Lehrbuch der Experimentalphysik: Band 3, Teil 1 Wellenoptik 9783111441900, 9783111075624


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Table of contents :
Vorwort zur ersten Auflage
Vorwort zur zweiten Auflage
Inhaltsübersicht
Optik
I. Kapitel. Geometrische Optik
II. Kapitel. Photometrie
III. Kapitel. Dispersion und Absorption des Lichtes
IV. Kapitel. Interferenz und Beugung
V. Kapitel. Polarisation und Doppelbrechung des Lichtes
Anhang
Namenverzeichnis
Sachverzeichnis
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Lehrbuch der Experimentalphysik: Band 3, Teil 1 Wellenoptik
 9783111441900, 9783111075624

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L. Bergmann • Cl. Schaefer

Lehrbuch der Experimentalphysik Band III

LEHRBUCH DER EXPERIMENTALPHYSIK ZUM G E B R A U C H BEI AKADEMISCHEN U N D ZUM

VORLESUNGEN

SELBSTSTUDIUM Von

Prof. Dr. rer. nat. Dr. med. h. c. L. Bergmann Universität Gießen u. Leitz-Werke Wetzlar und

Prof. Dr. phil. Dr. rer. nat. h. c. Cl. Schaefer Universität Köln

I I I . Band

Optik und Atomphysik I. Teil

Wellenoptik Mit 427 Abbildungen 2., durchgesehene und verbesserte Auflage

W A L T E R

DE

G R U Y T E

R

&

CO.

vormals G. J . Göschen'sche Verlagshandlung • J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung Georg Reimer • Karl J . Trübner • Veit & Comp.

B E R L I N 1959

© Copyright 19">5, 1958 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J . Göschen'sche Verlagshandlung • J . G u t t e n t a g , Verlagsbuchhandlung • Georg Reimer • K a r l J . Trübner • Veit & Comp., Berlin W 35 — Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der photomechanischen Wiedergabe, der Herstellung von Mikrofilmen und der Übersetzung, vorbehalten — Archiv-Nr. 52 79 58 — Printed in Germany Satz: Walter de Gruyter & Co., Berlin W 35 - D r u c k : Franz Spiller, Berlin SO 36

Vorwort zur ersten Auflage Hiermit legen wir den Fachkollegen den ersten Teil des dritten Bandes des Lehrbuches der Experimentalphysik vor; er behandelt die sog. klassische Optik, d. h. diejenigen Erscheinungen, die durch die Annahme einer wellenförmigen Ausbreitung des Lichtes (Undulationstheorie, speziell die elektromagnetische Interpretation desselben) erklärbar sind. Die geometrische Optik wurde mitaufgenommen, da sie als Grenzfall der Wellenoptik für hinreichend kleine Wellenlängen aufgefaßt werden kann. Wir hoffen, dem Leser einen Eindruck von der Schönheit und der außerordentlichen Leistungsfähigkeit dieser Anschauung vermittelt zu haben. Anderseits haben wir von Anfang an betont, daß es zahlreiche optische Erscheinungen gibt, namentlich diejenigen, bei denen Licht mit Materie in Wechselwirkung tritt (Emission, Absorption, Wärmestrahlung, lichtelektrischer Effekt, Fluoreszenz, Phosphoreszenz, Zeemanund Stark-Effekt usw.), die sicher nicht durch die Undulationstheorie erklärt werden können. Diese Erscheinungen können vielmehr nur durch die Annahme erklärt werden, daß das Licht einen korpuskularen Charakter besitzt; die besondere Form dieser Korpuskulartheorie ist durch die Quantentheorie bestimmt. Dieser Teil der Optik soll dem zweiten Teil des dritten Bandes vorbehalten bleiben, den wir in nicht allzulanger Zeit vorlegen zu können hoffen. Die allgemeinen Grundsätze, auf denen unsere Darstellung aufgebaut ist, entsprechen den im Vorwort zum ersten Bande ausführlich dargelegten, so daß darauf verwiesen werden darf. Dem Verlage haben wir für sein stetes Entgegenkommen und für die vortreffliche Ausstattung zu danken. Wetzlar und Köln, im Herbst 1955 Ludwig

Bergmann

Clemens

Schaefer

Vorwort zur zweiten Auflage Die erste Auflage ist im allgemeinen freundlich besprochen worden, und wir möchten gleich hier für alle Abänderungs- und Verbesserungsvorschläge unseren aufrichtigen Dank aussprechen. Nach reiflicher Überlegung erwies es sich jedoch als unmöglich, allen Wünschen gerecht zu werden, da verschiedene Kritiken diametral entgegengesetzte Wünsche äußerten. Es seien nur zwei Beispiele genannt: Ein Kritiker bemängelt, daß

VI

Vorwort

zu wenig Mathematik verwendet sei, ein anderer äußert die Befürchtung, daß der Leser im Gestrüpp der Formeln ersticken könne. Ein Rezensent bezeichnet die Darstellung des Phasenkontrastverfahrens als hervorragend gelungen, während ein anderer sie als absolut unzulänglich bezeichnet. Aus einer solchen Divergenz der Wünsche haben wir schließen zu können geglaubt, daß wir im allgemeinen den richtigen Mittelweg gegangen sind. Manche Kritiker haben ein wesentlich stärkeres Eingehen in Details gewünscht z. B. bei den modernen Methoden der Messung der Lichtgeschwindigkeit, die gegenüber den klassischen Verfahren zu wenig hervorgehoben seien. Derartige Forderungen, die für ein Handbuch vollkommen gerechtfertigt sind, verkennen, wie uns scheint, den Charakter eines L e h r b u c h e s . Ein solches muß sich auf die Darstellung des Grundlegenden beschränken und darf sich nicht in Einzelheiten verlieren. Wo die Grenze zu ziehen ist, wird freilich immer Ansichtssache bleiben. Wie bei der ersten Auflage hat uns auch jetzt Herr Professor Dr. C. von Fragstein in dankenswerter Weise unterstützt. Wetzlar und Köln, im Herbst 1958 Ludwig

Bergmann

Clemens

Schaefer

Inhaltsübersicht Optik I. Kapitel. Geometrische Optik r r 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13.

Seite

Allgemeine Vorbemerkungen; Historisohes; Grundbegriffe Die geradlinige Ausbreitung des Lichtes; Schatten Die Reflexion des Lichtes; ebene Spiegel u n d ihre Anwendungen G e k r ü m m t e Spiegel; K o n k a v - u n d Konvex-Spiegel Brechung des Lichtes; Totalreflexion Brechung des Lichtes beim Durchgang durch P r i s m e n ; Spektrometer u n d R e f r a k t o m e t e r . . . Brechung des Lichtes an einer Kugelfläche Brechung u n d Abbildung durch ein zentriertes System brechender Kugelflächen Abbildung durch Linsen Die Abbildungsfehler der Linsen Die Strahlenbegrenzung, die Wirkung von Blenden Das Auge u n d die optischen I n s t r u m e n t e Der F o r m a t s c h e S a t z : das Eikonal; der Satz von Malus

1 4 7 13 24 36 47 58 66 83 95 99 125

II. Kapitel. Photometrie 14. Photometrische Grundbegriffe, allgemeine Definitionen 15. Normallichtquellen, P h o t o m e t e r 16. Helligkeitsempfindlichkeit (Farbenempfindlichkeit) des Auges; mechanisches valent 17. Helligkeitsverhältnisse bei den optischen I n s t r u m e n t e n

129 136 Lichtäqui-

145 148

III. Kapitel. Dispersion und Absorption des Lichtes 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25.

Messung der Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Lichtes Phasengeschwindigkeit, Gruppengeschwindigkeit, Frontgeschwindigkeit Die Dispersion des Lichtes. I . Normale Dispersion Achromatische u n d geradsichtige Prismen; chromatische Aberration Ultrarote u n d ultraviolette Strahlen Absorption der Strahlung Dispersion des Lichtes. I I . Anomale Dispersion Theorie der Dispersion u n d Absorption f ü r schwach absorbierende Substanzen; Anwendungen 26. Dispersion u n d Absorption der Metalle (stark absorbierende Stoffe) 27. Spektralanalyse; Emissions- und Absorptionsspektren; Dopplereffekt; S p e k t r a l a p p a r a t e . . . .

153 158 163 170 175 182 187 193 204 212

IV. Kapitel. Interferenz und Beugung 28. Allgemeines über Interferenz von Lichtquellen; Kohärenz u n d Inkohärenz 29. Fresnel scher Spiegel versuch und Varianten 30. Interferenzerscheinungen an d ü n n e n Schichten, F a r b e n dünner B l ä t t c h e n ; K u r v e n gleicher Dicke u n d gleicher Neigung 31. Vielstrahlinterferenz; Interferenzspektroskopie 32. Interferenzen an zwei dicken Planparallelplatten; Brewstersche Streifen 33. Stehende Lichtwellen; Farbenphotographie nach L i p p m a n n 34. Lichtschwebungen 35. Grunderscheinungen der Beugung; Beugung an Spalt, rechteckiger u n d kreisförmiger Öffnung 36. Das Auflösungsvermögen optischer I n s t r u m e n t e (Fernrohr, Auge, Mikroskop, Prisma)

225 233 238 250 259 261 264 266 276

VIII

Inhaltsübersicht Seite

37. Beugung durch mehrere kongruente, regelmäßig angeordnete Öffnungen; Young scher Interferenzversuch; Beugungsgitter; Stufengitter; Ultraschallwellengitter 38. Beugung an zwei- und dreidimensionalen Gittern; Röntgenstrahlbeugung 39. Bildentstehung im Mikroskop nach E . Abbe; Phasenkontrastverfahren nach Zernike; Schlierenverfahren 40. Beugung an vielen unregelmäßig angeordneten Öffnungen oder Teilchen; Theorie des Himmelsblau

280 292 302 314

V. Kapitel. Polarisation und Doppelbrechung des Lichtes 41. Polarisation des Lichtes durch Reflexion und gewöhnliche Brechung 42. Theorie der Reflexion, Brechung und Polarisation; Fresnelsche Formeln 43. Polarisation des Lichtes bei Totalreflexion; Herstellung von elliptisch- und zirkularpolarisiertem Licht 44. Polarisation des Lichtes bei Metallreflexion 45. Die Doppelbrechung 46. Doppelbrechung und Polarisation 47. Zweiachsige Kristalle 48. Polarisatoren: Nicoisches Prisma, Glan-Thompson-Prisma, Turmalinplatte, Polarisationsfilter, Wollaston-Prisma; Polarisationsphotometer 49. Interferenzerscheinungen in parallelem polarisiertem Licht 50. Interferenzerscheinungen im konvergenten polarisierten Licht 51. Akzidentelle Doppelbrechung in isotropen Körpern 52. Drehung der Schwingungsebene polarisierten Lichtes (zirkuläre Doppelbrechung)

318 327 334 344 346 361 367 370 377 386 390 393

Anhang 53. Optik der Atmosphäre

407

Namenverzeichnis Sachverzeichnis

414 416

Optik I. K a p i t e l

Geometrische Optik 1. Allgemeine Vorbemerkungen; Historisches; Grundbegriffe Die von unserem Sinnesorgan „Auge" wahrgenommene Empfindung nennen wir im Sprachgebrauch des täglichen Lebens „Licht". Das Erkennen unserer Umgebung ist nur dadurch möglich, daß von den Gegenständen außerhalb von uns „etwas" in unser Auge dringt und auf der Netzhaut desselben Nervenreize auslöst: auch dieses „Etwas" wird als „Licht" bezeichnet. Man erkennt, daß hier das Wort „Licht" in verschiedenem Sinne gebraucht wird: im ersten subjektiven (physiologischen) Sinne ist „Licht" der Inbegriff der durch das Auge vermittelten Sinnesempfindungen, im zweiten objektiven (physikalischen) Sinne dagegen verstehen wir darunter den Vorgang in der Außenwelt, der die Netzhaut des Auges erregt. Das Wort „Licht" werden wir in diesem Bande i. a. nur im letzteren Sinne benutzen, wir treiben „physikalische Optik" zum Unterschiede von der „physiologischen Optik", auf die wir nur gelegentlich eingehen werden. Auf die physikalische Optik wurden wir bereits in der Elektrizitätslehre (Band II, Kapitel VI) bei der Lehre von den elektromagnetischen Wellen geführt. Es wurde dort gezeigt, daß diese Wellen sich im leeren Räume, unabhängig von ihrer Wellenlänge, mit der gleichen Geschwindigkeit wie das Licht ausbreiten, daß die Erscheinungen der Reflexion, Brechung, Interferenz und Beugung der elektrischen Wellen sich genau so abspielen, wie man es auch vom Licht weiß, worauf wir später eingehen werden. Daraus wurde bereits damals geschlossen, daß die Lichtausbreitung eine Wellenausbreitung sein müsse und daß die Lichtwellen elektromagnetischer Natur seien. Die enge Beziehung zwischen Elektrodynamik und Optik wurde auch dadurch bekräftigt, daß z. B. eine elektrische Größe (die Dielektrizitätskonstante) mit einer optischen Größe (dem Brechungsquotienten) quantitativ zusammenhängt. Aus dieser „elektromagnetischen Lichttheorie" folgern wir zunächst, daß von den elektromagnetischen Wellen, die praktisch von der Wellenlänge „Null" bis zur Wellenlänge „unendlich" reichen, ein bestimmter Wellenbereich das Auge erregt, d. h. den Eindruck von Licht (im physiologischen Sinne) hervorruft. Dies ist nicht so zu verstehen, als ob dieser W e l l e n b e r e i c h eine besondere Eigenschaft hätte, es ist vielmehr eine Eigenschaft des A u g e s , nur auf diesen Wellenbereich anzusprechen, (die zu erklären eine Aufgabe der physiologischen Optik ist). Vom Standpunkte der physikalischen Optik dagegen können wir k e i n e n qualitativen Unterschied zwischen dem „sichtbaren" Wellenbereich und dem „unsichtbaren" Bereiche anerkennen 1 ); wir betrachten daher grundsätzlich den G e s a m t bereich der elektromagnetischen Wellen als Gegenstand der physikalischen Optik, die wir somit nicht auf Licht im engeren Sinne des Wortes beschränken. Dies ist genau dasselbe Verfahren, das wir auch in der Akustik befolgt haben: Neben dem „Hörschall" haben wir als physikalisch gleichwertig auch den „Infraschall" und „Ultra1 ) Vor einem Mißverständnis, das die kurze Bezeichnung „sichtbarer Bereich" oder „sichtbare Strahlen" usw. hervorrufen könnte, muß gewarnt werden: „sichtbar" sind überhaupt keine elektromagnetischen Wellen.

1

B e r g m a n n - S c h a e f e r , III, 1

2

I. Kapitel. Geometrische Optik

schall" behandelt (Band I, S. 377ff.)- — Die Wellentheorie des Lichtes hat außerordentliche Erfolge und Leistungen bei der Erklärung bekannter und in der Voraussage noch unbekannter optischer Erscheinungen aufzuweisen. Trotzdem muß gleich hier betont werden, daß durch d i e U n d u l a t i o n s t h e o r i e d e s L i c h t e s s i c h e r n i c h t a l l e o p t i s c h e n E r s c h e i n u n g e n e r k l ä r t w e r d e n k ö n n e n . Es sind dies vor allem diejenigen, bei denen Licht mit Materie in Wechselwirkung tritt (Emission, Absorption, Fluoreszenz, Phosphoreszenz, Streuung usw.). Zur Erklärung dieser Phänomene muß angenommen werden, daß das Licht einen k o r p u s k u l a r e n C h a r a k t e r besitzt, daß es aus bestimmten „Quanten", sog. „ P h o t o n e n " , besteht. Dies scheint ein vollkommener Widerspruch zur Wellenauffassung zu sein; denn bei einer Wellenausbreitung verteilt sich die Gesamtenergie gleichmäßig auf die einzelnen Elemente der Wellenfläche, sie „verdünnt" sich also um so mehr, je weiter man von der Lichtquelle entfernt ist; umgekehrt behält eine Korpuskel, ein Lichtquant oder Photon, seine Energie während der Fortpflanzung unverändert bei, wie eine materielle Partikel (Gewehrkugel) ihre kinetische Energie. Wie dieser Gegensatz, den man wohl auch als „ D u a l i s m u s " bezeichnet, überbrückt werden kann, wird später (in der Quantentheorie) ausführlich zu erörtern sein; dort müssen auch die Tatsachen selbst genau besprochen werden. — Es ist eine merkwürdige Erscheinung, daß die Theorie des Lichtes im Laufe der Zeit zwischen den beiden Polen •— Korpuskulartheorie und Wellentheorie —- hin und her geschwankt hat. Die erste Theorie des Lichtes nämlich, die von I. N e w t o n herrührt (1669), war eine Korpuskulartheorie 1 ). Newton stellte sich vor, daß von den Lichtquellen kleine Korpuskeln ausgesandt würden, die sich mit sehr großer Geschwindigkeit geradlinig ausbreiten und entweder direkt das Auge treffen, oder, nachdem sie von anderen Körpern reflektiert oder gebrochen worden sind. Diese Auffassung erklärt also auf einfachste Weise die g e r a d l i n i g e Ausbreitung des Lichtes und vermag auch die Erscheinung der Reflexion und Brechung wiederzugeben. Sie fand aber unübersteigbare Schwierigkeiten bei der Erklärung der Interferenzerscheinungen, d. h. des Phänomens, daß unter Umständen Licht zu Licht hinzugefügt Dunkelheit ergibt. So entwickelte sich allmählich durch die Arbeiten von Chr. H u y g e n s (1677), T h . Y o u n g (1807) und Aug. F r e s n e l (1815) die U n d u l a t i o n s t h e o r i e des Lichtes in ihrer ersten Form, die die Lichtwellen als „elastische" Wellen in einem das Weltall erfüllenden Medium, dem sog. Lichtäther, auffaßte; diese Theorie mündete schließlich in die von Faraday und Maxwell inaugurierte „ e l e k t r o m a g n e t i s c h e L i c h t t h e o r i e " ein, die wir in großen Zügen in Band II, Kapitel VI besprochen haben. Die Wellentheorie vermag die Erscheinungen der Interferenz ohne Schwierigkeit zu erklären, aber ebenso Reflexion und Brechung; sie vermag auch zu zeigen, daß im allgemeinen die Lichtfortpflanzung geradlinig geschieht. Freilich zeigt die Wellentheorie darüber hinaus, daß auch Abweichungen von der Geradlinigkeit vorkommen, die man als „Beugung" bezeichnet (aus der Allgemeinen Wellenlehre, die in Band I, Kapitel V I I I ausführlich dargestellt wurde, sind diese Erscheinungen uns ja bereits bekannt). Während aber früher die Antithese: Welle o d e r Korpuskel bestand, hat die heutige Physik die Aufgabe vor sich, zu erklären, wie Welle u n d Korpuskel gleichzeitig miteinander bestehen können. In diesem ersten Kapitel brauchen wir uns um diese tiefer liegenden Fragen nicht zu kümmern. Denn wir beschränken uns hier auf den Fall der geradlinigen Ausbreitung, der Reflexion und der Brechung des Lichtes, die von beiden Theorien gleich gut erklärt werden können. In der Korpuskulartheorie bezeichnet man die Bahnen der Lichtteilchen als S t r a h l e n ; aber auch die Wellentheorie kann diesen Begriff benutzen, dem sie nur eine andere Deutung gibt: Sie versteht unter Strahlen die N o r m a l e n a u f d e r W e l l e n f l ä c h e . So können wir, ohne auf feinere Einzelheiten einzugehen, den Teil der Es sei aber gleich hier darauf aufmerksam gemacht, daß die moderne Form der Korpuskulartheorie des Lichtes etwas anderes als die N e w t o n sehe Theorie ist.

1. Allgemeine Vorbemerkungen; Historisches; Grundbegriffe

3

Optik aufbauen, in dem nur geradlinige Ausbreitung, die Gesetze der Reflexion und Brechung und die Fortpflanzungsgeschwindigkeit benutzt werden; außerdem wird noch U n a b h ä n g i g k e i t der einzelnen Strahlen vorausgesetzt. Dieses so bestimmte Teilgebiet der Optik wird als „geometrische Optik" oder besser als „Strahlenoptik" bezeichnet. Wir werden trotzdem auch in diesem Kapitel von der Wellenauffassung Gebrauch machen, um uns kurz und präzise ausdrücken zu können: Wir sprechen z. B. von der Wellenlänge des roten oder grünen Lichtes usw. Nach diesen allgemeinen Bemerkungen gehen wir jetzt zur Besprechung einiger Grundbegriffe über. Die Körper, die Licht aussenden, nennen wir Lichtquellen. Dabei unterscheidet man zwischen Selbstleuchtern und Nichtselbstleuchtern, je nachdem der betreffende Körper selbst die Quelle des von ihm ausgehenden Lichtes ist oder erst infolge Bestrahlung durch einen Selbstleuchter zu einer Lichtquelle wird, indem er das ihm zugestrahlte Licht durch ungerichtete „diffuse" Zurückwerfung wieder ausstrahlt. Zu den Selbstleuchtern gehören z . B . die Sonne, die Fixsterne sowie alle Körper, die durch Erhitzen zum Leuchten gebracht werden (Kerzenflamme, Gasglühlicht, elektrische Glühlampe, elektrisches Bogenlicht, ferner durch elektrische Entladungen zum Leuchten angeregte Gase und die Phosphoreszenzstoffe). Zu den Nichtselbstleuchtern gehören alle Körper, die wir zwar sehen können, die aber selbst kein Eigenlicht aussenden z. B. ein Stück weißen Papiers, eine Wolke; auch der Mond und die Planeten sind Nichtselbstleuchter, die von der Sonne bestrahlt werden. Die von den Lichtquellen (direkt oder indirekt) ausgesandte Strahlung ist verschiedenartig: Manche Lichtquellen senden einen großen kontinuierlichen Wellenbereich aus, der fast immer über die Grenzen der sog. sichtbaren Strahlung hinausreicht; manche liefern nur einzelne Wellenlängen oder Gruppen von solchen. Die sichtbare Strahlung selbst e m p f i n d e n wir entweder als „ f a r b l o s " oder „ w e i ß " —dann sprechen wir kurz von „ w e i ß e m " L i c h t und „ w e i ß e n " L i c h t q u e l l e n — oder aber als „ f a r b i g " — entsprechend reden wir dann von „ f a r b i g e n " L i c h t e r n und Q u e l l e n . Welche verschiedenen physikalischen Vorgänge diesen beiden Arten von Empfindungen zugeordnet sind, muß später genau erörtert werden. Die verschiedenen Körper unserer Umwelt kann man in d u r c h s i c h t i g e , d u r c h s c h e i n e n d e und u n d u r c h s i c h t i g e Stoffe einteilen. Durchsichtige Körper (Luft, Glas, Wasser usw.) lassen das Licht merklich ungeschwächt hindurchgehen, so daß man z. B. die Gestalt anderer Körper durch sie hindurch erkennen kann. Die undurchsichtigen Körper dagegen absorbieren das Licht bereits in dünnen Schichten nahezu vollständig, so daß praktisch kein Licht durch sie hindurchdringt; dies ist z. B. der Fall bei Metallen, Holz, Hartgummi, schwarzem Papier usw. Diese Unterscheidung ist jedoch fließend und beruht keineswegs auf einem absolut gegensätzlichen Verhalten der „durchsichtigen" und „undurchsichtigen" Körper; vielmehr sind die im gewöhnlichen Sprachgebrauch als durchsichtig bezeichneten Körper (z. B. Wasser) in sehr dicker Schicht undurchsichtig. Daher herrscht in großen Meerestiefen nächtliches Dunkel, weil eine mehrere Kilometer dicke Wasserschicht praktisch alles Licht absorbiert. Anderseits lassen undurchsichtige Stoffe, wenn man sie nur in hinreichend dünner Schicht herstellt, Licht hindurch. Z. B. erscheinen Blattgold oder Blattsilber in Dicken von i/aoooo m m i n der Durchsicht grün oder bläulich. Auch ist der Fall häufig, daß ein Stoff z . B . für sichtbares Licht undurchsichtig, für längere elektromagnetische Wellen von einigen cm dagegen vollkommen durchlässig ist und umgekehrt; der erstere Fall trifft z. B. für Hartgummi und schwarzes Papier zu, der zweite für elektrolytische Lösungen (z. B. H 2 S0 4 -Lösung), die für elektrische Wellen undurchsichtig sind. Durchscheinende Körper (z. B. Milchglas,' Seidenpapier) lassen zwar Licht durch, zerstreuen es aber gleichzeitig nach allen Richtungen, so daß man durch sie hindurch die Gestalt anderer Körper nicht erkennen kann. 1*

4

I. Kapitel. Geometrische Optik

Zu beachten ist, daß alle Lichtquellen tatsächlich eine endliche Ausdehnung haben. Es ist jedoch häufig bequem und zulässig, die endliche Größe einer Lichtquelle zu vernachlässigen und von einem „Lichtpunkt" zu sprechen, indem man darunter eine sehr kleine leuchtende Fläche versteht. Experimentell kann man eine punktförmige Lichtquelle annähernd dadurch herstellen, daß man eine sehr kleine kreisrunde Öffnung intensiv von der Rückseite beleuchtet, oder indem man das an einer verspiegelten Kugelfläche reflektierte Sonnenbildchen benutzt. Da wir — gleichgültig welche Theorie des Lichtes wir annehmen — den Begriff des L i c h t s t r a h l e s benutzen dürfen, seien noch zwei Bezeichnungen eingeführt, die wir im Folgenden stets gebrauchen werden. Die Gesamtheit von Lichtstrahlen, die von einem Punkte aus divergieren, heißt ein Strahlenbüschel1), die Gesamtheit paralleler Lichtstrahlen, die also überall einen endlichen konstanten Querschnitt besitzt, bezeichnen wir als Strahlenbündel1). Ferner ist zu beachten, daß der Verlauf der Strahlen von der Fortpflanzungsrichtung unabhängig ist; ein (geometrisch) gezeichneter Strahlenverlauf gilt auch für die entgegengesetzte Strahlenrichtung (Satz von der Umkehrbarkeit des Lichtweges). Unter dem vorhin schon erwähnten Satze von der Unabhängigkeit der einzelnen Strahlen und Strahlenbüschel verstehen wir die Tatsache, daß Strahlen beliebiger Herkunft sich durchkreuzen können ohne sich gegenseitig zu stören: J e d e r S t r a h l v e r l ä u f t so, a l s ob d i e a n d e r e n n i c h t d a w ä r e n .

2. Die geradlinige Ausbreitung des Lichtes; Schatten Fällt in ein völlig verdunkeltes Zimmer durch eine kleine Öffnung direktes Sonnenlicht, so kann man die Geradlinigkeit eines einfallenden Lichtbündels direkt beobachten, wenn die Luft kleine schwebende Teilchen (Rauch, Staub usw.) enthält. Da diese vom einfallenden Licht beleuchtet werden, lassen sie den Weg des Lichtes erkennen. Man sieht natürlich nicht das Licht selbst, sondern nur die vom Licht beleuchteten Teilchen, die in ihrer Gesamtheit das Lichtbündel sichtbar machen. Ebenso zeigen die von der Sonne durch ein Loch in den Wolken in die darunter befindliche trübe, Wasserdampf enthaltende Luftschicht einfallenden Lichtstrahlen die geradlinige Ausbreitung. — Auf ihr beruht die von L e v i B e n G e r s o n ( 1 3 2 1 ) erwähnte Lochkamera. Diese besteht aus einem Kasten (Abb. 1) der in seiner Vorderwand ein feines Loch 0 und als Rückwand eine Mattscheibe besitzt. Befindet sich vor dem Loch ein lichtaussendender Körper, z. B. eine Kerze oder eine Landschaft, so erblickt man auf der Mattscheibe ein umgekehrtes Bild des Gegenstandes. Dieses kommt, wie Abb. 1 zeigt, dadurch zustande, daß jeder Punkt des Gegenstandes (Kerze in Abb. 1) ein von der Öffnung 0 begrenztes sehr schmales Lichtbüschel in den Kasten eintreten läßt, das auf der Mattscheibe einen kleinen Lichtfleck erzeugt, dessen Helligkeit Abb. 1. Entstehung eines Bildea in der derjenigen des den Strahl aussendenden Lochkamera Punktes entspricht. Indem so jeder Punkt des Gegenstandes sein Licht gesondert nach einer anderen Stelle der Mattscheibe entsendet, setzt sich durch stetige Aneinanderreihung der vielen hellen Flecke ein Bild des Gegenstandes zusammen. Die Schärfe dieses Bildes sollte bei streng gerad>) Diese Bezeichnungen stimmen nicht mit denen der Geometrie überein.

2. Die geradlinige Ausbreitung des Lichtes ; Schatten

5

liniger Ausbreitung des Lichtes um so größer sein, je kleiner die Öffnung 0 ist. Dies ist, wenn man die Öffnung 0 nicht zu klein macht, wirklich der Fall; über die Abweichungen vgl. den Schluß dieser Nummer. Nach Abb. 1 hängt die Größe des Bildes auf der Mattscheibe von dem Abstand Lochebene — Mattscheibe ab. Das Bild ist um so größer, aber auch um so lichtschwächer, je weiter die Mattscheibe von 0 entfernt ist. Bezeichnet 0 die Größe des Gegenstandes, B die des Bildes und bedeuten g und b die Abstände von Gegenstand und Bild von der Lochebene (Abb. 1,) so besteht die Beziehung: B_ _ b 0 ~ 9 Das Verhältnis BIG heißt A b b i l d u n g s m a ß s t a b . Bringt man an Stelle der Mattscheibe eine photographische Platte, so kann man eine Lochkamera zum Photographieren benutzen, wobei man aber hinreichend große Belichtungszeiten verwenden muß. *

Solange die Öffnung O klein ist gegenüber der Struktur des Gegenstandes, spielt ihre Form (ob rund oder eckig) keine Rolle. Hierfür bietet sich in der N a t u r ein schönes Beispiel in den runden Sonnenbildchen, die man häufig auf dem schattigen Waldboden unter einem Laubbaum beobachtet. Sie entstehen dadurch, daß die vielen unregelmäßig gestalteten Lücken zwischen den Blättern des Baumes wie kleine Öffnungen wirken und auf dem Boden kleine Bilder der Sonnenscheibe erzeugen. Bei einer partiellen Sonnenfinsternis dagegen erhält man sichelförmige Bilder der Sonne.

I a

b

Abb. 2. Schattenbildung hinter einer Kugel bei punktförmiger Lichtquelle a) Strahlenverlauf 6) Bild des Schattens

Die Lochkamera bildet übrigens ein gutes Beispiel für die Unabhängigkeit der sich in der Öffnung 0 durchkreuzenden Strahlenbüschel; bestände diese nicht, so könnte offenbar kein vernünftiges Bild zustande kommen. — Vom Standpunkt der Wellentheorie bedeutet dies, daß die von den verschiedenen Stellen ausgehenden Wellen sich durchkreuzen, ohne sich zu stören, d.h. u n g e s t ö r t e S u p e r p o s i t i o n (vgl. Bd. I , S. 347ff.). Auf der geradlinigen Ausbreitung des Lichtes beruhen auch die Schattenerscheinungen. Bringt man vor einen leuchtenden Lichtpunkt L (Krater einer Bogenlampe) in einiger Entfernung einen undurchsichtigen Körper K (Abb. 2 a), z. B. eine Kugel aus Holz, so wird dieser nur auf der der Lichtquelle zugewandten Hälfte beleuchtet, während die andere Hälfte dunkel bleibt. Hinter der Kugel bildet sich ein S c h a t t e n r a u m S aus, der von den die Kugel tangierenden Strahlen begrenzt wird und die Gestalt eines sich erweiternden Kegels hat. Bringt man hinter den schattenwerfenden Körper eine weiße Wand W, so entsteht auf dieser ein Schatten des Körpers (Abb. 2 b), der von einer gleichmäßig erhellten Fläche umgeben ist und die Umrisse des schattenwerfenden Körpers erkennen läßt. Im Falle der s chattenwerfenden Kugel hat der Schatten, wenn das Licht sich geradlinig ausbreitet, da dann eine Zentralprojektion vorliegt, die Gestalt eines Kegelschnitts, je nach der Stellung der Wand zur Kegelachse; steht sie senkrecht dazu, wie in Abb. 2 a, so liefert die Kugel einen kreisförmigen Schatten (Abb. 2 b) ; die geometrische Gestalt des Schattens ist also ebenfalls ein Beweis für die Geradlinigkeit

I. Kapitel. Geometrische Optik

6

der Ausbreitung. — Wird der Körper, z. B. eine Kugel K, von zwei punktförmigen Lichtquellen beleuchtet (Abb. 3 a), so entstehen hinter dem Körper drei verschiedene Schattenräume. Der Raum H1 wird nur von Llt der Raum H2 nur von L2 beleuchtet, während der Raum S überhaupt kein Licht bekommt. Die nur teilweise beleuchteten Räume H1 und i/ 2 liegen im H a l b s c h a t t e n , während der Raum S den K e r n s c h a t t e n bildet. Auf einem in den Schattenraum gebrachten weißen Schirm W erhält man das Bild von Abb. 3 b, aus dem man deutlich die verschiedenen Schattenräume erkennt. — Wird schließlich der schattenwerfende Körper von einer flächenhaften Lichtquelle F

beleuchtet (Abb. 4a), so muß man für jeden Punkt der Lichtquelle den Schattenkegel entwerfen und ihre gemeinsame Wirkung hinter dem Körper durch Summierung feststellen. Es zeigt sich dann, daß sich hinter dem Körper ein Kemschatten S ausbildet, der keinerlei Licht erhält; dieser Kernschatten ist von einem Halbschatten H umgeben, der nach außen allmählich in den vollerleuchteten Raum und nach innen allmählich in

a

b

Abb. 4. Schattenbildung hinter einer Kugel bei flächenhafter Lichtquelle a) Strahlenverlauf b) Bild des Schattens

den Kernschatten übergeht (Abb. 4 b). In diesem Halbschatten findet also ein stetiger Übergang von voller Helligkeit zu voller Dunkelheit statt. Der Kernschatten ist daher nur dicht hinter dem Körper scharf begrenzt und bekommt, je weiter man sich von dem schattenwerfenden Körper entfernt, eine immer unschärfere Begrenzung. Ist, wie in Abb. 4, der Querschnitt des schattenwerfenden Körpers kleiner als der der Lichtquelle, so entsteht in großer Entfernung hinter dem Körper kein Kernschatten mehr, sondern nur noch Halbschatten. I m Sonnenlicht ist der Kernschatten einer Kugel etwa 105 mal so lang wie der Kugeldurchmesser. Dies folgt aus der Beziehung Schattenlänge Sonnenentfernung

Kugeldurchmesser Sonnendurchmesser

3. Die Reflexion des Lichtes; ebene Spiegel und ihre Anwendung

7

Die Abb. 4 a gibt gleichzeitig die Verhältnisse wieder, die sich bei einer Sonnen- oder Mondfinsternis abspielen. Stellt F die Leuchtfläche der Sonne und K die Erde dar, so entsteht eine Mondfinsternis, wenn der Mond in den Kernschatten hinter der Erde eintritt, und zwar ist die Finsternis total oder partiell, je nachdem die ganze Mondfläche oder nur ein Teil derselben im Schattenraum verdunkelt wird. Ist dagegen K der Mond, so entsteht eine Sonnenfinsternis auf der Erde, wenn letztere in den Schattenraum hinter dem Mond gelangt. Da der Durchmesser der Erde (13754,8 km) fast viermal größer als der des Mondes (3480 km) ist, entsteht für diejenigen Orte der Erde, die vom Kernschatten getroffen werden, eine totale Sonnenfinsternis, während für alle die Orte, die im Halbschatten liegen, nur eine partielle Finsternis eintritt, d. h. es bleibt für sie noch ein mehr oder minder großer sichelförmiger Teil der Sonnenscheibe sichtbar. Ist schließlich der Mond zur Zeit der Sonnenfinsternis soweit von der Erde entfernt, daß die Spitze des Kernschattens diese nicht mehr trifft, so entsteht eine ringförmige Sonnenfinsternis.

Die vorangehenden Darlegungen über die geradlinige Ausbreitung des Lichtes und das Zustandekommen von Schatten gelten in Strenge nur, wenn die Hindernisse bzw. Öffnungen groß gegen die Wellenlänge des Lichtes sind. In allen anderen Fällen, in denen die Lichtwellenlänge und die linearen Dimensionen der Hindernisse und Öffnungen vergleichbar werden, treten die Erscheinungen der Lichtbeugung, d . h . A b w e i c h u n g e n v o n d e r G e r a d l i n i g k e i t auf, die wir in Nr. 34 behandeln werden. Z. B. wird bei immer stärkerer Verkleinerung der Öffnung der Lochkamera von einer gewissen Stelle ab das Bild nicht mehr schärfer, sondern diffuser. In diesen Fällen ist von Geradlinigkeit der Lichtausbreitung keine Rede mehr, und der Begriff der Lichtstrahlen versagt dann vollkommen. Die geometrische Optik sieht aber von den Beu gungserscheinungen ab und arbeitet nur mit Lichtstrahlen.

3. Die Reflexion des Lichtes; ebene Spiegel und ihre Anwendung Fällt ein paralleles Strahlenbündel auf die Oberfläche eines Körpers, so wird es von dieser mehr oder weniger stark zurückgeworfen; man nennt diese Erscheinung Reflexion. Dabei erfährt das auffallende Licht eine Richtungsänderung, die i. a. für die

a) diffus;

Abb. 5. Reflexion des Lichtes 6) regulär; c) diffus und regulär

verschiedenen Strahlen eines Lichtbündels ganz verschieden ist, da diese auf verschiedene und ganz verschieden orientierte Stellen der Oberfläche auffallen 1 ). In diesem Falle wird selbst ein kleines Oberflächenelement des Körpers zum Ausgangspunkt einer diffusen Strahlung (Abb. 5 a). Das betreffende Oberflächenelement verhält sich also wie ein Selbstleuchter, ohne einer zu sein, und so ist es zu erklären, daß es sichtbar wird. Diffuse Reflexion oder Remission zeigt z. B. eine weiße Gipsfläche, die daher in der Farbe des auffallenden Lichtes erscheint, bei Belichtung mit Sonnenlicht also weiß. Ebenso erscheint eine von der Sonne beschienene Wolke weiß; auch sie verhält sich wie ein Selbstleuchter. Ist die Remission vollkommen diffus, so erscheint die Fläche, aus allen Richtungen betrachtet, gleich hell. Anders liegen die Verhältnisse, wenn ein Lichtbündel auf eine ebene Glasplatte, eine polierte Metallfläche oder eine vorderseitig versilberte Glasplatte fällt. Man be1

) In den Abb. 5 ist das einfallende Bündel, das natürlich einen endlichen Querschnitt hat und als aus unendlich vielen „Strahlen" bestehend anzusehen ist, durch e i n e n S t r a h l repräsentiert in Abb. 5b auch das regulär reflektierte Bündel.

8

I. Kapitel. Geometrische Optik

obachtet dann, daß das Lichtbündel nur in einer ganz bestimmten Richtung, die von der Orientierung der Platte zum Lichtstrahl abhängt, reflektiert wird (Abb. 5 b). Wir bezeichnen diesen Fall als reguläre Reflexion oder Spiegelung. Zwischen den Grenzfällen der regulären und der diffusen Reflexion bestehen alle möglichen Übergänge. Z. B. zeigt Abb. 5 c, wie ein Lichtbündel an einer halbmatten Fläche zum Teil regulär, zum Teil diffus reflektiert wird. Maßgebend dafür ist die Beschaffenheit der Körperoberfläche, die man durch Angabe ihres „ S t r e u u n g s v e r m ö g e n s " kennzeichnet; letzteres ist gleich Null bei der regulären und gleich Eins bei der vollkommen diffusen Reflexion. Ein Spiegel, der das Streuungsvermögen Null besäße, würde überhaupt nicht sichtbar sein; daß man ihn sieht, beruht immer auf dem Vorhandensein kleiner Rauhigkeiten, die eine partielle Diffusion des Lichtes erzeugen, die Fläche also als Selbstleuchter erscheinen lassen. — Übrigens hat das „Streuvermögen" einer Fläche für die verschiedenen Wellenlängen nicht den gleichen Wert. Je größer die Wellenlänge, desto kleiner wird es, d. h. die Reflexion nähert sich bei Vergrößerung der Wellenlänge des verwendeten Lichtes immer mehr der ideal regulären Reflexion an. Eine und dieselbe Fläche kann also sehr kleine Wellenlängen völlig diffus und sehr große völlig regulär reflektieren.

Wir beschäftigen uns im Folgenden mit der regulären Reflexion. Untersucht man die gegenseitige Zuordnung von einfallendem Strahl, reflektiertem Strahl und Lage der Spiegelfläche, die man durch das im Auftreffpunkt des Lichtstrahles errichtete „Einfallslot" charakterisiert, so kommt man zu dem bereits in Band I, S. 370 mitgeteilten Reflexionsgesetz: Einfallender und reflektierter Strahl bilden mit dem Einfallslot gleiche Winkel; einfallender Strahl, Einfallslot und reflektierter Strahl liegen in einer Ebene. Ein senkrecht auf einen Spiegel fallender Lichtstrahl wird also in sich selbst zurückgeworfen. Zum Nachweis des Reflexionsgesetzes kann die in Abb. 6 skizzierte Anordnung dienen. I m Mittelpunkt einer Abb. 6. Nachweis des Reflexions- mit Gradeinteilung versehenen größeren Scheibe ist gesetzes ein kleiner ebener Spiegel S drehbar angebracht. Der Spiegel trägt senkrecht zu seiner Fläche einen Zeiger Z, der das Einfallslot darstellt. Läßt man aus der Richtung LS ein schmales Lichtbündel, über die Scheibe streifend, auf den Spiegel einfallen, so daß sich sein Weg auf der Scheibe als helle Lichtlinie abzeichnet, so ist bei jeder Stellung des Spiegels der Winkel oc zwischen einfallendem Strahl und Einfallslot gleich dem Winkel zwischen reflektiertem Strahl und Einfallslot. Diese Anordnung läßt gleichzeitig folgendes erkennen: W i r d d e r S p i e g e l S a u s e i n e r b e s t i m m t e n S t e l l u n g u m d e n W i n k e l

5. Die Brechung des Lichtes; Totalreflexion

27

wobei jetzt ß den Einfallswinkel im Medium 2, oc den Brechungswinkel im Medium 1 und nn den Brechungsquotienten des Mediums 1 in bezug auf 2 bedeuten. (Natürlich wird bei der Strahlungsumkehr der Strahl vom Einfallslot weggebrochen, wenn er vorher aufs Lot zugebrochen wurde.) Es gilt also 1 »U= — • »21

Man nennt n12 bzw. n21 genauer die r e l a t i v e n Brechungsquotienten der beiden Stoffe im Gegensatz zu dem a b s o l u t e n Brechungsquotienten eines Stoffes, der sich auf den Eintritt des Lichtes aus dem Vakuum in den betreffenden Stoff bezieht. In diesem Falle gilt: — = n1Q - - nx und — = n20 = n2 Ci

da man das Vakuum als das normale Bezugsmedium betrachtet, läßt man den Index „0" fort und schreibt die absoluten Brechungsquotienten nur mit einem Index. Aus den beiden letzten Gleichungen folgt durch Division und Berücksichtigung von (7):

d. h. d e r r e l a t i v e B r e c h u n g s q u o t i e n t n21 z w e i e r S t o f f e 1 u n d 2 i s t g l e i c h dem Quotienten der absoluten B r e c h u n g s q u o t i e n t e n beider Stoffe. H a t man, wie das meistens der Fall ist, den relativen Brechungsquotienten eines Mediums gegen Luft gemessen — er sei nxL —, so kann man nach Gl. (8) seinen absoluten Brechungsquotienten nx ermitteln, wenn man den absoluten Brechungsquotienten der Luft nL kennt. Es ist dann «i = nxL • nL .

Nun ist, wie wir auf S. 40 experimentell noch zeigen werden, der absolute Brechungsquotient der Luft nL = 1,000292, so daß die gegen Luft gemessenen Werte der relativen Brechzahlen nur wenig von den absoluten abweichen. In der folgenden Tabelle sind die Brechungsquotienten einer Anzahl Stoffe zusammengestellt. Sie gelten für das Licht der gelben Natriumlinie (D-Linie). Diese Angabe ist erforderlich, da die Brechzahl, wie wir in Nr. 20 noch zeigen müssen, von der Farbe (Schwingungszahl) des Lichtes abhängt. A b s o l u t e B r e c h u n g s q u o t i e n t e n e i n i g e r S t o f f e f ü r N a - L i c h t b e i 20° C Feste Stoffe: Flüssigkeiten: Eis 1,31 Wasser 1,3329 Lithiurafluorid 1,3915 Äthylalkohol 1,3605 Flußspat 1,4338 Leinöl 1,486 Sylvin 1,4903 Benzol 1,5013 Steinsalz 1,5443 Zedernöl 1,505 Kaliumbromid 1,5598 Kassiaöl 1,604 Jenaer Gläser: Schwefelkohlenstoff 1,6254 Borkron BK 1 1 5100 Monobromnaphthalin 1,6582 Schwerkron SK i . . . . . . 1^6102 Methylenjodid 1,7420 Flint F 3 1,6128 Gase: Schwerflint SF 4 1,7550 Sauerstoff 1,000271 schwerstes Flint 1,9 Stickstoff 1,000298 Quarzglas 1,4588 Kohlendioxyd 1,00449 Plexiglas 1,50.. 1,52 Stickoxydul 1,000516 Diamant 2,4173 Luft 1,000292

Man nennt einen Stoff o p t i s c h d i c h t e r ( o p t i s c h d ü n n e r ) als einen anderen, wenn sein absoluter Brechungsquotient g r ö ß e r ( k l e i n e r ) ist als der des andern; die optische Dichte ist jedoch nicht mit der spezifischen(stoffliehen) Dichte zu verwechseln.

28

I. Kapitel. Geometrische Optik

Zum Beispiel h a t Wasser trotz seiner größeren spezifischen Dichte eine kleinere Brechzahl als das spezifisch leichtere Benzol. Bei ein u n d demselben Stoff wächst allerdings die Brechzahl mit der spezifischen Dichte des Stoffes; wird diese also z. B. durch D r u c k erhöht, so steigt auch die Brechzahl an. Die Gl. (6) oder (7), die das Brechungsgesetz aussprechen, k a n n m a n u n t e r Berücksichtigung v o n (8) in der F o r m schreiben: (9)

nx s i n « = n2 s i n ß = Const.

D a m a n wegen der U m k e h r b a r k e i t des Lichtweges auch den Winkel oc als Brechungswinkel bezeichnen k a n n , l ä ß t sich das Brechungsgesetz in folgender F o r m aussprechen: Das Produkt aus Brechungsquotient und Sinus des Brechungswinkels ist bei der Brechung unveränderlich.

6

Das Produkt n sin« heißt nach E . A b b e (1873) die numerische Apertur des Strahles gegen das Einfallslot. Das Brechungsgesetz sagt also aus, daß die numerische Apertur bei der Brechung eines Lichtstrahls unverändert bleibt. Auf diese Weise ist das Brechungsgesetz in Form einer sog. o p t i s c h e n I n v a r i a n t e dargestellt, indem der Wert der numerischen Apertur n sina bei beliebig vielen aufeinanderfolgenden Brechungen unverändert bleibt. Rein formal schließt Gl. (9), d. h. das Brechungsgesetz, auch das Reflexionsgesetz in sich; man h a t nur n2 = — nl zu setzen und erhält dann das Reflexionsgesetz in der Form ß = — oc; das Minuszeichen rührt davon her, daß ß im ersten Medium auf der anderen Seite des Lotes liegt wie a; diese Bemerkung gilt für alle Reflexionsprobleme, worauf wir später noch zurückkommen werden.

Wir zeigen zunächst, wie m a n die R i c h t u n g eines gebrochenen Strahles zu einem vorgegebenen einfallenden Strahl geometrisch ermitteln k a n n . I n Abb. 39 falle im P u n k t e 0 ein Lichtstrahl LO auf die ebene Grenzfläche GG' zwischen zwei Medien 1 u n d 2 auf. Wir errichten in 0 das Einfallslot SS' u n d schlagen u m 0 im Medium 2 zwei Kreise, deren Radienverhältnis gleich dem relativen Brechungsquotienten n 2 ,i des Mediums 2 gegen Medium 1 ist (in der Fig. ist 2 als das optisch dichtere Medium angenommen). Die Verlängerung des einfallenden Strahls schneidet den kleineren Kreis in A. Von hier fällen wir das Lot AG auf die Grenzfläche GG' u n d verlängern dasselbe

5. Die Brechung des Lichtes; Totalreflexion

29

rückwärts bis zum Schnittpunkt B mit dem größeren Kreise. D a n n gibt die Verbindung OB die Richtung des gebrochenen Strahles im Medium 2 wieder. Es ist nämlich sin q _ sin C'AO _ Cü CO_ _ £ 0 _ siiT/T ~~ sin GBO ~ ~A0 '' ~BÖ ~ AO ~

'

was zu beweisen war. I s t umgekehrt der aus dem (dichteren) Medium 2 kommende Strahl L'O gegeben, so fällt m a n von B das Lot auf die Grenzfläche GO', das den kleineren Kreis in A schneidet. Die Verlängerung von AO über O hinaus liefert d a n n den in das (dünnere) Medium gebrochenen Strahl. Abb. 40 gibt ein auf Grund dieser Konstruktion gezeichnetes Diagramm wieder, aus dem m a n sofort f ü r den Übergang von L u f t zu einem Stoff mit den Brechzahlen 1 bis 2 oder umgekehrt den gebrochenen Strahl finden kann. Nach Abb. 39 ist die Ablenkung d, die ein Strahl durch die Brechung erfährt, durch (10)

d = oc—ß

gegeben. Aus dem Brechungsgesetz (6) folgt s i n « = n21 sin ß und weiter sin

oc

— sin

ß =

— 1) sin

(n21

ß

.

Nach dem Additionstheorem der trigonometrischen Punktionen ist diese Gleichung identisch mit der folgenden: (X — ß 2 sin — 2 r - • cos woraus sich ergibt:

K + 2

ß

=

. (n21

1, d. h. w2 > % ist. N u n ist aber der größte Wert, den sin ß n i

ü b e r h a u p t annehmen kann, gleich 1, wenn nämlich ß gleich 90° wird. I n diesem Falle t r i t t der in das dünnere Medium gebrochene Strahl s t r e i f e n d z u r G r e n z f l ä c h e in dieses ein (Strahl 3 in Abb. 41). Der zugehörige Einfallswinkel ocg im dichteren Medium ist dann durch die Gleichung (11)

sin ocg =

= Wii2 = —

n

2,l

n

2

gegeben. Einfallswinkeln oc, die größer als der durch Gl. (11) definierte Grenzwinkel ocg sind, entspricht k e i n r e e l l e r B r e c h u n g s w i n k e l ß m e h r ; daher k a n n ein Ü b e r t r i t t des Lichtes in das dünnere Medium n i c h t m e h r e r f o l g e n . Das Licht wird vielmehr an der Grenzfläche regulär reflektiert, u n d z w a r m i t s e i n e r v o l l e n I n t e n s i t ä t (Strahl 4 in Abb. 41). Man bezeichnet daher diesen zuerst von J . K e p l e r (1611) beobachteten Vorgang als Totalreflexion. Wir können also sagen:

30

I. Kapitel. Geometrische Optik

Totalreflexion tritt stets dann ein, wenn Licht aus einem optisch dichteren Medium auf die Grenzfläche eines optisch dünneren fällt und der Einfallswinkel größer als der durch die Gleichung s i n a „ = w 12 bestimmte Grenzwinkel ist. Wir müssen uns hier mit dieser empirischen Feststellung begnügen. Auf die feineren Vorgänge bei der Totalreflexion kommen wir in Kap. V Nr. 43 zurück. Beim Übergang von Wasser nach Luft ist sin = 3 / 4 , d. h. -Werte benutzen kann. Wie bei einer einzelnen brechenden Fläche bezeichnet man auch bei einer Linse als B r e c h k r a f t D den reziproken Wert der Brennweite / (s. S.52). Es ist also: (45)

(w - 1 )d~\

1 , 0 . - 1 .

/

nr r

ii

J'

Als Beispiele betrachten wir die folgenden Linsentypen:

S2 H

a

b

d

c

»

Abb. 88. Lage der Hauptpunkte bzw. Ebenen bei den verschiedenen Linsenarten

1. B i k o n v e x l i n s e m i t g l e i c h e n K r ü m m u n g s r a d i e n r1 = r, r2 = — r . Dann folgt aus Gl. (40b) oder (41b): nr'~2 / = /' = (n - 1) [2 rn - d (n - 1)] '

(Abb. 88a). Hier ist

Die Brennweiten sind also positiv, solange die Linsendicke d
= y>' = 0, d. h. die Brennpunkte liegen in den Scheitelpunkten (Abb. 89b). Mit weiter zunehmender Dicke rücken die Brennpunkte sogar in das Linseninnere hinein (Abb. 89c), um schließlich bei d = 6 r, ebenso wie die beiden Hauptpunkte, nach beiden Seiten ins Unendliche zu wandern (Abb. 89d). In diesem Fall stellt die stabförmige Linse ein t e l e s k o p i s c h e s S y s t e m dar. Vergrößert man die Linsendicke noch weiter (d > 6 r), so rücken die Brenn- und Hauptpunkte von den entgegengesetzten Seiten wieder auf die Scheitelpunkte der Linse zu. In den Fällen der Abb. 89a bis 89c liegt — im Sinne der Lichtbewegung — F vor H und H' vor F': Die Stablinse wirkt also als k o l l e k t i v e s S y s t e m mit positiven Brennweiten / (und /'). Dagegen ist im Falle der Abb. 89e die Lage der genannten Punkte umgekehrt: die Brennweiten / (und /') sind negativ, das System ist jetzt d i s p a n s i v . Den Übergang bildet der teleskopische Fall der Abb. 89d. Ausdrücklich sei bemerkt, daß diese Bezeichnung nichts mit der Frage zu tun hat, ob die Linse reelle oder virtuelle Bilder erzeugt. Die Stablinse Abb.89e kann reelle, aufrechte Bilder erzeugen, obwohl das System dispansiv genannt wird. Man vergleiche auch diegraph. Darstellung in Abb. 90, aus der hervorgeht, daß der teleskopische Fall die Grenze zwischen positiven und negativen Brennweiten darstellt. 2. B i k o n k a v l i n s e m i t gleichen K r ü m m u n g s r a d i e n ( A b b . 8 8 d ) : Hier ist — r ; r 2 — r. Dann folgt aus Gl. (40 b) bzw. ( 4 1 b ) :

/ = /' = (n — 1)[2 rn

1)J '

+ d(n-

D a der Nenner immer positiv ist, bleiben die B r e n n w e i t e n s t e t s n e g a t i v (daher die Bezeichnung negative Linse). F ü r die Brechkraft folgt aus ( 4 5 ) : D = - ( n - l

+ Lr

nr2

Aus Gl. (43b) bzw. (44b) ergibt sich: 2 [2 (n —nr1) d(n + rn r (n+ — 1) d— 1)]

h = V

=

2rn + d (n — 1) '

Die H a u p t p u n k t e liegen also stets i n n e r h a l b d e r L i n s e in g l e i c h e n A b s t ä n d e n v o n den L i n s e n s c h e i t e l n . Abb. 90. Diagramm zur graphischen Ermittlung der Brennweite / (Abstand des Brennpunktes von dem Hauptpunkt), der Größe y> (Abstand des Brennpunktes vom Scheitelpunkt) und des gegenseitigen Abstandes HH' der beiden Hauptpunkte bei bikonvexen Linsen von kugel- bzw. stabförmiger Gestalt Ist dj6r

Für n = drücke :

1,5 ergeben sich die Aus-

f — f' — ~ 6 r 2 _ > ' ß ^ _1- A und D = •

6r + d ~ 1Vr^

klein gegen 1, so kann man dafür schreiben: / = /' = — r (1 — d/6r)

und

1 D = r -d/6

= — (r — d/6)

'

Ferner ist: ip =

ip —



6r2 + 2rd '6 r + d

- r 1 AIR y

und

h = h'

=

2 dr 6r + d'

d/Qr

9. Abbildung durch Linsen

71

bzw. für d klein gegen 6 r: ip =

ip' = — (r + -i-d) o

und

h = h' = ~ d o

.

3. P l a n k o n v e x l i n s e (Abb. 88b). Bei dieser ist entweder r 1 = r , r 2 = oo, oder r2 =— r und r1 = oo . Im e r s t e n Fall dividieren wir in Gl. (40b) oder (41b) Zähler und Nenner durch r2. Dies liefert: nr,

^

^

( » - 1)

(n — 1)

und ergibt:

/ = 1/' = n-— 1-

1

und

D =

r

- .

Zu derselben Gleichung gelangt man aber auch im z w e i t e n Falle. D i e B r e n n w e i t e n der P l a n k o n v e x l i n s e sind a l s o s t e t s p o s i t i v , und zwar u n a b h ä n g i g von der D i c k e der L i n s e . Diese wirkt also immer als Sammellinse. In derselben Weise erhalten wir aus (43 b) oder (44 b) für r1 = r und r 2 = oo : V

und

=

r n - 1 '

, ^

h = 0 ;

nr — (n — 1) d (n-l)n '

=

h' — — . n

D e r H a u p t p u n k t H f ä l l t a l s o m i t d e m S c h e i t e l p u n k t iS^der K u g e l f l ä c h e l z u s a m m e n , w ä h r e n d H' ins L i n s e n i n n e r e f ä l l t . Für r1 = oo und r2 = — r sind die Werte von y> und ip' bzw. von h und h' gerade vertauscht. Für n = 1,5 erhalten wir: f = f = 2 r ;

D

=

ip = 2r ;

ip' =

2 { r ~ ~

h = 0 ;

V = ~

.

4. P l a n k o n k a v l i n s e (Abb. 88e). Bei dieser ist ebenfalls eine Fläche eben, die andere konkav. Es ist also entweder r x = — r, r2 = oo oder aber r1 = oo , r2 = r. Dies ergibt in beiden Fällen: f' = r = — n —r 1;

D

=

I n f o l g e der n e g a t i v e n B r e n n w e i t e w i r k t Für rx — — r, r 2 = oo erhalten wir ferner: ^ h = 0 ;

während für r2=r, vertauschen.

r _ n—1 '

^

,

r

die L i n s e s t e t s

zerstreuend.

— nr — (n — 1) d (n — l)n '

h' = — , n

r1 = oo die Werte von ip und ip sich ebenso wie die von h und h'

I. Kapitel. Geometrische Optik

72 Mit w = 1,5 ergibt sich: / =

f

)

_

=

2

r

z > = _ J _

;

Ä = 0 ; 5. K o n k a v k o n v e x l i n s e (Abb. 88c). Bei dieser Linse, die auch p o s i t i v e r M e n i s k u s genannt wird, sind je nach der Stellung der Linse zum einfallenden Licht und r2 beide positiv und r 2 > r± (wie in Abb. 88 c) oder r1 und r 2 beide negativ und r1 > r 2 . In beiden Fällen bleibt r 2 — r1 stets positiv; aus den allgemeinen Gl. (40b) und (41b), in denen der Nenner in unserem Falle stets positiv ist, folgt, d a ß a u c h / = /' s t e t s p o s i t i v sind. D i e K o n k a v k o n v e x l i n s e w i r k t also s t e t s als S a m m e l l i n s e . Auch die Brechkraft ist natürlich immer positiv. Für ip, ip', h, h' gelten die allgemeinen Formeln (43b) und (44b) mit der Maßgabe, daß r 2 — rx in ihnen positiv zu nehmen ist. D e r H a u p t p u n k t , d e r z u r s t ä r k e r g e k r ü m m t e n F l ä c h e g e h ö r t (z. B . H f ü r r x < r 2 ) l i e g t , wie man aus dem Vorzeichen erkennt, s t e t s a u ß e r h a l b d e r L i n s e . Bei abnehmender Differenz der Krümmungen rückt er immer weiter heraus, so daß auch der zweite Hauptpunkt auf der gleichen Seite der Linse heraustreten kann, wie dies z. B . in Abb. 88c der Fall ist. Für den Sonderfall n = 1,5 ergibt sich: '

'

3

6 ri r2 . fo-rj + d '

6 rx r2 + 2 r1 d V ~ 3 (r2 - rx) + d ; -

S^-rJ

h

'

+ d'

7) _ ^

3 (r2 - rt) + d _ 6 r2

,

6 rx r2 — 2 r2 d 3 (r2 - r,) + d '

V

=

-

3 (r2 - rx) + d '

6. K o n v e x k o n k a v l i n s e (Abb. 88f). Bei diesem n e g a t i v e n M e n i s k u s sind wieder j e nach Stellung der Linse zum einfallenden Licht r1 und r 2 beide negativ und I ri I < I r 2 I (wie in Abb. 88 c) oder r x und r 2 beide positiv und rx > r 2 . In beiden Fällen ist aber jetzt r 2 — rx n e g a t i v . Aus der allgemeinen Gl. (40b) oder (41b) f = f

= (n-

VKrt-r-Jn

+ din-

1)]

folgt also, daß / = /' sowohl negative wie positive Werte annehmen kann. Die Brenn(T T ^ Yl weite ist negativ, wenn d
| r 2 — rx \ , so w e r d e n / u n d /' p o s i t i v , u n d d e r M e n i s k u s n n

wirkt als Sammellinse. Den Übergang zwischen den beiden Möglichkeiten bildet der t e l e s k o p i s c h e der eintritt, wenn d =

n W

| r 2 — r11 . Dann sind j = f'=h

Fall,

= h' = ip — rp' = oo.

9. Abbildung durch Linsen

73

Einen besonderen Fall stellt schließlich eine „ L i n s e m i t N u l l k r ü m m u n g " dar, bei der beide Flächen den gleichen Krümmungsradius r haben, so daß r 2 — rx = 0 w i r d . Dann haben wir: t _ /' _ wr2 _ _ (•n — 1 Yd . (« - l)2 d '

' ~ '

n

nr2 -f r (n — 1) d (n - l)*d '

A=

: n— 1 '

=

^

'

wr2 — r (n — \)d

,

(n - 1 Yd

A' =

'

n— 1

D i e s e L i n s e w i r k t a l s o s t e t s a l s S a m m e l l i n s e . Die beiden Hauptpunkte liegen außerhalb der Linse u n d zwar vor der konvex gekrümmten Fläche. Der Abstand der beiden Hauptpunkte ist d— (h -\-h') = d, also gleich der Linsendicke. Für n= 1,5 gehen die obigen Gleichungen über in: '

'

d

6 r2 '

'

6r2 + 2rd V

=



;

A= — 2r ;

6r2 — 2rd

, V

=



d



;

A' = 2 r .

Dünne Linsen. Besonders einfach werden die Verhältnisse bei dünnen Linsen, bei denen die Dicke d der Linse, gegenüber den Krümmungsradien der Linsenflächen so klein wird, daß man d(n—1) gegenüber n(r2 — rx) vernachlässigen darf. Dann treten an Stelle der Gl. (40b) bis (44b) die folgenden:

(42c)

'

,, o K

A = ...

1

(44 e)

W

=

h =

n —1



nr^ + ^jn— l)d . (n - 1) (r2 - r j n '

, _ W

r±d

~ ; (r2 — rt) n '

/

A' =

w^r, - r2 (n (n - 1) (r2 - r j n (rt —

'

rjn"

In diesem Falle ergibt sich für den A b s t a n d d e r b e i d e n H a u p t p u n k t e der Ausdruck : d — (A + A') = d — -- = n

n

d ,

der unabhängig von den Krümmungsradien ist. Für die Brechkraft D der dünnen Linse folgt aus Gl. (45): (45c)

D = (n—1)

(7- —7") • \ 1 "2/

Es bleibe dem Leser überlassen, die oben aufgestellten Gleichungen f ü r die verschiedenen Linsentypen auf den Fall dünner Linsen zu spezialisieren. Macht man die Linse schließlich so dünn, daß man ihre Dicke ganz vernachlässigen darf, so spricht man von s e h r d ü n n e n oder i d e e l l e n Linsen. Die Gl. (40c) bis (42c) bleiben bestehen, die Gl. (43c) für ip und ip' werden mit (40c) und (41c) identisch, d. h. es wird ip = ip' = / = /' und aus (44 c) folgt A = A' = 0. Es fallen also die Scheitelpunkte mit den beiden Hauptpunkten in dem sog. o p t i s c h e n M i t t e l p u n k t (siehe weiter unten) der Linse zusammen.

74

I. Kapitel. Geometrische Optik

Natürlich hätte man die Verhältnisse bei dünnen und ideellen Linsen auf einfachere Weise direkt herleiten können, wie es in der Schulbuchliteratur zu geschehen pflegt. Wir haben demgegenüber Wert darauf gelegt, die dünnen Linsen als Spezialfall eines zentrierten Systems zu behandeln. Abbildung durch Linsen. Für die Abbildung eines Gegenstandes durch Linsen gelten natürlich dieselben Vorschriften wie bei einem zentrierten System. Man zieht zunächst von dem betreffenden Punkt, z. B. in Abb. 91, einen achsenparallelen Strahl bis zum TO (7l >T

~lp I Olj

Schnittpunkt A' mit der bildseitigen Hauptebene X'. Von A' zieht man einen Strahl durch den bildseitigen Brennpunkt F'. Von G1 zieht man einen zweiten Strahl durch den objektseitigen Brennpunkt F, der die Hauptebene X in G schneidet. Von G zieht man einen achsenparallelen Strahl, der den durch F' verlaufenden Strahl A' F' im Punkte B1, dem Bildpunkt zu Gl, schneidet. Verbindet man ferner Gt mit dem Haupt-

Abb. 93. Bildkonstruktion bei einer dünnen bikonvexen Linse für den Fall, daß der Gegenstand zwischen Brennpunkt und Linse liegt

punkt H, der wegen f — f gleichzeitig objektseitiger Knotenpunkt der Linse ist, so geht eine durch den bildseitigen Knoten- bzw. H a u p t p u n k t H ' zu GXH gezogene Parallele ebenfalls durch Bv Bei einer sehr dünnen Linse fallen und somit auch H und H' zusammen, so daß sich die Konstruktion des Bildes noch etwas vereinfacht. I n Abb. 92 ist die Konstruktion des bei einer bikonkaven Linse entstehenden virtuellen Bildes wiedergegeben, und schließlich zeigt Abb. 93 für eine dünne Linse die Konstruktion des virtuellen Bildes, das bei einer Sammellinse entsteht, wenn der Gegenstand zwischen Brennpunkt und Linse rückt.

9. Abbildung durch Linsen

75

Die gegenseitige Lage von Gegenstand und Bild bei der Abbildung durch eine Linse wird auch hier durch die allgemeine Abbildungsgleichung (34) auf S. 62 geregelt, die hier wegen / = /' die Gestalt annimmt:

xx' = / 2 (Newtonsche Abbildungsgleichung),

(46)

und diese ist identisch mit der folgenden Gleichung: i

(46 a)

9

+ l = JL ^

b

f

Die Gleichungen (46) und (46a) sind der Form nach identisch mit den Gl. (1) und (2) für den Hohl- und Wölbspiegel; es gelten daher für die Abbildung durch Linsen die gleichen Überlegungen wie für sphärische Spiegel. Der Grund dafür, daß sowohl das Reflexions- als auch das Brechungsgesetz zu derselben Abbildungsgleichung führen, liegt darin, daß in beiden Fällen ein parallel zur Achse einfallender Strahl nach der Reflexion bzw. Brechung durch den Brennpunkt geht, während ein durch den Brennpunkt einfallender Strahl als achsenparalleler Strahl reflektiert bzw. gebrochen wird. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die gegenseitige Lage von Gegenstand und Bild bei den zwei Linsenarten (Sammel- und Zerstreuungslinsen). A. Sammellinsen Gegenstandsort zwischen g — oo u. g = 2 /

Bildort

Bildart

zwischen 6 = / u. b = 2 /

reell, umgekehrt, verkleinert reell, umgekehrt gleich groß reell, umgekehrt vergrößert virtuell, aufrecht vergrößert virtuell, aufrecht gleich groß

bei g = 2/

bei 6 = 2 /

zwischen g = 2 / u. g == zwischen g = f u. g =

/

0

zwischen b = 2 / u. 6 =

CO

zwischen b = — oo u. b = =0

bei g = 0

bei 6 = 0

Lateralvergrößerung V

< 1

V

= 1

V

> 1

.

1« > l 1 ) 1«

=

P)

B. Zerstreuungslinsen zwischen g = oo u. g — 0 bei g = 0

zwischen b = — / u. 6 = 0 bei 6 = 0

virtuell, aufrecht verkleinert virtuell, aufrecht gleich groß

M = i1)

Für die graphische Darstellung dieser Verhältnisse können die Abbildungen 24 und 34 verwendet werden. In den folgenden Abb. 94 bis 96 ist nach der auf S. 67 beschriebenen Methode der Strahlenverlauf durch einige Linsen von endlicher Dicke sichtbar gemacht. Bei Abb. 94a fallen auf eine bikonvexe Linse von links drei parallele Strahlen, sie werden so gebrochen, daß sie sich im bildseitigen Brennpunkt F' schneiden. Verlängert man die einfallenden Strahlen geradlinig in ihrer Richtung und die austretenden geradlinig rückwärts, so schneiden sich diese (gestrichelt eingezeichneten) Linien in der bildseitigen Hauptebene Abb. 94b zeigt den gleichen Versuch bei der gleichen Linse, nur mit dem Unterschied, daß der Einfall der parallelen Strahlen von der anderen Seite erfolgt, so daß sie sich im objektseitigen Brennpunkt F schneiden. Die Verlängerung der Strahlen liefert jetzt die objektseitige Hauptebene 36. In den Abb. 95a und b ist derselbe Versuch für eine gleich dicke konkav-konvexe Linse wiederholt, beide Hauptebenen sind nach links verschoben, und die bildseitige Hauptebene fällt sogar aus dem 1 ) Da bei unserer Vorzeichenwahl bei aufrechtem Bilde die Lateralvergrößerung v negativ ausfällt, ist hier der Absolutbetrag von v angegeben.

76

I. Kapitel. Geometrische Optik

Linsenkörper heraus. Die letzte Abb. 96 zeigt den schiefen Durchgang eines Strahles durch eine bikonvexe Linse. Der Strahl fällt dabei so auf die Linse, daß die geradlinige Verlängerung des einfallenden bzw. austretenden Strahles die Achse in den beiden Knotenpunkten schneidet. Da sich vor und hinter der Linse dasselbe Medium (Luft) befindet, stellen die Knotenpunkte gleichzeitig die beiden Hauptpunkte dar. Nach Definition der Knotenpunkte müssen die in die Linse eintretenden und aus ihr aus-

a

b

Abb. 94. Verlauf von drei parallelen Strahlen durch eine dicke bikonvexe Linse, o) Einfall der Strahlen von links 6) Einfall der Strahlen von rechts

Abb. 95. Verlauf von drei parallelen Strahlen durch eine dicke konkav-konvexe Linse. ä) Einfall der Strahlen von links b) Einfall der Strahlen von rechts

tretenden Strahlen mit der Linsenachse gleiche Winkel bilden, d. h. der Strahl erleidet in diesem Falle beim Durchgang durch die Linse nur eine Parallelverschiebung, sein Schnittpunkt mit der Achse heißt der optische Mittelpunkt der Linse. Über seine Lage in einer Linse von endlicher Dicke können wir noch folgendes aussagen: In der Abb. 97 sind von den Krümmungsmittelpunkten der die Linse begrenzenden Kugelflächen die beiden einander parallelen Radien M1 Rt und M2 Ii2 gezogen. Die Verbindungslinie Äx i?2 sei ein Teil eines die Linse durchsetzenden Strahles PR1R2Q- Legen wir in R1 und li2 an die Linse die beiden Tangentialebenen T1 rl\ und rl\ T2, so können wir uns die Linse f ü r den betrachteten Strahl durch eine planparallele Platte ersetzt denken, die ja ebenfalls nur eine Parallelverschiebung des Strahles

77

9. Abbildung durch Linsen

bewirkt. Die geradlinige Verlängerung des einfallenden u n d die rückwärtige Verlängerung des austretenden Strahles liefern wieder die beiden K n o t e n p u n k t e u n d K2. F ü r die Lage des optischen Mittelpunktes 0 , in dem der Strahl die Achse schneidet, folgt aus der Ähnlichkeit der Dreiecke 0 R1M1 u n d 0 RiM2 die Proportion:

0R1-.0Ri=r1-.r2. Wegen der Ähnlichkeit der Dreiecke 0 R u n d 0 Il2S2 ist ferner 0St : 0' des bildseitigen Systembrennpunktes F' von dem hinteren Scheitelpunkt S2 der Linse 2 folgt aus (43) mit Berücksichtigung von (38):]

oder: (48 a)

h +

h-d'

und analog ergibt sich für die Entfernung ip des objektseitigen Brennpunktes F von dem vorderen Scheitelpunkt /S'j der Linse 1 aus (43) mit Berücksichtigung von (39): (48b)

h + ft-d' Für die Abstände der resultierenden Hauptebenen von den Scheitelpunkten S x und S 2 folgt auf Grund von (44): (49a) (49b)

h=f—y>h' = /' — v>' =

fld

fi + ft-d

'

hd h +

fx-d'

9. Abbildung durch Linsen

79

Für dünne Linsen, bei denen die Hauptebenen praktisch in der Linsenmitte zusammenfallen, bedeutet d den Abstand der beiden Linsenmitten. Bringt man zwei dünne Linsen zur Berührung, so daß d praktisch gleich Null wird, so erhält man aus Gl. (47) für die resultierende Brennweite: (50)

/ =

(50a)\

T

=

/

17

' = =

77+/;'

1 7 _ +1

_1.

Führt man statt der Brennweiten die Brechzahlen ein, so liefert die letzte Gleichung: (50b)

D = D1 + D2 .

a

b

Abb. 100. Verlauf von 5 parallelen Lichtstrahlen durch ein teleskopisches System, das aus einer bikonvexen und plankonvexen Linse (a) bzw. aus einer plankonvexen und einer plankonkaven Linse (b) besteht

B e i zwei a n e i n a n d e r l i e g e n d e n d ü n n e n L i n s e n a d d i e r e n sich die r e z i p r o k e n B r e n n w e i t e n oder die B r e c h z a h l e n . Es ergeben also zwei aufeinander gelegte Linsen von gleicher Brennweite eine Linse von halber Brennweite oder doppelter Brechzahl. Ein besonderer Fall tritt ein, wenn man zwei Linsen in eine solche Entfernung bringt, daß ihr Abstand d gleich der (algebraischen) Summe der Einzelbrennweiten beider Linsen wird. Dann wird das optische Intervall A entsprechend Gl. (42) Null und nach Gl. (46) die resultierende Brennweite unendlich. Wir haben dann ein t e l e s k o p i s c h e s System vor uns, bei dem parallel einfallende Strahlen wieder als paralleles Strahlenbündel austreten. In Abb. 100 sind die Strahlengänge durch zwei teleskopische Systeme wiedergegeben, bei Abb. 100a sind eine bikonvexe und eine plankonvexe Linse miteinander kombiniert, in Abb. 100b eine plankonvexe und eine plankonkave. Die Lage des gemeinsamen Brennpunktes beider Linsen ist angegeben. Bezeichnen wir den Durchmesser des einfallenden Lichtbündels mit dlt den des austretenden mit d2, so gilt die aus Abb. 100 sofort ablesbare Beziehung: d

i '• d* = f i '• f i •

80

I. Kapitel. Geometrische Optik

Eine solche Kombination zweier Linsen zeigt — wie der Leser bemerken wird — sämtliche Eigenschaften, die wir bei den Stablinsen auf S. 69 festgestellt haben, und die zunächst überraschen, weil es sich bei diesen um e i n e Linse handelt; das Sonderbare verschwindet, wenn man, wie hier, z w e i Linsen in variabelem Abstände betrachtet. Bestimmung der Brennweite. Zur Frage der experimentellen Bestimmung der Brennweite ist folgendes zu sagen: Bei dünnen Sammellinsen läßt sich die Brennweite aus der Abbildungsgleichung (46) ermitteln, indem man mit der Linse einen Gegenstand, z. B. ein in eine Metallscheibe eingeschnittenes, von der Rückseite beleuchtetes Zeichen (Buchstabe) auf einer Mattscheibe scharf abbildet und die Gegenstandsweite g und Bildweite b mit einem Maßstabe bestimmt. Dann folgt aus (46):

Ein zweites Verfahren besteht darin, daß man die auszumessende Sammellinse vor ein auf Unendlich eingestelltes Fernrohr setzt und damit (durch die Linse hindurch) einen Gegenstand (Skala) betrachtet. Damit man ein scharfes Bild bekommt, muß der Gegenstand sieh in der Brennebene der Linse befinden, denn nur dann werden alle vom Objekt ausgehenden Strahlen nach Brechung in der Linse als parallele Strahlen in das Fernrohr eintreten. Auch die Brennweiten von Zerstreuungsj ß linsen lassen sich auf diese beiden Arten bestimmen, indem man die zu untersuchende Zerstreuungslinse mit einer Sammellinse von solcher Brechkraft kombiniert, daß das resultierende System noch als Sammellinse wirkt. Bezeichnen /2 die gesuchte Brennweite der Zerstreuungslinse, /„ die der benutzten Sam„ mellinse und fk die der Kombination, so folgt Abb. 101. Bestimmung der Brennweite Abb. 101. Bestimmung der Brennweite einer Linse Linse mittels mittels der der Besselachen Besseischen einer Methode

a u s

. V ÖUf V :

fi =

^. ^ \ •

tk — ts

Bei Linsen mit nicht mehr zu vernachlässigender Dicke werden die beschriebenen Ver. fahren dadurch unsicher, daß die von der Linse aus zu messenden Entfernungen nicht mehr genau definiert sind. In diesem Falle hilft eine von F . W . B e s s e l (1840) angegebene Methode weiter. Wählt man nämlich den Abstand von Objekt- und Bildebene größer als die vierfache Brennweite der Linse, so gibt es zwischen diesen beiden Ebenen zwei Stellungen der Linse, bei denen eine scharfe Abbildung erfolgt. Man kann nämlich, wie aus Abb. 101 hervorgeht, in der Abbildungsgleichung (46a) die Werte von g und b gegeneinander austauschen, wobei man einmal ein vergrößertes, das andere Mal ein verkleinertes Bild des Gegenstandes in der festgehaltenen Bildebene B erhält. Die dazu erforderlichen beiden Linsenstellungen sind in bezug auf G und B symmetrisch, der Abstand beider Einstellungen sei d, die Entfernung von 0 und B sei e. Dann ist, da g =b' und b =g' ist: g -f- b = e und g— b = d . Addition und Subtraktion beider Gleichungen liefern: 9 = y (e + d)

und

b=~(e

— d).

Setzt man diese Werte für g und b in die Abbildungsgleichung (46a) ein, so folgt:

9. Abbildung durch Linsen

81

Dabei ist allerdings vorausgesetzt, daß der Abstand der beiden Hauptebenen in der zu messenden Linse so klein ist, daß er gegen die Brennweite vernachlässigt werden kann. Beträgt dieser Abstand j, so ist genauer e = 9 + b + j ,

und man findet für / : , '

1 (e - j)* - d• ^ 4 e— j

Mit folgendem, von E . A b b e (1904) herrührenden Verfahren läßt sich die w i r k l i c h e Brennweite, d. h. der Abstand des Brennpunktes von der zugehörigen Hauptebene 3ß3€

ermitteln. Nach der Abbildungsgleichung (46a) ist für zwei verschiedene Stellungen I und I I von Objekt, Linse und Bild, wie sie Abb. 102 zeigt:

* = /( i + t ) ;

=

+

woraus durch Subtraktion f _

gi — 92 9ilbi — gjb 2

folgt. Nun kann man für das Verhältnis von Gegenstands w e i t e zu B i l d w e i t e das Verhältnis von Gegenstandsgröße zu B i l d g r ö ß e einsetzen, so daß man erhält: i '

=

gi — 9z G1/B1-Gi/B2

=

9i — 92 _ l/wx — 1 /»,

(gi — 9i) vi v2 v2-v1 '

wobei v1 — Bi/Gi und v2 = B2/G2 die in beiden Stellungen gemessenen Lateralvergrößerungen bedeuten. Man hat also zur Bestimmung der Brennweite / bei zwei verschiedenen Gegenstandsweiten und g2, (die sich zwar auf den Abstand des Gegenstandes von ihrer der Lage nach unbekannten Hauptebene beziehen, aber nicht selbst, sondern nur mit ihrer Differenz g1—g2 bekannt zu sein brauchen), die zugehörigen Größen von Gegenstand und Bild d. h. die Lateralvergrößerungen v1 und v2 zu messen. Die diesem Zweck dienenden Apparate heißen F o k o m e t e r . 6 Bergmann-Schaefer, III, 1

82

I. Kapitel. Geometrische Optik

Wir haben bisher nur Linsen betrachtet, die aus einem stärker brechenden Stoff (z. B. Glas) als ihre Umgebung (Luft) bestehen. Liegt der Fall aber umgekehrt, daß die Linse aus einem Medium besteht, dessen Brechzahl kleiner als die der Umgebung ist, so wirken Konvexlinsen als Zerstreuungslinsen und Konkavlinsen als Sammellinsen, da sich in den Gleichungen (38a) bis (44a) die Vorzeichen der Glieder (w2 — w i) u n ( i (n3 ~ nz) umkehren. Man kann dies zeigen, indem man sich aus zwei Uhrgläsern eine bikonvexe Linse oder unter Zuhilfenahme eines Metallringes eine bikonkave zusammenkittet, die als Linsenmedium Luft enthält. Taucht man solche „Luftlinsen" in Wasser, so wird ein Parallelstrahlenbündel durch eine Konvexlinse zerstreut und durch die Konkavlinse in einem Brennpunkt gesammelt. Zum Schluß dieses Abschnittes seien noch zwei besondere Linsenformen erwähnt, die f ü r Scheinwerfer und Beleuchtungszwecke Anwendung finden. Will man z. B. das von einer Lichtquelle (Glühlampe, Krater einer Bogenlampe) ausgehende Licht zu einem parallelen Strahlenbündel zusammen-

Abb. 103. Plankonvexe (a) und bikonvexe (6) Fresnelsche Ringlinse

Abb. 104. Schnitt durch einen Mangin-Spiegel

Abb. 105. Strahlenverlauf in einem Rückstrahler Katzenauge)

fassen, so muß man die Lichtquelle in den Brennpunkt einer Sammellinse stellen. Um dabei möglichst viel Licht zu erfassen, ist eine Linse von kurzer Brennweite und möglichst großem Durchmesser, also großem Öffnungsverhältnis (siehe weiter unten) erforderlich. Kurze Brennweite bedingt aber nach (41 b) kleine Krümmungsradien, d. h. dicke und schwere Linsen. Z. B. würde eine Bikonvexlinse aus Kronglas (n = 1,5) bei einer Brennweite von 22 cm und einem Durchmesser von 27 cm bereits eine Dicke von 10 cm besitzen. Abgesehen vom hohen Gewicht besteht noch die Gefahr, daß die Linsen bei einseitiger Erwärmung durch die Lichtquelle leicht zerspringen. Zur Vermeidung dieser Nachteile hat A. F r e s n e l (1820) sogenannte Ringimsen angegeben die aus einer Hauptlinse bestehen, die mit ringförmigen Ausschnitten aus Linsen von größerer Öffnung umgeben ist. Abb. 103 zeigt zwei Ausführungsformen solcher Linsen, wie sie bei Scheinwerfern von Leuchttürmen, Kraftwagen usw. verwendet werden. Eine zweite Art von Linsen sind die sog. Spiegellinsen. Bekanntlich läßt sich ein sphärischer Hohlspiegel zur Erzeugung eines parallelen Strahlenbündels von einer in seinem Brennpunkt befindlichen Lichtquelle nur bei kleinem Öffnungsverhältnis, d. h. bei kleinem Spiegeldurchmesser verwenden. Der für diese Zwecke ideale Parabolspiegel ist wegen seiner asphärischen Fläche verhältnismäßig schwer herstellbar. Der französische Pionieroffizier A. M a n g i n hat daher 1876 einen sphärischen Hohlspiegel angegeben, der dem einfachen Kugelspiegel weit überlegen ist. Nach Abb. 104

10. Die Abbildungsfehler der Linsen

83

stellt ein derartiger M a n g i n s p i e g e l einen negativen Meniskus dar, bei dem die äußere konvexe Grenzfläche verspiegelt ist: wir haben es also mit einer Spiegellinse zu tun. Um störende Wirkungen der Reflexion des Lichtes an der vorderen (unverspiegelten) Fläche zu vermeiden, befindet sich die Lichtquelle in ihrem Krümmungsmittelpunkt. Das Licht tritt also senkrecht in die Glasschicht ein, wird an der verspiegelten Fläche reflektiert und erfährt beim Austritt aus der vorderen Fläche eine derartige Brechung, daß die austretenden Strahlen ein paralleles Strahlenbündel bilden. Für diesen Fall gilt nach Mang in die Beziehung:

wra + (2 n — 1) 2 d + (w - l)a d2 ( 2 m - l ) r + 2(w - l)d worin R den Radius der verspiegelten äußeren Fläche, r den der unverspiegelten inneren Fläche, d die Dicke des Spiegels in der Achse und w die Brechzahl des benutzten Glases bedeuten. Charakteristisch für die Leistungsfähigkeit aller dieser Anordnungen ist das sog. Ö f f n u n g s v e r h ä l t n i s , d. h. das Verhältnis des Durchmessers der Linse (bzw. Spiegels) zur Brennweite /. Mit Spiegellinsen lassen sich Öffnungsverhältnisse von 1:1,5 gegenüber 1:10 bei einfachen Kugelspiegeln erreichen. Später (1915) ist es R. S t r a u b e l gelungen, bei Spiegellinsen, bei denen eine Fläche parabolisch, die andere paraboloidähnlich gestaltet ist (sog. B-Spiegel), das Öffnungsverhältnis auf 5:1 zu erhöhen. Solche Spiegel dienen in der Hauptsache für Scheinwerferzwecke. Die an der Rückseite von Fahrzeugen angebrachten Rückstrahler stellen übrigens auch eine Art von Spiegellinsen dar. Wie Abb. 105 zeigt, werden die an der Vorderseite gebrochenen, nahezu parallel einfallenden Strahlen auf der verspiegelten Rückseite der Linse vereinigt und werden in sich selbst zurückgeworfen, aus welcher Richtung auch immer die Lichtstrahlen kommen. Voraussetzung ist, daß beide Kugelflächen den nämlichen Mittelpunkt haben. Die Krümmung der ersten Fläche richtet sich natürlich nach der Brechzahl des Materials, aus dem die Spiegellinse hergestellt ist (sog. K a t z e n a u g e n ) .

10. Die Abbildungsfehler der Linsen Das bisher über die optische Abbildung durch Linsen Gesagte gilt nur für achsennahe Strahlen. Dieser Idealfall tritt aber in Wirklichkeit nur selten auf; wir haben es vielmehr meistens mit Strahlen zu tun, die auch durch die Randpartien der Linse gehen oder die Achse unter Winkeln schneiden, für die man nicht mehr den Sinus oder den Tangens mit dem Bogen vertauschen darf. Dann tritt bei gewöhnlichen Linsen eine Anzahl von Mängeln der optischen Abbildung auf, die man als Abbildungsfehler bezeichnet. Die hauptsächlichen Fehler sind: 1. 2. 3. 4. 5.

die sphärische Aberration, der Astigmatismus, die Krümmung der Bildebene (Bildfeldwölbung), die Verzeichnung oder Verzerrung der Abbildung (Distortion), die chromatische Aberration (bei Verwendung weißen, an Stelle einfarbigen [monochromatischen] Lichtes).

Die sphärische Aberration. Wir hatten bereits beim sphärischen Hohlspiegel gesehen, daß nur die achsennahen Parallelstrahlen im Brennpunkt des Hohlspiegels vereinigt werden, während die achsenfernen Strahlen die Achse in Punkten schneiden, die näher am Scheitelpunkt des Spiegels liegen. Das gesamte auf die Spiegelfläche auftreffende Strahlenbündel bildet nach der Reflexion eine Brennfläche, deren Schnitt mit einer durch die Achse gelegten Ebene die Katakaustik ergibt. Entsprechendes gilt auch bei den Linsen. Eine Umwandlung der achsenparallelen Strahlen in Strahlen durch den Brennpunkt und umgekehrt findet nur im paraxialen Gebiet statt: es werden keineswegs sämtliche auf eine Linse mit großer Öffnung fallende achsenparallele Strahlen in einem Brennpunkt vereinigt. Wie z. B. der an einer plankonvexen Linse aufgenommene Strahlengang (Abb. 106 a) zeigt, haben die Randstrahlen eine kürzere Brennweite als die Strahlen in Achsennähe. Man nennt die Entfernung der Brennpunkte Fr und Fm (die Indizes „r" und „m" weisen auf „Rand" und „Mitte" hin) den Offnungsfehler oder die sphärische Längsaberration der Linse. Denken wir uns also durch den Brenn6*

I. Kapitel. Geometrische Optik

84

punkt Fm der achsennahen Strahlen eine Bildebene senkrecht zur Achse gelegt, so bilden die Randstrahlen, die vom Brennpunkt Fr kommen, auf dieser Ebene einen Kreis, dessen Radius man als Lateralaberration der Linse bezeichnet. In Abb. 107 fällt auf eine bikonvexe Linse ein paralleles Strahlenbündel, man erkennt deutlich hinter der Linse die Form der D i a k a u s t i k . Das alle Strahlen umfassende Lichtbündel zieht sich hinter der Linse nicht mehr in einem B r e n n p u n k t zusammen, sondern sein engster Querschnitt ist eine kleine Kreisfläche, der sog. A b w e i c h u n g s k r e i s .

a)

b)

Abb. 106. Bei einer plankonvexen Linse haben die Randstrahlen eine sehr viel kürzere Brennweite als die achsennahen Strahlen, wenn das Licht die Linse von der planen Seite her durchsetzt (a); im umgekehrten Fall (6) geht diese sphärische Längsaberration auf ein Minimum zurück

Die sphärische Aberration ist bei gegebener Linsenöffnung um so größer, je stärker die Linsenkrümmung, d. h. je kürzer die Brennweite ist. Sie ist jedoch nicht nur von der Linsenform abhängig, sondern auch wesentlich durch die Art der Brechung in der Linse bedingt. Dreht man z. B. die in Abb. 106a benutzte plankonvexe Linse um, so daß sie ihre konvexe Seite dem einfallenden Licht zukehrt (Abb. 106b), so wird die Aberration wesentlich kleiner. Im letzteren Fall sind beide Flächen der Linse an der Brechung beteiligt, während im Fall der Abb. 106a an der Planfläche keine Brechung stattfindet. Es gilt daher d i e a l l g e meine Regel, die Linse zwecks E r r e i c h u n g m ö g l i c h s t k l e i n e r A b e r r a t i o n so z u b e n u t z e n , d a ß die B r e c h u n g mögAbb. 107. Diakaustik hinter einer l i c h s t auf b e i d e F l ä c h e n g l e i c h m ä ß i g bikonvexen Linse v e r t e i l t i s t . Man kann die Aberration weiter dadurch verringern, daß man bei einfachen Linsen die Krümmungsradien möglichst groß hält, aber dafür, um die Brennweite nicht zu groß werden zu lassen, ein hochbrechendes Glas wählt. Schließlich läßt sich auch durch passende Wahl der Krümmungsradien eine Verringerung der Aberration erzielen. Für eine bestimmte Brennweite und gegebene Linsenöffnung erreicht die sphärische Aberration (nach L. E u l e r , 1762) ein Minimum, wenn das Verhältnis r 1 /r 2 der Krümmungsradien der Bedingung

rx r2

n — 2 w2 2n2 + n

4+

genügt. Dies ergibt z. B. für n = 1,5 den Wert | r1lr2 \ = 1 / 6 , was entweder einer Bikonvex- oder Bikonkavlinse entspricht, wobei die stärker gekrümmte Fläche dem einfallenden Licht zugewandt sein muß. Die folgende Tabelle ergibt einen Überblick über die Größe der (longitudinalen) Aberration, die sich bei einer Linse der Brennweite 100 m m und vom Durchmesser 20 mm in Abhängigkeit von ihrer Form ergibt.

10. Die Abbildungsfehler der Linsen

Form der Linse 1. Plankonvexlinse; Planfl. dem einfallenden Licht zugekehrt 2. Bikonvexlinse, mit gleichen Radien . . 3. Plankonvexlinse, konvexe Fl. dem einfallenden Licht zugekehrt 4. Günstigste Linsenform, bei n = 1,5 bikonvex, bei n = 2 konkav-konvex, die stärker gekrümmte Fläche dem einfall. Licht zugekehrt

oo 1

4,5 mm 1,67 mm

85

rl : r2

n= 2 sphär. Aberration

00 1

2,0 mm 1,0 mm

1,17 mm

1:6

1,07 mm

0,5 mm

1:5

0,44 mm

In Abb. 108 ist die Art und Weise dargestellt, wie man in der rechnenden Optik die sphärische Aberration graphisch anzugeben pflegt. Man zeichnet ein Koordinatensystem, dessen horizontale Achse durch die optische Achse, und dessen senkrechte Achse durch ein im Brennpunkt Fm der achsenparallelen Strahlen errichtetes Lot E gebildet wird. Die sphärische Aberration wird dann durch die Kurve K wiedergegeben, bei der die Ordinaten die Einfallshöhen ht, h2 usw. der achsenparallelen Strahlen vor der Linse, die Abszissen die sphärischen Längsaberrationen dieser Strahlen, d. h. die Entfernungen ihrer Achsenschnittpunkte I].

Abb. 129. Zur Definition von Gesichtsfeldblende und Gesichtsfeldwinkel

Abb. 130. Zur Definition von Eintritts- und Austrittsluke

12. Das Auge und die optischen Instrumente Bevor wir uns den eigentlichen optischen Instrumenten (Lupe, Fernrohr, Mikroskop usw.) zuwenden, müssen wir erst das menschliche Auge näher betrachten, das ja für die Benutzung aller optischen Instrumente unentbehrlich ist und selbst ein von der Natur geschaffenes optisches Instrument darstellt. Das Auge. Das menschliche Auge besteht aus dem äußeren Auge, das von den Augenbrauen, den Augenlidern mit den Augenwimpern, der Tränendrüse, der Augendrüse und den Augenmuskeln gebildet wird, und dem eigentlichen Augapfel (Abb. 131). Er ist von nahezu kugelförmiger Gestalt und wird von der undurchsichtigen weißen S e h n e n h a u t (Sclerotica) 8 umschlossen, die an der Vorderseite in die etwas vorgewölbte durchsichtige H o r n h a u t (Cornea) H übergeht. Hinter der Hornhaut ist die R e g e n b o g e n h a u t (Iris) / ausgespannt, die die Farbe des Auges bestimmt. Sie enthält in ihrer Mitte eine kreisförmige Öffnung, die P u p i l l e , die dem Licht den Eintritt in das Augeninnere gestattet und die sich automatisch mehr oder weniger, je nach der herrschenden Helligkeit, öffnet und so als Blende wirkt. Hinter der Iris befindet sich die K r i s t a l l i n s e L, sie ist als Bikonvexlinse mit verschieden gekrümmten Flächen ausgebildet und setzt sich in ihrem Aufbau aus vielen durchsichtigen Schichten zusammen. Der Raum zwischen Hornhaut und Linse, die sog. v o r d e r e A u g e n k a m m e r , K, ist mit einer wässerigen Flüssigkeit gefüllt. Der hinter der Linse gelegene Hohlraum 7*

100

I. Kapitel. Geometrische Optik

enthält eine durchsichtige gallertartige Masse, die G l a s k ö r p e r (Corpus v i t r e u m ) heißt. Die Innenwand dieser großen Augenkammer ist zunächst von der sog. A d e r h a u t (Chorioidea) ausgekleidet, die dunkel gefärbt ist und nach vorn in die Iris übergeht. Über diese Aderhaut legt sich die N e t z h a u t (Retina) N, die die eigentlich lichtempfindlichen Organe enthält und als Fortsetzung des bei A eintretenden Sehnerven angesehen werden kann. An der Eintrittsstelle des Sehnervs ist die Netzhaut für Licht unempfindlich, die betreffende Stelle heißt der B l i n d e F l e c k (Macula coeca) B. Man kann sich von seiner Existenz leicht überzeugen, indem man mit geschlossenem linken Auge das Kreuz in Abb. 132 fixiert. Bei einem bestimmten Abstand des Bildes vom Auge verschwindet der schwarze Punkt völlig, da sein Bild im Auge auf den blinden Fleck fällt. Dicht neben der Stelle, an der die optische Achse die Netzhaut trifft, liegt etwas schläfenwärts die für das Sehen empfindlichste Stelle, der sog. Gelbe F l e c k (Macula lutea) G. Seine mittlere, etwas eingesenkte Stelle heißt N e t z h a u t g r u b e (Fovea centralis). An dieser Stelle entsteht das Bild desjenigen Gegenstandes, den das Auge beim „ d i r e k t e n S e h e n " fixiert. Die Verbindungslinie der Netzhautgrube mit der Mitte der Pupille heißt daher die Sehachse,Blicklinie oder Gesichtslinie. Die optische Wirkung des Auges beruht auf der Abbildung des betrachteten Gegenstandes auf Abb. 131. Waagerechter Schnitt durch ein menschliches Auge die Netzhaut. Die Abbildung wird dabei nicht nur durch die eigentliche Linse L, sondern auch wesentlich durch die Brechung des Lichtes in der Hornhaut, in der mit Kammerwasser gefüllten Augenkammer K und in dem Glaskörper O bewirkt. Da dieses brechende System vorn von Luft und hinten vom Glaskörper begrenzt ist, der vordere und der hintere Brennpunkt also in Medien von verschiedenen Brechungsquotienten liegen, sind auch die vordere und die hintere Brennweite voneinander ver-

+ Abb. 132. Zur Erkennung des blinden Piecks

schieden. In Abb. 133 ist nochmals der Querschnitt durch ein normales auf die Ferne eingestelltes Auge in doppeltem Maßstabe gezeichnet. Dabei sind die Brennweiten, Krümmungsradien sowie die Lage der Haupt- und Knotenebenen im richtigen Maßverhältnis eingetragen. Man beachte, daß die Knotenpunkte nicht mit den Hauptpunkten zusammenfallen, da wir vor und hinter dem System verschiedene Brechzahlen haben. In der folgenden Tabelle sind die für ein normales Auge geltenden Werte nach

101

12. Das Auge und die optischen Instrumente D a t e n des menschlichen Auges

Brechzahl des Kammerwassers und des Glaskörpers Brechzahl der Kxistallinse Radius der Hornhaut Radius der vorderen Linsenfläche Radius der hinteren Linsenfläche Vordere Brennweite des Auges / Hintere Brennweite des Auges /' Ort des vorderen Brennpunktes Ort des hinteren Brennpunktes Ort des vorderen Hauptpunktes Ort des hinteren Hauptpunktes Ort des vorderen Knotenpunktes Ort des hinteren Knotenpunktes

Abb. 133. Lage der Brennpunkte, Hauptebenen und Knotenpunkte im menschlichen Auge

Ferne

Nähe

1,3365 1,358 7,829 mm 10 mm — 6 mm — 17,055 mm 22,785 mm - 15,707 mm 24,387 mm 1,348 mm 1,602 mm 7,079 mm 7,332 mm

1,3365 1,358 7,829 mm 5,33 mm — 5,33 mm — 14,169 mm 18,930 mm — 12,377 mm 21,016 mm 1,722 mm 2,086 mm 6,533 mm 6,844 mm

Abb. 134. Reduziertes Auge nach L i s t i n g

Messungen von A.Gullstrand(1908) zusammengestellt. Die Spalte „Ferne" bezieht sich auf das auf Unendlich eingestellte Auge, die Spalte „Nähe" auf ein solches, das auf einen 15,2 cm vom Hornhautscheitel entfernten Punkt akkomodiert ist. Nach J . B . L i s t i n g (1845) kann man das wirkliche Auge durch ein sog. „reduz i e r t e s " Auge ersetzen, dessen optische Wirkung auf die einer einzigen brechenden Fläche zurückgeführt ist, die bei einer Brechzahl des dahinter befindlichen Mediums von 1,34 einen Krümmungsradius von 5,12 mm besitzt und deren Scheitel etwa 2,3 mm hinter dem Hornhautscheitel liegt. Bei einer vorderen Brennweite von—16,740 mm beträgt die hintere, vom Scheitel der brechenden Fläche gemessene Brennweite 20,1 mm. In Abb. 134 ist das reduzierte Auge im Schnitt gezeichnet. Die beiden Knotenpunkte fallen mit dem Mittelpunkt K der brechenden Fläche zusammen, in ihm kreuzen sich die Achsen aller ins Auge fallenden Lichtbüschel. Wie schon erwähnt, ist die eigentliche lichtempfindliche Schicht des Auges die rosa gefärbte Netzhaut. Abb. 135 zeigt einen sehr stark vergrößerten schematischen Schnitt durch dieses Organ, das einen sehr verwickelten geschichteten Bau besitzt. Von außen nach innen, d. h. in Richtung gegen das einfallende Licht, haben wir zunächst eine P i g m e n t s c h i c h t , dann die S c h i c h t der S t ä b c h e n und Zapfen (Sinnesepithel), darauf folgt die S c h i c h t der bipolaren Nervenzellen und schließlich, dem Augeninneren am nächsten gelegen, eine S c h i c h t der Nervenfasern und Ganglienzellen. Die eigentlich lichtempfindlichen Elemente der Netzhaut sind die Stäbchen und Zapfen, beide sind spindelförmig gebaut, die Stäbchen etwas länglicher und dünner als die Zapfen, die kurz und dick sind. Sie sind dicht nebeneinander angeordnet und durch die Zwischenschichten mit den Nervenfasern gekoppelt. I. a. sind mehrere Die angegebenen Orte beziehen sich auf den Hornhautscheitel, die Längen sind in Millimetern angegeben. Negative Werte bei den Ortsangaben bedeuten, daß der betreffende Punkt vor dem Hornhautscheitel liegt.

102

I. Kapitel. Geometrische Optik

Stäbchen und Zapfen mit einer Nervenfaser verbunden, wie es die rechte Hälfte von Abb. 135 zeigt, nur im gelben Fleck, wo etwa 13000 bis 14000 Zapfen auf den Quadratmillimeter kommen, hat jeder Zapfen seine eigene Nervenleitung (linke Seite von Abb. 135). Die Gesamtzahl aller Stäbchen und Zapfen im Auge dürfte in der Größenordnung von 107 bis 108 liegen. Nach den Untersuchungen verschiedener Forscher (H. v. H e l m h o l t z 1865, E. H e r i n g 1876, J . v. K r i e s 1904, 0 . L u m m e r 1906) haben die Stäbchen und Zapfen verschiedene Funktionen. Eine Farbempfindung ist nur mit Hilfe der Zapfen möglich, dagegen unterscheiden die Stäbchen nur Hell und Dunkel, dafür sind sie wesentlich empfindlicher als die Zapfen. Im Dämmerlicht und in der Nacht sehen wir daher nur mit den Stäbchen, und zwar im indirekten Sehen, da Lichteinfall

Abb. 135. Querschnitt durch die Netzhaut eines menschlichen Auges (vergrößert)

die für das direkte Sehen in Betracht kommende Netzhautgrube mit dem gelben Fleck nur Zapfen enthält. Auf dieser unsicheren Art des indirekten Sehens in der Dämmerung und der Nacht beruht die Erscheinung, daß man „Gespenster" zu sehen glaubt, die hin- und herhuschen und sofort verschwinden, wenn man sie direkt fixieren will. Da anderseits die Stäbchen farbunempfindlich sind, sehen wir bei schwacher Beleuchtung alle Dinge in einem farblosen Grau („Des Nachts sind alle Katzen grau"). Regelt man z. B. in einem völlig verdunkelten Zimmer den Heizstrom einer möglichst dickdrähtigen Glühlampe langsam herauf, so erblickt man im indirekten Sehen den Glühdraht, bevor er zur Rotglut kommt, in einem eigentümlichen, „düsternebelgrauen" Licht, das man nach H. F. W e b e r (1878) als G r a u g l u t bezeichnet. Daß diese Lichtwahrnehmung von den farbenuntüchtigen Stäbchen herrührt, kann man durch den folgenden, von O. L u m m e r herrührenden Versuch zeigen: Man schaltet drei gleiche Glühlampen

12. Das Auge und die optischen Instrumente

103

parallel und stellt sie in einer Entfernung von 1 bis P/2 m nebeneinander auf. Solange man die Helligkeit der Lampen nur so weit heraufregelt, daß die Stäbchen den Zapfen Konkurrenz machen, erblickt man nur diejenige Lampe farbig, nämlich schwach rotglühend, die man direkt fixiert, die anderen erscheinen weißlich, da man sie nur indirekt erblickt. — Bei einem n o r m a l s i c h t i g e n ( e m m e t r o p e n ) Auge liegt der hintere Brennpunkt genau auf der Netzhaut, wenn das Auge in die Ferne blickt. In diesem Fall entsteht also von einem fernen Gegenstand ein stark verkleinertes, reelles, umgekehrtes, scharfes Bild auf der Netzhaut. Es werden aber beim normalen Auge auch noch näher liegende Gegenstände bis herab zur Entfernung der sog. d e u t l i c h e n S e h w e i t e von 25 cm (auch ohne Akkomodation, siehe weiter unten) als scharf empfunden. Der Grund dafür liegt in der Struktur der Netzhaut. Die Reizung eines einzelnen Stäbchens oder Zapfens erweckt immer nur den Eindruck eines L i c h t p u n k t e s , wenn auch das Bild jedes Objektpunktes ein wenig unscharf, d. h. eine kleine Fläche ist. Solange diese nicht wesentlich größer als der Querschnitt eines einzelnen Stäbchens oder Zapfens ist, bleibt der Eindruck eines scharfen B i l d p u n k t e s erhalten. Erst wenn der Lichtfleck mehrere Stäbchen oder Zapfen bedeckt, empfindet das Auge die Unschärfe. Am dichtesten stehen, wie oben erwähnt, die Zapfen in der Netzhautgrube, der empfindlichsten Stelle der Netzhaut; ihr gegenseitiger Abstand beträgt dort etwa 0,004 mm. Damit ein Netzhautbild von dieser Größe zustande kommt, müssen zwei Strahlen durch den vorderen Knotenpunkt des Auges unter einem Sehwinkel von 1' eintreten. Dies wäre z. B. der Fall bei zwei Strahlen, die von zwei um 0,2 mm entfernten Punkten ausgehen, die sich in einer Entfernung von 1 m vor dem Auge befinden. Diese Punkte sieht das Auge nicht mehr als getrennt. Man nennt den angegebenen Winkel von 1' den p h y s i o l o g i s c h e n G r e n z w i n k e l des Auges. Dem reziproken Wert desselben ist die sog. S e h s c h ä r f e des Auges proportional. Man bestimmt sie durch Probetafeln mit Buchstaben und Schriftzeichen, deren einzelne Striche gerade so dick sind, daß sie von bestimmten Entfernungen aus unter einem Winkel von 1' erscheinen. Die Breite und Höhe der Buchstaben beträgt das Fünffache der Schriftdicke. Wie bereits erwähnt, ist die Sehschärfe des Auges am größten in der Netzhautgrube, sie nimmt nach dem Rande hin schnell ab. Beim „direkten Sehen" richtet man daher das Auge unbewußt stets so, daß das Bild des angeschauten Gegenstandes in die Netzhautgrube fällt. Damit das Auge auch noch Dinge innerhalb der deutlichen Sehweite (25 cm) scharf sehen kann, läßt sich die Krümmung der Kristallinse durch einen sie ringförmig umgebenden Muskel ( Z i l i a r m u s k e l ) vergrößern ( H e l m h o l t z ) . Man nennt diese Fähigkeit des Auges, seine Brennweite der Entfernung der zu beobachtenden Gegenstände anzupassen, das A n p a s s u n g s - oder A k k o m o d a t i o n s v e r m ö g e n des Auges. Bei einem jugendlichen Auge kann der Radius der vorderen Linsenfläche zwischen 10 und 5,33 mm variieren (siehe obige Tabelle). Nach Untersuchungen von A. G u l l s t r a n d ändert sich hierbei übrigens nicht nur der Radius der Linsenfläche, sondern es verdicken sich auch die inneren Teile der Linse durch Verschiebung der einzelnen Schichten, aus denen die Linse sich aufbaut, so daß sich der mittlere Brechungsquotient bei Akkomodation auf nahe Gegenstände etwas erhöht. Der nächstgelegene Punkt, auf den das Auge eben noch scharf einstellen kann, wird der N a h p u n k t genannt, er liegt für 20 jährige Personen bei etwa 10 cm. Bei der Akkomodation auf noch nähere Punkte empfindet man die Anstrengung des Ziliarmuskels bereits als Schmerzgefühl im Auge. Die Akkomodationsfähigkeit nimmt mit dem Alter ab. Mit 30 Jahren ist der Nahpunkt auf etwa 14 cm herausgerückt, mit 60 Jahren liegt er bei etwa 200 cm, mit 75 Jahren ist infolge Erschlaffung des Ziliarmuskels die Akkomodationsfähigkeit meist erloschen. Man bezeichnet den Mangel an Akkomodationsvermögen als A l t e r s s i c h t i g k e i t ( P r e s b y opie). Meist rückt dann auch der Fernpunkt aus dem Unendlichen in eine solche Entfernung, daß er mit dem Nahpunkt zusammenfällt.

104

I. Kapitel. Geometrische Optik

Die für ein normalsichtiges Auge gültige Bedingung, daß der hintere Brennpunkt mit der Netzhaut zusammenfällt (siehe Abb. 136a), ist bei den f e h l s i c h t i g e n (amet r o p i s c h e n ) A u g e n nicht erfüllt. Beim k u r z s i c h t i g e n ( m y o p i s c h e n ) A u g e liegt infolge zu langer Augenachse der Brennpunkt schon vor der Netzhaut (Abb. 136b). Infolgedessen kann ein kurzsichtiges Auge Gegenstände jenseits einer bestimmten Entfernung nicht mehr scharf sehen, sein Fernpunkt liegt im Endlichen. Durch Akkomodation kann es aber den Nahpunkt wesentlich näher an das Auge verlegen, als das normalsichtige Auge. Dies ist häufig beim Betrachten kleiner Gegenstände ein Vorteil, insofern die Benutzung einer Lupe überflüssig werden kann. Bei dem w e i t s i c h t i g e n ( h y p e r m e t r o p i s c h e n ) A u g e liegt der Brennpunkt hinter der Netzhaut (Abb. 136 c). Ein solches Auge muß also schon beim Sehen eines fernen Gegenstandes unter allen Umständen akkomodieren, um die Brennweite zu verkleinern und scharf zu sehen. Es hat also keinen natürlichen Fernpunkt und sein

Abb. 136. Normalsichtiges (et), kurzsichtiges (6), weitsichtiges (c), durch Konkavlinse korrigiertes kurzsichtiges (d) und durch Konvexlinse korrigiertes weitsichtiges (e) Auge

Nahpunkt liegt weiter entfernt wie beim normalen Auge. Weitsichtigkeit ist also das größere Übel, da sie nicht wie die Kurzsichtigkeit mit einem Vorteil verbunden ist, und außerdem durch das ständige Akkomodieren das Auge dauernd überanstrengt wird. Die genannten beiden Augenfehler lassen sich durch B r i l l e n korrigieren. Die zu kurze Brennweite des myopischen Auges wird durch eine vor das Auge gesetzte Konkavlinse auf die richtige Größe gebracht und das Auge so wieder zum Sehen in die Ferne befähigt (Abb. 136d), während das weitsichtige Auge eine Sammellinse benötigt, die seine zu lange Brennweite verkürzt (Abb. 136e). Auch die Alterssichtigkeit läßt sich durch Brillen beheben, und zwar ist zum Sehen in die Ferne eine Konkavlinse, zum Erkennen naher Gegenstände eine Konvexbrille erforderlich. Zu den genannten Anomalien kann noch der A u g e n a s t i g m a t i s m u s hinzutreten. Er besteht darin, daß das Auge dann nicht achsensymmetrisch ist, sondern in zwei zueinander senkrechten Richtungen verschiedene Brennweiten besitzt. Die Folge davon ist, daß zueinander senkrechte Striche, die in derselben Ebene liegen, nicht gleichzeitig scharf gesehen werden. Durch eine Brille, deren Gläser aus einer Zylinderlinse bestehen, läßt sich der Astigmatismus bei einem sonst normalen Auge beheben. Ist das Auge aber gleichzeitig noch weit- oder kurzsichtig, so bedarf es eines Brillenglases, bei dem die eine Fläche sphärisch, die andere zylindrisch geschliffen ist.

12. Das Auge und die optischen Instrumente

105

Zum Schluß noch eine Bemerkung über die E m p f i n d l i c h k e i t d e s A u g e s . Ein im Dunklen ausgeruhtes Auge ( D u n k e l a d a p t i o n ) kann noch eine Lichtmenge wahrnehmen, die einer ins Auge eintretenden Energie von 2 . 1 0 - Erg entspricht. Es ist dies etwa die Lichtmenge, die beim Betrachten eines Sternes 6. Größe (Reiterchen im großen Bären) in das Auge dringt. Allgemeine Funktion der optischen Instrumente. Wir wenden uns nun zur Besprechung der eigentlichen optischen Instrumente. Wie wir beim menschlichen Auge sahen, kann dieses von weiter entfernten Gegenständen Einzelheiten nicht mehr erkennen, wenn diese unter zu kleinem Sehwinkel erscheinen. Anderseits k a n n das Auge kleine Gegenstände, auch wenn sie sich ihm beliebig nahebringen lassen, wegen seiner begrenzten Akkomodationsfähigkeit nur undeutlich und somit auch nicht in Einzelheiten wahrnehmen. Aufgabe der optischen Instrumente (Lupe, Mikroskop, Fernrohr) ist es, in dieser Hinsicht zu helfen und von den zu fernen oder zu kleinen Gegenständen deutliche Bilder in der deutlichen Sehweite und unter hinreichend großem Sehwinkel zu erzeugen. Dabei versteht man unter Sehwinkel (auch s c h e i n b a r e Größe des Gegenstandes genannt) den Winkel, unter dem ein Gegenstand G G1 (Abb. 137) Abb. 137. Zur Definition des Sehwinkels vom optischen Mittelpunkt des Auges aus gesehen wird. Da von der Größe des Sehwinkels die Größe des auf der Netzhaut entworfenen Bildes abhängt, haben in verschiedener Entfernung vom Auge befindliche Gegenstände doch die gleiche scheinbare Größe, wenn sie unter dem gleichen Sehwinkel erscheinen. L u p e , M i k r o s k o p , F e r n r o h r b e w i r k e n in erster Linie eine Vergrößer u n g d e s S e h w i n k e l s . Es ist daher üblich, als Vergrößerungszahl eines Instrumentes das Verhältnis der trigonometrischen Tangente des Sehwinkels tp m i t Instrument zur Tangente des Seh Winkels

=e

H* *

-H* = | =

Falls also n2 > nlt d. h. der Brechungsquotient n2 im Bildraum größer ist, als im Objektraum nlt so tritt in der Tat durch Benutzung eines optischen Instruments eine Vergrößerung der Leuchtdichte ein. Dies ist der Fall beim normalen Immersionsmikroskop, bei dem die Lichtquelle aus Luft (n1= 1) durch den Kondensor in die Immersionsflüssigkeit (n2 > 1) abgebildet wird. Die ins Mikroskop eintretende Lichtmenge ist daher proportional n\ sin2 u2, wenn u2 der halbe Öffnungswinkel des Objektivs, n2 sinit 2 also seine n u m e r i s c h e A p e r t u r bedeutet. Da das optische Bild der Lichtquelle aber schließlich doch in Luft erzeugt wird, ist im Endergebnis die Flächenhelle wieder dieselbe geblieben — im günstigsten Falle. (Diese Betrachtung bezieht sich natürlich nicht auf das durchleuchtete O b j e k t , das ja nicht die Lichtquelle ist!) Im allgemeinen kann man annehmen — und wir wollen dies von jetzt ab auch tun —, daß die Lichtquelle und ihr Bild beide in Luft (Wj = n2 = 1) liegen. Dann folgt aus (83), daß im günstigsten Falle (83a)

§* = i

ist. Kein optisches Instrument kann dann die Helligkeit über die natürliche Helligkeit HQ steigern.

II. Kapitel. Photometrie

150

Die obige Betrachtung h a t zur Voraussetzung, daß der Lichtstrom 0 * , wie beim natürlichen Sehen, die A u g e n p u p i l l e v o l l s t ä n d i g a u s f ü l l t . Da m a n das Auge i. a. an die Stelle der Austrittspupille bringt, heißt das, daß ihr Radius Q' größer oder mindestens gleich dem Radius Qa der Augenpupille (o' iä OA) sein muß. N u n wird als Normalvergrößerung VN eines optischen Instrumentes nach H e l m h o l t z diejenige bezeichnet, bei der Q' = GA ist; ist die Vergrößerung V < VN, so ist O' > GÄ. Die Bedingung o' 2g Qä bedeutet also, daß das Instrument (z. B. ein Fernrohr) höchstens die Normalvergrößerung VN besitzt. Wir können also unser Ergebnis auch so aussprechen: W e n n die V e r g r ö ß e r u n g eines o p t i s c h e n I n s t r u m e n t s gleich oder k l e i n e r a l s d i e N o r m a l v e r g r ö ß e r u n g i s t , i s t d i e H e l l i g k e i t H* d e s v o n i h m e r z e u g t e n B i l d e s h ö c h s t e n s g l e i c h d e r n a t ü r l i c h e n H e l l i g k e i t ¿7$ . Wir haben nun den Fall zu betrachten, daß umgekehrt g Ä > o' ist oder daß die Vergrößerung des Instrumentes die Normalvergrößerung überschreitet. Dann ist die Augenpupille, im Gegensatz zum eben behandelten Fall und zum Sehen ohne Instrument, n i c h t SA

ausgefüllt, und so wird die Helligkeit im Verhältnis ^

verkleinert:

2

H* ~M o

= /O\6AI\ > d - h - H* < H $ f ü r Q' » „ ) . I s t d i e N o r m a l v e r g r ö ß e r u n g VN ü b e r s c h r i t t e n , so i s t d i e m i t I n s t r u m e n t b e o b a c h t e t e H e l l i g k e i t H* s t e t s k l e i n e r a l s d i e n a t ü r l i c h e H e l l i g k e i t H*. Man kann Gl. (84) f ü r das Fernrohr etwas umschreiben:

3

H

O

T

-

Darin ist nun -^gleich der Vergrößerung o des Fernrohrs; also folgt:

H ä t t e das Fernrohr gerade die Vergrößerung VN, so wäre O' = OA, und es folgt dann aus (84) oder (84a) II* = H*. Dann k a n n man aus (84a) d e n Radius o der Eintrittspupille, d. h. des Objektivs, bestimmen, der gerade ausreicht, um H* = H* zu machen: G =

GAVN

.

H ä t t e m a n z. B. eine Normalvergrößerung VN = 50, so m ü ß t e das Objektiv den Radius = 50 Qa cm besitzen, um volle Helligkeit zu liefern. Nimmt m a n den Radius der Augenpupille überschlagsweise zu 0,2 cm an, so gäbe das ein Objektiv von 10 cm Radius; das liefert dann die volle Helligkeit H* = HG. Würden wir aber die Vergrößerung über die Normalvergrößerung steigern, etwa V = 2 VN = 100 wählen, so wäre O/O' = 100, also Q' = 0,1 cm, während der Augenpupillenradius 0,2 cm ist. Also würde die Helligkeit H* nach (84) sein: I

H

i

r

-

ß

ö

'

-

i

'

-

W

-

Da die Normalvergrößerung VN — — ist, weil für sie O = Qa wird, kann m a n die für QA

das Fernrohr gültige Gleichung (84a) in die Form bringen:

17. Helligkeitsverhältnisse bei den optischen Instrumenten

151

Daraus ersieht man unmittelbar die Richtigkeit des folgenden Satzes: J e m e h r die N o r m a l V e r g r ö ß e r u n g d e s F e r n r o h r s ü b e r s c h r i t t e n w i r d , u m so w e n i g e r hell w i r d d a s v o n i h m e r z e u g t e Bild. Kein optisches Instrument kann also die Leuchtdichte (Flächenhelligkeit) e* eines Objektes vergrößern. W o h l a b e r i s t es i m s t a n d e , die B e l e u c h t u n g , d. h. d e n L i c h t s t r o m p r o F l ä c h e n e i n h e i t zu v e r g r ö ß e r n . Wenn wir uns an die Verhältnisse der Abb. 182 anschließen, so wird dort von einer Fläche ¿ J ^ , mit der Flächenhelle e* (den Index können wir jetzt als überflüssig fortlassen) ein Lichtstrom in einen Kegel vom halben Öffnungswinkel % gestrahlt und nach Passieren des Instruments in einem Kegel vom halben Öffnungswinkel u2 auf/1»S'2, dem Bilde von AS1, konzentriert. Da die Flächenhelle von/LS^ undZl$ 2 dieselbe ist, wie vorhin bewiesen, lautet mit dieser Vereinfachung die Gleichung für 0*: 0* = ne*AS1 sin2M1 = jte*AS2 sin 2 w 2 . Man kann nun diese Formel sowohl von links nach rechts (/l»S\ strahlendes, AS2 empfangendes Flächenelement) als auch von rechts nach links (AS2 strahlendes, A»S'j empfangendes Element) lesen. Im ersteren Falle erzeugt der Licht0* ström 0* auf AS2 die Beleuchtung 2?* = — = ne* sin 2 w2 im zweiten Falle auf AS1 dagegen die Beleuchtung E* = Tie* sin 2 «!. Die Beleuchtung kann also durch ein optisches Instrument vermehrt werden, dazu ist nur erforderlich, daß das Bild AS2 von ASi verkleinert ist. Denn der gleiche Lichtstrom wird dann durch die Abbildung auf einer kleineren Fläche konzentriert. Man kann daher die Funktion der optischen Instrumente auch so ausdrücken: Die optischen Instrumente vermögen die Beleuchtungsstärke E* zu vergrößern, während die Flächenhelle e* unverändert bleibt. Ein einfaches Beispiel mag dies noch näher erläutern: Durch eine Linse vom Radius R und einer Brennweite / wollen wir ein Sonnenbild entwerfen. Dann ist nach dem Vorhergehenden die Flächenhelle des Bildes genau die gleiche wie die der Sonne. Aber die Beleuchtung ist Abb. 183. Zur Berechnung erheblich vergrößert, wie wir zeigen werden. Wenn das Sonnenbildchen der Beleuchtungsstärke in einem Sonnenbildchen den Radius o, also die Fläche no 2 hat, so muß das Produkt aus Linsenfläche und der Beleuchtung E f derselben gleich dem Produkt aus Fläche des Sonnenbildes und dessen Beleuchtung E% sein. Denn beide Produkte stellen den Lichtstrom 3>* dar, der auf die Linse auftrifft:

0* = E*7lR* = E*7102 , also:

Et

e

2

'

Wir müssen also den Radius o berechnen (Abb. 183). Vom Mittelpunkt der Linse erscheint die Sonne unter einem Winkel von 32'. Die durch die Mitte der Linse gehenden Randstrahlen von der Sonne sind auch die Randstrahlen des Bildes. Wegen der Kleinheit der Winkel kann man qjf = t g l 6 ' = 16' setzen; man findet dann aus der Logarithmentafel f ü r das Verhältnis g/f den Wert 0,0047. Also ist q = 0,0047/. Damit wird die letzte Gleichung f ü r das Verhältnis der Beleuchtungen:

ei E*

=

/• 47^

ä» /« "

Die Beleuchtungssteigerung im Sonnenbildchen ist also, wie zu erwarten, proportional dem Quadrate des Öffnungsverhältnisses der Linse; f ü r R = f würde die Steigerung rund das 45 tausendfache betragen.

152

II. Kapitel. Photometrie

Punktförmige Lichtquellen, Besonderheiten zeigen punktförmige Lichtquellen; in Gl. (77) auf S. 136 hatten wir für die natürliche Helligkeit H* einer solchen den Ausdruck gefunden: (77)

H* = 0*o =

^

.

Denn H* ist bestimmt durch den Lichtstrom der durch die Pupillenöffnung des Auges jiq\ hindurchtritt. Wird aber ein Fernrohr benutzt, dessen Eintrittspupille (Objektivöffnung) durch no 2 gegeben ist, so tritt der größere Lichtstrom 0* _

J*no2 r

in das Instrument. Falls dieser vom Auge g a n z aufgenommen wird, was der Fall ist, wenn q' iS qa , so wird als Helligkeit mit Instrument eben dieser Lichtstrom beurteilt. Es gilt also: (85)

| | = ( ß

für

^

.

In diesem Falle ist die Vergrößerung des Fernrohres entweder größer als die Normalvergrößerung vH oder ihr mindestens gleich. Man kann die Gl. (85) etwas anders schreiben:

wo £ = — 1 ist. Hier kann also eine erhebliche Vergrößerung der Punkthelligkeit Qa durch Benutzung des Fernrohrs erzielt werden, und zwar wird die maximale Verstärkung erzielt, wenn s = 1, d. h. v gleich v„ ist. H a t aber das Fernrohr die Normalvergrößerung vn noch nicht erreicht, d. h. ist v c ist. Aber es besteht folgender grundsätzlicher Unterschied zwischen vp und der Frontgeschwindigkeit c: Mit der Phasengeschwindigkeit k a n n m a n keine Signale geben, was mit der Frontgeschwindigkeit c offensichtlich möglich ist. Denn wenn ein Meßapparat irgendwo aufgestellt ist, so reagiert er in dem Moment, in dem die W e l l e n f r o n t ihn erreicht. Die Phasengeschwindigkeit dagegen setzt voraus, daß m a n einen f ü r alle Zeiten existierenden Wellenzug hat, bei dem also k e i n M e r k m a l o d e r C h a r a k t e r i s t i k u m v o r h a n d e n i s t , mit dem m a n ein Signal geben könnte.

20. Die Dispersion des Lichtes: I. Normale Dispersion Die bisherigen Angaben von Brechungsquotienten galten nur unter der stillschweigenden Voraussetzung, daß das benutzte Licht nur e i n e Frequenz oder Wellenlänge besäße; denn jeder Stoff hat f ü r die verschiedenen Wellenlängen des sichtbaren Gebietes einen anderen Brechungsquotienten n. Das bedeutet, daß je nach der Wellenlänge die Lichtgeschwindigkeit in dem betreffenden Medium einen anderen Wert h a t . Die genauere experimentelle Untersuchung dieser Erscheinung verd a n k t m a n J . N e w t o n s berühmten Arbeiten (1666—1672) über Optik. L ä ß t m a n durch eine kleine runde Öffnung 0 in der W a n d eines verdunkelten Zimmers Sonnenlicht in dieses eintreten (Abb. 191), so entsteht auf der gegenüberliegenden W a n d bei A ein weißer runder Fleck. Bringt m a n in den Gang der Strahlen Abb. 191. Zerlegung des weißen Lichtes durch ein ein Glasprisma P mit horizontaler Prisma in ein Spektrum brechender K a n t e , so erscheint statt des weißen Fleckes A ein vertikaler Farbstreifen R V , der der Reihe nach die Farben Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau, Indigo und Violett enthält und dessen Breite gleich dem Durchmesser des vorher bei A entstandenen Fleckes ist. Aus diesem Versuch schloß N e w t o n , daß das weiße Sonnenlicht aus verschiedenfarbigen Lichtarten zusammengesetzt sei, die durch das Prisma verschieden stark gebrochen werden. Das rote Licht erfährt dabei die kleinste, das violette die größte Ablenkung. S t a t t des Sonnenlichtes k a n n m a n auch die Strahlung jedes glühenden festen oder flüssigen Körpers verwenden, z. B. das Licht einer Bogenlampe oder Glühbirne. Man nennt diese Zerlegung des weißen Lichtes Farbenzerstreuung oder Dispersion des Lichtes, das dabei auftretende Farbenband Spektrum, die Farben Spektralfarben. Die einzelnen Farben des Spektrums können nicht weiter zerlegt werden; dies zeigte N e w t o n in der Weise (Abb. 192), daß er das Spektrum auf einem Schirm S1 auffing, der eine Öffnung 0' enthielt, durch die z.B. gerade die gelben Strahlen hindurchtreten konnten. Hinter die Öffnung setzte N e w t o n ein zweites Prisma P2, dessen brechende K a n t e derjenigen des ersten Prismas P t parallel verlief. D a n n wurden die durch P2 gehenden Strahlen auf dem zweiten Schirm S2 nicht wieder zu einem F a r b b a n d auseinandergezogen, sondern erzeugten dort lediglich einen runden gelben Fleck G'. Verdreht m a n das Prisma P j , so daß nur rote Strahlen durch die Öffnung 0 ' gehen, so entsteht auf S2 an der Stelle B' ein roter Fleck, sind die durch 0' gehenden Strahlen violett, so werden sie zu einem bei V liegenden violetten Fleck abgelenkt. Aus diesem 11*

164

III. Kapitel. Dispersion und Absorption des Lichtes

Versuch folgt, daß d i e S p e k t r a l f a r b e n , n i c h t w e i t e r z e r l e g b a r s i n d 1 ) und jeder Spektralfarbe eine bestimmte Wellenlänge und ein besonderer Brechungsquotient zukommt; Licht e i n e r Wellenlänge wird daher auch als e i n f a r b i g oder m o n o c h r o m a t i s c h bezeichnet 2 ). N e w t o n konnte diese letztere Tatsache noch durch folgenden V e r s u c h d e r g e k r e u z t e n P r i s m e n erhärten (Abb. 193): Stellt man hinter das erste Prisma P x ein zweites P2> dessen brechende Kante senkrecht zur Kante des ersten steht, so ent-

steht auf dem Schirm an Stelle des vom ersten Prisma allein entworfenen vertikalen Spektrums RV ein s c h r ä g gegen die Vertikale verlaufendes Spektrum R'V', das dadurch zustande kommt, daß das zweite Prisma die roten Strahlen nur wenig, die violetten dagegen stark zur Seite ablenkt. Die in horizontaler Richtung gemessene Breite des schrägliegenden Spektrums ist die gleiche wie die des ursprünglich vertikal gerichteten. Gerade dieser Punkt beweist, daß die von dem ersten Prisma auseinandergezogenen Farben durch das zweite Prisma keine weitere Zerlegung erfahren, sondern als homogen zu betrachten sind. J ) Dieser Satz ist nur cum grano salis richtig; wie wir später (Nr. 24) sehen werden, gibt es Fälle von Dispersion (anomale Dispersion), bei denen er nicht zutrifft. 2 ) Man darf aber nicht umgekehrt schließen, daß jeder b e l i e b i g e n Farbe nur eine Wellenlänge entspricht, da auch ein Wellenlängengemisch Licht bestimmter Färbung erzeugt; der Satz ist nur für Spektralfarben zutreffend.

20. Die Dispersion des Lichtes: I. Normale Dispersion

1(35

Wir haben bisher nur von einigen (sieben) Farben des Spektrums gesprochen. Dies sind die Hauptfarben, die unser Auge beim ersten Anblick des Spektrums unterscheidet. In Wirklichkeit enthält dieses unendlich viele Farben, die sich in stetigem Übergang zu dem kontinuierlichen Farbenband aneinanderschließen. Mischt man sämtliche Spektralfarben zusammen, so ergeben sie wieder weißes Licht. Man kann diesen Versuch experimentell in verschiedener Weise ausführen. Bringt man an die Stelle des Spektrums nach Abb. 194 eine Sammellinse, so daß die divergierenden Strahlen auf einen Schirm 8 zu einem kleinen Fleck vereinigt werden, so erscheint dieser weiß. Blendet man aber auf irgendeine Weise aus dem Spektrum eine oder mehrere Farben heraus, so erscheint der Fleck zu weißem Licht auf dem Schirm wieder farbig und zwar in einer Mischfarbe1), die mit der aus dem Spektrum herausgeblendeten Farbe zusammen wieder Weiß ergibt. Zwei Farben, die sich in dieser Weise zu Weiß ergänzen, nennt man k o m p l e m e n t ä r e Farben. Man findet z. B., daß bestimmte rote und grüne Farbtöne sich gegenseitig zu Weiß ergänzen (siehe hierzu auch S. 381 sowie die Tabelle auf S. 383). Von N e w t o n stammt auch folgender Versuch: In Abb. 195 werde durch das Prisma P1 auf dem Schirme 8 das Spektrum Ii V entworfen. Ein zweites Prisma P2 werde parallel zum ersten so aufgestellt, daß es an derselben Stelle auf dem Schirm ein gleich großes Spektrum entwerfen würde, wenn von A in der Richtung AP ein Lichtbündel auf das Prisma auffiele. Infolge der Umkehrbarkeit des Lichtweges müssen dann auch die vom Spektrum RV diffus nach dem Prisma P 2 remittierten Strahlen in der einheitlichen Richtung FA aus diesem austreten. Blickt man also von A aus durch P2 nach dem Spektrum B V auf dem Schirm, so erblickt man bei F ein weißes Feld der Öffnung 0. Man kann den Versuch der Mischung geeigneter Farben z. B. zu Weiß auch in folgender Weise, wenn auch weniger vollkommen anstellen: Man nimmt farbige (nicht Abb. 195. Versuch von N e w t o n zur Wiederglänzende) Papierscheiben in den verschiedevereinigung der Farben eines Spektrums nen Farben (Rot bis Violett) und schneidet aus ihnen Sektoren geeigneter Breite, die man auf eine kreisrunde Scheibe aufklebt, die man in rasche Rotation versetzen kann ( F a r b e n k r e i s e l ) . Bei rascher Umdrehung der Scheibe verschmelzen die dem Auge dargebotenen verschiedenen Farben zu einer Mischfarbe, die bei geeigneter Wahl der Farben und Sektorenbreite farblos ist. Da die verwendeten farbigen Papiere (Pigmentfarben) keine reinen Spektralfarben sind — sie stellen selbst schon M i s c h u n g e n dar — so erscheint die Mischfarbe auf dem Kreisel nicht w e i ß , sondern g r a u . Daß dieser Versuch überhaupt möglich ist, beruht auf einer Eigenschaft des Auges. Jeder Lichteindruck besitzt im Auge eine gewisse Dauer, so daß bei hinreichend schneller Rotation des Farbenkreisels die auf dieselbe Stelle der Netzhaut n a c h e i n a n d e r fallenden verschiedenen Farbeindrücke dennoch verschmelzen. Da die verschiedenen Farben, die durch prismatische Zerlegung aus einer Quelle weißen Lichtes stammen, ungleiche Helligkeiten besitzen, muß man diese Helligkeitsunterschiede beim Farbenkreisel dadurch nachbilden, daß man die Sektoren um so breiter nimmt, je heller die betreffende Farbe im Spektrum ist. Eine sehr bequeme Konstruktion eines Farbkreisels, die gestattet, die Sektorenbreite geeignet zu wählen und leicht zu verändern, rührt von Cl. M a x w e l l her ( M a x w e l l s c h e r F a r b k r e i s e l ) . 1

) Vgl. hierzu Anmerkung 2 auf S. 164.

166

III. Kapitel. Dispersion und Absorption des Lichtes

Bei der in Abb. 191 angegebenen Anordnung treten die einzelnen Spektralfarben um so klarer hervor, je kleiner der Durchmesser der Öffnung 0 ist und je weiter der Schirm S vom Prisma entfernt ist. Dicht hinter dem Prisma erhält man überhaupt kein Spektrum, sondern nur einen Fleck, dessen Mitte weiß und dessen Ränder rot bzw. violett gefärbt sind. Der Grund dafür ist, daß an dieser Stelle die verschiedenfarbigen Strahlenbündel noch nicht hinreichend voneinander getrennt sind, sondern sich überlagern. Blickt man z. B. durch ein Prisma nach einem hell erleuchteten Fenster, so sieht man nur die zur brechenden Kante des Prismas parallelen Fensterränder mit einem roten bzw. violetten Saum überzogen.

Abb. 196. Darstellung eines reinen Spektrums

Wie schon I. N e w t o n und insbesondere W. W o l l a s t o n (1802) betonten, erhält man ein besonders reines Spektrum, wenn man einen schmalen Spalt Sp mittels einer Sammellinse auf einem Schirm in B abbildet und dicht hinter die Linse das Prisma mit seiner brechenden Kante parallel zur Spaltrichtung in den Strahlengang einsetzt (Abb. 196). Dann entspricht jeder im weißen Licht enthaltenen Farbe ein abgelenktes Bild des Spaltes. Sämtliche unzähligen schmalen Spaltbilder reihen sich nebeneinander (R bis V) und ergeben ein um so reineres Spektrum, je schmäler der Spalt ist. Abb. 13 auf Tafel 1 zeigt ein in dieser Weise aufgenommenes Spektrum des Sonnenlichtes.

Dies Verfahren hat J. v. F r a u n h o f e r (1814) noch dadurch verbessert, daß er das von dem beleuchteten Spalt Sp kommende, divergente Licht zunächst durch eine Sammellinse L1 parallel macht (Abb. 198); der Spalt Sp muß zu diesem Zwecke in der Brennebene von L1 liegen. Unmittelbar hinter der Linse L1 ist das Prisma P angeordnet. Die gebrochenen Strahlen gehen dann durch eine weitere Sammellinse L2, die jedes System paralleler Strahlen in ihrer Brennebene zu einem Bild des Spaltes vereinigt. So entsteht in dieser Ebene ein reines Spektrum, das man entweder objektiv auf einem Schirm S oder einer photographischen Platte oder, unter Weglassung des Schirmes durch eine Lupe subjektiv betrachten kann. Spalt und Linse Ll bilden zusammengefaßt ein Kollimatorrohr, Linse L2 und Lupe ein auf Unendlich eingestelltes astronomisches Fernrohr: man erkennt also hier die Konstruktion des in

167

20. Die Dispersion des Lichtes: I. Normale Dispersion

Abb. 57 beschriebenen S p e k t r o m e t e r s . Ersetzt man den Schirm durch eine photographische Platte, die durch ein lichtdichtes Gehäuse mit der Linse L2 verbunden ist, so hat man einen S p e k t r o g r a p h e n vor sich. — Der Vorteil dieser Anordnung besteht darin, daß alle gleichfarbigen Strahlen das Prisma unter den gleichen Bedingungen als paralleles Strahlenbündel durchsetzen, während bei der Anordnung von W o l l a s t o n (Abb. 196) die einzelnen Strahlen das Prisma konvergent durchsetzen. Das Maß der Dispersion; Fraunhofersche Linien. Erzeugt man mit Prismen aus verschiedenem Material (evtl. mit Hohlprismen, die mit verschiedenen Flüssigkeiten gefüllt sind), aber alle vom gleichen brechenden Winkel, unter Benutzung des gleichen optischen Aufbaus Spektren etwa von Sonnenlicht, so beobachtet man, daß nicht nur die Brechung, die die Prismen infolge ihrer verschiedenen Brechungsquotienten hervorrufen, sondern auch die Länge der Spektren ganz verschieden ausfällt. Z. B. verhalten sich die Längen der Spektren, die von Prismen aus Wasser, aus Kronglas, aus Flintglas und aus Schwefelkohlenstoff unter gleichen Bedingungen erzeugt werden, wie 1:1,5:3:6,5. Um die Länge eines Spektrums genau festzulegen, ist es erforderlich, zwei bestimmte Farben herauszugreifen und ihren Abstand im Spektrum zu messen. Eine solche Messung ist aber nur ungenau durchführbar, da die Farben ja kontinuierlich ineinander übergehen. Hier hilft eine Entdeckung von J. von F r a u n h o f e r (1814) weiter. Bei dem Bestreben, die Brechungsquotienten verschiedener Glassorten für ein und dieselbe Wellenlänge zu messen, entdeckte er im Sonnenspektrum eine große Zahl schwarzer Linien, die bei Benutzung eines hinreichend schmalen Spaltes sichtbar sind; d. h. es fehlen im Sonnenspektrum gewisse Lichtarten. (Fr aunhofer konnte insgesamt 567 dunkle Linien Wellenlänge Farbe Linie zählen, heute sind über 20000im Sonnenspektrum bekannt.) Man nennt diese Linien F r a u n h o f e r Dunkelrot 760,8 m fi A sche L i n i e n ; sie ermöglichen es, im Spektrum 718,4 Dunkelrot a 686,7 Rot den Ort bestimmter Farben zu identifizieren. Von B Rot 656,3 C den vielen Tausend im Sonnenspektrum vorhanGelb 589,6 Di denenLinien sind in dem Spektrum der Abbildung Gelb 589,0 D2 13 auf Tafel 1 die zehn stärksten eingezeichnet. Grün E 527,0 Es ist seit F r a u n h o f e r üblich, sie mit großen 517,2 Grün b Blaugrün 486,1 F und kleinen Buchstaben zu bezeichnen. In der Blau 430,8 G nebenstehenden Tabelle sind die Wellenlängen 396,8 Violett H der wichtigsten dieser Linien zusammengestellt. 393,4 Violett K Die nächste Tabelle bringt die Brechungsquotienten einiger Stoffe gegen Luft für die wichtigsten F r a u n h o f e r s c h e n Linien (auf die beiden letzten Spalten gehen wir weiter unten ein).

Stoff

n

A

nB

nc

nD

n

E

nF

nG

nB

Sv mittlere n

F ~

Wasser Terpentinöl Benzol Schwefelkohlenstoff . Flußspat Borkronglas BK 1 . . Schwerkronglas 8K 1. Flintglas F 3 . . . . Kalkspat/ord. Strahl .

1,3289 1,4552 1,4910 1,6088 1,4310 1,5049 1,6035 1,6029 1,6500

1,3304 1,4684 1,4945 1,6149 1,4320 1,5067 1,6058 1,6064 1,6529

1,3312 1,4694 1,4963 1,6182 1,4325 1,5076 1,6070 1,6081 1,6544

1,3330 1,4723 1,5013 1,6277 1,4338 1,5100 1,6102 1,6128 1,6584

1,3352 1,4760 1,5077 1,6405 1,4355 1,5130 1,6142 1,6190 1,6634

1,3371 1,4794 1,5134 1,6523 1,4370 1,5157 1,6178 1,6246 1,6679

1,3406 1,4858 1,5243 1,6765 1,4398 1,5205 1,6244 1,6355 1,6761

1,3435 1,4915 1,5340 1,6994 1,4421 1,5246 1,6300 1,6452 1,6832

v = nD- 1

C nF-nc

n

0,0059 0,0100 0,0171 0,0341 0,0045 0,0081 0,0108 0,0165 0,0135

56,4 47,2 29,3 18,4 96,4 62,9 56,5 37,0 48,8

III. Kapitel. Dispersion und Absorption des Lichtes

168

I n Abb. 199 ist die Abhängigkeit des Brechungsquotienten von der Wellenlänge, die sogenannte Dispersionskurve, für einige in obiger Tabelle aufgeführten Stoffe graphisch wiedergegeben und in Abb. 200 sind die Längen der Spektren dargestellt, wie sie unter übrigens gleichen Bedingungen mit Prismen aus einigen der genannten Stoffe erhalten werden. Die verschiedenen Spektren sind aber nicht nur verschieden lang, sondern auch die aus der Lage der einzelnen F r a u n h o f e r s c h e n Linien erkennbare Farbenverteilung im Spektrum ist ganz verschieden. Die Spektren sind in Abb. 200 so übereinander gezeichnet, daß die vom Punkt 0 aus gesehenen Linien C und H, die in der 0 y

D

Wasser Kronglas

¡ I »m 1

Flintglas

Abb. 199. Dispersionskurven verschiedener Stoffe

\

m \ -Hi 1\r 4 ! — M I I i I I \ 1 *\ 11 I 1

Schwefelkohlenstoff

\

\

\

\

\

^

A

\

*\

1

I

x

1 C

\

\

\

H

D

Abb. 200. Länge der unter gleichen Bedingungen mit Prismen aus verschiedenen Stoffen erzeugten Spektren

Abbildung die einzelnen Spektren begrenzen, auf einer Geraden liegen. Man sieht sofort, daß dies für die übrigen einander entsprechenden Linien nicht der Fall ist. Würde man also (z. B . bei Projektion) die einzelnen Spektren lediglich durch Verschieben des Schirmabstandes auf gleiche Länge bringen, so würden sie trotzdem ein verschiedenes Aussehen hinsichtlich der Verteilung der einzelnen Farben bzw. der F r a u n h o f e r s c h e n Linien darbieten. Wir wollen dies Ergebnis noch zahlenmäßig festlegen. Nach der auf S. 40 mitgeteilten Gl. (14b) ist die Ablenkung de, die die der F r a u n h o f e r s c h e n Linie C entsprechende Farbe durch ein Prisma mit dem kleinen brechenden Winkel e erfährt: (90)

S c = (n c — l ) e ,

wenn nc den Brechungsquotienten des Prismas für diese Lichtart bedeutet. Entsprechend ist für das durch die Linie H definierte Licht: (90a)

ÖB =

(nE — l ) e .

Die Differenz d H — ö c nennt man (willkürlich!) die Gesamtdispersion des Stoffes; für diese ergibt sich also: (91)

0 = dn — öc = {nE — nc )e

.

169

20. Die Dispersion des Lichtes: I. Normale Dispersion

s o ist die gesamte Polarisation (108)

%= 13

B e r g m a n n - S c h a e f e r , III, 1

h

= 2Nhqhh , h

194

HI. Kapitel. Dispersion und Absorption des Lichtes

(vgl. Bd. II, Nr. 13); gleichzeitig ist, weil das Ganze unelektrisch ist: (109)

2Nhqh = 0. h Da die Lichtwelle ein p e r i o d i s c h e r Vorgang ist, sind die Verschiebungen der Ladungen auch periodisch und ebenso die Polarisation (erzwungene Schwingungen). Wenn also ein positiv oder negativ geladenes Teilchen die Masse m h hat, durch eine Direktionskraft a\ an seine Ruhelage gebunden ist und außerdem einer der Geschwindigkeit kb, proportionalen Reibungskraft f h £ h unterliegt, so führt es unter dem Einfluß der Lichtwelle, deren elektrischen Vektor wir mit 6 bezeichnen, eine erzwungene Schwingung nach der Gleichung aus: m

" S

+

fh

ITf

K « *«

=



Dividiert man mit m h , so folgt als Differentialgleichung der erzwungenen Schwingungen : (HO) v '

+— h + lh = — «= n mh mh

~G0eio,i. "

mh

a\ Dabei ist — = a>\ gesetzt (coA die Kreisfrequenz — 2nvk, vh Frequenz der Eigenmh Schwingung, a> die Kreisfrequenz der einfallenden Welle); ferner benutzen wir den schon in Bd. I I eingeführten Kunstgriff, statt mit den trigonometrischen Funktionen mit den komplexen Exponentialfunktionen zu rechnen; daher erhält die einfallende Welle den Zeitfaktor e imt . Erweitert man die letzte Gleichung mit Nh qh, so erhält man, da Nh qh f A = ist: dt*

dt

mh

+

+ ^hMh-

mh

«0e



In etwas anderem Gewände haben wir diese Gleichung schon in Nr. 53 des II. Bandes behandelt [Gl. (398) auf S. 331]; wir können von da die Lösung übernehmen, die hier in komplexer Form auftritt: co? — w 2 4- A_ coi mh

also:

mh

^

mithin die gesamte Polarisation: (in)

^ =

N»«Vm» g , i 2 ,+1h— (Ol 0)\ — a)* n ™h

Nhq\jmh

= h

=

h

— e . CO*—CO* + +±(01 » mh

Von hier gelangen wir sofort zur Dispersionsformel, wenn wir berücksichtigen, daß nach der Maxwellschen Theorie [Bd. II, S. 54 Gl. (51)]:

*=

ist>

wo e' die (hier komplexe) Dielektrizitätskonstante des durchstrahlten Mediums ist (e' muß komplex sein, da^ß es ist!). E s folgt also durch Kombination mit (111): Ni allrrij, (112) s' = 1 + 4 : 7 1 2 h m\ - cu2 + zr-toi mh Dies ist nicht exakt richtig; wir haben in Bd. II, S. 56, Gl. (54) auseinandergesetzt, daß 5 streng genommen gleich q •

4TZ ,

H — — j ist; doch wollen wir uns hier mit der obigen Näherung

begnügen, da alles Wesentliche sich schon daraus ergibt.

25. Theorie der Dispersion, und Absorption für schwach absorbierende Substanzen

195

D a die reelle Dielektrizitätskonstante s = n2 ist, werden wir das komplexe e' etwa gleich n2( 1 —ix)2 setzen; die physikalische Natur von n und x müssen wir natürlich erst feststellen 1 ). Der Analogie wegen nennt man die komplexe Größe, deren Quadrat gleich s' sein soll, den „ k o m p l e x e n B r e c h u n g s q u o t i e n t e n " tt = n{\ — ix). Damit wird endlich (112): (113)

n

2

= «2(1 — m ) * = 1 + 4 x 2

a>l - cu2 + ^ Cüi

h

=

i+47rj;

- n m" ( W j - w*y + 4 < * m\

h

'

oder, nach Trennung des Reellen und Imaginären: n2{ l—x2) (114)

_

2

9

N h qy™ k «

= 1 + ^

f

K

-

-

+ n^lK

'

NhiHmK

n

K

fh°>!mh - coT + / W 2 M r

Bevor wir diese Gleichungen diskutieren, wollen wir zunächst die physikalische Bedeutung der eben eingeführten Größen n und x feststellen. Die elektrische Feldstärke einer ebenen elektromagnetischen Welle, die in R i c h t u n g der z-Achse fortschreitet, kann bekanntlich in die Gestalt gebracht werden: (g = e

^

»/ = e

\

0

.

Darin ist v die Fortpflanzungsgeschwindigkeit, die nach der M a x w e l l s c h e n Theorie gleich e' =

sein soll — wenigstens für nichtabsorbierende Medien. Hier haben wir e durch

n2(

zu ersetzen und finden dann x . . / nx \ t (n — inx) tco i — •— c c ) e ^ — v. J = e v

1 —ix)2

t

wnxx c

.

• f. [t —nx\ %w Der F a k t o r e

e

> bedeutet eine ebene Welle, die mit der Geschwindigkeit

v = ^ fortschreitet; das liefert die physikalische Bedeutung von n = cjv:

n ist der wnxx c gewöhnliche Brechungsquotient. Anderseits zeigt der reelle F a k t o r e , daß die Welle räumlich gedämpft wird, wenn sie längs der a;-Achse fortschreitet, d. h. es ist, wenn A die der Frequenz v entsprechende

tritt A b s o r p t i o n ein. D a — = — —

Vakuumwellenlänge ist, kann man auch schreiben: mnxz e

c

= e

2 nnx :—s x

[ im [t ;

e

x

nx\ c

' = e

.{ i

nx\ r

K r

x

> .

D . h. die Feldstärke der betrachteten Welle kann geschrieben werden: 2itn* .t t nx \ (115) 6 = -e . Die Bezeichnungen n und x sind bereits so gewählt, daß sie der weiter unten zu erörternden physikalischen Bedeutung entsprechen. 13*

196

III. Kapitel. Dispersion und Absorption des Lichtes

Da die Strahlungsintensität (Lichtstrom) 0 proportional dem Quadrate der Feldstärke © ist, finden wir für die Absorption des Lichtstromes 0 eine Gleichung von der Gestalt: 4 7I«X

0=0oe

^

*,

d. h. das L a m b e r t s c h e A b s o r p t i o n s g e s e t z in der Gestalt von (103b). „x" ist also • 4 TC7b?( der in Nr. 23 eingeführte „ A b s o r p t i o n s i n d e x " , —=— also die „ A b s o r p t i o n s A k o n s t a n t e " K . Damit ist auch die Natur der Größe x qualitativ und quantitativ sichergestellt. Die Gl. (114) liefern also gleichzeitig Dispersion und selektive Absorption, zeigen also deutlich die enge Verknüpfung der beiden Erscheinungen, worauf wir schon früher hingewiesen haben. Außerdem bestätigt sich die am Schluß des vorhergehenden Abschnittes aufgestellte und benutzte Behauptung, daß die Optik absorbierender Medien aus der für durchlässige Stoffe formal hervorgeht, indem das reelle ,.n" durch das komplexe n( 1 —ix) ersetzt wird. Diskussion der Dispersionsgleichungen (114). Die Gl. (114) sind so kompliziert, daß wir auf eine a l l g e m e i n e Diskussion verzichten müssen; es genügt für uns, das Grundsätzliche aus den Formeln abzuleiten. Zunächst nehmen wir von vornherein an, daß im Nenner der Summand — ^ - sehr klein gegenüber dem andern Summanden (m\—&>2)2 mh sei, d. h. wir bleiben mit co immer in einem gewissen Abstände von den Eigenschwingungen co/,. Dann dürfen in erster Annäherung sowohl in der ersten, wie in der zweiten Gl. (114) im Zähler und Nenner die

enthaltenden Glieder vernachlässigt werden. Die

zweite Gleichung (114) geht dann über in: n2 x = 0 , d. h. das Medium ist außerhalb der Eigenschwingungen praktisch durchlässig. Dann folgt als vereinfachte erste Gl. (114): (114a)

n 2 = 1+4tzJ;—ff*' 1

2x

,

oder mit Einführung der Wellenlängen A» und X statt der Frequenzen ojh und a> / 2 nc 2 7tc \ co = — j : = (H4b)

n

2

= l + j ;

N h qU z A? * *

;

diese Gleichung muß den Verlauf der Dispersion außerhalb der Eigenschwingungen darstellen. Bevor wir dies nachweisen, wollen wir die zweite Gleichung (114) noch in dem bisher ausgeschlossenen Fall betrachten, daß wir mit a> in die unmittelbare Nachbarschaft einer Eigenfrequenz (z. B. a>x) kommen; alle übrigen Glieder der Summe verschwinden nach wie vor, denn für sie ist j a co von «/¡(A = 2, 3, . . .) merklich verschieden. Nur ein Glied bleibt also in diesem Falle übrig (in unserem Beispiel das erste); denn hier darf /2cu2 •-^j-nicht neben dem gleichfalls sehr kleinen Glied (oj| — co2)2 vernachlässigt werden. Wir haben also jetzt: (114c)

N.qlMml K - co2)1 + flu)2¡ml • Was hier am Beispiel der ersten Eigenfrequenz gezeigt wurde, gilt natürlich für die engste Umgebung a l l e r Eigenschwingungen, d. h. das betrachtete Medium besitzt in unmittelbarer Nachbarschaft jeder Eigenschwingung a»A (und — und nur in dieser —

25. Theorie der Dispersion und Absorption für schwach absorbierende Substanzen

197

eine von Null verschiedene Absorption (sog. selektive Absorption), während es in einigem Abstände von den Eigenschwingungen, wie wir bereits wissen, durchlässig ist. Die Absorptionskurve hat in Abhängigkeit von X in unmittelbarer Nähe der Eigenschwingungen die Gestalt einer „Glockenkurve", die ihre Maxima ungefähr bei 1-L, A3 . . . besitzt und in einigem Abstand rasch zu Null abfällt. Für die Maxima findet man aus (114c) annähernd, indem man c o = a>h setzt:

Nhil Nhqllh (h = 1,2 . . .) ; cth fhO>h sie sind um so ausgeprägter, je kleiner fh ist. Abb. 219 zeigt den typischen Verlauf einer allgemeinen Absorptionskurve mit 3 Absorptionsstreifen verschiedener Stärke bei ¿2, ¿3 • Ein z. B . im sichtbaren Spektralgebiet farblos durchsichtiges Material (n 2x)M ax. = 2 n

(114d)

Abb. 219. Verlauf einer allgemeinen Absorptionskurve mit drei Absorptionsstreifen

(z. B . optisches Glas) hat also im ganzen Bereich von 400 bis 750 infi k e i n e Eigenfrequenz; diese müssen also entweder im UV oder im UR oder in beiden liegen. Ein farbig durchsichtiger Körper (z. B . gefärbte Gläser oder Lösungen) weisen dagegen im sichtbaren Spektralbezirk mindestens eine Eigenschwingung auf, und für ihre unmittelbare Nachbarschaft tritt Absorption ein, d. h. die austretende Strahlung erscheint in der Komplementärfarbe. Wir wollen nun einmal sehen, was die vereinfachte Dispersionsgleichung (114b) liefert, wenn wir sie auf eine im Sichtbaren vollkommen durchsichtige Substanz anwenden, die nur im UV eine Eigenwellenlänge "Ay habe. Nach (114b) ist dann:

n 2= 1

m17tc 3(X 2 - M)

1 -

Af A2

AF < 1. Da es sich um den Dispersionsverlauf im Sichtbaren handelt, ist Xy < /., d.h. —

Man kann daher den Ausdruck— 1

2

i n die folgende Reihe entwickeln:

1 - »2 A 1

1 was für n 2 liefert:

I Ar _i_ Ar A2 A4

A2

= A0

+

,

wo A0,A1,A2 Abkürzungen für positive Konstanten sind. D a s i s t a b e r d i e C a u c h y sehe D i s p e r s i o n s f o r m e l (106), die die normale Dispersion durchsichtiger Substanzen

III. Kapitel. Dispersion und Absorption des Lichtes

198

f ü r nicht zu große Wellen darstellt (vgl. Abb. 199), die K u r v e n sind sämtlich konvex gegen die Abszissenachse. I n Abb. 212 h a t t e n wir aber auch ein Beispiel d a f ü r angef ü h r t , daß unter Umständen der Charakter der normalen Dispersionskurve sich insofern ändert, als sie für längere Wellen schließlich konkav gegen die Abszissenachse verläuft; dasselbe zeigen die Abb. 216 (für Quarz) und 217 (für Na-Dampf). Man wird nach dem Vorhergehenden vermuten, d a ß dies darauf beruht, daß außer der kurzwelligen Eigenwellenlänge Xv noch eine im UR liegende XR vorhanden ist. Dann h a t die Gl. (114b) zwei Glieder: 71

N

2 =

t

q U v ^

_

mi jrc2 (A2 - X\)

Nt

+

q\ Xr

W

m2 tcc2 (A2 - X%) '

X

Hier ist, wie vorhin, -y- < 1, während anderseits

A

X

> 1 ist; deshalb schreiben wir die

X

Gleichung in folgender Weise: «2

-i

=

i ^ i j ' j l

^

mx7rc2

1

N2glkR m2nc*

'l-A2/A2

Beide Ausdrücke ^ — * „ , , , und - - — k ö n n e n 1 — Xp/X*

1 —

1 1 -

A2/A^

"

wir wieder in eine Reihe entwickeln

X'jXfo

und erhalten dann außer den Gliedern der C a u c h y s c h e n Dispersionsformel auch solche, die proportional Potenzen von )? sind: (114d)

w2 =

A0

+

AtX~2

+

A2X~*

+



A[X2



A^X4

,

wobei A'x, A'z . . . wieder Abkürzungen f ü r positive Konstanten sind, so daß die neuen Glieder sämtlich n e g a t i v ausfallen. Daher bewirken sie für längere Wellen schließlich die K o n k a v i t ä t der Dispersionskurven gegen die Abzissenachse. Gleichung (114d) ist identisch mit der empirischen, schon früher mitgeteilten Gl. (107). Das hier Festgestellte wiederholt sich jedesmal im Intervall zwischen zwei Absorptionsstreifen, so daß wir sagen dürfen, daß die Theorie die Ergebnisse des Experiments vollkommen bestätigt. Zwei Spezialfälle wollen wir noch an H a n d von Gl. (114b) erörtern. Zunächst wollen wir X unendlich werden lassen, d. h. in das Gebiet langer elektrischer Wellen (im engeren Sinne des Wortes) übergehen. Wir schreiben zu diesem Zwecke (114b) folgendermaßen: n

7 v

2

(

i

-

W

und wenn wir hierin X ->• oo gehen lassen, folgt: ,2 = i

h

nach der M a x w e l l s c h e n Theorie ist aber die somit die Darstellung folgt:

m

h

IC"

gleich der Dielektrizitätskonstanten e, für N . q\ X),

(115) h

mhnc2

Diese Gleichung l i e f e r t o f f e n b a r die a t o m i s t i s c h e D e u t u n g der Die l e k t r i z i t ä t s k o n s t a n t e n . Gl. (115) kann m a n mit (114b) kombinieren, indem m a n sie von (114b) subtrahiert. Das liefert eine neue Form der Dispersionsgleichung, die in der Literatur vielfach als K e t t e l e r - H e l m h o l t z sehe bezeichnet wird: (116)

_

, ^

M

_ »x%

25. Theorie der Dispersion und Absorption für schwach absorbierende Substanzen

199

Dabei ist (117)

rnh nci

=

Mh

gesetzt. Diese Form der Dispersionsgleichung wird meistens bei der numerischen Berechnung von Dispersionskurven benutzt. Im zweiten Spezialfälle wollen wir Gl. (114b) auf so kleine Wellen anwenden, wie sie den Röntgenstrahlen zukommen. Wir befinden uns dann in einem Gebiet, in dem X kleiner ist als die kürzeste Eigenwellenlänge, die wir mit bezeichnen wollen: X A 1 ) Gewisse Besonderheiten bei Röntgenwellen werden durch diese Formel natürlich nicht gedeckt; immerhin gibt sie die großen Züge richtig wieder.

200

III. Kapitel. Dispersion und Absorption des Lichtes

und in einigem Abstände davon praktisch den Wert 0, wie es der Abb. 219 entspricht. Dennoch muß man sich klar machen, daß man nach Gl. (114c) keine f e s t e Grenze f ü r die B r e i t e der A b s o r p t i o n s s t r e i f e n a n g e b e n k a n n . Denn streng genommen ist n2x für keine Wellenlänge = 0, auch wenn sie noch so sehr von den Eigenwellen abweicht. Auch wenn nur ein einziger Absorptionsstreifen im Spektrum vorhanden ist, erstreckt sich seine „Breite" 1 ) streng genommen auf alle Wellen des Spektrums. Unsere Zeichnung Abb. 219 gibt den Verlauf von n2x daher nur angenähert wieder. Aus der eben gemachten Bemerkung geht aber in Verbindung mit dem L a m bertschen Absorptionsgesetz (103a) hervor, d a ß in sehr g r o ß e n S c h i c h t d i c k e n s c h l i e ß l i c h jede S u b s t a n z f ü r alle W e l l e n l ä n g e n u n d u r c h s i c h t i g w i r d : das beste optische Glas ist in Dicken von 1 m und darüber undurchsichtig, ebenso wie Wasser: in hinreichender Tiefe unter dem Meeresspiegel herrscht tiefe Dunkelheit. Unsere angenäherte Darstellung von n2x in Abb. 219 stellt die Verhältnisse für mäßige Schichtdicken, wie sie normalerweise bei Prismen und Linsen vorliegen, in angemessener Weise dar. Daraus ergibt sich, daß die starken Absorptionsstellen, wie sie in der Nähe der Eigenschwingungen auftreten, schon durch die Untersuchung der Durchlässigkeit verhältnismäßig dünner Schichtdicken nachgewiesen werden können: das ist die im Prinzip einfachste Methode, Lage und Anzahl der Eigenschwingungen festzustellen. Je größer man die Schichtdicke macht, desto schwächere Absorptionen werden erkennbar; die Untersuchung der Absorption liefert alle Eigenschwingungen, seien sie auch noch so wenig ausgeprägt. Wir betonen dies, weil wir weiter unten sehen werden, daß die s t a r k e n Eigenschwingungen (große Werte von n2y.) auch in Reflexion nachgewiesen werden können, während die schwachen Absorptionsstellen dabei unterdrückt werden. Nach unserer Auffassung ist jedes nichtleitende Medium in dünneren Schichten partiell durchlässig, d. h. nur s e l e k t i v absorbierend. Wie kann man es denn verstehen, daß es trotzdem Stoffe gibt, die über sehr weite Spektralbezirke (z. B. das ganze sichtbare Gebiet) undurchlässig sind ? Das kann nur daran liegen, daß in solchen Fällen die Eigenschwingungen so dicht beieinander liegen, daß die einzelnen Absorptionsstreifen sich überschneiden — man denke sich z. B. in Abb. 219 die drei dort gezeichneten Absorptionsstellen dicht aneinandergeschoben. Anders liegt die Sache bei guten Leitern z. B. den Metallen; dort wird die ins Metall eindringende Strahlungsenergie aller Wellenlängen in Wärme (nämlich J o u l e sehe Wärme) infolge des Leitvermögens umgewandelt, d. h. es tritt für alle Wellenlängen Absorption ein. Auf die Metalloptik gehen wir in Abschnitt 26 näher ein. Wie verhält sich das Reflexionsvermögen der absorbierenden Stoffe ? Nach den früheren Darlegungen ist außerhalb der Absorptionsstreifen (X 4= hi) die Größe n2x = 0, d. h. die Substanz praktisch durchlässig. Das Reflexionsvermögen R an diesen !n ]\2 Stellen berechnet sich daher nach (105): R = ( ^ ^-J . Wie wir zeigten, gibt dies nur kleine Werte von R (z. B. für n = 1,5 ist R = 0,04). Dagegen ist für die Wellenlängen X = Xh(h = 1, 2 . . .) n2x =|= 0 und kann sehr groß gegen n werden. In jedem Falle haben wir für das Reflexionsvermögen die allgemeinere Formel (105b) anzuwenden: R= + i)2 _)_ n2 x • Das bedeutet, daß in der Nähe der Wellenlängen ?,h das Reflexionsvermögen größer ist als in einiger Entfernung von ihnen: Das Reflexionsvermögen muß also in der Nähe der Eigenwellenlängen deutliche Maxima aufweisen; als Beleg dafür mag Abb. 221 dienen, in der das Reflexionsvermögen einiger Karbonate nach 1 ) Man kann die Undefiniertheit der „Breite" dadurch ersetzen, daß man als exaktes Maß die sog. „ H a l b w e r t s b r e i t e " einführt; das ist die Breite der Kurve an der Stelle, an der die Absorption nur die Hälfte der maximalen beträgt; in Abb. 219 ist die Halbwertsbreite für die angenommenen Absorptionsstreifen eingezeichnet.

25. Theorie der Dispersion und Absorption für schwach absorbierende Substanzen

201

Messungen von Cl. S c h a e f e r und Mitarbeitern dargestellt ist: die Karbonate zeigen in der Nähe der Wellenlängen 7 /x, 11 ¡x, 14 ¡x deutliche Maxima von iü 1 ). Am stärksten ist das Maximum bei der Wellenlänge 7 fi, das z. B. für Kalkspat bis zu 80 °/0 und mehr beträgt. Ein sehr hohes Reflexionsvermögen in der Umgebung der Eigenfrequenzen findet sich bei vielen Substanzen, z. B. auch beim Quarz in der Gegend von 8 ¡x und 20 ¡x, aber immer nur im E/jß-Spektrum. Diese Tatsache führte H. R u b e n s (1897) zu seiner Methode der „Reststrahlen". Wenn die 60 % Strahlungsintensität für die Wellenlänge X, die auf eine Substanz auffällt, S (X) und das 40 Manganspaf |\ Reflexionsvermögen R(X) genannt werden, 20 so ist der reflektierte Betrag S (X) R (X), und

dieser ist im allgemeinen klein. Nur in der Nähe der Eigenfrequenzen ist S(Xh )R(Xh ) fast ebenso groß wie S(Xh ) selbst, da R(Xh ) nicht wesentlich kleiner als 1 ist. R u b e n s läßt nun die unzerlegte Gesamtstrahlung £8 ( X) mehrere Male an der betrachteten Substanz reflektieren; der Betrag der reflektierten Strahlung der Wellenlänge X ist dann nach «.-maliger Reflexion S(l) R(X) n. Dann ist praktisch für alle Wellenlängen, die merklich von den Eigenwellen abweichen, 8{X)R{X) n = 0, während für die Eigenfrequenzen S(Xit) R{Xk) "noch einen erheblichen Wert hat. Die mehrmalige (etwa 4—5 malige) Reflexion unterdrückt im Endergebnis alle Wellenlängen mit Ausnahme einer fast homogenen Strahlung von der (ungefähren) Wellenlänge Xh . Als Beispiel betrachten wir etwa Kalkspat; nach Abb. 221 besitzt er bei etwa 7 fi ein Reflexionsvermögen von rd. 0,8; nach 4 Reflexionen ist von dieser Strahlung noch 0 , 8 4 = 0,42, d. h. etwa 4 2 % U

Abb. 222. Reststrahlenmethode nach R u b e n s

40 20 40 20 40

20

[isenspat

A ——

Zinkspat

Magnesit

80

60 40

(I Kalkspat

1

20

20 0

Dolomit

2

4

•—*J l

/V 6

8

\

A 70 12 14 16 18 20



Xin/J

Abb. 221. Reflexionsvermögen verschiedener Karbonate zwischen 1 und 20 ¡i

vorhanden. Außerhalb dieser Wellenlänge ist der Brechungsquotient rd. 1,6, was ein R= 0,06 liefert; R* = 0,00001, d. h. Viooo%! Die Reststrahlmethode wirkt also wie ein Filter. Ihr großer Vorteil ist der, daß man ohne s p e k t r a l e Z e r l e g u n g , die ja wegen der Reflexionsverluste in der optischen Apparatur eine starke Schwächung für alle Wellenlängen hervorruft, eine oder mehrere diskrete Wellenlängen Xh isolieren kann. Das ermöglichte seinerzeit die Auffindung langer ultraroter Wellen, die mit prismatischer Zerlegung nicht nachweisbar waren. Abb.222 zeigt das Prinzip derRubensschen Anordnung (L = Lichtquelle, 8X und S2 Hohlspiegel, Plt P2 , Ps , P 4 Platten aus dem zu untersuchenden Material, z. B. Quarz, Flußspat, Steinsalz, Sylvin usw., Th Thermosäule, G Galvanometer) ; als Lichtquelle dient entweder ein N e r n s t -

Die Maxima rühren von den Eigenschwingungen der COs-Gruppe her, die allen Karbonaten gemeinsam ist.

III. Kapitel. Dispersion und Absorption des Lichtes

202

stift oder ein freibrennender A u e r s t r u m p f . D a ß der Galvanometerausschlag wirklich n u r von der ausgesonderten S t r a h l u n g der Wellenlänge Ah h e r r ü h r t , k a n n m a n zeigen, indem m a n eine ganz d ü n n e P l a t t e aus d e m U n t e r s u c h u n g s m a t e r i a l in den Strahlengang b r i n g t ; d a diese P l a t t e — wegen der s t a r k e n Absorption gerade der Wellenlänge Ah — diese Wellenlänge z u r ü c k h a l t e n m u ß , während sie f ü r andere Wellenlängen durchsichtig ist, so m u ß der Galvanometerausschlag verschwinden, wenn der A u f b a u einwandfrei ist. Die folgende Tabelle gibt einige Reststrahlwellenlängen an, die von R u b e n s u n d Mitarbeitern hergestellt u n d gemessen wurden. 71

E s ergibt sich aus dem Vorhergehenden f ü r die B e s t i m m u n g von Eigenfrequenzen bzw. Absorptionsmaxima folgender S a c h v e r h a l t : d u r c h Absorp6,56 CaC03 tion k a n n m a n alle, wenn auch noch so schwachen 12,0 SiC 30,9 ZnS Eigenfrequenzen nachweisen, wenn m a n hinrei52,0 NaCl chend große Schichtdicken w ä h l t . Die Methode der 63,0 KCl Reflexion (Abb. 221) liefert n u r die stärkeren Eigen81.5 AgCl schwingungen, u n d von diesen sondert die Rest82.6 KBr strahlmethode noch die allerstärksten aus (z. B. 91.6 T1C1 94.7 KJ liefert sie von den Eigenfrequenzen des K a l k s p a t e s 112.7 AgBr n u r die bei e t w a 7 fi, w ä h r e n d sie diejenigen bei 117,0 TIBr etwa 11 /j. u n d 14 fi u n t e r d r ü c k t ) . Zur Gewinnung 152.8 TU eines ersten Überblicks wird m a n also m i t der Rests t r a h l m e t h o d e beginnen, d a n n die R e s u l t a t e d u r c h einmalige Reflexion erweitern und d a n n erst zur Absorptionsmethode übergehen. a

T~¡

~ ! e e ange in p

rla

Zur Erzielung noch größerer Wellenlängen h a b e n H . R u b e n s u n d R . W . W o o d (1910) die chromatische Aberration von Quarzlinsen im U R a u s g e n u t z t (Quarzlinsenmethode), deren Prinzip in Abb. 223 dargestellt ist. Wie schon e r w ä h n t u n d wie auch aus Abb. 216 hervorgeht, besitzt Quarz f ü r lange Wellen, e t w a jenseits 50 //, Brechungsquotienten n > 2, w ä h r e n d im sichtbaren u n d ultravioletten Spektralgebiet n äs 1,5 ist. N u n ist n a c h der elementaren Linsenformel (Gl. 4 0 c auf S. 73) die Brennweite einer Linse / = -. \n

r- (r-L u n d r2 die beiden K r ü m m u n g s r a d i e n ) . D a s b e d e u t e t , d a ß '•¡Vi

~

r

l)

eine Quarzlinse, die f ü r mittleres sichtbares Licht eine Brennweite / = 27,3 cm besitzt, f ü r die langen u l t r a r o t e n Wellen n u r noch eine solche von 12 cm h a t . Von diesen Dimensionen sind die beiden Quarzlinsen Qx u n d Q2 in Abb. 223. Der A b s t a n d der Lichtquelle L wird größer als 12 cm, aber kleiner als 27,3 cm g e w ä h l t ; von L ausgesandte S t r a h l u n g 1 eingeschaltet, während der andere Weg ganz in Luft (n — 1) verläuft.

Messungen zur Bestimmung der Kohärenzlänge wurden hauptsächlich in der Absicht ausgeführt, um festzustellen, eine wie lange Zeit ein Emissionszentrum ungestört schwingen kann. J e nach der N a t u r der Lichtquelle ergeben sich äußerst verschiedene Ergebnisse; es hat sich aber immer gezeigt, daß die Kohärenzlänge — oder, was dasselbe ist, die Zahl N der beobachtbaren Interferenzstreifen — um so größer ausfällt, je homogener die untersuchte Strahlung ist. Unter besonders günstigen Verhältnissen (sehr homogene Spektrallinien) hat m a n Werte von N bis zu 2—2,5 • 106 gefunden. Nimmt man die Wellenlänge etwa zu 0,5¡u —5 • 10~ 5 cm an, so folgt eine Kohärenzlänge 1 = NX von rund 1 m ; daraus würde sich für die Zeit des ungestörten Schwingens die Größenordnung von 10~8 sec ergeben; m a n sieht, daß diese Zeit wirklich sehr klein gegen die Beobachtungsdauer ist. Ist das Licht sehr inhomogen, z. B. weißes Licht, d. h. das ganze sichtbare Spektrum, so ist N etwa von der Größe 2—3, die Kohärenzlänge entsprechend klein (10~ 4 cm). Tatsächlich beobachtet man mit weißem Licht nur wenige Interferenzstreifen, allerdings mehr als 3. Das liegt aber daran, daß das

28. Allgemeines über Interferenz von Lichtwellen; Kohärenz und Inkohärenz

231

Auge nicht nur Helligkeiten, sondern auch Farben wahrnimmt. Ersetzt man das Auge durch ein Energiemeßinstrument (z.B. Thermosäule), so findet man in der Tat nur etwa 2 Streifen. Man kann diesen ganzen Sachverhalt noch von einer etwas anderen Seite anfassen, indem man davon ausgeht, daß ein beiderseits abgebrochener Wellenzug k e i n e s w e g s monochromatisch ist, sondern nach dem Fourierschen Theorem aus einem Spektrum, d. h. einer unendlichen Zahl sich stetig aneinanderreihender streng monochromatischer Wellen besteht. Man hat es also streng genommen mit I n t e r f e r e n z e i n e s S p e k t r a l b e r e i c h e s v o n e n d l i c h e r B r e i t e AX z u t u n ; wir werden später zeigen, daß auch diese Auffassung zu der Konsequenz führt, daß nur eine — von AI abhängige — bestimmte endliche Zahl (N) von Interferenzstreifen beobachtet werden kann.

Im vorhergehenden haben wir immer von „punktförmigen" Emissionszentren gesprochen. Das ist natürlich eine Idealisierung. Denn in Wirklichkeit hat man zur Erzeugung von Interferenzstreifen immer leuchtende F l ä c h e n von e n d l i c h e r A u s d e h n u n g vor sich. Man muß sich also klar darüber werden, inwiefern die Größe der benutzten Lichtquelle von Einfluß auf die Interferenzerscheinung ist. Es wird sich herausstellen, daß im allgemeinen die Größe der leuchtenden Fläche einer bestimmten Bedingung zu genügen hat, damit man beobachtbare Interferenzen erhält. In Abb. 242

sei L2 = a die Spur einer leuchtenden Fläche, deren einzelne Punkte natürlich völlig inkohärente Wellen aussenden, eben wegen der unregelmäßigen Phasensprünge, die jeder strahlende Punkt unabhängig von allen anderen ausführt. Es genügt, wenn wir nur die beiden Endpunkte und L2 ins Auge fassen, was der ungünstigste Fall ist; was für diese äußersten Punkte gilt, gilt in der folgenden Betrachtung a fortiori für die einander näher liegenden Punkte der strahlenden Fläche. Von Lx und L2 gehe je ein Strahlenbündel von der Öffnung 2 aus, von deren jedem wir nur die obere Hälfte betrachten, insbesondere nur die Strahlen 1 und 2, die von Llt und 3 und 4, die von L2 ausgehen. Die Strahlen 1 und 2 sind natürlich kohärent, da sie von demselben Punkte der Lichtquelle ausgehen, und dasselbe gilt für die Strahlen 3 und 4. Aber da die Phasen von Li und L2 während der Beobachtungsdauer fortwährend unregelmäßig wechseln, sind die beiden Strahlenbündel als inkohärent zu betrachten. Durch irgendeine — in der Abbildung nicht gezeichnete — optische Anordnung (Spiegel, Linsen usw.) werden die 4 Strahlen an einem Punkte P zum Zusammenwirken gebracht, und das Problem ist gerade, zu untersuchen, ob die Interferenzwirkung, die durch das von L t ausgehende Bündel erzeugt wird, nicht durch das von L2 ausgehende gestört wird bzw. welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit dies nicht der Fall ist. Um zum Ausdruck zu bringen, daß Lx und L2 unabhängig voneinander schwingen, sei in einem bestimmten Zeitpunkte die Phase der von ausgehenden Wellen in Li gleich cp, in L2 gleich cp -\-Acp\ mit A cp seien die während der Beobachtungsdauer eintretenden unregelmäßigen Phasensprünge bezeichnet, die eben gerade die Inkohärenz gegenüber den von Lx ausgehenden Wellen bedingen. Wir werden nun die Phasen aller 4 Wellenzüge im Punkte P berechnen; dazu müssen wir die optischen Längen der Wege 1, 2, 3, 4 kennen, die von Lt und L2 nach P führen. Nehmen wir z. B. an, die Länge des Weges 2 betrage gerade eine ganze Zahl von Wellenlängen NX-, das bedeutet dann, daß die Welle 2 in P die gleiche Phase hat, wie in Lls nämlich cp. Anderseits sei z. B.

IV. Kapitel. Interferenz und Beugung

232

der Weg 1 um A/2 (oder irgendein ungeradzahliges Vielfaches von Ä/2) größer als der Weg 2, was einer Phasendifferenz von jz auf Weg 1 zwischen P und Lx entspricht, d. h. die Welle 1 hat in P die Phase cp -\-n. Die Länge des Weges 3 ist, wie aus Abb. 242 hervorgeht, aus g e o m e t r i s c h e n Gründen um das Stück L2A = a • sin # größer als die des Weges 1; also hat die Phase der Welle 3 in P den Wert

«_, so wird cos (oc + ß) < 0, der Faktor c o s | a , ^ wird also negativ und nähert * cos (a + ß) ° sich allmählich von oben her dem Werte — 1, den er für oc = ^, d.h. streifende Inzi-

42. Theorie der Reflexion, Brechung und Polarisation; Fresnelsche Formeln

denz, erreicht. Dann ist tang(pr ——tangtpe n — (pe gewachsen. Da dieser Wert von ( nämlich um -2

333

geworden, d.h. e= 1. Läßt man 120° nun den Einfallswinkel von 0 bisocp wachsen, so wächst der Azimutwinkel der reflektierten Welle bis 90°; in 100' diesem Falle steht die Schwingungsebene der reflektierten Welle senkrecht zur Einfallsebene. Steigt der Einfallswinkel von ocp bis 90°, so wird die End- ^ QQ° läge der Schwingungsebene durch den Winkel n — qie = 135° gegeben, was in der Tat um ebensoviel nach oben (45°) 601 wie die Ausgangslage nach unten von 7t 90° abweicht. Die Wahl von 0, oder 1 + n' 2 — 2,828 n' ^ 0 . 2

Die Wurzeln der Gleichung 1 + n' 2 — 2,828n' = 0 sind 0,414 und 2,414; unterhalb 0,414 und oberhalb 2,414 ist die Ungleichung befriedigt. Man erkennt dies ohne Rechnung aus Abb. 357 in der als Abszissen die Werte von n ' , als Ordinaten einmal 1 - \ - n ' , das andere Mal |/§ • n = 2,828 n' aufgetragen sind. Die beiden Kurven schneiden sich bei den genannten Werten 0,414 und 2, 414, wie behauptet. Da nur Werte n' < 1 in Frage kommen, lautet die Antwort auf unsere Frage, daß der relative Brechungsquotient 2

n

0,414 sein muß, damit bei einmaliger Totalreflexion die Phasendifferenz A = -^l¿i

erzielt werden kann. Ijn' = 1/0,414 = 2,415 müßte also der Wert des Brechungsquotienten für das Material sein, aus dessen Inneren der einfallende Strahl kommt. So große Brechungsquotienten gibt es aber weder im Ultravioletten, noch im Sichtbaren 1 ), und auch im Ultraroten sind sie kaum bekannt. Dagegen gibt es im Gebiet der elektrischen Wellen solche Werte von n = j/e, z. B. für Wasser, das den elektrischen Brechungsquotienten n = 9 hat; n ist also 1/9 = 0,11. Mit elektrischen Wellen muß man also durch eine Totalreflexion zirkularpolarisierte Strahlung erzielen können. Aus Gl. (216) findet man durch Einsetzen von n' = 0,11 zwei Werte für den zugehörigen Einfallswinkel, nämlich 6°15' und 44°35'. L. B e r g m a n n hat 1932 den Versuch mit gutem Erfolg ausgeführt. — Wenn man nun auch keine Phasendifferenz A = ~ durch ¿i

einmalige Totalreflexion sichtbarer Strahlung erhalten kann, so doch eine solche von

A = ~ . Nehmen wir z. B. n' = 1/1,5 = 2/3, so findet man mit Hilfe von Gl. (215), da jetzt 4r = Z

ö

zu

setzen ist und tang ~ = l/2—1 = 0,414 ist, statt (216) die Gleichung: o ' 0,414 sin 2 « = j / f l ^ s i n 2 « ) (sin 2 « — (%)*) ,

Mit Ausnahme von Diamant (n = 2,4173) und Rutil (n = 2,6 bzw. 2,9). 22*

340

V. Kapitel. Polarisation und Doppelbrechung des Lichtes

aus der sich wieder zwei mögliche Einfallswinkel für die Erzeugung einer Phasendifferenz von A = ^ ergeben; eine zweimalige Totalreflexion ergibt also insgesamt die Phasendifferenz y . A. F r e s n e l (1823) hat zu diesem Zweck ein Parallelepiped aus Kronglas mit n' = 1/1,5 angegeben (Abb. 358), dessen Querschnitt einen Rhombus darstellt; der spitze Winkel des Rhombus bei A und C beträgt 54°37';läßt man linear polarisiertes Licht senkrecht auf die eine Seitenfläche AD auffallen, so wird es zweimal unter dem Winkel 54°37' an den Flächen AB und DG totalreflektiert und tritt dann durch die vierte Fläche BC wieder senkrecht aus; dieses Licht ist dann tatsächlich zirkulär polarisiert, wenn gleichzeitig die Schwingungsebene des einfallenden linear polarisierten Lichtes mit der Einfallebene im Parallelepiped einen Winkel von 45° bildet. Man zeigt dies experimentell, indem man den Fresneischen Rhombus auf das Tischchen des Nörrembergschen Polarisationsapparates (Abbildung 348) stellt und so justiert, daß-E^ = Es ist. Wenn man jetzt die Strahlung analysiert, so hat man — wegen der vollkommenen achsialen Symmetrie einer zirkularpolarisierten Welle — in allen Stellungen des Analysators gleiche Helligkeit, was der Versuch tatsächlich ergibt. So sehr das für die Berechtigung spricht, die Fresnelschen Formeln auch dann noch anzuwenden, wenn R p und Rs komplex werden, so macht sich doch auch hier wieder derselbe Einwand geltend, wie vorhin beim elliptisch polarisierten Licht. Das gleiche Beobachtungsergebnis: gleiche Helligkeit bei allen Stellungen des Analysators würde sich ja auch ergeben, wenn aus dem Fresnelschen Parallelepiped n a t ü r l i c h e s , völlig u n p o l a r i s i e r t e s L i c h t austräte. Wie kann Abb. 358. F r e s n e l s c h e s Parallelepiped zur Herstellung von zirkuder Experimentalphysiker also entscheiden, was in lär polarisiertem Licht aus linear Wirklichkeit vorliegt, zirkularpolarisiertes oder unpolarisiertem Licht durch zweipolarisiertes Licht ? In dem vorliegenden Falle ist malige Totalreflexion die Entscheidung leicht durch einen Versuch F r e s nels zu treffen. Setzen wir einmal voraus, daß durch die zweimalige Totalreflexion im Fresnelschen Rhombus wirklich zirkularpolarisiertes Licht aus linearpolarisiertem entstanden sei, so muß geschlossen werden, daß eine viermalige Totalreflexion, die mit zwei hintereinander gestellten Fresnelschen Rhomben erzielt werden kann, im ganzen eine Phasendifferenz von 2 (entsprechend erhalten werden muß. Die beiden z z einfallenden Komponenten Ep und Es des ursprünglich unter 45° Azimut schwingenden linearpolarisierten Lichtes würden dann eine relative Phasendifferenz von 180° besitzen, d. h. das aus dem ersten Parallelepiped voraussetzungsgemäß austretende zirkularpolarisierte Licht würde wieder linear polarisiert und zwar unter einem Azimut von (90 -)- 45)° = 135°; beim Drehen des Analysators würde man also zwei Stellen völliger Dunkelheit finden. Tatsächlich läßt sich dieser Versuch leicht am N ö r r e m bergschen Polarisationsapparat mit dem geschilderten Ergebnis durchführen. Wäre dagegen das aus dem ersten Fresnelschen Parallelepiped austretende Licht nicht zirkulär polarisiert, sondern natürliches unpolarisiertes Licht, so würde der zweite Rhombus keinerlei Wirkung haben, und aus ihm würde natürliches Licht austreten •— entgegen der Beobachtung. Damit ist hier wirklich bewiesen, daß die Behauptungen der Fresnelschen Theorie zutreffen. Der tiefere Grund für das unterschiedliche Verhalten von zirkulär polarisiertem Licht und natürlichem Licht beim Durchgang durch den

43. Die Polarisation des Lichtes bei Totalreflexion

341

F r e s n e l s c h e n Rhombus liegt darin, daß eine zirkulär polarisierte Schwingung eine echte achsiale Symmetrie besitzt, natürliches Licht dagegen nur eine s t a t i s t i s c h e . Die hier durchgeführte Überlegung läßt sich mutatis mutandis auf den allgemeinen Fall elliptisch polarisierten Lichtes übertragen: Man h a t in jedem Falle die Phasendifferenz A durch geeignete Mittel entweder auf n zu vergrößern oder auf 0 zu reduzieren, und so das elliptisch polarisierte Licht in linearpolarisiertes zu verwandeln. Letzteres geschieht mit Hilfe sog. „ K o m p e n s a t o r e n " (z.B. dem B a b i n e t s c h e n K o m p e n s a t o r ) , auf deren Konstruktion wir erst in Nr. 49 eingehen können. Jedenfalls ist auf diese Weise der tatsächliche Nachweis erbracht worden, daß die F r e s n e l schen Formeln auch das Verhalten totalreflektierten Lichtes richtig darstellen. — Wenden wir uns jetzt der überraschenden Tatsache zu, daß trotz eingetretener Totalreflexion doch auch im zweiten Medium eine Strahlung vorhanden ist. Das geht daraus hervor, daß nach den Gl. (205b) und (209b) die Größen G s und G p , die komplexen Amplituden im zweiten Medium, von Null verschieden sind. Mathematisch liegt der Grund d a f ü r darin, daß diese Koeffizienten notwendig sind, um die Grenzbedingungen der M a x w e l l s c h e n Theorie (Stetigkeit der Tangentialkomponenten) zu erfüllen. U m den Vorgang im zweiten Medium genauer zu untersuchen, bringen wir G s und G p auf die Normalform komplexer Größen; aus (205b) und (209b) ergibt dann eine leichte Rechnung folgendes Ergebnis: (205 c)

1/1 — n

2

tang ô's = -

(209 c)

Die Absolutbeträge [ G p |und | G s | sind in der rechten H ä l f t e der Abb. 356 (« > tx g auf. Der Vorgang der Totalreflexion spielt sich also auf einem begrenzten Stück der Trennungsfläche T T ab, das in der Abb. 359 im Schnitt durch die P u n k t e A und B bezeichnet ist; im Medium 1 (%) sind einfallende und reflektierte Wellen gezeichnet. Unterhalb der Trennungsfläche im Medium 2 | 'n 2 ; ^ = n' < l j läuft p a r a l l e l derselben von A nach B die durch die Amplituden G p und G s bestimmte Strahlung; sie ist, wie in der Abbildung durch den allmählich zunehmenden Abstand der Strahlen angedeutet, auf die nächste Nachbarschaft der Trennungsfläche beschränkt, i s t a l s o e i n e e c h t e O b e r f l ä c h e n w e l l e ; die E r f a h r u n g zeigt, daß die Oberflächenwelle im Abstand von einigen (3 bis 4) Wellenlängen bereits unmerkbar geworden ist 1 ). Quer durch die Trennungsfläche t r i t t zwischen A und B — von den Grenzpunkten selbst wollen wir vorläufig absehen — im Mittel keine Energie aus dem ersten Medium ins zweite ein, wie es bei der gewöhnlichen Dies ist der Grund, weswegen in Gl. (214) für cos ß auf der rechten Seite das Minuszeichen stehen muß; positives Vorzeichen würde umgekehrt ergeben, daß die Intensität der Welle mit wachsendem Abstände von der Trennungsfläche zunähme.

342

V. Kapitel. Polarisation und Doppelbrechung des Lichtes

Brechung der Fall wäre, daher kann innerhalb A und B die Reflexion wirklich total sein. Aber wie kommt denn die Strahlung überhaupt ins zweite Medium ? Die Antwort darauf ist folgende: Da die einfallende Welle begrenzt ist, so findet an den Rändern, d. h. in der unmittelbaren Umgebung der in Abb. 359 mit A und B bezeichneten Punkte, Beugung statt, wie wir in Kap. IV ausführlich dargelegt haben. D u r c h diesen V o r g a n g der B e u g u n g t r i t t n u n in der U m g e b u n g von A e t w a s E n e r g i e a u s der e i n f a l l e n d e n Welle ins zweite Medium ü b e r , die in der U m g e b u n g v o n B wieder ins e r s t e Medium z u r ü c k g e l i e f e r t wird. (Bei unendlich ausgedehnten Wellen, wie man sie meistens in der Theorie zugrunde legt, verlagert sich dieser Beugungsvorgang beiderseits ins Unendliche; die so vereinfachte Theorie vermag daher keine Rechenschaft davon zu geben.) Auf eine interessante Folgerung dieses Sachverhaltes gehen wir weiter unten ein.

Abb. 359 Zur Erklärung der Totalreflexion

Abb. 360. Versuch zum Nachweis der bei der Totalreflexion im dünneren Medium vorhandenen Strahlung

Schon I. N e w t o n , G. Q u i n c k e (1868) und E. H a l l (1902) haben experimentell das Vorhandensein einer Strahlung im dünneren Medium nachgewiesen, indem sie der Trennungsfläche von unten her ein drittes Medium näherten, (das übrigens mit dem Medium 1 identisch sein kann). Sobald Medium 3 der Trennungsfläche bis auf einen Abstand < 4 Wellenlängen genähert wird, fängt es einen Teil der Oberflächenwelle ab, und zwar umso mehr, je näher es der Trennungsfläche TT kommt. Das bedeutet aber eine Störung der Totalreflexion, die ja, wie oben erwähnt, der Oberflächenwelle im zweiten Medium zu ihrem Zustandekommen bedarf: bei hinreichend kleinem Abstand des Mediums 3 hört die Totalität der Reflexion auf, und der reflektierte Betrag wird umso kleiner, je kleiner der Abstand zwischen den Medien 3 und 2 wird. Darauf beruht der Grundgedanke der erwähnten Versuche von N e w t o n und Quincke. Sie beobachteten die Totalreflexion an der Hypothenusenfläche eines Glasprismas. Gegen diese drückten sie einen Glaskörper mit schwach konvexer Oberfläche (Abb. 360), so daß im Punkte P (bzw. in einer kleinen Umgebung von P) Berührung eintrat. Dann wurde die Totalreflexion nicht nur in der geometrischen Berührungsfläche um P gestört, sondern auch in der weiteren Umgebung, wo die Glaskörper schon durch eine dünne Luftschicht getrennt waren. Erst wenn der Abstand etwa 4 Wellenlängen betrug, hatte man wieder volle Totalreflexion, wie Quincke konstatierte; bis zu einem solchen Abstand erstreckte sich also die Oberflächenwelle. E . H a l l benutzte als Medium 2 statt Luft eine lichtempfindliche Gelatineschicht, für die n2 kleiner als ny war; die Gelatineschicht war auf einer Glasplatte aufgebracht. Ließ man dann ein kreisförmig begrenztes Lichtbündel an der Trennungsfläche reflektieren, so zeigte sich bei der Entwicklung der lichtempfindlichen Schicht, daß sie auf einer elliptischen Fläche geschwärzt war — offenbar durch die Einwirkung der Oberflächenwelle: denn die Schwärzung reichte nur bis zu einer geringen Tiefe in die Schicht hinein. — Schließlich haben Cl. S c h a e f e r und G. Gross (1910) einen quantitativen Nachweis der Existenz der Welle im zweiten Medium mit elektrischen Wellen von 15 cm erbracht; die Reflexion fand in diesem Falle an der Hypothenusenfläche eines großen rechtwinkeligen Paraffinprismas statt, wobei die Wellen senkrecht durch die

343

43. Die Polarisation des Lichtes bei Totalreflexion

Kathetenflächen ein- und austraten und unter 45° an der Hypothenusenfläche reflektiert wurden. Wurde dicht hinter der Hypothenusenfläche ein elektrischer Empfänger aufgestellt, so zeigte das damit verbundene Galvanometer einen Ausschlag, der bei allmählicher Entfernung des Empfängers vom Prisma genau entsprechend dem von der Theorie geforderten Exponentialfaktor abnahm. Durch diese Versuche ist die Existenz der Oberflächenwelle qualitativ und quantitativ erbracht. Allen diesen Versuchen ist es gemeinsam, daß sie durch den Versuch selbst die Totalreflexion stören 1 ). Einen Nachweis, dem dieser Mangel nicht anhaftet, haben F. Goos und H. H. H ä h n c h e n (1947) durch eine neue Beobachtung erbracht. Sie besteht darin, daß der totalreflektierte Strahl nicht genau von der Stelle auszugehen scheint, wo der einfallende die Trennungsfläche trifft, sondern ein wenig dagegen verschoben ist. In a)

4

A

ȧ Abb. 361 Strahlversetzung bei der Totalreflexion

B

\

BJ'

Abb. 362. Zur Erklärung der Strahlversetzung bei der Totalreflexion

Abb. 359 ist dieser neuen Tatsache noch nicht Rechnung getragen; im Gegensatz dazu ist der wirkliche Vorgang in Abb. 361 angedeutet: die ausgezogenen Geraden bezeichnen die einfallenden und die dagegen verschobenen reflektierten Strahlgrenzen, während die gestrichelten Geraden die reflektierten Strahlen nach der bisherigen Auffassung darstellen. Die Erklärung dieser Erscheinung ist folgende: Die Beugung in der Nähe der Grenzen A und B der Abb. 359 bewirkt, daß die Strahlbegrenzung nicht scharf ist, (d. h. die Amplitude fällt nicht plötzlich auf den Wert Null ab, wie es dem Amplitudenprofil der Abb. 362 a entsprechen würde), sondern ist verbreitert und abgerundet nach Abb. 362 b (ausgezogene Kurve), in der die Randzonen (stark übertrieben) angedeutet sind. In der linken Randzone wird nun Energie ans zweite Medium abgegeben, in ihr ist die Reflexion also n i c h t t o t a l ; in der rechten wird die Energie dem ersten Medium wieder zurückerstattet, hier ist die Reflexion m e h r als t o t a l . Das bedeutet eine Verkleinerung der Amplituden in der linken, eine Vergrößerung in der rechten Randzone, m. a. W. eine S c h w e r p u n k t s v e r s c h i e b u n g des u r s p r ü n g l i c h e n A m p l i t u d e n p r o f i l s , die in Abb. 362b durch die gestrichelte Kurve angedeutet ist — u n d d a s ist die Beoba c h t u n g von Goos und H ä h n c h e n . Sie war unerwartet, weil man in der Theorie immer unendlich ausgedehnte Wellen zu betrachten pflegt, bei denen die Strahlgrenzen beiderseits im Unendlichen liegen, so daß von dieser Theorie die Verschiebung nicht erfaßt werden konnte. Erst nachträglich ist die Beobachtung theoretisch erklärt worden; die obige äußerst anschauliche Darstellung hat C. v. F r a g s t e i n (1949) gegeben. Wie oben schon gesagt, stören alle Methoden (mit Ausnahme der G o o s - H ä h n c h e n sehen) zum Nachweis der Strahlung im zweiten Medium die Totalreflexion; gerade diese Störung aber kann technisch für Zwecke der Lichtsteuerung oder Lichtmodulation dienstbar gemacht werden. Bringt man z. B. in sehr geringem Abstand von der totalreflektierenden Hypothenusenfläche eines Glasprismas eine Telephonmembran an, so bewirken die winzigen Verschiebungen derselben durch die dem Telephon zugeführten Sprechströme eine entsprechende Veränderung der „total" reflektierten Lichtenergie und ergeben somit eine Modulation des reflektierten Lichtes im Rhythmus der Sprechströme (Lichttelephonie). 1

) Dies hat anderseits auch einen Vorteil; siehe den letzten Absatz am Schluß dieser Seite.

344

V. Kapitel. Polarisation und Doppelbrechung des Lichtes

44. Polarisation des Lichtes bei Metallreflexion Die F r e s n e l s c h e n Formeln (204), (205), (208), (209) haben ihre Gültigkeit, wie in der vorhergehenden Nummer gezeigt wurde, auch dann noch beibehalten, wenn die Reflexions- und Durchlässigkeitskoeffizienten q p , q s , q s , nur bei senkrechtem und streifendem Einfall sind sie gleich; dagegen gibt es hier keinen Polarisationswinkel, für den os verschwände. Die Phasendifferenz A = òp — + y* = F 2 , z 2 + i/2 = F 2 , d. h. zwei konzentrische Kreise mit den Radien V0 für den o-Strahl, Ve für den e-Strahl. Die Abb. 369 und 370 geben diese Schnitte wieder. Faßt man anderseits die Strahlengeschwindigkeiten ins Auge, die gleiche Winkel & mit der optischen Achse bilden, so lehrt am einfachsten (221b) die Beziehung zwischen der Strahlgeschwindigkeit F und # kennen: VZ Te72 T (222 c) ° V™ 2 VI sin2 # + cos2 &' also, wie wir angegeben hatten, bei gleichen Winkeln & gegen die Achse gleiche F-Werte.

In Bd. I, Nr. 76 und 77, S. 362ff. haben wir gezeigt, wie man nach H u y g e n s den Brechungsvorgang und das Brechungsgesetz ableiten kann. Der Grundgedanke ist bekanntlich der, daß jeder Punkt einer Strahlenfläche als selbständiges Erregungszentrum betrachtet werden kann; jeder sendet daher zur gleichen Zeit Wellen (sog. Elementarwellen) in den Raum hinaus, Abb. 371. deren gemeinsame Tangentialebene die tatErklärung der Doppelbrechung beim Kalksächlich beobachteten Wellen liefert. Das spat mittels des H u y g e n s s e h e n Prinzips Prinzip muß sich natürlich auch hier anwenden lassen; während aber in isotropen Medien die Elementarwellen den Innenraum einer Kugel erfüllen, hat man bei Kristallen zwei Sorten von Elementarwellen zu unterscheiden: für den o-Strahl sind es wieder Kugelwellen, während die e-Strahlen als Begrenzung das geschilderte Rotationsellipsoid haben. Natürlich müssen diese beiden Strahlenflächen im Kristall richtig orientiert sein, d. h. die Verbindungslinie der Berührungspunkte von Kugel und Rotationsellipsoid muß parallel der optischen Achse gerichtet sein. Nach diesen Vorbemerkungen wollen wir die Doppelbrechung auf diese Weise erklären (Abb. 371). Eine ebene Welle falle auf die Grenzfläche ZZ eines einachsigen Kristalls; eine Wellenebene AB derselben treffe zur Zeit t = 0 die Grenzfläche im Punkte A; dieser Augenblick ist in der Abbildung festgehalten. A wird also Ausgangspunkt der zwei Elementarwellen; die optische Achse habe die Richtung AE und liege in der Einfallsebene (Papierebene). Während die einfallende Welle mit der Geschwindigkeit c im Vakuum (Luft) fortschreitet — der Punkt B möge zur Zeit t = lsec bis zum Punkte C der Trennungsfläche vorrücken —, haben sich von A aus die Elementarwellen so ausgebreitet, daß die des o-Strahles auf einer Kugelfläche vom Radius AD = V0 angekommen ist. Die dem e-Strahl zukommende Elementarwelle erfüllt ein Rotationsellipsoid, das im Punkte E die Kugel von außen berührt. Denn AE ist die Richtung der optischen Achse; die Berührung in E bringt zum Ausdruck, daß in Richtung der optischen Achse beide Strahlen die gleiche Geschwindigkeit V0 besitzen. Senkrecht zur optischen Achse hat der Radiusvektor des Ellipsoides die Größe AG = Fe, wobei für einen negativen Kristall, wie in Abb. 371 angenommen, Ve größer 23

Bergmann - Schaefer, III, 1

354

V. Kapitel. Polarisation und Doppelbrechung des Lichtes

als Vo ist. Von beiden Flächen kommt natürlich nur die im Inneren des Kristalls liegende untere Hälfte in Betracht; die Abbildung zeigt ihren Schnitt mit der Einfallsebene, d. h. einen Halbkreis und ein Stück einer Ellipse. In den Abb. 372 a und 372 b ist Abb. 371 der Deutlichkeit halber in zwei Teile zerlegt, so daß a nur den o-Strahl, b nur den e-Strahl enthält. Wir richten unser Augenmerk zuerst auf Abb. 372 a, die die Brechung des o-Strahles darstellt; sie ist gegenüber Abb. 371 ergänzt durch Eintragung des Brechungswinkels ß0 für den o-Strahl sowie der Fortpflanzungsgeschwindigkeiten c des einfallenden Strahles in Luft und V0 des gebrochenen Strahles im Kristall. Ziehen wir nun die (senkrecht zur Zeichenebene stehende, in Abb. 372 a zu einer Geraden verkürzte) Tangentialebene von C an die Kugel, so liegt der Berührungspunkt D in der Zeichenebene, und die Gerade CD stellt den Schnitt der Ebene der gebrochenen Welle dar. Verbindet man das Erregungszentrum A mit D, so ist AD die Richtung des o-Strahles, der nach Konstruk-

a

b

Abb. 372. Erklärung der Brechung beim Kalkspat mittels des H u y g e n s s c h e n Prinzips a) für den ordentlichen Strahl; b) für den außerordentlichen Strahl

tion in der Papierebene, d. h. der Einfallsebene hegt. Ferner ergibt sich aus der Betrachtung der rechtwinkeligen Dreiecke ABC und ADC: • sin

BC

T> An BAC =

s i n ACD

sin• ot = - j ^ =

=

siaß0

=

~

=

n„

=

c

,

Jj^

und durch Division folgt: (223 a)

sin ß0

=

V0

Damit ist das Brechungsgesetz vollständig abgeleitet, und insbesondere der Brechungsquotient n0 in der für isotrope Medien gültigen Weise definiert. Betrachten wir nun Abb. 372b für die e-Strahlung; hier tritt nun an Stelle des Kreises eine bestimmt gelagerte Ellipse, die die Elementarwellen zur Zeit t = lsec begrenzt; der Schnitt CF der von C an die Ellipse gezogenen Tangentialebene liefert die Spur der Wellenebene des e-Strahles, und die Verbindung von A mit dem Berührungspunkt F ist die Richtung des e-Strahles. Den Brechungswinkel des e-Strahles nennen wir der Deutlichkeit halber ße. Der e-Strahl liegt also in diesem Falle auch in der Einfallsebene, aber nur aus dem Grunde, weil wir vorausgesetzt haben, daß die optische Achse in der Einfallsebene hegen solle, die daher hier mit dem Hauptschnitt zusammenfällt. Würde aber die optische Achse nicht in der Einfallsebene liegen (dann

355

45. Doppelbrechung des Lichtes

könnte man sie nicht in der ebenen Abb. 372 b unterbringen), so würde der Berührungspunkt zwischen dem Strahlenellipsoid und der von C aus konstruierten Tangentialebene gar nicht in der Papierebene liegen (und ebensowenig der Berührungspunkt E der Abb. 371 von Kugel und Ellipsoid), weil der Hauptschnitt, der ja durch das Einfallslot und die optische Achse bestimmt ist, dann aus der Einfallsebene herausfiele. M. a. W.. Der e-Strahl AF würde dann nicht in der Einfallsebene, sondern wie immer im Hauptschnitt liegen, wie wir bereits empirisch festgestellt hatten. Wie steht es nun mit der Definition des Brechungsquotienten für die e-Strahlen ? Wenn man die Strahlgeschwindigkeit des e-Strahls, d. h. die in 1 sec längs des Strahles zurückgelegte Strecke AF mit V bezeichnet, so sieht man sofort, daß hier jedenfalls sm

sin ße

4= tt ist; man hat also wieder das Dilemma vor sich, auf das wir schon auf S. 350 V

gestoßen sind. Das Hegt daran, daß in Abb. 372 b der Winkel AFC (der dem rechten Winkel ADC der Abb. 372 a entspricht), kein rechter mehr ist; denn die Richtung AF des e-Strahles steht auf der Wellenfläche C'F i. A. nicht mehr senkrecht, anders wie bei isotropen Medien (und beim o-Strahl), bei denen Wellennormale und Strahlrichtung identisch sind (vgl. z. B. Abb. 372 a). Ein Ausweg aus dieser Schwierigkeit ergibt sich auf folgende Weise: Eben weil Strahl und Wellennormale nicht zusammenfallen, kann man neben der Strahlgeschwindigkeit {AF in Abb. 372 b) noch den Begriff der W e l l e n n o r m a l e n g e s c h w i n d i g k e i t , kurz „ N o r m a l e n g e s c h w i n d i g k e i t " (AF' in Abb. 372 b) einführen; denn AF' ist das vom Erregungszentrum A auf die Wellenebene CF gefällte Lot: Mit dieser Geschwindigkeit schreitet ja die ebene Welle CF in Richtung der Normale AF' fort. Wenn wir diese Normalengeschwindigkeit, die wir mit v (kleiner Buchstabe!) bezeichnen, einführen, so ist erstens zu beachten, daß für sie ein anderer Brechungswinkel (ß'e) gilt, als dem Strahl (ße) zukommt; zweitens tritt nun bei F' wieder ein rechter Winkel auf, und wir können nun genau, wie bei isotropen Stoffen durch Betrachtung der rechtwinkeligen Dreiecke ABC und AF'C folgendermaßen weiter schließen: sin BAC = sinck = ^

AC

i



n,

sin AF C = sin ße=

=

AF'

AC

,

V

=

,

woraus durch Division folgt: (223b)

sin ß'e

= -v =

in völliger Übereinstimmung mit (223 a) für den ordinären Strahl, denn die Normalgeschwindigkeit hegt nach Konstruktion i m m e r in der Einfallsebene, auch dann, wenn die Strahlgeschwindigkeit dies nicht tut. W i r w e r d e n a l s o d e n v a r i a b e l n B r e c h u n g s q u o t i e n t e n n des e-Strahls s t e t s definieren als das V e r h ä l t n i s der N o r m a l e n g e s c h w i n d i g k e i t e n , das d a n n auch mit dem z u g e h ö r i g e n S i n u s V e r h ä l t n i s ü b e r e i n s t i m m t . Wegen der Identität der beiden Gleichungen (223) kann man die gewöhnlichen Methoden zur Bestimmung der Brechungsquotienten anwenden, worauf wir später noch genauer einzugehen haben. Die Notwendigkeit, bei der Fortpflanzung der e-Strahlen zwischen der Strahlgeschwindigkeit und der Normalengeschwindigkeit zu unterscheiden, ist auch der Grund, weswegen wir statt „Wellenfläche" genauer „Strahlenfläche" gesagt haben. Nur in zwei Fällen stimmt bei einachsigen Kristallen für den e-Strahl die Strahlengeschwindigkeit mit der Normalengeschwindigkeit überein, nämlich für parallel und senkrecht zur optischen Achse verlaufende Strahlen. Davon wollen wir uns noch ausdrücklich durch 23'

V. Kapitel. Polarisation und Doppelbrechung des Lichtes

356

Ausführung der Huygensschen Konstruktion überzeugen. In Abb. 373 a stelle ZZ die Trennungsfläche zwischen Luft (oder Vakuum) und einem einachsigen Kristall dar; die Fläche sei so an den Kristall angeschliffen, daß die optische Achse senkrecht zu ihr steht. Senkrecht einfallende Strahlen (oc = 0) verlaufen also parallel zur Achse. Ein seitlich begrenztes Parallelstrahlenbündel treffe zwischen den Punkten A und A1 senkrecht auf die Fläche auf. Alle Punkte der Trennungsfläche zwischen A und A1 werden im gleichen Augenblick von der einfallenden Welle getroffen, senden also gleichzeitig Elementarwellen aus, von denen wir 2 gezeichnet haben, die von den Grenzpunkten A und A1 der einfallenden Welle ausgehen: ein halber Kreis und eine halbe Ellipse stellen den Schnitt der Strahlenfläche mit der Papier- (Einfalls)-Ebene dar. Kreis und Ellipse sind so gelegt, daß das Lot von ihren Berührungspunkten auf die Trennungsfläche ZZ die Richtung der optischen Achse hat. Die gemeinsame Tangentialebene an die Elementarwellen ist also DD1: in lsec ist die einfallende Welle von

optische

i

;

Achse

1 \ \ i \ n0 ist. Bei dieser Bezeichnung ist aber zu beachten, daß die Hauptbrechungsindizes n0 und n e Funktionen der Wellenlänge sind. Es kann daher wohl sein — und ist in Wirklichkeit immer der Fall — daß z. B. im UV oder im UR die dort geltenden Werte von n0 und ne solche sind, daß ein im Sichtbaren „negativer" Kristall dort als „positiv" bezeichnet werden muß, und umgekehrt. Die A n g a b e „ n e g a t i v e r " und „ p o s i t i v e r " K r i s t a l l h a t also n u r Sinn, wenn gleichz e i t i g d i e W e l l e n l ä n g e (oder d a s W e l l e n l ä n g e n i n t e r v a l l ) d a z u a n g e g e b e n w e r d e n , f ü r d i e d i e s e A n g a b e g e l t e n soll. Daß ein im Sichtbaren negativer Kristall, wie der Kalkspat, etwa im Ultrarot positiv wird, liegt daran, daß die Dispersionskurven f ü r n0 und ne verschieden verlaufen und sich bei gewissen Wellenlängen schneiden; ist v o r dem Schnittpunkte ne < n0, dann ist h i n t e r ihm ne > n0, d . h . der vor dem Schnittpunkte negative Kristall ist hinter demselben positiv geworden. F ü r die Wellenlänge des Schnittpunktes selbst ist ne = n0, d. h. f ü r diese W e l l e n l ä n g e ist d e r K r i s t a l l d a n n o p t i s c h isot r o p u n d ü b e r h a u p t n i c h t d o p p e l b r e c h e n d . Solche Fälle sind z. B. bei den Karbonaten v o n C l . S c h a e f e r genau untersucht worden. — Natürlich kann es auch passieren, daß sogar im sichtbaren Gebiet der Charakter eines Kristalls sich von Negativität in Positivität ändert; das ist z. B. seit langem bei dem Apophyllit bekannt. Es ist dies aber nicht, wie in den mineralogischen und kristallographischen Lehrbüchern vielfach behauptet wird, eine Anomalie, sondern der N o r m a l f a l l . Nur wenn man sich auf das sichtbare Spektralgebiet beschränkt, kann das Verhalten des Apophyllits als eine Singularität erscheinen. Man sieht, wie wichtig es ist, stets das Gesamtspektrum im Auge zu haben. Man kann nach C. L e i s s (1904) das Kristallrefraktometer f ü r einen Demonstrationsversuch so umändern, daß man von allen Seiten gleichzeitig Licht streifend auf die Kristallplatte K (parallel der optischen Achse geschnitten) auffallen läßt, die auf der Refraktometerhalbkugel H vom Brechungsquotienten N aufgekittet ist. (In Abb. 375 a ist die Refraktometerhalbkugel H aus nachher zu erörternden Gründen in eine größere Kronglashalbkugel W mit dem Radius R eingekittet.) Ein Kegelspiegel, dessen Spur S X S 2 ist, bewirkt, daß ein senkrecht von oben einfallendes Parallelstrahlbündel nach Reflexion am Spiegel streifend von allen Seiten in die als Zylinder ausgebildete Kristallplatte K durch den Zylindermantel eindringt; f ü r alle Strahlen ist der Einfallswinkel a = 90°. Die Strahlen werden dann unter den GrenzAbb. 375. Anordnung zur Sichtwinkeln ß0 f ü r die o-Strahlen, ße f ü r die e-Strahlen in die barmachung der Grenzkurven Refraktometerhalbkugel hineingebrochen und verlaufen dann der Totalreflexion geradlinig weiter bis zur mattierten Oberfläche der Kronglashalbkugel. Die Gesamtheit sowohl der o-Strahlen wie auch der a) Schnitt durch den optischen e-Strahlen bildet einen Kegel, und zwar f ü r die o-Strahlen einen Aufbau b) Grenzkurven f ü r Kalkspat Kreiskegel mit dem konstanten halben Öffnungswinkel ß0, und f ü r die e-Strahlen einen — wie wir vorweg nehmen wollen — elliptischen Kegel mit dem variabeln halben Öffnungswinkel ße. Auf der mattierten Oberfläche von W erblickt man die Schnittkurven beider Kegel mit dieser Oberfläche, die sogenannten „ G r e n z k u r v e n " der Totalreflexion. Aus der Abb. 375 a folgt sofort, daß r0 = R sin ß0 ist; ferner ist nach dem Brechungsgesetz n0 • sin n/2 = N sin ß0, woraus sin ß0 = nJN folgt; durch Kombination also r0 = Rn0/N, d. h. die Grenzkurve der o-Strahlen ist ein Kreis vom Radius RnJN. Der Bequemlichkeit halber wollen wir annehmen, daß R/N = 1 sei; dann ist direkt r0 — n0. Ganz analog verläuft die Betrachtung f ü r die e-Strahlen: re = R sin/3e; sin/5e = — nach dem Brechungsgesetz, so daß sich f ü r den Radiusvektor (mit R/N = 1) ergibt: wo n der mit dem Winkel &', den der jeweils betrachtete Strahl mit der optischen Achse bildet, variable Brechungsquotient der e-Strahlen ist; n(&') ist aber gegeben durch Gl. (226c); nach Eintragung in die vorstehende Gleichung folgt also:

46. Doppelbrechung und Polarisation

361

Das ist bereits die in Polarkoordinaten geschriebene Gleichung der Schnittkurve des e-Strahlenkegels. Um sie in kartesischen Koordinaten zu erhalten, brauchen wir nur zu setzen: n/ n/ ^ ^ sin p = — = — ; cos p = — = — ;

n

re

n

re

denn der betrachtete Kristallschnitt enthält ja die optische Achse ( = z-Achse) und etwa die dazu senkrechte a;-Achse. Setzt man die Ausdrücke für sin {}' und cos &' in die vorstehende Gleichung ein, so hat man sofort:

n\

+

n\

'

d. h. die Gleichung einer Ellipse, womit unsere obige Behauptung, daß der e-Strahlenkegel ein elliptischer sei, bewiesen ist. Die hier erhaltenen Resultate folgen auch sofort aus der Betrachtung der Indexfläche (226b). Betrachten wir den Schnitt y = 0, so erhalten wir:

nl = x2 + y2;

n2

+

nl

= 1,

d . h . wir h a b e n es in den G r e n z k u r v e n , die m a n auf d e r m a t t i e r t e n K u g e l f l ä c h e b e o b a c h t e t , m i t einem S c h n i t t d e r I n d e x f l ä c h e zu t u n . Eine photographische Aufnahme zeigt Abb. 375 b für Kalkspat: der Kreis umgibt die Ellipse; für einen positiven Kristall wäre es umgekehrt. Es bleibt noch zu erklären, warum in dem Leissschen Apparat zur Demonstration der Grenz kurven die Refraktometerkugel in eine große Kronglashalbkugel eingekittet ist. E i n Grund dafür ist sofort ersichtlich: die Kurven werden größer, als wenn man nur die kleine Refraktometerhalbkugel benutzt hätte. Der zweite Grund ist geometrisch-optischer Natur: In Abb. 375a haben wir statt des streifend einfallenden Strahlenbündels nur e i n e n Strahl gezeichnet, der vom Mittelpunkt M der Halbkugel ausging; das ist nicht ganz richtig, und daher treten durch die kugelige Fläche der Refraktometerkugel Brechungen ein, die die Grenzkurven unscharf machen. Diese Unscharfe kann man durch die zweite Halbkugel kompensieren, so daß die Kurven auf ihrer mattierten Oberfläche scharf erscheinen; daher müssen die Radien und die Brechungsquotienten beider Halbkugeln aufeinander abgestimmt sein.

46. Doppelbrechung und Polarisation Wir besprechen nun einige Versuche mit zwei Kalkspatkristallen, die bereits H u y g e n s anstellte, aber nicht zu deuten vermochte, an Hand der Abbildungen 376a bis d. In diesen Abbildungen sind die Strahlen photographisch festgehalten, nachdem sie durch Einblasen von Tabakrauch sichtbar gemacht wurden. Der obere der beiden aus dem ersten Rhomboeder austretenden Strahlen ist der abgelenkte e-Strahl, der untere der unabgelenkte o-Strahl. In Abb. 376a ist hinter das erste Kalkspatrhomboeder ein zweiter gleichgroßer Kalkspatkristall in gleicher Orientierung gesetzt, mit dem Ergebnis, daß die Trennung der beiden Strahlen nach dem Austritt aus dem zweiten Kristall doppelt so groß ist wie die im ersten Kristall erfolgte Aufspaltung. Dies kann man sich plausibel machen, indem man überlegt, daß man das gleiche Resultat mit einem einzigen Kalkspat hätte erreichen können, der in Richtung der Durchstrahlung doppelt so dick ist, worauf bereits auf S. 349 aufmerksam gemacht wurde. Im Fall 376 c ist der zweite Kalkspat, dessen Stellung durch einen aufgeklebten Papierpfeil sichtbar gemacht ist, aus seiner bisherigen Stellung um 180° verdreht, mit dem ebenfalls plausibeln Ergebnis, daß nunmehr die im ersten Kalkspat hervorgerufene Zweiteilung des einfallenden Strahles, wobei der e-Strahl nach oben abgelenkt wurde, dadurch wieder rückgängig gemacht wird, daß im zweiten Kristall der e-Strahl um das gleiche Stück nach unten abgelenkt wird, so daß nach dem Austritt beide Strahlen zusammenfallen. Eine Schwierigkeit bildet aber schon der Versuch Abb. 376 b, bei dem der zweite Kalkspat um 90° gegen den ersten gedreht ist; auch jetzt gibt es zwei aus dem letzteren austretende Strahlen, die aber nicht mehr wie im Fall a vertikal übereinanderliegen, sondern um 45° gegen die Vertikale geneigt.

362

V. Kapitel. Polarisation und Doppelbrechung des Lichtes

Alle drei Ergebnisse stehen aber in einem gewissen Gegensatze zu dem Versuch 376 d, bei dem der zweite Kristall aus seiner Ausgangslage um 45° (oder 90° + 45° = = 135°) herausgedreht wird: dann zeigt die Abbildung, daß nun eine V i e r t e i l u n g des Strahles eintritt, wobei auf jeden der 4 Teilstrahlen 1 / 4 der Gesamthelligkeit entfällt.

Abb. 376. Strahlenverlauf durch zwei hintereinandergestellte Kalkspatrhomboeder a) beide Kristalle in Parallelstellung c) zweiter Kristall um 180° verdreht b) zweiter Kristall um 90° verdreht d) zweiter Kristall um 45° verdreht

Auch dies k a n n m a n so erklären: es ist von vornherein plausibel, daß im zweiten Kristall die beiden aus dem ersten austretenden Strahlen wieder in je zwei Strahlen doppelt gebrochen werden; aber dann erhebt sich sofort die Frage, warum dies nicht auch in den Fällen a, b, c geschehen ist, in denen nur 2 Strahlen (bzw. nur 1 Strahl) auftraten. Noch komplizierter wird der Tatbestand, wenn man den zweiten Kristall aus der Ausgangslage in a allmählich herausdreht; dann ergibt sich — wie im Fall d — eine Vierteilung des einfallenden Strahls, a b e r g l e i c h z e i t i g t r i t t e t w a s v o l l k o m m e n N e u e s a u f : d i e 4 S t r a h l e n s i n d n i c h t m e h r g l e i c h h e l l , wie sie es bei Drehung um 45° und 135° doch waren. Es gibt einen vollkommen stetigen Übergang vom Fall a

46. Doppelbrechung und Polarisation

363

zum Fall d : Drehen wir den zweiten Kalkspat zunächst u m einen kleinen Winkel aus seiner Ausgangsstellung, so erscheinen sofort 4 Strahlen bzw. Lichtflecke auf einem Auffangschirm, die beiden ursprünglichen werden etwas dunkler, indem ein Teil ihrer Helligkeit an die beiden neuen Lichtflecke abgegeben wird; je weiter m a n dreht, desto heller werden die neuen, desto dunkler die alten Lichtflecke, bis sie bei 45° alle 4 gleich hell geworden sind. Dieser Prozeß setzt sich weiter fort, bis der zweite Kalkspat um 90° gegen den ersten verdreht ist: dann haben die „neuen" Lichtflecke die volle Helligkeit von den „ a l t e n " übernommen, die jetzt selbst verschwunden sind. Dreht m a n noch weiter, so folgt jetzt dieselbe Veränderung in umgekehrter Reihenfolge: die neuen Flecke nehmen jetzt an Helligkeit ab, die verschwundenen alten treten wieder auf u n d werden heller, bis bei 135° alle 4 Flecke wieder gleich hell geworden sind. Dreht

Abb. 377. Bestimmung der Lage der Schwingungsebene im ordentlichen und außerordentlichen Strahl

m a n noch weiter bis 180°, so wandert allmählich die Helligkeit wieder in die alten Flecke, bis diese bei 180° die volle Helligkeit wieder erworben haben, aber nunmehr in einen Fleck zusammenfallen, der die Helligkeit des ursprünglich einfallenden Strahles hat. Wie gesagt, gelang H u y g e n s die Aufklärung dieser Erscheinung nicht, obwohl er auf dem richtigen Wege war. E r nahm nämlich an, „daß die Lichtwellen nach dem Durchgang durch den ersten Kristall eine gewisse ,Form' oder ,Anlage' bekommen haben, mit deren Hilfe sie beim Auftreffen auf das Gefüge des zweiten Kristalls in bestimmten Lagen die zwei Arten von Materie anregen können, die die beiden Brechungsarten hervorrufen; daß sie dagegen nur eine dieser Arten von Materie anregen können, wenn sie den zweiten Kristall in einer anderen Lage antreffen. Aber wie dieses zugeht, dafür habe ich bis jetzt keine befriedigende Lösung gefunden". Wenn wir nun eine Erklärung versuchen, so können wir von der Tatsache ausgehen, daß die 4 auftretenden Strahlen im allgemeinen verschiedene Helligkeiten haben; da sie aus den o- u n d e-Strahlen entstanden sind, die aus dem ersten Kristall austreten, so k ö n nen wir mit S i c h e r h e i t sagen, d a ß diese kein n a t ü r l i c h e s L i c h t m e h r sind; denn zwei natürliche Lichtstrahlen würden im zweiten Kristall in 4 gleichhelle Strahlen zerlegt worden sein. Das ist genau das, was H u y g e n s mit den Worten „ F o r m " oder „Anlage" bezeichnen wollte. Aber die volle Erkenntnis m u ß t e sich ihm verschließen, da er die Lichtwellen als l o n g i t u d i n a l betrachtete. Aus den im vorhergehenden besprochenen M a l u s s c h e n Versuchen wissen wir aber, daß sie t r a n s v e r s a l sind, da sie polarisiert werden können. W i r w e r d e n a l s o s c h l i e ß e n m ü s s e n , d a ß d i e a u s e i n e m K a l k s p a t a u s t r e t e n d e n S t r a h l e n b e i d e p o l a r i s i e r t s i n d . Das ist in der T a t des Rätsels Lösung, wie wir weiter unten noch genau auseinandersetzen werden. U m unsere Vermutung zu beweisen, brauchen wir nur die beim Kalkspat auftretenden o- u n d e-Strahlen mit Hilfe eines Analysators (z. B. eines Plattensatzes) zu analysieren. Wir wissen ja aus Nr. 41, daß der Plattensatz nur Wellen reflektiert, die s e n k r e c h t zur Einfallsebene schwingen, und umgekehrt nur solche durchläßt, die i n der Einfallsebene schwingen. I n Abb. 377 falle ein Lichtstrahl senkrecht auf eine Fläche des Kalkspats K,

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V. Kapitel. Polarisation und Doppelbrechung des Lichtes

dessen optische Achse markiert ist. In jedem Falle geht der o-Strahl ungebrochen durch, und durch Drehung des Kristalls um diesen kann man erreichen, daß die optische Achse in die Papierebene zu liegen kommt, wie wir das schon an Hand der Abbildung 366 erläutert haben; dann fällt der Strahlhauptschnitt mit der Papierebene zusammen, und der e-Strahl wird, wie in Abb. 377 gezeichnet, nach oben abgelenkt. Beide Strahlen fallen dann unter dem Polarisationswinkel ap auf den Plattensatz G auf; daher ist die Papierebene gleichzeitig die Einfallsebene. Der Versuch ergibt nun, daß unter diesen Umständen nur der o-Strahl reflektiert wird, während nur der e-Strahl durch den Plattensatz hindurchtritt; der reflektierte Strahl schwingt aber nur senkrecht zur Einfallsebene, der durchgelassene nur in derselben; diese Schwingungsrichtung ist im reflektierten Strahl durch Punkte, im durchgelassenen Strahl durch kleine Striche angedeutet. F o l g l i c h s c h w i n g t d e r o - S t r a h l s e n k r e c h t z u r E i n f a l l s e b e n e , d. h. s e n k r e c h t z u m H a u p t s c h n i t t , d e r e - S t r a h l in d e r E i n f a l l s e b e n e , d. h. im H a u p t s c h n i t t . Es ergibt sich demnach aus diesem Versuch, daß sowohl der o-Strahl wie der e-Strahl linear, und zwar senkrecht zueinander polarisiert sind. — Der obige Versuch läßt sich in mannigfacher Weise variieren, indem man z. B. den Kristall so dreht, daß der Hauptschnitt senkrecht zur Papierebene ( = Einfallsebene) gerichtet ist. Dann schwingt der o-Strahl in der Einfallsebene, wird also vom Plattensatz nicht reflektiert, sondern durchgelassen; analog verhält es sich mit dem e-Strahl; ebenso kann der Plattensatz um den o-Strahl als Achse gedreht werden: Das Ergebnis bleibt immer dasselbe. Wir dürfen uns danach folgende Vorstellung bilden: Ebene Wellen können sich in einem einachsigen Kristall nur dann fortpflanzen, wenn die Schwingungsrichtung entweder senkrecht zum Hauptschnitt oder im Hauptschnitt erfolgt. Natürliches einfallendes licht wird also in zwei Strahlen aufgespalten, die in diesen beiden Richtungen (die im Kristall festliegen) schwingen, der o-Strahl senkrecht zum Hauptschnitt, der e-Strahl im Hauptschnitt. Diese Auffassung wird uns gestatten, die im Anschluß an die Abbildungen 376 geschilderten Versuche in allen Einzelheiten zu erklären. An dieser Stelle sei eine historische Bemerkung gemacht über die erste Beobachtung von M a l u s , die zur Entdeckung der Polarisation überhaupt führte; wir konnten sie in Nr. 41 noch nicht schildern, weil wir die Erscheinung der Doppelbrechung noch nicht erörtert hatten. M a l u s blickte durch einen Kalkspat nach einem durch die Sonne beleuchteten Fenster des Palais Luxembourg in Paris; beim Drehen des Kalkspats bemerkte er, daß die beiden Bilder des Fensters ihre Helligkeiten änderten und daß unter Umständen ein Bild sogar ganz verschwand. Daraus schloß M a l u s , daß das von dem Fenster reflektierte Sonnenlicht kein natürliches Licht mehr sein könne, und die weitere Untersuchung führte ihn folgerichtig zur Entdeckung der Polarisation von reflektiertem Licht, wie wir es in Nr. 41 schilderten. Von da war nur ein Schritt bis zu der weiteren Erkenntnis, daß auch die beiden aus einem Kalkspat austretenden o- und e-Strahlen polarisiert sind. Wenn man den Strahlengang, den wir in Abb. 377 benutzten, umkehrt, so hat man direkt den Malusschen Versuch vor sich. Wir wollen nun an einigen Beispielen zeigen, daß wir nunmehr alle im vorhergehenden dargelegten Erscheinungen an zwei Kalkspaten erklären können. Beginnen wir mit dem Fall, daß natürliches Licht von der Amplitude 1 (und der Intensität l 2 = 1) zunächst auf e i n e n Kalkspatkristall auffällt. Im natürlichen Licht haben wir um den Lichtstrahl herum axiale Symmetrie, d. h. die Schwingungen haben alle möglichen Richtungen. Wir wollen aber zunächst eine bestimmte Schwingungsrichtung herausgreifen (Abb. 378a), die mit dem Hauptschnitt H des Kalkspats den Winkel f bildet; der einfallende Strahl zerlegt sich dann in eine Komponente parallel H, die als e-Strahl im Kalkspat weiterläuft, und eine Komponente senkrecht zu H, die den o-Strahl bildet; in Abb. 378 a sind beide Komponenten entsprechend bezeichnet. Die o-Kom-

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46. Doppelbrechung und Polarisation

ponente hat also die Amplitude 1 • sin ip, die e-Komponente dagegen 1 • cos yj; die Intensitäten würden also sin2 ip für die o-Komponente, cos2 y> für die e-Komponente sein. Das sind aber nicht die Helligkeiten der beiden aus n a t ü r l i c h e m Licht entstehenden Strahlen, sie gelten vielmehr für die Zerlegung eines in Richtung ip gegen den Hauptschnitt H schwingenden linearpolarisierten Strahles. Um daraus die Intensitäten zu finden, die bei der Zerlegung natürlichen Lichtes auftreten, müssen wir sin 2 y und cos 2 y über alle Werte von y> (die ja beim natürlichen Licht auftreten), mittein; das gibt sin2 yi = cos2 ip = 1/2. D . h . natürliches Licht von der Intensität 1 zerlegt sich in 2 zueinander senkrecht polarisierte Strahlen je von der Intensität 1/2, wie es der Beobachtung entspricht. Dagegen liefert linearpolarisiertes Licht zwei Strahlen von der Intensität sin2 y> für den o-Strahl, cos2 ip für den e-Strahl. Schwingt

Abb. 378. Zerlegung der Amplitude eines linear polarisierten Lichtstrahles in die beiden parallel (e) und senkrecht (o) zum Hauptschnitt schwingenden Komponenten а) beim Durchgang durch einen Kalkspatkristall 1 б) beim weiteren Durchgang durch einen Kalkspatkristall 2, dessen Hauptschnitt gegen den des ersten um den Winkel ip verdreht ist

ein auffallender polarisierter Strahl parallel dem Hauptschnitt (ip = 0), so erhält man keinen o-Strahl, sondern nur einen e-Strahl von der Intensität 1, da jetzt keine Zerlegung in zwei Strahlen auftritt; für ip = ji/2 hat man umgekehrt nur einen o-Strahl von der Intensität 1, keinen e-Strahl. Lassen wir nun die beiden o- und e-Strahlen, von der Intensität 1/2, also den Amplituden j/l/2, wie sie aus natürlichem Licht im ersten Kalkspat entstanden sind, auf einen zweiten Kalkspat fallen; ihre beiden Hauptschnitte H1 und seien um den Winkel ip gegeneinander geneigt (Abb. 378 b); darin sind auch die zu den Hauptschnitten senkrechten Richtungen gestrichelt eingezeichnet, ebenso die aus dem ersten Kalkspat austretenden Strahlen mit ihrer Amplitude |/l/2 parallel und senkrecht zu H-y. Beide Strahlen zerlegen sich nun noch einmal parallel und senkrecht zu H2; aus dem Strahl o bilden sich die Strahlen o' und e', ersterer mit der Amplitude j/l/2 cos ip, letzterer mit j/l/2 sin ip. Aus dem e-Strahl, der aus dem ersten Kristall austritt, werden die Strahlen o" senkrecht zu H2, e" parallel zu H2; o" hat die Amplitude j/l/2 sin ip, e" dagegen j/l/2 cos ip. Durch Quadrieren gewinnt man die Intensitäten, die in der folgenden Tabelle zusammengestellt sind, die wohl ohne weitere Erläuterung verständlich ist. Natürliches Licht von der Intensität 1 wird im 1. Kalkspat zerlegt in: Strahl o, Intensität 1/2

Strahl e, Intensität 1/2

diese Strahlen werden weiter zerlegt im 2. Kalkspat in: Strahl o', Intensität 1/2 cos2 ip

Strahl e', Intensität 1/2 sin2 ip

Strahl o", Intensität 1/2 sin2 v

Strahl e", Intensität 1/2 cos2 ip

36G

V. Kapitel. Polarisation und Doppelbrechung des Lichtes

Die Intensitäten aller 4 Strahlen zusammen sind gleich 1, bei jedem Winkel ip, wie es sein muß. Die Abb. 379 a bis 379 f ergänzen diese Angaben über die Intensitäten der auftretenden Strahlen durch Bestimmung der Ablenkung und Richtung derselben; sie enthalten zusammen mit der obigen Tabelle die vollständige Aufklärung der im Anschluß an Abb. 376 besprochenen Huygensschen Versuche. In der Abb. 379 sind die beiden aus dem ersten Kalkspatrhomboeder ABCD austretenden Strahlen durch Punkte, gleichzeitig ihre Schwingungsrichtungen durch Pfeile angedeutet, deren Länge ein Maß für die Helligkeit sein soll. Der Leser muß sich vorstellen, daß die Strahlen von hinten

Abb. 379. Zerlegung eines durch zwei hintereinander gesetzte Kalkspatkristalle gehenden Lichtstrahles in die beiden parallel und senkrecht zum Hauptschnitt schwingenden Komponenten a) Strahlzerlegung im Kalkspat 1; b—f) Strahlenzerlegung im Kalkspat 2 für die vier Fälle, daß / / 2 parallel Hl (b), H2 gegen H1 um 45° (c), um 90° (d), um 135° (e) und um 180° (/) verdreht ist.

senkrecht auf das Papier auftreffen. In allen Figuren der Abbildung ist der Hauptschnitt mit BD (bzw. B' D') bezeichnet. Der e-Strahl ist im Hauptschnitt verschoben und schwingt parallel demselben, der o-Strahl ist unverschoben und schwingt senkrecht zum Hauptschnitt; das heben wir im folgenden nicht mehr hervor. Die Abb. b bis f sind nun so zu verstehen, daß ein zweites Rhomboeder A'B'C'D' mit B'D' als Hauptschnitt über das erste Rhomboeder gelegt ist, so daß der von hinten kommende Strahl es als zweites Rhomboeder durchsetzt. Die in diesem zweiten Rhomboeder erfolgende Zerlegung der aus dem ersten austretenden Strahlen ist in den Figuren b bis f im einzelnen ausgeführt. In Abb. 379 b hat das zweite Rhomboeder die gleiche Anordnung wie das erste, d. h. der Winkel ip zwischen den Hauptschnitten ist Null. Nach der Tabelle treten nur die Strahlen o' und e", beide mit der Intensität 1/2 auf, d. h. der Strahl o geht jetzt als o', der Strahl e als e" weiter, die Aufspaltung ist doppelt so groß, wie in 379 a. Der Fall 379 c ist dadurch charakterisiert, daß \p = 45° ist; nehmen wir noch den Fall 379 e hinzu (ip = 135°), so findet man aus der Tabelle, daß 4 Strahlen, jeder von der Intensität 1/4 austreten, da cos2 45° = sin2 45° = 1/2 ist; das entspricht der früheren Abb. 376 d: Jeder der beiden aus dem ersten Rhomboeder stammenden Strahlen o und e spaltet ja in die neuen Schwingungsrichtungen A'C' und B'D' auf, so daß jetzt zwei ordentliche (o' und o") und zwei außerordentliche (e' und e") Strahlen auftreten. Abb. 379 d bedeutet ip = 90°; aus der Tabelle sieht man, daß o in e' von der Intensität 1/2 und e in o" von der gleichen Intensität 1/2 übergeht, d. h. der aus dem ersten Kalkspat austretende. o-Strahl geht im zweiten als e'-Strahl. der e-Strahl als

47. Zweiachsige Kristalle

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o"-Strahl weiter, ohne daß weitere Zerlegung eintritt. Schließlich zeigt Abb. 379 f den in Abb. 376 c verwirklichten Fall, daß beide Kristalle u m 180° gegeneinander verdreht sind; dabei ändert sich an der Richtung des o-Strahls, der als o'-Strahl weiter geht, nichts, während der e-Strahl, als e"-Strahl weitergehend, im ganzen beim Aust r i t t die Ablenkung Null erfährt, da die beiden Kristalle einander entgegengesetzt gerichtet sind: es t r i t t ein unpolarisierter Strahl der Intensität 1 aus dem zweiten Kristall aus. Damit sind die Versuche von H u y g e n s in allen Einzelheiten aufgeklärt.

47. Zweiachsige Kristalle Bisher haben wir nur Kristalle betrachtet, die dem hexagonalen (bzw. trigonalen) und tetragonalen System angehören: es sind dies die sog. einachsigen Kristalle. Aber die Erscheinungen der Doppelbrechung und Polarisation sind nicht auf diese beschränkt, vielmehr zeigt sich beides auch bei den Kristallen des rhombischen, monoklinen und triklinen Systems (z. B. Glimmer, Gips, Aragonit, Topas, Zucker usw.). Das optische Verhalten dieser Kristalle ist freilich viel komplizierter als bei einachsigen Kristallen, was m a n schon aus der Feststellung F r e s n e l s erkennt, daß es bei ihnen keinen o-Strahl mit einem festen, richtungsunabhängigen Brechungsquotienten n0 mehr gibt, sondern zwei e-Strahlen, f ü r die der W e r t des Brechungsquotienten nicht konstant, sondern richtungsabhängig ist, und von denen keiner das S n e l l i u s sehe Brechungsgesetz befolgt. Wir müssen uns hier auf die Darlegung der wichtigsten optischen Eigenschaften dieser Kristalle beschränken, die zwar eins der reizvollsten, aber auch der schwierigsten Kapitel der Optik bilden. Wir beginnen mit der Feststellung, daß es nunAbb. 380. Modell der Strahlenmehr nicht zwei Hauptlichtgeschwindigkeiten V0 und Ve u n d zwei Hauptbrechungsquotienten u n d ne =

e

n0 =

flache eines zweiachsigen Kristalles

' 0

gibt (c„ bezeichnet in dieser Nummer die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum),

sondern drei Hauptlichtgeschwindigkeiten in drei zueinander senkrechten Richtungen (die im Kristall festliegen), die allgemein mit a, b, c1) bezeichnet werden, wobei wir a > b > c wählen; entsprechend gibt es drei Hauptbrechungsquotienten na = —, Wj, = ~ , nc = — , d

u

C

die also den Ungleichungen na 0,t 0,3 0,2

0,1

0

a 2 -7 10° 20° 30° *0° 50° 60° 70° 80° 90° p

10° 20° 30° 40° SO" 60° 70° 80° 90°