Das völkerrechtliche Schiffssicherheitsregime: Eine Analyse der Kompetenzen von Küsten-, Hafenstaaten, regionalen Organisationen und Europäischer Gemeinschaft zum Schutz der Meere vor Verschmutzung durch Öltankerunfälle [1 ed.] 9783428516773, 9783428116775

Öltankerhavarien und ihre katastrophalen Auswirkungen auf die marine Umwelt sorgen für Schlagzeilen. Mit dieser Studie l

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German Pages 419 [420] Year 2005

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Das völkerrechtliche Schiffssicherheitsregime: Eine Analyse der Kompetenzen von Küsten-, Hafenstaaten, regionalen Organisationen und Europäischer Gemeinschaft zum Schutz der Meere vor Verschmutzung durch Öltankerunfälle [1 ed.]
 9783428516773, 9783428116775

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Tübinger Schriften zum internationalen und europäischen Recht Band 78

Das völkerrechtliche Schiffssicherheitsregime Von Henning Schult

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

HENNING SCHULT

Das völkerrechtliche Schiffssicherheitsregime

Tübinger Schriften zum internationalen und europäischen Recht Herausgegeben von Thomas Oppermann in Gemeinschaft mit Heinz-Dieter Assmann, Burkhard Heß K r i s t i a n K ü h l , H a n s v. M a n g o l d t We r n h a r d M ö s c h e l , M a r t i n N e t t e s h e i m Wo l f g a n g G r a f Vi t z t h u m , J o a c h i m Vog e l sämtlich in Tübingen

Band 78

Das völkerrechtliche Schiffssicherheitsregime Eine Analyse der Kompetenzen von Küsten-, Hafenstaaten, regionalen Organisationen und Europäischer Gemeinschaft zum Schutz der Meere vor Verschmutzung durch Öltankerunfälle

Von Henning Schult

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen hat diese Arbeit im Sommersemester 2004 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

D 21 Alle Rechte vorbehalten # 2005 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Selignow Verlagsservice, Berlin Druck: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten (Allgäu) Printed in Germany ISSN 0720-7654 ISBN 3-428-11677-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern, meiner Tante Hallo und dem Gedenken an meine Großmutter Margarethe

„Während ich schreibe, rauscht das Meer zu mir herauf, und ich schließe die Augen. Ich schaue in eine ungeborene und schemenhafte Welt hinein, die geordnet und gebildet sein will.“ Thomas Mann, Tonio Kröger (1903)

Vorwort Als die Meeresnymphe Europa, die dem Kontinent seinen Namen gab, am Ufer von Sidon Blumen pflückte, entführte sie Zeus, dessen Bruder Poseidon das Meer beherrschte, auf dem Rücken eines Stieres über das Meer. Horaz, der in seinen Oden (III, 27) die von Zeus entführte Meeresnymphe Europa besingt, lässt Venus die am Meeresstrand weinende Nymphe trösten: „Lerne so zu leben, wie es deiner hohen Stellung würdig ist. Die Hälfte der Welt wird dir ihren Namen verdanken.“ Vielleicht fühlte sich die Europäische Kommission ja tatsächlich durch die hohe Stellung Europas und die auf mythische Urzeiten zurückgehende Verbundenheit des alten Kontinents mit dem Meer bestärkt, als sie im März und Dezember 2000 in Reaktion auf die Havarie des Öltankers Erika ein europäisches Schiffssicherheitsrecht ins Leben zu rufen begann, das Fragen nach dem Verhältnis dieser regionalen autonomen Rechtsordnung zu dem vorhandenen, auf globale Geltung angelegten internationalen Schiffssicherheitsregime aufwerfen sollte und Bedenken laut werden ließ, die europäische „Hälfte der Welt“ befinde sich auf Kollision mit dem Weltganzen. Auf der Suche nach Ordnung und Bildung des Meeres analysiert die vorliegende Arbeit kompetenzbezogen Grundlagen, Inhalte und Funktionsweise dieses Weltganzen, des komplexen, durch SRÜ und IMO-Konventionen geschaffenen, völkerrechtlichen Schiffssicherheitsregimes, bewertet seine Wirksamkeit, ermittelt den Spielraum, den es regionalen Organisationen und Gemeinschaften in der Schiffssicherheit gewährt, und entwirft schließlich einen Lösungsvorschlag zur Steigerung seiner Effektivität. Sie wurde im Sommersemester 2004 von der Juristischen Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen als Dissertation angenommen. Das Verfassen dieses Vorwortes ist Anlass, mich bei vielen für gewährte Unterstützung zu bedanken. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Professor Dr. Dr. h. c. Wolfgang Graf Vitzthum, LL. M., der mich auf hervorragende Weise in fachlicher und persönlicher Hinsicht an seinen Lehrstuhl in Tübingen anband, sich vielfach für mich einsetzte und durch seine Ermutigungen wesentlich zum Gelingen der Arbeit beitrug. Selten dürfte das Wort „Doktorvater“ so gerechtfertigt sein. Herrn Prof. Dr. Hermann-Wilfried Bayer bin ich für die Übernahme des Korreferats und die zügige Erstellung des Zweitgutachtens sehr dankbar verbunden. Herrn Professor Dr. Dr. h. c. Thomas Oppermann danke ich für die ehrenvolle Aufnahme der Arbeit in die „Tübinger Schriften zum internationalen und europäischen Recht“. Die Arbeit wäre ohne Unterstützung aus der Praxis nicht möglich gewesen. Mein herzlicher Dank gilt hier Frau Almut Kaleschke vom BMVBW, Herrn Henrik Ring-

10

Vorwort

bom von der Europäischen Kommission sowie Herrn Augustín Blanco-Bazán und Frau Annie Kean von der IMO. Gedankt sei ferner den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der IMO-Bibliothek, in der ich über längere Zeit recherchieren durfte, sowie Glen Plant für weiterführende Hinweise. Besonderer Dank gebührt schließlich auch meinen Freunden, die mich – stets zur rechten Zeit – abgelenkt und angetrieben haben. Ich widme diese Arbeit meinen Eltern Heidemarie und Manfred Schult, meiner Tante Hannelore Engel und dem Gedenken an meine Großmutter Margarethe Engel, die mich stets unterstützt haben und denen ich mehr verdanke, als sich in Worten schreiben ließe. London, im August 2004

Henning Schult

Inhaltsverzeichnis Erster Teil Problemidentifikation

23

A. Schiffssicherheit und Umwelt im Völker- und Europarecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23

B. Terminologie, Gang der Arbeit und Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32

C. Methodische Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

D. Darstellung der Herausforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Öltransporte zur See . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Dimension und wirtschaftliche Bedeutung des EG-Ölhandels . . . . . . . . . . . . . . 2. Verkehrsströme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Struktur der Öltankerflotte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Meeresverschmutzung durch Tankerunfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anteil von Tankerhavarien an der Ölverseuchung der Meere . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Schadwirkung des Öls und seiner Derivate auf die marine Hydrosphäre 3. Ölverschmutzung im europäischen Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ursachen von Tankerunfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Nautische und technische Gründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wirtschaftliche Ursachen: Die Interessen der Akteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schiffseigner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Charterer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Flaggenstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Klassifikationsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Hafenstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Versicherungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Zusammenfassung und Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37 38 38 39 39 41 41 43 45 46 47 48 48 50 50 52 53 54 55

E. Steuerungsinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verkehrssicherungsinstrumente und Kontrollen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sicherheit der Navigation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeine Verhaltensregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schiffswegeführungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Schiffsmeldesysteme und AIS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Schiffsverkehrsdienste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Sonstige Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. CDEM-Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kontrollen und Inspektionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Präventive Wirkung des Haftungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

55 56 56 56 57 58 60 61 61 64 65

12

Inhaltsverzeichnis Zweiter Teil Der Schutz vor Öltankerunfällen durch das Völkerrecht

A. Der universelle völkerrechtliche Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Regelung der Umweltverschmutzung durch Schiffe durch Referenzbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Bindung von Regelungsbefugnissen an Generally Accepted International Rules and Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) International Rules and Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Generally Accepted . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Allgemeine Anerkennung von Sicherheitskonventionen . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Allgemeine Anerkennung von Vertragsänderungen unter tacit acceptance . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Gewohnheitsrechtliche Geltung der Referenzbestimmungen . . . . . . . . . . . . f) GAIRAS und Persistent Objectors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Bindung der Durchsetzungsbefugnisse an Applicable International Rules and Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassung und Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die zonale Ordnung des Seerechtsübereinkommens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Innere Gewässer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Regelungsbefugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Durchsetzungsbefugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Küstenmeer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Regelungsbefugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Durchsetzungsbefugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Schiffe auf friedlicher Durchfahrt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Schiffe auf nichtfriedlicher Durchfahrt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Meerengen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Regelungsbefugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Durchsetzungsbefugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ausschließliche Wirtschaftszone . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Regelungsbefugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Durchsetzungsbefugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Hohe See . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Spezielle Verschmutzungsverhütungsgebiete nach dem SRÜ . . . . . . . . . . . . . . . . a) Marine Schutzgebiete nach Art. 211 (6) SRÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Regelungsbefugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Durchsetzungsbefugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Eisbedeckte Gebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Schutzbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Zusammenfassung und Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zwischenergebnis: Der universelle völkerrechtliche Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . .

67 68 70 72 74 77 83 88 90 95 98 100 102 104 105 109 111 114 119 120 122 122 123 127 130 131 133 135 139 141 143 143 148 149 151 152 158 163

B. Globale Schutzmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 I. Möglichkeiten der IMO zur Durchsetzung ihrer Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166

Inhaltsverzeichnis

13

1. Erfüllungskontrolle durch Berichtsverfahren, Regel I/7 STCW und Audit Scheme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erfüllungshilfe durch ITCP und FSI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Möglichkeiten der Küstenstaaten zum Schutz ihrer Küsten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schiffswegeführungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schiffsmeldesysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Meldepflichten für Schiffe im Transit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Meldepflichten für Schiffe im Hafenanlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) AIS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Schiffsverkehrsdienste (VTS) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Spezielle Verschmutzungsverhütungsgebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) PSSAs als Anwendungsräume für vorhandene Schutzmaßnahmen . . . . . . b) Materielle und formelle Kriterien für die PSSA-Ausweisung . . . . . . . . . . . c) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Lotsenpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Ausweisung von Notliegeplätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das völkergewohnheitsrechtliche Einlaufrecht bei Seenot . . . . . . . . . . . . . . . b) Maßnahmen gegenüber fremden Schiffen in Seenot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Richtlinienen der IMO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Haftungs- und strafrechtliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das durch CLC und Fondsübereinkommen geschaffene Haftungssystem b) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Korrekturmöglichkeiten über strafrechtliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . 8. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Schutzmaßnahmen der Hafenstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einseitige Verschärfung von CDEM-Standards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Hafenstaatskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Blacklisting, Banning und Auslaufverbote bei Schlechtwetter . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

168 174 178 180 181 188 189 193 197 198 202 204 205 209 217 220 220 223 225 228 228 231 235 235 238 239 240 244 245

C. Regionale Schutzmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vereinbarkeit regionaler Schiffssicherheitsstandards mit dem SRÜ . . . . . . . . . . . . II. Pariser Vereinbarung über die Hafenstaatskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bewertung: Regionale Durchsetzung internationaler Regeln über Netzwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ostsee-Schiffssicherheit im Rahmen des Helsinki-Übereinkommens . . . . . . . . . . 1. Instrumente der HELCON-Anlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. BSPAs als Schiffssicherheitsinstrument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Mittelmeer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schiffssicherheit durch SPAs und SPAMIs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Protokoll über die Verhütung der Verschmutzung durch Schiffe . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Nordsee und Nordostatlantik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Internationale Nordseeschutzkonferenzen und trilateraler Wattenmeerschutz

245 247 251 251 258 262 264 268 269 272 274 277 278 279 280

14

Inhaltsverzeichnis 2. OSPAR-Übereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 VI. Zusammenfassende Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286

D. Gesamtergebnis: Globalisierte Normsetzung – regionalisierte Durchsetzung . . . . . . . . 288 Dritter Teil Die Regelungstätigkeit der Europäischen Gemeinschaft A. Seewärtige Orientierung und Inhalte des schiffssicherheitsbezogenen Gemeinschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. 1977–1993: Erste Schritte in der Schiffssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. 1993–2000: Eine Gemeinsame Politik im Bereich der Sicherheit der Meere . . . III. 2000–2003: Die Erika-Maßnahmen: Intensivierung, Expansion und institutionelle Verankerung der Brüssler Aktivitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Europäische Gemeinschaft nach der Prestige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Die Regelungsmöglichkeiten der EG in der Schiffssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Regelungsmöglichkeiten der EG aus völkerrechtlicher Perspektive . . . . . . . . . . . . II. Regelungsmöglichkeiten der EG aus europarechtlicher Perspektive . . . . . . . . . . . . 1. Der räumliche Geltungsbereich des EGV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Innenkompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Reichweite der Gemeinschaftskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beschränkungen durch das allgemeine Seerecht und die IMO-Konventionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Bindung des legislativen Handelns der Gemeinschaft durch Altverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Anwendbarkeit von Art. 307 EGV auf die Schiffssicherheitskonventionen der IMO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Bindung des EG-legislativ-Handelns an das IMO-Recht: Fallkonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Gemeinschaftsmaßnahme betrifft Mitgliedstaaten als Flaggenstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Gemeinschaftsmaßnahme betrifft Mitgliedstaaten als Küstenstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Gemeinschaftsmaßnahme betrifft Mitgliedstaaten als Hafenstaaten: Beschränkung der hafenstaatlichen Regelungsbefugnis durch IMO-Konventionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Außenkompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

293

294 295 298 302 308 319 319 322 323 325 325 330 331 332 335 336 337 338

338 346 346 354

C. Systematisierung und Bewertung der EG-Regelungstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 I. Sicherstellung der konvergenten Umsetzung der IMO-Vorschriften in der Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 II. Durchsetzung internationaler Standards gegenüber Drittlandsschiffen im Rahmen der PSC . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359

Inhaltsverzeichnis III. Überwachung und Kontrolle des Transitverkehrs vor den EG-Küsten durch Verkehrsregelungs-, Berichts- und Managementsysteme und Ausbau einer entsprechenden landseitigen Infrastruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Institutionelle Verankerung der Brüssler Schiffssicherheitsaktivitäten nach innen durch die EMSA sowie nach außen durch Koordinierung der Mitgliedstaaten im Rahmen der IMO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Einseitige Verschärfung internationaler CDEM-Standards durch Hafenanlaufbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15

361

365 368 368

Schlussbetrachtung Konstitutionalisierung über Netzwerke

370

A. Völkerrechtliche Ordnungsmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 B. Eignung von Netzwerken zur Steigerung der Wirksamkeit des Schiffssicherheitsregimes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 C. Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 A. Chapter V SOLAS Safety of Navigation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 B. Traffic Separation Schemes (Regel 10 COLREG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 C. General Provisions on Ships’ Routeing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382 D. Regeln I/13G und I/13H MARPOL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 E. PSSA Guidelines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413

Abkürzungsverzeichnis (Aufgeführt werden nur weniger gebräuchliche, untersuchungsspezifische Abkürzungen) a. A. ABl. AETR a. F. AFDI AIRAS AIS AIS-Richtlinien AJIL AöR APM ARIEL ATBA AVR AWZ AYIL BaC BC BDGVR BGBl. BLG BMVBW BSPA BSPC BullEG BUNKER BYIL Caribbean MOU CAS CBD

anderer Ansicht Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften European Agreement Concerning the Work of Crews of Vehicles Engaged in International Road Transport alte Fassung Annuaire Français de Droit International (Zeitschrift) Applicable International Rules and Standards (Referenzbestimmung) Automatic Identification System (Schiffsidentifizierungssystem) Guidelines for the Onboard Operational Use of Shipborne Automatic Identification Systems American Journal of International Law Archiv des öffentlichen Rechts (Zeitschrift) Associated Protective Measure (mit PSSA-Ausweisung verbundene Schutzmaßnahme) Austrian Review of International & European Law Area To Be Avoided (Schiffswegeführungsmaßnahme) Archiv des Völkerrechts (Zeitschrift) Ausschließliche Wirtschaftszone Australian Yearbook of International Law Convention for the Protection of the Marine Environment and the Coastal Region of the Mediterranean, Barcelona, 10.06.1995 Basel Convention on the Control of Transboundary Movements of Hazardous Wastes and their Disposal Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht Bundesgesetzblatt Sub-Committee on Bulk Liquids and Gases Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen Baltic Sea Protected Area Baltic Sea Parliamentary Conference Bulletin der Europäischen Gemeinschaft International Convention on Civil Liability for Bunker Oil Pollution Damage British Yearbook of International Law (Zeitschrift) Memorandum of Understanding on Port State Control in the Caribbean Region Condition Assessment Scheme (Zustandsbewertungsschema) Convention on Biological Diversity

Abkürzungsverzeichnis CBSS CDEM CILJ CJIELP CJTL CLC COLREG COMSAR CONSSO COPE-Fonds COSS CPJI CSC CWSS DAMGM DE DFMSA DOALOS Doc. DÖV DSC DSI dwt EA ECDIS ECMT EEA EELR EEZ EG EGV EJIL ELJ ELQ EMSA EP EPIL EQUASIS ESP EU EuGH EuGHE

2 Schult

17

Council of the Baltic Sea States Construction, Design, Equipment & Manning Cornell International Law Journal Colorado Journal of International Environmental Law and Policy Columbia Journal of Transnational Law International Convention on Civil Liability for Oil Pollution Damage Convention on the International Regulations for the Prevention of Collisions at Sea Sub-Committee on Radio-communications and Search and Rescue Committee of North Sea Senior Officials Compensation for Oil Pollution in European Waters Fund Committee on Safe Seas and the Prevention of Pollution from Ships Cour Permanente de Justice Internationale Convention on the Continental Shelf Common Wadden Sea Secretariat Direction Générale des Affaires Maritimes et des Gens de Mer Sub-Committee on Ship Design and Equipment Draft Framework for Member State Audit Division for Ocean Affairs and the Law of the Sea of the Office of Legal Affairs of the United Nations Document Die öffentliche Verwaltung (Zeitschrift) Sub-Committee on Carriage of Dangerous Goods, Solid Cargoes and Containers Département des Systèmes d’Information Dead Weight Tons Europa-Archiv (Zeitschrift) Electronic Chart Display (elektronisches Seekartendarstellungsund Informationssystem) European Conference of Ministers of Transport Einheitliche Europäische Akte European Environmental Law Review Exclusive Economic Zone Europäische Gemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft European Journal of International Law European Law Journal Ecology Law Quarterly (ELQ) European Maritime Safety Agency Europäisches Parlament Encyclopedia of Public International Law European Quality Shipping Information System Enhanced Survey Programme Europäische Union Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Entscheidungssammlung des Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften

18 EuR EUV EWG EWGV FA FAL FAZ Fn FORUM FP FRD FS FSI FUND GAIRAS GATS GATT GC GIELR GJICL GRT GYIL Haager Memorandum HambGVBl Hazmat-RL

HELCOM HELCOM HOD HELCOM MARITIME HELCON HNS

HSC IACS IBC Code ICJ ICJ Reports ICLQ i. d. F.

Abkürzungsverzeichnis Europa Recht (Zeitschrift) Vertrag über die Europäische Union Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (in der bis zum 31.10.1993 geltenden Fassung) Foreign Affairs (Zeitschrift) Facilitation Committee Frankfurter Allgemeine Zeitung Fußnote International law FORUM du droit international (Zeitschrift) Sub-Committee on Fire Protection Friendly Relations Declaration Festschrift Sub-Committee on Flag State Implementation Convention on the Establishment of an International Fund for Compensation for Oil Pollution Damage Generally Applicable International Rules and Standards (Referenzbestimmung) General Agreement on Trade and Services General Agreement on Tariffs and Trade Governing Council (UNEP-Verwaltungsrat) Georgetown International Environmental Law Review Georgia Journal of International and Comparative Law Gross Register Tons German Yearbook of International Law Hague Memorandum of Understanding on Port State Control Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt Richtlinie 93/75/EWG des Rates vom 13.09.1993 über Mindestanforderungen an Schiffe, die Seehäfen der Gemeinschaft anlaufen oder aus ihnen auslaufen und gefährliche oder umweltschädliche Güter befördern Helsinki Commission Helsinki Commission Heads of Delegation The Maritime Group of the Helsinki Commission Convention on the Protection of the Marine Environment of the Baltic Sea Area, 1992 (Helsinki-Übereinkommen) International Convention on Liability and Compensation for Damage in Connection with Carriage of Hazardous and Noxious Substances by Sea Convention on the High Seas International Association of Classification Societies International Bulk Chemical Code International Court of Justice International Court of Justice, Reports of Judgements, Advisory Opinions and Orders International and Comparative Law Quarterly in der Fassung

Abkürzungsverzeichnis IGC Code IGH IGHSt IJIL IJMCL ILA ILC ILM ILO ILO No. 147 ILR IMCO IMDG Code IMO IMOC Indian Ocean MOU INF INF Code

INK INTERVENTION IO IOPP Certificate IP

ISGH ISM ITCP ITF ITLOS ITOPF IUA IUCN IUMI JMLC JN JWGMSA JZ 2*

19

International Code for the Construction and Equipment of Ships Carrying Liquefied Gases in Bulk Internationaler Gerichtshof Statut des Internationalen Gerichtshofs The Indian Journal of International Law The International Journal of Marine and Coastal Law International Law Association United Nations International Law Commission International Legal Materials International Labour Organization Convention 147: Convention concerning Minimum Standards in Merchant Ships International Law Reports Inter-governmental Maritime Consultative Organization (seit 1982: IMO) International Maritime Dangerous Goods Code International Maritime Organization Convention on the International Maritime Organization Indian Ocean Memorandum of Understanding on Port State Control for the Indian Ocean Region Irradiated Nuclear Fuel International Code for the Safe Carriage of Packaged Irradiated Nuclear Fuel, Plutonium and High-Level Radioactive Wastes on Board Ships Internationale Nordseeschutzkonferenz International Convention relating to Intervention on the High Seas in Cases of Oil Pollution Casualties International Organization (Zeitschrift) International Oil Pollution Prevention Certificate Protocol on the Prevention of Pollution of the Mediterranean Sea by Transboundary Movements of Hazardous Wastes and their Disposal (Izmir-Protokoll) Internationaler Seegerichtshof International Safety Management Code Integrated Technical Cooperation Programme The International Transport Workers’ Federation International Tribunal for the Law of the Sea International Tankers Owners’ Pollution Federation International Underwriting Association International Union for Conservation of Nature and Natural Resources International Union of Marine Insurance Journal of Maritime Law and Commerce Journal of Navigation Joint MSC/MEPC/TCC Working Group on the Voluntary IMO Member State Audit Scheme Juristenzeitung

20 LEG LL LNTS LOSB LSIP MAP MARPOL MAS Mediterranean MOU Melde-RL

MEP MEPC MOU MP MPA MPB MSC NAV n. F. NJIL NJW NMFT NotliegeRL NUCLEAR NuR NYIL NYUJILP OCIMF ODIL OECD OGLTR OPA OPRC OSPAR

OY Paris MOU P&I PPSC

Abkürzungsverzeichnis Legal Committee International Convention on Load Lines League of Nations Treaty Series Law of the Sea Bulletin Law of the Sea Institute Proceedings Mediterranean Action Plan International Convention for the Prevention of Pollution from Ships Maritime Assistance Service (MAS) Memorandum of Understanding on Port State Control in the Mediterranean Region RL 2002/59/EG des EPs und des Rates vom 27.06.2002 über die Einrichtung eines gemeinschaftlichen Überwachungs- und Informationssystems für den Schiffsverkehr und zur Aufhebung der RL 93/75/EWG des Rates Member of European Parliament Marine Environment Protection Committee Memorandum of Understanding Marine Policy Marine Protected Area (Meeresschutzgebiet) Marine Pollution Bulletin Maritime Safety Committee Sub-Committee on Safety of Navigation neue Fassung Nordic Journal of International Law Neue Juristische Wochenschrift No More Favourable Treatment Guidelines on Places of Refuge for Ships in Need of Assistance Convention relating to Civil Liability in the Field of Maritime Carriage of Nuclear Material Natur und Recht NuR (Zeitschrift) Netherlands Yearbook of International Law New York University Journal of International Law and Politics The Oil Companies International Marine Forum Ocean Development & International Law (Zeitschrift) Organization for Economic Cooperation and Development Oil and Gas Law and Taxation Review (Zeitschrift) Oil Pollution Act of the United States, 1990 International Convention on Oil Pollution Preparedness, Response and Cooperation Convention for the Protection of the Marine Environment of the North-East Atlantic, opened for signature at the Ministerial Meeting of the Oslo and Paris Commissions, Paris, 21–22 September 1992 Ocean Yearbook (Zeitschrift) Paris Memorandum of Understanding on Port State Control Protection and Idemnity Procedures for Port State Control

Abkürzungsverzeichnis Prev.-Prot.

PSC PSCO PSSA PSSA-Richtlinien RdC Rec. RECIEL Res. REMPEC RGDIP RIAA RL SAR SAYIL SDR SDVIS SIRE SLF SLJ sm SOLAS SPA SPAMI SPA-Prot.

SR SRB SRS SRS-Prinzipien SRS-Richtlinien SRÜ STCW StIGH STW SUA

21

Protocol Concerning Cooperation in Preventing Pollution from Ships and, in Cases of Emergency, Combating Pollution of the Mediterranean Sea (Teil des Barcelona-Convention-Systems) Port State Control (Hafenstaatskontrolle) Port State Control Officer Particularly Sensitive Sea Area Guidelines for the Identification and Designation of Particularly Sensitive Sea Areas Recueil des Cours de l’Académie de Droit International de La Haye (Zeitschrift) Recommendation Review of European Community & International Environmental Law (Zeitschrift) Resolution Regional Marine Pollution Emergency Response Centre for the Mediterranean Sea Revue générale de droit international public (Zeitschrift) Reports of International Arbitral Awards Richtlinie International Convention on Maritime Search and Rescue South African Yearbook of International Law (Zeitschrift) Special Drawing Right Schriften des Deutschen Vereins für Internationales Seerecht Ship Inspection Report Programme Sub-Committee on Stability and Load Lines and Fishing Vessels Safety Southwestern Law Journal Seemeilen International Convention for the Safety of Life at Sea Specially Protected Area Specially Protected Area of Mediterranean Importance Protocol Concerning Specially Protected Areas and Biological Diversity in the Mediterranean (Teil des Barcelona-Convention-Systems) Ships’ Routeing Ships’ Routeing-Bestimmungen Ship Reporting System General Principles for Ship Reporting Systems and Ship Reporting Requirements Guidelines and Criteria for Ship Reporting Systems Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen International Convention on Standards of Training, Certification and Watchkeeping for Seafarers Ständiger Internationaler Gerichtshof Sub-Committee on Standards of Training and Watchkeeping Convention for the Suppression of Unlawful Acts against the Safety of Maritime Navigation

22 SZ TCC TSC TSS TWG TWK ULCC UN UNC UNCLOS UNCTAD UNEP UNTS UTLR VDR VLCC VO VOC VTS VTS-Richtlinien VVDStRL WCPA WLR WTO WVK WWF ZaöRV Zeus

Abkürzungsverzeichnis Süddeutsche Zeitung Technical Cooperation Committee Convention on the Territorial Sea and the Continguous Zone Traffic Separation Scheme (Verkehrstrennungsgebiet) Trilateral Working Group Trilaterale Regierungskonferenz zum Schutz des Wattenmeeres Ultra Large Crude Carriers (Tankerklasse) United Nations Charter of the United Nations United Nations Convention on the Law of the Sea oder United Nations Conference on the Law of the Sea United Nations Conference on Trade and Development United Nations Environmental Programme United Nations Treaty Series University of Tasmania Law Review Voyage Data Recorder Very Large Crude Carriers (Tankerklasse) Verordnung Volatile Organic Compounds Vessel Traffic Service (Schiffsverkehrsdienst) Guidelines for Vessel Traffic Services Veröffentlichungen der Vereinigung der deutschen Staatsrechtslehrer World Commission on Protected Areas Washington Law Review (Zeitschrift) World Trade Organization Wiener Konvention über das Recht der Verträge (Vienna Convention on the Law of Treaties) World Wide Fund for Nature Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Zeitschrift für europarechtliche Studien

Erster Teil

Problemidentifikation A. Schiffssicherheit und Umwelt im Völker- und Europarecht Über 90 % des Welt-, annähernd 90 % des europäischen Außen- und 35 % des EG-Binnenhandels werden über das Meer abgewickelt 1. Kein Wirtschaftsgut steht mehr für wirtschaftliche Prosperität als Öl 2. Mehr als jede andere Ware wird das schwarze Gold verschifft. Rund 2,1 Milliarden Tonnen Rohöl und Raffinate waren es im Jahr 2003. Das sind, bezogen auf das Gewicht, 40 % der gesamten zur See beförderten Fracht 3. Die Gesamttonnage der Öltankerflotten steigt seit Anfang der 90er ebenso wie das Alter der Schiffe beständig 4. Jede Nutzungsart des Meeres konstituiert zugleich eine Verschmutzungsquelle, und so trägt auch der Petroleumtransport mit 22 % zur Gesamtmeeresverschmutzung bei. Nur ca. 14 % der weltweiten Öleinträge sind allerdings auf Tankerunfälle zurückzuführen 5. Das verheerende an Tankerhavarien ist denn auch weniger ihr verhältnismäßig geringer Anteil an den insgesamt 700.000 Tonnen Öl 6, die jährlich aus anthropogenen Quellen ins Meer gelangen, sondern vielmehr die lokalen Auswirkungen einer Ölpest auf Fauna, Flora, Fischerei, Fremdenverkehr und Bevölkerung der betroffenen Küstenregion samt dem dadurch entstehenden, unter Umständen immensen gesamtwirtschaftlichen Schaden 7. Megakatastrophen, wie die der Torrey Canyon, Amoco Cadiz, Haven, Aegean Sea, Braer, Sea Empress, Erika und Prestige, verdeutlichen auf eindringliche Weise die Gefährdung europäischer KüstenreAngaben nach KOM(2001) 188 endg., S. 8. In Europa wurden im Jahr 2001 760,2 Millionen Tonnen Öl konsumiert, 21,7 % des Weltölverbrauchs, vgl. British Petrol, Statistical Review of World Energy, 2002, S. 10. 3 Fearnleys A/S, Fearnleys Review, 2003, S. 45. 4 Angaben nach OECD/DSTI/DOT(2001) 3, Regulatory Issues in International Maritime Transport, 2002, S. 74 und ISL, Shipping Statistics and Market Review, 2002. 5 National Research Council, Oil in the Sea III: Inputs, Fates and Effects, 2002, S. 76. Diese statistischen Angaben sind nicht unproblematisch. Siehe dazu Erster Teil: D. II. 1. 6 Insgesamt gelangen per annum 1,3 Millionen Tonnen Petroleum ins Meer. Davon stammen immerhin 600.000 Tonnen (45 %) aus natürlichen Quellen. Vgl. National Research Council, Oil in the Sea III: Inputs, Fates and Effects, 2002, S. 3. 7 Der Schiffbruch des Öltankschiffs Erika im Dezember 1999 vor der französischen Küste verursachte Schäden von über 300 Millionen Euro, vgl. KOM(2000) 802 endg., S. 7. 1 2

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Erster Teil: Problemidentifikation

gionen durch Öltanker. Vorsorgende, bei der Schiffssicherheit ansetzende Maßnahmen, die darauf abzielen, derartige Unfälle gar nicht erst eintreten zu lassen, wirken sich deshalb stets zugleich positiv auf die marine Umwelt aus. Schiffssicherheit ist aktiver Umweltschutz. Das Völkerrecht hat recht früh auf die Herausforderung der Umweltverschmutzung durch Schiffe reagiert 8. Dem Schutz der Meere vor Verschmutzung durch Öltanker dient eine Vielzahl völkerrechtlicher Vorschriften, Standards und Verfahren. Historisch gesehen ist sie die älteste Art von Verschmutzung, um deren Regelung man sich bemüht hat, und zugleich die am intensivsten geregelte. Regelmäßig vorangetrieben durch große Schiffsunglücke, hat sich seit 1954 mit 27 Konventionen und Protokollen ein umfangreiches Normengeflecht herausgebildet 9. Fragen des marinen Umweltschutzes werden sowohl auf der Tatbestandsseite durch Ge- und Verbote als auch auf der Rechtsfolgenseite durch ein komplexes und in der Tat einzigartiges zivilrechtliches Haftungsregime für Verschmutzungsschäden geregelt. Unmittelbar der Schiffssicherheit dienen allerdings nur fünf Konventionen 10: MARPOL, SOLAS, 8 Die Regelung der Umweltverschmutzung durch Schiffe gehört mit zu den ersten Umweltbelangen, die auf internationaler Ebene diskutiert wurden. Über 40 Jahre sind seit der Zeichnung der ersten multilateralen Konvention auf diesem Gebiet, der International Convention for the Prevention of Pollution of the Sea by Oil vom 12.05.1954, 327 UNTS 3, vergangen. 9 Bussek, Schutz der Meere vor Verschmutzung, S. 161 spricht in diesem Zusammenhang von einem Katastrophenfolgerecht. 10 Jedenfalls dann, wenn ein erweiterter, den menschlichen Faktor umfassender Schiffssicherheitsbegriff zugrunde gelegt wird. Mittelbar tragen auch die International Convention on Civil Liability for Oil Pollution Damage (CLC), Brüssel, 29.11.1969, in Kraft getreten am 19.06.1975, BGBl. 1975 II 301, 305, Protocol, London, 27.11.1992, in Kraft getreten am 30.05.1996, BGBl. 1994 II 1152 (ersetzt zwischen den Vertragsparteien das Übereinkommen von 1969), die Convention on the Establishment of an International Fund for Compensation for Oil Pollution Damage (FUND), Brüssel, 18.12.1971, in Kraft getreten am 16.10.1978, BGBl. 1975 II 301, 320 Protocol, London, 27.11.1992, in Kraft getreten am 30.05.1996, BGBl. 1994 II 1169 (ersetzt zwischen den Vertragsparteien das Übereinkommen von 1971) und die International Convention relating to Intervention on the High Seas in Cases of Oil Pollution Casualties (INTERVENTION), Brüssel, 29.11.1969, in Kraft getreten am 06.05.1975, BGBl 1975 II 139, Protocol relating to Intervention on the High Seas in Case of Marine Pollution by Substances other than Oil, London, 02.11.1973, in Kraft getreten am 30.03.1983, 1313 UNTS 3 zum Schutz der Umwelt vor Öltankerunfällen bei. Das Gleiche gilt auch für die Convention 147: Convention concerning Minimum Standards in Merchant Ships (ILO No. 147), Genf, 29.10.1976, in Kraft getreten am 28.11.1981, BGBl 1980 II 606, Protocol of 1996 to the Merchant Shipping (Minimum Standards) Convention, 1976 (ILO No. 147 Prot. 96), Genf, 22.10.1996, in Kraft getreten am 10.01.2003, ILOLEX (Internetresource). Die internationalen Übereinkommen werden im Folgenden, soweit möglich, mit ihrer internationalen Quelle angegeben. Wenn einzelne Bestimmungen wörtlich zitiert werden, so stets in ihrer völkerrechtlich verbindlichen Sprachfassung. Die IMO-Konventionen sind häufig durch Protokolle ergänzt worden. Ihre Anlagen werden durch Resolutionen der IMO-Fachgremien ständig überarbeitet. Diese Resolutionen werden, leider teils mit erheblicher Verzögerung, im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Die aktuelle Fassung des Wortlauts muss mühsam zusammengesucht werden, da die Änderung einbeziehende Neubekanntmachungen der Übereinkommen selten sind. Für eine aktuelle und vor allen Dingen konsolidierte Fassung sollte, wie in der Praxis absolut üblich, auf

A. Schiffssicherheit und Umwelt im Völker- und Europarecht

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LL, COLREG und STCW 11. Diese bestehen aus einem kurzen Vertragstext und mehreren, oft einige hundert Seiten umfassenden Anhängen und Anlagen, die detaillierte technische Standards für Konstruktion, Ausrüstung und Betrieb der Schiffe schaffen 12. Hinzu kommen zahlreiche Empfehlungen, Entschließungen, Richtlinien und Codes unterschiedlicher rechtlicher Verbindlichkeit. Die Regeln und Standards für die Sicherheit im Seeverkehr werden vor allem von der 1958 als UN-Sonderorganisation (Art. 57 UNC 13) in London errichteten, 162 Mitglieder starken Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) aufgestellt 14. Das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen vom 10.12.1982 (SRÜ) 15 ist hinsichtlich vieler Agenden ein bloßer „umbrella treaty“16. Es enthält weder bestimmte Bau-, Konstruktions- oder Ausrüstungsvorschriften für Schiffe noch detaillierte Bestimmungen über die Ausbildung der Besatzung17, sondern überlässt diese Fragen bewusst vor allem der konkretisierenden IMO-Rechtsetzung 18, auf die das die konsolidierten IMO-Publikationen der Übereinkommen zurückgegriffen werden, die über die Organisation bezogen werden können. 11 International Convention for the Prevention of Pollution from Ships (MARPOL), London, 02.11.1973, as amended by the Protocol, London, 01.06.1978, beide in Kraft getreten am 02.10.1983 (Anlage I und II), ILM 12 (1973), 1319 und ILM 17 (1978), 246 (Protokoll); International Convention for the Safety of Life at Sea (SOLAS), London, 01.11.1974, in Kraft getreten am 25.05.1980, UNTS 1184, 2, Protocol to the Convention, London, 01.06.1978, in Kraft getreten am 01.05.1981, BGBl. 1980 II 525, Protocol to the Convention, London 11.11.1988, in Kraft getreten am 03.02.2000, BGBl 2000 II 489; International Convention on Load Lines (LL), London, 05.04.1966, in Kraft getreten am 21.07.1968, UNTS 640, 133, Protocol, London, 11.11.1988, in Kraft getreten am 03.02.2000, Anlageband zum BGBl. 1994 II Nr. 44; Convention on the International Regulations for the Prevention of Collisions at Sea (COLREG), London 20.10.1972, in Kraft getreten am 15.07.1977, BGBl.1976 II 1017; International Convention on Standards of Training, Certification and Watchkeeping for Seafarers (STCW), London, 01.12.1978, in Kraft getreten am 28.04.1984, BGBl 1982 II298. 12 Diese Anlagen und Anhänge können durch das tacit acceptance-Verfahren schnell den sich wandelnden technischen und ökologischen Verhältnissen angepasst werden. Bis auf LL 1966, sehen seit 1972 alle Schiffssicherheitskonventionen der IMO dieses Verfahren vor. Am 03.02.2000 ist das Protokoll von 1988 zu LL 1966 in Kraft getreten, so dass nun auch diese Konvention im tacit amendment-Verfahren geändert werden kann. 13 Charter of the United Nations (UNC), San Franzisko, 26.06.1945, in Kraft getreten am 24.10.1945, United Nations Conference on International Organization Documents, Bd. XV (1945), S. 335 ff. 14 Stand: 20.11.2002. Die IMO hieß bis 1982 IMCO. Zur IMO vgl. Jenisch, Stichwort Internationale Seeschifffahrts-Organisation IMO, in: Andersen/Woyke (Hrsg.), Handwörterbuch internationale Organisationen, S. 202 ff. 15 United Nations Convention on the Law of the Sea, Montego Bay, 10.12.1982, in Kraft getreten am 16.11.1994, ILM 21 (1982), 1245. 16 Zu diesem Aspekt bereits Graf Vitzthum, Friedlicher Wandel durch völkerrechtliche Rechtsetzung, in: Delbrück (Hrsg.), Völkerrecht und Kriegsverhütung, S. 173. 17 Vgl. Art. 94 (3), 211 (2), 217 (1) SRÜ. 18 Mit Rechtsetzung sind die IMO-Konventionen ebenso gemeint wie Richtlinien, Empfehlungen, Codes und die zahlreichen Resolutionen der IMO-Vollversammlung und der einzelnen Ausschüsse. Vgl. dazu Lagoni, Die Internationale Seeschifffahrts-Organisation (IMO) als

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Erster Teil: Problemidentifikation

SRÜ selbst, sie im positiven Sinne einbeziehend, mehrfach verweist 19. Als ein rechtliches Dach über den vorhandenen weltweiten und regionalen Übereinkommen schreibt es aber dem Flaggenstaat bestimmte Kontrollpflichten vor und regelt als verfassungsgleicher Rahmen u. a. die wichtige Frage der Jurisdiktion, d. h. der Hoheitsbefugnisse eines Staates gegenüber Schiffen in verschiedenen Meereszonen. Diese Kompetenzordnung des Seerechts befindet sich zur Zeit in einem interessanten Zustand. Das im Seerechtsübereinkommen niedergelegte Neue Seerecht sollte der völkerrechtlichen Ordnung nach Jahren der Unruhe und Bewegung Ruhe und Beständigkeit geben 20. Schon vor seinem In-Kraft-Treten am 16. November 1994 hochgreifend als Verfassung der Meere bezeichnet und als Akt der Konstitutionalisierung gefeiert, befindet sich das SRÜ auf dem besten Wege zu universeller Geltung 21. Besonders im Hinblick auf die Umweltverschmutzung durch Schiffe, ist der Unterschied zur Rechtslage vor In-Kraft-Treten des SRÜ bemerkenswert, da diese Verschmutzungsquelle die am ausführlichsten geregelte im Teil XII des SRÜ (Schutz und Bewahrung der Meeresumwelt) ist. Diese Normenfülle und Spezifizierung hat jedoch nicht zur Folge, dass alle Hoheitsrechte und -pflichten geklärt wären. Stattdessen sind neue Probleme in Bezug auf Auslegung und Anwendung der durch das Seerechtsübereinkommen geschaffenen Zuständigkeitsordnung entstanden, die zeigen, dass es mit dem „festen Buchstab“ nicht immer weit her ist. Für die vorliegende Untersuchung wird dies besonders deutlich bei der Frage, welche Möglichkeiten Küsten- und Hafenstaaten zur Verfügung stehen, den Verkehr vor ihren Küsten zu überwachen. Eine weltweite Aktivität wie der Öltankerverkehr verlangt nach global einheitlichen Regeln und Standards, die unabhängig vom Aufenthaltsort des Schiffes, seiner Flagge, oder der Nationalität seiner Eigentümer, Betreiber oder Charterer sind. Dies gilt aus Gründen der Wettbewerbsfähigkeit gerade auch für die Schiffssicherheit, da anderenfalls Kostenvorteile für Betreiber unternormiger Schiffe entstehen. Obwohl Rechtsetzungsorgan, in: Ehlers/Erbguth (Hrsg.), 50 Jahre Vereinte Nationen: Tätigkeit und Wirken der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation (IMO) (im Folgenden: Lagoni, Die Internationale Seeschifffahrtsorganisation), S. 45–56. 19 Z. B. durch die in Art. 21 (2), (4); 22 (3) (a); 39 (2); 41 (3); 53 (8); 94 (3), (4), (5); 211 (1), (2), (6) (c); 217 (1), (2); 218 (1); 219; und 220 (1), (2), (3) enthaltenen Referenzbestimmungen, die auf die im Rahmen der Organisation aufgestellten Regeln und Normen Bezug nehmen. Ausführlich dazu die IMO-Studie Implications of the Entry into Force of the United Nations Convention on the Law of the Sea for the International Maritime Organization, LEG/MISC/2 (IMOUNCLOS-Implications-Studie), S. 3. Für Staaten, die Vertragspartei des SRÜ, nicht jedoch eines einschlägigen IMO-Übereinkommens sind, ergibt sich daraus eine komplexe Rechtslage, vgl. Lagoni, die Abwehr von Gefahren für die marine Umwelt, in BDGVR 32 (1992), 150 und van Reenen, Rules of reference in the new Convention on The Law of the Sea, in particular in connection with the pollution of the sea by oil from tankers, NYIL 12 (1981), S. 8–12. 20 Graf Vitzthum/Talmon, Alles fließt, S. 5. 21 Am 16.07.2004 hatten laut der Division for Ocean Affairs and the Law of the Sea, Office of Legal Affairs, United Nations 145 Staaten die Seerechtskonvention ratifiziert oder waren ihr beigetreten (Internetresource). In den USA hat das 2003 eingeleitete Ratifikationsverfahren im Frühjahr 2004 den Senat erreicht.

A. Schiffssicherheit und Umwelt im Völker- und Europarecht

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dies im Grundsatz unstrittig ist, ist es nicht immer einfach, die oft konträren Belange von Flaggen- und Küstenstaaten zu konkordieren. Denn während Schifffahrtsnationen an möglichst freier Schifffahrt interessiert sind, wird dem Schutz der marinen Umwelt der Küstenregionen am ehesten durch Verfahren Rechnung getragen, die auf lokale oder regionale Besonderheiten eingehen und nicht auf einen häufig nur beim kleinsten gemeinsamen Nenner erzielbaren globalen Konsens angewiesen sind. Das Seerechtsübereinkommen anerkennt die Schutzwürdigkeit der Schifffahrt 22 ebenso wie die der Umwelt 23 und versucht das Spannungsverhältnis zwischen maritimen und küstenstaatlichen Interessen durch eine sorgfältig austarierte Balance zwischen den Kompetenzen der Flaggen-, Küsten- und Hafenstaaten auszugleichen. Für die Einhaltung der internationalen Schiffssicherheitsregeln ist in erster Linie der Flaggenstaat zuständig 24. Leider kommen viele Flaggenstaaten dieser Aufgabe nicht mit der notwendigen Verantwortung nach 25. Teils, um die Zahl der Schiffe unter ihren Registern zu erhöhen, teils, weil ihnen schlechterdings die technisch-administrativen Fähigkeiten für eine wirksame Kontrolle der unter ihrer Flagge registrierten Tonnage fehlen. So kommt es, dass trotz relativ stringenter technischer Stan22 Vgl. Art. 87 (1) (a) SRÜ für die Hohe See, 58 (1) SRÜ für die AWZ und Art. 17 SRÜ für das Küstenmeer, der die aquitoriale Souveränität der Küstenstaaten insofern beschränkt. Mit dem auf Graf Vitzthum zurückgehenden, für die maritimen Teile des „küstenstaatlichen Territoriums“ neu eingeführten Sammelbegriff „Aquitorium“ soll nicht die wichtige Unterscheidung zwischen dem Küstenmeer einerseits und den inneren Gewässern bzw. den Archipelgewässern (Terminologie auch des SRÜ) andrerseits relativiert werden, sondern es soll der gebietrechtlich qualitative Unterschied dieses Staatsgebietsteils zu den sich seewärts anschließenden bloßen Funktionshoheitszonen des Küstenstaates bzw. dann der hohen See und dem „Gebiet“ unterstrichen werden, vgl. Graf Vitzthum, Raum und Umwelt im Völkerrecht, in: ders. (Hrsg.), Völkerrecht, 5. Abschn., Rn 38 ff. Die Freiheit der Schifffahrt ist auch in der Geschichte des Seerechts ein Schlüsselelement der umfassenderen Hohe-See-Freiheit. Vgl. dazu Ziegler, Völkerrechtsgeschichte, S. 129, 153 f., 168 f.; Graf Vitzthum, Seerechtsfrühgeschichte. Von der vorklassischen Antike bis zur hellenistisch-römischen Epoche, in: Ascheri et al. (Hrsg.), Ins Wasser geworfen und Ozeane durchquert, FS für K.W. Nörr, S. 1018–1044 und ders., Seerechtsglobalisierung – Von der iberischen Epoche bis zur Ära der Vereinten Nationen, in Schorlemer (Hrsg.), Praxishandbuch UNO (im Folgenden: Graf Vitzthum, Seerechtsglobalisierung), S. 397–418. 23 So wird die Schifffahrtsfreiheit under the conditions laid down by this Convention and by other rules of international law ausgeübt. Conditions i.S. v. Art. 87 (1) SRÜ enthält im Hinblick auf die Schiffssicherheit Art.211(1) SRÜ: States, acting through the competent international organization or general diplomatic conference, shall establish international rules and standards to prevent [...] pollution of the marine environment from vessels and promote the adoption, in the same manner, wherever appropriate, of routeing systems designed to minimize the threat of accidents which might cause pollution of the marine environment, including the coastline, and pollution damage to the related interests of coastal States (Hervorhebung durch Verfasser). Dem korrespondiert die Befugnis der Küstenstaaten, Normen zur Sicherheit der Schifffahrt und der Regelung des Seeverkehrs zu erlassen sowie Schifffahrtswege und Verkehrstrennungsgebiete im Küstenmeer einzurichten, wobei die Empfehlungen der IMO zu berücksichtigen sind. Allgemein wird die Verpflichtung zum Umweltschutz in Art. 192 SRÜ statuiert. 24 Vgl. Art. 94, 211 (2), 217 SRÜ. 25 Dazu ausführlich unter Erster Teil: D. III. 2. c).

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Erster Teil: Problemidentifikation

dards und einer hohen Zahl an Ratifizierungen der einschlägigen IMO-Konventionen durch die Flaggenstaaten 26 Substandardschiffe weiterhin auf den Weltmeeren verkehren: Schiffssicherheit ist weniger ein Problem der Quantität der Normen als eines der niedrigen Qualität ihrer Implementierung27. Im Völkerrecht ist ein Trend zu beobachten, dieser Durchsetzungsarmut dadurch zu begegnen, dass neben den Flaggenstaaten verstärkt andere Akteure mit der Durchsetzung von Schiffssicherheitsstandards betraut werden 28. Damit ist vorliegend nicht nur das Instrument der Hafenstaatskontrolle gemeint. Insbesondere wurden die Möglichkeiten der Küstenstaaten erweitert, Schiffe auf friedlicher Durchfahrt vor ihren Küsten mit Hilfe verbindlicher Meldesysteme, Schiffswegeführungen, von der Schifffahrt zu meidender Gebiete, aber auch im Rahmen der Ausweisung besonders empfindlicher Meeresgebiete zu kontrollieren, wobei die einzelnen Maßnahmen von unterschiedlicher rechtlicher Verbindlichkeit sind. Interessant ist, dass dies im Rahmen der IMO geschieht, denn normalerweise berühren die hoch technischen IMO-Standards die Zuständigkeitsordnung des Seerechts nicht. Es stellt sich die Frage, ob diese Bestrebungen auf das vom Seerechtsübereinkommen geschaffene zonale Regime rückwirken und ob sie möglicherweise die vom Seerechtsübereinkommen geschaffene Balance zwischen Schifffahrtsfreiheit und Umweltschutz ändern. Ein weiterer Akteur, der sich seit einiger Zeit verstärkt der Durchsetzung von Schiffssicherheitsstandards annimmt, ist die IMO selbst. Das klassische Völkerrecht ist ein durch einen relativ geringen Grad an Institutionalisierung gekennzeichnetes, zwischenstaatliches Koordinationsrecht 29, dem es schwer fällt, das Verhalten seiner Akteure zu kontrollieren und gegebenenfalls zu sanktionieren. Auch die IMO ist keine zentrale Polizeiinstanz, die sicherstellen könnte, dass ihren Standards Folge geleistet wird. Dennoch hat die IMO in jüngster Zeit Verfahren entwickelt, die helfen, die Implementierung ihrer Standards zu verbessern. Diese reichen vom partnerschaftlichen capacity-building bis zu begrenzten Kontrollmöglichkeiten. Darüber hinaus tragen auch private Akteure zur Umsetzung internationaler Schiffssicherheitsstandards bei. Dies geschieht im Optimalfall durch Selbstregulierung in Form industrieeigener Standards und höherer Versicherungsprämien für 26 SOLAS: 98,45 %, Protokoll 78: 94,83 %; Protokoll 88: 63,57 %; LL: 98,41 %; Protokoll 88: 63,44; COLREG: 97,44 %; STCW: 98,42 %; MARPOL (Anlage I und II): 97,06 %; INTERVENTION: 71,40 %, Protokoll 73: 45,12 %; CLC Protokoll 1992: 93,14 %; FUND Protokoll 1992: 88,14 %. Prozentuale Angaben beziehen sich auf den Anteil, der ratifizierenden Staaten an der Welttonnage. Angaben nach International Maritime Organization, Summary of Status of Conventions as at 31 July 2004 (Internetressource). 27 Allgemeine Meinung, vgl. Graf Vitzthum, Schiffssicherheit. Die EG als potentieller Durchsetzungsdegen der IMO, ZaöRV 62 (2002), S. 163–182; Churchill/Lowe, The Law of the Sea, S. 273–276. 28 Vorbach, The Vital Role of Non-Flag State Actors in the Pursuit of Safer Shipping, ODIL 32 (2001), S. 27–42. 29 Zu diesem Aspekt Beyerlin, Umweltvölkerrecht, S. 231–240.

A. Schiffssicherheit und Umwelt im Völker- und Europarecht

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Substandard-Tanker. Aber auch durch eine induzierte Selbstregulierung, wie beispielsweise im Rahmen des ISM Code 30. Dieser verpflichtet zum Aufbau eines Sicherheitsmanagementsystems unter dessen Dach die maßgeblichen nationalen und internationalen Normen und betrieblichen Sicherheitsstandards zusammengefasst und betriebsintern auf ihre Einhaltung überprüft werden. Die Regeln zum Schutz der marinen Umwelt vor schiffsbedingten Verschmutzungen bilden aufgrund des globalen Charakters der Seeschifffahrt in vielerlei Hinsicht eine Ausnahme zu den anderen Regeln in Teil XII des SRÜ. Eine davon ist die Zuweisung der Rechtserzeugungsmacht an eine einzelne internationale Organisation. Anders als beim Dumping, der land- oder luftverursachten Verschmutzung oder der regionalen Zusammenarbeit bei der Überwachung und Bekämpfung schiffsbedingter Verschmutzungen, ist die Regelung der Schifffahrt, nicht zuletzt wegen der durch das tacit amendment-Verfahren 31 ermöglichten engagierten Arbeit der IMO, global geblieben. Unilateral gesetzte nationale oder regionale Standards sind die Ausnahme 32. Anders bei der Durchsetzung der internationalen Standards: Die ersten Vereinbarungen wurden in Europa in den späten 70ern und frühen 80ern geschlossen und bezogen sich auf eine koordinierte Hafenstaatskontrolle. Seitdem hat sich ihre Zahl und geographische Ausdehnung erheblich erweitert33. Darüber hinaus schaffen re30 Der Code wurde 1993 mit Resolution A.741(18) von der IMO-Generalversammlung angenommenen. Regel IX/3 SOLAS verweist explizit auf den Code und macht ihn dadurch völkerrechtlich verbindlich. 31 Nach diesem Verfahren gilt eine mit (Zweidrittel-)Mehrheit der anwesenden Vertragsstaaten beschlossene Novelle als angenommen, wenn sie nicht innerhalb einer bestimmten Frist (meist ein bis zwei Jahre) von einem Drittel der Vertragsstaaten zurückgewiesen wird. Die Änderung tritt ggf. auch für die Staaten in Kraft, die sie verschwiegen haben. Das tacit amendment-Verfahren ist auf die Anlagen der IMO-Übereinkommen und damit in der Regel auf technische Bestimmungen beschränkt. Mit der COLREG Konvention aus dem Jahr 1972 ist es für die Änderung der Anhänge der IMO-Übereinkommen zur Regel geworden. Eine Übersicht über die Konventionen, die dieses Verfahren vorsehen, bietet Focus on IMO, IMO Conventions, Stand: 01.01.1998. Vgl. dazu auch Ilg, Die Rechtsetzungstätigkeit der International Maritime Organization, S. 36–53. 32 Ringbom, Introduction, in: ders. (Hrsg.) Competing Norms in the Law of Marine Environmental Protection, S. 1–9. 33 Die Behörden 14 europäischer Staaten schlossen 1982 ein Memorandum of Understanding on Port State Control (Pariser Hafenstaatskontrollvereinbarung), Text in: ILM 21 (1982), 1, das seitdem 26-mal geändert wurde (die 26. Änderung ist am 01.07.2004 in Kraft getreten). Es ersetzt das frühere und weniger umfangreiche Den Haager Memorandum aus dem Jahr 1978, das als Reaktion auf die Havarie der Amoco Cadiz im März 1978 seitens der Schifffahrtsbehörden von acht Nordsee-Anrainerstaaten geschlossen wurde (Text in: Bundesarbeitsblatt 1978, 315). Die Zahl der Teilnehmerstaaten ist mittlerweile auf 20 gestiegen und mit Kanada, Kroatien, Polen, Russland und Slowenien über Westeuropa hinausgewachsen. Japan und die USA arbeiten mit den Administrationen der Memorandum-Staaten zusammen. Mittlerweile gibt es ähnlich wie die Pariser Vereinbarung arbeitende Kontrollmemoranda in Latein America (Viña Del Mar Agreement aus dem Jahr 1992), im asiatisch-pazifischen Raum (Tokyo MOU aus dem Jahr 1993), in der Karibik (MOU on PSC in the Caribbean Region aus dem Jahr 1996), im Mittelmeer (MOU on PSC in the Mediterranean Region aus dem Jahr 1997), im Indik (MOU on PSC for the Indean Ocean Region aus dem Jahr 1998), West- und Zentralafrika

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Erster Teil: Problemidentifikation

gionale Organisationen wie die HELCOM 34 ein Forum, in dem gemeinsame regionale Interessen identifiziert und so in der IMO besser durchgesetzt werden können. Von besonderem Interesse im Hinblick auf eine Regionalisierung der Schiffssicherheit ist der Akteur Europäische Gemeinschaft. Die EG hat sich der Verschmutzung durch die Seeschifffahrt erst relativ spät und punktuell angenommen. Richtig änderte sich das erst im Jahr 1993, als die Kommission ihre Denkschrift „Eine gemeinsame Politik im Bereich der Sicherheit im Seeverkehr“ vorlegte 35, die den Einstieg in eine systematische Schiffssicherheitspolitik bedeutete. Mittlerweile decken Gemeinschaftsstandards einen weiten Bereich ab, angefangen bei der konvergenten Umsetzung internationaler Vorschriften in der Gemeinschaft, einschließlich der gemeinschaftsinternen Verbindlichmachung von IMO-Resolutionen und der Annahme gemeinsamer Normen für Nicht-Konventionsschiffe, bis hin zur einheitlichen Durchsetzung globaler Standards und dem Ausbau einer eigenen Seeverkehrsinfrastruktur mit Verkehrsbeschränkungen in ökologisch empfindlichen Gebieten, Meldesystemen und Navigationshilfen. Zum Teil werden auch eigene Gemeinschaftsstandards für Schiffe unter Flaggen von EG Mitgliedstaaten geschaffen und diese partiell sogar für Schiffe unter der Flagge von Drittstaaten verbindlich gemacht. Daneben versucht die Kommission, die Arbeit der Mitgliedstaaten in der IMO zu koordinieren. Konkret zum Schutz der Umwelt vor Öltankerunfällen tragen bei: die Richtlinie über die Einrichtung eines gemeinschaftlichen Überwachungs- und Informationssystems für den Schiffsverkehr, die Richtlinie über die Klassifikationsgesellschaften, die Richtlinie über die Hafenstaatskontrolle, die Verordnung über die Vermessung der Ballasträume in Öltankschiffen mit Tanks für getrennten Ballast, die Verordnung zur beschleunigten Einführung von Doppelhüllen oder gleichwertigen Konstruktionsanforderungen für Einhüllen-Öltankschiffe, die Richtlinie über Mindestanforderungen für die Ausbildung von Seeleuten und die Verordnung zur Einrichtung einer Europäischen Agentur für die Sicherheit im Seeverkehr 36. (Abuja MOU aus dem Jahr 1999) und in der Schwarzmeerregion (Black Sea MOU aus dem Jahr 2000). Einen guten Überblick über die Pariser Vereinbarung bieten Schiferli, The Memorandum of Understanding on Port State Control: Ist History, Operation and Development, in: LSIP 25 (1993), S. 434 ff. und Hare, Port State control: strong medicine to cure a sick industry, GJICL 26 (1997), S. 571–594. 34 Eingerichtet durch Art.19 (1) der Convention on the Protection of the Marine Environment of the Baltic Sea Area (HELCON), Helsinki, 09.04.1992, in Kraft getreten am 17.01.2000, BGBl. 1994 II 1397. Das Übereinkommen ersetzt die Convention on the Protection of the Marine Environment of the Baltic Sea Area, Helsinki, 22.03.1974, in Kraft getreten am 03.05.1980, BGBl. 1979 II 1229. Bereits die ursprüngliche HELCON erfasste alle Arten der Meeresverschmutzung, vgl. Ehlers, Das revidierte Helsinki-Übereinkommen, in Koch/Lagoni (Hrsg.), Meeresumweltschutz für Nord- und Ostsee, S. 103–128. 35 Mitteilung der Kommission über eine gemeinsame Politik im Bereich der Sicherheit im Seeverkehr vom 21.02.1993, KOM(93) 66 endg. 36 RL 2002/59/EG des EP und des Rates vom 27.07.2002 über die Einrichtung eines gemeinschaftlichen Überwachungs- und Informationssystems für den Schiffsverkehr und zur Aufhebung der RL 93/75 EWG des Rates (ABl. 2002, L208/10); RL 94/57/EG des Rates vom 22.11.1994 über gemeinsame Vorschriften und Normen für Schiffsüberprüfungs- und -besich-

A. Schiffssicherheit und Umwelt im Völker- und Europarecht

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Diese gesteigerte Aktivität der EG im Bereich der Tankersicherheit wirft Fragen auf. Eine betrifft die völkerrechtlichen Grenzen regionaler Alleingänge der EG. Regionale Standards können nach dem Völkerrecht durch Hafenstaaten im Rahmen von Anlaufbedingungen vorgeschrieben werden. Eine ausgesprochen komplizierte Rechtslage entsteht, wenn diese regionalen Regeln eine Materie betreffen, die bereits in einer für die Staaten der Region verbindlichen IMO-Konvention geregelt ist. Die IMO-Übereinkommen richten sich grundsätzlich nur an die Flaggenstaaten. Können sich daher Hafenstaaten auf ihre territoriale Souveränität berufen und die internationalen Standards einseitig verschärfen oder begrenzen die IMO-Konventionen und das ihnen zugrunde liegende Prinzip der weltweiten Einheitlichkeit der Sicherheitsstandards die Jurisdiktion der Hafenstaaten? Trotz der offensichtlichen Bedeutung dieser Frage für die Seeschifffahrt und der häufigen (meist leeren) Drohung vieler Staaten notfalls unilateral vorzugehenden, ist dieses Problem so gut wie unerforscht. Eine weitere sich aufgrund der verstärkten Regelungstätigkeit der EG in der Schiffssicherheit ergebende Frage betrifft die Allokation der Zuständigkeiten zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten. Sind die Mitgliedstaaten in der Schiffssicherheit befugt weiterhin, für sich selbst zu handeln oder sind hier Zuständigkeiten auf die Gemeinschaft übergegangen und wenn ja, in welchen Bereichen und in welchem Ausmaß? Schließlich ist zu klären, welche Auswirkungen die Aktivität der EG auf das Seeschifffahrtsregime der IMO und auf die vom Seerechtsübereinkommen geschaffene Balance zwischen Umweltschutz und Schifffahrtsfreiheit hat. Der EG kann aufgrund ihres enormen wirtschaftlichen und politischen Gewichts im Schiffssicherheitsbereich eine Schlüsselstellung zukommen. Insbesondere eröffnet sich der EG die Möglichkeit, aufgrund ihrer Supranationalität den Implementierungsdefiziten in der Schiffssicherheit abzuhelfen.

tigungsorganisationen und die einschlägigen Maßnahmen der Seebehörden (ABl. 1994, L319/ 20), zuletzt geändert durch RL 2001/105/EG des EP und des Rates vom 19.12.2001 (ABl. 2002, L 19/9); RL 95/21/EG des Rates zur Durchsetzung internationaler Normen für die Schiffssicherheit, die Verhütung von Verschmutzung und die Lebens- und Arbeitsbedingungen an Bord von Schiffen, die Gemeinschaftshäfen anlaufen und in Hoheitsgewässern der Mitgliedstaaten fahren (Hafenstaatkontrolle) (ABl. 1995, L 157/1), zuletzt geändert durch RL 2001/ 106/EG des EP und des Rates vom 19.12.2001 (ABl. 2002, L 19/17); VO (EG) Nr. 2978/94 des Rates vom 21.11.1994 zur Durchführung der IMO-Entschließung A.747(18) über die Vermessung der Ballasträume in Öltankschiffen mit Tanks für getrennten Ballast (ABl. 1994, L 319/1); VO (EG) Nr. 417/2002 des EP und des Rates vom 18.02.2002 zur beschleunigten Einführung von Doppelhüllen oder gleichwertigen Konstruktionsanforderungen für Einhüllen-Öltankschiffe und zur Aufhebung der VO (EG) Nr. 2978/94 des Rates (ABl. EG 2002, L 64/1); RL 2001/25/EG des EP und des Rates vom 04.04.2001 über Mindestanforderungen über die Ausbildung von Seeleuten und die VO (EG) Nr. 1406/2002 des EP und des Rates vom 27.07.2002 zur Errichtung einer Europäischen Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs (ABl. 2002, L 208/1).

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Erster Teil: Problemidentifikation

B. Terminologie, Gang der Arbeit und Abgrenzungen Ziel der Arbeit ist es, Grundlagen, Inhalte und Funktionsweise des komplexen völker- und europarechtlichen Gefüges zum Schutz der Meere vor Verschmutzung durch Öltankerhavarien zu erfassen, zu analysieren und mit Blick auf seine Wirksamkeit zu bewerten sowie einen Lösungsvorschlag für die Steigerung seiner Effektivität zu unterbreiten. Wenn die Untersuchung dieses Gefüge als Regime und nicht als Rechtssystem bezeichnet, liegt dem kein interdisziplinärer Ansatz zugrunde. Die Politikwissenschaft versteht unter Umweltregimen in sich selbst abgeschlossene, weitgehend selbständige Steuerungsinstitutionen, die trotz aller Veränderungen im Detail langfristig Bestand haben und darauf gerichtet sind, das Verhalten von Akteuren durch die Setzung von Normen in eine umweltverträglichere Richtung zu lenken 37. In der Regel beruhen sie auf einem völkerrechtlich verbindlichen Übereinkommen. Darüber hinaus umfassen sie jedoch auch einen andauernden Verhandlungsprozess, der es den beteiligten Akteuren erlaubt, die geschaffenen verhaltenslenkenden Normen weiterzuentwickeln, die Normsetzung zu überwachen und auftretende Konflikte zu bearbeiten 38. Der Vorteil eines so verstandenen Regimebegriffs ist, dass er die verhaltenssteuernde Funktion des Rechts hervorhebt und sowohl eine Untersuchung der Wirkungen der völker- und europarechtlichen Normen auf die Akteure als auch der Rückwirkungen des Verhaltens der Akteure auf eben diese rechtliche Ordnung ermöglicht und damit die Eigendynamik des Systems erfasst. Zudem werden nicht staatliche Akteure einbezogen. Auch können, anders als mit dem Begriff Rechtssystem, zahlreiche Akte erfasst werden, die sich, obgleich von entscheidender Bedeutung für die Wirksamkeit und rechtliche Ordnung des Gesamtsystems, hinsichtlich ihrer rechtlichen Verbindlichkeit in einer Grauzone befinden. Dieses Begriffsverständnis wird daher der Untersuchung zugrunde gelegt, ohne dass dabei der Regimetheorie als solcher gefolgt würde, der zufolge nicht die formelle Rechtsquelle über den Charakter einer Vorschrift entscheidet, sondern allein die konkreten Erwartungen der Akteure für maßgeblich erachtet werden 39. 37 Die Standarddefinition Krasners, Structural Causes and Regime Consequences, in: ders. (Hrsg.), International Regimes, S. 2, beschreibt Regimes as sets of implicit or explicit principles, norms, rules and decision-making procedures around which actors’ expectations converge in a given area of international relations. Ein wichtiges Merkmal von Regimen im politikwissenschaftlichen Gebrauch des Begriffs ist diese Beschränkung auf einen abgegrenzten Bereich, in dem Kooperation für die Beteiligten vorteilhaft und in ihrem Interesse erscheint. 38 Gehring/Oberthür, Fazit: Internationale Umweltpolitik durch Verhandlungen und Verträge, in: dies. (Hrsg.), Internationale Umweltregime, S. 219. 39 Das macht die Regimetheorie wohl für eine juristische Untersuchung schlechthin unbrauchbar, denn selbst wenn ein Regime auf einem formellen Vertrag fußt, kommt es für die Regimelehre nicht auf diesen an, sondern ausschließlich auf seine konkrete Anwendung. Zu

B. Terminologie, Gang der Arbeit und Abgrenzungen

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Wirksamkeit und Effektivität rechtlicher Normen können nicht losgelöst von den sie bedingenden vorrechtlichen Gegebenheiten beurteilt werden. Faszinierend am Thema der Umweltgefährdung durch Tankerunfälle ist, dass sich, bedingt durch die Beweglichkeit der Verschmutzungsquelle, eine Vielzahl von Akteuren mit unterschiedlichen Interessen gegenübersteht. Flaggen-, Küsten-, und Hafenstaaten sind, ebenso wie die IMO, regionale Organisationen, die EG und private Akteure 40 an Setzung und Durchsetzung von Sicherheitsstandards beteiligt. Deshalb wird im ersten, problemidentifizierenden Teil der Arbeit die Herausforderung durch Tankerunfälle dargestellt. Dies geschieht zunächst durch eine empirische Befundaufnahme: Dimension und wirtschaftliche Bedeutung des EG-Ölhandels werden aufgezeigt und es wird kurz auf die Auswirkung von Havarien auf die marine Umwelt der europäischen Küstenregionen eingegangen. Sodann fragt die Untersuchung nach den technischen und ökonomischen Ursachen von Tankerunfällen und damit nach den wirtschaftlichen Interessen der Akteure, ehe schließlich in den Instrumentenkasten des Rechts gegriffen und auf Möglichkeiten der Verhaltenssteuerung privater Akteure eingegangen wird. Der auf Vorbeugung fokussierten Aufgabenstellung folgend, interessieren dabei nur rein präventive Steuerungswerkzeuge, d. h. solche, die verhindern sollen, dass es überhaupt zu einem Tankerunfall kommt. Nicht behandelt werden reagierende Schutzmaßnahmen, die der Schadenseindämmung und der Zusammenarbeit bei dieser dienen. Der zweite Teil der Arbeit untersucht die Antwort des Völkerrechts, insbesondere des Seerechtsübereinkommens, auf die Herausforderung der Umweltverschmutzung durch Tankerunfälle. Grundlegend wird mit dem universellen völkerrechtlichen Rahmen die Regelung der Umweltverschmutzung durch Schiffe durch Referenzbestimmungen und die zonale Ordnung des SRÜ vorgestellt. Der geographischen Begrenzung des Themas auf Europa folgt hier auch eine rechtliche Eingrenzung: Die rechtliche Ordnung von Archipelschifffahrtswegen wird nicht behandelt 41. Angesichts der ubiquitären Durchsetzungsmängel, die aus dem Grundsatz der primären Zuständigkeit des Flaggenstaates resultieren, wird sodann gefragt, welche Möglichkeiten anderen Akteuren als dem Flaggenstaat zur Verfügung stehen, um zur Vermeidung von Tankerunfällen beizutragen und die Einhaltung internationaler Schiffssicherheitsstandards sicherzustellen. Im Hinblick auf die IMO ist dies die Suche nach zentraler Implementierungskontrolle, im Hinblick auf Küsten- und Hafenstaaten die Frage, in welchen Gebieten welche Maßnahmen ergriffen werden dürfen und wie sich diese Maßnahmen wiederum auf das gesamte Regime, d. h. auf die durch den Unterschieden bei der Beurteilung der juristisch-formalen Seite von Institutionen und Normen s. Hurrell, International Society and the Study of Regimes: A Reflective Approach, in: Rittberger (Hrsg.), Regime Theory, S. 54. 40 Beispielhaft seien genannt Schiffseigner, Charterer, Ausrüster, Ladungseigner, Klassifikationsgesellschaften, Versicherungen sowie ihre jeweiligen Verbände INTERTANKO, ITOPF, P & I Clubs, OCIMF, IACS und IUA. 41 Allerdings gelten die im Rahmen der Transitdurchfahrt relevanten Art. 39, 40, 42 und 44 SRÜ sinngemäß für die Durchfahrt auf Archipelschifffahrtswegen, vgl. Art. 54 SRÜ. 3 Schult

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Erster Teil: Problemidentifikation

das SRÜ in seinen Bestimmungen über die Kompetenzen der Flaggen, Küsten- und Hafenstaaten geschaffene Balance zwischen den konkurrierenden maritimen und küstenstaatlichen Interessen, auswirken. Daneben wird auch die präventive Wirkung des Haftungsrechts untersucht. Die Bedeutung nicht globaler Akteure für die Schiffssicherheit ist wenig erforscht. Deshalb wird mit Blick auf Ostsee, Nordostatlantik und Mittelmeer geprüft, welches Gewicht regionalen Organisationen und Initiativen für die Schiffssicherheit zukommt und ob hier die global völkerrechtliche Ordnung komplementierende oder in Wettstreit dazutretende, die Tankersicherheit dezentralisierende Normen geschaffen werden. Bei der regionalen Implementierung globaler Standards steht die Pariser Hafenstaatskontrollvereinbarung und die Suche nach Netzwerkstrukturen, die zu einer verbesserten Durchsetzung des IMO-Rechts führen könnten, im Mittelpunkt des Interesses. Teil drei der Arbeit behandelt die Konzepte der Europäischen Gemeinschaft zum Schutz ihrer Küsten vor Öltankerunfällen. Zunächst wird die seewärtige Orientierung der EG nachvollzogen und ihre schiffssicherheitsbezogene Gesetzgebung vorgestellt. Bei der anschließenden juristischen Bewertung der Rechtsetzungstätigkeit der Gemeinschaft geht es sodann um die Regelungsmöglichkeiten der EG aus völker- und europarechtlicher Perspektive (was sie sekundärrechtlich darf und was sie nicht darf), ehe die einzelnen Steuerungsinstrumente abschließend systematisiert und bewertet werden. Denn die Klärung der Zuständigkeitsaspekte ist Vorraussetzung für die Beantwortung der nachgelagerten Frage, ob sich die Gemeinschaft im Einzelfall kompetenzgemäß verhalten hat. Im Mittelpunkt der europarechtlichen Untersuchung steht daher die Frage nach der Reichweite der Gemeinschaftskompetenz und ihrer Beschränkung durch das IMO-Recht. Insbesondere wird untersucht, ob das innergemeinschaftliche Organisationsrecht bei der Ausgestaltung der EGAußenkompetenz der enormen internationalen Bedeutung der Gemeinschaft in der Schiffssicherheit hinreichend Rechnung trägt und welche Konsequenzen sich daraus für das Verhältnis EG-IMO ergeben. Die Schlussbetrachtung versucht die ermittelten Ergebnisse in Wert zu setzen, indem unter Zuhilfenahme völkerrechtlicher Ordnungsmodelle deduktiv gefragt wird, welche Akteure und Strukturen zur Erhöhung der Wirksamkeit des Regimes gestärkt werden müssen. Argumentiert wird, dass eine Ausrichtung der Schiffssicherheitsordnung am Netzwerkmodell mittelfristig die pragmatischste und daher realistischste Option zur schrittweisen Wirksamkeitssteigerung des Regimes ist, an deren Ende dann als Fernziel eine umfassend verrechtlichte, institutionell verfestigte und damit konstitutionalisierte („verfasste“) Schiffssicherheitsordnung stehen könnte. Ausgehend vom Netzwerkmodell werden Leitlinien für die Weiterentwicklung des Regimes aufgestellt.

C. Methodische Anmerkungen

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C. Methodische Anmerkungen Die Bewertung des völker- und europarechtlichen Regimes zum Schutz der Meere vor Verschmutzung durch Öltankerunfälle erfolgt anhand zweier Kriterien. Primärer Bewertungsmaßstab ist das Recht selbst. Es wird untersucht, ob Küsten-, Hafenstaaten, regionale Organisationen und partiell auch die IMO selbst, ihre Regelungs- und Durchsetzungsgewalt innerhalb der durch das Seerechtsübereinkommen geschaffenen Kompetenzordnung ausüben 42. Die Regelungstätigkeit der Europäischen Gemeinschaft ist darüber hinaus auch am innergemeinschaftlichen Organisationsrecht, also dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) 43 und der Auslegung, die er gerade im Bereich der stark durch case law geprägten Vertragsschlusskompetenzen durch die Rechtsprechung des EuGH erfahren hat 44, zu messen. Soweit es um spezifisch technische Instrumente geht, ist auch auf das einschlägige IMO-Recht abzustellen, das über die Referenzbestimmungen der Montego-Bay-Konvention unter das Dach des Übereinkommens gebracht wird 45. Das Gewohnheitsrecht spielt in der Schiffssicherheit wegen der detaillierten Regelung, die die Umweltverschmutzung durch Schiffe in Teil XII des SRÜ und in den 42 Am 16.07.2004 hatten 145 Staaten die Montego-Bay-Konvention nach Art. 306 SRÜ ratifiziert oder waren ihr nach Art. 307 SRÜ beigetreten. Darunter sind, bis auf Dänemark, auch alle Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft. Die EG ist seit dem 01.04.1998 Partei der Seerechtskonvention. 43 Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, Rom, 25.03.1957, in Kraft getreten am 01.01.1958, i. d. F. des Vertrags von Amsterdam zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte vom 02.10.1997, in Kraft getreten am 01.01.1999, BGBl. 1998 II 387, zuletzt geändert durch Art. 2 des Vertrages von Nizza zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte vom 26. Februar 2001, in Kraft getreten am 01.02.2003, BGBl. 2001 II 1667. Zur Zitierweise: Der EUGH fügt, wenn auf einen Artikel eines Vertrags in der nach dem 1. Mai 1999 geltenden Fassung Bezug genommen wird, der Zahl des Artikels lediglich zwei Buchstaben an, die den jeweiligen Vertrag bezeichnen (Beispiel: Art. 175 (1) EG). In der vorliegenden Arbeit wird die zuvor gebräuchliche Abkürzung EGV beibehalten, schon um Verwechslungen vorzubeugen. 44 Ob die Gemeinschaft auch in den Bereichen die Zuständigkeit zum Vertragsschluss besitzt, in denen sie nur zum Erlass von Rechtsakten im gemeinschaftsinternen Bereich befugt ist, war lange Zeit umstritten. Beginnend mit Slg. 1971, 263 (AETR) und sich fortsetzend mit Slg. 1976, 1279 (Biologische Schätze des Meeres), hat der EUGH diese Frage bejaht und die allgemeinen Grundsätze der AETR-Rechtsprechung in Slg. 1977, 741 (Stilllegungsfonds), Slg. 1993, I-1061 (Gutachten: ILO-Übereinkommen Nr. 170), Slg. 1994, I-5267 (WTO) sowie Slg. 1995, I-525 (OECD) weiter entwickelt. 45 Nach Kennedy, International Legal Structures, S. 244, ist das SRÜ „a magnificent play of internal references [...]. The organizing authority is always elsewhere – upcoming in regulation, behind us in architecture, before us in the institution, above us in purpose, outside us in states, around the corner in the Authority, and so on.“

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Erster Teil: Problemidentifikation

IMO-Konventionen erfahren hat, kaum noch eine Rolle. Auch ist es wegen seiner hohen Technizität nur bedingt geeignet, schiffssicherheitsbezogene Sachverhalte zu erfassen 46. Dem sogenannten soft law in Gestalt der zahlreichen Resolutionen der IMO (Codes, Guidelines, etc.) kommt dagegen in der Schiffssicherheit eine erhebliche Bedeutung zu, weil viele ursprünglich rechtlich unverbindliche IMO-Instrumente später durch Verweisung in den IMO-Konventionen rechtlich verbindlich gemacht werden, so dass IMO-Resolutionen häufig eine künftige Rechtsentwicklung ankündigen 47. Auch haben diese Instrumente trotz fehlender rechtlicher Verbindlichkeit häufig einen sehr hohen faktischen Verwirklichungsgrad. Soweit soft law Auswirkung auf die Effektivität oder künftige rechtliche Ordnung des Regimes haben kann, wird es deshalb bei der Bewertung gebührend berücksichtigt. Zweites Bewertungskriterium ist die Effektivität des Regimes. Diese hängt nicht nur von der Qualität der Sicherheitsnormen, sondern ganz wesentlich davon ab, ob das Regime die Einhaltung der beschlossenen Standards auch gewährleisten kann. Die beste Unfallverhütungsregelung ist sinnlos, wenn ihre Befolgung nicht sicherzustellen ist. Deshalb müssen die Regelungs- und Durchsetzungsbefugnisse der einzelnen Akteure stets gemeinsam beurteilt werden48. Eine umfassende empirische Untersuchung, die zu erfassen suchte, wie oft durch Tanker welcher Flagge gegen welche Sicherheitsvorschriften verstoßen wird und wie viele Verfahren deswegen durch Flaggen- oder Küstenstaaten angestrengt wurden, kann hier, ebenso wie eine technische Beurteilung der Standards, nicht geleistet werden. Zum einen dürfte das zu sichtende Datenmaterial schwer zu bewältigen, mit 46 Der IGH urteilte im Nordseefestlandsockelfall, dass Normen einen „fundamentally normcreating character“ besitzen müssten, um Teil des Völkergewohnheitsrechts zu werden (ICJ Reports 1969, S.42). Hochspezifische technische Standards, wie sie sich z.B. in der Anlage des SOLAS-Übereinkommens finden, dürften diese Vorraussetzung kaum erfüllen. 47 Beachte, dass soft law einer internationalen politisch-moralischen Werteordnung entspringt, die sich, trotz gewisser Interdependenzen, von der völkerrechtlichen Ordnung unterscheidet und keine eigenständige Rechtsquelle i. S. d. Art. 38 (1) (c) IGHSt (Charter of the International Court of Justice, San Franzisko, 26.06.1945, BGBl. 1973 II 505) ist. Unumstritten ist, dass soft law dadurch einen wesentlichen Beitrag zur Normsetzung zu leisten vermag, dass es gerade im Umweltbereich oftmals den Grundstein für eine spätere, völkerrechtlich bindende Lösung legt, diese anbahnt und zugleich katalysatorisch beeinflusst, vgl. Beyerlin/Marauhn, Rechtsetzung und Rechtsdurchsetzung im Umweltvölkerrecht nach der Rio-Konferenz 1992, S. 7–12 und Birnie, The Status of Environmental ‚Soft Law‘, in: Ringbom (Hrsg.), Competing Norms in the Law of Marine Environmental Protection, S. 31–57. Soft law generell behutsam (und praxiskonform) aufwertend, Tomuschat, International Law: Ensuring the Survival of Mankind on the Eve of a New Century. General Course on Public International Law, RdC 281 (1999), S. 349 ff. 48 Zudem zeigt oft erst die Zusammenschau von Regelungs- und Durchsetzungsbefugnissen, auf welche Weise das SRÜ die unterschiedlichen Belange der Küsten- und Flaggenstaaten zu konkordieren versucht. Das Ergebnis ist oft ein Kompromiss bei den Regelungs- und Durchsetzungsbefugnissen. Besonders deutlich wird dies bei der AWZ, die auf der dritten Seerechtskonferenz als ein Verhandlungspaket behandelt wurde. Vgl. Vindenes, The Environmental Rights of Coastal States and Freedom of Navigation, LSIP 17 (1984), S. 580 f.

D. Darstellung der Herausforderung

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Unsicherheiten behaftet 49 und daher umstritten sein 50, zum anderen wäre der Gewinn eines solchen Unterfangens gering. Denn dass eine wesentliche Ursache für die unzureichende Implementierung der internationalen Sicherheitsstandards bei Flaggenstaaten und Schiffseigner liegt, ist bekannt. Ziel einer juristischen Arbeit muss vielmehr sein zu klären, ob ein rechtliches System über Strukturen (Institutionen, Kooperationsverfahren und -mechanismen) und Instrumente verfügt, mit denen Normen geschaffen und durchgesetzt werden können. An eine solche Bestandsaufnahme anschließend, können dann Optionen zur Stärkung und zum Ausbau dieser Normen entwickelt werden. Folglich steht bei der Bewertung der Effektivität des internationalen Schiffssicherheitsregimes dessen Sanktionspotential, verstanden als Summe von Mitteln und Möglichkeiten, die zur Durchsetzung von Normen zur Verfügung stehen, im Vordergrund. Mithin wird geprüft, ob Kontrollverfahren existieren, wer diese auf welcher Ebene (global, regional, national) mit welchen Mitteln und Befugnissen durchführt und ob Ansätze zur Institutionalisierung vorhanden sind.

D. Darstellung der Herausforderung Im Folgenden soll ein Überblick über die Sachprobleme, die eine rechtliche Regelung erfordern, gegeben werden. Eine Trennung zwischen Recht und Empirie kann indes nur bedingt gelingen, da das Sicherheitsverhalten der Akteure bereits Resultat des vorhandenen Regimes ist oder zumindest stark durch die gegebene rechtliche Ordnung beeinflusst wird. Ein wie auch immer gearteter „Urzustand“ lässt sich nicht mehr herausfiltern, die Frage, was wäre, wenn es dieses System nicht gäbe, ist hypothetisch. Besonders deutlich wird dies bei den Implementierungsdefiziten, die sowohl Teil der Herausforderung als auch Teil der rechtlichen Ordnung sind. Daher beschränkt sich die Studie auf die elementaren Strukturen, die auch, wenn sie eine Veränderung durch Recht nicht überdauern, doch relativ unabhängig von den vorhandenen rechtlichen Gegebenheiten sind.

49 So stritten Experten jahrelang über den zusätzlichen Sicherheitsgewinn bei Tankern mit Doppelhülle, und es gibt zahlreiche Konstruktionskonzepte für Tankschiffe, um die Verschmutzungsgefahr im Falle eines Unglücks zu verringern. Die internationale Aufmerksamkeit richtet sich in zunehmendem Maße auf drei Haupttypen: das Doppelhüllentankschiff, das Zweidecktankschiff und das „Ei-des-Columbus“-Tankschiff. Ausführlich dazu: Drewry Shipping Consultants, Marine Pollution and Safer Ships, 1992, S.79–99 und KOM(2000) 142 endg., S. 47 f. 50 Die IMO kann hier wenig zur Klärung beitragen, da es ihr nach Regel I/21 (b) SOLAS verwehrt ist, bei Schiffsunfalluntersuchungen zur Frage der Verantwortung Stellung zu nehmen oder die Flagge des Schiffes preiszugeben.

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Erster Teil: Problemidentifikation

I. Öltransporte zur See 1. Dimension und wirtschaftliche Bedeutung des EG-Ölhandels Die Welt des Öls geht über Benzin und Heizöl hinaus. Viele Produkte sind Abkömmlinge des Rohöls. Öl reinigt (Waschpulver), Öl sichert (Reifen) und Öl heilt (Tabletten). Auf keinen anderen Grundstoff ist Europa so angewiesen wie auf das schwarze Gold. 760,2 Mio. t Öl hat es im Jahr 2001 verbraucht. Das war mehr als ein Fünftel des weltweiten Ölbedarfs von 3.510,6 Mio. t und unwesentlich weniger als der Ölkonsum der Vereinigten Staaten (895,6 Mio. t ). Zu den weltweit produzierten 3.584,9 Mio. t trugen die Europäer allerdings nur 9 % bei. Öl wird nur selten dort gefunden, wo es gebraucht wird. Lediglich 1,8 % der nachgewiesenen Ölreserven befinden sich in Europa. Der alte Kontinent ist somit stark auf Öleinfuhren angewiesen, zumal seit den 90ern wieder mehr Öl verbraucht wird 51. Die Europäische Gemeinschaft importiert 80 % ihres gesamten Erdölbedarfs. Europa bezog im Jahr 2001 knapp 26 % der Weltimporte 52. Das eingeführte Öl kommt hauptsächlich aus der ehemaligen Sowjetunion, dem Nahen Osten und Nordafrika, während das Nordseeöl vor allem nach Nordamerika exportiert wird. Diese Zahlen zeigen, dass der EG-Ölhandel auf verlässliche, kostengünstige und sichere Transportdienste angewiesen ist. Der europäische Ölhandel ist der bedeutendste der Welt. 90 % des gesamten Öltransports der Gemeinschaft (Im- und Exporte) erfolgt auf dem Seeweg. Der Rest wird per Pipeline, zu Land und über Binnenwasserwege befördert. Zwar belief sich die Nachfrage nach Rohöl und Raffinaten im Jahr 2000 nur auf rund 500 Mio. t, doch ist zu berücksichtigen, dass eine erhebliche Menge zu, von und zwischen Gemeinschaftshäfen befördert wird. 1998 waren dies rund 800 Mio. t. Der Handel innerhalb der einzelnen Mitgliedstaaten ist darin nicht eingeschlossen. Für die kommenden Jahre ist mit einer Zunahme des Transports per Tanker zu rechnen, da der Bedarf an Erdölerzeugnissen im Zuge des erwarteten Marktwachstums steigen dürfte 53.

51 Angaben nach British Petrol, Statistical Review of World Energy, 2002, S. 4–10. Bleibt die Produktion konstant und werden keine neuen Öllagerstätten gefunden, gehen Europas Reserven 2008 zu Ende. Das ergibt sich aufgrund des Reserves/Production (R/P) ratio: Die am Ende eines Jahres in den Lagerstätten verbliebene Ölmenge wird durch die Menge des in diesem Jahr produzierten Öls geteilt. Das R/P ratio betrug Ende 2001 7,8 Jahre. Die Verlässlichkeit dieses Wertes ist gering. Zum einen schwankt die Produktionsmenge, zum anderen werden neue Öllagerstätten gefunden. So waren Ende 1991 in Europa Öllagerstätten mit einem geschätzten Ölvorkommen von 16,3 Mrd. Barrels bekannt, am Schluss des Jahres 2000 solche von 19,2 Mrd. Barrels. 52 Angaben nach KOM(2001) 188 endg., S.8 und British Petrol, Statistical Review of World Energy, 2002, S. 18. 53 KOM(2000) 142 endg., S. 8. Bezogen auf die Tonnage ist der Seehandel mit Rohöl und Raffinaten seit 1985 beständig gestiegen, vgl. OECD/DSTI/DOT(2001) 3, Regulatory Issues in International Maritime Transport, 2002, S. 23.

D. Darstellung der Herausforderung

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2. Verkehrsströme Die Hauptseewege für Rohöl führen vom Persischen Golf und Nordafrika nach Europa. Vorherrschend im Rohölverkehr sind große Tankschiffe. Das für Europa bestimmte Öl aus dem Nahen Osten wird in Großtankern mit mehr als 160.000 t Tragfähigkeit, gelegentlich sogar in Supertankern mit mehr als 320.000 dwt., um Afrika herum befördert oder auf Suezmax-Tankern (120–140.000 dwt.) durch den SuezKanal verschifft. 70 % des Tankerverkehrs in der EG führt an den Atlantik- und Nordseeküsten vorbei. Die restlichen 30 % entfallen auf das Mittelmeer. Außerdem gibt es noch eine Reihe von Tankschiffen, die EG-Gewässer durchfahren, aber in keinem europäischen Hafen anlegen. Das sind beispielsweise die Schiffe im Mittelmeer, die aus den Golfstaaten kommend durch die Straße von Gibraltar nach Nordamerika fahren. Maßgebend für die Verkehrsströme sind die Lage des Hafens und der Standort der Raffinerie. Die größten Ölhäfen der EG sind Rotterdam mit einem Jahresumschlag von 100,8 Mio. t Rohöl, Marseilles (48,3 Mio. t), Le Havre (37 Mio. t), Trieste (35,7 Mio. t) und Wilhelmshaven (32,6 Mio. t) 54. Die Verkehrsströme der Ölprodukte sind schwieriger nachzuvollziehen. Die Zahl der in EG-Gewässern eingesetzten Produktentanker schwankt. Groben Schätzungen zufolge dürften etwa 1.500 bis 2.000 meist kleinere Schiffe (5–50.000 dwt.) im Einsatz sein. Sie spielen beim innergemeinschaftlichen Vertrieb der Ölerzeugnisse eine wichtige Rolle. Allerdings werden auch die Hamburger Raffinerien mit kleinen Tankschiffen versorgt, da Großtanker den Hamburger Hafen selten anlaufen. Besonders rege ist der Verkehr mit Ölprodukten im Nordseegebiet. Beim Produktentankerverkehr ist zu unterscheiden zwischen dunklen Erzeugnissen (Bitumen, Schweröl, usw.) und hellen Raffinaten wie Kerosin und Benzin. Viele helle Produkte sind leicht entflammbar und werden deshalb in Tankern befördert, die sich auf dem neuesten Stand der Technik befinden. Bei Dunkelölen ist die Feuer- und Explosionsgefahr geringer. Ihr Transport erfolgt in der Regel durch ältere Schiffe, deren wirtschaftliche Nutzungsdauer dem Ende zugeht. In den letzten Jahren wurden rund 70 Mio. t an Ölprodukten innerhalb der Gemeinschaft transportiert. Auf 135 Mio. t beliefen sich die gemeinschaftlichen Im- und Exporte55. 3. Struktur der Öltankerflotte In den letzten Jahren hat sich der Schiffsbestand weltweit erhöht. Am 1. Januar 2002 betrug die Gesamttonnage mehr als 799,8 Mio. dwt. Auch die Öltankerflotte ist, gemessen an der Tragfähigkeit, seit Ende der 80iger beständig gewachsen. Der Erdöltransport ist der größte Schifffahrtssektor überhaupt. 9.716 Schiffe mit einer Tragfähigkeit von insgesamt 330,7 Mio. dwt zählte die Tankerflotte Anfang 2001. Das entsprach 41 % der Welthandelsflottentonnage. Das durchschnittliche Alter der 54 55

KOM(2000) 142 endg., S. 9. Ibid.

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Erster Teil: Problemidentifikation

Schiffe lag bei 18,2 Jahren; 1998 waren es noch 17,1 Jahre. Von der gesamten Flotte in 2001 wurden 44 % der Tanker vor 1982 gebaut 56. Über die Hälfte der Schiffe war in offenen Registern eingetragen. Die 10 größten Öltankerflotten der Welt, die zusammen über 75 % der Gesamttonnage ausmachen, sind Panama, Liberia, die Bahamas, Griechenland, Malta, Norwegen, Singapur, die Marshall-Inseln, Zypern und das Vereinigte Königreich 57. Trotz des international gegenläufigen Trends ist die in der EG registrierte Flotte geschrumpft. Auch ein leichtes Wachstum zwischen 1998 und 1999 konnte nicht verhindern, dass der Anteil der Gemeinschaftsschiffe an der Weltflotte in den letzten Jahren auf 13 % gefallen ist. Dies ist u. a. damit zu erklären, dass die Frachtraten in der EG nach der weltweiten Rezession in den 90er Jahren weiterhin stagnierten, sich weltweit jedoch rasch erholten. Als Reaktion auf den finanziellen Druck, der durch das Tonnageüberangebot am Weltmarkt und den immer schärferen Wettbewerb durch Schiffe aus Drittländern entstanden ist, beschlossen mehrere Reedereien58 in der Gemeinschaft, ihre Kosten durch Registrierung ihrer Schiffe unter Nicht-EGFlaggen oder in nationalen Zweitregistern 59 zu senken. Die Zahl der europäischen Seeleute ging dabei seit 1985 um 40 % auf gegenwärtig 120.000 zurück. 855 Öltanker mit einer Gesamttragfähigkeit von 43,2 Mio. t sind in der Europäischen Gemeinschaft registriert 60. Das sind 14,9 % der Weltflotte. Allerdings werden schätzungsweise 35 % der Weltöltankerflotte von in der Gemeinschaft ansässigen Unternehmen kontrolliert. Europäische Schiffe fahren unter der Flagge von Liberia, Panama, Zypern, Malta und den Bahamas. Das durchschnittliche Alter der EG-Tanker betrug 56 Statistische Angaben nach ISL, Shipping Statistics and Market Review, 2002. Erfasst wurden nur Schiffe mit 300 GT und mehr. 57 The International Transport Workers Federation, Flags of Convenience Campaign Report 2000, S. 40, 42. Viele dieser Staaten sind Billigflaggen. 58 Der Reeder ist der Eigentümer eines ihm zum Erwerb durch die Seefahrt dienenden Schiffes. Vgl. die Legaldefinition in § 484 HGB. 59 Neben den offenen Registern hat sich seit den achtziger Jahren auch die Gruppe der sog. Zweitregister entwickelt. Die traditionellen europäischen Schifffahrtsstaaten hofften, damit ihre Flotten vor weiteren Ausflaggungen schützen zu können. Unabhängig davon, wie ihre Bezeichnung im Einzelfall lautet, wurden diese Register zu dem Zweck geschaffen, Reedern Kosten zu ersparen, die mit Steuer- und Arbeitsvorschriften beim Erstregister verbunden sind. Insbesondere sollte so die Beschäftigung ausländischer Seeleute zu sog. Heimatheuern ermöglicht werden. Dadurch lassen sich die Betriebskosten drastisch senken, vgl. Erbguth, Die Zweitregisterentscheidung des Bundesverfassungsgerichts, SDVIS, Reihe A, Heft 87, S. 2–5. 60 Bei diesen Zahlen wurden die in alternativen Registern der Mitgliedstaaten eingetragenen Schiffe mitgerechnet. In Deutschland ist dies das Internationale Schifffahrtsregister, in Dänemark das DIS. Ferner werden die Färöer und Grönland zum Dänischen Register gerechnet. Das Gleiche gilt für Frankreich, die Niederlande, Portugal, Spanien und das Vereinigte Königreich mit den Kerguelen, Neukaledonien, Französisch-Polynesien, Martinique, Guadeloupe, St. Pierre und Miquelon, Mayotte, Réunion, Wallis, den Fortuna-Inseln, Französisch-Guayana, den Niederländischen Antillen, Aruba, Madeira, den Kanarischen Inseln, der Insel Man, den Kanal-Inseln, den Britischen Virgin-Inseln, Montserrat, St. Helena, den Turks- und Caicosinseln, Anguilla sowie den Falkland-Inseln. Die Anwendbarkeit des EGV bestimmt sich nach Art. 182 und 299 EGV.

D. Darstellung der Herausforderung

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1999 19,1 Jahre; 1995 waren es noch 18,9. Es liegt damit über dem Weltdurchschnitt. Zudem sind 45 % der in den Mitgliedstaaten eingetragenen Schiffe älter als 20 Jahre. Viele Tanker, welche die Flagge eines EG-Staates führen und von einem EG-Unternehmen kontrolliert werden, verkehren zwischen Ländern, in denen sie nicht registriert sind, beispielsweise zwischen dem Nahen Osten und Japan.

II. Meeresverschmutzung durch Tankerunfälle Zu den Schattenseiten dieser intensiven Nutzung der Ozeane als Transportmedium gehören neben der durch den Tankerroutinebetrieb verursachten Verschmutzung der Meere auch Öltankerunfälle. Im folgenden wird ein Überblick über die weltweit bei Havarien freigesetzten Ölmengen gegeben. Um das Ausmaß des Problems erfassen zu können, werden die Ergebnisse in Relation zu Einleitungen aus anderen Verschmutzungsquellen gesetzt. Sodann wird kurz auf die weitgehend bekannten Effekte von Öl und seinen Derivaten auf die marine Umwelt eingegangen 61. Den ökologischen Auswirkungen eines Unfalls für die europäischen Küstenregionen gilt ein besonderes Augenmerk. 1. Anteil von Tankerhavarien an der Ölverseuchung der Meere Zwischen Januar 1992 und März 1999 gingen weltweit 77 Tanker verloren. Rein zahlenmäßig waren das zwar nur 13 % der insgesamt 593 in diesem Zeitraum havarierten Handelsschiffe, gemessen an der Tonnage aber immerhin 31 % der Totalverluste 62. Der Anteil von Tankerhavarien an der globalen Verunreinigung der See ist nicht einfach zu bestimmen. Im Jahr 2000 gelangten 12.000 t Petroleum durch Unfälle in die Weltmeere, im Jahr 1999 waren es 29.000 t. Die Zahlen können mithin durch einen einzigen größeren Zwischenfall stark beeinflusst werden, wie die Atlantic Empress (287.000 t), die ABT Summer (260.000 t) und die Erika (20.000 t) zeigen 63. Angesichts der weitreichenden Änderungen der Sicherheitsbestimmungen für Tankschiffe nach der Exxon Valdez-Katastrophe 64 ist es zudem nicht sinn61 Zu den Folgen einer Ölverschmutzung für die marine Umwelt vergleiche ausführlich van Bernem/Lübbe, Öl im Meer: Katastrophen und langfristige Belastungen, S.28–85; Freiss, Der Ölverschmutzungsschaden in der Schifffahrt, S. 27; National Research Council, Oil in the Sea III: Inputs, Fates and Effects, 2002, S.107–204, Nehlmeyer-Günzel, Der maritime Umweltschutz dargestellt anhand von Tankerunfällen, S. 22–32, Lord Donaldson’s Report, 1994 (Safer Ships, Cleaner Seas: Report of the Inquiry into the Prevention of Pollution from Merchant Shipping: Presented to Parliament by the Secretary of State for Transport by Command of Her Majety, May 1994), S. 23–25, Drewery Shipping Consultants LTD, Marine Pollution and Safer Ships: Implications for the Tanker Industry, 1992, S. 15–19. 62 KOM(2000) 142 endg., S. 11. 63 Angaben nach International Tanker Owners Pollution Federation LTD (ITOPF), Accidental Tanker Oil Spill Statistics, 2001, S. 3. 64 Die Exxon Valdez lief am 24. März 1989 im Prince William Sound, Alaska, auf Grund und verursachte schwerste Umweltschäden. Das Unglück führte zur Verabschiedung des amerika-

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Erster Teil: Problemidentifikation

voll, bei der Bestimmung des statistischen Mittels auf Datenmaterial von vor 1990 zurückzugreifen. Legt man die in den Jahren 1990–1999 bei Tankerunglücken freigesetzten Mengen zugrunde, ergibt sich ein Mittelwert von immerhin 100.000 t Naphtha und Raffinaten, die jährlich in die Weltmeere gelangen. Diese machen, wie eingangs erwähnt, 14 % der 700.000 Tonnen, die jährlich die marine Umwelt belasten, aus. Verglichen mit dem Durchschnittswert der Jahre 1974 bis 1980 (390.000 t) und dem der 10-Jahres-Periode 1981–1990 (114.000 t), ist das eine signifikante Verbesserung 65. Stellt man auf die bei Tankerunfällen freigesetzten Ölmengen ab, so ist die Umweltbilanz dieses Transportmittels relativ gut. Unter den anthropogenen Schadstoffquellen trägt mit 480.000 t per anum (70 %) am stärksten der Ölkonsum zur Belastung der Meere bei. Über Flüsse, aber auch atmosphärische Einträge, gelangt der an Land verwendete Brennstoff ins Meer. Seeseitig ist die Handelsschifffahrt mit 270.000 t der größte Verbraucher 66. 600.000 t Petroleum und damit 46 % der globalen Öleinträge von 1,3 Millionen Tonnen gelangen jedes Jahr ohne menschliches Handeln in die See. Das Mineralöl sickert aus natürlichen Quellen unter dem Meeresboden ins Wasser ein 67. Auch wenn diese Zahlen die bei der Beförderung freigesetzten Ölvolumina niedrig erscheinen lassen, ist der Transport mit 150.000 t (22 %) im Jahr 68 die drittgrößte anthropogene Verschmutzungsquelle des Meeres, denn durch verbesserte Produktionstechniken fallen bei der Ausbeutung der Erdölvorkommen nur noch 5 % der gesamten durch den Menschen verursachten Verschmutzungen an 69. Bemerkenswert ist, dass Erhebungen der Jahre 1990–1999 zufolge nicht mehr beim Routinebetrieb, sondern bei Unfällen das Gros des verschifften Naphtha in die Meere nischen Oil Pollution Act von 1990 (OPA 90), der an in US-amerikanischen Gewässern verkehrende Tankschiffe schärfere Anforderungen als international vorgesehen stellt. Auch von der IMO gingen seit 1989 bedeutende Initiativen zur Verbesserung der Schiffssicherheit aus. So wurde z.B. 1992 MARPOL dahingehend geändert, dass Tanker mit 5.000 dwt und mehr, die nach dem 6. Juli 1993 bestellt wurden, mit einer Doppelhülle ausgerüstet sein müssen (Regel I/13F MARPOL). 1995 wurde die Doppelhülle unter Regel I/13G MARPOL schrittweise bis 2026 auch für Alt-Schiffe vorgeschrieben. Nach der Erika-Havarie wurde dieses Datum auf 2015 herabgesetzt. 65 Statistische Angaben nach National Research Council, Oil in the Sea III: Inputs, Fates and Effects, 2002, S.76, 85, 86. Beim Vergleich der Schätzungen ist zu berücksichtigen, dass in den 70er und 80er Jahren statistische Erhebungen über bei Tankerunfällen freigesetzte Ölmengen noch nicht mit der gleichen Konstanz wie heute durchgeführt wurden. Das Datenmaterial ist daher mit Unsicherheiten behaftet. 66 Die 270.000 t. setzen sich aus teils legal, teils illegal ins Meer eingeleitetem Bilgenwasser und so genantem fuel oil sludge (Begriff für die in schwerem Heizöl zu 1 % bis 5 % enthaltenen Ölschlämme, die nicht verbrannt werden können) zusammen. 67 National Research Council, Oil in the Sea III: Inputs, Fates and Effects, 2002, S. 2–5, 104. 68 Mit eingerechnet wurden 12.000 t Öl, die jedes Jahr durch undichte Pipelines ins Meer gelangen. 69 National Research Council, Oil in the Sea III: Inputs, Fates and Effects, 2002, S. 76.

D. Darstellung der Herausforderung

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fließt 70. Bisher galt das Dogma, dass Havarien zwar viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen, Tanker den größeren Teil zur Ölverschmutzung der See aber im Normalbetrieb beitragen 71. 1975 waren es 1,08 Milliarden Tonnen, 1985 710 Tausend Tonnen und 1990 immerhin noch 158.600 Tonnen im Jahr, die bei Tankreinigungen in die marine Umwelt eingeleitet wurden 72. Diese betriebsbedingten Einleitungen konnten sowohl durch neue Techniken und Vorrichtungen, wie das Waschen mit Rohöl, die Ausrüstung der Schiffe mit getrennten Ballasttanks und die Bereitstellung von Hafenauffangeinrichtungen, als auch durch die Verschärfung der MARPOLBestimmungen 73 weiter reduziert werden, so dass heute nur noch 36.000 Tonnen auf diese Weise in die Umwelt gelangen. 2. Die Schadwirkung des Öls und seiner Derivate auf die marine Hydrosphäre Unabhängig davon, wie zuverlässig solche Statistiken bei schwankenden Einleitungsmengen sind 74: Die ökologischen Auswirkungen eines Tankerunfalls sind nicht allein von der emittierten Ölmenge abhängig. Entscheidend ist vielmehr, wo 70 Nach Mitchell, International Oil Pollution at Sea. Environmental Policy and Treaty Compliance, S. 72, machte die betriebsbedingte Ölverschmutzung durch Tanker nach dem Zweiten Weltkrieg insgesamt weit über die Hälfte der von durch Schiffe verursachten Ölverschmutzung aus. 71 Die routinemäßige Verschmutzung ergab sich lange Zeit aus den Erfordernissen des Transportgeschäfts. Tanker müssen auf der Leerfahrt vom Entlade- zum Ölladehafen einen gewissen Tiefgang haben, um seetüchtig und manövrierfähig zu sein. Deshalb nahmen sie nach dem Löschen der Ladung in etwa ein Drittel der Frachttanks Ballastwasser auf, das sich dann mit den dort zurückgebliebenen Ölresten mischte. Ein weiteres Drittel der Tanks wurde auf der Leerfahrt gereinigt, das Meer dabei als Abfalleimer benutzt. Anschließend wurde sauberes Wasser in die gereinigten Tanks aufgenommen und das verschmutzte Ballastwasser abgelassen. Das letzte Drittel der Tanks konnte unbehandelt bleiben, wenn die folgende Fracht mit der vorhergehenden kompatibel war, oder wurde ebenfalls mit Meerwasser gereinigt. 0,3 bis 0,4 % jeder Ladung eines Rohöltankers gelangten so ins Meer. Ende der 60er Jahre wurden diese Einträge durch technische Innovationen wie das Load-on-top-Verfahren reduziert, vgl. Mac Gonigle/Zacher, Pollution, Politics and International Law. Tankers at Sea, S. 16–20; IMO News 1997, Heft 1, S. 12. 72 Lord Donaldson’s Report, 1994, S. 21, 22, National Research Council, Oil in the Sea III: Inputs, Fates and Effects, 2002, S. 86–88. 73 Nach Regel I/13 MARPOL müssen Tanker = 20.000 dwt je nach Typ, Baujahr und Größe mit getrennten Ballasttanks, ausgewiesenen sauberen Ballastwassertanks und/oder Rohölwaschvorrichtungen ausgerüstet sein. Regel I/9 MARPOL begrenzt bei Prä-MARPOL-Tankern (Regel I/1 (7) MARPOL) die Ölmenge, die ins Meere eingeleitet werden darf auf 1/15.000 des gesamten Ölladevolumens des Schiffes und bei MARPOL-Tankern (Regel I/1 (6) MARPOL) auf 1/30.000 des gesamten Ölladevolumens vorrausgesetzt, dass sich das Schiff nicht in einem MARPOL-Sondergebiet befindet, mehr als 50 Seemeilen von der nächsten Küste entfernt ist und nicht mehr als 30 Liter Öl pro Seemeile auf einen Schlag freigesetzt werden. 74 Die geschätzten Werte haben eine erhebliche Streubreite. Nach der Studie des National Research Council, Oil in the Sea III: Inputs, Fates and Effects, 2002, S. 76, liegt die niedrigste Schätzung bei 93.000 t Öl, die bei Tankerunfällen freigesetzt werden, die höchste bei 130.000 t.

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Erster Teil: Problemidentifikation

wie viel Öl welcher Zusammensetzung und Viskosität bei welchen Strömungs- und Wetterbedingungen die See verschmutzt 75. Unfälle, bei denen mehrere tausend Tonnen ausliefen, verursachten keine oder nur geringe Umweltschäden, weil das Öl nie die Küste erreichte. Umgekehrt wirkten sich selbst kleine Ölmengen bei hoher lokaler Konzentration auf ökologisch empfindlichen Gebieten verheerend aus 76. Denn obwohl Rohöl eine natürliche Substanz ist, die mit der Zeit von der Natur abgebaut wird 77, haben die im Öl enthaltenen Naphtene eine toxische Wirkung auf Flora und Fauna. Öl beeinträchtigt den Gasaustausch sowie andere Lebensfunktionen des Biotops Wasser erheblich. Es tötet Fische, Säugetiere und Vögel samt ihres Nachwuches und stört das Pflanzenwachstum. Im Öl enthaltene polyzyklische aromatische Hydrocarbonate (PAHs) entfalten bereits in sehr niedriger Konzentration ihr schädigende Wirkung. Obwohl diese toxischen und letalen Wirkungen des Petroleums auf Organismen bekannt sind, bleiben Vorhersagen über die langfristigen Folgen einer Ölverschmutzung für ganze Populationen und Lebensräume wegen der Verschiedenartigkeit und des offenen Zustands mariner Gemeinschaften, in denen die Rekrutierung von Jungtieren von über große Entfernungen transportierten Plankton-Larven abhängig sein kann, schwierig 78. Biogene Habitate wie Salzwiesen und Mangroven-Wälder werden durch Öl besonders beeinträchtigt, da sie für ihren Fortbestand auf lebende Organismen angewiesen sind. Eine Verölung dieser Biotope führt daher meist zu schweren Langzeitschäden 79. Neben der toxischen Wirkung, die gerade bei raffinierten Produkten wie Benzin, Diesel, Hexan und Kerosin verheerend ist, beruht die Schadwirkung der Einträge auf dem mechanischen Kontakt der Tiere mit dem Ölfilm, denn beinahe alle Öle sind aufgrund ihres spezifischen Gewichts so genannte Schwimmer. Vor allem Seevögel fallen den Verschmutzungen in Küstennähe zum Opfer, wenn ihr Gefieder mit dem Ölteppich in Berührung kommt und verklebt. 75 Drewery Shipping Consultants LTD, Marine Pollution and Safer Ships: Implications for the Tanker Industry, 1992, S. 17. 76 International Tanker Owners Pollution Federation LTD (ITOPF), Accidental Tanker Oil Spill Statistics, 2001, S. 5. 77 Ein Teil des bei einem Tankerunfall austretenden Öls verdunstet. Bei starkem Wellengang bilden sich zunächst Emulsionen. Der am Anfang geschlossene Ölteppich wird in winzige Tröpfchen zerrissen, die im Wasser schweben. Das von der Oberfläche absinkende Öl wird langsam teils biologisch durch Bakterien, Hefepilze und Algen, teils chemisch, teils mechanisch abgebaut. Dabei wird dem Wasser Sauerstoff entzogen. Unter sehr günstigen Bedingungen kann dieser Abbau bei mittleren Temperaturen täglich 0,02 bis 2 Gramm je Quadratmeter Wasserfläche betragen, so dass er bei leichten Kohlenwasserstoffen in einigen Monaten, bei Teerklumpen aber erst in vielen Jahren beendet ist. Vieles ist hier von den Volumen der Einträge, der chemischen Zusammensetzung des Öls, den Wetterbedingungen, den topographischen Gegebenheiten und der Wirksamkeit eingeleiteter Bekämpfungsmaßnahmen abhängig. 78 National Research Council, Oil in the Sea III: Inputs, Fates and Effects, 2002, S. 202, 203. 79 Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Bericht der Unabhängigen Expertenkommission „Havarie Pallas“ (Grobecker-Bericht), 2000, S. 53.

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3. Ölverschmutzung im europäischen Kontext In Europa sind die kontinentalen Küstenregionen und Ästuarien Belastungsschwerpunkte. Unfallbedingte Verschmutzungen kommen besonders an der bretonischen Küste, im Ärmelkanal und in der Nordsee häufig vor, da dort, wie ausgeführt, die Hauptschifffahrtswege verlaufen 80. Von den unterschiedlichen Küstenökosystemen ist das Wattenmeer bei einer Ölverschmutzung am stärksten gefährdet. Es hat überregionale Bedeutung als Brut- und Rastplatz für Wasservögel, als Laichgrund von zahlreichen Fischarten und als Filter für die Nordsee. Die letzten naturnahen Salzwiesen beheimaten zahlreiche seltene Pflanzen und Tiere, die auf diesen Lebensraum spezialisiert sind 81. Aber auch das fragile Ökosystem Mittelmeer ist als Transitpassage zwischen Atlantik und Indik durch den Tankerverkehr gefährdet. Ein Fünftel der weltweiten Öltransporte findet dort statt 82, obwohl das Gewässer nur 0,7 % der Weltmeeresfläche einnimmt. Beinahe zur Gänze von Landmassen eingeschlossen, kommt die Frischwasserzufuhr fast ausschließlich vom Atlantik. Nur alle 80–90 Jahre wird das Mittelmeerwasser ausgetauscht 83. Eine Havarie größeren Ausmaßes hätte bei diesen physischen Vorraussetzungen verheerende Auswirkungen 84. Das gleiche gilt für die Ostsee. Allerdings kommt erschwerend hinzu, dass das baltische Meer ein kaltes Gewässer ist, wodurch sowohl der bakterielle als auch der Abbau des Öls durch Verdunstung verzögert wird. Landschaften mit hoher Bedeutung für den Naturschutz wie der Bodden stehen zudem in einem geringen Wasseraustausch mit der Ostsee, so dass bei einem Tankerunfall austretendes Öl lange verbliebe 85. 80 Erinnert sei nur an die Havarie der Erika 1999 und der Amoco Cadiz 1978 vor der bretonischen Küste sowie der Torrey-Canyon 1967 vor Lands End und der Braer 1993 vor den Shetland-Inseln. 81 Grobecker-Bericht, 2000, S. 53, 55. Zur Meeresverschmutzung der Nordsee durch Öl vgl. Cron, Das Umweltregime der Nordsee: völker- und europarechtliche Aspekt, S. 49–52. 82 UNE/ECE/UNIDO/FAO/UNESCO/WHO/IAEA, Pollutants from land-based sources in the Mediterranean (UNEP Regional Seas Reports and Studies, No. 32), 1984, S. 58. 83 Zum Vergleich: Die Wassermassen der Nordsee werden alle 6–36 Monate erneuert. 84 Im Durchschnitt gibt es jährlich etwa 60 Schiffsunfälle im Mittelmeer, wobei in ungefähr 15 Fällen Öl oder Chemikalien ausfließen. Zwischen 1987 und Ende 1996 flossen schätzungsweise 22.223 t Öl infolge von Schiffsunfällen ins Mittelmeer. Vgl. Europäische Umweltagentur, Zustand und Belastung der Meeres- und Küstenumwelt des Mittelmeers, 2000, S. 17, 18. Der Agentur zufolge (S. 25, 26) wurde das Meeresleben des Mittelmeeres insgesamt durch die Ölverschmutzung bisher nicht beeinträchtigt. Indes könne ein großer Ölunfall jederzeit in jedem Teil des Mittelmeeres erfolgen, da viele Tanker älterer Bauart in den Gewässern des Mittelmeeres operierten. Ausführlich zur Belastung des Mittelmeeres durch den Öltransport Zoller Völker- und europarechtliche Aspekte des Mittelmeerumweltschutzes, S. 30, 35 f., 42 f. 85 Grobecker-Bericht, 2000, S. 57. Zur Kontamination der Ostsee durch Erdöl-Kohlenwasserstoffe Dieter, Das Umweltregime der Ostsee: völker- und europarechtliche Aspekte S. 40– 42. Ein Grund dafür, dass es in der Ostsee trotz des regen Tankerverkehrs zu den Terminals Rostock, Danzig, Ventspils und den russischen Häfen bislang nicht zu einem größeren Ölunfall kam, liegt am sandigen Meeresgrund, der es ermöglicht, auf Grund gelaufene Schiffe freizu-

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Erster Teil: Problemidentifikation

Insgesamt betrachtet sind die europäischen Küstenzonen besonders reich an empfindlichen Biotopen und an vom Meer abhängigen Ressourcen. Praktisch die gesamte europäische Küste kann in dieser Hinsicht als empfindliche, schutzwürdige Zone eingestuft werden 86. Auch wenn die Arbeit auf den Schutz der Umwelt vor Öltankerkatastrophen abstellt, dürfen die Auswirkungen einer Öltankerhavarie auf die ökonomische Nutzung des Meeres als Nahrungsquelle und Erholungsort nicht vergessen werden, kann doch der Unfall eines einzigen Öltankschiffs, auch von bescheidener Größe, zu wirtschaftliche Schäden in Millionenhöhe führen87.

III. Ursachen von Tankerunfällen Die unmittelbare Ursache eines Tankerunglücks ist in der Regel einfach festzustellen. In Statistiken wird danach unterschieden, ob die Havarie Folge einer Grundberührung oder Kollision ist, durch Feuer und Explosion hervorgerufen wurde oder auf einem Versagen der Schiffshülle beziehungsweise der Ausrüstung des Schiffes beruht 88. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass diese Ereignisse jeweils nur das letzte Glied einer Kausalkette sind, die schließlich zum Unfall führt. Nach einer Untersuchung des britischen Schiffshaftpflicht-Clubs waren im Zeitraum 1987– 1997 nur 23 % der großen (über US $100.000) von diesen Versicherern gedeckten Schadensfälle auf technisches oder strukturelles Versagen des Schiffes oder seiner Ausrüstung zurückzuführen. Menschliches Versagen von Offizieren oder Besatzungsmitgliedern war hingegen in 44 %, von Personen an Land in 9 % und von Lotsen in 5 % der Schadensfälle unfallbestimmend 89. Die meisten Zwischenfälle ereignen sich indes durch ein Zusammenspiel technischer, menschlicher und wirtschaftlicher Faktoren. So unterlaufen auch einer gut ausgebildeten Crew Fehler, wenn sie mit technischen Schwierigkeiten zu kämpfen hat und unter Arbeitsüberlastung leidet. Umgekehrt werden moderne satellitengestützte Navigationsinstrumente wirkungslos, wenn sie von inkompetenten Mannschaften bedient oder aus Kosten- und Wettbewerbsgründen nicht richtig gewartet und kontrolliert werden. Die folgende Darstellung ist daher lediglich eine grobe Klassifizierung sich gegenseitig beeinflussender Unfallursachen.

schleppen. Vgl. Landtag Mecklenburg-Vorpommern, 3. Wahlperiode, Umweltausschuss, Ausschussdrucksache 3/70, S. 11. 86 KOM(2000) 802 endg., S. 7. 87 Nach Angaben der EG Kommission, KOM(2000) 802 endg., S.7, verursachte die Havarie des Produktentankers Erika zu ersetzende Schäden in Höhe von über 300 Millionen Euro. 88 Vgl. Gold, Gard Handbook on Marine Pollution, S. 275, Boisson, Safety at Sea: Policies, Regulations & International Law, S. 34 Wilkens, Rechtsregeln zur Vermeidung von Tankerunfällen, zur Schadenseindämmung und zur Schadensregulierung, S. 35. 89 UK P & I Club, Analysis of Major Claims: Ten-Year Trends in Maritime Risk, 1999.

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1. Nautische und technische Gründe Ein entscheidendes Moment bei Havarien sind Navigations- oder Lotsenfehler. 63 % aller größeren unfallbedingten Ölaustritte sind darauf zurückzuführen, dass Tanker mit anderen Schiffen zusammenstoßen oder stranden 90. Denn wegen ihrer Größe sind sie schwer zu manövrieren. Ein 250.000-Tonner hat je nach Wassertiefe einen Drehkreis von ein bis zwei Kilometern. 21 Minuten und ein Bremsweg von 3.500 Metern sind in engem Fahrwasser erforderlich, um ein solches Schiff bei einer Fahrtgeschwindigkeit von 4 Knoten pro Stunde mit einem sogenannten crash stop, d. h. volle Kraft zurück, zum Stillstand zu bringen. Bedenkt man, dass Supertanker mit 15 Knoten pro Stunde fahren, ist ein Ausweichen vor plötzlich auftretenden Hindernissen unmöglich. Erschwerend kommt hinzu, dass diese Schiffe einen Tiefgang von bis zu 23 Metern haben, das Wasser in einigen Seestraßen, wie dem Ärmelkanal, aber nur unwesentlich tiefer ist 91. Nautische Fehlentscheidungen, landoder seeseitig, führen daher fast zwangsläufig zur Katastrophe. Sie häufen sich, wenn schweres Wetter, zerklüftete Küsten, fehlende Informationen über vorherrschende Strömungen und hohe Verkehrsdichte an seemännisches Können und nautische Ausrüstung gesteigerte Anforderungen stellen, wie es auf den stark befahrenen Schifffahrtsrouten an der europäischen Atlantikfassade und im Nordseegebiet der Fall ist 92. Neben Fehlern bei der Schiffsführung sind technische Probleme für Tankerunglücke verantwortlich, wobei nachgebende Schiffsverbände, eine fortgeschrittene Korrosion in den Ballasttanks, ausfallende Maschinen, funktionsuntüchtige Ruderanlagen sowie Feuer und Explosionen während Betriebstätigkeiten an Bord zu den häufigsten Unfallursachen zählen. Höchster Risikofaktor ist mit 14 % aller größeren unfallbedingten Ölaustritte die Schiffshülle 93. Mit zunehmendem Alter scheinen 90 International Tanker Owners Pollution Federation LTD (ITOPF), Accidental Tanker Oil Spill Statistics, 2001, S. 8. Erfasst wurden unfallbedingte Ölaustritte über 700 Tonnen im Zeitraum 1974–2000. 91 Nehlmeyer-Günzel, Der maritime Umweltschutz, dargestellt anhand von Tankerunfällen, S. 48. 92 So strandete die unter liberianischer Flagge fahrende Sea Empress am 15.02.1996 in der Hafeneinfahrt von Milford Haven. Mangelnde Kenntnis der vorherrschenden Gezeitenströmung und ein Navigationsfehler beim Lotsen des Schiffes führten zu einer erheblichen Beschädigung des Rumpfes und zum Auslaufen von 72.000 Tonnen Rohöl, die eine schwere Ölpest an der Küste von Südwales verursachten. Felsiger Grund und schlechtes Wetter wurden der Aegean Sea zum Verhängnis, als sie am 03.12.1992 in der Hafeneinfahrt von La Coruña auf Grund lief. Schließlich trug am 03.06.1993 dichter Nebel dazu bei, dass der auf den Bermudas registrierte Produktentanker British Trent vor der belgischen Küste mit dem unter der Flagge Panamas fahrenden Massengutfrachter Western Winner zusammenstieß. 93 International Tanker Owners Pollution Federation LTD (ITOPF), Accidental Tanker Oil Spill Statistics, 2001, S. 8. Erfasst wurden unfallbedingte Ölaustritte über 700 Tonnen im Zeitraum 1974–2000. Gemessen an den großen (über US$ 100,000) vom UK P & I Club regulierten Schadensfälle, sind es 9 % (UK P & I Club, Analysis of Major Claims: Ten-Year Trends in Maritime Risk, 1999). Das französische Tankschiff Betelgeuse explodierte beispielsweise auf-

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Erster Teil: Problemidentifikation

Schiffe für technisches Versagen besonders anfällig zu werden. Jedenfalls steigen die Verlustzahlen bei Schiffen, die älter als 15 Jahre sind, stark an, und von den weltweit 77 zwischen Januar 1992 und März 1999 verloren gegangenen Tankschiffen aller Kategorien waren 60 über 20 Jahre alt 94. 2. Wirtschaftliche Ursachen: Die Interessen der Akteure Technisches Versagen und menschliche Fehler bei der Schiffsführung sind zwar unfallbestimmend, im Grunde aber nur Symptome eines enormen Kostendrucks in der Seeschifffahrt, der den Betrieb von Substandard-Schiffen begünstigt. Die wirtschaftlichen Interessen der Akteure und die strukturellen Rahmenbedingungen sind letzten Endes die für die Schiffssicherheit ausschlaggebenden Faktoren. Auf sie wird im Folgenden eingegangen werden, während die rechtliche Ordnung noch, soweit es möglich ist, ausgeblendet wird. a) Schiffseigner Der primär für den Zustand seiner Schiffe verantwortliche Akteur ist der Schiffseigner. Er wird dieser Verantwortung freilich nur nachkommen, wenn sich Schiffssicherheit für ihn rechnet. Tankersicherheit kostet Geld. Nach Erkenntnissen der OECD ist es für eine Reederei 10–50 % teurer, internationale Schiffssicherheitsbestimmungen einzuhalten, als ein Substandard-Schiff zu betreiben. Ein gutes Sicherheitsverhalten verlangt sogar 80–100 %, die Befolgung maximaler Sicherheitsstandards gar bis zu 300 % finanziellen Mehraufwand 95. Dies verhält sich so, weil der Seeverkehrsmarkt weitgehend frei ist. Die Betreiber haben einen großen Spielraum zu bestimmen, welcher Aufwand für Sicherheit, Umweltschutz und Wartung getrieben wird und wie weit internationale Schiffssicherheitsnormen befolgt werden. Denn die internationalen Standards werden von den Regime immanenten Regulierungsstellen (Behörden des Flaggen- und Hafenstaats, Klassifikationsgesellschaften, Charterer, Versicherer, Seeleutegewerkschaft) sehr unterschiedlich durchgesetzt. Infolgedessen schwanken die Betriebskosten stark und verzerren die Wettbegrund eines Risses im Rumpf, der durch die Belastung beim Umschlag der Ladung entstanden war. Eine wichtige Rolle spielten dabei die umfangreichen Stahlverluste durch Korrosion in den Ballasttanks. Auch der Untergang der Erika wurde durch einen Riss des Rumpfes hervorgerufen. 94 OECD/DSTI, The Cost to Users of Substandard Shipping, 2001, S. 40, KOM(2000) 142 endg., S. 12. 95 OECD/GD(96) 4, Competitive Advantages Obtained by Some Shipowners as a Result of Non-Observance of Applicable International Rules and Standards, S.10. Ein Reeder, der unter der Norm bleibt, hätte nach der OECD-Modellrechnung rund 3.100 US$ pro Tag an Wartungskosten für einen fünf Jahre alten Produkt-Tanker von 40.000 dwt. aufzubringen; bei gutem Verhalten betrüge dieser Aufwand 4.850 US$ täglich, bei exzellentem Verhalten 9.500 US$ am Tag. Die jährlichen Einsparungen durch Nichteinhaltung der Standards könnten mithin 1 Mio. US$ und mehr ausmachen.

D. Darstellung der Herausforderung

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werbssituation. Neben dem gewissenhaften Reeder, der eine vorbildliche Personalund Wartungspolitik betreibt, gibt es skrupellose Eigner, die es selbst an grundlegenden Sicherheits- und Umweltschutzvorschriften fehlen lassen 96. Nicht nur der hohe Kostenfaktor der Tankersicherheit, sondern auch die Schwierigkeit bei der derzeitigen Marktsituation, Qualität bezahlt zu bekommen, beeinträchtigen die Verkehrstauglichkeit der Tanker. Im Mineralölhandel und auf dem Chartermarkt herrscht reger Wettbewerb 97. Ein wesentlicher Teil des Geschäftes besteht darin, den billigsten Tankerraum zu finden. Bei den Frachtraten gibt es zwischen neueren und älteren Schiffen keine großen Unterschiede, und die Preise werden häufig von dem zur Verfügung stehenden ältesten, billigsten Frachtraum bestimmt. Hinzu kommt, dass für Schiffssicherheit getätigte Aufwendungen nur bedingt dadurch amortisiert werden, dass der Eigner eine gute Unfallbilanz aufzuweisen hat. Denn das Haftungsrisiko des Reeders kann beschränkt und auf Versicherungen beziehungsweise den internationalen Haftungsfonds abgewälzt werden. Aufgrund des angespannten Versicherungsmarktes konnten in der Vergangenheit selbst schlecht gewartete Schiffe assekuriert werden. Auch müssen Schiffsverluste nicht dazu führen, dass der Tankschiffeigner seine Kreditwürdigkeit verspielt. Im Gegenteil: Zahlt die Versicherung des Reeders, verbessert sich seine Liquidität und er wird in Zukunft den Ruf haben, seine Kredite pünktlich zurückzuzahlen98. Zudem können Eigentümer von Substandardtonnage ihr finanzielles Risiko weiter mindern, indem sie ihre Flotte auf in Drittländern registrierte Ein-Schiff-Unternehmen aufteilen. Diese sind häufig nicht viel mehr als Briefkasten-Firmen, bei denen sich nur schwer feststellen lässt, welche finanziellen Interessen sich dahinter verbergen und wer die eigentlichen Entscheidungsträger und Verantwortlichen für den sicheren Schiffsbetrieb sind. Schließlich führen Einsparungen bei der Schiffssicherheit kaum noch zu Imageverlusten. Die Mineralölgesellschaften, denen die Öffentlichkeit am ehesten eine Havarie anlastet, haben ihre Flotten zum großen Teil veräußert. Dafür sind viele kleine, unabhängige Tankschiffeigner in den Markt eingestiegen, die mit niedrigen Kosten Marktanteile zu Lasten von Gesellschaften mit gutem alten Ruf gewinnen und mittlerweile drei Viertel der Weltflotte kontrollieren. Durch all dies erhöht sich das Sicherheitsrisiko weiter, weil selbst qualitätsorientierte Schiffseigner gezwungen werden, ihre Betriebskosten zu senken, um am Markt bestehen zu können. Insbesondere durch Wechsel zu einem offenen oder nationalen KOM(96) 81 endg., S. 16. Besonders hart umkämpft ist der Spotmarkt, dessen Bedeutung in den letzten Jahren erheblich gestiegen ist und der mittlerweile den Markt beherrscht. 1974 wurden noch 50% der Tanker von ihren Eigentümern auf Dauer an die Ölkonzerne vermietet, weitere 40 % standen unter wirtschaftlicher Kontrolle der Mineralölgesellschaften und nur 10 % der Schiffe wurden kurzfristig verchartert. 1999 dagegen waren lediglich 25 % der Schiffe für längere Zeit vermietet, die Hälfte dagegen wurde am Spotmarkt gehandelt und bloße 25 % der Flotte wurden durch die Erdölunternehmen kontrolliert (KOM(2000) 142 endg., S. 17.). 98 OECD/DSTI, The Cost to Users of Substandard Shipping, 2001, S. 35. 96 97

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Erster Teil: Problemidentifikation

Zweitregister können europäische Reeder und Betreiber beträchtliche Einsparungen bei den Personalkosten 99, aber auch bei der Schiffssicherheit erzielen, wenn es der betreffende Flaggenstaat mit der Überprüfung der einschlägigen internationalen Vorschriften nicht so genau nimmt. Leider bringt der mit dem Ausflaggen verbundene Gewinn an niedrigeren Steuern, Lohn-, Lohnnebenkosten und Ausgaben für die Tankersicherheit 100 häufig Nachteile in Gestalt schlecht ausgebildeter, aus unterschiedlichen Nationalitäten zusammengewürfelter Mannschaften, die mit Arbeitsüberlastung und Übermüdung zu kämpfen haben. Verständigungsschwierigkeiten innerhalb der Mannschaft sowie zwischen Schiffsbesatzung und für die Sicherheit verantwortlichen Personen an Land, insbesondere zwischen Kapitänen und Lotsen, sind neben schlecht gewarteter und veralteter Tonnage die Folgen der reduzierten Ausgaben. b) Charterer Einfluss auf die Tankersicherheit hat auch der Charterer. Er kann auf die Qualität der angemieteten Schiffe achten, sie gegebenenfalls sogar eigenen Überprüfungen unterziehen. Allerdings ist die Marktsituation hier ähnlich wie bei den Tankschiffeignern. Die Charterer stehen unter enormem Wettbewerbsdruck. Die großen Ölfördergesellschaften konkurrieren mit Handelsgesellschaften, bei denen es sich sowohl um weltweit operierende Großunternehmen als auch um in Marktnischen tätige Gesellschaften handelt 101. Folglich sind, wie ausgeführt, die Frachtkosten, nicht die Qualität der Schiffe für das Geschäft entscheidend, solange das Verlustrisiko versichert werden kann. Dies um so mehr, als die geltende Haftungskanalisierung für Ölverschmutzungsschäden den Schiffseigner und nicht den Charterer trifft 102. Dadurch wird ihm ein wesentlicher Anreiz genommen, hochwertige Tanker zu engagieren. c) Flaggenstaaten Aufgrund seiner Registerfreiheit 103 hat jeder Staat das Recht, selbst zu bestimmen, welche Schiffe seine Flagge führen dürfen. Mit diesem Recht korrespondiert 99 Bereits 1996 rechnete die EG-Kommission vor, dass bei einem Containerschiff von 2.700 TEU unter deutscher Flagge die Personalkosten um 1.144.000 US$ pro Jahr höher als unter panamesischer Flagge sind. Ebenso kann der Eigner eines 140.000-DWT-Suezmax-Tankers 958.000 US$ im Jahr an Steuern sparen, wenn er sein Schiff in Italien aus- und in Panama einflaggt (KOM(96) 81 endg., S. 39). 100 Immerhin entfallen 40 % der täglichen Betriebskosten eines Schiffes auf die Lohnkosten, und Berechnungen zufolge ist die höchste EG-Heuer für Vollmatrosen fünfzehnmal höher als der niedrigste Nicht-EG-Lohn (KOM(2001) 188 endg., S. 7). 101 KOM(2000) 142 endg., S. 17. 102 Art. III (4) Satz 2 CLC. 103 Die Registerfreiheit folgt aus dem in Art. 2 Nr. 1 UNC und in dem 6. Grundsatz der Friendly Relations Declaration (FRD) vom 24.10.1970, Anlage der Resolution der VN-Generalversammlung Nr. 2625 (XXV) vom 24.10.1970, verankerten Prinzip der Staatengleichheit. Das SRÜ hat die Registerfreiheit der Staaten bestätigt. An das genuine-link-Erfordernis (vgl.

D. Darstellung der Herausforderung

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die Pflicht, effektive Kontrollmechanismen zu schaffen, mit denen gewährleistet werden kann, dass die registrierten Schiffe die internationalen Sicherheitsstandards befolgen 104. Für einige Flaggenstaaten, auch als Billig- oder Gefälligkeitsflaggen bezeichnet, ist die Aufnahme von Schiffen in ihr Register indes eine wichtige Einnahmequelle. Sie haben ihre Flagge für die internationale Schifffahrt attraktiv gestaltet, indem sie Reeder aller Nationalitäten akzeptieren, wenig Körperschaftssteuer erheben, an die Staatsangehörigkeit der Beschäftigten kaum Anforderungen stellen und akzeptieren, dass die Schiffe von ausländischen Gesellschaften kontrolliert werden. Zudem sind die Arbeits- und Sozialstandards im Land niedrig105. Die größten dieser offenen Register sind, gemessen an der Tonnage, Panama, Liberia, die Bahamas, Malta und Zypern 106. Da fast ausschließlich wirtschaftliche Erwägungen die Registriertätigkeit dieser Staaten bestimmen, werden mitunter Belange der Schiffssicherheit und des Umweltschutzes bereitwillig geopfert, um das Wachstum der Flotte sicherzustellen. Und so können skrupellose Unternehmen ihre Tanker in Staaten registrieren lassen, von denen sie wissen, dass die Einhaltung internationaler Vorschriften dort nicht gewissenhaft überprüft wird 107. Besonders extreme Beispiele hierfür sind Bolivien, Honduras, Kambodscha und Belize. Die Namen dieser Länder stehen ganz oben auf der schwarzen Liste der Pariser Hafenstaatskontrollvereinbarung mit Staaten, deren Schiffe ausgesprochen oft wegen sicherheitsbedingter Mängel festgehalten werden108. Art. 91 (1) SRÜ) werden nur noch geringe Anforderungen gestellt; ihm fehlen die rechtlichen Konturen, um die Registerfreiheit einschränken zu können. Art. 94 SRÜ verdeutlicht, dass die dort statuierten Kontrollpflichten des Flaggenstaates lediglich eine Rechtsfolge der Flaggenhoheit und nicht deren Vorraussetzung sind, vgl. Wolfrum, Recht der Flagge und „Billige Flaggen“: Neuere Entwicklungen im Völkerrecht, BDGVR 31 (1990), S. 122–125. 104 Art. 94, 211 (2), 217 SRÜ. 105 Vgl die weit verbreitete Beschreibung der Billigflagge des Lord Rochdale Committees (Report of the Committee of Inquiry into Shipping, Cmnd. 4337, S.51). Der Trend zum offenen Register entstand in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts. Ausführlich zur Entwicklung der wirtschaftlich motivierten Ausflaggung im 20. Jahrhundert Ilg, Die Rechtsetzungstätigkeit der International Maritime Organization, S. 115–121 und Núñez-Müller, Die Staatszugehörigkeit von Handelsschiffen im Völkerrecht, S. 39–44. 106 The International Transport Workers Federation (ITF), Flags of convenience campaign report 2000, S. 54. 107 Gerade diese Durchsetzungsschwäche ist für viele Reeder ein Anreiz zum Flaggenwechsel. Charakteristisch für Billigflaggenländer ist das Fehlen der Machtmittel und der administrativen Möglichkeiten, die für eine wirksame Durchsetzung erforderlich wären. Es handelt sich bei ihnen in der Regel um kleine Länder abseits der großen maritimen Zentren der Welt, die weder über einen gut funktionierenden Verwaltungsapparat noch über ausreichend qualifiziertes Überwachungspersonal verfügen. Hinzu kommt, dass die in diesen Staaten registrierten Schiffe ihre Heimathäfen entweder gar nicht oder nur sporadisch anlaufen. Selbst die Registrierung kann bei einem Konsulat des betreffenden Landes beantragt werden, vgl. König, Durchsetzung internationaler Bestands- und Umweltschutzvorschriften auf Hoher See im Interesse der Staatengemeinschaft, S. 77. 108 Vgl. The Paris Memorandum of Understanding on Port State Control, Annual Report 2001, S. 21. 4*

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Erster Teil: Problemidentifikation

Obwohl Substandardtonnage nicht allein ein Problem offener Register ist 109, sind es häufig Schiffe unter Billigflaggen, die im Rahmen der Pariser Kontrollvereinbarung zu beanstanden sind. Von den 1.764 Schiffen, die im Jahr 2000 wegen sicherheitsbedingter Mängel festgehalten wurden, fuhren immerhin 1.048 (59%) unter Gefälligkeitsflaggen, und 75 % der im Jahr 2000 verloren gegangenen Tonnage über 500 BRZ war in offenen Registern eingetragen. Vor diesem Hintergrund ist es besorgniserregend, dass Billigflaggen auch in den vergangenen Jahren Zuwächse verzeichneten und mittlerweile 54,8 % der Weltöltankertonnage halten 110, insbesondere wenn man bedenkt, dass das Hauptaugenmerk dieser Akteure nicht der Schiffssicherheit gilt. d) Klassifikationsgesellschaften Klassifikationsgesellschaften sind hochspezialisierte, private Unternehmen mit teilweise langjähriger Erfahrung in der Seefahrt, die im Auftrag von Versicherungen und Reedern den technischen Zustand der Schiffe anhand eigener Richtlinien überprüfen und die Klasse erteilen. Zudem sind sie häufig befugt, im Namen des Flaggenstaates zu kontrollieren, ob die in diesen Ländern registrierten Schiffe die internationalen Sicherheits- und Umweltschutzvorschriften erfüllen und, wenn dies der Fall ist, die erforderlichen Zeugnisse auszustellen111. Gerade für Staaten mit offenen Registern, die über eine sehr große Flotte, aber nicht die nötigen Ressourcen verfügen, eine ausreichende Zahl eigener Inspektoren zu beschäftigen, ist es sinnvoll, Klassifikationsgesellschaften mit der Besichtigung zu betrauen, denn diese Gesellschaften verfügen über Hunderte weltweit einsetzbarer Fachleute und können das Schiff in nahezu jedem Hafen überprüfen. Die größte Gesellschaft betreut rund 9.800 Schiffe mit einer Tonnage von 104 Millionen BRZ 112. Klassifikationsgesellschaften sind private Wirtschaftssubjekte, die sich am Markt behaupten müssen. Der Wettbewerb ist hart. Mehr und mehr Unternehmen unterschiedlichster Standards konkurrieren um Kunden. Gleichzeitig ist bei den Schiffseignern eine wachsende Bereitschaft zum class hopping zu beobachten: Das Unternehmen wird einfach gewechselt, wenn eine größere Besichtigung ansteht und ge109 Immerhin sind auf der grauen Liste des Pariser Hafenstaatsmemorandums, auf der als riskant eingeschätzte Flaggen geführt werden, Namen wie Portugal, Italien, Spanien und USA zu finden, während offene Register wie Liberia und die Bahamas auf der weißen Liste zuverlässiger Administrationen stehen, vgl. The Paris Memorandum of Understanding on Port State Control, Annual Report 2001, S. 21, 22. 110 The International Transport Workers Federation, Flags of convenience campaign report 2000, S. 42, 61 f. Der Bericht der ITF nimmt ein durchschnittliches jährliches Wachstum von 4,6 % in den Jahren 1997–2000 bei Schiffen über 300 BRZ an. Alle Angaben sind bezogen auf 2001. 111 Ausführlich zur Rolle der Klassifikationsgesellschaften Boisson, Safety at Sea: Policies, Regulations & International Law, S. 119–136. 112 Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 13.07.1999, Nr. 159, S. T1.

D. Darstellung der Herausforderung

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machte Reparaturauflagen als zu aufwendig angesehen wurden 113. Bei dieser Marktsituation geraten die Klassifikationsgesellschaften in einen Interessenkonflikt: Entweder setzen sie eigene und international vorgeschriebene Standards rigoros um und nehmen in Kauf, dass bestimmte Auftraggeber, die Substandardtonnage besitzen, die Gesellschaft wechseln oder sie folgen ihren kommerziellen Interessen und akquirieren durch laxere Überprüfungen neue Kunden 114. Einige Unternehmen scheinen sich für einen Mittelweg zu entscheiden, was dazu führt, dass nicht nur zwischen den einzelnen Gesellschaften, sondern sogar innerhalb derselben unterschiedliche Normen je nach Flaggenstaatverwaltung und/oder Kunde gelten 115. Eine solche Praxis ist möglich, da viele Klassen die gesetzlich vorgeschriebenen Besichtigungen im Auftrag zweifelhafter Flaggenstaaten durchführen, die nicht überprüfen, ob die Gesellschaft die an sie delegierten Befugnisse ordnungsgemäß wahrnimmt. Dieses Versagen vieler Klassifikationsgesellschaften, internationale Standards konsequent durchzusetzen, macht es Reedern leicht, für Schiffe Versicherungsschutz zu erhalten, die nur auf dem Papier alle Sicherheitsanforderungen erfüllen. e) Hafenstaaten Weil einige Schiffseigner, Flaggenstaaten und Klassifikationsgesellschaften ihrer Verantwortung für die Schiffssicherheit nicht nachkommen, prüfen Hafenstaaten bei einem Teil der ihre Ports anlaufenden Schiffe, ob internationale Sicherheits- und Umweltschutzregeln eingehalten werden 116. Allerdings kosten Inspektionen viel Geld, verursachen einen hohen Verwaltungsaufwand und stören den regulären Hafenbetrieb. Eine zu eifrige Kontrolltätigkeit kann zudem dazu führen, dass der betreffende Port künftig gemieden und die Ladung stattdessen andernorts in der Region gelöscht wird. Neben Gefälligkeitsflaggen gibt es auch Gefälligkeitshäfen, die aus laxeren Kontrollen wirtschaftliche Vorteile ziehen. KOM(2000) 142 endg., S. 18, 81. Die einschlägige OECD-Studie (OECD/DSTI, The Cost to Users of Substandard Shipping, 2001) führt diesbezüglich aus (S. 18): „[...] concern has been expressed at the potential conflict of interest that exists as a result of the societies’ reliance on commercial income from shipowning clients, some of which might operate substandard tonnage. This, it is claimed, means that the societies have little incentive to ensure the uniform application of vessel safety standards, as to do so might jeopardise their relationship with the owner of such ships.“ 115 Dies soll sogar bei den Mitgliedern der International Association of Classification Societies (IACS) der Fall sein, obwohl sich die Mitglieder dieses Verbandes, in dem die zehn größten Unternehmen der Branche organisiert sind, um hohe und einheitliche Standards bemühen, vgl. KOM(2000) 142 endg., S. 19. 116 Verpflichtet sind sie dazu nach dem Seerechtsübereinkommen nur in sehr eingeschränktem Maße. Vgl. Art. 219 S. 1 SRÜ: [...] States which [...] have ascertained that a vessel within one of their ports [...] is in violation of applicable international rules and standards relating to seaworthiness of vessels and thereby threatens damage to the marine environment, shall, as far as practicable, take administrative measures to prevent the vessel from sailing (Hervorhebungen hinzugefügt). 113 114

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Erster Teil: Problemidentifikation

Um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, aber auch um die Effektivität der Kontrollen zu steigern und einen Schutzwall gegen Substandardtonnage errichten zu können, werden die Besichtigungen größtenteils koordiniert im Rahmen von Hafenstaatskontrollvereinbarungen durchgeführt. Das sind Ressortabkommen zwischen den Seebehörden, in denen sich die Verwaltungen verpflichten, einen bestimmten Teil der Schiffe in ihren Häfen nach einheitlichen Verfahren zu kontrollieren 117. Doch unterscheidet sich selbst im Rahmen des als vorbildlich geltenden Pariser Kontrollmemorandums die Zahl der durchgeführten Besichtigungen erheblich. Während in Kanada im Jahr 2001 rund 38 % und in Italien 43 % der Schiffe, welche die Häfen dieser Länder anliefen, überprüft wurden, kam Frankreich auf nicht mehr als 9 %. Deutschland, Irland, Schweden und die Niederlande blieben ebenfalls hinter dem gesteckten Ziel, 25 % aller anlaufenden Schiffe zu inspizieren, zurück. Unterschiedlich zwischen den Staaten der Vereinbarung war auch der Anteil der festgehaltenen Schiffe an der Zahl der gesamten Hafenanläufe 118. Es liegt nahe, die Ursache hierfür in unterschiedlichen Anforderungen zu suchen, denn dass bestimmte Ports von Substandardschiffen verschont bleiben, ist eher unwahrscheinlich. Solange es selbst in Kontrollmemoranda zu solchen Verzerrungen bei den Überprüfungen kommt, wird die Sorge vieler Staaten in erster Linie weiterhin der wirtschaftlichen Attraktivität ihrer Häfen und nicht der Schiffssicherheit gelten. f) Versicherungen Schiffshaftpflicht- und Seeversicherer sind die einzigen Akteure, die aus Substandardtonnage keine wirtschaftlichen Vorteile ziehen und etliche der Kosten tragen, die durch den Einsatz schlecht gewarteter Flotten entstehen 119. Auf die Qualität der von ihnen versicherten Schiffe haben sie in unterschiedlichem Maße Einfluss. Am wirksamsten können Protection and Indemnity (P & I) Clubs das Sicherheitsverhalten ihrer Mitglieder steuern, obwohl auch sie einem harten Wettbewerb ausgesetzt sind. P & I Clubs sind Zusammenschlüsse von Schiffseignern, die bei einem Schadensfall gegenseitig für einander einstehen und durch ihren Beitritt zum Club ihr Ri117 Abschnitt 1.3 des Pariser Memorandums führt diesbezüglich aus: „Each Authority will achieve an annual total of inspections corresponding to 25 % of the average number of individual foreign merchant ships, hereinafter referred to as ‚ships‘, which entered the ports of its State during the three last calendar years for which statistics are available.“ (Hervorhebung durch Verfasser). Rechtsquellentechnisch sind die Bestimmungen des MOU soft law. Dazu Lagoni, Der Hamburger Hafen, die internationale Handelsschifffahrt und das Völkerrecht, AVR 26 (1988), S. 340 ff. und Kasoulides, Port State Control and Jurisdiction. Evaluation of the Port State Regime, S. 151. Zu Begriff und Merkmalen informeller internationaler Übereinkommen allgemein Aust, The Theory and Practice of Informal International Instruments, in: ICLQ 35 (1986), S. 787 ff. 118 Statistische Angaben aus The Paris Memorandum of Understanding on Port State Control, Annual Report 2001, S. 19–20. 119 Zur Rolle der Versicherungen in der Schiffssicherheit vgl. Lord Donaldson’s Report, 1994, S. 269–278.

E. Steuerungsinstrumente

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siko streuen. Da jeder Eigner gleichzeitig Versicherer und Versicherter ist, besteht ein gemeinsames Interesse, nur gut gewartete und sicher betriebene Schiffe zu assekurieren. Deshalb geht der Entscheidung über die Aufnahme eines neuen Mitglieds regelmäßig ein strenges Bewertungsverfahren voraus, das bei einigen Clubs auch die Besichtigung des Schiffes einschließt. Erst danach wird die Beitragsrate festgesetzt, die sich nach Alter und Zustand der Schiffe richtet 120. In welchem Ausmaß andere Versicherer als P & I Clubs bei der Vergabe ihrer Policen auf den Zustand der Schiffe achten können, hängt von ihrer Position im internationalen Wettbewerb ab. Wie bereits erwähnt wurde, ermöglichte in der Vergangenheit ein heiß umkämpfter Versicherungsmarkt selbst Eigentümern von Substandardtonnage zwischen verschiedenen Angeboten zu wählen 121. Der maritimen Sicherheit war dies besonders abträglich, zumal teilweise Schiffe erheblich über ihrem Marktwert versichert wurden 122. g) Zusammenfassung und Schlussfolgerung Die strukturellen Rahmenbedingungen sind für die Schiffssicherheit ungünstig und ein wesentlicher Grund für die regelmäßige Wiederkehr von Öltankerkatastrophen. Weil zentrale Regulierungsinstanzen fehlen und Risiken auf Versicherungen abgewälzt werden können, ist es einer Vielzahl von Parteien in der maritimen Industrie möglich, auf Kosten von Versicherungen und Allgemeinheit, aber auch zu Lasten qualitätsorientierter Reeder und Charterer, die sich gegen Substandardtonnage am Markt behaupten müssen, wirtschaftliche Vorteile aus der bewussten Missachtung von Sicherheitsstandards zu ziehen. Neben Reedern und Flaggenstaaten sind dies vor allem Charterer und Ladungseigner, die durch den Einsatz von Substandardschiffen ihre Waren zu niedrigen Frachtraten transportieren. Vor diesem Hintergrund werden die Grenzen der Selbstheilungskräfte des maritimen Marktes deutlich: Solange diejenigen Akteure, die aus dem Einsatz von Substandardschiffen Nutzen ziehen, nicht auch an den Risiken angemessen beteiligt sind, versagt die Selbstregulierung als alleiniges sicherheitspolitisches Ordnungskonzept und es werden andere Instrumente der Verhaltenssteuerung erforderlich.

E. Steuerungsinstrumente Die Effektivität eines Regimes hängt maßgeblich von den Einwirkungsmöglichkeiten ab, die zur Verfügung stehen, um das Verhalten der Akteure präventiv zu beeinflussen. Die völker- und europarechtliche Sicherheitsordnung verfügt über mehrere Instrumente mit denen Tankerunfällen vorgebeugt werden kann. Die wichtigs120 121 122

Ibid, S. 273, 274. OECD/DSTI, The Cost to Users of Substandard Shipping, 2001, S. 6, 21. Lord Donaldson’s Report, 1994, S. 271.

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Erster Teil: Problemidentifikation

ten werden im Folgenden kurz vorgestellt und drei Hauptgruppen zugeordnet, wobei Überschneidungen möglich sind, weil einzelne Instrumente unter mehrere Ordnungen fallen. Die rechtliche Bewertung der Institute erfolgt in Teil Zwei und Drei. Zu berücksichtigen ist, dass einige der Vorschriften nicht auf Öltanker beschränkt sind. Allerdings wurden viele Sicherheitskonzepte in Reaktion auf Tankerunglücke entwickelt und zunächst bei diesem Schiffstyp angewendet, ehe sie für andere Handelsschiffe verbindlich gemacht wurden. Vorschriften zum Schutz der Umwelt vor Tankerhavarien haben daher häufig eine Schrittmacher- und Vorbildfunktion.

I. Verkehrssicherungsinstrumente und Kontrollen Der erste Steuerungspfad ist jener der Unfallverhütung durch Verkehrssicherungsinstrumente. Hierzu zählen nicht nur die Sicherheit der Navigation verbessernden Maßnahmen wie Schiffswegeführungs- und Verkehrsüberwachungssysteme, sondern auch CDEM-Standards 123 und die auf Durchsetzung dieser Standards zielenden Kontrollen der Flaggen-, Küsten- und Hafenstaaten. 1. Sicherheit der Navigation Angesichts des bereits angesprochenen hohen Verkehrsaufkommens auf vielen europäischen Schifffahrtsstraßen und der Tatsache, dass 63 % aller größeren unfallbedingten Ölaustritte auf Navigations- oder Lotsenfehler zurückzuführen sind124, kommt der Verkehrsregelung und -überwachung eine große Bedeutung bei der Unfallvermeidung zu. a) Allgemeine Verhaltensregeln Allgemeine Verhaltensregeln für den Seeverkehr enthält die Straßenverkehrsordnung der Seeschifffahrt COLREG. Das Übereinkommen trifft Ausweich- und Fahrregeln insbesondere für schlechtes Wetter und Verkehrstrennungsgebiete (Traffic Separation Schemes, TSS), Vorschriften für die Führung von Lichtern- und Signalkörpern und den Einsatz von Licht und Schallsignalen 125. Regelungsziel ist die Vermeidung von Kollisionen. Die Konvention ist kein starrer Verhaltenskodex und entbindet nicht von der Befolgung der seemännischen Praxis, sondern konkretisiert 123 Construction Design Equipment and Manning. Das SRÜ verwendet diese Aufzählung in Art. 21 (2) u. 211 (6) (c) SRÜ. Im Interesse der universellen Verkehrsfreiheit wird die Regelungsbefugnis der Küstenstaaten eingeschränkt, für ihr Küstenmeer und für bestimmte Gebiete nach Art. 211 (6) SRÜ einseitig jene Freiheit einschränkende Vorschriften hinsichtlich Bau, Entwurf, Ausrüstung und Bemannung der Schiffe zu erlassen. 124 International Tanker Owners Pollution Federation LTD (ITOPF), Accidental Tanker Oil Spill Statistics, 2001, S. 8. 125 In Teil B, C und D der Regeln.

E. Steuerungsinstrumente

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diese in einer Vielzahl technischer Bestimmungen 126. Einige der Vorschriften richten sich speziell an Tankschiffe. So darf Öltankern, die aufgrund ihres Tiefgangs eine verringerte Manövrierfähigkeit besitzen, nicht durch andere Fahrzeuge die sichere Durchfahrt genommen werden 127. b) Schiffswegeführungen Grundsätzlich gibt es drei verschiedene Optionen, um mit Hilfe von Schiffswegeführungen (Ships’ Routeing, SR) für alle oder bestimmte Kategorien von Schiffen ökologisch empfindliche Gebiete vor Tankerunfällen zu schützen 128. Die erste ist, das Risiko von Kollisionen und Grundberührungen generell zu verringern. Dafür stehen Instrumente wie Richtungsfahrwasser, Verkehrstrennungsgebiete, ausgewiesene Fahrwege, Kreisverkehre, Routen für Schiffe im Transit, dem enormen Tiefgang von Tankern Rechnung tragende Tiefwasserwege, Trennzonen und Küstenverkehrszonen ebenso zur Verfügung wie die Kennzeichnung von Gebieten, in denen zum vorsichtigen Navigieren gemahnt wird 129. Der zweite Steuerungspfad versucht, den Schaden für die Umwelt so gering wie möglich zu halten, falls es tatsächlich zu einem Unfall kommt, indem die oben genannten Methoden der Wegeführung dazu genutzt werden, den Verkehr so weit wie möglich von der Küste oder von anderen empfindlichen Gebieten fernzuhalten. Die dritte Möglichkeit schließlich ist, Schiffen den Zugang zu Bereichen zu verweigern, in denen ein Unfall verheerende Auswirkungen auf die marine Umwelt hätte. Dies geschieht durch Ausweisung seitens der Schifffahrt zu meidender Gebiete (Area to be Avoided, ATBA). Dieser Weg ist dann ratsam, wenn die beiden anderen Maßnahmen nicht ausreichen, um der Schutzwürdigkeit des betreffenden Gebietes Rechnung zu tragen. Schiffswegeführungen sind ein entscheidendes Präventionsinstrument, denn sie verringern die Gefahr von Kollisionen und Grundberührungen erheblich. Wurden sie ursprünglich primär aus Sicherheitserwägungen und zur Verbesserung des Verkehrsflusses festgelegt, werden Wegeführungen mittlerweile gezielt dazu genutzt, die Umwelt ökologisch empfindlicher Gebiete zu erhalten 130. Die Zuständigkeit der 126 Vgl. Regel 2 COLREG. Ausführlich zu COLREG Plant, The Collision Avoidance Regulations as a Regulator of International Navigation Rights: Underlying Principles and their Adequacy for the Twenty-first Century, JN 49 (1996), S. 377–393. 127 Regel 18 (d) (i) COLREG. 128 Cockroft, Routing and the Environment, JN 39 (1986), S. 213–224. 129 Beschrieben und definiert werden diese Maßnahmen in der IMO-Publikation Ships’ Routeing, vgl. Teil A. 2. 130 Siehe Teil A. 1.1 Ships’ Routeing: „The purpose of Ships’ routeing is to improve the safety of navigation in converging areas and in areas where the density of traffic is great or where freedom of movement of shipping is inhibited by restricted searoom, the existence of obstruction to navigation, limited depths or unfavourable meteorological conditions. Ships’ routeing may also be used for the purpose of preventing or reducing the risk of pollution or other damage to the marine environment caused by ships colliding or grounding near environmentally sensitive areas.“ (Hervorhebung hinzugefügt). Als Mittel zum Schutz der Umwelt werden

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Erster Teil: Problemidentifikation

IMO zur Annahme rechtlich verbindlicher und unverbindlicher Routenführungen ergibt sich aus SOLAS und SRÜ 131. c) Schiffsmeldesysteme und AIS Anders als Flugzeuge, blieben Schiffe bislang die meiste Zeit auf See anonym. Viele Handelsschiffe zeigen nur dann Flagge, wenn sie in einen Hafen einfahren. Ihren Namen tragen die meisten an beiden Seiten des Bugs und am Heck. Häufig ist er aber von Dreck und Rost überlagert und kaum zu entziffern. Um ein Schiff visuell identifizieren zu können, bedarf es guter Sicht und einer kurzen Distanz. Die Erkennung per Funk hat sich als schwierig erwiesen, denn viele Schiffe antworten bewusst oder unbewusst nicht auf solche Rufe. Auch eine moderne Radarüberwachung hilft bei der Feststellung kaum, denn auf den Schirmen werden die Schiffe nur als leuchtende Punkte dargestellt. Zudem ist die Projektion mit Ungenauigkeiten behaftet. Radar ist sehr kostenintensiv und nur dort örtlich begrenzt einsetzbar, wo keine Hindernisse an Land vorhanden sind. Eine flächendeckende Überwachung der Küste ist nicht möglich. Diese Probleme bei der Identifizierung von Schiffen haben aus mehreren Gründen Auswirkungen auf den Schutz der Umwelt vor Tankerunfällen. Zum einen ist es für Küstenverkehrszentrale oder Küstenwache schwierig, ein Schiff per Funk vor einer drohenden Kollision zu warnen, denn Missverständnisse sind vorprogrammiert. Zum anderen verlieren Sanktionen für Verkehrsverstöße ihre abschreckende Wirkung, wenn Kapitän und Mannschaft wissen, dass sie nicht erkannt werden können. Schließlich wird es schwieriger, auf einen Unfall adäquat zu reagieren, wenn notwendige Informationen über das Schiff und seine Ladung fehlen 132. An dieser Stelle setzen Schiffsmeldesysteme (Ship Reporting Systems, SRSs) an. Schiffen wird die Pflicht auferlegt, entweder bei Hafenanlauf oder routinemäßig grundlegende Informationen wie Identität, Position, Ziel, geschätzte Ankunftszeit und generelle Kategorie der Ladung zu übermitteln. Sie ermöglichen so der Verkehrsleitzentrale, die Schiffe auf dem Radar zu identifizieren und ihre Bewegung im Bereich des Systems zu verfolgen und ein umfassendes Bild über die Verkehrssituation zu gewinnen. Weicht ein Schiff vom Kurs ab, oder besteht die Gefahr einer Kollision oder Strandung, kann rechtzeitig gewarnt und im Falle einer Havarie schnell land- und seegestützte Hilfe zur Verfügung gestellt werden, ohne vorher essentielle Informationen erfragen zu müssen. Seit 1996 können Küstenstaaten der IMO unter SOLAS obligatorische Meldesysteme für Gebiete vorschlagen, die erhöhte AnforSchiffswegeführungen auch in Regel V/10 (1) SOLAS, in Art.211 (1) SRÜ und im 4. und 6. Erwägungsgrund der neuen Schiffsmelderichtlinie RL 2002/59 EG genannt. 131 Regel V/10 SOLAS in der durch die Entschließung MSC.99(73) geänderten Fassung. Für Verkehrstrennungsgebiete vgl. Regel 10 COLREG. Vgl. auch Art. 22 (3) (a); 41 (4), (5); 53 (9); 60 (3), (5); 211 (1), (6) (a) SRÜ. 132 Lord Donaldson’s Report, 1994, S. 225 f.

E. Steuerungsinstrumente

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derungen an die Navigation stellen oder ökologisch empfindlich sind. Wird das System von der IMO angenommen, gilt es auch für Schiffe im Transit 133. Die IMO hat mehrere obligatorische Berichterstattungssysteme für die europäischen Küsten gebilligt, beispielsweise für die Straße von Gibraltar, das Kap Finisterre, die Küsten von Ouessant und für die Meerenge von Pas-de-Calais 134. Es existiert damit eine Kette von Meldesystemen, die sich von der Straße von Gibraltar bis zur Nordsee erstreckt. Die Identifizierung von Schiffen wird künftig durch ein Automatisches Identifizierungssystem (Automatic Identification System, AIS) erleichtert werden 135. Das im Dezember 2000 von der IMO überarbeitete Kapitel V SOLAS 136 sieht vor, dass mit dem 1. Juli 2002 alle für den internationalen Verkehr bestimmten Schiffsneubauten ab 300 BRZ und alle nicht für die internationale Fahrt vorgesehenen Neubauten ab 500 BRZ sowie alle Passagierschiffe, unabhängig von Größe und Einsatzgebiet, mit AIS ausgerüstet sein müssen. Im Dienst befindliche Tanker sind bis zur ersten Besichtigung ihrer Sicherheitsausrüstung, die am oder nach dem 01.07.2003 stattfindet, nachzurüsten 137. Für alle anderen Schiffe über 300 BRZ, jedoch weniger als 50.000 BRZ, wird das System nach einem gestaffelten Zeitplan bis spätestens 31.12.2004 eingeführt 138. Durch AIS können Schiffsname, IMO-Nummer, Typ, Position, Kurs, Geschwindigkeit, Navigationsstatus, Tiefgang und andere sicherheitsrelevante Daten automatisch an die zuständigen Landstationen gesendet werden. Ein automatisches Identifizierungssystem besteht aus einem kleinen Transponder an Bord des Schiffes und Empfangsanlagen an Land. Es verwendet das vorhandene Global Navigation Satellite System zur Positionsbestimmung und überträgt diese und andere Daten automatisch in kurzen Zeitabständen von Schiff zu Schiff und an Land. Bordseitig und landseitig kann AIS mit der elektronischen Seekarte (Elec133 Regel V/11 SOLAS in Verbindung mit den Guidelines and criteria adopted by the MSC of the Organization by resolution MSC.43(64), geändert durch Resolution MSC.111(73) und den General Principles for ship reporting systems and ship reporting requirements, including guidelines for reporting incidents involving dangerous goods, harmful substances and/or marine pollutants adopted by the Organization by resolution A.851(20). 134 Vgl. Ships’ Routeing Teil G Abschnitt I. 135 Zu den technischen Einzelheiten des AIS-Systems vgl. Baldauf, Ein neues Hilfsmittel zur Unterstützung der Schiffsführung, Schiff & Hafen 2001 Nr. 8, S. 22–28. 136 Die überarbeitete Fassung wurde vom MSC am 05.12.2000 mit Entschließung MSC.99 (73) angenommen. 137 Regel V/19 (2.4.2.2) SOLAS nimmt hier Bezug auf die nach Regel I/8 SOLAS vorgesehenen anfänglichen, erneuernden, periodischen, jährlichen und zusätzlichen Überprüfungen der Lebensrettungsausrüstung der Frachtschiffe. 138 Regel V/19 SOLAS. Für Schiffe, die einen Hafen eines Mitgliedstaates der EG anlaufen, ergibt sich die gleiche Verpflichtung aus Art. 6 (1) i.V. m. Anlage II Abschnitt I der RL 2002/ 59/EG (neue Schiffsmelderichtlinie). Ursprünglich galt eine Frist bis zum 01.07.2007. Auf Druck der EG wurde Regel V/19 SOLAS durch Resolution 1 of the Conference of Contracting Governments to the International Convention for the Safety of Life at Sea, 1974, adopted on 12.12.2002, IMO-Doc.: SOLAS/CONF.5/32 im tacit acceptance-Verfahren geändert und die Frist entsprechend verkürzt.

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Erster Teil: Problemidentifikation

tronic Chart Display and Information System, ECDIS) 139 verbunden werden. An Land ist außerdem eine Vernetzung mit den terrestrischen Netzen der Verkehrsüberwachung, der Behörden und kommerziellen Anwendern möglich. Vorausgesetzt, dass genügend Funkmasten an den Küsten vorhanden sind, ermöglicht das System der Verkehrszentrale an Land eine punktgenaue Beobachtung der Schiffe vor den Küsten, so dass bei gefährlichen Situationen eingegriffen werden kann. Auch die Nautiker an Bord gewinnen durch AIS ein umfassendes Bild der Verkehrssituation und der jeweiligen Navigationsbedingungen. Das Identifizierungssystem ist der Radarüberwachung an Genauigkeit, Datenmenge und Reichweite überlegen und wird durch Hindernisse an Land kaum beeinflusst. Im freien Seeraum werden Reichweiten von nominal 20 Seemeilen erreicht, die durch Repeaterstationen sowohl für Schiffe als auch Verkehrszentralen erweitert werden können. d) Schiffsverkehrsdienste Neben Berichtssystemen und Schiffswegeführungen sind Schiffsverkehrsdienste (Vessel Traffic Services, VTSs) ein Instrument zur Verkehrsüberwachung und -lenkung. Die IMO definiert den VTS als einen Dienst, der von einer zuständigen Behörde eingerichtet wurde, um die Sicherheit und Effektivität des Schiffsverkehrs zu verbessern und die Umwelt zu schützen. Die Verkehrszentrale sollte deshalb in der Lage sein, mit Schiffen in Verbindung zu treten und auf die Verkehrsentwicklung zu reagieren 140. VTS-Systeme existieren für den Hafenanlauf und als Küstendienste. Sie können auf sehr unterschiedliche Art und Weise eingerichtet werden. Drei Grundtypen, die teils variiert, teils kombiniert werden, lassen sich unterscheiden. Die erste Variante ist ein reiner Informationsservice, der darauf beschränkt ist, in festgelegten Zeitintervallen oder wenn die VTS-Zentrale es für notwendig erachtet, Berichte über die Verkehrssituation, die Wetterlage, Gefahren oder andere für den Schiffsverkehr wichtige Informationen zu geben. Die zweite Spielart ist ein navigatorischer Hilfsdienst, der besonders bei schwierigen Navigations- oder Wetterbedingungen und technischen Problemen des Schiffes Bedeutung erlangt und normalerweise geleistet wird, wenn Schiffsführung oder VTS-Zentrale dies für notwendig erachten. Die letzte und intensivste Form ist die des Verkehrsorganisationsservices, mit dem der Verkehrsfluss gesteuert und vorausschauend geplant wird, um Staus und gefährliche Situationen insbesondere bei hohen Verkehrsdichten und Gefahrguttransporten zu vermeiden. Der Dienst kann ein System der Verkehrsfreigabe oder VTS-Fahrpläne enthalten, mit denen z. B. Schiffsbewegungen festgelegt, Meldepflichten im Systembereich statuiert sowie Route und Geschwindigkeit vorgeschrieben werden 141. Die 139 Elektronische Seekarten können die eigene Schiffsposition anzeigen, den sichersten Kurs ermitteln, vor Kollisionen und Grundberührungen warnen und mit Radar und AIS kombiniert werden, vgl. Regel V/19 (2.1.4) SOLAS, Resolution A.817(19) geändert durch Resolutions MSC.64(67) u. MSC.86(70). 140 Abs. 1.1.1 Resolution A.857(20). 141 Abs. 2.3.1–2.3.3 Resolution A.857(20).

E. Steuerungsinstrumente

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Nutzung von VTS darf nach Regel V/12 (3) S. 2 SOLAS nur im Küstenmeer vorgeschrieben werden. Die IMO hat im Interesse der Vereinheitlichung und Verbesserung der maritimen Sicherheit Richtlinien für Schiffsverkehrsdienste erlassen, die von den Küstenstaaten, wenn immer möglich, befolgt werden sollen142. e) Sonstige Maßnahmen Schließlich können auch navigatorische Hilfsmittel wie Leuchtfeuer, Betonnungen und satellitengestützte Navigationssysteme, Routenempfehlungen für schlechtes Wetter, die Verpflichtung zur Lotsenannahme in bestimmten Gebieten143, die Ausweisung von Notliegeplätzen für Schiffe in Seenot 144 und die Errichtung mariner Schutzgebiete in Gestalt von Particularly Sensitive Sea Areas (PSSAs) 145 die Sicherheit der Navigation erhöhen und die marine Umwelt vor Tankerunfällen schützen. 2. CDEM-Standards Bau- und Ausrüstungsvorschriften, die speziell der Tankersicherheit dienen, finden sich in SOLAS und MARPOL. So müssen wesentliche Teile der Ruderanlage und die Mehrzahl der Navigationsinstrumente bei Tankern doppelt vorhanden sein, damit das Schiff bei mechanischem oder technischem Versagen manövrierbar bleibt 146. Dem Schutz vor Bränden und Explosionen dienen Deckschaum- und Inertgassysteme 147. Seit erstem Januar 1996 müssen alle neu gebauten Tankschiffe über 20.000 dwt zudem mit Notschleppvorrichtungen an beiden Enden des Schiffes ausgerüstet sein 148. Nur damit ist es möglich, einen mehrere zehntausend Tonnen 142 Regel V/12 (3) Satz 1 SOLAS in Verbindung mit den Guidelines on vessel traffic services adopted by the Organization by Resolution A.857(20), die Resolution A.578(XIV) widerruft. 143 Verbindliche IMO-Regeln existieren hierfür nicht. Eine Verpflichtung zur Lotsenannahme gibt es bisher nur nach nationalem Recht. Die einzelnen Regelungen unterscheiden sich sehr. Allerdings hat die IMO in einigen Fällen den Flaggenstaaten die Nutzung solcher Dienste empfohlen, vgl. Resolutions A.480(IX), A.620(15) (Ostsee); A.486(XII) (Nordsee, Englischer Kanal und Skagerrak); A.579(14) (Sound). 144 Art. 20 RL 2002/59/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten, Pläne für die Aufnahme von Schiffen in Seenot zu erstellen. 145 Die Ausweisung erfolgt durch die IMO nach den neuen Guidelines for the Identification and Designation of Particularly Sensitive Sea Areas (Resolution A.927(22)). 146 Regel II-1/29 SOLAS. 147 Regel II-2/60 bis 62 SOLAS. Auch Tanks, die nicht mit Öl gefüllt sind, enthalten entflammbares Gas, das durch einen einzigen Funken zur Explosion gebracht werden kann. Die Tanks werden daher mit Inertgas (nicht explosives Gas) gefüllt, das aus behandelten Rauchgasen der Haupt- und Hilfskessel gewonnen werden kann. 148 Altbauten waren bis ersten Januar 1999 nachzurüsten, vgl. Regel II-1/3-4 SOLAS i.V. m. den Guidelines for emergency towing arrangements on tankers adopted by the Maritime Safety Committee by Resolution MSC.35(63) u. MSC/Circ.966, IACS Unified Interpretation of „Prototype test“.

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Erster Teil: Problemidentifikation

schweren Havaristen freizuschleppen. Ferner enthält MARPOL, auch wenn das primäre Regelungsziel dieser Konvention die betriebsbedingte Verschmutzung ist 149, Vorschriften über die Stabilität und Unterteilung der Tanker, die ein Sinken des Schiffes nach einer Kollision oder Grundberührung verhindern sollen 150. Außerdem müssen Tanker über schützend angeordnete, separate Ballastwassertanks verfügen. Die Tanks werden entlang der Seiten und am Boden dort positioniert, wo der Aufprall bei einer Kollisionen oder Grundberührung wahrscheinlich am heftigsten ist. Dadurch soll eine Beschädigung der Ladetanks vermieden werden 151. Der Öltransport im Vorpiektank, die Achillesferse eines Tankers im Fall einer Kollision, ist seit 1983 verboten 152. 1992 wurde MARPOL geändert und für Tanker über 5.000 dwt, die nach dem 06.07.1996 ausgeliefert wurden, eine doppelte Hülle verbindlich vorgeschrieben 153. Seit 1995 müssen Einhüllen-Schiffe schrittweise ausgemustert werden 154. Bei der Doppelhülle ist die Gefahr einer Verschmutzung vor allem bei leich149 Unter MARPOL fällt jede von einem Schiff ausgehende Verschmutzung, nicht nur durch Öl, sondern auch durch Chemikalien, Abwasser, Abfälle und sonstige schädliche Stoffe. Das wird in den sechs Anlagen des Übereinkommens, fünf sind mittlerweile in Kraft, konkretisiert. 150 Regel I/25 MARPOL. 151 Regel I/13E MARPOL. 152 Regel I/14 MARPOL. Allerdings nur für Schiffe ab 400 RT, für die der Bauauftrag nach dem 01.01.1982 gegeben wurde oder bei denen die Kiellegung nach dem 01.07.1982 erfolgte. Andere Schiffe müssen diese Bestimmung beachten, soweit dies zumutbar und durchführbar ist, vgl. Abs. (4). 153 Regel I/13F MARPOL. Statt der Doppelhülle können Tankschiffe nach Abs. 4 der Regelung eine Zwischendeck-Konstruktion aufweisen, die bewirkt, dass der Innendruck des Ladetanks nicht höher wird als der hydrostatische Druck des Wassers von außen. Tankschiffe dieser Bauart haben doppelte Seitenwände auf der ganzen Länge der Ladetanks, sodass diese durch einen vier bis fünf Meter tiefen Leerraum von der Außenhaut des Rumpfs getrennt sind. Sie besitzen keinen doppelten Boden, und die Ladung befindet sich in direktem Kontakt mit der Bodenhaut. Die Ladetanks sind aber durch ein waagerechtes, ölundurchlässiges Deck abgetrennt. Die Höhe dieses Decks ist so gewählt, dass im Falle einer Beschädigung des Bodens der äußere Wasserdruck die Druckhöhe des Öls übersteigt und das Öl so im Schiff zurückgehalten wird. Andere Bauweisen, die einen vergleichbaren Schutz gegen Ölaustritt wie die Doppelhülle oder das Zwischendeck bieten, können nach Abs. (5) durch das MEPC zugelassen werden, vgl. die Interim guidelines for the approval of alternative methods or design and construction of oil tankers under regulation 13F(5) of Annex I of MARPOL 73/78 adopted by the MEPC of the Organization by Resolution MEPC.66(37). 154 Regel I/13G MARPOL. Die 1995 in Kraft getretene Fassung dieser Bestimmung sah sehr lange Übergangsfristen vor, die de facto der wirtschaftlichen Lebensdauer der Schiffe (25 bis 30 Jahre) entsprachen. Vor 1982 abgelieferte Öltankschiffe (sog. Pre-MARPOL-Tanker) mussten 25 Jahre, in manchen Fällen 30 Jahre, nach Ablieferung mit einer Doppelhülle ausgerüstet sein oder einer gleichwertigen Konstruktionsanforderung entsprechen. Das hätte für diese Schiffe das Aus in 2007 bzw. 2012 bedeutet, da eine Nachrüstung wirtschaftlich sinnlos ist. Für nach 1982 gelieferte Schiffe, die über schützend angeordnete, getrennte Ballasttanks verfügen, lief die Frist spätestens 2026 ab. Auf der 46. Tagung des IMO-MEPC wurde am 27.04.2001 mit Entschließung MEPC.95(46) Regel I/13G geändert und eine neue beschleunigte Ausmusterungsregelung eingeführt. Gestaffelt nach Alter, Konstruktion und Tonnage mussten Tanker danach frühestens 2003 und spätestens 2007 bzw. 2015 über eine doppelte Hülle verfügen. Diese Fristen wurden nach der Prestige durch Resolution MEPC.111(50) erneut auf nun 2005 bzw. 2010 verkürzt. Für Schiffe, die EG-Häfen anlaufen, ergibt sich die Verpflichtung zur beschleu-

E. Steuerungsinstrumente

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teren Zusammenstößen oder bei einem Auflaufen auf Grund wesentlich geringer, denn die Ladetanks werden durch einen zwei oder drei Meter tiefen Leerraum von der Außenhaut des Schiffes getrennt, sodass die Beschädigung erst zwei Lagen Stahl durchdringen muss, ehe Öl auslaufen kann155. Nicht ausreichend ausgebildete und qualifizierte Mannschaften sind eine wesentliche Ursache für Schiffsunfälle. Regel V/14 SOLAS bestimmt daher, dass alle Schiffe ausreichend und effizient bemannt sein sollen 156. Ein ähnlich großer, kaum zu überschreitender Ermessensspielraum wird den Vertragsstaaten der ILO-Konvention Nr. 147 über Mindestnormen auf Handelsschiffen gewährt 157. Nach Art. 2 (e) des Übereinkommens muss ein Vertragsstaat lediglich dafür sorgen, dass Seeleute, die an Bord von in seinem Gebiet eingetragenen Schiffen beschäftigt sind, für die Aufgaben, für die sie angeheuert werden, ausreichend befähigt oder ausgebildet sind 158. Präziser als diese vage und generell gehaltenen Verpflichtungen sind die Bestimmungen der STCW-Konvention, die Minimum-Standards für die Ausbildung, die Erteilung von Befähigungszeugnissen und den Wachdienst von Seeleuten statuieren, eine Materie, die bis 1978 trotz der Internationalität der Seeschifffahrt nur national geregelt war. Das Übereinkommen wurde im Jahr 1995 umfassend überarbeitet („neue“ STCW-Konvention oder STCW 95), um es in Einklang mit der fortgeschrittenen technischen Entwicklung zu bringen und seine einheitliche Umsetzung in den Vertragsstaaten zu erreichen. Dafür wurden unklare Bestimmungen, die Raum für die unterschiedlichsten Interpretationen ließen, präzisiert, systematisiert und verschärft. Viele technische Bestimmungen sind nun Bestandteil des neuen STCW-Code, dessen Teil A verbindlich gemacht wurde, während der unverbindliche Teil B Richtlinien für die Umsetzung der Konvention enthält 159. Das Übereinkomnigten Einführung der Doppelhülle auch aus Art.4 (1) VO 417/2002. Am 01.01.2000 verfügten noch 80 % aller Schiffe über nur eine Hülle, vgl. KOM(2000) 142 endg., S. 17. 155 Das spiegelt sich auch in einer Unfallstatistik für die Ostsee wieder. Dort führten zwischen 1989 und 1999 von 10 Unfällen mit Doppelhüllentankern lediglich 2 zu einem Ölaustritt, während in demselben Zeitraum bei 15 Havarien mit Einhüllenschiffen 11 Ölverschmutzungen zu verzeichnen waren, vgl. Landtag Mecklenburg-Vorpommern, 3. Wahlperiode, Umweltausschuss, Ausschussdrucksache 3/70, S. 11. 156 Vgl. auch die Principles of safe manning, die von der Organisation mit Resolution A.890 (21) angenommen wurden. 157 Die Konvention wird auch als Klammerkonvention bezeichnet, weil ihr Art.2 (a) die Vertragsstaaten verpflichtet, sich zu vergewissern, dass ihre Gesetzgebung den im Anhang aufgeführten 11 ILO-Abkommen gleichwertig ist. Diese Abkommen betreffen die Arbeitssicherheit, die soziale Absicherung sowie die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen der Seeleute. Zur Konvention Lindemann, Hafenstaatkontrolle und internationale Seearbeitsnormen, AVR 26 (1988), S. 387–405. 158 Vgl. auch Art. 94 (4) (a) SRÜ, demzufolge Flaggenstaaten sicherstellen müssen, dass jedes ihrer Schiffe „is in the charge of a master and officer who possess appropriate qualifications [...] and that the crew is appropriate in qualification and numbers for the type, size, machinery and equipment of the ship.“ 159 Alle Änderungen konnten zügig unter tacit acceptance nach Art. XII (1) (a) (vii) STCW in Kraft treten, weil von ihnen nur technische Bestimmungen betroffen waren, die Artikel des Musterübereinkommens aber unverändert blieben.

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Erster Teil: Problemidentifikation

men hat für die Sicherheit im Seeverkehr große Bedeutung. Denn die der Sicherheit der Navigation dienenden Bestimmungen in COLREG und Kapitel V der SOLASAnlage werden nutzlos, wenn eine inkompetente Mannschaft sie nicht einzuhalten vermag. Aus diesem Grund müssen Kapitäne und erste Offiziere unter anderem über eine umfassende Kenntnis der Internationalen Regeln zur Verhütung von Zusammenstößen auf See und des Standard-Schifffahrts-Englisch verfügen 160. Spezielle Mindestanforderungen für die Ausbildung und Befähigung von Kapitänen, Offizieren und Schiffsleuten auf Tankschiffen enthält Regel V/1 STCW. Danach müssen diese z. B. einen Brandbekämpfungslehrgang und ein zugelassenes, besonderes Ausbildungsprogramm abgeschlossen haben, das zumindest die im verbindlichen Abschnitt A-V/1 des STCW-Codes enthaltenen Bereiche umfasst.

3. Kontrollen und Inspektionen Kontrollen und Inspektionen sind vielleicht das wichtigste Präventionsinstrument, denn durch sie wird die Einhaltung der internationalen Standards sichergestellt. Für die Um- und Durchsetzung der IMO-Standards ist, wie erwähnt, primär der Flaggenstaat zuständig. Die Kontrolle des Hafenstaates ist nach den IMO-Konventionen grundsätzlich darauf zu beschränken festzustellen, dass sich ein gültiges Zeugnis an Bord befindet, sofern nicht eindeutige Gründe zu der Annahme bestehen, dass der Zustand des Schiffes oder seiner Ausrüstung wesentlich von den Angaben des Zeugnisses abweicht 161. Unabhängig davon können Hafenstaatskontrollen, selbst wenn sie im Rahmen von Memoranda of Understanding durchgeführt werden, die Kontrollen des Flaggenstaates nicht ersetzen. Sie sind viel zu sporadisch, zu sehr vom Zufall abhängig, als dass damit die Schiffssicherheit umfassend gewährleistet werden könnte. Zudem müssen die Kontrollen während der kurzen Liegezeiten im Hafen erfolgen, in denen das Schiff be- und entladen wird. Eine Besichtigung der Lade- und Ballasträume ist dann häufig nur beschränkt möglich. Eine Überprüfung der Hülle unterhalb der Wasserlinie kann praktisch gar nicht durchgeführt werden. Zudem ist nur der Flaggenstaat befugt, die nötigen Verfahren gegen den Schiffseigner einzuleiten, die Zeugnisse einzuziehen und das Schiff unabhängig von seinem Aufenthaltsort zu überprüfen. Ein spezielles Kontrollverfahren für Öltanker, das seit 1995 von den Behörden des Flaggenstaates mit den Zwischen- oder Erneuerungsüberprüfungen durchzufüh160 Regel II/2 STCW in Verbindung mit dem verbindlichen Abschnitt A-II/2, Table A-II/2 des STCW-Code. Die IMO Standard Marine Communication Phrases sind im IMO-Rundschreiben MSC/Circ.794 aufgelistet. Regel V/14 (4) der SOLAS schreibt Englisch als Arbeitssprache auf der Brücke für die Brücke-zu-Brücke- und Brücke-zu-Land-Kommunikation vor. 161 Art. 5 (2) MARPOL; Regel I/19 SOLAS. Vgl. aber Regel I/4 (1.3) der überarbeiteten STCW-Konvention, die dem Hafenstaat unter bestimmten Unständen erlaubt zu überprüfen, ob die Seeleute zur Einhaltung der STCW-Normen fähig sind. Ähnlich die neue Regel XI/4 SOLAS.

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ren ist, ist das verbesserte Besichtigungsprogramm (ESP) 162. Mit dem Programm werden insbesondere ältere Schiffe unter die Lupe genommen. Es sieht eine gründliche Prüfung der Tankschiffhülle vor, die sicherstellen soll, dass auf Korrosion, Verschleiß und Rissen beruhende Mängel festgestellt werden. Zudem wurde mit der Änderung der Regel I/13G MARPOL zur beschleunigten Einführung der Doppelhülle beschlossen, dass Einhüllen-Tanker nur dann weiter betrieben werden dürfen, wenn sie einem Zustandsbewertungsschema (CAS) entsprechen 163. Dies wird während des ESP überprüft. Mit dem CAS werden keine neuen Sicherheitsstandards eingeführt, sondern lediglich eine stringentere und transparentere Überprüfung des strukturellen Zustands des Schiffs vorgeschrieben. Auch muss verifiziert werden, dass die Dokumentations- und Besichtigungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt und abgeschlossen worden sind 164. Spezielle Überprüfungsverfahren für Öltanker werden auch im Rahmen der Hafenstaatskontrolle angewandt. So wird in Abschnitt 5.2.2 des Pariser MOU der Hafenkontrollbeamte angewiesen, der strukturellen Integrität und Seetauglichkeit des Tankers wie beim ESP besondere Aufmerksamkeit zu widmen, und nach Abschnitt 8.3. der Vereinbarung werden Einhüllen-Tanker ab dem fünften Jahr vor ihrem Ausmusterungsdatum nach Regel I/13G MARPOL einmal jährlich einer erweiterten Überprüfung unterzogen, wenn sie einen Mitgliedstaat der Vereinbarung anlaufen.

II. Präventive Wirkung des Haftungsrechts Eine Umwelthaftung kann verschiedenen Zielen dienen. Sie kann zum einen eine repressive Funktion haben, indem sie dem Ausgleich oder Ersatz bereits eingetretener Schäden dient. Damit vereinbar ist ein präventives Ziel, wenn über die Androhung finanzieller Einbußen eine mittelbare Verhaltenssteuerung erreicht werden soll. Denkbar ist auch, die Umwelthaftung unter Ausgleichsgesichtspunkten, Ausgleich für die Inanspruchnahme eines gemeinsamen Gutes, zu verstehen. Jeder dieser Ansätze hat Konsequenzen für den Haftungsmaßstab, vor allem aber für die Haftungshöhe 165. Für die vorliegende Untersuchung interessiert nur die präventive Funktion des Haftungsrechts. Der Durchsetzung von Schiffssicherheitsstandards hilft sie nur auf, wenn sie eine abschreckende Wirkung entfalten kann. Dafür müssen die Täter feststellbar und die Sanktionen individualisierbar und begreifbar sein. Das völker- und europarechtliche Regime zum Schutz der Meere vor Verschmutzung durch Öltankerunfälle verfügt über zwei Haftungsregelungen: das InternatioRegeln I/6 und XI/1 SOLAS in Verbindung mit IMO Resolution A.744(18) as amended. Condition Assessment Scheme. Regel I/13G (7) MARPOL in Verbindung mit der verbindlichen IMO Resolution MEPC.94(46) vom 27.04.2001. 164 Abs. 1.2 CAS-Präambel (Anlage zur IMO Resolution MEPC.94(46)). 165 Zu Sinn und Zweck einer Haftung für Umweltschäden Wolfrum, Umweltschutz durch internationales Haftungsrecht, S. 408. 162 163

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Erster Teil: Problemidentifikation

nale Übereinkommen von 1969 über die zivilrechtliche Haftung für Ölverschmutzungsschäden und das Fondsübereinkommen von 1971 166. Beide Konventionen wurden 1992 durch Protokolle ergänzt, deren Ziel es war, die Haftungs- bzw. Entschädigungssummen anzuheben und die Anforderungen für das Inkrafttreten der Konvention zu senken 167. Durch die beiden Übereinkommen wurde ein zweigeteiltes Haftungssystem eingeführt. Seine wesentlichen Elemente sind zum einen die verschuldensunabhängige Haftung des eingetragenen Schiffseigners, die aber beschränkt werden kann, und zum anderen ein von den Ölempfängern finanzierter Fonds, aus dem durch Ölverschmutzung Geschädigte, die vom Schiffseigner nicht voll entschädigt werden, eine zusätzliche Entschädigung erhalten. Auf diese Weise sollen Schiffs- und Ladungseigner an den Risiken des Öltransports gleichermaßen beteiligt werden. Haftung und Einstandspflicht des Fonds gelten für Verschmutzungsschäden durch beständiges Öl, das im Hoheitsgebiet einschließlich des Küstenmeeres oder in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) bzw. einem entsprechenden Gebiet bis zu 200 Seemeilen von der Küste eines Vertragsstaates aus Tankschiffen ausgeflossen ist. Abgedeckt sind unter anderem der Verlust und die Beschädigung von Eigentum, in gewissem Umfang wirtschaftliche Schäden, die Kosten für die Wiederherstellung der Umwelt sowie Schutzmaßnahmen, einschließlich der Kosten für Aufräumarbeiten 168. Die Haftung nach der CLC und die Einstandspflicht des Fonds wurden in Reaktion auf den Unfall der Erika angehoben. Der Eigner haftet nun bei einem Schiff über 140.000 BRZ mit maximal 89,77 Millionen SDR (ca. US$ 115 Millionen). Der Fonds muss maximal 203 Millionen SDR (ca. US$ 260 Millionen) Schadensersatz leisten. Beziehen drei Staaten, die in den Fonds einzahlen, mehr als 600 Millionen Tonnen Öl im Jahr, wächst diese Summe auf 300,74 Millionen SDR (US$ 386 Millionen) an 169. 166 International Convention on Civil Liability for Oil Pollution Damage (CLC 69) und Convention on the Establishment of an International Fund for Compensation for Oil Pollution Damage (FUND 71). 167 Die Konventionen werden durch die Protokolle umbenannt in International Convention on Civil Liability for Oil Pollution Damage, 1992 (1992 Liability Convention), CLC 92, und in International Convention on the Establishment of an International Fund for Compensation for Oil Pollution Damage, 1992 (1992 Fund Convention), FUND 92. Die Protokolle ersetzen zwischen den Vertragsparteien die Ursprungsübereinkommen. Bereits 1984 war versucht worden, die Entschädigungsbeträge durch Protokoll anzuheben. Ein wesentlicher Grund dafür, dass diese Protokolle nie in Kraft traten, war das Fernbleiben der USA, einer der weltgrößten Ölimporteure. Die Vereinigten Staaten zogen ihr 1990 mit dem Oil Pollution Act eingeführtes System der unbeschränkten Haftung den internationalen Regelungen vor. Die Protokolle von 1992 wurden daher so entworfen, dass die Ratifikation durch die USA für ihr Inkrafttreten nicht erforderlich war. 168 Ibid S. 6–21. 169 Art. 6 (1) CLC in der durch IMO Resolution LEG.1(82), Amendments of the limitation amounts in the protocol of 1992 to amend the international convention on civil liability for oil pollution damage, 1969 geänderten Fassung und Art. 6 (3) FUND in der durch IMO Resolution LEG.2(82), Amendments of the limits of compensation in the protocol of 1992 to amend the international convention on the establishment of an international fund for compensation for oil pollution damage, 1971 geänderten Fassung.

Zweiter Teil

Der Schutz vor Öltankerunfällen durch das Völkerrecht Nur wenn die im ersten Teil vorgestellten Schiffssicherheitsregelungen konsequent angewandt werden, ist die marine Umwelt vor Tankerunfällen zu schützen. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass nach Seerechtsübereinkommen und IMO-Konventionen die Verantwortung für die Schiffssicherheit bei den Flaggenstaaten liegt 170, die ihrem Primat bei der Durchsetzung von Schiffssicherheitsstandards häufig nicht gerecht werden und trotz der globalen Normenvielfalt das internationale Regelwerk heterogen, lückenhaft und verzögert anwenden. Aus diesem Grund geht es im völkerrechtlichen Abschnitt der Untersuchung nicht um eine inhaltliche Wertung des vorhandenen Normenbestandes oder das Herausfinden immer perfekterer Normen, sondern es wird angesichts der vorhandenen Implementierungsdefizite untersucht, welche Möglichkeiten das Völkerrecht nicht flaggenstaatlichen Akteuren eröffnet, zur Vermeidung von Tankerunfällen beizutragen und die Einhaltung der internationalen Vorschriften sicherzustellen. Unabhängig davon, ob dabei die Regelungs- und Durchsetzungskompetenzen der Küsten- und Hafenstaaten oder regionaler Organisationen und Initiativen bei der Anwendung der einzelnen Schiffssicherheitswerkzeuge untersucht werden, geht es im Kern um die Frage, wer in welchen Gebieten welche Maßnahmen ergreifen kann und wie sich diese Maßnahmen wiederum auf das gesamte zonale Regime, d. h. auf die durch das Seerechtsübereinkommen geschaffene Balance zwischen den konkurrierenden maritimen und küstenstaatlichen Interessen, auswirken. Bei den regionalen Organisationen ist zusätzlich von Interesse, ob durch diese ein die globale Ordnung ergänzendes oder in Wettstreit dazu tretendes, die Tankersicherheit dezentralisierendes Regelwerk geschaffen wird. Um dies klären zu können, wird zunächst grundlegend der mit dem Seerechtsübereinkommen geschaffene, universelle völkerrechtliche Rahmen vorgestellt, ehe die Steuerungsoptionen der einzelnen Akteure untersucht werden.

170 Gerade die Bestimmungen der IMO-Konventionen sind fast ausschließlich an die Flaggenstaaten gerichtet, vgl. Art.II (Application) SOLAS: „The present Convention shall apply to ships entitled to fly the flag of States the Governments of which are Contracting Governments.“ Ähnliche Bestimmungen enthalten Art. 3 MARPOL, Art. III STCW; Rule 1 COLREG; Art. 4 LL.

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Zweiter Teil: Der Schutz vor Öltankerunfällen durch das Völkerrecht

A. Der universelle völkerrechtliche Rahmen Während seiner Fahrt kann ein Schiff der Jurisdiktion von Flaggen-, Küsten- und Hafenstaaten unterliegen. Es ist daher gerade bei dieser Verschmutzungsquelle wichtig, im Hinblick auf Kommunikationsfreiheit und Umweltschutz die Kompetenzen der einzelnen Akteure in internationalen, weltweit verbindlichen und einheitlichen Bestimmungen festzulegen. Obwohl auch die Genfer Übereinkommen aus dem Jahr 1958 171 die Jurisdiktion der Staaten im Küstenmeer, der Anschlusszone und auf der Hohen See regeln, ist mit „universellem völkerrechtlichen Rahmen“ im Folgenden nur noch das Seerechtsübereinkommen gemeint. Denn das SRÜ besitzt aufgrund der Tatsache, dass auf der dritten Seerechtskonferenz praktisch alle Staaten vertreten waren nicht nur ein erhebliches normatives Gewicht, sondern ist mit mittlerweile 145 Vertragsparteien auch auf dem besten Wege zu universeller Geltung 172. Zudem haben gerade die hier interessierenden Regeln zur Umweltverschmutzung durch Schiffe mit der Montego-Bay-Konvention substanzielle Änderungen erfahren 173. Ein Abstellen auf die 1958er Seerechtskonventionen wäre daher nicht mehr sachgerecht. Das heißt allerdings nicht, dass nicht okkasionell zur Klärung der Genese einer Norm auf die Genfer Seerechtsübereinkommen rekurriert würde. Obgleich das Seerechtsübereinkommen in materieller Hinsicht lediglich eine Regenschirmkonvention ist, deren ausfüllungsbedürftige generelle Regelungen erst durch auf internationaler Ebene vereinbarte technische Standards mit Leben erfüllt werden müssen, errichtet es eine auf universelle Geltung angelegte Kompetenzordnung und enthält in seinem XII. Teil detaillierte Vorschriften über die Hoheitsbefugnisse der Staaten gegenüber Schiffen in verschiedenen Meereszonen, durch die die konkurrierenden Interessen von Küsten- und Flaggenstaaten sowie die Belange des Umweltschutzes und der Schifffahrtsfreiheit für jede dieser Zonen zum Ausgleich gebracht werden.

171 Gemeint sind die Convention on the Territorial Sea and the Continguous Zone, Genf, 29.04.1958, in Kraft getreten am 10.11.1964, UNTS 516, 205 (TSC), die Convention on the High Seas, Genf, 29.04.1958, in Kraft getreten am 30.09.1962, UNTS 450, 11 (HSC). Die Convention on Fishing and Conservation of the Living Resources of the High Sea, Genf, 29.04.1958, in Kraft getreten am 20.03.1966, UNTS 559, 285 sowie die Convention on the Continental Shelf (CSC), Genf, 29.04.1958, in Kraft getreten am 19.06.1964, UNTS 499, 311 haben für die Schiffssicherheit keine Bedeutung. 172 Angabe nach Division for Ocean Affairs and the Law of the Sea, Office of Legal Affairs, United Nations (Internetressource), Stand: 16.07.2004. In UN Doc. A/57/57 (Oceans and the law of the sea, Report of the Secretary-General), 07.03.2002, Abs. 13 wird daher konstatiert: „There is little doubt that over the years the legal regime established by the Convention has reached almost universal acceptance.“ 173 Vgl. nur Ringbom, Environmental Protection and Shipping – Prescriptive Coastal State Jurisdiction in the 1990’s, marius 224, S. 13.

A. Der universelle völkerrechtliche Rahmen

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Ein wesentliches Merkmal dieses mit der Montego-Bay-Konvention erzielten Kompromisses zwischen Flaggen- und Küstenstaaten ist die Sicherung des Primats internationaler Regeln und Standards über nationale Rechtsakte durch die Verwendung sogenannter Referenzbestimmungen, welche die flaggen- und küstenstaatlichen Regelungs- und Durchsetzungsbefugnisse an die im Rahmen der zuständigen internationalen Organisation geschaffene Regeln binden. Völlig unabhängig von internationalen Regeln und Standards dürfen Küsten- und Flaggenstaaten nationale Gesetzte nur in einer sehr begrenzten Anzahl von Fällen erlassen und durchsetzen 174. Diese Regelungstechnik ermöglicht den Küstenstaaten, weit in ehemals Hohe-See-Gebiete hinein Hoheitsbefugnisse zum Schutz ihrer Küstenumwelt, selbst gegenüber Schiffen unter fremder Flagge, auszuüben; sie gewährleistet mit weltweit einheitlichen Standards gleichzeitig aber auch die Freiheit der Schifffahrt. Wegen ihrer zentralen Bedeutung für das gesamte völkerrechtliche Schiffssicherheitsregime und auch, um aktuelle Forschungsergebnisse der ILA in diesem Bereich gebührend berücksichtigen zu können 175, wird die Regelung der Umweltverschmutzung durch Schiffe durch Referenzbestimmungen vor die Klammer gezogen und noch vor der zonalen Ordnung des SRÜ erörtert. Dies heißt aber nicht, dass die Referenzbestimmungen dadurch künstlich von ihrem jeweiligen Regelungskontext getrennt würden. Vielmehr spielen sie auch bei der anschließenden Darstellung der zonalen Ordnung des SRÜ eine erhebliche Rolle. Mit Blick auf das Ziel der Untersuchung, die Möglichkeiten nicht flaggenstaatlicher Akteure auszuloten, auf den Ausfall des Flaggenstaates in der Schiffssicherheit zu reagieren, konzentrieren sich die Ausführungen zu der zonalen Ordnung des Seerechtsübereinkommens vor allem auf die Regelungs- und Durchsetzungsbefugnisse der Küstenstaaten in den verschiedenen Meereszonen, wobei ein besonderes Augenmerk Küstenmeer und AWZ gilt. Um ein vollständiges Bild der Kompetenzen in der Schiffssicherheit zu zeichnen, wird aber auch auf spezielle Zonen wie Meerengen und eisbedeckte Gebiete eingegangen 176. Die Befugnis der Hafenstaaten, gegenüber ausländischen Schiffen im Rahmen von Anlaufbedingungen internationale Sicherheitsanforderungen an Schiffe einseitig zu verschärfen, ist dagegen unabhängig von der zonalen Ordnung der MontegoBay-Konvention und wird separat behandelt 177. 174 Ausführlich zu diesem sog. funktional internationalen Lösungsansatz, der die Regelungsbefugnis in den internationalen Bereich verlagert, König, Durchsetzung internationaler Bestands- und Umweltschutzvorschriften auf Hoher See im Interesse der Staatengemeinschaft, S. 82, 83, 165. 175 Gemeint sind die Arbeiten des Committee on Coastal State Jurisdiction der ILA, das im Juli 2000 seinen Abschlussbericht vorgelegt hat. 176 Nicht thematisiert werden dagegen die küstenstaatlichen schiffssicherheitsrechtlichen Kompetenzen in den maximal 500 Meter breiten Sicherheitszonen um künstliche Inseln, Anlagen und Bauwerke (Ölplattformen) nach Art. 60 (4) bzw. 80 und 87 (1) (d) SRÜ. 177 Diese dem Hafenstaat kraft seiner territorialen, präziser aquitorialen, Souveränität zustehende präskriptive Jurisdiktion ist nicht mit dem besonderen Durchsetzungsrecht der Hafen-

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Zweiter Teil: Der Schutz vor Öltankerunfällen durch das Völkerrecht

I. Die Regelung der Umweltverschmutzung durch Schiffe durch Referenzbestimmungen Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass das Schifffahrtsregime des Seerechtsübereinkommens zwar auf internationalen Regeln und Standards aufbaut, die Montego Bay-Konvention selbst aber keine technischen Bestimmungen enthält. Diese werden vielmehr über die Referenzbestimmungen unter das Dach des Übereinkommens gebracht. Art. 211 (1) SRÜ statuiert lediglich die allgemeine Verpflichtung der Staaten, im Rahmen der zuständigen internationalen Organisation oder einer allgemeinen diplomatischen Konferenz internationale Regeln und Standards zur Verhütung, Verringerung und Überwachung der Verschmutzung der Meeresumwelt durch Schiffe aufzustellen. Die Entscheidung, keine technischen Standards in die Konvention aufzunehmen und stattdessen mit GAIRAS und anderen Referenzbestimmungen zu arbeiten, basierte durchaus auch auf pragmatischen Gründen. Während der dritten Seerechtskonferenz existierten bereits spezielle, die Umweltverschmutzung durch Schiffe reglementierende IMO-Konventionen, die es wenig sinnvoll machten, ein komplett neues, die Vertragsparteien direkt bindendes Normenset zu entwerfen. Zudem herrschte Einigkeit darüber, dass einer allgemeinen diplomatischen Konferenz nicht das Expertenwissen zur Verfügung steht, komplexe und hoch spezifische technische Regelungen zu konzipieren, die darüber hinaus schnell veralten und die Konvention vom Umfang her sprengen würden. Man beschränkte sich daher auf eine Rahmenkonvention, die ein rechtliches Dach über die bestehenden oder noch zu schaffenden internationalen Standards errichten, deren künftige Weiterentwicklung aber nicht behindern sollte 178. Im Hinblick auf die Regelung der unfallbedingten und routinemäßigen Umweltverschmutzung durch Schiffe spielen zwei Referenzbestimmungen eine Rolle179. staaten nach Art. 218 SRÜ zu verwechseln. Die umweltschutzrechtliche Neuregelung des Art. 218 (1) SRÜ, deren gewohnheitsrechtliche Geltung unsicher ist, gestattet dem Hafenstaat, wegen unerlaubter Einleitungen aus einem Schiff Untersuchungen durchzuführen oder ein Verfahren zu eröffnen, und zwar selbst dann, wenn das betreffende Schiff außerhalb der AWZ die Meeresumwelt verschmutzt hat. Ausführlich dazu Brusendorff, The Coastal State’s and the Port State’s Legislative Competence Concerning Foreign Ships to Prevent Pollution, NJIL 61 (1992), S. 61–82 und Keselj, Port State Jurisdiction in Respect of Pollution from Ships: The 1982 United Nations Convention on the Law of the Sea and the Memoranda of Understanding, in: ODIL 30 (1999), S. 127–160 sowie Lagoni, die Abwehr von Gefahren für die marine Umwelt, in BDGVR 32 (1992), S. 143–145. 178 Vgl. Molenaar, Coastal State Jurisdiction over Vessel-Source Pollution, S. 140 f. 179 Das Seerechtsübereinkommen verwendet je nach Verschmutzungsquelle eine Vielzahl von Referenzbestimmungen. Beispielsweise ist bei der Verschmutzung vom Lande aus und bei der Verschmutzung aus der Luft oder durch die Luft in Art.207 (1) bzw. 212 (1) SRÜ die Rede von „internationally agreed rules, standards and recommended practices and procedures“, bei der Verschmutzung durch Tätigkeiten auf dem Meeresboden, die unter nationale Hoheitsbe-

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Zum einen wird in Art. 21 (2), 211 (2), (5), (6) und 226 (1) (a) SRÜ auf generally accepted international rules and standards (GAIRAS) Bezug genommen 180, zum anderen in Art. 94 (3) (b), 217, 218, 219, 220, 226 (1) (b), (c) u. 228 SRÜ auf applicable international rules and standards (AIRAS) abgestellt 181. In Art. 211 (2), 211 (5), 217 (1), 218 (1) SRÜ folgt diesen Termini der Zusatz: established through the competent international organization or general diplomatic conference. In dieser Differenzierung spiegelt sich die strikte Trennung der Konvention zwischen den Regelungs- und Durchsetzungsbefugnissen der Staaten wider182, wobei unter Regelungsbefugnis die Kompetenz verstanden wird, gesetzliche und untergesetzliche Normen zu erlassen 183 und der Begriff Durchsetzung sowohl die verwaltungsmäßige Anwendung der innerstaatlichen Vorschriften gegenüber ausländischen Schiffen als auch die strafrechtliche Sanktionierung von Verstößen gegen diese Vorschriften, also exekutive und judikative Maßnahmen, meint. Dabei verwendet die Seerechtskonvention den Begriff GAIRAS regelmäßig in Zusammenhang mit den Regelungsbefugnissen der Staaten, während applicable international rules and standards grundsätzlich bei den Durchsetzungsbefugnissen der Staaten eine Rolle spielen 184. Anders als die Qualifikation generally accepted ist der Begriff applicable auch nicht auf die küsten- und flaggenstaatliche Jurisdiktion begrenzt, sondern taucht auch bei den hafenstaatlichen Hoheitsbefugnissen auf.

fugnisse fallen, in Art. 208 (3) SRÜ von „international rules standards and recommended practices and procedures“, bei der Verschmutzung durch Tätigkeiten im Gebiet in Art. 209 (2) SRÜ von „international rules, regulations and procedures“ und schließlich bei der Verschmutzung durch Einbringen in Art. 210 (6) SRÜ von „global rules and standards“. 180 Beziehungsweise in Art. 21 (4), 41 (3), 53 (8), 94 (2) SRÜ von generally accepted international regulations, in Art. 60 (3), (5), (8) SRÜ von generally accepted international standards, in Art. 39 (2), 94 (5) SRÜ von generally accepted international regulations procedures and practices. Der Begriff GAIRAS wird im Folgenden als Begriff sui generis gebraucht und meint auch diese geringfügigen Abweichungen. 181 Die amtliche deutsche Übersetzung spricht unzutreffend von „internationalen Regeln und Normen“; gemeint sind aber technische Standards, wie bei einem Vergleich der verbindlichen (Art. 320 Satz 1 SRÜ) englischen (rules and standards), französischen (règles et normes) und spanischen (reglas y estándares) Wortlaute deutlich wird. 182 Vgl. Teil XII Abschnitt 5 und 6 SRÜ. 183 Schachter, International Law in Theory and Practice, S. 254, bezeichnet die Regelungsbefugnis (prescriptive jurisdiction) eines Staates als die „authority of the State to apply its law to the conduct, relations or status of persons or in the interest of persons in things“. Diese Befugnis werde normalerweise von den gesetzgebenden Staatsorganen ausgeübt, da aber andere Organe ebenfalls Rechtsnormen setzen könnten, sei dieser Begriff dem engeren der legislative jurisdiction vorzuziehen. Diesem Begriffsverständnis wird hier gefolgt. 184 Eine Ausnahme ist Art. 42 (1) (b) SRÜ.

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1. Die Bindung von Regelungsbefugnissen an Generally Accepted International Rules and Standards Zentraler Regelungszweck der Referenzbestimmungen ist, die flaggen- und küstenstaatlichen Regelungsbefugnisse an allgemein anerkannte internationale Regeln und Standards zu binden. Allerdings werden Flaggen- und Küstenstaaten in unterschiedlicher Art und Weise durch GAIRAS verpflichtet. So ordnet beispielsweise Art.211(2) SRÜ an, dass die Flaggenstaaten Gesetze und sonstige Vorschriften zur Verhütung, Verringerung und Überwachung der Umweltverschmutzung durch Schiffe, die ihre Flagge führen, erlassen müssen (shall adopt, adoptent, dictarán), die nicht weniger wirkungsvoll sein dürfen als (shall at least have the same effect as) die allgemein anerkannten Regeln und Standards, die im Rahmen der zuständigen internationalen Organisation oder einer allgemeinen diplomatischen Konferenz aufgestellt worden sind 185. Eine ähnliche Verpflichtung ergibt sich für die Flaggenstaaten aus Art. 21 (4), 39 (2), 60 (6), 94 (2), (5) und 226 (1) (a) SRÜ. Die allgemein anerkannten internationalen Standards sind mithin für die Flaggenstaaten Mindeststandards, die sie nicht unterschreiten dürfen, weil sie nach unten auf ein bestimmtes Sicherheits- bzw. Umweltschutzniveau verpflichtet werden. Allerdings steht ihnen frei, für ihre Schiffe strengere Anforderungen als international vorgeschrieben zu erlassen, auch wenn sie dies de facto im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Flotten kaum tun dürften. Dagegen sind die Küstenstaaten lediglich berechtigt, innerhalb ihrer Meereszonen GAIRAS für fremde Schiffe verbindlich zu machen, wie unter anderem die Verwendung des Wortes may in Art. 211 (4), (5) SRÜ verdeutlicht. Regelmäßig werden solche Staaten aber im eigenem Interesse die Befolgung von GAIRAS auch Schiffen unter fremder Flagge vorschreiben, denn sie sind die primär durch schifffahrtsbedingte Umweltverschmutzung betroffenen 186. Entscheidet sich ein 185 Vgl. auch den vollständigen englischen Wortlaut dieser zentralen Bestimmung in Art. 211 (2)SRÜ: „States shall adopt laws and regulations for the prevention, reduction and control of pollution of the marine environment from vessels flying their flag or of their registry. Such laws and regulations shall at least have the same effect as that of generally accepted international rules and standards established through the competent international organization or general diplomatic conference.“ (Hervorhebung hinzugefügt). 186 Eine Verpflichtung dazu besteht indes nicht und ergibt sich auch nicht aus Art. 194 (1) SRÜ, der gegenüber Art. 211 SRÜ die lex generalis ist. Dzidzornu/Tsamenyi, Enhancing International Control of Vessel-Source Oil Pollution under the Law of the Sea Convention, 1982: A Reassessment, in: UTLR 10 (1991), S. 282 sind allerdings der Ansicht, dass der Regelungskontext des Art. 211 SRÜ nahe lege, dass ein Küstenstaat, der durchweg laxe Umweltschutzvorschriften erlässt, gegen seine Verschmutzungskontrollverpflichtungen für sein Küstenmeer aus Teil XII SRÜ verstößt. Vgl. für die AWZ auch Dzidzornu, Coastal State Obligations and Powers Respecting EEZ Environmental Protection under Part XII of the UNCLOS: A Descriptive Analysis, in: CJIELP 8 (1997), S. 283 ff. Allgemein zum Verhältnis Art. 194 (5) SRÜ – Art. 211 SRÜ Lagoni, Die Einrichtung von Schutzgebieten in der ausschließlichen Wirtschaftszone aus völkerrechtlicher Sicht, NuR 24 (2002), S. 128 f.

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Küstenstaat, von seiner fakultativen Regelungsmacht Gebrauch zu machen, so ist er in der AWZ immer und in seinem Küstenmeer hinsichtlich CDEM-Standards an GAIRAS gebunden, denn diese sind für die Küstenstaaten Höchststandards, von denen sie nicht abweichen dürfen 187. Dies wird durch Bestimmungen wie giving effect to in Art. 21 (2) SRÜ, conform to in Art. 41 (3) u. 53 (8) SRÜ, conforming to and giving effect to in Art. 211 (5) SRÜ beziehungsweise not [...] other than in Art. 211 (6) (c) SRÜ deutlich. Somit erfüllen GIARAS nicht nur die Rechtsetzungspflicht der Flaggenstaaten mit Inhalt, sondern begrenzen gleichzeitig auch die Regelungsmacht der Küstenstaaten 188. Ein gewisses Ausgestaltungsermessen bleibt für beide bestehen. Welche Art von Normen indes international rules and standards sind, wann eine Regel als generally accepted zu qualifizieren ist und welche Rechtswirkungen die Referenzbestimmungen des Seerechtsübereinkommens gegenüber Staaten entfalten, die Nichtvertragsparteien der Montego-Bay-Konvention sind, ist schon seit Beginn der dritten Seerechtskonferenz umstritten 189 und vielfach in der Literatur erörtert worden. In jüngster Zeit hat sich das Committee on Coastal State Jurisdiction der ILA ausführlich mit GAIRAS beschäftigt 190. Sein im Juli 2000 vorgelegter Ab187 Vgl. folgende zentralen Bestimmungen: Für das Küstenmeer Art.21 (2) SRÜ: „Such laws and regulations shall not apply to the design, construction, manning or equipment of foreign ships unless they are giving effect to generally accepted international rules or standards“ und für die AWZ Art. 211 (5) SRÜ: „Coastal States, for the purpose of enforcement as provided for in section 6, may in respect of their exclusive economic zones adopt laws and regulations for the prevention, reduction and control of pollution from vessels conforming to and giving effect to generally accepted international rules and standards established through the competent international organization or general diplomatic conference.“ 188 Beachte, dass die Staaten beim Erlass innerstaatlicher Rechtsvorschriften bei den anderen im SRÜ geregelten Verschmutzungsquellen weit weniger streng an internationale Normen gebunden sind als dies bei der Umweltverschmutzung durch Schiffe mit Bestimmungen wie „shall at least have the same effect as that of GAIRAS“ bzw. „conforming to and giving effect to GAIRAS“ der Fall ist. Beispielsweise ist in Art. 207 (1), 208 (3), 209 (2) u. 212 (1) SRÜ lediglich die Rede von nationalen Rechtsakten „taking into account“ oder „shall be no less effective than“ „internationally agreed rules, standards and recommended practices and procedures“. Eine Ausnahme ist lediglich die in Art. 210 SRÜ geregelte Verschmutzung durch Einbringen (dumping). Art. 210 (6) zufolge dürfen (shall) die innerstaatlichen Rechtsvorschriften „be no less effective [...] than the global rules and standards“. Durch die Qualifikation generally accepted soll also gerade die durch einseitige nationale Rechtsvorschriften besonders gefährdete Schifffahrtsfreiheit geschützt werden. 189 Eine ähnliche Bestimmung findet sich schon in Art. 10 (2) HSC, und auch die ILC diskutierte in den Jahren 1950–1956 über die Auslegung des Begriffs. Hinsichtlich der Diskussionen während der 1958er Seerechtskonferenz vgl. UN Doc. A/CONF.13/40 (1958), S. 27, 32–33, 51–60, 137, und Oxman, The Duty to Respect Generally Accepted International Standards, NYUJILP 24 (1991), S. 122–129. Mit dem Seerechtsübereinkommen gewinnt das Problem erheblich an Bedeutung, weil der Terminus in etlichen Bestimmungen der Konvention auftaucht. 190 Committee on Coastal State Jurisdiction Relating to Marine Pollution der International Law Association. Das Committee wurde 1991 von der ILA ins Leben gerufen und nahm 1993

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schlussbericht 191 untersucht erstmals, wann in der Staatenpraxis eine Bestimmung als allgemein anerkannt angesehen wird. Dies ist deshalb von so zentraler Bedeutung für das Schifffahrtsregime, weil die Referenzbestimmungen Staaten indirekt selbst an solche auf internationaler Ebene aufgestellte Standards binden, denen sie nicht explizit zugestimmt haben 192. Je geringer die Anforderungen sind, damit Normen als generally accepted international rules and standards qualifizieren, desto wahrscheinlicher ist es, dass Flaggenstaaten an Schiffssicherheitsstandards gebunden werden, die sie nicht unmittelbar konsentiert haben, und desto mehr Standards können Küstenstaaten in ihren Meereszonen auch für fremde Schiffe verbindlich machen.

a) International Rules and Standards Obwohl der Zusatz established through the competent international organization or general diplomatic conference nicht immer im Zusammenhang mit dem Terminus GAIRAS verwendet wird, ist unstrittig, dass diese internationalen Regeln und Standards entweder durch eine allgemeine diplomatische Konferenz 193 oder durch die UN-Sonderorganisation (Art. 57 UNC) IMO aufgestellt werden, der diesbezüglich ein globales Mandat zukommt, denn der Begriff wird im Zusammenhang mit seine Arbeit auf. Es legte mehrere Berichte vor, u. a. den First Internal Interim Report für die 66ste ILA-Konferenz 1994 in Buenos Aires, den First Report für die Helsinki-Konferenz 1996 (Helsinki Report) und den Second Report für die Taipei Konferenz 1998 (Taipei Report). Der Abschlussbericht (Final Report) wurde im Juli 2000 auf der 69sten ILA-Konferenz im Juli 2000 in London vorgestellt. Die Berichte wurden zusammenfassend veröffentlicht vom Rapporteur des Committee Franckx (Hrsg), Vessel-source Pollution: The work of the ILA Committee on Coastal State Jurisdiction Relating to Marine Pollution (1991–2000). 191 International Law Association, London Conference (2000), Committee on Coastal State Jurisdiction Relating to Marine Pollution, Final Report, in: The International Law Association (Hrsg.), Report of the Sixty-Ninth Conference Held in London 25–29 th July 2000, S. 443–500 (im Folgenden: ILA Final Report (2000)). 192 Das ist jedenfalls nach weit verbreiteter Ansicht die Folge von Bestimmungen wie shall at least have the same effect as. Vgl. van Reenen, Rules of Reference in the new Convention on The Law of the Sea, NYIL 12 (1981), S. 13–15, Hakapää, Marine Pollution in International Law, Material Obligations and Jurisdiction with Special Reference to the Third United Nations Conference on the Law of the Sea (Marine Pollution), S. 119, Kirgis, Shipping, in: Schachter/ Joyner (Hrsg.), United Nations Legal Order, Bd. 2, S. 740 und Bodansky, Protecting the Marine Environment from Vessel-Source Pollution: UNCLOS III and Beyond, ELQ 18 (1991), S. 761. Die indirekte Bindungswirkung verstößt nicht gegen die pacta tertiis-Regel (Art. 34 WVK), denn die erforderliche Zustimmung liegt in der Ratifikation oder dem Beitritt zum Seerechtsübereinkommen. 193 Das Adjektiv general verdeutlicht, dass auch in diesem Fall die Anforderungen bei der Umweltverschmutzung durch Schiffe höher als bei anderen Verschmutzungsquellen sind, bei denen im SRÜ lediglich der Begriff „diplomatic conference“ verwendet wird (z. B. in Art. 207 (4), 208 (5) und 210 (4) SRÜ). Die Konferenz muss mithin in ihrer Zielsetzung global ausgerichtet sein und hat allen Staaten der Erde offen zu stehen

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der Umweltverschmutzung durch Schiffe nur im Singular gebraucht 194, während bei allen anderen Verschmutzungsarten stets im Plural von organizations die Rede ist 195. Allerdings ist anerkannt, dass in Bezug auf Bemannungsregeln die ILO ebenfalls als competent international organization anzusehen ist. Zweifelhaft ist indes, ob mit international rules and standards nur im Rahmen der IMO oder einer allgemeinen diplomatischen Konferenz geschaffene, völkerrechtlich verbindliche Konventionen gemeint sind, oder auch nicht bindende Empfehlungen, Richtlinien und Codes erfasst werden, die ebenfalls Standards enthalten können 196. In letzterem Fall würde die IMO durch die Seerechtskonvention erheblich aufgewertet, denn nach ihrer Satzung kann die Organisation keine die Mitgliedstaaten bindenden Beschlüsse fassen 197. Dafür, dass zumindest gewisse, nicht verbindliche Bestimmungen unter dem Begriff standards subsumiert werden können, spricht die Genesis der Regelung: Die ILC war bei ihrem Entwurf zu Art. 10 (2) HSC der Ansicht, dass unter generally accepted standards auch Normen zu subsumieren seien, die durch internationale Zusammenarbeit entstanden, aber nicht durch formelle Verträge bestätigt worden sind. Auf diese Weise sollten für alle Staaten die sogenannten Straßenverkehrsregelungen des Seeverkehrs verbindlich gemacht werden, die zu dieser Zeit noch nicht in einer internationalen Konvention niedergelegt waren, aber dennoch von den meisten Staaten respektiert wurden 198. Geht man mit der ILA davon aus, dass im Seerechtsübereinkommen mit der Bezugnahme auf GAIRAS das gleiche Ziel verfolgt wird, näm194 Vgl. Art. 22 (3), 41 (4), (5), 53 (9), 60 (3), (5), 211 (1), (2), (3), (5), (6), 217 (1), (4), (7), 218 (1) u. 220(7) SRÜ. Explizit wird die IMO nur in Art.2 (2) Anlage VIII SRÜ genannt, wo ihr die Befugnis eingeräumt wird, Experten für besondere Schiedsverfahren zu nominieren, welche die Schifffahrt, einschließlich der Verschmutzung durch Schiffe, betreffen. Siehe auch Nordquist (Hrsg.), United Nations Convention on the Law of the Sea 1982, A Commentary, Bd. IV (Commentary, Bd.), S. 15, 202, und IMO-UNCLOS-Implications-Studie, S. 2–8. 195 Eine Zusammenstellung findet sich in dem Dokument: Competent or relevant international organizations’ under the United Nations Convention on the Law of the Sea, LOSB No. 31 (1996). 196 Z. B.: Teil B des STCW-Codes, der auch nach Verbindlichmachung von Teil A durch dynamische Verweisung in der STCW- Konvention unverbindlich ist oder der IMDG-Code, der nach Vorstellung von MSC 73 nur in Teilen bis 2004 durch Verweisung in SOLAS verbindlich gemacht werden soll, vgl. MSC 73/21, S. 51–55. Vgl. auch Art. 1 (a) Convention on the International Maritime Consultative Organization, Genf, 06.03.1948, in Kraft getreten am 17.03.1958, UNTS 289, 3, mit Wirkung vom 22.05.1982 mit dem Titel Convention on the International Maritime Organization, in der seit 10.11.1984 geltenden Fassung, BGBl. 1986 II 423 (IMOC), wonach die IMO auf die allgemeine Annahme möglichst hoher standards hinsichtlich der Sicherheit der See hinwirken soll. 197 Vgl. Art. 2 (a), (b), 15 (j), 29 (b), 38 (c), die jeweils nur von recommendations sprechen. 198 „Generally accepted standards [...] also cover regulations which are a product of international cooperation, without necessarily having been confirmed by formal treaties. This applies particularly in the case of signals.“, zit. nach Yearbook of the International Law Commission (YILC) 1956, Bd. II, S. 281.

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lich einen Staat rechtlich zu verpflichten, eine bestimmte Regel zu befolgen, die er anderenfalls de jure nicht befolgen müsste, so kann man folgern, dass nicht entscheidend ist, ob die Bestimmung selbst rechtlich bindet, sondern ob die Staatenpraxis sie als allgemein anerkannt ansieht 199. Anders ausgedrückt: Die Bestimmung der Rechtsnatur von rules and standards wird in dem Moment irrelevant, wo diese allgemein anerkannt sind 200. Gegen ein solches, auch rechtlich nicht bindende Instrumente einbeziehendes Verständnis von rules and standards spricht indes, dass damit keine Antwort auf die Frage gegeben wird, wann eine Regel in der Staatenpraxis allgemein anerkannt ist. Zweifelhaft ist zudem, ob auf die Entstehungsgeschichte der Vorschrift rekurriert werden kann, denn anders als in der HSC, wo die Referenzbestimmung in einem einzigen Artikel verwendet wird und auf die Pflichten des Flaggenstaates beschränkt bleibt, verwendet das SRÜ den Terminus in mehreren Vorschriften auch im Zusammenhang mit den Regelungsbefugnissen des Küstenstaates 201. Darüber hinaus wird der Umfang der Standards, auf die der Begriff GAIRAS Bezug nimmt, im SRÜ erheblich erweitert, weil auch Umweltschutzregelungen erfasst werden. Schließlich ist zu bedenken, dass die Signalregeln, auf die die ILC 1958 Bezug nahm, während der dritten Seerechtskonferenz bereits in SOLAS und COLREG kodifiziert waren. Es ist daher eher unwahrscheinlich, dass dem Begriff international standards von den Delegierten die gleiche Bedeutung beigemessen wurde wie von der ILC 202, zumal andere Bestimmungen des SRÜ, in denen von recommended practices die Rede ist, viel eher auf eine Einbeziehung unverbindlicher Instrumente schließen lassen 203.

199 ILA Final Report (2000), S. 475, 479. Vgl. auch International Law Association, Helsinki Conference (1996), Committee on Coastal State Jurisdiction Relating to Marine Pollution, in: The International Law Association (Hrsg.), Report of the Sixty-Seventh Conference Held at Helsinki 12–17 th August 1996 (im Folgenden: ILA Helsinki Report), S.176: „[...] it appears not only less important whether the legal instrument referred to containing the specific rules and standards is by itself legally binding, but the conclusion must be reached, that the latter instrument is only of secondary importance. The central element, on the contrary, to determine the generally accepted character of a specific rule and standard appears to be the practice of states, no matter in what form the rule or standard might have been expressed.“ 200 Oxman, The Duty to Respect Generally Accepted International Standards, NYUJILP 24 (1991), S. 144, 150. 201 Vgl. Art. 21 (2), 41 (3), 53 (8), 211 (5), (6) SRÜ. 202 Molenaar, Coastal State Jurisdiction over Vessel-Source Pollution, S. 142. 203 Art. 207 (1), (4), (5); 208 (3); 212(1), (3) SRÜ. Dem kann freilich entgegengehalten werden, dass in diesen Bestimmungen nicht die im Hinblick auf die Kommunikationsfreiheit besonders schutzwürdige Umweltverschmutzung durch Schiffe geregelt wird, sondern die luft-, landgestützte oder durch Meeresbodentätigkeiten, die unter nationale Hoheitsbefugnisse fallen, hervorgerufene Meeresverschmutzung. In Art. 207, 208, 212 SRÜ ist auch nicht die Rede von der IMO, sondern nur von competent international organizations, in deren Rahmen Staaten lediglich „shall endeavour to establish global and regional rules, standards and recommended practices and procedures“.

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Staaten sollte mithin die Freiheit zugestanden werden, im Rahmen der IMOEmpfehlungen zu fassen, ohne durch diese über die Montego-Bay-Konvention sofort und indirekt rechtlich gebunden zu werden 204. Daher ist vorzuziehen, unter international rules and standards nur solche Bestimmungen zu verstehen, die in rechtlich bindenden Instrumenten enthalten sind. Für ein solches Verständnis der Referenzbestimmung spricht auch die Struktur der IMO-Konventionen, von denen einige während der dritten Seerechtskonferenz bereits in Kraft waren 205. Die wenigen Vorschriften im kurzen Hauptteil dieser Übereinkommen beschreiben regelmäßig nur Zielsetzung des Vertrages, Anwendungsbereich, Änderungsverfahren und Umsetzung. Sie lassen sich problemlos unter den Begriff rules subsumieren, während die Anlagen der IMO Konventionen eine Vielzahl technischer, als regulations bezeichnete, Normen enthalten, die man als standards im Sinne des SRÜ verstehen kann 206. Schließlich wird eine solche Interpretation auch durch die jüngste Entwicklung in der IMO gestützt: Die Organisation ist dazu übergegangen, technische Standards, die ursprünglich in nicht bindenden Instrumenten enthalten waren, mithilfe dynamischer Verweisungen auf ein vertragliches Fundament zu stellen 207. Dieses Vorgehen wäre überflüssig, wenn den betreffenden, weit verbreiteten, von den Staaten akzeptierten und respektierten Standards 208 bereits über die Referenzbestimmungen des SRÜ völkerrechtliche Geltung zukäme.

b) Generally Accepted Auch wenn man davon ausgeht, dass mit GAIRAS nur rechtlich bindende Instrumente gemeint sind, bleibt zu klären, welcher Grad an Akzeptanz erforderlich ist, damit eine Rechtsregel zu allgemeiner Anerkennung erstarkt. Die Höhe der hier für general acceptance angelegten Messlatte hat, wie ausgeführt, entscheidende Bedeutung für die Reichweite der flaggen- und küstenstaatlichen Regelungsbefugnisse, weil von ihr abhängig ist, an wie viele internationale Regeln und Standards Flaggen- und Küstenstaaten indirekt durch die Referenzbestimmungen gebunden werden. Da das Seerechtsübereinkommen selbst keine Aussage darüber trifft, wann 204 205

Boyle, Marine Pollution under the Law of the Sea Convention, AJIL 79 (1985), S. 357. Z. B.: SOLAS; LOAS LINES und COLREG. MARPOL und STCW lagen zur Zeichnung

auf. 206 Auch Resolution 23 of the Final Act of the International Conference on Marine Pollution, 1973, bezeichnet international standards als die „technical requirements relating to the operation, design and equipment of ships“ in MARPOL. Ebenso van Reenen, Rules of reference in the new Convention on The Law of the Sea, NYIL 12 (1981), S. 25. 207 Als Beispiele mögen der IMDG-Code, Teil A des STCW-Code, der ISM- und INF-Code und Regel V/11 SOLAS (verbindliche Schiffsmeldesysteme, ersetzt die unverbindlichen IMORes. A.648(16)) dienen. 208 Der voraussichtlich nur noch bis 2004 größtenteils unverbindliche IMDG-Code wurde von den allermeisten Staaten auch ohne völkerrechtliche Verpflichtung in nationales Recht umgesetzt.

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ein Instrument allgemein anerkannt ist 209, sind im Laufe der Zeit die unterschiedlichsten Konzepte entwickelt worden, die im Folgenden kurz vorgestellt und drei Gruppen zugeordnet werden sollen, ehe ein eigener Lösungsansatz entwickelt wird. Einige Autoren legen den Begriff restriktiv aus, indem sie GAIRAS mit Gewohnheitsrecht gleichsetzen und für general acceptance eine sehr weit verbreitete und repräsentative Anerkennung der Regel durch Staaten, deren Interessen in besonderer Weise berührt werden, verlangen 210. Ebenso souveränitätsschonend ist es, GAIRAS auf solche Konventionen zu beschränken, die einen Staat als Vertragspartei binden. Andere Autoren nehmen einen wesentlich progressiveren Standpunkt ein und argumentieren, dass Regeln und Standards bereits vor Inkrafttreten der Konventionen, in denen sie enthalten sind, als allgemein anerkannt gelten können. Obwohl die bloße Annahme des Verhandlungstextes hierfür nicht genügen soll, wird als ausreichend erachtet, dass eine erhebliche Zahl von Staaten die jeweilige Konvention gezeichnet hat. Dies wird zum Teil mit der Verpflichtung der Staaten begründet, sich aller Handlungen zu enthalten, die Ziel und Zweck eines Vertrages vereiteln würden, Art. 18 (a) WVK 211, bzw. damit gerechtfertigt, dass sich die Staaten durch Ratifikation des Seerechtsübereinkommens mit einer entsprechend niedrigen Akzeptanzschwelle einverstanden erklärt hätten 212. 209 Allerdings geht aus Art. 211 (7) SRÜ hervor, dass unter anderem die Regeln über die Benachrichtigung bei Unfällen, die wahrscheinlich zu einer Meeresverschmutzung führen werden, GAIRAS sind. Schließlich dürfte auch COLREG zu den GAIRAS gehören, denn nach Art. 39 (2) (a) SRÜ müssen Schiffe auf Transitdurchfahrt „comply with generally accepted international regulations, procedures and practices BFfor safety at sea, including the International Regulations for Preventing Collisions at Sea“. 210 Kasoulides, Port State Control and Jurisdiction: Evolution of the Port State Regime, S. 38–41; Treves, Navigation, in: Dupuy/VigneAFDIs (Hrsg.), A Handbook on the New Law of the Sea, Bd. 2, S. 874 f. van Reenen, Rules of reference in the new Convention on The Law of the Sea, NYIL 12 (1981), S. 3, 11 f., wendet dabei ausdrücklich die Formel des IGH im Nordseefestlandsockelfall, an: „[...], it might be that, even without the passage of time a very widespread and representative participation in the convention might suffice in itself, provided it included that of States whose interests were specifically affected.“, ICJ Reports 1969, S. 42. 211 Vienna Convention on the Law of Treaties (WVK), Wien, 23.05.1969, in Kraft getreten am 27.01.1980, authentischer Wortlaut: AFDIUnited Nations Conference on the Law of Treaties, Off. Rec., Documents of the Conference (UN Doc. A/CONF.39/11/Add.2), New York, 1971, S. 287 und UNTS 1155, 331. 212 Wolfrum, IMO Interface with the Law of the Sea Convention, in: Nordquist/Moore, Current Maritime Issues and the International Maritime Organization, S. 231 f.; ders., Recht der Flagge und „Billige Flaggen“: Neuere EnAFDItwicklungen im Völkerrecht, BDGVR 31, S. 138; Vignes, La valeur juridique de certaines règles, normes ou pratiques mentionnées au TNCO comme ‚généralement acceptées‘, AFDI 25 (1979), S. 716–718; Oxman, The Duty to Respect Generally Accepted International Standards, NYUJILP 24 (1991), S. 109–159; Sohn, Managing the Law of the Sea: Ambassador Pardo’s Forgotten Second Idea, CJTL 36 (1997), S. 295 und ders., Generally Accepted International Rules, WLR 61 (1986), S. 1074 f.

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Eine vermittelnde, sehr pragmatische Ansicht geht schließlich davon aus, dass schon das bloße Inkrafttreten der technischen IMO- beziehungsweise ILO-Konvention genügt, damit die darin enthaltenen Standards als generally accepted qualifizieren und auch Staaten, die nicht Vertragspartei dieser Konvention sind, auf mindestens diese Standards verpflichtet werden. Die für das Inkrafttreten der allen Staaten offen stehenden technischen Übereinkommen erforderlichen quantitativen (Vertragsstaatenzahlen) und funktionellen (Anteil der Vertragsstaaten an der Welthandelstonnage) Kriterien bestimmen das erforderliche Maß an general acceptance 213. Art. 31 (1) WVK zufolge, ist ein Vertrag nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen. Angesichts der Schwierigkeiten, die gewöhnliche Bedeutung von generally accepted zu bestimmen, und der Vielzahl der Auslegungsmöglichkeiten, ist auf den Zweck von Referenzbestimmung und Teil XII SRÜ abzustellen, der darin liegt, den traditionellen Konflikt zwischen dem küstenstaatlichen Bedürfnis nach Umweltschutz und dem flaggenstaatlichen Interesse an Schifffahrtsfreiheit aufzulösen, indem beide Belange als ein einheitliches Ganzes begriffen werden. Dieser einheitliche Ansatz bedingt, dass im Interesse von Kommunikationsfreiheit und Umweltschutz der Primat internationaler Regeln und Standards über nationale Gesetze gesichert wird. Nur so kann die notwenige Universalität der Regelungen gewährleistet und ein Flickenteppich einzelstaatlicher Regelungen vermieden werden 214. Allerdings werden Küstenstaaten von ihrer Regelungsmacht und Flaggenstaaten von ihrer Regelungspflicht nur dann in einheitlicher Weise Gebrauch machen, wenn bestimmte Regeln und Standards, die anderenfalls nicht für alle Staaten rechtlich verbindlich wären, diese Verbindlichkeit über die Referenzregeln erhalten. Daher können GAIRAS zumindest nicht auf Gewohnheitsrecht beschränkt sein. Die Referenzbestimmungen wären in diesem Fall schlichtweg überflüssig, weil die Staaten ohnehin durch Gewohnheitsrecht gebunden sind. Das gleiche gilt für die Ansicht, die GAIRAS lediglich auf Übereinkommen beziehen will, welche die Staaten ohnehin schon außerhalb des SRÜ-Rahmens verpflichten. Um solche Bindungen deutlich zu machen, hätte ein einfacher Hinweis auf das Völkerrecht genügt 215. Zudem taucht generally accepted häufig im Zusammenhang mit established through the competent international organization auf, was eine Gleichsetzung mit Gewohnheitsrecht erheblich erschwert, zumal zweifelhaft ist, ob sich aus den hoch213 Churchill/Lowe, The Law of the Sea, S. 346; Rojahn, National Jurisdiction and Marine Pollution from Ships: The Future Role of IMCO Standards, in: LSIP 14 (1983), S. 474–478; Timagenis, International Control of Marine Pollution, Bd. 1, S. 605; Valenzuela, IMO: Public International Law and Regulation, in: LSIP 16 (1984), S. 145. 214 Ähnlich ILA Final Report (2000), S. 474, 479. Den einheitlichen Ansatz an zahlreichen Beispielen verdeutlichend Commentary, Bd. IV, S. 13. 215 ILA Helsinki Report, S. 174.

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technischen Standards, auf die die Referenzbestimmungen Bezug nehmen, überhaupt Gewohnheitsrecht entwickeln kann 216. Die Anforderungen für general acceptance müssen daher unter denen von Gewohnheitsrecht liegen 217. Sie bereits dann als erfüllt zu sehen, wenn eine bestimmte Zahl von Staaten, die jeweilige Konvention gezeichnet hat, wird der Zielsetzung der Regelung indes ebenfalls nicht gerecht: Uniformität erfordert, dass GAIRAS ein bestimmbares, vorhersehbares und hinreichend verfestigtes Normenset bilden. Mit dem Seerechtsübereinkommen sollte ein zwar entwicklungsfähiges, aber auch auf Dauer angelegtes Schifffahrtsregime geschaffen werden. Allzu geringe Anforderungen an general acceptance liefen Gefahr, auf den Widerstand vieler Flaggenstaaten zu treffen, und würden dieses System eher zerstören als in seiner Einheitlichkeit festigen 218. Damit scheint die Auffassung zielführend zu sein, nach der in IMO- und ILOKonventionen enthaltene Regeln und Standards mit Inkrafttreten des Übereinkommens allgemein anerkannt sind, denn das Inkrafttreten markiert einen eindeutigen Zeitpunkt, von dem an general acceptance vorliegt 219. Allerdings können die für die völkerrechtliche Verbindlichkeit der technischen Konventionen erforderlichen quantitativen und funktionellen Kriterien nur dann zur Bestimmung des erforderlichen Maßes an allgemeiner Anerkennung herangezogen werden, wenn mit ihnen der gleiche Regelungszweck verfolgt wird wie mit dem Terminus generally accepted international rules and standards im SRÜ. Das ist zu verneinen. Primäres Ziel der Bestimmungen über das Inkrafttreten der IMO-Übereinkommen ist, ihre schnelle völkerrechtliche Verbindlichkeit herbeizuführen, ohne dabei die Wettbewerbsfähigkeit derjenigen Flaggenstaaten zu gefährden, die die Übereinkommen bereits ratifiziert haben oder ihnen beigetreten sind 220. Prägendes Regelungsmotiv der Referenzbe216 Vgl. das bereits zitierte (Fn.: 64) Diktum des IGH im Nordseefestlandsockelfall, ICJ-Reports 1969, S. 42, nachdem Normen einen „fundamentally norm-creating character“ besitzen müssen, um Teil des Völkergewohnheitsrechts zu werden. Skeptisch bezüglich der hochtechnischen Standards in IMO-Konventionen auch die ILA (ILA Final Report (2000), S. 478). 217 Ähnlich Hakapää, Vessel-source Pollution in the UN Law of the Sea Convention: Some Assessment as of Today, in: Tupamäki (Hrsg.), Liber Amicorum Bengt Broms: celebrating his 70th birthday 16 October 1999, S. 104. 218 Ringbom, Environmental Protection and Shipping – Prescriptive Coastal State Jurisdiction in the 1990’s, marius 224, S. 16. 219 Während der Verhandlung der UN-Registerkonvention (United Nations Convention on Conditions for Registration of Ships, Genf, 07.02.1986, ILM 26 (1987), 1236) wurde teilweise davon ausgegangen, dass „all IMO conventions in force can be considered as ‚generally accepted‘“, UN Doc. TD/RS/CONF/10, S. 49. 220 Vgl. nur die Kriterien in SOLAS-Prot. 88 Art. V (1) (a) und LL-Prot. 88 Art. V (1) (a) (identischer Wortlaut): „not less than fifteen States, the combined merchant fleets of which constitute not less than fifty per cent of the gross tonnage of the world’s merchant shipping“ sowie in MARPOL-Prot. 97 Art. 6 (1): „not less than fifteen States, the combined merchant fleets of which constitute not less than 50 per cent of the gross tonnage of the world’s merchant shipping“, in COLREG 72 IV (1): „at least 15 States, the aggregate of whose merchant fleets constitute not less than 65 per cent by number or by tonnage of the world fleet of vessels of 100 gross tons and over have become Parties to it, whichever is achieved first“ und schließlich in

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stimmung ist dagegen, die konträren Belange von Küsten- und Flaggenstaaten auszugleichen und die weltweite Einheitlichkeit des Schifffahrtsregimes zu gewährleisten. Dieser unterschiedliche Ansatz der Vorschriften macht es unmöglich, die Kriterien für das Inkrafttreten der IMO-Konventionen modifikationslos bei der Ermittlung von general acceptance anzuwenden 221. Ausschlaggebend für die allgemeine Anerkennung einer Regel kann mithin nicht der formale Zeitpunkt des Inkrafttretens des diese Regel enthaltenen Übereinkommens sein. Vielmehr ist auf die Staatenpraxis abzustellen (Art. 31 (3) (b) WVK) und allgemeine Anerkennung dann zu bejahen, wenn eine weit verbreitete und repräsentative Beteiligung an der betreffenden technischen Konvention vorliegt, vorausgesetzt, dass diese Staatenpraxis diejenigen Staaten umfasst, deren Interessen besonders berührt sind 222. Aus der Tatsache, dass der IGH diese Kriterien im Nordseefestlandsockelfall aufgestellt hat, um zu überprüfen, ob eine Norm gewohnheitsrechtliche Geltung zu beanspruchen vermag 223, folgt keine Gleichsetzung der allgemein anerkannten internationalen Regeln und Standards mit Gewohnheitsrecht. Vielmehr liegt das erforderliche Maß an weit verbreiteter und repräsentativer Beteiligung unter der für den STCW 78 XIV(1): „no less than twenty-five Governments of States the combined merchant fleets of which constitute not less than 65 per cent of the gross tonnage of the world’s merchant shipping“. In IMO Doc. LC/AM/2/2, Annex 1, S. 3 wird davon ausgegangen, dass niedrigere Kriterien für das Inkrafttreten andere Staaten ermutigen würden, den Ratifikationsprozess zu beschleunigen. Siehe auch MEPC 39/13, Abs. 6.8. 221 Molenaar, Coastal State Jurisdiction over Vessel-Source Pollution, S. 155. Unnötig erscheinen allerdings die Bedenken von König, Durchsetzung internationaler Bestands- und Umweltschutzvorschriften auf Hoher See im Interesse der Staatengemeinschaft, S. 165, die Flaggenstaaten könnten der Kompetenz der Küstenstaaten dadurch den Boden entziehen, dass sie die einschlägigen internationalen Übereinkommen nicht ratifizierten und infolge dessen verhinderten, dass die entsprechenden Bestimmungen allgemeine Anerkennung erlangten und damit als Ermächtigungsgrundlage für die Küstenstaaten dienten. Denn die Praxis hat gezeigt, dass die Flaggenstaaten ihre Stellung als Vertragsparteien in der IMO gerade nutzen, um künftigen Inhalt und Richtung der IMO-Instrumente zu beeinflussen. Zudem ermöglicht erst die Vertragsmitgliedschaft von bestimmten Rechten, auch dem zum opt-out, Gebrauch zu machen. Vor allem aber sind nur Vertragsparteien zur gegenseitigen Zeugnisanerkennung (vgl. Art.5 (1) MARPOL) verpflichtet. Ein angesichts von Nichtbegünstigungs(NMFT)-Klauseln (vgl.: Art. II (3) SOLAS-Prot. 78, Art. 5 (4) MARPOL, Art. X (5) STCW) und Hafenstaatskontrollvereinbarungen unschätzbarer Vorteil. Zu den Vorteilen der Ratifikation von IMO-Instrumenten vgl. auch IMO-UNCLOS-Implications-Studie, S. 7. 222 Molenaar, Coastal State Jurisdiction over Vessel-Source Pollution, S. 183. Ähnlich Oxman, The Duty to Respect Generally Accepted International Standards, NYUJILP 24 (1991), S. 149–152, 157 und ILA Final Report (2000), S. 479–481. Allerdings sind sowohl Oxman als auch ILA der Auffassung, dass GAIRAS auch in rechtlich nicht verbindlichen Instrumenten enthalten sein können. 223 ICJ Reports 1969, S. 42. Zur Problematik der Gewohnheitsrechtsentstehung aus Verträgen (vgl. Art.38 WVK) Doehring, Gewohnheitsrecht aus Verträgen, ZaöRV 36 (1976), S.77 ff., Baxter, Multilateral Treaties as Evidence of Customary International Law, BYIL 41 (1965/66), S. 275 ff. 6 Schult

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Nachweis von Gewohnheitsrecht erforderlichen Schwelle 224, ist aber umgekehrt auch noch nicht im Zeitpunkt des Inkrafttretens von IMO- bzw. ILO- Konventionen erreicht. Denn zusätzlich zu den für das Inkrafttreten der technischen Übereinkommen erforderlichen quantitativen und funktionellen Kriterien muss für general acceptance noch ein qualitatives Moment erfüllt sein: die Beteiligung von Staaten, deren Interessen in besonderer Weise berührt werden. Dazu zählen neben den bedeutende Flaggen auch Staaten mit einer langen Küstenlinie oder bedeutenden Häfen beziehungsweise solche Staaten, deren marine Ökosysteme besonders durch schiffsbedingte Umweltverschmutzungen betroffen sind. Die Praxis dieser besonders interessierten Staaten zu ermitteln und gerecht zu gewichten, ist ein schwieriges, mit Unsicherheiten behaftetes Unterfangen, zumal sowohl Küsten- als auch Flaggenstaaten Regeln und Standards nicht allein durch Ratifikation völkerrechtlicher Instrumente, sondern auch durch den Erlass nationaler Gesetze oder eine entsprechende Durchsetzungspraxis anerkennen können 225. Während die Beteiligung der Flaggenstaaten an einer technischen Konvention gut am Anteil der Vertragsparteien an der Welthandelstonnage ablesbar ist, kann aus der Zahl der Ratifikationen eines IMO-/ILO-Übereinkommens nur bedingt auf die Praxis besonders betroffener Küstenstaaten geschlossen werden. Anhaltspunkte für eine weitverbreitete und repräsentative Partizipation dieser Staaten an einer technischen Konvention ergeben sich am ehesten aufgrund der regionalen Hafenstaatskontrollmemoranda, in deren Rahmen Schiffe koordiniert auf die Einhaltung von generally accepted international rules and standards überprüft werden 226. Zwar ist es problematisch, den Status eines Übereinkommens über die Praxis von Hafenstaaten zu ermitteln, weil diese aufgrund ihrer territorialen Souveränität grundsätzlich von den internationalen Standards abweichende Regelungen treffen könnten 227. 224 Ebenso muss keine unabhängig vom Vertrag bestehende Rechtsüberzeugung nachgewiesen werden, vgl. North Sea Continental Shelf Case, ICJ Reports, 1969, Abs. 76. 225 Das gilt besonders, wenn man der Auffassung ist, dass auch rechtlich unverbindliche Instrumente GAIRAS sein können. Paradebeispiel ist dann der IMDG-Code, der von vielen Staaten in ihr nationales Recht übernommen wurde. Für die hier vertretene Ansicht ist diese Form der Beteiligung an IMO-Übereinkommen von geringer Bedeutung, da der Trend in der Staatenpraxis, schon wegen der dadurch gegebenen Einflussmöglichkeiten, zur Zeichnung und Ratifikation von IMO-Übereinkommen geht. Unzutreffend ist jedenfalls mit Oxman, The Duty to Respect Generally Accepted International Standards, NYUJILP 24 (1991), S. 153 f., auch ein regelkonformes Verhalten von Privatrechtssubjekten als Indiz für allgemeine Anerkennung zu werten. Obwohl das eigentliche Ziel der internationalen Regeln und Standards ihre Befolgung durch Privatpersonen ist, wird durch das SRÜ die staatliche Regelungspflicht bzw. Regelungsmacht an GAIRAS gebunden. Ihre Befolgung oder Nichtbefolgung durch Privatpersonen kann daher nicht berücksichtigt werden. 226 Vgl Abschnitt 3.1 Paris MOU: „[...] the Authorities will satisfy themselves that the crew and the overall condition of the ship, including the engine room and accommodation and including hygienic conditions, meets generally accepted international rules and standards.“ (Hervorhebung durch Verfasser). 227 Das Recht des Hafenstaates, fremde Schiffe im Hafen zu inspizieren, ist gewohnheitsrechtlich anerkannt und wird für die hafenstaatliche Regelungsbefugnis durch Art. 25 (2) und

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Doch werden im Rahmen der Memoranden keine zusätzlichen, über die internationalen Konventionen hinausgehende Standards geschaffen, sondern es wird lediglich die Einhaltung der internationalen, an die Flaggenstaaten gerichteten Vorschriften überprüft 228. Da somit Flaggen- und Hafenstaaten ihren Kontrollen den gleichen Prüfungsmaßstab zugrunde legen, kann bei der Beurteilung der allgemeinen Anerkennung eines Instrumentes auch auf die hafenstaatliche Praxis abgestellt werden.

c) Allgemeine Anerkennung von Sicherheitskonventionen In concreto soll der Frage, welche Regeln und Standards allgemein anerkannt sind, nur im Schiffssicherheitsrecht nachgegangen werden 229. Wendet man hier die Formel von der weit verbreiteten und repräsentativen Beteiligung besonders interessierter Staaten an, können zumindest MARPOL 73/78 Anlagen I–III, V COLREG 72, STCW 78, SOLAS 74, SOLAS Prot. 78 und LL 66 als allgemein anerkannt gelten: Zwischen 106 (SOLAS Prot. 78) und 154 (LL) Staaten mit einem Welthandelstonnageanteil von über 94 % bzw. 98 % haben diese Übereinkommen ratifiziert 230. Angesichts dieser hohen Zahl an Vertragsparteien, unter deren Flaggen nahezu 100 % der Welthandelstonnage fahren, kann auf eine weitverbreitete und repräsentative Beteiligung besonders interessierter Flaggen- und Küstenstaaten geschlossen

211 (3) SRÜ bestätigt. Dass im Rahmen von Hafenstaatskontrollvereinbarungen angewandete Übereinkommen nicht unbedingt GAIRAS enthalten müssen, wird bei der ILO-Konvention Nr. 147 deutlich. Ihre Befolgung wird im Rahmen des Pariser MOU überprüft, obwohl die allgemeine Anerkennung der Konvention bei lediglich 43 Ratifikationen (Angaben nach ILOLEX (Internetressource), Stand: 31.08.2004) zweifelhaft ist. 228 Angewandt werden nur Übereinkommen, die in Kraft getreten sind und denen der die Kontrollen durchführende Staat als Vertragsparteien angehört, vgl. Abschnitt 2.3 Paris MOU, Abschn. 2.2 Viña Del Mar Agreement, Abschn. 2.2 Tokyo MOU, Abschn. 2.2 Caribbean MOU, Abschn. 2.3 Mediterranean MOU und Abschn. 2.3 Indian MOU. Der 4. Erwägungsgrund der Präambel des Paris MOU stellt klar, dass „the principal responsibility for the effective application of standards laid down in international instruments rests upon the authorities of the State whose flag a ship is entitled to fly“. 229 Aus methodischen Gründen wird im Folgenden allerdings auch die allgemeine Anerkennung sämtlicher MARPOL Anlagen untersucht, obwohl für den Schutz der Umwelt vor Öltankerunfällen nur Anlage I (Regulations for the Prevention of Pollution by Oil) relevant ist. In der Literatur werden bestimmte Übereinkommen gelegentlich ohne nähere Begründung als allgemein anerkannt bezeichnet. So für MARPOL bzw. SOLAS: Wolfrum, Recht der Flagge und „Billige Flaggen“: Neuere Entwicklungen im Völkerrecht, BDGVR 31, S. 138, ders., Die Entwicklung des Seerechts zum Recht der marinen Umwelt, in: Ehlers/Erbguth (Hrsg.), Aktuelle Entwicklungen im Seerecht, S. 78, Lagoni, die Abwehr von Gefahren für die marine Umwelt, in BDGVR 32 (1992), S. 133, Churchill/Lowe, The Law of the Sea, S. 346 und Núñez-Müller, Die Staatszugehörigkeit von Handelsschiffen im Völkerrecht, S. 291. 230 Angabe jeweils nach Zahl der Vertragsparteien und prozentualem Anteil an der Welthandelstonnage: MARPOL (Anlage I und II): 128/97,06 %; COLREG: 146/97,44 %; STCW 78: 147/98,42 %; SOLAS 74: 152/98,45 %; LL 66: 154/98,41 %. Quelle: IMO, Summary of Status of Conventions as at 31 July 2004 (Internetressource). 6*

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werden 231. Dieser Befund wird dadurch erhärtet, dass sich eine entsprechende küstenstaatliche Praxis auch über die Hafenstaatskontrollvereinbarungen nachweisen lässt, in deren Rahmen sämtliche der genannten Konventionen angewendet werden 232. Im Fall von COLREG bezeichnet sogar das Seerechtsübereinkommen selbst die internationalen Kollisionsverhütungsregeln als generally accepted, freilich nur im Zusammenhang mit dem Recht der Transitdurchfahrt in Meerengen (Art. 39 (2) (a) SRÜ). Während mithin MARPOL 73/78 Anlage I–III, V COLREG 72, STCW 78, SOLAS 74, SOLAS Prot. 78 und LL 66 allgemein anerkannt sind, ist die Frage nach dem Status des SOLAS Prot. 88 233, des LL Prot. 88 sowie der später in Kraft getretenen MARPOL-Anlagen IV u. VI 234 schwieriger zu beantworten. Der Anteil der Vertragsstaaten an der Welthandelstonnage liegt bei diesen Instrumenten zwischen 54 % und 63 %, die Zahl der Vertragsregierungen zwischen 16 und 98 235. Allgemeine Anerkennung kann daher nur bei Vorliegen zusätzlicher Hinweise für eine weit verbreitete und repräsentative Beteiligung besonders interessierter Staaten angenommen werden. Ein solcher Hinweis findet sich möglicherweise in Art. 5 ILO No. 147, demzufolge nur solche Regierungen das Übereinkommen ratifizieren können, die Vertragspartei von SOLAS, LL und COLREG oder jedem späteren Übereinkommen zur Neufassung dieser internationalen Urkunden sind. In der Literatur ist dies als die erste Erklärung angesehen worden, in der bestimmte Regeln und Standards von 231 Ähnlich die IMO-UNCLOS-Implications-Studie „[these] IMO conventions may, on account of their world-wide acceptance, be deemed to fulfil the requirement of general acceptance“ (S. 10, 26). 232 Am umfangreichsten ist die Prüfliste des Paris MOU, die LL 66, LL-Prot.88, SOLAS 74, SOLAS-Prot. 88, MARPOL 73/78, STCW 78, COLREG 72, Tonnage 69 und ILO No.147 umfasst, vgl. Abschnitt 2.1 Paris MOU. 233 Das Protokoll von 1978 wird durch das am 03.02.2000 in Kraft getretene Protokoll von 1988 zwischen den Vertragsparteien abgelöst und aufgehoben. 234 Nach Art. 14 (1) MARPOL 73/78 sind die Anlagen III (Regulations for the Prevention of Pollution by Harmful Substances Carried by Sea in Packaged Form), IV (Regulations for the Prevention of Pollution by Sewage from Ships) und V (Regulations for the Prevention of Pollution by Garbage from Ships) fakultativ und müssen von den Staaten, anders als die Anlagen I (Regulations for the Prevention of Pollution by Oil) und II (Regulations for the Control of Pollution by Noxious Liquid Substances in Bulk), bei der Ratifikation des Grundübereinkommens nicht angenommen werden. Während das Grundübereinkommen einschließlich Anlage I–II am 02.10.1983 in Kraft trat, wurden die fakultativen Anlagen erst wesentlich später völkerrechtlich verbindlich (Anlage V am 31.12.1988, Anlage III, am 01.07.1992 und Anlage IV am 27.09.2003). 1997 wurde MARPOL um Anlage VI (Regulations for the Prevention of Air Pollution from Ships) erweitert. Die Anlage bedarf nach Art.16 (5) MARPOL der ausdrücklichen Annahme durch die Vertragsparteien. Sie wird am 19.05.2005 in Kraft treten. 235 MARPOL-Anlage III: 113/92,93 %; MARPOL-Anlage IV: 98/54,37 %; MARPOL-Anlage V: 117/95,21 %; MARPOL-Anlage VI: 16/54,68 % (tritt am 19.05.2005 in Kraft); SOLAS Prot. 78: 106/94,83 %; SOLAS Prot. 88: 75/63.57 %; LL Prot. 88: 73/63.44 %. Angabe nach Zahl der Vertragsparteien und prozentualem Anteil an der Welthandelstonnage. Quelle: IMO, Summary of Status of Conventions as at 31 July 2004 (Internetressource).

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Staaten als allgemein anerkannt bezeichnet wurden236. Aber selbst wenn dies zutreffen sollte und man sogar davon ausgeht, dass die Unterzeichnerstaaten der Auffassung waren, dass auch jedes spätere ergänzende Protokoll zu diesen Übereinkommen automatisch allgemein anerkannt ist, bleibt dieses Indiz schwach, da bis heute nur 47 Staaten das ILO-Übereinkommen Nr. 147 ratifiziert haben und das Protokoll von 1996 zu ILO No. 147 sogar nur 12 Vertragsparteien zählt 237. Aussagekräftiger für die allgemeine Anerkennung der Protokolle und später in Kraft getretenen MARPOL-Anlagen IV u. VI ist die von der 164 Mitglieder starken IMO-Vollversammlung angenommene Resolution A.847(20)238, denn trotz ihrer rechtlichen Unverbindlichkeit können Entschließungen der IMO-Generalversammlung, in der sämtliche maritime Nationen vertreten sind, ein wichtiger Beleg dafür sein, was die Staaten für Recht erachten 239. In den Abschnitten 1.1 und 1.2 der Resolution wird festgestellt, dass die Staaten nach der Seerechtskonvention verpflichtet sind, SOLAS 74, MARPOL 73/78, LL 66, STCW 78 sowie jeder späteren in Kraft getretenen Vertragsänderung dieser Instrumente vollständig und umfassend Wirksamkeit zu verleihen. Allerdings wird die Bedeutung dieser Feststellung dadurch gemindert, dass mit der Empfehlung keine Klärung des Begriffs generally accepted international rules and standards beabsichtigt wird, sondern lediglich Richtlinien für die Umsetzung der IMO-Instrumente durch die Flaggenstaaten aufgestellt werden sollen 240. Ein weiterer Anhaltspunkt für die allgemeine Anerkennung des SOLAS-Prot. 88, des LL-Prot. 88 und der MARPOL-Anlagen ist, dass diese Übereinkommen, ebenso wie die ILO-Konvention Nr. 147 zu den sogenannten relevant instruments, den Prüflisten der Hafenstaatskontrollmemoranda, gehören. Den Vereinbarungen zufolge wendet jede Behörde aus der Liste ihres MOU diejenigen Instrumente an, die in Kraft getreten sind und denen ihr Staat als Vertragspartei angehört 241. Während das 236 Valenzuela, International Maritime Transportation: Selected Issues of the Law of the Sea, in: LSIP 23 (1990), S. 193. 237 Angaben nach ILOLEX (Internetressource), Stand: 31.08.2004. 238 Resolution A.847(20), Guidelines to Assisst Flag States in the Implementation of IMO Instruments, adopted on 27.11.1997. 239 Freilich liegt general acceptance nur vor, wenn diese opinio juris durch eine entsprechende qualifizierte Staatenpraxis bestätigt wird, an die allerdings weniger strenge Anforderungen als bei der Herausbildung von Völkergewohnheitsrecht zu stellen sind. Das Abstimmungsverhalten der Staaten allein ist aber auch hier noch keine ausreichende Übung. Zur Entstehung bzw. zum Nachweis von Völkergewohnheitsrecht aus Beschlüssen internationaler Organisationen Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 583, §§ 634 ff. 240 Resolution A.912(22), Self-Assessment of Flag State Performance, adopted on 29.11.2001, spricht nur noch davon, dass „it is the responsibility of flag States to ensure that they establish and maintain measures for the effective application and enforcement of the IMO instruments to which they are a Party“, wobei „regard should also be given to the United Nations Convention on the Law of the Sea, 1982“ (Abschnitt 1). 241 Vgl. Abschnitt 2.1 u. 2.3 Paris MOU, Abschn. 2.1. u. 2.3 Mediterranean MOU, Abschn. 2.2 Viña Del Mar Agreement, Abschn. 2.2 Tokyo MOU, Abschn. 2.2 Caribbean MOU und

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Pariser MOU die SOLAS-und LL-Protokolle explizit in seine relevant instruments aufgenommen hat, bestimmen Abschnitt 2.1 des Mediterranean MOU und Abschnitt 2.1 des Indian Ocean MOU allgemeiner, dass Protokolle, Änderungen und abgeleitete rechtsverbindliche Codes ab dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens relevant instruments sind 242. Auch wenn die Kontrollmemoranda damit die Anwendung der Protokolle von dem formalen Zeitpunkt des Inkrafttretens der technischen Konventionen abhängig machen, scheint diese Kontrollpraxis der Hafenstaaten für die allgemeine Anerkennung in Kraft getretener Protokolle und Anlagen zu sprechen. Schließlich wird dieser Befund auch durch die Arbeiten des Committee on Coastal State Jurisdiction der ILA erhärtet, das die Gesetzgebung von 25 Küstenstaaten untersucht hat, um festzustellen, wann in der Staatenpraxis eine Regel generally accepted ist. Dafür wurden primär die nationalen Ausführungsbestimmungen zu SOLAS und MARPOL analysiert, wobei nur solche Rechtsakte ausgewertet wurden, die auf Schiffe unter Drittflagge anwendbar sind und die nicht über die in den technischen Konventionen niedergelegten Standards hinausgehen 243. Das Committee kam dabei zu dem Ergebnis, dass die Küstenstaaten bei der Verbindlichmachung internationaler Regeln und Standards für Drittlandsschiffe nicht auf die Zahl der Ratifikationen abstellen, sondern lediglich darauf, ob das jeweilige Instrument in Kraft getreten ist. Daraus folge, dass das erforderliche Maß an Akzeptanz für die Erstarkung einer Rechtsregel zur allgemeinen Anerkennung durch die quantitativen und funktionellen Kriterien für das Inkrafttreten der IMO-Konventionen selbst, bzw. ihrer Anlagen, Protokolle und Änderungen bestimmt werde. Jedenfalls sei nicht erkennbar, dass die Flaggenstaaten gegen diese Praxis der Küstenstaaten protestiert hätten 244. Sollte diese Schlussfolgerung des Committees zutreffen, so stände damit die allgemeine Anerkennung des SOLAS-Prot. 88, des LL-Prot. 88 und sämtlicher MARPOL-Anlagen fest. Abschn. 2.3 Indian MOU. Mit der Bestimmung, dass der die Kontrollen durchführende Staat selbst Vertragspartei des angewandten Instruments sein muss, wird dem Gebot der Inländergleichbehandlung (vgl. Art. 227 SRÜ) Rechnung getragen. Anders Art. 2 (1) RL 95/21/EG. Dazu Molenaar, EC Directive on Port State Control in Context, IJMCL 11 (1996), S. 241–288. Beachte, dass ILO No. 147 nicht im Rahmen des Viña Del Mar Agreement angewendet wird. 242 Vgl. auch Art. 2 (1) RL 95/21/EG. 243 International Law Association, Taipei Conference (1998), Committee on Coastal State Jurisdiction Relating to Marine Pollution, in: The International Law Association (Hrsg.), Report of the Sixty-Eighth Conference Held at Taipeii 24th–30th May 1998 (im Folgenden: ILA Taipei Report), S. 377–385. Untersucht wurde die Gesetzgebung Australiens, Belgiens, Bulgariens, Kanadas, Chiles, Chinas, Dänemarks, Frankreichs, Deutschlands, Griechenlands, Irlands, Israels, Kenias, Süd Koreas, Malaysias, der Niederlande, Neu Seelands, Norwegens, Omans, der Philippinen, Singapurs, Tansanias, des Vereinigten Königreichs und der Vereinigten Staaten. Die einzelnen, detaillierten Länderberichte des Committee finden sich bei Franckx (Hrsg), Vessel-source Pollution: The work of the ILA Committee on Coastal State Jurisdiction Relating to Marine Pollution (1991–2000), S. 147–391. 244 ILA Taipei Report, S. 384 f.: „While this conclusion is based on coastal State practice only, acquiescence by flag States should probably be presumed as no protest against this coastal State approach seems to have been made“.

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Indes ist zweifelhaft, ob die Ergebnisse der ILA derart verallgemeinert werden können. Denn erstens ist die Studie wenig repräsentativ, weil sie lediglich die regelmäßig SOLAS und MARPOL umsetzende Gesetzgebung einer begrenzten Zahl von Staaten auswertet, ohne dass die Durchsetzungspraxis dieser Länder in die Analyse eingestellt worden wäre 245. Zweitens könnte die Analyse mit Fehlern behaftet sein, die daraus resultieren, dass nicht berücksichtigt wurde, in welchen Meereszonen die nationale Gesetzgebung angewendet wird 246. Zwar ist die allgemeine Anerkennung einer Regel nicht vom Ort ihrer Anwendung abhängig, weshalb es hier auch unerheblich ist, dass die geographischen Differenzierungen in MARPOL nicht dem zonalen Ansatz des SRÜ folgen. Während aber die küstenstaatliche Regelungsbefugnis für CDEM-Standards sowohl im Küstenmeer als auch in der AWZ nach oben durch GAIRAS beschränkt wird, gilt dies beispielsweise für Einleitungsbestimmungen nur in der AWZ 247. Macht nun ein Staat internationale Einleitungsstandards lediglich für sein Küstenmeer verbindlich, so kann daraus gerade nicht auf die allgemeine Anerkennung dieser Vorschriften geschlossen werden, denn in dieser Meereszone könnten sogar strengere Einleitungsregeln als international vorgeschrieben erlassen werden. Darüber hinaus kann aus der Tatsache, dass Staaten internationale Standards mit ihrem Inkrafttreten für fremde Schiffe verbindlich machen, ohne in dem jeweiligen Instrument auf qualitative Kriterien Bezug zu nehmen, nicht geschlossen werden, dass solche Kriterien nicht bei der Beratung des Gesetzes eine Rolle gespielt haben. Die travaux préparatoires wurden von der ILA aber gar nicht berücksichtigt. Schließlich ist drittens in rechtlicher Hinsicht fraglich, ob dem fehlenden Protest der Flaggenstaaten gegen die behauptete Praxis der Küstenstaaten wegen Art. 35 WVK analog, überhaupt Bedeutung beigemessen werden darf. Jedenfalls bleibt das Committee für acquiescence den Nachweis einer tolérance générale de la communauté internationale schuldig 248. Mithin hat die Untersuchung der ILA keinen sicheren Beleg dafür geliefert, dass die Staatenpraxis eine technische Konvention bereits mit ihrem Inkrafttreten als allgemein anerkannt ansieht. Gerade bei dem von nur 12 Staaten ratifizierten Protokoll von 1996 zum ILO-Übereinkommen Nr. 147 wird deutlich, dass das bloße Inkrafttreten einer technischen Konvention allein für allgemeine Anerkennung nicht genügen kann, wenn der Regelungszweck der Referenzbestimmungen, die weltweite Einheitlichkeit des Schifffahrtsregimes zu gewährleisten, erreicht werden soll. Anders könnte die Situation bei den weitaus verbreiteteren IMO-Instrumenten aussehen, wo die Kriterien für das Inkrafttreten wesentlich strikter als bei den ILO-UrÄhnlich Plant, EU Ship Emissions to Air Study, A4/115. Dass Staaten diesbezüglich durchaus differenzieren zeigt Art.2 a (1) MARPOL-Gesetz in der Fassung vom 18.09.1998, BGBl. 1998 II 2547. 247 Vgl. Art. 21 (2), 211 (6), 211 (5) SRÜ. 248 Diese Anforderung stellt der IGH im Fisheries Case (ICJ Reports 1951, S.139) an die widerspruchslose Hinnahme einer einseitigen Regelung oder Praxis. 245 246

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kunden sind und die ILA-Studie zumindest einen Trend in der Staatenpraxis nachgewiesen hat, general acceptance vom Inkrafttreten der Konventionen und Protokolle abhängig zu machen. Dem entspricht, dass die EG-Kommission in ihrem Richtlinienvorschlag vom 20.11.2002 zur Reduzierung atmosphärischer Emissionen von Seeschiffen die Begrenzung des Schwefelgehaltes von Schiffskraftstoffen in den SOx-Emissionsüberwachungsgebieten Ostsee, Nordsee und Ärmelkanal explizit vom Inkrafttreten der MARPOL-Anlage VI abhängig gemacht hat 249. Im Ergebnis soll hier angesichts der Vielzahl der dafür sprechenden Argumente, die allgemeine Anerkennung des SOLAS-Prot. 88, des LL-Prot. 88 und sämtlicher MARPOL-Anlagen bejaht werden, zumal NMFT-Klauseln sowie die globale Ausrichtung des Wirtschaftszweiges Seeschifffahrt im allgemeinen dazu führen, dass ein einmal in Kraft getretenes IMO-Übereinkommen auch von den restlichen maritimen Staaten zügig ratifiziert wird. Der konkrete Nachweis der Beteiligung besonders interessierter Staaten ist dann überflüssig. d) Allgemeine Anerkennung von Vertragsänderungen unter tacit acceptance Bei der allgemeinen Anerkennung von Übereinkommensänderungen ist zwischen Novellierungen, die einer expliziten Annahme durch die Vertragsparteien bedürfen, und solchen, die im tacit acceptance-Verfahren vorgenommen werden können, zu unterscheiden. Während bei ersteren 250 general acceptance nicht anders zu beurteilen ist als bei den Grundübereinkommen, also der Nachweis einer weit verbreiteten und repräsentativen Beteiligung besonders interessierter Staaten erforderlich ist, gelten bei den weitaus häufigeren Ergänzungen im tacit-Verfahren 251 Besonderheiten, die sich aus der Eigenart dieser Rechtsetzungsart ergeben. 249 Art. 4 a (1) Vorschlag für eine Richtlinie des EP und des Rates zur Änderung der Richtlinie 1999/32/EG hinsichtlich des Schwefelgehalts von Schiffskraftstoffen. Der Vorschlag ist Bestandteil der umfangreichen Mitteilung der Kommission an das EP und den Rat über eine Strategie der EU zur Reduzierung atmosphärischer Emissionen von Seeschiffen vom 20.11.2002, KOM(2002) 595 endg. Auf S.6, Band I der Mitteilung weist die Kommission ausdrücklich darauf hin, dass das Inkrafttreten der Anlage VI MARPOL von wesentlicher Bedeutung für diese Strategie sei. Der Vorschlag der Kommission, internationale SOx-Standards für nicht EG-Schiffe in der AWZ verbindlich zu machen, wirft komplexe völkerrechtlichen Fragestellungen auf. Denn die Verschmutzung durch die Luft ist in Art. 212 SRÜ geregelt, der nicht auf GAIRAS Bezug nimmt und den Küstenstaaten keine Regelungsbefugnis für die AWZ gibt. Nur wenn man der Auffassung ist, dass Regel VI/11 (6) MARPOL, die auf Art. 211 (5) SRÜ Bezug nimmt, erga omnes Wirkung entfaltet und nicht lediglich eine Art. 35 WVK, 237, 311 SRÜ konforme inter se Auslegung der Art. 212 u. 222 SRÜ ist, ist dieser Vorschlag völkerrechtskonform. Ausführlich dazu Plant, EU Ship Emissions to Air Study, A4/95-120. 250 Ein gutes Beispiel ist hier Kapitel I der SOLAS-Anlage, das wegen Art. VIII (b) (vi) (1) SOLAS nicht tacit novelliert werden kann und deshalb zuletzt durch das SOLAS-Prot. 88 geändert wurde. Vgl. auch Art. 29 (3) LL 66. 251 Die IMO-Übereinkommen werden ständig im Verfahren der stillschweigenden Annahme überarbeitet. Seit seinem Inkrafttreten 1983 wurde allein MARPOL über 20-mal auf diese Art und Weise geändert.

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Das Verfahren der stillschweigenden Annahme ist auf die Anlagen der IMOKonventionen und damit regelmäßig auf technische Bestimmungen beschränkt. Es wird von der Organisation ausgesprochen häufig und selbst bei umfangreichen Revisionen angewendet 252, denn es ermöglicht, Anhänge und Anlagen schnell den sich wandelnden technischen und ökologischen Verhältnissen anzupassen und vermeidet, dass notwenige Ergänzungen im Ratifikationsprozess stecken bleiben 253. Bei tacit acceptance gilt eine mit Zweidrittelmehrheit der anwesenden Vertragsstaaten im erweiterten Schiffssicherheitsausschuss oder auf einer Konferenz der Vertragsregierungen beschlossene Änderung innerhalb einer bestimmten Frist (meist ein bis zwei Jahre) als angenommen und tritt sechs Monate später in Kraft, sofern die Novelle nicht innerhalb dieses Zeitraums von einem Drittel der Vertragsstaaten oder von Vertragsregierungen, deren Handelsflotten 50 % der Welthandelstonnage ausmachen, zurückgewiesen wird 254. In der Praxis machen die Staaten von ihrem Ablehnungsrecht allerdings so gut wie nie Gebrauch, was daran liegen mag, dass die überarbeiteten Bestimmungen von den Vertragsregierungen unter Beteiligung maritimer Interessengruppen intensiv in der IMO vorbereitet werden, den Staaten also nichts „von außen“ vorgesetzt wird. Da sich alle Beteiligten bewusst sind, dass nur eine für alle Seiten akzeptable Regelung weltweit einheitlich umgesetzt werden wird, werden umstrittene Regelungsvarianten bereits im Vorfeld wegverhandelt. Fraglich ist, ob daraus gefolgert werden kann, dass Vertragsergänzungen eines allgemein anerkannten Übereinkommens im tacit acceptance-Verfahren ihrerseits 252 Standardbeispiel ist die Überarbeitung des STCW-Übereinkommens: Neuerungen mit weit reichenden Implikationen wurden gezielt in die Anlage der Konvention aufgenommen, da diese nach Art. XII (1) (a) (vii) STCW im tacit-Verfahren geändert werden kann. Die Artikel des Mutterübereinkommens blieben dadurch unverändert und die vollständig überarbeitete Konvention („STCW 95“) wurde 1995 von einer Konferenz beschlossen und konnte bereits am 01.02.1997 in Kraft treten. Zur STCW-Revison Young, Comprehensive Revison of the STCW Convention: An Overwiew, in JMCL 26 (1995), S.2. Allgemein zum Verfahren der stillschweigenden Annahme Ilg, Die Rechtsetzungstätigkeit der International Maritime Organization, S. 29–53, und Lagoni, Die Internationale Seeschifffahrtsorganisation, S. 45–56. 253 Abschreckendes Beispiel ist der alte Schiffssicherheitsvertrag SOLAS 60 (BGBl. 1965 II 465), der noch nicht über das Verfahren der stillschweigenden Annahme verfügte. Er wurde zwischen 1965 und 1973 sechsmal durch Revisionsabkommen ergänzt, ohne dass je eine dieser Änderungen in Kraft getreten wäre. 254 Vgl. Art. VIII (b) (vi) (2) und Art. VIII (b) (vii) (2) bzw. Art. 16 (2) (f) (iii) und Art. 16 (2) (g) (ii) MARPOL. Völkerrechtlich spricht nichts gegen die Bindungswirkung der mittels dieses ingeniösen Verfahrens erzeugten Standards. Zwar begründet ein Vertrag laut Art. 34 WVK für einen Drittstaat ohne dessen Zustimmung weder Pflichten noch Rechte. Rechtstechnisch wird bei tacit acceptance aber die Zustimmung der Vertragsstaaten zu der vertragsergänzenden Regel vermutet, vgl. Art. 11, 39 WVK. Diese Vermutung kann jeder Vertragsstaat jedoch durch eine ausdrückliche Erklärung für sich ausschließen (vgl. Art. 16 (2) (g) (ii) MARPOL, Art. VIII (b) (vii) (2) SOLAS). Auch unter dem Gesichtspunkt der staatlichen Souveränität bestehen keine Bedenken gegen dieses Verfahren, da sich die Vertragsstaaten beim Abschluss des jeweiligen IMO-Übereinkommens mit der vermuteten Zustimmung zur Bindungswirkung im voraus einverstanden erklärt haben.

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generally accepted sind 255. Grundsätzlich kann aus der allgemeinen Anerkennung einer Konvention nicht auf den Status ihrer Novellierungen geschlossen werden. Vielmehr ist für jede Änderung gesondert nachzuweisen, dass sie allgemein anerkannt ist. Bei einer Regel, die unter tacit zustande kommt, ist dieser Nachweis indes bereits mit dem Inkrafttreten der Regel erbracht, denn ihre allgemeine Anerkennung zeigt sich gerade darin, dass alle oder zumindest über Zweidrittel der Vertragsregierungen einer allgemein anerkannten Konvention auf einen Einspruch verzichtet haben. Die Verbindlichmachung einer Regel im Verfahren der stillschweigenden Annahme ist mithin eine besondere Form des Ausdrucks von allgemeiner Anerkennung 256. Damit sind alle Änderungen von MARPOL, COLREG, STCW, SOLAS und LL, die im tacit amendment-Verfahren erfolgen, generally accepted. e) Gewohnheitsrechtliche Geltung der Referenzbestimmungen Angesichts der Tatsache, dass das Seerechtsübereinkommen noch nicht universell ratifiziert ist, stellt sich die Frage, ob GAIRAS auch Staaten zu binden vermögen, die weder Partei der Montego Bay-Konvention noch der GAIRAS enthaltenden IMO-Instrumente sind. Ist beispielsweise ein Flaggenstaat, der weder MARPOL noch SRÜ ratifiziert hat, verpflichtet, seinen Schiffen eine Doppelhülle nach Regel I/13F MARPOL vorzuschreiben, beziehungsweise ein Küstenstaat berechtigt, für fremde Schiffe in seinem Küstenmeer diesen CDEM-Standard verbindlich zu machen, wenn einer oder beide Staaten nicht Partei der Seerechtskonvention sind? Dem scheint die in Art. 34 WVK niedergelegten pacta tertiis-Regel entgegenzustehen, derzufolge ein Vertrag grundsätzlich für einen Drittstaat ohne dessen Zustimmung weder Pflichten noch Rechte begründet (pacta tertiis nec nocent nec prosunt). Allerdings würde zumindest der Flaggenstaat durch GAIRAS verpflichtet, wenn die in den IMO-Übereinkommen enthaltenen technischen Standards dem Völkergewohnheitsrecht zuzuordnen wären. Dies wird in der Literatur aufgrund der hohen Ratifikationsrate bestimmter IMO-Instrumente vereinzelt bejaht 257, ist aber richtigerweise abzulehnen. Denn nach einem Diktum des IGH im Nordseefestlandsockelfall kann sich eine Vertragsbestimmung nur dann zu einer Norm des allgemeinen Völkergewohnheitsrechts ausweiten, wenn sie einen fundamentally norm-creating character besitzt. Diese Anforderung dürften MARPOL-, SOLAS-, STCW-, COLREGund LL-Standards aufgrund ihrer hohen Technizität kaum erfüllen 258. Doch selbst 255 Dies ohne Begründung bejahend, Birnie, The Status of Environmental ‚Soft Law‘, S. 47 und Plant, EU Ship Emissions to Air Study, A4/116. 256 Ähnlich Molenaar, Coastal State Jurisdiction over Vessel-Source Pollution, S. 156. 257 Ilg, Die Rechtsetzungstätigkeit der International Maritime Organization, S. 125. Hakapää, Marine Pollution, S. 130–133, hält es zumindest für möglich, dass bestimmte Einleitungsstandards und Ladungshandhabungsbestimmungen gewohnheitsrechtliche Geltung erlangen können. Vgl. auch Sands, Principles of International Environmental Law, Bd. I, S. 118–122. 258 ICJ Reports 1969, Abs. 72. Nach Churchill/Lowe, The Law of the Sea, S. 7, besitzen nur „provisions purporting to lay down rules of law of general applicability, rather than merely set-

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wenn man dieses Kriterium bei der Frage nach der gewohnheitsrechtlichen Geltung von GAIRAS nicht heranzieht 259, ist zumindest unwahrscheinlich, dass sich von der IMO gesetzte Standards gewohnheitsrechtlich verfestigen. Denn aufgrund der rasch fortschreitenden technischen Entwicklung werden allein bei SOLAS bis zu zweimal jährlich im tacit-Verfahren neue Regeln angenommen und alte geändert. Die Gütigkeit dieser technischen Bestimmungen ist folglich zeitlich sehr begrenzt, was die Bildung einer entsprechenden Staatenpraxis und opinio juris erschwert 260. Offensichtlich ist es gerade die Aufgabe der Referenzbestimmungen im SRÜ, die Lücke zu schließen, die sich daraus ergibt, dass GAIRAS nur für die Vertragsparteien der IMOÜbereinkommen verbindlich sind 261. Diese indirekte Bindungswirkung der Referenzbestimmungen ergibt sich wegen Art. 34 WVK allerdings grundsätzlich nur für Staaten, die das SRÜ ratifiziert haben. Anders wäre zu entscheiden, wenn das Seerechtsübereinkommen ein sogenanntes objective régime darstellte, das Rechte und Pflichten für Staaten ohne ihre Zustimmung erzeugen könnte. Unter objektiven Regimen werden Verträge verstanden, die aufgrund ihrer besonderen Natur und Bedeutung erga omnes gelten sollen, weil sie im allgemeinen Interesse unter Beteiligung einer zumindest anfänglich begrenzten Anzahl an Staaten eine gebietsbezogene Ordnung errichten (Statusverträting issues between the particular States Parties on the basis of expediency“ einen norm-creating character. Vgl. auch den Gulf of Maine Case, ICJ Reports 1984, Abs.111 „[a] body of detailed rules could not be looked for in customary international law which in fact comprises a limited set of norms for ensuring the co-existence and vital co-operation of members of the international community“. Die gewohnheitsrechtliche Geltung technischer Standards verneinend Oxman, The Duty to Respect Generally Accepted International Standards, NYUJILP 24 (1991), S. 119 und 124, Tomuschat, Obligations Arising for States Without or Against Their Will, RdC 241 (1993), S. 349 f., Ringbom, Environmental Protection and Shipping – Prescriptive Coastal State Jurisdiction in the 1990’s, marius 224, S. 11, und Handl, Regional Arrangements and Third State Vessels: Is the Pacta Tertiis Principle Being Modified?, in: Ringbom (Hrsg.), Competing Norms in the Law of Marine Environmental Protection (Handl, Regional Arrangements), S. 229, demzufolge „the very nature of some of this state practice – adoption of, and amendments to, highly technical standards – involves normative concepts that are hardly amenable to evolving into traditional customary legal rules proper.“ Ähnlich Birnie/Boyle, International Law and the Environment, S. 12 f. Skeptisch auch der ILA Final Report (2000), S. 478. 259 Immerhin ist dieses mit Blick auf die gewohnheitsrechtliche Geltung der Äquidistanzregel (Art. 6 CSC) entwickelte Kriterium nicht unstrittig. Vgl. die dissenting opinion von Judge Lachs, ICJ Reports 1969, S. 219–225, und Baxter, Treaties and Custom, RdC 129 (1970), S. 62 f., der meint, dass „if a rule does pass into customary international law, it is ‚norm creating‘“ und dass „the result of the process will therefore be decisive of the nature of the rule“. 260 North Sea Continental Shelf Cases, ICJ Reports 1969, Abs. 74, Brownlie, Principles of Public International Law, S. 5, Molenaar, Coastal State Jurisdiction over Vessel-Source Pollution, S. 146–148. 261 Vgl. Tomuschat, Obligations Arising for States Without or Against Their Will, RdC 241 (1993), S. 350, demzufolge die Referenzbestimmungen „place under the umbrella of UNCLOS rules which otherwise would be lacking legally binding force. This conclusion is in keeping with the operation of IMO. In fact it constitutes a specific recognition of the law-making process as carried out within IMO“.

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ge) 262. Diese Beschreibung trifft indes selbst auf das Tiefseebergbauregime des SRÜ nur bedingt zu, denn die Montego-Bay-Konvention ist das Ergebnis eines lang andauernden Verhandlungsprozesses unter Beteiligung der gesamten Staatengemeinschaft mit dem Ziel, eine „Verfassung der Meere“ zu schaffen 263. Richtigerweise sind objective régimes auch gar keine Ausnahme zur pacta tertiis-Regel. Die Verbindlichkeit solcher Verträge ergibt sich für Dritte nicht automatisch, sondern beruht vielmehr auf der Zuerkennung der von den Parteien in Anspruch genommenen Kompetenz zur Regelung einer Angelegenheit des allgemeinen Interesses durch die übrigen, am Vertrag nicht beteiligten Staaten. Die im Vertrag erhobene Gemeinwohlbehauptung in Verbindung mit der Mitwirkung des zur Regelung territorial Zuständigen verpflichtet die Nichtvertragsparteien zur abwehrenden Reaktion, ohne die von der Zuerkennung der in Anspruch genommenen Befugnis auszugehen ist 264. Das ist dann aber ein Fall der acquiescence, mit der Folge, dass der ursprünglich vertraglich vereinbarte Status gewohnheitsrechtlich verbindlich wird 265. Über die Rechtsfigur objective régimes lässt sich damit eine erga omnesGeltung des SRÜ oder seiner Referenzbestimmungen nicht begründen. Eine Ausweitung der Normen des Seerechtsübereinkommens auf Nichtvertragsparteien wäre nur dann zu bejahen, wenn die Montego-Bay-Konvention (mit Ausnahme von Teil XI) Völkergewohnheitsrecht kodifizierte. Obwohl dies bei etlichen Bestimmungen des SRÜ der Fall ist, kann eine derart pauschale Aussage gerade im Hinblick auf die in jeder Meereszone vorkommende Umweltverschmutzung durch Schiffe nicht getroffen werden. Vielmehr ist stets in jedem Einzelfall zu prüfen, inwieweit eine Regelung im SRÜ bereits allgemeines Völkerrecht darstellt 266. Eine solche Prüfung könnte allerdings im Fall der Referenzbestimmungen zu einem positiven Ergebnis führen. Denn während GAIRAS aufgrund ihrer hohen Technizität selbst nicht mit Gewohnheitsrecht gleichgesetzt werden können, sind die auf diese Standards Bezug nehmenden und sie mit Rechtswirkung ausstattenden Referenzbestimmungen selbst allgemeiner Natur und können sich daher grundsätzlich zu Völkergewohnheitsrecht entwickeln 267. Ihre indirekte Bindungswirkung hätte dann zur Folge, dass GAIRAS erga omnes gelten würden. Flaggenstaaten wären, unabhängig davon, ob sie Partei des SRÜ oder allgemein anerkannter IMO-Konventionen sind, verpflichtet, Schiffen unter ihrer Flagge diese internationalen Regeln als 262 Heintschel von Heinegg, in Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, §12 Rn. 28, Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 769 f. 263 Ebenso Handl, Regional Arrangements, S. 234. 264 Klein, Statusverträge im Völkerecht, S. 345. 265 Cahier, Le problème des effets des traités à l’égard des états tiers, RdC 143 (1974), S.677, ist deshalb der Ansicht, dass es sich bei dem objektiven Regime um einen Kunstbegriff handelt. 266 Graf Vitzthum, Raum und Umwelt im Völkerrecht, in: ders. (Hrsg.), Völkerrecht, 5. Abschn., Rn. 38. 267 Sohn, Implications of the Law of the Sea Convention Regarding the Protection and Preservation of the Marine Environment, in: LSIP 18 (1985), S.105, 109. geht davon aus, dass die Referenzbestimmungen Gewohnheitsrecht sind.

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Mindeststandards vorzuschreiben und Küstenstaaten wären berechtigt, diese internationalen Standards in ihren Meereszonen für fremde Schiffe verbindlich zu machen, ohne prüfen zu müssen, ob der Flaggenstaat Partei des SRÜ ist. Für eine gewohnheitsrechtliche Verankerung der Referenzbestimmungen scheint die oben vorgestellte Studie der ILA zu sprechen, denn die Untersuchung der nationalen Umsetzungsakte zu MARPOL und SOLAS von 25 Küstenstaaten ergab, dass diese Staaten bei der Anwendbarkeit ihrer Gesetzgebung auf fremde Schiffe grundsätzlich nicht danach differenzieren, ob der jeweilige Flaggenstaat Vertragspartei der entsprechenden IMO-Konvention oder des Seerechtsübereinkommens ist. Dies gilt sowohl für Küstenstaaten, die selbst Partei der MontegoBay-Konvention sind, als auch für solche, die das Seerechtsübereinkommen nicht ratifiziert haben 268. Während ein solches Vorgehen für das Küstenmeer noch damit erklärt werden kann, dass Staaten in dieser Zone auch gewohnheitsrechtlich über umfassende Regelungsbefugnisse verfügen, solange sie die friedliche Durchfahrt fremder Schiffe nicht behindern, passt diese Erklärung nicht für die AWZ, in der Küstenstaaten nur aufgrund von Art. 211 (5) SRÜ, der hier lex specialis zu Art. 56 (1) (b) (iii) SRÜ ist, Vorschriften erlassen dürfen, die den allgemein anerkannten Regeln und Standards entsprechen. Mithin könnte man mit der ILA folgern, dass die Referenzbestimmungen gewohnheitsrechtlich gelten, weil immer dort, wo das SRÜ die Ausübung von Regelungsbefugnissen an eine Referenzbestimmung knüpft, die Küstenstaaten unabhängig davon, ob das Schiff unter einer Flagge eines SRÜ-Vertragsstaates fährt oder nicht, GAIRAS in ihren Meereszonen verbindlich vorschreiben 269. Dieser Argumentation lässt sich entgegenhalten, dass die ILA-Studie auch in diesem Punkt mit Unsicherheiten behaftet ist. Denn die Tatsache, dass die Küstenstaaten in ihren Ausführungsgesetzen zu MARPOL und SOLAS nicht zwischen Vertragsparteien und Nichtvertragsparteien des SRÜ differenzieren, schließt nicht aus, dass solche Unterscheidungen in anderen, allgemeineren Rechtsakten oder bei der Durchsetzung der Standards getroffen werden 270. Zudem stellt das Committee lapidar fest, dass die Küstenstaaten bei der räumlichen Anwendbarkeit ihrer Rechtsakte nicht zwischen den einzelnen Meereszonen zu differenzieren schienen 271. Doch diese Feststellung beruht lediglich auf der Auswertung der Gesetzgebung von 25 Staa268 ILA Taipei Report, S. 385–388. Beachte, dass in Fällen, in denen Küstenstaaten ausnahmsweise wie in Art. 2 a (1) des deutschen MARPOL-Gesetzes zwischen Vertragsparteien und Nichtvertragsparteien der technischen Konventionen differenzieren, dies häufig erfolgt, weil Nichtvertragsparteien nicht über die erforderlichen Zeugnisse verfügen. Deswegen werden diese Schiffe aber nicht vom Anwendungsbereich des Gesetztes ausgenommen, sondern die internationale Konvention wird leicht modifiziert auf diese Staaten angewendet. 269 ILA Taipei Report, S. 387. 270 Dies räumt auch die ILA ein, vgl. ILA Taipei Report, S. 386. 271 Ebenda. Vgl. aber Art. 1 a des deutschen MARPOL-Gesetzes, der bestimmt, dass Hoheitsbereich im Sinne des Artikels 4 (2) des Übereinkommens hinsichtlich der in Artikel 56 (1) (b) des SRÜ bezeichneten Befugnisse auch die deutsche AWZ sei.

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ten. Beispiele für die tatsächliche Verfolgung von Verstößen in der AWZ werden nicht genannt. Allerdings finden sich auch im IMO und HELCOM soft law Anhaltspunkte für eine gewohnheitsrechtliche Verankerung der Referenzbestimmungen. So wird im dritten Erwägungsgrund der IMO-Resolution A.847(20) ganz allgemein festgestellt, dass das Völkerrecht von den Flaggenstaaten verlange, dass diese ihren Verpflichtungen aus allgemein anerkannten Regeln, Verfahren und Gebräuchen, die in IMO- und anderen verbindlichen Instrumenten enthalten sind, nachkommen 272. Eine Unterscheidung zwischen Flaggenstaaten, die Partei der GAIRAS enthaltenen IMO-Konventionen bzw. des SRÜ sind, und solchen Staaten, die diesen Instrumenten nicht angehören, wird nicht vorgenommen. Möglicherweise ging man in der IMO also davon aus, dass die Flaggenstaaten auch gewohnheitsrechtlich an GAIRAS gebunden sind. Den tatsächlichen Nachweis einer entsprechenden von opinio juris sive necessitatis getragenen Übung kann die Resolution natürlich nicht ersetzen. Das gilt auch für die HELCOM-Empfehlung 19/16 vom 24.03.1998, die trotz ihrer regionalen Bedeutung ein wichtiges Indiz für eine gewohnheitsrechtliche Geltung der Referenzbestimmungen ist. Denn Abs. I. 3.3 der beigefügten Richtlinien über die Zusammenarbeit bei der Aufdeckung von Verstößen gegen Einleitungsbestimmungen zufolge sind die Richtlinien auch auf Schiffe anwendbar, die unter der Flagge von Staaten fahren, die nicht Partei des MARPOL-Übereinkommens sind und die gegen die Einleitungsbestimmungen der Anlagen I, II und V der MARPOLKonvention in den inneren Gewässern, dem Küstenmeer und der AWZ der HELCON-Vertragsparteien verstoßen haben oder bei denen der Verdacht eines Verstoßes besteht 273. Ob der betreffende Staat Partei des SRÜ ist, spielt dabei keine Rolle. Das könnte darauf hindeuten, dass die Staaten in der HECLOM davon ausgingen, selbst in der AWZ gewohnheitsrechtlich befugt zu sein, Verstöße gegen die Anlagen I, II und V MARPOL zu ahnden, mithin von einer gewohnheitsrechtlichen Gel272 „RECOGNIZING that international law requires flag States to meet the responsibilities set forth in generally accepted international regulations, procedures and practices contained in IMO instruments and other mandatory instruments, and to take any steps which may be necessary to secure their observance“. Beachte, dass die Vereinigten Staaten bei der Ausarbeitung der Empfehlung im Flag State Implementation Committee der IMO die Ansicht vertraten, dass die Seerechtskonvention mit Ausnahme von Teil XI Gewohnheitsrecht kodifiziere, vgl. FSI 5/4/3, Abs. 7 und 10. 273 „Furthermore, the Guidelines are applicable to ships flying the flags of states not being parties to MARPOL 73/78 violating or believed to have violated the discharge provisions of Annexes I, II and V to MARPOL 73/78 in the internal waters, territorial seas and exclusive economic zones of the Contracting Parties, as well as the sewage discharge provisions and prohibition of incineration of ship-generated wastes on board ships stipulated in Regulation 9 B. of Annex IV of the 1974 Helsinki Convention in the internal waters and territorial seas of the Contracting Parties“, Abs. I. 3.3. Anhang HELCOM Recommendation 19/16, Co-operation in Investigating Violations or Suspected Violations of Discharge and Related Regulations for Ships, Dumping and Incineration Regulations, vom 24.03.1998.

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tung der Referenzbestimmungen und der mit ihnen verbundenen Rechte und Pflichten ausgingen 274. Dafür spräche auch, dass Anlage IV MARPOL in den Richtlinien nicht genannt wird. Denn die Anlage ist erst am 27.09.2003 in Kraft getreten. Damit war sie bei Annahme der Resolution noch nicht allgemein anerkannt und hätte sowohl nach SRÜ als auch nach Gewohnheitsrecht nur für innere Gewässer und Küstenmeer verbindlich gemacht werden können. Zusammenfassend kann daher festgehalten werden, dass aufgrund der Arbeiten des Committee on Coastal State Jurisdiction der ILA- und der genannten IMO- und HELCOM-Empfehlungen gute Gründe zu der Annahme bestehen, dass die Referenzbestimmungen gewohnheitsrechtlich anerkannt sind. Obwohl GAIRAS selbst nicht Bestandteil des völkergewohnheitsrechtlichen Kanons werden können, wären sie damit über die allgemein geltenden Referenzbestimmungen als Mindeststandards für alle Flaggenstaaten bindend und könnten von allen Küstenstaaten in ihren Zonen verbindlich gemacht werden. f) GAIRAS und Persistent Objectors Dem persistent objector-Grundsatz zufolge kann ein Staat, der sich im Zuge der Herausbildung einer Norm des allgemeinen Völkergewohnheitsrechts von Anfang an ihrer Anwendung beharrlich widersetzt hat, zwar nicht die Entstehung der Norm verhindern, er kann aber erreichen, dass er durch sie nicht gebunden wird, da diese Norm ihm gegenüber inopposable ist 275. Die Norm gilt demnach für andere Staaten als allgemeines Völkergewohnheitsrecht. Ihr bleibt es aber versagt, eine Norm des schlechthin universellen Völkerrechts zu werden. Die letztlich der souveränen Gleichheit der Staaten entspringende persistent objector-Regel steht damit in einem Spannungsverhältnis zu Regimen, die auf weltweite Geltung ausgerichtet sind. Dies wird besonders deutlich bei den Referenzbestimmungen des SRÜ, deren Regelungszweck es ist, auch Staaten, die nicht Partei der entsprechenden IMO-Konventionen sind, an GAIRAS zu binden und dadurch universell einheitliche Schifffahrtsstandards zu schaffen. Konkret lassen sich im Hinblick auf die Umweltverschmut274 Aus Art.4 (2) MARPOL, der die Küstenstaaten verpflichtet, Verstöße gegen MARPOL in ihrem Hoheitsbereich unter Strafe zu stellen, könnte eine solche Befugnis unabhängig von der pacta tertiis-Regel nicht abgeleitet werden, da der Ausdruck „Hoheitsbereich“ gerade entsprechend dem allgemeinen Völkerrecht auszulegen ist und MARPOL die Klärung von Jurisdiktionsfragen bewusst dem SRÜ überlässt, vgl. Art. 9 (2), (3) MARPOL. 275 Brownlie, Principles of Public International Law, S. 10. Vgl. auch das Urteil des IGH im Fisheries Case, ICJ Reports 1951, S. 131, in dem das Gericht feststellt, dass selbst wenn die sog. Zehn-Meilen-Regel für die Breite von Buchten allgemeines Völkerrecht geworden wäre, so wäre sie dennoch „inopposable à la Norvège, celle-ci s’étant toujours élevée contre toute tentative de l’appliquer à la côte norvégienne“ (Hervorhebung hinzugefügt). Der persistent objector-Grundsatz ist auch vom Bundesverfassungsgericht im Botschaftskonten-Fall (1977) anerkannt worden, BVerfGE 46, 389. Kritisch zur persistent objector-Regel Charney, The Persistent Objector Rule and the Development of Customary International Law BYBIL 56 (1985), S. 1–24.

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zung durch Schiffe drei Konstellationen unterscheiden, in denen der persistent objector-Grundsatz eine Rolle spielt 276. In der ersten geht es um einen Staat, der nicht direkt durch ein IMO-Übereinkommen an bestimmte GAIRAS gebunden ist und sich diesen spezifischen GAIRAS auch sonst beharrlich widersetzt hat. Fraglich ist, ob dieser Staat bezüglich solcher Regeln seine Rolle als persistent objector aufrechterhalten kann, wenn er dem SRÜ beitritt, oder ob er über die Referenzbestimmungen auch an diese von ihm abgelehnten IMO-Standards gebunden ist. Angesichts des objektiven, auf globale und einheitliche Geltung angelegten SRÜ-Regimes und des Verbots von Vorbehalten oder Ausnahmen in Art. 309 SRÜ ist das zu verneinen. Denn mit seinem Beitritt zum Seerechtsübereinkommen erklärt ein solcher Staat implizit seine Zustimmung zu den Referenzbestimmungen und gibt damit gleichzeitig seine Rolle als persistent objector auf. Folglich ist es ihm fortan nicht mehr möglich, sich bestimmten GAIRAS zu widersetzen 277. Anders könnte es sich in der zweiten Konstellation verhalten, in der ein Flaggenstaat nicht Vertragspartei des SRÜ ist und sich gewissen GAIRAS permanent widersetzt. Geht man von einer gewohnheitsrechtlichen Geltung des SRÜ oder, wie oben dargelegt, zumindest von einer gewohnheitsrechtlichen Verankerung der Referenzbestimmungen aus, müsste es einem solchen Staat grundsätzlich möglich sein, seinen Status als persistent objector zu behaupten 278. De facto wird ihm dies allerdings kaum gelingen. Denn ein Staat könnte in dieser Situation seinen beständigen Widerspruch nicht auf den von ihm abgelehnten technischen Standard beschränken. Das wäre nur möglich, wenn es sich bei GAIRAS selbst um Gewohnheitsrecht handelte, was aber bereits oben verneint wurde. Der Staat müsste sich daher der gewohnheitsrechtlichen Geltung der Referenzbestimmungen schlechthin widersetzen. Ein solcher Widerspruch kann aber eigentlich nur dadurch zum Ausdruck gebracht werden, dass der Staat entweder sämtliche GAIRAS ablehnt oder bei der Umsetzung jedes einzelnen internationalen Standards klarstellt, dass er dies ohne Anerkennung einer rechtlichen Verpflichtung tue. Anderenfalls läge es nahe, in der Umsetzung einzelner allgemein anerkannter Standards ein Konsentieren der gewohnheitsrechtlichen Geltung der Referenzbestimmungen zu sehen. Die gewohnheitsrechtliche Verankerung der Referenzbestimmungen bezüglich bestimmter Regeln zu akzeptieren und bezüglich anderer Standards abzulehnen, wäre indes ein widersprüchliches Verhalten. GAIRAS à la carte gibt es nicht. Wegen der NFTM-Klauseln und des Interesses der maritimen Industrie an weltweit einheitlichen Standards wird sich ein Flaggenstaat aber normalerweise bemühen, sämtliche IMO-Standards umzusetzen. Damit bleibt auch in der zweiten Fallgruppe für persistent objectors kein Raum, wenn man Vgl. Molenaar, Coastal State Jurisdiction over Vessel-Source Pollution, S. 163 f. Ähnlich van Reenen, Rules of reference in the new Convention on The Law of the Sea, NYIL 12 (1981), S. 16. 278 In diesem Sinne Molenaar, Coastal State Jurisdiction over Vessel-Source Pollution, S. 164. 276 277

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eine gewohnheitsrechtliche Geltung des SRÜ oder zumindest seiner Referenzbestimmungen bejaht. Die dritte und letzte Konstellation betrifft die schwierige Frage, ob Staaten dadurch zu persistent objectors werden können, dass sie von der in den IMO-Konventionen gegebenen Möglichkeit zum opt out aus Vertragsänderungen Gebrauch machen. Das opting out-Verfahren ermöglicht einer Vertragspartei einer IMO-Konvention, dem Generalsekretär der Organisation jederzeit vor Inkrafttreten einer Änderung einer Anlage zu notifizieren, dass ihre ausdrückliche Genehmigung erforderlich ist, damit die Änderung für sie in Kraft tritt 279. Entscheidet sich ein Staat zum opt out, so wird er, trotz des völkerrechtlichen Inkrafttretens der Änderung für alle anderen Vertragsparteien, nicht gebunden. Zweifelhaft ist indes, ob dies auch noch gilt, wenn die Novellierung allgemein anerkannt ist. Ab diesem Zeitpunkt könnte nämlich auch ein Staat, der von seinem Recht zum opt out Gebrauch gemacht hat, indirekt über die Referenzbestimmungen des SRÜ an die Änderung gebunden sein. Dieser Moment wird angesichts der Tatsache, dass die weit überwiegende Mehrzahl aller Vertragsänderungen im Verfahren der stillschweigenden Annahme erfolgt, regelmäßig nicht einmal in ferner Zukunft liegen. Geht man nämlich, wie hier vertreten, davon aus, dass Novellierungen einer allgemein anerkannten Konvention im tacit acceptance-Verfahren bereits mit Inkrafttreten der Änderung ihrerseits allgemein anerkannt sind, so wäre das opt out des Vertragsstaates völlig wirkungslos. Er muss vor Inkrafttreten der Änderung dem Generalsekretär der IMO seinen Widerspruch erklären, ist aber dennoch mit dem Inkrafttreten der Novellierung zwar nicht qua Vertragsrecht, wohl aber über die Referenzbestimmungen des SRÜ an den abgelehnten Standard gebunden. Das Recht zum opt out aus Vertragsänderungen haben sich die Staaten der IMOÜbereinkommen indes expressis verbis vorbehalten und es ist unwahrscheinlich, dass auf der dritten Seerechtskonferenz beabsichtigt wurde, dies zu ändern, zumal die Bestimmung in technischen Konventionen enthalten ist. 280. Andrerseits bestimmt Art. 311 (2) SRÜ, dass die Montego-Bay-Konvention nicht die Rechte und Pflichten der Vertragsstaaten aus anderen Übereinkünften ändert, die mit dem Seerechtsübereinkommen vereinbar sind und andere Staaten in dem Genuss ihrer Rechte oder in der Erfüllung ihrer Pflichten aus dem Übereinkommen nicht beeinträchtigen. In diesem Punkt liegt aber gerade eine Inkompatibilität zwischen SRÜ und technischen Konventionen vor. Zwar bleiben die Küstenstaaten befugt, auch Schiffen unter der Flagge des widersprechenden Staates den allgemein anerkannten Standard vorzuschreiben, aber ein wesentliches Regelungsziel der Referenzbestimmungen, die Flaggenstaaten auf weltweit einheitliche Standards zu verpflichten sowie Kommunikationsfreiheit und Umweltschutz gleichermaßen zu schützen, wird un279 Vgl. Art. 16 (2) (f) (ii) MARPOL und die ähnlich lautenden Bestimmungen der anderen Schiffssicherheitskonventionen. 280 Vgl. Roach, Dispute Settlement in Specific Situations, GIELR 7 (1995), S. 789.

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terlaufen, mag dies auch bei einem kleinen Staat nicht weiter ins Gewicht fallen. Konsequenz dieser Überlegungen ist, dass das SRÜ den Flaggenstaat verpflichtet, GAIRAS trotz seines opt out nicht zu unterschreiten. Es bleibt ihm selbstverständlich möglich, strengere Standards zu erlassen. In der Praxis wird das Problem der Unvereinbarkeit von SRÜ und opting out-Verfahren freilich dadurch entschärft, dass die Staaten schon aus wirtschaftlichen Gründen so gut wie nie von dieser Möglichkeit Gebrauch machen 281. Festzuhalten bleibt dennoch, dass die Möglichkeiten der Staaten, sich allgemein anerkannten Regeln und Standards zu widersetzen, sehr beschränkt und mehr oder weniger alle theoretisch sind. 2. Die Bindung der Durchsetzungsbefugnisse an Applicable International Rules and Standards Quasi als Entsprechung zu der im Zusammenhang mit den flaggen- und küstenstaatlichen Regelungsbefugnissen verwendeten Referenzbestimmung GAIRAS nimmt die Montego-Bay-Konvention bei den flaggen-, küsten- und hafenstaatlichen Durchsetzungsbefugnissen regelmäßig Bezug auf den Begriff applicable international rules and standards (AIRAS) 282. Eine Ausnahme ist lediglich Art. 42 (1) (b) SRÜ, wo der Terminus im Zusammenhang mit den Regelungsbefugnissen der Meerengenanliegerstaaten verwendet wird. Weder Ursprung noch Regelungszweck des Ausdrucks applicable lassen sich aufgrund der Dokumente der dritten Seerechtskonferenz ermitteln. Die Tatsache, dass der spanische Vorschlag, in Art. 42 (1) (b) SRÜ das Wort applicable durch generally accepted zu ersetzen, 283 ohne Erfolg blieb, legt nahe, dass die Mehrheit der Staaten der Meinung war, dass die Flaggenstaaten bei der Durchsetzung keinen Regeln unterworfen sein sollten, denen sie nicht explizit zugestimmt haben. Entsprechend wird in Teilen der Literatur auch davon ausgegangen, dass die Referenzbestimmung eine Rechtsgrundverweisung auf solche internationalen technischen Konventionen sei, deren Standards den betreffenden Flaggenstaat des Schiffes selbst unmittelbar binden, deren rechtliche Verbindlichkeit also nicht auf dem Seerechtsübereinkom281 Prominentestes Beispiel sind die Vereinigten Staaten, die am 23.12.1992 nach Art. 16 (2) (f) (ii) MARPOL dem IMO-Generalsekretär notifizierten, dass die MARPOL-Änderungen von 1992 nur nach ihrer ausdrücklichen Genehmigung für sie in Kraft treten. Hintergrund war, dass die damalige Regel I/13 G MARPOL längere Ausmusterungsfristen für einwandige Tanker zuließen als die OPA-Bestimmungen. Anders als das MEPC, das auf seiner 40. Sitzung in Übereinstimmung mit Regel I/13F (5) MARPOL die „Ei des Kolumbus“-Konstruktion der Doppelhülle als äquivalent ansah, bestehen die USA zudem auf strikten Doppelhüllenstandards und lassen solche Schiffe nicht in ihre Häfen, vgl. IMO Docs. MEPC 40/21, S. 11, und MEPC/Circ.336. Vgl. auch § 3703 (a) OPA, 46 U.S.C., der dem Minister erlaubt, „[to] prescribe regulations, that exceed standards set internationally“. 282 Vgl. Art. 94 (3) (b), 217, 218, 219, 220, 226 (1) (b), (c) u. 228 SRÜ. 283 UN Doc. A/Conf.62/L.136, vom 28.04.1982, abgedruckt in: Official Records 16, S. 243.

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men beruht. Dieser Auffassung zufolge wäre applicable der gegenüber generally accepted engere Begriff 284. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der spanische Vorschlag sich auf die küstenstaatlichen Regelungsbefugnisse bezog. Die oben gezogene Schlussfolgerung kann daher nicht ohne weiteres auf die Verwendung des Terminus applicable bei den Durchsetzungsbefugnissen übertragen werden. Vorzugswürdig ist daher, mit der ILA die Charakterisierung applicable im Seerechtsübereinkommen als einen relativen Begriff zu begreifen, der die Beziehung zwischen zwei Staaten in einer spezifischen Durchsetzungskonstellation kennzeichnet. Vorraussetzung für die Durchsetzung eines internationalen Standards durch den Küstenstaat ist, dass dieser in der Beziehung zwischen Küsten- und Flaggenstaat anwendbar ist. Dies ist nur dann der Fall, wenn dem Recht des Küstenstaates, einen bestimmten Standard durchzusetzen, eine entsprechende Pflicht des Flaggenstaates, diesen Standard zu beachten, korrespondiert. Der Regelungszweck der Referenzbestimmung applicable international rules and standards läge mithin darin, die Ausübung von Durchsetzungsbefugnissen an ein bestimmtes Normenset zu binden, ohne dass diese Normen wie bei generally accepted eine bestimmte Qualität aufweisen müssten 285. Die Art und Weise, in der Staaten diese Rechte und Pflichten in Bezug auf einen bestimmten Standard übernommen haben, muss nicht identisch sein, solange sie sich nur entsprechen. So kann sich beispielsweise für einen Flaggenstaat die Pflicht zur Einhaltung eines bestimmten Standards nicht nur aufgrund der Ratifikation einer technischen Konvention, sondern auch über die Referenzbestimmungen des SRÜ ergeben, wenn es sich dabei um GAIRAS handelt, die ihn als Mindeststandards binden. Das bedeutet aber auch, dass GAIRAS zumindest für Parteien der Montego-BayKonvention immer anwendbar sind. Denn wenn ein Flaggenstaat als Vertragspartei verpflichtet ist, bei der Ausübung seiner Regelungsbefugnisse GAIRAS als Mindeststandards zu beachten, und es Küsten und Hafenstaaten gestattet ist, diese in ihren Zonen auch für Schiffe unter fremder Flagge verbindlich vorzuschreiben, dann sind diese Standards in der gegenseitigen Beziehung von Küsten- und Flaggenstaat applicable und können unter den engen Vorraussetzungen des Art. 220 SRÜ durch die Küstenstaaten durchgesetzt werden 286. Geht man zudem mit der ILA davon aus, dass 284 Lagoni Der Hamburger Hafen, die internationale Handelsschifffahrt und das Völkerrecht, AVR 26 (1988), S. 339 f., ders., die Abwehr von Gefahren für die marine Umwelt, in BDGVR 32 (1992), 134, Hakapää, Marine Pollution, S. 118, 176 und Wilkens, Rechtsregeln zur Vermeidung von Tankerunfällen, zur Schadenseindämmung und zur Schadensregulierung; S. 72–74. Dagegen scheint Deutschland davon auszugehen, dass es sich bei den anwendbaren Regeln und Standards um völkerrechtliche Übereinkommen zum Schutz der Meere handeln muss, die den Hafenstaat binden, vgl. BR-Drs. 927/94 vom 14.10.1994, S. 29, 67. Beachte auch, dass in Art. 5 (2), (3), 9 (6) der UN-Registerkonvention die Worte generally accepted durch den Begriff applicable ersetzt wurden, der sich dort ausschließlich auf Übereinkommen bezieht, denen ein Staat als Vertragspartei angehört. 285 ILA Final Report (2000), S. 482–484. 286 ILA Final Report (2000), S. 484. Ähnlich Wolfrum, IMO Interface with the Law of the Sea Convention, in: Nordquist/Moore, Current Maritime Issues and the International Maritime

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den präskriptiven Referenzbestimmungen und den aus ihnen resultierenden Verpflichtungen, GAIRAS als Minimum bzw. fakultative Maximumstandards zu beachten, gewohnheitsrechtliche Geltung zukommt, wären GAIRAS sogar stets anwendbar, d. h. unabhängig davon, ob Flaggen- oder Küstenstaat Partei des Seerechtsübereinkommens ist 287. 3. Zusammenfassung und Würdigung Obwohl auf der dritten Seerechtskonferenz Versuche, die Staaten an alle von der IMO oder diplomatischen Konferenzen erarbeitete Regeln für den Schiffsverkehr zu binden, letztlich fehlschlugen 288, fragt sich, ob die IMO zumindest mit Blick auf die routine- und unfallbedingte Verschmutzung durch Schiffe de facto nicht dennoch zu einem universellen Gesetzgeber geworden ist. Ein wesentliches Merkmal des Schifffahrtsregimes der Montego-Bay-Konvention ist die Sicherung des Primats internationaler Regeln und Standards über nationale Rechtsakte durch den Gebrauch von Referenzbestimmungen, die sowohl die küsten- als auch die flaggenstaatliche Regelungsbefugnis an GAIRAS binden und dadurch im Interesse von Umweltschutz und Kommunikationsfreiheit die weltweite Einheitlichkeit der Umweltschutz- und Schiffssicherheitsstandards sichern. Während die allgemein anerkannten, regelmäßig im IMO-Rahmen aufgestellten und nach der hier vertretenen Ansicht nur in völkerrechtlich in Kraft getretenen Konventionen enthaltenen internationalen Regeln und Standards für die Flaggenstaaten Mindeststandards sind, die sie nicht unterschreiten dürfen, bilden GAIRAS für die fakultative Regelungsbefugnis der Küstenstaaten in vielen Fällen ein Maximum. Diese indirekte Bindung der flaggen- und küstenstaatlichen Regelungsbefugnisse an allgemein anerkannte internationale Regeln und Standards durch die Referenzbestimmungen tritt unabhängig davon ein, ob die Staaten selbst Vertragspartei der die jeweiligen Bestimmungen enthaltenden technischen Konventionen sind. Da GAIRAS aufgrund der oben angestellten Überlegungen zudem stets applicable inOrganization, S. 231 f., ders., Die Internationalisierung staatsfreier Räume, S.642, van Reenen, Rules of Reference in the new Convention on The Law of the Sea, NYIL 12 (1981), S. 24, Oxman, The Duty to Respect Generally Accepted International Standards, NYUJILP 24 (1991), S. 139, McDorman, Port State Enforcement: A Comment on Article 218 of the 1982 Law of the Sea Convention, JMCL 28 (1997), S. 319. 287 ILA Taipei Report, S. 387 f. 288 Vgl. dazu die Vorschläge (Art. XI, XII) der Evensen Group, Preservation of the Marine Environment, Fifth Revision, vom 15.04.1975, abgedruckt bei Platzoeder, Documents of the Geneva Session 1975, S. 266, die von „international rules and standards“ sprachen und Art. 21 (2), (4) Revised Single Negotiating Text von 1976, UN Doc. A/Conf.62/WP.8/Rev.1/ Part III vom 06.05.1976, abgedruckt bei Platzoeder, Documents of the New York Session 1976, S. 115 ff.: „international rules and standards established through the competent international organization or general diplomatic conference“. In beiden Fällen wurden die Worte „generally accepted“ bewusst ausgelassen.

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ternational rules and standards sind, können sie von den Küstenstaaten in ihren Meereszonen unter den engen Vorraussetzungen des Art. 220 SRÜ auch gegenüber fremden Schiffen durchgesetzt werden, selbst wenn weder Küsten- noch Flaggenstaat Partei der einschlägigen IMO-Konventionen sind. Gegen die pacta tertiis-Regel verstößt diese ingeniöse Regelungstechnik des SRÜ nicht, denn das völkerrechtliche Konsenserfordernis wird dadurch gewahrt, dass sich die Staaten durch ihren Beitritt zum Seerechtsübereinkommen mit der Geltung der Referenzbestimmungen einverstanden erklärt haben 289. Einer solchen Zähmung des Konsenserfordernisses steht Art. 34 WVK nicht im Weg. Folge der mit den Referenzbestimmungen einhergehenden Delegation materieller Normerzeugungsmacht an die IMO oder eine allgemeine diplomatische Konferenz ist ein entsprechender Souveränitätsverlust bei den Mitgliedstaaten 290. Bei einem multilateralen Vertrag wie dem Seerechtsübereinkommen mit einer sowohl quantitativ als auch qualitativ bedeutenden Zahl an Ratifikationen, der auf dem besten Wege zu universeller Geltung ist, bedeutet dies, dass technische Regeln und Standards für die internationale Gemeinschaft als solche verbindlich gemacht werden können, und eine enorme Stärkung der IMO 291. Das würde natürlich um so mehr gelten, wenn die These der ILA zuträfe und den allgemein formulierten Referenzbestimmungen der Montego-Bay-Konvention tatsächlich gewohnheitsrechtliche Geltung zukäme. Dafür spricht einiges, auch wenn der Nachweis einer entsprechenden Staatenpraxis noch nicht vollständig erbracht ist. Bei einer gewohnheitsrechtlichen Verankerung der Referenzregeln und den mit ihnen verbundenen Verpflichtungen würden GAIRAS, die selbst aufgrund ihrer hohen Technizität und ihrer steten Überarbeitung nicht Bestandteil des gewohnheitsrechtlichen Kanons werden können, über die auf diese Standards Bezug nehmenden und sie mit Rechtswirkung ausstattenden Referenzbestimmungen tatFitzmaurice, Modifications to the Principle of Consent in Relation to Certain Treaty Obligations, ARIEL 2 (1997), S. 276, beschreibt diese Art der Rechtsetzung folgendermaßen: „At present it is possible for states to allow themselves to be bound by certain rules to which they have not given their consent, but which are brought into existence by a rule making process to which they have given their consent – in particular through adoption of rules by international organizations“. Ähnlich Palmer, New Ways to Make International Environmental Law, AJIL 86 (1992), S. 273, und Chinkin, Third Parties in International Law, S. 138. 290 Jedenfalls dann, wenn man vertragliche Verpflichtungen allgemein als Souveränitätsverlust statt als Ausübung von Souveränität versteht. 291 Simma, From Bilateralism to Community Interest in International Law, RdC 250 (1994), S. 322, sieht in derartigen multilateralen Verträgen ein Instrument par excellence, um Gemeinschaftsinteressen zu fördern. Speziell für die Referenzbestimmungen des SRÜ urteilt Tomuschat, Obligations Arising for States Without or Against Their Will, RdC 241 (1993), S. 237, dass diese Regelungstechnik „takes the international community one step further on the way to establishing a true legislative function, at least in the field of maritime law“. Die IMO-UNCLOS-Implications-Studie, S. 7, sieht in der Bindung der SRÜ-Vertragsstaaten an GAIRAS eine „paramount incentive for them to become Parties to the IMO Treaties containing those rules and standards“. 289

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sächlich erga omnes und nicht nur für die Parteien der jeweiligen IMO-Konventionen oder des SRÜ gelten. Allerdings bedeutete auch dies noch keine echten legislatorischen Kompetenzen für die IMO, vielmehr läge die Entscheidung über die allgemeine Anerkennung der Standards grundsätzlich nach wie vor bei der Mehrzahl der Staaten. Nach der hier vertretenen Meinung ist eine technische Konvention allgemein anerkannt, wenn eine weitverbreitete und repräsentative Beteiligung an dem betreffenden Übereinkommen durch Staaten, deren Interessen besonders berührt sind, vorliegt. Die Schwelle für die Erstarkung zu allgemeiner Anerkennung liegt dabei tiefer als bei der Entstehung von Gewohnheitsrecht. Dagegen finden sich in der Staatenpraxis Anhaltspunkte dafür, dass eine Regel oder ein Standard bereits mit dem Inkrafttreten der diese Normen enthaltenden IMO-Konvention generally accepted ist. Für die Schiffssicherheit ergeben sich keine Unterschiede, da, wie nachgewiesen wurde, nicht nur MARPOL, COLREG, LL, STCW und SOLAS selber, sondern auch die zu den einzelnen Instrumenten gehörenden Protokolle und Anlagen allgemein anerkannt sind 292. Das gilt auch für die zahlreichen Änderungen dieser Instrumente im tacit acceptance-Verfahren, denn die Verbindlichmachung einer Regel im Verfahren der stillschweigenden Annahme ist eine besondere Form des Ausdrucks von allgemeiner Anerkennung. Angesichts dessen ist die IMO allerdings de facto für den Bereich der Umweltverschmutzung durch Schiffe zu einem universellen Gesetzgeber geworden, zumal die Möglichkeiten der Staaten, sich allgemein anerkannten Regeln und Standards zu widersetzen (opt out), sehr beschränkt und mehr oder weniger alle theoretisch sind. Diese Zentralisierung von Normsetzung bei der IMO gewährleistet die für die Schifffahrt so unverzichtbare weltweite Einheitlichkeit von Umweltschutz- und Sicherheitsstandards, die aufgrund des tacit acceptance-Verfahrens in relativ kurzer Zeit den sich ändernden Verhältnissen und wissenschaftlichen Erkenntnissen angepasst werden können, ohne dass die Staaten die Bindung an einzelne Standards durch Berufung auf ihre Souveränität verhindern oder durch eine langsame Ratifikationstätigkeit verzögern könnten.

II. Die zonale Ordnung des Seerechtsübereinkommens Ein wesentlicher Grund für die Dritte Seerechtskonferenz war die Notwendigkeit einer Neuordnung der marinen Gebiete. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts versuchten die Küstenstaaten, die Meeresareale mit den wichtigsten Energie- und Rohstoffvorkommen unter ihre Kontrolle zu bringen. Damit verbunden waren Ansprüche auf küstenstaatliche Funktionshoheitszonen unterschiedlicher Ausprägung und eine Ausdehnung des Küstenmeeres auf schließlich 12 Seemeilen (Terraneisie292 Beachte, dass eine Klärung dieser Frage im Streitbeilegungsverfahren nach Teil XV SRÜ erfolgen könnte.

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rung der Meere) 293. Die damit einhergehenden Zuordnungs- und Nutzungsprobleme hatten Rückwirkungen auf die Kommunikations- und sicherheitspolitisch wichtige Navigationsfreiheit, zumal ein gestiegenes Umweltbewusstsein und die immer deutlicher werdenden Defizite des traditionellen, ausschließlich an der Flaggenstaatsjurisdiktion orientierten Systems dazu führten, dass die Küstenstaaten nach Regelungs- und Durchsetzungsbefugnissen in Bezug auf die Umweltverschmutzung durch Schiffe auch außerhalb ihres Aquitoriums verlangten 294. Im Folgenden soll, ohne dass dabei bereits auf spezifische schiffssicherheitsrechtliche Steuerungsoptionen einzelner Akteure eingegangen würde, mittels einer tour d’horizon dargestellt werden, wie das Seerechtsübereinkommen das Verhältnis zwischen Schifffahrt und Umweltschutz in den einzelnen Meereszonen gestaltet. Dabei ist mit Umweltschutz, nur noch der Schutz der Umwelt vor unfallbedingter Verschmutzung gemeint, betriebsbedingte Einleitungen werden allenfalls am Rande behandelt. „Klassische Meeresgebiete“ wie innere Gewässer, Küstenmeer und Hohe See und durch die Montego-Bay-Konvention geformte „Neue Meeresgebiete“ wie Meerengenregime und AWZ werden dabei zuerst erörtert, ehe sich der Schiffssicherheit in speziellen Verschmutzungsverhütungsgebieten, wie eisbedeckte Gebiete und marine Schutzgebiete, nach Art. 211 (6) SRÜ gewidmet wird. Dabei geht es nahezu ausschließlich um die Kompetenzen der Küstenstaaten gegenüber Schiffen unter fremder Flagge in den einzelnen Meereszonen, denn die schiffssicherheitsrechtlichen Verpflichtungen des Flaggenstaates aus Art. 94, 211 (2) u. 217 SRÜ 295 sind unabhängig vom Aufenthaltsort des Schiffes, das aufgrund des Flaggenstaatsprinzips (Art. 91 SRÜ) in jeder Meereszone der Hoheitsgewalt des Flaggenstaates untersteht 296.

293 Graf Vitzthum, Terraneisierung des Meeres. Die Tendenz zu einem rohstoffbezogenen Seerecht, EA 31 (1976), S. 129–138. Vgl. ders., Die Gleichschaltung von Land und Meer, in: ders. (Hrsg.) Die Plünderung der Meere. Ein gemeinsames Erbe wird zerstückelt, S. 49–78, und ders., Seerechtsglobalisierung, S. 413. 294 Vgl. die Ausführungen der International Working Group on Marine Pollution, OttawaTreffen, November 1971, welche die Stockholmer Umweltkonferenz der Vereinten Nationen (1972) vorbereitete, UN Doc. A/AC.138/SCIII/L.26 (1972), S. 226, 232 und Commentary, Bd. IV, S. 183 f. 295 Beachte, dass Art. 211 (2) SRÜ auch die unfallbedingte Verschmutzung der Meeresumwelt durch Schiffe erfasst: „States shall adopt laws and regulations for the prevention, reduction and control of pollution of the marine environment“ (Hervorhebung durch Verfasser). Art. 211 (1) SRÜ spricht explizit davon, dass die Staaten „promote the adoption [...] of routeing systems designed to minimize the threat of accidents which might cause pollution of the marine environment“ (Hervorhebung durch Verfasser). Missverständlich insoweit Wolfrum, Recht der Flagge und „Billige Flaggen“: Neuere Entwicklungen im Völkerrecht, BDGVR 31, S. 136 f. 296 Dieser Rechtsgrundsatz liegt auch § 4 des Deutschen StGB zugrunde. Zum Flaggenstaatsprinzip vgl. König, Durchsetzung internationaler Bestands- und Umweltschutzvorschriften auf Hoher See im Interesse der Staatengemeinschaft, S. 65–72, und Núñez-Müller, Die Staatszugehörigkeit von Handelsschiffen im Völkerrecht, S. 68–108.

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1. Innere Gewässer Nach Art. 8 (1) SRÜ gehören die landwärts der Basislinie des Küstenmeers gelegenen Wasserflächen, also auch die Häfen, zu den inneren Gewässern eines Staates. Sie sind Bestandteil des Staatsgebietes und unterstehen der uneingeschränkten territorialen Souveränität des Küstenstaates, Art. 2 SRÜ 297. Die Montego-Bay-Konvention behandelt die inneren Gewässer nur oberflächlich. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass zwischen den Regelungsbefugnissen der Staaten in ihren inneren Gewässern und Häfen kein rechtlicher Unterschied besteht 298. Art. 211 (3) SRÜ verwendet beide Begriffe gleichberechtigt nebeneinander. Anders als im Küstenmeer haben fremde Schiffe in den inneren Gewässern grundsätzlich nicht das in den Art. 17 ff. SRÜ garantierte Recht auf friedliche Durchfahrt 299. Ingerenzrechte dritter Staaten bestehen vielmehr nur insoweit, als die Festlegung einer geraden Basislinie nach der in Art. 7 SRÜ bezeichneten Methode dazu führt, dass Gebiete, die vorher nicht als innere Gewässer galten, in diese einbezogen werden 300. Art. 8 (2) SRÜ sichert in diesem Fall mit der friedlichen Durchfahrt die Schifffahrtsfreiheit, und das Regime zur Verhütung, Verringerung und Überwachung der Meeresumwelt durch Schiffe nach Teil XII des SRÜ findet Anwendung 301. Auf diese Weise wird kompensiert, dass die Methode der geraden Basislinien zur Festlegung der Basislinie nach Art. 7 SRÜ den Küstenstaaten ermöglicht, bei zerklüfteten Küsten, vorgelagerten Inselketten und veränderlichen Küstenlinien ausgedehnte Bereiche zu inneren Gewässern zu erklären. Die fortbestehende friedliche Durchfahrt bei der Ziehung gerader Basislinien ist allerdings auch ein Grund dafür, dass die Staaten in Bereichen, in denen ihre Küste tiefe Einbuchtungen aufweist, keine geraden Basislinien ziehen, sondern eine historische Bucht (vgl. 297 Bereits im Fall Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua/USA) (Merits), ICJ Reports 1986, S. 111 (Abs. 212), hat der IGH ausgeführt, dass „The basic legal concept of State sovereignty in customary international law, expressed in, inter alia, Article 2, paragraph 1, of the United Nations Charter, extends to the internal waters and territorial sea of every State“. Allgemein zu den inneren Gewässern: Graf Vitzthum, Innere Gewässer, in: Seidl-Hohenveldern (Hrsg.), Lexikon des Rechts – Völkerrecht, S. 177–186, Lagoni, Internal Waters, in: Bernhardt (Hrsg.), EPIL, Band 2, S. 1034–1036, Peters, Innere Gewässer im Neuen Seerecht, S. 81–131. 298 Vgl. Degan, Internal Waters, NYIL 17 (1986), S. 12. 299 Ein Recht auf friedliche Durchfahrt durch die inneren Gewässer eines anderen Staates kann selbstverständlich durch völkerrechtlichen Vertrag begründet werden. Vgl. Abkommen der Bundesrepublik Deutschland mit der Republik Polen über die Durchfahrt von Schiffen durch die inneren Gewässer im Bereich der Insel Usedom vom 17.02.1993, BGBl. 1993 II 1207. Nach Art.5 (1) des Abkommens kann sich jedoch jede Vertragspartei vorbehalten, die Durchfahrt von der vorherigen Anmeldung und Angabe bestimmter Informationen abhängig zu machen. 300 The Munich, d. h. die Gewässer an der Nordwestküste von Schottland, sind ein Beispiel, vgl. United Kingdom Materials in International Law (Teil des BYIL) 1993, S. 660. 301 Ob diese Gewässer damit funktionell identisch mit dem Küstenmeer sind, ist unklar. Hakapää, Marine Pollution, S. 167, ist der Meinung, dass das Recht auf friedliche Durchfahrt der einzige Unterschied zwischen inneren Gewässern und Küstenmeer sei.

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Art. 10 (6) SRÜ) beanspruchen, in der das Recht der friedlichen Durchfahrt grundsätzlich nicht besteht 302.

a) Regelungsbefugnisse Die Küstenstaaten haben kraft ihrer territorialen Souveränität die umfassende Regelungsbefugnis für ihre inneren Gewässer. Ihr Recht, nationale Rechtsakte zum Schutz der Meere vor (unfall)bedingter Verschmutzung durch Schiffe zu erlassen, unterliegt keinen Beschränkungen. Das gilt für nationale Navigationsvorschriften ebenso wie für CDEM-Standards. Selbst eine totale Verweigerung der Einfahrt ist hier im Prinzip möglich, da weder Völkergewohnheitsrecht noch Montego-BayKonvention ein allgemeines Recht auf Zugang zu den inneren Gewässern kennen 303. Freilich halten die Staaten zumindest ihre Handelshäfen normalerweise im ureigenen Interesse offen. Das Recht zum Einlaufen in fremde innere Gewässer kann sich allerdings aufgrund völkervertraglicher Grundlage ergeben. In erster Linie ist hier an Art. 2 des Genfer Seehäfenstatuts von 1923 304 sowie an die überaus zahlreichen bilateralen 302 Allerdings kennt das allgemeine Völkerrecht kein Einheitsregime für historische Buchten. Jede Bucht hat ihre eigene, spezielle Ordnung, ihr eigenes Regime. Vgl. ICJ Reports 1982, S. 74 (Continental Shelf (Tunisia/Libyan Arab Jamahiriya) und ICJ Reports 1992, S. 589, 605 (Land, Island and Maritime Frontier Dispute (El Salvador/Honduras; Nicaragua intervening). Vorraussetzung für eine historische Bucht ist nach Völkergewohnheitsrecht, dass der Küstenstaat die Bucht über einen genügend langen Zeitraum als innere Gewässer beansprucht und seine Hoheitsgewalt effektiv über sie ausgeübt hat und diese Praxis von anderen Staaten ausdrücklich oder stillschweigend anerkannt worden ist, vgl. die Entscheidung des US Supreme Courts in Alabama and Mississippi Boundary Case, United States v. Louisiana 470 U.S. 93, 101–105, 110–111 (1985), United States v. Alaska, 422 U.S. 184, 189 (1975). Allgemein hat der IGH im Anglo-Norwegian Fisheries Case, ICJ Reports 1951, S.130, historische Gewässer wie folgt definiert: „By ‚historic waters‘ are usually meant waters which are treated as internal waters but which would not have the character were it not for the existence of an historic title“. 303 Eine Ausnahme besteht für Schiffe in Seenot und für die Schiffe der Binnenstaaten, vgl. Art. 125 (1) SRÜ. Zum Recht des Binnenstaates auf Zugang zum und vom Meer vgl. etwa die Erklärungen, welche die Bundesrepublik Deutschland und die Tschechischen Republik bei Hinterlegung der Beitritts- bzw. Ratifikationsurkunde zum SRÜ abgegeben haben, BGBl. 1995 II 603 und BGBl. 1997 II842. Zum Hafenzugangsrecht allgemein siehe Graf Vitzthum/Talmon, Alles fließt, S. 100–105, Badura, Ports, in: Bernhardt (Hrsg.), EPIL, Band 3, S. 1070, Lagoni, Der Hamburger Hafen, die internationale Handelsschifffahrt und das Völkerrecht, AVR 26 (1988), S. 303–313, Hakapää, Marine Pollution, S. 163–166, O’Connel, The International Law of the Sea, Band 2, S. 848, Churchill/Lowe, The Law of the Sea, S. 61–64, Degan, Internal Waters, NYIL 17 (1986), S. 13–28, de La Fayette, Access to Ports in International Law, IJMCL 11 (1996), S. 3, 11, Lowe, The Right of Entry into Maritime Ports in International Law, San Diego Law Review 14 (1977), S. 608, und Kasoulides, Port State Control and Jurisdiction. Evaluation of the Port State Regime, S. 1–19, die alle im Ergebnis eine gewohnheitsrechtliche Verankerung des Zugangsrechts verneinen. Beachte auch Art. 5 (3) MARPOL. 304 Convention on the International Régime of Maritime Ports, Genf, 09.12.1923, in Kraft getreten am 26.07.1926, LNTS 25, 202.

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Schifffahrtsverträge zu denken 305. In ihnen verpflichten sich die Vertragsparteien regelmäßig, den Schiffen der jeweils anderen Partei auf der Grundlage der Gegenseitigkeit die gleiche Behandlung hinsichtlich des Zugangs zu ihren Gewässern zu gewähren wie ihren eigenen im internationalen Verkehr eingesetzten Schiffen 306. Nichtdiskriminierung ist freilich nicht mit subjektivem Zugangsrecht zu verwechseln. Fremde Seeschiffe können deshalb grundsätzlich unter den gleichen Vorraussetzungen ausgeschlossen werden wie eigene. Daneben kann das Recht der Küstenstaaten, den Zugang zu ihren Gewässern zu sperren, auch durch handelsrechtliche Bestimmungen beschränkt sein. Die Freiheit der Durchfuhr nach Art. 5 GATT ist hierfür ein Bespiel 307. Auch das GATS dürfte künftig bei der globalen Liberalisierung maritimer Dienstleistungen eine größere Rolle spielen308. Für Schiffe, die unter 305 Eine Liste der zweiseitigen Schifffahrtsübereinkommen der Bundesrepublik Deutschland findet sich bei Lagoni, Der Hamburger Hafen, die internationale Handelsschifffahrt und das Völkerrecht, AVR 26 (1988), S. 362–365. 306 Die völkerrechtliche Pflicht zur Gleichbehandlung statuiert Art.2 Satz 1 des Genfer Seehäfen-Statuts: „Subject to the principle of reciprocity and to the reservation set out in the first paragraph of Article 8, every Contracting State undertakes to grant the vessels of every other Contracting State equality of treatment with its own vessels, or those of any other State whatsoever, in the maritime ports situated under its sovereignty or authority, as regards freedom of access to the port, the use of the port, and the full enjoyment of the benefits as regards navigation and commercial operations which it affords to vessels, their cargoes and passengers.“ Hinsichtlich der bilateralen Schifffahrtsverträge vgl. aus neuerer Zeit etwa Art. 5 (1) des Abkommen über die Schifffahrt zwischen Deutschland und Litauen vom 28.07.1992 (BGBl. 1994 II 100), Art. 2 (2) und Art. 5 des Abkommen über die Seeschifffahrt zwischen Deutschland und Polen vom 20.03.1995 (BGBl. 1996 II 2695) und Art. 39 des Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zur Gründung einer Partnerschaft zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Russischen Föderation andererseits (BGBl. 1997 II847). Allgemein zu Seehäfenstatut und bilateralen Schifffahrtsabkommen siehe Graf Vitzthum/Talmon, Alles fließt, S. 100–105, Lagoni, Der Hamburger Hafen, die internationale Handelsschifffahrt und das Völkerrecht, AVR 26 (1988), S. 275–303. 307 General Agreement on Tariffs and Trade, Marakesh, 15.04.1994, in Kraft getreten am 01.01.1995, 33 ILM 1154. Beachte auch Art. 2 Agreement on Technical Barriers to Trade, 18 ILM 1079, das in Marakesh unter den „Regenschirm“ der Multilateral Agreements on Trade in Goods gebracht wurde. 308 General Agreement on Trade and Services, Marakesh, 15.04.1994, in Kraft getreten am 01.01.1995, 33 ILM 44. Die Liberalisierung der Dienstleistungen ist im WTO-System bisher nur rudimentär verwirklicht. Art. II (1) GATS statuiert das Meistbegünstigungsprinzip (‚MostFavoured-Nation‘ Treatment). Dieses ist grundsätzlich auch auf Dienstleistungen im Seeverkehr anwendbar. Doch bestimmt Abs. 1 der Anlage zu Verhandlungen über Seeverkehrsdienstleistungen, dass Art. II in Bezug auf die internationale Seeschiffahrt, Hilfsdienste sowie den Zugang zu Hafeneinrichtungen und deren Benutzung erst in Kraft tritt, nachdem die in der Uruguay-Runde begonnenen Verhandlungen über Seeverkehrsdienstleistungen abgeschlossen wurden. Dieses Ziel sollte ursprünglich bis 1996 erreicht werden, die Verhandlungen schlugen aber fehl und begannen im Januar 2000 neu (Doha-Runde). Neue Deadline ist nun der 1. Januar 2005, vgl die DOHA-Ministererklärung vom 14.01.2003, WT/MIN(01)/DEC/1, 20.11.01. Bis dahin ist Art. II (1) GATS auf Seeverkehrsdienstleistungen unanwendbar. Allerdings müssen die 37 Staaten, die im Bereich der maritimen Dienstleistungen spezifische Verpflichtungen nach Teil III GATS übernommen haben, das Meistbegünstigungsprinzip anwenden. Siehe WTO Doc. Nos. S/L/24 und S/NGMTS/16, 03.07.1996.

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der Flagge eines EG-Mitgliedstaates fahren, ergibt sich ein Recht zum Einlaufen in die inneren Gewässer der anderen Mitgliedstaaten aus dem Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs in der Seeschifffahrt 309. Aufgrund seiner Gebietshoheit kann ein Staat nicht nur den Zugang zu seinen inneren Gewässern gänzlich verweigern, sondern das Einlaufen auch von der Erfüllung besonderer Bedingungen abhängig machen. Die Montego-Bay-Konvention setzt eine entsprechende Regelungsbefugnis des Küstenstaates in Art. 25 (2), 38 (2), 211 (3), 255 SRÜ voraus. Im Rahmen solcher Anlaufbedingungen kann der Küstenstaat über international vereinbarte Standards hinausgehen und selbst fremden Schiffen weitergehende oder wirkungsvollere Standards zur Verhütung, Verringerung und Überwachung der Verschmutzung der Meeresumwelt auferlegen. Art. 211 (3) SRÜ verlangt für diesen Fall lediglich, dass dies bekannt gemacht und der IMO mitgeteilt wird. Mögliche Grenzen der besonderen Anforderungen bestimmt er nicht. Aus Art. 227, 300 SRÜ geht aber hervor, dass diskriminierende oder rechtsmissbräuchliche Bestimmungen unzulässig sind. Fraglich ist allerdings, inwieweit ein Küstenstaat solche Anlaufbedingungen dazu nutzen darf, seine Jurisdiktion gegenüber fremden Schiffe über seine inneren Gewässer hinaus auszudehnen. Unstreitig hat der Küstenstaat gegenüber fremden anlaufenden Schiffen bereits gewisse Hoheitsbefugnisse, bevor sie diese Meereszone erreichen, vgl. Art. 25 (2), 211 (3) SRÜ. Beispielsweise können Schiffen im Hafenanlauf als Bedingung für das Einlaufen gewisse Meldepflichten auferlegt werden 310. Nur, bis zu welcher Meereszone diese auf den späteren freiwilligen, aber auch zeitlich begrenzten Aufenthalt des Schiffes gestützte Regelungsbefugnis reicht, ist unklar. Weder Staatenpraxis noch SRÜ lässt sich entnehmen, dass sie auf das Küstenmeer begrenzt wäre 311. 309 Der Seeverkehr hat in der Gemeinsamen Verkehrspolitik stets eine Sonderrolle gespielt. Art. 80 (2) EGV schließt bei der Seeschifffahrt die Anwendung des Titels Verkehr aus, soweit der Rat nicht mit qualifizierter Mehrheit Beschlüsse fasst. In EuGHE 1974, 559 – RS 167/73, „Französische Seeleute“ hat der EUGH jedoch festgestellt, dass die allgemeinen Vertragsregeln grundsätzlich für den Seebereich gelten. Auch der freie Dienstleistungsverkehr, für den Art. 51 (1) EGV auf den Titel Verkehr verweist, ist im Seeverkehr fortschreitend zu verwirklichen. Siehe Art. 1 VO (EWG) Nr. 4055/86 des Rates vom 31.12.1986 zur Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs auf die Seeschifffahrt zwischen Mitgliedstaaten sowie zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern (ABl. Nr. L. 378, S. 1) und Power, EC Shipping Law, Abs. 7.001–7.028.3. 310 Vgl. § 1 (1) iVm Nr. 2 der Anlage der Verordnung über das Anlaufen der inneren Gewässer der Bundesrepublik Deutschland aus Seegebieten seewärts der Grenze des deutschen Küstenmeeres und das Auslaufen (Anlaufbedingungsverordnung – AnlBV) vom 23.08.1994, BGBl. 1994 I 2246 (dient der Umsetzung der Richtlinie 93/75/EWG). Plant, Navigation Regime in the Turkish Straits for Merchant Ships in Peacetime, MP 20 (1996), S. 17, spricht in diesem Zusammenhang von einer Jurisdiktion nach dem destination principle. 311 Plant, Legal Environmental Restraints upon Navigation Post-Braer, OGLTR 9/10 (1992), S. 249. Vgl. auch das Gutachten der USA für die 67. Sitzung des IMO-Rechtsausschusses, IMO Doc. LEG/67/8/Add.3, und die Antwort des Ausschusses in LEG/8/1, Abs. 46. Anders, anscheinend mit Verweis auf Art. 211 (3) SRÜ, Lagoni, Vorsorge gegen Schiffsunfälle im

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Sinnvoll erscheint, bei der Lösung des Problems zwischen verhaltensbezogenen Vorschriften wie Meldepflichten und CDEM-Standards zu differenzieren. Verhaltensbezogene Regeln verursachen rechtliche Schwierigkeiten, weil sie ganz gezielt anlaufenden Schiffen bestimmte Pflichten außerhalb der inneren Gewässer auferlegen. Bei CDEM-Regeln verlangt der Küstenstaat dagegen lediglich, dass diese Vorschriften eingehalten werden während sich das Schiff freiwillig in den inneren Gewässern aufhält. Die extra-territorialen Auswirkungen solcher Vorschriften ergeben sich nur aufgrund der Tatsache, dass ein Schiff schwerlich seine Bauart verändern kann, wenn es einmal den Hafen verlassen hat. Diese Auswirkungen sind aber ein bloßer Rechtsreflex und nicht das primäre Regelungsmotiv entsprechender Vorschriften. Die Problematik einseitiger, im Rahmen von Anlaufbedingungen des Küstenstaates aufgestellter, national verschärfter CDEM-Standards ist eine andere 312. Derartige Bestimmungen sind detailliert in internationalen Konventionen wie MARPOL, SOLAS und STCW niedergelegt. Zweifelhaft ist deshalb, ob unilaterale CDEMStandards in Form von Anlaufbedingungen auch dann noch gestellt werden dürfen, wenn sie eine Materie betreffen, die, wie beispielsweise die Doppelhülle für Öltanker, bereits in einer für Küsten- und Flaggenstaat verbindlichen IMO-Konvention geregelt ist oder ob den Küstenstaaten bzw. Hafenstaaten für ihre inneren Gewässer eine residuale Jurisdiktion verbleibt. Diese könnte darauf beruhen, dass die internationalen Regeln primär an die Flaggenstaaten gerichtet sind. Bliebe die Regelungsbefugnis der Hafenstaaten trotz bindender IMO-Konventionen unbeschränkt, könnten wirtschaftlich bedeutende Hafenstaaten einer Region durch unilaterales Vorgehen gerade bei CDEM-Standards de facto eine Anhebung internationaler Regeln erzwingen. Es bestände aber auch die Gefahr, dass das auf weltweite Einheitlichkeit ausgerichtete und auf der gegenseitigen Anerkennung der Zeugnisse beruhende IMO-System ausgehebelt werden würde. Trotz großer praktischer Bedeutung und der (regelmäßig leeren) Drohung vieler Staaten, notfalls unilateral vorzugehen, sind diese Probleme nahezu unerforscht. Ihnen ist kontextbezogen im Zusammenhang mit der Verkehrsüberwachung durch die Küstenstaaten und wegen ihrer regionalen Auswirkungen im Zusammenhang mit den Regelungsmöglichkeiten der Europäischen Gemeinschaft nachzugehen.

Küstenvorfeld: Gemeinschaftliches Schiffsmeldesystem und Hafenzugang im Notfall, in: Deutsche Akademie für Verkehrswissenschaft (Hrsg.), 39. Deutscher Verkehrsgerichtstag 2001 (im Folgenden: Lagoni, Vorsorge gegen Schiffsunfälle im Küstenvorfeld), S. 277. 312 Beispiele für ein solches unilaterales Vorgehen in jüngerer Zeit sind der U.S. Oil Pollution Act 1990 und regionale Konstruktionsanforderungen für Ro-Ro-Passagierfähren in Reaktion auf den Untergang der Estonia sowie die vorzeitige Einführung der Doppelhülle für Öltanker durch die EG.

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b) Durchsetzungsbefugnisse Die Durchsetzungsbefugnisse eines Staates gehen keineswegs weiter als seine Regelungsbefugnisse. Es ist nach dem Seerechtsübereinkommen aber auch nicht so, dass ein Küstenstaat seine an den internationalen Standards ausgerichteten innerstaatlichen Vorschriften immer gegenüber ausländischen Schiffen durchsetzen darf. Denn seine Durchsetzungsjurisdiktion hängt sowohl vom Ort der Verschmutzung als auch vom Aufenthalt des Schiffes zum Zeitpunkt der Durchsetzungsmaßnahme ab. Sie ist nach Art. 220 SRÜ bei einem freiwilligen Aufenthalt des Schiffes in den inneren Gewässern des betroffenen Küstenstaates am stärksten, während auf der Hohen See der Flaggenstaat ausschließlich zuständig ist. Bei jeder Maßnahme nach Art. 220 SRÜ sind zudem die strengen Schutzbestimmungen des Teil XII, Abschnitt 7 SRÜ, zu beachten. Ein Küstenstaat hat zwei Möglichkeiten, Verstöße gegen seine in Übereinstimmung mit dem SRÜ erlassenen Vorschriften durchzusetzen: Entweder nach Art. 220 (1) SRÜ aufgrund des freiwilligen Aufenthaltes des Schiffes im Hafen 313 oder nach Art. 25 (1), 27, 220 (2)–(8), 233 u. 234 SRÜ auf See. In beiden Fällen handelt es sich um die Ausübung von Küstenstaatsjurisdiktion. Eine Durchsetzung durch den Hafenstaat im Sinne des SRÜ liegt dagegen vor, wenn entweder, wie bei Art. 218 SRÜ, Verstöße gegen ein international geschütztes Rechtsgut geahndet werden, die den Küstenstaat in ihren Auswirkungen nicht faktisch berühren und außerhalb seines Hoheitsgebietes oder seiner AWZ stattgefunden haben 314, oder die, wie Verstöße gegen CDEM-Standards, noch während des Aufenthaltes des Schiffes im Hafen vorhanden sind und die der Hafenstaat deshalb aufgrund seiner Gebietshoheit ahnden kann 315. Wird ein fremdes Schiff in den inneren Gewässern betroffen und hat es dort auch gegen Vorschriften des Küstenstaates zur Verhütung von Verschmutzungen verstoßen, so können die Küstenstaaten ihre nationalen Rechtsnormen selbstverständlich gegen das fremde Schiff durchsetzen. Diese ausschließliche Durchsetzungsbefugnis des Küstenstaates ist zwar im SRÜ nicht explizit geregelt, resultiert aber aus seiner 313 Hakapää, Marine Pollution, S.176. A.A. Churchill/Lowe, The Law of the Sea, S.350, die die Durchsetzungsbefugnisse nach Art. 220 (1) SRÜ der Hafenstaatsjurisdiktion zuordnen. 314 Da es hierbei nur um Einleitungen geht, spielt Art.218 SRÜ für die Schiffssicherheit keine Rolle. 315 Wie hier Molenaar, Coastal State Jurisdiction over Vessel-Source Pollution, S. 91–95, und Hakapää, Marine Pollution, S. 174. Die Verwirrung, die um die Unterscheidung zwischen Küsten- und Hafenstaatsjurisdiktion herrscht, zeigen die falschen rechtlichen Schlussfolgerungen des Rates in seiner Gemeinsamen Position Nr. 2/95 vom 13.04.1995 (ABl. Nr. C 93, S. 25) zum Erlass der Richtlinie 95/21 EG (Hafenstaatskontrolle): „Der Rat konnte dem Kommissionsvorschlag nicht zustimmen, dass die Hafenstaatkontrolle für in den Hoheitsgewässern eines Mitgliedstaats verkehrende Schiffe gelten sollte, und zwar unter anderem deshalb, weil das internationale Recht Interventionen in den Hoheitsgewässern und auf hoher See nur sehr begrenzt zulässt“.

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territorialen Souveränität und wird in Art. 27 (2) SRÜ vorausgesetzt. Bei der Ausübung ihrer Durchsetzungsjurisdiktion wegen Verstößen gegen ihre Rechtsvorschriften in den inneren Gewässern sind die Küstenstaaten weder nach Art. 24 SRÜ verpflichtet, die Durchfahrt fremder Schiffe nicht zu behindern, noch sind sie an die Schutzbestimmungen von Teil XII, Abschnitt 7, der Montego-Bay-Konvention gebunden. Ist der Verstoß gegen in Übereinstimmung mit dem SRÜ erlassene Vorschriften oder AIRAS im Küstenmeer oder der AWZ des Staates erfolgt und befindet sich das Schiff freiwillig in einem Hafen oder in einem vor der Küste liegenden Umschlagplatz des Staates, so erlaubt Art. 220 (1) SRÜ, vorbehaltlich der Schutzbestimmungen des Abschnitts 7, dem Staat, ein Verfahren gegen dieses Schiff einzuleiten. Dies schließt a maiori ad minus das Recht zur Vornahme von Untersuchungen ein 316. Entscheidend ist nur, dass das Schiff sich freiwillig im Hafen oder Umschlagplatz des Küstenstaates befindet. Nach nahezu einhelliger Ansicht ist dies nicht nur bei Schiffen, die vom Küstenstaat in den Hafen gezwungen wurden, sondern auch bei Schiffen, die aufgrund von Seenot oder höherer Gewalt einen Hafen oder Umschlagplatz anlaufen, nicht der Fall 317. Sollen bei ansonsten gleicher Sachlage Durchsetzungsmaßnahmen bereits in den inneren Gewässern ergriffen werden, so ist Art. 220 (1) SRÜ analog anzuwenden. Zwar wurde auf der dritten Seerechtskonferenz der Vorschlag der Vallarta-Gruppe, hinter dem Wort port die Worte other internal waters einzufügen 318, nicht weiter verfolgt, doch kann daraus nicht zwingend geschlossen werden, dass damit die traditionellen Durchsetzungsbefugnisse des Küstenstaates in seinen übrigen inneren Gewässern eingeschränkt werden sollten 319. Vielmehr hat der Küstenstaat in seinen gesamten inneren Gewässern die uneingeschränkte Jurisdiktion über das Schiff. Zwar sollte im Hinblick auf die Sicherheit des Schiffsverkehrs die Durchsetzung vorzugsweise im Hafen stattfinden, doch ist es unbillig, von einem Küstenstaat, dessen Aquitorium durch eine (unfallbedingte) Verschmutzung in Mitleidenschaft gezogen wurde, entgegen dem Territorialitätsprinzip zu verlangen, dass er abwartet, bis das Schiff in seine inneren Gewässer einläuft. Schließlich gebietet auch die Einheitlichkeit der Rechtsordnung der inneren Gewässer die analoge Anwendung des Art. 220 (1) SRÜ. Nur für den Fall, dass die Ziehung gerader Basislinien dazu führt, dass Gebiete, die vorher nicht als innere Gewässer galten, in diese einbezogen wer316 Die Situation ist insofern nicht anders als bei Art. 218 (1) SRÜ, der ausdrücklich von investigations und proceedings spricht. Auch ist bei Durchsetzungsmaßnahmen nach Art.220 (1) SRÜ ebenso wie bei Maßnahmen nach Art. 218 (1) SRÜ, Art. 226 SRÜ zu beachten. 317 Hakapää, Marine Pollution, S.180, Degan, Internal Waters, NYIL 17 (1986), S.12, Commentary, Bd.IV, S.272. A.A. Timagenis, International Control of Marine Pollution, Bd.1, S.620. Das Seerechtsübereinkommen verwendet die Begriffe höhere Gewalt und Notfall in Art.18 (2) u. 39 (1) (c) SRÜ, definiert sie jedoch nicht. 318 Commentary, Bd. IV, S. 268. 319 A.A., wenn auch mit Bedenken, Hakapää, Marine Pollution, S. 176 f. (Fn. 128).

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den, erscheint es gerechtfertigt, die Durchsetzungsbefugnisse des Küstenstaates einzuschränken und an die Vorraussetzungen des Art. 220 (2) SRÜ zu binden 320. Schließlich wird man über Art. 220 (1) SRÜ hinausgehend nach dem allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass ein Verstoß sowohl an dem Ort begangen wurde, an dem gehandelt worden ist, als auch an dem, an dem der zum Tatbestand gehörende Erfolg eingetreten ist, dem Küstenstaat auch Durchsetzungsbefugnisse für solche Verschmutzungsereignisse zubilligen müssen, die sich auf der Hohen See ereignet haben, aber auf sein Aquitorium negative Auswirkungen haben 321. Diese Fallgruppe hat allerdings für die Schiffssicherheit nur geringe Bedeutung. 2. Küstenmeer Gemäß Art. 2 (1) SRÜ erstreckt sich die Souveränität eines Küstenstaates jenseits seines Landgebietes und seiner inneren Gewässer auf einen angrenzenden Meeresstreifen, der als Küstenmeer bezeichnet wird. Die Breite des Küstenmeeres kann nach dem SRÜ bis zu 12 Seemeilen betragen, gemessen von der Basislinie, Art. 3, 5 ff. SRÜ, die das Küstenmeer landseitig begrenzt. Aufgrund seiner Gebietshoheit ist der Küstenstaat in seinem Küstenmeer wie in seinen inneren Gewässern grundsätzlich regelungs- und durchsetzungsbefugt. Allerdings haben dritte Staaten an dieser Meereszone ein wesentlich stärkeres Nutzungsinteresse als an den landnahen inneren Gewässern. Dies um so mehr, als mit der Ausdehnung des Küstenmeeres auf nunmehr 12 Seemeilen erstmals zahlreiche wichtige Schifffahrtswege in den Bereich des Küstenmeeres einbezogen worden sind. Das internationale Seerecht versucht, den legitimen Interessen dritter Staaten in dieser Meereszone dadurch Rechnung zu tragen, dass es zum Schutz der Kommunikationsfreiheit die aquitoriale Souveränität des Küstenstaates durch das Recht dritter Staaten auf friedliche Durchfahrt (innocent passage) beschränkt, vgl. Art. 2 (3), 17 ff. SRÜ. Das Institut der friedlichen Durchfahrt ist ein Schlüsselelement der rechtlichen Ordnung des Küstenmeeres, weil mit ihm die unterschiedlichen Interessen von Flaggen- und Küstenstaaten in dieser Meereszone ausgeglichen werden. Wegen dieser enormen Bedeutung für die Regelungs- und Durchsetzungsbefugnisse der Küstenstaaten wird es hier vorweg behandelt. Ein Schiff, welches das Küstenmeer friedlich durchfährt, ist zwar der Jurisdiktion des Küstenstaates unterworfen, vgl. Art. 21 (4) SRÜ, diese ist aber beschränkt, denn der Küstenstaat darf die friedliche Durchfahrt fremder Schiffe außer in den in der Seerechtskonvention vorgesehenen Fällen nicht behindern, Art. 24 (1) SRÜ, geschweige denn das Schiff seines Küstenmeeres verweisen. Passage schließt die Fahrt 320 321

So Hasselmann, Die Freiheit der Handelsschifffahrt, S. 425. Ebenso Molenaar, Coastal State Jurisdiction over Vessel-Source Pollution, S. 188.

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durch das Küstenmeer zu dem Zweck, in die inneren Gewässer einzulaufen oder sie zu verlassen, ein. Sie muss ohne Unterbrechung und zügig erfolgen, beinhaltet jedoch das Anhalten und Ankern, soweit es zur normalen Schifffahrt gehört oder infolge eines Notfalls erforderlich wird, Art. 18 SRÜ. Friedlich ist die Durchfahrt, solange sie nicht den Frieden, die Ordnung oder die Sicherheit des Küstenmeeres beeinträchtigt. Art. 19 (1) SRÜ ist insofern wortgleich mit seinem Vorgänger Art. 14 (4) TSC. Ein Schiff verliert grundsätzlich nicht dadurch sein Recht auf friedliche Durchfahrt, dass es gegen Schiffssicherheits- und Umweltschutzstandards des Küstenstaates verstößt. Anders als Art. 14 (4) TSC enthält Art. 19 SRÜ in seinem Absatz (2) einen Katalog mit Tätigkeiten (activities), die ein Schiff vornehmen muss, damit seine Durchfahrt als nicht friedlich gilt. Daraus kann man schließen, dass ein bloßes passives Verhalten, wie beispielsweise das Nichtbeachten von CDEM-Standards, die Durchfahrt nicht unfriedlich macht 322. Ein Schiff mag in einem schlechten Zustand sein, seine Ladung gefährlich, allein dies macht seine Durchfahrt nicht unfriedlich, vgl. Art. 23 SRÜ 323. Friedlich ist auch der Transit eines Schiffes, das Schifffahrtswege und Verkehrstrennungsgebiete des Küstenstaates nicht beachtet. Art. 19 (2) SRÜ nimmt auf Schiffswegeführungen keinen Bezug, vielmehr werden diese explizit in Art. 22 SRÜ geregelt. Daraus kann, unabhängig von der Frage, ob Art. 19 SRÜ abschließend ist oder nicht, geschlossen werden, dass ein Verstoß gegen derartige Regelungen nicht ausreicht, um Frieden, Ordnung und Sicherheit des Küstenstaates zu beeinträchtigen, denn anderenfalls müssten Art. 19 SRÜ und Art. 22 SRÜ aufeinander Bezug nehmen. Zudem erschiene es auch im Vergleich zu den sonstigen in Art. 19 (2) SRÜ geregelten Tätigkeiten unverhältnismäßig, das bloße Abweichen von vorgeschriebenen Routen als Fall der nichtfriedlichen Durchfahrt einzustufen und es deshalb unter die Auffangbestimmung des Art. 19 (2) (l) SRÜ zu subsumieren. Denn wie die Beispiele in Art. 19 (2) SRÜ zeigen, reicht die bloße Gefahr einer Beeinträchtigung der Friedlichkeit des Küstenmeeres gerade nicht aus 324. Schließlich bietet auch die Genese der Norm keinen Anhaltspunkt dafür, dass Verstöße gegen Schiffswegeführungen unter Art. 19 SRÜ fallen 325. Vgl. Hakapää, Marine Pollution, S. 184, und Churchill/Lowe, The Law of the Sea, S. 85. Problematisch deshalb die Ansicht der Europäischen Kommission in ihrer Mitteilung an das EP und den Rat zur Erhöhung der Sicherheit im Seeverkehr nach dem Untergang des Öltankschiffs „Prestige“ vom 03.12.2002, KOM(2002) 681 endg., S. 13, die Küstenstaaten sollten dazu verpflichtet werden, Schiffe, von denen eindeutig eine Gefahr für die Umwelt ausgeht und die den Mindestsicherheitsstandards nicht genügen, aus ihren Küstengewässern auszuschließen. 324 Ähnlich Ringbom, Environmental Protection and Shipping – Prescriptive Coastal State Jurisdiction in the 1990’s, marius 224, S.19, und Molenaar, Coastal State Jurisdiction over VesselSource Pollution, S. 198. 325 Commentary, Bd. II, S. 217–220. 322 323

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Gleichzustellen mit Schiffswegeführungen sind in diesem Zusammenhang Schiffsmeldesysteme (SRSs) und Vessel Traffic Services. Sie spielten zwar bei den Beratungen der dritten Seerechtskonferenz nur eine untergeordnete Rolle, doch wird auch hier die Durchfahrt nicht allein deshalb unfriedlich, weil ein solches System nicht befolgt wird 326. Hinsichtlich Einleitungen bestimmt Art. 19 (2) (h) SRÜ, dass nur any act of wilful and serious pollution entgegen dem Seerechtsübereinkommen als Beeinträchtigung des Friedens, der Ordnung oder der Sicherheit des Küstenstaates gilt. Diese Vorraussetzungen werden selten kumulativ erfüllt sein, denn betriebsbedingte Einleitungen geschehen zwar vorsätzlich, für sich allein genommen sind sie aber meistens nicht schwer, während unfallbedingte Einleitungen zwar regelmäßig gravierend sind, aber normalerweise nicht vorsätzlich 327. Besondere Bedeutung kann in diesem Zusammenhang allerdings die Ausweisung eines ökologisch empfindlichen Areals als marines Schutzgebiet, sei es als PSSA 328, besonderes Gebiet nach Art. 211 (6) SRÜ oder als Sondergebiet nach einer MARPOL-Anlage, gewinnen. Denn es ist durchaus vertretbar, den Begriff serious umweltfreundlich dahingehend auszulegen, dass er wegen der verheerenden ökologischen Folgen, selbst einzelner Einleitungen in diesen Gebieten, auch routinemäßige Verschmutzungen erfasst 329. Auch wenn der Grundsatz, dass eine von einem Schiff ausgehende Gefahr seine Fahrt nicht unfriedlich macht, bei den Beratungen der dritten Seerechtskonferenz immer wieder bekräftigt wurde 330, sind davon zwei Ausnahmen zuzulassen. Die erste betrifft einen Seeunfall, bei dem ein Küstenstaat aufgrund seines völkergewohnheitsrechtlichen Interventionsrechts dem tatsächlichen oder drohenden Schaden angepasste Maßnahmen ergreifen kann, um seine Küste vor tatsächlicher oder drohender Verschmutzung zu schützen, vgl. Art. 221 SRÜ 331. Denkbar ist auch, diesen Fall nicht mehr unter dem Begriff passage im Sinne des Art. 18 SRÜ zu subsumieren, bzw. Art. 19 (2) (l) SRÜ entsprechend heranzuziehen. Die zweite, problematischere Ausnahme betrifft ein Schiff, dass zwar noch nicht havariert ist, aber sich in einem derart schlechten Zustand befindet (beispielsweise ein Öltanker mit defekter Ruderanlage), dass ein Unfall mit schweren Folgen für die Umwelt mit extrem hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Die Fahrt eines solchen Schiffes durch das Küstenmeer als Beeinträchtigung der Ordnung des Küsten326 Siehe Gold, The Surveillance and Control of Navigation in the New Law of the Sea: A Comment, Ocean Yearbook 3 (1982), S. 126–134. 327 Die Einleitung eines zivilgerichtlichen Verfahrens bleibt davon natürlich unberührt, vgl. Art. 229 SRÜ. 328 Vgl. die neue IMO Resolution A.927(22), Guidelines for the Identification and Designation of Particularly Sensitive Sea Areas. 329 ILA Final Report (2000), S.495. Die Definition des Begriffs pollution in Art.1 (1) (4) SRÜ stände einer solchen Auslegung jedenfalls nicht entgegen. 330 Ausführlich dazu Hakapää, Marine Pollution, S. 185. 331 Siehe auch Art. 1 INTERVENTION („Torrey Canyon-Übereinkommen“).

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staates im Sinne von Art. 19 (1) SRÜ zu begreifen, setzt voraus, dass Art. 19 (2) SRÜ nicht abschließend ist, sondern der Transit bei den dort genannten Tätigkeiten automatisch als nicht friedlich gilt, ohne dass eine tatsächliche Beeinträchtigung des Friedens, der Ordnung oder der Sicherheit des Küstenstaates nachgewiesen werden müsste. Dafür spricht nicht nur, dass Art. 19 (2) (l) SRÜ wie eine Auffangbestimmung formuliert ist, sondern auch die Beibehaltung der allgemeinen Formulierung des Art. 14 (4) TSC in Art. 19 (1) SRÜ 332. Problematisch ist allerdings, dass die bloße Fahrt eines solchen Schiffes durch das Küstenmeer nicht als Vornahme einer Tätigkeit gewertet werden kann. Art. 19 (2) SRÜ verdeutlicht gerade, dass nur ein aktives Verhalten die Durchfahrt nicht friedlich macht. Dennoch wird man im Hinblick auf das Interventionsrecht des Küstenstaates und zahlreiche Belege für eine Staatenpraxis, die schwer beschädigten Schiffen die Einfahrt in ihr Küstenmeer verweigert 333, die Friedlichkeit der Durchfahrt verneinen müssen 334. a) Regelungsbefugnisse Da grundsätzlich auch unsichere Schiffe mit gefährlicher Ladung das Recht auf friedliche Durchfahrt genießen, kann der Küstenstaat sich nicht dadurch vor Tankerunfällen schützen, dass er solchen Schiffen die Fahrt durch sein Küstenmeer gänzlich verweigert. Das ist erst möglich, wenn sich ein Unfall ereignet hat. Dem Küstenstaat verbleibt daher nur die Option, präventiv wirkende Verkehrsregelungsinstrumente, wie Schiffswegeführungen und Schiffsmeldesysteme, zu nutzen, um die Gefahr von Tankerunfällen in seinem Küstenmeer zu minimieren. Die diesbezüglichen Bestimmungen der Montego-Bay-Konvention sind im Folgenden aufzuzeigen. Die Befugnisse der Küstenstaaten zur Regelung der Umweltverschmutzung durch Schiffe sind in Teil XII und II SRÜ niedergelegt. Art. 211 (4) SRÜ bestätigt die grundsätzliche Regelungszuständigkeit des Küstenstaates auf diesem Gebiet, bekräftigt aber, dass derartige küstenstaatliche Rechtsnormen in Übereinstimmung mit Teil II Abschnitt drei SRÜ die friedliche Durchfahrt fremder Schiffe nicht behindern dürfen. Zentrale Bestimmung ist hier Art. 21 SRÜ, dessen Absatz (1) einen Katalog küstenstaatlicher Regelungsbefugnisse enthält, demzufolge ein Küstenstaat Gesetze und sonstige Vorschriften über die friedliche Durchfahrt durch das Küstenmeer in Bezug auf die dort genannten Bereiche erlassen darf335. Nach lit. (a) gehört dazu die Sicherheit der Schifffahrt und die Regelung des Seeverkehrs, nach lit. (b) In diesem Sinne Churchill/Lowe, The Law of the Sea, S. 85. Vgl. die Nachweise bei Kasoulides, Vessels in Distress. ‚Safe Havens‘ for Crippeld Tankers MP 11 (1987), S. 185 f., und in jüngerer Zeit den Fall der Toledo (1990) und der Long Lin (1992), berichtet in ILA Final Report (2000), S. 496. 334 Molenaar, Coastal State Jurisdiction over Vessel-Source Pollution, S. 198. 335 Unklar ist, ob dieser Katalog abschließend ist. Dafür sprechen Aufbau und Wortlaut der Vorschrift, denn die einzelnen Litterae werden nicht als Beispiele aufgezählt. A.A. mit Hinweis auf Art. 27 SRÜ, der eine entsprechende präskriptive Jurisdiktion voraussetze, Churchill/ Lowe, The Law of the Sea, S. 95. 332 333

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der Schutz der Seezeichen und Navigationseinrichtungen, lit. (f) schließlich räumt dem Küstenstaat Regelungsbefugnisse zum Schutz seiner Umwelt ein. Eine Schranke finden die küstenstaatlichen Regelungsbefugnisse, die SRÜ- und völkerrechtskonform ausgeübt werden müssen, in Art. 24 (1) SRÜ, der einerseits küstenstaatliche Behinderungen der friedlichen Durchfahrt verbietet, die nicht ausdrücklich im SRÜ vorgesehen sind, andrerseits aber auch die in Übereinstimmung mit dem Übereinkommen erlassenen Vorschriften einer zweifachen Kontrolle unterwirft. Denn diese Vorschriften dürfen erstens Schiffe weder rechtlich noch tatsächlich diskriminieren, lit. (b), noch ihnen zweitens Auflagen machen, die im Ergebnis eine Verweigerung oder Beeinträchtigung (impaire/restreindre) der Ausübung des Rechts der friedlichen Durchfahrt bewirken, lit. (a). Darunter sind jedenfalls Bestimmungen zu verstehen, die unter dem Vorwand des Umweltschutzes erlassen werden, aber tatsächlich beabsichtigen, die friedliche Durchfahrt zu beeinträchtigen (détournement de pouvoir) 336. Da aber jede Schiffssicherheits- und Umweltschutzbestimmung den Effekt haben kann, die friedliche Durchfahrt zumindest mittelbar zu beeinträchtigen, scheint die Vorschrift im Sinne einer Vernünftigkeits- bzw. Angemessenheitskontrolle in jedem Einzelfall eine Abwägung zwischen Schifffahrtsfreiheit, Schiffssicherheit und Umweltschutz zu fordern. Zieht man dabei den Rechtsgedanken des Art. 21 (2), (4) SRÜ wertend heran, so sind an GAIRAS orientierte Vorschriften des Küstenstaates stets angemessen 337. Gemäß Art. 22 SRÜ kann der Küstenstaat dort, wo es die Sicherheit der Schifffahrt erfordert, auch fremde Schiffe, die das Recht der friedlichen Durchfahrt durch sein Küstenmeer ausüben, auf bestimmte Schifffahrtswege und Verkehrstrennungsgebiete (TSS) verweisen, die er in seinem Küstenmeer einseitig, d. h. ohne Zustimmung der IMO, verbindlich vorschreiben darf. Die Tatsache, dass sich Art. 22 SRÜ nur auf Schifffahrtswege und TSS und nicht auf andere Schiffswegeführungen bzw. Verkehrslenkungssysteme bezieht, heißt nicht, dass die küstenstaatliche Regelungsbefugnis auf diese beiden Institute beschränkt wäre. Vielmehr ist hinsichtlich anderer Verkehrssicherungsinstrumente, wie Schiffsmeldesysteme und VTS, auf die allgemeine Befugnisnorm des Art. 21 (1) SRÜ zurückzugreifen. Art. 22 SRÜ spezifiziert und qualifiziert also nur eine bereits in den Grenzen des Art. 24 (1) SRÜ bestehende Kompetenz des Küstenstaates 338. Ebenso bedeutet die Beschränkung auf die Sicherheit der Schifffahrt nicht, dass Schifffahrtswege und TSS nicht auch aus Umweltschutzgründen errichtet werden dürften 339. Denn Schiffssicherheit und Umweltschutz sind untrennbar miteinander Commentary, Bd. II, S. 226. Vgl. Smith, Innocent Passage as a Rule of Decision: Navigation V. Environmental Protection, CJTL 21 (1983), S. 91–97. 338 Molenaar, Coastal State Jurisdiction over Vessel-Source Pollution, S. 203. Vgl. auch Art. 21 (4) SRÜ. 339 Bodansky, Protecting the Marine Environment from Vessel-Source Pollution: UNCLOS III and Beyond, ELQ 18 (1991), S. 751. A.A. Commentary, Bd. II, S. 211 f. 336 337

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verbunden, was sich schon daran zeigt, dass Art. 22 (2) SRÜ explizit auf bestimmte, für die Umwelt besonders risikoreiche Schiffe wie Tankschiffe Bezug nimmt und Art. 211 (1) SRÜ die Staaten zur Annahme von Systemen der Schiffswegeführung verpflichtet, um eine Verschmutzung der Meeresumwelt zu verhüten. Auch besteht mit Art. 21 (f) SRÜ eine entsprechende allgemeine Befugnisnorm. Schließlich setzt auch die IMO seit einiger Zeit Schiffswegeführungen verstärkt zum Schutz der Umwelt vor Tankerunfällen in ökologisch sensiblen Gebieten ein 340. Obwohl der Küstenstaat die Benutzung von Schifffahrtswegen und TSS verbindlich und ohne IMO-Zustimmung in seinem Küstenmeer vorschreiben darf, ist seine Kompetenz nicht unbeschränkt, denn Art. 22 (3) SRÜ zufolge hat er u. a. die Empfehlungen der zuständigen internationalen Organisation, also der IMO, zu berücksichtigen (shall take into account), die in der IMO-Publikation Ships’ Routeing zusammengefasst sind. Zwar ist dies nur eine schwache rechtliche Verpflichtung, aber wo ein Küstenstaat die Empfehlungen der IMO zur Schiffswegeführung nicht berücksichtigt, besteht die Vermutung, dass diese Maßnahmen die friedliche Durchfahrt im Sinne von Art. 24 (1) (a) SRÜ unangemessen beeinträchtigen. Es ist folglich dann die Aufgabe des Küstenstaates, diese Vermutung zu widerlegen 341. Art. 23 SRÜ verpflichtet fremde Schiffe, die ihrer Natur nach gefährliche oder schädliche Stoffe befördern, bei der Ausübung des Rechts der friedlichen Durchfahrt durch das Küstenmeer die Dokumente mitzuführen und die besonderen Vorsichtsmaßnahmen zu beachten (observe), die in internationalen Übereinkünften (international agreements) vorgeschrieben sind. Dies legt nahe, dass auch nicht verbindliche Vorsichtsmaßnahmen, wie empfohlene Fahrwege, beachtet werden müssen. Eine aus küstenstaatlicher Sicht dennoch kaum ausreichende Bestimmung, denn das Verb observe statuiert nur eine schwache rechtliche Verpflichtung und einseitige nationale Standards werden durch die Bezugnahme auf international agreements ausgeschlossen 342. Es fragt sich daher, ob Küstenstaaten angesichts der enormen Gefahren, die von solchen Schiffen für die marine Umwelt ausgehen, das Recht haben, die friedliche 340 Teil A. 1.1 Ships’ Routeing (7. Aufl., 1999): „The purpose of ships’ routeing is to improve the safety of navigation in converging areas and in areas where the density of traffic is great or where freedom of movement of shipping is inhibited by restricted searoom, the existence of obstruction to navigation, limited depths or unfavourable meteorological conditions. Ships’ routeing may also be used for the purpose of preventing or reducing the risk of pollution or other damage to the marine environment caused by ships colliding or grounding near environmentally sensitive areas.“ Als Mittel zum Schutz der Umwelt werden Schiffswegeführungen auch in neuen Regel V/10 (1) SOLAS genannt. 341 Oxman, Environmental Protection in Archipelagic Seas and International Straits. The Role of the International Maritime Organization, in: LSIP 29 (1997), S. 277, und Treves, The Role of Universal International Organizations in Implementing the 1982 UN Law of the Sea Convention, in: LSIP 23 (1990), S. 22. 342 Auch regionale Standards dürften durch die Qualifikation international ausgeschlossen sein. Siehe Handl, Regional Arrangements, S. 226.

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Durchfahrt dieser Schiffe von vorhergehenden Benachrichtigungen oder Genehmigungen (prior notification or authorization) abhängig zu machen. Die MontegoBay-Konvention bietet dafür keine ausdrückliche Rechtsgrundlage. Diesbezügliche Vorschläge wurden während der dritten Seerechtskonferenz stets abgelehnt 343 und in jüngster Zeit wurde gerade im Hinblick auf Meldepflichten bei radioaktiven Substanzen stets auf die Gefahr terroristischer Anschläge hingewiesen 344. Versuche, derartige küstenstaatliche Anforderungen mit Hinweis auf die allgemeine Verpflichtung der Staaten zur Bewahrung der Meeresumwelt und zur Benachrichtigung über unmittelbar bevorstehende Schäden aus Art. 192, 194 und 198 SRÜ zu rechtfertigen, scheitern schon daran, dass diese leges generali das speziellere Regime der friedlichen Durchfahrt der Art. 17 ff. SRÜ nicht verdrängen können. Das führt zu der absurden Situation, dass ein Küstenstaat nach Art. 22 (2) SRÜ Schiffen, die ihrer Natur nach schädliche Stoffe befördern, zwar bestimmte Schifffahrtswege vorschreiben darf, diese aber nicht verpflichtet sind, Informationen über ihre Ladung preiszugeben 345. Eine Befugnis der Küstenstaaten, im Voraus über den Transit eines Schiffes mit gefährlicher Ladung unterrichtet zu werden und ihn von seiner Genehmigung abhängig zu machen, könnte sich allerdings zumindest für gefährliche Abfälle aufgrund von Art. 6 (4) der Basler Übereinkommen über den grenzüberschreitenden Transport gefährlicher Abfälle (BC) 346 ergeben, wenn man die BC als internationale Übereinkunft im Sinne des Art. 23 SRÜ ansieht 347. Art. 6 (4) BC zufolge darf eine grenzüberschreitende Verbringung (transboundary movement) solcher Güter nicht ohne die vorherige Zustimmung des Transitstaates beginnen. Die Definition von transboundary movement in Art. 2 (3) BC nimmt auf den Ausdruck „der Hoheitsgewalt eines anderen Staates unterstehendes Gebiet“ (area under the national jurisdiction of a State) Bezug. Nach Art. 2 (9) BC gehören dazu auch Meeresgebiete, innerhalb derer ein Staat nach dem Völkerrecht verwaltungsrechtliche Zuständigkeit in Bezug auf den Schutz der Umwelt ausübt. Darunter könnte man problemlos auch Commentary, Bd. II, S. 206–209, 218. Siehe z. B. IMO Doc. LEG 74/13, Abs. 98. Gelegentlich verbergen sich hinter dem Terrorismus-Argument freilich auch handfeste wirtschaftliche Erwägungen. So hat die Information, wann ein Supertanker wo ankommt, nicht unerheblichen Einfluss auf den Wert der Ladung. 345 Weinstein, The Impact of the Regulation of Transport of Harzardous Waste on Freedom of Navigation, IJMCL 9 (1994), S. 142. 346 Basel Convention on the Control of Transboundary Movements of Hazardous Wastes and their Disposal, Basel, 22.03.1989, in Kraft getreten am 05.05.1992, ILM 28 (1989), 657. In der EG umgesetzt durch VO (EWG) Nr. 259/93 des Rates vom 01.02.1993 zur Überwachung und Kontrolle der Verbringung von Abfällen in der, in die und aus der Europäischen Gemeinschaft, ABl. Nr. L 30 vom 06.02.1993, S. 1. Zur Definition des Begriffs Abfall und der vom Übereinkommen erfassten Abfälle, vgl. Art. 1 u. 2 BC. 347 Grundlegend zum Verhältnis Basler Übereinkommen – SRÜ: Rummel-Bulska, The Basel Convention and the UN Convention on the Law of the Sea, in: Ringbom (Hrsg.), Competing Norms in the Law of Marine Environmental Protection, S. 83–108. 343 344

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Küstenmeer und AWZ subsumieren, so dass der Küstenstaat die Durchfahrt fremder Schiffe von einer vorhergehenden Anmeldung und Genehmigung des Transports abhängig machen könnte. Gegen eine solche Auslegung spricht aber der auf flaggenstaatlichen Druck eingefügte Art. 4 (12) BC, der u. a. bestimmt, dass die Basler Konvention die Wahrnehmung der im Völkerrecht vorgesehenen und in einschlägigen internationalen Übereinkünften niedergelegten Rechte und Freiheiten der Schifffahrt nicht berührt. Allerdings bestimmt Art. 6 (4) des auf regionaler Ebene geschlossenen und noch nicht in Kraft getretenen Izmir-Protokolls (IP) 348, dass die grenzüberschreitende Verbringung gefährlicher Abfälle durch das Küstenmeer des Transitstaates nur bei vorhergehender Benachrichtigung des Transitstaats durch den Exportstaat stattfindet, sogenannte „Benachrichtigung ohne Genehmigung“-Formel 349. Eine erga omnes-Verpflichtung wird dadurch aber nicht begründet, denn die Benachrichtigungspflicht trifft, pacta tertiis–konform, nur Exportstaaten, die Vertragspartei des Protokolls sind 350. Dennoch könnten Basel-Konvention und Izmir-Protokoll den Beginn einer Entwicklung markieren, die letztlich zu einer Ausweitung küstenstaatlicher Befugnisse gegenüber Schiffen mit gefährlichen Ladungen führt. Derzeit scheinen die Staaten aber mehr auf den Ausbau von Schiffsmeldesystemen zu setzen, im Rahmen derer routinemäßige Meldungen abzugeben sind. Derartige Systeme, die aufgrund ihrer Annahme durch die IMO eine große Akzeptanz besitzen, dürften zur Bekämpfung der Anonymität auf See und zur Verbesserung der Schiffssicherheit besser geeignet sein, als einseitig statuierte vorherige Benachrichtigungspflichten. Während der Küstenstaat, abgesehen von vorherigen Erlaubnis- und Benachrichtigungsvorbehalten, die Regelung des Seeverkehrs in seinem Küstenmeer relativ unabhängig vornehmen kann, darf er fremden Schiffen CDEM-Standards nur vorschreiben, wenn sie GAIRAS Wirksamkeit verleihen. Diese bedeutendste Einschränkung der küstenstaatlichen Regelungsbefugnis findet sich in Art. 21 (2) SRÜ. Selbst wenn eine Materie nicht durch internationale Normen geregelt ist, sind dem Küstenstaat einseitige nationale Gesetze und sonstige Vorschriften hinsichtlich Entwurf, Bau, Bemannung oder Ausrüstung verwehrt. Eine Ausnahme von dieser Regel ist Art. 234 SRÜ, der den Staaten erlaubt, zur Verhütung, Verringerung und Überwachung der Meeresverschmutzung durch Schiffe in eisbedeckten Gebieten auch einseitig CDEM-Bestimmungen zu erlassen. Gleichzeitig zeigt Art. 21 (2) SRÜ a contrario aber auch, dass nationale Regeln, die nicht CDEM-bezogen sind, in den Grenzen des Art. 24 (1) SRÜ grundsätzlich 348 Protocol on the Prevention of Pollution of the Mediterranean Sea by Transboundary Movements of Hazardous Wastes and their Disposal, Izmir, 01.10.1996, noch nicht in Kraft getreten, UN Doc. UNEP(OCA)/MED/IG.9/4, 11.10.1996. 349 Scovazzi, The Mediterranean Hazardous Wastes Protocol, EELR 6 (1997), S. 245. 350 Art. 1 (l) IP definiert den Exportstaat als „a Party from which a transboundary movement of hazardous wastes is planned to be initiated or is initiated“ (Hervorhebung hinzugefügt).

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zulässig sind 351. Ein Küstenstaat kann mithin Einleitungen in seinem Küstenmeer gänzlich verbieten, was angesichts der Schwierigkeiten, Verstöße gegen die unter MARPOL erlaubten Mengen nachzuweisen, Vorteile haben kann. Art. 21 (2) SRÜ, der mittlerweile Gewohnheitsrecht kodifizieren dürfte, ist eine entscheidende Novation gegenüber dem Genfer Übereinkommen über das Küstenmeer und die Anschlusszone von 1958. Die TSC enthielt bezüglich CDEM-Standards noch keine explizite Regelung, sondern ordnete, ähnlich wie nun Art. 24 (1) SRÜ, in ihrem Art. 15 (1) lediglich allgemein an, dass der Küstenstaat die friedliche Durchfahrt fremder Schiffe nicht behindern dürfe. Ob unilaterale Entwurf-, Bau-, Ausrüstungs- und Bemannungsstandards des Küstenstaates stets eine Behinderung der friedlichen Durchfahrt nach sich ziehen oder ob Art. 15 (1) TSC zumindest Spielraum für angemessene küstenstaatliche Konstruktionsregelungen ließ, blieb strittig 352. Mit dem Verbot solcher Vorschriften durch die Montego-Bay-Konvention wurde das Regime der friedlichen Durchfahrt deutlich gestärkt, denn einseitige CDEM-Bestimmungen sind ein besonders schwerwiegender Eingriff in die Schifffahrtsfreiheit, weil ein Schiff seine Beschaffenheit während der Fahrt nicht ändern kann. Allerdings bedeutete die Internationalisierung dieser Regelungen auch, dass den Küstenstaaten das vielleicht effektivste Steuerungsinstrument, um ihre Küste vor Tankerhavarien zu schützen, genommen wurde. b) Durchsetzungsbefugnisse Die Praxis zeigt, dass Staaten ihre Durchsetzungsbefugnisse auf dem Meer sehr zurückhaltend anwenden und es vorziehen, Verstöße gegen Schiffssicherheitsvorschriften und Einleitungsbestimmungen bei einem freiwilligen Aufenthalt des Schiffes im Hafen zu ahnden. Das liegt daran, dass die Überprüfung eines Schiffes auf bewegter See ein schwieriges, gerade im Bereich der Schifffahrtsstraßen mit Gefahren für die Schifffahrt verbundenes Manöver ist 353. Dennoch ist die Schiffskontrolle auf See die einzige Möglichkeit der Küstenstaaten, Fehlverhalten von Schiffen zu ahnden, die ihr Küstenmeer lediglich durchfahren, ohne einen ihrer Häfen anzusteuern. Die Weite der küstenstaatlichen Durchsetzungsbefugnisse im Küstenmeer hängt davon ab, ob die Durchfahrt eines Schiffes als friedlich oder nicht friedlich zu qualifizieren ist. Nur gegenüber Schiffen, deren Durchfahrt nicht friedlich ist, hat der Küstenstaat die volle Durchsetzungsgewalt. 351 Bodansky, Protecting the Marine Environment from Vessel-Source Pollution: UNCLOS III and Beyond, ELQ 18 (1991), S. 750, Birnie/Boyle, International Law and the Environment, S. 274. 352 Hakapää, Marine Pollution, S. 191–194, und Ringbom, Environmental Protection and Shipping – Prescriptive Coastal State Jurisdiction in the 1990’s, marius 224, S. 19 f. 353 Auf dieses praktische Problem immer wieder hinweisend Werbke, Schiffskontrollen auf See, in: Koch/Lagoni (Hrsg.), Meeresumweltschutz für Nord- und Ostsee, S. 181–204.

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aa) Schiffe auf friedlicher Durchfahrt Die Durchsetzungsbefugnisse eines Küstenstaates gegenüber Schiffen auf friedlicher Durchfahrt sind in Teil XII und II SRÜ geregelt. Art. 220 (2) SRÜ zufolge kann ein Küstenstaat, wenn eindeutige Gründen für die Annahme bestehen, dass ein in seinem Küstenmeer fahrendes Schiff während der Durchfahrt durch das Küstenmeer gegen in Übereinstimmung mit dem SRÜ erlassene Vorschriften des Staates oder AIRAS zur Verhütung, Verringerung und Überwachung der Verschmutzung durch Schiffe verstoßen hat, unbeschadet der Anwendung der diesbezüglichen Bestimmungen des Teil II Abschnitt 3 SRÜ eine Überprüfung an Bord des Schiffes durchführen, und, wenn die Beweislage dies rechtfertigt, vorbehaltlich des Teil XII Abschnitt 7 SRÜ ein Verfahren einleiten und die Zurückhaltung des Schiffes anordnen. Die Befugnis zur Überprüfung an Bord schließt selbstverständlich das Recht ein, Auskunft über den Zustand des Schiffes zu verlangen. Art. 220 (2) SRÜ ist ein Beleg dafür, welchen hohen Stellenwert die MontegoBay-Konvention der Schifffahrtsfreiheit einräumt, denn sie unterwirft die Durchsetzungsmaßnahmen des Küstenstaates in mehrfacher Hinsicht einer Vernünftigkeitsbzw. Angemessenheitskontrolle 354. Ein bloßer Verdacht reicht für eine Überprüfung an Bord nicht aus, sondern es müssen eindeutige Gründe für einen Verstoß vorliegen. Ferner sind die Bestimmungen über die friedliche Durchfahrt des Teil II Abschnitt 3 SRÜ und damit Art. 24 SRÜ anwendbar. Da jede Durchsetzungsmaßnahme zwangsläufig eine Beeinträchtigung des Rechts der friedlichen Durchfahrt bedeutet, ist Art. 24 SRÜ als Verpflichtung des Küstenstaates zu verstehen, die friedliche Durchfahrt nicht unverhältnismäßig zu beeinträchtigen 355. Schließlich verweist auch Art. 220 (2) SRÜ auf die Schutzbestimmungen des Teil XII Abschnitt 7 SRÜ. Die Staaten dürfen mithin die Schiffe bei der Ausübung ihrer Befugnisse weder diskriminieren, Art. 227 SRÜ, noch die Sicherheit der Schifffahrt gefährden oder die Meeresumwelt einer unverhältnismäßigen Gefahr aussetzen, Art. 225 SRÜ. Der Hinweis auf Normen zur „Verhütung, Verringerung und Überwachung der Verschmutzung“ in Art. 220 (2) SRÜ verdeutlicht, dass die Durchsetzungsbefugnisse des Küstenstaates nicht auf bestimmte Standards beschränkt sind. Ein Nichtbeachten von CDEM-Standards, Schiffswegeführungen, Schiffsmeldesystemen und VTS berechtigt den Küstenstaat grundsätzlich genauso zu Durchsetzungsmaßnahmen wie ein Verstoß gegen Einleitungsbestimmungen. Denn die Durchsetzung ist gerade nicht von einem tatsächlichen Schadenseintritt abhängig. Indes dürfte die allgemeine Verpflichtung der Küstenstaaten aus Art. 24 SRÜ, die friedliche Durchfahrt nicht unangemessen zu beeinträchtigen, in der Mehrzahl der Fälle dazu führen, dass ein Verstoß gegen CDEM-Standards, Schiffswegeführungen und MeldepflichMolenaar, Coastal State Jurisdiction over Vessel-Source Pollution, S. 271. Hakapää, Marine Pollution, S. 196, Smith, Innocent Passage as a Rule of Decision: Navigation V. Environmental Protection, CJTL 21 (1983), S. 97–99. 354 355

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ten nicht schwer genug wiegt, um ein Zurückhalten des Schiffes zu rechtfertigen 356. In praxi unternehmen die Küstenstaaten in diesen Fällen daher häufig gar nichts oder begnügen sich mit einem Bericht an den Flaggenstaat. Allerdings klassifiziert Art. 16 (1) (a) der RL 2002/59 EG (neue Schiffsmelderichtlinie) ein Schiff, das Mitteilungs- und Meldepflichten des Küstenstaates verletzt oder die Regeln von Schiffswegeführungssystemen und VTS-Diensten missachtet, als Risikoschiff. Art. 16 (3) RL 2002/59/EG verpflichtet die Mitgliedstaaten, solche Schiffe grundsätzlich geeigneten Inspektionen und Überprüfungen in ihren Häfen zu unterziehen. Art. 220 (3) SRÜ zufolge kann der Küstenstaat auch gegenüber Schiffen in seinem Küstenmeer Durchsetzungsmaßnahmen ergreifen, die nicht in seinem Küstenmeer, sondern in seiner AWZ gegen AIRAS verstoßen haben. Die Weite der küstenstaatlichen Durchsetzungsbefugnisse nach Art. 220 (3) SRÜ ist nicht davon abhängig, ob sich das Schiff zum Zeitpunkt der Durchsetzungsmaßnahme in der AWZ oder im Küstenmeer aufhält. Entscheidend ist der Ort des Verstoßes, nicht der Aufenthalt des Schiffes 357. Auch hier bewertet die Montego-Bay-Konvention die Freiheit der Schifffahrt höher als das küstenstaatliche Interesse an effektiven Durchsetzungsbefugnissen. Die spezifisch umweltschutzbezogenen Befugnisse nach Art. 220 (2) SRÜ stehen dem Küstenstaat unbeschadet der Bestimmungen des Teil II Abschnitt 3 SRÜ zu. Neben dem bereits erwähnten Art. 24 SRÜ sind dort Art. 28, 27 und 25 SRÜ relevant. Art. 28 SRÜ zufolge sind Vollstreckungs- oder Sicherungsmaßnahmen in Zivilsachen gegen ein fremdes Schiff im Küstenmeer nur zulässig, wenn die verbindlichkeits- oder haftungsbegründenden Merkmale die Durchfahrt betreffen. Art. 27 SRÜ beschränkt die Strafgerichtsbarkeit des Küstenstaates. Die Festnahme einer Person oder die Durchführung einer Untersuchung soll wegen einer während der Durchfahrt begangenen Straftat nur in bestimmten Fällen erfolgen 358. In Bezug auf die Schiffssicherheit könnte allenfalls Art. 27 (1) (b) SRÜ zur Ausübung der Strafgerichtsbarkeit an Bord eines Schiffes berechtigen, wenn die Tat geeignet wäre, den Frieden des Landes oder die Ordnung des Küstenmeeres zu stören. Ob ein Abweichen von Schiffswegeführungen oder eine Verletzung von Meldepflichten hierfür genügt, ist zweifelhaft. Denn die Behörden müssen bei der Prüfung der Frage, ob oder auf welche Weise eine Festnahme erfolgen soll, den Interessen der Schifffahrt gebührend Rechnung tragen, Art. 27 (4) SRÜ, und dürfen die friedliche Durchfahrt nicht unangemessen beeinträchtigen, Art. 24 SRÜ. Schließlich berechtigt Art. 25 (2) SRÜ den Küstenstaat, in Bezug auf Schiffe, die in seine inneren Gewässer einlaufen, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um jede Verletzung der Bedingungen zu verhindern, die für das Einlaufen solcher Molenaar, Coastal State Jurisdiction over Vessel-Source Pollution, S. 247. Vgl. Bodansky, Protecting the Marine Environment from Vessel-Source Pollution: UNCLOS III and Beyond, ELQ 18 (1991), S. 754 f. 358 Eine Ausnahme hiervon ist Art. 27 (2) SRÜ. 356 357

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Schiffe in die inneren Gewässer bestehen. Die Stellung der Vorschrift im Abschnitt über die friedliche Durchfahrt verdeutlicht, dass diese Befugnisse des Küstenstaates jedenfalls in seinem Küstenmeer bestehen. Auch hier wird die Jurisdiktion aber nicht unbeschränkt gewährt, sondern ist an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gekoppelt: Ergriffen werden dürfen nur erforderliche Maßnahmen (necessary steps). bb) Schiffe auf nichtfriedlicher Durchfahrt Art. 25 (1) SRÜ bestimmt, dass der Küstenstaat in seinem Küstenmeer die erforderlichen Maßnahmen (necessary steps) ergreifen kann, um eine nichtfriedliche Durchfahrt zu verhindern. Der Küstenstaat hat mithin gegenüber Schiffen, deren Durchfahrt nicht friedlich ist (Art. 19 SRÜ) oder die das Küstenmeer nicht im Sinne des Art. 18 SRÜ durchfahren, umfassende Durchsetzungsbefugnisse 359, die lediglich durch das Verhältnismäßigkeitsgebot (necessary steps) begrenzt werden. Neben den Eingriffsrechten, die einem Küstenstaat gegenüber Schiffen auf friedlicher Durchfahrt nach Art. 220 (2) und 27 SRÜ zustehen, gehört dazu die Befugnis des Küstenstaates, ein solches Schiff seines Küstenmeeres zu verweisen 360. Auch ist die Nichtfriedlichkeit der Durchfahrt wegen einer vorsätzlichen und schweren Verschmutzung der einzige Fall, in dem bei Verstößen fremder Schiffe im Küstenmeer gegen Umweltschutzbestimmungen andere Strafen als Geldstrafen verhängt werden dürfen, Art. 230 (2) SRÜ. Entscheidet sich ein Staat, gegenüber einem solchen Schiff von seinen Befugnissen nach Art. 220 (2) SRÜ Gebrauch zu machen, so finden auch bei der nichtfriedlichen Durchfahrt die Schutzbestimmungen des Teil XII Abschnitt 7 größtenteils Anwendung. cc) Ergebnis Die Friedlichkeit der Durchfahrt ist bestimmend für die Weite der küstenstaatlichen Durchsetzungsbefugnisse. Umfassend durchsetzungsbefugt ist ein Küstenstaat nur bei der nichtfriedlichen Durchfahrt eines Schiffes. Selbst in diesem Fall muss er bei der Entscheidung über das Ob und Wie seines Eingreifens aber den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachten. Denn sämtlichen Durchsetzungsbestimmungen der Montego-Bay-Konvention liegt der Gedanke einer allgemeinen Vernünftigkeitsbzw. Angemessenheitskontrolle zugrunde, die für die friedliche Durchfahrt in Art. 24 SRÜ ihre deutlichste Ausprägung gefunden hat. Für die Schiffssicherheit be359 Beispielsweise können fremde Fischereischiffe, die im Küstenmeer eines anderen Staates fischen, mangels passage im Sinne des Art. 18 SRÜ nicht das Recht der friedlichen Durchfahrt beanspruchen. Ihnen dürfen deshalb nationale CDEM-Standards vorgeschrieben werden. Werden diese nicht befolgt, darf das Schiff des Küstenmeeres verwiesen werden, vgl. IMO Doc. LEG 70/7/1 u. LEG 70/10, Abs. 94. 360 ILA Final Report (2000), S. 455, Smith, Innocent Passage as a Rule of Decision: Navigation V. Environmental Protection, CJTL 21 (1983), S. 84. Beachte, dass Art. 220 SRÜ nur von passage spricht, also auch im Fall der nichtfriedlichen Durchfahrt anwendbar ist.

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deutet dies, dass Verstöße gegen Schiffssicherheitsbestimmungen wie CDEM-Standards, Schiffswegeführungen und Schiffsmeldesysteme in den seltensten Fällen zu einer Inspektion an Bord eines Schiffes im Küstenmeer oder gar zum Zurückhalten des Schiffes berechtigen werden, sondern nur allgemeine Informationen zu Identität, Flaggenstaat, Reiseroute und Ladung verlangt werden dürfen. Der immer wieder erhobene Vorwurf, dass die in der Seerechtskonvention vorgenommene Abwägung zwischen Schifffahrtsfreiheit und Umweltschutz gerade bei den Durchsetzungsbestimmungen einseitig zugunsten der Schifffahrtsfreiheit ausgefallen ist 361, hat in diesen Fällen sicherlich seine Berechtigung.

3. Meerengen Meerengen, die der internationalen Schifffahrt dienen, sind für die weltweite Kommunikation besonders wichtig. Die freie Durchfahrt durch solche Schifffahrtsstraßen hat nicht nur für die Flaggenstaaten, sondern für die Staatengemeinschaft insgesamt, eine enorme strategische und wirtschaftliche Bedeutung. Ein Großteil des weltweit verschifften Öls wird durch solche Meerengen transportiert und es entstehen hohe Kosten, wenn auf andere, längere Routen ausgewichen werden muss. Allerdings sind die Küstenstaaten entlang dieser Schifffahrtstraßen einer Reihe von Gefahren ausgesetzt. Die Verkehrsdichte und damit die Wahrscheinlichkeit von Unfällen ist in Meerengen deutlich höher als auf dem freien Meer. Gerade Tankerunfälle haben hier wegen der Nähe der Küste und dem häufig flachen Wasser verheerende Auswirkungen. Die Freiheit der Schifffahrt ist besonders gefährdet, wenn ein Seeweg durch die Meerenge vollständig oder teilweise im Küstenmeer der Meerengenanliegerstaaten liegt und deshalb ihrer Gebietshoheit unterfällt. Schon Art. 16 (4) TSC gewährte deshalb ein nicht suspendierbares Durchfahrtsrecht durch Meerengen, die der internationalen Schifffahrt dienen 362. Während der dritten Seerechtskonferenz war das Recht der Ausdehnung des Küstenmeeres auf 12 sm verhandlungspolitisch eng mit einem Regime für eine unbehinderte Navigation durch Meerengen verbunden, denn ein weiteres Küstenmeer bedeutet, dass zahlreiche wichtige Schifffahrtswege wie die Straßen von Dover, Gibraltar, Malacca, Hormus und Bab el Mandeb, die keine 24 sm breit waren, nun Bestandteil küstenstaatlicher Aquitorien wurden363. 361 Vgl. nur jüngst die Europäische Kommission in ihrer Mitteilung an das EP und den Rat zur Erhöhung der Sicherheit im Seeverkehr nach dem Untergang des Öltankschiffs „Prestige“ vom 03.12.2002, KOM(2002) 681 endg., S. 13. 362 Erstmals anerkannt wurde dieses Recht durch den IGH im Corfu Channel Case, ICJ Reports 1949, S. 4: „It is [...] generally recognized and in accordance with international custom that States in time of peace have a right to send their warships through straits used for international navigation betwenn two parts of the high seas without the previous authorization of a coastal State, provided, that the passage is innocent.“ 363 Commentary, Bd. II, S. 279.

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Die Montego-Bay-Konvention schafft für die von der internationalen Schifffahrt benutzten Meerengen in ihrem Teil III eine besondere Durchfahrtsordnung. Das Recht der unbehinderten Transitdurchfahrt für zivile und militärische Schiffe sowie Luftfahrzeuge bildet den Kern dieses speziellen Nutzungsregimes 364. Ihm liegt der Gedanke zugrunde, dass das Konzept der friedlichen Durchfahrt nicht ausreicht, um der Schifffahrtsfreiheit in diesen Meeresregionen ausreichend Rechnung zu tragen, wenn andere, ebenso geeignete durch die Hohe See oder AWZ führende Seewege durch die Meerenge fehlen. Die Jurisdiktion der Meerengenanliegerstaaten wird daher wesentlich stärker begrenzt, als dies sonst im Küstenmeer der Fall wäre – eine kommunikations- und sicherheitspolitisch motivierte Abweichung vom verbreiteten ressourcenwirtschaftlich motivierten Verzonungs- bzw. Territorialisierungstrend der Seerechtsentwicklung der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts 365. Das Meerengenregime des Teil III der Seerechtskonvention gilt allerdings nicht in allen Meerengen, die der internationalen Schifffahrt dienen, und es beschränkt auch nicht überall die Jurisdiktion der Küstenstaaten auf gleich strenge Weise, sondern differenziert zwischen der in Teil III Abschnitt 2 SRÜ normierten Transitdurchfahrt und der in Teil III Abschnitt 3 SRÜ geregelten, nicht suspendierbaren, friedlichen Durchfahrt. Bei letzterer ist lediglich Art. 25 (3) SRÜ nicht anwendbar, Art. 45 (2) SRÜ. Ansonsten gilt Art. 45 (1) SRÜ zufolge Teil II Abschnitt 3 SRÜ. Damit verfügen die Küstenstaaten in diesen Gebieten grundsätzlich über die gleichen Hoheitsbefugnisse wie Küstenstaaten, die nicht Meerengenanliegerstaaten sind. Anwendbar ist das Meerengenregime nur in Gebieten, die ganz oder teilweise im Küstenmeer eines Meerengenanliegerstaates liegen 366. Die Regeln des Teil III SRÜ gelten daher nicht in Gebieten innerer Gewässer innerhalb einer Meerenge, es sei denn, die Festlegung einer geraden Basislinie nach Art. 7 SRÜ führt dazu, dass Gebiete, die vorher nicht als innere Gewässer galten, in diese einbezogen werden (Art. 35 (a) SRÜ). Das flaggenstaatliche Interesse an unbehinderter Transitdurchfahrt ist zudem dann nicht schutzwürdig, wenn ein in navigatorischer und hydrologischer Hinsicht gleichermaßen geeigneter, jenseits des Küstenmeeres verlaufender Seeweg durch die Meerenge vorhanden ist (Art. 36 SRÜ). Schließlich berührt das SRÜ auch nicht die Rechtsordnung in Meerengen, in denen die Durchfahrt ganz oder teilweise durch lange bestehende internationale Übereinkünfte geregelt ist (Art. 35 (c) SRÜ) 367. 364 Graf Vitzthum, Raum und Umwelt im Völkerrecht, in: ders. (Hrsg.), Völkerrecht, 5. Abschn., Rn.47. Der (gebiets-)rechtliche Status der solche Meerengen bildenden Gewässer wird im übrigen durch die in Teil III SRÜ festgelegte Durchfahrtsordnung nicht berührt, Art.34 SRÜ. 365 Graf Vitzthum, Raum und Umwelt im Völkerrecht, in: Ders. (Hrsg.), Völkerrecht, 5. Abschn., Rn. 47. 366 Das Regime findet keine Anwendung auf Kanäle wie den Nord-Ostsee-Kanal oder Suez-Kanal. Diese Wasserstraßen gehören zu den inneren Gewässern eines Staates. 367 Beispielsweise das Meerengenabkommen von Montreux von 1936 für Bosporus und Dardanellen (Convention regarding the Regime of the Straits, Montreux, 20.07.1936, in Kraft getreten am 09.11.1936, LNTS 173, 213). Zu historischen Meerengen zählen auch die Däni-

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Die besondere Transitordnung des Teil III Abschnitt 2 SRÜ gilt nach Art. 37 SRÜ nur für Meerengen, die der internationalen Schifffahrt zwischen einem Teil der Hohen See oder einer AWZ und einem anderen Teil der hohen See oder einer AWZ dienen. In Meerengen zwischen einem Teil der Hohen See oder einer ausschließlichen Wirtschaftszone und dem Küstenmeer eines fremden (dritten) Staates findet lediglich die Ordnung der nicht suspendierbaren friedlichen Durchfahrt nach Teil II Abschnitt 3 SRÜ Anwendung, Art. 45 (1) (b) SRÜ 368. Ebenso sind nach Art. 45 (1) (a), 38 (1) 2. HS SRÜ die Regeln über die Transitdurchfahrt in einer Meerenge ausgeschlossen, die durch eine Insel eines Meerengenanliegerstaates und sein Festland gebildet wird, wenn seewärts der Insel ein in navigatorischer und hydrologischer Hinsicht gleichermaßen geeigneter Seeweg durch die Hohe See oder eine AWZ zur Verfügung steht, Art. 38 (1) SRÜ. Auch hier gilt dann nur die Ordnung der friedlichen Durchfahrt, die allerdings nicht ausgesetzt werden darf. Zusammenfassend kann damit festgehalten werden, dass Schiffe in Meerengen nach Teil III SRÜ entweder das Recht der nicht aussetzbaren friedlichen Durchfahrt oder das der ebenfalls nicht suspendierbaren (Art. 44 Satz 2 SRÜ) Transitdurchfahrt genießen. Im Folgenden interessiert nur noch das Transitregime. Art. 38 (2) SRÜ definiert Transitdurchfahrt als die in Übereinstimmung mit Teil III erfolgende Ausübung der Freiheit der Schifffahrt und des Überflugs lediglich zum Zwecke des ununterbrochenen und zügigen Transits durch die Meerenge zwischen einem Teil der Hohen See oder einer AWZ und einem anderen Teil der Hohen See oder einer AWZ. Nach der sogenannten Singapur-Klausel (Art. 38 (2) Satz 2 SRÜ) schließt dies die Durchfahrt zu dem Zweck, einen Meerengenanliegerstaat aufzusuchen oder zu verlassen, nicht aus. Damit unterscheidet sich die Definition der Transitdurchfahrt nicht wesentlich von der der friedlichen Durchfahrt. Allerdings ist die Transitdurchfahrt nicht aussetzbar und umfasst anders als die friedliche Durchfahrt auch Durchflugs- und Untertauchrechte 369. Interessanter ist aber weniger die Transchen Straßen und die Straße von Åland. Siehe dazu Graf Vitzthum, The Baltic Straits, in Park (Hrsg.), The Law of the Sea in the 1980s, S. 537 ff., Plant, Navigation Regime in the Turkish Straits for Merchant Ships in Peacetime’, MP 20 (1996), S. 15–27, ders, The Turkish Straits and Tanker Traffic: an Update, MP 24 (2000), S. 193–214 und Scovazzi, Management Regimes and Responsibility for International Straits: With Special Reference to the Mediterranean Straits, MP 19 (1995), S. 137–152. Das Verhältnis zwischen dem SRÜ und noch nicht lange bestehenden internationalen Übereinkünften bestimmt sich nach Art. 311 SRÜ. 368 Die nicht verbindliche deutsche Übersetzung ist hier irreführend und spricht von „Meerengen, die das Küstenmeer eines Staates mit einem Teil der Hohen See oder mit der ausschließlichen Wirtschaftszone eines anderen Staates verbinden.“ Siehe dagegen den englischen Wortlaut: „straits [...] between a part of the high seas or an exclusive economic zone and the territorial sea of a foreign State“. Dabei bedeutet foreign State einen Staat, der jenseits der an die Meerenge angrenzenden Küstenstaaten gelegen ist, vgl. Nandan/Anderson, Straits Used vor International Navigation: A Commentary on Part III of the United Nations Convention on the Law of the Sea 1982, BYIL 60 (1989), S. 197. Der französische Wortlaut benutzt hier die Formulierung d’un autre État, der spanische verwendet den Ausdruck de otro Estado. 369 Vgl. Art. 39 (1) (c) u. (3) SRÜ.

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sitdurchfahrt als solche, sondern die mit ihr verbundenen Einschränkung der küstenstaatlichen Regelungs- und Durchsetzungsbefugnisse. Diese sind wie bei der friedlichen Durchfahrt davon abhängig, ob die Fahrt eines Schiffes als Transitdurchfahrt zu klassifizieren ist oder nicht 370. Anders als die Regeln über die friedliche Durchfahrt (Art. 18, 19 SRÜ) enthält Teil III SRÜ aber keine taxative Aufzählung von Tätigkeiten, bei deren Vornahme keine Transitpassage vorliegt. Unklar ist auch, welche genauen Rechtsfolgen der Verlust des Transitprivilegs hat. Art. 38 (3) SRÜ bestimmt, dass jede Tätigkeit (activity), die keine Ausübung des Rechts der Transitdurchfahrt durch eine Meerenge ist, den anderen anwendbaren Bestimmungen der Seerechtskonvention unterliegt. Daraus kann man folgern, dass ähnlich wie bei der friedlichen Durchfahrt nur die Vornahme einer Tätigkeit zum Verlust des Rechts der Transitdurchfahrt führt. Auch fällt auf, dass Art. 39 (1) lit. (a) bis (c) SRÜ den Art. 18 (2) und 19 (2) SRÜ ähneln. Das legt den Schluss nahe, dass die Vornahme einer Tätigkeit nach Art. 19 (2) SRÜ sowohl zu einem Verlust der Transitprivilegierungen als auch über Art. 38 (3) SRÜ zu einem Verlust des Rechts der friedlichen Durchfahrt führt, weil diese Schiffe dann wieder unter das „normale“ Küstenmeerregime fallen 371. Eine solche Auslegung wird durch die Untersuchungsergebnisse des Committee on Coastal State Jurisdiction over Marine Pollution der ILA gestützt. Das Committee hat die Staatenpraxis einer begrenzten Zahl von Meerengenanliegerstaaten ausgewertet und kam dabei zu der Erkenntnis, dass diese Staaten die Vornahme einer Tätigkeit, die die Durchfahrt eines Schiffes nichtfriedlich macht, auch als eine Tätigkeit ansehen, die keine Ausübung des Rechts der Transitdurchfahrt ist und deshalb in derartigen Fällen wie bei Art. 25 (1) SRÜ umfassende Durchsetzungsbefugnisse beanspruchen 372. Während mithin ein Schiff, das seinen Verpflichtungen aus Art.39 (1) lit. (a) bis (c) SRÜ nicht nachkommt, weder das Recht der Transitpassage noch das der friedlichen Durchfahrt beanspruchen kann und deshalb wegen Art. 25 (1) SRÜ der vollen Durchsetzungsgewalt eines Küstenstaates unterliegt 373, ist zweifelhaft, ob dies auch bei einem Verstoß gegen die übrigen Bestimmungen des Art. 39 SRÜ gilt. Art. 39 (1) (d) SRÜ zufolge müssen Schiffe die anderen einschlägigen Bestimmungen des Teil III SRÜ beachten. Das sind Art. 39 (2), 41 (7) und 42 (4) SRÜ. Die in diesen Artikeln enthaltenen Vorschriften zur Sicherheit auf See und routinemäßigen Verschmutzung wie Schifffahrtswege und Verkehrstrennungsgebiete sind aber im Vergleich zu den spezifischen Tätigkeiten des Art. 19 (2) SRÜ allesamt genereller Natur. Auch fallen 370 Im Detail ist hinsichtlich der Vorraussetzungen und Rechtsfolgen einer Nichttransitdurchfahrt vieles strittig, vgl. Molenaar, Coastal State Jurisdiction over Vessel-Source Pollution, S. 287–289. 371 Churchill/Lowe, The Law of the Sea, S. 107. 372 ILA Final Report (2000), S. 457–459. 373 Vgl. de Yturriaga, Straits Used for International Navigation. A Spanish Perspective, S. 201, und Commentary, Bd. II, S. 377.

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darunter statische Anforderungen wie CDEM-Standards, während sich Art. 38 (3) SRÜ ausdrücklich auf Tätigkeiten bezieht. Ein Verstoß gegen diese Bestimmungen kann daher nicht zu einem Verlust des Transitrechts führen, denn anderenfalls hätte ein Küstenstaat nach dem Transitregime weitergehende Hoheitsbefugnisse als nach der Ordnung der friedlichen Durchfahrt. Teil III SRÜ soll im Interesse der Navigationsfreiheit aber gerade die Befugnisse der Küstenstaaten beschränken 374. Zusammenfassend kann daher mit Blick auf die unfallbedingte Umweltverschmutzung durch Schiffe festgehalten werden, dass wie bei der friedlichen Durchfahrt weder ein Verstoß gegen CDEM-Standards, noch ein Nichtbeachten von Schifffahrtswegen, Verkehrstrennungsgebieten oder der Regeln von VTS- und Schiffsberichtssystemen geeignet ist, zu einem Verlust des Transitrechts zu führen. Nur eine vorsätzliche und schwere Verschmutzung ließe sich als eine Tätigkeit verstehen, die nicht unmittelbar mit Transit und friedlicher Durchfahrt zusammenhängt und deshalb den Küstenstaat nach Art. 38 (3), 25 (1) SRÜ zu allen erforderlichen Maßnahmen berechtigt, um eine solche Durchfahrt zu verhindern.

a) Regelungsbefugnisse Die Befugnis eines Meerengenanliegerstaates, Vorschriften zur Transitdurchfahrt durch Meerengen zu erlassen, ist abschließend im Katalog des Art.42 SRÜ geregelt. Nach Abs. (1) lit. (a) der Bestimmung ist der Meerengenanliegerstaat regelungsbefugt für die Bereiche the safety of navigation and the regulation of maritime traffic, as provided in article 41. Art. 41 (1) SRÜ erlaubt dem Meerengenanliegerstaat in Übereinstimmung mit Teil III SRÜ, für die Schifffahrt in Meerengen Schifffahrtswege festzulegen und Verkehrstrennungsgebiete (TSS) vorzuschreiben, wo es die sichere Durchfahrt der Schiffe (safe passage of ships) erfordert. Obwohl damit nur auf die Schiffssicherheit Bezug genommen wird, ist mit ähnlichen Argumenten wie bei Art. 22 (1) SRÜ davon auszugehen, dass Schifffahrtswege und TSS auch aus Umweltschutzgründen ausgewiesen werden dürfen, zumal in diesem Fall die besonderen materiellen und formellen Anforderungen des Art. 41 SRÜ ebenfalls zu beachten wären 375. In materieller Hinsicht bestimmt Abs. (3) der Vorschrift, dass Schifffahrtswege und TSS GAIRAS entsprechen müssen. Das sind die mit Regel V/10 SOLAS verbundenen General Provisions on Ships’ Routeing der IMO und die COLREG Regeln 1 (d) und 10 376. Die wichtigste formelle Anforderung ist, dass diese Verkehrsregelungsinstrumente der IMO zur Annahme vorgelegt werden müssen, bevor die 374 375

Molenaar, Coastal State Jurisdiction over Vessel-Source Pollution, S. 288 f. Zur engen Verbindung von Schiffssicherheit und Umweltschutz siehe auch Art.194(3)(b)

SRÜ. 376 General Provisions on Ships’ Routeing adopted by the Organization by resolution A.572 (14), as amended.

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Meerengenanliegerstaaten sie verbindlich machen dürfen. Allerdings kann die Organisation nur solche Schifffahrtswege und TSS annehmen, die mit den Meerengenanliegerstaaten vereinbart werden konnten, Abs. (4). Erstrecken sich die geplanten Maßnahmen auf die Gewässer von zwei oder mehr Meerengenanliegerstaaten, so arbeiten die betreffenden Staaten bei der Ausarbeitung der Vorschläge in Konsultation mit der IMO zusammen, Abs. (5). Dieses Zusammenspiel ist als kooperative Gesetzgebungskompetenz bezeichnet worden 377: Die Annahme der Verkehrssteuerungsinstrumente durch die IMO ist unverzichtbar. Über ihre konkrete Form muss sich aber mit den betroffenen Staaten geeinigt werden. Zweifelhaft ist, ob die Verweisung in Art. 42 (1) (a) SRÜ bedeutet, dass der Küstenstaat auf die in Art. 41 SRÜ genannten Instrumente (Schifffahrtswege, Verkehrstrennungsgebiete) beschränkt ist oder ob er hinsichtlich anderer navigatorischer Maßnahmen, wie Schiffsmeldesysteme und VTS, eine residuale Jurisdiktion besitzt, die ihm ermöglicht, diese Sicherheitsregelungen unabhängig von Art. 41 SRÜ unilateral zu erlassen. Das ist angesichts des Regelungszwecks von Teil III SRÜ, die Transitdurchfahrt außer den im Übereinkommen ausdrücklich vorgesehenen Fällen nicht zu behindern (Art. 38 (1) HS 1, 42 (2), 44 SRÜ), zu verneinen. Vielmehr zeigt die nach Art. 41 (4) SRÜ erforderliche IMO-Zustimmung gerade, dass einseitige Maßnahmen des Küstenstaates gänzlich ausgeschlossen sein sollen 378. Eine andere Frage ist, ob der Küstenstaat Schiffsmeldesysteme und VTS errichten darf, wenn dabei dem Verfahren des Art. 41 SRÜ gefolgt wird. Angesichts des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift können solche Maßnahmen jedoch nicht auf die Seerechtskonvention gestützt werden 379. Art. 42 (1) (b) SRÜ legt die Rechtsetzungskompetenz der Meerengenanliegerstaaten in Bezug auf die routinemäßige Verschmutzung durch Schiffe fest. Sie wird hier wegen ihres Zusammenhangs mit der Regelung der Umweltverschmutzung durch Schiffe durch Referenzbestimmungen kurz behandelt. Art. 42 (1) (b) SRÜ zufolge können Meerengenanliegerstaaten Vorschriften zur Transitdurchfahrt für die Verhütung, Verringerung und Überwachung der Verschmutzung durch Schiffe erlassen, indem sie den applicable international regulations über das Einleiten von Öl, ölhaltigen Abfällen und anderen schädlichen Stoffen in der Meerenge Wirksamkeit verleihen. Derartige internationale Vorschriften sind 377 Oxman, Environmental Protection in Archipelagic Seas and International Straits. The Role of the International Maritime Organization, in: LSIP 29 (1997), S. 281. 378 Roach, Environmental Protection in Archipelagic Seas and International Straits. Responsibilities and Rights of Other States, in: LSIP 29 (1997), S. 241. Für diese Schlussfolgerung spricht auch der Unterschied zwischen Art. 21 (4) SRÜ, der nur von laws and regulations spricht, und Art. 39 (2) (a), der auf international regulations Bezug nimmt. 379 Beachte, dass die Regel V/11 (9) SOLAS über Schiffsmeldesysteme anordnet, dass „Nothing in this regulation or its associated guidelines and criteria shall prejudice the rights and duties of Goverments under international law or the legal regime of straits used for international navigation and archipelagic sea lanes“. Eine ähnliche Bestimmung enthält Regel V/12 (5) SOLAS hinsichtlich VTS.

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in den Anlagen I und II MARPOL enthalten. Hat eine Materie keine internationale Regelung erfahren, dürfen die Staaten keine Vorschriften erlassen. Problematisch ist indes, was in diesem Kontext applicable bedeutet. Normalerweise wird der Begriff nur bei den Durchsetzungsbefugnissen eines Küstenstaates verwendet, während bei den Regelungsbefugnissen die Qualifikation generally accepted verwendet wird. Daraus könnte man schließen, dass applicable hier ähnlich wie in Art. 5 (2), (3), 9 (6) des UN-Registerübereinkommens zu verstehen ist und sich auf Konventionen bezieht, denen Flaggen- und Küstenstaat als Vertragspartei angehören 380. Die Folge wäre, dass ein Meerengenanliegerstaat bei der Verbindlichmachung von MARPOLStandards danach differenzieren müsste, ob der jeweilige Flaggenstaat Vertragspartei von MARPOL ist und dies, obwohl der Flaggenstaat über die indirekte Bindungswirkung der Referenzbestimmung generally accepted international regulations, procedures and practices in Art. 39 (2) SRÜ verpflichtet ist, die in COLREG, SOLAS und MARPOL enthaltenen Standards zu befolgen. Regelungspflicht der Flaggenstaaten und Regelungsmacht der Küstenstaaten entsprächen sich also nicht. Zudem würde eine solche Auslegung zu dem eigenartigen Ergebnis führen, dass ein Küstenstaat über ein Schiff in seiner AWZ nach Art. 211 (5) SRÜ weitergehende Regelungsbefugnisse besitzt als in seinem Küstenmeer, in dem das Transitregime Anwendung findet 381. Um diese Unstimmigkeiten zu vermeiden, ist applicable in Art. 42 (1) (b) SRÜ wie generally accepted zu interpretieren 382. Zwar erhielt ein spanischer Vorschlag 383, applicable durch generally accepted zu ersetzen, nicht die nötige Zweidrittelmehrheit, doch beruhte dies weniger auf Gründen, die mit dem Vorschlag selbst zu tun hatten, als mehr auf der prinzipiellen Abneigung vieler Delegationen, das Verhandlungspaket noch einmal aufzuschnüren 384. Das Scheitern der spanischen Initiative sollte deshalb einer in sich logischen und geschlossenen Interpretation der Konvention nicht im Wege stehen, auch wenn dies sicherlich an der Grenze des Wortlauts ist 385. Die Vorschriften, die die Staaten nach Art. 42 (1), 41 SRÜ erlassen, unterliegen der Schranke des Art. 42 (2) SRÜ, d. h. sie dürfen fremde Schiffe untereinander weder rechtlich noch tatsächlich diskriminieren und ihre Anwendung darf im Ergebnis nicht eine Verweigerung, Behinderung oder Beeinträchtigung des Rechts der Transitdurchfahrt bewirken. Art. 44 SRÜ bekräftigt diese Verpflichtung in allgemeinerer Form und ist primär auf Durchsetzungsmaßnahmen des Küstenstaates anzuwenden. 380 Ringbom, Environmental Protection and Shipping – Prescriptive Coastal State Jurisdiction in the 1990’s, marius 224, S. 27. 381 Molenaar, Coastal State Jurisdiction over Vessel-Source Pollution, S. 292 f. 382 Ebenda, S. 338 f. 383 UN Doc. A/CONF.62/L.136, 28.04.1982, Official Records, XVI, S. 243. 384 de Yturriaga, Straits Used for International Navigation. A Spanish Perspective, S. 177. 385 Oxman, Environmental Protection in Archipelagic Seas and International Straits. The Role of the International Maritime Organization, in: LSIP 29 (1997), S. 279.

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Wie Art. 24 (1) SRÜ statuiert Art. 42 (2) SRÜ ein allgemeines Diskriminierungsverbot und unterwirft die küstenstaatliche Gesetzgebung einer Vernünftigkeits- bzw. Angemessenheitskontrolle. Indes sind, anders als im Fall des Art. 24 (1) SRÜ, die Rechtsakte, die der Küstenstaat erlassen darf, bereits auf die ein oder andere Weise international sanktioniert worden. Dass solche Vorschriften die Transitdurchfahrt unangemessen beeinträchtigen, ist daher kaum denkbar. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass ein Meerengenanliegerstaat gegenüber Schiffen, die das Recht der Transitdurchfahrt ausüben, nur sehr eingeschränkt regelungsbefugt ist. Seine präskriptive Jurisdiktion ist auf Schifffahrtswege, TSS und bestimmte Einleitungen beschränkt. Übt er sie aus, ist er an internationale Standards gebunden und von der IMO abhängig. Jegliches einseitiges Vorgehen ist ihm verwehrt. Da das Meerengenregime der Montego-Bay-Konvention damit strikter als TSC oder Gewohnheitsrecht ist, können seine Regelungen erga omnes angewendet werden 386. b) Durchsetzungsbefugnisse Teil III SRÜ enthält keine Rechtsgrundlage für Durchsetzungsmaßnahmen des Küstenstaates in Meerengen, in denen das Transitregime Anwendung findet. Bereits festgestellt wurde, dass ein Meerengenanliegerstaat gegenüber Schiffen auf nichtfriedlicher Nichttransitdurchfahrt nach Art. 38 (3), 25 (1) SRÜ umfassende Durchsetzungsbefugnisse besitzt und alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen kann, um eine solche Durchfahrt zu verhindern. Darüber hinaus räumt Art. 233 SRÜ den Meerengenanliegerstaaten Durchsetzungsjurisdiktion ein. Zwar ist primäres Regelungsziel der im 7. Abschnitt (Schutzbestimmungen) des Teil XII SRÜ enthaltenen Vorschrift, die Umweltschutzregeln der Abschnitte 5 bis 7 Teil XII SRÜ für nicht anwendbar zu erklären. Hat jedoch ein fremdes Schiff, das keine Staatenimmunität nach Art. 236 SRÜ genießt, einen Verstoß gegen die in Art. 42 (1) (a–b) SRÜ genannten Gesetze und sonstigen Vorschriften begangen, durch den ein schwerer Schaden (major damage) für die Meeresumwelt der Meerengen entstanden ist oder zu entstehen droht, so bestimmt Art. 233 Satz 2 SRÜ, dass die Meerengenanliegerstaaten geeignete Durchsetzungsmaßnahmen (appropriate enforcement measures) ergreifen können. Dabei haben sie die Schutzbestimmungen des Abschnitts 7 Teil XII SRÜ sinngemäß zu beachten. Verglichen mit den Durchsetzungsbefugnissen eines Küstenstaates in seinem Küstenmeer nach Art. 220 (2) SRÜ, ist Art. 233 SRÜ wesentlich restriktiver. Der Verstoß gegen Schifffahrtswege, TSS, Einleitungsbestimmungen oder möglicherweise auch gegen nach dem Art. 41-Verfahren errichtete Schiffsmeldesysteme allein reicht nicht aus, sondern die Rechtsverletzung muss zu einem bestimmten Ergebnis (major damage) führen oder zu führen drohen, damit die Eingriffsschwelle erreicht 386

IMO-UNCLOS-Implications-Studie, S. 11.

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ist. Diese Schwelle ist derart hoch, dass häufig auch das Interventionsrecht nach Art. 221 SRÜ gegeben sein dürfte 387. Ist sie überschritten, stehen dem Staat sämtliche geeigneten Durchsetzungsmaßnahmen zur Verfügung, angefangen vom bloßen Auskunftsverlangen bis hin zu Überprüfungen an Bord, Festhalten und Einleiten eines Verfahrens 388. Insofern besteht Ähnlichkeit mit den Befugnissen des Küstenstaates in seiner AWZ nach Art. 220 (6) SRÜ, der ebenfalls einen schweren Schaden für bestimmte Interessen eines Küstenstaates fordert. Allerdings kann der Meerengenanliegerstaat, anders als beim AWZ-Durchsetzungsregime (Art. 220 (3)–(6) SRÜ), vor Eintritt eines schweren Schadens nicht einmal Auskünfte verlangen, es sei denn im Rahmen eines von der IMO angenommenen Schiffsmeldesystems. Die Verpflichtung aus Art. 44 SRÜ, die Transitdurchfahrt nicht zu behindern, steht Maßnahmen nach Art. 233 SRÜ nicht entgegen, denn die Vorraussetzungen für ein Eingreifen wurden bereits in dieser Vorschrift sehr eng gefasst. Die Frage nach der Angemessenheit eines Vorgehens stellt sich daher mehr als Frage des Wie als des Ob. Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass auch bei den Durchsetzungskompetenzen des Meerengenanliegerstaates die Balance zwischen Schifffahrtsfreiheit und Umweltschutz stark zugunsten der Schifffahrtsfreiheit ausgefallen ist. Für die Schiffssicherheit bedeutet dies, dass dem Küstenstaat nur in außergewöhnlichen Fällen, in denen es häufig bereits zu spät sein dürfte, von der Umwelt Schaden abzuwenden, erlaubt ist, seine Sicherheitsvorschriften durchzusetzen. Angesichts der strikten Bindungen der begrenzten küstenstaatlichen Regelungsbefugnisse an die internationale Ebene, ist das kaum gerechtfertigt. Auch wenn die liberale SRÜ-Meerengenregelung grundsätzlich zu begrüßen ist, weil sie vom Verzonungs- und Territorialisierungstrend der Seerechtsentwicklung der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts abweicht 389, taugt sie angesichts des Fehlens internationaler Durchsetzungsmechanismen, die das Jurisdiktionsvakuum bei der Durchsetzung internationaler Standards füllen könnten, nicht als Modell eines gelungenen Rückbaus nationaler Hoheitsbefugnisse zugunsten funktionaler Internationalisierung. 4. Ausschließliche Wirtschaftszone Die AWZ ist ein jenseits des Küstenmeeres gelegenes und an dieses angrenzendes Gebiet, das sich bis zu einer Breite von 200 sm von der Basislinie erstreckt, Art. 55, 57 SRÜ 390. Sie ist durch einseitige Erklärung des Küstenstaates zu errichten, der da387 Art. 34 (2) SRÜ zufolge werden die Hoheitsbefugnisse der Meerengenanliegerstaaten nach Maßgabe des Teil III SRÜ und der sonstigen Regeln des Völkerrechts ausgeübt. 388 Molenaar, Coastal State Jurisdiction over Vessel-Source Pollution, S. 296. 389 Dazu Graf Vitzthum, Raum und Umwelt im Völkerrecht, in: ders. (Hrsg.), Völkerrecht, 5. Abschn., Rn. 48 und Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, S. 495 f. 390 Nicht behandelt wird hier die in Art. 33 SRÜ geregelte, an das Küstenmeer angrenzende und sich teilweise mit der AWZ überschneidende Anschlusszone. Sie ist, gemessen von der Basislinie aus, maximal 24 sm breit. Die Anschlusszone gehört nicht zum Staatsgebiet des Küs-

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durch aber kein Staatsgebiet erwirbt 391. Vielmehr ist die AWZ ein bloßer Funktionshoheitsraum 392, eine Zone sui generis, in der der Küstenstaat einzelne, final begründete und begrenzte souveräne Rechte zum Zweck der Erforschung und Ausbeutung, Erhaltung und Bewirtschaftung der lebenden und nicht lebenden natürlichen Ressourcen, also der Fischerei und der Offshore-Gewinnung von Öl und Gas, sowie Hoheitsbefugnisse in Bezug auf die Errichtung von künstlichen Inseln und den Schutz und die Bewahrung der Meeresumwelt hat, Art. 55, 56 SRÜ 393. Die mit der ausschließlichen Wirtschaftszone geschaffene Rechtsordnung ist ein Kompromiss zwischen den Staaten, die ein 200-sm-Küstenmeer beanspruchten, und denen, die an einem schmalen Küstenmeer (mit allenfalls einer Fischereischutzzone) festhalten wollten. Im Kern ging es bei den Verhandlungen über die AWZ auf der dritten Seerechtskonferenz um die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen der marinen Gebiete, die den Küstenstaaten vorbehalten werden sollte. Umweltschutzüberlegungen spielten allenfalls eine sekundäre Rolle 394. Bei der Ausübung seiner Interessen in der AWZ hat der Küstenstaat gebührend die Rechte dritter Staaten zu berücksichtigen, die in dieser Zone die in Art. 87 SRÜ genannten Hohe-See-Freiheiten der Schifffahrt, des Überflugs und der Verlegung unterseeischer Kabel und Rohrleitungen sowie andere völkerrechtlich zulässige, mit diesen Freiheiten zusammenhängende Nutzungen des Meeres genießen, Art. 56 (2), 58 SRÜ. Entscheidend für die Balance zwischen Schifffahrtsfreiheit und Umweltschutz sind aber nicht diese allgemeinen Bestimmungen, sondern die Regeln des Teil XII tenstaates, sondern muss proklamiert werden. In ihr hat der Küstenstaat vor allem polizeiliche Kontrollrechte zur Verhinderung und Ahndung von Verstößen gegen seine Finanz-, Einreiseoder Gesundheitsvorschriften. In Bezug auf die routine- und unfallbedingte Umweltverschmutzung durch Schiffe gewährt sie dem Küstenstaat aber keine über dessen Jurisdiktion in der AWZ hinausgehenden Regelungs- und Durchsetzungsbefugnisse und ist damit für den vorliegenden Untersuchungsgegenstand irrelevant. 391 Art. 58 (2) SRÜ verdeutlicht den Ausschluss jeglicher territorialer Ansprüche über die AWZ, indem die Vorschrift ausdrücklich auf das in Art.89 SRÜ niedergelegte Verbot verweist, irgendeinen Teil der Hohen See, und dementsprechend der AWZ, staatlicher Souveränität zu unterstellen. 392 Graf Vitzthum, Raum und Umwelt im Völkerrecht, in: ders. (Hrsg.), Völkerrecht, 5. Abschn., Rn. 49–54. 393 Die funktionelle Begrenztheit der staatlichen Hoheitsrechte in der AWZ beschäftigte den ISGH im Fall M/V „Saiga“ (St. Vincent and the Grenadines v Guinea), Urteil vom 01.07.1999 (Case No 2), ILM 38 (1999), S. 1323, im Hinblick auf die Frage, ob nationale Zollgesetze dort Geltung entfalten (ibid, S. 1350 ff.). 394 Hakapää, Marine Pollution, S. 289. Ausschließliche Wirtschaftszonen sind von einigen Staaten schon während der Dritten Seerechtskonferenz ab Mitte der siebziger Jahre errichtet worden, von der Bundesrepublik Deutschland erst 1994 (BGBl. 1994 II 3770). Bereits im Tunisia/Libya Continental Shelf Case, ICJ Reports 1982, Ziff. 100, und im Gulf of Maine Case, ICJ Reports 1984, Ziff. 94, hatte der IGH angemerkt, dass das Institut der AWZ auch gewohnheitsrechtlich anerkannt sei, so dass es schon vor dem Inkrafttreten des SRÜ einen Bestandteil des allgemeinen Völkerrechts bildete.

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SRÜ. Soweit sie einen integralen Bestandteil der besonderen Rechtsordnung der AWZ bilden, sind sie leges speciales. Art. 56 (b) (iii) SRÜ spricht beispielsweise nur von Hoheitsbefugnissen in Bezug auf den Schutz und die Bewahrung der Meeresumwelt, wie sie in den diesbezüglichen Bestimmungen des Übereinkommens vorgesehen sind. Er räumt damit den Küstenstaaten hinsichtlich der unfall- und routinebedingten Verschmutzung durch Schiffe gegenüber Teil XII SRÜ kein Mehr an Rechtsmacht ein 395. Angesichts der detaillierten Regelungen des Teil XII ist für den vorliegenden Untersuchungsgegenstand auch Art. 59 SRÜ, der zu einer Billigkeitslösung in Fällen auffordert, in denen die Montego-Bay-Konvention weder dem Küstenstaat noch anderen Staaten Rechte oder Hoheitsbefugnisse in der AWZ zuweist, von geringer Relevanz. Während das Institut der ausschließlichen Wirtschaftszonen als solches schon Anfang der achtziger Jahre vom IGH zum allgemeinen Völkerrecht gerechnet wurde 396, ist die gewohnheitsrechtliche Geltung seiner konkreten Ausgestaltung durch die Montego-Bay-Konvention in einzelnen Detailpunkten noch nicht nachgewiesen. Das gilt auch für die ausgesprochen komplizierte und artifizielle Regelungen der Verschmutzung durch Schiffe 397. a) Regelungsbefugnisse Die Regelungsbefugnis des Küstenstaates in der AWZ bestimmt sich nach Art. 211 (5) SRÜ. Danach können (may) Küstenstaaten zum Zweck der Durchsetzung nach Abschnitt 6, Teil XII SRÜ für ihre AWZ Vorschriften zur Verhütung, Verringerung und Überwachung der Verschmutzung durch Schiffe erlassen, die im Rahmen der IMO oder einer allgemeinen diplomatischen Konferenz aufgestellten GAIRAS entsprechen und diesen Wirksamkeit verleihen. Das Ob des Tätigwerdens ist mithin in das Ermessen des Küstenstaates gestellt. Entscheidet sich ein Staat, von seiner Regelungsbefugnis Gebrauch zu machen, hat er hinsichtlich des Inhalts seiner nationalen Rechtsakte keinen Gestaltungsspielraum, sondern ist auf die Umsetzung der allgemein anerkannten Regeln und Standards beschränkt. Ist eine Materie noch nicht durch GAIRAS geregelt worden, so besitzt der Küstenstaat keine Regelungszuständigkeit. Anders als im Küstenmeer, gilt dies nicht nur für CDEM-Bestimmungen (Art. 21 (2) SRÜ), sondern im Interesse weltweit einheitlicher Schifffahrtsstandards für sämtliche Vorschriften zur Verhütung, Verringerung und Überwachung der Verschmutzung durch Schiffe 398. Diese Vorschriften können allerdings durchaus regional unterschiedlich Regelungen treffen, wenn damit allgemein anerSiehe auch Art. 56 (1) (c) SRÜ und Art. 58 (1) letzter Teilsatz SRÜ. Ibid. 397 Churchill/Lowe, The Law of the Sea, S. 161 f. 398 Beachte den Unterschied zu Art. 21 (1) (f) SRÜ, der wesentlich allgemeiner von „the preservation of the environment of the coastal State and the prevention, reduction and control of pollution thereof“ spricht. 395 396

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kannten internationalen Standards Wirksamkeit verliehen wird. Denn GAIRAS können geographisch variieren: In MARPOL-Sondergebieten sind Einleitungsstandards beispielsweise strenger als außerhalb solcher Gebiete. Entscheidend ist, dass der Standard allgemein anerkannt ist, nicht dass er universell gilt. Regelungszweck der internationale Standards umsetzenden küstenstaatlichen Gesetzgebung muss die Verhütung, Verringerung und Überwachung der Verschmutzung durch Schiffe sein, beispielsweise durch Verbindlichmachung der Doppelhülle nach Regel I/13F-13G MARPOL. Darunter lassen sich grundsätzlich auch navigatorische Schutzvorkehrungen wie Schiffswegeführungen- und Meldesysteme subsumieren, zumal Art. 211 (1) SRÜ Schiffswegeführungen explizit als ein Instrument zum Schutz der Umwelt nennt. Problematisch war dabei vor der Novellierung des Kapitel V SOLAS durch MSC.31(63) und MSC.46(65) nur, diese Maßnahmen unter das Tatbestandsmerkmal generally accepted zu subsumieren. Denn anders als beispielsweise Einleitungsstandards, müssen sowohl Verkehrstrennungsgebiet als auch Schiffswegeführungen und VTS für ein spezielles, räumlich genau begrenztes Gebiet errichtet werden. Das Seerechtsübereinkommen erkennt diesen Unterschied auch an, indem es die Errichtung solcher Verkehrssicherungsinstrumente in Meerengen (Art. 41 (4) SRÜ), Archipelschifffahrtswegen (Art. 53 (9) SRÜ) und besonderen Gebieten nach Art. 211 (6) SRÜ von ihrer Annahme durch die IMO abhängig macht. Nur im Küstenmeer ist der Küstenstaat nach Art. 21 (1), 22 SRÜ berechtigt, unilateral vorzugehen 399. Die Novellierung des Kapitels V SOLAS beendete diese Unsicherheit, indem es mit Regeln V/8 und V/8-1 SOLAS (nach IMO Resolution MSC.99(73) jetzt Regeln V/10 und V/11 SOLAS) verbindliche Schiffswegeführungen und Schiffsmeldesysteme, nicht aber VTS, zulässt, wenn die IMO diesen zustimmt. Damit stellt sich die Frage, ob von der IMO angenommene Schiffswegeführungen und -meldesysteme GAIRAS sind. Dagegen spricht der schon oben angesprochene Unterschied zwischen Navigationsregelungen auf der einen und Einleitungs- und CDEM-Standards auf der anderen Seite. Auch sieht Art. 211 (5) SRÜ gerade keine Zustimmungsrolle für die competent international organization vor, sondern statuiert lediglich die Bindung der unabhängig ausgeübten küstenstaatlichen Regelungsbefugnis an allgemein anerkannte internationale Regeln und Standards. Dennoch sollen hier von der IMO angenommene Schiffswegeführungen und -meldesysteme mit dem (rechtspolitischen) Argument als GAIRAS angesehen werden, dass anderenfalls mit Regeln V/10 und V/11 SOLAS-Schiffssicherheitsinstrumente geschaffen würden, die nicht unmittelbar innerhalb des SRÜ-Rahmens operieren und dadurch zumindest partiell die Montego-Bay-Konvention ihrer Funktion 399 Plant, International Traffic Separation Schemes in the New Law of the Sea, MP 9 (1985), S. 145 u. 332, ist der Ansicht, dass es den Küstenstaaten dennoch frei steht, nichtverbindliche Verkehrstrennungsgebiete in ihrer AWZ zu errichten. Zur damaligen Diskussion siehe IMO Docs. LEG 67/8/1, LEG 67/9, Ziff. 124–139 und LEG 68/11, Ziff. 69–82.

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als Regelungsrahmen für die Umweltverschmutzung durch Schiffe berauben könnten 400. Zudem gelten nur GAIRAS wegen der gewohnheitsrechtlichen Verankerung der Referenzbestimmungen des SRÜ erga omnes. Klassifizierte man Schiffswegeführungen und -meldesysteme nicht als GAIRAS, wären Staaten, die nicht Vertragspartei von SOLAS sind, nicht verpflichtet, diese Systeme in der AWZ zu beachten, denn nur GAIRAS binden indirekt auch Staaten, die nicht Partei der entsprechenden technischen Konvention sind. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Regelungsbefugnis des Küstenstaates in der AWZ sehr begrenzt und strikt an die internationale Ebene gebunden ist. In nationalen Vorschriften kann lediglich GAIRAS Wirksamkeit verliehen werden. Von den internationalen Vorschriften abweichende, unilaterale Regelungen sind nicht möglich. Schiffsmeldesysteme und Schiffswegeführungen, die von der IMO auf Grundlage der Regeln V/10 und V/11 SOLAS in Verbindung mit den einschlägigen Richtlinien der Organisation 401 angenommen wurden, sind GAIRAS und gelten erga omnes. b) Durchsetzungsbefugnisse Die Durchsetzungsbefugnisse des Küstenstaates für Verstöße gegen Vorschriften zur Verhütung, Verringerung und Überwachung der Verschmutzung durch Schiffe in der AWZ sind in Art. 220 (3), (5) u. (6) SRÜ geregelt, der bei der Umweltverschmutzung durch Schiffe lex specialis zu Art. 73 SRÜ ist 402. Die Bestimmung schafft ein kompliziertes, gestuftes Durchsetzungsregime, in dem die unterschiedlich stark in die Schifffahrtsfreiheit eingreifenden Durchsetzungsmittel (Auskunftsanspruch, Überprüfung an Bord, Einleiten eines Verfahrens bei Zurückhaltung des Schiffes) primär von der Schwere des drohenden oder bereits eingetretenen Schadens abhängig gemacht werden. Allen drei Absätzen ist gemeinsam, dass der Verstoß in der AWZ erfolgt sein muss. Die Befugnisse werden nicht dadurch weiter, dass sich das Schiff im Zeitpunkt der Durchsetzungsmaßnahme im Küstenmeer aufhält. Art. 220 (3) SRÜ ist wie ein Grundtatbestand formuliert. Der Bestimmung zufolge kann ein Küstenstaat, wenn eindeutige Gründe (clear grounds) für die Annahme bestehen, dass ein in der AWZ oder im Küstenmeer fahrendes Schiff in der ausschließlichen Wirtschaftszone gegen AIRAS zur Verhütung, Verringerung und ÜberwaMolenaar, Coastal State Jurisdiction over Vessel-Source Pollution, S. 364 f. Für Schiffsmeldesysteme: IMO Resolution MSC.43(64), as amended by IMO Resolution MSC.111(73) sowie die General Principles for Ship Reporting Systems and Ship Reporting Requirements, including Guidelines for Reporting Incidents involving Dangerous Goods, Harmful Substances and/or Marine Pollutants, adopted by the Organization by IMO Resolution A.851(20). Für Schiffswegeführungen: General Provisions on Ships’ Routeing (IMO Resolution A.572(14), as amended). 402 ILA Final Report (2000), S. 462. 400 401

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chung der Verschmutzung durch Schiffe oder gegen die solchen Regeln und Standards entsprechenden und ihnen Wirksamkeit verleihenden Vorschriften des Staates verstoßen hat, das Schiff auffordern, Angaben über seine Identität, seinen Registerhafen, seinen letzten und nächsten Anlaufhafen und andere sachdienliche Angaben zu machen, die erforderlich sind, um festzustellen, ob ein Verstoß erfolgt ist. Verstöße gegen Einleitungs- und CDEM-Standards können so jedenfalls durchgesetzt werden. Da aber auch Schiffswegeführungen und -berichtssysteme der Verhütung, Verringerung und Überwachung der Verschmutzung durch Schiffe dienen, hat der Küstenstaat bei Missachtung der für das jeweilige System geltenden Regelungen ebenfalls einen Auskunftsanspruch, wenn man diese von der IMO angenommenen verbindlichen Instrumente mit der hier vertretenen Auffassung als GAIRAS im Sinne des Art. 211 (5) SRÜ ansieht 403. Das ändert freilich bei Schiffsmeldesystemen in der AWZ nichts an dem unbefriedigenden Ergebnis, dass außer bei einem Seeunfall keine veritablen Sanktionsmöglichkeiten bestehen, solange das Schiff nicht einen Hafen des Küstenstaates anläuft. Denn die statthafte Durchsetzungsmaßnahme für unterbliebene Meldungen ist lediglich ein erneutes Informationsverlangen. Allerdings können bei der Durchsetzung nach Art. 220 (3) SRÜ unter Umständen weitergehende Auskünfte verlangt werden als im Rahmen des Schiffsmeldesystems. Der Auskunftsanspruch nach Art. 220 (3) SRÜ wird dadurch flankiert, dass Art. 220 (4) SRÜ die Flaggenstaaten verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen, damit ihre Schiffe dem küstenstaatlichen Informationsersuchen Folge leisten. Nach Erhalt der erforderlichen Angaben kann der Küstenstaat beim Flaggenstaat schriftlich eine Überprüfung des Falles beantragen. Letzterer ist gemäß Art. 217 (6), (7) SRÜ verpflichtet, eine Untersuchung und, bei ausreichender Beweislage, unverzüglich ein gerichtliches Verfahren durchzuführen und den Küstenstaat sowie die IMO von deren Ausgang zu unterrichten. Weitergehende Maßnahmen kann der Küstenstaat nach den Qualifikationen der Abs. (5) und (6) nur ergreifen, wenn die Rechtsverletzungen zu einem bestimmten Ergebnis geführt haben. Bei Abs. (5) müssen eindeutige Gründe für die Annahme bestehen, dass der Verstoß nach Abs. (3) zu einem beträchtlichen Einleiten (substantial discharge) führt, das eine erhebliche Verschmutzung der Meeresumwelt (significant pollution) verursacht oder zu verursachen droht. Zudem muss sich das Schiff geweigert haben, Angaben zu machen bzw. seine Angaben müssen mit der tatsächlichen Lage offensichtlich nicht übereinstimmen. Nur dann kann der Staat, um festzustellen, ob ein Verstoß vorliegt, eine Überprüfung an Bord des Schiffes durchführen, wenn die Umstände des Falles eine solche Überprüfung rechtfertigen. Noch strengere Vorraussetzungen sind zu erfüllen, bevor ein Küstenstaat Durchsetzungsmaßnahmen nach Abs. (6) ergreifen, d. h., wenn die Beweislage dies recht403

Ebenso Molenaar, Coastal State Jurisdiction over Vessel-Source Pollution, S. 386.

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fertigt, ein eigenes Verfahren einleiten und das Schiff zurückhalten, kann. Zunächst bedarf es nicht nur eindeutiger Gründe, sondern eines eindeutig objektiven Beweises (clear objective evidence) für einen Verstoß nach Abs. (3), der zu einem Einleiten führt. Zudem muss die Zuwiderhandlung schwere Schäden für die Küste oder damit zusammenhängender Interessen des Küstenstaates oder für Ressourcen seines Küstenmeeres oder seiner AWZ verursachen oder zu verursachen drohen. Überdies muss der Küstenstaat bei der Durchführung von Inspektionen und Gerichtsverfahren die Verfahrensgarantien des Teil XII Abschnitt 7 SRÜ einhalten. Die zahlreichen Bedingungen, von denen ein Eingreifen des Küstenstaates in der Wirtschaftszone abhängig ist, machen deutlich, dass die Flaggenstaaten ihr Interesse an einer möglichst ungehinderten Durchfahrt gegenüber den küstenstaatlichen Kompetenzansprüchen weitgehend durchsetzen konnten 404. Im Regelfall steht dem Küstenstaat nur ein Auskunftsanspruch zu, während Ermittlung und Strafverfahren ausschließlich dem Flaggenstaat vorbehalten sind. Selbst dieser Anspruch ist nur bei Vorliegen eindeutiger Gründe gegeben. Paradox daran ist, dass clear grounds gerade bei Einleitungen und Verstößen gegen CDEM-Bestimmungen häufig erst nach Vornahme einer Überprüfung an Bord vorliegen werden. Zudem sind über das bloße Auskunftsverlangen des Küstenstaates hinausgehende Durchsetzungsmaßnahmen erst möglich, wenn es infolge des Verstoßes zu einem Einleiten gekommen ist. Obwohl sich darunter auch Fälle subsumieren lassen, in denen eine Verletzung von CDEM-Standards für das Einleiten ursächlich ist, bietet Art. 220 SRÜ keine geeignete Handhabe, um gegen Rostkübel auf See vorzugehen 405. Schließlich wird ein Missachten der Regeln von Schiffswegeführungen und Schiffsmeldesystemen, das zu einem Einleiten führt, regelmäßig als Seeunfall oder damit zusammenhängende Handlungen zu qualifizieren sein, die den Küstenstaat zur Ausübung seiner viel weitergehenden Befugnisse nach Art. 221 SRÜ berechtigt 406. Insbesondere erlaubt das Interventionsrecht, einem Havaristen den Zugang zur AWZ zu verweigern bzw. das Schiff der Wirtschaftszone zu verweisen 407. Auch in dieser Konstellation ist Art. 220 SRÜ folglich kaum geeignet, für Sicherheit auf See zu sorgen. Freilich hängt wegen des völkerrechtlichen Grundsatzes der Selbstbeurteilung vieles davon ab, wie der Küstenstaat unbestimmte Rechtsbegriffe wie clear grounds, substantial discharge, significant pollution, clear objective evidence und major damage auslegt 408, doch werden de facto viele küstenstaatliche 404 König, Durchsetzung internationaler Bestands- und Umweltschutzvorschriften auf Hoher See im Interesse der Staatengemeinschaft, S. 163. 405 Molenaar, ibid. 406 Der WWF und die IUCN treten bei Verstößen gegen verbindliche Schiffswegeführungen für folgende Durchsetzungsmaßnahmen ein (IMO Doc. MEPC 38/7/2, Ziff. 16): Überprüfung an Bord, Zurückhalten des Schiffes und Einleiten eines Verfahrens. 407 Molenaar, ibid, S. 388. 408 Allerdings unterliegt seine Rechtsausübung der obligatorischen Streitentscheidung gemäß Art. 297 (1) SRÜ, sodass seine Handhabung von Durchsetzungskompetenzen der gerichtlichen Kontrolle zugänglich ist. In keinem der 11 Fälle, die der ISGH bisher zu entscheiden

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Regelungen wie die Doppelhülle nach Regeln I/13F und I/13G MARPOL in der AWZ kaum durchsetzbar sein. Ohnehin fragt sich, ob die in Art. 220 (3), (5), (6) SRÜ vorgesehenen Durchsetzungsmaßnahmen sachgerecht sind. Inspektionen auf dem offenen Meer erhöhen die Sicherheitsgefahr eher, denn dass sie sie mindern. In der Praxis greifen die Staaten auf die komplizierten und artifiziellen Befugnisnormen kaum zurück, sondern ziehen die Durchsetzung von AWZ-Verstößen während eines freiwilligen Aufenthaltes des Schiffs im Hafen vor 409. Diese Durchsetzung im Hafen kann aber die rudimentären Durchsetzungsbefugnisse des Küstenstaates auf See nicht immer kompensieren. Es sind Fälle denkbar, in denen ein Küstenstaat ein legitimes Interesse daran hat, ein Schiff, das gefährliche Güter transportiert, seiner AWZ zu verweisen. Die Montego-Bay-Konvention bietet ihm aber unterhalb der Schwelle des Interventionsrechts mit Art. 220 SRÜ allenfalls eine Rechtsgrundlage dafür, das Schiff in seinen Hafen zu schleppen und zurückzuhalten. Das wird den Interessen eines Küstenstaates kaum gerecht, der das Schiff in erster Linie gar nicht in seinen Gewässern haben wollte. Gerade weil der Ansatz des Seerechtsübereinkommens, im Interesse universell einheitlicher Standards die Ausübung der küstenstaatlichen Regelungsjurisdiktion in ehemals Hohe-See-Gebieten an internationale Regeln zu binden, zu begrüßen ist, erscheint diese Zurückhaltung bei den Durchsetzungsbefugnissen, in denen sich die Regelungsbefugnisse der Küstenstaaten nur unzureichend widerspiegeln, nicht angebracht. Die Staatenpraxis bietet wenig Anhaltspunkte dafür, dass die Nuancen des AWZ-Durchsetzungsregimes mehr als paper tiger law geworden wären. Vielmehr scheinen einige Staaten für sich das Recht in Anspruch zu nehmen, bestimmte Schiffe notfalls auch ihrer Wirtschaftszone zu verweisen 410. hatte, bot sich allerdings für das Gericht die Gelegenheit, zur Umweltverschmutzung durch Schiffe Stellung zu nehmen. Die meisten Verfahren betrafen das eigenständige Schifffreigabeverfahren nach Art. 292 SRÜ. Aufgabe des Gerichtshofs in diesen Fällen ist es allein zu prüfen, ob das festgenommene Schiff gegen Sicherheitsleistung freizugeben ist. Vgl. dazu Wolfrum, Billigflaggen-Schadensersatz-Nachteile: Fragen an den Internationalen Seegerichtshof, ZeuS 3 (2000), S. 3, und ders., Provisional Measures of the International Tribunal for the Law of the Sea, IJIL 37 (1997), S. 420–434 (zu der vom Schifffreigabeverfahren zu unterscheidenden einstweiligen Anordnung). 409 Molenaar, ibid, S. 397–399. 410 Vgl. die Zusammenstellung der Staatenpraxis bei Molenaar, ibid, S. 389–396. Am weitesten scheint hier Spanien zu gehen, dessen Gesetzgebung erlaubt, Tankschiffe unter bestimmten Umständen zum Verlassen der AWZ aufzufordern. Nach der Prestige-Katastrophe hatten Spanien und Frankreich angekündigt, Einhüllentanker, die keine ausreichenden Sicherheitsgarantien nachweisen können, notfalls in eine 200 Seemeilen von der Küste entfernte Zone „auszuweisen“, FAZ v. 28.11.2002, Nr. 277, S. 9. Sollte dies auch Tanker betreffen, die nach den Übergangsfristen der Regel I/13G MARPOL noch im Verkehr sein dürfen, wäre diese Praxis auf jeden Fall völkerrechtswidrig. Den Zugang zu seinen Häfen hat Spanien Einhüllentankern, die Schweröl transportieren, jedenfalls bereits verboten und dies auch der IMO notifiziert, vgl. MEPC/Circ.402 vom 15.01.2003.

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5. Hohe See Art. 86 Satz 1 SRÜ definiert die Hohe See negativ als alle Teile des Meeres, die nicht zur AWZ, zum Küstenmeer oder zu den inneren Gewässern eines Staates oder zu den Archipelgewässern eines Archipelstaates gehören. Die Hohe See ist ein globaler Staatengemeinschaftsraum. Sie steht allen Staaten offen. Kein Staat kann sie seiner Souveränität unterstellen, Art. 89 SRÜ. Die gewohnheitsrechtlich anerkannte und in Art. 87 (1) (a) SRÜ kodifizierte Freiheit der Schifffahrt ist ein Schlüsselelement dieser umfassenderen Hohe-See-Freiheit, einem Grundpfeiler des modernen Völkerrechts 411. Sie ist freilich auch in dieser Meereszone keine carte blanche, sondern ihre Ausübung hat gemäß den Bedingungen des Seerechtsübereinkommens und den sonstigen Regeln des Völkerrechts unter gebührender Berücksichtigung der Interessen anderer Staaten zu erfolgen, vgl. Art. 87 (1) Satz 2 u. (2) SRÜ 412. Die Souveränität der Staaten erscheint auf Hoher See im Gewande der Flaggenhoheit. Schiffe, welche die Flagge eines Staates führen, unterstehen dessen Staatszugehörigkeit, Art. 91 SRÜ, auf Hoher See grundsätzlich seiner ausschließlichen Hoheitsgewalt, Art. 92 SRÜ. Hiermit sind auch Pflichten des Flaggenstaates zur Registrierung und Kontrolle sowie zu Sicherheitsmaßnahmen verbunden, insbesondere in Bezug auf Bau, Ausrüstung, Seetüchtigkeit und Bemannung, Art. 94 SRÜ. Auf Hoher See ist ausschließlich der Flaggenstaat regelungsbefugt. Nur er kann hier Sicherheitsstandards für Schiffe unter seiner Flagge erlassen. Dazu ist der Flaggenstaat allerdings auch verpflichtet. Während Art. 94 SRÜ nur allgemein davon spricht, dass die Staaten für ihre Schiffe die Maßnahmen ergreifen, die zur Gewährleistung der Sicherheit auf See erforderlich sind, konkretisiert Art. 211 (2) SRÜ diese Obligation für den Bereich des Schutzes der Meeresumwelt vor unfall- und be411 Das war freilich nicht immer so. Im 15. Jahrhundert erhoben mehrer Staaten Ansprüche auf ausgedehnte Meeresgebiete: Schweden und Dänemark auf die Belte und die Ostsee, Venedig auf die Adria, Genua und Pisa auf die Ligurische See und Britannien auf die „Britische See“ um seine Küsten. Die häufig genannte Aufteilung des Atlantiks zwischen Spanien und Portugal im Anschluss an die Bulle des Papstes Alexander VI. im Jahre 1493 war dagegen mehr eine Festlegung von Interessensphären. Mit Beginn der großen marinen Erforschungen, die im 16. Jahrhundert begannen, stießen solche Ansprüche auf immer größere Wiederstände. Die dogmatische Schlacht wurde im 17. Jahrhundert geschlagen, in dessen erstem Jahrzehnt Hugo Grotius sein Mare Liberum veröffentlichte. Sein bekanntester Widersacher John Selden vertrat in seinem 1635 erschienenen Mare clausum, seu de dominio maris den gegenteiligen Standpunkt. Erst mit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war das Konzept der Hohen See als ein von nationalen Gewässern getrenntes Gebiet, das kein Staat seiner Souveränität unterstellen konnte, fest etabliert. Vgl. dazu Graf Vitzthum, Seerechtsglobalisierung, S. 402–412, Verzijl, International Law in Historical Perspective, Bd. IV, S. 5–39 und Churchill/Lowe, The Law of the Sea, S. 204 f. 412 Graf Vitzthum, Raum und Umwelt im Völkerrecht, in: ders. (Hrsg.), Völkerrecht, 5. Abschn., Rn. 62 ff., spricht von der Hohen See als einem Raum rechtlich geordneter Freiheit (Hervorhebung hinzugefügt).

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triebsbedingter Verschmutzung 413, indem er den Flaggenstaat verpflichtet, Rechtsnormen zur Verhütung, Verringerung und Überwachung der Meeresumwelt aufzustellen, die nicht weniger wirkungsvoll sein dürfen als GAIRAS. Legislatorisches Ermessen besteht insoweit, als es dem Flaggenstaat freisteht, über die internationalen Mindeststandards hinauszugehen. Ansonsten hat er die sich ständig ändernden und überarbeiteten GAIRAS umzusetzen 414. Weitere Regelungsverpflichtungen des Staates können sich aufgrund technischer Konventionen ergeben. Denn diese sind primär an die Flaggenstaaten gerichtet. Wenn es um die Durchsetzung dieser Umweltschutzstandards geht, so stellt Art. 217 SRÜ klar, dass die Flaggenstaaten nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet sind, die Einhaltung dieser Regeln sicherzustellen. Insbesondere müssen die Flaggenstaaten ein Auslaufen von Schiffen, die ihre Flagge führen, so lange verbieten, bis sie den Anforderungen der anwendbaren internationalen Standards entsprechen, dafür Sorge tragen, dass ihre Schiffe die nach diesen Regeln erforderlichen Zeugnisse an Bord mitführen und regelmäßige Überprüfungen durchführen, um festzustellen, ob die Zeugnisse mit dem tatsächlichen Zustand der Schiffe übereinstimmen. Angebliche Zuwiderhandlungen sind zu untersuchen, gegebenenfalls ist ein Verfahren einzuleiten. Die Strafandrohungen für Verstöße müssen abschreckend sein. Diese Durchsetzungsverpflichtungen des Flaggenstaates sind unabhängig vom Ort des Verstoßes. Dagegen sind die rechtlichen Möglichkeiten anderer Staaten, gegenüber Schiffen auf Hoher See vorzugehen, sehr begrenzt und grundsätzlich nur bei der Nacheile, Art. 111 SRÜ, und in Fällen wie Piraterie, Sklavenhandel, nicht genehmigten Rundfunksendungen gegeben, die den Untersuchungsgegenstand dieser Studie nicht berühren 415. Im Umweltschutzbereich können Nichtflaggenstaaten Verstöße auf hoher See lediglich an den Registerstaat melden, der daraufhin eine Untersuchung einzuleiten hat, über deren Ergebnis mitteilender Staat und IMO zu unterrichten sind, vgl. Art. 217 (6), (7) u. 94 (6), (7) SRÜ. Diese sehr begrenzte Möglichkeit der Ein413 Erinnert sei nochmals daran, dass Art. 211 (2) SRÜ auch die unfallbedingte („prevention“) Verschmutzung der Meeresumwelt durch Schiffe erfasst und dass Art. 211 (1) SRÜ explizit Schiffssicherheitsmaßnahmen nennt („promote the adoption [...] of routeing systems designed to minimize the threat of accidents which might cause pollution of the marine environment“). Mißverständlich insoweit Wolfrum, Recht der Flagge und „Billige Flaggen“: Neuere Entwicklungen im Völkerrecht, BDGVR 31, S. 136 f. 414 Regelmäßig geschieht dies bei Staaten, die zugleich Vertragspartner der jeweiligen technischen IMO-Konvention sind, dadurch, dass in den nationalen Zustimmungsgesetzen zu diesen Übereinkommen die Fachminister ermächtigt werden, die MSC- und MEPC-Beschlüsse umzusetzen. Vgl. beispielsweise für die Bundesrepublik Deutschland Art.2 MARPOL-Gesetz. 415 Die Verschmutzung der Meeresumwelt ist also kein internationales, eine universelle Jurisdiktion begründendes Delikt. Verstößt ein Einleiten gegen die anwendbaren internationalen Regeln und Standards, räumt Art. 218 SRÜ dem Hafenstaat Durchsetzungsbefugnisse für Vorgänge auf Hoher See ein, wenn sich das Schiff freiwillig in einem seiner Häfen befindet. Trotz einer gewissen fiduziarischen Ausrichtung dieser Vorschrift werden die Hafenstaaten dadurch aber nicht zu allgemeinen Meeresumweltschutzpolizisten.

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flussnahme auf die Ausübung von Überwachungs- und Durchsetzungskompetenzen durch den Flaggenstaat hat mit „echten“, originär küstenstaatlichen Durchsetzungsbefugnissen auf Hoher See natürlich nichts gemein. Allerdings erkennt, wie bereits erwähnt, Art. 221 SRÜ indirekt das Recht des Küstenstaates nach Völkergewohnheitsrecht und Interventionsübereinkommen an, auf Hoher See diejenigen Maßnahmen zu ergreifen, die erforderlich sind, um ihre Küste oder damit zusammenhängende Interessen vor tatsächlicher oder drohender Verschmutzung infolge eines Seeunfalls zu schützen 416. Solche Maßnahmen können sogar die Bombardierung eines havarierten Öltankers einschließen, wenn dies bei Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes die einzige Möglichkeit ist, eine drohende Ölpest abzuwenden. 6. Spezielle Verschmutzungsverhütungsgebiete nach dem SRÜ Meeresgebiete sind unterschiedlich schutzbedürftig. Örtliche Gegebenheiten, wie die Umschlossenheit des Gewässers und der Austausch der Wassermassen, sind neben den klimatischen Bedingungen, der ökologischen Sensitivität der in einer Region beheimateten Arten und der Verkehrsdichte nur einige der Faktoren, die die Belastbarkeit eines marinen Areals bestimmen und nach unterschiedlichen Schutzmaßnahmen verlangen. Der Aufteilung der Meeresregionen durch das alte und neue Seerecht liegen aber grundsätzlich keine ökologischen, sondern geopolitische Erwägungen zugrunde. Legitimationspolitisch im Vordergrund steht stets der Landbezug. Je näher eine Zone an der Küste liegt, desto umfassender ist die Jurisdiktion des Küstenstaates. Diese artifizielle, zonale Ordnung ist mit Umweltschutzbelangen nur bedingt vereinbar, denn die Schutzbedürftigkeit eines Gebietes hört nicht mit der 12-sm-Grenze auf. Zwar sind regelmäßig die küstennahen Gewässer besonders belastet, während sich landferne Wassermassen schneller erneuern, doch gilt dies nicht für Randmeere. Zudem zeigt gerade die unfallbedingte Verschmutzung durch Schiffe, dass selbst ein 200 Seemeilen von der Küste entferntes Schiff bei ungünstigem Wind noch erheblichen Schaden anrichten kann. Dass globale Standardschutzmaßnahem regional unterschiedlichen ökologischen Bedingungen nicht immer gerecht werden, wurde schon bei MARPOL erkannt. Das Übereinkommen erlaubt in seinen Anlagen die Ausweisung sogenannter Sondergebiete (special areas), in denen verschärfte Umweltschutzbedingungen gelten. Bei416 Vgl. Art. 1 INTERVENTION („Torrey Canyon-Übereinkommen“): „Parties to the present Convention may take such measures on the high seas as may be necessary to prevent, mitigate or eliminate grave and imminent danger to their coastline or related interests from pollution or threat of pollution of the sea by oil, following upon a maritime casualty or acts related to such a casualty, which may reasonably be expected to result in major harmful consequences.“ Siehe auch das 1973 Protocol relating to Intervention on the High Seas in Case of Marine Pollution by Substances other than Oil.

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spielsweise sind in den Sondergebieten nach Regel I/10 MARPOL (Mittelmeer, Ostsee, Schwarzes und Rotes Meer, „Gebiet der Golfe“, Golf von Aden, Antarktis und Nordwesteuropäische Gewässer) Einleitungen von Öl und ölhaltigen Rückständen grundsätzlich verboten 417. Diese Sondergebiete sind nicht zonal begrenzt, sondern können sich über mehrere Meereszonen erstrecken 418. Seit MARPOL haben spezielle Verschmutzungsverhütungsgebiete, bei deren Ausweisung nicht zonale, sondern ökologische Überlegungen im Vordergrund stehen, auf globaler und regionaler Ebene starke Verbreitung gefunden, wobei im IMO-Rahmen neben den MARPOL-Sondergebieten das Konzept der Particularly Sensitive Sea Area (PSSA) entwickelt wurde 419. Mit dem Begriff „spezielles Verschmutzungsverhütungsgebiet“ soll zum Ausdruck gebracht werden, dass all diesen Gebieten gemein ist, dass in ihnen spezielle Standards Anwendung finden, um die Umweltverschmutzung durch Schiffe zu verhüten, zu verringern oder zu überwachen. Anders als beim allgemeineren und umfassenderen, weil nicht sektoral beschränkten Modebegriff der Marine Protected Area (MPA) bleiben also solche Gebiete außer Betracht, die die Schifffahrtsfreiheit nicht berühren, etwa weil sie nur dem Ressourcenschutz dienen 420. Die Montego-Bay-Konvention greift, freilich ohne sich von der zonalen Ordnung zu lösen, den Sondergebietsgedanken nur in Art. 211 (6) SRÜ für die AWZ und in Art. 234 SRÜ für eisbedeckte Gebiete auf 421 und konkretisiert so für den Bereich der 417 In der Antarktis darf selbst behandeltes Bilgenwasser nicht eingeleitet werden, Regel I/10 (2) (a) MARPOL. 418 Die Kompetenzordnung des Seerechts berührt dies freilich nicht (Art. 9 (2), (3) MARPOL), denn es werden primär die Flaggenstaaten durch das Übereinkommen verpflichtet. Die Weite der küstenstaatlichen Durchsetzungsbefugnisse ist dagegen selbst innerhalb eines Sondergebietes von der jeweiligen Meereszone abhängig. 419 IMO Resolution A.720(17) vom 06.11.1991, Guidelines for the Designation of Special Areas and the Identification of Particularly Sensitive Sea Areas, geändert durch IMO Resolution A.885(21) vom 25.11.1999, Procedures for the Identification of Particularly Sensitive Sea Areas and the Adoption of Associated Protective Measures and Amendments to the Guidelines Contained in Resolution A.720(17), aufgehoben durch IMO Resolution A.927(22) vom 29.11.2001, Guidelines for the Designation of Special Areas under MARPOL 73/78 and Guidelines for the identification of Particularly Sensitive Sea Areas (überarbeitete PSSARichtlinien). Zum Ganzen: Gjerde, Protecting Particularly Sensitive Sea Areas from Shipping: A Review of IMO’s New PSSA Guidelines, in: Thiel/Koslow (Hrsg.), Managing Risks to Biodiversity and the Environment of the High Sea, Including Tools such as Marine Protected Areas, S. 123–131. Beachte, dass die Agenda 21 (Agenda 21, Annex II to the Report of the United Nations Conference on Environment and Development, Rio de Janeiro, 03–14.06.1992, A/CONF.151/26) in Ziff. 17.30 (a) (iv) PSSA-Gebiete explizit als Instrument zum Schutz der marinen Umwelt nennt. 420 Allgemein zu MPAs Lagoni, Die Errichtung von Schutzgebieten in der ausschließlichen Wirtschaftszone aus völkerrechtlicher Sicht, NuR 24 (2002), S. 121–133, und Czybulka/Kersandt, Rechtsvorschriften, rechtliche Instrumentarien und zuständige Körperschaften mit Relevanz für marine Schutzgebiete („Marine Protected Areas“/MPAs) in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) und auf Hoher See des OSPAR-Konventionsgebietes. 421 Zu solchen Sondergebieten kann man auch die hier nicht interessierenden Sicherheitszonen um künstliche Inseln, Anlagen und Bauwerke nach Art. 60 (4) SRÜ zählen. Nicht einzugehen ist dagegen auf die Bestimmungen des Teil IX SRÜ, Umschlossene oder halbumschlos-

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Umweltverschmutzung durch Schiffe die allgemeine Verpflichtung der Staaten aus Art. 194 (5) SRÜ in Übereinstimmung mit Teil XII SRÜ, die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz und zur Bewahrung seltener oder empfindlicher Ökosysteme sowie des Lebensraums gefährdeter, bedrohter oder vom Aussterben bedrohter Arten und anderer Formen der Tier- und Pflanzenwelt des Meeres zu ergreifen 422. Art. 234 SRÜ und Art. 211 (6) SRÜ sind beide das Ergebnis von Bestrebungen Anfang der 70er Jahre, den Küstenstaaten unter eindeutig festgelegten Bedingungen Befugnisse für bestimmte Gebiete ihrer AWZ einzuräumen, die über das bloße Verbindlichmachen allgemein anerkannter Regeln und Standards hinausgehen. Allerdings wurden ab 1976 die Verhandlungen über den späteren Art. 234 SRÜ gesondert geführt und beide Regime entwickelten sich in völlig unterschiedlicher Weise 423. Während Art. 211 (6) SRÜ über Art. 220 (8) SRÜ der engen AWZ-Durchsetzungsordnung verhaftet bleibt, bildet Art. 234 SRÜ einen selbstständigen Abschnitt und gewährt den Küstenstaaten weitreichende Durchsetzungsbefugnisse. Im Folgenden geht es ausschließlich um diese beiden durch die Verfassung der Meere geschaffenen speziellen Verschmutzungsverhütungsgebiete, die trotz ihrer gemeinsamen geschichtlichen Wurzel wegen ihrer vollkommen unterschiedlichen Tatbestandsvorrausetzungen getrennt zu behandeln sind. Besonderes Augenmerk gilt der Frage, ob die hier geschaffenen Regelungen die erforderliche Flexibilität aufweisen, um genuinen Umweltbelangen Rechnung tragen zu können und sich gegenüber anderen globalen Schutzmaßnahmen außerhalb des SRÜ-Rahmens zu behaupten.

a) Marine Schutzgebiete nach Art. 211 (6) SRÜ aa) Regelungsbefugnisse Art. 211 (6) SRÜ räumt den Küstenstaaten mit lit. (a) und (c) zwei Möglichkeiten ein, für bestimmte Gebiete in ihrer ausschließlichen Wirtschaftszone besondere obsene Meere, denn Art. 123 (b) SRÜ etabliert für die Anliegerstaaten lediglich eine allgemeine Verpflichtung zur Zusammenarbeit hinsichtlich des Schutzes und der Bewahrung der Meeresumwelt, enthält aber keine Aussagen zur Jurisdiktion der Küstenstaaten. 422 Keinesfalls begründet aber Art.194 (5) selbst Hoheitsbefugnisse des Küstenstaates in seiner AWZ. Die Vorschrift bestimmt nur das Ziel der zu ergreifenden Maßnahmen näher. So zu Recht Lagoni, Die Errichtung von Schutzgebieten in der AWZ, NuR 24 (2002), S. 129. Anders Czybulka, Das Rechtsregime der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) im Spannungsfeld von Nutzungs- und Schutzinteressvfen. Zur Geltung des nationalen Rechts in der AWZ, NuR 23 (2001), S. 367–374, ders., Geltung der FFH-Richtlinie in der Ausschließlichen Wirtschaftszone. Ein Urteil aus London und seine Folgen für das deutsche Naturschutzrecht, NuR 23 (2001), S. 19–27, sowie ders., Naturschutzrecht im Küstenmeer und in der Ausschließlichen Wirtschaftszone. Grundsätzliche Rechtsfragen, exemplarisch behandelt für die marine Sedimententnahme in der Ostsee, NuR 21 (1999), S. 562–570. 423 Commentary, Bd. IV, S. 176, 190.

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ligatorische Schutzmaßnahmen zu ergreifen, wobei ein Vorgehen nach lit. (c) nur in Kombination mit lit. (a) möglich ist. Lit. (b) verpflichtet die Küstenstaaten, die Grenzen des Sondergebietes zu veröffentlichen. Art. 211 (6) (a) SRÜ zufolge muss ein Küstenstaat begründeten Anlass zu der Annahme haben, dass die internationalen Regeln und Standards zu Verhütung, Verringerung und Überwachung der Meeresverschmutzung durch Schiffe nach Art. 211 (1) SRÜ in einem bestimmten, genau bezeichneten Gebiet (a particular, clearly defined area) seiner AWZ nicht ausreichen, um besonderen Umständen gerecht zu werden. Diese besonderen Umstände müssen es aus anerkannten technischen Gründen im Zusammenhang mit den ozeanographischen und ökologischen Verhältnissen dieses Gebiets, mit seiner Nutzung oder dem Schutz seiner Ressourcen und mit der besonderen Art des Verkehrs in diesem Gebiet erforderlich machen, besondere obligatorische Maßnahmen (special mandatory measures) zur Verhütung der Verschmutzung durch Schiffe zu ergreifen. Bevor der Küstenstaat zu diesen speziellen Maßnahmen greifen kann, zwingt ihn Art. 211 (6) (a) SRÜ allerdings in formeller Hinsicht, zunächst im Rahmen der IMO jeden anderen betroffenen Staat angemessen zu konsultieren. Sodann kann der Küstenstaat an die IMO eine Mitteilung über das betroffene Gebiet richten, in der er wissenschaftliche und technische Begründungen sowie Informationen über die notwendigen Auffanganlagen vorlegt 424. Benachbarte Staaten können die Errichtung ihrer Schutzgebiete koordinieren 425. Die IMO hat daraufhin innerhalb von 12 Monaten nach Empfang dieser Mitteilung zu entscheiden, ob die Verhältnisse in dem Gebiet den oben genannten Erfordernissen entsprechen. Entscheidet die Organisation in diesem Sinne, so kann der Küstenstaat für dieses Gebiet zur Verhütung, Verringerung und Überwachung der Verschmutzung durch Schiffe Vorschriften erlassen, die den von der IMO für Sondergebiete zugelassenen internationalen Regeln und Standards oder Schifffahrtsgebräuchen Wirksamkeit verleihen (international rules and standards or navigational practices as are made applicable, through the organization, for special areas). Diese Vorschriften werden auf fremde Schiffe aber erst nach Ablauf von 15 Monaten nach Vorlage der Mitteilung an die IMO anwendbar. 424 Bei MARPOL ist das Vorhandensein solcher Anlagen dagegen conditio sine qua non für die Ausweisung des Sondergebietes. Vgl. IMO-Resolution A.927(22), Annex 1, Ziff. 2.7 sowie Regel I/10 (7) MARPOL. Die SRÜ-Regelung ist sinnvoll, wenn man bedenkt, dass Sondergebiete nach Art. 211 (6) SRÜ bis zu 200 sm von der Küste entfernt errichtet werden können. Nicht jedes Schiffe, das ein solches Gebiet durchfährt, läuft einen Hafen des Küstenstaates an. 425 Division for Ocean Affairs and the Law of the Sea of the Office of Legal Affairs of the United Nations (DOALOS), Relationship between the 1982 United Nations Convention on the Law of the Sea and the IMO Guidelines for the Designation of Special Areas and Particularly Sensitive Sea Areas, IMO Doc. MEPC 43/6/2, 31.03.1999, Ziff. 16. Der Wortlaut a particular clearly defined area of their respective exclusive economic zone scheint lediglich auszuschließen, dass Staaten ihre gesamte AWZ zu einem Sondergebiet erklären.

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Auch in SRÜ-Sondergebieten sind die Regelungsbefugnisse des Küstenstaates mithin auf die Umsetzung der von der IMO für diese Bereiche zugelassenen internationalen Regeln und Standards oder Schifffahrtsgebräuche beschränkt. Der Küstenstaat besitzt keinerlei unilaterale Kompetenzen, sondern ist letztlich nur Initiator eines internationalen Regelungsprozesses 426. Die Tatsache, dass die nach Art.211 (6) SRÜ erlassenen besonderen obligatorischen Maßnahmen nicht allgemein anerkannt zu sein brauchen und der Begriff Schifffahrtsgebräuche (navigational practices) nahe legt, dass zu den von der IMO für Sondergebiete zugelassenen Regeln und Standards auch solche zählen können, die ursprünglich in Instrumenten enthalten waren, die nicht bindend sein sollten, bedeutet keinen Kompetenzgewinn für die Küstenstaaten, da die Zustimmung der IMO und damit letztlich der gesamten Staatengemeinschaft Vorrausetzung für die Sondergebietsausweisung ist. Vergleicht man die Kriterien für marine Schutzgebiete nach der Montego-BayKonvention mit der Definition für MARPOL-Sondergebiete in Regel I/1 (10) MARPOL 427, so wird deutlich, dass Art. 211 (6) SRÜ stark durch MARPOL beeinflusst wurde. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass Art. 211 (6) (a) SRÜ nur auf diese Gebiete Bezug nähme 428. Zum einen lässt sich den Begriffen special mandatory measures und international rules and standards or navigational practices keine Beschränkung auf eine bestimmte Art Standard entnehmen, zum anderen unterscheiden sich MARPOL- und SRÜ-Gebiete in ihren Vorraussetzungen. Bei Art. 211 (6) SRÜ muss es sich um ein genau bezeichnetes Gebiet in der AWZ des Küstenstaates handeln, MARPOL-Sondergebiete können dagegen im Küstenmeer, der AWZ und sogar auf Hoher See errichtet werden und selbst ganze Meere wie das Schwarze Meer oder das Mittelmeer, in dem nicht einmal Wirtschaftszonen proklamiert wurden, einschließen. Ein weiterer Unterschied ist, dass nach Art. 211 (6) SRÜ die Errichtung eines Schutzgebietes auch zur Nutzung oder zum Schutz der Ressourcen erfolgen kann. Schließlich richtet sich Art. 211 (6) SRÜ anders als die MARPOL- Sondergebietsregelungen primär an die Küstenstaaten. Mithin könnten sowohl Einleitungs- CDEM-Standards als auch navigationsbezogene Regelungen wie verbindliche von der Schifffahrt zu meidende Gebiete, Schiffsmeldesysteme, VTS oder Schiffwegeführungen für bestimmte Kategorien von Schiffen (Tanker, Schiffe mit besonderem Tiefgang) in Gebieten nach Art. 211 (6) (a) SRÜ durch die IMO anwendbar gemacht werden 429. Besondere CDEM-Standards sollten freilich nur Schiffen auferlegt werden, die ausschließlich in diesem Schutzgebiet operieren. Molenaar, Coastal State Jurisdiction over Vessel-Source Pollution, S. 405. Regel I/1 (10) MARPOL definiert special area als „a sea area where for recognized technical reasons in relation to its oceanographical and ecological condition and to the particular character of its traffic the adoption of special mandatory methods for the prevention of sea pollution by oil is required.“ 428 So aber anscheinend Lagoni, Die Errichtung von Schutzgebieten in der AWZ, NuR 24 (2002), S. 127. 429 Gjerde/Ong, Protection of Particularly Sensitive Sea Areas under International Marine Environmental Law, MPB 26 (1993), S. 11. 426 427

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Obwohl der Küstenstaat lediglich Initiator der Sondergebietsausweisung ist, weil die IMO der Ausweisung des Gebietes zustimmen muss und sie auch die Regeln für SRÜ-Sondergebiete aufstellt (made applicable, through the organization, for special areas), geht aus dem Wortlaut des Art. 211 (6) (a) Satz 3 SRÜ 430 nicht eindeutig hervor, ob die Organisation lediglich eine Liste mit möglichen Maßnahmen für Sondergebiete im allgemeinen aufstellt, aus denen der Küstenstaat dann nach Belieben frei wählen kann, wenn das Gebiet erst einmal durch die IMO als Sondergebiet ausgewiesen wurde 431, oder ob die IMO selbst aus dieser Liste die spezifischen, besonderen, obligatorischen Maßnahmen (special mandatory measures) bestimmt, die in dem vom Küstenstaat vorgeschlagenen Sondergebiet anzuwenden sind 432. Für ersteres scheint der Wortlaut des Art. 211 (6) (a) SRÜ zu sprechen, denn anders als bei lit. (c), der einschlägig ist, wenn ein Küstenstaat beabsichtigt, für dasselbe Gebiet zusätzliche Vorschriften zu erlassen, sieht lit. (a) gerade keine ausdrückliche Zustimmung der IMO vor. Gegen eine solche Auslegung spricht indes, dass der Küstenstaat so in SRÜ-Sondergebieten bestimmte materielle und verfahrensbezogene Anforderungen umgehen könnte, die er außerhalb eines solchen Gebietes erfüllen müsste, um bestimmte Regeln und Standards vorzuschreiben 433. Verbindliche Schiffswegeführungen nach Regel V/10 SOLAS müssen beispielsweise vom Küstenstaat vorgeschlagen und dann durch die IMO angenommen werden. Ferner ist auch beim PSSA-Konzept die Zustimmung der IMO sowohl für die Identifikation des Schutzgebietes als auch für die konkret darin ergriffenen Maßnahmen erforderlich 434. Mit Blick auf eine Angleichung der unterschiedlichen Schutzansätze ist es daher sinnvoll, auch bei Art. 211 (6) (a) SRÜ die Zustimmung der IMO für jede einzelne der besonderen obligatorischen Maßnahmen zu verlangen. Schließlich ist eine solche Lösung auch im Interesse des Küstenstaates. Denn ohne eine Annahme der besonderen obligatorischen Maßnahmen durch die IMO hätten diese nicht den Segen der Staatengemeinschaft und der Küstenstaat liefe Gefahr, sich mit einzelnen Flaggenstaaten über die Angemessenheit der Maßnahmen auseinander setzen zu müssen. Die zweite, an Art. 211 (6) (a) SRÜ gekoppelte Rechtsgrundlage der MontegoBay-Konvention für küstenstaatliche Vorschriften in Sondergebieten ist Art. 211 (6) (c) SRÜ. Der Bestimmung zufolge kann ein Küstenstaat für ein Gebiet nach Art. 211 (6) (a) SRÜ zusätzliche Vorschriften zur Verhütung, Verringerung und Über430 If the organization so determines, the coastal States may, for the area, adopt laws and regulations for the prevention, reduction and control of pollution from vessels implementing such international rules and standards as are made applicable, through the organization, for special areas. 431 So Hakapää, Marine Pollution, S. 254. 432 Im letzteren Sinne: DOALOS, Relationship between UNCLOS and the IMO Guidelines for the Designation of Special Areas and PSSAs, IMO Doc. MEPC 43/6/2, Ziff. 22 und ILA Final Report (2000), S. 467. Siehe auch IMO Resolution A.720(17), Ziff. 1.3.7. 433 Molenaar, Coastal State Jurisdiction over Vessel-Source Pollution, S. 406. 434 Vgl. IMO Resolution A.927(22), Annex 2, Ziff. 7.

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wachung der Verschmutzung durch Schiffe erlassen, wenn er die IMO zugleich mit seinem Antrag nach lit. (a) davon in Kenntnis setzt. Diese zusätzlichen Vorschriften können sich auf das Einleiten oder auf Schifffahrtsgebräuche beziehen, dürfen jedoch fremde Schiffe nicht verpflichten, andere CDEM-Standards zu beachten als GAIRAS. Die küstenstaatlichen Vorschriften werden auf fremde Schiffe nach Ablauf von 15 Monaten nach Vorlage der Mitteilung an die IMO anwendbar, sofern die Organisation ihnen innerhalb von 12 Monaten nach Vorlage der Mitteilung zustimmt. Die Bestimmung erlaubt dem Küstenstaat folglich, mit Ausnahme von CDEMStandards auch solche nationalen Vorschriften zu erlassen, die nicht in der Liste der IMO für Sondergebiete enthalten sind. Selbst Standards, die überhaupt nicht in IMO-Instrumenten enthalten sind, wären zulässig 435. Zu denken ist neben Schiffswegeführungen, von der Schifffahrt zu meidenden Gebieten (ATBA) und Schiffsmeldesystemen besonders an den Lotsenzwang, der in den technischen IMO-Konventionen nicht vorgesehen ist und deshalb fremden Schiffen nur im Rahmen von Art. 211 (6) (c) SRÜ vorgeschrieben werden kann 436. Auch VTS-Dienste können wegen Regel V/12 (3) SOLAS grundsätzlich nur im Küstenmeer verbindlich gemacht werden. In einem Sondergebiet könnte die Nutzung eines solchen Dienstes dagegen auch in der AWZ verlangt werden. Ein unilaterales Vorgehen des Küstenstaates ist indes auch bei lit. (c) wegen der erforderlichen IMO-Zustimmung nicht möglich. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Regelungsbefugnisse der Küstenstaaten in Sondergebieten mit Art. 211 (6) SRÜ eine ausgesprochen komplizierte Regelung erfahren haben, die deutlicht macht, welche Schwierigkeiten der Interessenausgleich zwischen Küsten- und Schifffahrtsstaaten auf der Dritten Seerechtskonferenz bereitet haben muss. Art. 211 (6) SRÜ hat bis heute in der Staatenpraxis keine Anwendung gefunden und auch die IMO hat noch nicht die Liste der für Sondergebiete zugelassenen internationalen Regeln und Standards oder Schifffahrtsgebräuche entwickelt, die für eine Anwendung des Art. 211 (6) SRÜ erforderlich ist. Besondere Verfahrensregeln und Richtlinien fehlen ebenfalls 437. Bedenkt man, dass MARPOL-Sondergebiete dagegen in der IMO eine regelrechte Renaissance erleben 435 Ringbom, Environmental Protection and Shipping – Prescriptive Coastal State Jurisdiction in the 1990’s, marius 224, S. 32–34. 436 Lagoni, Die Errichtung von Schutzgebieten in der AWZ, NuR 24 (2002), S. 127 f. 437 Beachte aber, dass die neuen PSSA-Richtlinien der IMO (IMO Resolution A.927(22)) in Annex 2, Ziff. 7.4.2 (Part II – Appropriate associated protective measures and IMO’s competence to adopt such measures), Abs. (1) (a) (iii) ausdrücklich davon sprechen, dass „The application should identify the proposed measures which may include: any measure proposed for adoption in the territorial sea or pursuant to Article 211 (6) of the United Nations Convention on the Law of the Sea“. Die durch DOALOS in IMO Doc. MEPC 43/6/2 angemahnte stärkere Berücksichtigung von Art. 211 (6) SRÜ im Rahmen des PSSA-Konzepts und der MARPOLSondergebiete wurde bei der Überarbeitung der Richtlinien aber nur unzureichend berücksichtigt. Angesichts der wegen der verschiedenen Konzepte allgemein bestehenden Verwirrung (vgl. IMO Doc. MEPC 42/10) ist dies zu bedauern.

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und auch PSSAs immer stärkere Verbreitung finden 438, erscheint fraglich, ob die artifiziellen SRÜ-Sondergebietsregelungen in der Staatenpraxis je zur Anwendung kommen werden.

bb) Durchsetzungsbefugnisse Nach Art. 220 (8) SRÜ gelten die Regelungen über die küstenstaatlichen Durchsetzungsbefugnisse in der AWZ nach Abs. (3) bis (7) der Bestimmung auch für die nach Art. 211 (6) SRÜ erlassenen innerstaatlichen Vorschriften. Mithin findet das enge und aus küstenstaatlicher Sicht völlig unzureichende AWZ-Durchsetzungsregime auch in Sondergebieten Anwendung. Das bedeutet, dass nur gravierende Verletzungen von Einleitungsstandards nach Art. 220 (5)–(6) SRÜ durchgesetzt werden können, während Verstöße gegen andere Vorschriften lediglich zu einem Auskunftsanspruch des Küstenstaates führen, Abs. (3). Damit kommt es auch in Sondergebieten bei der Durchsetzung wesentlich auf den Flaggenstaat an, der verpflichtet ist, dafür Sorge zu tragen, dass seine Schiffe die dort geltenden Vorschriften befolgen, Art. 217 (1) SRÜ. Allerdings erscheint es wegen der besonderen ökologischen Schutzbedürftigkeit dieser Gebiete angebracht, die Begriffe substantial discharge causing or threatening significant pollution of the marine environment und discharge causing major damage or threat of damage in Art. 220 (5) u. (6) SRÜ weit auszulegen, um so die Schwelle für ein küstenstaatliches Eingreifen zu senken 439. Darüber hinaus muss es den Küstenstaaten möglich sein, ihre in Übereinstimmung mit Art. 211 (6) SRÜ erlassenen Vorschriften bei einem freiwilligen Aufenthalt des Schiffes in einem ihrer Häfen nach Art. 220 (1) SRÜ durchzusetzen. Denn Art. 220 SRÜ erlaubt einem Staat, in Übereinstimmung mit dem SRÜ erlassene Vorschriften oder AIRAS durchzusetzen, wenn der Verstoß im Küstenmeer oder in der AWZ dieses Staates erfolgt ist. Zwar verweist Art. 220 (8) SRÜ nicht auf Abs. (1), aber SRÜ-Sondergebiete dürfen ausschließlich in der AWZ errichtet werden, und es wäre sinnwidrig, dem Küstenstaat gerade für Verstöße in solchen Gebieten die effektive Durchsetzung im Hafen zu verweigern, obwohl er in der AWZ eingeschränkt durchsetzungsbefugt ist.

438 Jüngst wurde beispielsweise auf gemeinsamen Antrag Dänemarks, Deutschlands und der Niederlanden das Wattenmeer als PSSA ausgewiesen, vgl. IMO Resolution MEPC.101(48) vom 11.10.2002, Identification of the Wadden Sea as a Particularly Sensitive Sea Area. Der Antrag Dänemarks, Deutschlands, Estlands, Finnlands, Lettlands, Litauens, Polens und Schwedens, die Ostsee als PSSA auszuweisen (IMO Doc. MEPC 51/8/1) wurde gegen den massiven Widerstand Russlands von MEPC 51 (März/April 2004) im Grundsatz gebilligt. Vorschläge für Schutzmaßnahmen sollen von den Antragsländern im Jahr 2005 an NAV gerichtet werden, das dann dem MEPC Empfehlungen abgeben wird, vgl. IMO Doc. MEPC 51/22, Ziff. 8.53 f. 439 ILA Final Report (2000), S. 467.

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b) Eisbedeckte Gebiete Der besonderen Schutzbedürftigkeit eisbedeckter Gebiete trägt der nur aus Art. 234 SRÜ bestehende Abschnitt 8 des Teil XII der Montego-Bay-Konvention Rechnung, indem er die eisbedeckten Gebiete aus der regulären AWZ-Regelungsund -Durchsetzungsordnung der Abschnitte 5 und 6 herauslöst und den Küstenstaaten weitreichende unilaterale Befugnisse einräumt. Letztlich wurde mit ihm dem umstrittenen Vorgehen Kanadas im Arctic Waters Pollution Prevention Act aus dem Jahr 1970 nach jahrelangen Querelen der internationale Segen erteilt 440. Art. 234 SRÜ zufolge haben Küstenstaaten das Recht, nicht diskriminierende (non-discriminatory) Vorschriften zur Verhütung, Verringerung und Überwachung der Meeresverschmutzung durch Schiffe in eisbedeckten Gebieten innerhalb der AWZ (within the limits of the exclusive economic zone) zu erlassen und durchzusetzen, wenn dort besonders strenge klimatische Bedingungen und das diese Gebiete während des größten Teiles des Jahres bedeckende Eis Hindernisse oder außergewöhnliche Gefahren für die Schifffahrt schaffen und die Verschmutzung der Meeresumwelt das ökologische Gleichgewicht ernsthaft schädigen oder endgültig zerstören könnte, wobei diese Vorschriften die Schifffahrt sowie den Schutz und die Bewahrung der Meeresumwelt auf der Grundlage der besten verfügbaren Angaben gebührend berücksichtigen müssen (such laws and regulations shall have due regard to navigation and the protection and preservation of the marine environment based on best available scientific evidence). Die Küstenstaaten sind folglich bei der Ausübung ihrer Regelungsbefugnisse zumindest nicht direkt an die internationale Ebene gebunden. Die von ihnen erlassenen Vorschriften können daher strenger als das IMO-Regelwerk sein und dürfen auch Materien betreffen, die keine globale Regelung erfahren haben. Dies gilt sogar für CDEM-Standards, denn Art. 234 SRÜ vollzieht die übliche Trennung zwischen Einleitungsbestimmungen und Verkehrsregelungen auf der einen Seite und CDEMNormen auf der anderen nicht nach. Der Preis für diese aus küstenstaatlicher Sicht sehr vorteilhafte Regelung ist ihre Beschränkung ratione loci auf Gebiete, die länger als sechs Monate mit Eis bedeckt sind. Kanada, Russland und Dänemark (Grönland) gehören in erster Linie zu den wenigen durch sie begünstigten Staaten. Fraglich ist, ob der Anwendungsbereich der Vorschrift auf die ausschließliche Wirtschaftszone beschränkt ist, wie der Wortlaut des Art. 234 SRÜ suggeriert, oder ob auch diejenigen Teile des Küstenmeeres erfasst werden, in denen entsprechende arktische Bedingungen herrschen. Eine Beschränkung auf die AWZ würde zu dem absurden Ergebnis führen, dass Küstenstaaten bei ansonsten gleichen ökologischen und klimatischen Bedingungen bis zu 200 sm von ihrer Küste entfernt weitergehende Regelungs- und Durchsetzungsbefugnisse hätten als in ihrem Küstenmeer. Vor440 Miles, Global Ocean Politics: The Decision Process at the Third United Nations Conference on the Law of the Sea 1973–1982, S. 92.

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zugswürdig ist daher, Art. 234 SRÜ weit dahingehend auszulegen, dass within the limits of the exclusive economic zone lediglich die äußerste Grenze des Geltungsbereichs der Regelung markiert 441. Art. 234 SRÜ räumt einigen wenigen Küstenstaaten weitreichende Befugnisse ein, gibt ihnen aber keine carte blanche. Denn die nationalen Vorschriften werden in zweifacher Hinsicht einer Schranke unterworfen. Sie müssen zum einen non-discriminatory sein. Das bedeutet sowohl Inländergleichbehandlung als auch Meistbegünstigung 442. Zum anderen sind die Belange der Schifffahrt mit der gebotenen Sorgfalt (due diligence) zu berücksichtigen, wie der Satz such laws and regulations shall have due regard to navigation [...] based on best available scientific evidence verdeutlicht 443. Obwohl ein gezielter, vollständiger Ausschluss fremder Schiffe aus eisbedeckten Gebieten danach grundsätzlich nicht möglich ist, mag er sich durchaus zumindest zeitweilig als unbeabsichtigte Nebenfolge besonderer CDEM- und Navigationsstandards ergeben. Ebenso dürfte es zulässig sein, gefährliche Routen wetterbedingt vorrübergehend zu schließen bzw., soweit möglich, durch alternative Wegeführungen zu ersetzen 444. Wo Teile des Küstenmeeres nach der hier vertretenen Auffassung unter das Eisbedeckte-Gebiete-Regime fallen, sind einige der die Schifffahrtsfreiheit sichernden Regelungen des Teil II Abschnitt 3 SRÜ nicht anwendbar. Das betrifft zum einen Art. 21 (2) SRÜ, zum anderen aber auch die friedliche Durchfahrt als solche. So ist es möglich, Schiffen die Einfahrt in eisbedeckte Gebiete des Küstenmeeres zu verweigern, wenn das Schiff nicht den dort vorgeschriebenen besonderen CDEM- und Navigationsregelungen entspricht. Eine eingeschränkte, indirekte Bindung der Küstenstaaten an internationale Regeln und Standards könnte sich aber aufgrund der vor kurzem von der IMO entwickelten Guidelines for Ships Operating in Arctic Ice-Covered Waters ergeben. Die Richtlinien, die den kanadischen Polar Code praktisch eins zu eins übernehmen, stellen zusätzliche, über SOLAS hinausgehende CDEM-Standards auf 445. Zwar sind sie nicht rechtsverbindlich 446. Es lässt sich aber argumentieren, dass über das due regard-Erfordernis des Art. 234 SRÜ eine indirekte Bindungswirkung eintreten kann. 441 Churchill/Lowe, The Law of the Sea, S. 348, Ringbom, Environmental Protection and Shipping – Prescriptive Coastal State Jurisdiction in the 1990’s, marius 224, S. 26, Hakapää, Marine Pollution, S. 257. 442 Commentary, Bd. IV, S. 396. 443 Unterstreichung hinzugefügt. 444 Ringbom, Environmental Protection and Shipping – Prescriptive Coastal State Jurisdiction in the 1990’s, marius 224, S. 26, Commentary, Bd. IV, S. 398. Unklar Franckx, Maritime Claims in the Arctic. Canadian and Russian Perspectives, S. 96. Eine solche Auslegung folgt dem Vorgehen Kanadas im Arctic Waters Pollution Prevention Act aus dem Jahr 1970. 445 IMO Doc. MSC/Circ.1056 = MEPC/Circ.399 vom 23.12.2002, Guidelines for Ships Operating in Arctic Ice-Covered Waters. 446 Vgl. Ziff. P-1.3 Guidelines for Ships Operating in Arctic Ice-Covered Waters (IMO Doc. MSC/Circ.1056): „The Guidelines are recommendatory and their wording should be interpreted as providing recommendations rather than mandatory direction.“

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Denn beachtet ein Küstenstaat die Richtlinien nicht, so besteht zumindest ein gewisser Verdacht, dass seine Vorschriften die Belange der Schifffahrt nicht ausreichend berücksichtigen. Hinsichtlich der küstenstaatlichen Durchsetzungsbefugnisse bestimmt Art. 234 SRÜ lediglich, dass die Küstenstaaten ihre in Übereinstimmung mit Art.234 SRÜ erlassenen Gesetze durchsetzen können. Allerdings dürfte das due regard-Erfordernis auch hier Anwendung finden, sodass bei der Entscheidung sowohl über das Ob als auch das Wie der Durchsetzung die Belange der Schifffahrt zu berücksichtigen sind. c) Ergebnis Art. 234 SRÜ und Art. 211 (6) SRÜ sind in ihren Vorraussetzungen und Rechtsfolgen trotz ihrer gemeinsamen historischen Wurzeln derart unterschiedlich, dass sich nicht von einem einheitlichen Schutzansatz der Montego-Bay-Konvention für spezielle Verschmutzungsverhütungsgebiete sprechen lässt. Während die Küstenstaaten in eisbedeckten Gebieten praktisch unbeschränkt regelungs- und durchsetzungsbefugt sind, können sie im Rahmen von Art. 211 (6) SRÜ nur mit Zustimmung der IMO legisferieren und bleiben der engen AWZ-Durchsetzungsordnung verhaftet. Der Kompetenzgewinn der Küstenstaaten in Sondergebieten ist mithin sehr beschränkt, bedenkt man, dass aus geographischen Gründen nur wenige Staaten in den Genuss des Art. 234 SRÜ kommen. Art. 211 (6) SRÜ bietet zwar die Möglichkeit, in Sondergebieten über das bestehende IMO-Recht hinauszugehen. Seit die Küstenstaaten nach den neuen Regeln V/10 und V/11 SOLAS nun aber sogar in der AWZ Schifffahrtswege vorschreiben, Schiffe vollständig aus bestimmten Gebieten verbannen (ATBAs) und ihnen Berichtspflichten auferlegen können, wenn die IMO diesen Maßnahmen zustimmt, ist ein wichtiger Anwendungsbereich der Vorschrift weggefallen. Dennoch könnte die Bestimmung künftig Bedeutung gewinnen, wenn es darum geht, bisher nur in IMO-Empfehlungen vorgesehene Maßnahmen, wie den Lotsenzwang, für bestimmte Gebiete testweise verbindlich zu machen, bevor diese Maßnahmen in technische Konventionen inkorporiert und damit auf völkervertragliche Grundlage gestellt werden. Der Primat der internationalen Ebene wird bei Art. 211 (6) SRÜ wiederum durch das Verfahren gesichert: Die notwendige IMO-Zustimmung verhindert eine creeping jurisdiction der Küstenstaaten in Sondergebieten. Der Küstenstaat ist letztlich nur Initiator eines internationalen Regelungsprozesses. Gerade deshalb hätte aber eine eigenständige Durchsetzungsordnung für Sondergebiete die Flaggenstaaten nicht unbillig benachteiligt. Art. 234 SRÜ und Art. 211 (6) SRÜ ist bei aller Unterschiedlichkeit gemeinsam, dass hier erstmals der Meeresschutz nicht in das künstliche Korsett der zonalen Meeresordnung gepresst wird und bloßes Nebenprodukt einer landbezogenen Jurisdiktionsaufteilung ist, sondern die besonderen Verhältnisse eines Gebiets selbst re-

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gelungsbestimmend sind. Die Schutzwürdigkeit des Gebiets determiniert den anzuwendenden Standard. Da Art. 211 (6) SRÜ im Gegensatz zu Regel I/10 MARPOL nicht auf schärfere Einleitungsbestimmungen beschränkt ist, erlaubt die Vorschrift zudem, für ein bestimmtes Gebiet der AWZ ein individuelles Schutzkonzept zu erarbeiten. Anders als bei Art. 234 SRÜ, der richtigerweise auch im Küstenmeer anzuwenden ist, wurde dieses Konzept bei Art. 211 (6) SRÜ aber nur unzureichend verwirklicht: Die Vorschrift ist wegen ihrer räumlichen Fixierung auf die AWZ (ein Rückschritt gegenüber MARPOL) und des Fehlens eines eigenständigen, vom überkommenen Flaggenstaatsprinzip gelösten Durchsetzungsregimes unvollkommen. Flexibler ist hier das PSSA-Konzept, denn eine PSSA kann sich über mehrere Meereszonen erstrecken 447 und ermöglicht so den Schutz der besonders empfindlichen küstennahen Gewässer. Zwar schaffen die PSSA-Richtlinien selbst weder für die IMO noch die Küstenstaaten neue seerechtliche Befugnisse 448, die Ausweisung einer PSSA ist insofern rein symbolisch, doch können in solchen Anwendungsräumen nach vorhandenen Übereinkommen zulässige Maßnahmen zum Zwecke des marinen Umweltschutzes koordiniert angewendet werden. Es ist daher unwahrscheinlich, dass die sehr komplizierten SRÜ-Sondergebietsregelungen den für spezielle Verschmutzungsverhütungsgebiete dringend benötigten Ordnungsrahmen schaffen werden. Vielmehr scheinen die Staaten die kollektive Ausweisung bestimmter Gebiete als PSSA zu bevorzugen 449. Die neuen PSSARichtlinien sprechen denn auch nur von Maßnahmen nach Art. 211 (6) SRÜ in einer PSSA 450 und ordnen die SRÜ-Sondergebiete damit in gewisser Weise dem PSSAKonzept unter. 7. Schutzbestimmungen Die Schutzbestimmungen (safeguards) des Teil XII Abschnitt 7 (Art. 223–233) SRÜ sind ein integraler Bestandteil der AWZ-Durchsetzungsordnung, eine verfahrensmäßige Absicherung der durch das Seerechtsübereinkommen geschaffenen Balance zwischen Schifffahrtsfreiheit und Umweltschutz. Sie tragen Befürchtungen von Flaggenstaaten und maritimer Industrie Rechnung, dass Küsten- und Hafenstaaten ihre Durchsetzungsbefugnisse nach Abschnitt 6 missbrauchen und durch langwierige Inspektionen oder Festhalten der Schiffe die Kosten für die Schifffahrt verteuern und so den Wettbewerb verzerren könnten. Denn jede Stunde, die ein Schiff im Hafen wegen Kontrollen festgehalten wird, kostet Geld, weil die Ladung nicht gelöscht bzw. das Schiff nicht neu befrachtet werden kann. Vgl. IMO Resolution A.927(22), Annex 2, Ziff. 4.3. Spadi, Navigation in Marine Protected Areas: National and International Law, ODIL 31 (2000), 295 f. 449 Vgl. den gemeinsamen Antrag von Dänemark, Deutschland und den Niederlanden zur Ausweisung des Wattenmeers als PSSA an die IMO (MEPC 48/7/2). Durch Resolution MEPC.101(48) wurde das Wattenmeer schließlich als PSSA ausgewiesen. 450 IMO Resolution A.927(22), Annex 2, Ziff. 7.4.2. 447 448

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Die meisten Schutzbestimmungen des Montego Bay-Übereinkommens finden sich bereits in den technischen Konventionen. Lediglich die Aussetzung zugunsten des Flaggenstaates nach Art. 228 SRÜ und die Beschränkung möglicher Sanktionen auf Geldstrafen in Art. 230 SRÜ, außer im Falle einer vorsätzlichen und schweren Verschmutzungshandlung im Küstenmeer, sind echte Neuerungen des SRÜ 451. Die Sicherungsklauseln gelten für alle gemäß Teil XII SRÜ durchgeführten Inspektionen und administrativen oder strafrechtlichen Verfahren. Zivilrechtliche Schritte wegen einer Forderung aus Verlusten oder Schäden, die durch die Verschmutzung der Meeresumwelt entstanden sind, bleiben durch das SRÜ unberührt, Art. 229 SRÜ 452. Die Schutzbestimmungen sind ebenfalls auf Durchsetzungsmaßnahmen in eisbedeckten Gebieten anwendbar. Zwar bildet Art. 234 SRÜ einen eigenständigen Abschnitt und verweist nicht auf Abschnitt 7, doch spricht schon wegen des Zeitdrucks unter dem Art. 234 SRÜ verhandelt wurde, vieles für ein Redaktionsversehen 453. Denn die dort vorherrschenden Witterungsbedingungen mögen zwar die nahezu unbeschränkten Durchsetzungsbefugnisse der Küstenstaaten in diesen Gebieten rechtfertigen, nicht aber ein Nichtbeachten der Schutzbestimmungen, die bloße Verfahrensgarantien sind. Es lassen sich allgemeine von speziellen Verfahrensgarantien unterscheiden. Eher genereller Art ist die Verpflichtung nach Art. 223 SRÜ, Maßnahmen zur Erleichterung der Verfahren (insbesondere der Erleichterung der Anhörung von Zeugen und der Zulassung von Beweismaterial) zu ergreifen, Zwangsmaßnahmen nur von Staats- oder Kriegsschiffen bzw. Luftfahrzeugen im Staats- und Militärdienst vornehmen zu lassen (Art. 224 SRÜ) sowie den Flaggenstaat von den gegen seine Schiffe ergriffenen Maßnahmen umgehend zu unterrichten und ihm alle amtlichen Berichte über diese Maßnahmen vorzulegen 454. Letzteres gilt bei Verstößen im Küstenmeer allerdings nur für Maßnahmen im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens, also nicht für Inspektionen, Art. 231 SRÜ. Ebenfalls genereller, wenn auch grundlegender Natur sind das Diskriminierungsverbot des Art. 227 SRÜ: Bei der Ausübung ihrer Rechte und der Erfüllung ihrer Pflichten nach Teil XII SRÜ dürfen die Staaten fremde Schiffe weder rechtlich noch tatsächlich diskriminieren; und Art. 225 SRÜ: Die Vollstreckungsbefugnisse gegen fremde Schiffe dürfen nicht so ausgeübt werden, dass die Sicherheit der Schifffahrt 451 Art. 4 (4) MARPOL ist nicht als Schutzbestimmung formuliert, sondern ordnet vielmehr an, dass „the penalties under the law of a Party pursuant to the present article shall be adequate in severity to discourage violations (darunter fallen Verstöße gegen Einleitungs- und CDEMBestimmungen) of the present Convention and shall be equally severe irrespective of where the violations occur.“ Abschnitt 3.12 Paris MOU ist ebenfalls keine Schutzbestimmung. Er erlegt im Fall von Mängeln lediglich alle Kosten der Inspektion dem Eigentümer oder Betreiber des Schiffes auf. 452 Siehe auch Art. 28 SRÜ. 453 Oxman, Observations on Vessel Release under the United Nations Convention on the Law of the Sea, IJMCL 11 (1996), S. 204. 454 Ähnlich die technischen Konventionen: Siehe z. B. Art. 5 (3), 6 (5) MARPOL.

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und des Schiffes selbst sowie die Integrität der Meeresumwelt gefährdet werden. Anderenfalls haften die Staaten für ihnen zurechenbare Schäden oder Verluste, die sich aufgrund von Durchsetzungsmaßnahmen ergeben, wenn diese Maßnahmen unrechtmäßig sind oder über das in Anbetracht der verfügbaren Informationen vernünftigerweise erforderliche Maß hinausgehen, Art. 232 SRÜ 455. Eine spezielle Verfahrensbestimmung ist der bereits erwähnte Art. 228 SRÜ. Abs. (1) der Vorschrift zufolge ist ein Verfahren des Küstenstaates zur Ahndung eines Verstoßes außerhalb des Küstenmeeres gegen anwendbare Vorschriften oder internationale Regeln und Standards zur Verhütung, Verringerung und Überwachung der Verschmutzung durch Schiffe auszusetzen, wenn der Flaggenstaat binnen sechs Monaten selbst ein entsprechendes Strafverfahren einleitet. Eine Aussetzung zugunsten des Flaggenstaates ist innerhalb dieses Zeitraums ausnahmsweise nur dann nicht zwingend, wenn der Flaggenstaat wiederholt seine Pflicht zur Durchsetzung von Umweltschutzbestimmungen missachtet hat oder wenn dem Küstenstaat durch die Zuwiderhandlung ein schwerer Schaden (major damage) entstanden ist. In zeitlicher Hinsicht bestimmt Art. 228 (2) SRÜ, dass drei Jahre nach dem Verstoß kein Verfahren gegen ein fremdes Schiff mehr eingeleitet werden darf. Ein Verfahrenshindernis besteht auch dann, wenn ein Verfahren bereits durch einen anderen Küstenstaat eingeleitet wurde. Abs. (3) der Vorschrift stellt schließlich im Hinblick auf den ne bis in idem-Grundsatz nicht unproblematisch klar, dass das Recht des Flaggenstaates, ungeachtet früherer Verfahren seitens eines anderen Staates, nach seinen eigenen Gesetzen Maßnahmen zu ergreifen, unberührt bleibe. Art. 228 SRÜ bekräftigt mithin bei Verstößen, die außerhalb des Küstenmeeres begangen wurden, die Prärogative der Flaggenstaatsjurisdiktion gegenüber Verfahren der Küsten- und Hafenstaaten. In gewisser Weise werden dadurch die Durchsetzungsbefugnisse des Küstenstaates in der AWZ im Rahmen der Schutzbestimmungen wieder zurückgenommen, weil der Flaggenstaat das Verfahren zumindest innerhalb der ersten sechs Monate jederzeit an sich ziehen kann. Das erscheint kaum sachgerecht, wenn man bedenkt, dass Flaggenstaaten häufig entweder unwillens oder unfähig sind, Zuwiderhandlungen effektiv zu verfolgen. Auch wird selbst bei extensiver Auslegung des Begriffes major damage gerade bei betriebsbedingten Einleitungen im Einzelfall meist keine schwere Schädigung des Küstenstaates vorliegen, sehr wohl aber in der Summe. Allerdings wird der Flaggenstaat bei einer Verletzung von CDEM-Standards regelmäßig keine Aussetzung zu seinen Gunsten erreichen können, denn ein Verstoß gegen solche Bestimmungen liegt gewöhnlich während der gesamten Reise des Schiffes, also auch im Küstenmeer, vor. Weiteren Beschränkungen werden die küstenstaatlichen Durchsetzungsbefugnisse in der AWZ und sogar im Küstenmeer durch Art. 230 SRÜ unterworfen: Bei Verstößen außerhalb des Küstenmeeres gegen innerstaatliche Vorschriften oder AIRAS zur Verhütung, Verringerung und Überwachung der Verschmutzung der Meeresum455

Vgl. Art. 7 (2) MARPOL.

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welt dürfen nur Geldstrafen verhängt werden, Abs. (1). Dies gilt in der Regel auch für Verstöße im Küstenmeer, ausgenommen im Fall einer vorsätzlichen schweren Verschmutzungshandlung (act of pollution), Abs. (2). Haftstrafen können folglich nur im Fall einer Verletzung von Einleitungsbestimmungen verhängt werden, da Verstöße gegen Navigationsvorschriften und CDEM-Standards keine acts of pollution sind. Eine Beschränkung auf die unmittelbar Handelnden (Kapitän, Crew) lässt sich der Vorschrift dagegen nicht entnehmen, so dass auch der Eigentümer oder Betreiber des Schiffes zu einer Haftstrafe verurteilt werden kann, wenn ihm eine Beteiligung nachzuweisen ist. Die anerkannten Rechte des Angeklagten sind während der Durchführung des Verfahrens zu beachten, Abs. (3). Eine spezielle, die Untersuchung fremder Schiffe betreffende Verfahrensablaufregelung ist schließlich Art. 226 SRÜ. Bei Überprüfungen dürfen die Schiffe nicht länger als unbedingt erforderlich aufgehalten werden456. Um kostspielige Verspätungen in den Häfen zu vermeiden, hat sich, wie bei den technischen Konventionen, 457 jede Inspektion an Bord eines fremden Schiffes zunächst auf eine Prüfung der Zeugnisse, Aufzeichnungen und sonstigen Dokumente zu beschränken, die das Schiff nach GAIRAS mitführen muss und die die Staaten nach dem Reziprozitätsprinzip als ebenso gültig ansehen wie von ihnen ausgestellte Papiere 458. Detaillierte Regelungen über den Inhalt der Dokumente und die für ihre Ausstellung erforderlichen Überprüfungen trifft das SRÜ nicht, sondern überlässt die nähere Ausgestaltung den technischen Übereinkommen. Hier wie dort steht freilich die Entscheidung über die Durchführung von Inspektionen im Ermessen des Küsten- bzw. Hafenstaates. In den technischen Konventionen wird dies durch die Formulierung a ship is subject to inspection zum Ausdruck gebracht 459. Eine über die Kontrolle der Zeugnisse hinausgehende Inspektion an Bord des Schiffes (further physical inspection) darf nach Art. 226 (1) (a) (i)–(iii) SRÜ nur vorgenommen werden, wenn eindeutige Gründe (clear grounds) für die Annahme bestehen, dass der Zustand des Schiffes oder seiner Ausrüstung in wesentlichen Punkten den Angaben dieser Dokumente nicht entspricht (i), der Inhalt dieser Dokumente nicht ausreicht, um einen mutmaßlichen Verstoß zu bestätigen (ii) 460 oder das Schiff keine gültigen Zeugnisse und Aufzeichnungen mitführt (iii). Vgl. Art. 7 (1) MARPOL, Art. 4 (2) Satz 2 ILO No. 147. Siehe Regel I/19 SOLAS, Art. X iVm Regel I/4 STCW, Art. 4 ILO 147, Art. 21 LL, Art. 12 Tonnage und Art. 5 MARPOL. 458 Vgl. Art. 5 (1) MARPOL, Regel I/17 SOLAS sowie Art. 217 (3) Satz 2 SRÜ, der bestimmt: „These certificates shall be accepted by other States as evidence of the condition of the vessels and shall be regarded as having the same force as certificates issued by them, unless there are clear grounds for believing that the condition of the vessel does not correspond substantially with the particulars of the certificates.“ 459 Vgl. z. B. Art. 5 (2) Satz 1 MARPOL. Für einen EG-Mitgliedstaat ergibt sich aufgrund von Art. 5 (1) RL 95/21/EG die Verpflichtung, mindestens 25 % der Schiffe, die seine Häfen im Jahr anlaufen, zu überprüfen. 460 Diese Fallgruppe wird häufig bei aus der Luft beobachteten Einleitungen vorliegen. Der endgültige Nachweis lässt sich hier nur durch die Entnahme einer Probe erbringen. 456 457

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Mit Ausnahme der 1995 in ihrem Anhang vollständig überarbeiteten STCW-Konvention (STCW 95) geben weder SRÜ noch technische Konventionen Anhaltspunkte dafür, wann vom Vorliegen eindeutiger Gründe auszugehen ist. Die Frage ist von erheblicher Bedeutung, denn divergierende Auslegungen des Begriffs können das im Hinblick auf die Erleichterung des Seeverkehrs wichtige Konzept der gegenseitigen Zeugnisanerkennung zunichte machen. Umgekehrt kann das Vorliegen eindeutiger Gründe mit Sicherheit natürlich erst nach einer Inspektion bejaht werden, weshalb gewisse, über eine bloße Sichtung der Zeugnisse hinausgehende Überprüfungen unvermeidbar sind. Ausgehend von der Praxis der Pariser Hafenstaatskontrollvereinbarung hat sich daher die sogenannte superficial round of inspection durchgesetzt 461. Ergeben sich dabei konkrete Verdachtsmomente, ist vom Vorliegen eindeutiger Gründe auszugehen, die zu ausführlicheren oder ausgedehnteren Inspektionen berechtigen 462. Mittlerweile ist diese Praxis durch zahlreiche IMO-Resolutionen zur Hafenstaatskontrolle abgesegnet worden und wird von maritimer Industrie und Flaggenstaaten akzeptiert 463. Die IMO-Hafenstaatskontrollrichtlinie (Procedures for Port State Control) nennt sogar Beispiele für das Vorliegen eindeutiger Gründe 464. Anders als die jüngst geänderten MARPOL-, SOLAS- und STCW-Konventionen sieht Art. 226 SRÜ aber keine Kontrolle der für den sicheren Schiffsbetrieb geltenden Anforderungen, der sogenannten operational requirements, durch den Hafenstaat vor 465, sondern spricht in Abs. (1) (a) (i) lediglich von eindeutigen Gründen für 461 Abschnitt 3.1. Paris MOU: „In fulfilling their commitments the Authorities will carry out inspections, which will consist of a visit on board a ship in order to check the certificates and documents as referred to in section 2 of Annex 1. Furthermore the Authorities will satisfy themselves that the crew and the overall condition of the ship, including the engine room and accommodation and including hygienic conditions, meets generally accepted international rules and standards.“ In Abschnitt 3.6.2 wird dies als initial control bezeichnet. 462 Annex 1 Abschnitt 4 Paris MOU nennt Beispiele für clear grounds, die zu einer ausführlicheren oder ausgedehnteren Inspektion berechtigen. 463 Ziff. 1.6.4 IMO Resolution A.787(19), Procedures for Port State Control, as amended by Resolution A.882(21) (PPSC) definiert inspection als „a visit on board a ship to check both the validity of the relevant certificates and other documents, and the overall condition of the ship, its equipment, and its crew.“ Vgl. ebenfalls Ziff. 2.2.1 und 3.2. PPSC. Beispiele für clear grounds nennt erstmals IMO Resolution A.466(XII), Annex, Ziff. 5.1 und Ziff. 2, Appendix 1. Siehe auch IMO Resolution A.742(18), Ziff. 1.6. 464 Ziff. 2.3 (Clear Grounds) PPSC: „Clear grounds to conduct a more detailed inspection include: .1 the absence of principal equipment or arrangements required by the conventions; [...] .4 evidence from the PSCO’s general impressions and observations that serious hull or structural deterioration or deficiencies exist that may place at risk the structural, watertight or watertight integrity of the ship; .5 evidence from the PSCO’s general impressions or observations that serious deficiencies exist in the safety, pollution prevention, or navigational equipment [...].“ 465 Vgl. Regel XI/4 (1) SOLAS: „A ship when in a port of another Contracting Government is subject to control by officers duly authorized by such Government concerning operational requirements in respect of the safety of ships, when there are clear grounds for believing that the master or crew are not familiar with essential shipboard procedures relating to the safety of ships.“ und die Beispiele für clear grounds in Ziff. 2.3 PPSC sowie die on-board operational procedures in Ziff. 3.5 PPSC.

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die Annahme, dass der Zustand des Schiffes oder seiner Ausrüstung (the condition of the vessel or its equipment) in wesentlichen Punkten nicht den Angaben der Dokumente entspricht. Im Unterschied zu Bemannungsstandards geht es bei den operational requirements im Kern um Fragen der Bemannungsqualität 466. Eine zusätzliche Kontrolle dieser Bestimmungen durch die Hafenstaaten ist dringend geboten, wenn man bedenkt, dass ein Großteil der Unfälle auf menschliches Versagen zurückzuführen ist und viele Bemannungsgesellschaften ihr Personal mit falschen Zeugnissen ausstatten. Bemerkenswert ist, dass mit den neuen Regeln XI/4 SOLAS, I/8A, II/15, III/8, V/8, VI/10 MARPOL und I/4 STCW dieses Problem trotz seines Jurisdiktionsbezugs nicht durch eine Änderung der Montego-Bay-Konvention nach Art. 313 SRÜ gelöst worden ist, sondern durch eine schnelle tacit-Ergänzung der technischen Anhänge und Anlagen der IMO-Konventionen. Auch hier wird also ähnlich wie bei den Sondergebieten die Balance Schifffahrtsfreiheit/Umweltschutz durch Entwicklungen im Rahmen der IMO modifiziert und aktuellen Anforderungen angepasst. Die Grenzen der Art. 237 und 311 SRÜ dürften dabei gewahrt sein, zumindest sichert das Vorgehen im Rahmen der IMO die Zustimmung der nahezu gesamten Staatengemeinschaft 467. Art. 226 (1) (b) u. (c) SRÜ betreffen eine weitere Phase der Durchsetzung, das Zurückhalten des Schiffes: Ergibt die Untersuchung, dass ein Verstoß gegen die anwendbaren Vorschriften oder internationalen Regeln und Standards zum Schutz der Meeresumwelt vorliegt, so muss das Schiff nach Hinterlegung einer angemessenen Sicherheit freigegeben werden. Dies schließt implizit die Befugnis des Küstenstaates zum Zurückhalten des Schiffes ein. Allerdings besteht nach lit. (c), unbeschadet der anwendbaren Regeln und Standards über die Seetüchtigkeit von Schiffen, die Möglichkeit, die Freigabe des Schiffes zu verweigern oder davon abhängig zu machen, dass das Schiff die nächstgelegene geeignete Reparaturwerft anläuft, wenn die Freigabe eine unverhältnismäßig große Gefahr einer Schädigung der Meeresumwelt darstellen würde 468. In diesem Fall muss der Flaggenstaat sofort benachrichtigt wer466 Siehe Regel I/4 (1.3) STCW: „[Control by a duly authorized control officer under article X shall be limited to the following:] assessment, in accordance with section A-I/4 of the STCW Code, of the ability of the seafarers of the ship to maintain watchkeeping standards as required by the Convention if there are clear grounds for believing that such standards are not being maintained because any of the following have occurred: .1 the ship has been involved in a collision, grounding or stranding, or .2 there has been a discharge of substance from the ship when under way, at anchor or at berth which is illegal under any international convention, or .3 the ship has been manoeuvred in an erratic or unsafe manner whereby routeing measures adopted by the Organization or safe navigation practices and procedures have not been followed, or .4 the ship is otherwise being operated in such a manner as to pose a danger to persons, property or the environment.“ Beachte, dass die STCW-Konvention damit zur Zeit die einzige Konvention ist, die Beispiele für clear grounds nennt. 467 Anderer Ansicht Valenzuela, The Role of the United Nations and other Competent International Organizations in the Future Development of Law for the Protection of the Marine Environment: Selected Topics, in: LSIP 29 (1997), S. 694. 468 Art. 226 (1) (c) SRÜ ist also quasi eine Art Gegenstück zu Art. 219 SRÜ.

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Zweiter Teil: Der Schutz vor Öltankerunfällen durch das Völkerrecht

den. Er kann in Übereinstimmung mit Teil XV SRÜ die Freigabe des Schiffes zu erreichen suchen, also das Verfahren der sofortigen Freigabe nach Art. 292 SRÜdurchführen. lit. (c) regelt mithin die Durchsetzung bei gravierenden Verstößen gegen CDEM-Standards. Regelungsziel ist, deren Ursache, beispielsweise eine Konstruktionsschwäche, zu beseitigen, dagegen berührt die Durchsetzung von Einleitungsoder Navigationsbestimmungen nach lit. (b) nicht die Fähigkeit eines Schiffes, seine Fahrt fortzusetzen, ohne die Umwelt zu gefährden. Das Festhalten des Schiffes hat hier primär Sanktionscharakter. Art. 226 (2) SRÜ verpflichtet die Staaten schließlich, bei der Entwicklung von Verfahren zur Vermeidung unnötiger Überprüfungen an Bord von Schiffen auf See zusammenzuarbeiten. Die Vorschrift bekräftigt damit erneut den Leitgedanken der Schutzbestimmungen des Abschnitts 7, die Schifffahrt so wenig wie möglich zu beeinträchtigen und die Küstenstaaten zu einer zurückhaltenden Ausübung ihrer Durchsetzungsbefugnisse nach Art. 220 (2), (3), (5), (6) SRÜ anzuhalten. 8. Zusammenfassung und Würdigung Die Umweltverschmutzung durch Schiffe hat im Seerechtsübereinkommen eine sehr detaillierte Regelung erfahren. Während die Verpflichtung der Flaggenstaaten, für die Einhaltung internationaler Umweltstandards zu sorgen, unabhängig vom Aufenthaltsort des Schiffes ist, ist die küstenstaatliche Regelungs- und Durchsetzungsgewalt nicht nur von der jeweiligen Meereszone, sondern auch von der Art des Standards (CDEM-, Einleitungs- und Navigationsstandards) abhängig. Die Montego-Bay-Konvention hält damit am traditionellen Flaggenstaatsprinzip fest, räumt den Küstenstaaten aber, mit Ausschließlicher Wirtschaftszone und marinen Schutzgebieten nach Art. 211 (6) SRÜ weit in ehemals Hohe-See-Gebiete hineinreichend, dort Jurisdiktion ein, wo ihre legitimen Interessen am Schutz der Umwelt und ihrer Ressourcen berührt sind. (Flaggenstaatliche) Kommunikationsfreiheit und Umweltschutz werden zum Ausgleich gebracht, indem die küstenstaatlichen Kompetenzen zu einem großen Teil an internationale Standards gebunden sind. Schematisch lässt sich dies für die Schiffssicherheit folgendermaßen darstellen:

Bindung an GAIRAS, Art. 21 (1) (f), (2); 211 (4) SRÜ.

Küstenmeer Eigenständige nationale Regelungen möglich, aber IMO-Empfehlungen sind zu berücksichtigen, Art. 21 (1) (a), 22 SRÜ.

Hafenstaatsjurisdiktion, eigen- Eigenständige nationale Regeständige nationale Regelungen lungen möglich. grds. möglich, Arg.: Art. 2, 25 (2), 211 (3) SRÜ.

Häfen

Eigenständige nationale Regelungen möglich.

Eigenständige nationale Regelungen möglich.

Navigation (Wegeführungen, Meldepflichten, VTS)

Innere Gewässer

CDEM-Standards

Regelungsbefugnisse

Verstoß im Hafen: keine Beschränkungen. Verstoß im Küstenmeer oder in der AWZ: keine Beschränkungen, Art. 220 (1) SRÜ.

Keine Beschränkungen.

Navigation (Wegeführungen, Meldepflichten, VTS)

(Fortsetzung auf Seite 160)

Nichtfriedliche Durchfahrt: umfassende Durchsetzungsbefugnisse, Art. 25 (1) SRÜ, aber Nichtbeachten von CDEM- und Navigationsstandards macht Durchfahrt grds. nicht unfriedlich.

Verstoß im Küstenmeer: Bei Bestehen eindeutiger Gründe Inspektion, Zurückhalten des Schiffes, Einleiten eines Verfahrens, Art. 220 (2) SRÜ, Teil II Abschnitt 3 SRÜ. Verstoß in der AWZ: Auskunftsverlangen, Art. 220 (3) SRÜ.

Hafenstaatsjurisdiktion, implizit in Regelungsbefugnissen oder nach Art. 220 (1) SRÜ, keine Beschränkungen.

Keine Beschränkungen.

CDEM-Standards

Durchsetzungsbefugnisse *

A. Der universelle völkerrechtliche Rahmen

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Bindung an GAIRAS, Art. 211 (5) SRÜ.

AWZ Mit Zustimmung der IMO, Regeln V/10, V/11 SOLAS.

Mit Zustimmung der IMO, Art. 41 (4) SRÜ.

Navigation (Wegeführungen, Meldepflichten, VTS) Geeignete Durchsetzungsmaßnahmen, wenn durch Verstoß schwerer Schaden für Meeresumwelt entstanden ist oder zu entstehen droht, Art. 233 SRÜ.

Navigation (Wegeführungen, Meldepflichten, VTS)

Falls keine weiteren Angaben: ausgeübt in der jeweiligen Meereszone hinsichtlich dort begangener Verstöße.

Grundsätzlich keine Jurisdiktion, aber: Interventionsrecht, vgl. Art. 221 SRÜ.

Hohe See

*

Keine speziellen Beschränkungen, aber Belange der Schifffahrt Eigenständige nationale Regelungen möglich, Art. 234 SRÜ. müssen berücksichtigt werden. Teil XII Abschnitt 7 SRÜ anEvtl. künftig indirekte Bindung über due regard-Erfordernis durch Richtlinien der IMO für Schiffe, die in eisbedeckten Ge- wendbar. wässern betrieben werden.

Immer: Auskunftsverlangen, Art. 220 (3) SRÜ. Nur, wenn Verstoß gegen CDEM- oder Navigationsbestimmungen zu Einleiten führt. Abhängig von Beweislage und Schwere der Schäden: Inspektion, Zurückhalten des Schiffes, Einleiten eines Verfahrens, Art. 220 (5), (6), (8) SRÜ, idR neben Art. 221 SRÜ.

Nichtfriedliche Nichttransitdurchfahrt: umfassende Durchsetzungsbefugnisse, Art. 38 (3) SRÜ, aber Nichtbeachten von CDEM- und Navigationsstandards führt grds. nicht zu Verlust des Transitrechts.

Nicht erlaubt.

CDEM-Standards

Durchsetzungsbefugnisse *

Eisbedeckte Gebiete

Marine Schutzgebiete Bindung an IMO-Sondergebietsregelungen + IMO-Zustimmung, Art. 211 (6) (a) SRÜ. Zusätzliche Vorschriften nach nach Art. 211 (6) Art. 211 (6) (c) SRÜ mit IMO-Zustimmung, hier aber keine SRÜ CDEM-Standards.

Keinerlei nationale Regelungen.

CDEM-Standards

Regelungsbefugnisse

Meerengen mit Transitdurchfahrt

(Fortsetzung von Seite 159)

160 Zweiter Teil: Der Schutz vor Öltankerunfällen durch das Völkerrecht

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Die Tabelle verdeutlicht den Territoriumsbezug der küstenstaatlichen Befugnisse in der Schiffssicherheit. Mit zunehmender Küstenferne nimmt die Bindung der küstenstaatlichen Kompetenzen an internationale Regeln zu, bewertet die MontegoBay-Konvention die Schifffahrtsfreiheit höher als einzelstaatliche Partikularinteressen. Eine von der internationalen Ebene unabhängige küstenstaatliche Regelungsjurisdiktion ist, vom Sonderfall der eisbedeckten Gebiete abgesehen, nur in den inneren Gewässern gegeben. Selbst im dem zum Aquitorium des Küstenstaates zählenden Küstenmeer beschränkt das SRÜ die Befugnisse der Küstenstaaten, verlangt es, dass die friedliche Durchfahrt nicht unangemessen behindert wird, Art. 24 SRÜ. Seine deutlichste Ausprägung findet dieser Grundsatz in dem Verbot eigenständig nationaler, nicht GAIRAS Wirksamkeit verleihender CDEM-Standards. Schifffahrtswege dürfen zwar einseitig errichtet werden, angemessen ist ein solcher Eingriff in die Schifffahrtsfreiheit freilich nur, wenn die entsprechenden IMO-Empfehlungen beachtet wurden. In der AWZ ist die küstenstaatliche Regelungsmacht gänzlich darauf beschränkt, GAIRAS Wirksamkeit zu verleihen, in Meerengen mit Transitdurchfahrt schließlich ist hinsichtlich CDEM-Bestimmungen selbst dies verboten. Die präskriptive Jurisdiktion des Meerengenanliegerstaates nach dem SRÜ ist auf Schifffahrtswege, TSS und bestimmte Arten von Einleitungen beschränkt. So sehr diese strikte Bindung der örtlich und sachlich begrenzten küstenstaatlichen Regelungsjurisdiktion an die internationale Ebene zu begrüßen ist, weil sie die IMO stärkt und im Interesse von Kommunikationsfreiheit und Umweltschutz weltweit einheitliche Schifffahrtsstandards sichert, desto unverständlicher ist, warum die ohnehin auf die Umsetzung internationaler Standards beschränkte küstenstaatliche Durchsetzungsgewalt für Kontrollen auf See derart rudimentär ausgestaltet wurde. Bei Verstößen außerhalb seines Küstenmeeres steht dem Küstenstaat selbst in marinen Schutzgebieten nach Art. 211 (6) SRÜ regelmäßig nur ein allgemeiner Auskunftsanspruch zu. Über weitergehende Befugnisse verfügt er nur, wenn es bereits zu einem Unfall gekommen ist. Die Vorraussetzungen für ein Eingreifen sind zudem kompliziert und unbestimmt. Allerdings scheinen die Staaten ohnehin die Durchsetzung während eines freiwilligen Aufenthalts des Schiffes im Hafen der Durchsetzung auf See vorzuziehen. Das mag daran liegen, dass einige der im SRÜ vorgesehenen Durchsetzungsmaßnahmen (Inspektion, Zurückhalten des Schiffes, Einleiten eines Verfahrens) gerade mit Blick auf die Sicherheit auf See wenig sachgerecht sind. Die Staatenpraxis bietet kaum Anhaltspunkte dafür, dass die komplizierten, nuancierten Befugnisnormen des AWZ-Durchsetzungsregimes mehr als paper tiger law geworden wären. In der Regel beschränken sich die Staaten bei der Durchsetzung auf See darauf, allgemeine Auskünfte zu verlangen. Obwohl keine Durchsetzungsmaßnahme, wird AIS dies künftig erheblich erleichtern 469. 469 Nach Regel V/19 (2.4) SOLAS müssen im internationalen Verkehr eingesetzte Schiffe ab 300 GT und alle nicht im internationalen Verkehr eingesetzten Schiffe ab 500 GT sowie alle

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Zweiter Teil: Der Schutz vor Öltankerunfällen durch das Völkerrecht

Hafenstaatskontrollen können indes, selbst wenn sie regional koordiniert erfolgen, die Durchsetzung auf dem Meer nicht immer ersetzen. Es sind Fälle denkbar, in denen ein Küstenstaat ein legitimes Interesse daran hat, ein Schiff, das gefährliche Güter transportiert, aus seiner AWZ zu verweisen. Das Seerechtsübereinkommen bietet hierfür keine Rechtsgrundlage. Außerdem bleibt bei Schiffen, die ihren Pflichten im Rahmen von Schiffsmeldesystemen nicht nachkommen, eine Sanktionslücke, denn der Küstenstaat kann hierauf bloß mit einem erneuten (weitergehenden) Auskunftsverlangen nach Art. 220(3) SRÜ reagieren. Die EG versucht, diese Lücke in RL 2002/59 EG auf regionaler Ebene dadurch zu schließen, dass sie solche Schiffe als Risikoschiffe klassifiziert. Jeder Mitgliedstaat ist dann verpflichtet, das Schiff zu überprüfen, wenn es einen seiner Häfen anläuft. Selbst bei der Durchsetzung im Hafen werden den Küstenstaaten durch die Schutzbestimmungen des Teil XII Abschnitt 7 SRÜ indes Beschränkungen auferlegt. Ursprünglich als Korrektiv gegenüber den nach dem bisher geltenden Recht erweiterten Durchsetzungsbefugnissen der Küstenstaaten nach Art. 218, 220 (6) SRÜ gedacht, erscheinen diese Bestimmungen aus heutiger Sicht unnötig restriktiv. Dies gilt besonders für die Aussetzung zugunsten des Flaggenstaates nach Art.228 SRÜ, eine angesichts der Unwillig- oder Unfähigkeit vieler Flaggenstaaten, ihre Schiffe effektiv zu kontrollieren, zweifelhafte Regelung, aber auch für Art. 226 SRÜ, der keine Kontrolle der operational requirements vorsieht und damit den für die Schiffssicherheit so wichtigen human factor ausblendet. Insgesamt kann festgehalten werden, dass die Abwägung zwischen Kommunikationsfreiheit und Umweltschutz bei den Durchsetzungsbefugnissen einseitig zugunsten der Schifffahrtsfreiheit ausgefallen ist. Erklären lässt sich das damit, dass die Montego-Bay-Konvention den Küstenstaaten mit der AWZ Jurisdiktion in ehemals Hohe-See-Gebieten einräumt und hier verhandlungspolitisch das Maximum dessen erreicht war, was die Schifffahrtsnationen zu akzeptieren bereit waren. Der nicht erst aus Post-UNCLOS-Sicht anachronistische Vorrang der Flaggenstaaten bei der Durchsetzung internationaler Standards führt angesichts des Fehlens einer internationalen Durchsetzungsinstanz zu einem gewissen Jurisdiktionsvakuum, weil die für die Schiffssicherheit primär verantwortlichen Flaggenstaaten häufig nicht handeln wollen bzw. können und die zumindest in Europa meist handlungswilligen Küstenstaaten nicht immer handeln dürfen. Die Staatenpraxis ist dazu übergegangen, dieses Vakuum durch regional koordinierte Hafenstaatskontrollen zu füllen. Ein über das Zusammenspiel von Regelungs- und Durchsetzungsbefugnissen hinausgehendes Problem ist, dass sich die artifizielle zonale Ordnung des Seerechtsübereinkommens nur schwerlich mit ökologisch motivierten Gebietsschutzkonzepten, wie sie speziellen Verschmutzungsverhütungsgebieten zugrunde liegen, in Einklang bringen lässt. Denn die Aufteilung der Meeresregionen durch das Seerecht ist Passagierschiffe, die nach dem 01.07.2002 gebaut wurden, mit AIS ausgerüstet sein. Für Altbauten gelten Übergangsfristen bis 2004.

A. Der universelle völkerrechtliche Rahmen

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nicht ökologisch, sondern geostrategisch, politisch motiviert. Legitimationspolitisch im Vordergrund steht der Bezug zum Territorium des Küstenstaates: Die wirtschaftlich relevanten Nutzungen des Küstenvorfeldes sollen dem Küstenstaat vorbehalten sein 470. Die meeresschutzbezogenen Regelungen des Teil XII SRÜ weichen hiervon nicht ab, sondern versuchen, die internationalen Regeln und Normen zur Verhütung, Verringerung und Überwachung der Verschmutzung der Meeresumwelt durch Schiffe in das künstliche Korsett dieser zonalen Meeresordnung zu integrieren. Der Umweltschutz ist damit letztlich bloßes Nebenprodukt einer landbezogenen, ressourcenorientierten Jurisdiktionsaufteilung: Nicht die besonderen Verhältnisse eines Gebietes sind grundsätzlich regelungs- und durchsetzungsbestimmend, sondern seine Küstennähe. Dieses Problem wird dadurch verschärft, dass die Referenzbestimmungen auf weltweit einheitliche Schifffahrtsstandards zielen und deshalb das Verhältnis Umweltschutz/Schifffahrtsfreiheit nicht in jedem gebietsbezogenen Einzelfall lösen können. Es mag Fälle geben, in denen die Belange des Umweltschutzes sehr hoch zu gewichten sind, die der Schifffahrt dagegen niedrig 471. Passgenaue Regeln laufen hier schnell Gefahr, sich außerhalb des SRÜ-Rahmens zu bewegen. Die komplizierten Montego-Bay-Sondergebietsregeln nach Art. 211 (6) SRÜ scheinen wegen ihrer räumlichen Fixierung auf die AWZ und des Fehlens einer eigenständigen, vom überkommenen Flaggenstaatsprinzip gelösten Durchsetzungsordnung zu unvollkommen zu sein, um genuinen Umweltbelangen Rechnung zu tragen und sich gegenüber anderen globalen Schutzmaßnahmen außerhalb des SRÜRahmens zu behaupten. Der Erfolg des PSSA-Konzepts und der MARPOL-Sondergebiete legt jedenfalls nahe, dass sich Art. 211 (6) SRÜ in der Staatenpraxis nicht als Modell für spezielle Verschmutzungsverhütungsgebiete hat durchsetzen können.

III. Zwischenergebnis: Der universelle völkerrechtliche Rahmen In der Jurisdiktionsordnung des Seerechtsübereinkommens kommt der IMO im Rechtsetzungsbereich eine zentrale Rolle zu: Die Referenzbestimmungen der Montego-Bay-Konvention nehmen u. a. Bezug auf allgemein anerkannte Regeln und Standards (GAIRAS), die nach allgemeiner Auffassung in den Anhängen der technischen IMO-Konventionen enthalten sind. Folge dieser Regelungstechnik ist eine indirekte bzw. abgeleitete Bindung der Flaggen- und Küstenstaaten an das allgemein anerkannte IMO-Recht, denn nach den Referenzbestimmungen des SRÜ sind GAIRAS für die Flaggenstaaten Mindeststandards, die sie umzusetzen verpflichtet sind, und für die fakultative Regelungsgewalt der Küstenstaaten Maximumstan470 So für die AWZ Graf Vitzthum, Raum und Umwelt im Völkerrecht, in: ders. (Hrsg.), Völkerrecht, 5. Abschn., Rn. 51. 471 Vgl. Bodansky, Protecting the Marine Environment from Vessel-Source Pollution: UNCLOS III and Beyond, ELQ 18 (1991), S. 774–777.

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Zweiter Teil: Der Schutz vor Öltankerunfällen durch das Völkerrecht

dards 472, die im Küstenmeer hinsichtlich CDEM-Standards und in den übrigen Meereszonen auch hinsichtlich aller anderen Standards nicht überschritten werden dürfen 473. Da zumindest MARPOL, COLREG, LL, STCW und SOLAS samt in Kraft getretener Protokolle und Anlagen und auch alle Änderungen dieser Instrumente im tacit acceptance-Verfahren als allgemein anerkannt gelten können, ist die IMO im Schiffssicherheitsbereich zu einem universellen Gesetzgeber geworden. Die Zentralisierung materieller Normerzeugungsmacht bei der IMO sichert, auch wenn sie dem Gebietsschutz partiell abträglich ist, nicht nur den Primat internationaler Regeln und Standards über nationale Rechtsakte und gewährleistet so die für die Schifffahrt unverzichtbare weltweite Einheitlichkeit von Sicherheitsstandards, sondern macht die Montego-Bay-Konvention auch zu einem äußerst flexiblen, ja inhärent dynamischen Instrument 474, das die Rolle der IMO freilich darauf zu beschränken scheint, materielle Schutzstandards zu kreieren und der laufenden technischen Entwicklung anzupassen. Auch nach ihrer Satzung ist die IMO eine rein technische Organisation, obwohl realiter natürlich wirtschaftliche, militärische und politische Interessen die Arbeit der Organisation erheblich beeinflussen 475. Dennoch fragt sich, ob einige der jüngeren Entwicklungen in der IMO, mit denen die Organisation auf aktuelle Herausforderungen in der Schiffssicherheit reagiert, nicht unmittelbare Auswirkungen auf das allgemeine Seerecht haben, weil sie über bloße Präzisierungen auslegungsbedürftiger Rechtsbegriffe wie die des clear grounds-Erfordernisses in Art. 226 (1) (a) (i) SRÜ hinausgehen und die durch das SRÜ geschaffene Balance zwischen Schifffahrtsfreiheit und Umweltschutz unmittelbar berühren. Das gilt besonders für die im SRÜ nicht explizit vorgesehene Möglichkeit der Küstenstaaten, bei Zustimmung der IMO verbindliche Schiffswegeführungen und -meldesysteme jenseits des Küstenmeeres errichten zu dürfen (neue Regeln V/10 und V/11 SOLAS), die Ausweitung der Hafenstaatskontrolle auf operational requirements und das PSSA-Konzept, dem zumindest das Potential inne472 Zwar spricht die Montego-Bay-Konvention nur davon, dass die Küstenstaaten Vorschriften erlassen können, die GAIRAS entsprechen und diesen Wirksamkeit verleihen (conforming to and giving effect to), doch dürften auch küstenstaatliche Vorschriften, die weniger streng als die internationalen Standards sind, SRÜ-konform sein. Denn Ziel der Referenzregeln ist, durch einheitliche Schifffahrtsstandards die Kommunikationsfreiheit zu gewährleisten. Ein Schiff, dass GAIRAS genügt, entspricht aber auch weniger scharfen Vorschriften. Zudem entstände anderenfalls die absurde Situation, dass ein Küstenstaat, der überhaupt nicht tätig wird, völkerrechtskonform handelt, nicht aber ein Küstenstaat, der hinter den internationalen Standards zurückbleibt. 473 Ausgenommen hiervon sind eisbedeckte Gebiete. 474 Oxman, Law of the Sea, in: Schachter/Joyner (Hrsg.), United Nations Legal Order, Band2, S. 699, sieht die Rolle Internationaler Organisation im Bereich des Umweltschutzes als eine der wichtigsten Neuerungen des SRÜ an. 475 Aktuelle Beispiele dafür sind die beschleunigte Einführung der Doppelhülle durch Regel I/13G MARPOL, die Reduktion des Schwefelgehalts von Kraftstoffen zur Senkung von SOx-Emissionen sowie die Rolle der IMO bei der Verkehrsregulierung im Bosporus und in den Dardanellen.

A. Der universelle völkerrechtliche Rahmen

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wohnt, über die Ausweisung bloßer Anwendungsräume hinaus, evtl. zusammen mit Art. 211 (6) SRÜ und den MARPOL-Sondergebieten, den Beginn einer Entwicklung weg von der artifiziellen zonalen Ordnung des Seerechts einzuleiten. Das wird bei den globalen Schutzmaßnahmen genauer zu untersuchen sein. Im Zusammenhang mit dem universellen völkerrechtlichen Rahmen ist nur festzuhalten, dass die Montego-Bay-Konvention wegen ihrer Referenzbestimmungen kein statisches Instrument ist, sondern durchaus Veränderungen innerhalb des durch sie gezogenen Jurisdiktionsrahmens zulässt. Diese Flexibilität ermöglicht der IMO, auf neue Herausforderungen zu reagieren und ihre Definitionshoheit zu verteidigen, obwohl die politische Konstellation in der IMO heute eine andere als auf der dritten Seerechtskonferenz ist. Für die Staaten hat dieser IMO-Zentralismus den Vorteil, dass nicht nur die Zustimmung der praktisch gesamten Staatengemeinschaft gesichert ist, sondern die getroffenen Maßnahmen auch die nötige Publizität erhalten. Diese im Großen und Ganzen erfolgreiche Internationalisierung von Schifffahrtsstandards hat im Durchsetzungsbereich in institutioneller Hinsicht keine Entsprechung gefunden. Hier wird besonders deutlich, dass Teil XII SRÜ primär dem Ausgleich der Belange von Schifffahrtsnationen und Küstenstaaten dient. Regelungsmotivation ist, mit Ausnahme des in der Schiffssicherheit nicht relevanten Art. 218 SRÜ, nicht der fiduziarische Schutz bestimmter Meeresgebiete im Staatengemeinschaftsinteresse durch die Küstenstaaten. Diese sind nicht zum Handeln verpflichtet, bleiben aus Wettbewerbs- und Kostengründen häufig hinter ihrem rechtlichen Können zurück. Vielmehr geht es darum, eigennützige küstenstaatliche Interessen am Schutz der Küsten und Küstenvorfelder mit den legitimen Nutzungsinteressen dritter Staaten in Einklang zu bringen, mag der küstenstaatliche Eigennutz häufig mittelbar auch dem Meeresschutz insgesamt zugute kommen. Deshalb weist das SRÜ den Küstenstaaten internationalisierte Regelungs- und Durchsetzungsbefugnisse gegenüber Schiffen in ihren Meereszonen zu, regelt das Ob und Wie ihrer Ausübung, verpflichtet aber nur die Flaggenstaaten, für die Sicherheit ihrer Schiffe Sorge zu tragen. Auf globaler Ebene ist damit keine zentrale, Folgebereitschaft induzierende und Wettbewerbsgleichheit garantierende Durchsetzungsinstanz vorhanden 476, die neben die nur sporadisch funktionierende Flaggenstaatskontrolle treten und das internationale Regelwerk direkt gegenüber Schiffen aller Staaten durchsetzen könnte. Die IMO ist keine internationale Meeresschutzpolizei. Soweit der Organisation im Durchsetzungsbereich Überwachungsfunktionen zugebilligt wurden, finden sich die entsprechenden Regelungen zudem außerhalb des Seerechtsübereinkommens, das lediglich in Art. 217 (2) SRÜ vorsieht, dass die Flaggenstaaten auch die IMO über Untersuchungen unterrichten, die sie aufgrund des Ersuchens eines anderen Staates wegen angeblicher Verstöße eines ihre Flagge führenden Schiffes eingeleitet haben. Von einer echten Erfüllungskontrolle, wie sie aus anderen Bereichen des 476 Graf Vitzthum, Schiffssicherheit: Die EG als potentieller Durchsetzungsdegen der IMO, ZaöRV 62 (2002), S. 172.

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Umweltvölkerrechts bekannt ist 477, ist diese bloße reflexartige Mitteilungspflicht ohne anschließenden Verifikationsprozess und faktische bzw. rechtliche Evaluierung meilenweit entfernt.

B. Globale Schutzmaßnahmen Aus der Tatsache, dass die Montego-Bay-Konvention die Durchsetzung der internationalen Regeln nicht zentralisiert hat, was angesichts vom Prinzip der Meeresfreiheit geprägter, gewachsener Ordnungsprinzipien wie Schifffahrtsfreiheit und ausschließliche Flaggenstaatsjurisdiktion auf Hoher See, anders als beim NeulandTiefseeboden, auf der Dritten Seerechtskonferenz auch nicht durchsetzbar gewesen wäre, kann nicht geschlossen werden, dass das Völkerrecht über keine effektiven Durchsetzungsmechanismen verfügte. Vielmehr sind neben die Flaggenstaaten verstärkt andere Akteure getreten, die bemüht sind, das internationale Normenwerk durchzusetzen. Im Folgenden ist zu klären, welche in globalen Übereinkommen geregelten, spezifisch schiffssicherheitsrechtlichen Schutzmaßnahmen IMO, Küsten- und Hafenstaaten ergreifen können, um auf den Ausfall des Flaggenstaates in der Schiffssicherheit zu reagieren und zur Vermeidung von Tankerunfällen beizutragen. Der Schwerpunkt liegt in diesem Abschnitt auf den technischen IMO-Konventionen und von besonderem Interesse ist, ob sich die darin vorgesehenen Schutzinstrumente reibungslos in den durch die Montego-Bay-Konvention geschaffenen Jurisdiktionsund Ordnungsrahmen fügen oder ob diese Instrumente trotz ihrer Verortung in den technischen Konventionen Auswirkungen auf die Balance Schifffahrtsfreiheit/Umweltschutz haben, weil sie über die Regelung rein materieller Detailfragen hinausgehen.

I. Möglichkeiten der IMO zur Durchsetzung ihrer Standards Es wurde bereits festgestellt, dass die starke Stellung, die das Seerechtsübereinkommen der IMO im Rechtsetzungsbereich zuerkennt, im Durchsetzungsbereich keine Entsprechung gefunden hat: Der Organisation werden durch die MontegoBay-Konvention keine Befugnisse eingeräumt, um neben den Flaggenstaaten internationale Regeln und Standards direkt gegenüber Schiffen aller Staaten durchzusetzen. Auch nach ihrer Satzung hat die IMO keine solchen polizeilichen Kompetenzen, mit denen sie ihre Mitgliedstaaten zur Einhaltung ihres Regelwerkes zwingen könnte. Nach Art. 1 (a) IMOC ist Ziel der Organisation, eine Zusammenarbeit zwischen 477

Dazu Beyerlin, Umweltvölkerrecht, S. 241–254.

B. Globale Schutzmaßnahmen

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den Regierungen bei der Regelung der Handelsschifffahrt herbeizuführen und auf die allgemeine Annahme (adoption) möglichst hoher Standards hinsichtlich der Sicherheit auf See, der Leistungsfähigkeit der Schifffahrt und der Verhütung und Bekämpfung der Meeresverschmutzung durch Schiffe hinzuwirken sowie in diesem Zusammenhang Verwaltungs- und Rechtsfragen zu behandeln 478. Durchsetzungsbefugnisse lassen sich aus dieser in der Praxis ausgesprochen erfolgreichen, hier aber nicht interessierenden, Forumsfunktion der IMO bei der Schaffung völkerrechtlich verbindlicher und unverbindlicher materieller Schutzstandards nicht herleiten479. Die IMO wurde geschaffen, um Recht zu schaffen, dessen Durchsetzung liegt grundsätzlich in den Händen der Regierungen. Allerdings bestimmt Art. 2 (d) IMOC, dass die Organisation auch Aufgaben wahrnehmen kann, die ihr durch internationale Übereinkünfte über Fragen der Seeschifffahrt und der Auswirkung der Schifffahrt auf die Meeresumwelt zugewiesen werden. Doch bezieht sich dies in erster Linie ebenfalls auf den Rechtsetzungsbereich, nämlich die Änderung der IMO-Übereinkommen durch die Fachausschüsse der Organisation 480. Weder MARPOL, SOLAS, STCW noch COLREG räumen der IMO die Kompetenz ein, ihre Bestimmungen gegenüber den Schiffen der Mitglied478 „To provide machinery for co-operation among Governments in the field of governmental regulation and practice relating to technical matters of all kinds affecting shipping engaged in international trade; to encourage and facilitate the general adoption of the highest practicable standards in matters concerning maritime safety, efficiency of navigation and prevention and control of marine pollution from ships [...]“. Zur Erreichung dieses Zieles soll die Organisation nach Art. 2 (b) IMOC Übereinkommen, Abkommen und sonstige zweckdienliche Übereinkünfte (other suitable instruments) ausarbeiten, die sie den Regierungen und zwischenstaatlichen Organisationen empfiehlt, und etwa erforderliche Konferenzen einberufen. Als weitere Ziele nennt das IMO-Übereinkommen die Bekämpfung der Flaggendiskriminierung und des unlauteren Wettbewerbs. Dabei handelt es sich allerdings um ruhende Kompetenzen der IMO. Die Organisation versteht sich in erster Linie als technische Organisation. Befürchtungen, dass sich die IMO in wirtschaftliche und handelsbezogene Belange der Schifffahrt einmischen könnte, verhinderten das zügige Inkrafttreten der IMO-Konvention. Erst nachdem man sich stillschweigend darauf geeinigt hatte, diese Kompetenzen nicht auszuüben, konnte das Übereinkommen 1958 in Kraft treten. Wegen ihrer handelspolitischen Natur werden diese Aspekte heute von der OECD und von der UNCTAD wahrgenommen, regional auch von der EG im Rahmen des Art. 80 (2) EGV. Vgl. zum Ganzen Lampe, The „New“ International Maritime Organization and its Place in Development of International Maritime Law, JMCL 14 (1983), S. 305–329. 479 Dazu ausführlich Ilg, Die Rechtsetzungstätigkeit der Internationalen Maritime Organization: Zur Bedeutung der IMO bei der Weiterentwicklung des Meeresumweltrechts, Lagoni, Die Internationale Seeschifffahrtsorganisation, S. 45–56, und Wolfrum, IMO Interface with the Law of the Sea Convention, in: Nordquist/Moore, Current Maritime Issues and the International Maritime Organization, S. 223–236. Teilweise wird sogar kritisiert, dass die IMO unter dem tacit-Verfahren zu schnell neues Recht setze. 480 Dies sind MSC, MEPC, LEG, TCC und FAL. Vorbereitet werden die Änderungen aber regelmäßig in den Unterausschüssen (COMSAR, NAV, FP, STW, DE, SLF, DSC, BLG und FSI) der senior committees. Die IMO-Vollversammlung (Assembly) spricht dagegen nur Empfehlungen aus.

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staaten durchzusetzen. Diese Befugnis liegt vielmehr beim Flaggenstaat oder, je nach Einzelfall, auch bei Hafen- oder Küstenstaaten 481. Indes ist fraglich, ob es überhaupt sinnvoll wäre, eine internationale Behörde mit der direkten Durchsetzung internationaler Standards zu betrauen. Die Zuweisung der Regelungs- und Durchsetzungsjurisdiktion an eine internationale Institution (strikte Internationalisierung) ist in der Staatenpraxis nicht zuletzt wegen der Souveränitätsversessenheit der Staaten die absolute Ausnahme geblieben482. Angesichts der Weiten der Meere und der Länge vieler Küsten 483 wäre in der Schifffahrt dafür eine Unsummen verschlingende und deshalb kaum praktikable Mammutorganisation erforderlich. Jedenfalls ist die IMO, auch wenn sie über keine polizeilichen Befugnisse verfügt, nicht mittellos, wenn es um die Durchsetzung ihrer Standards geht. Allerdings erfolgt die Rechtsdurchsetzung weniger durch repressive Mittel als in den kollektiv partnerschaftlichen Verfahren der Erfüllungskontrolle und Erfüllungshilfe, wobei sich diese natürlich partiell überlagern. Ziel ist dabei nicht so sehr, eine Rechtsverletzung festzustellen und Druck und Zwang auf den säumigen Vertragspartner auszuüben, als vielmehr Schwierigkeiten bei der Vertragserfüllung zu identifizieren und Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten 484. 1. Erfüllungskontrolle durch Berichtsverfahren, Regel I/7 STCW und Audit Scheme MARPOL, SOLAS, LL und STCW verpflichten ihre Vertragsparteien, der Organisation Informationen über die Umsetzung ihrer Bestimmungen in nationales Recht 485 und die Ergebnisse der Untersuchungen von Verstößen bzw. Unfällen zu 481 Zum Einschreiten verpflichtet werden die Flaggenstaaten durch Art.4 (1) MARPOL und die Küstenstaaten durch Art. 4 (2) MARPOL. Spezielle Regelungen für die Hafenstaaten enthält Art. 5 (2) MARPOL. 482 Das SRÜ sieht in Teil XI vor, der Internationalen Meeresbodenbehörde im Bereich des Tiefseebergbaus gewisse Regelungs- und Durchsetzungsbefugnisse einzuräumen. Diesem Ansatz lag die Überzeugung zugrunde, dass möglichst weite Teile der Weltmeere der umfassenden Verwaltung einer internationalen Organisation unterstellt werden müssten, die ihre Tätigkeit im Namen der Gesamtheit aller Staaten ausübt. Die ideologische „Übersteuerung“ des Meeresbodenregimes (Graf Vitzthum, Seerechtsglobalisierung, S.414), das im Detail Elemente einer dirigistischen, planwirtschaftlich anmutenden „neuen internationalen Wirtschaftsordnung“ aufwies, war ein wesentlicher Grund für das verspätete Inkrafttreten der Montego-BayKonvention. Es wurde durch das Agreement on the Implementation of Part XI of the 1982 Law of the Sea Convention, New York, 28.07.1994, in Kraft getreten am 28.07.1996, ILM 33 (1994), 1309, erheblich entschärft. Zur Internationalisierung allgemein: Wolfrum, Die Internationalisierung staatsfreier Räume. 483 Erinnert sei nur an die Länge der australischen Küste. 484 Zur Erfüllungskontrolle und Erfüllungshilfe vgl. Bayerlin, Umweltvölkerrecht, S. 241– 270. 485 Art. 11 MARPOL, Art. III SOLAS, Art. III Prot. 88 SOLAS und Art. IV STCW.

B. Globale Schutzmaßnahmen

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übermitteln 486. Dies ermöglicht der IMO zumindest eine gewisse Implementierungskontrolle, weil die Informationen Rückschlüsse darüber erlauben, wie effektiv eine Administration ihre Schiffe überwacht. Allerdings wird den Verwaltungen bei der Erfüllung dieser Verpflichtungen teilweise ein sehr weites Ermessen eingeräumt, denn nach Art. 12 (2) MARPOL, Regel I/21 SOLAS und Art. 23 (1) LL sind die Ergebnisse der Unfalluntersuchungen der Organisation nur dann mitzuteilen, wenn die Vertragspartei der Auffassung ist, dass diese Informationen dazu beitragen können zu bestimmen, welche Änderungen an den Übereinkommen vorgenommen werden sollten 487. Besonders souveränitätsschonend, und angesichts des allgemeinen Informationsdefizits in der Schifffahrt bedenklich, sind zudem Regel I/21 (b) SOLAS und Art. 23 (2) LL: Berichte oder Empfehlungen der Organisation, welche auf diesen Angaben beruhen, dürfen die Identität oder Staatszugehörigkeit der betreffenden Schiffe nicht erkennen lassen und ein Schiff oder eine Person nicht mittelbar oder unmittelbar für den Unfall verantwortlich machen. Das Manko dieser Berichtsverfahren ist, dass sie der IMO keine veritablen Verifikations- und Sanktionsmöglichkeiten zur Verfügung stellen. Die Berichte werden zwar im Rahmen der Ausschüsse diskutiert, insgesamt sind die Reaktionsmöglichkeiten der Organisation aber beschränkt. Die IMO hat Richtlinien für diese Verfahren entwickelt 488, in denen u. a. vorgesehen ist, durch wiederholtes Auflisten der Namen der Staaten, die ihren Berichtspflichten bisher nicht nachgekommen sind, den Druck auf diese Staaten zu erhöhen 489. Eine solche mobilization of shame kann in einer kleinen Organisation wie der IMO, in der Regierungen größtenteils durch Experten repräsentiert werden, die sich häufig über lange Jahre durch gemeinsame Erfahrungen freundschaftlich verbunden sind, durchaus erfolg- versprechend sein 490. Sie hat aber nichts daran ändern können, dass die Mehrheit der Staaten bei der Übermittlung der Informationen säumig ist. Beispielsweise hatten nach Angaben des Sub-Committee on Flag State ImpleArt. 4 (3), 12 (2) MARPOL und Regel I/21 SOLAS. Vgl. Art. 12 (2) MARPOL: „Each Party to the Convention undertakes to supply the Organization with information concerning the findings of such investigation, when it judges that such information may assist in determining what changes in the present Convention might be desirable.“ 488 Vgl. beispielsweise IMO Resolutions A.173(ES.IV), Participation in Official Inquiries into Marine Casualties, A.322(IX), The Conduct of Investigations into Casualties, A.440(XI), Exchange of Information for Investigations into Marine Casualties und A.849(20), Code for the Investigation of Marine Casualties and Incidents, as amended by Resolution A.884(21) sowie MSC/Circ. 827, Reports on Marine Casualties and Incidents. Harmonized Reporting Procedures – Reports Required under SOLAS Regulation I/21 and MARPOL 73/78 Articles 8 and 12. 489 Vgl. IMO Resolution A.466(XII), Annex, Ziff. 6.7. und Kirgis, Shipping, in: Schachter/ Joyner (Hrsg.), United Nations Legal Order, Bd. 2, S. 743–747. 490 Kirgis, Shipping, in: Schachter/Joyner (Hrsg.), United Nations Legal Order, Bd. 2, S. 749. 486 487

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mentation (FSI) für 2001 nur 29 der 125 MARPOL-Vertragsparteien der Organisation ihre Berichte übermittelt 491. Das Berichtsverfahren nach MARPOL, SOLAS, LL und STCW mag damit zwar konsensuale Problemlösungen und eine technische Weiterentwicklung der Konventionen ermöglichen, ist aber insgesamt zu rudimentär ausgestaltet, um eine effektive Erfüllungskontrolle zu garantieren. Richtungsweisend für eine Weiterentwicklung der Erfüllungskontrolle in der IMO könnte die vollständig überarbeitete STCW-Konvention werden. Der Organisation wird hier erstmals entgegen dem völkerrechtlichen Grundsatz der Selbstbeurteilung die Befugnis eingeräumt, für die Vertragsstaaten zu überprüfen, ob die Konvention wirksam implementiert und befolgt wird. Regel I/7 STCW iVm Abschnitt A-1/7 STCW-Code 492 zufolge übermittelt jede Vertragspartei dem Generalsekretär detaillierte Auskünfte darüber, welche administrativen Maßnahmen ergriffen worden sind, um dem Übereinkommen mit seinen Ausbildungs-, Trainings- und Zertifizierungsverfahren voll und ganz Wirksamkeit zu verleihen 493. Diese Informationen werden dann zur Evaluierung einem vom Schiffssicherheitsausschuss (MSC) gebilligten Panel mit „competent persons“ vorgelegt, das den Generalsekretär bei der Erstellung seines Berichts an das MSC unterstützt, Abschnitt A-I/7 (5) STCW-Code. Der Generalsekretär kann Nachfragen stellen und weitere Auskünfte sowie eine Ergänzung des Antrags verlangen, wenn ihm die ursprünglichen eingereichten Informationen nicht ausreichend erscheinen, Abschnitt A-I/7 (9) STCW-Code. Dieses Verfahren kann sich über längere Zeit hinziehen und ist stark partnerschaftlich ausgestaltet: Aufgabe des Generalsekretärs ist es u. a., Bereiche festzustellen, in denen eine Vertragspartei um Hilfe bei der Implementierung der Konvention gebeten haben könnte. Am Ende dieses langen und aufwendigen Verfahrens teilt der Generalsekretär dem MSC mit, welche Vertragsparteien die Konvention effektiv erfüllen. Die übermittelten Informationen werden vom IMO Doc. FSI 11/23. Teil A des STCW-Code ist durch eine entsprechende Verweisung in der STCW-Konvention völkerrechtlich verbindlich gemacht worden, Teil B dagegen hat lediglich empfehlenden Charakter, vgl. Regel I/1 (2) STCW. 493 Abschnitt A-1/7 (2) STCW-Code: „By 1 August 1998 [...] each Party shall report on the steps it has taken to give the Convention full and complete effect, which report shall include the following: (.1) the name, postal address and telephone and facsimile numbers and organization chart of the ministry, department or governmental agency responsible for administering the Convention; (.2) a concise explanation of the legal and administrative measures provided and taken to ensure compliance, particularly with (STCW) regulations I/6 and I/9; (.3) a clear statement of the education, training, examination, competency assessment and certification policies adopted; (.4) a concise summary of the courses, training programmes, examinations and assessments provided for each certificate issued pursuant to the Convention; (.5) a concise outline of the procedures followed to authorize, accredit or approve training and examinations, medical fitness and competency assessments required by the Convention, the conditions attaching thereto, and a list of the authorizations, accreditations and approvals granted; (.6) a concise summary of the procedures followed in granting any dispensation under article VIII of the Convention; and (.7) the results of the comparison carried out pursuant to (STCW) regulation I/11 and a concise outline of the refresher and upgrading training mandated.“ 491 492

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Schiffssicherheitsausschuss ausgewertet, der daraufhin die Staaten benennt, die dem Übereinkommen volle Wirksamkeit verleihen, die sogenannte STCW White List 494. Auch White List-Staaten bleiben verpflichtet, alle fünf Jahre selbstständig eine entsprechende Evaluierung ihrer Ausbildungsbestimmungen durchzuführen und deren Ergebnis der IMO mitzuteilen 495. Anderenfalls können sie von der Liste gestrichen werden. Diese Implementierungskontrolle durch die IMO mag auf den ersten Blick zahnlos erscheinen, weil die Organisation lediglich über die Aufnahme der Staaten in eine Liste entscheidet, ihr ansonsten aber keine weiteren Druckmittel zur Verfügung stehen. Die sich an eine Versagung des White List-Status anschließenden sanctions of non-participation 496 verleihen dem Verfahren indes Biss. Denn die verklausulierte Regel I/7 (3.2) STCW gestattet den anderen Vertragsparteien, die Zeugnisse von Flaggenstaaten, die nicht auf der White List stehen, als nicht mit dem Übereinkommen im Einklang anzusehen. Dies ist eine fundamentale Durchbrechung des den technischen Konventionen zugrunde liegenden Grundsatzes der gegenseitigen Zeugnisanerkennung 497. Die Folge davon ist, dass die unter der Flagge einer solchen Vertragspartei fahrenden Schiffe quasi-zertifikatlos sind und deshalb im Rahmen der Memoranda umfassenden Hafenstaatskontrollen unterworfen werden dürfen, ohne dass dafür, wie sonst, clear grounds (vgl. Art. X (1), Regel I/4 STCW) vorliegen müssten. Die damit verbundenen Verzögerungen dürften den betroffenen Reedern die Transportkosten empfindlich verteuern und zu einer Flucht aus Flaggen ohne White List-Segen führen. Darüber hinaus ist ein Flaggenstaat, der auf der Liste steht, berechtigt, keine Seeleute auf seinen Schiffen zu akzeptieren, die Zeugnisse besitzen, die von Nicht-White List-Staaten ausgestellt wurden. Tut er dies dennoch, hat er sich vorher selbst davon zu überzeugen, dass die Seeleute über die nach der STCW-Konvention erforderlichen Kenntnisse verfügen (vgl. Regeln I/10, I/2 (5) STCW). Obwohl die Sanktionen damit nicht unmittelbar durch die IMO verhängt werden, ist der Organisation im Regelungsbereich der STCW-Konvention mit dem I/7-Verfahren doch ein ausgesprochen wirksames Durchsetzungsinstrument zur Hand ge494 Am 01.08.1998, der Frist des Abschnitts A-I/7 (2) STCW-Code, hatten 82 der 133 STCW-Vertragsparteien mit einem Anteil von über 90 % an der Weltflotte der IMO-Informationen nach Regel I/7 STCW, Abschnitt A-1/7 STCW-Code übermittelt. Die erste White List wurde vom MSC auf seiner 73. Sitzung vom 27.11.–06.12.2000 angenommen. Sie enthielt 71 Vertragsstaaten, vgl. den Annex des MSC/Circ.1066, vom 13.12.2002, Parties to the International Convention on Standards of Training, Certification and Watchkeeping for Seafarers (STCW), 1978, as amended, confirmed by the Maritime Safety Committee to have communicated information which demonstrates that full and complete effect is given to the relevant provisions of the Convention. 495 Abschnitt A-I/7 (4) iVm Regel I/8 (2) STCW, Abschnitt A-I/8 (3) STCW-Code. 496 Der Begriff geht auf Wolfgang Friedmann zurück und ist bei ihm bezogen auf den gegenmaßnahmengleichen Nachteil der Nichtzulassung zur Mitgliedschaft in internationalen (Finanz-)Organisationen, vgl. derselbe, The Changing Structure of International Law, S. 89 ff. 497 Vgl. Regel I/17 SOLAS.

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geben worden. Lehnt es die IMO ab, eine Vertragspartei auf die White List zu setzen, gibt sie damit praktisch „Grünes Licht“ für Sanktionsmaßnahmen ihrer Mitgliedstaaten. Mit der Entscheidungshoheit über das Vorliegen eines Regelverstoßes wird der Organisation, wenn auch extrem partiell, erstmals eine zentrale, initiierende Rolle bei der Durchsetzung ihrer Standards zuerkannt. Indem subtil, statt mit einer „schwarzen Liste“ sündiger Vertragsstaaten, mit einer „weißen Liste“ sicherheitsbewusster Flaggen gearbeitet wird, wird jeder Anschein von Pönalisierung vermieden und zugleich der partnerschaftliche, auf capacity-building zielende Charakter des Verfahrens betont. Die Stellung der IMO als nicht nur rechtsetzende, sondern auch kontrollierende Organisation könnte künftig durch das im Aufbau befindliche Voluntary IMO Member State Audit Scheme erheblich gestärkt werden. Die Initiative hierfür ging von der Verkehrsministertagung der European Conference of Ministers of Transport (ECMT) im Januar 2002 in Tokio aus 498, auf der vereinbart wurde, der IMO koordiniert einen Vorschlag für ein zunächst freiwilliges, evtl. aber nach einer Pilotphase für alle Staaten verbindlich zu machendes Auditverfahren zu unterbreiten, mit dem die Implementierung bestimmter IMO-Konventionen durch die Flaggenstaaten überprüft werden könnte 499. Ziel des freiwilligen Schemes, so wie es derzeit nach seiner grundsätzlichen Billigung durch die 23 IMOVollversammlung 500 von der Joint MSC/MEPC/TCC Working Group on the Voluntary IMO Member State Audit Scheme (JWGMSA) diskutiert wird, ist, Schiffssicherheit und Umweltschutz dadurch aufzuhelfen, dass durch die Organisation zum einen bewertet wird, wie effektiv die Mitgliedstaaten bestimmte IMO-Konventionen implementieren und durchsetzen und zum anderen den Staaten von der Organisation Feedback und Beratung zu ihrem derzeitigen Erfüllungsver498 Ministerial Conference on Transport, A New Challenge for Environmentally Friendly Transport, Tokyo, Japan, 15.–16.01.2002. Die ECMT ist eine intergouvermentale Organisation, der auch mehrere nichteuropäische Staaten als assoziierte Mitglieder angehören (darunter Japan, Kanada und die USA). Ziel der ECMT ist, ein Forum für eine Zusammenarbeit der Mitglieder auf internationalen Verkehrsfeldern zu sein. 499 Para 1 (Establishment of the IMO audit programme on flag State implementation) Action Plan (Annex des Ministerial Statement on Prevention of Marine Pollution – Cleaner Sea through Quality Shipping, Ministerial Conference on Transport, A New Challenge for Environmentally Friendly Transport, Tokyo, Japan, 15.–16.01.2002), Internetressource. Die Verkehrsminister nehmen explizit Bezug auf Resolution A.914(22) der 22. IMO-Generalversammlung (19.–30.11.2001), durch die MSC und MEPC ersucht wurden, unter der Koordination des IMO-Rates Maßnahmen zu erwägen, mit denen die Implementierung durch die Flaggenstaaten weiter verbessert werden könnte. Ihr gemeinsamer Antrag an die IMO findet sich im IMO Doc. MEPC 48/10/5. Das IMO Model Audit Scheme wird auch von der Europäischen Kommission unterstützt, vgl. KOM(2002) 681 endg. (Mitteilung der Kommission an das EP und den Rat zur Erhöhung der Sicherheit im Seeverkehr nach dem Untergang des Öltankschiffes „Prestige“), vom 03.12.2002, S. 15. 500 IMO Resolution A.946(23), adopted on 27.11.2003, Voluntary IMO Member State Audit Scheme.

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halten gegeben wird 501. Beabsichtigt ist, die Schiffssicherheitsverpflichtungen der Mitgliedstaaten aus SOLAS, LL, STCW, COLREG, Tonnage und SRÜ zum Gegenstand des Auditverfahrens zu machen 502. Zudem sollen bei der Entwicklung des Schemes die laufenden Arbeiten des FSI zu den Selbstbewertungsbögen für Flaggenstaaten und zur Änderung der Richtlinien zur Unterstützung der Flaggenstaaten bei der Umsetzung von IMO-Instrumenten (Resolution A.847(20)) berücksichtigt werden 503. Gegenstand dieser Arbeiten ist u.a., die Kontrolle der Flaggenstaaten über die Klassifikationsgesellschaften zu verbessern. Viele Staaten autorisieren diese Unternehmen, in ihrem Namen die nach den IMO-Übereinkommen vorgeschriebenen Besichtigungen und Inspektionen durchzuführen. Die IMO-Konventionen erkennen diese Praxis in Art. 13 LL, Regel I/6 SOLAS und Regeln I/4 und II/10 MARPOL an 504. Nicht alle Gesellschaften erledigen die an sie delegierten Aufgaben aber mit der nötigen Gewissenhaftigkeit. Eine ständige Kontrolle der Klassifikationsgesellschaften durch die letztlich verantwortlichen Flaggenstaaten ist daher erforderlich und im Rahmen des MSAS könnte extern durch die IMO überprüft werden, ob die Flaggenstaaten die dafür nötigen Vorkehrungen getroffen haben 505. Zwar sind noch viele Detailfragen ungeklärt 506, doch kann die Bedeutung des Auditverfahrens gar nicht hoch genug bewertet werden. Auf den Sitzungen von MEPC und MSC sprach sich eine große Mehrheit der Staaten für eine institutionalisierte, zentrale und relativ umfassende Implementierungskontrolle durch die IMO aus 507. Die Rolle der IMO bei der Vertragsinterpretation wird damit weiter gestärkt. Die Einbeziehung des Technical Co-Operation Committee (TCC) in die Beratungen über das Audit Scheme zeigt, dass ähnlich wie bei der White List ein partnerschaftlich auf capacity-building gerichteter Ansatz gewählt wird. Es geht nicht so sehr um die Feststellung der Vertragsverletzung als solche, sondern darum, den Vertragspar501 Vgl. IMO Doc. MSC 76/23, Ziff. 9.16–9.25 und Ziff. 5 (Objectives) des Draft Framework for Member State Audit (DFMSA), das als Annex 1 dem Bericht der 2. Sitzung der JWGMSA vom 22–26.03.2004 (abgedruckt als Annex zu IMO Doc. C 92/13/Add.1) beigefügt wurde. 502 Ziff. 7 DFMSA. 503 IMO Doc. MSC 76/23, Ziff. 9.24. 504 Vgl. Regel I/6 (a) SOLAS: „The inspection and survey of ships, so far as regards the enforcement of the provisions of the present regulations and the granting of exemptions therefrom, shall be carried out by officers of the Administration. The Administration may, however, entrust the inspections and surveys either to surveyors nominated for the purpose or to organizations recognized by it.“ (Hervorhebung hinzugefügt). 505 Indirekt könnte es so zu einer Bewertung der Klassifikationsgesellschaften durch die IMO kommen. Beachte, dass EG-Mitgliedstaaten nach Art.3 (2) RL 94/57/EG nur anerkannte Organisationen mit der Überprüfung ihrer Schiffe betrauen dürfen. Nach der Änderung von Art. 4 (1) RL 94/57/EG durch RL 2001/105/EG liegt die Entscheidung über die Anerkennung einer Klassifikationsgesellschaft jetzt bei der Europäischen Kommission. 506 Beispielsweise weist in IMO Doc. MEPC 48/21, Ziff. 10.4.12 die Delegation der Bahamas darauf hin, dass die Finanzierung des Schemes und die Auswahl der Auditoren noch völlig ungeklärt sei. 507 Lediglich Indien lehnte das Audit Scheme ab und schlug stattdessen eine Verbesserung der Selbstbewertung durch die Flaggenstaaten vor, vgl. IMO Doc. MEPC 48/10/7.

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Zweiter Teil: Der Schutz vor Öltankerunfällen durch das Völkerrecht

teien durch Beratung und technische Hilfe die Erfüllung der IMO-Standards zu ermöglichen. Die Audits dienen mithin vornehmlich dem Zweck der Prävention durch eine systematische Überprüfung möglichst vieler Vertragsparteien. Weniger euphorisch mag stimmen, dass den Flaggenstaaten die Teilnahme an dem Scheme freigestellt werden soll. Indes ist nicht unwahrscheinlich, dass dieses nach nach einer erfolgreichen Pilotphase verbindlich gemach wird. Denn ein solches Vorgehen trüge nicht nur dem Willen der Urheberstaaten des Projekts Rechnung, sondern entspräche auch dem allgemein in der IMO zu beobachtenden Trend, ursprünglich unverbindliche Instrumente, die sich in der Praxis als Standard etabliert haben, durch Verweisung in den technischen Konventionen rechtsverbindlich zu machen 508. Staaten sind häufig eher bereit, sich an soft law-Instrumenten zu beteiligen, als rechtliche Bindungen zu akzeptieren. Letztlich hängt der Erfolg des Auditverfahrens jedoch weniger von seiner völkerrechtlichen Verbindlichkeit, als vielmehr davon ab, welche Konsequenzen eine negative Bewertung durch die IMO hat. Sollte sich das Audit Scheme hier an der White List orientieren und die Ergebnisse der Audits publik gemacht werden, so könnten sich die Hafenstaatskontrollmemoranda entscheiden, Schiffe solcher Flaggen verstärkt zu überprüfen. Schon heute wird Schiffen besonders auffälliger Flaggen ein besonders hoher Faktor bei der Auswahl der zu überprüfenden Schiffe zugewiesen (targeting). Als Ergebnis ist festzuhalten, dass beim Audit Scheme wie bei der White List die Feststellung des Regelverstoßes durch die IMO erfolgt. Die Organisation gibt „Grünes Licht“ für Sanktionsmaßnahmen ihrer Mitgliedstaaten und steuert damit die Durchsetzung ihrer Standards. Ob dies der Beginn einer Entwicklung ist, an deren Ende eine Quasi-Lizenzierung nationaler Schiffsregister durch die IMO steht, bleibt abzuwarten. In jedem Fall wird mit dem Voluntary IMO Member State Audit Scheme ein dringend benötigtes Gegengewicht zum einerseits unverzichtbaren, andrerseits für die Schiffssicherheit aber auch problematischen Prinzip der gegenseitigen Zeugnisanerkennung geschaffen, demzufolge Inspektionen auf einen certificate check zu beschränken sind, wenn nicht triftige Gründe für einen Verstoß vorliegen, vgl. Regel I/17 SOLAS. 2. Erfüllungshilfe durch ITCP und FSI In der IMO hat man frühzeitig erkannt, dass die Ausübung politischen Drucks dort nicht zu einer Implementierung des IMO-Rechts führen kann, wo Defizite bei 508 Beachte auch Ziff. 1 IMO Resolution A.946(23): „Endorses the decisions of the Council relating to the development of a Voluntary IMO Member State Audit Scheme in such a manner as not to exclude the possibility in the future of it becoming mandatory“. Die EG Kommission hat der JWGMSA mitgeteilt, dass sie beabsichtige EP und Rat einen Rechtsakt vorzuschlagen, durch den das Audit Scheme vorab in der Gemeinschaft verbindlich gemacht wird, vgl. Ziff. 13.1 Bericht der 2. Sitzung der JWGMSA (Annex zu IMO Doc. C 92/13/Add.1).

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der Umsetzung nicht auf einem Nichtwollen, sondern auf einem Nichtkönnen der Vertragsparteien beruhen. Zwar ist wegen der pekuniären Vorteile laxer Kontrollen das „reine Nichtkönnen“ in der Schiffssicherheit seltener als im Umweltvölkerrecht, wo die vorsätzliche Nichterfüllung von Vertragspflichten die Ausnahme bildet 509, doch fehlen einigen Verwaltungen die administrativen und finanziellen Fähigkeiten sowie das technische Know-how, um eine effektive Kontrolle über ihre Schiffe auszuüben oder um zumindest die damit beauftragten privaten Klassifikationsgesellschaften ausreichend zu überwachen 510. Ziel der idealerweise mit Verfahren der Erfüllungskontrolle verbundenen Erfüllungshilfe ist es, einen Staat, der sich aus internen rechtlichen oder faktischen Gründen gehindert sieht, seinen Vertragspflichten nachzukommen, durch entsprechende Unterstützung zur Pflichterfüllung zu befähigen. Erfüllungshilfe wird in der IMO primär durch das TCC im Rahmen seines Integrated Technical Co-Operation Programme (ITCP) und durch das FSI gewährt 511. Gegenstand des an Entwicklungsländer gerichteten und auf capacity-building zielenden ITCP ist vor allem die Vermittlung technischen, legislativen und administrativen Know-how durch die Schulung des Personals und den Aufbau von Verwaltungsstrukturen (positive re-enforcement), aber auch die Schaffung regionaler Hafenstaatskontrollmechanismen. Die koordinierte Hafenstaatskontrolle hat sich zunächst mit der Gründung des Pariser MOU im Jahr 1982 außerhalb der IMO entwickelt. Erst 1991 rief die Organisation mit ihrer Resolution A.682(17) zur regionalen Zusammenarbeit bei der Kontrolle von Schiffen und zum Informations- und Erfahrungsaustausch zwischen den Memoranda auf512. Seitdem hat sich die IMO am Aufbau neuer Kontrollvereinbarungen beteiligt, ihre Vertreter zu deren Sitzungen entsandt und für die Mitglieder der neuen MOU, in ihrer Mehrzahl EntwickChayes/Chayes, New Sovereignty, S. 8 ff. Die Unbestimmtheit materieller Vertragspflichten, häufige Ursache völkerrechtlicher Erfüllungsdefizite (vgl. Chayes/Chayes, On Compliance, IO 47 (1993), S. 188), führt dagegen im Schiffssicherheitsrecht nach der STCW-Revision nur noch vereinzelt zu Implementierungsschwierigkeiten, denn die IMO-Übereinkommen sind hoch technisch und unklare Bestimmungen werden mittlerweile durch die zahlreichen Codes und Guidelines präzisiert. Ein Beispiel für eine viel zu weit geratene Ermessensbestimmung in der Schiffssicherheit ist Regel II-1/12 SOLAS (Double bottoms in passenger ships), Abs. (5): „In the case of ships to which the provisions of regulation 1.5 apply and which are engaged on regular services within the limits of a short international voyage as defined in regulation III/3.22, the Administration may permit a double bottom to be dispensed with in any part of the ship which is subdivided by a factor not exceeding 0.50, if satisfied that the fitting of a double bottom in that part would not be compatible with the design and proper working of the ship.“ (Zweite Hervorhebung hinzugefügt). 511 Beachte, dass Art. 17 MARPOL und Art. XI STCW die Förderung der technischen Zusammenarbeit der Vertragsparteien in Konsultation mit der IMO und mit ihrer Hilfe vorsehen. Vgl. auch Art. 202 SRÜ (Wissenschaftliche und technische Hilfe an Entwicklungsstaaten) und Art. 203 SRÜ (Vorrangige Behandlung der Entwicklungsstaaten durch internationale Organisationen bei der Zuweisung technischer Hilfe für den Meeresumweltschutz). 512 Resolution A.682(17), adopted on 06.11.1991, Regional Co-operation in the Control of Ships and Discharges. 509 510

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lungsstaaten, Seminare und Schulungen veranstaltet 513. Die finanziellen Möglichkeiten des Integrated Technical Co-Operation Programmes sind insgesamt allerdings sehr begrenzt. Nicht die Gewährung technischer Hilfe an Entwicklungsländer, sondern die Identifizierung, Erörterung und Beseitigung von Implementierungsproblemen allgemein, ist Aufgabe des 1992 eingerichteten Sub-Committee on Flag State Implementation (FSI), mit dem sich die Organisation verstärkt der größten Herausforderung der Schiffssicherheit, der unzureichenden Implementierung und Durchsetzung ihres Regelwerks durch die Flaggenstaaten, annimmt. Das FSI versucht die Umsetzung der IMO-Konventionen in nationales Recht zu überwachen und die Maßnahmen festzustellen, die notwendig sind, um eine effektive und einheitliche Umsetzung sicherzustellen. Hierzu hat das Committee mit seinen Richtlinien zur Unterstützung der Flaggenstaaten bei der Umsetzung von IMO-Instrumenten, zur Autorisierung von Klassifikationsgesellschaften und dem bereits erwähnten Selbstbewertungsprogramm für Flaggenstaaten in jüngerer Zeit drei wichtige Instrumente geschaffen, die im Folgenden kurz vorgestellt werden sollen. Basierend auf den Arbeiten des FSI nahm die IMO-Generalversammlung 1993 mit Resolution A.740(18) vorläufige Richtlinien zur Unterstützung der Flaggenstaaten bei der Umsetzung von IMO-Instrumenten an, deren endgültige Fassung 1997 mit Resolution A.847(20) vorlag 514. Durch Hinweise u. a. zum Aufbau der nationalen Gesetzgebung, zur Durchsetzung, zur Autorisierung von Klassifikationsgesellschaften und zu den Ausbildungsanforderungen an Flaggenstaatskontrolleure sollen die Flaggenstaaten in die Lage versetzt werden, die Einhaltung der IMO-Normen durch ihre Schiffe sicherzustellen. Flankiert werden diese Instrumente durch die nun mittels Verweisung in Regel XI-1/1 SOLAS 515 völkerrechtlich verbindlich gemachten Resolutionen A.739 (18) und A.789(19) 516, mit denen den Flaggenstaaten Kriterien zur Hand gegeben Hoppe, Port State Control – an Update on IMO’s Work, IMO News 2000 (Nr. 1), S. 9–19. Resolution A.847(20), adopted on 27.11.1997, Guidelines to Assist Flag States in the Implementation of IMO Instruments. 515 Zu dieser Regelungstechnik vgl. den Wortlaut von Regel XI-1/1 (Authorization of recognized organizations) SOLAS: „Organizations referred to in regulation 1/6 shall comply with the guidelines adopted by the Organization by resolution A.739(18), as may be amended by the Organization, and the specifications adopted by the Organization by resolution A.789(19), as may be amended by the Organization, provided that such amendments are adopted, brought into force and take effect in accordance with the provisions of article VIII of the present Convention concerning the amendment procedures applicable to the annex other than chapter I.“ Nummerierung des Chapter 11 Annex SOLAS, neugefasst durch Resolution 1 of the Conference of Contracting Governments to the International Convention for the Safety of Life at Sea, 1974, adopted on 12.12.2002, IMO/Doc.: SOLAS/CONF.5/32. 516 Resolution A.739(18), adopted on 04.11.1993, Guidelines for the Authorization of Organizations Acting on Behalf of the Administration und Resolution A.789(19), adopted on 23.11.1995, Specifications on the Survey and Certification Functions of Recognized Organizations Acting on Behalf of the Administration. 513 514

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werden, die bei der Autorisierung von Klassifikationsgesellschaften nach Art. 13 LL, Regel I/6 SOLAS und Regeln I/4 u. II/10 MARPOL zu beachten sind. So darf eine Flaggenstaatsverwaltung beispielsweise nur eine solche Organisation mit der Überprüfung ihrer Schiffe betrauen, die in der Lage ist, die an sie übertragenen Aufgaben wahrzunehmen, weil sie gewissen Mindeststandards in Bezug auf Management, geographische Verbreitung und technische Ressourcen genügt. Zudem muss die Flaggenstaatsverwaltung ein Verfahren schaffen, mit dem kontrolliert werden kann, ob die Klassifikationsgesellschaft die ihr übertragenen Aufgaben gewissenhaft ausführt. Mit der Gesellschaft ist ferner eine schriftliche Vereinbarung zu schließen, in der die Delegation von Befugnissen im Einzelnen festgelegt sein muss. Darin ist auch zu regeln, dass die Organisation regelmäßig über ihre Klassifizierungsarbeit an die Behörden des Flaggenstaates berichtet. Resolution A.912(22) 517, schließlich, stellt den Staaten in Form eines Fragebogens Kriterien zur Verfügung, anhand derer die Flaggenstaatsverwaltungen in regelmäßigen Zeitabschnitten eigenständig überprüfen können, ob sie die Resolutionen A.739(18), A.789(19) und A.847(20) befolgen und damit den IMO-Konventionen volle Wirksamkeit verleihen. Eine Rückmeldung der dabei gewonnenen Erkenntnisse an die IMO erfolgt dadurch, dass die Staaten aufgefordert sind, auf freiwilliger Basis der Organisation eine Kopie ihres Selbstbewertungsberichtes zur Verfügung zu stellen. Ziel ist, diese Berichte zum Aufbau einer Datenbank zu verwenden, die der Organisation bei der Identifizierung von Erfüllungsproblemen hilft. Im März 2004 hatten immerhin 54 IMO Mitgliedstaaten mit einem Welthandelstonnage Anteil von 79 % ihre Selbstbewertungsberichte an die Organisation gesandt 518. Werden bei der Selbstbewertung Defizite festgestellt, so steht den Staaten technische Hilfe durch die Organisation zur Verfügung, wobei die Staaten ermutigt werden, dem Generalsekretär die Ergebnisse ihrer Selbstbewertung vertraulich zur Verfügung zu stellen, damit dieser in Zusammenarbeit mit dem betroffenen Staat die konkrete technische Hilfe festlegen kann. Diese Implementierungswerkzeuge der IMO könnten künftig unter dem Dach des derzeit vom FSI entwickelten Code for the Implementation of [mandatory] IMO Instruments zusammengefasst werden, sollte dieser, wie derzeit geplant, von der 24. IMO-Vollversammlung Ende 2005 angenommen werden. Ziel des Code ist, die vollständige und einheitliche Implementierung der IMO-Standards durch alle Akteure, also nicht nur durch die Flaggenstaaten, sondern auch durch die Hafen- und Küstenstaaten, sicherzustellen. Nach dem Stand von FSI 12 (März 2004) wird der Code aus vier Teilen bestehen: Einem Allgemeinen Teil mit Regeln, die die Staaten sowohl in ihrer Eigenschaft als Flaggenstaaten als auch als Küsten- und Hafenstaaten betreffen, und drei Besonderen Teilen, in denen die Verantwortungsbereiche von 517 IMO Resolution A.912(22), adopted on 29.11.2001, Self-Assessment of Flag State Performance. Hebt die Vorgänger-Resolution A.881(21) auf. 518 Vgl. IMO Doc. FSI 12/22, Ziff. 8.11.

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Flaggen-, Küsten- und Hafenstaaten festgelegt werden 519. Der Abschnitt über die Flaggenstaaten beruht auf einer überarbeiteten, transparenteren Fassung der Resolution A.847(20). Das Kapitel über die Küstenstaaten nimmt vor allen Dingen Bezug auf die der Navigationssicherheit dienenden Bestimmungen des Kaptel V SOLAS und den die Aufdeckung und Überprüfung von Einleitungsverstößen behandelnden Art. 6 MARPOL (Verpflichtung der Küstenstaaten nautische Warnmeldungen und meteorologische Daten zu verbreiten, Seeverkehrszeichen zu errichten, Such- und Rettungsdienste zu unterhaltenn sowie Einleitungsverstöße zu untersuchen). In dem die Hafenstaaten betreffenden Teil wird schließlich vor allem auf die auf eine Vereinheitlichung der Hafenstaatskontrolle zielenden Procedures for Port State Control 520 Bezug genommen 521. Eine spätere, partielle Verbindlichmachung des Code durch Verweisung in einer technischen Konvention ist beabsichtigt, wobei wie beim STCW-Code zwischen verbindlichen und empfehlenden Teilen unterschieden werden könnte. Auch ist geplant, den Code zur Grundlage des Voluntary IMO Member State Audit Scheme zu machen, insbesondere was die Festlegung der Audit-Gebiete betrifft 522. Freilich, die Ausführenden bleiben bei all diesen Maßnahmen die Staaten, aber die IMO schafft den Kooperationsrahmen, das Forum, innerhalb dessen Schwierigkeiten bei der Durchsetzung identifiziert und erörtert werden können. Dabei zeigen, die Selbstbewertungsbögen für Flaggenstaaten und die Arbeiten zum Audit Scheme und Code for the Implementation of [mandatory] IMO Instruments sowie die Bemühungen der IMO beim Aufbau regionaler Hafenstaatskontrollmechanismen, dass der Dialog zwischen der Organisation und ihren Mitgliedstaaten über Erfüllungsprobleme zunehmend formalisiert und institutionalisiert wird und nicht mehr allein auf die Erörterung flaggenstaatlicher Implementierungsdefizite beschränkt ist. Die IMO beginnt vielmehr, über die Durchsetzungsaktivitäten aller Akteure, d. h. Flaggen-, Küsten-, und Hafenstaaten, Regie zu führen und sie miteinander zu vernetzen. 3. Würdigung Obwohl weder IMO-Satzung noch SRÜ eine Rolle für die IMO im Durchsetzungsbereich vorsehen, hat die Organisation in den letzten Jahren mehrere Mechanismen entwickelt, mit denen sie zur Implementierung ihrer Standards beiträgt. All diesen Instrumenten ist gemein, dass sie darauf setzen, durch die partnerschaftliche Erörterung von Erfüllungsproblemen en famille und die Gewährung technischer 519 Vgl. IMO Doc. FSI 12/WP.3, Annex 1. Die dortige Fassung des Code spiegelt den letzten Stand der Beratungen während FSI 12 wieder. 520 IMO Resolution A.787(19), as amended by Resolution A.882(21). 521 Vgl. Part 2 – Flag States (Ziff. 9–29), Part 3 – Coastal States (Ziff. 30–41) u. Part 4 – Port States (Ziff. 42–50) Draft Code for the Implementation of [Mandatory] IMO Instruments (IMO Doc. FSI 12/WP.3, Annex 1). 522 IMO Doc. FSI 12/22, Ziff. 7.7.

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Hilfe Implementierungsdefizite zu beheben. Der IMO kommt mithin auch im Durchsetzungsbereich eine Forumsfunktion zu. Problematisch ist allerdings, dass der Organisation bisher nur durch die STCWKonvention veritable Kontroll- und Sanktionsbefugnisse eingeräumt wurden: Bei den Berichtsverfahren ist die IMO auf den guten Willen ihrer Mitglieder angewiesen und kann gegen säumige Vertragsstaaten keine Sanktionen verhängen. Auch schließt die Auswertung der Berichte mit keiner Feststellung zum Erfüllungsverhalten der jeweiligen Vertragspartei ab. Das gleiche gilt für die Selbstbewertungsbögen. Wegen der rechtlichen Unverbindlichkeit der Resolution A.912(22) müssen die Staaten diese indes nicht einmal zurücksenden. Zwar mögen repressive Durchsetzungsmittel dort verzichtbar sein, wo Erfüllungsdefizite nicht auf einer absichtlichen Vertragsverletzung, sondern auf Nichtkönnen beruhen. Ebenso kann soft law die Bereitschaft einzelner Staaten erhöhen, Teile ihres Sicherheitsstrukturen offen zu legen, weil die Staaten Herren des Verfahrens bleiben und keine rechtliche Verurteilung droht. Angesichts der Tatsache, dass in der Schiffssicherheit die unzulängliche Implementierung von IMO-Normen ökonomische Vorteile in Form von Registerzuwächsen und Steuereinnahmen mit sich bringt, ist neben der allgemeinen partnerschaftlichen Erörterung von Erfüllungsproblemen und der Gewährung von Erfüllungshilfe (carrots) aber auch der Einsatz repressiver Mittel (sticks) erforderlich 523. Die jüngsten Entwicklungen in der IMO stimmen diesbezüglich durchaus zuversichtlich. Die Organisation zieht bei der Durchsetzung ihrer Standards die Daumenschrauben an: Die neue Regel I/7 STCW räumt der IMO erstmals die Befugnis ein, in einem objektiven Verfahren für die Vertragsstaaten zu überprüfen, ob die Konvention wirksam implementiert und befolgt wird. Verweigert die Organisation einer Flagge den White List-Segen, so berechtigt dies die anderen Vertragsparteien, die Zeugnisse eines solchen Staates als nicht mit dem Übereinkommen im Einklang anzusehen und die betroffenen Schiffe umfassenden Hafenstaatskontrollen zu unterziehen. Die damit für den Reeder verbundenen finanziellen Nachteile dürften zu einer Flucht aus Flaggen ohne White List-Status führen. Eine negative Beurteilung durch die IMO zieht für den betroffenen Staat also Nachteile nach sich, auch wenn diese smart sanctions nicht durch die IMO selbst verhängt werden. Wesentlich ist, dass erstmals der den technischen Konventionen eigene Grundsatz der gegenseitigen Zeugnisanerkennung durchbrochen wird und die IMO indirekt über die Gültigkeit der Zeugnisse einer Vertragspartei entscheidet. Obwohl die STCW-Konvention auf den Bereich des human factors beschränkt ist, könnte ihr Modellcharter für das Audit Scheme zukommen. Sollten die Ergebnisse der IMO-Audits ebenfalls veröffentlicht werden und sich die Kontrollvereinbarun523 Anders Kirgis, Shipping, in: Schachter/Joyner (Hrsg.), United Nations Legal Order, Bd. 2, S. 749: „Experience shows that the legal authority of an international organization to impose formal sanctions on its members makes a negligible contribution to its effectiveness.“

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Zweiter Teil: Der Schutz vor Öltankerunfällen durch das Völkerrecht

gen entschließen, Flaggen mit negativer oder gar keiner Beurteilung verstärkten Überprüfungen zu unterziehen, so käme der IMO sogar unabhängig von der geplanten völkerrechtlichen Verbindlichmachung des Verfahrens eine zentrale, kontrollierende Rolle bei der Implementierung ihrer Standards zu. Eine Quasi-Lizenzierung nationaler Schiffsregister durch die IMO würde erfolgen, wenn in SOLAS, LL, STCW, COLREG, Tonnage und ggf. auch MARPOL, Regel I/7 (3.2) STCW entsprechende Bestimmungen eingefügt würden, die den Vertragsparteien gestatteten Zeugnisse von Flaggenstaaten, die das IMO-Auditing nicht erfolgreich durchlaufen haben, als nicht mit den Übereinkommen im Einklang anzusehen. Eine entsprechende Änderung der technischen Konventionen wurde während der Beratungen über das Audit Scheme indes nicht einmal angedacht und ist angesichts der Souveränitätsversessenheit der Staaten nicht in nächster Zeit zu erwarten. Ebenfalls in die Zukunft greifen dürfte der Vorschlag, die im Rahmen der IMO-Überprüfungen gewonnenen Erkenntnisse mit den Datenbanken der Hafenstaatskontrollvereinbarungen und Schifffahrtsindustrie (Klassifikationsgesellschaften, Versicherungen, OCIMF 524) zu vernetzen und in einer bei der IMO zu errichtenden, globalen Datenbank zusammenzuführen. Dem allgemein beklagten Informationsdefizit in der Schifffahrt könnte so wirksam begegnet werden. Die derzeit bei der IMO für die Ergebnisse der Selbstbewertungen aufgebaute Datenbank ist immerhin ein erster, kleiner Schritt in diese Richtung. Aber auch ohne derart weitgreifende Neuerungen bleibt bestehen, dass die IMO zur Zeit dabei ist, ausgesprochen wirksame Instrumente zur Durchsetzung ihrer Standards zu entwickeln. Sollte es der Organisation mit ihrem Code for the Implementation of [mandatory] IMO Instruments zudem gelingen, die Durchsetzungsaktivitäten von Flaggen-, Küsten- und Hafenstaaten unter ihrer Ägide miteinander zu vernetzen, wäre für die Schiffssicherheit ein Meilenstein erreicht.

II. Möglichkeiten der Küstenstaaten zum Schutz ihrer Küsten Angesichts der Tatsache, dass die Montego-Bay-Konvention einseitige nationale CDEM-Standards außerhalb der inneren Gewässer verbietet, stehen den Küstenstaaten nach IMO-Instrumenten und SRÜ in erster Linie drei Möglichkeiten zur Verfügung, um ihre Küsten vor Tankerunfällen zu schützen: Dies sind Schiffswegeführungen (Ships’ Routeing, SR), die Verkehrsüberwachung durch Schiffsmeldesysteme (Ship Reporting Systems, SRSs) und Schiffsverkehrsdienste (Vessel Traffic 524 Das Oil Companies International Marine Forum, ein Zusammenschluss der Ölfördergesellschaften, unterhält die Datenbank SIRE (Ship Inspection Report Programme) – ein gutes Beispiel dafür, dass auch Private zur Durchsetzung von IMO-Standards beitragen, indem sie deren Beachtung entweder zur Bedingung für einen Versicherungsschutz machen oder ihre Einhaltung wie beim SIRE eigenständig überprüfen. Auf die völkerrechtliche Verbindlichkeit der technischen Normen kommt es dabei gar nicht an.

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Services, VTSs) sowie die Ausweisung spezieller Verschmutzungsverhütungsgebiete. Daneben können auch Lotsenzwänge und die Errichtung von Notliegeplätzen zur Vermeidung von Tankerunfällen beitragen. Der Spielraum für ein eigenständiges küstenstaatliches Haftungsrecht ist dagegen eher begrenzt. 1. Schiffswegeführungen Schiffswegeführungen sind ein ausgesprochen wirksames Präventionsinstrument, nicht nur, weil mit ihnen das Risiko von Kollisionen und Grundberührungen generell verringert werden kann, sondern auch deshalb, weil sie den Küstenstaaten ermöglichen, den Transitverkehr soweit wie möglich von ihren Küsten fernzuhalten und bestimmte Gebiete sogar gänzlich für den Schiffsverkehr zu sperren (ATBA). Systeme der Schiffswegeführung werden zur Anwendung durch alle Schiffe, durch bestimmte Schiffsarten oder durch Schiffe, die bestimmte Ladungen befördern, errichtet 525. Nach Ziff. 2.1.1 der einschlägigen IMO-Richtlinie Ships’ Routeing 526 können Schiffswegeführungssysteme aus einer oder mehreren von acht möglichen Wegeführungen bestehen: Verkehrstrennungsgebiete (TSS), Zwei-Wege-Führungen, empfohlene Fahrwege, von der Schifffahrt zu meidende Gebiete (ATBA) 527, Küstenverkehrszonen, Kreisverkehre, Warngebiete 528 und Tiefwasserwege. Wurden Schiffswegeführungen ursprünglich ausschließlich zur Sicherheit und Wirksamkeit der Schifffahrt und als Mittel zur Verbesserung des Verkehrsflusses eingesetzt, so haben sie sich mittlerweile auch zu einem Umweltinstrument entwickelt, mit dem ökologisch empfindliche Meeresgebiete nicht nur vor Havarien, sondern auch vor der routinemäßigen Verschmutzung durch Schiffe geschützt werden sollen 529. Vgl. Regel V/10 (1) SOLAS. General Provisions on Ships’ Routeing adopted by Resolution A.572(14) as amended (Ships’ Routeing). Die von der IMO beschlossenen Schiffswegeführungen werden in der regelmäßig überarbeiteten IMO-Publikation Ships’ Routeing veröffentlicht. Eine aktuelle, konsolidierte Fassung der IMO Resolution A.572(14) findet sich in Teil A der 7. Auflage, 1999 von Ships’ Routeing. 527 Ziff. 2.1.13 Ships’ Routeing definiert Area to be avoided als: „A routeing measure comprising an area within defined limits in which either navigation is particularly hazardous or it is exceptionally important to avoid casualties and which should be avoided by all ships, or certain classes of ship.“ 528 Ziff. 2.1.12 Ships’ Routeing definiert ein Warngebiet (precautionary area) als: „A routeing measure comprising an area within defined limits where ships must navigate with particular caution and within which the direction of traffic flow may be recommended.“ 529 Vgl. Para 1.1 Ships’ Routeing: „The purpose of ships’ routeing is to improve the safety of navigation in converging areas and in areas where the density of traffic is great or where freedom of movement of shipping is inhibited by restricted searoom, the existence of obstruction to navigation, limited depths or unfavourable meteorological conditions. Ships’ routeing may also be used for the purpose of preventing or reducing the risk of pollution or other damage to the marine environment caused by ships colliding or grounding near environmentally sensitive areas.“ und Regel V/10 (1) Satz 1 SOLAS: „Ships’ routeing systems contribute to safety of life at sea, safety and efficiency of navigation and/or protection of the marine environment“ sowie Art. 211 (1) SRÜ. Die Praxis, festgelegten Routen zu folgen, geht auf das Jahr 1898 zurück, in 525 526

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Eine detaillierte Regelung haben Schiffswegeführungen in Regel V/8 SOLAS, seit der Neunummerierung durch MSC.99(73) Regel V/10 SOLAS, erfahren. Die Vorschrift ist im Zusammenhang mit den Ships’ Routeing-Bestimmungen zu lesen, auf sie wird in Regel V/10 SOLAS durchgehend als „die von der Organisation erarbeiteten Richtlinien und Kriterien“ (the guidelines and criteria developed by the Organization) Bezug genommen. Ziel von Regel V/10 SOLAS und den Ships’ Routeing-Bestimmungen ist, die hinter Systemen der Schiffswegeführung stehenden Belange der Schiffssicherheit und des Umweltschutzes mit der Schifffahrtsfreiheit und anderen Meeresnutzungen (Fischgründe, Ausbeutung mineralischer Ressourcen) zu konkordieren 530. Regel V/10 (2) Satz 1 SOLAS erklärt die IMO zum einzigen internationalen Gremium, das für die Erarbeitung von Richtlinien, Kriterien und Regeln für Systeme der Schiffswegeführung zuständig ist. Die Zuständigkeit für die Annahme solcher Systeme liegt, nachdem früher die Generalversammlung zuständig war, nun beim MSC 531. Die Einleitung von Maßnahmen zur Einrichtung eines Systems der Schiffswegeführung obliegt den Küstenstaaten. Gemeinsame Anträge sind möglich, Regel V/10 (2), (3), (5) SOLAS. Schiffwegeführungen beruhen traditionell auf bloßen Empfehlungen der IMO und setzen auf freiwillige Befolgung 532. Die Zurückhaltung gegenüber verbindlichen Systemen mag daran liegen, dass jede verbindliche Routenführung in die Schifffahrtsfreiheit eingreift und für die beteiligten Wirtschaftskreise die Kosten erheblich verteuern kann, wenn die vorgeschriebene Route Entfernung und Transportzeit verlängert 533. Eine Verbindlichmachung war lange Zeit unter bestimmten Vorraussetzungen nur im Küstenmeer oder in den inneren Gewässern möglich. Auch von der IMO angenommene Verkehrstrennungsgebiete nach Regel 10 COLREG waren hiervon keine wirkliche Ausnahme, denn Regel 10 COLREG stellt nur Verhaltenspflichten für Schiffe in dem Verkehrstrennungsgebiet selbst auf. Schiffe, die ein solches System nicht benutzen wollen, werden lediglich verpflichtet, dieses in einem möglichst großen Abstand zu umfahren, Regel 10 (h) COLREG 534. dem sich die Schifffahrtsgesellschaften mit Nordatlantik-Verbindungen auf bestimmte Schifffahrtswege zur Umgehung der Eisberggefahr im Nordatlantik einigten. Siehe dazu Beckert/ Breuer, Öffentliches Seerecht, S. 231–245. 530 Vgl. insbesondere Ziff. 3.6, 3.7 und 5 (Planning) Ships’ Routeing. 531 IMO Resolution A.858(20), Para 1: „Resolves that the function of adopting traffic separation schemes, routeing measures other than traffic separation schemes, including designation and substitution of archipelagic sea lanes, and ship reporting systems, as well as amendments thereto, shall be performed by the MSC on behalf of the Organization“. 532 Teilweise wurde versucht, die Befolgung frewilliger Schiffswegeführungen dadurch zu verbessern, dass man Schiff und Flaggenstaat über „Verstöße“ gegen solche Regelungen informierte. Vgl. die Maßnahmen der USA im Zusammenhang mit der ATBA im Florida Keys Marine Sanctuary, IMO Docs. MSC 61/WP.4 u. MSC 61/INF. 12. 533 Vgl. Plant, The Relationship between International Navigation Rights and Environmental Protection: A legal Analysis of Mandatory Ship Traffic Systems, in: Ringbom (Hrsg.), Competing Norms in the Law of Marine Environmental Protection, S. 26–27. 534 Allgemein zu COLREG Plant, International Traffic Separation Schemes in the New Law of the Sea, MP 9 (1985), S. 143–147 und ders., The Collision Avoidance Regulations as a Re-

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Seit 1997 können Schiffswegeführungen aufgrund einer im Vorfeld heftig diskutierten 535 Änderung von Regel V/10 (dann V/8) SOLAS durch MSC.46(65) nun auch nach IMO-Recht verbindlich vorgeschrieben werden: Satz 2 der neugefassten Vorschrift bestimmt, dass Systeme der Schiffswegeführung zur Anwendung durch alle Schiffe, durch bestimmte Schiffsarten oder durch Schiffe, die bestimmte Ladungen befördern, empfohlen werden und als verbindlich vorgeschrieben werden können (may be made mandatory) 536, wenn sie nach Maßgabe der von der Organisation erarbeiteten Richtlinien und Kriterien beschlossen (adopted) und eingeführt worden sind 537. Bemerkenswert ist, dass der Anwendungsbereich dieser Bestimmung nicht zonal begrenzt ist. Dies wirft in mehrfacher Hinsicht Fragen nach der Vereinbarkeit von Regel V/10 SOLAS, die ja ihrerseits Völkerrecht ist, mit dem Seerechtsübereinkommen auf. gulator of International Navigation Rights: Underlying Principles and their Adequacy for the Twenty-first Century, JN 49 (1996), S. 377–393. 535 Der Lord Donaldson’s Report war beispielsweise noch 1994 skeptisch gegenüber verbindlichen Wegeführungen, denn: „no Master will deliberately put his ship in a position where she is likely to ground or be involved in a collision. He has abolutely no reason to do so.“, ibid S. 187. 536 Para 2.2. Ships’ Routeing definiert mandatory routeing system als „A routeing system adopted by the Organization, in accordance with the requirements of regulation V/8 of the International Convention for the Safety of Life at Sea 1974, for mandatory use by all ships, certain categories of ships or ships carrying certain cargoes.“ 537 Fraglich ist, ob die Ships’ Routeing-Bestimmungen (SRB), die ja lediglich in einer unverbindlichen IMO-Resolution enthalten sind, durch diese Art der Bezugnahme selbst zu Völkerrecht werden. Dieses Problem ist aber letztlich von rein dogmatischer Bedeutung. Denn über Regel V/10 SOLAS entfalten diese Bestimmungen jedenfalls insofern eine starke mittelbare Bindungswirkung, als nur ein SRB-konformes System verbindlich vorgeschrieben werden kann, Abs. (10), und die Küstenstaaten bei der Beantragung und Überprüfung verbindlicher Systeme, die Ships’ Routeing-Bestimmungen berücksichtigen müssen (shall be taken into account/shall be reviewed), Abs. (3), (8). Die SRB-Konformität ist folglich Rechtmäßigkeitsvoraussetzung und damit conditio sine qua non für die völkerrechtliche Verbindlichkeit eines Schiffswegeführungssystems. Allgemein ist die IMO lange Zeit bei der Bezugnahme auf ihre nicht verbindlichen Instrumente sehr uneinheitlich vorgegangen. Sich selbst widersprechende Ausdrücke wie „shall (anstatt should) comply with the recommendations“ führten lange Zeit zu Verwirrungen. Erst mit IMO Resolution A.911(22), Uniform Wording for Referencing IMO Instruments, adopted on 29.11.2001, wurden für die Zukunft einheitliche Formulierungen festgelegt, die klar zum Ausdruck bringen, ob durch die Bezugnahme im Konventionstext die unverbindliche Resolution völkerrechtlich verbindlich gemacht werden soll oder nicht. Bloße mit Sternchen versehene Anmerkungen reichen dafür jedenfalls nicht aus, weil sie nicht zum eigentlichen Konventionstext gehören und jederzeit vom Sekretariat geändert werden können. Stattdessen ist das verbindlich zu machende Instrument im Konventionstext klar zu bezeichnen und deutlich zu machen, dass zukünftige Änderungen des Instruments nach dem Änderungsverfahren der jeweiligen technischen Konvention erfolgen müssen (z. B.: Regel XI/1 SOLAS: „[...] shall comply with the guidelines adopted by the Organization by resolution A.739(18), as may be amended by the Organization, [...], provided that such amendments are adopted, brought into force and take effect in accordance with the provisions of article VIII of the present Convention concerning the amendment procedures applicable to the annex other than chapter I.“).

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Zweiter Teil: Der Schutz vor Öltankerunfällen durch das Völkerrecht

Wie bereits dargelegt wurde, verbietet das Seerechtsübereinkommen dem Küstenstaat nicht, in seinem Küstenmeer oder in eisbedeckten Gebieten einseitig verbindliche Schiffswegeführungen einzuführen, vgl. Art. 21 (1) (a) u. (f) SRÜ. Auch folgt aus der Tatsache, dass Art. 22 SRÜ nur auf Schifffahrtswege und TSS bezogen ist, nicht, dass die küstenstaatliche Regelungsbefugnis auf diese beiden Institute beschränkt wäre. Vielmehr ist hinsichtlich der anderen in Para 2.1.1 Ships’ Routeing genannten Systeme der Schiffswegeführung auf die allgemeine Befugnisnorm des Art. 21 (1) SRÜ zurückzugreifen: Art. 22 SRÜ spezifiziert und qualifiziert lediglich eine bereits in den Grenzen der Vernünftigkeits- und Angemessenheitskontrolle des Art. 24 (1) SRÜ bestehende Kompetenz des Küstenstaates. Allerdings folgt aus dem Rechtsgedanken des Art. 22 (3) (a) SRÜ, dass nur solche Regelungen angemessen im Sinne des Art. 24 (1) SRÜ sind, die die Empfehlungen der IMO, also die Ships’ Routeing-Bestimmungen, berücksichtigen. Regel V/10 (1) scheint indes nahe zu legen, dass jedes, also auch ein im Küstenmeer gelegenes, verbindliches Schiffswegeführungssystem von dem Küstenstaat der IMO zur Annahme (adoption) vorgelegt werden müsste, zumal Abs. (2) Satz 2 der Bestimmung anordnet, dass die Vertragsregierungen Vorschläge für die Beschlussfassung über Systeme der Schiffswegeführung an die Organisation verweisen (shall, nicht should, refer) 538. Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift stützt diese Auslegung, weil die noch im Entwurf enthaltene Einschränkung, dass Regel V/10 auf Schiffswegeführungen, die vollständig im Küstenmeer liegen, nicht anwendbar ist, nicht in den Schlusstext übernommen wurde 539. Gegen eine solche Auslegung spricht, dass Regel V/10 SOLAS dann in Widerspruch zu Art. 22 (3) (a) SRÜ stände, die IMO aber grundsätzlich peinlich darauf bedacht ist, Konflikte mit der Montego-Bay-Konvention zu vermeiden und Regel V/10 (9) SOLAS sogar explizit anordnet, dass alle Schiffswegeführungssysteme und Maßnahmen zu ihrer Durchsetzung mit dem Völkerrecht, eingeschlossen dem SRÜ, in Einklang stehen müssen. Zudem statuiert Regel V/10 (4) SOLAS lediglich, dass Systeme der Schiffswegeführung der Organisation zur Annahme vorgelegt werden sollen (should). Eine Regierung aber, die Systeme der Schiffswegeführungen einführe, bei denen nicht beabsichtigt sei, sie der Organisation zur Beschlussfassung vorzulegen, oder die nicht von der Organisation beschlossen worden seien, sei jedoch aufgerufen (encouraged), wo immer möglich, die von der Organisation erarbeiteten Richtlinien und Kriterien zu berücksichtigen. Aus dieser schwachen rechtlichen Verpflichtung lässt sich schwerlich folgern, dass jede Schiffswegeführung der IMO vorzulegen wäre. Schließlich begrenzen Ziff. 3.11 und 3.16 Ships’ 538 So Plant, The Relationship between International Navigation Rights and Environmental Protection, S. 21 f. und Ringbom, Environmental Protection and Shipping – Prescriptive Coastal State Jurisdiction in the 1990’s, marius 224, S. 61. 539 Plant, The Relationship between International Navigation Rights and Environmental Protection, S. 21 f.

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Routeing 540 die Konsultation mit der IMO auf Schiffswegeführungssysteme, die teilweise jenseits des Küstenmeeres liegen 541. Innerhalb des Küstenmeeres ist zwar, schon um die Bekanntheit der Regelung zu erhöhen, die Vorlage des Systems zur Annahme durch die IMO vorzuziehen, zudem dürften von der IMO und damit der gesamten Staatengemeinschaft angenommene Systeme stets angemessen im Sinne des Art. 24 (1) (a) SRÜ sein; rechtlich erforderlich ist eine Beschlussfassung durch die IMO indes nicht. Folglich darf auch die Verpflichtung in Regel V/10 (7) SOLAS, dass ein Schiff ein von der Organisation beschlossenes System der Schiffswegeführung anwenden muss (shall use), nicht zu dem Umkehrschluss verleiten, dass eine solche Verpflichtung für Systeme, die nicht von der IMO angenommen wurden, nicht bestände. Mithin ändert Regel V/10 SOLAS nichts an der Tatsache, dass der Küstenstaat in seinem Küstenmeer und in eisbedeckten Gebieten einseitig verbindliche und unverbindliche Systeme der Schiffswegeführung errichten darf, wenn er die Interessen anderer Staaten ausreichend berücksichtigt542. Der springende Punkt ist bei Regel V/10 SOLAS denn auch ein anderer: Mit der Vorschrift wird erstmals den Küstenstaaten die Befugnis eingeräumt, verbindliche Schiffswegeführungen in ihrer AWZ auszuweisen, sofern die IMO diesen Systemen zustimmt. Zuvor konnte jenseits der 12-Seemeilenzone nur auf die freiwillige Befolgung des Systems gesetzt werden. Lediglich von der IMO angenommene Verkehrstrennungsgebiete nach Regeln 1 (d), 10 COLREG konnten auch außerhalb des Küstenmeeres errichtet werden 543. Wie bereits ausgeführt, sind diese Systeme für Schiffe außerhalb des Verkehrstrennungsgebietes indes nur insofern zwingend, als sie verpflichtet werden, dieses in einem möglichst großen Abstand zu umfahren, wenn sie es nicht benutzen wollen, Regel 10 (h) COLREG 544. Zudem ist selbst für Schiffe in einem TSS dessen Verbindlichkeit aufgrund der zahlreichen Ausnahmen 540 Ziff. 3.11 lautet: „A Government or Governments jointly proposing a new routeing system or an amendment to an adopted system, any part of which lies beyond its or their territorial sea, should consult IMO so that such system may be adopted or amended by IMO for international use.“ Ziff. 3.16 lautet: „Governments establishing routeing systems other than traffic separation schemes, no parts of which lie beyond their territorial seas, are recommended to follow the same procedures as that set out in paragraphs 3.14 and 3.15 above.“ 541 Siehe auch Ziff. 3.14 Ships’ Routeing: „Governments establishing routeing systems, no part of which lies beyond their territorial seas or in straits used for international navigation, are requested to design them in accordance with IMO guidelines and criteria for such schemes and submit them to IMO for adoption.“ 542 Ebenso Molenaar, Coastal State Jurisdiction over Vessel-Source Pollution, S. 213. 543 COLREG kennt das Institut der AWZ noch nicht. Da nach Regeln 1 (a) u. (d), 10 (a) COLREG verbindliche Verkehrstrennungsgebiete aber sogar auf Hoher See errichtet werden können, ist auch eine Ausweisung in der AWZ möglich. Ziff. 3.11 Ships’ Routeing verwendet den Begriff beyond the territorial sea. 544 Zudem dürfen Küstenverkehrszonen vom Durchgangsverkehr, der einen entsprechenden Einbahnweg des angrenzenden Verkehrstrennungsgebietes sicher befahren kann, in der Regel nicht benutzt werden, Regel 10 (d) COLREG, und ein Fahrzeug muss soweit wie möglich das Queren von Einbahnwegen vermeiden; ist es jedoch zum Queren gezwungen, so muss dies im rechten Winkel zur allgemeinen Verkehrsrichtung erfolgen, Regel 10 (c) COLREG.

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in Regel 10 COLREG und dem Fehlen von Definition für Begriffe wie Durchgangsverkehr (through traffic) begrenzt 545. Der erste Vorschlag für eine verbindliche Schiffswegeführung nach Regel V/10 SOLAS wurde 1996 von Deutschland und den Niederlanden zum Schutz des empfindlichen Wattenmeeres gemacht 546 und durch MSC 67 angenommen 547. Diese erste und bis dato einzige von der IMO angenommene verbindliche Schiffswegeführung verpflichtet u. a. beladene Öltanker mit mehr als 10.000 GRT, das System zu benutzen. Obwohl Regel V/10 SOLAS sichtlich von dem Bestreben getragen ist, verbindliche Schiffswegeführungen innerhalb des durch Art. 211 (5) SRÜ gezogenen Jurisdiktionsrahmens zu halten, sind Auswirkungen der Regelung auf die durch das SRÜ geschaffene Balance zwischen Schifffahrtsfreiheit und Umweltschutz nicht zu leugnen 548. Daran ändert auch die Tatsache, dass Regel V/10 (9) SOLAS ausdrücklich die Übereinstimmung der beschlossenen Systeme mit dem Seerechtsübereinkommen anmahnt, nichts. Denn während Art. 211 (5) SRÜ den Küstenstaaten nicht gestattet, verbindliche Schiffswegeführungen jenseits seines Küstenmeeres auszuweisen, ist dies nun nach der nicht zonal begrenzten Regel V/10 SOLAS möglich, wenn auch nur mit IMO-Segen. Vor allem aber räumt Regel V/10 SOLAS der IMO ein Zustimmungsrecht für Schiffswegeführungen in der AWZ ein, obwohl die Montego-Bay-Konvention eine Annahme dieser Systeme durch die Organisation nur in Meerengen, Archipelschifffahrtswegen und bei Art. 211 (6) SRÜ kennt. Die Tatsache, dass die Interessen der Flaggenstaaten durch das Verfahren, nämlich die Notwendigkeit der IMO-Zustimmung, gesichert werden, ändert nichts an dem fundamentalen Punkt, dass mit dieser Form kooperativer Gesetzgebung nun küstenstaatliche (Regelungs-)Jurisdiktion existiert, wo vorher keine existierte 549. Dagegen hat Regel V/10 SOLAS kaum Auswirkungen auf die Jurisdiktionsordnung in Meerengen mit Transitregime. Regel V/10 (10) SOLAS bestimmt, dass diese Regel und die dazugehörigen Richtlinien und Kriterien die Rechtsordnung von Meerengen, die der internationalen Schifffahrt dienen, unberührt lassen. Zwar berechtigt Art. 41 SRÜ Meerengenanliegerstaaten, lediglich mit Zustimmung der IMO Verkehrstrennungsgebiete und Schifffahrtswege festzulegen, die den allgemein anerkannten internationalen Vorschriften, also Regel V/10 SOLAS und den mit ihr verbundenen Ships’ Routeing-Bestimmungen entsprechen. Bis auf die ATBA lassen sich 545 Vgl. Plant, International Traffic Separation Schemes in the New Law of the Sea, MP 9 (1985), S. 139 u. 146. 546 IMO Doc. NAV 42/4/4, 15.04.1996, Off the Frisian Islands in the North Sea (Germany and the Netherlands). 547 IMO Doc. MSC 67/22, Ziff. 7.4, Annex II, The Mandatory Route for Tankers from North Hinder to the German Bright and Vice Versa. 548 Plant, The Relationship between International Navigation Rights and Environmental Protection, S. 26–27. 549 Molenaar, Coastal State Jurisdiction over Vessel-Source Pollution, S. 527.

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aber auch alle anderen in Ziff. 2.1.1 Ships’ Routeing genannten Schiffswegeführungen unter den Begriff Schifffahrtswege (sea lanes) in Art 41 SRÜ subsumieren und hinsichtlich der ATBA stellt Ziff. 3.7 Satz 2 Ships’ Routeing ausdrücklich klar, dass „an ATBA will not be adopted if it would impede the passage of ships through an international strait.“ Da eine ATBA zwangsläufig einen Teil der Meerenge von der Durchfahrt ausschließt, dürfte das MSC kaum geneigt sein, diese Maßnahme in den Bereichen einer Meerenge zu beschließen, in denen das Transitregime Anwendung findet 550. Entscheidend für die SRÜ-Konformität von Regel V/10 SOLAS in Bezug auf die Meerengenordnung ist aber letztlich, dass die Bestimmung dem in Art. 41 SRÜ vorgesehenen Verfahren kooperativer Rechtsetzung folgt 551. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Auswirkungen von Regel V/10 SOLAS auf die durch das Seerechtsübereinkommen geschaffene Balance zwischen Schifffahrtsfreiheit und Umweltschutz aus mehreren Gründen begrenzt sind. Zwar können nun erstmals jenseits des Küstenmeeres Schiffswegeführungen verbindlich gemacht werden, doch wird trotz dieses Kompetenzgewinns der Küstenstaaten die Kommunikationsfreiheit durch das Verfahren gesichert: Die Einleitung von Maßnahmen zur Errichtung eines Systems der Schiffswegeführung fällt in die Zuständigkeit der Küstenstaaten, sie können der Organisation einzeln oder gemeinsam Vorschläge unterbreiten und müssen alle notwendigen Informationen zur Verfügung stellen, Regel V/10 (2), (3), (5) SOLAS 552, ohne IMO-Zustimmung wird das System aber nicht verbindlich. Diese kann aufgrund festgelegter, restriktiver Kriterien nur dort erfolgen, wo die Notwendigkeit hinsichtlich Ob und Wie einer verbindlichen Schiffswegeführung nachgewiesen ist 553. Auch wenn Regel V/10 SOLAS und die neuen Ships’ Routeing-Bestimmungen verstärkt die Ausweisung von Schiffswegeführungen aus Umweltgründen zulassen 554, dürfte eine erhebliche Zurückhaltung 550 Frankreich und Italien mussten ihren Vorschlag für eine ATBA in der Meerenge von Bonifacio zurückziehen, nachdem dieser von etlichen Staaten als mit Ziff. 3.7 Ships’ Routeing, Regel V/10 (10) SOLAS und Art. 38 SRÜ unvereinbar abgelehnt wurde, vgl. IMO Doc. NAV WP.3/Add.1, Annex 7 und UN Doc. A/52/487, Ziff. 113. Zum ganzen auch Molenaar, Coastal State Jurisdiction over Vessel-Source Pollution, S. 298 f. 551 Beachte, dass nach Ziff. 3.2 Ships’ Routeing das Verfahren für die Errichtung eines TSS nach Regel 10 COLREG weniger aufwendig ist, als für ein Schiffswegeführungssystem nach Regel V/10 SOLAS (Ziff. 3.3–3.7 Ships’ Routeing), obwohl in beiden Fällen die Zustimmung der IMO erforderlich ist. Die USA, Russland und Australien erklärten daher ihren Vorbehalt gegen die Annahme eines TSS in den Meerengen von Malacca und Singapur. Die durch das TSS entstehenden Küstenverkehrszonen, die von dem Durchgangsverkehr vermieden werden müssen, hätten ihrer Ansicht nach die Folge, dass sie den vorschlagenden Regierungen die Vorteile einer verbindlichen Schiffswegeführung brächten, ohne dass dafür das IMO-Verfahren für verbindliche Schiffswegeführungen eingehalten worden wäre, vgl. IMO Doc. NAV 43/15, Ziff. 3.9–3.10. 552 Ziff. 3.11 Ships’ Routeing. 553 Vgl. Ziff. 3.2, 3.3, 3.4, 3.5 Ships’ Routeing. Ziff. 6.17 Ships’ Routeing bestimmt: „The extent of a mandatory routeing system should be limited to what is essential in the interest of safety of navigation and the protection of the marine environment.“ 554 Siehe Ziff. 1.1, 1.2.6, 3.4.2 und 3.6 Ships’ Routeing.

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bei der Annahme des schärfsten Umweltschutzinstruments, der verbindlichen ATBA, zu erwarten sein. Denn obwohl Ziff. 2.1. Ships’ Routeing die ATBA ausdrücklich als „a routeing measure“ definiert, steht die area to be avoided aufgrund ihres Gebietscharakters zwischen Wegeführung und speziellem Verschmutzungsverhütungsgebiet 555, bedeutet ihre Ausweisung einen signifikanten Eingriff in die Schifffahrtsfreiheit 556. Die Auswirkung von Regel V/10 SOLAS auf die Balance Umweltschutz/Schifffahrtsfreiheit ist aber vor allem auch deshalb begrenzt, weil den Küstenstaaten keine erweiterten Durchsetzungsbefugnisse eingeräumt werden. Regel V/10 SOLAS stipuliert in Abs. (9) lediglich, dass sämtliche Maßnahmen zur Durchsetzung der Einhaltung dieser Systeme mit dem Völkerrecht, insbesondere dem SRÜ, im Einklang stehen müssen 557. Die Durchsetzung von Verstößen gegen Schiffswegeführungen richtet sich daher nach dem SRÜ und wird regelmäßig bei einem freiwilligen Aufenthalt des Schiffes im Hafen erfolgen. Bei Verstößen gegen Schiffswegeführungen jenseits der 12-Seemeilen-Grenze sind Durchsetzungsmaßnahmen des Küstenstaates grundsätzlich auf ein Auskunftsverlangen beschränkt, Art. 220 (3) SRÜ. 2. Schiffsmeldesysteme Meldepflichten der Schiffe dienen der Sicherheit des Seeverkehrs und damit dem Schutz von Menschenleben, Gütern und Umwelt 558. Sie ermöglichen Küstenstaaten eine genaue Erkennung und Verfolgung der Schiffe und damit Überwachung des Verkehrs vor ihren Küsten. Insbesondere in Verkehrsverdichtungszonen kann so vor Kollisionen gewarnt und bei Problemen schneller landseitige Hilfe zur Verfügung gestellt werden. Bei küstenstaatlichen Auskunftsverlangen gegenüber fremden 555 Allerdings kann auch eine verbindliche Wegeführung oder ein TSS zur Folge haben, dass der Verkehr aus einem bestimmten Gebiet verbannt wird. In Kombination mit ATBAs und precautionary areas lassen sich so ausgedehnte Meeresareale schützen. 556 Siehe Ziff. 3.6 Ships’ Routeing: „In deciding whether or not to adopt or amend a routeing system which is intended to protect the marine environment, IMO will consider whether: [...] .2 given the overall size of the area to be protected or the aggregate number of environmentally sensitive areas established or identified in the geographical region concerned, the use of routeing systems – particularly areas to be avoided – could have the effect of unreasonably limiting the sea area available for navigation [...]“ (Hervorhebung hinzugefügt) und Ziff. 3.7 Ships’ Routeing: „IMO will not adopt a proposed routeing system until it is satisfied that the proposed system will not impose unnecessary constraints on shipping and is completely in accordance with the requirements of regulation V/8 paragraph (j) of the SOLAS Convention. In particular, an area to be avoided will not be adopted if it would impede the passage of ships through an international strait.“ 557 Regel V/10 (6) SOLAS bestätigt das Recht der Küstenstaaten, den Verkehr in solchen Systemen zu überwachen (may monitor traffic in those systems). Während der Beratungen über die neue Regel V/10 SOLAS war Japan der Auffassung, dass verbindliche ATBAs mit dem SRÜ unvereinbar seien, vgl. IMO Doc. MSC 64/22, Ziff. 9.9). 558 Vgl. Regel V/11 (1) Satz 1 SOLAS: „Ship reporting systems contribute to safety of life at sea, safety and efficiency of navigation and/or protection of the marine environment.“

B. Globale Schutzmaßnahmen

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Schiffen ist danach zu unterscheiden, ob die Meldepflicht für Schiffe im Transit oder im Hafenanlauf statuiert wird. Schiffe im Hafenanlauf können grundsätzlich einer stärkeren küsten-, genauer, hafenstaatlichen Kontrolle unterworfen werden als Schiffe im Transit. Die meisten Schiffsmeldesysteme treffen Regelungen für beide Kategorien von Schiffen, wobei der Einsatz von Transpondern die Erfüllung dieser Meldepflichten künftig extrem erleichtern dürfte. Nicht behandelt werden wegen des auf Unfallvorbeugung fokussierten Untersuchungsansatzes küstenstaatliche Benachrichtigungspflichten bei Ereignissen- oder Seeunfällen (notification) 559. a) Meldepflichten für Schiffe im Transit Die relativ neue Regel V/8-1 SOLAS 560, seit der Neunummerierung durch MSC.99(73) Regel V/11 SOLAS, berechtigt die Küstenstaaten, verbindliche Schiffsmeldesysteme (SRSs) auch jenseits des Küstenmeeres zu errichten, wenn sie nach den von der Organisation erarbeiteten Richtlinien und Kriterien angenommen 559 Derartige Pflichten sind in Art. 8 iVm Prot. I MARPOL iVm IMO Resolution A.851(20), auf die Art. 5 (2) Prot. I MARPOL Bezug nimmt, Regel V/31 SOLAS, und in Art. 4 OPRC geregelt, wobei das OPRC-Übereinkommen auf Ölverschmutzungsunfälle beschränkt ist. Während Schiffsmeldesysteme der routinemäßigen Übermittlung bestimmter Informationen wie Schiffsname, Position, Kurs in einem Berichtsgebiet dienen, sind Notifikationspflichten enger, weil sie den Eintritt eines Ereignisses (Beschädigung oder teilweise Manövrierunfähigkeit eines Schiffes, welche die Sicherheit des Schiffes beeinträchtigen, Einleiten von Öl, Einleiten von Schadstoffen in verpackter Form, etc, vgl. Art. II Prot. I MARPOL) oder Seeunfalls vorraussetzen. Nach Ziff. 3.1 IMO Resolution A.851(20) ist Ziel dieser zonal nicht begrenzten Pflichten „to enable coastal States and other interested parties to be informed without delay of any incident giving rise to pollution, or threat of pollution, of the marine environment, [...], so that appropriate action may be taken.“ Die Verpflichtung des Kapitäns zur Meldung von Ereignissen an den nächsten Küstenstaat erfolgt zum einen über die Flaggenhoheit der Vertragsstaaten der Übereinkommen. Zum anderen kann der Küstenstaat aber nach Art.211(4), (5) iVm Abs. (7) SRÜ auch allen Schiffen in seinem Küstenmeer und seiner AWZ entsprechende Meldepflichten vorschreiben, da es sich bei diesen Bestimmungen um GAIRAS handelt. Die Durchsetzung erfolgt nach Art. 220 SRÜ. Schließlich kann ein Küstenstaat auch nach seinem völkergewohnheitsrechtlich geltenden Interventionsrecht (Art. 221 SRÜ) im Falle eines Seeunfalls, bei dem eine unmittelbare, ernste Gefahr für seine Küste oder verwandte Interessen entsteht, angemessene Maßnahmen ergreifen. Solche Maßnahmen schließen selbstverständlich das Verlangen zur Erteilung umfassender Auskünfte ein. Auf regionaler Ebene enthalten Übereinkommen wie Art. 5 (2) des Bonn-Übereinkommens (Übereinkommen zur Zusammenarbeit der Nordseestaaten bei der Bekämpfung der Verschmutzung der Nordsee durch Öl und andere Schadstoffe, Bonn 13.09.1983, in Kraft getreten am 01.09.1989, BGBl. 1990 II70) für die Nordsee und Anlage VII Regel 5 (1) (a) des Helsinki-Übereinkommens für die Ostsee-Meldepflichten, die die Vertragsstaaten ihren Kapitänen vorschreiben (Helsinki-Übereinkommen) bzw. diese darum ersuchen (Bonn-Übereinkommen). Da diese Vorschriften keine GAIRAS sind, werden die Kapitäne lediglich über die Flaggenhoheit verpflichtet. 560 Adopted by Resolution MSC.31(63). Ausführlich dazu Franckx, Coastal State Jurisdiction with Respect to Marine Pollution – Some Recent Developments and Future Challenges, IJMCL 10 (1995), S. 253–280, ders., Vessel-source Pollution and Coastal State Jurisdiction, SAYIL 24 (1999), S. 1–34 und Boisson, Safety at Sea: Policies, Regulations & International Law, S. 474–477.

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Zweiter Teil: Der Schutz vor Öltankerunfällen durch das Völkerrecht

und eingeführt worden sind. Diese Richtlinien und Kriterien sind die Guidelines and Criteria for Ship Reporting Systems (SRS-Richtlinien) und die General Principles for Ship Reporting Systems and Ship Reporting Requirements (SRS-Prinzipien) 561. Wie bei Regel V/10 SOLAS, ist ihre Beachtung Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit des Systems 562. Von der IMO angenommene, verbindliche SRSs, die den Küstenstaaten ermöglichen, den Transitverkehr vor ihren Küsten zu überwachen, existieren beispielsweise bei Quessant 563, im Pas de Calais 564 und in der Straße von Gibraltar 565. Es ist Aufgabe der Küstenstaaten, diese Systeme zu planen, der IMO vorzuschlagen und sie zu implementieren, Ziff. 3 SRS-Richtlinien. Die politische Brisanz der Regel V/11 SOLAS, die sich aus der sachlichen Nähe von Schiffsmeldesystemen zu den von einer Vielzahl von Staaten vehement abgelehnten und SRÜ-widrigen, vorhergehenden Benachrichtigungs- oder Genehmigungspflichten (prior notification or authorization) ergibt, zeigt sich daran, dass der Begriff mandatory, der noch im Regelungsentwurf enthalten war, durch den neutraleren Ausdruck adopted ersetzt wurde 566. Nichtsdestotrotz sind von der IMO angenommene Meldesysteme völkerrechtlich verbindlich, wie sich aus Abs. (7) und Abs. (1) Satz 2 der Bestimmung, „a ship reporting system, when adopted and implemented in accordance with the guidelines and criteria developed by the Organization pursuant to this regulation, shall (anstatt should) be used by all ships, or certain categories of ships or ships carrying certain cargoes in accordance with the provisions of each system so adopted“ 567, ergibt. Da Aufbau und Inhalt der Regel V/11 SOLAS im Großen und Ganzen der zeitlich später geschaffenen Regel V/10 SOLAS entsprechen, kann hinsichtlich des Verhältnisses der Vorschrift zur Montego-Bay-Konvention auf oben verwiesen werden. Wie bei Regel V/10 SOLAS ist davon auszugehen, dass die Küstenstaaten 561 Guidelines and Criteria for Ship Reporting Systems, adopted by Resolution MSC.43(64) as amended by Resolution MSC.111(73); General Principles for Ship Reporting Systems and Ship Reporting Requirements, Including Guidelines for Reporting Incidents Involving Dangerous Goods, Harmful Substances and/or Marine Pollutants, adopted by Resolution A.851(20). 562 Ziff. 4.3 SRS-Richtlinien bestimmt: „If the Organization determines that a proposal for a system does not satisfy the requirements set forth in SOLAS regulation V/8-1 or these guidelines and criteria, the proposal will be referred back to the appropriate Contracting Government or Governments.“ 563 Off Ushant (France), IMO Doc. MSC 66/24, para 7.13. 564 The Dover Strait Pas de Calais, Resolution MSC.85(70). 565 In the strait of Gibraltar traffic separation scheme area, Resolution MSC 63(67). Weitere verbindliche SRS sind die mandatory ship reporting systems: „In the Torres Strait Region and the inner Route of the Great Barrier Reef (Australia and Papua New Guinea)“, IMO Doc. MSC 66/24, Ziff. 7.12 (siehe auch IMO Resolution MSC.52(66)), „In the Great Belt Traffic area“, IMO Resolution MSC 63(67), „The Strait of Malacca and Singapore“, IMO Resolution MSC.85(70) und die „Systems for protecting North Atlantic right wales in sea areas off the north-eastern and south-eastern coasts of the United States“, IMO Resolution MSC.85(70). 566 Der Regelungsentwurf findet sich in IMO Doc. MSC 63/3/Add.1. 567 Unterstreichung hinzugefügt.

B. Globale Schutzmaßnahmen

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nach wie vor befugt sind, einseitig, d. h. auch ohne Zustimmung der IMO, verbindliche Schiffsmeldesysteme in ihrem Küstenmeer und in eisbedeckten Gebieten zur errichten 568. Dabei dürften nach der Vernünftigkeits- und Angemessenheitskontrolle des Art. 24 (1) SRÜ und dem Rechtsgedanken des Art. 22 (3) (a) SRÜ im Küstenmeer allerdings nur solche Regelungen zulässig sein, die die SRS-Richtlinien berücksichtigen. In Bezug auf Meerengen stellt auch Regel V/11 (9) SOLAS klar, dass ihre Rechtsordnung durch die Bestimmung nicht berührt werde. Dies ändert freilich nichts daran, dass Regel V/11 SOLAS der IMO nun eine Rechtsgrundlage dafür bietet, in Meerengen Schiffsmeldesysteme zu beschließen, obwohl Art. 41 SRÜ lediglich vorsieht, dass Schifffahrtswege und Verkehrstrennungsgebiete der Organisation zur Annahme unterbreitet werden 569. Ebenso können aufgrund der zonal nicht begrenzten Regel V/11 SOLAS nun Meldesysteme auch in der AWZ verbindlich gemacht werden, obwohl die Montego-Bay-Konvention in Art. 211 (5) SRÜ anders als in Art. 41 SRÜ hier überhaupt keine Zustimmungsrolle für die IMO vorsieht und Art. 220 (3) SRÜ als Durchsetzungsbestimmung verlangt, dass ein Küstenstaat eindeutige Gründe für die Annahme haben muss, dass ein Schiff in seiner AWZ gegen umweltschützende AIRAS verstoßen hat, bevor er es auch nur nach so grundlegenden Informationen wie dessen Namen, Register- und Anlaufhafen fragen darf. Eine Erweiterung der küstenstaatlichen Durchsetzungsbefugnisse sieht Regel V/11 SOLAS ebenso wie Regel V/10 SOLAS dagegen nicht vor. Die Zulässigkeit von Maßnahmen, mit denen die Befolgung von Schiffsmeldesystemen durchgesetzt werden soll, bestimmt sich damit ausschließlich nach der MontegoBay-Konvention, vgl. Regel V/11 (5) SOLAS. SRS können für alle Schiffe, bestimmte Schiffsarten und Schiffe, die bestimmte Ladungen befördern, beschlossen werden, Regel V/11 (1) SOLAS. In materieller 568 So die Position Kanadas in IMO Docs. MSC 63/3/Add.7 und MSC 63/23, Ziff. 3.24 und die Auffassung der USA in IMO Doc. LEG 67/8/1/Add.3, Ziff. 8.2. Beachte aber jetzt die Bedenken der USA und der Russischen Föderation in IMO Doc. NAV 45/14, para 3.32 hinsichtlich der Pläne Spaniens, in seinem Küstenmeer ein verbindliches Schiffswegeführungssytem einzurichten, ohne vorher die Zustimmung der IMO einzuholen. Plant, The Relationship between International Navigation Rights and Environmental Protection, S. 17 f., ist der Ansicht, dass jedes SRS, ob verbindlich oder freiwillig und in welcher Zone auch immer gelegen, der IMO zur Annahme vorgelegt werden müsse. Regel V/11 (4) Satz 1 SOLAS („Ship reporting systems not submitted to the organization for adoption do not necessarily need to comply with this regulation.“) sei eine verkorkst formulierte Bestimmung, deren Intention lediglich sei, „to maintain the present legal position vis-à-vis systems that the operating state wishes to remain voluntary and does not bother to submit to the IMO.“ Ähnlich Ringbom, Environmental Protection and Shipping – Prescriptive Coastal State Jurisdiction in the 1990’s, marius 224, S. 66. Beachte, dass der Regelungsentwurf (IMO Doc. MSC 63/3/Add.1) in Abs.(4) bestimmte, dass SRS „not adopted by the organization or those that are established as a condition for entry into port or offshore terminals do not necessarily need to comply with this regulation.“. 569 Die USA stellen in IMO Doc. LEG 67/8/Add. 3, Ziff. 8.10 klar, dass SRS in Meerengen für Schiffe im Transit nur dann verbindlich gemacht werden dürfen, wenn sie zunächst der IMO zur Annahme vorgelegt werden, den Benutzerstaaten die Gelegenheit zur Prüfung eingeräumt wird und das System hinreichend bekannt gemacht wurde.

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Hinsicht bestimmt Ziff. 2.1 SRS-Richtlinien, dass ein SRS nur dann von der IMO angenommen werden sollte, wenn die Notwendigkeit, Schiffssicherheit oder Umweltschutz zu verbessern, nachgewiesen ist 570. Die SRS-Richtlinien versuchen, das küstenstaatliche Interesse, den Verkehr vor der eigenen Küste zu überwachen und insbesondere über die Ladung der Schiffe Bescheid zu wissen, um bei Notfällen adäquat reagieren zu können, mit dem gerade von maritimen Staaten betonten Schutz kommerziell sensibler Daten in Ausgleich zu bringen571. Der Umfang der Informationspflicht wird deshalb in Ziff. 2.2.1.3 SRS-Richtlinien dahingehend reglementiert, dass der anfängliche Bericht auf Schiffsnamen, Rufzeichen, IMOIdentifikationsnummer und Position beschränkt sein soll. Darüber hinausgehende, ergänzende Angaben wie beispielsweise der geplante Kurs des Schiffs durch den Berichtsbereich, Betriebsstörungen und Schwierigkeiten sowie die allgemeine Kategorie gefährlicher Ladungen (general categories of any hazardous cargo) dürfen in dem anfänglichen Bericht nach Ziff. 2.2.1.4 SRS-Richtlinien nur dann erfragt werden, wenn die Notwendigkeit derartige Informationen für den effektiven Betrieb des Systems in dem der IMO zur Annahme vorgelegten Vorschlag nachgewiesen wurde 572. Hazardous cargo meint dabei nach Ziff. 1.4. SRS-Richtlinien nicht nur die im IMDG Code, IBC Code, IGC Code, INF Code und in den MARPOL-Anlagen II–III spezifizierten Güter und Substanzen, sondern auch die in Anlage I MARPOL definierten Öle. Lediglich im Falle eines Unfalls oder einer Gefahr für die marine Umwelt dürfen die Behörden des Küstenstaates ein Schiff im Meldebereich auffordern, so schnell wie möglich präzise und detaillierte Angaben zu jedweder gefährlichen Ladung, einschließlich ihrer Lage an Bord des Schiffes, zu machen, Ziff. 2.2.1.5 SRS-Richtlinien. Angesichts der Tatsache, dass im Rahmen von Meldesystemen zumindest nach der allgemeinen Kategorie gefährlicher Ladungen gefragt werden kann, fragt sich, worin der Unterschied zwischen SRÜ-konformen SRSs und gegen die MontegoBay-Konvention verstoßenden Pflichten zur vorhergehenden Notifikation (prior notification) des Küstenstaates über den Transport gefährlicher Ladungen besteht. Einfach ist dies zu beantworten, wenn man sich auf den Standpunkt stellt, dass jedes obligatorische SRS der Annahme durch die IMO bedarf. Lässt man aber, wie hier, unilateral errichtete Meldesysteme im Küstenmeer zu, könnte dies zur Folge haben, dass ein Küstenstaat mit einem solchen System mehr oder weniger das gleiche Ergebnis erzielt wie mit der gegen das Völkerrecht verstoßenden Pflicht zur vorhergehenden Benachrichtigung des Küstenstaates über den geplanten Transport 570 Diesen Nachweis muss der Küstenstaat in seinem Vorschlag an die IMO erbringen, vgl. Ziff. 3.3.1 SRS-Richtlinien. 571 Ein gutes Beispiel dafür sind die japanischen Bedenken hinsichtlich der vertraulichen Handhabung von Ladungsinformationen, die von Schiffen in einem SRS den Behörden des Küstenstaates übermittelt werden müssen, IMO Doc. MSC 64/22, Ziff. 9.14 und IMO Doc. NAV 41/23, Ziff. 5.13 und Annex 16, Ziff. 2. 572 Beachte, dass Ziff. 1.1.1 der allgemeineren SRS-Prinzipien bestimmt: „Reports should contain only information essential to achieve the objectives of the system“.

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gefährlicher Güter. Der Unterschied zwischen der Notifikation im Voraus und der Teilnahme an einem Angaben zur Ladung verlangenden SRS dürfte indes darin bestehen, dass im Rahmen eines Meldesystems der Informationsaustausch erst kurz nach Eintritt in die Meldezone und letztlich auf die Initiative des Küstenstaates hin einsetzt, während die vorhergehende Benachrichtigung lange im Voraus durch den Flaggenstaat zu erfolgen hat, wenn ihm eine solche Pflicht völkerrechtswidrig durch den Küstenstaat auferlegt worden ist. Auch wird ein Küstenstaat, der eine vorhergehende Benachrichtigung über den Transport gefährlicher Güter verlangt, dies regelmäßig mit der viel weitergehenden Verpflichtung zur vorhergehenden Genehmigung des Transports verbinden. Dennoch sind diese Unterschiede zwischen SRS und Genehmigung im Voraus gering und rechtfertigen nur bedingt eine derart unterschiedliche rechtliche Behandlung. Erklären lässt sich diese Differenzierung nur damit, dass die Problematik der vorhergehenden Notifikation und Genehmigungsvorbehalte große politische Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat, während sich verbindliche Schiffsmeldesysteme still und leise als vorgeblich rein technisches Problem in der pragmatisch handelnden IMO entwickelt haben 573. Zudem ist die Übermittlung von Ladungsinformationen nur ein Aspekt bei Schiffsmeldesystemen, die primär auf Kollisionsverhütung zielen. Abzuwarten bleibt, ob durch die immer stärkere Verbreitung von Schiffsmeldesystemen und durch den Einsatz von Transpondern die Übermittlung von Informationen mehr und mehr zu einem routinemäßigen Vorgang wird, durch den sich dann auch die Problematik vorhergehender Benachrichtigungspflichten erübrigen dürfte. Schiffsmeldesysteme sind nicht nur schonender für die Schifffahrtsfreiheit, sondern der Schiffssicherheit auch dienlicher als einseitig statuierte vorhergehende Benachrichtigungspflichten. Denn diese SRS-Systeme sind regelmäßig durch die IMO angenommen worden, genießen deshalb eine große Akzeptanz und ermöglichen auf Dauer ein umfassendes Bild über die gesamte Verkehrssituation, und nicht nur einmalig über das gefährliche Güter transportierende Schiff, zu gewinnen. Derzeit scheinen die Staaten verstärkt auf den Ausbau dieser Systeme zu setzen. Die viel beklagte Anonymität auf See ist jedenfalls heftig unter Beschuss. b) Meldepflichten für Schiffe im Hafenanlauf Schiffen im Hafenanlauf können grundsätzlich wesentlich weitergehende Anlaufmeldungen auferlegt werden, als Schiffen im Transit. Denn da ein Staat aufgrund seiner Gebietshoheit den Zugang zu seinen inneren Gewässern sogar gänzlich verweigern könnte, kann er ihn erst Recht von der Erfüllung bestimmter Bedingungen abhängig machen 574. Die Montego-Bay-Konvention setzt in Art. 25 (2), 38 (2), Molenaar, Coastal State Jurisdiction over Vessel-Source Pollution, S. 216. Vgl. § 1 (1) der bundesrepublikanischen AnlBV iVm Nr. 2 der Verordnungsanlage (setzt RL 93/75/EWG um). Plant, Navigation Regime in the Turkish Straits for Merchant Ships in 573 574

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211 (3) u. 255 SRÜ eine entsprechende Regelungsbefugnis des Küstenstaates voraus. Das Problem von Anlaufmeldungen ist daher anders als bei Meldungen nach Regel V/11 SOLAS weniger eine Frage ihres zulässigen Inhalts, zumal es für die Bereitstellung eines geeigneten Liegeplatzes häufig unabdingbar ist, über die Ladung des Schiffes informiert zu sein, als eine Frage ab welcher Meereszone ein Staat die Erfüllung der Meldepflicht von Drittlandsschiffen verlangen kann. Praktisch relevant wird diese Frage regelmäßig für die AWZ, denn häufig werden Schiffe verpflichtet, den Hafenbehörden bestimmte Informationen mindestens 24 Stunden vor Ankunft im Bestimmungshafen zu übermitteln, ohne dass danach differenziert würde, ob sich das Schiff zu dieser Zeit bereits im Küstenmeer befindet 575. Art. 25 (2) und 211 (3) SRÜ scheinen nahe zu legen, dass Anlaufbedingungen zwar dazu genutzt werden können, die Regelungsbefugnisse eines Küstenstaates über seine inneren Gewässer, nicht aber sein Küstenmeer hinaus auszudehnen 576. Nach Art. 25 (2) SRÜ ist ein Küstenstaat berechtigt, in Bezug auf Schiffe, die in seine inneren Gewässer einlaufen oder eine Hafenanlage außerhalb der inneren Gewässer anlaufen wollen, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um jede Verletzung der Bedingungen zu verhindern, die für das Einlaufen solcher Schiffe in die inneren Gewässer oder für ihr Anlaufen solcher Anlagen bestehen577. Aus der systematischen Stellung der Vorschrift im Abschnitt 3. SRÜ über die friedliche Durchfahrt im Küstenmeer folgt, dass der örtliche Anwendungsbereich der Bestimmung auf das Küstenmeer beschränkt ist. Allerdings regelt die Vorschrift nur die küstenstaatliche Durchsetzungsjurisdiktion. Zwar impliziert diese das Vorhandensein von Regelungsjurisdiktion. Die Montego-Bay-Konvention zeigt aber in Art. 211 u. 220 SRÜ, dass die Regelungsbefugnisse eines Küstenstaates durchaus weitergehen können als seine Durchsetzungsbefugnisse, während dies umgekehrt nicht gilt. Damit kann aus der Beschränkung der Durchsetzungsjurisdiktion auf das Küstenmeer gerade nicht auf eine entsprechend beschränkte Regelungsjurisdiktion geschlossen werden. Eher deutet schon Art. 211 (3) SRÜ auf eine Beschränkung der küstenstaatlichen Regelungsbefugnisse bei Anlaufmeldungen hin. Die Vorschrift betrifft besondere Umweltschutzbedingungen, die Küstenstaaten fremden Schiffen für das Einlaufen in ihre Häfen auferlegen. Satz 2 und 3 der Bestimmung regeln den Fall, dass zwei oder mehr Küstenstaaten solche Bedingungen in gleichlautender Form festsetzen. Satz 3 zufolge verlangt jeder Staat von dem Kapitän eines seine Flagge führenden Peacetime, MP 20 (1996), S. 17 spricht von einer auf dem destination principle basierenden Jurisdiktion. 575 Vgl. beispielsweise Art. 4 (1) (a) RL 2002/59/EG („mindestens vierundzwanzig Stunden im Voraus“). Dort kann die Meldepflicht neben dem Kapitän freilich auch durch den Betreiber oder Agenten des Schiffes erfüllt werden. 576 So anscheinend Lagoni, Vorsorge gegen Schiffsunfälle im Küstenvorfeld, S. 277. 577 Vgl. den verbindlichen englischen Wortlaut des Art. 25 (2) SRÜ: „In the case of ships proceeding to internal waters or a call at a port facility outside internal waters, the coastal State also has the right to take the necessary steps to prevent any breach of the conditions to which admission of those ships to internal waters or such a call is subject.“

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oder in sein Schiffsregister eingetragenen Schiffes, wenn er sich im Küstenmeer eines an der gemeinsamen Regelung beteiligten Staates befindet, dass er auf Ersuchen dieses Staates darüber Auskunft gibt, ob er zu einem Staat derselben Region weiterfährt, der an der gemeinsamen Regelung beteiligt ist, und, sofern dies zutrifft, angibt, ob das Schiff die von diesem Staat für das Einlaufen in seine Häfen festgesetzten Bedingungen erfüllt 578. Die Vorschrift ermöglicht mithin die Errichtung einer besonderen Form von Hafenanlauf-SRS und erlaubt Küstenstaaten, ihre Anlaufbedingungen zu harmonisieren. Sie trifft indes keine materiellen Aussagen über die Zulässigkeit der Bedingungen des angelaufenen Staates, sondern gestattet ausnahmsweise einem an der gemeinsamen Regelung beteiligten, fremden Staat, obwohl er selbst nicht angelaufen wird, von einem Drittlandsschiff, das sich in seinem Küstenmeer befindet, Angaben darüber zu verlangen, ob es die Anlaufbedingungen des Bestimmungshafens erfüllt. Auch Art. 211 (3) Satz 1 SRÜ ist rein prozeduraler Natur. Er verpflichtet Staaten, die fremden Schiffen für das Einlaufen in ihre inneren Gewässer besondere Bedingungen zur Verhütung, Verringerung und Überwachung der Verschmutzung der Meeresumwelt auferlegen lediglich, diese ordnungsgemäß bekannt zumachen und der IMO mitzuteilen, unterscheidet in Bezug auf die Anwendbarkeit dieser Bedingungen aber nicht zwischen Schiffen im Küstenmeer oder der AWZ dieses Staates 579. Zutreffend stellen der Rechtsausschuss der IMO und DOALOS in einer Studie für LEG 67 daher fest, dass das SRÜ zwar keine Bestimmungen enthalte, die einem Küstenstaat im Fall verbindlicher Schiffsmeldungen Jurisdiktion über ein Schiff einräumten, das in seiner AWZ fahre und beabsichtige, einen seiner Häfen anzulaufen, Art. 211 (3) SRÜ eine solche Befugnis aber auch nicht ausschließe580. Dagegen gelangen die USA in einem Gutachten für LEG 67 ausdrücklich zu dem Ergebnis, 578 Vgl. den verbindlichen englischen Wortlaut des Art.211 (3) SRÜ: „States which establish particular requirements for the prevention, reduction and control of pollution of the marine environment as a condition for the entry of foreign vessels into their ports or internal waters or for a call at their off-shore terminals shall give due publicity to such requirements and shall communicate them to the competent international organization. Whenever such requirements are established in identical form by two or more coastal States in an endeavour to harmonize policy, the communication shall indicate which States are participating in such cooperative arrangements. Every State shall require the master of a vessel flying its flag or of its registry, when navigating within the territorial sea of a State participating in such cooperative arrangements, to furnish, upon the request of that State, information as to whether it is proceeding to a State of the same region participating in such cooperative arrangements and, if so, to indicate whether it complies with the port entry requirements of that State. This article is without prejudice to the continued exercise by a vessel of its right of innocent passage or to the application of article 25, paragraph 2.“ (Hervorhebung hinzugefügt). 579 Undeutlich Werbke, in Frohnmeyer/Mückenhausen, EG-Verkehrsrecht: Binnenmarkt, Sozialrecht, Verkehrssicherheit, Umweltrecht, Transeuropäische Netze: Kommentar (EGVR) 101 Rdnr. 20–22. 580 Legal Issues Regarding Mandatory Ship Reporting Systems and Vessel Traffic Services (VTS), LEG 67/8/1, Annex, Ziff. 44–46. Für die Hohe See gelangt die Studie indes eindeutig zu dem Schluss: „The provisions of the Convention concerning freedom of navigation on the high seas apply irrespective of the intention of the ship to enter a port.“, ibid, para 46.

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dass ein Staat einem Schiff auch in seiner AWZ Anlaufmeldungen auferlegen dürfe, wenn sich dieses Schiff im Anlauf auf einen seiner Häfen befinde 581. Bei der Lösung des Problems ist zu beachten, dass es sich bei Meldepflichten für Schiffe im Hafenanlauf um Bedingungen handelt, die ganz gezielt an ein Verhalten des Schiffes anknüpfen, das außerhalb der inneren Gewässer dieses Staates und damit jenseits des Bereichs, über den dieser Staat seine uneingeschränkte territoriale Souveränität ausübt, zu erfolgen hat. Anders als bei einseitig im Rahmen von Hafenanlaufbedingungen vorgeschrieben CDEM-Standards, bei denen der Küstenstaat lediglich verlangt, dass diese bei einem freiwilligen Aufenthalt des Schiffes in seinen inneren Gewässern befolgt werden müssen und deren extra-aquitoriale Auswirkungen sich quasi als Rechtsreflex aufgrund der Tatsache einstellen, dass ein Schiff seine Bauart nicht verändern kann, wenn es den Hafen verlässt, wird hier bewusst ein extra-aquitorialer Sachverhalt geregelt. Jenseits seines Küstenmeeres hat ein Staat aber grundsätzlich nur funktional begrenzte Hoheitsrechte. Obwohl sich Schiffe aufgrund ihres freiwilligen Aufenthalts im Hafen der Jurisdiktion des Hafenstaates unterwerfen, kann diese auf territorialer Souveränität beruhende Jurisdiktion nicht auf das Verhalten eines Schiffes in der AWZ oder gar der Hohen See ausgedehnt werden, es sei denn, es existiert hierfür wie mit Art. 218 SRÜ eine explizite Rechtsgrundlage, oder ein Bezug zum Hafenstaat kann über das Auswirkungsprinzip oder eine sonstige hinreichend enge Verbindung zu dem späteren freiwilligen, aber ja auch zeitlich begrenzten Aufenthalt des Schiffes im Hafen hergestellt werden 582. Damit kann ein Schiff grundsätzlich nur dann zur Abgabe einer Anlaufmeldung verpflichtet werden, wenn es sich bereits im Küstenmeer dieses Staates befindet. Ausnahmen hiervon sind denkbar, wenn der Hafenstaat ein legitimes Interesse daran hat, früher über die Ankunft des Schiffes informiert zu werden. Dies kann beispielsweise bei Schiffen mit gefährlichen Gütern der Fall sein. Bei solchen Ausnahmen ist stets zu bedenken, dass anders als bei Regel V/11 SOLAS keine Sicherung der Schifffahrtsfreiheit über ein Verfahren stattfindet, bei dem die gesamte Staatengemeinschaft (Küsten- und Flaggenstaaten) an der Entscheidung über die Annahme des Meldesystems beteiligt ist. Sie sind deshalb eng zu handhaben. Diskriminierende oder rechtsmissbräuchliche Bestimmungen sind jedenfalls unzulässig, Art. 227, 300 SRÜ. Die Durchsetzung von Verstößen gegen Anlaufbedingungen kann ohnehin nur im Hafen oder im Küstenmeer erfolgen. Bei Durchsetzungsmaßnahmen im Küstenmeer ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu wahren (necessary steps), Art. 25 (2) SRÜ. LEG 67/8/1/Add.3, Ziff. 8.5–8.6. Vgl. dazu Molenaar, Coastal State Jurisdiction over Vessel-Source Pollution, S. 102. Nach Churchill/Lowe, The Law of the Sea, S. 69, ist jedenfalls darauf zu achten, dass derartige Bedingungen nicht „exceed the limits of jurisdiction which can properly be claimed on the basis of the temporary presence of foreign ships in ports.“ Plant, Legal Environmental Restraints upon Navigation Post-Braer, OGLTR 9/10 (1992), S. 249, betont, dass die Reichweite dieser auf dem destination principle basierenden Jurisdiktion unklar sei. 581 582

B. Globale Schutzmaßnahmen

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c) AIS Die Erfüllung von Meldepflichten dürfte künftig durch den Einsatz automatischer Schiffsidentifizierungssysteme (AIS), die die Notwendigkeit mündlicher Schiffsmeldungen drastisch reduzieren, erheblich erleichtert werden583. MSC.99(73) hat diesen CDEM-Standard für alle Schiffsneubauten ab dem 1. Juli 2002 vorgeschrieben, Regel V/19 (2.4) SOLAS. Für Schiffe, die vor dem 1. Juli 2002 gebaut wurden, galten je nach Kategorie Übergangsfristen bis 2007. Tanker mussten danach bis 2003 mit AIS ausgerüstet sein. Diese Fristen wurden auf Druck der Europäischen Gemeinschaft im tacit-Verfahren durch Resolution 1 der Dezember-2002-Konferenz der SOLAS-Vertragsstaaten verkürzt 584, so dass alle auf Auslandsfahrt eingesetzten Schiffe bis spätestens 31.12.2004 mit AIS ausgerüstet sein müssen585. Gleichzeitig wurde, ebenfalls auf europäischen Druck, mit Resolution 1 der Abs. (2.4.7) der Regel V/19 SOLAS dahingehend verschärft, dass nun angeordnet wird, dass Schiffe, die mit einem AIS ausgerüstet sind, dieses fortwährend in Betrieb halten, es sei denn, dass internationale Vereinbarungen, Regeln oder Standards den Schutz von Navigationsdaten vorsehen 586. Dieser Punkt war bei der Einführung des Systems stark umstritten, weil viele Staaten um den Schutz sensibler Daten besorgt waren und Überfälle durch Piraten fürchteten. Ziff. 21 der AIS-Richtlinien, auf die Abs. (2.4.7) in seiner ursprünglichen Fassung verwies, empfahl daher nur, AIS im Betrieb zu halten. Die Verpflichtung, AIS fortwährend in Betrieb zu halten, könnte freilich dazu führen, dass künftig Meldesysteme nach Regel V/11 SOLAS überflüssig werden, denn Regel V/19 (2.4.5.1) SOLAS bestimmt, dass das AIS selbständig an entsprechend ausgerüstete Landstationen, Schiffe und Luftfahrzeuge bestimmte Angaben liefern muss, insbesondere zu Identität des Schiffes, Typ, Position, Kurs, Geschwindigkeit und Navigationszustand sowie weitere sicherheitsbezogene Angaben (other 583 Vgl. Ziff. 4 AIS-Richtlinien (Guidelines for the Onboard Operational Use of Shipborne Automatic Identification Systems (AIS), Resolution A.917(22), adopted on 29.11.2001): „the purpose of AIS is to help identify vessels; assist in target tracking; simplify information exchange (e. g. reduce verbal mandatory ship reporting); and provide additional information to assist situation awareness.“ 584 Resolution 1 of the Conference of Contracting Governments to the International Convention for the Safety of Life at Sea, 1974, adopted on 12.12.2002, IMO-Doc.: SOLAS/ CONF.5/32, Annex. Nach Art. VIII (c) (ii), (b) (vi) (2) (bb), (b) (vii) (2) SOLAS treten die Änderungen unter tacit am 01.07.2004 in Kraft. Einberufungsgrund für die im Zeichen des 11. Septembers stehende Konferenz war die Verbesserung der maritimen Sicherheit (Schutz vor terroristischen Anschlägen). Kaptel XI SOLAS bekommt nun ein neues Unterkapitel XI-2 (Special Measures to Enhance Maritime Security). 585 Für Schiffe, die nicht auf Auslandsfahrt eingesetzt werden und vor dem 01.07.2002 gebaut wurden, läuft die Frist nach wie vor bis 01.07.2008, Regel V/19 (2.4.3) SOLAS. Bemerkenswert ist allerdings, dass die IMO diese Schiffskategorie überhaupt regelt, denn normalerweise gilt das IMO-Recht nicht für Schiffe auf Inlandsfahrt. 586 Vgl. den als Vorbild der Bestimmung dienenden inhaltlich identischen Artikel 6 (2) der RL 2002/59/EG vom 27.06.2002.

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Zweiter Teil: Der Schutz vor Öltankerunfällen durch das Völkerrecht

safety-related information). Diese Daten sind aber typischerweise die Informationen, die auch bei von der IMO angenommenen küstenstaatlichen Meldesystemen übermittelt werden müssen, während im Rahmen von Anlaufbedingungen weitergehende Informationen verlangt werden dürfen 587. Der einzige Unterschied zwischen den Daten, die das AIS nach Regel V/19 (2.4.5.1) SOLAS zu übertragen hat, und von der IMO angenommenen Meldesystemen ist, dass Regel V/11 SOLAS der Organisation eine Rechtsgrundlage dafür bietet, die Übermittlung von Ladungsinformationen vorzuschreiben. Zwar zeigt der Begriff other safety-related information, dass die Liste in Regel V/19 (2.4.5.1) SOLAS nicht abschließend ist, doch sind Informationen zur Ladung ein derart sensibler Punkt, dass ihre permanente Übertragung in Regel V/19 SOLAS hätte explizit vorgeschrieben werden müssen. Da automatische Identifizierungssysteme technisch ohne weiteres in der Lage sind, derartige Daten zu senden 588, kann das System selbstverständlich dennoch dazu genutzt werden, einer entsprechenden Berichtspflicht nachzukommen. Festzuhalten bleibt, dass AIS das Potential besitzt, Meldesysteme nach Regel V/11 SOLAS abzulösen, wenn man sich in der IMO darauf einigen sollte, die unter AIS routinemäßig übertragenen Informationen zu erweitern. Deutlich wird aber schon jetzt, dass die Übermittlung schiffsbezogener Daten mehr und mehr zu einem routinemäßigen Vorgang wird, während vor einigen Jahren die Anonymität auf See noch als fester Bestandteil der Schifffahrtsfreiheit gewertet wurde. 3. Schiffsverkehrsdienste (VTS) Schiffsverkehrsdienste sind in der vergleichsweise neuen Regel V/8-2 SOLAS 589, seit der Neunummerierung durch MSC.99(73) Regel V/11 SOLAS, geregelt 590. Abs. (3) der Vorschrift bestimmt, dass Vertragsregierungen, die VTS planen und einrichten wo immer möglich, die von der Organisation erarbeiteten Richtlinien befolgen müssen (shall follow). Para 1.1.1 dieser VTS-Richtlinien 591 definiert VTS als einen Dienst, der von einer zuständigen Behörde eingerichtet wurde, um die Sicherheit und Effektivität des Schiffsverkehrs zu verbessern und die Umwelt zu schützen. Der Dienst sollte deshalb in der Lage sein, mit dem Verkehr zu interagieren und auf 587 Ziff. 48 AIS-Richtlinien stellt fest: „AIS is expected to play a major role in ship reporting systems. The information required by coastal authorities in such systems is typically included in the static voyage-related and dynamic data automatically provided by the AIS system.“ 588 Vgl. Ziff. 12 AIS-Richtlinien. 589 Adopted by Resolution MSC.65(68). 590 Ausführlich zu Schiffsverkehrsdiensten: Plant, Traffic Separation Schemes in the New Law of the Sea, MP 9 (1985), S. 134–147 u. S. 332–333, ders., International Legal Aspects of Vessel Traffic Services, MP 14 (1990), S. 71–81, ders., The Relationship between International Navigation Rights and Environmental Protection, S. 11–29 und ders., A European Lawyer’s View of the Government Response to the Donaldson Report, MP 19 (1995), S. 453–467. 591 Guidelines for Vessel Traffic Services (VTS-Richtlinien) adopted by Resolution A.857 (20), 27.11.1997 (widerruft Resolution A.578(14)).

B. Globale Schutzmaßnahmen

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Verkehrssituationen im Systembereich zu reagieren592. VTS-Systeme existieren für den Hafenanlauf und als Küstendienste, Para 2.1.1 VTS-Richtlinien. Sie können auf sehr unterschiedliche Art und Weise eingerichtet werden, bestehen aber zumindest aus einem Informationsservice, der darüber hinaus auch einen navigatorischen Hilfsdienst und in seiner intensivsten Form sogar einen Verkehrsorganisationsservice enthalten kann, 1.1.9 VTS-Richtlinien. Para 2.3.1 VTS-Richtlinien zufolge wird der Informationsservice dadurch geleistet, dass in bestimmten Zeitintervallen Informationen über Position, Identität und Bewegungen anderer Schiffe, oder die Wetterlage, etc. gegeben werden, während der navigatorische Hilfsdienst bei schwierigen Navigations- oder Wetterbedingungen und technischen Problemen des Schiffes Bedeutung erlangt und normalerweise geleistet wird, wenn Schiffsführung oder VTS-Zentrale dies für notwendig erachten, Ziff. 2.3.2 VTS-Richtlinien. Nur der Verkehrsorganisationsservice wirkt unmittelbar steuernd und planend auf den Verkehrsfluss ein, um Staus und gefährliche Situationen, insbesondere bei hohen Verkehrsdichten und speziellen Transporten, zu vermeiden. Der Dienst kann ein System der Verkehrsfreigabe oder VTS-Fahrpläne enthalten, mit denen z. B. Schiffsbewegungen festgelegt, Meldepflichten im Systembereich vorgeschrieben sowie Route und Geschwindigkeit angeordnet werden 593. Regel V/12 SOLAS unterscheidet sich insofern erheblich von Regeln V/10 und V/11 SOLAS, als die Nutzung von Schiffsverkehrsdiensten nur in Seegebieten innerhalb des Küstenmeeres eines Küstenstaates verbindlich vorgeschrieben werden darf, Regel V/12 (3) Satz 2 SOLAS, und die Bestimmung keine Zustimmungsrolle für die IMO vorsieht 594. Die Vertragsregierungen verpflichten sich lediglich, überall dort für die Einrichtung von VTS zu sorgen, wo nach ihrer Auffassung die Verkehrsdichte oder das Ausmaß der Gefahren solche Dienste rechtfertigen, Regel V/12 (2) SOLAS. Obwohl somit jenseits des Küstenmeeres grundsätzlich nur auf freiwillige Befolgung setzende VTS eingerichtet werden dürfen, ist hiervon in eisbedeckten Gebieten eine Ausnahme zu machen. Regel V/12 (5) SOLAS enthält die übliche Klausel, dass diese Regel und die von der IMO beschlossenen Richtlinien die völ592 Vgl. auch Regel V/12 (1) SOLAS: „Vessel traffic services (VTS) contribute to safety of life at sea, safety and efficiency of navigation and protection of the marine environment, adjacent shore areas, work sites and offshore installations from possible adverse effects of maritime traffic.“ 593 Vgl. Para 2.3.3 VTS-Richtlinien: „The traffic organization service concerns the operational management of traffic and the forward planning of vessel movements to prevent congestion and dangerous situations, and is particularly relevant in times of high traffic density or when the movement of special transports may affect the flow of other traffic. The service may also include establishing and operating a system of traffic clearance or VTS sailing plans or both in relation to priority of movements, allocation of space, mandatory reporting or movements in the VTS area, routes to be followed, speed limits to be observed or other appropriate measures which are considered necessary by the VTS authority.“ 594 Ein niederländischer Vorschlag, der Struktur und Inhalt von Regel V/8-2 SOLAS erheblich an Regeln V/11 und V/12 SOLAS angeglichen hätte, fand in der IMO keine ausreichende Mehrheit, vgl. IMO Doc. NAV 41/5/1.

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Zweiter Teil: Der Schutz vor Öltankerunfällen durch das Völkerrecht

kerrechtlichen Rechte und Pflichten von Regierungen oder die Rechtsordnung von Meerengen mit Transitregime unberührt lassen. Anders als Regeln V/10 und V/11 SOLAS räumt Regel V/12 SOLAS den Küstenstaaten kein Mehr an Regelungsmacht ein: Denn in seinem Küstenmeer könnte ein Küstenstaat Schiffsverkehrsdienste auch auf Grundlage der Art. 21 (1) (a) u. (f) SRÜ verbindlich vorschreiben, soweit der VTS lediglich aus einem reinen Informationsdienst bzw. navigatorischen Hilfsdienst besteht oder den Schiffen in Übereinstimmung mit den SRS-Richtlinien Berichtspflichten auferlegt werden 595. Freilich muss bei der Verbindlichmachung solcher Dienste das Recht fremder Schiffe auf friedliche Durchfahrt beachtet werden. Angemessen im Sinne des Rechtsgedankens der Art. 22 (3) (a) u. 24 SRÜ dürften dabei regelmäßig solche küstenstaatlichen Regelungen sein, die die VTS-Richtlinien beachten. Problematisch ist mit Blick auf die friedliche Durchfahrt lediglich der den Verkehrsfluss steuernde Verkehrsorganisationsservice, da er mit Eingriffen in die Schifffahrtsfreiheit verbunden sein kann, die einem Lotsenzwang ähneln. Die VTSRichtlinien scheinen in Ziff. 2.1.2 aber nahe zu legen, dass ein solcher Dienst nur für Schiffe im Hafenanlauf eingerichtet werden darf 596. Schiffe im Hafenanlauf können im Rahmen von Anlaufbedingungen aber bereits im Küstenmeer einer umfassenden küstenstaatlichen Jurisdiktion unterworfen werden, so dass ein Verkehrsorganisationsservice als Port-VTS grundsätzlich völkerrechtlich unproblematisch ist, zumal Ziff. 2.3.4 Satz 1 VTS-Richtlinien sehr restriktiv statuiert: „When the VTS is authorized to issue instructions to vessels, these instructions should be result-oriented only, leaving the details of execution, such as course to be steered or engine manoeuvres to be executed, to the master or pilot on board the vessel. Care should be taken that VTS operations do not encroach upon the master’s responsibility for safe navigation, or disturb the traditional relationship between master and pilot.“597 Da Regel V/12 SOLAS der IMO keine Zustimmungsrolle für verbindliche Schiffsverkehrsdienste einräumt, können solche Systeme nach dem Telos des Art. 41 SRÜ 595 Die VTS-Richtlinien betonen an vielen Stellen, dass existierende SRS oder die SRSRichtlinien berücksichtigt werden müssen, vgl. insbesondere Ziff. 2.4.1 Satz 1 VTS-Richtlinien: „Communications between a VTS authority and participating vessel should be conducted in accordance with the Guidelines and Criteria for Ship Reporting systems and should be limited to information essential to achieve the objectives of the VTS.“ Siehe auch Ziff. 2.2.3.4, 2.5.2.1 und 3.3.2.1 VTS-Richtlinien. Para 2.1 SRS-Richtlinien zufolge „[SRSs] may or may not be operated as part of a vessel traffic service.“ 596 Ibid: „A clear distinction may need to be made between a Port or Harbour VTS and a Coastal VTS. A Port VTS is mainly concerned with vessel traffic to and from a port or harbour or harbours, while a Coastal VTS is mainly concerned with vessel traffic passing through the area. A VTS could also be a combination of both types. The type and level of service or services rendered could differ between both types of VTS; in a Port or Harbour VTS a navigational assistance service and/or traffic organization service is usually provided for, while in a Coastal VTS usually only an information service is rendered.“ (Hervorhebung hinzugefügt). 597 Hervorhebung hinzugefügt.

B. Globale Schutzmaßnahmen

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nicht in Meerengen mit Transitregime errichtet werden, da keine Sicherung der Kommunikationsfreiheit über das Verfahren stattfindet und der abschließende Art.41 SRÜ solche Systeme nicht nennt, mithin auch nicht selbst als Rechtsgrundlage in Frage kommt. Eine Empfehlung, solche Systeme zu beachten, kann die IMO gleichwohl aussprechen. In der AWZ können VTS, außer in Sondergebieten, nach Art. 211 (6) (c) SRÜ nicht verbindlich gemacht werden, da Regel V/12 (3) Satz 2 SOLAS klarstellt, dass obligatorische VTS nur in Seegebieten innerhalb des Küstenmeeres eingerichtet werden dürfen. Damit stellt sich die Frage, wie VTS-Systeme von SRS-Systemen abzugrenzen sind. Grundsätzlich werden bei Schiffsverkehrsdiensten mehr und häufiger Informationen übermittelt als bei Schiffsmeldesystemen. Während beim SRS zudem im allgemeinen nur in einer Richtung Informationen übertragen werden, nämlich vom Schiff an die jeweilige Landstation, findet bei VTS ein veritabler Informationsaustausch statt. Allerdings führt der Einsatz von Transpondern dazu, dass auch im Rahmen von Schiffsmeldesystemen regelmäßig Daten an die Landstation gemeldet werden. Darüber hinaus bestimmt die neue Regel V/12 (6) Satz 2 SOLAS, dass jedes von der IMO beschlossene SRS interaktionsfähig und in der Lage sein muss, Schiffe bei Bedarf mit Informationen zu unterstützen und Ziff. 2.2.1.1 Satz 1 der von MSC 64 angenommenen SRS-Richtlinien fordert, dass das Kommunikationssystem die Behörde an Land und die teilnehmenden Schiffe in die Lage versetzen sollte, Informationen auszutauschen. Die Unterschiede zwischen beiden Systemarten verschwinden also mehr und mehr, zumal in der Praxis SRS-Systeme häufig im Rahmen von VTS-Diensten betrieben werden und VTS- und SRS-Richtlinien vielfach aufeinander Bezug nehmen 598. Gegen die drei mit MSC 63(67) angenommenen Schiffsmeldesysteme wurde zudem eingewendet, dass es sich in Wirklichkeit um VTS-Systeme handele 599. Ein wesentlicher Unterschied zwischen VTS und SRS ist allerdings, dass im Rahmen von Schiffsverkehrsdiensten navigatorische Anweisungen erteilt werden können, der Dienst also zu einer begrenzten Kontrolle der Landstation über das Schiff führen kann. Dies gilt freilich nur für Port-VTSs und es scheint nichts dagegen zu sprechen, dass die IMO auch Verkehrsinformations- und navigatorische Hilfsdienste auf der Grundlage von Regel V/11 SOLAS in der AWZ beschließen kann, solange dabei lediglich Daten übermittelt werden, denn in diesem Fall lässt sich der VTS auch als ein gut ausgerüstetes Schiffsmeldesystem klassifizieren. 598 Vgl. Ziff. 2.4.1 Satz 1 VTS-Richtlinien: „Communications between a VTS authority and participating vessel should be conducted in accordance with the Guidelines and Criteria for Ship Reporting systems“. Siehe auch Ziff. 2.2.3.4, 2.5.2.1 und 3.3.2.1 VTS-Richtlinien. Para 2.1 SRS-Richtlinien zufolge „[SRSs] may or may not be operated as part of a vessel traffic service.“ Ähnlich wie bei SRSs können auch im Rahmen von Schiffsverkehrsdiensten Ladungsinformationen von Schiffen mit hazardous cargoes erfragt werden (Ziff. 3.2.2.2 VTSRichtlinien), wobei die Definition von hazardous cargoes in Ziff. 1.1.11 VTS-Richtlinien der in Ziff. 1.4 SRS-Richtlinien entspricht. 599 Vgl. die Einwände Russlands in IMO Doc. NAV 42/23, Ziff. 5.8.1.

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Zweiter Teil: Der Schutz vor Öltankerunfällen durch das Völkerrecht

Obwohl Regel V/12 SOLAS damit zur Zeit den Küstenstaaten keine Regelungsbefugnisse einräumt, die sie nicht schon nach dem Seerechtsübereinkommen besäßen (die Durchsetzung richtet sich ohnehin nach der Montego-Bay-Konvention), ist die Norm doch Ausdruck von Bestrebungen, den Schiffsverkehr vor den Küsten immer stärker unter die Kontrolle landgestützter Stationen zu bringen. Zu bedenken ist vor allem, dass der gegenwärtige Status quo bei der Balance Schifffahrtsfreiheit/ Umweltschutz die Folge sehr vorsichtig und vage formulierter VTS-Richtlinien ist, die nahe legen, dass Verkehrsorganisationsdienste nur für Schiffe im Hafenanlauf verbindlich vorgeschrieben werden dürfen. Diese Richtlinien könnten aber als so genanntes rein technisches Problem schnell im Rahmen der IMO geändert werden, sodass die VTS-Richtlinien infolge die Eingriffsbefugnisse der Küstenstaaten gegenüber Schiffen im Transit erweitern könnten.

4. Spezielle Verschmutzungsverhütungsgebiete Viele Küstenstaaten sind derzeit bestrebt, einzeln oder regional bzw. supranational koordiniert Meeresschutzgebiete (Marine Protected Areas) zur Bewahrung seltener oder empfindlicher Ökosysteme selbst in ihren ausschließlichen Wirtschaftszonen zu errichten 600. Die dabei verfolgten Schutzkonzepte sind höchst unterschiedlich und sorgen schon rein terminologisch häufig für Verwirrung. Mit dem hier als terminus sui generis gebrauchten Begriff spezielles Verschmutzungsverhütungsgebiet soll zum Ausdruck gebracht werden, dass im Folgenden nur solche Gebiete interessieren, deren Ausweisung Auswirkung auf die Schifffahrtsfreiheit hat, weil in ihnen besondere, von den globalen Standards abweichende Regelungen Anwendung finden, um die Umweltverschmutzung durch Schiffe zu verhüten, zu verringern oder zu überwachen: Spezielle Verschmutzungsverhütungsgebiete sind schifffahrtsbezogene MPAs 601. Das mit Blick auf den globalen Charakter der Schifffahrt 600 Vgl. die Ankündigung von Bundesumweltminister Trittin zu Beginn der zweitägigen Meeresschutzkonferenz der OSPAR- und HELCOM-Staaten vom 25.–26.06.2003 in Bremen, dass Deutschland noch in diesem Jahr Schutzgebiete außerhalb seiner Küstengewässer ausweisen werde, FAZ Nr. 145 vom 26.06.2003, S. 1. Häufig berufen sich die Küstenstaaten bei der Ausweisung solcher Gebiete auf das Übereinkommen über die biologische Vielfalt, Convention on Biological Diversity (CBD), Nairobi, 22.05.1992, in Kraft getreten am: 29.12.1993, ILM 31 (1992) 822. Im europäischen Kontext spielen auch die „Flora, Fauna, Habitat“-Richtlinie (RL 92/43/EWG des Rates vom 21.05.1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen, ABl. 1992, L 206/7) und die Vogelschutzrichtlinie (RL 79/409/EWG des Rates vom 02.04.1979 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten, ABl.1979, L 103/1) eine Rolle. 601 Allgemein zu MPAs Platzöder, The United Nations Convention on the Law of the Sea and Marine Protected Areas on the High Seas, in: Thiel/Koslow (Hrsg.), Managing Risks to Biodiversity and the Environment on the High Sea, Including Tools Such as Marine Protected Areas – Scientific Requirements and Legal Aspects – Proceedings of the Expert Workshop held at the International Academy for Nature Conservation Isle of Vilm, Germany, 27 February – 4 March 2001 (Thiel/Koslow (Hrsg.), Managing Risks to Biodiversity), S. 137–142, Vierros/

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auf global geltende Standards ausgerichtete SRÜ und das IMO-Recht ziehen speziellen Verschmutzungsverhütungsgebieten freilich enge Grenzen 602. Auf globaler Ebene existieren vier Instrumente, die erlauben, spezielle Standards für besondere Gebiete vorzuschreiben 603. Dies sind Art. 211 (6) SRÜ und Art 234 SRÜ, die Sondergebiete (special areas) nach Anlage I, II und IV MARPOL und die neuen Richtlinien für die Identifikation und Ausweisung Besonders Empfindlicher Meeresgebiete (Particularly Sensitive Sea Areas, PSSAs) aus dem Jahr 2002 (PSSA-Richtlinien) 604. Ihnen liegt jeweils eine Abwägung zwischen den küstenstaatlichen Schutzinteressen und der Schifffahrtsfreiheit zugrunde. Da MARPOLSondergebiete nur die routinemäßige Verschmutzung durch Schiffe betreffen und auf Art. 211 (6), 234 SRÜ bereits ausführlich bei der zonalen Ordnung des Seerechtsübereinkommens eingegangen wurde, geht es im Folgenden nur um die PSSA-Richtlinien 605. Johnston/Ogalla, The Convention on Biological Diversity (CBD) and Marine Protected Areas on the High Seas, in: Thiel/Koslow (Hrsg.), ibid, S. 169–173, Scovazzi, New Instruments for Marine Specially Protected Areas in the Mediterranean, in: Thiel/Koslow (Hrsg.), ibid, S. 185–191, Lagoni, Die Errichtung von Schutzgebieten in der ausschließlichen Wirtschaftszone aus völkerrechtlicher Sicht, NuR 24 (2002), S. 121–133, Czybulka/Kersandt, Rechtsvorschriften, rechtliche Instrumentarien und zuständige Körperschaften mit Relevanz für marine Schutzgebiete („Marine Protected Areas“/MPAs) in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) und auf Hoher See des OSPAR-Konventionsgebietes und spezieller: Weiß, Möglichkeiten der Regelung der Fischerei, des Bergbaus und der Schifffahrt in „Baltic Sea Protected Areas“ (BSPAs) in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) der der Bundesrepublik Deutschland vorgelagerten Ostsee. 602 Die IMO ist nach ständiger eigener Bekundung die einzige anerkannte Organisation zur Einführung von Maßnahmen, welche die internationale Schifffahrt in internationalen Gewässern berühren. Vgl. beispielsweise für Schiffswegeführungen und Meldesysteme Regeln V/10 (2) und V/11 (2) SOLAS. 603 Außer Betracht bleibt das Antarktisvertragssystem, vgl. dazu Oxman, Antarctica and the New Law of the Sea, CILJ 19 (1986), S. 211–247, und Molenaar, Coastal State Jurisdiction over Vessel-Source Pollution, S. 443–451, der die Anlagen IV und V des 1991-Protokolls zu diesem Vertrag für eine inter se-Modifikation des SRÜ hält. Art. 234 SRÜ ist auf die Antarktis nicht anwendbar. 604 IMO-Resolution A.927(22), Guidelines for the Designation of Special Areas under MARPOL 73/78 and Guidelines for the Identification and Designation of Particularly Sensitive Sea Areas, Annex 2 (PSSA-Richtlinien), adopted on 29.11.2001. Widerruft die alten IMO-Resolutionen A.720(17) und A.885(21). Zu den speziellen Verschmutzungsverhütungsgebieten ließen sich auch noch die hier nicht interessierenden Sicherheitszonen um künstliche Inseln, Anlagen und Bauwerke in der AWZ nach Art. 60 (4) SRÜ zählen. 605 Zu PSSAs vgl. dazu Blanco-Bazán, The Environmental UNCLOS and the Work of IMO in the Field of Prevention of Pollution from Vessels’ Source, in: Kirchner (Hrsg.), International Marine Environmental Law: Institutions, Implementation and Innovations, S. 31 ff., Lagoni, Marine Protected Areas in the Exclusive Economic Zone, in: Kirchner (Hrsg), ibid, S.157–167, ders., Die Errichtung von Schutzgebieten in der AWZ, NuR 24 (2002), S. 126 f., Gjerde, Protecting Particularly Sensitive Sea Areas from Shipping: A Review of IMO’s New PSSA Guidelines, in: Thiel/Koslow (Hrsg.), Managing Risks to Biodiversity, S. 123–131, dies., IMO Approves Protective Measures for Cuba’s Particularly Sensitive Sea Area in the Sabana-Camaguey Archipelago, IJMCL 14 (1999), S.415 ff. und Janssen, Die rechtlichen Möglichkeiten der

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Zweiter Teil: Der Schutz vor Öltankerunfällen durch das Völkerrecht

a) PSSAs als Anwendungsräume für vorhandene Schutzmaßnahmen Die Ursprünge dieses Gebietsschutzkonzepts gehen auf die Internationale Konferenz über Tankersicherheit und Verschmutzungsverhütung im Jahr 1978 zurück 606. In Resolution 9 der Konferenz wurde die IMO gebeten, mögliche schutzwürdige Gebiete zu identifizieren und besondere Maßnahmen zum Schutz dieser Gebiete zu erwägen. Erst 1991 führten diese Arbeiten zur Verabschiedung der PSSA-Richtlinien 607, die 1999 in formeller Hinsicht überarbeitet 608 und im Jahr 2002 durch vollständig revidierte Richtlinien ersetzt wurden. Ziel der Revision war es insbesondere, die Richtlinien zu aktualisieren, zu vereinfachen und die Unterschiede zwischen PSSA-Konzept, MARPOL-Sondergebieten und Art. 211 (6) SRÜ zu verdeutlichen, da das PSSA-Konzept in der Praxis häufig für Verwirrung sorgte. PSSA-Richtlinien und die Richtlinien für die Ausweisung von MARPOL-Sondergebieten sind nun in zwei verschiedenen Dokumenten enthalten, die der IMO Resolution A.927(22) als Annex 1 und 2 beigefügt sind. Besonders Empfindliche Meeresgebiete werden auf Antrag eines oder mehrerer IMO-Mitgliedstaaten durch das MEPC der Organisation identifiziert (identified), d. h., anders als MARPOL-Sondergebiete oder spezielle Verschmutzungsverhütungsgebiete nach dem SRÜ werden PSSAs nicht auf völkervertraglicher Grundlage errichtet und haben als solche auch keinen eigenständigen rechtlichen Status. IMO Resolution A.927(22) mag eine enorme symbolische und politische Bedeutung zukommen, wie alle anderen Resolutionen der IMO-Generalversammlung ist sie aber als internes oder sekundäres Recht nur für die Organe der Organisation verbindlich und entfaltet selbst keine Außenwirkung. Die PSSA-Richtlinien schaffen also weder für die IMO noch für die Küstenstaaten neue seerechtliche Befugnisse. Die Ausweisung einer PSSA ist insofern rein symbolisch. Die Bedeutung Besonders Empfindlicher Meeresgebiete liegt neben ihrer enormen symbolischen Wirkung darin, dass ihre Identifizierung regelmäßig mit der Annahme so genannter verbundener Schutzmaßnahmen (associated protective measures, APMs) einhergeht. PSSAs sind damit Anwendungsräume, in denen nach vorhandenen Übereinkommen zulässige Maßnahmen zum Zwecke des marinen Umweltschutzes verstärkt und erleichtert eingesetzt, gebündelt und koordiniert angewendet werden können 609. Errichtung von Meeresschutzgebieten in der Ostsee: Unter besonderer Berücksichtigung des deutschen und schwedischen Naturschutzrechts, S. 81–86. 606 International Conference on Tanker Safety and Pollution Prevention. 607 IMO Resolution A.720(17), Guidelines for the Designation of Special Areas and the Identification of Particularly Sensitive Sea Areas, adopted on 06.11.1991. 608 IMO Resolution A.885(21), Procedures for the Identification of Particularly Sensitive Sea Areas and the Adoption of Associated Protective Measures and Amendments to the Guidelines Contained in Resolution A.720(17), adopted on 25.11.1999. 609 Vgl. Spadi, Navigation in Marine Protected Areas: National and International Law, ODIL 31 (2000), S. 285–302.

B. Globale Schutzmaßnahmen

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b) Materielle und formelle Kriterien für die PSSA-Ausweisung Ziel der PSSA-Richtlinien ist, die IMO-Mitgliedstaaten bei der Formulierung und Stellung von Anträgen auf Ausweisung einer PSSA zu unterstützen sowie sicherzustellen, dass bei diesem Prozess die Interessen von Küsten- und Flaggenstaaten sowie die Belange des Umweltschutzes und der Schifffahrt auf Basis der relevanten wissenschaftlichen, technischen, wirtschaftlichen und umweltbezogenen Daten beachtet werden. Außerdem sind sie Entscheidungsgrundlage für die IMO, Ziff. 1.4 PSSA-Richtlinien 610. Ziff. 1.2 PSSA-Richtlinien definiert „Ein Besonders Empfindliches Meeresgebiet“ als ein Gebiet, das wegen seiner Bedeutung aufgrund anerkannter ökologischer, sozioökonomischer oder wissenschaftlicher Kriterien besonderer Schutzmaßnahmen der IMO bedarf, da es durch Aktivitäten der internationalen Seeschifffahrt gefährdet sein kann 611. Wie MARPOL-Sondergebiete sind PSSAs nicht zonal begrenzt, sondern können Bereiche des Küstenmeers, der AWZ und theoretisch sogar der Hohen See einschließen 612. Im August 2004 waren weltweit sechs PSSAs von der IMO anerkannt worden: die Region um das Great Barrier Reef in Australien im November 1990 (IMO Resolution MEPC.44(30)), das Sabana-Camaguey Archipel bei Kuba im September 1997 (IMO Resolution MEPC.74(40)), Malpelo Island in Kolumbien im März 2002 (IMO Resolution MEPC.97(47)), Around the Florida Keys in den USA im März 2002 (IMO Resolution MEPC.98(47)), das Wattenmeer auf Dänischen, Deutschen und Niederländischen Antrag hin als bislang einzige europäische PSSA im Oktober 2002 (IMO Resolution MEPC.101(48)) und das Paracas National Reserve in Peru im Juli 2003 (IMO Resolution MEPC.106(49)). Lediglich im Grundsatz wurde von MEPC 51 (März/April 2004) gegen den massiven Widerstand Russlands die Ausweisung der Ostsee als PSSA gebilligt 613. Vor der endgültigen Annahme sollen NAV 610 Ziff. 8.2.2 PSSA-Richtlinien stellt klar, dass die IMO bei ihrer Entscheidung über einen Antrag auf PSSA-Ausweisung auch die Außenwirkungen der PSSA zu berücksichtigen hat: „whether such measures might result in increased potential for significant adverse effects by international shipping activities on the environment outside the proposed PSSA“. 611 Nach Ziff. 2.1 Satz 2 PSSA-Richtlinien gehören zu den „Environmental hazards associated with shipping: (a) operational discharges; (b) accidental or intentional pollution; and (c) physical damage to marine habitats or organisms.“ 612 Schließen lässt sich dies aus Ziff. 4.3 PSSA-Richtlinien, derzufolge die der Identifikation von PSSAs dienenden ökologischen, sozioökonomischen oder wissenschaftlichen Kriterien „can be used by IMO to designate PSSAs beyond the territorial sea with a view to the adoption of international protective measures regarding pollution and other damage caused by ships.“ 613 Siehe IMO Doc. MEPC 51/22, Ziff. 8.53. Es handelt sich um einen gemeinsamen Antrag Dänemarks, Deutschlands, Estlands, Finnlands, Lettlands, Litauens, Polens und Schwedens (IMO Doc. MEPC 51/8/1) mit dem jetzt versucht wird, das Projekt im Alleingang bei der IMO durchzupauken. Der ursprüngliche Plan, einen gemeinsamen Antrag der HELCOM-Staaten – hierzu gehört auch Russland – an die IMO auf Ausweisung der Ostsee als PSSA zu stellen, scheiterte auf der zweitägigen Meeresschutzkonferenz der OSPAR- und HELCOM-Staaten

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Zweiter Teil: Der Schutz vor Öltankerunfällen durch das Völkerrecht

51 (Juni/Juli 2005) noch Vorschläge für verbundene Schutzmaßnahmen unterbreitet werden. Sodann wird der Unterausschuss dem MEPC Empfehlungen abgeben614. Ebenfalls nur dem Grunde nach anerkannt wurde die Identifizierung der Waters of the Canary Islands (Spanien) und des Galapagos Archipelago in Ecuador als PSSAs. Auch hier sollen zunächst NAV 51 Vorschläge für APMs unterbreitet werden 615. Um als PSSA anerkannt zu werden, muss ein Gebiet in materieller Hinsicht mindestens ein Kriterium aus dem unter Ziff. 4 der PSSA-Richtlinien aufgeführten umfangreichen Katalog ökologischer, sozialer, kultureller und wirtschaftlicher sowie wissenschaftlicher und edukativer Kriterien erfüllen und mit Blick auf die in Ziff. 5 PSSA-Richtlinien genannten Faktoren durch Aktivitäten der internationalen Seeschifffahrt gefährdet sein. Als ökologische Kriterien nennen die Richtlinien beispielsweise die Einmaligkeit oder Seltenheit, die repräsentative Bedeutung, Vielfalt, Ergiebigkeit und Verletzlichkeit des Gebietes. Zu den sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Kriterien zählen neben der Nutzung der lebenden Ressourcen des Meeres und dem Erholungs- und Freizeitwert auch die Bedeutung des Gebietes für die einheimische Bevölkerung. Zu den wissenschaftlichen und sozialen Kriterien schließlich gehören beispielsweise Forschungsinteresse und Bildungswert. Umstände, die eine Gefährdung durch Aktivitäten der internationalen Seeschifffahrt im Sinne von Ziff. 5 PSSA-Richtlinien nahe legen, können neben natürlichen Faktoren, wie vorherrschende Wetterlage, hydrographische oder ozeanographische Besonderheiten. auch die Eigenart des Schiffsverkehrs in dem betreffenden Gebiet, wie Verkehrsverdichtungen, eine starke Frequentierung durch Tankschiffe oder allgemein Schiffe mit gefährlicher Ladung, sein. Der Nachweis für die Gefährdung kann dabei am einfachsten durch frühere Grundberührungen, Kollisionen oder Öleinleitungen in dem betreffenden Gebiet erbracht werden. Qualifiziert ein Gebiet nach Ziff. 4 und 5 PSSA-Richtlinien als PSSA, so nennt Ziff. 6 der Richtlinien (Associated Protective Measures) die Schutzmaßnahmen, die mit der PSSA-Ausweisung verbunden werden können, wobei klargestellt wird, dass solche Maßnahmen in den Zuständigkeitsbereich der IMO fallen müssen. Möglich sind demnach: – Die Ausweisung des Gebietes als Sondergebiet nach MARPOL-Anlagen I, II oder V oder als SOx-Emissionskontrollgebiet nach MARPOl-Anlage VI. – Die Annahme von Schiffswegeführungs- und Schiffsmeldesystemen nach Regeln V/10 und V/11 SOLAS iVm den Ships’ Routeing-Bestimmungen bzw. SRSvom 25.–26.06.2003 in Bremen am Widerstand Russlands, SZ Nr. 144 vom 26.06.2003, S. 6. Dass das MEPC den Antrag nun im Grundsatz gebilligt hat, ist insofern bemerkenswert, als hier gegen die ständige Praxis der Organisation, Entscheidungen im Konsensverfahren zu treffen, nun erstmals gegen den offenen Protest eines IMO-Mitglieds ein Beschluss gefasst wurde. Nicht zu Unrecht merkte Russland daher an, dieses Vorgehen sei „contrary to the spirit and practice of IMO“ (IMO Doc. MEPC 51/22, Ziff. 8.54). 614 Siehe IMO Doc. MEPC 51/22, Ziff. 8.53. 615 Siehe IMO Doc. MEPC 51/22, Ziff. 8.47.

B. Globale Schutzmaßnahmen

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Richtlinien in der Nähe oder innerhalb des Gebietes. Eine PSSA kann beispielsweise als ATBA ausgewiesen oder durch andere Schiffswegeführungs- oder verbindliche Schiffsmeldesysteme geschützt werden. – Die Entwicklung und Annahme weiterer Maßnahmen zum Schutz spezieller Seegebiete vor der Umweltverschmutzung durch Schiffe wie Lotsenzwänge oder VTS-Systeme (Schiffsverkehrsdienste). – Unter gewissen Umständen Pufferzonen (buffer zones) innerhalb der PSSAGrenzen, die sich an das Kerngebiet anschließen und in denen spezielle Schutzmaßnahmen gelten. Aus Ziff. 7.1 PSSA-Richtlinien geht hervor, dass mit der PSSA-Ausweisung grundsätzlich auch mindestens eine verbundene Schutzmaßnahme beantragt werden muss. Anderenfalls ist (shall) ein entsprechender Vorschlag innerhalb von zwei Jahren nach der grundsätzlichen Annahme der PPSA durch die IMO nachzureichen. Bereits im Antrag auf PSSA-Ausweisung ist aber darzulegen, welche Maßnahmen erwogen werden. Eine Ausnahme hiervon besteht nur für den Fall, dass keine verbundene Schutzmaßnahme vorgeschlagen wird, weil das Gebiet bereits durch vorhandene IMO-Schutzmaßnahmen geschützt ist. Dies ist im Antrag entsprechend zu begründen, Ziff. 7.1 und 7.2 PSSA-Richtlinien 616. In formeller Hinsicht erklärt Ziff. 3.1 Satz 1 PSSA-Richtlinien die IMO zur einzigen anerkannten internationalen Organisation, die für Ausweisung von PSSAs und die Annahme verbundener Schutzmaßnahmen zuständig ist. Die IMO kann allerdings nur auf Antrag tätig werden, das Antragsrecht liegt bei den IMO-Mitgliedstaaten. Haben zwei oder mehr Regierungen ein gemeinsames Interesse an der Ausweisung eines bestimmten Gebietes, sollte ein gemeinsamer Antrag gestellt werden, der Maßnahmen und Verfahren für eine Zusammenarbeit zwischen den Jurisdiktionen der vorschlagenden Regierungen vorsieht, Ziff. 3.1 Satz 2 und 3 PSSA-Richtlinien. Zuständig für die PSSA-Ausweisung ist das MEPC. Bei Schutzmaßnahmen, die der Zustimmung eines anderen Fachausschusses der Organisation bedürfen, leitet der Umweltausschuss den Antrag weiter, Ziff. 3.2, 8.3 PSSA-Richtlinien 617. Der An616 Auf Ziff. 7.2 PSSA-Richtlinien stützte sich der Dänisch, Deutsch, Niederländische Gemeinschaftsantrag zur Designation des Wattenmeeres als PSSA, vgl. Ziff. 5.3 (Associated Protective Measures) IMO Doc. MEPC 48/7/2 vom 28.06.2002, Identification and Protection of Special Areas and Particularly Sensitive Sea Areas: Designation of the Wadden Sea as a Particularly Sensitive Sea Area: Submitted by Denmark, Germany and the Netherlands. 617 Vgl. Ziff. 8.3 PSSA-Richtlinien „The procedure for considering a PSSA application by IMO is as follows: (.1) the Marine Environment Protection Committee (MEPC) should bear primary responsibility within IMO for considering PSSA applications and all applications should first be submitted to the MEPC; (.2) MEPC should initially review the application to determine whether it addresses the provisions of the Guidelines. If it does, the MEPC may approve in principle the PSSA, and should refer the application, with its associated protective measures, to the appropriate Sub-Committee or Committee (which could be the MEPC itself) that is responsible for addressing the particular associated protective measures proposed for the area. The Sub-Committee may seek the advice of the MEPC on issues pertinent to the appli-

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Zweiter Teil: Der Schutz vor Öltankerunfällen durch das Völkerrecht

trag muss auf die unter Ziff. 4 und 6 PSSA-Richtlinien genannten Kriterien bzw. verbundenen Schutzmaßnahmen gestützt werden und die Verfahrensbestimmungen der Ziff. 7 (Procedures for the Designation of Particularly Sensitive Sea Areas and the Adoption of Associated Protective Measures) PSSA-Richtlinien beachten. Er besteht folglich aus zwei Teilen: Einem ersten Teil, mit einer Beschreibung des Gebiets hinsichtlich seiner Lage, seiner Bedeutung mit Blick auf die in Ziff. 4 PSSARichtlinien genannten ökologischen, sozial-ökonomischen und wissenschaftlichen Kriterien und seiner Verletzbarkeit durch Aktivitäten der internationalen Seeschifffahrt aufgrund der in Ziff. 5 der Richtlinien genannten Faktoren, sowie einem zweiten Teil mit den vorgeschlagenen Schutzmaßnahmen für das Gebiet innerhalb der Zuständigkeit der IMO. Dabei muss dargelegt werden, wie diese Maßnahmen zum Schutz des Gebietes beitragen, Ziff. 7.3 und 7.4 PSSA-Richtlinien. Nach Ziff. 7.4.2 PSSA-Richtlinien (Part II – Appropriate associated protective measures and IMO’s competence to adopt such measures) können folgende Maßnahmen vorgeschlagen werden: – Jedwede Maßnahme, die bereits nach einem vorhandenen IMO-Instrument verfügbar ist, – jedwede Maßnahme, die zwar zur Zeit noch nicht vorhanden ist, aber als allgemein anwendbare Maßnahme verfügbar sein sollte und die in den Zuständigkeitsbereich der IMO fällt sowie – jedwede Maßnahme, die zur Annahme im Küstenmeer oder nach Art. 211(6) SRÜ vorgeschlagen wird, wobei die Richtlinien in einer Fußnote klarstellen, dass diese Bestimmung nicht die Rechte und Pflichten der Küstenstaaten in ihrem Küstenmeer nach dem SRÜ berührt. Die Maßnahmen können Schiffswegeführungen, Einleitungsbeschränkungen, Betriebsbestimmungen (operational criteria) und ein Verbot bestimmter Aktivitäten vorsehen und sollten für die Bedürfnisse des gefährdeten Gebietes maßgeschneidert sein. Außerdem sollte der Antrag SRÜ-konform darlegen, welche Schiffsklasse oder -klassen von den Schutzmaßnahmen erfasst werden. Die Ships’ Routeing-Bestimmungen müssen beachtet werden, und nach Ziff. 7.7 PSSA-Richtlinien sollte schließlich dargelegt werden, welche innerstaatlichen, mit der Montego-Bay-Konvention übereinstimmenden Maßnahmen bei Verstößen gegen die verbundenen Schutzmaßnahmen ergriffen werden. cation. The MEPC should make no final determination to designate the PSSA until after the associated protective measures are considered by the pertinent Sub-Committee or Committee; (.3) for measures that require approval by the Maritime Safety Committee (MSC), the SubCommittee should forward its recommendation for approval of the associated protective measures to the MSC or, if the Sub-Committee rejects the measures, it should inform the MSC and MEPC and provide a statement of reasons for its decision. The MSC should consider any such recommendations and, if the measures are to be adopted, it should notify the MEPC of its decision; [...] (.6) after approval by the appropriate Sub-Committee or Committee of the associated protective measures, the MEPC may designate the area as a PSSA.“

B. Globale Schutzmaßnahmen

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c) Bewertung Vergleicht man die extrem weitgefassten Kriterien für eine PSSA-Ausweisung mit den materiellen Anforderungen an MARPOL-Sondergebiete und MarineSchutzgebiete nach Art. 211 (6) SRÜ, so wird deutlich, dass jedes MARPOL-Sondergebiet oder SRÜ-Schutzgebiet aufgrund der weitgefassten Kriterien der PSSARichtlinien, von denen jeweils nur eins erfüllt sein muss, auch als PSSA ausgewiesen werden könnte. Umgekehrt gilt dies freilich nicht. Zwar unterliegen sowohl PSSAs als auch MARPOL-Gebiete keiner zonalen Begrenzung. Da die MARPOLSondergebietskriterien aber anders als die PSSA-Merkmale kumulativ vorliegen müssen und ausreichende Auffanganlagen nachzuweisen sind, steht nicht für jede PSSA der MARPOL-Sondergebietsstatus zur Verfügung. Das gleiche gilt für die auf die AWZ beschränkten marinen Schutzgebiete nach Art. 211 (6) SRÜ, dessen Wortlaut nahe legt, dass die dort genannten Merkmale zumindest mehrheitlich erfüllt sein müssen, und der auch keine Ausweisung aufgrund sozioökonomischer oder wissenschaftlicher Kriterien vorsieht. Eine PSSA kann zudem errichtet werden, weil das Gebiet vulnerable to damage by international shipping activities ist, Ziff. 1.2 PSSA-Richtlinien. Darunter ließen sich beispielsweise auch Lärmbelästigungen und physikalische Einwirkungen durch Schiffe subsumieren 618, während die besonderen obligatorischen Maßnahmen zur Verhütung der Verschmutzung durch Schiffe des Art. 211 (6) SRÜ durch die Definition von pollution of the marine environment in Art. 1 (4) SRÜ begrenzt werden. Fraglich ist, ob die PSSA-Richtlinien als die von der Organisation für Sondergebiete zugelassenen Regeln und Standards oder Schifffahrtsgebräuche im Sinne des Art. 211 (6) SRÜ angesehen werden können bzw. ob mit ihnen Verfahrensregeln für Art. 211 (6) SRÜ aufgestellt werden. Mit competent international organization in Art. 211 (6) SRÜ ist jedenfalls unstreitig die IMO gemeint. Dennoch sprechen einige Gründe dagegen, dass Art. 211 (6) SRÜ, der bis heute in der Staatenpraxis keine Anwendung gefunden hat, durch die PSSA-Richtlinien näher ausgeführt wird. Das PSSA-Konzept hat sich lange Zeit neben dem Seerechtsübereinkommen entwickelt. Die Richtlinien wurden 1991 angenommen, d. h. zu einem Zeitpunkt, als die Montego-Bay-Konvention noch nicht in Kraft getreten war und Zweifel bestanden, ob dies je der Fall sein würde. Damit kann jedenfalls die Identifikation des Great Barrier 618 Vgl. Ziff. 2.2 PSSA-Richtlinien: „In the course of routine operations and accidents, ships may release a wide variety of substances either directly into the marine environment or indirectly through the atmosphere. Such pollutants include oil and oily mixture, noxious liquid substances, sewage, garbage, noxious solid substances, anti-fouling paints, foreign organisms and even noise. Many of these substances can adversely affect the marine environment and the living resources of the sea. Pollutants may also damage the environment as a consequence of shipping accidents. In addition, ships may cause harm to marine organisms and their habitats through physical impact. Habitats may be smothered through grounding and ships have been known to strike large marine mammals such as whales.“ Hervorhebung hinzugefügt.

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Zweiter Teil: Der Schutz vor Öltankerunfällen durch das Völkerrecht

Reefs als PSSA durch IMO-Resolution MEPC.44(30) und die damit verbundene Empfehlung 619, auch jenseits der australischen Hoheitsgewässer in Übereinstimmung mit den australischen Gesetzen einen Lotsen an Bord zu nehmen, nicht als ein Fall der Anwendung von Art. 211 (6) SRÜ angesehen werden. Auch hat die IMO niemals seit Inkrafttreten des SRÜ, beispielsweise durch eine Resolution der Generalversammlung, erklärt, dass die PSSA-Richtlinien die in Art. 211 (6) SRÜ gemeinten Regeln und Standards sind. Die Richtlinien selbst lassen ebenfalls keinen entsprechenden Rückschluss zu, obwohl DOALOS während des Revisionsprozesses, letztlich vergeblich, eine stärkere SRÜ-Konformität des PSSA-Konzeptes angemahnt hatte 620. Ziff. 7.4.2.1 (a) (iii) PSSA-Richtlinien bestimmt nur, dass die IMO Maßnahmen nach Art. 211 (6) SRÜ annehmen kann. Prozedurale Details werden indes nicht geregelt. Somit können die PSSA-Richtlinien nicht als Ausführungsbestimmungen zu Art. 211 (6) SRÜ angesehen werden. Die folgende Tabelle fasst die Unterschiede zwischen speziellen Verschmutzungsverhütungsgebieten nach SRÜ, MARPOL und PSSA-Richtlinien zusammen: Schutzgebiete nach Art. 211 (6) SRÜ

Sondergebiete nach PSSAs nach Ziff. 1.2 PSSA-Richtlinien Regeln I/1 (10), II/1 (7) und V/1 (3) MARPOL

Definition

A particular, clearly defined area of their respective exclusive economic zones [...] where the adoption of special mandatory measures for the prevention of pollution from vessels is required for recognized technical reasons in relation to its oceanographical and ecological conditions, as well as its utilization or the protection of its resources and the particular character of its traffic.

A sea area where for recognised technical reasons in relation to its oceanographical and ecological conditions and to the particular character of its traffic, the adoption of special mandatory methods for the prevention of sea pollution by oil [bzw.: noxious liquid substances, or garbage] is required.

Zone

Auf die AWZ beschränkt.

Keine zonale Begrenzung.

619 620

IMO-Resolution MEPC.45(30). Vgl. IMO Doc. MEPC 43/6/2.

An area that needs special protection through action by IMO because of its significance for recognized ecological, socio-economic, or scientific reasons and because it may be vulnerable to damage by international shipping activities.

B. Globale Schutzmaßnahmen

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Schutzgebiete nach Art. 211 (6) SRÜ

Sondergebiete nach PSSAs nach Ziff. 1.2 PSSA-Richtlinien Regeln I/1 (10), II/1 (7) und V/1 (3) MARPOL

Materielle Kriterien Zumindest die meisfür die Ausweisung ten Faktoren sollten erfüllt sein.

Alle Faktoren müssen Lediglich ein Kritekumulativ vorliegen. rium muss erfüllt sein. Nachweis von Auffanganlagen erforderlich.

Schutzmaßnahmen

CDEM-, Navigations- Nur Einleitungsbe(Wegeführungen, stimmungen. Meldepflichten, VTS) und Einleitungsbestimmungen.

MARPOL-Sondergebiete, Schiffswegeführungen (einschl. ATBA), Schiffsmeldesysteme, weitere Maßnahmen wie Lotsenzwänge und VTSSysteme, Pufferzonen und Maßnahmen nach Art. 211 (6) SRÜ.

Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass die PSSA-Richtlinien als solche weder die Befugnisse der IMO noch der Küstenstaaten erweitern. Selbst eine Verbindlichmachung der Richtlinien in ihrer jetzigen Form durch Verweisung in MARPOL oder gar in einer eigenständige Konvention würde daran nichts ändern. Die in Ziff. 6 dieser Bestimmungen genannten Schutzmaßnahmen ständen auch ohne PSSARichtlinien zur Verfügung bzw. ließen sich auch ohne die Richtlinien entwickeln, solange sie nur in die Zuständigkeit der Organisation fallen. Soweit einzelne Schutzmaßnahmen in IMO-Konventionen enthalten sind, binden sie einerseits die Flaggenstaaten, können andrerseits als GAIRAS aber auch durch die Küstenstaaten für Schiffe in ihrem Aquitorium und in ihrer AWZ verbindlich gemacht werden 621. Das regelmäßig vorgebrachte Argument, dass die Ausweisung einer bestimmten Meeresregion, beispielsweise der Ostsee, als PSSA-Vorraussetzung für die Einführung eines Lotsenzwanges sei, geht daher fehl. Die PSSA-Eigenschaft eines Gebietes ändert nichts daran, dass Drittlandsschiffe jenseits der 12-Seemeilengrenze nur dann zur Lotsenannahme verpflichtet werden könnten, wenn die Lotsenpflicht in einer allgemein anerkannten technischen Konvention geregelt werden würde oder sie die IMO auf Grundlage von Art. 211 (6) SRÜ in einem bestimmten Gebiet beschlösse. Ein solcher Beschluss müsste aber unabhängig von der PSSA-Ausweisung herbeigeführt werden. Ziff. 6.1.3 PSSA-Richtlinien, der den Lotsenzwang explizit als weitere verbundene Schutzmaßnahme nennt, ändert daran nichts, weil Ziff. 6.1 der 621 Anderer Ansicht anscheinend Lagoni, Die Errichtung von Schutzgebieten in der AWZ, NuR 24 (2002), S. 126, der von über die Flaggenhoheit wirkenden vertraglichen Pflichten der Schifffahrt zum Schutz besonderer ökologischer Gebiete spricht.

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Zweiter Teil: Der Schutz vor Öltankerunfällen durch das Völkerrecht

Richtlinien die verbundenen Schutzmaßnahmen auf actions within the purview of IMO beschränkt. In die Zuständigkeit der IMO fallen aber, wo die Organisation nicht durch eine technische Konvention oder das SRÜ zur Annahme verbindlicher Maßnahmen berechtigt wird, nur unverbindliche Empfehlungen. Indes lässt sich aus Ziff. 6.13 PSSA-Richtlinien folgern, dass verbundene Schutzmaßnahmen nicht notwendigerweise in völkerrechtlich bindenden Instrumenten enthalten sein müssen, sondern auch empfehlender Natur sein können. Ein Beispiel hierfür ist IMO-Resolution MEPC.45(30), mit der die Organisation die Nutzung des australischen Lotsensystems in der Region des Great Barrier Reefs empfahl. Zudem ist Ziff. 6.13 PSSA-Richtlinien nicht abschließend formuliert. Bedenkt man, dass viele bedeutende IMO-Instrumente zunächst als unverbindliche Empfehlungen verabschiedet wurden, bietet sich der Organisation hier ein weites Experimentierfeld, um für bestimmte PSSAs maßgeschneiderte, der individuellen Schutzbedürftigkeit des Gebietes Rechnung tragende Konzepte zu erarbeiten 622. Die in Ziff. 6.3 der Richtlinien genannten Puffer-Zonen (buffer zones) könnten ein erster Schritt in diese Richtung sein 623. Dennoch fragt sich, worin für einen Küstenstaat der zusätzliche Gewinn einer PSSA-Ausweisung durch die IMO liegt, denn die PSSA-Identifikation ist an sich unabhängig von den mit ihr verbundenen Schutzmaßnahmen. Zwar stellt Ziff. 7.1 der neuen PSSA-Richtlinien („Kuba-Klausel“) nun ein Junktim zwischen PSSAAusweisung und verbundenen Schutzmaßnahmen her, doch bleibt es aufgrund Ziff. 7.2 PSSA-Richtlinien möglich, nur die Ausweisung eines Gebietes als PSSA zu beantragen, wenn bereits IMO-Maßnahmen zum Schutz des Gebietes vorhanden sind: so geschehen beim Dänischen, Deutschen, Niederländischen Gemeinschaftsantrag auf Ausweisung des Wattenmeeres als PSSA 624. Vor allem aber liegt in der PSSA-Annahme weder zugleich die Zustimmung zu den verbundenen Schutzmaßnahmen, noch verkürzt die PSSA-Identifikation das Verfahren, um eine solche Zustimmung zu erhalten 625. Eine PSSA-Ausweisung ist damit zunächst ein rein symbolischer, auf die Erzeugung von Problembewusstsein zielender Akt. Es wird quasi ein Schild aufgestellt: „Achtung: PSSA“. Schiffskapitäne, die in einem Besonders Empfindlichen Meeresgebiet navigieren, sollen so zu besonderer Vorsicht angehalten werden. Dass dieser 622 Vgl. auch Ziff. 7.4.2.1 (a) (ii) PSSA-Richtlinien: „any measure that does not yet exist but that should be available as a generally applicable measure and that falls within the competence of IMO“. 623 Ziff. 6.3 PSSA-Richtlinien definiert buffer zone als „an area contiguous to the site-specifc feature (core area) for which specifc protection from shipping is sought.“ 624 IMO Doc. MEPC 48/7/2. Vgl. Ziff.5.3 des Dokumentes, die ausdrücklich auf Ziff.7.2 der PSSA-Richtlinien Bezug nimmt und in Satz 2 ausführt: „On the basis of the measures both international and national, already in place in and the adjacent area of the proposed PSSA, it is deemed justified not to propose additional associated measures to accompany the proposed PSSA.“ 625 So zu Recht Molenaar, Coastal State Jurisdiction over Vessel-Source Pollution, S. 440.

B. Globale Schutzmaßnahmen

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Effekt durchaus erreicht werden kann, zeigen Schiffswegeführungen, die traditionell rechtlich unverbindlich sind 626. Ohnehin ist in der Schifffahrtspraxis der Bekanntheitsgrad einer Verkehrsregelung und ihre genaue Verzeichnung in den Seekarten häufig wichtiger, als ihre völkerrechtliche Verbindlichkeit 627. Viel hängt allerdings davon ab, ob sich marine Schutzgebiete generell künftig weiter derart stark vermehren werden. Eine Vergrößerung ihrer Zahl könnte nicht nur für Verwirrung sorgen, sondern auch dazu führen, dass das einzelne Schutzgebiet nicht mehr wahrgenommen wird. Die eigentliche Bedeutung des PSSA-Konzeptes liegt aber neben seiner Warnfunktion darin begründet, dass ihm aufgrund seiner inhaltlichen Weite und Flexibilität das Potential innewohnt, als formales Ordnungskonzept die unterschiedlichen Schutzansätze der speziellen Verschmutzungsverhütungsgebiete unter einem Dach zu vereinen und damit zu harmonisieren 628: Während SOLAS und MARPOL nur einzelne, gebietsbezogene Maßnahmen wie ATBAs als Schiffswegeführungen und Einleitungsstandards in special areas zulassen und Art. 211 (6)-Gebiete zonal auf die AWZ begrenzt sind, werden bei PSSAs unter einem Managementkonzept zonalunabhängig alle Schutzmaßnahmen zusammengefasst, die für ein bestimmtes Gebiet zur Verfügung stehen. Von besonderem Gewicht ist hierbei, dass eine PSSA nicht nur MARPOL-Sondergebiet umfassen kann, sondern auch marine Schutzgebiete nach Art. 211 (6) SRÜ: Ziff. 7.4.2.1(a)(iii) PSSA-Richtlinien bestimmt, dass der Organisation Maßnahmen zur Annahme nach Art. 211 (6) SRÜ vorgeschlagen werden können. SRÜSondergebiete sind also in den Anwendungsraum PSSA integrierbar. Damit können den individuellen ökologischen Besonderheiten einzelner Gebiete Rechnung tragende umfassende Schutzkonzepte erarbeitet werden, bei denen die einzelnen Schutzmaßnahmen nicht hinter der 12-Seemeilen- Grenze aufhören bzw. erst mit ihr beginnen. Die PSSA-Richtlinien könnten mithin zu einer Belebung von Art. 211 (6) SRÜ führen. Die dem Gebietsschutz abträgliche zonale Ordnung des SRÜ würde so relativiert, weil es für das einzelne Schiff ohne Belang sein dürfte, ob sich die Regelungsmacht des Küstenstaates auf Art. 21 SRÜ, Art. 211 (6) SRÜ oder Regeln V/10, V/11 SOLAS gründet. 626 Obwohl nun mit Regel V/10 SOLAS die Möglichkeit besteht, solche Systeme völkerrechtlich verbindlich zu machen, existiert bisher weltweit mit der Mandatory Route for Tankers from North Hinder to the German Bright and Vice Versa (IMO Doc. MSC 67/22, Ziff. 7.4, Annex II) nur eine verbindliche Schiffswegeführung. 627 Die Bedeutung von soft law im Schifffahrtsbereich allgemein aufwertend: Birnie, The Status of Environmental ‚Soft-Law‘: Trends and Examples with Special Focus on IMO Norms, in: Ringbom (Hrsg.), Competing Norms in the Law of Marine Environmental Protection, S.31– 57. 628 Ziff. 1.3 PSSA-Richtlinien hebt die Bindeglied-Funktion des PSSA-Konzepts gegenüber nicht schifffahrtsbezogenen Schutzinstrumenten hervor: „Many international and regional instruments encourage the protection of areas important for the conservation of biological diversity as well as other areas with high ecological, cultural, historical/archaeological, socio-economic or scientific significance. They further call on their Parties to protect such areas from activities, including shipping operations, that may undermine their values.“

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Zweiter Teil: Der Schutz vor Öltankerunfällen durch das Völkerrecht

Obwohl die PSSA-Richtlinien als solche derzeit die Balance zwischen Schifffahrtsfreiheit und Umweltschutz nicht verändern, haben sie die Entwicklung bestimmter Verkehrsregelungsinstrumente, die ursprünglich reine Schiffssicherheitswerkzeuge waren, zu Umweltinstrumenten katalytisch beeinflusst 629. Das gilt insbesondere für Schiffswegeführungen, Meldesysteme und VTS, die nun aus Umweltgründen angenommen werden können. Auch wenn die Ausweisung eines Gebietes als PSSA die Verfahren für die Annahme mit ihr verbundener Schutzmaßnahmen nicht verkürzt, ist sie in materieller Hinsicht ein starkes Indiz dafür, dass eine bestimmte Verkehrsregelungsmaßnahme aus Umweltgründen geboten ist. Zudem kann die PSSA-Eigenschaft eines Gebietes Bedeutung bei der Auslegung von Vorschriften des Seerechtsübereinkommens gewinnen. Ein Staat könnte beispielsweise argumentieren, dass selbst geringe Einleitungen von Schiffen in einer PSSA die Durchfahrt dieser Schiffe unfriedlich machen, weil sie eine vorsätzliche schwere Verschmutzung im Sinne von Art. 19 (2) (h) SRÜ darstellen. PSSAs vergrößern folglich die Anwendungsmöglichkeiten existenter Umweltschutzmaßnahmen. Im Zusammenhang mit dem PSSA-Konzept wurden immer wieder weitreichende Vorschläge gemacht. Darunter die Idee, spezielle CDEM-Standards für Schiffe, die ausschließlichen in einer PSSA verkehren, zu schaffen 630 oder die Anregung, INFtransportierende Schiffe aus PSSAs zu verbannen 631. Bei der Ausweisung des Great 629 Ringbom, Environmental Protection and Shipping – Prescriptive Coastal State Jurisdiction in the 1990’s, marius 224, S. 81. 630 IMO Doc. MEPC 36/21/4, Ziff. 34. Deutlich weiter ging der jüngste Vorschlag Belgiens, Frankreichs, Irlands, Portugals, Spaniens und des Vereinigten Königreiches an MEPC 49, eine West Europäische PSSA auszuweisen, die ein weites Meeresgebiet westlich dieser Länder umfassen soll, vgl. IMO Doc. MEPC 49/8/1. Denn als verbundene Schutzmaßnahme wurde vorgeschlagen, den Transport von Schweröl in Einhüllentankern zu verbieten, ibid, Ziff. 10. Der Vorschlag zielte offensichtlich darauf ab, Einhüllentanker mit Schweröl auch dann aus den Gewässern dieser Länder zu verbannen, wenn die von allen europäischen Staaten angeregte entsprechende Änderung von MARPOL auf MEPC 50 gescheitert wäre. Was nicht global durch eine entsprechende Änderung von MARPOL möglich gewesen wäre, sollte also regional durchgesetzt werden. Der Vorschlag war geradezu revolutionär, denn er findet im SRÜ keine Rechtsgrundlage. Selbst wenn die IMO erstmals im Zusammenhang mit einer PSSA Art. 211 (6) (c) SRÜ angewendet hätte, hätte dies keine Grundlage für lokale CDEM-Standards geboten: Art. 211 (6) (c) Satz 2 HS 1 stellt unmissverständlich klar: „Such additional laws and regulations may relate to discharges or navigational practices but shall not require foreign vessels to observe design, construction, manning or equipment standards other than generally accepted international rules and standards“. Erstmals wäre damit im Rahmen des PSSA-Regimes durch die IMO, aber dennoch unvereinbar mit Art.237, 311 SRÜ, von der Jurisdiktionsordnung des SRÜ abgewichen worden. Nachdem der Transport von Schweröl in Einhüllentanker nun durch MEPC 50 weltweit verboten wurde (Einfügung einer neuen Regel I/13H MARPOL im tacit-Verfahren durch IMO Resolution MEPC.111(50)), hat der Vorschlag aber viel von seiner rechtlichen Brisanz verloren und wird in Bezug auf die APM „Verbot des Schweröltransports in Einhüllentankern“ auch nicht mehr weiter verfolgt. Dennoch bleibt die West Europäische PSSA umstritten, vgl. IMO. Doc. MEPC 51/22, Ziff. 8.4. 631 IMO-Resolution A.790(19), Ziff. 2 (b) (v) und IMO Docs. MSC 64/19/1, MSC 66/2/3/ Add.1, Ziff. 4, MEPC 39/12/11.

B. Globale Schutzmaßnahmen

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Barrier Reefs als PSSA im Jahr 1991 durch IMO-Resolution MEPC 44(30) hat die IMO zudem den ungewöhnlichen Schritt unternommen, der Schifffahrt mit IMOResolution MEPC.45(30) die Nutzung des verbindlichen australischen Lotsensystems insgesamt, d. h. nicht nur für die innere Route zwischen Cape York und Cairns Roads, sondern auch für die jenseits des Küstenmeeres gelegene Hydrographers Passage zu empfehlen 632. Australien verlangt, dass Schiffe von mehr als 70 m Länge und alle beladenen Öl-, Chemie- und Flüssigkeitsgastanker einen lizenzierten Lotsen an Bord haben. Die Flaggenstaaten haben sich dem offensichtlich gefügt 633. All dies hat Bedenken laut werden lassen, Besonders Empfindliche Meeresgebiete könnten das allgemeine SRÜ-Regime unterlaufen. Derartige Einwände dürften künftig eher zu – als abnehmen, denn PSSAs greifen mehr und mehr um sich. Wurden von 1990–1997 nur zwei PSSAs genehmigt, waren es von 1997 bis 2003 gleich vier. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die im Jahr 2002 identifizierte PSSA Wattenmeer zu einem großen Teil in den inneren Gewässern Deutschlands, der 632 „RECOMMENDS that Governments recognise the need for effective protection of the Great Barrier Reef Region and inform ships flying their flag that they should act in accordance with Australia’s system of pilotage [...].“ (Hervorhebung hinzugefügt). Einer Äußerung des australischen Schiff- und Luftfahrtsministers Senator Collins vom 26.11.1990 zufolge (abgedruckt im AYIL 13 (1992), S. 303), „This is simply not a question of symbolism; it has real effect. All of the major shipping nations of the world will be required by their governments to instruct ships flying their flags to act in accordance with Australia’s pilotage arrangements for the Great Barrier Reef“. IMO-Resolution A.619(15) empfahl bereits die freiwillige Annahme von Lotsen in der Torres Strait and Great Barrier Reef area. Aufgrund ihres Status als internationale Meerenge iSv Art. 37 SRÜ ist die Torres Strait bis jetzt nicht in das australische Lotsenzwangsystem einbezogen worden. Hier gilt nach wie vor die bloße Empfehlung nach IMOResolution A.619(15). Beachte aber, dass von Australien und Papua Neu Guinea an MEPC 49 der Antrag gestellt wurde, die Torresstraße in die Great Barrier Reef-PSSA einzubeziehen – einschließlich der damit verbundenen Schutzmaßnahmen, siehe IMO Doc. MEPC 49/8. 633 Beachte allerdings die aller neuste Diskussion um den Antrag Australiens und Papua Neu Guineas (IMO Doc. NAV 50/3), den bestehenden Lotsenzwang für das Great Barrier Reef als APM auf die geplante PSSA Torres Strait (PSSA-Antrag der beiden Staaten in IMO Doc. MEPC 49/8) auszudehnen. Die rechtliche Zulässigkeit dieses Vorhabens ist angesichts des Status der Torres Strait als PSSA heftig umstritten und soll nun weiter von LEG 89 behandelt werden, siehe IMO Doc. NAV 50/19, Ziff. 3.14–3.24. Die Einwände der Flaggenstaaten, Russlands und der maritimen Industrie richten sich zudem gegen das Vorgehen der Staaten zunächst eine PSSA vorzuschlagen und erst dann mit den jeweiligen APMs „rauszurücken“. Deshalb wurde auf MEPC 51 beschlossen, die PSSA-Richtlinien zu überarbeiten und dabei insbesondere zur überprüfen, ob nicht die Richtlinien dahingehend geändert werden sollten, dass die Entscheidung über APMs stets zusammen mit der PSSA Ausweisung getroffen werden muss, vgl. IMO Doc. MEPC 51/22, Ziff. 8.5–8.15. Auch wenn dieser Streit im Zusammenhang mit dem Lotsenzwang in der Torres Strait entfachte, geht es in Wahrheit weniger um die Torres Strait als um eine mögliche Signalwirkung der Maßnahme für die West Europäische PSSA. Denn maritime Industrie und Flaggenstaaten haben die Befürchtung, dass mit der Torres Strait ein Präzidenzfall geschaffen werden könnte, der früher oder später auch zu einem Lotsenzwang in einer ausgedehnten West Europäischen PSSA mit hohen Kosten für die Industrie führen könnte (vgl. auch IMO Doc. LEG 87/16/1). Zur rechtlichen Zulässigkeit von Lotsenzwängen siehe auch im Folgenden (2. Teil B. II. 5).

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Zweiter Teil: Der Schutz vor Öltankerunfällen durch das Völkerrecht

Niederlande und Dänemarks 634 und damit in einer Meeresregion gelegen ist, in der die Staaten ihre uneingeschränkte Hoheitsgewalt ausüben und welche die mit Fragen der internationalen Seeschifffahrt befasste IMO bisher nicht interessierte. Die Montego-Bay-Konvention beschäftigt sich nur am Rande und indirekt mit den inneren Gewässern, etwa in Art. 2 (1), 7 (3), 8, 10 (4), 18 (1), 25 (2) u. 211 (3) SRÜ, sieht für die IMO dort aber keine Rolle vor. Die PSSA-Richtlinien nehmen die inneren Gewässer indes nicht von ihrem Anwendungsbereich aus. Ziff. 7.4.2 (iii) PSSA-Richtlinien scheint lediglich nahe zu legen, dass verbundene Schutzmaßnahmen dort nicht beschlossen werden können: Die Bestimmung spricht nur von Maßnahmen, die zur Annahme im Küstenmeer oder nach Art. 211 (6) SRÜ vorgeschlagen werden, wobei in einer Fußnote klargestellt wird, dass die Rechte und Pflichten der Küstenstaaten im Küstenmeer durch diese Regelung unberührt bleiben. Eine „creeping jurisdiction“ der IMO in den inneren Gewässern wäre danach also bei der jetzigen Fassung der Richtlinien ausgeschlossen, wenn man sich auf den Standpunkt stellt, dass die Identifikation eines Gebietes als PSSA durch die Organisation harmlos ist. In der PSSA-Wattenmeer wurden mit Hinweis auf Ziff. 7.2 PSSA-Richtlinien ohnehin keine Schutzmaßnahmen beschlossen. Abschließend ist festzuhalten, dass die PSSA-Idee derzeit zu stark im Fluss ist, um eine Prognose über ihre weitere Entwicklung zu erlauben. Das Potential von PSSAs liegt in ihrer fehlenden zonalen Begrenzung. Richtig eingesetzt, könnte das PSSA-Konzept dazu genutzt werden, über bloßen Symbolismus hinaus den misslungenen Gebietsschutz der Montego-Bay-Konvention zu korrigieren, aber seine Internationalisierung beizubehalten. Freilich fehlt auch den PSSAs bislang ein eigenständiges Durchsetzungsregime. Bedeutsam ist hinsichtlich des im Zusammenhang mit MPAs regelmäßig erhobenen Einwands einer creeping jurisdiction der Küstenstaaten und einer Zersplitterung der allgemeinen Meeresordnung, dass mit der Ausweisung eines Besonders Empfindlichen Meeresgebietes durch die IMO die Zustimmung der gesamten Staatengemeinschaft sichergestellt wird 635. Auch bei den 634 Vgl. IMO Resolution MEPC.101(48), adopted on 11.10.2002, Identification of the Wadden Sea as a Particularly Sensitive Sea Area, Annex 1 und 2. Siehe auch IMO Doc. MEPC 48/ 7/2, Ziff. 2. 635 Diese Zustimmung relativiert auch die Tatsache, dass eine PSSA-Ausweisung völkerrechtlich nicht verbindlich ist, wenn man mit der englischen Richterin am IGH Rosalin Higgins das Völkerrecht nicht als rules, sondern als ein normatives System, das sich durch einen Prozess des authoritative decision-making auszeichnet, begreift. „To remain ‚legal‘“ bedeutet nach Higgins dann nämlich gerade nicht, alles zu ignorieren, was keine rules sind. Entscheidender ist vielmehr, dass die Entscheidungen von denen getroffen werden, die dazu autorisiert sind, Higgins, Problems and Process: International Law And How We Use It, S.9, und dieselbe, Policy Considerations and the International Judicial Process, ICLQ 17 (1968), S.58 f. Wesentlich ist bei einem solchen Verständnis folglich die Tatsache, dass PSSAs durch die IMO angenommene werden und nicht so sehr der Rechtsnormcharakter der PSSA-Richtlinien. Beachte, dass § 38 BNatSchG mit seiner Formulierung in Abs. (1) Nr. 1 „sowie die weiteren die Schifffahrt betreffenden völkerrechtlichen Regelungen bleiben unberührt“ andeutet, dass sich neben

B. Globale Schutzmaßnahmen

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PSSAs garantiert also das formelle Recht durch ein an Art. 211 (6) SRÜ, Art. 41 (4) SRÜ orientiertes Verfahren die Schifffahrtsfreiheit und relativiert so die materielle Weite der PSSA-Kriterien. 5. Lotsenpflichten Lotsen tragen erheblich zur Sicherheit der Schifffahrt bei, weil sie mit den örtlichen Verhältnissen und Gefahren vertraut sind und die Schiffsführung entsprechend beraten können. Sie werden seit Jahrhunderten eingesetzt, um Schiffe sicher in oder aus Häfen zu geleiten oder durch Gebiete zu führen, in denen die Navigation gerade für den mit den örtlichen Besonderheiten unvertrauten Schiffsführer schwierig ist 636. Da Lotsen neben dem Schifffahrtsenglisch auch die lokale Landessprache beherrschen, sind sie ein wichtiges Bindeglied zwischen Schiffsführung und Behörden an Land. Der Seelotse steht dem Schiffsführer aber immer nur beratend zur Verfügung. Verantwortung und letztendliche Entscheidungsgewalt verbleiben beim Kapitän 637. Lotsen werden regelmäßig von den Hafenbehörden beschäftigt und bieten ihre Dienste gegen Gebühr an. Die Nutzung solcher Dienste ist in der Praxis für bestimmte Schiffskategorien im Hafenanlauf regelmäßig verpflichtend bzw. wird unter bestimmten Umständen auch von VTS-Zentralen angeordnet (mandatory pilotage) 638. Die Annahme eines Überseelotsen steht dagegen regelmäßig im Ermessen des Schiffsführers. Anders als die bisher diskutierten Schiffssicherheitsmaßnahmen ist das Lotsenwesen nie durch eine technische Konvention normiert worden, sondern blieb der Regelung durch stark variierende lokale Standards überlassen, obwohl die IMO bereits 1968 mit Resolution A.159(ES.IV), Recommendation on Pilotage, den Regierungen empfahl, Lotsendienste dort einzurichten, wo solche Dienste effektiver als andere Sicherheitsmaßnahmen sind, sowie Schiffskategorien festzulegen, für die eine Lotsenpflicht besteht. Regel V/23 SOLAS regelt als Ausrüstungsstandard für Schiffe lediglich die technische Seite, indem sie bestimmte Einrichtungen (Lotsenleitern, Fallreepstreppen, Lotsenaufzüge) für das gerade bei schwerem Wetter oder großen Schiffen schwierige Versetzen von Lotsen bei solchen Schiffen vorschreibt, die auf ihren Reisen voraussichtlich einen Lotsen benötigen, Abs. (1.1). Wann dies dem SRÜ einschlägige IMO-Regelungen entwickelt haben (z. B. die PSSA-Richtlinien), die auch beachtet werden müssen. 636 Schon im 14. Jahrhundert übten revierkundige Fischer, meist nebenberuflich, ohne jeglichen Einfluss durch den Staat oder Zünfte an den Küsten Lotstätigkeit aus. Der Staat trat erst auf den Plan, als die Bedeutung des Seehandels und die Zunahme des Schiffsverkehrs es notwenig machten, die Schifffahrt vor Gefahren der Küstengewässer und der zu den Häfen führenden Wasserstraßen zu bewahren. Zur historischen Entwicklung des Lotswesens siehe Beckert/Breuer, Öffentliches Seerecht, S. 279 f. 637 Vgl. Beckert/Breuer, Öffentliches Seerecht, S. 279. 638 Siehe nur die nationalen Maßnahmen Deutschlands in IMO Doc. MEPC 48/7/2, Annex 3 Ziff. III.

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Zweiter Teil: Der Schutz vor Öltankerunfällen durch das Völkerrecht

der Fall ist, also das Ob einer Lotsenpflicht, regelt die Bestimmung nicht 639. Die IMO hat allerdings in etlichen Regionen die Nutzung von Überseelotsen empfohlen. Etwa mit Resolution A.620(15) für die Ostseezugänge bei Schiffen mit 13 Metern Tiefgang und mehr bzw. mit Resolution A.486(XII) für die Nordsee, den Kanal und den Skagerrak oder mit Resolution A.579(14) für den Sund bei Öl-, Gas- und Chemietankern sowie Schiffen mit radioaktivem Material 640. Problematisch ist bei diesen Empfehlungen, dass sie von der Schifffahrt wegen der damit verbundenen Kosten und Zeitverluste nicht immer befolgt werden. Völkerrechtlich problematisch sind Lotsenpflichten dann, wenn sie, wie seit der Erika- und Prestige-Katastrophe verstärkt diskutiert, von den Küstenstaaten einzeln oder regional koordiniert für Schiffe im Transit eingeführt werden. Schiffen im Hafenanlauf kann dagegen ab dem Küstenmeer im Rahmen von Hafenanlaufbedingungen die Verpflichtung auferlegt werden, einen Lotsen an Bord zu nehmen, denn bei ordnungsgemäßer Bekanntmachung könnte ein Hafenstaat solchen Schiffen sogar die Erfüllung einseitig aufgestellter CDEM-Standards zur Auflage machen. Befindet sich ein Schiff im Hafenanlauf dagegen noch in einem fremden Küstenmeer so erweitert Art. 211 (3) SRÜ weder die Regelungsbefugnis des angelaufenen Hafenstaates noch des Küstenstaates, dessen Küstenmeer von dem Schiff durchfahren wird. Schiffen im Transit durch das Küstenmeer kann daher die Pilotage nur dann vorgeschrieben werden, wenn man den Lotsenzwang nicht als CDEM-Standard ansieht, denn nur in diesem Fall ist der Küstenstaat nach Art. 21 (a) u. (f) SRÜ regelungsbefugt, Art. 21 (2) SRÜ. Dafür spricht, dass der Aufenthalt des Lotsen an Bord nur temporärer Natur ist und er nicht zur eigenen Besatzung des Schiffes gehört. Vor allem aber wird der Lotse nur beratend tätig. Lotsen bieten damit einen Service an, der in gewisser Weise VTS-Diensten vergleichbar ist. Es kann aber rechtlich keinen Unterschied machen, ob ein Schiff nach Regel V/12 SOLAS zur Teilnahme an einem VTS-Dienst verpflichtet wird, im Rahmen dessen es durch einen VTS-Operator über Funk beraten wird, oder ob diese Beratung durch einen Lotsen an Bord des 639 Nach Regel V/23 (1.2) SOLAS müssen Ausrüstungen und Einrichtungen für das Versetzen von Lotsen, die an oder nach dem 1. Januar 1994 eingebaut worden sind, den Anforderungen dieser Regel entsprechen und es sind die von der Organisation angenommenen Standards gebührend zu berücksichtigen. Die Vorschrift nimmt damit Bezug auf die Recommendation on pilot transfer arrangements adopted by the Organization by resolution A.889(21) und auf MSC/ Circ.568/Rev.1, Required boarding arrangements for pilots. Beachte auch, dass Resolution 10, Training of Maritime Pilots, Vessel Traffic Service Personnel and Maritime Personnel Employed on Mobile Offshore Units, der 1995 STCW Conference (Final Act of the 1995 STCW Conference, Attachment 3, wiedergegeben in: STCW 95, IMO-Publikation, IMO-938E) die Organisation ersucht: „to consider developing provisions covering the training and certification of maritime pilots [...] for inclusion in the 1978 STCW Convention or in such other instrument or instruments as may be appropriate.“. 640 Siehe auch IMO Resolutions A.668(16) (Euro-Channel und IJ-Channel in den Niederlanden), A.710(17) (Torres Straits, Schiffe über 70 Meter Länge und alle beladenen Öl-, Chemie- und Flüssiggastanker) und A.827(19) (Turkish Straits).

B. Globale Schutzmaßnahmen

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Schiffes erfolgt. Damit kann einem Schiff im Küstenmeer grundsätzlich die Annahme eines Lotsen zur Pflicht gemacht werden. Nach Art. 26 (2) SRÜ dürfen hierfür auch, diskriminierungsfrei, Gebühren erhoben werden 641. Stimmen Küstenstaaten durch koordiniertes Vorgehen ihre Gesetze aufeinander ab, bietet sich so die Möglichkeit, selbst fremde Schiffe in einer Meeresregion innerhalb der 12-Seemeilenzone durch Lotsen beraten zu lassen. Ausgesprochen problematisch sind Lotsenpflichten, wenn sie das sogenannte Überseelotsenwesen (deep sea pilotage) betreffen. Überseeloten geleiten Schiffe von und nach Auslandshäfen. Jenseits des Küstenmeeres ist die Regelungsbefugnis des Küstenstaates nach Art. 211 (5) SRÜ indes auf die Umsetzung allgemein anerkannter internationaler, im Rahmen der IMO oder einer allgemeinen diplomatischen Konferenz aufgestellter Regeln und Standards zur Verhütung, Verringerung und Überwachung der Verschmutzung durch Schiffe beschränkt. Mangels einer den Lotsenzwang regelnden IMO-Konvention sind entsprechende GAIRAS aber nicht vorhanden. Sollte die verbindliche Lotsenannahme je in einer IMO-Konvention normiert werden, so müsste eine Regel V/10 bzw. V/11 SOLAS entsprechende Regelung getroffen werden, denn es wäre sinnlos, überall auf der Welt einen Lotsenzwang vorzuschreiben. Selbst wenn man eine solche Bestimmung trotz des Unterschiedes zwischen Einleitungs- und CDEM-Standards auf der einen und dem für ein räumlich genau begrenztes Gebiet anzuordnenden Lotsenzwang auf der anderen Seite als GAIRAS ansähe, hätte dies jedoch, ebenso wie bei Regeln V/10 und V/11 SOLAS, Auswirkungen auf die durch die Montego-Bay-Konvention geschaffene Jurisdiktionsordnung, denn der IMO würde erneut entgegen Art. 211 (5) SRÜ eine Zustimmungsrolle in der AWZ eingeräumt. Ohne weiteres können Küstenstaaten Schiffe dagegen in SRÜ-Sondergebieten zur Lotsenannahme verpflichten, da sich die Pilotage unter den Begriff navigational practices in Art. 211 (6) (a) S. 3 u. (c) S. 2 SRÜ subsumieren lässt. Vorraussetzung ist freilich die Zustimmung der IMO. Selbstverständlich kann ein Lotsenzwang auch als verbundene Schutzmaßnahme in einer PSSA beantragt werden. Rechtsgrundlage innerhalb des Küstenmeeres ist dann Art. 21 SRÜ, jenseits der 12-Seemeilengrenze ein Beschluss der IMO nach Art. 211 (6) SRÜ. Wie bei der PSSA bleibt bei der Überseepilotage die weitere Entwicklung abzuwarten. Das Vorgehen Australiens beim Great Barrier Reef legt allerdings nahe, dass die Staaten, schon um Bekanntheit und Akzeptanz entsprechender Regelungen zu erhöhen, auch beim Lotsenzwang außerhalb des Aquitoriums unilaterales Vorgehen meiden und über die IMO die Zustimmung der gesamten Staatengemeinschaft zu entsprechenden Systemen suchen werden. 641 Beachte, dass Regel V/11 (10) SOLAS für verbindliche Schiffsmeldesysteme statuiert „The participation of ships in accordance with the provisions of adopted ship reporting systems shall be free of charge to the ship concerned“, während Art. V/12 SOLAS für Schiffsverkehrsdienste eine solche Bestimmung gerade nicht enthält.

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Zweiter Teil: Der Schutz vor Öltankerunfällen durch das Völkerrecht

6. Ausweisung von Notliegeplätzen Ein Notliegeplatz (place of refuge) ist ein geschützter Ort, der von einem Schiff in Seenot in Abweichung seines ursprünglichen Reiseplans aufgesucht wird. Anders als bei dem engeren Begriff Nothafen, kann es sich bei einem solchen place of refuge mithin auch um eine vor der Küste errichtete und damit bebauungsferne Liegestelle handeln 642. Regelmäßig wird sich an einem Notliegeplatz der Zustand eines havarierten Schiffes durch Leichtern, Brand- und Ölbekämpfung eher stabilisieren lassen als auf offener See, wo viele technische Mittel häufig wegen des starken Wellenganges versagen. Andrerseits stellt beispielsweise gerade ein Öl verlierender Tanker eine erhebliche Gefahr für die Bevölkerung und Küstenumwelt dar. Es kann daher Fälle geben, in denen die Intervention auf See und im Extremfall sogar das Versenken oder Ausbrennen des Schiffes die bessere Wahl ist. Wie schwierig es sein kann, eine solche Entscheidung im Einzelfall zu treffen, zeigt die Odyssee der Prestige, die nach strukturellem Versagen tagelang auf die offene See geschleppt wurde, schließlich versank und Unmengen, die Küsten Spaniens und Frankreichs verschmutzendes Öl freisetzte: Eine Katastrophe, die sich bei ex post-Betrachtung wohl hätte vermeiden lassen, wenn das Schiff in einen Nothafen geschleppt und dort geleichtert worden wäre. In völkerrechtlicher Hinsicht geht es bei der Nothafenproblematik im Kern um die hier wegen des auf Unfallvorbeugung konzentrierten Untersuchungsansatzes nur am Rande zu behandelnde Frage, ob Küstenstaaten trotz erheblicher Gefahren für die Umwelt verpflichtet sind, einem havarierten Schiff einen Notliegeplatz zur Verfügung zu stellen und welche Maßnahmen Küstenstaaten gegenüber Schiffen in Seenot ergreifen können. a) Das völkergewohnheitsrechtliche Einlaufrecht bei Seenot Auch wenn die Staaten grundsätzlich frei sind, den Zugang zu ihren inneren Gewässern zu regeln, haben Schiffe seit alters her bei Seenot oder höherer Gewalt das Recht auf Zugang zu den inneren Gewässern eines Küstenstaates genossen 643. Das 642 Allgemein zu Notliegeplätzen Jenisch, Überlegungen zum Nothafenrecht, Hansa 138 (2001), 4, S.14–18, Blanco-Bazán, Law of the Sea: Places of Refuge, in: Globalism: People, Profits and Progress, Canadian Council on International Law 30th Annual Conference Proceedings, Ottawa, October 18–20, 2001 (zit.: Blanco-Bazán, Places of Refuge), S. 65–69, Chircop, Ships in Distress, Environmental Threats to Coastal States, and Places of Refuge: New Directions for an Ancient Regime, ODIL 33 (2002), S. 207–226, Brusendorff/Ehlers, The HELCOM Copenhagen Declaration: A Regional Environmental Approach for Safer Shipping, IJMCL 17 (2002), S. 351–395 und Lagoni, Vorsorge gegen Schiffsunfälle im Küstenvorfeld, S. 284–297. 643 Graf Vitzthum/Talmon, Alles fließt, S. 103 f., Churchill/Lowe, The Law of the Sea, S. 63, Devine, The Cape’s False Bay: a possible haven for ships in distress, SAYIL 16 (1990/91), S. 81–91, ders., Ships in distress – a judicial contribution from the South Atlantic, MP 20 (1996), S. 229–234. Siehe auch den Fall der Creole (1853) in Moore, International Arbitration, S. 4375 und den der Kate A. Hoff, Administratrix of the Estate of Samuel B. Allison, Deceased

B. Globale Schutzmaßnahmen

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die Rechtsordnung der inneren Gewässer weitgehend ausblendende Seerechtsübereinkommen regelt diese Frage nicht explizit, legt aber zumindest indirekt in Art. 98 (2) SRÜ eine entsprechende Verpflichtung des Küstenstaates nahe 644. Fraglich ist, ob dieses zur Segelschiffzeit zum Schutz der Menschenleben auf See entstandene Recht auch dann fortbesteht, wenn dank stets einsatzbereiter SAR-Hubschrauber und Seenotkreuzer Menschenleben nicht gefährdet sind, ein havariertes Tank- oder gar Reaktorschiff aber eine erhebliche Gefahr für berechtigte Interessen des Küstenstaates darstellt 645. Sinnvoll erscheint hier, das Notrecht in seinem Kern unberührt zu lassen, im konkreten Einzelfall aber seine Beschränkung zuzulassen, wenn die Menschen an Bord gerettet wurden und aufgrund der konkreten Gefahrenlage die Interessen des Küstenstaates die des Schiffes in Seenot überwiegen 646. Im Rahmen einer solchen Abwägung sind freilich die Wertentscheidungen des Seerechtsübereinkommens zu berücksichtigen: Der das völkergewohnheitsrechtliche Interventionsrecht bekräftigende Art. 221 SRÜ erkennt die Schutzwürdigkeit der Küste oder damit zusammenhängender Interessen647 des Küstenstaates an und gestattet dem Küstenstaat, bei einem Seeunfall (maritime casualty) 648 selbst außer(USA) v. United Mexican States, General Claims Commission, 02.04.1929, (The Rebecca), RIAA 4, S. 444. 644 Blanco-Bazán, Places of Refuge, S. 65–69. Nach dem letzten Erwägungssatz der Präambel des SRÜ gilt das Völkergewohnheitsrecht für nicht in dem Übereinkommen geregelte Fragen weiter. 645 Skeptisch Graf Vitzthum/Talmon, Alles fließt, S. 103 f. Churchill/Lowe, The Law of the Sea, S. 63 sind der Ansicht, dass ein Zugangsrecht zwar bestehe, wenn ein Schiff die schützenden inneren Gewässer aufsuche, um Menschenleben zu schützen. Allerdings sei es „unsafe to extend that principle further. In particular, it is by no means clear that a ship has a right to enter ports or internal waters in order to save its cargo, where human life is not at risk.“ 646 Lagoni, Vorsorge gegen Schiffsunfälle im Küstenvorfeld, S. 288. Eine Abwägungsentscheidung zwischen der Lage des Schiffes und der Gefahr für den Küstenstaat wurde auch im Fall der Long Lin (1995), Nederlands Juristen Blad 23 (1995), S. 299, angemahnt. Dort ging es allerdings um den Zugang zum Küstenmeer. Der australische Senator Evans antwortete im November 1992 auf die australische Anfrage, ob Australien einem japanischen Schiff, das Plutonium von Frankreich nach Japan transportierte, im Notfall erlauben würde, einen australischen Hafen anzulaufen: „Port access is normally granted to ships in distress but safety would be a paramount consideration in deciding wether to grant access to the plutonium ship. (Akatsuki Maru, EJM)“, abgedruckt in: AYIL 14 (1993), S. 445. Dem gewohnheitsrechtlichen Einlaufrecht im Notfall versuchen auch das Pariser MOU und die Hafenstaatskontrollrichtlinie in Form einer Ermessensvorschrift Rechnung zu tragen: Nach Art.4 (6) RL 95/21/EG bzw. Abschnitt 3.12.3 MOU kann Schiffen, denen grundsätzlich ein Einlaufverbot erteilt wurde, weil sie bestimmte Reparaturauflagen nicht erfüllt haben, in „Fällen höherer Gewalt, aus vorrangigen Sicherheitserwägungen, zur Verringerung oder Minimierung des Verschmutzungsrisikos oder zur Beseitigung von Mängeln“ das Einlaufen gestattet werden. 647 Das sind z. B. mit der See verbundene Tätigkeiten in Küsten-, Hafen- und Mündungsgebieten einschließlich der Fischerei sowie touristische Anziehungspunkte, die Gesundheit der Küstenbevölkerung und die Erhaltung der lebenden Ressourcen des Meeres sowie die Tier- und Pflanzenwelt, vgl. Art. II Nr. 4 INTERVENTION. 648 Art. 221 (2) SRÜ definiert maritime casualty als „a collision of vessels, stranding or other incident of navigation, or other occurrence on board a vessel or external to it resulting in ma-

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Zweiter Teil: Der Schutz vor Öltankerunfällen durch das Völkerrecht

halb seines Küstenmeeres dem tatsächlichen oder drohenden Schaden angepasste Maßnahmen zu ergreifen, um diese Interessen vor einer tatsächlichen oder drohenden Verschmutzung, welche erwartungsgemäß schädliche Folgen größeren Umfangs haben könnte, zu schützen. Das allgemeine Schäden- und Gefahrenverlagerungsverbot des Art. 195 SRÜ verbietet den Staaten allerdings beim Ergreifen von Maßnahmen zur Verhütung, Verringerung und Überwachung der Verschmutzung der Meeresumwelt so zu handeln, dass sie Schäden oder Gefahren unmittelbar oder mittelbar von einem Gebiet in ein anderes verlagern oder eine Art der Verschmutzung in eine andere umwandeln. Nach Art. 225 SRÜ dürfen die Staaten zudem bei der Ausübung ihrer Durchsetzungsbefugnisse gegenüber fremden Schiffen aufgrund des SRÜ die Sicherheit der Schifffahrt nicht gefährden und ein Schiff nicht auf andere Weise gefährden oder zu einem unsicheren Hafen oder Ankerplatz bringen oder die Meeresumwelt einer unverhältnismäßigen Gefahr aussetzen. Ferner enthält Art. 227 SRÜ das Gebot der Nichtdiskriminierung in Bezug auf fremde Schiffe 649. Alle Durchsetzungsbestimmungen der Montego-Bay-Konvention lassen sich schließlich, ebenso wie das Interventionsübereinkommen, vom Grundsatz der Verhältnismäßigkeit leiten 650. Daraus folgt: Die Behörden können das Einlaufen eines Schiffes in Seenot, das zu sinken droht, brennt oder Öl, verliert nicht ohne weiteres verbieten, sondern müssen zunächst, quasi auf der Tatbestandsseite, die im konkreten Einzelfall bestehende Gefahr feststellen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen und alle verfügbaren Informationen heranzuziehen. Die bestehenden Melde- und Auskunftspflichten bei Ereignissen auf See und Seeunfällen gewinnen hier ihre Bedeutung. Die letztendliche Rechtsfolgeentscheidung über das Einlaufverbot ist eine Ermessensentscheidung, die freilich durch den Rechtsgedanken der Art. 195, 225, 227 SRÜ auf Null reduziert sein kann. Nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist sie ultima ratio und kann nicht isoliert, sondern nur in Verbindung mit weiteren geeigneten Maßnahmen zur Verringerung oder Beseitigung der Gefahr ausgesprochen werden 651. terial damage or imminent threat of material damage to a vessel or cargo.“ ähnlich Art. II (1) INTERVENTION. 649 Einige bilaterale Schifffahrtsverträge enthalten sog. Seenotklauseln, denen zufolge Schiffe in Seenot unter der Flagge der Vertragsstaaten hinsichtlich des Hafenzugangs und der Behandlung im Hafen wie inländische Schiffe zu behandeln sind. Siehe beispielsweise Art. XV (1) des Niederlassungs- und Schifffahrtsvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik vom 27.10.1956 (BGBl. 1957 II 1662): „Wenn ein Schiff der einen Vertragspartei in der Nähe der Küste der anderen Vertragspartei strandet oder schiffbrüchig wird oder in Seenot ist und einen Hafen der anderen Vertragspartei anlaufen muss, so gewährt diese dem Schiff und den an Bord befindlichen Personen und Gütern Schutz und Hilfe wie Schiffen unter eigener Flagge; sie wird ferner dem Schiff nach dessen Ausbesserung die Weiterfahrt gestatten.“ 650 Vgl. nur Art. 232 S. 1 SRÜ, demzufolge Durchsetzungsmaßnahmen, die über die in Anbetracht der verfügbaren Informationen vernünftigerweise erforderlichen Maßnahmen hinausgehen, eine völkerrechtliche Haftung des Küsten- oder Hafenstaates begründen. 651 Diese völkerrechtlichen Vorgaben sind bei der Auslegung des innerstaatlichen Rechts zu berücksichtigen. Beispielsweise kann nach § 7 des hamburgischen Hafenverkehrs- und Schiff-

B. Globale Schutzmaßnahmen

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Der Küstenstaat kann das Schiff also nicht einfach abweisen, sondern muss dazu beitragen, seine Notlage anderweitig abzuwenden. Anderenfalls läuft das Hafenzugangsrecht der Schiffe in Seenot leer. Je nach den Umständen können geeignete Maßnahmen z. B. die Verweisung an einen anderen Hafen, der über die notwenigen Einrichtungen zur Bekämpfung der Gefahr verfügt, oder die Anweisung eines sicheren Ankerplatzes auf Reede sein 652. Eine generelle Verpflichtung des Küstenstaates, im Rahmen einer umfassenden Notfallplanung von vornherein leistungsfähige, mit schwerem Anker bzw. Festmachertonnen befestigte Notliegeplätze auf offener See bereitzuhalten und diese in den Seekarten auszuweisen, lässt sich daraus indes nicht herleiten, auch wenn ein solches Vorgehen trotz der damit verbundenen Kosten im ureigensten Interesse des Küstenstaates ratsam ist. b) Maßnahmen gegenüber fremden Schiffen in Seenot Auf der Hohen See und in seiner AWZ darf ein Küstenstaat nach dem völkergewohnheitsrechtlich geltenden Interventionsrecht gegenüber einem fremden Schiff nur dann die erforderlichen Maßnahmen zur Verhütung, Verringerung oder Beseitigung unmittelbarer ernster Gefahren für seine Küsten oder verwandte Interessen ergreifen, wenn die Gefahr einer Verschmutzung durch Öl oder andere Stoffe als Öl infolge eines Seeunfalls besteht, vgl. Art.I (1) INTERVENTION, Art.221(1) SRÜ. Als Seeunfall (maritime casualty) wird dabei ein Schiffszusammenstoß, das Stranden oder ein anderer nautischer Vorfall oder ein sonstiges Ereignis an Bord oder außerhalb des Schiffes verstanden, durch die Sachschaden an Schiff oder Ladung entsteht oder unmittelbar zu entstehen droht, vgl. Art. II (1) INTERVENTION, Art. 221 (2) SRÜ. Die Seenot (distress) begründet mithin nur dann ein Recht zu Maßnahmen des Küstenstaates, wenn sie durch einen Seeunfall verursacht worden ist. Innerhalb des Küstenmeeres dürfen Schiffe auf friedlicher Durchfahrt anhalten oder ankern, wenn dies infolge höherer Gewalt (force majeure) oder eines Notfalls (distress), beispielsweise um einen Maschinenschaden zu beheben, erforderlich wird, Art. 18 (2) S. 2 Alt. 2 u. 3 SRÜ. Das Ankern unter einem schützenden Ufer, um einen Sturm abzuwarten, gehört dagegen zur normalen Schifffahrt, Art. 18 (2) S. 2 Alt. 1 SRÜ. Die Seenot als solche unterbricht oder beendet folglich weder die Durchfahrt eines Schiffes noch macht sie diese unfriedlich 653. Anderes gilt allerfahrtgesetzes (HambGVBl. 1979, S. 17, mit Änderungen) einem Schiff, das zu sinken droht, brennt oder Öl verliert, das Einlaufen aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung versagt werden. 652 Lagoni, Vorsorge gegen Schiffsunfälle im Küstenvorfeld, S. 296. 653 Auch Schiffe in Seenot unterliegen damit grundsätzlich den allgemeinen Regeln für Schiffe auf friedlicher Durchfahrt. Beachte aber, dass MARPOL und SOLAS gewisse Ausnahmeregelungen für Schiffe in Seenot treffen. Vgl. beispielsweise Regel I/11 MARPOL oder Art. IV u. V SOLAS.

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Zweiter Teil: Der Schutz vor Öltankerunfällen durch das Völkerrecht

dings, wenn die Seenot Folge eines Seeunfalls (maritime casualty) ist oder zu einem solchen führt. Denn in diesem Fall kann ein Küstenstaat selbstverständlich auch in seinem Küstenmeer dem tatsächlichen oder drohenden Schaden angepasste Maßnahmen ergreifen, um seine Küste oder damit zusammenhängende Interessen vor tatsächlicher oder drohender Verschmutzung zu schützen. Zwar wurde der Grundsatz, dass eine von einem Schiff ausgehende Gefahr seine Fahrt nicht unfriedlich macht, bei den Beratungen der dritten Seerechtskonferenz immer wieder bekräftigt 654. Die Jurisdiktion eines Küstenstaates kann bei einem Seeunfall im Küstenmeer aber nicht eingeschränkter sein als auf Hoher See bzw. in der AWZ. Entweder bejaht man daher die Geltung des völkergewohnheitsrechtlichen Interventionsrechts auch im Küstenmeer 655 oder man sieht die Fahrt eines Schiffes, das einen Seeunfall erlitten hat, nicht mehr als passage im Sinne des Art. 18 SRÜ an. Denkbar ist schließlich auch, Art. 19 (2) (l) SRÜ heranzuziehen 656. Dem Interventionsrecht entsprechende Befugnisse des Küstenstaates ergeben sich dann über Art. 25 (1) SRÜ, demzufolge ein Küstenstaat in seinem Küstenmeer die erforderlichen Maßnahmen ergreifen kann, um eine nichtfriedliche Durchfahrt zu verhindern. In den inneren Gewässern unterliegen auch ausländische Schiffe in Seenot grundsätzlich der vollen Jurisdiktion des Küstenstaates, der damit umfassende Maßnahmen gegen das havarierte Schiff ergreifen kann. Einschränkungen gelten analog Art. 220 (1) SRÜ lediglich für die Verfolgung von Verstößen gegen in Übereinstimmung mit dem SRÜ erlassene umweltschützende Vorschriften des Küstenstaates oder AIRAS im Küstenmeer oder in der AWZ dieses Staates, weil eine diesbezügliche Jurisdiktion des Küstenstaates analog Art. 220 (1) SRÜ einen freiwilligen Aufenthalt des Schiffes in den inneren Gewässern des Küstenstaates voraussetzt. Nach fast einhelliger Ansicht ist der Aufenthalt eines Schiffes, das entgegen seinem ursprünglichen Reiseplan infolge von Seenot die inneren Gewässer eines Staates anläuft, aber nicht freiwillig 657. 654 Dazu bereits bei der zonalen Ordnung des Seerechtsübereinkommens. Ausführlich Hakapää, Marine Pollution, S. 185. 655 Beachte, dass Art. I (1) INTERVENTION nur von den erforderlichen Maßnahmen des Küstenstaates auf Hoher See spricht. Dies liegt daran, dass 1969 das Konzept der AWZ noch nicht bekannt war und das Übereinkommen in Reaktion auf die Torrey-Canyon-Katastrophe 1967 vor Lands End geschlossen wurde. Das havarierte Schiff war von Großbritannien auf Hoher See bombardiert und versenkt worden, um eine noch größere Katastrophe zu verhindern. Mithin kann aus der Tatsache, dass Art. I INTERVENTION nur auf die Hohe See Bezug nimmt, gerade nicht geschlossen werden, dass die Staaten entsprechende Befugnisse des Küstenstaates im Küstenmeer ausschließen wollten. 656 Missverständlich insoweit Lagoni, Vorsorge gegen Schiffsunfälle im Küstenvorfeld, S. 290. Beachte, dass Art. 34 (3) des Konsularvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland vom 30.07.1956 (BGBl 1957 II 285) in diesem Zusammenhang feststellt, dass die küstenstaatlichen Behörden alle erforderlichen Maßnahmen anordnen können, um jeden möglichen Schaden an anderen Schiffen zu verhüten, wenn ein Schiff im Küstenmeer Schiffbruch erlitten hat. 657 Hakapää, Marine Pollution, S.180, Degan, Internal Waters, NYIL 17 (1986), S.12, Commentary, Bd. IV, S. 272. A.A. Timagenis, International Control of Marine Pollution, Bd. 1,

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c) Richtlinienen der IMO Die Entscheidung der IMO, sich des Problems der Notliegeplätze für Schiffe in Seenot anzunehmen, fiel in Reaktion auf die Irrfahrt der Castor auf der 74. Sitzung des Schiffssicherheitsausschusses im Mai/Juni 2001 658. Das vollbeladene Tankschiff, das in schwerem Wetter Strukturschäden erlitten hatte und eine erhebliche Verschmutzungs- und Explosionsgefahr darstellte, suchte Anfang 2001 35 Tage lang im Mittelmeer vergeblich nach einem geeigneten Schutzhafen, ehe seine Ladung an einer relativ geschützten Stelle vor der Küste Tunesiens entladen wurde. Das MSC entschied, die Angelegenheit trotz ihres offensichtlichen Souveränitätsbezuges als rein technisches Problem im Rahmen eines unverbindlichen Instruments zu behandeln und beauftragte den Unterausschuss für Navigationssicherheit (NAV) mit der Ausarbeitung entsprechender Richtlinien. Dieser legte auf seiner 48. Sitzung einen sehr pragmatischen Richtlinienentwurf vor 659, der von MSC 77 im Grundsatz gebilligt wurde und nach kleineren Änderungen durch LEG 87 von NAV 49 direkt an die 23. IMO Vollversammlung weitergeleitet wurde, die die Richtlinien mit Resolution A.949(23) am 05.12.2003 annahm660. Die sehr pragmatischen Guidelines on Places of Refuge for Ships in Need of Assistance (NotliegeRL) bestehen aus zwei Teilen: Einem ersten mit Empfehlungen, welche Maßnahmen Kapitäne und Bergungsunternehmen eines Schiffes in Seenot ergreifen sollten, wenn sie einen Notliegeplatz suchen (Bewertung der Situation, Identifikation der Gefahren und Risikoeinschätzung bei Transport des Schiffes in einen Nothafen oder aufs offene Meer, Feststellung der Art der vom Küstenstaat benötigten Hilfe, Kontaktaufnahme mit dem Küstenstaat 661) und einem zweiten Teil mit Empfehlungen für den Küstenstaat (Situationsanalyse, Risikobewertungsfaktoren für die Feststellung der Eignung eines Platzes als Notliegeplatz sowie Abwägungskriterien für die Entscheidung, ob Zugang gewährt wird). S. 620. Das Seerechtsübereinkommen verwendet die Begriffe höhere Gewalt und Notfall in Art. 18 (2) u. 39 (1) (c) SRÜ, definiert sie jedoch nicht. Es entspricht dem Völkergewohnheitsrecht, dass gegenüber einem Schiff jedenfalls solche Verbote nicht anwendbar sein sollen, die es wegen seiner Notlage nicht einhalten konnte. Siehe auch Regel I/11 MARPOL, Art. IV SOLAS. Beachte, dass Art. 219 SRÜ gerade nicht auf den freiwilligen Aufenthalt abstellt. 658 IMO Doc. MSC 74/24 Ziff. 2.15–2.32. 659 IMO Doc. NAV 48/19, Annex 12, Draft Assembly Resolution: Guidelines on Places of Refuge for Ships in Need of Assistance. 660 IMO Resolution A.949(23), adopted on 05.12.2003, Guidelines on Places of Refuge for Ships in Need of Assistance. 661 Dafür soll der Küstenstaat sogenannte maritime assistance services (MAS) unterhalten. Diese sind nach Ziff. 1.20 NotliegeRL „responsible for receiving reports in the event of incidents and serving as the point of contact between the shipmaster and the authorities of the coastal State in the event of an incident.“ Näheres wird in der IMO Resolution A.950(23), adopted on 05.12.2003, Maritime Assistance Services (MAS) geregelt, die ebenfalls von der 23. IMO Vollversammlung angenommen wurde. Neben ihrer Funktion als Kontaktpunkte sollen MAS auch für die Entgegennahme aller Ereignismeldungen zuständig sein, die nach IMOInstrumenten gemacht werden müssen. 15 Schult

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Zweiter Teil: Der Schutz vor Öltankerunfällen durch das Völkerrecht

Die ausgesprochen vorsichtig formulierten Richtlinien sind sichtlich von dem Bemühen getragen, durch einheitliche Kriterien eine gemeinsame Bewertungsgrundlage für Kapitän, Schiffseigner, Bergungsunternehmen und Küstenstaat zu schaffen, damit diese koordiniert auf die Havarie reagieren können und nicht gegeneinander arbeiten 662. Dabei enthält sich der überaus vorsichtig formulierte IMOText jeglicher Rechtsausführungen und versucht, das Problem rein praktisch anzugehen, indem dem Interesse eines Schiffes in Seenot die Belange des Küstenstaates gegenüberstellt werden 663. Durch Verwendung des Begriffes Notliegeplatz (place of refuge) anstatt Nothafen (port of refuge) sollen zudem auch geeignete Schutzplätze außerhalb der Häfen erfasst werden, die den Vorteil haben können, wohnbebauungsfern zu sein. Ziff. 1.1 u. 1.13 NotliegeRL stellen zudem klar, dass die NotliegeRL nur Anwendung finden, wenn Menschenleben nicht in Gefahr sind 664. Anderenfalls gilt die SAR-Konvention 665. Die Notliegerichtlinien vermögen nicht zu überzeugen: Weder werden die Staaten zur Ausweisung geeigneter Notliegeplätze aufgefordert, noch zur Erstellung von Notfallplänen angehalten. Zu bedauern ist vor allen Dingen, dass der IUMI-Vorschlag 666, die Staaten durch eine technische Konvention völkerrechtlich zu verpflichten, Notliegeplätze auszuweisen und ein internationales Kontrollorgan einzurichten, das bestimmte geeignete Plätze für Schiffe in Seenot identifiziert, auf MSC 77 keine Mehrheit fand 667. Stattdessen wurde entschieden, in den Text des Instruments eine Schutzklausel aufzunehmen, derzufolge die Richtlinien die Haftungsfrage unberührt lassen, Ziff. 1.17 NotliegeRL. Eine zweifelhafte Bestimmung, 662 Vgl. Ziff. 1.12 NotliegeRL: „The purpose of the guidelines is to provide Member Governments, shipmasters, companies [...] and salvors with a framework enabling them to respond effectively and in such a way that, in any given situation, the efforts of the shipmaster and shipping company concerned and the efforts of the government authorities involved are complementary. In particular, an attempt has been made to arrive at a common framework for assessing the situation of ships in need of assistance.“ 663 Siehe Ziff. 1.7 NotliegeRL: „[...] granting access to a place of refuge could involve a political decision which can only be taken on a case-by-case basis with due consideration given to the balance between the advantage for the affected ship and the environment resulting from bringing the ship into a place of refuge and the risk to the environment resulting from that ship being near the coast.“ (Hervorhebung hinzugefügt) und Ziff. 1.2 NotliegeRL: „The issue of ‚places of refuge‘ is not a purely theoretical or doctrinal debate but the solution to a practical problem: What to when a ship finds itself in serious difficulty or in need of assistance without, however, presenting a risk to the safety of life of persons involved. Should the ship be brought into shelter near the coast or into a port or, conversely, should it be taken out to sea?“ 664 Beachte, dass die Richtlinien aus diesem Grund nicht den Begriff Seenot (distress) verwenden, sondern von einem ship in need of assistance sprechen. Nach Ziff. 1.18 NotliegeRL ist dies „[...] a ship in a situation, apart from one requiring rescue of persons on board, that could give rise to loss of the vessel or an environmental or navigational hazard.“ 665 International Convention on Maritime Search and Rescue, London, 01.11.1979, in Kraft getreten am: 22.06.1985, UNTS 1405, 97. 666 International Union of Marine Insurance, IMO Doc. MSC 77/8/2. 667 IMO Doc. MSC 77/26, Ziff. 8.10.

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wenn man bedenkt, dass gerade die Hafenbehörden verständlicherweise großen Wert auf die vorherige Klärung der Kostenübernahme für den Havaristen legen. Dies ließ insbesondere die spanische Delegation an der Zweckmäßigkeit der Richtlinienen insgesamt zweifeln 668. Die Zurückhaltung vieler Staaten gegenüber einem weitergehenden Instrument lässt sich damit erklären, dass das Thema Notliegeplätze mit dem Zugangsrecht zu den inneren Gewässern und dem völkergewohnheitsrechtlichen Interventionsrecht Kernbereiche nationaler Souveränität berührt. Insofern ist bemerkenswert, dass sich die IMO überhaupt der Materie angenommen hat. Zu hoffen bleibt, dass nun im Rahmen regionaler Vereinbarungen wie dem Bonn-Übereinkommen die Ausweisung bestimmter Notliegeplätze beschlossen wird. Die regionale Ebene scheint für ein koordiniertes Vorgehen besonders geeignet, weil ein havariertes Tankschiff regelmäßig eine Gefahr für die gesamte Region darstellt 669. Obwohl die NotliegeRL keine Aussagen zum Zugangsrecht eines Schiffes in Seenot und den Maßnahmen, die ein Küstenstaat gegenüber einem solchen Schiff ergreifen kann, treffen, entfalten sie insofern Rechtswirkung, als sie von den Küstenstaaten im Rahmen der oben dargestellten Abwägungsentscheidung über das Zugangsrecht zu berücksichtigen sind. Ebenso dürften im Rahmen des Interventionsrechts nur solche Maßnahmen dem tatsächlichen oder drohenden Schaden angepasst und damit verhältnismäßig sein, die im Rahmen der von den Richtlinien geforderten Risikobewertung getroffen wurden. Entscheidend ist, dass die Richtlinien bei der Abwägung zwischen den Interessen eines Schiffes in Seenot und den Belangen des Küstenstaates eine Wertentscheidung treffen. Nach Ziff. 3.11 NotliegeRL ist an allererster Stelle der Schutz des menschlichen Lebens ausschlaggebend, an zweiter Stelle folgt der Schutz der Meeresumwelt. Erst danach sind ökonomische Aspekte wie eine mögliche Unterbrechung des Hafenbetriebs zu berücksichtigen. Lässt ein Küstenstaat dies außer Betracht, handelt er rechtswidrig (Abwägungsfehler). Dennoch führen die Richtlinien wegen ihrer zaghaften Formulierungen kaum zu einem Mehr an Rechtssicherheit. Dies liegt zum Teil auch in der Natur der Sache begründet: Da jeder Unfall anders ist, verbieten sich starre Konzepte.

668 IMO Doc. MSC 77/26, Ziff. 8.29. Immerhin bestimmt der letzte Erwägungsgrund der IMO Resolution A.949(23): „4. REQUESTS the Legal Committee to consider, as a matter of priority, the said Guidelines from ist own perspective, including the provision of financial security to cover coastal State expenses and/or compensation issues, and to take action as it may deem appropriate.“ Es ist also nicht ausgeschlossen, dass die Richtlinien in Bezug auf die Haftungsfrage weiterentwickelt werden. 669 Beachte, dass die EG-Mitgliedstaaten nach Art. 20 RL 2002/59/EG verpflichtet waren, bis spätestens 05.02.2004 unter Berücksichtigung der IMO-Richtlinien Pläne für die Aufnahme von Schiffen in Seenot in Gewässern, in denen sie Hoheitsbefugnisse haben, zu erstellen.

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Zweiter Teil: Der Schutz vor Öltankerunfällen durch das Völkerrecht

7. Haftungs- und strafrechtliche Regelungen Der Spielraum von Küstenstaaten, über ein abschreckendes Haftungsrecht das Sicherheitsverhalten der für den sicheren Tankerbetrieb verantwortlichen privaten Akteure zu beeinflussen, ist stark beschränkt, wenn sie Vertragspartei des internationalen Übereinkommens über die zivilrechtliche Haftung für Ölverschmutzungsschäden (CLC) sind 670, denn die CLC schließt Schadensersatzansprüche für Ölverschmutzungsschäden außerhalb des durch sie und das Fondsübereinkommen 671 geschaffenen zweistufigen Haftungssystems aus. Am 31.07.2004 waren 143 Staaten, auf deren Flaggen 98 % der Welthandelstonnage entfielen, Vertragspartei der CLC 672. a) Das durch CLC und Fondsübereinkommen geschaffene Haftungssystem Die CLC gilt für Verschmutzungsschäden, die im Aquitorium oder in der ausschließlichen Wirtschaftszone eines Vertragsstaates (bzw. in einem entsprechenden Gebiet, das sich bis zu 200 Seemeilen von der Basislinie erstreckt) durch beständiges Öl verursacht worden sind, Art. II (a) CLC. Verschmutzungsschäden sind nach Art. I (6) CLC Verluste oder Schäden, die außerhalb des Schiffes durch eine auf das Ausfließen oder Ablassen von Öl aus dem Schiff zurückzuführende Verunreinigung hervorgerufen werden, gleichviel wo das Ausfließen oder Ablassen erfolgt; jedoch wird der Schadensersatz für eine Beeinträchtigung der Umwelt, ausgenommen der 670 Ursprünglich: International Convention on Civil Liability for Oil Pollution Damage, 1969 (CLC 69). Wird zwischen den Vertragsparteien durch das Protokoll von 1992 zum Haftungsübereinkommen von 1969 ersetzt und in International Convention on Civil Liability for Oil Pollution Damage, 1992 (CLC 92) umbenannt. Ziel des 92er Protokolls war in erster Linie die Anhebung der Haftungsbeträge. Mit dem 16. Mai 1998 hörten die Vertragsstaaten von CLC 92 auf, Vertragsstaaten von CLC 69 zu sein. Da noch nicht alle CLC 69-Vertragsstaaten CLC 92 ratifiziert haben, existieren zur Zeit noch zwei Haftungsübereinkommen. Im Folgenden wird nur noch auf die Bestimmungen von CLC 92 Bezug genommen. 671 Ursprünglich: International Convention on the Establishment of an International Fund for Compensation for Oil Pollution Damage, 1971 (FUND 71). Wurde zwischen den Vertragsparteien durch das Protokoll von 1992 zum Fondsübereinkommen von 1971 ersetzt und in International Convention on the Establishment of an International Fund for Compensation for Oil Pollution Damage, 1992 (FUND 92) umbenannt. Ziel des 92er Protokolls war in erster Linie die Anhebung der Entschädigungsbeträge. Mit dem 16. Mai 1998 hörten aufgrund von Art. 31 Protokoll 92 die Mitglieder des 1992 Fonds auf, Mitglieder des 1971 Fonds zu sein. Dies hatte zur Folge, dass die Ölempfänger in den verbleibenden FUND 71-Staaten eine enorme Haftungslast trugen. Der 1971 Fonds wurde daher durch die verbliebenen Vertragsstaaten durch ein unter tacit acceptance in Kraft getretenes Protokoll vom 27.09.2000, das Art. 43.1 FUND 71 (Außerkrafttreten) änderte, zum 24.05.2002 vorzeitig aufgelöst. Im folgenden wird nur noch auf die Bestimmungen von FUND 92 Bezug genommen. 672 CLC 69: 45 Vertragsstaaten mit 4.94 % Welthandelstonnageanteil. CLC 92: 98 Vertragsstaaten mit 93.14 % Welthandelstonnageanteil. Quelle: IMO, Summary of Status of Conventions as at 31 July 2004 (Internetressource).

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aufgrund dieser Beeinträchtigung entgangene Gewinn, auf die Kosten tatsächlich ergriffener oder zu ergreifender angemessener Wiederherstellungsmaßnahmen beschränkt. Ebenfalls zu den Verschmutzungsschäden zählen die Kosten angemessener Schutzmaßnahmen sowie die durch sie verursachten Verluste oder Schäden. Kernnorm des Übereinkommens ist Art. III CLC, der in radikaler Abkehr vom bis 1969 im Seerecht geltenden Schuldprinzip eine Gefährdungshaftung des Schiffseigentümers für Verschmutzungsschäden statuiert, die lediglich in Sonderfällen wie Kriegshandlungen, außergewöhnlichen, unvermeidlichen und unabwendbaren Naturereignissen oder Handlungen oder Unterlassungen dritter Personen in Schädigungsabsicht durchbrochen wird, wofür der Eigner die Beweislast trägt, Abs. (1) u. (2). Gleichzeitig kanalisiert Art. III CLC die Haftung bei Tankerunfällen dahingehend, dass Schadensersatzansprüche wegen Verschmutzungsschäden zum einen gegen den Eigentümer nur nach der CLC geltend gemacht werden können und zum anderen Bedienstete oder Beauftragte des Eigentümers oder Besatzungsmitglieder, Lotsen, Charterer, Ausrüster, Betreiber, mit der Betriebsführung Beauftragte, Bergungsunternehmen und Personen, die Schutzmaßnahmen treffen, grundsätzlich von jeglicher Haftung ausgeschlossen werden 673. Obwohl der Schiffseigentümer für Verschmutzungsschäden verschuldensunabhängig einstehen muss, kann er seine Haftung in fast allen Fällen auf einen bestimmten Betrag beschränken, der vom Raumgehalt des Schiffes, nicht aber von der ausgelaufenen Ölmenge, abhängig ist und der derzeit bei höchstens 89,77 Millionen SDR liegt, Art. V (1) CLC 674. Gerade bei kleineren Schiffen und in sensiblen Meeresgebieten kann die zur Verfügung stehende Haftungssumme deshalb schnell überschritten werden. Art VII (1) CLC verpflichtet den Eigentümer eines Schiffes, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen, gegen die die Geschädigten ihre Ansprüche bis zu den in Art. V (1) CLC festgelegten Haftungshöchstgrenzen unmittelbar geltend machen können, Abs. VII (8) CLC. Der Schiffseigner ist nur dann nicht zur Beschränkung seiner Haftung berechtigt, wenn nachgewiesen wird, dass die Verschmutzungsschäden auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen sind, die von ihm selbst entweder in der Absicht, solche Schäden herbeizuführen, oder leichtfertig (recklessly) und in dem Bewusstsein begangen wurde, dass solche Schäden wahrscheinlich eintreten würden, Art. V (2) CLC. Ein solcher Nachweis dürfte regelmäßig nicht zu erbringen sein, da selbst grobe Fahrlässigkeit diese sehr hohe Schwelle nicht erreicht. Die Regelungen der CLC sind nur im Zusammenhang mit der Entstehungsgeschichte des Übereinkommens zu verstehen, das bei seiner Annahme 1969 auf der 673 Eine Ausnahme gilt nach Art. III (4) Satz 2 CLC nur, wenn „the damage resulted from their personal act or omission, committed with the intent to cause such damage, or recklessly and with knowledge that such damage would probably result.“ 674 Am 24.09.2004 entsprach 1 SDR 1.192750 EURO. Nach dem Untergang der Erika wurde dieser Betrag durch IMO Resolution LEG.1(82) im tacit-Verfahren von 59,7 Millionen SDR auf 89,77 Millionen SDR angehoben.

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Zweiter Teil: Der Schutz vor Öltankerunfällen durch das Völkerrecht

Brüssler Konferenz mit der verschuldensunabhängigen Haftung des Tankereigentümers gegenüber der bis dahin geltenden Rechtslage sehr weitreichende und vielen Staaten zu weitreichende Neuerungen enthielt675. Um die Schiffseigner nicht übermäßig zu belasten, zugleich aber auch den Opfern von Ölverschmutzungsschäden eine angemessene Entschädigung zu- teil werden zu lassen, wurde beschlossen, die Haftung des Schiffseigners zwar stark zu begrenzen (1969 lag der Haftungshöchstbetrag bei 14 Millionen SDR), zugleich aber auch die Ölempfänger über einen internationalen Haftungsfonds an den Risiken des Seetransports zu beteiligen. Auf diese Weise wurden für die Fälle zusätzliche finanzielle Mittel bereitgestellt, in denen die Entschädigungssummen nach der CLC nicht ausreichen oder sich der Eigentümer auf die in der CLC vorgesehenen Ausschlussgründe berufen kann bzw. samt seinem Versicherer zahlungsunfähig ist, vgl. Art. 4 (1) FUND (zweistufiges Haftungsregime). Der Fonds wird durch juristische oder natürliche Personen in den Vertragsstaaten finanziert. Beitragspflichtig sind nach Art. 10 FUND alle Personen, die in einem Kalenderjahr mehr als 150.000 Tonnen auf dem Seeweg befördertes Öl erhalten haben. Die Vertragsstaaten melden dem Fonds die erhaltenen Ölmengen. Der Fonds erhebt anhand einer Schätzung der Ausgaben für das kommende Jahr daraufhin die Beiträge direkt bei den Unternehmen 676. Der Fonds wird von seiner Entschädigungsverpflichtung für Verschmutzungsschäden im Hoheitsgebiet einschließlich des Küstenmeeres und der AWZ eines Vertragsstaates (Art. 3 FUND) nur frei, wenn die Verschmutzungsschäden durch Kriegshandlung oder durch aus einem Kriegsschiff ausgelaufenes Öl entstanden sind, Art. 4 (2) (a) FUND. Durch einen Ölunfall Geschädigte können ihre Ansprüche unmittelbar beim Fonds geltend machen und werden durch diesen entschädigt. Daneben kann auch Klage gegen den Fonds bei den Gerichten der Staaten erhoben werden, in denen der Schaden entstanden ist, Art. 7 FUND iVm Art. IX CLC. Überschreitet der Gesamtbetrag der festgestellten Ansprüche die Entschädigungshöchstgrenze des Fonds, so wird der zur Verfügung stehende Betrag für alle Ansprüche nach dem gleichen Verhältnis gesenkt, Art. 4 (5) FUND. Der Entschädigungshöchstbetrag nach CLC und FUND lag 1969 bei 30 Millionen SDR und wurde 1992 durch das Protokoll zum Fondsübereinkommen, das 1996 in Kraft trat, 675 Ausführlich dazu Jacobsson, Internationales Schadensersatzrecht für Ölverschmutzungsschäden beim Seetransport – Entwicklungen in den letzten Jahren und Zukunftsperspektiven, SDVIS, Reihe A, Heft 90, S. 1–20, Wolfrum, Umweltschutz durch internationales Haftungsrecht, S. 6–21, Herber, Seehandelsrecht, S. 188 ff., 208 ff., McKaig, Comment: Liability for Oil Tanker Spills, SLJ 44 (1991), S. 1599–1630, Gauci, Protection of the Marine Environment through the International Ship-Source Oil Pollution Compensation Regimes, RECIEL 8 (1999), S. 29–36, Hill, Maritime Law, S. 433–462, Bussek, Schutz der Meere vor Verschmutzung, S. 54–62, Wilkens, Rechtsregeln zur Vermeidung von Tankerunfällen, zur Schadenseindämmung und zur Schadensregulierung; S. 189–209, Ellis, International Law and Oily Waters: A Critical Analysis, CJIELP 6 (1995), S. 32–60, und Renger, Haftung und Entschädigung für Ölverschmutzungsschäden auf See: Über die Londoner Protokolle vom November 1992 zu den Übereinkommen von 1969 und 1971, in: SDVIS, Reihe A, Heft 84, ohne Seitennummerierung. 676 Siehe auch Art. 13, 14 und 15 FUND.

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auf 135 Millionen SDR angehoben. Der Erika-Unfall brachte eine weitere, im tacit acceptance-Verfahren beschlossene und am 1. November 2003 in Kraft getretene Anhebung auf 203 Millionen SDR 677. b) Bewertung Das durch CLC und Fondsübereinkommen geschaffene Haftungsregime hat den großen Vorteil, dass es im allgemeinen die schnelle und vollständige Entschädigung der Opfer von Ölverschmutzungsschäden ermöglicht, obwohl an einem Tankerunfall zahlreiche, verschiedenen Rechtsordnungen unterliegende Parteien beteiligt sein können. Das System ist so aufgebaut, dass die haftbar zu machende Person schnell festzustellen ist und in Anspruch genommen werden kann, insbesondere, da Forderungen direkt bei dem in den Zeugnissen des Schiffes angegebenen Versicherer und beim Fonds geltend gemacht werden können und ein Verschulden des Schiffseigners nicht nachgewiesen zu werden braucht. Wegen dieser Einfachheit und Klarheit hat es vielen anderen Haftungssystemen als Vorbild gedient 678. Probleme traten in der Vergangenheit allerdings in den Fällen auf, in denen die Kosten für einen größeren Tankerunfall die nach CLC und FUND zur Verfügung stehenden Beträge um ein Vielfaches zu übersteigen drohten. Bis zur Klärung des Gesamtschadens wurden die Antragsteller nur anteilig entschädigt und wussten häufig jahrelang nicht, ob sie je vollen Ersatz erhalten würden. Ein entscheidender Nachteil des Systems lag mithin darin begründet, dass es gerade bei Megakatastrophen, bei denen die Opfer von Ölverschmutzungsschäden besonders schutzbedürftig sind, versagte, weil die Geschädigten später und zu einem geringeren Anteil entschädigt wurden 679. Zwar sehen Art. 36 quinquies FUND iVm Art. 33 Protokoll von 1992 zum Fondsübereinkommen von 1971 und Art. XII ter CLC iVm Art. 15 Protokoll von 1992 zum Haftungsübereinkommen vor, dass die Entschädigungs- bzw. Haftungshöchstbeträge 677 IMO Resolution LEG.2(82). Beziehen drei Staaten, die in den Fonds einzahlen, mehr als 600 Millionen Tonnen Öl im Jahr, wächst diese Summe nach Art. (4) (c) FUND auf 200 Millionen SDR (nach IMO Resolution LEG.2(82) nun 300,74 Millionen SDR) an. 678 Vgl. die Convention relating to Civil Liability in the Field of Maritime Carriage of Nuclear Material (NUCLEAR), Brüssel, 17.12.1971, in Kraft getreten am 15.07.1975, UNTS 974, 255 und die International Convention on Liability and Compensation for Damage in Connection with Carriage of Hazardous and Noxious Substances (HNS) by Sea, London, 03.05.1996, noch nicht in Kraft getreten, ILM 35 (1996), 1415 sowie die jüngst verabschiedete International Convention on Civil Liability for Bunker Oil Pollution Damage (BUNKER), London, 23.03.2001, noch nicht in Kraft getreten, IMO Doc. LEG/CONF.12/20. Ziel des BunkerölÜbereinkommens ist, die Lücke zu schließen, die sich dadurch ergibt, dass CLC und FUND nur Ölverschmutzungsschäden durch Öltanker (beladen und unbeladen) abdecken, nicht aber solche Ölverschmutzungsschäden, die durch zum Betrieb eines Nicht-Tankschiffes verwendete Bunkeröle entstanden sind. Einige Frachtschiffe transportieren mehr Öl als Bunkeröl als Küstenöltanker Öl als Ladung transportieren. 679 Vgl. die Kritik der EG-Kommission in KOM(2000) 802 endg., S. 61–64.

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Zweiter Teil: Der Schutz vor Öltankerunfällen durch das Völkerrecht

im tacit-Verfahren geändert werden können und achtzehn Monate nach ihrer Annahme in Kraft treten. Beratungen über derartige Änderungen sind aber an eine Fünfjahresfrist nach dem Inkrafttreten einer früheren Änderung gebunden. Zudem darf ein in den Übereinkommen von 1992 festgesetzter Höchstbetrag von 1993 an gerechnet pro Jahr lediglich um höchstens 6 % nach dem Zinseszinsprinzip erhöht werden. Die Grenze solcher Anhebungen ist erreicht, wenn der erhöhte Betrag das Dreifache der in den Übereinkommen von 1992 festgesetzten Beträge übersteigt. Nach dem Erika-Unfall war daher im Jahr 2000 lediglich eine Anhebung der Gesamtsumme nach CLC und FUND von 135 auf 203 Millionen SDR möglich. Die Grenze solcher Erhöhungen liegt demnach bei 405 Millionen SDR und kann rein rechnerisch nunmehr frühestens 2020 erreicht werden. Das Problem der zu niedrigen Entschädigungssummen dürfte künftig allerdings durch das im Mai 2003 in Reaktion auf die Erika- und Prestige-Katastrophe angenommene Protokoll von 2003 zum Fondsübereinkommen von 1992 (FUND 03) gelöst werden 680. Nach seinem Art. 21 tritt es drei Monate nach Ratifikation durch mindestens acht Staaten, die während des vorangegangen Jahres zusammen wenigstens 450 Millionen Tonnen beitragspflichtiges Öl erhalten haben, in Kraft 681. Durch das auf europäisches Betreiben hin zustande gekommene Protokoll 682 wird ein Ergänzungsfonds geschaffen, der in Form einer dritten Entschädigungsstufe immer dann einspringt, wenn Schäden im Hoheitsgebiet einschließlich des Küstenmeeres und/oder der AWZ eines Vertragsstaates den unter dem 1992 Fonds zur Verfügung stehenden Entschädigungshöchstbetrag übersteigen oder zu übersteigen drohen, vgl. Art. 4 (1) FUND 03. Beitragspflichtig sind nach Art. 10 FUND 03 alle Personen, die in einem Kalenderjahr mehr als 150.000 Tonnen auf dem Seeweg befördertes Öl erhalten haben. Die unter FUND 03 insgesamt zur Verfügung stehende Entschädigungssumme beträgt einschließlich der nach CLC und FUND geleisteten Beträge 750 Millionen SDR (ca. 1 Milliarde EURO), Art. 4 (2) FUND 03, und dürfte damit jede vorhersehbare Verschmutzungskatastrophe abdecken. Auch wenn das durch CLC und FUND errichtete Haftungssystem damit in Zukunft den Opfern von Ölverschmutzungsschäden eine angemessene Entschädigung garantieren wird, vermag es in präventiver Hinsicht nicht zu überzeugen, denn die internationalen Regelungen entfalten keine abschreckende Wirkung, durch die die680 Protocol of 2003 to the International Convention on the Establishment of an International Fund for Compensation for Oil Pollution Damage, 1992, London, 16.05.2003, noch nicht in Kraft getreten, FUND Doc. 92FUND/A.8/4, Annex I. 681 Art. 19 (3) FUND 03 zufolge „Only Contracting States to the 1992 FUND Convention may become Contracting States to this Protocol.“ 682 Der 2003 Fonds wurde dem Vorschlag der europäischen Kommission (KOM(2000 802 endg., S. 77 ff.) für einen eigenständigen gemeinschaftlichen COPE-Fonds nachgebildet, mit dessen Errichtung die Kommission für den Fall gedroht hatte, dass auf internationaler Ebene keine Fortschritte bei der angemessenen Entschädigung der Opfer von Ölverschmutzungsschäden erzielt werden sollten.

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jenigen, die mit der Beförderung gefährlicher oder umweltbelastender Güter auf See befasst sind, von nachlässigen Praktiken abgehalten werden könnten. Dies liegt an einer ganzen Reihe von Faktoren. Erstens haftet für Ölverschmutzungsschäden ausschließlich der Tankereigentümer. Diese Haftungskonzentration hat zwar den Vorteil, dass die haftbar zu machende Person eindeutig feststeht. Sie schließt aber mit Betreiber, Ausrüster und Charterer Personen aus, die durchaus genauso viel Kontrolle über den Transport haben können wie der rechtliche Eigentümer des Schiffes. Diese Akteure können damit, ungeachtet ihres Verursachungsbeitrages, an einem Unfall in einem nahezu haftungsfreien Raum agieren, was die Steuerungswirkung eines küstenstaatlichen, an die CLC gebundenen Haftungsrechts erheblich mindert 683. Zweitens ist das Recht des Schiffseigners, seine Haftung zu beschränken, nahezu unantastbar und wird selbst bei grober Fahrlässigkeit nicht durchbrochen. Dies ist zwar bis zu einem gewissen Grad auch im Interesse der Geschädigten, weil das enorme Haftungsrisiko nur so versicherbar bleibt und ein Direktanspruch gegen einen solventen Versicherer im Öltransportgeschäft, in dem die wirtschaftlichen Eigentümer eines Schiffs häufig schwer ausfindig zu machen sind, von erheblichem Wert ist, doch schließen sich eine abschreckend wirkende unbeschränkte Haftung und eine beschränkte verschuldensunabhängige Haftung nicht aus. Der gesamte Haftungsbetrag muss nicht durch eine Versicherung gedeckt sein. Es ist durchaus ein System denkbar, bei dem die Versicherungspflicht auf die verschuldensunabhängige Haftung beschränkt ist, während die verschuldensabhängige Haftung vom Eigentümer selbst übernommen wird. Ein solches Haftungsregime liegt beispielsweise dem Haftungsprotokoll von 1999 zum Basler Übereinkommen über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung zugrunde 684. Dass der Schiffseigner nicht einmal bei grober Fahrlässigkeit 683 Siehe Brans, The 1999 Erika Oil Spill in France. Can the cargo-owner be held liable for damage caused?, FORUM 2 (2000), S. 67–70. Rückgriffsansprüche des Eigentümers gegen Dritte bleiben nach Art. III (5) CLC allerdings möglich. Beachte, dass Art. 3 der neuen BUNKER-Konvention Charterer, Ausrüster oder Betreiber des Schiffs sowie mit der Betriebsführung Beauftragte nicht mehr von der Haftung ausnimmt. Art. 3 (5) BUNKER bestimmt lediglich, dass „[n]o claim for compensation for pollution damage shall be made against the shipowner otherwise than in accordance with this Convention.“ 684 Basel Protocol on Liability and Compensation for Damage resulting from Transboundary Movements of Hazardous Wastes and their Disposal, Basel, 10.12.1999, noch nicht in Kraft getreten, U.N. Doc. UNEP/CHW.1/WG.1/9/2 (1999). Das Protokoll sieht in Art. 4 eine verschuldensunabhängige Haftung bis zu einer bestimmten Untergrenze vor, die von einer Versicherung gedeckt wird. Art. 5 Satz 1 des Protokolls ordnet an, dass unbeschadet der verschuldensunabhängigen Haftung nach Art. 4 „any person shall be liable for damage caused or contributed to by his lack of compliance with the provisions implementing the Convention or by his wrongful intentional, reckless or negligent acts or omissions.“ und Art.12 (2) des Protokolls bestimmt ferner, dass „there shall be no financial limit on liability under Article 5“. Beachte, dass auch die BUNKER-Konvention trotz der Gefährdungshaftung des Schiffseigners selbst keine Haftungslimits mehr statuiert, sondern in Art. 7 (1) BUNKER lediglich die Versiche-

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der unbeschränkten Haftung unterliegt, ist daher ein echtes Manko der CLC und schmälert die abschreckende Wirkung der Konvention ebenso wie die Tatsache, dass für den vom Schiffseigner zu leistende Schadensersatz ausschließlich die Größe des Schiffes entscheidend ist und Faktoren wie Art der beförderten Ladung oder Menge des ausgelaufenen Öls oder der Schaden an der Umwelt selbst nicht berücksichtig werden 685. Der dritte und wichtigste Punkt ist aber, dass über die Fonds, die im Falle eines größeren Tankerunfalls den Löwenanteil der Entschädigung zu leisten haben, das Haftungsrisiko kollektiv von den Ölempfängern in der gesamten Welt getragen wird, ohne dass es dabei auf die Verantwortung des Einzelnen an einem Unfall ankäme. Die Haftung der eigentlich Verantwortlichen wird durch FUND und CLC mithin völlig verwässert, kann auf Fonds und Versicherungen (P & I Clubs) abgewälzt werden und ist damit wirtschaftlich kalkulierbar. So wie das Haftungssystem aufgebaut ist, geht von ihm so gut wie keine verhaltenssteuernde Wirkung aus, weil es die einzelnen Verantwortlichen nicht adressiert und keine Anreize für den Transport von Erdöl in sicheren Tankschiffen schafft. Die Chance, dieses System mit dem Protokoll von 2003 unter Federführung der IMO dergestalt zu verbessern, dass neben der Entschädigung der Opfer auch die Prävention eine Rolle gespielt hätte, indem eine unbeschränkte Haftung des Schiffseigners bei grober Fahrlässigkeit eingeführt und Art. III (4) (c) CLC (Ausschluss von Schadensersatzansprüchen gegen Charterer, Ausrüster und Betreiber) gestrichen worden wäre, wurde nicht genutzt, obwohl das Regime dabei in seinem Kern erhalten geblieben wäre. rungspflicht beschränkt auf „an amount equal to the limits of liability under the applicable national or international limitation regime, but in all cases, not exceeding an amount calculated in accordance with the Convention on Limitation of Liability for Maritime Claims, 1976, as amended.“. Art. 6 BUNKER stellt allerdings fest, dass „[n]othing in this Convention shall affect the right of the shipowner and the person or persons providing insurance or other financial security to limit liability under any applicable national or international regime, such as the Convention on Limitation of Liability for Maritime Claims,1976, as amended.“ 685 Diese Art von Schäden sind allerdings schwer quantifizierbar, berechenbar und überprüfbar (z. B.: Schädigung der biologischen Vielfalt) und setzen ein System zur Bewertung der natürlichen Ressourcen voraus. Denkbar wäre, die Deckung der Wiederherstellungskosten auszuweiten. Einbezogen werden sollten die Kosten für die Bewertung der durch das Ereignis verursachten Umweltschäden sowie die Kosten für die Einbringung von Komponenten, die den zerstörten gleichwertig sind, wenn die Wiederherstellung der geschädigten Umwelt nicht zweckmäßig ist. Beachte, dass Art. 2 (8) der Council of Europe Convention on Civil Liability for damage resulting from activities dangerous to the environment, Lugano, 21.06.1993, noch nicht in Kraft getreten, ILM 32 (1993), 1228, Wiederherstellungsmaßnahmen (Measures of reinstatement) definiert als „any reasonable measures aiming to reinstate or restore damaged or destroyed components of the environment, or to introduce, where reasonable, the equivalent of these components into the environment. Internal law may indicate who will be entitled to take such measures.“ Siehe auch Erichsen, Der ökologische Schaden im internationalen Umwelthaftungsrecht und Heintschel v. Heinegg, Ökologisierung des Schadensbegriffs und Rückführung der Haftungsbeschränkungen im Seerecht, in: Ehlers/Erbguth (Hrsg.), Aktuelle Entwicklungen im Seerecht, S. 83–106.

B. Globale Schutzmaßnahmen

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c) Korrekturmöglichkeiten über strafrechtliche Regelungen Da Art. III CLC ausdrücklich zivilrechtliche Schadensersatzansprüche außerhalb des durch die Konvention errichteten Haftungssystems ausschließt, können Vertragsstaaten des Übereinkommens eine präventive Verhaltenssteuerung lediglich über abschreckende, unilateral eingeführte strafrechtliche Regelungen erreichen, da diese von der Entschädigungsseite unabhängig sind 686. Stuft man durch den Eigentümer, den Charterer oder Betreiber grob fahrlässig oder vorsätzlich herbeigeführte Tankerunfälle als Delikte ein, so kann davon je nach der Art der zu erwartenden Strafe eine erheblich abschreckende Wirkung ausgehen. Strafrechtliche Regelungen haben zudem gegenüber zivilrechtlichen Bestimmungen und administrativen Maßnahmen eine andere Qualität, weil mit ihnen ein Verhalten durch die Gesellschaft missbilligt wird. Auch sind strafrechtliche Sanktionen regelmäßig nicht versicherbar 687. Der Vorteil unilateral eingeführter strafrechtlicher Regelungen ist, dass sie das internationale System aus präventiver Sicht komplementieren, die durch CLC und FUND garantierte schnelle und vollständige Entschädigung der Opfer aber nicht berühren. Das Seerechtsübereinkommen zieht der küstenstaatlichen Strafgerichtsbarkeit allerdings mit Art. 27 u. 230 SRÜ enge Grenzen. 8. Zusammenfassung Den Küstenstaaten steht mit Schiffswegeführungen, der Verkehrsüberwachung dienenden Meldesystemen und Schiffsverkehrs- und Lotsendiensten sowie der Ausweisung spezieller Verschmutzungsverhütungsgebiete ein relativ umfangreiches Instrumentarium zur Verfügung, um ihre Küsten vor Tankerunfällen zu schützen. Gerade SRS und VTS für Schiffe im Hafenanlauf sind wichtige Werkzeuge im Kampf gegen die Anonymität auf See. Sie helfen der Schiffssicherheit auf und tragen mittelbar auch zur Durchsetzung anderer Verkehrsregelungen bei, weil es einem Kapitän, der weiß, dass ihn eine Verkehrsleitzentrale beobachtet, nicht anders geht als ei686 Einen Vorschlag für eine entsprechende strafrechtliche Regelung enthält Art. 6 (1) des Richtlinienvorschlags der EG-Kommission über die Meeresverschmutzung durch Schiffe und die Einführung von Sanktionen, einschließlich strafrechtlicher Sanktionen, für Verschmutzungsdelikte, KOM(2003) 92 endg.: „(1) Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass die rechtswidrige Einleitung von Schadstoffen ins Meer bzw. die Beteiligung an oder die Anstiftung zu dieser Einleitung, wenn diese auf vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten zurückzuführen ist, als Delikt angesehen wird. (2) Gegen alle Personen (d. h. nicht nur den Schiffseigentümer, sondern auch den Eigentümer der Fracht, die Klassifikationsgesellschaft oder andere beteiligte Personen), die von einem Gerichtshof für verantwortlich im Sinne von Absatz 1 befunden wurden, werden Sanktionen, einschließlich gegebenenfalls strafrechtlicher Sanktionen, verhängt.“ Bereits der Vorschlag der Kommission für den COPE-Fonds, KOM(2000) 802 endg., S. 77 ff., enthielt mit Art. 11 eine Strafbestimmung durch die die EG-Mitgliedstaaten verpflichtet wurden, rechtswidrige vorsätzliche oder grob fahrlässige Handlungen oder Unterlassungen, die zu einem Ereignis beigetragen haben, unter Strafe zu stellen. 687 Zahlt eine Versicherung dennoch, kann sie sich der Strafvereitelung schuldig machen.

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Zweiter Teil: Der Schutz vor Öltankerunfällen durch das Völkerrecht

nem Autofahrer, der weiß, dass ihn ein Verkehrspolizist beobachtet. Durch den Einsatz von AIS wird die Übermittlung schiffsbezogener Daten zudem mehr und mehr zu einem routinemäßigen Vorgang, während vor einigen Jahren die Anonymität auf See noch als fester Bestandteil der Schifffahrtsfreiheit gewertet wurde. Obwohl im Küstenmeer viele dieser Schiffssicherheitsmaßnahmen auch unilateral eingeführt werden könnten, scheinen die Staaten, schon um die Bekanntheit und Akzeptanz ihrer Vorschriften zu erhöhen, ein Vorgehen über die IMO vorzuziehen. Dies zeigen die neuen Regeln V/10, V/11 u. V/12 SOLAS, die Errichtung von PSSAs in inneren Gewässern und die Schaffung des 2003 Fonds ebenso wie das Vorgehen Australiens bei der Einführung eines Lotsenzwangs für die Great Barrier Reef Region auch jenseits der aquitorial Gewässer. Die IMO wird damit im Schiffssicherheitsbereich immer mehr zu einem universellen Gesetzgeber. Dabei hat die Tätigkeit der Organisation durchaus Auswirkungen auf die Jurisdiktionsordnung der Montego-Bay-Konvention und ist längst nicht auf die Entwicklung rein technischer Standards beschränkt: Regeln V/10 und V/11 SOLAS räumen den Küstenstaaten nun, wenn auch prozedural abgesichert durch ein die Zustimmung der IMO erforderndes kooperatives Rechtsetzungsverfahren, für SRS und Schiffswegeführungen in der AWZ eine Regelungsbefugnis ein, die zuvor für diese Instrumente nach Art. 211 (5) SRÜ dort nicht bestand. Es stellt sich daher die Frage, ob SOLAS das geeignete Instrument ist, um die mit Schiffswegeführungen und Meldesystemen in der AWZ verbundenen neuen Formen der Jurisdiktionsausübung zu regeln oder ob die Grenze der Art. 237, 311 SRÜ überschritten wurde und das SRÜ hätte geändert werden müssen 688. Dem wird am Ende des völkerrechtlichen Teils näher nachzugehen sein. Bemerkenswert ist allerdings, dass sich die Staaten der durch die Montego-Bay-Konvention geschaffenen Zuständigkeitsordnung nicht offen widersetzen, sondern Schiffswegeführungen und SRS als rein technisches Problem behandeln und die entsprechenden Regelungen sogar unter tacit acceptance in Kraft treten ließen. Denn Schiffswegeführungen greifen erheblich in die Schifffahrtsfreiheit ein und Schiffsmeldesysteme stehen in sachlicher Nähe zu den höchst umstrittenen vorhergehenden Benachrichtigungsund Genehmigungspflichten. Allerdings halten sich die Auswirkungen der neuen Regelungen auf die durch das SRÜ geschaffene Balance küsten- und flaggenstaatlicher Zuständigkeiten dadurch in Grenzen, dass mit ihnen keine Erweiterung der küstenstaatlichen Durchsetzungsbe688 Keinesfalls könnte aber in diesem Fall davon gesprochen werden, dass die Regeln V/10 und V/11 SOLAS völkerrechtswidrig sind, denn diese IMO-Normen sind ja ihrerseits Völkerrecht, und es gibt im Völkerrecht grundsätzlich keine Normenhierarchie. Auch die „Verfassung der Meere“ ist ein einfacher völkerrechtlicher Vertrag, und ihre Kompetenzregeln sind kein jus cogens im Sinne des Art.53 Satz 2 WVK. Man kann also lediglich die SRÜ-Konformität dieser Regeln bezweifeln. Verneint man sie, würden die Staaten bei Ausübung der ihnen nach Regeln V/10 und V/11 SOLAS zustehenden Befugnisse ihre Verpflichtungen aus Art. 237, 311 SRÜ verletzen.

B. Globale Schutzmaßnahmen

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fugnisse verbunden ist. Hier führt die Montego-Bay-Konvention als lex generalis nach wie vor zu dem unbefriedigenden und angesichts der Bindung der nationalen Vorschriften an die internationale Ebene heute auch nicht mehr nachvollziehbarem Ergebnis, dass jenseits der 12-Seemeilen-Grenze küstenstaatliche Durchsetzungsmaßnahmen grundsätzlich auf ein Auskunftsverlangen beschränkt sind, Art. 220 (3) SRÜ. Gerade bei Verstößen gegen küstenstaatliche Meldesysteme führt dies zu dem wenig sachgerechten Ergebnis, dass ein Küstenstaat auf einen Verstoß gegen eine Meldepflicht wiederum nur mit einem, wenn auch erweiterten, Auskunftsverlangen reagieren kann. Schiffsmeldesysteme entlang der Küste waren auf der dritten Seerechtskonferenz noch nicht bekannt. Die sachgerechte Durchsetzungsmaßnahme wäre hier sicherlich nicht das Aufbringen des Schiffes auf hoher See, wohl aber könnte im Extremfall die Verweisung eines offensichtlich kooperationsunwilligen Schiffes aus der AWZ angemessen und interessengerecht sein. Aber auch ohne diese Befugnis können Küstenstaaten durch regional koordiniertes Vorgehen die Verletzung von Meldepflichten effektiv sanktionieren, wenn ein solches Schiff später freiwillig einen Hafen der Region anläuft. Bei strikter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist zudem denkbar, ein Schiff, das wiederholt gegen Schiffswegeführungen und Meldepflichten verstoßen hat, aus den Häfen einer Region zu verbannen. Stehen mit den neuen SOLAS-Regeln für Schiffswegeführungen (ATBA), SRS und VTS, alles in allem betrachtet, den Küstenstaaten wirksame Präventionsinstrumente zur Verfügung, die zudem in PSSA-Gebieten im Rahmen eines einheitlichen Schutzkonzeptes koordiniert angewendet werden können, so fehlt es nach wie vor an einer Rechtsgrundlage für das verpflichtende Überseelotsenwesen, sofern es sich auf Meeresgebiete jenseits der 12-Seemeilen-Grenze erstrecken soll. Hier böte sich eine Regeln V/10, V/11 SOLAS entsprechende Norm an, die dem Schiffssicherheitsvertrag freilich mehr und mehr eine geographische Ausrichtung verleihen würde, die dem altehrwürdigen, universelle CDEM-Standards schaffenden Instrument vorher nicht bekannt war. Die Ausweisung von Notliegeplätzen im Rahmen einer umfassenden Notfallplanung kann zur Vermeidung von Tankerkatastrophen beitragen. Eine rechtliche Verpflichtung des Küstenstaates, solche Plätze im Voraus bereitzuhalten, besteht dagegen nicht. Daran ändern auch die neuen Notliegerichtlinien der IMO nichts, die die Staaten nicht einmal zu einer Notfallplanung auffordern und deshalb zum Kern des Problems nicht vordringen. Bemerkenswert und ein Zeichen für die Stärke der Organisation ist allerdings die Bereitschaft der Staaten, das Thema Notliegeplätze, das mit dem Zugangsrecht zu den inneren Gewässern und dem völkergewohnheitsrechtlichen Interventionsrecht Kernbereiche nationaler Souveränität berührt, überhaupt im Rahmen der IMO zu behandeln. Regionalen Initiativen bietet sich die Gelegenheit, auf regionaler Ebene die Ausweisung von Notliegeplätzen zu koordinieren und so die globale Lücke zu schließen. Ebenfalls nicht zu überzeugen vermag schließlich unter dem Gesichtspunkt der Prävention das von der IMO geschaffene Haftungsrecht, weil es die eigentlich Ver-

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Zweiter Teil: Der Schutz vor Öltankerunfällen durch das Völkerrecht

antwortlichen nicht ausreichend adressiert. Den Küstenstaaten steht es allerdings nach der CLC frei, über die Androhung abschreckender strafrechtlicher Sanktionen zu versuchen, das Verhalten der für die Schiffssicherheit verantwortlichen privaten Akteure zu beeinflussen. Die Montego-Bay-Konvention zieht mit Art. 27 u. 230 SRÜ der Ausübung von Strafgerichtsbarkeit indes enge Grenzen. Abschließend ist festzuhalten, dass die Küstenstaaten über ausreichende Möglichkeiten verfügen, um auf den Ausfall des Flaggenstaates in der Schiffssicherheit zu reagieren. Sie effektiv zu nutzen, wird freilich häufig eine Frage der regionalen Koordination und Abstimmung mit der IMO sein. Ein deutliches Mehr an Schiffssicherheit gegenüber dem jetzigen Zustand wäre nur über regionale CDEM-Standards zu erreichen, für die allerdings ein sehr hoher Preis zu zahlen wäre, weil sie das Ende der Schifffahrtsfreiheit bedeuteten.

III. Schutzmaßnahmen der Hafenstaaten Die Jurisdiktion eines Staates hängt nach dem SRÜ davon ab, in welcher Eigenschaft (Flaggen-, Küsten- oder Hafenstaat) der Staat handelt. Wenn im Folgenden nach den Maßnahmen gefragt wird, die ein Staat in seiner Eigenschaft als Hafenstaat ergreifen kann, um die Umwelt vor Tankerunfällen zu schützen, dann sind damit nur solche Schiffssicherheitsinstrumente gemeint, die ihm aufgrund seiner Hafenstaatsjurisdiktion gegenüber Schiffen in seinen Häfen zustehen, denn die Durchsetzung küstenstaatlicher Vorschriften oder AIRAS nach Art. 220 (1) SRÜ im Hafen fällt, wie bereits dargelegt wurde, unter die Jurisdiktion des Küstenstaates. Durchsetzungsmaßnahmen durch den Hafenstaat finden dagegen zwangsläufig immer im Hafen statt. Unter Hafenstaatsjurisdiktion wird zum einen die Befugnis eines Staates nach Art. 218 SRÜ verstanden, in seinem Hafen im Staatengemeinschaftsinteresse Einleitungsverstöße zu ahnden, die den Staat selbst in ihren Auswirkungen nicht faktisch berühren und außerhalb seines Hoheitsgebietes oder seiner AWZ stattgefunden haben; sie ähnelt der Zuständigkeit nach dem Universalitätsprinzip und ist wegen ihrer Beschränkung auf Einleitungen für den Untersuchungsgegenstand ohne Belang 689. Neben dieser extra-zonalen Durchsetzungsjurisdiktion besitzt der Hafenstaat aufgrund seiner territorialen Souveränität aber zum anderen auch die umfassende Regelungs- und Durchsetzungszuständigkeit für seine Häfen 690. Er kann 689 Hakapää, Marine Pollution, S. 172–178. Molenaar, Coastal State Jurisdiction over Vessel-Source Pollution, S.103–108 argumentiert, dass diese extra-zonale Durchsetzungsbefugnis des Hafenstaates trotz der Freiheit der Hohen See zwangsläufig eine entsprechende, an GAIRAS gebundene, Regelungsbefugnis einschließe. 690 Siehe Art. 2, 11 u. 12 SRÜ. Grundsätzlich besteht kein rechtlicher Unterschied zwischen Häfen und inneren Gewässern (Ausnahme z. B.: Art. 8 (2) SRÜ). Art. 211 (3) SRÜ verwendet beide Begriffe gleichberechtigt nebeneinander.

B. Globale Schutzmaßnahmen

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grundsätzlich den Zugang zu ihnen verweigern oder von der Erfüllung nicht-diskriminierender Bedingungen abhängig machen. Die Montego-Bay-Konvention regelt diese territoriale Regelungs- und Durchsetzungsjurisdiktion des Hafenstaates nicht, setzt sie aber in Art. 25 (2), 211 (3) SRÜ voraus. Sie wird für die Schiffssicherheit für CDEM-Standards relevant, denen ein Schiff im Hafen genügen muss und die dort wegen ihrer Schiffsgebundenheit auch durchgesetzt werden können. Vorschriften, die das Verhalten von Schiffen (Navigation, Einleitungen) in den einzelnen Meereszonen regeln, fallen dagegen unter die Regelungsbefugnis eines Küstenstaates. Die Unterscheidung danach, ob ein Staat in seiner Eigenschaft als Küsten- und Hafenstaat handelt, richtet sich mithin nicht nur nach dem Ort der Durchsetzung (im Hafen oder auf See), sondern auch nach dem Ort des Verstoßes und der Art des durchzusetzenden Standards 691.

1. Einseitige Verschärfung von CDEM-Standards Das vielleicht schärfste Schiffssicherheitsinstrument, das einem Hafenstaat zur Verfügung steht, ist, fremden Schiffen im Rahmen von Hafenanlaufbedingungen einseitig CDEM-Standards vorzuschreiben, die strenger sind als das international vorgeschriebenen Regelwerk. Denn obwohl der Hafenstaat lediglich verlangt, dass diese Standards während des Aufenthaltes des Schiffes im Hafen befolgt werden, zwingt die Natur dieser Vorschriften das Schiff, sie auch jenseits des Hafens, ja selbst auf Hoher See, zu befolgen. Während die küstenstaatliche Regelungsbefugnis bei CDEM-Standards darauf beschränkt ist, GAIRAS Wirksamkeit zu verleihen, ist die Jurisdiktion des Hafenstaates grundsätzlich unbeschränkt. Zwar verpflichtet Art. 211 (3) S. 1 SRÜ den Hafenstaat, besondere (particular) Anlaufbedingungen ordnungsgemäß bekannt zu machen und der IMO mitzuteilen. Particular legt dabei nahe, dass dies Bedingungen sind, die von GAIRAS abweichen, auch wenn das SRÜ diesen Begriff im Zusammenhang mit der Hafenstaatsjurisdiktion nicht verwendet 692. Anlaufbedingungen, die fremden Schiffen lediglich die Befolgung allgemein anerkannter IMOStandards vorschreiben, fallen folglich nicht unter Art. 211 (3) S. 1 SRÜ. Die Bekanntmachungs- und Mitteilungspflicht für einseitig verschärfte CDEM-Standards ändert aber nichts daran, dass Art. 211 (3) SRÜ rein prozeduraler Natur ist und ebenso wie Art. 25 (2) SRÜ solchen Vorschriften des Hafenstaates in materieller Hinsicht keine Grenze zieht, obwohl ihnen die Gefahr innewohnt, das universelle Regime zu unterlaufen und die IMO-Prärogative zu beseitigen. Vielmehr geht Art. 211 (3) S. 2 SRÜ sogar davon aus, dass zwei oder mehr Staaten solche Bedingungen in gleich691 Zum Ganzen Molenaar, Coastal State Jurisdiction over Vessel-Source Pollution, S.91–95 u. S. 101–104, demzufolge selbst verhaltensbezogene Vorschriften für Häfen und innere Gewässer unter die Regelungsbefugnis des Küstenstaates fallen, ibid, S. 103. 692 Molenaar, Coastal State Jurisdiction over Vessel-Source Pollution, S. 104.

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lautender Form und in dem Bestreben, ihre Politik aufeinander abzustimmen, festsetzen können. Fraglich ist wie dieser Wertungswiderspruch zwischen den auf universelle Geltung ausgerichteten Referenzbestimmungen der Montego-Bay-Konvention einerseits und der durch Art. 25 (2) u. 211 (3) SRÜ bekräftigten, grundsätzlich unbeschränkten Regelungsbefugnis des Hafenstaates andererseits aufgelöst werden kann und welche Rolle dabei die ja ebenfalls auf globale Geltung ausgerichteten IMOKonventionen spielen. Dem ist kontextbezogen bei der Regelungstätigkeit der europäischen Gemeinschaft nachzugehen, die in jüngster Zeit verstärkt für den Fall mit supranationalen Alleingängen droht, dass auf der IMO-Ebene keine Fortschritte in ihrem Sinne erzielt werden. Eine Gefahr für das universelle Regime besteht nur, wenn CDEM-Standards im Rahmen von Hafenanlaufbedingungen regional oder supranational koordiniert verschärft werden. Im nationalen Alleingang angehobene CDEM-Standards sind weitgehend wirkungslos, weil die Schiffe einfach einen anderen Hafen der Region anlaufen werden. Dem Staat entstehen dadurch wirtschaftliche Nachteile, ohne dass die Gefahr vor seinen Küsten beseitigt würde. Dies erklärt auch, warum bis jetzt lediglich die USA 1990 mit ihrem OPA einseitig ein Anlaufverbot für Tanker ohne Doppelhülle verhängt haben: Einseitige Hafenanlaufbedingungen setzen eine enorme wirtschaftliche Stärke des sie verhängenden Staates und eine prädestinierte geographische Lage voraus, die es den Schiffen unmöglich macht, andere Häfen der Region anzulaufen. Festzuhalten bleibt damit an dieser Stelle, dass nach der Montego-Bay-Konvention die einseitige Verschärfung von CDEM-Standards durch die Hafenstaaten prinzipiell möglich ist, ein solches Vorgehen aber im Regelfall nur bei regional koordinierter Durchführung eine Steuerungswirkung entfalten wird. 2. Hafenstaatskontrolle Regional koordiniert muss auch das typischste Schiffssicherheitsinstrument des Hafenstaates, die Hafenstaatskontrolle (PSC), eingesetzt werden, wenn es nicht lediglich zu einer regionalen Verlagerung des Seeverkehrs zu Häfen mit geringeren Sicherheitsanforderungen, den sog. Gefälligkeitshäfen (ports of convenience), kommen soll. Bei der Hafenstaatskontrolle werden fremde Schiffe auf die Einhaltung der einschlägigen IMO-Übereinkommen, also LL, SOLAS, MARPOL, STCW, COLREG und ILO No. 147, überprüft 693. Das Recht, solche Inspektionen durchzuführen, steht dem Hafenstaat aufgrund seiner territorialen Souveränität zu. Es wird ihm nicht etwa erst aufgrund der technischen Konventionen verliehen. Diese Konventionen regeln in ihren vereinzelten Bestimmungen über die Hafenstaatskontrolle vielmehr das Wie der Überprüfungen und ermutigen die Staaten, von der ihnen nach allgemeinem Völkerrecht und SRÜ zustehenden Befugnis zur PSC Gebrauch zu ma693 Ausführlich zur PSC Kasoulides, Port State Control and Jurisdiction: Evolution of the Port State Regime und zu den IMO-Instrumenten Özçayir, Port State Control, Ziff. 4.1–4.29.

B. Globale Schutzmaßnahmen

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chen 694. Verpflichtet sind sie dazu nach den technischen Konventionen wie auch dem Seerechtsübereinkommen nicht 695. Wie bereits bei den Schutzbestimmungen des Seerechtsübereinkommens dargelegt wurde, sind die Vorschriften der technischen Konventionen über die Hafenstaatskontrolle vom Grundsatz der Erleichterung des Seeverkehrs getragen und versuchen, die Küstenstaaten zu einer zurückhaltenden Ausübung ihrer Durchsetzungsbefugnisse anzuhalten, so dass die Schiffe nicht länger als unbedingt erforderlich aufgehalten werden 696. Ihre deutlichste Ausprägung findet diese Reglungsmaxime im Prinzip der gegenseitigen Zeugnisanerkennung 697: Die Kontrolle ist nach IMOund ILO-Instrumenten grundsätzlich darauf zu beschränken festzustellen, dass sich ein gültiges Zeugnis an Bord befindet, sofern nicht eindeutige Gründe zu der Annahme bestehen, dass der Zustand des Schiffes oder seiner Ausrüstung wesentlich von den Angaben des Zeugnisses abweicht, 698 bzw. im Falle der nun auch bezüglich betrieblicher Anforderungen stattfindenden Hafenstaatskontrolle eindeutige Gründe für die Annahme bestehen, dass der Kapitän oder die Besatzung mit wesentlichen Abläufen an Bord, welche die Schiffssicherheit oder die Verhütung der Verschmutzung durch Öl betreffen, nicht vertraut sind 699. In der Praxis beginnen die Inspektio694 Vgl. Churchill/Lowe, The Law of the Sea, S. 274: „It would seem that under customary international law port States have – and in practice exercise – the competence to inspect foreign vessels in their ports and detain them, if unsafe, so that the ILO and IMO Conventions essentially do no more than consolidate and clarify existing law and encourage port States to use their powers.“ 695 Dies wird durch die von den technischen Konventionen verwendete Formulierung a ship is subject to inspection zum Ausdruck gebracht (siehe z. B. Art. 5 (2) Satz 1 MARPOL). Ein Hafenstaat kann Inspektionen aus eigenem Antrieb durchführen oder auf Grund einer Beschwerde, die er von Mitgliedern der Besatzung, einer Berufsvereinigung, einem Verband, einer Gewerkschaft oder sonstigen Personen, die ein Interesse an der Sicherheit des Schiffes haben, erhalten hat, tätig werden vgl. Art. 4 (3) ILO Nr. 147. 696 Vgl. Art. 7 (1) MARPOL, Art. 4 (2) Satz 2 ILO No. 147. 697 Siehe Art. 5 (1) MARPOL und Regel I/17 SOLAS, die bestimmt: „Certificates issued under the authority of a Contracting Government shall be accepted by other Contracting Governments for all purposes covered by the present Convention. They shall be regarded by the other Contracting Governments as having the same force as certificates issued by them.“ 698 Inspektionsverfahren für CDEM-Standards sind u. a. geregelt in: Regel I/19 SOLAS, Art. X iVm Regel I/4 STCW, Art. 4 ILO 147, Art. 21 LL, Art. 12 Tonnage und Art. 5 MARPOL. Siehe auch Art. 226 SRÜ. COLREG enthält keine Vorschriften über die Hafenstaatskontrolle. 699 Regel XI-1/4 SOLAS, Regeln I/8A, II/15, III/8, V/8, VI/10 MARPOL und Regel I/4 STCW. Die STCW-Konvention nennt als einziges IMO-Übereinkommen in Regel I/4 STCW Beispiele für das Vorliegen eindeutiger Gründe. Beachte, dass nach Regel I/4 (1.3.3) STCW ein eindeutiger Grund auch vorliegt, wenn „the ship has been manoeuvred in an erratic or unsafe manner whereby routeing measures adopted by the Organization or safe navigation practices and procedures have not been followed“ (Hervorhebung hinzugefügt). Die Procedures for Port State Control der IMO nennen in Ziff. 2.3 allerdings etliche Beispiele für das Vorliegen eindeutiger Gründe, z. B.: „.1 the absence of principal equipment or arrangements required by the conventions; [...] .4 evidence from the PSCO’s general impressions and observations that serious hull or structural deterioration or deficiencies exist that may place at risk the structural, watertight or watertight integrity of the ship; .5 evidence from the PSCO’s general

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nen davon abweichend regelmäßig mit einer Überprüfung der Schiffspapiere (certificate check), gefolgt von der sogenannten superficial round of inspection, durch die überprüft werden soll, ob der Zustand des Schiffes den IMO-Standards genügt 700. Diesem zum Nachweis eindeutiger Gründe letztlich zwingenden Vorgehen hat die IMO mittlerweile in ihren Procedures for Port State Control (PPSC) den internationalen Segen erteilt 701. Auch wenn die technischen Konventionen von einem Hafenstaat nicht verlangen, dass er ein Schiff in seinem Hafen überprüft, verpflichten sie den Staat sehr wohl dazu, bestimmte Maßnahmen einzuleiten, wenn im Rahmen solcher Kontrollen Mängel oder Verstöße festgestellt werden 702. Gefährdet das Schiff aufgrund seiner Beschaffenheit die Meeresumwelt, hat die die Überprüfung durchführende Vertragspartei alle Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, dass das Schiff nicht ausläuft, bis es dies ohne unangemessene Gefährdung des Schiffes, der Personen an Bord oder der Meeresumwelt tun kann 703. Alternativ kann sie dem Schiff erlauben, die nächstgelegene geeignete Reparaturwerft anzulaufen, vgl. Art. 5 (2) S. 4 MARPOL. Die Befugnis, die Beseitigung der Mängel zu verlangen, ist in dem weitergehenden Recht, das Schiff festzuhalten, enthalten 704. Die technischen Konventionen geben mit Ausnahme der „neuen“ STCW-Konvention, die in ihrer Regel I/4 (2) abschließend die Fälle nennt, in denen ein Festhalten des Schiffes erlaubt ist, keine Beispiele impressions or observations that serious deficiencies exist in the safety, pollution prevention, or navigational equipment [...].“ 700 Vgl. Abschnitt 3.1. Paris MOU: „In fulfilling their commitments the Authorities will carry out inspections, which will consist of a visit on board a ship in order to check the certificates and documents as referred to in section 2 of Annex 1. Furthermore the Authorities will satisfy themselves that the crew and the overall condition of the ship, including the engine room and accommodation and including hygienic conditions, meets generally accepted international rules and standards. In the absence of valid certificates or documents or if there are clear grounds for believing that the condition of a ship or of its equipment, or its crew does not substantially meet the requirements of a relevant instrument, a more detailed inspection will be carried out, as referred to in section 5 of Annex 1, or, as appropriate, an expanded inspection will be carried out as referred to in section 8 of Annex 1. Examples of clear grounds are given in section 4 of Annex 1. The Authorities will include control on compliance with on board operational requirements in their inspections.“ 701 Vgl. Ziff. 2.2 u. 3.2 PPSC. 702 Siehe Art. 5 (2) S. 3 MARPOL, Regel I/19 (c) SOLAS. Vgl. auch Ziff. 4.4 PPSC und Art. 219 SRÜ. 703 Art. 5 (2) MARPOL spricht von einem „unreasonable threat of harm to the marine environment“, Regel I/19 SOLAS von „danger to the ship or persons on board“ und Art. 21 (2) LL verwendet den Begriff „danger to the passengers or the crew“. 704 Nach Art. 4 (1) ILO Nr. 147 können die Hafenstaaten einen Bericht an den Flaggenstaat senden, wenn das Schiff nicht den Standards des Übereinkommens entspricht. Für den Fall, dass die Bedingungen an Bord „clearly hazardous to safety or health“ sind, können die Hafenstaaten die notwendigen Maßnahmen zur Beseitigung aller Bedingungen an Bord treffen, die eindeutig eine Gefahr für die Sicherheit oder Gesundheit darstellen. Obwohl das Recht zum Festhalten des Schiffes nicht ausdrücklich erwähnt wird, stipuliert Art. 4 (2) S. 2 ILO Nr. 147, dass der Hafenstaat „shall not unreasonably detain or delay a ship“.

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für Mängel, die es rechtfertigen, ein Schiff am Auslaufen zu hindern. Die IMO hat diese Lücke mit ihren Procedures for Port State Control geschlossen. Nach den neuen Regeln XI/4 SOLAS, I/8A, II/15, III/8, V/8, VI/10 MARPOL und I/4 STCW müssen die Vertragsparteien nun auch bei Nichterfüllung betrieblicher Anforderungen (operational requirements) das Auslaufen des Schiffes so lange verhindern, bis die Lage entsprechend den Vorschriften der Anlagen bereinigt worden ist. Eine Besonderheit der technischen Konventionen, die der Hafenstaat bei Durchführung der Inspektionen und bei seiner Entscheidung über das Festhalten eines Schiffes zu beachten hat, ist die no-more-favourable-treatment (NMFT)-Klausel. Sie verpflichtet ihn, wenn er Partei eines diese Klausel enthaltenden Übereinkommens ist, dessen Vorschriften auf Schiffe von Nichtvertragsparteien anzuwenden, soweit dies notwendig ist, um sicherzustellen, dass diesen Schiffen keine günstigere Behandlung als Vertragsparteien gewährt wird 705. Die völkerrechtliche Zulässigkeit der Nichtbegünstigungsklausel war zeitweilig umstritten, weil sie sich nachteilig auf Drittstaaten auswirkt: Diese werden dadurch, dass bei der Hafenstaatskontrolle die zwischen anderen Staaten vertraglich vereinbarten Maßstäbe zugrunde gelegt werden, mittelbar dazu angehalten, die Einhaltung solcher Standards auf Schiffen unter ihrer Flagge zu gewährleisten. Darin könnte ein Verstoß gegen den in Art. 34 WVK kodifizierten pacta tertiis nec nocent nec prosunt-Grundsatz liegen. Durch die hohe Zahl an Ratifikationen der IMO-Übereinkommen verliert das Problem freilich mehr und mehr an praktischer Bedeutung und dürfte zudem mittlerweile als ausdiskutiert gelten706. Im Ergebnis ist ein Verstoß gegen die pacta tertiis-Regel deshalb zu verneinen, weil die NMFT-Klausel nicht jurisdiktionserweiternd wirkt, sondern die Hafenstaaten, die Partei des jeweiligen Übereinkommens sind, lediglich verpflichtet, unter bestimmten Umständen von den ihnen aufgrund ihrer territorialen Souveränität zuste705 Vgl. Art. 5 (4) MARPOL: „With respect to the ship of non-Parties to the Convention, Parties shall apply the requirements of the present Convention as may be necessary to ensure, that no more favourable treatment is given to such ships.“ Die NMFT-Klausel ist bis auf die COLREG-Konvention, die das Instrument der PSC nicht kennt, mittlerweile in allen Schiffssicherheitsinstrumenten enthalten. Siehe Art.II (3) SOLAS, Prot. 1978, Art. I (3) SOLAS Prot. 1988, Art. I (3) LL Prot. 88, Art. X (5) STCW und Art. 4 (1) ILO No. 147. Impliziet liegt das Nichtbegünstigungsprinzip auch Art. 22 LL 66 und Regel I/20 SOLAS zugrunde: „The privileges of the present Convention may not be claimed in favour of any ship unless it holds appropriate valid certificates.“ Ein „major privilege“ des Übereinkommens ist natürlich die prinzipielle Beschränkung der PSC auf die Zeugnisprüfung. 706 Ausführlich dazu Ilg, Die Rechtsetzungstätigkeit der International Maritime Organization, S. 133–136, Wolfrum, Recht der Flagge und „Billige Flaggen“: Neuere Entwicklungen im Völkerrecht, BDGVR 31 (1990), S. 140, Lagoni, Der Hamburger Hafen, die internationale Handelsschifffahrt und das Völkerrecht, AVR 26 (1988), S. 342, ders., die Abwehr von Gefahren für die marine Umwelt, in BDGVR 32 (1992), S.141 und König, Durchsetzung internationaler Bestands- und Umweltschutzvorschriften auf Hoher See im Interesse der Staatengemeinschaft, S. 168 f.

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henden Befugnissen auch gegenüber Drittlandsschiffen Gebrauch zu machen 707. Sie ist aber gerade nicht die Rechtsgrundlage für die durchgeführten Kontrollmaßnahmen. Die Auswirkungen der NMFT-Klausel auf Drittstaaten sind damit rein faktischer Natur (Rechtsreflex) und ergeben sich daraus, dass Staaten miteinander Handel treiben. Kein Drittlandsschiff wird gezwungen, den Hafen einer Übereinkommenspartei anzulaufen. Ziel der NMFT-Klausel war denn auch nie, die Jurisdiktion des Hafenstaates zu erweitern, sondern der Schutz der Wettbewerbsfähigkeit der Flaggenstaaten: Es sollte verhindert werden, dass Schiffe aus den Flaggen der Übereinkommensparteien fliehen 708. Zugleich wurde durch die Klausel aber auch ein wirtschaftlicher Druck auf Nichtvertragsstaaten ausgeübt, die entsprechenden IMO-Übereinkommen zu ratifizieren, weil ihre Schiffe die erforderlichen Zeugnisse nicht vorweisen konnten und deshalb mit längeren Liegezeiten in den Häfen von Vertragsstaaten rechnen mussten. Derartige aus einer Nichtmitgliedschaft resultierenden wirtschaftlichen Nachteile dürften ein wesentlicher Grund für die weltweite Geltung der IMOÜbereinkommen sein. Die Bedeutung der NMFT-Klausel als Instrument der Verhaltenssteuerung und Wirkungssteigerung technischer Übereinkommen kann daher gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Zusammenfassend kann damit festgehalten werden, dass die Hafenstaatskontrolle grundsätzlich ein geeignetes Instrument ist, um auf den Ausfall des Flaggenstaates in der Schiffssicherheit zu reagieren und internationale Schiffssicherheitsstandards durchzusetzen. Weil kein Staat alle Schiffe in seinem Hafen überprüfen kann, die PSC also ihrer Natur nach zufällig ist, vermag sie eine verhaltenssteuernde Wirkung freilich nur zu erzeugen, wenn sie regional koordiniert ausgeübt wird. Zudem lassen sich nur so Wettbewerbsverzerrungen vermeiden. Die technischen Konventionen und die in ihnen enthaltene NMFT-Klausel sind weder Rechtsgrundlage für die Kontrolltätigkeit des Hafenstaates noch verpflichten sie ihn, Überprüfungen durchzuführen. Entscheidet sich ein Hafenstaat, die internationalen Standards durchzusetzen, schreiben sie ihm aber das Wie dieser Überprüfungen und die bei Mängeln zu ergreifenden Maßnahmen vor. 3. Blacklisting, Banning und Auslaufverbote bei Schlechtwetter Eng mit der PSC verbunden sind wirtschaftliche Steuerungsinstrumente wie das Blacklisting oder Banning von Schiffen, die im Rahmen der Hafenstaatskontrolle auffällig geworden sind 709. Sie sind in den technischen Konventionen nicht vorgesehen, können aber grundsätzlich auf die umfassenden Regelungs- und DurchsetÄhnlich Hakapää, Marine Pollution, S. 113 und Handl, Regional Arrangements, S. 223. Molenaar, Coastal State Jurisdiction over Vessel-Source Pollution, S. 120. 709 Der Rotterdamer Hafen führt darüber hinaus ein sog. environmental indexing in Form eines Systems sog. green awards durch, vgl. IMO Doc. MEPC 40/16/2. 707 708

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zungsbefugnisse eines Staates über seine inneren Gewässer gestützt werden, sofern sie unter strenger Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes diskriminierungsfrei ausgeübt werden und im Rahmen von Anlaufbedingungen vorgeschrieben werden. Die Staaten der Pariser Hafenkontrollvereinbarung verbieten beispielsweise Öltankern, die auf der schwarzen Liste des MOU besonders auffälliger Flaggen stehen und in den letzten 24 Monaten mehr als zweimal in einem Hafen des Memorandums festgehalten wurden, das Einlaufen in ihre Häfen710. Problematischer, weil weder in den technischen Konventionen noch in den Kontrollvereinbarungen vorgesehen, sind Auslaufverbote bei außergewöhnlich ungünstigen Wetterbedingungen wie sie von der EG-Kommission, letztlich erfolglos, in Reaktion auf die Erika-Katastrophe vorgeschlagen wurden 711. Sie verlagern die Verantwortung vom Kapitän auf die Hafenbehörden, die dafür im Unterschied zur Schiffssicherheit keinen Kriterienkatalog haben. Es besteht deshalb die Gefahr stark divergierender Entscheidungen oder gar des Missbrauchs 712. Nach Art. 211 (3) SRÜ ordnungsgemäß als Anlaufbedingung bekannt gemacht und nicht-diskriminierend angewendet, sind Auslaufverbote bei Schlechtwetter aber gleichwohl völkerrechtlich zulässig 713. Jedem Schiff steht es frei, einen solchen Hafen anzulaufen. 4. Ergebnis Obwohl von der Montego-Bay-Konvention vom Sonderfall des Art. 218 SRÜ abgesehen eher stiefmütterlich behandelt, hat sich der Hafenstaat in der Praxis zum wichtigsten Akteur in der Schiffssicherheit entwickelt. Ihm stehen mit der einseitigen Verschärfung von CDEM-Standards, Hafenstaatskontrolle und banning eine Vielzahl von Werkzeugen zur Verfügung, um auf Substandardschiffe zu reagieren. All diesen Instrumenten ist freilich gemein, dass sie nur regional koordiniert ausgeübt eine Steuerungswirkung zu entfalten vermögen. Einseitig in Form von Hafenanlaufbedingungen aufgestellte CDEM-Standards scheinen zwar grundsätzlich nach der Montego-Bay-Konvention zulässig zu sein, gefährden aber das auf universelle Geltung ausgerichtete SRÜ-Regime. In der Staatenpraxis haben bisher lediglich die USA auf dieses Instrument zurückgegriffen.

C. Regionale Schutzmaßnahmen Gerade im Umweltbereich sind neben globalen, die grenzüberschreitende Verschmutzung adressierenden, aber oft nur auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner Abschnitt 3.10.5 iVm Anlage 3 Abschnitt A Paris MOU. Art. 15 Entwurf Schiffsmelderichtlinie, KOM(2000) 802 endg., S. 28 ff. 712 Kritisch deshalb Lagoni, Vorsorge gegen Schiffsunfälle im Küstenvorfeld, S. 292. 713 Jedenfalls dann, wenn man sich auf den Standpunkt stellt, dass die technischen Konventionen nicht abschließend sind. Dazu bei der Regelungstätigkeit der Europäischen Gemeinschaft. 710 711

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erzielbaren Instrumenten regionale Regelungen erforderlich, die den spezifischen ökologischen Besonderheiten eines Gebietes passgenau Rechung tragen. Auf regionaler Ebene kann regelmäßig schneller und schärfer agiert werden, weil nur wenige Staaten mit häufig gemeinsamen wirtschaftlichen und politischen Interessen sowie gleicher ökologischer Betroffenheit 714 unter einen Hut gebracht werden müssen. Im Idealfall komplementieren regionale Regelungen ein globales Regime, dass sich darauf beschränkt, den Regelungsrahmen zu ziehen, seine konkrete Ausgestaltung, Kontrolle und institutionelle Verfestigung aber der regionalen und nationalen Ebene überlässt. Auch die Montego-Bay-Konvention geht bei der land- oder luftverursachten Verschmutzung und beim Dumping von weltweiten und regionalen Regeln, Standards und empfohlenen Gebräuchen und Verfahren zur Verhütung, Verringerung und Überwachung solcher Verschmutzungen aus, vgl. Art. 207 (3), (4), 212 (3) u. 210 (4) SRÜ. In der Seeschifffahrt sind regionale Standards, die strenger als die globalen Regeln sind, freilich höchst problematisch, denn Kommunikationsfreiheit und freier Welthandel erfordern eine weltweit einheitliche Regelung dieser globalen Aktivität. Die Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens zum Schutz der marinen Umwelt vor Verschmutzung durch Schiffe bilden daher in vielerlei Hinsicht eine Ausnahme zu den anderen Vorschriften in Teil XII SRÜ. Die wichtigste davon ist die Delegation materieller Normerzeugungsmacht an die IMO oder eine allgemeine diplomatische Konferenz durch den Gebrauch von Referenzbestimmungen, denn hierdurch sollen die weltweite Einheitlichkeit der Schifffahrtsstandards gesichert und regionale Sonderregeln grundsätzlich ausgeschlossen werden, wenn sie nicht auf die eine oder andere Weise durch die internationale Ebene konsentiert sind. Trotz der globalen Ausrichtung des Schifffahrtsrechts gibt es auch in der Seeschifffahrt zahlreiche regionale Regime mit einem unterschiedlichen Grad an institutioneller Verfestigung. Sie sind allerdings vornehmlich auf die Schadenseindämmung gerichtet, d. h. sie regeln die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung, Notfallplanung und Überwachung bereits eingetretener schiffsbedingter Verschmutzungen 715 und greifen somit nicht in die Schifffahrtsfreiheit ein. Für den vorliegenden Untersuchungsgegenstand sind sie ohne Belang. Allerdings gibt es auch regionale 714 Man denke nur an die Anliegerstaaten umschlossener oder halbumschlossener Meere. Nach Art. 123 (1) S. 1 SRÜ sollen sie bei der Ausübung ihrer Rechte und der Erfüllung ihrer Pflichten aus dem SRÜ zusammenarbeiten. Zu diesem Zweck bemühen sie sich unmittelbar oder im Rahmen einer geeigneten regionalen Organisation, die Ausübung ihrer Rechte und die Erfüllung ihrer Pflichten hinsichtlich des Schutzes und der Bewahrung der Meeresumwelt zu koordinieren, Art. 123 (1) S. 2 (b) SRÜ. 715 Vgl. z. B. das Übereinkommen zur Zusammenarbeit der Nordseestaaten bei der Bekämpfung der Verschmutzung der Nordsee durch Öl und andere Schadstoffe (Bonn-Übereinkommen) oder den Accord of Cooperation for the Protection of the Coast and Waters of the NorthEast Atlantic against Pollution due to Hydrocarbons or Other Harmful Substances, Lisabon, 17.10.1990, noch nicht in Kraft getreten, ILM 30 (1991), 1231 sowie auf bilateraler Ebene das Agreement Concerning Protection of the Sound from Pollution, signed by Denmark and Sweden, Kopenhagen, 05.04.1974, in Kraft getreten am 13.12.1974, UNTS 1272, 420.

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Übereinkommen und Vereinbarungen, die sich mit der Schiffssicherheit befassen. Im Folgenden geht es darum v. a. mit Blick auf Ostsee, Nordsee und Mittelmeer, die Rolle dieser regionalen Instrumente in der Schiffssicherheit zu klären. Von besonderem Interesse ist dabei, welche Spielräume das SRÜ/IMO-Regime regionalen Schiffssicherheitsregelungen mit Wirkung für Schiffe unter Dritter Flagge gewährt und ob diese Spielräume gewahrt werden oder ob auf regionaler Ebene ein über die globalen Standards hinausgehendes, die Schiffssicherheit dezentralisierendes und damit das Montego-Bay-Regime langfristig schwächendes Regelwerk geschaffen wird 716. Der wichtigste regionale Akteur ist in diesem Zusammenhang sicherlich die Europäische Gemeinschaft. Wegen ihrer supranationalen Besonderheit bleibt sie hier aber zunächst ausgeblendet.

I. Vereinbarkeit regionaler Schiffssicherheitsstandards mit dem SRÜ Offensichtlich geht es bei der Vereinbarkeit regionaler Schiffssicherheitsstandards mit dem SRÜ nicht um die Frage, ob regionale Organisationen nach dem Seerechtsübereinkommen befugt sind, Schiffen unter der Flagge ihrer Mitgliedstaaten Regeln und Standards vorzuschreiben, die strenger als das Internationale Regelwerk sind. Es wurde mehrfach dargelegt, dass GAIRAS für die Flaggenstaaten lediglich Mindeststandards sind, die sie ohne weiteres überschreiten dürfen, vgl. Art. 211 (2) SRÜ. Dazu können sie sich selbstverständlich auch in einem regionalen Übereinkommen verpflichten. Ein solches Vorgehen wird regelmäßig in umschlossenen und halbumschlossenen Meeren sinnvoll sein, wo die überwiegende Zahl der Schiffe unter der Flagge der Anliegerstaaten fährt. Das Problem regionaler Standards liegt vielmehr darin begründet, ob sie, diskriminierungsfrei angewendet (Art. 227 SRÜ), auch Schiffe erfassen können, die unter der Flagge eines Staates fahren, der nicht zur Region gehört. Lässt man eisbedeckte Gebiete außer Betracht, ist dies grundsätzlich in drei Fällen möglich: – Bei Schiffen auf friedlicher Durchfahrt durch das Küstenmeer, wenn die regionalen Standards keine CDEM-Regeln sind. – Bei Schiffen im Küstenmeer, die sich im Hafenanlauf befinden, scheint das SRÜ im Rahmen von Hafenanlaufbedingungen auch regionale CDEM-Standards zuzulassen, vgl. Art. 211 (3) SRÜ. – Bei Schiffen in der AWZ können die Küstenstaaten regionale Standards, die strenger als GAIRAS sind, nur in SRÜ-Sondergebieten nach Art. 211 (6) SRÜ mit Zustimmung der IMO verbindlich machen. Hiervon ist die Konstellation zu un716 Neues Völkerrecht entsteht eben auch durch den Bruch alten Völkerrechts. Einen statischen Zustand gibt es nicht. Deshalb wird im Folgenden bei der Analyse regionaler Instrumente, die ja häufig ihrerseits Völkerrecht sind, nicht von Völkerrechtswidrigkeit gesprochen, sondern nach der SRÜ-Konformität des jeweiligen regionalen Instrumentes gefragt.

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terscheiden, dass die Küstenstaaten in ihrer AWZ GAIRAS Wirksamkeit verleihen, die ihrerseits aus Gebietsschutzgründen regionale Sonderregeln enthalten, wie dies bei den verschärften MARPOL-Einleitungsstandards für Sondergebiete der Fall ist. Mit von der internationalen Ebene unabhängigen, durch die Staaten der Region selbst geschaffenen regionalen Standards hat dies nichts zu tun, denn die regionale Sonderregelung wird durch die globale technische Konvention angeordnet. In all diesen Fällen werden die Schiffe freilich nicht über die Flaggenhoheit, sondern aufgrund der Jurisdiktion des Küstenstaates zur Einhaltung bestimmter Schiffssicherheitsstandards verpflichtet und es macht völkerrechtlich keinen Unterschied, ob ein Küstenstaat von seiner Regelungsbefugnis im nationalen Alleingang Gebrauch macht oder im Konzert mit anderen Staaten, weil ihn eine regionale Konvention dazu verpflichtet. Vom Sonderfall der SRÜ-Sondergebiete abgesehen, wären regionale Standards damit in der AWZ grundsätzlich nicht SRÜ-konform. Für CDEM-Standards gälte dies wegen Art. 21 (2) SRÜ auch für das Küstenmeer. Anders wäre freilich zu entscheiden, wenn regionale Standards unter bestimmten Umständen als GAIRAS qualifizieren könnten. Diese Überlegung wirkt zunächst wie ein Widerspruch in sich, denn wie mehrfach ausgeführt wurde, ist es gerade das Ziel der Referenzbestimmungen, die weltweite Einheitlichkeit der Schifffahrtsstandards zu sichern. Dieser Primat der internationalen Ebene wird auch klar in Art. 211 (1) SRÜ zum Ausdruck gebracht, der die Staaten allgemein verpflichtet (shall), im Rahmen der zuständigen internationalen Organisation oder einer allgemeinen diplomatischen Konferenz internationale Regeln und Standards zur Verhütung, Verringerung und Überwachung der Verschmutzung der Meeresumwelt durch Schiffe aufzustellen. Dennoch scheint es nach der Montego-Bay-Konvention zumindest nicht a priori ausgeschlossen zu sein, dass regionale Organisationen GAIRAS schaffen könnten, denn in Art. 21 (2) SRÜ und Art. 211 (6) (c) S. 2 HS 1 SRÜ fehlt der Zusatz established through the competent international organization or general diplomatic conference, der normalerweise der Bezugnahme auf die generally accepted international rules and standards folgt, vgl. Art.211(2) u. (5) SRÜ. Ähnlich ist die Situation bei den Durchsetzungsbefugnissen. Hier ist nur in Art. 217 (1), 218 (1) SRÜ von AIRAS established through the competent international organization or general diplomatic conference die Rede, nicht aber in Art. 219 u. 220 SRÜ 717. Bei einer rein am Wortlaut orientierten Auslegung könnte man daher durchaus zu dem Schluss gelangen, dass auch regionale Organisationen im Fall der Art.21 (2) u. 211(6) (c) SRÜ GAIRAS setzen können 718. Eine solche Auslegung würde freilich nicht nur dem Telos der Refe717 Auch in Art. 42 (1) (b) SRÜ fehlt die Bezugnahme auf die IMO. Nach der hier vertretenen Ansicht regelt Art. 42 (1) (b) SRÜ aber trotz seines Wortlautes (applicable international regulations) die Regelungs- und nicht die Durchsetzungsbefugnis der Meerengenanliegerstaaten. 718 In Bezug auf Art. 220 SRÜ stellt der Commentary, Bd. IV, S. 302 fest, dass davon auszugehen sei, dass die Bezugnahme auf die IMO absichtlich unterblieben ist und dass deshalb

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renzbestimmungen, weltweit uniforme Standards für die Verhütung der Umweltverschmutzung durch Schiffe zu schaffen, zuwiderlaufen und die IMO schwächen, sondern zudem zu völlig sinnwidrigen Ergebnissen führen. Denn Art. 21 (2) SRÜ statuiert das mit Blick auf die Kommunikationsfreiheit besonders wichtige Verbot einseitig nationaler CDEM-Standards im Küstenmeer. Die Schifffahrtsfreiheit ist aber erst recht gefährdet, wenn für das Küstenmeer einer ganzen Meeresregion nicht-globale CDEM-Regeln erlassen werden. Da ein Schiff diese Standards während seiner Reise nicht verändern kann, würde es ihm wenig nützen, wenn es in der AWZ zwar nur die global geltenden Standards befolgen müsste, aber nie die Küste erreichen könnte, weil es die regionalen CDEM-Standards nicht befolgt. Auch sieht die Montego-Bay-Konvention, anders als beispielsweise beim Dumping (Art. 210 (4) SRÜ), bei der Umweltverschmutzung durch Schiffe explizit gerade keine Rolle für regionale Regeln vor. Die allgemeine Verpflichtung der Staaten zur Zusammenarbeit aus Art. 197 SRÜ auch auf regionaler Ebene kann jedenfalls nicht als Kompetenzgrundlage herangezogen werden, denn danach müssen solche Regeln ja gerade mit dem SRÜ übereinstimmen 719. Die Befugnis regionaler Organisationen, CDEM-Standards zu erlassen, wird daher gemeinhin abgelehnt 720. Letztlich ist dieses Problem aber ohnehin eher theoretischer Natur, denn die Regeln einer regionalen Organisation müssten ja wirklich generally accepted sein. Dies wäre gerade dann nicht der Fall, wenn eine kleine Gruppe von Staaten versuchte, ihre eigenen, strengeren Standards Schiffen unter der Flagge dritter Staaten aufzuzwingen. Denkbar wäre allenfalls, dass zunächst die Staaten einer Region Schiffen unter ihrer Flagge die Befolgung bestimmter Standards vorschrieben und dass diese Standards dann allmählich freiwillig auch von Drittstaaten übernommen werden würden und so eine weitverbreitete und repräsentative Beteiligung von Staaten, „while the practical effect may not be very great, it does open the possibility of localized arrangements accepted by the flag State, provided that they are not incompatible with this Convention, but for these to be generally effective and ‚applicable‘ it would appear that some form of acceptance by outside States would be required, under the general rules of international law coming within the rubric of res inter alios acta.“ Siehe auch Molenaar, Coastal State Jurisdiction over Vessel-Source Pollution, S. 158–161. 719 Gleiches gilt für Art. 123 SRÜ, der auf die Regelungsbefugnis der Anliegerstaaten umschlossener oder halbumschlossener Meere nicht eingeht. Auch hier betrifft die Zusammenarbeit Rechte und Pflichten „under this Convention“. 720 Während der Beratungen der 70. Sitzung des IMO-Rechtsausschusses über Sicherheitsstandards für Fischereischiffe herrschte unter den Staatenvertretern allgemeines Einvernehmen darüber, dass die GAIRAS in Art. 21 (2) SRÜ „can only be adopted by the competent international organization, in this case IMO, or by a diplomatic conference convened by IMO“, IMODoc. LEG 70/10, Ziff. 92. Der Commentary, Bd. II, S. 202 (unterschiedliche Autoren) ist der Ansicht, dass Art.21 (2) SRÜ aufgrund seines Kontextes lediglich die IMO meinen kann. Siehe auch Göransson, Regional Safety Standards for Ro-Ro Passenger Ferries – Some Legal Concerns, in: Ringbom (Hrsg.), Competing Norms in the Law of Marine Environmental Protection, S. 191 und das DOALOS-Dokument, „Competent or relevant international organizations“ under UNCLOS, abgedruckt in: LOSB 31 (1996), S.79, das bei Art. 21, 211, 219 u. 220 SRÜ ausschließlich auf die IMO Bezug nimmt.

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deren Interessen besonders berührt sind, an der regionalen Regelung entstände. Da hierbei immer eine gewisse Zeit vergehen wird, könnten Regeln regionalen Ursprungs von den Küstenstaaten also niemals sofort und automatisch als GAIRAS für Schiffe unter Drittflagge verbindlich gemacht werden 721. Wegen der Wettbewerbsnachteile, die strengere regionale Standards mit sich bringen, kann zudem auch nicht davon ausgegangen werden, dass ein dritter Staat solche Standards zügig übernähme. Vielmehr ist angesichts der zur Zeit sehr großen Regelungsgeschwindigkeit der IMO und der allgemeinen Überzeugung unter den Staatenvertretern, dass Schifffahrtsfragen ausschließlich im Rahmen der Organisation zu behandeln sind, davon auszugehen, dass die IMO eigene, ebenso strenge Standards angenommen haben würde, bevor sich eine regionale Regelung zu einer allgemein anerkannten Norm entwickeln kann. Das Problem, ob auch nicht von der IMO angenommene Schiffssicherheits- oder Einleitungsstandards GAIRAS sein können, stellt sich damit in der Praxis nicht. Jedenfalls können die Mitgliedstaaten einer regionalen Organisation nicht einfach IMO-Standards verschärfen und diese mit der Begründung auf Schiffe unter Drittflagge anwenden, dass es sich dabei um allgemein anerkannte Regeln und Standards handele. Schreibt eine regionale Konvention Schiffen unter der Flagge von Drittstaaten dennoch regionale Standards vor, die strenger als das internationale Regelwerk sind, beispielsweise eine Lotsenpflicht auch außerhalb der 12-Seemeilen-Grenze oder eine doppelte Hülle mit kürzeren als den in Regel I/13G MARPOL vorgesehenen Übergangsfristen, so liegt darin ein Verstoß gegen die pacta-tertiis-Regel, Art. 34 WVK. Der Drittstaat wird an diese regionalen Standards ohne seine Zustimmung nicht gebunden. Auf die speziellen Seerechtlichen Kollisionsklauseln der Art. 311 u. 237 SRÜ kommt es in diesem Fall gar nicht an. Diese Regeln betreffen nämlich nur das Innenverhältnis der (Küsten-)Staaten, die sowohl durch das SRÜ als auch durch das regionale Übereinkommen verpflichtet werden. Hieran fehlt es im Außenverhältnis ja bereits, weil wegen Art. 34 WVK das regionale Übereinkommen für den Drittstaat ohne dessen Zustimmung gar keine Pflichten begründen kann. Ein Küstenstaat, der sowohl Partei des Seerechtsübereinkommens als auch einer regionalen Konvention ist, die ihn zwingt regionale Standards auch gegenüber Drittschiffen durchzusetzen, gerät in das Dilemma, in jedem Fall einen Völkerrechtsbruch begehen zu müssen, denn seine Verpflichtung aus dem regionalen Übereinkommen ist 721 Zwar stellte der IGH im Nordseefestlandsockelfall (ICJ Reports 1969, S. 43) für die Herausbildung einer Norm des Völkergewohnheitsrechts fest, dass eine länger andauernde Übung (un usage immemorial) nicht erforderlich ist („the passage of only a short period of time is not necessarily, or of itself, a bar to the formation of a new rule of customary international law on the basis of what was originally a purely conventional rule“). Entscheidend sei vielmehr, ob die Praxis „extensive und virtually uniform“ war, da in Art. 38 (1) (b) IGHSt über die Dauer der notwendigen Übung nichts ausgesagt wird. Doch wird das temporale Element damit nicht fallengelassen, da jede Übung einer gewissen Zeit ihrer Ausführung bedarf. Ein instant custom ist damit ein Unding, da es ein auf der Übung beruhendes Recht ohne Übung nicht geben kann, vgl. Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht § 571.

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nicht mit dem SRÜ vereinbar, weil sie andere Staaten in dem Genuss ihrer Rechte aus der Montego-Bay-Konvention beeinträchtigt 722. Entweder verstößt er gegen das SRÜ oder das regionale Übereinkommen. Aus diesem Grunde enthalten die regionalen Konventionen regelmäßig Klauseln, die den Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens im Kollisionsfall den Vorrang einräumen. Zusammenfassend kann damit festgehalten werden, dass regionale Standards Schiffe, die nicht zur Region gehören, nur in sehr eingeschränktem Maße erfassen können. Denn regionale Übereinkommen können wegen Art. 34, 41 (1) (b) WVK, 311 (2) u. (3) SRÜ stets nur inter se wirken, die Jurisdiktion der Küstenstaaten aber nicht mit Wirkung gegenüber dritten Staaten erweitern. Durch eine regionale Konvention können die Staaten damit lediglich verpflichten werden, die ihnen nach der Montego-Bay-Konvention zustehenden Befugnisse gemeinsam auszuüben. Zwar schließt der Wortlaut des Art. 21 (2) SRÜ nicht aus, dass auch regionale Organisationen GAIRAS setzen können, die dann wegen der Referenzbestimmung des SRÜ auch für Schiffe unter dritter Flagge gelten. Unabhängig davon, ob eine solche Auslegung dem Regelungszweck des Art. 21 (2) SRÜ gerecht würde, ist aber eine Erstarkung regionaler Standards zu GAIRAS in der Praxis so gut wie ausgeschlossen.

II. Pariser Vereinbarung über die Hafenstaatskontrolle Nicht die konzertierte Schaffung regionaler Standards, sondern die effektive und harmonisierte Durchsetzung existierender internationaler Regeln ist das Ziel des Paris Memorandum of Understanding on Port State Control (Paris MOU), dem neben der Flaggenstaatskontrolle wohl wichtigsten Schiffssicherheitsinstrument. 1. Inhalt Die Pariser Vereinbarung über die Hafenstaatskontrolle ist ein regionales Ressortabkommen, das die Zusammenarbeit der Schifffahrtsbehörden koordiniert und intensiviert. Es wurde 1982 in Reaktion auf den Untergang der Amoco Cadiz 1978 vor der französischen Küste zwischen den Schifffahrtsbehörden der EG-Staaten sowie Finnlands, Norwegens und Schwedens geschlossen, nicht zuletzt auch, um einem Tätigwerden der EG in diesem Bereich zuvorzukommen 723. Seine Bestimmungen wurden seitdem mehrfach geändert und insbesondere auf Druck der Europäischen 722 Art. 311 (2) SRÜ. Sieht man wegen Art. 311 (5) SRÜ den Art. 237 (2) SRÜ in diesem Fall als lex specialis an, so ergibt sich nichts anderes, denn auch nach den allgemeinen Grundsätzen und Zielen des SRÜ dürfen andere Vertragsstaaten nicht in dem Genuss ihrer Rechte oder in der Erfüllung ihrer Pflichten aus dem SRÜ beeinträchtigt werden. 723 Kasoulides, Port State Control and Jurisdiction. Evaluation of the Port State Regime, S. 145–149.

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Kommission verschärft 724. In seiner aktuellen Fassung vom Mai 2004 (in Kraft getreten am 01.07.2004) berücksichtigt der Text des Memorandums vollständig das Schiffssicherheitsrecht der Gemeinschaft, so dass Widersprüche zwischen MOU und EG-Recht ausgeschlossen sind 725. Das MOU ersetzt das ältere Haager Memorandum aus dem Jahr 1978, das sich bereits beim Inkrafttreten aufgrund seiner viel zu allgemeinen Überwachungsverfahren und dem lediglich alle zwei Jahre stattfinden Informationsaustausch als unzureichend im Kampf gegen Substandardschiffe erwiesen hatte 726. Mittlerweile gehören der Pariser Kontrollvereinbarung mit den Schifffahrtsbehörden Belgiens, Dänemarks, Deutschlands, Finnlands, Frankreichs, Griechenlands, Irlands, Islands, Italiens, Kanadas, Kroatiens, der Niederlande, Norwegens, Polens, Portugals, der Russischen Föderation, Schwedens, Sloweniens, Spaniens und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland 20 europäische und nordatlantische Staaten an. Sie ist zum Vorbild für sieben weitere durch die IMO geförderte, aber längst nicht so wirksame und noch im Aufbau befindliche Kontrollvereinbarungen für den lateinamerikanischen Raum (1992 Acuerdo de Viña Del Mar Agreement), den asiatisch-pazifischen Raum (1993 Tokyo MOU), die Karibik (1996 Caribbean MOU), das Mittelmeer (1997 Mediterranean MOU), den Indik (1998 Indian Ocean MOU), den west- und zentralafrikanischen Raum (1999 Abuja MOU) und die Schwarzmeerregion (2000 Black Sea MOU) geworden 727. Rechtstechnisch sind diese Vereinbarungen bloßes soft law. Dies zeigt sich an ihrer Bezeichnung als memorandum of understanding/memorandum d’entente, dem nicht verbindlichen Sprachgebrauch (durchgehende Verwendung des Wortes will anstelle von shall) 728, an der Tatsache, dass es zwischen Schifffahrtsbehörden und nicht zwischen Staaten geschlossen wurde, der unterlassenen Registrierung der Vereinbarung bei der UNO (Art. 102 UNC, 80 WVK) und an dem Konsens unter den teilnehmenden Staaten über die rechtliche Unverbindlichkeit des Instruments 729. 724 Nach Abschn. 6.1 PMOU gehört die EG-Kommission dem Komitee des MOU an. Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf die Vereinbarung in ihrer durch das 26. Amendment vom 14.05.2004 geänderten Fassung. Der konsolidierte Text findet sich auf der Web-Seite des Paris MOU (http://www.parismou.org). 725 Von den Mitgliedstaaten des Pariser MOU gehören lediglich Island, Kanada, Kroatien, Norwegen und Russland nicht der EU an. 726 Ziel des Hague Memorandum of Understanding on Port State Control war es die Einhaltung internationaler Übereinkommen, hauptsächlich der ILO-Konvention Nr. 147 durch fremde Schiffe in den Häfen der Vertragsstaaten sicherzustellen. Dazu Payoyo, Port State Control in the Asia-Pacific. An International Legal Study of Port State Jurisdiction, S. 69–76. 727 Umfassend dazu Keselj, Port State Jurisdiction in Respect of Pollution from Ships: The 1982 United Nations Convention on the Law of the Sea and the Memoranda of Understanding, in: ODIL 30 (1999), S. 127–160. 728 Vgl. z. B. Präambel PMOU: „have reached the following understanding“ u. Abschn. 1 PMOU: „Commitments“ sowie Abschn. 8.4 PMOU: „The Memorandum will take effect on 1 July 1982.“ 729 Molenaar, EC Directive on Port State Control in Context, IJMCL 11 (1996), S. 244–246. Beachte allerdings, dass für die EG-Staaten die Bestimmungen des PMOU über RL 95/21/EG

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Der Effektivität des Paris MOU hat die fehlende rechtliche Verbindlichkeit allerdings keinen Abbruch getan. Ziel des Pariser Memorandums ist neben einer Verstärkung der Schiffssicherheit, dem Schutz der Meeresumwelt sowie einer Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen an Bord die Beseitigung von Wettbewerbsverzerrungen, die sich aus einer unterschiedlichen Kontrolltätigkeit der Hafenstaaten ergibt 730. Der Vereinbarung liegt die simple Überlegung zugrunde, dass kein Staat über die personellen Mittel verfügt, um alle in seine Häfen einlaufenden Schiffe fremder Flagge zu kontrollieren und dass es deshalb erforderlich ist, die Überprüfungen in den einzelnen Staaten zu koordinieren, um mehr Schiffe mit den zur Verfügung stehenden begrenzten Mitteln nach einheitlichen, Wettbewerbsgleichheit garantierenden Verfahren überwachen zu können, Doppelkontrollen zu vermeiden und die Operationskosten zu senken. Substandardschiffe sollen so aus den Häfen der Memorandumsstaaten und damit de facto aus der gesamten Region verbannt werden. Wesentliche Bestandteile der Vereinbarung sind deshalb nicht nur ein reger Datenaustausch über das SIReNaC-Informationssystem der Vereinbarung 731, einheitliche Prüfverfahren und Regeln für die Mängelbeseitigung und das Festhalten von Schiffen, sondern auch Mindestanforderungen an die Qualifikation der Hafenstaatskontrollbeamten, Abschn. 3.8. iVm Anl. 7 PMOU. In organisatorischer Hinsicht verfügt das MOU über ein Komitee, das sich aus je einem Vertreter der nationalen Behörden und der EG-Kommission zusammensetzt. IMO und ILO können Beobachter entsenden. Der Ausschuss trifft sich mindestens einmal pro Jahr, veranstaltet Seminare, erstellt Richtlinien und befasst sich mit allen Fragen im Zusammenhang mit der Durchführung und der Wirksamkeit der Vereinbarung; insbesondere beschließt er mit Zweidrittelmehrheit Änderungen des Übereinkommens. Er wird durch ein in Den Haag ansässiges Sekretariat unterstützt, Abschn. 6 u. 7.2 PMOU. Mit dem Pariser Memorandum werden keine neuen Befugnisse für die Hafenstaaten geschaffen, sondern die Behörden der Vereinbarung setzen sich lediglich zum Ziel (will achieve), jährlich 25 % der Schiffe in ihren Häfen auf die Einhaltung der in Abschn. 2.1 PMOU genannten einschlägigen technischen Konventionen, die sog. relevant instruments, zu überprüfen, Abschn. 1.3 PMOU. Dies sind LL 66, LL Prot. 88, SOLAS 74, SOLAS Prot. 78, SOLAS Prot. 88, MARPOL 73/78, STCW rechtlich verbindlich sind und von der EG-Kommission im Wege des Vertragsverletzungsverfahrens (Art. 230 EGV) durchgesetzt werden können. 730 6. Erwägungsgrund Präambel PMOU. 731 Nach Abschn. 4 iVm Anlage 4 PMOU übermittelt jede Behörde täglich in computerisierter Form Berichte über ihre Überprüfungen und deren Ergebnisse an das Département des Systèmes d’Information (DSI) der Direction Générale des Affaires Maritimes et des Gens de Mer (DAMGM) im französischen Verkehrsministerium, das die Datenbank des MOU beheimatet und betreibt. Das System ermöglicht auch die unmittelbare Kommunikation der Behörden untereinander. Darüber hinaus stellt DSI dem Sekretariat unter der Leitung des Committees Informationen für administrative und statistische Zwecke zur Verfügung.

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78, COLREG 72, Tonnage 69, ILO No. 147, ILO No. 147 Prot. 96 und CLC 1992. Die Kontrollen sind allerdings mit der Einschränkung durchzuführen, dass diese Übereinkommen oder ihre Änderungen in Kraft sind und der Staat der die Überprüfungen durchführenden Behörde der jeweiligen Konvention als Vertragspartei angehört, Abschn. 2.3 Paris MOU. Diese mit Blick auf das Nichtdiskriminierungsgebot zwischen Schiffen unter eigener und Schiffen unter fremder Flagge (Art. 227 SRÜ) rechtlich zwingende Bestimmung ist in ihren faktischen Auswirkungen nicht unproblematisch, weil sie insbesondere bei den nicht so verbreitet ratifizierten MARPOLAnlagen und der ILO-Konvention Nr. 147 die einheitliche Anwendung des internationalen Regelwerks verhindert und zu Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Häfen führt. Mit der (politischen) Verpflichtung der Staaten, 25 % der Schiffe in ihren Häfen zu überprüfen, unterscheidet sich das Pariser Memorandum erheblich von den technischen Konventionen und dem Seerechtsübereinkommen, nach denen die Entscheidung über das Ob der Kontrolle grundsätzlich im Ermessen des Hafenstaates steht. Die wichtigsten Vorschriften des Paris MOU sind neben der Bestimmung über die Anzahl der zu kontrollierenden Schiffe die Regeln über die Überprüfungsverfahren (inspection), die Mängelbeseitigung (rectification) und das Festhalten (detention) in Abschn. 3 PMOU. Diese sollen im Folgenden kurz dargestellt werden. Um von den zur Verfügung stehenden Verwaltungsressourcen in effektiver Weise Gebrauch zu machen, richtet sich die Auswahl der zu überprüfenden Schiffe bei der Pariser Hafenstaatskontrollvereinbarung nach einem komplexen System der sog. priority selection, d. h. den Schiffen wird vom SIReNaC-Informationssystem ein sogenannter Zielfaktor (target factor) zugeordnet, der darüber entscheidet, ob ein Schiff vorrangig zu überprüfen ist 732. Dieser Faktor hängt von einer ganzen Reihe im Laufe der Änderungen des Paris MOU immer mehr verfeinerter Faktoren, wie Schiffstyp und Schiffsalter (z. B. Öltanker, die älter als 15 Jahre sind), Klassifikationsgesellschaft, Flagge (Staat auf Black List) und Zeitpunkt der letzten Kontrolle in einem MOU-Hafen, ab 733. Ohne Berücksichtigung des Wertes des Zielfaktors sind dagegen u. a. Schiffe zu überprüfen (shall be considered as an overriding priority for inspection), von denen Lotsen oder Hafenbehörden Mängel gemeldet haben, die gefährliche Güter befördern und Meldepflichten nicht nachgekommen sind, die an einem Zusammenstoß beteiligt waren oder unkoordiniert oder sonst wie in unsicherer Art und Weise manövriert wurden und dabei von der IMO angenommene Maßnahmen der Schiffswegeführung nicht beachtet haben 734. Die Hafenstaatskon732 Vgl. Abschn. 3.2 PMOU: „The Authorities will ensure that an inspection in accordance with the provisions of section 3.1 is carried out on any ship not subject to expanded inspection with a target factor greater than 50 in the SIReNaC information system, provided that a period of at least one month has elapsed since the last inspection carried out in the region of the Memorandum.“ Siehe auch Abschn. 3.3, 3.7 u. 3.6 iVm Anl. 1 Abschn. 1 PMOU. 733 Vgl. Abschn. 3.6 iVm Anl. 1 Abschn. 1.2. 734 Abschn.3.6 iVm Anl.1 Abschn.1.1 PMOU. Beachte, dass nach Abschn. 1.5 PMOU „Each Authority, or any other body, as the case may be, will establish an appropriate procedure for pilot

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trolle hilft hier also auch der Durchsetzung küstenstaatlicher Schiffsmeldesysteme und -wegeführungen. Ist ein Schiff zur Überprüfung ausgewählt worden, so wird zunächst an Bord kontrolliert, ob es die nach den einschlägigen Übereinkünften erforderlichen Zeugnisse bei sich führt 735. Darüber hinausgehend überzeugen sich die Behörden nach Abschn. 3.1 S. 2 PMOU aber bereits bei der Erstüberprüfung, dass die Besatzung und der Gesamtzustand des Schiffes einschließlich des Maschinenraums und der Unterkunftsräume sowie die hygienischen Verhältnisse GAIRAS entsprechen, sog. superficial round of inspection. Wie bereits mehrfach festgestellt wurde, weicht diese Praxis von den technischen Konventionen ab, die die Kontrolle auf eine Überprüfung der Zeugnisse beschränken, sofern nicht eindeutige Gründe eine weitergehende Inspektion rechtfertigen. Schiffe eines Staates, der nicht Partei eines relevant instruments ist und die deshalb keine Zeugnisse mitführen, die den Beweis des ersten Anscheins für das Vorliegen vorschriftsmäßiger Bedingungen an Bord liefern, werden in Anwendung der NMFT-Klausel einer erweiterten Überprüfung unterzogen, Abschn. 2.4 iVm Anl. 1 Abschn. 3.1 PMOU. Werden bei der superficial round of inspection triftige Gründe (clear grounds) für die Annahme gefunden, dass der Zustand des Schiffes oder seiner Ausrüstung oder aber seine Besatzung im Wesentlichen nicht die Vorschriften einer einschlägigen Übereinkunft erfüllt, so wird das Schiff der gründlicheren Überprüfung (more detailed inspection) unterzogen 736. Bestimmte Schiffstypen, wie 15 Jahre alte Öltanker, sind in jedem Fall alle 12 Monate in einem Memorandumhafen der noch weitergehenden, erweiterten Überprüfung (expanded inspection) zu unterziehen, die auch eine Begehung der Ballasttanks einschließt 737. Beispiele für triftige Gründe nennt Abschn. 3.1 S. 4 iVm Anl. 1 Abschn. 4 PMOU, der mittlerweile mit den PPSC der IMO abgestimmt wurde. Während sich die Kontrollen in der Frühphase des Pariser MOU auf eine Überprüfung der CDEM-Standards konzentrierten und später auch Einleitungs- und Navigationsstandards erfassten, wird mittlerweile im Rahmen des MOU zur Beweissicherung in einem eigenen Abschnitt 5 (Operational violations) auch Verstößen gegen Vorschriften über die Führung und den Betrieb von Schiffen nach Regel 10 COLREG und MARPOL nachgegangen 738. Dies ist insoweit bemerkenswert, als COLREG selbst keine Bestimmungen über die Hafenstaatskontrolle enthält. services and port authorities to immediately inform the competent Authority of the port State, whenever they learn in the course of their normal duties that there are deficiencies which may prejudice the safety of the ship, or which may pose a threat of harm to the marine environment.“ 735 Abschn. 3.1 S. 1 iVm Anl. 1 Abschn. 2 PMOU. 736 Abschn. 3.1 S. 3 iVm Anl. 1 Abschn. 5 PMOU. 737 Abschn. 3.3 iVm Anl. 1 Abschn. 8 PMOU. 738 Siehe auch Abschn. 3.1 S.5 PMOU: „The Authorities will include control on compliance with on board operational requirements in their inspections.“ sowie Anl. 1 Abschn. 5.5 PMOU für die more detailed inspection.

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Werden im Rahmen der Überprüfung Mängel festgestellt, bemüht sich die Behörde, die Beseitigung der Mängel zu gewährleisten, Abschn. 3.9.1 PMOU. Dies kann während des Be- und Entladens geschehen, so dass das Schiff nicht länger im Hafen verbleiben muss als vorgesehen, sog. formal detention. Das Festhalten hat keinen Strafcharakter. Bei Mängeln, die eindeutig eine Gefahr für Sicherheit, Gesundheit oder Umwelt darstellen, hat die Behörde dafür zu sorgen, dass die Gefahr beseitigt wird, bevor dem Schiff gestattet wird, auszulaufen. Das Schiff kann festgehalten werden oder es kann ein förmliches Verbot ausgesprochen werden, einen Betriebsvorgang fortzusetzen, Abschn. 3.10.1 PMOU 739. Können die Mängel nicht im Hafen beseitigt werden, so kann die Behörde dem Schiff die Weiterfahrt zur nächstgelegenen geeigneten Reparaturwerft gestatten, sofern die vom Flaggenstaat mit Zustimmung des Hafenstaats hierfür festgelegten Bedingungen erfüllt werden, Abschn. 3.11 PMOU. Im Fall des Festhaltens sind unverzüglich die Verwaltung des Flaggenstaates und gegebenenfalls auch die Klassifikationsgesellschaft schriftlich und unter Übermittlung des Überprüfungsberichts zu benachrichtigen740. Verfügt das Schiff über kein ISM-Zeugnis, ist das Schiff ebenfalls festzuhalten. Werden bei der Überprüfung jedoch keine weiteren Mängel festgestellt, kann die Behörde die Festhalteverfügung aufheben, um eine Überlastung des Hafens zu vermeiden 741. Das wohl schärfste Instrument der Pariser Vereinbarung über die Hafenstaatskontrolle ist das banning. Es wurde besonders stark durch die EG-Hafenstaatskontrollrichtlinie geprägt, deren Vorgaben in die Vereinbarung aufgenommen wurden, um das MOU dem EG-Recht anzugleichen. Schiffen, die im Rahmen der Hafenstaatskontrolle in besonderem Maße auffällig geworden sind, wird von den Staaten der Vereinbarung unter bestimmten Umständen kollektiv der Zugang zu jedem ihrer Häfen verweigert. Dies sind zum einen Schiffe, denen zuvor gestattet wurde, den Hafen ohne ISM-Zeugnis zu verlassen, weil keine weiteren Mängel festgestellt wurden oder Schiffe, denen das Einlaufen versagt wird, weil sie den ihnen bei ihrem letzten Aufenthalt gemachten Bedingungen für das Verlasen des Hafens trotz Mängeln nicht nachgekommen sind, beispielsweise nicht die nächstgelegene Reparatur739 Beachte auch Anl. 1 Abschn. 9.1 (Principles governing rectification of deficiencies or detention of a ship): „In taking a decision concerning the rectification of a deficiency or detention of a ship, the port State control officer will take into consideration the results of the detailed inspection carried out in accordance with section 3 of the Memorandum and the procedures mentioned in section 6 and in 9.3 of this Annex. The port State control officer will exercise his professional judgement in determining whether to detain the ship until the deficiencies are corrected or to allow it to sail with certain deficiencies without unreasonable danger to the safety, health, or the environment, having regard to the particular circumstances of the intended voyage. [...].“ (Hervorhebung hinzugefügt). Anl.1 Abschn. 9.3 (Procedures for the detention of ships of all sizes) versucht, diesen erheblichen Beurteilungsspielraum des PSC-Beamten durch Verfahrensrichtlinien einzuengen. Diese sollen ihm allerdings lediglich eine Orientierungshilfe geben und sind nicht als Prüfliste zu betrachten. 740 Abschn. 3.10.2 PMOU. Nimmt Bezug auf MSC/Circ.781 und MEPC 6/Circ. 2, National contact points of Members for safety and pollution prevention. 741 Abschn. 3.10.4 PMOU.

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werft angelaufen haben. Zum anderen dürfen aber auch Öl-, Gas- und Chemikalientanker sowie Massengut- und Fahrgastschiffe nicht einlaufen, wenn sie entweder unter der Flagge eines Staates fahren, der auf der schwarzen Liste des MOU besonders auffälliger Flaggen steht, und in den letzten 24 Monaten mehr als zweimal in einem Hafen des Memorandums festgehalten wurden oder auf der Liste der Flaggen mit „sehr hohem“ oder „hohem“ Risiko stehen und in den letzten 36 Monaten mehr als einmal festgehalten wurden 742. Überprüfungen, Festhalten und banning sind strikt an rechtsstaatliche Vorgaben, insbesondere den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, gebunden. Bei der Ausübung der Kontrollen haben die Behörden alle nur möglichen Anstrengungen zu unternehmen, um ein unangemessenes Fest- oder Aufhalten eines Schiffes zu vermeiden. Die Vereinbarung lässt Schadensersatzansprüche aus den technischen Konventionen wegen unangemessenen Fest- oder Aufhaltens unberührt743, legt die Beweislast hierfür aber dem Eigner oder Betreiber des Schiffs auf, Abschn. 3.18 PMOU. Unabhängig von solchen Sekundäransprüchen auf Schadensersatz steht dem Eigentümer oder Betreiber das Recht zu, gegen das Festhalten oder gegen eine Zugangsverweigerung Widerspruch einzulegen (right of appeal), der allerdings keine aufschiebende Wirkung entfaltet. Der Kapitän ist über dieses Recht zu belehren, Abschn. 3.16 PMOU. Erfolgt die Zugangsverweigerung wegen fehlender ISM-Zeugnisse, so ist sie bei Vorlage gültiger Papiere aufzuheben. Genauso ist zu verfahren, wenn das Schiff Reparaturauflagen der Behörde nicht erfüllt hat: Sobald nachgewiesen wird, dass den Anforderungen der Behörde nachgekommen wurde und das Schiff den Vorschriften der einschlägigen Übereinkünfte in vollem Umfang entspricht, ist die Zugangsverweigerung aufzuheben 744. Bei Schiffen auf den Risikolisten der Vereinbarung, die im Rahmen der PSC auffällig geworden sind (Abschn. 3.10.5 iVm Anlage 3 Abschnitt A PMOU), verlangt Anlage 3 Abschnitt B PMOU, dass die Hafenbehörde Kapitän, Eigentümer, Flaggenstaat, Klassifikationsgesellschaft, DSI und MOU-Sekretariat schriftlich über die gegen das Schiff verhängte Maßnahme der Zugangsverweigerung unterrichtet. Die Zugangsverweigerung kann hier nur nach einer erneuten, erweiterten Überprüfung durch die Behörde, die die Maßnahme verhängt hat, erfolgen. Über Inspektion, Mängelbeseitigung und Festhalten hinausgehende (repressive) Durchsetzungsmaßnahmen sieht die Pariser Vereinbarung über die Hafenstaatskontrolle nicht vor. Sie verfolgt rein präventive Zwecke. Allerdings verursacht das Fest742 Abschn. 3.10.4.3, 3.12.1 u. 3.10.5 iVm Anl.3 Abschnitt A PMOU. Eine Ausnahme kann nach Abschn. 3.12.3 PMOU für Schiffe in Seenot gemacht werden: „Notwithstanding the provisions of 3.12.1, access to a specific port may be permitted by the relevant authority of that port State in the event of force majeure or overriding safety considerations, or to reduce or minimize the risk of pollution, provided that adequate measures to the satisfaction of the competent authority of such State have been implemented by the owner, the operator or the master of the ship to ensure safe entry.“ 743 Beispielsweise nach Regel I/19 (f) SOLAS oder Art. 7 (2) MARPOL. 744 Abschn. 3.10.4.3, 3.12.1 PMOU.

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halten eines Schiffes für den Schiffseigner, Betreiber oder Charterer derart hohe wirtschaftliche Kosten, dass ihm de facto Sanktionscharakter zukommt. 2. Bewertung: Regionale Durchsetzung internationaler Regeln über Netzwerke Die Bestimmungen der Pariser Vereinbarung sind sichtlich von dem Bestreben getragen, die den einzelnen Hafenstaaten zur Verfügung stehenden begrenzten Mittel zu bündeln, um so die Schiffe möglichst effektiv zu überwachen und gleichzeitig den routinemäßigen Schiffs- und Hafenbetrieb so wenig wie möglich zu beeinträchtigen 745. Dies ist letztlich auch im Interesse der Flaggenstaaten, weil unnötige Doppelkontrollen vermieden werden 746. Einheitliche Regelungen für das Prüf- und Festhalteverfahren tragen neben den Schiffssicherheits- auch den wirtschaftlichen Interessen des Hafenstaates Rechnung, weil sie Wettbewerbsgleichheit zwischen den Häfen garantieren. Kernstück der Vereinbarung sind die Bestimmungen über das targeting, mit denen unternormige Schiffe detektivisch aufgespürt werden sollen und die im Laufe der Zeit immer mehr verfeinert wurden. Sie entfalten verhaltenssteuernde Wirkung, weil sich die Auswahl der Schiffe und die Intensität der durchgeführten Überprüfung nach dem Risikofaktor des Schiffes bemisst, der beispielsweise bei neuen Schiffen unter weißer Flagge niedrig und bei Öltankern über 15 Jahren hoch ist 747. Die Vorschriften des Pariser MOU lassen das geltende Schiffssicherheitsregime zwar insoweit unberührt, als keine neuen Standards geschaffen werden, die Rechtsetzungsprärogative der IMO also nicht in Frage gestellt wird 748. Anders als Monte745 Abschn. 3.18 MOU. Siehe auch Anl. 1 Abschn. 5.5.2 PMOU: „When carrying out operational control, the port State control officer will ensure, as far as possible, no interference with normal shipboard operations, such as loading and unloading of cargo and ballasting, which is carried out under the responsibility of the master, nor will the port State control officer require demonstration of operational aspects which would unnecessarily delay the ship.“ 746 Vgl. Abschn. 3.7 PMOU: „The Authorities will seek to avoid inspecting ships which have been inspected by any of the other Authorities within the previous six months, unless they have clear grounds for inspection. [...].“ Dies gilt nicht für Risikoschiffe nach Abschn. 3.6 und 3.2 PMOU. Bedenkt man, dass ein Schiff im Hafen nicht nur der PSC unterliegt, sondern in gewissen Abständen auch Überprüfer der weltweit operierenden Klassifikationsgesellschaft im Auftrag des Flaggenstaates an Bord gehen werden und dass darüber hinaus auch private Kontrollen durch Charterer, Ölgesellschaften und Versicherungen stattfinden, so wird deutlich, dass es hier zu unnötigen Beeinträchtigungen des routinemäßigen Schiffsbetriebs kommen kann, weil das Schiff während seiner kurzen Liegezeit im Hafen ja auch noch be- und entladen werden muss. 747 Vgl. Abschn. 3.3 iVm Anl. 1 Abschn. 8.2 PMOU. 748 Nach den Kollisionsnormen Abschn. 8.1 u. 3.5 PMOU lässt die Vereinbarung Rechte und Pflichten aus internationalen Übereinkünften unberührt und sind die Verfahrensregeln für Überprüfung, Mängelbeseitigung und Festhalten nicht so auszulegen, als schränkten sie die Befugnisse der Behörden ein, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten Maßnahmen in Bezug auf jede Angelegenheit zu treffen, auf die sich die einschlägigen Übereinkünfte beziehen. Siehe auch 2. Erwägungsgrund Präambel PMOU.

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go-Bay-Konvention und technische Konventionen, die lediglich das Wie der Überprüfungen regeln, fordern sie aber den Hafenstaat auf, einen bestimmten prozentualen Anteil der Schiffe in seinem Hafen zu kontrollieren. Freilich soll mit der PSC nur ein zusätzliches, die Flaggenstaatskontrolle durch die Klassifikationsgesellschaften komplementierendes Sicherheitsnetz gespannt werden. An der Hauptverantwortung des Flaggenstaates und des Schiffseigners in der Schiffssicherheit will die Vereinbarung nichts ändern 749. Dies zeigt auch die relativ neue Bestimmung über das Aussetzen einer Überprüfung in Abschn. 3.9.2 PMOU und die Regelung der Kostentragungspflicht in Abschn. 3.15 PMOU: Ergibt eine Überprüfung, dass ein Schiff in einem unternormigen Zustand ist, so kann das Schiff festgehalten und seine weitere Überprüfung so lange ausgesetzt werden, bis die Verantwortlichen Maßnahmen getroffen haben, um sicherzustellen, dass das Schiff den Vorschriften der einschlägigen Übereinkünfte entspricht. Werden bei einer Überprüfung Mängel aufgedeckt, die das Festhalten des Schiffes rechtfertigen, so hat der Eigner oder Betreiber alle Kosten im Zusammenhang mit der Überprüfung zu übernehmen. In beiden Fällen wird also klargestellt, dass die Verantwortung für den sicheren Schiffsbetrieb nicht beim Hafenstaat liegt. Hinsichtlich des Wie der Überprüfungen, der Mängelbeseitigung und des Festhaltens nutzt das MOU extensiv die Spielräume der technischen Konventionen: Das Konzept der superficial round of inspection und die Beispielslisten für das Vorliegen von clear grounds sind im Rahmen der Pariser Vereinbarung für die Hafenstaatskontrolle entstanden und haben erst später, nachdem sich die Praxis diesem Vorgehen gefügt hatte, in die Procedures for Port State Control der IMO und die STCWKonvention Einzug erhalten. Bei der Interpretation der IMO und ILO-Standards über die PSC hat die Vereinbarung also lange Zeit eine Vorreiterrolle eingenommen. Mittlerweile kommt es allerdings zu einer wechselseitigen Beeinflussung von Pariser Memorandum und den Hafenstaatskontrollrichtlinien der IMO, denn die Staaten der Kontrollvereinbarung sind peinlich darauf bedacht, auch nur die kleinsten Unstimmigkeiten zwischen dem Text des Memorandums und den PPSC zu beseitigen. Soft law hilft soft law bei der Implementierung auf. Ein Zeichen dafür, dass die IMO immer stärker die Interpretationshoheit über ihre Standards gewinnt und die Durchsetzung ihres Rechts steuert. Fraglich ist allerdings, ob eine Kontrollvereinbarung wie das Pariser MOU mit ihrem betont regionalen Bezug 750 der weltweiten Durchsetzung technischer Konven749 Siehe 4 u. 5. Erwägungsgrund Präambel Paris MOU: „Mindful that the principal responsibility for the effective application of standards laid down in international instruments rests upon the authorities of the State whose flag a ship is entitled to fly; Recognizing nevertheless that effective action by port States is required to prevent the operation of substandard ships“. 750 Nach Abschn. 8.2 PMOU kann nur eine Seeschifffahrtsbehörde eines europäischen Küstenstaats und ein Küstenstaat des sich zwischen Nordamerika und Europa erstreckenden Nordatlantischen Beckens, welche die in Anl. 6 PMOU festgesetzten qualitativen Vorraussetzungen erfüllen, mit Zustimmung aller an der Vereinbarung beteiligten Behörden der Vereinbarung beitreten.

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tionen förderlich ist oder ob nicht vielmehr der Weg über eine globale Durchsetzungsvereinbarung unter IMO-Ägide gesucht werden müsste, im Rahmen derer der Schiffsverkehr weltweit überwacht wird. Denn regionale Kontrollmemoranda können dazu führen, dass Substandardschiffe zwar die Häfen der Region meiden, dafür aber verstärkt auf anderen Routen eingesetzt werden, ein mit Blick auf das Gefahrenverlagerungsverbot des Art. 195 SRÜ zweifelhaftes Resultat. Auch entfaltet die koordiniert ausgeübte PSC nur in ökonomisch starken Regionen ihre volle Wirksamkeit, während bei wirtschaftlich schwachen Staaten die theoretische Gefahr besteht, dass sich der Handel in eine andere Region verlagert. Dennoch erscheint zumindest für die nahe Zukunft ein Welthafenstaatskontrollmemorandum nicht zielführend, denn es würde entweder nur auf Grundlage des kleinsten gemeinsamen Nenners operieren können oder aber durch Nichtbefolgung unterminiert werden: Die Koordinierung, Harmonisierung und Intensivierung der einzelstaatlichen Überwachungstätigkeit setzt Staaten mit vergleichbarer Wirtschaftskraft und vergleichbarer Interessenlage voraus. Zu berücksichtigen ist zudem, dass Kommunikationsfreiheit und freier Handel zwar weltweit einheitliche Standards für die globale Aktivität Seeverkehr verlangen, die Durchsetzung dieser Standards aber durchaus im Rahmen regionaler Kontrollmemoranda erfolgen kann, wenn bei der Überprüfung wirklich nur die von der IMO und ILO entwickelten Regeln und Normen zugrunde gelegt werden. Die regionale Ebene scheint für die Implementierung des globalen Rechts sogar besonders geeignet, weil sie lokalen Besonderheiten und gemeinsamen geographischen Interessen Rechnung tragen und so zumindest partiell Wettbewerbsgleichheit garantieren kann und die Operationskosten für die PSC gesenkt werden. Allerdings ist darauf zu achten, dass sich nur solche Staaten zu einer Kontrollvereinbarung zusammenschließen, die einen bestimmten Durchsetzungslevel einhalten können. Das Pariser MOU enthält einen detaillierten Katalog mit Kriterien, die jeder Staat der Region erfüllen muss, wenn er Mitglied der Vereinbarung werden will 751. Angesichts der Tatsache, dass das Pariser MOU mittlerweile zum Vorbild für 7 weitere Kontrollmemoranda auf der Welt geworden ist, fragt sich, ob der Weg zu einer globalen Durchsetzungsgemeinschaft nicht über miteinander vernetzte regionale PSC-Vereinbarungen führen könnte, die so eine globale Abdeckung erreichen. Dabei könnte die etablierte Pariser PSC-Vereinbarung den sich im Aufbau befindlichen „neuen“ Kontrollzusammenschlüssen technisches und administratives Know-how vermitteln. Die globale Implementierung des Schiffssicherheitsrechts ließe sich so schrittweise erhöhen. Ein derartiges Netzwerk 752 aus PSC-Vereinbarungen kann freiAbschn. 8.2 iVm Anl. 6 PMOU. Zu diesem sehr unterschiedlich verstandenen, völkerrechtstheoretischen Begriff Slaughter, Governing the Global Economy through Government Networks, in Byers (Hrsg.), The Role of Law in International Politics, S.177–205, dies., The Real New World Order, FA 76 (1997) No. 5, S. 183–197 (dort verstanden als neoliberales Modell einer transgouvernmentalen Ordnung, das nicht auf formelle internationale Institutionen, sondern auf informelle Netzwerke vertraut) und Reinicke, Global Public Policy, FA 76 (1997) No.6, S. 127–138, der Netzwerke 751 752

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lich nur dann seine volle Wirksamkeit entfalten, wenn ein umfassender Datenaustausch verbunden mit einer gegenseitigen Anerkennung von Inspektionsergebnissen zwischen den Memoranda stattfindet. Hieran fehlt es zur Zeit noch, was nicht zuletzt daran liegt, dass beispielsweise die Schiffe der Teilnehmerstaaten des Mediterranean MOU regelmäßig auf der Black List des Pariser MOU erscheinen 753. Ein weiteres Problem ergibt sich daraus, dass die „neuen“ Memoranda zwar den Text der Pariser Vereinbarung über die Hafenstaatskontrolle übernommen haben, dieser sich aber in der Folgezeit erheblich weiterentwickelt hat (26th Amendment). Da diese Änderungen größtenteils nicht übernommen wurden, besteht mittlerweile zwischen den einzelnen Instrumenten eine erhebliche Diskrepanz, die sich künftig noch vergrößern könnte, da formelle Kooperationsstrukturen zwischen den MOU fehlen. Eine ganz wesentliche Aufgabe in einem Netzwerk aus Kontrollmemoranda könnte daher den PPSC der IMO zukommen, die als Brücke zwischen den einzelnen Kontrollinstrumenten die erforderliche Uniformität der Durchsetzungsmechanismen gewährleisten und der Organisation gleichzeitig einen gewissen Einfluss auf die Durchsetzung ihres Rechts zubilligen würden. Im Unterschied zu einem auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner operierenden weltweiten PSC-Memorandum würden sich die einzelnen regionalen Kontrollvereinbarungen in einem Netzwerk im Optimalfall in ihrer gegenseitigen Wirksamkeit steigern. Die IMO könnte zum Knotenpunkt eines solchen Netzwerkes aus Kontrollmemoranda werden. Bei den jüngsten Änderungen der Pariser Vereinbarung wurden jedenfalls die PPSC der IMO vollumfänglich berücksichtigt. Schon heute wird die Organisation vom Sekretariat des Pariser Hafenstaatskontrollzusammenschlusses mit Mängelberichten versorgt 754 und schon heute genießt die Organisation Beobachterstatus in den Sekretariaten der MOU und wirkt an deren Weiterentwicklung mit. Die Organisation hatte 1991 mit Resolution A.682(17) die Staaten dazu aufgerufen, regionale Kontrollvereinbarungen zu schließen und auf eine interregionale Kooperation hinzuwirken 755. Seitdem hat sich die IMO mit ihrem Technical Cooperation Programme massiv am Aufbau dieser PSC-Zusammenschlüsse durch die Veranstaltung von Workshops und Seminaren beteiligt. lediglich als eine Vielzahl mehr oder weniger funktionaler Regime mit staatlichen wie nichtstaatlichen Akteuren versteht, die die Steuerung der globalen Beziehungen ermöglichen sollen. Der Begriff Netzwerk wird hier zunächst nur beschreibend verwendet. 753 Siehe S. 11 u. 21 ff. Paris MOU Annual Report 2001. 754 Vgl. Ziff. 11 Anl. 4 PMOU: „With the consent of the Authority, DSI will, on behalf of that Authority, submit detention reports to the International Maritime Organization in accordance with Regulation I/19 of SOLAS 74, Article 11 of MARPOL 73/78, Article 21 of LOADLINES 66 and Article X of STCW 78.“ 755 IMO Resolution A.682(17), Regional Cooperation in the Control of Ships and Discharges, adopted on 06.11.1991. Vgl. Ziff. 3 IMO Resolution A.682(17): „Invites the authorities participating in the Paris Memorandum and any other countries participating in port State control to assist, whenever possible, in the conclusion of regional agreements elsewhere in the world and to study matters of interregional co-operation with a view to compatibility of information systems and exchange of port State control information.“

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Zusammenfassend kann damit festgehalten werden, dass Hafenstaatskontrollvereinbarungen trotz ihres soft law-Charakters das Potential innewohnt, über formelle und informelle Netzwerkstrukturen die Befolgung von IMO-Standards weltweit sicherzustellen. Bereits heute findet zwischen einigen dieser Vereinbarungen in einzelnen Bereichen eine informelle Zusammenarbeit statt. Am ausgeprägtesten ist sie zwischen dem Pariser MOU, dem Tokyo MOU und der US Coast Guard 756. Die Pariser Kontrollvereinbarung ist darüber hinaus dazu übergegangen, ihren gesamten Datenbestand frei zugänglich ins Internet zu stellen, so dass auch private Akteure wie Versicherungen auf diese Daten zugreifen, sie mit ihren eigenen Datenbanken abgleichen und ihr Marktverhalten danach ausrichten können 757. Der Geheimniskrämerei in der Seeschifffahrt wird damit ein für allemal ein Ende bereitet. Freilich stößt die Hafenstaatskontrolle an gewisse technische Grenzen, weil Schiffe im Wasser und im beladenen Zustand nur begrenzt kontrolliert werden können. Auch divergiert selbst im Rahmen der Pariser Hafenstaatskontrollvereinbarung die Kontrolltätigkeit der einzelnen Behörden noch beträchtlich 758. Dies ändert aber nichts daran, dass Kontrollmemoranda das derzeit und wohl erst recht künftig wirksamste Instrument zur Durchsetzung von Schiffssicherheitsstandards sind.

III. Ostsee-Schiffssicherheit im Rahmen des Helsinki-Übereinkommens Die weltweit erste und wohl auch effektivste regionale Konvention, die sich je mit der Umweltverschmutzung durch Schiffe beschäftigte, ist das Übereinkommen über den Schutz der Meeresumwelt des Ostseegebiets (Helsinki-Übereinkommen, HELCON) vom 22.03.1974. Es wurde 1992 revidiert. Die Neufassung trat am 17. Januar 2000 in Kraft 759. Nach seinem Art. 1 gilt das Übereinkommen für die gesamte 756 S. 7, 8 u. 11 Paris MOU Annual Report 2001. Tokyo MOU und Caribbean MOU haben offiziellen Beobachterstatus, die US Coast Guard ist ebenfalls ein Beobachter. Es finden PSCSeminare und gemeinsame concentrated inspection campaigns statt (so für ISM seit Juli 2002 in Zusammenarbeit mit dem Tokyo MOU, gemeinsames banning). 757 Nach Abschn. 3.17 iVm Anl.5 PMOU haben die Behörden monatlich umfassende Daten über die überprüften und festgehaltenen Schiffe zu veröffentlichen. Dazu gehören u. a.: Name und Schiffstyp, Baujahr, Name des Eigners oder Betreibers, Charterer, IMO-Nummer, Flaggenstaat, Klassifikationsgesellschaft sowie Zahl und Art der Mängel, Häufigkeit des Festhaltens innerhalb der letzten 24 Monate, Zugangsverweigerung, Auflagen und, wo angebracht, Verantwortlichkeit der Klassifikationsgesellschaft. Die Datenerfassung und Veröffentlichung geschieht zentral über das DSI. 758 Vgl. S. 19 f. Paris MOU Annual Report 2001. Gerade Frankreich und Irland erreichten das Kontrollziel von 25 % in den Jahren 2000 u. 2001 bei weitem nicht. 759 Ausführlich dazu Ehlers, Das revidierte Helsinki-Übereinkommen, in: Koch/Lagoni (Hrsg.), Meeresumweltschutz für Nord- und Ostsee, S. 103–128, Fitzmaurice, The Helsinki Conventions 1974 and 1992, IJMCL 13 (1998), S. 379–393, Dieter, Das Umweltregime der Ostsee: Völker- und europarechtliche Aspekte, S. 179–221 und Birnie, The New Helsinki Convention: Background and Commentary, in: Platzöder/Verlaan (Hrsg.), The Baltic Sea:

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Ostsee einschließlich des Kattegats bis nach Skagen. Vertragsparteien sind Dänemark, die Bundesrepublik Deutschland, Estland, die Europäische Gemeinschaft760, Finnland, Lettland, Litauen, Polen, die Russische Föderation und Schweden. Mit der Helsinki-Konvention werden erstmals in einem Instrument für ein Meeresgebiet alle Arten der Umweltverschmutzung erfasst 761. Sie verfügt über insgesamt 7 detaillierte, das Übereinkommen in materieller Hinsicht ausführende technische Anlagen, die nach Art. 28 HELCON Bestandteil der Konvention sind und die im tacit acceptance-Verfahren geändert werden können, Art. 32 HELCON. Für die Durchführung des Übereinkommens ist die mindestens einmal jährlich zusammentreffende Helsinki-Kommission (HELCOM), die aus Vertretern aller Vertragsparteien besteht und in der das zwischenstaatliche one state one vote-Schema herrscht, Art. 19, 23 HELCON zuständig 762. Ihr obliegt es, die Implementierung des Übereinkommens zu beobachten, Maßnahmen, mit denen die Regelungen des Übereinkommens konkretisiert werden, zu empfehlen, Grundsätze für die Überwachung und Ziele für die Verringerung der Verschmutzung festzulegen sowie den Inhalt des Übereinkommens einschließlich seiner Anlagen auf dem Laufenden zu halten und den Vertragsparteien alle etwa erforderlichen Änderungen der Konvention einschließlich ihrer Anlagen zu empfehlen, Art. 20 HELCON 763. Nach Art. 16 HELCON sind die Vertragsparteien zudem verpflichtet, der Kommission in regelmäßigen Abständen über ihre Maßnahmen zur Umsetzung des Abkommens sowie deren Wirksamkeit und auftretende Probleme zu berichten. Die Kommissionsarbeit wird durch sechs Ausschüsse (Groups) vorbereitet und durch ein in Helsinki ansässiges Sekretariat unterstützt, Art. 21 (3) HELCON. Die Verhütung der routinemäßigen und unfallbedingten Verschmutzung durch Schiffe ist der Maritime Group (HELCOM MARITIME) anvertraut. Das Entscheidungsinstrument der Kommission ist die Empfehlung. Sie ist zwar rechtlich unverbindlich. Dennoch haben HELCOM-Empfehlungen in der Staatenpraxis eine große umweltpolitische Bedeutung, weil sie einstimmig angenommen werden, Art. 20 (5) HELCON, und damit New Developments in National Policies and International Cooperation, Volume II, S. 346– 359. 760 Vgl. Beschluss (94/157/EG) des Rates vom 21.02.1994 über den Abschluss des Übereinkommens über den Schutz der Meeresumwelt des Ostseegebiets im Namen der Gemeinschaft, ABl. EG 1994 Nr. L 73, 19. 761 Vgl. Art. 5 HELCON. 762 Nach Art.23 (2) HELCON übt die EG in Angelegenheiten ihrer Zuständigkeit ihr Stimmrecht mit der Anzahl der Stimmen aus, die der Anzahl ihrer Mitgliedstaaten entspricht, welche Vertragsparteien des Helsinki-Übereinkommens sind. Die Gemeinschaft übt ihr Stimmrecht nicht aus, wenn ihre Mitgliedstaaten ihr Stimmrecht ausüben, und umgekehrt. 763 Nach Art. 32 HELCON prüft die Kommission bei der Änderung von Anlagen und der Annahme neuer Anlagen jede vorgeschlagene und allen Vertragsparteien mitgeteilte Anlagenänderung bzw. Anlage. Billigt sie diese, so empfiehlt sie den Vertragsparteien die Annahme. Die Änderung oder Anlage gilt bei dieser Form des tacit acceptance-Verfahrens nach Ablauf einer von der Kommission bestimmten Frist als angenommen, sofern nicht binnen dieser Frist eine Vertragspartei Einspruch erhoben hat. Die angenommene Änderung tritt zu einem von der Kommission bestimmten Zeitpunkt in Kraft.

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den politischen Willen der Vertragsparteien zum Ausdruck bringen, die Empfehlungen zu akzeptieren und umzusetzen 764. 1. Instrumente der HELCON-Anlage Anders als andere regionale Übereinkommen nimmt die Helsinki-Konvention bezüglich der schifffahrtsbedingten Umweltverschmutzung nicht lediglich auf allgemein anerkannte internationale Regeln Bezug, sondern ordnet in Art.8 (1) HELCON an, dass zum Schutz des Ostseegebiets vor Verschmutzung durch Schiffe die in Anlage IV HELCON aufgeführten Maßnahmen zu treffen sind 765. Berühmt war das Helsinki-Übereinkommen lange Zeit wegen seiner Einleitungsstandards, veritable Schiffssicherheitsregelungen enthält die Anlage IV erst seit Ende 2002. Die HELCON-Einleitungsbestimmungen waren zwar weitgehend materiell deckungsgleich mit den Bestimmungen der einschlägigen MARPOL-Anlagen. Bei Inkrafttreten des Helsinki-Übereinkommens 1980 war das Inkrafttreten des MARPOL-Übereinkommens und seiner einzelnen Anlagen aber noch ungewiss, so dass die Bestimmungen der MARPOL-Anlagen durch die Helsinki-Konvention vorab für den Ostseeraum verbindlich gemacht wurden. Mit Inkrafttreten der einzelnen MARPOL-Anlagen wurden die Bestimmungen in Anlage IV HELCON sukzessiv durch bloße Verweisungen auf die MARPOL-Anlagen ersetzt. Lediglich mit Blick auf Schiffsabwasser enthielt Regel IV/5 HELCON bis Ende September 2003 noch eine eigenständige, mit Anlage IV MARPOL weitgehend deckungsgleiche Bestimmung. Obwohl die Regeln der Anlage IV MARPOL vor ihrem Inkrafttreten noch keine GAIRAS waren, war dies völkerrechtlich unproblematisch, weil die HELCON-Vorschriften lediglich inter se auf Schiffe unter der Flagge von Vertragsstaaten des Helsinki-Übereinkommens angewandt wurden 766. Nach Inkrafttreten der 764 Ehlers, Das revidierte Helsinki-Übereinkommen, in Koch/Lagoni (Hrsg.), Meeresumweltschutz für Nord- und Ostsee, S. 121. 765 Nach Art. 8 (2) HELCON arbeiten die Vertragsparteien einheitliche Anforderungen für die Einrichtung von Auffanganlagen für die auf Schiffen erzeugten Abfälle aus und wenden sie an, wobei sie unter anderem die besonderen Erfordernisse von Fahrgastschiffen im Ostseegebiet berücksichtigen. Art.8 (2) HELCON ist, nachdem am 27.09.03 auch MARPOL-Anlage IV in Kraft getreten ist, weitgehend gegenstandslos geworden, denn die Verpflichtung zu Einrichtung und Betrieb von Auffanganlagen in den Häfen ergibt sich nun für alle Einleitungsarten unmittelbar aus MARPOL, vgl. Regel I/12 (für Öl), II/7 (für als Massengut beförderte schädliche flüssige Stoffe), Regel IV/12 (für Schiffsabwasser – Nummerierung nach der durch IMO Resolution MEPC.115(51), adopted on 01.04.2004, Amendments to the Annex of the Protocol of 1978 Relating to the International Convention for the Prevention of Pollution from Ships, 1973 (Revised Annex IV of MARPOL 73/78), im tacit-Verfahren vollständig revidierten Fassung der Anlage IV MARPOL) und Regel V/7 (für Schiffsmüll). Eine eigenständige Verpflichtung zur Errichtung und zum Betrieb solcher Anlagen begründet Art. 8 (2) HELCON damit nur noch für die sog. Nichtkonventionsschiffe. 766 Allerdings differenzierte Regel IV/5 HELCON nicht zwischen Schiffen unter der Flagge von HELCON-Vertragsparteien und Schiffen unter Drittflagge und Art. 4 (2) HELCON ordnet an, dass jede Vertragspartei dieses Übereinkommen innerhalb ihres Küstenmeeres anwendet.

C. Regionale Schutzmaßnahmen

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MARPOL-Anlage IV am 27.09.2003 wurde aber auch Regel IV/5 (alt) HELCON im tacit-Verfahren aufgehoben 767, so dass Regel IV/4 (1) HELCON nun nur noch lapidar bestimmt, dass die Vertragsparteien die Bestimmungen der Anlagen I–V zu MARPOL 73/78 anwenden. Dies allerdings auch auf Schiffe unter der Flagge von Staaten, die nicht Vertragspartei der Helsinki-Konvention oder des MARPOL-Übereinkommens sind 768. Nur für sog. Nichtkonventionsschiffe (Schiffe, die nicht in Regel IV/2 (neu) MARPOL genannt sind, z. B.: Schiffe mit einer BRZ unter 400 und Sportboote) erklärt Regel IV/5 (neu) HELCON 769 die MARPOL-Bestimmungen der neuen Anlage IV MARPOL in modifizierter Form für anwendbar. Mit der auf der außerordentlichen HELCOM-Ministertagung im September 2001 in Kopenhagen angenommenen HELCOM-Empfehlung 22E/5 wurden mit Regeln 4 (2), 8, 9, 10 u. 12 HELCON in die Anlage IV des Übereinkommens erstmals Bestimmungen zur Verhütung der unfallbedingten Verschmutzung durch Schiffe aufgenommen 770. Sie traten am 01.12.2002 im tacit acceptance-Verfahren in Kraft. Darüber hinaus empfahl HELCOM Rec. 11/9 in ihrem 5. u. 6. Erwägungsgrund ausdrücklich die Anwendung von Regel IV/5 HELCON (damals Regel IV/7 HELCON) auf alle Schiffe unabhängig von ihrer Nationalität im Küstenmeer. HELCOM Rec. 16/2 stellte dann aber klar, dass die Durchsetzung dem Flaggenstaat zu überlassen ist. HELCOM Rec. 16/2 wurde aufgehoben durch HELCOM Rec. 19/16. Diese bestimmt in Ziff. II. 6.2 ihres Attachments: „Since Annex IV to MARPOL 73/78 is not yet in force, violations or suspected violations of [Rege IV/5 (C) HELCON] by a ship flying the flag of a state not being a party to that Convention should be reported to the flag state in accordance with the reporting format contained in Annex 2 to these Guidelines.“ Dieses reporting format drückt die Hoffnung aus, dass „although it is acknowledged that the Flag State is not a Contracting Party to the Convention on the Protection of the Marine Environment of the Baltic Sea Area, the above findings are brought to the attention of the Flag State’s authorities in the expectation that the Government of the Flag State will not dissociate itself from the international efforts to prevent the pollution of the environment but will, instead, take appropriate steps towards achieving this objective.“ Eine Anwendung auf Schiffe von Drittstaaten im Küstenmeer ist bei Einleitungsstandards zwar grundsätzlich unproblematisch, Art. 21 (1) SRÜ. Regel IV/5 HELCON ist aber eine Kombination aus Einleitungs- und CDEM-Standard und wäre deshalb bei ihrer Anwendung vor Inkrafttreten der MARPOL-Anlage IV auf Schiffe unter Drittflagge mit Art. 21 (2) SRÜ in Konflikt geraten. Zudem wurde in Regel IV/5 HELCON nicht zwischen AWZ und Küstenmeer differenziert. In der AWZ ist aber eine Anwendung auf Schiffe von Nichtvertragsstaaten in jedem Fall ausgeschlossen. Deutlich schärfer als die internationalen Standards sind auch HELCOM Rec. 11/12 u. 13/15. Diese werden aber nicht auf Schiffe unter Drittflagge angewandt. Siehe zur alten Rechtslage auch Molenaar, Coastal State Jurisdiction over Vessel-Source Pollution, S. 454 und Ringbom, Environmental Protection and Shipping – Prescriptive Coastal State Jurisdiction in the 1990’s, marius 224, S. 85–90. 767 Durch HELCOM Rec. 24/8, adopted on 25.06.2003, Amendments to Annex IV „Prevention of pollution from ships“ to the Helsinki Convention, concerning discharge of sewage. 768 Siehe Ziff. I. 3.3 Attachment HELCOM Rec. 19/16. Da diese Regeln GAIRAS sind, ist dies unproblematisch. 769 Vormals Regel IV/6 HELCON. Neunummeriert und geändert durch HELCOM Rec.24/8. 770 HELCOM Rec. 22E/5, adopted 10.09.2001, Amendments to Annex IV „Prevention of Pollution from Ships“ to the Helsinki Convention. Dort noch Regeln 4, 9, 10, 11 u. 13 HELCON. Neunummerierung durch HELCON Rec. 24/8. Mittelbar hilft auch Regel IV/11 (IV/12 a. F.) HELCON der Schiffssicherheit auf. Ziel der sprachlich misslungenen Vorschrift ist, das Si-

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HELCOM-Empfehlung 22E/5 war das Ergebnis eines enormen öffentlichen Handlungsdrucks, der nach einer scheinbar nicht abreißen wollenden Kette von Schiffsunfällen (Pallas, Erika, Castor, Baltic Carrier, Prins Richard) auf der Politik lastete. Partiell sind die neuen HELCON-Regeln bereits durch die Post-Prestige-Entwicklung im Rahmen der IMO überholt worden. Regel IV/4 (2) HELCON betrifft die Anwendung von Regel I/13G MARPOL. Sie zielt noch auf die durch IMO Resolution MEPC.95(46) geänderte Post-Erika-Fassung der Bestimmung, derzufolge Öltanker je nach Kategorie bis spätestens 2007 (Kategorie-1-Tanker) bzw. 2015 (Kategorie-2- u. -3-Tanker) über eine doppelte Hülle verfügen mussten, und konnte die nach der Prestige-Katastrophe erfolgte Neufassung der Vorschrift durch IMO Resolution MEPC.111(50) mit der weiteren Verkürzung der Ausmusterungsfristen auf 2005/2010 noch nicht berücksichtigen771. Daraus ergeben sich kleinere Unstimmigkeiten bei der Zitierweise. Regel I/13G (5) MARPOL [a. u. n. F] gestattet dem Flaggenstaat, bestimmten Einhüllentankern über das Jahr 2015 (a. F.)/2010 (n. F.) hinaus den Betrieb bis zu einem Alter von 25 Jahren zu erlauben. Jedoch sind nach Regel I/13G (8) (b) MARPOL [a. u. n. F] die anderen MARPOL-Vertragsparteien berechtigt, diesen Öltankschiffen das Anlaufen ihrer Häfen zu verweigern. Der Clou der Regel IV/4 (2) HELCON liegt nun darin, dass sie die Vertragsstaaten des Helsinki-Übereinkommens verpflichtet, die ihnen durch Regel I/13G (5) u. (8) (b) MARPOL [a. u. n. F] eingeräumten Wahlmöglichkeiten dergestalt auszuüben, dass sie in ihrer Eigenschaft als Flaggenstaaten keine Ausnahmegenehmigungen nach Regel I/13G (5) MARPOL erteilen und in ihrer Eigenschaft als Hafenstaaten ab dem Jahr 2015 von ihrem Recht nach Regel I/13G (8) (b) MARPOL [a. u. n. F] Gebrauch machen und Einhüllentankern mit Ausnahmegenehmigung die Zufahrt zu ihren Häfen verweigern 772. Regel IV/4 (2) HELCON schafft mithin keine neuen Schiffssicherheitsstandards, sondern nutzt die Spielräume, die den Staaten nach der technischen Konvention eingeräumt sind. Eine harmonisierte und konzertierte Anwendung von Regel I/13G MARPOL im Ostseeraum wird so ermöglicht. cherheits- und Umweltbewusstsein durch die Schaffung eines gemeinsamen Verfahrens für die Seeunfalluntersuchung zu fördern. Regel IV/11 HELCON sieht u. a. vor, dass im Rahmen solcher Seeunfalluntersuchungen Abweichungen vom ISM-Code festzustellen und über die IMO an die maritime Industrie weiterzuleiten sind, damit diese die eingesetzten Sicherheitsmanagementsysteme verbessern kann. 771 IMO Resolutions MEPC.95(46), adopted on 27.04.2001, Amendments to the Annex of the Protocol of 1978 Relating to the International Convention for the Prevention of Pollution from Ships, 1973 (Amendments to Regulation 13G of Annex I to MARPOL 73/78 and to the supplement to the IOPP Certificate) und MEPC.111(50), adopted on 04.12.2003, Amendments to the Annex of the Protocol of 1978 Relating to the International Convention for the Prevention of Pollution from Ships, 1973 (Amendments to regulation 13G, addition of new regulation 13H and consequential amendments to the IOPP Certificate of Annex I of MARPOL 73/78). 772 Regel I/13G (8) (b) MARPOL n.F. würde den HELCON-Staaten darüber hinaus gestatten, Tankern, denen aufgrund befriedigender CAS-Ergebnisse von der Flaggenstaatsverwaltung der Weiterbetrieb über das Jahr 2010 hinaus bis 2015 gestattet wurde, den Zugang zu ihren Häfen zu verweigern. Hiervon konnte Regel IV/4 (2) HELCON aber noch keinen Gebrauch machen.

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Die Spielräume des globalen IMO-Rechts zu nutzen und für seine einheitliche, konkretisierte und beschleunigte Anwendung im Ostseeraum Sorge zu tragen, ist auch Ziel der Regel IV/8 HELCON. Sie verpflichtet die Vertragsparteien, die Schifffahrtswege neu zu vermessen und Datensätze für elektronische Seekarten für wichtige Schifffahrtswege und Häfen bis Ende 2002 zu erstellen sowie elektronische Seekartendarstellungs- und Informationssysteme (ECDIS) als gleichwertigen Ersatz für Papier-Seekarten anzuerkennen. Damit wird regional koordiniert Regel V/19 (2.1.4) SOLAS angewandt, derzufolge ECDIS als Erfüllung der SOLAS-Vorschriften über das Mitführen von Seekarten angesehen werden kann (may). Die Vertragsparteien verpflichten sich zudem, mit den Versendern und Empfängern von Seefracht in ihren jeweiligen Staaten, die an der Beförderung von Fracht zu und von Häfen im Ostseegebiet beteiligt sind, in Verhandlungen darüber einzutreten, dass diese ihrerseits durch Vereinbarungen mit ihren Vertragspartnern sicherstellen, dass Öl-, Chemikalien- und Gastanker sowie INF-Schiffe mit ECDIS ausgerüstet sind. Schließlich sind im Rahmen der Hafenstaatskontrolle die PapierSeekarten an Bord bestimmter Schiffstypen, darunter Öltankschiffe mit einem Tiefgang von 7 Metern oder mehr, verstärkt zu überprüfen. Ob dies bereits im Rahmen der superficial round of inspection nach Abschn. 3.1 PMOU geschehen soll, wird nicht näher ausgeführt. Jedenfalls berechtigt das Fehlen korrekter Seekarten nach Abschn. 9.3.4.2.11 Anl. 1 PMOU zum Festhalten des Schiffes. Während Regeln IV/4 (2) u. IV/8 HELCON als Ausführungsbestimmungen zu MARPOL und SOLAS die den Vertragsparteien in den technischen Konventionen eingeräumten Gestaltungsspielräume nutzen, treffen Regeln IV/9 u. IV/12 HELCON eigenständige, das IMO-Recht komplementierende Regelungen. Nach Regel IV/9 HELCON müssen die Ostseestaaten bis 2005 innerstaatliche landgestützte Überwachungssysteme (AIS-Empfangsstationen) für Schiffe auf der Grundlage von AIS-Signalen errichten und diese zu einem gemeinsamen Überwachungssystem für die Ostsee vernetzten. Die im Rahmen dieses Systems gewonnenen Daten sind statistisch zu erfassen und sollen Aufschluss über die Notwendigkeit weiterer Maßnahmen zur Verbesserung der Schiffssicherheit in der Ostsee geben. SOLAS regelt dagegen als technische, primär an die Flaggenstaaten adressierte Konvention nur die Seeseite, indem sie in Regel V/19 (2.4) SOLAS eine Ausrüstungspflicht für Schiffe mit AIS vorsieht. Erst das Zusammenspiel von regionaler und weltweiter Ebene bringt also die notwendige Verknüpfung von Land- und Meer. Regel IV/12 HELCON greift die Arbeiten der IMO zur Notliegeplatzproblematik auf, geht aber über die auf globaler Ebene erzielten Ergebnisse hinaus. Denn während sich die Notliegerichtlinien der IMO darauf beschränken, Risikobewertungsfaktoren aufzustellen, die bei der Entscheidung über die Eignung eines Platzes als Notliegeplatz zu berücksichtigen sind, werden die Vertragsstaaten der HelsinkiKonvention durch Regel IV/12 HELCON zu einer regional abgestimmten Notfallplanung verpflichtet, die Schiffen in Seenot, vorbehaltlich der Genehmigung durch die zuständige Behörde, ermöglichen soll, unverzüglich einen geschützten Liegeplatz anlaufen zu können.

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Zweiter Teil: Der Schutz vor Öltankerunfällen durch das Völkerrecht

Der Durchsetzung von IMO-Standards im Rahmen der Hafenstaatskontrolle will schließlich Regel IV/10 HELCON aufhelfen. Sie ordnet an, dass die Vertragsparteien die PSC entweder auf Grundlage des Pariser MOU oder der EG-Hafenstaatskontrollrichtlinie 773 durchführen. Dies zielte primär auf Estland, Lettland und Litauen, die noch keine Mitglieder des Kontrollmemorandums sind 774 und auch erst 2004 der EG beigetraten und die auf diese Weise verpflichtet werden sollten, die PSC vorab in Übereinstimmung mit diesen Instrumenten durchzuführen. Für Mitglieder der Europäischen Gemeinschaft oder Teilnehmerstaaten des Pariser MOU ist und war Regel IV/10 HELCON dagegen eine bloße Referenzbestimmung 775. 2. BSPAs als Schiffssicherheitsinstrument Neben diesen spezifischen Schiffssicherheitsregelungen sieht Art. 15 HELCON vor, dass die Staaten einzeln und gemeinsam alle geeigneten Maßnahmen hinsichtlich des Ostseegebiets und seiner von der Ostsee beeinflussten Küstenökosysteme treffen, um natürliche Lebensräume und die biologische Vielfalt zu erhalten und ökologische Abläufe zu schützen. Mit Blick auf diese Bestimmung hat die HELCOM den Ostseestaaten 1994 mit Rec. 15/5 die Errichtung eines Systems geschützter Küsten- und Meeresgebiete (Baltic Sea Protected Areas, BSPA) empfohlen und 62 durchweg landnahe Gebiete vorgeschlagen, die in dieses Schutzkonzept einzubeziehen sind 776. Bei der schrittweisen Weiterentwicklung des Systems der BSPA soll nach lit. (b) Rec. 15/5 der Aufnahme von Meeresgebieten außerhalb der Küstengewässer besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Gemeint sind die AWZ der Vertragsstaaten, da in der total verzonten Ostsee keine Hohe See mehr existiert. Die Ausweisung eines Gebietes als BSPA schafft indes keine Rechtsgrundlage für küstenstaatliche Schiffssicherheitsmaßnahmen gegenüber Schiffen unter dritter Flagge. BSPAs mag eine gewisse symbolische Bedeutung zukommen, wenn sie in den entsprechenden Seekarten verzeichnet sind, ein Mehr an küstenstaatlicher Regelungsmacht ist mit ihnen nicht verbunden, da weder Art. 15 HELCON noch die RL 95/21/EG. Estland hat kürzlich den Status eines assoziierten Mitglieds der Pariser Vereinbarung über die Hafenstaatskontrolle erhalten. 775 Da das Pariser MOU soft law ist, wird streng genommen über Regel IV/10 HELCON für Russland erstmals eine völkerrechtliche Verpflichtung zur Durchführung der Kontrollen begründet. 776 HELCOM Rec. 15/5, adopted 10.03.1994, System of Coastal and Marine Baltic Sea Protected Areas (BSPA). Die einzelnen Gebiete werden im Attachment zu HELCOM Rec. 15/5 aufgelistet. Ausführlich zu BSPAs Janssen, Die rechtlichen Möglichkeiten der Errichtung von Meeresschutzgebieten in der Ostsee: Unter besonderer Berücksichtigung des deutschen und schwedischen Naturschutzrechts, S. 51–68, Ballschmidt-Boog, Rechtliche Vorgaben und Defizite beim Schutz der Küstenökosysteme der Ostsee, S. 100 f. und Weiß, Möglichkeiten der Regelung der Fischerei, des Bergbaus und der Schifffahrt in „Baltic Sea Protected Areas“ (BSPAs) in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) der der Bundesrepublik Deutschland vorgelagerten Ostsee. 773 774

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HELCOM-Empfehlung 15/5 jurisdiktionserweiternd wirken. Gemäß Art. 27 HELCON ist das Übereinkommen nicht so auszulegen, als beeinträchtige es die Freiheit der Schifffahrt, der Fischerei, der wissenschaftlichen Meeresforschung und der sonstigen rechtmäßigen Nutzung der Hohen See sowie das Recht der friedlichen Durchfahrt durch das Küstenmeer. Wie eine BSPA konkret vor der Verschmutzung durch Schiffe zu schützen ist, bleibt denn auch weitestgehend der nationalen Gesetzgebung der Mitgliedstaaten überlassen: Die BSPA ist hier mehr Schutzauftrag an die Ostseestaaten denn Schutzinstrument. Die einschlägigen überarbeiteten HELCOM-Richtlinien aus dem Jahr 2003 777 erwähnen in Ziff. 1.2 lediglich, dass die Küstenstaaten BSPAs durch die IMO als PSSAs identifizieren lassen und der Organisation Schiffswegeführungen (einschließlich ATBAs) und andere navigatorische Maßnahmen wie Lotsenannahmepflichten als verbundene Schutzmaßnahmen vorschlagen können 778. Die BSPA-Kriterien wurden deshalb so abgefasst, das jede BSPA auch als PSSA qualifiziert. Die IMO-Prärogative wird also nicht angetastet. Nicht in den HELCOM-Richtlinien genannt, aber bei IMOZustimmung ohne weiteres möglich, wäre auch die Errichtung eines marinen Schutzgebietes nach Art. 211 (6) SRÜ in den jenseits der 12-Seemeilen-Grenze liegenden Teilen einer BSPA. Festhalten lässt sich damit, dass BSPAs als Schiffssicherheitsinstrument von geringem Wert sind. Anders als bei PSSAs oder MPAs nach Art. 211 (6) SRÜ werden mit ihnen keine die Schifffahrt adressierenden speziellen Verschmutzungsverhütungsgebiete geschaffen. Soweit ihnen eine gewisse Symbolfunktion zukommt, hängt diese von der Verzeichnung des Gebietes in den Seekarten ab. Ist die BSPA zugleich als PSSA ausgewiesen dürfte für die Schifffahrt lediglich die PSSA-Eigenschaft des Gebietes maßgeblich sein. Es besteht sogar die Gefahr, dass zu viele regionale MPAs die Bedeutung von PSSAs schmälern könnten. Im Hinblick darauf wäre es sogar ratsam, BSPAs nicht in die Seekarten aufzunehmen. Immerhin entfaltet die Ausweisung eines Gebietes als BSPA Schutzwirkung nach innen: Die Vertragsstaaten werden angehalten, für dieses Gebiet alle völkerrechtskonformen Schiffssicherheitsmaßnahmen zu ergreifen. 3. Bewertung Die Schiffssicherheitsregelungen der Helsinki-Konvention sind von dem Bestreben getragen, die Rechtsetzungsprärogative der IMO unangetastet zu lassen. Anders als bei den Einleitungsstandards, wo das materiell deckungsgleiche internationale Regelwerk beschleunigt für Schiffe unter eigener Flagge verbindlich gemacht wur777 Guidelines for Designating Marine and Coastal Baltic Sea Protected Areas (BSPA) and Proposed Protection Categories, approved by HELCOM HOD 11/2003. 778 Diese Fixierung auf die Schiffssicherheit lässt sich damit erklären, dass die Ostsee als MARPOL-Sondergebiet bereits gegen betriebsbedingte Einleitungen von Schiffen geschützt ist.

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de, beschränkt sich die HELCON in der Schiffssicherheit darauf, die Spielräume der technischen Konventionen zu nutzen oder Materien zu regeln, die wie die landseitige Errichtung von AIS-Empfängerstationen nicht in den Regelungsbereich der technischen Übereinkommen fallen. Auch wenn mit dieser Strategie stets nur punktuelle, die internationalen Standards einheitlich ausführende oder komplementierende Vorschriften möglich sind, erscheint sie zielführend, weil die Defizite des globalen Regimes nicht im Bereich der Standardsetzung, sondern ihrer Implementierung liegen. Sie wäre zudem für den konzertierten Aufbau regionaler Schiffsverkehrsdienste (VTS) geeignet, die nach Regel V/12 SOLAS keiner Annahme durch die IMO bedürfen. Innovativ ist der Ansatz, ECDIS durch Vereinbarungen mit den Versendern und Empfängern der Seefracht de facto als Ausrüstungsstandard in der Region durchzusetzen. Er zeigt zugleich, dass die Staaten den Konflikt mit der IMO scheuen, denn ein solcher CDEM-Standard ließe sich natürlich auch im Rahmen einseitiger Hafenanlaufbedingungen durchsetzen. Obwohl das Helsinki-Übereinkommen den Primat der internationalen Ebene nicht in Frage stellt, nimmt es die von dort stammenden Standards nicht als unabänderlich hin, sondern verpflichtet seine Parteien zum Ostseelobbyismus in der IMO: Nach Regel IV/1 HELCON arbeiten die Vertragsstaaten in der IMO zusammen, um die Entwicklung internationaler Regelungen im Einklang mit den Zielen des Helsinki-Übereinkommens zu fördern. Dazu gehört auch die Förderung der Anwendung der besten verfügbaren Technologie und der besten Umweltpraxis nach Art. 3 (3), Anlage II HELCON. Der traditionell ausgeprägten politischen Zusammenarbeit der Ostseestaaten 779 wird mit der Helsinki-Konvention und der durch sie errichteten HELCOM folglich ein institutioneller Rahmen gegeben, innerhalb dessen gemeinsame Positionen in der IMO abgestimmt und festgelegt werden können. Ein gutes Beispiel für diese Sprachrohr- und Koordinierungsfunktion des Helsinki-Übereinkommens in der Ostseeschiffssicherheit ist die Kopenhagener Erklärung der außerordentlichen HELCOM-Ministertagung im Jahr 2001 780. Dort wurde nicht nur die bereits behandelte Ergänzung der Anlage IV durch Rec. 22E/5 beschlossen, sondern die Minister verständigten sich u. a. auch darauf, in der IMO auf eine Verbesserung 779 Beispiele hierfür sind der Ostseerat als Gremium der Regierungen der Ostseestaaten und die Ostseeparlamentarierkonferenz als jährliche Konferenz von Vertretern der regionalen und nationalen Parlamente des Baltikums. Auch diese politischen Gremien haben in letzter Zeit Erklärungen zur Schiffssicherheit in der Ostsee abgegeben. Siehe Annex II (Marine Environment Protection and Safety of Sea Transport) des Communiqué by the Tenth Ministerial Session of the Council of the Baltic Sea States (CBSS), held in Hamburg, on 07.06.2001 und die Resolution adopted by the 10th Baltic Sea Parliamentary Conference (BSPC), assembled in Greifswald, 03–04.09.2001. In beiden Erklärungen wird der HELCOM-Ministerrat zum Tätigwerden aufgefordert. Vgl. auch Part II Resolution adopted by the 11th BSPC, assembled in St. Petersburg, 30.09–01.10.2002. Dort ging es u. a. um die Ausweisung der Ostsee als PSSA. 780 Declaration on the Safety of Navigation and Emergency Capacity in the Baltic Sea Area (HELCOM Copenhagen Declaration), adopted on 10.09.2001 in Copenhagen by the HELCOM Extraordinary Ministerial Meeting, HELCOM Doc. HELCOM EXTRA 2001, 2/1.

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bestehender Schiffswegeführungsmaßnahmen und die Errichtung neuer Wegeführungen zu drängen und hierfür gemeinsame Anträge an die Organisation zu stellen. Außerdem wurde bei der IMO beantragt, die mit IMO Resolutions A.579(14) und A.620(15) für den Sound und die Ostseezugänge bestehende Lotsenempfehlungen auf bestimmte Schiffstypen zu erweitern 781 und einen gemeinsamen Antrag an die IMO auf Ausweisung der Ostsee als PSSA zu prüfen782. All dies zeigt, dass die IMO von den HELCON-Staaten in der Schiffssicherheit als die allein zuständige internationale Organisation angesehen wird. Neben ihrer Bedeutung im Bereich der Standardsetzung kommt der HelsinkiKommission schließlich auch eine Schlüsselstellung bei der Implementierungskontrolle zu. Denn die Vertragsstaaten sind verpflichtet, der Kommission, die die Durchführung des Übereinkommens ständig zu beobachten hat, in regelmäßigen Zeitabständen über die gesetzgeberischen, verordnungsrechtlichen oder sonstigen Maßnahmen zur Durchführung der Konvention, ihrer Anlagen und der auf Grundlage des Übereinkommens angenommenen Empfehlungen zu berichten, Art. 16, 20 (1) (a) HELCON. Die Ausweisung von Notliegeplätzen kann beispielsweise so überwacht werden. Freilich, der Kommission stehen keine Sanktionsmittel zur Verfügung. Allerdings veröffentlicht sie den Implementierungsstand ihrer Empfehlungen und erzeugt so gerade in der öffentlichkeitswirksamen Schiffssicherheit einen gewissen Umsetzungsdruck 783. Zudem sind die Vertragsstaaten dieser kleinen Organisation regelmäßig bestrebt, den einstimmig und mit erheblichem politischem Impetus beschlossenen Empfehlungen auch nachzukommen. Die partnerschaftliche Identifizierung und Erörterung von Erfüllungsproblemen ist der Durchsetzung des HELCON-Rechts unter diesen Umständen dienlicher als die Verhängung formaler Sanktionen.

781 Beachte, dass die IMO mit Resolution MSC.138(76) diesen gemeinsamen Antrag der HELCON-Staaten positiv beschieden hat. HELCOM Rec. 23/3, adopted on 06.03.2002, sieht vor, dass den Kapitänen von Schiffen, die unter die IMO Resolutions A.579(14) und A.620(15) in ihrer durch MSC.138(76) geänderten Fassung fallen, vor dem Auslaufen ein Formular übergeben wird, das sie an die Lotsenannahmeempfehlung erinnert. Sollte der Kapitän dennoch angeben, keinen Lotsen an Bord nehmen zu wollen, meldet der jeweilige Hafenstaat das Schiff der dänischen Marine, die den Kapitän auffordern wird, einen Lotsen an Bord zu nehmen (sog. Early Warning Scheme). 782 Dieses Vorhaben ist allerdings zunächst auf der HELCOM-Ministertagung 2003 in Bremen am Widerstand Russlands gescheitert. Vgl. Ziff. 3 HELCOM Ministerial Declaration (HELCOM Bremen Declaration) adopted on 25.06.2003 in Bremen by the HELCOM Ministerial Meeting. Unter Ziff. 4 der Erklärung wurde ebenfalls vereinbart „to enhance our co-operation on maritime safety in the framework of the International Maritime Organisation, with the objective of preventing maritime accidents and consequent pollution, through concrete measures, especially concerning the phasing out of single-hull vessels and the ban on transport of heavy oil in single hull vessels. Meanwhile, we will regionally seek agreement to ensure the same effect“. 783 Vgl. nur HELCOM Doc. HELCOM 24/2003, Status of Implementation of the HELCOM Copenhagen Declaration.

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IV. Mittelmeer Die Suche nach einem eigenständigen Schiffssicherheitsregime für das Mittelmeer bleibt weitgehend erfolglos. Unter der Ägide des UNEP Regional Seas Programme 784 wurde für das Mittelmeer im Jahr 1975 ein sog. action plan beschlossen und 1976 die Barcelona-Konvention (BaC) angenommen 785. Sie ist ein alle Quellen der Meeresverschmutzung adressierendes, ganz im Zeichen des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung (sustainable development) stehendes Rahmenübereinkommen mit derzeit sechs Protokollen 786, das für seine 21 Vertragsstaaten des Mittelmeerraumes und die Europäische Gemeinschaft nur allgemeine Verpflichtungen begründet. Der Focus liegt auf der Zusammenarbeit, nicht der Normsetzung787. Beim Schutz der Umwelt müssen sich die Parteien vom Vorsorge- und Verursacherprinzip leiten lassen. Sie sind zur Durchführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen und der Förderung der integrierten Bewirtschaftung der Küstenzonen unter Berücksichtigung des Schutzes der Gebiete von besonderem ökologischem und landschaftlichem Interesse verpflichtet. Die Verschmutzung durch Schiffe ist in Art. 6 BaC geregelt. Danach müssen die Parteien in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht alle Maßnahmen ergreifen, um so 784 Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (United Nations Environment Programme, UNEP) mit Sitz in Nairobi wurde durch Resolution 2997 (XXVII) der UN-Generalversammlung vom 15.12.1972 eingerichtet. Bereits 1974 beschloss der UNEP-Verwaltungsrat (Governing Council) das Regional Seas Programme (UN Doc. UNEP/GC.7/7, Ziff. 397, approved by GC decision 6/2 vom 24.05.1978). Anfang der 70er Jahre kam es zwischen IMO und UNEP noch zu Zuständigkeitsstreitigkeiten, die dann so gelöst wurden, dass sich UNEP nicht mit technischen Schifffahrtsstandards beschäftigt. Dazu M’Goingle/Zacher, Pollution, Politics and International Law, Tankers at Sea, S. 69–71. Die Verbindungen zwischen UNEP und IMO sind heute sehr eng. 785 Convention for the Protection of the Mediterranean Sea against Pollution, Barcelona, 16.02.1976, in Kraft getreten am 12.02.1978, 1102 UNTS 27. Vertragsstaaten sind Ägypten, Albanien, Algerien, Bosnien & Herzegowina, die Europäische Gemeinschaft, Frankreich, Griechenland, Israel, Italien, Kroatien, Libanon, Libyen, Malta, Marokko, Monaco, Slowenien, Spanien, Syrien, Tunesien, die Türkei, Jugoslawien und Zypern. Das Übereinkommen wurde am 10.06.1995 durch Beschluss der in Barcelona tagenden Vertragsstaatenkonferenz weitreichend geändert und in Convention for the Protection of the Marine Environment and the Coastal Region of the Mediterranean umbenannt (abgedruckt in LOSB 31 (1996), S. 65). Die Vertragsänderung ist noch nicht in Kraft getreten (14 Ratifikationen am 01.10.2003). Auf der 1995 in Barcelona tagenden Vertragsstaatenkonferenz wurde auch der Action Plan for the Protection of the Marine Environment and the Sustainable Development of the Coastal Areas of the Mediterranean (MAP Phase II) angenommen, der den Mittelmeeraktionsplan aus dem Jahr 1975 (Mediterranean Action Plan, MAP) ersetzt (Text unter: http://www.unepmap.org). Im Folgenden wird nur noch auf Übereinkommen und MAP in ihrer 1995 geänderten Fassung Bezug genommen. 786 Art. 23 (1) BaC zufolge sind diese Protokolle integraler Bestandteil des Übereinkommens. Nach Art. 29 (1) BaC kann Vertragspartei der Konvention nur werden, wer gleichzeitig auch Vertragspartei mindestens eines Protokolls ist. 787 Allgemein zur Barcelona-Konvention und MAP Zoller, Völker- und europarechtliche Aspekte des Mittelmeerumweltschutzes, S. 74–117.

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weit wie nur irgend möglich die Verschmutzung des Mittelmeeres durch von Schiffen verursachte Einleitungen zu verhüten, zu verringern und zu bekämpfen. Zudem ist sicherzustellen, dass die auf internationaler Ebene allgemein anerkannten Regeln zur Kontrolle dieser Verschmutzungsart in diesem Gebiet wirksam angewendet werden 788. Diese Verpflichtung ist von geringer normativer Kraft, weil sie im Kern eine bloße Referenzbestimmung ist, die die Regelung der Umweltverschmutzung durch Schiffe an das IMO-Recht bindet. Eigenständige regionale Regelungen gegenüber Schiffen unter dritter Flagge können darauf nicht gestützt werden, zumal die Barcelona-Konvention im Kollisionsfall den Bestimmungen des SRÜ den Vorrang einräumt 789. Konkretere Maßnahmen zur Verhütung der unfallbedingten Verschmutzung durch Schiffe sieht immerhin der MAP vor, den die Vertragsstaaten des Barcelona-Übereinkommens nach Art. 4 (2) BaC umzusetzen verpflichtet sind. Danach ist die Errichtung navigatorischer Hilfsmittel und Überwachungssysteme zu fördern sowie die regionale Zusammenarbeit bei der Durchsetzung internationaler Übereinkommen zu stärken 790. Detailliertere verschmutzungsspezifische Regelungen sind in den Protokollen zur Barcelona-Konvention enthalten. Relevant für die Schiffssicherheit sind das Protokoll über besondere Schutzgebiete des Mittelmeeres und die biologische Vielfalt (SPA-Prot.) 791 und das Protokoll über die Zusammenarbeit bei der Verhütung der Verschmutzung durch Schiffe und, in Notfällen, der Bekämpfung der Verschmutzung des Mittelmeeres (Prev.-Prot.) 792. 788 Vgl. den verbindlichen englischen Wortlaut des Art. 6 BaC: „The Contracting Parties shall take all measures in conformity with international law to prevent, abate, combat and to the fullest possible extent eliminate pollution of the Mediterranean Sea Area caused by discharges from ships and to ensure the effective implementation in that Area of the rules which are generally recognized at the international level relating to the control of this type of pollution.“ (Hervorhebung hinzugefügt). 789 Art. 3 (3) BaC: „Nothing in this Convention and its Protocols shall prejudice the rights and positions of any State concerning the United Nations Convention on the Law of the Sea of 1982.“ Siehe auch Art. 3 (1) BaC („The Contracting Parties, when applying this Convention and its related Protocols, shall act in conformity with international law.“) und den letzten Erwägungsgrund Präambel BaC. Beachte, dass Art.3 (4) BaC mit Blick auf Drittstaaten statuiert, dass „[t]he Contracting Parties shall take individual or joint initiatives compatible with international law through the relevant international organizations to encourage the implementation of the provisions of this Convention and its Protocols by all the non-party States.“ 790 Ziff. 7. Annex II MAP Phase II. 791 Protocol Concerning Specially Protected Areas and Biological Diversity in the Mediterranean, Barcelona, 10.06.1995, in Kraft getreten am 12.12.1999, abgedruckt in IJMCL 11 (1996), S. 101. Es ersetzt das nur auf das Küstenmeer und die inneren Gewässer anwendbare Protocol Concerning Mediterranean Specially Protected Areas, Genf, 03.04.1982, in Kraft getreten am 23.03.1986, UNTS 1425, S. 153. 792 Protocol Concerning Cooperation in Preventing Pollution from Ships and, in Cases of Emergency, Combating Pollution of the Mediterranean Sea, Malta, 25.01.2002, noch nicht in Kraft getreten, Text unter http://www.unepmap.org. Das Protokoll ersetzt das Protocol concerning Cooperation in Combating Pollution of the Mediterranean Sea by Oil and other Harm-

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1. Schiffssicherheit durch SPAs und SPAMIs Das SPA-Prot. sieht vor, dass seine Vertragsparteien auf der Grundlage ihrer Souveränität oder Hoheitsbefugnisse besondere Schutzgebiete (Specially Protected Areas, SPAs) in den Meereszonen errichten, die dem Schutz von marinen Ökosystemen und Lebensräumen, aber auch von Gebieten mit besonderer wissenschaftlicher, ästhetischer, kultureller oder erzieherischer Bedeutung dienen, vgl. Art. 4 u. 5 SPA-Prot. Art. 2 (1) SPA-Prot. scheint nahe zu legen, dass solche Gebiete auch auf Hoher See ausgewiesen werden können, denn er dehnt den örtlichen Anwendungsbereich des Protokolls auf das gesamte Mittelmeer aus 793. Dafür spricht, dass im Mittelmeer keine Hohe See mehr vorhanden wäre, wenn seine Anlieger AWZ errichteten. Die politischen Differenzen um die Abgrenzung der AWZ sollten die Staaten nicht daran hindern, von den Befugnissen Gebrauch zu machen, die ihnen anderenfalls nach dem Seerecht zuständen 794. Problematisch ist an dieser Auffassung nur, dass in Teil V SRÜ eine Art. 77 (3) SRÜ entsprechende Vorschrift fehlt, die küstenstaatliche Jurisdiktion in der AWZ also gerade deren Proklamation voraussetzt 795. Fraglich ist, ob eine SPA-Ausweisung ein Mehr an Schiffssicherheit bringt. Art. 6 SPA-Prot. nennt als schifffahrtsbezogene Schutzmaßnahmen in lit. (c) die Regelung der Durchfahrt der Schiffe und des Anhaltens oder Ankerns sowie in lit. (h) die Reglementierung, und, wenn erforderlich, das Verbot jeglicher anderer Handlungen (activity), welche die Erhaltung des Ökosystems gefährden können. Indes sind diese Maßnahmen in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht zu ergreifen 796. Art. 2 (2) ful Substances in Cases of Emergency, Barcelona, 16.12.1976, in Kraft getreten am 12.02.1978, UNTS 1102, S. 114. Im Folgenden wird nur noch auf das Prot. 2002 Bezug genommen. 793 Anders noch Art. 2 des 1982er Protokolls, der anordnete, dass sich SPAs nicht auf Meeresgebiete jenseits des Küstenmeeres erstrecken dürfen. 794 So Scovazzi, New Instruments for Marine Specially Protected Areas in the Mediterranean, in: Thiel/Koslow (Hrsg.), S. 191, ders., The Mediterranean Marine Mammals Sanctuary, IJMCL 16 (2001), S. 138, und Molenaar, Coastal State Jurisdiction over Vessel-Source Pollution, S. 452. 795 Beachte die Rechtsverwahrung in Art.2 (2) u. (3) SPA-Prot.: „(2) Nothing in this Protocol nor any act adopted on the basis of this Protocol shall prejudice the rights, the present and future claims or legal views of any State relating to the law of the sea, in particular, the nature and the extent of marine areas, the delimitation of marine areas between States with opposite or adjacent coasts, freedom of navigation on the high seas, the right and the modalities of passage through straits used for international navigation and the right of innocent passage in territorial seas, as well as the nature and extent of the jurisdiction of the coastal State, the flag State and the port State. (3) No act or activity undertaken on the basis of this Protocol shall constitute grounds for claiming, contending or disputing any claim to national sovereignty or jurisdiction.“ 796 Art. 6 SPA-Prot.: „The Parties, in conformity with international law and taking into account the characteristics of each specially protected area, shall take the protection measures required, in particular: [...] (c) the regulation of the passage of ships and any stopping or anchoring; [...].“

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SPA-Prot. stellt zudem klar, dass weder das Protokoll selbst noch eine auf seiner Grundlage beschlossene Rechtsnorm die Rechte und Ansprüche eines Staates nach dem Seerecht, insbesondere die Natur und Ausdehnung der Meeresgebiete, ihre Abgrenzung zwischen Staaten mit gegenüberliegenden oder angrenzenden Küsten, die Schifffahrtsfreiheit auf der Hohen See, das Recht und die Modalitäten der Transitdurchfahrt durch Meerengen, die der internationalen Schifffahrt dienen, die friedliche Durchfahrt durch das Küstenmeer sowie die Natur und Ausdehnung der küstenstaatlichen, flaggenstaatlichen und hafenstaatlichen Jurisdiktion berührt. Auch hier wird also durch die Verwendung von Kollisionsnormen und Referenzbestimmungen die Konformität mit dem allgemeinen Seerecht sichergestellt 797. Das Protokoll selbst wirkt nicht jurisdiktionserweiternd. Soweit das Anhalten und Ankern zur normalen Schifffahrt gehört, fällt es unter das Regime der friedlichen Durchfahrt durch das Küstenmeer. Seine Reglementierung kann bei Wahrung der Grenzen des Art. 24 SRÜ auf Art. 21 (1) (f) SRÜ gestützt werden. Außerhalb des Küstenmeeres sind Anker- und Stoppverbote nur im Rahmen von Art. 211 (6) SRÜ mit Zustimmung der IMO möglich 798. Soweit die Schifffahrt gänzlich aus einem Gebiet verbannt werden soll, wäre über ATBAs und andere Schiffswegeführungsmaßnahmen nachzudenken. All diese Instrumente sind aber nicht von einer SPA-Ausweisung abhängig. Die SPA gibt dem Küstenstaat kein Mehr an Regelungsmacht. Ähnlich wie die BSPA entfaltet sie keine Schutzwirkung nach außen gegenüber dritten Staaten 799, wohl aber nach innen, indem sie den Küstenstaat verpflichtet, die erforderlichen nach dem universellen Seerecht zulässigen Maßnahmen zum Schutz eines solchen Gebietes zu ergreifen. Eine regionale inter partes-Wirkung, die auch für die Schifffahrt relevant werden kann, begründet indes Art. 8 SPA-Prot. Er sieht vor, dass die Vertragsparteien eine Liste besonders geschützter Gebiete von mediterraner Bedeutung (specially protected areas of meditarranean importance, SPAMIs) aufstellen, die nach Art. 9 (1) SPA-Prot. auch ganz oder teilweise in der Hohen See liegen können 800. In Betracht 797 Vgl. auch die allgemeine Bestimmung Art. 3 (6) SPA-Prot.: „Each Party shall apply the measures provided for in this Protocol without prejudice to the sovereignty or the jurisdiction of other Parties or other States. Any measures taken by a Party to enforce these measures shall be in accordance with international law.“ 798 Siehe auch Merialdi, Legal Restraints on Navigation in Marine Specially Protected Areas, in Scovazzi (Hrsg.), Marine Specially Protected Areas under International Law, S. 39 ff. 799 Allerdings statuiert Art.28 SPA-Prot.: „(1) The Parties shall invite States that are not Parties to the Protocol and international organizations to cooperate in the implementation of this Protocol. (2) The Parties undertake to adopt appropriate measures, consistent with international law, to ensure that no one engages in any activity contrary to the principles or purposes of this Protocol.“ (Hervorhebung hinzugefügt). Eine erga omnes-Wirkung des Protokolls begründet Art. 28 SPA-Prot. nicht. 800 Beachte, dass das durch den zwischen Frankreich, Italien und Monaco geschlossenen Accord sur le sanctuaire des mammifères marins de la Mer Méditerranée, Rom, 25.11.1999, in Kraft getreten am 21.02.2002, Text unter: http://www.cetaceansanctuary.com/sanctuary/agreefra.htm, errichtete Schutzgebiet für Meeressäuger im nördlichen Mittelmeer als SPAMI aner-

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kommen nach den sehr weit gefassten Kriterien des Art. 8 (2) SPA-Prot. u. a. Gebiete, die für die Erhaltung der biologischen Vielfalt des Mittelmeerraumes entscheidend sind, bedrohten Tierarten als Lebensraum dienen oder von wissenschaftlichem, ästhetischem, kulturellem oder erzieherischem Interesse sind801. Über die Aufnahme eines Gebietes in die Liste entscheiden die Vertragsparteien während ihrer periodisch stattfindenden Treffen im Konsens-Verfahren. Dabei werden auch die in dem Gebiet anwendbaren Managementmaßnahmen angenommen, Art.9 (4) SPAProt. Ist ein Gebiet in die SPAMI-Liste aufgenommen worden, so ordnet Art. 8 (3) (b) SPA-Prot. an, dass die Vertragsparteien1,9 übereinkommen, die dort anwendbaren Maßnahmen zu befolgen und keine Tätigkeit gestatten oder unternehmen, die dem Schutzzweck des Gebietes zuwiderlaufen könnten 802. Auch wenn der primäre Regelungszweck der SPAMI-Bestimmungen nicht der Schutz vor Verschmutzungen durch die Schifffahrt ist 803, ermöglicht Art. 8 (3) (b) SPA-Prot. mithin eine SRÜkonforme inter se-Verschärfung des IMO-Rechts unter den Vertragsstaaten des SPA-Protokolls. Festgehalten werden kann damit, dass weder mit SPAs noch SPAMIs zusätzliche Schiffssicherheitswerkzeuge gegenüber Schiffen unter dritter Flagge geschaffen werden sollen. Der Schifffahrt gilt auch nicht das Hauptaugenmerk dieser Instrumente. Allerdings verpflichten beide Konzepte die Vertragsparteien des Protokolls, die erforderlichen Schutzmaßnahmen gegenüber Schiffen unter ihrer Flagge und, innerhalb der Grenzen des allgemeinen Seerechts, auch gegenüber Schiffen unter dritter Flagge zu ergreifen, vgl. Art. 28 SPA-Prot. kannt worden ist. In Art. 16 des Übereinkommens hatten sich die drei Staaten zu einem gemeinsamen Antrag verpflichtet. Die Anerkennung als SPAMI erfolgte allerdings bereits vor Inkrafttreten des Übereinkommens, vgl. Scovazzi, Case study on the International Sanctuary for Mediterranean Marine Mammals in the Ligurian Sea, the first regionally agreed MPA with a high seas component, in: Gjerde, Towards a Strategy for High Seas Marine Protected Areas, Proceedings of the IUCN, WCPA and WWF Experts Workshop on High Seas Marine Protected Areas, 15–17 January 2003, Malaga, Spain, Ziff. 2.4.4. Interessant ist Art. 14 (2) des Übereinkommens, der bestimmt: „(1) Dans la partie du sanctuaire située dans les eaux placées sous sa souveraineté ou juridiction, chacun des Etats Parties au présent accord est compétent pour assurer l’application des dispositions y prévues. (2) Dans les autres parties du sanctuaire, chacun des Etats Parties est compétent pour assurer l’application des dispositions du présent accord à l’égard des navires battant son pavillon, ainsi que, dans les limites prévues par les règles de droit international, à l’égard des navires battant le pavillon d’Etats tiers.“ (Hervorhebung hinzugefügt). Nach der hier vertretenen Ansicht ist Abs. (2) der Bestimmung gegenüber Schiffen unter Drittflagge zur Zeit gegenstandslos, weil die beschränkte küstenstaatliche Jurisdiktion in der AWZ die Errichtung einer solchen Zone voraussetzt. 801 Siehe auch Art. 16 iVm Annex 1 (Common Criteria for the Choice of Protected Marine and Coastal Areas that could be included in the SPAMI List) SPA-Prot. 802 Art. 8 (3) (b) SPA-Prot.: „[The Parties agree] to comply with the measures applicable to the SPAMIs and not to authorize nor undertake any activities that might be contrary to the objectives for which the SPAMIs were established.“ 803 Das Protokoll konkretisiert in erster Linie das Übereinkommen über die biologische Vielfalt (CBD) im Rahmen des Barcelona Vertragssystems. Siehe nur den 4. Erwägungsgrund der Präambel SPA-Prot.

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2. Protokoll über die Verhütung der Verschmutzung durch Schiffe Anders als sein Vorgänger aus dem Jahr 1976 trifft das neue Schifffahrtsprotokoll zur Barcelona-Konvention nicht allein Bestimmungen über die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung bereits eingetretener Verunreinigungen, sondern regelt darüber hinaus die Kooperation bei der Verschmutzungsprävention. Auch hier wird aber nicht auf die Schaffung eigenständiger, in Wettstreit zu den internationalen Normen tretender regionaler Schiffssicherheits- und Einleitungsstandards gesetzt, sondern das Protokoll steht ganz im Zeichen der Kooperation bei der Implementierung des IMO-Rechts 804. Die Definitionshoheit der IMO wird nicht in Frage gestellt. Referenzbestimmungen und Kollisionsnormen sichern die Konformität mit dem SRÜ-Regime 805. Kern- und Leitbestimmung ist Art. 3 (1) Prev.-Prot., der die Vertragsstaaten zur Zusammenarbeit bei der Implementierung internationaler Regeln zur Prävention, Reduktion und Kontrolle der marinen Umweltverschmutzung durch Schiffe auffordert. Die Bestimmungen des Protokolls sind insgesamt von geringer normativer Kraft, was einerseits an den vielen zaghaften Formulierungen wie „shall endeavour to maintain“ 806 liegt, andererseits aber auch dadurch begründet ist, dass die sehr vage formulierten Kooperationspflichten 807 kaum institutionell flankiert werden. Art.4 (2) Prev.-Prot. bestimmt beispielsweise, dass die Vertragsparteien in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht die erforderlichen Maßnahmen zur Verhütung des Mittelmeeres vor Verschmutzung durch Schiffe treffen, um in diesem Gebiet die wirksame Umsetzung der einschlägigen internationalen Konventionen in ihrer Eigenschaft als Flaggen-, Hafen- und Küstenstaaten sicherzustellen. Dafür sollen sie ihre nationalen Fähigkeiten entwickeln und können (may) bei der Implementierung im Rahmen bioder multilateraler Vereinbarungen zusammenarbeiten. Dieselbe Verpflichtung ergibt sich natürlich schon aus MARPOL, STCW und SOLAS, ohne dass es einer Klarstellung durch das Protokoll bedürfte, dem hier allenfalls eine Rahmenfunktion für weitere bi- oder multilaterale Regelungen zukommt. Selbst die zweijährige Berichtspflicht an das Regional Centre in Art. 4 (3) Prev.-Prot. geht an Implementierungskontrolle kaum über das IMO-Recht hinaus 808. Vgl. nur 5., 6., 8. u. 12. Erwägungsgrund Präambel Prev.-Prot. Vgl. nur Art. 1 (e), 3 (3) u. 4 (2), 15 Prev.-Prot. Siehe auch Art. 21 Prev.-Prot. u. 11. Erwägungsgrund Präambel Prev.-Prot. 806 Z. B. in Art. 4 (1) u. 12 (1) Prev.-Prot. 807 Vgl. Art. 4 (1) S. 1 Prev.-Prot.: „promote, either individually or through bilateral or multilateral cooperation“. 808 Nach Art. 1 (f) Prev.-Prot. ist das Regional Centre das „Regional Marine Pollution Emergency Response Centre for the Mediterranean Sea“ (REMPEC), established by Resolution 7 adopted by the Conference of Plenipotentiaries of the Coastal States of the Mediterranean Region on the Protection of the Mediterranean Sea at Barcelona on 9 February 1976, which is administered by the International Maritime Organization and the United Nations Environment 804 805

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Konkreterer Natur sind in materieller Hinsicht Art. 15 u. 16 Prev.-Prot. Nach Art. 15 Prev.-Prot. sind in Übereinstimmung mit GAIRAS und dem globalen Mandat der IMO die Risiken der anerkannten Schifffahrtswege zu bewerten und die nötigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Gefahr von Unfällen zu reduzieren. Daraus lässt sich eine Verpflichtung zur Kooperation in der IMO bei der Annahme oder Änderung von Schiffswegeführungen ableiten. Regel V/10 (3) SOLAS wird so regional ausgestaltet. Art. 16 Prev.-Prot. verpflichtet zur Erarbeitung nationaler, subregionaler oder regionaler Notliegekonzepte für Schiffe in Seenot. Das Regional Centre ist über die ergriffenen Maßnahmen zu informieren. Insgesamt betrachtet ist das Prev.-Prot. von geringem Gewinn für die Schiffssicherheit, was vor allem daran liegt, dass es ebenso wie das Barcelona-Übereinkommen selbst nicht über eine Rahmenfunktion hinauskommt. Anders als die HelsinkiKonvention enthält das Prev.-Prot. keine technischen Anlagen, in denen materielle Standards im schnellen tacit amendment-Verfahren geändert werden könnten. Auch als Kooperationsrahmen vermag das Protokoll nicht zu überzeugen, da regelmäßige Treffen der Vertragsparteien nach Art. 18 Prev.-Prot. iVm Art. 18 BaC nur alle zwei Jahre stattfinden 809. Immerhin sind während der Treffen die Berichte des Regional Centre (so es denn informiert wurde) über die Umsetzung der Art.4 u. 16 Prev.-Prot. zu diskutieren, so dass eine gewisse Erfüllungskontrolle stattfindet.

3. Ergebnis Die Bedeutung der Barcelona-Konvention und ihrer Protokolle für die Schiffssicherheit ist gering. Das liegt zum einen an den vielen Rahmenregelungen, die sich auch in den Protokollen wiederfinden: Erforderlich ist nicht ein weiteres bilaterales Ausgestalten, sondern gebraucht werden technische Anlagen, die die Rahmenregelungen konkretisieren und die im schnellen tacit amendment-Verfahren geändert werden können. Die HELCOM macht vor, wie die Spielräume des IMO-Rechts genutzt und globale Regeln (etwa durch den Aufbau regional vernetzter AIS-Empfangsstationen) landseitig komplementiert werden können, ohne dass die Definitionshoheit der Weltschifffahrtsorganisation infrage gestellt wird. Zum anderen mangelt es sowohl Übereinkommen als auch Protokollen an der nötigen institutionellen Verankerung. Der Konstitutionalisierungsgrad ist gering. UNEP nimmt größtenteils nur Sekretariatsaufgaben war. Es wird keine der HELCOM vergleichbare regionale Organisation geschaffen, die über Arbeitsgruppen verfügt, Empfehlungen verabschieden kann und die Durchführung des Übereinkommens ständig beobachtet 810. Programme, and the objectives and functions of which are defined by the Contracting Parties to the Convention.“ 809 Beachte, dass sich allein das MSC der IMO mindestens zweimal im Jahr trifft. 810 Da UNEP nicht durch einen völkerrechtlichen Vertrag, sondern durch eine UN-Generalversammlungsresolution errichtet wurde, ist es keine UN-Sonderorganisation und hat kei-

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Dies macht es schwer, in einem partnerschaftlichen Verfahren Erfüllungsprobleme zu identifizieren und zu erörtern oder einen Mittelmeerlobbyismus in der IMO zu betreiben. Die Implementierungskontrolle hat im Rahmen der Berichtsverfahren nur eine schwache Ausprägung gefunden und bleibt hinter dem IMO-Recht zurück: Vertragsparteien berichten grundsätzlich nur an Vertragsparteien 811. Letztlich wirkt sich hier aus, dass es sich bei den Mittelmeerstaaten um in wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Hinsicht sehr unterschiedliche Staaten handelt und es vielfach an einer gemeinsamen politischen Grundlage für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit fehlt. Immerhin setzen Aktionspläne und Protokolle die regional koordinierte Umsetzung des IMO-Rechts auf die Agenda und geben ihr einen gewissen politischen Impetus.

V. Nordsee und Nordostatlantik Die Umweltverschmutzung durch Schiffe in der Nordsee beschäftigt immer wieder die internationale Nordseeschutzkonferenz (INK) und die Trilaterale Regierungskonferenz zum Schutz des Wattenmeeres (TWK). Beide Treffen finden auf Ministerebene statt. Die dort gefassten Beschlüsse sind umweltpolitische Absichtserklärungen der Minister der Anliegerstaaten zu einer Vielzahl mariner Agenden und entfalten keine Rechtswirkung 812. Neben INK und TWK könnten künftig auch im Rahmen des Übereinkommens zum Schutz der Meeresumwelt des Nordostatlantiks (OSPAR-Übereinkommen) 813 beschlossene Programme und Maßnahmen die Umweltverschmutzung durch Schiffe betreffen.

ne eigene Völkerrechtspersönlichkeit, sondern untersteht unmittelbar der UN-Generalversammlung. Beachte, dass nach Art. 4 (2) BaC den Empfehlungen der im Rahmen des Aktionsplans eingerichteten Mittelmeer-Kommission für nachhaltige Entwicklung Rechnung zu tragen ist. 811 Art. 17 (vi) BaC. Allerdings muss nach Art. 4, 7 u. 16 Prev.-Prot. auch das Regional Centre informiert werden. 812 Allgemein zu den INK Cron, Das Umweltregime der Nordsee: völker- und europarechtliche Aspekte, S. 153–161. 813 Convention for the Protection of the Marine Environment of the Nort-East Atlantic, Paris, 22.09.1992, in Kraft getreten am 25.03.1998, ILM 32 (1993), 1069. Vertragsparteien sind Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Irland, Island, Luxemburg, die Niederlande, Norwegen, Portugal, Schweden, die Schweiz, Spanien und die Europäische Gemeinschaft. Das OSPAR-Übereinkommen ersetzt nach seinem Art. 31 die Convention for the Prevention of Marine Pollution by Dumping from Ships and Aircraft, Oslo, 15.02.1972, in Kraft getreten am 07.04.1974, UNTS 932, 3 und die Convention for the Prevention of Marine Pollution from Landbased Sources, Paris, 04.06.1974, in Kraft getreten am 06.05.1978, ILM 13 (1974), 352. Allgemein dazu Lagoni, Das OSPAR-Übereinkommen von 1992 und der Schutz der Nordsee, in Koch/Lagoni (Hrsg.), Meeresumweltschutz für Nord- und Ostsee, S. 79–101 und Proelß, Meeresschutz im Völker- und Europarecht, S. 192–231.

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1. Internationale Nordseeschutzkonferenzen und trilateraler Wattenmeerschutz Die erste INK fand 1984 auf Einladung der Bundesregierung in Bremen statt. Weitere Konferenzen folgten in London (1987), Den Haag (1990), Esbjerg (1995) und Bergen (2002). Ziel der Konferenzen ist, der Arbeit der Nordseeanliegerstaaten in internationalen Gremien einen politischen Anstoß zu geben und die Implementierung existierender internationaler Umweltschutzstandards zu verbessern. Obwohl die Ministererklärungen selbst lediglich politische Selbstverpflichtungen sind, können sie somit durchaus rechtsverbindliche Entscheidungen auf internationaler Ebene beeinflussen. Mittlerweile haben die Konferenzen durch zwischen den Zusammenkünften tagende Arbeitsgruppen und Ministertreffen zu speziellen Themenbereichen sowie die Schaffung eines regelmäßig zusammentretenden Ausschusses leitender Beamter der Nordseestaaten und der Europäischen Kommission (CONSSO) 814, dessen Arbeit durch ein beim norwegischen Umweltministerium ansässiges Sekretariat unterstützt wird, eine gewisse institutionelle Verfestigung erfahren. Eine Implementierungskontrolle findet durch die regelmäßig veröffentlichten Forschrittsberichte statt 815. In den Erklärungen der Nordseeminister hat die Schifffahrt immer eine Rolle gespielt. Auch hier lag der Akzent stets auf der Zusammenarbeit in der IMO und der Implementierung des globalen Regelwerkes 816. Durch dieses konzertierte Nordseelobbying konnte die Arbeit der IMO vielfach beschleunigt und Entscheidungen im Sinne der Nordseeanlieger herbeigeführt werden. Jüngstes Beispiel hierfür ist die auf der 5. INK (2002) vereinbarte politische Unterstützung für die dritte Stufe des internationalen Haftungsfonds und die Ausweisung des Wattenmeeres als PSSA 817. Die Durchsetzung des internationalen Regelwerkes zur Verhütung der betriebsbedingten Verschmutzung durch Schiffe soll künftig durch gemeinsame Sitzungen der unmittelbar mit der Aufdeckung und Verfolgung illegaler Einleitungen von Schiffen befassten Ankläger und Ermittlern der Nordseestaaten, das sog. North Sea Network, Committee of North Sea Senior Officials (CONSSO). Vgl. den Progress Report Fifth International Conference on the Protection of the North Sea 20–21 March 2002, Bergen, Norway (S. 146–159 zur Umweltverschmutzung durch Schiffe). 816 Zur Implementierung vgl. z. B. Ziff. 43 Erklärung von Esbjerg (1995): „Since shipping moves freely between the different national jurisdictions in the North Sea, improved cooperation between North Sea States is essential to enforcing the applicable international rules and standards for the prevention, control and reduction of pollution from vessels. Therefore the Ministers WILL TAKE action to develop means (either in a legal instrument or under some other cooperative arrangement) whereby the enforcement authorities and courts in the different jurisdictions can be enabled to work together more effectively, in the exercising of the powers available to flag states, port states and coastal states (including those in EEZs or equivalent jurisdictions).“ Siehe auch Ziff. 2 Erklärung von Bremen (1984), Ziff. 25–33 Erklärung von London (1987), Ziff. 24–27 Erklärung von Den Haag, Ziff. 41–18 Erklärung von Esbjerg (1995) und Ziff. 37–50 Erklärung von Bergen (2002). Texte unter http://www.odin.dep.no/md/ nsc/declaration/index-b-n-a.html. Die Zusammenarbeit der Nordseestaaten führte beispielsweise zur Ausweisung der Nordsee als MARPOL-Sondergebiet. 817 Siehe Ziff. 39 u. 49 Erklärung von Bergen. 814 815

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verbessert werden 818. Auch hier liegt der Schwerpunkt also auf der informellen, pragmatischen Lösung technischer Probleme; völkerrechtlich verbindliche Beschlüsse sind nicht geplant. Ähnlich wie bei den Nordseekonferenzen auf multilateraler Ebene geht es auch bei den seit 1978 alle drei bis vier Jahre tagenden trilateralen Wattenmeerkonferenzen beim Thema Schifffahrt primär um die Zusammenarbeit Deutschlands, Dänemarks und der Niederlande in der IMO und die gemeinsame Umsetzung der von der Organisation gefassten Beschlüsse. Auch diese Kooperation hat durch die zwischen den Regierungskonferenzen mehrmals im Jahr zusammentretende und aus Regierungsbeamten bestehende Trilateral Working Group (TWG) und das 1987 durch ein Verwaltungsabkommen errichtete Common Wadden Sea Secretariat (CWSS) eine institutionelle Verfestigung erfahren. Die Beschlüsse der 9. TWK (2001) standen ganz im Zeichen der Schiffssicherheit. Unter anderem ging es um die gemeinsame Errichtung landgestützter AIS-Überwachungssysteme bis spätestens Juli 2005, den trilateralen Antrag an die IMO auf Ausweisung des Wattenmeeres als PSSA (einschließlich der Aufforderung an die 5. INK, diesen Antrag in der IMO zu unterstützen), die dritte Entschädigungsstufe beim Ölverschmutzungsfonds und einen gemeinsamen Antrag an die IMO zur verbindlichen Festlegung von Schifffahrtswegen westlich und nördlich der friesischen Wattenmeerinseln 819. Kenzeichnend ist mithin sowohl für INK als auch TWK, dass sie die Arbeit der IMO zwar im Sinne der Nordseeanlieger zu beeinflussen suchen, den Primat der Organisation bei der Kreation von Schifffahrtsstandards aber nicht in Frage stellen. Trotz der rechtlichen Unverbindlichkeit und informellen Natur beider Kooperationsformen ist der faktische Verwirklichungsgrad der dort beschlossenen Maßnahmen regelmäßig hoch.

2. OSPAR-Übereinkommen Das Übereinkommen zum Schutz der Meeresumwelt des Nordostatlantiks hatte bislang keinen Einfluss auf die betriebs- und unfallbedingte Verschmutzung durch Schiffe. Obwohl die Konvention in ihren Art. 3, 4 u. 5 in Verbindung mit den Anlagen I, II u. III einzelne Verschmutzungsquellen regelt (Verschmutzung vom Land aus, Verschmutzung durch Einbringen oder Verbrennung, Verschmutzung durch Offshore-Quellen), wird die Schifffahrt nicht direkt angesprochen. Normiert wird in Art. 4 OSPAR lediglich das dumping, also die von Schiffen, Luftfahrzeugen oder Offshore-Anlagen aus erfolgende vorsätzliche Beseitigung von Abfällen oder sonstigen Stoffen. Darunter fällt nach Art. 1 (g) OSPAR aber gerade nicht die mit dem Siehe Ziff. 41 Erklärung von Bergen. Ziff. 54–66 u. Anhang 3 u. 5 Erklärung von Esbjerg (Ministererklärung der Neunten Trilateralen Regierungskonferenz zum Schutz des Wattenmeeres, Esbjerg, 31. Oktober 2001). Text unter http://www.waddensea-secretariat.org/tgc/TGC-Esbjerg01.html. 818 819

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normalen Betrieb von Schiffen zusammenhängende Beseitigung von Stoffen oder die unfallbedingte Meeresverschmutzung. Diese kann damit nur auf Grundlage der allgemeinen Bestimmung des Art. 2 (1) (a) OSPAR reglementiert werden, derzufolge die Vertragsparteien in Übereinstimmung mit dem Übereinkommen alle nur möglichen Maßnahmen treffen, um Verschmutzungen zu verhüten und zu beseitigen und alle notwendigen Schritte zum Schutz des Meeresgebiets vor den nachteiligen Auswirkungen menschlicher Tätigkeiten unternehmen. Allerdings kann aus Art. 7 OSPAR geschlossen werden, dass auf Art. 2 (1) (a) des Übereinkommens nur solche schifffahrtsbezogenen Maßnahmen gestützt werden dürfen, die nicht bereits Gegenstand von IMO-Instrumenten sind. Art. 2 (1) (a) OSPAR ist aus „OSPAR-Perspektive“ gegenüber dem IMO-Recht subsidiär. Art. 7 OSPAR zufolge arbeiten die Vertragsparteien zusammen, um neue Anlagen anzunehmen, in denen Maßnahmen, Verfahren und Standards zum Schutz des Meeresgebiets vor Verschmutzung durch andere als die in Art. 3, 4 u. 5 OSPAR genannten Quellen vorgeschrieben werden, soweit diese Verschmutzung nicht bereits Gegenstand wirksamer Maßnahmen ist, die von anderen internationalen Organisationen vereinbart wurden oder durch andere internationale Übereinkommen vorgeschrieben sind. Diese Klausel wurde extra eingefügt, um eine Doppelregulierung der Umweltverschmutzung durch Schiffe zu vermeiden 820. Bis zum Jahr 2003 nahm keine der von der OSPAR-Kommission 821 angenommenen Entscheidungen oder Empfehlungen auf die Verhütung der Umweltverschmutzung durch Schiffe Bezug. Künftig könnte allerdings auch das OSPAR-Übereinkommen für die Schifffahrt eine gewisse Bedeutung gewinnen. 1998 wurden auf der Ministerkonferenz der OSPAR-Kommission in Sintra, Portugal, eine neue Anlage V über Schutz und Erhaltung der Ökosysteme und der biologischen Vielfalt des Meeresgebietes sowie ein neuer Anhang 3 über Maßstäbe für die Festlegung menschlicher Tätigkeiten im Sinne der Anlage V angenommen 822. Nach Art. 2 (1) dieser Anlage iVm Anhang 3 OSPAR 820 Hey/IJlstra/Nollkaemper, The 1992 Convention for the Protection of the Marine Environment of the North-East Atlantic: A Critical Analysis, IJMCL 8 (1993), S. 33 f. 821 Eingesetzt durch Art. 10 OSPAR. Die Kommission besteht aus Vertretern aller Vertragsstaaten und hat u. a. die Aufgabe, die Durchführung des Übereinkommens zu überwachen, den Zustand des Nordostatlantiks, die Wirksamkeit beschlossener und die Notwendigkeit zusätzlicher Maßnahmen zu überprüfen, Programme und Maßnahmen zur Verhütung, Beseitigung und Überwachung der Verschmutzung zu erarbeiten sowie Vorschläge zur Änderung des Übereinkommens zu prüfen und ggf. anzunehmen. Gemäß Art. 13 OSPAR nimmt die Kommission einstimmig Entscheidungen und Empfehlungen an. Kommt keine Einstimmigkeit zustande, ist grds. auch eine ¾-Mehrheit ausreichend. Eine solchermaßen beschlossene Entscheidung wird nach 200 Tagen für alle diejenigen Parteien bindend, die ihr nicht schriftlich widersprochen haben; Vorraussetzung hierfür ist allerdings, dass zu diesem Zeitpunkt ¾ aller Parteien diese Entscheidung gebilligt haben. 822 Annex V, The Protection and Conservation of the Ecosystems and Biological Diversity of the Maritime Area und Appendix 3, Criteria for Identifying Human Activities for the Purpose of Annex V, angenommen am 23.07.1998. In Übereinstimmung mit Art.18, 16 u. 15 (5) OSPAR tritt die Anlage für jeden Vertragsstaat 30 Tage nach der Ratifikation in Kraft (für Deutschland

C. Regionale Schutzmaßnahmen

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unternehmen die Vertragsparteien in Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus dem OSPAR-Übereinkommen und der CBD die notwendigen Schritte zum Schutz und zur Erhaltung der Ökosysteme sowie der biologischen Vielfalt des Meeresgebietes 823 und zur Wiederherstellung beeinträchtigter Meereszonen und kooperieren bei der Annahme von Programmen und Maßnahmen zur Kontrolle menschlicher Tätigkeiten, die sich auf bestimmte Arten, Artengemeinschaften und Lebensräume oder auf bestimmte ökologische Prozesse schädlich auswirken oder auswirken können 824. Zu diesem Zweck kann die Kommission nach Art. 3 OSPAR Programme und Maßnahmen erarbeiten und dabei mit dem Völkerrecht vereinbare Mittel (means, consistent with international law) zur Einleitung von Schutz-, Erhaltungs-, Wiederherstellungsoder Vorsorgemaßnahmen in Bezug auf spezifische Gebiete oder in Bezug auf bestimmte Arten oder Lebensräume entwickeln. Art. V/4 (2) OSPAR geht dabei davon aus, dass sich solche Programme und Maßnahmen auch auf die Seeschifffahrt beziehen können. Der Bestimmung zufolge hat sich die Kommission an die IMO zu wenden, wenn sie der Ansicht ist, dass in einer Frage der Seeschifffahrt ein Tätigwerden aufgrund von Anlage V wünschenswert ist (it shall draw that question to the attention of the IMO/elle attire l’attention de l’OMI sur cette question). Die OSPARVertragsparteien, die IMO-Mitglieder sind 825, müssen sich in diesem Fall bemühen (shall endeavour to cooperate), innerhalb der Organisation zusammenzuarbeiten, um eine angemessene Lösung zu erreichen. Dazu kann auch die Zustimmung der IMO zu einem regionalen oder lokalen Tätigwerden gehören. Die einschlägigen Richtlinien der Weltschifffahrtsorganisation, etwa über die Ausweisung von Sondergebieten oder die Identifizierung von PSSAs, sind in diesem Fall zu berücksichtigen 826. Mit Art. V/4 (2) OSPAR wird der Kommission mithin erstmals ein ausdrückliches Mandat erteilt, Maßnahmen im Bereich der Seeschifffahrt zu beschließen. Auch hier wird der Primat der IMO nicht in Frage gestellt, sondern vielmehr durch die am 24.08.2001). Text in BGBl 2001 II 647. Nach Art. 14 OSPAR sind Anlagen und Anhänge Bestandteil des Übereinkommens. Die Anhänge haben wissenschaftlichen, technischen oder verwaltungstechnischen Charakter. 823 Nach Art. 1 (a) OSPAR umfasst der Begriff Meeresgebiet (maritime area) die inneren Gewässer, Küstenmeere und AWZ der Vertragsparteien sowie die Hohe See und den Meeresboden und Untergrund all dieser Gewässer innerhalb der in Art. 1 (a) OSPAR festgelegten Grenzen des Nordostatlantiks. 824 Anlage V konkretisiert mithin das Übereinkommen über die biologische Vielfalt (CBD) für den Nordostatlantik. Beachte, dass Art. 1 Anlage V OSPAR hinsichtlich der Begriffe biological diversity, ecosystem und habitat auf die CBD Bezug nimmt. 825 Außer der EG sind alle OSPAR-Vertragsparteien zugleich Vertragsstaaten der IMO. 826 Vgl. auch den verbindlichen englischen Wortlaut von Art. V/4 (2) OSPAR: „Where the Commission considers that action under this Annex is desirable in relation to a question concerning maritime transport, it shall draw that question to the attention of the International Maritime Organisation. The Contracting Parties who are members of the International Maritime Organisation shall endeavour to cooperate within that Organisation in order to achieve an appropriate response, including in relevant cases that Organisation’s agreement to regional or local action, taking account of any guidelines developed by that Organisation on the designation of special areas, the identification of particularly sensitive areas or other matters.“

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Zweiter Teil: Der Schutz vor Öltankerunfällen durch das Völkerrecht

Pflicht zur Kooperation in Art. V/4 (2) OSPAR gestärkt. Regionale Maßnahmen können zwar beschlossen werden, sie müssen aber durch die internationale Ebene konsentiert sein. Dass Art. V/4 (2) S. 1 OSPAR nicht nur eine bloße Konsultationspflicht für die OSPAR-Kommission begründet, zeigt neben Art. V/4 (2) S. 2 OSPAR (Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Kooperation in der IMO) und Art. V/3 (1) (b) (ii) OSPAR (mit dem Völkerrecht vereinbare Gebiets- oder Artenschutzmaßnahmen) auch die Präambel des zur Annahme von Anlage V gefassten Beschlusses, in der sich die OSPAR-Vertragsparteien auf die Vorschriften des Seerechtsübereinkommens über die Schifffahrt berufen 827. Darüber hinaus wurde bei der Annahme von Anlage V beschlossen, dass im Rahmen von Programmen oder Maßnahmen aufgrund dieser Anlage ein Tätigwerden zu vermeiden ist, das bereits durch andere völkerrechtliche Übereinkünfte vorgeschrieben wird und das Gegenstand angemessener, von anderen internationalen Organisationen vereinbarter Maßnahmen ist. Vor Annahme einer Anlage V-Maßnahme ist daher zu prüfen, ob im Rahmen anderer völkerrechtlicher Übereinkünfte oder Vereinbarungen ein sachgerechtes Tätigwerden möglich wäre 828. Ein strenger Subsidiaritätsgrundsatz also, der eine Doppelregulierung, und sei es auch durch bloße Referenzbestimmungen, vermeiden will und in der Schiffssicherheit einem Vorgehen im Rahmen der IMO selbst dort den Vorrang einräumt, wo nach dem SRÜ regionale Lösungen, beispielsweise über die Flaggenhoheit, möglich wären. Mit Anlage V OSPAR wird mithin die Möglichkeit geschaffen, die machinery des OSPAR-Übereinkommens für eine rechtlich und institutionell verankerte regionale Kooperation in der IMO zum Gebiets- und Artenschutz zu nutzen. Ein solches Vorgehen wäre nicht nur SRÜ-konform, sondern auch besonders geeignet, regionale Belange in der Organisation durchzusetzen und die Akzeptanz lokaler Regelungen (Sondergebiete, Schiffwegeführungen etc.) durch die Zustimmung der gesamten Staatengemeinschaft zu erhöhen. Während die Rechtsetzung auf globaler Ebene erfolgte, bliebe die regionale Implementierung der mit Zustimmung der IMO getroffenen Maßnahmen den Erfüllungskontroll- und Erfüllungshilfemechanismen der OSPAR-Konvention nach Art. 22 u. 23 OSPAR überlassen. 827 4. Erwägungsgrund der Präambel des Beschlusses zur Annahme von Anlage V und Anhang 3 zum Übereinkommen (reference number 1998-15.1). Siehe auch den 7. Erwägungsgrund Präambel OSPAR-Übereinkommen. Beachte zudem die von der Bundesrepublik Deutschland bei Hinterlegung der Ratifikationsurkunde abgegebene Erklärung (BGBl 2002 II 2303): „Die Bundesrepublik Deutschland erklärt, dass nach ihrer Auffassung der Beschluss am Ende der Präambel zu Anlage V in Verbindung mit Art. 4 Abs. 2 der Anlage V Gegenstände, die in die Zuständigkeit der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation (IMO) fallen, nicht berührt.“ Dabei handelt es sich trotz des Ausdrucks „für die Bundesrepublik nach Maßgabe der nachstehenden, bei Hinterlegung der Ratifikationsurkunde abgegebenen Erklärung in Kraft getreten“ lediglich um eine ggf. im Rahmen von Art. 31 (2) WVK zu berücksichtigende Interpretationserklärung, nicht aber um einen Vorbehalt im Sinne des Art. 2 (1) (d) WVK. Ein solcher wäre nämlich nach Art. 28 iVm Art. 14 OSPAR unzulässig. 828 Lit. (a) u. (b) Beschluss zur Annahme von Anlage V und Anhang 3 zum Übereinkommen (reference number 1998-15.1).

C. Regionale Schutzmaßnahmen

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Dieses Potential des OSPAR-Übereinkommens wird aber bislang nicht genutzt. Die 1998 auf dem Ministertreffen der OSPAR-Kommission in Sintra angenommene Strategie zum Schutz und zur Erhaltung der Ökosysteme und biologischen Vielfalt des Nordostatlantiks, die die Weichen für die zukünftige Arbeit der Kommission stellen soll, erwähnt die Schifffahrt nicht in ihrer Liste der zunächst zu regulierenden menschlichen Tätigkeiten 829. Allerdings hat die Kommission im Juni 2003 auf der Grundlage von Art. V/3 (1) (b) (ii) OSPAR den Küstenstaaten des Übereinkommens die Errichtung eines Netzwerkes aus marinen Schutzgebieten empfohlen (OSPAR Rec. 2003/3), mit dem die biologische Vielfalt des Nordostatlantiks erhalten werden soll 830. Auch diese Empfehlung nimmt aber auf die Schifffahrt nicht direkt Bezug. Die Auswahl der Gebiete, die in der AWZ liegen können, obliegt nach Ziff. 3.1 der Empfehlung dem Küstenstaat, der dabei die Kriterien der Identification and Selecetion Guidelines der OSPAR-Kommission zu berücksichtigen 831 und in Übereinstimmung mit den Management Guidelines einen Managementplan zu erstellen hat 832. Keins dieser beiden Instrumente nennt indes Beispiele für konkrete Schutzmaßnahmen, die in einem solchen Gebiet zu ergreifen sind 833. Damit obliegt es nach Ziff. 3.3 OSPAR Rec. 2003/3 dem Küstenstaat zu bestimmen, welche Maßnahmen für ein solches Gebiet angemessen sind, um diese dann entweder nach seiner nationalen Gesetzgebung selbst zu ergreifen oder, wenn er nicht die Kompetenz zu einem solchen unilateralen Vorgehen besitz, die Zustimmung der zuständigen internationalen Organisation einzuholen. Auch OSPAR-MPAs entfalten damit lediglich eine Bindungswirkung nach innen, indem sie den Küstenstaat zwingen, alle nach dem Völkerrecht zulässigen Maßnahmen zum Schutz eines solchen Gebietes zu ergreifen. Eine eigenständige Bedeutung 829 Vg. Ziff. 2 OSPAR Strategy on the Protection and Conservation of the Ecosystems and Biological Diversity of the Maritime Area, adopted by the 1998 Ministerial Meeting of the OSPAR Commission, Sintra, 22.–23.07.1998 (reference number: 1998-19). 830 OSPAR Recommendation 2003/3 on a Network of Marine Protected Areas, adopted by the 2003 Meeting of the OSPAR Commission, Bremen, 23.–27.06.2003. Siehe auch Ziff. 15–18 der Declaration of the Joint Ministerial Meeting of the Helsinki and OSPAR Commissions, Bremen 25.–26.06.2003, OSPAR Doc. JMM 2003/3(final version)-E. Dort wurde bis 2010 die Fertigstellung eines gemeinsamen Netzwerkes Mariner Schutzgebiete aus BSPAs und OSPAR-Schutzgebieten ins Auge gefasst. 831 Guidelines for the Identification and Selection of Marine Protected Areas in the OSPAR Maritime Area, adopted by the 2003 Meeting of the OSPAR Commission, Bremen, 23.–27.06.2003 (reference number: 2003-17). Um als MPA zu qualifizieren, müssen nach Appendix 1 der Richtlinien mehrere aber nicht notwendigerweise alle der folgenden Kriterien erfüllt sein: threatened or declining species and habitats/biotopes, important species and habitats/biotopes, ecological significance, high natural biological diversity, representativity, sensitivity, naturalness. 832 Guidelines for the Management of Marine Protected Areas in the OSPAR Maritime Area, adopted by the 2003 Meeting of the OSPAR Commission, Bremen, 23.–27.06.2003 (reference number: 2003-18). 833 Die Management Guidelines geben in Ziff. 5 nur Beispiel für menschliche Aktivitäten, die möglicherweise zu regulieren sind. Dazu zählt auch die Schifffahrt.

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Zweiter Teil: Der Schutz vor Öltankerunfällen durch das Völkerrecht

für die Schiffssicherheit besitzen sie damit nicht. Abzuwarten bleibt, ob die machinery der OSPAR-Konvention künftig dazu eingesetzt werden wird, für die Zwecke der Anlage V regionale Interessen in der IMO durchzusetzen und regional umzusetzen. Bisher scheinen die Staaten in der OSPAR-Kommission die Schifffahrt eher weiter ausklammern zu wollen. Die nötige Abstimmung in der IMO wird über andere, teilweise weniger verrechtlichte Foren gesucht. Mit der zu erwartenden stärkeren Etablierung der OSPAR-MPAs mag sich dies ändern.

VI. Zusammenfassende Würdigung Die Untersuchung hat keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass auf regionaler Ebene über die globalen Standards hinausgehende Regelungen geschaffen würden. Vielmehr scheinen die Küstenstaaten die Jurisdiktionsordnung der Montego-BayKonvention zu akzeptieren und nicht zu versuchen, im Rahmen regionaler Vereinbarungen mehr Hoheitsbefugnissen zu beanspruchen, als ihnen nach dem Seerechtsübereinkommen zusteht. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass Regelungsziel der regionalen Instrumente der Umweltschutz ist. Sie sind nicht zonal orientiert und versuchen, Aussagen zur Reichweite der küstenstaatlichen Jurisdiktion durch allgemein gehaltene Formulierungen wie „in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht“ eher zu vermeiden. Soweit die Schifffahrt explizit geregelt wird, sichern aber Kollisionsnormen die SRÜ-Konformität der regionalen Bestimmungen. Die Frage nach der Bedeutung der regionalen Ebene in der Schiffssicherheit ist unterschiedlich zu beantworten, je nachdem, ob es um die Standardsetzung, den Einfluss regionaler Kooperationsformen auf die Entscheidungsfindung der IMO oder die Implementierung internationaler Schifffahrtsstandards geht. Bei der Schaffung von Schiffssicherheitsstandards spielt die regionale Ebene eine eher untergeordnete Rolle. Keines der untersuchten regionalen Übereinkommen macht im Schiffssicherheitsbereich von der nach dem SRÜ gegebenen Möglichkeit Gebrauch, seine Vertragsstaaten dazu zu verpflichten, Schiffen unter ihrer Flagge strengere als die international vereinbarten Standards vorzuschreiben. Nur teilweise greifen die regionalen Übereinkommen zudem die den Küsten- und Hafenstaaten in globalen Regelungen eingeräumten Spielräume auf. Regionale VTS-Dienste im Küstenmeer wären beispielsweise mit Regel V/12 SOLAS ohne weiteres vereinbar, dennoch sind sie in keiner der regionalen Konventionen vorgesehen. Aber auch küstenstaatliche Schlüsselagenden wie die landseitige Komplementierung der AISAusrüstungsverpflichtung durch den Aufbau miteinander vernetzter regionaler Empfangsstationen, Seeverkehrsüberwachungs- und -leitsysteme haben lediglich in der Ostsee eine rechtliche Verankerung erfahren. Von untergeordneter Bedeutung für die Schiffssicherheit sind schließlich auch die zahlreichen regionalen Gebietsschutzkonzepte. Die Übereinkommen verweisen durchgehend auf die einschlägigen IMO-Instrumente und erschöpfen sich in der

C. Regionale Schutzmaßnahmen

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Verpflichtung, in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht alle zum Schutz solcher Gebiete zulässigen Maßnahmen zu ergreifen. Sie erteilen mithin einen Schutzauftrag nach innen und entfalten allenfalls eine symbolische Außenwirkung. Eine Gefahr für die Schifffahrtsfreiheit geht von ihnen nicht aus. Vielmehr gibt auch beim Gebietsschutz die IMO mit ihrem PSSA-Konzept die Marschrichtung vor. Sucht man nach den Gründen für das geringe Gewicht der regionalen Ebene im Rechtsetzungsbereich, so liegen diese weniger darin, dass regionale Übereinkommen nach der Jurisdiktionsordnung des Seerechtsübereinkommens schnell an ihre Grenzen stoßen, weil sie Schiffe eines Staates, der nicht zur Region gehört, nur unvollkommen erfassen können. Denn auch dort, wo eine regionale Normsetzung nach dem SRÜ ohne weiteres möglich ist, machen die Staaten nur ausgesprochen zögerlich von ihr Gebrauch. Ausschlaggebender dürften daher weniger rechtliche Gründe als vielmehr die Wettbewerbsnachteile sein, die ein unilaterales Vorgehen sowohl für flaggen- als auch für Hafenstaaten regelmäßig mit sich bringt. Außerdem kommt der IMO in rein tatsächlicher Hinsicht im Schifffahrtsbereich mittlerweile eine herausragende Stellung zu. Allein die Organisation verfügt aufgrund ihres hohen technischen Expertenwissens und ihrer Kontakte zur maritimen Industrie über das nötige Know-how, um sachgerechte Schiffssicherheitsstandards setzen zu können. Aufgrund des tacit amendment-Verfahrens kann sie sogar schneller als viele regionale Organisationen auf den neusten Stand der Technik reagieren. Zudem wird nur die IMO von der gesamten Staatengemeinschaft als das zuständige Gremium anerkannt. Ihren Entscheidungen, an denen die gesamte Staatengemeinschaft beteiligt ist, kommt daher eine enorme Befriedungsfunktion zu. Folge der starken Rolle der IMO bei der Kreation von Schiffssicherheits- und Einleitungsstandards ist, dass die regionale Ebene nicht neben, sondern durch die IMO zu agieren versucht. Viele regionale Vereinbarungen schaffen einen Kooperationsrahmen, innerhalb dessen gemeinsame regionale Interessen identifiziert und mittels gemeinsamer Antragstellung in der IMO durchgesetzt werden sollen. Der Grad der Verrechtlichung und Institutionalisierung variiert, gemeinsam ist aber allen Vereinbarungen, dass sie eine Art Sprachrohr für regionale Belange in der IMO sind. Das OSPAR-Übereinkommen sieht beispielsweise die Möglichkeit vor, seine Vertragsstaaten zur Kooperation in der IMO für die speziellen Gebietsschutzzwecke des Übereinkommens zu verpflichten und so die Akzeptanz regionaler Regeln durch die Zustimmung der gesamten Staatengemeinschaft zu erhöhen. Eine solche Verzahnung von regionaler und globaler Ebene beschleunigt auch die Arbeit der IMO, weil strittige Punkte vorab auf regionaler Ebene geklärt werden können. Der Einfluss der regionalen Ebene auf die Entscheidungsfindung der Organisation ist mithin sehr groß. Das größte Potential regionaler Vereinbarungen liegt aber nicht im Bereich der Rechtsetzung, sondern der Implementierung globaler Standards, weil die regionale Ebene mit ihren Erfüllungskontroll- und Erfüllungshilfemechanismen regelmäßig über die nötige machinery und Vollzugserfahrung verfügt, um die Um- und Durchsetzung des globalen Regelwerks in der Region sicherzustellen. Dies gilt auf dem

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Zweiter Teil: Der Schutz vor Öltankerunfällen durch das Völkerrecht

Gebiet der CDEM-Standards vor allen Dingen für die Hafenstaatskontrollvereinbarungen, im Bereich der Schiffswegeführungs- und Meldesysteme, sowie der sonstigen navigatorischen Maßnahmen, aber auch für regionale Organisationen wie die HELCOM. Die Verfolgung von Verstößen gegen Einleitungs- und OperationalStandards findet sowohl im Rahmen von Kontrollvereinbarungen als auch im Rahmen regionaler Übereinkommen statt. Da die regionale Ebene, nicht zuletzt wegen des aufgrund gleicher ökologischer Betroffenheit existierenden gegenseitigen Umsetzungsdrucks, für die Durchsetzung globaler Standards besonders geeignet ist, fragt sich, ob sich eine künftige Durchsetzungsordnung für die Schiffssicherheit nicht an einem Modell der Arbeitsteilung zwischen globaler und regionaler Ebene orientieren muss, bei dem die Rechtsetzung grundsätzlich der globalen Ebene vorbehalten ist, die Implementierung der globalen oder mit Zustimmung der IMO getroffenen regionalen Maßnahmen aber vorwiegend auf regionaler Ebene erfolgt. Denn für Kommunikationsfreiheit und freien Handel sind eben nur weltweit einheitliche Standards zwingend, nicht aber deren zentrale Durchsetzung. Gleichwohl ist eine nahezu einheitliche Durchsetzung dieser Standards aus Wettbewerbs- und Umweltschutzgesichtspunkten erforderlich. Entscheidend ist deshalb, dass Hafenstaatskontrollvereinbarungen und regionale Organisationen durch formelle und informelle Kooperationsstrukturen miteinander und untereinander vernetzt werden. Gemeinsame Ministererklärungen wie die der OSPAR- und HELCOM-Staaten sind ein Schritt in diese Richtung. Außerdem muss die IMO einen gewissen Einfluss auf die Arbeit eines solchen Netzwerkes aus sich im Optimalfall gegenseitig in ihrer Wirksamkeit steigernden regionalen Akteuren erhalten, quasi zu seinem Knotenpunkt werden. Die Fundamente dafür scheinen mit den PPSC der IMO, der White List und dem künftigen Code for the Implementation of [mandatory] IMO Instruments gelegt.

D. Gesamtergebnis: Globalisierte Normsetzung – regionalisierte Durchsetzung Zentrales Thema des völkerrechtlichen Teils der Untersuchung war, welche Möglichkeiten das Völkerrecht nicht flaggenstaatlichen Akteuren eröffnet, zur Vermeidung von Tankerunfällen beizutragen und die Einhaltung der internationalen, primär an die Flaggenstaaten adressierten Vorschriften sicherzustellen. Dabei ging es im Kern um die Frage nach der Reichweite der küsten- und hafenstaatlichen Regelungs- und Durchsetzungsjurisdiktion, und zwar unabhängig davon, ob diese unilateral oder regional koordiniert ausgeübt wird. Durchgehend unterschieden wurde zwischen der Regelungs- und der Durchsetzungsebene. Festgestellt wurde, dass die Montego-Bay-Konvention versucht, den Interessenkonflikt zwischen dem küstenstaatlichen Schutzinteresse vor der Umweltverschmutzung durch Schiffe und dem flaggenstaatlichen Interesse an Schifffahrts- oder, bös-

D. Globalisierte Normsetzung – regionalisierte Durchsetzung

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williger, Regulierungsfreiheit durch eine fein austarierte Balance zwischen den Kompetenzen der Flaggen- und Küsten- bzw. Hafenstaaten auszugleichen, deren wesentliches Merkmal die Delegation materieller Normerzeugungsmacht an die IMO durch die Verwendung von Referenzbestimmungen ist. Gänzlich von der internationalen Ebene losgelöste nationale Regelungen sind daher in den Schlüsselbereichen der Schiffssicherheit (CDEM-Standards, Schiffswegeführungen und Meldesysteme) weitgehend ausgeschlossen, denn die Zentralisierung materieller Normerzeugungsmacht bei der IMO sichert den Primat internationaler Regeln und Standards über nationale Rechtsakte und gewährleistet so die für die Schifffahrt unverzichtbare weltweite Einheitlichkeit von Sicherheitsstandards. Gleichzeitig macht sie die MontegoBay-Konvention auch zu einem äußerst flexiblen Instrument, das der IMO zusammen mit dem in den technischen Konventionen vorgesehenen tacit amendment-Verfahren erlaubt, auf neue Herausforderungen zu reagieren und ihre Definitionshoheit zu verteidigen: Als Rahmenübereinkommen ist die Verfassung der Meere eben kein starres Instrument, sondern lässt durchaus Veränderungen innerhalb der durch sie geschaffenen Jurisdiktionsordnung zu. Fraglich ist allerdings, welche Veränderungen sich noch innerhalb der Grenzen dieser Jurisdiktionsordnung bewegen. Traditionell war die Rolle der IMO darauf beschränkt, CDEM- und Einleitungsstandards zu setzen und im Rahmen von Art. 41 SRÜ auch Schifffahrtswege und Verkehrstrennungsgebiete anzunehmen. In den letzten Jahren hat die Organisation ihre Regelungstätigkeit aber beträchtlich ausgeweitet und Instrumente entwickelt, welche die durch das SRÜ geschaffene Balance zwischen Schifffahrtsfreiheit und Umweltschutz unmittelbar berühren, weil sie über die bloße Präzisierung auslegungsbedürftiger Rechtsbestimmungen hinausgehen. Regeln V/10 u. V/11 SOLAS, die Ausweitung der Hafenstaatskontrolle auf operational requirements und das PSSA-Konzept wurden hierfür als Beispiele genannt. Insbesondere bei Regeln V/10 u. V/11 SOLAS, die den Küstenstaaten bei IMO-Zustimmung eine Regelungsbefugnis für küstenstaatliche Schiffswegeführungs- und -meldesysteme auch jenseits der 12-Seemeilen-Grenze einräumen, stellt sich wegen der mit solchen Systemen verbundenen Eingriffe in die Schifffahrtsfreiheit einerseits und ihrer sachlichen Nähe zu den äußerst umstrittenen vorhergehenden Benachrichtigungs- und Genehmigungspflichten andererseits die Frage, ob eine unter tacit acceptance geänderte technische Konvention das geeignete Instrument ist, solche neuen Formen der Jurisdiktionsausübung zu regeln oder ob die Montego-BayKonvention hätte geändert werden müssen. Ausgangspunkt für die Beantwortung dieser Frage sind Art. 311 (2) SRÜ bzw. Art. 237 (2) SRÜ, nach denen darauf abzustellen ist, ob eine Regelung andere Vertragsstaaten in dem Genuss ihrer Rechte oder in der Erfüllung ihrer Pflichten aus dem SRÜ beeinträchtigt bzw. ob sie mit den allgemeinen Zielen und Grundsätzen der Montego-Bay-Konvention vereinbar ist 834. Bedeutsam für die Frage nach einer 834 Die neue Implications of the UNCLOS for the IMO-Studie vom 06.02.03, IMO Doc. LEG/MISC/3/Rev. 1, S. 5 f. geht von einer Vereinbarkeit der IMO-Instrumente mit dem SRÜ

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Zweiter Teil: Der Schutz vor Öltankerunfällen durch das Völkerrecht

Rechtsbeeinträchtigung ist, dass sowohl die Errichtung von Schiffswegeführungen und Meldesystemen als auch die Ausweisung von PSSAs nach Regeln V/10 u. V/11 SOLAS nicht einseitig durch die Küstenstaaten erfolgen kann, sondern prozedural abgesichert ist durch das Erfordernis der Annahme durch die IMO. Dieses kooperative Rechtsetzungsverfahren ist aber im Seerechtsübereinkommen bereits in Art. 41 (4), 53 (9) u. 211 (6) SRÜ angelegt. Für diese Vorschriften wird gefolgert, dass sie der IMO hinsichtlich der konkret zu beschließenden Maßnahmen einen weiten Ermessensspielraum einräumen, weil der Schutz gegen eine exzessive Ausübung küstenstaatlicher Regelungsjurisdiktion das Verfahren selbst sei 835. Regeln V/10 u. V/11 SOLAS präzisieren dieses Regelungsprinzip aber lediglich für Art. 211 (5) SRÜ. Der Schutz der Kommunikationsfreiheit findet wie bei Art. 41 (4), 53 (9) u. 211 (6) SRÜ über das formelle Recht, nämlich ein Verfahren statt, dass es erlaubt, sowohl die Interessen der Küsten als auch das internationale flaggenstaatliche Interesse zu berücksichtigen. Eine Beeinträchtigung der Rechte der Flaggenstaaten ist mithin in beiden Fällen ausgeschlossen, zumal mit Regeln V/10 u. V/11 SOLAS keine Erweiterung der küstenstaatlichen Durchsetzungsbefugnisse verbunden ist. Von der SRÜ-Konformität dieser IMO-Regelungen ist daher auszugehen. Aufgrund der zentralen, dynamischen Rolle, die das SRÜ der IMO einräumt, ist die durch das SRÜ geschaffene Balance zwischen Schifffahrtsfreiheit und Umweltschutz folglich nicht statisch, sondern kann durchaus im IMO-Rahmen nachjustiert werden. Eine aktive Beteiligung an der Rechtsetzungstätigkeit der IMO ist damit für jeden Staat zwingend, der seine Interessen im Rechtsetzungsbereich gewahrt sehen will. Die Untersuchung hat keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Bedeutung der IMO in der Schiffssicherheit künftig geschmälert sein könnte. Gerade in jüngster Zeit hat die Organisation ihre Regulierungstätigkeit vielmehr deutlich ausgeweitet. Der unter SOLAS verbindlich gemachte ISM-Code, die umfassende STCW-Revision und das internationale Vorgehen bei der Einführung einer dritten Entschädigungsstufe für die Opfer von Ölverschmutzungsschäden sind hierfür ebenso Beispiele wie die mit der Aufnahme eines dem Schutz vor terroristischen Anschlägen dienenden Unterkapitels XI-2 in SOLAS erfolgte Regelung einer gänzlich neuen Regelungsmaterie durch die IMO 836. aus, was unter anderem mit Kollisionsnormen wie Art. 9 (2) MARPOL oder Art. V STCW begründet wird. 835 So ruft Oxman, Legal Issues of Navigation, in Clingan/Kolodkin (Hrsg.), Moscow Symposium on the Law of the Sea, S. 27, im Zusammenhang mit Art. 41 und der sog. under-keel clearance rule in der Straße von Malacca und Singapur dazu auf „to interpret broadly what the coastal state can propose and what IMO can approve, because the key protection [gegen exzessive küstenstaatliche Ansprüche] is the procedure itself“ und fügt hinzu, dass „what is meant in article 41 by traffic separation schemes and sea lanes is to be interpreted broadly“. 836 Neues Unterkapitel XI-2 SOLAS (Special Measures to Enhance Maritime Security) angenommen durch Resolution 1 of the Conference of Contracting Governments to the International Convention for the Safety of Life at Sea, 1974, adopted on 12.12.2002, IMO-Doc.:

D. Globalisierte Normsetzung – regionalisierte Durchsetzung

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Noch bedeutsamer als diese intensivierte Rechtsetzungstätigkeit der Organisation ist, dass die Staaten ein Vorgehen über die IMO selbst dort vorziehen, wo dies nach dem Seerechtsübereinkommen nicht erforderlich ist. Die verbreitete Praxis, SRSs, die sich nicht über das Küstenmeer hinaus erstrecken, der IMO zur Annahme vorzulegen, ist hierfür ebenso Beleg wie die Ausweisung von PSSAs in inneren Gewässern, obwohl sie dem Küstenstaat kein Mehr an Schutzmaßnahmen bringt. Für die Staaten hat ein Vorgehen über die IMO regelmäßig den Vorteil, dass so die Zustimmung der gesamten Staatengemeinschaft zu einer Maßnahme gesichert wird und die getroffene Regelung die nötige Publizität erhält. Der Befolgungsgrad einer Maßnahme lässt sich so deutlich erhöhen, denn noch wichtiger als die rechtliche Frage, ob ein Staat eine Regelung auch im Alleingang durchsetzen könnte, ist, ob die Maßnahme von der Schifffahrt akzeptiert wird. Die Beteiligung der IMO wird in der Staatenpraxis also immer mehr zu einem obersten Konstitutionsprinzip allen schiffssicherheitsbezogenen Rechts, zumal die Staaten auch bereit sind, neue Regelungsinstrumentarien wie verbindliche SRS und Schiffswegeführungen oder gar ein Verbot von Schweröltankern in AWZ-PSSAs zu akzeptieren, so lange solche Maßnahmen nur von der IMO angenommen wurden. Erfolgt die Standardsetzung damit weitgehend globalisiert, so hat die Untersuchung auf der internationalen Ebene keine Anhaltspunkte für eine institutionalisierte Rechtsdurchsetzung finden können. Vielmehr spielt die IMO bei der Durchsetzung ihrer Standards bislang nur eine untergeordnete Rolle. Aber auch, wenn man eine zentralisierte Durchsetzung als nicht zielführend ansieht, vermag die Durchsetzungsordnung der Montego-Bay-Konvention nicht zu überzeugen, weil sie den Küstenstaaten trotz internationalisierter Standardsetzung nur rudimentär ausgestaltete Durchsetzungsbefugnisse einräumt und zu stark vom zonalen Denken beherrscht wird. Besonders deutlich ist dies beim Gebietsschutz geworden, der sich nur SOLAS/CONF.5/32, Annex. Das Thema Maritime Security wird seit 9/11 in der IMO groß geschrieben. Das Legal Committee übearbeitet derzeit auf US-Druck hin die Convention for the Suppression of Unlawful Acts against the Safety of Maritime Navigation (SUA 1988), Rom 10.03.1988, in Kraft getreten am 01.03.1992, ILM 27 (1988), 672, und das Protocol for the Suppression of Unlawful Acts against the Safety of Fixed Platforms located on the Continental Shelf (SUA PROT 1988), Rom 10.03.1988, in Kraft getreten am 01.03.1992, ILM 27 (1988), 685. Es geht um weitgehende Eingriffe in die Schifffahrtsfreiheit. Schiffe auf Hoher See sollen angehalten und inspiziert werden dürfen, wenn der Verdacht besteht, dass sie bestimmte Güter transportieren, vgl. den Bericht über das Intersessional meeting of the Legal Committee Working Group on the Review of the Convention for the Suppression of Unlawful Acts against the Safety of Maritime Navigation, 1988 and its Protocol of 1988 Relating to Fixed Platforms Located on the Continental Shelf (SUA Convention and Protocol) – 1 st Session, in IMO Doc. LEG/SUA/WG.1/3 vom 26.07.2004, und allgemein zur „1988 Convention“ Joyner, The 1988 IMO Convention on the Safety of Maritime Navigation, GYIL 31 (1988), S.230 ff. Die Agende Maritime Security verdeutlicht auch, dass sich die IMO von ihrer Rolle als rein technische Organisation immer stärker entfernt und Sachgebiete aufgreift, die eigentlich im Rahmen einer (4.) UN-Seerechtskonferenz oder in anderen Internationalen Organisationen verhandelt werden müssten. 19*

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Zweiter Teil: Der Schutz vor Öltankerunfällen durch das Völkerrecht

schwerlich in die zonale Ordnung des SRÜ „übersetzen“ lässt. Hier erklärt Art. 220 (8) SRÜ einfach die Abs. (3)–(7) der Vorschrift für anwendbar, anstatt ein eigenes Durchsetzungskonzept für Art. 211 (6)-Gebiete zu entwickeln. Doch auch bei Schiffswegeführungen und den 1982 noch nicht bekannten SRS wäre mehr eine funktional denn zonal motivierte Kompetenzabgrenzung erforderlich. Es macht wenig Sinn, solche von der IMO angenommene Systeme ab der 12ten Seemeile einem anderen Durchsetzungsregime zu unterstellen. Vielmehr muss ein Küstenstaat Verstöße gegen Schiffswegeführungen und SRS überall gleich ahnden können. Hier erweist sich die zonale Ordnung des SRÜ als zu starr. Denn auch wenn das Aufbringen eines Schiffes auf dem offenen Meer der Schiffssicherheit häufig nicht dienlich sein wird, sollte ein Küstenstaat notfalls das Recht besitzen, ein solches Schiff seiner AWZ zu verweisen. Gerade bei den Defiziten der SRÜ-Durchsetzungsordnung zeigt sich indes auch die Bedeutung der regionalen Ebene. Denn am besten können Regelungen zur Verhütung der Umweltverschmutzung durch Schiffe im Hafen durchgesetzt werden. Diese Durchsetzung im Hafen gilt es zu koordinieren, wenn internationale Schiffssicherheitsnormen auch gegenüber Schiffen im Transit durchgesetzt werden sollen. Werden beispielsweise Schiffe, die gegen Meldesysteme verstoßen, wie im Fall der RL 2002/59 EG und im Fall der Pariser Hafenstaatskontrollvereinbarung, im Rahmen der PSC regional koordiniert als Risikoschiffe qualifiziert und verstärkt überprüft, so kann damit die Beachtung einer Kette regionaler Meldesysteme weitgehend sichergestellt werden, solange das Schiff nur irgendwann einen Hafen der Region anläuft. Internationale und regionale Ebene sind hier miteinander verzahnt. Denn nur, wenn solche Systeme regional koordiniert betrieben werden und der erforderliche Datenaustausch stattfindet, lassen sich Verstöße gegen von der IMO angenommene Meldesysteme und Schiffswegeführungen durchsetzen. Noch deutlicher wird das Zusammenspiel zwischen internationaler und regionaler Ebene bei den CDEMStandards. Hier beruht die Autorität der IMO zu einem erheblichen Grade darauf, dass ihre Standards im Rahmen der Hafenstaatskontrolle durchgesetzt werden. Festgehalten werden kann damit, dass sich gegenwärtig in der Schiffssicherheit zwar keine Entglobalisierung der Normsetzung beobachten lässt, die Normdurchsetzung aber zu einem erheblichen Grade regionalisiert ist. Diese regionalisierte Durchsetzung gilt es weiter zu entwickeln, um im Rahmen miteinander vernetzter regionaler Instrumente die Durchsetzung des IMO-Rechts sicherzustellen – im Idealfall wie bei der STCW White List unter IMO-Ägide.

Dritter Teil

Die Regelungstätigkeit der Europäischen Gemeinschaft Ein besonderer regionaler Akteur in der Schiffssicherheit ist aufgrund ihrer Supranationalität 837 und des Umfangs ihrer schiffssicherheitsbezogenen Gesetzgebung die Europäische Gemeinschaft. Auf Gemeinschaftsebene wurde in den letzten Jahren ein Regime europäischer Schiffssicherheit ins Leben gerufen, das Fragen nach dem Verhältnis dieser autonomen Rechtsordnung zu den globalen Regeln und Standards aufwirft. Insbesondere im Zusammenhang mit der legislatorischen Antwort der EG auf die Havarien der Erika- und Prestige sind Bedenken laut geworden, der Staatenverbund 838 schlage schiffssicherheitspolitisch einen Sonderweg ein, ja schwäche mit einer Art von normativem Erdteilegoismus 839 den globalen Charakter der Seeschifffahrt 840. Um die Rolle der EG in der Schiffssicherheit klären zu können, 837 Zu den supranationalen Elementen der EG (bzw. EU) gehören insbesondere: Die Breite des Aufgabenbereichs, die Verpflichtung auf gemeinsame Grundwerte, die autonome und intensive Rechtsetzungsgewalt (EG-Organen wurde die Befugnis übertragen, gegenüber und in ihren Mitgliedstaaten mit unmittelbarer Verbindlichkeit Gemeinschaftsrecht setzen zu können. Im unbedingten Vorrang des Gemeinschaftsrechts prägen sich Unabhängigkeit und Befolgungsanspruch der Gemeinschaftsgewalt bis hin zum einzelnen Unionsbürger unmissverständlich aus.), die Selbständigkeit der EG-Organe, die finanzielle Selbständigkeit der Gemeinschaft, der umfängliche Rechtsschutz sowie die Unvollendetheit und Dauerhaftigkeit der Union. 838 BVerfGE 89, 156 – „Maastricht“. Beachte, dass mit diesem Begriff keine Konföderation gemeint ist, sondern ein wesentlich intensiverer Rechts- und Handlungsverbund im Sinne einer Union of States. 839 Graf Vitzthum, Europäisches Seerecht: Eine kompetenzrechtliche Skizze, in: FS Badura, S. 1202. 840 Herma/Jenisch, Maritime Sicherheit im Ostseeraum, Gutachten im Auftrag des Landtages Mecklenburg-Vorpommern, Umweltausschuss, Ausschussdrs. 3/70, 2001 und dies., Ergänzungsgutachten Maritime Sicherheit im Ostseeraum, Werbke, in Frohnmeyer/Mückenhausen, EG-Verkehrsrecht: Binnenmarkt, Sozialrecht, Verkehrssicherheit, Umweltrecht, Transeuropäische Netze: Kommentar (EGVR) 101–105, ders., Schiffskontrollen auf See, in: Koch/Lagoni (Hrsg.), Meeresumweltschutz für Nord- und Ostsee, S.181–204, ders., Kommentar: Umwelt und Schiffssicherheit: Recht der Europäischen Gemeinschaften contra Völkerrecht, AVR 32 (1994), S. 405–421, Nöll, Europäisches Recht in der Seeschifffahrt: die Rechtsetzung der Gemeinschaft und ihre Grenzen, in: Lagoni/Paschke (Hrsg.), Seehandelsrecht und Seerecht: Festschrift für Rolf Herberer zum 70. Geburtstag, S. 474 und Nollkaemper, The External Competence of the Community with Regard to the Law of Marine Environmental Protection: The Frail Legal Support for Grand Ambitions, in: Ringbom (Hrsg.), Competing Norms in the Law of Marine Environmental Protection, S.165–186. Dagegen die positiven Aspekte eines gemeinschaftlichen Tätigwerdens in der Schiffssicherheit in den Vordergrund rückend: Graf Vitzthum,

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Dritter Teil: Die Regelungstätigkeit der Europäischen Gemeinschaft

soll im Folgenden zunächst die seewärtige Orientierung der Gemeinschaft nachvollzogen und ihre schiffssicherheitsbezogene Gesetzgebung vorgestellt werden. Sodann sind die Regelungsmöglichkeiten der EG aus völker- und europarechtlicher Perspektive aufzuzeigen, ehe die einzelnen Steuerungsinstrumente abschließend systematisiert und bewertet werden. Denn die Klärung der Zuständigkeitsaspekte ist Vorraussetzung für die Beantwortung der nachgelagerten Frage, ob sich die EG im Einzelfall, etwa bei Erlass einer Richtlinie, kompetenzgemäß verhalten hat.

A. Seewärtige Orientierung und Inhalte des schiffssicherheitsbezogenen Gemeinschaftsrechts Für die Gemeinschaft spielte die Schiffssicherheit, wie die Seeschifffahrt überhaupt, zunächst nur eine untergeordnete Rolle. Beförderungen im Seeverkehr wurden von den Unternehmen der Sechs überwiegend im interkontinentalen Verkehr erbracht, weshalb die meeresblinden römischen Verträge die Seeschifffahrt in Art. 84 (2) EWGV [Art. 80 (2) EGV] nur stiefmütterlich behandelten 841. Die junge EWG 842 war ein Riese, der mit dem Rücken zum Meer saß 843. Europäisches Seerecht: Eine kompetenzrechtliche Skizze, in: FS Badura, S. 1189–1218, ders., Schiffssicherheit: Die EG als potentieller Durchsetzungsdegen der IMO, ZaöRV 62 (2002), S. 163–182, Lagoni, Vorsorge gegen Schiffsunfälle im Küstenvorfeld, S. 273–297, ders., Umwelt und Schiffssicherheit im Völkerrecht und im Recht der Europäischen Gemeinschaften, AVR 32 (1994), S. 382–404 und de Dieu, EU Policies Concerning Ship Safety and Pollution Prevention Versus International Rule-Making, in: Ringbom (Hrsg.), Competing Norms in the Law of Marine Environmental Protection, S.141–163. Zu der überwiegend kritischen Reaktion der betroffenen Wirtschaftskreise siehe z.B. Tradewinds vom 04.02.2000, S.2, LLOYD’s LIST vom 14.02.2000, S. 7, LLOYD’s LIST vom 01.03.2000, S. 16 und LLOYD’s LIST vom 10.03.2000, S. 7. 841 Nach Erdmenger, in von der Groeben, u. a. (Hrsg.), Kommentar zum EU-, EG-Vertrag, Vorb. Art. 74–84 Rn. 11 f. u. Art. 84 Rn. 2, ist die eigentümliche Unterscheidung der drei Binnenverkehrsträger in jetzt Art. 80 (1) EGV einerseits und Seeschifffahrt und Luftfahrt in jetzt Art. 80 (2) EGV andererseits darauf zurückzuführen, dass sich die Delegationen bei den Vertragsverhandlungen über den Verkehrsbereich weitgehend auf die für den Verkehr innerhalb des Gemeinsamen Marktes der damals sechs Mitgliedstaaten bedeutsamen Verkehrsträger Eisenbahn, Straße und Binnenwasserwege konzentriert hätten. Für Seeschifffahrt und Luftfahrt mit ihrem weltweiten Bezug beschränkten sie sich darauf, eine Möglichkeit für spätere Entscheidungen vorzusehen. Aus heutiger Sicht erscheine die Differenzierung der beiden Generalklauseln der Art. 70 und 80 (2) EGV allerdings willkürlich und wenig sinnvoll. Der Auftrag des Art. 70 EGV zur Entwicklung einer gemeinsamen Verkehrspolitik könnte in dieser Form für die Seeschifffahrt und die Luftfahrt in gleicher Weise gelten wie für den Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehr. Dies gelte um so mehr, als auch Art. 3 lit. f EGV diese gemeinsame Politik ohne Differenzierung nach Verkehrsarten vorsehe. Beachte, dass auch Art.III-143 des vom Europäischen Konvent am 13.06.2003 und 10.07.2003 im Konsensverfahren angenommenen Vertragsentwurfs über eine Verfassung für Europa, ABl. 2003, C 169/1, nichts an dieser historisch bedingten, artifiziellen Zweiteilung der Verkehrsträger ändert. 842 Die EWG wurde durch Art. G des Vertrages über die Europäische Union (EUV), Maastricht 07.02.1992, in Kraft getreten am 01.11.1993, ABl. 1992, C 191/1, in EG umbenannt.

A. Inhalte des schiffssicherheitsbezogenen Gemeinschaftsrechts

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Erst mit den Beitritten Großbritanniens, Irlands und Dänemarks im Jahr 1973 und Griechenlands im Jahr 1981 begann die Seeschifffahrt, für die Gemeinschaft in wirtschaftlicher Hinsicht eine immer größere Rolle zu spielen. So entfielen bereits 1985 auf den Handel mit Drittländern wertmäßig 21 % der Welteinfuhren und 20 % der Weltausfuhren, wobei in Tonnen gerechnet 95 % des EG-Außenhandelsverkehrs und 30 % des innergemeinschaftlichen Handels auf dem Seewege abgewickelt wurden. Die Flotten der Mitgliedsländer stellten insgesamt etwa ein Viertel der Welttonnage in den drei wichtigsten Schiffsarten (Tanker, Massengutfrachter, Stückgutfrachter) 844. Mit Spanien und Portugal traten 1986 schließlich weitere traditionelle Schifffahrtsnationen der Gemeinschaft bei, und seit 1995 erstreckt sich das Europa der 15 mit Finnland und Schweden sogar vom Mittelmeer bis zur Ostsee, die nach der EU-Osterweiterung durch den Beitritt der baltischen Staaten nahezu gänzlich zum EG-Meer werden wird. Wie das Regelwerk der IMO wird die Seerechtsorientierung der Gemeinschaft durch Tankerunfälle vorangetrieben. Gleichzeitig werden Umfang und Inhalte der schiffssicherheitsbezogenen Europanormen aber auch durch den Einigungsprozess insgesamt bestimmt. Auch die blaue Gemeinschaft ist davon abhängig, wie viel Rechtsmacht die Mitgliedstaaten ihr einzuräumen bereit sind. Bei der seewärtigen Orientierung der Gemeinschaft lassen sich daher in zeitlicher Hinsicht vier Phasen unterscheiden, die mit Blick auf Quantität und Qualität der Rechtsetzung durch eine unterschiedliche Schiffssicherheitspolitik gekennzeichnet sind.

I. 1977–1993: Erste Schritte in der Schiffssicherheit Obwohl mit den Beitritten Großbritanniens, Irlands und Dänemarks die ökonomische Bedeutung der Seeschifffahrt für die EWG stark gewachsen war, änderte dies am Landtiercharakter und an der Meeresferne des Gemeinschaftsrechts zunächst wenig. Zwar hatte der Rat in Reaktion auf den wachsenden wirtschaftlichen Druck auf die internationalen Schifffahrtsmärkte bereits 1977 ein Konsultationsverfahren auf dem Gebiet des Seeverkehrs beschlossen 845 und in Folge des spektakulären Un843 So Lagoni, Umwelt und Schiffssicherheit im Völkerrecht und im Recht der Europäischen Gemeinschaften, AVR 32 (1994), S. 388, in Anlehnung an ein Bismarck zugeschriebenes Wort über das Deutsche Reich. Der Historiker Mollat du Jourdin, Europa und das Meer, S. 292, konnte 1993 so mit einigem Recht urteilen, dass die Architekten der europäischen Einigung deren maritime Implikationen lange Zeit nicht weiter bedacht zu haben schienen, obwohl Geschichte und Gegenwart bewiesen, dass das Meer Teil der europäischen Identität sei. 844 Fortschritte auf dem Wege zu einer gemeinsamen Verkehrspolitik. Seeverkehr. Dem Rat von der Kommission am 19.03.1985 übermittelte Mitteilungen und Vorschläge, KOM(1985) 90 endg. Aufgrund zahlreicher Ausflaggungen beträgt der Anteil der Gemeinschaftsschiffe an der Weltflotte nur noch 13 %. Allerdings werden beispielsweise im Öltankersektor ca. 35 % der Weltöltankerflotte von in der Gemeinschaft ansässigen Unternehmen kontrolliert. 845 Entscheidung 77/587/EWG des Rates vom 13.09.1977 zur Einführung eines Konsultationsverfahrens betreffend die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern

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Dritter Teil: Die Regelungstätigkeit der Europäischen Gemeinschaft

falls der Amoco Cadiz vor der bretonischen Küste 1978 auf Betreiben Frankreichs ein gemeinsames Vorgehen zur Bekämpfung der Ölverschmutzung gefordert 846, doch blieben jedenfalls in der Schiffssicherheit die Aktionen der Gemeinschaft bis 1993 trotz schwerer Schiffsunfälle punktuell und einzelfallbezogen 847. So empfahl der Rat 1978 die Ratifikation von SOLAS 74/78, ILO Nr. 147, MARPOL 73/78 und des STCW-Übereinkommens 848 und verabschiedete eine Richtlinie über die Beratung von Schiffen durch Überseelotsen in der Nordsee und im Englischen Kanal, nach der die Mitgliedstaaten für genügend qualifizierte Überseelotsen in diesen Meeresgebieten sorgen sollten, sowie eine Richtlinie über Mindestanforderungen an auf dem Gebiet des Seeverkehrs sowie die diesbezüglichen Aktionen in den internationalen Organisationen, ABl. 1977, L 239/23. 846 Europäischer Rat vom 07./08.05.1978 in Kopenhagen, BullEG 1978 Nr. 4, S. 21; vom 06./07.07.1978 in Bremen, BullEG 1978 Nr. 6, S. 21; vom 27./28.04.1980 in Luxemburg, BullEG 1980 Nr. 4, S. 12. Siehe auch die Mitteilung der Kommission an den Rat: Verschmutzung des Meeres infolge des Transports von Kohlenwasserstoffen (Amoco Cadiz) vom 27.04.1978, KOM(1978) 184 endg. 847 Dennoch sprach Ipsen, EWG über See. Zur seerechtlichen Orientierung des europäischen Gemeinschaftsrechts, in Ipsen/Necker (Hrsg.), Recht über See, Festschrift für Rolf Stödter, S.168, bereits 1979 von einer gewissen seerechtlichen Orientierung der EWG und ihres Rechts. Zumindest in der Schiffssicherheit erlangte diese Einschätzung aber erst ab 1993 ihre wahre Bedeutung. Vgl. das chronologisch geordnete Fundstellenverzeichnis des geltenden Gemeinschaftsrechts, 07.30.30 – Sicherheit im Seeverkehr unter http://www.europa.eu.int/eur-lex/de/ lif/index.html. Anders im Bereich der Dienstleistungs- und Wettbewerbsregeln: Hier wurde bereits 1978/79 der Beitritt zum UN-Verhaltenskodex für Linienkonferenzen abgestimmt (VO (EWG) Nr. 954/79, ABl. 1979, L 121/1) und Maßnahmen gegen Wettbewerbsverfälschungen seitens der Staatshandelsländer getroffen (Entscheidung 78/774/EWG v. 19.09.1978, ABl. 1978, L 258/35). In der VO (EWG) Nr. 4055/86, ABl. 1986, L 378/1, werden wesentliche Teile der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit auf den Seeverkehr für anwendbar erklärt, soweit er zwischen Mitgliedstaaten sowie zwischen Mitgliedstaaten und Drittstaaten verläuft. Die VO (EWG) Nr. 4056/86, ABl. 1986, L378/4, bringt die seeverkehrsspezifische Anwendung des EG-Wettbewerbsregimes der Art. 81 ff. EGV. Für die Bekämpfung unlauterer Preispraktiken seitens Drittlandsredereien und den Schutz des freien Zugangs zu Ladungen gilt die VO (EWG) Nr. 4057/86, ABl. 1986, L378/14, sowie die VO (EWG) Nr. 4058/86, ABl. 1986, L378/21. Die grundsätzliche Zulassung der Seekabotage innerhalb der EG wurde mit VO (EWG) Nr. 3577/92, ABl. 1992, L 364/7 erreicht. Der Seeverkehrsmarkt ist damit seit 1999 praktisch vollständig liberalisiert. Beachte, dass nach EuGHE 1974, 359 – RS 167/73, bestätigt durch EuGHE 1986, 1425 – RS 209-213/84 „Nouvelles Frontières“ die grundsätzliche Nichtanwendung des Titels „Verkehrspolitik“ die Anwendung der allgemeinen Vorschriften des EGV (Freizügigkeit, Beihilfen, Wettbewerbspolitik) mit Ausnahme der Dienstleistungsfreiheit (wegen Art. 51 (1) EGV) unberührt lässt. 848 Empfehlung 78/584/EWG des Rates vom 26.06.1978 über die Ratifikation von Übereinkommen über die Sicherheit im Seeverkehr, ABl. 1978, L 194/17 und Empfehlung 79/114/ EWG des Rates vom 21.12.1978 über die Ratifikation des Internationalen Übereinkommens von 1978 über die Ausbildung, die Befähigung und den Wachdienst von Seeleuten ABl. 1979, L 33/31. Siehe auch die Empfehlung 79/487/EWG des Rates vom 15.05.1979 betreffend die Ratifizierung des Internationalen Übereinkommens über sichere Container (CSC), ABl 1979, L 125/18 sowie die Empfehlung 80/907/EWG des Rates vom 23.09.1980 über die Ratifizierung des Internationalen Übereinkommens von Torremolinos über die Sicherheit von Fischereifahrzeugen (1977), ABl. 1980, L 259/29.

A. Inhalte des schiffssicherheitsbezogenen Gemeinschaftsrechts

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das Einlaufen von bestimmten Tankschiffen in Seehäfen der Gemeinschaft und das Auslaufen, die für bestimmte Tanker über 1600 BRT Meldepflichten vorschrieb 849. 1980 nahm er eine Entscheidung zur Errichtung eines gemeinschaftlichen Informationssystems zur Überwachung und Verringerung der Meeresverschmutzung durch Öl an. 1990 folgten Entschließungen zur Verbesserung der Sicherheit von Fahrgastschiffen und zur Verhütung von Unfällen 850, die ausschließlich an die Mitgliedstaaten gerichtet waren und diese zur Ratifikation der einschlägigen internationalen Übereinkünfte aufforderten. Mittelbare Auswirkungen auf die Schiffssicherheit hat auch die 1991 beschlossene VO 613/91/EWG zur Umregistrierung von Schiffen innerhalb der Gemeinschaft 851, die den Flaggenwechsel in der Gemeinschaft durch die gegenseitige Anerkennung der einschlägigen, in den IMO-Konventionen geregelten Schiffssicherheitszeugnisse erleichtern wollte. Den Schlusspunkt dieser ersten Schritte der Gemeinschaft in der Schiffssicherheit bildete schließlich die Entscheidung des Rates über Funknavigationssysteme für Europa vom Februar 1992 852. Auch hier zielte die Ratstätigkeit aber lediglich darauf ab, internationale Arbeiten, die auf eine vollständige Abdeckung europäischer Meeresgebiete mit terrestrischen LORAN-C-Funknavigationssystemen gerichtet waren, zu unterstützen. Insgesamt kam die Gemeinschaft damit bis 1993 nicht über ein punktuelles Tätigwerden in der Schiffssicherheit hinaus. Gemeinschaftseigene, regionale Schiffssicherheitsstandards wurden nicht geschaffen. Fragt man nach den Ursachen für die Lethargie der Gemeinschaft in der Schiffssicherheit bis 1993, so sind diese in der traditionell internationalen und nicht europäischen Ausrichtung der Seeschifffahrt zu suchen. Gerade die Schifffahrtsländer fürchteten eine Beeinträchtigung der Zuständigkeit und Arbeitsweise der IMO durch ein Tätigwerden der Gemeinschaft 853. Hinzu kamen die negativen Auswirkun849 RL 79/115/EWG des Rates vom 21.12.1978, ABl. 1979, L 33/32 und RL 79/116/EWG des Rates vom 21.12.1978, ABl. 1979, L 33/33, aufgehoben durch RL 93/75/EWG des Rates vom 13.09.1993 über Mindestanforderungen an Schiffe, die Seehäfen der Gemeinschaft anlaufen oder aus ihnen auslaufen und gefährliche oder umweltschädliche Güter befördern, ABl. 1993, L 247/19. 850 Entschließung des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten vom 19.06.1990 zur Verbesserung der Sicherheit von Fahrgastfährschiffen, ABl. 1990, C 206/3 und Entschließung des Rates vom 19.06.1990 über die Verhütung von Unfällen, die zur Meeresverschmutzung führen, ABl. 1990, C 206/1. 851 VO (EWG) Nr. 613/91 des Rates vom 04.03.1991 zur Umregistrierung von Schiffen innerhalb der Gemeinschaft, ABl. 1991, L68, 1, geändert durch VO (EG) Nr. 2099/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 05.11.2002, ABl. 2002, L 324/1. 852 Entscheidung 92/143/EWG des Rates vom 25.02.1992 über Funknavigationssysteme für Europa, ABl. 1992, L 59/17. 853 In ihrem dem Rat 1985 unterbreiteten Entwurf einer gemeinsamen Seeverkehrspolitik, KOM(1985) 90 endg., begründet die Kommission die Zurückhaltung hinsichtlich der gemeinschaftsrechtlichen Regelungen damit, dass sich das System der Aushandlung weltweiter IMOÜbereinkommen ebenso bewährt habe wie die Ausarbeitung von Einzelregelungen für die Sicherheit im Seeverkehr, die unter der Mitwirkung der Mitgliedstaaten im Rahmen der Übereinkommen zustande kämen.

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Dritter Teil: Die Regelungstätigkeit der Europäischen Gemeinschaft

gen des AETR-Urteils 854: Dieses ebnete zwar einerseits den Weg für eine umfassende Gemeinschaftszuständigkeit für den Abschluss internationaler Verkehrsübereinkommen, führte zugleich andererseits aber auch dazu, dass die Mitgliedstaaten häufig nur deshalb eine interne Gemeinschaftsregelung im Rat nicht beschlossen, weil sie den Übergang der Außenkompetenz auf die Gemeinschaft fürchteten 855. So hatte beispielsweise der Rat 1980 den Vorschlag der Kommission zur Vereinheitlichung der Hafenstaatskontrolle von Seeschiffen 856, die von allen Mitgliedstaaten zur Verhinderung der Meeresverschmutzung gewünscht wurde, nur deswegen nicht verabschiedet, weil einige Mitgliedstaaten dadurch den Kompetenzübergang auch für weltweite materielle Sicherheitsstandards fürchteten, die sie im Rahmen der IMO selbst verhandeln wollten 857. Anstelle des supranationalen Vorgehens über eine PSC-Richtlinie wurde deshalb die Verbesserung der Hafenstaatskontrolle auf der außergemeinschaftlich intergouvermentalen Ebene zu erreichen gesucht und 1982 das Pariser MOU ins Leben gerufen.

II. 1993–2000: Eine Gemeinsame Politik im Bereich der Sicherheit der Meere Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie es seit 1993 zu der verstärkten Tätigkeit der Gemeinschaft in der Schiffssicherheit kommen konnte, die die Kommission mit ihrer Mitteilung über eine Gemeinsame Politik im Bereich der Sicherheit im Seeverkehr vom 24.02.1993 858 einleitete. Zwei Faktoren dürften für die seerechtliche EuGHE 1971, 263 – RS 22/70 „AETR“. Ausführlich dazu bei der EG-Außenkompetenz. Diese Furcht vor einem Übergang der Außenkompetenz auf die Gemeinschaft führt noch heute dazu, dass die Mitgliedstaaten Vorschläge der Kommission im Bereich des Seeverkehrs ausgesprochen kritisch beäugen. Vgl. beispielsweise die Fragen, die die Transportarbeitsgruppe des Rates im Zusammenhang mit der Erika-Melderichtlinie (KOM(2002) 802 endg.) an COMAR, den rechtlichen Dienst des Rates und die Dienste der Kommission stellte (Doc. MAR 2001/26 vom 24.04.2001), und die Antwort der Kommission (Commission Staff Working Paper: Erika II – Traffic monitoring – Law of the Sea and other legal issues, vom 30.08.2001, SEC(2001) 1348) unter Para. 2.1 und 2.8. Siehe auch Werbke, in Frohnmeyer/Mückenhausen, EG-Verkehrsrecht: Binnenmarkt, Sozialrecht, Verkehrssicherheit, Umweltrecht, Transeuropäische Netze: Kommentar (EGVR) 102 Rn. 3, der der Kommission vorwirft, sie habe die sog. STCW-Richtlinie (RL 94/58/EG des Rates über Mindestanforderungen für die Ausbildung von Seeleuten, ABl. 1994, L319/28) nur deshalb durchsetzen wollen, um bei der Londoner STCWRevisionskonferenz im Juni/Juli 1995 im Namen der EG zu verhandeln. 856 KOM(1980) 360 endg. 857 Vgl. Erdmenger, Art. 84 Rn. 62, Frees, Maßnahmen und rechtliche Möglichkeiten der Europäischen Gemeinschaft zur Bekämpfung und Verhütung von Öltankerunfällen vor ihren Küsten, NuR 14 (1992), S. 19, und Lagoni, Umwelt und Schiffssicherheit, AVR 32 (1994), S. 390 f. Siehe auch die schriftliche Anfrage Nr. 1077/81 (MEP Moreland/Key) und Antwort der Kommission, ABl. 1982, C 82/3. 858 KOM(1993) 66 endg. Bekräftigt durch die Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Auf dem Wege zu einer neuen Seeverkehrsstrategie vom 13.03.1996, KOM(96) 81 endg. 854 855

A. Inhalte des schiffssicherheitsbezogenen Gemeinschaftsrechts

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Wende des Jahres 1993 ursächlich gewesen sein. Zum einen kam es im Dezember 1992 und im Januar 1993 vor Europas Küsten zu zwei großen Schiffsunglücken (Havarie der Aegean Sea bei La Coruña und der Brear in der Nähe der Shetlandinseln), die von einer Öffentlichkeit mit extrem gewachsenem Umweltbewusstsein nicht mehr akzeptiert wurden. Zum anderen verfügte die EWG seit Inkrafttreten der Einheitlichen Europäischen Akte (EEA) 859 am 1. Juli 1987 über das nötige rechtliche Instrumentarium, um auf derartige Unfälle adäquat reagieren zu können. Durch die EEA war die Seeschifffahrt nicht nur in das Binnenmarktkonzept einbezogen (Art. 13 EEA), sondern Art. 84 (2) EWGV durch Art. 16 (5) u. (6) EEA auch dahingehend geändert worden, dass die Verfahrensvorschriften des Art.75 EWGV [Art.71 EGV] auf die Bestimmung Anwendung finden und der Rat nicht mehr einstimmig, sondern nur noch mit qualifizierter Mehrheit (vgl. Art. 205 (2) EGV) entscheidet. Mit der Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzips wurde folglich ein wesentlicher Hemmschuh für eine europäische Schiffssicherheitspolitik beseitigt. Gleichzeitig bedeutete die Verweisung auf Art. 75 EWGV, dass nunmehr das übliche Verfahren (heute Art. 251 EGV), für den Erlass jeder materiell auf Art. 84 (2) EWGV gestützten Vorschrift angewendet werden sollte. Damit war das Vorschlagsmonopol der Kommission (vgl. Art. 250 EGV) auch für die Seeschifffahrt eingeführt worden. Von diesem Vorschlagsmonopol hat die Kommission im Anschluss an ihre Mitteilung über eine Gemeinsame Politik im Bereich der Sicherheit im Seeverkehr vom 24.02.1993 in vielfältiger Weise Gebrauch gemacht und zwischen 1993 und 2000 mehr als 10 verschiedene Vorschläge unterbreitet. Die Bedeutung der Mitteilung für die Schiffssicherheitspolitik der Gemeinschaft kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden, da sie die Tätigkeit der EG auf diesem Gebiet bis heute beeinflusst. Das Kommuniqué enthält ein umfassendes Aktionsprogramm, das auf die Sicherstellung der konvergenten Umsetzung der bestehenden internationalen Vorschriften in der Gemeinschaft, die Verbesserung der Kontrollen der Hafen- und Küstenstaaten, die Entwicklung der maritimen Infrastruktur unter besonderer Beachtung des Schutzes ökologisch empfindlicher Gebiete (Navigationshilfen, Verkehrsüberwachung, Verkehrsbeschränkungen) sowie auf eine Unterstützung der Arbeiten der IMO gerichtet ist 860. Auf all diesen Arbeitsfeldern sind in der Folgezeit konkrete Maßnahmen ergangen. Dazu gehören: – die RL 93/75/EWG des Rates vom 13.09.1993 über Mindestanforderungen an Schiffe, die Seehäfen der Gemeinschaft anlaufen oder aus ihnen auslaufen und Beachte, dass der Rat der Umwelt- und Verkehrsminister die Kommission am 25.01.1993 aufgefordert hatte, eine gemeinsame Politik für die Sicherheit im Seeverkehr vorzulegen, BullEG 1/2-1993, S. 37. 859 Einheitliche Europäische Akte, Luxemburg/Den Haag, 17/28.02.1986, in Kraft getreten am 01.07.1987, ABl. 1987, L 169/1. 860 Beachte auch die Entschließung des Rates vom 08.06.1993 über eine gemeinsame Politik im Bereich der Sicherheit im Seeverkehr, ABl. 1993, C 271/1, in der der Rat die in der Mitteilung der Kommission über eine Gemeinsame Politik im Bereich der Sicherheit im Seeverkehr genannten Ziele in vollem Umfang unterstützt.

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Dritter Teil: Die Regelungstätigkeit der Europäischen Gemeinschaft

gefährliche oder umweltschädliche Güter befördern (Hazmat-RL) 861, die den Schiffsführer oder Betreiber eines Risikoschiffes verpflichtet, den Behörden des Hafenstaates detaillierte Informationen über die Ladung zu übermitteln, – die RL 94/57/EG des Rates vom 22.11.1994 über gemeinsame Vorschriften und Normen für Schiffsüberprüfungs- und -besichtigungsorganisationen und die einschlägigen Maßnahmen der Seebehörden 862, durch die ein System der gemeinschaftsweiten, gegenseitigen Anerkennung von Klassifikationsgesellschaften auf der Grundlage einheitlicher Standards geschaffen wird, – die RL 94/58/EG des Rates vom 22.11.1994 [jetzt: RL 2001/25/EG des EPs und des Rates vom 04.04.2001] über Mindestanforderungen für die Ausbildung von Seeleuten 863, durch welche die Bestimmungen der STCW-Konvention in das Gemeinschaftsrecht übernommen und Regelungen über die Anerkennung von Zeugnissen von Seeleuten aus Drittstaaten, die Dienst auf Gemeinschaftsschiffen tun, getroffen werden, – die VO (EG) 2978/94 des Rates vom 21.11.1994 zur Durchführung der IMO-Entschließung A.747 (18) über die Vermessung der Ballasträume in Öltankschiffen mit Tanks für getrennten Ballast 864, die den Einsatz umweltfreundlicher Tanker mit getrennten Ballasttanks fördert, in dem sie die Behörden verpflichtet, das Gewicht der getrennten Ballasttanks von den Hafen- und Lotsengebühren abzuziehen, – die RL 95/21/EG des Rates vom 19.06.1995 zur Durchsetzung internationaler Normen für die Schiffssicherheit, die Verhütung von Verschmutzung und die Lebens- und Arbeitsbedingungen an Bord von Schiffen, die Gemeinschaftshäfen anlaufen und in Hoheitsgewässern der Mitgliedstaaten fahren (Hafenstaatkontrolle) 865, die auf dem Pariser MOU und den PPSC der IMO aufbauend gemeinsame Kriterien für die Kontrolle von Schiffen, die Gemeinschaftshäfen anlaufen, schafft und die Verfahren für die Inspektionen und das Festhalten harmonisiert sowie 861 ABl. 1993, L 247/19, später mehrfach geändert, wird zum 05.02.2004 durch Art. 30 RL 2002/59/EG des EPs und des Rates vom 27.06.2002 über die Einrichtung eines gemeinschaftlichen Überwachungs- und Informationssystems für den Schiffsverkehr und zur Aufhebung der RL 93/75/EWG des Rates, ABl. 2002, L 208/10 aufgehoben. 862 ABl.1994, L 319/20, später mehrfach geändert. Eine konsolidierte Fassung geänderter Rechtsakte findet sich jeweils unter http://www.europa.eu.int/eur-lex/de/consleg/reg/de_ register_073030.html. 863 ABl. 1994, L 319/28, später mehrfach geändert, wegen der zahlreichen Änderungen neu kodifiziert und aufgehoben durch RL 2001/25/EG des EPs und des Rates vom 04.04.2001 über Mindestanforderungen für die Ausbildung von Seeleuten, ABl. 2001, L 136/17, später mehrfach geändert. 864 ABl. 1994, L 319/1, wird mit Wirkung ab dem 31.12.2007 durch Art. 12 VO (EG) Nr. 417/2002 des EPs und des Rates vom 18.02.2002 zur beschleunigten Einführung von Doppelhüllen oder gleichwertigen Konstruktionsanforderungen für Einhüllen-Öltankschiffe und zur Aufhebung der VO (EG) Nr. 2978/94 des Rates, ABl. 2002, L 64/1, später mehrfach geändert, aufgehoben. 865 ABl. 1995, L 157/1, später mehrfach geändert.

A. Inhalte des schiffssicherheitsbezogenen Gemeinschaftsrechts

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– die aufgrund dieser Richtlinie im Comitologie-Verfahren 866 ergangene RL 96/40/ EG der Kommission vom 25.06.1996 zur Erstellung eines einheitlichen Musters für die Ausweise der Besichtiger der Hafenstaatkontrolle 867 und – die RL 96/98/EG des Rates vom 20.12.1996 über Schiffsausrüstung 868, nach der Ausrüstung, die in Übereinstimmung mit der RL zugelassen wurde, ein Gemeinschaftskennzeichen trägt und in der gesamten Gemeinschaft frei zirkulieren darf 869. 866 Art. 12 (4), 19, 18 (2) RL 95/21/EG iVm Art. 5 und 7 Beschluss 99/468/EG. Art. 202 3. Spiegelstrich EGV begründet eine Kompetenz des Rates, die Entscheidungsbefugnisse über Maßnahmen zur Durchführung seiner Rechtsakte auf die Kommission zu übertragen (vgl. Art. 211 4. Spiegelstrich EGV). Der größte Teil der EG-Rechtsakte ist mittlerweile Durchführungsrecht, das nicht auf Rechtsgrundlagen im Vertrag selbst gestützt wird, sondern auf sekundärrechtliche Ermächtigungen. Die Modalitäten des Verfahrens, in dem die Kommission diese Durchführungsvorschriften erlässt, werden dabei vom Rat in dem betreffenden Grundrechtsakt festgelegt. Dabei kann der Rat zwischen unterschiedlichen Verfahrensarten wählen, die im sog. Comitologie-Beschluss, Beschluss 99/468/EG des Rates vom 28.06.1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse, ABl. 1999, L 184/23, festgelegt sind. Nach diesen Verfahrensregeln ist der Kommission ein mit Vertretern der Mitgliedstaaten besetzter Ausschuss zugeordnet, der an der Ausarbeitung der Durchführungsakte zu beteiligen ist (daher der Begriff Comitologie). Im Fall der RL 95/21/EG hat sich der Rat für das Regelungsverfahren nach Art. 5 Beschluss 99/468 entschieden. Der Regelungsausschuss ist mittlerweile der durch Art.3 der VO (EG) Nr. 2099/2002 des EPs und des Rates vom 05.11.2002 zur Einsetzung eines Ausschusses für die Sicherheit im Seeverkehr und die Vermeidung von Umweltverschmutzung durch Schiffe (COSS), ABl. 2002, L 324/1, eingesetzte COSS. 867 ABl. 1996, L 196/8. 868 ABl. 1997, L 46/25, später mehrfach geändert. 869 Nicht behandelt werden wegen der Fokussierung auf Öltanker die größtenteils in Reaktion auf das Fährschiffunglück der Estonia beschlossenen Schiffssicherheitsvorschriften der Gemeinschaft für Passagierschiffe. Das sind die RL 2003/25/EG des EPs und des Rates vom 14.04.2003 über besondere Stabilitätsanforderungen für Ro-Ro-Fahrgastschiffe, ABl. 2003, L 123/22, die RL 1999/35/EG des Rates vom 29.04.1999 über ein System verbindlicher Überprüfungen im Hinblick auf den sicheren Betrieb von Ro-Ro-Fahrgastschiffen und FahrgastHochgeschwindigkeitsfahrzeugen im Linienverkehr, ABl. 1999, L 138/1 später geändert, die RL 98/41/EG des Rates vom 18.06.1998 über die Registrierung der an Bord von Fahrgastschiffen im Verkehr nach oder von einem Hafen eines Mitgliedstaates der Gemeinschaft befindlichen Personen, ABl. 1998, L 188/35, später geändert, die RL 98/18/EG des Rates vom 17.03.1998 über Sicherheitsvorschriften und -normen für Fahrgastschiffe, ABl. 1998, L 144/1, später mehrfach geändert, die VO (EG) Nr. 3051/95 des Rates vom 08.12.1995 über Maßnahmen zur Organisation eines sicheren Schiffsbetriebs von Ro-Ro-Fahrgastfährschiffen, ABl. 1995, L 320/14, später mehrfach geändert, sowie die Entschließung des Rates vom 22.12.1994 zur Sicherheit von „Roll-on/Roll-off“-Fahrgastfährschiffen, ABl. 1994, C 379/8. Ebenfalls nicht behandelt werden die Rechtsakte zu Massengutschiffen und Fischereifahrzeugen (RL 2001/96/EG des EPs und des Rates vom 04.12.2001 zur Festlegung von harmonisierten Vorschriften und Verfahrensregeln für das sichere Be- und Entladen von Massengutschiffen, ABl. 2002, L 13/9, später geändert, und RL 97/70/EG des Rates vom 11.12.1997 über eine harmonisierte Sicherheitsregelung für Fischereifahrzeuge von 24 Metern Länge und mehr, ABl. 1998, L 34/1, später mehrfach geändert). Zu der nicht schiffssicherheits-, sondern umweltschutzbezogenen RL 2000/59/EG des EPs und des Rates vom 27.11.2000 über Hafenauffangeinrichtungen für Schiffsabfälle und Ladungsrückstände, ABl. 2000, L 332/81, später mehr-

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Dritter Teil: Die Regelungstätigkeit der Europäischen Gemeinschaft

Nicht durchzusetzen vermochte sich dagegen wegen völkerrechtlicher Bedenken der Mitgliedstaaten die Kommission mit ihrem Eurorep-Vorschlag 870, der anders als die Hazmat-RL nach Inkrafttreten der Regel V/8-1 [jetzt V/11] SOLAS auch fremde Schiffe im Transit erfassen sollte 871. Im November 1997 startete die Kommission schließlich eine Kampagne für Qualität in der Schifffahrt 872, die an sämtliche Akteure der Schifffahrtsindustrie (Schiffseigner, Ladungseigner, Versicherer, Klassifikationsgesellschaften und Häfen) gerichtet war. In Folge dieser Kampagne, die auch die Informationsdefizite in der Schiffssicherheit verdeutlicht hatte, entschlossen sich die Schifffahrtsbehörden Frankreichs, des Vereinigten Königreiches, Spaniens, Singapurs und die Europäische Kommission am 28.01.2000, die Datenbank EQUASIS einzurichten 873, die schiffssicherheitsbezogene Informationen sowohl von öffentlichen als auch privaten Stellen sammelt und sie im Internet zur Verfügung stellt.

III. 2000–2003: Die Erika-Maßnahmen: Intensivierung, Expansion und institutionelle Verankerung der Brüssler Aktivitäten Trotz ihres mittlerweile umfangreichen marinen Regelwerks erlebte die Gemeinschaft nach der Havarie der Erika am 12.12.1999 einen zweiten Schiffssicherheitsboom. In Reaktion auf den Untergang des Schiffes hatte die Kommission im März und Dezember 2000 zwei Pakete mit Rechtsvorschriften (sog. Erika-I- und -II-Pakete) vorgeschlagen, mit denen eine doppelte Stoßrichtung verfolgt wurde: Zum einen sollte das in der EG geltende Schiffssicherheitsrecht verschärft, zum anderen aber auch ein gänzlich neues Sicherheitsinstrumentarium in das Gemeinschaftsrecht eingeführt werden. So sah Erika I nicht nur eine Verschärfung der Richtlinien über die Hafenstaatskontrolle und die Überwachung der Klassifikationsgesellschaften vor (Erhöhung der Anzahl und Intensität der Kontrollen in den Häfen, Anlaufverbot fach geändert, vgl. Lagoni, The Disposal of Oily Waste from Ships in Community Ports, in: Koch/Lagoni (Hrsg.), The Reception of Oily Waste from Ships in European Ports, S. 15–66. 870 Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Errichtung eines Europäischen Schiffsmeldesystems in den Seegebieten der Mitgliedstaaten der Gemeinschaft, KOM(1993) 647 endg. – syn 491, geändert durch KOM(1994) 220 endg. – syn 491, zurückgenommen durch KOM(2001) 763 endg./2. Das Ziel des Vorschlages wurde mit dem Erika-II-Paket, KOM(2000) 802 endg., weiterverfolgt. 871 Kritisch zur völkerrechtlichen Zulässigkeit des Vorschlags Plant, The Relationship between International Navigation Rights and Environmental Protection, S. 20 f. 872 Commission of the European Communities, Directorate General for Transport, Maritime Safety Unit, DG7-D.3., Europe and Quality Shipping. 873 Text des Memorandum of Understanding on the Establishment of the EQUASIS Information System unter http://www.equasis.org. Das Januar-Memorandum ist mittlerweile durch das Memorandum vom 17.05.2000 ersetzt worden (Art. 7.3 MOU n. F.), dem auch die Schifffahrtsbehörden Japans und die US Coast Guard angehören.

A. Inhalte des schiffssicherheitsbezogenen Gemeinschaftsrechts

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für Substandardschiffe, strengere Qualitätsanforderungen für Klassifikationsgesellschaften und Zentralisierung der Entscheidung über die Gemeinschaftszulassung einer solchen Gesellschaft bzw. ihrer Entziehung bei der Kommission), sondern zielte mit dem Vorschlag für eine Verordnung zur, gegenüber dem in Regel I/13G MARPOL a. F. 874 vorgesehenen Zeitplan, beschleunigten Einführung der Doppelhülle auch auf eine erneute sachliche Erweiterung des gemeinschaftlichen Schiffssicherheitsregelwerks. Überwiegend neue Steuerungsinstrumente enthielt dagegen das Erika-II-Paket: Einen Richtlinienvorschlag für ein gemeinschaftliches Überwachungs-, Kontrollund Informationssystem für den Seeverkehr (Melde-RL), welches anders als die Hazmat-RL auch Schiffe im Transit erfassen und dadurch die Überwachung des gesamten Verkehrs in europäischen Gewässern ermöglichen sollte, sowie zwei auf eine institutionelle Verankerung der Brüssler Aktivitäten gerichtete Verordnungsentwürfe für eine Europäische Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs (EMSA) und einen zusätzlichen, gemeinschaftseigenen Fonds für die Entschädigung für Ölverschmutzung in europäischen Gewässern (COPE-Fonds) 875. Mit Ausnahme des Vorschlags für einen zusätzlichen Fonds für die Entschädigung von Ölverschmutzungsopfern, den die Mitgliedstaaten nicht auf EG-Ebene, sondern im Rahmen des geltenden internationalen Haftungssystems durch Protokoll zum Fondsübereinkommen von 1992 errichten wollten, wurden alle Maßnah874 Vor ihrer Änderung durch IMO Resolution MEPC.95(46), adopted on 27.04.2001, sah Regel I/13G MARPOL einen Zeitplan für die Außerdienststellung von Einhüllenöltankern vor, der 2026 endete. In der durch IMO Resolution MEPC.95(46) geänderten Fassung wurde diese Frist auf 2015 verkürzt. Weitere Verkürzung der Frist durch IMO Resolution MEPC.111(50) auf 2010. 875 Mitteilung der Kommission an das EP und den Rat über die Sicherheit des Erdöltransports zur See vom 21.03.2000, KOM(2000) 142 endg. (Erika-I-Paket) und Mitteilung der Kommission an das EP und den Rat über ein zweites Paket von Maßnahmen der Gemeinschaft für die Sicherheit der Seeschifffahrt im Anschluss an den Untergang des Öltankschiffs Erika vom 06.12.2000, KOM(2000) 802 endg. (Erika-II-Paket). Im einzelnen wurden in den ErikaPaketen folgende Maßnahmen vorgeschlagen: Erika-I-Vorschlag für eine RL des EPs und des Rates zur Änderung der RL 95/21/EG des Rates vom 19.06.1995 zur Durchsetzung internationaler Normen für die Schiffssicherheit, die Verhütung von Verschmutzung und die Lebens- und Arbeitsbedingungen an Bord von Schiffen, die Gemeinschaftshäfen anlaufen und in Hoheitsgewässern der Mitgliedstaaten fahren (Hafenstaatkontrolle), Vorschlag für eine RL des EPs und des Rates zur Änderung der Richtlinie 94/57/EG des Rates über gemeinsame Vorschriften und Normen für Schiffsüberprüfungs- und -besichtigungsorganisationen und die einschlägigen Maßnahmen der Seebehörden und Vorschlag für eine VO des EPs und des Rates zur beschleunigten Einführung von Doppelhüllen oder gleichwertigen Konstruktionsanforderungen für Einhüllen-Öltankschiffe; Erika-II-Vorschlag für eine RL des EPs und des Rates über die Einrichtung eines gemeinschaftlichen Überwachungs-, Kontroll- und Informationssystems für den Seeverkehr, Vorschlag für eine VO des EPs und des Rates über die Errichtung eines Fonds zur Entschädigung für Ölverschmutzung in europäischen Gewässern und damit in Verbindung stehende Maßnahmen und Vorschlag für eine VO des EPs und des Rates zur Einrichtung einer Europäischen Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs.

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Dritter Teil: Die Regelungstätigkeit der Europäischen Gemeinschaft

men vom Europäischen Parlament (EP) und vom Rat verabschiedet. Im Einzelnen sind dies – die RL 2001/106/EG des EPs und des Rates vom 19.12.2001 zur Änderung der RL 95/21/EG des Rates zur Durchsetzung internationaler Normen für die Schiffssicherheit, die Verhütung von Verschmutzung und die Lebens- und Arbeitsbedingungen an Bord von Schiffen, die Gemeinschaftshäfen anlaufen und in Hoheitsgewässern der Mitgliedstaaten fahren (Hafenstaatkontrolle) 876, – die RL 2001/105/EG des EPs und des Rates vom 19.12.2001 zur Änderung der RL 94/57/EG des Rates über gemeinsame Vorschriften und Normen für Schiffsüberprüfungs- und -besichtigungsorganisationen und die einschlägigen Maßnahmen der Seebehörden 877 und – die VO (EG) Nr. 417/2002 des EPs und des Rates vom 18.02.2002 zur beschleunigten Einführung von Doppelhüllen oder gleichwertigen Konstruktionsanforderungen für Einhüllen-Öltankschiffe und zur Aufhebung der VO (EG) Nr. 2978/94 des Rates, – die RL 2002/59/EG des EPs und des Rates vom 27.06.2002 über die Einrichtung eines gemeinschaftlichen Überwachungs- und Informationssystems für den Schiffsverkehr und zur Aufhebung der RL 93/75/EWG des Rates 878 und – die VO (EG) Nr. 1406/2002 des EPs und des Rates vom 27.06.2002 zur Errichtung einer Europäischen Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs 879. Obwohl Europäisches Parlament und Rat die sehr progressiven Erika-Vorschläge im Kern unberührt ließen, bestand gerade der Rat auf teilweise weitgehenden Änderungen der Kommissionstexte, die zu einer deutlichen Abschwächung der ursprünglichen Entwürfe führten. Dies geschah teils aus Zweifeln an der völkerrechtlichen Zulässigkeit einzelner von der Kommission vorgeschlagener Regelungen, teils aus Sorge der Mitgliedstaaten vor weiteren Kompetenzverlusten Richtung Brüssel und teils aus Bedenken in Bezug auf die administrative und finanzielle Leistungsfähigkeit (Personalbedarf) der eigenen Seebehörden. Ausschlaggebend dürften aber die politischen und ökonomischen Erwägungen des Rates gewesen sein, im Hinblick auf mögliche Wettbewerbsnachteile für die europäische Schifffahrtsindustrie und die Gefahr einer schleichenden Zersplitterung des IMO-Regimes grundsätzlich jede Abweichung des europäischen Rechts von den universell geltenden Standards zu vermeiden und deshalb nur solche Regelungen in die Gemeinschaftsordnung aufzunehmen, für die zuvor ein globaler Konsens im Rahmen der IMO gefunden wurde 880. ABl. 2002, L 19/17. Abl. 2002, L 19/9. 878 Dazu Lagoni, Vorsorge gegen Schiffsunfälle im Küstenvorfeld, S. 273–297. 879 ABl. 2002, L 208/1, später geändert. 880 Vgl. Presseerklärungen des Rates zu den Erika-Vorschlägen (EU Doc. Press 470 Nr. 14004/00, Press 257 Nr. 10235/01 und Press 448 Nr. 14660/01, abrufbar unter: http://ue.eu.int). 876 877

A. Inhalte des schiffssicherheitsbezogenen Gemeinschaftsrechts

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Bei der Doppelhüllenverordnung führte diese Haltung des Rates beispielsweise dazu, dass sich die Kommission mit ihrem ursprünglichen, an OPA angelehnten Zeitplan für ein Betriebsverbot für Einhüllenöltanker unter den Gemeinschaftsflaggen bzw. ein Anlaufverbot für diesen Schiffstyp unter Drittflagge bis 2005/2010/2015, durch den verhindert werden sollte, dass künftig in den USA verbotene Öltankschiffe verstärkt in Europa zum Einsatz gebracht werden würden, nicht durchzusetzen vermochte. Stattdessen übernahmen Europäisches Parlament und Rat den zuvor auf IMO-Ebene mit IMO Res. MEPC.95(46) erzielten Kompromiss, der längere Übergangsfristen als Erika I vorsah, eins zu eins in das Gemeinschaftsrecht. Anders als die EG-Kommission und das Europäische Parlament, die gelegentlich die Bereitschaft signalisierten, auch vom IMO-Regime abzuweichen, wenn sich im Rahmen der Weltschifffahrtsorganisation keine angemessenen Ergebnisse erzielen ließen 881, achtete und stärkte der Rat also auch in der Post-Erika-Phase grundsätzlich den Primat Londons und beschränkte die Rolle der Gemeinschaft in der Schiffssicherheit auf die eines hoch entwickelten Durchsetzungsregimes 882. Gleichzeitig Siehe auch die politischen Einigungen des Rates in BullEU 2000 Nr. 12, Ziff. 1.4.61 (Schiffsprüfungsorganisationen und Hafenstaatkontrolle), Bull EU 2001 Nr. 6, Ziff. 14.57 (Doppelhülle), BullEU 2001 Nr. 12, Ziff. 1.4.63 (EMSA) und BullEU 2001 Nr. 12, Ziff. 1.4.69 (Melde-RL) sowie die Mitteilungen der Kommission an das EP gemäß Art. 251 Absatz 2 UA 2 EGV betreffend den vom Rat angenommenen gemeinsamen Standpunkt im Hinblick auf die Doppelhüllen-VO, SEK(2001) 1343 endg., die Melde-RL, SEK(2001) 1948 endg. und die EMSA-VO, SEK(2002) 270 endg. sowie die Stellungnahme der Kommission zu den rechtlichen Bedenken des Rates im Commission Staff Working Paper: Erika II – Traffic monitoring – Law of the Sea and other legal issues, vom 30.08.2001, SEC(2001) 1348. 881 Vgl. die Entschließungen des Parlaments zur Havarie des Öltankers Brear, ABl. 1993, C 42/155, und zur Havarie der Maersk Navigator in der Straße von Malakka, ABl. 1993, C 72/125, sowie zur künftigen Entwicklung der gemeinsamen Verkehrspolitik, ABl. 1994, C 44/53. Zur Haltung des Parlaments während der Erika-Beratungen siehe zudem die Stellungnahme der Kommission zu den Abänderungen des EPs an ihren Vorschlägen in KOM(2000) 850 endg., KOM(2001) 339 endg. (Hafenstaatskontrolle), KOM(2000) 849 endg., KOM(2001) 338 endg. (Schiffsüberprüfungsorganisationen), KOM(2001) 592 endg., EG Doc. A5-0095/2002 final (Recommendation for Second Reading on the Council common position for adopting a European Parliament and Council directive establishing a Community vessel traffic monitoring and information system and repealing Council Directive 93/75/EEC, Committee on Regional Policy, Transport and Tourism vom 22.03.2002) und KOM(2002) 312 endg. (Melde-RL). Die Politik der Kommission, notfalls auch vom IMO-Regime abzuweichen, ist in der Gemeinsamen Politik im Bereich der Sicherheit im Seeverkehr noch nicht angelegt. Sie setzt erst mit Erika I und dem Vorschlag für eine Doppelhüllenverordnung ein. Nach der Prestige sprach sich die Kommission mehrfach für eine Überarbeitung des Seerechtsübereinkommens aus, die IMO wurde nicht in Frage gestellt, vgl. Mitteilung der Kommission an das EP und den Rat zur Erhöhung der Sicherheit im Seeverkehr nach dem Untergang des Öltankschiffs „Prestige“ vom 03.12.2002, KOM(2002) 681 endg., S. 13–15, und Mitteilung der Kommission Bericht an den Europäischen Rat über die angesichts der Folgen der Prestige-Katastrophe zu ergreifenden Maßnahmen vom 05.03.2003, KOM(2003) 105 endg., S. 11. 882 Beachte aber, dass nach Art. 10 (1) Satz 1 iVm Anhang II Abschnitt II Nr. 2 RL 2002/ 59/EG (Schiffsmelderichtlinie) bestimmte, vor dem 01.07.2002 gebaute Schiffe, sobald sie einen Hafen in einem Mitgliedstaat der Gemeinschaft anlaufen, „spätestens ab dem von der IMO festgelegten Datum oder, sofern die IMO keinen Beschluss fasst, spätestens ab dem 01.01.2007 20 Schult

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Dritter Teil: Die Regelungstätigkeit der Europäischen Gemeinschaft

führte das koordinierte Auftreten der Mitgliedstaaten in der IMO und ihre indirekte Drohung, beim Scheitern der Verhandlungen notfalls unilateral vorzugehen 883, dazu, dass die Arbeit der Organisation extrem beschleunigt wurde und viele in Reaktion auf die Erika getroffenen Entscheidungen der internationalen Seeschifffahrtsorganisation eine europäische Handschrift trugen 884. Angesichts dieser Entwicklung und des mit den Erika-Paketen erreichten Umfangs supranationalen Schiffssicherheitsrechts war es konsequent, dass die Kommission am 09.04.2002 dem Rat empfahl, sie zu ermächtigen, mit der IMO in Verhandlungen über einen EG-Beitritt einzutreten885. Denn eine IMO-Mitgliedschaft würde der Gemeinschaft der nunmehr 25 nicht nur gestatten, mit einer Stimme zu sprechen und sich mit ihrem ganzen Gewicht für die Ausarbeitung und Verabschiedung internationaler Sicherheitsvorschriften einzusetzen, sondern ihr auch ermöglichen, ihre Außenkompetenzen effektiv wahrzunehmen und so die Kohärenz zwischen Gemeinschafts- und internationalen Standards zu gewährleisten. Die Übereinstimmung des Gemeinschaftsrechts mit den internationalen Standards zu sichern, war schließlich auch Ziel der am 05.11.2002 verabschiedeten COSS-Gesetze des Europäischen Parlamentes und des Rates 886. Sie fügten zum einen in die [bzw. 01.01.2008]“ (Hervorhebung hinzugefügt) mit einem Schiffsdatenschreibersystem ausgerüstet sein müssen. Die Gemeinschaft beschränkt sich hier also nicht mehr bloß auf die Rolle der Durchsetzung des IMO-Rechts, sondern „droht“ mit einem regionalen Standard in Form einer Hafenanlaufbedingung für den Fall, dass die IMO keinen entsprechenden Beschluss fassen sollte. Eine regionale Sonderregelung existiert bereits mit Art. 6 (2) RL 2002/59/EG, demzufolge mit einem AIS ausgerüstete Schiffe dieses fortwährend in Betrieb zu halten haben. International wurde eine entsprechende Verpflichtung erst am 12.12.2002 durch Resolution 1 of the Conference of Contracting Governments to the International Convention for the Safety of Life at Sea, 1974, IMO-Doc.: SOLAS/CONF.5/32, Annex, in SOLAS aufgenommen. Nach Art. VIII (c) (ii), (b) (vi) (2) (bb), (b) (vii) (2) SOLAS tritt die SOLAS-Änderung am 01.07.2004 unter tacit in Kraft. 883 Ein gutes Beispiel hierfür sind die Verhandlungen zur Doppelhülle anlässlich MEPC 46. Hier hatte der Rat „Verkehr“ am 20.12.2000 festgestellt, dass die im Rahmen der IMO erzielten Ergebnisse akzeptabel sein müssten, anderenfalls die Gemeinschaft einseitige Maßnahmen ergreifen werde, vgl. EU Doc. Press 470 Nr. 14004/00, SEK(2001) 1343 endg., Ziff. 3.1., IMO Doc. MEPC 46/23 Ziff. 2.62. Ähnlich wurde bei den Verhandlungen zu dem Zusatzprotokoll zum Fondsübereinkommen verfahren, vgl. EU Doc. Press 470 Nr. 14004/00, Press 257 Nr. 10235/01, Press 380 Nr. 15121/02 und KOM(2003) 105 endg., S. 12. 884 Beispiele sind das Zusatzprotokoll zum Fondsübereinkommen, die Thematik der Notliegeplätze und die auf EG-Druck zustande gekommene Res. 1 der SOLAS-Konferenz vom 20.12.2000, durch welche die Fristen für die Nachrüstung mit AIS verkürzt wurden. 885 Empfehlung der Kommission an den Rat zur Ermächtigung der Kommission, mit der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) in Verhandlungen über die Bedingungen und Modalitäten des Beitritts der Europäischen Gemeinschaft einzutreten, SEK(2002) 381 endg. Ein solcher Beitritt würde sich gemeinschaftsrechtlich nach dem Verfahren des Art. 300 EGV vollziehen. Kompetenzgrundlage wäre Art. 80 EGV iVm der AETR-Doktrin. Völkerrechtlich wäre eine Änderung des IMO-Statuts erforderlich, denn nach Art.4 IMOC können nur Staaten Mitglieder der Organisation werden. 886 VO (EG) Nr. 2099/2002 des EPs und des Rates vom 05.11.2002 zur Einsetzung eines Ausschusses für die Sicherheit im Seeverkehr und die Vermeidung von Umweltverschmutzung

A. Inhalte des schiffssicherheitsbezogenen Gemeinschaftsrechts

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Schiffssicherheitsvorschriften der Gemeinschaft dynamische Verweisungen auf die IMO/ILO-Instrumente in ihrer jeweils geltenden Fassung ein. Zum anderen schufen sie den Ausschuss für die Sicherheit im Seeverkehr und die Vermeidung der Umweltverschmutzung durch Schiffe (COSS), der die früheren Comitologie-Ausschüsse der EG-Schiffssicherheitsrechtsakte 887 zu einem zentralen Sicherheitsausschuss zusammenfasste 888. Notwendig wurden die COSS-Regelungen dadurch, dass das schifffahrtsbezogene EG-Recht statisch auf die internationalen Bestimmungen in der Fassung Bezug nahm, die zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des jeweiligen Gemeinschaftsrechtsaktes galt. Jede danach erfolgende (tacit-)Änderung eines IMO/ILO-Instrumentes konnte folglich nur durch erneutes legislatives Tätigwerden der EG in das Gemeinschaftsrecht übernommen werden. Auch wenn die Grundrechtsakte für solche Änderungen regelmäßig das Comitologie-Verfahren vorsahen, traten dabei erhebliche Verzögerungen auf, die zu einem Auseinanderfallen von Gemeinschaftsrecht und internationalem Recht führten und die Mitgliedstaaten aus europarechtlicher Perspektive zwangen, veraltete Sicherheitsstandards anzuwenden. Dieses Problem lösten die COSS-Gesetze völkerrechtsfreundlich dadurch, dass nunmehr in den Gemeinschaftsrechtsakten dynamisch auf die jeweils geltende Fassung des IMO/ ILO-Instrumentes verwiesen wird. Gleichzeitig wurde ein Konformitätsprüfungsverfahren eingeführt, das der Kommission ermöglicht, für den Fall, dass die Änderung eines internationalen Instrumentes mit dem Gemeinschaftsrecht kollidiert, die Notbremse zu ziehen und dem COSS einen Vorschlag mit Maßnahmen vorzulegen, die darauf abzielen, diese Änderung vom Geltungsbereich der betreffenden EG-Vorschrift auszunehmen. Der COSS hat über diesen Vorschlag im Regelungsverfahren (Art. 5 Comitologie-Beschluss 1999/468/EG) mindestens einen Monat durch Schiffe (COSS) sowie zur Änderung der Verordnungen über die Sicherheit im Seeverkehr und die Vermeidung von Umweltverschmutzung durch Schiffe, ABl. 2002, L 324/1, und RL 2002/84/EG des EPs und des Rates vom 05.11.2002 zur Änderung der Richtlinien über die Sicherheit im Seeverkehr und die Vermeidung von Umweltverschmutzung durch Schiffe ABl. 2002, L 324/53. 887 Dies sind die durch die RL 94/57/EG, RL 94/58/EG, VO (EWG) Nr. 613/91 und VO (EG) Nr. 2978/94 jeweils gesondert eingesetzten Ausschüsse. RL 95/21/EG, RL 96/98/EG, RL 97/70/EG, RL 98/18/EG, RL 98/41/EG, RL 1999/35/EG und VO (EG) Nr. 3051/95 nehmen, obschon sie ganz unterschiedliche Ziele verfolgen, Bezug auf den durch Art. 12 RL 93/75/EWG eingesetzten Regelungsausschuss (Ausschuss vom Typ III (a) gem. dem „alten“ Comitologie-Beschluss 87/373/EWG des Rates, ABl. 1987, L 197/33). Die in den RLen und VOen dieses Themenbereichs vorgesehenen Comitologie-Verfahren hatten eines gemeinsam: Sie dienten in erster Linie dazu, die in das Gemeinschaftsrecht aufzunehmenden Änderungen und Aktualisierungen internationaler Übereinkommen und Rechtsinstrumente durchzuführen. Es entstand jedoch häufig Verwirrung, wenn Themen auf der Tagesordnung standen, die keinerlei Bezug zur RL 93/75 (Gefahrguttransport) hatten. 888 Beachte, dass die Kommission bereits 1993 in ihrer Mitteilung für eine Gemeinsame Politik im Bereich der Sicherheit im Seeverkehr die Einsetzung eines solchen Ausschusses angeregt hatte und der Rat in seiner Entschließung vom 08.06.1993 über eine gemeinsame Politik im Bereich der Sicherheit im Seeverkehr, ABl. 1993, C271/1, grundsätzlich die Einsetzung des Ausschusses „Sichere Meere“ billigte. 20*

308

Dritter Teil: Die Regelungstätigkeit der Europäischen Gemeinschaft

vor Ablauf der tacit-Frist zu entscheiden. Um eine Kollision zwischen den EGSeeverkehrsregelungen und internationalen Instrumenten von vornherein zu vermeiden, verpflichten die COSS-Vorschriften Mitgliedstaaten und Kommission, im Rahmen von Koordinierungssitzungen zusammenzuarbeiten, um gegebenenfalls einen gemeinsamen Standpunkt oder eine gemeinsame Vorgehensweise in der IMO festzulegen. Wie die Errichtung der EMSA bei der Rechtsdurchsetzung, zielte quasi spiegelbildlich bei der Rechtsetzung also auch das COSS-Vorhaben auf eine weitere Formalisierung und Institutionalisierung der gemeinschaftsinternen Schiffssicherheitsabläufe. Zusammenfassend betrachtet kann damit festgehalten werden, dass die Schiffssicherheitspolitik der EG post Erika durch eine Intensivierung, Expansion und institutionelle Verankerung der Brüssler Aktivitäten gekennzeichnet war. Dabei war zumindest der Rat sichtlich bemüht, den Primat Londons zu achten. Lediglich bei der Nachrüstung vor dem 01.07.2002 gebauter Schiffe mit Schiffsdatenschreibern (VDR, black boxes) beschloss man, für den Fall, dass die IMO bis 2007 keinen entsprechenden Beschluss fassen sollte, einseitige Regelungen zu treffen.

IV. Die Europäische Gemeinschaft nach der Prestige Eine vorsichtige Abkehr des Rates von seiner Politik, europäische Schiffssicherheitsregelungen nur im Einklang mit IMO-Standards zu treffen, brachte die Havarie der Prestige am 19.11.2002. Der große öffentliche Erwartungsdruck nach zwei Öltankerunfällen vor Europas Küsten innerhalb von knapp drei Jahren und der Umstand, dass der Unfall wahrscheinlich hätte verhindert werden können, wenn der von der Kommission in Erika I vorgeschlagene Zeitplan für ein Betriebsverbot für Einhüllenöltanker unter den Gemeinschaftsflaggen bzw. ein Anlaufverbot für diesen Schiffstyp unter Drittflagge beibehalten worden wäre 889, führten dazu, dass nun auch der Rat eine deutlich beschleunigte Ausmusterung der Einfachhülle forderte. Mit der VO (EG) Nr. 1726/2003 890 vom 22.07.2003 einigten sich Europäisches Parlament und Rat nicht nur auf ein Betriebs- und Anlaufverbot für Einhüllentanker, das mit 2005 bzw. 2010 deutlich kürzere Übergangsfristen für die Einführung der 889 Nach dem von der Kommission in Erika I vorgeschlagenen Zeitplan für die beschleunigte Einführung der Doppelhülle hätte der 26 Jahre alte Einhüllentanker ab dem 01.09.2002 (Tag des Inkrafttretens der VO (EG) Nr. 417/2002) keinen Hafen der Gemeinschaft mehr anlaufen dürfen. Aufgrund der letztendlich ins Gemeinschaftsrecht übernommenen internationalen Regelung konnte die Prestige aber bis 15.03.2005 weiterbetrieben werden. Auch bei Annahme des ursprünglichen Kommissionsvorschlages hätte das Schiff aber nicht daran gehindert werden können, an den europäischen Küsten vorbeizufahren. 890 VO (EG) Nr. 1726/2003 des EPs und des Rates vom 22.07.2003 zur Änderung der VO (EG) Nr. 417/2002 zur beschleunigten Einführung von Doppelhüllen oder gleichwertigen Konstruktionsanforderungen für Einhüllen-Öltankschiffe, ABl. 2003, L 249/1.

A. Inhalte des schiffssicherheitsbezogenen Gemeinschaftsrechts

309

Doppelhülle als Regel I/13G MARPOL (2007 bzw. 2015) vorsah und auch die Durchführung des CAS ausweitete und verschärfte, sondern trafen mit dem Verbot des Transports von Schweröl in Einhüllentankschiffen von oder nach EG-Häfen auch eine Regelung, die bis dahin auf internationaler Ebene überhaupt nicht existierte 891. Die Tatsache, dass die 15 Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und die Kommission zeitgleich mit den Beratungen über die VO (EG) Nr. 1726/2003 MEPC 49. (14.– 18.07.2003) einen Vorschlag zur Änderung des MARPOL-Übereinkommens vorlegten 892, um zu erreichen, dass die europäischen Standards weltweit Anwendung finden 893 und auch Schiffe im Transit erfassen, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die EG erstmals im Rahmen einer Hafenanlaufbedingung einen gemeinschaftseigenen Sicherheitsstandard für Schiffe unter Drittflagge einführte und damit eine Divergenz von Gemeinschaftsrecht und IMO-Recht hinnahm894.

891 Mit diesem Verbot trägt die Gemeinschaft dem Umstand Rechnung, dass Schweröle zu den Ölen mit der größten umweltschädigenden Wirkung gehören, weil sie wegen ihrer geringeren Flüchtigkeit und höheren Viskosität nur langsam verdampfen, sich kaum verteilen und nur schwerlich abgebaut werden. Auch das Abpumpen gestaltet sich schwierig. Dennoch wird Schweröl wegen seines geringen Handelswertes und seiner vergleichsweise niedrigeren Brand- und Explosionsgefahr regelmäßig mit älteren Tankschiffen transportiert, die sich dem Ende ihrer Nutzungsdauer neigen und folglich ein besonders großes Sicherheitsrisiko darstellen, vgl. die amtl. Begründung der Kommission für ihren Regelungsvorschlag in KOM(2002) 780 endg., S. 3. Wie die Erika hatte auch die Prestige Schweröl geladen. 892 IMO Doc. MEPC 49/16/1, vom 10.04.2003, Proposed amendments to Annex I of MARPOL 73/78, submitted by Austria, Belgium, Denmark, Finland, France, Germany, Greece, Ireland, Italy, Luxembourg, The Netherlands, Portugal, Spain, Sweden, the United Kingdom and the European Commission. 893 Beachte auch den 2. Erwägungsgrund VO (EG) Nr. 1726/2003: „Die Kommission und die Mitgliedstaaten sollten alle denkbaren Anstrengungen unternehmen, um sicherzustellen, dass eine ähnliche Regel wie die nach der vorliegenden Verordnung zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 417/2002 durch eine Änderung des MARPOL-Übereinkommens 2003 weltweit erlassen werden kann. Der Rat und die Kommission begrüßen die Bereitschaft der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation (IMO), im Dezember 2003 eine zusätzliche Sitzung des Ausschusses für den Schutz der Meeresumwelt (MEPC) abzuhalten, um eine internationale Lösung für die beschleunigte Ausmusterung von Einhüllen-Öltankschiffen sowie auf kurze Sicht die Einführung eines Verbots von Einhüllen-Öltankschiffen, die Schweröle befördern, zu erleichtern.“ 894 Beachte allerdings die RL 2003/25/EG des EP und des Rates vom 14.04.2003 über besondere Stabilitätsanforderungen für Ro-Ro-Fahrgastschiffe, ABl. 2003, L 123/22. Ob hier wirklich losgelöst vom IMO-Recht für Schiffe im Hafenanlauf ein über Regel II-1/B/8 SOLAS hinausgehender Gemeinschaftsstandard eingeführt wird, ist wegen der Res. 14 der SOLASKonferenz von 1995 (Estonia-Konferenz), die unter bestimmten Umständen regionale Übereinkommen mit besonderen Stabilitätsanforderungen anerkennt, problematisch. Vgl. auch das in Umsetzung der SOLAS-Resolution ergangene Stockholm Übereinkommen, Agreement Concerning Specific Stability Requirements for Ro-Ro Passenger Ships Undertaking Regular Scheduled International Voyages between or to or from Designated Ports in North West Europe and the Baltic Sea, Stockholm, 28.02.1996, in Kraft getreten am 01.04.1997, IMO Doc. Circular Letter No 1891 vom 29.04.1996.

310

Dritter Teil: Die Regelungstätigkeit der Europäischen Gemeinschaft

Die faktischen Auswirkungen des EG-Vorgehens bleiben freilich gering. Aufgrund der konzertierten Aktion der Mitgliedstaaten signalisierte bereits MEPC 49 seine grundsätzliche Zustimmung zu dem EG-Änderungsvorschlag und man einigte sich darauf, die Details auf einer weiteren, außerordentliche Sitzung des Ausschusses (MEPC 50) am Rande der 23. Generalversammlung im November/Dezember 2003 zu beschließen. Die letzten Endes von MEPC 50 mit IMO Resolution MEPC.111(50) am 04.12.2003 angenommen Änderungen des MARPOL-Übereinkommens 895 entsprechen weitgehend dem EG-Recht: Die Ausmusterungsfristen in Regel I/13G MARPOL wurden dahingehend verkürzt, dass nun grundsätzlich auch weltweit für Einhüllentanker 2005 bzw. 2010 Schluss ist. Ebenso wie auf EG-Ebene müssen ab 2005 auch international Einhüllentanker, die älter als 15 Jahre sind, dem CAS entsprechen. Schließlich verbietet mit der neu eingefügten Regel I/13H MARPOL ab 2005 auch das IMO-Recht weitgehend den Transport von Schweröl in Einhüllenöltankschiffen. Die EG-Definition für Schweröl wurde von der IMO übernommen. Unterschiede zwischen globalem IMO- und regionalem Gemeinschaftsrecht bestehen allerdings im Detail. Sie ergeben sich, erstens, aus dem unterschiedlichen Inkrafttreten von MARPOL- und EG-Standards. Während die EG-VO bereits seit dem 21.10.2003 in den Mitgliedstaaten unmittelbar gilt, können die durch IMO Resolution MEPC.111(50) geänderten MARPOL-Ausmusterungsfristen unter tacit nach Art. VI Prot. 78 MARPOL iVm Art.16 (2) (d), (f) (ii) (iii), (g) (ii) MARPOL erst am 05.04.2005 in Kraft treten. Bis dahin fallen EG- und IMO-Recht auseinander. Zwar hat die IMO, der Gemeinschaft weit entgegen kommend, mit IMO Resolution MEPC.114(50) 896 maritime Industrie und MARPOL-Vertragsstaaten aufgerufen, die neuen Bestimmungen schnellstmöglich auf Schiffe unter ihrer Flagge anzuwenden, völkerrechtlich gebunden werden die MARPOL-Staaten auf diese Weise freilich nicht und für eine Vorabanwendung der neuen Regelungen auf Schiffe unter Drittflagge im Rahmen von Art. 21 (2), 211 (5) SRÜ fehlt es an general acceptance. Globales und Gemeinschaftsrecht divergieren schließlich, zweitens, auch dadurch, dass IMO Resolution MEPC.111(50) den Flaggenstaaten erlaubt, unter bestimmten Umständen den Betrieb eines Tankers über 2005 bzw. 2010 hinaus zu gestatten. Hier mussten die EG-Mitgliedstaaten den Flaggenstaaten während der IMO-Verhandlungen Zugeständnisse machen, denn diese Ausnahmeregelungen finden größtenteils in der Doppelhüllenverordnung keine Entsprechung. Allerdings gestatten sowohl Regel I/13G als auch Regel I/13H MARPOL den Hafenstaaten, Tan895 IMO Resolution MEPC.111(50), adopted on 04.12.2003, Amendments to the Annex of the Protocol of 1978 Relating to the International Convention for the Prevention of Pollution from Ships, 1973 (Amendments to regulation 13G and IOPP Certificate of Annex I and addition of new regulation 13H to Annex I of MARPOL 73/78). 896 IMO Res. MEPC.114(50), Early and Effective Application of the Amendments to Annex I of MARPOL 73/78, adopted on 04.12.2003.

A. Inhalte des schiffssicherheitsbezogenen Gemeinschaftsrechts

311

kern mit derartigen Ausnahmegenehmigungen das Einlaufen in ihre Häfen zu verweigern, so dass sich die regionalen Sonderregeln der EG nun auf diese Ausnahmen in der MARPOL-Konvention stützen können 897. Strengere Standards für Schiffe unter Gemeinschaftsflaggen sind völkerrechtlich ohnehin unproblematisch. Die Gemeinschaftsstandards sind damit ab 2005 IMO-konform. Die Post-Prestige-Beschlüsse der Weltschifffahrtsorganisation sind folglich ein großer Erfolg für die Europäische Gemeinschaft, die sich mit ihren Schiffssicherheitsvorstellungen weltweit durchgesetzt hat. Allerdings hat auch die IMO zum wiederholten Male ihre Fähigkeit unter Beweis gestellt, auf neue Entwicklungen zu reagieren und divergierende Interessen auszugleichen. In den folgenden Tabellen werden die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Regeln I/13G u. I/13H MARPOL und Doppelhüllenverordnung noch einmal synoptisch in den folgenden Tabellen zusammengefasst: S. 312–313: Ausmusterungszeitplan für Einhüllentanker nach OPA, Regel I/13G MARPOL, Erika I und VO (EG) Nr. 417/2002 S. 314–315: Synopse der Ausnahmen von den Ausmusterungsfristen nach VO (EG) Nr. 417/ 2002 n. F. und Regel I/13G n. F. S. 316–318: Verbot des Schweröltransports in Einhüllentankern nach VO (EG) Nr. 417/2002 n. F. und Regel I/13H MARPOL

897 Regel I/13G (8) (b) und I/13H (8) (b). Art. 2 VO (EG) Nr. 1726/2003 bestimmt, dass der Ratsvorsitz – im Namen der Mitgliedstaaten – und die Kommission der IMO gemeinsam die Annahme der VO notifizieren, wobei auf Art. 211 (3) SRÜ Bezug genommen werde.

Ausm. n. OPA ’90 bis spät.:

2010

Öltankschiffkategorie

Kategorie 1: EinhüllenTanker, MARPOLGröße, ohne schutzbringend angeordnete Tanks

2007/ 2012

Ausm. n. R. I/13G MARPOL i. d. F. MEPC.52(32) a) bis spät.:

2005

Ausm. n. Erika I bis spät.:

Ausm. (Betriebsverbot für Gemeinschaftsschiffe und Anlaufverbot für Schiffe unter Drittflagge) n. VO (EG) Nr. 417/2002 i. d. F. VO 1726/2003 (zugl. Vorl. der EG Mitgliedstaaten an MEPC.49) bis spät.: 2005 bzw. nach dem Jahrestag der Ablieferung des Schiffes in dem nachstehend angegebenen Jahr: – 2003 bei Schiffen, die bis einschließlich 1980 abgeliefert wurden, – 2004 bei Schiffen, die 1981 abgeliefert wurden, – 2005 bei Schiffen, die 1982 oder danach abgeliefert wurden. ⇒ Altersgrenze: 23 J.

Ausm. n. R. I/13G MARPOL i. d. F. MEPC.95(46) bzw. n. VO 417/2002 a. F. bis spät.:

2007 bzw. nach dem Jahrestag der Ablieferung des Schiffes in dem nachstehend angegebenen Jahr: – 2003 für 1973 oder früher abgelieferte Schiffe – 2004 für 1974 und 1975 abgelieferte Schiffe – 2005 für 1976 und 1977 abgelieferte Schiffe – 2006 für 1978, 1979 und 1980 abgelieferte Schiffe – 2007 für 1981 oder später abgelieferte Schiffe – ab 2005 nur, wenn Schiff CAS b) entspricht. ⇒ Altersgrenze: 30 J.

2005 ⇒ Bis 2005 keine Altersgrenzen möglich, weil Regel I/13G n. F. erst am 05.04.2005 unter tacit in Kraft treten kann. Beachte aber IMO Res. MEPC.114(50) c).

Ausm. n. R. I/13G MARPOL i. d. F. MEPC.111(50) bis spät.:

Stark vereinfachte Darstellung. Der jeweilige Termin, bis zu dem ein bestimmtes Einhüllentankschiff ausgemustert sein muss, hängt von Tonnage, Konstruktion und Alter des Schiffes ab.

Ausmusterungszeitplan für Einhüllentanker nach OPA, Regel I/13G MARPOL, Erika I und VO (EG) Nr. 417/2002

312 Dritter Teil: Die Regelungstätigkeit der europäischen Gemeinschaft

2015

Kategorie 3: EinhüllenÖltankschiffe, unter MARPOLGröße

Keine Frist

2026

2015

2010

2003–2015 Kein CAS b). ⇒ Altersgrenze: 30 J.

2003–2015 ab 2010 nur, wenn Schiff CAS b) entspricht. Je nach Baujahr liegt ⇒ Altersgrenze: 30 J.

2010 bzw. nach dem Jahrestag der Ablieferung des Schiffes in dem nachstehend angegebenen Jahr – 2003 bei Schiffen, die bis einschließlich 1975 abgeliefert wurden, – 2004 bei Schiffen, die 1976 abgeliefert wurden, – 2005 bei Schiffen, die 1977 abgeliefert wurden, – 2006 bei Schiffen, die 1978 und 1979 abgeliefert wurden, – 2007 bei Schiffen, die 1980 und 1981 abgeliefert wurden, – 2008 bei Schiffen, die 1982 abgeliefert wurden, – 2009 bei Schiffen, die 1983 abgeliefert wurden, – 010 bei Schiffen, die 1984 oder danach abgeliefert wurden. Bei Schiffen älter als 15 J. nur, wenn Schiff CAS b) entspricht, Art. 5. ⇒ Altersgrenze: 28 J

2010 bzw. nach dem Jahrestag der Ablieferung des Schiffes in dem nachstehend angegebenen Jahr – 05.04.2005 bei Schiffen, die bis einschließlich 05.04.1977 abgeliefert wurden. – 2005 bei Schiffen, die nach dem 05.04.1977, aber vor dem 01.01.1078 abgeliefert wurden. – 2006 bei Schiffen, die 1978 und 1979 abgeliefert wurden, – 2007 bei Schiffen, die 1980 und 1981 abgeliefert wurden, – 2008 bei Schiffen, die 1982 abgeliefert wurden, – 2009 bei Schiffen, die 1983 abgeliefert wurden, – 2010 bei Schiffen, die 1984 oder danach abgeliefert wurden. Bei Schiffen älter als 15 J. nur, wenn Schiff CAS b) entspricht, Abs. (6). ⇒ Bis 2005 keine Altersgrenzen möglich, weil Regel I/13G n. F. erst am 05.04.2005 unter tacit in Kraft treten kann. Beachte aber IMO Res.MEPC.114(50) c).

a) Beachte: Durch IMO Res. MEPC.52(32) vom 06.03.1992, unter tacit in Kraft getreten am 06.07.1993, wurden in Reaktion auf die Havarie der Exxon Valdez 1989 und den US OPA ’90 die Regeln I/13F u. I/13G in das MARPOL-Übereinkommen aufgenommen. Regel I/13F MARPOL sieht vor, dass ab dem 06.07.1996 abgelieferte Öltanker eine Doppelhülle oder eine gleichwertige Konstruktionsanforderung aufweisen müssen. Nach dem 06.07.1996 wurden also keine Einhüllentanker mehr ausgeliefert. b) Condition Assessment Scheme (CAS). Zustandsbewertungsschema nach Regel I/13G (6) MARPOL n. F. iVm IMO Res. MEPC.94(46) in ihrer jeweils geltenden Fassung (zuletzt geändert durch MEPC.112(50)). c) IMO Resolution MEPC.114(50), Early and Effective Application of the Amendments to Annex I of MARPOL 73/78, fordert die MARPOL-Vertragsstaaten auf, ernsthaft, ohne das Inkrafttreten der Änderungen abzuwarten, die schnellstmögliche Anwendung der Änderungen auf Schiffe unter ihrer Flagge zu erwägen und diesen Schritt der Organisation mitzuteilen. Sie lädt auch die maritime Industrie ein, die neuen Standards so schnell wie möglich wirksam einzuführen.

2010/ 2015

Kategorie 2: EinhüllenTanker, MARPOLGröße, mit teilweise geschütztem Ladetankbereich

A. Inhalte des schiffssicherheitsbezogenen Gemeinschaftsrechts

313

Regel I/13G MARPOL i. d. F. von IMO Resolution MEPC.111(50)

Art. 4 VO (EG) Nr. 417/2002 Abs.: (Hervorhebungen hinzugefügt) (2) Ungeachtet des Absatzes 1 dürfen Öltankschiffe der Kategorie 2 oder 3, die lediglich über nicht für die Beförderung von Öl verwendete und sich über die gesamte Länge des Ladetanks erstreckende Doppelböden oder Doppelbeplattungen oder über nicht für die Beförderung von Öl verwendete und sich über die gesamte Länge des Ladetanks erstreckende Doppelhüllenräume verfügen, jedoch nicht die Bedingungen für eine Befreiung von den Bestimmungen des Absatzes 1 der überarbeiteten Regel 13G des Anhangs I zu MARPOL 73/78 erfüllen, über das in Absatz 1 Buchstabe a) genannte Datum [das ist die Ausmusterungsdatum] hinaus betrieben werden, sofern dabei nicht der Jahrestag der Ablieferung des Schiffes im Jahr 2015 oder der Tag überschritten wird, an dem das Schiff ein Alter von 25 Jahren – gerechnet ab dem Ablieferungsdatum – erreicht, wobei der jeweils frühere dieser beiden Zeitpunkte zugrunde gelegt wird.

Regel I/13G MARPOL Abs.: (Hervorhebungen hinzugefügt) (5) Notwithstanding the provisions of paragraph (4) [regelt die Ausmusterungsfristen] of this regulation, in the case of a Category 2 or 3 oil tanker fitted with only double bottoms or double sides not used for the carriage of oil and extending to the entire cargo tank length or double hull spaces which are not used for the carriage of oil and extend to the entire cargo tank length, but does not fulfill conditions for being exempted from the provisions of paragraph (1) (c) of this regulation, the Administration may allow continued operation of such a ship beyond the date specified in paragraph (4) of this regulation, provided that: (a) the ship was in service on 1July 2001; (b) the Administration is satisfied by verification of the official records that the ship complied with the conditions specified above; (c) the conditions of the ship specified above remain unchanged; and (d) such continued operation does not go beyond the date on which the ship reaches 25 years after the date of its delivery.

Regel I/13G (1) (c) MARPOL bzw. Art. 3 Nr. 10 Satz 2 VO (EG) Nr. 417/2002: [This regulation shall] not apply to oil tankers covered by subparagraph (a) above which comply with regulation 13F(3) (a) and (b) or 13F(4) or 13F(5) of this Annex, except that the requirement for minimum distances between the cargo tank boundaries and the ship side and bottom plating need not be met in all respects. In that event, the side protection distances shall not be less than those specified in the International Bulk Chemical Code for type 2 cargo tank location and the bottom protection distances at centreline shall comply with regulation 13E(4) (b) of this Annex.

Öltanker < 5000 Tonnen Tragfähigkeit

VO (EG) Nr. 417/2002 i. d. F. VO (EG) Nr. 1726/2003

Synopse der Ausnahmen von den Ausmusterungsfristen nach VO (EG) Nr. 417/2002 n. F. und Regel I/13G n. F.

314 Dritter Teil: Die Regelungstätigkeit der europäischen Gemeinschaft

VO (EG) Nr. 417/2002 i. d. F. VO (EG) Nr. 1726/2003 (7) The Administration may allow continued operation of a Category 2 or 3 oil tanker beyond the date specified in paragraph (4) of this regulation, if satisfactory results of the Condition Assessment Scheme warrant that, in the opinion of the Administration, the ship is fit to continue such operation, provided that the operation shall not go beyond the anniversary of the date of delivery of the ship in 2015 or the date on which the ship reaches 25 years after the date of its delivery, whichever is the earlier date. (8) (a) The Administration of a Party to the present Convention which allows the application of paragraph (5) of this regulation, or allows, suspends, withdraws or declines the application of paragraph (7) of this regulation, to a ship entitled to fly its flag shall forthwith communicate to the Organization for circulation to the Parties to the present Convention particulars thereof, for their information and appropriate action, if any. (b) A Party to the present Convention shall be entitled to deny entry into the ports or offshore terminals under its jurisdiction of oil tankers operating in accordance with the provisions of: (i) paragraph (5) of this regulation beyond the anniversary of the date of delivery of the ship in 2015; or (ii) paragraph (7) of this regulation. In such cases, that Party shall communicate to the Organization for circulation to the Parties to the present Convention particulars thereof for their information.

Regel I/13G MARPOL i. d. F. von IMO Resolution MEPC.111(50)

A. Inhalte des schiffssicherheitsbezogenen Gemeinschaftsrechts

315

[This regulation shall] not apply to oil tankers covered by subparagraph (a) above which comply with regulation 13F(3) (a) and (b) or 13F(4) or 13F(5) of this Annex, except that the requirement for minimum distances between the cargo tank boundaries and the ship side and bottom plating need not be met in all respects. In that event, the side protection distances shall not be less than those specified in the International Bulk Chemical Code for type 2 cargo tank location and the bottom protection distances at centreline shall comply with regulation 13E(4) (b) of this Annex.

Regel I/13H (1) (b) MARPOL bzw. Art. 3 Nr. 10 Satz 2 VO (EG) Nr. 417/2002:

Ausnahmen nach

2008

Rohöle mit einer Dichte bei 15˚C von über 900 kg/m3; Heizöle mit einer Dichte bei 15˚C von über 900 kg/m3 oder einer kinematischen Viskosität bei 50 ˚C von über 180 mm2/s; Bitumen und Teer und ihre Emulsionen

2008

Öltanker mit einer Tragfähigkeit ≥ 600 t < 5000 t Verbot des Schweröltransports ab

05.04.2005 Beachte aber IMO Res. MEPC.114(50)c)

Einhüllen-Schweröltanker mit einer Tragfähigkeit ≥ 600 Tonnen ab dem 05.04.2005 Zeitpunkt des Inkrafttretens der Regel unter tacit), weltweit.

Regel I/13H MARPOL (eingef. durch MEPC.111(50)

Definition Schweröle

21.10.2003

Einhüllen-Schweröltanker mit einer Tragfähigkeit ≥ 600 Tonnen ab 21.10.2003 (Tag des Inkrafttretens der VO), die einen Gemeinschaftshafen anlaufen oder auslaufen wollen.

Für Einhüllentanker mit einer Tragfähigkeit ≥ 5000 t Verbot des Schweröltransports ab

Anwendbar auf

VO (EG) Nr. 417/2002 i. d. F. VO (EG) Nr. 1726/2003

Verbot des Schweröltransports in Einhüllentankern nach VO (EG) Nr. 417/2002 n. F. und Regel I/13H MARPOL

316 Dritter Teil: Die Regelungstätigkeit der europäischen Gemeinschaft

(6) Bis zum 21. Oktober 2005 kann ein Mitgliedstaat in den Fällen, in denen aufgrund des Eisgangs der Einsatz eines Schiffes mit Eisverstärkung erforderlich ist, einem mit einer Eisverstärkung ausgerüsteten Einhüllen-Öltankschiff, das über einen Doppelboden verfügt, der nicht für die Beförderung von Öl verwendet wird und sich über die gesamte Länge des Ladetanks erstreckt, erlauben, mit einer Schwerölladung in einen Hafen oder Vorhafen unter seiner Gerichtsbarkeit einzulaufen bzw. aus diesem auszulaufen oder in einem Gebiet unter seiner Gerichtsbarkeit vor Anker zu gehen, sofern das Schweröl nur in den mittleren Tanks des Öltankschiffs befördert wird.

Art. 4 VO (EG) Nr. 417/2002 Abs.: (Hervorhebungen hinzugefügt)

Regel I/13H MARPOL (eingef. durch MEPC.111(50)

(Fortsetzung auf Seite 318)

(6) (a) The Administration may allow continued operation of an oil tanker of 5,000 tons deadweight and above, carrying crude oil having a density at 15˚C higher than 900 kg/m3 but lower than 945 kg/m3, beyond the date specified in paragraph (4) (a) of this regulation [05.04.2005], if satisfactory results of the Condition Assessment Scheme referred to in regulation 13G(6) warrant that, in the opinion of the Administration, the ship is fit to continue such operation, having regard to the size, age, operational area and structural conditions of the ship and provided that the operation shall not go beyond the date on which the ship reaches 25 years after the date of its delivery. (b) The Administration may allow continued operation of an oil tanker of 600 tons deadweight and above but less than 5,000 tons deadweight, carrying heavy grade oil as cargo, beyond the date specified in paragraph (4) (b) of this regulation [anniversary of the date of delivery of the ship in the year 2008], if, in the opinion of the Administration, the ship is fit to continue such operation, having regard to the size, age, operational area and structural conditions of the ship, provided that the operation shall not go beyond the date on which the ship reaches 25 years after the date of its delivery.

(5) In the case of an oil tanker of 5,000 tons deadweight and above, carrying heavy grade oil as cargo fitted with only double bottoms or double sides not used for the carriage of oil and extending to the entire cargo tank length or double hull spaces which are not used for the carriage of oil and extend to the entire cargo tank length, but does not fulfil conditions for being exempted from the provisions of paragraph (1) (b) of this regulation, the Administration may allow continued operation of such a ship beyond the date specified in paragraph (4) of this regulation, provided that: (a) the ship was in service on 5 December 2003; (b) the Administration is satisfied by verification of the official records that the ship complied with the conditions specified above; (c) the conditions of the ship specified above remain unchanged; and (d) such continued operation does not go beyond the date on which the ship reaches 25 years after the date of its delivery.

Regel I/13H MARPOL Abs.: (Hervorhebungen hinzugefügt)

VO (EG) Nr. 417/2002 i. d. F. VO (EG) Nr. 1726/2003

A. Inhalte des schiffssicherheitsbezogenen Gemeinschaftsrechts

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(Fortsetzung von Seite 317)

(7) The Administration of a Party to the present Convention may exempt an oil tanker of 600 tons deadweight and above carrying heavy grade oil as cargo from the provisions of this regulation if the oil tanker: (a) either is engaged in voyages exclusively within an area under its jurisdiction, or operates as a floating storage unit of heavy grade oil located within an area under its jurisdiction; or (b) either is engaged in voyages exclusively within an area under the jurisdiction of another Party, or operates as a floating storage unit of heavy grade oil located within an area under the jurisdiction of another Party, provided that the Party within whose jurisdiction the oil tanker will be operating agrees to the operation of the oil Art. 8 Abs. (1): Abweichend von tanker within an area under its jurisdiction. den Artikeln 4, 5 und 7 kann die zuständige Behörde eines Mit- (8) (a) The Administration of a Party to the present Convention which allows, susgliedstaats vorbehaltlich der ein- pends, withdraws or declines the application of paragraph (5), (6) or (7) of this reguzelstaatlichen Bestimmungen es lation to a ship entitled to fly its flag shall forthwith communicate to the Organization einem einzelnen Schiff in Aus- for circulation to the Parties to the present Convention particulars thereof, for their innahmefällen erlauben, in die Hä- formation and appropriate action, if any. fen oder Vorhäfen unter seiner (b) Subject to the provisions of international law, a Party to the present ConvenGerichtsbarkeit einzulaufen bzw. tion shall be entitled to deny entry of oil tankers operating in accordance with the aus diesen auszulaufen oder in provisions of paragraph (5) or (6) of this regulation into the ports or offshore tereinem Gebiet unter seiner Ge- minals under its jurisdiction, or deny ship-to-ship transfer of heavy grade oil in areas under its jurisdiction except when this is necessary for the purpose of serichtsbarkeit vor Anker zu gecuring the safety of a ship or saving life at sea. In such cases, that Party shall comhen, wenn – ein Öltankschiff sich in Schwierigkeiten befindet municate to the Organization for circulation to the Parties to the present Conund einen Zufluchtsort sucht, – vention particulars thereof for their information. ein unbeladenes Öltankschiff einen Reparaturhafen anläuft.

(4) Öltankschiffe, die ausschließlich in Häfen und in der Binnenschifffahrt eingesetzt werden, können von der Verpflichtung nach Absatz 3 ausgenommen werden, wenn sie gemäß den binnenschifffahrtsrechtlichen Vorschriften ordnungsgemäß zugelassen sind.

Dritter Teil: Die Regelungstätigkeit der europäischen Gemeinschaft

Regel I/13H MARPOL (eingef. durch MEPC.111(50)

VO (EG) Nr. 417/2002 i. d. F. VO (EG) Nr. 1726/2003

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B. Die Regelungsmöglichkeiten der EG in der Schiffssicherheit

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B. Die Regelungsmöglichkeiten der EG in der Schiffssicherheit Einer Bewertung des oben vorgestellten Schiffssicherheitskanons hat die Beantwortung der Frage voranzugehen, über welche Regelungsmöglichkeiten die Gemeinschaft in der Schiffssicherheit verfügt (was sie sekundärrechtlich darf und was sie nicht darf), denn nur so lässt sich beurteilen, ob die EG-Schiffssicherheitspolitik die ihr durch Völker- und EG-Primärrecht 898 eingeräumten Spielräume wahrt und effektiv nutzt oder kompetenzwidrig überschreitet. Dabei ist wegen der weitgehenden Autonomie des Gemeinschaftsrechts zwischen den Regelungsmöglichkeiten der Gemeinschaft aus völker- und europarechtlicher Perspektive zu differenzieren 899. Diese Trennung ist jedoch kein starres Schema. Die beiden Ebenen sind vielmehr miteinander verwoben und beeinflussen sich gegenseitig.

I. Regelungsmöglichkeiten der EG aus völkerrechtlicher Perspektive Was das Völkerrechtssubjekt EG 900 in der Schiffssicherheit darf und was es nicht darf, richtet sich aus völkerrechtlicher Perspektive ausschließlich danach, inwieweit die Gemeinschaft selbst durch das einschlägige internationale Normenwerk (SRÜ, IMO-Recht) gebunden wird. 898 Zum EG-Primärrecht (der EG-„Verfassung“) zählen der EGV einschließlich seiner Protokolle (vgl. Art. 311 EGV) sowie das ungeschriebene Gemeinschaftsgewohnheitsrecht und die allgemeinen Rechtsgrundsätze. 899 Die Gemeinschaft wurde zwar durch völkerrechtlichen Vertrag gegründet, aufgrund ihrer supranationalen Eigenartigkeit ist die EG aber keine Internationale Organisation im überkommenen völkerrechtlichen Sinne, auf die das internationale Organisationsrecht schlechthin Anwendung fände. Die Gemeinschaft ist vielmehr ein staatsnahes Gebilde besonderer Art, deren Recht intern eigenständige normative Anforderungen stellt, die über das allgemeine Völkerrecht hinausgehen. Für den Bereich der internen Beziehungen zwischen der EG und ihren Mitgliedstaaten und auch im Verkehr zwischen den Mitgliedstaaten in den Gemeinschaftsbereichen hat das Europäische Gemeinschaftsrecht daher weithin als spezielles Recht das Völkerrecht verdrängt. Allgemein zum Verhältnis Gemeinschaftsrecht und Völkerrecht Oppermann, Europarecht, Rn. 592 ff. 900 Anders als ein Staat ist die Gemeinschaft kein originäres und umfassendes, sondern ein derivatives und partielles Völkerrechtssubjekt. Ihre Entstehung wie der Umfang ihrer Rechte und Pflichten beruhen auf internationalen Übereinkünften. Wie bei einer regionalen internationalen Organisation ist die Völkerrechtsfähigkeit der EG beschränkt auf den Bereich der Vertragsziele (Verbandskompetenz) und in ihrer Wirkung gegenüber Dritten auf den Kreis der sie (ausdrücklich oder implizit) anerkennenden Völkerrechtssubjekte. Der Wille der Mitgliedstaaten, der Gemeinschaft die Völkerrechtsfähigkeit zuzuerkennen, folgt aus Art. 281 EGV, der sich auf alle drei Rechtsordnungen, Völkerrecht, Gemeinschaftsrecht, staatliches Recht, bezieht sowie implizit aus den ausdrücklich eingeräumten Vertragsschlusskompetenzen. Die Anerkennung durch Drittstaaten ist durch die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zur Gemeinschaft in universellem Ausmaß erfolgt. Vgl. zum Ganzen EuGHE 1971, 263 – RS 22/70 „AETR“.

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Dritter Teil: Die Regelungstätigkeit der europäischen Gemeinschaft

Insofern ist zunächst zu konstatieren, dass die EG Vertragspartei der MontegoBay-Konvention ist 901. Art. 4 (2), 5 (1) Anl. IX SRÜ zufolge ist die Gemeinschaft in dem Umfang Partei des Seerechtsübereinkommens geworden, in dem ihr von ihren Mitgliedstaaten für die im SRÜ geregelten Angelegenheiten Zuständigkeiten übertragen wurden. In diesen Angelegenheiten übt die EG die Rechte aus und erfüllt die Pflichten, die sonst ihren Mitgliedstaaten, die Vertragsstaaten sind, zukommen würden, Art. 4 (3) SRÜ. Um feststellen zu können, für welche der im SRÜ geregelten Angelegenheiten der EG Zuständigkeiten übertragen wurden, bedarf es folglich eines Rückgriffs auf das innergemeinschaftliche Organisationsrecht. Zu beachten ist dabei, dass die Übertragung von Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten auf die Gemeinschaft kein einmaliger Akt, sondern vielmehr ein Prozess ist. Folgerichtig hat die Gemeinschaft in Abs. (8) ihrer bei Ratifikation des SRÜ in Übereinstimmung mit Art. 5 (1) Anl. IX SRÜ abgegebenen Erklärung klargestellt, dass Umfang und Ausübung der Gemeinschaftszuständigkeiten naturgemäß einer ständigen Entwicklung unterlägen. Dies gilt in erster Linie für die geteilten Zuständigkeiten der Gemeinschaft, zu denen nach Nr. 2 der Erklärung auch die Bestimmungen über die Sicherheit im Seeverkehr gehören. Denn hier besitzt die Gemeinschaft nach der AETR-Rechtsprechung nur insofern ausschließliche Zuständigkeit, als die entsprechenden Bestimmungen des Übereinkommens oder die aufgrund des Übereinkommens erlassenen Rechtsvorschriften bestehende Gemeinschaftsvorschriften berühren. Bestehen Gemeinschaftsvorschriften und bleiben diese unberührt, insbesondere bei Gemeinschaftsvorschriften, die lediglich Mindeststandards festlegen, besitzen die Mitgliedstaaten Zuständigkeit, und zwar unbeschadet der Zuständigkeit der Gemeinschaft, in diesem Bereich tätig zu werden. In den übrigen Fällen bleiben die Mitgliedstaaten zuständig 902. Aufgrund dieser ausgesprochen komplexen und diffizilen innergemeinschaftlichen Kompetenzverteilung mag es im Einzelfall schwierig sein festzustellen, ob eine ausschließliche Gemeinschaftszuständigkeit vorliegt. Für die an dieser Stelle einzig interessierende Frage nach der Bindung der EG an die Montego-Bay-Konvention ist aber festzuhalten: Wird die Gemeinschaft in einem konkurrierenden Zu901 Die Gemeinschaft war bereits Unterzeichnerin des SRÜ (Art.305(1) (f) SRÜ iVm Anl.IX SRÜ) und hat dieses nach Art. 306, 305 (1) (f) SRÜ in Übereinstimmung mit Anl. IX SRÜ am 01.04.1998 beim Generalsekretär der Vereinten Nationen durch Hinterlegung der Urkunden der förmlichen Bestätigung förmlich bestätigt. Siehe dazu Beschluss des Rates 98/392/EG vom 23.03.1998 über den Abschluss des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 und des Übereinkommens vom 28. Juli 1994 zur Durchführung des Teils XI des Seerechtsübereinkommens durch die Europäische Gemeinschaft, ABl. 1998, L 179/1 und Erklärung zur Zuständigkeit der Europäischen Gemeinschaft für die durch das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 und das Übereinkommen vom 28. Juli 1994 zur Durchführung des Teils XI des Seerechtsübereinkommens geregelten Angelegenheiten, ABl. 1998, L 179/129. 902 Nr. 2, 2. Spiegelstrich Erklärung zur Zuständigkeit der Europäischen Gemeinschaft. Ausführlich zu den Gemeinschaftskompetenzen bei den Regelungsmöglichkeiten der EG nach Europarecht.

B. Die Regelungsmöglichkeiten der EG in der Schiffssicherheit

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ständigkeitsbereich wie der Schiffssicherheit tätig, ist sie an die Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens gebunden. Fraglich ist, ob die EG auch durch die IMO-Übereinkommen verpflichtet wird. Eine unmittelbare Gebundenheit ist jedenfalls zu verneinen, denn anders als ihre Mitgliedstaaten, ist die Gemeinschaft weder Mitglied der IMO noch Vertragspartei auch nur einer einzigen der zahlreichen technischen Konventionen. Mittelfristig kann sie es auch nicht werden, weil weder IMO-Statut noch technische Konventionen den Beitritt einer regionale Organisationen zur Wirtschaftsintegration vorsehen 903. Die so entstehende Lücke wird auch nicht über das Völkergewohnheitsrecht (Art. 38 (1) (b) IGHSt) geschlossen. Zwar besteht die Bindung Inter- und Supranationaler Organisationen an das Gewohnheitsrecht unabhängig davon, ob sie an seiner Ausbildung überhaupt mitwirken konnten (Staatenpraxis) 904, doch ist eine Erstarkung der hoch technischen und häufig im tacit-Verfahren geänderten SOLAS-, MARPOL- und STCW-Standards zu Völkergewohnheitsrecht regelmäßig ausgeschlossen. Eine weitgehende, abgeleitete Gebundenheit der Europäischen Gemeinschaft an das IMO-Recht ergibt sich aber über die Referenzbestimmungen des SRÜ. Denn die IMO-Übereinkommen selbst haben regelmäßig kaum mehr als ein Dutzend Artikel, die lediglich formelle Fragen wie Inkrafttreten, Änderungen und Kündigung regeln. Ihre häufig über 500 Seiten starken technischen Anlagen enthalten dagegen das „eigentliche“ IMO-Recht, die für die Schiffssicherheit entscheidenden materiellen Standards. Diese qualifizieren aber, zumindest soweit schiffssicherheitsrechtliche Fragen betroffen sind, als GAIRAS und werden damit über die Referenzbestimmungen in die Montego-Bay-Konvention inkorporiert. Da, wie im völkerrechtlichen Teil dargelegt wurde, die Verbindlichmachung einer Regel im Verfahren der stillschweigenden Annahme eine besondere Form des Ausdrucks von general acceptance ist, gilt dies auch für sämtliche Änderungen der Konventionsregeln. Damit kann festgehalten werden: Wird die Gemeinschaft in der Schiffssicherheit tätig, ist sie, aus völkerrechtlicher Perspektive betrachtet, grundsätzlich genauso wie 903 Vgl Art. 4 IMOC, Art. II (a) STCW, Art. IX SOLAS, Art. 13 MARPOL, Art. II COLREG und Art. 27 LL. Zwar hat die Kommission in ihrer Empfehlung vom 09.04.2002 an den Rat zur Ermächtigung der Kommission, mit der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) in Verhandlungen über die Bedingungen und Modalitäten des Beitritts der Europäischen Gemeinschaft einzutreten, SEK(2002) 381 endg., dem Rat einen Beitritt der EG zur IMO vorgeschlagen. Doch würde dieser die Änderung der IMOC voraussetzen und nach Einschätzung der Kommission wegen der Schwerfälligkeit der Ratifikationsprozesse (nach Art. 66 IMOC müssen zwei Drittel der ordentlichen Mitglieder der Organisation eine Änderung des Übereinkommens ratifizieren) 8–10 Jahre dauern. 904 Dazu Bleckmann, Zur Verbindlichkeit des allgemeinen Völkerrechts für internationale Organisationen, ZaöRV 37 (1977), S.107 ff., ders., Die Rechtsnatur des Europäischen Gemeinschaftsrechts – Zur Anwendbarkeit des Völkerrechts im Europäischen Rechtsraum, DÖV 31 (1978), S. 391 ff. Siehe auch EuGHE 1972, 1266 – RS 21-24/72 „International Fruit Company“ und EuGHE 1976, 1279 – RS 3, 4 u. 6/78 „Kramer“.

21 Schult

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Dritter Teil: Die Regelungstätigkeit der europäischen Gemeinschaft

ihre Mitgliedstaaten an das internationale Sicherheitsrecht gebunden und entsprechend in ihrer Regelungsfreiheit beschränkt. Die EG kann beispielsweise Drittlandsschiffen im Transit nur dann einen bestimmten CDEM-Standard vorschreiben, wenn dadurch GAIRAS Wirksamkeit verliehen wird. Anderes gilt freilich, soweit die IMO-Konventionen Bestimmungen enthalten, die sich an die Vertragsstaaten der IMO-Übereinkommen in ihrer Eigenschaft als Hafenstaaten richten. Denn hier fehlt es der Montego-Bay-Konvention an Referenzbestimmungen, die diese Regeln inkorporieren könnten. Dies wirkt sich zum einen bei den NMFT-Klauseln, den vereinzelten Regeln über das Wie der Hafenstaatskontrolle (certificate check) und dem Grundsatz der gegenseitigen Zeugnisanerkennung aus. An diese IMO-Bestimmungen ist die EG als Nicht-Vertragspartei nicht gebunden. Es betrifft zum anderen aber auch die weitaus wichtigere Frage, ob die Gemeinschaft allgemein anerkannte CDEM-Standards im Rahmen von Anlaufbedingungen einseitig verschärfen kann, wie dies zumindest vorrübergehend mit der Doppelhüllenverordnung geschehen ist. Denn Hafenanlaufbedingungen sind nach der Montego-Bay-Konvention zwar grundsätzlich zulässig. Einschränkungen könnten sich aber aufgrund der auf weltweit einheitliche Standards zielenden IMO-Konventionen ergeben. Solchen Beschränkungen wäre die EG aus völkerrechtlicher Sicht aber ebenfalls nur als Vertragspartei der technischen Konventionen unterworfen.

II. Regelungsmöglichkeiten der EG aus europarechtlicher Perspektive Die Entstehung der Gemeinschaft wie der Umfang ihrer Rechte und Pflichten beruhen auf internationalen Übereinkünften. Anders als ihre Mitgliedstaaten besitzt die EG keine prinzipielle Allzuständigkeit bzw. Kompetenz-Kompetenz, sondern verfügt nur über die Aufgaben und Befugnisse 905, die ihr durch den EG-Vertrag übertragen wurden (Grundsatz der beschränkten Einzelzuständigkeiten, Art. 5 (1) EGV). Was die Gemeinschaft kraft primärvertraglicher Ermächtigung sekundärrechtlich gegenüber ihren Mitgliedstaaten in der Schiffssicherheit regeln 906 und wie 905 Zum Begriff der Kompetenz im europäischen Kontext Nettesheim, Kompetenzen, in: von Bogdandy (Hrsg.), Europäisches Verfassungsrecht, S. 415 ff., Schröer, Die Kompetenzverteilung zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten auf dem Gebiet des Umweltschutzes, S. 28, und Jarass, Die Kompetenzverteilung zwischen der Europäischen Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten, AöR 121 (1996), S.173 ff. 906 Beachte, dass der Gemeinschaft nach Art.249 EGV mit Verordnungen, Richtlinien, Entscheidungen, Empfehlungen und Stellungnahmen fünf Handlungsarten zur Verfügung stehen, derer sich der Rat (bzw. Europäisches Parlament und der Rat gemeinsam) und die Kommission in ihrer nach außen gerichteten Tätigkeit bedienen können. Trotz Fehlens eines Typenerfindungsrechts der Gemeinschaft lassen die Gründungsverträge erkennen, dass auch weitere, in den genannten Bestimmungen nicht erwähnte Akte sui generis zulässig sein können. So verfügt der Rat gem. Art.202 2. Spiegelstrich EGV über eine allgemeine, über die konkrete Handlungsform „Entscheidung“ i.S. v. Art. 249 (4) EGV hinausgehende Entscheidungsbefugnis; daneben spricht Art.230 EGV in allgemeiner Form von „Handlungen“ der Gemeinschaftsorgane.

B. Die Regelungsmöglichkeiten der EG in der Schiffssicherheit

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weit sie auf völkerrechtlicher Ebene tätig werden darf, ist daher eine Frage der EGInnen- und -Außenkompetenz. Der Klärung dieser sachlichen Zuständigkeitsaspekte ist denklogisch die Frage nach der räumlichen Reichweite des EGV vorgeordnet. 1. Der räumliche Geltungsbereich des EGV Die besondere, supranationale Rechtsordnung des EGV ist nicht staatlich907. Die Gemeinschaft verfügt nicht über das Attribut einer umfassenden Gebietshoheit, sondern kennt im Sinne des Prinzips der beschränkten Einzelzuständigkeiten nur einen räumlichen Geltungsbereich des EGV. Zu fragen ist deshalb, ob der EG-Vertrag seewärtig überhaupt zum Tragen kommt, und, bejahendenfalls, auf welche Meereszonen (innere Gewässer, Küstenmeer, AWZ) sich seine Geltung im Einzelnen erstreckt. Der Beantwortung dieser Frage hilft Art. 299 EGV auf. Nach dessen Abs. (1) gilt der Vertrag „für das Königreich Belgien, das Königreich Dänemark, die Bundesrepublik Deutschland [...]“. Die Bestimmung knüpft mithin indirekt an den räumlichen Anwendungsbereich des Rechts der Mitgliedstaaten an. Denn der Vertrag gilt grundsätzlich „für die Mitgliedstaaten“, also für den räumlichen Bereich, in dem und für den die Mitgliedstaaten völkerrechtsgemäß Regelungen treffen können 908. Daraus folgt zunächst, dass der EGV im gesamten Staatsgebiet der Mitgliedstaaten, einschließlich der inneren Gewässer und des Küstenmeeres, anwendbar ist 909. Der Katalog des Art. 249 EGV ist mithin nicht abschließend. Ein Beispiel für solche Rechtsakte sui generis sind die von den Gründungsverträgen nicht ausdrücklich vorgesehenen Entschließungen der Gemeinschaftsorgane. Vgl. Everling, Zur rechtlichen Wirkung von Beschlüssen, Entschließungen, Erklärungen und Vereinbarungen des Rates oder der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft, in: Lüke/Ress/Will (Hrsg.), Rechtsvergleichung, Europarecht und Staatenintegration: Gedächtnisschrift für Constantinesco, S. 142. 907 Wesentliches Merkmal dieser besonderen Rechtsordnung ist bekanntlich, dass die EG über eine eigenständige, in den Mitgliedstaaten einheitlich, unmittelbar und vorrangig einwirkende Rechtsordnung verfügt. Von EuGHE 1963, 1 – RS 26/62 „Van Gend & Loos“ und EuGHE 1964, 1251 – RS 6/64 „Costa/ENEL“ über insbesondere EuGHE 1970, 1125 RS 11/70 „Internationale Handelsgesellschaft“, EuGHE 1978, 629 ff. – RS 106/77 „Simmenthal“ und EuGHE 1979, 2729 ff. – RS 237/78 „Schaffleisch“ hat der Gerichtshof den Grundsatz des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts, der das nationale Recht im Kollisionsfall ohne weiteres unanwendbar macht, immer weiter bekräftigt und ausgebaut. Siehe auch Graf Vitzthum, Gemeinschaftsgericht und Verfassungsgericht. Rechtsvergleichende Aspekte, in: Schwarze (Hrsg.), Verfassungsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit in Europa, S. 183–198. Zur Staatlichkeit fehlen der EG insbesondere folgende wesentliche Eigenschaften, wie sie nach den herkömmlichen Kriterien der Staatslehre (etwa Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S. 52 ff.) für den Staat moderner Prägung gefordert werden: Umfassende Gebietshoheit, umfassende Personalhoheit und KompetenzKompetenz (Begrenztheit der Gemeinschaftsgewalt wegen des Prinzips der begrenzten Einzelzuständigkeiten). 908 Vgl. EuGHE 1996, I-6019 – RS C-286/90 „Poulsen“ und Geiger, EUV, EGV: Vertrag über die Europäische Union und Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, Kommentar (Geiger, EUV/EGV), Art. 299, Rn. 1. 909 Geiger, EUV/EGV, Art. 299, Rn. 3 f. 21*

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Dritter Teil: Die Regelungstätigkeit der europäischen Gemeinschaft

Allerdings können Staaten nach dem Völkerrecht auch außerhalb ihres Staatsgebietes Hoheitsakte setzen, solange dort nicht die ausschließliche räumliche Zuständigkeit eines anderen Völkerrechtssubjekts gegeben ist bzw. eine völkerrechtliche Verbotsnorm der Geltung des Hoheitsaktes entgegensteht 910. Für die Frage der Geltung des EG-Primärrechts in der AWZ kommt es auf diese Regel des allgemeinen Völkerrechts aber gar nicht an, weil das internationale Seerecht den Küstenstaaten funktional definierte Rechte und Befugnisse zuordnet, die in räumlicher Hinsicht über ihre Hoheitsgebiete hinausreichen (Terraneisierung des Seerechts) 911. Für die Anwendbarkeit des EG-Primärrechts in den mitgliedstaatlichen Wirtschaftszonen bedeutet dies: Können die EG-Küstenstaaten außerhalb ihres Aquitoriums inhaltlich wie räumlich bedeutsame Rechte geltend machen, muss dies auch für die Gemeinschaft selbst gelten, soweit ihr die Kompetenzen zur Ausübung der einschlägigen Rechte übertragen wurden 912. In Übereinstimmung mit dem Prinzip der beweglichen Vertragsgrenzen (vgl. Art. 29 WVK) folgt aus Art. 299 (1) EGV, dass die Proklamationen der mitgliedstaatlichen AWZ zu einer entsprechenden Ausdehnung des räumlichen Geltungsbereichs des Gemeinschaftsrechts führten913. Dieser Befund wird dadurch bestätigt, dass einzelne Gemeinschaftsbefugnisse wie die in Art.80 (2) EGV normierten Kompetenzen zur Regelung der Seeschifffahrt und Luftfahrt gar nicht auf die Summe der mitgliedstaatlichen Hoheitsgebiete beschränkt sein können, der EGV also in bestimmten Fällen extraterritoriale Wirkung entfalten muss. Mithin findet der Gemeinschaftsvertrag auch in den AWZ der Mitgliedstaaten An910 Vgl. den StIGH im Falle Lotus, CPJI série A n°10, S. 19: „Loin de défendre d’une manière générale aux Etats d’étendre leurs lois et leur juridiction à des personnes, des biens et des actes hors du territoire, il [das Völkerrecht] leur laisse à cet égard, une large liberté, qui n’est limitée que dans quelques cas par des règles prohibitives; pour les autres cas chaque Etat reste libre d’adopter les principes qu’il juge les meilleurs et les plus convenables.“ Siehe auch Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 1022. 911 Zu dieser Entwicklung: Graf Vitzthum, Terraneisierung des Meeres. Die Tendenz zu einem rohstoffbezogenen Seerecht, EA 31 (1976), S. 129–138. 912 Graf Vitzthum, Europäisches Seerecht: Eine kompetenzrechtliche Skizze, in: FS Badura, S. 1195. Der EuGH hat diese Verschränkung von gebiets- und sachbezogenem Geltungsbereich im Fall Kramer, EuGHE 1976, 1279 – RS 3, 4 und 6/76, frühzeitig im Fischereibereich unterstrichen und festgestellt, dass „sich die sachliche Regelungsbefugnis der Gemeinschaft – in dem Maße, in dem den Staaten eine entsprechende Befugnis kraft Völkerrechts zusteht – auch auf die Fischerei auf hoher See erstreckt.“, ibid, Rn.30/33. Der Rat hat zum 01.01.1977 für die Gemeinschaft unter Verweis auf eine abgestimmte Maßnahme der Mitgliedstaaten eine 200 Seemeilen breite Fischereizone an den europäischen Küsten in Anspruch genommen („EG-Meer“), siehe Entschließung des Rates vom 03.11.1976 über bestimmte externe Aspekte der Schaffung einer 200-Meilen-Fischereizone in der Gemeinschaft ab 1. Januar 1977, ABl. 1981, C105/1. Dazu Graf Vitzthum, Die Europäische Gemeinschaft und das Internationale Seerecht, AöR 111 (1986), S. 33–62. 913 Vgl. EuGHE 1978, 417 – Rs. 61/77 „Seefischerei“ und Becker in: Schwarze (Hrsg.), EUKommentar, Art. 299 EGV, Rn. 5. Mit der Proklamation der AWZ durch die Bundesrepublik Deutschland hat sich daher auch der Anwendungsbereich des EGV und der mögliche Anwendungsbereich des Sekundärrechts auf die der Bundesrepublik Deutschland in diesem Gebiet zustehenden souveränen Rechte und Hoheitsbefugnisse ausgedehnt. Eine eigene AWZ besitzt die Gemeinschaft, die dem SRÜ als internationale Organisation beigetreten ist, nicht.

B. Die Regelungsmöglichkeiten der EG in der Schiffssicherheit

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wendung 914, wenn die Montego-Bay-Konvention den Mitgliedstaaten bezüglich des betroffenen Gegenstandes Rechte, Hoheitsbefugnisse oder Pflichten einräumt bzw. auferlegt und die entsprechende Materie infolge primärvertraglicher Ermächtigung auf die EG übergegangen ist 915.

2. Innenkompetenz a) Rechtsgrundlage Aufgrund ihrer beschränkten Verbandskompetenz, Art. 5 (1) EGV, darf die Gemeinschaft auch in der Schiffssicherheit gegenüber ihren Mitgliedstaaten nur innerhalb der Grenzen der ihr im EGV gesetzten Ziele und Befugnisse tätig werden. Obwohl das Meer nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht auf dem Gebiet der Schifffahrt, der Fischerei, der marinen Rohstoff- und Energiegewinnung (Erdöl, Erdgas, Windenergie) und des Tourismus, sondern auch geopolitisch und kulturell eine „matter of fundamental importance for the Community“ 916 ist, liefert der EG-Vertrag für meeresnutzungs- oder -schutzorientiertes Handeln der Gemeinschaft keinen zentralen Anknüpfungspunkt, seine Seerechtsorientierung ist dezentral917. 914 Gleiches gilt für das Festlandsockelregime. Vgl. Kommissionsmemorandum vom 24.09.1970, ILM 9 (1970), 202 und Bernhard, Der Festlandsockel im Recht der Europäischen Gemeinschaften. 915 Graf Vitzthum, Europäisches Seerecht: Eine kompetenzrechtliche Skizze, in: FS Badura, S. 1195 f. Im Ergebnis auch Jarass, Schutzgebiete in der Ausschließlichen Wirtschaftszone: Rechtswissenschaftliches Gutachten, S. 48–51, Cron, Das Umweltregime der Nordsee – völker- und europarechtliche Aspekte, S. 164 und Jenisch, Zur Anwendung des Europäischen Rechts in den Meereszonen der EG-Staaten, GYIL 22 (1979), S. 239 ff. Selbstverständlich kann auch das Sekundärrecht als das aufgrund des EGV erlassene, derivative Recht über die mitgliedstaatlichen Hoheitsgebiete hinaus im EG-Meer gelten. Art. 299 (1) EGV liefert zwar auch diesbezüglich keine eindeutige Antwort („dieser Vertrag“). Wenn aber Anknüpfungspunkt der seewärtigen Anwendbarkeit des Primärrechts jeweils der Bestand mitgliedstaatlicher Hoheitsrechte ist, muss Gleiches letztlich für das Sekundärrecht gelten: Die der EG übertragenen Rechte und Pflichten werden erst durch den Erlass von Sekundärrecht vollzogen. Art. 299 EGV hindert die Gemeinschaft indes nicht, den räumlichen Anwendungsbereich ihres Sekundärrechts in Bezug auf bestimmte Materien einzuschränken. Allerdings ist im Zweifel davon auszugehen, dass die aufgrund des EGV erlassenen Vorschriften den gleichen Anwendungsbereich wie der EGV haben, vgl. EuGHE 1978, 417 – RS 61/77 „Seefischerei“. Zum Problem am Beispiel der FFH-Richtlinie: Reg. v. The Secretary of State for Trade and Industry ex parte Greenpeace Limited, High Court of Justice, ILR 120, 617 und Czybulka, Geltung der FFHRichtlinie in der Auschließlichen Wirtschaftszone, NuR 23 (2001), S. 19 ff. 916 Vignes, The EEC and the Law of the Sea, in: Churchill/Simmonds/Welch (Hrsg.), New Directions in the Law of the Sea, Bd. III, 1973, S. 335. Zur Entwicklung ders., La communauté européenne dans le domain du droit général de la mer, in: Treves (Hrsg.), The Law of the Sea, 1997, S. 11 ff. und Daillier, Les communautés européennes et le droit de la mer, RGDIP 83 (1979), S. 417 ff. 917 Graf Vitzthum, Europäisches Seerecht: Eine kompetenzrechtliche Skizze, in: FS Badura, S. 1192 f.

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Dritter Teil: Die Regelungstätigkeit der europäischen Gemeinschaft

Für die Schiffssicherheit wirkt sich diese Dezentralität nicht nachteilig aus, da mit Art. 80 (2) EGV eine zentrale sachliche Kompetenznorm für ein gemeinschaftliches Tätigwerden auf dem Gebiet der Seeschifffahrt vorhanden ist 918. Der Bestimmung zufolge kann der Rat mit qualifizierter Mehrheit darüber entscheiden, ob, inwieweit und nach welchen Verfahren geeignete Vorschriften für die Seeschifffahrt und Luftfahrt zu erlassen sind. Zwar könnte die Bestimmung auch dahingehend ausgelegt werden, dass sie nicht eine Entscheidung über das Vorliegen einer Gemeinschaftskompetenz enthält, sondern der Rat erst darüber zu befinden und den Rahmen einer solchen Kompetenz abzustecken hat. Eine solche Interpretation hätte zur Folge, dass Art. 80 (2) EGV den Rat zwar zu autonomer Vertragsergänzung ermächtigte und dessen Organkompetenz normierte, nicht aber eine Verbandskompetenz der EG begründete. Dafür spräche, dass der EGV normalerweise selbst bestimmte Ziele und Grundsätze festlegt und es im übrigen den Organen überlässt, diese nach den vorgeschriebenen Verfahren in praktische Einzelmaßnahmen umzusetzen, die Vorschrift also deutlich vom üblichen Regelungsmuster des römischen Vertrages abweicht. Indes erklärt sich der eigentümliche Wortlaut aus der Entstehungsgeschichte der Norm. Während der Vertragsverhandlungen über den Verkehrsbereich hatten sich die Delegationen weitgehend auf die für den Verkehr innerhalb des Gemeinsamen Marktes der damals sechs Mitgliedstaaten bedeutsamen Verkehrsträger Eisenbahn, Straße und Binnenwasserwege konzentriert. Für Seeschifffahrt und Luftfahrt mit ihrem weltweiten Bezug beschränkten sie sich darauf, eine Möglichkeit für spätere Entscheidungen vorzusehen und trennten aus diesem Grund mit Art. 80 (1) EGV See- und Luftfahrt von den übrigen Bestimmungen des Verkehrstitels ab 919. Diese artifizielle Unterscheidung zwischen Binnen- und Seeverkehrsträgern ist durch die EEA aber weitgehend sinnlos geworden. Denn zum einen entscheidet der Rat nun auch bei Art. 80 (2) EGV mit qualifizierter Mehrheit und zum anderen verweist der durch Art. 16 (6) EEA eingefügte Art. 80 (2) S. 2 EGV für das Verfahren auf Art. 71 EGV. Die Aufgabe der Entwicklung einer gemeinsamen Politik für Seeschifffahrt und Luftfahrt obliegt damit nicht mehr allein dem Rat, sondern allen Organen der Gemeinschaft, wobei dem Vorschlagsmonopol der Kommission (Art. 250 EGV) jetzt besondere Bedeutung zukommt. Das dem Rat ursprünglich eingeräumte sehr weite Entschließungs- („kann entscheiden“) und dreifache Auswahlermessen („ob, inwieweit und nach welchem Verfahren“) ist dadurch sehr eingeschränkt worden, zumal der durch Art. 13 EEA eingefügte Art. 14 (1) EGV 920 im Hinblick auf die zur Vollendung des Binnenmarktes zu treffenden Maßnahmen auch Art. 80 EGV erwähnt und Art. 3 (1) (f) EGV eine gemeinsame Politik auf dem Gebiet des Ver918 Dagegen ist Art. 3 (1) (f) EGV eine bloße Aufgabenzuweisungsnorm, die wegen Art. 5 (1) EGV keinen Schluss auf eine konkrete Befugnis für ein schiffssicherheitsrechtliches Tätigwerden der Gemeinschaft erlaubt. Als Ausgestaltung und Konkretisierung des gemeinschaftlichen effet utile ist sie aber bei der Auslegung von Art. 80 (2) EGV zu berücksichtigen. 919 Erdmenger, Vorb. Art. 74–84 Rn. 11 u. Art. 84 Rn. 2. 920 Damals Art. 8 a EWGV.

B. Die Regelungsmöglichkeiten der EG in der Schiffssicherheit

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kehrs ohne Differenzierung nach Verkehrsarten vorsieht 921. Seinen ursprünglichen Sinn einer Möglichkeit der Vertragsergänzung hat Art. 80 (2) EGV folglich mit den Änderungen von 1987 weitgehend verloren. Er dient jetzt im Wesentlichen als normale Rechtsgrundlage für den Erlass von Sekundärrecht. Dies gilt auch für die Schiffssicherheit, denn die Verweisung auf das Verfahren des Art. 71 EGV wird in der Praxis so verstanden, dass damit auch die Sachgebiete der lit. (a) bis (d) in Art. 71 (1) EGV gemeint sind 922. Jedenfalls lässt sich die Verkehrssicherheit unproblematisch unter die Generalklausel Art. 80 (2) EGV subsumieren. Zu klären bleibt, ob schiffssicherheitsbezogene Rechtsakte der Gemeinschaft stets auf Art. 80 (2) EGV zu stützen sind oder ob auch andere Kompetenzgrundlagen des Vertrages in Betracht kommen. In erster Linie ist hierbei an Art. 175 (1) EGV zu denken, der eine Rechtsetzungsbefugnis der Gemeinschaft zur Erreichung der in Art. 174 EGV genannten umweltpolitischen Ziele begründet 923. Zwar ist die Schiffssicherheit lediglich mittelbar umweltschützend. Die Art. 174 ff. EGV verfügen aber über einen weiten Anwendungsbereich. Art. 175 (1) EGV richtet die Normierung auf Maßnahmen „zur Erreichung der in Art. 174 EGV genannten Ziele“ aus: ergebnisoffen, final programmiert 924. Die Gemeinschaft ist demnach nicht nur zum Erlass von Maßnahmen ermächtigt, die unmittelbar auf den Umweltschutz gerichtet sind; vielmehr ermöglichen die in Art. 174 (1) EGV niedergelegten Zielsetzungen die Ausdehnung auf andere, mit dem Umweltschutz im engeren Sinne verknüpfte Bereiche, so dass auch die nur mittelbar bzw. sekundär umweltschützende Schiffssicherheit unter das Ziel „Erhaltung und Schutz der Umwelt“ (Art. 174 (1) 1. Spiegelstrich EGV) subsumiert werden kann. Folglich scheint grundsätzlich auch Art. 175 (1) EGV als Grundlage für ein legislatives Handeln der Gemeinschaft im Bereich der Schiffssicherheit einschlägig zu sein. Zu beachten ist allerdings, dass Art. 175 (1) und Art. 80 (2) EGV ein unterschiedliches Rechtsetzungsverfahren vorsehen. Zwar verweisen beide Bestimmun921 Beachte, dass die durch den Unionsvertrag in den EGV eingefügten Vorschriften über transeuropäische Netze (Art. 154–156) die Teilung zwischen Binnenverkehr und See- und Luftfahrt nicht kennen. 922 Zum ganzen Erdmenger, Vorb. Art. 74–84 Rn. 11–13 u. Art. 84 Rn. 2 f. u. 30–35, der sich in der 2003 erschienenen Neuauflage des Kommentars (jetzt: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.), Kommentar zum Vertrag über die Europäische Union und zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, 6. Aufl., Baden-Baden, 2003) de lege ferenda dafür ausspricht, bei einer künftigen redaktionellen Bereinigung der Verträge die Unterscheidung zwischen Eisenbahn, Straße und Binnenschifffahrt einerseits und Seeschifffahrt und Luftfahrt andererseits auch im Titel Verkehr fallen zu lassen, ibid (Neuaufl.) Vorb. 70–80 EG, Rn. 13 u. 35 (siehe auch ibid (Neuaufl.), Vorb. 70–80 EG, Rn. 27: „Ist der Verkehrstitel noch zeitgemäß? Inwieweit bedarf es seiner noch?“). 923 Im Einzelfall können auch die Bestimmungen über die Transeuropäischen Netze (Art. 154–156 EGV) einschlägig sein, etwa soweit es um den Aufbau gemeinsamer AIS-Empfangsstationen und Telematiknetze für die Schiffsüberwachung geht. 924 Graf Vitzthum, Europäisches Seerecht: Eine kompetenzrechtliche Skizze, in: FS Badura, S. 1209.

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Dritter Teil: Die Regelungstätigkeit der europäischen Gemeinschaft

gen auf Art. 251 EGV und sehen die Anhörung des Wirtschafts- und Sozialausschusses vor. Art. 80 (2) EGV verlangt aber über Art. 71 (1) EGV zusätzlich die Beteiligung des Ausschusses der Regionen. Unklar ist, unter welchen Umständen Doppelabstützungen zulässig sind. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist ein Rechtsakt jedenfalls dann auf beide Vorschriften zu stützen, wenn er von beiden erfasst wird 925. Das scheint bei einem umwelt- und schiffssicherheitsbezognen Rechtsakt wegen der unterschiedlichen Verfahrensmodalitäten in Art. 175 (1) und Art. 80 (2) EGV aber gerade nicht denkbar. Freilich könnte man argumentieren, dass unterschiedliche Verfahrensvorschriften lediglich dazu führen, dass deren Modalitäten jeweils kumulativ anzuwenden sind. Denn an sich kann die Anhörung eines zusätzlichen Gremiums die Grundlage für die Entscheidungsfindung im Rat nur verbreitern, und nach dem EuGH beeinträchtigt selbst eine irrtümlich für erforderlich gehaltene und damit unnötig durchgeführte Anhörung die Gültigkeit eines Rechtsaktes nicht, weil der Rat zur nicht obligatorischen Anhörung stets berechtigt ist 926. Im Ergebnis führte eine solche Argumentation freilich dazu, dass sich die weitergehende Anforderung durchsetzt, im Fall eines auf Art. 80 (2) EGV und Art. 175 (1) EGV gestützten Rechtsaktes also in jedem Fall auch der Ausschuss der Regionen anzuhören wäre. Unabhängig davon, ob man eine Doppelabstützung bei unterschiedlichen Rechtsetzungsverfahren für grundsätzlich zulässig erachtet oder nicht, ist eine Kombination von Rechtsgrundlagen jedenfalls dann ausgeschlossen, wenn die geltenden Verfahren als untereinander nicht kompatibel anzusehen sind. Eine solche Unvereinbarkeit hat der EuGH in seiner berühmten Titandioxid-Entscheidung 927 für das Verhältnis zwischen dem Verfahren der Zusammenarbeit gemäß Art. 252 EGV (nach dessen Durchführung der Rat mit qualifizierter Mehrheit entscheiden kann, wenn er die vom Parlament formulierten und von der Kommission übernommenen Abänderungen akzeptieren will) einerseits und Rechtsgrundlagen mit einer einstimmigen Beschlussfassung im Rat nach bloßer Anhörung des Parlaments andererseits angenommen. Inkompatibilität besteht aber auch zwischen Art. 80 (2) EGV und Art. 175 (1) EGV. Denn während der Gemeinschaftsgesetzgeber nach Art. 80 (2) EGV Maximum- und Minimumstandards für die Schiffssicherheit erlassen kann, steht es den Mitgliedstaaten bei einem auf Art. 175 (1) EGV gestützten Rechtsakt nach Art. 176 EGV frei, verstärkte Schutzmaßnahmen beizubehalten oder zu ergreifen. Da eine Doppelabstützung eines Rechtsaktes auf Art. 80 (2), 175 (1) EGV mithin ausscheidet, fragt sich, wie diese beiden Vorschriften voneinander abzugrenzen 925 Vgl. etwa EuGHE 1991, I-2867 – RS C-300/89 „Titandioxid“. Beachte, dass sich der Gemeinschaftsgesetzgeber bei der Angabe der Rechtsgrundlage niemals eindeutig festlegt. Es wird stets die Klausel verwendet: „gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 80 Absatz 2“. 926 EuGHE 1988, 5545 – RS 165/87 „Warencodierung“. 927 EuGHE 1991, I-2867 – RS C-300/89 „Titandioxid“.

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sind. Für die Kompetenzabgrenzung ist eine Einzelfall unabhängige Betrachtung maßgeblich; nach ihr ist zwischen sachlich-gegenständlichen und final umschriebenen Kompetenznormen zu unterscheiden 928. Betrifft eine Regelung Normen beider Kategorien, ist die Maßnahme auf die sachlich begrenzte Vorschrift zu stützen. Der Vorteil dieser Abgrenzungsmethode – gegenüber der vom EuGH angewandten am Regelungsschwerpunkt bzw. Hauptzweck der Maßnahme orientierten einzelfallbezogenen 929 – liegt in ihrer höheren Praktikabilität anhand von Wortlaut und Systematik der einschlägigen primärrechtlichen Bestimmungen. Auf diese Weise lässt sich am ehesten Rechtssicherheit gewährleisten, zumal die Querschnittsklauseln 930 die Erfordernisse der final ausgerichteten Kompetenznormen hinreichend wahren. Der Anwendungsvorrang der sachlich-gegenständlichen Rechtsgrundlagen verhindert, dass die engeren Bestimmungen des EG-Vertrags infolge des weiten Anwendungsbereichs der zielgerichteten Kompetenznormen von diesen verdrängt werden 931. Für die Regulierung der Seeschiffssicherheit folgt daraus ein Vorrang des sachlich-gegenständlichen Art. 80 (2) EGV gegenüber dem final orientierten Art. 175 (1) EGV 932. Da die Schiffssicherheit stets nur mittelbar umweltschützend ist, wird man bei dieser Agende freilich auch bei Anwendung der Schwerpunktmethode des EuGH stets zu einem Anwendungsvorrang des Art. 80 (2) EGV gelangen. Damit kann abschließend festgehalten werden, dass der Gemeinschaft mit Art. 80 (2) EGV eine Rechtsgrundlage zur Verfügung steht, auf die sämtliche schiffssicherheitsbezogenen Rechtsakte zu stützen sind. Ein Rückgriff auf andere Kompetenznormen ist ausgeschlossen 933. 928 Terminologie nach Nettesheim. Vgl. ders., Das Umweltrecht der Europäischen Gemeinschaften, Jura 16 (1994), S. 337 ff., und ders., Horizontale Kompetenzkonflikte in der EG, EuR 28 (1993), S. 243 ff. 929 Nach dem EuGH ist der Regelungsschwerpunkt/Hauptzweck anhand objektiver, gerichtlich nachprüfbarer Gesichtspunkte, wie insbesondere Ziel und Inhalt der Richtlinie, zu bestimmen, vgl. EuGHE 1991, I-2867 -RS C-300/89 „Titandioxid“, und zusammenfassend EuGHE 1999, I-1139 – RS C-164 u. 165/97 „Schutz der Wälder“. Der Regelungsschwerpunkt/Hauptzweck dürfte dennoch nicht immer leicht zu ermitteln sein. 930 Neben Art. 6 EGV ist auf Art. 127 (2) EGV (Beschäftigung), Art. 152 (1) EGV (Gesundheitswesen), Art. 153 (2) EGV (Verbraucherschutz) und Art. 178 EGV (Entwicklungszusammenarbeit) hinzuweisen. 931 Graf Vitzthum, Europäisches Seerecht: Eine kompetenzrechtliche Skizze, in: FS Badura, S. 1210. 932 Beachte, dass bis jetzt in der Gemeinschaftspraxis alle schifffahrtsbezogenen Vorschriften, einschließlich der RL 2000/59/EG über Hafenauffangeinrichtungen für Schiffsabfälle und Ladungsrückstände, auf Grundlage von Art. 80 (2) EGV ergangen sind. Selbst der Vorschlag der Kommission für eine RL über die Meeresverschmutzung durch Schiffe und die Einführung von Sanktionen, einschließlich strafrechtlicher Sanktionen, für Verschmutzungsdelikte, KOM(2003) 92 endg., ist auf Art. 80 (2) EGV gestützt. 933 Eine Ausnahme gilt nur für die Bestimmungen über die Transeuropäischen Netze (Art. 154–156 EGV) gegenüber denen Art. 80 (2) EGV nur subsidiär gilt, vgl. Erdmenger, Vorb. Art. 74–84 Rn. 24.

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Dritter Teil: Die Regelungstätigkeit der europäischen Gemeinschaft

b) Reichweite der Gemeinschaftskompetenz Mit der Qualifizierung des Art. 80 (2) EGV als der einschlägigen innenkompetenziellen Norm ist noch nichts über ihre Reichweite gesagt, also ob die Kompetenz der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Schiffssicherheit konkurrierender oder gar ausschließlicher Natur ist. Im Regelfall ist die Zuständigkeitsverteilung zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten konkurrierender Natur: Die Mitgliedstaaten dürfen unter Beachtung des Rücksichtnahmegebotes (vgl. Art. 10 (2) EGV) solange und so weit legisferieren, wie die EG auf dem betreffenden Tätigkeitsfeld von ihrer Rechtsetzungsbefugnis noch keinen Gebrauch gemacht hat 934. Bei der ausschließlichen Gemeinschaftskompetenz ist den Mitgliedstaaten dagegen jede Regelung des von der ausschließlichen Zuständigkeit erfassten Sachgebietes untersagt. Die Frage des Vorranges des Gemeinschaftsrechts stellt sich in diesem Fall nicht erst beim inhaltlichen Vergleich der Sachbereichsregelungen, sondern bereits bei der Kompetenz zu ihrem Erlass. Zu unterscheiden ist die anfänglich ausschließliche von der nachträglich ausschließlichen Kompetenz. Anfänglich ausschließlich ist die Gemeinschaftszuständigkeit, wenn die entsprechende Regelungsbefugnis der Mitgliedstaaten schon durch die bloße Existenz der EG-Kompetenz ausgeschlossen ist. Im Falle einer gemeinschaftlichen Rechtsetzungszuständigkeit für ein bestimmtes Sachgebiet kann nämlich die Pflicht zur Achtung dieser Kompetenz (Art. 10 EGV) den Mitgliedstaaten gebieten, sich jeder eigenen Normierung dieses Aufgabenbereichs zu enthalten. Dies gilt auch für inhaltlich mit den gemeinschaftsrechtlichen Regelungen übereinstimmende staatliche Vorschriften. Anfängliche Ausschließlichkeit hat der EuGH bislang nur für die Zollund Handelspolitik (Art. 133 EGV) angenommen 935. Nachträglich ausschließlich ist die Kompetenz der Gemeinschaft dagegen, wenn die EG von einer konkurrierenden Regelungsbefugnis in einem bestimmten Aufgabenbereich erschöpfend Gebrauch gemacht hat und dadurch die entsprechende mitgliedstaatliche Kompetenz insoweit gesperrt hat. Dies hat der EuGH beispielsweise bei Art. 37 EGV für den Bereich der Marktordnungsregelungen und für Bestandserhaltungsmaßnahmen auf dem Gebiet der Seefischerei im Hinblick auf die Dichte der ereichten Gemeinschaftsmaßnahmen bejaht 936. Liegt kein erschöpfendes Gebrauch- machen der konkurrierenden Zuständigkeit vor, so ist die EG-Kompetenz lediglich begrenzt-ausschließlicher Art. Auf dem Gebiet der Schiffssicherheit ist bislang nicht bezweifelt worden, dass die Kompetenzverteilung EG/Mitgliedstaaten konkurrierender Natur ist. Die Mitgliedstaaten sind berechtigt, unter Rücksichtnahme auf die Belange der Gemein934 EuGHE 1971, 263 – RS 22/70 „AETR“. Beachte, dass das Subsidiaritätsprinzip nur im Bereich der konkurrierenden (und parallelen) Kompetenzen zur Anwendung kommt, Art. 5 EGV. 935 Siehe EuGHE 1975, 1355 – Gutachten 1/75 „Lokale Kosten“. 936 EuGHE 1984, 459 – RS 166/82 „Milcherzeuger“, EuGH 1976, 1279 – RS 3,4 u. 6/76 „Kramer“ RS und EuGHE 1981, 1045 – RS 04/79 „Seefischerei“.

B. Die Regelungsmöglichkeiten der EG in der Schiffssicherheit

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schaft (Art. 10 (2) EGV) ihrerseits Regelungen zu erlassen. Dabei reicht diese Befugnis allerdings nur so weit, wie die EG ihre Zuständigkeit noch nicht abschließend wahrgenommen hat. Angesichts der massiven Regelungstätigkeit, die die Gemeinschaft seit 1993 in der Schiffssicherheit entfaltet hat, und der Intensivierung der Brüssler Aktivitäten nach der Havarie der Erika fragt sich allerdings, ob die EG-Kompetenz auf diesem Gebiet nicht mittlerweile, ähnlich wie im Bereich der Fischerei und landwirtschaftlichen Marktordnungsregelungen, in eine nachträglich ausschließliche umgeschlagen ist. Von einem solchen qualitativen Sprung in die erschöpfend ausgeübte, nachträglich ausschließliche EG-Schiffssicherheit kann aber aus mehreren Gründen nicht ausgegangen werden: Zum einen sind die Gemeinschaftsregelungen nach wie vor punktuell. Sie regeln besondere Stabilitätsanforderungen für Passagierschiffe, die Doppelhülle für Öltanker, stellen Mindestanforderungen für die Hafenstaatskontrolle und Klassifikationsgesellschaften auf und statuieren bestimmte Meldepflichten. Dies sind aber entweder nur einzelne Aspekte aus MARPOL oder SOLAS oder überhaupt nicht in diesen Übereinkommen geregelte Angelegenheiten. Das Schiffssicherheitsregelwerk in seiner Gesamtheit wird nicht erfasst. Zum anderen sind die Gemeinschaftsstandards im Bereich der Schiffssicherheit häufig nur Mindeststandards. Die STCW-RL inkorporiert zwar die STCW-Konvention größtenteils in das Gemeinschaftsrecht, stellt aber ausdrücklich klar, dass lediglich Mindeststandards festgelegt würden und die Mitgliedstaaten strengere Anforderungen aufstellen könnten 937. Trifft das Gemeinschaftsrecht aber nur Mindestregelungen, so verbleibt den Mitgliedstaaten eine Schutzverstärkungskompetenz, die einer erschöpfendenden Ausübung der Gemeinschaftskompetenz entgegen steht. Damit bleibt festzuhalten: Auch in der mittlerweile stark europarechtlich durchnormierten Schiffssicherheit bleibt es bei der nur konkurrierenden Zuständigkeit der EG. Die Mitgliedstaaten sind nach wie vor dort zum Regelungserlass zuständig, wo die EG noch keine Regelungen getroffen hat.

c) Beschränkungen durch das allgemeine Seerecht und die IMO-Konventionen Eine zentrale, gemeinschaftsinterne Beschränkung der EG-Kompetenz in der Schiffssicherheit folgt aus dem Umstand, dass die Europäische Gemeinschaft der Montego-Bay-Konvention als internationale Organisation beigetreten ist, denn dadurch ist das SRÜ aufgrund von Art. 300 (7) EGV zu einem integrierenden Bestandteil der Gemeinschaftsrechtsordnung geworden 938 und nimmt EG-intern einen Vgl. 10. Erwägungsgrund RL 2001/25/EG. EuGHE 1974, 460 – RS 181/73 „Haegemann/Belgien“. Unerheblich ist dabei, ob man Art. 300 (7) EGV als generellen Vollzugsbefehl oder als Generaltransformator auffasst, der völkerrechtliche Verträge der EG in Gemeinschaftsrecht umwandelt. 937 938

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Rang über dem sekundären Gemeinschaftsrecht ein939. Die Gemeinschaftsorgane sind also nicht nur völkerrechtlich, sondern auch europarechtlich verpflichtet, die Vorgaben des SRÜ bei ihrem legislativen Handeln zu beachten 940. SRÜ-widriges EG-Schiffssicherheitsrecht kann daher auf Antrag vom EuGH für ungültig erklärt werden. Zuvor entfaltet freilich auch es Rechtswirkung 941. Gleiches gilt prinzipiell auch für das schiffssicherheitsspezifische Völkergewohnheitsrecht, dessen Sätze keiner besonderen Übernahme in das Europäische Gemeinschaftsrecht bedürfen942. Aufgrund der Tatsache, dass die EG Vertragspartei der Montego-Bay-Konvention ist, kommt dem allgemeinen Völkerrecht in der Schiffssicherheit aber keine Bedeutung zu. Von ganz erheblicher Bedeutung ist dagegen die Frage, ob die EG-Organe qua Europarecht an die IMO-Konventionen gebunden sind, denn die Referenzbestimmungen inkorporieren die schiffssicherheitsbezogenen IMO-Standards nur insoweit, als es um die Jurisdiktionsausübung der Flaggen- und Küstenstaaten geht. Da die EG die IMO-Konventionen nicht ratifiziert hat, kann sich eine solche Bindung jedenfalls nicht aufgrund von Art. 300 (7) EGV ergeben. Sie könnte aber indirekt, vermittelt über die Verpflichtung der EG-Mitgliedstaaten auf die IMO-Konvention, aus Art. 307 EGV folgen. Diesbezüglich gilt es drei Fragen zu klären. Erstens, ob Art. 307 EGV prinzipiell geeignet ist, die Rechtsetzungstätigkeit der Gemeinschaft zu beschränken, zweitens, ob die Bestimmung auf die Schiffssicherheitskonventionen der IMO eine direkte oder analoge Anwendung finden kann und, drittens, in welchen Fällen das legislative Handeln der Gemeinschaft tatsächlich an das IMORecht gebunden ist.

aa) Bindung des legislativen Handelns der Gemeinschaft durch Altverträge Gemäß Art. 307 (1) EGV werden die Rechte und Pflichten aus Übereinkünften, die vor dem 01.01.1958 oder im Falle eines späteren Beitritts zwischen einem oder mehreren Mitgliedstaaten einerseits und einem oder mehreren dritten Ländern an939 Vgl. Art. 300 (5) u. (7) EGV. Siehe auch EuGHE 1996, I-3989 – RS C-61/94 „Internationale Übereinkunft über Milcherzeugnisse“. Demgegenüber ergibt sich aus Art. 300 (6) S. 2, ein Nachrang gegenüber dem primären Recht. 940 Eine andere Frage ist, ob das SRÜ gemeinschaftsintern unmittelbar anwendbar (self executing) ist. Da das SRÜ lediglich die Rechte von Flaggen-, Küsten- und Hafenstaaten regelt, ist dies zu verneinen. 941 EuGHE 1972, 1219 – RS 21-24/72 „International Fruit Company“. Behörden haben keine Normverwerfungskompetenz. Will ein mitgliedstaatliches Gericht die Gültigkeit eines EGRechtsaktes verneinen, ist es entgegen dem Wortlaut des Art. 234 EGV wegen der Kohärenz der Rechtsschutzsysteme, der Einheit der Gemeinschaftsrechtsordnung und des Erfordernisses der Rechtssicherheit zur Vorlage verpflichtet, auch wenn es kein letztinstanzliches Gericht ist, EuGHE 1987, 4199 – RS 314/85 „Foto Frost“. 942 Zur Geltung des Allgemeinen Völkerrechts siehe Oppermann, Europarecht, Rn. 595 ff.

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dererseits geschlossen wurden, durch den EGV nicht berührt. Die Vorschrift trägt damit gemeinschaftsrechtlich dem Umstand Rechnung, dass nach allgemeinem Völkerrecht weder die Übertragung ausschließlicher Vertragskompetenzen auf die Gemeinschaft noch die damit einhergehende Erfüllungszuständigkeit den völkerrechtlichen Bestand solcher mitgliedstaatlicher Übereinkommen berührt, weil das Völkerrecht keine ipso jure eintretende Funktionsnachfolge der mit ausschließlicher Kompetenz ausgestatten Gemeinschaft kennt, vgl. Art. 26, 30 (4) (b), 34 f. WVK: Jedem Mitgliedstaat soll es trotz Geltung des EGV ermöglicht werden, seine Verpflichtungen aus früheren Übereinkommen zu erfüllen und die sich daraus ergebenden Rechte dritter Staaten zu achten. Sie ist insofern Ausdruck der Völkerrechtsfreundlichkeit der Gemeinschaft 943. Diesen Zweck würde Art. 234 EGV aber verfehlen, wenn mit ihm nicht stillschweigend eine Verpflichtung der Gemeinschaftsorgane begründet würde, die Erfüllung der Pflichten, die sich für die Mitgliedstaaten aus früheren Übereinkommen ergeben, nicht zu behindern 944. Obwohl die Gemeinschaft selbst entsprechenden Drittstaaten gegenüber völkerrechtlich nicht verpflichtet wird, schließt die Norm gerade nicht aus, dass Übereinkünfte im Sinne von Abs. (1) innergemeinschaftliche Auswirkungen haben. Denn der Grundsatz der Gemeinschaftstreue, Art. 10 EGV, zwingt nicht nur die Mitgliedstaaten, alle geeigneten Maßnahmen zu treffen, um die Geltung und die Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts zu gewährleisten, sondern erlegt auch den Gemeinschaftsorganen die Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten auf. Zu dieser gegenseitigen Loyalitätspflicht gehört auch, dass die EG-Organe die legitimen Interessen der Mitgliedstaaten zu berücksichtigen haben 945. Daraus folgt, dass die völkerrechtliche Bindung eines oder mehrerer Mitgliedstaaten zumindest dann von der Gemeinschaft zu achten ist, wenn sonst der oder die Mitgliedstaaten durch eine Rechtsetzungstätigkeit der EG in eine unlösbare Pflichtenschere zwischen ihren völker- und gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen gerieten 946. Anderenfalls könnte die Gemeinschaft Maßnahmen erlassen, die von den Krück in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, Art. 307 EGV, Rn. 2. EuGHE 1980, 2787 – RS 812/79 „Burgosa“, EuGHE 1993, I-4287 – RS C-158/91 „Levy“ und jüngst bekräftigt durch EuGHE 2002, I-9427 – RS C-466/98 „Open-Skies“. 945 Vgl. EuGHE 1990, I-3365 – RS 2/88-IMM „Zwartveld“. Siehe auch BVerfGE 92, 203 – Fernsehrichtlinie. 946 Meißner, Das Recht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft im Verhältnis zur Rheinschifffahrtsakte von Mannheim, S. 111. Beachte, dass eine Pflichtenkollision nicht bei ohne Beteiligung Dritter geschlossenen Abkommen der Mitgliedstaaten untereinander (inter se-Abkommen) eintreten kann, denn hier gilt der allgemeine Grundsatz des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts, siehe EuGHE 1988, 5589 – RS 235/87 „Matteucci“ und EuGHE 1995, I-743 – RS C-241 u. 242/91 „Fernsehprogrammführer“. Gleiches gilt, wenn Übereinkünfte die Mitgliedstaaten zu einem bestimmten Handeln nicht verpflichten, sondern nur ermächtigen, denn solche Rechte dürfte die EG in den innergemeinschaftlichen Beziehungen nicht geltend machen, vgl. EuGHE 1996, I-3207 – RS C-473/93 und EuGHE 1997, I-81 – RS C-124/95 „Sanktionen gegen Serbien und Montenegro“. Siehe auch EuGHE 1993, I-4287 – RS C-158/91 943 944

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völkerrechtlichen Verpflichtungen eines oder mehrer Mitgliedstaaten inhaltlich abweichen und sie im Anschluss im Wege des Vertragsverletzungsverfahrens mit der Möglichkeit der Verhängung eines Zwangsgeldes (Art. 226, 228 (2) EGV) durchsetzen. Der Grundsatz pacta sunt servanda, vgl. Art. 26 WVK, würde durchbrochen, obwohl ihm Art. 307 EGV gerade zu innergemeinschaftlicher Geltung aufhelfen soll 947. Im Regelfall wird für die Achtung der von Art. 307 EGV erfassten Bindungen durch die Gemeinschaft aber genügen, dass mit der völkerrechtlichen Übereinkunft unvereinbares Gemeinschaftsrecht gegenüber den völkerrechtlich gebundenen Mitgliedstaaten zurücktritt, im übrigen aber Anwendung findet 948. Die Mitgliedstaaten sind dann durch Art. 307 (2) EGV aufgefordert, alle geeigneten, völkerrechtskonformen Mittel anzuwenden, um die Unvereinbarkeiten zu beheben 949. Eine Bindung des legislativen Handelns der Gemeinschaftsorgane an Altverträge, die lediglich einen kleinen Teil der Mitgliedstaaten verpflichten, würde die Regelungsmöglichkeiten der Gemeinschaft unnötig zementieren. Dies gilt um so mehr nach der EU-Osterweiterung, da Art.307(1) EGV auch vor dem Zeitpunkt des Beitritts geschlossene Verträge betrifft. Führte die völkerrechtliche Bindung eines Mitgliedstaates sofort zu einer gemeinschaftsrechtlichen Bindung der EG-Organe, liefe die Europäische Gemeinschaft Gefahr, durch Abkommen, die weder sie, noch die Mehrheit ihrer Mitgliedstaaten ratifiziert haben, gemeinschaftsintern handlungsunfähig zu werden. Art. 307 EGV zielt aber gerade, integrationsfördernd, darauf ab, solche Unvereinbarkeiten zu beheben, vgl. Art. 307 (2) EGV, nicht sie zu Lasten der EG fortzuschreiben 950. An„Levy“, Rn. 12: „Die Begriffe ‚Rechte und Pflichten‘ in dieser Bestimmung beziehen sich daher, was die ‚Rechte‘ anbelangt, auf die Rechte dritter Staaten und, was die ‚Pflichten‘ anbelangt, auf die Pflichten der Mitgliedstaaten.“ 947 Graf Vitzthum, Europäisches Seerecht: Eine kompetenzrechtliche Skizze, in: FS Badura, S. 1204. Siehe zudem Proelß, Meeresschutz im Völker- und Europarecht, S. 329–337, Nollkaemper/Hey, Implementation of the LOS Convention at Regional Level: European Community Competence in Regulating Safety and Environmental Aspects of Shipping, IJMCL 10 (1995), S. 298, Krück, Völkerrechtliche Verträge im Recht der Europäischen Gemeinschaften, S. 139 f., und Ganshof van der Meersch, L’ordre juridique des communautés européennes et le droit international, RdC 148 (1975), S. 177–179. 948 Vgl. EuGHE 1993, I-4287 – RS C-158/91 „Levy“ und EuGHE 1998, I-1023 – RS C-364, 365/95 „Bananen“, Rn. 61: „Eine Bestimmung des Gemeinschaftsrechts hat demnach gegenüber einer völkerrechtlichen Übereinkunft nur dann zurückzutreten [une norme communautaire peut être tenue en échec par une convention internationale], wenn diese zum einen vor dem Inkrafttreten des EG-Vertrags geschlossen wurde und wenn zum anderen das fragliche Drittland daraus Rechte herleiten kann, deren Beachtung es von dem betreffenden Mitgliedstaat verlangen kann.“ (Hervorhebung hinzugefügt). 949 Diese Anpassungspflicht kann sogar die Kündigung der Übereinkunft durch den Mitgliedstaat einschließen, siehe EuGHE 2000, I-5171 RS C-62/98 „Kommission/Portugal“, Rn. 44, 49 u. 50. 950 Allerdings könnte man auch argumentieren, das Gebot der einheitlichen Anwendung und Durchführung des Gemeinschaftsrechts (siehe z. B. EuGHE 1983, 2633 – RS 205-215/82 „Deutsche Milchkontor GmbH“) erfordere bereits bei einem relativ kleinen Teil durch Altver-

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deres muss aber zumindest dann gelten, wenn wie bei den IMO-Schiffssicherheitskonventionen, sämtliche EG-Mitgliedstaaten dritten Staaten gegenüber durch Altverträge gebunden und verpflichtet sind. Denn in diesem Fall macht es überhaupt keinen Sinn, Sekundärrecht zu erlassen, dass in keinem Mitgliedstaat zur Anwendung gelangen kann. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass von einer gemeinschaftsrechtlichen Bindung der EG-Rechtsetzungskompetenz an Altverträge jedenfalls dann auszugehen ist, wenn die Gesamtheit oder zumindest der überwiegende Teil der Mitgliedstaaten an diese Übereinkünfte völkerrechtlich gebunden ist und durch ein legislatives Handeln der Gemeinschaft in eine unlösbare Pflichtenkollision geriete, in der sie in jedem Fall einen Rechtsbruch begehen müssten.

bb) Anwendbarkeit von Art. 307 EGV auf die Schiffssicherheitskonventionen der IMO Eine Anwendung von Art. 307 EGV auf das schiffssicherheitsbezogene IMORecht scheint indes von vornherein ausgeschlossen; die Übereinkommen wurden zwar von sämtlichen EG-Mitgliedstaaten ratifiziert, dies freilich in keinem Fall vor dem in Art. 307 (1) EGV genannten Datum, dem 01.01.1958. Da Art.307 EGV aber, wie gezeigt, sowohl das pacta-Prinzip konkretisiert als auch Ausfluss des Grundsatzes der Gemeinschaftstreue ist, ist er auf Verträge analog anzuwenden, die nach dem Inkrafttreten des EGV (oder des Beitrittsvertrags) zwischen Mitglied- und Drittstaaten geschlossen wurden, aber vor Ausübung diesbezüglicher Kompetenzen durch die EG 951. Denn zum einen stellt das Primärrecht keine andere einschlägige, das Verhältnis Völkerrecht/Europarecht betreffende Vorschrift zur Verfügung, weshalb die für die Analogiebildung notwendige Regelungslücke vorhanden ist. Zum anderen ist bezüglich des relevanten Zeitpunkts nicht ersichtlich, dass hinsichtlich der Frage, ob eine Pflichtenkollision vor oder nach dem 1. Januar 1958 (bzw. vor träge gebundener Staaten eine Bindung der Gemeinschaftsorgane, da anderenfalls die EG gegenüber einigen Mitgliedstaaten bindendes Sekundärrecht erlassen könne, gegenüber den anderen, völkerrechtlich verpflichteten nicht. Dieser Auffassung nach ist die Regelungsbefugnis der Gemeinschaft erst dann nicht beschränkt, wenn dies für die Wirksamkeit des zu erlassenden Sekundärrechts nicht erforderlich ist, etwa weil es keiner einheitlichen Geltung des Sekundärrechts bedarf (partielle Zuständigkeitsbegrenzung). Siehe dazu Graf Vitzthum, Europäisches Seerecht: Eine kompetenzrechtliche Skizze, in: FS Badura, S. 1204 f. und Krück, Völkerrechtliche Verträge im Recht der Europäischen Gemeinschaften, S.139. Letztlich ist es eine Wertungsfrage, welchem Belang man im konkreten Fall den Vorrang einräumt: der Handlungsfähigkeit der Gemeinschaft oder der einheitlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts. 951 Wohl allg. Meinung vgl. Geiger, EUV/EGV, Art. 307 Rn. 7, Nollkaemper/Hey, Implementation of the LOS Convention at Regional Level: European Community Competence in Regulating Safety and Environmental Aspects of Shipping, IJMCL 10 (1995), S. 298, und Bernhardt, Die Europäische Gemeinschaft als neuer Rechtsträger im Geflecht der traditionellen zwischenstaatlichen Rechtsbeziehungen, EuR 18 (1983), S. 205.

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Dritter Teil: Die Regelungstätigkeit der europäischen Gemeinschaft

oder nach dem Beitrittszeitpunkt) eintrat, eine Interessendivergenz besteht oder denkbar ist 952. Einer analogen Anwendung von Art. 307 EGV auf das schiffssicherheitsbezogene IMO-Recht könnte allerdings entgegenstehen, dass die technischen Anlagen von SOLAS, MARPOL und STCW häufig im tacit amendment-Verfahren geändert werden. In seiner open skies-Rechtsprechung 953 hat der EuGH jüngst klargestellt, dass Art. 307 EGV keine Anwendung findet, wenn ein vor dem Beitritt zur EG geschlossenes Abkommen durch ein neues Abkommen über denselben Regelungsgegenstand ersetzt wird, selbst wenn das neue Abkommen eine ähnlich lautende Klausel wie das Alt-Abkommen enthält 954. Dem dürfte man den Fall gleichsetzen können, dass eine nach 1958, aber vor Ausübung entsprechender Kompetenzen durch die EG geschlossene Konvention durch ein neues Übereinkommen ersetzt wird, nachdem die Gemeinschaft auf diesem Gebiet von ihrer Rechtsetzungsbefugnis Gebrauch gemacht hat. Allerdings ist dieser Fall nicht mit der Änderung eines IMO-Übereinkommens unter tacit vergleichbar, selbst wenn dabei, wie bei der STCW-Revision, praktisch das gesamte materielle Recht, nämlich die mehrere hundert Seiten starke technische Anlage, geändert, das Übereinkommen danach STCW 95 genannt wird und die EG bereits zuvor mit der die „alte“ STCW-Konvention vollständig inkorporierenden STCW-Richtlinie von ihrer Kompetenz Gebrauch gemacht hatte 955. Denn die Änderung einer technischen Konvention unter tacit ist das Gebrauchmachen von einer im Übereinkommen für die technischen Anlagen vorgesehenen Änderungs- und Ergänzungsbefugnis, nicht der förmliche Abschluss eines neuen Abkommens. Damit kann festgehalten werden, dass einer analogen Anwendung von Art. 307 EGV auf die IMO-Übereinkommen grundsätzlich nichts im Wege steht. cc) Bindung des EG-legislativ-Handelns an das IMO-Recht: Fallkonstellationen Die EG ist bei der Ausübung ihrer Rechtsetzungskompetenz freilich nur in den Fällen indirekt über Art. 307 EGV analog an die Schiffssicherheitskonventionen der IMO gebunden, in denen ihre Mitgliedstaaten durch ein legislatives Handeln der Gemeinschaft tatsächlich in eine unlösbare Pflichtenschere zwischen ihren europaund völkerrechtlichen Verpflichtungen geraten. Ein solcher Kollisionsfall kann in952 Graf Vitzthum, Europäisches Seerecht: Eine kompetenzrechtliche Skizze, in: FS Badura, S. 1205 f. 953 Urteile des Gerichtshofes in den RS C-466-469/98, C-471 u. 472/98 sowie C-475 u. 476/98 „open skies“, EuGHE 2002, I-9427 ff. 954 EuGHE 2002, I-9427 – RS C-466/98 „open skies“, Rn. 26–29. 955 Die STCW-RL verweist nicht etwa dynamisch auf das STCW-Übereinkommen, sondern setzt zwar inhaltlich weitgehend mit den Bestimmungen der STCW-Konvention übereinstimmendes, aber autonomes Gemeinschaftsrecht.

B. Die Regelungsmöglichkeiten der EG in der Schiffssicherheit

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des immer nur in Konstellationen eintreten, in denen die IMO-Standards für die Mitgliedstaaten bindend sind. Zu berücksichtigen ist, dass die IMO-Konventionen in erster Linie an die Staaten in ihrer Eigenschaft als Flaggenstaaten gerichtet sind und als solche lediglich Minimumstandards aufstellen. Stellt ein internationales Instrument aber nur Mindeststandards auf, so ist es den Mitgliedstaaten, und damit auch der sie europarechtlich verpflichtenden Gemeinschaft, ohne weiteres möglich, über diese Mindeststandards hinauszugehen, ohne dass ein Kollisionsfall eintritt. Problematisch scheint in diesem Zusammenhang allerdings zu sein, dass IMOStandards als GAIRAS je nach Adressat (Küsten- oder Flaggenstaat) zugleich Minimum- oder Maximumstandards sind, denn daraus könnte folgen, dass die Rechtsetzungsbefugnis der EG stets an die IMO-Konventionen gebunden ist. Ausschlaggebend ist aber nicht die Tatsache, dass IMO-Standards als GAIRAS zugleich Maximum- oder Minimumstandards sind, sondern der Adressat und die Art des Gemeinschaftsstandards 956. Dabei sind drei Fallgruppen auseinander zu halten, je nachdem, ob die Gemeinschaftsmaßnahme an die Mitgliedstaaten in ihrer Eigenschaft als Flaggen-, Küsten- oder Hafenstaaten gerichtet ist. (1) Gemeinschaftsmaßnahme betrifft Mitgliedstaaten als Flaggenstaaten Schreibt ein EG-Rechtsakt Schiffen unter den Flaggen der Mitgliedstaaten bestimmte Maßnahmen vor, so ist er an die EG-Mitgliedstaaten in ihrer Eigenschaft als Flaggenstaaten gerichtet. Die internationalen Standards sind in diesem Fall lediglich Mindeststandards und können von der Gemeinschaft einseitig verschärft werden, ohne dass es zu einer Pflichtenkollision kommt. Eine Bindung der EGRechtsetzungskompetenz über Art. 307 EGV analog ist mithin in dieser Konstellation zu verneinen, solange die Gemeinschaft den internationalen Standard nicht unterschreitet. Aber selbst in diesem Fall tritt keine Bindung an das IMO-Recht ein, wenn der EG-Rechtsakt selbst nur einen Mindeststandard setzt, denn dann sind die Mitgliedstaaten nicht gehindert, nationale Umsetzungsvorschriften zu erlassen, die den strengeren internationalen Standards Wirksamkeit verleihen. Das ist freilich nur bei Richtlinien möglich 957. 956 Unklar und mißverständlich insofern Nollkaemper/Hey, Implementation of the LOS Convention at Regional Level: European Community Competence in Regulating Safety and Environmental Aspects of Shipping, IJMCL 10 (1995), S. 289–293. 957 Vgl den auf diese Konstellation übertragbaren Denkansatz des EuGHE zur ausschließlichen Aussenkompetenz der Gemeinschaft in Recueil de jurisprudence 1993, I-1061 (= EuGHE 1993, I-1061) – Gutachten 2/91 „ILO-Konvention Nr. 170“, Rn. 18: „Afin d’examiner la question de savoir si cette compétence revêt un caractère exclusif, il y a lieu d’observer que les dispositions de la convention n 170 ne sont pas de nature à affecter des règles arrêtées sur la base de l’article 118A. En effet, si, d’une part, la Communauté décide d’arrêter des normes moins rigoureuses que celles édictées par une convention de l’OIT, les États membres peuvent, conformément à l’article 118 A, paragraphe 3, établir des mesures de protection renforcée dans les

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Dritter Teil: Die Regelungstätigkeit der europäischen Gemeinschaft

Ein gutes Beispiel hierfür ist die STCW-Richtlinie (RL 2001/25/EG). Sie gilt ausweislich ihres Art. 2 für Seeschiffe, die unter der Flagge eines Mitgliedstaates fahren. Partiell enthält sie Regelungen, die über die Bestimmungen der STCW-Konvention hinausreichen, stellt aber in ihrem 10. Erwägungsgrund zugleich klar, dass es den Mitgliedstaaten frei- stehe, strengere Anforderungen als die Mindestanforderungen der Richtlinie festzulegen. Eine Kollision ist damit in jedem Fall ausgeschlossen. Denn selbst wenn die IMO die STCW-Konvention nachträglich unter tacit verschärfen sollte, so dass das Übereinkommen in Folge höhere Standards als das Gemeinschaftsrecht enthält, bleibt den Mitgliedstaaten unbenommen, die strengeren IMO-Standards in ihr nationales Recht umzusetzen. (2) Gemeinschaftsmaßnahme betrifft Mitgliedstaaten als Küstenstaaten Trifft ein EG-Rechtsakt Maßnahmen für alle Schiffe, ist er zumindest auch an die Mitgliedstaaten in ihrer Eigenschaft als Küstenstaaten gerichtet. Die internationalen Standards sind dann Maximumstandards und die Gemeinschaftskompetenz ist insofern beschränkt, als EG-Maßnahmen diesen Standards lediglich entsprechen und ihnen Wirksamkeit verleihen, sie aber nicht einseitig verschärfen dürfen. Genau genommen ergibt sich diese Beschränkung bzw. Bindung der Rechtsetzungsbefugnis der Gemeinschaft aus der Montego-Bay-Konvention. Eines Rekurrierens auf Art.307 EGV bedarf es nicht. Beispiel für diese Konstellation ist die Schiffsmelderichtlinie (RL 2002/59/EG), die nach ihrem Art. 2 unterschiedslos für Schiffe mit 300 oder mehr BRZ gilt. Art. 5 u. 7 der RL enthalten Bestimmungen über Schiffsmeldesysteme und -wegeführungen für alle Schiffe, also auch Drittlandsschiffe im Transit. Die in Übereinstimmung mit Regeln V/10 u. V/11 SOLAS errichteten und von der IMO angenommenen Systeme sind folglich internationale Maximumstandards, die die Rechtsetzungskompetenz der Gemeinschaft nach oben beschränken. (3) Gemeinschaftsmaßnahme betrifft Mitgliedstaaten als Hafenstaaten: Beschränkung der hafenstaatlichen Regelungsbefugnis durch IMO-Konventionen Die problematischste Fallgruppe ist die, dass eine EG-Maßnahme an die Mitgliedstaaten als Hafenstaaten gerichtet ist, bzw. sich auf deren Hafenstaatsjurisdikconditions de travail ou appliquer à cet effet les dispositions de la convention de l’OIT. Si, d’autre part, la Communauté décide d’arrêter des normes plus sévères que celles prévues par une convention de l’OIT, rien n’empêche la pleine application du droit communautaire par les États membres au titre de l’article 19, paragraphe 8, de la constitution de l’OIT qui autorise l’adoption, par les membres, de mesures plus contraignantes que celles prévues par les conventions et les recommandations adoptées dans le cadre de cette organisation.“

B. Die Regelungsmöglichkeiten der EG in der Schiffssicherheit

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tion stützt. Denn hier stellt sich die völkerrechtliche Frage, ob die internationalen CDEM-Standards für die Hafenstaaten Maximum oder Minimumstandards sind. Wären die in den IMO-Konventionen enthaltenen Standards für die Hafenstaaten Maximumstandards, gerieten die EG-Mitgliedstaaten durch strengere Gemeinschaftsbestimmungen in eine unlösbare Pflichtenschere. Über Art. 307 EGV analog würde auch die EG an die Regeln der IMO-Konventionen gebunden werden und es wäre ihr europarechtlich verwehrt, diese im Rahmen von Hafenanlaufbedingungen einseitig zu verschärfen. Die Doppelhüllenverordnung (VO (EG) Nr. 417/2002) könnte bis zum Inkrafttreten der MARPOL-Änderungen durch IMO Resolution MEPC.111(50) am 05.04.2005 wegen Kompetenzüberschreitung vor dem EuGH angefochten werden 958. Verweigerte ein Mitgliedstaat einem Einhüllentanker unter Berufung auf Art. 4 VO (EG) Nr. 417/2002 den Hafeneinlauf, handelte er völkerrechtswidrig. Ebenso wäre die gelegentliche Drohung der EG-Mitgliedstaaten, bei einem Scheitern der IMO-Verhandlungen unilateral vorzugehen, die Ankündigung eines Völkerrechtsbruchs. Trotz seiner offensichtlichen praktischen Bedeutung wird das Problem, ob Staaten CDEM-Standards, die in einer sie völkerrechtlich bindenden IMO-Konvention enthalten sind, im Rahmen von Hafenanlaufbedingungen verschärfen dürfen, in der juristischen Literatur nur stiefmütterlich behandelt959. Wie ausgeführt wurde, sind nach der Montego-Bay-Konvention einseitige Hafenanlaufbedingungen grundsätzlich zulässig. Während die küstenstaatliche Regelungsbefugnis bei CDEM-Standards darauf beschränkt ist, GAIRAS Wirksamkeit zu verleihen, setzen Art. 25 (2), 38 (2), 211 (3), 255 SRÜ eine entsprechend unbegrenzte Regelungsbefugnis des Hafenstaates voraus, obwohl in ihr ein gewisser Wertungswiderspruch zu den auf universell einheitliche Standards zielenden Referenzbestimmungen liegt. Eine Beschränkung der hafenstaatlichen Regelungsbefugnisse kann sich damit nur aufgrund der IMO-Konventionen ergeben. Denn natürlich stände es den Hafenstaaten frei, sich durch Ratifikation der IMO-Übereinkommen Vgl. Nur EuGHE 2000, I-8419 – Rs. C-376/98 „Tabakwerbung“. Nur fünf Autoren scheinen sich bislang mit diesem Problem beschäftigt zu haben: Molenaar, Residual Jurisdiction under IMO Regulatory Conventions, in: Ringbom (Hrsg.), Competing Norms in the Law of Marine Environmental Protection, S. 201–216, ders., Coastal State Jurisdiction over Vessel-Source Pollution, S. 110–119, Ringbom, Preventing Pollution from Ships – Reflections on the ‚Adequacy‘ of Existing Rules, ders., Environmental Protection and Shipping – Prescriptive Coastal State Jurisdiction in the 1990’s, marius 224, S. 127–135, Göranson, Regional Safety Standards for Ro-Ro Passenger Ferries – Some Legal Concerns, in: Ringbom (Hrsg.), Competing Norms in the Law of Marine Environmental Protection, S. 187–199, Valenzuela, International Maritime Transportation: Selected Issues of the Law of the Sea, in: LSIP 23 (1990), S. 187–215, und Plant, EU Ship Emissions to Air Study, A4/ 158–171. Siehe auch Keselj, Port State Jurisdiction in Respect of Pollution from Ships: The 1982 United Nations Convention on the Law of the Sea and the Memoranda of Understanding, in: ODIL 30 (1999), S. 127–160, und die Entscheidung des Court of Appeal of New Zealand in William Rodman Sellers v Maritime Safety Inspector, CA 104/98, 05.11.1998, zu einem Großteil wiedergegeben in Devine, Port state jurisdiction: a judicial contribution from New Zealand, MP 24 (2000), S. 215–219. 958 959

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Dritter Teil: Die Regelungstätigkeit der europäischen Gemeinschaft

zu verpflichten, von ihrer nach dem SRÜ grundsätzlich unbeschränkten Regelungsbefugnis nur eingeschränkt Gebrauch zu machen, d. h. fremden Schiffen, im Rahmen von Hafenanlaufbedingungen, keine CDEM-Standards vorzuschreiben, die strenger als die entsprechenden IMO-Standards sind: Die Verpflichtung von einer bestimmten Befugnis keinen Gebrauch zu machen, ist ohne weiteres mit der Montego-Bay-Konvention vereinbar, die den Hafenstaaten eine solche Kompetenz einräumt, vgl. Art. 311 (2), 237 SRÜ. Die CDEM-Standards in den IMO-Konventionen wären in diesem Fall Maximumstandards, die in Bezug auf die in den IMO-Übereinkommen geregelten Angelegenheiten einseitige Regelungen der Hafenstaaten ausschlössen 960. Allerdings treffen die IMO-Konventionen keine Aussage darüber, ob die in ihnen enthaltenen Normen für die Hafenstaaten Maximumstandards sind. Sie richten sich in erster Linie an die Flaggenstaaten, für die sie unproblematisch Mindeststandards statuieren 961. Die wenigen Vorschriften, die sich explizit an die Konventionsstaaten in ihrer Eigenschaft als Hafenstaaten richten, bestimmen lediglich das Wie der Hafenstaatskontrolle (vgl. Regel I/19 SOLAS). Nur insoweit sind sie partiell Maximumstandards. Der Grund dafür liegt in der Fokussierung der IMO-Konventionen auf technische Fragen. Zu der Zeit, als MARPOL 73/78, SOLAS 74 und STCW 78 verhandelt wurden, herrschte beträchtliche Unsicherheit über Umfang und Ausdehnung der Küstenstaatsjurisdiktion. Beispielsweise betreffen die wenigen jurisdiktionsbezogenen Bestimmungen in MARPOL ausschließlich die Durchsetzungsbefugnisse, während die Verhandlungen über die Regelungsbefugnisse der Küstenstaaten zu keinem Ergebnis führten. Die Delegationen einigten sich deshalb darauf, die Klärung strittiger Jurisdiktionsfragen der dritten Seerechtskonferenz zu überlassen 962. Diese Entscheidung spiegelt sich in den inhaltgleichen Art. 9 (2) MARPOL und Art. V (4) STCW wider, denenzufolge „Nothing in the present Convention shall prejudice the codification and development of the law of the sea by the United Nations Conference on the Law of the Sea convened pursuant to Resolution 2750 C (XXV) of the General Assembly of the United Nations nor the present or future claims and legal views of any State concerning the law of the sea and the nature and extent of coastal and flag State jurisdiction.“ 963 960 Siehe Molenaar, Residual Jurisdiction under IMO Regulatory Conventions, in: Ringbom (Hrsg.), Competing Norms in the Law of Marine Environmental Protection, S. 201–216, und ders., Coastal State Jurisdiction over Vessel-Source Pollution, S. 110–119. 961 Vgl. Art. 3 (2) LL: „Nothing in this Convention shall prevent an Administration from assigning a greater freeboard than the minimum freeboard determined in accordance with Annex I.“ 962 Timagenis, International Control of Marine Pollution, Bd. 1, S. 486–507. 963 Siehe auch Art. 9 (3) MARPOL: „The term ‚jurisdiction‘ in the present Convention shall be construed in the light of international law in force at the time of application or interpretation of the present Convention“ und Resolution 23, Nature and Extent of States’s rights over the Sea, der MARPOL-Konferenz (International Conference on Marine Pollution convened by IMCO from 08.10.–02.11.1973): „[T]he rights exercised by a State within its jurisdiction in ac-

B. Die Regelungsmöglichkeiten der EG in der Schiffssicherheit

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Zu beachten ist, dass coastal State jurisdiction hier so zu verstehen ist, dass damit auch die port State jurisdiction gemeint ist, denn das Konzept der Hafenstaatsjurisdiktion wurde erst zu einem späteren Zeitpunkt entwickelt. Die Kollisionsbestimmungen legen damit nahe, dass sich die technischen Konventionen jeglicher Regelung von Jurisdiktionsaspekten enthalten und sich die Zulässigkeit einseitiger Hafenanlaufbedingungen auch für die Vertragsstaaten der IMO-Konventionen ausschließlich nach dem SRÜ richtet. Den Hafenstaaten stände es damit frei, die internationalen CDEM-Standards im Rahmen von Hafenanlaufbedingungen einseitig zu verschärfen. Auch die EG-Kompetenz wäre damit entsprechend unbeschränkt. Dennoch spricht einiges dafür, von einer beschränkten Regelungsbefugnis der Hafenstaaten auszugehen, die Vertragsstaaten der IMO-Übereinkommen sind. Nach Art. 31 (1) WVK ist ein Vertrag nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen. Regelungsziel der IMO-Konventionen ist unter anderem, die weltweite Einheitlichkeit von Sicherheitsstandards sicherzustellen und den Handelsverkehr zu erleichtern. Der Gedanke der Erleichterung des Handelsverkehrs findet seine Ausprägung im Prinzip der gegenseitigen Zeugnisanerkennung, das allen technischen Konventionen zugrunde liegt 964. Die PSC ist auf die Zeugnisprüfung zu beschränken, solange sich nicht eindeutige Hinweise dafür ergeben, dass der Zustand des Schiffes oder seiner Ausrüstung substantiell von den Zeugnisangaben abweicht 965. Unnötige Verzögerungen während der Hafenstaatskontrolle sind zu vermeiden 966. Der Erleichterung des Handelsverkehrs läuft es entgegen, wenn ein Hafenstaat einseitig höhere Anforderungen aufstellt 967. Denn in diesem Fall besteht die Gefahr, dass die Zeugnisse der Schiffe, cordance with [MARPOL] do not preclude the existence of other rights of that State under international law“. Wenig aussagekräftig dagegen Art. VII SOLAS (Special rules drawn up by agreement): „When in accordance with the present Convention special rules are drawn up by agreement between all or some of the Contracting Governments, such rules shall be communicated to the Secretary-General of the Organization for circulation to all Contracting Governments.“ (Hervorhebungen hinzugefügt). 964 Vgl. Regel I/17 SOLAS: „Certificates issued under the authority of a Contracting Government shall be accepted by the other Contracting Governments for all purposes covered by the present Convention. They shall be regarded by the other Contracting Governments as having the same force as certificates issued by them.“ 965 Siehe Art. 5 (2) MARPOL und Regel I/19 SOLAS (referring to the PPSC): „(a) Every ship in a port of another Contracting Government is subject to control by officers duly authorized by such Government in so far as this control is directed towards verifying that the certificates issued under regulation 12 or regulation 13 are valid. (b) Such certificates, if valid, shall be accepted unless there are clear grounds for believing that the condition of the ship or of its equipment does not correspond substantially with the particulars of any of the certificates or that the ship and its equipment are not in compliance with the provisions of regulation 11(a) and (b).“ 966 Diese Pflicht ist schadensersatzbewehrt, vgl. Regel I/19 (f) SOLAS und Art.7 MARPOL. 967 So Valenzuela, International Maritime Transportation: Selected Issues of the Law of the Sea, in: LSIP 23 (1990), S. 187–215.

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Dritter Teil: Die Regelungstätigkeit der europäischen Gemeinschaft

die ja gerade beim Aufenthalt des Schiffes im Hafen relevant sind, weitgehend wertlos werden. Setzt, wie im Fall der Doppelhüllenverordnung der EG, eine ganze Region ihr eigenes Recht, so droht eine dem freien Welthandel äußerst abträgliche Zersplitterung des globalen IMO-Rechts, denn einem Schiff, das einen Hafen dieser Region anlaufen will, bleibt gar nicht anderes übrig, als diesen Standard auch auf Hoher See zu befolgen. Auch Art. VI (d) SOLAS u. Art. V (3) STCW legen eine Beschränkung der hafenstaatlichen Regelungsbefugnis durch die IMO-Konventionen nahe. Sie bestimmen, dass „[a]ll matters which are not expressly provided for in the present Convention remain subject to the legislation of the Contracting Governments“. Das legt den Umkehrschluss nahe, dass hinsichtlich der ausdrücklich geregelten Angelegenheiten eine residuale Jurisdiktion ausscheidet. Schließlich ist zu fragen, welchen Sinn Bestimmungen wie die Regeln I/13G (8) (b) und I/13H (8) (b) MARPOL haben sollen, die die MARPOL-Vertragsstaaten unter bestimmten Umständen berechtigen (shall be entitled), Einhüllentankern den Zugang zu ihren Häfen zu verweigern, wenn den Vertragsparteien der IMO-Übereinkommen dieses Recht auch ohne solche expliziten Ermächtigungen weiterhin zustände 968. Dennoch ist im Ergebnis mit Blick auf Art. 9 (2) MARPOL davon auszugehen, dass auch Vertragsparteien der IMO-Konventionen die darin enthaltenen CDEMStandards einseitig im Rahmen von Hafenanlaufbedingungen verschärfen können. Die Häfen sind Bestandteil des Staatsgebietes und unterstehen grundsätzlich der uneingeschränkten territorialen bzw. aquitorialen Souveränität des Küstenstaates, Art. 2 SRÜ. Es ist das Recht jedes Staates zu bestimmen, wer sich in seinem Staatsgebiet aufhält. Ein allgemeines Recht auf Hafenzugang gibt es nicht. Vor dem Hintergrund dieser völkerrechtlichen „Normalsituation“ hätte eine so weitgehende Jurisdiktionsbeschneidung wie ein Verbot verschärfter Hafenanlaufbedingungen für die in den IMO-Konventionen geregelten Materien wesentlich deutlicher zum Aus968 Regel I/13G (8) (b) MARPOL lautet: „A Party to the present Convention shall be entitled to deny entry into the ports or offshore terminals under its jurisdiction of oil tankers operating in accordance with the provisions of: (i) paragraph (5) of this regulation beyond the anniversary of the date of delivery of the ship in 2015; or (ii) paragraph (7) of this regulation. In such cases, that Party shall communicate to the Organization for circulation to the Parties to the present Convention particulars thereof for their information.“ Regel I/13H (8) (b) MARPOL bestimmt: „Subject to the provisions of international law, a Party to the present Convention shall be entitled to deny entry of oil tankers operating in accordance with the provisions of paragraph (5) or (6) of this regulation into the ports or offshore terminals under its jurisdiction, or deny shipto-ship transfer of heavy grade oil in areas under its jurisdiction except when this is necessary for the purpose of securing the safety of a ship or saving life at sea. In such cases, that Party shall communicate to the Organization for circulation to the Parties to the present Convention particulars thereof for their information.“ Siehe auch Regel I/4 (3) STCW: „Failure to correct any of the deficencies referred to in paragraph 2 [...] shall be the only grounds under article X on which a party may detain a ship“.

B. Die Regelungsmöglichkeiten der EG in der Schiffssicherheit

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druck gebracht werden müssen. Angesichts der in Art. 9 (2) MARPOL manifestierten Scheu der Delegationen, zu Jurisdiktionsfragen Stellung zu beziehen, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Vertragsstaaten zu einem so folgenschweren Eingriff in ihre Hoheitsbefugnisse bereit waren. Eine Beschränkung der hafenstaatlichen Regelungsbefugnis durch die in den IMO-Konventionen enthaltenen CDEM-Standards würde zudem zu offensichtlich unbilligen Ergebnissen führen. Denn ein sicherheits- und umweltbewusster Staat kann ohne weiteres Schiffen unter seiner Flagge strengere Standards als in den internationalen Übereinkommen vorgesehen vorschreiben. Es wäre geradezu absurd, wenn man von einem solchen Staat, der mehr tut als er muss, verlangte, weniger sichere Schiffe in seine Häfen zu lassen. Auch ist es letztlich ein Trugschluss, von den Bestimmungen der IMO-Konventionen über die gegenseitige Zeugnisanerkennung und die prinzipielle Beschränkung der PSC auf eine Prüfung der Zeugnisse (certificate check), vgl. Art.5 MARPOL, auf eine Begrenzung der hafenstaatlichen Regelungsbefugnis zu schließen. Denn zum einen handelt es sich bei diesen Vorschriften, wie bei Art. 226 SRÜ, um reine Durchsetzungsbestimmungen und zum anderen werden dadurch natürlich nur die in den IMO-Konventionen enthaltenen technischen Standards betroffen. Ein Staat ist nicht gehindert, ein Schiff gar nicht erst in einen seiner Häfen zu lassen, weil es einem besonderen nationalen CDEM-Standard nicht genügt. Ferner sind zentrale Regelungsmotive der IMO-Konvention die Gewährleistung weltweit einheitlicher Standards, die Erleichterung des Seeverkehrs und der Umweltschutz bzw. die Schiffssicherheit. Während Umweltschutz und Schiffssicherheit primär küsten- und hafenstaatliche Belange sind, zählen weltweit einheitliche Standards und die Erleichterung des Seeverkehrs eher zu den flaggensstaatlichen Interessen. Anders als die Referenzbestimmungen der Montego-Bay-Konvention sind technische Konventionen aber keine package deals oder reciprocal trade-offs’ 969. Das heißt: Obwohl sich die Flaggenstaaten auf einen bestimmten Minimumstandard verpflichtet haben, haben sich die Hafenstaaten nicht im Gegenzug an einen Maximumstandard gebunden. Denn Regelungstelos der gegenseitigen Verpflichtung der Flaggenstaaten auf einen Minimumstandard ist, das zeigen die NMFT-Klauseln und die Bestimmungen über das schnelle Inkrafttreten der IMO-Konventionen, die Vermeidung von Wettbewerbsnachteilen. Gegen einen package deal-Charakter der technischen Konventionen sprechen auch die opt out-Bestimmungen in den IMOÜbereinkommen, auf die freilich in der Praxis so gut wie nie zurückgegriffen wird 970. 969 Molenaar, Coastal State Jurisdiction over Vessel-Source Pollution, S.113, und Plant, EU Ship Emissions to Air Study, A4/159. 970 Bislang haben nur die USA vom opt out Gebrauch gemacht und im Rahmen von OPA den Doppelhüllenstandard früher als zu dieser Zeit nach MARPOL vorgeschrieben eingeführt. Dies könnte als Beleg dafür gewertet werden, dass die USA von der Unvereinbarkeit einseitig verschärfter Hafenanlaufbedingungen mit ihren Verpflichtungen aus dem MARPOL-Überein-

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Dritter Teil: Die Regelungstätigkeit der europäischen Gemeinschaft

Schließlich findet sich auch in der Staatenpraxis kein verlässlicher Hinweis darauf, dass strengere Hafenanlaufstandards für IMO-Vertragsstaaten unzulässig wären. Obwohl sich die USA wegen ihres unilateralen Vorgehens im Fall OPA beachtlicher Kritik ausgesetzt sahen, wurde ihr Recht zu einem solchen Vorgehen nicht in Frage gestellt 971. Ein weiteres Beispiel für regional-unilaterales Vorgehen im Rahmen von Hafenanlaufbedingungen ist das Stockholm Agreement (sog. EstoniaÜbereinkommen) aus dem Jahr 1996, das spezielle, über Regel II-1/B/8 SOLAS hinausgehende Stabilitätsanforderungen enthält 972. Dessen Art. 5 (1) zufolge kommen die Vertragsparteien überein, dass „specific stability requirements should apply to all ro-ro passenger ships operating on regular scheduled international voyages carrying passengers between or to or from designated ports, irrespective of flag and bearing in mind the necessity to ensure that no more favourable treatment should be given to ships entitled to fly the flag of States non-parties to the present Agreement.“ 973 Ungeachtet der Wortwahl (should anstelle von shall) wird das Übereinkommen in der Praxis auch auf Drittlandschiffe angewendet und ist daher ein Beleg für einseitig konzertiert aufgestellte besondere Anlaufbedingungen im Sinne von Art. 211 (3) SRÜ 974. kommen ausgingen und deshalb zum opt out griffen, um einen Vertragsbruch zu vermeiden. Denn für Schiffe unter US-Flagge wären striktere Standards auch ohne opt out möglich gewesen. Eine solche Argumentation ließe aber außer Acht, dass auch rein interne Gründe für diesen Schritt der USA ursächlich gewesen sein können. Denn nach der amerikanischen Rechtsprechung gehen die (transformierten) Verpflichtungen der USA aus internationalen Übereinkommen im Rang dem inneramerikanischen Recht vor. Dazu Ayorinde, Inconsistencies Between OPA’90 and MARPOL 73/78: What is the Effect on Legal Rights and Obligations of the United States and Other Parties to MARPOL 73/78?, JMCL (JMLC) 25 (1994), S. 55–94. 971 Zurückhaltender nun auch Valenzuela, The Role of the United Nations and other Competent International Organizsations in the Future Development of Law for the Protection of the Marine Environment: Selected Topics, in: LSIP 29 (1997), S. 673–699. 972 Agreement Concerning Specific Stability Requirements for Ro-Ro Passenger Ships Undertaking Regular Scheduled International Voyages between or to or from Designated Ports in North West Europe and the Baltic Sea, Stockholm, 28.02.1996, in Kraft getreten am 01.04.1997, IMO Doc. Circular Letter No 1891 vom 29.04.1996. Ausführlich dazu Göranson, Regional Safety Standards for Ro-Ro Passenger Ferries – Some Legal Concerns, in: Ringbom (Hrsg.), Competing Norms in the Law of Marine Environmental Protection, S. 187–199. 973 Hervorhebungen hinzugefügt. 974 Dagegen könnte man allerdings einwenden, dass die im Stockholm-Übereinkommen enthaltenen Standards nicht über die in der Anlage zu Resolution 14 der SOLAS-Konferenz von 1995 (Estonia-Konferenz) enthaltenen Standards hinausgehen. Resolution 14 (abgedruckt in: IMO Doc. SOLAS/CONF.3/46), die von der SOLAS-Konferenz „Recalling Article VII SOLAS“ angenommen wurde, bestimmt in ihrem Abs. (1), dass „two or more Governments may conclude agreements modifying the requirements of regulation II-1/8-1 in respect of every passenger ship carrying passengers between designated ports in their territory and providing that these ships comply with the safety requirements which are adequate in the opinion of these Governments for the voyages to be undertaken.“ (Hervorhebung hinzugefügt). Allerdings ist zu beachten, dass diese Resolution völkerrechtlich unverbindlich ist. Auf einen Vorschlag hin, das Wort every zu streichen, akzeptierte die Konferenz die Erklärung, dass keine Absicht bestehe, Schiffe unter Drittflagge diesen Anforderungen zu unterwerfen, vgl. IMO Doc.

B. Die Regelungsmöglichkeiten der EG in der Schiffssicherheit

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Letztlich sind auch die Bemühungen der EG-Staaten während MEPC 50, das einseitige Vorgehen der Gemeinschaft im Fall der Doppelhülle nachträglich durch die IMO sanktionieren zu lassen, kein zwingendes Indiz dafür, dass die Mitgliedsländer der Auffassung waren, anderenfalls gegen ihre Verpflichtungen aus dem MARPOLÜbereinkommen zu verstoßen. Vielmehr können auch politisch-wirtschaftliche Überlegungen (z. B. Wettbewerbsfähigkeit der EG-Flotte) dafür ausschlaggebend gewesen sein, den Weg über die IMO zu suchen, zumal nur so die verschärften technischen Anforderungen auch auf Schiffe im Transit Anwendung finden. Viel spricht daher dafür, die Regeln I/13G (8) (b) u. I/13 H (8) (b) MARPOL als rein deklaratorischer Natur anzusehen 975. Zusammenfassend ist damit festzuhalten, dass auch IMO-Vertragsstaaten internationale CDEM-Standards im Rahmen von Anlaufbedingungen verschärfen können 976. Diese IMO-Standards sind für die Hafenstaaten also nur Minimumstandards. Richtet sich eine EG-Maßnahme an die Mitgliedstaaten als Hafenstaaten, so ist die Gemeinschaft grundsätzlich nicht über Art. 307 EGV analog an das IMO-Recht gebunden. Freilich ziehen Art. 227 u. 300 SRÜ Mitgliedstaaten wie EG bei Hafenanlaufbedingungen enge Grenzen. Denn Treu und Glauben, Rechtsmissbrauchsverbot, Nichtdiskriminierung und Inländergleichbehandlung verbieten, die Beachtung der einseitig verschärften CDEM-Standards lediglich von Schiffen unter Drittflagge zu verlangen. Sie müssen auch den eigenen Schiffen auferlegt werden. Die mit einem solchen Vorgehen verbundenen Wettbewerbsnachteile erklären, warum die einseitige Verschärfung internationaler CDEM-Standards im Rahmen von Hafenanlaufbedingungen in der Staatenpraxis die Ausnahme geblieben ist.

SOLAS/CONF.3/RD/6, Ziff. 5 u. 7. Siehe auch Abs. (4) der Resolution: „URGES all Contracting Governments to enforce the provisions of such agreements on ro-ro passenger ships entitled to fly their flags when engaged on regular scheduled voyages between designated ports covered by such agreements“ (Hervorhebung hinzugefügt). Beachte, dass Art. 3 der RL 2003/25/EG des EP und des Rates vom 14.04.2003 über besondere Stabilitätsanforderungen für Ro-Ro-Fahrgastschiffe, ABl. 2003, L 123/22, keinen Zweifel daran lässt, dass die besonderen Stabilitätsanforderungen des Stockholmer Übereinkommens auch auf Drittlandsschiffe anzuwenden sind. 975 Beachte, dass sich das Kommunikationserfordernis ebenfalls bereits aus Art. 211 (3) S. 1 SRÜ ergibt. 976 Eine Ausnahme hiervon ist allerdings Regel VI/15 (1) MARPOL (noch nicht in Kraft getretene Anlage VI): „(1) If the emissions of volatile organic compounds (VOCs) from tankers are to be regulated in ports or terminals under the jurisdiction of a Party to the Protocol of 1997, they shall be regulated in accordance with the provisions of this regulation.“ (Hervorhebungen hinzugefügt).

346

Dritter Teil: Die Regelungstätigkeit der europäischen Gemeinschaft

dd) Zusammenfassung Die folgende Tabelle fasst die europarechtliche Beschränkung der EG-Kompetenz durch Montego-Bay-Konvention und IMO-Übereinkommen zusammen: Gemeinschaftsmaßnahme ist gerichtet an Mitgliedstaaten als

Gemeinschaftsstandard ist

Internationaler Standard ist

Bindung der EGKompetenz über Art. 300 EGV/ Art. 307 EGV analog

Flaggenstaaten

Minimumstandard*

Minimumstandard

Nein

Maximumstandard

*

Ja, nach „unten“

Küstenstaaten

Minimum-*/ Maximumstandard

Maximumstandard

Ja

Hafenstaaten

Minimum-*/ Maximumstandard

Grds. Minimumstandard bei – CDEM-Standards immer – Ausn.: Maximumstandards mgl. bei Regeln über das Wie der PSC

Grundsätzlich nein. Partielle Bindung denkbar, wo internationale Standards das Wie der PSC betreffen.

Minimumstandard meint, dass es den Mitgliedstaaten freisteht, strengere Maßnahmen zu erlassen.

3. Außenkompetenz Wegen der naturgemäß internationalen Ausrichtung der Seeschifffahrt sind die Gestaltungsmöglichkeiten der EG in der Schiffssicherheit zu einem erheblichen Grade davon abhängig, inwieweit ihr das innergemeinschaftliche Organisationsrecht ein Tätigwerden auf völkerrechtlicher Ebene erlaubt. Mehr noch werden sich Bestand und Effektivität des sekundären EG-Schiffssicherheitsrechts häufig nur dann schützen lassen, wenn die mit einer einzigen Stimme sprechende Gemeinschaft und nicht ihre bald 25 Mitgliedstaaten in der IMO über die entsprechende Sachmaterie verhandelt. Weil das Prinzip der begrenzten Einzelzuständigkeiten nach außen wie nach innen Geltung beansprucht, ist auch die Treaty Making Power der EG von einer besonderen Kompetenzzuweisung abhängig. Diese ist nicht schon in Art. 300 EGV enthalten. Die Vorschrift regelt lediglich Organzuständigkeit und Verfahren beim Abschluss völkerrechtlicher Verträge, setzt die Vertragsschließungskompetenz selbst aber voraus. Bekanntlich enthält der EG-Vertrag nur wenige, sektoral beschränkte ausdrückliche Vertragsschlusskompetenzen. Anders als beispielsweise in der Handelspolitik

B. Die Regelungsmöglichkeiten der EG in der Schiffssicherheit

347

mit Art. 133 (1) EGV oder für Assoziierungsabkommen mit Art. 310 EGV, existiert für die Seeschifffahrt keine ausdrückliche Außenkompetenzzuweisung. Nach der AETR-Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs verfügt die EG allerdings auch dann über eine (implizite oder Annex-)Außenzuständigkeit, wenn sie kraft primärvertraglicher Ermächtigung für einen bestimmten Sachbereich über eine Innenkompetenz verfügt und eine korrespondierende Außenkompetenz erforderlich ist, um die EG-vertraglichen Zielsetzungen zu verwirklichen 977. Es besteht also grundsätzlich eine Parallelität zwischen Innen- und Außenkompetenz 978. Für die Schiffssicherheit folgt daraus, dass sich Bestand und Reichweite der EG-Außenzuständigkeit aus Art. 80 (2) EGV i.V. m. den AETR-Grundsätzen ergeben und grundsätzlich den gleichen Beschränkungen durch SRÜ und IMO-Recht wie die Innenkompetenz unterliegen. Trotz dieses prinzipiellen Gleichklangs von Innen- und Außenzuständigkeit ist problematisch, ob die EG-Vertragsschlusskompetenz in der Schiffssicherheit konkurrierender oder ausschließlicher Natur ist, denn nach der Rechtsprechung des EuGH kann es Konstellationen geben, in denen die Gemeinschaft eine ausschließliche Vertragsschlusskompetenz besitzt, obwohl sie ihre Innenkompetenz noch nicht erschöpfend ausgeübt hat. Hintergrund der AETR-Rechtsprechung des EuGH war, dass Binnenmaßnahmen der Gemeinschaft nicht durch Aktivitäten der Mitgliedstaaten auf internationaler Ebene unterlaufen werden. Es ging also darum, den Bestand sekundären Gemeinschaftsrechts bei Verhandlungen mit Drittstaaten über die gleiche Sachmaterie zu schützen. Der Hof verwies dabei auf Art. 10 EGV, demzufolge die Mitgliedstaaten alle Maßnahmen zur Erfüllung der sich aus dem Vertrag und den Handlungen der Organe ergebenden Verpflichtungen zu treffen und zugleich alle Maßnahmen zu unterlassen haben, welche die Verwirklichung der Ziele des Vertrages gefährden könnten. Der Grundsatz, dass die Mitgliedstaaten außerhalb des durch den EGV gezogenen Rahmens keine Verpflichtungen eingehen dürften, welche die Gemeinschaftsrechtsnormen oder deren Tragweite ändern könnten, würde partiell durchbrochen, wenn die Mitgliedstaaten einzeln oder gemeinsam handelnd mit dritten Staaten Verpflichtungen einzugehen vermöchten, obwohl die Gemeinschaft in einem Bereich zur Verwirklichung einer vom Vertrag vorgesehenen gemeinsamen Politik Vorschriften erlassen habe, die in irgendeiner Form gemeinsame Rechtsnormen vorsä977 EuGHE 1971, 263 – RS 22/70 „AETR“ ergänzt durch EuGHE 1976, 1279 – RS 3, 4 u. 6/78 „Kramer“ und EuGHE 1977, 741 – Gutachten 1/76 „Stilllegungsfonds“. Besonders deutlich zusammenfassend noch in EuGHE 1993, I-1061 – Gutachten 2/91 „ILO-Konvention Nr. 170“. 978 Beachte, dass sich die Frage, ob die Binnenkompetenz ausgeübt sein muss oder nicht, nur stellt, wenn es darum geht, ob die Mitgliedstaaten noch befugt sind, neben der EG tätig zu werden oder ob sie durch eine ausschließliche Gemeinschaftszuständigkeit europarechtlich am Abschluss völkerrechtlicher Verträge gehindert sind. In den Urteilen und Gutachten des EuGH zur EG-Außenzuständigkeit ging es regelmäßig darum, ob die Mitgliedstaaten noch tätig werden durften oder die Vertragsschließungskompetenz auf die EG übergegangen war.

348

Dritter Teil: Die Regelungstätigkeit der europäischen Gemeinschaft

hen 979. Deshalb kann beim Vollzug der Vorschriften des Vertrages der für innergemeinschaftliche Maßnahmen bestehende Rahmen trotz des Prinzips der begrenzten Einzelzuständigkeiten nicht separat von der für die Außenbeziehungen geltenden Regelung betrachtet werden. Aus diesem Bestandsschutzgedanken folgt, dass die Gemeinschaft jedenfalls dann eine ausschließliche Zuständigkeit im Außenbereich haben muss, wenn sie zur Verwirklichung einer vom EG-Vertrag vorgesehenen Politik im Binnenbereich bereits Maßnahmen erlassen hat (die Binnenkompetenz also ausgeübt wurde) 980 und diese Maßnahmen durch völkerrechtliche Verpflichtungen der Mitgliedstaaten beeinträchtigt oder in ihrer Tragweite geändert werden könnten 981. Dafür ist keine erschöpfende Ausübung der Innenkompetenz erforderlich. Die nationale Kompetenz ist bereits dann gesperrt, wenn ein Gebiet so weitgehend durch Gemeinschaftsregelungen erfasst ist, dass die Mitgliedstaaten durch konträre Maßnahmen in den Lücken das Gepräge der Gemeinschaftsregelung durchkreuzen und so Systembrüche begehen könnten 982. Aber selbst wenn die EG von ihrer Binnenkompetenz noch keinen Gebrauch gemacht hat, sollte die Gemeinschaft nach dem EuGH im Außenbereich bereits dann ausschließlich zuständig sein, wenn nur durch ein EG-Handeln ein Vertragsziel erreicht werden kann, eine Verpflichtung der Gemeinschaft mithin für die Erreichung dieses Zieles notwendig ist. Es genüge dann, wenn die internen Maßnahmen erst vorliegen, sobald die völkerrechtliche Vereinbarung abgeschlossen und in Kraft gesetzt werde 983. Diesen allgemeinen Ansatz hat der EuGH in seinem WTO-Gutachten einschränkend dahingehend präzisiert, dass die Außenkompetenz der Gemeinschaft unabhängig vom Bestehen interner Regelungen nur dort ausschließlich ist, 979 EuGHE 1971, 263 – RS 22/70 „AETR“, Rn. 15/19 u. 20/22. Kommission/Rat. AETR = Europäisches Übereinkommen über die Arbeit der im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrzeugbesatzungen. 980 So bereits Krück, Völkerrechtliche Verträge im Recht der Europäischen Gemeinschaften, S. 42. Siehe auch Frenz, Außenkompetenzen der Europäischen Gemeinschaften und der Mitgliedstaaten im Umweltbereich: Reichweite und Wahrnehmung, S. 43, und Horstig, Die Europäische Gemeinschaft als Partei internationaler Umweltabkommen. 981 EuGHE 1993, I-1061 – Gutachten 2/91 „ILO-Konvention Nr. 170“, Rn. 9. 982 Frenz, Außenkompetenzen der Europäischen Gemeinschaften und der Mitgliedstaaten im Umweltbereich: Reichweite und Wahrnehmung, S. 91–93 u. 99. Vgl. die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Grundsatz widerspruchsfreier Normgebung, BVerfGE 98, 83 – Landesrechtliche Abfallabgabe und BVerfGE 98, 106 – Kommunale Verpackungssteuer. 983 Vgl. EuGHE 1977, 741 – Gutachten 1/76 „Stilllegungsfonds“ und EuGHE 1976, 1279 – RS 3, 4 u. 6/78 „Kramer“. Bei dem Entwurf zu einem Übereinkommen über die Errichtung eines europäischen Stilllgungsfonds für die Binnenschifffahrt, der die wirtschaftliche Lage der Schifffahrt im Einzugsgebiet des Rheins verbessern sollte, machte die besondere Stellung der Schweiz als Rheinuferstaat nach Ansicht des EuGH ihre Beteiligung an dem Abkommen erforderlich, vgl. ibid, Rn. 2 f. Ebenso erachtete es der EuGH in „Kramer“ zum Schutz der Meeresschätze eines bestimmten Gewässers für notwendig, die Hochseefischereitätigkeit auch für Schiffe unter der Flagge von Drittstaaten zu beschränken. In beiden Konstellationen konnte mithin ohne Beteiligung der Drittstaaten keine sachgerechte Lösung erzielt werden.

B. Die Regelungsmöglichkeiten der EG in der Schiffssicherheit

349

wo sie wirksam nur zugleich mit der externen Zuständigkeit ausgeübt werden kann 984. Denn nur in diesem Fall wird die Tätigkeit der EG durch mitgliedstaatliches Handeln von vornherein behindert. In seinen open skies-Urteilen 985 hat der EuGH diese neue Lesart seiner bisherigen Außenbereichsrechtsprechung bekräftigt. Sie dürfte damit gerade für See- und Luftfahrt als gefestigt gelten. Somit kann im Sinne von WTO und open skies festgehalten werden: Die EG ist in der Seeschifffahrt ausschließlich zuständig, wenn – die Anerkennung einer Außenkompetenz erforderlich ist, damit die Gemeinschaft ihre noch nicht wahrgenommene interne Zuständigkeit wirksam ausüben kann – eine solche Situation liegt vor, wenn die interne Zuständigkeit nur zugleich mit der Außenkompetenz ausgeübt werden kann –, – oder die Gemeinschaft von ihrer Binnenkompetenz bereits Gebrauch gemacht hat und die gemeinsamen Rechtsnormen durch eine völkerrechtliche Verpflichtung der Mitgliedstaaten beeinträchtigt werden könnten, weil die völkerrechtliche Verpflichtung entweder in den Anwendungsbereich der gemeinsamen Rechtsnormen fällt oder zumindest ein Gebiet betrifft, das bereits weitgehend von solchen Rechtsnormen erfasst ist, oder wenn die Gemeinschaft in ihre internen Rechtsetzungsakte Klauseln über Angehörige von Drittstaaten aufgenommen oder sie ihren Organen ausdrücklich eine Zuständigkeit zur Verhandlung mit Drittstaaten übertragen hat 986. Mit diesen Maßgaben gilt folglich der Grundsatz, dass sich Innen- und Außenkompetenz entsprechen. Für die Schiffssicherheit bedeutet dies, dass auch nach den Erika- und PrestigeMaßnahmen eher seltener von einer ausschließlichen EG-Außenkompetenz auszugehen sein wird, wobei allerdings zu berücksichtigen ist, dass Umfang und Ausübung der Gemeinschaftszuständigkeit naturgemäß auch weiterhin einer ständigen Entwicklung unterliegen werden. Denn wie die bisherigen Rechtsakte der Gemeinschaft im Bereich der Schiffssicherheit zeigen, kann die EG durch Vorschriften für Schiffe unter eigener Flagge ohne weiteres im Binnenbereich ihre Kompetenz ausüben, ohne zugleich von ihrer Außenkompetenz Gebrauch machen zu müssen. Nichts hindert die EG zudem daran, im Rahmen der von ihr erlassenen Vorschriften auch konzertierte Aktionen gegenüber Drittstaaten vorzusehen. Die Hafenstaats984 EuGHE 1994, I-5267 – Gutachten 1/94 „WTO“, Rn. 85–89. „En effet, en dehors du cas où elle ne peut être exercée utilement qu’en même temps que la compétence externe [...], une compétence interne ne peut engendrer de compétence externe exclusive que si elle est exercée [...]“, ibid Rn. 89. Kritisch zu den Einschränkungen der AETR-Doktrin durch das WTO-Urteil Geiger, Vertragsschlusskompetenzen der Europäischen Gemeinschaft und auswärtige Gewalt der Mitgliedstaaten, JZ 50 (1995), S. 973 ff. 985 Urteile des Gerichtshofes in den RS C-466-469/98, C-471 u. 472/98 sowie C-475 u. 476/98 „open skies“, EuGHE 2002, I-9427 ff. 986 Vgl. EuGHE 2002, I-9427 – RS C-476/98 „open skies“, Rn. 80–83 u. 103–108. Siehe auch EuGHE 1994, I-5267 – Gutachten 1/94 „WTO“, Rn. 95 f.

350

Dritter Teil: Die Regelungstätigkeit der europäischen Gemeinschaft

kontrollrichtlinie und die Doppelhüllenverordnung, die für Schiffe unter EG-Flaggen und fremdflaggige Schiffe im Hafenanlauf gelten (vgl. Art. 2 (1) VO (EG) Nr. 417/2002), sind Beispiele dafür. Vor allem aber wurde bereits bei der Innenkompetenz gezeigt, dass selbst dort, wo eine völkerrechtliche Verpflichtung der Mitgliedstaaten den Anwendungsbereich der gemeinsamen Rechtsnormen fällt oder zumindest ein Gebiet betrifft, das bereits weitgehend von solchen Rechtsnormen erfasst ist, den Mitgliedstaaten häufig eine Schutzverstärkungskompetenz „nach oben“ verbleibt, weil die Gemeinschaftsnormen wie im Fall der STCW- und PSC-Richtlinien lediglich Mindeststandards statuieren. Die Situation wird dadurch verkompliziert, dass auch die internationalen Standards häufig nur Mindeststandards festlegen. Legen nämlich sowohl Gemeinschaftsnorm als auch internationale Übereinkommen lediglich Mindeststandards fest, so sind völkerrechtliche Bestimmungen nach dem ILO-Gutachten des EuGH nicht geeignet, EG-Rechtsnormen zu beeinträchtigen987. Obwohl es bei der Schiffssicherheitsgesetzgebung der EG seit der Gemeinsamen Politik im Bereich der Sicherheit im Seeverkehr regelmäßig darum geht, dass in der gesamten Gemeinschaft internationale Regeln harmonisiert und kohärent Anwendung finden, kann der Bestandsschutzgedanke in diesen Fällen nicht greifen, weil diese EG-Zielsetzung auch ohne eine ausschließliche Gemeinschaftszuständigkeit erreicht werden kann 988. Zutreffend hat daher der Rat in Ziff. 2 seiner bei Ratifikation des SRÜ abgegebenen Erklärung festgestellt: „Bezüglich der Bestimmungen über den Seeverkehr und die Sicherheit des Seeverkehrs sowie über die Verhütung der Meeresverschmutzung, die unter anderem in den Teilen II, III, V, VII und XII des Übereinkommens enthalten sind, besitzt die Gemeinschaft nur insofern ausschließliche Zuständigkeit, als die entsprechenden Bestimmungen des Übereinkommens oder die aufgrund des Übereinkommens erlassenen Rechtsvorschriften bestehende Gemeinschaftsvorschriften berühren. Bestehen Gemeinschaftsvorschriften und bleiben diese unberührt, insbesondere bei Gemeinschaftsvorschriften, die lediglich Mindeststandards festlegen, besitzen die Mitgliedstaaten Zuständigkeit, und zwar unbeschadet der Zuständigkeit der Gemeinschaft, in diesem Bereich tätig zu werden. In den übrigen Fällen bleiben die Mitgliedstaaten zuständig. Eine Liste der einschlägigen Rechtsakte der Gemeinschaft ist in der 987 EuGHE 1993, I-1061 – Gutachten 2/91 „ILO-Konvention Nr. 170“, Rn. 18. Diesem Umstand trägt die Kommission in der IMO-Beitrittsempfehlung, SEK(2002) 381 endg., nicht ausreichend Rechnung. Unter Ziff. 2 der Beitrittsempfehlung räumt sie aber immerhin ein: „Die Frage der Zuständigkeiten ist deshalb problematisch, weil die Rechtsakte der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Sicherheit im Seeverkehr nicht alle im gleichen Maß harmonisiert sind: manche legen Mindestnormen fest, andere Höchstnormen, andere wiederum enthalten Mischformen.“ 988 Dies verkennt Werbke, in Frohnmeyer/Mückenhausen, EG-Verkehrsrecht: Binnenmarkt, Sozialrecht, Verkehrssicherheit, Umweltrecht, Transeuropäische Netze: Kommentar (EGVR) 102 Rn. 3, wenn er der Kommission vorwirft, sie habe sich mit der STCW-RL ein Verhandlungsmandat bei der Londoner STCW-Revisionskonferenz im Juni/Juli 1995 verschaffen wollen.

B. Die Regelungsmöglichkeiten der EG in der Schiffssicherheit

351

Anlage enthalten. Die sich aus diesen Rechtsakten ergebende Zuständigkeit der Gemeinschaft ist aufgrund des genauen Inhalts der einzelnen Maßnahme und insbesondere danach zu beurteilen, inwieweit darin gemeinsame Regeln festgelegt werden.“ 989

Die Konstellation, dass Gemeinschaftsvorschriften durch das IMO-Regelwerk berührt werden, tritt dagegen immer dort ein, wo die internationalen Vorschriften Maximumstandards aufstellen. Folglich ist die Gemeinschaftszuständigkeit in Bezug auf Schiffswegeführungen und Meldesysteme eine ausschließliche. Hier kann auf die Ausführungen zu Art. 307 EGV verwiesen werden: Die ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft korrespondiert der Bindung der EG-Rechtsetzungsbefugnis an das IMO-Recht. Die Vertragsschlusskompetenzen der EG in der Schiffssicherheit sind damit zur Zeit überwiegend konkurrierender Natur, d. h. die Mitgliedstaaten wären regelmäßig berechtigt, seeschifffahrtsrechtliche Verträge neben der Gemeinschaft abzuschließen. Verträge, deren Gegenstände sowohl dem (alleinigen) Zuständigkeitsbereich der EG wie dem der Mitgliedstaaten unterfallen, wären als gemischte Abkommen zu schließen 990. Indes wird die Konstellation des gemischten Vertrages im Schiffssicherheitsbereich selten relevant werden, denn das internationale Recht ist mit SOLAS, MARPOL, STCW, LL, etc. umfassend kodifiziert worden. Diese Verträge werden zwar laufend überarbeitet. Bei der Begrenzung der Innenkompetenz durch Art. 307 EGV analog ist jedoch festgestellt worden, dass diese Revisionen nicht als der Abschluss eines neuen Vertrages begriffen werden können, an dem die Gemeinschaft zu beteiligen wäre und, da die IMO-Konventionen nicht den Beitritt einer Organisation zur regionalen Wirtschaftsintegration vorsehen, auch gar nicht beteiligt werden könnte. Raum für gemischte Abkommen wäre allerdings bis vor kurzem im internationalen Haftungsrecht geblieben, wo in jüngster Zeit das HNS-Übereinkommen, die 989 Erklärung zur Zuständigkeit der Europäischen Gemeinschaft für die durch das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1982 und das Übereinkommen vom 28. Juli 1994 zur Durchführung des Teils XI des Seerechtsübereinkommens geregelten Angelegenheiten, ABl. 1998, L 179/129. 990 Wann und inwieweit eine Abkommensmaterie sowohl Zuständigkeitsbereiche der EG als auch ihrer Mitgliedstaaten betrifft, dürfte angesichts der Weite technischer Abkommen leicht zum Gegenstand rechtlicher Auseinandersetzungen werden. In der Praxis werden derartige Kompetenzstreitigkeiten dann mit der Konstruktion des gemischten Abkommens geschlichtet. Für die Durchführung des gemischten Vertrages ist die gemeinschaftsrechtliche Kompetenzverteilung zwischen EG und Mitgliedstaaten maßgeblich, an der sich durch den Abschluss eines gemischten Abkommens nichts ändert. Die Mitgliedstaaten erfüllen den Vertrag, soweit ihre Kompetenz reicht, durch staatliche Rechtsakte. Gemeinschaftsrechtlich sind EG und Mitgliedstaaten einander verpflichtet, den Vertrag ordnungsgemäß durchzuführen, Art. 10 EGV. Nach außen sind gemäß allgemeinem Völkerrecht bei gemischten Verträgen EG und Mitgliedstaaten an den gesamten Vertragsinhalt gebunden. Zu den gemischten Abkommen Oppermann, Europarecht, Rn. 1711–1713, Bleckmann, Der Gemischte Vertrag im Europarecht, EuR 11 (1976), S. 301 ff., und ausführlich Stein, Der gemischte Vertrag im Recht der Außenbeziehungen der EWG.

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Dritter Teil: Die Regelungstätigkeit der europäischen Gemeinschaft

Bunkerölkonvention und das Protokoll von 2003 zum Fondsübereinkommen von 1992 (FUND 03) verhandelt wurden, die allesamt partiell in die ausschließliche Zuständigkeit der Gemeinschaft fallen, weil sie die VO (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen 991 berühren und mit ihr nicht übereinstimmen. Wegen der Souveränitätsversessenheit der Mitgliedstaaten wurden aber hier während der völkerrechtlichen Verhandlungen keine Klauseln durchgesetzt, die den Beitritt der EG zu diesen Übereinkommen ermöglichen würden 992. Da der Gemeinschaft somit mittelfristig der Beitritt zu den IMO-Konventionen verwehrt sein wird, fragt sich, wie bei (tacit-)Änderungen der IMO-Übereinkommen zu verfahren ist. Hier ist danach zu differenzieren, ob die Novellierung in einen ausschließlichen oder geteilten Zuständigkeitsbereich fällt 993. Zwei Konstellationen sind zu unterscheiden. Fällt die Änderung in einen Bereich, für den die EG die ausschließliche Zuständigkeit besitzt, so wären die Mitgliedstaaten an und für sich gemeinschaftsrechtlich daran gehindert, ihre Rechte aus dem IMO-Übereinkommen auszuüben. Die EG kann aber mangels Staatsqualität nach den IMO-Konventionen nicht in die Rechte ihrer Mitgliedstaaten eintreten. Dennoch ist die Gemeinschaft nach außen nicht handlungsunfähig. Die Situation ist hier nicht anders als in dem Fall, dass es sich (politisch) unmöglich erweist, die EG entsprechend ihrer gemeinschaftsrechtlich ausschließlichen Kompetenz an Stelle der Mitgliedstaaten an neuen Abkommen mit Drittstaaten teilnehmen zu lassen. Hier ist es in der EG-Praxis üblich, die Mitgliedstaaten zu ermächtigen, das Übereinkommen im Interesse der Gemeinschaft zu ratifizieren 994. Die Mitgliedstaaten befinden sich in diesem Fall in einer treuhänderischen Stellung: Sie schließen das Abkommen als Sachwalter der EG und sind europarechtlich hinsichtlich Aushandlung, Annahme und Änderung der entsprechenden Verträge an die internen Weisungen der zuständigen Gemeinschaftsorgane gebunden. Das Gebot eines solchen Handelns pro communitate folgt aus dem in Art. 10 EGV enthaltenen Grundsatz der Gemeinschaftstreue995. ABl. 2001, L 12/1. Siehe deshalb den Beschluss des Rates 2002/971/EG vom 18.11.2002 zur Ermächtigung der Mitgliedstaaten, im Interesse der Gemeinschaft das Internationale Übereinkommen über Haftung und Entschädigung für Schäden bei der Beförderung schädlicher und gefährlicher Stoffe auf See von 1996 (HNS-Übereinkommen) zu ratifizieren oder diesem beizutreten, ABl. 2002, L 337/55. 993 Ähnlich die IMO-Beitrittsempfehlung, SEK(2002) 381 endg., in der allerdings danach differenziert wird, ob sich die gemeinschaftliche Koordinierung auf einen vollständig harmonisierten, geteilten oder rein mitgliedstaatlichen Zuständigkeitsbereich bezieht, ibid Ziff. 4. Eine ausschließliche Mitgliedstaatliche Zuständigkeit ist in der Schiffssicherheit allerdings wegen Art. 80 (2) EGV ausgeschlossen. Ebenso eine vollständige gemeinschaftliche Harmonisierung. 994 Vgl. das Beispiel des HNS-Übereinkommens, ibid. 995 Siehe EuGHE 1993, I-1061 – Gutachten 2/91 „ILO-Konvention Nr. 170“ und EuGHE 1994, I-5267 – Gutachten 1/94 „WTO“. Zur treuhänderischen Stellung der Mitgliedstaaten auch Pechstein, Die Mitgliedstaaten der EG als „Sachwalter des gemeinsamen Interesses“, 991 992

B. Die Regelungsmöglichkeiten der EG in der Schiffssicherheit

353

Nichts anderes kann aber bei Änderungen von IMO-Übereinkommen unter tacit gelten, die in die ausschließliche EG-Zuständigkeit fallen. Denn in diesem Fall ist die Gemeinschaft ja sogar über Art. 307 EGV analog an das IMO-Recht gebunden. Der Pflicht der Gemeinschaft, die völkerrechtlichen Bindungen der Mitgliedstaaten zu achten, korrespondiert nach Art. 307 (2) EGV die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, alle geeigneten Mittel anzuwenden, um die festgestellte Unvereinbarkeit zu beheben, sich erforderlichenfalls zu diesem Zweck einander Hilfe zu leisten und gegebenenfalls eine gemeinsame Haltung anzunehmen. Ist bei einem multilateralen Übereinkommen ein EG-Beitritt nicht zu erreichen, sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, der Gemeinschaft eine ihren Handlungskompetenzen möglichst weitgehend Rechnung tragende Stellung im Rahmen der Übereinkommen zu verschaffen und ihre Vertragsrechte nur gemäß den Vorschriften der zuständigen Gemeinschaftsorgane auszuüben 996. Dies kann bei der Änderung einer IMO-Konvention unter tacit nur bedeuten, dass die Mitgliedstaaten in London gemäß Weisung aus Brüssel abzustimmen haben. In der Praxis ist es hier zumindest in den Unterausschüssen der IMO üblich, dass sich der Ratsvorsitz oder gar die Kommission im Namen der Gemeinschaft äußert 997. Aber auch in der zweiten Konstellation, dass die Änderung in einen konkurrierenden Zuständigkeitsbereich fällt, sind die Mitgliedstaaten unter dem Gesichtspunkt der Gemeinschaftstreue nach Art. 10 EGV verpflichtet sich zu bemühen, einen gemeinsamen Standpunkt im Rahmen der IMO einzunehmen, der dann vom Ratsvorsitz vorgelegt wird. Erst wenn diese Bemühungen fehlschlagen und kein gemeinsamer Standpunkt erzielt werden kann, dürfen sich die Mitgliedstaaten bei den IMO-Sitzungen einzeln äußern und abstimmen998. Sowohl bei der ausschließlichen als auch im Regelfall der nur konkurrierenden Zuständigkeit kann die Kommission bei kompetenz- bzw. treuwidrigem Handeln der Mitgliedstaaten ein Vertragsverletzungsverfahren (Art. 226 EGV) anstrengen. Das Instrument der Sachwalterschaft und der Grundsatz der Gemeinschaftstreue sind insofern missbrauchsgeschützt. Freilich wird bei der bloß konkurrierenden EG-Zuständigkeit den Mitgliedstaaten bei ihrem Bemühen um einen gemeinsamen Standpunkt ein weiter Ermessensspielraum einzuräumen sein, der gerichtlich nur formell daraufhin überprüfbar ist, ob Konsultationen überhaupt stattgefunden haben. Zusammenfassend kann damit festgehalten werden, dass das innergemeinschaftliche Organisationsrecht einer bedeutenden internationalen Rolle der EG in der Schiffssicherheit zwar keine unüberbrückbaren Grenzen zieht, im Großen und GanS. 145 ff., Dauses, Die Beteiligung der Europäischen Gemeinschaften an multilateralen Völkerrechtsübereinkommen, EuR 14 (1979), S. 164 ff. und Frid, The Relations Between the EC and International Organizations, S. 216 ff. 996 Geiger, EUV/EGV, Art. 307 Rn. 5. Art. 307 EGV ist insofern eine besondere Ausprägung des Grundsatzes der Gemeinschaftstreue. 997 Vgl Ziff. 4 IMO-Beitrittsempfehlung, SEK(2002) 381 endg. 998 Ähnlich IMO-Beitrittsempfehlung, ibid. 23 Schult

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Dritter Teil: Die Regelungstätigkeit der europäischen Gemeinschaft

zen aber eher hinderlich ist. Denn das Problem liegt nur zum Teil bei den IMO-Übereinkommen, die einen Beitritt einer regionalen Organisation zur Wirtschaftsintegration nicht vorsehen und deshalb auf Gemeinschaftsebene komplizierte Vertretungskonstellationen erforderlich machen, die fast zwangsläufig zu Reibungsverlusten und Ineffektivität führen. Ausschlaggebender ist vielmehr, dass die AETR-Rechtsprechung, zumal in ihrer einschränkenden Auslegung durch das WTO-Gutachten, den Besonderheiten der Schiffssicherheit, in der internationale Standards zugleich Maximum- und Minimumstandards sind, nicht gerecht wird. Die EG hat es hier übermäßig schwer, eine ausschließliche Kompetenz zu erwerben. Angesichts der Tatsache, dass sich die globale Agende Schiffssicherheit besser auf supranationaler denn nationaler Ebene bewältigen lässt, ist dies kaum sachgerecht.

III. Ergebnis Die Europäische Gemeinschaft wird sowohl durch das Völker- als auch durch das Europarecht in die globale Schiffssicherheitsordnung eingebunden. Ihre Rechtsetzungsmöglichkeiten gehen nicht weiter als die ihrer Mitgliedstaaten. Da die EG nicht Vertragspartei der IMO-Konventionen ist, kommt Art. 307 EGV dort eine Schlüsselfunktion zu, wo die Regeln der IMO-Übereinkommen nicht bereits durch die Referenzbestimmungen der Montego-Bay-Konvention inkorporiert werden. Die Bestimmung sichert die inhaltliche Kohärenz völker- und europarechtlichen Schiffssicherheitsstandards und bekräftigt den Primat der IMO bei der Kreation von Schiffssicherheitsstandards auch gegenüber der rechtsetzenden supranationalen Gemeinschaft. Aufgrund der Brückennormen Art. 300 (7) u. Art. 307 EGV analog kann SRÜ- und imorechtswidriges Handeln der EG-Organe zudem vor dem EuGH angefochten werden. Die Gefahr einer Zersplitterung des globalen Schiffssicherheitsregimes durch regionale Gemeinschaftsstandards ist insofern gebannt. Dies gilt freilich nicht für regionale Hafenanlaufbedingungen, die eine für die weltweite Einheitlichkeit der Schifffahrtsstandards äußerst abträgliche Wirkung haben können. Nach innen verfügt die Gemeinschaft mit Art. 80 (2) EGV über eine ausreichend breite Rechtsgrundlage, um ihre auf die kohärente und harmonisierte Anwendung internationaler Regeln in der Gemeinschaft zielende Politik verwirklichen zu können. Trotz des nach wie vor unklaren Wortlauts und der artifiziellen Trennung von See- und Luftfahrt von den übrigen Bestimmungen des Verkehrstitels ist unumstritten, dass Art. 80 (2) EGV eine normale Kompetenznorm und keine reine Vertragsergänzungsbestimmung ist. Seit der EEA greift auch für Art. 80 (2) EGV das Vorschlagsmonopol der Kommission; dem Europäischen Parlament wird durch das Verfahren des Art. 251 EGV eine Mitentscheidungsbefugnis eingeräumt. Der enormen internationalen Bedeutung, die der EG schon aufgrund ihrer wirtschaftlichen Stärke in der Schiffssicherheit zukommt, tragen EGV und Rechtsprechung des EuGH bei der Außenkompetenz allerdings nur unzureichend Rechnung. Hier erweist sich, dass die für den Binnenverkehr entwickelte AETR-Rechtspre-

C. Systematisierung und Bewertung der EG-Regelungstätigkeit

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chung den Besonderheiten des internationalen Schiffssicherheitsregimes nur bedingt gerecht wird, in dem ein internationaler Standard aufgrund der Referenzbestimmungen der Montego-Bay-Konvention zugleich Maximum- und Minimumstandard sein kann. Eine echte Gefahr für die Weltschifffahrtsorganisation könnte daher weniger durch die vielfach von den Mitgliedstaaten und Lobbyisten heraufbeschworene Gefahr völkerrechtswidriger regionaler Alleingänge der Gemeinschaft als durch eine Selbstblockade der künftig 25 EG-Mitglieder in der IMO drohen. Über den Erfolg der Gemeinschaft bei der Doppelhüllenverordnung sollten nicht die in der Vergangenheit häufig bestehenden Abstimmungsdefizite und Kommunikationslücken, die zu einem vielstimmigen und widersprüchlichen Handeln der Mitgliedstaaten in der IMO führten, vergessen werden 999. Eine IMO-Mitgliedschaft der Gemeinschaft würde hieran zunächst nicht all zu viel ändern, da die Gemeinschaft in den sogenannten erweiterten IMO-Ausschüssen nur als Vertragspartei von MARPOL, STCW und SOLAS stimmberechtigt wäre und somit Änderungen der Übereinkommen nicht annehmen kann 1000. Ein Beitritt der Gemeinschaft zu SOLAS & Co. wird aber zur Zeit nicht einmal von der Kommission erwogen. Er würde eine Änderung der technischen Konventionen erfordern und wäre aufgrund des Fehlens einer Gemeinschaftsflagge zur Zeit wenig sinnvoll. Wesentlich wichtiger wäre daher eine weitgehend ausschließliche EG-Zuständigkeit in der Schiffssicherheit. Sie würde dem mit qualifizierter Mehrheit entscheidenden Rat ermöglichen, den Mitgliedstaaten entsprechende Weisungen für ihr Abstimmungsverhalten in der IMO zu erteilen. Denn die im Bereich der konkurrierenden Zuständigkeit aus dem Grundsatz der Gemeinschaftstreue ableitbare Pflicht der Mitgliedstaaten, sich um einen gemeinsamen Standpunkt zu bemühen, ist in einem von wirtschaftlichen Regionalinteressen geprägten Bereich wie der Schiffssicherheit wenig wert. Subsidiarität bedeutet eben auch, dass die personennähere Einheit dort, wo sie die ihr gestellte Aufgabe erwiesenermaßen nicht erfüllt oder erfüllen kann, gegenüber der übergeordneten Ebene zurücktreten muss.

C. Systematisierung und Bewertung der EG-Regelungstätigkeit Im Folgenden soll das umfangreiche Schiffssicherheitsregelwerk der EG systematisiert und vor dem Hintergrund der völker- und europarechtlichen Regelungsmöglichkeiten der Gemeinschaft bewertet werden. Oberstes Ziel der EG-Schiffssicherheitspolitik ist seit der gemeinsamen Politik im Bereich der Sicherheit der Mee999 Vgl. die von der Kommission derzeit beklagten Koordinierungsmängel in Ziff. 3.1.1 IMO-Beitrittsempfehlung, SEK(2002) 381 endg. 1000 Diesen Umstand verschweigt die Kommission in ihrer IMO-Beitrittsempfehlung, SEK(2002) 381 endg.

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Dritter Teil: Die Regelungstätigkeit der europäischen Gemeinschaft

re, für eine harmonisierte und kohärente Anwendung der internationalen Regeln in der gesamten Gemeinschaft Sorge zu tragen. Dies ist völkerrechtlich unproblematisch, solange auf diese Weise lediglich sichergestellt wird, dass die Mitgliedstaaten ihren Verpflichtungen als Flaggenstaaten nachkommen. Die EG-Instrumente sind aber nicht auf einen solchen rein nach innen gerichteten Ansatz beschränkt, sondern versuchen, schon aus Wettbewerbsgründen, immer stärker auch Schiffe unter Drittflagge den europäischen Regeln zu unterwerfen. Vier, möglicherweise sogar fünf, Steuerungsansätze der Gemeinschaft in der Schiffssicherheit lassen sich mittlerweile unterscheiden, die allesamt auf ihre völker- und europarechtliche Zulässigkeit hin zu untersuchen sind 1001. Dies sind: – Die Sicherstellung der konvergenten Umsetzung der IMO-Vorschriften in der Gemeinschaft, – die Durchsetzung internationaler Standards gegenüber Drittlandsschiffen im Rahmen der PSC, – die Überwachung und Kontrolle des Transitverkehrs vor den EG-Küsten durch Verkehrsregelungs-, Berichts- und Managementsysteme und den Ausbau einer entsprechenden landseitigen Infrastruktur, – die institutionelle Verankerung der Brüssler Schiffssicherheitsaktivitäten nach innen durch die EMSA sowie nach außen durch Koordinierung der Mitgliedstaaten im Rahmen der IMO und – evtl. die einseitige Verschärfung internationaler CDEM-Standards durch Hafenanlaufbedingungen.

I. Sicherstellung der konvergenten Umsetzung der IMO-Vorschriften in der Gemeinschaft Für die europaweit einheitliche Implementierung globaler Standards zu sorgen, ist der erste Steuerungsansatz der Gemeinschaft. Er ist an die Mitgliedstaaten in ihrer Eigenschaft als Flaggenstaaten gerichtet und trägt dem Umstand Rechnung, dass SOLAS, MARPOL und STCW überwiegend nur auf Schiffe im internationalen Verkehr und ab einer bestimmten Größe Anwendung finden 1002 und ihren Vertragsstaaten häufig durch Formulierungen wie „to the satisfaction of the administration“ ein weites Umsetzungsermessen einräumen oder wie die Regeln I/13G und I/13H MARPOL Ausnahmebestimmungen enthalten. Zudem waren gerade in den Anfängen der Gemeinsamen Politik im Bereich der Sicherheit der Meere viele bedeutende IMO-Instrumente wie der ISM-Code in lediglich empfehlenden Generalversamm1001 Beachte, dass die einzelnen EG-Rechtsakte häufig mehr als nur ein Regelungsziel verfolgen und daher mehreren Steuerungsansätzen gleichzeitig zugeordnet werden können. 1002 Eine Ausnahme ist beispielsweise Kapitel V SOLAS, das grundsätzlich auf alle Schiffe auf allen Reisen Anwendung findet (vgl. Regel V/1 SOLAS).

C. Systematisierung und Bewertung der EG-Regelungstätigkeit

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lungsresolutionen enthalten. Auch wenn die IMO dazu übergegangen ist, viele dieser Instrumente durch Verweisung in den technischen Konventionen völkerrechtlich verbindlich zu machen 1003, ist noch heute das gesamte vertragsinterpretierende Regelwerk der IMO, die Guidelines and Recommendations, größtenteils unverbindlich oder die Vertragsstaaten sind lediglich verpflichtet, diese Bestimmungen „in account“ zu nehmen. Den durch diese Spielräume und Defizite des IMO-Rechts entstehenden Sicherheitslücken und Wettbewerbsverzerrungen versucht die EG durch Verbindlichmachung und europaweit einheitliche Umsetzung abzuhelfen. Beispiele für derartige Rechtsakte der Gemeinschaft in der Tankersicherheit sind die Doppelhüllenverordnung insoweit dort Tanker unter EG-Flaggen von den Ausnahmebestimmungen der Regeln I/13G (8) und I/13H (8) MARPOL ausgenommen werden, die Richtlinie über die Klassifikationsgesellschaften (RL 94/57EG) und die STCW-Richtlinie (RL 2001/25/EG). Aus völkerrechtlicher Sicht ist dieser Steuerungsansatz der Gemeinschaft unproblematisch, weil Regelungsadressat lediglich die Mitgliedstaaten in ihrer Eigenschaft als Flaggenstaaten sind: Der regionale Akteur EG hilft der Durchsetzung des globalen IMO-Rechts auf Schiffen unter Gemeinschaftsflagge auf. Europarechtlich ist er teilweise mit weitgehenden Kompetenzübertragungen der Mitgliedstaaten an die Gemeinschaft verbunden, wie am Beispiel der STCW-Richtlinie und der Richtlinie über die Klassifikationsgesellschaften verdeutlicht werden soll. Die STCW-RL setzt das STCW-Übereinkommen durch weitgehend inhaltsgleiches, autonomes Gemeinschaftsrecht in der EG um. Partiell, etwa bei der Verständigung der Seeleute untereinander, werden für Schiffe unter EG-Flagge auch eigene Standards geschaffen 1004. Interessant ist das Zusammenspiel EG-IMO in der Neufassung der STCW-Richtlinie durch RL 2003/103/EG 1005: Nach der STCW-Konvention dürfen Seeleute mit Befähigungszeugnissen, die nicht vom Flaggenstaat selbst, sondern von einer anderen STCW-Vertragspartei ausgestellt wurden, nur dann Dienst auf den Schiffen des Flaggenstaates tun, wenn ihre Zeugnisse in Über1003 Siehe für den ISM-Code Kapitel IX SOLAS (Regeln 1, 3, 4, 5 u 6), das den in Resolution A.741(18) enthaltenen Code durch Verweisung verbindlich macht. 1004 Vgl. Art. 17 (d) RL 2001/25/EG, der bestimmt, dass an Bord von Öltankschiffen, Chemikalientankschiffen oder Flüssiggastankschiffen, die unter der Flagge eines Mitgliedstaats fahren, sich der Kapitän, die Offiziere und die Schiffsleute untereinander in einer gemeinsamen Arbeitssprache bzw. in gemeinsamen Arbeitssprachen verständigen können müssen. Beachte aber jetzt die neue Regel V/14 (4) SOLAS: „On ships to which chapter I applies, English shall be used on the bridge as the working language for bridge-to-bridge and bridge-to-shore safety communications as well as for communications on board between the pilot and bridge watchkeeping personell, unless those directly involved in the communication speak a common language other than English.“ 1005 RL 2003/103/EG des EP und des Rates vom 17.11.2003 zur Änderung der RL 2001/ 25/EG über Mindestanforderungen für die Ausbildung von Seeleuten, ABl. 2003, L 326/28.

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Dritter Teil: Die Regelungstätigkeit der europäischen Gemeinschaft

einstimmung mit Regeln I/2 (5) u. I/10 STCW vom Flaggenstaat anerkannt wurden 1006. In der Praxis kommt es ausgesprochen häufig zu einem solchen Einsatz fremder Seeleute, weil sich durch die Beschäftigung von Seefahrern aus Niedriglohnländern (beispielsweise den Philippinen) erhebliche Kosteneinsparungen erzielen lassen. Wesentliche Bedeutung für die Anerkennung fremder Zeugnisse hat die White List-Entscheidung des MSC, denn nach Regel I/7 (3.2) STCW sind die Vertragsparteien bei einem positiven Votum des Ausschusses berechtigt, grundsätzlich anzuerkennen, dass die von der anderen Vertragspartei ausgestellten Zeugnisse mit dem Übereinkommen im Einklang sind. Die STCW-RL zentralisiert nun, in einen Kernbereich staatlicher Souveränität eingreifend, die Anerkennung von Befähigungszeugnissen von Seeleuten aus Drittländern bei der Kommission. Ein Mitgliedstaat, der beabsichtigt, ein von einem Drittland ausgestelltes Zeugnis für den Dienst auf einem unter seiner Flagge fahrenden Schiff anzuerkennen, muss der Kommission einen begründeten Antrag auf Anerkennung des Drittlandes vorlegen. Die Kommission entscheidet dann über die Anerkennung innerhalb von drei Monaten im Comitologie-Verfahren. Aber auch danach überprüft die Kommission mit Hilfe der EMSA regelmäßig für die Mitgliedstaaten, ob die Drittländer das STCW-Übereinkommen befolgen und entzieht gegebenenfalls deren Anerkennung 1007. Oberstes Kriterium bei der Entscheidung der Kommission über Anerkennung oder Entzug ist nach Anhang II der STCW-RL das White ListVotum des MSC. Es kommt also zu einer Vernetzung EG-IMO: Die Durchsetzungstätigkeit der Gemeinschaft wird durch die Entscheidungen des MSC beeinflusst. Zu ähnlich weitgehenden Souveränitätseinbußen wie die STCW-Richtlinie führt auch die Richtlinie über die Klassifikationsgesellschaften. Wie erläutert wurde, beauftragen viele Flaggenstaaten Klassifikationsgesellschaften damit, für sie die nach den internationalen Übereinkommen vorgeschriebenen Überprüfungen und Besichtigungen durchzuführen und die entsprechenden Sicherheitszeugnisse auszustellen 1008. Einige dieser weltweit operierenden Gesellschaften haben in der Vergangenheit selbst absolut seeuntaugliche Schiffe zertifiziert. Ziel der Klassifikationsgesellschaftenrichtlinie ist daher, die Anerkennung solcher Gesellschaften in 1006 Befähigungszeugnisse, die von oder namens eines Staates ausgestellt wurden, der nicht Vertragspartei des STCW-Übereinkommens ist, können nicht anerkannt werden, vgl. Regel I/10 (4) STCW. 1007 Siehe Art. 18 (3), 18 a u. 18 b RL 2001/25/EG n. F. 1008 Beachte, dass Klassifikationsgesellschaften nicht nur die Einhaltung internationaler Standards überprüfen, sondern auch selbst Sicherheitsstandards für diejenigen Bauelemente aufstellen, die von den IMO-Konventionen nicht behandelt werden. Dies sind Schiffskörper, Maschine und elektrische Installationen. Regel II-1/3-1 (Structural, mechanical and electrical requirements for ships) SOLAS bestimmt hier lediglich, dass „in addition to the requirements contained elsewhere in the present regulations, ships shall be designed, constructed and maintained in compliance with the structural, mechancical and electrical requirements of a classification society which is recognized by the Administration in accordance with the provisions of regulation XI/1, or with applicable national standards of the Administration which provide an equivalent level of safety.“

C. Systematisierung und Bewertung der EG-Regelungstätigkeit

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der Gemeinschaft von gemeinsamen Mindestkriterien abhängig zu machen und die Flaggenstaatskontrolle zu verbessern. Dafür wird zum einen das einschlägige, in völkerrechtlich unverbindlichen Resolutionen enthaltene IMO-Regelwerk für die Mitgliedstaaten europarechtlich verbindlich gemacht 1009 und zum anderen die Entscheidung über die gemeinschaftsweite Anerkennung einer Klassifikationsgesellschaft bei der Kommission zentralisiert 1010. Ähnlich wie bei der STCW-Richtlinie müssen die Mitgliedstaaten die Anerkennung der Gesellschaft bei der Kommission beantragen. Auch für die laufende ex post-Überwachung, die Aussetzung oder gar den Entzug der Anerkennung ist neben den Mitgliedstaaten die Kommission zuständig, die in all diesen Fällen im Comitologie-Verfahren entscheidet 1011. STCW- und Klassifikationsgesellschaftenrichtlinie verdeutlichen, mit welchen weitgehenden Kompetenzeinbußen der erste Steuerungsansatz der EG verbunden sein kann. Denn angesichts der in der Seeschifffahrt vorherrschenden Praxis führen beide Instrumente de facto zu einer Kontrolle der Mitgliedstaaten als Flaggenstaaten durch die Kommission. Bedenken im Hinblick auf Art. 5 EGV ergeben sich nicht. In der globale Lösungen erfordernden Schiffssicherheit wird sich auch die Durchsetzung internationaler Standards durch flankierende supranationale Maßnahmen häufig besser als durch ein rein nationales Vorgehen erzielen lassen.

II. Durchsetzung internationaler Standards gegenüber Drittlandsschiffen im Rahmen der PSC Die Durchsetzung internationaler Standards gegenüber Drittlandsschiffen im Rahmen der PSC ist der zweite, nach außen gerichtete Steuerungsansatz der Gemeinschaft. Verfolgt wird er im Wesentlichen mit der RL 95/21/EG über die Kontrolle von Schiffen durch den Hafenstaat. Da sich EG-Richtlinie und Pariser Hafenstaatskontrollvereinbarung mittlerweile weitgehend entsprechen und die Änderungen des einen Instruments regelmäßig bei der Überarbeitung des anderen berücksichtigt werden, kann hinsichtlich der völkerrechtlichen Zulässigkeit regional koordinierter Hafenstaatskontrollen auf die Ausführungen zum Pariser Hafenstaatsmemorandum ver1009 Dies sind die IMO-Resolutionen A.847(20) über Leitlinien zur Unterstützung der Flaggenstaaten bei der Anwendung der IMO-Instrumente, A.788(19) über Richtlinien für die Umsetzung des ISM-Code durch die Seebehörden, A.739(18) über Leitlinien für die Zulassung der für die Verwaltung tätigen Organisationen, A.789(19) über Spezifikationen für die Besichtigungs- und Zertifizierungsaufgaben der für die Verwaltung tätigen anerkannten Organisationen und A.746(18) zur Harmonisierung der hoheitlich relevanten Besichtigungen und Überprüfungen. Beachte, dass Resolutionen A.739(18) u. A.789(19) durch Verweisung in Regel XI/1 SOLAS völkerrechtlich verbindlich gemacht wurden. 1010 Dies allerdings erst nach der Erika-Katastrophe durch entsprechende Änderung der RL durch die RL 2001/105 EG des EPs und des Rates vom 19.12.2001 zur Änderung der RL 94/57/EG des Rates über gemeinsame Vorschriften und Normen für Schiffsüberprüfungsund -besichtigungsorganisationen und die einschlägigen Maßnahmen der Seebehörden. 1011 Vgl. Art. 4, 10 u. 11 RL 94/57/EG n. F.

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Dritter Teil: Die Regelungstätigkeit der europäischen Gemeinschaft

wiesen werden. Die Kommission ist in der Geschichte des Memorandums vielfach treibende Kraft für Verschärfungen der Kontrollverfahren gewesen: Die erweiterte Überprüfung für Öltanker, das banning von Risikoschiffen und die immer weitergehende Ermessensreduktion der PSC-Behörden hinsichtlich des Ob und Wie der Überprüfung durch immer detailliertere Prüfkriterien gehen beispielsweise auf das EGRecht zurück. Wie die Pariser PSC-Vereinbarung enthält auch die PSC-Richtlinie keine materiellen Standards, sondern dient lediglich der Harmonisierung der Überprüfungsverfahren, indem gemeinsame Mindestregeln und -kriterien für die Zahl der zu überprüfenden Schiffe (25 %), die im Rahmen des targeting anzuwendenden Prioritätsfaktoren, die erweiterte Überprüfung bei Öltankern, das Festhalten, black listing und banning sowie für den Informationsaustausch aufgestellt werden. Ziel ist, bei begrenzten Ressourcen Doppelkontrollen zu vermeiden und ein engmaschiges Sicherheitsnetz zu spannen, durch das unternormige Schiffe davon abgehalten werden sollen, Gemeinschaftshäfen anzulaufen, weil sie damit rechnen müssen, aufgespürt zu werden. Die hiervon ausgehende Abschreckungswirkung hilft natürlich auch der Einhaltung des IMO-Rechts auf 1012. Der bedeutsamste Unterschied zwischen PSC-Vereinbarung und PSC-Richtlinie ist, das nur letztere rechtlich verbindlich ist. Diese unterschiedliche rechtliche Qualität ist gerade aus Wettbewerbsgründen von enormer Bedeutung, denn es kommt in der Praxis der Kontrollmemoranda häufig vor, das Schiffe zur Überprüfung ausgewählt werden, bei denen von vornherein klar ist, dass es nichts zu beanstanden geben wird. Hier kann die Kommission mit einem Vertragsverletzungsverfahren gemäß Art. 226 EGV gegensteuern 1013 und so die Effektivität der Richtlinie gewährleisten. Obwohl die PSC-Richtlinie damit das effektivste Schiffssicherheitsinstrument der Gemeinschaft ist, weil es im Rahmen der Hafenstaatskontrolle völkerrechtlich 1012 Vgl. Art. 1 (Zweck) RL 95/21/EG: „Diese Richtlinie soll zu einer drastischen Verringerung der Anzahl unternormiger Schiffe in den Hoheitsgewässern der Mitgliedstaaten beitragen, indem sie – die Einhaltung internationaler und einschlägiger gemeinschaftlicher Vorschriften für die Sicherheit auf See, den Schutz der Meeresumwelt sowie der Lebens- und Arbeitsbedingungen an Bord der Schiffe aller Flaggen fördert; – gemeinsame Kriterien für die Kontrolle von Schiffen durch den Hafenstaat festlegt und die Verfahren für die Überprüfung und das Festhalten vereinheitlicht, wobei die Verpflichtungen, welche die Seeschifffahrtsbehörden der Mitgliedstaaten in der Pariser Vereinbarung über die Hafenstaatkontrolle eingegangen sind, gebührend zu berücksichtigen sind.“ 1013 Beachte, dass Art. 17 iVm Anhang X RL 95/21/EG der Kommission nicht nur Rückschlüsse darüber erlaubt, ob die Richtlinie überhaupt in innerstaatliches Recht umgesetzt wurde, sondern auch, wie sie in der mitgliedstaatlichen Praxis angewendet wird. Am 25.07.2003 hat die Kommission Vertragsverletzungsverfahren gegen Belgien, Finnland, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Österreich, Portugal und Schweden eingeleitet, weil diese Länder es versäumt haben, ihre einzelstaatlichen Vorschriften zur Umsetzung der RL 2001/105/EG und RL 2001/106/EG (Erika-Verschärfungen der PSC- und Klassifikationsgesellschaftenrichtlinie) mitzuteilen, vgl. Pressemitteilung der Kommission IP/03/1116 vom 25.07.2003 (abrufbar unter: http://europa.eu.int/rapid/start/cgi/guesten.ksh).

C. Systematisierung und Bewertung der EG-Regelungstätigkeit

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zulässig ist, Drittlandsschiffe umfänglich dem europäischen Durchsetzungsregime zu unterwerfen und dadurch die Einhaltung der IMO-Standards zu verbessern, hat die PSC zwei entscheidende Schwachpunkte: Sie bleibt selbst bei noch so ausgeklügelten Überprüfungsverfahren stets bis zu einem gewissen Gerade zufällig, weil aus administrativen Gründen nie 100 % aller Schiffe kontrolliert werden können und selbst die zur Überprüfung ausgewählten Schiffe während der Lösch- und Ladevorgänge nur eingeschränkt zu besichtigen sind. Zudem vermag sie eine Steuerungswirkung nur bezüglich derjenigen Schiffe zu entfalten, die planen, einen Gemeinschaftshafen anzulaufen. Die zahlreichen Schiffe, die Gemeinschaftsgewässer lediglich im Transit durchfahren, erreicht sie nicht.

III. Überwachung und Kontrolle des Transitverkehrs vor den EG-Küsten durch Verkehrsregelungs-, Berichts- und Managementsysteme und Ausbau einer entsprechenden landseitigen Infrastruktur Den Transitverkehr vor Europas Küsten mit Hilfe von Verkehrsregelungs-, Berichts- und Managementsysteme und einer entsprechenden landeseitigen Infrastruktur zu überwachen und zu kontrollieren, um so die Sicherheit und Leichtigkeit des Seeverkehrs zu erhöhen, ist vor dem Hintergrund der genannten Schwachpunkte der PSC der dritte Steuerungsansatz der Gemeinschaft. Regelungsinstrument ist die neue Schiffsmelderichtlinie (RL 2002/59/EG) 1014. Sie soll die Behörden durch ein gemeinschaftliches Überwachungs- und Informationssystem in die Lage versetzen, auf Vorkommnisse und potenziell gefährliche Situationen auf See schnell zu reagieren und dadurch Unfälle zu verhüten. Dafür sollen die vor Europas Küsten bestehenden Schiffswegeführungs-, Schiffsmelde- und VTS-Systeme genutzt, nach Möglichkeit harmonisiert und neue Systeme von Mitgliedstaaten und Kommission gemeinsam bei der IMO beantragt werden. An Land sind durch die Mitgliedstaaten AIS-Empfangsstationen zu errichten und die vollständige Abdeckung bis 2007 sicherzustellen. Die durch AIS und Meldesysteme gewonnenen Daten über Schiffsbewegungen, Eintreffen von Schiffen in Gemeinschaftshäfen sowie Ladung sind durch elektronischen Datenaustausch zwischen den mitgliedstaatlichen Küstensta1014 Beachte, dass die neue Schiffsmelderichtlinie, anders als ihre Vorgängerin, die HazmatRL 93/75/EWG, auch Meldepflichten für Schiffe im Transit statuiert. Die RL 2002/59/EG gehörte zu den rechtlich umstrittensten Maßnahmen des Erika-II-Paketes. Der ursprüngliche Reglungsvorschlag der Kommission wurde von vielen Staaten fälschlicherweise und in erstaunlicher Unkenntnis des internationalen Seerechts für evident völkerrechtswidrig gehalten, vgl. die Fragen des Rates an den rechtlichen Dienst des Rates und an die Dienste der Kommission sowie die Antworten der Dienste der Kommission in Commission Staff Working Paper: Erika II – Traffic monitoring – Law of the Sea and other legal issues, Brüssel, 30.08.2001, SEC(2001) 1348. Die Richtlinie wurde u.a. wegen dieser völkerrechtlichen Bedenken des Rates im Laufe des Rechtsetzungsprozesses erheblich entschärft, allerdings auch verständlicher gegliedert und strukturiert.

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Dritter Teil: Die Regelungstätigkeit der europäischen Gemeinschaft

tionen und Hafenbehörden über gemeinsame Telematikverbindungen und regionale Zentren der Informationsverarbeitung bestmöglich zu nutzen. Das durch die RL errichtete Überwachungs- und Informationssystem unterscheidet zwischen der allgemeinen Meldung und Überwachung von Schiffen (Titel I), der Meldung von gefährlichen oder umweltschädlichen Gütern an Bord von Schiffen (Titel II) und der Überwachung von Risikoschiffen und Maßnahmen bei Vorkommnissen und Unfällen auf See (Titel III). In völkerrechtlicher Hinsicht berührt die Melderichtlinie damit im Wesentlichen drei Problemkreise: Meldepflichten für Schiffe im Hafenanlauf, Meldepflichten für Schiffe im Transit und die sogenannten Ereignismeldungen (notifications), die allerdings wegen des auf Unfallvorbeugung beschränkten Untersuchungsansatzes wie im völkerrechtlichen Teil ausgeblendet bleiben. In ihrem ersten Regelungskomplex – allgemeine Meldung und Überwachung von Schiffen – trennt die Richtlinie angesichts der unterschiedlichen Jurisdiktionsgrundlagen völkerrechtlich korrekt zwischen Schiffen im Hafenanlauf und Schiffen im Transit. Art. 4 RL 2002/59/EG verpflichtet den Betreiber, Agenten oder Kapitän eines Schiffes, dessen Bestimmungshafen ein Gemeinschaftshafen ist, bestimmte allgemeine Informationen nach Nr. 1 Anhang I der Richtlinie wie IMO-Kennnummer, voraussichtliche Ankunftszeit, an Bord befindliche Personen, etc. mindestens 24 h im Voraus zu übermitteln. Eine solche Bestimmung ist in der Praxis üblich, weil nur so Liegeplätze bereitgestellt werden können. Auch kann der Hafenstaat, wie ausgeführt wurde, bei Schiffen im Hafenanlauf sehr viel weitergehende Meldungen als bei Schiffen im Transit verlangen. Je nachdem, ob man diese Jurisdiktion des Hafenstaates under the destination principle auf das Küstenmeer beschränkt sieht oder nicht, könnte sich allerdings die Frage nach dem Zeitpunkt der Meldung stellen, denn ein Schiff wird sich häufig 24 h vorher noch in der AWZ befinden. Allerdings ist Regelungsadressat der Meldepflicht nicht nur der Kapitän des Schiffes, sondern auch sein Betreiber oder Agent. Die Meldepflicht ist damit in jedem Fall völkerrechtskonform. Ebenfalls für Schiffe im Hafenanlauf statuiert Art. 6 RL 2002/59/EG die Verpflichtung, entsprechend dem in Anhang II Abschnitt I der Richtlinie aufgeführten Zeitplan mit AIS ausgerüstet zu sein und dieses fortwährend in Betrieb zu halten. Anhang II kopiert die Nachrüstungsfristen aus Regel V/19 (2.4) SOLAS i. d. F. von MSC.99(73), erklärt aber jede von der IMO beschlossene Verkürzung dieser Fristen für anwendbar. Die Bestimmung ist in ihrer Beschränkung auf Schiffe im Hafenanlauf mittlerweile unnötig restriktiv und sollte auf Schiffe im Transit ausgeweitet werden, denn Regel V/19 (2.4) SOLAS sieht in ihrer aktuellen Fassung 1015 nicht nur verkürzte AIS-Nachrüstungsfristen vor, sondern bestimmt auch, wortgleich zu Art. 6 (2) RL 2002/59/EG, dass mit AIS ausgerüstete Schiffe dieses fortwährend im 1015 Neugefasst durch Resolution 1 of the Conference of Contracting Governments to the International Convention for the Safety of Life at Sea, 1974, adopted on 12.12.2002, IMO-Doc.: SOLAS/CONF.5/32, Annex.

C. Systematisierung und Bewertung der EG-Regelungstätigkeit

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Betrieb halten müssen. Unterschiede zwischen Europa- und internationalem Recht bestehen damit nicht mehr, die EG konnte sich mit ihren Vorstellungen international durchsetzen. Bei der Reglementierung von Schiffen im Transit baut die Melderichtlinie, wie ausgeführt, zum einen auf die bestehenden, von der IMO angenommenen verbindlichen Schiffsmeldesysteme und -wegeführungen sowie auf den VTS-Diensten der Mitgliedstaaten auf, verpflichtet die Mitgliedstaaten mit Blick auf die Systemeinheitlichkeit zum anderen aber auch, der IMO neue verbindliche Meldesysteme nur mit einem gemeinschaftsrechtlich determinierten Mindestinhalt zur Annahme vorzulegen. Die Effektivität dieser Systeme der Schiffsmeldung, -wegeführung und der VTSs will die Melderichtlinie dadurch steigern, dass die Mitgliedstaaten europarechtlich verpflichtet werden, alle erforderlichen und geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um ihre Befolgung sicherzustellen, vgl. Art. 5, 7 u. 8 RL 2002/59/EG. Welche Maßnahmen dies im Einzelnen sind, führt die Richtlinie nicht aus. Da sie durch das Völkerrecht bestimmt werden, kann auf die Ausführungen im völkerrechtlichen Teil der Untersuchung verwiesen werden. Hinsichtlich der mitgliedstaatlichen VTS-Dienste differenziert die Richtlinie in Art. 8 RL 2002/59/EG aber immerhin danach, ob das Anwendungsgebiet des Dienstes im Küstenmeer oder außerhalb des Küstenmeeres liegt. Im ersten Fall ist die Benutzung und Befolgung des Dienstes durch „erforderliche und geeignete Maßnahmen“ bei allen Schiffen sicherzustellen, im zweiten nur, sofern das Schiff unter der Flagge des Mitgliedstaates fährt oder sich im Hafenanlauf befindet. Angesichts der uneinheitlichen Staatenpraxis ist die Ausdehnung dieser jurisdiction under the destination principle über das Küstenmeer hinaus vertretbar. Sofern allerdings die Mitgliedstaaten nach Art. 8 (c) S. 1 RL 2002/59/EG auch bei Schiffen, die unter der Flagge eines Drittstaates fahren und deren Bestimmungshafen kein Hafen in der Gemeinschaft ist, sicherzustellen haben, dass diese Schiffe die Regeln eines außerhalb des Küstenmeeres gelegenen VTS-Dienstes „so weit wie möglich einhalten“, können damit in völkerrechtskonformer Auslegung der Richtlinie nur empfehlende Maßnahmen gemeint sein. Gängiger Praxis entspricht es dagegen, dem betreffenden Flaggenstat offensichtlich schwerwiegende Verstöße gegen die Regeln des VTS-Dienstes zu melden, vgl. Art. 8 (c) S. 2 RL 2002/59/EG. Die insgesamt betrachtet recht komplizierten Regelungen des Art. 8 der Melderichtlinie sind den Vorgaben der Montego-Bay-Konvention geschuldet und nicht der EG anzulasten. Hier zeigt sich erneut, welche Schwierigkeiten mitunter entstehen, bestimmte Sachverhalte, für deren Regelungsbedürftigkeit es keinen Unterschied macht, ob sie sich 12 oder 13 Seemeilen von der Küste entfernt zutragen, in die artifizielle zonale Ordnung des SRÜ zu übersetzen. Der zweite Regelungskomplex der Richtlinie – Meldung von gefährlichen oder umweltschädlichen Gütern an Bord von Schiffen – ist in rechtlicher Hinsicht unproblematisch, weil hier lediglich Meldepflichten des Verladers oder bei Schiffen im Hafenanlauf Meldepflichten des Betreibers, Agenten oder Kapitäns begründet wer-

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Dritter Teil: Die Regelungstätigkeit der europäischen Gemeinschaft

den. Die beim Transport von Gefahrgut zu übermittelnden Informationen schließen genaue technische Angaben über die Art der Ladung und ihre Lage an Bord des Schiffes ein und sind damit erheblich umfangreicher als die im Rahmen der allgemeinen Meldungen nach Titel I der Richtlinie zu übermittelnden Daten. Titel III der Melderichtlinie beschäftigt sich schließlich mit der Überwachung von Risikoschiffen und Maßnahmen bei Vorkommnissen und Unfällen auf See. Art. 16 RL 2002/59/EG stuft Schiffe, die Mitteilungs- und Meldepflichten verletzt oder gegen Schiffswegeführungen und VTS-Dienste verstoßen haben, als Risikoschiffe ein. Küstenstationen, die sachdienliche Informationen über diese Schiffe besitzen, sind verpflichtet, diese Daten an andere Mitgliedstaaten zu übermitteln. Diese Regelung ist ausgesprochen wirkungsvoll und innovativ, weil auf diese Weise durch regional koordiniertes Handeln die Durchsetzungslücken der Montego-Bay-Konvention geschlossen werden. Denn läuft ein solches Risikoschiff den Hafen eines EG-Mitgliedstaates an, ist dieser Staat grundsätzlich verpflichtet, das Schiff geeigneten Inspektionen oder Überprüfungen zu unterziehen und die anderen Mitgliedstaaten über die Ergebnisse der getroffenen Maßnahmen zu unterrichten. Dadurch werden Verstöße gegen Schiffswegeführungen, Meldesysteme und VTS-Dienste durch Schiffe im Transit, die ein Küstenstaat regelmäßig weder de jure noch de facto ahnden kann, erstmalig effektiv verfolgbar. Neben den hier nicht interessierenden Ereignismeldungen behandelt die Richtlinie in ihrem Titel III systemfremd auch noch die Ausweisung von Notliegeplätzen und Maßnahmen des Hafenstaates bei schlechten Wetterbedingungen. Völker- oder europarechtliche Fragen werden dadurch nicht aufgeworfen. Art. 19 RL 2002/59/ EG verpflichtet die Mitgliedstaaten, Pläne für die Aufnahme von Schiffen in Seenot zu erstellen, die der Kommission zur Verfügung zu stellen sind, und setzt damit auf regionaler Ebene um, was auf globaler IMO-Ebene nicht erreichbar war. Nach Art. 18 RL 2002/59/EG sollen die Hafenbehörden, wenn sie wegen außergewöhnlich schlechter See- oder Wetterbedingungen der Auffassung sind, dass ein erhebliches Verschmutzungsrisiko für die See- oder Küstengebiete der Gemeinschaft droht, den Kapitän grundsätzlich über die mit einem Auslaufen verbundenen Gefahren informieren. Die Bestimmung räumt den Mitgliedstaaten einen derart weiten Ermessensspielraum ein, dass er schlechterdings nicht überschreitbar ist und der Nutzen der Regelung damit insgesamt in Frage steht 1016. 1016 Vgl. den Wortlaut von Art. 18 (1) RL 2002/59/EG: „Sind die [...] Behörden wegen außergewöhnlich schlechter See- oder Wetterbedingungen der Auffassung, dass ein erhebliches Verschmutzungsrisiko für ihr See- oder Küstengebiet oder für das See- oder Küstengebiet anderer Staaten [...] besteht, (a) sollten sie, soweit möglich, den Kapitän eines Schiffes, das sich in dem betreffenden Hafengebiet befindet [...], umfassend über die See- und Wetterbedingungen sowie gegebenenfalls und soweit möglich über die Gefahren informieren, die sich daraus für sein Schiff [...] ergeben können; [...].“ Der Entwurf der Kommission sah hier noch ein Auslaufverbot bei Schlechtwetter vor. Wegen völkerrechtlicher Bedenken der Mitgliedstaaten konnte sich die Kommission damit aber nicht durchsetzen. Das Auslaufverbot wird nunmehr lediglich unter lit. (b) als ein Beispiel für sonstige geeignete Maßnahmen jeglicher Art der Mitgliedstaaten genannt. Im völkerrechtlichen Teil der Untersuchung wurde darauf hingewiesen,

C. Systematisierung und Bewertung der EG-Regelungstätigkeit

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Somit ergeben sich auch beim dritten, auf Drittlandschiffe im Transit ausgreifenden Steuerungsansatz der Gemeinschaft keine Hinweise auf eine Völkerrechtswidrigkeit des EG-Rechts. Vielmehr werden die bestehenden internationalen Regeln europarechtlich flankiert und können damit durch die Kommission auf ihre Einhaltung hin überprüft werden.

IV. Institutionelle Verankerung der Brüssler Schiffssicherheitsaktivitäten nach innen durch die EMSA sowie nach außen durch Koordinierung der Mitgliedstaaten im Rahmen der IMO Die Aktivitäten der Gemeinschaft in der Schiffssicherheit sowohl nach innen als auch nach außen institutionell zu verankern und dadurch ihre Wirkung zu steigern, ist der vierte Steuerungsansatz der Gemeinschaft. Nach außen geht es darum, europäische Schiffssicherheitsvorstellungen durch konzertierte Aktionen der Mitgliedstaaten über die IMO zu verwirklichen, nach innen diese mit Hilfe der technischen Unterstützung der EMSA in der erweiterten Union effektiv umzusetzen. Auf die völker- und europarechtlichen Schwierigkeiten, denen sich die Gemeinschaft bei der Koordinierung ihrer Mitgliedstaaten im Rahmen der Weltschifffahrtsorganisation durch technische Konventionen und IMO-Statut sowie das innergemeinschaftliche Organisationsrecht ausgesetzt sieht, wurde bereits hingewiesen. Hier entspricht das rechtliche Können der Gemeinschaft in keiner Weise ihrer tatsächlichen Stellung in der Seeschifffahrt als ein die Branchenpraxis bestimmender global player. Die jüngsten Erfolge beim Durchsetzen europäischer Sicherheitsstandards im Rahmen der IMO durch konzertierte Aktionen der Mitgliedstaaten zeigen wohl das Potential der Gemeinschaft in der Schiffssicherheit, können aber über ihre mangelnde Einbindung in die IMO nicht hinwegtäuschen. Zwar besteht seit 1994 das Prinzip der gemeinschaftlichen Koordinierung. Es ist aber nicht formalisiert und hinreichend rechtlich erzwingbar, so dass es immer wieder zu einem unkoordinierten Auftreten der Mitgliedstaaten in der Weltschifffahrtsorganisation kommt 1017. Die Situation wird dadurch verschärft, dass die Kommission in der IMO bloßen Beobachterstatus besitzt und daher de jure nicht direkt verhandeln oder sich im Namen ihrer Mitgliedstaaten äußern kann, auch wenn dies in den Unterausschüssen der Organisation de facto der Einfachheit halber anders gehandhabt wird. Dadurch verschenkt die Gemeinschaft viel politisches Gewicht, denn bei den Abstimmungen werden nur die Stimmen derjenigen Mitgliedstaaten gezählt, die sich tatsächlich an der Abstimmung beteiligen. dass ein Auslaufverbot bei extrem schlechten Wetterbedingungen grundsätzlich zulässig ist. Es ist daher zu bedauern, dass der ursprüngliche Regelungsvorschlag derart verwässert und nach internationalem Recht vorhandene Spielräume nicht genutzt wurden. 1017 Vgl. Ziff. 3.1.1 IMO-Beitrittsempfehlung, SEK(2002) 381 endg.

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Dritter Teil: Die Regelungstätigkeit der europäischen Gemeinschaft

Für das künftige Gewicht der EG in der IMO dürfte entscheidend sein, ob es der Gemeinschaft gelingt, intern ein Verfahren zu finden, dass ein koordiniertes Auftreten der Mitgliedstaaten in der Organisation sicherstellt. Konzertierte Aktionen der EG-Mitglieder in der Weltschifffahrtsorganisation dürfen nicht allein vom politischen good will abhängig sein, sondern müssen europarechtlich erzwungen werden können. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass sich die EG, zumal nach ihrer Erweiterung, von einem Motor zu einem Bremser in der Schiffssicherheit entwickelt. Spätestens bei der Regelung des Transitverkehrs vor Europas Küsten sind die Mitgliedstaaten aber in der IMO aufeinander angewiesen. Der von der Kommission angestrebte, aber zur Zeit im Ministerrat blockierte und ohnedies frühestens in 10 Jahren zu verwirklichende Beitritt der EG zur IMO würde die Gemeinschaft stärker in die Organisation einbinden. Ängste vor europäischen Alleingängen in der Schiffssicherheit ließen sich so eher zerstreuen. Die EG könnte sich fortan, soweit europarechtlich erlaubt, an der Ausarbeitung und Annahme von IMO-Resolutionen beteiligen und fühlte sich dadurch vielleicht künftig mehr als bisher dem IMO-Regime verbunden. In den Sitzungen der erweiterten IMO-Ausschüsse bliebe sie freilich als Nichtvertragspartei der technischen Konventionen auch weiterhin ohne Stimmrecht und könnte an deren Änderungen im tacit-Verfahren nicht mitwirken. Ist die künftige Rolle der EG in der IMO damit nach wie vor ungewiss, wurde die Schiffssicherheit innergemeinschaftlich mit der Errichtung der EMSA durch VO (EG) Nr. 1406/2002 deutlich aufgewertet. Aufgabe der Agentur ist, zur ordnungsgemäßen und einheitlichen Anwendung des auf internationalen Standards beruhenden europäischen Schiffssicherheitsrechts in der Gemeinschaft beizutragen und dadurch Wettbewerbsverzerrungen zu nivellieren. Die Agentur ist eine technische Einrichtung. Sie stellt Mitgliedstaaten und Kommission wissenschaftlich-technische Unterstützung und Fachwissen zur Verfügung, damit diese die Sicherheitsvorschriften der Gemeinschaft ordnungsgemäß anwenden, die Anwendung überwachen und die Wirksamkeit der existierenden Maßnahmen beurteilen können, vgl. Art. 1 VO (EG) Nr. 1406/2002. Im Einzelnen hat die EMSA nach Art.2 VO (EG) Nr. 1406/2002 folgende Aufgaben: – Unterstützung der Kommission – bei Vorarbeiten für die Aktualisierung und Weiterentwicklung gemeinschaftlicher Schiffssicherheitsvorschriften, – bei der Überprüfung des gemeinschaftlichen PSC-Systems, unter anderem durch Kontrollbesuche in den Mitgliedstaaten, – bei der Durchführung der Aufgaben, die ihr durch Gemeinschaftsvorschriften für die Seeverkehrssicherheit übertragen wurden, insbesondere bei der Überwachung der Klassifikationsgesellschaften und der Bewertung der Einhaltung der Vorschriften des STCW-Übereinkommens durch Drittstaaten und – in den technischen Gremien des Pariser MOU,

C. Systematisierung und Bewertung der EG-Regelungstätigkeit

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– Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten, – um Ausbildungsmaßnahmen zu organisieren, die in die Zuständigkeit des Hafenstaates und des Flaggenstaates fallen und – um technische Unterstützung bei der Anwendung von Gemeinschaftsstandards zu leisten (Erfüllungshilfe), – Unterstützung von Mitgliedstaaten und Kommission – bei der Durchführung der Melderichtlinie (Entwicklung und Betrieb der Informationssysteme, Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Anliegerstaaten in den von der Richtlinie erfassten Bereichen, z. B. beim Aufbau von AISEmpfangsstationen) und – durch Sammlung (auch mit Hilfe von EQUASIS), Auswertung und Zurverfügungstellung von Daten zur Sicherheit des Seeverkehrs sowie – Unterstützung der Bewerberländer durch technische Erfüllungshilfe bei der Umsetzung des gemeinschaftlichen Schiffssicherheitsrechts. Trotz dieses umfangreichen Aufgabenkatalogs bestehen keine europarechtlichen Bedenken gegen die Einrichtung der EMSA. Zwar ist die Agentur keine reine Evaluationsagentur, sondern verfügt im Rahmen von Art. 3 (Kontrollbesuche) VO (EG) Nr. 1406/2002 auch über gewisse operative („Eingriffs-“)Befugnisse gegenüber den Mitgliedstaaten. An der bestehenden Aufteilung der Aufgaben und Zuständigkeiten und damit der institutionellen Struktur der Gemeinschaft ändert sie jedoch nichts. Im Anschluss an jeden Kontrollbesuch erstellt die Agentur nach Art. 3 (3) VO (EG) Nr. 1406/2002 einen Bericht, den sie der Kommission und dem betroffenen Mitgliedstaat übermittelt. Die Entscheidung über die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens (Art. 226 EGV) trifft aber allein die Kommission. Ihre Stellung als Hüterin der Verträge (vgl. Art. 211 EGV) wird nicht angetastet. Ebenso entscheidet die Kommission auch künftig über die Anerkennung bzw. den Entzug der Anerkennung einer Klassifikationsgesellschaft oder der Zeugnisse eines Drittlandes, mag auch die Sachverhaltsermittlung selbst durch die EMSA durchgeführt worden sein. Festgehalten werden kann damit, dass mit der EMSA im Rahmen des bestehenden Rechtsdurchsetzungsmechanismus der Gemeinschaft eine machinery geschaffen wurde, die Befolgung und Wirksamkeit des auf internationalen Standards beruhenden EG-Schiffssicherheitsrechts beträchtlich erhöhen dürfte: Die EMSA ist eine Art zusätzliche Fachinstanz, die faktische Vollzugsprobleme besonders gut aufspüren und mit Mitteln der Erfüllungshilfe abhelfen kann. In wieweit die Agentur auf längere Sicht mehr und mehr Strukturen der Mitgliedstaaten ablösen wird (neue Aufgaben bei der Unfall- und Terrorismusbekämpfung sind bereits geplant 1018), bleibt abzuwarten. 1018 Siehe den Vorschlag der Kommission für eine VO des EP und des Rates zur Änderung der VO (EG) Nr. 1406/2002 zur Errichtung einer Europäischen Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs, KOM(2003) 440 endg.

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Dritter Teil: Die Regelungstätigkeit der europäischen Gemeinschaft

V. Einseitige Verschärfung internationaler CDEM-Standards durch Hafenanlaufbedingungen Ob die Verschärfung internationaler CDEM-Standards im Rahmen von Hafenanlaufbedingungen tatsächlich bereits ein Steuerungsansatz der Gemeinschaft in der Schiffssicherheit ist, lässt sich zur Zeit nicht sicher beurteilen. Die EG hat in der Vergangenheit häufiger mit unilateralen Schritten für den Fall gedroht, dass sich ihre Vorstellungen in der IMO nicht würden durchsetzen lassen. Tatsächlich einseitig im Rahmen von Anlaufanforderungen verschärft hat sie das IMO-Recht aber nur bei Schweröl und Doppelhülle, den Stabilitätsanforderungen für Ro-Ro-Fahrgastschiffe und der VDR-Nachrüstung. In all diesen Fällen liegt aber eine ausgesprochen moderate Ausübung einseitiger Hafenstaatsjurisdiktion vor: Die Anlaufanforderungen der RL 2003/25/EG (Ro-Ro-Fahrgastschiffe) sind im Einklang mit den Bestimmungen des Stockholmer Übereinkommens und Resolution 14 der SOLAS-Konferenz von 1995 1019, die gemeinschaftsrechtliche Pflicht zur VDR-Nachrüstung (RL 2002/ 59/EG, Schiffsmelderichtlinie) wird Schiffe, die einen Gemeinschaftshafen anlaufen, ab 2007 nur dann treffen, wenn die IMO vorher keinen entsprechenden Beschluss fassen sollte 1020 und das durch VO (EG) Nr. 417/2002 n. F. aufgestellte Transportverbot von Schweröl in Einhüllentankern sowie die Fristen für die beschleunigte Einführung der Doppelhülle werden durch das Verhandlungsgeschick der EG-Mitgliedstaaten während MEPC 50 ab 2005 auch international gelten. Festgestellt wurde, dass sowohl völker- als auch europarechtlich nichts gegen die einseitige Verschärfung von IMO-Standards im Rahmen von Hafenanlaufbedingungen spricht, wenn diese Bedingungen unterschiedslos auf Schiffe unter EG- und Drittflagge angewendet werden. Sollte freilich die Gemeinschaft dieses Instrument tatsächlich verstärkt für sich entdecken, wären die Konsequenzen für die IMO fatal. Denn das Prinzip der universellen Geltung von IMO-Standards würde ad absurdum geführt werden, wenn Schiffen, die diese Standards befolgen, dennoch der Zugang zu Häfen einer der wirtschaftlich bedeutendsten Regionen der Welt versperrt bliebe.

VI. Ergebnis Die Systematisierung und rechtliche Bewertung des EG-Schiffssicherheitsregelwerks hat keine Anhaltspunkte dafür geliefert, dass die Gemeinschaft die ihr in der Schiffssicherheit durch Völker- und Europarecht gezogenen Spielräume überschritte. Ein solches Handeln könnte in der europäischen Rechtsordnung auch vor dem EuGH gar keinen Bestand haben. Die Steuerungsansätze der Gemeinschaft sind vielmehr prinzipiell darauf gerichtet, die Befolgung des IMO-Rechts sicherzustel-

1019 Siehe insbesondere Art. 5 (1) Stockholm Agreement und Abs. (1) Resolution 14 der SOLAS-Konferenz von 1995, abgedruckt in: IMO Doc. SOLAS/CONF.3/46. 1020 Vgl. Art. 10 (1) S. 1 iVm Anhang II Abschnitt II Nr. 2 RL 2002/59/EG.

C. Systematisierung und Bewertung der EG-Regelungstätigkeit

369

len und dadurch seine Effektivität zu erhöhen. Schon um Wettbewerbsgleichheit zu garantieren, müssen dafür auch Schiffe unter Drittflagge weitgehend den europäischen Regeln unterstellt werden. Abzuwarten bleibt, ob die Gemeinschaft im Rahmen von Hafenanlaufanforderungen künftig stärker zu einseitigen Lösungen greifen wird. Die mit einem solchen Vorgehen verbundenen Wettbewerbsnachteile und die Bemühungen der Mitgliedstaaten, im Fall der Doppelhülle zu einer IMO-Lösung zu gelangen, lassen dies allerdings wenig wahrscheinlich erscheinen. Eine Verschärfung internationaler CDEM-Standards im Rahmen von Hafenanlaufbedingungen führt auch nicht zwangsläufig zu mehr Schiffssicherheit, denn Schiffe im Transit können auf eine solche Weise nicht in das europäische Regelwerk einbezogen werden. Die EG sollte daher auf dieses Instrument nur als ultima ratio zurückgreifen und im übrigen darauf hinarbeiten, ihren Einfluss in der IMO zu vergrößern. Denn die Breite, Dichte und mit der EMSA erzielte institutionelle Verankerung und strukturelle Verfestigung des EG-Schiffssicherheitsrechts sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch die Europäische Gemeinschaft im Bereich der Standardsetzung umfassend nur innerhalb des durch Montego-Bay-Konvention und IMO-Recht gezogenen Rahmens operieren kann. Bei der Rechtsdurchsetzung stehen ihr aber aufgrund ihrer supranationalen Verfasstheit 1021 einzigartige Möglichkeiten der Erfüllungskontrolle, Erfüllungshilfe und Erfüllungserzwingung zur Verfügung, die sie selbst von engagiert arbeitenden regionalen Organisationen wie der HELCOM grundlegend unterscheiden und als geradezu prädestiniert dafür erscheinen lassen, zu einem Motor für die Durchsetzung von IMO-Standards in Europa zu werden 1022.

1021 Dass die supranationale EG verfasst ist, wird gelegentlich bestritten, vgl. dazu Piris, Hat die Europäische Union eine Verfassung? Braucht sie eine?, EuR 35 (2000), S. 311 ff. und Hirsch, EG: Kein Staat, aber eine Verfassung?, NJW 53 (2000), S.46 ff. Siehe auch Huber, Europäisches und nationales Verfassungsrecht, VVDStRL 60 (2001), S. 194 ff. 1022 In diesem Sinne Graf Vitzthum, Schiffssicherheit: Die EG als potentieller Durchsetzungsdegen der IMO, ZaöRV 62 (2002), S. 163 ff.

24 Schult

Schlussbetrachtung

Konstitutionalisierung über Netzwerke Ziel der Arbeit war es, Grundlagen, Inhalte und Funktionsweise des komplexen völker- rechtlichen Schiffssicherheitsregimes zu erfassen, zu analysieren und mit Blick auf seine Wirksamkeit zu bewerten. Angesichts der Untätigkeit vieler Flaggenstaaten in der Schiffssicherheit wurde kompetenzbezogen gefragt, welche Möglichkeiten die Montego-Bay-Konvention IMO, Küsten-, Hafenstaaten und regionalen Organisationen eröffnet, zur Vermeidung von Tankerunfällen beizutragen und die Einhaltung der internationalen Vorschriften sicherzustellen. Abschließend geht es nun darum, die ermittelten Ergebnisse in Wert zu setzen, indem unter Zuhilfenahme völkerrechtlicher Ordnungsmodelle deduktiv gefragt wird, welche Akteure und Strukturen zur Erhöhung der Wirksamkeit des Regimes gestärkt werden müssen. Argumentiert wird, dass eine Ausrichtung der Schiffssicherheitsordnung am Netzwerkmodell mittelfristig die pragmatischste und daher realistischste Option zur schrittweisen Wirksamkeitssteigerung des Regimes ist, an deren Ende dann als Fernziel eine umfassend verrechtlichte, institutionell verfestigte und damit konstitutionalisierte („verfasste“) Schiffssicherheitsordnung stehen könnte.

A. Völkerrechtliche Ordnungsmodelle Das Völkerrecht besitzt bekanntlich keine einheitliche Ordnungsstruktur. Es ist in höchst unterschiedlichem Maße verrechtlicht. Prinzipien, die für eine Materie Geltung beanspruchen, haben für andere Materien keine oder noch keine Geltung 1023. Je nach Entwicklungsstand oder „Verfasstheit“ unterscheidet die Völkerrechtswissenschaft auf Kompetenzabgrenzung bedachte und Unterlassungspflichten statuierende klassische Koexistenzordnungen (law of coordination) wie das Diplomatenrecht mit seiner bilateralen Erfüllungsstruktur, auf die gemeinsame Lösung grenzüberschreitender Probleme zielende Kooperationsordnungen (law of cooperation), wie sie häufig im internationalen Umweltrecht anzutreffen sind, und schließlich konstitutionalisierte Ordnungen, die durch eine umfassende, wert- und prinzipiengebundene sowie institutionell abgesicherte Normierung der Rechte und Pflichten internationaler Akteure gekennzeichnet sind 1024. Die Übergänge zwischen diesen einzelnen Stadien sind fließend. Friedmann, The Changing Structure of International Law, S. 367 f. Vgl. statt vieler Friedmann, ibid, S. 60 ff., Graf Vitzthum, in: ders. (Hrsg.) Völkerrecht, S. 13 ff., Bleckmann, Grundprobleme und Methoden des Völkerrechts, S. 270 ff. und Nettes1023 1024

A. Völkerrechtliche Ordnungsmodelle

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Anders als beim Völkerrecht der Koexistenz und Kooperation geht es bei der Konstitutionalisierung aber nicht allein um Problemlösungen durch Kompetenzabgrenzung oder eine sektorale, interessengeleitete Zusammenarbeit, sondern um die Schaffung einer auf Dauer angelegten, institutionell abgesicherten Grundordnung auf der Basis eines bedeutsamen, rechtliche Leitprinzipien vorgebenden Vertrages („Verfassung“). Dieser Vertrag verfügt über die nötige machinery, um auf seiner Grundlage getroffene Entscheidungen durchzusetzen. Streitbeilegungsverfahren sichern häufig flankierend die Rechtsgeltung des Vertrages. Die mit dem Vertrag verbundenen Souveränitätsbeschränkungen stehen nicht immer im Synallagma, sondern werden teilweise auch ohne konkrete Gegenleistung hingenommen 1025. Neben diese klassischen Modelle zur Charakterisierung der unterschiedlichen Entwicklungsstadien völkerrechtlicher Systeme tritt neuerdings das Netzwerkmodell, das in der politikwissenschaftlichen Diskussion der global governance eine immer wichtigere Rolle spielt. Die Anhänger solcher Modelle orientieren sich am Vorbild des Internets. Für die Organisationsform ist kennzeichnend, dass häufig weder rechtliche Verbindlichkeit in den Grundlagen noch in den Beschlüssen gegeben ist, eine hohe Kommunikationsrate erreicht wird, die Foren offen sind, und der Ausfall einzelner Akteure nicht ins Gewicht fällt. Der inhaltliche Schwerpunkt liegt auf der pragmatischen Lösung technischer Probleme: Entscheidungsträger mit hohem fachlichen Sachverstand werden zusammengebracht, es bildet sich Vertrauen, Lösungen für Details sind im Konsensverfahren rasch und effektiv zu treffen. Obwohl die im Rahmen von Netzwerken gefassten Beschlüsse und Vereinbarungen bloßes soft law sind, erreichen sie häufig dennoch einen sehr hohen faktischen Verwirklichungsgrad, denn die Akteure entscheiden fachlich orientiert und denken nicht primär an das Souveränitätsinteresse. Deshalb kommt es in Netzwerken häufig zu informellen Einigungen auf einheitliche Regelungen, die faktisch stark in nationale Befugnisse eingreifen und als völkerrechtlich verbindliche Beschlüsse oft nicht durchsetzbar gewesen wären 1026. heim, Von der Verhandlungsdiplomatie zur internationalen Verfassungsordnung, in Classen u. a. (Hrsg.), „In einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen“ Liber amicorum Thomas Oppermann, S. 381–409. 1025 Frowein, Konstitutionalisierung des Völkerrechts, BDGVR 39 (2000), S. 427–447, und Simma/Paulus, The ‚International Community‘: Facing the Challenge of Globalization, EJIL 9 (1998), S. 266–277, und Hobe, Die Zukunft des Völkerrechts im Zeitalter der Globalisierung, AVR 37 (1999), S.253–282. Letztlich scheint in der Konstitutionalisierung das von Kant in seiner Schrift Zum Ewigen Frieden entworfene Ordnungsmodell einer internationalen Rechtsgemeinschaft auf, die von konstitutionellen Elementen gekennzeichnet ist. Dazu Höffe, Kant als Theoretiker der internationalen Rechtsgemeinschaft, in: Hüning/Tuschling (Hrsg.), Recht, Staat und Völkerrecht bei Emanuel Kant, S. 233–246 und Rawls, Das Recht der Völker, S. 9. 1026 Slaughter, Governing the Global Economy through Government Networks, in Byers (Hrsg.), The Role of Law in International Politics, S. 177–205, dieselbe, The Real New World Order, FA 76 (1997) No. 5, S. 183–197, Nuschler, Globalisierung und Global Governance, in Lutz (Hrsg.), Globalisierung und nationale Souveränität – Festschrift für Wilfried Röhrich, S. 301–317, Kohler-Koch, Ordnungsdenken in einer globalisierten Welt, in Lutz (Hrsg.), ibid., 24*

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Schlussbetrachtung: Konstitutionalisierung über Netzwerke

Unklar ist, ob das rechtsdogmatisch kaum durchdrungene Netzwerk-Modell tatsächlich als neuartiges Regelungskonzept aufzufassen ist, oder ob es sich nicht vielmehr um eine Unterform der Kooperationsordnung handelt. Dafür spricht, dass es in der Regel bei informellen Lösungen bleibt, die pragmatisch gedacht und nur mit geringfügigen Souveränitätseinbußen verbunden sind. Andrerseits ist die Organisationsform sehr viel offener und gleichzeitig engagierter, als es nach klassischem Völkervertragsrecht geschlossene Kooperationsvereinbarungen sind. Da sich solche Modelle zudem in der Praxis zunehmend als Ordnungsmodelle etablieren, ist es sachgerecht, sie als eigene Fallgruppe zu erfassen. Aufgrund ihrer Dezentralität und einfachen Organisationsform werden Netzwerke in der Politikwissenschaft unter dem Schlagwort governance without governments häufig als Gegenmodell zur Konstitutionalisierung begriffen 1027. Zutreffend daran ist, dass sich Netzwerk-modelle insbesondere dort finden, wo kooperative Modelle an ihre Grenzen stoßen, eine Konstitutionalisierung indes als nicht realistisch oder wünschenswert angesehen wird. Verkannt wird aber, dass gerade im Völkerrecht die Verrechtlichung vieler Bereiche zunächst über soft law verläuft und etliche Instrumente erst später, wenn sich ihre Tauglichkeit erwiesen hat, auf eine rechtliche Grundlage gestellt werden. Gerade die Konstitutionalisierung ist kein Zustand, sondern ein Prozess, der durchaus über Netzwerke verlaufen kann (Konstitutionalisierung über Netzwerke). Denn entscheidend dafür, dass es in einem späteren Stadium tatsächlich zu einer Konstitutionalisierung eines Regimes kommen kann, ist zunächst nicht so sehr die Rechtsnatur der beschlossenen Maßnahmen, sondern die zur Verfügung stehende machinery zu dessen institutioneller Absicherung. Damit erscheinen Netzwerke angesichts der Intensität der mit ihnen verbundenen Kooperation aber gerade als besonders geeignet, den Boden für eine spätere Konstitutionalisierung zu bereiten. Schließlich können Netzwerke auch schon deshalb keine Alternative, sondern lediglich Zwischenstadium auf dem Weg zur Konstitutionalisierung sein, weil sie als demokratisch nicht legitimierte Entscheidungsgremien für den Bereich der (supranationalen) Eingriffsverwaltung nicht taugen. Immer dann, wenn es zum Durchgriff auf das private Subjekt kommt, bedarf es einer konstitutionalisierten, diesen Durchgriff legitimierenden Grundordnung. Dagegen sind im unterschiedlichen Maße verrechtlichte Netzwerkstrukturen, bei denen es zu einer gegenseitigen Verstärkung der einzelnen Akteure kommt, immer dann besonders geeignet, die Wirksamkeit eines Regimes zu steigern und so den Weg für dessen künftige Konstitutionalisierung zu ebnen, wenn es lediglich darum geht, heterogene staatliche Akteure zur Beachtung konzentrierter Normen zu beweS. 189–225, und Regent, The Open Method of Coordination: A new Supranational Form of Governance?, ELJ 9 (2003), S. 190–214. 1027 Vgl. Slaughter, Agiencies on the loose? Holding government networks accountable, in: Bermann/Herdegen/Lindseth (Hrsg.), Transatlantic Regulatory Cooperation, S. 521–546.

B. Steigerung der Wirksamkeit des Schiffssicherheitsregimes

373

gen. Denn stärker verrechtlichte Strukturen und Mechanismen sind in solchen Fällen entweder überhaupt nicht oder nur beim kleinsten gemeinsamen Nenner durchsetzbar und laufen zudem Gefahr, als dirigistisch übersteuert angesehen und durch Nichtbefolgung unterminiert zu werden.

B. Eignung von Netzwerken zur Steigerung der Wirksamkeit des Schiffssicherheitsregimes Wurde damit das Netzwerkmodell oder besser das Modell einer Konstitutionalisierung über Netzwerke als zur Wirksamkeitssteigerung internationaler Regime grundsätzlich geeignet erkannt, ist zu untersuchen, ob es auch als Leitbild für eine Weiterentwicklung des internationalen Schiffssicherheitsregimes dienen kann. Künftige Vorschläge zur Verbesserung der Schiffssicherheit ließen sich dann im Wege der Deduktion entwickeln und müssten den Vorgaben dieses Ordnungsmodells genügen. Die Kohärenz und damit die Wirksamkeit der einzelnen Maßnahmen würde erhöht werden. Vorraussetzung ist freilich, dass es gelingt, die Akteure des Regimes IMO, Flaggen-, Küsten-, Hafenstaaten und regionale Organisationen auf ein solches Modell zu verpflichten. Das Leitbild bzw. Modell für eine künftige Schiffssicherheitsordnung zu entwerfen, ist Aufgabe der Rechtswissenschaft. Als zentrales Problem des völkerrechtlichen Schiffssicherheitsregimes wurde die in der Montego-Bay-Konvention angelegte Antinomie zwischen einer internationalisierten und institutionalisierten Normsetzung durch die IMO und einer Flaggen-, Küsten- und Hafenstaaten überlassenen dezentralen Normdurchsetzung identifiziert. Denn obwohl die Montego-Bay-Konvention hochgreifend als Verfassung der Meere (constitution for the oceans) bezeichnet wird, hat sie das internationale Seerecht mit Ausnahme des Meeresbodenregimes 1028 nicht konstitutionalisiert. Zwar errichtet das Übereinkommen eine auf Dauer angelegte, umfassende Wertordnung und erhebt einen universellen Geltungsanspruch, doch fehlt es für eine „Verfasstheit“ eben an einer umfassenden institutionellen Verfestigung und entsprechenden Rechtsdurchsetzungsmechanismen, mit denen die Einhaltung der Bestimmungen des Übereinkommens erzwungen werden könnte 1029. Die Staatenpraxis hat an dieser Grundausrichtung des SRÜ nichts geändert: Während die IMO im Bereich der Rechtsetzung ihre Definitionshoheit bei der Kreation 1028 Immerhin besitzt der Rat der Internationale Meeresbodenbehörde (Art.156 ff. SRÜ) die Kompetenz, Mitgliedstaaten und Unternehmen unmittelbar zu verpflichten, vgl. Art. 162 SRÜ. Wegen seiner dirigistischen und ideologischen Übersteuerung gehört Teil XI SRÜ freilich auch nach seiner Liberalisierung durch das Durchführungsabkommen zu den umstrittensten Regelungsmaterien des Seerechtsübereinkommens, vgl. Graf Vitzthum, Seerechtsglobalisierung, S. 414. 1029 Die Gerichtsbarkeit des ISGH ist nur im Fall von Meeresbodenstreitigkeiten (Art.287(2) SRÜ) und – bedingt – im Schiffsfreigabeverfahren (Art. 292 (1) SRÜ) zwingend und ausschließlich.

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Schlussbetrachtung: Konstitutionalisierung über Netzwerke

von Schiffssicherheitsstandards erfolgreich verteidigen und ihre Rolle als zentraler, universeller Normgeber ausbauen konnte, ja selbst die Normierung gänzlich neuer Agenden wie die Terrorismusbekämpfung mittlerweile der Organisation überantwortet und ihre Zustimmung selbst dort eingeholt wird, wo dies nach dem SRÜ nicht erforderlich ist und damit immer mehr zu einer Art obersten Konstitutionsprinzip allen schiffssicherheitsbezogenen Rechts wird, ist die Rechtsdurchsetzung Küsten-, Hafenstaaten und regionalen Organisationen überlassen geblieben. Darauf hingewiesen wurde freilich, dass Kommunikationsfreiheit und freier Handel zwar weltweit einheitliche Standards für die globale Aktivität Seeverkehr verlangen, die Durchsetzung dieser Standards aber durchaus im Rahmen regionaler Organisationen erfolgen kann. Die regionale Ebene ist für die Implementierung des globalen Rechts sogar besonders geeignet, weil sie bei gleicher ökologischer Betroffenheit und meist vergleichbarer wirtschaftlicher und politischer „Ausgangslage“ lokalen Besonderheiten und gemeinsamen geographischen Interessen Rechnung tragen kann. Zudem verfügt sie regelmäßig über die nötige machinery und Vollzugserfahrung, um den erforderlichen Umsetzungsdruck zu erzeugen und die Durchsetzungslücken der Montego-Bay-Konvention zu schließen. An Hand von Melderichtlinie, HELCOM und Kontrollmemoranda ist dies verdeutlicht worden. Eine zentralisierte Rechtdurchsetzung ist demgegenüber zumindest mittelfristig unrealistisch, weil sie eine mit operativen Befugnissen ausgestattete und Unsummen verschlingende Weltmeeresschutzpolizei voraussetzen würde. In einer heterogenen Staatengemeinschaft wäre sie überdies auch kein Garant für bessere Ergebnisse und mehr Wettbewerbsgleichheit, sondern liefe vielmehr Gefahr, entweder nur auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner zu operieren oder durch Nichtbefolgung unterminiert zu werden. Aufgrund der das völkerrechtliche Schiffssicherheitsregime kennzeichnenden Dezentralität der Normdurchsetzung ist das Netzwerkmodell folglich besonders geeignet, die vorherrschende Schiffssicherheitsordnung zu erfassen und realistische, weil an der Staatenpraxis orientierte Optionen für seine Wirksamkeitssteigerung zu bieten. Es kann damit der Weiterentwicklung des Regimes als Leitbild dienen.

C. Folgerungen Sind damit Netzwerke als das einschlägige Ordnungsmodell für die Schiffssicherheit identifiziert, lassen sich daraus die Parameter für die Gestaltung des völkerrechtlichen Schiffssicherheitsregimes ableiten. Eine am Netzwerkmodell orientierte Weiterentwicklung des Regimes muss folgenden drei Vorgaben Rechnung tragen: 1. Sie betrifft ausschließlich die Rechtsdurchsetzungsebene. Im Rahmen von Netzwerken können keine weltweit einheitlichen Sicherheitsstandards normiert werden. Auch funktioniert das herrschende Regime aufgrund der zentralen, dynamischen Rolle, die SRÜ und Staatenpraxis der IMO einräumen, im

C. Folgerungen

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Bereich der Rechtsetzung einwandfrei, so dass es bei der bestehenden Arbeitsteilung bleibt: Die Rechtsetzung erfolgt ausschließlich global, die Implementierung der globalen oder mit Zustimmung der IMO getroffenen regionalen Maßnahmen überwiegend regional. 2. Der IMO muss ein gewisser steuernder Einfluss auf das Netzwerk eingeräumt werden, sie muss also quasi zu seinem Knotenpunkt werden. Einer regionalisierter Normdurchsetzung stehen nur dann keine Effektivitätsbedenken entgegen, wenn die Organisation auch die Interpretationshoheit über ihre Standards gewinnt. Denn allein dadurch kann sie ihre Autorität als universeller Gesetzgeber langfristig behaupten und die unter Wettbewerbs- und Umweltgesichtspunkten erforderliche weltweit harmonisierte Durchsetzung ihres Rechts sicherstellen. 3. Die regionale Ebene muss untereinander über formelle und informelle Kooperationsstrukturen miteinander verbunden werden. Die Vernetzung verläuft also nicht nur vertikal, sondern auch horizontal, denn nur so kann es zu einer gegenseitigen Wirksamkeitssteigerung der regionalen Akteure kommen. Die Europäische Gemeinschaft kann zu einem Motor für die Durchsetzung von IMOStandards in Europa werden. Sie hat sich aber auch weiterhin auf die Durchsetzung des IMO-Rechts zu beschränken. Erste Ansätze für eine solche ebenen- und institutionenübergreifende Verflechtung sind bereits mit den PPSC der IMO, der White List und dem Audit Scheme vorhanden. Mit den PPSC nimmt die Organisation Einfluss auf die Art der Durchsetzung ihrer Standards und gleicht so die Durchsetzungsmechanismen der einzelnen Memoranden einander an. Die Entscheidung über die Aufnahme eines Staates in die White List hat unmittelbare Auswirkungen auf die Überprüfungstätigkeit der Kontrollvereinbarungen, weil vom White List-Status abhängig ist, ob es beim Grundsatz der gegenseitigen Zeugnisanerkennung bleibt. Die EG knüpft hieran sogar die gemeinschaftsweite Anerkennung von Zeugnissen aus Drittländern. Sollte das freiwillige Audit Scheme künftig ähnliche Auswirkungen auf die Kontrolltätigkeit der Memoranden haben, so wäre ein bedeutender Schritt in Richtung auf eine zentral gelenkte PSC getan. Aber auch ansonsten ist die Hafenstaatskontrolle ein gutes Beispiel für die Verzahnung von regionaler und IMO-Ebene: Die IMO nimmt an den Sitzungen der Memoranden teil und beteiligt sich mit ihrem Technical Cooperation Programme am Aufbau von PSC-Zusammenschlüssen, wird aber umgekehrt von den Sekretariaten der MOU auch mit Mängelberichten versorgt. Zudem findet bereist heute zwischen einigen dieser Vereinbarungen eine informelle Zusammenarbeit statt. Sie gilt es auszubauen, insbesondere durch den Austausch von Daten und Know-how sowie die gegenseitige Anerkennung von Inspektionsergebnissen. Die Europäische Gemeinschaft besitzt aufgrund ihres enormen wirtschaftlichen und politischen Gewichts sowie ihrer Supranationalität das Potential, zu einem Mo-

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Schlussbetrachtung: Konstitutionalisierung über Netzwerke

tor für die Durchsetzung von IMO-Standards in Europa zu werden 1030. Denn auf europäischer Ebene ist bereits vorhanden, was in der Schiffssicherheit international über Netzwerke erst langfristig geschaffen werden soll: Eine konstitutionalisierte Ordnung, der aufgrund ihrer institutionellen und strukturellen Verfestigung einzigartige Möglichkeiten der Erfüllungskontrolle, Erfüllungshilfe und Erfüllungserzwingung zur Verfügung stehen: Aufgrund von Art. 211 EGV ist die Kommission zentrales Überwachungsorgan für die mitgliedstaatliche Umsetzung und Anwendung europäischer Rechtsakte. Mit Vertragsverletzungsverfahren und Zwangsgeld (Art. 226, 228 (2) EGV) verfügt die Gemeinschaft zudem über Sanktionsmittel, mit denen die Einhaltung europäischen Schiffssicherheitsrechts gerichtlich erzwungen, aber entsprechende Anordnungen auch auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüft werden können 1031. Vor allem ist dem Europa-, anders als dem klassischen, Völkerrecht der Durchgriff auf das private Subjekt nicht verwehrt. Bedenkt man, dass in den Mitgliedsstaaten der Gemeinschaft und nicht in vielen der Billig-Flaggenländer die wirtschaftlichen Entscheidungsträger sitzen, ist ein solches supranationales Sanktionspotential von unschätzbarem Wert 1032. Denn erst der Druck von supranationaler Seite und das Inaussichtstellen von Sanktionen für den Fall des Nichtbefolgens erhöhen bei Mitgliedstaaten und privaten Akteuren die Motivation, konzertierte Standards auch einzuhalten 1033. So dürfte die Effektivität der PSC innergemeinschaftlich künftig dadurch erheblich gesteigert werden, dass EMSA-Beamte, die kein Interesse am Umschlag im Hafen haben, den nationalen Hafenbehörden genauer auf die Finger schauen werden. Neben ihrer überprüfenden Rolle bei der Konkretisierung, Verdichtung und Erzwingung internationaler Normen kann die Gemeinschaft mit der EMSA freilich auch partnerschaftliche Erfüllungshilfe leisten. Dies geschieht innergemeinschaftlich vor allen Dingen im Zusammenhang mit der PSC, außergemeinschaftlich durch allgemeine Unterstützung der Beitrittsländer bei der Implementierung des schiffssicherheitsbezogenen Gemeinschaftsrechts. 1030 Graf Vitzthum, Schiffssicherheit: Die EG als potentieller Durchsetzungsdegen der IMO, ZaöRV 62 (2002), S.163 ff., spricht gar von der EG als einem potentiellen Durchsetzungsdegen der IMO. 1031 So hat die Kommission kürzlich gegen Belgien, Finnland, Frankreich, Griechenland, Italien, die Niederlande, Österreich und das Vereinigte Königreich wegen unterbliebener Umsetzung der Melderichtlinie ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, vgl. Pressemitteilung der Kommission vom 15.12.2004, EU Doc. Press IP/04/1488. 1032 So bedeutet etwa der gemeinschaftsweite Entzug der Anerkennung durch die Kommission für eine Klassifikationsgesellschaft das faktische Aus. 1033 Freilich relativieren gewisse Faktoren die Effektivität der Gemeinschaft als regionaler Motor für die Durchsetzung des IMO-Rechts. So insistiert letztlich auch das Europarecht trotz EMSA auf der normativen Seite. Die Gemeinschaft besitzt keine Exekutive. Die Durchsetzung ist grundsätzlich Sache der Mitgliedstaaten mit höchst unterschiedlichen Verwaltungstraditionen und -strukturen (zivile, militärische Administrationen, Bundesstaaten mit kommunaler Selbstverwaltung). Hier kommt es bekanntlich zu Vollzugsdefiziten. Die Aufsicht der Kommission beschränkt sich schon aufgrund ihrer personellen Ausstattung im Wesentlichen auf die normative Ebene (Berichts- und Vorlagepflichten der Mitgliedstaaten). Immerhin wird es künftig durch die EMSA verstärkt zu Kontrollbesuchen kommen.

C. Folgerungen

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Gerade das Beispiel EMSA zeigt indes, worauf bei der Gemeinschaft mit ihrer relativ autonomen Rechtsordnung zu achten ist. Sie mag zu einem zentralen Knotenpunkt des internationalen Schiffssicherheitsnetzwerkes werden, darf es aber nicht durchschlagen. Der regionale Durchsetzungsmotor EG muss seinen regulativen Kraftstoff von der IMO bekommen. Deutlich wird dies bei der Verschärfung internationaler Standards im Rahmen regionaler Hafenanlaufbedingungen. Ein solches Vorgehen ist völkerrechtlich zulässig und wird sogar in Art. 211 (3) SRÜ durch die Montego-Bay-Konvention gutgeheißen. Dennoch zerstört es das globale Ordnungsmodell dort, wo es funktioniert: bei der Standardsetzung. Jeder Angriff auf die Rechtsetzungskompetenz der IMO bringt den auf der dritten Seerechtskonferenz mühsam errungenen Konsens, die Anforderungen der Schifffahrt hinsichtlich Schiffbau und Ausrüstung weltweit einheitlich zu regeln, ja die Jurisdiktionsordnung der Montego-Bay-Konvention mit ihrer fein austarierten Balance der Kompetenzen der Flaggen- und Küstenstaaten selbst in Gefahr. Denn obwohl das Seerechtsübereinkommen ein dynamisches Instrument ist, sind dynamische Veränderungen zum Schutz der Kommunikationsfreiheit doch an eine entscheidende Bedingung gekoppelt: ihre verfahrensmäßige Absicherung durch das Erfordernis einer IMO-Zustimmung. An diesem internationalen Segen fehlt es aber einseitigen Hafenanlaufbedingungen. Freilich, wenn in der Schiffssicherheit in letzter Zeit etwas geschehen ist, so war dies häufig das Verdienst der EG. Die Ankündigungen der Gemeinschaft, notfalls auch unilateral vorzugehen, haben die Annahme von IMO-Instrumenten eher beschleunigt denn gehemmt. Selbst das Vorgehen bei der Doppelhülle kann wegen der Bemühungen der Mitgliedstaaten um eine internationale Lösung als lässliche Sünde gewertet werden. Dennoch: Einseitige Hafenanlaufbedingungen müssen ultima ratio bleiben. Auf sie kann erst zurückgegriffen werden, wenn das Versagen der internationalen Ebene feststeht. Dies zu verhindern, sollte aber Aufgabe der EG sein. Zusammenfassend kann damit bekräftigt werden, dass eine Ausrichtung der Schiffssicherheitsordnung am Netzwerkmodell der beste Garant für mehr Schiffssicherheit ist. Am Ende einer solchen Vernetzung mag dann eine konstitutionalisierte Schiffssicherheitsordnung stehen, in der Rechtsetzung und -durchsetzung bei der IMO liegen. Verglichen mit dem ehrgeizigen, freilich auch übersteuerten Meeresbodenregime, ist eine Wirksamkeitssteigerung durch Netzwerke ein bescheidener Schritt auf dem Weg zu einer globalen Durchsetzungsgemeinschaft. Zur Ordnung und Bildung des Meeres trägt freilich auch er bei.

Anhang Leider ist das IMO-Recht schwer zugänglich. Dies gilt nicht nur für Codes, Regulations, Recommendations, Guidelines, etc und ihre zahlreichen Amendments, sondern auch für die IMO Conventions selbst. Letztere sind zwar im Bundesgesetzblatt II veröffentlicht worden, die eigentlich interessanten technischen Anlagen der IMO-Konventionen werden aber bis zu zweimal jährlich durch die IMO-Fachgremien überarbeitet. Die jeweiligen in MSC- oder MEPCResolutionen enthaltenen Änderungen treten dann im im tacit acceptance-Verfahren in Kraft. Die maritime Industrie ist in der Regel in den IMO-Gremien vertreten und wartet nicht erst die Bekanntmachung der MSC- oder MEPC-Resolutionen im Anlagendband des Bundesgesetzblatts II ab, die wegen der deutschen Übersetzung teilweise erst mit erheblicher Verzögerung erfolgt. Doch selbst wenn eine Änderung bekannt gemacht ist, muss die aktuelle Fassung des Wortlauts mühsam zusammengesucht werden, da die Änderung einbeziehende Neubekanntmachungen der Übereinkommen selten sind. Die IMO selbst veröffentlicht ihre Instrumente nicht im Internet, sondern verkauft sie teuer über ihr Sales Department. Die Erlöse daraus kommen dem ITCP der Organisation zugute und sind dessen Haupteinnahmequelle. Für eine aktuelle, und vor allen Dingen konsolidierte Fassung, sollte, wie in der Praxis absolut üblich, auf die konsolidierten IMO-Publikationen der Übereinkommen zurückgegriffen werden, die über besagtes Sales Department der Organisation bezogen werden können. Wer an IMO-Dokumenten und -Resolutionen interessiert ist, kommt um einen Besuch in der IMO-Bibliothek in London nicht herum. In der Abhandlung wurden daher, die jeweils behandelten Instrumente in den Fußnoten wörtlich zitiert. Im Folgenden werden zudem wegen ihrer Bedeutung für die Untersuchung Regeln V/10–V/12 SOLAS, Regel 10 COLREG, die General Provisions on Ships’ Routeing, Regeln I/13G und I/13H MARPOL sowie die PSSA Guidelines nochmals auszugsweise zusammengestellt.

A. Chapter V SOLAS Safety of Navigation Regeln V/10–V/12 SOLAS i.d.F. von IMO Resolution MSC.99(73), adopted on 05.12.2000, Adoption of Amendments to the International Convention for the Safety of Life at Sea, 1974, as Amended: Regulation 10 Ships’ routeing 1 Ships’ routeing systems contribute to safety of life at sea, safety and efficiency of navigation and/or protection of the marine environment. Ships’ routeing systems are recommended for use by, and may be made mandatory for, all ships, certain categories of ships or ships carrying certain cargoes, when adopted and implemented in accordance with the guidelines and criteria developed by the Organization.* 2 The Organization is recognized as the only international body for developing guidelines, criteria and regulations on an international level for ships’ routeing systems. Contracting Gov-

A. Chapter V SOLAS Safety of Navigation

379

ernments shall refer proposals for the adoption of ships’ routeing systems to the Organization. The Organization will collate and disseminate to Contracting Governments all relevant information with regard to any adopted ships’ routeing systems. 3 The initiation of action for establishing a ships’ routeing system is the responsibility of the Government or Governments concerned. In developing such systems for adoption by the Organization, the guidelines and criteria developed by the Organization* shall be taken into account. 4 Ships’ routeing systems should be submitted to the Organization for adoption. However, a Government or Governments implementing ships’ routeing systems not intended to be submitted to the Organization for adoption or which have not been adopted by the Organization are encouraged to take into account, wherever possible, the guidelines and criteria developed by the Organization.* 5 Where two or more Governments have a common interest in a particular area, they should formulate joint proposals for the delineation and use of a routeing system therein on the basis of an agreement between them. Upon receipt of such proposal and before proceeding with consideration of it for adoption, the Organization shall ensure details of the proposal are disseminated to the Governments which have a common interest in the area, including countries in the vicinity of the proposed ships’ routeing system. 6 Contracting Governments shall adhere to the measures adopted by the Organization concerning ships’ routeing. They shall promulgate all information necessary for the safe and effective use of adopted ships’ routeing systems. A Government or Governments concerned may monitor traffic in those systems. Contracting Governments shall do everything in their power to secure the appropriate use of ships’ routeing systems adopted by the Organization. 7 A ship shall use a mandatory ships’ routeing system adopted by the Organization as required for its category or cargo carried and in accordance with the relevant provisions in force unless there are compelling reasons not to use a particular ships’ routeing system. Any such reason shall be recorded in the ships’ log. 8 Mandatory ships’ routeing systems shall be reviewed by the Contracting Government or Governments concerned in accordance with the guidelines and criteria developed by the Organization.* 9 All adopted ships’ routeing systems and actions taken to enforce compliance with those systems shall be consistent with international law, including the relevant provisions of the 1982 United Nations Convention on the Law of the Sea. 10 Nothing in this regulation nor its associated guidelines and criteria shall prejudice the rights and duties of Governments under international law or the legal regimes of straits used for international navigation and archipelagic sea lanes. *

Refer to the General Provisions on Ships’ Routeing adopted by the Organization by resolution A.572(14)), as amended.

Regulation 11 Ship reporting systems* 1 Ship reporting systems contribute to safety of life at sea, safety and efficiency of navigation and/or protection of the marine environment. A ship reporting system, when adopted and implemented in accordance with the guidelines and criteria developed by the Organization** pur-

380

Anhang

suant to this regulation, shall be used by all ships, or certain categories of ships or ships carrying certain cargoes in accordance with the provisions of each system so adopted. 2 The Organization is recognized as the only international body for developing guidelines, criteria and regulations on an international level for ship reporting systems. Contracting Government shall refer proposals for the adoption of ship reporting systems to the Organization. The Organization will collate and disseminate to Contracting Governments all relevant information with regard to any adopted ship reporting system. 3 The initiation of action for establishing a ship reporting system is the responsibility of the Government or Governments concerned. In developing such systems provision of the guidelines and criteria developed by the Organization** shall be taken into account. 4 Ship reporting systems not submitted to the Organization for adoption do not necessarily need to comply with this regulation. However, Governments implementing such systems are encouraged to follow, wherever possible, the guidelines and criteria developed by the Organization**. Contracting Governments may submit such systems to the Organization for recognition. 5 Where two or more Governments have a common interest in a particular area, they should formulate proposals for a co-ordinated ship reporting system on the basis of agreement between them. Before proceeding with a proposal for adoption of a ship reporting system, the Organization shall disseminate details of the proposal to those Governments which have a common interest in the area covered by the proposed system. Where a co-ordinated ship reporting system is adopted and established, it shall have uniform procedures and operations. 6 After adoption of a ship reporting system in accordance with this regulation, the Government or Governments concerned shall take all measures necessary for the promulgation of any information needed for the efficient and effective use of the system. Any adopted ship reporting system shall have the capability of interaction and the ability to assist ships with information when necessary. Such systems shall be operated in accordance with the guidelines and criteria developed by the Organization** pursuant to this regulation. 7 The master of a ship shall comply with the requirements of adopted ship reporting systems and report to the appropriate authority all information required in accordance with the provisions of each such system. 8 All adopted ship reporting systems and actions taken to enforce compliance with those systems shall be consistent with international law, including the relevant provisions of the United Nations Convention on the Law of the Sea. 9 Nothing in this regulation or its associated guidelines and criteria shall prejudice the rights and duties of Governments under international law or the legal regimes of straits used for international navigation and archipelagic sea lanes. 10 The participation of ships in accordance with the provisions of adopted ship reporting systems shall be free of charge to the ships concerned. 11 The Organization shall ensure that adopted ship reporting systems are reviewed under the guidelines and criteria developed by the Organization. * This regulation does not address ship reporting systems established by Governments for search and rescue purposes which are covered by chapter 5 of the 1979 SAR Convention as amended. ** Refer to the guidelines and criteria adopted by the Maritime Safety Committee of the Organization by resolution MSC.43(64), as amended by resolution MSC.111(73). Refer also to the General principles for ship reporting systems and ship

B. Traffic Separation Schemes (Regel 10 COLREG)

381

reporting requirements, including guidelines for reporting incidents involving dangerous goods, harmful substances and/or marine pollutants, adopted by the Organization by resolution A.851(20).

Regulation 12 Vessel traffic services 1 Vessel traffic services (VTS) contribute to safety of life at sea, safety and efficiency of navigation and protection of the marine environment, adjacent shore areas, work sites and offshore installations from possible adverse effects of maritime traffic. 2 Contracting Governments undertake to arrange for the establishment of VTS where, in their opinion, the volume of traffic or the degree of risk justifies such services. 3 Contracting Governments planning and implementing VTS shall, wherever possible, follow the guidelines developed by the Organization*. The use of VTS may only be made mandatory in sea areas within the territorial seas of a coastal State. 4 Contracting Governments shall endeavour to secure the participation in, and compliance with, the provisions of vessel traffic services by ships entitled to fly their flag. 5 Nothing in this regulation or the guidelines adopted by the Organization shall prejudice the rights and duties of Governments under international law or the legal regimes of straits used for international navigation and archipelagic sea lanes. Refer to the guidelines and criteria adopted by the Maritime Safety Committee of the Organization by resolution MSC.43(64), as amended by resolution MSC.111(73). Refer also to the General principles for ship reporting systems and ship reporting requirements, including guidelines for reporting incidents involving dangerous goods, harmful substances and/or marine pollutants, adopted by the Organization by resolution A.851(20).

*

B. Traffic Separation Schemes (Regel 10 COLREG) Rule 10 of COLREG 1972, as amended: Rule 10 Traffic separation schemes (a) This rule applies to traffic separation schemes adopted by the Organization and does not relieve any vessel of her obligation under any other rule. (b) A vessel using a traffic separation scheme shall: (i) Proceed in the appropriate traffic lane in the general direction of traffic flow for that lane; (ii) so far as is practicable keep clear of a traffic separation line or separation zone; (iii) normally join or leave a traffic lane at the termination of the lane, but when joining or leaving from either side shall do so at as small an angle to the general direction of traffic flow as practicable. (c) A vessel, shall so far as practicable, avoid crossing traffic lanes but if obliged to do so shall cross on a heading as nearly as practicable at right angles to the general direction of traffic flow.

382

Anhang

(d) (i) A vessel shall not use an inshore traffic zone when she can safely use the appropriate traffic lane within the adjacent traffic separation scheme. However, vessels of less than 20 meters in length, sailing vessels and vessels engaged in fishing may use the inshore traffic zone. (ii) Notwithstanding subparagraph (d) (i), a vessel may use an inshore traffic zone when en route to or from a port, offshore installation or structure, pilot station or any other place situated within the inshore traffic zone, or to avoid immediate danger. (e) A vessel, other than a crossing vessel or a vessel joining or leaving a lane shall not normally enter a separation zone or cross a separation line except: (i) in cases of emergency to avoid immediate danger; (ii) to engage in fishing within a separation zone. (f) A vessel navigating in areas near the terminations of traffic separation schemes shall do so with particular caution. (g) A vessel shall so far as practicable avoid anchoring in a traffic separation scheme or in areas near its terminations. (h) A vessel not using a traffic separating scheme shall avoid it by as wide a margin as is practicable. (i) A vessel engaged in fishing shall not impede the passage of any vessel following a traffic lane. (j) A vessel of less than 20 meters in length or a sailing vessel shall not impede the safe passage of a power-driven vessel following a traffic lane. (k) A vessel restricted in her ability to maneuver when engaged in an operation for the maintenance of safety of navigation in a traffic separation scheme is exempted from complying with this Rule to the extent necessary to carry out the operation. (l) A vessel restricted in her ability to maneuver when engaged in an operation for the laying, servicing or picking up of a submarine cable, within a traffic separation scheme, is exempted from complying with this Rule to the extent necessary to carry out the operation.

C. General Provisions on Ships’ Routeing General Provisions on Ships’ Routeing adopted by the Organization by Resolution A.572(14), as amended (Part A, Auszug): Introduction The General Provisions on Ships’ Routeing are established pursuant to regulation V/8 [jetzt V/10] of the SOLAS Convention. 1 Objectives 1.1 The purpose of ships’ routeing is to improve the safety of navigation in converging areas and in areas where the density of traffic is great or where freedom of movement of shipping is inhibited by restricted sea-room, the existence d obstructions to navigation, limited depths or unfavourable meteorological conditions. Ships’ routeing may also be used for the purpose of

C. General Provisions on Ships’ Routeing

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preventing or reducing the risk of pollution or other damage to the marine environment caused by ships colliding or grounding in or near environmentally sensitive areas. 1.2 The precise objectives of any routeing system will depend upon the particular hazardous circumstances which it is intended to alleviate. but may include some or all of the following: .1 the separation of opposing streams of traffic so as to reduce the incidence of head-on encounters; .6 the organization of safe traffic flow in or around or at a safe distance from environmentally sensitive areas; 2 Definitions 2.1

The following terms are used in connection with matters related to ships’ routeing: .2 Mandatory routeing system A routeing system adopted by the Organization, in accordance with the requirements of regulation V/8 [jetzt V/10] of the International Convention for the Safety of Life at Sea 1974, for mandatory use by all ships. certain categories of ships or ships carrying certain cargoes. .13 Area to be avoided A routeing measure comprising an area within defined limits in which either navigation is particularly hazardous or it is exceptionally important to avoid casualties and which should be avoided by all ships, or certain classes of ship. 3 Procedures and Responsibilities

Procedures and functions of IMO 3.1 IMO is recognized as the only international body responsible for establishing and adopting measures on an international level concerning ships’ routeing systems for use by all ships, certain categories of ships or ships carrying certain cargoes. 3.4 IMO shall not adopt or amend any routeing system without the agreement of the interested coastal States, where that system may affect: .2 the environment, traffic pattern or established routeing, systems in the waters concerned; and 3.5 In deciding whether or not to adopt or amend a mandatory routeing system IM0 will, in addition to the provisions paragraphs 3.2, 3.3, as appropriate, and 3.4, consider whether: .1 proper and sufficient justification for the establishment of a mandatory routeing system has been provided by the sponsoring Government or Government; and .2 ports or harbours of littoral States would be adversely affected. 3.6 In deciding whether or not to adopt or amend a routeing system which is intended to protect the marine environment, IMO will consider whether: .1 the proposed routeing system can reasonably be expected to significantly prevent or reduce the risk of pollution or other damage to the marine environment of the area concerned: .2 given the overall size of the area to be protected or the aggregate number of environmentally sensitive areas established or identified in the geographical region con-

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Anhang cerned, the use of routeing systems – particularly areas to be avoided – could have the effect of unreasonably limiting, the sea area available for navigation; and .3 the proposed routeing system meets the requirements of these General Provisions

3.7 IMO will not adopt a proposed routeing system until it is satisfied that the proposed system will not impose unnecessary constraints on shipping and is completely in accordance with the requirements of regulation V/8, paragraph (j) [jetzt V/10 Abs.9] of the SOLAS Convention. In particular, an area to be avoided will not be adopted if it would impede the passage of ships through an international strait. Responsibilities of Governments and recommended and compulsory practices 3.11 A Government, or Governments jointly, proposing a new routeing system or an amendment to an adopted system, any part of which lies beyond its or their territorial sea, should consult IMO so that such system may be adopted or amended by IMO for international use. Such Government or Governments should furnish all relevant information, in particular with regard to: 3.14 Governments establishing routeing systems, no part of which lies beyond their territorial seas or in straits used for international navigation, are requested to design them in accordance with IMO guidelines and criteria for such schemes and submit them to IMO for adoption. 3.15 Where, for whatever reason, a Government decides not to submit a routeing system to IMO, it should, in promulgating the system to mariners, ensure that there are clear indications on charts and in nautical publications as to what rules apply to the system. 3.16 Governments establishing routeing systems, other than traffic separation schemes, no parts of which lie beyond their territorial seas, are recommended to follow the same procedure as that set out in paragraphs 3.14 and 3.15 above. 3.17 A routeing system, when adopted by IMO, shall not be amended or suspended before consultation with and agreement by IMO unless local conditions or the urgency of the case, as described in paragraph 3.19, require that earlier action be taken. In considering the proposal, IMO shall take account of the objectives, procedures, responsibilities, methods and criteria for routeing systems as set out in these General Provisions. A mandatory routeing system, when adopted by IMO, shall not be temporarily amended or suspended except in urgent cases as described in paragraph 3.19. 5 Planing 5.2 When planning, establishing, reviewing or adjusting a routeing system, the following factors shall be among those taken into account by a government: .8 environmental factors, including prevailing weather conditions, tidal streams and currents and the possibility of ice concentrations; and 6 Design Criteria Traffic separation schemes 6.9 The extent of a traffic separation scheme should be limited to what is essential in the interest of safe navigation.

D. Regeln I/13G und I/13H MARPOL

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Mandatory routeing systems 6.17 The extent of a mandatory routeing system should be limited to what is essential in the interest of safe navigation and the protection of the marine environment.

D. Regeln I/13G und I/13H MARPOL Regeln I/13G und I/13H MARPOL i. d. F. von IMO Resolution MEPC.111(50), adopted on 04.12.2003, Amendments to the Annex of the Protocol of 1978 Relating to the International Convention for the Prevention of Pollution from Ships, 1973 (Amendments to regulation 13G and IOPP Certificate of Annex I and addition of new regulation 13H to Annex I of MARPOL 73/78): Regulation 13G Prevention of accidental oil pollution – Measures for existing oil tankers (1) Unless expressly provided otherwise this regulation shall: (a) apply to oil tankers of 5,000 tons deadweight and above, which are contracted, the keels of which are laid, or which are delivered before the dates specified in regulation 13F(1) of this Annex; and (b) not apply to oil tankers complying with regulation 13F of this Annex, which are contracted, the keels of which are laid, or are delivered before the dates specified in regulation 13F(1) of this Annex; and (c) not apply to oil tankers covered by subparagraph (a) above which comply with regulation 13F(3) (a) and (b) or 13F(4) or 13F(5) of this Annex, except that the requirement for minimum distances between the cargo tank boundaries and the ship side and bottom plating need not be met in all respects. In that event, the side protection distances shall not be less than those specified in the International Bulk Chemical Code for type 2 cargo tank location and the bottom protection distances at centreline shall comply with regulation 13E(4) (b) of this Annex. (2) For the purpose of this regulation: (a) „Heavy diesel oil“ means diesel oil other than those distillates of which more than 50 per cent by volume distils at a temperature not exceeding 340°C when tested by the method acceptable to the Organization*. (b) „Fuel oil“ means heavy distillates or residues from crude oil or blends of such materials intended for use as a fuel for the production of heat or power of a quality equivalent to the specification acceptable to the Organization**. (3) For the purpose of this regulation, oil tankers are divided into the following categories: (a) „Category 1 oil tanker“ means an oil tanker of 20,000 tons deadweight and above carrying crude oil, fuel oil, heavy diesel oil or lubricating oil as cargo, and of 30,000 tons deadweight and above carrying oil other than the above, which does not comply with the requirements for new oil tankers as defined in regulation 1(26) of this Annex; (b) „Category 2 oil tanker“ means an oil tanker of 20,000 tons deadweight and above carrying crude oil, fuel oil, heavy diesel oil or lubricating oil as cargo, and of 30,000 tons deadweight and above carrying oil other than the above, which 1 Refer to the American Society for Testing and Material’s Standard Test Method (Designation 25 Schult

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Anhang D86). 2 Refer to the American Society for Testing and Material’s Specification for Number Four Fuel Oil (Designation D396) or heavier. MEPC 50/3 ANNEX 1 Page 4 I:\MEPC\50\3.DOC complies with the requirements for new oil tankers as defined in regulation 1(26) of this Annex; and (c) „Category 3 oil tanker“ means an oil tanker of 5,000 tons deadweight and above but less than that specified in subparagraph (a) or (b) of this paragraph.

(4) An oil tanker to which this regulation applies shall comply with the requirements of regulation 13F of this Annex not later than 5 April 2005 or the anniversary of the date of delivery of the ship on the date or in the year specified in the following table: Category of oil tanker Category 1

Date or year 5 April 2005 for ships delivered on 5 April 1982 or earlier 2005 for ships delivered after 5 April 1982

Category 2 and 5 April 2005 for ships delivered on 5 April 1977 or earlier Category 3 2005 for ships delivered after 5 April 1977 but before 1 January 1978 2006 for ships delivered in 1978 and 1979 2007 for ships delivered in 1980 and 1981 2008 for ships delivered in 1982 2009 for ships delivered in 1983 2010 for ships delivered in 1984 or later (5) Notwithstanding the provisions of paragraph (4) of this regulation, in the case of a Category 2 or 3 oil tanker fitted with only double bottoms or double sides not used for the carriage of oil and extending to the entire cargo tank length or double hull spaces which are not used for the carriage of oil and extend to the entire cargo tank length, but does not fulfill conditions for being exempted from the provisions of paragraph (1) (c) of this regulation, the Administration may allow continued operation of such a ship beyond the date specified in paragraph (4) of this regulation, provided that: (a) the ship was in service on 1 July 2001; (b) the Administration is satisfied by verification of the official records that the ship complied with the conditions specified above; (c) the conditions of the ship specified above remain unchanged; and (d) such continued operation does not go beyond the date on which the ship reaches 25 years after the date of its delivery. (6) A Category 2 or 3 oil tanker of 15 years and over after the date of its delivery shall comply with the Condition Assessment Scheme adopted by the Marine Environment Protection Committee by resolution MEPC.94 (46), as may be amended, provided that such amendments shall be adopted, brought into force and take effect in accordance with the provisions of article 16 of the present Convention relating to amendment procedures applicable to an appendix to an Annex. (7) The Administration may allow continued operation of a Category 2 or 3 oil tanker beyond the date specified in paragraph (4) of this regulation, if satisfactory results of the Condition

D. Regeln I/13G und I/13H MARPOL

387

Assessment Scheme warrant that, in the opinion of the Administration, the ship is fit to continue such operation, provided that the operation shall not go beyond the anniversary of the date of delivery of the ship in 2015 or the date on which the ship reaches 25 years after the date of its delivery, whichever is the earlier date. (8) (a) The Administration of a Party to the present Convention which allows the application of paragraph (5) of this regulation, or allows, suspends, withdraws or declines the application of paragraph (7) of this regulation, to a ship entitled to fly its flag shall forthwith communicate to the Organization for circulation to the Parties to the present Convention particulars thereof, for their information and appropriate action, if any. (b) A Party to the present Convention shall be entitled to deny entry into the ports or offshore terminals under its jurisdiction of oil tankers operating in accordance with the provisions of: (i) paragraph (5) of this regulation beyond the anniversary of the date of delivery of the ship in 2015; or (ii) paragraph (7) of this regulation. In such cases, that Party shall communicate to the Organization for circulation to the Parties to the present Convention particulars thereof for their information. Refer to the American Society for Testing and Material’s Standard Test Method (Designation D86). Refer to the American Society for Testing and Material’s Specification for Number Four Fuel Oil (Designation D396) or heavier. *

**

Regulation 13H Prevention of oil pollution from oil tankers carrying heavy grade oil as cargo (1) This regulation shall: (a) apply to oil tankers of 600 tons deadweight and above carrying heavy grade oil as cargo regardless of the date of delivery; and (b) not apply to oil tankers covered by subparagraph (a) above which comply with regulation 13F(3) (a) and (b) or 13F(4) or 13F(5) of this Annex, except that the requirement for minimum distances between the cargo tank boundaries and the ship side and bottom plating need not be met in all respects. In that event, the side protection distances shall not be less than those specified in the International Bulk Chemical Code for type 2 cargo tank location and the bottom protection distances at centreline shall comply with regulation 13E(4) (b) of this Annex. (2) For the purpose of this regulation „heavy grade oil“ means any of the following: (a) crude oils having a density at 15°C higher than 900 kg/m3; (b) fuel oils having either a density at 15°C higher than 900 kg/m3 or a kinematic viscosity at 50°C higher than 180 mm 2/s; (c) bitumen, tar and their emulsions. (3) An oil tanker to which this regulation applies shall comply with the provisions of paragraphs (4) to (8) of this regulation in addition to complying with the applicable provisions of regulation 13G. 25*

388

Anhang

(4) Subject to the provisions of paragraphs (5), (6) and (7) of this regulation, an oil tanker to which this regulation applies shall: (a) if 5,000 tons deadweight and above, comply with the requirements of regulation 13F of this Annex not later than 5 April 2005; or (b) if 600 tons deadweight and above but less than 5,000 tons deadweight, be fitted with both double bottom tanks or spaces complying with the provisions of regulation 13F(7) (a) of this Annex, and wing tanks or spaces arranged in accordance with regulation 13F(3) (a) and complying with the requirement for distance w as referred to in regulation 13F(7) (b), not later than the anniversary of the date of delivery of the ship in the year 2008. (5) In the case of an oil tanker of 5,000 tons deadweight and above, carrying heavy grade oil as cargo fitted with only double bottoms or double sides not used for the carriage of oil and extending to the entire cargo tank length or double hull spaces which are not used for the carriage of oil and extend to the entire cargo tank length, but does not fulfil conditions for being exempted from the provisions of paragraph (1) (b) of this regulation, the Administration may allow continued operation of such a ship beyond the date specified in paragraph (4) of this regulation, provided that: (a) the ship was in service on 4 December 2003; (b) the Administration is satisfied by verification of the official records that the ship complied with the conditions specified above; (c) the conditions of the ship specified above remain unchanged; and (d) such continued operation does not go beyond the date on which the ship reaches 25 years after the date of its delivery. (6) (a) The Administration may allow continued operation of an oil tanker of 5,000 tons deadweight and above, carrying crude oil having a density at 15°C higher than 900 kg/m3 but lower than 945 kg/m3, beyond the date specified in paragraph (4) (a) of this regulation, if satisfactory results of the Condition Assessment Scheme referred to in regulation 13G(6) warrant that, in the opinion of the Administration, the ship is fit to continue such operation, having regard to the size, age, operational area and structural conditions of the ship and provided that the operation shall not go beyond the date on which the ship reaches 25 years after the date of its delivery. (b) The Administration may allow continued operation of an oil tanker of 600 tons deadweight and above but less than 5,000 tons deadweight, carrying heavy grade oil as cargo, beyond the date specified in paragraph (4) (b) of this regulation, if, in the opinion of the Administration, the ship is fit to continue such operation, having regard to the size, age, operational area and structural conditions of the ship, provided that the operation shall not go beyond the date on which the ship reaches 25 years after the date of its delivery. (7) The Administration of a Party to the present Convention may exempt an oil tanker of 600 tons deadweight and above carrying heavy grade oil as cargo from the provisions of this regulation if the oil tanker: (a) either is engaged in voyages exclusively within an area under its jurisdiction, or operates as a floating storage unit of heavy grade oil located within an area under its jurisdiction; or

E. PSSA Guidelines

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(b) either is engaged in voyages exclusively within an area under the jurisdiction of another Party, or operates as a floating storage unit of heavy grade oil located within an area under the jurisdiction of another Party, provided that the Party within whose jurisdiction the oil tanker will be operating agrees to the operation of the oil tanker within an area under its jurisdiction. (8) (a) The Administration of a Party to the present Convention which allows, suspends, withdraws or declines the application of paragraphs (5), (6) or (7) of this regulation to a ship entitled to fly its flag shall forthwith communicate to the Organization for circulation to the Parties to the present Convention particulars thereof, for their information and appropriate action, if any. (b) Subject to the provisions of international law, a Party to the present Convention shall be entitled to deny entry of oil tankers operating in accordance with the provisions of paragraph (5) or (6) of this regulation into the ports or offshore terminals under its jurisdiction, or deny ship-to-ship transfer of heavy grade oil in areas under its jurisdiction, except when this is necessary for the purpose of securing the safety of a ship or saving life at sea. In such cases, that Party shall communicate to the Organization for circulation to the Parties to the present Convention particulars thereof for their information.

E. PSSA Guidelines IMO Resolution A.927(22), adopted on 29.11.2001, Guidelines for the Designation of Special Areas under MARPOL 73/78 and Guidelines for the Identification and Designation of Particularly Sensitive Sea Areas, Annex 2 (ohne Appendix): Guidelines for the Identification and Designation of Particularly Sensitive Sea Areas 1 Introduction 1.1 The Marine Environment Protection Committee (MEPC) of the International Maritime Organization (IMO) began its study of the question of Particularly Sensitive Sea Areas (PSSAs) in response to a resolution of the International Conference on Tanker Safety and Pollution Prevention of 1978. The discussions of this concept from 1986 to 1991 culminated in the adoption of Guidelines for the Designation of Special Areas and the Identification of Particularly Sensitive Sea Areas by Assembly resolution A.720(17) in 1991. The procedures contained in this document were further elaborated upon by Assembly resolution A.885(21), adopted in 1999. In a continuing effort to provide a clearer understanding of the concepts set forth in the Guidelines, the MEPC decided to separate the issues of the designation of Special Areas and the identification of Particularly Sensitive Sea Areas into two documents. This document sets forth the Guidelines for the Identification and Designation of PSSAs. 1.2 A PSSA is an area that needs special protection through action by IMO because of its significance for recognized ecological, socio-economic, or scientific reasons and because it may be vulnerable to damage by international shipping activities. In order for the area to be identified as a PSSA, it must meet one of the criteria listed below in section 4. As of 2001, two particularly sensitive sea areas have been designated by IMO: the Great Barrier Reef (MEPC.44(30)) and the Archipelago of Sabana-Camaguey (MEPC.74(40)). Details of designated areas are provided in the Appendix.

390

Anhang

1.3 Many international and regional instruments encourage the protection of areas important for the conservation of biological diversity as well as other areas with high ecological, cultural, historical/archaeological, socio-economic or scientific significance. They further call on their Parties to protect such areas from activities, including shipping operations, that may undermine their values. 1.4 The purpose of these Guidelines is to: (a) provide guidance to IMO Member Governments in the formulation and submission of applications for designation of PSSAs; (b) ensure that in that process all interests – those of the coastal State, flag State, and the environmental and shipping communities – are thoroughly considered on the basis of relevant scientific, technical, economic, and environmental information regarding the area at risk of damage from international shipping activities and the protective measures to minimize that risk; and (c) provide for the assessment of such applications by the IMO. 1.5 Identification of any PSSA and the adoption of associated protective measures requires consideration of three integral components: the particular environmental conditions of the area to be identified, the vulnerability of such area to damage by international maritime activities, and the availability of associated protective measures within the competence of IMO to address risks from these shipping activities. 2 International Shipping Activities and the Marine Environment 2.1 Shipping activity can constitute an environmental hazard to the marine environment in general and consequently even more so to environmentally and/or ecologically sensitive areas. Environmental hazards associated with shipping include: (a) operational discharges; (b) accidental or intentional pollution; and (c) physical damage to marine habitats or organisms. 2.2 In the course of routine operations and accidents, ships may release a wide variety of substances either directly into the marine environment or indirectly through the atmosphere. Such pollutants include oil and oily mixture, noxious liquid substances, sewage, garbage, noxious solid substances, anti-fouling paints, foreign organisms and even noise. Many of these substances can adversely affect the marine environment and the living resources of the sea. Pollutants may also damage the environment as a consequence of shipping accidents. In addition, ships may cause harm to marine organisms and their habitats through physical impact. Habitats may be smothered through grounding and ships have been known to strike large marine mammals such as whales. 3 Process for the Designation of Particularly Sensitive Sea Areas 3.1 The IMO is the only international body responsible for designating areas as Particularly Sensitive Sea Areas and adopting associated protective measures. An application to IMO for designation of a PSSA and the adoption of associated protective measures, or an amendment thereto, may be submitted only by a proposing Member Government. Where two or more Gov-

E. PSSA Guidelines

391

ernments have a common interest in a particular area, they should formulate a co-ordinated proposal. The proposal should contain integrated measures and procedures for co-operation between the jurisdictions of the proposing Member Governments. 3.2 Member Governments wishing to have the IMO designate a PSSA should submit an application to the MEPC based on the criteria outlined in section 4 and proposed associated protective measures as outlined in section 6. Applications should be submitted in accordance with the procedures set forth in section 7 and the rules adopted by the IMO for submission of papers. 4 Ecological, Socio-Economic, or Scientific Criteria for the Identification of a Particularly Sensitive Sea Area 4.1 The following criteria apply to the identification of PSSAs only with respect to the adoption of measures to protect such areas against damage from international shipping activities. 4.2 These criteria do not, therefore, apply to the identification of such areas for the purpose of establishing whether they should be protected from dumping activities, since that is implicitly covered by the London Convention 1972 (the Convention on the Prevention of Marine Pollution by Dumping of Wastes and Other Matter, 1972) and the 1996 Protocol to that Convention. 4.3 The criteria relate to PSSAs within and beyond the limits of the territorial sea. They can be used by IMO to designate PSSAs beyond the territorial sea with a view to the adoption of international protective measures regarding pollution and other damage caused by ships. They may also be used by national administrations to identify Particularly Sensitive Sea Areas within their territorial seas. 4.4 In order to be identified as a PSSA, the area should meet at least one of the criteria listed below and should be at risk from international shipping activities, taking into consideration the factors listed in section 5. Ecological criteria 4.4.1

Uniqueness or rarity – An ecosystem can be unique or rare. An area or ecosystem is unique if it is „the only one of its kind“. Habitats of rare, threatened, or endangered species that occur only in one area are an example. An area or ecosystem is rare if it only occurs in a few locations or has been seriously depleted across its range. An ecosystem may extend beyond country borders, assuming regional or international significance. Nurseries or certain feeding areas may also be rare or unique.

4.4.2

Critical habitat – A sea area may be a critical habitat for fish stocks or rare or endangered marine species, or an area of critical importance for the support of large marine ecosystems.

4.4.3

Dependency – Ecological processes of such areas are highly dependent on biotically structured systems (e. g. coral reefs, kelp forests, mangrove forests, seagrass beds). Such biotically structured ecosystems often have high diversity, which is dependent on the structuring organisms. Dependency also embraces areas representing the migratory routes of marine fish, reptiles, birds and mammals.

4.4.4

Representativeness – These areas have highly representative ecological processes, or community or habitat types or other natural characteristics. Representativeness is the degree to which an area represents a habitat type, ecological process, biological community, physiographic feature or other natural characteristic.

392

Anhang

4.4.5

Diversity – These areas have a high variety of species or genetic diversity or include highly varied ecosystems, habitats, and communities. However, this criterion may not apply to some simplified ecosystems, such as pioneer or climax communities, or areas subject to disruptive forces, such as shores exposed to high-energy wave action.

4.4.6

Productivity – The area has a high natural biological productivity. Production is the net result of biological and physical processes which result in an increase in biomass in areas of high natural productivity such as oceanic fronts, upwelling areas and some gyres.

4.4.7

Spawning or breeding grounds – The area may be a critical spawning or breeding ground or nursery area for marine species which may spend the rest of their life-cycle elsewhere, or may be a migratory route for sea birds or marine mammals.

4.4.8

Naturalness – The area has a high degree of naturalness, as a result of the lack of humaninduced disturbance or degradation.

4.4.9

Integrity – The area is a biologically functional unit, an effective, self-sustaining ecological entity. The more ecologically self-contained the area is the more likely it is that its values can be effectively protected.

4.4.10 Vulnerability – The area is highly susceptible to degradation by natural events or the activities of people. Biotic communities associated with coastal habitats may have a low tolerance to changes in environmental conditions, or they may exist close to the limits of their tolerance (defined by water temperature, salinity, turbidity or depth). They may suffer such natural stresses as storms or prolonged emersion that determine the extent of their development. Additional stress (such as domestic or industrial pollution, excessive reduction in salinity, and increases in turbidity from watershed mismanagement) may determine whether there is total, partial, or no recovery from natural stress, or the area is totally destroyed. Certain oceanographic and meteorological factors could cause an area to be vulnerable or increase its vulnerability, for example by causing the concentration or retention of harmful substances in the waters or in the sediment of the area, or by otherwise exposing the area to harmful substances. These conditions include circulation patterns such as convergence zones, oceanic fronts and gyres, long residence times caused by low flushing rates, the occurrence of seasonal or permanent density stratification which can result in oxygen depletion in the bottom layer, as well as adverse ice states and wind conditions. An area already subject to environmental stresses owing to human activities or natural phenomena (e. g. natural oil seepage) may be in need of special protection from further stress, including stress arising from international shipping activities. 4.4.11 Bio-geographic importance – An area that either: contains rare biogeographic qualities or is representative of a biogeographic „type“ or types, or contains unique or unusual geological features. Social, cultural and economic criteria 4.4.12 Economic benefit – The area is of particular importance to utilization of living marine resources. 4.4.13 Recreation – The area has special significance for recreation and tourism. 4.4.14 Human dependency – The area is of particular importance for the support of traditional subsistence and/or cultural needs of the local human population.

E. PSSA Guidelines

393

Scientific and educational criteria 4.4.15 Research – The area has high scientific interest. 4.4.16 Baseline and monitoring studies – The area provides suitable baseline conditions with regard to biota or environmental characteristics. 4.4.17 Education – The area offers the opportunity to demonstrate particular natural phenomena. 4.5 In many cases a PSSA may be identified within a Special Area and vice versa. It should be noted that the criteria with respect to the identification of PSSAs and the criteria for the designation of Special Areas are not mutually exclusive. 5 Other Considerations for the Identification of a Particularly Sensitive Sea Area 5.1 In addition to meeting at least one of the criteria listed in 4.4, the area should be at risk from international shipping activities. This involves consideration of the following factors: Vessel traffic characteristics 5.1.1

Operational factors – Types of maritime activities (e. g. small fishing boats, small pleasure craft, oil and gas rigs) in the proposed area that may increase risk to the safety of navigation.

5.1.2

Vessel types – Types of vessels passing through or adjacent to the area (e.g. high-speed vessels, large tankers, or bulk carriers with small under-keel clearance).

5.1.3

Traffic characteristics – Volume or concentration of traffic, vessel interaction, distance offshore or other dangers to navigation, are such as to involve greater risk of collision or grounding. 5.1.4 Harmful substances carried – Type and quantity of substances on board, whether cargo, fuel or stores, that would be harmful if released into the sea.

Natural factors 5.1.5

Hydrographical – Water depth, bottom and coastline topography, lack of proximate safe anchorages and other factors which call for increased navigational caution.

5.1.6

Meteorological – Prevailing weather, wind strength and direction, atmospheric visibility and other factors which increase the risk of collision and grounding and also the risk of damage to the sea area from discharges.

5.1.7

Oceanographic – Tidal streams, ocean currents, ice, and other factors which increase the risk of collision and grounding and also the risk of damage to the sea area from discharges.

In proposing an area as a PSSA and in considering what associated protective measures should be taken, other information that might be helpful includes the following: – any evidence that international shipping activities are causing damage and whether damage is of a recurring or cumulative nature; – any history of groundings, collisions, or spills in the area and any consequences of such incidents; – any foreseeable circumstances or scenarios under which significant damage could occur; – stresses from other environmental sources; and – any measures already in effect and their actual or anticipated beneficial impact.

394

Anhang 6 Associated Protective Measures

6.1 In the context of these Guidelines, associated protective measures for PSSAs are limited to actions within the purview of IMO and include the following options: 6.1.1

designation of an area as a Special Area under Annexes I, II or V, or a SOx emission control area under Annex VI of MARPOL 73/78, or application of special discharge restrictions to vessels operating in a PSSA. Procedures and criteria for the designation of Special Areas are contained in the Guidelines for the Designation of Special Areas. Criteria and procedures for the designation of SOx emission control areas maybe found in Annex VI to MARPOL 73/78;

6.1.2

adoption of ships’ routeing and reporting systems near or in the area, under the International Convention for the Safety of Life at Sea (SOLAS) and in accordance with the General Provisions on Ships’ Routeing and the Guidelines and Criteria for Ship Reporting Systems. For example, a PSSA may be designated as an area to be avoided or it may be protected by other ships’ routeing or reporting systems;

6.1.3

development and adoption of other measures aimed at protecting specific sea areas against environmental damage from ships, such as compulsory pilotage schemes or vessel traffic management systems.

6.2 Consideration should also be given to the potential for the area to be listed on the World Heritage List, declared a Biosphere Reserve, or included on a list of areas of international, regional, or national importance, or if the area is already the subject of such international, regional, or national conservation action or agreements. 6.3 In some circumstances, a proposed PSSA may include within its boundaries a buffer zone, in other words, an area contiguous to the site-specific feature (core area) for which specific protection from shipping is sought. However, the need for such a buffer zone should be justified in terms of how it would contribute to the adequate protection of the core area. 7 Procedure for the Designation of Particularly Sensitive Sea Areas and the Adoption of Associated Protective Measures 7.1 If an application for PSSA designation is submitted which does not contain a proposal for an associated protective measure or measures, the proposing Member Government should submit the types of measures it is considering. A proposal for at least one associated protective measure shall be submitted within two years of the approval in principle of the PSSA. 7.2 Alternatively, if no associated protective measure is being proposed because IMO measures already exist to protect the area, then the application should show how the area is already being protected by such measures. 7.3 The application should first clearly set forth a summary of the objectives of the proposed PSSA designation, the location of the area, the need for protection and the proposal for associated protective measures. The summary should include the reasons why the proposed associated protective measures are the preferred method for providing protection for the area to be identified as a PSSA. 7.4 Each application should then consist of two parts.

E. PSSA Guidelines 7.4.1

395

Part I – Description, significance of the area and vulnerability .1 Description – a detailed description of the location of the proposed area, along with a chart on which the location of area is clearly marked, should be submitted with the application. .2 Significance of the area – the application should state the significance of the area on the basis of recognized ecological, socio-economic, or scientific reasons and should explicitly refer to the criteria listed above in section 4. .3 Vulnerability of the area to damage by international shipping activities – the application should provide an explanation of the nature and extent of risk that international shipping activities pose to the environment of the proposed area, noting the factors listed in Section 5. The application should explain the effects of the damage on the environmental characteristics of the proposed area and indicate any potential economic harm that may result from such damage.

7.4.2

Part II – Appropriate associated protective measures and IMO’s competence to adopt such measures .1 The application should propose the associated protective measures which are available through IMO and show how they provide the needed protection from the threats of damage posed by international maritime activities occurring in and around the area. (a) The application should identify the proposed measures which may include: (i) any measure that is already available in an existing instrument; or (ii) any measure that does not yet exist but that should be available as a generally applicable measure and that falls within the competence of IMO; or (iii) any measure proposed for adoption in the territorial sea* or pursuant to Article 211(6) of the United Nations Convention on the Law of the Sea. (b) These measures may include ships’ routeing measures; discharge restrictions; operational criteria; and prohibited activities, and should be specifically tailored to meet the need of the area at risk. .2 The application should clearly specify the category or categories of ships to which the proposed associated protective measures would apply, consistent with the provisions of the United Nations Convention on the Law of the Sea, including those related to vessels entitled to sovereign immunity .3 The application should include the steps that the proposing Member Government has taken or will take to pursue the adoption of a generally applicable measure or the recognition of the proposed measure by IMO. .4 The application should indicate the possible impact of any proposed measures on the safety and efficiency of navigation, taking into account the area of the ocean in which the proposed measures are to be implemented. The application should set forth such information as: (a) consistency with the General Provisions on Ships’ Routeing, as amended; (b) implications for vessel safety; and (c) impact on vessel operations.

396

Anhang

7.5 An application for PSSA designation should address all relevant considerations and criteria in these Guidelines, and should include relevant supporting information for each such item. 7.6 The application should contain a summary of steps taken, if any, by the proposing Member Government to date to protect the proposed area. 7.7 The proposing Member Government should also include in the application the details of action to be taken pursuant to domestic law for the failure of a ship to comply with the requirements of the associated protective measures. Any action taken should be consistent with international law as reflected in the United Nations Convention on the Law of the Sea. 8 Criteria for Assessment of Applications for Designation of Particularly Sensitive Sea Areas and the Adoption of Associated Protective Measures 8.1 IMO should consider each application, or amendment thereto, submitted to it by a proposing Member Government on a case-by-case basis to determine whether identification of the area as a PSSA and the adoption of associated protective measures are warranted. 8.2 In assessing each proposal, IMO should take into account the criteria which are to be included in each application as set forth above in section 4 of these Guidelines. In particular, IMO should consider: .1 the full range of protective measures available and determine whether the proposed associated protective measures are appropriate to address effectively the assessed risk of damage to the proposed area by identified international shipping activities; .2 whether such measures might result in increased potential for significant adverse effects by international shipping activities on the environment outside the proposed PSSA; and .3 whether the size of the area is commensurate with that necessary to address the identified need. 8.3 The procedure for considering a PSSA application by IMO is as follows: .1 the Marine Environment Protection Committee (MEPC) should bear primary responsibility within IMO for considering PSSA applications and all applications should first be submitted to the MEPC; .2 MEPC should initially review the application to determine whether it addresses the provisions of the Guidelines. If it does, the MEPC may approve in principle the PSSA, and should refer the application, with its associated protective measures, to the appropriate Sub-Committee or Committee (which could be the MEPC itself) that is responsible for addressing the particular associated protective measures proposed for the area. The Sub-Committee may seek the advice of the MEPC on issues pertinent to the application. The MEPC should make no final determination to designate the PSSA until after the associated protective measures are considered by the pertinent SubCommittee or Committee; .3 for measures that require approval by the Maritime Safety Committee (MSC), the SubCommittee should forward its recommendation for approval of the associated protective measures to the MSC or, if the Sub-Committee rejects the measures, it should inform the MSC and MEPC and provide a statement of reasons for its decision. The

E. PSSA Guidelines

397

MSC should consider any such recommendations and, if the measures are to be adopted, it should notify the MEPC of its decision; .4 if an application is submitted without proposed associated protective measures, except as noted in 7.2, the MEPC may approve in principle the identification of the area as a PSSA, pending submission of at least one proposed associated protective measure within two years of such approval and subsequent adoption of at least one associated protective measure; .5 if the application is rejected, the MEPC shall notify the proposing Member Government and provide a statement of reasons for its decision; and .6 after approval by the appropriate Sub-Committee or Committee of the associated protective measures, the MEPC may designate the area as a PSSA. 8.4 IMO should provide a forum for the review and re-evaluation of any associated protective measure adopted, as necessary, taking into account pertinent comments, reports, and observations of the measures. Member Governments which have ships operating in the area of the designated PSSA are encouraged to bring any concerns with the associated protective measures to IMO so that any necessary adjustments may be made. Member Governments that originally submitted the application for identification with the associated protective measures, should also bring any concerns and proposals for additional measures or modifications to any associated protective measure or the PSSA itself to IMO. 8.5 After the designation of a PSSA and its associated protective measures, IMO should ensure that the effective date of implementation is as soon as possible based on the rules of IMO and consistent with international law. 8.6 IMO should, in assessing applications for designation of PSSAs and their associated protective measures, take into account the technical and financial resources available to developing Member Governments and those with economies in transition. 9 Implementation of Designated PSSAs and the Associated Protective Measures 9.1 When a PSSA is finally designated, all associated protective measures should be identified on charts in accordance with the symbols and methods of the International Hydrographic Organization (IHO). Proposing Member Governments may also chart designated PSSAs in accordance with appropriate national symbols; however, if an international symbol is adopted by the IHO, proposing Member Governments should mark PSSAs in accordance with such symbol and other IHO recommended methods. 9.2 Proposing Member Governments should ensure that any associated protective measure is implemented in accordance with international law as reflected in the United Nations Convention on the Law of the Sea. 9.3 Member Governments should take all appropriate steps to ensure that ships flying their flag comply with the associated protective measures adopted to protect the designated PSSA. Those Member Governments which have received information of an alleged violation of an associated protective measure by a ship flying their flag should provide the Government which has reported the offence with the details of any appropriate action taken. * This provision does not derogate from the rights and duties of coastal States in the territorial sea as provided for in the United Nations Convention on the Law of the Sea.

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Sachverzeichnis Acquiescence 87, 92 AETR-Doktrin 298, 320, 347, 354 – siehe auch Prinzip der begrenzten Einzelzuständigkeiten AIRAS siehe Referenzbestimmungen AIS 59 f., 161, 197 f., 236, 267, 270, 278, 281, 361 f. Aktionspläne siehe UNEP Allgemeine Anerkennung siehe Referenzbestimmungen Ankern 112, 223, 275 ATBA siehe Schiffswegeführungen Audit Scheme, Voluntary IMO Member State siehe IMO Auslaufverbot bei Schlechtwetter 364 (Fn. 1016) Ausschließliche Wirtschaftszone 66, 69, 73, 87, 93f., 103, 109f., 118, 121, 124f., 129, 131–139, 142–145, 147–149, 151 f., 154, 159–163, 185f., 191, 194–196, 201, 205, 209–211, 213, 219, 223f., 230, 232, 236–238, 247–249, 268, 274, 285, 291f., 323 f., 362 Auswirkungsprinzip siehe Jurisdiktion Banning 244 f., 256 f., 360 Barcelona-Konvention 272–279 – Protokoll über die Verhütung der Verschmutzung durch Schiffe 277 f. – SPA und SPAMI 274–276 Basler Übereinkommen über den grenzüberschreitenden Transport gefährlicher Abfälle 117 f., 233 Berichtsverfahren siehe IMO Billigflaggen 52 blacklisting 244 f. BSPA siehe Helsinki-Konvention Capacity building 28, 172 f., 175 carrots and sticks 179

CAS 65, 309, 313, 324 Castor 225, 266 CDEM-Standards – als Verkehrssicherungsinstrument 61–64 – einseitige Verschärfung siehe EG certificate check 174, 242, 322, 343 Charterer 26, 48, 50, 55, 229, 233–235, 258, 262 class hopping 52 CLC siehe Haftungsrecht Code for the Implementation of Mandatory IMO Instruments 177 f., 180, 288 COLREG Comitologie-Verfahren 301, 307, 358 f. COPE-Fonds 303 COSS 306–308 creeping jurisdiction siehe Jurisdiktion Destination principle siehe Hafenstaatsjurisdiktion Doppelhülle 62 f., 65, 90, 108, 134, 138, 240, 303, 305, 309, 313, 331, 345, 368f., 377 Durchsetzungsbefugnisse siehe jeweils bei Flaggen-, Hafen- und Küstenstaaten ECDIS 60, 267, 270 EG – als Durchsetzungsmotor der IMO 377 – aus europarechtlicher Perspektive siehe Kompetenzgrundlagen der Gemeinschaft – aus völkerrechtlicher Perspektive 34, 294, 319–322 – Autonomie der Gemeinschaftsrechtsordnung 319 – Beitritt zur IMO 306, 321, 351–355, 366

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Sachverzeichnis

– Durchsetzung internationaler Standards gegenüber Drittlandsschiffen mittels PSC 356, 359–361 – Einseitige Verschärfung internationaler CDEM-Standards (Beschränkung der hafenstaatlichen Regelungsbefugnis durch IMO-Konventionen) 239 f., 245, 331–346, 356, 368 f., 377 – siehe auch Hafenstaatsjurisdiktion, Hafenanlaufbedingungen – Erika-Pakete 302–308 – Gemeinsame Politik im Bereich der Sicherheit der Meere 30, 298–302 – Grundsatz der Gemeinschaftstreue 333, 335, 352 f., 355 – Koordinierung der Mitgliedstaaten in der IMO 308, 356, 365–367 – Post Prestige 308–318 – Regelungsmöglichkeiten in der Schiffssicherheit – seewärtige Orientierung 34, 294–318 – Sicherstellung der konvergenten Umsetzung der IMO-Vorschriften in der Gemeinschaft 30, 299, 356–359 – Supranationalität 31, 375 – Überwachung und Kontrolle des Transitverkehrs 356, 361–365 – Vertragsverletzungsverfahren 353, 360, 376 – Völkerrechtssubjektivität 319 EGV – seewärtiger Geltungsbereich 323–325 – Völkerrechtsfreundlichkeit 333 Einheitlichkeit, weltweite – von Sicherheitsstandards 81, 87, 100, 102, 108, 164, 246, 248, 289, 341, 354 Einhüllen-Öltankschiffe, Ausmusterung nach MARPOL und EG-VO 312–315 Eisbedeckte Gebiete siehe Spezielle Verschmutzungsverhütungsgebiete EMSA 303, 308, 356, 358, 365–367, 369, 376 EQUASIS 302, 367 Erfüllungshilfe und Erfüllungskontrolle siehe IMO erga omnes-Geltung 91 f., 102, 118, 130, 135

Erika-Pakete siehe EG ESP 65 EuGH 35, 320–330, 332, 336, 339, 347–350, 354, 368 Flaggenstaatsjurisdiktion – Bindung der Regelungsbefugnisse an GAIRAS 69, 72–74, 100–103 – Durchsetzung 140 – primäre Zuständigkeit/Primat des Flaggenstaates 27, 31, 33, 67, 103, 154, 166 Friedliche Durchfahrt 28, 93, 104f., 111f., 114–117, 119–122, 124–127, 130, 150, 159–161, 194, 200, 223 f., 247, 269, 275 FSI siehe IMO FUND siehe Haftungsrecht fundamentally norm-creating character siehe Gewohnheitsrecht GAIRAS siehe Referenzbestimmungen GATS und GATT 106 Gefährliche Güter 138, 162, 193, 254 Gefälligkeitshäfen 53, 240 Gemischte Abkommen siehe Kompetenzgrundlagen der Gemeinschaft Genehmigungspflicht, vorhergehende 117 f., 190, 192 f., 236, 289 generally accepted siehe Referenzbestimmungen Gewohnheitsrecht 35 f., 78–82, 90 – siehe auch Referenzbestimmungen Globalisierte Normsetzung 288–292 Hafenstaatsjurisdiktion – Begriff 69 (Fn. 177), 109, 196, 238 – destination principle 107 (Fn. 310), 194 (Fn. 574), 196 (Fn. 582), 362 f. – Einseitige Verschärfung internationaler CDEM-Standards (Beschränkung der hafenstaatlichen Regelungsbefugnis durch IMO-Konventionen) siehe Hafenanlaufbedingungen/EG – Hafenanlaufbedingungen 107 f., 196, 218, 239 f., 245, 247, 270, 309, 322, 339–346, 354, 356, 368 f., 377 – Recht auf Hafenzugang/Einlaufen in die inneren Gewässer 105–107 siehe auch Notliegeplätze

Sachverzeichnis Hafenstaatskontrolle 29, 64 f., 155–158, 171, 175, 178 f., 240–244, 251–262, 267 f., 292, 375 – Ausweitung auf operational requirements 156 f., 162, 164, 243, 289 – clear grounds 155 f., 164, 171, 255, 259 – nach EG-Recht 298, 302 f., 322, 331, 340 f., 359 f. – nach Pariser Vereinbarung über die Hafenstaatskontrolle 251–262 – nach Seerechtsübereinkommen 155–158 – nach technischen Konventionen 240–244 – PPSC 156, 178, 242 f., 259, 261, 288, 375 – relevant instruments 85 f., 168–170, 253, 255 – superficial round of inspection 156, 242, 255, 259, 267 – targeting (priority selection) 174, 254, 258, 360 Haftungsrecht (CLC, FUND) 65 f., 228–238 Helsinki-Konvention 262–271 – BSPA 268 f. – HELCOM 263 – Sprachrohr- u. Koordinierungsfunktion 270 Historische Bucht 104 f. (Fn. 302) Hohe See 139–141 human factor 162, 179 IGH 81, 90, 133 ILA Committee on Coastal State Jurisdiction 69, 73, 75, 86–88, 93, 95, 99, 101, 126 ILC 75 f. ILO 75, 253 IMDG-Code 192 IMO – als universeller Gesetzgeber 100, 102, 164, 236, 375 – als zuständige internationale Organisation nach dem SRÜ 71, 74 f., 209, 248 – Ausschüsse (LEG, MEPC, MSC, NAV, TCC) 167 (Fn. 480)

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– Erfüllungshilfe (durch FSI u. ITCP) 174–178 – Erfüllungskontrolle (Berichtsverfahren, Regel 1/7 STCW, Voluntary IMO Member State Audit Scheme) 168–174 – Konventionen siehe technische Konventionen – Satzung 166 ff. – soft law (Codes, Guidelines, Resolutions) 36, 94, 174, 179, 259 – Zentralisierung materieller Normerzeugungsmacht 164, 289 – Zustimmung als Konstitutionsprinzip 291, 374 Implementierungsdefizite 31, 37, 67, 178 f. INK 279–281 Inländergleichbehandlung 150, 345 Innere Gewässer 104–111, 159, 323 Interessen der Akteure siehe Tankerunfälle Internationalisierung 119, 131, 165, 168, 216 Interventionsrecht 113 f., 131, 137 f., 160, 221, 223 f., 227, 237 ISGH 132 (Fn. 393), 137 (Fn. 408), 373 (Fn. 1029) ISM-Code 290, 356 ius cogens 236 (Fn. 688) Jurisdiktion – Auswirkungsprinzip 196 – Balance Schifffahrtsfreiheit/Umweltschutz 27 f., 131 f., 152, 157, 164, 166, 186–188, 202, 214, 236 f., 289 f., 377 – creeping jurisdiction 151, 216 – universelle - 140 (Fn. 415) – siehe auch Flaggen-, Hafen-, Küstenstaats-, Klassifikationsgesellschaften 30, 48, 52 f., 173, 175–177, 180, 259, 300, 302f., 331, 357–360, 366 Koexistenzordnung (law of coordination) 370 Kommunikationsfreiheit 68, 79, 97, 100, 111, 158, 161f., 164, 187, 201, 246, 249, 260, 288, 290, 374, 377

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Sachverzeichnis

Kompetenzgrundlagen der Gemeinschaft – Außenkompetenz (Treaty Making Power) 346–354 – Beschränkung durch allgemeines Seerecht und IMO-Konventionen/Bindung durch Altverträge 331–346 – Doppelabstützungen 328 – Gemischte Abkommen 351 f. – Innenkompetenz 325–346 – Umfang (anfänglich ausschließliche, nachträglich ausschließliche, konkurrierende Kompetenz) 330 f. – siehe auch Prinzip der begrenzten Einzelzuständigkeiten Konstitutionalisierung 26, 371–374 Kooperationsordnungen 370 Küstenmeer 111–123 Küstenstaatsjurisdiktion – Bindung der Durchsetzungsbefugnis an AIRAS 98–100 – Bindung der Regelungsbefugnis an GAIRAS 72–98 Lotsenpflicht (mandatory pilotage) 147, 151, 200, 211, 215, 217–219 – Great Barrier Reef PSSA 215, 219, 236 Mandatory pilotage siehe Lotsenpflicht Marine Schutzgebiete siehe Spezielle Verschmutzungsverhütungsgebiete maritime security 197 (Fn. 584), 290 (Fn. 836) Meerengen 123–131 Meistbegünstigung 106 (Fn. 308), 150 Meldepflichten siehe Schiffsmeldesysteme Mitgliedstaaten – Handeln pro communitate 352 – Schutzverstärkungskompetenz 331, 350 Mittelmeer – Gefährdung durch Tankerunfälle 45 – siehe auch Barcelona-Konvention mobilization of shame 169 Nacheile 140 Netzwerke 258–262, 370–377 Nichtbegünstigungsklausel (NMFT) 88, 243 f., 255, 322, 343

Nichtdiskriminierung 106, 222, 254, 345 Nordostatlantik siehe OSPAR Nordsee – Gefährdung durch Tankerunfälle 45 – siehe auch INK, TWK Nordseefestlandsockelfall 36 (Fn. 46), 81, 90 Nothafen siehe Notliegeplätze Notifikation, vorhergehende siehe Genehmigungspflicht Notliegeplätze (places of refuge) 220–227 – siehe auch Hafenstaatsjurisdiktion (Recht auf Hafenzugang) Objective régime 91 f. Öltransporte zur See 38–41 – Altersstruktur der Öltankerflotte 39–41 – Dimension und wirtschaftliche Bedeutung 38 – Verkehrsströme 39 Ölverschmutzung siehe Tankerunfälle OPA 42 (Fn. 64), 98 (Fn. 281), 240, 305, 312 f, 344 Opting Out 97 f., 102, 343 f. OSPAR 281–286 Ostsee – als PSSA 205 – Gefährdung durch Tankerunfälle 45 – siehe auch Helsinki-Übereinkommen Package deal 343 pacta tertiis nec nocent nec prosunt 90, 92, 101, 118, 243, 250 Pariser Vereinbarung über die Hafenstaatskontrolle (Paris MOU) siehe Hafenstaatskontrolle persistent objector siehe Referenzbestimmungen places of refuge siehe Notliegeplätze Prestige siehe EG Primat des Flaggenstaates siehe Flaggenstaatsjurisdiktion Prinzip der begrenzten Einzelzuständigkeiten 323, 325, 346, 348 – siehe auch AETR PSSA siehe Spezielle Verschmutzungsverhütungsgebiete

Sachverzeichnis Recht auf Hafenzugang siehe Hafenstaatsjurisdiktion Rechtsmissbrauch 345 Referenzbestimmungen 70–102 – AIRAS 98–100 – Allgemeine Anerkennung (generally accepted) 77–90 – von Sicherheitskonventionen 83–88 – von Vertragsänderungen unter tacit acceptance 88–90 – Delegation materieller Normerzeugungsmacht an die IMO 101, 246, 289 – GAIRAS 72–98 – als Höchststandards für Küstenstaaten 73, 100 – als Mindeststandards für Flaggenstaaten 72, 95, 99 f. – gewohnheitsrechtliche Geltung 90–95 – International Rules and Standards 74–77 – persistent objector 95–98 – Sicherung des Primats internationaler Regeln und Standards 69, 79, 100 Regelungsbefugnisse siehe jeweils bei Flaggen-, Hafen- und Küstenstaaten Regime (Begriff) 32 Regionale Ebene 245–288 – machinery und Vollzugserfahrung 287, 374 – regionalisierte Durchsetzung 288–292, 375 – Vereinbarkeit regionaler Standards mit dem SRÜ 247–251 Residuale Jurisdiktion 108, 128, 339 (Fn. 959), 342 Sanctions of non-participation 171 Schadensersatz siehe CLC, FUND Schifffahrtsfreiheit 28, 31, 68, 79, 104, 115, 119 f., 123 f., 131 f., 135, 142, 150, 152, 157, 161–164, 166, 182, 186–188, 193, 196, 198, 200, 202f., 214, 217, 236, 238, 246, 249, 275, 287, 289 f. Schiffseigner 37, 48–50, 52–54, 64, 66, 226, 229–231, 233 f., 258 f., 302 Schiffsmeldesysteme (SRS) 113–115, 118, 120, 123, 128, 130, 134–137, 145, 27 Schult

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147, 162, 180, 201, 206 f., 211, 236 f., 255, 338, 363 – als Verkehrssicherungsinstrumente 58–60 – Meldepflichten 188–198 – für Schiffe im Hafenanlauf 193–196, 362 – für Schiffe im Transit 189–193, 362 – SRS-Prinzipien/SRS-Richtlinien 190 ff. Schiffsverkehrsdienste (VTS) 180, 198–202, 207, 270 – als Verkehrssicherungsinstrumente 60f. – VTS-Richtlinien 198 ff. Schiffswegeführungen 112–116, 120 f., 123, 134–137, 146f., 164, 180, 181–188, 208, 211–214, 235–237, 269, 278, 289–292, 351, 364 – als Verkehrssicherungsinstrument 57 f. – ATBA 57, 147, 151, 181, 186–188, 207, 211, 213, 237, 269, 275 – Ships’ Routeing-Bestimmungen (SRB) 183 (Fn. 537) – Verkehrstrennungsgebiete 56 f., 112, 115, 126–128, 134, 181 f., 185 f., 191, 289 Schutzbestimmungen 109 f., 120, 122, 130, 152–158, 162, 241 Seenot 110, 220–227, 267, 278, 364 Seerechtsübereinkommen – als Verfassung der Meere 26, 92, 143, 289, 373 – gewohnheitsrechtliche Geltung 92 ff. – zonale Ordnung 33, 102–163, 213, 292, 363 Sicherheit der Navigation siehe Verkehrssicherungsinstrumente soft law 252, 259, 262, 371 f. – siehe auch IMO SPA/SPAMI siehe Barcelona-Konvention Spezielle Verschmutzungsverhütungsgebiete 141–152, 163, 202–217 – Eisbedeckte Gebiete 149–151 – Marine Schutzgebiete nach Art. 211 (6) SRÜ 143–148 – nach MARPOL 203–206, 209–211, 213

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Sachverzeichnis

– PSSA 203–217 – als Anwendungsräume 204 – Einfluss auf die zonale Ordnung des SRÜ 209–217 – formelle und materielle Ausweisungskriterien 205–208 – in inneren Gewässern 215 f. – Katalysator Effekt 214 – PSSA-Richtlinien 203 ff. – rechtliche Unverbindlichkeit 204 ff. STCW White List siehe IMO Stockholm Agreement 344, 368 Strafrecht 71, 153, 235, 238 Supranationalität siehe EG Tacit acceptance 88–91, 97, 102, 157, 164, 197, 231f., 236, 263, 265, 278, 287, 289, 307 f., 310, 321, 336, 338, 352 f., 366 – siehe auch Referenzbestimmungen Tankerunfälle – Anteil an Ölverseuchung der Meere 41–43 – Europäischer Kontext 45 f. – Schadwirkung des Öls auf Meeresumwelt 43 f. – Ursachen 46–55 Technische Konventionen 24 f. – Nicht-Konventionsschiffe 30, 265 – Prinzip der gegenseitigen Zeugnisanerkennung (certificate check) 174, 241, 341

Terraneisierung der Meere 103, 324 Transitdurchfahrt 84, 124–131, 160 f., 275 Treaty Making Power siehe Kompetenzgrundlagen der Gemeinschaft Treu und Glauben 79, 341, 345 TWK siehe Wattenmeer UNEP Regional Seas Programme 272, 278 Verhältnismäßigkeit 222 Verkehrssicherungsinstrumente 56–65, 115, 134 Verkehrstrennungsgebiete siehe Schiffswegeführungen Verschmutzung siehe Tankerunfälle Versicherungen 49, 52, 54 f., 180, 243, 262 Verträge zu Lasten Dritter siehe pacta tertiis nec nocent nec prosunt Vertragsverletzungsverfahren siehe EG Völkerrechtliche Ordnungsmodelle 34, 370–373 Vorsätzliche und schwere Verschmutzung 113, 122, 127, 153, 155, 214 VTS siehe Schiffsverkehrsdienste Wattenmeer 45, 186 – als PSSA 205, 212, 215 f. – TWK 279, 281

SUMMARY Fatal oil tanker accidents make headline news. This treatise explores the basis, contents and functioning of the complex international ship safety regime and offers a solution for improving its efficiency. Firstly it is shown that maritime safety is not so much a problem of the quantity of norms but – due to the inability of many flag of convenience states to ensure compliance with the international standards – one of the low quality of their implementation. The second part of this study therefore examines which options international law offers to non flag state actors to contribute to safer shipping. As a fundamental point of reference the UNCLOS is introduced first. Thereupon the individual protection measures of the coastal and port states are analysed. The focus is very much upon the extent of coastal and port state jurisdiction to prescribe and enforce. For the first time a detailed analysis of regional protection measures in maritime safety is undertaken. Special attention is paid to the question how much discretion the UNCLOS / IMO Regime leaves to regional ship safety measures and whether this discretion is duly exercised. The by far most important regional actor in this context is the supranational EC. Its ambitious involvement in maritime safety matters is increasingly questioned, for it is regarded as axiomatic to the international character of shipping. Consequently, the analysis of EC regulation focuses very much on the regulative powers that are granted to the Community under public international and EC primary law. The Conclusion points out which actors and structures should be strengthened in order to increase the regime’s efficiency.

RÉSUMÉ La pollution due aux navires fait la une des journaux. Le présent traité vise à examiner le fondement, le contenu et le fonctionnement du régime complexe de sécurité qui est universellement applicable aux navires. La première étape montre que ce n’est pas tant le nombre des normes que l’insuffisance de leur application qui est en cause. La deuxième partie du traité consiste donc en un examen des options que le droit international offre aux États qui ne sont pas des États du pavillon pour contribuer à prévenir les accidents de pétroliers. Elle commence par mentionner un ouvrage de référence fondamental, l’UNCLOS. L’accent est mis ici fortement sur l’étendue de la juridiction que les États côtiers et les États du port devront exercer. L’étude se poursuit par l’examen de l’intérêt des États côtiers et celui des États du port. C’est la première fois qu’il est procédé à une analyse détaillée des mesures de protection régionale en matière de sécurité maritime. Une place importante est réservée à la question de savoir quelle latitude le régime de l’UNCLOS / de l’OMI laisse aux mesures régionales de sécurité des navires. La région dont le rôle est de loin le plus important dans ce contexte est la Communauté européenne (CE). La participation de la CE aux questions de sécurité maritime est, depuis peu, de plus en plus contestée, car elle est considérée comme contraire au caractère international des transports maritimes et au fondement mondial de l’élaboration de règles. L’analyse des règles de la CE prête donc une attention particulière aux pouvoirs législatifs qui sont dévolus à la Communauté en vertu du droit public international et de ses règles primaires. La conclusion explique quels intervenants et structures devraient être renforcés pour accroître l’efficacité du régime.