Lehrbuch der Experimentalphysik: Band 3, Teil 1 Wellenoptik 9783111500737, 9783111134703


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German Pages 469 [484] Year 1962

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Vorwort
Inhaltsübersicht
I. Kapitel. Geometrische Optik
II. Kapitel. Photometrie
III. Kapitel. Dispersion und Absorption des Lichtes
IV. Kapitel. Interferenz und Beugung
V. Kapitel. Polarisation und Doppelbrechung des Lichtes
VI. Kapitel. Relativitätstheorie
Namenverzeichnis
Sachverzeichnis
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Lehrbuch der Experimentalphysik: Band 3, Teil 1 Wellenoptik
 9783111500737, 9783111134703

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L. Bergmann • Cl. Schaefer

Lehrbuch der Experimentalphysik Band III

LEHRBUCH DER EXPERIMENTALPHYSIK ZUM G E B R A U C H B E I A K A D E M I S C H E N V O R L E S U N G E N U N D ZUM S E L B S T S T U D I U M

Von

Prof. Dr. Dr. med. h. c. L. Bergmann f

Prof. Dr. Dr. rer. nat. h. c. Cl. Schaefer

Universität Gießen u. Leitz-Werke Wetzlar

Universität Köln

III. Band

Optik und Atomphysik I. Teil

Wellenoptik Mit 440 Abbildungen 3., vermehrte und verbesserte Auflage

W A L T E R

DE

G R U Y T E R

&

CO.

vormals G. J . Göschen'sche Verlagshandlung • J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung Georg Reimer • Karl J . Trübner • Veit & Comp.

BERLIN

1962

© Copyright 1955, 1958, 1961 by Walter de Gruyter & Co., vorm. G. J . Göschen'sche Verlagshandlung, J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung, Georg Reimer, Karl J . Trübner, Veit & Comp., Berlin W 30, Genthiner Str. 13 — Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der photomechanischen Wiedergabe, der Herstellung von Mikrofilmen und der Übersetzung, vorbehalten — Archiv-Nr. 52 79 61—Printed in Germany — Satz und Druck: Walter de Gruyter & Co., Berlin W 30

Vorwort zur ersten Auflage Hiermit legen wir den Fachkollegen den ersten Teil des dritten Bandes des Lehrbuches der Experimentalphysik vor; er behandelt die sog. klassische Optik, d. h. diejenigen Erscheinungen, die durch die Annahme einer wellenförmigen Ausbreitung des Lichtes (Undulationstheorie, speziell die elektromagnetische Interpretation desselben) erklärbar sind. Die geometrische Optik wurde mitaufgenommen, da sie als Grenzfall der Wellenoptik für hinreichend kleine Wellenlängen aufgefaßt werden kann. Wir hoffen, dem Leser einen Eindruck von der Schönheit und der außerordentlichen Leistungsfähigkeit dieser Anschauung vermittelt zu haben. Anderseits haben wir von Anfang an betont, daß es zahlreiche optische Erscheinungen gibt, namentlich diejenigen, bei denen Licht mit Materie in Wechselwirkung tritt (Emission, Absorption, Wärmestrahlung, lichtelektrischer Effekt, Fluoreszenz, Phosphoreszenz, Zeemanund Stark-Effekt usw.), die sicher nicht durch die Undulationstheorie erklärt werden können. Diese Erscheinungen können vielmehr nur durch die Annahme erklärt werden, daß das Licht einen korpuskularen Charakter besitzt; die besondere Form dieser Korpuskulartheorie ist durch die Quantentheorie bestimmt. Dieser Teil der Optik soll dem zweiten Teil des dritten Bandes vorbehalten bleiben, den wir in nicht allzulanger Zeit vorlegen zu können hoffen. Die allgemeinen Grundsätze, auf denen unsere Darstellung aufgebaut ist, entsprechen den im Vorwort zum ersten Bande ausführlich dargelegten, so daß darauf verwiesen werden darf. Dem Verlage haben wir für sein stetes Entgegenkommen und für die vortreffliche Ausstattung zu danken. Wetzlar und Köln, im Herbst 1955 Ludurig

Bergmann

Clemens

Schaefer

Vorwort zur zweiten Auflage Die erste Auflage ist im allgemeinen freundlich besprochen worden, und wir möchten gleich hier für alle Abänderungs- und Verbesserungsvorschläge unseren aufrichtigen Dank aussprechen. Nach reifücher Überlegung erwies es sich jedoch als unmöglich, allen Wünschen gerecht zu werden, da verschiedene Kritiken diametral entgegengesetzte Wünsche äußerten. Es seien nur zwei Beispiele genannt: Ein Kritiker bemängelt, daß zu wenig Mathematik verwendet sei, ein anderer äußert die Befürchtung, daß der Leser im Gestrüpp der Formeln ersticken könne. Ein Rezensent bezeichnet die Darstellung des Phasenkontrastverfahrens als hervorragend gelungen, während ein anderer sie als

Vorwort

VI

absolut unzulänglich bezeichnet. Aus einer solchen Divergenz der Wünsche haben wir schließen zu können geglaubt, daß wir im allgemeinen den richtigen Mittelweg gegangen sind. Manche Kritiker haben ein wesentlich stärkeres Eingehen in Details gewünscht z. B. bei den modernen Methoden der Messung der Lichtgeschwindigkeit, die gegenüber den klassischen Verfahren zu wenig hervorgehoben seien. Derartige Forderungen, die für ein Handbuch vollkommen gerechtfertigt sind, verkennen, wie uns scheint, den Charakter eines L e h r b u c h e s . Ein solches muß sich auf die Darstellung des Grundlegenden beschränken und darf sich nicht in Einzelheiten verlieren. Wo die Grenze zu ziehen ist, wird freilich immer Ansichtssache bleiben. Wie bei der ersten Auflage hat uns auch jetzt Herr Professor Dr. C. von Fragstein in dankenswerter Weise unterstützt. Wetzlar und Köln, im Herbst 1958

Ludwig

Bergmann

Clemens Schaefer

Vorwort zur dritten Auflage Die zweite Auflage dieses Bandes war etwa zu Anfang des Sommer-Semesters 1961 vergriffen; da um dieselbe Zeit auch die Bestände der 5. Auflage von Bd. I und der 3. Auflage von Bd. I I erschöpft waren, deren Neubearbeitung vordringlich war, kann die 3. Auflage von Bd. III, 1 erst ein wenig später, als beabsichtigt, vorgelegt werden. An der Haltung des Bandes ist nichts geändert worden; dennoch kann die neue Auflage, wie ich hoffe, mit Recht als verbessert bezeichnet werden. Eine große Hilfe waren mir, wie schon früher, Mitteilungen freiwilliger jüngerer Mitarbeiter, denen ich allen herzlich danke. Von ihnen verdient eine besondere Erwähnung und einen besonderen Dank Herr E. W e r n d l i (Lugano), der die letzte Auflage ganz systematisch durchgearbeitet und mir eine ganze Anzahl kritisch-produktiver Anmerkungen gemacht hat. Daß die neue Auflage auf dem Titelblatt auch als „vermehrte" bezeichnet wird, brauchte an sich keine Verbesserung darzustellen; deshalb möchte ich kurz andeuten, welche Gründe mich dazu bestimmt haben. In den bisherigen Auflagen waren in den Nummern 51, 52, 53 einige elektrooptische und magnetooptische Erscheinungen etwas unsystematisch behandelt. Ich habe mich daher entschlossen, in einer besonderen Nummer 53 die wichtigsten dieser Phänomene zusammenzufassen, was dann von selbst dazu führte, Z e e m a n - und S t a r k - E f f e k t zu erörtern; bei diesen beiden Effekten ist im Grunde die Gültigkeitsgrenze der klassischen Physik erreicht bzw. überschritten. Außerdem schien es mir richtig, ein Kapitel VI (Relativitätstheorie) hinzuzufügen, das ursprünglich für den 2. Halbband (III, 2) bestimmt war. Da aber die Relativitätstheorie doch die Krönung der klassischen Physik darstellt, erschien B e r g m a n n und mir die Aufnahme in Bd. III, 1 sachlich richtiger. Das ganze Manuskript ist dann von Herrn Dr. Hans K r ü g e r (Wetzlar) noch einmal kritisch durchgearbeitet, und schließlich von uns beiden zusammen durchdiskutiert worden. Herrn Dr. Krüger bin ich daher zu ganz besonderem Danke verpflichtet. Köln, im Herbst 1961 Clemens Schaefer

Inhaltsübersicht Optik I. Kapitel. Geometrische Optik 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13.

ge t

Allgemeine Vorbemerkungen; Historisches; Grundbegriffe 1 Die geradlinige Ausbreitung des Lichtes; Schatten 4 Die Reflexion des Lichtes; ebene Spiegel und ihre Anwendungen 7 Gekrümmte Spiegel; Konkav- und Konvex-Spiegel 13 Brechung des Lichtes; Totalreflexion 24 Brechung des Lichtes beim Durchgang durch Prismen; Spektrometer und Refraktometer . . . 36 Brechung des Lichtes an einer Kugelfläche 47 Brechung und Abbildung durch ein zentriertes System brechender Kugelflächen 58 Abbildung durch Linsen 66 Die Abbildungsfehler der Linsen 83 Die Strahlenbegrenzung, die Wirkung von Blenden 95 Das Auge und die optischen Instrumente 99 Der Formatsche Satz: das Eikonal; der Satz von Malus 125

II. Kapitel. Photometrie 14. Photometrische Grundbegriffe, allgemeine Definitionen 129 15. Normallichtquellen, Photometer 136 16. Helligkeitsempfindlichkeit (Farbenempfindlichkeit) des Auges; mechanisches Lichtäquivalent 145 17. Helligkeitsverhältnisse bei den optischen Instrumenten 148

III. Kapitel. Dispersion und Absorption des Lichtes 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24. 25.

Messung der Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Lichtcs Phasengeschwindigkeit, Gruppengeschwindigkeit, Frontgeschwindigkeit Die Dispersion des Lichtes. I. Normale Dispersion Achromatische und geradsichtige Prismen; chromatische Aberration Ultrarote und ultraviolette Strahlen Absorption der Strahlung Dispersion des Lichtes. I I . Anomale Dispersion Theorie der Dispersion und Absorption f ü r schwach absorbierende Substanzen; Anwendungen 26. Dispersion und Absorption der Metalle (stark absorbierende Stoffe) 27. Spektralanalyse; Emissions- und Absorptionsspektren; Dopplereffekt; S p e k t r a l a p p a r a t e . . . .

153 158 163 170 175 182 187 193 204 212

VIII

Inhaltsübersicht IV. Kapitel. Interferenz und Beugung

28. Allgemeines über Interferenz von Lichtquellen; Kohärenz u n d Inkohärenz 29. Fresnel scher Spiegel versuch u n d Varianten 30. Interferenzerscheinungen a n d ü n n e n Schichten, F a r b e n d ü n n e r B l ä t t c h e n ; K u r v e n gleicher Dicke u n d gleicher Neigung 31. Vielstrahlinterferenz; Interferenzspektroskopie 32. Interferenzen a n zwei dicken Planparallelplatten; Brewstersche Streifen 33. Stehende Lichtwellen; Farbenphotographie nach L i p p m a n n 34. Lichtschwebungen 35. Grunderscheinungen der Beugung; Beugung a n Spalt, rechteckiger u n d kreisförmiger Öffnung 36. D a s Auflösungsvermögen optischer I n s t r u m e n t e (Fernrohr, Auge, Mikroskop, Prisma) 37. Beugung durch mehrere kongruente, regelmäßig angeordnete Öffnungen; Young scher I n t e r ferenzversuch; Beugungsgitter; Stufengitter; Ultraschallwellengitter 38. Beugung a n zwei- u n d dreidimensionalen G i t t e r n ; Röntgenstrahlbeugung 39. Bildentstehung im Mikroskop nach E . A b b e ; P h a s e n k o n t r a s t v e r f a h r e n nach Zernike; Schlierenverfahren 40. Beugung a n vielen unregelmäßig angeordneten Öffnungen oder Teilchen; Theorie des Himmelsblau

Seite

225 233 238 250 259 261 264 266 276 280 292 302 314

V. Kapitel. Polarisation und Doppelbrechung des Lichtes 41. Polarisation des Lichtes durch Reflexion u n d gewöhnliche Brechung 42. Theorie der Reflexion, Brechung u n d Polarisation; Fresnelsche Formeln 43. Polarisation des Lichtes bei Totalreflexion; Herstellung von elliptisch- u n d zirkularpolarisiertem Licht 44. Polarisation des Lichtes bei Metallreflexion 45. Die Doppelbrechung 46. Doppelbrechung u n d Polarisation 47. Zweiachsige Kristalle 48. Polarisatoren: Nicoisches Prisma, Glan-Thompson-Prisma, Turmalinplatte, Polarisationsfilter, Wollaston-Prisma; Polarisationsphotometer 49. Interferenzerscheinungen in parallelem polarisiertem Licht 50. Interferenzerscheinungen im konvergenten polarisierten Licht 51. Akzidentelle Doppelbrechung in isotropen K ö r p e r n 52. Drehung der Schwingungsebene polarisierten Lichtes (zirkuläre Doppelbrechung) 53. Magneto- u n d elektrooptische P h ä n o m e n e 53 a. Optik der Atmosphäre (Anhang)

318 327 334 344 346 361 367 370 377 386 390 393 405 415

VI. Kapitel. Relativitätstheorie 54. Das Relativitätsprinzip der Mechanik (Galileisches Relativitätsprinzip)

422

55. 56. 57. 58.

Galileisches Relativitätsprinzip u n d Elektrodynamik Der Michelsonsche Versuch; die L o r e n t z - K o n t r a k t i o n Die Einsteinsche Lösung des Problems; das Relativitätsprinzip der E l e k t r o d y n a m i k Invarianz der Gleichungen der E l e k t r o d y n a m i k u n d der Mechanik gegenüber der LorentzTransformation 59. Energie u n d Masse 60. Überblick über den Gedankenkreis der allgemeinen Relativitätstheorie

423 427 430

Namenverzeichnis Sachverzeichnis

453 455

439 443 447

Optik I. K a p i t e l

Geometrische Optik 1. Allgemeine Vorbemerkungen; Historisches; Grundbegriffe Die von unserem Sinnesorgan „Auge" -wahrgenommene Empfindung nennen wir im Sprachgebrauch des täglichen Lebens „Licht". Das Erkennen unserer Umgebung ist nur dadurch möglich, daß von den Gegenständen außerhalb von uns „etwas" in unser Auge dringt und auf der Netzhaut desselben Nervenreize auslöst: auch dieses „Etwas" wird als „Licht" bezeichnet. Man erkennt, daß hier das Wort „Licht" in verschiedenem Sinne gebraucht wird: im ersten subjektiven (physiologischen) Sinne ist „Licht" der Inbegriff der durch das Auge vermittelten Sinnesempfindungen, im zweiten objektiven (physikalischen) Sinne dagegen verstehen wir darunter den Vorgang in der Außenwelt, der die Netzhaut des Auges erregt. Das Wort „Licht" werden wir in diesem Bande i. a. nur im letzteren Sinne benutzen, wir treiben „physikalische Optik" zum Unterschiede von der „physiologischen Optik", auf die wir nur gelegentlich eingehen werden. Auf die physikalische Optik wurden wir bereits in der Elektrizitätslehre (Band II, Kapitel VI) bei der Lehre von den elektromagnetischen Wellen geführt. Es wurde dort gezeigt, daß diese Wellen sich im leeren Räume, unabhängig von ihrer Wellenlänge, mit der gleichen Geschwindigkeit wie das Licht ausbreiten, daß die Erscheinungen der Reflexion, Brechung, Interferenz und Beugung der elektrischen Wellen sich genau so abspielen, wie man es auch vom Licht weiß, worauf wir später eingehen werden. Daraus wurde bereits damals geschlossen, daß die Lichtausbreitung eine Wellenausbreitung sein müsse und daß die Lichtwellen elektromagnetischer Natur seien. Die enge Beziehung zwischen Elektrodynamik und Optik wurde auch dadurch bekräftigt, daß z. B. eine elektrische Größe (die Dielektrizitätskonstante) mit einer optischen Größe (dem Brechungsquotienten) quantitativ zusammenhängt. Aus dieser „elektromagnetischen Lichttheorie" folgern wir zunächst, daß von den elektromagnetischen Wellen, die praktisch von der Wellenlänge „Null" bis zur Wellenlänge „unendlich" reichen, ein bestimmter Wellenbereich das Auge erregt, d. h. den Eindruck von Licht (im physiologischen Sinne) hervorruft. Dies ist nicht so zu verstehen, als ob dieser W e l l e n b e r e i c h eine besondere Eigenschaft hätte, es ist vielmehr eine Eigenschaft des A u g e s , nur auf diesen Wellenbereich anzusprechen, (die zu erklären eine Aufgabe der physiologischen Optik ist). Vom Standpunkte der physikalischen Optik dagegen können wir k e i n e n qualitativen Unterschied zwischen dem „sichtbaren" Wellenbereich und dem „unsichtbaren" Bereiche anerkennen 1 ); wir betrachten daher grundsätzlich den G e s a m t bereich der elektromagnetischen Wellen als Gegenstand der physikalischen Optik, die wir somit nicht auf Licht im engeren Sinne des Wortes beschränken. Dies ist genau dasselbe Verfahren, das wir auch in der Akustik befolgt haben: Neben dem „Hörschall" haben wir als physikalisch gleichwertig auch den „Infraschall" und „UltraVor einem Mißverständnis, das die kurze Bezeichnung „sichtbarer Bereich" oder „sichtbare Strahlen" usw. hervorrufen könnte, muß gewarnt werden: „sichtbar" sind überhaupt keine elektromagnetischen Wellen. 1

B e r g m a n n - S c h a e f e r , III, 1

2

I. Kapitel. Geometrische Optik

schall" behandelt (Band I, S. 377ff.). — Die Wellentheorie des Lichtes hat außerordentliche Erfolge und Leistungen bei der Erklärung bekannter und in der Voraussage noch unbekannter optischer Erscheinungen aufzuweisen. Trotzdem muß gleich hier betont werden, daß durch die U n d u l a t i o n s t h e o r i e des L i c h t e s sicher nicht alle optischen E r s c h e i n u n g e n e r k l ä r t werden können. Es sind dies vor allem diejenigen, bei denen Licht mit Materie in Wechselwirkung tritt (Emission, Absorption, Fluoreszenz, Phosphoreszenz, Streuung usw.). Zur Erklärung dieser Phänomene muß angenommen werden, daß das Licht einen k o r p u s k u l a r e n C h a r a k t e r besitzt, daß es aus bestimmten „Quanten", sog. „Photonen", besteht. Dies scheint ein vollkommener Widerspruch zur Wellenauffassung zu sein; denn bei einer Wellenausbreitung verteilt sich die Gesamtenergie gleichmäßig auf die einzelnen Elemente der Wellenfläche, sie „verdünnt" sich also um so mehr, je weiter man von der Lichtquelle entfernt ist; umgekehrt behält eine Korpuskel, ein Lichtquant oder Photon, seine Energie während der Fortpflanzung unverändert bei, wie eine materielle Partikel (Gewehrkugel) ihre kinetische Energie. Wie dieser Gegensatz, den man wohl auch als „ D u a l i s m u s " bezeichnet, überbrückt werden kann, wird später (in der Quantentheorie) ausführlich zu erörtern sein; dort müssen auch die Tatsachen selbst genau besprochen werden. — Es ist eine merkwürdige Erscheinung, daß die Theorie des Lichtes im Laufe der Zeit zwischen den beiden Polen — Korpuskulartheorie und Wellentheorie — hin und her geschwankt hat. Die erste Theorie des Lichtes nämlich, die von I. Newton herrührt (1669), war eine Korpuskulartheorie1). Newton stellte sich vor, daß von den Lichtquellen kleine Korpuskeln ausgesandt würden, die sich mit sehr großer Geschwindigkeit geradlinig ausbreiten und entweder direkt das Auge treffen, oder, nachdem sie von anderen Körpern reflektiert oder gebrochen worden sind. Diese Auffassung erklärt also auf einfachste Weise die g e r a d l i n i g e Ausbreitung des Lichtes und vermag auch die Erscheinung der Reflexion und Brechung wiederzugeben. Sie fand aber unübersteigbare Schwierigkeiten bei der Erklärung der Interferenzerscheinungen, d. h. des Phänomens, daß unter Umständen Licht zu Licht hinzugefügt Dunkelheit ergibt. So entwickelte sich allmählich durch die Arbeiten von Chr. H u y g e n s (1677), Th. Young (1807) und Aug. Fresnel (1815) die U n d u l a t i o n s t h e o r i e des Lichtes in ihrer ersten Form, die die Lichtwellen als „elastische" Wellen in einem das Weltall erfüllenden Medium, dem sog. Lichtäther, auffaßte; diese Theorie mündete schließlich in die von Faraday und Maxwell inaugurierte „ e l e k t r o m a g n e t i s c h e L i c h t t h e o r i e " ein, die wir in großen Zügen in Band II, Kapitel VI besprochen haben. Die Wellentheorie vermag die Erscheinungen der Interferenz ohne Schwierigkeit zu erklären, aber ebenso Reflexion und Brechung; sie vermag auch zu zeigen, daß im allgemeinen die Lichtfortpflanzung geradlinig geschieht. Freilich zeigt die Wellentheorie darüber hinaus, daß auch Abweichungen von der Geradlinigkeit vorkommen, die man als „Beugung" bezeichnet (aus der Allgemeinen Wellenlehre, die in Band I, Kapitel VIII ausführlich dargestellt wurde, sind diese Erscheinungen uns ja bereits bekannt). Während aber früher die Antithese: Welle oder Korpuskel bestand, hat die heutige Physik die Aufgabe vor sich, zu erklären, wie Welle und Korpuskel gleichzeitig miteinander bestehen können. In diesem ersten Kapitel brauchen wir uns um diese tiefer liegenden Fragen nicht zu kümmern. Denn wir beschränken uns hier auf den Fall der geradlinigen Ausbreitung, der Reflexion und der Brechung des Lichtes, die von beiden Theorien gleich gut erklärt werden können. In der Korpuskulartheorie bezeichnet man die Bahnen der Lichtteilehen als S t r a h l e n ; aber auch die Wellentheorie kann diesen Begriff benutzen, dem sie nur eine andere Deutung gibt: Sie versteht unter Strahlen die N o r m a l e n auf der Wellenfläche. So können wir, ohne auf feinere Einzelheiten einzugehen, den Teil der Es sei aber gleich hier darauf aufmerksam gemacht, daß die moderne Form der Korpuskulartheorie des Lichtes etwas anderes als die Newton sehe Theorie ist.

1. Allgemeine Vorbemerkungen; Historisches; Grundbegriffe

3

Optik aufbauen, in dem nur geradlinige Ausbreitung, die Gesetze der Reflexion und Brechung und die Fortpflanzungsgeschwindigkeit benutzt werden; außerdem wird noch U n a b h ä n g i g k e i t der einzelnen Strahlen vorausgesetzt. Dieses so bestimmte Teilgebiet der Optik wird als „geometrische Optik" oder besser als „Strahlenoptik" bezeichnet. Wir werden trotzdem auch in diesem Kapitel von der Wellenauffassung Gebrauch machen, um uns kurz und präzise ausdrücken zu können: Wir sprechen z. B. von der Wellenlänge des roten oder grünen Lichtes usw. Nach diesen allgemeinen Bemerkungen gehen wir jetzt zur Besprechung einiger Grundbegriffe über. Die Körper, die Licht aussenden, nennen wir Lichtquellen. Dabei unterscheidet man zwischen Selbstleuchtern und Nichtselbstleuchtern, je nachdem der betreffende Körper selbst die Quelle des von ihm ausgehenden Lichtes ist oder erst infolge Bestrahlung durch einen Selbstleuchter zu einer Lichtquelle wird, indem er das ihm zugestrahlte Licht durch ungerichtete „diffuse" Zurückwerfung wieder ausstrahlt. Zu den Selbstleuchtern gehören z. B. die Sonne, die Fixsterne sowie alle Körper, die durch Erhitzen zum Leuchten gebracht werden (Kerzenflamme, Gasglühlicht, elektrische Glühlampe, elektrisches Bogenlicht, ferner durch elektrische Entladungen zum Leuchten angeregte Gase und die Phosphoreszenzstoffe). Zu den Nichtselbstleuchtern gehören alle Körper, die wir zwar sehen können, die aber selbst kein Eigenlicht aussenden z. B. ein Stück weißen Papiers, eine Wolke; auch der Mond und die Planeten sind Nichtselbstleuchter, die von der Sonne bestrahlt werden. Die von den Lichtquellen (direkt oder indirekt) ausgesandte Strahlung ist verschiedenartig: Manche Lichtquellen senden einen großen kontinuierlichen Wellenbereich aus, der fast immer über die Grenzen der sog. sichtbaren Strahlung hinausreicht; manche liefern nur einzelne Wellenlängen oder Gruppen von solchen. Die sichtbare Strahlung selbst e m p f i n d e n wir entweder als „ f a r b l o s " oder „ w e i ß " — d a n n sprechen wir kurz von „ w e i ß e m " L i c h t und „ w e i ß e n " L i c h t q u e l l e n — oder aber als „ f a r b i g " — entsprechend reden wir dann von „ f a r b i g e n " L i c h t e r n und Q u e l l e n . Welche verschiedenen physikalischen Vorgänge diesen beiden Arten von Empfindungen zugeordnet sind, muß später genau erörtert werden. Die verschiedenen Körper unserer Umwelt kann man in d u r c h s i c h t i g e , d u r c h s c h e i n e n d e und u n d u r c h s i c h t i g e Stoffe einteilen. Durchsichtige Körper (Luft, Glas, Wasser usw.) lassen das Licht merklich ungeschwächt hindurchgehen, so daß man z. B. die Gestalt anderer Körper durch sie hindurch erkennen kann. Die undurchsichtigen Körper dagegen absorbieren das Licht bereits in dünnen Schichten nahezu vollständig, so daß praktisch kein Licht durch sie hindurchdringt; dies ist z. B. der Fall bei Metallen, Holz, Hartgummi, schwarzem Papier usw. Diese Unterscheidung ist jedoch fließend und beruht keineswegs auf einem absolut gegensätzlichen Verhalten der „durchsichtigen" und „undurchsichtigen" Körper; vielmehr sind die im gewöhnlichen Sprachgebrauch als durchsichtig bezeichneten Körper (z. B. Wasser) in sehr dicker Schicht undurchsichtig. Daher herrscht in großen Meerestiefen nächtliches Dunkel, weil eine mehrere Kilometer dicke Wasserschicht praktisch alles Licht absorbiert. Anderseits lassen undurchsichtige Stoffe, wenn man sie nur in hinreichend dünner Schicht herstellt, Licht hindurch. Z. B. erscheinen Blattgold oder Blattsilber in Dicken von 1/20000 mm in der Durchsicht grün oder bläulich. Auch ist der Fall häufig, daß ein Stoff z. B. für sichtbares Licht undurchsichtig, für längere elektromagnetische Wellen von einigen cm dagegen vollkommen durchlässig ist und umgekehrt; der erstere Fall trifft z. B. für Hartgummi und schwarzes Papier zu, der zweite für elektrolytische Lösungen (z. B. H 2 S0 4 -Lösung), die für elektrische Wellen undurchsichtig sind. Durchscheinende Körper (z. B. Milchglas, Seidenpapier) lassen zwar Licht durch, zerstreuen es aber gleichzeitig nach allen Richtungen, so daß man durch sie hindurch die Gestalt anderer Körper nicht erkennen kann. 1*

4

I. Kapitel. Geometrische Optik

Zu beachten ist, daß alle Lichtquellen tatsächlich eine endliche Ausdehnung haben. Es ist jedoch häufig bequem und zulässig, die endliche Größe einer Lichtquelle zu vernachlässigen und von einem „Lichtpunkt" zu sprechen, indem man darunter eine sehr kleine leuchtende Fläche versteht. Experimentell kann man eine punktförmige Lichtquelle annähernd dadurch herstellen, daß man eine sehr kleine kreisrunde Öffnung intensiv von der Rückseite beleuchtet, oder indem man das an einer verspiegelten Kugelfläche reflektierte Sonnenbildchen benutzt. Da wir — gleichgültig welche Theorie des Lichtes wir annehmen — den Begriff des L i c h t s t r a h l e s benutzen dürfen, seien noch zwei Bezeichnungen eingeführt, die wir im folgenden stets gebrauchen werden. Die Gesamtheit von Lichtstrahlen, die von einem Punkte aus divergieren, heißt ein Strahlenbüschel1), die Gesamtheit paralleler Lichtstrahlen, die also überall einen endlichen konstanten Querschnitt besitzt, bezeichnen wir als Strahlenbündel1). Ferner ist zu beachten, daß der Verlauf der Strahlen von der Fortpflanzungsrichtung unabhängig ist; ein (geometrisch) gezeichneter Strahlenverlauf gilt auch für die entgegengesetzte Strahlenrichtung (Satz von der Umkehrbarkeit des Lichtweges). Unter dem vorhin schon erwähnten Satze von der Unabhängigkeit der einzelnen Strahlen und Strahlenbüschel verstehen wir die Tatsache, daß Strahlen beliebiger Herkunft sich durchkreuzen können ohne sich gegenseitig zu stören: J e d e r S t r a h l v e r l ä u f t so, a l s ob d i e a n d e r e n n i c h t d a w ä r e n .

2. Die geradlinige Ausbreitung des Lichtes; Schatten Fällt in ein völlig verdunkeltes Zimmer durch eine kleine Öffnung direktes Sonnenlicht, so kann man die Geradlinigkeit eines einfallenden Lichtbündels direkt beobachten, wenn die Luft kleine schwebende Teilchen (B/auch, Staub usw.) enthält. Da diese vom einfallenden Licht beleuchtet werden, lassen sie den Weg des Lichtes erkennen. Man sieht natürlich nicht das Licht selbst, sondern nur die vom Licht beleuchteten Teilchen, die in ihrer Gesamtheit das Lichtbündel sichtbar machen. Ebenso zeigen die von der Sonne durch ein Loch in den Wolken in die darunter befindliche trübe, Wasserdampf enthaltende Luftschicht einfallenden Lichtstrahlen die geradlinige Ausbreitung. — Auf ihr beruht die von L e v i B e n G e r s o n (1321) erwähnte Lochkamera. Diese besteht aus einem Kasten (Abb. 1) der in seiner Vorderwand ein feines Loch 0 und als Rückwand eine Mattscheibe besitzt. Befindet sich vor dem Loch ein lichtaussendender Körper, z. B. eine Kerze oder eine Landschaft, so erblickt man auf der Mattscheibe ein umgekehrtes Bild des Gegenstandes. Dieses kommt, wie Abb. 1 zeigt, dadurch zustande, daß jeder Punkt des Gegenstandes (Kerze in Abb. 1) ein von der Öffnung 0 begrenztes sehr schmales Lichtbüschel in den Kasten eintreten läßt, das auf der Mattscheibe einen kleinen Lichtfleck erzeugt, dessen Helligkeit derjenigen des den Strahl aussendenden Lochkamera Punktes entspricht. Indem so jeder Punkt des Gegenstandes sein Licht gesondert nach einer anderen Stelle der Mattscheibe entsendet, setzt sich durch stetige Aneinanderreihung der vielen hellen Flecke ein Bild des Gegenstandes zusammen. Die Schärfe dieses Bildes sollte bei streng gerad') Diese Bezeichnungen stimmen nicht mit denen der Geometrie überein.

2. Die geradlinige Ausbreitung des Lichtes ; Schatten

5

liniger Ausbreitung des Lichtes um so größer sein, je kleiner die Öffnung 0 ist. Dies ist, wenn man die Öffnung 0 nicht zu klein macht, wirklich der Fall; über die Abweichungen vgl. den Schluß dieser Nummer. Nach Abb. 1 hängt die Größe des Bildes auf der Mattscheibe von dem Abstand Lochebene — Mattscheibe ab. Das Bild ist um so größer, aber auch um so lichtschwächer, je weiter die Mattscheibe von 0 entfernt ist. Bezeichnet G die Größe des Gegenstandes, B die des Bildes und bedeuten g und b die Abstände von Gegenstand und Bild von der Lochebene (Abb. 1,) so besteht die Beziehung:

£ G ~

A

f ;

b) g = 2/;

c) g < f

Aus (4) folgt, daß v gleichfalls positive und negative Werte annehmen kann; sind g und b beide positiv, so ist es auch v, d. h. ein positives v entspricht dem Falle, daß ein u m g e k e h r t e s Bild entsteht. In der Abb. 27a ist 0 < v < 1, während in Abb. 27b v = + 1 ist. Anders ist es im Fall der Abb. 27 c. Hier ist der Fall dargestellt, daß sich der Gegenstand zwischen Brennpunkt und Spiegel befindet. Dann entsteht h i n t e r dem Spiegel in der Entfernung (b) ein aufrechtes, vergrößertes, aber v i r t u e l l e s Bild; b selbst ist < 0. (Dieser Fall ist z. B . bei jedem Rasierspiegel verwirklicht.) Für den Abbildungsmaßstab gelten natürlich auch hier die Gl. (4) und (4 a); v ist also hier selbst negativ, aber absolut genommen größer als 1, da das Bild aufrecht und vergrößert ist. Man kann dies auch aus Abb. 27 c entnehmen, wobei zu beachten ist, daß in der F i g u r die auftretenden Strecken alle positiv zu nehmen sind. Es folgt nämlich aus der Ähnlichkeit der Dreiecke SBB' und SGG': BB' GG'

(4 b)

\b\~f f

L g-f

Aus der Ähnlichkeit der Dreiecke MBB'

und MGG' enthält man ferner:

r+\b\ 9

r - g

2/+ [6]

2/

-

9

Aus dieser Gleichung folgt der Reihe nach 2f.\b\-\b\.g=2fg

+

oder: f'\b\ 2*

= fg +

\b\.g

\b\.g,

I. Kapitel. Geometrische Optik

20 und schließlich:

i

f ~ g

i i&T'

Setzt man hier statt — [ b | den (negativen) Wert b ein, so folgt wieder die alte Abbildungsgleichung (1)

1 = /

1+1

9 ^ b

wie es sein muß. An Hand der Figuren von Abb. 27 können wir zusammenfassend sagen: R ü c k t d e r G e g e n s t a n d a u s d e r E n t f e r n u n g g = oo i m m e r n ä h e r a n d e n H o h l s p i e g e l h e r a n , so r ü c k t s e i n r e e l l e s B i l d , v o n d e r S t e l l e b= f b e g i n n e n d , i m m e r w e i t e r v o m S p i e g e l ab. D a b e i w ä c h s t d e r A b b i l d u n g s m a ß s t a b z u n ä c h s t v o n 0 b i s + 1, w e n n d e r G e g e n s t a n d s i c h d e m S p i e g e l v o n g = oo b i s g = r — 2/ n ä h e r t , u n d d a n n w e i t e r b i s + oo, w e n n d e r G e g e n s t a n d b i s in d i e B r e n n e b e n e (g = / ) r ü c k t , w o b e i 6 = oo w i r d . S o b a l d der G e g e n s t a n d die B r e n n e b e n e ü b e r s c h r e i t e t , s p r i n g t das reelle u n d bisher relativ zum Gegenstand umg e k e h r t e B i l d v o n + oo n a c h — oo u n d wird v i r t u e l l u n d a u f r e c h t . Bei weiterer A n n ä h e r u n g des G e g e n s t a n d e s a n den Spiegel n ä h e r t sich a u c h von der a n d e r n Seite das v i r t u e l l e Bild dem Spiegel. D a b e i ä n d e r t sich der A b b i l d u n g s m a ß s t a b v o n — oo b i s — 1 , wenn der G e g e n s t a n d bis u n m i t t e l b a r an den Spiegel h e r a n g e f ü h r t wird. Einen Überblick über die gegenseitige weis des von einem Hohlspiegel erzeugten Lage von Gegenstand und Bild beim Hohlreellen Bildes spiegel gibt die untenstehende Tabelle. Experimentell lassen sich diese Verhältnisse einfach verfolgen, indem man als Gegenstand eine Glühlampe vor dem Hohlspiegel verschiebt und das Bild auf einer Mattscheibe auffängt. Ein Demonstrationsversuch ist in Abb. 28 wiedergegeben. Im Abstand der doppelten Brennweite befindet sich vor einem Hohlspiegel eine leere Blumenvase und unterhalb derselben ist verdeckt für den in den Spiegel blickenden Beobachter ein Blumenstrauß in umgekehrter Lage aufgehängt. Von diesem entwirft der Spiegel über der Vase ein reelles Bild in natürlicher Größe, so daß der Betrachter den Eindruck gewinnt, als ob sieh der Blumenstrauß in der Vase befinde. Gegenstandsort

Bildart

Bildort

zwischen Unendlich u. Spiegelmittelpunkt

zwischen Brennebene und Spiegelmittelpunkt

reell, umgekehrt, verkleinert;

im Spiegelmittelpunkt

im Spiegelmittelpunkt

reell, umgekehrt, gleich groß;

zwischen Spiegelmittelpunkt u. Brennebene

zwischen Spiegelmittelpunkt u. Unendlich

reell, umgekehrt, vergrößert; 1 ^ V iS oo

zwischen Brennebene u. Scheitelpunkt

zwischen minus Unendlich und Scheitelpunkt

virtuell, aufrecht, vergrößert; — oo s j v — 1.

v = + 1

21

4. Gekrümmte Spiegel; Konkav- und Konvexspiegel

Auch bei dem von B e r t a H o r s t m a n n (1895) angegebenen M i n i a t u r - oder T a n a g r a - T h e a t e r findet der Hohlspiegel eine Anwendung. Abb. 29 zeigt einen Längsschnitt durch den Aufbau eines solchen Theaters. Der Hohlspiegel entwirft auf einer Miniatur-Bühne im Durchbruch einer Wand ein verkleinertes Bild der hinter der Wand auftretenden Darsteller. Durch Zwischenschaltung eines Winkelspiegels wird erreicht, daß das Bild im ganzen eine zweimalige Umkehr erfährt und dadurch aufrecht erscheint. Die Bilder sind aber seitenverkehrt, so daß z. B. ein Geiger den Bogen mit der linken Hand führt, und sich zwei Darsteller mit der linken Hand begrüßen. ^Wand Hohl-

I

Darsteller

Spiegel /

^verkleinertes Bild des Darstellers

Spiegel

Ä

Zuschauer

Abb. 29. Längsschnitt durch den Aufbau eines Tanagra-Theaters

Wir haben bisher die Abbildung eines Gegenstandes durch einen Hohlspiegel nur längs der Hauptachse mittels paraxialer Strahlenbüschel vorgenommen. Wir können aber von jedem Punkt des Gegenstandes durch den Krümmungsmittelpunkt M des Spiegels eine N e b e n a c h s e zeichnen z. B. G1S1, G2S2, G[, G'^S'^ in Abb. 30 und längs

Abb. 30. Einfluß der sphärischen Aberration bei der Abbildung durch einen Hohlspiegel

Abb. 31. Der Hohlspiegel als Augenspiegel

jeder Nebenachse den betreffenden Gegenstandspunkt durch ein zu dieser Achse paraxiales Strahlenbüschel abbilden. Wir erhalten dann eine Reihe von Bildpunkten B2, B[, J3'2, die, wie man erkennt, keineswegs auf einer Geraden senkrecht zur Hauptachse, sondern auf einem Kreisbogen liegen: Das Bild B2BB'2 des zur Hauptachse senkrechten geraden Gegenstandes G2GG2 ist g e k r ü m m t . J e weiter entfernt sich ein Gegenstandspunkt seitlich von der Hauptachse befindet, um so mehr rückt sein Bildpunkt vom Spiegel aus der Bildebene heraus, welche durch den Bildpunkt auf der Hauptachse bestimmt ist. Entwirft man daher das reelle Bild auf einer Mattscheibe, um es sichtbar zu machen, so wird stets nur der mittlere Teil des Bildes scharf abgebildet, während die seitlichen Teile verschwommen erscheinen. Statt eines seitlichen B i l d p u n k t e s entsteht auf der Mattscheibe ein kleiner Z e r s t r e u u n g s k r e i s , da sich die Strahlen des abbildenden Büschels erst hinter der Mattscheibe in einem Punkt vereinigen. Hier zeigt

22

I. Kapitel. Geometrische Optik

sich wieder der Einfluß der sphärischen Aberration, die wir schon vorher (S. 14) in einem einfachen Falle kennengelernt haben; sie läßt sich beim sphärischen Hohlspiegel nur dadurch vermeiden, daß man mit kleinem Öffnungswinkel arbeitet (s. a. S. 120). Außer der Verwendung in Beleuchtungsanlagen zur Erzeugung eines parallelen oder eines konvergenten (z. B. bei einem Mikroskopspiegel) Lichtbüschels hat der Hohlspiegel als abbildendes System eine wichtige Anwendung in den Spiegelteleskopen gefunden, auf die wir in Abschnitt 12 näher eingehen. In der Augenheilkunde besteht

Abb. 32. Abbildung der Wendeln einer Projektionsglühlampe (o) in die Lücken zwischen den einzelnen Wendeln (6)

der von H. v. H e l m h o l t z (1851) angegebene Augenspiegel (in den späteren Ausführungen) aus einem Hohlspiegel H von etwa 10 cm Durchmesser und etwa 25 cm Brennweite, der in seinem Scheitelpunkt eine Öffnung von etwa 1 cm Durchmesser hat (Abb. 31). Indem der Arzt durch diese Öffnung nach dem zu untersuchenden Auge A blickt, kann er dieses durch geeignete Haltung des Spiegels gleichzeitig intensiv be-

leuchten, ohne selbst geblendet zu werden. Auf diese Weise ist es möglich, innere Teile des Auges, namentlich die hintere Wand und den das Auge ausfüllenden Glaskörper deutlich zu sehen und zu untersuchen. — Bei modernen mit einer Glühlampe als Lichtquelle ausgestatteten Projektionsapparaten benutzt man einen Hohlspiegel, um die einzelnen Wendeln der Glühlampe in die dazwischen liegenden Lücken abzubilden (Abb. 32), wodurch die Helligkeit beträchtlich gesteigert wird. Zum Schluß gehen wir noch kurz auf die sphärischen Konvex- oder Wölbspiegel ein, bei denen die nach außen gewölbte Fläche als Spiegel dient. Ein auf einen solchen Spiegel fallender achsenparalleler Strahl (1 in Abb. 33 a) wird so reflektiert, als ob er

4. Gekrümmte Spiegel; Konkav- und Konvexspiegel

23

von einem hinter dem Spiegel liegenden, also virtuellen Brennpunkt F herkäme. Der Abstand des Brennpunktes vom Scheitelpunkt S des Spiegels heißt wieder die Brennweite /, wobei wir aber beachten müssen, daß diese h i n t e r dem Spiegel liegt und somit negativ anzusetzen ist. Aus der Gleichschenkeligkeit des Dreiecks MFA folgt wieder, daß / = ~ ist. Ein von einem Gegenstandspunkt G auf der Spiegelachse ausgehender ¿t

Strahl (2 in Abb. 33a) wird so reflektiert, als ob er von einem ebenfalls hinter dem Spiegel zwischen Brennpunkt und Scheitelpunkt liegenden virtuellen Bildpunkt B herkomme. Auch die Bildweite b hat einen negativen Wert. In Abb. 33b ist die Bildkonstruktion für einen Gegenstand GG' wiedergegeben. Von G' aus ist erstens ein Strahl 1 nach dem Spiegelmittelpunkt M hin gezeichnet, der in sich selbst reflektiert wird, zweitens ein zur Achse parallel verlaufender Strahl 2, der nach Reflexion vom Brennpunkt F herzukommen scheint, drittens ein nach dem Scheitelpunkt S gerichteter Strahl 3, der mit der Achse vor und nach der Reflexion gleiche Winkel bildet, und viertens ein nach dem Brennpunkt F gerichteter Strahl, der parallel zur Achse reflektiert wird. Die rückseitigen Verlängerungen dieser vier Strahlen schneiden sich im Bildpunkt B'; natürlich sind nur zwei von diesen Strahlen notwendig zur Konstruktion. Wir erhalten also von dem Gegenstand ein aufrechtes, verkleinertes, v i r t u e l l e s Bild. Aus der Ähnlichkeit der Dreiecke SBB' und SGG' folgt für den Abbildungsmaßstab v und seinen Absolutbetrag | v \: (5)

1 v 1

-

00' -

g

'

v

- g-

g •

Dabei bedeutet das negative Vorzeichen, daß jetzt das Bild die gleiche Richtung wie der Gegenstand hat (d. h. v < 0). Aus der Ähnlichkeit der beiden anderen Dreiecke MBB' und MGG' in Abb. 33b folgt ferner: (5a)

M =

i M

MO

2|/| + 0

Aus den Gl. (5) und (5 a) findet man als Abbildungsgleichung für den Wölbspiegel wieder die alte Beziehung (1): (1)

-

=

-

+

-

Würde man — statt /, g, b als a l g e b r a i s c h e Größen zu betrachten — unter /, g, b die A b s o l u t b e t r ä g e verstehen, so erhielte man eine andere Abbildungsgleichung, nämlich:

- 7 =

7 - 1 '

die sich zuweilen in elementaren Lehrbüchern findet; der Leser muß also stets prüfen, was gemeint ist. Unsere Darstellung hat den Vorzug, daß in allen Fällen Gl. (1) erhalten bleibt.

Setzt man nach (la) auch hier g=x

+ f ,

b=

x +/

,

so gilt natürlich auch die Newtonsche Form der Abbildungsgleichung unverändert: (5 c)

xx' = f 2 .

Den durch die Abbildungsgleichungen (1) und (5 c) gegebenen funktionalen Zusammenhang zwischen g, b bzw. x, x und / stellt Abb. 34 dar, die in vollkommener Analogie zur Abb. 24 auf S. 17 steht. Man erkennt, daß nur der ausgezogene Teil der Hyperbel für die Abbildungsverhältnisse beim Konvexspiegel in Frage kommt.

I. Kapitel. Geometrische Optik

24

Bewegt sich beim Konvexspiegel der Gegenstand vom Unendlichen her auf den Spiegel zu, so wandert sein virtuelles Bild vom Brennpunkt nach dem Spiegel, wobei sich der Abbildungsmaßstab von 0 bis — 1 ändert. Ein Konvexspiegel liefert also stets nur verkleinerte virtuelle Bilder. Sphärische Konvexspiegel dienen beim Kraftrad und Auto dazu, um dem Fahrer ein verkleinertes Bild der Vorgänge hinter seinem Fahrzeug zu liefern. Sowohl für den Konkav- als auch Konvexspiegel gilt übrigens, daß bei einer Bewegung des Gegenstandes auf den Spiegel zu oder von ihm fort das Bild sich stets in der entgegengesetzten, Richtung verschiebt. Daher spricht man von einer r ü c k l ä u f i g e n A b b i l d u n g . Ähnlich wie bei den Hohlspiegeln der parabolisch gekrümmte Spiegel eine ausgezeichnete Rolle spielt, kommt bei den Wölbspiegeln dem h y p e r b o l i s c h gekrümmten Spiegel eine gewisse Bedeutung

Abb. 35 0'

Abb. 34. Graphische Darstellung der Abbildungsgleichung beim Konvexspiegel Abb. 35. Reflexion am hyperbolischen Konvexspiegel Abb. 34 zu. Bekanntlich wird der Winkel zwischen zwei von einem Hyperbelpunkt P nach den beiden Brennpunkten Ft und Ft gezogenen Brennstrahlen von der Normalen N in diesem Punkt P halbiert (Abb. 35). Es wird daher jeder vom Brennpunkt F t nach dem gegenüber liegenden Hyperbelast gerichtete Strahl 1 von diesem so reflektiert, als ob er von dem andern Brennpunkt F2 herkomme, und umgekehrt wird jeder nach dem Brennpunkt Fs gerichtete Strahl 2 zum Brennpunkt F1 gespiegelt. Man kann daher mit einem hyperbolischen Konvexspiegel, dessen Fläche man sich durch Rotation eines Hyperbelastes um die Hyperbelachse entstanden zu denken hat, die Konvergenz eines auf den Spiegel fallenden Strahlenbüschels verkleinern, ohne daß dabei die Homozentrizität des Büschels gestört wird, d. h. sämtliche Strahlen gehen nach der Spiegelung wieder durch einen Punkt. Uber die Verwendung hyperbolischer Konvexspiegel beim Spiegelfernrohr siehe S. 120.

5. Die Brechung des Lichtes; Totalreflexion Fällt Licht auf die Trennungsfläche zweier durchsichtiger Körper (z. B. aus Luft in Glas oder Wasser), so wird nur ein Teil in das erste Medium zurückgeworfen, während der übrige Teil in das zweite Medium eindringt; dabei erleidet bei schrägem Auftreffen auf die Grenzflächen der Strahl eine Richtungsänderung beim Übertritt in das andere Medium, die sogenannte Brechung. Ähnlich wie bei der Reflexion kann man auch hier zwischen einer d i f f u s e n und einer r e g u l ä r e n Brechung unterscheiden, je nachdem die Trennungsfläche rauh oder glatt ist. Bei der diffusen Brechung wird die in das zweite Medium eindringende Lichtenergie mehr oder weniger nach allen Richtungen gebrochen, während bei der regulären

5. Die Brechung des Lichtes; Totalreflexion

25

Brechung die Richtung des eindringenden Lichtstrahles eine ganz bestimmte ist, die nur von der Richtung des einfallenden Strahles und der Natur der beiden Medien abhängt. || Von der Tatsache der Brechung beim Eintritt von Licht aus Luft in Wasser kann man sich durch einfache Versuche überzeugen. Legt man z. B. auf den Boden eines leeren Gefäßes mit undurchsichtigen Wänden eine Münze und blickt in einer solchen Richtung schräg in das Gefäß, daß die Münze gerade durch die Seitenwand verdeckt

a

b

Abb. 36. Versuche zum Nachweis der Lichtbrechung а) scheinbare Hebung einer im Wasser liegenden Münze б) scheinbare Knickung eines schräg ins Wasser getauchten Stabes

wird, so wird sie sofort sichtbar, wenn man Wasser in das Gefäß gießt (Abb. 36a): die von der Münze kommenden Lichtstrahlen werden beim Austritt aus dem Wasser gebrochen und gelangen dadurch in das Auge; dieses sieht die Münze M in der Lage M', d. h. in der Verlängerung der ins Auge gelangenden Strahlen, also etwas gehoben. Aus demselben Grunde erscheint ein schräg ins Wasser getauchter Stab an der Eintrittsstelle geknickt (Abb. 36b).

a

b

Abb. 37. Brechung eines Lichtstrahles beim Übergang von L u f t in Wasser a) Einfallswinkel = 52°; 6) Einfallswinkel = 67°

Um die Gesetzmäßigkeit der Lichtbrechung zu finden, lassen wir ein schmales Lichtbündel schräg auf eine Wasseroberfläche im Inneren eines schmalen Glastroges fallen und verfolgen die Richtung der Lichtstrahlen in Luft und Wasser in der Weise, daß wir vertikal in das Wasser eine Mattscheibe stellen, auf der das Licht seinen Weg als helle Linie aufzeichnet (Abb. 37). Statt dessen kann man auch nach J . T y n d a l l Luft und Wasser durch Zusatz von Rauch bzw. Milch etwas trüben und so den Weg des Lichtes sichtbar machen. Man beobachtet, daß die Richtung des Strahles beim Eintritt in das Wasser eine Knickung erfährt und (in dem betrachteten Falle) zum Einfallslot hingebrochen wird, und zwar werden die Strahlen um so mehr von ihrer ursprünglichen

I. Kapitel. Geometrische Optik

26

Richtung abgelenkt, je schräger sie auf die Grenzfläche fallen (Abb. 37b). Gleichzeitig liegen e i n f a l l e n d e r S t r a h l , E i n f a l l s l o t u n d g e b r o c h e n e r S t r a h l in einer E b e n e . Bezeichnen wir den Winkel des einfallenden Strahles mit dem Lot als den E i n f a l l s w i n k e l « , und den Winkel, den der gebrochene Strahl mit dem Lot bildet, als B r e c h u n g s w i n k e l ß, so gilt das von W. S n e l l i u s (1620) aufgefundene Brechungsgesetz: Der Sinus des Einfallswinkels steht zum Sinus des Brechungswinkels in einem konstanten Verhältnis, das nur von der Natur der beiden Medien abhängt. Es gilt also die Gleichung: v(6)

'

^TT = am ß

11

= Const.

Die Konstante n21 heißt der Brechungsquotient (auch Brechungsindex, Brechungsexponent, Brechzahl) des Mediums 2 in bezug auf das Medium 1. Beim Übergang von Luft in Wasser ist n21 annähernd 4/3, beim Übergang von Luft nach gewöhnlichem

Abb. 38. Brechung und Reflexion eines Lichtstrahles beim Übergang von Luft nach Glas a) Einfallswinkel « = 40°; Brechungswinkel ß = 24,5° b) Einfallswinkel a = 60°; Brechungswinkel ß = 34°

Spiegelglas hat n21 etwa den Wert 3/2. Abb. 38 zeigt die Brechung des Lichtes beim schrägen Eintritt in ein Stück Glas, und zwar für die beiden Einfallswinkel 40° und 60°; als zugehörige Brechungswinkel entnimmt man aus den Aufnahmen 24,5° und 34°: dies liefert nach dem Brechungsgesetz (6) für n21 den Wert 1,55. Damit der Lichtstrahl beim Austritt aus dem Glas nach Luft keine erneute Brechung erfährt, hat das Glasstück halbkreisförmige Gestalt. Wie bereits in Band I auf Seite 373 gezeigt, ist die Ursache für die Brechung einer Welle die Änderung ihrer Fortpflanzungsgeschwindigkeit. Der Brechungsquotient stellt, wie wir dort gezeigt haben, direkt das Verhältnis der Fortpflanzungsgeschwindigkeiten in den beiden Medien dar. Bezeichnen wir diese mit cr und c2, so können wir schreiben: cx

sin «

(7) Da es nach dem Satze von der Umkehrbarkeit des Lichtweges gleichgültig ist, ob der Lichtstrahl vom Medium 1 nach 2 oder umgekehrt von 2 nach 1 läuft, können wir auch schreiben . . sin ß c2

5. Die Brechung des Lichtes; Totalreflexion

27

wobei jetzt ß den Einfallswinkel im Medium 2, a den Brechungswinkel im Medium 1 und n12 den Brechungsquotienten des Mediums 1 in bezug auf 2 bedeuten. (Natürlich wird bei der Strahlungsumkehr der Strahl vom Einfallslot weggebrochen, wenn er vorher aufs Lot zugebrochen wurde.) Es gilt also

Man nennt n12 bzw. n21 genauer die r e l a t i v e n Brechungsquotienten der beiden Stoffe im Gegensatz zu dem a b s o l u t e n Brechungsquotienten eines Stoffes, der sich auf den Eintritt des Lichtes aus dem Vakuum in den betreffenden Stoff bezieht. In diesem Falle gilt: c c -rC = nio = ni und -2= n20 = n2 ; c 1

2

da man das Vakuum als das normale Bezugsmedium betrachtet, läßt man den Index „ 0 " fort und schreibt die absoluten Brechungsquotienten nur mit einem Index. Aus den beiden letzten Gleichungen folgt durch Division und Berücksichtigung von (7): (8)

2

= J = "1

d. h. d e r r e l a t i v e B r e c h u n g s q u o t i e n t n 21 z w e i e r S t o f f e 1 u n d 2 i s t g l e i c h dem Q u o t i e n t e n der absoluten B r e c h u n g s q u o t i e n t e n beider Stoffe. Hat man, wie das meistens der Fall ist, den relativen Brechungsquotienten eines Mediums gegen Luft gemessen — er sei nxL —, so kann man nach Gl. (8) seinen absoluten Brechungsquotienten nx ermitteln, wenn man den absoluten Brechungsquotienten der Luft nL kennt. Es ist dann nx = nxL • nL .

Nun ist, wie wir auf S. 40 experimentell noch zeigen werden, der absolute Brechungsquotient der Luft nL = 1,000292, so daß die gegen Luft gemessenen Werte der relativen Brechzahlen nur wenig von den absoluten abweichen. In der folgenden Tabelle sind die Brechungsquotienten einer Anzahl Stoffe zusammengestellt. Sie gelten für das Licht der gelben Natriumlinie (D-Linie). Diese Angabe ist erforderlich, da die Brechzahl, wie wir in Nr. 20 noch zeigen müssen, von der Farbe (Schwingungszahl) des Lichtes abhängt. A b s o l u t e B r e c h u n g s q u o t i e n t e n e i n i g e r S t o f f e f ü r N a - L i c h t bei 20° C Feste Stoffe: Flüssigkeiten: Eis 1,31 Wasser 1,3329 Lithiumfluorid 1,3915 Äthylalkohol 1,3605 Flußspat 1,4338 Leinöl 1,486 Sylvin 1,4903 Benzol 1,5013 Steinsalz 1,5443 Zedernöl 1,505 Kaliumbromid 1,5598 Kassiaöl 1,604 Jenaer Gläser: Schwefelkohlenstoff 1,6254 Borkron BK 1 1 5100 Monobromnaphthalin 1,6582 Schwerkron SK i '. '. . '. '. l',6102 Methylenjodid 1,7420 Flint F 3 1,6128 Gase: Schwerflint SF 4 1,7550 Sauerstoff 1,000271 schwerstes Flint 1,9 Stickstoff 1,000298 Quarzglas 1,4588 Kohlendioxyd 1,00449 Plexiglas 1,50.. 1,52 Stickoxydul 1,000516 Diamant 2,4173 Luft 1,000292

Man nennt einen Stoff o p t i s c h d i c h t e r ( o p t i s c h d ü n n e r ) als einen anderen, wenn sein absoluter Brechungsquotient g r ö ß e r ( k l e i n e r ) ist als der desandern; die optische Dichte ist jedoch nicht mit der spezifischen (stofflichen) Dichte zu verwechseln.

28

I. Kapitel. Geometrische Optik

Zum Beispiel hat Wasser trotz seiner größeren spezifischen Dichte eine kleinere Brechzahl als das spezifisch leichtere Benzol. Bei ein und demselben Stoff wächst allerdings die Brechzahl mit der spezifischen Dichte des Stoffes; wird diese also z. B. durch Druck erhöht, so steigt auch die Brechzahl an. Die Gl. (6) oder (7), die das Brechungsgesetz aussprechen, kann man unter Berücksichtigung von (8) in der Form schreiben: (9)

% s i n « = n2 s i n ß = Const.

Da man wegen der Umkehrbarkeit des Lichtweges auch den Winkel oc als Brechungswinkel bezeichnen kann, läßt sich das Brechungsgesetz in folgender Form aussprechen: Das Produkt aus Brechungsquotient und Sinus des Brechungswinkels ist bei der Brechung unveränderlich.

Wasser Borkrön 8K1 Abb. 39. Geometrische Ermittelung des gebrochenen Strahles

Fünf F3 Schwerflint

Abb. 40. Diagramm zur Ermittelung des gebrochenen Strahles beim Übergang von Luft nach Stoffen mit den Brechzahlen zwischen 1 und 2

Abb. 40

Das Produkt n sin« heißt nach E . A b b e (1873) die numerische Apertur des Strahles gegen das Einfallslot. Das Brechungsgesetz sagt also aus, daß die numerische Apertur bei der Brechung eines Lichtstrahls unverändert bleibt. Auf diese Weise ist das Brechungsgesetz in Form einer sog. o p t i s c h e n I n v a r i a n t e dargestellt, indem der Wert der numerischen Apertur n sin« bei beliebig vielen aufeinanderfolgenden Brechungen unverändert bleibt. Rein formal schließt Gl. (9), d. h. das Brechungsgesetz, auch das Reflexionsgesetz in sich; man hat nur n2 = — nx zu setzen und erhält dann das Reflexionsgesetz in der Form ß = — oc; das Minuszeichen rührt davon her, daß ß im ersten Medium auf der anderen Seite des Lotes liegt wie «; diese Bemerkung gilt für alle Reflexionsprobleme, worauf wir später noch zurückkommen werden.

Wir zeigen zunächst, wie man die Richtung eines gebrochenen Strahles zu einem vorgegebenen einfallenden Strahl geometrisch ermitteln kann. I n Abb. 39 falle im Punkte O ein Lichtstrahl LO auf die ebene Grenzfläche 00' zwischen zwei Medien 1 und 2 auf. Wir errichten in 0 das Einfallslot SS' und schlagen um 0 im Medium 2 zwei Kreise, deren Radienverhältnis gleich dem relativen Brechungsquotienten w2,i des Mediums 2 gegen Medium 1 ist (in der Fig. ist 2 als das optisch dichtere Medium angenommen). Die Verlängerung des einfallenden Strahls schneidet den kleineren Kreis in A. Von hier fällen wir das Lot AC auf die Grenzfläche GG' und verlängern dasselbe

5. Die Brechung des Lichtes; Totalreflexion

29

rückwärts bis zum Schnittpunkt B mit dem größeren Kreise. Dann gibt die Verbindung OB die Richtung des gebrochenen Strahles im Medium 2 wieder. Es ist nämlich sin « _ sin ß ~

sin CAO _ 7mCßO

CO CO __ BO _ AÖ '' BO ~~ ~ÄÖ ~

'

was zu beweisen war. Ist umgekehrt der aus dem (dichteren) Medium 2 kommende Strahl L'O gegeben, so fällt man von B das Lot auf die Grenzfläche GG', das den kleineren Kreis in A schneidet. Die Verlängerung von AO über 0 hinaus liefert dann den in das (dünnere) Medium gebrochenen Strahl. Abb. 40 gibt ein auf Grund dieser Konstruktion gezeichnetes Diagramm wieder, aus dem man sofort f ü r den Übergang von L u f t zu einem Stoff mit den Brechzahlen 1 bis 2 oder umgekehrt den gebrochenen Strahl finden kann. Nach Abb. 39 ist die Ablenkung d, die ein Strahl durch die Brechung erfährt, durch (10)

ö =

oc—ß

gegeben. Aus dem Brechungsgesetz (6) folgt s i n « = n21 s i n ß und weiter sin tx — sin ß = (n21 — 1) sin ß . Nach dem Additionstheorem der trigonometrischen Funktionen ist diese Gleichung identisch mit der folgenden: o • o nlt wie hier angenommen war, die Brennpunkte virtuell, da sowohl / wie auch /' negative Werte annehmen. Die Werte für / und /' erhält man aus Gl. (16a), wenn man darin g und b unendlich werden läßt. Für b = oo folgt: n1r (17a) / = n. und für g = oo: n,r

n, —

w

r=

Als Differenz der beiden Brennweiten ergibt sich: f ~ f =

(18)

r,

und für ihr Verhältnis: < 19 )

7 = 5 -

Die beiden Brennweiten haben also stets das g l e i c h e Vorzeichen, d. h. die beiden Brennpunkte liegen stets auf entgegengesetzten Seiten der brechenden Fläche (Abb. 73) und die beiden Brennweiten verhalten sich wie die Brechzahlen der beiden Medien, die durch die Kugelfläche getrennt werden. Aus Gl. (17b) erkennt man insbesondere, daß /' nur positiv wird, wenn r und n2 — % gleiches Vorzeichen haben. E i n e b r e c h e n d e F l ä c h e s a m m e l t a l s o p a r a l l e l e S t r a h l e n in e i n e m P u n k t , wenn i h r M i t t e l p u n k t im s t ä r k e r b r e c h e n d e n M e d i u m l i e g t , e i n e r l e i , v o n w e l c h e r S e i t e das L i c h t a u f die F l ä c h e f ä l l t (Abb. 73a). Führt man die Brennweiten in Gl. (16a) ein, so erhält man die Abbildungsgleichung für paraxiale Strahlen: (20)

i + T =

1

-

Diese Grundgleichung, aus der man zu jeder Gegenstandsweite die zugehörige Bildweite berechnen kann, nimmt besonders einfache Gestalt an, wenn man statt der Scheitelwerte von g und b die auf die Brennpunkte bezogenen Koordinaten von Gegenstandsund Bildpunkt einführt. Bezeichnet man den Abstand des Gegenstandspunktes vom 4*

52

I- Kapitel. Geometrische Optik

objektseitigen B r e n n p u n k t F m i t x, u n d d e n A b s t a n d des B i l d p u n k t e s B v o m bildseitigen B r e n n p u n k t m i t x', so ist g = / + x, u n d b = /' + x . S e t z t m a n diese W e r t e in Gl. (20) ein, so e r h ä l t m a n :

>

L

f+x

^

,

f'+x'

w o r a u s die Newtonsehe Form der Abbildungsgleichung f o l g t : (21)

xx' = //' .

Gl. (16 a) können wir unter Benutzung der Gl. (17 a) und (17 b) auch in folgender Form schreiben: (16 b) =- = —= — = — , 9 b r f / aus der hervorgeht, daß den durch die zugehörigen Brechzahlen dividierten Größen g, b, f , f eine besondere Bedeutung zukommt. Die Größen — und — heißen die reduzierten Brennweiten, entn2 sprechend sind — und — die reduzierten Schnittweiten. Nach A. G u l l s t r a n d (1908) nennt man »i »2 — = jtg die reduzierte Konvergenz der Gegenstandsweite, ~ = A b die reduzierte Konvergenz der Bildweite und

— -jy — S die Brechkraft der brechenden Fläche. (Es ist üblich, Brechkraft und

Konvergenz in Dioptrien [s. S. 16] anzugeben). Mit diesen Bezeichnungen kann man Gl. (16 b) in der Form schreiben: (22) Af + Ab = S und den Satz aussprechen: Bei e i n e r b r e c h e n d e n K u g e l f l ä c h e i s t die S u m m e d e r r e d u z i e r t e n K o n v e r genzen von G e g e n s t a n d s - und Bildweite gleich der B r e c h k r a f t der b r e c h e n d e n Fläche. Entsprechend läßt sieh Gl. (21) in die Form bringen: (23)

XX' = S*

wobei X = — und X' = —J die reduzierten Konvergenzen der von den Brennpunkten aus gerechneten Gegenstands- und Bildweite bedeuten. Gemäß Gl. (16 b) kann man sich zur Bildung der Brechkraft einer Kugelfläche merken: Man durchdringt die Fläche in Richtung des Lichtes, schreibt den hinter der Fläche herrschenden Brechungsquotienten hin, zieht davon den Brechungsquotienten vor der Fläche ab und dividiert (durch den in Metern ausgedrückten) Radius der Fläche. E x p e r i m e n t e l l k a n n m a n die B r e c h u n g a n einer K u g e l f l ä c h e zeigen, i n d e m m a n ein B ü n d e l paralleler L i c h t s t r a h l e n v o n o b e n a u f einen m i t W a s s e r g e f ü l l t e n S t a n d z y l i n d e r fallen l ä ß t u n d auf die W a s s e r o b e r f l ä c h e ein U h r g l a s b r i n g t , d a s die O b e r f l ä c h e je n a c h seiner Lage k o n k a v oder k o n v e x g e s t a l t e t . D e r S t r a h l e n verlauf i m W a s s e r u n d die L a g e des B r e n n p u n k t e s bei k o n v e x g e k r ü m m t e r F l ä c h e l ä ß t sich verfolgen, w e n n m a n d a s W a s s e r m i t e t w a s Fluoreszein v e r s e t z t . In Gl. (16a) ist übrigens formal auch der Fall der Reflexion enthalten. Setzt man nämlich n 2 ~ — nv so nimmt Gl. (16a) die Gestalt an: _1 L_ _ A g b r Dies stimmt mit der Abbildungsgleichung (1) für sphärische Spiegel (s. S. 16) überein, wenn man berücksichtigt, daß man beim Hohlspiegel die Bildweiten, Brennweiten, Krümmungsradien mit umgekehrtem Vorzeichen nimmt, wie bei der Brechung; vgl. auch Anm. 2 auf S. 49. Lassen wir ferner in Gl. (16a) r = oo werden, d. h. gehen wir von einer gekrümmten Trennungsfläche zwischen den beiden Medien zu einer ebenen Fläche über, so wird:

d. h.

9 l.

b ™2

7. Brechung des Lichtes an einer Kugelfläche

53

Diese Gleichung sagt aus, daß ein im Abstand g hinter einer brechenden Fläche liegender Gegenstand bei senkrechtem Einblick in die Fläche in der Entfernung 6 = — g hinter der Fläche gesehen

n!

wird. Nun wird in praktischen Fällen das Medium 2, in das die vom Gegenstandspunkt ausgehenden Strahlen eindringen, Luft, also n2 = 1 sein. Beim Einblick in die brechende Fläche scheint also der Gegenstand um g — — g = —1

n1

nx

— g der Fläche genähert. Dies ist der Grund dafür, daß der Boden

von Gewässern bei senkrechtem Einblick gehoben erseheint, und zwar um

ij _

i

\

g = — g. Von * — j^itr*!

/3 dieser Erscheinung hatten wir bereits auf S. 35 Gebrauch gemacht bei der Messung der Brechzahl einer Glasnt' 1 platte (Abb 51b). l / / i L Diese Überlegung gilt wegen der , / jS Beschränkung auf paraxiale Strahlen I / y ' nur bei senkrechtem Einblick in die IM / / Wasserfläche. Bei schiefem Einblick " — ' wird der betreffende P u n k t P unter — — ZL^T'SiC^ ^TljrZT^i der Wasseroberfläche nicht nur stär- 3 _ | _ JLJ^L'^L — ker gehoben, sondern auch seitlich _ _ _ _ — — — \ r — Z / / ^ // verschoben. Verlängert man z.B. zwei — — — — — benachbarte, von P ausgehende, ins — — n1 > 7 — — \\~f~/7 — Auge gelangende Strahlen (Abb. 74) — — — — — — W —//— — — — nach ihrer Brechung geradlinig rück— — — — -¥- -ff — — — wärts in der Blickrichtung, so schnei— — S \ —f — den sie sich bei P'. J e tiefer sich das — — — i-/ — — — — Auge zur Wasseroberfläche senkt, um ip so näher rückt der virtuelle Bildpunkt _ P' längs einer Kurve bis zur Wasseri oberfläche. Man nennt diese Kurve die ,, ^ , , , y,. , 1 U Abb Diakaustik des Punktes P; es bilden " 74' E n t s t e h u n 8 d e r ^ausUk nämlich sämtliche von P in die Luft gebrochenen Strahlen mit ihrer rückwärtigen Verlängerung Tangenten an die kaustische Fläche, die durch die Rotation der Diakaustik um die Achse MP entsteht. Die Spitze S der Diakaustik ist der Punkt, in dem P bei senkrechtem Einblick gesehen wird.

2. Abbildung eines ausgedehnten Gegenstandes. Wir haben bisher nur die Abbildung eines auf der optischen Achse hegenden Punktes G durch eine Kugelfläche betrachtet. Wir wollen aber jetzt einen ausgedehnten Gegenstand senkrecht zur Achse abbilden. Zu dem Zwecke können wir folgendermaßen vorgehen: Um den Mittelpunkt M der brechenden Kugelfläche schlagen wir eine konzentrische Kugel mit dem Radius MG (in Abb. 75 gestrichelt) und nehmen auf dieser Kugelfläche irgendeinen P u n k t G' an. Verbinden wir nun auch G' mit dem Mittelpunkt M der brechenden Fläche, so können

Hauptachse 6

Abb. 75. Zur Abbildung eines ausgedehnten Gegenstandes durch eine brechende konvexe Kugelfläche

»2

/

54

I. Kapitel. Geometrische Optik

wir 0'M ebenfalls als optische Achse ( N e b e n a c h s e ) betrachten und nun dieselben Überlegungen wie bisher anstellen, um den Bildpunkt B' zu G' zu finden: dieser liegt offenbar auf einer mit dem Radius MB um M geschlagenen zweiten konzentrischen Kugelfläche, die in der Abbildung ebenfalls gestrichelt ist. Was für 0' und B' gilt, gilt für jeden Punkt G", G'" . . . der ersten Kugelfläche: jedem ihrer Punkte entspricht je ein Bildpunkt B", B'" . . . der zweiten Kugelfläche. D. h. es gilt der Satz: Liegen die Objektpunkte auf einer zur brechenden Fläche konzentrischen Kugelfläche, so liegen die konjugierten Bildpunkte ebenfalls auf einer mit der brechenden Fläche konzentrischen Kugelfläche. Beschränken wir uns aber auf einen zylindrischen rings um die Hauptachse gelegenen sehr engen Raum, d. h. auf paraxiale Strahlen, so können wir offenbar die kleinen Stücke der beiden Kugelflächen innerhalb dieses Raumes als eben, d . h . m i t d e n T a n g e n t i a l e b e n e n T bzw. T' z u s a m m e n f a l l e n d b e t r a c h t e n . In dieser Näherung können wir also sagen, daß senkrecht zur Hauptachse gelegene Ebenen durch Paraxialstrahlen wieder in senkrecht zur Achse liegende Ebenen abgebildet werden. Uta also einen senkrecht zur Achse orientierten Gegenstand geringer Ausdehnung durch eine Kugelfläche abzubilden, können wir drei ausgezeichnete Strahlen ziehen, nämlich: 1. Ein vom Endpunkt G' des Gegenstandes parallel zur Achse einfallender Strahl (1 in Abb. 76a) wird so gebrochen, daß er bei einer konvex gekrümmten Fläche für n \ < w 2 durch den bildseitigen Brennpunkt F' hindurchgeht, und bei einer konkav gekrümmten Fläche (1 in Abb. 76b) vom virtuellen bildseitigen Brennpunkt F' herzukommen scheint. 2. Ein von G' durch den objektseitigen BrennpunktF gehender Strahl (2 in Abb.76 a) bzw. bei einer konkaven Fläche nach dem Brennpunkt F hinzielender Strahl (2 in Abb. 76b) wird für n x < n 2 so gebrochen, daß er parallel zur Achse weiterläuft. 3. Ein von G' nach dem Mittelpunkt M der brechenden Fläche gezogener Strahl (3 in Abb. 76a und 76b) erfährt keine Brechung. Ist umgekehrt nx > n2, so gilt der Strahlverlauf von 76 a für eine konkave, der von 76 b für eine konvexe Kugelfläche (Abb. 76 c und 76 d). Man erhält demnach von einem außerhalb des Brennpunktes F befindlichen Gegenstand im Falle nx < n2 bei einer konvexen Brechungsfläche ein umgekehrtes reelles Bild und bei einer konkaven ein virtuelles aufrechtes Bild. Im Falle % > n2 liegen die Verhältnisse gerade umgekehrt. 3. Die optischen Vergrößerungen, Satz von Lagrange. Wie bei den sphärischen Spiegeln bezeichnen wir das Verhältnis von Bildgröße y2, gemessen in der zur Achse senkrechten Richtung, zu der Gegenstandsgröße yx als laterale oder transversale Vergrößerung v. Aus den einander ähnlichen Dreiecken BB'M und GG'M in Abb. 76a folgt: y2 b —r ~ Vi ~ 9 + r ' Unter Benutzung von (16a) folgt hieraus nach einiger Umrechnung: (24)

Vi »2 g Aus Abb. 76b erhalten wir die gleiche Formel: —

6 — r g + r ~ n2g '

Nur ist zu beachten, daß im letzteren Falle nach unserer Vorzeichenbestimmung b einen negativen Wert hat, also auch v negativ ausfällt. Das bedeutet, daß das virtuelle Bild oberhalb der optischen Achse liegt. Umgekehrt bedeutet ein positiver Wert von v, daß das Bild dem Gegenstand entgegengesetzt, also umgekehrt ist. Da v bei einem

7. Brechung des Lichtes an einer Kugelfläche

55

gegebenen brechenden System n u r von g u n d b a b h ä n g t u n d v o n der Gegenstandsgröße y1 u n a b h ä n g i g ist, gilt der S a t z : Die laterale Vergrößerung ist in konjugierten Ebenenpaaren konstant und variiert nur von Ebenenpaar zu Ebenenpaar. n f Setzt m a n in Gl. (24) f ü r — nach Gl. (19) den W e r t ~ ein u n d ersetzt g u n d b durch g = f -f x, b = f + x , so k a n n m a n schreiben:

/

_

f(f'±^)_ _ f f + /*' /'(/ + *) //' + / ' * ' E r s e t z t m a n schließlich im Zähler f f n a c h (21) d u r c h xx', so ergibt sich: (24 a)

v

xx' + fx'

~ Jr+J'x

=

x' (/ + x)

x'

'FiT+W ~ 7 '

Abb. 76. Abbildung eines Gegenstandes durch eine konvexe (a, c) bzw. konkave (b, d) brechende Kugelfläche für die beiden Fälle, daß nx < n2 (a, b) und % > n2 (c, d) ist.

56

I- Kapitel. Geometrische Optik

Unter nochmaliger Benutzung von Gl. (21) kann man dafür auch schreiben: (24b)

v=

J-,

Außer der Lateralvergrößerung kann man auch eine Tiefen- oder axiale Vergrößerung definieren. Denken wir uns einen längs der Achse liegenden Gegenstand GG' von der Länge A x, so entspricht ihm ein Bild BB' von der Größe A x (Abb. 77). Das Verhältnis A x' ist die Tiefenvergrößerung t. Um sie zu berechnen, differenzieren wir am einfachsten die N e w t o n s c h e Form der Abbildungsgleichung (21). Das liefert: xAx' x Ax = 0 und folglich v(25)

'

i = Ax

x

Abb. 77. Zur Definition der Tiefenvergrößerung

Multipliziert man die rechte Seite im Zähler und Nenner mit x oder x , und ersetzt nach Gl. (21) das Produkt xx' durch f f , so erhält man: (25a) t= (25b) v

i =

=

x' — kann man mit Hilfe der Gl. (16a) und (17) auch in folgende Form bringen:

n2 b2 eine Gleichung, die man auch durch direktes Differenzieren der Gl. (16a) erhalten kann. Man erkennt am einfachsten an dieser Form von t, daß die Tiefenvergrößerung für ein gegebenes System nur von g und b abhängt und von der Gegenstandsgröße Ax gänzlich unabhängig ist. Daher gilt auch für t — wie für v — der Satz: Die Tiefenvergrößerung t ist in konjugierten Efoenenpaaren konstant und variiert nur von Ebenenpaar zu Ebenenpaar. Schließlich kann man noch eine dritte, die a n g u l a r e V e r g r ö ß e r u n g w einführen. Den Winkel, unter dem ein von Gegenstandspunkt G auf der Achse ausgehender Strahl diese verläßt bzw. im Bildraum vom Bildpunkt auf der Achse gegen diese geneigt weiterläuft, nennt man die Strahlneigung. Die Winkel u x und u 2 (Abb. 75) der beiden konjugierten Strahlen mit der optischen Achse bilden zwei konjugierte Neigungswinkel; sie werden beide von der Achse aus gezählt, und zwar im Gegenstandsraum (wx) positiv in dem der Uhrzeigerbewegung entgegengesetzten Sinne, im Bildraum(w2) positiv im Uhrzeigersinne. Anders ausgedrückt: % ist positiv und stets kleiner als 90°, wenn der Strahl von links unten nach rechts oben geht, u2 ist positiv und stets kleiner als 90°, wenn der Strahl von links oben nach rechts unten verläuft; in Abb. 75 sind beide Winkel positiv. Man nennt nun das Verhältnis der Tangenten der Strahlneigungen vor und nach der Brechung die angulare Vergrößerung oder das Konvergenzverhältnis w. Aus den beiden Dreiecken GAS' und BAS' in der Abb. 75 (S' sei der Fußpunkt des von A auf die Achse gefällten Lotes) folgt:

7. Brechung des Lichtes an einer Kugelfläche

AS' tang mx = -QS,

, und

also:

A

tang w2 =

tang u2 tang it x

57

AS' ^

OS' BS''

Wegen der Kleinheit der Winkel ul und w2 — in Abb. 75 sind sie der Deutlichkeit halber viel zu groß gezeichnet — fällt nun der Punkt S' praktisch mit S zusammen, und die letzte Gleichung kann daher annähernd geschrieben werden: (26) v '

tang„2 tang u1

=

BS

=

b

Auch die a n g u l a r e V e r g r ö ß e r u n g w ist also k o n s t a n t in k o n j u g i e r t e n E b e n e n p a a r e n u n d v a r i i e r t n u r von E b e n e n p a a r zu E b e n e n p a a r . Führen wir wieder für g und b die Ausdrücke f + x und /' + x ein, so können wir schreiben: w =

/+X J'Tx''

und mit Bezug auf Gl. (21): (27

>

W

/ + f fIx' __ xx'/f + x _ t

= TT* 7 -

-

x

*- r•

Zwischen den drei Vergrößerungen v, t, w bestehen verschiedene Beziehungen. Aus den Gl. (24), (25b) und (26) ergibt sich, wie man sofort sieht: n, 1 —; n2w

, t=

% „2 1w = w2

n\ 1 ; n\ v2

insbesondere folgt aus der ersten dieser Gleichungen n i = f-tt , VW = — /

wenn man noch (16b) berücksichtigt. Das bedeutet: D a s P r o d u k t vw ist n i c h t n u r f ü r k o n j u g i e r t e E b e n e n p a a r e , s o n d e r n f ü r das ganze g e g e b e n e System konstant. Gl. (26) für die Angularvergrößerung läßt sich noch anders formulieren, indem man für gib den Wert aus (24) einsetzt: (27a)

w

=

^ , tang«!

=

n1yL n2y2

oder schließlich: (28)

tang ux = n2y2 tang u2,

bzw. für die in Frage kommenden kleinen Winkel: (28a)

%2/iWi = n 2 y 2 u 2 .

Diese beiden Gleichungen sagen aus: Wird ein achsensenkrechter Gegenstand durch eine Kugelfläche abgebildet, die zwei brechende Medien voneinander trennt, so bleibt das Produkt aus seiner Größe, dem Brechungsquotienten und dem Tangens der Strahlneigung (bzw. dieser selbst) konstant (Satz von J. L. L a g r a n g e , 1803). Bezeichnet man n tang u als optische Divergenz, so läßt sich dieser Satz in folgender Form aussprechen: Das Produkt aus optischer Divergenz und achsensenkrechter Gegenstandsgröße bleibt bei jeder Brechung konstant. Die Größe ny tang u (bez. nyu) stellt also wieder eine optische Invariante dar.

58

I. Kapitel. Geometrische Optik

Unter Benutzung der Strahlneigung kommt man nach C. F. G a u ß zu einer neuen Definition der Brennweite. Rückt nämlich (Abb. 78) ein Gegenstand y1 in die Brennebene des Gegenstandsraumes, so läuft in bekannter Weise der achsenparallele Strahl nach der Brechung durch den bildseitigen Brennpunkt F' zu dem im Unendlichen liegenden Bildpunkt und schneidet dabei die Achse unter dem Winkel u\. Auch der von G1 nach dem Mittelpunkt M der brechenden Fläche gezogene Strahl verläuft daher unter derselben Neigung u\ nach dem unendlich fernen Bildpunkt. Obwohl das

Bild von y1 = FGl unendlich groß wird, erscheint es doch unter dem bestimmten endlichen Winkel u\ von jedem Punkt der Achse aus, und man nennt daher tang u\ die angulare oder scheinbare Größe des Bildes von FG±. Nach Abb. 78 besteht die Beziehung: (29)

r

~

Vi

tang«; '

in Worten: Die B r e n n w e i t e des B i l d r a u m e s ist gleich dem V e r h ä l t n i s der Größe y1 e i n e s in d e r B r e n n e b e n e d e s G e g e n s t a n d s r a u m e s l i e g e n d e n a c h s e n senkrechten Gegenstandes zur angularen Größe tang s e i n e s im U n endlichen liegenden Bildes. Analog erhält man für die Brennweite / des Gegenstandsraumes: (29a)

/ =

tang M* '

die in Worten entsprechend zu formulieren ist.

8. Brechung und Abbildung durch ein zentriertes System brechender Kugelflächen Der bisher behandelte Fall der Brechung des Lichtes durch eine einzige brechende Kugelfläche tritt in der Praxis nur selten auf, im allgemeinen haben wir es mit brechenden Körpern zu tun, die mindestens von zwei solchen Flächen begrenzt werden oder bei denen mehrere Kugelflächen Medien mit verschiedenen Brechzahlen voneinander trennen. Wir wollen daher jetzt den Strahlenverlauf durch eine Anzahl brechender Kugelflächen verfolgen, deren Mittelpunkte auf einer Geraden, der optischen Achse des Systems liegen (zentriertes optisches System). I n Abb. 79 ist der Längsschnitt durch

optisches System

8. Brechung und Abbildung durch ein zentriertes System brechender Kugelflächen

59

ein solches System mit vier brechenden Kugelflächen gezeichnet, die 5 verschiedene Medien mit den Brechzahlen % < n 2 < w3 < w4 > % voneinander trennen. Wie wir wissen, werden die von einem auf der Achse liegenden leuchtenden Punkt ausgehenden paraxialen Strahlen durch die erste brechende Fläche in einem Achsenpunkt B1 vereinigt, der in Abb. 79 reell ist und im Medium n2 liegt. Dieser Bildpunkt B1 kann für die zweite Fläche als Objektpunkt aufgefaßt werden, die von ihm ein Bild B2 entwirft, das im Medium n3 wieder auf der Achse liegt und im Falle der Abb. 79 ebenfalls reell ist. Die nächste Fläche 3 erzeugt von B2 einen (virtuellen) Bildpunkt B3, der den Gegenstandspunkt für die letzte Fläche 4 bildet, die von ihm einen reellen Bildpunkt B t auf der Achse im Medium n5 erzeugt. Man sieht aus der Abbildung, d a ß a u c h b e i m D u r c h g a n g d u r c h beliebig viele b r e c h e n d e K u g e l f l ä c h e n eines zent r i e r t e n S y s t e m s ein h o m o z e n t r i s c h e s S t r a h l e n b ü s c h e l h o m o z e n t r i s c h b l e i b t . Die folgende Abb. 80 zeigt weiter, wie ein kleiner achsensenkrechter Gegen-

Abb. 80. Abbildung eines Gegenstandes durch ein aus drei brechenden Kugelflächen bestehendes zentriertes optisches System

stand OG' durch drei Kugelflächen in ein reelles Bild B3B3 abgebildet wird. Es ist klar, daß man die Lage des letzten Bildes berechnen kann, wenn man die Krümmungsradien der einzelnen Flächen, ihre gegenseitigen Abstände und die Brechzahlen der verschiedenen Medien kennt. Man hat zu diesem Zweck die Gl. (16 a) mehrmals anzuwenden und dabei zu berücksichtigen, daß b± + g2 = d12, b2 + g3 = d23 usw. ist, wobei dm die Abstände der i-ten und fc-ten Fläche bedeuten. Bezeichnet y1 die Größe des Gegenstandes und ym die des Bildes nach einem Strahlenverlauf durch m brechende Flächen eines zentrierten Systems, so gilt für die Lateralvergrößerung v: Vm v = — ; Vi

hierfür kann man unter Benutzung von Gl. (24) schreiben: v =

Vm

Vi' Vi' 2/3

ym-, 1

=

(nm-1

(jh M ( j h l «2 9i / \ na g2

b

Dies ergibt: (30)

9i

9z 9a

hierbei sind glt g2, g3, • • • gm bzw. bv b2, ba bm die einzelnen (auf die verschiedenen Brechungsflächen bezogenen) Gegenstands- bzw. Bildweiten (siehe z. B. Abb. 80). Analog finden wir für die Angularvergrößerung (das Konvergenzverhältnis) unter Beachtung von (27 a): ,on

(oll

tang u m n y w = -7 = n y tang Ml m m

n

= n

! . v

60

I. Kapitel. Geometrische Optik

Die für eine einzige brechende Fläche von L a g r a n g e aufgestellte Gleichung (28) oder Gl. (28 a) gilt nämlich auch für ein zentriertes System mehrerer brechender Flächen; wir können ja schreiben: nly1 tang ux = n2y2 tang u2 =

nmym tang um ,

so daß auch gilt: (32)

\V\ tang wt = nmym tang um

n

bzw. (für kleine Winkel): (32a)

«iJ/i«! = nmymum

,

wobei sich die Buchstaben mit dem Index 1 auf das Objektmedium und die mit dem Index m auf den Bildraum beziehen: das ist aber bereits die zu beweisende Gleichung (31). Da die Gl. (32) bzw. (32a) für ein System mit mehreren Flächen von H. v o n H e l m h o l t z aufgestellt wurden, werden sie als Lagrange-Helmholtzsehe Gleichungen bezeichnet. Es ist klar, daß, genau wie eine einzelne Kugelfläche, auch ein zentriertes System brechender Flächen zwei Brennpunkte besitzen muß, einen hinteren oder bildseitigen F', in dem sich parallel aus dem Objektraum einfallende Strahlen schneiden (bzw. von dem sie nach der Brechung herzukommen scheinen), und einen objektseitigen vorderen Brennpunkt F, in dem sich diejenigen Strahlen schneiden (bzw. wenn er virtuell ist, herzukommen scheinen), die im Bildraum das System parallel zur Achse verlassen. In Abb. 80 schneidet z . B . der von Q' parallel zur Achse einfallende Strahl beim Austritt aus der letzten Fläche 3 die Achse im bildseitigen Brennpunkt F'. Entsprechend läßt sich der objektseitige Brennpunkt finden, in dem man vom Bildraum achsenparallele Strahlen durch das System schickt, die sich dann im vorderen Brennpunkt F schneiden (in der Abb. nicht gezeichnet). Eine scheinbare Ausnahme bildet das sog. teleskopische System, bei dem Lage und Krümmung der einzelnen Flächen derartig sind, daß ein parallel einfallendes Bündel das System auch wieder als Parallelstrahlenbündel verläßt; in diesem Falle liegen beide Brennpunkte im U n e n d l i c h e n . Außer diesen Brennpunkten des Gesamtsystems hat natürlich jede der brechenden Flächen je einen vorderen und hinteren Brennpunkt (F k , Fk' für die k-te Fläche) und entsprechende Brennweiten (f k , f k '), die jeweils von den Scheitelpunkten an gerechnet werden, wie bisher. Die Abb. 80 zeigt auch die Einzelbrennpunkte (Flt F±, F2, F2, FQ, F3'), während die entsprechenden Brennweiten nicht bezeichnet sind, um die Figur nicht noch mehr zu komplizieren. Haupt- und Knotenebenen. Es ist nun wohl zu beachten, daß mit der Kenntnis der Brennpunkte F und F' des Gesamtsystems noch nicht die zugehörigen Brennweiten / und /' bekannt sind, da nicht von vornherein feststeht, von welchen Punkten des Systems aus sie zu rechnen sind; eine zweckmäßige Festsetzung werden wir aber weiter unten treffen. Ebenso wenig ermöglicht die Kenntnis der Lage der beiden Systembrennpunkte, — anders wie bei der einzelnen brechenden Fläche — Lage und Größe des von dem System entworfenen Bildes zu konstruieren; es sieht also so aus, als müsse man zu dem Zweck den Strahlenverlauf von Fläche zu Fläche verfolgen, wie es z. B . in Abb. 80 für 3 Flächen in der Tat geschehen ist. Es gibt aber, wie zuerst G a u ß gezeigt hat, für jedes beliebige zentrierte optische System zwei ausgezeichnete Ebenen, die es ermöglichen, zu jedem Objekt Lage und Größe des Bildes zu finden, wenn außer ihnen noch die beiden Brennpunkte F und F' gegeben sind. Man findet diese Gauß sehen „Hauptebenen" in folgender Weise: Blendet man aus einem Parallelstrahlenbündel (Abb. 81) durch zwei gleich große ringförmige Blenden Bx und B2 ein ringförmiges Strahlenbündel aus, das parallel zur Achse auf das zentrierte System fällt, so werden die Strahlen so gebrochen, daß sie die letzte Fläche auf einem Kegelmantel verlassen, dessen

8. Brechung und Abbildung durch ein zentriertes System brechender Kugelflächen

61

Spitze der bildseitige Brennpunkt F' auf der Achse des Systems ist. Dieser kann reell (wie in Abb. 81) oder auch virtuell sein. Der wirkliche Strahlenverlauf innerhalb des Systems ist in Abb. 81 nicht gezeichnet und braucht nicht bekannt zu sein. Wir setzen in das austretende konvergente Büschel eine dritte ringförmige Blende Bs, die das konische Lichtbüschel gerade durchläßt. Entfernen wir nun das brechende System und bringen an Stelle des Brennpunktes F' eine punktförmige Lichtquelle, so werden die von F' ausgehenden und die Blende B3 durchsetzenden Strahlen das von der anderen Seite einfallende ringförmige Strahlenbündel in einer Ebene cf6"36' schneiden, deren Lage man dadurch finden kann, daß man die Blende B 2 solange parallel zur Achse

Abb. 81. Experimentelle Bestimmung der Hauptebenen eines optischen Systems

verschiebt, bis sie die von F' kommenden Strahlen gerade durchläßt. ist die b i l d s e i t i g e G a u ß s e h e Hauptebene. F ü h r t man den gleichen Versuch in der umgekehrten Richtung aus, indem man das parallele Licht von der anderen Seite auf das System brechender Flächen auffallen läßt, so erhält man den objektseitigen Brennpunkt F und eine zweite o b j e k t s e i t i g e Hauptebene WX, in der die vom Bildraum einfallenden parallelen Strahlen bei gedachtem geradlinigem Durchgang durch das

de

de'

System eine Knickung nach dem Systembrennpunkt F im Objektraum erfahren. Die Schnittpunkte H und H ' der beiden Hauptebenen mit der Systemachse heißen die Hauptpunkte. Man sieht nun sofort ein, daß man bei Kenntnis der Lage der Brennpunkte und der Hauptebenen Lage und Größe des Bildes eines vorgegebenen Gegenstandes finden kann, ohne den wirklichen Strahlenverlauf durch das System zu kennen. I n Abb. 82 befinde sich bei G ein achsensenkrechter Gegenstand 0GV Wir ziehen von einen achsenparallelen Strahl sowie einen Strahl durch den objektseitigen Brennpunkt F. Damit erhält man auf der objektseitigen Hauptebene ctCX die Schnittpunkte A und C. Diesen beiden Punkten entsprechen auf der beidseitigen Hauptebene zwei P u n k t e A' und C' in gleichem Abstand von der Achse wie A und C. Von A' ziehen wir einen

62

I. Kapitel. Geometrische Optik

Strahl durch den bildseitigen Brennpunkt F' und von C' aus einen achsenparallelen Strahl, die sich beide in dem Bildpunkt Bx von G1 schneiden. Nach dieser Methode kann man zu jedem Punkt des Gegenstandes GG' den zugehörigen Bildpunkt finden. Des weiteren folgt nun, da jedem Punkt der ersten Hauptebene Pf? und der Brennpunkte F und F' von den Scheitelpunkten. Nach Abb. 85 ist: (43)

y> = a + / j ,

y> i = a' + /J

sowie h =

(44)

h'=r 5

B e r g m a n n - S c h a e f e r , III, 1

f~ •y = f—o—f

1.

I. Kapitel. Geometrische Optik

66

Setzen wir nun in den Gl. (38) bis (44) die Werte für flt f'lt / 2 , /'2 aus den Gl. (17) auf S. 51 ein, so finden wir für den Fall, daß die beiden Kugelflächen 1 und 2 die drei Medien mit den Brechzahlen nlt n2, n3 voneinander trennen, die folgenden Gleichungen: (38 a)

a'

=

(39 a)

a

=

(40 a)

it '

(41a)

/=

(42 a)

r\ (n2 - nt) t-nJN %n2rl («3 — nz) {n2 — N n^r^ N

^ _

n n

l 2 rlr2 N

(n2 — wt) («3 -n2)d — n2r1 (re3 — n2) — n2r2 (n2 — (»lü — rij) (n3 — »j) n r

(43 a)

V =

i i ("2 — %) [(% — n^d — n2r2] (n2 - iii) N

v' =

n3r2 (n3 — n2)\{n2 — n^d — w2rt] (n3 — ni) N

A = (44 a)

Ä' =

n r

i i (n3 — w2) d N

n r

3 i (n2 — nl) d N

wobei zur Abkürzung gesetzt ist: N = (n2 — %) (w3 —n2)d—

n2 rt (n3 — w2) — w2 r2 (n2 — wx) .

9. Abbildung durch Linsen Unter einer (sphärischen) Linse 1 ) versteht man einen von zwei zentrierten Kugelflächen bzw. von einer Kugelfläche und einer Ebene begrenzten Körper aus einem lichtdurchlässigen Stoff. J e nach Anordnung der begrenzenden Flächen gibt es sechs verschiedene Formen, deren Querschnitte in Abb. 86 wiedergegeben sind. Die ersten drei Arten, die in der Mitte dicker als am Rande sind, heißen allgemein Sammellinsen; sie haben die Eigenschaft, achsenparallel auffallende Strahlen konvergent zu machen, so daß sich diese in einem (im allgemeinen) außerhalb auf der anderen Seite der Linse liegenden reellen Brennpunkt vereinigen ( k o l l e k t i v e s S y s t e m ) 2 ) . Man nennt daher Sammellinsen häufig auch p o s i t i v e L i n s e n . Man unterscheidet b i k o n v e x e (Abb.86a), p l a n k o n v e x e (Abb. 86b) und k o n k a v k o n v e x e (Abb. 86c) Sammellinsen; Linsen der letzten Art werden vielfach auch p o s i t i v e M e n i s k e n genannt. Die übrigen drei Arten, die in der Mitte dünner als am Rande sind, heißen Zerstreuungslinsen; durch sie werden achsenparallel auffallende Strahlen divergent gemacht ( d i s p a n s i v e s S y s t e m ) , so daß sie von einem auf der Seite des einfallenden Lichtes liegenden virtuellen Brennpunkt herzukommen scheinen. Diese Linsen werden daher auch häufig als n e g a t i v e Außer den am häufigsten benutzten sphärischen Linsen gibt es in der Optik auch asphärisehe Linsen, bei denen an Stelle der Kugelflächen andere Rotationsflächen z. B. parabolische Flächen treten. Eine besondere Linsenart sind die Z y l i n d e r l i n s e n , die entweder von zwei achsenparallelen Zylinderflächen oder einer Zylinderfläche und einer Kugelfläche oder einer Ebene begrenzt werden. 2 ) Dies gilt nicht mehr, wenn die Linse sehr dick ist (sog. Stablinse); hier kann es vorkommen, daß eine solche Linse ein dispansives System ist. Wir geben weiter unten ein Beispiel dafür.

9. Abbildung durch Linsen

67

L i n s e n bezeichnet. Man unterscheidet b i k o n k a v e (Abb. 86d), p l a n k o n k a v e (Abb. 86e) und k o n v e x k o n k a v e (Abb. 86 f) Zerstreuungslinsen; letztere heißen auch n e g a t i v e M e n i s k e n . — I n Abb. 87 ist der typische Verlauf achsenparalleler paraxialer Strahlen durch eine Sammellinse und eine Zerstreuungslinse wiedergegeben. Diese Aufnahmen sowie die weiter unten folgenden Abb. 94, 95, 96, 100, 106, 107, 112 wurden so gewonnen, daß aus einem parallelen Strahlenbündel mittels fünf schmaler Blenden fünf Lichtstrahlen ausgeblendet wurden, deren Bahn auf einem weißen Schirm sichtbar wird, über den die Strahlen entlang laufen. Als Linse diente ein von Zylinderflächen begrenztes Glasstück vom Querschnitt der Abb. 86 a bzw. 86 d.

A i

1I a

b

Abb. 86. Querschnitte verschiedener Sammel- (a, b, c) und Zerstreuungslinsen (d, e, /) o) bikonvex, b) plankonvex, c) konkavkonvex, d) bikonkav, e) plankonkav, /) konvexkonkav

a

b

Abb. 87. Verlauf achsenparalleler Strahlen durch eine bikonvexe (o) und eine bikonkave (ft) Linse

Allgemein gesprochen unterscheiden sich die Linsenarten nur durch den Abstand d der begrenzenden Flächen, durch die Größe und das Vorzeichen der beiden Kugelradien r1 und r2 und den Brechungsquotienten des Linsenmaterials. Bezeichnen wir letzteren mit n2 =n und nehmen wir an, was meistens der Fall ist, daß die Linsen sich in L u f t mit % = Wj = 1 befinden, so nehmen die in der vorhergehenden Nummer abgeleiteten Gleichungen (38a) bis (44a) die folgende Gestalt an: (38b)

ff

=

(39b)

ff

=

(40 b)

(«b) (42b)

in -

rx)ra+ d(n — 1)J nr\

( » -

+ d(n — 1)J

nrtr2 l)[(r«- r^n + d(n — 1)] nr^t / = ( » - 1 ) [ ( ' , - rjn + d(n — 1)1 n(r2 + .d(n - 1) A = n— 1 /' = •

( » -

= r,

1. Kapitel. Geometrische Optik

68 ip = (43 b)

nr1 r2 + rx (n — 1) d + d(n-l)\

(n-i)[(ri-ri)n

'

nr^r^ — r2(n — l)d mrz-rjn + din-l)] — rxd h = (r2 — r^n + d (n — 1)

(44 b)

h' =

'

(?-2 — r1)n + d(n — 1)

Aus den Gl. (40 b) und (41b) ersieht man zunächst, daß die beiden Brennweiten einer Linse gleich sind, da das Medium vor und hinter der Linse dieselbe Brechzahl hat. Für das Verhältnis von hjh' ergibt sich: h F = _ ^ d. h. d i e A b s t ä n d e d e r H a u p t p u n k t e v o n d e n F l ä c h e n s c h e i t e l n v e r h a l t e n s i c h , a b g e s e h e n v o m V o r z e i c h e n , wie d i e K r ü m m u n g s r a d i e n d e r z u g e h ö r i g e n Flächen. Die Hauptpunkte rücken also den Scheiteln der Linse immer näher, je stärker diese gekrümmt sind. Für das P r o d u k t d e r b e i d e n S c h e i t e l w e i t e n d e r L i n s e n b r e n n p u n k t e ergibt sich die einfache Beziehung: =

/ ( / - £ ) '

die man zur Kontrolle der tp-Werte benutzen kann. Wie bei einer einzelnen brechenden Fläche bezeichnet man auch bei einer Linse als B r e c h k r a f t D den reziproken Wert der Brennweite / (s. S. 52). Es ist also: (45)

D

/

Ui

H

(n - l)«il nr1r3

Als Beispiele betrachten wir die folgenden Linsentypen:

S2 H

, \H% a

b

c

d

e

Abb. 88. Lage der Hauptpunkte bzw. Ebenen bei den verschiedenen Linsenarten

1. B i k o n v e x l i n s e m i t g l e i c h e n K r ü m m u n g s r a d i e n r1 = r, r2 = — r . Dann folgt aus Gl. (40 b) oder (41b):

/ = /' =

(Abb. 88a). Hier ist

(n — 1)[2 rn - d (n - 1)]

2 rn Die Brennweiten sind also positiv, solange die Linsendicke t i < — ~ j-ist, was fast

immer der Fall ist (daher die Bezeichnung positive Linse). Für die Brechkraft D folgt aus Gl. (45): '2 (n — l)d' D = (n — 1)

9. Abbildung durch Linsen

69

Aus den Gl. (43 b) ergibt sich für die Scheitelweiten der Brennpunkte: nr2 — r (n — 1) d

, V = V =

_ i)[2 rn — d(n — 1)J '

und aus den Gl. (44 b) folgt für die Abstände der Hauptpunkte von den Scheitelpunkten: h — h' =

Abb. 89.

rd 2rn - d(n - 1) "

Lage der Brenn- und Hauptpunkte beibikonvexen Linsen von kugel- bzw. stabförmiger Gestalt

Die H a u p t p u n k t e

liegen also gleichweit

von den

Scheitelpunkten (2w x) ab, u n d z w a r im L i n s e n i n n e r e n (Abb. 88a), s o l a n g e d < - - — i s t ; wenn r

nämlich d =

r

— i

n —1

s

t

wird, wie man leicht ausrechnet, h =

r

^n—- — - = d, d. h. n — 1

die Hauptpunkte fallen in die Scheitelpunkte. Für eine Glassorte mit n = 1,5 finden wir als Brennweiten der Bikonvexlinse: 6 r2 _ ^ 6r— d 1 = %p' -

6 r2 -

bzw. für d klein gegen 6r: y = y>'

=

2

rd

6r-d r

1 ,

= r +

d/6,

1

r + dj 6 '

und und

h = h' =

2 dr 6r — d

1 h = h' — - ^ d .

Aus diesen letzten Gleichungen kann man ein sehr merkwürdiges Verhalten sehr dicker bikonvexer Linsen von kugel- bzw. stabförmiger Gestalt (Abb. 89) ablesen. Für eine Linse von Kugelform, d. h. d = 2r, rückt der Brennpunkt bis auf y> = y>' = r/2 an die Linsenfläehe heran (Abb. 89a).

I. Kapitel. Geometrische Optik

70

Wird d = 3 r, so wird rp = tp' = 0, d. h. die Brennpunkte liegen in den Scheitelpunkten (Abb. 89 b). Mit weiter zunehmender Dicke rücken die Brennpunkte sogar in das Linseninnere hinein (Abb. 89 c), um schließlich bei d = 6 r, ebenso wie die beiden Hauptpunkte, nach beiden Seiten ins Unendliche zu wandern (Abb. 89d). In diesem Fall stellt die stabförmige Linse ein t e l e s k o p i s c h e s S y s t e m dar. Vergrößert man die Linsendicke noch weiter (d > 6 r), so rücken die Brenn- und Hauptpunkte von den entgegengesetzten Seiten wieder auf die Scheitelpunkte der Linse zu. In den Fällen der Abb. 89 a bis 89 c liegt — im Sinne der Lichtbewegung — F vor H und H' vor F': Die Stablinse wirkt also als k o l l e k t i v e s S y s t e m mit positiven Brennweiten / (und /'). Dagegen ist im Falle der Abb. 89e die Lage der genannten Punkte umgekehrt: die Brennweiten / (und /') sind negativ, das System ist jetzt d i s p a n s i v . Den Übergang bildet der teleskopische Fall der Abb. 89d. Ausdrücklich sei bemerkt, daß diese Bezeichnung nichts mit der Frage zu tun hat, ob die Linse reelle oder virtuelle Bilder erzeugt. Die Stablinse Abb. 89e kann reelle, aufrechte Bilder erzeugen, obwohl das System dispansiv genannt wird. Man vergleiche auch diegraph. Darstellung in Abb. 90, aus der hervorgeht, daß der teleskopische Fall die Grenze zwischen positiven und negativen Brennweiten darstellt. 2. B i k o n k a v l i n s e m i t gleichen K r ü m m u n g s r a d i e n (Abb. 8 8 d ) : Hier ist rt = — r; r 2 = r. D a n n folgt a u s Gl. (40b) bzw. ( 4 1 b ) :

/ = /' = - 20 r

/Kl « . 2

(n — 1)[2 rn + d(n— 1)] '

D a der Nenner immer positiv ist, bleiben die B r e n n w e i t e n s t e t s n e g a t i v (daher die Bezeichnung negative Linse). F ü r die Brechkraft folgt a u s (45):

- 10 r

Aus Gl. (43b) bzw. (44b) ergibt sich:

nr 2 + r (n — 1) d (n - l ) [ 2 r » + d (w — 1)] h =

h'

=

rd 2rn + d(n — 1) "

Die H a u p t p u n k t e liegen also stets i n n e r h a l b d e r L i n s e in g l e i c h e n A b s t ä n d e n von den Linsenscheiteln. Abb.90. Diagramm zur graphischen Ermittlung der Brennweite / (Abstand des Brennpunktes von dem Hauptpunkt), der Größe ip (Abstand des Brennpunktes vom Scheitelpunkt) und des gegenseitigen Abstandes HH' der beiden Hauptpunkte bei bikonvexen Linsen von kugel- bzw. stabförmiger Gestalt

Für w = drücke : ^ j,

1,5 ergeben sich die Aus-

—6 r*

6r+ d

und D = -

6r + ( 6 r2

I s t d / 6 r klein gegen 1, so kann m a n d a f ü r schreiben: / = /' = — r ( l — d/6r) = — (r — d/Q) und D = Ferner i s t :

ip = yj

2 rd 6r + d

— r 1 + d/6 r

1 r - dl 6 "

und

h = h' =

2

dr

6r +

1 + d/Qr

9. Abbildung durch Linsen

71

bzw. für d klein gegen 6 r: %p = tp' == — (r -)- -i- d) ö

und

h = h' = -i- d . O

3. P l a n k o n v e x l i n s e (Abb. 88b). Bei dieser ist entweder r 1 = r , r a = oo, oder r 2 = — - r und = oo . Im e r s t e n Fall dividieren wir in Gl. (40b) oder (41b) Zähler und Nenner durch r2. Dies liefert: nr, ( » - 1) / / n+ d ( » - 1) und ergibt: '

und

w— 1

'

r Zu derselben Gleichung gelangt man aber auch im z w e i t e n Falle. D i e B r e n n w e i t e n der P l a n k o n v e x l i n s e s i n d a l s o s t e t s p o s i t i v , und z w a r u n a b h ä n g i g von der D i c k e der L i n s e . Diese wirkt also immer als Sammellinse. In derselben Weise erhalten wir aus (43 b) oder (44 b) für rt = r und r 2 = oo:

und

r V—lT^l'

V

,

nr — (n — 1) d ( » - 1) n "

h = 0 ;

h' = - . n D e r H a u p t p u n k t H f ä l l t a l s o m i t dem S c h e i t e l p u n k t /Sx der K u g e l f l ä c h e 1 z u s a m m e n , w ä h r e n d H' i n s L i n s e n i n n e r e f ä l l t . Für f j = oo und r2 = — r sind die Werte von ip und xp' bzw. von h und h' gerade vertauscht. Für n — 1,5 erhalten wir:

V» = 2r;

y>' = 2

h —0 ;

(r—j)>

=

4. P l a n k o n k a v l i n s e (Abb. 88e). Bei dieser ist ebenfalls eine Fläche eben, die andere konkav. Es ist also entweder = — r, r2 — oo oder aber r t = oo , r2 = r . Dies ergibt in beiden Fällen: / = /' = -—^r ; ' ' nW < — I1 '

D =

I n f o l g e der n e g a t i v e n B r e n n w e i t e w i r k t Für ri = — r, r2 = oo erhalten wir ferner: n- 1 ' h = 0 ; während für r2=r, vertauschen.

r

V =

-

n

— 1 . V

die L i n s e s t e t s

zerstreuend.

nr — (n — l)d (n - 1) n —, n

r1 = oo die Werte von y und y>' sich ebenso wie die von h und h'

I. Kapitel. Geometrische Optik

72 Mit n = 1,5 ergibt sich:

/ = /'=—

2r ;

D = -

1

2r '

f = — 2r ;

•y/ = — 2 ^

h —0 ;

h' =

d 3

2d

5. K o n k a v k o n v e x l i n s e (Abb. 88c). Bei dieser Linse, die auch p o s i t i v e r Meniskus genannt wird, sind je nach der Stellung der Linse zum einfallenden Licht r t und r 2 beide positiv und r 2 > r1 (wie in Abb. 88c) oder r1 und r2 beide negativ und rx > r 2 . In beiden Fällen bleibt r 2 — rx stets positiv; aus den allgemeinen Gl. (40b) und (41b), in denen der Nenner in unserem Falle stets positiv ist, folgt, daß auch / = /' s t e t s p o s i t i v sind. Die K o n k a v k o n v e x l i n s e w i r k t also s t e t s als S a m m e l l i n s e . Auch die Brechkraft ist natürlich immer positiv. Für y>, y>', h, h' gelten die allgemeinen Formeln (43 b) und (44 b) mit der Maßgabe, daß r 2 — rx in ihnen positiv zu nehmen ist. D e r H a u p t p u n k t , der zur s t ä r k e r g e k r ü m m t e n F l ä c h e g e h ö r t (z. B. H f ü r r, < r 2 ) l i e g t , wie man aus dem Vorzeichen erkennt, s t e t s a u ß e r h a l b der L i n s e . Bei abnehmender Differenz der Krümmungen rückt er immer weiter heraus, so daß auch der zweite Hauptpunkt auf der gleichen Seite der Linse heraustreten kann, wie dies z. B. in Abb. 88c der Fall ist. Für den Sonderfall n = 1,5 ergibt sich: f

'

_ fr '

_ 3 (r^-rj + d' 6 rx r2 + 2 rt d 3 (r2 + d5

=

V

=

,

— 2rxd ~ 3 (r2 - rt) + d

D =

, V

=

,, ''

h

3 (r2 — r t ) + d _ ®rir2 6 rt r2 — 2 r2 d 3 (r2 - rx) + d ''

2r2d ~ 3 (r2 - rx) + d '

6. K o n v e x k o n k a v l i n s e (Abb. 88f). Bei diesem n e g a t i v e n M e n i s k u s sind wieder je nach Stellung der Linse zum einfallenden Licht r1 und r 2 beide negativ und I r i I < I r 2 I (wie in Abb. 88c) oder rx und r 2 beide positiv und rx > r 2 . In beiden Fällen ist aber jetzt r 2 — r1 n e g a t i v . Aus der allgemeinen Gl. (40b) oder (41b)

/ = /' = ( » -

l)[(r 2 -r1)n

+ d(n-

1)]

folgt also, daß / = /' sowohl negative wie positive Werte annehmen kann. Die Brennweite ist negativ, wenn

(r2 — r x ) w

d (n — 1) < 0 d.h. d < —

fl d < ^ _ ^ | r2 — 7*2 [ ist. D a n n w i r k t der Meniskus als

n

oder

Zerstreuungslinse.

Für y> und ip', h und h' gelten wieder die allgemeinen Gl. (43b) und (44b), aber hier mit der Maßgabe, daß r 2 — r1 n e g a t i v ist. Von den b e i d e n H a u p t p u n k t e n f ä l l t wieder der zur s t ä r k e r g e k r ü m m t e n F l ä c h e g e h ö r e n d e a u ß e r h a l b der L i n s e . Bei genügender Dicke kann auch der zweite aus der Linse herauswandern, wie es in Abb. 88f der Fall ist. Wird aber d >

n

n

|r2 — »11, so werden / u n d / ' p o s i t i v , und der M e n i s k u s

w i r k t als S a m m e l l i n s e . Den Übergang zwischen den beiden Möglichkeiten bildet der t e l e s k o p i s c h e F a l l , der eintritt, wenn d =

n

n

| r2 — rx \. Dann sind f = f = h = h' = y> = ip' = oo.

9. Abbildung durch Linsen

73

Einen besonderen F a l l stellt schließlich eine „ L i n s e m i t N u l l k r ü m m u n g " dar, bei der beide Flächen den gleichen Krümmungsradius r haben, so daß r 2 — r x = 0 w i r d . Dann haben wir: ,= nr2 . (w- l)2d . D = ' ' (w-l)2d' nr2 V

nr2 + r (n — 1) d (n - l)2 d '

=

, V

T — ; n— 1 '

h =

nr2 — r (n — 1) d (n - 1 )2d '

=

h

=

T n— 1

D i e s e L i n s e w i r k t a l s o s t e t s a l s S a m m e l l i n s e . Die beiden Hauptpunkte liegen außerhalb der Linse und zwar vor der konvex gekrümmten Fläche. Der Abstand der beiden Hauptpunkte ist d — (h + h') = d , also gleich der Linsendicke. F ü r n — 1,5 gehen die obigen Gleichungen über i n : / =1 f =

• '

d

1

D = ~ 2• 6r '

6r2 + 2rd v

=



d



, ;

Gr2-2rd

v

=



d



;

Ä' = 2 r .

h = — 2r ;

Dünne Linsen. Besonders einfach werden die Verhältnisse bei dünnen Linsen, bei denen die Dicke d der Linse, gegenüber den Krümmungsradien der Linsenflächen so klein wird, daß man d(n — 1) gegenüber n(r2 — vernachlässigen darf. Dann treten an Stelle der Gl. (40b) bis (44b) die folgenden: =

( w

_ l ) ( l _ l ) .

E s bleibe dem Leser überlassen, die oben aufgestellten Gleichungen für die verschiedenen Linsentypen auf den F a l l dünner Linsen zu spezialisieren. Macht man die Linse schließlich so dünn, daß man ihre Dicke ganz vernachlässigen darf, so spricht man von s e h r d ü n n e n oder i d e e l l e n Linsen. Die Gl. ( 4 0 c ) bis (42c) bleiben bestehen, die Gl. ( 4 3 c ) für ip und ip' werden mit (40c) und (41c) identisch, d. h. es wird ip = yj' = / = /' und aus (44 c) folgt h = h' — 0. E s fallen also die Scheitelpunkte mit den beiden Hauptpunkten in dem sog. o p t i s c h e n M i t t e l p u n k t (siehe weiter unten) der Linse zusammen.

74

I. Kapitel. Geometrische Optik

Natürlich hätte man die Verhältnisse bei dünnen und ideellen Linsen auf einfachere Weise direkt herleiten können, wie es in der Schulbuchliteratur zu geschehen pflegt. Wir haben demgegenüber Wert darauf gelegt, die dünnen Linsen als Spezialfall eines zentrierten Systems zu behandeln. Abbildung durch Linsen. Für die Abbildung eines Gegenstandes durch Linsen gelten natürlich dieselben Vorschriften wie bei einem zentrierten System. Man zieht zunächst von dem betreffenden Punkt, z. B. G1 in Abb. 91, einen achsenparallelen Strahl bis zum "TW Ö JB?' C

OV

Schnittpunkt A' mit der bildseitigen Hauptebene 36'. Von A' zieht man einen Strahl durch den bildseitigen Brennpunkt F'. Von G1 zieht man einen zweiten Strahl durch den objektseitigen Brennpunkt F, der die Hauptebene 36 in C schneidet. Von C zieht man einen achsenparallelen Strahl, der den durch F' verlaufenden Strahl A'F' im Punkte B', dem Bildpunkt zu G1, schneidet. Verbindet man ferner G1 mit dem Haupt-

Abb. 92. Bildkonstruktion bei einer bikonkaven Linse mit Hilfe der Hauptebenen und Hauptpunkte Abb. 93. Bildkonstruktion bei einer dünnen bikonvexen Linse für den Fall, daß der Gegenstand zwischen Brennpunkt und Linse liegt

punkt H, der wegen / = /' gleichzeitig objektseitiger Knotenpunkt der Linse ist, so geht eine durch den bildseitigen Knoten- bzw. H a u p t p u n k t H' zu G-JI gezogene Parallele ebenfalls durch B'. Bei einer sehr dünnen Linse fallen 26 und q ,

d. h. r > q \ v \ (schwache Vergrößerung)

und im Grenzfall ist: r' = q , d. h. r = q \ v \

(NormalVergrößerung).

Nehmen wir beispielsweise g = 2 mm und eine Vergrößerung | v \ = f j \ / 2 | = 4 an, so muß der Radius des Objektivs r = 2-4 mm = 8 mm sein, damit die gegebene Vergrößerung 4 die Normalvergrößerung wird; denn dann ist gerade r ' = r/1 v | = 8 mm/4 = 2 mm = g. Würde man r — 16 mm wählen, so läge der Fall vor, daß r' = 16 mm/4 = 4 mm, d. h. r' > g ist. Die Vergrößerung 4 ist dann kleiner als die Normalvergrößerung. Umgekehrt, wenn man r — 4 mm wählt, dann ist 8*

116

I. Kapitel. Geometrische Optik

r' = r/\ v | = 4 mm/4 = 1 mm, d. h. r' < Q, | v | = 4 ist hier größer als die Normalvergrößerung. —• Betont sei noch, daß das Gesichtsfeld des G a l i l e i s e h e n Fernrohrs niemals scharf begrenzt ist, da die Gesichtsfeldblende (bzw. ihr Bild) im Endlichen, also nicht a m Bildort liegt. F ü r den Fall, daß das Objektiv die Gesichtsfeldblende darstellt, findet man die Größe des Gesichtsfeldwinkels an H a n d der Abb. 150. Der in das Fernrohr einfallende Strahl S falle gerade unter

dem Gesichtsfeldwinkel y am Rande des Objektivs ein. Er muß dann im Bildraum unter dem konjugierten Winkel w durch die Mitte der dicht hinter dem Okular befindlichen Augenpupille A hindurchgehen. Dann ist: tangw =

'

TT^TTTT'

und im Hinblick auf die Gültigkeit der Beziehung v = (56)

tang y :

y =

W

tangy

folgt weiter:

1

h-\k\

Radius des Objektivs , d. h. die sog. r e l a t i v e O b j e k t i v ö f f Länge des Fernrohrs n u n g , und da das Gesichtsfeld natürlich dem Quadrat des Gesichtsfeldwinkels proportional ist, folgt aus (56), d a ß es u m g e k e h r t p r o p o r t i o n a l d e m Q u a d r a t d e r V e r g r ö ß e r u n g u n d d i r e k t p r o p o r t i o n a l der r e l a t i v e n O b j e k t i v ö f f n u n g ist. r j ( f 1 — | / 2 |) ist aber das Verhältnis

Abb. 151. Strahlenverlauf im astronomischen Fernrohr

In der Praxis besteht die Objektivlinse des Galileischen Fernrohrs zur Vermeidung der sphärischen und chromatischen (s. S. 173) Aberration aus einer verkitteten Doppellinse. Das Okular ist dagegen meistens eine einfache Zerstreuungslinse. Zur Betrachtung irdischer, also in endlicher Entfernung liegender Gegenstände muß die Entfernung zwischen Objektiv und Okular zwecks Scharfeinstellung des Bildes etwas vergrößert werden. Zwei im Augenabstand parallel zueinander angeordnete Galilei-Fernrohre bilden das sog. O p e r n - oder T h e a t e r g l a s . Das astronomische oder Keplersche Fernrohr. (J. K e p l e r , 1611.) Bei diesem besteht das Objektiv aus einer langbrennweitigen, das Okular aus einer kurzbrennweitigen Sammellinse, die in dem Abstand der Summe ihrer Brennweiten angeordnet sind (Abb. 151). Damit ist wieder ein teleskopischer Strahlengang hergestellt. Das Objektiv erzeugt von einem fernen Gegenstand in seiner Brennebene ein umgekehrtes, reelles,

12. Das Auge und die optischen Instrumente

117

stark verkleinertes Bild, dieses wird durch das als Lupe fungierende Okular betrachtet. Infolgedessen sieht das Auge vom Gegenstand ein umgekehrtes vergrößertes virtuelles Bild, dabei muß das Auge „auf Unendlich" akkomodieren, da das durch das Okular betrachtete Bild in seiner Brennebene liegt, so daß die aus dem Okular austretenden Strahlen parallel verlaufen. Um die subjektive Vergrößerung dieses Fernrohrs zu berechnen, verfolgen wir in Abb. 151 den durch die Objektivmitte 01 unter dem Winkel

(?' ist oder daß die Vergrößerung des Instrumentes die Normalvergrößerung überschreitet. Dann ist die Augenpupille, im Gegensatz zum eben behandelten Fall und zum Sehen ohne Instrument, n i c h t Qa

ausgefüllt, und so wird die Helligkeit im Verhältnis ^ H*

(

_

d

HT ~ \QaI \Ta

.

h.

H* < m

f ü r p' 1

I s t die N o r m a l v e r g r ö ß e r u n g ü b e r s c h r i t t e n , so i s t die m i t I n s t r u m e n t b e o b a c h t e t e H e l l i g k e i t H* s t e t s k l e i n e r a l s d i e n a t ü r l i c h e H e l l i g k e i t H*. Man kann diese Gleichung für das Fernrohr etwas umschreiben:

Darin ist nun-^gleich der Vergrößerung v des Fernrohrs; also folgt:

C

5-(£)'•

Hätte das Fernrohr gerade die Vergrößerung vn, so wäre q' = oA, und es folgt dann aus (84) oder (84a) H* = H*. Dann kann man aus (84a) d e n Radius g der Eintrittspupille, d. h. des Objektivs, bestimmen, der gerade ausreicht, um H* = H* zu machen: Q = Qa vn • Hätte man z. B. eine Normalvergrößerung vn = 50, so müßte das Objektiv den Radius = 50 Qa cm besitzen, um volle Helligkeit zu liefern. Nimmt man den Radius der Augenpupille überschlagsweise zu 0,2 cm an, so gäbe das ein Objektiv von 10 cm Radius; das liefert dann die volle Helligkeit H* — Hq. Würden wir aber die Vergrößerung über die Normalvergrößerung steigern, etwa v = 2 vn = 100 wählen, so wäre q/q' — 100, also q' = 0,1 cm, während der Augenpupillenradius 0,2 cm ist. Also würde die Helligkeit H* nach (84) sein: H*

-(£)'-(SM*H'=iH!

Da die Normalvergrößerung — ist, weil für sie q0 == gA wird, kann man die für Vergrößerung vn — — Qa

das Fernrohr gültige Gleichung (84a) in die Form bringen:

17. Helligkeitsverhältnisse bei den optischen Instrumenten

151

Daraus ersieht man unmittelbar die Richtigkeit des folgenden Satzes: J e m e h r d i e N o r m a l v e r g r ö ß e r u n g d e s F e r n r o h r s ü b e r s c h r i t t e n w i r d , u m so w e n i g e r hell wird das von ihm e r z e u g t e Bild. Kein optisches Instrument kann also die Leuchtdichte (Flächenhelligkeit) e* eines Objektes vergrößern. W o h l a b e r i s t es i m s t a n d e , d i e B e l e u c h t u n g , d. h. d e n L i c h t s t r o m p r o F l ä c h e n e i n h e i t zu v e r g r ö ß e r n . Wenn wir uns an die Verhältnisse der Abb. 182 anschließen, so wird dort von einer Fläche ¿d/S1( mit der Flächenhelle e* (den Index können wir jetzt als überflüssig fortlassen) ein Lichtstrom in einen Kegel vom halben Öffnungswinkel u x gestrahlt und nach Passieren des Instruments in einem Kegel vom halben Öffnungswinkel u2 auf A82> dem Bilde von ASX, konzentriert. Da die Flächenhelle vonzl/S^ undzl/S 2 dieselbe ist, wie vorhin bewiesen, lautet mit dieser Vereinfachung die Gleichung für 0 * : 0*

sin 2 «!

= ne*AS1

= m*A

S2

sin2u2 .

Man kann nun diese Formel sowohl von links nach rechts (/hS^ strahlendes, AS2 empfangendes Flächenelement) als auch von rechts nach links (A82 strahlendes, ASj^ empfangendes Element) lesen. Im ersteren Falle erzeugt der Licht0*

ström 0* auf AS2 die Beleuchtung ¿Jf =

sin2w2

=

im zweiten Falle auf AS± dagegen die Beleuchtung E* = sin 2 «!. Die Beleuchtung kann also durch ein optisches Instrument vermehrt werden, dazu ist nur erforderlich, daß das Bild AS2 von verkleinert ist. Denn der gleiche Lichtstrom wird dann durch die Abbildung auf einer kleineren Fläche konzentriert. Man kann daher die Funktion der optischen Instrumente auch so ausdrücken: Die optischen Instrumente vermögen die Beleuchtungsstärke E* zu vergrößern, während die Flächenhelle e* unverändert bleibt.

Tie*

Ein einfaches Beispiel mag dies noch näher erläutern: Durch eine Linse vom Radius R und einer Brennweite / wollen wir ein Sonnenbild entwerfen. Dann ist nach dem Vorhergehenden die Flächenhelle des Bildes genau die gleiche wie die der Sonne. Aber die Beleuchtung ist Abb. 183. Zur Berechnung erheblich vergrößert, wie wir zeigen werden. Wenn das Sonnenbildchen der Beleuchtungsstärke in einem Sonnenbildchen den Radius g, also die Fläche no 2 hat, so muß das Produkt aus Linsenfläche und der Beleuchtung Ef derselben gleich dem Produkt aus Fläche des Sonnenbildes und dessen Beleuchtung E$ sein. Denn beide Produkte stellen den Lichtstrom 0 * dar, der auf die Linse auftrifft: 0* = EfnR 2

= E*7iq*

,

also: E*

_

R*

E*

-

g« *

Wir müssen also den Radius g berechnen (Abb. 183). Vom Mittelpunkt der Linie erscheint die Sonne unter einem Winkel von 32'. Die durch die Mitte der Linse gehenden Randstrahlen von der Sonne sind auch die Randstrahlen des Bildes. Wegen der Kleinheit der Winkel kann man g/f — t g l 6 ' = 16' setzen; man findet dann aus der Logarithmentafel für das Verhältnis g/f den Wert 0,0047. Also ist g = 0,0047 /. Damit wird die letzte Gleichung für das Verhältnis der Beleuchtungen: Et

f

47 2

4f

^ 7 U /• •

Die Beleuchtungssteigerung im Sonnenbildchen ist also, wie zu erwarten, proportional dem Quadrate des Öffnungsverhältnisse der Linse; für R = f würde die Steigerung rund das 45 tausendfache betragen.

II. Kapitel. Photometrie

152

Punktförmige Lichtquellen, Besonderheiten zeigen punktförmige Lichtquellen; in Gl. (77) auf S. 136 hatten wir für die natürliche Helligkeit H* einer solchen den Ausdruck gefunden: (77)

J*71Q\

=

-

a

Denn H* ist bestimmt durch den Lichtstrom der durch die Pupillenöffnung des Auges TIQ\ hindurchtritt. Wird aber ein Fernrohr benutzt, dessen Eintrittspupille (Objektivöffnung) durch no 2 gegeben ist, so tritt der größere Lichtstrom (TY* _ J*KQ2 r2 in das Instrument. Falls dieser vom Auge g a n z aufgenommen wird, was der Fall ist, wenn Q' Qa, SO wird als Helligkeit mit Instrument eben dieser Lichtstrom beurteilt. Es gilt also: (85)

§ ! = ( ¿ ) ' für

e>

Qä. D a n n w i r k t d i e A u g e n p u p i l l e TCQJ a l s A u s t r i t t s p u p i l l e , da sie jetzt den Strahlengang begrenzt. Das bedeutet, daß wir dann nicht mehr die b i s h e r i g e Eintrittspupille haben. Denn stets ist ja die Eintrittspupille das durch das optische System von der A u s t r i t t s p u p i l l e im Objektraum entworfene Bild. Die Eintrittspupille ist also jetzt verkleinert, und da immer für das Fernrohr gilt V — Q/Q', d. h. G = O'V, so gilt als Radius der nun wirksamen Eintrittspupille Q = QAV. J*TIQ\V*

Mithin ist die Helligkeit H jetzt gleich — (86)

%

=

f Ü r

, und für das Helligkeitsverhältnis folgt: S'>QÄ-

Das Fernrohr steigert also die Punkthelligkeit in diesem Falle auf das V2 fache der natürlichen Helligkeit HQ . Für V = VN gehen die Gleichungen (86) und (85) ineinander über, da in (85 a) dann e = y - = 1 geworden ist. Es kann also die Helligkeit eines punktförmigen Objektes sehr erheblich gesteigert werden. Dies tritt z. B. ein, wenn das Objekt ein Fixstern ist. Während der flächenhafte Untergrund des Himmels höchstens mit der natürlichen Helligkeit H* gesehen wird, wird die Helligkeit H* des Sterns sehr erheblich (bis zu V2H^) gesteigert. Darauf beruht es, daß man mit dem Fernrohr Sterne bereits am Tage erkennen kann.

18. Messung der Portpflanzungsgeschwindigkeit des Lichtes

153

III. K a p i t e l

Dispersion und Absorption des Lichtes 18. Messung der Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Lichtes Bereits G a l i l e i hat sich — vor aller Theorie — die Frage vorgelegt, ob das Licht eine endliche Fortpflanzungsgeschwindigkeit besitze; er hat auch einen Versuch zu ihrer Bestimmung unternommen. Er stellte zwei Beobachter A und B mit abblendbaren Laternen in größerer Entfernung auf. Wenn A seine Lampe abdeckte, sollte B dies ebenfalls tun, sobald er die Abbiendung bei A beobachtete. G a l i l e i erwartete, daß dann der Beobachter A bei endlicher Lichtgeschwindigkeit das Abblenden der Laterne B erst nach einer meßbaren Zeit wahrnehmen würde. Bei einen Abstand von etwa einer Meile ergab dieser Versuch kein Ergebnis: man kann aus ihm nur schließen, daß die Lichtgeschwindigkeit sehr groß sein muß, falls sie überhaupt einen endlichen Wert E

M
c sein sollte, völlig widerlegt zu haben. Für die Newtonsche Korpuskulartheorie trifft dies wirklich zu, wenn nämlich die Lichtkorpuskeln mit N e w t o n als gewöhnliche kleine Partikel (Massenpunkte im Sinne der klassischen Mechanik) betrachtet werden. Aber in der modernen Physik verstehen wir unter materiellen Partikeln etwas anderes als die klassische Mechanik. D e n n a l l e m a t e r i ellen T e i l c h e n (z. B. Elektronen, Protonen, Atome, Moleküle) sind m i t e i n e m W e l l e n v o r g a n g u n t r e n n b a r v e r b u n d e n , wie L. de B r o g l i e (1924) zuerst vermutet und was sich dann später in frappanter Weise bestätigt hat: für solche Partikel gilt nicht mehr die klassische Mechanik, sondern die von W. H e i s e n b e r g und E . S c h r ö d i n g e r inaugurierte „Wellenmechanik", die der Kombination von Welle und Korpuskel Rechnung trägt. Was die „Materiewellen" angeht, wie man diese Wellen nennt, so hat man auch bei ihnen zwischen vg und vp zu unterscheiden, und die Verbindung des materiellen Teilchens mit seinen Materiewellen ist derartig, daß die m e c h a n i s c h e G e s c h w i n d i g k e i t der P a r t i k e l g l e i c h der G r u p p e n g e s c h w i n d i g k e i t der W e l l e ist. Die moderne Korpuskulartheorie des Lichtes muß also jedenfalls auch die moderne Partikelauffassung zugrunde legen, und es ist also auch nach dieser Theorie der Brechungsquotient n = vg/c mit vB > c, und das scheint noch immer im Widerspruch mit den Tatsachen. Aber in der Wellenmechanik, über die wir hier natürlich nur flüchtig berichten können, besteht die Beziehung: (88)

v„vp = c 2 ,

c2 v„ = — . Vp

Setzt man diesen Wert von vg in die Gleichung für den Brechungsquotienten ein, so folgt der Reihe nach: (89)

n =

c

= — = — , v„c v„

mit vpv < c ,

und das s t i m m t m i t der B e h a u p t u n g der W e l l e n t h e o r i e des L i c h t e s ü b e r e i n . Der Widerspruch ist damit beseitigt, d. h. die Versuche von F o u c a u l t und M i c h e l s o n stehen einer geeigneten Korpuskulartheorie des Lichtes n i c h t entgegen. Betrachten wir noch einmal den abgebrochenen Wellenzug der Abb. 189b; da er sich nach rechts vorwärts bewegt, so bezeichnet man die Stelle tx als den K o p f oder die F r o n t des Wellenzuges. Wie jede Gruppe, so hat auch der plötzlich einsetzende Wellenzug ein Charakteristikum, hier die Wellenfront, da rechts von der zur Zeit t1 noch keine Welle vorhanden ist. Man kann sich die Frage vorlegen, mit welcher Geschwindigkeit der Kopf einer Welle fortschreitet und nennt diese Geschwindigkeit, die i. a. von vg und v P verschieden ist, die „Frontgeschwindigkeit". Im Vakuum ist sie offenbar gleich c; aber es sei wenigstens erwähnt, daß die Theorie auch zu dem überraschenden Resultat führt, daß die Frontgeschwindigkeit einer elektromagnetischen Welle in j edem Medium exakt den Wert der Vakuumlichtgeschwindigkeit c hat. Auf die Frontgeschwindigkeit bezieht sich die Bemerkung auf S. 158, daß es in der Natur keine größere Geschwindigkeit gebe. Denn es muß hier darauf aufmerksam gemacht werden, was wir in Nr. 24 ausführlich besprechen werden, daß praktisch in a l l e n Medien für gewisse Wellen-

20. Die Dispersion des Lichtes: I. Normale Dispersion

163

längen der Brechungsquotient n < 1 wird, was bedeutet, daß die Phasengeschwindigkeit vp > c ist. Aber es besteht folgender grundsätzlicher Unterschied zwischen vp und der Frontgeschwindigkeit c: Mit der Phasengeschwindigkeit kann man keine Signale geben, was mit der Frontgeschwindigkeit c offensichtlich möglich ist. Denn wenn ein Meßapparat irgendwo aufgestellt ist, so reagiert er in dem Moment, in dem die Wellenfront ihn erreicht. Die Phasengeschwindigkeit dagegen setzt voraus, daß man einen für alle Zeiten existierenden Wellenzug hat, bei dem also kein M e r k m a l oder C h a r a k t e r i s t i k u m v o r h a n d e n i s t , mit dem man ein Signal geben könnte.

20. Die Dispersion des Lichtes: I. Normale Dispersion Die bisherigen Angaben von Brechungsquotienten galten nur unter der stillschweigenden Voraussetzung, daß das benutzte Licht nur eine Frequenz oder Wellenlänge besäße; denn jeder Stoff hat für die verschiedenen Wellenlängen des sichtbaren Gebietes einen anderen Brechungsquotienten n. Das bedeutet, daß je nach der Wellenlänge die Lichtgeschwindigkeit in dem betreffenden Medium einen anderen Wert hat. Die genauere experimentelle Untersuchung dieser Erscheinung verdankt man J. N e w t o n s berühmten Arbeiten (1666—1672) über Optik. Läßt man durch eine kleine runde Öffnung 0 in der Wand eines verdunkelten Zimmers Sonnenlicht in dieses eintreten (Abb. 191), so entsteht auf der gegenüberliegenden Wand bei A ein weißer runder Fleck. Bringt man in den Gang der Strahlen Abb. 191. Zerlegung des weißen Lichtes durch ein ein Glasprisma P mit horizontaler Prisma in ein Spektrum brechender Kante, so erscheint statt des weißen Fleckes A ein vertikaler Farbstreifen RV, der der Reihe nach die Farben Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau, Indigo und Violett enthält und dessen Breite gleich dem Durchmesser des vorher bei A entstandenen Fleckes ist. Aus diesem Versuch schloß N e w t o n , daß das weiße Sonnenlicht aus verschiedenfarbigen Lichtarten zusammengesetzt sei, die durch das Prisma verschieden stark gebrochen werden. Das rote Licht erfährt dabei die kleinste, das violette die größte Ablenkung. Statt des Sonnenlichtes kann man auch die Strahlung jedes glühenden festen oder flüssigen Körpers verwenden, z. B. das Licht einer Bogenlampe oder Glühbirne. Man nennt diese Zerlegung des weißen Lichtes Farbenzerstreuung oder Dispersion des Lichtes, das dabei auftretende Farbenband Spektrum, die Farben Spektraliarben. Die einzelnen Farben des Spektrums können nicht weiter zerlegt werden; dies zeigte N e w t o n in der Weise (Abb. 192), daß er das Spektrum auf einem Schirm S1 auffing, der eine Öffnung 0' enthielt, durch die z.B. gerade die gelben Strahlen hindurchtreten konnten. Hinter die Öffnung setzte N e w t o n ein zweites Prisma P 2 , dessen brechende Kante derjenigen des ersten Prismas P1 parallel verlief. Dann wurden die durch P2 gehenden Strahlen auf dem zweiten Schirm S2 nicht wieder zu einem Farbband auseinandergezogen, sondern erzeugten dort lediglich einen runden gelben Fleck G'. Verdreht man das Prisma P 1( so daß nur rote Strahlen durch die Öffnung 0' gehen, so entsteht auf S2 an der Stelle R' ein roter Fleck, sind die durch 0' gehenden Strahlen violett, so werden sie zu einem bei V liegenden violetten Fleck abgelenkt. Aus diesem 11*

164

III. Kapitel. Dispersion und Absorption des Lichtes

Versuch folgt, daß d i e S p e k t r a l f a r b e n n i c h t w e i t e r z e r l e g b a r s i n d 1 ) und jeder Spektralfarbe eine bestimmte Wellenlänge und ein besonderer Brechungsquotient zukommt; Licht e i n e r Wellenlänge wird daher auch als e i n f a r b i g oder m o n o c h r o m a t i s c h bezeichnet 2 ). N e w t o n konnte diese letztere Tatsache noch durch folgenden V e r s u c h d e r g e k r e u z t e n P r i s m e n erhärten (Abb. 193): Stellt m a n hinter das erste Prisma P x ein zweites P2 , dessen brechende K a n t e senkrecht zur K a n t e des ersten steht, so ent-

Abb. 192. Unzerlegbarkeit der Farben eines Spektrums

Abb. 193. Anordnung der gekreuzten Prismen nach N e w t o n

steht auf dem Schirm an Stelle des vom ersten Prisma allein entworfenen vertikalen Spektrums RV ein s c h r ä g gegen die Vertikale verlaufendes Spektrum R'V', das dadurch zustande kommt, daß das zweite Prisma die roten Strahlen nur wenig, die violetten dagegen stark zur Seite ablenkt. Die in horizontaler Richtung gemessene Breite des schrägliegenden Spektrums ist die gleiche wie die des ursprünglich vertikal gerichteten. Gerade dieser P u n k t beweist, daß die von dem ersten Prisma auseinandergezogenen Farben durch das zweite Prisma keine weitere Zerlegung erfahren, sondern als homogen zu betrachten sind. Dieser Satz ist nur cum grano salis richtig: wie wir später (Nr. 24) sehen werden, gibt es Fälle von Dispersion (anomale Dispersion), bei denen er nicht zutrifft. 2 ) Man darf aber nicht umgekehrt schließen, daß jeder b e l i e b i g e n Farbe nur eine Wellenlänge entspricht, da auch ein Wellenlängengemisch Licht bestimmter Färbung erzeugt; der Satz ist nur für Spektralfarben zutreffend.

20. Die Dispersion des Lichtes: I. Normale Dispersion

165

Wir haben bisher nur von einigen (sieben) Farben des Spektrums gesprochen. Dies sind die Hauptfarben, die unser Auge beim ersten Anblick des Spektrums unterscheidet. In Wirklichkeit enthält dieses unendlich viele Farben, die sich in stetigem Übergang zu dem kontinuierlichen Farbenband aneinanderschließen. Mischt man sämtliche Spektralfarben zusammen, so ergeben sie wieder weißes Licht. Man kann diesen Versuch experimentell in verschiedener Weise ausführen. Bringt man an die Stelle des Spektrums nach Abb. 194 eine Sammellinse, so daß die divergierenden Strahlen auf einen $ a Schirm S zu einem kleinen Fleck " vereinigt werden, so erscheint dieser weiß. Blendet man aber auf irgendeine Weise aus dem Spektrum eine oder mehrere Far- Abb. 194. Wiedervereinigung der Farben eines Spektrums ben heraus, so erscheint der Fleck zu weißem Licht auf dem Schirm wieder farbig und zwar in einer Mischfarbe1), die mit der aus dem Spektrum herausgeblendeten Farbe zusammen wieder Weiß ergibt. Zwei Farben, die sich in dieser Weise zu Weiß ergänzen, nennt man k o m p l e m e n t ä r e Farben. Man findet z. B., daß bestimmte rote und grüne Farbtöne sich gegenseitig zu Weiß ergänzen (siehe hierzu auch S. 381 sowie die Tabelle auf S. 383). Von N e w t o n stammt auch folgender Versuch: In Abb. 195 werde durch das Prisma P1 auf dem Schirme S das Spektrum RV entworfen. Ein zweites Prisma P 2 werde parallel zum ersten so aufgestellt, daß es an derselben Stelle auf dem Schirm ein gleich großes Spektrum entwerfen würde, wenn von A in der Richtung AF ein Lichtbündel auf das Prisma auffiele. Infolge - - o der Umkehrbarkeit des Lichtweges F müssen dann auch die vom Spektrum RV diffus nach dem Prisma P 2 remittierten Strahlen in der einheitlichen Richtung FA aus diesem austreten. Blickt man also von A aus durch P„ nach dem Spektrum R V auf dem Schirm, so erblickt man bei F ein weißes Feld der Öffnung 0. Man kann den Versuch der Mischung geeigneter Farben z. B. zu Weiß auch in folgender Weise, wenn auch weniger vollkommen anstellen: Man nimmt farbige (nicht Abb. 195. Versuch von N e w t o n zur Wiederglänzende) Papierscheiben in den verschiedevereinigung der Farben eines Spektrums nen Farben (Rot bis Violett) und schneidet aus ihnen Sektoren geeigneter Breite, die man auf eine kreisrunde Scheibe aufklebt, die man in rasche Rotation versetzen kann ( F a r b e n k r e i s e l ) . Bei rascher Umdrehung der Scheibe verschmelzen die dem Auge dargebotenen verschiedenen Farben zu einer Mischfarbe, die bei geeigneter Wahl der Farben und Sektorenbreite farblos ist. Da die verwendeten farbigen Papiere (Pigmentfarben) keine reinen Spektralfarben sind — sie stellen selbst schon M i s c h u n g e n dar — so erscheint die Mischfarbe auf dem Kreisel nicht w e i ß , sondern g r a u . Daß dieser Versuch überhaupt möglich ist, beruht auf einer Eigenschaft des Auges. Jeder Lichteindruck besitzt im Auge eine gewisse Dauer, so daß bei hinreichend schneller Rotation des Farbenkreisels die auf dieselbe Stelle der Netzhaut n a c h e i n a n d e r fallenden verschiedenen Farbeindrücke dennoch verschmelzen. Da die verschiedenen Farben, die durch prismatische Zerlegung aus einer Quelle weißen Lichtes stammen, ungleiche Helligkeiten besitzen, muß man diese Helligkeitsunterschiede beim Farbenkreisel dadurch nachbilden, daß man die Sektoren um so breiter nimmt, je heller die betreffende Farbe im Spektrum ist. Eine sehr bequeme Konstruktion eines Farbkreisels, die gestattet, die Sektorenbreite geeignet zu wählen und leicht zu verändern, rührt von Cl. M a x w e l l her ( M a x w e l l s c h e r F a r b k r e i s e l ) . M Vgl. hierzu Anmerkung 2 auf S. 164.

166

III. Kapitel. Dispersion und Absorption des Lichtes

Bei der in Abb. 191 angegebenen Anordnung treten die einzelnen Spektralfarben um so klarer hervor, je kleiner der Durchmesser der Öffnung 0 ist und je weiter der Schirm S vom Prisma entfernt ist. Dicht hinter dem Prisma erhält man überhaupt kein Spektrum, sondern nur einen Fleck, dessen Mitte weiß und dessen Ränder rot bzw. violett gefärbt sind. Der Grund dafür ist, daß an dieser Stelle die verschiedenfarbigen Strahlenbündel noch nicht hinreichend voneinander getrennt sind, sondern sich überlagern. Blickt man z. B. durch ein Prisma nach einem hell erleuchteten Fenster, so sieht man nur die zur brechenden Kante des Prismas parallelen Fensterränder mit einem roten bzw. violetten Saum überzogen.

Abb. 196. Darstellung eines reinen Spektrums

Wie schon I. N e w t o n und insbesondere W. W o l l a s t o n (1802) betonten, erhält man ein besonders reines Spektrum, wenn man einen schmalen Spalt Sp mittels einer Sammellinse auf einem Schirm in B abbildet und dicht hinter die Linse das Prisma mit seiner brechenden Kante parallel zur Spaltrichtung in den Strahlengang einsetzt (Abb. 196). Dann entspricht jeder im weißen Licht enthaltenen Farbe ein abgelenktes Bild des Spaltes. Sämtliche unzähligen schmalen Spaltbilder reihen sich nebeneinander (R bis V) und ergeben ein um so reineres Spektrum, je schmäler der Spalt ist. Abb. 13 auf Tafel 1 zeigt ein in dieser Weise aufgenommenes Spektrum des Sonnenlichtes.

Dies Verfahren hat J. v. F r a u n h o f e r (1814) noch dadurch verbessert, daß er das von dem beleuchteten Spalt Sp kommende, divergente Licht zunächst durch eine Sammellinse Lx parallel macht (Abb. 198); der Spalt Sp muß zu diesem Zwecke in der Brennebene von Lx liegen. Unmittelbar hinter der Linse Lx ist das Prisma P angeordnet. Die gebrochenen Strahlen gehen dann durch eine weitere Sammellinse L2, die jedes System paralleler Strahlen in ihrer Brennebene zu einem Bild des Spaltes vereinigt. So entsteht in dieser Ebene ein reines Spektrum, das man entweder objektiv auf einem Schirm S oder einer photographischen Platte oder, unter Weglassung des Schirmes durch eine Lupe subjektiv betrachten kann. Spalt und Linse Lx bilden zusammengefaßt ein Kollimatorrohr, Linse Lz und Lupe ein auf Unendlich eingestelltes astronomisches Fernrohr: man erkennt also hier die Konstruktion des in

20. Die Dispersion des Lichtes: I. Normale Dispersion

167

Abb. 57 beschriebenen Spektrometers. Ersetzt man den Schirm durch eine photographische Platte, die durch ein lichtdichtes Gehäuse mit der Linse L2 verbunden ist, so hat man einen Spektrographen vor sich. — Der Vorteil dieser Anordnung besteht darin, daß alle gleichfarbigen Strahlen das Prisma unter den gleichen Bedingungen als paralleles Strahlenbündel durchsetzen, während bei der Anordnung von Wollaston (Abb. 196) die einzelnen Strahlen das Prisma konvergent durchsetzen. Das Maß der Dispersion; Fraunhofersche Linien. Erzeugt man mit Prismen aus verschiedenem Material (evtl. mit Hohlprismen, die mit verschiedenen Flüssigkeiten gefüllt sind), aber alle vom gleichen brechenden Winkel, unter Benutzung des gleichen optischen Aufbaus Spektren etwa von Sonnenlicht, so beobachtet man, daß nicht nur die Brechung, die die Prismen infolge ihrer verschiedenen Brechungsquotienten hervorrufen, sondern auch die Länge der Spektren ganz verschieden ausfallt. Z. B. verhalten sich die Längen der Spektren, die von Prismen aus Wasser, aus Kronglas, aus Flintglas und aus Schwefelkohlenstoff unter gleichen Bedingungen erzeugt werden, wie 1 : 1,5: 3 : 6,5. Um die Länge eines Spektrums genau festzulegen, ist es erforderlich, zwei bestimmte Farben herauszugreifen und ihren Abstand im Spektrum zu messen. Eine solche Messung ist aber nur ungenau durchführbar, da die Farben ja kontinuierlich ineinander übergehen. Hier hilft eine Entdeckimg von J. von F r a u n h o f e r (1814) weiter. Bei dem Bestreben, die Brechungsquotienten verschiedener Glassorten für ein und dieselbe Wellenlänge zu messen, entdeckte er im Sonnenspektrum eine große Zahl schwarzer Linien, die bei Benutzung eines hinreichend schmalen Spaltes sichtbar sind; d.h. es fehlen im Sonnenspektrum gewisse Lichtarten. (Fr aunh ofer konnte insgesamt 567 dunkle Linien Linie Wellenlänge Farbe zählen, heute sind über 20000im Sonnenspektrum bekannt.) Man nennt diese Linien Fraunhofer760,8 Mß Dunkelrot A sche Linien; sie ermöglichen es, im Spektrum 718,4 a Dunkelrot den Ort bestimmter Farben zu identifizieren. Von 686,7 B Rot C 656,3 Rot den vielen Tausend im Sonnenspektrum vorhan589,6 Gelb DJ denen Linien sind in dem Spektrum der Abbildung D2 589,0 Gelb 13 auf Tafel 1 die zehn stärksten eingezeichnet. E 527,0 Grün Es ist seit F r a u n h o f e r üblich, sie mit großen b 517,2 Grün F 486,1 Blaugrün und kleinen Buchstaben zu bezeichnen. In der 430,8 Blau G nebenstehenden Tabelle sind die Wellenlängen H 396,8 Violett der wichtigsten dieser Linien zusammengestellt. 393,4 K Violett Die nächste Tabelle bringt die Brechungsquotienten einiger Stoffe gegen Luft für die wichtigsten Fraunhoferschen Linien (auf die beiden letzten Spalten gehen wir weiter unten ein). Stoff Wasser Terpentinöl Benzol Schwefelkohlenstoff . Flußspat Borkronglas BK 1 . . Schwerkronglas 8K 1. Flintglas F 3 . . . . Kalkspat/ord. Strahl .

nA

1,3289 1,4552 1,4910 1,6088 1,4310 1,5049 1,6035 1,6029 1,6500

nB

1,3304 1,4684 1,4945 1,6149 1,4320 1,5067 1,6058 1,6064 1,6529

nc

1,3312 1,4694 1,4963 1,6182 1,4325 1,5076 1,6070 1,6081 1,6544

nD

1,3330 1,4723 1,5013 1,6277 1,4338 1,5100 1,6102 1,6128 1,6584

nB

1,3352 1,4760 1,5077 1,6405 1,4355 1,5130 1,6142 1,6190 1,6634

nF

ng

nE

^mittlere =

nF-nc

1,3371 1,4794 1,5134 1,6523 1,4370 1,5157 1,6178 1,6246 1,6679

1,3406 1,4858 1,5243 1,6765 1,4398 1,5205 1,6244 1,6355 1,6761

1,3435 1,4915 1,5340 1,6994 1,4421 1,5246 1,6300 1,6452 1,6832

0,0059 0,0100 0,0171 0,0341 0,0045 0,0081 0,0108 0,0165 0,0135

V n

D

' -

nF-nc

56,4 47,2 29,3 18,4 96,4 62,9 56,5 37,0 48,8

1

III. Kapitel. Dispersion und Absorption des Lichtes

168

In Abb. 199 ist die Abhängigkeit des Brechungsquotienten von der Wellenlänge, die sogenannte Dispersionskurve, für einige in obiger Tabelle aufgeführten Stoffe graphisch wiedergegeben und in Abb. 200 sind die Längen der Spektren dargestellt, wie sie unter übrigens gleichen Bedingungen mit Prismen aus einigen der genannten Stoffe erhalten werden. Die verschiedenen Spektren sind aber nicht nur verschieden lang, sondern auch die aus der Lage der einzelnen F r a u n h o f e r s c h e n Linien erkennbare Farbenverteilung im Spektrum ist ganz verschieden. Die Spektren sind in Abb. 200 so übereinander gezeichnet, daß die vom Punkt O aus gesehenen Linien G und H, die in der 0

tv Wasser

m

Kronglas \

\

x

\

1

\X

Flintglas

1

1 \

I I1 \ !1 I »* !

Schwefelkohlenstoff

Abb. 199. Dispersionskurven verschiedener Stoffe

\

! \ ! I \ \ I \ \ 1-4, \ 1 \ rt—y~n

1

\i

I

»

C

\

\

\

\

\

H

D

Abb. 200. Länge der unter gleichen Bedingungen mit Prismen aus verschiedenen Stoffen erzeugten Spektren

Abbildung die einzelnen Spektren begrenzen, auf einer Geraden liegen. Man sieht sofort, daß dies für die übrigen einander entsprechenden Linien nicht der Fall ist. Würde man also (z. B. bei Projektion) die einzelnen Spektren lediglich durch Verschieben des Schirmabstandes auf gleiche Länge bringen, so würden sie trotzdem ein verschiedenes Aussehen hinsichtlich der Verteilung der einzelnen Farben bzw. der F r a u n h o f e r s c h e n Linien darbieten. Wir wollen dies Ergebnis noch zahlenmäßig festlegen. Nach der auf S. 40 mitgeteilten Gl. (14b) ist die Ablenkung de, die die der F r a u n h o f e r s c h e n Linie C entsprechende Farbe durch ein Prisma mit dem kleinen brechenden Winkel e erfährt: («0)

dc = (nc —

1) e ,

wenn no den Brechungsquotienten des Prismas für diese Lichtart bedeutet. Entsprechend ist für das durch die Linie H definierte Licht: (90a)

dB = (nB — l ) e .

Die Differenz d E — d c nennt man (willkürlich!) die Gesamtdispersion des Stoffes; für diese ergibt sich also: (91)

0 = dB — 8C = (nH — nc )e

.

20. Die Dispersion des Lichtes: I. Normale Dispersion

169

& bestimmt die Länge des Spektrums zwischen den Linien G und H und ist bei einem gegebenen Prisma der Differenz der den beiden Linien C und H zukommenden Brechungsquotienten proportional. Die Größe nB — nc heißt entsprechend die spezifische Dispersion # s p e z . des betreffenden Materials. Es gilt also: d\spez. = nn — nc

(92) und somit: (92a)

G = ftspez. e .

Die für andere F r a u n h o f e r sehe Linien angegebene Differenz der Brechungsquotienten wird partielle Dispersion genannt; die für den lichtstärksten Teil des Spektrums zwischen den Linien G und F (d. h. den Wellenlängen 656,3 m/u [rot] und 486,1 m f i [blau]), bestimmte Dispersion nF — nc heißt mittlere Dispersion; sie ist in Spalte 9 der letzten Tabelle aufgeführt. Das Verhältnis der mittleren Dispersion nF •—• nc zu dem um 1 verminderten Brechungsquotienten für die D-Linie wird die relative Dispersion # re i. des brechenden Stoffes genannt. Es ist also: (93)

#rel.

=

- 1

Um bequemere Zahlen zu erhalten, ist es nach E. A b b e üblich, ihren reziproken Wert, die sogenannte Abbe sehe Zahl v anzugeben; es ist also: nD — 1 x (94) v = vt — vt . ' Dieser Wert ist in Spalte 10 der Tabelle angegeben. Die physikalische Bedeutung von v wird klar, wenn man bedenkt, daß nach Gl. (90) der Zähler nD — 1 die mittlere Ablenkung des Lichtes durch das Prisma und der Nenner (nF — nrj) nach (91) die mittlere Dispersion des Lichtes durch das Prisma bedeutet; die Abbesche Zahl v stellt also kurz gesagt, das Verhältnis von Brechung und Dispersion dar. Die Zahlenangaben in der 10. Spalte der Tabelle zeigen, daß die Abbesche Zahl für jeden Stoff individuell und keine universelle Konstante ist, wie N e w t o n glaubte.

Zur groben C h a r a k t e r i s i e r u n g der optischen E i g e n s c h a f t e n eines G l a s e s g e n ü g t d i e K e n n t n i s d e s m i t t l e r e n B r e c h u n g s q u o t i e n t e n nD s o w i e d e r A b b e s c h e n Z a h l v; G l a s s o r t e n m i t s t a r k e r F a r b e n z e r s t r e u u n g h a b e n e i n e g r o ß e m i t t l e r e D i s p e r s i o n (nF — nc) u n d d e m z u f o l g e e i n e kleine Abbesche Zahl, w ä h r e n d Gläser m i t geringer D i s p e r s i o n eine kleine m i t t l e r e D i s p e r s i o n u n d eine h o h e Abbesche Zahl b e s i t z e n . Um festzustellen, ob zwei gleiche Prismen aus verschiedenen Stoffen identische Spektren erzeugen, bildet man das Verhältnis der partiellen Dispersionen f ü r verschiedene Linienpaare, z . B . (nc — njt)/(n'c— n'B) oder (n ö — np)j(n(i — n'F) usw. Sind diese Verhältnisse durch das ganze Spektrum konstant, so decken sich die F r a u n h o f e r s c h e n Linien auf der ganzen Länge der beiden Spektren. I n der folgenden Tabelle sind diese Verhältnisse für FHntglas und Wasser sowie für Flintglas und Terpentinöl angegeben. Wie man aus diesen Zahlen sieht, ist das Verhältnis der partiellen Dispersionen für Flintglas und Wasser in den verschiedenen Spektralbereichen recht verschieden, während es für Flintglas und Terpentinöl nahezu konstant ist. Der blaue Teil eines Flintglasspektrums ist relativ länger als der eines Wasserspektrums, während bei Flintglas und Terpentinöl die Spektren praktisch identisch sind. Stoffe Hintglas/Wasser Flintglas/Terpentinöl

Verhält nis der par tiellen Dis] Dersionen fiir die Linie npaare

C- B

D-C

E

2,125 1,700

2,611 1,620

2,818 1,675

-D

F

-E

2,947 1.647

O-F

H-G

3,114 1,703

3,348 1,701

170

III. Kapitel. Dispersion und Absorption des Lichtes

Es ist das Verdienst von G. A. S c h o t t in Zusammenarbeit mit E. A b b e optische Gläser geschaffen zu haben, die auf Grund der verschiedenen Zusammensetzung ihrer elementaren Bestandteile entweder bei gleicher relativer Dispersion beträchtliche Unterschiede in den Verhältnissen der partiellen Dispersion zeigen oder bei gleichem Gang der partiellen Dispersion merkliche Verschiedenheit der relativen Dispersion besitzen. Die obige Charakterisierung eines Glases durch einen Brechungsquotienten (n D ) und die Abbesche Zahl ist, wie schon bemerkt, eine lediglich für praktische Zwecke ausrechende rohe Bewertung. Wenn man das Verhalten eines optischen Glases genau kennen will, muß man die zugehörige Dispersionskurve (Abb. 199) heranziehen. Wenn man von einem Wert A der Wellenlänge und dem zugehörigen Brechungsquotienten n ausgeht und nun zu benachbarten Werten A + A A von Welle und n + An von Brechungsquotient übergeht, so ist -jj-,

die Neigung der Tangente an die Dispersions-

kurve im Punkte (n, A), das exakte Maß der Dispersion in jedem Punkte der Kurve. Wenn man die Dispersionskurve analytisch in der Form n = n(X) dargestellt hat, so folgt dieses Ausdruckes.

oLA

durch Differentiation

21. Achromatische und geradsichtige Prismen; chromatische Aberration Das verschiedene Verhalten optischer Gläser bezüglich Brechung und Dispersion kann man zur Konstruktion von Prismen benutzen, die entweder eine Strahlenablenkung ohne Zerstreuung des Lichtes oder eine Farbenzerstreuung ohne gleichzeitige Ablenkung des mittleren Strahles ergeben. Prismen der ersten Art nennt man achromatisch, solche der zweiten Art geradsichtig. Wir betrachten zunächst das achromatische Prisma. Es besteht aus zwei Prismen aus verschiedenem Glas von solchen brechenden Winkeln, daß die Farbenzerstreuung beider Prismen gleich groß, dagegen die Ablenkung des mittleren Strahls verschieden ist. Indem man diese beiden Prismen in umgekehrter Lage hintereinander schaltet, kompensiert man die Abb. 201. Strahlenverlauf durch ein Kronglas- Dispersion des Lichtes im ersten Prisma prisma (a) und durch ein Flintglasprisma ib) durch die gleichgroße aber entgegengesowie durch ein daraus zusammengesetztes setzte zerstreuende Wirkung im zweiten; achromatisches Prisma (c) dabei wird aber die durch das erste Prisma erzeugte Strahlablenkung nur zum Teil aufgehoben, wie aus der Abbildung 201 deutlich hervorgeht. Für zwei Prismen aus dem in der Tabelle auf S. 167 angeführten Krön- und Flintglas mit dem kleinen brechenden Winkel e ergibt sich für die Gesamtablenkung öc der Linie C und die Gesamtdispersion 0 auf Grund der Gleichungen (90) und (91): Kronglasprisma: Flintglasprisma:

d0 = 0,5076 e; Öc = 0,6081 e;

0 = 0,0170 s O = 0,0461 e .

Beide Prismen erzeugen also bei gleichem brechendem Winkel annähernd die gleiche Ablenkung, während die Dispersion (die Länge des Spektrums) beim Flintglasprisma fast dreimal so groß ist wie beim Kronglasprisma. Um also Spektren gleicher Länge zu erhalten, müssen sich die brechenden Winkel umgekehrt wie die spezifischen Dispersionen, d.h. wie 170 : 461, also annähernd wie 1 : 2,7 verhalten. Fügt man zwei derartige

21. Achromatische und geradsichtige Prismen; chromatische Aberration

171

Prismen in der in Abb. 202 dargestellten Weise zusammen, so entsteht ein achromatisches Prisma, das den einfallenden Strahl um den Winkel A ohne Farbenzerstreuung ablenkt. Der Strahlengang in dieser Prismenkombination ist der folgende: Von dem parallelen auf das Kronglasprisma auffallenden Strahlenbündel weißen Lichts betrachten wir nur den Mittelstrahl, der durch die erste Brechung im Innern in ein Spektrum zerlegt wird; von dem ganzen Strahlenfächer zeichnen wir nur die beiden äußersten roten und blauen Strahlen; der Winkel, den sie miteinander bilden, ist ein Maß für die Dispersion des Kronglasprismas. Beide Strahlen bleiben auch nach dem Austritt aus dem Kronglasprisma divergent und fallen so auf die erste Fläche des Flintglasprismas auf. In diesem Prisma wird — wegen der umgekehrten Wirkung desselben — ihre Divergenz verringert, und schließlich verlassen sie die letzte brechende Fläche parallel (Abb. 202). Eine Sammellinse (nicht gezeichnet) vereinigt beide Strahlen in einem Punkte ihrer Brennebene, allerdings nicht das gesamte Spektrum. Eine vollkommene Achromasie, d. h. eine völlige Farbfreiheit, wird auf diese Weise im allgemeinen nicht erreicht, sondern es bleibt ein farbiger Rest, das sogenannte „sekundäre Spektrum", übrig. Die Richtung der parallel austretenden Strahlen bildet mit der Richtung des einfallenden Parallelstrahlenbündels Abb. 202. Strahlenverlauf in einem achromatischen Prisma den Winkel A. Rechnerisch läßt sich die Bedingung für eine achromatische Prismenkombination einfach behandeln, wenn man, wie oben, den Prismenwinkel hinreichend klein macht. Für die Gesamtdispersion eines ersten Prismas zwischen den F r a u n h o f e r s c h e n Linien x und z gilt dann Gl. (91): &x,z = (nx—nz)e

,

während die Ablenkung für die Wellenlänge der F r a u n h o f e r l i n i e y durch Gl. (90) gegeben ist: dy — (ny— 1) £ • Für ein zweites Prisma aus anderem Glase gelten die entsprechenden Gleichungen, bei denen wir die einzelnen Größen mit einem Strich versehen: &x,z = (n'x — n'z) s'

und

ö'y = (n'y — 1) e' .

Stehen die Prismen, wie in Abb. 201, entgegengesetzt, so wird sowohl die Gesamtablenkung Ay gleich der Differenz öy— ö'y der Einzelablenkungen als auch die resultierende Dispersion & x z gleich der Differenz der Einzeldispersionen 0XZ— &x,z, so daß wir die beiden Gleichungen erhalten: (95)

Ay = (n y — l)e — (n'y — 1) £ ' ,

(96)

&x,t = (nx — nz)e — {n'x — n'2)s' .

Als Bedingung für das Verschwinden der Farbenzerstreuung der Prismenkombination finden wir also: ^ k _£_ fl-fr (97) @x,z = 0 , £ Tlx —

172

III. Kapitel. Dispersion und Absorption des Lichtes

D.h.: die b r e c h e n d e n W i n k e l der b e i d e n P r i s m e n der a c h r o m a t i s c h e n K o m b i n a t i o n m ü s s e n sich u m g e k e h r t v e r h a l t e n wie die p a r t i e l l e n Dispersionen der b e i d e n G l a s s o r t e n f ü r die z u g r u n d e gelegten Wellenl ä n g e n . Für die Ablenkung der F r a u e n h o f e r l i n i e y ergibt sich aus (95) unter Benutzung von (97): - 1 n'—l (98) Ay = (nx — nz)e I n praktischen Fällen wählt man als Farben x, y, z meistens die den F r a u n h o f e r s c h e n Linien F, D, C entsprechenden, man vereinigt also die beiden Farben Rot und Blau. Dann gehen Gl. (97) und (98) hier in (97 a) und Ad = (nF — nc) e(v—

(98 a)

v')

über, wobei v und v die zugehörigen A b b e s c h e n Zahlen sind. Aus der letzten Gleichung ersieht man, daß d e r A u f b a u e i n e s a c h r o m a t i s c h e n P r i s m a s n u r m ö g lich ist, w e n n die A b b e s c h e n Z a h l e n der b e i d e n G l a s s o r t e n v e r s c h i e d e n sind.

Abb. 203. Strahlenverlauf in einem aus fünf Prismen zusammengesetzten Geradsichtprisma

Für die beiden in Tabelle auf S. 167 angegebenen Krön- und Flintgläser erhalten wir aus den Gl. (97a) und (98a) die Beziehungen: 7

=

S f

Und

¿ z > = 0,0081 e ( 6 2 , 9 — £ 7 ) .

Wählen wir für das Kronglasprisma einen brechenden Winkel von 10°, so ergibt sich für das Flintglasprisma ein Winkel von 4° 50' 24". Die resultierende mittlere Ablenkung des achromatischen Prismas ist dann 2° 6'. Wie oben erwähnt, erzielt man so keine vollkommene Achromasie des gebrochenen weißen Lichtbüschels. Das ist jedoch möglich, wenn der Quotient der partiellen Dispersionen der benutzten Prismenmaterialien im ganzen Spektrum konstant ist (was nach der Tabelle auf S. 169 z. B. für Flintglas und Terpentinöl angenähert zutrifft), d. h. wenn die beiden Dispersionskurven den Bedingungen genügen: n = f(X) und n' = lcf (X). Denn dann wird Gl. (98) für die Ablenkung einer mittleren Wellenlänge:

Ay = ( « , " - »,) * [n — n - Pk(n- 1—-n J = 6 (\k1 x z x 2

l)j

d. h. die Ablenkung ist für alle Wellenlängen die gleiche, was zu beweisen war.

Gerade umgekehrt liegen die Verhältnisse bei dem von G. A m i c i (1860) angegebenen Geradsichtprisma. Bei diesem verlangt man Dispersion bei verschwindender Ablenkung eines mittleren Strahles. Man setzt gewöhnlich ein solches Prisma aus drei oder fünf Prismen nach Abb. 203 zusammen, die man mit Kanadabalsam aneinander kittet.

21. Achromatische und geradsichtige Prismen; chromatische Aberration

173

Die mathematische Bedingung für ein zweiteiliges Geradsichtprisma ist, daß in Gl. (95) A y = 0 wird; das liefert die Beziehung: (99)

-

n[. - 1 n„ - 1

Die b r e c h e n d e n W i n k e l v o n zwei zu e i n e m G e r a d s i c h t p r i s m a z u s a m m e n t r e t e n d e n P r i s m e n m ü s s e n sich also u m g e k e h r t v e r h a l t e n wie die f ü r die n i c h t a b g e l e n k t e F a r b e gültigen um 1 v e r m i n d e r t e n Brechungsq u o t i e n t e n der beiden Glassorten. Unter Benutzung dieser Beziehung folgt aus Gl. (96) weiter: — n, n. — n'2 1) n„ — 1 n'„ — 1 'y ' '"y Wählt man wieder die den F r a u n h o f e r sehen Linien F, D, C entsprechenden Farben (100)

= e(ny—

— F 'rot ' 'F'violett

--

^ -V

Ti

'S. S

^•vA b)

Abb. 204. Chromatische Aberration bei einer bikonvexen (a) und bikonkaven (6) Linse

für die Größen x, y, z, so lassen sich die letzten beiden Gleichungen in der Form schreiben: (99 a) (100a)

e -

n

'nD — 1 »n - 1

@x,z = (% — 1) £

E s ist also a u c h ein G e r a d s i c h t p r i s m a n u r d a n n m ö g l i c h , w e n n die A b b e s c h e n Z a h l e n f ü r die b e i d e n v e r w e n d e t e n G l a s s o r t e n v e r s c h i e d e n sind. Chromatische Aberration und achromatische Linsen. Die Veränderlichkeit des Brechungsquotienten mit der Wellenlänge wirkt sich natürlich auch bei Linsen aus und erzeugt dort — neben den in Nr. 10 besprochenen Linsenfehlern — einen neuen, die sog. c h r o m a t i s c h e A b e r r a t i o n . Denn es kommt bei einer mit weißem Licht durch eine Linse erzeugten Abbildung für jede Wellenlänge oder Spektralfarbe eine besondere Abbildung zustande. Alle diese Abbildungen überlagern sich und ergeben auch bei sonst vollständig korrigierten Systemen ein mit farbigen Rändern versehenes und daher unscharfes, verschwommenes Bild. Wie man z. B. aus Gl. (40c) auf S. 73 für die Brennweite einer dünnen Linse ersieht, sind die Brennweiten für violette Strahlen kleiner als für rote, da wvi0i. > n r o t ist. Die Abb. 204 zeigt den Strahlenverlauf eines parallel zur Achse bei einer Konvexund einer Konkavlinse auffallenden Strahlenbündels von weißem Licht. An Stelle e i n e s Brennpunktes ergibt sich für jede Farbe ein besonderer Brennpunkt, die um so weiter auseinander liegen, je größer die Dispersion des verwendeten Glases ist. Nun kann man aber in Analogie zum achromatischen Prisma durch Hintereinanderschaltung einer Sammellinse und einer Zerstreuungslinse aus geeigneten Gläsern eine a c h r o m a t i s c h e L i n s e schaffen, bei der diese chromatische Aberration zum mindesten f ü r zwei Farben völlig behoben ist. Dies hat zuerst der englische Mechaniker J . D o l -

III. Kapitel. Dispersion und Absorption des Lichtes

174

l o n d (1757) gezeigt. Bedingung ist dabei, wie m a n aus Abb. 205 erkennt, daß die Dispersion der Sammellinse durch die der Zerstreuungslinse gerade aufgehoben wird, wobei aber eine Ablenkung der einfallenden Strahlen bestehen bleiben m u ß . Ein solches Linsensystem nennt m a n einen Achromaten. Wie sind nun zu diesem Zwecke die Brennweiten der beiden Linsen zu wählen ? Wir beschränken unsere Überlegungen der Einfachheit halber auf dünne Linsen. Nach Gl. (45c) auf S. 73 ist die Brechkraft einer solchen: D

=

i

~

(r 1 und r 2 die beiden Krümmungsradien der Linse). F ü r eine benachbarte Spektral färbe, f ü r die der Brechungsquotient n -f- An sein möge, findet m a n die Änderung der Brechkraft durch Differentiation dieser Gleichung nach n\ das liefert: A A n

\

=

T

/

An r

n — 1

.

Diese Gleichung gilt mit guter Annäherung auch für weiter auseinander liegende Spektralfarben; dann wird A n = n • — n , also

Kronglas,

F

c

An nn—

1

(v = A b b e s e h e Zahl). Also gilt weiter: Abb. 205. Achromatische Linse

F ü r zwei dicht hintereinander stehende Linsen mit den Einzelbrennweiten f1 und / 2 gilt f ü r die resultierende Brennweite f r : -

fr

=

-

/i

+

+

-

/. '

und demnach auch: (101)

Hieraus folgt als Bedingung dafür, daß die Brennweiten des Systems f ü r die in Betracht kommenden beiden F a r b e n gleich sind:

Damit ergibt sich als Bedingung f ü r die Achromasie der zusammengesetzten Linse: (102)

"i/i

"2/2

Da vx und v2 dasselbe Vorzeichen haben, müssen f1 und / 2 entgegengesetzte Vorzeichen besitzen, es ist also die Vereinigung einer konvexen mit einer konkaven Linse erforderlich (Abb. 205). W ä h l t m a n z. B. die beiden in der Tabelle auf S. 167 aufgeführten Glassorten und gibt der aus Borkronglas angefertigten Sammellinse willkürlich eine Brennweite / j = 10 cm, so muß die konkave Flintglaslinse die Brennweite 62,9

17 cm

haben. Die resultierende Brennweite des Achromaten ist d a n n : f T = 24,25 cm.

22. Ultrarote und ultraviolette Strahlen

175

Man erkennt auch hier, daß ein Achromat nur dann möglich ist, wenn vx =(= v2 ist. Wäre nämlich vx = v2, so würde f1 = — /2 sein, und die resultierende Brennweite würde unendlich werden, d. h. diese Kombination würde gleichzeitig ihre Brechkraft verlieren. Dies ist genau so wie beim achromatischen Prisma. Eine historische Bemerkung mag am Platze sein: Von seiner falschen Vorstellung ausgehend, daß v für alle Stoffe den gleichen Wert habe, kam N e w t o n zu der unrichtigen Behauptung, achromatische Linsen seien unmöglich; er ging also dazu über, Spiegelteleskope zu konstruieren bzw. zu verbessern. Der berühmte Mathematiker L e o n h a r d E u l e r behauptete dagegen, Achromate müßten möglich sein, da das Auge farblose Bilder gebe. Auch diese letztere Behauptung ist unrichtig. Aber sie war es, die D o l l o n d zu seinen schließlich mit Erfolg gekrönten Versuchen veranlaßte, achromatische Objektive herzustellen.

Es ist klar, daß die chromatische Aberration, auch wenn sie für zwei Farben beseitigt ist (im vorliegenden Falle für C und F), doch noch für andere Farben bestehenbleibt. Man nennt diese noch vorhandene chromatische Abweichung das s e k u n d ä r e S p e k t r u m . Durch Benutzung der modernen optischen Gläser lassen sich heute Systeme aus nur zwei Linsen herstellen, bei denen mindestens drei auseinanderliegende Spektralfarben, z. B. Rot, Gelb und Blau eine vollständige Vereinigung erfahren, so daß eine Farberscheinung bei der optischen Abbildung praktisch beseitigt ist. Man spricht in einem solchen Falle von a p o c h r o m a t i s c h e r K o r r e k t i o n . Mikroskopobjektive, bei denen, allerdings unter Benutzung von mehr als zwei Linsen, das sekundäre Spektrum vollständig beseitigt ist, werden daher nach E. Abbe als Apochromate bezeichnet.

22. Ultrarote und ultraviolette Strahlen In Nr. 20 hatten wir das durch ein Prisma entworfene Spektrum des weißen Lichtes als ein Farbenband beschrieben, das an dem einen Ende durch rote, an dem anderen durch violette Strahlen begrenzt wird. Die Begrenzung des „sichtbaren" Spektrums ist aber nicht dadurch bedingt, daß jenseits der beiden Enden keine Strahlung anderer Wellenlängen mehr vorhanden ist, sondern lediglich durch die physiologische Tatsache, daß unser Auge nur für den Wellenbereich von etwa 0,4 fi (Violett) bis etwa 0,8 fi (Rot) empfindlich ist. Dieser Sachverhalt, der uns heute beinahe selbstverständlich erscheint, weil wir gelernt haben, zwischen physikalischer und physiologischer Optik streng zu unterscheiden, war vor etwa 150 Jahren keineswegs einleuchtend, und so war es eine Sensation, als jenseits der Grenzen des sichtbaren Spektrums auch unsichtbare Strahlung entdeckt wurde. Voraussetzung für den Nachweis solcher unsichtbarer Strahlung ist natürlich, daß Prisma und Linsen, die sich im Strahlengang befinden, für diese Strahlungen noch durchlässig sind, was natürlich von Fall zu Fall untersucht werden muß. An sich hat die Natur und Existenz dieser unsichtbaren Strahlungen nichts mit der Dispersion zu tun; aber die prismatische Farbenzerstreuung hat zu ihrer Entdeckung geführt, und wir schließen uns daher am bequemsten an die historische Entwicklung an.

Ultrarote Strahlung. Entwirft man mit Hilfe von Glasprisma und Glaslinsen ein Spektrum z. B. vom Licht der Bogenlampe oder der Sonne, und führt durch das Spektrum eine mit einem Galvanometer verbundene Thermosäule (Bd. II, Abb. 206, S. 160), oder ein anderes Energiemeßinstrument, so findet man, daß die Galvanometerausschläge, die die Intensität oder Strahlungsleistung messen, vom violetten Ende des Spektrums nach dem roten hin zunehmen, ja, ihren größten Wert erst jenseits des roten Endes erreichen, um dann rasch auf Null abzusinken. Das bedeutet wiederum nicht, daß nun weiter außerhalb keine Strahlung mehr vorhanden ist; denn wiederholt man den Versuch — statt mit Glasprismen und -Linsen — z. B. mit Quarz-, Flußspat-, Steinsalz- oder Sylvinprismen und -Linsen, so kann man die unsichtbare Strahlung viel weiter verfolgen. Das zeigt uns schon, daß Glas von einer gewissen Wellenlänge ab

176

III. Kapitel. Dispersion und Absorption des Lichtes

für die unsichtbare Strahlung undurchlässig wird und durch einen der oben genannten Stoffe ersetzt werden muß (in der genannten Reihenfolge Quarz, Flußspat, Steinsalz, Sylvin), wenn man zu großen Wellenlängen vordringen will. Die hier nachgewiesene Strahlung jenseits des roten Endes des Spektrums heißt ultrarote (auch infrarote) Strahlung. Sie wurde 1800 von F . W. H e r s c h e l entdeckt, als er ein berußtes Thermometer durch das Sonnenspektrum hindurchführte und dessen Erwärmung feststellte. Die ultraroten Strahlen sind identisch mit den „ W ä r m e s t r a h l e n " , die z. B. von einem heißen Ofen ausgehen; ihre Wellenlänge ist größer als 0,8 fi, und im Laufe eines Jahrhunderts ist der ultrarote Wellenbereich immer weiter ausgedehnt worden, namentlich durch Arbeiten von S. P. L a n g l e y (1881) und H. R u b e n s (1894). Die längsten Wellenlängen sind z.Z. X = 342 fi, 420 ja und 1300 fi,

(1925) und von L. G e n z e l und W. E c k h a r d (1954) in der Strahlung der Quecksilberdampflampe gefunden wurden 1 ). Da N i c h o l s und T e a r (1925) als kleinste elektrische Wellenlänge im engeren Sinne 0,22 mm mit Hilfe kleiner elektrischer Oszillatoren erzeugen konnten, ragt die ultrarote Strahlung schon in das Gebiet der elektrischen Wellen hinein; sie umfaßt rund 10 Oktaven, während der Umfang der sichtbaren Strahlung nur etwa 1 Oktave beträgt. Der Ausdruck „Wärmestrahlen" ist mit etwas Vorsicht zu benutzen. Er bedeutet n i c h t , daß die Wärmestrahlen, wie man die ultraroten Strahlen zuweilen bezeichnet, etwas qualitativ anders wären, als die „sichtbare" oder irgendeine andere elektromagnetische Strahlung. A l l e e l e k t r o m a g n e t i s c h e n S t r a h l e n — v o n d e n R ö n t g e n s t r a h l e n bis zu d e n l ä n g s t e n H e r t z s c h e n W e l l e n — s i n d W ä r m e s t r a h l e n im r i c h t i g v e r s t a n d e n e n S i n n e , d a ß n ä m l i c h i h r e „ e l e k t r o m a g n e t i s c h e " E n e r g i e b e i m A u f t r e f f e n a u f Mat e r i e (z. B. e i n e b e r u ß t e F l ä c h e ) in W ä r m e e n e r g i e v e r w a n d e l t u n d a u f d i e s e W e i s e g e m e s s e n w e r d e n k a n n . Das geht schon aus dem oben geschilderten Versuch hervor, daß das Energiemeßinstrument auch im violetten, blauen, grünen, roten und nicht nur im ultraroten Gebiet einen Ausschlag liefert, der von der Erwärmung herrührt. Wir messen eben grundsätzlich die elektromagnetische Energie dadurch, daß x ) Allerdings nicht durch die bisher verwendete Methode fler prismatischen Zerlegung; diese ist nicht mehr anwendbar, weil im weiteren Ultrarot 30 ¡x) alle Prismensubstanzen undurchlässig werden. An ihre Stelle treten die R u b e n s s c h e n Methoden der „ R e s t s t r a h l e n " und die „ Q u a r z l i n s e n m e t h o d e " ; vgl. hierzu Nr. 25 S. 202.

22. Ultrarote und ultraviolette Strahlen

177

wir sie (z. B. mit Hilfe der Thermosäule) in Wärmeenergie umwandeln. Das gilt im Prinzip ebenso für die Röntgenstrahlen und für die H e r t z s c h e n Wellen. Daß man dennoch mit Vorliebe die ultrarote Strahlung als Wärmestrahlung bezeichnet, hat seinen Grund darin, daß bei den Temperaturen unserer normalen Lichtquellen die ultrarote Strahlung mehr Energie hat als die sichtbare. Aber ein q u a l i t a t i v e r Unterschied ist n i c h t vorhanden: die Lichtstrahlen sind „sichtbare" Wärmestrahlen. Zum qualitativen Nachweis der Ultrarotstrahlung im Spektrum kann man sich für einen Vorlesungsversuch an Stelle der Thermosäule z. B. der in Bd. I, Abb. 554, S. 519 beschriebenen L i c h t m ü h l e von W. C r o o k e s (1874) bedienen; die sekundliche Umdrehungszahl des Flügelrades ist als ungefähres Maß für die Intensität der auftreffenden Wärmestrahlung anzusehen. In Abb. 206 ist ein auf diesem Prinzip beruhendes, für quantitative Messungen geeignetes Radiometer dargestellt. I n einem bis auf ^io bis Vioo Torr evakuierten Gefäß hängt an einem dünnen Quarzfaden ein leichter Querstab,

strahlt 1 ) werden kann. Die dem Aufhängefaden erteilte Torsion wird durch Spiegelablesung über den Spiegel 8p durch das Fenster Ft gemessen. — Ein anderes häufig verwendetes Instrument ist das von C. V. B o y s und H. R u b e n s angegebene M i k r o r a d i o m e t e r (Abb. 207). Es ist eine Art Drehspulgalvanometer (vgl. hierzu Bd. II, Abb. 298, S. 220), dessen Spule aus einer einzigen Drahtwindung W besteht, die durch ein hochempfindliches Thermoelement geschlossen ist und sich im Felde eines starken Permanentmagneten befindet. Die eine Lötstelle T x ist berußt und wird bestrahlt, während die beiden anderen T2 und Ts vor der Strahlung geschützt sind. — Früher wurde auch das B o l o m e t e r (Bd. II, S. 137) häufig zu Strahlungsmessungen benutzt. Bevor man erkannt hatte, daß Glas für die ultrarote Strahlung nur bis zu einer Wellenlänge von etwa 1,5 bis 2 ¡i durchlässig ist, verwendete man zu den Messungen ein gewöhnliches Spektrometer, bei dem nur an Stelle des Fadenkreuzes in dem beweglichen Beobachtungsfernrohr eine Thermosäule eingesetzt wurde. Später ging man dazu üher, die GlasoptSST durch Quarz-, Flußspat-, Steinsalz-, Sylvin-Optik zu ersetzen, wodurch es gelang, weiter ins ultrarote Spektrum vorzudringen. Dabei machte sich aber sehr störend bemerkbar, daß alle die genannten Stoffe auch für das ultrarote Gebiet Dispersion zeigen; für Ultrarot achromatisierte Linsen kann man aus den genannten Stoffen aber nicht herstellen, d. h. die benutzten Linsen zeigten sich mit starken chromatischen Fehlern behaftet. Man mußte daher für jede Wellenlänge den Brennpunkt neu einstellen. Daher ging man (E. P r i n g s h e i m , F. P a s c h e n , H. Rubens) dazu über, sämtliche Linsen durch Hohlspiegel zu ersetzen, die ja keine chromatische Aberration besitzen. So kam man zur Konstruktion des S p i e g e l s p e k t r o m e t e r s (Abb. 208). 1 ) Das Fenster Fl muß mit einer für die ultrarote Strahlung durchlässigen Platte verschlossen sein, wozu sich z. B. Flußspat, Steinsalz, Sylvin, nicht aber Glas eignen.

12

B e r g m a n n - S c h a e f e r , III, 1

178

III. Kapitel. Dispersion und Absorption des Lichtes

Vor den Eintrittsspalt 81 denken wir uns eine Lichtquelle gestellt, etwa einen frei brennenden N e r n s t s t a b , so daß die durch iS\ eintretende Strahlung den Hohlspiegel H1 ausfüllt; da Sx im Brennpunkt von Hl aufgestellt ist, verlassen die Strahlen H1 parallel; man erkennt, daß S1 und H1 zusammen die Rolle des Kollimatorrohrs übernehmen. Die parallele Strahlung fällt dann auf eine eigenartige starre Kombination eines Planspiegels Sp und des Prismas P, die um die Achse A drehbar ist; A ist die Schnittgerade zwischen der Spiegelebene und der Halbierungsebene des Prismenwinkels. Im Prisma wird die bisher einheitliche Strahlung der Lichtquelle spektral zerlegt. In der Abbildung ist nur derjenige Strahl gezeichnet, der das Prisma symmetrisch, d. h. im Minimum der Ablenkung durchsetzt. Diese monochromatische Strahlung verfolgen wir weiter: sie fällt auf den Hohlspiegel auf, der sie auf den Austrittsspalt ¡S2 konzentriert, in dem das reelle Bild von Slt u n d z w a r in der a u s g e s o n d e r t e n W e l l e n l ä n g e , entsteht. Die übrige stärker oder schwächer gebrochene Strahlung liegt zu beiden Seiten des Austrittsspaltes und bildet in ihrer Gesamtheit das Spektrum. Die obige Kombination Prisma-Planspiegel ist von F. L. O. W a d s w o r t h (1894) angegeben; die W a d s w o r t h - E i n r i c h t u n g (Abb. 209) hat die Wirkung, den im Minimum durchgehenden (in der Figur allein gezeichneten) Strahl nur parallel mit sich selbst zu verschieben. Dreht man Prisma und Wadsworthspiegel um die Achse A, so kommt eine andere Wellenlänge auf den Spalt iS2 zu liegen, die nunmehr ihrerseits das Prisma symmetrisch durchsetzt. Durch alleiniges Drehen der Wadsworth-Kombination kann man also jede Wellenlänge des Spektrums im Minimum der Ablenkung durchs Prisma gehen und durch S2 austreten lassen. Die Drehung des Prismas wird an einem (nicht gezeichneten) Teilkreis abgelesen. Nach dem Austritt aus S2 fällt die Strahlung auf einen dritten Hohlspiegel H3, der sie auf dem Energiemeßinstrument B (Thermosäule, Radiometer, Mikroradiometer usw.) konzentriert, wo die Intensität gemessen wird. So wird die chromatische I

Aberration vollständig vermieden, allerdings nicht die sphärischen Fehler der Spiegel, die man dadurch klein hält, daß man die Strahlen nur unter kleinen Winkeln gegen die Hauptachse der Spiegel H1 und H2 auffallen läßt. Zu Beginn der Messung stellt man die Wadsworthkombination so ein, daß z. B. die gelbe Na-Linie (D-Linie) im Minimum der Ablenkung erscheint; von dieser Nullstellung aus werden alle Ablenkungswinkel für die unsichtbaren ultraroten Strahlen gemessen. Kennt man die Dispersionskurve des Prismas n — n(X), so kann man aus dem Brechungsquotienten n, der sich im Minimum der Ablenkung aus der einfachen Formel n — ^ ( f ¡e _ p r i s men° sm s/2 winkel, 6 = Gesamtablenkung durch Prisma) berechnet, die Wellenlänge A der Dispersionskurve (oder einer Tabelle) entnehmen. Wie man die Wellenlänge wirklich mißt, wird in Kap. IV (Interferenz) erörtert werden. Wegen weiterer Einzelheiten sei der Leser auf die Spezialliteratur (z. B. S c h a e f e r - M a t o s s i , Das ultrarote Spektrum) verwiesen. Damit der Leser beurteilen kann, welches Prisma man im gegebenen Falle zu benutzen hat, sind in Abb. 210 sechs Kurven a bis / für Quarz, Lithiumfluorid, Flußspat, Steinsalz, Sylvin und Kaliumbromid eingetragen, bei denen die Wellenlängen als Abszissen, die Durchlässigkeiten als Ordinaten aufgetragen sind, die einer durchlaufenen Schichtdicke von 3 cm entsprechen. Wenn man Prismen mit 3 cm Basisdecke verwendet, wie es etwa den tatsächlichen Verhältnissen entspricht, so liest man aus Abb. 210 ab, daß Quarz höchstens bis 3,5 ¡i, Lithiumfluorid bis 6,5 ß, Flußspat bis 9 fi, Steinsalz bis etwa 17 fi, Sylvin (NaBr) bis 20—22 fi und Kaliumbromid bis etwa 26 ¡x zu benutzen sind. In neuerer Zeit ist die Ultrarotspektroskopie für Wissenschaft und Technik außerordentlich wichtig geworden, vor allem zur Untersuchung der ultraroten Molekülspektren, aus denen wichtige Schlüsse auf die Molekülstruktur gezogen werden können. Für die Bedürfnisse der Praxis sind namenllich in Amerika, neuerdings auch in Deutschland, Ultrarotspektrometer entwickelt worden, die vollkommen automatisiert sind und in sehr kurzer Zeit den interessierenden Bereich des ultraroten Spektrums aufzunehmen gestatten.

Die ultrarote Strahlung schließt sich in ihrem langwelligen Ende lückenlos an die elektrischen Wellen im engeren Sinne an, die man ja vom systematischen Standpunkte

22. Ultrarote und ultraviolette Strahlen

179

aus auch als sehr langwelliges Ultrarot bezeichnen könnte. Auf diesen Teil des elektromagnetischen Spektrums brauchen wir aber hier nicht einzugehen, da Erzeugung und Eigenschaften der elektrischen Wellen im zweiten Bande ausführlich besprochen wurden. Ultraviolette Strahlen. Ebensowenig, wie das Spektrum auf der Seite der längeren Wellen mit Rot abbricht, ist dies der Fall jenseits des violetten Endes des Spektrums; diese Tatsache wurde von J . W. R i t t e r (1801) entdeckt; auf seine Versuchsanordnung gehen wir später ein. Es gibt mehrere Methoden, diese sogenannte ultraviolette Strahlung nachzuweisen. Grundsätzlich ist es möglich, sie durch ihre Wärmewirkung (z. B. mit einer Thermosäule und Galvanometer) nachzuweisen; denn wie bei der ultraroten und sichtbaren Strahlung läßt sich auch hier die Strahlungsenergie in Wärme umwandeln und messen: Die ultraviolette Strahlung ist in diesem Sinne eben eine Wärmestrahlung. Diese Methode ist nur selten angewendet worden, weil die Energie der ultravioletten Strahlung i. a. viel geringer ist als die der ultraroten. — Bequemer sind deshalb im UV 100 %

50

0

Abb. 210. Spektrale Durchlässigkeit von Quarz (a), Lithiumfluorid (6), Flußspat~(c), Steinsalz (d), Sylvin (e) und Kaliumbromid (/)

andere Methoden, zu deren Besprechung wir jetzt übergehen. Die erste derselben beruht auf der Erscheinung der Fluoreszenz. Darunter ist folgendes von G. G. S t o k e s (1852) entdecktes Phänomen verstanden: Wenn man z. B. auf eine (farblose) Lösung von Chininsulfat weißes Licht auffallen läßt, so leuchtet sie in hellblauer Eigenfärbung auf, und ebenso zeigt eine Lösung von Fluorescein dann ein grünes Leuchten; genau dasselbe zeigt eine ätherische Chlorophyll-Lösung, die bei Bestrahlung rotes Licht aussendet, usw. Es handelt sich bei diesem Leuchten offensichtlich n i c h t um eine R e f l e x i o n der auffallenden Strahlung, sondern um eine U m w a n d l u n g derselben im Inneren des Stoffes u n t e r V e r ä n d e r u n g d e r W e l l e n l ä n g e . Während normalerweise eine in den Stoff eindringende Strahlung darin z. T. absorbiert und in Wärme verwandelt wird — darauf beruht die oben erwähnte Möglichkeit, alle elektromagnetischen Strahlen mit Thermosäule und Galvanometer zu messen —•, findet dies bei den fluoreszierenden Stoffen nicht statt: Vielmehr wird hier die eindringende Strahlung in eine solche andere Wellenlänge (Farbe) umgewandelt, die für den betreffenden Stoff charakteristisch ist, wobei die betreffende Substanz diese umgewandelte Strahlung als S e l b s t l e u c h t e r emittiert. (Zu den fluoreszierenden Substanzen gehört auch der grünliche Flußspat [Fluorcalcium] von Cumberland, der bei Bestrahlung mit weißem Licht tiefblau aufleuchtet; vom Flußspat hat die Erscheinung durch S t o k e s den Namen „ F l u o r e s z e n z " erhalten.) 12»

180

III. Kapitel. Dispersion und Absorption des Lichtes

Bisher hatten wir die Bestrahlung mit weißem Licht vorgenommen. Will man aber wissen, welche Wellenlängen die Fluoreszenz erregen, so muß man die fluoreszierenden Substanzen durch ein Spektrum hindurchführen; am bequemsten ist dazu ein Schirm, der etwa mit Bariumplatincyanür bestrichen ist (sog. Röntgenschirm), der eine grüne Fluoreszenzfarbe zeigt, oder auch eine Platte aus dem ebenso leuchtenden Uranglas. Auf diese Weise stellt man fest, daß die längeren Wellen (Rot, Orange, Gelb, Grün) i. a. keine Fluoreszenz erzeugen, die aber immer stärker auftritt, je weiter man in den kurzwelligen Teil (Blau, Violett) gelangt; dabei bleibt die Farbe der Eigenstrahlung der Fluoreszenz aber erhalten. S t o k e s hat auch eine Regel aufgestellt nach der die die Fluoreszenz erregende Strahlung immer kurzwelliger ist, als das erregte Licht ( S t o k e s s c h e Regel), wofür die angeführten Tatsachen Beispiele liefern. Man stellt n u n f e s t , d a ß die F l u o r e s z e n z s t r a h l u n g auch noch auft r i t t , w e n n m a n ü b e r d a s v i o l e t t e E n d e d e s S p e k t r u m s h i n a u s g e h t : das beweist, daß dort kürzere Wellen in der Strahlung vorhanden sind, als sie dem Violett entsprechen, also Wellenlängen kleiner als 400 m ^ . Wenn man also einen Papierstreifen in der Hälfte seiner Breite mit Bariumplatincyanür bestreicht, die andere Hälfte frei läßt und nun ein Sonnenspektrum auf dem Streifen so entwirft, daß etwa die obere Hälfte des Spektrums auf das Papier, die untere auf das Bariumplatincyanür fällt, so hat man den Anblick der Abb. 211: oben hat man das sichtbare Spektrum, von der F r a u n h o f e r l i n i e A bis H reichend, unten außerdem das Fluoreszenzspektrum, auf dem die Linien J , M, N, O sichtbar sind; letztere besitzt eine Wellenlänge von A ßC

D

E

F

G

H J

M

N

0

Abb. 211. Länge eines auf weißes Papier (o) und auf einen fluoreszierenden Schirm (6) projizierten Sonnenspektrums

344 m¡i, das Spektrum ist also hier beträchtlich verlängert. Man sieht ferner, daß das (grünlich leuchtende) Fluoreszenzspektrum etwa von der im Blauen liegenden Linie G (A = 430,8 m//) erregt wird; alle diese Wellen sind also — in Übereinstimmung mit der Stokesschen Regel — kürzer als die dem grünen Fluoreszenzlicht entsprechende Wellenlänge. (Analog zu diesem Versuch setzt man bei den Ultraviolettspektrographen in die Mattscheibe zur Scharfstellung des Spektrums einen Streifen von Uranglas ein.) Die Fluoreszenzstrahlung erlischt in dem Augenblick, in dem die erregende Strahlung aufhört. In diesem Punkte unterscheidet sie sich von der Phosphoreszenz, die z. B. die Schwefelmetalle der alkalischen Erden zeigen; diese können ebenfalls durch kurzwelliges und ultraviolettes Licht zu einer Eigenstrahlung angeregt werden, die aber u. a. nur langsam abklingt. Solche Stoffe werden z. B. bei den Leuchtzifferblättern von Uhren verwendet; wegen der „Aufspeicherung" der erregten Strahlung werden sie Phosphore, d. h. Lichtträger genannt. Ein vielfach verwendeter Phosphor ist z. B. die sog. S i d o t b l e n d e (Zinksulfidphosphor); ein mit diesem Phosphor bestrichener Schirm ist sehr bequem zur Ausführung von Demonstrationsversuchen mit ultravioletter Strahlung. Es gibt noch eine weitere Wirkung der kurzwelligen Strahlung, die zum Nachweis ultravioletten Lichtes verwendet werden kann, nämlich die photochemische Wirkung. Sie ist z. T. schon sehr lange bekannt, z. B. entdeckte C. W. S c h e e l e die Lichtempfindlichkeit des Silbernitrats bereits 1725. Wenn man mit der farblosen Lösung von Silbernitrat Papier beschreibt, so ist die Schrift zunächst unsichtbar, bräunt sich aber im Tages-

22. Ultrarote und ultraviolette Strahlen

181

licht allmählich. Bedeckt man die Schrift zur Hälfte mit einem roten, zur Hälfte mit einem blauen Glase, so tritt die Bräunung nur unter dem blauen, nicht unter dem roten Glase ein. Ferner werden die Halogenide des Silbers (AgCl, AgBr, AgJ) in kurzwelliger Strahlung zu Silber reduziert; eine Mischung von Cl2 und H 2 , die im Dunkeln beständig ist, geht bei Belichtung in Chlorknallgas (HCl) über, zuweilen explosionsartig; aus Sauerstoff 0 2 wird Ozon 0 3 gebildet usw. Wie genaue Versuche gezeigt haben, ist die Menge der Zersetzungsprodukte bei jeder der angeführten Reaktionen der eingestrahlten Intensität proportional; man kann diese photochemischen Prozesse also zur Intensitätsmessung im Ultravioletten benutzen. Aus der Reduktion der Silbersalze hat sich bekanntlich die Photographie entwickelt, die besonders zweckmäßig zur Bestimmung der ultravioletten Spektren ist; so hat R i t t e r in der Tat das Ultraviolett entdeckt. Schließlich ist noch eine letzte Methode zum Nachweis und zur Messung des Ultraviolett zu nennen, die auf dem lichtelektrischen Effekt (vgl. Bd. II, S.427 und 433) beruht; bei Bestrahlung mit kurzwelligem Licht werden aus einer Metallplatte Elektronen herausgeschleudert, die bei geeigneter Anordnung (in einer sog. P h o t o z e l l e ) einen Strom erzeugen, der wiederum der Intensität der auffallenden Strahlung proportional ist. Wie im Ultraroten zeigte sich auch hier, daß Glas, das man zuerst natürlich in der optischen Anordnung (Spektrometer bzw. Spektrograph) benutzt hatte, nur den ersten Anfang des ultravioletten Spektrums durchläßt. Um weiter vorzudringen, muß man Quarz- oder Flußspat-Optik benutzen. Während Glas das Ultraviolett nur bis zu einer Wellenlänge von etwa 340 m^a durchläßt, kommt man mit Quarz bis 200 m/i; zur Erreichung noch kleinerer Wellen muß man Flußspat verwenden. Dann stellte sich dem weiteren Vordringen ein neues Hindernis entgegen: der Sauerstoff der Luft absorbiert unterhalb 200 m/x immer stärker. Daher hat V. S c h u m a n n (1893) einen Vak u u m s p e k t r o g r a p h e n gebaut, in dessen Gehäuse auch eine geeignete Lichtquelle eingeschlossen war. Schließlich ergab sich, daß auch die Gelatine der photographischen Platten dieses kurzwellige UV absorbiert, so daß S c h u m a n n gezwungen war, gelatinefreie Trockenplatten herzustellen 1 ). Damit gelang es ihm schließlich, bis etwa 120 m^u vorzudringen. (Das UV-Gebiet von 200—120 m/j, wird daher zuweilen auch als „Schum a n n - UV" bezeichnet.) Noch weiter gelangten 1920 Th. L y m a n , nämlich bis zur Wellenlänge 60 m¡i ( „ L y m a n - UV"), und R. A. M i l l i k a n bis 13,66 m/u2). Da man auch Röntgenstrahlen bis zu dieser Wellenlänge erreichen kann (M. S i e g b a h n ) , ist der Anschluß des UV an das Röntgenspektrum lückenlos. Insgesamt umfaßt das UVSpektrum zwischen 400 und 13,66 m^t fast 5 Oktaven, während das sichtbare Gebiet sich auf 1 Oktave beschränkt. Von den Wirkungen des UV sei besonders die biologisch wichtige Tatsache erwähnt, daß das längere UV (380—280 m/u) eine Bräunung der Haut hervorruft, die bei zu intensiver Bestrahlung zu Entzündungen führen kann (Sonnenbrand). Kürzere Wellen können eine Zerstörung der Gewebe hervorrufen. Daher ist allgemein beim Arbeiten mit t/T-Licht Vorsicht geboten, namentlich Schutz der Augen durch eine Brille, die übrigens mit farblosen Gläsern versehen sein kann, die ab 340 m/u alles UV absorbieren. Als besonders wirksame Lichtquellen seien genannt die Bogenentladung zwischen Metallelektroden (namentlich Eisendochtkohlen), kondensierte Funkenentladung ebenfalls zwischen Metallelektroden (Zink, Aluminium) und besonders die Quecksilberdampflampe in einem Quarzrohr (sog. Höhensonne). ') Neuerdings benutzt man gewöhnliche Trockenplatten, die in fluoreszierendem Öl gebadet sind. 2 ) Diese kurzen Wellen lassen sich auch nicht mehr mit Flußspatoptik erreichen; L y m a n und M i l l i k a n benutzten statt dessen Reflexionsbeugungsgitter (siehe Nr. 37, S. 288).

III. Kapitel. Dispersion und Absorption des Lichtes

182

23. Absorption der Strahlung Wir sind im Vorhergehenden mehrfach auf die Tatsache gestoßen, daß die benutzten Prismen- und Linsen-Materialien in gewissen Wellenlängenbereichen die Strahlung nicht mehr hindurchlassen, sie also absorbieren; das gilt sowohl im UR und U V wie im sichtbaren Gebiet. Ein rotes Glas z. B . hält aus dem weißen Licht gewisse Wellenlängen zurück, so daß die Mischung der übrigbleibenden „ R o t " ergibt. Entsprechendes gilt für alle farbigen Gläser. Wie wir im folgenden noch sehen werden, h ä n g t d i e A b s o r p t i o n der S t r a h l e n in einem b e s t i m m t e n M a t e r i a l a u f s e n g s t e m i t s e i n e r D i s p e r s i o n z u s a m m e n . Während wir bisher die Absorption nur nebenher, gewissermaßen aus technischen Gründen erwähnten, müssen wir jetzt näher darauf eingehen. U m die Gesetzmäßigkeiten zu erfassen, ist es unbedingt notwendig, mit monochromatischer Strahlung zu arbeiten, sei es im UV, Sichtbaren oder UR-, denn nur bei solcher liegen einfache Verhältnisse vor. Wir wollen daher eine monochromatische Strahlung der Wellenlänge X auf die Oberfläche eines Mediums auffallen lassen; dann wird ein bestimmter Bruchteil reflektiert und der Rest, dessen Strahlungsintensität wir 0 nennen wollen, dringe in das Medium ein. Bleibt diese Strahlungsleistung 0 O unverändert beim Durchgang, so heißt das Medium „durchlässig" im Sichtbaren auch „durchsichtig"; nimmt die Strahlungsintensität ab, so heißt es „absorbierend" 1 ). Wenn die Fortpflanzungsrichtung der Strahlung etwa die Z-Richtung ist, so nimmt 0 mit wachsendem l ab. Nennen wir den Wert der noch vorhandenen Intensität an der Stelle l nunmehr 0, so ist dieselbe an der Stelle l + dl offenbar 0 — d l , d. h. die Abnahme der Strahlung pro Längeneinheit ist

^

. E s liegt nahe, diesen Wert proportional dem gerade vorhandenen Wert der

Intensität 0 zu setzen: ^

= —K0(l),

oder

~

= — K d l ; ( K > 0).

Die Integration ergibt sofort: ln0

= ln0o

— Kl,

oder, nach Übergang zu den Numeris: (103)

0 = 0oe ~

K l

.

0O ist also die Strahlungsintensität, die an der Stelle Z = 0 in das Medium eindringt. Das Gesetz (103) wird als das L a m b e r t s c h e G e s e t z bezeichnet; es besagt, daß in jeder Schicht dl des Materials der gleiche Bruchteil der eindringenden Strahlung verschluckt wird; die Größe K wird A b s o r p t i o n s k o n s t a n t e oder A b s o r p t i o n s k o e f f i z i e n t genannt. K ist natürlich i. a. eine Funktion der Wellenlänge X und der spezifischen Natur des absorbierenden Mediums, a b e r n i c h t v o n l, — daher die Bezeichnung „ A b s o r p t i o n s k o n s t a n t e " . D a Kl in (103) dimensionslos ist, hat K die Dimension einer reziproken Länge, K wird also im absoluten Maßsystem in c m - 1 gemessen; seine physikalische Bedeutung ist die des reziproken Weges, auf dem die Strahlungsleistung auf den e-ten Teil herabsinkt. Denn für Kl = 1, K = l/l wird nach (103) 0t = 0 „ e _ 1 - Wenn 1/K gerade gleich der Wellenlänge X ist, so muß 0O auf den e-ten Teil nach D u r c h l a u f e n e i n e r W e l l e n l ä n g e herabsinken. Unter eigentlicher Absorption versteht man die Umwandlung der Strahlungsenergie in Wärme, dabei wird die Strahlung als solche vernichtet. Es kann aber auch der Fall eintreten, daß die Strahlung in einem Medium, z. B. an den Molekülen desselben, zerstreut wird. Das bewirkt ebenfalls eine Schwächung der hindurchgehenden Intensität, obwohl die Strahlung als solche erhalten bleibt. Vorläufig unterscheiden wir diese beiden Fälle nicht, da die zu besprechenden Gesetze (103) und (I03a) formal beiden gemeinsam sind.

23. Absorption der Strahlung

183

A. B e e r (1852) hat die Absorptionskonstante K genauer bestimmt, indem er von dem Gedanken ausging, daß die Absorption längs eines Weges l nur von der Gesamtzahl der im Strahlengang befindlichen absorbierenden Individuen (Atome, Moleküle) abhängen könne. Ist also die Konzentration der absorbierenden Zentren c (bzw. ihr Parfcialdruck p), so ist die Gesamtzahl der absorbierenden Zentren offenbar proportional dem Produkt cl (bzw. pl). Bedeutet daher K' (K") eine andere Konstante, so kann das L a m b e r t s c h e Gesetz (103) geschrieben werden: (103a)

0 = 0Qe-Kcl

bzw.

0 =

0oe'K"pl.

I n dieser Form wird es als L a m b e r t - B e e r s c h e s A b s o r p t i o n s g e s e t z bezeichnet. Nach der zugrunde liegenden Auffassung sollte es also für die Absorption gleichgültig sein, ob man kleine Konzentrationen (oder Partialdrucke) und große Schichtdicken, oder umgekehrt große Konzentrationen (und Partialdrucke) und kleine Schichtdicken verwendet, wenn nur das Produkt cl (oder pl) den gleichen Wert hat. Streng kann dies offenbar nur gelten, wenn die absorbierenden Zentren gegenseitig keine Wechselwirkung aufeinander ausüben, was man bei kleiner Konzentration (oder Partialdruck) wohl annehmen kann; zweifelhaft ist dies aber bei hohen Konzentrationen (Partialdrucken). Tatsächlich findet man dann auch Abweichungen vom L a m b e r t - B e e r s c h e n Gesetz. Es kann auch vorkommen, daß bei gleichbleibendem Partialdruck (Konzentration) der absorbierenden Zentren auch nichtabsorbierende Fremdstoffe eine störende Einwirkung ausüben; das würde bedeuten, daß die Absorption nicht nur vom Partialdruck (Konzentration), sondern auch vom Gesamtdruck (Gesamtkonzentration) abhängt; auch solche Fälle sind mehrfach festgestellt worden. Man kann also nur sagen, daß das L a m b e r t - B e e r s c h e Gesetz den Charakter eines Grenzgesetzes für kleine Konzentrationen und Partialdrucke hat. Aus theoretischen Gründen, die erst später (S. 196) hervortreten werden, setzt man zweckmäßig die Absorptionskonstante K (103b)

K = -

A,

wo x als A b s o r p t i o n s i n d e x bezeichnet wird. Da K eine reziproke Länge ist, wird der Absorptionsindex x dimensionslos, d. h. eine reine Zahl.

Der Absorptionskoeffizient K kann auf folgende Weise gemessen werden: Wir benutzen dazu ein S p e k t r a l p h o t o m e t e r , z. B. das von G. V i e r o r d t (1869) angegebene. Im Prinzip ist es ein gewöhnliches Spektrometer, aber der Spalt des Kollimatorrohres besteht aus zwei übereinander stehenden Hälften, die einzeln in ihrer Breite verändert werden können. Wenn die Spalthälften gleich breit gewählt werden, so haben wir das gewöhnliche Spektrometer vor uns, das in der Brennebene des Fernrohrs ein Spektrum entwirft, dessen Höhe der Länge des gesamten Spaltes entspricht. Wählen wir die Spalte ungleich, so bekommen wir zwei (an sich identische) Spektren von halber Höhe von jeder Spalthälfte entworfen, nur daß das Spektrum der breiteren Spalthälfte heller ist als das andere, weil der Lichtstrom, der durch die Spalte eintritt, natürlich ihrer Breite proportional ist. In der Brennebene des Fernrohrs ist noch eine verschiebbare Blende angebracht, deren Breite ebenfalls veränderlich ist; man kann durch entsprechende Einstellung dieser Blende jede beliebige Farbe (Wellenlänge) der beiden Spektren ausblenden. Bisher hatten wir stillschweigend beide Spalthälften mit der gleichen Lichtquelle beleuchtet; jetzt wollen wir umgekehrt jede Spalthälfte mit einer anderen Lichtquelle bestrahlen. Dann sind auch bei gleicher Breite der beiden Spalte die Spektren i. a. ungleich hell; aber wir können für jede Wellenlänge, die wir mit der Okularblende isolieren, das Helligkeitsverhältnis der beiden Lichtquellen (für die eingestellte Wellenlänge) bestimmen, wenn wir die Breite der einen Spalthälfte solange verändern, bis Gleichheit der Helligkeitsempfindung erreicht ist.

184

III. Kapitel. Dispersion und Absorption des Lichtes

In unserem Falle können wir also grundsätzlich folgendermaßen vorgehen: Wir belichten beide Spalte mit e i n e r Lichtquelle, machen zunächst beide Spalte gleich breit, so daß beide Spektren überall gleiche Helligkeit haben; dann bedecken wir den einen Spalt mit einer Platte absorbierender Substanz (z. B. einer gefärbten Glasplatte). Dann wird das zugehörige Spektrum, wenigstens für einzelne Wellenlängenbezirke, dunkler; indem man nun diesen Spalt verbreitert, bringt man den ausgeblendeten Bereich der beiden Spektren wieder auf die gleiche Helligkeit. Da das Verhältnis der Helligkeiten ohne Absorbens gleich dem der Spaltbreiten ist, kann man sofort nach (103) die Absorptionskonstante K für diese Wellenlänge bestimmen, wenn noch die Dicke der absorbierenden Platten gemessen ist. Dieses einfache Verfahren bedarf freilich noch einer Modifikation; denn auch wenn wir die eine Spalthälfte mit einer völlig durchlässigen Platte bedecken, wird das zugehörige Spektrum dunkler, und zwar deshalb, weil das Licht beim Eintritt und Austritt aus der Platte eine Reflexion erleidet und schon dadurch — auch ohne Absorption — geschwächt wird. Diese Schwierigkeit umgeht man, wenn man b e i d e Spalthälften mit Platten verschiedener Dicken und l2 bedeckt. Dann ist der Reflexionsverlust bei beiden Hälften der gleiche und fällt bei der Messung heraus. Die Gl. (103), auf zwei verschiedene Dicken und l2 und verschiedene Spaltbreiten bx und b2 angewendet, liefert: = «Poie""' 5

& t = *

n

e T

a t

.

Dabei sind die beiden Lichtströme, die auf die beiden Spalte fallen, CP01 und 0 O2 genannt; 0 1 und 2 sind die beiden austretenden Lichtströme, die dem Auge in der Brennebene des Fernrohrs dargeboten werden, und da b1 und ö2 so einreguliert werden, daß = 2 wird, folgt weiter: /f.

-Ell

rf,

-Kl,

oder

K =

Logarithmieren liefert dann sofort: In

#02

= K

1

— y2

h ~ k

,

und schließlich, da ^¡P- = — ist: 02

2

auch aus dieser Gleichung erkennt man natürlich, daß K die Dimension einer reziproken Länge besitzt. Die Beseitigung der Reflexionsverluste ist notwendig, weil das L a m b e r t s c h e Gesetz (103) sich nicht auf die a u f f a l l e n d e , sondern auf die e i n d r i n g e n d e Strahlung bezieht. Deshalb darf man auch nicht allgemein schließen, daß eine Substanz mit großer Absorptionskonstante K auch ein großes Absorptionsvermögen A in dem früher definierten Sinne habe; denn A bezieht sich auf die e i n f a l l e n d e Strahlung. Metalle z. B haben ein sehr großes K, aber ein kleines A, weil sie ein sehr großes Reflexionsvermögen R besitzen. Von der einfallenden Strahlung 1 dringt daher nur der kleine Bruchteil (1 — R) ins Metall ein, und dieser unterliegt starker Absorption durch großes K; aber das Absorptionsvermögen A ist gleich 1 — R, d. h. klein; nur falls die Reflexionsverluste vernachlässigbar sind, kann von großem K auf großes A geschlossen werden; das ist z. B. bei Gasen der Fall.

In der folgenden Tabelle geben wir die Absorptionskonstanten K für die Stoffe Flußspat, Steinsalz und Sylvin in c m - 1 an; die Dicke — Z2) in der letzten Gleichung ist natürlich auch in cm anzugeben. (Der Leser kann aus den angegebenen K-Werten die Durchlässigkeiten der genannten Stoffe, die in Abb. 210 für eine Dicke von 3 cm eingetragen sind, verifizieren.) 1 ) *) Daß die Kurven der Abb. 210 auch in den absorptionsfreien Gebieten nicht die Durchlässigkeit 100%> sondern weniger ergeben, liegt natürlich an den Reflexionsverlusten.

23. Absorption der Strahlung NaC'l

CaF2 A in fi 1-6 7 8 9 10 11 12

185 KCl

K in c m - 1

X in ¡1

K in c m - 1

À in fi

K in c m - 1

< 0,01

1-5 6-8 9-11 12 13 14 15 16 17 18 19 20,7 24

0 < 0,001 0,005 0,007 0,024 0,071 0,167 0,41 0.66 1,29 2,34 5,1 10,7

6-8 9-11 11-13 14 15 16 17 18 19 20,7 24

< 0,001 0,005 0,005 0,025 0,047 0,066 0,081 0,148 0,277 0,535 1,86

11,17 0,61 1,8 4,6 > 7

Da die in der Tabelle enthaltenen Absorptionskonstanten K alle der Ungleichung 1/K > X genügen (X natürlich hier auch in cm gemessen!), so gehören die genannten Stoffe zu den schwach absorbierenden. Als Gegenstück seien die Metalle genannt, für die K von der Größenordnung mehrerer Hunderttausend bis Millionen c m - 1 ist (z.B. ist für Silber bei der Wellenlänge 0,630^ = 0,63 • 10~4 cm die Absorptionskonstante K = 5 • 10 6 cm - 1 ); hier ist 1/K < X, d. h. die Metalle sind stark absorbierendp Stoffe. Die Absorptionsverhältnisse sind bei den verschiedenen Stoffen äußerst mannigfaltig. Die Metalle haben für fast alle Wellenlängen vom UV bis UR starke Absorption, d. h. sind selbst in dünnen Schichten völlig undurchsichtig. Auch bei zahlreichen anderen Stoffen (z. B. gewissen Farbstoffen) finden sich breite Absorptionsgebiete. Bei Gasen finden wir dagegen vielfach die Absorption auf einzelne Wellenlängen beschränkt ( A b s o r p t i o n s l i n i e n ) . Ein Beispiel dafür sind die F r a u n h o f e r s c h e n Linien im Sonnenspektrum: sie sind die infolge von Absorption durch die Dämpfe der Sonnenoberfläche im Sonnenspektrum fehlenden Wellenlängen. Schließlich eine grundsätzliche Bemerkung: wir werden im folgenden sehen, daß es überhaupt keine Stoffe gibt, die nicht in irgend einem Spektralgebiet Absorption zeigen. Insbesondere gilt das auch für die im Sichtbaren völlig durchlässigen Stoffe (farblose Gläser, Flußspat, Steinsalz, Sylvin); auch sie besitzen entweder im UV oder im UR oder in beiden Spektralgegenden ausgeprägte Absorption. Beziehungen zwischen Reflexion, Brechung und Absorption. Die engen Beziehungen, in denen die Absorption zur Dispersion steht, zeigen sich auch in gewissen quantitativen Verhältnissen, die wir hier zusammenstellen wollen, um sie später zu benutzen. Die bisherigen Erörterungen über Reflexion sind insofern unvollständig, als wir noch keine Angaben darüber gemacht haben, welcher Bruchteil der einfallenden Strahlung reflektiert wird. Derselbe ist natürlich vom relativen Brechungsquotienten der beiden aneinander grenzenden Medien abhängig; wir beschränken uns auf den Fall, daß das erste Medium Vakuum (oder Luft) ist; dann fällt der relative Brechungsquotient mit dem absoluten zusammen. Die allgemeine Aufgabe ist für beliebige Einfallwinkel von A. F r e s n e l gelöst worden (Fresnelsche F o r m e l n ) (vgl. Kap. V, Nr. 42); wir betrachten aber hier nur den einfachsten Fall senkrechter Inzidenz; auf den allgemeinen Fall schiefer Inzidenz kommen wir auf S. 328 zurück. Nennen wir die Amplitude der einfallenden Wellen Ee> die der reflektierten Er, so ergeben die F r e s n e l sehen Formeln für diesen Spezialfall:

III. Kapitel. Dispersion und Absorption des Lichtes

186

Unter dem R e f l e x i o n s v e r m ö g e n R versteht man — für senkrechte Inzidenz — die Größe E \ \ E \ , da die Energie proportional dem Quadrat der Amplitude ist. Daher ergibt sich für R:

D i e s e G l e i c h u n g g i l t a b e r n u r f ü r d u r c h s i c h t i g e S t o f f e , genauer gesagt, nur in solchen Spektralgebieten, in denen die Absorptionskonstante K vernachlässigbar klein ist. Für ein Glas vom Brechungsquotienten n = 1,5 folgt z. B. R = 1/25, das sind 4°/ 0 der auffallenden Strahlung; selbst für große Brechungsquotienten, z. B. n = 2,4 für Diamant, ist der reflektierte Betrag relativ klein, nämlich R = 17 °/0. Für a b s o r b i e r e n d e Stoffe erhält man das an Stelle von Gl. (105) tretende Resultat, indem man den Brechungsquotienten mit Hilfe des Absorptionsindex x (Gl. 103 b) komplex ansetzt — (der komplexe Brechungsquotient wird mit n bezeichnet): (106)

n = w(l—

ix).

Die Begründung dafür findet der Leser bis zu einem gewissen Grade in der folgenden Nr. 24; der imaginäre Teil des komplexen Brechungsquotienten, nämlich nx, ist stets für die Absorption verantwortlich, während der reelle Teil n, wie bei durchsichtigen Medien, die Brechungsverhältnisse bestimmt. Ersetzt man in (104) n durch tt = n(l — ix), so folgt zunächst: .

Er

(1U4a)

Darin ist nun

n —1

% ~ n~+T E

=

TO—1

— inx

» + 1 - inx •

jetzt komplex, da die rechte Seite von (104a) komplex ist. Um den

Betrag der Größe R — E^jE^ zu finden, hat man Zähler und Nenner mit dem konjugiert komplexen Wert zu multiplizieren; das gibt: ß

I ~ \~Wj

(n — 1 — inx) (n — 1 -f inx) (n + 1 — inx) (n + 1 + inx) '

und die Ausrechnung liefert die sogenannte B e e r sehe F o r m e l : (losa)

B=

i

w

~;i;tn:i-

(n + l)2 + n2x*

Diese Gleichung, die uns später noch beschäftigen wird, erklärt z. B. ohne weiteres das große Reflexionsvermögen der Metalle. Für die Wellenlänge des Na-Lichtes ist bei Kupfer nx = 2,62 und n = 0,64; das gibt ein Reflexionsvermögen von 75°/ 0 . Für Silber lauten die entsprechenden Zahlen: nx = 3,67 und n = 0,18, was einen .B-Wert von 95°/o ergibt. Ist das erste Medium nicht das Vakuum (n = 1), sondern ein beliebiges Medium (n — nx) und hat das zweite den Brechungsquotienten « 2 , so geht (105) über in (105b)

B=

(n*~niY \ n2 + nx /

für zwei durchsichtige Medien; ist Medium 2 absorbierend, so geht (105a) über in (105c)

S

= ("2 + nW (n2 + raj2 + n\x2

24. Die Dispersion des Lichtes: II. Anomale Dispersion

187

24. Die Dispersion des Lichtes: II. Anomale Dispersion In Nr. 20 hatten wir die Farbenzerstreuung von Medien untersucht, die (in dem in Betracht kommenden Bereich) völlig durchlässig sind; die erhaltenen Dispersionskurven n = n(l) haben alle den gleichen Charakter: n nimmt mit wachsender Wellenlänge X ab, die Kurven sind (Abb. 199 auf S. 168) alle bezüglich der Abzissenachse konvex. Bereits A. C a u c h y (1876) hat sich die Frage vorgelegt, woher die Dispersion komme und welchen Charakter die Funktion n = n (A) habe. Ohne auf seine inzwischen überholten theoretischen Anschauungen einzugehen, erwähnen wir nur das praktische Ergebnis seiner Untersuchung, die sog. C a u c h y sehe D i s p e r s i o n s f o r m e l : (107a)

n2 = A + i

+

+

,

in der A, B, C. . . . . . geeignet zu bestimmende Konstanten sind. (Da n2 positiv ist und mit abnehmender Wellenlänge zunimmt, müssen A und B positiv sein, während a priori über die übrigen Konstanten nichts ausgesagt werden kann.) Es gelingt im Großen und Ganzen, wenigstens für das sichtbare Gebiet, die Konstanten so zu wählen, daß die experimentell gefundenen w-Werte durch die Formel recht gut wiedergegeben werden. Dennoch ist Gl. (107 a) nicht die endgültige Lösung des Problems; denn für A = oo erhält man n2co = A,' das nach der elektromagnetischen Theorie des LichAbb. 212. Dispersionskurve von Flußspat tes gleich der Dielektrizitätskonstante {DK) s sein sollte; die Beziehung A = e ist aber keineswegs in allen Fällen zutreffend. Übrigens sah man sich auch zuweilen genötigt, noch ein Glied von anderer Gestalt hinzuzufügen (A' positiv): (107b)

=

A

+

£

+



wobei besonders hervorzuheben ist, daß dieses Glied n e g a t i v e s Vorzeichen besitzt. B G Während der Ausdruck A -f- — + • • • • immer abnimmt, wenn A wächst, fällt das hinzugefügte Glied A'?.2 unter der gleichen Bedingung immer mehr ins Gewicht; es wird sich also z. B. bei den langen Wellen im ultraroten Spektralgebiet bemerkbar machen, und zwar dadurch, daß die Dispersionskurve schließlich k o n k a v gegen die Abzissenachse verläuft, wobei aber immer noch n mit wachsender Wellenlänge abnimmt. Als Beispiel führen wir die Dispersionskurve für Flußspat im Gebiete von 0,2 — 9 ¡x (d.h. vom UV bis zum UM) an (Abb. 212). Hier sieht man deutlich bei längeren Wellen die Änderung des Charakters der Kurve. Gemeinsam ist aber (107a) und (107 b), daß n mit wachsender Wellenlänge abnimmt. Da diese Tatsache bei allen zuerst untersuchten Stoffen auftrat — weil man natürlich die für die praktische Optik wichtigen durchsichtigen Stoffe untersuchte — hat diese Art von Dispersion die Bezeichnung normale Dispersion erhalten; heute weiß man, daß diese „normale" Farbenzerstreuung nur ein Spezialfall der allgemeinen Dispersion ist. [Übrigens sieht man an (107b) den provisorischen Charakter noch deutlicher, da sich daran nicht einmal der Übergang zu unendlich langen Wellen vollziehen läßt.]

188

III. Kapitel. Dispersion und Absorption des Lichtes

Wenn man von einer gelegentlichen Beobachtung von L e R o u x (1862) am Joddampf absieht, hat systematisch zuerst Ch. C h r i s t i a n s e n (1870) die Dispersion eines Stoffes gemessen, der im sichtbaren Gebiet nicht vollkommen durchsichtig ist, nämlich von einer alkoholischen Fuchsinlösung, die im Grün, in der Nachbarschaft der F r a u n hofer-Linie E (X = 527m/u), einen ausgeprägten Streifen selektiver Absorption besitzt. C h r i s t i a n s e n konnte unter diesen Umständen, obwohl er ein Flüssigkeitsprisma von nur 1° brechendem Winkel und eine maximale Konzentration von 18,8°/0 benutzte, die Farbenzerstreuung nur in den durchlässigen Partien Rot, Orange, Gelb einerseits und Blau, Indigo, Violett anderseits messen, während das Grün völlig ausgelöscht war. Seine Ergebnisse sind in der untenstehenden Tabelle enthalten. Die Betrachtung der Tabelle ergibt: Die Linien B, C, D folgen in der Reihenfolge aufeinander, wie man es von der normalen Dispersion gewöhnt ist: n fällt mit zunehmender Wellenlänge. Aber der Vergleich der bei diesen längeren Wellen auftretenden Brechzahlen mit denen der kurzen Wellen (F, G, H) zeigt, daß diese letzteren viel weniger

o) Ao BC rot

md2)2 mh sei, d. h. wir bleiben mit w immer in einem gewissen Abstände von den Eigenschwingungen ojh. Dann dürfen in erster Annäherung sowohl in der ersten, wie in der zweiten Gl. (114) im Zähler und Nenner die ^ ^ - enthaltenden Glieder vernachlässigt werden. Die mh zweite Gleichung (114) geht dann über in: n

2

x

0,

=

d. h. das Medium ist außerhalb der Eigenschwingungen praktisch durchlässig. Dann folgt als vereinfachte erste Gl. (114): (114a)

n

2

= l + 4 — f f ^

,

oder mit Einführung der Wellenlängen Xh und X statt der Frequenzen coA und a> l 2 TIC 2 TIC \ (H4b)

Nh ql A2 XI V* * ;

w2 = 1 + 2

diese Gleichung muß den Verlauf der Dispersion außerhalb der Eigenschwingungen darstellen. Bevor wir dies nachweisen, wollen wir die zweite Gleichung (114) noch in dem bisher ausgeschlossenen Fall betrachten, daß wir mit w in die unmittelbare Nachbarschaft einer Eigenfrequenz (z. B. mj) kommen; alle übrigen Glieder der Summe verschwinden nach wie vor, denn für sie ist ja a> von o j ( h = 2, 3, . . .) merklich verschieden. Nur e i n Glied bleibt also in diesem Falle übrig (in unserem Beispiel das erste); denn hier darf h

S y l v ü l u s w - > T h Thermosäule, G Galvanometer); als Lichtquelle dient entweder ein N e r n s t -

salz

Die Maxima rühren von den Eigenschwingungen der C03-Gruppe her, die allen Karbonaten gemeinsam ist.

202

III. Kapitel. Dispersion und Absorption des Lichtes

stift oder ein freibrennender Auerstrumpf. Daß der Galvanometerausschlag wirklich nur von der ausgesonderten Strahlung der Wellenlänge Ah herrührt, kann man zeigen, indem man eine ganz dünne Platte aus dem Untersuchungsmaterial in den Strahlengang bringt; da diese Platte — wegen der starken Absorption gerade der Wellenlänge /.h — diese Wellenlänge zurückhalten muß, während sie für andere Wellenlängen durchsichtig ist, so muß der Galvanometerausschlag verschwinden, wenn der Aufbau einwandfrei ist. Die folgende Tabelle gibt einige Reststrahlwellenlängen an, die von R u b e n s und Mitarbeitern hergestellt und gemessen wurden. Es ergibt sich aus dem Vorhergehenden für die Bestimmung von Eigenfrequenzen bzw. Absorptionsmaxima folgender Sachverhalt: durch Absorp6,56 CaC0 3 tion kann man alle, wenn auch noch so schwachen 12,0 SiC 30,9 Eigenfrequenzen nachweisen, wenn man hinreiZnS 52,0 NaCl chend große Schichtdicken wählt. Die Methode der 63,0 KCl Reflexion (Abb. 221) liefert nur die stärkeren Eigen81,5 AgCl schwingungen, und von diesen sondert die RestKBr 82,6 strahlmethode noch die allerstärksten aus (z. B. 91,6 T1C1 KJ 94,7 liefert sie von den Eigenfrequenzen des Kalkspates AgBr 112,7 nur die bei etwa 7 ¡x, während sie diejenigen bei TIBr 117,0 etwa 11 /j, und 14 fi unterdrückt). Zur Gewinnung T1J 152,8 eines ersten Überblicks wird man also mit der Reststrahlmethode beginnen, dann die Resultate durch einmalige Reflexion erweitern und dann erst zur Absorptionsmethode übergehen. Material

Wellenlänge in ¡i

Zur Erzielung noch größerer Wellenlängen haben H . R u b e n s und R . W . W o o d (1910) die chromatische Aberration von Quarzlinsen im UR ausgenutzt (Quarzlinsenmethode), deren Prinzip in Abb. 223 dargestellt ist. Wie schon erwähnt und wie auch aus Abb. 216 hervorgeht, besitzt Quarz für lange Wellen, etwa jenseits 50 ¡j,, Brechungsquotienten n > 2, während im sichtbaren und ultravioletten Spektralgebiet n » 1,5 ist. Nun ist nach der elementaren Linsenformel (Gl. 40c auf S. 73) die Brennweite einer Linse / = -.



^'y-

r- (rt und r2 die beiden Krümmungsradien). Das bedeutet, daß

1) (r2 — rx)

eine Quarzlinse, die für mittleres sichtbares Licht eine Brennweite / = 27,3 cm besitzt, für die langen ultraroten Wellen nur noch eine solche von 12 cm hat. Von diesen Dimensionen sind die beiden Quarzlinsen Q1 und Q2 in Abb. 223. Der Abstand der Lichtquelle L wird größer als 12 cm, aber kleiner als 27,3 cm gewählt; von L ausgesandte Strahlung •C 50 verläßt Q1 also divergent (in Abb. 223 gestrichelt), während die langwellige Strahlung i> 50 fj, in einem Bildpunkt P1 vereinigt wird; eine enge Lochblende läßt nur diese langwelligen Strahlen hindurchtreten, während die achsennahe kurzwellige Strahlung durch eine kleine runde Scheibe S ± zurückgehalten wird. Um etwaige kurzwellige Beimischung mit Sicherheit auszuschließen, wird dasselbe Verfahren noch ein zweites Mal angewendet, indem die von P1 divergierende Strahlung noch einmal eine Quarzlinse Q2 durchsetzt usw. In dem Bildpunkt P 2 haben wir dann eine sehr langwellige Strahlung — wie lang, hängt natürlich von der Emission der Lichtquelle ab. Auch hier haben wir also eine Filterung besonderer Art erzielt. H. R u b e n s und O. v. B a e y e r (1911) fanden z. B. in der Strahlung der Quarzquecksilberdampflampe Wellen von 110 ¡u und 342 [i, E. F. N i c h o l s und J . D. T e a r (1925) konnten eine Welle von 420 fi isolieren und in jüngster Zeit fanden L. G e n z e l und W. E c k h a r d t (1954) (ebenfalls in der Strahlung der Quecksilberlampe) sogar eine Welle von 1300 fi. Das sind aus Lichtquellen stammende Wellen von rund 1 mm Länge, die schon in das Gebiet der auf direktem elektrischem Wege erzeugten Wellen hinübergreifen. Ein schlagenderer Beweis für die elektromagnetische Theorie ist kaum denkbar.

25. Theorie der Dispersion und Absorption für schwach absorbierende Substanzen

203

P. D r u d e (1904) hat aus der Dispersionstheorie noch einen interessanten Schluß gezog3n, der die Frage beantwortet, mit welchen schwingenden Gebilden man es im UV und Sichtbaren einerseits, im UR anderseits zu tun hat. Dazu muß man die numerischen Daten der Dispersion verschiedener Stoffe kennen, etwa die Konstanten M/, und ).h der K e t t ele r - Hei m h o l t z sehen Dispersionsformel (116); nach (117) ist Mh =

N

h h

A4

*- .

JZTtlfa C

Wir wollen nun eine Substanz nehmen, die im UV oder Sichtbaren und im UR j e einen Absorptionsstreifen besitzt; die Wellenlänge des ersten nennen wir ?.v, des zweiten Mv bilden. Dieser ist nach (117) gleich ?. R , und wollen den Quotienten "AV My

!MR

;-V/

N y g2vjmv

-

NRqymK >

nach (109) muß aber in diesem Falle, weil das ganze Molekül unelektrisch ist, gelten: = 0,

Nvqv+NRqR

d. h . Nrqr

= — NRqR

.

B1

\BZ

Abb. 223. Quarzlinsenmethode nach R u b e n s und W o o d

Setzt man dies in die vorletzte Gleichung ein, so folgt für den in Frage stehenden Quotienten: My -jf

(119)

/MR

/ -jf- =

{qWr

I — (vMR •

Er ist also — abgesehen vom Vorzeichen •— gleich dem Verhältnis der spezifischen Ladungen (Ladungen pro Masseneinheit) der Gebilde, die im UV (oder Sichtbaren) und im UR die Schwingungen ausführen. Aus den Dispersionsformeln kennt man die Mh und ).h empirisch; wir wollen die Probe etwa mit Steinsalz und Sylvin machen. Beide Substanzen haben drei ultraviolette und eine ultrarote Eigenschwingung. Für NaCl ergibt sich aus sämtlichen Messungen der Reihe nach für das Verhältnis der spezifischen Ladungen: 4,6 • 10 4 ;

9,1 • 10 4 ;

1,1 104 ,

im Mittel 4,7 • 10 4 .

Für KCl erfolgt ebenso: 10,5 • 10 4 ;

12,6 • 10 4 ;

0,16 • 10 4 ,

im Mittel 7,75 • 10 4 .

Daraus (und ebenso aus den Messungen für Quarz und Flußspat) ergibt sich für das Verhältnis der spezifischen Ladungen im UV (Sichtbaren) und UR stets die Größenordnung von 10 4 — 105, d. h. es ist: (119a)

\mj„y

\mj,

III. Kapitel. Dispersion und Absorption des Lichtes

204

10"1 ist aber das Verhältnis der spezifischen Ladung von Elektronen zu der von IonenDaraus folgt der D r u d e s c h e Schluß, das die Eigenschwingungen im UV und Sichtbaren den Elektronen, im UR dagegen den Ionen zukommen, was sich stets bestätigt hat. Es braucht kaum hervorgehoben zu werden, daß die hier dargelegte Theorie der Dispersion und Absorption den Standpunkt der klassischen Physik einnimmt; die Quantentheorie unterscheidet sich zwar in der Interpretation, nicht aber in den Formeln; wir werden daher nicht mehr darauf zurückkommen.

26. Dispersion und Absorption der Metalle (stark absorbierende Stoffe) Zu den Substanzen mit sehr großer Absorptionskonstante K (vgl. die Angaben auf S. 185) gehören vor allem die Metalle. Vom Standpunkte der elektromagnetischen Theorie des Lichtes kann man leicht den Grund dafür angeben: er liegt in ihrer großen Leitfähigkeit. (Vgl. Tabelle Bd. I I , S. 135.) Diese bewirkt, daß beim Eindringen der Strahlung ins Metall Wechselströme entstehen, die J o u l e sehe Wärme erzeugen; diese geht natürlich auf Kosten der eingedrungenen Strahlung, die somit stark absorbiert wird. Demgemäß erklärt die M a x w e l l s c h e Theorie die optischen Eigenschaften der Metalle ausschließlich durch ihr Leitvermögen a, ebenso wie die optischen Eigenschaften der Nichtleiter durch die Dielektrizitätskonstante e erklärt werden sollten. Wir haben gesehen, daß letzteres nur bei sehr langwelliger Strahlung (elektrische Wellen von 10 cm an aufwärts) zutrifft, nicht aber bei kurzen Wellen (UR, Sichtbar, UV usw.). Für solche Strahlung zeigen die Nichtleiter Dispersion und Absorption, während sie im Bereich elektrischer Wellen tatsächlich dispersions- und absorptionsfrei sind. Ganz ähnlich ist es nun auch mit den Metallen: für elektrische Wellen trifft wirklich die Behauptung der M a x w e l l s c h e n Theorie zu, daß das Leitvermögen die optischen Erscheinungen bestimmt, auch noch, wie wir sehen werden, für ultrarote Wellen bis zu 15 fj, herab, aber in keiner Weiss mehr für dis kürzeren ultraroten, sichtbaren und ultravioletten Wellenlängen. Wir haben im vorhergehenden Abschnitt gesehen, wie man die M a x w e l l s c h e Theorie für Nichtleiter zu verbessern hat, indem man dem molekularen Aufbau der Materie Rechnung t r ä g t ; so werden wir es auch bei den Metallen machen müssen. Die erste Frage ist die nach dem R e f l e x i o n s g e s e t z und dem B r e c h u n g s g e s e t z . Das erstere gilt für Metalle genau so, wie für Nichtleiter, wovon wir in den beiden ersten Kapiteln ohne weiteres Gebrauch gemacht haben. Was die Brechung angeht, so wissen wir aus den vorhergehenden Nummern, daß man bei absorbierender Substanz einfach so rechnen kann, als ob der Brechungsquotient rt (den wir jetzt immer mit deutschen Buchstaben schreiben) komplex geworden sei. Demgemäß folgt für das Brechungsgesetz der Metalle ((pt = Einfallswinkel, Brechungswinkel, n reeller Brechungsindex, x Absorptionsindex): (120)

n =

n {

\

.

sin^ Da (plt somit auch sin ( 1 - ix) ~ »(1 + X2) '

S m X2

und daraus: ,,„„,, (122b)

.r, r-^— cos X2 = VI — an» =

1 /w2( 1 + x2)2 - (1 - x2 + 2 ix) sin2 ^ + ^ > tL .

Wenn wir vorläufig zur Abkürzung setzen: — i rat sein muß, da e seiner Natur nach positiv ist. Vergleichen wir damit die Tabelle auf Seite 208, so ergibt sich sofort, daß für die dort angegebenen Metalle ausnahmslos das Gegenteil, nämlich n < nx, zutrifft. Darüber hinaus hat sich gezeigt, daß die Beobachtungen auf k e i n e Weise durch die Gl. (135) dargestellt werden, s e l b s t wenn m a n b e l i e b i g e W e r t e von s u n d a z u l ä ß t . Es kann also kein Zweifel darüber bestehen, daß im Sichtbaren 14

Bergmann - Schaefer, III, 1

210

III. Kapitel. Dispersion und Absorption des Lichtes

und im UV die M a x w e l l s c h e Theorie nicht zutrifft; wir wissen schon, daß das gleiche auch für Nichtleiter in diesen Spektralgebieten gilt — eine Folge der Vernachlässigung der atomistischen Struktur der Materie. Wir werden später zeigen, wie die in den vorhergehenden Abschnitten für Nichtleiter dargelegte Erweiterung der Maxwellschen Theorie im Prinzip auch bei Metallen zum Ziele führt. Vorher aber wollen wir untersuchen, wie sich die Metalle gegenüber elektrischen Wellen (im engeren Sinne) verhalten; wir dürfen erwarten, daß die M a x w e l l s c h e Theorie dann ebenso zutrifft wie bei Nichtleitern. Für elektrische Wellen können wir die Gl. (135) noch etwas vereinfachen, weil dann aT so groß ist, daß es alle anderen Ausdrücke überwiegt. Die Dielektrizitätskonstante der Metalle ist unbekannt, obwohl man theoretische Gründe hat, sie gleich 1 anzunehmen. Für elektrische Wellen X ^ 1 mm ist die Schwingungsdauer T 1/3 • 10 - 1 1 sec; für Cu ist a C n = 5,14 • 10" sec- 1 , für Hg ist ffHg = 9,9 • 1015 s e c - 1 . Da Cu eines der bestleitenden, Hg eines der schlechtestleitenden Metalle ist, so liegt praktisch für a l l e Metalle a2T2 bzw. aT zwischen folgenden Grenzen: bzw.

3,3 2 • 108 ^ er2?72 ^ 1,72 • 1012 3,3 • 104 ^ aT ^ 1,7 • 10« .

Daher kann in (135) e (bzw. e 2 ) neben 2aT (bzw. 4 a 2 T 2 ) einfach gestrichen werden. Damit degenerieren die Gl. (135) zu den sog. Drudeschen Gleichungen: (136)

n=nx

= ]l~ÖT ,

woraus übrigens auch x = 1 folgt. Infolge der Größe von aT entarten nun auch die Gl. (132) so stark, daß die Variation von n,p und Xq, mit cp gar nicht mehr zu erkennen ist, denn es wird daher bleibt zur Prüfung von (136) bei elektrischen Wellen nichts anderes übrig, als das Reflexionsvermögen der Metalle zu berechnen und mit dem Experiment zu vergleichen. Nach (136) wird R der Reihe nach (n > 1!): (137)

„ _ (« — l) 2 + w2 _ n2 — 2 n + 1 + n2 _ n2 —n _ 1 — 1/n — (n + l) 2 + n2 _ » ! + 2 » + 1 + n2 ~ n2 + n ~ 1 + 1 In „ „ = 1 - A = i _ 2 n ][oT

Rechnet man sich danach mit den obigen Werten für a und T bei Cu und Hg die Werte von B aus, so folgt: Äcu = 99,85'% ; Ä Hg = 98,89% . Diese hohen Werte von R werden zwar tatsächlich beobachtet, sie können aber bei der heutigen Meßgenauigkeit nicht von 100°/0 und nicht voneinander unterschieden werden; auch dieser Prüfungsversuch der Gl. (136) ist also keineswegs hinreichend, da für R » 1 das Leitvermögen aus der Gl. (137) praktisch herausfällt. Man muß also versuchen, zu kürzeren Wellen (kleinerem T), das heißt zum UR überzugehen, da dann 2 aT kleiner wird, also gegen 1 mehr in Betracht kommt. Eine derartige Untersuchung haben 1903 E. H a g e n und H. R u b e n s durchgeführt, mit dem seinerzeit ü b e r r a s c h e n d e n E r g e b n i s , d a ß d i e Gl.(137) s i c h b i s zu W e l l e n l ä n g e n b i s zu 10 hinab durchaus bewährt hat. Die Maxwellsche Theorie

26. Dispersion und Absorption der Metalle (stark absorbierende Metalle)

211

s t i m m t a l s o im G e b i e t v o n A = 10 ¡jl b i s X = oo q u a n t i t a t i v . In der folgenden Tabelle ist der Wert 1 — R = 2 / j / a T (das ist das Absorptionsvermögen A der Metalle) für eine Wellenlänge von 25,5 fj, eingetragen und mit der Theorie verglichen; man erkennt die praktisch völlige Übereinstimmung. Wenn daher auch die M a x well sehe Theorie bei kürzeren Wellen versagt, so ist doch der elektromagnetische Charakter des Lichtes wieder über jeden Zweifel erhärtet worden. Eine Bemerkung fügen wir noch an: A = 1 - B in % die Gültigkeit der M a x well sehen Theorie für X 25,5 [i Metalle zeigt, daß ihr Ansatz für die Stromdichte beob. ber. j = crS bis zu Wechselströmen von mehr als 30 Billionen Wechseln noch gilt; j = ff© 1,13 1,15 ist aber das Ohmsche Gesetz in der For- Ag 1,17 Cu 1,27 mulierung der Feldtheorie (vgl. die Aus- Au 1,56 1,39 1,97 1,60 führungen Bd. II, S. 141). Während die AI 2,27 2,27 übliche Darstellung des O h m sehen Ge- Zn Cd 2,55 2,53 setzes schon bei technischen Wechselströ- Pt 2,82 2,96 men von 50 Perioden pro Sek. zu einer Ni 3,20 3,16 3,27 Verallgemeinerung des Widerstandsbe- Sn 3,23 3,66 3,99 griffes zwingt, zeigt sich die Formulierung Stahl . . . . 7,66 7,55 der Feldtheorie j = crCs turmhoch über- Hg Rotguß . . . 2,70 2,73 legen. Erst für noch schnellere Schwin- Manganin . . 4,63 4,69 gungen versagt sie. Das ist dann auch der Constantan . 5,20 5,05 Grund, weshalb bei kürzeren Wellen die metalloptischen Tatsachen, wie wir schon festgestellt haben, von den Forderungen der Maxwellschen Theorie abweichen. Erweiterung der Maxwellschen Theorie für Metalle bei sehr schnellen Schwingungen. Zur Erklärung der optischen Eigenschaften der Metalle im kurzwelligen TJR, im Sichtbaren und im UV knüpfen wir an unsere Betrachtungen im Abschnitt 25, speziell an die Gl. (113 u. 114) an, die die Dispersionsformeln für Nichtleiter sind. Nun können wir sehr einfach von diesen Gleichungen zu entsprechenden für Leiter übergehen, wenn wir berücksichtigen, daß in Leitern f r e i bewegliche Elektronen vorhanden sind, während sie in Isolatoren sämtlich an Ruhelagen gebunden sind und daher Eigenschwingungen besitzen. Wir haben also in Gl. (113) ein Glied hinzuzufügen, in dem das entsprechende ü>i, — 0 ist; wir wollen es etwa mit u>0 ( = 0) bezeichnen, und überhaupt allen Größen dieses Zusatzgliedes den Index 0 beilegen. Damit erhalten wir statt der Gl. (113) die folgende: (138a)

w 2 (l —

i x )

2

=

N

1

+4:712 h

h lVmh

K

~ a>2 ~ fh «>!™h »')

K - co2)2 + / | « ) K

4 7iNaqllm0(^co2 +

cu4 +

i W K

die sofort nach Trennung des Reellen und Imaginären in die beiden folgenden zerfällt: n2(

1

*2) = 1

(138b)

N

+

4jt

2 xh

h ?a/ t o aK ~ >*) K - °>2)2 + /i®V»l

47tiV0gg/TO0 CO2 + tliml

n'x

2 n j ;

>!y™ih«>

h ^ - « V + ZΫ'/^

'

N^qlfjml

N

co

co 2 + Html

-

Im einfachsten Falle, den wir zunächst voraussetzen wollen, sollen gar keine Eigenschwingungen, d. h. gar keine gebundenen Elektronen (oder Ionen) vorhanden sein, 14*

212

III. Kapitel. Dispersion und Absorption des Lichtes

sondern nur L e i t u n g s e l e k t r o n e n . Dann haben wir die entsprechend vereinfachten Gleichungen: 4:tiV0g'§m0 n2(l— x2)= 1 — >»o 0)2 + /o (138c) N0glf0 co m^co2 + fl ' Für sehr lange Wellen, d. h. für co ->• 0 müssen diese Gleichungen in die der M a x w e l l schen Theorie, nämlich in (134a) übergehen. Wenn man den Grenzübergang an (138a) vollzieht, so erhält man der Reihe nach: «2 M _ ly, \2 _ 1 ^ _ j _

4 nN0 qllm0 L + A i ) m0 ' _ 1 V o>(m* + tHml) N^ql . co /„

4 nNa q\ /, co/a/mS

^o

Nach Trennung des Reellen und Imaginären folgt: tu

/o

Denn ° ist die kinetische Deutung der Leitfähigkeit er. Dann hat man aber in der Tat tu die Gl. (134a) erhalten (mit dem speziellen Wert e = 1). Für Wellen unterhalb 10 ¡j, gelten diese Gleichungen (134 a) nicht mehr, und es erhebt sich die Frage, ob die neuen Gleichungen (138c) mehr leisten, evtl. unter Hinzunahme von gebundenen Elektronen, gemäß (138b). Das ist nun in der Tat im großen und ganzen befriedigend der Fall, namentlich bei flüssigen Metallen (Hg) und den Alkalimetallen. Insbesondere ersieht man aus (138b) und (138c), daß nunmehr w2( 1 —• x 2 ) < 0 sein kann, weil rechts ein Glied mit negativem Vorzeichen steht, das größer als 1 ist. Damit sind jedenfalls im Prinzip die in der Tabelle auf S. 208 enthaltenen Messungen erklärt, bei denen ohne Ausnahme n 2 = 589,0 Tiifi) besteht. Aus einer Quecksilberdampflampe kann man mit dazu passenden Gelb-, Grün- und Blaufiltern die Wellenlängen 577,0, 546,1 und 435,8 m/z isolieren. Ein für viele Zwecke sehr brauchbares Filter ist das von Ch. C h r i s t i a n s e n (1884) angegebene und von F. W e i g e r t (1927) und C. v. F r a g s t e i n (1933) verbesserte sog. Christianseniilter. Dasselbe besteht aus Körnern eines farblosen Glases in einer Flüssigkeit von gleicher mittlerer Brechzahl. ^30 Eine solche Flüssigkeit läßt sich durch Mischen zweier S3 Je Flüssigkeiten herstellen, deren eine einen höheren, deren andere einen niedrigeren mittleren Brechungsquotienten als — ö das Glaspulver besitzt. Infolge der verschiedenen Dispersi- -C onen von Glas und Flüssigkeit schneiden sich ihre Disper%70 sionskurven bei der gewählten mittleren Wellenlänge, differieren aber voneinander für längere und kürzere Wellenlängen. Glas und Flüssigkeit haben also nur für einen schma500 600 700 mu Wellenlänge len Spektralbereich den gleichen Brechungsquotienten. Lediglich dieser Bereich wird von dem Filter durchgelassen, Abb. 238. Spektrale Durchwährend alle anderen Wellenlängen durch Brechung oder lässigkeit eines Christiandiffuse Reflexion zur Seite abgelenkt werden (Abb. 237). senfilters für verschiedene Mischungsverhältnisse von Damit das Filter auch andere Wellenlängen hindurchläßt, kann man entweder den mittleren Brechungsquotienten der Schwefelkohlenstoff u. Benzol Flüssigkeit durch Benutzung eines anderen Mischungsverhältnisses der Komponenten ändern oder bei der gleichen Flüssigkeitsmischung die Temperatur des Filters ändern. Das ist deshalb möglich, weil die Brechzahlen von Glas und Flüssigkeit einen verschiedenen Temperaturkoeffizienten besitzen. Abb. 238 zeigt die Durchlässigkeit eines solchen Filters bei 20° C, bei dem die Variation der spektralen Durchlässigkeit durch Änderung des Mischungsverhältnisses von Schwefelkohlenstoff und Benzol erreicht wird1). Zum Schluß noch eine grundsätzliche Bemerkung: Was wir im vorhergehenden als „monochromatische" Strahlung bezeichneten, ist weit davon entfernt, im strengen Sinne des Wortes monochromatisch oder homogen zu sein. Dies wäre nur dann der Fall,

m

Über andere Filter vgl. die Ausführungen über Interferenzfilter auf S. 254.

V*

224

III. Kapitel. Dispersion und Absorption des Lichtes

wenn der Spalt des Monochromators unendlich schmal wäre und das Prisma ein unendlich großes Trennungsvermögen für benachbarte Wellenlängen hätte. Da aber beide Voraussetzungen nie zutreffen, haben wir es in Wirklichkeit stets mit einem Wellenlängenbereich, d. h. mit einem s c h m a l e n K o n t i n u u m von S c h w i n g u n g s z a h l e n zu tun, innerhalb dessen die Schwingungszahlen v noch sehr erheblich variieren. Eine streng monochromatische oder homogene Strahlung würden wir übrigens auch gar nicht wahrnehmen können, da sie keine e n d l i c h e Energie besäße. Denn all unsere Lichtquellen senden doch in endlicher Zeit einen endlichen Energiebetrag aus, der sich auf das ganze Wellenlängenkontinuum stetig verteilt; ein endlicher Teilbetrag kann somit nur auf einen endlichen Spektralbereich, niemals aber auf eine unendlich scharfe, streng homogene Spektral-,,Linie" entfallen. Dies gilt natürlich auch für diskontinuierliche Spektren. Auch die sog. Spektrallinien sind keineswegs homogen, sondern haben eine endliche Breite. Z . B . zeigt Abb. 239 nach Messungen von P . P . K o c h (1912) die Intensitätsverteilung in der roten Kad100 miumlinie; die Ordinaten bedeuten die relativen Intensitäten, die Abzissen die 80 relativen Wellenlängen. Mit zunehmendem Abstand von der Mitte der Linie wird die 60 Intensität schwächer und schwächer, ohne -Jb Fi A daß man eine Stelle angeben könnte, wo «0 sie exakt Null ist. Da somit die Breite der 20 Linie nicht scharf bestimmt ist, hat man als Maß für dieselbe die sog. H a l b w e r t s 0,01 0,03 0,02 0,01 0,00 0,01 0,02 0,03 0,01A b r e i t e eingeführt; das ist die spektrale Breite der Linie an der Stelle, an der AX die Intensität nur noch 50°/ 0 der maxiAbb. 239. Intensitätsverteilung in der roten malen beträgt. In der Abb. 239 ist diese Kadmiumlinie Breite durch die Punkte A und B gekennzeichnet. Die Halbwertsbreite beträgt im vorliegenden Fall AI = 0,03 A, während die Ak

mittlere Wellenlänge X rund 6000 A beträgt. Folglich ist — = A der Schwingungszahl innerhalb der Linie, durch also von der Größenordnung —

»

=

Av

IO- 2

6- 103

, die relative Variation 5 • 1 0 - 8 gegeben, ist

10"

Da die Schwingungszahl v von der Größenordnung 10 14 s e c - 1 ist, so folgt für A v die Größenordnung A v = 108 sec- 1 , d. h. in e i n e r S p e k t r a l l i n i e s t e c k e n n o c h u n g e h e u e r v i e l e s t r e n g m o n o c h r o m a t i s c h e , v o n e i n a n d e r v e r s c h i e d e n e W e l l e n l ä n g e n und d a s ä n d e r t sich a u c h n i c h t , wenn m a n a n n i m m t , d a ß es r e e l l e S p e k t r a l l i n i e n g i b t , die n o c h lOOOmal s c h m ä l e r sind als die oben h e r a u s g e g r i f f e n e K a d m i u m linie. Man sollte daher lieber die Strahlung von Spektrallinien und schmalen Spektralbereichen als „ q u a s i - h o m o g e n " bezeichnen. Als einen der Gründe für die endliche Breite der Spektrallinien haben wir oben den durch die thermische Bewegung der Moleküle bedingten Dopplereffekt erwähnt. Eine weitere Ursache für die Verbreiterung liegt darin, daß jede Lichtquelle doch zu einer bestimmten Zeit gezündet und zu einer späteren Zeit gelöscht wird. Die Lichterregung ist also durch eine Funktion der Zeit darstellbar, die zwar im obenerwähnten Zeitintervall streng periodisch, außerhalb desselben aber Null ist. Eine solche Funktion läßt sich nach F o u r i e r in eine unendliche Summe (ein Integral) harmonischer Schwin-

28. Allgemeines über Interferenz von Lichtwellen; Kohärenz und Inkohärenz

225

gungen zerlegen. Es ist also die eine zeitlich begrenzte Lichterregung darstellende Funktion k e i n e s w e g s harmonisch, sondern nur durch ein g a n z e s S p e k t r u m h a r m o n i s c h e r S c h w i n g u n g e n darstellbar. Das Wesen eines monochromatischen Wellenzuges wäre es, daß er von t — — oobis t = + oo andauere; jeder a b g e b r o c h e n e Wellenzug dagegen ist ein ganzes Spektrum, in dem freilich eine Wellenlänge besonders stark hervorgehoben ist.

IV. K a p i t e l

Interferenz und Beugung 28. Allgemeines über Interferenz von Lichtwellen; Kohärenz und Inkohärenz Im 8. Kapitel „Allgemeine Wellenlehre" des I. Bandes haben wir die mit jedem Wellenvorgang verknüpften Erscheinungen der Interferenz und Beugung ausführlich besprochen und werden in diesem Kapitel häufig darauf zurückverweisen müssen. Ferner haben wir in Nr. 56 des I I . Bandes den elektromagnetischen Charakter des Lichts im Anschluß an die Hertzschen Versuche mit elektrischen Wellen betont. Wir setzten es damals allerdings als bereits bekannt voraus, daß das Licht selbst ein Wellenvorgang ist, aber es fehlte bisher die systematische Darstellung der Tatsachen, aus denen die Wellennatur des Lichtes folgt, d. h. der Nachweis von Interferenz- und Beugungserscheinungen. Das müssen wir jetzt nachholen, und dabei wird sich auch herausstellen, daß beim Licht gewisse Besonderheiten vorliegen, die man bei den akustischen und elektrischen Wellen (im engeren Sinne) im allgemeinen nicht antrifft. Wir erinnern zunächst ganz kurz daran, was Interferenz ist und wie sie zustande kommt. Wenn an einem Punkte zwei Wellensysteme (z. B. akustische oder elektrische) zusammentreffen, so erhebt sich die Frage nach dem resultierenden Vorgang. Falls jedes einzelne Wellensystem sich so ausbreitet, als ob das andere nicht vorhanden wäre, so hat man es mit „ u n g e s t ö r t e r S u p e r p o s i t i o n " zu tun. Dieses Prinzip gilt in der Elastizitätstheorie zwar nur, wenn die Verrückungen sehr klein sind, in der Elektrodynamik aber — wegen der strengen Linearität der M a x well sehen Gleichungen — ausnahmslos. Das resultierende Wellenfeld wird also an jeder Stelle dadurch erhalten, daß man die primären Felder vektoriell addiert; in dem speziellen Falle, daß die primären Felder gleichgerichtet sind, entartet die vektorielle Addition in eine algebraische. Diese beiden Fälle wollen wir zunächst einmal erörtern. Betrachten wir zwei elektromagnetische Wellen gleicher Frequenz v (oder Wellenlänge X), die sich in Richtung der positiven «-Achse fortpflanzen, so haben die Feldstärken keine «-Komponente, weil die elektrischen Wellen transversal sind; sie können also nur y- und z-Komponenten besitzen. Nehmen wir zunächst an, die elektrischen Vektoren z. B. besäßen beide nur y-Komponenten, die wir Cs^ und Cs^2' nennen wollen; dann können wir die zwei primären Wellen folgendermaßen schreiben: (140)

= ^ COS 2 TT ( A - * ! - ^ ) , G = a 2 cos

ö2)_.

Dabei bedeuten a1 und a2 in bekannter Weise die beiden Amplituden, T = ~ die Schwin gungsdauer, X die Wellenlänge, x1 und x2 die beiden Wege, die beide Wellen von ihrem Ausgangspunkte zurückgelegt haben, und v9. = v„ -J- — 4 n mc

409

53. Magneto- und elektrooptische Phänome

Inverser Zeeman-Effekt. Ebenso wie die Elektronenbewegung in den Lichtquellen nach der Auffassung der klassischen Physik die Emission der Strahlung verursacht, deren Beeinflussung durch ein Magnetfeld wir soeben kennen gelernt haben, spielt die Schwingung von Elektronen auch bei der Dispersion und Absorption aller Medien eine entscheidende Rolle; wir haben ja bei Darlegung der Dispersionstheorie in Kapitel III, Nr. 25 die Gleichung für das schwingende Elektron (110) auf Seite 194 benutzt. Wie wir dort bemerkt haben (Anm. S. 194), müssen wir, wenn wir den Einfluß eines Magnetfeldes auf die Dispersion und Absorption untersuchen wollen, auf der rechten Seite der Gl. (HO) noch die B i o t - S a v a r t s c h e Kraft hinzufügen. Das ist der Gedankengang von W. V o i g t (1898) gewesen. Wie können hier nicht auf die Einzelheiten seiner Untersuchung eingehen, sondern beschränken uns auf die Mitteilung e i n e s Resultates bei

er

x

üt

er

er

er

jt

| x

er

er

I a)

b)

Abb. 419

l o n g i t u d i n a l e r Beobachtung. Das Medium, das von Lichtstrahlen durchsetzt wird, besitzt ohne Feld ganz bestimmte Dispersions- und Absorptionseigenschaften; beide werden durch ein Feld H verändert: Wenn man nun eine linear polarisierte Lichtwelle in das Medium eintreten läßt, so spaltet sie sich in dem magnetisierten Medium in zwei entgegengesetzt zirkulär polarisierte Wellen auf, die sich mit verschiedener Geschwindigkeit fortpflanzen. Beim, Austritt aus dem magnetisierten Medium setzen sie sich wieder zu einer linear polarisierten Welle zusammen, deren Schwingungsebene gegen die der einfallenden Welle gedreht ist. Das aber ist die Magnetische Drehung der Schwingungsebene (Magnetorotation), die F a r a d a y 1846 entdeckt hat, und die wir jetzt als einen Spezialfall des inversen Zeeman-Phänomens erkennen. Die Erscheinung besteht im einzelnen im folgenden: In durchsichtigen, isotropen Körpern wird die Schwingungsebene gedreht, wenn sie in ein starkes longitudinales Magnetfeld gebracht werden und das Licht in Richtung desselben hindurchtritt. Der Versuch gelingt z. B. sehr gut mit einem Bleisilikatglas, das man in die Achse einer stromdurchflossenen Spule zwischen zwei gekreuzte Nicols bringt. Der Winkel a, um den die Schwingungsebene gedreht wird, ist der magnetische Feldstärke § und der Länge l des im Feld befindlichen durchstrahlten Stoffes proportional: x =

a



Die Konstante co gibt an, um welchen Winkel die Schwingungsebene gedreht wird, wenn die Länge der Substanz 1 cm und die Feldstärke 1 Oersted beträgt; sie wird vielfach als V e r d e t s c h e K o n s t a n t e 1 ) bezeichnet. In der folgenden Tabelle sind für einige Stoffe die Werte der Ver de t sehen Konstante angegeben (für Na-Licht). Nach dem französischen Physiker E. V e r d e t (1854), der neben G. W i e d e m a n n (1851) die ersten exakten Bestimmungen derselben ausführte.

410

V. Kapitel. Polarisation und Doppelbrechung des Lichtes

Körper

V e r d e t s c h e Konstante in Winkelminuten

Bleisilikatglas Quarz Steinsalz

0,0566 0,0166 0,0372

Monobromnaphthalin Schwefelkohlenstoff Benzol m-Xylol Nitrobenzol Wasser •

0,0819 0,0421 0,0302 0,0248 0,0216 0,0130

Kohlendioxyd Sauerstoff i- bei 760 Torr . . Wasserstoff J

0,0862 10" 4 0,0559 10" 4 0,0537 10" 4

Da tx proportional § ist, hängt der Drehsinn von der Feldrichtung ab: er stimmt mit der Richtung überein, in der der elektrische Strom (in der Spule) sein Magnetfeld umkreist; d. h. w e n n m a n in R i c h t u n g d e s F e l d e s b l i c k t , so e r f o l g t die D r e h u n g im U h r z e i g e r s i n n . Da also der Drehsinn n u r von der Feldrichtung abhängt, so ändert er sich nicht, wenn man das Licht durch Spiegelung nochmals denselben Weg im magnetisierten Stoff rückwärts durchlaufen läßt. Auf diese Weise gelang es seinerzeit F a r a d a y , durch mehrfache Spiegelung die Größe der Drehung zu vervielfachen. Das ist, wie vorhin bereits betont, bei der natürlichen Drehung nicht der Fall. Auf der Tatsache, daß bei der magnetischen Drehung der Schwingungsebene des Lichtes der Drehsinn von der Feldrichtung abhängt, beruht folgender Versuch: Wählt man bei einem magnetisch drehenden Stoff die Magnetisierung so stark, daß eine Drehung der Schwingungsebene des Lichtes um 45° erfolgt — bei einer 1 cm dicken Schicht von Monobromnaphthalin sind dazu etwa 33000 Oersted erforderlich —, so findet durch einen um 45° gegen den Polarisator verdrehten Analysator eine vollkommene Auslöschung des Lichtes statt, wenn die Analysatordrehung und die magnetische Drehung entgegengesetztes Vorzeichen haben. Die betreffende Anordnung ist also in der gewählten Richtung f ü r einfarbiges Licht undurchlässig. Schickt man aber das Licht in der umgekehrten Richtung hindurch, ohne dabei die Stellung von Analysator und Polarisator zu verändern, so findet keine Auslöschung des Lichtes s t a t t ; die Anordnung ist vielmehr f ü r diese Lichtrichtung durchsichtig. Das jetzt durch den Analysator polarisierte Licht wird nämlich wieder um 45° in dem magnetisierten Stoff gedreht und zwar in demselben Sinn wie bei dem vorangehenden Versuch, so daß seine Schwingungsebene nach Durchgang durch das magnetisierte Medium parallel zur Durchlaßrichtung des jetzt als Analysator dienenden Polarisators liegt. Man h a t damit eine Anordnung, die in der einen Richtung lichtdurchlässig, in der entgegengesetzten Richtung aber lichtundurchlässig ist ( R a y l e i g h - sche L i c h t f a l l e ) . Auf den ersten Blick scheint dieses Ergebnis im Widerspruch zu dem Satz von der Umkehrbarkeit des Lichtweges (s. S. 4) zu stehen. Dies ist jedoch nicht der Fall, da dieser Satz, wie H. v. H e l m h o l t z gezeigt hat, nur gilt, wenn kein Magnetfeld vorhanden ist.

Besonders starke Magnetorotation zeigen nach A. K u n d t (1884) durchsichtige Eisen-Nickel- und Kobaltschichten, die man durch Kathodenzerstäubung auf Glas herstellen kann. Bei einer Schichtdicke von 10 - 3 cm dreht Eisen bei magnetischer Sättigung (etwa 15000 Gauß) Natriumlicht um 195°, Nickel um 75°. In diesem Zusammenhang mag erwähnt werden, daß nach J . K e r r (1877) die Schwingungsebene linear polarisierten Lichtes auch dann gedreht wird, wenn das Licht an der polierten Fläche eines starken Magneten reflektiert wird ( m a g n e t o o p t i s c h e r Kerr-Effekt). Wir gehen nunmehr zu den elektrooptischen Erscheinungen über. Hier wäre historisch an erster Stelle der elektrische Kerreffekt (1875) zu nennen. Er besteht darin, daß ein elektrisches Feld in isotropen Stoffen, und zwar in allen Aggregatzuständen, Doppelbrechung erzeugt. Wir brauchen an dieser Stelle nicht mehr darauf einzugehen, da diese Erscheinung in Nr. 51 unter einem anderen Gesichtspunkt (Akzidentelle Doppelbrechung) erörtert wurde.

53. Magneto- und elektrooptische Phänome

411

Starkeffekt. Wir besprechen daher hier nur den von J o h . S t a r k (1913) entdeckten und nach ihm benannten Effekt. Nachdem Z e e m a n gezeigt hatte, daß ein Magnetfeld sehr charakteristische Änderungen der Lichtemission von Spektrallinien hervorruft, lag natürlich der Gedanke nahe, zu untersuchen, ob u n d wie ein elektrisches Feld sich in dieser Hinsicht verhält. Aber zunächst waren alle dahin gehenden Versuche ergebnislos und wurden schließlich aufgegeben, nachdem W. V o i g t nachgewiesen hatte, daß unter den Annahmen der klassischen Theorie über den Mechanismus der Lichtemission, die sich bei dem normalen Zeeman-Phänomen bewährt hatten, ein elektrisches Analogon zum Zeeman-Effekt nicht existieren könne. S t a r k lehnte aber die Voraussetzungen der V o i g t s c h e n Beweisführung ab u n d erkannte überdies, daß die bisher angestellten Versuche schon wegen experimentell unzulänglicher Anordnungen zum Scheitern verurteilt

zum

Spektrographen

Abb. 420

waren. Wenn m a n nämlich eine intensive Strahlungsquelle haben will, sei es im Lichtbogen, sei es in einer Gasentladungsröhre, so müssen starke Ströme erzeugt werden, d. h. es m u ß d a n n in dem leuchtenden Gase eine starke Ionisation vorhanden sein; das bedeutet aber relativ große „Leitfähigkeit", u n d das wiederum die Unmöglichkeit, starke elektrische Felder herzustellen. Es fragte sich also, ob es trotz diesen einander scheinbar widersprechenden Bedingungen nicht doch möglich wäre, eine Anordnung zu finden, die eine Lichtquelle hinreichender Intensität in einem gar nicht oder nur schwach ionisierten Gasvolumen lieferte. Dies gelang in der T a t S t a r k durch folgende Anordnung (Abb. 420). I n einem Gasentladungsrohr t r i t t bei hinreichend kleinem Druck (ab 0,5 Torr) bekanntlich (vgl. Band I I , Seite 450ff., namentlich Seite 461) folgender Zustand ein: Die von der K a t h o d e K ausgehenden Kathodenstrahlen werden zur Anode A durch das zwischen K und A herrschende Feld hingeführt; in unmittelbarer Nähe der Kathode, zwischen ihr u n d dem negativen Glimmlicht, entstehen die Kanalstrahlen, die ihren Namen daher bekommen haben, weil sie bei durchlöcherter K a t h o d e durch diese „ K a n ä l e " hindurchtreten. So gelangen die Kanalstrahlen in einen R a u m hinter der Kathode, der verhältnismäßig wenig Ionen enthält u n d daher eine sehr kleine „Leitfähigkeit" h a t . S t a r k h a t t e den glänzenden Gedanken, die leuchtenden Kanalstrahlen als „Lichtquelle" zu benutzen, da m a n im R a u m hinter der Kathode auch ein großes elektrisches Feld erzeugen und aufrecht erhalten kann. S t a r k brachte also hinter der K a t h o d e K noch eine Feldplatte F in kleinem Abstände (1—3 mm) a n ; zwischen Kathode K u n d F wurde eine Spannung angelegt, die durch das Elektrometer E gemessen wurde — in Abb. 420 sind es 3000 Volt —, die bei einem Abstand von 1 m m zwischen F u n d K ein Feld von 30000 Volt/cm erzeugen; es gelingt sogar, Felder von 100000

412

V. Kapitel. Polarisation und Doppelbrechung des Lichtes

Volt/cm u n d darüber zu erzielen. Das von den Kanalstrahlen — infolge ihrer Zusammenstöße mit den Molekülen des Gases — ausgestrahlte Licht ist freilich schwach, so daß S t a r k die photographischen P l a t t e n zuweilen 24 Stunden lang exponieren u n d natürlich sehr lichtstarke Spektrographen benutzen mußte. Aber es gelang ihm auf diese Weise wirklich, das elektrische Analogon zum Zeeman-Effekt, nämlich die Aufspaltung der Spektrallinien im elektrischen Felde aufzufinden. Die ersten Beobachtungen machte S t a r k an Wasserstoff-Kanalstrahlen — wieder war es ein glücklicher Griff: Denn es ergab sich, daß die Aufspaltung der Spektrallinien des Wasserstoffs f ü r die Beobachtung und Deutung des Effektes am günstigsten und einfachsten ist. I n Abb. 420 ist die Stellung des Spektrographen angedeutet; es wird also in diesem Falle senkrecht sowohl zur Richtung der Kanalstrahlen wie auch zu der des Feldes beobachtet. S t a r k h a t aber außerdem auch eine Modifikation des Apparates angegeben, bei der zwar senkrecht zur Richtung der Kanalstrahlen, aber parallel der Feldrichtung beobachtet werden kann. ( I n Richtung der Kanalstrahlen wird nicht beobachtet, weil m a n d a n n eine Störung durch den Dopplereffekt zu befürchten hat). Etwas später als S t a r k hat Lo S u r d o (1914) eine einfachere Methode zur Aufspaltung von Spektrallinien im elektrischen Felde angegeben. Sein Gedankengang ist übrigens ganz ähnlich dem S t a r k schen und stützt sich auf die in Band II, Seite 451, Abb. 592 angegebene Spannungsverteüung in der Gasentladungsröhre: Man erkennt aus dieser Darstellung, daß zwischen der Kathode und dem ersten Kathodendunkelraum ( H i t t o r f f sehen Dunkelraum) ein sehr starkes Feld herrscht. Durch geeignete Formgebung der Kathode und zweckmäßige Wahl des Druckes kann man die in der zitierten Abb. 592 angegebene Spannungsverteilung noch akzentuieren; richtet man auf diesen Teil der Röhre ein Spektroskop, so sieht man direkt die Aufspaltung. Freilich ist das Feld nicht homogen, und das ist der Nachteil gegenüber S t a r k s Anordnung, aber dafür ist es viel lichtstärker. Infolge der Inhomogenität des Feldes haben die aufgespaltenen Linien die merkwürdig gekrümmte Gestalt, die in Abb. 421 dargestellt ist, auf deren Details wir später eingehen. Bei der Lo Sur doschen Methode kann man übrigens nur „transversal" (senkrecht zum Felde) beobachten.

Eine Überraschung war es, daß die Wasserstoff-Spektrallinien in eine sehr große Anzahl von Linien aufgespalten werden, die außerdem relativ weit von der ursprünglichen Linie getrennt sind, so daß die Erscheinung von anderer Größenordnung als beim Zeeman-Effekt ist. Eine Theorie gab es zur Zeit der Versuche S t a r k s noch nicht — daß die klassische Theorie die Versuche nicht erklären konnte, haben wir bereits erwähnt. E r s t später wurde gleichzeitig von E p s t e i n und S c h w a r z s c h i l d der „StarkE f f e k t " aus der Quantentheorie erklärt; u m so staunenswerter ist die Leistung von S t a r k , wenn m a n feststellt, daß seine Beobachtungen, obwohl nicht durch die Theorie geführt, doch vollkommen mit ihr übereinstimmen. Wir wollen umgekehrt die Aussagen der Theorie an den Anfang stellen, um eine kürzere Darstellung zu erreichen. Vorher eine rein technische Bemerkung: S t a t t der Frequenz v = ~ f ü h r t m a n 1 meistens die sog. Wellenzahl j> = — ein; wenn wir im folgenden von Frequenzen sprechen, A meinen wir immer Wellenzahlen. Die Frequenzdifferenz Av gegenüber der unbeeinflußten Linie ist gegeben durch die Gleichung: AX '¿h „ N A~ /? 8 n2mec Z Dabei bedeutet F die elektrische Feldstärke in Volt/cm, Z die sog. „Kernladungszahl", d. h. die Zahl der positiven Elementarladungen (Protonen) im Atomkern; f ü r H ist also Z = 1, f ü r He ist Z = 2 zu setzen usw. N bedeutet eine ganze Zahl, die ebensowohl positiv wie negativ sein kann, jeder aufgespaltenen Komponente k o m m t ein bestimmter Wert von ^ |JV| z u ; je größer N, desto ist der Frequenzabstand Av der betr. Komponente. Die Größe (für Wasserstoff mit Z = 1) 8 n2mec

53. Magneto- und elektrooptische Phänome

413

heißt der „Aufspaltungsfaktor". Für ihn ist es charakteristisch, daß die P l a n cksche Konstante h = 6,625 • 10~ 27 erg. sec auftritt; das bedeutet eben, daß wir uns nicht mehr im Bereich der klassischen Physik befinden, sondern daß die Quantentheorie eingegriffen hat, was wir bereits eingangs betont haben. Nach Einsetzen der Werte für h, e, m, c erhält man den Zahlenwert des speziellen Aufspaltungsfaktors für Wasserstoff mit F = 1 Volt/cm: i ~ i? H = — 2 = 6,103 • 1 0 s~ 5 c m, • / Volt \- = 6,403 • 1 0 " 5 Volt 1 ) Sn mec \ cm J Diese Zahl wird als „Starkkonstante" bezeichnet. Welches sind nun die weiteren Aussagen der Theorie ? Zunächst sieht man, da Z im Nenner steht, daß für H die Aufspaltung am größten sein muß; ceteris paribus

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ff



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Abb. 421

beträgt sie für He (Z = 2) nur die Hälfte. Ferner soll das Aufspaltungsbild, da positive und negative Werte von N gleich möglich sind, s y m m e t r i s c h zur ursprünglichen Spektrallinie (Mittellinie) sein. Die jeweiligen Aufspaltungsabstände Av von der Mittellinie sollen bei gegebenem F ganzzahlige Multipla des Aufspaltungsfaktors R sein. Alle hier aufgeführten Forderungen der späteren Theorie hatte S t a r k bereits in seinen ersten Arbeiten gefunden, auch schon einen ungefähren Wert des Aufspaltungsfaktors für Wasserstoff im Felde von 1 Volt/cm gefunden, der nahezu mit dem theoretischen Wert übereinstimmte; spätere Beobachter ( S t e u b i n g ) haben ihn genau bestätigt. Theorie und Experiment stimmen weiter auch darin überein, daß die Zahl N der Aufspaltungen um so mehr wächst, zu je höheren Gliednummern im WasserstoffSpektrum man fortschreitet. Zum Beispiel wird H„¡{X = 6563 A) in 14 Linien, Hß (X = 4861 A) in 20, H y ( l = 4341 A) in 26 Linien aufgespalten, so daß das Aufspaltungs-Diagramm immer breiter wird. (Wenn man die Nullinie N = 0 mitzählt, erhöhen sich die genannten Zahlen um 1). Bei H y entspricht die maximale Aufspaltung einem Werte von N = i 22, und das bedeutet bei einem Felde F = 74000 Volt/cm eine Wellenlängendifferenz zwischen N = — 22 und N = + 22 von ungefähr 39 AE; man erkennt daraus am besten, wie groß die Aufspaltungen beim Stark-Effekt im Vergleich zu denen des Zeemans-Effektes sind. Da die elektrische Feldstärke in Volt/cm gemessen werden soll, ist die linke Seite mit 300 zu dividieren, damit man den obigen Zahlenwert erhält.

414

V. Kapitel. Polarisation und Doppelbrechung des Lichtes

Was beobachtet man ,transversal", d. h. senkrecht zu den Feldlinien, und was „longitudinal", parallel zu ihnen ? Bei transversaler Beobachtung bekommt man a l l e Aufspaltungskomponenten, — wie beim Zeeman-Effekt. Alle Linien sind ohne Ausnahme l i n e a r p o l a r i s i e r t : Bei einem Teil der Komponenten (den n-Komponenten) schwingt der elektrische Vektor parallel der Richtung des Feldes, bei den anderen (ff-Komponenten) dagegen senkrecht zum Felde. Bei longitudinaler Betrachtung fallen die ^-Komponenten fort (aus dem gleichen Grunde wie beim Zeeman-Effekt), so daß die cr-Komponenten allein auftreten, a b e r n i c h t e t w a z i r k u l ä r p o l a r i s i e r t (wie beim Zeeman-Effekt), s o n d e r n u n p o l a r i s i e r t . (Diese Feststellung zeigt deutlich den Unterschied zwischen dem elektrischen und dem magnetischen Feldvektor; letzterer hat „achsialen", ersterer „polaren" Charakter). Auch hier hat die Beobachtung genau das geliefert, was die spätere Theorie forderte. Bevor wir ein Beispiel angeben, sei noch bemerkt, daß man sich auf transversale Beobachtung beschränken kann, da diese sämtliche Komponenten liefert. Die n- und cr-Komponenten kann man durch Vorschalten eines Nicols vor den Spektrographenspalt getrennt erhalten; noch einfacher ist die Benutzung eines Wollastonprismas (vgl. S. 375), das beide Arten von Komponenten gleichzeitig liefert. Wir beschränken uns auf den Vergleich zwischen Beobachtung und Theorie für die Wasserstofflinie H a ; in der folgenden Abb. 422 ist nebeneinander das beobachtete und o

o

er I 8 %

Sf

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if '4 I I I I • l 6 t 2 0 2 f 6 8

l

V ! ! i I I 8 $ t 2 0 2 t 6 8 l

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Abb. 422

berechnete Aufspaltungsbild dargestellt. Durch die Länge der Linien ist ihre Intensität angedeutet, die von S t a r k geschätzt, von der Theorie berechnet wurde. Bis auf gewisse sehr schwache Linien, die nach der Theorie da sein sollten, in der Beobachtung aber fehlen, ist die Übereinstimmung vollkommen. Die Abb. 421 gibt eine Lo-Surdo-Aufnahme von H a , auf der man auch die Polarisationsrichtungen erkennt; die Zahlen geben die Werte von ^ |2V| an. Die linke Aufnahme entspricht den 6 yc-Komponenten mit den N-Werten iL 2, ^ 3, ^ 4; rechts dagegen sind die drei cr-Komponenten mit N = 0 , ^ 1 wiedergegeben. — Wir können hiermit die Besprechung des normalen Stark-Effekts schließen. Wir wollen aber wenigstens erwähnen, daß, wie auch schon S t a r k bemerkt hat, bei Feldstärken über 100000 Volt/cm ein q u a d r a t i s c h e r , bei solchen von 1000000 Volt/cm sogar ein k u b i s c h e r Stark-Effekt auftritt; auch davon vermag die Theorie Rechenschaft zu geben. — Ferner sei erwähnt, daß für He die Erscheinungen ganz analog wie bei H verlaufen; bei anderen Stoffen können Komplikationen auftreten, indem z. B . das Aufspaltungsbild nicht mehr symmetrisch zur Mittellinie ist. —

Anhang 53 a. Optik der Atmosphäre Zu den Erscheinungen der atmosphärischen Optik rechnet man ganz allgemein alle diejenigen Licht- und Farbeneffekte, die von außerirdischen Lichtquellen (Sonne, Mond, Sternen) erzeugt werden, wenn ihre Lichtstrahlen die Atmosphäre der Erde durchdringen. Letztere kann die Lichtstrahlen in verschiedener Weise beeinflussen. Als Medium von örtlich ungleicher und stetig veränderlicher Dichte bewirkt sie Brechung und Krümmung der Lichtstrahlen. Bei Vorhandensein von Kondensationsprodukten, wie Wassertropfen oder Eiskristallen, treten infolge Brechung und Beugung Farberscheinungen auf, deren auffälligste und schönste der Regenbogen darstellt. Die Strahlenbrechung in der Atmosphäre. Da normalerweise die Dichte der Luft mit zunehmender Höhe über der Erdoberfläche abnimmt, wird entsprechend auch der Brechungsquotient der Luft kleiner. Setzt man voraus, daß der Brechungquotient in zur Erdoberfläche parallelen Schichten konstant ist, so wird ein von außen in die Atmosphäre eindringender Lichtstrahl zuerst auf Luftschichten von kleinem Brechungsquotienten und bei weiterem Vordringen auf Schichten mit wachsendem Brechungsquotient stoßen. Bei schiefem Einfall wird daher ein Lichtstrahl fortlaufend um 11 kleine Beträge gebrochen, so daß er sich in der Atmoii IM sphäre nicht geradlinig fortpflanzt, sondern eine Kurve beAbb.423. Zur Ableitung des schreibt, die nach unten konkav ist. Infolgedessen scheint ein solcher Strahl beim Auftreffen auf die Erdoberfläche Krümmungsradius eines in einem Medium mit veränvon einer Lichtquelle zu kommen, die höher über dem Horiderlichem Brechungsindex zont hegt, als dies in Wirklichkeit der Fall ist. verlaufenden gekrümmten Lichtstrahls Den Krümmungsradius r eines Lichtstrahles, der sich im allgemeinen längs seines Weges von Ort zu Ort ändert, findet man an Hand der Abb. 423. Wenn sich der Lichtstrahl s von 1 nach 2 fortpflanzt, kippt die Wellenfront um den Winkel d