENE Oeconomus allein. Trimeter Die Knechte glauben, einer großen Plage ausgesetzt zu sein, wenn sie unermüdlich die Befehle ihres Herrn ausführen müssen. Auch ich war überzeugt, so würde es mir ergehen, damals, als ich meinen Nacken unter das Joch der Knechtschaft beugte. [220] Inzwischen allerdings denke ich anders darüber. Denn aller Mühe und Dienstbarkeit zum Trotz war ich damals doch viel freier als alle anderen, konnte ich doch alle Verantwortung auf andere abwälzen. Seit ich nun aber ein Freigelassener geworden bin, ist mir die ganze Verantwortung für sämtliche Angelegenheiten des Hauses eine drückende Last. [225] Wenn die Knechte drinnen oder draußen irgendetwas versäumt haben, muss ich dafür geradestehen, so als würde ich jede einzelne Besorgung selbst erledigen. Dazu kommt noch, dass sie mir nicht gehorchen und nicht eben mit Fleiß ihren Aufgaben nachgehen. Entweder schwatzen sie oder treiben Späße [230] oder schreien auf dem Markt lauter als alle anderen – um ihre eigentlichen Aufgaben aber kümmern sie sich nicht. Ich will mal sehen, was den Daetrus daran hindert herbeizuschaffen, was er kochen soll, und zu kochen, was es dann abends zu essen gibt. – Ihr da! Besorgt Kanapees, Tische, das Tafeltuch, Servietten, Teller, Platten und Schüsseln, wie ich es befohlen hatte! [235] Habt Ihr gehört? Macht alles bereit, wie ich es befohlen hatte! – Sie werden mir nicht gehorchen, befürchte ich; sobald ich weg bin, werden sie sich wieder zusammenfinden, um zu schwatzen oder sich zu prügeln. Trotzdem will ich geradewegs zum Markt gehen, um zu sehen, was den Daetrus bis jetzt aufgehalten hat. Und falls er [240] mir entgegenkommt, kann er mir den lästigen Weg verkürzen. 2. AKT, 2. SZENE Panocnus. Philoponus. Oeconomus zusammen mit Daetrus. Tetrameter Ganz gleich, wie sich die Herrin eilt, ganz gleich, wie sehr der Freigelassene, es geht kein Stück voran, wenn Daetrus nicht da ist, um zu kochen, was es zu essen geben soll. Was ist schon ein Teller ohne ein Gericht? PHILOPONUS Ein lokrischer Ochse. PANOCNUS
Übersetzung – 2. Akt, 2. Szene
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Da man ihn nun einmal weggeschickt hat, lass uns hier eine kleine Pause machen, bis er zurückkommt – [245] und solange der nicht da ist, für den alle Arbeit und Mühe sowieso umsonst ist. PHILOPONUS Ist recht. Es ist schon ziemlich merkwürdig, was du mir da über unseren Herrn berichtest. Denn auch wenn er bisher schon ziemlich verschwenderisch mit allem umgegangen ist und, wenn es um die Freuden der Kehle und der Liebe ging, immer sehr nachgiebig war, so hat er doch noch nie ein so sinnloses Fest angekündigt. [250] Ich befürchte allen Ernstes, dass sich etwas so Unerhörtes noch als schlechtes Vorzeichen für ihn erweisen wird. PANOCNUS Und das mit recht. Denn auf die Gluthitze der strahlenden Sonne pflegt häufig ein Donnerwetter zu folgen, und zu guter Letzt verkehrt sich Lachen in Weinen. Ich erinnere mich, wie schon oft so manche Leute ein vorzeitiger Tod ereilte, weil sie sich in ihrer Vergnügungssucht zu sehr gehen ließen. PHILOPONUS Mögen die Götter ein solches Vorzeichen [255] gnädig abwenden! Wie sich das nun mit diesem Geschäft verhält, das wird man sehen. Wir jedenfalls wollen uns in der Zwischenzeit darum kümmern, seine Anordnungen penibel in allen Einzelheiten auszuführen, wenn wir nicht den Ulmenruten ausgeliefert werden wollen, weil wir irgendwelche Dinge nicht erledigt haben. Lass uns zuerst den Tisch ansehnlich herrichten, die Liegen aufpolstern und die Kelche [260] blankpolieren, dann das Atrium mit frischem Laub und duftenden Kräutern schmücken und wie befohlen einen harmonischen Chor aus jungen Männern und Mädchen zusammenstellen, damit ihm nichts bei seinem Eintritt die Augen beleidigt oder die Galle hochkommen lässt. PANOCNUS Ein trefflicher Rat. Ah, da ist er ja endlich, der Daetrus, schwer bepackt mit Leckereien, [265] und wird jedem von uns einen eigenen Packen Drecksarbeit hinhalten. Bei ihm ist Oeconomus, der die Hausverwaltung führt. Der wird Streit anfangen, das weiß ich, und uns Untätigkeit und Nachlässigkeit vorwerfen. PHILOPONUS Kamerad, auch Mühsal und Drecksarbeit dürfen dir nicht zuwider sein. Denn ein zuverlässiger Knecht macht sich an jede Arbeit. [270] Ich hingegen will der Streitlust dieses Mannes entsprechend antworten. (Oeconomus und Daetrus dazu.) OECONOMUS Was treibt ihr hier draußen für Schabernack? Habt ihr im Hause nichts zu tun? PHILOPONUS O doch, wir haben bloß bis jetzt auf Daetrus gewartet und folgen ihm jetzt nach. DAETRUS Und folgt mir hurtig! Ich habe nämlich Aufträge für euch beide. PANOCNUS
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Macropedius (1539)
Gut, wir folgen dir. (Oeconomus und Daetrus ab.) PANOCNUS Hab’ ich’s nicht gesagt? PHILOPONUS Ja, hast du. – Aber, Mensch, sag mal, [275] was für einen fürstlichen Mann sehen wir denn da hinten mit entschlossenen Schritten hierher eilen? Lass uns warten, denn das ist kein gewöhnlicher Ehrenmann, wer auch immer er ist. Seine Kleidung, seine Körpersprache und vor allem die ihm eigene sittliche Vollendung, wie sie sonst das Kennzeichen von Helden ist – durch all das zeigt er es ganz deutlich; ins Gesicht geschrieben sind ihm [280] enorme Würde und königliche Autorität. PANOCNUS Er scheint ein Gesandter des Kaisers oder eines hoch berühmten Königs zu sein, denn diese Strenge und diese Vollendung besitzt keiner von den Unsrigen. Lass uns reingehen – ich geniere mich, einem solchen Herrn entgegenzutreten; denn er kommt auf uns zu. PHILOPONUS Bleib stehen und geniere dich nicht wie ein Bauer! [285] Wie willst du denn unserem Herrn eine aufrechte Antwort geben, wenn er herausbekommt, dass du davongelaufen bist? Uns jedenfalls wird er nicht beißen; und wenn’s was zu sagen gibt, dann übernehme ich das schon.
PHILOPONUS
2. AKT, 3. SZENE Nomodidascalus. Philoponus. Panocnus. Tetrameter. Schon lange sagen viele, hier auf dem Talgrund der Welt wohne ein gewaltig reiches Menschlein – das der oberste König der Götter und der Menschen nun zu sich einbestellen lässt –, das alle [290] bei den Namen Hisecastus und Unusquilibet rufen. Den vor allem will ich in meiner Funktion als Gesandter in einer ernsten Sache treffen. PHILOPONUS Unseren Herrn will er. PANOCNUS Tatsächlich. NOMODIDASCALUS He, junge Leute, seid so gut und zeigt mir bereitwillig das wohlhabende Haus, das Hisecastus bewohnt. PHILOPONUS Hier in diesem Hause wohnt er, unser Herr Hisecastus, ehrwürdiger Herr, [295] aber alle nennen ihn Hecastus. NOMODIDASCALUS Das ist er. Man rufe ihn heraus! PHILOPONUS Er ist unlängst gegangen, mein Herr, und noch nicht wieder nach Hause zurückgekehrt. Wenn Ihr vielleicht nach unserer Herrin verlangt, die wäre da. NOMODIDASCALUS Dann rufe man die. NOMODIDASCALUS
Übersetzung – 2. Akt, 4. Szene
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Panocnus, ruf die Herrin heraus! Mach’ ich sofort. (Ab.) NOMODIDASCALUS Wo ist er hin, euer Herr? PHILOPONUS Zu einem Freund, zum Vergnügen, um bei Becher, Spiel und Spaß die Zeit herumzubringen. NOMODIDASCALUS [300] Mit Spielen muss er sie vertun? Mit Bechern muss er sie vertun? Wo er doch nichts kostbareres hat als sie, nichts schöneres hat als sie, wo er doch in ihr sein derart schändliches bisheriges Leben durch Tränen sühnen und nach den Wonnen eines künftigen Lebens trachten müsste, da ihm doch nichts gewisser ist als der Tod, nichts ungewisser als die Todesstunde! [305] – Aber wo bleibt denn seine Gattin? Warum stürzt sie auf den Ruf nicht sogleich heraus? Oder sind ihr die Weisungen des höchsten Königs, die ich hier überbringe, etwa gleichgültig? PHILOPONUS Sie ist schon lange mit den aufwendigen Vorbereitungen für das Gastmahl am Abend beschäftigt und kann sich, glaube ich, deshalb nicht sofort zurechtmachen oder frisieren. NOMODIDASCALUS O unheilvoller, fluchbeladener Reichtum der Sterblichen! In welche Richtung pflegt er eigentlich [310] die Gedanken seiner Besitzer nicht zu zwingen? PHILOPONUS Da ist sie ja, die Herrin, mit ihrer Magd. Ehrwürdiger Herr, lebt wohl. Ich hab’ zu tun im Hause. NOMODIDASCALUS Junger Mann, leb wohl! (Philoponus ab.) PHILOPONUS PANOCNUS
2. AKT, 4. SZENE Epicuria. Nomodidascalus. Eine Magd. Trimeter. Huch, wer ist denn das? Seid gegrüßt, edler Mann! Gruß auch dir, Weib! EPICURIA Wollt Ihr zu mir oder zu meinem Mann? NOMODIDASCALUS Ich habe entschieden, zuallererst deinem Mann, dann aber auch [315] dir den Weg zu weisen. Doch wo ist er? EPICURIA Das weiß ich wirklich nicht. Er ist alleine fort. NOMODIDASCALUS Sieh zu, was du zur Antwort gibst! Denn ein Mund, der lügt, bringt der Seele den Tod. EPICURIA Ich und lügen? Das will mein Herr bitte nicht von mir denken. NOMODIDASCALUS [320] Natürlich, und deine Knechte wissen, was du nicht weißt? Schick jetzt schleunigst jemand los, der ihn herholt! Denn ich EPICURIA
NOMODIDASCALUS
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Macropedius (1539)
habe ein ernstes Anliegen und einen unbedingten Befehl meines Königs, des dreifach größten. Dies muss ich [325] sobald als möglich jetzt auch mitteilen, und er sollte ihm alsbald nachkommen, wenn ihm denn sein Heil am Herzen liegt. EPICURIA Ich Arme! Dass Ihr jetzt auch mich mit Euren Worten so erschrecken müsst! NOMODIDASCALUS Dieser Schrecken ist bloß der Auftakt zu einem noch viel größeren, wenn er mich nicht anhören will. Ruf deinen Mann! EPICURIA Ich fürchte nur sehr, [330] dass er auf keinen Fall gerufen werden will. NOMODIDASCALUS Ob er nun will oder nicht - her mit ihm! EPICURIA Mädchen, geh und ruf aus unserem Gesinde irgendwen, … MAGD Mach’ ich. EPICURIA … den ich zu Daemones ins Haus schicken kann – ob man ihn nicht doch nach manchem Becher da herausholen kann. MAGD Mach’ ich. [335] Soll ich sonst noch etwas von Euch bestellen? EPICURIA Nein, sonst nichts. Ruf einfach einen und komm mit ihm zurück, damit ich dir sagen kann – wenn das aus irgendeinem Grunde nötig sein sollte –, wie heute abend bei Tisch die Gangfolge sein soll. MAGD Mach’ ich. EPICURIA Geh! (Die Magd ab.) NOMODIDASCALUS Was kümmerst du dich eigentlich so sehr [340] um das Gastmahl heute abend, wo du doch nicht einmal weißt, ob du überhaupt noch einen gemeinsamen Abend mit deinem Gatten haben wirst? EPICURIA Was hör’ ich da? Wir sind doch noch jung, sind gesund und noch nicht einmal fünfunddreißig; wie sollte uns da ein plötzlicher Tod befallen? Macht mir bitte bessere [345] Prophezeiungen, dass Ihr nicht durch manchen Schrecken von Speis und Trank uns abbringt! NOMODIDASCALUS Wenn ich die Zeit hätte, Weib, dir hierauf im Einzelnen zu antworten, so würdest du nicht nur bemerken, wie dumm, sondern auch, wie verrückt du bist. [350] Doch jetzt ist der bestellte Bursche da; erkläre ihm, was du deinem Gatten mitgeteilt haben möchtest. Ich will hier solange warten, bis du das erledigt hast. (Der Nomodidascalus beiseite.)
Übersetzung – 2. Akt, 5. Szene
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2. AKT, 5. SZENE Panocnus. Epicuria. Die Magd. Tetrameter. Ihr gabt mir Anweisung, nach draußen zu kommen, Herrin? Was wollt Ihr erledigt haben? EPICURIA Begib dich so schnell du kannst zum Haus von Daemones [355] und ruf deinen Herrn nach Hause zurück! PANOCNUS Das möchte ich noch nicht einmal im Ansatz versuchen, was Ihr mir da befehlt; denn der Herr hat mir gerade erst drohend untersagt, ihn heute zu rufen oder zu verraten, wo er ist. EPICURIA Ich weiß, doch jetzt besteht nun einmal dringende, unbedingte Notwendigkeit dazu; ob er nun will oder nicht, er muss sofort hergeholt werden. Du wirst ihm sagen, ein vornehmer Herr, des dreifach obersten Kaisers [360] Gesandter, befinde sich in seinem Hause, der schwerwiegende Weisungen überbringt, die unverzüglich zu verkünden sind; und bestell ihm, dass Gefahr für sein Leben, ja sogar für sein Heil besteht, wenn er sie missachtet. PANOCNUS Ich werde ihm sagen, ein Gesandter sei hier, dessen Anweisungen er schon bald gewissenhaft entsprechen muss. EPICURIA Genau so sollst du es sagen. PANOCNUS Genau so werde ich es sagen. EPICURIA [365] Und gib Acht, es sonst keinem zu sagen! PANOCNUS Ich werd’s keinem sagen. EPICURIA Nun geh schon! (Panocnus ab.) Mädchen, deck den Tisch im oberen Speisesaal des Hauses, damit wir unseren Gast hier mit höchsten Ehren und Genüssen empfangen können! MAGD Ich werd’ mir Mühe geben, dass alles ganz prächtig bereitet wird. EPICURIA Die Wände sollen strahlen durch Leinen-, Hyazinthen- und Seiden[370]tapeten. MAGD Das will ich gerne tun. EPICURIA Und mach, dass der Tisch von funkelndem Gold erstrahlt und von edelsteinbesetzten Pokalen! MAGD Ist gut. EPICURIA Überall soll es nach Styrax, Weihrauch und Galbanum duften. MAGD Das wird es. EPICURIA Und zwar schnell. MAGD Blitzschnell. (Ab.) PANOCNUS
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Macropedius (1539)
Und jetzt muss ich zuvorkommend und gewitzt mit diesem Mann sprechen, bis mein Mann da herauskommt – [375] ob ich nicht vielleicht erhaschen kann, was er meinem Mann zu vermelden hat. Da kommt er wieder auf mich zu …
EPICURIA
2. AKT, 6. SZENE Nomodidascalus. Epicuria. Ein Bursche. Tetrameter. Weib, was soll das, dass du dem ganzen Gesinde aufträgst, sich im Hause in sinnloser Plackerei die Beine auszureißen, nur um faules Fleisch für die Würmer zu mästen und zu füttern? Wenn du über Mittel verfügst, dein Leben zu erhalten und das Bäuchlein [380] in bescheidener Weise zu bedecken, dann habe du in diesen Gefilden keine weiteren Ansprüche. Denn der, als dessen Gesandter ich hier auftrete, ist über alle Maßen reich und bereitet an der eigenen Tafel den Seinen sein unvergänglich Speis und Trank, jedenfalls all denen, die ihn in diesem kurzen Leben hier fromm verehren und lieben. Wozu also [385] häuft ihr in diesem Jammertal Geld, Kleider und sonstigen Reichtum an und heischt weithin nach Lustbarkeiten, Ansehen und Behaglichkeit, wo ihr doch schon morgen ganz sicher eines sicheren Todes sterben und all das hier als ein Nichts zurücklassen werdet? EPICURIA Das sehen wir auch, bester Mann. Doch ich beschwöre Euch, wozu nur droht Ihr uns so sehr mit dem Tode, jung wie wir sind, [390] gesunden und rüstigen Leibes? Soll es uns etwa nicht möglich sein, unser Leben noch um weitere Jahre zu verlängern und uns erst später des Himmels zu erfreuen? NOMODIDASCALUS O wenn du nur wüsstest, wie töricht diese Hoffnung ist, du würdest sogleich vor Angst zur Vernunft kommen, diesen ganzen Hochmut und Luxus wie Kot verachten und durch Tränen den Zorn des himmlischen Richters von dir abzuwenden suchen. EPICURIA [395] Wieso töricht? Ist Gott in seiner Vollkommenheit nicht gnädig gestimmt, dass er auch denen, die erst in der letzten Stunde des Tages nach langem Müßiggang in den Weinberg eilen, den Lohn für ihre geringe Mühe geben wird? NOMODIDASCALUS Wenn sie echt ist, kommt Reue gewiss niemals zu spät. Doch woher willst du wissen – ein Mensch, eine leere, leichte Seifenblase –, dass du es überhaupt bis zur elften Stunde [400] schaffen wirst? Denn der dem Reuigen seine Liebe gelobt hat, hat nicht auch dem Gleichgültigen einen neuen Morgen gelobt. Und selbst wenn du im hoNOMODIDASCALUS
Übersetzung – 2. Akt, 7. Szene
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hen Alter an diesen Schlusspunkt des Lebens gelangst, woher willst du jetzt wieder wissen, dass der Hausherr dir überhaupt Einlass in seinen Weinberg gewähren wird? Wo doch wirkliche Reue eine Gabe Gottes, nicht [405] eine Sache persönlicher Tugendhaftigkeit ist? Du jedenfalls verschmähst aber sogar Gottes stete Langmut, verspürst keine Reue, die von Herzen kommt, und ziehst dir dadurch für die letzte Prüfung seinen Zorn zu. EPICURIA Ihr flößt mir nicht gerade wenig Furcht ein mit Eurer Rede von grausamem Tod. Dennoch werdet Ihr mich wohl schwerlich davon überzeugen, dass wir all das, [410] was wir in Fülle besitzen, dermaßen unbesonnen, dumm und unüberlegt aufgeben müssten, dass wir nicht nach eigenem Gutdünken Genuss ziehen aus dem, was uns das Schicksal in seiner Güte oder die geneigten Götter in ihrem Wohlwollen in gewaltigem Überfluss haben zukommen lassen. Doch nun müssen wir unser Gespräch unterbrechen; da kommt endlich mein Gatte. NOMODIDASCALUS [415] Wie ich sehe, wirst du nicht zur Vernunft kommen, bis dir der Tod mit seinem Pfeil das Leben durchbohrt. Also geh und tu, wovon du meinst, es sei gut für dich! EPICURIA Ich werde gehen und schauen, was mein Gesinde für das Gastmahl und die Tafel vorbereitet hat. Und auch Euch möchte ich heute abend bei meinem Gatten haben. (Entfernt sich.) NOMODIDASCALUS Nein, mit dem muss ich schon jetzt gleich zusammentreffen. [420] Bring die Urkunde, Bursche, und die Bände mit Gottes Gesetz! EIN BURSCHE Hier habt Ihr sie, Herr: die Urkunde und die Bände mit Gottes Gesetz. 2. AKT, 7. SZENE Hecastus. Panocnus. Nomodidascalus. Tetrameter. Was sagte der Mann, wer er sei, der da befahl, ich solle vor ihm erscheinen? PANOCNUS Ein beeindruckender Mann und Bote eines großen Königs. HECASTUS Trat dieser Bote auf als ein edler, reicher Mann, glänzend von Purpur oder [425] Gold? PANOCNUS Nicht besonders. Und doch liegt in der Ausdrucksweise dieses Mannes, in seinen Gesichtszügen und seinem Wesen eine solche Würde, Erfahrung und Rechtschaffenheit, dass ich – nehmt mir bitte mein GeHECASTUS
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schwätz nicht übel – Euch dagegen für einen Bauern, einen unzivilisierten, gemeinen Kerl halten könnte. HECASTUS Du machst Witze. Wenn er sich in Lumpen kleidet, armselig und gewöhnlich, [430] dann ist er auch kein königlicher Bote, und sein Kommen steht nicht unter einem guten Stern. Wo hast du den Mann gelassen? PANOCNUS Zusammen mit Eurer Gemahlin vor unserem Hause. Seht, da ist der Mensch! Seht und spürt, was das für einer ist! HECASTUS Puh, dass er solchen Respekt einflößt, hätte ich nicht vermutet. Das Antlitz des Mannes strahlt Achtung gebietende sittliche Würde aus und verehrungswürdige Heiligkeit. PANOCNUS [435] Das werdet Ihr erst recht sagen, wenn Ihr den Mann habt reden hören. (Sie treten vor den Nomodidascalus hin.) HECASTUS Seid wohlauf, wer Ihr auch seid, ehrwürdiger Herr! Ihr verlangt nach mir? NOMODIDASCALUS Wohlauf seist auch du - und hast du dein Leben vollendet, so sei dein ein süßer Tod und die Ehre künftigen Lebens! Bist du der, den man gemeinhin Hecastus nennt? HECASTUS Ja, ich bin Hecastus. NOMODIDASCALUS Der König der Könige, der höchste Herrscher über alles auf der Welt [440] hat mich als Boten zu dir gesandt und befohlen, du sollest unverzüglich vor seinem Richterstuhl erscheinen und über alles, was du recht oder schlecht gebraucht hast und was du unter dem Himmelszelt gemäß oder wider Gottes Recht besitzest, vor ihm Rechenschaft ablegen. Und damit du dies nicht für eine Belanglosigkeit hältst und etwa meinst, meine Gesandtschaft hier sei eine List oder nicht legitimiert – [445] da bitte: die Dokumente und das Schreiben von seiner eigenen Hand, womit seine Exzellenz dich vor sein Angesicht zitiert. HECASTUS Was hat der Kaiser denn jemals mit mir zu tun gehabt, dass er jetzt mit einem Mal vor seinem Richterstuhl eine korrekte Abrechnung über Einnahmen und Ausgaben einfordert? Ja hält der Gebieter mich denn etwa für seinen Leibeigenen, Pächter, Schuldner oder Verwalter, [450] dass ich ihm jetzt eine komplette Abrechnung über jede Einzelheit vorlegen soll? Oder darf ich etwa nicht, was meinen Besitz angeht, was ich will und soviel ich will, und zwar wann ich will und wofür ich will und wie ich will, nach meinem eigenen Dafürhalten ausgeben? NOMODIDASCALUS Lies du zuallererst einmal dieses Schreiben und verstehe es auch! Und wenn du danach noch irgendwie unschlüssig bist, werde ich dir noch klarere Anweisungen geben.
Übersetzung – 2. Akt, 7. Szene
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(mit unterdrückter Stimme) [455] Potzblitz, was ist denn das für eine Schrift, was sind denn das für Buchstaben? Vom Schriftstil unserer Amtsschreiber ist das vollkommen verschieden. Als wären diese Zeichen vom Finger Gottes gezogen – solch großen, furchtbaren Schock versetzen sie mir. NOMODIDASCALUS Was murmelst du da? Lies es schnell durch und antworte noch schneller, damit ich weiß, was ich [460] dem Richter melden soll! HECASTUS Meiner Treu! Aus diesem Schreiben spricht eine Art von Ehrfurcht gebietender Altertümlichkeit, es weicht in seiner Zeichensetzung und seinen Schriftzügen nicht eben wenig von unserem Gekritzel ab, so dass ich armer Kerl kein einziges Wort lesen und auch nicht verstehen kann, was da aufgezeichnet steht. Ich habe aber zwei Söhne, von denen sich der eine lange damit beschäftigt hat, [465] was Menschen so geschrieben haben. Wartet, bis der mir die Bedeutung dieser Zeilen erklärt! NOMODIDASCALUS Dann lass ihn rufen. HECASTUS Los, ruf mir meinen Sohn Philomathes, dass er sogleich hier erscheint! Und zweitens kümmere dich darum, dass dieser Gesandte hier aufs Würdigste empfangen wird – und die anderen Gäste auch. PANOCNUS Ich werde Euren Sohn rufen, Herr, und mich auch um das Andere kümmern. [470] Habt Ihr sonst noch was für mich? HECASTUS Nein, nur dass er augenblicklich herbeigeeilt kommt. Sag ihm, ich bräuchte so schnell wie möglich seine Hilfe. PANOCNUS Ich werd’s ihm sagen. (Ab.) HECASTUS Besorgnis, Angst und Schrecken fahren mir gleichermaßen in die Glieder. In der Seite spüre ich Stiche, mein Herz rast, und als würden sie vom Fieber geschüttelt, zittern mir das Fleisch und die Knochen. Und zu allem Überfluss martern mich dieser Gesandte [475] und die Befehle des höchsten Königs mit gewaltiger Angst. Und was ich darauf antworten soll, weiß ich auch nicht – ich bin wirklich der unglücklichste Mensch auf Erden! O weh, welch tiefer Wandel sich so plötzlich hier vollzieht in allem! Doch da ist ja mein jüngerer Sohn Philomathes; der wird mir hoffentlich, wenn er das Schreiben gelesen hat, Tröstliches sagen können. HECASTUS
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Macropedius (1539)
2. AKT, 8. SZENE Philomathes. Hecastus. Trimeter. [480] Ich lese gerade den Hippokrates, da ruft mich mein Bursche heraus. Wen haben wir denn hier? Warum ist mein Vater so betrübt? – Seid gegrüßt, mein Vater! Warum seid Ihr so betrübt? Und warum presst Ihr Eure Hand auf Eure Seite? HECASTUS Mich hat ein plötzlicher Schmerz befallen, hier unter den rechten Rippen. PHILOMATHES Streckt einmal die Zunge heraus. HECASTUS Aaaa –! PHILOMATHES [485] Gebt mir die Hand! HECASTUS Hier ist sie. (Philomathes misst ihm den Puls.) PHILOMATHES Es ist Pleuritis. Diese Krankheit darf man auf keinen Fall auf die leichte Schulter nehmen, wenn einem seine Gesundheit nicht gerade zuwider ist; denn sie führt mit schleunigem Schritt zum Tode, sofern nicht eine heilende Hand sie schon im Anfangsstadium bekämpft. [490] Seid zuversichtlich, Vater! Dank meiner Galen-Lektüre werde ich Euch mühelos heilen können. Habt Ihr mich bloß aus diesem Grunde eben so plötzlich herbeirufen lassen? HECASTUS Nicht bloß aus diesem, mein Sohn, sondern noch aus einem anderen, der mir noch weit stärker auf der Brust lastet. Hast du diesen eindrucksvollen Mann gesehen? PHILOMATHES [495] Wie sollte ich nicht? HECASTUS Er ist, wie er sagt und auch sein altehrwürdiges Wesen anzeigt, der Gesandte eines großen Herrschers, der mir mit eigenen, gewichtigen Worten, mit einem eigenhändigen Schreiben geschwind vor seinen Richterstuhl hinzutreten befiehlt und dort über all unseren Besitz, [500] wie er erworben oder auch verwendet, Rechenschaft abzulegen. PHILOMATHES Lasst Euch bloß nicht darauf ein! Darf denn unser Vater vor Gericht gezogen werden? Oder wird denn der Kaiser sogar eine Abrechnung unseres ganzen Privatbesitzes anordnen? HECASTUS Höre weiter! Er konnte bis jetzt eine Urkunde von Ehrfurcht heischender Altertümlichkeit vorweisen, [505] überzogen mit zwar knappen Zeilen, doch so prächtiger Schrift, dass man meinen könnte, sie sei nicht von der Hand eines sterblichen Menschen, sondern von der Hand Gottes gemalt worden – solch einen Schrecken flößen sie jedem ein, der sie betrachtet. Und da ich sie weder verstehen noch lesen kann, [510] habe
PHILOMATHES
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ich dich aus deinem Studierstübchen da oben herausrufen lassen, um nach deinen Erläuterungen zum Text, zu seiner Bedeutung und zu seinem Gedankengang zu wissen, welche Antwort ich dem hohen Fürsten geben soll. PHILOMATHES So soll denn der Mann mir seine Urkunde selbst entrollen und sehen, dass es in unserem Lande gebildete und kluge Leute gibt. HECASTUS [515] O hoffentlich kannst du, mein Sohn, deinem Vater in dieser Sache weiterhelfen, und zwar entsprechend den gewaltigen Summen, die ich für dich aufgewendet habe. PHILOMATHES Alle Bereiche der philosophischen Disziplinen, alle Gesetze (sowohl weltliche als auch kirchliche) und jede zivilisierte Sprache kenne ich gut. [520] Was kann er mir schon vorlegen, was ich nicht mit Leichtigkeit löse? Doch wenn ich mir den Mann etwas genauer betrachte, so vermittelt er nicht weltliche Würde, wie ich geglaubt hatte, und königlichen Stolz, sondern lähmendes Entsetzen vor einem Diener Gottes und Seiner himmlischen Größe. HECASTUS [525] Das wirst du erst recht sagen, wenn du ihn hast sprechen hören. 2. AKT, 9. SZENE Nomodidascalus. Hecastus. Philomathes. Ein Bursche. Trimeter. Das ist er also, Hecastus, der dir meines Königs Order vorlesen und erklären soll? HECASTUS Ja, das ist er. NOMODIDASCALUS So nimm und lies! Ich habe mich an diesem Ort schon länger aufgehalten, als ich sollte. Sprich! (Philomathes zögert.) HECASTUS Was ist jetzt, du Holzkopf, bist du stumm? Wieso liest du nicht? PHILOMATHES [530] Schrecken befällt mich, Vater, und auch Angst nicht eben wenig. Denn diese Buchstaben, so fremdartig sie auch sind, verraten die außerordentliche Macht Gottes. Ich kenne bloß die eigentlich menschliche Schrift, diese fremde dagegen, Vater, kann ich weder lesen noch verstehen. HECASTUS [535] Bin ich wirklich so arm dran, dass ich nach all dem Gold, das ich es mich habe kosten lassen, kein bisschen Bildung an dir gewonnen haben soll? Hatte ich dich etwa nicht genau deshalb der Gelehrsamkeit überlassen, damit du, wo es nötig sein sollte, meine Interessen vor NOMODIDASCALUS
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rechtschaffenen Männern würdest verteidigen können? [540] Und jetzt schau sich einer das an: In dieser meiner Not stehst du nur stumm da und hast Denken, Stimme und Sinne verloren. Lies jetzt oder scher dich zum Teufel, du erbärmlicher Tropf! (Will ihn schlagen.) NOMODIDASCALUS Schlag nicht deinen Sohn, ihn trifft keine Schuld! (Hecastus lässt ab, Philomathes ab.) Weit eher müsste man dich schelten, weil du ihm nur solche Bildung [545] angedeihen lassen wolltest, die für deine Angelegenheiten von großem Nutzen sein oder in hohem Maße für Ruhm und Ansehen deines Sohnes sorgen würde, ohne jeden Gedanken an den vollkommenen Gott und an die eigene Rettung. Von Gott ist nun aber diese ganze Angelegenheit hier abhängig, [550] und was hier gleich zur Verhandlung kommen wird, fällt ganz in den Bereich Gottes. HECASTUS Was höre ich da? Sagtet Ihr nicht eingangs, Ihr wäret hier als Bote des obersten Herrschers? NOMODIDASCALUS Ich sagte, ich sei, und bin auch tatsächlich des allmächtigen, größten Herrschers Diener. [555] Oder ist Gott etwa nicht der König über alle Könige und alle Herrscher überall? Und der heißt dich nun vor seinem Richterstuhl zu erscheinen, um von dir über all deine Taten Rechenschaft und zugleich eine genaue Abrechnung zu verlangen: über Götzendienst, Ungläubigkeit und Mein[560]eid, Betrug, Lüge, Hochmut, Völlerei, Prunksucht, Lüsternheit, Herzlosigkeit, Gaunerei, Geldgier, Diebstahl, Mord, Neid, Zorn und derartige Sünden, durch die du Gott, unseren Vater, den vollkommenen und dreifach höchsten, [565] zu leugnen dich nicht im Geringsten gescheut hast, sondern all diese wunderbaren geistigen wie körperlichen Gaben in dir und eine Unmenge an Silber und Gold missbraucht hast. Über all diese Dinge hat Gott dich, Mensch, nicht zum Herrn und Gebieter, sondern zu seinem Verwalter [570] bestimmt, damit du sie nicht zur Befriedigung deiner Lust, sondern zu Fromm und Nutzen deines Herrn verwendest; über all das wird nun korrekte Abrechnung verlangt. HECASTUS Ihr lasst ein solch gewaltiges Unheil über mich hereinbrechen, dass ich schier verzweifle und darüber [575] den Verstand zu verlieren glaube. Doch von dieser Prüfung aller Taten, die Ihr mir da androht, glaubt man doch, sie werde erst nach langer Zeit stattfinden. Wer hat mir denn zwischenzeitlich untersagt zu genießen, was ich durch eigene Arbeit erworben habe oder ein gnädiges [580] Schicksal mir oder meinem Vater freigebig überlassen hat? NOMODIDASCALUS Der Mensch ist wirklich eine leere Seifenblase. Du fragst, wer es verboten hat? Gottes Macht wird dich im Nu vertreiben, verstoßen, zermalmen, zernichten. Denn selbst wenn Gottes Strafgericht
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für viele andere [585] auf später zu verschieben ist – dir steht es jetzt ins Haus und wird dich in deiner Unbekümmertheit im Nu ereilen. Also mach dir rasch Gedanken, was du auf all dies antworten willst. HECASTUS Ihr bedrängt mich so energisch und macht doch keine genauen Angaben zu Zeitpunkt und Ort der Verhandlung. NOMODIDASCALUS [590] Ich habe dir gesagt, dass dir der Zeitpunkt jetzt ins Haus steht, habe dir auch den Ort längst genannt, und immer noch zeigst du dich widerspenstig. HECASTUS Doch welchen Weg werde ich zu nehmen haben? NOMODIDASCALUS Dich werden ganz von selbst deine Ankläger von hier fortreißen: Gottes Engel, Dämonen und dein eigenes Schuldbewusstsein. [595] Und auch ich selbst werde dich dann, wie soeben, anklagen. HECASTUS Vor welchem Richter? NOMODIDASCALUS Vor dem unbeugsamen, Furcht erregenden Gott, vor dessen Antlitz die Gestalten der Hölle und auch die des Himmels erzittern. HECASTUS Kann man den Fall nicht stellvertretend einem Anwalt übertragen? NOMODIDASCALUS Du hast persönlich vor ihm zu erscheinen. HECASTUS [600] Also kein Aufschub? NOMODIDASCALUS Keiner. HECASTUS Weh mir! Ließe sich denn mit Geld etwas machen? NOMODIDASCALUS Ausgeschlossen. HECASTUS Oder mit Gebeten? NOMODIDASCALUS Auf keinen Fall. HECASTUS Oje oje, ich Armer, warum musste ich geboren werden? Wieviel Unheil umgibt mich so plötzlich von allen Seiten! NOMODIDASCALUS Vor allen Dingen darauf hättest du dich einstellen, vor allen Dingen davor hüten müssen, doch [605] dir bereitete es ja Freude, deinen Tag in Müßiggang zu vergeuden. Also sag mir jetzt, was du dem Richter als Antwort melden lässt! Ich kann mich nunmehr keinen Moment länger hier aufhalten. HECASTUS Not und Bedrängnis stürzen von allen Seiten auf mich ein. Ich weiß nicht, was ich tun werde, denn [610] hart ist der Weg und gefährlich die Weigerung. Wenn es also keinen gibt, der mir diesen Bescheid vorlesen kann, lest Ihr selbst ihn mir vor, damit ich mit Bestimmtheit weiß, was ich dem Richter auf seine Vorladung antworten soll. NOMODIDASCALUS Ich will mich nicht dagegen sperren, diese Bürde für dich zu übernehmen. [615] !ysir>p; lqeT. hnEm,., das bedeutet: In seiner unendlichen Wahrheit hat Gott diese Zahl an Tagen für dein Leben festgesetzt, hat sie in seiner unermeßlichen Größe abgewogen und für zu leicht be-
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Macropedius (1539)
funden und hat daher in seiner allumfassenden Gerechtigkeit dich von der Erde getrennt. Soweit der erste Satz. Und der zweite, den du vermutlich besser [620] verstehst, lautet `hy hT'a; tme yKi ^t,ybel. wc, was soviel heißt wie: Mensch, bestelle dein Haus, denn du wirst sterben und nicht am Leben bleiben! So lautet die Botschaft des Donnerers. HECASTUS Also werde ich sterben? NOMODIDASCALUS So sicher wie nur irgendetwas. HECASTUS [625] Wie kann das sein, wo ich doch gerade einmal im dreißigsten Jahr stehe? NOMODIDASCALUS Du wirst sterben und keinen neuen Morgen mehr erleben. HECASTUS Ich soll sterben? Ein Mensch, der zahllose Reichtümer im Überfluss besitzt, der Freunde hat, Familie, Weib und Kinder? NOMODIDASCALUS Dann schau, was die dir nützen werden. Dein Tod steht fest. [630] Was also hast du dem Richter nun zu melden? Sag es, sofort! HECASTUS Ach je! Ob ich nun will oder nicht – ich werde vor den höchsten Richter treten, ich bin wirklich der unglücklichste Mensch auf Erden. NOMODIDASCALUS Und du, Bursche, folge mir auf dem Fuße und nimm das Gepäck! BURSCHE. Na gut. (Beide ab.) 2. AKT, 10. SZENE Hecastus allein. Trimeter. O Tod, wie bitter ist deine Erwähnung für einen gesunden [635] Mann, der beruhigenden Besitz an allem hat und immer noch gerne beim Essen zugreift. O meine Seele, verloren sind das Sonnenlicht, die liebe Gattin, die teuren Kinder, der große Reichtum, die treuen Freunde und auch dieser [640] liebe Leib, in dem du wohnst, denn nun reißt man dich fort auf dem dunklen, unbekannten Pfad des schrecklichen Todes zum Sitz des höchsten Richters, dem du nicht einmal für einen einzigen Taler auf 10.000 Rechenschaft ablegen kannst; wo man nicht Geld (denn er ist reich) noch Charme [645] (denn er ist gerecht), doch auch nicht Tricks (denn er ist klug) noch Winkelzüge einsetzen kann, weil der Richter selbst auch Zeuge ist. Was, bitte, können wir zwei in unserer Einsamkeit noch erwarten außer dass Verworfene keine Rettung zu erwarten haben? O wenn ich doch [650]
Übersetzung – Chor
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unter all meinen Freunden nur einen einzigen finden könnte, der sich meinen Schritten als Begleiter anbietet, der bis vor den Sitz des Richters meinen Fall verteidigt, so gut er kann – dieser Mann würde mir wahrlich keinen geringen Trost spenden. [655] So einen muss ich drinnen oder draußen zu fassen suchen. CHOR Nach dem Buch Sirach, den Psalmen und der Apokalypse. Dimeter. O Tod, wie bitter denkt an dich Ein Mann, der kerngesund ist und Beruhigenden Reichtum hat Und immer noch das Schmausen liebt! [660]
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O grimmer Tod, o düstres Los Dem gottlos-frevelhaften Kerl: Ihm droht, wenn er vom Leib getrennt, Der Tod in seiner schlimmsten Form: Ist bitter auch der Leibestod, Er währt nur einen Augenblick. Des Geistes Tod währt ewiglich Und ist noch weitaus bitterer. Der erste Tod entzieht den Freund Den Freunden, die bloß sterblich sind, Der zweite trennt den Mann von Gott Auf ewig, seinem Lebensquell. Solang’ Gott Gott ist und Gott bleibt, Wird gottlos sein, wer gottlos ist. Die Hölle klafft für den so tief, Wie aufragt Seine Herrlichkeit.
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Macropedius (1539)
3. AKT, 1. SZENE Hecastus allein. Trimeter. Wie glücklich der ist, der sein Leben so rechtschaffen eingerichtet hat, dass er beim Herannahen des Todes nichts zu fürchten braucht, sondern sogar aus freien Stücken vor den Richter zu treten wagt, das kommt mir nun aufgrund meiner entsetzlichen Notlage, aber ach! [680] viel zu spät zu Bewusstsein! Denn mein Herz bedrücken so viele Sorgen, dass ich rein gar nicht weiß, was ich sinnvollerweise zuallererst versuchen soll. Wenn ich so mein früheres Leben Revue passieren lasse, dann versetzt mich mein entsetzliches Schuldbewusstsein in noch größeren Schrecken als die Hölle. [685] Wenn ich künftige Besserung gelobe, so setzt mir die Krankheit zu, droht der Tod und steht mir das zornige Gottesgericht bevor; jedenfalls habe ich furchtbare Angst davor, schon bald alleine vor seinen Richterstuhl zu treten, und weiß nicht – gesetzt den Fall, es gibt einen unter all meinen [690] Freunden –, wer mich vielleicht begleiten will. Das aber vor allen Dingen muss ich zu erreichen suchen, weil ich es nicht fertigbringe, alleine vor diesen Richter zu treten. Da drängt sich mir als erster Daemones mit seinen Freunden auf: Mit dem vor allem muss ich sogleich ein Treffen herbeiführen. 3. AKT, 2. SZENE Daemones mit zwei Freunden. Hecastus. Trimeter. [695] Lasst uns gehen und schauen, wie es unserem alten Freund Hecastus so geht! EIN FREUND Ja, lasst uns gehen! EIN FREUND Seht, da kommt er uns entgegen. DAEMONES Wie steht’s, Hecastus? Schmeckt dir dein alter Wein nicht mehr? Hast du etwa Kummer? Was macht der Schmerz in der Seite? HECASTUS Warum, mein Daemones, [700] rätst du mir zum Wein? Der Schmerz wird zusehends schlimmer, doch was mich noch mehr bedrückt, ist von ganz anderer Art. Und in dieser Sache bitte ich um Rat und Beistand: um deinen und den vieler anderer. DAEMONES Nur Mut! Denn es gibt nichts, was wir an Kraft, an Geld und [705] an wohlwollender Umsicht nicht für dich aufbringen könnten. Komm, trag uns den Fall vor; an uns wird es sein, dich zu unterstützen.
DAEMONES
Übersetzung – 3. Akt, 2. Szene
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Der oberste Herrscher und König weist mich an, vor seinen Richterstuhl zu treten und über alle Taten und Reden wie auch über allen Besitz, [710] der mir anvertraut, bis ins Letzte Rechenschaft abzulegen. Weil ich es aber nicht fertigbringe, allein vor dem höchsten Richter zu erscheinen, bitte ich euch inständig, bei unserer alten und freundschaftlichen Verbundenheit, dass entweder ihr alle zugleich oder auch nur irgendeiner [715] mit mir gemeinsam aufbricht und vor dem Richterstuhl für mich als Anwalt oder Rechtsbeistand zugegen sei. DAEMONES Hab Vertrauen; ein jeder von uns wird dir dort helfen, soweit er es vermag. Doch wann gilt es aufzubrechen und wie und wohin und zu welchem Richter? HECASTUS [720] Ach! Ich muss unverzüglich oder doch noch vor dem Abend unter furchtbarer Gefahr auf Leben und Tod in eine lichtlose, unwegsame Gegend ziehen und vor dem hohen Richter Stellung beziehen. DAEMONES Das ist eine ziemlich ernste Sache, Hecastus, von der du da sprichst, [725] eine, die unsere Kräfte übersteigt. Wenn diese Sache, um die du uns bittest, im Nachbarort oder in der nächstgelegenen Stadt gefahrlos und vor einem Richter, den wir kennen, zu verhandeln wäre, würde ich dich bestimmt nicht alleine lassen. So aber sehe ich jedenfalls mich (was die anderen hier ausrichten können, weiß ich nicht) [730] außer Stande, dir diesen Gefallen zu tun. EIN FREUND Auch ich bin unabkömmlich, weil ich schon anderen zugesagt habe. EIN FREUND Ich auch – zuviele Verpflichtungen. HECASTUS Ist das Treue unter Freunden? Ist das der Dank? So lasst ihr einen elendig im Stich, den ihr doch [735] so sehr gefeiert habt – damals, in guten Zeiten? DAEMONES So trägt Fortuna es uns zur Zeit nun einmal auf. Doch ich gebe dir einen guten Rat unter Freunden: Da, der Syngenes und deine anderen Blutsverwandten, die drängen sich dir doch förmlich auf – erläutere ihnen den Fall! [740] Es gibt nichts, was die dir abschlagen werden. Leb wohl! (Daemones und Freunde ab.) HECASTUS Welch kalter Trost – und das von einem Freunde! HECASTUS
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Macropedius (1539)
3. AKT, 3. SZENE Syngenes mit zwei Verwandten. Hecastus. Trimeter. Was ist denn das für eine Unruhe bei dir im Hause, mein Hecastus? Warum weinen Frau und Kinder daheim? Auf welchen königlichen Befehl hin bist du so plötzlich hinaus [745] beordert worden? HECASTUS O weh, o weh, lieber Verwandter, man hat mich vor den Sitz des obersten Richters bestellt und mir Gehorsam befohlen, und ich habe keinen, der mit mir aufbrechen und den Richter gnädig stimmen, der meinen Fall verteidigen oder mir mit Rat zur Seite stehen will, sofern mir nicht [750] von eurer Seite etwas Tröstliches zuteil wird. SYNGENES Verwandter, wir werden dich nicht im Stich lassen. Hab Vertrauen! ERSTER VERWANDTER Ich werde dich nicht im Stich lassen. ZWEITER VERWANDTER Hecastus, ich werde dich nicht im Stich lassen. Doch sag uns, wohin es geht und wann. HECASTUS Man wird mich jetzt gleich in schreckliche Todesgefahr zerren und [755] vor den strengen Richter stellen, dem ich, wenn ich mich dann erhoben habe, nicht einmal den tausendsten Teil zurückzahlen kann. SYNGENES Dein Unglück bedaure ich, so wahr mir Gott helfe, doch scheint mir dieser Fall zu heikel zu sein, als dass er von unserer Seite für dich geführt werden könnte, [760] ohne dass auch uns Todesangst in Schrecken versetzt. Deshalb bitte ich dich: Hör uns an mit Nachsicht, denn es ist unser dringender Wunsch, für deine Rettung zu sorgen. Du verfügst über gewaltigen Reichtum und dir bedingungslos ergebene Diener und hast zudem noch Söhne mit wahrem Heldenmut. [765] Nimm die größtmögliche Menge von deinem Gold und Silber, nimm deine Diener und Söhne mit und tritt unbesorgt vor den gestrengen Richter. Wenn deine Söhne irgendeinen Punkt nicht verteidigen können, wirst du dich mit deinem Gelde, dem sich alles fügt, [770] kinderleicht freikaufen können. Wir werden auf deine Frau und deinen Hausstand aufpassen – schließlich sind wir deine nächsten Verwandten. ERSTER VERWANDTER Das werden wir. ZWEITER VERWANDTER Das werden wir. SYNGENES Nichtsdestoweniger werden wir dich feierlich bis zum Tor begleiten, sobald wir wissen, dass du reisefertig bist. ERSTER VERWANDTER [775] Das werden wir. ZWEITER VERWANDTER Das werden wir – alle zusammen, feierlich und mit allen Ehren. SYNGENES
Übersetzung – 3. Akt, 4. Szene
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Ich Armer! Wie wertlos und nichtig sind Blutsbande! So steht ihr eurem Nächsten bei? SYNGENES Verwandter, gib dich doch bitte mit unserem Angebot zufrieden. Leb wohl! (Syngenes und Verwandte ab.) HECASTUS Ach, [780] meine Kinder wenigstens wollte ich damit verschonen, doch da ich nun von allen anderen im Stich gelassen werde, bin ich wohl gezwungen, sie zu meinen folgsamen Begleitern zu machen. Da sind sie schon, tränenüberströmt ob meiner Not! HECASTUS
3. AKT, 4. SZENE Philocrates. Philomathes. Hecastus. Trimeter. Obgleich wir beide bereits dem Knabenalter entwachsen sind, [785] kann ich doch, wenn ich meinen angsterfüllten Vater höre, meine Tränen nicht zurückhalten. PHILOMATHES So sehr ich selbst von nun an auch ohne Vater leben könnte, drängt doch auch mich dieses Gefühl, das mir die Tränen hervorquellen lässt. HECASTUS Steht bei, meine herzallerliebsten Söhne, [790] steht bei eurem Vater in dieser gefahrvollen Herausforderung! PHILOCRATES Wenn wir Euch, Vater, irgendwie mit Rat und Tat zur Seite stehen können, so vertraut darauf, dass wir Euch nicht im Stich lassen werden! Was immer ich mit Kriegsgerät, mit körperlichem Einsatz oder ausdauerndem Mut [795] vermag, das will ich, Vater, ohne Murren in Euren Dienst stellen. PHILOMATHES Und was mich angeht, Vater, so erhebt rechtmäßigen Anspruch auf all meine Kenntnisse in kirchlichem wie weltlichem Recht, in beiden Bereichen der Logik oder in der gesamten Philosophie, [800] ganz zu schweigen davon, dass ich Euch meine gesamte Existenz verdanke. Das ist’s, was mein Herz mir rät, das Recht vorschreibt und die Vernunft fordert. HECASTUS Wohl gesprochen, meine Söhne, und ihr richtet mich ein klein wenig wieder auf. Da ich nun also von all meinen Verwandten und Freunden [805] bis auf den letzten Mann im Stich gelassen werde, mich ferner das strenge Urteil des Richters fordert, dem man nicht entrinnen kann, und ich es bei meinem schlechten Gewissen auch nicht wage, alleine vor den schrecklichen Richter zu treten, richte ich nun an euch, PHILOCRATES
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denen ich sonst zu befehlen gewohnt war, die inständige Bitte, ihr möchtet bereit sein, den Weg [810] mit mir gemeinsam zurückzulegen und vor den Richter zu treten. PHILOCRATES Wer ist denn dieser Richter, Vater, von dem Ihr sprecht? HECASTUS Der höchste Herrscher über Himmel und Erde. PHILOCRATES Das ist entsetzlich. Wer wollte es wagen, vor ihn hinzutreten? Trotzdem: Welchen Weg in welche Richtung müssen wir zum Fürsten einschlagen? HECASTUS [815] Durch den Tod in eine schreckliche, unwegsame Gegend, wo ich für alles, was ich je gesagt und getan habe, nunmehr den Lohn empfangen soll. PHILOCRATES Seid doch still, Vater! Sterben werdet Ihr? HECASTUS Das werde ich. PHILOCRATES Noch heute? HECASTUS Noch an diesem Tag, mein Sohn. PHILOCRATES Wie wollt Ihr das wissen, Vater? HECASTUS Der Gesandte des ewigen Gottes [820] hat mir mit diesem Dokument hier den Tod angekündigt. PHILOMATHES Warum beantragt Ihr keinen Aufschub, mein Vater? Warum wendet Ihr euch nicht an eine höhere Instanz? HECASTUS Er duldet keinen Aufschub, denn er ist schon mehr als geduldig gewesen, und auch keine Berufung, denn er ist bereits die oberste Instanz. [825] Deshalb bitte und beschwöre ich euch, meine Söhne: Steht eurem Vater bei in seiner Not und macht meine so unglückliche Lage durch euren hilfreichen Rechtsbeistand ein klein wenig erträglicher. PHILOCRATES Gäbt Ihr Befehl, Vater, gegen Eure Feinde mit Waffen [830] oder Fäusten einzuschreiten, so gäbe es für Philocrates weiß Gott keine Furcht, kein Zaudern, keine Fahnenflucht; doch mit Euch hinunter in schreckliche Todesgefahr zu ziehen, wovor der Mensch in seinem innersten Wesen zurückschaudert – nein! [835] Falls aber mein Bruder Philomathes das Wissen, den Wunsch oder die Kraft besitzt, irgendwie mehr für Euch zu tun – meinetwegen. PHILOMATHES Der Wille ist unbedingt vorhanden, mein Vater, ein Höchstmaß meines Wissens und meiner Einsatzbereitschaft in Euren Dienst zu stellen, doch hinunter in den Todes[840]kampf zu gehen, das kann ich nicht und darf ich nicht, vor allem deshalb nicht, weil ich nicht weiß, ob ich Euch vor dem Richter überhaupt helfen und ein Verteidiger sein kann. So befolgt denn meinen Rat, Vater, und nehmt Euch möglichst viel Geld und Leibeigene, [845] denen Ihr ja vollkommen frei befehlen könnt, dass sie Euch als Eure Diener beistehen sollen, wenn irgendwer Euch Gewalt antun will. Und wenn Euch eine Verteidigung un-
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möglich sein sollte, so mag das Geld Euren Fall als weniger schwer und zumindest erträglich erscheinen lassen, denn dies ist gemeinhin das stärkste Mittel, die Richter umzustimmen. PHILOCRATES [850] Mein Bruder hat mir fast schon aus dem Herzen gesprochen. Weit eher sollten Eure Leibeigenen der Gefahr ausgesetzt werden, nicht Eure Kinder, damit nicht nach ihrem Untergang keiner mehr da ist, der die Verteilung des Erbes besorgen kann. HECASTUS Ist es das, meine Söhne, ist es das? Verrat und Betrug [855] aus freien Stücken an eurem Vater, der zu euch immer freundlich und nett gewesen ist? der euch gezeugt, ernährt und großgezogen hat? So sehr verachtet ihr ihn? PHILOCRATES Das tun wir nicht. PHILOMATHES Das tun wir nicht. Doch einem unrechten Befehl verweigern wir mit Recht den Gehorsam. Lebt wohl! (Die Söhne ab.) HECASTUS Weh, welche Hoffnung bleibt mir jetzt noch? Wenn schon die Söhne [860] ihren Vater aufgeben, was ist dann wohl mit dem restlichen Gesinde? Ich werde versuchen, ihnen mit Befehlen etwas abzupressen. Kommt alle her, ihr Knechte, und zwar schnell! Heraus mit euch! 3. AKT, 5. SZENE Philoponus. Hecastus. Panocnus. Trimeter. Ihr habt uns gerufen, Herr? Ich habe nicht bloß euch gerufen, sondern auch meine [865] sonstige Dienerschaft. PHILOPONUS Welche Aufträge habt Ihr für uns? HECASTUS Bringt mein Vermögen hier heraus, mein Geld und was sich drinnen sonst noch an Wertvollem befindet! PANOCNUS Bringen wir. HECASTUS Unverzüglich! PHILOPONUS Ohne jede Verzögerung. (Die Knechte ab.) HECASTUS Ich könnte an meine Frau mit ihren Mägden appellieren [870] und an meine schönen Liebchen, an deren Gesellschaft ich bisher – reichlich frönend meinem Naturell und meiner Lust – nicht weniger süßes Vergnügen fand als an der meiner Frau und die mich sehr, sehr liebten. Doch fürchte ich, es möchte gar vergeblich sein. [875] Was werden PHILOPONUS HECASTUS
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schon die mächtig feigen Weiber hier wagen, wo es doch selbst den Tapfersten verschreckt? Wenn meine Söhne nicht auf mich hören, warum sollte dann meine zickige Frau auf mich hören? Was ist das da drin für ein Geschnatter? Kommt wer heraus? Es ist besagte Frau, und über irgendetwas ist sie reichlich aufgebracht. 3. AKT, 6. SZENE Epicuria. Hecastus. Zwei Mägde. Trimeter. [880] Was soll diese Anordnung, mein Gatte, das Vermögen aus den Verstecken im Hause nach draußen zu bringen? Hat deine Krankheit dich jetzt schon in den Wahnsinn getrieben? HECASTUS Lass mich heute von diesem Reichtum ausgiebig Gebrauch machen, Gattin – vielleicht schon morgen werde ich ihn und meinen Ruhm und [885] mein Leben und überhaupt alles verloren haben und zitternd den Weg in das Schreckensreich des Todes antreten. EPICURIA Himmel, was soll das, mein Gatte? Was fängst du davon an zu sprechen? Willst du dich davonmachen und dabei mich, deine beiden Söhne, deine Dienerschaft und all deinen Besitz zurücklassen? [890] Oder soll ich das etwa nicht für die Äußerung eines Verrückten halten? HECASTUS Sei still, Weib, damit du hören kannst, dass ich mitnichten verrückt bin! Hast du nicht soeben diesen Mann gesehen, ehrenwert und sittenstreng? EPICURIA Ja, habe ich. Er hat mich auf denkwürdige Weise in Angst und Schrecken versetzt, [895] indem er mich wiederholt an den Tod und das scharfe Urteil Gottes, des Allergerechtesten, gemahnt hat. HECASTUS Eben der kündigt mir nun durch ein handschriftliches Dokument des großen Gottes den Tod an und zitiert mich mit sofortiger Wirkung vor den schrecklichen Richterstuhl Gottes, dem ich nicht einmal [900] den tausendsten Teil zurückzahlen kann. Deshalb bitte und beschwöre ich dich, meine Gemahlin: Selbst wenn du in meinem Fall nicht die Verteidigung übernehmen kannst, steh mir im Tode zur Seite, brich mit mir auf und spende mir so Trost. EPICURIA O weh, Hecastus, mein Gatte, dir steht der Tod bevor? HECASTUS [905] Ja, der Tod. EPICURIA Und wird dir kein weiterer Aufschub eingeräumt? HECASTUS Keiner. EPICURIA Also wirst du noch heute sterben?
EPICURIA
Übersetzung – 3. Akt, 7. Szene
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Noch heute. Du wirst schon sehr bald sehen, wie er mich holen kommt. EPICURIA Ich Unglückliche, wie bitter doch der Tod ist! Schon das Wort „Tod“ versetzt mich in Schrecken. Pass gut auf dich auf, [910] mein Mann! Ich werde gewiss nicht wagen, mit dir zu gehen. Nimm dir Gold und Silber und deine ganze Dienerschaft! Der Tod flößt mir furchtbare Angst ein, bitte erspare mir den Tod. HECASTUS Dann überlass mir bitte wenigstens diese Mädchen zum Trost! ERSTE MAGD Herrin, bitte lasst nicht zu, dass man uns dem Tode übergibt! ZWEITE MAGD [915] Herrin, lasst uns nicht in den Tod gehen! EPICURIA Ich bitte dich, mein Gatte: Lass deine eigenen Knechte deine Begleiter sein und lass mir meine Dienerinnen unversehrt! HECASTUS Was bin ich doch für ein armer Tropf! So bringe denn mein Gesinde mein Vermögen her! EPICURIA Sie werden es sogleich herausbringen. Sei zuversichtlich! Eine enorme Menge [920] Geld und Brot werde ich für die Rettung deiner Seele unter die Armen verteilen lassen. Mein Gatte, leb wohl! (Ab.) HECASTUS Welch schaler Trost, wenn du für mich etwas verteilen lässt, obwohl ich noch gar nicht richtig tot bin. HECASTUS
3. AKT, 7. SZENE Philoponus. Panocnus. Der Reichtum. Hecastus. Trimeter. Pack an! Wie faul du da rumstehst! Weil er dick ist und ganz schön schwer! DER REICHTUM [925] Warum werde ich gestört? Wohin trägt man mich? PHILOPONUS Der Herr ruft nach dir. – Hier ist der Reichtum, Herr. HECASTUS Bleibt stehen, damit ich kurz etwas sagen kann! He, Reichtum, schläfst du? DER REICHTUM Ich und schlafen – bei dieser Behandlung? Meine Glieder waren vorher schön festgefügt – jetzt, nach dem ganzen Gezerre, sind sie verrenkt, schlaff und ausgeleiert, [930] so dass sie kaum noch irgendwo vollständig miteinander zusammenhängen. HECASTUS Du sollst heute mit mir gemeinsam aufbrechen und vor dem furchtbaren Richter meinen Fall günstig beeinflussen. DER REICHTUM Wie soll ich denn aufbrechen können, so blind und dick? Zuhause will ich dir in jeder beliebigen Hinsicht Unterstützung bieten. PHILOPONUS PANOCNUS
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[935] Du gehörst jetzt aber anderswohin – los, komm! Raus mit dir, Dummkopf! DER REICHTUM Ich geh nicht raus, und wenn du mich vierteilst. HECASTUS O Reichtum, mir steht der Tod bevor. Wenn du nicht aus freien Stücken willst, dann werden dich meine Knechte auch gegen deinen Willen hinüberschaffen. DER REICHTUM Das werden sie nicht. Eher [940] werden sie sich einen Bruch heben als mich hinüberzuschaffen. Im Tode kann ich keinem mehr noch irgendwo nützen, ja ich gehe sogar in fremden Besitz über. HECASTUS Ich will doch mal sehen, ob ich dich nicht zwingen und nach draußen schaffen kann, du Aufmüpfiger! Bringt [945] kräftige Stangen herbei und legt sie geschwind zusammen! Mit denen soll dieser Trotzkopf weiter von hier fortgeschafft werden. Ich komme gleich nach. PHILOPONUS Machen wir. (Die Knechte ab.) HECASTUS Ach, ich armer Mann! Wie fern liegt jeder Trost für mich! Jetzt verschlimmert sich der Leib- und Seelenschmerz, [950] jetzt hat mein letztes Stündchen geschlagen, und ob ich nun will oder nicht, ich werde aufbrechen müssen. Ganz alleine werde ich, verlassen ach! von allen, den einsamsten aller Wege zurücklegen, ganz alleine muss ich vor den schrecklichen Richter treten und dort Rechenschaft ablegen, [955] sofern es mir nicht vielleicht doch noch gelingt, meinen Reichtum nach draußen zu schaffen. Ich werde jetzt ins Haus gehen, um meine Angelegenheiten Stück für Stück zu ordnen, wie es sich gehört, mich umzukleiden und mich zu rüsten für den traurigsten aller Wege. (Ab.)
HECASTUS
CHOR Trochäische Dimeter. 960
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Wie die Wogen niederstürzen, Sinken wir, zuerst geboren Schmerzenreich und aufgezogen, Durch den Tod bis auf den Grund. Also was nützt Macht, was Reichtum, Was die Lust und alle Ehren Nach dem Tode, wenn beraubt wir Aller dieser Dinge sind?
Übersetzung – 4. Akt, 1. Szene
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Auch der Fette wird verfaulen, Hoffart wird zertreten werden, Und wer gottlos, wird bedeckt vom Staube, nur noch Würmerfraß. Bessern wir drum unser Leben Wohlgesittet, auf dass nicht zum Zeitlich Tod uns (Gott bewahre!) Auch noch drückt der ewige. 4. AKT, 1. SZENE Hecastus. Zwei Knechte. Die Familie. Verwandte. Freunde. Trimeter.
[975] Geht gemächlichen Schrittes voraus, wie ich es euch aufgetragen hatte, und tragt meinen Reichtum vorsichtig und behutsam, damit er sich nicht ärgert, weil er es nicht bequem hat, und mir schließlich Krach schlägt! Ich komme gleich nach, wenn ich meiner Familie, meinen Verwandten und Freunden ein letztes Lebewohl gesagt habe. EIN KNECHT [980] Gut, wir gehen schon einmal los. Doch wer wird uns auf unserem Wege führen? HECASTUS Der wird nicht auf sich warten lassen. Geht nur voraus! (Die Knechte ab.) Jetzt lebe wohl, meine Gattin, lebt wohl, meine Söhne, und zwar lange, lebt wohl, mein Fleisch und Blut! Jetzt scheidet uns der bittere Tod voneinander. EPICURIA Leb wohl, liebster Gatte! [985] Wie eine Taube, wenn ihr der Gefährte davongegangen, werde ich verwitwet im Neste sitzen. DIE SÖHNE Lebt wohl, treuester Vater! Wollt Ihr uns wirklich so als Waisen zurücklassen? Scheidet uns so der grausame Tod voneinander? Lebt wohl, Vater! HECASTUS Lebt wohl, meine Verwandten; lebt wohl, meine … (zögernd) „Freunde“! EIN VERWANDTER [990] So lässt du uns im Stich, Hecastus? Leb wohl, leb wohl! HECASTUS Ja, ich verlasse euch wie ihr mich. EIN VERWANDTER Wir werden dich bis zum Tor begleiten. HECASTUS Ein lästiger Trost ist das. EIN FREUND Zugegeben.
HECASTUS
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Doch ihr werdet mich erneut im Stich lassen. Huch, was ist das für ein Aufruhr? Was für ein lärmender Haufe [995] macht denn da hinten so einen Krach? Schon befällt gewaltige Angst meinen Sinn und Schaudern meine Glieder.
HECASTUS
4. AKT, 2. SZENE Zwei Knechte. Hecastus. Freunde. Verwandte. Der Tod. Trimeter. EIN KNECHT Der Tod, der Tod ist da, hinter Euch, Hecastus! HECASTUS Aaaah! EIN FREUND Was sagt ihr da? EIN FREUND Wollt ihr etwa sagen, der Tod ist hier? EIN KNECHT Ja, der Tod persönlich, ein grauenvoller Anblick, eine abscheuliche Fratze, [1000] eine so verfluchte Gestalt, dass man meint, man hätte einen schwarzen Dämon vor sich. EIN VERWANDTER Da ist wohl Flucht ganz klug, oder? EIN KNECHT Wenn ihr vernünftig seid, ja. EIN FREUND Da! EIN VERWANDTER Mein Gott! EIN KNECHT Flieht, Herr! Es gilt Euch. (Alle bis auf Hecastus ab.) HECASTUS Wohin soll ich fliehen? Und selbst wenn ich fliehe – ich werde ihm nicht entfliehen. Oh ich Armer, ich bin verloren! DER TOD Halt, du hinterhältiger Frevler, halt! [1005] Warum hast du bis jetzt gewartet, vor den Sitz des obersten Richters zu treten? HECASTUS Gewähr mir noch Aufschub, schauderhafter Tod! DER TOD Ich warte nicht. HECASTUS Ich bitte dich – vielleicht bis morgen … DER TOD Nein, nicht bis morgen. HECASTUS Dann nur ein kleines Stündchen. DER TOD Die Zustimmung fällt mir schwer. Nach diesem Stündchen [1010] werde ich hierher zurückkommen und dich fortzerren, selbst wenn du nicht willst, werde dich vor den Richter zu deinem Verhör zerren und, wenn du schuldig bist, auch hinunter in die Hölle zerren. (Ab.) HECASTUS Himmel, jetzt zieht sich mein Herz in solcher Todesangst zusammen, und eine solche [1015] Glut röstet mir die Eingeweide, dass ich (o Schmerz!) weder geistig noch körperlich die Kraft zum Widerstand aufbringe. Und außerdem schreckt und peinigt mich mein schlechtes Ge-
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wissen wegen meiner unsäglichen Freveleien, von oben lässt sich der zornige Richter furchtbar vernehmen, [1020] die Unterwelt und die schwarze Hölle öffnen ihren Schlund für mich, und blutdürstige Geister ziehen von allen Seiten einen Ring um mich. Und unter all denen, die mir lieb sind, ist nicht einer, der mir auch nur mit einem Wörtchen Trost spendet. Was bleibt mir also noch in meinem unermesslichen Elend außer [1025] der nackten Verzweiflung an Leben und Rettung? Bitte hört und seht her, die ihr vorbeigeht, ein jeder von euch, ob es wohl irgendeine Pein gibt, die vergleichbar wäre mit meinem unermesslichen Unglück! – O meine edle, alte Freundin, meine Tugend, [1030] welch bedächtigen Schrittes sehe ich dich von Ferne nahen! Wenn du mir nicht hilfst, gibt es für mich keine Rettung mehr aus meinem unermesslichen Elend. Ach! Von Krankheit und Furcht vor dem drohenden Tode gezeichnet breche ich zusammen. 4. AKT, 3. SZENE Die Tugend. Hecastus. Trimeter. Das soll mein alter Freund sein? Das soll Hecastus sein, [1035] der mich, bevor Leckereien, Wohlstand und Juwelen seinen edlen Charakter verdarben, geschätzt und verehrt hat? Ich will einmal zu ihm gehen, obwohl er sich nicht eben um mich verdient gemacht hat, doch eingedenk der früheren freundschaftlichen Verbundenheit des Mannes mit mir. [1040] Sei gegrüßt, Hecastus! Ich hoffe, es geht dir gut? HECASTUS Ich bräuchte nichts dringender als das, meine liebe Tugend, in dieser Gefahr, doch meinen Blick zu dir emporzurichten wehrt mir die Scham und lässt meine Undankbarkeit nicht zu. DIE TUGEND Was für eine Gefahr bedrängt dich? Was fehlt dir? HECASTUS [1045] Der bittere Tod wird mich jetzt gleich dahinraffen, und unter all denen, die ich kenne, ist nicht einer, der mir mit Rat und Tat zur Seite stehen will; ach wenn doch wenigstens du mir, so wenig ich das auch verdiene, in dieser Stunde beistehen und Unterstützung geben und dann [1050] nach unserem gemeinsamen Aufbruch den Richter meines Falles gnädig stimmen könntest! DIE TUGEND Du siehst ja, Hecastus, wie sehr ich von Magerkeit geschwächt und mit Moder überzogen bin, weil neben anderen auch du bislang deine Pflicht und Schuldigkeit, dich um mich zu kümmern, vernachlässigt hast. Und wie sollte ich nun in der Lage sein, so beschmutzt und [1055] ermattet, dich vor den hohen Richter zu führen und dort für DIE TUGEND
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Macropedius (1539)
dich die Verteidigung in deinem Fall zu übernehmen, wo die Aussichten, wie du selbst einräumst, äußerst schlecht stehen? HECASTUS O meine liebe Tugend, ich gestehe ja, dass ich deine Wohltaten mit größtem Undank vergolten habe, damals, als mein jugendlicher Leichtsinn sich stark fühlte [1060] und mein (mit wegwerfender Gebärde) „Glück“ in Blüte stand. Doch wenn du mich gleich im Stich lässt, dann ist es um mein Seelenheil geschehen. Denn ich habe mich vor lauter Verzweiflung schon aufgegeben, und so wird der gähnende Höllenschlund mich als einen Teufelshappen verschlucken. DIE TUGEND Deine Bitten lassen mir keine Ruhe, Hecastus, und mich rühren [1065] deine Tränen, doch ich alleine wäre völlig außer Stande, dir zu helfen, selbst wenn ich kerngesund wäre. Ja, den gerechten Richter musst du auf andere Weise versöhnlich stimmen, als du meinst, und ich alleine werde da nicht genug für dich ausrichten können. Nichtsdestoweniger – was mich betrifft – ich werde dich [1070] nicht verlassen und will dir auch künftig beistehen. Gib du einstweilen deinen Dienern Anweisung, dich im Hause zu betten und dir alsbald einen frommen und kundigen Priester herbeizurufen, der dir den einzigen Garanten deines Seelenheils verkünden [1075] und den Weg, den du beschreiten wirst, deutlich aufzeigen soll. Ich will unterdessen mit meiner kleinen Schwester, dem Glauben, sprechen und einen Versuch machen, ob sie sich zu einem Besuch bei dir bewegen lässt; denn wenn sie einwilligt und du sie empfängst, dann sei zuversichtlich, dass es für dein Seelenheil noch Hoffnung gibt. HECASTUS [1080] O meine liebe Tugend, mein einziger Trost, du hast mein Leben fast schon aus der Hölle zurückgeholt. Ich werde glücklich sterben, sobald du das vollbracht hast. DIE TUGEND Hab Vertrauen, sei stark! Nur einen kurzen Moment, dann bin ich wieder da. HECASTUS Ja, komm wieder! (Die Tugend ab.) O wieviel stärker doch als bei den anderen [1085] in ihr die Liebe ist und beständiger die Treue! Mit Blindheit war ich geschlagen und in Wahrheit unglücklich, während ich mich doch in jeder Hinsicht für glücklich hielt, und war mir daher zu schade, sie auch nur anzublicken, doch sie, seht! kommt ganz von selbst und gewährt mir Hoffnung und Schutz, während ich von allen Sterblichen im Stich gelassen werde. [1090] Wird jetzt wohl endlich einer von meinen Dienern herauskommen, mich ins Haus zu tragen und mir einen Kelch kalten Wassers zu reichen? Ich Armer, wie hat sich mein Los gewandelt! Der ich gewohnt war, Großes zu befehlen, bin nun gezwungen, Kleinigkeiten zu fordern, und habe damit
Übersetzung – 4. Akt, 4. Szene
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nicht einmal Erfolg. [1095] Wenn ihr so etwas wie herzliche Treue kennt, so kommt mir zu Hilfe, meine Diener, und bettet mich im Hause! 4. AKT, 4. SZENE Philoponus. Panocnus. Hecastus. Trimeter. Wir hörten betrübt Eure Stimme, Herr, wie Ihr seufztet, und können Euer Leid nur mit Schmerz und unter Tränen mitansehen. HECASTUS Was soll das, [1100] meine Burschen, dass ihr mich im Stich gelassen und euch treulos aus dem Staube gemacht habt? Tun so etwas Bedienstete? Jedenfalls wenn sie anständig sind, wenn sie ihrem Herrn treu ergeben sind? PHILOPONUS Wir waren in Panik versetzt von solcher Todesangst, dass uns nicht bloß verzagt unser Mut verließ, [1105] sondern auch unsere Knie, ja all unsere Glieder zitterten. Bitte verzeiht uns und tragt uns auf, was Ihr erledigt sehen wollt! Denn außerhalb des beklemmenden Todesreiches habt Ihr keine Befehle, denen wir mit unwilligen Ausflüchten begegnen werden. HECASTUS Das erlasse ich euch gerne. Doch bemüht euch darum, dass [1110] ich zunächst einmal ins Haus gebracht werde und dann gewaltig viel Wasser zu trinken bekomme und so meine Brust erfrischen kann, die von einer solchen Glut und solchem Durst schier verdorrt, dass nicht einmal der Hebrus sie löschen könnte! Und dann teilt meinen Kindern mit, wie es um [1115] mich bestellt ist, damit sie sich beide her zu mir begeben, um – wenn sie schon meine Krankheit nicht heilen können – so schnell wie möglich einen kundigen Mann und frommen Priester herbeizurufen, ob der nicht irgendwie durch sein Wort meine Seele kurieren kann! PHILOPONUS [1120] Wird gemacht. (zu Panocnus:) Geh du die Söhne unseres Herrn aufsuchen; ich will unseren Herrn alleine in sein Haus bringen. PANOCNUS Das schaffst du alleine bestimmt nicht so leicht. Ich werde dir helfen. Ich werde dafür sorgen, dass sich die Kinder aus dem Inneren des Hauses hier einfinden, die jetzt immer noch zu Tode erschrocken mit ihren Freunden [1125] im Garten auf und ab gehen, um sich wieder zu fassen. PHILOPONUS Gut. Dann heb ihn behutsam hoch, damit sein Leib nicht unerträglich durchgeschüttelt wird. HECASTUS Geht vorsichtig! (Alle ab.) PHILOPONUS
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Macropedius (1539)
CHOR Mit einem trochäischen Lied.
1130
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Nicht wird sich der Rechte grämen, Wenn ihn einst der Tod ereilt, Sondern freud’gen Sinnes trägt er, Dass er nun erkalten wird. Denn geschrieben steht, dass selig, Die in Gott entschlafen sind, Und zwar deshalb, weil von allen Mühen sie dann können ruhn. Dieser Tod in Gottes Schau wird Ohne Zweifel kostbar sein, Den manch Frommer sel’gen Endes Froh und willig zu sich ruft.
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Also schätz’ ich nicht mehr grausam Ein den Tod noch fürchterlich, Denn durch ihn ins selig Leben Tritt, wer gottesfürchtig lebt. 5. AKT, 1. SZENE Philocrates. Panocnus. Philomathes. Trimeter.
Panocnus, komm her, falls wir hier deine [1145] Hilfe brauchen, damit nicht deine Faulheit und deine Gleichgültigkeit da drinnen mehr Schaden anrichten als dein Treiben hier draußen! PANOCNUS Mir ist Rast doch völlig fremd, mein Herr! Verfügt über mich, solange Ihr wollt! PHILOMATHES Um Vaters Gesundheit ist es geschehen, Philocrates, wie ich aus seiner letzten Harnprobe mit Gewissheit schließe. [1150] Denn wenn Urin vom Blauen ins Schwärzliche spielt, so zeigt dies, dass der Tod sehr bald eintritt. Zu spät hat er meine heilkundige Hand hinzugezogen. PHILOCRATES Wenn es sich so verhält, müssen wir den hier gleich losschicken. He du! PHILOCRATES
Übersetzung – 5. Akt, 1. Szene
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Ja? Geh ins Nachbarviertel! PANOCNUS [1155] Jawohl. PHILOCRATES Und bring von dort, so schnell du kannst, den Priester Hieronymus hierher; der soll unseren Vater mit der heiligen Messe wappnen, aber auch mit geweihtem Öl, wie es sich gehört. PANOCNUS Ich bring’ ihn her. PHILOCRATES Los! PHILOMATHES Und halt dich ja nicht auf; sag ihm, dass unserem Vater der Tod [1160] schon auf der Schwelle steht! PANOCNUS Wortwörtlich. PHILOMATHES Und – he! PANOCNUS Ja? PHILOMATHES Nimm bei der Gelegenheit gleich auch einen Totenschrein vom Schreiner mit! PANOCNUS Jawohl. (Ab.) PHILOMATHES Schneller, als es seine Art ist, zieht er los, so wie es angesichts der knappen Zeit auch nötig ist. Denn unserem Vater [1165] steht ohne Zweifel der Tod bevor. Doch ist mir auch noch nicht entfallen, was du vor kurzem über die Erbschaft gesagt hast, lieber Philocrates, und zwar gegen Kirchen- wie Zivilrecht. Ich werde dir nicht den größeren Besitz zugestehen, wenn du keine größeren Rechtsansprüche [1170] geltend machen kannst. PHILOCRATES Ausgerechnet ich soll mich an deine modrigen und überholten Gesetze gebunden fühlen? Ich berufe mich auf Schild, Schwert und Lanze statt auf Gesetze. Soweit es nach Brauch und Sitte das Kriegsgerät betrifft, werde ich unter dem Schutz des Schwertrechts stehen. PHILOMATHES [1175] Wenn du mit Gewalt, nicht nach dem Recht vorgehen willst, wirst in der Tat du der Sieger sein. Doch auch das Recht hat seine Schutzmacht. Du wirst noch anders reden, wenn ich dich vorladen lasse und vor dem Richter Schadensersatz einklage. PHILOCRATES Scher dich zum Teufel, du Nachgeborener! Glaubst du wirklich, dass du mit meinem Einverständnis [1180] den zu vererbenden Besitz unseres Vaters halbe-halbe aufteilen kannst, wo du doch jünger bist als ich und mir an Alter und Rang nachstehst? Weiß Gott, ich würde dich lieber mit dieser Klinge zerspalten als dir zu weichen. PHILOMATHES Ich werde dir nicht den sprichwörtlichen langen Halm [1185] zugestehen, und mit deinen Schwertern jagst du mir auch keine Angst ein. Doch jetzt sollten wir schweigen, der Ehre unseres Hauses zuliebe. Da ist er nämlich, der Beistand, den wir unserem Vater wünschten: ein PANOCNUS
PHILOCRATES
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Macropedius (1539)
rechtschaffener Mann und Priester des allmächtigen Gottes. Er soll vorangehen. PHILOCRATES (zum hineineilenden Hieronymus:) Seid gegrüßt! (zu Philomathes:) Wir sollten ihm ins Haus folgen, damit er ihn nicht, wie [1190] üblich, dazu überredet, den Armen und Elenden mehr als nötig zu spenden. PHILOMATHES Das muss unbedingt verhindert werden. Wir kennen das ja, welch großzügige Vermächtnisse diese Sorte Mensch für sich und ihre Günstlinge herausschindet, [1195] wenn sie sehen, dass ein reicher Mann dem Tode entgegensieht. Also gehen wir! He, da kommen irgendwelche Frauen, geradewegs und zielstrebig hierher. Und ihr ehrwürdiges Antlitz kündet von großer Würde … (Beide ab.) 5. AKT, 2. SZENE Die Tugend. Der Glaube. Trimeter. Der Mann, von dem ich sprach, meine Schwester, [1200] – denn meine Liebe zu dir gebietet mir, dir das jetzt zu sagen – ist zwar in eine rechtschaffene Familie geboren, rechtschaffen erzogen und gut unterrichtet worden, mit mir züchtigen Umgang zu pflegen, die Sittsamkeit zu lieben und die Sünden zu verfluchen. [1205] Doch als der Knabe das leichtsinnige Jugendalter erreichte, begann er allmählich zu straucheln, Sünden zu begehen und mich zu vergessen. Doch was halte ich mich mit langen Reden auf und belästige dich damit? Zu guter Letzt stürzt er sich kopfüber in jede nur denkbare Schande. [1210] Nun, da ihn seine Kräfte verlassen haben und er von keinem Menschen Trost erfährt, habe ich, eingedenk seiner einstigen Zuneigung zu mir, Mitleid mit ihm bekommen, habe ihm Mut eingeflößt und in ihm die Hoffnung geweckt, er könne schließlich doch das Seelenheil erlangen, wenn es mir gelänge, dich gnädig zu stimmen; denn Gnade pflegte schon immer auch den Gottlosen zu retten. [1215] Deshalb beschwöre ich dich, Glaube, liebste Schwester, bei der herzlichen Barmherzigkeit unseres Gottes, dass du diesem armen Tropf vor dem höchsten Richter deinen Beistand gewährst, auch wenn er es nicht oder doch fast nicht verdient hat, auf dass so Gottes Ruhm und Ehre [1220] gewaltig sich mehren, doch auch das Schäfchen, für das sein Hirte sein eigenes Blut vergoss, durch dich auf den Weg des Seelenheils zurückgeführt, dem Verderben entrinne und Leben und Ruhm in Ewigkeit besitze. Und wenn meine schwachen Kräfte für deine Sache irgendetwas [1225] ausrichten können, wirst du mich stets bereit und zur Stelle finden.
DIE TUGEND
Übersetzung – 5. Akt, 3. Szene
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Das kannst du bestimmt, Schwesterherz, weil ohne dich meine Bemühung nichts fruchtet, um nicht sogar zu sagen erstirbt. Doch was könnte ich hier schon diesem Ungläubigen nützen, der auch mich einst als vermeintlich nutzlose zurückwies und [1230] sich nur noch auf Prunk, Ehrungen und Reichtum verließ? Dem werde ich nicht auch nur die kleinste Hilfe bieten können, wenn nicht Gott, der Vater des Lichtes, mich durch seine Gnade jetzt erneut für deinen Schützling wiederherstellt. Denn zu Christus gelangt keiner, wenn ihn nicht der himmlische Vater [1235] aus freien Stücken zu sich holt. Solange nur einer da ist, der ihm das Evangelium predigt, und das heißt: den Sündenerlass durch Jesus Christus, wird der Vater in seiner unendlichen Güte mich erneut dem Manne schenken; denn [1240] der Glaube kommt von der Predigt, die Predigt aber verbreitet sich durch das Wort Gottes in der Seele. DIE TUGEND Das denke ich auch und habe darauf gedrängt, genau so zu handeln – der kundige Priester tut es ja sogar schon drinnen im Hause. So komm, lass uns hineingehen, ich bitte dich, [1245] Schwester, bevor der Teufel, unser Erzfeind, uns zuvorkommt, oder der schon unmittelbar bevorstehende Tod, damit du für den Fall, dass man dich braucht, direkt gegenwärtig bist. DER GLAUBE Eine fromme Bitte ist es, Schwester, die du da an mich richtest. Geh du voran, ich komme dann nach. Denn ein übler Anhauch drängt sich nun heran. (Beide hinein.) DER GLAUBE
5. AKT, 3. SZENE Der Teufel allein. Trimeter. Ich will meine Anklage gegen Hecastus sehr ausführlich niederschreiben und mich daher ein bisschen hier hinsetzen, damit sich nicht – falls meine Hauptvorwürfe doch irgendwie angreifbar sind – die ganze Sache zu einem zähen und hässlichen Streit auswächst. Werdet mir bloß nicht frech, [1255] ihr Leute hier im Theater, es sei denn, ihr wollt auch euer Gelächter in Rechnung gestellt kriegen. Zunächst einmal ist er hochmütig und anmaßend, hochmütig ist er und anmaßend und nochmal anmaßend, im Hause, im Hause und im Gewande, [1260] im Gewande. – Den Rest werde ich nun stillschweigend aufschreiben, sonst hören es die Schwätzer und verraten es. [1250]
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Macropedius (1539)
5. AKT, 4. SZENE Der Priester. Hecastus. Der Glaube. Die Tugend. Trimeter. Nachdem du nun endlich, Hecastus, deine Sünden gebeichtet hast, gilt es dich zu wappnen mit heiliger Messe und heiliger Salbung, [1265] sofern ich nicht feststellen muss, dass du schwankend bist im Glauben an Christus. Glaubst du, dass zu deiner und aller Sterblichen Rettung Gottes Sohn Jesus in die verworfene Welt gekommen ist, glaubst du an die Wahrheit Gottes, an die Wahrheit der Jungfrauengeburt? HECASTUS So sagt man, [1270] und ich erinnere mich, es so gelesen zu haben. HIERONYMUS Glaubst du, dass er mit den Sterblichen ohne Sünde gelebt hat und schließlich ans Kreuz genagelt wurde und dort starb? HECASTUS So sagt man, und man versichert sogar, er sei begraben worden. HIERONYMUS Ich möchte, dass du für dich selber antwortest. Glaubst denn auch du, [1275] was die anderen fortwährend schreiben und sagen über Jesus Christus, den einzigen Sohn Gottes? HECASTUS Wie könnte ich den größten Autoritäten den Glauben verweigern, die in ihren zuverlässigen Schriften davon gekündet haben? Wer zieht Sallusts Berichte in Zweifel? [1280] wer die des Livius? wer Caesars? wer die der übrigen? HIERONYMUS Glaubst du, dass er gestorben und begraben, am dritten Tage jedoch lebendig von den Toten auferstanden ist? HECASTUS Auch das setzen ja die einzelnen Evangelisten hinzu, und außerdem noch, dass er am vierzigsten Tage vor seinen Jüngern [1285] ruhmvoll zum Himmel aufgefahren sei und dort seinem Vater zur Rechten sitze. Wer bezweifelt denn, dass der allmächtige Gott alles vermag, wenn er nur will? (Der Glaube tritt heran.) HIERONYMUS Bleib fort, Glaube, für dich ist hier noch kein Platz. (Der Glaube tritt zurück.) HECASTUS Ist es denn kein Glaube, wenn man an etwas glaubt? HIERONYMUS Natürlich ist es ein Glaubensakt, [1290] wenn man an etwas glaubt, doch keiner, der dir etwas nützen wird, wenn er nicht aus lebendigem, wahrem Glauben entspringt. Denn auch Dämonen glauben an etwas und zittern doch ob ihres Unglaubens. HIERONYMUS
Übersetzung – 5. Akt, 4. Szene HECASTUS
digt?
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Was ist denn dann dieser lebendige Glaube, den Ihr hier pre-
Wenn dich danach verlangt, so will ich ihn dich lehren, nach und nach. [1295] Glaubst du, dass Gottes einziger Sohn all das, was er vollbrachte, für dich tat, um dich zu erlösen? Dass er für dich geboren wurde, für dich gelebt hat, für dich gestorben ist, für dich begraben wurde, für dich wiederauferstanden ist und für dich den Tod besiegt hat? HECASTUS Mein schlimmes Elend [1300] macht Ihr offenbar. Denn je nachdrücklicher Ihr all das zur Sprache bringt, um so mehr vergrößert Ihr mir den Schmerz, um so näher bringt Ihr mich dem Abgrund der Verzweiflung, denn all dessen habe ich mich durch meinen gräßlichen Lebenswandel vollauf unwürdig gemacht. Denn ich weiß doch, [1305] dass er nicht für sich (denn er ist gerecht), sondern für die, die ihn ehren, und für alle Sünder, die sich nach der Erkenntnis der Wahrheit nicht erneut in faulige, schreckliche, entsetzliche Sünden verstrickt haben — HIERONYMUS Komm jetzt, Glaube! [1310] Denn im Bewusstsein seiner an Gott begangenen Sünden wird dieser Mensch nun innerlich von Furcht und Reue ergriffen. (Der Glaube tritt vor.) DER GLAUBE Diese drei, also die Erkenntnis der Sündhaftigkeit, der Schauder vor der Hölle und die Reue, sind vor allen Dingen die glücklichen Voraussetzungen des wahren Seelenheils. [1315] Mach nun weiter, auf dass du den Glauben an Gott in ihm entfachst! HIERONYMUS Glaubst du an die heilige Kirche und die Gemeinschaft aller Gläubigen? HECASTUS Unbedingt. HIERONYMUS Und an die Wiederauferstehung im Fleische? HECASTUS Unbedingt. HIERONYMUS Und an das ruhmvolle Leben in Ewigkeit? HECASTUS Unbedingt. HIERONYMUS [1320] Warum fällt es dir dann so schwer, den zentralen Glaubenssatz zu glauben, der da geschrieben steht, an den Sündenerlass? Glaubst du, Hecastus, dass der Vater, der dich ein für allemal durch seinen einzigen Sohn vom Tode, dem er dich schon geweiht hatte, erlöst hat, dir nicht auch all deine [1325] Sünden vergeben und dir so deine Schuld, so gewaltig sie auch ist, erneut erlassen und dich wieder in dein ursprüngliches Seelenheil versetzen könnte, da es ihm doch freisteht, alles zu können, wenn er nur will? HECASTUS Ja, er könnte, er kann ja alles; ja, er könnte, [1330] mein Herr, wenn er denn vergeben wollte, doch in meinem Fall steht dem die Ungeheuerlichkeit meiner Sünden entgegen, die mir den Zorn des furchtbaHIERONYMUS
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Macropedius (1539)
ren Richters zuzieht. Ja, er könnte; doch wie kann er das wollen, der gerecht ist? Ach, dass ich dich wie ein Schuft verlassen habe, meine Tugend, [1335] ohne die ich erwarten muss, dass es für mich kein Seelenheil mehr gibt! DIE TUGEND Daran sollst du nicht zerbrechen, Hecastus; denn auch wenn du es am Glauben hast fehlen lassen, kannst du doch die Tugend wiedererlangen. Das soll dich dein Pastor durch das Wort Gottes lehren. HIERONYMUS Gewiss, die Tugend hat immer bei Gott Aufnahme gefunden, doch [1340] nicht ohne den Glauben und nicht ohne das Vertrauen auf seine Barmherzigkeit. Mein Hecastus, glaubst du denn nicht, dass Gott ebenso sehr vollkommen wie der Größte ist? Besitzt er etwa größere Macht, Hecastus, als Gnade? Warum hast du keine Hoffnung, er wolle sich deiner erbarmen, [1345], wo du doch klar bekennst, dass er an dir Vergebung üben kann? Glaubst du an den Sündenerlass ebenso wie an Christi Geburt, Passion und Kreuzestod? Ist das eine nicht wie das andere ein Teil deines Glaubens? Ist Christus nicht deswegen geboren, gepeinigt und gestorben, [1350] damit du an den Sündenerlass glaubst? Und man muss nicht bloß daran glauben, dass er all denen, die an ihn glauben, ihre Sünden erlassen k a n n, sondern auch daran, dass er dies auch tun w i l l, ja sogar bereits getan hat. Wenn du nämlich von ganzem Herzen glaubst, was du mit Worten bekennst, etwa [1355] dass der Vater seinen Jesus von den Toten wieder zu sich rief, so wirst du gerettet werden und es droht dir keine Gefahr. HECASTUS Eine fromme Mahnung richtet Ihr an mich und rührt selbst mich zu Tränen, so hartherzig ich auch bin. Doch wie kann er das wollen, der gerecht ist? Kann er zulassen, dass solche Schandtaten ungestraft bleiben? [1360] O wenn Ihr mich vom Wohlwollen meines Gottes gegen mich ebenso überzeugen könntet, Hieronymus, wie Ihr mich von seiner Allmacht überzeugt, so würde ich dem drohenden Tode, so bitter und schauderhaft er auch ist, gefasster entgegensehen und mich mutiger [1365] zum Aufbruch wappnen. HIERONYMUS Nun stell dich ein, Glaube! Ich werde es dir zeigen und dich mit Gottes Gunst davon überzeugen. Dein Einwand lautete, wie er es wollen könne, der doch gerecht ist? Ich will dir durch Jesus Christus, seinen einzigen Sohn, antworten, den der Vater zu dem Zweck [1370] in die verworfene Welt gesandt hat, um sein großes Wohlwollen gegen uns und seine Liebe zu uns zu erweisen. Denn trotz ihrer Verworfenheit liebte er die Menschen so sehr, dass er ihnen seinen eingeborenen Sohn schickte, damit ein jeder, der an ihn glaube, nicht zugrundegehe, [1375] sondern sich des ewigen Lebens erfreue. Er, der gerecht ist, hat nämlich unser aller Sünde auf seinen unschuldigen Sohn geladen, damit dieser alleine durch seinen Tod stellvertretend für alle Menschen den Tod in
Übersetzung – 5. Akt, 4. Szene
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den einzelnen Menschen überwinde. Was also ich, was du und [1380] was alle einzelnen Menschen vor unserer Zeit oder heute oder künftig an Gott für Sünden begangen, das wird alles durch den Kreuzestod seines einzigen Sohnes überwunden werden, wenn wir nur in unserer Sündhaftigkeit an ihn glauben, wenn wir all unser Vertrauen auf ihn setzen. [1385] Denn all unsere Sünde hat er so in seinem Leib aufgehoben, dass es für uns, die wir auf Jesus Christus bauen, keine Verdammnis mehr gibt und der Vater an den Gerechten keinen Anlass zur Bestrafung mehr sieht; stellvertretend für sie hat er ihn einem schrecklichen Tode übergeben. [1390] Zu Jesus Christus, Hecastus, nimm also deine Zuflucht und setze all deine Hoffnung, all dein Vertrauen auf ihn, durch den du – wenn du nur (auf Fides und Virtus deutend) an diese hier glaubst – schon bald den Erlass deiner Sünden und Gottes Liebe erlangen wirst! HECASTUS Könnt Ihr mir das fest versichern, Hieronymus? HIERONYMUS [1395] Unerschütterlich fest. Zweifle nicht, Hecastus! Denn Gottes Wort kann nie und nimmer ungültig werden. HECASTUS O lieber Gott, ich komme mir vor wie neugeboren. Gott möge Euch das vergelten, lieber Hieronymus, denn wenn ich nicht den Rückhalt des [1400] Trostes aus Eurer Unterweisung besäße, so wohnte meine Seele schon bald schmerzerfüllt bei denen da unten. Mein Herr Jesus, ich glaube daran, dass du meiner Rettung wegen am Kreuze gestorben bist und mit deinem Blute meine Schuld abgetragen hast. [1405] Du allein bist mein Leben, mein Vertrauen, du allein bist mein Rettungsanker. Ich bitte dich, gütigster Vater, blicke herab auf das Antlitz deines Christus, sieh sein dornenbesetztes Haupt, seine durchbohrten Hände, seine durchbohrten Füße, seine geschundenen Glieder, [1410] sieh seine Wunden, sieh das hervorströmende Blut, und richte nicht den Verdorbenen, dem du zu seiner Rettung im Tode das Leben deines Sohnes geschenkt hast! HIERONYMUS Zweifle nicht, Hecastus, durch diesen Glauben wirst du nun erlöst von aller Schuld, die auf dir lastet. [1415] Der Herr hat deine Missetaten von dir genommen. HECASTUS Ich glaube es. Doch etwas bereitet mir immer noch Sorge: der schreckliche Tod und der Anblick des schwarzen Dämonen, das Entsetzlichste, was es angeblich für die Menschen gibt; ich denke, die werden in Kürze hier erscheinen. HIERONYMUS [1420] Ja, das werden sie gewiss, doch denen werde ich deinen Glauben und deine Tugend, deine unzertrennlichen Begleiter, entgegensetzen, die dich in allen Gefahren beschützen werden. Falls die Tugend erschöpft sein sollte, wird der unerschütterliche Glaube sie für dich stützen. Tugend und Glaube, [1425] steht diesem Manne bei und schützt ihn
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von nun an (denn er glaubt an euch) vor den schreienden Feinden! Ich gehe nun; alles Gute! Ich werde zurückkehren, um dich zu beschützen. HECASTUS Alles Gute, vortrefflicher, kundiger Mann! Kommt geschwind wieder zurück! (Hieronymus ab.) Tretet ihr nun näher, meine Tugend und mein Glaube, [1430] und lasst mich einige Worte an euch richten. 5. AKT, 5. SZENE Der Tod. Der Teufel. Trimeter. Satan, was hast du? DER TEUFEL Zu tun habe ich, und zwar in eigener Sache. Wie lange soll ich noch auf dich warten, verfluchtes Scheusal? Das dauert ja ein Jahr, bis du fertig bist! DER TOD Was habe ich denn getan? DER TEUFEL „Was habe ich denn getan?“, fragst du, Scheusal? Siehst du nicht den verfluchten Kerl, [1435] der dort davongeht? Ich muss befürchten, dass durch sein Gesäusel – nur weil du getrödelt hast! – diese Beute nun meinen Zähnen entwischt ist. So undankbar bist du für meine Gefälligkeiten – nur durch mich konntest du doch erst dein Reich auf der Erde so ungeheuer ausweiten! Gott hatte dich doch [1440] ursprünglich gar nicht eingeplant! Und denk auch mal daran, dass du erst damals in die Welt getreten bist, als der Mensch, weil ich es nach seiner Erschaffung auf ihn abgesehen hatte, bereits gesündigt hatte – und dass du bis heute auf alle losgehen darfst, mir aber erst, wenn du dich schon überfressen hast, welche zuführst, die ich verschlingen kann, und selbst dann nur ganz wenige. O wenn ich [1445] mich doch an dir rächen könnte! DER TOD Du wirfst mir Undankbarkeit vor, Satan, und bist doch selbst noch viel undankbarer und ruchloser als ich. Ganz gleich, wie viele Tausende ich dir zum Fraß hinunterschicke, das Urteil lautet immer, ich hätte dir zuwenig dargeboten – du hast einfach kein Gedächtnis! [1450] Einmal ganz abgesehen davon, dass du nicht auch nur einen Happen verschlingst, den nicht ich dir vorgekaut hätte. Doch dass ich für deinen unersättlichen Rachen zuwenige besorge, hättest du nicht meiner vermeintlichen Faulheit anlasten dürfen, [1455] wo doch der Löwe, der aus dem Stamm der Juden emporsprang, in meinem Reich ein heilloses Durcheinander angerichtet und jedem von uns beiden schwerstes Unheil DER TOD
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zugefügt hat. Denn Tod und Schmerz sind mir und dir bereitet. Vorher war ich gewohnt, mich gleichermaßen an den Seelen wie an den Körpern auszutoben – [1460] jetzt darf ich mich kaum noch an den bloßen Körpern austoben. Und die, die du sonst immer in dein Höllenreich stoßen konntest, ohne dass irgendwer es dir verbot, die befördert nun dieser Christus, nachdem er sie in Schutz genommen hat, gegen deinen Willen in den Himmel. DER TEUFEL Das stimmt, Schwester; also Schluss mit dem nutzlosen Gejammere! [1465] Treiben wir unser Geschäft, wie wir es bisher immer getan haben: Lauern wir Lümmeln und alten Knackern auf und lassen wir nach Möglichkeit keinen einzigen von hier davonflattern und zum Himmel ziehen – und mit diesem Schurken hier wollen wir das zuerst erledigen. [1470] Ich gehe voran, und du wirst mir später nachfolgen; denn mit ihm steht mir eine lange Auseinandersetzung bevor. DER TOD Dann geh. Ich habe bis dahin noch diesen Stachel hier zu spitzen. (Der Teufel ab.) 5. AKT, 6. SZENE Hecastus. Der Glaube. Der Teufel. Die Tugend. Trimeter. Du spendest mir Trost und Kraft, mein Glaube. Meinst du denn, dass ein Mensch nach seinem Tode weiterlebt und [1475] dass ich in diesem meinem Fleische meinen Gott erblicken werde? DER GLAUBE Mit diesen Augen wirst du den jüngsten Tag erblicken, auferstanden aus dem modrigen und trockenen Staube. Denn wenn die Posaune erschallt, werden die Toten wiederauferstehen, der Verwesung enthoben. Zweifle nicht! HECASTUS [1480] Ich zweifle nicht. Was hindert mich also, den Tod zu wagen und dieses Fleisch vermodern zu lassen? DER GLAUBE Nichts. HECASTUS Muss ich denn nicht den entsetzlichen Feind fürchten, den ich schon in der Nähe spüre? Müssen sich denn nicht alle Sterblichen zumindest vor dem Tode ängstigen? DER GLAUBE [1485] Angst sollen die haben, die nach Sünden und Freveltaten schließlich ungläubig von hier davonziehen. Du aber glaube! Denn diesen Feinden werde ich mich entgegenstellen und dich beschützen. HECASTUS
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Macropedius (1539)
(Der Teufel tritt auf.) Aaah, schauderhafte Kreatur! Standhalten, Glaube! DER GLAUBE Gegen das Kreuz kann keine Gefahr etwas ausrichten. [1490] Mit diesem Zeichen werde ich den Feind in seine Schranken weisen und vertreiben. Du aber glaube! – Was baust du dich hier auf, blutige Bestie? Los, hinaus mit dir! Du hast hier nichts zu schaffen. DER TEUFEL Mit dir habe ich in der Tat nichts zu schaffen, du Verräterin, aber dieser Verbrecher hier, der gehört mir. DER GLAUBE Dir? [1495] Mit welchem Recht? DER TEUFEL Mit welchem? Er hat Gottes Gesetze übertreten und bisher nur meine befolgt, wie ich es mit diesen alten Heften, aber auch mit neuen, beweisen werde. DER GLAUBE Dann lies vor! DER TEUFEL Zuallererst ist er hochmütig und anmaßend, im Hause wie im Gewande, [1500] ein Fresssack ist er, ein Hurenbock, Ehebrecher, Unterdrücker, Verleumder, Spötter, Widerling und Neidhammel, spendet nicht, betet nicht, fastet und wacht nicht und hat überhaupt nie auch nur eine gute Tat getan, wohl aber schlechte [1505] so viele wie möglich. Und das sind nur die Hauptanklagepunkte; alles Weitere werde ich sehr detailliert während der Schlussverhandlung und vor dem obersten Richter vortragen. Dass der hier mir gehören wird, beweisen diese Punkte schon zur Genüge. DIE TUGEND Die sollen also zur Genüge beweisen, dass er dir gehören wird, verlogener Satan? [1510] Auch wenn du ziemlich wenig an Fakten vorbringen kannst, dagegen aber gewaltig viele Lügen? DER TEUFEL Wie bitte? Gewaltig viele? DIE TUGEND Er hat also nie auch nur eine gute Tat getan (um nur soweit auf dich einzugehen, du Lügenschreiber), auch nicht in seiner Kindheit oder seiner frühen Jugend, als du nichts [1515] außer Gott und Werken der Rechtschaffenheit an ihm hättest finden können? Na? Und seither etwa nichts? Ist der Mann denn nicht sogar in diesem Moment in Wort und Tat von Tugend erfüllt, sofern ihm nur das Leben bleibt? Ist es denn keine gute Tat, wenn man Reue verspürt, weint und [1520] an Jesus Christus glaubt, wie du es jetzt an ihm siehst? DER TEUFEL Werdet ihr wohl schweigen, ihr hinterhältigen Giftspritzer? Ihr werdet nicht zu leugnen wagen, dass er und kein anderer diese Taten begangen hat. Doch er soll selbst sprechen! Sind das etwa nicht deine Untaten? Hast du etwa nicht diese Sünden begangen? Was nuschelst du da in deinen Bart? [1525] Sprich offen aus, was dein Gewissen dir diktiert! HECASTUS
Übersetzung – 5. Akt, 6. Szene
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O weh, mein Glaube, all das sind meine Taten, mein Gewissen bezeugt es. Nun ist es um mein Seelenheil geschehen, wenn du mir nicht beistehst. DER GLAUBE Glaub und schweig! Denn ich werde für dich alles widerlegen, was er vorgebracht hat oder [1530] vor dem obersten Richter noch vorbringen könnte. HECASTUS O hoffentlich kannst du das! DER GLAUBE Glaub und schweig! Denn deine Stärke wird in der Hoffnung und im Schweigen liegen. HECASTUS Gut, ich werde schweigen. DER GLAUBE Armer Teufel du, da biegst du dir die Fakten zurecht, und doch wird das alles dadurch widerlegt, dass er gerecht ist und gar nicht so, wie du es ihm vorwirfst. DER TEUFEL [1535] So? Ist er nicht? Er kann doch nicht leugnen, dass er all diese Sünden und noch viel mehr als diese begangen hat. Und da soll ich ein Lügenschreiber sein? Das wirst du mir auf keinen Fall nachweisen können. DER GLAUBE Doch, das werde ich. Denn selbst wenn er früher einmal so gewesen ist – jetzt ist er gerecht. DER TEUFEL Wie kann er gerecht sein? Mit welchem Recht? Nach wessen [1540] Urteil? Durch welche Verdienste? Durch welche Spenden? Und durch welche Werke der Reue? DER GLAUBE Auf all das gebe ich dir nur eins zur Antwort: Dieser hier hat zum Anwalt vor dem Vater und obersten Richter dessen Sohn Jesus, den Inbegriff der Gerechtigkeit und Frömmigkeit. [1545] Dessen Gerechtigkeit und all seine Verdienste hält er auch für seine eigenen und schätzt so auch sich selbst als gerecht ein. DER TEUFEL Was sagst du? Was soll der mit dem gemeinsam haben? DER GLAUBE Eine ganze Menge sogar, in jeder Hinsicht. Denn mit doppeltem Recht beansprucht dieser Jesus das Reich seines Vaters für sich: [1550] Erstens, weil er der Erbe ist, und zweitens, weil er sich dieses höchste Recht auch noch durch sein eigenes Verdienst erworben hat, durch sein Blut und seinen Tod, und das sogar obwohl er gerecht war und dem Tode überhaupt nichts schuldete. Durch das eine Recht beansprucht er für sich zusammen mit seinem Vater sein [1555] Erbe, doch mit dem anderen rechtfertigt er diesen Hecastus hier, weil er gerecht ist, und durch seine Liebe macht er ihn zu seinem Mit-Erben. DER TEUFEL Also ist Gott ungerecht, weil er so viele derart schwere Verbrechen nicht ahndet? DER GLAUBE Er hat sie geahndet, restlos [1560] und schwer, und zwar an seinem Sohn, den er stellvertretend für alle Sünder dem furchtbarsten HECASTUS
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Macropedius (1539)
Kreuzestod preisgab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht zugrundegehen, sondern sich des ewigen Lebens erfreuen. Der hier glaubt, also ist er in seinem Glauben auch gerecht [1565] und wird gegen deinen Willen auf ewig mit Gott leben. DER TEUFEL Leben wird er? Das wirst du nicht mehr sagen am Schluss der Gerichtsverhandlung, sobald ich ihn mit seinen einzelnen Worten, Taten und Gedanken ausführlicher konfrontiert habe. DER GLAUBE Freu dich nicht zu früh. Denn mit der selben [1570] doppelten Argumentation wie jetzt werde ich auch dann deine Beweisführung entkräften. DER TEUFEL Mist! Mein Versuch ist gescheitert. Igitt, verfluchter Glaube, wie zuwider du mir bist mit deiner Treulosigkeit! O wenn ich es dir doch nur heimzahlen und dich mit diesen Zähnen wie diesen Zettel hier zerfetzen könnte! DER GLAUBE [1575] Fort mit dir, Verderber! Steig hinunter in die schwarze Hölle! Denn Hecastus wird schon bald zu den leuchtenden Sternen aufsteigen. DER TEUFEL Da man mich von hier vertreibt, werde ich schauen müssen, ob ich nicht andere hereinlegen kann, sobald ich dieses Original sicher für den jüngsten Tag verwahrt habe. Jetzt ist auch der Tod da, [1580] und ich denke, er wird gleich eine ähnliche Abfuhr wie ich verpasst bekommen. Denn dieser verfluchte Priester wird wie immer dem Kranken aus seiner Büchse die Speise des Lebens reichen und der Unterwelt auf keinen Fall einen erfolgreichen Zutritt gewähren. Ich werde mich hier in diesem Winkel verstecken, um beobachten zu können, [1585] was dem Tod sein verspätetes Erscheinen einbringt. 5. AKT, 7. SZENE Philomathes. Hieronymus. Trimeter. Ich kann es am schwachen Puls und am schwarzen Urin im voraus erkennen, dass ihm der Tod bevorsteht. Warum lässt der Priester sich so lange Zeit, dem Vater zuvor noch die Messe und die heilige Salbung zu spenden? Doch da ist er ja endlich, [1590] zusammen mit Acolytus, einem vielversprechenden jungen Manne. (Hieronymus mit Diener hinzu.) HIERONYMUS Sei gegrüßt, Philomathes! PHILOMATHES Gegrüßt seid auch Ihr! PHILOMATHES
Übersetzung – 5. Akt, 8. Szene HIERONYMUS
für ihn?
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Wie geht es eurem kranken Vater? Besteht noch Hoffnung
Nein, keine, das sieht man an diesem schwarzen Urin und am schwachen Puls in seinen Arterien. Geht [1595] schnell hinein, damit man es uns nicht vorwerfen kann, wenn er ohne den Schutz der Sakramente von hier scheidet! Denn zweifellos ist der Tod höchstselbst schon greifbar nah, und der Schauder vor ihm durchfährt schon meine Glieder. HIERONYMUS Dann komm! PHILOMATHES Geht voran! (Beide ab.) PHILOMATHES
5. AKT, 8. SZENE Der Tod. Der Glaube. Trimeter. Das war genügend Aufschub. Jetzt ist es Zeit, [1600] dass ich den spitzen Stachel in diesen Hecastus bohre, dem bis jetzt – und das, obwohl Satan darüber sehr ärgerlich war – noch ein Aufschub gewährt wurde. Jetzt aber soll er zu spüren bekommen, welch strenges Regiment wir führen. Es spielt keine Rolle, dass er steinreich ist: Sein Haus werde ich mit gleichem Tritt erschüttern wie die Häuser armer Leute. [1605] Hecastus, Hecastus, mach das Fenster auf! Der Tod ist da! DER GLAUBE Wer tritt hier so dreist vor die Tür? Du, du Monster? Versetzt du hier die ganze Familie in Angst und Schrecken? DER TOD Ja, ich bin’s – ich trete vor die Tür, ich erschrecke alle Leute ganz nach Lust und Laune. DER GLAUBE Tyrannei ist’s, nicht Recht, was sich in solcher Willkür zeigt. DER TOD [1610] Mit diesem Recht gebiete ich über alle Lebewesen, ganz zu schweigen von den Menschen, von denen ich bald diesen, bald jenen verschlinge, nicht anders als der Hirte seine Schäfchen. DER GLAUBE So benimmt sich ein Wolf, kein Hirte. Ich sehe es kommen, dass deine Macht [1615] zur Hälfte schwinden wird. Was auf Gewalt gebaut ist, währt nicht ewig. DER TOD Ich glaube nicht, dass es so kommen wird. Doch welche Hälfte ist das, die ich deiner Vermutung zufolge einbüßen muss? DER GLAUBE Zwei Bereiche deiner Macht haben all die erfahren, die Adam, der Übertreter, gesät hatte, [1620] beide grauenhaft und schrecklich durch doppelte Tyrannei, einen doppelten Tod also: zunächst den leiblichen und dann den seelischen, den einen in der Gegenwart, den anderen in der Zukunft. Den zweiten Tod jedoch hat Gottes Sohn beseitigt, [1625] DER TOD
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Macropedius (1539)
indem er durch dein Wüten am Kreuze starb, doch gegen deinen Willen lebendig von den Toten zurückkehrte und so dein Tod wurde. Damals hob er die Ewigkeit deiner Tyrannei auf, und zwar für alle, die teilhaben an der ersten Auferstehung. DER TOD Was meinst du damit – an welcher Auferstehung? DER GLAUBE [1630] Die, in der der Sohn durch die Herrlichkeit seines Vaters wiederauferstand, damit diese, wie er über dich triumphierte, in gleicher Weise durch ihren Glauben von toten Werken auferweckt, in erneuertem Leben dahinwandeln können. Und weil dieser Hecastus hier diesen Teil besitzt, wird er, so krank er auch ist, [1635] über deine Drohungen und deine Stachelpeitschen nur lachen. DER TOD So, wird er? Er wird aber gleich merken, wie unklug sein Lachen war. DER GLAUBE Er wird lachen, und das mit vollem Bewusstsein, weil er nämlich weiß, dass dieser Tod der Eintritt ins Leben sein wird – erfüllt von dem Wunsch, aus dem Kerker erlöst zu werden und bei Christus zu sein, [1640] und im klaren Bewusstsein dessen, dass der Körper, dieses unbedeutende Etwas, selbst wenn er restlos vermodert, am jüngsten Tage dennoch zur Herrlichkeit wiedererweckt werden wird. Wo wird dann dein Stachel sein? Wo wird dann deine Siegesgewissheit und dein anmaßendes Gehabe sein? Wird dann etwa nicht [1645] jene Hälfte deiner Macht, mit der man dich jetzt gegen diese Leiber wüten sieht, untergraben sein? Wirst du etwa nicht im Moment deines Sieges selbst verschlungen? Jetzt geh hin und tobe dich mit all deiner Kraft an diesem hier aus! Man wird meinen, dass du ihm keinen Schaden zugefügt, [1650] sondern sogar einen großen Gefallen getan hast – hast du ihm doch den Pfad zum Ruhme und zum ewigen Leben geebnet. DER TOD Ich will gleich sehen, was ich vermag. Wie viele sehe ich doch von Zeit zu Zeit, die erst den Mund sehr voll nehmen, aber dann, wenn es ans Kämpfen geht, [1655] voller Panik einen Aufschub erbetteln. DER GLAUBE Dass es Leuten, die es im Übermut und im Vertrauen auf die eigene Kraft mit dir aufnehmen wollten, so erging, daran zweifle ich nicht. Doch wer den Glauben als Mitstreiter hat, wird vor deinen Geschossen nicht erbleichen. DER TOD [1660] Du willst also wirklich mit mir den Kampf aufnehmen? DER GLAUBE So ist es. Und mein Schützling wird mit meiner Hilfe deine Drohungen verlachen. DER TOD Du machst mich ganz verrückt mit dieser Diskussion. Wenn es so ablaufen soll, muss ich Satan dazurufen. (Ab.)
Übersetzung – 5. Akt, 9. Szene
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5. AKT, 9. SZENE Hieronymus. Hecastus. Der Glaube. Die Tugend. Trimeter. Du hast gehört, Hecastus, wie der Glaube für dich [1665] gestritten hat. Überdies bist du durch die heiligen Mysterien gewappnet. Also lass dich nicht aus lauter Angst vor diesen machtlosen Feinden erschrecken, sondern glaube fest daran, dass du bald, von fleischlichen Banden gelöst, von den Engeln hinaufgeführt und erquickt wirst! HECASTUS Daran [1670] glaube ich, Herr, und heiter will ich dem Tode entgehensehen und mich tapfer zu diesem langen Wege rüsten, weiß ich doch Jesus vor dem höchsten Richter als unermüdlichen Schutzherrn und Anwalt auf meiner Seite. Doch dich beschwöre ich, mein Glaube und meine Tugend, [1675] lasst mich in dieser größten Not nicht im Stich. DER GLAUBE Ich werde dich nicht im Stich lassen, weder bei deinem Abschied von hier noch wenn du vor den Sitz des Vaters, des obersten Richters, trittst. DIE TUGEND Und auch ich werde dich nicht verlassen, solange ich mich nur auf den Glauben stützen kann. HECASTUS Wohlan, so komme er denn, der blutige Tod, und [1680] schleudere seine Geschosse gegen mich, um mich des Kerkers zu entheben! DER GLAUBE Lass den Mut nicht sinken! Nun drängt der Tod heran! HIERONYMUS
5. AKT, 10. SZENE Der Tod. Der Glaube. Hecastus. Der Teufel. Trimeter. Wo ist der Mensch, der sich in solcher Überheblichkeit aufplustert, dass er es wagt, meine Drohungen und meine Geschosse willentlich und unerschrocken zu empfangen? DER GLAUBE Zur Stelle ist er, [1685] doch Überheblichkeit oder Anmaßung ist das nicht, sondern Unerschütterlichkeit in seinem rechten Glauben an Gott. Hier, da hast du den Menschen! DER TOD Sterben wirst du. HECASTUS (mit schwacher Stimme) Und das will ich auch. DER GLAUBE Antworte ihm mit so fester Stimme, wie du kannst, ohne zu stocken! DER TOD
250 HECASTUS
weg.
Macropedius (1539)
Ich stocke nicht, doch vor Schwäche bleibt mir die Stimme
[1690] Dann sprich mir nach: ‘Wilde Bestie, blutdürstiger Tod, ich habe keine Angst vor dir oder deinen Pfeilen.’ HECASTUS Ich habe keine Angst vor dir oder deinen Pfeilen. DER GLAUBE ‘Ich fürchte mich nicht vor deiner spitzen Lanze.’ HECASTUS Ich fürchte mich nicht vor deiner spitzen Lanze. DER TOD Nicht? HECASTUS Nein. DER TOD Auf welche Hilfe baust du? HECASTUS Auf den Glauben. DER TOD Mist! DER GLAUBE ‘Doch freue ich mich, [1695] nun zu sterben…’ HECASTUS Doch freue ich mich, nun zu sterben… DER GLAUBE ‘…und in Ewigkeit ein Leben mit Christus zu führen.’ DER TOD O je, meine Kräfte lassen nach. HECASTUS … und in Ewigkeit ein Leben mit Christus zu führen. DER TOD Das halte ich nicht durch. DER GLAUBE ‘Mag auch mein Leib sogleich im Mist vermodern, …’ HECASTUS Mag auch mein Leib sogleich [1700] im Mist vermodern, … DER GLAUBE ‘… ich glaube daran, dass er am jüngsten Tage wieder zur Herrlichkeit erweckt wird.’ HECASTUS Juchhe, zur Herrlichkeit! DER GLAUBE ‘Deshalb befehle ich in deine Hände, Herr und Gott, meinen Geist.’ HECASTUS Deshalb befehle ich in deine Hände, Herr und Gott, [1705] meinen Geist.’ DER GLAUBE Nun tobe dich aus, blutiger Tod, lass fahl werden das Gesicht, brechen die Knie, erstarren den Blick, totenbleich werden die Haut, flattern den Atem in röchelnder Brust, und löse endlich die Seele (denn sie ist dazu bereit) mit glühenden Geschoss, [1710] mit deinem kräftigsten Stoß, heraus für das ewige Leben! DER TOD Stirb, Fleisch! DER GLAUBE Juchhe, von den Engeln davongeführt und in unserer Begleitung schwingt sich der Geist hinauf in Abrahams friedvollen Schoß. DER TOD Glaube, Glaube, [1715] du Verräterin, wie lästig du mir und dem Satan bist! Ich bin ganz verwirrt… DER TEUFEL Wir haben verloren. Nichts wie weg hier! (Alle ab.)
DER GLAUBE
Übersetzung – 5. Akt, 11. Szene
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5. AKT, 11. SZENE Philoponus. Verwandte. Freunde. Die Gattin mit der Familie. Trimeter. O weh, o weh, so weint, ihr Nächsten: Hecastus ist tot! EIN VERWANDTER Was sagst du da? Hecastus tot? EIN FREUND Was rufst du da? PHILOPONUS Hecastus ist tot und muss schon bald in diesen Weidensarg [1720] gelegt werden. EIN FREUND Hecastus tot? O weh, lieber Hecastus, welch Schmerz, dass wir dich verlieren mussten, einen anständigen Mann und immerzu beflissenen Freund. EIN VERWANDTER Wer könnte da die Tränen zurückhalten, wenn ein so großer Mann, so edel, so reich und jugendschön, [1725] den Seinen genommen wurde! EIN FREUND Und dann durch einen so plötzlichen Tod! Wo ist seine Frau? wo die Kinder? PHILOPONUS Sie zermürben sich dort drinnen in ihrer Trauer – ein Bild des Jammers! Doch seht, da sind sie! Die ganze Familie stürzt gemeinsam heraus, tränenüberströmt. Gehabt euch wohl. (Ab.) (Epicuria kommt mit der Familie heraus.) EIN VERWANDTER O Jammer! [1730] Mögen die Götter dir, liebe Tante Epicuria, und deinen Kindern in diesem schmerzlichen Unglück eine Wendung zum Guten gewähren! EPICURIA O weh, ich unglückliches Weib, beraubt bin ich meines liebsten Mannes! O ich Arme, meines liebsten Mannes bin ich beraubt! EIN FREUND Und wir eines Mannes, [1735] auf den wir uns unbedingt verlassen konnten. In Trauerkleidung wollen wir uns ein jeder jetzt hüllen, damit wir heute in drei Tagen mit Anstand und Würden dem Trauerzug folgen können. EIN VERWANDTER Ein Begräbnis in würdigster Form wollen wir ihm bereiten und wollen dabei nicht am einen oder anderen Goldtaler sparen. [1740] Und könnten wir ihn doch für tausend Goldtaler hierher zurückholen und diese Tränen versiegen lassen! PHILOCRATES Die zärtliche Liebe zu meinem Vater rührt mich zu Tränen. PHILOMATHES Was denn auch sonst? Mir jedenfalls kommt es vor, als würde ich mich ganz in Tränen auflösen. EPICURIA O Schmerz, o Schmerz! [1745] Wer gibt meinen Augen unaufhörliche Tränen oder immerwährende Sturzbäche, so dass ich die gewaltigen Schmerzen meines Herzens dreifach ausdrücken könnte! PHILOPONUS
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Macropedius (1539)
ERSTE MAGD O weh, ich beweine Euren Tod, Hecastus. ZWEITE MAGD O weh, wer würde Euren Tod, lieber Hecastus, nicht beweinen? Wer würde da nicht weinen? EPICURIA [1750] O geliebte Augen, süße Lippen, liebliche Wangen, wie schnell ihr doch umschattet, fahl und bleich seid! Wie schlaff doch alle Körperglieder sind! O Schmerz, o Schmerz! Warum konnte nicht ich an deiner Stelle sterben? So trennst du Menschen, die einander alles sind, grausamer Tod!
5. AKT, 12. SZENE Hieronymus. Die ganze Schar. Trimeter. [1755] Was soll dieses Durcheinandergejammere, Weib? Ihr Kinder und ihr übrigen Leute, was soll dieses Gejammere? Ich möchte, dass ihr über die Entschlafenen eines wisst, ja, euch meine ich, denen der christliche Glaube verdientermaßen so viel Kraft verleiht, dass ihr nicht im selben Maße wie die übrigen, [1760] die keine Lebenshoffnung haben, betrübt sein müsst. Wenn es unser Glaube ist, dass Gottes Sohn von den Toten auferweckt wurde, dann werden durch ihn auch wir nach dem Tode vom Staube auferweckt werden, denn der Herr Jesus wird am [1765] jüngsten Tage zu Gottes Posaune von den Himmlischen herabsteigen, und dann werden die Toten wiederauferstehen. Denn die himmlische Posaune wird erschallen, und wer entschlafen ist, wird unverwesten Leibes wiederauferstehen. Drum seid nicht betrübt über euren Hecastus, der doch in [1770] eben diesem christlichen Glauben verstarb, sondern freut euch lieber darüber, dass er, aller leiblichen Beschwerden ledig, nun friedlich in Christus entschlafen ist und bei seiner Wiedergeburt dem Leben zurückgegeben werden wird, das all die genießen, die im Glauben an Christus gestorben sind! EPICURIA [1775] Also bleibt das Leben den Toten erhalten? HIERONYMUS Ja, und nicht bloß den Gerechten, sondern überhaupt allen, die nach begangenen Sünden schließlich durch Reue zu Gott zurückkehren. DIE KINDER Also können wir nach allerlei Diebstahl und Hurerei dennoch auf ein glückliches Leben mit den Göttern hoffen? HIERONYMUS [1780] Hofft ihr durch Glaube und Reue, dann ja! EIN VERWANDTER Gibt es Hoffnung auch für uns? HIERONYMUS Ja, Hoffnung gibt es auch für euch.
HIERONYMUS
Übersetzung – 5. Akt, 12. Szene
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EIN FREUND Auch für uns? HIERONYMUS Ohne Unterschied. Denn es ist kein Ansehen der Person vor Gott; vielmehr gilt: Wer gottesfürchtig ist und gerechte Werke tut, der wird in jedem Volke [1785] von ihm aufgenommen. Kommt also zur Einsicht und macht gleichzeitig wieder gut, was ihr an Sünden wider Gott begangen habt, damit ihr euch, wenn am jüngsten Tag der Richter erschienen ist, die Wiedererweckung nicht zur Verdammnis, sondern zum Leben in ewigem Ruhme verdient! [1790] Und dazu tragen weder diese Tränen bei noch diese Trauer, die schwarzen Gewänder und die vorspringende Kapuze, sondern nur eine bessere Lebensführung in Ehrbarkeit. PHILOMATHES Ihr mahnt uns zurecht, allerfrommster Mann. Hinfort denn mit all diesem blendenden Zierrat, [1795] hinfort mit all der nutzlosen Trauer und den Tränen, und bessern wir unser früheres Wesen. Wenn auf die, die in Glaube, Hoffnung und Liebe gestorben sind, nach diesem Jammer weit lieblichere Lebenssegnungen warten, welche Alternative haben wir dann, [1800] außer diesen Tag zusammen mit unserem verstorbenen Vater als höchsten Freudentag zu begehen? Und das nicht mit widernatürlich schwerem Essen und Trinken, nicht zu Tamburin und Orgelspiel – vielmehr müssen wir Gott unsere allerhöchste Dankbarkeit erweisen. [1805] Freuen wir uns also in inniger Liebe gemeinsam mit diesem frommen Mann, und bereiten wir unserem verstorbenen Vater ohne jedes leere Gepränge ein frommes Begräbnis! DIE GANZE SCHAR Du mahnst uns vollkommen zurecht. Beglückwünschen wir den Verstorbenen, und statten wir Gott, dem Herrn, den Dank ab, den er verdient! HIERONYMUS So ist es recht. PHILOCRATES [1810] Ich bin einverstanden. Komm einmal aus dem Hause hier heraus, Daetrus, nur für einen kurzen Moment, bis ich von dir erfahren habe, was ich erfahren möchte! Und auch Oeconomus soll herkommen! (Oeconomus und Daetrus kommen heraus.) OECONOMUS Oeconomus zur Stell’. DAETRUS Auch Daetrus zur Stell’. Nun fragt, was ihr fragen wollt, doch bündig, denn ich kann die Speisen jetzt nicht alleine lassen. PHILOCRATES [1815] Wie bitte? Sind denn die Speisen noch nicht fertig zubereitet? DAETRUS Doch, aber jetzt müssen sie von den Spießen abgezogen werden. Lasst unverzüglich hineingehen, wen ihr bei Tische haben wollt. PHILOCRATES Das werde ich. Geh, sorg dafür, dass wirklich alle Vorbereitungen getroffen sind.
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Macropedius (1539)
Wird gemacht. (Ab.) Und du, Oeconomus, sollst noch ein bisschen draußen [1820] bleiben, um die Zuschauer zu verabschieden. OECONOMUS Wird gemacht. PHILOCRATES Verwandte ihr und sonstige liebe Freunde, die mein Vater heute morgen zum Abendessen eingeladen hatte, geht nun mit uns zu ihm hinein, auf dass wir das, was für eine Orgie gedacht war, zu uns nehmen [1825] in Bescheidenheit und nicht ohne würdevolle Freude! DIE GANZE SCHAR Wir folgen dir, geh nur voran! (Alle bis auf Oeconomus ab.) OECONOMUS Ihr Leute, die ihr eifrig hier in unser Theater geeilt seid, Männer wie Frauen, kehrt nun unverzüglich in eure Häuser zurück! Denn unser Hecastus hier, den wir euch bei seinem Sterben gezeigt haben, [1830] wird frühestens in drei Tagen begraben werden. Lebt wohl, alle zusammen, und wenn wir euch gefallen haben, so applaudiert denn! (Ab.)
DAETRUS
PHILOCRATES
Übersetzung – Vorrede zum Hecastus an den redlichen Leser
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2.4.2 Zusätze der Fassung von 1552 VORREDE ZUM HECASTUS AN DEN REDLICHEN LESER Nachdem ich, wenn ich nicht irre, vor jetzt zehn Jahren meinen Hecastus herausgegeben und bald darauf der Druckerpresse überantwortet hatte, gab es viele, die nach rechter Prüfung der Intention des Stückes in jeder Hinsicht damit einverstanden waren, daneben solche, für die manches darin anstößig war, und schließlich auch solche, denen es gänzlich missfiel, und zwar in erster Linie deshalb, weil es in ihren Augen gewisse Irrlehren unserer Zeit zu nachsichtig betrachte und sogar unterstütze – besonders jenen, dass es den Sündenerlass ohne Werke der Buße (d.h. ohne Sühne) und ohne die Sakramente der Kirche, durch nichts weiter als den Glauben an Christus und von Herzen kommende Zerknirschung, zu lehren und zu propagieren scheine und dass jeder dazu angehalten werde zu glauben, er werde gewiss dereinst gerettet werden. Diese Auffassung habe ich nun ganz gewiss weder mir zu eigen gemacht noch andere lehren wollen, auch wenn es einigen, die die Tendenz des Stückes nicht genau bedacht haben, auf den ersten Blick, wie man so sagt, vielleicht so scheinen konnte. Denn wenn sie die inhaltliche Tendenz, wie ich sie im Argumentum angab, gründlich beachtet hätten, wären sie gewiss zu einem anderen Urteil gekommen. Jedenfalls wollte ich in meinem Stück vor allen Dingen zeigen, wie mit einem jeden, der sich nach Verbrechen und Schandtaten plötzlich mit dem Tode konfrontiert oder von ihm eingeholt sieht, dann, wenn er ans Ende gelangt ist und für kanonische Reue nicht Ort noch Zeit mehr übrig ist, zu verfahren ist, damit er nicht durch Kleinmütigkeit und Verzweiflung zerbreche und daran zugrundegehe. Wenn ein solcher Mensch schon auf der Schwelle zum Tode steht, dann muss man ihn (jedenfalls meiner Ansicht nach) nicht zu Geißelung, nicht zu anderen Werken der Reue bewegen und drängen, sondern zu einem Sinneswandel bzw. zur Beichte der Sünde und zu Zuversicht voller Glaube an Christus, der für uns gestorben ist. Einen beliebigen gesunden Menschen, der nicht in unmittelbarer Lebensgefahr schwebt und aus gegebenem Anlass nach einem sündigen Leben zur Vernunft kommt und bereut, ganz gleich wie sehr, den hätte ich natürlich ganz anders behandelt, da ja zu einer vollkommenen Bekehrung und Absolution eines Sünders nicht bloß von Herzen kommende Zerknirschung oder eine Sündenbeichte erforderlich sind, sondern auch ein beeidetes Glaubensbekenntnis, der Sündenerlass durch einen Priester, Klage, Trauer und Fasten, Abmagerung im Fleische, Barmherzigkeit und andere derartige, sogleich zu vollbringende Werke der Reue und vor allem der Frömmigkeit.
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Macropedius (1552)
Außerdem bitte ich den frommen Leser darum, an einigen Stellen des Stückes, die möglicherweise irgendeinen Verdacht erregen können, nicht auf den Gedanken zu verfallen, ich wolle behaupten oder sei der Ansicht, dass es seine Richtigkeit habe, wenn ein beliebiger Christenmensch glaube, er gehöre notwendigerweise zur Schar derer, die gerettet werden, oder wenn er sich seines Heiles sicher sei, wo uns doch zahlreiche Schriften lehren, dass nichts sicherer ist als unter der Hoffnung ständig vorhandene Bangigkeit. Und doch: Wenn Paulus sicher war, dass weder der Tod noch das Leben noch irgendein Wesen ihn zusammen mit anderen frommen Gläubigen würde trennen können von der Barmherzigkeit Gottes, des Vaters, die in Jesus Christus, unserem Herrn, liegt, wie er es aus dem folgert, was vor dem achten Kapitel des Römerbriefes steht, und noch deutlicher in ebendiesem Kapitel: „Der Geist selbst gibt Zeugnis unserm Geist, dass wir Gottes Kinder sind“, mitsamt dem, was er anschließend darlegt; wenn der göttliche Petrus in einer eindeutigen Prophezeiung sagt, wer glaube, werde sich freuen mit unaussprechlicher Freude usw.; wenn Johannes in seinem Evangelium sagt: „Wer mein Wort hört und an den glaubt, der mich geschickt hat, der besitzt das ewige Leben und kommt nicht vor das Gericht, sondern geht aus dem Tode direkt hinüber in das Leben“ und noch deutlicher in einem Brief: „Wir sind nun Gottes liebste Söhne, und es ist noch nicht klar, was wir sein werden; wir wissen aber …“ usw.; wenn diese also, sage ich, noch zu ihrer Zeit, da sie noch im Fleische lebten, Gewissheit über ihr eigenes und anderer Menschen Heil besaßen, wird es da so abwegig sein, wenn wir auch hier in unserer Zeit fromm daran glauben, dass immer wieder einige durch göttliche Offenbarung oder durch das Zeugnis des Geistes zuverlässig erkennen, dass sie Söhne Gottes sind, und unbesorgt von hier scheiden? Wer würde außerdem, wenn wir den Berichten glauben, daran zweifeln, dass zahllose Scharen von Märtyrern und Bekennern ihren letzten Atemzug in sicherer Gewissheit über ihr Heil getan haben? Oder hatte Stephan etwa kein ruhiges Gewissen, als er die Himmel offen sah? Hatte Antonius etwa kein ruhiges Gewissen, als er dem Tode froh entgegensah? Hatten Ambrosius und Martin etwa kein ruhiges Gewissen, als der eine zur Antwort gab, er fürchte den Tod nicht, weil er einen guten Herrn habe, und der andere, schon so gut wie tot, dem vor ihm stehenden Feind des Menschengeschlechts sagte: „Was stehst du hier vor mir, blutige Bestie? Nichts wirst du, Todesbringer, an mir finden; Abrahams Schoß wird mich aufnehmen.“ Ich schweige über viele andere, denn es würde zu weit führen, die Berichte über ihre Sorglosigkeit im Leben und vor allem im Tode im Einzelnen durchzugehen. Da also die Hand des Herrn keine Kraft eingebüßt hat, sondern den Seinen immer noch die Gaben himmlischer Gunst und himmlischen
Übersetzung – Einschaltung hinter V. 9
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Trostes schenkt, mit welchem Recht wird es da als mit christlichem Glauben unvereinbar beurteilt werden, wenn auch heute noch gesagt wird, dass sich immer wieder irgendein Mensch unserer Zeit (wie ich ihn mit Hecastus fingiert habe) finden lasse, der sich, da der heilige Geist ein Zeugnis seines Gewissens ablegt, sichere Hoffnung auf sein Heil macht? Ausführlicher, als ich es vorgehabt hatte, bester Leser, bin ich auf diese Punkte eingegangen, damit du meine Einstellung zum Hecastus erkennst und ungewöhnliche Äußerungen, sofern sie dir beim Lesen begegnen, fromm und redlich auslegst. Utrecht, im Jahre 50. EINSCHALTUNG HINTER V. 9 Nichtsdestoweniger werdet ihr sehen, wie er, da ihm nun einmal angesichts seines unmittelbar bevorstehenden Todes für Werke (bzw. Früchte) der Reue keine Zeit mehr blieb, nach einem vorhergehenden Sündenbekenntnis, [5] nach Tränen und von Herzen kommender Reue nicht anders als der fromme Räuber am Kreuze, einzig und allein durch den Glauben an Christus und obwohl er sich an Gott, dem Vater, aufs Schwerste vergangen hatte, zu Gottes Liebe zurückfand und von den Engeln, die über den Reuigen frohlockten, [10] zur ewigen Glückseligkeit emporgetragen wurde. Doch wisse jeder redliche Betrachter, dass der Autor des Stückes diesen oder jeden beliebigen anderen Mann, wenn er nur körperlich gesund und wohlauf wäre, nach solch ungeheuerlichen Sünden [15] (ob nun offener oder verdeckter Art) in ganz anderer Weise auf die Bühne gebracht hätte als diesen hier, der ganz plötzlich vom Tode ereilt wurde – weiß er doch, dass zu einer vollständigen Reue mehr gehört als der bloße katholische Glaube, nämlich die Beichte und die Absolution, [20] die einem zuteil wird durch die Kraft der Schlüssel, die dem Petrus anvertraut wurden, und durch die öffentlichen Diener der Kirche. Dazu zählen Barmherzigkeit, Fasten, Gebete, Tränen und andere derartige fromme Werke sowohl an Gott als auch an deinem Nächsten. [25] Indes war er zu der Überzeugung gelangt, dass dieser Mann oder auch jeder beliebige andere, der sich unvermittelt mit dem Tode konfrontiert sieht, diese Behandlung und diesen Zuspruch erfahren sollte, dass ihm durch diesen Trost des Glaubens geholfen werden müsse, damit er nicht (bloß das nicht!), während seine Bewährungsauflagen über das Maß hinaus verschärft werden, das er für seine [30] Ausschweifungen verdient, im Tode durch sein schlechtes Gewissen und durch sein Unvermögen, Wiedergutmachung zu leisten, schließlich alle Hoffnung verliert und in seinem Elend verzagt und
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Macropedius (1552)
so in den Abgrund der Verzweiflung stürzt. Fürwahr: Zerknirschte Menschenherzen [35] weist Gott nie und nimmer ab, und wenn sie auch erst spät zur Vernunft kommen. Wenn sie aufrichtig ist, kommt Reue nie zu spät. Und er bejaht keinen (wie man ihm unterstellt) abweichenden Glauben an Gott, sondern den katholischen, allumfassenden Glauben, wie er von den Aposteln und den Rechtgläubigen überliefert ist, [40] durch den wir nicht bloß an die Existenz Gottes und an seine Schöpfung dieses Alls und an die Dreiheit in der Einheit glauben, an Christi Geburt, Passion, Kreuzestod und Auferstehung von den Toten am dritten Tag, sondern durch den wir gleichermaßen an Gott und an seinen Sohn glauben, [45] den er uns Verworfenen übergab, ihn zu töten. Zu ihm streben wir mit all unserem Glauben und all unserer Liebe, ihm vertrauen wir uns und unser Heil an, restlos und mit vollem Vertrauen. Und es war nicht der Wille des Autors, dass irgendjemand glauben solle, er [50] werde in jedem Falle dereinst gesegnet werden, denn es gibt keine größere Sicherheit als Hoffnung in Verbindung mit Bangigkeit. Und doch: Wer zweifelt daran, dass Unzählige bis heute ganz unbesorgt und ohne Gefahr in den Tod gehen können, wie [55] einst die Scharen der Märtyrer, die an Christus glaubten und für deren Seele der heilige Geist Zeugnis gab, dass sie Kinder Gottes seien? Das sollte ich vorausschicken, so wollte es Macropedius, damit nicht jemand glaubt, er hege Sympathie für Irrlehren; denn von der Einheit der katholischen Kirche [60] und dem rechten Glauben abzuweichen, soll mit Exkommunikation bestraft werden. Außerdem will ich noch kurz darauf hinweisen (nur für den Fall, dass jemand bei einigen Stücken den Eindruck hatte, da sei eine Ehebrecherin oder eine kleine Hure nicht züchtig genug integriert worden) – in diesem Stück hier gibt es nichts, woran züchtige Augen Anstoß nehmen könnten. ZUSÄTZLICHES CHORLIED HINTER V. 20 65
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Übler Sünder, komm zur Vernunft – die Zeit drängt. Wende schleunigst ab die gerechte Strafe, Dass dich nicht alsbald übergibt der Tod den Qualen der Hölle. Wozu hortest, Sterblicher, du Geschmeide? Wozu frönest, Sterblicher, du Begierden? Wozu lechzest, Sterblicher, du nach Ehren, die doch vergänglich?
Übersetzung – Einschaltung hinter V. 752
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Jetzt, da du wohlauf und gesunden Leibes Noch genießt die Lust der verfluchten Sünde, Widersteh dem Fleisch und veracht’, was irdisch! Komm zur Besinnung, Dass sich nicht zu spät deine Reue einstellt, Jetzt nurmehr der Furcht vor der Hölle Zögling, Wohl auch gar nicht echt, vor dem Richter wertlos, da er gerecht ist! EINSCHALTUNG HINTER V. 752
Selbst wenn du mich bis nach Indien oder sogar noch darüber hinaus führst, durch Gebirge, Wüste und Einöden, über die Meere ganz außen von den Säulen des Herkules bis zum Bosporus, wo die Kimmern und Maeoten wohnen, [85] ich werde dein unzertrennlicher Begleiter sein und dich beschützen. EINSCHALTUNG HINTER V. 1356 weil du jetzt nichts anderes tun kannst als Reue empfinden und gläubig sein. EINSCHALTUNG HINTER V. 1412 Du weißt, Vater, wie gerne ich dir die zehntausend Talente aufwiegen würde, die ich dir schulde, wenn ich bloß wieder gesund würde und meine schwache Menschennatur es mir gestattete. Doch ich glaube daran, dass du mir durch den Tod deines Sohnes Christus [90] all meine Schuld erlassen wirst. EINSCHALTUNG HINTER V. 1430 FIDES
Wir sind bei dir und werden dich vor dem Satan beschützen.
260
Macropedius (1552)
EINSCHALTUNG HINTER V. 1545 im Vertrauen auf das Wort Gottes, weil der glückselig ist, dem Gott die Sünden, die er begangen, nicht zur Last legt. SCAENA INTERIECTITIA HINTER V. 1599A Philomathes. Acolitus. Im trimetrischen Vers. Geht voran, ich werde folgen! – He, Bursche, ich weiß doch, dass du gute Anlagen hast – warum verlässt du nicht diesen Hieronymus, diesen stumpfen, einfältigen Pfaffen? Warum willst du dich nicht um eine Bildung kümmern, die sich für einen Menschen weit eher ziemt als diese [5] Stundgebete und diese täppischen Choräle, anders gesagt: diese muffigen Litaneien, die ich dich unermüdlich mit deinem Pfaffen murmeln höre? ACOLITUS Ich kann nicht glauben, werter Herr Arzt, dass Ihr dies aus inniger Überzeugung sagt. PHILOMATHES O doch, vollauf. ACOLITUS [10] So lasst mich denn Punkt für Punkt darauf antworten. PHILOMATHES Meinetwegen, antworte. ACOLITUS Zuallererst wolltet Ihr, dass ich den Priester verlasse, weil er einfältig und stumpf sei; ich dagegen bin der Ansicht, dass ich eher diesem Manne folgen sollte, der mich durch seine [15] Frömmigkeit, durch Wort und Vorbild lehrt, die Laster zu meiden, an Christus zu glauben und Gott zu fürchten, als diesen gelehrten Bücherwürmern (mögen sie sich auch durchaus um mich verdient gemacht haben), die mir emsig allerlei aus Grammatik, Dialektik und [20] Rhetorik beigebracht haben, sonst aber nichts. PHILOMATHES Doch was dir dein Pfaffe nun eingibt, weiß Gott! das trägt doch wohl zu deinem Reichtum, deinem Spaß und deinem Ruhm nichts bei. ACOLITUS Dafür aber sehr viel zu meinem Seelenheil. Und außerdem: Wen Ihr einfältig und stumpf nennt, [25] der wird Euch nicht den sprichwörtlichen langen Halm zugestehen, wenn Ihr nur einmal Eure dreifach allergrößten Jupiter, Apollo und Hercules beiseite lasst und Eure hochtrabenden Formulierungen dieser Art, Euren Schwulst, den Schmuck und die Schminke, wonach die Klarheit [30] der ihm eigenen Redeweise nicht verlangt. Soweit möglich und sachlich erforderlich, habe ich mich PHILOMATHES
Übersetzung – Scaena interiectitia hinter V. 1754
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um eine feinere Bildung bemüht, doch sobald ich einsah, dass sie einen ohne den Glauben an Gott keineswegs zum wahren Seelenheil geleitet, [35] sagte ich ihr Lebewohl, denn es ist sinnlos und töricht, darüber alt zu werden und zu sterben. PHILOMATHES Gut sprichst du, lauter vernünftige Dinge, und ich würde dir auch gerne beipflichten, wenn nicht eure Wechselgesänge, Hymnen und sonstigen Gebete dermaßen fad und auch sprachlich schlecht wären, dass mir [40] bei ihrem Vortrag übel wird und gebildete Leute sich abgestoßen fühlen. ACOLITUS Auch ich hätte es gerne, wenn einige davon etwas spritziger, sprachlich sauberer und flüssiger daherkämen, doch unter diesem „Schmutz“ (wie Ihr meint) achte, ehre und [45] liebkose ich eine unverfälschte Frömmigkeit, die kein Grammatikfehler, keine Holprigkeit und kein Missgriff in der Wortwahl beflecken kann und der in meinen Augen gerade auch die einfache Volkssprache wohl ansteht. PHILOMATHES Wenn nicht der Tod, der meinem Vater jetzt bevorsteht, meine Aufmerksamkeit ablenken würde, dann würde ich dir schon zeigen, wie verblendet du in diesen Dingen bist! [50] Oha, was für ein Gespenst sehe ich dort hinten seine scharfe Lanze hierher schleudern? ACOLITUS Na, welches wohl? Das ist der schwarze Tod. PHILOMATHES Aaaah! ACOLITUS Sollte gar der Tod auch einen gebildeten Arzt erschrecken? PHILOMATHES Und wie! Denn der Gebildetste stirbt ebenso wie der Ungebildetste. ACOLITUS Wäre es da nicht klüger, [55] sich ausschließlich um seine Frömmigkeit zu kümmern, durch die ich den Tod auf ewig nicht zu fürchten brauche, als um all Eure humanistische Bildung, die Euch doch auf keinen Fall von der Todesfurcht befreit? So rennt Ihr davon? PHILOMATHES Aaaah! SCAENA INTERIECTITIA HINTER V. 1754 Zwei Mägde. Zwei Diener. Epicuria. Trimeter. ERSTE MAGD Geht hinein, Herrin, damit nicht die Atemnot Euch und die ganze Familie in Unruhe versetzt und damit wir nicht zusätzlich zum Tode Eures Gatten auch den Euren beweinen müssen! EPICURIA Ach!
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Macropedius (1552)
ERSTE MAGD He, Diener, führt die Herrin von dem Leichnam fort, [5] damit ihr nicht vor Schmerz die Kräfte schwinden oder es soweit kommt, dass sie zu Boden fällt und im Nu verstirbt und uns mit diesem zweiten Schmerz ein noch schlimmerer als der erste widerfährt! Bringt sie fort! DIE DIENER Hepp! ZWEITE MAGD Betrauern wir den Toten! O Freundin, betrauern wir Hecastus! ERSTE MAGD Ganz recht. [10] Und schlagen wir uns mit der flachen Hand vor den traurigen Busen, weil unsere Herrin mit ihren Kräften am Ende ist und vor Schwäche strauchelt und weil er hier, solange er lebte, uns am meisten liebte. Warum nur, lieber Hecastus? Lieber Hecastus, warum? O Schmerz, o Schmerz! ZWEITE MAGD O Schmerz, o Schmerz! ERSTE MAGD [15] Was soll das, Freund, dass du all deine Lieben verlässt und nun am ganzen Leibe hingestreckt so daliegst? Etwa um künftig den Würmern zum Fraße zu dienen? Ob ich es über mich bringen kann, das zu glauben? Wie sollte ich das glauben können? Würdest du selbst das zulassen? Wirst du etwa [20] diesen reizenden, lieblichen, wunderschönen Leib – deinen Leib! – zerfallen, verfaulen und von Würmern durchlöchern lassen? Doch o Schmerz, wie ich so meine Augen vom Scheitel bis hinunter zu den Sohlen wende, so zeigen all deine Glieder nichts weiter [25] als ein verfluchtes Abbild des grausigen Todes. O ihr lieblichen Äuglein, ihr rosigen Lippen, ihr roten Wangen, dass ihr so plötzlich zum schwarzen Schrecken übertreten und euch ihm anverwandeln musstet! Ach! diese Brust, einst elfenbeinern, nun leichenblaß, ach! dieser Bauch, einst straff, nun schlaff, [30] ach! diese Schienbeine, einst hell schimmernd, nun bläulich, ach! all das, was einmal rege war, zeigt nun ein Abbild des schrecklichen Todes! Ach, sobald im Inneren keine Seele sich mehr regt, sind all diese Glieder, o weh! schon steif und stehen schon an der Schwelle zu Fäulnis und Verwesung. O Schmerz, o Schmerz! [35] Ach, Freundin, betrauern wir den toten Hecastus und schlagen wir uns dazu noch mit der flachen Hand vor den traurigen Busen! ZWEITE MAGD Ganz recht. O Schmerz! ERSTE MAGD O Schmerz, o Schmerz! ZWEITE MAGD O Schmerz, o Schmerz! ERSTE MAGD O Schmerz, o Schmerz! ZWEITE MAGD O Schmerz, o Schmerz! ERSTE MAGD Was hat dich, Hecastus, [40] nur bitte dazu getrieben, so plötzlich in den Tod zu gehen? Standest du denn nicht noch immer in lieblicher, frühlingshafter Jugendblüte, körperlich in voller Kraft? Hattest du denn keine schöne Frau, keine reizenden Kinder, keine treuen
Übersetzung – Einschaltung hinter V. 1791
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Freunde und Blutsverwandte? [45] Besaßest du denn nicht alles vollauf im Überfluss: Reichtum, Spaß und Anerkennung allerorten? Warum also hattest du es so eilig, Hecastus, dich in diese schweren Todesqualen zu stürzen, auf ewig ohne Wiederkehr, und noch dazu den Würmern zur künftigen Speise? [50] Es schluchzt die Gattin und peinigt sich erneut, vereint mit der Familie weinen Freunde und Verwandte. Allein dieser hässliche Priester zeigt keine Trauer. Ach, Freundin, betrauern wir den toten Hecastus! EINSCHALTUNG HINTER V. 1791 Doch Tränen, Beichte und Fasten – EINSCHALTUNG HINTER V. 1794 Überlassen wir alles den Armen zum Gebrauch.
3. Kommentar 3.1 Macropedius 3.1.1 Allgemeines 3.1.1.1 Die Sprache des Stückes Das Vokabular ist voller Anleihen bei den antiken Komödiendichtern, vor allem bei Plautus, weniger stark bei Terenz. Dies betrifft metrisch bequeme altlateinische Formen wie ipsus (376, 432, 1522 u.ö.), siem (1066), siet (250, 1595), possiem (1652), possiet (759, 1351), creduas (s. zu 1350) und die häufigen passiven Infinitive auf -ier (330, 599, 1077, 1200 u.v.ö.), aber auch das sonst seltene, hier aber häufige neutiquam (408, 601, 728 u.v.ö.; vgl. Plaut. Merc. 599, Mil. 631), artua als Nom. Pl. von artus (s. zu 1598), licet als Antwort i.S.v. ‘na gut, in Ordnung’ (73, 273, 1162 u.v.ö. [bei Plautus häufig, bei Terenz nirgends]), Verben wie blatire (42), cyathissare (165; vgl. Plaut. Men. 303-305), mussitare (458), occipere (887), interminari (356), glutire (1444) oder sustollere (17548) und Interjektionen wie papae (133, 312, 887, 1002) oder hem (119, 421, 633; bei Terenz sehr häufig). Unverkennbar ist auch eine Vorliebe für Intensiva wie lusitare (229), compellitare (290), territare (327, 909, 1185), quaeritare (436), pulsitare (1607) u.v.a. Dazu tritt selbstredend viel Bibel- und Kirchenlatein bzw. -griechisch, nicht bloß dort, wo es um Theologisches geht, z.B. recalcitrare 591, ovicula 1220, 1612, geenna 1313, paulo minus i.S.v. ‘bald, fast’ 1401, deglutire 1451, 1613, synaxis 1157, 1264, 1588, anastasis 1629, expavescere 1666, sterquilinium 1700, resuscitari 1642, 1789, tristemini 1769, caecutire 159949 u.v.a. Syntaktisch weicht das Latein des Stückes in mancherlei Hinsicht von den Regeln der klassischen Grammatik ab. Auch dieser Befund ist zunächst nicht überraschend, gilt er doch prinzipiell für die gesamte lateinische Poesie. Die Abweichungen sind jedoch bisweilen so stark, dass man auch an ihnen erkennen kann, dass es für Macropedius Wichtigeres gab als den Ruf eines homo Ciceronianus (s. unten zu 15991ff.). So ziehen die Verba sentiendi keinen AcI nach sich, sondern einen durch quod eingeleiteten Objektsatz (z.B. 1295ff., 1322), der obendrein oft im Konjunktiv steht (der Indikativ scheint allenfalls aus metrischen Gründen einzutreten, z.B. 1297). Demgegenüber steht der Indikativ in indirekten (z.B. 676) und deliberativen Fragen (z.B. 1003 – hier sogar Futur II!). Das Gerundivum (+ fore o.ä.) dient häufig zur Umschreibung des passiven Futurs (z.B. 1617, 1773, außerdem in der Vorrede von 1552). Kausalsätze können durch dum (+ Ind.) eingeleitet werden (509), negative Finalsätze durch ut non statt
Macropedius
265
durch ne (1450), rhetorische Fragen unterschiedslos durch num oder nonne (1519-1524), selbst durch anne (1644-1647). Formen des Futurs I und des Futurs II können je nach metrischer Bequemlichkeit füreinander eintreten (z.B. 435); dies gilt auch für Perfekt und Plusquamperfekt (z.B. 551). Bemerkenswert sind schließlich noch die zahlreichen Aufzählungen mit tum … tum i.S.v. cum … tum oder einfach et … et (277f., 1499, 1827 u.v.ö.). Zahlreiche Formulierungen lassen sich auf antike, mittelalterliche oder frühneuzeitliche Quellen zurückführen; der Stellenkommentar enthält ggf. entsprechende Anmerkungen. Von den paganen Autoren der Antike ist es wieder hauptsächlich Plautus, bei dem Macropedius sprachliche Anleihen macht; daneben zeigt er sich u.a. mit Horaz und Gellius vertraut. Die wichtigste Quelle ist aber – selbstredend – die Bibel, genauer gesagt: das Neue Testament, wobei auf bestimmte Bücher bzw. Briefe besonders stark zurückgegriffen wurde: Dies sind neben den Evangelien (v.a. dem Johannes-Evangelium) vor allen Dingen die Paulus-Briefe und die Offenbarung des Johannes. Manche Formulierung scheint von Augustinus zu stammen, auch Anleihen bei Thomas a Kempis lassen sich wahrscheinlich machen (s. zu 1408); vielfach aber ist eine nähere Bestimmung schon deswegen kaum möglich (wenn nicht sinnlos), weil der betreffende Gedanke in der über 1000-jährigen Schrifttradition des Christentums unzählige Male bereits so oder ganz ähnlich ausgedrückt worden ist – und weil ein zutiefst gebildeter Mensch wie Macropedius ‘Quellen’ vielfach auch gar nicht nötig hatte. 3.1.1.2 Verstechnik und Prosodie Für die Metrik des lateinischen Dramas der Antike gilt, dass die Komödie in der Anwendung des iambischen Schemas recht frei verfährt, während die Tragödie es wesentlich strenger beachtet. Dies gilt vor allen Dingen für die Möglichkeit, die zweite Kürze eines Metrums durch eine Doppelkürze oder eine Länge zu ersetzen – eine Freiheit, von der Plautus und Terenz häufig Gebrauch machen, die sich Seneca jedoch versagt. Eine solche Differenzierung zwischen komischer und tragischer Metrik nimmt Macropedius allerdings nicht vor. Die Regeln iambischer Dichtung, die er in seiner Prosoedia (S. [57f.]) darlegt, gelten ihm daher sowohl für die Tragödie als auch für die Komödie; der einzige Hinweis auf unterschiedliche Konventionen in den beiden Gattungen besteht in der Anmerkung, dass iambische Mono- und Tetrameter praktisch bloß in der Komödie Verwendung finden.86 86 Vgl. Macr. pros., S. [58]: Monometrum autem et tetrametrum extra Comoediam rara sunt.
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Kommentar
Angesichts dessen ist es nicht verwunderlich, dass die Metrik des Hecastus wesentlich strenger ist, als es bei einer Komödie vielleicht zu erwarten wäre. Nur selten findet man die zweite Kürze eines iambischen Metrums mit einer langen Silbe oder einer Doppelkürze besetzt (longum pro brevi z.B. in 306 und 362, bibreve pro brevi z.B. in 827); in der Regel wird man hier von Unachtsamkeit ausgehen dürfen, vor allem wenn sich eine solche Ersetzung im dritten Metrum findet (z.B. 82 und 827).87 Ansonsten aber sind zahlreiche Variationen des metrischen Schemas möglich und auch angestrebt. Der erste, der dritte und der fünfte Iambus (im Tetrameter außerdem der siebente) kann so durch einen Tribrachys, einen Spondeus, einen Daktylus oder einen Anapäst, ja selbst durch einen Proceleusmaticus ersetzt werden. In der Prosoedia fasst Macropedius dies in folgender Übersicht zusammen:88
Der natürliche Sprachrhythmus bleibt dabei freilich oft unbeachtet, so dass die Verstechnik – erst recht wenn man sie mit Senecas vergleicht – bisweilen etwas gewaltsam wirkt; vgl. z.B. die folgenden Beispiele (zahlreiche weitere ließen sich nennen): 900 1035 1047 1361 1461 1582
Unúm quěó | pro mílībús | reddér(e). ItĈqué Qui mé, prīús|quam délīcí(ae), o|pes, stémmĈtá Consíli(o) ĕt aú|xilió išvét; et | utinám mīh(i h)óc Ergá m(e) ītá be|nevoléntīám | Deí mĕí Quos tú quʼnqu(e) ím|pellére sʼnle|bas ad tša Su(a), utí solĕt, aé|gro vít(ae) ĕdú|lia pórrīgét
Nicht eben selten wird nach Plautinischem Vorbild das auslautende -s wie auslautendes -m behandelt. Gelegentlich schlägt sich dies auch in der Schreibung nieder (z.B. satist [132], praeditust [278] und obviust [696]). In 87 Vgl. Macr. pros., S. [58]: Ultimus locus … semper Iambum postulat. 88 Macr. pros., S. [58].
Macropedius
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der Regel jedoch wird -s auch dort geschrieben, wo es metrisch nicht wirksam ist (z.B. 177 bis quaternio, 223 factus sum oder 381 ditissimus est). Auslautendes -o wird nach Bedarf lang oder kurz gemessen.89 Dies betrifft z.B. Verbalformen der Ersten Pers. Sing., Nomina auf -o wie homo (lang 422, kurz 399), das Pronomen ego (lang 1379, kurz 111) und Adverbien wie modo (lang 14, kurz 326) oder denuo (in 133 erst als Kretikus, dann als Daktylus gemessen); ausgenommen hiervon sind z.B. Dativ und Ablativ Singular der zweiten Deklination, deren -o immer lang gemessen wird. Die Pronomina huic und cui werden nach Bedarf ein- oder zweisilbig gemessen (z.B. cui einsilbig 899, zweisilbig 769, huic einsilbig 139, zweisilbig 1425), ebenso ii (einsilbig 740, zweisilbig 1485) und suae und tuo (einsilbig 326/341). Das Adjektiv suavis hat dagegen stets vokalisches -u- (201, 640, 871). In Übereinstimmung mit dem, was er in seiner Prosoedia darlegt90, behandelt Macropedius anlautenden Doppelkonsonant nicht als positionsbildend (vgl. z.B. 105 vade, stolida oder 147 atque splendorem). Bemerkenswert ist, dass nicht immer das Versende zugleich auch eine Wortgrenze ist; einige Verse sind so durch Synaphie mit dem folgenden verbunden (590, 765, 1520, 1540, 1736, 159945, 159954). Als Vorbild mag in diesem Punkt Sophokles dienen, vielleicht auch Plautus (Bacch. 1086) oder Horaz (serm. 2,3,179f.).91 Bisweilen deuten metrische Unstimmigkeiten auf Druckfehler hin; wo es uns vertretbar schien, haben wir in solchen Fällen Konjekturen vorgenommen (z.B. 1488). Vieles aber, was sich nicht in das metrische Schema fügt, lässt sich schwerlich als Druckfehler erklären (vgl. z.B. 468, 485, 619, 639, 942, 980).
89 Vgl. Macr. pros., S. [50], wo detailliertere Regelungen angegeben werden. 90 Vgl. Macr. pros., S. [8]: „Rarissime autem produci consuevit, si praecedens dictio in vocalem brevem desinat et sequens a pluribus consonantibus incipiat, ut in hoc Virgilii: Ferte citi ferrum, date tela (– –), scandite muros. Non temere aemulandum.“ (Im Vers Verg. Aen. 9,37, den Macropedius hier zitiert, ist scandite allerdings wesentlich schlechter überliefert als das metrisch unauffällige ascendite.) Ebenso S. [12]: „Secundus [sc. modus communium syllabarum] est, cum vocalis brevis terminat dictionem ante duas consonantes sequentis dictionis, quarum prior est s (…). Productionem tamen non facile imitaberis, quam apud veteres poetas etiam rarissime invenies.“ 91 Vgl. W. Christ: Metrik der Griechen und Römer. Leipzig 21879 (ND Hildesheim 1972), 104.
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Kommentar
3.1.2 Stellenkommentar 3.1.2.1 Ursprüngliche Fassung (1539) TITELBLATT 5 dummodo … habebit: In der überarbeiteten Fassung heißt es stattdessen subitaria morte praeoccupatus ‘wenn er sich urplötzlich mit dem Tode konfrontiert sieht’; es ist eben dieser Umstand des plötzlichen Todes, den Macropedius in der überarbeiteten Fassung mehrfach betont, um die schließliche Rettung des Sünders Hecastus durch den bloßen Glauben, ohne Werke der Buße, zu rechtfertigen (s. die Vorrede von 1552 sowie zu 13561 und 14121-5). 12 allegorische Darstellung der Zeit (mit den Attributen Sanduhr und Sense), die ihre eigenen Kinder frisst. 14 Michael Hillenius, in Rapo: Michiel Hillen van Hoochstraten (Michael Hillenius Hoochstratanus) (ca. 1476-1559) zählt mit einer Produktion von rund 500 Titeln zu den bedeutendsten niederländischen Druckern jener Zeit. Von 1506 bis 1546 war er in Antwerpen tätig; die Adresse seines Betriebes in der Cammerstraat wird u.a. (wie hier) mit „in den Rape“/„in Rapo“ angegeben (noch heute gibt es in Antwerpen eine Raapstraat). Vgl. Rouzet 1975, 94-96.
VORREDE Godofrido Montano Endhoviensi: Godfried van den Berge aus Eindhoven, ein ehemaliger Schüler des Macropedius, der zu dieser Zeit in Eindhoven Dekan der Kanzlei von St. Catharina war (Giebels/Slits 2005, 253). 4 fratre nostro Arnoldo: nicht leiblicher, sondern Ordensbruder. Gemeint sein dürfte (so Giebels/Slits 2005, 255 Anm. 31) Arnoldus van Tricht, der wie Macropedius als Lehrer an der Utrechter Hieronymusschule tätig war und nach dessen Tod eine Elegie auf ihn verfasste: Arnoldi Noviomagi apud Drusiborgenses Hieronymiani in obitum doctissimi viri Georgii Macropedii Elegia (in: Apotheosis D. Georgii Macropedii extemporali carmine per Christophorum Vladeraccum Silviducum lusa, una cum diversis doctorum hominum epitaphiis et elegiis, Antwerpen 1565, 13v-15r ). 13 Zoilorum: d.h. Literaturkritiker. Dem Begriff liegt der Name des griechischen Sophisten Zoilos aus Amphipolis zugrunde, der wegen seiner Schrift ÊáôN ôyò FÏìÞñïõ ðïéÞóåùò (‘Gegen die Dichtung Homers’) auch unter dem Beinamen FÏìçñïìÜóôéî (‘Homergeißel’) bekannt war. 14 ©ò ô’í dðr öáê† ì™ïí: Zitat aus Gell. 13,29,5. Zum Wortlaut erläutert Bolte (S. 150): „So las man früher in dem verderbten Text des Gellius (…), während der wider Euripides gerichtete Spottvers des attischen Komödiendichters Strattis vielmehr lautete: ”ôáí öáêyí føçôå, ìx Eðé÷åsí ìý1
Macropedius
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ñïí.“ Das Sprichwort wendet sich also in seiner ursprünglichen Form dagegen, beim Kochen von Linsenbrei (öáêy) teures Salböl (ìýñïí) hinzu-
zugeben, d.h. Kostbares auf Billiges zu verschwenden. Da Macropedius den Gellius-Text jedoch in anderer Form kannte (mit ì™ïí statt ìýñïí), besaß er für ihn die Bedeutung, die Erasmus (adag. 1,7,23) so umschreibt: Ubi quis mentionem inducit vilis cuiuspiam et nihili hominis aliis de viris egregiis verba facientibus ‘wenn einer irgendeinen vollkommen belanglosen Kerl erwähnt, während andere sich über wirklich bedeutende Männer unterhalten’. Die von Erasmus im Anschluss vorgeschlagene Korrektur ìýñïí (s.o.) scheint Macropedius nicht gekannt zu haben (s. auch unten zu 143). PERSONAE DRAMATIS Die (fast durchweg griechischen) Namen der Personen sind überwiegend sprechend und charakterisieren so bereits ihren jeweiligen Träger: Hecastus ‘Jedermann’, Epicuria ‘Gehilfin’, Philocrates ‘Kraftfreund’, Philomathes ‘Bildungsfreund’, Philoponus ‘Arbeitsfreund’, Panocnus ‘Oberfaulpelz’, Oeconomus ‘Hausverwalter’, Daetrus ‘Portionierer, Speisenmann’ (zu gr. äáßò ‘Gastmahl’), Nomodidascalus ‘Gesetzeslehrer’, Syngenes ‘Verwandter’, Acolytus ‘der Unabhängige’. Die Figur des Daemones entstammt dem plautinischen Rudens, Philocrates hat einen Namensvetter in den plautinischen Captivi. Und dass der Priester den Namen Hieronymus trägt, kommt bei einem Stück aus der Feder eines „Bruders vom gemeinsamen Leben“ (s. S. 12) nicht sehr überraschend: Die Bruderschaft nannte sich u.a. auch (nach dem Kirchenvater Hieronymus) „Hieronymianer“. AD CANDIDUM LECTOREM 1f. actorum frequentiam / comico artificio: In der antiken Tragödie war es seit Sophokles üblich, die Stücke mit drei Schauspielern zur Aufführung zu bringen (vgl. etwa Hor. ars 192); in der Komödie dagegen gibt es nicht selten vier, fünf oder noch mehr Darsteller gleichzeitig auf der Bühne, doch sprechen von ihnen zumeist nicht mehr als drei (s. G.E. Duckworth, The Nature of Roman Comedy, Princeton [N.J.] 1952, 94-98).
ARGUMENTUM 2 pleuritide: s. zu 485. 8f. sacrifici: d.h. des Priesters Hieronymus (s. zu 1587). 11f. probosque reddidit: reddere steht hier (wie auch in
782, 828, 847f. und 1304) mit doppeltem Akkusativ i.S.v. ‘jd. zu etwas machen’; deshalb nicht „he is moved with spiritual joy and gives up his family and his virtuous friends“ (so die Übersetzung Loves).
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Kommentar
PROLOGUS 14 eine kurze Publikumsbeschimpfung (deshalb in U gestrichen?). 16-18 Die Verse sind in U gestrichen, vermutlich um den exemplarischen
Charakter des Stückes nicht so stark zu akzentuieren: Wenn jeder in Hecastus auch sich selbst sehen soll, dann relativiert dies – so mag Macropedius befürchtet haben – die Bedeutung der guten Werke (die in U stärker herausgestrichen wird; vgl. zu 13561, 14121-3, 17911). 19 cuius … libertum agam: in Anlehnung an Plaut. Poen. 126, wo der Sprecher des Prologs ebenfalls ankündigt, gleich in einer anderen Rolle wieder auf die Bühne zurückzukehren. 1. AKT, 1. SZENE In seinem Eingangsmonolog zeigt sich Hecastus als begüterter Hedonist. 27 electro: kann sowohl Bernstein meinen als auch eine Gold-Silber-Legierung, hier wohl Letzteres. 42 blactiunt: Die Schreibung mit -ct- ist nicht antik (vgl. etwa Plaut. Epid. 334 blatis), zugleich aber wegen der dadurch bewirkten Positionslängung der ersten Silbe die Voraussetzung für die Setzung des Wortes an dieser Stelle im Vers und wird daher von uns nicht korrigiert. 48 Daemonen: Bolte setzt stattdessen die latinisierte Form Daemonem (so auch in 111), was jedoch das Metrum korrumpiert.
1. AKT, 2. SZENE Diskussion zwischen Hecastus und Epicuria über den richtigen Gebrauch irdischer Güter und über die Lehren der Kirche.
quatuor: aus metr. Gründen mit nur einem -t- geschrieben. perduat: Pseudo-Archaismus nach dem Vorbild von creduat (s. zu 1374); bei Plautus und Terenz heißt es jedoch allenfalls perduim, perduis etc. (z.B. Iuppiter te perduit Plaut. Epid. 66). 82 crebro: longum pro brevi im letzten Metrum (doch von Macropedius selbst möglicherweise iambisch gemessen, da in Adam. arg. 4 crebris an derselben Stelle im Vers; dagegen in Bass. 291 creber trochäisch). 89 ii: einsilbig zu lesen (Synizese) (ebenso z.B. 740 und 159935). 90f. quo … emulgeant: Dieses abschätzige Urteil über die Geistlichkeit – zur Zeit des Ablasshandels und der Tetzelkästen weithin verbreitet – wird auch von den Söhnen geteilt (s. zu 1189ff.). 99 omnino: im Auslaut kurz gemessen (s. S. 267), da sonst Doppelkürze statt Kürze im letzten Metrum. 100ff. Hecastus trägt eine ‘klassische’ Legitimation angeblich christlichen Lebens aus dem Geist der Werkgerechtigkeit vor. 71 81
Macropedius
271
104 dogmatùn: Mischung lateinischer und griechischer Lettern auch in 897. 105 vade, stolida: keine Positionsbildung durch anlautendes st- (s. S. 267). 111 Daemonen: s. zu 48. 113 tempus teram: moralisch negativ indiziert, da der Sprecher mit seiner
‘Vertreibung’ (d.h. Verschwendung) der göttlichen Gabe der Zeit eine Sünde begeht: Zeit wird in mittelalterlicher Denktradition (Bernhard von Clairvaux u.a.) als höchstes Gut wertgeschätzt (vgl. Goetz 1993, 643f.). 118 genio: In der Antike verstand man unter dem Genius die persönliche Schutzgottheit eines jeden Menschen, die von seiner Geburt bis zum Tode über ihn wachte; dieser Glaube lebte später in der christlichen Vorstellung vom persönlichen Schutzengel fort. 127 detraxero: in U durchaus passend zu subtraxero geändert: ‘heimlich wegnehmen’. 1. AKT, 3. SZENE In Daetrus findet Epicurias Geiz einen Gehilfen.
solidos: Der solidus ist das hellklingende Geldstück aus Gold oder Silber im Gegensatz zur Kupfermünze, gebräuchlich seit der Spätantike. Der Gebrauch des Begriffs zeigt den Einsatz eines größeres Geldbetrages für das geplante Gastmahl an. 132 satist: = satis est – keine Berücksichtigung des auslautenden -s (also sati’ est; s. S. 266) und Aphaerese. 133 denuo: erst als Kretikus, dann als Daktylus gemessen (s. S. 267). 143 meo periculo hanc cudere fabam: nach Ter. Eun. 381 istaec in me cudetur faba, ‘diese Bohne wird auf mir gedroschen werden’, d.h. ‘ich werde dafür geradestehen müssen’. Diese Erläuterung gibt (unter Berufung auf Donat) schon Erasmus (adag. 1,1,84), wobei erneut (s. zur Vorrede Z. 14) fraglich ist, ob Macropedius sie kannte, denn seine Abwandlung des Wortlautes entstellt den Sinn: Wer die Bohne drischt, hat keine Schmerzen zu befürchten – das hat nur der, auf dem sie gedroschen wird. 130
1. AKT, 4. SZENE Hecastus und Daemones als personifizierte Trunk- und Spielsucht. 158ff. quis legibus…: Das Würfelspiel war in der Antike die große Passion der Römer. Genaue Spielregeln sind nicht überliefert; vielfach scheint einfach der Spieler mit der höchsten Augenzahl gewonnen zu haben (vgl. K.W. Weeber, Alltag im Alten Rom. Ein Lexikon, Düsseldorf - Zürich 1988, Art. Würfelspiel). In der Gestaltung der Spielregeln – der Verlierer hat eine beträchtliche Menge Wein zu trinken – orientiert sich Macropedius wohl an Plaut. Curc. 354-360.
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Kommentar
genio: s. zu 118. bis quaternio: = bi’ quaternio, d.h. metrisch ohne Berücksichtigung des auslautenden -s (s. S. 266). 181 prodigiosus iactus: Die Kombination mehrerer Einsen (auch canis ‘Hund’ genannt) galt schon in der Antike als ausgesprochener Unglückswurf (vgl. etwa Pers. 3,49 damnosa canicula, Isid. orig. 18,65). 184 verberare … sub … hypochondrio: s. zu 485. 188 id quod faxit Aesculapius: nach Plaut. Most. 398 ita ille faxit Iuppiter (ebenso Plaut. Pseud. 923). – Aesculapius: Gott der Heilkunde. 173 177
1. AKT, CHOR Aus einem memento mori wird ein Bekenntnis zum Hedonismus abgeleitet.
Melodie (nur in U):
Dieselbe Melodie im Chorlied des 2. Aktes sowie in Reb. (3. Chor), Al. (4. Chor) und Asot. (3. Chor). ex capite secundo Sapientiae Salomonis: Die Quellenangabe hat zugleich rezeptionssteuernde Funktion, wird doch im 2. Kapitel der Weisheit Salomos das verkehrte Denken der Frevler dargestellt. Die Haltung des Chores, Ausdruck einer besinnungslosen Spaßgesellschaft (wie sie durch Hecastus verkörpert wird), wird so von vorneherein als töricht und verwerflich gewertet. Nach Weish 2,3 extincta cinis erit corpus et spiritus diffundetur tamquam mollis aer, ‘unser Leib wird erloschene Asche sein und der Geist verweht wie dünne Luft’. 196-199 Nach Weish 2,3 et transiet vita nostra tamquam vestigium nubis et sicut nebula dissolvetur, quae fugata est a radiis solis, ‘unser Leben geht vorüber wie die Spur einer Wolke und löst sich auf wie ein Nebel, der von den Strahlen der Sonne verscheucht wird’. 200-203 Nach Weish 2,4-5 et nomen nostrum oblivionem accipiet per tempus et nemo memoriam habebit operum nostrorum; umbrae enim transitus est tempus nostrum, ‘unser Name wird beizeiten dem Vergessen anheimfallen und niemand wird unserer Taten noch eingedenk sein; denn unsere Zeit ist wie das Dahingehen eines Schattens’. 192-195
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Nach Weish 2,6-7 venite ergo et fruamur bonis, quae sunt, et utamur creaturam tamquam in iuventute celeriter; vino pretioso et unguentis nos impleamus, ‘also kommt, genießen wir all das Gute, was es hier gibt, und kosten wir behende die Schöpfung aus, wie man es in jungen Jahren tut; mit kostbarem Wein und Salböl wollen wir uns reichlich begießen’. 204 igitur …: Zieht aus einer richtigen Erkenntnis (Sterblichkeit des Menschen) die falsche Konsequenz; welche stattdessen zu ziehen ist, zeigt der Chor am Ende des 3. Aktes (s. zu 971). 208-211 Nach Weish 2,7-8 et non praetereat nos flos temporis; coronemus nos rosis, antequam marcescant; nullum pratum sit, quod non pertranseat luxuria nostra, ‘und keine Frühlingsblume soll uns entgehen; bekränzen wir uns mit Rosen, ehe sie verwelken; keine Wiese soll es geben, über die unser ausgelassenes Treiben nicht hinweggeht’. 212-215 Nach Weish 2,9 ubique relinquamus signa laetitiae, quoniam haec est pars nostra et haec est sors, ‘überall wollen wir Zeichen der Fröhlichkeit hinterlassen, denn das ist unser Anteil, das steht uns zu’. 204-207
2. AKT, 1. SZENE Monolog des Verwalters über die Last der Verantwortung. 223 239
factus sum: = factu’ sum (s. S. 266). quid Daetrum moratum est: s. zu 272. 2. AKT, 2. SZENE In einer kurzen Arbeitspause unterhalten sich Philoponus und Panocnus voll dunkler Vorahnungen über ihren Herrn und ihre Aufgaben. Der Verwalter und der Koch treiben sie wieder an die Arbeit, als der Nomodidascalus auftritt und sie durch seine Erscheinung tief beeindruckt.
apeleutherus: der Freigelassene, d.h. der Verwalter Oeconomus (vgl. 19f. libertum agam et Oeconomon). 243 Âï™ò Ëïêñéêüò: „Bezeichnung einer geringen Gabe, weil die Lokrer einst statt eines Ochsen ein kleines Holzbild eines solchen opferten.“ (Bolte, S. 150) Diese Erklärung gibt bereits Plutarch (Paroemiographi Graeci I 325,5-8). 257 ulmeis: Macropedius wird hier an den plautinischen Euphemismus aliquem ulmeis inscribere ‘auf jd. mit Ulmenruten schreiben’ denken (vgl. Plaut. Pseud. 545 und Plaut. frg. inc. 45), wozu Servius (Aen. 1,478) erklärt, inscribere stehe hier für dilacerare. Auch Love übersetzt „if we do not want to be delivered to the blows of the elm“. Für eine Beibehaltung des überlieferten ulmei könnte sprechen, dass reddere von Macropedius zumeist mit einem Prädikatsnomen verbunden wird (781f., 827f., 847f., 1304 und Ar241
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gumentum 12); doch steht es gelegentlich auch i.S.v. tradere (vgl. 1327 und 1773, wo freilich kein Dativ folgt, sondern ad + Akk.). 266 cui: zweisilbig gemessen. 272 Daetrum morati: bedeutet nach klassischem Sprachgebrauch ‘wir haben Daetrus warten lassen’, kann aber hier nur meinen ‘wir haben auf Daetrus gewartet’ (dieselbe Bedeutung von transitivem morari auch 1007 und 1432); dagegen 239 quid Daetrum moratum est ‘was den Daetrus aufgehalten hat’. 273 sequiminor: Morphologie nach dem Vorbild mittelalterlicher Grammatiken; so lehrt z.B. Bonifatius zum Imperativ Futur folgende Formen des Passivs: audiaris vel auditor, audiatur, audiamur, audimini vel audiminor, audiantur (Bonif. ars gramm. 54,619-623). 2. AKT, 3. SZENE Der Nomodidascalus erkundigt sich nach Hecastus und Epicuria und äußert sich indigniert über ihren Hang zu weltlichen Genüssen.
Henecastum: d.h. FÅíÝêáóôïí, Akk. zu Hisecastus (= ÅjóÝêáóôïò) in 294. Macropedius betätigt sich als Etymologe: Das griechische fêáóôïò sei auf ålò - (å)êáóôïò zurückzuführen und sei also wie sein lateinisches Pendant unusquilibet ein Kompositum, das als ersten Bestandteil das Zahlwort für die Eins enthalte. (Richtig ist wohl fêáóôïò < eêÜò ôéò ‘jeder für sich’, wobei eêÜò < ódå-êÜò ‘für sich’; vgl. H. Frisk, Griechisches Etymologisches Wörterbuch, Heidelberg 1960, s.v.) – hunc primulum: Diese Worte gehören (wie Metrik und Syntax erweisen) an das Ende von 290, nicht (wie in A und U) an das Ende von 289; der Irrtum bleibt indes von Bolte und auch von Love unbemerkt, der infolgedessen so übersetzt: „this man, whom all address as their leading citizen and as Henecastus and Everyman“. 294 Hisecastus: s. zu 290. 296 reversus est: wie in der Vulgata (dort über 100mal) anstelle der klassischen Form revertit. 300ff. tempus terendum …: Mit deutlichen Worten bringt der göttliche Gesandte die Sündhaftigkeit der von Hecastus betriebenen Zeitverschwendung zum Ausdruck. 304 Variation des Sprichwortes mors certus, hora incerta; der Gedanke nimmt auch in der Emblematik des 16. Jhs. eine prominente Stellung ein (vgl. etwa Henkel/Schöne 1967, 1345). 306 mandata: longum pro brevi im zweiten Metrum. 290
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2. AKT, 4. SZENE Im Gespräch mit dem Nomodidascalus stellt Epicuria ihre einfältige Borniertheit unter Beweis. 314 deinde: zweisilbig durch Synizese (anders z.B. 162 und 164). 326 suae: einsilbig zu messen (andernfalls wäre die Kürze im ersten
Metrum nicht realisiert); s. zu 341. 341 tuo: einsilbig zu messen (der Vers sonst contra metrum); s. zu 326. 343 lustrumque … septimum: Ein Lustrum entspricht fünf Jahren, Hecastus und Epicuria sind also 30-35 Jahre alt (vgl. auch 625). Die Angabe steht indes in Widerspruch zum Alter der Söhne (vgl. zu 784); möglicherweise deshalb setzt Sachs ihr Alter um einige Jahre herauf (s. zu Sachs 217). 2. AKT, 5. SZENE Epicuria lässt durch Panocnus ihren Gatten rufen und gibt ihrer Magd Anweisungen für das abendliche Festmahl. 362 372
Kürze im zweiten Metrum (-timae discri-) nicht realisiert. styrace, galbano: Harzsorten. 2. AKT, 6. SZENE Der Nomodidascalus unternimmt einen weiteren vergeblichen Versuch, Epicuria die Verkehrtheit ihres Lebenswandels vor Augen zu führen.
carnem … vermibus: weil der menschliche Leib nach dem Tode den Würmern zum Fraße dient (vgl. 970 esca vermibus). 381 ditissimus est: nicht mit Doppelkürze statt Kürze im letzten Metrum, sondern ohne Berücksichtigung des -s im Auslaut (d.h. = ditissimu’st). 390f. an non … perfrui: s. zu Sachs 247-249. 395ff. mit Bezug auf die Parabel von der Arbeit im Weinberg, die in Mt 20,1-16 erzählt wird. 397f. si vera sit … paenitentia (s. auch 936 und 2013): Die Sentenz begegnet in verschiedener Form bereits bei mittelalterlichen Autoren; die Formulierung hier steht nahe bei Thom. Chob. praed. 6,3201ff.: Finalis enim penitentia, quantumcumque parva sit, sufficit ad salutem, quia penitentia numquam est sera, si est vera ‘denn schließliche Reue, so schwach sie auch sein mag, genügt zur Errettung, da Reue nie zu spät kommt, wenn sie echt ist’. 399 homo bulla inanis (ebenso 581): nach Varr. rust. 1,1,1: properandum, quod, ut dicitur, si est homo bulla, eo magis senex ‘Eile ist geboten, denn wenn, wie man sagt, der Mensch eine Luftblase ist, dann ist ein Greis erst recht eine’. Die Redensart kommentiert von Erasm. adag. 2,3,48. 378
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Kommentar
404f. Das Argument widerspricht dem, was der Nomodidascalus kurz zuvor über die echte Reue, die niemals zu spät kommt, gesagt hat. „His logic is not exactly divine, but it is lost on Epicuria anyway.“ (Best 1972, 116)
2. AKT, 7. SZENE Hecastus wird von der ehrfurchtgebietenden Gestalt des Nomodidascalus vor Gottes Gericht geladen. Zutiefst erschrocken über das Schreiben in so fremdartiger Schrift ruft er seinen gebildeten Sohn zu Hilfe.
et si ignobilis: Boltes Tilgung des vermeintlichen Druckfehlers si ist unhaltbar: et beschließt das dritte Metrum, so dass durch das konsonantisch anlautende si die erforderliche (Positions-)Länge hergestellt wird. 441ff. assistere tribunalibus …: Hier nimmt die den gesamten Text konstituierende Gerichtsallegorie ihren Ausgang: Der Angeklagte wird vorgeladen, bald darauf (559ff.) wird die Anklage formuliert, im nächsten Akt sucht der Reiche nach Rechtsbeistand usw. 443 frigidam: hier wohl in der Bedeutung ‘langweilig, belanglos, unbedeutend’, schwerlich i.S.v. ‘schauerlich’ (bzw. ‘chilling’, wie Love übersetzt) oder neglegens dei, impius (auch wenn dies im Kirchenlatein durchaus vorkommt; vgl. H. Rubenbauer, Art. frigidus, ThLL 6,1325-1331, hier 1330). 446ff. quid Caesari mecum commune …: Hecastus missversteht die Forderung vor den „König“ im weltlichen, feudalrechtlichen Sinne: Als freier Stadtbürger, der sich nicht mehr als Untertan des Monarchen ansieht, fühlt er sich diesem nicht rechenschaftspflichtig. 455 Hecastus versteht nichts, da das Schreiben Gottes natürlich in Hebräisch abgefasst ist (vgl. 615-621). 464f. humanis in litteris: Hecastus ahnt zwar (vgl. 457), will aber noch nicht wahrhaben, dass er kein Schreiben von Menschenhand in Händen hält. 466 Philomathea: korrekte Form des griech. Akkusativs und deshalb zu Unrecht von Bolte (S. 150) als „Druckfehler“ klassifiziert (erst seine „Verbesserung“ Philomathen widerspricht der griech. Formenlehre). 468 ein halbes Metrum zu lang. 473 Hecastus leidet an Pleuritis (s. zu 485). 429
2. AKT, 8. SZENE Hecastus bekommt von seinem Sohn eine medizinische Diagnose gestellt und erbittet seine Übersetzerdienste. Das beträchtliche Selbstvertrauen des Sohnes erfährt durch den Anblick des Nomodidascalus einen Dämpfer. 480 Hippocraten: Hippokrates von Kos (5. Jh. v. Chr.), der berühmteste Arzt der Antike, unter dessen Namen ein umfangreiches Corpus medizinischer Schriften im Umlauf war (sog. Corpus Hippocraticum) (s. auch zu 490).
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ein halbes Metrum zu kurz. – cedo manum! hem manum: die Formulierung nach Plaut. Capt. 859 (ERGASILUS:) cedo manum. (HEGIO:) em manum. Philomathes will seinem Vater den Puls messen (vgl. zu 1586f.). – pleuritis: Mit diesem Begriff bezeichnete man „verschiedene entzündliche Erkrankungen der ‘Seite’ (gr. pleura) u. der Brusthöhle“ (M. Stamatu, Art. Pleuritis, in: Leven 2005, 713f. [hier 713]). Als Hauptsymptome gelten bei Galen (neben den namensgebenden Schmerzen in der Seite) schwacher und zugleich rasender Puls sowie Fieber: ìÝãéóôïí äx ôï™ôE hóôé ãíþñéóìá ðëåõ485
ñßôéäïò “ëåñßáò, åk óêëçñ’ò jêáí§ò ¿ óöõãì’ò ãÝíïéôï êár äéN ôï™ôï êár ìéêñüò êár äéE Tìöù ôå ôá™ôá êár ôxí åñìüôçôá ðõêíüôáôïò, ‘das
wichtigste Merkmal der tödlichen Pleuritis ist es jedoch, wenn der Puls ziemlich hart wird und deshalb auch schwach und aufgrund dieser beiden Ursachen sowie des Fiebers sehr hektisch’ (Gal. praesag. puls. 9,401,6-9; vgl. auch A. Wilson, On the history of disease-concepts: The case of pleurisy, History of Science 38 [2000], 271-319 [hier 292]). Hecastus weist all diese Symptome auf (vgl. 473) und ist insofern ein Pleuritiker, wie er im Buche steht; allerdings kommt in seinem Falle noch schwarzer Urin hinzu (s. zu 1149ff.). 489 repulerit: Boltes Korrektur reppulerit geht auf Kosten des Metrums. 490 Galeno: Galens Originalwerke waren (nach ihrer Wiederentdeckung im 14. Jhdt.) erstmals 1525 gedruckt worden und lagen zur Zeit der Abfassung des Hecastus auch schon in einer Vielzahl lateinischer Übersetzungen vor (auf die Philomathes freilich nicht angewiesen ist; vgl. 519 omnemque linguam haud barbaram novi probe). Die große Autorität, die Galen damals besaß (was sich an dieser Stelle auch im Hecastus niederschlägt), hatte allerdings nicht mehr lange Bestand; schon „um 1600 war G. als Quelle zuverlässigen medizinischen Wissens der Ant. von Hippokrates abgelöst“ (V. Nutton, Art. Galenos aus Pergamon, DNP 4 [1998], 748-756, hier 755). 509 dum: hier kausal (vgl. LHS Bd. 2, 614f.). 514 nostro in orbe: (unübersetzbares) Spiel mit dem Doppelsinn von orbis (‘Land’/‘Erde’). Philomathes hält den Nomodidascalus für einen Menschen und will sagen: ‘hier in unserem Land’ – das Publikum aber, das ja weiß, dass der Nomodidascalus der Gesandte Gottes ist, wird die Worte verstehen als ‘hier auf Erden’. 518 leges profanas/sacras: Die Rechtsfakultäten waren (und sind z.T. heute noch) unterteilt in Kirchenrecht und weltliches Recht; im Regelfall wurde der Promovend zum Dr. iuris utriusque promoviert. 525 Macropedius erreicht hier bei allem Ernst einen weiteren komischen Effekt, indem er Hecastus zitieren lässt, was ihm selbst kurz zuvor von Panocnus gesagt worden ist (vgl. 435).
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2. AKT, 9. SZENE Philomathes und seine humanistische Gelehrsamkeit kapitulieren vor dem göttlichen Schreiben. Also setzt der Nomodidascalus Hecastus in allen Einzelheiten auseinander, was ihm bevorsteht.
cape, lege: nach Aug. conf. 8,12 tolle, lege. Es sind die Worte, die den Anstoß zu Augustins schließlicher Bekehrung gaben; insofern konnte Macropedius dem Nomodidascalus hier keine passenderen Worte in den Mund legen. 533 humaniores litteras scio: Damit steht Philomathes für den Humanismus in seiner Gesamtheit, dessen beschränkter Nutzen in dieser Szene vor Augen geführt wird. 542 abi in malam crucem: plautinisch (z.B. Most. 850) (s. auch zu 1179). 557 exigaris: hier analog zu postulare alqm alqd mit doppeltem Akkusativ. 559ff. erstmalige Formulierung der Anklage (s. zu 441ff.). 559 ein Hypermeter, der ermöglicht wird durch abwechslungsreiche Messung des nächsten Verses: Ī-ş-r-ĕ-jş | ran-dŇ dʼn-lŇ | per-jş-rī-Ň (oder auch pĕrī-ş-rī-Ň), also iur- teils einsilbig (mit konsonantischem i-), teils zweisilbig (mit vokalischem i-); ähnlich 1268 und passim Iesum dreisilbig. 578 fruisci: wohl kein Druckfehler für frunisci, da dieselbe Form auch in Macr. Hypom. 1024 und Macr. Laz. 678/680 (hier ps.-archaisch fruiscier). Möglicherweise greift Macropedius auch hier (s. zur Vorrede, Z. 14) auf einen fehlerhaften Gellius-Text zurück, denn in Gell. 17,2,5-8 bietet ein Teil der Überlieferung fruisci statt frunisci. 581 homo bulla inanis: s. zu 399. 590f. locum-|que: Synaphie (s. S. 267). 601 precesve: Boltes Korrektur des überlieferten precesne dürfte berechtigt sein, denn die Fragepartikel -ne wird sonst in den Drucken nicht als Enklitikon geschrieben. 602 heu, heu, miser, quid natus sum: Variation über Jer 20,14 maledicta dies, in qua natus sum „verflucht sei der Tag meiner Geburt“; die alttest. Formel wird im Mittelalter zum stehenden Ausdruck für Sinnlosigkeitserfahrung und Verzweiflung, die desperatio. Damit steht Hecastus hier, zumindest vorübergehend, in der Todsünde, denn als solche wird die Verzweiflung seit Augustins radikaler Interpretation v.a. von Mt 12,31 (omne peccatum et blasphemia remittetur hominibus, Spiritus autem blasphemia non remittetur „alle Sünde und Lästerung wird den Menschen vergeben werden, aber die Lästerung wider den Geist wird ihnen nicht vergeben werden“) gewertet: Verzweiflung sei der grundsätzliche Zweifel an der Gnadenfähigkeit des (reuigen) Sünders und insofern die furchtbarste Todsünde. Nach Thomas v. Aquin und der Scholastik setzte Luther (z.B. in der Heidelberger Disputation [1518], Th. 17) diese Bewertung der Verzweiflung als Todsünde kon527
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sequent fort; vgl. dazu insgesamt F. Ohly, Desperatio und Praesumptio. Zur theologischen Verzweiflung und Vermessenheit, in: H. Birkhan (Hg.), Festgabe für Otto Höfler zum 75. Geburtstag, Wien – Stuttgart 1976, 499-556; F. Decher, Verzweiflung. Anatomie eines Affekts, Lüneburg 2002; M. Stickelbroeck, Über die ‘desperatio’ als Ursprungssünde bei Thomas v. Aquin, Angelicum 81 (2004), 505-520. – natus sum = natu’ sum (s. S. 266). 615ff. Mit Bezug auf Dan 5,25-28: haec est autem scriptura quae digesta est ‘mane thecel fares’ et haec interpretatio sermonis: ‘mane’: numeravit Deus regnum tuum et conplevit illud. ‘thecel’: adpensus es in statera et inventus es minus habens. ‘fares’: divisum est regnum tuum et datum est Medis et Persis ‘So aber lautet die Schrift, die dort geschrieben steht: mane thecel fares. Und sie bedeutet folgendes: mane, Gott hat dein Königtum gezählt und beendet; thecel, man hat dich auf der Waage gewogen und zu leicht befunden; fares, dein Reich ist zerteilt und den Medern und Persern gegeben’; da aber bezogen auf Hecastus nicht mehr gut von regnum tuum die Rede sein konnte, passt Macropedius den Text dem neuen Kontext an und schreibt stattdessen vitae tuae dies (s. auch zu 617). – !ysir>p; lqeT. hnEm: mit einigen Abweichungen vom biblischen Text: hnEm (in aramäischer Schreibung) statt anEm und aus metrischen Gründen nur einmal hnEm (statt wie in Daniel zweimal) sowie kein W vor !ysir>p.; 617 minus habentes: Prädikativum zu dies. – Macropedius liest in Dan 5,27 nicht adpensus und inventus (s. zu 615ff.), sondern (mit den meisten Zeugen der handschriftlichen Überlieferung) adpensum und inventum (d.h. regnum tuum). Nach der Änderung von regnum tuum zu vitae tuae dies (s. zu 615ff.) musste er konsequenterweise auch das biblische minus habens in den Plural setzen, selbst wenn ihm so eine Katachrese unterlief (dies ponderavit minus habentes). – Love fasst habentes als direktes Objekt zu ponderavit auf (wenig sinnvoll): „And the very great God has weighed those who have less.“ 619 ein halbes Metrum zu kurz. 620-623 ^t,ybel. wc; … non vixeris: nach Jes 38,1 dispone domui tuae, quia morieris tu et non vives. 623 tonantis: in antiker Literatur gängiges Epitheton Iupiters (z.B. Ov. met. 1,170, Luc. 1,35, Sen. Herc. 1), das den Worten des Nomodidascalus zusätzlich Erhabenheit und Nachdruck verleiht. 625 annum tricesimum: s. zu 343 und 784. 2. AKT, 10. SZENE Am Boden zerstört fasst Hecastus den Entschluss, nach irgendeinem Helfer in der Not zu suchen. 634ff. O mors, quam amara est mentio tui …capere cibum: nach Sir 41,1 o mors, quam amara est memoria tua homini pacem habenti in substantiis suis, viro quieto et cuius viae directae sunt in omnibus et adhuc valenti accipere cibum ‘o Tod, wie bitter
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ist der Gedanke an dich für einen Menschen, der zufrieden ist mit seinen Verhältnissen, für einen Mann, der friedlich lebt, dessen Wege in allem geradeaus führen und der imstande ist, sich das Essen schmecken zu lassen’. 639 ein halbes Metrum zu kurz. 649 o si … amicum offenderem: Auftakt zum Drei-Freunde-Motiv, das stoffgeschichtlich seit jeher mit der Gerichtsallegorie verbunden war (s. S. 3). 2. AKT, CHOR Über die zwei Arten des Todes.
Melodie (nur in U): wie zu 192ff. nach Sir 41,1 (s. zu 634ff.). mors prior – secunda mors: vgl. Offb 20,14 haec mors secunda est stagnum ignis und Offb 21,8 in stagno ardenti igne et sulphure, quod est mors secunda. Ausführlicher wird das Motiv des zweifachen Todes in 1621ff. entwickelt. 656-659 668-670
3. AKT, 1. SZENE Hecastus äußert späte Reue und bekräftigt seinen Entschluss, einen Begleiter zu finden. 694
primiter: aus dem Vokabular des Mittelalters. 3. AKT, 2. SZENE Zuerst versucht Hecastus es bei seinen Freunden (darunter Daemones), doch die winken bald ab.
696 obviu’st: = obvius est (s. S. 266). 710 ad unguem: nach Hor. serm. 1,5,32f.
ad unguem factus homo, wozu Porphyrio erläutert: quaecumque perfectissima esse volumus significare, ad unguem facta dicimus ‘wenn wir irgendetwas als höchst vollkommen bezeichnen wollen, dann sagen wir, es sei bis auf den Nagel genau gemacht’. 740 ii: s. zu 89. 3. AKT, 3. SZENE Hecastus wendet sich nun an seine Verwandten – mit gleichem Erfolg wie in der vorigen Szene. 756 unum … reddere (ebenso in 900): nach Hiob 9,3 respondere unum pro mille. Hecastus mag hier an das in Mt 18,23-35 geschilderte Schuldner-Gleichnis denken; dass aber eine regelrechte Rückzahlung, wie er sie sich offenbar
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vorstellt, weder möglich noch nötig ist, macht ihm erst Hieronymus deutlich (5. Akt, 4. Szene, v.a. 1368ff.). 757 ita me iuvent pii Ioves: nach dem Muster von ita me iuvent caelites (Catull. 61,189f.), hier allerdings in einen christlichen Kontext transponiert und daher nicht wörtlich zu verstehen. 765f. maximam as- | Sumptisque: die Synaphie (s. S. 267) von Bolte anscheinend übersehen, denn sonst hätte doch wohl er bereits – wie in 590f. – das Druckbild entsprechend gestaltet. 770ff. nos … tuebimur: sicherlich nicht ohne eigennützige Hintergedanken. 775 insimul: aus dem Vokabular des Mittelalters. 780 meis: einsilbig durch Synizese (sonst Kürze im ersten Metrum nicht realisiert). 3. AKT, 4. SZENE Die beiden Söhne weigern sich, ihrem Vater in den Tod zu folgen. 784 ex ephebis cessimus: nach Plaut. Merc. 61 bzw. Ter. Andr. 51. – Aus der Angabe ergibt sich, dass die beiden Söhne kaum mehr als 10 Jahre jünger sind als ihre Eltern (s. zu 343 und 625). Vgl. Best 1972, 175 (Anm. 3 zu Kap. 5): „Philocrates says that he is crying even though he and his brother have both reached manhood („tametsi uterque modo ex ephebis cessimus“). This implies that each of them is older than twenty, despite the fact that Hecastus is only thirty! Epicuria may be thirty-five.“ 787 amodo: aus dem Vokabular der Vulgata (19 Belege) und des Mittelalters; hier das erste Mal im Stück, kurz darauf noch einmal (s. zu 817). 793ff. armis bellicis etc.: In seinem Unverständnis spielt sich der ältere Sohn als heroischer Kämpfer auf, der mit Kampfeserfahrung, Stärke und Tapferkeit helfen will. 795 ein Hypermeter. 796ff. quicquid scio etc.: Nicht minder unangemessen als sein Bruder (s. zu 793) reagiert der jüngere Sohn, der auf Klugheit und gelehrte Kunst setzt. 797 sacris/profanis legibus: s. zu 518. 798 in arte disserendi utraque: d.h. in der Logik (als ars disserendi schon bei Cic. de orat. 2,157 bezeichnet), die in der frühen Neuzeit (z.B. von Agricola und von Petrus Ramus) in analytische Urteilslogik (iudicium) und praktische Findungslogik (inventio) aufgeteilt wurde (vgl. E. Eggs, Art. Logik, in: G. Ueding [Hg.], Historisches Wörterbuch der Rhetorik, Bd. 5, 414-615, v.a. 556-563). – Loves Übersetzung „or in the art of distinguishing between them“ ist grammatisch (utraque [und eben nicht utrasque] kann nicht auf das vorangehende sacris vel profanis legibus bezogen sein) wie lexikalisch (disserere distinguere) unmöglich. 801 suadet: zweisilbig.
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805ff. iudicis meme exigit censura …: Auch den Söhnen verhehlt Hecastus die eigentliche Bedeutung der Gerichtsvorladung zunächst. 806 censura: hier mit der speziellen Bedeutung ‘Urteil eines (kirchlichen) Gerichts’ (vgl. Niermeyer s.v. censura 4.). 817 amodo: Die spätere Änderung zu posthac mag dadurch motiviert worden sein, dass amodo der antiken Literatur noch unbekannt war (vgl. zu 787), wohingegen posthac z.B. bei Plautus 25-mal belegt ist. (In 787 allerdings blieb amodo unverändert.) – apage sis: Plaut. Poen. 225, Ter. Eun. 756. 827 patrocinio: Doppelkürze statt Kürze im letzten Metrum, denn -tro- ist lang zu werten; vgl. Macr. pros. S. 40: „[Producuntur] verba in ocinor (ut patrocinor) et nomina in ocinium (ut patrocinium, tirocinium).“ 844 adhibe tibi mancipia et aeris plurimum: Der studierte Sohn scheint zunächst juristisch konsequent zu argumentieren, wenn er dazu rät, anstelle der freien, nicht weisungsgebundenen Söhne die unfreien, leibeigenen Knechte zum Beistand zu verpflichten. Mit dem folgenden Ansinnen, es beim Herrn des Himmels mit Geld zu versuchen, gibt Macropedius ihn jedoch der Lächerlichkeit preis und relativiert auf diese Weise die Bedeutung weltlichen Wissens (wie es noch deutlicher in 159954ff. geschieht). 847 nisi: hier wohl = si non. 844 mancipia: eigtl. ‘Sklaven’, nachantik zur Bezeichnung verschiedener Gruppen von Abhängigen (vgl. Niermeyer s.v. mancipium). 852 mancipia: s. zu 844. 856 longum pro brevi im zweiten Metrum.
3. AKT, 5. SZENE Hecastus befiehlt seinen Knechten, den Reichtum herauszubringen, und ahnt, dass er auch bei seiner Frau wenig Erfolg haben wird. 871 suave: von Bolte als Attribut zu consuetudine verstanden und daher durch die korrekte Form des Ablativs (suavi) ersetzt. Diese Konjektur verstößt jedoch gegen das Metrum, weshalb wir es vorziehen, suave als Adverb aufzufassen und auf fruitus sum zu beziehen. 878 ecquis exiet: nach Plaut. Bacch. 582 ecquis exit.
3. AKT, 6. SZENE Auch Epicuria schlägt Hecastus seine Bitte ab, mit ihm in den Tod zu gehen. 886 longum pro brevi im zweiten Metrum. 891 tace: iambisch (vgl. zu 1159 und 1408/10). 897 chåérographo: s. zu 104. 900 unum … reddere: s. zu 756.
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3. AKT, 7. SZENE Schließlich versagt auch der Reichtum Hecastus seine Dienste im Jenseits. Endgültig von allen verlassen, geht Hecastus ab, um sich für den letzten Weg bereitzumachen. 919ff. vim maximam … impertiar: Epicuria plant die seelenrettenden Werke papstkirchlicher Praxis und entspricht damit noch dem vorreformatorischen Bild der Werkgerechtigkeit. 923ff. Diese Szene mit den Knechten, die den Reichtum heraustragen, „passed via Hans Sachs’ 1549 German version of this play into Hugo von Hofmannsthal’s modernization of Everyman 1911“ (Best 1972, 119). 942 ad alienum dominium transeo: Die „Treulosigkeit“ des Plutus erscheint hier als Bild für die Liquidität des Geldes.
3. AKT, CHOR Aus einem memento mori wird das Gebot sittlicher Besserung abgeleitet.
Melodie (nur in U):
Dieselbe Melodie auch 1128ff. fastuosus: aus dem Wortschatz des Mittelalters. esca vermibus: vgl. Paul. Nol. carm. 31,574 erit vermibus esca suis. corrigamus ergo …: Damit stellt das Lied gleichsam einen positiven Gegenentwurf zum ersten Chorlied dar, worin die Erkenntnis der eigenen Sterblichkeit in grenzenlosen Hedonismus mündete (s. zu 204). 968 970 971
4. AKT, 1. SZENE Hecastus nimmt Abschied.
relicta a compari: Überliefert sind relicta compari (A) bzw. relicto compari (U). Die zweite Version (abl. abs.) ergibt keinen guten Sinn, da es schließlich nicht Epicurias Gatte, sondern sie selbst ist, die verlassen wird. Insofern ist die Version des Erstdruckes vorzuziehen, doch würde man bei relicta nicht den bloßen Ablativ der handelnden Person erwarten – auch Macropedius selbst schreibt in 952 derelictus ab omnibus (und eben nicht bloß omnibus). Daher erscheint uns die leichte Konjektur relicta a compari vertretbar. 985
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Kommentar
4. AKT, 2. SZENE Der Tod will Hecastus holen, lässt sich aber noch einen kurzen Aufschub abhandeln. Mit dem Erscheinen der Tugend eröffnet sich für Hecastus der rettende Ausweg.
Die Verhandlung mit dem Tod erzeugt Spannung, und zugleich ermöglicht die letztlich ausgehandelte Stundenfrist die getreue Einhaltung der dramaturgischen Einheit der Zeit. 1007 nihil moror: im antiken Latein, v.a. bei Plautus (z.B. Mil. 280) häufige Floskel in der Bedeutung ‘meinetwegen’ oder ‘das ist mir gleichgültig’, die hier aber wohl in der Bedeutung ‘ich warte nicht’ gebraucht wird (s. zu 272); im Munde des Todes (mors) erhält sie einen eigenartigen Klang. 1009 vix annuo: Die Bereitschaft, mit der der Tod letztlich in diese Fristverlängerung einwilligt, erscheint recht unmotiviert. 1006-1009
4. AKT, 3. SZENE Die Tugend macht Hecastus wieder Hoffnung. 1035 stemmata: nachantik i.S.v. ‘Krone, Diadem’ (vgl. DuCange und Niermeyer s.v. stemma). – Love übersetzt „the garlands of pleasure“. 1040 salvus es! - salute nil mihi est … magis opus: Spiel mit dem Doppelsinn von sal(v)us (‘Gruß’/‘Rettung, Seelenheil’), praktisch unübersetzbar, wenn man (wie wir) nicht auf ‘Heil dir, Hecastus!’ zurückgreifen will. Wir behelfen uns mit einer „Doppelübersetzung“. 1057 fateor: Beginn einer gestaffelten Serie beichtartiger Schuldbekenntnisakte, die Hecastus letztlich für die Gnade Gottes bereit machen. 1064 preces: in beiden Drucken praeces geschrieben, im Widerspruch sowohl zur Metrik (denn das Wort wird iambisch gemessen) als auch zu Macr. pros. S. 9: „Non minus a prae inchoata Latina dictio quam a prae composita per ae scribenda est, ut praeda, praelium, praeter, praecipio etc. Excipiuntur precor cum suis (…).“ Es handelt sich also wohl um eine Eigenmächtigkeit des Druckers. 1067 contra metrum (ein halbes Metrum zu lang), wenn man nicht secus = secu’ lesen und damit zugleich Doppelkürze statt einfacher Kürze in den Kauf nehmen will; tibi wäre entbehrlich und ist vielleicht aus dem folgenden Vers hier hineingeraten, wo es an identischer Stelle steht. 1095 si qua pietatis viscera: Erweiterung einer gängigen Wendung antiker Poesie (vgl. etwa Verg. Aen. 9,493 si qua est pietas, 11,502 si qua est fiducia) durch einen Genitiv nach dem Muster von Lk 1,78 per viscera misericordiae (s. zu 1216), in dieser Form z.B. schon bei Petrus Chrysologus (serm. 155,6) und einigen späteren Autoren (darunter Bernhard v. Clairvaux).
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4. AKT, 4. SZENE Philoponus und Panocnus stehen ihrem Herrn zur Seite. 1109 satagite: Kirchenlatein (frühester Beleg: 2 Petr 1,10 magis satagite, ut …). 1113 Hebrus: der Hauptfluss Thrakiens (heutiger Name: Evros), in der An-
tike v.a. für seine eisige Kälte bekannt (vgl. Hor. carm. 3,25,10, Hor. epist. 1,3,3, Verg. Aen. 12,331). 1125 contra metrum (ein volles Metrum zu kurz). – causa animi: der Genitiv bei causa hier aus metrischen Gründen nachgestellt. 4. AKT, CHOR Der Tod ist das Tor zum ewigen Leben und büßt so seinen Schrecken ein.
Melodie (nur in U): wie zu 959ff. beati scriptitantur, in Deo qui obdormiunt, hinc quod omnibus quiescant a suis laboribus: nach Offb 14,13 scribe: beati mortui qui in Domino moriuntur; amodo iam dicit Spiritus, ut requiescant a laboribus suis, jedoch unter bemerkenswerter Auslassung der dort folgenden Begründung opera enim illorum sequuntur illos ‘denn ihre Werke folgen ihnen nach’. Wie man so sagt: Cum tacet, clamat – es ist beredtes Schweigen. Auf die Werke kommt es Macropedius gerade n i c h t an. 1136f. mors … pretiosa in Dei conspectu: nach Ps 115,15 pretiosa in conspectu Domini mors sanctorum eius ‘der Tod im Anblick des HERRN ist kostbar für seine Heiligen’. 1142 beatae porta vitae: das Bild nach Joh 10,9 ego sum ostium; per me si quis introierit, salvabitur ‘ich bin die Tür; wenn jemand durch mich hineingeht, wird er selig werden’. 1132-1135
5. AKT, 1. SZENE Die beiden Söhne treffen Vorkehrungen für das letzte Stündlein ihres Vaters und streiten sich um das Erbe.
Die Harnschau war von jeher ein wichtiges Mittel zur Diagnose wie zur Prognose. Dabei galt schwarzer Urin als Anzeichen für eine hoffnungslose Erkrankung: pessima tamen est praecipueque mortifera nigra, ‘am schlimmsten jedoch und auf jeden Fall tödlich ist schwarzer [d.h. Urin]’ (Cels. med. 2,6,11). Aufstellungen möglicher Veränderungen des Urins und der entsprechenden Krankheiten kennt man seit Galen (vgl. A. Touwaide, Art. Uroskopie, DNP 12/1, 1053f.). S. auch zu 1586f. 1159 vide: hier iambisch gemessen (anders dagegen 1408/1410). 1149ff.
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1167 de hereditariis bonis: Der beginnende Erbstreit bildet einen scharfen Kontrast zur durch den Glauben und den Priester befriedeten Familienatmosphäre nach dem Tod des Hecastus (1793ff.). Vgl. auch zu 1729ff. 1171 abrogatis: Die Änderung obrogatis in U ist vermutlich bloß ein Druckfehler (obrogare wird sonst nicht transitiv gebraucht). 1179 abi in malam rem: plautinisch (z.B. Capt. 877, Epid. 78) (vgl. zu 542). 1181 contra metrum, da eine Silbe zu lang; qui wäre entbehrlich. 1184 latum culmulum: dieselbe Redensart auch 159925. 1185 cessurus sum: = cessuru’ sum (s. S. 266). 1189ff. ne … persuadeat: Wie ihr Vater (90f.), so sind auch die Söhne davon überzeugt, dass alle Geistlichen nur materiell orientiert sind; dass zumindest dieser hier aus anderem Holz geschnitzt ist, wissen sie noch nicht.
5. AKT, 2. SZENE Tugend und Glaube besprechen die Lage und die Aussichten auf Erfolg. 1206 contra metrum. 1216 per viscera misericordiae Dei: Lk 1,78 – wir übersetzen mit Luther. 1232 pater luminum: nach Jak 1,17 descendens a Patre luminum. 1233 iam: evtl. stärker auf supplici bezogen (‘für deinen jetzigen Schützling’),
wie Love es auffasst: „now that he is a suppliant again“; denuo allerdings gehört sicherlich zu restituerit. 1234f. ad Christum enim nemo venit, nisi quem pater caelestis ultro traxerit: nach Joh 6,44, allerdings nicht nach der Vulgata (nemo potest venire ad me, nisi Pater, qui misit me, traxerit eum), sondern in dem Wortlaut, der etwa bei Augustin oft zitiert wird (z.B. Aug. in evang. Ioh. 26,4 nemo venit ad me, nisi quem Pater adtraxerit) und schon in der Vetus Latina vorgebildet ist (vgl. Tert. adv. Prax. 21 neminem porro ad se venire posse nisi quem pater adducat). Zeitgleich gebraucht ihn auch Calvin (Christianae religionis institutio 2,5,5). 1240 fides ab auditu: nach Röm 10,17 fides ex auditu, auditus autem per verbum Christi. 1248 praei: iambisch, da Vokal vor Vokal kurz gemessen wird; vgl. Macr. pros. S. 6: in Latinis tam efficax est haec regula, ut etiam diphthongon, si vocalem praecedat, corripiat, ut ‘praeiens’, uu– ‘im Lateinischen wirkt diese Regel so stark, dass sie selbst einen Diphthong kürzt, wenn er einem Vokal vorangeht, z.B. praeiens uu– [d.h. anapästisch]’. 5. AKT, 3. SZENE Komisches Intermezzo: Der Teufel als dilettierender Rhetoriker.
abstinete …: Der Teufel scheint sich (durchaus zu Recht) seiner rhetorischen Fähigkeiten nicht sicher zu sein und sucht deshalb die erwarte-
1254ff.
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ten belustigten Reaktionen des Publikums im Keim zu ersticken, wodurch er sie freilich erst recht provoziert. – Die Einbeziehung des Publikums in die Bühnenhandlung (und damit die Aufhebung der Grenze zwischen Bühnenfiktion und Wirklichkeit) ist ein Charakteristikum der antiken Komödie und wohl auch hier komisch gemeint. Bei Sachs erhält sie eine wesentlich ernstere Funktion (s. zu Sachs 934-937). 1257-1260 Durch die ins Groteske getriebene Redundanz seiner Rede erweist sich der Satan als ausgesprochen tumber Geselle; dies lässt bereits erwarten, dass er in den anstehenden Diskussionen den Kürzeren ziehen wird (anders Sachs 938ff.; s. den Kommentar zur Stelle). 1257 superbus, arrogans: sc. Hecastus (vgl. 1498f.). 5. AKT, 4. SZENE Hecastus wird zum rechten Glauben bekehrt. Nach einer ausführlichen Diskussion des Gerechtigkeitsbegriffs und des Stellvertretertodes Jesu erkennt er, dass Gottes Gnade und Liebe größer ist als alle seine Sünden.
mystica: im Mittel- und im Kirchenlatein häufig mit der Bedeutung ‘heilig’ (vgl. Niermeyer s.v. mysticus). 1266ff. credisne …: Hieronymus konfrontiert Hecastus mit dem Glaubensbekenntnis der Liturgie. Damit beginnt der Glaubensdisput, worin Buchstabenglaube und Gnadenglaube einander gegenüber gestellt werden, bis letzterer sich durchsetzt. 1268 Iesum: dreisilbig (vgl. zu 559) wie auch 1276. 1279 Salustium: Die Schreibung mit einem -l- ist metrisch erforderlich. 1289f. fidei actus est credere: Dies hatte Thomas v. Aquin ausführlich dargelegt (S. Th. II-II q. 2 a. 2 und darauf bezogen q. 4, a. 1 actus autem fidei est credere). 1309 Foedissimis gravissimisque …: Hieronymus wartet nicht mehr ab, dass Hecastus seinen Satz beendet, sondern fällt ihm begeistert ins Wort. Die sich daraus ergebende Lebhaftigkeit der Darstellung ist in der überarbeiteten Fassung beseitigt. 1316 contra metrum: Hiat zwischen ecclesiam und et missachtet (vgl. zu 1488 und 1536). 1320 articulus: hier i.S.v. ‘Glaubenssatz’ (wie etwa bei Thom. Aquin. S. Th.). 1321 creduis: altlat. Form des Konj. Präs., belegt nur bei Plautus (Amph. 672, Capt. 605, Truc. 307). Die Änderung zu creduas in U orientiert sich an 1350 (s. d.). 1336 fide: in U präzisiert zu in Deum fide (ebenso in 1340). 1340 fide: s. zu 1336. 1349 -ne: hier i.S.v. nonne. 1350 creduas: altlat. Form des Konj. Präs., belegt nur bei Plautus (z.B. Bacch. 476. 504. 847) und Terenz (Phorm. 993); vgl. 1321, 1374 und 1562. 1264
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corde – ore: vgl. Röm 10,10 corde enim creditur ad iustitiam, ore autem confessio fit in salutem ‘denn wenn man von Herzen glaubt, so wird man gerecht; und wenn man mit dem Munde bekennt, so wird man gerettet’. 1364 contra metrum: halbes Metrum am Versende fehlt. 1372ff. nahezu wörtlich nach Joh 3,16 sic enim dilexit Deus mundum, ut Filium suum unigenitum daret, ut omnis, qui credit in eum, non pereat, sed habeat vitam aeternam ‘denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben’. 1374 creduat: s. zu 1350. 1375ff. posuit … nostrum: nach Ies 53,6 Dominus posuit in eo iniquitatem omnium nostrum ‘der HERR hat unser aller Sünde auf ihn geladen’. 1377f. mortuus … omnibus: vgl. 2 Kor 5,14 unus pro omnibus mortuus est. 1382 uno: im Erstdruck fehlerhaft unum (vermutlich aufgrund einer Verwechslung von uno mit unş); dass schon in der ersten Fassung uno filio hätte stehen sollen, zeigt die Parallele 1377f. mortuus unus … pro omnibus. 1392 si credis his: d.h. dem Glauben und der Tugend, die ja dabeistehen. 1399ff. quia, nisi … apud inferos: vgl. Ps 94(93),17 nisi quia Dominus adiuvit me, paulo minus habitavit in inferno anima mea (bzw. [nach dem hebräischen Text] nisi quia Dominus auxiliator meus, paulo minus habitasset in inferno anima mea) 1404 longum pro brevi im zweiten Metrum. 1405 Der Vers fehlt in U, allerdings wohl versehentlich; der Fehler wird durch die Anapher tu solus verursacht worden sein. 1408 spinis … obsitum: Mit diesen Worten wird die Dornenkrone auch von Thomas a Kempis (orat. 4 [S. 349,17f.]; pass. 2,31 [S. 193,31]) beschrieben; da Macropedius mit den Werken dieses bedeutenden Hieronymianers (v.a. mit der Imitatio Christi) gut vertraut gewesen sein wird (vgl. Giebels/ Slits 2005, 127), ist die enge Parallele wohl kein Zufall. 1410 contra metrum: vide als Doppelkürze gemessen (so auch 1408 und vale 159935; dagegen iambisch z.B. vide 1159, tace 891) 1413 iam solveris: Durch die Änderung zu absolvendus es in der überarbeiteten Fassung wird der Schuldenerlass auf später verschoben (zum Gebrauch des Gerundivums vgl. S. 264). 1415 Dominus … transtulit: vgl. 2 Sam 12,13 Dominus quoque transtulit peccatum tuum und Jes 43,25 deleo iniquitates tuas. 1421 individuas: Doppelkürze statt Kürze im ersten Metrum. 1424 Hypermeter. 1426 Hypermeter. 1428 actutum redi: plautinisch (z.B. Amph. 969, Mil. 864, Stich. 154). 1354
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5. AKT, 5. SZENE Streit zwischen Tod und Teufel, die sich gegenseitig für ihr unbefriedigendes Dasein verantwortlich machen. 1432 quoadusque te morabor: s. zu 272. 1439f. te Deus ab initio non condidit: nach
Mk 13,19 quales non fuerunt ab initio creaturae, quam condidit Deus. 1440 succurrat hoc: sc. tibi. – Love übersetzt ungenau „This occurred later, because I …“ (als stünde im Text occurrit postea). 1449f. tibi praemanderim: die Redensart wohl aus Gell. 4,1,11 sed si me tibi praemandere, quod aiunt, postulas ‘doch wenn du darauf bestehst, dass ich es dir, wie man so sagt, vorkaue …’. 1450 ut … non exprobrem: hier = ne exprobrem. 1455-1463 quoniam … transvehet: Der Tod wird hier insofern zum advocatus dei, als er die Erlösungstat Christi und die Ohnmacht von Tod und Teufel über die gläubigen Seelen explizit formuliert. 1455 leo, qui exsiliit ex Iudae tribu: nach Offb 5,5 ecce vicit leo de tribu Iuda ‘siehe, es hat überwunden der Löwe aus dem Stamm Juda’. 1470 praeibo: vgl. zu 1248. 1472 stimulus: vgl. 1 Kor 15,56 stimulus autem mortis peccatum est ‘die Sünde aber ist der Stachel des Todes’. 5. AKT, 6. SZENE Der Teufel versucht, seinen Anspruch auf die Seele des Hecastus geltend zu machen, und scheitert damit an Tugend und Glaube.
nach 1 Kor 15,52 canet enim [sc. novissima tuba] et mortui resurgent incorrupti ‘denn die letzte Posaune wird erschallen und die Toten werden auferstehen unverweslich’ (nochmals aufgegriffen in 1767f.). 1485 ii: hier zweisilbig (einsilbig dagegen 89 und 740). 1488 obviam: Das überlieferte obvia führt zu metrischen Problemen. Entweder ist es kretisch zu messen (doch mit welcher Begründung?), oder der Hiat zwischen horridum und obvia wird ignoriert (vgl. zu 1316). Beide Lösungen sind unbefriedigend und lassen sich durch Änderung von obvia zu obviam – nach häufigem komödiastischen Sprachgebrauch; vgl. z.B. Plaut. Cas. 969 uxor obviamst, Plaut. Mil. 898 obviam es, Ter. Eun. 328 is … fit mi obviam – bequem vermeiden. (Vermutlich schrieb Macropedius obviĆ, und der Drucker übersah den Nasalstrich. Ähnlich die Fehlergenese in 159934; s. den Kommentar zur Stelle.) 1491 quid … bestia: Worte des heiligen Martin (nach Sulp. Sev. epist. 3,16); ausführlicher werden sie in der Vorrede von 1552 (Z. 58ff.) zitiert. 1478f.
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1494 perfida: unübersetzbares Wortspiel mit dem Doppelsinn von fides ‘Glaube’ bzw. ‘Treue, Zuverlässigkeit’ (ebenso 1521, 1572 und 1715). 1498ff. Die Hauptvorwürfe des Teufels lauten: einerseits zahlreiche Sünden (1498-1502a), andererseits das Fehlen der guten Werke (1502b-04). 1518 modo vita sit comes: einschränkendes modo + Konj. findet sich noch an einigen anderen Stellen (z.B. im Widmungsschreiben: modo citra contentionem fieri possit). An dieser Stelle freilich bleibt der Sinn unklar; Love konjiziert deshalb (gegen das Metrum) virtus für vita, kommt damit aber auch nicht weit, und seine Übersetzung „now that Virtue is his companion“ steht in deutlichem Gegensatz zu seiner sonstigen Praxis (vgl. z.B. 14 modo spectator adsit candidus ‘provided the spectator present is pure in heart’ oder 326 modo … rationem habuerit ‘if he has regard’). 1519f. num opus bonum … credere in Christum Iesum: vgl. Joh 6,29 hoc est opus Dei, ut credatis in eum, quem misit ille. 1520f. tacebitis-|ne: Synaphie (s. S. 267). 1521 perfidae: vgl. zu 1494. 1531f. in spe … erit: nach Ies 30,15 in silentio et in spe erit fortitudo vestra ‘im Schweigen und in der Hoffnung wird eure Stärke liegen’. 1536 pluria: Boltes Konjektur plura ist mit dem Metrum unvereinbar (der gleiche unangebrachte Eingriff auch 918). 1540f. quibus-|ve: Synaphie (s. S. 267). 1545f. Eine verzwickte Stelle, wie es scheint. Love übersetzt „He indeed weighs Hecastus’ justice and all his merits, and estimates that he is a just man“, hält also Jesus für das grammatische Subjekt des Satzes und möchte keines der drei Pronomina huius, sua und se auf ihn beziehen. Hätte jedoch Macropedius wirklich jenen Gedanken äußern wollen, so hätte er gewiss nicht sua und se statt eius und eum gesetzt (obendrein vermengt mit huius!), denn im Gebrauch der Reflexiva geht er ausgesprochen bewusst vor, indem er sie konsequent auf das Subjekt der regierenden Konstruktion bezieht (einzige Ausnahme: 1121 ego aedibus suis herum ingeram). Man wird also auch hier sua und se auf das Subjekt des Satzes beziehen müssen, und das kann nach Lage der Dinge nicht Hecastus sein, sondern nur Jesus. Huius wäre dann auf Gott zu beziehen. 1546 Der Vers ist in U metrisch korrupt: sua arbitratur sed iustum existimat; vermutlich hatte Macropedius den ursprünglichen Wortlaut atque se iustum aestimat geändert in seque iustum existimat, mit der üblichen Abbreviatur seq: für seque, die beim Setzen irrigerweise als sed gelesen wurde. 1562 creduant: s. zu 1350. 1564 hic credit, ergo iustus: greift einen Kerngedanken des Römerbriefes auf; vgl. Röm 3,22 iustitia autem Dei per fidem Iesu Christi super omnes, qui credunt und 5,1 iustificati … ex fide.
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1566 contra metrum: dixeris trotz des folgenden in als Kretikus gemessen. – Love übersetzt: „You have said nothing about …“ (als stünde im Text nicht non dixeris, sondern nihil dixisti). 1571 dilemmate: Der Begriff bedeutet wörtl. ‘Doppelsatz’ und bezeichnet eigentlich eine bestimmte Form eines logischen Schlusses, scheint hier jedoch in etwas abweichender Weise gebraucht zu werden. Die Fides bezieht sich auf ihre mit den Worten iure duplici (1548) eingeleiteiteten Ausführungen unmittelbar zuvor, so dass dilemma hier soviel wie ‘doppelte Argumentation’ bedeutet (die allerdings aus Sicht des Teufels durchaus ein Dilemma darstellt). (Love hingegen übersetzt den Begriff mit „logic“.) 1572f. Ðßóôéò/Pðéóôßá: erneut unübersetzbares Wortspiel mit dem Doppelsinn ‘Glaube’/‘Vertrauen, Zuverlässigkeit’ (s. zu 1494). 1577 si ne: kühne Syntax. 1578 prototypon hoc: meint wohl die schriftliche Fassung der Anklage, die der Satan in der 3. Szene (1250ff.) niedergeschrieben hat. 1581 sacrilegus: s. zu 1587. 1583 leto – laetum: Spiel mit dem Gleichklang der Worte. – Love übersetzt „He will in no way allow him a joyful approach to Hell“ (als stünde im Text leti).
5. AKT, 7. SZENE Auftritt des Priesters und kurzer Wortwechsel mit Philomathes.
debili praesagio … ex pulsu: Die Bedeutung, die die Pulsmessung für Galen besaß, zeigt sich schon an der großen Anzahl seiner Schriften, die sich mit der Pulslehre befassen (vgl. I. Garofalo, Art. Puls, in: Leven 2005, 740f.). Auf eine davon scheint Philomathes hier Bezug zu nehmen; seine Worte erinnern an den lateinischen Titel von Galens Schrift Ðåñr ðñïãíþóåùò óöõãì§í, De praesagitione ex pulsibus (s. zu 473). – atro lotio: vgl. zu 1149ff. 1587 sacrificus: wohingegen der Teufel ihn als sacrilegus tituliert (z.B. eben erst in 1581). 1590 Acolyto: von Pêþëõôïò ‘unabhängig, frei, unbehindert’. 1593f. atrum … pulsus: s. zu 1149ff. und 1586f. 1598 artua: die Form aus Plaut. Men. 855 (s. auch zu 175433). 1586f.
5. AKT, 8. SZENE Auch der Tod wird vom Glauben in die Schranken gewiesen. 1603f. aequo … pauperum: nach Hor. carm. 1,4,13 pallida Mors aequo pulsat pede pauperum tabernas.
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1619 praevaricator: Terminus der Juristensprache, in der Vulgata häufig gebraucht (vgl. z.B. Röm 2,25 si autem praevaricator legis sis) und von Luther übersetzt mit „der Abtrünnige, Abgefallene“; die Formulierung hier erinnert an Aug. c. Iulian. op. imperf. 2,185 sui similes genuit praevaricator Adam. 1621 mortem duplicem: Das Thema des doppelten Todes klang bereits im zweiten Chorlied an (668-670) und wird hier nun ausführlicher dargestellt. 1622 mors secunda: s. zu 668-670. 1628f. qui partem habent in prima PíáóôÜóåé: nach Offb 20,6 beatus et sanctus, qui habet partem in resurrectione prima. 1630ff. nach Röm 6,4 ut, quomodo surrexit Christus a mortuis per gloriam Patris, ita et nos in novitate vitae ambulemus. Anzuordnen ist also wie folgt: [eam puto], qua filius per gloriam patris sui surrexit, ut, quemadmodum de te triumphans filius, ita ipsi per fidem a mortuis operibus suscitati in novitate vitae obambulent. Die metrische Umsetzung hat allerdings einen Schönheitsfehler: quemadmodum müsste hier mit Binnenhiat gelesen werden, was sonst im Stück nicht vorkommt (vgl. 5, 452, 1362, 1496, 1664). – Zum Zusatz operibus (in Loves Übersetzung nicht berücksichtigt) vgl. Hebr 9,14 ab operibus mortuis. 1643f. nach 1 Kor 15,55 ubi est, mors, victoria tua? ubi est, mors, stimulus tuus? 1647 in tua victoria absorbeberis: nach 1 Kor 15,54 absorta est mors in victoria.
5. AKT, 9. SZENE Vor dem letzten Gefecht (diesmal gegen Tod und Teufel gemeinsam). Hecastus erhält von Hieronymus, Glaube und Tugend noch einmal Mut zugesprochen. 1669 1672
evehendum in alta refrigeria: vgl. Ps 65,12 eduxisti nos in refrigerium. sciens: Die Änderung zu fidens in U hat eine Parallele in Vers 1700. 5. AKT, 10. SZENE Hecastus stirbt im Glauben an Jesus Christus. Der Teufel geht leer aus.
1700 credo: in U zu fido geändert (s. zu 1672). 1701 Hypermeter. 1702f. in manus tuas … meum: Die letzten Worte,
die Hecastus spricht, sind zugleich die letzten Worte Jesu (Lk 23,46). 1711f. ad Abrahae sinum ab angelis deducta: nach Lk 16,22 factum est autem, ut … portaretur ab angelis in sinum Abrahae ‘und es begab sich, dass er von den Engeln in Abrahams Schoß getragen wurde’. Die Wendung geht wohl auf die Vorstellung zurück, dass ein Sterbender ‘zu seinen Vätern versammelt’ wird, also dorthin gelangt, wo seine Väter schlafen; Abraham aber ist der Stammvater aller Juden. 1715 malefida: vgl. zu 1494.
Macropedius
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5. AKT, 11. SZENE Die Hinterbliebenen geben sich tränenreicher Trauer hin. 1721 mi Hecaste, doleo: Die Wortwahl zeigt deutlich, dass hier ein einzelner Sprecher spricht; Boltes Sprecherangabe AMICI ist deshalb verfehlt. 1724 contra metrum (zweites Metrum übervoll). 1729ff. Die Söhne, die sich beim letzten Auftritt, noch vor ihres Vaters Tod, um das Erbe stritten, suchen sich nun im Grad ihrer Trauer zu überbieten (1742-44), und die Gattin, die es brüsk von sich wies, mit ihm zu sterben, beklagt nun (1753), dass es zu diesem Liebesdienst keine Möglichkeit gegeben habe. Ist dies nun ein Aufmarsch der Heuchler – oder weckt der Tod des Hecastus tatsächlich so aufrichte Trauer in ihnen? Für die zweite Annahme spricht immerhin die alsbald folgende Bekehrung durch Hieronymus (die sich unerwartet leicht vollzieht). Der Kontrast der z.T. hyperbolischen Selbstaussagen (vgl. Epicurias Worte in 1744ff.) zum vorherigen Verhalten ist allerdings ausgesprochen stark und sorgt für einen komischen Effekt. 1730 tibi dent Dii: in antiker Poesie öfters gebrauchte Phrase, u.a. Plaut. As. 46, Plaut. Mil. 1038. 1736f. ab-|hinc: Synaphie (s. S. 267). 1743f. totus … resolvier: nach Ps. Quint. decl. 8,21 totus in lacrimas maeroremque resolutus ‘ganz aufgelöst in Tränen und Trauer. Selbst noch im Moment der Trauer lässt Philomathes damit seine rhetorische Bildung erkennen. 1754 sic separas … mors: nach 1 Sam 15,32 sicine separat amara mors.
5. AKT, 12. SZENE Das fabula docet. Der Priester mahnt dazu, aus dem Geschehen die richtigen Schlüsse zu ziehen. Heiterer Schluss und Verabschiedung des Publikums. 1758 inquio: schon bei Augustinus anstelle der klassischen Form inquam. 1767f. nach 1 Kor 15,52 (s. zu 1478f.). 1771 laetemini: erforderliche Angleichung an tristemini in 1769. 1774 omnibus morientibus: Der Dativ ist wohl motiviert durch das folgende,
wiederholte (vita) residua est. 1782f. neque est … Deum: nach Röm 2,11 non est enim personarum acceptio apud Deum. 1783 omni in gente: Ohne Zweifel wäre Boltes Konjektur omni de gente vorzuziehen, wenn sie nur mit der Metrik vereinbar wäre. 1819f./1826ff. Zur Einbeziehung des Publikums in die Bühnenhandlung s. zu 1254ff.
294
Kommentar
3.1.2.2 Zusätze der überarbeiteten Fassung (1552) PRAEFATIO 6 illi: sc. errori. 12 prima (quod aiunt) fronte: z.B. Ov. ars 3,553, Quint. inst. 7,1,56. 17 canonicae paenitentiae: d.h. kirchenrechtlich wirksame Buße (mittels der in
Z. 6 angesprochenen opera paenitentiae). 21f. plena fiducia iam fide: Wenn man keinen Druckfehler annehmen will, wird man den Ablativ fide als abhängig von plena ansehen müssen; Stellung und Funktion von iam bleiben allerdings unklar. 36-39 certus erat Paulus quia etc.: nach Röm 8,38f. certus sum enim quia neque mors neque vita … neque creatura alia poterit nos separare a caritate Dei, quae est in Christo Iesu Domino nostro. 40 Ipse spiritus etc.: Röm 8,16. 42 Petrus: nach 1 Petr 1,8 credentes autem exultatis laetitia inenarrabili. 43 in evangelio: Joh 5,24. 45 transiit de morte: im Text der Vulgata heißt es transit a morte. – in epistola: 1 Joh 3,2. 54 Stephano, qui vidit caelos apertos: nach Apg 7,55 ecce, video caelos apertos ‘siehe, ich sehe die Himmel offen’. 55 Antonio, qui mortem laetus aspexit: aus Euagr. vita Anton. 92 p. 971. 56f. interrogatus … dicebat: nach Paul. Med. vita Ambr. 45,2 nec mori timeo, quia bonum Dominum habemus ‘ich fürchte mich auch nicht zu sterben, denn wir haben ja einen guten Herrn’ (auch zitiert in Possid. vita Aug. 27,7). 58ff. quid … recipiet: Worte des heiligen Martin, die z.T. schon in 1491 aufgegriffen wurden und hier nun ausführlich zitiert werden (nach Sulp. Sev. epist. 3,16). 62 non abbreviata sit manus Domini: nach Ies 59,1 ecce non est abbreviata manus Domini, ut salvare nequeat ‘siehe, die Hand des HERRN hat keine Kraft eingebüßt, dass er nicht helfen könnte’ 62f. suis … impertiatur: vgl. Röm 1,11 ut aliquid inpertiar gratiae vobis spiritalis. 66 divino spiritu … reddente testimonium: vgl. Joh 15,26 ille (sc. Spiritus) testimonium perhibebit de me (dazu 1 Joh 5,6 Spiritus est qui testificatur) – suae conscientiae testimonium: vgl. 2 Kor 1,12 gloria nostra haec est testimonium conscientiae nostrae. 96 pius latro in cruce pensilis: vgl. Lk 23,39-43. 918 pluria: Boltes Änderung plura verstößt
1536). 936 vera/sera: vgl. zu 397f.
gegen die Metrik (vgl. auch zu
Macropedius
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singularem: hier offenbar als Gegenbegriff zu catholicam gebraucht, d.h. mit der negativen Bedeutung ‘absonderlich, abweichend’. 938 universalem: hier praktisch ein Synonym für catholicam (s. Niermeyer s.v. universalis). 942 Christumque: metrisch erforderliche Korrektur des überlieferten Christum (s. zu 954). 954 contra metrum; möglicherweise ist auch hier Christumque zu schreiben (s. zu 942). 962 in aliquibus: Zu ergänzen wäre nicht locis, sondern (wie die Formulierung nihil est in hac in 964 nahelegt) fabulis. 937
CHOR Absage an das Irdisch-Vergängliche und Aufruf zur Besinnung.
Melodie:
Dieselbe Melodie in Macr. Reb. (5. Chor). sera ne non sit … vera: durchaus im Widerspruch zu 397f. und 936.
2013
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protegam: contra metrum (s. zu 1488).
13561 Der kurze Zusatz unterstreicht (ganz im Sinne des Vorworts), dass Hecastus keine Zeit mehr für gute Werke hat, weshalb in seinem Falle Reue (dolere) und Glaube (credere) genügen müssen (ebenso 14121-5).
Erneut wird (wie schon in 13561) die prinzipielle Bereitschaft zu guten Werken unterstrichen; unter den gegebenen Umständen aber bleibt Hecastus nur der Glaube ( fido tamen…).
14121-5
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Kommentar
SCAENA INTERIECTITIA Disput zwischen Philomathes und Acolitus über die Frage, was für den Menschen wichtiger ist: Rhetorik oder Theologie, litterae oder pietas, Form oder Inhalt. Anders ausgedrückt: Soll man homo Ciceronianus oder homo Christianus sein?
latum culmulum: dieselbe Redensart wie in 1184. verba sesquipedalia, ampullas tuas: nach Hor. ars 97 proicit ampullas et sesquipedalia verba. 159934 conducerent: Das in U gedruckte (und auch von Bolte übernommene) conduceretur ist metrisch unmöglich; möglicherweise hatte Macropedius handschriftlich -ēt (= -ent) geschrieben, wobei ihm der Nasalstrich in das t geriet, so dass der Drucker darin eine Abkürzung für -tur las. 159935 vale dixi eis: contra metrum (entweder vale nicht iambisch gemessen [s. zu 1410] oder longum pro brevi im ersten Metrum und eis einsilbig). 159936 iis: einsilbig. 159939 insulsa: Der Druck bietet insalsa, und selbst wenn es zu Mk 9,49 quod si sal insulsum fuerit auch die Lesart insalsum gibt (vgl. J. v. Kamptz, Art. 1. insulsus, ThLL 7,1, 2040,48-2041,76, hier 2040,78f.), von der freilich nicht zu sagen ist, ob Macropedius sie gekannt hat, bot ihm doch allein schon Plautus genügend Belege für die korrekte Form -sul- (Mil. 1071, Poen. 246, Pseud. 794, Rud. 517), die wir daher mit Bolte hier einsetzen. 159941-42 salsius, Latinius, concinnius: Mit diesen Begriffen umschreibt Acolitus das Stilideal der antiken Rhetorik: die Verbindung aus Latinitas (grammatischer Korrektheit gemäß der Latinität Ciceros) und ornatus (Unterhaltsamkeit und Eleganz). Damit wird angedeutet, worin eine Synthese der gegensätzlichen Positionen und damit der Idealzustand bestehen könnte: in einer Annäherung des Kirchenlateins an das Latein der Humanisten. 159943 iis: einsilbig. 159944 Hypermeter. 159945f. in-|concinnitas: Synaphie (s. S. 267). 159954ff. Das in eine rhetorische Frage gekleidete Fazit (Frömmigkeit und Glaube besitzen einen höheren Stellenwert als humanistische Bildung) wurde im Stück wiederholt vorbereitet (s. etwa zu 844) und kommt daher nicht überraschend. – consultius-|ne: Synaphie (s. S. 267). 159925 159928
SCAENA INTERIECTITIA 12 Exzessive Totenklage der beiden Mägde. 175411 longum pro brevi im zweiten Metrum. 175413-14 zwei Dimeter; der Wechsel des Metrums
wohl zur Unterstreichung der Klage (ebenso 175437-39; doch vgl. zu 175427).
Hans Sachs
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175425 Doppelkürze statt Kürze im ersten Metrum (= dulciculi oculi ) und Proceleusmaticus am Beginn des zweiten (rosea labra ru-). 175427 ein Tetrameter, anscheinend unmotiviert (vgl. zu 175437-39). 175432 dum: hier i.S.v. ubi, ut primum? 175433 artua: s. zu 1598. 175437-39 Erneut werden Dimeter eingeschoben (vgl. zu 175413-14).
Gegen Ende des Stückes werden mit der Beichte (confessio) und dem Fasten (ieiunia) noch einmal explizit einige Werke der Buße und damit Elemente des katholischen Glaubens zur Sprache gebracht (ebenso 17941).
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17941 Der letzte Zusatz betont mit der Mildtätigkeit ein weiteres opus (s. zu 13561, 14121-3, 17911). Metrisch ist er allerdings korrupt (eine Reparatur ließe sich z.B. durch Hinzufügung von ergo hinter linquamus bewerkstelligen), und auch stilistisch fügt er sich nicht eben harmonisch in den Text ein, da er die Anapher linquamus omnem aufhebt.
3.2 Hans Sachs 3.2.1 Allgemeines 3.2.1.1 Die Sprache des Stückes Wo bei Macropedius eine Fülle von sprachlich-stilistischen Anleihen bei lateinischen Dramatikern zu beobachten ist (vgl. oben S. 264), nutzt Sachs bei seiner frühneuhochdeutschen Bearbeitung ganz die Sprache des Nürnberger Bürgertums. Dies zeigt sich vor allem in der gelegentlichen Verwendung von Redensarten (z.B. 62, 103, 886), mundartlicher Ausdrucksweise (z.B. 379, 404, 617, 1089) oder Anlehnungen an Luthers Bibelübertragung (z.B. 1001, 1144 u.ö.). Die frühneuhochdeutsche Bearbeitung erscheint sprachlich kaum durch die Tatsache beeinflusst, dass ihr eine lateinische Vorlage zugrundeliegt. 3.2.1.2 Form – Verstechnik Sachs löst die bei Macropedius streng eingehaltene Aufteilung des Textes in Akte und Szenen oder Auftritte zumindest insofern auf, als nur noch die Aktgrenzen eingehalten und kenntlich gemacht werden; einzelne Auftritte oder Abgänge werden nicht als formales Gliederungskriterium ge-
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Kommentar
nutzt. Häufig verzichtet der Text sogar auf explizite Regieanweisungen im Nebentext; diese werden dann in die Redebeiträge von Figuren eingearbeitet (z.B. 194, 259 u.ö.; im Stellenkommentar wird darauf in allen Fällen hingewiesen). Die Aktgrenzen von Macropedius behält Sachs bei. In der Versform besteht ein deutlicher Unterschied zwischen dem humanistisch-neulateinischen Drama und der Meistersingerkomödie: Anders als etwa Rebhun, der in seiner Susanna den weitgehend erfolgreichen Versuch unternimmt, in deutscher Sprache lateinische Metrik umzusetzen, verwendet Sachs ausschließlich den Knittelvers, den er, entgegen der schöpferischen Missinterpretation durch Goethe (etwa Dichtung und Wahrheit, HA 10, S. 122) nicht als füllungsfreien Vierheber ansah; vielmehr ist es so, dass er, „wie es in zunehmendem Maße im Ms. [Meistersang] üblich wurde, neben der feststehenden Zahl der Hebungen auch Regelmäßigkeit der Senkungen, d.h. aber eine feststehende Zahl von Silben anstrebte“ (Könneker 1971, 21). Im Hecastus verwendet Sachs praktisch ausschließlich 8- bzw. 9-silbige Vierheber mit abwechselnd männlicher und weiblicher Kadenz; dass er zuweilen gegen den natürlichen Wortakzent verstößt – wenn die Verse als streng alternierend aufgefasst werden sollen –, bleibt nicht aus. Um die Silbenzahl eines Verses dem Schema anzupassen, bildet Sachs zuweilen Wortverkürzungen, die zwei Silben zu einer zusammenziehen (z.B. 3 züchting aus ‘züchtigen’; 1033 schelming aus ‘schelmigen’). Die Verse sind, wie bei Sachs üblich, konsequent in Reimpaaren verfasst; Ausnahmen sind Dreireime jeweils zu den Aktschlüssen (134-136; 467-469; 703-705; 848-850; 1260-1262), zum Abschluss des Prologs durch den Ehrnhold (13-15) und an einer Stelle mitten in einem Akt (530-532). An vier Stellen wird das Reimpaar gar zum Vierreim verdoppelt (84-87; 261-264; 651-654; 832-835). Trotz der Fülle der notwendigen Reimendungen kommt Sachs relativ selten in echte Reimnot. Zuweilen werden allerdings Silben, auch unbetonte, um einen Laut ergänzt, um einen reinen Reim zu erlangen (z.B. 1069f. reich – erschröckleich, vgl. auch 1184f.); selten auch wird ein Vokal umgefärbt, um das Reimpaar (notdürftig) zu komplettieren (vgl. 159f. monn – thon; vgl. dagegen 315f. thun – son). Vereinzelt werden sogar unbetonte Silben als Reimendungen verwendet (vgl. 1254f. irrdischen – himlischen; noch extremer 504f. richter – schwer, 1246f. buß – Christus; vgl. auch 191f.). – Das Prinzip der Reimbrechung, also der Verteilung eines Reimpaares auf zwei Sprecher, wird nicht zufällig bzw. versehentlich, sondern systematisch angewandt, nämlich bei einer großen Zahl der Sprecherwechsel im dramatischen Dialog; die Dialoganteile werden so sehr eng aneinander angeschlossen (vgl. etwa 44f., 48f. u.v.ö.). Radikalisiert wird dieses Prinzip im Stichreim, d.h. in der Stichomythie, wenn die Reimpaare auf zwei wechselnde Sprecher verteilt werden und so das dramatische Tempo erhöht wird (vgl. 82ff., 120ff., 195ff., 263ff. u.ö.).
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3.2.2 Stellenkommentar PROLOG ehrnhold: der Theaterherold, dem bei Sachs, wie üblicherweise im Drama des 16. Jhs., der Prolog zugewiesen war, der nach der Begrüßung und Anrede des Publikums ein knappes argumentum enthielt. 6 panckadirn: bankettieren, also speisen im Überfluss. vor 1
1. AKT Im ersten Akt zeigt sich Hecastus als begüterter Genießer, der seiner Frau die Vorbereitung eines Festmahl für den kommenden Abend befiehlt und am Schluss des Aktes mit einem Freund beim Brettspiel sein Leben genießt. 37 weil wir mügen: solange wir können. 39 Frümal: Frühstück. 54 ins: doppelte Apokope aus ‘ihnen es’. 56 heint: heut nacht. 61 kargheit: geizige Sparsamkeit. 62 das dich auch der ritt muß schütten: Der
Ritt oder die Ritte ist ein kleines, dreitägiges Fieber, das in der Vorstellungswelt des Mittelalters figürlichallegorisch gedacht wurde; die hier benutzte Formulierung bedeutet also ‘vom Fieber überfallen, geschüttelt werden’. 69 Pfaffen: im Sinne negativer Darstellung der Geistlichkeit. 70 trowen: drohen. 71 darmit sie das gelt … bringen: s. zu Macr. Hec. 90f. 73 denn: denen. – trawort: Drohworte. 74f. Hören predig / Geben Almusen und sind ledig: s. zu Macr. Hec. 100ff. 81 mit kurtzweil den tag vertreiben: s. zu Macr. Hec. 113. 85 nach tretten: nach-, hinterherschreiten, folgen. 89 Fleischbenck: Fleischbänke, Schlacht- und Auslegebänke für Fleischwaren auf mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Märkten. 90 schilling: entspricht dem lat. solidus (s. zu Macr. Hec. 130). 91 aber: i.S.v. ‘abermals, wieder’. 92 klecken: genügen, nützen. 96 nechtig: aus mhd. nehten ‘aus der vergangenen Nacht’. 100 verordnen besunder: im Einzelnen, vorzüglich regeln. 103 mit dem Fuchßschwantz hawen: laut DWB einerseits eine redensartliche Formulierung für zu gelinde und damit wirkungslose Strafen, im Anschluss daran aber auch redensartlich gleichbedeutend mit ‘schmeicheln’, was dem Gebrauch hier entspricht.
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vor 106 Die Bühnenanweisung macht deutlich, dass hier – Hecastus hat sich ja soeben von seinem Zuhause wegbewegt – die Sachssche Neutralbühne genutzt wird: Der Abgang des Kochs und der Auftritt der Titelfigur finden im selben, nicht realistisch ausgestalteten Bühnenraum statt, das Publikum muss die Bewegung der Figur im Raum imaginär mitvollziehen. – Demone: Dativ. 107 Demone: Vokativ. 108 ein par stund vertreiben: wiederholt das Motiv des moralisch indizierten Zeitvertreibs (s. zu 81). 109 lurtz: das Lurz- oder Lurtschspiel ist ein in der Frühen Neuzeit beliebtes Brettspiel; möglicherweise von mhd. lurzen ‘täuschen, betrügen’. 110 soll gelten ein becher Wein: meint den Spieleinsatz. 112 in kheim: insgeheim. 119 als: alles. 120 fach wir an: fangen wir an. 121 ses, es: mhd. sës ‘sechs (Augen auf dem Würfel)’, mhd. es(se) ‘ein (Auge auf dem Würfel)’. 122 Zinck drey: unklar, da mhd. (würfel-)zink ‘fünf (Augen auf dem Würfel)’ bedeutet; möglicherweise liegt hier drei Mal die Fünf. – anfahen: anfangen. 123 All Zincken: Spielfigur (die genaue Bedeutung bleibt unklar, s. zu 122). 127 Geschossen: Das Motiv der von außen an Hecastus dringenden, ‘geschossenen’ Krankheit wird aufgegriffen, aber nicht szenisch vorbereitet. Möglicherweise hat Sachs hier die entsprechende Szene im Homulus vor Augen, wo in die Würfelspielszene eine kleine Zwischenszene mit Gott und einem Engel eingeschoben ist; dieser stößt die Titelfigur an, woraufhin sie sich in die schmerzende Seite greift. 129/130 es Traum dir. / Nein, mir Traumbt nit: altertümliche Dativbildung mit ‘träumen’, die viel klarer macht als das neuzeitliche ‘ich träume’, dass es nicht das Ich ist, das träumt. 132 vor: zuvor, vorher noch. 135 quater, taus: vier (quater < lat. quattuor) bzw. zwei Augen im Würfelspiel (DWB). In der Wendung ich gib ietz quater Taus = 4 + 2.
2. AKT Hecastus wird vom göttlichen Legaten heimgesucht, der ihn per Brief zum Gericht des obersten Königs vorlädt; da weder Hecastus noch sein gelehrter Sohn diese Vorladung lesen können, muss der Legat sie übersetzen.
als: alles. – an mir kommen zu: Das Verbum hat im Frühneuhochdeutschen die übertragene Bedeutung „erhalten, worauf man als gewinn oder ersatz anspruch hat“ (DWB); damit würde die Stelle bedeuten: ‘Alles, was
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Hans Sachs
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von früh bis spät versäumt wird, will meine Herrschaft von mir erhalten; sie macht mich rechenschaftspflichtig.’ 143 Studfaul: bei Hans Sachs gerne für ‘sehr faul’. 144 resch: schnell, hurtig, rasch. 146 sich: sehe. – stan: Sachs verwendet gelegentlich sprachgeschichtlich ältere Verbformen (stan, lan, gan) neben den jüngeren (steh/stehn, laß/lassen, geh/gehn) bzw. kontrahierte (han) neben den Vollformen (hab/haben), und zwar – wie ihre Stellung fast ausschließlich am Versende erweist – des Reimes wegen (außer hier noch in 482f., 640, 696, 715, 729, 757, 780, 984, 1198 und 1276). Im Versinneren werden dagegen die gängigeren Formen verwendet (verlest, hab etc.); die einzige Ausnahme ist 420 (han statt haben), wo metrische Gründe ausschlaggebend waren. 149 abthan: Part. Perf. v. abthun ‘schlachten, fertigmachen’. 152 Ehe wann: bevor. – zerper: zerprügle. vor 155 Bei Macropedius (241-275) findet sich hier ein sehr lebendig gestaltetes Gespräch der beiden Knechte über den Lebenswandel und die Haushaltung ihres Herrn, das vom Oeconomus abgebrochen wird. Sachs spart es vollständig aus. 157 gehandelt: i.S.v. ‘behandelt, bestraft’. 159 erber: aus mhd. êr-bære ‘der Ehre gemäß sich benehmend, edel, ehrbar’. – Monn: Mann (Sachs färbt den Vokal um, um den Reim mit 160 person bilden zu können). 161 Legat: Gesandter. 164 er wöll uns nehen: als ob er sich uns nähern wolle. 167f. Ir Knecht … Hecasti Hauß: Bei Macropedius (286-291) ist die Anfrage des Legaten viel stärker ausgeschmückt und enthält gleichzeitig schon eine genauere Charakterisierung des Mandats. 170 ferr: fern. 172 für: vor. 174 in kheim: insgeheim, im Vertrauen. 176f. vertreib die langen | Zeit: wiederholt erneut (wie schon in 108) das Motiv des moralisch indizierten Zeitvertreibs (s. zu 81). 179f. Das man die thewren zeit für vol | So unnützlich verzeren sol: s. zu Macr. Hec. 300ff. 183f. der Todt | Der doch kein gwisse Stunde hot: s. zu Macr. Hec. 304. 186 gleich: eben jetzt, in diesem Augenblick. 194 Itzt geht …: In den Haupttext, also den Redebeitrag des Legaten, ist hier die Bühnenanweisung für den Auftritt der Epicuria eingeflochten, eine Technik, die Sachs wiederholt anwendet (z.B. 259, 316 u.ö.). 195 wille kumb: willkommen. 202 brecht: brächte.
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Kommentar
209 Ancilla: Sachs scheint die Berufsbezeichnung als Personennamen zu verwenden (vgl. 227 und vor 234), auch wenn ihm die Bedeutung des lat. Wortes sicherlich bekannt war. 217 Auff viertzig Jar: Sachs macht Hecastus und Epicuria um mehrere Jahre älter, als sie es bei Macropedius sind, und beseitigt damit eine gewisse Unstimmigkeit (vgl. zu Macr. Hec. 343). Die Angabe des Alters ist für die später folgende, vom Legaten widerlegte Argumentation der beiden wichtig (vgl. etwa 247ff.). 224-226 Lauff und eilend … in gheim: Der Monolog, mit dem Epicuria dem Knecht befiehlt, den Herrn zu holen, ist bei Macropedius (354-365) als lebendiger Dialog zwischen Panocnus und seiner Herrin gestaltet. 226 in gheim: insgeheim, im Vertrauen (wie schon in 174). 227-236 Lauff eilend … ich alles thu: Auch dieser einfache Wortwechsel mit der Magd ist bei Macropedius (366-373) ein lebendiger Dialog. 229 Döppichen: Teppiche, d.h. Zierdecken, die (oft mit eingewobenen Mustern oder Bildern) die Wände schmücken, den Boden oder auch Möbel bedecken bzw. verzieren sollten. 232 den Gesten ir weil zu kürtzen: wiederum das Motiv des bloßen Zeitvertreibs (s. zu 81, 108 und 176ff.). 234 als: alles. nach 236 Der Übergang von dem Gespräch zwischen Epicuria und der Magd zum erneuten Dialog mit dem Legaten ist bei Macropedius (373376) weniger abrupt gestaltet. 237ff. Sachs strafft den Dialog zwischen Epicuria und dem Legaten erheblich, spart einzelne Wortwechsel und erst recht theologische Erläuterungen aus, um zügiger zur Übergabe des Briefes zu kommen (vgl. Macr. Hec. 392-398, 400-407 und 415-419). 239 Madensack: pejorative Bezeichnung für den menschlichen Körper, dessen Vergänglichkeit und Sterblichkeit hier vom Legaten schon angekündigt werden; laut DWB Vergleich des menschlichen Leibes „mit einem sack […], an dem die maden nagen; ein im 16. jahrhundert emporgekommenes, ursprünglich wohl nur geistliches kraftwort“. Dementsprechend können im DWB eine Reihe von Lutherstellen zum Nachweis des Begriffes herangezogen werden. 247-249 Wir aber sind noch frisch … zu dem end: eine von Sachs – wie von Luther – scharf bekämpfte alltägliche „Glaubens“haltung; zentrale Schriftstelle für die Argumentation des Legaten (wie des Autors und des Reformators) ist Koh (= Pred) 12,1: „Denke an deinen Schöpfer in deiner Jugend, ehe die bösen Tage kommen und die Jahre sich nahen, da du wirst sagen: ‘Sie gefallen mir nicht’.“ (Luther). 249 schier: schnell, in kurzer Zeit, alsbald, gleich. – streichen zu dem end: sich (schnell) auf den Tod zubewegen.
Hans Sachs
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250 send: sind (Umtönung des Vokals, um das Reimpaar zu füllen). 259 Secht: seht. – dort kompt … zu hauß: wiederum eine in den Haupttext
integrierte Bühnenanweisung.
261 antwort: übergeben, überantworten. vor 263: Die Bühnenanweisung macht
deutlich, dass Sachs keine realistische Abbildung verschiedener Handlungsorte auf die Bühne bringen will; die Unterhaltung zwischen Hecastus und dem Knecht findet scheinbar am gleichen Ort statt wie der vorige Dialog zwischen Legat und Epicuria (vgl. auch die Bühnenanweisung vor 106). 265 rumredig: prahlerisch, sich selbst Ruhm zulegend. – brechtig: hochmütig, hoffärtig. 266 geperd: Gebärde, Körperhaltung, Habitus. – Der Dialog zwischen Herrn und Knecht ist bei Macropedius geringfügig reichhaltiger: Panocnus vergleicht Hecastus, zu dessen Nachteil, mit dem Legaten, der Herr antwortet abschätzig (Macr. Hec. 427-431); auch die Antwort des Knechts (Macr. Hec. 435) wird von Sachs ausgespart. 279 Richterstul: s. zu Macr. Hec. 441ff. 283 warzeichn: Beglaubigung. vor 285 von im: reflexiv, d.h. ‘von sich fort’. 285f. Der Köng hat … zu straffen: s. zu Macr. Hec. 446ff. vor 290 geit: gibt. 296 sicht: sieht aus. – sams: als ob es. 301 artlich: ältere Form von artig, laut DWB zur Lutherzeit i.S.v. ‘in seinen Teilen von großer Angemessenheit’ (= lat. aptum), in verallgemeinerter Bedeutung ‘hübsch, zierlich, elegant, kunstgerecht’. – punctirt: eigentlich ‘stechen, pünkteln’, hier aber wohl in allgemeinerer Bedeutung von ‘schreiben, zeichnen’. 308-310 Knecht, eyl … nötiger ding: Der kleine Wortwechsel zwischen Herrn und Knecht bei Macropedius (466-471) fällt hier weg. 310 dürff: bedarf (mit Gen.). – nötiger ding: verkürzt aus ‘nötiger Dinge halber, wegen’. 315f. thun / son: unreiner Reim, der vermutlich versehentlich stehen geblieben ist (vgl. im Ggs. dazu 159f.). 316 wiederum eine in den Haupttext integrierte Bühnenanweisung. 322 beiten: warten, zögern. 323 bald: alsbald, sofort. 325ff. Sachs lehnt sich auch hier eng an seine Vorlage an und übernimmt Seitenstechen und schwachen Puls als Symptome der tödlichen Krankheit ( pleuritis); er wird sich deshalb kaum auch selbst bei Galen kundig gemacht haben (vgl. den Kommentar zu Macr. Hec. 485, 1586). 326 pfeifen: Das Blut macht Geräusche, die wie aus einer Pfeife dringend klingen.
304
Kommentar
327 in der Seitten das stechen: s. zu 325ff. und zu Macr. Hec. 485, 1586. 332 Mandat: ein an eine Person gerichteter obrigkeitlicher Befehl (DRW). 337 geantwort: übergeben, überantwortet. Einen kleinen Zwischeneinwurf
des Sohns Philomathes (Macr. Hec. 501-503) spart Sachs aus. 341 verstandt: Bedeutung. – Der bei Macropedius hier folgende kleine Wortwechsel zwischen Vater und Sohn (Hec. 513-516) fällt weg. 345 in beiden Rechten: s. zu Macr. Hec. 518. 346-348 Darumb … innhalten mag: Das scheinbar ungetrübte Selbstbewusstsein des jüngeren Sohns wird bei Macropedius schon hier angesichts der großen Würde des Legaten gebrochen (vgl. Macr. Hec. 521-525). 346 verhalten: im Mhd. mit der Bedeutung ‘verschlossen bzw. zurück halten, vorenthalten’, hier aber eher i.S.v. ‘verborgen bleiben’. 348 Als: alles. 353 dast: aus metrischen Gründen verkürzt aus dastu ‘dass du’. 363 ehrlich: Mhd. êrlich bezeichnet alles, was Ehre oder Ansehen hat, ansehnlich oder vortrefflich ist. 376 in dem brauch: als Gewohnheit. 377 Durch auß und auß dein gantzes leben: dein ganzes Leben hindurch, von Grund auf, gänzlich. 379 gar nie kein: Im Oberdeutschen heben sich doppelte Verneinungen nicht auf, sondern verstärken sich gegenseitig. 380 Wann: denn. 381ff. Aber wenn ich …: Wie Epicuria (s. zu 247ff.) vertritt Hecastus die von Sachs – wie von Luther – scharf bekämpfte alltägliche „Glaubens“haltung. 383 Des ich über viel Jar wol kum: freier übersetzt ‘Dafür werde ich wohl viele Jahre Zeit haben’. 387 als: alles. 390 trenget: bedrängen, zu etwas zwingen. 404 thun dein standt: Im Oberdeutschen des 16. Jahrhunderts ist stand thun einerseits gleichbedeutend mit ‘standhalten, Widerstand leisten’, andererseits ist es als gerichtliche Formel auch gebräuchlich für ‘vor Gericht treten, stehen’. 406 Thermin: festgesetzte Zeitgrenze, Frist, im 16. Jh. auch zeitlich festgesetzte gerichtliche Vorladung. 408 Miet: laut DWB „in der frühesten zeit des nhd. […] besonders auf lohn, gabe, geschenk bezogen, das zu erlangung eines unberechtigten vortheils gegeben wird, namentlich an obrigkeitliche personen“, in der im 16. Jh. vielfach belegten formelhaften Zusammenstellung mit ‘Gabe’ also i.S.v. ‘Bestechung’. 412 Weh mir, das ich ie bin geporn: s. zu Macr. Hec. 602. 413 als: alles.
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420 Solt mich ja han bereittet langst: Schon im ersten Gespräch mit dem Legaten formuliert Hecastus, als Sprachrohr der moralischen Lehre des Stücks, die Erkenntnis des eigentlich notwendig gewesenen Lebenswandels (vgl. i. Ggs. dazu 247ff. u. 381ff.). 425 klaus: Klausel. – innen helt: enthält. 427 geeicht: so die Lesart der Handschrift, die einen besseren Sinn ergibt (‘abmessen’; vgl. DWB s.v. eichen) als das von Keller (nach F) gedruckte gereicht. 445 ie: nun, auf jeden Fall; evtl. auch als Bestätigungspartikel zu verstehen. 448 naher: im Oberdt. des 16. Jh. statt ‘nachher’, allerdings mit räumlicher oder zeitlicher Bedeutung i.S.v. ‘folge mir nach’ bzw. ‘folge mir nächstens’. 465 einen freunde: s. zu Macr. Hec. 649. nach 465 trawrig: Keller druckt (nach F) trawig, doch vgl. 704 trawriger und DWB s.v. comedi mit weiteren Belegen aus Sachsens Stücken.
3. AKT Der reiche Mann versucht erfolglos, die Mitglieder seiner Familie, seine Freunde und schließlich auch Plutus, den Reichtum, als Fürsprecher vor dem göttlichen Gericht zu gewinnen. 470ff. Selig ist der Mensch: Wie in 420 formuliert Hecastus hier die moralische Hauptlehre des Stücks. 476 Der Helle forcht: der Schrecken der Hölle. 480/vor 482 Ich wil gehn … kompt und spricht: Der scheinbare Widerspruch zwischen Haupttext und Bühnenanweisung (Hecastus sagt, er wolle zu Demones gehen, dieser aber kommt herbei) verdankt sich wiederum der Sachsschen Neutralbühne und der Behandlung unterschiedlicher Orte; das kompt der BA ist eher als ‘tritt auf’ zu deuten. 482ff. Ich wil gleich …: Bei Macropedius (695-699) findet sich hier ein kleiner Dialog zweier bzw. mehrerer Freunde, die ganze folgende Szene ist personenreicher als bei Sachs: Neben Daemones und Hecastus sind weitere Freunde anwesend. 482 Hecasti: Nach zu wäre nicht der Genitiv Hecasti, sondern der Dativ Hecasto zu erwarten, nicht zuletzt weil Sachs ansonsten im Gebrauch der obliquen Kasus von Hecastus keine Unsicherheiten zeigt (vgl. 168 des reichn Hecasti Hauß und 1118 in den Hecastum). Ob der Fehler damit zusammenhängt, dass die Form des Dativs bei Macropedius nicht vorkommt? – gan: s. zu 146. 483 stan: s. zu 146. 484 vor gleich: soeben, gerade. 485 Sich: Siehe. – Der Vers insgesamt ist wieder eine in den Haupttext integrierte Bühnenanweisung.
306 486 Hecaste: Vokativ. nach 490 An dieser Stelle
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flicht Macropedius (701-707) noch einen Wortwechsel zwischen Daemones und Hecastus über die Schmerzen des letzteren und seine Heilungsmöglichkeiten ein. 495 an dem ort: im 16. Jh. i.S.v. ‘in dieser Hinsicht’. 504 heint: heut nacht. 516 es gibts also die zeit und stat: so geben es uns Zeit und Ort ein (d.h. das menschliche Handeln hängt nun einmal von den Umständen ab). 518 blutfreundt: eigentlich Blutsverwandte, hier: sehr enge Freunde. 520 was dir liget on: was dir im Sinn liegt und dich quält. nach 521 Sachs spart die Klage des Hecastus über den mangelnden Freundschaftsbeweis durch Demones aus (vgl. Macr. Hec. 741). vor 522 Singenes, der ander Freundt: Sachs reduziert die Freunde und Verwandten, die bei Macropedius in größerer Zahl auftreten, auf Demones und Syngenes; s. auch zu 1288-1298. 523 uberauß: überall, sehr (verstärkend). 528 züg: zöge. 540 angelffen: anrufen, anschreien. 549 ellendt: unglücklich, jammervoll, verlassen. 550 wanckel: schwankend, unbeständig, unzuverlässig. 551 eim: einem. 556 Noch: dennoch, trotzdem. 560 schir: bald, schnell. 564-567 in Kriegen … fechten: s. zu Macr. Hec. 793ff. 568-571 gelehrt … wo ich kan: s. zu Macr. Hec. 796ff. 574 anderst: in der Frühen Neuzeit gleichsam Superlativ von anders (DWB), hier evtl. auch i.S.v. ‘andererseits’. 577 s. zu Macr. Hec. 805ff. 584 schlichter: ursprünglich ‘der, der gerade oder gleich macht’; hier verstärkt i.S.v. ‘strenger Richter’. 585 hart: schwer, drückend. – wüste: unbewohnt, einsam. 586 Hecastus formuliert die Erkenntnis, dass er in seinem Leben den Weg zum Heil verpasst habe, und fungiert damit wieder als Sprachrohr der Glaubenslehre des Textes. 588-595 Ja, heint des tags … für das Gericht: Was hier bei Sachs als Monolog erscheint, ist bei Macropedius ein Dialog zwischen Hecastus und seinen Söhnen (vgl. Macr. Hec. 818, 824). 590 auffzug: Aufschub. 593 einig: i.S.v. ‘einzig, verlassen’ (verstärkt das folgende allein). 600 vollen gwalt: im Mhd. und der in der Frühen Neuzeit tritt gewalt z.T. noch (wie hier) als Maskulinum auf; die hier verwendete Formel bedeutet im juristischen Sinne ‘Vollmacht’.
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602 ie und ie: verstärkend i.S.v. ‘zu aller Zeit, immerdar’. 607-610 Nem mit dir … Denn uns, dein sön: s. zu Macr. Hec. 844. 617 Senfft: im Oberdeutschen des 16. Jh. noch für ‘sanft’ gebräuchlich. 628 auff sein: aufrecht, gesund und gerüstet zu einer Handlung. 633 gericht: räumliche, modale und zeitliche Bedeutung: ‘geradeaus, genau,
immerfort, sogleich, alsbald’. 640 han: s. zu 146. 642 Mein weib geht: wiederum eine in den Haupttext integrierte Bühnenanweisung. 645ff. Der Dialog zwischen Epicuria und Hecastus ist stark gerafft; bei Macropedius erscheint er reichhaltiger und lebendiger, auch fallen, wie schon öfter, die Anschlüsse an die umgebenden Szenen organischer aus (vgl. Macr. Hec. 887-893, 897-899, 904-907, 913-920 und 922f.) 645 auß: dem Reim mit 646 geschuldete Verdoppelung des auß. 647 leucht: leicht, ein wenig. – unsinn: un- oder wahnsinnig. 664-667 Reichliche Almuß … Für dein Seel: s. zu Macr. Hec. 919ff. vor 671 Plutus: wie bei Macropedius der personifizierte Reichtum (nach der antiken Gottheit des Reichtums). 675 Plute: Vokativ. – du aller sachen schlichter: nicht i.S.v. ‘strenger Richter’ wie in 584; hier wird der Reichtum als Gleich- oder Gerademacher angesprochen, allerdings wohl noch nicht im Sinne moderner bürgerlich-ökonomischer Auffassung, die Geld als universelles Warenäquivalent versteht. – Eine Wechselrede des Reichtums spart Sachs aus (vgl. Macr. Hec. 927930). 691 Such mir nur bald ein andern herrn: s. zu Macr. Hec. 942. – Vor der nun folgenden Anweisung des Hecastus an seine Knechte spart Sachs eine seiner Überlegungen aus (vgl. Macr. Hec. 943-944). 692 kern: i.S.v. ‘auskehren’ (verstärkt das schüt aus 693). 694 wil bald nach hin gehn zu Hauß: will bald nach Hause/ins Haus folgen. 696 stan: s. zu 146. 704 schicken: rüsten, bereiten. 4. AKT Hecastus gelingt es, vom Tod noch eine letzte Stunde Frist zu erlangen – und erinnert sich der lange vernachlässigten Freundin seiner Jugend, der Frau Tugend, die er nun um Fürsprache angeht. 707 den Plutum: in Fol. (und also auch bei Keller) irrtümlich ersetzt durch Plutonem, d.h. den Akkusativ von Pluto, dem Namen des Unterweltsgottes; der Eingriff dürfte schwerlich auf Hans Sachs selbst zurückgehen, sondern vom Drucker vorgenommen worden sein. 708 geletzet: verletzt, geschädigt.
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710 Geht fort: Die Anrede an die Umstehenden, das Hausgesinde, wird bei Macropedius (980f.) noch mit einem Einwurf eines Knechts beantwortet. – nichsen: nichts. – gremen: grämen. 711 urlaub nehmen: im Mhd. mit der Bedeutung ‘Erlaubnis nehmen zu gehen, sich verabschieden’. 714 Beleidt dich Gott: geleite, begleite dich Gott. 715 lan: (über-)lassen (s. zu 146). 729 gan: s. zu 146. 736 gerümpel: dumpfes Getöse, Gepolter. 737 gedümpel: Unruhe, Lärm, Krach. 738 beide: sowohl … als auch. 739 Sam: gleichwie, als ob. – vergehn: zugrundegehen. 745 ie: jetzt. vor 756 Handtpogen: Dass der Tod mit einem Handbogen und nicht mit einer Sense dargestellt wird, ist signifikant: Die Sense bringt kollektiven Tod, der Handbogen individuellen. Zu den Unterschieden der Todes-Personifikationen im spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Drama vgl. M. Titzmann, Der Tod als Figur im Drama des deutschsprachigen Gebiets im 16. und 17. Jahrhunderts: Implikationen und Transformationen, in: K.W. Hempfer/G. Regn (Hgg.), Interpretation. Das Paradigma der europäischen Renaissance-Literatur, Wiesbaden 1983, 352-393. 757 han: s. zu 146. 759-765 s. zu Macr. Hec. 1006-1009. 763 erworgen: ersticken. 772 Der Sündt halb: wegen der Sünden. 777 verschlinden: verschlingen. 778 quel: Qual, Quälerei. 780 han: s. zu 146. 784 Ich sich dich dort: wiederum eine in den Haupttext integrierte Bühnenanweisung. 787 verloffen: Part. Prät. zu verloufen, verlaufen ‘sich verlieren, sich verlaufen’. 792 reichtumb: im älteren Neuhochdeutsch in allen drei Genera gebräuchlich (DWB), hier als Femininum (so auch 826). vor 793 Bei Macropedius (1037-1039) gibt die Tugend zuvor noch eine gewisse Skepsis gegenüber Hecastus zu erkennen. 795 dörfft: i.S.v. ‘bedürfen’, hier Konjunktiv II: ‘Ich bedürfte wohl dessen, dass mir [Glück und Heil] zuteil würden.’ 801 gelffen: rufen, schreien. 808 ich bekenn: s. zu Macr. Hec. 1057. nach 810 Sachs spart zwei Verse aus, in denen Hecastus nochmals die eigene Verzweiflung ausdrückt (vgl. Macr. Hec. 1062f.). 812 ergib: i.S.v. ‘bereit finden, anbieten’.
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813 vor: zuvor, vorher. – angelffen: anrufen. 816-820 Den Redebeitrag der Tugend strafft
Sachs um einige Verse, ohne jedoch substantiell etwas wegzuschneiden (vgl. Macr. Hec. 1067-1080). nach 824 Sachs spart einen kleinen Wortwechsel zwischen Tugend und Hecastus aus, in dem sie ihn zu Vertrauen auffordert, er aber schon die grundlegende Differenz zwischen den untreuen Freunden und Verwandten und der Treue der Tugend reflektiert (vgl. Macr. Hec. 1083-1085). 825f. sieder / Weil: seit der Zeit, als. 826 reichthumb: s. zu 792. nach 833 Sachs kürzt den Redebeitrag des Hecastus um die Reflexion des wandelbaren Glücks bzw. der Fallhöhe, d.h. der Differenz zwischen einst und jetzt (vgl. Macr. Hec. 1092-1094). 837-850 Starke Kürzung gegenüber der Vorlage. Bei Macropedius ist der Dialog des Hecastus mit den Knechten sehr lebendig und abwechselnd gestaltet, v.a. allem im Hinblick auf die Angst, die dem Gesinde und den Anverwandten durch den Tod eingeflößt wird, und auf den Durst des Sterbenden (vgl. Macr. Hec. 1098f., 1101f., 1104-1106, 1112f., 1115f. und 1120-1131). Sachs verkürzt die gesamte Szene auf drei Redebeiträge. 840 An: ohne. – verbringen weren: vollbracht hätten. 841 Als: alles. 5. AKT Hecastus wird, nach theologischer Belehrung durch den Priester, von Glaube und Tugend gerettet; der Tod holt ihn zwar, doch der Teufel hat keine Macht über ihn. Die Familie des Verstorbenen formuliert nochmals die Moral des Spiels. 851ff. Zu
Beginn des 5. Aktes konzentriert Sachs den Dialog zwischen den Söhnen und einem Knecht auf wenige Wortwechsel, der Beginn des Dialogs (vgl. Macr. Hec. 1144-1147) wird ebenso gestrichen wie der Verweis des medizinisch geschulten, jüngeren Sohnes auf die erfolgte Harnschau (vgl. ebd. 1150-1152); die Straffung geht erneut zu Lasten der Lebendigkeit des Dialogs (vgl. v.a. Macr. Hec. 1158-1162). 860 Bar: Bahre, Leichentrage. 861 Junckher: Die Bezeichnung adliger junger Herren geht im 16. Jahrhundert auch auf hervorragende städtische Bürger über und meint hier somit den Sohn eines gewerbetreibenden Stadtbürgers. 864 Erbfal: der Anfall der Erbschaft. – Vgl. auch zu Macr. Hec. 1167. 871 Foß: Taugenichts, Faulenzer, Lump (DWB). vor 874 Sachs kürzt das Streitgespräch der Brüder etwas ab (vgl. Macr. Hec. 1175-1185). 876 frist: Zeitpunkt. 881 Das in nit uberred der Pfaff: s. zu Macr. Hec. 1189ff.
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884 auff zu schawen: aufpassen, achtgeben. 886 abrin ir Spiß: eigentlich a b b r i n (d.h.
abbrenne) ir Spiß (bildhafte Redewendung der Frühen Neuzeit, die den durch mangelnde Vorsicht verursachten eigenen Schaden oder Nachteil bezeichnet, wenn der hölzerne [Brat-]Spieß abbrennt, weil man nicht aufgepasst hat, und das Fleisch in das Feuer oder die Glut fällt). 888 Schaw, Bruder …: wiederum eine in den Haupttext integrierte Bühnenanweisung. – zwu: zwei, zwo (mit Umtönung des Vokals zugunsten der Reimbildung). 889 Engelischer gstalt: in der Gestalt von Engeln. 890 der Heiden Göttin: Es ist natürlich der studierte Sohn, der diesen Vergleich von Tugend und Glaube mit antiken Kunstwerken anstellt. 891-907 Die Hilfsanfrage der Tugend an den Glauben kürzt Sachs sehr stark (vgl. Macr. Hec. 1200, 1208-1214, 1219-1225): Die Vorgeschichte des Hecastus fällt viel knapper aus, die heilsgeschichtliche Deutung des Beistands durch den Glauben fällt weg. 896 gehn mir: gegen mich, mir gegenüber. 899 ie: jetzt, nun. 911 alm wollust: aus metrischen Gründen verkürzt aus ‘allem Wollust’ (im 16. Jh. noch mask.), womit nicht speziell sexuelle, sondern weltlich-diesseitige Lebensfreuden gemeint sind. 918 ziech … auffwertz: aufwärts-, emporziehen. 926 dinnen: verkürzt aus ‘da innen’. 929 empfach: empfange. 932 mit witzen: mit Vernunft, Klugheit, Bedachtsamkeit oder auch List. 934-937 Hört auch zu …: Mit dieser Publikumsanrede wird der Teufel gleichsam zum advocatus Dei (anders als in der Vorlage; s. zu Macr. Hec. 1254ff.). Ihm werden hier und im Folgenden zentrale moralische Lehrsätze über christlichen Lebenswandel in den Mund gelegt. Dies ist im Übrigen ein in der Literatur der Frühen Neuzeit häufig beobachtbares Phänomen (vgl. etwa die Historia von D. Johann Fausten 1587, Kap. 17 u.a.). 938ff. Die Präsentation des Sündenregisters ist gegenüber der Vorlage von ihrer rhetorischen Lächerlichkeit befreit (s. zu Macr. Hec. 1257-1260). Sachs verzichtet auf den komischen Effekt; stattdessen erweitert er die Aufzählung um zahlreiche alltägliche Laster (hergenommen aus der Anklage des Nomodidascalus in Macr. Hec. 559ff.), so dass des Teufels Worte die Zuschauer viel ernster berühren. Auch die „Schwätzer“ (vgl. Macr. Hec. 1261: loquaculi) sind lebendiger in die Situation eingefügt, nämlich als Mägde und Knechte. 940 brechtig: hochmütig, hoffärtig. 948 waschen auß: ausplaudern. 953ff. Wo du anderst gelaubest …: s. zu Macr. Hec. 1266ff.
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953 anderst: in der Frühen Neuzeit gleichsam Superlativ von ander (DWB), evtl. hier auch i.S.v. ‘andererseits’. 954 zwölff Artikel: die zwölf Absätze oder unterschiedlichen Glaubensinhalte des Symbolum Nicenum, des altkirchlichen Glaubensbekenntnisses, die beim 2. Ökumenischen Konzil 381 in Konstantinopel formuliert wurden. Anders als Macropedius, der den Priester das Glaubensbekenntnis gleichsam Schritt für Schritt durchgehen lässt (Macr. Hec. 1266-1282), begnügt sich Sachs mit der summarischen Angabe. – schlecht: schlicht, einfach. 957 gar: ganz, völlig, vollständig. 960 declalirt: verballhorntes declariren ‘erklären, klar darlegen’. 977 Und geistlich thun viel guter Werck: Sachs lässt Hecastus hier einen Kernsatz der lutherischen Rechtfertigungslehre formulieren; diese lehnt die guten Werke nicht ab, doch sollen sie eben nicht an die Stelle des Glaubens treten, sondern aus dem Glauben an die Erlösungstat Christi folgen: Denn durch den Glauben, „nicht durch seine Werke, wird der Mensch zu der Person, die vor Gott bestehen kann (…). Im Glauben tut der Mensch spontan und mit Lust (…) gute Werke (…), die aber in keiner Weise verdienstlich sind, sondern nur das, was zu tun der Mensch schuldig ist.“ (Tietz 2004, 106.) 978 Ich aber hab der sünden Berck: Nach der Tugend (s. zu 806) ist es nun der Priester, dem Hecastus seine Schuld bekennt – hier noch gekoppelt mit einem grundsätzlichen Zweifel an der Gnade Gottes (980f.), dem erst die strenge Belehrung durch den Priester (982-985) Einhalt tun kann. 984 han: s. zu 146. 986 gezeugknus: Bildung aus mhd. gezeug ‘Zeugnis’. – geit: gibt. 988f. Sodom und Gomorra / Pharaonem: Hecastus bezieht sich auf den strafenden Gott des Alten Testaments, im Besonderen auf die Zerstörung der Städte Sodom und Gomorrha (Gen 18-19) und die furchtbaren Plagen, mit denen vor der Einsetzung des Passahfestes Ägypten und der Pharao überzogen werden (vgl. Ex 7-11). 994 num: zugunsten des Reimes aus ‘genommen’ verkürzt oder aus ‘nahm’ umgefärbt. 999 frommen: nützen, helfen. 1001 Der Gsund bedarff keins Artzets nicht: vgl. Lk 5,31: „Die Gesunden dürffen des Artzes nicht“ (Luther). 1003 thun: des Reimes wegen anstelle von gethan. 1009 beut: bietet. 1010 ie … nit: (verstärkend) niemals, auf keinen Fall. – liegen: lügen. 1021 Tritt herzu: in den Haupttext eingearbeitete Bühnenanweisung für den Auftritt von Tugend und Glaube. 1022 in: ihn. 1031 gewesen: ausgeblieben.
312 1032ff. Der
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Dialog zwischen Tod und Teufel wird mehrfach (v.a. beim Redewechsel) gekürzt (vgl. Macr. Hec. 1444f., 1445-1447, 1361-1463, 14661468), wieder zu Lasten der Lebendigkeit. 1034 klaffen: viel und laut reden (Verstärkung des ‘schwatzen’). 1035 Zenen: Zähnen. – gnumen: genommen. 1046-1052 Seit her gestorben ist … nichts mehr nöten: s. zu Macr. Hec. 1455-1463. 1052 nöten: i.S.v. ‘nötigen’, also ‘in Not bzw. Bedrängnis bringen’. 1053 schwester: Rückgriff auf die lateinische Vorlage (vgl. Macr. Hec. 1464 soror [da mors ein Femininum ist]) im Gegensatz zur ma. oder spma. Totentanzliteratur sowie zur Allegorik der Todesdarstellungen, die den Tod (in Übereinstimmung mit dem Genus des dt. Nomens) sonst durchweg als männliche Figur kennen. 1055 wider bringen: wiederherstellen, rückgängig machen. 1058 verzweiflung: s. zu Macr. Hec. 602. 1059 dückisch: tückisch. – an in setzen: ihn anfallen, feindlich anspringen. 1060 vor: vorher, zuvor. 1061f. Dieses Verspaar fügt Sachs dem Schlusswort des Todes hinzu (vgl. Macr. Hec. 1472); die Bedrohung für Hecastus wird so noch stärker ausgedrückt. 1072 unglaubing: Ungläubigen. 1077 Bluthund: das zur Jagd genutzte, auch Schweißhund genannte Tier, das sich zur Verfolgung von Blutspuren besonders gut eignete; in antiker Vorstellungswelt werden die Rachegöttinnen (die Erinnyen) oft mit Blut- oder Schweißhunden auf der Fährte des verwundeten Wildes verglichen, z.B. bei Aischylos, Choephoren 1054: „Ich seh’s: das sind der Mutter wütge Hunde dort.“ (Übers. von Oskar Werner) 1078 Helle: Hölle. 1079-1107 Das Wortgefecht zwischen Glaube und Teufel ist bei Macropedius (1496-1585) viel ausführlicher: Satan zählt breit die Sünden des Hecastus auf (1499-1520), der Sünder wird ins Kreuzverhör genommen (1525-1532), und schließlich erläutert Fides ausführlich die Erlösungstat Christi (1533-1565). 1081 Schaw du … an: Gegenüber der ausführlichen Verbalisierung des Sündenregisters bei Macropedius zieht Sachs seine Visualisierung vor (durch ein entsprechendes Requisit wie z.B. eine längere Schriftrolle). 1089 kein … nicht: s. zu 379. 1093 der sünden: Die Lesart der Handschrift ist wohl stimmiger als die des Druckes, da es hier nicht um die Sünde an sich geht, sondern konkret um die von Hecastus begangenen Sünden. 1098 Wanst: seit dem 15. Jh. als sehr derbe Bezeichnung für den Bauch oder den gesamten Leib des Menschen gebräuchlich (ursprünglich nur für den Eingeweidesack von Tieren).
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1106 dück: Tücke, Hinterlist. 1108 Ietzunder: laut DWB „wol
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entstanden aus jetzund und dem eine zeiterstreckung anzeigenden her“. 1110 schendtling: schändlichen. – sich: sehe. 1111 Püchsen: Sammelbezeichnung für alle hölzernen gedrehten Gefäße, hier wohl für ein Hostienbehältnis. – der gleichen: unklar, evtl. ‘sogleich’. 1114 beleit: begleitet, begleiten möge. – Von 1111 bis hierher spricht der Teufel wieder als advocatus Dei, als Sprachrohr der biblischen Heilsbotschaft. vor 1117 Pogen: s. zu vor 756. – Gestrichen ist der kurze Dialog zwischen den beiden Söhnen des Hecastus (Macr. Hec. 1586-1599). 1117-1138 Der Wortwechsel zwischen Tod und Glaube ist bei Macropedius (1597-1663) ausführlicher, da der Glaube dem Tode sehr genau die Heilstat Christi sowie die Freuden der verstorbenen Gläubigen darlegt. 1128 außerwelten: Auserwählten. 1129 ewing: ewigen. 1134 forchtsam: so der Text der Handschrift; die Lesart forschsam, die der Druck bietet (und mit ihm auch Keller), ist im DWB nicht belegt. 1136 einstecken: einflößen. 1144 ins Abrahames Schos: s. zu Macr. Hec. 1711f. 1145 fürbaß: in Zukunft. 1146 geren: gern. 1147 Dieweil: kausal zu verstehen. 1155 Stral: Pfeile. – Da es hier um eine Mehrzahl geht (vgl. 1167 deine todten stral), ist die Lesart der Handschrift (seine) der des Druckes (seinen) vorzuziehen. 1163 Ja, ja: Die gläubige Einwilligung in den Tod fällt metrisch aus dem Rahmen; sie ergänzt nicht den vorigen oder den nächsten Vers zum Vierheber, sondern steht isoliert – und damit exponiert – da. In F erscheint sie nicht als eigener (Kurz-)Vers, sondern ist in die Sprecherangabe integriert; dass Sachs sie allerdings als eigenen Vers gezählt hat, erweist seine handschriftliche Angabe am Schluss des Stückes (nach der Aufzählung der Personen und der Datierung), denn auf „1284 vers“ kommt man nur, wenn man 1163 als eigenen Vers mitrechnet. 1165 verliegen: kraftlos werden. 1165-1179 Bei Macropedius (1690-1705) wird Hecastus vor seinem Tode vom Glauben einer strengen Katechisation unterzogen, die eine nochmalige Bestätigung des Glaubensbekenntnisses darstellt. Sachs löst dieses Spiel mit Vor- und Nachsprechen in die zwei Wortbeiträge der Titelfigur auf; lediglich das Zitat Lk 23,46 bleibt erhalten (s. zu 1178f.). 1168 Sag an: Es dient der Steigerung der Lehrhaftigkeit des Dramas, wenn der Tod hier Hecastus zum wiederholten Glaubensbekenntnis (vgl. 116870) auffordert. – verlest: verlässt.
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Kommentar
1176 zeuch: ziehe. 1178f. Mein Geist befilh ich in dein Hend: s. zu Macr. Hec. 1702f. 1186 duck dich und stirb: Der Tod schießt (die Bühnenanweisung
ist ausgespart). – Bei Macropedius (1712-1714) geht den Flüchen von Tod und Teufel noch ein lauter Jubel des Glaubens voraus, auf den Sachs jedoch verzichtet. 1198 lan: (sein) lassen (s. zu 146). 1200 hinfert: hinfährt, dahingeht, stirbt. 1204 dinnen: verkürzt aus ‘da innen’. vor 1208 gehnt ein: treten auf. – geit: gibt. 1214 Leicht: Leiche. 1215 Ehrlich: auf ansehnliche und vortreffliche Weise. 1216 Grebnus: Begräbnis. 1220 seufftzen sencken: laut DWB eine Hans Sachs eigentümliche Ausdrucksweise für ‘einen Seufzer gehen lassen’. 1229 rößlicht: rosenfarben (v.a. Mund und Wangen des menschlichen Antlitzes). nach 1249 Bei Macropedius (1775-1792) erläutert der Priester auf nochmalige Nachfrage der Epicuria die Rettung all derer, die da glauben und reumütig sind. 1250-1262 Sachs verändert sowohl die Rede des jüngeren Sohnes als auch die gesamte Anlage des Schlusses. Bei Macropedius (1793-1811) schließt sich an das Schlusswort des Philomathes ein lebendiger, bewegungsreicher Übergang zum heiteren Leichenschmaus an, bis dann der Oeconomus mit einer Anrede an das Publikum das letzte Wort hat. Sachs reduziert dies alles auf ein moralisierendes Schlusswort des jüngeren Sohnes und fügt schließlich noch einen Epilog hinzu. 1257 zimlich: in angemessener, geziemender Weise. 1261 allen samen: allen zusammen. 1263 Barabel: Gleichnisrede. 1264 Fabel: erfundene Erzählung. 1270 verspricht: wie ‘fürsprechen’, also ‘verteidigen’. 1276 verlat: verlässt (s. zu 146). 1280 Die Axt die ligt schon an dem Baum: in der Frühen Neuzeit beliebtes Bild für die stete Nähe des Todes mitten im Leben (vgl. Henkel/Schöne, Sp. 183-185). 1282 leibling: leiblichen. 1283f. aufferwachs … / … Hans Sachs: Eine solche Schlussformel (die im vorletzten Vers ein Reimwort auf Sachs erzwingt) verwendet Sachs in fast allen seinen Texten. 1289-1299 Philomaches … Singenes, der ander freund: Sachs lehnt sich in der Namensgebung seiner Figuren an Macropedius an. Allerdings deutet eini-
Hans Sachs
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ges darauf hin, dass er den sprechenden Charakter der aus dem Griechischen abgeleiteten Namen (s. oben S. 269) nicht verstand und also wohl des Griechischen nicht mächtig war. So wird hier aus Philomathes (dem ‘Freund der Bildung’) ein Philomaches (d.h. ein ‘Freund des Kampfes’) und aus Philoponus (dem ‘Freund der Arbeit’) ein Philepanis (was wie ein griechisch-lateinisches Kompositum mit der Bedeutung ‘Freund des Brotes’ aussieht), Syngenes (der ‘Verwandte’) wird zum ander freund umdeklariert, und bis zur Sinnlosigkeit verstümmelt sind die Namen des Faulpelzes Panocitus sowie des Koches Datrus. 1304 Anno Salutis …: Im Jahr des Heils 1549, am 6. Tag des September.
4. Abkürzungen 4.1 Autoren und Texte (Die Bücher der Bibel werden hier nicht aufgeführt.) Aug. – c. Iulian. op. imperf. – in evang. Ioh. Bonif. ars gramm.
Augustinus contra Iulianum opus imperfectum in Iohannis evangelium tractatus Bonifatius, Ars grammatica (ed. Gebauer/Löfstedt, Turnhout 1980)
Catull. Cels. Erasm. adag. Euagr. vita Anton. Gal. praesag. puls.
Catull, Carmina Celsus, De medicina Erasmus, Collectanea adagiorum veterum Euagrius, vita Antonii (in: Patrologia Graeca 26,833-976) Galen, Ðåñr ðñïãíþóåùò óöõãì§í (De praesagitione ex pulsibus) (= Opera omnia ed. Kühn, 9,205-430)
Gell. Hor. – ars – carm. – epist. – serm. Isid. orig. Luc. Macr. – Adam. – Al. – Asot. – Bass. – Hec. – Hypom. – Laz. – pros.
– Reb.
Gellius, Noctes Atticae Horaz Ars poetica Carmina (= Oden) Epistulae Sermones (= Satiren) Isidor, Origines (= Etymologiae) Lucan, Bellum Civile (= Pharsalia) Macropedius Adamus Aluta Asotus Bassarus Hecastus Hypomone Lazarus Prosoedia
Da die von uns verwendete Ausgabe Köln 1562 nicht paginiert ist, beruhen die Seitenangaben (in eckigen Klammern) auf unserer eigenen Zählung.
Rebelles
Abkürzungen
Ov. – ars – met. Paul. Med. vita Ambr. Paul. Nol. carm. Pers. Petr. Chrys. serm. Plaut. – Amph. – As. – Bacch. – Capt. – Cas. – Curc. – Epid. – frg. inc. – Men. – Merc. – Mil. – Most. – Poen. – Pseud. – Rud. – Truc. Possid. vita Aug. Ps. Quint. decl. Quint. inst. Rufin. Orig. in num.
Sen. Herc. Sulp. Sev. epist. Ter. – Andr. – Eun. – Phorm. Thom. Aquin. S. Th. Thom. Chob. praed.
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Ovid Ars amatoria Metamorphosen Paulinus v. Mailand, vita Ambrosiani Paulinus v. Nola, Carmina Persius, Saturae Petrus Chrysologus, Collectio sermonum Plautus Amphitruo Asinaria Bacchides Captivi Casina Curculio Epidicus Fragmenta incerta Menaechmi Mercator Miles gloriosus Mostellaria Poenulus Pseudolus Rudens Truculentus Possidius, vita Augustini [Quintilian], Declamationes maiores Quintilian, Institutio oratoria Origenes, Homiliae in numeros (nach der lat. Übersetzung Rufins) (in: Origenes, Werke Bd. 7, ed. Baehrens, Leipzig 1921) Seneca, Hercules (furens) Sulpicius Severus, Epistulae Terenz Andria Eunuchus Phormio Thomas v. Aquin, Summa theologiae Thomas de Chobham, Summa de arte praedicandi (ed. Morenzoni, Brepols 1988)
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Abkürzungen
Thom. Kemp. – orat. – pass. Varr. rust. Verg. Aen. Vladeracc. Apoth.
Thomas a Kempis Orationes de passione Domini et beata virgine et aliis sanctis (in: Werke [ed. Pohl], Bd. 3 [1904], 331-399) De passione Christi secundum scripta quatuor evangelistarum (in: Werke [ed. Pohl], Bd. 5 [1902], 57-214) Varro, Res rusticae Vergil, Aeneis Christoph Vladeraccus, Apotheosis Georgii Macropedii (ed. Verweij 1991 [s.u.], 35-58)
4.2 Hilfsmittel DNP DRW
DuCange DWB
LHS Niermeyer RGG4 ThLL
Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike. Hg. v. H. Cancik u. H. Schneider. Stuttgart 1996-2003. Deutsches Rechtswörterbuch. Wörterbuch der älteren deutschen (westgermanischen Rechtssprache. Weimar 1914-. http://www.rzuser.uni-heidelberg.de/~cd2/drw/ C. Du Fresne Sieur Du Cange: Glossarium mediae et infimae Latinitatis. Editio nova a L. Favre. Niart 1883-1887 (ND Graz 1954). J. Grimm/W. Grimm: Deutsches Wörterbuch. Leipzig 18541960. http://germazope.uni-trier.de/Projects/DWB M. Leumann/J.B. Hofmann/A. Szantyr: Lateinische Grammatik. München 1965/1977. J.F. Niermeyer/C. van de Kieft: Mediae Latinitatis lexikon minus. 2. Aufl. überarbeitet von J.W.J. Burgers. Leiden – Darmstadt 2002. Religion in Geschichte und Gegenwart. Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft. Vierte, völlig neu bearbeitete Auflage, hg. v. H.D. Betz u.a. Tübingen 1998ff. Thesaurus Linguae Latinae. Leipzig 1900-.
5. Sekundärliteratur Bernstein, E. 1993. Hans Sachs (= rm 428) Reinbek b. Hamburg. Best, T.W. 1972. Macropedius (= TWAS 218). New York. Bolte, J. (Hg.). 1927. Drei Schauspiele vom sterbenden Menschen. 1. Das Münchner Spiel von 1510, 2. Macropedius, Hecastus, 1539, 3. Naogeorgus, Mercator, 1540. Leipzig. [ND Hildesheim 1986.] Brauneck, M. 1993. Die Welt als Bühne. Geschichte des europäischen Theaters. Erster Band. Stuttgart. Epping-Jäger, C. 1996. Die Inszenierung der Schrift. Der Literalisierungsprozeß und die Geschichte des Dramas. Stuttgart. Giebels, H./Slits, F. 2005. Georgius Macropedius 1487-1558. Leven en werken van een Brabantse humanist. Tilburg. Goedeke, K. 1865. Every-Man, Homulus und Hekastus. Ein Beitrag zur internationalen Litteraturgeschichte. Hannover. Goetz, H.-W.. 1993. Zeit/Geschichte: Mittelalter. In: P. Dinzelbacher (Hg.), Europäische Mentalitätsgeschichte. Hauptthemen in Einzeldarstellungen, Stuttgart, 640-649. Henkel, A./Schöne, A. (Hgg.). 1967. Emblemata. Handbuch zur Sinnbildkunst des 16. und 17. Jahrhunderts. Stuttgart. Jacoby, D. 1886. Georg Macropedius. Ein Beitrag zur Litteraturgeschichte des sechzehnten Jahrhunderts. Berlin. Klein, D. 1988. Bildung und Belehrung. Untersuchungen zum Dramenwerk des Hans Sachs. Stuttgart. Könneker, B. 1971. Hans Sachs. Stuttgart. Leven, K.-H. (Hg.). 2005. Antike Medizin. Ein Lexikon. München. Mayer, M. 1993. Hugo von Hofmannsthal. Stuttgart – Weimar. Mestwerdt, P. 1917. Die Anfänge des Erasmus. Humanismus und devotio moderna. Hrsg. von H. Schubert. Leipzig. [ND New York 1971.] Michael, W.F. 1984. Ein Forschungsprojekt. Das deutsche Drama der Reformationszeit. Bern – Frankfurt/M. Müller, M.E. 1985. Dichter der Moralität. Untersuchungen zu Hans Sachs. Bern – Frankfurt/M. Rouzet, A. 1975. Dictionnaire des imprimeurs, libraires et éditeurs des XV e et XVI e siècles dans les limites géographiques de la Belgique actuelle. Nieuwkoop. Stevens, M. 1973. The Reshaping of Everyman. Hofmannsthal at Salzburg. In: Germanic Review 48, 1973, 117-131.
320
Register
Tetzlaff, O.W. 1972. Neulateinische Dramen der Niederlande in ihrer Einwirkung auf die deutsche Literatur des sechzehnten Jahrhunderts, in: Amsterdamer Beiträge zur älteren Germanistik 1, 111-192. Tietz, C. 2004. Art. Rechtfertigung. III. Dogmengeschichtlich. In: RGG4 7, 103-111. Verschelde, B. 1981. Georgius Macropedius’ Hecastus (1539). Vertaling, commentaar, vergelijking met Elckerlijc en met Chr. Ischyrius’ Homulus (1536). Licentiaatsthesis Rijksuniversiteit Gent. (unpubl.) Verweij, M. 1991. Vladeracci tres, pater et filii, poetae Latini Silvaeducenses (saec. XVI ex.). Rom. Vladeraccus, Ch. Ⱥ Autoren und Texte Wiemken, H. (Hg.). 1965. Vom Sterben des reichen Mannes. Die Dramen von Everyman, Homulus, Hecastus und dem Kauffmann. Nach Drucken des 16. Jahrhunderts übersetzt, herausgegeben und eingeleitet von H.W. Berlin – Darmstadt – Wien.
6. Register Nicht aufgenommen wurden die Namen Georgius Macropedius und Hans Sachs. Abgekürzte Namen (z.B. Hor. ars) wurden nicht berücksichtigt. Agricola, Johannes 15 Agricola, Rudolf 281 Aischylos 312 Albertus Magnus 13 Ambrosius 13 Aristoteles 2, 28 Aristophanes 15 Augustinus 13, 265, 278, 286, 293 Bale, John 10 van den Berge, Gottfried 268 Bidermann, Jacob 6 Bien-Avisé, Mal-Avisé 10 Boethius 6 Bonifatius 274 Bosch, Hieronymus 11, 13 Brosamer, Hans 16 Burton, Robert 7
Calderón de la Barca, Pedro 7 Calvin 286 Castle of Perseverance 10 Chrysologus, Petrus 284 Cicero 15, 296 v. Clairveaux, Bernhard 271, 284 Culmann v. Crailsheim, Leonhard 5 van Diest, Peter 3 Donat 271 Dürer, Albrecht 7 Edward IV. (engl. König) 3 Edward VI. (engl. König) 10 von Eichendorff, Joseph 7 Elckerlijk 3, 10 Erasmus v. Rotterdam 12f., 269, 271
Register
Euripides 268 Eusebius 13 Everyman 3, 5, 7, 10 v. Eyb, Albrecht 22 Galen 277, 285, 291, 303 Galle, Philips 11 Gellius 265, 268f., 278 Gengenbach, Pamphilus 5 Gennep, Jaspar 4f. Gesta Romanorum 21 Gnaphaeus, Gulielmus 8, 21 Goethe, Johann Wolfgang 298 Groote, Gert 12 Habermas, Jürgen 17 Herodot 22 Hieronymus 13, 269 Hillen van Hochstraaten, Michiel 29, 268 Hippokrates v. Kos 276f. v. Hofmannsthal, Hugo 2, 7, 283 Homer 22, 268 L’Homme pécheur 10 Horaz 265, 267 von Hutten, Ulrich 17 Innsbrucker Osterspiel 10 Ischyrius (Sterck), Christian 4 Isidor v. Sevilla 13 Johannes Damaskenos 2 Krüger, Bartholomäus 11 Leo X. (Papst) 17 Livius 22 Luther, Martin 13, 15, 17, 21, 24f., 278, 292, 297, 302f., 311 Maastrichter Osterspiel 9 Mankind 10 Martin v. Tours 289, 294 Mind, Will, and Understanding 10 Münchner Spiel 4
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Murner, Thomas 6 Naogeorg, Thomas 6, 8, 15 Opitz, Martin V Osterspiel von Muri 10 Ovid 22 Passion d’Arras 11 Paul III. (Papst) 27 de’Pazzi, Alessandro 2 Plautus 7-9, 15, 264-267, 269f., 273, 278, 282, 284, 287, 296 Plutarch 22, 273 Porphyrio 280 Prudentius 9 Ramus, Petrus 281 Rebhun, Paul 14f., 298 Reuchlin, Johannes 8, 13f. Roth, Philip V Rulich, Jacob 6 Schaidenreisser, Simon 22 Seneca 265f. Servius 273 Simmel, Georg 7 Sophokles 267, 269 Strattis 268 Sturm, Johannes 15 Tegernseer Antichristspiel 9 Terenz 7-9, 15, 264f., 270, 287 Thomas a Kempis 12, 265, 288 Thomas v. Aquin 13, 278, 287 van Tricht, Arnoldus 268 Valla, Giorgio 2 Vergil 22 Vladeraccus, Christoph 12 Waldis, Burkhard 9, 21 Xenophon 22 Zoilos 268