Kriegspfarrer an der Ostfront: Evangelische und katholische Wehrmachtseelsorge im Vernichtungskrieg 1941–1945 [1 ed.] 9783666557880, 9783525557884


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Kriegspfarrer an der Ostfront: Evangelische und katholische Wehrmachtseelsorge im Vernichtungskrieg 1941–1945 [1 ed.]
 9783666557880, 9783525557884

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Arbeiten zur Kirchlichen Zeitgeschichte

Herausgegeben im Auftrag der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte von Siegfried Hermle und Harry Oelke Reihe B: Darstellungen Band 66

Vandenhoeck & Ruprecht

Dagmar Pöpping

Kriegspfarrer an der Ostfront Evangelische und katholische Wehrmachtseelsorge im Vernichtungskrieg 1941–1945

Vandenhoeck & Ruprecht

Mit 17 Abbildungen

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet þber http://dnb.d-nb.de abrufbar. 2197-0874 ISBN 978-3-666-55788-0 Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhÐltlich unter: www.v-r.de  2017, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, D-37073 Gçttingen/ Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U.S.A. www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschþtzt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen FÐllen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Satz: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt

Für Rolf Karl Pöpping (1936–2014)

Inhalt

1.

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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2.

Die Wehrmachtseelsorge im Krieg . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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3.

Der Ostkrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Ein christlicher Krieg? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Mission und Selbstbehauptung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31 31 43

4.

Rollenbeschreibungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Beruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Allen alles sein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51 51 64

5.

Der soziale Raum des Krieges . 5.1 Gottesdienste . . . . . . . 5.2 Lazarett . . . . . . . . . . 5.3 Hinrichtungen . . . . . . . 5.4 Gräber und Beerdigungen 5.5 Netzwerke . . . . . . . . .

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. 78 . 78 . 90 . 97 . 101 . 107

6.

Theologie des Todes . . . 6.1 Leben . . . . . . . . 6.2 Sterben . . . . . . . . 6.3 Opfern . . . . . . . . 6.4 Bejahen und Erhöhen 6.5 Töten . . . . . . . . .

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119 119 123 127 131 134

7.

Im Angesicht des Feindes . . . . . . . 7.1 Krieg als Bildungsreise . . . . . . 7.2 Auf den Spuren des Christentums 7.3 Zeugen der Vernichtung . . . . .

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8.

Entfremdungen . . . . . . . . . . 8.1 Legitimationsprobleme . . . . 8.2 Der NSFO . . . . . . . . . . . 8.3 Pessimismus und Anfechtung

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Inhalt

9.

Der Blick zurück . . . . . . . . . . . 9.1 Ernüchterungen . . . . . . . . . 9.2 Kontinuitäten . . . . . . . . . . 9.3 Strategien der Verteidigung . . 9.4 Die Umdeutung der Niederlage

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10. Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 1. Archivalische Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 2. Gedruckte Quellen und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 Personenregister/Biografische Angaben . . . . . . . . . . . . . . . . . 248

1. Einleitung In der Nacht zum 22. Juni 1941 überschritten 3,3 Millionen Soldaten der deutschen Wehrmacht die Grenze zur Sowjetunion und begannen einen Krieg, der als erklärter Rasse- und Vernichtungskrieg geführt wurde. Am Ende dieses Krieges hatten ca. 18 Millionen sowjetische Zivilisten, 8,7 Millionen Soldaten der Roten Armee und 2,7 Millionen deutsche Soldaten ihr Leben verloren1. Inmitten des Infernos von massenhaftem Mord und millionenfachem Sterben arbeiteten Geistliche beider Konfessionen und verkündeten den deutschen Soldaten im staatlichen Auftrag die christliche Botschaft. Dieses Geschehen, das seitens der Geschichtswissenschaft jahrzehntelang allenfalls als Randthema der Kirchengeschichte Beachtung fand, erfreut sich in einer Generation von Historikern, die von der Holocaustforschung geprägt wurde, seit einigen Jahren immer größerer Beliebtheit2. Allein die Teilnahme von Kriegspfarrern am Krieg Deutschlands gegen die Sowjetunion wird vor dem Hintergrund der Shoa als Skandal empfunden. Neu ist diese Kritik an der Rolle der Wehrmachtseelsorge im Krieg indes nicht. Bereits in den 1960er Jahren sahen sich ehemalige Funktionäre der Wehrmachtseelsorge im Zweiten Weltkrieg in der Defensive gegenüber einer Öffentlichkeit, die ihre Rolle als Wehrmachtpfarrer skandalisierte. „Wie leicht ist man geneigt, hinter dem Divisionspfarrer einen Funktionär der Nazis zu vermuten und hinter dem Feldbischof eine Propaganda Figur“, schrieb der ehemalige katholische Kriegspfarrer3 Johannes Stelzenberger 19644. Seitdem ist – so scheint es – der Graben zwischen zeitgeschichtlicher Forschung, die die Verstrickung der Kirche in den wohl „ungeheuerlichsten Versklavungs- und Vernichtungskrieg“ anprangert und denen, die am hergebrachten Selbstverständnis der Wehrmachtseelsorge festhalten, immer tiefer geworden5. In seiner 2008 publizierten Dissertation „Der Kommissar1 Vgl. Hartmann, Wehrmacht, 16. 2 Vgl. die zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht publizierten Doktorarbeiten von David Harrisville (University of Wisconsin-Madison) zum Thema „Moralität, Religion und Selbstbild von Wehrmachtsoldaten an der Ostfront“ und David Schmiedel (Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg) zum Thema „Gott“ im totalen Krieg. 3 Es gab Wehrmachtpfarrer und Kriegspfarrer a. K. [auf Kriegszeit], die unterschiedlichen Dienstordnungen unterlagen (vgl. unten 51). In dieser Studie wird der Begriff „Kriegspfarrer“ häufig verallgemeinernd für beide gebraucht, da der „Kriegspfarrer“ sich als Sammelbezeichnung innerhalb der Wehrmacht eingebürgert hatte. Vgl. „Erläuterungen zu den KriegspfarrerBestimmungen (HDv 373)“ (BA-MA Freiburg, N 283, Nr. 13). 4 Schreiben Johannes Stelzenbergers an Georg Werthmann vom 17. 2. 1964 (AKMB, SW 837). Vgl. unten 199–201. 5 Vgl. Aly, Die Belasteten, 102.

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Einleitung

befehl. Wehrmacht und NS-Verbrechen an der Ostfront 1941/42“ beschrieb der Historiker Felix Römer mit dem Verweis auf die Einbindung der Wehrmachtseelsorge in eine verbrecherische Kriegführung die Kriegspfarrer als „Propagandisten“ und „Mittäter“ des Vernichtungskrieges6. In der 2015 erschienenen amerikanischen Dissertation von Faulkner Rossi „Wehrmacht Priests“ dominiert die Frage: „Warum gingen die katholischen Priester freiwillig in einen verbrecherischen, genozidalen Krieg?“ Obwohl die Autorin Antworten auf ihre Frage auch in den historischen Gegebenheiten und Prägungen der katholischen Geistlichen findet, wird ihr Urteil von einem moralischen Rigorismus dominiert, der letztlich ahistorisch bleibt. Auf der Grundlage einer als zeitlos deklarierten christlichen Ethik kommt sie zu dem Schluss, dass Kriegs- und Wehrmachtpfarrer sowie überhaupt alle Geistlichen, die für die Wehrmacht arbeiteten, verpflichtet gewesen wären, den Kriegsdienst zu verweigern und „Märtyrer“ zu werden7. Schon die bloße Anwesenheit von Geistlichen in einem verbrecherischen Rasse- und Vernichtungskrieg hatte – so der Konsens der neueren historischen Studien – legitimierenden Charakter für die Taten der Wehrmacht im Krieg gegen die Sowjetunion. Anders ausgedrückt: Soldaten, die Verbrechen sahen oder selbst an ihnen beteiligt waren, mussten mit einem Kriegs- oder Wehrmachtpfarrer an ihrer Seite ein weniger schlechtes Gewissen haben, da sie sich weiterhin als gute Christen fühlen durften8. In krassem Widerspruch dazu stehen Darstellungen aus der Kirchengeschichte. 2002 verwies der katholische Kirchenhistoriker Hans Jürgen Brandt auf den „Heroismus“ katholischer Wehrmachtseelsorger, die im Zweiten Weltkrieg starben9, und betonte die „wehrmachtzersetzende“ Seite der katholischen Wehrmachtseelsorge10. Noch 2009 beschrieb die evangelische Theologin Angelika Dörfler-Dierken die christliche Botschaft der Kriegspfarrer und den „totalitären Unrechtsstaat“ als grundlegenden Gegensatz11, so als hätte es nie eine Verbindung zwischen beiden gegeben. Diese Darstellungen stehen in einer Linie mit den Kriegserinnerungen von Kriegspfarrern, die nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges die Wehrmachtseelsorge vor allem als Opfer und Gegenspieler des NS-Regimes präsentierten12. Es scheint, als sei beim Thema Wehrmachtseelsorge im Zweiten Weltkrieg 6 7 8 9 10 11 12

Rçmer, Kommissarbefehl, 510 f. Faulkner Rossi, Wehrmacht Priests, 190. Vgl. Rçmer, Kommissarbefehl, 510 f.; Bergen, „Germany”; Rçw, Militärseelsorge, 353. Brandt, Religion, XVII. Ebd., XVI. Vgl. Dçrfler-Dierken, Wolf Graf von Baudissin, 113. Vgl. die literarisierenden Erinnerungen von ehemaligen katholischen Wehrmachtpfarrern an ihre Zeit im Ostkrieg: Beck, Bis Stalingrad; Hamm, Priester; Peifer, Menschen; Perau, Priester; Steffens, Priester; Tewes, Seelsorger; Vçgtle, Kriegspfarrer; Weis, Seelische Kraft; Von evangelischer Seite: Baedeker, Volk; Goes, Unruhige Nacht; Leonhard, Leid; Schmidt, Roter Schnee; Ufer, Männer.

Einleitung

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der Graben zwischen Kirchengeschichte und profaner historischer Forschung besonders groß: hier die moralische Verurteilung der Wehrmachtseelsorge wegen ihrer institutionellen und inhaltlichen Verflechtung mit dem NS-Regime, dort der Verweis auf die positive Rolle von Wehrmachtseelsorgern als Tröster und Helfer deutscher Soldaten, die im Ostkrieg massenhaft starben. Erst seit kurzem wird die historische Forschung durch Arbeiten bereichert, die einen Standpunkt außerhalb der Pole von Apologie und moralischer Verdammung einnehmen. Sie verneinen keineswegs die Einbindung der Berufsgruppe der Kriegspfarrer in Nationalsozialismus und Vernichtungskrieg. Doch bleiben sie nicht bei der moralischen Verurteilung stehen, sondern interessieren sich für die subjektiven Erfahrungen dieser Personengruppe während des Krieges. Darstellungen wie die des Kirchenhistorikers Irmfried Garbe über den evangelischen Divisionspfarrer und Theologieprofessor Hermann Wolfgang Beyer oder die Studie des Historikers Martin Röw über die katholische Feldpastoral im Zweiten Weltkrieg müssen hier genannt werden13. Sie leisten einen wichtigen Beitrag zum Verständnis einer heute vielfach als fremd empfundenen Epoche. Nicht zuletzt soll es auch in dieser Studie um das subjektive Erleben des Krieges gehen. Dabei steht die Frage im Vordergrund, warum Kriegspfarrer auf der einen Seite Teil der militärischen Führung sein konnten, die den Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion maßgeblich betrieb, während sie gleichzeitig den Krieg in subjektiver Unschuld oder sogar im Bewusstsein ihrer besonderen moralischen Leistung erlebten14. Die Gründe für die gegensätzliche Einschätzung von Kriegspfarrern als Täter auf der einen und Opfer der Naziherrschaft auf der anderen Seite liegen indes nicht nur an dem sich wandelnden Geschichtsverständnis der Nachgeborenen, sondern auch in der Sache selbst: Die Wehrmachtseelsorger standen im Dienste zweier Herren15. Auf der einen Seite waren sie Beamte der Wehrmacht oder des Reiches mit dem Auftrag, die „innere Kampfkraft“ der Truppe zu stärken, wie es das „Merkblatt über Feldseelsorge“ formulierte, das am 21. August 1939 vom Oberkommando des Heeres (OKH) herausgegeben worden war16. Auf der anderen Seite teilten sie die Ziele ihrer Kirchen, die ihr berufliches Ethos geprägt hatten und die sich durchaus von den Zielen des NSStaates unterschieden. Beide Rollen haben das Selbstverständnis der Kriegspfarrer im Zweiten Weltkrieg geprägt, wurden aber nicht unbedingt als Widerspruch erlebt. Eine Erklärung für diesen Befund hat Antonia Leugers in ihrer Studie über „Jesuiten in Hitlers Wehrmacht“ mit dem Begriff des „Trittbrettfahrers“ angeboten. Sie konnte zeigen, dass die Jesuiten im

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Vgl. Garbe, Theologe; Rçw, Militärseelsorge. Vgl. Leugers, „Opfer“, 160. Vgl. Rçw, Militärseelsorge, 125. BA-MA Freiburg, RW 12 I, 2.

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Einleitung

Kriegseinsatz primär kirchliche Ziele verfolgten und damit gleichsam zu Trittbrettfahrern des NS-Eroberungskrieges wurden17. Auch die Kriegspfarrer erscheinen zuweilen in der Rolle von Trittbrettfahrern. Stets war ihnen bewusst, dass die Verwirklichung der eigenen kirchlichen Ziele vom militärischen Erfolg der Wehrmacht abhing. So hoffte der katholische Divisionspfarrer Johannes Stelzenberger auf eine Rechristianisierung des russischen Volkes, die sich in seinen Augen nur durch einen militärischen Sieg der Deutschen über die Sowjetunion erreichen ließ. „Gebe Gott, daß der Bolschewismus auf die Knie gezwungen wird. Als Deutsche und als Katholiken wünschen wir das“, erklärte er 1943 auf einem Frontlehrgang in Riga vor katholischen Kriegspfarrern18. Eine Studie über die Kriegserfahrungen von Kriegspfarrern fehlte bis zum Erscheinen des Buches von Martin Röw über die katholische Feldpastoral im Zweiten Weltkrieg im Herbst 2014. Röw begreift sein Buch als Grundlage für eine vergleichende Studie von protestantischer und katholischer Feldseelsorge im Zweiten Weltkrieg, wenn er auch die Möglichkeit eines solchen Vergleichs skeptisch einschätzt. Zu unterschiedlich seien die theologischen und geistesgeschichtlichen Ausgangspositionen beider Großkirchen, um einen fundierten Vergleich der Kriegserfahrungen katholischer und evangelischer Militärseelsorger im Zweiten Weltkrieg zu ermöglichen und nicht in bloße Komparatistik abzugleiten19. Dass in der vorliegenden Studie die Selbstzeugnisse von Kriegspfarrern beider Konfessionen vergleichend präsentiert werden, ist neu und in gewisser Hinsicht ein Wagnis, denn die Kirchengeschichtsforschung beider Lager hat sich bislang auf die Erforschung der je eigenen Konfession konzentriert. Im Fall der Wehrmachtseelsorge ist die Beschäftigung mit nur einer Konfession allerdings problematisch, denn hier geht es zwar um Geistliche, die von ihrer je eigenen Kirche geprägt waren, doch gerade in der Wehrmachtseelsorge standen diese Geistlichen im Kontext derselben militärischen Welt und derselben Ereignisse, der die konfessionellen Unterschiede oftmals in den Hintergrund drängte und einen neuen gemeinsamen Umgang mit dem Krieg förderte. Schon die Organisation der Wehrmachtseelsorge ebnete Unterschiede eher ein, als sie zur Geltung zu bringen. Katholische und evangelische Wehrmachtseelsorge verfügten über exakt dieselbe Zahl an Kriegspfarrern20. Ihre 17 Vgl. Leugers, Jesuiten. 18 Vgl. 3 Vorträge gehalten auf Frontlehrgängen für die katholischen Kriegspfarrer der Heeresgruppe Nord am 19. und 24. 6. 1943 in Riga von Kriegspfarrer Universitätsprofessor Dr. J. Stelzenberger [hier: 2. Vortrag: Die Ostkirche, 22.] Druckschrift, Berlin [1943] (EAM, NL Faulhaber, Nr. 6799). 19 Vgl. Rçw, Militärseelsorge, 19 f. 20 In der Marine hingegen gab es wesentlich mehr evangelische Kriegspfarrer als katholische. Vgl. Notiz Georg Werthmanns vom 9. 6. 1945 (AKMB, SW 8). Vgl. auch Bergen, „War Protestantism“, 130.

Einleitung

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Leitungen, die Feldbischofsämter im OKH, arbeiteten gedeihlich zusammen. Dies galt allem Anschein nach auch für die Arbeit der Kriegspfarrer an der Front. Man habe in gewisser Weise eine „Vernunftehe“ geführt, doch seien diese ja bisweilen nicht die schlechtesten, schrieb der evangelische Wehrmachtdekan a. D. Siegfried Sprank rückblickend. „Wir aßen an einem Tisch, wohnten in einem Quartier, unternahmen meist im gleichen Auto dieselben Dienstreisen, verhandelten mit den militärischen Dienststellen, wenn nicht anders befohlen oder zweckmäßig, gemeinsam. Welche Bedeutung man im OKH der Zusammenarbeit von evangelischen und katholischen Militärgeistlichen im Krieg beimaß, zeigen die in jedem Quartal abgelieferten Seelsorgeund Tätigkeitsberichte der Geistlichen, in denen das Verhältnis zum evangelischen bzw. katholischen Kollegen einen festen Strukturpunkt bildete21. Zudem hatten katholische und evangelische Kriegspfarrer mit denselben Problemen zu kämpfen. Insbesondere die feindselige Einstellung der Machthaber gegen die Kirchen, gleichgültig, ob evangelisch oder katholisch, brachte sie in eine gemeinsame Front gegen ihre Widersacher. Siegfried Sprank sprach vor diesem Hintergrund von einer „aus der Not geborenen Una Sancta“, d. h. einer Ökumene von katholischen und evangelischen Kriegspfarrern22. Zu einem ähnlichen Urteil gelangte der einstige katholische Feldgeneralvikar Georg Werthmann nach dem Krieg: „Katholizismus und Protestantismus standen während der nationalsozialistischen Zeit überall im gleichen politischen Raum; ihr Verhältnis war nicht mehr in der Sphäre politischer Relevanz und die aus dem früheren Verhältnis hervorgegangene ,kulturkämpferische‘ Haltung hatte ihren Sinn verloren.“23

Die Zusammenarbeit mit der jeweils anderen Konfession war notwendig, wenn man selbst überleben wollte24. Bemerkenswert ist diese Nähe der Konfessionen schon deshalb, weil protestantische und katholische Geistliche vor dem Krieg kaum etwas voneinander wussten und sich eher als Antipoden begriffen, denn als gemeinsame Vertreter der christlichen Religion25. Vor dem Hintergrund dieser zum Vergleich geradezu einladenden Konstellation soll es hier um die Frage gehen, wie sich evangelische und katholische Kriegspfarrer in ihrer Sicht auf den Krieg gegen die Sowjetunion von21 Vgl. Rçw, Militärseelsorge, 158. 22 Feldseelsorge in der 1. Armee von Ende August 1939 bis Ende November 1943. Rückschauender Bericht von Wehrmachtdekan a. D. Siegfried Sprank vom 18. 1. 1955 (LKA Stuttgart, P 32). 23 Notiz Georg Werthmanns vom 12. 7. 1945 (AKMB, SW 80). Zu demselben Urteil kommt auch Röw: „Unter Umständen hatte der ein oder andere Geistliche sich bereits vor Kriegsausbruch angesichts der Erfahrungen im ,Kirchenkampf‘ mit seinem Gegenüber der anderen Konfession in einer Art ,Schicksalsgemeinschaft‘ gesehen. Die Extremsituation Krieg hat dieses Gefühl bei einigen Geistlichen noch verstärkt und kann im Einzelfall zu einer ,Ökumene der Not‘ geführt haben, nicht zuletzt weil die fortgesetzte Strangulierung der Seelsorge beide Konfessionen betraf“. Rçw, Militärseelsorge, 159. 24 Vgl. Notiz Georg Werthmanns vom 3. 6. 1945 (AKMB, SW 80). 25 Vgl. Fandel, Protestantische Pfarrer, 518–520.

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Einleitung

einander unterschieden und wo sie sich ähnelten. In diesem Zusammenhang wurde bei allen der in dieser Studie erwähnten Kriegs- und Wehrmachtpfarrer beider Konfessionen in den Akten des ehemaligen Berlin Document Centers im Bundesarchiv überprüft, ob sie der NSDAP angehörten26. Die Quellengrundlage der Untersuchung ist vielfältig. Grundlegend sind die bislang unveröffentlichten Tagebücher der evangelischen Kriegs- und Wehrmachtpfarrer Hans Kähler, Johannes Rudolph und Hermann Wolfgang Beyer27. Der evangelische Pfarrer Gerhard Knapp, der als Sanitätssoldat in den Ostkrieg zog, vertrat nur zeitweise seinen Divisonspfarrer, hat aber ein umfangreiches und aufschlussreiches Kriegstagebuch zurückgelassen, auf das ebenfalls häufig zurückgegriffen wird. Auf katholischer Seite wurden die Tagebücher der Kriegs- und Wehrmachtpfarrer Johannes Stelzenberger, Josef Wassong, Johannes Opfermann und Theodor Loevenich ausgewertet. Von besonderem Interesse sind die Kriegstagebücher Johannes Stelzenbergers, der sich während seines Einsatzes als Divisionspfarrer an der Ostfront zwei Mal für die Lehre an der theologischen Fakultät der Universität Breslau beurlauben ließ28. Seine Tagebücher sind in Sütterlin und Gabelsberger Kurzschrift verfasst. Letztere benutzte er allerdings nur für politisch heikle Stellen. Zudem hat die von Walter Kempowski angelegte Sammlung von Tagebüchern aus dem Zweiten Weltkrieg für glückliche Funde aus Tagebüchern von Kriegspfarrern und ihrer Umgebung gesorgt. So die Briefsammlung eines evangelischen Kriegspfarrers, die Hunderte von Briefen an und von Angehörigen verstorbener Wehrmachtsoldaten enthält. Auch die Tagebücher des protestantischen Wehrmachtpfarrers Siegfried Hotzel und des katholischen Wehrmachtpfarrers Alfons Satzger finden sich in dieser Sammlung. Beide Tagebücher wurden allerdings nachträglich von ihren Verfasssern bearbeitet und sind deshalb nur von begrenztem Wert für die historische Forschung. Letzlich hängt es von den Zufällen der Überlieferungsgeschichte und der immer begrenzten Zeit, die für ausgiebige Recherchen zur Verfügung steht, ab, welche Tagebücher ausgewertet werden und welche nicht. Es ist wahrscheinlich, dass wohl die meisten Kriegspfarrer Tagebuch führten und damit gegen die militärischen Richtlinien verstießen, die „tagebuchähnliche Schriften aus dem unmittelbaren Kriegsgeschehen“ untersagten. Dies, so mutmaßt der 26 Überprüft wurden insgesamt 90 Kriegs- und Wehrmachtpfarrer, 45 evangelische und 45 katholische. Die Angaben zur Parteimitgliedschaft der hier erwähnten Kriegs- und Wehrmachtpfarrer sind im Personenregister/Biographische Angaben am Ende des Buches zu finden. Vgl. unten 62–64. 27 Hans Kähler war Pfarrer an der Eismeerfront und somit Teil des Ostkrieges. Das Tagebuch von Wehrmachtpfarrer Johannes Rudolph ist mir durch seine Tochter Dr. Edith Rudolph zugänglich gemacht worden, bevor es ans Bundesarchiv abgegeben wurde. Johannes Rudolph war Kriegspfarrer in der 6. Armee. Er befand sich im Kessel von Stalingrad, bis er am 13. 12. 1942 wegen eines Gallenleidens aus dem Kessel ausgeflogen wurde. 28 Vgl. Johannes Stelzenberger (AKMB, SW 837).

Einleitung

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Kirchenhistoriker Irmfried Garbe, sei wohl die „auffälligste Subversität innerhalb der Wehrmacht“ gewesen, nirgends sonst sei die militärische Befehlsgewalt vergleichbar einhellig ignoriert worden29. Aufschlussreich war die Auswertung der Tätigkeits- und Seelsorgeberichte, die von den Kriegspfarrern vierteljährlich an ihre militärischen Vorgesetzten abgeliefert werden mussten. Die Tätigkeitsberichte waren Teil der Kriegstagebücher der Divisionen. In ihnen ging es um die Einsätze der jeweiligen Divisionen, die Anzahl und die Orte der gehaltenen Gottesdienste, die Zahl und den militärischen Rang der Gottesdienstteilnehmer, die Menge der Krankenbesuche im Lazarett, um Hinrichtungen und Beerdigungen. Die Seelsorgeberichte hingegen waren für die Feldbischöfe bestimmt und eher psychologisch ausgerichtet. Sie sollten Einschätzungen über die allgemeine und religiöse Stimmung unter den Soldaten vermitteln und nach dem Krieg als geschichtliche Unterlagen dienen30. Der Wert dieser Quellen muss allerdings mit Skepsis gesehen werden, denn sie dienten immer auch dem Zweck der positiven Darstellung der eigenen Arbeit vor den militärischen Vorgesetzten, und der legitimierenden Darstellung der gesamten Wehrmachtseelsorge vor dem NS-Regime. Nicht zuletzt die Kriegspfarrer selbst zweifelten am Sinn dieser Berichte31. Dennoch dokumentierten Tätigkeits- und Seelsorgeberichte zeitnah historische Sachverhalte, reflektierten über die eigene Rolle und kamen zuweilen zu kritischen Einschätzungen über die Stimmung innerhalb der Truppe32. Darüber hinaus wurden verschiedene Nachlässe ausgewertet, u. a. die von Kardinal Michael von Faulhaber und dem evangelischen Wehrmachtpfarrer Herbert Krimm. Hinzu kamen die Aktenbestände zahlreicher Archive der evangelischen Landeskirchen und katholischen Bistümer. Hervorzuheben sind die Briefwechsel von evangelischen Kriegspfarrern mit ihren Ehefrauen und die ihrer katholischen Kollegen mit ihren Bischöfen oder Amtsbrüdern in der Heimat. Ebenso wurden Feldpredigten, Protokolle über Kriegspfarrerund Frontlehrgänge, Rundbriefe von Militärdekanen, Listen, Dokumentationen und Empfehlungen der Landeskirchenämter und Bistumsverwaltungen sowie Personalakten von Kriegspfarrern ausgewertet. Eine besondere Quelle sind die Notizen des katholischen Feldgeneralvikars Georg Werthmann. Werthmann war der eigentliche Kopf der katholischen Wehrmachtseelsorge im Krieg. Er führte die Geschäfte des Feldbischofs Franz-

29 Garbe, Theologe, 615. 30 Vgl. das Schreiben des OKH an den evangelischen und den katholischen Feldbischof vom 16. 5. 1944 (AKMB, SW 152). 31 „Vor allem die Seelsorgeberichte langweilen einen so langsam. Wenn man alle Vierteljahre über die religiöse, sittliche usw. Haltung der Truppe schreiben soll, fällt einem nichts mehr ein. In fünf Jahren sind die Gedanken und Formulierungen über diese Testfragen abgenutzt“, schrieb der evangelische Divisionspfarrer Ernst Ufer 1944 in seinem Tagbuch. Ufer, Männer, 368. 32 Vgl. Hartmann, Wehrmacht, 20.

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Einleitung

Justus Rarkowski, der während des Krieges, gesundheitlich angeschlagen und kaum arbeitsfähig, eine schwache Figur blieb33. Nach dem Krieg fiel Werthmann eine entscheidende Rolle beim Wiederaufbau der Militärseelsorge in der Bundesrepublik zu. Dabei konnte er sich auf ein umfassendes Archiv stützen, das im Unterschied zu den Akten der evangelischen Wehrmachtseelsorge nicht in den Kriegswirren verloren gegangen war. Vorausschauend hatte Werthmann bereits 1939 damit begonnen, den Bestand der katholischen Wehrmachtseelsorge aus der Reichshauptstadt heraus zu verlagern34. Diese Akten befinden sich bis heute im 1956 gegründeten katholischen Militärbischofsamt. Da Werthmann lange Zeit plante, selbst eine Geschichte der Militärseelsorge im Zweiten Weltkrieg zu schreiben – das Projekt wurde nie verwirklicht – ordnete er nach dem Krieg die über 10.000 Dokumente aus dem Feldbischofsamt „nach etwa 200 Gesichtspunkten“ neu und legte damit die Struktur seines geplanten Buches fest35. Mit hoher Wahrscheinlichkeit vernichtete er dabei Dokumente, die die katholische Wehrmachtseelsorge in den Augen der Nachwelt diskreditiert hätten. Auch sorgte er dafür, dass seine persönlichen Tagebücher nach seinem Tod vernichtet wurden36. Trotz dieser Einschränkungen ist das Archiv Werthmanns von Bedeutung, schon deshalb, weil Werthmann jedem Aktenkonvolut einen eigenen Kommentar voranstellte, der Teil seines geplanten Buchmanuskriptes sein sollte. Diese Kommentare sind längst selbst zur historischen Quelle geworden37. Selbstredend sind Werthmanns Kommentare nur mit hermeneutischer Distanz zu gebrauchen, sollten sie doch Teil einer geplanten Apologie der katholischen Militärseelsorge im Zweiten Weltkrieg werden, deren selbstbekundete Absicht das „Rehabilitieren, Retten und Hinüberretten“ der Militärseelsorge in eine Zeit unter veränderten politischen Vorzeichen war38. Werthmanns Sicht auf die Rolle der Wehrmachtseelsorge im Krieg bleibt aber von großem Interesse, denn sie zeigt eine Perspektive, die noch unmittelbar von den Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges geprägt war und die auch von der einstmals protestantischen Wehrmachtseelsorge im OKH in vielen Aspekten geteilt worden sein dürfte39. Der Bestand der protestantischen Wehrmachtseelsorge ist hingegen nur noch in Rudimenten vorhanden. Die Akten der Dienststelle des Evangelischen Feldbischofs im OKH wurden bei einem Bombenangriff 1943 zum großen Teil

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Vgl. Sinderhauf, Wehrmachtseeslorge, 277 f.; Faulkner Rossi, Against Bolshewism, 3 f. Vgl. das Schreiben Werthmanns an F. C. Bachem vom 28. 12. 1946 (AKMB, SW 02). Ebd. Vgl. Springer, Georg Werthmann, 6 (Dienstbibliothek des AKMB). Vgl. Rçw, Militärseelsorge, 39. Notiz Georg Werthmanns vom 19. 7. 1945 (AKMB, SW/A, 1). Zum Aktenbestand des Katholischen Militärbischofamtes und der besonderen Rolle von Georg Werthmann vgl. Sinderhauf, Wehrmachtseelsorge.

Einleitung

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vernichtet40. Schon aufgrund dieser Differenz ist die Geschichte der katholischen Wehrmachtseelsorge im Zweiten Weltkrieg besser erforscht als die Geschichte der evangelischen Wehrmachtseelsorge41. Für die biographischen Angaben im Anhang bedeutete dies, dass im Fall der evangelischen Wehrmachtgeistlichen mühsame Recherchen in Landeskirchenarchiven, bei Privatpersonen, Meldeämtern und der Deutschen Dienststelle WAST durchgeführt werden mussten, während die Angaben über die katholischen Wehrmachtgeistlichen nahezu vollständig im 2002 erschienen biographischen Lexikon der katholischen Militärseelsorge Deutschlands42 zu finden waren. Die vorliegende Studie legt den Schwerpunkt auf die Selbstwahrnehmung von Kriegs- und Wehrmachtpfarrern während des Russlandfeldzuges. Streng quantifizierende Aussagen über das Erleben und die Einschätzung des Erlebten durch die Geistlichen können nicht getroffen werden, dafür aber war es möglich, gemeinsame Tendenzen und Unterschiede von evangelischer und katholischer Wehrmachtseelsorge herauszuarbeiten. Über die Rezeption der Wehrmachtseelsorge bei den Soldaten lassen sich aus den zugrunde liegenden Quellen, bei denen es sich ganz überwiegend um Selbstaussagen von Kriegspfarrern handelt, kaum Angaben machen. Messbar ist der Einfluss der Wehrmachtseelsorge auf die Masse der Soldaten nicht. Das legen allein die Zahlenverhältnisse nah: Insgesamt standen etwa 1000 Kriegspfarrer über zehn Millionen Soldaten gegenüber, so dass oftmals nicht einmal die pastorale Grundversorgung der Soldaten sichergestellt war43. Auch die nach 1945 entstandenen Publikationen von Kriegspfarrern über ihre Zeit im Krieg werden in den Blick genommen. Sie deuten darauf hin, dass diese Geistlichen große Anstrengungen unternahmen, die christliche Beteiligung am Krieg gegen die Sowjetunion zu rechtfertigen.

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Ebd., 269. Vgl. Rçw, Militärseelsorge; Faulkner Rossi, Wehrmacht Priests. Vgl. Biographisches Lexikon der katholischen Milit rseelsorge Deutschlands. Vgl. Rçw, Militärseelsorge, 83 f.; Garbe, Theologe, 620.

2. Die Wehrmachtseelsorge im Krieg Mit der Evangelischen Militärkirchlichen Dienstordnung vom 28. Februar 1929 war schon in der Weimarer Republik eine staats- und kirchenrechtliche Grundlage geschaffen worden, welche die Seelsorge an den Soldaten regelte. An ihr orientierte sich auch die katholische Militärseelsorge, bis diese im Artikel 27 des „Reichskonkordats“ vom 20. Juli 1933 eine eigene rechtliche Grundlage erhielt, die durch die Apostolischen Statuten von 1935 ihre näheren kirchlichen Bestimmungen fand1. Kennzeichnend für die katholische und evangelische Militärseelsorge seit 1933 war, dass ihr durch die Unterstellung unter die militärischen Behörden die institutionelle Anbindung an die Landeskirchen bzw. Diözesen fehlte2. Dahinter stand das Motiv der Wehrmachtführung, den „Kirchenkampf“, der die evangelischen Landeskirchen spaltete, aus der Wehrmacht herauszuhalten sowie generell den Einfluss der Kirchen auf militärische Angelegenheiten auszuschalten3. Die Idee einer eigenen Militärkirche nährte vor allem in protestantischen Kreisen die Hoffnung, durch das Vorbild des Militärs die konfessionelle Spaltung in Deutschland zugunsten der nationalen Einheit zu überwinden. So verfolgte der Oberbefehlshaber des Heeres Werner von Fritsch in den 1930er Jahren das Ziel, unter der Führung der Militärkirche die Einigung des deutschen Protestantismus zu vollziehen und darüber hinaus die beiden großen Konfessionen einander anzunähern4. Aus militärischer Sicht stand dies durchaus in der Tradition der preußischen Militärseelsorge, in der sich bis 1914 eine „interkonfessionelle Auffassung“ gehalten hatte. Diese Interkonfessionalität basierte allerdings auf der Herrschaft der preußisch protestantischen Krone, deren militärisch-geistlicher Führung auch die katholische Feldseelsorge lange Zeit untergeordnet war5. Zugleich verbarg sich hinter der „Interkonfessionalität“ des preußischen Militärs ein für den militärischen Bereich typisches Religionsverständnis, nach dem Religion in erster Linie als Instrument der militärischen Disziplinierung von Soldaten verstanden wurde6. Seit Mitte der 1930er Jahre traten Bestrebungen innerhalb der protestantisch geprägten Militärführung hinzu, Vgl. G sgen, Die katholische Militärseelsorge in Deutschland, 2. Katholischerseits spricht man von „Exemtion“. Vgl. G sgen, Militärseelsorge, 2; Beese, Seelsorger, 44–46; M ller, Armee, 85, 88. Vgl. dazu die Ausführungen des evangelischen Feldbischofs a. D. Franz Dohrmann, o. D. „Wehrmacht und Kirche“ (BA-MA Freiburg, N 282, Nr. 7). 5 Vgl. Rabenau, Heeresseelsorge, 55, 64. 6 Ebd., 83.

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die Militärseelsorge zum Nukleus einer zukünftigen deutschen Reichskirche zu machen, wie etwa der Chef des Allgemeinen Heeresamtes, Generalmajor Friedrich Fromm, in einer Denkschrift darlegte7. Der Besonderheit der einzelnen Konfessionen wurde von dieser Seite nur wenig Beachtung geschenkt, was in der Vergangenheit zu Konflikten mit den zivilen Kirchen geführt hatte. Aus diesem Grund hatten nicht zuletzt kirchliche Kreise wiederholt die Abschaffung der Militärseelsorge gefordert8. Mit der Wiedereinführung der Allgemeinen Wehrpflicht im März 1935 begann auch der Ausbau der Wehrmachtseelsorge. Seit 1937 liefen die Vorbereitungen für den Mobilmachungsfall. Am 28. Januar 1939 schrieb der Chef der Amtsgruppe Ersatz und Heerwesen im OKH, Oberst Gerhard Kauffmann, an die beiden Feldbischöfe der Wehrmacht, der Bedarf an Bewerbern für die evangelische und katholische Wehrmachtpfarrerlaufbahn sei fast vollständig gedeckt9. Zu Kriegsbeginn gab es für jede Konfession etwa 100 hauptamtliche oder „aktive“ Wehrmachtpfarrer, die Reichsbeamte auf Lebenszeit waren und zugleich in einem militärischen Dienstverhältnis standen. Diese Geistlichen hatten sich meist lange vor dem Krieg bewusst für die militärische Laufbahn entschieden und standen dem Militär in der Regel näher als den zivilen Kirchenleitungen. Dagegen kamen die etwa 300 katholischen und evangelischen Kriegspfarrer auf Kriegsdauer (a. K.) aus den zivilen Kirchen und waren nur für die Dauer des Krieges als Wehrmachtbeamte eingestellt. Sie sollten nach Kriegsende in die zivile Seelsorge zurückkehren10. Der Organisationsgrad der Wehrmachtseelsorge im Zweiten Weltkrieg war hoch. Das unterschied sie vom Ersten Weltkrieg, in dem die Feldseelsorge Improvisation blieb. Sie war weder auf die Ausdehnung der Kriegsschauplätze noch auf die Kriegsdauer vorbereitet gewesen und hatte sich erst mühsam aus der Praxis heraus organisieren müssen11. Viele Geistliche waren im Ersten Weltkrieg auf eigene Faust als „nicht-etatmäßige“ Pfarrer ins Feld gezogen, ausgestattet nur mit einer geringen Aufwandsentschädigung und der Billigung ihrer Kirchenleitungen. Ihre Position innerhalb der militärischen Hierarchie blieb während des gesamten Krieges ungeklärt. Häufig wurden sie als Sanitäter in Lazaretten eingesetzt, was schnell zu bitteren Klagen von Feldgeistlichen über „nicht standesgemäße Behandlung“ durch die Ärzte führte12. 7 Vgl. Kroener, Generaloberst Friedrich Fromm, 279 f. 8 Vgl. Rabenau, Heeresseelsorge, 55. 9 Vgl. das Schreiben Gerhard Kauffmanns an den evangelischen und den katholischen Feldbischof der Wehrmacht vom 28. 1. 1939 (BA-MA Freiburg, RW 12 I, Nr. 2, Bl. 191). 10 Die Zahlen sind dem umfangreichen Bestand von Personalakten im AKMB entnommen. Monica Sinderhauf spricht von insgesamt über 750 katholischen Wehrmacht- und Kriegspfarrern, die während des Zweiten Weltkrieges zum Einsatz kamen. Vergleichbare Unterlagen und Zahlen liegen für die evangelische Wehrmachtseelsorge leider nicht vor. Vgl. Sinderhauf, Wehrmachtseelsorge, 267–269. 11 Vgl. Rabenau, Heeresseelsorge, 103. 12 Vgl. das Schreiben des Stellv. Korpsarztes I, A. K., Dr. Hofbauer an Pfarrer Rudolf Liebich in Günzburg vom 15. 9. 1914 (BayHStA M nchen, Abt. IV, Nr. 891) und den „Bericht an das

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Im Zweiten Weltkrieg hatten sich die Verhältnisse umgekehrt. Trotz schwindender Akzeptanz innerhalb der Wehrmachtführung und der deutlich geringeren Zahl an Kriegspfarrern, die um das Vierfache kleiner war als im Ersten Weltkrieg, war die Wehrmachtseelsorge von Beginn an ein gut organisierter Teil der Wehrmacht. Dem katholischen Feldgeneralvikar Georg Werthmann war dies selbst noch im Angesicht der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht ein Lob wert: „Es kann heute schon gesagt werden, dass die mobmässige13 Vorbereitung der Feldseelsorge in den Jahren von 1937 bis zum Beginn des Krieges besser und gründlicher durchgeführt wurde als in der Zeit vor dem Ersten Weltkriege. Das Feldgesangbuch war gedruckt, die Kriegspfarrer namhaft gemacht.“14

Als der Ostfeldzug 1941 begann, wurden 455 Kriegspfarrer in jeder Konfession gezählt, das waren doppelt so viele Kriegspfarrer wie zu Beginn des Krieges15. Insgesamt betrug die Zahl der Planstellen für Kriegspfarrer im Zweiten Weltkrieg 134216. Vorgesetzte der Wehrmacht- und Kriegspfarrer waren die beiden Feldbischöfe. Diese gehörten zur militärischen Hierarchie im OKH und agierten „exemt“, d. h. institutionell unabhängig von ihren Kirchen, wobei der katholische Feldbischof einer eigenen Bischofskirche mit ordentlicher Jurisdiktion über katholische Soldaten und Wehrmachtbeamte vorstand, während der evangelische Feldbischof zwar eine Sondereinrichtung innerhalb des OKH darstellte, aber keine eigenständige Kirche leitete. Die evangelischen Soldaten und Wehrmachtbeamten waren kirchenrechtlich weiterhin an ihre Landeskirchen gebunden17. Die Position der beiden Feldbischöfe gegenüber ihren Kirchen war schwach. Doch auch innerhalb der militärischen Hierarchie rangierten die Feldbischöfe in untergeordneten Stellungen. Sie unterstanden dem Chef der Gruppe Seelsorge im OKH, der dem Chef der Amtsgruppe Ersatz untergeordnet war, welche wiederum dem Allgemeinen Heeresamt unterstand. Es sei demütigend für den Feldbischof gewesen, bei Ministerialräten etwas erbitten zu müssen, notierte der katholische Feldgeneralvikar Georg Werthmann rückblickend. Manche Geistliche wandten sich erst gar nicht an den

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Königl. Prot. Oberkonsistorium München durch den Lazarettgeistlichen Ludwig Nicol über Militärseelsorge im Felde: 3. 9. 1914 bis 31. 12. 1915“, vom 12. 1. 1916 (BayHStA M nchen, Abt. IV, HS 2644). „Mobmässig“ heißt hier soviel wie „im Zuge der Mobilmachung“. Notiz Georg Werthmanns vom 23. 5. 1945 (AKMB, SW 4). Vgl. Vortragsnotiz Otto Senftlebens betr. Kriegspfarrer vom 27. 5. 1941 (BA-MA Freiburg, N 282, Nr. 13) sowie Beese, Seelsorger, 63. Vgl. das Schreiben des evangelischen und des katholischen Feldbischofs der Wehrmacht an den Chef des OKW, Keitel, vom 9. 3. 1943 (AKMB, SW 155). Vgl. „Erläuterungen zu den Kriegspfarrer-Bestimmungen (HDv 373)“ (BA-MA Freiburg, N 282, Nr. 13).

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Feldbischof, wenn sie befördert werden wollten, sondern gleich an dessen Vorgesetzten im Allgemeinen Heeresamt, von dem sie hofften, dass er den Feldbischof unter Druck setzten konnte18. Formal waren die Feldbischöfe auch Dienstvorgesetzte aller Pfarrer und Beamten der Wehrmachtseelsorgedienststellen in der Marine, doch war die Marineseelsorge faktisch selbständig19. In der Luftwaffe hatte Reichsluftfahrtminister Hermann Göring zu Kriegsbeginn Planstellen für die Wehrmachtseelsorge verboten20. Deshalb wurden die Luftwaffeneinheiten von der Heeres- und Marineseelsorge, die sich an ihren Standorten befanden, mitversorgt21. Am 21. August 1939 gab das OKH das „Merkblatt über Feldseelsorge“ heraus, das die Aufgaben der Wehrmachtseelsorge für den Kriegsfall regelte22. Bis 1942 galt dieses Merkblatt als „Grundgesetz der Wehrmachtseelsorge“. Nach dem Konkordat und dem dazu gehörigen Breve war das „Merkblatt“ der erste Versuch, die Militärseelsorge systematisch zu regeln23. Seine ohne Beteiligung der Feldbischöfe entstandenen Vorgaben formulierten ein rein funktionalistisches Religionsverständnis, nach dem die Kriegspfarrer die Aufgabe hatten, die Kampfkraft der Soldaten zu stärken. Das Merkblatt stellte sich auf den Boden religiöser Neutralität und beendete die explizit christliche Ausrichtung, die bis dahin fraglos zur „Kultur des Krieges“ gehört hatte24. So war noch 1934 der Kirchenaustritt von Wehrmachtangehörigen unerwünscht gewesen und noch 1936 hatten Offiziersbewerber einer der beiden christlichen Konfessionen anzugehören25. Dennoch sicherte das „Merkblatt“ die Stellung der Kriegspfarrer. Die im „Merkblatt“ verankerte Definition der Wehrmachtseelsorge als „dienstlich befohlene Einrichtung der Wehrmacht“ gab der Arbeit der Kriegspfarrer eine staatlich gesicherte Legitimität. Mit Verweis auf die im „Merkblatt“ verankerte Aufgabe der „Förderung und Aufrechterhaltung der inneren Kampfkraft“ konnten die Kriegs- und Wehrmachtpfarrer selbständig und ohne große 18 Vgl. Notiz Georg Werthmanns vom 22. 4. 1952 (AKMB, SW 83). 19 Ebd., 54 f. Vgl. auch Notiz Georg Werthmanns vom 9. 6. 1945 (AKMB, SW 8). Werthmann notierte sich, dass man die beiden Marinedekane auch „Marinepäpste“ nannte, weil sie für ihr selbstherrliches Agieren bekannt gewesen seien. Vgl. Notiz Georg Werthmanns vom 22. 4. 1952 (AKMB, SW 84). 20 Der Beauftragte des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung NSDAP, Reichsleiter Alfred Rosenberg führte es auf seinen Einfluss bei Göring zurück , dass dieser „jetzt bei allen Fliegern alle Feld-Pfaffen hinausgetan“ habe. Vgl. Matth us / Bajohr, Rosenberg, 282. 21 Vgl. „Militärseelsorge einst und jetzt“. Vortragsmanuskript von Georg Werthmann vom 3. 10. 1962, Bl. 9 (AKMB, SW 01). 22 Merkblatt über Feldseelsorge vom 21. 8. 1939 (BA-MA Freiburg, RW 12 I, Nr. 2). 23 Vgl. Rçw, Militärseelsorge, 91. 24 Vgl. den gleichnamigen Titel von Keegan, Kultur. 25 Vgl. Messerschmidt, Wehrmacht , 51; Beese, Seelsorger, 105 f.; M ller, Armee, 83, 87 f.; Hartmann, Wehrmacht, 50.

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Komplikationen ihren zahlreichen Aufgaben nachkommen26. Als „wehrpsychologischer Assistent“27 des Kommandeurs stand der Kriegspfarrer im Zentrum der Soldatenerziehung. In dieser zentralen Rolle innerhalb der Wehrmachtführung waren die Geistlichen geschützt vor Angriffen kirchenfeindlicher Kräfte aus Staat und Partei. Im Vergleich zu den Einschränkungen und Schikanen, mit denen es die Kirchen in Deutschland zu tun hatten, eröffneten sich für sie geradezu „freieste Entfaltungsmöglichkeiten“, wie der evangelische Divisionspfarrer Ernst Ufer schrieb28. Und auch Georg Werthmann schätzte die Position der Wehrmachtseelsorge „als Insel des Friedens“29. Das Konzept für das „Merkblatt“ sowie für das evangelische Feldgesangbuch stammte von Heinrich Lonicer, einem evangelischen Wehrmachtdekan, der in der Wehrmachtseelsorge ein Laboratorium für eine künftige deutsche Nationalkirche sah30. Lonicer übte bis 1941 Einfluss über den Oberbefehlshaber des Heeres, Walther von Brauchitsch, aus. Nach dessen Absetzung verlor auch Lonicer seinen Einfluss innerhalb der Wehrmacht. Das „Merkblatt“ betonte die Überkonfessionalität der Wehrmachtseelsorge. Die Feldgottesdienste sollten von evangelischen und katholischen Soldaten gemeinsam besucht werden, um diese „in feierlicher Andacht“ zu einer Kampfgemeinschaft zusammenzuschweißen. Eine Position, die auch Karl Edelmann, Chef der Amtsgruppe Ersatz und Heerwesen im OKH, dem die Feldbischöfe untergeordnet waren, leidenschaftlich vertrat. Sein Ziel war es, das Militär zum Vorreiter des nationalsozialistischen Ideals der „Volksgemeinschaft“ zu machen31. Historisch knüpfte er an die „Frontgemeinschaft“ des Ersten Weltkrieges an, innerhalb derer es spontan zu konfessionsübergreifenden Gottesdiensten gekommen war32. Ein Geistlicher, der sich auf den Posten eines Wehrmachtseelsorgers bewarb, sollte fest auf dem Boden des Nationalsozialismus stehen. So hatte es Walther von Brauchitsch, der Oberbefehlshaber des Heeres, im Jahr 1938 verkündet und so schärfte es Edelmann den Kriegspfarreranwärtern auf den insgesamt zehn Kriegspfarrerlehrgängen ein, die in der Zeit vom Dezember 1940 bis April 1942 stattfanden33: Vgl. G sgen, Militärseelsorge, 438. Garbe, Theologe, 588. Ufer, Männer, 451. Notiz Georg Werthmanns vom 5. 7. 1946 (AKMB, SW 147). Vgl. Garbe, Theologe, 595. Lonicer war 1933 in die NSDAP eingetreten, hatte sich aber noch Ende desselben Jahres von der Glaubensbewegung Deutscher Christen abgewandt. 31 Karl Edelmann: Wesen und Aufgabe der Feldseelsorge. Vortrag am 11. 2. 1941 (BA-MA Freiburg, RH 15, Nr. 282, Bl. 22). 32 Vgl. das Protokoll über die Konferenz evangelischer Feldgeistlicher in St. Quentin am 5. 8. 1915 (BayHStA M nchen, Abt. IV, HS 2644). 33 Vgl. Karl Edelmann, Wesen und Aufgabe der Feldseelsorge. Vortrag am 11. 2. 1941 (BA-MA Freiburg, RH 15, Nr. 282, Bl. 26). Insgesamt gab es zehn Lehrgänge des OKH zur pastoralen und juristischen Einführung in den Dienst des Kriegspfarrers. Der erste fand vom 9. 12. 1940 bis

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„Wie der Offizier muss auch der Kriegspfarrer stets beispielgebend in und ausser Dienst vorangehen. Vaterlandsliebe, nationalsozialistische Einstellung und lebendiges Eingehen auf die grossen Zeitereignisse dieses Krieges sind selbstverständliche Voraussetzungen“34.

Die achttägigen Kriegspfarrerlehrgänge und später die Frontlehrgänge, die einmal jährlich in jedem Armeeabschnitt unter der Leitung des Heeresgruppenpfarrers für die Wehrmachtseelsorger stattfanden und u. a. der Bekanntmachung neuer Richtlinien und militärischer Ziele der Wehrmachtseelsorge dienten35, waren nach demselben Muster organisiert. Die Vorträge gliederten sich nach den Themen: a) neueste rechtliche Grundlagen der Feldseelsorge und „Wesen und Aufgabe der Feldseelsorge“ anhand des Merkblattes von 1939, b) Soldatenpredigt im Krieg, Gestaltung und Inhalt der überkonfessionellen Feldgottesdienste, c) vaterländische Aufgaben der Feldseelsorge, Erwartungen der Truppe, Erfahrungen und Aufgaben der Truppen- und Lazarettseelsorge und d) besondere Dienstverhältnisse und Aufgaben der teilnehmenden Kriegspfarrer in der nächsten Zeit36. Doch auch die Wehrmachtseelsorge blieb nicht unberührt von den politischen Entwicklungen. Im Verlauf des Krieges geriet sie zunehmend in die politische Defensive. „Es musste mit Bitterkeit festgestellt werden, dass die Brandung des aufgewühlten Meeres kirchlicher Not und Bedrängnis immer mehr und immer rücksichtsloser hineinschlug in den Bereich der Feldseelsorge“, resümierte Werthmann nach dem Krieg37. Trotz aller Bemühungen, den politischen Erwartungen des NS-Regimes gerecht zu werden, wurde die Wehrmachtseelsorge zum Ziel von Angriffen der kirchenfeindlichen Kräfte aus Staat und Partei. Bereits im April 1940 sprach sich Reichsleiter Martin Bormann, neben Heinrich Himmler und Alfred Rosenberg der wohl schärfste Gegner der christlichen Kirchen im NS-Staat, offen für die Abschaffung der Wehrmachtseelsorge aus. Für Hitler aber waren die „Dinge noch nicht reif“. Er suchte den kirchenpolitischen „Burgfrieden“ in der Zeit des Krieges zu wahren38. Dieser Linie folgte auch Reichspropagandaminister Joseph Goebbels, der 1941 die Drucklegung des Neuen Testamentes für die Wehrmachtseelsorge mit den Worten unterstützte, man müsse jetzt versuchen, „durch die in der

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zum 13. 12. 1940 statt, der letzte vom 23. 4. 1942–30. 4. 1942 (AKMB, SW 958). Zur eingeforderten Loyalität der Kriegs- und Wehrmachtpfarrer zum NS-Staat vgl. unten 60–62. Vortrag Edelmanns zur „Heeresgruppenpfarrerbesprechung“ am 7. 2. 1942 (BA-MA Freiburg, N 282, Nr. 13). Vgl. das Schreiben des OKH an den evangelischen und den katholischen Feldbischof vom 16. 5. 1944 (AKMB, SW 152) sowie das Schreiben des OKW an Heeresgruppenpfarrer Lonicer vom 21. 3. 1944 (ebd.). Vgl. Anordnung des OKH über Frontlehrgänge für Kriegspfarrer vom 23. 2. 1942 (AKMB, SW 152). Notiz Georg Werthmmans vom 9. 6. 1945 (AKMB, SW 146). Kotze, Heeresadjutant, 78 f. Zur Kirchenpolitik der Partei allgemein vgl. Longerich, Stellvertreter.

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Zeit liegenden Schwierigkeiten hindurchzukommen“. Nach dem Krieg werde man sich dann aber wieder sprechen39. Während des Krieges geriet die Wehrmachtseelsorge in wachsendem Maße in Konkurrenz zu den Aktivitäten der NSDAP, die sich in Bereichen engagierte, die traditionell in der Hand der Kirchengemeinden oder der Soldatenseelsorge lagen. Mit der „Truppenbetreuung“ wollte die Partei die Verbindung zwischen Front und Heimat aufrechterhalten, eine Aufgabe, für die bislang die Wehrmachtseelsorge zuständig war. Der „Dolchstoß“ der Heimat in den Rücken der Front, durch den angeblich die militärische Niederlage des Hohenzollernreiches im Ersten Weltkrieg herbeigeführt worden war, sollte sich nicht wiederholen40. Nachdem es am 12. Juli 1940 den christlichen Gemeinden verboten worden war, Feldpostadressen ihrer Gemeindemitglieder zu sammeln und religiöse Schriften ins Feld zu versenden, nahmen sich die Ortsgruppen der NSDAP der Soldatenbetreuung auf ihre Weise an41. Sie organisierten „Kameradschaftsabende“ für Fronturlauber und NS-Funktionäre, „beglückten“ Verwundete in den Lazaretten mit Geschenken und Gesprächen oder kümmerten sich um die Sorgen der Soldatenfrauen, angefangen von finanziellen Fragen bis hin zu Eheproblemen. Bevor der Kriegspfarrer den Familien Nachricht geben durfte, hatte der Ortsgruppenleiter die Familie über den Tod eines Soldaten zu informieren. An die Stelle des Gedenkgottesdienstes für die Gefallenen traten organisierte Heldengedenkfeiern und Gefallenenehrungen42. Mit dem Fortschreiten des Krieges konnten diese allerdings immer weniger mit den traditionellen kirchlichen Gedächtnisfeiern und Gefallenenmessen konkurrieren43. Die Zeit zwischen 1940 und 1942 kann als Zeit der „Verkümmerungspolitik“ gegenüber der Wehrmachtseelsorge beschrieben werden. Hitler, der noch in „Mein Kampf“ den Wert der Feldseelsorge für die Widerstandskraft des deutschen Heeres gewürdigt hatte44, war mittlerweile zu der Auffassung gekommen, dass es falsch sei zu behaupten, die Religion stärke die Kampfkraft der Soldaten. Auch die „Bolschewisten“ – so argumentierte er – seien nicht fromm und kämpften trotzdem „tapfer und zähe“. Ebenso wenig seien die

39 Goebbels, Tagebücher, Bd. 1/1, 329 (= Eintrag vom 29. 8. 1941). 40 Vgl. Nolzen, NSDAP, 128, 131 sowie Kotze, Heeresadjutant, 78. 41 Gerhard Engel, der bis 1941 Heeresadjutant beim Oberbefehlshaber des Heeres gewesen war, hielt es für möglich, dass Bormann Hitler gefälschte Predigtauszüge der Gemeinden für die Soldaten im Feld vorgelegt habe. Ebd. Im April 1942 verfügte dann Hitler persönlich, dass die Verteilung religiöser Schriften an das Feldheer unerwünscht sei. Vgl. Hermle, Predigt 132. 42 Vgl. Reibel, Fundament, 351–364. 43 Vgl. Behrenbeck, Kult, 493, 498–502; vgl. auch Meldungen aus dem Reich Bd. 5, 29. 7. 1940, 1427; Bd. 8, 20. 10. 1941, 2884–2888; Bd. 10, 15. 6. 1942, 3835; Bd. 13, 1. 3. 1943, 4874–4878; Bd. 15, 9. 12. 1943, 6117. 44 „Ob protestantischer Pastor oder katholischer Pfarrer sie trugen beide gemeinsam unendlich bei zum so langen Erhalten unserer Widerstandskraft, nicht nur an der Front, sondern noch mehr zu Hause“. Hitler, Mein Kampf, 124.

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Männer der SS-Waffenverbände christlich erzogen, aber dennoch die Auslese männlicher Tapferkeit45. Bereits im ersten „Russlandwinter“ 1941/42 wurde das „Merkblatt über Feldseelsorge“ aufgehoben. Der Neudruck und die Verteilung der von der Heeresseelsorge verfassten Schriften wurden innerhalb des Heeres verboten46. Seit 1942 durften hohe Kriegsauszeichnungen wie das Eiserne Kreuz Erster Klasse nicht mehr an Kriegspfarrer vergeben werden47. Dabei ist jedoch festzuhalten, das nahezu jeder Kriegspfarrer, der an der Ostfront tätig war, mehrfach mit Kriegsorden ausgezeichnet wurde. In der Regel handelte es sich um das Kriegsverdienskreuz II. Klasse mit Schwertern und die „Medaille Winterschlacht im Osten 1941/42“, auch „Gefrierfleischorden“ genannt. Dazu kamen das Kriegsverdienstkreuz I. Klasse mit Schwertern, das Verwundetenabzeichen in Schwarz, Silber oder Gold oder auch seltenere Orden wie die rumänische Kriegserinnerungsmedaille „Kreuzzug gegen den Kommunismus“48. 1941 und sogar noch 1942 wurden einzelne Kriegspfarrer mit dem Eisernen Kreuz I. und II. Klasse ausgezeichnet.49 Die Anordnung keine höheren Kriegsauszeichnungen mehr an Wehrmachtseelsorger zu vergeben, wurde von diesen als besonders diskriminierend empfunden, weil gerade die Wehrmacht höchsten Wert auf Gleichbehandlung legte50. So empörte sich der evangelische Divisionspfarrer Hermann Wolfgang Beyer: „Die grundsätzliche Ausschließung der Kriegspfarrer von dieser Auszeichnung ohne jede Rücksicht auf das, was sie leisteten, also auch im Falle einer sehr schweren Verwundung, wo jeder Soldat das Kreuz erhält, wenn er sich bis dahin anständig geführt hat, ist ein Ausdruck der Mißachtung unseres Amtes, wie es sie in der Geschichte unserer Armee noch nicht gegeben hat.“51

Den vorläufigen Höhepunkt dieser Maßnahmen bildeten die „Richtlinien für die Ausübung der Feldseelsorge“ vom 24. Mai 1942, die auf Betreiben der Parteikanzlei vom OKW/Inland der Heeres-Dienstvorschrift 373 von 1941 zugefügt wurden. Sie definierten die allgemeine Aufgabenbestimmung und Zielrichtung der Feldseelsorge grundsätzlich neu52. Konnten die überkonfes45 Goebbels, Tagebücher Bd. 2, 508 (= Eintrag vom 14. 12. 1941). 46 Vgl. das Schreiben des Chefs der Heeresrüstung und Befehlshabers des Ersatzheeres, Gruppe Seelsorge, Senftleben, an den evangelischen und katholischen Feldbischof über christliche Schriften für deutschen Soldaten des Heeres vom 27. 4. 1942 (EA Freiburg, B2–35, 75). 47 Vgl. Ernst Schubring: Die Arbeit der Feldseelsorge im Kriege, o. D. (BA-MA Freiburg, N 282, Nr. 7). 48 Letzteren erhielt z. B. der katholische Wehrmachtpfarrer Stefan Gmeiner. 49 Dazu gehörten die beiden katholischen Kriegspfarrer Georg Lipp und Alfons Satzger. Vgl. die Zusammenstellung in: Brandt / H ger, Biographisches Lexikon. 50 Vgl. Hartmann, Wehrmacht, 191. 51 Zitiert nach Garbe, Theologe, 587. 52 Richtlinien des Oberkommandos der Wehramcht für die Durchführung der Feldseelsorge vom 24. 5. 1942 [Anlage 2 zu Heeres-Dienstvorstchrift 373: „Bestimmungen für besondere Dienst-

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sionellen Feldgottesdienste 1939 noch vom Truppenführer befohlen werden, galt jetzt das Prinzip der Freiwilligkeit. Nun hieß es, weder aus der Teilnahme noch aus der Nichtteilnahme am Feldgottesdienst dürfe einem Wehrmachtangehörigen ein Nachteil erwachsen53. Mit den „Richtlinien“ war der überkonfessionelle Feldgottesdienst nicht mehr – wie noch im „Merkblatt“ – Kernstück der Tätigkeit des Kriegspfarrers, sondern stand gleichberechtigt neben den konfessionellen Gottesdiensten. Die Wehrmacht benötigte die Gottesdienste nun nicht mehr zur Stärkung eines gemeinsamen Kampfgeistes, sondern nur noch als Dienstleistung für religiöse Soldaten. Die Schwerpunkte der Gottesdienste sollten von nun an auf der Verkündigung des Evangeliums und der kirchlichen Liturgie liegen. Militärische Feiern waren strikt von religiösen zu trennen. Als beleidigend empfanden Wehrmachtseelsorger die sogenannte Beerdigungsrichtlinie, nach der ein Kriegspfarrer nur noch dann zu einer Beerdigung hinzuzuziehen war, wenn der Tote einer christlichen Kirche angehörte oder den ausdrücklichen Wunsch nach einem christlichen Begräbnis geäußert hatte54. Aus einer „dienstlich befohlenen Einrichtung der Wehrmacht“ wurde eine „gebilligte Bedürfnisseelsorge“55. Mit der Umdefinition zur religiösen Dienstleistung trat die Wehrmachtseelsorge aus ihrer bisherigen wehrpolitischen Zentralstellung als erzieherischer Arm des Truppenführers heraus und wurde zu einer eher marginalen Größe56. Damit einhergehend verschlechterten die „Richtlinien“ die Position der Wehrmachtseelsorge innerhalb der Wehrmachthierarchie, denn sie betonten die disziplinarische Unterordnung des Kriegspfarrers unter den Truppenführer. Hieß es im „Merkblatt“57, der obere Führer solle im Feldseelsorger seinen Gehilfen sehen, der ihn gleichsam partnerschaftlich bei der Beurteilung und Förderung der seelischen Kraft seiner Truppe unterstützte, hatte der militärische Vorgesetzte in den „Richtlinien“ von 1942 die Arbeit des Kriegspfarrers zu „überwachen“58. Ende April 1942 fand der letzte Kriegspfarrerlehrgang im OKH statt. Danach wurden keine neuen Kriegspfarrer mehr ausgebildet. Neuaufgestellte Divisionen hatten ab September 1942 keine Kriegspfarrer mehr in ihren Divisionsstäben. Seit November 1942 fiel auch die reguläre Nachbesetzung von Kriegspfarrerstellen weg, die durch Verwundung, Krankheit oder Tod frei geworden waren. Bislang waren sie aus der Kriegspfarrerreserve in den La-

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verhältnisse der Kriegspfarrer beim Feldheer (Krpf. Best.) vom 18. 6. 1941“]. In: Dokumente zur Kirchenpolitik des Dritten Reiches, 401–404. Hartmann, Wehrmacht, 25. Garbe, Theologe, 593. Ernst Schubring: Die Arbeit der Feldseelsorge im Kriege, o. D. (BA-MA Freiburg, N 281, Nr. 7). Vgl. auch Rçw, Militärseelsorger, 187. Vgl. Garbe, Theologe, 588, 594. Merkblatt über Feldseelsorge vom 21. 8. 1939 (BA-MA Freiburg, RW 12 I, Nr. 2, Bl. 178). Vgl. FN 52.

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zaretten erfolgt59. In dieser Situation war die katholische Wehrmachtseelsorge im Vorteil. Sie konnte sich behelfsweise aus einem Pool von Priestersoldaten bedienen, die in der Regel nicht zur kämpfenden Mannschaft gehörten, sondern bei der Sanität zu finden waren. Dagegen befanden sich evangelische Theologen häufig als Offiziere bei der kämpfenden Truppe und waren nur selten für die Wehrmachtseelsorge zu gewinnen60. In der evangelischen Wehrmachtseelsorge verfügte man über eine weitaus geringere Reserve von Geistlichen, die als Sanitätssoldaten in den Lazaretten tätig waren, und fühlte sich entsprechend benachteiligt61. Die Feldbischöfe nahmen die Beschneidung der Wehrmachtseelsorge nicht ohne Protest hin62. Am 9. März 1943 ergriffen Franz Dohrmann und Franz Justus Rarkowski gegenüber dem Chef des Oberkommandos der Wehrmacht (OKW) Wilhelm Keitel die Initiative und ließen ihn wissen, dass „schon jetzt“ eine einigermaßen geregelte und auch nur annähernd ausreichende Feldseelsorge nicht mehr gewährleistet sei63. Von insgesamt 1348 Kriegspfarrerstellen seien 198 seit Oktober 1941 unbesetzt. Dohrmann und Rarkowski baten darum, den Einstellungsstopp für Kriegspfarrer aufzuheben und wenigstens die in Stalingrad gefallenen und verwundeten Kriegspfarrer zu ersetzen, was Keitel jedoch ablehnte64. In den neu aufgestellten Volksgrenadierdivisionen des Ersatzheeres, das nach dem 20. Juli 1944 Himmler unterstellt wurde, fielen die Stellen für Kriegspfarrer gänzlich fort. Schließlich sollte in sämtlichen Divisionen der Wehrmacht die Abteilung IVd der Wehrmachtseelsorge durch den Nationalsozialistischen Führungsoffizier (NSFO) ersetzt werden; eine Maßnahme, die jedoch nicht mehr vollständig zur Ausführung kam65. Dennoch gelang es der Partei, den NSFO in den Führungsstäben der Wehrmacht zu etablieren66. Ende 1944 gab es insgesamt 1074 NSFO, mehr als die doppelte Zahl von Kriegspfarrern einer Konfession, die zu dieser Zeit noch aktiv waren. Der NSFO hatte die Aufgabe, aus den Offizieren der Wehrmacht fanatische „Glaubenskämpfer“ für den Nationalsozialismus zu machen67. Auf diese Weise hofften Hitler und seine Umgebung, die sich abzeichnende Niederlage abzuwenden68. Die Partei-Kanzlei ging davon aus, dass der NSFO 59 Vgl. Sinderhauf, Wehrmachtseelsorge, 289. 60 Zwar waren diesen Geistlichen seit 1940 religiöse Amtshandlungen innerhalb der Wehrmacht verboten, doch wurde dieses Verbot wiederholt unterlaufen, vgl. Hermle, Predigt, 132. 61 Vgl. Rçw, Militärseelsorge, 165 f. 62 Vgl. das Schreiben des protestantischen Landeskirchenrates der Pfalz an den evangelischen Feldbischof der Wehrmacht vom 4. 11. 1942 (LKA Stuttgart, 380 IV). 63 AKMB, SW 155. 64 Vgl. das Antwortschreiben Keitels vom 5. 4. 1943 (ebd.). 65 Vgl. „Militärseelsorge einst und jetzt“. Vortragsmanuskript von Georg Werthmann vom 3. 10. 1962, 13 (AKMB, SW 01). 66 Vgl. Messerschmidt, Wehrmacht , 445. 67 Besson, Geschichte, 81. 68 Vgl. Messerschmidt, Wehrmacht, 450 f.

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zwangsläufig mit dem Wehrmachtgeistlichen in Kollision geraten müsse, sollte er doch – wie der Kriegspfarrer – als „Prediger des Glaubens an Führer und Endsieg“ die Kampfkraft der Truppe stärken69. Für die Kriegspfarrer, vor allem für die leitenden Funktionäre der Wehrmachtseelsorge, die am Ersten Weltkrieg teilgenommen hatten, in dem Feldgeistliche hohes Ansehen genossen und höchste Kriegsauszeichnungen erhielten, bedeuteten all diese Maßnahmen einen enormen Statusverlust70. Die Wehrmachtseelsorge – so lässt sich festhalten – war ein Relikt der alten „Kultur des Krieges“, ein Zugeständnis Hitlers an die Tradition der „Kriegerkaste“71. Militärgeistliche gehörten so selbstverständlich zum preußischprotestantisch geprägten Heer, dass ihre Reduktion auf eine glanzlose Nischenexistenz, christlich geprägten Offizieren kaum verständlich zu machen war. Doch die Umwandlung der Wehrmacht in eine Streitkraft, in der christliche Sinnbezüge keine Rolle mehr spielten, war gegen Ende des Krieges in vollem Gange72. So ist es fast erstaunlich, dass die Wehrmachtseelsorge als Institution bis zum Kriegsende überlebte. Dies verdankte sich wohl in erster Linie ihrem hohen Organisationsgrad und den Beharrungskräften autonomer militärischer Strukturen73. „Die Partei-Kanzlei ahnte – gottlob – nicht, wie sehr die Feldseelsorge innerlich ausgebaut war und hatte bei dem Versuch, sie zu zerschlagen, wahrhaftig kein leichtes Spiel“, stellte Georg Werthmann kurz nach dem Ende des Krieges fest74. Letztlich lag es in den Händen der militärischen Führung, wie strikt sich Kriegspfarrer an die „Richtlinien“ halten mussten75. Hatte ein Kriegspfarrer die Rückendeckung seines militärischen Vorgesetzten, war es ihm auch noch lange nach dem Erscheinen der „Richtlinien“ möglich, deren Bestimmungen zu ignorieren. So notierte ein Kriegspfarrer in seinem Tagebuch, dass er ungestört auch weiterhin politische und historische Vorträge über den Bolschewismus oder die europäische Neugestaltung Russlands halten konnte, um die Soldaten zum Kampf gegen die Sowjets anzuspornen76. Der evangelische Wehrmachtdekan Heinrich Lonicer und seine Anhänger, die hinter der Konzeption des „Merkblattes“ von 1939 standen und die 69 Ebd., 455. 70 Regelmäßig erlangten Feldgeistliche im Ersten Weltkrieg höchste Auszeichnungen wie das Eiserne Kreuz I. Klasse. Vgl. F llkrug, Vorbereitung, 9–11. 71 Hartmann, Wehrmacht, 801. 72 Vgl. Rçw, Militärseelsorge, 125. 73 Christian Hartmann spricht vom „autonomen Mikrokosmos“ der militärischen Strukturen. Hartmann, Wehrmacht, 794. 74 Notiz Georg Werthmanns vom 1. 6. 1945 (AKMB, SW 83). 75 Generell hing es über weite Strecken von der Haltung des militärischen Führungspersonals in den Einsatzgebieten im Osten ab, inwieweit die Anweisungen der Wehrmachtführung, etwa in Bezug auf die Behandlung der Kriegsgefangenen, tatsächlich befolgt wurden. Vgl. Pohl, Herrschaft, 342. 76 Vgl. KT Beyer (Privatbesitz, Transkript Garbe, 305, 356, 414, 459, 473, 477).

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Wehrmachtseelsorge weiterhin als Teil der politischen Wehrerziehung begriffen, wollten von ihrer Vision einer durch die Wehrmachtseelsorge vorangetriebenen deutschen Nationalkirche nicht ablassen. Vehement verurteilten sie die Verkümmerungspolitik des NS-Regimes gegenüber der Wehrmachtseelsorge und intervenierten beim OKW, das für die Formulierung der „Richtlinien“ verantwortlich war77. Verantwortlich waren in ihren Augen jedoch nicht die kirchenfeindlichen Kräfte in der Partei, die der Kirche ihre wehrpolitische Aufgabe genommen hatten, sondern katholische Kreise. War es ihr Ziel gewesen, sich für die Wirkung der Wehrmachtseesorge innerhalb der „volkhaft gebundenen Wirklichkeit“, d. h. unter allen deutschen Soldaten, einzusetzen, unterstellten sie den Katholiken, konfessionelle Eigeninteressen mit der Wehrmachtseelsorge zu verfolgen78. In der Tat kam es Teilen der katholischen Wehrmachtseelsorge durchaus gelegen, aus der Mitverantwortung für die staatspolitische Erziehung der Soldaten im Sinne des NS-Regimes entlassen zu werden. Doch ihr leitender Funktionär, Feldgeneralvikar Georg Werthmann, gehörte nicht dazu. Er war sich bewusst, dass es sich bei der Abschaffung des „Merkblattes“ durch das OKW 1942 um den Versuch handelte, den Einfluss der Religion auf die breite Masse der Soldaten zurückzudrängen. Er verwies darauf, dass der Nationalsozialismus sehr bald als entschiedener Gegner der überkonfessionellen Gottesdienste, die in der Regel von der militärischen Führung angeordnet wurden, aufgetreten sei und die strikte Freiwilligkeit der Gottesdienstbesuche gefordert habe. Ihm gefiel nicht, dass die Gottesdienstbesuche keine Rolle mehr in der militärischen Erziehung der Soldaten spielen sollten, sondern als Privatsache behandelt wurden79. Politischen Kreisen, hinter denen die Parteikanzlei Bormanns stehe – so Werthmann – habe es nicht gepasst, dass die Gemeinschaftsgottesdienste eine Nichtteilnahme der Soldaten erschwerten. Sie hätten das „Merkblatt“ in der Hoffnung beseitigt, dass die Mehrheit der Soldaten überhaupt kein Bedürfnis nach konfessioneller Betreuung mehr zeigen würde80. Auch innerhalb der evangelischen Militärseelsorge dürfte das Echo auf die Abschaffung des „Merkblattes“ geteilt gewesen sein. Wer nicht zu den Anhängern der Deutschen Christen gehörte, auf die Bewahrung seiner konfessionellen Eigenart Wert legte oder der Bekennenden Kirche angehörte, mochte in den „Richtlinien“ eine Chance gesehen haben, sich von ungewollten 77 Vgl. die Stellungnahme Lonicers vom 24. 9. 1943, in der es heißt: „Man wertet vielmehr die ,Richtlinien‘ als einen Freibrief dafür, dass sich nunmehr jede beliebige, private theologische oder kirchliche Richtung mit ihren politischen Folgerungen ungehindert im Bereich der Feldseelsorge auswirken kann“ (BA-MA Freiburg, N 282, Nr. 2). Zur Intervention Lonicers beim OKW vgl. Notiz Georg Werthmanns vom 1. 6. 1945 (AKMB, SW 82). 78 Zitiert nach Garbe, Theologe, 597. 79 Vgl. Rçw, Militärseelsorge, 189. 80 Vgl. Notiz Georg Werthmanns vom 1. 6. 1945 (AKMB, SW 82). Vgl. auch Rçw, Militärseelsorge, 187.

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Einmischungen der Politik in die christliche Verkündigung zu befreien. So erklärte der evangelische Divisionspfarrer Ernst Ufer auf einer Kriegspfarrertagung 1942: „Die Auffassung, daß der Pfarrer – wie man im Weltkrieg weithin meinte – die Aufgabe habe, zum Aushalten und Durchhalten anzuhalten, ist nach unserer Erfahrung in diesem Krieg keineswegs vorhanden. Erstens hat der Pfarrer das nicht nötig, zweitens weiß jeder, daß der Pfarrer heute keinen dahingehenden Auftrag hat, wie die enge Verbindung von Thron und Altar es früher vermuten ließ, drittens ist die Verkündigung der Truppenseelsorge heut doch zumeist so, daß alle Zuversicht im Glauben begründet ist und die wirklich letzte Kraft zum Ausharren gezeigt wird. Das ist mehr als ein Appell zum Aushalten.“81

Vor allem rückblickend war manch ein Funktionsträger der Wehrmachtseelsorge gar nicht so undankbar für deren Marginalisierung. Das entlastete vom Verdacht der ideologischen Verflechtung mit dem NS-Regime82. So erläuterte Siegfried Sprank 1955, dass der Kriegspfarrer nach 1942 in seiner Verkündigung freier geworden sei. Nun habe er nicht mehr als Sprachrohr seines obersten Kriegsherrn dienen müssen, sondern sich ganz auf die Verkündigung des Evangeliums konzentrieren können83.

81 „Referat am 8. VI. anläßlich der Kriegspfarrertagung in Borussow“, in Ufer, Männer, 460. 82 Vgl. Messerschmidt, Militärseelsorgepolitik, 81 f. 83 Feldseelsorge in der 1. Armee von Ende August 1939 bis Ende November 1943. Rückschauender Bericht vom 18. 1. 1955 von Wehrmachtdekan a. D. Siegfried Sprank (LKA Stuttgart, P 32).

3. Der Ostkrieg 3.1 Ein christlicher Krieg? Die beiden großen Kirchen in Deutschland begrüßten den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges am 1. September 1939 nicht euphorisch und teilten diese Haltung wohl mit der Mehrheit der Deutschen. Bereits im Jahr zuvor hatte sich im Zuge der Sudetenkrise eine wachsende Kriegsfurcht in der Bevölkerung ausgebreitet. Zu lebendig war vielen noch die Erinnerung an die Schrecken des Ersten Weltkrieges1. In der evangelischen Kirche erinnerte man sich noch gut an die eigenen peinlichen Entgleisungen der Kriegspredigten von 1914, in denen Pfarrer den Krieg des Deutschen Kaiserreiches als „Heiligen Krieg“ gefeiert hatten2. Auch unter den deutschen Katholiken machte sich 1939 keine Jubelstimmung breit3. Die Predigten katholischer und evangelischer Geistlicher im Herbst 1939 verzichteten weitgehend auf nationalistische oder völkische Emphase4. Zudem erlebten die Kirchen den Kriegsausbruch aus einer Position der Schwäche. Seit Mitte der 1930er Jahre standen sie im Fokus von antichristlichen Aktionen verschiedener Regierungsstellen5. Ein beträchtlicher Teil der konfessionell ausgerichteten Zeitungen wurde zur Aufgabe gezwungen6. Theologische Fakultäten wurden geschlossen oder mussten um ihren Bestand fürchten. Vor allem im evangelischen Bereich brach die Zahl der Theologiestudenten ein7. Die Kirchenaustritte erreichten 1939 ihren Höhepunkt. Der deutsche Protestantismus bot nach Jahren des aufreibenden innerevangelischen „Kirchenkampfes“ um die Frage, wieweit der NS-Staat in die kirchliche Autonomie eingreifen dürfe, nur noch den Anblick eines „unübersichtlichen Trümmerfeldes“8. Die 23 evangelischen Landeskirchen standen den Angriffen des Staates ohne einheitliche Linie gegenüber. Für die traditionell staatsverbundenen Protestanten war es dramatisch, erleben zu müssen, dass ausgerechnet die Partei, die mit Hilfe ihrer Stimmen groß geworden war, sie nun als patriotisch unzuverlässig denunzierte und bekämpfte9. Zum ersten Mal in 1 2 3 4 5 6 7 8 9

Vgl. Steinert, Deutsche im Krieg, 475. Fitschen, Gerechter Krieg? 114; Hermle, Predigt, 143; Brakelmann, Kirche, 310. Vgl. Fitschen, Gerechter Krieg? 111. Messerschmidt, Militärseelsorgepolitik, 39. Vgl. Oelke, Kein Hurra; Boberach, Kirche, 130. Vgl. Meier, Kirchenkampf, 15. Vgl. Rosenstock, Presse, 134. Vgl. Gr ttner, Studenten, 130–132; Oelke, Kein Hurra. Gr ttner, Das Dritte Reich, 434. Vgl. Beese, Kirche, 195.

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ihrer nationalen Geschichte waren die Protestanten mit einer Staatsführung konfrontiert, von der die institutionelle Vernichtung ihrer Kirchen drohte10. Die katholische Kirche hatte seit 1937 in Reaktion auf die päpstliche Enzyklika „Mit brennender Sorge“ eine Kampagne gegen ihre moralische Autorität erlebt, in deren Zentrum ca. 250 Sittlichkeitsprozesse gegen Priester und Ordensleute standen, denen man Homosexualität oder Pädophilie vorwarf11. Das 1933 geschlossene Konkordat zwischen dem Deutschen Reich und dem Vatikan war bei Kriegsausbruch in wesentlichen Punkten von den Machthabern de facto außer Kraft gesetzt worden12. Dennoch stellten sich die Pfarrer und Theologen beider Konfessionen in großer Geschlossenheit hinter ihre Staatsführung. Am 2. September 1939 formulierte der „Geistliche Vertrauensrat der Deutschen Evangelischen Kirche“, ein Dreiergremium aus Repräsentanten der Kirchlichen Mitte und einem Vertreter der Deutschen Christen, das Ende August von der Kirchenführerkonferenz zur Unterstützung der Kirchenkanzlei der Deutschen Evangelischen Kirche während des Krieges eingesetzt worden war, einen „Aufruf der Deutschen Evangelischen Kirche“, der am 6. September 1939 im Gesetzblatt der Deutschen Evangelischen Kirche erschien13. Darin hieß es in Anspielung auf die in der Folge des Ersten Weltkrieges erlittenen Gebietsverluste im Osten des Deutschen Reiches, dass nun „deutsches Blut zu deutschem Blut heimkehren“ dürfe. Zudem enthielt der Aufruf eine Fürbitte „für Führer und Reich, für die gesamte Wehrmacht und alle, die in der Heimat ihren Dienst für das Vaterland tun.“14 Auch wenn der Geistliche Vertrauensrat nicht für den ganzen in sich zerstrittenen Protestantismus sprechen konnte, gehörte die hier hervorgehobene Identifikation mit der Nation zum festen Kern des protestantischen Selbstverständnisses. Im Angesicht des Krieges schlossen selbst die verfeindeten Kirchenkampflager innerhalb der Evangelischen Kirche „Burgfrieden“ miteinander15. „Großdeutschland ruft zum Dienst. Es ist Kampf. Im Kampf verstummt jeder Mißklang im eigenen Lager. Jetzt stehen wir alle in einer Reihe und tragen alle dieselbe Rüstung“, hieß es in einem Aufruf des Reichsbun10 Vgl. Kaiser, Weltkrieg, 230. 11 Vgl. Gr ttner, Das Dritte Reich, 444; Hockerts, Sittlichkeitsprozesse. 12 Zum Konkordat vgl. Unterburger, Kuriales Interesse; Messerschmidt, Militärseelsorgepolitik, 45 13 GBlDEK, 19, 6. 9. 1939, 99. Mitglieder des Geistlichen Vertrauensrates waren der hannoversche Landesbischof Friedrich Karl Mahrarens, ein konservativer Lutheraner, den man der kirchlichen Mitte zurechnete, der Mecklenburgische Landesbischof Walther Schultz, ein Anhänger der Deutschen Christen und bekennender Nationalsozialist, sowie der Verwaltungsfachmann aus der Evangelischen Kirche der Altpreußischen Union, Johannes Hymmen, der mit dem Nationalsozialismus sympathisierte. Als assoziiertes Mitglied fungierte Otto Weber, Professor für Reformierte Theologie in Göttingen, NSDAP-Mitglied und zu Kriegsbeginn ein Vertreter der kirchlichen Mitte. Vgl. Melzer, Vertrauensrat, 54–66. 14 Messerschmidt, Militärseelsorgepolitik, 49. 15 Wilhelm, Diktaturen, 193.

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desführers der Deutschen Evangelischen Pfarrervereine vom 8. September 1939, der vermutlich die durchschnittliche Haltung der deutschen Protestanten zum Krieg ausdrückte16. Selbst die Angehörigen der Bekennenden Kirche, die wie die katholischen Geistlichen von den Nationalsozialisten als Gegner eingestuft wurden, ließen keinen Zweifel an ihrer nationalen Zuverlässigkeit. Auch sie wollten sich von niemandem an staatspolitischer Loyalität übertreffen lassen17. Wie stark auch hier das patriotische Motiv war, zeigt das Beispiel Martin Niemöllers, des Kopfes des radikalen Flügels der Bekennenden Kirche, der sich aus dem Konzentrationslager heraus als Kriegsfreiwilliger meldete18. Unterstützung für den Krieg fand sich auch auf katholischer Seite. Im Hirtenbrief der Bischöfe vom 17. September 1939 fehlte zwar das Gebet für den Führer, doch ermahnte er die katholischen Soldaten, „in Gehorsam gegen den Führer opferwillig unter Hingabe ihrer ganzen Persönlichkeit ihre Pflicht zu tun.“19 Als die Wehrmacht in Warschau einmarschiert war, folgte der Episkopat der Aufforderung, sieben Tage mittags eine Stunde die Kirchenglocken zu läuten20. Der historische Hintergrund der katholischen Loyalitätsbekundungen war indes ein anderer als bei den Protestanten, die auf eine Geschichte engster institutioneller und mentaler Verbindungen mit der deutschen Nation preußischer Prägung zurückblickten und für die eine Situation, in der sie sich in der Defensive gegenüber dem Staat befanden, noch ungewohnt war. Dagegen hatte sich die katholische Minderheit in Deutschland seit den Tagen des Kaiserreiches wegen ihrer Orientierung auf den Papst in Rom mit dem Vorwurf der nationalen Unzuverlässigkeit auseinandersetzen müssen. Der Druck zu beweisen, dass sich Katholizismus und Vaterlandsliebe sehr wohl miteinander vertrugen, war charakteristisch für das katholische Deutschland21. Vor diesem Hintergrund wurde die Unterstützung für den Krieg als Chance zur gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Rehabilitation der Katholiken in Deutschland begriffen22. Die konfessionellen und kirchenpolitischen Lager verband eine Haltung, die in der „Verteidigung des Vaterlandes“, einen unangreifbaren, gleichsam metaphysischen Wert sah. Wie eng die Loyalität zum Vaterland mit den politischen und ideologischen Zielen des Nationalsozialismus verbunden war, wurde indes ausgeblendet. Vielmehr herrschte Einigkeit darüber, dass man

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Meier, Kirchenkampf, 102. Vgl. Nowak, Geschichte, 256. Vgl. Schmidt, Niemöller, 150. H rten, Katholiken, 461. Vgl. Leugers, Bischöfe, 43. Vgl. Grçber, Kirche, 25. Vgl. Rçw, Militärseelsorge, 67, 242, 270.

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sehr wohl gegen Hitler und die Politik der Nationalsozialisten sein konnte, ohne gegen den Staat zu sein23. Die Theologen blickten allerdings mit unterschiedlichen Gefühlen auf den Krieg. Während die Anhänger der protestantischen Deutschen Christen den Krieg im Sinne einer Volkstumsideologie als das natürliche Recht des als göttliche Entität begriffenen Volkes begriffen, sahen katholische Geistliche und Pfarrer der Bekennenden Kirche im Krieg eher eine Strafe Gottes für die Sünden der Menschen24. Die kirchliche Lehre, die es möglich gemacht hätte, über die Gerechtigkeit oder besser die Legitimität des Krieges zu urteilen, wäre die aus der Scholastik stammende Lehre vom „bellum iustum“ gewesen, auf die sich Protestanten und Katholiken gleichermaßen bezogen. Danach durften Kriege 1. nur von einer legitimen Obrigkeit geführt werden, 2. mussten sie einen rechtmäßigen Grund haben, 3. durften sie nur zur Wiederherstellung des Rechtszustandes dienen und 4. sollten sie die Verhältnismäßigkeit der Mittel wahren. Der Reformator Martin Luther hatte darüber hinaus in seiner 1526 erschienenen Schrift „Ob Kriegsleute auch im seligen Stande sein können“ die militärisch erlaubte Auseinandersetzung auf den reinen Verteidigungskrieg eingeschränkt25. Hier hätte für die Kirchen ein Hauptmoment kirchlicher Prüfung des aktuellen Krieges liegen können26. Doch eine ernsthafte Anwendung der Lehre vom Krieg erfolgte in keiner der beiden Kirchen27. Selbst katholische Kirchenführer wie Konrad Preysing, die den Krieg Hitlers persönlich für illegitim hielten, ermahnten die Soldaten zu treuer Erfüllung ihres Dienstes in der Wehrmacht28. Entscheidend war, dass die Lehre vom bellum iustum mit dem Westfälischen Frieden 1648, der Gewalt auf dem Gebiet religiöser Auseinandersetzung für immer verbot, ihre Bedeutung verloren hatte. Seitdem war der Krieg kaum noch Gegenstand theologischer Diskussionen, da er der Sphäre der Politik zugeordnet wurde29. In der Politik aber herrschte die weltliche Obrigkeit, die nach dem Neuen Testament (Römer 13) für beide Konfessionen eine von Gott legitimierte Autorität besaß30. Vor diesem Hintergrund sah die Mehrheit der Theologen und Kirchenführer den Krieg nicht als menschengemachtes Geschehen, sondern als gottgegebene Bewährungsprobe, als Prüfung, die Christen zu bestehen hatten31. Aufgabe der Geistlichkeit war es, zum Gelingen dieser Prüfung beizutragen. Das bedeutete, den Krieg mit Gebeten 23 24 25 26 27 28 29 30 31

Vgl. H rten, Katholiken, 463. Vgl. van Norden, Kirche, 120, H rten, Katholiken, 463. Vgl. Kaiser, Weltkrieg, 217. Vgl. Messerschmidt, Militärseelsorge, 47. Vgl. Fitschen, Gerechter Krieg?; Rçw, Militärseelsorge, 62 f. Vgl. Missala, Für Gott, 235. Vgl. Fitschen, Gerechter Krieg?, 109. Vgl. Messerschmidt, Militärseelsorge, 48. Vgl. Messerschmidt, Militärseelsorgepolitik, 40; Rçw, Militärseelsorge, 63.

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und Zuversicht zu begleiten sowie die Gläubigen zur Pflichterfüllung, Einsatzund Opferbereitschaft für das Vaterland aufzurufen32. Der Kriegsbeginn 1939 weckte in beiden Kirchen zunächst die Hoffnung auf ein Ende der kirchenfeindlichen Politik des NS-Staates. In der Tat hatte Hitler verkündet, während des Krieges keine neuen Maßnahmen gegen die Kirchen ergreifen zu wollen33. Doch der erhoffte „Burgfrieden“ zwischen NS-Staat und Kirchen erwies sich als Illusion34. Vielmehr nutzten die kirchenfeindlichen Kräfte in Staat und Partei den Krieg mit dem Hinweis auf kriegsnotwendige Einschränkungen, um die „Entkonfessionalisierung des öffentlichen Lebens“ voranzutreiben35. Als die deutsche Wehrmacht am 22. Juni 1941 in die Sowjetunion einmarschierte, hatte sich die Situation für die Kirchen im Vergleich zum Jahr 1939 weiter verschlechtert. Die Papierkontingente für die kirchliche Presse waren gesperrt36, die konfessionellen Schulen und Kindergärten geschlossen. Im „Klostersturm“ waren zahlreiche katholische Klöster und Ordenshäuser beschlagnahmt und enteignet worden37. Wie groß der Druck war, der auf der katholischen Kirche lastete, zeigt der Hirtenbrief der Bischöfe vom 26. Juni 1941, der ausführlich die Beengungen der Kirche durch die nationalsozialistische Politik kritisierte und mit der dramatischen Warnung endete: „Es geht um Sein oder Nichtsein des Christentums und der Kirche in Deutschland.“38 War der Kriegsbeginn 1939 schon kein Anlass zur Emphase gewesen, so löste der Angriff auf die Sowjetunion im Juni 1941 in weiten Kreisen der Bevölkerung Bestürzung und Angst über die unabsehbare Verlängerung des Krieges aus39. Für die Kirchen indes war der neue Kriegsgegner nicht fremd. Vielmehr bekämpften sie schon seit langem leidenschaftlich den Kommunismus als Feind des Christentums. Theologen beider Konfessionen interpretierten seit dem 19. Jahrhundert den atheistischen Kommunismus als „radikalsten Gegenentwurf zum eigenen Welt- und Menschenverständnis“40. Im evangelischen Raum waren die Argumente vorgeprägt durch die christlich inspirierte Kommunismusdeutung des Berliner Rechtsprofessors Friedrich Julius Stahl, der im Kommunismus ein Kind der Aufklärung sah und eine „Rebellion des „autonomen Menschen“ gegen eine göttlich legitimierte Weltordnung. Bereits hier stand der Kommunismus als „Gegenreligion“ zum Christentum in einem 32 33 34 35 36 37 38 39 40

Vgl. Fitschen, Gerechter Krieg?, 114. Vgl. Besier, Kirche, 29. Vgl. H rten, Katholiken, 470–473. Vgl. Wilhelm, Diktaturen, 193; Thierfelder, Landeskirche, 350; Messerschmidt, Militärseelsorge, 49. Vgl. Wilhelm, Diktaturen, 195–197. Vgl. Mertens, Klostersturm, 316. Gr ttner, Das Dritte Reich, 446. Vgl. Steinert, Deutsche, 479; Kershaw, Hitlermythos, 214. Loos, Antikommunistische Stimmen, 201.

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heilsgeschichtlichen Kontext. Im Kampf der metaphysischen Mächte von Gut und Böse verkörperte der Kommunismus für Stahl das Böse, das Ende jeglicher Moral und das Ende der freien Persönlichkeit, die er aus dem christlichen Menschenbild herleitete41. Mit dem Sieg der Oktoberrevolution 1917 in Russland erhielt diese Deutung für beide Konfessionen eine bedrohliche Aktualität42. Berichte von der gewaltsamen Ausschaltung der Kirchen aus dem öffentlichen Leben der Sowjetunion, Bildbroschüren über zerstörte und geplünderte Kirchen lösten helle Empörung und tiefe Furcht aus und bewirkten, dass der „Bolschewismus“ zum Synonym für radikale Kirchenfeindschaft wurde43 und zum politischen Kampfbegriff für alle, die sich auf der Seite von Christentum sowie abendländischer Kultur und Tradition verorteten. Ende der 1920er Jahre gingen die Katholiken mit großangelegten publizistischen Kampagnen zum „Gegenangriff“ über. Unter der Führung von Konrad Algermissen führte der Volksverein für das katholische Deutschland einen regelrechten Propagandafeldzug gegen den Bolschewismus, der als Spitze der Gottlosenbewegung wahrgenommen wurde und in Gestalt der deutschen Freidenkerorganisationen den Einfluss der Kirche bedrohte44. Gestützt von Papst Pius XI., der 1930 die Katholiken der Welt zu einem „Kreuzzug des Gebetes“ gegen den gottlosen Bolschewismus aufrief, organisierte Algermissen über die „Forschungs- und Auskunftsstelle über Bolschewismus und Freidenkertum“ Tausende von Konferenzen und brachte Flugblätter in Millionenhöhe unter das Volk45. Algermissen verortete seine Kampagne als Abwehr des „Vernichtungskampfes der Bolschewisten gegen die katholische Kirche“. Zwischen der katholischen Kirche und dem Bolschewismus, so schrieb er, werde einmal der End- und Entscheidungskampf ausgetragen werden. „Entweder überwinden wir den russischen Bolschewismus oder es kommt zum Weltbolschewismus“, lautete seine dramatische Alternative46. Auch die evangelische apologetische Centrale des Central Ausschusses für Innere Mission führte eine antibolschewistische Kampagne mit dem kämpferischen Ziel, „Hilfstruppen der Pfarrer im Weltanschauungskampf“ zu sammeln und in „Laienführerkursen“ eine „apologetische Kampfschar“ gegen Freidenker und Bolschewisten auszubilden47. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wurden die kirchlichen Verbände beider Konfessionen in ihrem Kampf gegen den Bolschewismus durch die Zuschüsse des Reichsinnenministeriums sogar noch gestärkt48. 41 42 43 44 45 46 47 48

Vgl. Stahl, Parteien, 267–272. Zur katholischen Kommunismusdeutung vgl. Algermissen, „Kommunismus“. Vgl. Oelke, Begeisterung, 291 f.; Heitzer, Katholizismus, 378. Ebd., 358. Ebd., 369. Ebd., 376. Pçhlmann, Kampf, 191. Vgl. ebd., 217.

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Sowohl die katholische als auch die evangelische Seite stimmten dem Antibolschewismus des NS-Regimes kritiklos zu. Der Kommunismus sei der gemeinsame Feind von Christentum und Faschismus. Darin hatte der katholische Bischof Michael von Faulhaber Hitler in einem Gespräch beigepflichtet49. Auch im „Handbuch der religiösen Gegenwartsfragen“, das der Freiburger Erzbischof Conrad Gröber 1937 mit Empfehlung des deutschen Gesamtepiskopates herausgab, stand der Bolschewismus im Mittelpunkt. Die deutschen Bischöfe, so das von Gröber formulierte Vorwort, verfolgten mit dem Handbuch das Ziel, den „Wall“ zu stützen, den „der Führer gegen den Bolschewismus aufgeworfen“ habe50. Zur selben Zeit erschien das Buch des christlich-konservativen Schriftstellers August Winnig „Europa. Gedanken eines Deutschen“ in einer Auflage von 80.000 Exemplaren und wurde zu einer beliebten Lektüre in evangelischen Kreisen51. Während seines Kriegseinsatzes in der Sowjetunion las Hans Kähler seinen Soldaten daraus vor. Gerhard Knapp zitierte es häufig in seinem Tagebuch. Und auch Hermann Wolfgang Beyer sprach voller Bewunderung über den zum Christen gewandelten ehemaligen Gewerkschaftsfunktionär52. Für Winnig war der Bolschewismus eine Kraft, die nicht nur Deutschland, sondern das gesamte christliche Europa bedrohte53. Der Grund dafür sei die religiöse Qualität des Bolschewismus, dessen höchstes Ziel der Kampf gegen Gott sei. Wenn Europa überleben wolle – so Winnig – müsse es seinem göttlichen Auftrag nachkommen und das „Kreuz“ gegen die Bedrohung durch die Sowjetunion verteidigen54. Das Telegramm, das der „Geistliche Vertrauensrat der Deutschen Evangelischen Kirche“ am 30. Juni 1941 anlässlich des beginnenden Russlandfeldzuges an Hitler sandte und das im Gesetzblatt der Deutschen Evangelischen Kirche veröffentlicht wurde, ging weit über die vorangehenden Loyalitätsbekundungen dieses Gremiums gegenüber dem NS-Staat hinaus, denn es legitimierte den Krieg gegen die Sowjetunion mit eigenen christlichen Bedrohungsszenarien und Vernichtungswünschen55. Der Feldzug gegen die Sowjetunion wurde als „Befreiungskampf im Osten“ bezeichnet und als logische Fortsetzung der Leistungen Hitlers in Deutschland, wo dieser die „bolschewistische Gefahr gebannt“ habe56. Mittelpunkt des Schreibens bildete der vermeintlich aggressive Charakter des Bolschewismus, den man als 49 Vgl. Besier, Kirchen, 762. 50 Unpaginiertes Vorwort. In: Grçber, Handbuch. 51 In der Bundesrepublik ordnet man bis in die Gegenwart Winnig dem christlichen Widerstand zu, was auf der Behauptung basiert, das Buch „Europa“ sei eine versteckte Anklage gegen den Nationalsozialismus. Vgl. Ribhegge, Winnig, 278, 283. 52 Vgl. KT Beyer, 11. 5. 1942 (Privatbesitz, Transkript Garbe, 398). 53 Vgl. Winnig, Europa, 50, 82 f. 54 Ebd., 88 f. 55 Vgl. GBlDEK, 7, 9. 7. 1941, Ausgabe B (Altpreußen), 31. 56 Melzer, Vertrauensrat, 193.

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Der Ostkrieg

„Todfeind aller Ordnung und aller abendländisch-christlichen Kultur“ charakterisierte. Dabei unterstellte man dem in der Sowjetunion herrschenden Bolschewismus, dass er das „namenlose Leid“, welches er seinen eigenen Völkern zugefügt habe, nun auch allen anderen Nationen bereiten wolle. In diesem Kontext gedachte man der „baltischen evangelischen Märtyrer“ von 1918, mit denen man die deutschstämmigen Pastoren meinte, die nach dem Rückzug der deutschen Truppen aus dem Baltikum von Bolschewisten ermordet worden waren57. Die Kirchenvertreter versicherten ihrem „Führer“ und seinen „unvergleichlichen Soldaten“ den Beistand aller Gebete der Evangelischen Kirche und äußerten die Hoffnung, dass diese nun mit gewaltigen Schlägen den „Pestherd“ des Bolschewismus beseitigen, eine neue Ordnung in Europa unter der Führung Hitlers etablieren und „alle innere Zersetzung, alle Beschmutzung des Heiligsten, alle Schändung der Gewissensfreiheit“ beenden würden58. Dagegen ermahnte der Hirtenbrief der deutschen katholischen Bischöfe vom 26. Juni 1941 lediglich die katholischen Soldaten zu „treuer Pflichterfüllung, tapferem Ausharren, opferwilligem Arbeiten und Kämpfen im Dienste unseres Volkes“59. Der „Führer“ wurde nicht mehr erwähnt. Dennoch stand die Haltung der katholischen Kirche und Geistlichkeit zum Bolschewismus in nichts den Protestanten nach. An exponierter Stelle unter den christlichen Unterstützern des Ostfeldzuges stand der katholische Feldbischof Franz-Justus Rarkowski. Zwar war dieser ein Außenseiter unter den katholischen Bischöfen, da er nicht der Bischofskonferenz angehörte60. Doch vertrat der überzeugte Anhänger Adolf Hitlers keine Minderheitenposition im deutschen Katholizismus, wenn er in seinem „Hirtenwort an die katholischen Wehrmachtangehörigen zu dem großen Entscheidungskampf im Osten“ von einem „europäischen Kreuzzug“ sprach und die Hoffnung äußerte, dass der Bolschewismus für „alle Zeiten aus der Geschichte“ getilgt werde61. Selbst der Münsteraner Bischof Clemens von Galen, der im Sommer 1941 durch seine mutigen Predigten gegen die „Euthanasie“ aufgefallen war, sprach in einer Predigt vom September 1941 von der „Pest des Bolschewismus“ und verlieh dem Krieg mit seiner Rede vom „Kreuzzug“ einen Nimbus von Heiligkeit62. Ähnlich argumentierte Heinrich Höfler, der seit Beginn des Zweiten Weltkrieges die katholische „Kirchliche Kriegshilfe“ zur geistigen Betreuung der Wehrmachtsoldaten leitete. In einem Rundbrief an die katholischen Soldaten vom 17. September 1941 hieß es, ganz Europa stehe dem Ungeist der Gottlosigkeit und der Zerstörung gegenüber. Man habe das Empfinden, als ob 57 Insgesamt wurden 40 evangelische Pastoren zwischen 1918 und 1920 im Baltikum ermordet. Vgl. Hermle, Märtyrer, 129, 138 f. 58 GBlDEK 7, 9. 7. 1941, Ausgabe B (Altpreußen), 31. 59 Hirtenwort des deutschen Episkopats vom 26. 6. 1941, 463. 60 Vgl. oben 20. 61 Missalla, Schule Gottes, 57 f. 62 Damberg, Kriegsdeutung, 117.

Ein christlicher Krieg?

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man es mit dem „filius iniquitatis“63 selbst zu tun habe, wenn man gegen den Bolschewismus zu Felde ziehe. Immer sei es das ureigene Gebiet des Widersachers, auf dem man sich bewege64. Während der Sonntagspredigten wurden von den Kanzeln der katholischen Kirchen in West- und Süddeutschland regelmäßig „Gedenkworte für die im Kampf gegen den Bolschewismus stehenden deutschen Soldaten“ gesprochen65. Mit der Gewissheit, im Bolschewismus dem „filius iniquitatis“ gegenüberzutreten, der die Existenz des Christentums und damit auch die eigene Existenz bedrohte, zogen die Kriegspfarrer in den Krieg gegen die Sowjetunion. In ihren Tagebüchern beschreiben sie eine geradezu unheimliche Atmosphäre der ersten Kriegstage und die bösen Ahnungen, die dieser Krieg in ihnen auslöste. „Der Krieg beginnt“, hieß es bei dem katholischen Wehrmachtpfarrer Johannes Opfermann, so als hätte es die beiden vorangehenden Kriegsjahre gar nicht gegeben66. „Wie zum Hohn ging die Sonne friedlich u[nd]. strahlend auf“, notierte sein katholischer Kollege, Divisionspfarrer Josef Wassong, am 22. Juni 1941.67 Johannes Stelzenberger zeigte sich entsetzt über den „Erlass der Kriegsgerichtsbarkeit im Gebiet ,Barbarossa‘ vom 13. Mai 1941“68, nach dem Straftaten von Wehrmachtangehörigen an der Zivilbevölkerung der zu besetzenden Gebiete nicht verfolgt werden sollten. Einen Tag vor Beginn des Russlandfeldzuges notierte er: „Rygol […] Besprechung bei I b: Straftaten der Soldaten gegen russische Zivilpersonen werden nicht verfolgt. Ich bin tief erschüttert. Wie soll das enden?“69 Für den evangelischen Wehrmachtpfarrer Hans Kähler war der 22. Juni ein trauriger Tag: „Wie war uns das Herz schwer, als wir am Morgen des 22. 6. 41 im Verdener Dom saßen und einen Kriegspfarrer sprechen hörten.“70 Voller Bewunderung, aber dennoch mit Skepsis über die militärische Ausweitung des Krieges äußerte sich der ansonsten vom Nationalsozialismus überzeugte Kriegspfarrer Hermann Wolfgang Beyer: „Mich bewegt die Nachricht freilich sehr. Es ist unerhört genial, wie der Führer einen seiner großen weltpolitischen Gegner nach dem anderen vornimmt, ohne daß ihm von irgendeiner Seite geholfen werden kann“, schrieb er in sein Tagebuch und fügte hinzu: „Aber es ist doch eine kaum übersehbare Ausweitung des Kriegsschauplatzes, die damit vor sich geht.“71 63 „Sohn des Bösen“. Vgl. Ps 89, 23. 64 Vgl. das Rundschreiben der Kirchlichen Kriegshilfe an die katholischen Soldaten im Feld vom 17. 9. 1941 (ADCV Freiburg, 370.17.030, Fasz. 01). 65 Hamm, Priester, 39. 66 Tagebucheintrag Johannes Opfermanns vom 21. 6. 1941 (DAB, V/184). 67 Tagebucheintrag Josef Wassongs vom 22. 6. 1941 (AKMB, SW 901). 68 Dazu vgl. Hasenclever, Wehrmacht, 65; Gerlach, Morde, 87. 69 Tagebucheintrag Johannes Stelzenbergers vom 21. 6. 1941 (AKMB, SW 838). 70 Tagebucheintrag Hans Kählers vom 22. 6. 1943 (BA-MA Freiburg, MSG 2, 5867). 71 KT Beyer, 23. 6. 1941 (Privatbesitz, Transkript Garbe, 204). Zu Beyer und seiner Rolle als Kriegspfarrer im Ostkrieg vgl. Pçpping, Der schreckliche Gott.

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Der Ostkrieg

Als die Kriegspfarrer zu Beginn des Ostfeldzuges den Auftrag von der militärischen Führung erhielten, gegen den Bolschewismus zu predigen, waren sie bestens vorbereitet. Die Theologen waren längst eingestimmt auf diesen „radikal bösen“ Gegner und konnten aus dem großen Reservoir des kirchlichen Antibolschewismus schöpfen. Für ihre Kommandeure wurden sie damit zu einer wichtigen Hilfe. Diese waren dankbar für die gedankliche Tiefe und die routinierte Rhetorik der antibolschewistischen Predigten, die sie selbst nur schwerlich hätten halten können. Stolz notierte Beyer, sein Kommandeur habe ihm gestanden, dass ihm selbst gemeinhin das Wort nicht so zur Verfügung stehe, „um die Dinge so packend zu sagen, daß sie den einzelnen Mann wirklich aufrütteln.“72 Glaubt man den Berichten der Kriegspfarrer, kamen ihre antibolschewistischen Predigten gut bei den Soldaten an. „Auf Befehl des Herrn General wurde in den Gottesdiensten gegen den Kommunismus und Bolschiwismus [sic!] gepredigt“, berichtete ein katholischer Kriegspfarrer. In seinem Tätigkeitsbericht resümierte er: „Sehr viele Kameraden gingen zu den heiligen Sakramenten und holten sich innere Kraft für den bevorstehenden kommenden Einsatz. Es waren sehr zufriedenstellende und erhebende feierliche Gottesdienste.“73 Inhaltlich bestimmend war das Motiv, einen Verteidigungskrieg für das christliche Abendland zu führen, also einen Defensivkrieg, wie es auch die nationalsozialistische Propaganda behauptete74. Doch unter dieser Oberfläche machte sich das Motiv des Angriffskrieges bemerkbar, durch den das christliche Russland von seinen gottlosen Unterdrückern befreit werden sollte. Von katholischer Seite knüpfte man dabei nicht selten an das Motto des ersten Kreuzzuges „Deus lo vult“75 an. Im Tätigkeitsbericht eines katholischen Kriegspfarrers vom 5. Oktober 1941 hieß es: „Es einte uns ein Ziel, rücksichtsloser Kampf gegen den gottlosen Bolschewismus bis zum Endsieg. (…) Der Gegner wurde geworfen, wo wir ihn trafen, wenn auch 72 KT Beyer, 1. 8. 1941 (Privatbesitz, Transkript Garbe, 227). 73 Tätigkeitsbericht Heinrich Grünefelds (31. 5. 1941–15. 12. 1941) (BA-MA Freiburg, RH 26, Nr. 71). 74 So erklärte ein katholischer Divisionspfarrer im Blick auf das Jahr 1941, dass die Sowjetunion sich seit zwanzig Jahren zu einer Rüstungsmacht ohnegleichen emporgearbeitet habe und nur darauf gewartet habe, in einem günstigen Augenblick über Deutschland herzufallen, um ihr „tiefstes Ziel, die Weltrevolution, zu verwirklichen.“ Tätigkeitsbericht Heinrich Kreutzbergs (1. 6.–31. 12. 1941) vom 1. 1. 1942 (BA-MA Freiburg, RH 26/62, Nr. 118); vgl. auch Lemhçfer, Bolschewismus, 138. 75 Am 27. 11. 1095 rief Papst Urban II. auf dem Konzil von Clermont die christliche Ritterschaft Südfrankreichs zu einem Kriegszug im Osten auf, mit dem Ziel die orientalische Christenheit von der Unterdrückung durch die Muslime zu befreien. In seinem Aufruf versprach der Papst jedem, der im „gerechten Krieg gegen die Heiden“ sein Leben ließ, den Nachlass für seine Sünden. Der Überlieferung nach unterbrachen die begeisterten Zuhörer die Rede Urbans immer wieder mit dem Ruf „Deus lo vult“, d. h. „Gott will es“. Dieser Ruf wurde zum Motto für die Kreuzzüge in den folgenden 200 Jahren. Vgl. Thorau, Kreuzzüge, 27.

Ein christlicher Krieg?

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unter blutigen Verlusten unter der Parole ,Gott will es‘. Für uns war dieser Feldzug ein Kreuzzug gegen den gottlosen Bolschewismus.“76

Ein katholischer Priestersoldat schrieb an seinen Bischof: „Und mir ist es, als ob wir auch hier nur eine Aufgabe hätten: dem Herrn die Wege zu bereiten. Muß nicht auch diesem Volke Christus geboren werden, muß nicht auch in diesem Lande Christus eine „Herberge“ bekommen!“77

Als der katholische Münchener Anwalt Arnold Brinz seinen Abmarschbefehl in den Krieg gegen die Sowjetunion erhielt, notierte er in sein Tagebuch: „Man spricht davon, dass es beim Kampf gegen den Bolschewismus um einen Kreuzzug geht. Wird unser Sieg, an dem ich nicht zweifle, wieder die Pforten der Kirchen und Kapellen öffnen? Auferstehungsglocken in einem gottlos gewordenen Land zum Schwingen bringen? Wird es ein heiliger Krieg sein, in den wir morgen ziehen?“78

Das im Kreuzzugsgedanken transportierte Motiv, als Befreier des Christentums in den Ostkrieg zu ziehen, wurde auch von der evangelischen Soldatenseelsorge geteilt. „Die Leute sollen wissen, daß wir deutschen Soldaten als ihre Befreier vor (sic!) dem Terror der Gottlosigkeit kommen. Und sie begreifen es“79, notierte Beyer im August 1941. Katholische Kriegspfarrer teilten zudem die Hoffnung des Vatikans, dass der Zusammenbruch der Sowjetunion zur Wiedervereinigung mit der orthodoxen Kirche führen würde, für die seit 1919 Vorbereitungen getroffen worden waren80. Der Ostfeldzug rückte diese Pläne in den Bereich des Möglichen, so dass die Nationalsozialisten bereits fürchteten, ein Sieg über die Sowjetunion könnte der Russlandmission des Vatikans Tür und Tor öffnen81. In der „Weihe der Welt an das unbefleckte Herz Mariens“ vom 31. Oktober 1942 legte Papst Pius XII. seine Ziele dar: Beseitigung der bolschewistischen Diktatur und die anschließende Rückführung der Orthodoxen in die katholische Kirche82. Der Krieg gegen die Sowjetunion entsprach christlichen Interessen. Er ließ sich nicht nur als christlicher Verteidigungskrieg rechtfertigen, sondern auch als christlicher Angriffskrieg zur Befreiung eines vom Kommunismus unterdrückten Volkes. Darüber hinaus pflegte man in der Wehrmachtseelsorge ein theologisch aufgeladenes Bild vom bolschewistischen Menschen, den man bezichtigte, im 76 77 78 79 80 81

BA-MA Freiburg, RH 26/113, Nr. 37. Schreiben Josef Stehböcks an Faulhaber vom 3. 12. 1941 (EAM, NL Faulhaber, Nr. 6796/2). Tagebucheintrag Arnold Brinz‘ vom 27.6. 1941 (AAK Berlin, Kempowski Bio, 4573/1). KT Beyer, 11. 8. 1941 (Privatbesitz, Transkript Garbe, 238). Vgl. Hamm, Priester, 29. Krausnick/Wilhelm, Truppe, 428. Vgl. das Schreiben des Chefs der Sicherheitspolizei, Heydrich, an das OKH vom 1. 11. 1941 (AKMB, SW 111). 82 Vgl. Leugers, Jesuiten, 186 f.

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Kampf gegen Gott seine Seele verloren zu haben. Ein seelenloser Mensch aber war im christlichen Sinne eigentlich kein Mensch mehr, da ihm die Ausrichtung auf Gott fehlte, also genau das, was den Menschen vom Tier unterschied. Dieses Motiv findet sich sowohl in den Predigten als auch in den Tagebüchern manch eines Kriegspfarrers wieder. So kam Hermann Wolfgang Beyer zu dem Schluss: „Das ist die Gottlosigkeit, die Seelenlosigkeit und Entmenschlichung bedeutet.“83 Für Beyer waren die Sowjetmenschen nicht nur gottlose Rationalisten, sondern „Kommissare mit vertierten Gesichtern“, denen nichts heilig war84. In einer Predigtvorlage der Abteilung Schrifttum der „Kirchlichen Kriegshilfe“ des Caritasverbandes, die über das Feldbischofsamt an die katholischen Feldgeistlichen versandt wurde, hieß es: „Sie haben in Rußland erlebt, was es heißt, daß ein Volk kein Kreuz mehr hat, wo die Kirchen entblößt und ausgeraubt sind, daß das Geheimnis des Kreuzes Christi nicht mehr zugegen ist; die Liebe. Bestien sind die Menschen geworden.“85

Wem die Seele fehlte, dem fehlte auch die Fähigkeit zu lieben und der konnte sich auch nicht human verhalten. Folglich konnte die humane Behandlung des Gegners entfallen. Von hier aus ließ sich mühelos der gedankliche Schritt zur Dehumanisierung des Gegners vollziehen, die in der nationalsozialistischen Rede vom „Untermenschen“ zum Ausdruck kam. In diesen Kontext fällt auch die Rede vom „jüdischen Bolschewismus“, der von den Geistlichen im Feld gern verwendet wurde. Auch dieser Topos fügte sich problemlos in das nationalsozialistische Weltbild. Kirchliche Repräsentanten und die christliche Publizistik beider Konfessionen hatten seit der Oktoberrevolution immer wieder den Zusammenhang von Judentum und Bolschewismus betont. Da jüdische Intellektuelle in der bolschewistischen Revolution und auch in den revolutionären Regierungen der Münchener Räterepublik von 1918/19 sichtbar waren, lag der Schluss nah, dass die Ideologie des Bolschewismus unlösbar mit den Juden verbunden sei86. Diese Ansicht wurde 1937 im offiziösen „Katholischen Handbuch der religiösen Gegenwartsfragen“ vertreten. Unter dem Artikel „Bolschewismus“ war vom Kampf der „völkischen Überlieferung“ gegen die „volksfremden, meist jüdischen Revolutionshetzer“ zu lesen. Der Bolschewismus, so hieß es dort, stehe praktisch im „Dienst einer Gruppe jüdisch geleiteter Terroristen“87. Den Protestanten hatte August Winnig erklärt, dass der Bolschewismus unter der „Fremdherrschaft des Juden“ stehe. Als solcher bedeute er eine 83 84 85 86

Ebd., 27. 7. 1941, 219. KT Beyer, 16. 7. 1941 (Privatbesitz, Transkript Garbe, 211). Zitiert nach Missala, Volk, 162. Vgl. Leugers, „Blut“, 72, 89, 92, 97; Gr ttner, Brandstifter, 181. Hermann, Diplomaten, 43 f., 53, 55 f. 87 Bolschewismus, 85–87.

Mission und Selbstbehauptung

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grundsätzliche Auflehnung des „entarteten Menschen“ gegen Gott88. An diesem Krieg, so der Autor, würde das geschichtliche Europa zugrunde gehen. Der letzte Sieger sei der entfesselte Untermensch“89. Winnig ließ keinen Zweifel daran, wen er für diesen „Untermenschen“ hielt. In Russland – so schrieb er – habe das Volk unter dem Einfluss „des Juden“ seine Seele verloren, werde „zur Masse erniedrigt und vegetiere nur noch auf einer „zoologischen Ebene“90. Der Jude habe sich in Russland als „bolschewistischer Brandstifter“ erwiesen. Grund dafür sei der jüdische Ursprung des Bolschewismus, da dieser sich aus dem kommunistischen Manifest entwickelt habe91. Wie weit sich auch theologische Überlegungen in eine solche Perspektive zwingen ließen, zeigt das Beispiel Hermann Wolfgang Beyers, der die Einheit von „Judentum, Bolschewismus und Seelenlosigkeit“ in seinen Predigten an der Ostfront begründete. Beyer sah in Gott eine durch und durch schreckliche Macht. Für ihn hatte Jesus Christus den Menschen mit diesem schrecklichen Gott versöhnt. Dagegen hätten die Juden zwar die schreckliche Majestät Gottes anerkannt, nicht aber den Erlöser Jesus Christus. So seien die Juden unerlöst geblieben. Da aber kein Mensch die schreckliche Majestät Gottes ertragen könne, so Beyer, habe das Judentum den „Kollektivmenschen“ erfunden, der autonom und ohne Gott handle und folglich seelenlos sei92. So war aus dem bolschewistischen Menschen – vermittelt durch den Juden – unversehens ein seelenloser Mensch geworden.

3.2 Mission und Selbstbehauptung „Im Osten kommt man leichter an.“93

Für die Kirchen, die um ihr institutionelles Überleben bangten, hatte gerade die Wehrmachtseelsorge wegen ihrer staatlich legitimierten Aufgabe große Bedeutung, denn diese rechtfertigte indirekt auch ihr eigenes Fortbestehen. Als „dienstliche Einrichtung der Wehrmacht“ garantierte die Wehrmachtseelsorge die politisch-militärische Nützlichkeit der christlichen Kirchen und genau diese Nützlichkeit galt es nun im „Existenzkampf“ Deutschlands gegen seine Feinde zu beweisen.

88 89 90 91 92 93

Winnig, Europa, 82. Ebd., 74. Ebd., 81. Ebd., 48 f. Vgl. Garbe, Theologe, 554; KT Beyer, 16. 5. 1942 (Privatbesitz, Transkript Garbe, 404). Weis, Kraft, 21.

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Mit Befriedigung nahmen die Kirchen zur Kenntnis, wenn einer der ihren zum Kriegspfarrer befördert worden war94. Auch Statistiken über Opfer der in der Wehrmacht dienenden Pfarrerschaft oder Ordensverleihungen für Kriegspfarrer, von denen jeder fünfte mit einem Kriegsverdienstorden ausgezeichnet wurde, gewannen für die Kirchen große Bedeutung95. 1944 schrieb der evangelische Kriegspfarrer Ernst Ufer, nachdem er das Verwundetenabzeichen in Silber verliehen bekommen hatte, dass der Feldbischof Wert auf solche äußeren Zeichen lege, um „aktenkundig“ zu machen, „daß die Pfarrer sich nicht geschont hätten“96. Wichtig war es, solche Zeichen der Bewährung in der Öffentlichkeit auch gebührend zur Geltung zu bringen. Dabei konkurrierten die Kirchen erbittert um die öffentliche Wahrnehmung ihres Einsatzes für den Krieg. „Die beiliegende Notiz über den Heldentod katholischer Feldgeistlicher könnte den Anschein erwecken, als seien bisher nur kath. Kriegspfarrer in Ausübung ihres Berufs gefallen“, beschwerte sich der württembergische Landesbischof Wurm beim evangelischen Feldbischof Dohrmann und forderte diesen auf, gelegentlich eine Notiz über den Heldentod evangelischer Kriegspfarrer und ordinierter evangelischer Geistlicher in die Presse zu bringen97. Die Institution der Wehrmachtseelsorge barg indes mehr als die Legitimation für den Fortbestand der Kirchen. Vor allem auf dem Gebiet der Mission schienen sich neue und ungeahnte Möglichkeiten zu eröffnen. Darüber waren sich auch die Kriegspfarrer bewusst. Der evangelische Divisionspfarrer Ernst Ufer erklärte 1942 auf einer Kriegspfarrertagung in Borussow: „Bei den berechtigten Klagen, daß die Kirche zu einer Angelegenheit von Frauen, Alten und Kindern geworden sei, stehen wir in der Truppenseelsorge vor einer uns noch einmal von Gott geschenkten Möglichkeit, die Männerwelt vor Gott zu stellen und ihr den Ernst und die Frohbotschaft des Wortes zu sagen“.98

Der Erfolg der Wehrmachtseelsorge im Krieg hing letztlich davon ab, ob es ihr gelingen würde, diese jungen Männer dauerhaft für die Kirchen zu gewinnen99. 94 Vgl. das Glückwunschschreiben des bischöflichen Ordinariats der Erzdiözese Freiburg vom 31. 1. 1941 an Paul Herb (EA Freiburg, B2–35, Nr. 73). 95 Vgl. das Schreiben Major Dr. Seiferts an den evangelischen Oberkirchenrat Schwerin vom 4. 1. 1942, in dem dieser auf die hohe Zahl von Kriegsorden für katholische Geistliche verwies und eine vergleichbare Statistik für die evangelische Seite einforderte (EZA Berlin, 1/2779). Aufschlussreich ist auch die Liste des Reichsbundes der evangelischen Pfarrervereine vom 1. 2. 1942, die über 562 in der Zeit von 1939 bis 1942 gefallene Theologen informiert und darüber hinaus auf die 725 gefallenen Söhne von Pfarrern verweist. Schreiben des Evangelischen Oberkirchenrates in Stuttgart an das Kirchenstatistische Amt der DEK vom 26. 5. 1943 (EZA Berlin, 1/3202). Vgl. auch Beese, Seelsorger, 111; Hermle, Predigt 142. 96 Ufer, Männer, 404. 97 Schreiben Wurms an Dohrmann vom 29. 10. 1941 (LKA Stuttgart, 380/III). Für die katholische Seite vgl. Rçw, Militärseelsorge, 244. 98 Ufer, Männer, 451. 99 Vgl. Messerschmidt, Militärseelsorgepolitik, 53.

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Man hoffte, mit einer erfolgreichen Seelsorge an Offizieren und Mannschaften eine religiöse Aufbruchstimmung zu erreichen, die der inneren Vitalität der Kirchen auch nach dem Krieg zu Gute kommen würde. Dies sei – so hat es Irmfried Garbe für die evangelische Kirche formuliert – die „Arbeitshypothese“ der meisten Militärpfarrer gewesen100. Bereits im Ersten Weltkrieg hatten sich die Hoffnungen der Feldseelsorge auf die Soldatenmission gerichtet. Was der evangelische Feldgeistliche Heinrich Ostertag in Bezug auf den Ersten Weltkrieg schrieb, traf auch auf die Hoffnungen beider Kirchen zu Beginn des Zweiten Weltkrieges zu: „Die Situation, welche die Kirche gegenwärtig hier außen im Feld für ihre Arbeit vorfindet, ist einzigartig und in dieser Weise noch kaum je dagewesen. Die Gemeinde, an der wir hier arbeiten, ist gerade der Teil der Volksgesamtheit, den wir sonst am allerwenigsten erreicht haben. Es sind die Männer aus allen Berufsständen und Volksschichten – diejenigen, welche die Kraft und Blüte der Nation darstellen und die überwiegenden Träger des öffentlichen Gedanken- und arbeitslebens sind.“101

Der Krieg – so schien es – eröffnete den Kirchen und ihren Amtsträgern eine einzigartige Gelegenheit, wieder eine zentrale Rolle im Zentrum der Gesellschaft zu spielen. Der evangelische Pfarrer Wilhelm Schäperkötter schrieb rückblickend über seine Motive Kriegspfarrer zu werden: „Der immer entschlossener werdende Druck der Partei auf die Bevölkerung, sich der Kirche und ihrem Dienst zu entziehen, liess mich einem Ruf nach Hannover in die Wehrmachtseelsorge folgen, wo grosse Möglichkeiten auf den Pfarrer warteten, mit der christlichen Botschaft an die Männer heranzukommen.“102

Der evangelische Kriegspfarrer Paul Bauer schrieb an seine Kirchenleitung über seine Zeit als Soldatenpfarrer im zweiten russischen Kriegswinter: „Ja, der Frontsoldat wird nach dem Krieg der Heimat auch über den Herrgott und den Glauben etwas zu sagen haben! (…) Kriegszeit ist Missionszeit, Kriegszeit ist Säezeit!“103

Auch bei den Katholiken herrschte kein Zweifel darüber, dass eine solche Chance zur Mission sich so schnell nicht wiederholen würde. Kriegspfarrer Josef Kayser notierte 1940: „Militärische Feier mit religiöser Weihe erscheint sehr angebracht, die Persönlichkeiten der Divisionspfarrer der Truppe bekannt zu machen und eine gewisse 100 Garbe, Theologe, 579 f. 101 Ostertag, Leben, 4; vgl. auch Holzem, Krieg, 88. 102 Undatierte Darlegung Wilhelm Schäperkötters über seine Motive Wehrmachtpfarrer zu werden (LKA Hannover, LSg, Nr. 61). 103 Paul Bauer: Als Soldatenpfarrer im 2. Russischen Kriegswinter, o. D. (LKA Stuttgart, 380 IV).

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Der Ostkrieg Massenwirkung zu erzielen. Sie wirken in ihrer Geschlossenheit auch auf die Zivilbevölkerung und solche, die das Christentum als eine Angelegenheit weniger Privatpersonen ansehen möchten. Sie ist heute die einzige Massenveranstaltung, in der Christus gepredigt werden kann.“104

Kaysers Mitbruder Anton Baur bekannte gegenüber seinem Bischof: „Wir Priester haben die Aufgabe, diesen leeren Raum wieder zu füllen. Eine gewaltige Missionsarbeit“105. Im öffentlichen Raum wurden diese Ziele nicht formuliert. Während sich im Ersten Weltkrieg Feldgeistliche in ihren Berichten noch ganz offen über die Kriegssituation freuten, die sie zur „christlich-religiösen Beeinflussung“ der Soldaten nutzen konnten106, rieten die Feldbischofsämter während des Zweiten Weltkrieges ab von allzu offen formulierten Missionsabsichten107. Das Motiv der Soldatenmission aber blieb allgegenwärtig. In den Tagebüchern der Kriegspfarrer war die Begegnung mit kirchenfernen Offizieren oder Soldaten immer eine Erwähnung wert, wenn man es geschafft hatte, diese auf die eine oder andere Weise zu beeindrucken. Vor allem Kriegspfarrer wie Hermann Wolfgang Beyer, die auf eine Vereinbarkeit von Nationalsozialismus und Christentum hofften, betonten gern, wenn es ihnen gelungen war, die Anerkennung von nationalsozialistischen Offizieren zu gewinnen. Am 20. Oktober 1941 notierte er: „Zunächst war ich bei unserer III. Artillerieabteilung. Hier hatte ich ein feines Gespräch mit einem Oberleutnant, der das Goldene Parteiabzeichen trägt. Es war mir schon wiederholt aufgefallen, daß seine Batterie sich besonders geschlossen an den Feldgottesdiensten beteiligte und er mit großer Aufmerksamkeit dabei war. Gestern sprachen wir zum ersten Male darüber. Er sagte mir, daß er aus der Kirche ausgetreten sei. Aber ohne Gottesglauben und ohne Gebet könne er nicht leben. In meinen Feldgottesdiensten sei er stets mit ganzem Herzen mitgegangen. Wenn in der Kirche immer so gepredigt würde, dann müßte das Verhältnis von Nationalsozialismus und Christentum in Ordnung kommen. So einfach liegen die Dinge nun natürlich nicht. Aber das Gespräch zeigte mir doch, wieviel echte Nationalsozialisten, auch wenn sie mit der gegenwärtigen Gestalt der Kirche zerfallen sind, um die Notwendigkeit des Gottesdienstes wissen und daß es gar nicht so schwer ist, eine Form der Verkündigung zu finden, die sie bejahen können. Hier liegt die entscheidende Zukunftsaufgabe der Kirche!“108 104 Feldtagebuch des Wehrmachtpfarrers Josef Kayser, katholischer Divisionspfarrer der 76. Infantrie-Division [sic!] vom 6. 9. 1939–8. 8. 1940 (AKMB, Sg Kayser, 52, Bl. 4). 105 Schreiben Anton Baurs an Faulhaber vom 19. 4. 1944 (EAM, NL Faulhaber, Nr. 6796/2). Zur Religion als „Kontingenzbewältigungspraxis“ vgl. Graf, Nation, 297. 106 „Bericht an das Königl. Prot. Oberkonsistorium München durch den Lazarettgeistlichen Ludwig Nicol über Militärseelsorge im Felde: 3. 9. 1914 bis 31. 12. 1915“, vom 12. 1. 1916 (BayHStA M nchen, Abt. IV, HS 2644). 107 Vgl. Doerne, Lazarettseelsorge, 6. 108 KT Beyer, 20. 10. 1941 (Privatbesitz, Transkript Garbe, 283).

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Über einen hauptamtlichen Mitarbeiter der Propagandaleitung der Partei im Gau Sachsen, bemerkte Beyer, dass dieser dem Christentum „mindestens sehr kritisch gegenüberstehe“, doch dass er es gerade darum als seine Aufgabe ansehe, ihn wenigstens vom Menschlichen her für die Anerkennung seines Amtes zu gewinnen109. Bei den Mannschaftssoldaten versuchten die Kriegspfarrer besonders in der Seelsorgearbeit im Lazarett an die sogenannte Soldatenfrömmigkeit anzuknüpfen, die immer dann auftrat, wenn sich die Angst vor dem Sterben einstellte. Doch während sich die Soldatenfrömmigkeit im Ersten Weltkrieg keiner sonderlichen Hochschätzung unter den Feldgeistlichen erfreute110, erlangte sie im Krieg gegen die Sowjetunion große Bedeutung. Denn gerade an der Ostfront gehörten Erschöpfung, Todesangst, Krankheit, Verwundung, Verlorenheitsgefühle und Heimweh zum Soldatenalltag111. Im „Alltag an der Grenze des Todes“112 – bereits im ersten Halbjahr des Ostfeldzuges fielen 300.000 deutsche Soldaten im Kampf gegen die Rote Armee – wuchs der Bedarf an religiösen Deutungen für das, was nicht mehr zu verarbeiten war. Vor diesem Hintergrund öffneten sich die Soldaten – so schien es – schneller und gründlicher für die Botschaft des Evangeliums113. Das Leid der Soldaten war, so könnte man sagen, die Chance der Wehrmachtseelsorge, in ihrer christlichen Botschaft gehört zu werden. „In der Wüste der Kriegseinsamkeit, im Zusammenbruch selbstsicherer Träume wird aus Zusammenbruch Umbruch, vielleicht Durchbruch zum Schrei des Herzens nach Halt und Sinn: Da wird das Wort der Kirche von der Buße gehört“, hieß es in einem Vortragsmanuskript eines evangelischen Kriegspfarrers für einen Kriegspfarrerlehrgang114. Zwar war vielen Kriegspfarrern bewusst, dass es mit der Frömmigkeit der Soldaten nicht mehr weit her war, sobald die Lebensgefahr verschwand, dennoch betonten sie in ihren Berichten und Vorträgen, dass der brutale Krieg gegen die Sowjetunion den Erfolg ihrer Mission steigerte. Unter dem Aspekt der Soldatenmission schien der Ostkrieg in seiner unmenschlichen Härte und Grausamkeit den Erfolg der Wehrmachtseelsorge zu steigern. Im Tätigkeitsbericht eines katholischen Kriegspfarrers vom Mai 1942 hieß es: „Ende März konnte ich täglich die Verwundeten in unserem Feldlazarett betreuen. Aufgeschlossen sind die Männer, die aus dem Kampfe kommen, für religiöse

109 110 111 112 113 114

KT Beyer, 29. 9. 1941 (Privatbesitz, Transkript Garbe, 269). Vgl. Stange, Gotteserfahrung, 20. Vgl. Holzem, Krieg, 16–18. Schrçder, Alltagsleben, 388. Vgl. Evans, Das Dritte Reich, 272 f., 305; Rass, Sozialprofil, 698. „Das Wort der Kirche an die Zeit – der Auftrag der Feldseelsorge“. Undatiertes Vortragsmanuskript im Nachlass des Wehrmachtoberpfarrers Hans Radtke (EZA Berlin, 704/27).

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Der Ostkrieg Fragen. Ein tiefes Verständnis für die heiligsten Werte im Menschen ist bei vielen erwacht.“115

Die Wehrmachtseelsorge ging – so schien es – davon aus, dass ihre Bedeutung zunehmen würde, je länger der Krieg dauerte und je härter die Anforderungen waren, die er an den einzelnen Soldaten stellte116. „Bei vielen Menschen hat Religion doch mit der Angst etwas zu tun“, stellte der katholische Kriegspfarer Franz Xaver Berger in einem Seelsorgebericht fest117. Der erhöhte Bedarf an Seelsorge unter den Soldaten an der Ostfront wurde auch an höherer Stelle gern angeführt, wenn es darum ging, die Bedeutung der Wehrmachtseelsorge gegenüber dem OKH hervorzuheben und ihre Position innerhalb der Wehrmacht zu stärken. Der evangelische Armeepfarrer Bernhard Bauerle erklärte in einem Rundschreiben an seine Kriegspfarrer: „Ich glaube, wir alle stehen unter dem Eindruck, daß durch das ganze Erleben im Osten die Stellung der Wehrmachtseelsorge hier im Felde fester geworden ist. Sie wird, soweit ich sehe, von Führung und Truppe nicht nur dankbar angenommen, sondern vielfach aufrichtig gewünscht und gefördert.“118

Dabei ging es nicht nur um die berufliche und institutionelle Rechtfertigung der Wehrmachtseelsorge, sondern auch um berufliche Erfüllung. Das Gefühl, gebraucht zu werden an einem zentralen und geschichtsmächtigen Ort und zudem noch im komfortablen Besitz eines religiösen Sinnangebots zu sein, das vielen Soldaten spätestens in der Stunde ihres Todes wichtig wurde, rief Gefühle der Dankbarkeit und Befriedigung hervor119. Ein katholischer Kriegspfarrer schrieb an seinen Bischof Faulhaber: „Und es war oft ein beglückendes Erlebnis inmitten so vielen Sterbens das Brot des ewigen Lebens auszuteilen. Umso schöner je mehr das nahe Kampfgeschehen noch nachzitterte“120. Dieses Erleben verstärkte sich mit der Fortdauer und wachsenden Härte des Krieges. „Je länger der Krieg dauert und je weniger die Möglichkeit einer Ablösung für die kämpfende Truppe besteht, umso stärker wird die Aufgeschlossenheit für die seelsorgerliche Betreuung“, hieß es im Seelsorgebericht eines evangelischen Kriegspfarrers Ende Dezember 1942121. 115 Tätigkeitsbericht von Otto Strutz ( 1. 1.–31. 3. 1942) vom 28. 5. 1942 (BA-MA Freiburg, RH 26/294, Nr. 97). 116 Vgl. den Bericht von Franz Xaver Bergers über den Frontlehrgang für die katholischen Kriegspfarrer beim AOK 20 (17. 11.–19. 11. 1942 vom 4. 12. 1942 (AKMB, SW 152). 117 Seelsorgebericht Franz Xaver Bergers (1. 7.bis 30. 9.1942) vom 5. 9. 1942 (AKMB, SW 116). 118 Schreiben des evangelischen Armeepfarrers beim A. O. K. 16 an die evangelischen Kriegspfarrer im Bereich der 16. Armee vom 17. 10. 1941 (LKA Stuttgart, NL Bauerle, Nr. 6). 119 Vgl. das Protokoll vom Frontlehrgang der katholischen Kriegspfarrer in Bonsecours vom 28. 4.–29. 4. 1942 (AKMB, SW 152). 120 Schreiben des Kriegspfarrers Josef Stehböck an Bischof Faulhaber vom 10. 12. 1943 (EAM, NL Faulhaber, Nr. 6761/2). 121 Seelsorgebericht (1. 10.–31. 12. 1942) vom 31. 12. 1942 (LKA Stuttgart, NL Bauerle, Nr. 6).

Mission und Selbstbehauptung

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Johannes Stelzenberger teilte seinem Feldgeneralvikar am 24. August 1943 mit: „Immer wieder habe ich den Eindruck, daß die Feldseelsorge im 4. und 5. Kriegsjahr noch tiefer wurzelt und in der Geltung gestiegen ist.“122 Auch weniger enthusiastische Stimmen, wie die des evangelischen Kriegspfarrers Paul Krauß, der in der Soldatenfrömmigkeit nur eine instinktive Reaktion auf Not, Einsamkeit und Todesnähe sah, wussten es zu schätzen, dass die Menschen an der Ostfront einander viel näher rückten als im bequemen Leben an der Westfront. „Nach unser aller Erfahrung sind ja hier im Osten die Verwundeten ausnahmslos viel dankbarer für unseren Dienst als im Westen“, schrieb Krauß im Sommer 1942 an seine Landeskirchenleitung123. Den Unterschied zwischen Ostfront und den anderen Kriegsschauplätzen empfanden alle124. Der katholische Kriegspfarrer Georg Lipp berichtete seinem Bischof Faulhaber von einem unvergleichlich harten Kriegsalltag an der Ostfront: „Der Kampf im Osten ist unvergleichlich mit den Feldzügen Polen, Frankreich, Jugoslawien. Der schwerste Tag am Oise-Aisne Kanal mit 700 Verwundeten, 250 Toten hat sich hier schon oft, bitter oft wiederholt.“125 Die Kriegspfarrer beider Konfessionen beschrieben den Ostkrieg als einen „tiefen bis in die letzten Wurzeln reichenden Unterschied“. „Dort in Rußland der Ernst der Todesnähe, die gerade der Arbeit des Pfarrers viele Tore aufschloß, und hier die ganz anders geartete Atmosphäre der Etappe.“126 Der Unterschied zwischen der Ostfront und den anderen Fronten im Westen wurde ähnlich bewertet wie der zwischen Etappe und Front. „Je weiter jedoch eine Truppe vom Schuß ist, umso gleichgültiger ist sie religiösen Fragen gegenüber“, bemerkte der evangelische Kriegspfarrer Alfred Busse127. Fehlende Abwechslung, wachsende Erschöpfung, Gefahr, Tod und Verwundung der Kameraden, all dies spielte der Wehrmachtseelsorge an der Ostfront in die Hände und wertete ihre Bedeutung gegenüber der Wehrmachtseelsorge an der Westfront auf128. „Immer nehmen wir besonders dankbar Anteil an dem, was die Seelsorger an Osterfahrungen mitbringen, und suchen diese für uns zu verwerten“, schrieb der evangelische Wehrmachtdekan Ernst Schieber an die Kriegspfarrer seines Dienstbereichs129. Der katholische Wehrmachtdekan Franz Schmid beschwerte sich bei seinem Erzbischof Gröber über die moralische Verkommenheit an der Westfront:

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Schreiben Stelzenbergers an Werthmann vom 24. 8. 1943 (AKMB, SW 837). Schreiben Paul Krauß‘ an Oskar Daumiller vom 31. 7. 1942 (LAELKB, LKR 2543). Vgl. Jasper, Zweierlei Weltkriege?, 14; Rçw, Militärseelsorge, 392–397. Schreiben Georg Lipps an Faulhaber vom 26. 12. 1941 (EAM, NL Faulhaber, Nr. 6796/2). Seelsorgebericht von Kriegspfarrer Herbert Krimms, 1. 1.–31. 3. 1943 (EZA, 704/44). Seelsorgebericht Alfred Busses für die Zeit vom 1. 10. bis 31. 12. 1942 vom 31. 12. 1942 (LKA Stuttgart, NL Bauerle, Nr. 6). 128 Vgl. das Protokoll vom Frontlehrgang der kath. Kriegspfarrer in Bonsecours vom 28. bis 29. 4. 1942 (AKMB, SW 152). 129 Rundschreiben Schiebers vom 16. 8. 1942 (LKA Stuttgart, P32).

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Der Ostkrieg „Es klingt beinahe unglaublich, wenn ich sage, daß die Feldseelsorge im Westen schwieriger ist als im Osten. Und doch dürfte das nicht zu viel behauptet sein. Die Gründe liegen auf der Hand: Eintönigkeit und Einförmigkeit des Dienstes, das Fehlen neuer und gefährlicher Aufgaben, dazu der konzentrierte Alkohol in großen Mengen und die mondäne Ferienwelt. Es ist erschütternd für mich, mit anzusehen, wie die in den letzten Jahren bis zum Übermaß eingehämmerten Grundsätze von Eugenik, Erbbiologie und Rassestolz hier ein betrübliches Fiasko erleiden, und zwar wohl verstanden durch die Blüte der deutschen Nation!“130

Um das sittliche Niveau der Truppe zu heben, konnte der Krieg nicht hart genug sein. „Was die sittliche Haltung angeht, so bewirkten die grossen Anforderungen, der Ernst des Kampfes und die Nähe des Todes eine Reinigung der Atmosphäre. Flüche und Zoten sind zurückgetreten. Die Versuchung durch Frauen und geilmachende Vorführungen fiel weg“, beschrieb der evangelische Kriegspfarrer Ewald Burger seine Erfahrungen über die verlustreichen Kämpfe der 113. Infanterie Division in der Ukraine vom Sommer 1941. Der russische Feldzug habe doch viel tiefer in das innere Leben der Soldaten eingegriffen als der Westfeldzug. Die Gründe dafür sah Burger in der längeren Dauer der Kampfhandlungen, den höheren Anforderungen an die Leistungskraft und die größere Zahl der Verluste. „Man hört immer wieder sagen: „Wir wissen erst jetzt, was Krieg heisst.“131 Es ist schwer zu beurteilen, inwieweit hier Wunschdenken und Legitimationsbedürfnis, d. h. das Bedürfnis, die eigene Arbeit – etwa die Missionserfolge bei den Soldaten – vor den Vorgesetzten in ein positives Licht zu stellen, die Aussagen der Kriegspfarrer färbten. Rückblickende Einschätzungen von Kriegspfarrern nach dem Krieg lassen jedoch Zweifel an der auch in der neueren Forschung vertretenen These aufkommen, dass der harte Krieg im Osten die christliche Frömmigkeit bei den Soldaten gesteigert habe, denn sie hoben hervor, dass die Härte des Krieges bei den Soldaten eher eine unchristliche Verrohung bewirkt habe132.

130 Schreiben des Wehrmachtdekans Franz Schmid an Conrad Gröber vom 22. 11. 1941 (EA Freiburg, B2–35/75). 131 Tätigkeitsbericht des evangelischen Kriegspfarrers Ewald Burger (23. 6.–29. 9. 1941) vom 2. 10. 1941 (BA-MA Freiburg, RH 26/113, Nr. 37). 132 Vgl. Faulkner Rossi, Wehrmachtpriests, 131. Vgl. unten 191 f.

4. Rollenbeschreibungen 4.1 Beruf Zu Kriegsbeginn 1939 kamen zunächst die „aktiven“ Wehrmachtpfarrer zum Einsatz, die mehrheitlich vor 1933 Teil des deutschen Heeres und oftmals schon im Ersten Weltkrieg gedient hatten. Als Staatsbeamte auf Lebenszeit waren sie institutionell unabhängig von den kirchlichen Behörden. Aktive Wehrmachtpfarrer hatten sich bewusst für ihren Beruf entschieden, identifizierten sich in erheblichem Maße mit dem militärischen System und standen in engster Verbindung zu Generälen und hochrangigen Offizieren1. Während des Zweiten Weltkrieges fanden sie Verwendung als Divisionspfarrer oder in der Position von Wehrmachtoberpfarrern und Wehrmachtdekanen2. Die den beiden Feldbischöfen zugeordneten Feldgeneralvikare Georg Werthmann und Friedrich Münchmeyer hatten die Aufgabe, die Verbindung zwischen Feldbischof und dem Amtsgruppenchef im OKH sicherzustellen3. Ihnen untergeordnet waren die Wehrmachtdekane, Wehrmachtoberpfarrer und Wehrmachtpfarrer. Sie alle zählten zu den „aktiven“ Wehrmachtpfarrern4. Die Kriegspfarrer a. K. die nur für die Dauer des Krieges aus dem Dienst ihrer Kirchen ausschieden, um in den Dienst der Wehrmacht zu treten, wurden zu Beginn des Krieges in der Regel zunächst bei den Kriegslazarettabteilungen eingesetzt. Bewährten sie sich dort, konnten sie nach einem Jahr zu Divisionspfarrern ernannt werden. Als sogenannte Ergänzungsbeamte der Wehrmacht standen sie ausschließlich in einem militärischen Dienstverhältnis und nicht in einem staatsrechtlichen Beamtenverhältnis wie die Wehrmachtpfarrer. Ihre Rechtsstellung richtete sich nicht nach dem Deutschen Beamtengesetz, sondern nach dem Wehrgesetz. Trotzdem leisteten Kriegspfarrer a. K. den Beamteneid und nicht den Soldateneid, da sie als Geistliche nicht wie die Soldaten die Bereitschaft beschwören mussten, jederzeit ihr 1 Vgl. Hartmann, Wehrmacht, 84. 2 1939/40 gab es proportional zum Bevölkerungsanteil 99 katholische und 153 evangelische „aktive“, d. h. verbeamtete Wehrmachtpfarrer. Auffällig ist, dass die größte Zahl der katholischen Wehrmachtpfarrer (10) den Geburtsjahrgängen 1893 und 1895 entstammten, während die höchste Zahl bei den evangelischen Wehrmachtpfarrern aus den Jahrgängen 1907 (14), 1908 (16) und 1910 (18) kamen. Vgl. die graphische Tabelle aus dem Jahr 1939/40 (BA-MA Freiburg, N 282, Nr. 9). 3 „Militärseelsorge einst und jetzt“. Vortragsmanuskript von Georg Werthmann vom 3. 10. 1962, 6 (AKMB, SW 01). 4 Ende 1942 gab es 12 evangelische und 16 katholische Wehrmachtdekane, 46 evangelische und 30 katholische Wehrmachtoberpfarrer, 91 evangelische und 53 katholische Wehrmachtpfarrer. Vgl. die Rangliste der Wehrmachtbeamten, 590–596.

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Rollenbeschreibungen

Leben einzusetzen, das hieß Angriffshandlungen vorzunehmen. Sie hatten dem „Führer des Deutschen Reiches und Volkes, Adolf Hitler“ zu schwören, „treu und gehorsam“ zu sein, die Gesetze zu beachten und ihre Amtspflichten gewissenhaft zu erfüllen5. In ihrem ersten Dienstjahr standen die Kriegspfarrer a. K. auf der Stufe eines Hauptmanns und wurden nach einem Jahr zum Major befördert6. Aktive Wehrmachtpfarrer bekleideten dagegen von Beginn an höhere Dienststufen. Sie begannen im Dienstrang eines Majors, als Wehrmachtoberpfarrer waren sie einem Oberstleutnant gleichgestellt, der Rang eines Wehrmachtdekans entsprach dem eines Obersten und die Feldbischöfe standen im Generalsrang7. Die verbeamteten Wehrmachtpfarrer waren im Durchschnitt älter als die Kriegspfarrer a. K., die sich aus den Jahgängen 1905 bis 1912 rekrutierten8. Viele der Wehrmachtpfarrer hatten aktiv am Ersten Weltkrieg teilgenommen und waren maßgeblich von ihm geprägt worden. Auch der katholische Feldgeneralvikar Werthmann war als junger Kriegsfreiwilliger in den Ersten Weltkrieg gezogen und hatte den Krieg als Unteroffizier mit dem Verdienstkreuz 3. Klasse mit Schwertern beendet9. Zeit seines Lebens verfolgten ihn die Schreckensbilder dieses Krieges. Sein Entschluss, Priester zu werden, hing unmittelbar mit dem Bemühen zusammen, den traumatischen Kriegserlebnissen nachträglich Sinn zu verleihen: „Was Remarque als Widersinn und Äußerung menschlicher Erbärmlichkeit abstempeln möchte, müssen wir mit letztem Sinne erfüllen. Das ist unsere heilige Pflicht gegenüber den Toten wie gegenüber dem Volke“10. Werthmann begründete die Entscheidung, 1935 Standortpfarrer in Berlin zu werden, mit der großen Aufgabe des Frontkämpfers, „das starke Erlebnis von damals nicht zu verwischen, sondern als heiliges Erbe zu hüten, zu verwalten und zu verwerten“11. Der Zweite Weltkrieg bot ihm die Gelegenheit dazu12. Einen vergleichbaren Weg ging der evangelische Kriegspfarrer Hermann Wolfgang Beyer, der wie Werthmann 1898 geboren war. Nach einem Notabitur 5 „Erläuterungen zu den Kriegspfarrer-Bestimmungen (HDv 373)“ zum 7. Lehrgang für Kriegspfarrer o. D. (BA-MA Freiburg, N 282, Nr. 13);. Deutsches Beamtengesetz, § 4 (Treueid). 6 Vgl. HDv 373 „Bestimmungen für besondere Dienstverhältnisse der Kriegspfarrer beim Feldheer (Krpf. Best.) vom 18. 6. 1941“. (BA-MA Freiburg, RHD 4/373). 7 Vgl. Tewes, Seelsorger, 15. 8 Vgl. Rçw, Militärseelsorge, 105. 1942 wurde das Alter von Kriegspfarreranwärtern auf die Jahrgänge 1908 und 1909 beschränkt. Jüngere als 1910 Geborene sollten keine Kriegspfarrer a. K. mehr werden können (VOBl Katholischer Feldbischof, 6, 1942, Nr. 7, 69). 9 Vgl. Springer, Georg Werthmann, 22. (Dienstbibliothek des AKMB). 10 Ansprache Werthmanns in Mühlhausen o. D. [zwischen 1920 und 1930] „Fronterlebnis als Charakterschule“ (AKMB, SW 150). 11 Springer, Georg Werthmann, 45 (Dienstbibliothek des AKMB). 12 Vgl. Behrenbeck, Kult, 452.

Beruf

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zog auch er freiwillig in den Ersten Weltkrieg, kehrte traumatisiert zurück und begann sein Theologiestudium mit dem Ziel, dem Massensterben des Weltkrieges wenigstens nachträglich noch einen Sinn zu verleihen13.

Feldgeneralvikar Georg Werthmann in Hermann Wolfgang Beyer, Kriegspfarrer a. K. Wehrmachtuniform, 1940 (AKMB, AR 185). in Wehrmachtuniform, 1941 (Privatbesitz Irmfried Garbe).

Der katholische Feldbischof Franz Justus Rarkowski, geboren 1873, war wie auch der evangelische Feldbischof Franz Dohrmann, geb. 1881, im Ersten Weltkrieg Divisionspfarrer gewesen. Er hatte die Niederlage des Kaiserreiches und die Demütigung von Versailles nie verwunden und sah in Hitler die große Chance, durch eine neue Generation von Soldaten die Niederlage von 1918 in einen Sieg zu verwandeln14. In seinem „Hirtenwort an alle Wehrmachtgeistlichen“ von Pfingsten 1943 bekannte er: „Als Seelsorger einer ruhmgekrönten Weltkriegsdivision sah ich tapfere deutsche Männer stürmen und siegen im Bewegungskrieg, aber auch aushalten im zermürbenden Feuer der schweren Abwehrschlachten. Es kam die traurige Zeit des 13 Vgl. Garbe, Theologe, 222–224; Pçpping, Der schreckliche Gott, 263. 14 Zu den Schriften und Hirtenworten Franz Justus Rarkowskis, der weder einen Gymnasialabschluss noch das Pfarrexamen vorweisen konnte, vgl. Missala, Schule Gottes; Apold, Rarkowski.

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Rollenbeschreibungen Niederbruchs und der Hoffnungslosigkeit von 1918. Bilder tiefster Schmach und Schande mußte ich damals als Garnisonspfarrer im Westen des Reiches erleben, und manchmal schien es, als sei das Ende für Deutschland gekommen. Aber es ging wieder aufwärts. Als Wehrkreispfarrer der Reichswehr erlebte ich den jungen Soldaten der Nachkriegszeit, dessen religiöse Betreuung eine wichtige und dankbare Aufgabe war. Das Jahr 1933 kam und mit ihm eine neue Zeit und eine neue junge Wehrmacht, die unter ihrem Führer und Obersten Befehlshaber seit 1939 Unvergängliches geleistet und Höchstes vollbracht hat in Angriff und Abwehr auf allen Schlachtfeldern des gegenwärtigen Krieges. Der deutsche Soldat von 1914 und sein Sohn, der als junger Soldat von 1939 den großen und entscheidenden Waffengang der Gegenwart auszufechten hat, mögen in Vielem voneinander verschieden sein, da sie ja verschiedenen Epochen unserer deutschen Geschichte angehören. Aber in wesentlichen Dingen besteht kein Unterschied zwischen diesen Vertretern von zwei Generationen deutschen Soldatentums. Väter und Söhne reichen sich die Hände und sind von gleicher deutscher Art in ihrer unerschütterlichen Tapferkeit, in ihrer Treue zum Vaterlande und ihrer Gottesfurcht.“15

Wie stark die Niederlage von 1918 auch unter anderen katholischen Kriegsteilnehmern nachwirkte, zeigen die Bücher des Benediktinerpaters Theodor Bogler. Unmittelbar vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges progagierte Bogler in „Der Glaube von gestern und morgen“, Krieg und Kampf als menschliche Grundgegebenheit. Er kündigte Zukunftskämpfe an, die alle vergangenen Kriege an Grausamkeit weit übertreffen sollten. Auch er sah in einem neuen Krieg die Chance gekommen, die Niederlage des Ersten Weltkrieges in einen Sieg zu verwandeln16. „Was 1914 nicht vollendet werden konnte, 1940 ward es getan“, hieß es in einer Lobeshymne Boglers auf Hitler anlässlich des Sieges der Wehramacht über Frankreich 194017. Die Kriegspfarrer a. K. waren zu jung, um wie viele ihrer Vorgesetzten aus der Wehrmachtseelsorge am Ersten Weltkrieg teilgenommen zu haben, aber sie gehörten zur sogenannten Kriegsjugendgeneration, die ebenfalls entscheidend vom Ersten Weltkrieg geprägt worden war. Der Kriegsausbruch 1914, die Kriegsbegeisterung der folgenden Jahre, Hunger und Entbehrungen und schließlich der „Zusammenbruch der Welt der Väter“ 1918 bildeten die zentralen Bezugspunkte ihres politischen Denkens18. Oft hatten sie den Vater oder Bruder im Ersten Weltkrieg verloren und erlebten den eigenen Kriegseinsatz als Fortsetzung oder auch als Wiedergutmachtung dessen, was ihre Angehörigen erfolglos begonnen hatten.

15 Missalla, Schule Gottes, 99. 16 Vgl. Bogler, Glaube, 264. 17 Theodor Bogler: Ansprachen im Krieg. Unveröffentlichtes Manuskript (AA Maria Laach, K I, Mappe 12). 18 Vgl. Herbert, Best, 42–45.

Beruf

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Todesanzeige für den evangelischen Wehrmachtpfarrer Herbert Wuttge, Mai 1942 (Privatbesitz Jörg M. Wuttge)

Die Stellung eines Kriegspfarrers bot für junge Pfarrer eine bequeme Möglichkeit, in sehr kurzer Zeit vom einfachen Gefreiten in den Offiziersrang aufzusteigen. Mit einem nur achttägigen Lehrgang hatte er es zum allgemeinen Offiziersrang in der Wehrmacht gebracht19. Besonders anspruchsvoll waren diese Lehrgänge nicht. „Wir haben dort unsere Kasernenstunde gehalten und unsere Soldatenpredigt vor allen Mitbrüdern, vor dem Feldbischof und anderen hohen Herrn, und ich denke, es ist keiner durchgefallen“, erklärte der katholische Kriegspfarrer Josef Perau rückblickend20. Auch sein Amtsbruder Rudolf Peifer erinnerte sich, dass die Anforderungen dieser Lehrgänge nicht besonders hoch waren. Die schriftlichen Aufgaben, so Peifer, hätten nicht gerade viel Geist erfordert21. 19 Vgl. die Anordnung des Oberbefehlshabers des Heeres vom 13. 2. 1940 (AKMB, SW 80). 20 Interview Martin Thulls (KNA) mit Josef Perau vom 3. 8. 1989 (AKMB, NL Perau 43). 21 Vgl. Peifer, Menschen, 123.

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Rollenbeschreibungen

Für jüngere Theologen beider Konfessionen war es reizvoll, sich als Kriegspfarrer bei der Wehrmacht zu bewerben. Sie hatten erfahren müssen, dass der Beruf des Pfarrers im Nationalsozialismus zunehmend an Prestige verlor. Der Bestand der theologischen Fakultäten war bedroht. Die Zahl der Theologiestudenten nahm rapide ab, nicht zuletzt wegen mangelnder Berufsperspektiven22. Dagegen erfreute sich der Beruf des Offiziers höchster gesellschaftlicher Wertschätzung23. Der evangelische Pastor Erich Arndt bewarb sich als Kriegspfarrer, weil er als Theologe der Bekennenden Kirche innerhalb seiner von den Deutschen Christen beherrschten mecklenburgischen Landeskirche keine Chance auf eine Anstellung als Pfarrer sah24. Zudem war das Gehalt eines Kriegspfarrers im Vergleich zu einem einfachen Mannschaftssoldaten etwa viermal so hoch. Der evangelische Kriegspfarrer Ernst Ufer, der die Briefe an seine Frau nach dem Krieg als Tagebuch edierte, schrieb 1939: „Zu meiner Beschämung und Überraschung der Kameraden bekommen wir Pfarrer den Wehrsold eines Majors oder Oberstabsarztes. Die meisten Ärzte, auch die Professoren der Medizin, die als beratende Ärzte bei uns sind, sind nur Stabsärzte. Der Pfarrerdienst wird offenbar beim ,Barras‘ nicht gering eingeschätzt, viel zu hoch und zu gut.“25

Dagegen hatten evangelische Pfarrer, die es bei der kämpfenden Truppe bis zum Offizier gebracht hatten, kaum das Bedürfnis Kriegspfarrer zu werden. Als Erich Arndt im Frankreichfeldzug zum Offizier befördert worden war, war sein Interesse am Beruf des Kriegspfarrers erloschen. Doch gerade Pfarrer, die es zu Offizieren bei der kämpfenden Truppe gebracht hatten, waren für die Wehrmachtseelsorge interessant, da man erwartete, dass diese bei den Soldaten höheres Ansehen genossen als ein Pfarrer ohne militärische Erfahrung. Je vertrauter ein Kriegspfarrer mit der militärischen Welt, desto besser. „Solche, die mögen, haben wir viele. Aber die, die nicht mögen, die wollen wir“, teilte Feldbischof Dohrmann Erich Arndt mit, als dieser ihm eröffnete, kein Kriegspfarrer mehr werden zu wollen26. Während viele protestantische Pfarrer als Offiziere der kämpfenden Truppe an der Front standen – während des Ersten Weltkrieges hatten die evangelischen Kirchen in Deutschland ihre Bedenken über Bord geworfen und Geistlichen den Dienst mit der Waffe geebnet – fand man die katholischen Priester, die nicht Kriegspfarrer wurden, überwiegend bei der Sanität, weil das Konkordat zwischen dem Vatikan und dem nationalsozialistischen Staat den Waffendienst von Priestern grundsätzlich untersagte. Katholische Geistliche 22 Vgl. Gr ttner, Studenten, 130–132. 23 Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges gaben 20 Prozent der Abiturienten höherer Lehranstalten an, Offizier werden zu wollen. Dagegen wollten nur 12 Prozent Arzt werden. Vgl. Kroener, Ressourcen, 738. 24 Vgl. das Interview der Autorin mit Erich Arndt am 24. 2. 2010 in Bützow. 25 Ufer, Männer, 5. Anfangsgehalt: Major = 641 RM; Stabsgefreiter = 141 RM. 26 Vgl. das Interview der Autorin mit Erich Arndt in Bützow am 24. 2. 2010.

Beruf

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konnten in der Regel nur niedrige Mannschaftsgrade erreichen und so erstaunt es nicht, dass das Kriegspfarreramt für diese ungleich attraktiver war als für einen evangelischen Pfarrer, dem die Option einer militärischen Karriere in der Wehrmacht offen stand. Auch der katholische Pfarrer und Sanitätssoldat Josef Perau bewarb sich nach seiner Einberufung im Mai 1940 als Kriegspfarrer. Er belegte im Juli 1941 einen Kriegspfarrerlehrgang in Berlin und kam von dort aus an die Ostfront. In einem Brief an die Eltern schilderte er seine Motive: „Die andern Kapläne haben es [gemeint ist die Bewerbung als Kriegspfarrer] auch eingereicht, und wenn es mal was gibt, kann man doch besser wirken, wozu man berufen ist.“27 Perau hatte erkannt, dass nur Kriegs- oder Wehrmachtpfarrer ihrem eigentlichen Beruf innerhalb der Wehrmacht nachgehen konnten, während sich die anderen Geistlichen mit ungewohnten oder minderen Arbeiten in einer fremden, militärischen Umgebung begnügen mussten. Zudem freuten sich die Pfarrer auf den komfortablen Rang, der sie nach bestandenem Lehrgang in der Wehrmacht erwartete. Der katholische Geistliche Rudolf Peifer, der 1941 als Sanitätssoldat zur Wehrmacht kam, erinnerte sich, was ihm der vorgesetzte Feldwebel erklärt habe, als er erfuhr, dass Peifer Kriegspfarrer werden würde: „Stellen Sie sich vor, wenn Sie diesen Lehrgang bestehen, sind Sie Kriegspfarrer im Hauptmannsrang! Wenn wir uns dann noch einmal begegnen, muß ich Sie grüßen!“28 Auch das angenehme Leben im Offizierskorps lockte. Josef Perau konnte es gar nicht oft genug sagen: „Habt nur keine Sorge. Wenn die Sache klappt, bekomme ich bestimmt ein schönes Leben“, schrieb er am 3. Juli 1941 seinen Eltern29. Der evangelische Pfarrer und Leutnant Heinz Rahe durfte zeitweise den Divisionspfarrer vertreten, was er als besonderes Glück empfand. Stolz schrieb er seine Frau: „Heute schreibt Dir nun der stellvertretende Divisionspfarrer. Ich habe mich für die Ostertage beim Divisionsstab einquartiert und hause mit Pfarrer Eickhoff friedlich zusammen. Es geht mir mal wieder unverdient gut.“30

Der evangelische Pfarrer Gerhard Knapp verbrachte einen guten Teil des Krieges damit, sich vergeblich um die Position eines Kriegspfarrers zu bewerben. Zusammen mit einem befreundeten Pfarrer hatte er sich im Sep27 Schreiben Josef Peraus an seine Eltern vom 5. 1. 1941 (AKMB, SW 644). 28 Peifer, Menschen, 122. Vgl. auch Hamm, Priester, 9. 29 AKMB, SW 644. Ähnlich erlebte es der evangelische Divisionspfarrer, Otto Schöner, der im Januar 1942 an seine Frau schrieb: „Ist es für Dich nicht eine Beruhigung, daß ich hier munter bin u. dazu in dieser Stellung?“ Schreiben Otto Schöners an seine Frau vom 9. 1. 1942 (AAK Berlin, Kempowski Bio, 7618/1). 30 Schreiben Heinz Rahes an seine Frau Ursula Rahe vom 20. 4. 1943. In: Feldpostbriefe von Lt. Heinz Rahe, Januar – Juli 1943 – Kaukasien/Ukraine, hrsg. von Konrad Rahe und Elsbeth Oldenburg Hamburg 2006 (Dienstbibliothek des AKMB).

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Rollenbeschreibungen

tember 1941 zum ersten Mal um die Teilnahme an einem Kriegspfarrerlehrgang bemüht. Über seine Motive schrieb er: „Früher hätte ich ja nie an die Laufbahn eines Wehrmachtbeamten (Zahlmeister im Leutnantsrang) gedacht. – Wäre ich noch 10 oder 15 Jahre jünger, so hätte ich nichts anderes als die Reserveoffizierslaufbahn bei der Infanterie ins Auge gefaßt. – Aber da ich nun doch schon ein älterer Mann beim Kommiß bin, da mich ferner mein Weg zur Sanität geführt hat (bei der ich es im besten Fall zum San[itäts].u[ntero]ff[i]z[ier]. bringen könnte), da endlich sämtliche U[ntero]ff[i]z[iers]. stellen in der San[initäts].kompanie besetzt sind und wohl auf lange hinaus besetzt bleiben bezw. für andere nicht frei werden, legte sich […] der Gedanke an die Beamtenlaufbahn nahe. Schon im Frühjahr war ich auf diesen Weg aufmerksam gemacht worden und zwar von befreundeter Seite jemand, aber ich hatte damals vor einem eigentlichen Fronteinsatz keine innere Freiheit und Freudigkeit dazu. Da ich nun aber inzwischen den Fronteinsatz in der Situation des Soldaten nach allen Richtungen hin mitgemacht und durchgekostet habe, ist meine innere Hemmung von früher geschwunden.“31

Die Bewerbung Knapps war übersehen worden, was eine „sehr schmerzliche und einschneidende Nachricht“ für ihn war. Im Februar 1942 erhielt er von seinen militärischen Vorgesetzten die Aufforderung, sich abermals als Kriegspfarrer zu bewerben. Mittlerweile sah Knapp in dieser Position die „Krönung“ seiner militärischen Laufbahn32. Nachdem er im März 1942 zum Unteroffizier befördert worden war, sah er sich so nah wie nie an seinem Ziel33. Doch kam er zu spät. Nach langem Hoffen und Warten erfuhr er, dass keine Pfarrer mehr aus dem Soldatenverhältnis in das Wehrmachtbeamtenverhältnis übernommen wurden34. Knapp empfand die Position eines einfachen Sanitätssoldaten als demütigend für einen Akademiker. Hinzu kam sein Alter. Mit 40 Jahren ärgerte es ihn, wenn er sich von einem 28jährigen Major fragen lassen musste, ob er im zivilen Beruf Friseur sei35. Sogar seine Vorgesetzten zeigten Mitgefühl für den weit unterhalb seines Akademikerstatus’ dienenden Pfarrer. „Der Kriegspfarrer“, so schrieb ihm ein vorgesetzter Oberstabsarzt, „dürfte Ihrem Lebensalter und Ihrer Bildung mehr entsprechen“. Er fügte hinzu: „Wenn Ihnen auch hier nur die dunkelsten Seiten des Krieges vor Augen geführt worden sind, und wenn Sie auch einer Waffengattung angehört haben, der Unerfahrene und dumme Köpfe allzu gern ihre Achtung versagen.“36

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Tagebucheintrag Gerhard Knapps vom 13. 10. 1941 (LKA Stuttgart, D37, 1.2). Tagebucheintrag Gerhard Knapps vom 16.–21. 2. 1942, ebd. Vgl. Tagebucheintrag Gerhard Knapps vom 9–14. 3. 1942, ebd. Vgl. Tagebucheintrag Gerhard Knapps vom 2.–7. 11. 1942 (LKA Stuttgart, D37, 1.3). Vgl. Tagebucheintrag Gerhard Knapps, 15.–20. 5. 1944, ebd. Tagebucheintrag Gerhard Knapps vom 17. 5. 1942 (LKA Stuttgart, D37, 1.2)

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Am Ende des Krieges hatte es Knapp gerade einmal vom Stabsgefreiten zum Sanitätsfeldwebel gebracht. Der militärische Rang eines Kriegspfarrers lag immer noch in weiter Ferne37. Vor Beginn des Krieges und in den ersten Kriegsmonaten waren der Bischof der Heimatdiözese oder die Leitung der Landeskirche entscheidend im Bewerbungsverfahren um das Amt des Kriegspfarrers. Sie mussten die Bewerbung ihrer Geistlichen befürworten und an den zuständigen Feldbischof weiterleiten. „Über die Auswahl der Militärseelsorger haben wir hier nicht zu klagen“, schrieb der katholische Bischof Michael von Faulhaber an seinen Würzburger Amtsbruder im Dezember 1939. Es werde keiner angenommen, der nicht von ihm empfohlen sei und bisher sei jeder abgelehnt worden, gegen den er Bedenken erhoben habe38. Manche Bischöfe empfahlen wohl auch NS-nahe Priester an die Wehrmachtseelsorge, mit dem Ziel, diese loszuwerden, weil sie illoyales Verhalten und Denunziationen befürchteten39. Allerdings konnte auch das Gegenteil der Fall sein, dass ein Geistlicher gerade deshalb als Wehrmachtseelsorger empfohlen wurde, um ihn vor dem Zugriff der Gestapo zu schützen, wie der katholische Kriegspfarrer Johann Georg Schmutz 1990 in einem Interview behauptete40. Der Historiker Martin Röw kommt zu dem Ergebnis, dass etwa 20 der in der Wehrmacht dienenden katholischen Geistlichen vor dem Antritt ihrer Kriegspfarrerstelle mit dem Staat auf die ein oder andere Art in Konflikt geraten waren41. Nach Kriegsbeginn wurde der Einfluss der zivilen Kirchenleitungen auf die Stellenbesetzungen in der Wehrmachtseelsorge ausgeschaltet. Seit dem 8. Februar 1940 stellte die Wehrmacht keine Zivilgeistlichen mehr ein. Der Kriegspfarrerersatz rekrutierte sich seitdem nur noch aus der Wehrmacht42. Der Genehmigungsprozess für die Einstellung von Kriegspfarrern war kompliziert und langwierig. Hatte der Feldbischof die Empfehlung der mili37 Vom niedrigsten Offiziersrang des Kriegspfarrers, dem Leutnant, trennten ihn drei, vom Major sechs und zum Obersten acht Rangstufen. 38 EAM, NL Faulhaber, Nr. 6792/1. 39 „Es lässt sich nicht leugnen, dass einzelne Ordinariate der ihnen durch die „Statuten“ auferlegten Pflicht, nur solche Geistliche für die Verwendung in der Feldseelsorge in Vorschlag zu bringen, deren besondere Eignung für diese schwere Aufgabe feststand, nicht oder nur mit Einschränkung gerecht wurden. Man konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass manchmal Geistliche in Vorschlag gebracht und wider besseres Wissen günstig qualifiziert wurden, um sie abzuschieben oder weil man der Auffassung war, das Leute mit nationalsozialistischer Färbung in der Wehrmachtseelsorge ,am besten aufgehoben‘ waren.“ Werthmann nennt neun katholische Kriegspfarrer, die der NSDAP nahe standen. Notiz Georg Werthmanns vom 4. 7. 1945 (AKMB, SW 154). 40 Schmutz berichtete, dass der Freiburger Erzbischof Conrad Gröber ihn in die Wehrmachtseelsorge gebracht habe, um ihn vor dem Zugriff der Gestapo zu schützen. Vgl. Interview mit Johann Schmutz vom 27. 3. 1990 (AKMB, SW 760). 41 Vgl. Rçw, Militärseelsorge, 253. 42 Vgl. Beese, Seelsorger, 62.

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tärischen Dienststellen auf dem Tisch, musste er die Gruppe Seelsorge im OKH informieren. Diese stützte ihr Urteil auf die zuständige Abwehrstelle und auf die Beurteilung der militärischen Vorgesetzten des Bewerbers. Wenn diese grünes Licht für den Kandidaten gaben, musste die Gruppe Seelsorge eine Anfrage an das Reichsministerium für die Kirchlichen Angelegenheiten stellen. Von hier aus wurde die Personalie weiter an den Sicherheitsdienst (SD) der SS geleitet, der die regionalen Dienststellen der Gestapo oder die Kreisleitungen der NSDAP beauftragte, den Bewerber zu beurteilen. Letztere wandten sich an den nachgeordneten Ortsgruppenleiter, der den Auftrag an den zuständigen Blockleiter, Hauswart oder Luftschutzwart weiterreichte, dem so eine entscheidende Rolle im Bewerbungsverfahren der Kriegspfarrer zufiel. Ein Bewerber, der aus Sicht der örtlichen Stellen Anlass zu Bedenken gab, wurde in der Regel nicht als Kriegspfarrer zugelassen43. Der Feldbischof lernte den Bewerber erst nach dem erfolgreichen Abschluss dieses Verfahrens auf dem Kriegspfarrerlehrgang kennen44. Die Vermutung liegt nah, dass DC-Pfarrer von den örtlichen Parteistellen wegen ihrer größeren Nähe zum NS-Regime öfter empfohlen wurden als Pfarrer der Bekennenden Kirche. Doch auch BK-Pfarrer konnten wohlwollend beurteilt werden, wenn sie sich nicht in auffälliger Weise politisch exponiert hatten oder den bruderrätlichen Kreisen um Martin Niemöller angehörten. Es kam vor, dass ein überzeugtes Mitglied der BK als „vorbildlicher Nationalsozialist“ beurteilt und ein DC-Mann als „gefährlicher Staatsfeind“ eingestuft wurde. Oftmals entschieden persönliche Sympathien oder lokale Konflikte45. War der Bewerber erst Teil der Wehrmacht „entrückte“ ihn dies ohnehin den alten kirchenpolitischen Zuordnungen. So erklärte der ehemalige evangelische Divisionspfarrer Karl Krüger, er habe zwar innerlich der Bekennenden Kirche nahegestanden, sei aber froh darüber gewesen, als Militärpfarrer offiziell nichts mit dem Kirchenkampf zu tun zu haben46. Wie groß auch immer die Distanz eines Geistlichen zum NS-Regime gewesen sein mag, wollte er Kriegspfarrer werden oder stand eine Beförderung in der Wehrmacht an, bedurfte es eines Zeichens der sichtbaren Loyalität gegenüber dem Staat. Anton Ullrich erinnerte sich, dass er im Zuge seiner Bewerbung bei der katholischen Wehrmachtseelsorge von seinen kirchlichen Vorgesetzten ausdrücklich aufgefordert worden sei, in seinen Predigten positiv über den Nationalsozialismus zu sprechen47. Doch selbst der bewusste Kotau gegenüber dem NS-Regime konnte dessen Vertreter nicht davon überzeugen, katholische Geistliche für „gute Nationalsozialisten“ zu halten. Partei und Gestapo begegneten diesen grundsätzlich 43 44 45 46 47

Vgl. Messerschmidt, Militärseelsorgepolitik, 76 f. Vgl. Beese, Seelsorger, 158. Vgl. Baedeker, Volk, 17; Messerschmidt, Militärseelsorgepolitik, 77. Vgl. Beese, Interview, 4. Vgl. das Schreiben Anton Ullrichs an Stephan Gräffshagen vom 9. 10. 1951 (AKMB, SW 7).

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mit einer „gewissen Vorsicht“48. Sie unterstellten ihnen ein doppelzüngiges, ja heuchlerisches Verhalten gegenüber den Machthabern. So beschrieb ein Rosenheimer Ortsgruppenleiter den katholischen Pfarrer Georg Lipp mit den Worten: „Lipp grüßt fleißig mit Heil Hitler, jedoch nach dem Grundsatz: Wessen Brot ich ess, dessen Lied ich sing. Sonst ist Lipp einer der Gefährlichsten, jesuitisch klug, verschlagen, darauf bedacht bei den Leuten sich beliebt zu machen. Durch seine populäre Art sich zu geben gelingt ihm dies.“49 Trotz dieser von Misstrauen geprägten Beurteilung hatte die Rosenheimer Kreisleitung der NSDAP keinerlei Bedenken, Lipps politische Zuverlässigkeit gegenüber der Gauleitung zu bestätigen. Lipp sei ebenso gesonnen wie die meisten katholischen Geistlichen auch, lautete ihr lapidares Fazit aus dem Urteil des Ortsgruppenleiters, was soviel hieß wie: dem katholischen Geistlichen sei zwar grundsätzlich zu misstrauen, weil er kaum als überzeugter Nationalsozialist eingestuft werden könne. Dennoch verhalte dieser sich loyal genug zum NS-Regime, um ihn als Kriegs- oder Wehrmachtpfarrer empfehlen zu können50. Einem ähnlichen Muster folgten die Beurteilungen der katholischen Geistlichen, die in der Wehrmacht Karriere machen sollten. Zwar zweifelte man nicht an ihrer Loyalität zum Staat, doch war die Zugehörigkeit zur katholischen Kirche immer ein Grund zur Distanzierung: „Wenn auch ein katholischer Geistlicher selten ein guter Nationalsozialist ist, so darf man aber bei Standortpfarrer Gmeiner behaupten, dass er bemüht ist, mit dem Dritten Reich innerlich zu gehen“, lautete etwa das Urteil des Freisinger Kreisleiters über den späteren Wehrmachtdekan Stephan Gmeiner51. Im Falle Georg Werthmanns erwähnte der zuständige Berliner Kreisleiter, dass dieser in der Zeit vor 1933 zwar der BVP zugeordnet werden müsse, dass Werthmann aber immer national gewesen sei und niemals „engherzig“, wie er in zahlreichen Predigten bei Kriegervereinen und Gefallenenehrungen bekundet habe. Werthmann habe sich nach der Machtübernahme dem nationalsozialistischem Gedankengut gegenüber aufgeschlossen gezeigt. Vor diesem Hinter-

48 Vgl. die politische Beurteilung des katholischen Standorpfarrers und späteren Wehrmachtdekans Peter Biebel durch den Kreisleiter von Ingolstadt vom 4. 3. 1936 (BArch Berlin, R 9361II, 73261). 49 Schreiben des Rosenheimer Ortsgruppen- und Stützpunktleiters der NSDAP an den Ortsgruppen- und Stützpunktleiter von Flintsbach bei Brannenburg vom 29. 10. 1937 über die politische Zuverlässigkeit von Georg Lipp (BArch Berlin (ehem. BDC), Parteikorrespondenz, Lipp, Georg, 15. 4. 1904). 50 Vgl. das Schreiben der Rosenheimer Kreisleitung der NSDAP an die Gauleitung MünchenOberbayern vom 30. 4. 1938 (ebd.). 51 Schreiben der Kreisleitung der NSDAP von Freising an die Gauleitung von München-Oberbayern vom 2. 3. 1936 über die politische Beurteilung Stephan Gmeiners (BArch Berlin, R 9361-II, 299888).

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grund hegte der Kreisleiter weder vom politischen noch vom „menschlichen Standpunkt aus“ Bedenken gegen Werthmanns Beförderung52. Am Ende des Bewerbungsverfahrens entschied der Feldbischof, ob der Kandidat, der es bis in den Kriegspfarrerlehrgang geschafft hatte, auch tatsächlich angenommen wurde. Für die protestantische Seite lässt sich die Behauptung, Feldbischof Dohrmann hätte bevorzugt Deutsche Christen eingestellt, ebenso wenig halten wie die im kirchlichen Umfeld verbreitete These, dieser hätte mehrheitlich Pfarrer mit BK-Orientierung eingestellt53. Dohrmann gehörte der kirchenpolitischen Mitte an und legte vor allem Wert auf die Nähe der Bewerber zum Militär54. Die Überprüfung der Parteimitgliedschaften von Kriegspfarrern in den Akten des ehemaligen Berlin Document Centers hat ergeben, dass katholische Kriegspfarrer weitaus seltener Parteimitglieder der NSDAP waren als evangelische. Von den in dieser Studie erwähnten 45 katholischen Geistlichen, die als Kriegs- oder Wehrmachtpfarrer am Feldzug gegen die Sowjetunion teilnahmen, konnte keine einzige Parteimitgliedschaft ermittelt werden. Von den 45 genannten evangelischen Kriegs- und Wehrmachtpfarrern gehörten indes sieben der NSDAP an55. Auffällig ist allerdings, dass nur ein Kriegspfarrer a. K., nämlich Erich Arndt, der gleichzeitig Mitglied der Bekennenden Kirche war, unter den Parteimitgliedern zu finden ist. Bei den sechs anderen Parteimitgliedern aus der evangelischen Pfarrerschaft handelte es sich um Wehrmachtpfarrer, Wehrmachtoberpfarrer oder Wehrmachtdekane56, d. h. Wehrmachtbeamte, die bereits vor dem Krieg in den Dienst der Wehrmacht getreten waren und kaum eine engere Bindung zu ihren Kirchen gepflegt haben dürften. Noch eindrücklicher ist das Bild bei den Wehrmachtdekanen, deren Überprüfung ergab, dass sich unter den 16 katholischen Militärdekanen aus dem Jahr 1942 kein NSDAP-Mitglied nachweisen lässt57. Dagegen gehörten von den insgesamt zwölf evangelischen Militärdekanen im gleichen Jahr vier 52 Schreiben der Berliner Kreisleitung an das Amt für Beamte Gau Bayerische Ostmark vom 25. 2. 1936 (BArch Berlin, R 9361-V, 399901). 53 Vgl. M ller, Feldbischof, 32, 72. 54 Vgl. Garbe, Theologe, 584. 55 Dabei muss einschränkend gesagt werden, dass nur etwa 80 Prozent der Mitgliederkartei der NSDAP (Zentral- und Ortskartei) überliefert sind, da die NS-Administration kurz vor Kriegsende die Vernichtung der Kartei in einer Papiermühle befohlen hatte. Nur durch die Nichtausführung dieses Befehls gelangten im Chaos des Jahres 1945 die meisten Mitgliederkarteikarten in das Berlin Document Center, das bis 1994 unter US-amerikanischer Verwaltung stand und danach dem Bundesarchiv übergeben wurde. Vgl. Zum NSDAP-Aufnahmeverfahren. 56 Lediglich der evangelische Pfarrer Erich Arndt bekleidete den Status eines Kriegspfarrers a. K. Vgl. BArch Berlin (ehem. BDC), Ortskartei, Arndt, Erich, 11. 10. 1912; Bauerle Bernhard, 26. 1. 1901; Hasselbach, Ulrich von, 22. 6. 1910; Kähler, Hans, 15. 10. 1905; Lonicer, Heinrich, 23. 6. 1888; Schübel, Albrecht, 11. 11. 1895; BArch Berlin (ehem. BDC), Zentralkartei, Wuttge, Herbert, 15. 1. 1908. 57 Der katholische Wehrmachtdekan und Religionsprofessor Anton Walter trat allerdings am 1. 10. 1933 in den NSLB ein. Vgl. BArch (ehem. BDC) NSLB, Walter, Anton, 3. 6. 1893.

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der NSDAP an58. Dies ist insofern nicht verwunderlich, als dass die Mehrheit der deutschen Protestanten 1933 den Nationalsozialismus euphorisch begrüßte. Das konservativ-protestantische Sozialmilieu gilt als „Haupteinbruchstelle des Nationalsozialismus in die deutsche Gesellschaft“59. Hier fanden sich die tragenden Wählerschichten, denen die NSDAP ihren Aufstieg verdankte60, und die Geistlichen, die Hitler mit religiöser Inbrunst als den Mann der Stunde feierten61. Nach der Machtübernahme hatte sich für Geistliche beider Konfessionen nur ein sehr kleines Zeitfenster geöffnet, in dem sie überhaupt die Option bekamen, in die NSDAP einzutreten. Denn kurz nach den Märzwahlen 1933, die der Partei Millionen neuer Mitglieder bescherte, beschloss die Parteiführung zum 1. Mai 1933 einen Aufnahmestopp. Als die NSDAP 1937 die Sperre aufhob, blieben Pfarrer und Theologiestudenten beider Konfessionen von der neuerlichen Möglichkeit in die Partei einzutreten ausgeschlossen62. Noch weniger Gelegenheiten zum Parteieintritt ergaben sich für katholische Geistliche. Während evangelische Pfarrer bereits vor 1933 die Möglichkeit hatten, Parteimitglied zu werden, hatten die katholischen Bischöfe in den letzten Jahren der Weimarer Republik deutlich gemacht, dass der Nationalsozialismus für die katholische Kirche inakzeptabel sei. Erst nach den Märzwahlen 1933 nahm der Episkopat – beeindruckt durch Hitlers Vorgehen gegen die Linksparteien und dessen Bemühungen, das Bild eines christlichen Staatsmannes zu vermitteln – seine Warnungen zurück, so dass katholischen Geistlichen letztlich nur während der Monate März und April 1933 der Weg in die NSDAP offen stand63. Hinzu kam, dass das im Juli 1933 abgeschlossene Konkordat zwischen der deutschen Reichsregierung und dem Vatikan, Geistlichen und Ordensleuten jegliche parteipolitische Aktivität untersagte64. Selbst bei dem katholischen Wehrmachtdekan Josef Thomann, den sein Vorgesetzter Georg Werthmann als hochgradig gefährlichen Parteigänger der Nationalsozialisten einordnete, ließ sich keine Mitgliedschaft in der NSDAP nachweisen65. Entweder hatte Thomann es in der kurzen Zeit zwischen März 58 Vgl. BArch Berlin (ehem. BDC), Ortskartei, Schübel, Albrecht, 11. 11. 1894; Lonicer, Heinrich, 23. 6. 1888; Schmidt, Friedrich, 7. 8. 1892; BArch Berlin (ehem. BDC), Zentralkartei, Schuster, Willy, 27. 2. 1901. 59 Gailus, 1933, 481. 60 Falter, Hitlers Wähler, 169–193, 177, 287. 61 Gailus, 1933, 484–492. 62 Vgl. Schulze, Verantwortung, 460, Anm. 201. 63 Vgl. Gr ttner, Brandstifter, 402. 64 Ebd., 403. 65 Ein starker Ehrgeiz – so Werthmann in einer nachträglichen Beurteilung am 5. 7. 1945 – habe Thomann veranlasst, sich dem Nationalsozialismus zuzuwenden und von dort nicht nur alles Heil für das deutsche Volk, sondern vor allem auch für sich selbst und seine berufliche Karriere zu erwarten. Thomann habe seine geistlichen Mitbrüder in der Wehrmachtseelsorge denunziert und gegeneinander ausgespielt. In seinen Predigten in der Wiener Karlskirche habe er den deutschen und österreichischen Episkopat aufs schwerste wegen seiner Haltung gegenüber dem

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und Mai 1933 versäumt, in die NSDAP einzutreten oder seine Mitgliedskarte ging in den Wirren von 1945 verloren66. Über die Kleidervorschriften und das Arbeitsmaterial der Wehrmachtpfarrer gab es genaue Vorschriften. Ihre Uniformen hatten keine Schulterstücke. Am Kragen befanden sich Offiziersspiegel mit violetter Waffenfarbe. Auf der Uniformmütze war das Hoheitszeichen mit dem Hakenkreuz zu sehen, darunter ein Christuskreuz. Außerdem gab es ein etwa 8 cm großes Kreuz, das sichtbar an einer langen Kette um den Hals getragen wurde. Das Kreuz des katholischen Kriegspfarrers hatte eine Holzeinlage mit dem Corpus des gekreuzigten Christus. Der evangelische Kriegspfarrer trug ein einfaches silbernes Kreuz ohne Corpus. Kriegspfarrer galten als Nichtkombattanten nach Artikel 8 des I. Genfer Abkommens zur Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken der Streitkräfte im Feld vom 27. Juli 192967. Als Seitenwaffe trugen sie nicht den bei Offizieren üblichen Säbel oder Dolch, sondern eine Pistole zur eigenen Verteidigung68. Zu ihrer Ausstattung gehörte außerdem ein Kultkoffer oder Messtornister, deren Inhalt von der Konfession abhing. Für evangelische Kriegspfarrer reichten Bibel, Feldagende, Feldgesangbuch, der katholische Kollege musste außerdem Messgewänder und Messgeräte mit sich führen69. Eine Rotkreuzbinde wurde nur dann am Arm getragen, wenn das Anlegen für das Sanitätspersonal befohlen wurde. Auch das vorgeschriebene Brustkreuz wurde nur in Ausnahmefällen getragen, da es „oft deplaciert“ erschien und weil „Kreuz und Kette so billig“ wirkten, wie ein katholischer Divisionspfarrer bemerkte70.

4.2 Allen alles sein71 „Man war nicht eigentlich eingestuft, rangierte aber doch ungefähr bei den Majoren und war ohnehin fast wie aus einer eigenen Welt.“ So beschrieb der evangelische Kriegspfarrer und Dichter Albrecht Goes in seiner 1950 er-

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Nationalsozialimus angegriffen. Da Werthmann den „Deutschen Gruß“ verweigert habe, glaubte er, dass Thomann auch ihn bei den politischen Stellen denunziert habe. (AKMB, SW 154). Vgl. Anm. 55. Die Genfer Abkommen und ihre Zusatzprotokolle in K rze, 11. Heeres-Dienstvorschrift 373: „Bestimmungen für besondere Dienstverhältnisse der Kriegspfarrer beim Feldheer (Krpf. Best.) vom 18. 6. 1941“. (BA-MA Freiburg, RHD 4/373). Vgl. Ufer, Männer, 108. Zur besonderen katholischen Ausstattung vgl. Rçw, Militärseelsorge, 203. Maximilian Kurschatke: Der Divisionspfarrer im Kampfeinsatz. Erfahrungen an der Ostfront (Mai 1944) (AKMB, SW 7). Zu diesem Kapitel vgl. Pçpping, „Allen alles sein“.

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schienenen Novelle „Unruhige Nacht“ die besondere Position des Kriegspfarrers innerhalb der Wehrmacht72. Auf der einen Seite war der Kriegspfarrer Teil der militärischen Welt, gleichzeitig blieb er von ihr getrennt, denn er stand immer auch als „Mann Gottes“, als Verkünder einer überzeitlichen Wahrheit im Feld. Seine Sonderstellung war schon an der Kleidung zu erkennen. Zwar machte die Uniform sichtbar, dass der Kriegspfarrer zum Offiziersstab gehörte, doch trugen Kriegspfarrer als einzige Gruppe unter den Offizieren keine Schulterstücke, so dass ihr genauer Rang nicht sichtbar wurde. Dies löste Irritationen in ihrer Umgebung aus, sicherten doch gerade die Schulterstücke gewöhnlich die korrekte Verortung jedes Einzelnen innerhalb der militärischen Hierarchie. Viele Kriegspfarrer empfanden es als demütigend, wenn ihr Gegenüber sie nicht richtig einordnen konnte und es an ausreichendem Respekt fehlen ließ73. „Der Chef trägt oben eine weiße Pelzjacke, die seine „Blöße“ bedeckt (ihn ärgern die fehlenden Schulterstücke)“, notierte Hans Kähler in seinem Tagebuch74. Er selbst beschrieb sich als „Mann ohne Schulterstücke“ und „Schaustück für alle neugierigen Leute“75. Auch Georg Werthmann empfand das Fehlen der Schulterstücke als Diskriminierung76. Erst nach dem Krieg entdeckte er die Vorzüge dieser Besonderheit, indem er die fehlenden Schulerstücke als Zeichen der Distanz der Wehrmachtseelsorge zum Militär interpretierte. Vom „Übernatürlichen her“ – so erläuterte er – seien die fehlenden Schulterstücke kein Nachteil gewesen, denn erstens sei dem Kriegspfarrer dadurch bewusst geworden, dass er für alle da sei, vom einfachen Soldaten bis zum General. Jede äußere Charakterisierung seines Ranges hätte dagegen nur auf seine hierarchische Position verwiesen. Die Besonderheit der Uniform sei ein Hinweis darauf gewesen, dass der Kriegspfarrer im letzten „weder Soldat noch Offizier noch Beamter“, sondern als Priester im Feld gestanden habe. Außerdem seien starke, glaubensgewisse Priester durch die Demütigungen ihrer militärischen Umgebung sogar ermuntert worden, ihr Können unter Beweis zu stellen. Innerhalb der Wehrmachtseelsorge hätten die fehlenden Schulterstücke unterstrichen, dass es keine Feldgeistlichen ersten oder zweiten Grades gegeben habe, dass aktive Wehrmachtgeistliche nicht mehr gewesen seien als Kriegspfarrer, dass Divisionspfarrer gegenüber Lazarettpfarrern nicht bevorzugt worden seien und

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Goes, Unruhige Nacht, 34. Vgl. Hartmann, Wehrmacht, 198. Tagebucheintrag Hans Kählers vom 12. 2. 1944 (BA-MA Freiburg, MSG 2, 5867a). Tagebucheintrag Hans Kählers vom 13. 7. 1944 (BA-MA Freiburg, MSG 2, 5867b). „Die äußere Stellung des deutschen Militärgeistlichen war die eines Wehrmachtbeamten im allgemeinen Offiziersrang. Das war eine ausgesprochene Sonderstellung, wie sie sonst keiner anderen Gruppe von Wehrmachtbeamten zugemutet wurde. Es war aus mehr als einem Grund ein Unding, daß der Wehrmachtgeistliche die Uniform des Offiziers, aber nicht dessen Schulterstücke hatte.“ Notiz Werthmanns vom 22. 4. 1952 (AKMB, SW 84).

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dass ausschließlich die Qualität des Dienstes über den Wert eines Geistlichen entschieden habe77. Die Unsichtbarkeit des genauen Offiziersranges von Kriegspfarrern bedeutete indes nicht, dass diese sich mit den einfachen Mannschaftssoldaten gemein machten. Die Zugehörigkeit zum Offiziersstab und der damit verbundene hierarchische Abstand zum Soldaten wurden an keinem Punkt in Frage gestellt. Der Kriegspfarrer blieb Offizier und verbrachte seine Freizeit mit anderen Offizieren78. Die Mannschaftssoldaten gerieten nur als Ziel seiner erzieherischen Tätigkeit in den Gottesdiensten, den Lazaretten oder im Gefängnis in den Blick. Dennoch bot die Sonderstellung des Kriegspfarrers im Offizierskorps die Chance, von der Mannschaft als Vertrauensperson akzeptiert zu werden. Dies entsprach dem Kalkül der militärischen Führung: Besaß ein Kriegspfarrer das Vertrauen der Mannschaft, konnte er seinem Kommandeur ein realistisches Bild von der Stimmung unter den Soldaten vermitteln. Zugleich war das Vertrauen der Mannschaft die Voraussetzung dafür, diese noch besser im Sinne der militärischen Führung beeinflussen zu können79, denn Aufgabe der Kriegspfarrer war es, den Soldaten die „Idee eines gerechten Krieges aus sozialer und völkischer Notwehr“ zu vermitteln, den „Dienst am Vaterland als Gottesdienst“ darzustellen, „Ehrfurcht gegenüber der Obrigkeit“ zu predigen und den „Opfertod für das Vaterland“ zu verklären80. Der Weg, auf dem ein Kriegspfarrer das Vertrauen der Soldaten gewinnen sollte, war der Weg der Anpassung an das soldatische Milieu und den dort gepflegten Habitus von Männlichkeit und Härte. Dazu gehörte, dass er die „Freuden und Leiden“ der kämpfenden Gruppe teilte, wie es das „Merkblatt“ 1939 formuliert hatte81. Karl Edelmann, der Amtsgruppenchef im OKH, schärfte es den Kriegspfarreranwärtern ein: „Der Kriegspfarrer gehört im Gefecht nach vorn, wo es schiesst. Das Dortsein allein verbindet ihn schon mit der Truppe und zwar fester als die schönste Predigt.“82 Diese Aufforderung zog sich wie ein roter Faden durch seine Vorträge im Krieg. „In Haltung und Auftreten, Denken und Fühlen, Wort und Tat des Kriegspfarrers muss der Soldat stets zum Ausdruck kommen. In jeder Beziehung soldatisch 77 Vgl. Notiz Georg Werthmanns vom 14. 5. 1945 (AKMB, SW 6). 78 Vgl. Garbe, Theologe, 620. 79 „Ich sollte mich zu dem im Brennpunkt der Kämpfe eingesetzten I. R.514 begeben, mich über die Stimmung der Leute unterrichten, den Gründen für das erneute Versagen einzelner Teile nachgehen und dann dem Kommandeur über meine Eindrücke berichten.“ KT Beyer, 16. 5. 1942 (Privatbesitz, Transkript Garbe, 402). 80 „Die Vaterländische Aufgabe der Feldseelsorge“. Schreiben des OKH an die Heeresgruppenpfarrer bei den Heeresgruppen Nord, Mitte, Süd und D über die Zusammenstellung der bei den Frontlehrgängen zu berücksichtigenden Gesichtspunkte vom 9. 3. 1942 (AKMB, SW 152). 81 Merkblatt über Feldseelsorge vom 21. 8. 1939 (BA-MA Freiburg, RW 12 I, Nr. 2). 82 Karl Edelmann: Wesen und Aufgabe der Feldseelsorge. Vortragsmanuskript vom 11. 2. 1941 (BA-MA Freiburg, RH 15, Nr. 282, Bl. 27).

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eingestellt, wird der Kriegspfarrer stets die richtige Form und den richtigen Ton dem Soldaten gegenüber einzuschlagen wissen und so den richtigen Weg zum Herzen des Soldaten finden.“83

Danach konnte nur der, der das gefahrvolle und entbehrungsreiche Leben der Soldaten kannte, auch die richtige Sprache und den richtigen Ton gegenüber den Soldaten finden. Dieses Ethos hatte sich erst im Verlauf des Ersten Weltkrieges herausgebildet, als Feldgeistliche noch vornehmlich hinter der Front in den Lazaretten zu finden gewesen waren84. Doch schon 1915 bemerkte Heinrich Ostertag: „Wenn der Feldgeistliche zeigt, daß er persönlichen Mut besitzt, wenn er nicht bloß bei der Bagage Courage predigt, sondern auch an gefährdeten Stellen seines Amtes waltet, dann gewinnt er vielleicht nicht bloß persönliche Achtung, sondern trägt auch zur Hebung der Standesehre bei.“85

Im Zweiten Weltkrieg gehörte die Fahrt an die Front und damit verbunden die Lebensgefahr, die Feldgeistliche in den vorangehenden Kriegen nur selten eingegangen waren, zum Alltag86. Dabei handelte es sich gerade im Ostkrieg um erhebliche Distanzen, die vom Kriegspfarrer bis zur Frontlinie einer Division und an dieser entlang zurückzulegen waren, was diesen je nach Wetterlage und Wegeverhältnissen oftmals an den Rand seiner körperlichen Belastbarkeit brachte. Seine Gottesdienstplanungen hatten sich den von Tag zu Tag wechselnden Orten anzupassen. Er musste Auto- und Motorradfahren, aber auch Reiten können und brauchte insgesamt eine hohe Flexibilität und Improvisationsgabe, um möglichst viele Truppenteile kennen zu lernen87. Hinter diesem Anforderungsprofil stand die von den Nationalsozialisten gepflegte Hochachtung vor dem Frontkämpfer88. Kaum eine Ordensverleihung an Kriegspfarrer, die nicht betonte, dass dieser sich durch Tapferkeit an der vordersten Linie der kämpfenden Truppe ausgezeichnet habe. Kaum ein Kommandeur, der diesen Aspekt nicht hervorhob, wenn er auf einem Frontlehrgang über das Thema „Was erwartet die Fronttruppe vom Feldseelsorger?“ sprach89. 83 Vortrag Edelmanns zur „Heeresgruppenpfarrerbesprechung“ am 7. 2. 1942 (BA-MA Freiburg, N 282, Nr. 13). 84 Vgl. Rabenau, Heeresseelsorge, 51. 85 Ostertag, Leben, 10. 86 Zu der hohen Mobilität, die von den Kriegspfarrern gefordert wurde und die mit wachsenden Problemen wie Benzinmangel, übergroßen Entfernungen, defekten Kraftfahrzeugen, Kälte und Schneemassen zu kämpfen hatte, vgl. Hermle, Predigt, 146 f. 87 Pastoraltheologische Anweisungen für Feldgeistliche [1943] (LAELKB Nürnberg, LKR 2548). Vgl. auch Rçw, Militärseelsorge, 397–409. 88 Vgl. Neitzel / Welzer, Soldaten, 79. 89 Vortrag von Hauptmann Kolb am 16. 4. 1942 vor katholischen Kriegspfarrern. Protokoll des Frontlehrganges für katholische Kriegspfarrer im Bereich A. O. K. 6 in Charkow am 16. und 17. 4. 1942 (AKMB, SW 152).

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Die meisten Kriegspfarrer versuchten, diesen Erwartungen zu entsprechen. Besuche an der Hauptkampflinie – so ein evangelischer Kriegspfarrer – seien unbedingt notwendig, denn nur dort erhalte man einen Eindruck von der Leistung und Haltung der eigentlichen Träger des Kampfes. Dort werde das Band der Kameradschaft und des Vertrauens geknüpft, ohne das Seelsorge nicht sein könne90. Der evangelische Kriegspfarrer Beyer wog in seinem Kriegstagebuch akribisch die Vor- und Nachteile eines gemeinsamen Fußmarsches mit der Truppe ab: „Wenn wir Pfarrer die persönliche Fühlung mit der Truppe behalten wollen, müssen wir sie des Nachts aufsuchen und mit ihr marschieren. Ich habe mich davor bisher immer etwas gescheut. Die Leute sind 10 bis 20 Jahre jünger als ich. Sie haben ihre eingelaufenen Marschstiefel, die halbhohen ,Knobelbecher‘, wir nur unsere schweren Reitstiefel. Die älteren Offiziere sitzen einen großen Teil des Weges auf dem Pferd. Außerdem haben sich die Leute in allmählicher Übung an das Marschieren gewöhnt. Das alles ist bei uns anders. Marschieren wir Pfarrer aber mit in Reih und Glied, dann dürfen wir natürlich nicht schlapp machen, müssen im Gegenteil frisch für ständige Gespräche sein. Aber jetzt ist das Marschieren so sehr das Leben der Truppe, daß wir es teilen müssen, wenn wir ihr nicht fremd werden wollen. Einmal mit dem Wagen bei ihr erscheinen, ein paar freundliche Worte sagen und sich wieder ins Auto setzen, schadet mehr als es nützt. So haben wir uns entschlossen, es einmal zu versuchen, ein großes Stück mit ihr zu laufen.“91

Wichtig war es, auch den einfachen Soldaten das Gefühl zu geben, dass ein Angehöriger des Offiziersstabes ihr entsagungsvolles Leben würdigte. „Der Pfarrer allein will nichts von den Leuten, sondern er kommt nur zu ihnen, um ihnen nahe zu sein. Das ist wohl eine größere Hilfe als alles, was man sagt“, notierte sich Beyer92. Als dieser in einen Angriff der Sowjets geriet, notierte er: „Aber die merkwürdige Mischung von Grauen und Wollust bleibt doch, die mir vom Weltkrieg her so vertraut ist. Das kann und will ich nicht leugnen. Es ist gut, daß ich es jetzt einmal wieder an mir erfahre. Denn meine Kerls müssen das ja alle auch durchmachen. Und etwas davon muß künftig in meinen Predigten mitklingen, wenn sie den Soldaten da treffen sollen, wo das Menschlichste in ihm angerührt ist.“93

Der evangelische Divisionspfarrer Ernst Ufer dozierte auf einer Kriegspfarrertagung in Bourussow 1942 über „Sinn und Nutzen der Frontbewährung von Kriegspfarrern“: 90 Vgl. den Seelsorgebericht von Wehrmachtpfarrer Karl Krüger (1. 7.–30. 9. 1942) vom 20. 10. 1942 (LKA Stuttgart, NL Bauerle, Nr. 6). 91 KT Beyer, 21. 7. 1941 (Privatbesitz, Transkript Garbe, 217). 92 KT Beyer, 11. 8. 1941, ebd. 234. 93 Ebd, 235.

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„Bei der Truppe ist es das Schönste als ,unser Divisionspfarrer‘ zu gelten. In Marschzeiten ganze Marschtruppen vorüberziehen zu lassen oder stückwegs mitzumarschieren, vermittelt die äußere Bekanntschaft in kürzester Zeit. Man sollte immer wieder an Gruppen von Soldaten herantreten und sie mit Handschlag begrüßen. Da der Soldat das nicht gewöhnt ist, empfindet er das schon als etwas Besonderes und Persönliches.“94

Ihm selbst war nicht zuletzt wegen seiner häufigen Frontbesuche hohe Anerkennung zuteil geworden. Stolz berichtete er: „Die Divisionspfarrer sind die Angehörigen des Divisionsstabes, die am meisten unterwegs sind und die größte Frontnähe haben. Die anderen Herren, Divisionsarzt, Divisions-Veterinär, Kriegsgerichtsrat, Intendant usw. machen mehr Schreibstubenarbeit vom Stabsquartier aus.“95

Bei der Auswahl von Kriegspfarrern, so meinte er, solle man außer der Eignung zum geistlichen Amt nur die Frontbewährung und die Führereigenschaften in Rechnung stellen96. Die Anpassung des Kriegspfarrers an den soldatischen Habitus wurde auch von kirchlicher Seite befürwortet, die hoffte, auf diesem Weg das Vertrauen der Soldaten zu gewinnen. Ihr Anliegen bündelte sich in dem biblischen Wort „allen alles zu sein“, was eine Art Mimikry an die Menschen seiner Umgebung meinte und auf den neutestamentarischen Auftrag zur Mission anspielte: „Ich bin allen alles geworden […]. Denn obwohl ich frei bin von jedermann, habe ich doch mich selbst jedermann zum Knecht gemacht, damit ich möglichst viele gewinne“, heißt es in den Korintherbriefen des Apostels Paulus97. Der Kriegspfarrer hatte sich dem Soldaten gleichsam als „Schaf im Wolfspelz“ zu nähern98. Ein katholischer Priestersoldat schrieb an seinen Bischof Michael von Faulhaber: „Wenn aber die ganze Männerwelt, vor die wir einst wieder mit innerer Botschaft zu treten hoffen, durch diese harte Schule des Krieges geht, so müssen auch wir um ihre Seelen zu gewinnen die gleichen Mühen geteilt, dieselben Opfer gebracht und dieselben Leiden gekostet haben. So wird man leichter „Allen alles werden!“99

Ähnliches war auf evangelischer Seite zu hören. In den pastoraltheologischen Anweisungen der bayerischen Landeskirche von 1943 hieß es, der Feldgeistliche müsse sich „auflockern“ und innerlich frei genug werden, um sich gern in den Kreis einzufügen, der ihn umgebe. Der Kriegspfarrer solle schlicht und Ufer, Männer, 459. Ebd., 124. Vgl. ebd., 193. 1. Kor. 19–22. Vgl. das Schreiben des EOK Stuttgart an sämtliche Dekanatsämter betr. Auszug aus dem Brief eines württembergischen Kriegspfarrers vom 17. 6. 1942 (LKA Stuttgart, 380 IV). 99 Schreiben Josef Stehböcks an Faulhaber vom 3. 12. 1941 (EAM, NL Faulhaber, Nr. 6796/2).

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Rollenbeschreibungen

eindrucksvoll reden als einer, der sich in seine Kameraden „hineingelebt, hineingedacht und hineingelitten“ habe100. Die Soldatengemeinde habe es mit Kameraden zu tun, die durch ihr „Kriegsschicksal angefochtene Menschen“ seien. Daraus ergebe sich für den Prediger die Folgerung, Fühlung mit den Kameraden zu halten und durch seine Persönlichkeit deutlich zu machen, dass er hinter dem stehe, was er sage, legte ein evangelischer Wehrmachtdekan in einem Vortrag vor angehenden Kriegspfarrern dar101. In den Predigten wurde diese Fühlungnahme mit den Soldaten angestrebt, indem die Kriegspfarrer bewusst an Erfahrungen aus der Lebenswelt der Soldaten anknüpften102. Wie wörtlich manch ein Kriegspfarrer den kirchlichen Auftrag zur Anverwandlung an seine soldatische Umgebung nahm, zeigt der Tätigkeitsbericht eines katholischen Kriegspfarrers über die ersten Monate des Russlandfeldzuges: „Ich wollte Ernst machen mit dem Worte, ,Allen Alles zu werden‘, darum begleitete ich die Truppe in die Schlacht.“ Dieser Kriegspfarrer suchte die maximale Nähe zu den Soldaten: „Am Abend kroch ich zu der Mannschaft ins Zelt und wollte so einer aus ihnen werden“. Und er fuhr fort: „Ich bemühte mich, mich gefechtsmäßig zu benehmen, legte mich genauso auf den Boden, nützte jede Deckungsmöglichkeit aus, grub mir ein Schützenloch oder schlüpfte zu den Kameraden in Deckung“103. Kirchliche und militärische Erwartungen an die Anverwandlungskünste der Kriegspfarrer an ihre Umgebung fanden im Begriff des „guten Kameraden“ ein gemeinsames Bild. So mahnte die bayerische Landeskirche ihre Feldund Lazarettgeistlichen, sie sollten nichts sein als Pfarrer und gute Kameraden, die um die Bedürfnisse der Soldaten wüssten und ihnen kleine Freuden machten, indem sie sie etwa nach der Heimat und der Familie fragten oder ihnen kleine Geschenke und Gefälligkeiten machten, z. B. Schokolade und Zigaretten verteilten104. Als dem katholischen Divisionspfarrer der 88. Infanteriedivision, Emil Weis, 1942 das Kriegsverdienstkreuz I. Klasse mit Schwertern verliehen wurde, hieß es in der Begründung seines Divisionskommandeurs: „Pfarrer Weis war in den Wochen des Einsatzes für die Truppe mehr als nur Seelsorger, er war ihr bester, allseits geachteter Freund und Kamerad geworden.“105 100 „Pastoraltheologische Anweisungen für Feldgeistliche“ [1943] (LAELKB Nürnberg, LKR 2548). 101 Vgl. Hermle, Predigt, 140. 102 Vgl. die Analyse von Kriegspredigten des Kriegspfarrers Hans Gerber, ebd., 154–156. Vgl. unten 78 f. 103 Tätigkeitsbericht von Johann E. Kraus vom 5. 10. 1941 für den katholischen Feldbischof der Wehrmacht über die Zeit vom 1. 7.– 30. 9. 1941 (BA-MA Freiburg, RH 26/113, Nr. 37). 104 Vgl. „Pastoraltheologische Anweisungen für Feldgeistliche“ [1943] (LAELKB Nürnberg, LKR 2548). 105 „Abschrift des Verleihungsvorschlages für das KVK I. Kl. mit Schwertern an WPfr. Emil Weis“ o. D. [September 1942] (BA-MA Freiburg, N 338, Nr. 7).

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Vereinzelt brachten es Kriegspfarrer sogar zu Kriegshelden, weil sie sich unaufgefordert, aber erfolgreich auf militärischem Gebiet betätigten. Ein bemerkenswertes Beispiel dieses Typs war der katholische Divisionspfarrer Alfons Satzger, der während seiner Zeit bei der 132. Infanterie Division das Eiserne Kreuz 1. Klasse erhielt106. In seinem Tagebuch ließ er keinen Zweifel, dass er sich ohne Bedenken über die Berufsbeschreibung des Kriegspfarrers als Nichtkombattant nach Art. 3 der Haager Landkriegsordnung hinwegsetzte: „Gar nichts Böses ahnend ging ich durch dichtes Eichengestrüpp, verlor die Richtung und befand mich in den russischen Stellungen. Plötzlich befinde ich mich vor einem russ. Feldbunker, erkenntlich durch die russ. Maschinengewehre. Die Russen hatten mich nicht bemerkt; ich kroch auf dem Boden an den Bunker heran, denn ich vermutete im Bunker 3–4 Russen und dachte mit denen werde ich schon fertig werden. Ich kroch an das Bunkerloch und rief auf Russisch, sie sollten herauskommen, die Deutschen seien da und der Krieg sei für sie zu ende. Tatsächlich kamen mit erhobenen Händen baumlange, schwarz-uniformierte russische Matrosen aus dem Bunker und ich drohte ihnen mit meinem ,Pistölchen‘, von dem ich nicht wusste, ob es geladen war. Es folgten immer mehr: 6, 10! Mir wurde allmählich ungemütlich! Immer mehr kamen mit erhobenen Händen aus dem Bunkerloch, zuletzt waren es 16! Ein Glück für mich, dass die Russen nicht sehen konnten, dass ich allein war; denn sie vermuteten, dass hinter mir noch mehr Soldaten wären. Allerdings musste ich mit meiner Pistole drohen. Ich gab die Richtung an und marschierte mit meinen Russen etwa 10 Minuten durch das Gestrüpp in Richtung unserer vorgeschobenen Stellung. Der deutsche SMGPosten107 sah uns kommen und vermutete einen russ. Angriff. Ich konnte im letzten Augenblick nur rufen: ,Der Pfarrer ist’s! Nicht schiessen!‘ Die Landser erkannten meine Stimme mit Hilfe der SMG-Leute konnten wir die Russen erst vollständig entwaffnen. In ihren Kitteln fanden wir noch eine Anzahl von Handgranaten. Möglich ist das alles nur gewesen, durch völlige Überraschung der Bunkerbesatzung. Aber wie leicht hätte das ins Auge gehen können! Mit einem Mann ging ich erneut vor, um den Bunker zu sprengen. Dabei konnte ich noch 4 Russen gefangen nehmen, die sich tot gestellt hatten. Resultat: 20 Gefangene und 4 schwere Masch. Gewehre. Als ich mit meinen Gefangenen am Unterstand von Major Altmann vorbeikam, sagte er: ,Das ist gerade die richtige Arbeit für einen Pfarrer am Sonntag-Nachmittag‘. Es war der 4. Advent-Sonntag! Abends komme ich mit den 20 Gefangenen, die meine Verwundeten tragen mussten, nach Kamischly. Die Landser freuten sich und fragten, woher ich denn die Russen hätte. Ich sagte ihnen: ,von da oben, da könnten sie noch genug davon holen!‘ Dazu aber hatten sie keine Lust! Das Ereignis war eine reine Glücksache und ich dankte Gott, dass alles gut ausging. Die Tatsache, dass der Pfarrer alleine einen russ. Bunker 106 Vgl. Tagebucheintrag Arnold Brinz‘ vom 4. 2. 1942 (AAK Berlin, Kempowski Bio, 4573/1). 107 SMG = „Schweres Maschinengewehr“. Ein SMG-Posten gehörte zu einer MG-Kompanie innerhalb eines Infanteriebataillons.

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Rollenbeschreibungen ausgehoben hat, verbreitete sich nicht nur bei der ganzen Division, sondern auch im Bereich der 11. Armee.“108

Eine ähnliche, wenn auch weniger prominente Rolle spielte der evangelische Divisionspfarrer Beyer, der keine Gelegenheit ausließ, die Kommandeure der von ihm betreuten Division über sein militärisches Wissen, das er als Artillerist im Ersten Weltkrieg erworben hatte, zu informieren109. So kam es vor, dass er in Gefahrensituationen spontan militärische Befehle erteilte, Bataillonführer beim Vorwärtsgehen beriet oder selbst an einem „richtigen Zielschießen“ teilnahm. Am 1. September 1942 notierte er: „Ich setzte mich ans Scherenfernrohr zur Beobachtung. Und nun ging es los. Die ersten Schüsse lagen zu weit. Aber bald war eine Gabel gebildet, die den Bunker genau in die Mitte nahm. Und nun konnte das Wirkungsschießen beginnen. Es gab zwar keinen genau im Ziel sitzenden Volltreffer, aber die meisten Schüsse lagen doch so gut, daß es den Bolschewisten sicher sehr ungemütlich geworden ist und sie sich wohl nach einer neuen B-Stelle umsehen werden. Ich aber war mit einem Schlag wieder mit Leib und Seele Artillerist.“110

Kurze Zeit später notierte er: „Mir machte es mächtigen Spaß, einmal wieder die Feuerbefehle geben zu können, und ich war richtig stolz, als einmal schon der dritte Schuß mitten im Ziel saß“111. Bei den Soldaten und Offizieren fanden die Kriegspfarrer, die die Gefahren und Entbehrungen des militärischen Lebens bewusst auf sich nahmen, die Sprache der Soldaten sprachen, Empathie äußerten oder sich durch praktische Dienste nützlich machten, in der Regel große Anerkennung. Davon zeugen die Tagebucheinträge des katholischen Anwalts beim Kriegsgericht der 132. Infanteriedivision, Arnold Brinz: „In den Kämpfen der letzten Tage soll sich unser katholischer Divisionspfarrer Satzger durch grosse Tapferkeit hervorgetan haben. Es heisst, dass er deshalb zum EK. I vorgeschlagen sei, insbesondere dafür, dass er weit über seine seelsorgerischen Pflichten hinaus, unter rücksichtslosem persönlichen Einsatz, verwundete Soldaten bergen half, wobei er einmal auch beinahe in russische Gefangenschaft geraten wäre. Die Tatsache, dass Satzger einer unserer Älteren ist, lässt sein Verhalten als umso bewunderungswürdiger erscheinen. Die ,ecclesia militans‘ tritt hier einmal im unmittelbarsten Wortsinn und in besonders imponierender Form auf!“112

Immer wieder berichtete Brinz über die Kriegsauszeichnungen Satzgers, denn er war stolz auf diesen Geistlichen. Für ihn, den bekennenden Katholiken, war

108 109 110 111 112

Tagebucheintrag Alfons Satzgers vom 21. 12. 1941 (AAK Berlin, Kempowski Bio, 3101). KT Beyer, (Privatbesitz, Transkript Garbe, 405, 422, 535). KT Beyer, 1. 9. 1942 (Privatbesitz, Transkript Garbe, 485). KT Beyer, 19. 9. 1942 (Privatbesitz, Transkript Garbe, 495). Tagebucheintrag Arnold Brinz‘ vom 6. 8. 1941 (AAK Berlin, Kempowski Bio, 4573/1).

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Satzger „wirklich ein Hochwürden“, was man – wie er betonte – gewiss nicht von allen Geistlichen behaupten könne113. Sogar Goebbels fiel das soldatische Gebaren der Kriegspfarrer auf. Er misstraute diesem Berufsstand mehr als den katholischen Kardinälen Adolf Bertram und Michael von Faulhaber. Wie Hitler fürchtete er das Ansehen, das die Kriegspfarrer bei den Soldaten genossen. Es machte ihm zu schaffen, dass sich unter ihnen Träger des EK I befanden, die kämpferisch eingestellt waren und die Fähigkeit hatten, „aus dem Fronterlebnis heraus zu reden“114. Rückblickend beklagte sich kein Kriegspfarrer über mangelnde Akzeptanz bei den Soldaten. Rudolf Peifer erinnerte sich: „Mit eher lustigem Spott als mit Bosheit nannten uns die Landser ,Kasak‘ und ,Esak‘: Abkürzungen für ,katholische‘ bzw. ,evangelische Sünden-Abwehr-Kanone‘. Abwertender war da schon die Bezeichnung ,Himmelskomiker‘. Freilich muß ich zugeben, daß dieser zweite Ausdruck mir gegenüber nie boshaft oder zynisch gebraucht wurde, schon gar nicht an der Front“115.

Die Anverwandlung von Kriegspfarrern an das soldatische Milieu gelang manchmal so gut, dass die kirchliche Aufgabenstellung der Mission in Vergessenheit geriet. Dies zeigen die bei den Feldbischofsämtern eingehenden Beschwerden über rohes und ungebührliches Verhalten von Kriegspfarrern. Kirchliche Funktionäre beider Konfessionen sprachen von einer wachsenden geistigen Leere bei den Kriegspfarrern und fehlendem pfarrlichen Können116. Als Besonderheit galt es, wenn der Kriegspfarrer nicht nur im gewöhnlichen soldatischen Milieu angenommen wurde, sondern sogar im kirchenfeindlichen Umfeld der SS Wirkungsmöglichkeiten und Anerkennung fand. So berichteten Kriegspfarrer wiederholt, wenn es ihnen gelang, Angehörige von SS-Einheiten zu betreuen oder diese sogar zum christlichen Glauben zurückzuführen. Diese Möglichkeiten ergaben sich vor allem im Lazarett. So vermerkte ein katholischer Kriegspfarrer, dass junge SS-Männer auf dem Sterbebett wieder in die katholische Kirche einträten, „weil sie sich in ihre Heimat und nach dem Glauben ihrer Kindheit zurücksehnten“117. Ein anderer berichtete an seinen Feldbischof: „Wir hatten eine zeitlang in den Feldlazaretten der Gruppe auch die Verwundeten der SS-T[otenkopf]. Div[ision]. zu betreuen und seit langem die verwundeten der SS-Pol[izei]. Div[ision]. Diese Kameraden der SS sagten wiederholt: Es freut uns, daß Sie uns nicht links liegen lassen, weil wir von der SS sind. Bei diesen Besuchen der Verwundeten ergaben sich die vielgestaltigsten Möglichkeiten für seelsorge113 114 115 116

Tagebucheintrag Arnold Brinz‘ vom 11. 3. 1942 (AAK Berlin, Kempowski Bio, 4573/4). Goebbels, Tagebücher, II, 8, Eintrag vom 12. 5. 1943, 280 f. Peifer, Menschen,122. Vgl. Otto Stockburger: Bericht über meine Tätigkeit als Pfarrer in der Wehrmacht 1939–1945 (LKA Stuttgart, P 32). 117 Seelsorgebericht Michael Höbels (1. 1.–31. 3. 1943) vom 17. 5. 1943 (AKMB, SW 121).

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Rollenbeschreibungen risches und priesterliches Wirken. Es war manchmal möglich bis zu 60 und 80 Kranken- und Sterbekommunionen am Tage zu spenden, im Gelände, im Krankenkraftwagen, im Feldlazarett, anderen zum mindestens durch Liebesreue, ein Gebet der Ergebung in Gottes Willen, Absolution und hl. Ölung letzte Gnade zu vermitteln und zu einem guten Tod zu verhelfen.“118

Die fremdländischen Kontingente der SS-Divisionen verfügten wie selbstverständlich über eigene Divisionspfarrer, so die SS-Division Charlemagne, die SS-Division der Wallonen, die ukrainische SS-Division, die SS-Freiwilligen-Gebirgs-Division „Prinz Eugen“ und die SS-Einheiten mit Angehörigen der baltischen Staaten119. Ein Grund für die Präsenz der Wehrmachtseelsorge in der Waffen-SS war, dass diese seit 1942 keine ausschließliche Freiwilligenarmee mehr war. Nicht zuletzt die Eltern von Soldaten der Waffen-SS verlangten nach einem geistlichen Beistand für ihre Söhne, wenn diese schwer verletzt im Lazarett lagen – eine Forderung, die auch der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz Bertram aufnahm120. Als Georg Werthmann eine Anfrage aus dem SS-Führungshauptamt wegen der Einberufung eines katholischen Feldgeistlichen zur Waffen-SS bekam und sich daraufhin erkundigte, ob katholische Geistliche künftig als Divisionspfarrer zur Waffen-SS einberufen würden, antwortete man ihm, dass zwei katholische und drei evangelische Divisionspfarrer für die Seelsorge in der Waffen-SS vorgesehen seien121. Auch nach der Verfügung Himmlers, dass kein Angehöriger der SS mehr christlich bestattet werden dürfe, organisierten Kriegspfarrer die Begräbnisarbeiten in Feldlazaretten der SS. Eine statistische Erhebung in einer Kriegslazarettabteilung ergab, dass von den 104 jüngst vom Kriegspfarrer bestatteten Angehörigen der SS-Polizei-Division, 100 einer christlichen Konfession angehörten. Nur vier bezeichneten sich als „gottgläubig“ und bekannten sich damit zu ihrem Kirchenaustritt122. Der katholische Kriegspfarrer Franz Xaver Berger wurde sogar außerordentlicher Lazarettseelsorger bei einer SS-Totenkopf- und einer SS-Polizei-Division123. Ähnliches war von evangelischer Seite zu hören124. Bernhard Bauerle lobte noch nach dem Krieg: „Mein Dienst wurde nie abgelehnt, auch nicht von SSEinheiten“. Feindschaft und Gehässigkeit sei ihm von dieser Seite nie begegnet. Nur einmal habe ihm ein SS-Offizier bei einer Tasse Kaffee in aller Freundlichkeit erklärt, dass ihm doch klar sein müsse, „dass, wenn jetzt die Juden liquidiert würden, nach dem Krieg als erste wir Pfarrer drankämen“. 118 119 120 121 122 123 124

Seelsorgebericht Franz Xaver Bergers (1. 7.–30. 9. 1941) vom 4. 1. 1942 (AKMB, SW 112). Vgl. Notiz Georg Werthmanns vom 24. 6. 1945 (AKMB, SW 87). Ebd. Vgl. Notiz Georg Werthmanns vom 9. 10. 1944, ebd. Vgl. Seelsorgebericht Franz Xaver Bergers (1. 1.–31. 3. 1942) vom 4. 1. 1942 (AKMB, SW 112). „Franz Xaver Berger“ (AKMB, SW 111). Vgl. den Seelsorgebericht Wilhelm Petzinnas (1. 4.–30. 9. 1942) vom 4. 10. 1942 (LKA Stuttgart, NL Bauerle, Nr. 6); KT Beyer, 2. 11. 1942 (Privatbesitz, Transkript Garbe, 519).

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Aus der Fassung brachte ihn diese Ankündigung nicht. „Wir haben daraufhin kameradschaftlich mit unseren Kaffeetassen angestossen auf unser gegenseitiges Wohl“, heißt es in seinem Bericht125. Doch die Rolle der Kriegspfarrer reichte über die des Erfüllungsgehilfen militärischer Erziehungsziele und kirchlicher Missionsabsichten hinaus. Im Idealfall hielten ihn sowohl die Offiziere als auch die Mannschaften für ihren Verbündeten. Kurz nach Kriegsende resümierte Werthmann: „Die Offiziere sahen in dem Pfarrer einen Helfer bei ihrer oft so schweren Aufgabe der inneren Führung ihrer Truppe, und der Landser blickte vielfach zu seinem Divisionspfarrer auf in der stillen Hoffnung, in ihm einen geheimen Verbündeten zu sehen in seiner eigenen Ablehnung des politischen Systems.“126 Der Kriegspfarrer war derjenige, der Gegensätze ausglich, in Konflikten vermittelte, Ängste beruhigte, Sterben und Leiden mit religiösem Sinn versah. In diesem Kontext war er auch angewiesen, für die Verbindung mit der Heimat zu sorgen oder „die Heimat an die Front“ zu bringen127. Die Erinnerung an die Heimat sollte den Soldaten trösten und beruhigen und ihn im Glauben an die Sinnhaftigkeit seines Kampfes bestärken. Die Soldaten sollten nicht glauben, dass ihnen von der Heimat abermals ein „Dolchstoß“ drohe128. Die wohl wichtigste Mitteilung, die der katholische Feldgeneralvikar Georg Werthmann auf einem Frontlehrgang 1944 seinen Kriegspfarrern zu machen hatte, war: „Aber die Front möge auch beruhigt sein wegen der Heimat. Sie versage nicht.“129 Der katholische Wehrmachtpfarrer Anton Vögtle nahm den Auftrag die „Heimat an der Front“ zu vermitteln sehr wörtlich, indem er half, eine Bunkerstellung mit Heimatbildern auszuschmücken. In seinem Seelsorgebericht schrieb er: „Ideelle Anregungen möglichst beseeltes Ausstattungsmaterial zu nehmen, insbesondere auch noch Ansichten heimatlicher Landschaften und Frühlingsbilder, um so das Bild der Heimat, für die wir kämpfen, recht lebendig um [uns] zu haben, wurden dankbar angenommen, von mir auch mit sachlichen Beihilfen unterstützt (Spruchkarten, echte Photos von Mädchen- und Mutter- und Kindmotiven, Dörfern und Landschaften).“130

Auch die konfessionellen Gottesdienste standen im Dienst dieser Aufgabe. Sie sollten eine Art übernatürlicher Verbindung zwischen Front und Heimat schaffen. 125 Bernhard Bauerle: Aus dem Erleben eines Armeepfarrers im Westen und im Russlandfeldzug (LKA Stuttgart, NL Bauerle, Nr. 1, Bl. 20 f.). 126 Notiz Georg Werthmanns vom 30. 6. 1945 (AKMB, SW/A, 1). 127 Schreiben Anton Ullrichs an Conrad Gröber vom 19. 9. 1943 (EA Freiburg, Nb8/6). 128 Pressel legt dar, dass es der protestantische Berliner Domprediger Bruno Doehring war, der die Dolchstoßlegende als erster ausformulierte. Vgl. Pressel, Kriegspredigt, 305 f. 129 Tagebucheintrag Georg Werthmanns vom 18. 6. 1941 (AKMB, SW 152). 130 Seelsorgebericht Anton Vögtles (1. 1.–31. 3. 1942) vom 1. 4. 1942 (UA Freiburg, C103/4).

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Rollenbeschreibungen „Wir denken immer daran, daß wohl in der gleichen Stunde des Sonntags unsere Lieben zuhause, wie wir, um den Altar stehen und wir so in Gott zutiefst verbunden sind. Da packt uns freilich mitunter ein gewaltiges Sehnen, die Glocken unserer Heimat läuten zu hören, die nun leider auch vielfach verstummt sind. Wir sind uns dann einig, das Läuten von unseren Heimatglocken und unseres Heimatglaubens nicht vergessen zu wollen, wir wollen es noch hören aus dem Donner der Geschütze, in die sie eingeschmolzen sind.“131

Besonders an den Weihnachtstagen verstanden es Kriegspfarrer die Heimat an der Front spürbar werden zu lassen, denn da war die Sehnsucht unter den Soldaten nach dem Zuhause am größten. Kriegspfarrer Stelzenberger feierte an Weihnachten 1943 sogar eine mitternächtliche Christmette nach bayerischer Tradition132. Zuweilen wurde eine gleichsam metaphysische, christliche Volksgemeinschaft suggeriert, die im gemeinsamen Beten von Heimat und Front geschaffen wurde. In einem Rundschreiben der Kirchlichen Kriegshilfe von 1941 an die katholischen Soldaten hieß es: „So wie die Spitzen- und Vorausabteilungen immer wieder Verbindung mit den rückwärtigen Einheiten aufnehmen müssen, so darf auch bei uns Streitern Christi nicht die Verbindung mit den Beterkompanien in der Heimat abreißen.“133

Zur Heimatvermittlung gehörte es auch, dass Kriegspfarrer einen regen Briefwechsel zwischen den Angehörigen verwundeter oder gefallener Soldaten pflegten134. Kriegspfarrer – so lässt sich zusammenfassen – waren zuständig für alles, was den Soldaten problematisch wurde. Sie ebneten Konflikte zwischen Hierarchien ebenso wie den Übergang vom Leben zum Tod, beantworteten Fragen nach dem Sinn des Lebens und Sterbens im Feld oder verteilten einfach nur Schokolade und Zigaretten unter den Verwundeten135. Dabei ging es letztlich immer um die Gewährleistung des „Menschlichen“ an der Front136. Der Kriegspfarrer war gleichsam das Symbol des emotionalen Zusammenhaltes der Truppe. Als Idealbild des Kameraden inmitten einer Männergesellschaft, die geprägt war von Gewalt, Einsamkeit, Egoismus und Demü131 Schreiben Leopold Ellners an Michael von Faulhaber vom 14. 7. 1942 (EAM, NL Faulhaber, Nr. 6796/1). 132 Vgl. das Schreiben Johannes Stelzenbergers an Michael von Faulhaber vom 18. 12. 1943 (EAM, NL Faulhaber, Nr. 6797/1). 133 Rundschreiben der Kirchlichen Kriegshilfe an katholische Soldaten an der Front „am Fest der Wundmale des Armen von Assisi“ [17. 9] 1941 (ADCV Freiburg, 370.17.030). 134 Vgl. unten 91, 104–106. 135 Vgl. „Auszüge aus Zuschriften von Offizieren, Unteroffizieren und Mannschaften des Artillerieregiments … zu dem Thema: ,Was erwartet die Front von der Seelsorge im Felde?‘“ (LAELKB N rnberg, LKR 2534). 136 Seelsorgebericht Gerhard Großmanns (1. 10.–31. 12. 1942) vom 10. 1. 1943 (LKA Stuttgart, NL Bauerle, Nr. 6).

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tigungen, stand er für eine ewige, friedliche Weltordnung, eine „Communitas“, in deren Namen er Brücken zwischen den Gegensätzen baute137. Der katholische Kriegspfarrer Josef Perau war noch 50 Jahre nach dem Krieg überzeugt, dass die Kriegspfarrer den Krieg gegen die Sowjetunion „menschlicher“ gemacht hätten, denn diese hätten dafür gesorgt, dass die Verbandsplätze und Friedhöfe der Deutschen „nicht Schutthalden wurden von vom Krieg verbrauchten Menschenmaterial“ und dass in jedem Menschen, der dort gelegen habe, das Bild Gottes geachtet worden sei.138 Der Kriegspfarrer vermittelte das Gefühl, innerhalb einer christlichen und insofern moralisch guten Gemeinschaft zu leben.

137 Thomas Kühne leitet den „Kameradschaftsmythos“ aus der kollektiven Erinnerung an den Ersten Weltkrieg ab. Danach galt die Schützengrabengemeinschaft als Nische in der Kälte des technisierten Massenvernichtungskrieges, als Inbegriff der Geborgenheit einer Gemeinschaft gleichrangiger Männer, bei denen zivilgesellschaftliche Unterschiede keine Rolle mehr spielten. Die Soldaten, so Kühne, suchten im Zweiten Weltkrieg das Erlebnis dessen, was in der Zwischenkriegszeit in Erinnerung an den früheren Krieg diskursiv entfaltet und mythisch verklärt worden war.“ K hne, Gruppenkohäsion, 537, 541. 138 Interview Martin Thulls von der Katholischen Nachrichtenagentur mit Josef Perau vom 3. 8. 1989 (AKMB, NL Perau, 43).

5. Der soziale Raum des Krieges 5.1 Gottesdienste Das 394. Schützenregiment der 3. Panzerdivision1 war im Juli 1941 auf dem Weg von Smolensk nach Kiew. Zu diesem Zeitpunkt verzeichnete das Regiment hohe Verluste. Von den 61 Offizieren des Regiments waren bereits 57 tot oder verwundet, von den 26 Sanitätssoldaten war nur noch einer im Einsatz. In seinem Tagebuch schildert der Truppenarzt Hermann Türk, wie der Wehrmachtpfarrer Hans Wolfgang Heidland, sein Bataillon bei einem überkonfessionellen Feldgottesdienst in Kritschew aufrichtete: „Heute ist Feldgottesdienst. Gerne gehen wir hin. Ich freue mich direkt, als ich davon höre. Und manchen anderen ging es auch so. Das Lied vom guten Kameraden schnürte unsere Kehlen diesmal besonders. Heidland sprach vom Gebet und von der Stärke, die wir durch Gott bekommen. Von den letzten schweren Gefechten sprach er. Er schilderte das Erleben so, wie wir es wirklich erlebten. Ausserdem sagte er, dass unser Batl. in der Division als das beste der Div. bekannt ist, welches den grössten Schwung hat und dass wir stolz sein sollten auf unser Batl. Ja, das sind wir auch alle. Dann spielte die Reg.-Musik eine Stunde flotte Märsche. Die Bevölkerung kommt und staunt. Auch uns selbst kommt es komisch vor.“2

Gottesdienste wie der hier beschriebene Gemeinschaftsgottesdienst fanden zu Heldengedenktagen, Führergeburtstagen, Gefallenengedächtnistagen, zum Dank nach erfolgtem Einsatz, zur Sammlung vor dem Kampf oder zur Weihnachtszeit statt3. Im Ostkrieg wurde dem Gemeinschaftsgottesdienst eine besondere Bedeutung beigemessen4. Er wurde nach Absprache mit dem Truppenführer durch Divisions- Regiments- oder Standortbefehl bekanntgemacht und war insofern befohlener Dienst, von dem sich die Soldaten allerdings auf Wunsch befreien lassen konnten5. Kommandierungen zu Gottesdiensten durch den militärischen Vorgesetzten waren zwar widerrechtlich, 1 Das 394. Schützenregiment gehörte zur 3. Panzerdivision und war Teil der Heeresgruppe Mitte. Im Juli 1941 war die Division auf dem Weg von Smolensk nach Kiew, um sich von dort aus wieder nach Norden zu wenden und über Briansk und Tula am Angriff auf Moskau teilzunehmen. 2 Tagebucheintrag Hermann Türks vom 27. 7. 1941 (AAK Berlin, Kempowski Bio, 6250). 3 Vgl. den Bericht über den Frontlehrgang der Ev. Kriegspfarrer der 20. Gebirgs- Armee, Zeit: 23.–28. 11. 1942 in Lappland (BA-MA Freiburg, RW 12 I, Nr. 23). 4 Vgl. Karl Edelmann: Heeresgruppenpfarrerbesprechung am 7. 2. 1942 (BA-MA Freiburg, N 282, Nr. 13). 5 Merkblatt über Feldseelsorge vom 21. 8. 1939 (BA-MA Freiburg, RW 12 I, Nr. 2).

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aber durchaus üblich6. Katholische und evangelische Kriegspfarrer hielten sie abwechselnd in gegenseitigem Einvernehmen. Der Gemeinschaftsgottesdienst war klar strukturiert: „Lied, Schriftlesung, Predigt, Gebet für Führer, Volk und Vaterland, Segensgruss, Schlusslied.“ Auch die Beteiligung eines Musikkorps, „wenigstens eines Bläserquartetts“ zur Begleitung der Choräle war erwünscht, um das gemeinsame Singen zu erleichtern7. Hans-Wolfgang Heidland hatte seine Aufgabe gut gemacht. Der Truppenarzt gehörte zu der Gruppe von eher kirchenfernen Offizieren, die durch den Gemeinschaftsgottesdienst erreicht werden sollte und offenbar auch erreicht wurde. Türk gefiel es, dass der evangelische Kriegspfarrer Situation und Lebensgefühl seines Regiments anschaulich zu schildern wusste8. Genauso war es vom OKH gewollt und in den Kriegspfarrerlehrgängen, später in den Frontlehrgängen gelehrt worden. Die Soldatenpredigt sollte die Situation und Kriegslage, die Leistung der Truppe, ihre Aufgaben und Schwierigkeiten richtig darstellen. Dabei sollten die Kriegspfarrer den Soldaten in der Predigt in einer „durchaus männlichen und bei aller Gemütstiefe herben Wesensart“ gegenübertreten. Wer das nicht schaffe, so hieß es im OKH, beweise damit nur, dass er kein Einfühlungsvermögen besitze und die Tatsache übersehe, dass der Soldat draußen an seinem Kriegspfarrer eine Frömmigkeit erleben wolle, die seiner eigenen Wesensart entgegenkomme9. Nur in der „männlich herben Wesensart“ konnte der Pfarrer also in „inneren Kontakt“ zu seiner Truppe treten. War dies gelungen, sollte er „religiöses Leben schaffen“, das sich positiv auf die Haltung der Soldaten im Kampf auswirkte. Die christlichen Glaubenswahrheiten – so hieß es – könnten den Soldaten „Erhebendes“ und „Lebensgesättigtes“ vermitteln10. Wehrmachtdekan Ernst Schieber, der auf den Kriegspfarrerlehrgängen vor evangelischen Kriegspfarreranwärtern über „die Soldatenpredigt im Krieg“ referierte, formulierte das so: „Es gilt allein der kirchliche, göttliche unabänderliche Auftrag der Verkündigung des Evangeliums. Aber wir sind überzeugt, daß wir gerade damit unseren Soldaten und dem Volk in seinem Daseinskampf den besten Dienst erweisen, da aus der Verkündigung und Aufnahme des göttlichen Wortes diejenige innere Haltung folgt, auf die sich der Führer der Truppe unbedingt verlassen kann, und da auf 6 Vgl. Rçw, Militärseelsorge, 174. 7 Bericht über den Frontlehrgang der Ev. Kriegspfarrer der 20. Gebirgs- Armee, 23.–28. 11. 1942 in Lappland (BA-MA Freiburg, RW 12 I, 23). 8 Für den katholischen Bereich vgl. Rçw, Militärseelsorge, 343. 9 „Die Soldatenpredigt im Kriege“. Anhang zum „Lehrplan für Kriegspfarrer-Lehrgänge im Feldheer“ in der Anordnung des OKH über „Frontlehrgänge für Kriegspfarrer“ (AKMB, SW 152). 10 Schreiben des OKH an die Heeresgruppenpfarrer bei den Heeresgruppen Nord, Mitte, Süd und D über die Zusammenstellung der bei den Frontlehrgängen zu berücksichtigenden Gesichtspunkte vom 9. 3. 1942 (AKMB, SW 152).

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Der soziale Raum des Krieges diese Weise ein wesentlicher Beitrag zur Stärkung der Kampfkraft der Truppe geleistet wird.“11

Man versprach sich vom Gemeinschaftsgottesdienst, dass dieser das Zusammengehörigkeitsgefühl der Truppe stärkte. Hier standen Menschen ohne alle hierarchischen und konfessionellen Unterschiede nebeneinander und bekräftigten den Bezug auf ihren gemeinsamen Gott. Im Gemeinschaftsgottesdienst werde der „tiefste Zusammenhalt der menschlichen Gemeinschaft“ sichtbar und erlebbar, schrieb der evangelische Divsionspfarrer Herbert Krimm12. Die katholischen Kriegspfarrer dagegen hielten die Gemeinschaftsgottesdienste für eine protestantische Angelegenheit, die im tiefen Widerspruch zum eigenen katholischen Gottesdienstverständnis stand. Man unterstellte dem traditionell überwiegend protestantischen Offizierskorps, dass es die historische Orientierung des preußischen Heeres auf den Protestantismus in den Gemeinschaftsgottesdiensten fortsetzen wolle13. Im Gemeinschaftsgottesdienst zeige sich die enge Verknüpfung von Staat und Kirche, die den Protestantismus in Deutschland lange Zeit charakterisiert habe, hieß es bei den katholischen Kritikern. Eine ausführliche Beschreibung eines Gemeinschaftsgottesdienstes aus katholischer Sicht findet sich in der Tagebuchpublikation des Priestersoldaten Josef Zimmerl, der als Sanitäter bei einer SS-Polizeidivision im Raum Leningrad tätig war: „– auf Befehl eines Generals geht jetzt ein ökumenischer ,militärischer Gemeinschaftsgottesdienst‘ – buchstäblich über die Bühne. Der General, der ihn angeordnet hat, ist weder katholisch noch evangelisch, hält sich aber trotzdem für einen ,guten Christen‘. – ,Die Bühne‘: Auf dem Podium steht ein Tisch mit Kreuz, zwei brennende Kerzen und Tannenreisig in Vasen. Der Tisch ist bedeckt mit einer roten alten Kriegsflagge. Die Wand dahinter schmückt eine große Kriegsfahne mit dem Hakenkreuz, sie ist von einem Scheinwerfer angestrahlt. Links und rechts flankieren den Tisch je eine Gewehrpyramide und je ein Tannenbaum – im Naturgewand. In meine Betrachtung hinein erschallt plötzlich das Kommando: ,Unteroffiziere und Mannschaften, Achtung!‘ Alle springen auf und stehen stramm. Der General betritt den Saal und geht grüßend durch die Reihen zu seinem ,Ehrensitz‘. Der katholische Kriegspfarrer betritt das Podium. Die Militärkapelle spielt das bayrische Militärgebet: Anbetung, Dank, Bitte und Hingabe bringen die Musiker in ihrem Spiel fein zum Ausdruck. Es folgt das Lied ,Unserer Brüder denken wir‘ von allen gesungen, begleitet von der Musik. Der katholische 11 Ernst Schieber: „Die Soldatenpredigt im Kriege“. Aus der Niederschrift eines Vortrages, gehalten beim Lehrgang für Kriegspfarreranwärter in Berlin (EZA Berlin, 704/27). 12 Herbert Krimm: Die Bedeutung der Kirche für den Einzelnen und für das Volk. Kasernenstunde vom 23. 4. 1942 (UA Heidelberg, Rep. 17/29). 13 Das Verhältnis von Protestanten und Katholiken im Offizierkorps betrug 4:1. Vgl. Hartmann, Wehrmacht, 150.

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Pfarrer trägt die Epistel vor, genommen aus einem Paulusbrief, und tritt dann ab. Jetzt betritt der evangelische Kriegspfarrer die Bühne und beginnt zu lesen: ,Wir hören das Wort Gottes nach Johannes … Größere Liebe hat niemand, denn die ist, daß jemand sein Leben einsetzt für seine Brüder …‘ In der Ansprache sagt er unter anderem auch: ,So schrecklich und erschütternd auch das Sein des Krieges ist, er hat eine innere Seite, gleichsam eine Seele, die da ist der Aufruf zum Einsatz des Höchsten, das ein Mensch wagen und geben kann, zum Einsatz seines Lebens. Daß gerade der Krieg dazu aufruft, ist eine Ehre … Größere Liebe … Wir können dieses Wort nicht aussprechen, ohne an den zu denken, der es gesprochen hat. Christus der Herr … Er ist der Sieger über den Tod! Den Tod braucht nicht zu fürchten wer in Gemeinschaft lebt mit dem, der den Tod überwand, da Er sich für uns hingegeben … Es hängt viel davon ab, ja das ewige Heil, ob einer glaubt, an das dunkle Schicksal oder glaubt an Gott, den Vater …‘ Der Pfarrer schließt seine Predigt mit dem Gedicht eines im Juni 1940 südlich der Somme gefallenen Soldaten: in dem die Kraft zum mutigen Sterben, aus dem Glauben an den Sieg Christi sichtbar wird. – Wir singen das Lied vom guten Kameraden. – Der katholische Pfarrer spricht ein Gebet für die Gefallenen, für Führer und Heer. Stehend hören wir, wie er für uns alle das Vater unser betet. Mit dem Lied: ,Herr, meine Seele, harre des Herrn‘, schließt die Feier.“14

In dieser Beschreibung wird deutlich, dass in Gemeinschaftsgottesdiensten die Symbole alter Militärtradition (Kriegsflagge) und die des Nationalsozialismus (Hakenkreuzfahne) nebeneinander stehen konnten, ohne dass dies als Widerspruch empfunden wurde. „Hier draußen vereint sich soviel Unvereinbares. Es wird kaum mehr empfunden, man steht irgendwie darüber“, kommentierte Josef Perau ein Photo von einem Gemeinschaftsgottesdienst, auf dem eine Hakenkreuzfahne den Altar dekorierte15. In einem unveröffentlichten Kommentar zu diesem Foto hieß es: „Daraus ergaben sich dann Bilder wie das vorliegende, die sehr eindringlich die unlösbare Spannung verdeutlichen in die wir uns gestellt sahen, und den schmalen Grat, auf dem wir schritten. Es ging immer darum, die kleine Herde der Gläubigen zu erreichen.“16 14 Zimmerl, Geschichte, 51. 15 Perau, Priester 74. 16 Der ganze Kommentar Peraus unter dem Foto des Altars, der mit einer Hakenkreuzflagge geschmückt war, lautete: „Predigt beim überkonfessionellen Feldgottesdienst in Dobrosielle am 28. 6. 42. Die Einheiten traten zu einer solchen Veranstaltung in voller Uniform, manchmal mit Stahlhelm an. Deshalb trug man auch als Pfarrer Koppel, Mütze und Handschuhe. In meiner Hand sieht man das N. T. und das „Kirchengebet“. Wir stellten immer ein Wort der Schrift in die Mitte der Feier, sprachen das Vaterunser, einen Psalm und sangen einige beiden Konfessionen gemeinsame Lieder. Gerade Einheiten, die die Feier besonders gut vorbereiten wollten, hatten manchmal ihre Fahne über den Altar gelegt. Das bedeutet nicht, daß sie besonders nationalsozialistisch eingestellt waren. Es fehlte ihnen eben ein anderer Dekorationsstoff. Es schien uns klug, beide Augen zuzudrücken und kein Wort darüber zu verlieren. Daraus ergaben sich dann

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Protestanten standen in der Regel dem Gemeinschaftsgottesdienst positiver gegenüber als Katholiken17. Wo eine Truppe in gemeinsamen Kämpfen und Märschen zu einer inneren Einheit zusammen gewachsen sei, so ein evangelischer Divisionspfarrer in seinem Tätigkeitsbericht über die Zeit seines Russlandeinsatzes, könne die gemeinsame Erhebung ihrer Herzen zu Gott nur in der Form eines gemeinsamen Feldgottesdienstes ihren Ausdruck finden. „Er ist und bleibt das stärkste Erlebnis unter den Feierstunden des Soldaten.“18 Dagegen war es seinem katholischen Pendant bei der Division viel wichtiger, allen katholischen Soldaten unmittelbar vor dem Angriff in vorderster Stellung die Generalabsolution und die heilige Kommunion zu erteilen. Dafür sei ihm die Truppe besonders dankbar, berichtete Kriegspfarrer Bernhard Dähn. Die katholischen Soldaten gingen ruhiger und gelassener in den Kampf. So habe die Seelsorge ihren Zweck schon voll und ganz erfüllt und die Frage nach ihrer Existenzberechtigung stelle sich gar nicht mehr19. Für den evangelischen Pfarrer lag der Schwerpunkt des Gottesdienstes auf der Predigt. Für katholische Geistliche hatte der Gemeinschaftsgottesdienst nichts mit einer echten katholischen Messe zu tun, die erst von der Eucharistie, d. h. vom Abendmahl aus, ihre Bedeutung gewinnt und den Kommunikanten in den Vollzug des Christusopfers einbezieht20. Aus katholischer Sicht ließ sich die Messe unter keinen Umständen in einen überkonfessionellen Feldgottesdienst integrieren. Deshalb sollte sich an jeden überkonfessionellen Gottesdienst, der von einem katholischen Kriegspfarrer gehalten wurde, eine Heilige Messe für die katholischen Soldaten anschließen21. Wer den Soldaten im Gottesdienst die Erinnerung an die Heimat näher bringen wollte, wie das OKH es von den Geistlichen forderte, durfte aus der Perspektive der katholischen Kriegspfarrer gerade keinen Gemeinschaftsgottesdienst halten. „Auf Konferenzen hab ich für Militärgottesdienste stets die Auffassung vertreten: Unsere Gottesdienste sollen den Männern ein Stück Heimat bringen u. müssen deswegen auch in der daheim gewohnten Art u. Weise durchgeführt werden“, schrieb Wehrmachtpfarrer Anton Ullrich an Bischof Gröber22.

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Bilder wie das vorliegende, die sehr eindringlich die unlösbare Spannung verdeutlichen, in die wir uns gestellt sahen, und den schmalen Grat, auf dem wir schritten. Es ging immer darum, die kleine Herde der Gläubigen zu erreichen. Über der Hakenkreuzfahne sieht man schon das Altartuch gebreitet und alles für die nachfolgende Meßfeier bereitgestellt.“ (AKMB, NL Josef Perau, Nr. 3, Bild 199). Vgl. Rçw, Militärseelsorge, 169. Tätigkeitsbericht Herbert Wuttges vom 4. 12. 1941 (BA-MA Freiburg, RH26/239, Nr. 38). Vgl. den Tätigkeitsbericht Bernhard Dähns (1. 7.–30. 9. 1941) vom 19. 11. 1941, ebd. Vgl. Peters, Abendmahl, 143. Vgl. den Erfahrungsbericht des Dienstaufsichtführenden katholischen Kriegspfarrers beim Militärbefehlshaber im Generalgouvernement über den Frontlehrgang der katholischen Kriegspfarrer im Generalgouvernement vom 30. 4. 1942 (AKMB, SW 152). Schreiben Anton Ullrichs an Conrad Gröber vom 19. 9. 1943 (EA Freiburg, Nb8/6).

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Gemeinschaftsgottesdienst im Feld mit Kriegspfarrer Josef Perau, Dobrosielle (Russland), 28. 6. 1942 (AKMB, NL Josef Perau, 2/431, D35).

An den Gemeinschaftsgottesdienst anschließende Hl. katholische Messe im Feld mit Kriegspfarrer Josef Perau, Dobrosielle (Russland), 28. 6. 1942, (AKMB, NL Perau, 2/ 431, D36).

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Evangelische Pfarrer sahen dadurch den Gemeinschaftsgottesdienst entwertet. Die an den Gemeinschaftsgottesdienst angehängte katholische Messe lasse den Eindruck entstehen, als käme die Hauptsache erst noch, hieß es von dieser Seite23. Auch sei der katholische Kriegspfarrer oftmals gar nicht bereit, den Feldgottesdienst für beide Konfessionen zu halten24. Den evangelischen Divisionspfarrer Ernst Ufer ärgerte es, dass er und sein katholischer Kollege sich bei den Gottesdiensten nicht gegenseitig vertreten konnten. Weil Katholiken nur die Feier der Heiligen Messe interessiere, müssten die Kriegspfarrer überall zu zweit „aufkreuzen“25. Er monierte, dass katholische Kriegspfarrer weitaus unflexibler seien als evangelische. Während er sich mit Tee zum Abendmahl begnüge, könne der katholische Kollege nur mit naturreinem Wein die Messe lesen. Anders als der evangelische Kriegspfarrer sei der katholische viel mehr auf äußere Umstände angewiesen, so könne er keine Messe im Freien halten, wenn es regne oder wenn er kein Messgewand habe26. Konflikte zwischen katholischen und evangelischen Kriegspfarrern entzündeten sich meistens am Gemeinschaftsgottesdienst. Befohlene Gemeinschaftsgottesdienste seien nicht geeignet gewesen, die Begegnung mit dem anderen in den selbstverständlichen und notwendigen Lebensaufgaben des Alltags ernst zu nehmen, notierte Werthmann kurz nach Kriegsende27. Am 8. August 1941 vermerkte der katholische Kriegspfarrer Johannes Stelzenberger in seinem Tagebuch, dass seine Einheit im Schlamm stecken geblieben sei. Seine wahre Sorge aber galt einer neuen Verordnung über „sogenannte Feldgottesdienste“, die in Einsatzzeiten ausschließlich überkonfessionelle Gottesdienste zuließ. „Das ist eine Gewissensknechtung sondergleichen“, empörte er sich, „Der kath[olische]. Soldat muss es sich gefallen lassen, einen ihm ganz fremden Geistlichen anzuhören. Umgekehrt auch der evangelische. Man hat jede Ehrfurcht vor dem religiösen verloren.“28 Zwei Tage später schrieb er: „Wer für die konfessionelle Wehrmachts-Seelsorge eintritt – und jeder überzeugte Katholik muss das tun, sonst ist er ein Feigling – erlebt sehr schwere Stunden und viele Kränkungen.“29 Legte ein evangelischer Kriegspfarrer von sich aus das Gewicht seiner Arbeit auf Gemeinschaftsgottesdienste, verstand das sein katholischer Kollege

23 Vgl. das Schreiben des evangelischen Armeepfarrers beim AOK 16 an die evangelischen Kriegspfarrer im Bereich der 16. Armee am 17. 10. 1941 (LKA Stuttgart, NL Bauerle, Nr. 6). 24 Vgl. den Seelsorgebericht Alfred Busses (1. 10.–31. 12. 1942) vom 31. 12. 1942 (LKA Stuttgart, NL Bauerle, Nr. 6). 25 Ufer, Männer,127. 26 Ebd., 261 27 Vgl. die Notiz Georg Werthmanns vom 9. 6. 1945 (AKMB, SW 82). 28 Tagebucheintrag Johannes Stelzenbergers vom 8. 8. 1941 (AKMB, SW 838). 29 Tagebucheintrag Johannes Stelzenbergers vom 10. 8. 1941, ebd.

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als mutwilligen Einbruch in seinen Kompetenzbereich und sah sich gezwungen, dagegen einzuschreiten30. Katholische Kriegspfarrer glaubten, dass evangelische Soldaten kaum freiwillig in einen evangelischen Feldgottesdienst kommen würden und evangelische Pfarrer schon deshalb „befohlene“ Gemeinschaftsgottesdienste bevorzugten31. Eine Sicht, die auch von evangelischer Seite bestätigt wurde. In einem geheimen Bericht unter dem Titel „Der deutsche Soldat im Osten nach dem zweiten Kriegswinter und unser Auftrag“ schrieb der evangelische Divisionspfarrer Hans Mühle, der katholische Soldat sei durchweg kirchengebundener und komme treuer zu seinen Gottesdiensten als der evangelische. Katholiken seien abhängiger von ihrer Kirche und legten deshalb großes Gewicht darauf, vor einem Angriff noch die Absolution zu empfangen32. Die Anhänger des Gemeinschaftsgottesdienstes unter den Kriegspfarrern fanden sich vor allem unter den freikirchlichen Pfarrern wie dem Bremer Pfarrer Ulrich von Hasselbach, denen es um den Abbau von konfessionellen Grenzen innerhalb der protestantischen Kirchen ging, von Vertretern der Deutschen Christen, die Christentum und Nationalsozialismus miteinander vereinbaren wollten oder Vertretern einer neulutherischen völkischen Theologie wie Hermann Wolfgang Beyer, die ihr Ideal von einer Volkskirche in der Wehrmacht zu verwirklichen suchten. Von Hasselbach ging es primär um die „unerschütterliche Siegeszuversicht“ und den „unbeugsamen Siegeswillen“, die der Pfarrer zu verbreiten habe. Er behauptete, dass sich ein allgemeiner Widerwille gegen jede konfessionelle Teilung bei den Soldaten beobachten lasse, und dass die Truppe ausschließlich überkonfessionelle Gottesdienste begehre33. Die Vertreter der Gemeinschaftsgottesdienste argumentierten mit dem Hinweis auf die Masse der Soldaten, die keinen inneren Bezug zu Kirche und Christentum habe und die durch einen konfessionsgebundenen Gottesdienst nicht mehr zu erreichen seien. „Dem Wundermanne, auch dem des Osterwunders der leiblichen Auferstehung, glauben sie nicht und können sie von ihrer geistigen Wirklichkeit aus nicht glauben“, notierte Beyer in seinem Tagebuch. Da wo manche Prediger mit Bekennermiene ihr Punktum hinsetzten, fange die eigentliche Aufgabe seiner Verkündigung erst an34. Auf einem

30 Vgl. die Notiz Georg Werthmanns vom 28. 6. 1945 (AKMB, SW 80). 31 „Wer den Wunsch dazu hat, ist von solchen Feiern zu befreien; denn die religiöse Betreuung muß für den einzelnen eine freiwillige sein.“ In: Merkblatt über Feldseelsorge vom 21. 8. 1939 (BA-MA Freiburg, RW 12 I, Nr. 2); vgl. die Notiz Georg Werthmanns vom 1. 6. 1945 (AKMB, SW 82). 32 Vgl. das Referat Hans Mühles „Der deutsche Soldat im Osten nach dem zweiten Kriegswinter und unser Auftrag“ auf der Dienstbesprechung der ev. Kriegspfarrer der 6. Armee am 13. 4. 1942 (BA-MA Freiburg, N 241, Nr. 42). 33 Vgl. den Tätigkeitsbericht Ulrich von Hasselbachs (1.7. bis zum 30.9. 1943) (EZA 704/45). 34 Vgl. KT Beyer, 11. 4. 1942 (Privatbesitz, Transkript Garbe, 394).

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Frontlehrgang für evangelische Kriegspfarrer in Charkow im April 1942 erklärte er: „Ich kann aber beim Feldgottesdienst auch nicht einfach die Sonntagsperikope hernehmen und auslegen. Für eine anständige und gründliche Exegese fehlen alle Voraussetzungen, angefangen bei der dafür zur Verfügung stehenden Zeit. Wenn ich drei- oder viermal, selten öfter in einem Jahr bei der gleichen Truppe Gottesdienst halten kann, darf ich die Textwahl nicht an die Zufälligkeit des für den nächstliegenden Sonntag festgesetzten Bibelabschnittes binden, sondern muß sie von einem in sich sinnvollen Zusammenhang her und von der Lagebeurteilung, von der ich sprach, aus aufbauen. Das Bibelwort, das ich wähle, muß Inhalt der Predigt und Leitspruch des Soldaten für die kommenden Wochen zugleich sein. Darum ist in dieser Hinsicht die Feldagende für den Truppengottesdienst nicht brauchbar, wie es auch die uns zugesandten Predigtmeditationen, so fein und theologisch tief sie auch an sich sein mögen, für diesen Zweck nicht sind.“35

Die Kritik Beyers an der „katholischen Ausrichtung“ der Wehrmachtseelsorge, traf auch die Anhänger der Bekennenden Kirche. In Beyers Augen vertraten diese die Belange ihrer Kirche, während die Vertreter des Gemeinschaftsgottesdienstes die Belange des deutschen Volkes vertraten36. Tatsächlich versuchten Anhänger der Bekennenden Kirche wie auch die Katholiken in ihren Gottesdiensten ihre konfessionelle Identität zu bewahren. Ihnen ging es um die Stärkung der kirchlichen Identität ihrer Soldaten innerhalb eines kirchenfremden sozialen Umfeldes37. Der evangelische Wehrmachtdekan Ernst Schieber betonte in seinen Vorträgen auf den Kriegspfarrerlehrgängen, dass die Soldaten in „religiösen Dingen am liebsten in der Sprache ihrer Kindheit und Heimat“ angesprochen werden wollten. Die evangelische Feldagende lege deshalb Wert auf den Zusammenhang mit der kirchlichen Ordnung der Heimat, dem Kirchenjahr, der Gottesdienstordnung und der Text- und Perikopenreihe38. Wer mit den Inhalten und Ritualen der hergebrachten Gottesdienste nichts anfangen konnte, blieb davon ausgeschlossen. „Ich predige Jesus Christus, punktum“, erklärte der BK-nahe Kriegspfarrer Hans-Wolfgang Heidland auf einem Frontlehrgang in Charkow Anfang April 194239. Doch auch unter evangelischen Kriegspfarrern der Bekennenden Kirche mochte man sich keine allzu große Weltferne leisten. So kritisierte Ernst Ufer 35 KT Beyer, 11. 4. 1942 (Privatbesitz, Transkript Garbe, 390 f.). 36 Vgl. ebd., 388. 37 Vgl. den Bericht über den Frontlehrgang der Evangelischen Kriegspfarrer der 20. GebirgsArmee, Zeit: 23.–28. 11. 1942 in Lappland (BA-MA Freiburg, RW 12 I, 23). 38 Vgl. „Die Soldatenpredigt im Kriege“. Aus der Niederschrift eines Vortrags, gehalten beim Lehrgang für Kriegspfarreranwärter in Berlin von Wehrmachtdekan Schieber o. D. [vermutlich auf allen 10 Kriegspfarrerlehrgängen zwischen Dezember 1940 und April 1942 gehalten] (BAMA Freiburg, N 292, 13). 39 KT Beyer, 5. 4. 1942 (Privatbesitz, Transkript Garbe, 394).

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die Predigthilfen, die ihm aus der württembergischen Landeskirche zugegangen waren40. Diese Predigttexte – so meinte er – eigneten sich nicht für die jeweilige Situation, in der die Soldatenpredigt in Russland zu halten sei41. Auch kritisierte Ufer die Absicht seines Armeepfarrers vor dem Hintergrund der Abschaffung des Bußtages in Deutschland den Kriegspfarrern „Bußpredigten“ vorzuschreiben. In seinen nach dem Krieg publizierten Aufzeichnungen hieß es: „Die Tatsache ist erfreulich, daß im Unterschied zur Soldatenseelsorge vergangener Zeiten, die sich vereinzelt an der Glorifizierung unseres Vaterlandes beteiligte, in dem Sinne, daß am deutschen Wesen die Welt genesen soll, die Kriegspfarrer dieses Krieges amtlich aufgerufen werden, anders von unserem Land zu sprechen, in dem Sinne, daß es ein Land ist, das zur Buße gerufen werden muß. Aber vor Soldaten, die persönlich vor dem Letztem stehen, ein Land zur Buße zu rufen, das ist nicht die richtige Plattform für deinen Ruf.“42

Ufer zeigte sich befremdet über das, was evangelische Theologen in der Heimat beschäftigte: „Bultmanns kleine Schrift über die ,Entmythologisierung des biblischen Weltbildes‘ bewegt z. Z. die Theologenköpfe in der Heimat“, schrieb er. Doch die Frage, die Köpfe und Herzen der Soldaten an der Front bewege, sei weniger die Frage nach dem ,Weltbild‘ der Bibel, sondern die nach der ,Weltliebe‘ Gottes. „Die Frage, die hier umtreibt, ist die: ,Wie kann Gott das alles zulassen?‘“43 Die Zusammenarbeit von evangelischen und katholischen Kriegspfarrern verlief in der Regel nur dann völlig reibungslos, wenn beide den konfessionellen Gottesdienst dem überkonfessionellen vorzogen44. Die Gottesdienste waren die wichtigste Aufgabe der Kriegspfarrer. An der Zahl der Gottesdienstbesucher maßen sie den Wert ihrer Arbeit45. Akribisch hielten ihre Tätigkeitsberichte fest, wie viele Gottesdienste in der Berichtzeit gehalten wurden. Katholiken hielten zudem die Zahl der Kommunikanten und die Zahl der Beichten fest. So wie etwa der katholische Wehrmachtpfarrer Josef Wassong, der in seinem Tagebuch am 27. August 1941 festhielt: „Mi., 27. 8. 41 Für Stab A. O. K. 9 u. die ganze I/9, R 9 ist 8.30 Uhr in Oliwez Gem[einschafts]. Gottesdienst durch mich (ca 300 Teiln[ehmer].), dann M[esse] 40 Auch der Kirchenhistoriker Siegfried Hermle kommt zu dem Schluss, dass die Predigthilfen, die seit Juli 1940 von der württembergischen Landeskirche wöchentlich in 2000 Exemplaren an die ausmarschierten Geistlichen verschiedener evangelischer Landeskirchen geschickt wurden, zwar bei ihren Empfängern auf positive Resonanz stießen, gleichzeitig aber ihre sehr eingeschränkte Brauchbarkeit für die Front moniert worden sei. Vgl. Hermle, Predigt, 142. 41 Vgl. Ufer, Männer, 209. 42 Ebd., 209. 43 Ebd., 301. 44 Vgl. den Seelsorgebericht Kunibert Pabstmanns (1. 10. 1942–31. 12. 1942) vom 1. 1. 1943 (AKMB, SW 112). 45 Vgl. Rçw, Militärseelsorge, 176.

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Der soziale Raum des Krieges auf 1 Wiese. 82 Teiln[ehmer]. 78 K[ommunionen]. – 10.30 Uhr für I/a R. 45 im Walde […] Gem. Gottesd[ienst]., dann hielt ich im Walde M[esse] mit 80 Teiln[ehmern]. u. 80 K[ommunionen]. Während meiner M[esse]. hält Pfr. G. stets Abendmahl u. zwar mit gr[oßem]. Erfolg. Ich lasse der M[esse] jetzt stets die Gen[eral]. Abs[olution]. vorausgehen, da für B[eichte] die Zeit fehlt. Immerhin ist es erhebend, daß solche Kommunionsziffern möglich sind, das habe ich im Westen nicht erlebt. Der Krieg im Osten hat die Soldaten doch tief gepackt.“46

Auch der katholische Wehrmachtpfarrer Johannes Opfermann notierte für jede seiner Messen die Zahl der Teilnehmer und der Kommunikanten. In seiner Zeit als Standortpfarrer in Riga zählte er bis zu 1300 Gottesdienstbesucher, von denen nur ein Teil die Kommunion empfing47.

Johannes Opfermann, o. J. (AKMB, SW 623).

Insgesamt schwankte die Zahl der Gottesdienstbesucher erheblich. Kriegspfarrer berichteten sowohl vom völligen Ausbleiben der Gottesdienstbesucher, als auch von hohen Zahlen. Bestimmend waren Faktoren wie Kriegslage, Standort, das Wohlwollen des jeweiligen Kommandeurs, der den Gottesdienst 46 Tagebucheintrag Josef Wassongs vom 28. 8. 1941 (AKMB, SW 901). 47 Vgl. den Tagebucheintrag Johannes Opfermanns vom 31. 5. 1942 (DAB V, 184).

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anzukündigen hatte, aber auch die Zusammensetzung der Mannschaften selbst, die aus mehr oder weniger kirchennahen Regionen stammen konnten. Insgesamt besuchten katholische Soldaten regelmäßiger und in höheren Zahlen die angebotenen konfessionellen Gottesdienste48. Offiziere waren und blieben die Hauptansprechpartner der Kriegspfarrer. Mit ihnen, den Kommandeuren, mussten sie reden, wenn es darum ging, Ort und Zeitpunkt ihrer Gottesdienste festzulegen. Unterließen diese es, den Gottesdienst rechtzeitig in ihrem Befehlsbereich bekannt zu geben, hatten die Kriegspfarrer ihre oftmals weiten Wege zu einer Kompanie vergeblich zurückgelegt. Auch wenn Kriegspfarrer in ihren Tätigkeitsberichten gern das gute Verhältnis zu den Offizieren betonten, war dies keine Selbstverständlichkeit. Als Gerhard Knapp einen Divisionspfarrer kennenlernte, notierte er: „Mich freute, daß Dietrich die besondere kirchliche Not im Umgang mit Offizieren nicht verschweigt“49. Während ihrer Gottesdienste ließen evangelische und katholische Kriegspfarrer die Mannschaftssoldaten und die Offiziere gesondert zählen. Blieben die Offiziere einem konfessionellen Gottesdienst fern, hatte das zur Folge, dass auch viele der ihnen untergeordneten Soldaten dem Gottesdienst fern blieben50. „Von den 4 im Lager liegenden K[om]p[anien]. erscheinen glücklich 2 Mann. Ich kann daher den Gottesd. gar nicht halten. Die Soldaten lungern alle draußen rum, saunieren, sonnen sich, spielen Karten usw. Die Hauptschuld gebe ich den Offizieren, die sich um die Gottesd. überhaupt nicht kümmern“, klagte der Divisionspfarrer Hans Kähler51. Die Missachtung der Offiziere für die Arbeit der Kriegspfarrer war nicht zuletzt deshalb so verletzend, weil die Kriegspfarrer mit den Offizieren formal auf der gleichen sozialen Stufe verkehrten. Traf Kähler einmal einen christlich eingestellten Offizier, hielt er dies sofort in seinem Tagebuch fest52. Je mehr Offiziere an einem Gottesdienst teilnahmen, umso mehr fühlte sich der Kriegspfarrer in seiner Arbeit geschätzt. Wenn Offiziere im Gottesdienst erwartet wurden, war dies Anlass für eine besonders gute Vorbereitung. „Die Trauerfeier für den Hpt. […] muß gut vorbereitet werden, damit ich mich vor den vielen Offiz. nicht blamiere, wer weiß, was alles kommt“, schrieb Hans Kähler53.

48 49 50 51 52 53

Vgl. Hermle, Predigt, 145. Tagebucheintrag Gerhard Knapps vom 24. 8. 1941 (LKA Stuttgart, D37, 1.2). Vgl. den Tagebucheintrag Hans Kählers vom 31. 12. 1942 (BA-MA Freiburg, MSG 2, 5867). Tagebucheintrag Hans Kählers vom 18. 7. 1943, ebd. Vgl. den Tagebucheintrag Hans Kählers vom 9. 2. 1944 (BA-MA Freiburg, MSG 2, 5867a). Tagebucheintrag Hans Kählers vom 2. 3. 1944, ebd.

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5.2 Lazarett Wer Kriegspfarrer wurde, arbeitete in der Regel zunächst in einem Lazarett, bevor er Divisionspfarrer werden konnte54. Anders als der Divisionspfarrer, der es mit Soldatenkollektiven zu tun hatte, begegnete der Lazarettpfarrer den Soldaten als Einzelnen, die persönlich und individuell betreut sein wollten55. Seelsorge im Lazarett benötigte Sensibilität, die sich kaum an Regeln oder Bibelworten orientieren konnte, sondern auf die Fähigkeit zur Empathie angewiesen war. Auf den Frontlehrgängen machte man den Kriegspfarrern deutlich, dass man von ihnen „jederzeit neue Einfühlung“ in den seelischen Zustand des Verwundeten erwartete. Der Lazarettpfarrer müsse Zeit haben, zuhören können und sich gebührend auf seinen Einsatz bei den Betreuten vorbereiten. Die Hauptaufgabe des Kriegspfarrers sei es, die verbreitete Scheu vor der „eigentlich geistlichen Betreuung“ zu überwinden56. Dahinter stand auch das Ziel der Mission, mit der man die Zuwendung des Soldaten zur Kirche für die Zeit nach dem Krieg zu sichern hoffte. Ein katholischer Kriegspfarrer schrieb in seinem Seelsorgebericht: „Wo er [der Verwundete] aber einen aufgeschlossenen Kriegspfarrer findet, der ein Herz für ihn hat, wird die Seelsorge ihre Wirkung nie verfehlen, sondern einen nachhaltigen Einfluss haben auf sein ganzes späteres Leben.“57 Die Mission an den Soldaten war allerdings ein Ziel, das man ungern allzu laut aussprach. Vielmehr sollten die Kriegspfarrer glaubhaft machen, dass sie keine eigenen Absichten verfolgten, außer der zu trösten und aufzurichten. Hatte man sich im Ersten Weltkrieg noch offen zu seinen Missionsabsichten bekannt, warnte jetzt der evangelische Theologieprofessor Martin Doerne – selbst Lazarettseelsorger – die Kriegspfarrer davor, das Lazarett primär als Gelegenheit zur Volksmission zu begreifen58. Krankenseelsorge müsse immer eine „parakletische“, d. h. eine tröstende und aufrichtende Seelsorge sein. Der Seelsorger solle den Mann nicht bekehren wollen, seine Situation nicht benützen, um ihn wieder für die Kirche zu gewinnen, sondern zu allererst helfen, so wie Christus den Leidenden geholfen habe. Doch am Ende bekannte er sich doch zur Aufgabe der Mission, indem er feststellte: „So ist in die eigentliche, die parakletische Aufgabe, zumeist auch ein Stück missionarischen – und wohl auch apologetischen Dienstes hinein54 Vgl. Rçw, Militärseelsorge, 386. 55 Vgl. den Tagebucheintrag Johannes Rudolphs vom 26. 8. 1941 (BA-MA Freiburg, MSG 2, 19328). 56 „Gesichtspunkte zu dem Vortrag bei Schulungen der Kriegspfarrer durch die Heeresgruppenpfarrer über das Thema: ,Erfahrungen und Aufgaben der Lazarettseelsorge‘.“ (AKMB, SW 152). 57 Seelsorgebericht des katholischen Kriegspfarrers Anton Ketterer vom 16. 5. 1943 (AKMB, SW 7). 58 Vgl. Doerne, Lazarettseelsorge.

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geflochten.“ Um dies zu erreichen müsse der Lazarettpfarrer als der unverkünstelte Mensch zu den Verwundeten kommen, in dessen Munde die Anrede ,Kameraden‘ glaubwürdig sei59. Auch im Lazarett war die Figur des „guten Kameraden“ das Leitbild für den Kriegspfarrer. Diese waren aufgefordert, den Verwundeten „erwünschte Liebesdienste“ zu leisten. „Leibseelsorge“ sollte den Weg zur Seelsorge ebnen60. Der Lazarettpfarrer schrieb Karten und Briefe für die Verwundeten, verschaffte ihnen Lesestoff oder gab Informationen aus dem neuesten Wehrmachtbericht weiter. Das alles sei Sorge im Bereich des Menschlichen, schrieb der katholische Kriegspfarrer Guido Aix in einem Erfahrungsbericht. Aber von dort vollziehe sich fast unmerklich der Übergang zum Eigentlichen, zum Ewigen.

Feldpostkarte des katholischen Kriegspfarrers Alois Beck an Angehörige eines Verwundeten, 2. 7. 1942 (AKMB, NL Beck, 5/224). „,Haben Sie noch einen Wunsch?‘ frage ich abends beim Abschied einen schwerverwundeten jungen Kameraden; ,Herr Pfarrer, beten Sie mit mir!‘ Das weiss und spürt der Soldat, bei dem es um die Entscheidung geht: der Pfarrer, der da bei mir sitzt im feldgrauen Rock, der will und kann mir aus dem Alltag hinaus 59 Ebd., 4 f. Solche Überlegungen standen in einem krassen Gegensatz zu den offen bekannten Missionsabsichten der Lazarettseelsorge im Ersten Weltkrieg, 60 „Gestaltung und Inhalt der überkonfessionellen Feldgottesdienste“. Anhang zum „Lehrplan für Kriegspfarrer-Lehrgänge im Feldheer“ in der Anordnung des OKH über „Frontlehrgänge für Kriegspfarrer“ (AKMB, SW 152).

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Kriegspfarrer Beck kommentierte das Bild rückblickend wie folgt: Eines der erschütterndsten Bilder aus dem letzten Krieg: ich schreibe wahrscheinlich letzte Nachrichten für sterbende Kameraden aus Stalingrad an ihre Angehörigen.“ (AKMB, NL Beck, AR 91/5/225) helfen, er kann mir helfen, zu Gott heimzufinden, er kann mir sterben, leiden, aber auch leben helfen!“61

Die Verwundeten wurden in einer Situation mit dem Gesprächsangebot des Pfarrers konfrontiert, in der sie selbst schwach, ängstlich und hilflos waren. Nicht immer wurde das Angebot des Pfarrers dankbar angenommen. Die Lazarettseelsorge im Zweiten Weltkrieg war geprägt von zahlreichen negativen Erfahrungen mit „Gottgläubigen“ und Offizieren, die den Pfarrer ablehnten oder zu provozieren suchten. Lazarettseelsorge sei ein Feld, auf dem keinen von uns die Demütigungen und Beschämungen erspart bleiben, resümierte Doerne. Um kranke Offiziere sollten sich am besten nur diejenigen kümmern, die ihre Minderwertigkeitsund Subalternitätsgefühle überwunden hätten62. 61 Erfahrungsbericht von Guido Aix vom 10. 7. 1940 über die Tätigkeit im Kriegslazarett während des Einsatzes im Westen (AEK, Gen. II, 7.9,2). 62 Vgl. Doerne, Lazarettseelsorge, 6.

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Der evangelische Lazarettpfarrer Johannes Rudolph hat in seinem Tagebuch die Verletzungen beschrieben, die er von Seiten der Verwundeten erfuhr. Nach seinem Weihnachtsgottesdienst 1941 war es zu offenen Angriffen gegen ihn gekommen. Der ganze Saal, so Rudolph, habe gemeutert, sei total aufgehetzt gewesen. Die Verwundeten warfen ihm vor, nicht an die Kameraden an der Front und die Gefallenen gedacht zu haben, woraufhin er ihnen entgegnet habe, Gefallenenehrungen seien die Angelegenheit des Kompaniechefs bei rein militärischen Heldengedenkfeiern. Auch konfrontierte man ihn mit der Behauptung, noch nie einen Pfarrer an der Front gesehen zu haben, was Rudolph mit den Worten „Das ist eine Unverschämtheit!“ kommentierte63. Die folgenden Tage setzte er seine Besuche in diesem Lazarett aus, da er sich seelisch dazu nicht in der Lage fühlte. Zu den Konflikten mit den Verwundeten kamen Konflikte mit den Ärzten, die geprägt waren von Misstrauen, Vorurteilen und unklaren Hierarchien. Immer wieder kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Kriegspfarrern und Ärzten um den richtigen Umgang mit den Verwundeten und Sterbenden64. Lazarettpfarrer beschwerten sich, weil Ärzte ihre Arbeit nicht ausreichend unterstützten oder sogar behinderten. Oft würden sie nicht rechtzeitig benachrichtigt, wenn sich der Zustand eines in Lebensgefahr schwebenden Patienten verschlimmere65. Manche Ärzte würden die Arbeit der Kriegspfarrer nur als „Sterbehilfe“ ansehen und den Pfarrer erst dann rufen, wenn sie mit ihrer Kunst am Ende seien, kritisierte der evangelische Kriegspfarrer Hans Leonhard rückblikend66. „Man glaubte von uns: wir nehmen jedem die Hoffnung auf Genesung, um ihn dann zu Kreuz kriechen zu lassen“, empörte sich der katholische Wehrmachtpfarrer Anton Ullrich gegenüber seinem Bischof67. Johannes Rudolph schilderte, wie Ärzte auf ungute Weise mit dem Seelsorger um das Vertrauen der Verwundeten konkurrierten: „Je mehr das Vertrauen der Verwundeten wächst, um so eisiger wird das Verh[ältnis]. zwischen mir u. den Ärzten, die weithin – obwohl ein großer Teil Pfarrerssöhne sind – völlig indifferent meiner Arbeit gegenüber stehen.“68 Ein häufiger Grund für die Dissonanzen zwischen Geistlichen und Ärzten war die fehlende christliche Orientierung bei der Mehrheit der Ärzteschaft. 63 Tagebucheinträge Johannes Rudolphs vom 27. bis 30. 12. 1941 (BA-MA Freiburg, MSG 2, 19328). 64 Vgl. den Tagebucheintrag des Truppenarztes Hermann Türks vom 29. 9. 1941 (AAK Berlin, Kempowski Bio, 6250). 65 Vgl. den Vortrag eines Kriegspfarrers über „Erfahrungen und Aufgaben der Lazarettseelsorge“auf dem Frontlehrgang der Evangelischen Kriegspfarrer der 20. (Gebirgs)- Armee vom 26. 11. 1942 (BA-MA Freiburg, MSG 2, 12284). 66 Vgl. Leonhard, Leid, 21. 67 Schreiben Anton Ullrichs an Conrad Gröber vom 23. 1. 11. 1941 (EA Freiburg Personalia, Ullrich, Anton). 68 Tagebucheintrag Johannes Rudolphs vom 19. 8. 1941 (BA-MA Freiburg, MSG 2, 19328).

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Man sei nicht Arzt, ohne zugleich auch Antichrist zu sein, stellte Werthmann rückblickend mit Verweis auf den Philosophen Friedrich Nietzsche fest. Die Ärzteschaft sei von Positivismus und von naturwissenschaftlichem Materialismus beherrscht gewesen69. In diesem Punkt unterschieden sich die Erfahrungen der katholischen Kriegspfarrer nicht von denen ihrer evangelischen Mitstreiter. Der Stuttgarter Wehrmachtdekan Ernst Schieber warf besonders den jüngeren Ärzten Skeptizismus, Zynismus und Nihilismus vor: „Wir haben gerade bei diesem Stande zu unserm grossen Schmerz vielfach beobachtet, dass man sich dem Trunk oder anderer Leidenschaft ergab, dass man Glauben und Kirche überlegen ablehnte und dass die im einstigen Aerztestand hochgehaltene Tradition der Verbindung ärztlicher Kunst und Seelsorge verloren ging.“70

Manche Lazarettärzte gingen fälschlicherweise davon aus, dass die Kriegspfarrer ihnen unterstellt seien. Es kam auch vor, dass Chefärzte Kriegspfarrern befahlen, Mittel zur Verhütung geschlechtlicher Erkrankungen bei sich zu führen. Besonders die katholischen Kriegspfarrer mussten sich davon zutiefst in ihrer Berufsehre gekränkt fühlen71. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass sich Lazarettseelsorger gegenüber den Divisionspfarrern, die weitaus unabhängiger arbeiten konnten, wie Seelsorger zweiter Klasse fühlten72. „Ich merke wieviel leichter u. mitreißender die Arbeit eines Div. -Pfarrers oder Corps-Pfarrers ist als die mühsame Lazarettarbeit“, resümierte Johannes Rudolph nach einem halben Jahr Lazarettseelsorge an der Ostfront73. Auf der anderen Seite gehörte gerade die Arbeit an den Verwundeten und Sterbenden zu den menschlich eindrücklichsten Erfahrungen der Kriegspfarrer und zu den wichtigsten „Erfolgsmeldungen“ auf geistlichem Gebiet74. Der evangelische Kriegspfarrer Rüdiger Alberti hatte bereits über den Polenfeldzug geschrieben: „Was für eine andächtige Gemeinde ist in den Lazarettzimmern! Hier ist nicht Gewohnheit und Sitte, sondern ganz neues Hören, oft erstmaliges Hören der

69 Vgl. die Notiz Georg Werthmanns vom 12. 7. 1945 (AKMB, SW 7). 70 Ernst Schieber: Bericht über die pfarramtliche Tätigkeit 1933–1945 (LKA Stuttgart, 375 I). Auch der evangelische Wehrmachtpfarrer Siegfried Hotzel berichtet über die Behinderung der Wehrmachtseelsorge durch das „kirchenfeindliche Verhalten mancher Kommandeure und Chefärzte“. Tagebucheintrag Siegfried Hotzels vom 28. 11. 1942 (AAK Berlin, Kempowski Bio, 1850/3). 71 Vgl. das Schreiben von Wehrmachtdekan Joseph Henneke an den Katholischen Feldbischof der Wehrmacht vom 8. 8. 1941 (AKMB, SW 7). 72 Vgl. Rçw, Militärseelsorge, 386. 73 Tagebucheintrag Johannes Rudolphs vom 14. 12. 1941 (BA-MA Freiburg, MSG 2, 19328). 74 Vgl. Rçw, Militärseelsorge, 104.

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Frohbotschaft von Christus! Wie das wirkt! Wunderbares, beglückendes Erleben für mich als Pfarrer!“75

Die besondere Lebenssituation im Lazarett weckte zuweilen eine situative Frömmigkeit, die den kirchlichen Missionszielen entgegenzukommen schien. Wehrmachtdekan Schieber erklärte den evangelischen Kriegspfarreranwärtern, dass die Verwundeten sich in „einer grossen, dem Evangelium zugewandten Hilfsbedürftigkeit“ befänden, die selbst solche, die der Kirche völlig entfremdet seien, dazu brächte, den Trost des Pfarrers willig anzunehmen76. Auch konnte die aus der Not geborene Frömmigkeit der Verwundeten die Kriegspfarrer in ihrem eigenen Glauben stärken. So hieß es bei dem katholischen Wehrmachtpfarrer Heinrich Kreutzberg über das erste halbe Jahr des Ostfeldzuges im Lazarett: „Bei einem Ausfall von über 6000 Männern hatte der Pfarrer Gelegenheit, eine Unsumme von menschlichem Leid und Schmerz kennen zu lernen. […] Vor mancher Amputation war es eine lohnende Aufgabe für den Pfarrer, den Verwundeten auf diese Operation seelisch vorzubereiten und ihn innerlich stark zu machen für die infolge der Verstümmelung zu erwartenden Beschwerden seines künftigen Lebens. Bei diesen Gelegenheiten empfand man, wie diese Männer in schwerem inneren Ringen sich an Gott anklammerten, in dem letzthin alles Leid und aller Schmerz seine Lösung findet.“77

Auch ein Gefühl der eigenen beruflichen Befriedigung stellte sich zuweilen in den Lazaretten und auf den Verbandsplätzen ein, wenn sich Verwundete an den Trost der Religion klammerten. Der evangelische Kriegspfarrer Paul Bauer schrieb in seinem Erfahrungsbericht über den zweiten Kriegswinter in der Sowjetunion: „Überhaupt kann man auf den Verbandplätzen viel erfreuliches erleben. Ich habe nur Achtung vor der Geduld und dem Mut unsrer Verwundeten. Wie schauen mir die Schwerverwundeten in die Augen und wie haften manchmal ihre Blicke auf dem Kreuz an meiner Brust, wenn ich ihnen ein paar ganz kurze Bibelworte sage, in einem Saal mit Amputierten vielleicht nur den Vers, der ihnen besonders gilt ,Der Wolken, Luft und Winden gibt Wege, Lauf und Bahn, der wird auch Wege finden, da dein Fuss gehen kann‘!“78

Das Kriegstagebuch des katholischen Sanitätssoldaten und Kriegspfarrers Theodor Loevenich ist voll von Sterbeberichten aus dem Lazarett. Sie alle

75 Alberti, Kriegspfarrer, 49. 76 Ernst Schieber: „Die Soldatenpredigt im Kriege“. Aus der Niederschrift eines Vortrages, gehalten beim Lehrgang für Kriegspfarreranwärter in Berlin (EZA Berlin, 704/27). 77 Tätigkeitsbericht Heinrich Kreutzbergs (1. 6.– 31. 12. 1941) vom 1. 1. 1942 (BA-MA Freiburg, RH 26/62, Nr. 118). 78 Paul Bauer: als Soldatenpfarrer im 2. Russischen Kriegswinter (LKA Stuttgart, 380 IV).

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wurden als Erfolg verbucht, an dem Loevenich maßgeblich beteiligt war. Am 23. Dezember 1943 notierte er: „Als ich ihm die Wegzehrung [Krankenölung] gegeben, fragte ich ihn, was denkst du von dir selbst? Wörtlich: Grüßen Sie meine Frau u[und] meine Mutter. Ich sterbe gern. Gott hat es ja so für mich bestimmt. Ich habe immer darauf gewartet, wenn sie mir die hl. Ko[mmunion] bringen wollten. Und das hat mir sehr geholfen.“79

Besonders stolz machten Loevenich Bekehrungen von „Gottgläubigen“ und SS-Männern. Am 24. Oktober 1943 hielt er fest: „Ein SS. O[ber-] Sturmf[ührer] g[ott]g[läubig]sagt am Vorabend seines Todes zur Schwester Luise: Denken sie einmal an mich in ihrem Abendgebet.“80 Am dritten Advent 1943 notierte er über einen sterbenden SS-Mann in Winniza: „Ein SS. Mann schwer verwundet – Halsschuß – multiple Splitter in beiden Armen und Beinen – liegt schwer danieder. Er spricht kaum ein Wort. Fast 3 Wochen lang besuchte ich ihn. Als SS. Mann durfte er nur auf Wunsch betreut werden. Er äußert sich nicht. Am genannten Sonntag – bringe ich morgens um 630 Uhr die hl. Kommunion auf die Stationen. Auf diesem Gang sehe ich ihn auf einer Trage im Sterbezimmerchen liegen. Ich trete zu ihm und sage: Armer Kerl, hat man dich hier allein abgestellt? Dann flüstert er mir zu als ich auf dem Boden neben ihm knie: ,Herr Pfarrer, können sie mir helfen?‘ Er wußte genau, daß ich ihm keine Erlösung und Heilung seines zerschossenen Leibes bringen konnte – aber Erlösung von Schuld und Sünde! Er beichtet – kommuniziert, empfängt die hl. Krankenölung. Mit den verbundenen Armen sucht er mich zu umarmen und vergießt Freudentränen. Gaudete … so begann auch die Predigt – dann sagte er noch – wenn meine Mutter das hört, wird sie sich freuen. Er war ein Oberschlesier.“81

Für katholische Lazarettseelsorger ließ sich der Erfolg ihrer Arbeit häufig an der Zahl der ausgegebenen Sterbesakramente messen. Johann Anton Hamm äußerte sich auch noch Jahre nach dem Krieg zufrieden darüber, dass der katholischen Lazarettseelsorge „doch fast keiner“ gestorben sei, ohne „versehen“ worden zu sein, d. h. ohne die Sakramente empfangen zu haben82. Für den katholischen Geistlichen war es essentiell, dass das Sterben im Lazarett vom Sakrament der Krankensalbung [häufig fälschlich als „Sterbesakrament“ bezeichnet. D. P.] begleitet wurde. Denn nur in der durch das Sakrament garantierten Begegnung mit Gott konnte das Sterben eines Menschen zum Teil der sich an ihm vollziehenden göttlichen Heilsge-

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Tagebucheintrag Theodor Loevenichs vom 23. 12. 1943 (AKMB, SW 551). Ebd. Ebd. Hamm, Priester, 71.

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schichte werden83. Nach katholischer Lehre entging der Soldat nur dann dem ewigen Tod, wenn ein Priester ihm vor dem Eintritt des Todes mit der Krankensalbung die Vergebung seiner Sünden gewährt hatte84. Bei den verwundeten Soldaten wurde die Krankensalbung jedoch nicht immer mit Freude aufgenommen. Sie fürchteten das Sakrament als „Dolchstoß“ oder „Giftspritze“ Gottes, war es doch ein Zeichen dafür, dass ihr Leben zuende ging85. Der Eifer manch eines katholischen Kriegspfarrers, möglichst viele Sterbende mit dem Sakrament zu versehen, wirkte auf seinen evangelischen Kollegen befremdlich, wenn dieser den Eindruck gewann, der katholische Kriegspfarrer wolle mit der Ausgabe der Krankensalbung „Quote“ an den Sterbenden machen86. Dagegen betonte man auf evangelischer Seite eher die Andacht mit Wort, Gebet, Gesang und Musik sowie den Verweis auf die Verbindung mit der Heimatkirche, in die der Soldat nach seiner „glücklichen Heimkehr“ finden sollte87. Manche der evangelischen Lazarettpfarrer sahen aber auch mit Wohlwollen, wenn nicht gar mit Neid auf die Möglichkeit der „letzten Ölung“, da der Sterbende oft nicht mehr die Kraft für Gespräche hatte und sich sichtlich beruhigte, wenn er die wortlosen Rituale seiner Jugendzeit wieder erkannte88.

5.3 Hinrichtungen Aus der nationalsozialistischen Auffassung, dass der Erste Weltkrieg verloren wurde, weil „Minderwertige“, „Versager“ und „Drückeberger“ die Kampfkraft des Heeres von innen zersetzt hatten, folgte im Zweiten Weltkrieg eine unvergleichliche Politik der Härte gegenüber den eigenen Soldaten. Zwischen 1939 und 1945 wurden 25.000 Todesurteile wegen geringfügiger Vergehen, die unter dem Straftatbestand der „Wehrkraftzersetzung“ oder „Fahnenflucht“ subsumiert wurden, von den Wehrmachtgerichten ausgesprochen. Es wird geschätzt, dass 18.000 bis 22.000 dieser Urteile vollstreckt wurden. Dagegen wurden in der Zeit zwischen 1907 und 1932 insgesamt 393 deutsche Soldaten exekutiert89. Aus Sicht der Machthaber hatten die Kriegspfarrer dafür zu sorgen, dass der 83 84 85 86 87 88

Vgl. Nocke, Sakramente. Vgl. Rçw, Militärseelsorge, 317. Peifer, Menschen, 140, 144. Leonhard, Leid, 26. Horst Fichtner: „Seelsorge im Lazarett“, o. D. (LAELKB N rnberg, Pfarrämter II, XXVI, 24). Vgl. den Tagebucheintrag Gerhard Knapps vom 31. 8. 1941 (LKA Stuttgart, D37, 1.2); Peifer, Menschen, 140. 89 Messerschmidt, Wehrmachtjustiz, 201, 453.

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Verurteilte sich widerspruchslos dem militärischen Urteil fügte und bei seiner Hinrichtung ruhig blieb90. Die Arbeit der Kriegspfarrer setzte erst ein, wenn das Todesurteil über einen Soldaten bereits gesprochen war. Der katholische Feldbischof hielt seine Geistlichen sogar ausdrücklich an, ihren Einfluss im Offiziersstab nicht für eine Revision des Urteils geltend zu machen91. Ziel der evangelischen Seelsorge an den Delinquenten war es, diese möglichst davon zu überzeugen, dass ihr Sterben eine Sühne sei und eine „Warnung für manchen, der sich in Gefahr befindet, abzugleiten.“92 Der evangelische Professor für systematische Theologie, Ernst Sommerlath, erklärte auf einer Standort- und Lazarettpfarrerkonferenz, die Verfehlungen des Häftlings seien Schuld vor Gott, nicht nur vor dem Gesetz, nicht nur vor den Menschen. Es sei überaus wichtig, dass der Gefangene sehe, wie sein ganzes Leben nicht in Ordnung sei, und dass alle Unordnung des Lebens zuletzt nicht eine moralische, sondern eine religiöse Angelegenheit sei und alle Verfehlung zuletzt nur ein Anzeichen dafür, dass im Verhältnis zu Gott etwas nicht stimme. Erfahrungsgemäß seien am Ende selbst zum Tode Verurteilte davon zu überzeugen, dass sie „büßen“ müssten und Gott ihnen auch den „bitteren Weg nicht ersparen“ könne93. Über eine in diesem Sinne besonders gelungene Überzeugungsarbeit berichtete der evangelische Divisionspfarrer Hermann Wolfgang Beyer: „Hunzinger erzählte mir auch noch von einem anderen Geschehen. Er hat einen sächsischen Ortsgruppenleiter der Partei, der wegen Zersetzung der Wehrmacht zum Tode verurteilt worden war, zur Exekution führen müssen. Der Mann hatte neben Hetzereien in der Truppe einen Brief geschrieben, in dem er geäußert hatte, es sei ein Skandal, daß er als Soldat dienen müsse, das verdanke er nur den Machenschaften bestimmter Leute und ähnliches. Als ihm die bevorstehende Vollstreckung des Urteils angekündigt wurde, hat er, obwohl aus der Kirche ausgetreten, von Haus aus Volksschullehrer, nach dem Pfarrer verlangt. Da hat der Geistliche dem Parteimann auseinandersetzen müssen, warum ein echter Staat hart sein und bedingungslose Beugung fordern müsse. Plötzlich hat ihn jener gefragt, ob seine Verurteilung durch den Staat auch seine Verurteilung durch Gott bedeute. Das ist dann Anlaß zu einem langen Glaubensgespräch geworden. Der Mann hat dann Hunzinger gebeten, dessen Inhalt seiner Frau, Lehrerin an der SSMütterschule, mitzuteilen. Der hat das wegen nur zu leicht möglichen Mißdeutungen abgelehnt, aber ihm Gelegenheit gegeben, von sich aus noch an seine Frau 90 Leonhard, Leid, 84 91 Niemals könne es die Aufgabe der seelsorgerlichen Betreuung sein, „den Verurteilten in falschen Hoffnungen auf ,Begnadigung‘ zu stärken“, schärfte der katholische Feldbischof seinen Kriegspfarrern ein. „Merkblatt für die seelsorgerliche Betreuung von Strafgefangenen, die zum Tode verurteilt sind.“ 1. 5. 1940 (AKMB, SW, II/1.145). 92 Anweisung des evangelischen Feldbischofs für die Seelsorge an den zum Tode verurteilten evangelischen Wehrmachtangehörigen vom 2. 1. 1942 (LAELKB N rnberg, Pfarreien III, XV 1). 93 Sommerlath, Seelsorge, 11 f.

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zu schreiben. Schließlich hat der Verurteilte den Pfarrer gebeten, ihn auch zur Hinrichtung zu begleiten. Auf Hunzingers Hinweis, daß er dort aber als letztes Wort das Vaterunser sprechen würde, hat er geantwortet, gerade das wäre in seinem Sinn. So ist es denn auch geschehen. Von der Frau hat Hunzinger einen ergreifenden Dankbrief erhalten.“94

War ein Soldat von einem Kriegsgericht zum Tode verurteilt worden, sollte der Kriegspfarrer sich Zugang zu den Akten der Anklage verschaffen und mit dem Kriegsgerichtsrat oder dem Gerichtsherrn Fühlung aufnehmen, um sich ein Bild von dem Todeskandidaten zu machen95. Das evangelische Feldbischofsamt riet seinen Kriegspfarrern, beim ersten Seelsorgebesuch das Neue Testament mitzubringen und dem Verurteilten die zu lesenden Stellen aus der Passion Christi zu markieren96. Der Kriegspfarrer war angehalten, den Delinquenten zum Gebet anzuleiten und zu erziehen. In den wenigen Stunden, die zwischen Bekanntgabe des Urteils und seiner Vollstreckung lagen, war es seine Aufgabe, den Verurteilten zur inneren Ruhe und letzten Sammlung zu verhelfen. Bei „innerer Bereitschaft“ sollte dem Verurteilten das heilige Abendmahl gereicht werden. Auch auf katholischer Seite empfahl man den Kriegspfarrern, den Verurteilten Passagen aus dem Neuen Testament nahezubringen. Dabei sollte aus den Abschiedsreden Jesu und dessen Leidensgeschichte vorgelesen werden97. Hier lag der Akzent jedoch weniger auf Schuldeinsicht als auf dem jenseitigen Leben. Es gehe darum, dass beim Delinquenten die übernatürliche Hoffnung auf Begnadigung bei Gott erweckt werde98. Im Mittelpunkt der katholischen Seelsorge stand deshalb der Vollzug der Sakramente, die den Todeskandidaten auf das Jenseits vorbereiten sollten. „Bei allen Todeskandidaten auf baldigen Sakramentenempfang drängen“, riet ein katholischer Kriegspfarrer seinen Kollegen auf einem Frontlehrgang in der Ukraine99. Dies beinhaltete eine gründliche Lebensbeichte und den Empfang der Heiligen Kommunion. Die „heilige Ölung“ oder Krankensalbung wurde hingegen nicht gespendet100. 94 KT Beyer, 29. 7. 1941 (Privatbesitz, Transkript Garbe, 224). 95 Vgl. die Anweisung des evangelischen Feldbischofs für die Seelsorge an den zum Tode verurteilten evangelischen Wehrmachtangehörigen vom 2. 1. 1942 (LAELKB N rnberg, Pfarreien III, XV 1); vgl. auch Merkblatt des katholischen Feldbischofs für die seelsorgerliche Betreuung von Strafgefangenen, die zum Tode verurteilt sind. 1. 5. 1940 (AKMB, SW, II/1.145). 96 Vgl. die Anweisung des evangelischen Feldbischofs für die Seelsorge an den zum Tode verurteilten evangelischen Wehrmachtangehörigen vom 2. 1. 1942 (LAELKB N rnberg, Pfarreien III, XV 1). Aufgezählt werden hier: Lukas 22, 23, Lukas 15 und Johannes 14, 15. 97 Vgl. das Merkblatt des katholischen Feldbischofs für die seelsorgerliche Betreuung von Strafgefangenen, die zum Tode verurteilt sind. 1. 5. 1940 (AKMB, SW, II/1.145). 98 Ebd. 99 Protokoll der „Kriegspfarrerversammlung im Bereich des Wehrmachtbefehlshaber Ukraine in Shitomir am 16. und 17. 6. 1943 (AKMB, SW 152). 100 Merkblatt des katholischen Feldbischofs für die seelsorgerliche Betreuung von Strafgefangenen, die zum Tode verurteilt sind. 1. 5. 1940 (AKMB, SW, II/1.145).

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Es waren die Kriegspfarrer, die entschieden, ob sie die Delinquenten mit menschlichem Mitgefühl behandeln oder als ausführende Organe einer unbarmherzigen Militärgewalt auftreten wollten. Wer dem Verurteilten ohne jede Empathie begegnete, konnte jedoch nicht hoffen, Gehör zu finden. So berichtete der evangelische Kriegspfarrer Hans Leonhard über seinen katholischen Kollegen, dass ihn alle Gefängnisinsassen abgelehnt hätten: „Er redete sie als Verbrecher an; einen solchen Pfarrer wollten sie nicht.“101 Idealerweise brachte der Kriegspfarrer den Delinquenten dazu, seine Strafe als unvermeidlich zu akzeptieren, sie mit „männlicher Würde“ zu ertragen und seinen Blick auf das Jenseits zu lenken. Die Briefe, die Kriegspfarrer nach der Hinrichtung eines Soldaten an dessen Angehörigen schrieben, handelten meistens von einer in diesem Sinne vorbildlichen Haltung des Delinquenten102. Einzig die Tagebücher der Kriegspfarrer offenbaren etwas von der schroffen Dramatik der Hinrichtungen, die keineswegs immer so glatt verliefen, wie es gewünscht wurde. Am 4. Juni 1942 notierte Johannes Stelzenberger: „Ein denkwürdiger Tag! Bei Kutschuk Muskomja Exekution des Kanoniers […] der Stabs-Batterie A. R. 64. Angeklagt und zum Tode verurteilt wegen Schädigung der Wehrkraft. 2x bereits unerlaubt von der Truppe entfernt! Schwer psychopath.103 Verheiratet. 2 uneheliche Kinder. Hängt mehr an seiner Mutter als an seiner Frau. Wollte erst weich werden. Ich riss ihn hoch; er musste an seinem Grabe vorbei. Ich sagte: Nicht hinsehen, wir müssten jetzt den schmerzhaften Rosenkranz beten. Sprach ihm vor: Jesus auf dem Gang zum Oelberg. Will Kommunion. Führte ihn an den Pfahl. Er wünschte angebunden und Augen verbunden zu werden.“104

Der katholische Divisionspfarrer der 9. Infanterie Division, die gerade in Artemowsk lagerte, Josef Wassong, schrieb am 1. Februar 1942: „Am Morgen war ich im Gefängnis, wo ich einen wegen Feigheit zum Tode Verurteilten der 111. I. D. auf Wunsch des zuständ. Pfarrers besuchte. Er beichtete u. kommunizierte. Er stammt von Hamburg u. ist sehr weich: „Meine Mutter wird das nicht überstehen“, sagt er mit Tränen in den Augen.“105

Nur wenige Monate vor Kriegsende berichtete dieser Kriegspfarrer – mittlerweile im Oderbruch – wieder von einer Hinrichtung. Nun äußerte er Mitleid mit dem Verurteilten: 101 Leonhard, Leid, 76. 102 Vgl. das Schreiben des evangelischen Kriegspfarrers Herbert Franzen an die Familie eines hingerichteten Soldaten vom 4. 12. 1942 (LKA Stuttgart, NL Bauerle, Nr. 3). 103 Von hier an geht Stelzenbergers Aufzeichnung aus dem Sütterlin in die Gabelsberger Kurzschrift über. Vgl. den Tagebucheintrag Johannes Stelzenbergers vom 4. 6. 1942 (AKMB, SW 838). 104 Ebd. 105 Tagebucheintrag Josef Wassongs vom 1. 2. 1942 (AKMB, SW 901).

Gräber und Beerdigungen

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„Gestern abend wurde ich vom Gericht für heute 8 Uhr in die Ulanenkaserne gebeten. Einem zum Tode Verurteilten ( … ) wurde das Urteil verkündigt, der dann 20 Uhr bei den Schießständen (20 Min. entfernt) erschossen wurde. Er beichtete, k[om]m[uni]z[ier]te , schrieb einen Abschiedsbrief an s. Frau u. benahm sich sehr gefaßt. Es ist tragisch, daß dieser 28jährige Mann, der 5 Jahre Soldat war, 5 mal verwundet wurde u. selbst einen Stoßtrupp leitete, wegen ,Feigheit‘ verurteilt wurde. In seine Zelle hatte er an die Wand einen schönen Christuskopf mit Bleistift gezeichnet. Der Mann machte einen guten Eindruck, er tat mir leid. Gestern wurde das Urteil gesprochen u. bestätigt, heute vollzogen.“106

Ein ungeschminkter Bericht über das Misslingen der seelsorgerlichen Arbeit bei einer Hinrichtung findet sich im Tagebuch des evangelischen Wehrmachtpfarrers Hans Kähler vom 6. Oktober 1944: „Als um 330 der Wecker rasselt, ist die Welt draußen weiß, eine eisige Kälte! 30 Min. warten Mö[mkes].107 und ich in scharfem Wind auf das Auto, das der Stab stellen soll. Endlich erscheint Bender. Wir fahren über Kemijärvi, an der Qu-Staffel vorbei in den nächsten Ort, wo um 600 der Wiener Bottlak erschossen werden soll. Als Posten treffe ich den alten Küster, Amtsbr. Bössow, unterhalte mich mit ihm, gehe dann rein und debattiere lange mit dem Uffz. Eckhardt 2/307, der ja auch zum Tode verurteilt ist. Er meint immer noch, daß ihm Unrecht angetan worden ist. Die Unterhaltung ist ziemlich sinnlos. Endlich kehren der „Blutrichter“, Mö[mkes] und die Offiziere von der Erschießung zurück, letztere laden uns zum Tee mit Negrita-Rum und Butterbroten ein. Mö[mkes]. berichtet, daß der Delinquent getobt habe, man habe ihn ein paarmal neu festbinden müssen, seine letzten Worte seien gewesen: Ihr Mörder!“

Der Bericht endet mit den Worten: „Alle sind restlos erschüttert. Mit Hilfe des Schnapses und von Witzen versucht man, über die Situation hinweg zu kommen.“108

5.4 Gräber und Beerdigungen Der evangelische Pfarrer Richard Börner, der als einfacher Mannschaftssoldat bei einem Pionierbataillon seit Januar 1942 in der Nähe von Leningrad eingesetzt war, wurde wegen seiner Bekanntschaft mit dem Divisionspfarrer zum Gräberoffizier seiner Division ernannt. Zum Ärger seines Bataillonkommandeurs versetzte man ihn, den Mannschaftssoldaten, zum Divisionsstab. In einem Manuskript, das er nach dem Krieg im privaten Kreis verteilte, schilderte Börner ausführlich die Aufgaben eines Gräberoffiziers:

106 Tagebucheintrag Josef Wassongs vom 9. 2. 1945, ebd. 107 Gemeint ist der katholische Divisionspfarrer Hermann Mömkes. 108 BA-MA Freiburg, MSG 2, 5867b.

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„Es war die Aufgabe des Gräberoffiziers, für würdige Soldatenfriedhöfe zu sorgen, Einzelgräber im Gelände auf Plankarten einzutragen, für jedes neue Grab ein Holzkreuz mit Namen, Dienstgrad, Geburtstag und Todestag anfertigen und aufstellen zu lassen. Diese fertigen Gräber hatte ich zu photographieren und den Angehörigen daheim ein Bild zuzuleiten. Es muß zur Ehre der deutschen Truppenführung gesagt werden, daß man auf diese Dinge hohen Wert legte. Wenn unbekannte Tote im Gelände von Suchkommandos gefunden wurden – unbekannt, weil weder Erkennungsmarke noch Dokumente vorhanden waren – so wurden sie an einen Wegrand gelegt, und ich hatte die Gesichter zu photographieren. Die Photos gingen dann zu allen Armee-Einheiten mit der Aufforderung, Wiedererkennungen zu melden. Auch hatte ich vorgefundene Nachlaßsachen, etwa Uhren oder dgl. zu säubern und an eine Zentrale109 zu Haus zu schicken, die diese letzten Erinnerungsstücke dann den Angehörigen weiterleitete.“110

Jeder Todesfall musste dem Gräberoffizier einer Division und der Feld- bzw. Ortskommandantur gemeldet werden, welche die Hauptverantwortung für Anlage und Pflege der Grabanlage trug. Der Gräberoffizier war der erste, der die Daten der Gefallenen erfasste und weitergab. Die Kommandanturen hatten darauf zu achten, dass der Friedhof ein einheitliches Bild abgab111. Ebenso waren sie für den Rahmen der Beerdigungen, etwa für die militärische Ehrenformation, und für die Führung von Lage- und Belegungsplänen der Gräber verantwortlich. Gefangene und Einwohner konnten zur Aushebung und Gestaltung der Gräber eingesetzt werden. Aufgabe des Gräberoffiziers war es, dafür zu sorgen, dass die Kommandanturen die Verordnungen des OKH einhielten112. In der Regel wurden die Beerdigungen von den Divisionspfarrern abgehalten, von denen einer auch die Aufgabe des Gräberoffiziers wahrnahm. So wie der Feldgottesdienst sollte auch das Soldatenbegräbnis „würdig und kurz“ gestaltet werden. Auch die Beerdigungsansprache galt als Mittel zur soldatischen Erziehung. Der tote Soldat diente dabei als „ein gegebenes Hilfsmittel“, mit dem die „Lebenden in den letzten Ernst“ geführt werden sollten. Die Soldaten sollten motiviert werden, ihr Leben bewusst und freiwillig zu opfern, 109 Gemeint ist die Wehrmachtauskunftstelle. 110 Richard Börner „Erinnerungen“ o. D. (AAK Berlin, Kempowski Bio, 5957). 111 Die Kreuze wurden versehen mit dem einheitlich vom OKH herausgegebenen Muster eines Eisernen Kreuzes, dem Vor- und Zunamen, Dienstgrad, Truppenteil, Geburts- und Todesdatum des Soldaten. Heimat- Geburts- oder Todesort waren anzugeben, wenn sie einwandfrei feststanden. Ebenso wurde die Todesart mit Datum auf dem Grabkreuz festgehalten. Man unterschied zwischen drei Todesarten: 1. „gef.“: vor dem Feind gefallen oder binnen 24 Stunden an Verwundung gestorben. 2. „verw.“: nach Verwundung gestorben. Hier wurde das Datum der Verwundung angegeben. 3. „gest.“: nach Krankheit oder Unglücksfall verstorben. Sogar Kriegsauszeichnungen wie das Eiserne Kreuz oder das Ritterkreuz konnten über dem Namen vermerkt werden. Vgl. „Aufgaben der Feld-, Kreis- und pp. Kommandanturen auf dem Gebiete des Wehrmacht-Gräberdienstes“. Dienstanweisung des OKH vom 30. 3. 1942 (BA-MA Freiburg, N 338, Nr. 2). 112 Ebd.

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wie es in der Ausführung eines evangelischen Kriegspfarrers zum Thema „Beerdigung im Felde“ hieß. Damit dies gelang, musste der Pfarrer den Tod des Einzelnen in seiner Beerdigungsansprache als das Walten eines allmächtigen, persönlichen und im Evangelium offenbaren Gottes darstellen. Schließlich war man überzeugt, dass nur der Glaube an die christliche Botschaft vom ewigen Leben „echte Furchtlosigkeit“ und die „innere Bereitschaft zum Opfer“ ermögliche113. Je nach konfessioneller Zugehörigkeit des Toten führte der katholische oder der evangelische Kriegspfarrer die Beerdigung durch. Zuweilen übernahmen beide Divisionspfarrer abwechselnd unterschiedliche Teile des Zeremoniells und segneten – getrennt nach Konfessionen – die Gräber ein114. Dabei kam es zu Spannungen zwischen den Konfessionen, wenn die unterschiedlichen Schwerpunkte in der religiösen Praxis allzu deutlich wurden. Wehrmachtpfarrer Hans Kähler ärgerte sich über das allzu formalistische, fast magische Religionsverständnis seiner katholischen Kollegen, wenn diese etwa die „Einsegnung“ von Soldatengräbern wichtiger nahmen als die Beerdigungspredigt115. Beerdigungen gehörten zum Alltag des Kriegspfarrers und nahmen im Laufe des Krieges immer größeren Raum ein. „Der Militärseelsorger wuchs immer stärker in die Aufgabe einer routinierten Leichenentsorgung hinein“, schreibt der Kirchenhistoriker Irmfried Garbe über den evangelischen Divisionspfarrer Hermann Wolfgang Beyer116. Diesem Pfarrer fiel es schwer, immer neue Texte und Gedanken für die Ansprachen „an den vielen, vielen Gräbern“ zu finden117. Die wachsende Zahl von toten deutschen Soldaten, das immer grausamere Sterben und Töten, veränderten Beyers Beerdigungsreden. Überschrieb er seine frühen Reden im Ostfeldzug noch mit biblischen Opfersprüchen, dominierte später das Thema der Trauer118. Auch der evangelische Divisionspfarrer Hans Kähler beklagte sich über die „ständigen Trauerfeiern“. Er tat sich schwer, Abwechslung in seine Ansprachen zu bringen, zumal er die Gefallenen in der Regel nicht kannte. „Was soll man da viel sagen!“ notierte er, „dulce et decorum est pro patria mori – Amen!“119 Die Korrespondenz mit den Angehörigen nahm bei den meisten Divisionsund Lazarettpfarrern einen großen Teil ihrer freien Zeit in Anspruch120. Sie 113 114 115 116 117 118 119

„A. Thesen: ,Beerdigung im Felde‘“, o. D. (LAELKB N rnberg, Pfarreien IV, 81, Nr. 1). Ebd. Vgl. den Tagebucheintrag Hans Kählers vom 13. 11. 1944 (BA-MA Freiburg, MSG 2, 5867b). Zitiert nach Garbe, Theologe, 634. Vgl. ebd., 633. Ebd. Tagebucheintrag Hans Kählers vom 17. 4. (BA-MA Freiburg, MSG 2, 5867); vgl. auch Tagebucheintrag Kählers vom 10. 2. 1944 (BA-MA Freiburg, MSG 2, 5867a). 120 Vgl. das Schreiben des Evangelischen Armeepfarrers Bernhard Bauerle an seine Amtsbrüder im Bereich der 16. Armee vom 17. 10. 1941 (LKA Stuttgart, NL Bauerle, Nr. 6).

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konnte aber erst beginnen, wenn 10 Tage seit Abgang der Benachrichtigung der Hinterbliebenen durch den Einheitsführer bzw. das Lazarett vergangen waren und wenn der Verstorbene den Wunsch nach einer Benachrichtigung seiner Angehörigen durch den Pfarrer geäußert hatte. Der erste Brief des Kriegspfarrers durfte zwar Mitteilungen über die letzte seelsorgerliche Betreuung des Verstorbenen enthalten, doch geistlicher Zuspruch in Form von Bibeltexten oder anderen Zitaten waren ihm verboten, solange nicht feststand, ob die Angehörigen überhaupt nach geistlichem Zuspruch verlangten. Auch durften keine Einzelheiten über schwere Verwundungen geschildert werden. Nur wenn die Angehörigen von sich aus den Wunsch nach weiterem seelsorgerlichem Beistand zum Ausdruck gebracht hatten, war es dem Kriegspfarrer erlaubt, den Briefwechsel fortzusetzen121. Rückblickend behauptete der katholische Kriegspfarrer Josef Perau, durchschnittlich 20 Briefe am Abend an die Angehörigen der Verwundeten und Toten seiner Division geschrieben zu haben. Andere Quellen sprechen von 1 bis 3 Briefen pro Abend122. Kriegspfarrer Stelzenberger notierte, er habe 1943 in einem Monat 68 Briefe an Angehörige geschrieben123. Ihn rührte deren Dankbarkeit, etwa für die Übersendung von Lichtbildern des Grabes oder für die Mitteilung, dass sich der Friedhof noch in deutscher Hand befinde. Bitter vermerkte er dazu: „Und die Wehrmacht baut die Seelsorge ab!“124 Der evangelische Divisionspfarrer Otto Schöner hinterließ ca. 300 an ihn adressierte Briefe von Angehörigen verwundeter oder toter Soldaten, die er innerhalb eines Jahres erhalten hatte. Er hatte den Eltern der Gefallenen und Toten geschrieben oder für Schwerstverletzte das Schreiben übernommen. Die Briefe an Schöner zeugen von der enormen Bedeutung, die der Divisionspfarrer für diese Angehörigen erlangte. Mit aller Kraft klammerten sie sich an den, der bis zuletzt bei dem geliebten Menschen gewesen war. Im Pfarrer suchten sie gleichsam noch eine letzte Verbindung zum Sohn, Verlobten oder Ehemann. In fast allen Briefen an Schöner kommt tiefe Dankbarkeit für dessen Dienste an ihrem Angehörigen zum Ausdruck: „Wenngleich Ihre Zeilen einen langsam verheilenden Schmerz von neuem aufrissen und mich und meine Angehörigen von frischem traurig machten, so bin ich Ihnen trotzdem dankbar, daß Sie mir geschrieben haben, denn Sie sind nun der einzige Mensch dort draussen, der mit ihm war und ihn zum letzten Male sehen konnte“, schrieb der Vater eines gefallenen Soldaten an Schöner125. 121 Vgl. das Schreiben von Kriegspfarrern an Angehörige Gefallener oder Verstorbener. In: Verordnungsblatt des katholischen Feldbischofs 6 vom 15. 8. 1942. 122 Vgl. den Seelsorgebericht des evangelischen Wehrmachtpfarrers Friedrich Roettig (1. 1.–31. 3. 1943) vom 5. 4. 1943 (LKA Stuttgart, NL Bauerle, Nr. 6). 123 Vgl. den Tagebucheintrag Johannes Stelzenbergers vom 4. 3. 1943 (AKMB Berlin, SW 838). 124 Tagebucheintrag Johannes Stelzenbergers vom 6. 12. 1943, ebd. 125 Schreiben Jonas Presser (anonym) an Otto Schöner vom 20. 11. 1942 (AAK Berlin, Kempowski Bio, 7618/8).

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Darüber hinaus zeigten die Angehörigen ein unersättliches Informationsbedürfnis. Schöner sollte ihnen mitteilen, was immer er über den Verstorbenen wusste. „Bitte schreiben Sie mir doch ein bisschen von ihm, ich hatte ihn ja so lieb“, bettelte ein anderer Vater126. Selbst das Unbedeutendste war wichtig, man wollte wissen, wie der geliebte Sohn seine letzten Tage verbracht oder ob er noch „von seiner Mutti und dem Papa“ gesprochen habe127. Andere fragten den Pfarrer, ob ihr Sohn bis zum Tod bei Bewusstsein gewesen sei oder noch gesprochen habe128. Zuweilen forderten sie Schöner auf, sie im Urlaub oder nach dem Krieg zu besuchen, um sich mit ihm über den Verstorbenen zu unterhalten129. Sie wollten wissen, wie ihr Angehöriger beerdigt worden war. „Sie haben meiner ganzen Familie damit viel Freude gemacht u. uns dadurch die Gewißheit u. Bestätigung gegeben, daß unser Sohn würdig beerdigt ist“, schrieb ein Vater an Schöner130. Manche legten Geld in den Brief an den Pfarrer und erbaten dafür ein Foto vom Grab oder eine Gesamtaufnahme des Friedhofs. „Ich wär doch so gern an sein Bette getreten“, schrieb eine Ehefrau, „und hätte ihn noch einmal gedrückt, aber leider blieb mir auch das nicht übrig, und so halte ich mich jetzt an sein Grab, was Sie mir zukommen ließen.“131 Andere schickten Geld, damit der Pfarrer einen Kranz auf das Grab legen konnte132. Auch der eigene große Schmerz und die Verletzung über den Verlust wurden von den Angehörigen thematisiert. Eine Mutter schrieb unter „großem Herzeleid“. Eine andere versicherte: „Alles will ich hingeben, bloß meinen lieben, guten Jungen nicht“133. Die Väter lenkten den Blick häufig von sich ab und verwiesen etwa darauf, dass ihre Frauen vor lauter Schmerz nicht mehr schreiben konnten. Ein Vater entschuldigte sich für die mutmaßlichen Briefe seiner Leidensgenossen, die dem Pfarrer „vielleicht eine unpassende Antwort“ geschrieben hätten. „Ich kann es gut verstehen“, so hieß es weiter, „was so in einem Vater oder in einer Mutter steckt, wenn sie auf eine so furchtbare Weise ihr Kind verlieren, ihre Hoffnung und ihre einzige Freude. Es ist diesen Menschen nicht übel zu nehmen, wenn sie den klaren Verstand verlieren und deshalb möchte ich diese entschuldigen“134. Die emotionalen und innigen Briefwechsel zwischen Kriegspfarrern und Angehörigen wurden oftmals noch über den Krieg hinaus gepflegt. Der evangelische Divisionspfarrer Ufer berichtete von Bindungen, die ihm persönlich sehr zugute kamen. Als seine eigene Familie durch die Bombardie126 127 128 129 130 131 132 133 134

Schreiben Willi Decker (anonym) an Otto Schöner vom 26. 12. 1942, ebd. Schreiben Elisabeth Jansen (anonym) an Otto Schöner vom 17. 10. 1942, ebd. Vgl. das Schreiben Lucia Lachmann (anonym) an Otto Schöner vom 25. 10. 1942, ebd. Vgl. das Schreiben Anton Rainer (anonym) an Otto Schöner vom 14. 1. 1943, ebd. Schreiben Heinz Opperwies (anonym) an Otto Schöner vom 8. 11. 1942, ebd. Schreiben von Elisa Lose (anonym) an Otto Schöner vom 14. 9. 1942, ebd. Vgl. das Schreiben von Anne Schüdde (anonym) an Otto Schöner vom 10. 12. 1942, ebd. Schreiben von Anne Schüdde (anonym) an Otto Schöner vom 10. 12. 1942, ebd. Schreiben Jonas Presser (anonym) an Otto Schöner vom 20. 11. 1942, ebd.

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rungen Düsseldorfs in Gefahr geriet, obdachlos zu werden, fand sie Aufnahme und Betreuung bei der Familie eines gefallenen Soldaten. „Das ist eine für mich persönlich wertvolle Ernte eines kleinen und selbstverständlichen kameradschaftlichen Liebesdienstes, eigentlich nur durch Benachrichtigung der Todesumstände.“135

Deutscher Soldatenfriedhof, Nähe Rudobelka (Weißrussland), 25. 2. 1944, (AKMB, NL Perau, 2/431, F33).

Als die Wehrmacht im Verlauf der Rückzugsgefechte immer mehr Gebiete räumen musste, wurden die so sorgfältig angelegten Soldatenfriedhöfe zum Problem. Der evangelische Divisionspfarrer der 12. Infanteriedivision berichtete über die Räumung von Demjansk am 5. April 1943: „158 Briefe waren zu schreiben, vor allem auch nach der Bekanntgabe der Räumung von Demjansk. Die Sorge um das Schicksal der Gräber dort beschäftigt die Angehörigen in der Heimat sehr. Die Trennung von den Friedhöfen dort ist uns allen sehr schwer geworden. In der ersten Zeit vor und nach dem Stellungswechsel war der immer wieder aufgegriffene Gegenstand der Gespräche die Frage: Was wird aus den Gräbern werden, die in russische Hand fallen?“136

Gerieten die Soldatenfriedhöfe in sowjetische Hand, wurden sie zerstört. Eroberte die Wehrmacht das Gebiet, auf dem sich ein Soldatenfriedhof befunden

135 Ufer, Männer, 260. 136 Seelsorgebericht Friedrich Roettigs (1. 1.–31. 3. 1943) vom 5. 4. 1943 (LKA Stuttgart, NL Bauerle, Nr. 6).

Netzwerke

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Beerdigung deutscher Soldaten, Nähe Rudobelka (Weißrussland), 25. 2. 1944, (AKMB, NL Perau, 2/431, F 31).

hatte, zurück, musste der Friedhof unter Aufsicht der Gräberoffiziere mühsam wieder hergestellt werden137.

5.5 Netzwerke Für katholische und evangelische Kriegspfarrer waren die Kontakte zu den Theologen ihrer eigenen Konfession innerhalb der Truppe essentiell, da von ihnen Hilfe- und Unterstützung bei den Gottesdiensten, Beerdigungen und Kasernenstunden zu erwarten waren. Dabei stellten katholische Priester, die in der Regel nicht bei der kämpfenden Truppe eingesetzt waren und meistens bei der Sanität dienten, ein großes Reservoir an Hilfskräften für die Wehrmachtseelsorge bereit, wenn es um die Organisation und Gestaltung katholischer Gottesdienste ging oder auch die geistliche Betreuung von Verwundeten. „Ich habe gestern Abend wieder 4 von ihnen [Priestersoldaten] bei mir gehabt“, schrieb der Kriegspfarrer Anton Ullrich an seinen Bischof, Conrad Gröber, „Ihre Arbeit u. Aufgabe ist schwer, sehr schwer – aber ich habe

137 Vgl. denTätigkeitsbericht Hermann Wolfgang Beyers (1. 4.– 31. 7. 1941) o. D. (BA-MA Freiburg, H26/294, Nr. 100).

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manches Mal den Eindruck , sie sehen den großen Wert ihrer stillen Seelsorge gar nicht.“138 Evangelischen Lazarettpfarrern standen dagegen weniger Hilfskräfte zur Verfügung, weil ihre Geistlichen seltener als Sanitäter dienten, sondern bei der kämpfenden Truppe139. Die evangelische Wehrmachtseelsorge versuchte dieses Defizit auszugleichen, indem sie die Kriegspfarrer dazu aufrief, sich ein Netzwerk wohlgesonnener Christen zu schaffen, die bei der Vorbereitung der Gottesdienste helfen konnten. Der Feldgeistliche solle danach trachten, für seine Arbeit unter den Soldaten selbst möglichst viele Helfer zu finden, hieß es in den pastoraltheologischen Anweisungen für Feldgeistliche aus dem evangelischen Landeskirchenrat von Bayern 1943. Darunter verstand man „gläubige Christen, Gemeinschaftsleute, Diakone, Pfarrersöhne, Studenten der Theologie, Landsleute“140. Im Ersten Weltkrieg gehörte es dazu, Amtsbrüder aus der Truppe zur Hilfe bei Gottesdiensten heranzuziehen. Im Zweiten Weltkrieg war dies seit 1940 durch eine Verfügung des OKH verboten141. Im Kriegsalltag wurden solche Verbote allerdings regelmäßig umgangen, wenn es die Kommandeure billigten142. Vor allem katholische Theologen berichteten von Messen, die sie heimlich und in Eigeninitiative für ihre Kameraden abhielten. In einem Schreiben an seinen Diözesanbischof berichtete Kriegspfarrer Anton Baur offen über die gängige Praxis der Theologen seiner Division: „Ich habe Eurer Eminenz schon einmal berichtet, daß wir 5 Priester unseres Standortes uns in [sic!] die sonntäglichen Gottesdienste teilen. Bis heute ist es uns immer noch möglich sie durchzuführen. Wir dürfen diese Hl. Messen freilich nicht offiziell bekannt geben. Es spricht sich doch im ganzen Standort herum, daß zu einer bestimmten Zeit in einem bestimmten Hause ein Priester die Hl. Messe für Kameraden feiert. Wir benützen auch die Gelegenheit, ein paar Worte zum Evangelium zu sprechen. Eine kleine Schar Getreuer ist immer zugegen und nicht selten sind auch Offiziere darunter.“143

Der katholische Sanitätssoldat Joseph Dierkes versicherte 1991 in einem Schreiben an Josef Perau, dass es in der Sanitätskompanie 625 zehn Mitbrüder 138 Schreiben Anton Ullrichs an Conrad Gröber vom 23. 11. 1941 (EA Freiburg, Personalia, Ullrich, Anton). 139 Vgl. Hamm, Priester, 87; Rçw, Militärseelsorge, 360. 140 Pastoraltheologische Anweisungen für Feldgeistliche (LAELKB N rnberg, LKR 2548). 141 „Geistlichen, die in die Wehrmacht als Soldaten oder als Wehrmachtbeamte (nicht als Feldgeistliche) einberufen sind, ist für die Dauer ihrer Zugehörigkeit zur Wehrmacht die Ausübung jeglicher kirchlicher Handlungen innerhalb der Wehrmacht verboten.“ Schreiben des OKW betr. Ausübung kirchlicher Handlungen durch die Wehrmacht als Soldaten eingezogene Geistliche an das OKH, die Kriegsmarine, den Reichsminister für Luftfahrt und den OB der Luftwaffe vom 18. 3. 1940 (EA Freiburg, B2–35/72). 142 Vgl. Gutekunst, Mit Gott, 85; Hermle, Predigt, 132. 143 Schreiben Anton Baurs an Faulhaber, Passionssonntag [11.4.] 1943 (EA M nchen, NL Faulhaber, Nr. 6796/2).

Netzwerke

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gegeben habe, von denen sich einige, trotz des Verbotes ihrer religiösen Betätigung, fast nur den Sterbenden zugewandt hätten. „Wie ich auch von meinen Mitbrüdern weiß, hatten sie fast alle freie Hand.“144 Katholische Kriegspfarrer legten großen Wert darauf, Kontakt zu ihren Mitbrüdern zu halten. So berichtete Georg Lipp über die in seiner Einheit anwesenden Priestersoldaten: „Mir ist es eine gewaltige Hilfe u. ich freue mich immer mit ihnen zusammen zu kommen. Der Entzug dieser aus der Heimatseelsorge mag empfindsam sein, doch er ist schon um des Reiches Gottes, der hungernden Soldatenseelen notwendig. Soweit wie möglich ziehe ich sie zu Gottesdiensten heran, halte lebendige Verbindung, da erfährt man[:] Confraternitaet ist mehr als Kameradschaft!“145

Ähnlich empfanden auch evangelische Kriegspfarrer, wenn sie etwa ihre Freude darüber äußerten, mit einem Oberleutnant befreundet zu sein, der auch Pfarrer war und ihnen bei den Weihnachtsgottesdiensten half146. Häufig vertraten katholische Priester- und evangelische Pfarrersoldaten ihren Divisionspfarrer, wenn dieser krank oder im Urlaub war. Für manche bedeuteten diese Vertretungen den Höhepunkt ihrer militärischen Karriere und sie berichteten euphorisch darüber. Der evangelische Pfarrer und Leutnant Heinz Rahe verzichtete gern auf seinen Urlaub, weil er die Gelegenheit bekam, seinen Divisionspfarrer zu vertreten. „Ist es nicht eine Gnade, daß ich mein Amt ausüben darf ?“, fragte er in einem Brief an seine Frau, „Darüber bin ich wirklich froh. Es ist vielfach schwieriger als das Soldatspielen, aber man ist doch anders mit dem Herzen dabei. Ich bin nun mal kein geborener Soldat.“147 In seinem Kriegstagebuch schilderte Gerhard Knapp, wie er Ostern zum ersten Mal nach über drei Jahren als Pfarrersoldat einen Soldatengottesdienst abhalten durfte: „Ich war nicht leichten Herzens an die Aufgabe einer Osterverkündigung herangegangen, und nun ist eines der schönsten Erlebnisse während meiner Soldatenzeit daraus geworden. Das war mir in keiner Weise selbstverständlich, es war mir ein wirkliches Geschenk.“148

Regelmäßig berichteten Kriegspfarrer über Treffen mit den Theologen innerhalb ihres Zuständigkeitsbereiches. Wöchentliche, zwanglose Zusammenkünfte von Ordensbrüdern, Theologiestudenten oder Pfarramtskollegen 144 Schreiben Joseph Dierkes an Josef Perau vom 28. 10. 1991 (AKMB, SW 638). 145 Schreiben Georg Lipps an Michael von Faulhaber vom 26. 2. 1941 (EAM, NL Faulhaber, Nr. 6796/2). 146 Vgl. die Auszüge aus den Briefen von Divisionspfarrer S. [vermutlich Otto Stockburger] 26. 12. 1941 (LKA Stuttgart, D1, Nr. 191,9). 147 Schreiben Heinz Rahes an seine Frau Ursula Rahe vom 23. 4. 1943. In: Feldpostbriefe von Lt. Heinz Rahe, Januar – Juli 1943 – Kaukasien/Ukraine, hg. von Konrad Rahe und Elsbeth Oldenburg Hamburg 2006 (Dienstbibliothek des AKMB). 148 Tagebucheintrag Gerhard Knapps vom 25. 4. 1943 (LKA Stuttgart, D37, 1.3).

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im Hause des Kriegspfarrers sicherten die „fruchtbare Zusammenarbeit149. Man tauschte sich über Theologie, militärische Aufgaben und kirchliche Gegenwartsfragen aus oder sprach „über alles mögliche“150. Wichtig war, dass man sich kennenlernte, sich gegenseitig half, aber auch das eigene theologische und bibelkundliche Wissen auffrischte, das immer in Gefahr war „einzurosten“, wie Gerhard Knapp 1943 bemerkte151. Ein evangelischer Divisionspfarrer verwandte sich bei den militärischen Vorgesetzten für die Beförderung oder Kriegsauszeichnungen der Pfarrersoldaten seiner Division, die ihrerseits Weihnachten Gottesdienste für ihn hielten, wenn er sich außerstande sah, alle Feiern selbst zu halten152. Im November 1943 erging das Verbot an Kriegspfarrer, Theologen, die mit der Waffe dienten, zu versammeln153. Auch dieses Verbot dürfte wenig bewirkt haben. Die Bedeutung der Netzwerke erschließt sich vor dem Hintergrund des Kriegspfarrermangels, der seit dem Einstellungsstop für Kriegspfarrer 1942 fühlbar wurde. Dankbar notierte Werthmann nach dem Krieg: „Es gibt keine Statistik, um nachweisen zu können, in welchem Ausmasse unsere Priestersoldaten durch ihre Mitarbeit in der Feldseelsorge dazu beigetragen haben, dass trotz der verhältnismässig geringen Anzahl von Kriegspfarrern möglichst viele Einheiten mit Gottesdiensten versorgt wurden und vor allem in Lazaretten möglichst vielen sterbenden Soldaten die Sterbesakramente gereicht werden konnten.“154

Die Netzwerke der Theologen und Geistlichen vermittelten dem einzelnen Kriegspfarrer, der sowohl den Soldaten als auch den Offizieren des Divisionsstabes allein gegenüber stand, das Gefühl sozialer Stabilität. Gestärkt wurde diese auch durch die Frontlehrgänge, die von den Heeresgruppenpfarrern regelmäßig für die Kriegspfarrer einberufen wurden. Neben ihrer informatorischen erfüllten die Frontlehrgänge eine mindestens ebenso wichtige soziale Funktion. Die Stunden zwischen den Vorträgen waren wichtiger als die Vorträge selbst, wie der evangelische Wehrmachtpfarrer Siegfried Hotzel in seinem Tagebuch festhielt: „Dies ist sehr nötig; denn der Militärpfarrer ist durch seinen Beruf als fast einziger seines Standes in einer großen Gemeinschaft von Menschen etwa als Divisionspfarrer ganz auf sich allein gestellt, anders als der Offizier, der viele Kameraden seinesgleichen um sich hat.“155 149 150 151 152

Seelsorgebericht von Guido Aix (1. 7.–1. 10. 1941) vom 1. 10. 1941 (AEK, Gen. II, 7.9,2). Tagebucheintrag August Albrechts vom 29. 6. 1942 (BA-MA Freiburg, MSG 2, 12284). Tagebucheintrag Gerhard Knapps vom 14. und 15. 5. 1943 (LKA Stuttgart, D37, 1.3). Vgl. den Seelsorgebericht Alfred Busses (1. 10.–31. 12. 1942) vom 31. 12. 1942 (LKA Stuttgart, NL Bauerle, Nr. 6). 153 Vgl. den Tagebucheintrag Hans Kählers vom 22. 11. 1943 (BA-MA Freiburg, MSG 2, 5867a). 154 Notiz Georg Werthmanns vom 4. 7. 1945 (AKMB, SW 147). 155 Tagebucheintrag Siegfried Hotzels vom 12. 4. 1942 (AAK Berlin, Kempowski Bio, 1850/3).

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Ähnliches berichtete Wehrmachtdekan Martin Bemmann dem OKH über einen Frontlehrgang für evangelische Kriegspfarrer in Norwegen: „Als Tagungsraum war vom Herrn Chef das Ausweichquartier des A. O. K. in Schloß Lysaker freundlich zur Verfügung gestellt worden. Da sämtliche Teilnehmer dort untergebracht und verpflegt werden konnten, war es möglich, den Lehrgang zu einem geschlossenen Ganzen zu gestalten. Das ist nach den von mir bereits im Osten gemachten Erfahrungen darum wesentlich, weil die Kriegspfarrer zwar in ihren Stäben meist gute Kameradschaft haben, aber sonst der brüderlichen Gemeinschaft mit anderen Pfarrern ermangeln. Der Stärkung dieser Gemeinschaft dienten vor allem die jeden Tag nach einem bestimmten Plan veranstalteten Morgen- und Abendgebete und die täglich stattfindende Bibelarbeit, bei der ausgewählte Stellen des Epheser-Briefes gelesen und besprochen wurden. Auch die zwanglosen kameradschaftlichen Zusammenkünfte, die alle Teilnehmer am Abend ums Kaminfeuer scharten, halfen mit, daß man sich näher kam und eine wirkliche Bruderschaft entstand.“156

Große Bedeutung erlangte der dem jeweiligen Divisionspfarrer zugeordnete Divisionspfarrer der anderen Konfession. Die sogenannten Kriegspfarrerpaare teilten Auto, Küster und ein Quartier mit Telefonanschluss miteinander, sprangen auf Beerdigungen, in Lazaretten oder bei Gottesdiensten füreinander ein und traten meistens gemeinsam auf157. Zuweilen entstanden enge Freundschaften zwischen den Geistlichen. So schlossen sich der evangelische Pfarrer und Leutnant Heinz Rahe und der katholische Divisionspfarrer Joseph Eickhoff eng zusammen. „Eine feine geistliche Persönlichkeit“, urteilte Rahe in einem Schreiben an seine Frau. Es sei ihm ein Trost, dass er mit Eickhoff zusammen leben könne und nicht ganz einsam sei158. Ebenso berichtete der katholische Divisionspfarrer Josef Perau von dem guten Verhältnis zu seinem evangelischen Pendant, Eberhard Müller, mit dem er gern die Abendstunden verbrachte und von dem er sich Kleidung und Bücher aus der Heimat mitbringen ließ159. Die Situation des gemeinsamen Alltags brachte es mit sich, dass es zahlreiche Gelegenheiten zu interkonfessionellen Gesprächen gab160. Darin ging es immer auch um die Möglichkeit einer neuen Ökumene zwischen Katholiken und Protestanten. Während Gerhard Knapp mit einem katholischen Theolo156 Bericht des Wehrmachtdekans Martin Bemmann über den Frontlehrgang vom 15.–18. 9. 1943 an das OKH vom 1. 10. 1943 (BA-MA Freiburg, RW12 I, 24). 157 Vgl. den Tagebucheintrag Hans Kählers vom 26. 4. 1944 (BA-MA Freiburg, MSG 2, 5867b). 158 Schreiben Heinz Rahes an seine Frau Ursula Rahe vom 25. 4. 1943. In: Feldpostbriefe von Lt. Heinz Rahe, Januar – Juli 1943 – Kaukasien/Ukraine, hrsg. von Konrad Rahe und Elsbeth Oldenburg Hamburg 2006 (Dienstbibliothek des AKMB). 159 Vgl. das Schreiben Josef Peraus an seine Eltern vom 5. und 8. 9. 1942 (AKMB, NL Josef Perau, Nr. 3). 160 Vgl. die Notiz Georg Werthmanns vom 7. 7. 1945 (AKMB, SW 80).

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gen im Bunker saß, erfuhr er zum ersten Mal von der katholischen liturgischen Bewegung um Ildefons Herwegen und Romano Guardini und dem „inneren Verhältnis“, das junge katholische Geistliche neuerdings zu Luther hatten161. Erst hier ging ihm auf, was eine katholische Messe von einem evangelischen Gottesdienst unterschied. Der Hauptunterschied zwischen dem evangelischen und dem katholischen Gottesdienst bestehe wohl darin, vermerkte er in seinem Tagebuch, dass der evangelische Gottesdienst im Wesentlichen Wortverkündigung, während der katholische Sakramtenfeier sei162. Ein paar Monate später berichtete Knapp über „katholische Theologenkameraden“, die vertretungsweise den evangelischen Predigtgottesdienst für die Soldaten hielten163. Der dienstaufsichtführende Wehrmachtpfarrer beim Wehrmachtoberbefehlshaber Ostland in Riga, Johannes Opfermann, diskutierte mit anderen katholischen Theologen die Idee der „una sancta“, d. h. heißt einer Ökumene von katholischer und evangelischer Kirche wie sie von der Michaelsbruderschaft und der Berneuchener Bewegung seit den zwanziger und dreißiger Jahren vertreten wurde164. Auch der evangelische Divisionspfarrer Hans Kähler berichtete wiederholt von Soldaten, mit denen er über die Vereinigung von evangelischer und katholischer Kirche diskutierte165. Heinz Rahe schrieb an seine Frau, wie er durch den katholischen Kriegspfarrer Joseph Eickhoff lernte, die katholische Kirche zu schätzen. Rahe lobte die tiefe Verwurzelung der katholischen Kirche im Volk, trotz „lateinischer Messen und Priestern und dem ganzen niederen Kult“. Dagegen fand er in der evangelischen Kirche zwar eine gute Theologie und tüchtige Prediger, aber nur eine lose Verbindung zwischen Volk und Kirche166. Er stellte fest, dass die Messe das Zentrum des katholischen Gottesdienstes sei und folgerte: „Für uns müßte das Heilige Abendmahl viel mehr sein.“167 Schließlich kam Rahe zu dem Schluss, dass die katholische Kirche der evangelischen in vielerlei Hinsicht überlegen sei. „Denk Dir nur“, schrieb er, „Ein Priester kann sich seine Pfarre nicht aussuchen, sondern wird bestimmt. Ist das nicht ein Segen? Wir haben die vielgepriesene Freiheit, aber sie taugt nichts. Der Bischof kennt alle seine Priester und ist durch die Firmung gezwungen, sie zu besuchen. Ist der hierarchische Aufbau bei der katholischen Kirche nicht auch ein Segen? Die 161 162 163 164

Tagebucheintrag Gerhard Knapps vom 19. 9. 1941 (LKA Stuttgart, D37, 1.2). Vgl. den Tagebucheintrag Gerhard Knapps vom 5. 4. 1942, ebd. Vgl. Tagebucheintrag Gerhard Knapps vom 5. 7. 1942, ebd. Vgl. Tagebucheintrag Johannes Opfermanns vom 6. 10. 1942 (DAB, V/184); Pçpping, Abendland, 153–166. 165 Vgl. die Tagebucheinträge Hans Kählers vom 10. 11. und 29. 12. 1943 (BA-MA Freiburg, MSG 2, 5867a). 166 Schreiben Heinz Rahes an seine Frau Ursula Rahe vom 23. 4. 1943. In: Feldpostbriefe von Lt. Heinz Rahe, Januar – Juli 1943 – Kaukasien/Ukraine, hg. von Konrad Rahe und Elsbeth Oldenburg Hamburg 2006 (Dienstbibliothek des AKMB). 167 Schreiben Heinz Rahes an seine Frau Ursula Rahe vom 27. 4. 1943, ebd.

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katholischen Priester können gehorchen, bei uns hat jeder seinen eigenen Kopf.“168 Stolz schrieb der katholische Kriegspfarrer Anton Baur von der Ostfront an seinen Bischof Faulhaber, dass er auf einer abendlichen Zusammenkunft evangelischer Theologen über die Heilige Messe vorgetragen habe. In der anschließenden Diskussion habe man über die Gemeinsamkeiten von evangelischen und katholischen Christen nachgedacht. „Die evangelischen Christen“, so fuhr er fort, „haben doch das Gefühl, daß sie manches wertvolle Gut seit der Reformation u. durch sie verloren haben.“169 Auch der katholische Kriegspfarrer Johann Anton Hamm berichtete über gemeinsame Bibelstunden für katholische und evangelische Theologen im Quartier der Divisionspfarrer. Diese hätten dazu beigetragen, das gemeinsame Anliegen beider Konfessionen in dieser Zeit überhaupt zu sehen170. Vielfach wurde man sich erst in der Begegnung mit der anderen Konfession der gegenseitigen Vorurteile, aber auch tiefer mentaler Unterschiede bewusst. Der katholische Wehrmachtpfarrer Josef Wassong zählte nach einem Gespräch mit einem evangelischen Pfarrer eine ganze Reihe von falschen gegenseitigen Vorurteilen auf, derer sich keiner von ihnen vorher bewusst gewesen sei: „Er war entsetzt, daß ich der Meinung war, für die Prot[estanten]. gebe es keine Pflicht, am Sonntagsgottesdienst teilzunehmen, ich dagegen traute meinen Ohren kaum, als er meinte, ich könne doch die Anbetung der Gottesmutter durch die Kath[oliken]. nicht leugnen, denn was das an den Wallfahrtsorten denn anderes sei. Auch stellte er u. a. die Behauptung auf, wenn Luther dem Landgraf Phil. v. Hessen die Doppelehe gestattet habe, so beweise das, daß er k[eine]. Politik getrieben habe, er habe nach s. Gewissen gehandelt; wenn die kath. Kirche Heinrich VIII. aber eine 2. Ehe nicht gestattet habe, so sei das Politik gewesen, es gebe eben auch eine feinere Politik. Ist denn so etwas möglich? Viel göttl. Gnade wird nötig sein, ehe 1 Wiedervereinigung im Gl[au]b[en] sich vollzieht, denn die Mißverständnisse sind doch bedauerlich groß.“171

Auch der evangelische Kriegspfarrer Wilhelm Lechner blieb skeptisch. Er berichtete seinem Bischof Hans Meiser, dass gerade die „ernsten und tief veranlagten Pfarrer“ bei der Truppe nachdrücklich den Zusammenschluss der Kirchen forderten. Sie seien der Meinung, dass nur die „oberen führenden Leute“ einer Kircheneinigung im Wege stünden. Lechner führte dies auf die persönliche Begegnung mit katholischen Kameraden und Theologen zurück, die erst im Krieg möglich geworden sei. Die katholischen Kollegen hatten 168 Schreiben Heinz Rahes an seine Frau Ursula Rahe vom 29. 4. 1943, ebd. 169 Schreiben Anton Baurs an Michael von Faulhaber am Passionstag 1943 (EAM, NL Faulhaber, Nr. 6796/3). 170 Vgl. Hamm, Priester, 134. 171 Tagebucheintrag Josef Wassongs vom 5. 10. 1941 (AKMB, SW 901).

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selbst ihn – wie er zugeben musste – beeindruckt, denn oftmals böten sie ein „ausgezeichnetes“ Beispiel von Kameradschaft. Lechner wusste aber auch, wie er seine katholischen Kollegen dazu bringen konnte, ihr „wahres“, und das hieß für ihn, ihr gänzlich intolerantes Gesicht, zu zeigen: „Oft mach ich das so: Ich rede von einem scheinbar nebensächlichen Dogma der evang. Lehre, erkläre es sei doch Unsinn, so etwas als Trennungswand aufzurichten. Begeistert tun sie da mitreden selbst vieles noch dazu. Ganz ruhig lenke ich zu einem spezifisch römisch-kathol. Dogma über, das vielleicht erst im 19. Jahrhundert „erfunden“ wurde, belege den Unsinn nach dem NT und …. aus ist jedes Verständnis. Ich habe meist ein scharfes Wort gegen solche jesuitische Charakterlosigkeit. Der ,Egoismus collectivus‘ im Katholizismus ist groß. Tun sie es bewußt oder nicht; jedenfalls freuen sie sich, wenn einer sein eigenes Nest beschmutzt; denn dieser ist schon ungefährlich, halb gewonnen.“172

Nicht alle Kriegspfarrerpaare waren eine Bereicherung füreinander. Das Verhältnis des evangelischen Divisionspfarrers Hans Kähler zu seinem katholischen Kollegen war höchst ambivalent. Einerseits pflegten beide eine enge Beziehung. „Ein Zuhörer, der uns nicht gekannt hätte, hätte kaum vermutet, daß hier ,feindliche‘ Stiefbrüder beisammen saßen!“173 Andererseits war Kählers Verhältnis zu Hermann Mömkes durchzogen von Distanzierungen und Konkurrenzgefühlen. „Dies ,Verheiratetsein‘ mit dem kath. Kollegen“, notierte er, „hat doch sehr seine Schattenseiten.“174 Je nach Laune und Situation aktivierte Kähler seine alten Vorurteile gegen die „feindlichen Stiefbrüder“, wenn er den katholischen Kollegen beschrieb. So stöhnte er: „So sind die Stiefbrüder! Sie sind im Grunde alle gleich“175. Als er bemerkte, dass sein katholischer Kollege die Gräber katholischer Soldaten nachträglich einsegnete, „damit ja kein kath. Soldat in einem ungeweihten Grab ruht“, klagte er: „Wie sehr haben die doch einen anderen Geist als wir!“176 Das Bild, das Kähler von dem katholischen Wehrmachtoberpfarrer Erich Bartsch, der Mömkes einmal vertreten hatte, zeichnete, entsprach dem Negativklischee eines katholischen Priesters: „Ein 54 jähr., fetter Kerl, typisch Pfaffe“177, der – „trinkt wie ein alter Zecher, redet wie ein Buch“ und unverschämt sei „wie ein echter Berliner“178. Für manchen protestantischen Kriegspfarrer waren die katholischen Kollegen faul und taten nur das Notwendigste. „Die katholischen Stiefbrüder

172 Schreiben Wilhelm Lechners an Hans Meiser vom 11. 2. 1942 (LAELKB N rnberg, LKR 2533). 173 Tagebucheintrag Hans Kählers vom 11. 8. 1943 (BA-MA Freiburg, MSG 2, 5867). 174 Tagebucheintrag Hans Kählers vom 2. 5. 1943, ebd. 175 Tagebucheintrag Hans Kählers vom 9. 7. 1943, ebd. 176 Tagebucheintrag Hans Kählers vom 13. 11. 1944 (BA-MA Freiburg, MSG 2, 5867b). 177 Tagebucheintrag Hans Kählers vom 8. 2. 1944 (BA-MA Freiburg, MSG 2, 5867a). 178 Tagebucheintrag Hans Kählers vom 13. 5. 1944 (BA-MA Freiburg, MSG 2, 5867b).

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hassen doch die Arbeit wie die Pest“, notierte Kähler179. Umgekehrt wurden evangelische Kriegspfarrer von ihrem katholischen Gegenüber als „unehrlich“ eingeschätzt, weil sie sich angeblich hinter dem Rücken des katholischen Kriegspfarrers beim Divisionskommandeur, der in der Regel evangelisch war, Einfluss zu verschaffen suchten180. Oft hatten katholische Kriegspfarrer das Gefühl, dass ihre evangelischen Kollegen immer noch von einem Primat der evangelischen Militärseelsorge ausgingen. Sie sahen darin eine völlig unberechtigte Fortsetzung von Traditionen aus einer Zeit, die sie für längst überwunden hielten181. In den Augen ihrer katholischen Kollegen setzten evangelische Kriegspfarrer überdurchschnittlich viele Gemeinschaftsgottesdienste bei den militärischen Vorgesetzten durch. Dagegen stellten evangelische Kriegspfarrer fest, dass katholische Kriegspfarrer sich weigerten, Gemeinschaftsgottesdienste zu halten oder diese sogar durch Fehlinformationen verhinderten182. Der katholische Wehrmachtpfarrer Josef Wassong empörte sich über seinen evangelischen Kollegen Ernst Schubring, der ihm über den Küster gedroht hatte, er werde es melden, wenn Wassong keinen Gemeinschaftsgottesdienst halte. Ein herzliches Dauerverhältnis zu Schubring werde sich leider wohl nie mehr ergeben, folgerte Wassong183. Je näher man sich kennenlernte, desto mehr konkurrierte man auch miteinander. In seinem „Erfahrungsbericht“ an den Feldbischof mahnte ein evangelischer Wehrmachtpfarrer an, alle 14 Tage im Kriegslazarett 4/615 in Schilowo Gottesdienst zu halten, „um dem katholischen Pfarrer dort nicht das ganze Arbeitsfeld zu überlassen.“184 Stolz notierte Josef Wassong, Kameraden hätten gesagt, er komme öfter zu den Verwundeten als sein evangelischer Kollege185. Konkurrenzgefühle zwischen den Kriegspfarrerpaaren entwickelten sich auf nahezu allen Arbeitsgebieten. Dabei ging es meistens um die Frage, ob der Kollege von der anderen Konfession mehr Anerkennung bekam als man selbst. Besonders deutlich wurde dies, wenn es um militärische Auszeichnungen ging. Der katholische Wehrmachtpfarrer Josef Wassong notierte über das Kriegsverdienstkreuz, das ihm am 5. November 1941 verliehen wurde: „Mi., 5. 11. 41 Um 18 Uhr wurde ich zum General […] gerufen. Was konnte der Grund sein? ,Dumme Sache‘ sagte Major […] im Vorzimmer. Herr General aber stand freundlich auf u. überreichte mir im Namen des Führers mit Dank für m. Tagebucheintrag Hans Kählers vom 31. 5. 1943 (BA-MA Freiburg, MSG 2, 5867). Vgl. die Notiz Georg Werthmanns vom 3. 6. 1946 (AKMB, SW 82). Vgl. die Notiz Georg Werthmanns vom 23. 5. 1945, ebd. Vgl. den Tagebucheintrag Hans Kählers vom 9. 7. 1943 (BA-MA Freiburg, MSG 2, 5867). Notiz Georg Werthmanns vom 28. 6. 1945 (AKMB, SW 80). 183 Vgl. den Tagebucheinträge Josef Wassongs vom 4. und 6. 6. 1942 (AKMB, SW 901). 184 Erfahrungsbericht Gerhard Großmanns (1. 10.–31. 12. 1942) vom 10. 1. 1943 (LKA Stuttgart, NL Bauerle, Nr. 6). 185 Vgl. den Tagebucheintrag Josef Wassongs vom 11. 8. 1941 (AKMB, SW 901). 179 180 181 182

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Arbeit das – Kriegsverdienstkreuz. Es ist sicher gut gemeint von ihm, aber niemand kann erwarten, daß ich mich über diese „Auszeichnung“ besonders freue, zumal Pfr. Schubring, der nicht im geringsten mehr tat als ich, bereits seit 5/4 Jahr das E[iserne]-K[reuz]. trägt. Zudem komme ich so spät an die Reihe, daß ich keine Ehre darin sehe. Zahlreiche andere, die nicht im Offiziersrang stehen, hb. es bereits vom Stabsquartier erhalten. Ich werde es der Division nie vergessen, daß sie den ev. Pfarrer so auffällig bevorzugte, das habe ich auf keinen Fall verdient u. ungerecht bleibt es.“186

Noch ein Jahr später nagte das Gefühl der Zurücksetzung gegenüber dem evangelischen Divisionspfarrer an ihm. Am 11. Dezember 1942 vertraute Wassong seinem Tagebuch an, er habe den 1. Adjutanten seiner Division gefragt, „ob man etwa jemals bei der Division der Ansicht gewesen sei, daß ich nicht treu m. Pflicht tue, weil man mich doch etwas merkwürdig behandelt habe.“187 Neben dem militärischen Rang und der konfessionellen Zuschreibung gehörte die landsmannschaftliche Verortung eines Kameraden zum festen Bestandteil seiner sozialen Beschreibung durch den Kriegspfarrer. Zwar war bei der Zusammenstellung der Divisionen darauf geachtet worden, dass ihre Mannschaften derselben Region entstammten, doch hatte sich die einheitliche Zusammensetzung der Divisionen durch die hohen Verluste im Verlauf des Ostkrieges immer weiter aufgelöst. Dabei verband sich die landsmannschaftliche Zugehörigkeit meistens mit der Zugehörigkeit zu einer der beiden Konfessionen, was dem Kriegspfarrer, sofern er aus derselben Region stammte, den Zugang zu den Soldaten erleichterte188. Der evangelische Lazarettpfarrer Johannes Rudolph vermerkte jede Begegnung mit Verwundeten aus seiner Heimat, dem Erzgebirge, positiv in seinem Tagebuch. Diese hätten sich trotz ihrer oftmals schweren Verletzungen „riesig gefreut“ ihn zu sehen. Zudem meinte er bei ihnen noch eine „gewisse religiöse Substanz“ zu finden189. Dem evangelischen Kriegspfarrer Hans Kähler waren Berliner verhasst. Obgleich diese in der Regel formal der protestantischen Kirche angehörten, fehlten sie in seinen Gottesdiensten. Als Kähler bei einem seiner Gottesdienste bemerkte, dass die Bäcker fehlten, fragte er sich, „Warum wohl die Bäcker so gottlos sind?“190 Ein paar Monate später kannte er die Antwort: „Nun, sie sollen meistens aus Berlin stammen, das erklärt alles.“191

186 187 188 189

AKMB, SW 901. Ebd. Vgl. Rçw, Militärseelsorge, 326. Tagebucheinträge Johannes Rudolphs vom 21. 8., 3. 9. 1941, 23. 9. 1941 (BA-MA Freiburg, MSG 2, 19328). Für die katholische Seite vgl. Rçw, Militärseelsorge, 326. 190 Tagebucheintrag Hans Kählers vom 28. 7. 1943 (BA-MA Freiburg, MSG 2, 5867). 191 Tagebucheintrag Hans Kählers vom 10. 11. 1943 (BA-MA Freiburg, MSG 2, 5867a).

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Ein anderer evangelischer Kriegspfarrer hatte es ebenfalls fast ausschließlich mit Berlinern und Ostbrandenburgern zu tun. Er schilderte sie als die für ihre Heimat typischen religiös-kirchlich-indifferenten Protestanten. Abgestumpft durch die schweren Rückschläge im Winter 1941 zeigten die Berliner nur dann religiöses Interesse, wenn es darum ging, den Pfarrer „reinzulegen“, d. h. ihn durch Fragen nach biblisch-konfessionellen Dingen „ad absurdum“ zu führen. Zudem sah er sich ständig der schadenfrohen Frage ausgesetzt „Herr Pfarrer, was wird nach dem Kriege aus Ihnen?“192 Wie auch bei den anderen Soldaten hing das persönliche Befinden der Kriegspfarrer weitgehend von den Beziehungen zu ihren wichtigsten Bezugspersonen in der Heimat ab, die durch die Feldpost aufrecht erhalten wurden. Die Bezugspersonen von evangelischen und katholischen Kriegspfarrern waren allerdings grundlegend verschieden. Im Nachlass des Münchener Erzbischofs Michael von Faulhaber finden sich zahlreiche Briefe von Kriegspfarrern und Priestersoldaten, die auf ein sehr enges Verhältnis zu ihrem Erzbischof schließen lassen. Begründet war dieses Verhältnis in der durch die Priesterweihe garantierten „übernatürlichen Verbindung“ mit dem Bischof. Zugleich erfreute sich Faulhaber, der im Ersten Weltkrieg Feldpropst beim Bayerischen Heer gewesen war, in militärischen Kreisen besonderer Verehrung193. Anlässlich des Namenstages seines Bischofs schrieb Kriegspfarrer Martin Wagner 1942 an Faulhaber: „Es vergeht kaum ein Tag, ganz besonders aber jetzt, da die Kirche das Schutzfest des hl. Erzengels Michael begeht, an dem meine Gedanken vom fernen Osten nicht heimwärts fliegen zu meinem Bischof, zu Ihnen Hochwürdigster Herr Kardinal, dem ich vor wenigen Jahren am Weihealtar mein „Promitto“ in die Hände gelegt habe.“194

Voll Dankbarkeit über einen Brief Faulhabers zeigte sich auch Kriegspfarrer Anton Baur: „Ein Zeichen liebenden Gedenkens aus der Heimat bedeutet für den Soldaten immer ein freudiges Ereignis. Besonders freut es den Priester im Soldatenrock ein solches Zeichen von seinem Bischof zu erhalten, dem er am Altare die Treue geschworen hat.“195

Umgekehrt unterstützte Faulhaber die Kriegspfarrer seiner Diözese, wo er konnte. Er sandte ihnen Geld, damit sie „kleine Geschenke materieller Art“ an 192 Seelsorgebericht Wilhelm Petzinnas (1. 4.–30. 9. 1942) vom 4. 10. 1942 (LKA Stuttgart, NL Bauerle, Nr. 6). 193 Vgl. das Schreiben Leopold Ellners an Michael von Faulhaber vom 14. 7. 1942 (EAM, NL Faulhaber, Nr. 6796/1). 194 Schreiben Martin Wagners an Michael von Faulhaber vom 23. 9. 1942 (EAM, NL Faulhaber, Nr. 6796/1). 195 Schreiben Anton Baurs an Michael von Faulhaber vom 10. 12. 1942, ebd.

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die Soldaten verteilen konnten196, schrieb regelmäßig an seine Diözesanpriester im Feld, versandte Messkoffer an Priestersoldaten, die so in die Lage versetzt wurden, vorschriftswidrig Messen für ihre Kameraden zu halten197. In anderen katholischen Diözesen war man weniger auf den Bischof fixiert, sondern auf Eltern oder Freunde. Der junge katholische Kriegspfarrer Josef Perau aus der Münsteraner Diözese erwartete täglich Briefe oder Paketsendungen von seinen Eltern und zeigte sich extrem frustriert, wenn diese ausblieben198. Bei den evangelischen Kriegspfarrern ist eine ähnliche Beziehung zu ihren kirchlichen Vorgesetzten nicht festzustellen. Die Stelle der Hauptbezugspersonen in der Heimat füllten hier in der Regel die Ehefrauen aus, mit denen sie in intensivem Briefwechsel standen. Die Kriegs- und Wehrmachtpfarrer Hans Kähler, Otto Schöner und Johannes Rudolph sowie die Pfarrersoldaten Heinz Rahe und Gerhard Knapp schrieben fast täglich ihren Frauen, deren Briefe sie mit Bangen und Inbrunst erwarteten. Jeder Brief der Ehefrau wurde im Tagebuch eigens vermerkt. Der Tagebuchschreiber Hans Kähler versah alle Briefe seiner Frau mit Nummern und meldete am 21. Januar 1945 den 1045sten Brief199. Trotzdem sind seine Aufzeichnungen voll der Klagen über ausbleibende Post: „Wieder keine Post von der Frau – es ist zum Kotzen! Was ist da bloß los in der Heimat? Liegts an Tina oder an der Post? Wehe, wenn es an Tina liegt! Dann folgt jetzt die Strafe!“200

196 Schreiben Michael von Faulhabers an Johannes Stelzenberger vom 28. 3. 1941 (EAM, NL Faulhaber, Nr. 6799). 197 Schreiben Franz Xaver Hiendlmayr an Michael von Faulhaber vom 10. 9. 1942 (EAM, NL Faulhaber, Nr. 6796/1). 198 Vgl. die Schreiben Josef Peraus an seine Eltern (Brief 401–405) vom 8.–12. 10. 1944 (AKMB, NL Josef Perau, Nr. 3). 199 Vgl. den Tagebucheintrag Hans Kählers vom 21. 1. 1945 (BA-MA Freiburg, MSG 2, 5867b). 200 Tagebucheintrag Hans Kählers vom 8. 1. 1944, ebd.

6. Theologie des Todes 6.1 Leben Im Verlauf des Ersten Weltkrieges hatte sich ein Teil der evangelischen Feldprediger vom alttestamentarischen Erwählungsglauben abgewandt, der den Krieg Deutschlands mit dem Krieg Gottes gleichsetzte und den Sieg der deutschen Waffen zum Sieg des göttlichen Willens in der Geschichte erklärte. Die Kriegsdeutung dieser Geistlichen hatte sich von der Geschichtstheologie auf das Neue Testament verlagert, in dem die Passion Christi im Mittelpunkt steht. Das Neue Testament – so glaubten diese Feldprediger – sei geeigneter für Antworten auf das Bedürfnis der Soldaten nach Orientierung im Umgang mit dem Massensterben1. Auf einem Theologischen Lehrgang für Feldgeistliche im Herbst 1916 hieß es in einem Referat: „Am Anfang des Krieges gab es Irrwege der Kriegspredigt, die wir je länger je mehr verlassen haben; den alttestamentlichen Irrweg2, und den Irrweg der politischen Predigt. Wir sind allmählich immer neutestamtentlicher geworden. Das seelische Bedürfnis der Soldaten kann nur mit dem Tiefsten, das wir haben, gestillt werden. Nichts aber packt mehr als das Beispiel Jesu Christi.“3

Im Neuen Testament seien „lebendige Urkräfte“, d. h. ethische Kräfte, am Werk, die es dem Soldaten ermöglichten, durchzuhalten, betonte der Berliner Neutestamentler Adolf Deißmann auf demselben Lehrgang. Deißmann beschrieb diese Kräfte als „heiligen Verzicht“, „heiliges Dulden“, „heiligen Trotz“ und „heilige Zuversicht“. Tragende und stählende Kräfte, Kräfte der Passivität und Kräfte der Aktivität, die gleichermaßen geeignet seien, uns das Schicksal des Krieges erdulden und die Zukunft des Krieges gestalten zu helfen4. Die mit dem Fortschreiten des Ersten Weltkrieges einhergehende Desillusionierung über den Glauben an das Eingreifen Gottes in die Geschichte, das 1 Vgl. F llkrug, Theologischer Lehrgang, 110. 2 Was unter dem „alttestamentarischen Irrweg“ zu verstehen war, erläuterte der Wiener Professor Fritz Wilke auf derselben Tagung. Dem Neuen Testament fehle der kriegerische Klang. Im Alten Testament gäbe es hingegen den heiligen Krieg, weil dort Jahweglaube und Nationalgedanke auf das engste miteinander verwachsen seien. Israels Feinde seien im Grunde Jahwes Feinde. Krieg und Religion stünden im Alten Testament im innigsten Verhältnis zueinander. Vgl. Wilke, Kriegsfrömmigkeit, 24–36. 3 F llkrug, Theologischer Lehrgang, 110. 4 Deissmann, Kräfte, 37 f.

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offenbar nicht automatisch den Sieg des deutschen Heeres garantierte, hatte diese Theologen veranlasst, sich neu darauf zu besinnen, was die christliche Religion immer auch gewesen war: Lebenshilfe in existentiellen Krisensituationen. Diese Einsicht bestimmte auch noch die Haltung der Kirchen zum Zweiten Weltkrieg. Zu Beginn des Krieges rieten Kirchenführer beider Konfessionen ausdrücklich davon ab, allzu leichtfertig die politische Geschichte mit der göttlichen Offenbarung zu identifizieren5. So warnte der evangelische Wehrmachtdekan Schieber vor der Auffassung, dass in den Erlebnissen des Krieges Gott besonders nahe sei. Dies führe gewöhnlich zu einem bloßen Schicksalsglauben, der, wenn das äußere Erleben sich verändere, in Gefahr sei, Schiffbruch zu leiden6. Die Predigtentwürfe der evangelischen Wehrmachtseelsorge verstanden sich als „Christuspredigten“, eine Gattung, die während des Zweiten Weltkrieges allgemein diskutiert wurde. Von 194 ausgewerteten Predigten eines evangelischen Kriegspfarrers, der am Ostfeldzug teilnahm, beschäftigten sich über 90 % mit Abschnitten aus dem Neuen Testament7. Diese Tendenz war ebenfalls unter katholischen Theologen verbreitet. In beiden Kirchen habe ein starker Zug zur Eucharistie hin bestanden, die Bedrängnis habe alle Christen hin näher zu Christus geführt, notierte sich der katholische Priestersoldat Josef Zimmerl am 26. Februar 19438. Neben den Erfahrungen des Ersten Weltkrieges, die die Behauptung der Theologen vom Wirken Gottes zugunsten Deutschlands Lügen gestraft hatten, muss der vermehrte Rückgriff auf das Neue Testament während des Zweiten Weltkrieges auch vor dem Hintergrund der nationalsozialistischen Propaganda gegen das „jüdische“ Alte Testament gesehen werden, wie der evangelische Wehrmachtpfarrer Gerd Krüger rückblickend bemerkte9. Die konkrete Situation der Soldaten, die sich in den Worten „Leid, Tod, Übel, Schuld“ zusammenfassen ließ10, stand im Vordergrund der Soldatenpredigten und wurde im Horizont der Passion Christi gedeutet11. Davon

5 Vgl. oben 31; Brakelmann, Kirche, 245–247; Hermle, Predigt, 138. 6 Vgl. Ernst Schieber: „Die Soldatenpredigt im Kriege“. Aus der Niederschrift eines Vortrages, gehalten beim Lehrgang für Kriegspfarreranwärter in Berlin (EZA Berlin, 704/27). 7 Vgl. Garbe, Theologe, 632; Hermle, Predigt, 151 f. 8 Vgl. Zimmerl, Geschichte, 99. 9 Krüger erinnerte sich an einen christlich eingestellten Divisionskommandeuer, der zu ihm gesagt habe: „Ach wissen Sie, Herr Pfarrer, man wird doch, ohne daß man es weiß von dieser Propaganda überfahren. Wenn ich heute höre: Es wird ein Text aus dem Alten Testament genommen, dann fällt bei mir schon eine Klappe.“ Krüger erläuterte dies mit den Worten: „Das Alte Testamtent wurde von der NS-Propaganda besonders verächtlich gemacht. Man sieht, daß auch Menschen, die aus einer christlichen Tradition kamen, von dieser Propaganda beeindruckt wurden.“ Beese, Interview, 5. 10 Rçw, Militärseelsorge, 208. 11 Vgl. Doerne, Christusfrage, 13, 15, 18, 27.

Leben

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zeugen auch die 300 katholischen Predigthilfen, welche die Kirchliche Kriegshilfe in Freiburg für die Kriegspfarrer ins Feld schickte12. Dennoch ließen sich die Theologen den Glauben an das Eingreifen Gottes in den Krieg auch jetzt nicht nehmen. Immer wieder interpretierten sie die Todesnähe an der Front als besondere Nähe Gottes. In einer Deutungstradition, die von Autoren wie Ernst Jünger geprägt worden war, priesen sie den Tod im Krieg als Mittel der Steigerung der Lebensintensität13. Auf evangelischer Seite hat der lutherische Theologe Hans Schomerus diese Kriegsdeutung 1938 im „Ethos des Ernstfalles“ ausformuliert. Darin hieß es, der Soldat könne nicht „diesseitig“ sein, ohne seine Existenz zu verfehlen. Denn dieser lebe an der Grenze, in unmittelbarer Nachbarschaft mit dem Jenseits dieser Grenze, dem Tod. Die Front, das sei die „Wirklichkeitszone“, in der die verborgenen, jenseitigen Mächte zu Hause seien. Sie sei der „Ernstfall des Lebens“, wo die alltägliche Sicherheit zerbreche, damit Tod und Abgrund des Lebens sichtbar würden14. Mit anderen Worten: Die Front, das war der Ort, wo man Gott begegnete, weil man dem Tode nah war. Auch der lutherische Theologe Hanns Lilje, dessen Buch „Der Krieg als geistige Leistung“ 1941 gleich in zwei Auflagen erschien, fragte emphatisch: „Wo weiß man mehr, wie köstlich das Leben ist als im Kriege?“15 Der Krieg wolle die Menschen in das Lebendige hineinreißen, das nur da ist, wo sie vor den letzten Dingen stehen, erklärte Kriegspfarrer Beyer in einem Vortrag vor einem Infanterieregiment 194216. Und der evangelische Wehrmachtoberpfarrer Otto Stockburger predigte den Konfirmanden seiner Wehrmachtgemeinde am 11. April 1943: „Feuerlinie ist Todeslinie. Nur dort wird das lebenswerte Leben geboren, wo es verloren gehen kann. Dort allein gewinnt das Leben seinen höchsten Inhalt.“17 Erst da, wo der Tod allgegenwärtig sei, Gott den Menschen in ein „eschatologisches Leben“ hineinstelle, lebe es sich intensiv und „wirklichkeitsgesättigt“, notierte Gerhard Knapp, einen Brief des evangelischen Theologen Helmut Thielicke zitierend18. Ähnliches war von August Winnig zu hören. Von ihm kursierte ein „Verteilblatt“ unter den Soldaten der 9. Armee mit dem Titel „In Gottes Hand“. Dort hieß es: „Unser Christenglaube lebt vom Ernstfall, d. h. von der selbsteigenen Erfahrung des Menschen, der einmal an der Grenze gestanden hat, an der Grenze von Leben

12 13 14 15 16 17 18

Vgl. Rçw, Militärseelsorge, 207 f. Vgl. J nger, Kampf. Schomerus, Ethos, 24. Lilje, Krieg, 6 f., 11.; vgl. auch Oelke, Lilje, 368. Vgl. KT Beyer, 29. 7. 1942 (Privatbesitz, Transkript Garbe, 468). LKA Stuttgart, P 32. Tagebuch von Gerhard Knapp, Anhang von Heft 20, 23. 9. 1943–7. 2. 1944 (LKA Stuttgart, D37, 1.3).

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und Tod, an der Grenze der eigenen Kraft, an der Grenze, wo er vor dem Nichts erschauerte.“19

Das Leben in der Zone des Todes – so das Selbstverständnis, das sich in beiden Konfessionen zeigte, verwies immer auf den religiösen Raum. „Es ist wunderbar“, so schwärmte ein evangelischer Divisionspfarrer, „nicht Stimmung, sondern nüchterne starke Wirklichkeit, rau genug bei dem Donner der Geschütze in der Nähe, die die Orgel ersetzen. Wir machen hier nicht in Illusionen und Anschauungen, glauben und erfahren es aber: ,Das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!‘“20 Der katholische Divisionspfarrer Johannes Stelzenberger imaginierte die Front als eine von irdischer Schwere befreite Welt: „Der Soldat braucht Halt außerhalb der Erde, an der er hier an der Front nur leise und fein klebt“21. Die Brüchigkeit des Lebens in der Todeszone wurde umgekehrt in das unverbrüchliche Sein, der Sinnverlust zum eigentlichen Sinn. Dies ging einher mit der Forderung an die Soldaten, sich auszuliefern an das, was sie nicht kannten und nicht verstanden. Auch für Georg Werthmann stand fest, dass sich erst im Kriegserlebnis die Wahrheit des Lebens zeige. Im Kriege, so glaubte er, bringe die „raue Wirklichkeit des Fronteinsatzes“ die „Wahrheit des Lebens“ zur Sprache. Dort stehe der Mensch der persönlichen Endlichkeit gegenüber und in dieser Situation werde es todernst für ihn22. Der Prior von Maria Laach, Theodor Bogler OSB, sah in der Todesnähe an der Front ein Mittel der christlichen Läuterung. Am 4. Juli 1942 predigte er vor verwundeten Soldaten in Maria Laach und zitierte aus dem Brief eines deutschen Soldaten kurz vor dem Angriff auf Sewastopol: „Ich weiss nicht, ob ich lebend aus der grossen Schlacht zurückkommen werde, das eine weiss ich aber: ich stehe hier vor dem Letzten, und ich habe die feste Absicht, aus diesem Stehen vor dem Letzten künftig mein ganzes Leben zu gestalten, wenn ich den Krieg überleben darf.“23

Einzelne Kriegspfarrer stilisierten das Leben am Rande des Todes zum Modell eines antibürgerlichen Lebens- und Gesellschaftsentwurfes. Da das Soldatenleben in einer Sphäre stattfand, die radikal verschieden war von der Sicherheit des bürgerlichen Lebens, reaktualisierten sie den Mythos von der Schützengrabengemeinschaft des Ersten Weltkrieges, der in der Zwischen-

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Ufer, Männer, 453. Ebd. Tagebucheintrag Johannes Stelzenbergers vom 27. 11. 1943 (AKMB, SW 838). Notiz Georg Werthmanns vom 17. 7. 1945 (AKMB, SW 155). Ansprache Theodor Boglers vor dem Wehrmachtlazarett in Maria Laach vom 4. 7. 1942 (AA Maria Laach, K I, Mappe 12).

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kriegszeit als Gegenentwurf zu den Zumutungen einer kalten, technisierten Moderne aufgebaut worden war24. Bei Johannes Stelzenberger stand die soldatische Egalität und Gemeinschaftlichkeit sogar Pate für eine „neue Kirche“ im Sinne des neutestamentarischen Urchristentums, die die alte „verrechtlichte Kirche“ ablösen sollte25. Er wünschte sich eine Kirche ohne Ordinariate und ein Ende des „verbürgerlichten Christentums“. Für ihn wurde der Gottesdienst im Bunker zum Gottesdienst in den römischen Katakomben, wo der Glaube noch ursprünglich gewesen sei und die Menschen froh gemacht habe26.

6.2 Sterben „Er [der Christ] nimmt das Sterben ernster als der Nichtchrist, weil er weiß, daß wir im Sterben dem lebendigen Gott begegnen. Man kann das Sterben als des Lebens Höhepunkt erleben […]. Der Christ darf aber das Sterben auch leichter nehmen als der Nichtchrist, weil die Todesnot in ihrer Tiefe durch Christus überwunden ist.“27

Nach dem „Merkblatt über Feldseelsorge“ von 1939 hatten die Kriegspfarrer in den Feldgottesdiensten die Aufgabe, den Soldaten eine Haltung zu vermitteln, die ihnen im Kampf die Angst vor dem Tod nahm. Johannes Stelzenberger sah darin die eigentliche „deutsche und religiöse“ Berufsaufgabe der Kriegspfarrer28. Ob die Kriegspfarrer die Haltung der Soldaten zum Kampf tatsächlich beeinflussen konnten, ist ungewiss und kann zurecht bezweifelt werden, da die Reichweite der Wehrmachtseelsorge von Anfang an eher begrenzt war29. Zweifellos aber zählte die theologische Vermittlung einer Haltung zum Tod gerade im Ostkrieg, wo der Tod allgegenwärtig war, zu den wichtigsten Aufgaben der Kriegspfarrer. Wenn es um die Haltung zum Tod ging, verteidigten selbst regimenahe Wehrmachtseelsorger die Überlegenheit der christlichen Religion gegenüber der nationalsozialistischen Weltanschauung, die das Sterben der Soldaten als freudiges Opfer für den Fortbestand des deutschen Volkes darstellte. Hermann Wolfgang Beyer z. B. scheute nicht davor zurück, nationalsozialistische Vgl. K hne, Gruppenkohäsion, 537, 541. Tagebucheintrag Johannes Stelzenbergers vom 8. 11. 1942 (AKMB, SW 838). Tagebucheintrag Johannes Stelzenbergers vom 1. 1. 1943, ebd. Schreiben Wolfgang Knapps an seine Verwandten vom 6. 1. 1942 (LKA Stuttgart, D37, 1.2). Johannes Stelzenberger: „Das Christentum ist Frohbotschaft“. Skizze für einen Vortrag vor allen dienstaufsichtführenden katholischen Militärgeistlichen am 13. und 14. Februar 1941. Dieser Vortrag wurde zusammen mit fünf weiteren Vorträgen Stelzenbergers als Broschüre an 500 katholische Feldgeistliche verschickt (AKMB, SW 837). 29 Vgl. KT Beyer, 11. 4. 1942 (Privatbesitz, Transkript Garbe, 390).

24 25 26 27 28

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Bilder vom Tod in aller Öffentlichkeit als „phrasenhaft“ und „unglaubwürdig“ hinzustellen. Ausführlich berichtete er, wie er die Todesrhetorik der Nationalsozialisten öffentlich destruiert habe: „Für den Nachmittag hatte ich eine Vortragsstunde für die Veterinärkompanie und die Fahrkolonne 5 angesetzt. Nun wählte ich als Thema: Der Christenglaube und der Tod. Unsere Männer sind jetzt reif für diese Frage, ja, ich spüre, wie sie vielen im Herzen brennt. Es gehört ja zur tiefsten Not unserer Zeit, daß sie nur ein gebrochenes und verschwommenes, wirklichen Belastungen nicht standhaltendes Verhältnis zum Tode und dem, was darnach kommt, hat. Über nichts wird so phrasenhaft, so unecht geredet, wie über dies, wenn es überhaupt bis zum Reden kommt und nicht schon das Nachdenken darüber in nebelhaften Vorstellungen und in einem hoffnungslosen Verzichten auf jede Antwort stecken bleibt. Es ist das ein grauenvoller Zustand in einer Wirklichkeit, die so stark bestimmt ist vom Tode, wie es die unsrige ist. Will ich hier helfen, so muß ich all die Scheinantworten zerschlagen, die das Reden vom Leben nach dem Tode so grundsätzlich unglaubwürdig gemacht haben. Das Fortleben in den Kindern, in der ,Ewigkeit‘ des Volkes, die Behauptung, daß mit dem Tode alles aus sei, die Gefilde der Seligen, das Paradies im Jenseits, der Hades und die Hölle als großer Feuerofen. Ja auch die Mißbildungen des christlichen Jenseitsglaubens, das Wiedersehen nach dem Tode, das Freien und Sichfreienlassen zwischen Mann und Weib, das schon Jesus als eine törichte Vorstellung von sich gewiesen, aber auch die verweltlichten Nachklänge christlichen Glaubens, die Reden von der ,großen Armee‘ und vom ,ewigen SA-Sturm‘ müssen der Wahrhaftigkeit weichen, wenn ich den Leuten ernsthaft helfen soll, müssen als Vorstellungen menschlicher Einbildungskraft, bestenfalls als sinnbildliche Deutungen eines uns Unzugänglichen und in Wahrheit Unvorstellbaren erkannt werden. Frei machen kann hier wirklich nur die Wahrheit. Und die ist, daß für unseren menschlichen Verstand der Tod ein großes Geheimnis ist, dem wir alle auf der gleichen Straße entgegen wandern. Von uns aus wissen wir wirklich nichts Anderes. Und ein einziger Weg führt uns getrost in dies Rätsel hinein, und das ist der Jesus, der uns den Glauben erschlossen hat, daß auch im Tode Gott ist. Das aber heißt: Der Tod ist Gericht. Denn im Tode ergeht über uns alle ein unumstößliches abschließendes Urteil über das, was wir aus dem uns anvertrauten Leben gemacht oder nicht gemacht haben. Im Tode Gott finden aber heißt noch viel mehr. Der Tod ist Erlösung. Er macht uns frei von allen Bindungen und Verstrickungen unseres irdischen Seins. Er gibt uns hin an den, der immer und ewig der Schöpfer, von dem wir durch Jesus wissen, daß er heilige Liebe ist. Ich zeigte am Schluß an Beispielen, wie Menschen zu diesem Christusglauben, der den Tod überwindet, kommen können. Gerade nach den Eindrücken der letzten Tage war ich selbst im Innersten bewegt.“30

An anderer Stellte berichtete Beyer von einem Gespräch mit jungen Offizieren, die ihn fragten, „ob uns nicht heute der olympische Mensch in seiner strah30 KT Beyer, 23. 3. 1942 (Privatbesitz, Transkript Garbe, 373).

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lenden Kraft, seinem Heldentum, seinem todtrotzenden, sich im Einsatz verschenkenden, geballten Willen das sein müsse, was den Vätern einst der Christus gewesen“. Auch hier antwortete Beyer im Bewusstsein der Überlegenheit des christlichen Glaubens, wenn es um den richtigen Umgang mit den Erfahrungen von Leid und Tod ging: „Nun hatte mich gerade das Miterleben all des Leids und der stillen, fügenden Geduld in den Häusern drüben reif gemacht für die Antwort, die etwas sagen mußte von der Gewalt des Christus, die gerade da anfängt, wo der olympische Mensch zuende ist, die zwar auch von einem Heldentum ohnegleichen, aber nicht nur von Jugendkraft und fröhlichem Einsatz und Sieg weiß, sondern auch von den Abgründen allen Menschseins, von Leid und von Tod und von Schuld und doch alles überwindet vom Ewigen her. Zwei Stunden haben wir im Gespräch über dies Innerste am Christentum verbracht. Es war sehr fein, mit welcher Aufgeschlossenheit die jüngeren Offiziere immer wieder fragten und ihre Einwände vorbrachten und wie mich der Bataillonskommandeur – S. A.-Standartenführer – aus seiner Erlebenserfahrung heraus unterstützte.“31

Andere Kriegspfarrer stießen nicht auf so viel Diskussionsbereitschaft bei ihren nationalsozialistisch gesonnenen Gesprächspartnern. Sie mussten sich sogar mit dem Vorwurf auseinandersetzen, bei den Soldaten Angst vor dem Tod zu schüren. Wütend referierte Wehrmachtpfarrer Hans Kähler 1943 die Beerdigungsrede eines nationalsozialistischen Offiziers, dessen Namen er despektierlich in „Maischeißer“ abgewandelt hatte: „[…]. M. ist Mecklenburger, offenbar ein 180 %iger. Es paßt ihm ganz offensichtlich nicht, daß ein Pfarrer mitwirken soll. Er beginnt die Feier, er redet lang und breit und behauptet, daß eine frühere Zeit Furcht vor dem Tode gepredigt habe, aber jetzt stürben die Soldaten gerne. Wie kann man solche Phrasen den Soldaten im 4. Kriegsjahr vorsetzen!“32

Auf einem Frontlehrgang wenige Monate später kritisierte er diese Haltung und erklärte, in der Wehrmachtseelsorge gehe man davon aus, dass die Soldaten nicht sterben wollten, was ihm große Zustimmung bei seinen evangelischen Kollegen einbrachte33. Doch nicht immer wurden die Unterschiede zwischen christlichem Todesverständnis und NS-Ideologie sichtbar. In Beerdigungsreden oder an „Heldengedenktagen“ gingen die nationalsozialistische Rede vom „toten Helden“ und die christliche Ausdeutung des soldatischen Opfertodes zuweilen eine enge Symbiose ein. In einer Grabrede des katholischen Divisionspfarrers Schmutz 1942/43 hieß es:

31 KT Beyer, 24. 10. 1942 (Privatbesitz, Transkript Garbe, 288). 32 Tagebucheintrag Hans Kählers vom 27. 5. 1943 (BA-MA Freiburg, MSG 2, 5867). 33 Vgl. den Tagebucheintrag Hans Kählers vom 12. 10. 1943 (BA-MA Freiburg, MSG 2, 5867a).

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„Und ihr ward getragen von den Lebenswerten/Kraft, unbedingter Pflichterfüllung u. Gehorsam. Darum seid ihr alle nicht gleich verschossene Patronenhülsen, die am Wege der Kämpfe liegen bleiben. Ihr seid als Gewinn eingetragen in das Grundbuch des geistigen Volksvermögens. Ihr seid nicht tot, Euer Blut fließt gleichsam zurück zum Herzen des Volkes, läßt die Jugend froh u. tapfer werden, mahnt dann alle zur Treue u. Pflichterfüllung. Ja ihr sprecht ein gewichtiges Wort mit in der Weiterentwicklung unseres Volkes. Und ihr seid nicht tot, denn Leben kann nur verwandelt, nicht vernichtet werden. Ihr tragt Gottes Odem in eurer Brust. Er, der Euch schuf u. rief, wird Euch aufwecken in sein Reich. So wollen wir von Euch gehen, beherzigt u. mutig in ernster Pflichterfüllung. Eure Leiber ruhen hier, eure Leben sind vor Gott, euer Herz soll in uns allen mutig weiterschlagen. Wer so für Gott u. Vaterland gefallen, der lebt im Herzen seines Volkes fort. Der ringt sich aber in das ewige Leben u. geht ein in Gottes Herrlichkeit.“34

Hier ging es nicht um das ewige Leben und das Geheimnis des Todes, sondern um das Weiterleben des deutschen Volkes. Der Tod der Kameraden war in erster Linie Aufforderung zu tapferer Pflichterfüllung und Treue der Lebenden, die nur dann moralisch gerechtfertigt waren, wenn auch sie bereit waren, ihr Leben zu opfern35. Es sei die Pflicht des deutschen Soldaten, so predigte Johannes Opfermann am Heldengedenktag 1943, dass sein Grabkreuz sich einmal „würdig“ erweise, im „heiligen Wald deutscher Erde, dem Wald der Kreuze“, zu stehen36. In den Predigten der evangelischen Kriegspfarrer waren es sowohl die Passion als auch die Auferstehung Christi, die den Soldaten den Umgang mit ihrem möglicherweise bevorstehenden Tod erleichtern sollten. Der Leidensweg Christi galt als Trost, denn er zeigte, dass sogar Gottes Sohn Todesqualen gelitten hatte: „Wir haben Golgatha, wir haben ihn, und er ist auch bei uns in Qual und Not und Sterben“, hieß es in einer Predigt Eduard Thurneysens, die der evangelische Pfarrer und Sanitätssoldat Gerhard Knapp 1942 in seinem Russlandtagebuch zitierte37. Die gute Nachricht der Kriegspfarrer war die Osterbotschaft von der Auferstehung Christi. Hermann Wolfgang Beyer erklärte: „Zu Ostern ist nichts Anderes als Christuspredigt möglich. Ihn muß ich an diesem Tage den Männern groß machen. Gerade als den, der ihnen hilft, der sie frei macht angesichts des vielen grauenhaften Sterbens, das sie rings um sich her sehen, angesichts der Todesbedrohtheit, in der sich unser aller Leben befindet.“38

34 Grabrede [Predigtmaterial] von Johann Georg Schmutz o. D. (AKMB, SW 765). 35 Vgl. den Tagebucheintrag Johannes Opfermanns vom 21. 3. 1943 (DAB, V/184); vgl. auch Behrenbeck, Der Kult der toten Helden, 524–526. 36 Tagebucheintrag Johannes Opferammns vom 21. 3. 1943 (DAB, V/184). 37 Tagebucheintrag Gerhard Knapps vom 11. 4. 1942 (LKA Stuttgart, D37, 1.2). 38 KT Beyer, Ostersonntag 1942 (Privatbesitz, Transkript Garbe, 384).

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Auch wenn das große Sterben über die Völker gekommen war und die ganze Erde einem großen Friedhof glich, man fühlte sich „gerufen, vom Tode weg auf den Sieger“ zu sehen, „auf Christus, der den Tod überwunden hatte“, hieß es in einer Totensonntagpredigt des Stuttgarter Prälaten Karl Wilhelm Hartenstein, die sich Gerhard Knapp Silvester 1941 in seinem Kriegstagebuch notierte39. In der katholischen Wehrmachtseelsorge, so scheint es, wurde der Tod mit einer geradezu verheißungsvollen Perspektive verbunden. Die Aussicht aus dem diesseitigen Elend in ein „pracht- und verheißungsvolles Jenseits“ zu gelangen, bildete sozusagen den „funktionalen Kern“ ihrer Seelsorge, wie Martin Röw festgestellt hat40. Hier war der Tod gerade nicht das Ende, sondern der Anfang des Lebens und seine eigentliche Erfüllung. Vor diesem Hintergrund empfahlen katholische Theologen sterbenden Soldaten, ihren Tod als etwas Positives zu begrüßen. So erklärte Johann Anton Hamm einem verwundeten Leutnant: „Andererseits ist der Verlust des Lebens der Beginn eines neuen, des eigentlichen Lebens. Warum also nicht ganz und gar, was die Religion angeht, zu allem Ja sagen, wenn man als Soldat zu Dingen ,Ja‘ sagt, die wirklich fragwürdiger sind und keine persönliche Sicherheit garantieren.“41 Josef Wassong beschrieb wiederholt das Strahlen auf den Gesichtern der Sterbenden, ihre Tränen der Freude und die Hoffnung, die sich unmittelbar nach dem Empfang der Sakramente bei ihnen einstellte42. Angesichts solcher Todesverklärung innerhalb der katholischen Wehrmachtseelsorge hat der katholische Kirchenhistoriker Heinrich Missalla die Frage gestellt, ob das Verhältnis zur Realität bei manch einem katholischen Geistlichen nicht in der Wurzel gestört gewesen sei43.

6.3 Opfern Die Figur des sich-opfernden Christus spielte bereits in den Todesdeutungen der Feldgeistlichen des Ersten Weltkrieges eine maßgebliche Rolle44. „Der opfernde Christus vereinigt sich mit den opfernden Menschen“, schrieb Pater Peter Lippert SJ in der Feldausgabe der „Stimmen der Zeit“ 1917. Er vermu39 40 41 42 43

Tagebucheintrag Gerhard Knapps vom 31. 12. 1941 (LKA Stuttgart, D37, 1.2). Rçw, Militärseelsoge, 315. Hamm, Priester, 18. Vgl. Tagebucheintrag Josef Wassongs vom 1. 7. 1941 und vom 20. 8. 1942 (AKMB, SW 901). Missalas Aussagen stützten sich auf die Predigtvorlagen der katholischen Kirchlichen Kriegshilfe, die seit Anfang 1943 über das Feldbischofsamt an die Geistlichen im Feld versandt wurden. Die insgesamt 29 Predigtreihen mit etwa 300 Predigten waren überwiegend von Kriegspfarrern verfasst worden. Zusammengestellt hatte sie der Leiter der Kirchlichen Kriegshilfe der Caritas Heinrich Höfler. Vgl. Missala, Volk, 156, 167. 44 Vgl. Jantzen, Mit Gott im Krieg, 712.

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tete, dass die Welt nur deshalb von Gott geschaffen und wieder zerstört werde, um die „heldenhafte Treue und Opfergesinnung“, „das Wunder des Sterbens für Gott und die Freunde“ geschehen zu lassen. Danach war der Soldatentod eins mit dem Sterben Christi auf Golgatha, weil der Soldat so wie Christus jeglichen Eigenwillen durch sein Lebensopfer überwand45. Der katholische Bischof von Rottenburg, Paul Wilhelm von Keppler, hatte 1916 eine ganze „Leidensschule“ entwickelt, welche die Leiden des Krieges als „stillen und offenen Triumph“ der Religion feierte. Auch für ihn besiegelten die Leiden und Opfer im Krieg den Anschluss an Christus. Durch die Teilnahme an dessen Leiden sicherte sich der Soldat die Teilnahme an der Erlösungsgnade und Glorie Christi. Keppler sprach von der „wunderbaren Schönheit“, die das Leiden Christi habe. Vollkommenere Seelen empfänden eine „dankbare Freude am Leiden“ und eine „heiße Sehnsucht, eine heilige Leidenschaft, zu leiden“. „Sie möchten gar nicht mehr ohne Leiden sein“, schrieb er, denn „sie finden auch in den schwersten Heimsuchungen den Mut zu einem inständigen: Noch mehr, o Herr noch mehr!“46 Was heute wie eine sado-masochistische Phantasie klingt, war hier ein theologisch wichtiger Zugang zum Soldatentod. Ebenso hatte in der evangelischen Kriegspredigt des Ersten Weltkrieges das Opfer eine zentrale Rolle gespielt. Der Kreuzestod Christi und der „Heldentod“ des Soldaten wurden vielfach in Analogie zueinander gesetzt. Das Kreuz Christi gebiete dem Soldaten, sich durch das Lebensopfer seines Heils selbst zu versichern. Mit seinem Opfertod habe er sich seine Seligkeit verdient47. Für die Wehrmachtseelsorge im Zweiten Weltkrieg war die Aufforderung an die Soldaten, ihr Leben bereitwillig zu opfern, zentral. Soldatentum sei ein Ausgerichtetsein auf den Ernstfall. Seine ganze Ausbildung und Erziehung wolle bereit und stark machen, freudig das letzte Opfer zu bringen, das Opfer des Lebens. Hier erwachse der Militärseelsorge ihre größte und notwendigste Aufgabe, schrieb der evangelische Wehrmachtpfarrer Albrecht Schübel 193848. Auch in der Rede vom Opfer gingen Wehrmachtseelsorge und nationalsozialistische Ideologie zuweilen enge Verbindungen ein. Mit dem Kreuzestod Christi bot man den Machthabern, die von den Soldaten die Bereitschaft einforderten, ihr Leben für das Vaterland zu opfern, gleichsam theologische Rückendeckung. 1941 erstellten die beiden Feldbischofsämter im OKH eine Broschüre mit dem Titel „Das Opfer“. Sie war das Ergebnis einer Gemeinschaftsarbeit des evangelischen Wehrmachtdekans und Feldgeneralvikars Friedrich Münchmeyer und des katholischen Wehrmachtoberpfarrers Erich Bartsch, der zu 45 Lippert, Meßopfer, 579, 584, 586. 46 Keppler, Leidensschule, 64. 1916 erschien die „Leidensschule“ bereits in zweiter Auflage mit 40.000 Exemplaren. 47 Vgl. Pressel, Kriegspredigt, 237 f., 244. 48 Vgl. Sch bel, Militärseelsorge, 1.

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dieser Zeit die Vertretung Georg Werthmanns als Feldgeneralvikar im OKH übernommen hatte49. In einer gemeinsamen Einleitung machten die leitenden Wehrmachtgeistlichen auf die Verbindung zwischen dem christlichen Opfergedanken und dem NS-Heldenkult aufmerksam. Mit einem längeren Hitler-Zitat wiesen sie darauf hin, dass der Soldat durch seine „Lebenshingabe“ über den historischen Wert seines Volkes „vor dem Gottesgericht des Allmächtigen“ entscheide50. Das Wort „Opfer“ sei ein „religiöser Urlaut“, erklärte Münchmeyer. Die größte Tat Gottes, die Hingabe seines Sohnes am Kreuz, sei eine Geschichte des Opfers. Daraus folge, dass auch das Leben der Menschen Opfer sein müsse51. Die Opferbereitschaft wurde zu einer „naturgesetzlichen Voraussetzung“ allen Lebens52. Bei den Nationalsozialisten stieß der hier dokumentierte Wille, sich von christlicher Seite der nationalsozialistischen Ideologie anzunähern, auf wenig Gegenliebe. Im Februar 1942 verbot das OKW die Broschüre53. Dennoch wurden in den Gemeinschaftsgottesdiensten an der Front weiterhin beharrlich Christusopfer und Soldatentod in enge Beziehung zueinander gesetzt. So predigte ein evangelischer Wehrmachtoberpfarrer zum Heldengedenktag 1942 den Soldaten an der Ostfront, dass die Opfer dieses „riesengroßen“ und „alles überragenden Krieges“ einer Notwendigkeit entsprächen, die sich unmittelbar aus „Gottes heiligem Gesetz“ herleite. Der Soldat könne nicht anders als sich zu opfern, weil er damit die Position von Christus einnehme, der auch nichts anderes getan habe, als sich zu opfern54. Der Opfertod des Soldaten an der Ostfront folgte gleichsam auf unmittelbaren Befehl Christi: „Wie, wenn in diesem Wort nicht nur der verborgene Gott der Geschichte redete, nicht nur das Opfer für das Vaterland gefordert wäre, sondern in viel tieferem Sinn dein Heiland zu dir spräche, der Christus, in dem Gott sein Antlitz enthüllt und von dir das Opfer deines Willens, die Hingabe deines ganzen Lebens forderte!“55

Im Christusgeschehen, so schrieb der evangelische Theologe Werner Elert 1943, präfiguriere sich das für die deutsche Gegenwart des Krieges so elementare, schicksalhafte und stellvertretende Soldatenopfer56. 49 50 51 52 53 54 55 56

Das Opfer. Ebd., 4. M nchmeyer, „Und setzet ihr nicht das Leben ein …“, 6. „Schauervoll wurde mir bewusst, daß die ganze Natur um uns lebt in unablässiger Opferbereitschaft, sich hinzuopfern, damit wir leben, ja wir könnten nicht einen Augenblick leben ohne ihr unablässiges Opfer“. Schreyer, Am Bergkreuz, 18 f. Vgl. Missala, Volk, 138. „Dennoch!“ Predigt zum Heldengedenktag am 15. 3. 1942 von Wehrmachtoberpfarrer Karl Krüger (LKA Stuttgart, NL Bauerle, Nr. 2). Ebd. Vgl. Werner Elert: Warum ist unser Gottesglaube nicht von Christus zu lösen? Vortragsmanuskript von 1943. Zitiert bei Neddens, Theologie, 371.

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Vor dem Krieg hatte es im evangelischen Raum allerdings auch andere Stimmen gegeben, die davor warnten, menschliches Sterben in die Nachfolge des Opfertodes Christi zu stellen. So hatte der Theologe Günther Dehn in einem viel beachteten Vortrag um 1930 klargestellt, dass man dem Tod im Krieg „seine Würde und auch seine Größe lassen“ lassen solle, doch dass eine Parallelisierung des Opfertodes Jesu mit dem Tod eines Soldaten unmöglich sei, da dabei außer acht gelassen werde, dass der, der getötet wurde, eben auch selbst hatte töten wollen57. Auch der Lutherforscher Paul Althaus warnte 1934 vor der Parallelisierung von Soldatentod und Christustod58. Während des Krieges rückten solche Warnungen jedoch in den Hintergrund. Nur allzu leicht ließ sich eine Verbindung ziehen vom Sterben des Soldaten im Krieg und dem Kern der neutestamentarischen Geschichte, dem Opfertod Jesu Christi. Mit dem Sterben Christi bot sich ein allgemeingültiges und zeitloses Geschehen an, in das auch der Soldat eintrat, wenn er sich für sein Vaterland opferte. Im Opfertod für das Vaterland erreichte der Soldat eine neue, gleichsam sakrale Dimension59. In Analogie zur Passion Christi erwartete man aus dem massenhaften Soldatentod einen Gewinn: „Muß nicht aus so vielen Opfern überreicher Segen fließen?“, fragte der katholische Kriegspfarrer Josef Stehböck seinen Bischof Faulhaber in einem Brief vom Dezember 194360. Gleichzeitig nahmen Lebensopfer und Leiden eine orientierende Funktion in der Soldatenerziehung ein. Wer sich opferte, zeigte damit seine Fähigkeit, sich hinzugeben und sich selbst zu überwinden und wurde zum Vorbild für die Überlebenden. Erst im Krieg – so hatte Hanns Lilje 1941 geschrieben – werde deutlich, ob einer in Furcht und Schande nur an sein eigenes Ich gebunden sei oder ob die Kräfte der Hingabe und des Opfers in ihm lebenskräftig seien61. Die evangelischen Beerdigungspredigten an der Front verwiesen immer wieder auf diesen Zusammenhang: Die Überlebenden hatten noch zu leisten, was die toten Soldaten mit ihrem Lebensopfer bereits erbracht hatten, wie Wehrmachtoberpfarrer Walter Harder den evangelischen Kriegspfarrern bei einem Frontlehrgang 1943 erklärte62. Über den erzieherischen Wert von Opfer und Leid ließ sich auch der katholische Feldbischof Rarkowski in seinem Osterbrief von 1942 an die katholischen Soldaten aus. Erst das Leid, so hieß es dort, veredele den Menschen und lasse ihn zu wunderbarer Klarheit und Schönheit reifen, was ihm wiederum helfe, von sich selbst loszukommen. Es gelte Christus nachzufolgen, der gehorsam bis zum Tod gewesen sei. Wer in diesem Lichte sein eigenes Leid 57 58 59 60 61 62

Vgl. Hermle, Predigt, 164. Vgl. Althaus, Deutsche Stunde, 14; Dehn, Kirche, 220. Vgl. Zum Opfer bereit, 1. Schreiben Stehböcks an Faulhaber vom 10. 12. 1943 (EAM, NL Faulhaber, Nr. 6797/2). Vgl. Lilje, Krieg, 13. Vgl. den Bericht über den Frontlehrgang der evangelischen Kriegspfarrer der 20. Gebirgsarmee (BA-MA Freiburg, MSG 2, 12284).

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und die eigenen Wunden sehe, gelange zu jenem Lebensheroismus, dem die Hiebe des Schicksals nichts anhaben könnten. Er werde sein Leid umwandeln in ein Lied und es singend ertragen. Und er schloss mit der Frage „Ist das zuviel verlangt?“63 Dabei stieß die Überhöhung von Leid und Opfer in den Predigten der Kriegspfarrer nicht nur auf Zustimmung. Der evangelische Pfarrer Heinz Rahe schrieb am 16. Februar 1942 an seine Frau über die Predigt seines Divisionspfarrers: „Er sprach vom Opfer, auch vom Opfer Christi, aber es war eigentlich mehr eine Durchhaltepredigt als eine gute Andacht. Ernst meinte hinterher, er verstände gar nicht, warum er so sehr betont hätte, daß wir nun immer noch nicht genug geopfert hätten.“64 Es lässt sich festhalten, dass die christliche Interpretation des Soldatentodes als Nachfolge Christi und Teilhabe am christlichen Heilsgeschehen von der Wehrmachtseelsorge beider Konfessionen intensiv vertreten wurde. Dafür wurde der von den Machthabern geforderte „Heldentod“ in das Heilsgeschehen vom Opfertod Jesu integriert und gleichsam christlich aufgeladen65.

6.4 Bejahen und Erhöhen Auch wenn der christliche Glaube an die Vorsehung, die „providentia dei“, nicht mehr im selben Maße für die Untermauerung des eigenen Siegeswunsches instrumentalisiert wurde wie noch im Ersten Weltkrieg, spielte die christliche „Vorsehung“, d. h. der Glaube, der Krieg folge einem göttlichen Heilsplan, im Zweiten Weltkrieg eine Rolle bei der Vermittlung der deutschen Kriegsziele durch die Wehrmachtseelsorger66. Ende des Jahres 1941 predigte Hermann Wolfgang Beyer seinen Soldaten: „Wir dürfen schaffend teilhaben an einem weltgeschichtlichen Geschehen von unbegreiflicher Größe.“67 Er glaubte, mit dem Einsatz der deutschen Armeen im Osten „den Willen einer göttlichen Macht“ zu vollstrecken68. Darin unterschied sich der Neulutheraner nicht von seinen katholischen Kollegen. Heinz Rahe schrieb seiner Frau von einem Gespräch mit dem katholischen Divisionspfarrer Joseph Eickhoff: „Pfarrer Eickhoff meinte, daß die Vorsehung Deutschland vielleicht dazu ausersehen habe, die Sowjetherrschaft zu

63 Der katholische Feldbischof der Wehrmacht an die Verwundeten und Kranken. Ostersonntag 1942 (AKMB, SW 7). 64 Feldpostbriefe von Leutnant Heinz Rahe Januar – Mai 1942, hg. von Konrad Rahe und Elsbeth Oldenburg. Hamburg 2006 (Dienstbibliothek des AKMB). 65 Vgl. Missala, Volk, 169. 66 Für die katholische Seite vgl. Rçw, Militärseelsorge, 259. 67 KT Beyer, 3. 1. 1942 (Privatbesitz, Transkript Garbe, 334). 68 KT Beyer, 31. 5. 1942 (ebd., 417).

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zerschlagen. Ich selbst wage mich an solche Geschichtsdeutung ungern heran.“69 Mit der sich andeutenden Niederlage änderte für manchen auch Gott seine weltgeschichtlichen Ziele. In den Predigten und Reflexionen einiger Kriegspfarrer verlor sich die Eindeutigkeit, mit der man Gott noch zu Beginn des Feldzuges auf der Seite der Deutschen gesehen hatte. Ähnlich wie die „Vorsehung“ konnte auch die alttestamentarische Figur des „göttlichen Strafgerichts“ dem Verlauf des Krieges angepasst werden. Wurde der Krieg gegen die Sowjetunion in seiner Anfangsphase als das „Strafgericht Gottes“ gegen den „gottlosen Bolschewismus“ interpretiert, so hatte das Strafgericht am Ende des Krieges seine Zielrichtung geändert. Nun war das „Gottesgericht“ nicht ohne Grund über das moralisch abgewirtschaftete Deutsche Reich gekommen. „Ein Maß von Schuld hatte sich angehäuft, so dass Gott selber eingreifen musste“, predigte P. Theodor Bogler OSB 1945 kurz nach Kriegsende vor verwundeten Soldaten70. Der Verweis auf die Vorsehung war vor allem für die Erziehung der Soldaten unverzichtbar. Wer alle Verantwortlichkeit bei Gott sah, stellte keine Fragen und konnte – so die Annahme – auch besser kämpfen und durchhalten. Dahinter stand die Erwartung, dass die Soldaten sich bedingungslos der militärischen Führung unterwarfen und akzeptierten, was ihnen in der Konsequenz des Kriegsgeschehens drohen konnte: „Wie stark wird ein Mensch, der nichts, gar nichts mehr zu fürchten und sorgen hat, weil er sich völlig in Gott geborgen weiß für Zeit und Ewigkeit! […]“, schrieb der evangelische Feldbischof Franz Dohrmann 1942 an die evangelischen Wehrmachtangehörigen und ein katholischer Wehrmachtdekan erklärte schlicht, der Soldat sei Diener der göttlichen Vorsehung71. Neben der Indienstnahme der Vorsehung für die Legitimation der Kriegsziele und die Erziehung der Soldaten, diente der Glaube an die göttliche Gewolltheit des Krieges auch der persönlichen Sinnstiftung in einem rational kaum noch als sinnhaft zu begreifendem Geschehen. Johannes Stelzenberger notierte nach dem Besuch eines Hauptverbandsplatzes: „Viel schweres Leid. Der christliche Glaube verklärt alles. Sonst wäre es nicht erträglich.“72 So verstanden war der Glaube an die Vorsehung vor allem für den Einzelnen eine psychische Entlastung, die ihn vor quälenden Zweifeln am Sinn des 69 Schreiben Heinz Rahes an seine Frau Ursula Rahe vom 18. 7. 1941. In: Feldpostbriefe von Lt. Heinz Rahe, 22. 6. 1941–31. 12. 1941, hg. von Konrad Rahe und Elsbeth Oldenburg. Hamburg 2005 (Dienstbibliothek des AKMB). 70 AA Maria Laach, K 1, Mappe 12; vgl. Holzem, Krieg, 68. 71 Zitiert nach Gerhard Knapp Tagebuch 1942 (LKA Stuttgart, D37, 1.2). Die Äußerung des katholischen Wehrmachtdekans ist dem Protokoll des Frontlehrganges für katholische Kriegspfarrer im Bereich A. O. K. 6 in Charkow am 16. und 17. 4. 1942 entnommen (AKMB, SW 152). 72 Tagebucheintrag Johannes Stelzenbergers vom 11. 5. 1942 (AKMB, SW 838).

Bejahen und Erhöhen

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Krieges oder vor Selbstvorwürfen schützte. Selbst in der Zerstörung ließ sich noch ein tiefer, geheimer Sinn finden, mit dem sich die Wirklichkeit des Krieges in ein Symbol verwandelte, das auf die höhere Macht Gottes hinwies. Josef Wassong schilderte auf dem Rückzug der Wehrmacht im Oktober 1944 die nach dem Aufstand von den Deutschen zerstörte Stadt Warschau als „schauerlich, tote Stadt“. Er fragte sich, wie „viele Tausende von Toten wohl ungeborgen in ihren Kellern liegen mochten. Auch bemerkte er „überall Barrikaden“ und umgelegte, mit Erde und Steinen gefüllte Straßenbahnen. Dann aber sah er ein „ergreif[endes]. Bild“ vor der Kirche zum Hl. Kreuz. Dort, so Wassong, sei die Statue des kreuztragenden Heilands von ihrem Marmorsockel heruntergestürzt. Nun liege der Heiland so, dass sein rechter Arm auf den Eingang der Krypta zeige, wo die Worte: „Sursum corda!“ [„Erhebet die Herzen“ D. P.] eingemeißelt seien73. Von katholischer Seite geriet man zunehmend in Konflikt mit nationalsozialistischen Ideologemen, die ebenfalls von Vorsehung sprachen, doch darunter nicht das Wirken eines persönlichen Gottes, sondern das Wirken einer „blinden Schicksalsmacht“ verstanden. 1939 schrieb der katholische Theologe und Religionsphilosoph Romano Guardini unter dem Titel „Was Jesus unter Vorsehung versteht“, dass es verfehlt sei, die Vorsehung als anonym waltende Macht hinter den Gesetzen der Natur und der Geschichte zu verehren. Sie komme von Gott und erfülle sich nur an denjenigen Menschen, die sich entschlossen hätten, an Gott und seine Offenbarung zu glauben74. Die Broschüre Guardinis gelangte Anfang 1940 an die Front75. Im Gegenzug warf die nationalsozialistische Seite 1941 eine Broschüre unter dem Titel „Glaubensbekenntnis. Ein deutsches Brevier für Hitler-Soldaten“ in einer Auflage von 500.000 Exemplaren an die Front. Hier stand ebenfalls die Vorsehung im Mittelpunkt. Darin ging es – trotz der christlichen Terminologie – um eine Alternative zum Christentum76. Immer wieder warnten katholische Autoritäten wie der Münchener Erzbischof Faulhaber ihre Priester in der Wehrmacht: „Verfallt nicht, wie so viele Eurer Kameraden, dem Fatalismus, dem Glauben an Zufall und Schicksal, bewahrt Euch den Glauben an die persönliche Vorsehung, die jeden einzelnen beim Namen kennt und auch um den Sperling weiß, der vom Dache fällt“77. Anlässlich nationalsozialistischer Feiertage wie dem Heldengedenktag verschwammen jedoch auch hier zuweilen die Grenzen zwischen christlicher und nationalsozialistischer Vorsehungslehre. Dabei kam es vor, dass Adolf 73 Tagebucheintrag Josef Wassongs vom 23. 10. 1944 (AKMB, SW 901). 74 Guardini, Vorsehung, 4, 6, 8. 75 Sie war von der katholischen Kirchlichen Kriegshilfestelle in Freiburg dem Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda zur Zensur vorgelegt worden, das sie erstaunlicherweise für den Versand an die Front freigab. Vgl. Messerschmidt, Wehrmacht, 278. 76 Der Autor, Matthes Ziegler, ein ehemaliger Student der evangelischen Theologie, war Schriftleiter der „NS-Monatshefte“ und erklärter Feind der Kirchen im Amt Rosenberg. Ebd., 958. 77 Faulhaber, Akten, 924 (= Dok. 889).

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Hitler als neue Christusfigur gefeiert wurde, wie in der Liedzeile des Feldgottesdienstes am Vorabend des Führergeburtstages in Poltawa am 19. April 1942: „Ein Haupt hast du dem Volk gesandt und trotz der Feinde Toben – in Gnaden unser Vaterland geeint und hoch erhoben; – mit Segen hast du uns bedacht, den Führer uns bestellt zur Wacht – zu deines Namens Ehre.“78 Der Hinweis auf die Vorsehung im Krieg war auch im Zweiten Weltkrieg, trotz aller gegenteiligen Einsichten aus dem Ersten Weltkrieg, nicht wegzudenken. Als Teil der Erziehung des Soldaten sollte er bei der Akzeptanz des eigenen Todes behilflich sein und konnte jedes noch so sinnlose Geschehen mit tieferem Sinn versehen, womit nicht zuletzt die Kriegspfarrer sich selbst zum Durch- und Aushalten des Krieges motivierten. Insofern blieb die Rede von der Vorsehung auch im Zweiten Weltkrieg eine „theologische Allzweckwaffe“79.

6.5 Töten „Schwerer als das Umbringen ist immer […] das Sichumbringenlassen.“80

So sehr sich Kriegspfarrer mit dem Tod der eigenen Kameraden beschäftigten, das Töten des Feindes wurde ihnen nicht zum Problem. Dies entsprach einer langen Tradition kirchlichen Obrigkeitsdenkens, das die Pflicht des Christen, im Kriegsfall dem Staat mit der Waffe zu dienen und damit auch den Feind zu töten, nicht hinterfragte81. Dabei hatte es selbst im Ersten Weltkrieg nicht an theologischen Reflexionen über das fünfte Gebot und seine Anwendbarkeit auf den Feind gefehlt. 1915 argumentierte der evangelische Feldgeistliche Heinrich Ostertag: „Töten und Lieben scheinen ja wohl die größten Gegensätze zu sein, und zu Beginn des Krieges hat mancher Christ bitter schwer unter diesem Konflikt gelitten und manch anderer bereits von so etwas wie einem Bankrott des Christentums gesprochen. Die Praxis aber, in der wir hier außen stehen, zeigt es uns immer wieder, daß nicht umsonst das Neue Testament und die altchristliche Literaturgeschichte und die Fülle der Erbauungsliteratur Bilder und Gleichnisse vom Kriegsdienst auf das Christenleben anwenden. Die Person Jesu und vor allem seine Passion sind aufs neue lebendig geworden unter uns. Wie Jesus ansetzt zum entscheidenden letzten Sturm auf die Hochburg seiner Feinde, wie er die Qualen der Verwundung den bitteren Tod für andere trägt, wie er an seiner Person zeigt, 78 „Feldgottesdienst aus Anlaß des Geburtstages des Führers und obersten Befehlshabers der Wehrmacht (20. 4. 1889)“ (BA-MA Freiburg, N 282, Nr. 2). 79 Jantzen, Gott, 712. 80 Elert, Christ, 18. 81 Vgl. Pressel, Kriegspredigt, 219–232.

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was ein Leben, Lieben, Leiden, Sterben, Sichofpern ist, und wie er dadurch die uralten Menschheitsfragen praktisch löst – das hat mit der Kraft neuer Offenbarungen auf uns gewirkt.“82

Die Problematik, den Feind im Krieg töten zu müssen, zugleich aber dem christlichen Liebesgebot Genüge zu tun, wird hier zwar angesprochen, aber nicht weiter ausgeführt. Stattdessen weist der Autor auf die Passion Christi hin, die im Krieg wieder erlebbar werde. Danach war es nicht maßgeblich für den Soldaten, dass er im Kampf gegen das fünfte Gebot verstieß, sondern, dass er, die Passion und das Opfer Christi vor Augen, zum Opfer des eigenen Lebens bereit war. Weitere evangelische Theologen der Zwischenkriegszeit haben das fünfte Gebot zum Thema gemacht. Dabei schoben auch sie das Problem eher zur Seite, als dass sie es ernsthaft diskutierten. So empfahl der Tübinger Theologe Karl Heim in Bezug auf das Problem des fünften Gebotes im Krieg, der Soldat solle sein individuelles Selbstbestimmungsrecht an Christus abgeben. Dann erst könne der Heilige Geist unseren Willen steuern und uns durch die Meeresenge dieses Daseins zwischen Scylla und Charybdis hindurchführen83. Dem evangelischen Pfarrer und Sanitätssoldaten Gerhard Knapp gab diese Haltung Orientierung während seines Einsatzes an der Ostfront84. Für den lutherischen Theologen Werner Elert ging es im Krieg nicht um das fünfte Gebot. Nur Literaten wie Nietzsche, so räsonierte er 1937 in einem Vortrag vor Theologiestudenten, könnten glauben, die schwerste Frage für den Soldaten sei es, ob er andere umbringen dürfe. Diese Frage sei nicht mehr diskutabel, sobald der Soldat wisse, dass ein anderes Volk aufstehe, um das seine zu vernichten. In der Kriegstheologie Elerts unterstand eine Nation oder „das Volksganze“ nicht der Moral der Bergpredigt oder dem fünften Gebot, und weil Gott „das Volksganze“ dem Einzelnen vorgeordnet hatte, brauchte dieser sich nicht weiter mit individualethischen Fragen auseinanderzusetzen. Danach war das für den Soldaten relevante moralische Gebot die Unterordnung unter die Anforderungen des „Volksganzen“, das man im darwinistischen Überlebenskampf mit anderen Völkern wähnte. Elert folgerte: „Schwerer als das Umbringen ist immer […] das Sichumbringenlassen. Es ist der Sinn jedes Kampfes, dem Gegner das Schicksal zu bereiten, das er einem selbst zugedacht hat.“85 Im evangelischen Raum genoss diese Position weite Verbreitung, wie ein anonymer Artikel der Rubrik „Aus dem Zeitgeschehen“ in der „Allgemeinen evangelisch-lutherischen Kirchenzeitung“ Anfang des Jahres 1941 zeigte. Der Autor unterschied klar zwischen „Morden“ und „Töten“. Das fünfte Gebot 82 83 84 85

Ostertag, Leben, 18. Vgl. Heim, Ethik, 263. Vgl. Tagebucheintrag Gerhard Knapps vom 25. 9. 1941 (LKA Stuttgart, D37, 1.2). Elert, Christ, 18; vgl. auch Hamm, Elert, 227.

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untersage lediglich den Mord, nicht das Töten des Feindes im Krieg. Ein Mord sei verboten, weil er aus Motiven des persönlichen Egoismus und des Hasses ausgebübt werde. Dagegen sei das Töten des Feindes im Krieg erlaubt, weil es im Krieg um die Erhaltung oder Durchsetzung der notwendigen Lebensbedingungen des eigenen Volkes gehe. Deshalb sei Krieg etwas grundsätzlich anderes als „Massenmord“. Der Soldat töte nur pflichtgemäß für das überpesönliche Interesse des Volksganzen, was ihn von jeglicher persönlichen Schuld entbinde86. Der Autor stützte sich u. a. auf den 1931 von Paul Althaus publizierten „Grundriß der Ethik“, wo es heißt: „Die Gewaltübung und das Töten im Kriege darf, wenn anders der Krieg zur Pflicht gegenüber dem Berufe des Volkes werden kann, grundsätzlich nicht anders angesehen werden als die Gewaltübung und der Vollzug der Todesstrafe innerhalb der staatlichen Rechtsordnung; beides ist ein Handeln im Amte und hat mit dem Morde sowenig gemein wie die pflichtmäßige Verwendung der Täuschung als Kriegsmittel gemein hat mit der Lüge, der selbstsüchtig-bewußten Täuschung berechtigten Vertrauens“.

Der Schlüssel zu einer ethisch gerechtfertigten Kriegsführung war die Opferbereitschaft des Soldaten für das Volksganze. Damit ließ sich selbst ein aggressiver Angriffskrieg auf die Frage der aktiven Opferbereitschaft verengen. So gesehen stand die Wehrmachtseelsorge im Ostkrieg immer auf der moralisch gerechtfertigten Seite derjenigen, die bereit waren, sich für ihr Volk zu opfern. Der Massentod der „eigenen Leute“ ließ auch bei den Kriegspfarrern nur wenig Mitgefühl für das Sterben des Feindes übrig87. Ihre ethischen und religiösen Ansprüche, Mitmenschlichkeit und Hilfsbereitschaft, blieben in der Regel der eigenen Gruppe vorbehalten, eine Gruppe, die mit ihrer Opferbereitschaft in der Nachfolge Christi stand88. Wie die Frage nach dem fünften Gebot von evangelischen Kriegspfarrern untereinander diskutiert wurde, zeigt ein Bericht über das Referat eines Kriegspfarrers auf dem Frontlehrgang für die evangelischen Kriegspfarrer der 20. Gebirgsarmee am 11. Oktober 1943. Darin hieß es, dass sich evangelische Soldaten immer wieder um ihr Gewissen sorgten, da sie im Krieg gegen das fünfte Gebot verstoßen müssten. Der Kriegspfarrer habe ihnen erklärt, dass dies ein „falsch verstandenes Christentum“ sei. Auch hier wurde das fünfte Gebot89 relativiert, weil es hier nicht um das Töten des Feindes gehe, sondern um „Mord“. In der Bergpredigt90 sei vom Überwinden des persönlichen Feindes, nicht des feindlichen Volkes durch 86 87 88 89 90

Aus dem Zeitgeschehen, 55; auch im folgenden Althaus, Ethik, 108. Vgl. Hartmann, Wehrmacht, 225 f. Vgl. Neitzel / Welzer, Soldaten. 41 f.; K hne, Viktimisierungsfalle, 186, 193. Vgl. 2. Mose 20,13. Vgl. Mt 5,21–25.

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Liebe die Rede. Die Bibel spreche von Kriegen, aber nicht vom Pazifismus91. Der Referent bezog sich auf ein Gebet vor der Schlacht, das in Luthers Schrift „Ob Kriegsleute im seligen Stande sein können“ zu lesen sei: „Lieber Gott hilf mir, daß ich recht fest hauen und stechen kann.“92 Im Verlaufe der weiteren Diskussion versicherten sich die anwesenden Kriegspfarrer gegenseitig der besonderen Nützlichkeit ihres Berufsstandes im Krieg. Bewiesen worden sei diese schon im Ersten Weltkrieg, als evangelische Pfarrer durch ihre „heroische Haltung“ besonders hohe Verluste erlitten hätten („36,6 Prozent“) und darin nur von der Berufsgruppe der aktiven Offiziere übertroffen worden seien. Die Veranstaltung endete mit der Loyalitätsbekundung der Kriegspfarrer zum NS-Staat. Die Differenzierung zwischen „Mord“ und „Töten“ postulierte, dass „Mord“ nur in der eigenen Gruppe möglich war, der tödliche Angriff auf den Feind dagegen wurde nicht als Mord gewertet, denn er konnte sich auf das Recht der legitimen Obrigkeit stützen, an dem kein Kriegspfarrer zweifelte93. Diese aber war dem moralischen Handeln des Individuums übergeordnet. Demselben Schema blieben auch die katholischen Kriegspfarrer verpflichtet. Selbst Kriegspfarrerpersönlichkeiten, die sich über die Verletzung des Kriegsrechtes empörten, ließen keinen Zweifel an dieser Position, die einer grundloyalen Haltung zu Staat und Wehrmacht entsprach94. Das fünfte Gebot wurde von der Wehrmachtseelsorge im Krieg als Teil der partikularen Gruppenmoral behandelt, d. h. einer Moral die nur das eigene Volk meinte, die eigene Mannschaft und das eigene Opfer. Da der „Opfertod“ des Soldaten für die Sache des eigenen Volkes sogar in die Nähe der Passion Christi rückte, trat die Welt, die außerhalb der eigenen Gruppe lag, erst gar nicht in den Blick. Die Vernichtung des Gegners war in dieser Logik nur die natürliche Konsequenz der Liebe zur eigenen Mannschaft. „Dies ist des Opfertodes letzter Sinn – Sie starben nur für die, die für sie leben“, hieß es vielsagend in einer Grabpredigt des katholischen Kriegspfarrers Schmutz 194295. In der „Allgemeinen evangelisch-lutherischen Kirchenzeitung“ vom Januar 1941 hieß es: „Der Soldat handelt aus Notwehr, das heißt, er führt die Vernichtungswaffe zum Schutze der Heimat, im Auftrag der zu 91 Vgl. „Bericht über den Frontlehrgang der Ev. Kriegspfarrer der 20. (Geb.) Armee“ vom 9.–15. 10. 1943 (BA-MA Freiburg, MSG 2, 12284). 92 Ebd. Das Zitat stammt so nicht von Luther. Sinngemäß entspricht es aber den Stellungnahmen Luthers zu den Bauernkriegen. Luther plädierte für eine grausame Kriegführung gegen die aufständischen Bauern, indem er die Obrikgeit aufforderte, die Bauern zu würgen, zu stechen und zu schlagen wie „die tollwütigen Hunde“. Luther, Sendbrief, 392. An anderer Stelle forderte Luther die Obrigkeit auf, „mutig vorzustoßen“ und mit „gutem Gewissen dreinzuschlagen“. Luther, Bawren, 360. 93 „Die Dienstbarkeit unter der Herrschaft Christi und der Dienst unter der Herrschaft von Menschen fallen praktisch in eins zusammen“, hatte der Werner Elert 1936 geschrieben. Elert, Herrschaft, 15. 94 Vgl. den Tagebucheintrag Johannes Stelzenbergers vom 30. 3. 1943 (AKMB, SW 838). 95 AKMB, SW 765.

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einer Notgemeinschaft zusammengeschweißten Volksgemeinschaft und zu ihrem Schutze. Er vernichtet – aus Liebe“96. Soldaten, die mit dem fünften Gebot Ernst machten und den Kriegsdienst verweigerten, wurden von den Kriegsgerichten zum Tode verurteilt97. Andere, wie der katholische Kriegsdienstverweigerer Josef Fleischer, konnten nur gerettet werden, weil man sie für psychisch krank erklärte98. So bescheinigte ein 1940 eingeholtes Gutachten des Kapuzinerpaters Johannes Chrysostomus Schulte, der als „Pastoralmediziner“ an der Philosophisch-Theologischen Hochschule der Kapuziner in Münster lehrte, Fleischer einen „ganz verstiegenen, krankhaften Wahrheitszwang“. Fleischer leide unter „Übergewissenhaftigkeit“, in deren Folge er von seiner „Zwangsidee beherrscht, ja besessen“ sei99. Der „gut katholische“ Feldwebel Arnold Brinz, berichtete in seinem Tagebuch am 1. März 1943 über einen Kriegsdienstverweigerer: „Ein psychologisch interessanter Fall vor dem Kriegsgericht: Ein Soldat erklärt vor dem Einsatz: ,Ich lege die Waffen nieder. Ich schieße nicht auf Menschen, die mir nichts getan haben. Ich unterziehe mich den Folgen. Ich weiß, daß mein Verhalten mit der Todesstrafe bedroht ist.‘“100

In seinem Kommentar verwies Brinz auf die Seltenheit solcher Fälle. Später notierte er, man habe bei dem Kriegsdienstverweigerer Schizophrenie festgestellt und ihn für unverantwortlich erklärt101. Dennoch gibt es Hinweise darauf, dass Kriegspfarrer auch das Töten des Feindes als Mord bezeichneten. Im finnischen Kriegstagebuch des evangelischen Wehrmachtpfarrers Hans Kähler finden sich einige Stellen, die auf diese Haltung schließen lassen. So notierte Kähler am 28. April 1943: „Beim Chef meldet gerade ein Scharfschütze den Abschuß des 19. Russen. Beim 2a erhält er das EK I und 12 Tage Sonderurlaub. So wird der Massenmord nach besten Kräften gefördert und belohnt. Wie verrohend wirkt doch der Krieg!“102 Kähler berichtete außerdem, wiederholt über das Wort „Liebet eure Feinde“ gepredigt zu haben103. Er bezog sich auf eine Stelle im Matthäusevangelium,

96 Aus dem Zeitgeschehen, 55; vgl. auch Seeber, Kriegstheologie, 250; Rabenau, Soldat, 3. 97 Vgl. Messerschmidt, Wehrmachtjustiz, 103. 98 Nach dem Krieg berichtete Fleischer, dass ihn während seiner Haft in Tegel Georg Werthmann aufgefordert habe, dem Führer Adolf Hitler bedingungslosen Gehorsam zu loben und vorbehaltlos am Krieg teilzunehmen. Dabei habe ihm Werthmann sogar ins Gesicht geschlagen, was dieser allerdings abstritt. Vgl. das Schreiben Werthmanns an Josef Fleischer vom 2. 3. 1956 (AKMB, SW 132). 99 Schreiben Johannes C. Schultes an Heinrich Kreutzberg vom 11. 6. 1940 (AKMB, SW 132). 100 AAK Berlin, Kempowski Bio, 4573/1. 101 Vgl. den Tagebucheintrag von Arnold Brinz vom 29. 3. 1942, ebd. 102 Tagebucheintrag Hans Kählers vom 28. 4. 1943 (BA-MA Freiburg, MSG 2, 5867). 103 Tagebucheintrag Hans Kählers vom 21. 2. 1943, ebd.

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welche die Moral, nach der man sich nur für die Seinen einzusetzen habe, kritisiert. Danach waren Liebe und Einsatz für die Freunde wertlos, wenn sie nicht auch auf die Feinde ausgedehnt wurden104.

104 Vgl. Mt. 5,47.

7. Im Angesicht des Feindes 7.1 Krieg als Bildungsreise Der Krieg gegen die Sowjetunion bedeutete für die Wehrmachtangehörigen eine enorme Erweiterung des eigenen geographischen und kulturellen Horizontes. Viele erlebten den Krieg mit dem Blick von Touristen, die darauf aus waren, sich über ein fremdes Land zu bilden oder eine Zeit des Abenteuers zu verbringen, von der sie den Daheimgebliebenen berichten konnten1. Dies traf auch auf die Kriegspfarrer zu. In ihren Tagebüchern und Briefen verbanden sich harmlos anmutende Schilderungen von Landschaft und Wetter nicht selten mit sichtbaren Zeichen von Tod und Gewalt. So etwa bei Johannes Opfermann, der im Winter 1943 notierte: „Ein schöner, milder Wintertag. Doch am Horizont brennen wieder Dörfer. Die Dissonanzen des Krieges!“2 Ähnliche Beschreibungen finden sich bei Gerhard Knapp, der am 3. Juli 1941 notierte: „Um 9 Uhr im Nachbarhaus Milch geholt und getrunken. Die Dorfbewohner ziemlich arm. Nach 10 Uhr Brand im Nachbardorf, durch eigene Soldaten verursacht. Auch verschiedene Granaten explodierten: ein schauerlich – schönes Bild!“3

Drei Wochen später vermerkte er einen „schönen Blick auf das stark zerstörte Tschaussy“4. Als Knapp nach einem Partisaneneinsatz beobachtete, wie die Zivilbevölkerung scheu und verängstigt aus den Wäldern in ihre Häuser zurückkehrte, wurde auch dies unter ästhetischen Gesichtspunkten beschrieben: „Unter den Alten ein paar typische echte russische Bauerngestalten – leider habe ich den Photo nicht bei mir.“5 Wie „echte russische Bauerngestalten“ auszusehen hatten, wusste Knapp aus den Romanen Tolstois. Seine Erlebnisse maß er vor allem daran, ob sie seiner Frau vermittelbar waren oder einen gewissen Wert für die Zeit nach dem Krieg in der Heimat versprachen. So redete er noch Ende des Jahres 1944 über die „gesunde und erfreuliche Er-

1 Vgl. Rçw, Militärseelsorge, 377, hier heißt es: „Der Krieg bot diesen Männern die Möglichkeit, fremde Länder zu entdecken und andere Kulturen kennenzulernen. Bei dem einen oder anderen mag Abenteuerlust und das Verlangen, bisherige Grenzen zu überwinden, aufgekommen sein.“ 2 Tagebucheintrag Johannes Opfermanns vom 12. 12. 1943 (DAB, V/184). 3 Tagebucheintrag Gerhard Knapps vom 3. 7. 1941 (LKA Stuttgart, D37, 1.2). 4 Tagebucheintrag Gerhard Knapps vom 28. 7. 1941, ebd. 5 Tagebucheintrag Gerhard Knapps vom 7.–10. 5. 1944 (LKA Stuttgart, D37, 1.3).

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rungenschaft“ der Sauna, „die uns das ,russische Erlebnis‘ kennen und mit Freuden gebrauchen lehrte“6.

Gerhard Knapp, 1940 (LKA Stuttgart, D37, 1.1).

Kriegsverbrechen und die Jagd nach einem Andenken bildeten zuweilen ein unauflösliches Gefüge. Als Gerhard Knapp von der geplanten Vernichtung seiner Quartiersleute im Zuge der „Politik der verbrannten Erde“ erfuhr, weckte dies Begehrlichkeiten, was ihn zu einer Reihe von Selbstrechtfertigungen anregte, die hier in ganzer Länge wiedergegeben werden sollen: „Montag, den 19. Januar 1942 [… kurz vor dem Abmarsch aus Troiza] Meine persönlichen Habseligkeiten hingen unter dem „Herrgottswinkel“ der Stube. Wiederholt war mein Blick auf die Heiligenbilder („Ikonen“) dieser Ecke gefallen; und die Frage beschäftigte mich: soll oder darf ich mir eines dieser Ikonen zur Erinnerung an Rußland aneignen? Es war mir ja ein unvergeßliches Erleben gewesen, nach 20-jähriger Bolschewistenherrschaft noch in unendlich vielen Bauernhäusern Rußlands den „Herrgottswinkel“ zu finden. Ich wußte, daß auch dieses Haus dem nahen „Feuertod“ geweiht war. – Den Hausbewohnern war es noch nicht bekannt, vielleicht rechneten auch sie im Stillen mit dieser Möglichkeit. – So mußte man sich ja sagen, daß auch diese Heiligenbilder in Bälde mit dem Wohnhaus in Flammen aufgingen. Unter diesen Umständen – auch Dr. […], der kurz vor dem Abgang kam, ermunterte mich dazu – bekam ich die innere Freiheit, eines dieser alten Ikonen abzunehmen. Nun soll es mich in späteren friedlichen 6 Tagebucheintrag Gerhard Knapps vom 30. 12. 1944, ebd.

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Zeiten – wenn es seinen neuen Platz in unsrem Schlafzimmer oder meinem Studierzimmer gefunden – an das unvergeßliche Kriegserleben auf russischem Boden erinnern. Merkwürdige Paradoxie: der Besitz dieses sehr alten russischen Ikons freute mich in der Tiefe und doch: der Hintergrund dieser Erwerbung offenbarte die ganze Furchtbarkeit und Härte einer totalen Kriegsnotwendigkeit. Als wir um 12 Uhr unser Haus verließen, gab ich den sehr netten, aufmerksamen Hausbewohnern zum Abschied eine kleine, (freilich auch wieder als Kostbarkeit empfundene) Gabe: der Bäuerin und den Kindern eine „gefaßte“ Schokoladetafel und dem Bauern etliche Stumpen. Die Tätigkeit unseres Hauptverbandplatzes hatte ihr Ende gefunden. Im Lauf des Nachmittags wurde Troiza vorderste Linie. Wie wir Troiza auf unsrem Fußmarsch verlassen hatten und hinter uns liegen sahen, fing es auch hier an einer Stelle zu brennen an. Wie leid tat es einem um dieses schöne, eigentlich wohlhabende Dorf! Und wie wird es den Dorfbewohnern, Frauen und Kindern gehen? Die nächsten Tage brachten über 40 Grad Kälte! Wohl alle Kameraden waren von diesem harten Kriegsgeschehen stark bewegt. (Auch der Chef schenkte seinen Quartierleuten zum Abschied eine Schokaladentafel -, wie ich später zufällig erfuhr).“7

Geheuer war diesem Pfarrer sein Handeln nicht. Er bemühte einen ganzen Strauß von Argumenten, um sein Gewissen zu beruhigen, weil er die geplante Vernichtung eines Dorfes und seiner Bewohner, darunter auch seiner „Gastfamilie“, die „nett und aufmerksam“ zu ihm gewesen war, ausgenutzt hatte, um sich deren Ikone zu beschaffen, die ihn später an das „unvergessliche Erleben“ seiner Kriegszeit erinnern sollte. So verwies er auf die Ermunterung durch einen vorgesetzten Lazarettarzt, die ihm die „innere Freiheit“ gegeben habe, sich der Ikone zu bemächtigen, aber auch auf die Einsicht, dass die Ikone ohnehin bald verbrannt wäre. Für das inhumane Vorgehen gegen das Dorf machte er das Abstraktum der „totalen Kriegsnotwendigkeit“ verantwortlich, das er nicht weiter hinterfragte. Seine Truppe dagegen entlastete er von jedem moralischen Vorwurf, indem er auf die Betroffenheit seiner Kameraden verwies sowie auf die Menschlichkeit seines Vorgesetzten, der (wie er selbst) seinen Quartiersleuten zum Abschied Schokolade geschenkt hatte8. Häufig war die Sicht auf Land und Leute geprägt vom eigenen tradierten Antibolschewismus und dem Einfluss der nationalsozialistischen Propaganda – eine Sicht, die sich durch die eigenen Erfahrungen in der Sowjetunion zu bestätigen schien9. Der erste Eindruck von der Sowjetunion war der, in ein verwahrlostes Land geraten zu sein. Fast alle Beschreibungen erwähnen den Schmutz, die Armut, den schlechten Zustand von Häusern und Menschen und brachten dies schnell in Zusammenhang mit dem herrschenden politischen System. Divisionspfarrer Beyer schrieb in sein Tagebuch: 7 Tagebucheintrag Gerhard Knapps vom 18. 1. 1942 (LKA Stuttgart, D37, 1.2). 8 Vgl. Nolzen, Verbrannte Erde. 9 Vgl. Rçw, Militärseelsorge, 265.

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„Evakuierte“ Bevölkerung, Nähe Roslawl (Russland), 16. 2. 1943 (AKMB, NL Perau, 2/ 431, E38). „Jetzt sind wir also im eigentlichen ,Sowjetparadies‘. Gleich die ersten Eindrücke sind erschütternd. Das Getreide auf den an sich fruchtbaren Feldern steht jämmerlich schlecht. Die Häuser sind ungepflegte Holzbauten mit Strohdächern. Kirchen sieht man in den Dörfern kaum noch. Wo sie noch stehen, dienen sie anderen Zwecken. Am erschreckendsten aber ist der Zustand, in dem sich die Gärten befinden. Ich habe keinen einzigen gesehen, der auch nur die geringste Pflege aufgewiesen hätte. Unkraut überwuchert die Gemüsepflanzen. Außer einigen Sonnenrosen gibt es keine Blumen. Wie pflegt auch der mit Arbeit noch so überlastete Deutsche sein Gärtchen. Daß der unter der Herrschaft des Bolschewismus stehende Mensch nicht einmal mehr ein Verhältnis zu dem letzten Stückchen Natur hat, das ihm als eigener Besitz geblieben ist, zeigt, wie seelenlos er geworden ist.“10

Was Beyer hier wahrnahm, bestätigte nur, was er ohnehin über die Menschen im Bolschewismus zu wissen meinte. „Das ist die bolschewistische Wirklichkeit!“, ereiferte er sich. Was man in Deutschland darüber berichtet habe, sei wahrlich nicht übertrieben11. Sichtlich erschüttert begegnete auch Josef Wassong den ärmlichen Verhältnissen in der Sowjetunion. Akribisch beschrieb er die Wohnverhältnisse der ukrainischen Bauern, bei denen er einquartiert war. Auch er fand das Erwartete vor: „Schmutz“, „Gestank“ und „Primitivität“ der Lebensverhält10 KT Beyer, 23. 7. 1941 (Privatbesitz, Transkript Garbe, 218). 11 Ebd., 221.

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nisse. Seine Beschreibung zielte aber weniger auf die grundsätzliche Abqualifizierung der einheimischen Bevölkerung gegenüber den Deutschen als auf die nüchterne Beschreibung von Land und Leuten.

Josef Perau (rechts im Bild) und Küster mit „Quartiersleuten“, Nähe Juchnow (Russland), 19. 12. 1941 (AKMB, NL Perau, 1/430, C24).

Vor allem die Armut seiner „Quartiersleute“ beschäftigte ihn. Er berichtete über den einen Raum, die Bauernstube, die als Küche, Wohn- und Schlafraum gleichzeitig diente und von den Familien, die der Wärme wegen auf dem Backofen schliefen. Ihre Ernährung empfand er als äußerst dürftig: „Ja, das Volk der an sich so reichen Ukraine ist bemitleidenswert arm. Butter sieht man fast nie, Honig öfter, manche Familien haben weder Kuh noch Huhn, u. wenn ein einigermaßen schlachtreifes Schwein da ist, wandert es bald in die Feldküche der Soldaten, die sich aus dem Lande ernähren müssen.“12

Die Schuld an den miserablen Verhältnissen der ukrainischen Bauern gab er dem Sowjetregime, das mit seinen „Gemeinschaftsgütern“, den Kolchosen, dem Volk „fast alles genommen“ habe13. Sichtlich quälte ihn die physische 12 Tagebucheintrag Josef Wassongs vom 17. 9. 1941 (AKMB, SW 901). 13 Ebd.

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Nähe seiner „Gastgebeber“, weil sie seine gewohnte Lebensqualität empfindlich einschränkte. „Es ist bitter“, klagte er, „daß die klebrigen Wege uns an die kleine unheizbare Bude fesseln, in der großer Tag- und Nachtverkehr von Mäusen herrscht. u. Kleintierzucht betrieben wird, sodaß ich 1 Laus, 1 Floh u. 1 Wanze erledigen konnte. Meinem Schlafnachbar liefen eines Nachts die Mäuse sogar übers Gesicht. Vor unserem Salon, der durch den Weizen unterm Bett die Mäuse so interessiert, sind die Räumlichkeiten der ,Eingeborenen‘, durch deren ,Mief‘ ich möglichst schnell u. nach tiefem Einatmen hindurcheile. Der Eingang ist zugleich Hühnerstall während im ersten Nachbarhaus der Eingang durch den Kuhstall führt. Ins linke Nachbarhaus ging ich 1 x des Studiums halber hinein. Ein halbnacktes Kind lag auf dem Backofen, der kleine Raum war durch s. Schmutz u. seinen furchtbaren Gestank, der einem den Atem nahm u. schnell fliehen ließ, menschenunwürdig. So was sah ich wohl kaum. Scheußlich!“14

Detailgetreu notierte der Wehrmachtpfarrer auch die Geschichten, die er über die Hungerkatastrophe in der Ukraine 1933 hörte, als über drei Millionen Menschen in Folge der Kollektivierungspolitik Stalins verhungerten und als Kannibalismus an der Tagesordnung war15. „Ein horrendes Hungerjahr war 1933. Der dolmetschende Uffz ist im Quartier bei einem Mann, der ihm erzählte, daß er 1933 mit 1 Spaten zu 1 Nachbardorf ging u. auf diesem Wege begrub er 30 Tote, die verhungert am Wege lagen. Was öfter erzählt wurde u. ich nie glauben wollte, das behaupten auch meine Hausleute mit aller Bestimmtheit, daß man nämlich 1933 Menschen gegessen habe. Hier in Sloboda Soswenjak, so beteuern sie, seien in 1 Familie ein 18jähr. u. ein 11 jähr. Mädchen umgebracht u. verzehrt worden. Bei der Untersuchung habe man im Ofen die Bratpfanne mit 1 Teil der Brust gefunden. Das 11 jähr. Kind war kurz nach der Rückkehr aus der Schule gesucht worden, worauf die Eltern erklärten, es sei gestorben u. im Garten beerdigt, das erregte Verdacht, u. beim Nachgraben im Garten unter dem scheinbaren Leichenhügel fand man nichts. Beide Eltern kamen ins Gefängnis, wo sich der Mann erhängte, er hatte 1 höh. Strafe als die Frau, die nur ein Jahr bekam. Jetzt soll die Frau wieder hier im Dorf wohnen. Die Frau meiner „Villa“ hatte 1933 ein einjähr. Mädchen u. mußte 3 Tage fort zur Beerdgg. der Gestorbenen. Als sie zurückkam, war ihr Kind angeblich gestorben u. beerdigt, aber heute noch vermutet sie, daß damals ihr Kind aufgegessen worden sei. Schauderbar!“16

Solche „Bildungserlebnisse“ ließen den Angriff auf die Sowjetunion in den Augen für manchen geradezu als Akt der Humanität erscheinen. Der katho-

14 Tagebucheintrag Josef Wassongs vom 23. 10. 1941, ebd. 15 Vgl. Snyder, Bloodlands, 70, 73. 16 Tagebucheintrag Josef Wassongs vom 18. 11. 1941 (AKMB, SW 901).

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lische Kriegspfarrer Berger sprach dies in seinem Bericht an den Feldbischof Anfang des Jahres 1942 aus: „Der Krieg in Rußland ist eine harte Belastungsprobe des Geistes unserer Soldaten. Doch kann das Erlebnis des Sowjetparadieses dem deutschen Soldaten nur die Notwendigkeit dieses Kampfes illustrieren.“17

In den Briefen des evangelischen Pfarrers Heinz Rahe an seine Frau ist dokumentiert, wie sehr der Anblick der ärmlichen Städte und Dörfer der Sowjetunion die eigenen Vorurteile bestärkte. So schrieb er am 7. September 1941: „Wir gingen aus unserer Wohnkaserne auf dem holprigen Pflaster vorbei an kleinen, unordentlichen Häusern, bis wir auf den Hauptplatz kamen. Dieser Platz ist natürlich ungepflastert. […] Schaufenster gibt es in der Hauptstraße natürlich nicht, viele Häuser sehen aus wie Fabrikgebäude, daneben stehen Bretterbuden oder andere wacklige Bauten, in denen Uhrmacher oder andere Handwerker jetzt ihr primitives Gewerbe wieder aufnehmen. Schließlich ging es vorbei an einem billigen, kitschigen Vergnügungspark, der sogar einen Brunnen mit jetzt zerschlagenen Gipsfiguren enthält. Unter den Bäumen des Parks liegen einige Gefallene, jetzt unbeachtet von Fahrzeugen umstellt. Wenn man solch kleinen Rundgang hinter sich hat, reicht es einem erst mal für lange Zeit: Sowjetkultur!“18

Rahe hatte nichts besseres erwartet wie der wiederholte Gebrauch des Adverbs „natürlich“ anzeigt. Auch seinen Antisemitismus fand er nun durch eigene Anschauung bestätigt. Im selben Brief an seine Frau beschrieb er seine neue jüdische Putzfrau: „Sie trägt ihren Judenstern auf dem Arm und hat ein scheußlich jüdisches Gesicht, eins von der unangenehmen Art, so daß man ein Foto von ihr ohne weiteres in den ,Stürmer‘ aufnehmen könne. […] Unsere Sarah, wie ich sie nenne, war froh, Hausarbeit tun zu dürfen. Dafür bekommt sie mittags etwas zu essen, wofür sie ja sehr dankbar ist. Sie redet gebrochen deutsch wie alle Juden des Ostens. Wenn sie allerdings mit ihrer jüngeren Rassengenossin redet, die oben im Hause wirkt, kann man kein Wort verstehen. Das Jiddisch ist doch wohl noch anders als nur ein verdrehtes Deutsch. So oft ich sie ,Sarah‘ nenne, kommt von ihr die Antwort: ,Sofie‘. Wie gesagt, sie gehört zu den typischen Judengesichtern und ist mir daher ziemlich widerwärtig. Aber ihre Arbeit macht sie ordentlich.“19

17 Seelsorgebericht Franz Xaver Bergers (1.7.–30. 9. 1941) vom 4. 1. 1942 (AKMB, SW 112). 18 Schreiben Heinz Rahes an seine Frau Ursula Rahe vom 7. 9. 1941. In: Feldpostbriefe von Lt. Heinz Rahe, 22. 6. 1941–31. 12. 1941, hg. von Konrad Rahe und Elsbeth Oldenburg. Hamburg 2005 (Dienstbibliothek des AKMB). 19 Sowjetunion, 284 f.

Krieg als Bildungsreise

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Rahe übernahm die zynische NS-Behördensprache, die seit August 1938 alle Juden, die keinen registrierten jüdischen Vornamen trugen, zwang, die Vornamen „Israel“ bzw. „Sara“ in ihre Pässe eintragen zu lassen20. Seine Erfahrungen bestätigten ihm einerseits die aus dem „Stürmer“ bekannten antisemitischen Bilder, andererseits konterkarrierten sie seine Vorurteile. Fast erstaunt bemerkte er, dass die Frau darauf bestanden habe, als Individuum mit ihrem eigenen Namen angesprochen zu werden: „Sofie“ nicht „Sarah“. Ebenso hatte er gelernt, dass Jiddisch mehr war, als ein „verdrehtes Deutsch“, wie er bislang geglaubt hatte. Schließlich äußerte er sich sogar anerkennend über ihre Gründlichkeit beim Putzen – Erkenntnisse, die ihm erst durch die reale Begegnung möglich wurden und die nun unverbunden neben seinen negativen Vorurteilen standen. Letztlich aber konnten die neuen Erfahrungen seine tief verwurzelten Gefühle des Abscheus nicht auslöschen, wie er am Ende seines Berichtes – sich gleichsam noch einmal vergewissernd – betonte21. Auch der evangelische Divisionspfarrer Beyer nahm die Juden, denen er begegnete, nach dem Schema der antisemitischen Propaganda der Nationalsozialisten wahr. Am 20. Juli 1941 notierte er in seinem Tagebuch: „Die Stadt [Rowno] wimmelt, wie auch schon L/uzk/, von Juden, die jetzt alle eine weiße Armbinde mit Davidstern tragen müssen. Sie sind an Zahl in den Städten Wolhyniens stärker als Ukrainer und Polen. Es sind wirklich ekelhafte Kerle in ihren dreckigen Kaftanen und mit ihren unrasierten Gesichtern. Auch die Frauen sehen höchst unerfreulich aus. Es war wirklich nicht übertrieben, was man immer wieder von diesem Ostjudentum gesagt hat.“22

Josef Wassong erwähnte die Juden nur beiläufig: „Inzwischen hatten wir einen der scheußlich aussehenden Räume eines gr. Hauses (einst Wohnungen von Juden) wohnlich hergerichtet“23, hieß es im Oktober 1941 über ein Quartier in Kegitschewka. Es scheint, als sei der Hinweis auf die jüdischen Vorbesitzer die logische Erklärung für die Scheußlichkeit dieser Räume. Über den Verbleib dieser Menschen verlor er kein Wort. Dass die Erfahrungen mit Land und Leuten während des Ostkrieges die vorgeprägten Einstellungen von Geistlichen zumindest partiell verändern konnten, zeigt das Beispiel Heinz Rahes. Im Frühjahr 1943 hatte dieser seine Ansicht über die kulturelle Minderwertigkeit der Völker in der Sowjetunion revidiert. Ernüchtert durch den enttäuschenden Kriegsverlauf begann er, der die „Machtergreifung“ 1933 als SA-Mann und Deutscher Christ begrüßt hatte,

20 21 22 23

Vgl. Meier, Kirche, 13. Vgl. Sowjetunion, 284 f. KT Beyer, 20. 7. 1941 (Privatbesitz, Transkript Garbe, 216). Tagebucheintrag Josef Wassongs vom 18. 10. 1941 (AKMB, SW 901).

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Josef Wassong, o. J. (AKMB, SW 900).

die kulturelle Überlegenheit der Deutschen und die Kriegführung der Wehrmacht in Frage zu stellen: „Ich unterhielt mich angeregt mit dem Sonderführer, der ja Russisch spricht und daher die Einstellung der Ostvölker gegen uns kennt. Nach ihm erkennen die Russen unsere zivilisatorische Überlegenheit an, aber nicht eine kulturelle. Es ist ja seltsam, daß wir trotz fast zweijährigen Aufenthalts im Osten der Seele und dem geistigen Leben dieser Völker völlig fremd geblieben sind. Vor allem unser Gebaren als Herren lehnen sie ab, sie fühlen sich nicht als kulturlose Neger, sie sind stolz auf Tschaikowski, Dostojewski und andere. Ja, wir hier kennen ja doch nicht die geistige Höhe dieser Menschen und sehen nur ihre unglaubliche Armut. Deshalb fühlen wir uns ihnen überlegen. Ob mit Recht? Das erscheint mir jetzt auch sehr fraglich. Wenn eine russische Schauspielerin beispielsweise sich empörte, daß man sie nicht ritterlich als Dame behandle, daß sie sich mit deutschen Offizieren nicht über Goethe, Schiller und russische Literatur unterhalten könne, so hat sie vielleicht doch begriffen, in welchem kulturellen Niedergang wir uns befinden. Nimmt man den auf religiösem und sittlichem Gebiet noch hinzu, sind wir dann tatsächlich noch Vermittler höherer Gesittung? Die Ukrainer reden zum Beispiel ihre Eltern mit Sie an und bringen ihnen große Ehrerbietung entgegen. Daß zumindest auf dem Lande die Sittlichkeit höher ist als bei uns, das wird jeder

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einfache Landser bestätigen. Die Städte allerdings sind ebenso dekadent wie unsere. So ist mir allmählich auch unsere kulturelle Sendung für den Osten problematisch geworden. Sind Liebe und Ehrfurcht nicht die höchsten sittlichen Werte? Gerade sie werden heute der Jugend genommen. Wenn man stattdessen die Ehre als Höchstwert propagiert, darf man sich nicht wundern, daß gerade die unterworfenen Völker sich auf ihre völkische Ehre besinnen. Sie fühlen sich schon jetzt ausgebeutet und betrogen. Daran ist wohl nicht zu zweifeln.“24

7.2 Auf den Spuren des Christentums „Ich werde bestürmt wie ein Missionar im Urwald“25

Die Begegnung mit Land und Leuten lieferten den Kriegspfarrern reichliches Anschauungsmaterial, an dem sie den Soldaten, aber auch sich selbst, den tieferen Sinn des Ostkrieges verdeutlichen konnten. Die Begegnung mit zerstörten Kirchen und Friedhöfen in den eroberten Gebieten war ein Dauerthema seit dem Beginn des Ostfeldzuges, das auch in den Predigten thematisiert wurde, um das Interesse der Soldaten am Christentum neu zu wecken, wie der katholische Divisionspfarrer Heinrich Litzenrath berichtete: „Man merkte dies sehr deutlich aus den vielen Fragen, die gerade über diese Dinge an den Pfarrer gerichtet wurden. Ein tieferes Verständnis für die heiligsten Werte im Menschenleben ist bei vielen erwacht. Überall stiess man bei Behandlung dieser Fragen auf aufgeschlossene Herzen. Aus dieser Haltung heraus, war auch durchweg eine rege u. freudige Beteiligung an den Gottesdiensten u. am Empfang der Sakramente zu verzeichnen.“26

Gern wurden die zerstörten Kirchen und verwahrlosten Friedhöfe verknüpft mit den armseligen Lebensverhältnissen der Bevölkerung und der brutalen Kriegführung der Roten Armee. Verfallene Kirchen und Friedhöfe schienen generell auf eine nicht mehr vorhandene Sittlichkeit und Moral zu deuten. Die „tiefsten und besten Kräfte in der menschlichen Seele“ seien zerbrochen, predigte Litzenrath seiner Sol-

24 Schreiben Heinz Rahes an seine Frau Ursula Rahe vom 20. 4. 1943. In: Feldpostbriefe von Oberleutnant Heinz Rahe. Januar – Juli 1943 – Kaukasien/Ukraine, hg. von Konrad Rahe und Elsbeth Oldenburg Hamburg 2006 (Dienstbibliothek des AKMB). 25 Schreiben Josef Peraus an Johannes Bours vom 1. 6. 1942 über die Bitten der einheimischen Bevölkerung um kirchliche Amtshandlungen durch Kriegs- und Wehrmachtpfarrer (AKMB, NL Josef Perau, Nr. 3). 26 Tätigkeitsbericht Heinrich Litzenraths (1. 7.– 1. 11. 1941) vom 14. 11. 1941 (BA-MA Freiburg, RH26/294, Nr. 90).

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datengemeinde27. Dies erleichterte es, den Kriegsgegner als unmenschlich darzustellen.

„Zweckentfremdete“ Kirche in Charkow zwischen 1941 und 1943. Der rückblickende Kommentar des Fotografen Alois Beck lautete: „Denn in Wirklichkeit war es kein Gotteshaus mehr, sondern ein Lagerhaus; und daß die Zweckentfremdung nicht erst während des Krieges begonnen hatte, konnte man daraus ersehen, daß man schon längst die elektrischen Lichtleitungen aus der Wand herausgerissen hatte, und daß die Seitenaltäre abmontiert waren.“ (AKMB, NL Beck, 3/148).

Am Beispiel der zerstörten Kirchen und verwahrlosten Friedhöfe ließen sich kulturelle Überlegenheitsgefühle und theologischer Antibolschewismus problemlos miteinander verbinden. Zugleich bewiesen die Spuren des Christentums, dass das Christentum in der Sowjetunion überlebt hatte, wenn auch geschändet und unterdrückt. Mit dem Verweis auf diese Spuren ließ sich das positive Kriegsziel der Befreiung des Christentums rechtfertigen28. Ein evangelischer Divisionspfarrer teilte am 22. Dezember 1941 seiner Kirchenleitung mit: „Das Elend dieses zertretenen, geschundenen, zur Heuchelei erzogenen Volkes kann man nicht beschreiben. Jetzt haben sie ja auch aufgeatmet, dass die Deutschen ihnen erlaubt haben, die Kirchen wieder zu benutzen.“29 27 Ebd. 28 Vgl. Smolinsky, Rußlandbild, 353. 29 Vgl. die Auszüge aus den Briefen von Divisionspfarrer S. [vermutlich Otto Stockburger]. 22. 12. 1941 (LKA Stuttgart, D1, Nr. 191,9).

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Der Traum von der Befreiung des Christentums findet sich auch in den Tagebüchern von christlichen Offizieren. Als Arnold Brinz, Anwalt beim Kompanie- und Kriegsgericht der Stabskompanie der 132. Infanteriedivision mit seiner Kompanie in einer ehemaligen Kirche auf der Krim übernachtete, phantasierte er von der Rückkehr des Christentums an diese einst christliche Stätte. „Hundert Soldaten liegen im langgestreckten Kirchenschiff auf dem Boden, den 100 Jahre hindurch – solange existiert die Kirche schon – bestehendem Brauche gemäß die Lippen frommer russischer Beter küßten. Der Atem der Schläfer durchzieht den weiten Raum, den einst weihevolle Orgelklänge durchbrausten und die Stimme des Popen von der Kanzel herab mit dem Wort Gottes erfüllte. An den Wänden, die ehedem Heiligenbilder, Fahnen und Teppiche in echt slawischer Kunterbuntheit zierten, hängen jetzt unsere Gasmasken, Gewehre, Waffenröcke etc. in dem einheitlichen Grau unserer Feldausrüstung. Vor den Portalen des Gotteshauses, die sich dereinst nur zu Stunden der Erbauung, Sammlung und stillen, friedlichen Einkehr auftaten, stehen unsere Posten mit aufgepflanztem Bajonett. Wo man also hinsieht: ein dramatischer, kaum vereinbar erscheinender Unterschied zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Und doch ein Zusammenhang: der gegenwärtige Kampf gegen den Bolschewismus verspricht diesen Tempel des Herrn in seinem Ergebnis seinem ursprünglichen Zwecke wieder zuzuführen. Das Kerzenlicht, das in der Stall-Laterne neben mir das Schreiben dieser Zeilen ermöglicht, wird vielleicht bald nicht das einzige sein, das in dieser Kirche erstrahlte, gerade hier an dieser Stelle, wo ich sitze. Denn hier auf dem Podium des sowjetischen Vortragssaales muß sich ehedem der Hochaltar befunden haben. Es ist etwas schönes um die nicht alltäglichen Umstände. Solche bringt der Krieg in Menge mit sich.“30

Der evangelische Unteroffizier Wolfgang Buff schrieb in sein Leningrader Kriegstagebuch: „Es ist merkwürdig, wie in verborgener Weise durch die schrecklichen Zeitereignisse, für Gottes Wort wieder Bahn und Raum gemacht wird in einem Dorf, dessen zerfallene Kirche von der Herrschaft der Dämonen Zeugnis ablegt. Seit vier Jahren hat nach Aussagen der Russen keine kirchliche Amtshandlung in dieser ganzen Gegend mehr stattgefunden, weil es keine Geistlichen mehr gegeben hat. Jetzt beginnt auf eine seltsame Weise in den zerschossenen Dörfern und Siedlungen Gottes Wort wieder auszugehen. In Bunkern, in zerschossenen Häusern und in der Wildnis der Wälder wird es geredet. Im Verborgenen wird das Licht des Evangeliums, das erloschen war, wieder angezündet.“31

Buchstäblich auf Schritt und Tritt stießen die Kriegspfarrer auf die Rudimente einer christlichen Kultur. Besonders im ländlichen Raum, wo die Geistlichen 30 Tagebucheintrag von Arnold Brinz vom 2. 11. 1941 (AAK Berlin, Kempowski Bio, 4573/4). 31 Buff, Vor Leningrad, 102.

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auf engstem Raum mit ihren einheimischen „Gastgebern“ zusammenlebten, erfuhren sie viel über die Familien und das, was diese mit dem Christentum verband32. Bei ihren Quartiersleuten fanden die Kriegspfarrer Ikonen in den Stuben und versteckte Bibeln, die nun zur ihrer Freude hervorgeholt wurden. Sie lauschten Erzählungen über Verhaftungen von Priestern und kamen den Bitten um Gottesdienste oder Sakramentenspendung in den Häusern ihrer unfreiwilligen Gastgeber nach. Sie bemerkten Kreuzketten um den Hals gefallener Soldaten der Roten Armee und notierten, wenn Männer oder Frauen sich bekreuzigten. Der Priestersoldat Heribert von Leveling schrieb seinem Bischof Faulhaber wie er eine illegale Messe in der Wohnküche eines Hauses für die dortige Zivilbevölkerung abhielt. Anschließend schilderte er seine Beobachtung, wie eine ältere Russin sich kurz vor ihrer Hinrichtung durch deutsche Soldaten bekreuzigt habe33. Der evangelische Pfarrer und Gräberoffizier Richard Börner fand selbst noch auf dem Rückzug mitten im lettischen Kurlandkessel Nahrung für seine Sehnsucht nach einem christlichen Russland. Er besuchte einen orthodoxen Gottesdienst. Als er der Gemeinde die österlichen Worte „Christo woskrest“ zurief, – so erinnerte er sich – sei die österliche Antwort auf Russisch zurückgekommen: „Er ist wahrhaftig auferstanden!“ Glücklich kommentierte er: „Russische Gemeinde nach 25-jähriger kommunistisch-atheistischer Umerziehung! Sie feierten fröhlich Ostern“34. Als besondere Beweise für den Erfolg des vermeintlich christlichen Feldzuges galten Gottesdienste in Kirchen, die von der Wehrmacht wieder aufgebaut worden waren. Der katholische Kriegspfarrer Alois Beck hielt während der Zeit seines Osteinsatzes zahlreiche Lichtbildvorträge über erste Gottesdienste der befreiten Bevölkerung in ihren wieder hergerichteten Kirchen35. In einem Tätigkeitsbericht des evangelischen Kriegspfarrers Johannes Rother über die Zeit zwischen Juni und Ende August 1941 hieß es: „Es sind überwältigende Feierstunden für deutsche Soldaten, wenn Kirchen in Russland wieder ihrer Bestimmung übergeben werden und sie sich selber in einer Feierstunde dort vor dem Angesichte Gottes beugen, etwa in der ukrainischen Kathedrale zu Shitomir.“36

32 Vgl. Hartmann, Wehrmacht, 411. 33 Vgl. das Schreiben Heribert von Levelings an Michael von Faulhaber vom 29. 6. 1942 (EAM, NL Faulhaber, Nr. 6796/1). 34 Privates Manuskript Richard Börners mit dem Titel „Erinnerungen“ (AAK Berlin, Kempowski Bio, 5785). 35 Vgl. das Protokoll des Frontlehrganges für katholische Kriegspfarrer im Bereich A. O. K. 6 in Charkow am 16. und 17. 4. 1942 (AKMB, SW 152). 36 Tätigkeitsbericht Johannes Rothers vom 5. 9. 1941 (BA-MA Freiburg, RH 26/454).

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Seine Soldaten, so berichtete der Kriegspfarrer weiter, beschäftige es außerordentlich, dass 23 Jahre Sowjetherrschaft nicht vermocht hätten, in den „deutschen Kolonien“37 der Ukraine den Leuten den Glauben aus dem Herzen zu reißen. Die Feiern der einheimischen Bevölkerung für die siegreich einziehende Wehrmacht waren oftmals verbunden mit Gottesdiensten und Festreden der „befreiten“ örtlichen Geistlichkeit. Sorgsam sammelte das katholische Feldbischofsamt die Schilderungen solcher Feste, auf denen die Wehrmacht als Befreierin der Kirchen gefeiert wurde. Noch im Sommer 1943 gingen Berichte über Feste in der Ukraine zum Jahrestag des 22. Juni 1941 ein, die in blumigen Worten die Wehrmacht unter der Hakenkreuzfahne als freundliche Schutzmacht einer neuen christlichen Ära erscheinen ließ: „Feiertagsstimmung. Männer und Frauen, Jungen und Mädel haben das Gewand der Arbeit mit Festtagskleidern vertauscht. Während leuchtender Sonnglast sich über die Fluren breitet und das lichte Weiß des Dorfheiligtums noch heller erstrahlen läßt, wird es in- und ausserhalb des die Kirche umgebenden Gemäuers lebendig. (…) Und während die Junisonne höher steigt, prängt vom Südportale des orthodoxen Bethauses das feurige Rot, vereint mit dem schwarzen Hakenkreuz im weissen runden Feld, das Banner der deutschen Nation. Um dieses Siegeszeichen hat sich die russische Bevölkerung gruppiert, in kurzer, würdiger Gedenkfeier dem Tag die innere Weihe zu geben. (…).“38

Nichts schien den positiven Sinn der eigenen Mission so sehr zu bestätigen wie die lobenden Worte der einheimischen Geistlichkeit: „Obwohl schon nahe der Siebzig und die Leiden jahrelanger Kerkerhaft hinter sich, ist der Pope Pawel Sergij noch frisch genug, mitreissend anzufeuern. Er erinnerte daran, daß sich in den 2 Jahren des Krieges mit Russland so manches im Lande geändert habe. Während Gottesdienst und Glaubensfreiheit vom Bolschewismus verpönt, die Religion bekämpft wurde, wurde sofort nach dem Einmarsch der deutschen Truppen durch diese sofort wieder der Gottesdienst erlaubt und vollste Glaubensfreiheit gewährt. Seine Worte geisselten den Unsegen des Bolschewismus und den verderbenbringenden Einfluß des Judentums. Wenn heute der Bolschewismus jenseits der Front mit falscher Schmeichelei den Gottesdienst wieder gestatten will, so ist dies Lüge und bewusste Irreführung. Das gläubige russische Volk wird nie die Zeit vergessen, wo die Sowjets einmal schon ihr Wort gebrochen und viele Geistliche und Gläubige ihre Gottestreue mit dem Blute und Leben büssen liessen. Des Popen Schlußwort, daß das russische Volk mit Hilfe der deutschen Wehrmacht und durch die Gnade Gottes sich immer weiter zu neuem Leben und zur Freiheit entfalte, fand seine Zustimmung in dem Beifall derer, die den Worten gelauscht.“39 37 Gemeint war die volksdeutsche Minderheit in der Ukraine. 38 Undatierter Durchschlag, vermutlich 22. 6. 1943 (AKMB, SW 116). 39 Ebd.

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Die Hoffnung auf die Befreiung der unterdrückten Christen in der Sowjetunion überschrieb förmlich den brutalen Angriffskrieg. In ihrer Selbstwahrnehmung sahen sich Geistliche und Soldaten gern in der Rolle von „Befreiern“ und „Überwindern“, die dem Land zu einer christlichen Erneuerung verhalfen40. Wiederholt schilderten Kriegspfarrer in ihren Tätigkeitsberichten und Tagebüchern, dass sie Gottesdienste und Taufen für Volksdeutsche hielten41. Hermann Wolfgang Beyer berichtete von zwei Gottesdiensten in volksdeutschen Gemeinden westlich von Shitomir. „Es waren die ersten Gottesdienste, die diese evangelischen Deutschen seit ungefähr 20 Jahren gehabt haben. Sie beteiligten sich mit einer Ergriffenheit, die etwas im Tiefsten Bewegendes hatte, und bekundeten ihre Dankbarkeit in sehr eindringlicher Weise. Ich habe in diesen Gemeinden auch 85 deutsche evangelische Kinder getauft, an denen diese Handlung bisher infolge der Unterdrückung allen religiösen Lebens durch den Bolschewismus nicht hatte vollzogen werden können.“42

Dass diese Christen unter dem Schutz der Wehrmacht wieder ihre Religion ausüben konnten, bedeutete ihm viel: „Meine Soldaten aber habe ich gefragt: ,Daß wir diese Stunde miterleben dürfen, daß wir zu diesen Menschen als Befreier kommen durften, hat das nicht schon allein alle Strapazen, alle Mühen und alle Entsagung gelohnt, die wir auf uns nehmen?‘ Ich glaube, sie haben es bejaht.“43

Vor diesem Hintergrund lag es nah, eine positive Verbindung zum christlichen Teil der Sowjetunion zu suchen. „Wie sollte Russland auf die Dauer Christus zugehören können, wenn es nicht die brüderliche Verbindung mit den Christen des Abendlandes findet?“ fragte ein evangelischer Geistlicher in einem Essay für seine Kirchenleitung44. Doch eine „brüderliche Verbindung“ mit den Christen des Abendlandes hätte den eroberten Völkern der Sowjetunion eine gewisse Eigenständigkeit zubilligen müssen. Sicher fand dieser Gedanke auch in Teilen der Wehrmacht Unterstützung, sah man sich doch auch hier als Befreierin der von den Sowjets

40 Schreiben Heinz Rahes an seine Frau Ursula Rahe vom 18. 7. 1941. In: Feldpostbriefe von Lt. Heinz Rahe, 22. 6. 1941–31. 12. 1941, hg. von Konrad Rahe und Elsbeth Oldenburg. Hamburg 2005 (Dienstbibliothek des AKMB). 41 KT Beyer, 3. 8. 1941 (Privatbesitz, Transkript Garbe, 228 f.). 42 Tätigkeitsbericht Hermann Wolfgang Beyers (1. 7.–31. 10. 1941) (BA-MA Freiburg, RH26/294, Nr. 90). 43 KT Beyer, 1. 8. 1941 (Privatbesitz, Transkript Garbe, 229). 44 „Die Ostkirche im befreiten Gebiet. Von einem mit der Waffe dienenden Pfarrer“ (LKA Stuttgart, D1, Nr. 191, 9).

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unterdrückten Völker45. Am Ende blieben solche Positionen aber einflusslos, denn die Politik Hitlers war eine andere. Unterstützt vom eliminatorischen Rassismus des „Reichskommissars für die Festigung des deutschen Volkstums“, Heinrich Himmler, und der radikalen wirtschaftlichen Ausbeutung der eroberten Teile der Sowjetunion durch den Beauftragten des Vierjahresplans, Hermann Göring, zielten Hungerpolitik, die Ermordung der Juden und anderer Zivilisten sowie der Mord an den Kriegsgefangenen auf die Vernichtung oder Versklavung der sowjetischen Völker. In der Folge verwies das stete Anwachsen der Partisanenbewegung auf das schnelle Ende der anfänglich durchaus positiven Stimmung in Teilen der sowjetischen Zivilbevölkerung gegenüber den Deutschen46. Bereits kurz vor Beginn des Ostfeldzuges hatte die Heeres-Dienstvorschrift 373 den Kriegspfarrern jeglichen außerdienstlichen Verkehr mit Geistlichen der Feindmächte verboten. Im August 1941 untersagte das OKW jede Form der Verbrüderung von Wehrmachtangehörigen mit der einheimischen Bevölkerung47. Eine Ergänzungsrichtlinie zur Heeres-Dienstvorschrift 373 vom 10. September 1941 bestimmte, dass russische Kirchen weder von der Wehrmacht instand gesetzt noch für Wehrmachtgottesdienste genutzt werden durften. Eine Beteiligung der Zivilbevölkerung, auch der Volksdeutschen, an den Gottesdiensten war verboten48. Urheber dieser Befehle war der Reichsminister für die besetzten Ostgebiete, Alfred Rosenberg, der festgestellt hatte, dass die Befehle der Wehrmacht in Bezug auf die Kirchen in den besetzten Ostgebieten „z. T. unserem Willen“ zuwiderliefen. Am 2. August 1941 notierte Rosenberg in seinem Tagebuch: „So sind einige schon übereifrig, ihre Wehrmachtpfarrer für Einweihung der Kirchen einzusetzten. Hier muss ein Befehl heraus, dass wir damit dienstlich garnichts zu tun haben u. allen Sendboten der Kirchen die Einreise verweigern müssen. Der Vatikan ist gerade emsig dabei, seine ,Mission‘ zu organsieren. Er will die Ernte unseres Kampfes einstreichen. Das werde ich aber zu verhindern wissen.“49

Die Kriegspfarrer, die für ihre Gottesdienste auf profane Räume wie Schulen und Kinos ausweichen mussten, bedauerten diese Verbote zutiefst50. Beide

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Vgl. Mazower, Imperium, 147. Vgl. Pohl, Wehrmacht, 172. Vgl. die Verfügung des OKW/AWA/J (Ia) 31 v. Nr. 4798/41 vom 6. 8. 1941 (AKMB, SW 111). „Ergänzungsrichtlinie des Führers vom 10. September 1941 zu den Bestimmungen für besondere Dienstverhältnisse der Kriegspfarrer beim Feldheer vom 18. Juni 1941“. Berlin 1941 (BAMA Freiburg, N 282, Nr. 4). 49 Matth us / Bajohr, Rosenberg, 401. 50 Vgl. den Tätigkeitsbericht des evangelischen Kriegspfarrers Ernst Fürle (28.3.–1.12. 1941) vom 12. 12. 1941 (BA-MA Freiburg, RH 26/44, Nr. 55, Bl. 86).

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Feldbischöfe setzten sich vergeblich bei der militärischen Führung dafür ein, die vorhandenen Kirchen in den eroberten Gebieten nutzen zu dürfen51. Doch nicht selten setzten sich die Kriegspfarrer vor Ort über diese Verbote hinweg. Begeistert berichtete ein evangelischer Divisionspfarrer seiner Kirchenleitung, dass man eine ehemalige Kirche, die vordem ein Schweinestall gewesen sei, in zwei Stunden ausgemistet habe, um dort den ersten Advent 1941 mit 300 Soldaten und dem General seiner Division zu feiern52. Ebenso wenig wollte man sich vom Ziel der Rechristianisierung der Sowjetunion trennen. So vollzog der katholische Kriegspfarrer Johann Anton Hamm widerrechtlich Hunderte von geistlichen Amtshandlungen an der sowjetischen Zivilbevölkerung und musste sich dafür in einer Reihe von Prozessen vor Gericht verantworten53. Sein Amtsbruder Josef Perau verweigerte zwar der ortsansässigen Bevölkerung den Wunsch, von ihm getauft zu werden, hatte aber nichts dagegen, dass sein Küster – ebenfalls ein katholischer Priester – Massentaufen an Einheimischen vornahm54.

7.3 Zeugen der Vernichtung „Man schämt sich für solches Tun deutscher Menschen“55

Der Krieg gegen die Sowjetunion war von Beginn an als „Vernichtungskampf“ geplant. Anders als beim Feldzug im Westen ging es Hitler hier um den „Kampf zweier Weltanschauungen“, der in unvergleichlicher Härte geführt werden sollte56. Die „verbrecherischen Befehle“, denen die Wehrmachtmachtführung bereits vor Beginn der Kampfhandlungen zugestimmt hatte, schufen einen rechtsfreien Raum, der die rücksichtslose Vernichtung der Zivilbevölkerung und die Ermordung der Kriegsgefangenen ermöglichte57. 51 Vgl. das Schreiben des katholischen Feldbischofs an den Oberbefehlshaber des Heeres vom 7. 10. 1941. Schreiben des evangelischen Feldbischofs an den Oberbefehlshaber des Heeres vom 6. 10. 1941 (AKMB, SW 111). 52 Vgl. die Auszüge aus den Briefen von Divisionspfarrer S [vermutlich Otto Stockburger] vom 30. 11. 1941 (LKA Stuttgart, D1, Nr. 191,9). 53 Vgl. das unveröffentlichte Manuskript Johann Anton Hamms über seine Denunziation, seine Prozesse und seine Haftzeit (AKMB, SW 386). Vgl. auch unten 202. 54 Vgl. das Schreiben Peraus (Brief 190) an Johannes Bours vom 1. 6. 1942 (AKMB, SW 647). 55 Tagebucheintrag Johannes Stelzenbergers vom 27. 10. 1941 (AKMB, SW 838). 56 Mazower, Imperium, 34. 57 Der „Barbarossabefehl“ stellte Kriegsverbrechen gegen die Zivilbevölkerung unter Straffreiheit. Der „Kommissarbefehl“ erteilte Heer und SS die Anweisung, gefangengenommene Sowjetkommissare unverzüglich hinzurichten. Die „Richtlinien für das Verhalten der Truppe in Rußland“ verlangten das „rücksichtslose und energische Durchgreifen gegen bolschewistische

Zeugen der Vernichtung

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Im Februar 1942 waren von den 3,9 Millionen sowjetischen Kriegsgefangenen in den Kriegsgefangenenlagern der Wehrmacht 2,8 Millionen gestorben. Man hatte sie in Todesmärschen durch das Land getrieben, in überfüllte Konzentrationslager unter freiem Himmel gepfercht und sie dort dem Tod durch Hunger, Kälte und Krankheiten überlassen. Hinzu kam der kalkulierte Hungertod Hunderttausender Zivilisten, durch den vor allem die Städte entvölkert werden sollten58. Im Herbst 1941 beschloss die NS-Führung, die Juden der besetzten Sowjetunion zu ermorden. Ein Ziel, dem SS-Einsatzgruppen, Polizeieinheiten und Wehrmacht in engem Zusammenspiel erschreckend nah kamen. Am Ende ihrer Besatzungsherrschaft hatten die Deutschen etwa zwei Millionen Juden auf dem Territorium der Sowjetunion umgebracht59. Unter den Soldaten des Ostheeres waren diese Massenverbrechen allgemein bekannt, spielten sie sich doch vor ihren Augen und unter Mithilfe der Wehrmacht ab60. Dies galt erst recht für die Kriegspfarrer, die durch ihre Zugehörigkeit zum Offizierskorps gut informiert waren, viele Gespräche mit Soldaten führten und das, was sie wussten, mit anderen Kriegspfarrern kommunizierten61. Für die Wehrmachtpfarrer, die sich vornehmlich hinter der Front aufhielten, wo die Masse der Verbrechen verübt wurde, war spätestens im September 1941 klar, worauf die „Lösung der Judenfrage“ im Ostkrieg hinauslief62. In einem Brief über seine Bobachtungen in Wilna schrieb Wolfgang Knapp, der Bruder von Gerhard Knapp, der ebenfalls als Pfarrersoldat an der Ostfront eingesetzt war: „In diesen Tagen wanderten die 60 Tausend Juden ins Ghetto. Da sah man erschütternde Bilder, z. B. die Holzverschläge an den Schaufenstern in den Hauptstraßen! In wenigen Jahren wird es wohl keine Juden im Osten mehr geben.“63

Hermann Wolfgang Beyer notierte, was er auf einem „Theologennachmittag“ seiner Division über eine zum Christentum bekehrte Jüdin erfahren hatte: „Die Frau hatte einige Tage ganz in der Begegnung mit Christus gelebt, bis auch sie weggeführt worden war, um gleich vielen anderen Tausenden von Juden getötet zu werden.“64 Von ähnlichen Beobachtungen berichteten katholische Kriegspfarrer65.

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Hetzer, Freischärler, Saboteure, Juden“ sowie die restlose Beseitigung des aktiven oder passiven Widerstandes. Mazower, Imperium, 137. Ebd.,156. Vgl. ebd., 167–169. Vgl. Neitzel / Welzer, Soldaten, 148, 289. Vgl. Mommsen, Auschwitz, 115–122. Vgl. Rçw, Militärseelsorge, 413. Schreiben von Wolfgang Knapp an seine Verwandten vom 6. 1. 1942 (LKA Stuttgart, D37, 1.2). KT Beyer, 8. 12. 1941 (Privatbesitz, Transkript Garbe, 311).

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Über die Dimensionen des Völkermordes an den Juden machten sich die Geistlichen kaum Illusionen. Der Mainzer Weihbischof Josef Maria Reuss, der als katholischer Divisionspfarrer in der 6. Armee gedient hatte, erklärte 1963 in einer Zeugenvernehmung, er habe seit August 1941 vom Sonderauftrag des Führers an die SS gewusst, „der ja in der Ermordung der Juden“ bestanden habe. Zudem habe ihm sein Küster erzählt, dass er die Erschießungen von jüdischen Männern und Frauen sowie von Kindern mit eigenen Augen gesehen habe66. Wie gingen die Kriegspfarrer mit diesem Wissen um? Und welche Rolle spielten die Prägungen, die sie durch ihre Kirchen erfahren hatten? Bislang hatten beide Kirchen in Deutschland zur systematischen Ausgrenzung der Juden aus der deutschen Gesellschaft geschwiegen67. Die Kirchenführer, einschließlich die der protestantischen Bekennenden Kirche, waren den antijüdischen Maßnahmen im Vorfeld der Shoa sogar mit grundsätzlichem Wohlwollen begegnet68. Unter katholischen als auch evangelischen Theologen herrschte mehrheitlich ein „erlaubter soziokultureller Antisemitismus“, eine Haltung, die die Existenz von Juden in Deutschland grundsätzlich als „Problem“ betrachtete69. Das Bewusstsein, es mit einem „Judenproblem“ zu tun haben, das einer „Lösung“ bedürfe, war auch bei den Kriegspfarrern an der Ostfront zu finden, die sich mit dem täglichen Mord an den Juden konfrontiert sahen. „Es treten viel Dinge näher heran. Alle Spannungen der Zeit. Das Elend der Kriegsgefangenen, das Judenproblem“, stellte der katholische Wehrmachtpfarrer Johannes Opfermann nach einem Gespräch mit einem evangelischen Geistlichen fest70. Theologen konnten sich außerdem auf den traditionellen kirchlichen Antijudaismus stützten, d. h. die biblisch-theologisch begründete Ablehnung des Judentums als nichtchristliche Religionsgemeinschaft. Dazu gehörte das Bild von dem zur Gesetzesreligion erstarrten Judentum ebenso wie das des wegen der Ermordung Christi zerstreuten und heimatlosen Judentums. Vor diesem Hintergrund wurden Aussagen aus dem Neuen Testament, wonach die Juden ihre Schuld vor Gott sühnen mussten, weil sie die Bedeutung Christi als Sohn Gottes nicht anerkannten, mit dem Bild des Juden als Gegner und Zerstörer des deutschen Volksstaates verbunden und als Kommentar und indirekte Legitimierung antisemitischer Ausfälle eingesetzt71. 65 Vgl. Rçw, Militärseelsorge, 420. 66 Vgl. die Vernehmungsniederschrift Dr. Josef Maria Reuss’ durch die Sonderkommission – Zentrale Stelle – beim Landeskriminalamt Baden-Württemberg vom 31. 1. 1963 (BArch Ludwigsburg, B 162/5644, Bl. 886). 67 Vgl. H rten, Katholiken, 437. 68 Vgl. Rçhm / Thierfelder, Juden, 28; H rten, Katholiken, 432. 69 Vgl. Leugers, Bischöfe, 51. 70 Tagebucheintrag Johannes Opfermanns vom 17. 10. 1941. (DAB, V/184). 71 Vgl. Smid, Protestantismus, 40, 65 f.; vgl. auch Kapitel 9–11 des Römerbriefes.

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Das theologische Motiv der Sühne wurde auch als direkte Erklärung der Verbrechen an den Juden herangezogen. So stimmten der evangelische Offizier, Pfarrer und Kriegspfarrervertreter, Heinz Rahe, und der katholische Divisionspfarrer Joseph Eickhoff darin überein, dass „mancher Jude in Konsequenz seiner Volksschuld“ gestorben sei. Tatsächlich gebe es dergleichen, und jeder müsse ihre Folgen mittragen, notierte Rahe72. Der evangelische Kriegspfarrer Beyer war sich sicher, dass der Kampf gegen das Judentum – auch wenn dieser „furchtbar harte Formen angenommen“ habe – eine Folge des Fluches Gottes sei, der sich nun „in einer schauerlichen Weise an diesem Volk“ erfülle73. Eine Predigtskizze Johannes Opfermanns vom Juli 1942 legt nah, dass auch er die Vernichtung der Juden im Sinne der christlichen Heilsgeschichte als Sühne deutete. „Das Wehe über Jerusalem. Die 3 Lk. Stellen. Nicht nur eine historische Angelegenheit. Hindurchleuchten der Heilsgeschichte überhaupt, der Geschichte auch des eigenen Lebens.“74 In den drei in seiner Predigt verwendeten Abschnitten des Lukasevangeliums wird der Untergang der Stadt Jerusalem prophezeit, weil das Volk der Juden Christus nicht als Sohn Gottes anerkannte. Zwar spricht einiges dafür, dass diese Predigt ein antijüdischer Kommentar zum verbrecherischen Geschehen an der Front war, dennoch kann nicht ausgeschlossen werden, dass Opfermann seine Predigt in einen antibolschewistischen Kontext stellte75. Die Ansicht, dass die Juden durch ihre Ermordung eine Schuld vor Gott sühnten, war auch nach dem Krieg von ehemaligen Wehrmachtpfarrern zu hören. So berichtete Bernhard Bauerle über seine Einquartierung bei einer jüdischen Familie: „Die beiden Töchter, Abiturientinnen, wurden in unserem Kasino beschäftigt. Eines Tages sassen die beiden Mädels weinend auf der Treppe. ,Warum geht es uns Jüden so schlecht?‘ Ich sagte drauf, ob sie einmal das Wort gehört hätten: ,Sein Blut

72 Schreiben Heinz Rahes an seine Frau Ursula Rahe vom 10. 2. 1943. In: Feldpostbriefe von Lt. Heinz Rahe, Januar – Juli 1943 – Kaukasien/Ukraine, hg. von Konrad Rahe und Elsbeth Oldenburg Hamburg 2006 (Dienstbibliothek des AKMB). 73 KT Beyer, 8. 12. 1941 (Privatbesitz, Transkript Garbe, 311). 74 Tagebucheintrag Johannes Opfermanns vom 27. 7. 1942 (DAB, V/184). 75 Vgl. Lk 13, 34–35 und Lk 18, 41–42. In LK 21, 20–24 heißt es: „Wenn ihr [gemeint sind die Christen] aber sehen werdet Jerusalem belagert mit einem Heer, so merket, daß herbeigekommen ist seine Verwüstung. Alsdann wer in Judäa ist, der fliehe auf das Gebirge, und wer drinnen ist, der weiche heraus, und wer auf dem Lande ist, der komme nicht hinein. Denn das sind die Tage der Rache, daß erfüllet werde alles, was geschrieben ist. Weh aber den Schwangeren und Säugerinnen in jenen Tagen; denn es wird große Not auf Erden sein und ein Zorn über dies Volk. Und sie werden fallen durch des Schwertes Schärfe und gefangen geführt werden unter alle Völker; und Jerusalem wird zertreten werden von den Heiden bis daß der Heiden Zeit erfüllt wird“.

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komme über uns und unsere Kinder!‘ Sie sahen mich starr an: ,Wir wissen, was Sie meinen‘, und haben keine Träne mehr vergossen.“76

In den Tätigkeits- und Seelsorgeberichten für die militärischen Vorgesetzten wurden diese Themen kaum oder nur sehr indirekt angesprochen. Manche deuteten in allgemein theologisch gefassten Kommentaren auf mögliche Verbrechen der eigenen Truppe. So heißt es im Bericht eines evangelischen Wehrmachtpfarrers vom Januar 1943: „Ernstzunehmende Männer fragen auch gelegentlich, ob denn ein Krieg, der mit so viel Verspottung und Verhöhnung göttlicher Gebote verbunden sei, ein gutes Ende nehmen könne.“77 Die täglichen Morde an der Zivilbevölkerung im sogenannten Partisanenkampf wurden – wenn überhaupt – nur in ihrer Auswirkung auf die Psyche der eigenen Soldaten thematisiert. Ein katholischer Divisionspfarrer bei einer Sicherungsdivision sprach von seelischer Ermüdung, die z. B. durch die „wenig erfreulichen Aufgaben“, die eine Sicherungsdivision zu erfüllen habe, ausgelöst werde und von der besonderen Aufgabe, die damit für die Seelsorge an den eigenen Soldaten verbunden sei78. Deutlichere Worte finden sich erst in rückblickenden Aufzeichnungen ehemaliger Kriegspfarrer. So erinnerte sich der evangelische Kriegspfarrer Karl-Heinz Becker an die Soldaten, die in „ihrer hilflosen Gewissensnot“ zu ihm gekommen seien und oft „mit Tränen in den Augen die Qual ihres Mitwissens um nicht wiederzugebende Scheußlichkeiten ungeheuerlichsten Ausmaßes“ vor ihm ausgebreitet hätten79. Die Tagebuchaufzeichnungen der Geistlichen vermitteln schlaglichtartig Eindrücke über die Art und Weise, wie einzelne von ihnen die Verbrechen, deren Zeugen sie wurden, rezipierten. Die größte Vielfalt von Beobachtungen über Verbrechen an der Zivilbevölkerung findet sich in den Tagebüchern des katholischen Wehrmachtpfarrers Josef Wassong, in denen Hunger, Partisanenerschießungen und die Rekrutierungen von Zwangsarbeitern beschrieben werden. Dabei begegnet Wassong seinem Leser als distanzierter, aber genauer Beobachter. Wiederholt beschäftigte ihn die katastrophale Ernährungslage der Zivilbevölkerung, deren Hungertod schon vor Beginn des Ostfeldzuges vom NSRegime einkalkuliert worden war, da die Ernährung der Wehrmacht allein aus den eroberten Gebieten der Sowjetunion erfolgen sollte80. Als Wassong seine Hauswirtin in Artemowsk weinen sah, vermutete er, dass sie ernste Nah76 Bernhard Bauerle: Aus dem Erleben eines Armeepfarrers im Westen und im Russlandfeldzug (LKA Stuttgart, NL Bauerle, Nr. 1). 77 Seelsorgebericht Friedrich Roettigs (1. 10. 1942–31. 12. 1942) vom 8. 1. 1943 (LKA Stuttgart, NL Bauerle, Nr. 6). 78 Tätigkeitsbericht des katholischen Kriegspfarrers Andreas Bader (20. 6.–1. 9. 1941) vom 3. 9. 1941 (BA-MA Freiburg, RH26/454, 27). 79 Becker, Siebenkittel, 280. 80 Vgl. Mazower, Imperium, 141.

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rungssorgen habe. „Manche Menschen sollen nach Aussage eines Zivilarztes dem Verhungern nahe sein“, notierte er81. Auch über die Entlohnung der Zwangsarbeiterinnen in seiner Division zeigte er sich genauestens unterrichtet: „In der Schneiderwerkstatt der Division arbeiten 18 Frauen u. Mädchen, die pro Stunde 17 Pf (!) Lohn erhalten, aber nicht etwa Essen (nicht Brot!) dazu. Dabei kostet 1 L Milch auf dem Markt 2,– M, das Pfd Butter 20,–M, Sonnenblumenöl das L 15,– M.“ Abschließend stellte er fest: „Ich kann mir nicht vorstellen, wie die Menschen existieren können.“82 An anderen Stellen finden sich Beschreibungen von Hinrichtungen vermeintlicher Partisanen. Im ukrainischen Artemowsk notierte er lakonisch: „Auf dem Platz vor dem Atemdenkmal sind zum abschreckenden Beispiel 10 Partisanen aufgehängt worden, die wie es heißt, das Theater in Brand gesteckt haben. Photographieren verboten. Ich bin nicht hingegangen“83. An einem Morgen auf dem Weg zur Front zählte Wassong 60 Zivilisten, die von 15 Frauen mit „leidvollen Gesichtern“ begleitet wurden84. An anderer Stelle teilte er mit: „Ich sehe 1 Maueranschlag. In 1 Dorfe – ich glaube, es heißt Modawa – wurde ein dtsch. Soldat ermordet, deshalb wurden am 14. 10. 30 Partisanen (?)85 mit ihren Angehörigen (!) erschossen. Der Krieg ist hart.“86 An dieser Stelle deutet das Fragezeichen hinter dem Wort „Partisanen“ und das Ausrufezeichen hinter dem Wort „Angehörigen“ auf Zweifel und Empörung Wassongs hin87. Anfang 1944 berichtete Wassong von fünf Zivilisten, die von der Wehrmacht wegen „eines Sabotageaktes“ erhängt worden waren und sorgte sich um den Eindruck, den dieses Bild auf die Ukrainer machen würde, die auf dem Weg in die orthodoxe Kirche zum Weihnachtsgottesdienst waren88. Im Februar 1942 beschäftigten ihn die Einwohnerzahlen in Artemowsk. Er stellte fest, dass die dort ansässige Bevölkerung nach dem Einmarsch der Deutschen von 56.000 Einwohnern auf 37.830 geschrumpft war89. Über den Verbleib der verschwundenen 18.170 Menschen stellte er keine Spekulationen an. Wenig später, nachdem gerade 3000 Juden durch SD-Kommandos ermordet worden waren, notierte er sich eine Statistik über die konfessionelle 81 82 83 84 85 86 87

Tagebucheintrag Josef Wassongs vom 3. 4. 1942 (AKMB, SW 901). Tagebucheintrag Josef Wassongs vom 9. 11. 1942, ebd. Heute: „Artjomowsk“. Tagebucheintrag Josef Wassongs vom 4. 1. 1942, ebd. Tagebucheintrag Josef Wassongs vom 31. 8. 1942 (AKMB, SW 901). Das Fragezeichen wurde in einer anderen Farbe, möglicherweise nachträglich eingefügt. Tagebucheintrag Josef Wassongs vom 13. 11. 1943 (AKMB, SW 901). Beide Satzzeichen wurden in anderer Farbe hinzugefügt. Möglicherweise hat der Autor oder ein Leser des Tagebuches erst später diese Satzzeichen eingetragen. 88 Tagebucheintrag Josef Wassongs vom 7. 1. 1944. (AKMB, SW 901). 89 „Über die jetzige konfess. Zusammensetzgg der Stadt gibt eine sowjet. Zähl. folg. an: Orthodoxe. 37333 = 98,7 %, Katholiken 228 = 0,6 % (Dtsch u. Polen), Lutheraner: 119 = 0,31 %, Mohammedaner 72 = 0,19 %, Sonstige 78 = 0,2 %.“. Tagebucheintrag Josef Wassongs vom 23. 2. 1942, ebd.

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Zusammensetzung der Stadt, in der Orthodoxe, Katholiken, Lutheraner, Mohammedaner und „sonstige“ genannt wurden. Die Juden, die bis zum Einmarsch der Deutschen die zweitgrößte Religionsgemeinschaft der Stadt gebildet hatten, fanden keine Erwähnung90. Über die Hintergründe dieser Einträge, die mit einiger Wahrscheinlichkeit unter dem unmittelbaren Eindruck der Massenmorde an den Juden von Artemowsk standen, lässt sich jedoch nur spekulieren. Möglicherweise lag für den Geistlichen der Grund des Bevölkerungsschwundes auf der Hand und bedurfte keiner weiteren Erklärung. Vielleicht fehlte ihm aber auch die Sprache für das, was er wusste, und er ließ vor der „Potenzierung des Leidens die Arme sinken“, wie es Ernst Jünger in seinen „Kaukasischen Aufzeichnungen“ ausgedrückt hatte91. Anfang Juni 1944 schilderte Wassong ausführlich die Zwangsrekrutierung von Kindern, die im Rahmen der Evakuierung von Millionen Einwohnern, die als Zwangsarbeiter in den Westen geschafft werden sollten, während des Rückzugs der Wehrmacht von ihren Müttern getrennt und in eigene Lager gebracht wurden92. „Besuch bei IIa, Ia u. General (102 I. D.) – Ich hörte zum 1. mal Näheres über die „Kinderlandverschickung“. So nannte man das, ob es der rechte Name ist, weiß ich nicht. Alle Kinder von 10–14 Jahren, so erzählten mir Offiziere, wd. zwangsweise den Eltern genommen, damit sie im Geiste der „weißruthen. Regierung“ erzogen wd. Die Aktion, die erst begonnen hat, setzt jeweils in den Orten plötzlich ein u. soll überall durchgeführt wd. Kürzlich hatte man so den Eltern in Petrkoff jäh die Kinder genommen. Es soll furchtbar gewesen sein. Am erschütterndsten, so sagte mir ein Offz., sei es für ihn gewesen, als er gesehen, wie ein alter Mann, der 2 Kinder (Enkel?) betreute, plötzlich in sich zusammengesunken sei. Frauen hb. gesagt, sie würden, wenn noch einmal eine solche Aktion käme, lieber ihre Kinder erschlagen, als sie den Deutschen überlassen. Die jungen „Hiwi Anwärter“ kommen in Lager, bekommen Uniformen usw., dürfen ab u. zu von den Eltern besucht wd, die aber wie man behauptet, die Kinder nicht zurückbekommen. Ein Pfr. schrieb mir nach der Rückkehr, daß man die Kinder in s. Ort genommen, es sei viel ,ploratus et ululatus‘93 gewesen. – ,Zada‘ (Zivilarbeiterdienstabteilungen) ist 90 Vgl. Penter, Donbas, 197. Laut Zeugenaussagen vor dem Düsseldorfer Landgericht während eines Gerichtsverfahrens 1973 war es in Artemowsk allgemein bekannt, dass die Opfer des in der Stadt stationierten SD-Kommandos Juden und Zigeuner waren (Nordrheinwestfälisches Hauptstaatsarchiv D sseldorf, Ger. Rep. 388, Nr. 372, Bl. 72). 91 Tagebucheintrag Ernst Jüngers vom 31. 12. 1942. In: J nger, Strahlungen, 199. 92 Zur Zwangsrekrutierung Zehntausender kranker und gebrechlicher russischer Zivilisten aus dem Raum Bobrujsk durch das AOK 9 und die damit einhergehenden Massenverbrechen vgl. Pohl, Wehrmacht 328–331. 93 „Klagen und Weinen“. Zitiert nach Mt 2,18, das mit Bezug auf den von Herodes veranlassten Kindermord auf eine Stelle aus dem Alten Testament anspielt: „Auf dem Gebirge hat man ein Geschrei gehört, viel Klagens, Weinens und Heulens; Rahel beweinte ihre Kinder und wollte sich nicht trösten lassen; denn es war aus mit ihnen.“

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auch ein neues Wort, von dem ich Näheres erfuhr. Alle arbeitsfähigen Menschen wd. zwangsweise kaserniert, auch z. T. Mütter von ihren Kindern genommen, z. B. wenn 1 Mu 1 Kind über 2 Jahre hat oder 2 Kinder zwischen 3 u. 5 Jahren. Kriegsnotwendigkeiten zwingen dazu. eine russ. Frau sagte wörtlich: ,Bei Stalin hb wir nicht hinter Stacheldraht gesessen, bei unseren Befreiern müssen wir hinter Stacheldraht sitzen. Ist das deutsche Kultur, daß man Frauen hinter Stacheldraht setzt?‘ Eine Frau kam wieder, u. alles stand drum herum, auch Kinder, man hat sie dann in einen leeren Raum – ich glaube, es war 1 Scheune – bringen können. – Der Krieg ist hart, sehr hart.“94

Wassong übernahm zwar indirekt die ihm über einen deutschen Offizier vermittelten Äußerungen des Abscheus. Die Ursache für das hier beschriebene Unrecht an den russischen Familien, führte er aber sehr allgemein auf die große Härte des Krieges zurück. Einzig in Bezug auf die „Euthanasie“ scheute sich Wassong nicht, ein klares Urteil zu formulieren. Dabei berichtete er nicht etwa über Verbrechen, deren Zeuge er wurde, sondern über den Spielfilm „Ich klage an“ von Wolfgang Liebeneiner, der um Zustimmung zur „Euthanasie“ warb. In seinem Tagebuch notierte er: „Ich schaue mir den bekannten u. schon vor Jahren viel diskutierten Film ,Ich klage an‘ im hies. Kino an. Ein Arzt tötet durch Morphium s. unheilb. Frau u. klagt nun die Welt an, die das nicht verstehen will. Weil er sie sehr liebte, hat er sie ,erlöst‘. Der Film ist raffiniert aufgezogen u. wird zum gefährl. Angriff gg. das 5. Gebot. Wo sollen die Grenzen sein, wenn solche Ideen sich Bahn brechen? Quo vadis Germania?“95

Wassong konnte sich an klaren Vorgaben der katholischen Kirche orientieren, denn bei seinem Start Ende August 1941 war der Film auf massiven Widerspruch der katholischen Bischöfe gestoßen. Zudem hatten von Galen und Preysing öffentlich erklärt, dass die Ermordung von Unschuldigen, die in Deutschland weit um sich gegriffen habe nicht hinzunehmen sei. Andere Bischöfe waren ihrem Bespiel gefolgt96. Die Aufzeichnungen anderer Kriegspfarrer zeugen von ihrer Kenntnis der „Euthanasie“-Verbrechen hinter der Ostfront. Dabei gab ihnen die Erfahrung zu denken, dass gerade die Behinderten von den Sowjets besonders gut behandelt wurden. „Russen sehen Geistesschwache als heilig an. Trotzdem Tötung notwendig“, notierte der Chef des Generalstabes Franz Halder am 26. September 1941 in sein Kriegstagebuch, als es um die Liquidierung eines „Irrenhauses“ durch die Deutschen ging97.

94 95 96 97

Tagebucheintrag Josef Wassongs vom 7. 6. 1944. (AKMB, SW 901). Tagebucheintrag Josef Wassongs vom 15. 12. 1944, ebd. Vgl. Kuchler, Protest, 278–291. Halder, Kriegstagebuch, 252 f.

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Der evangelische Wehrmachtdekan Bernhard Bauerle schilderte in einem vermutlich kurz nach dem Krieg verfassten Bericht über seine Zeit als evangelischer Armeepfarrer im Russlandfeldzug seine Begegnung mit einem russischen Anstaltsleiter: „Beim Vormarsch kam ich in einem grösseren Ort an ein grosses Backsteingebäude, aus dessen Parterrefenstern Kinder herauskrabbelten. Es war ein Heim für verkrüppelte schwachsinnige Kinder. Das Pflegepersonal war geflohen und hatte die Kinder sich selber überlassen. Es sah schrecklich aus. Aber zu denken gab es mir doch, dass hier in Russland ,lebensunwerte‘ Kreaturen gepflegt wurden, während man ihnen in der Heimat das Daseinsrecht absprach. Nach ein paar Wochen fand ich am Rand von Novgorod hinter grossen Bäumen ein paar große unversehrte Backsteinhäuser, die offensichtlich nicht Kasernen waren. Es war die Irrenanstalt, unversehrt und voll belegt. Ich verlangte Einlass und sprach im Zimmer des Direktors mit den Ärzten. Ich tat erstaunt, dass jeder Kranke ein eigenes Bett hatte und besser untergebracht war wie die gesunde Bevölkerung. Ich fragte, ob sie den Begriff der ,Euthanasie‘ nicht kennten. Sie wussten nicht, was das sein sollte. Ich übersetzte das Wort. Sie waren alle gleichermassen entsetzt über den Gedanken, dass man einen Kranken, auch wenn sein Leben ,lebensunwert‘ scheine, mit Hilfe einer Spritze sterben lassen könne. Sie hatten keine Ahnung, wer ich war, da ich auf ihre Frage absichtlich nicht geantwortet hatte. Der Direktor fasste schliesslich unter Zustimmung der anderen in vier Sätzen zusammen, die ich noch heute im Gedächtnis habe: 1.) Wir sind Ärzte und haben das Leben zu erhalten und nicht zu töten. 2.) Wir lernen bei der medikamentösen Behandlung unserer Kranken manches, was auch den Gesunden zugute kommt. 3.) für uns Russen ist ein Geisteskranker ein von Gott Gezeichneter und deshalb absolut tabu. Nicht einmal Stalin würde wagen, einen Geisteskranken umzubringen. 4.) wir sind Christen, und ich selber bin wegen meiner christlichen Überzeugung sechs Jahre in Sibirien gewesen. Wir haben uns entschlossen, unsere Kranken unter keinen Umständen zu verlassen. Wir teilen mit ihnen die letzten Rationen und werden mit ihnen hungern, wenn unsere kleinen Vorräte aufgebraucht sein werden. Sie baten mich, ob ich nicht helfen könnte, dass sie etwas Lebensmittel bekämen. Das ist dann auf meinen Bericht beim Oberbefehlshaber hin über den Armeearzt geschehen. Auch beim Abschied habe ich damals nicht verraten, was für ein ,deutscher Offizier‘ ich war und warum ich ihre Anstalt hatte sehen wollen. Aber ich habe mich für uns geschämt vor Christen, die unsere Propaganda als Untermenschen hinzustellen suchte.“98

Unter den Kriegspfarrern hatte sich diese Geschichte herumgesprochen und fand Eingang in das Tagebuch des katholischen Kollegen Johannes Opfermann, der am 2. März 1943 notierte: „Int[eressantes]. Gespräch von Bauerle

98 Aus dem Erleben eines Armeepfarrers im Westen und im Russlandfeldzug, undatiert (LKA Stuttgart, NL Bauerle, Nr. 1).

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mit dem Leiter einer – Heilanstalt – in Nowg[orod]. 1. Ärzte , 2. jedes G[ottes]. K[in]d. ein von Gott Gezeichnetes, 3. Christ.“99 Positionen, die die Massenverbrechen explizit bejahten, lassen sich für die katholische Wehrmachtseelsorge nicht nachweisen100. Dagegen findet sich beim evangelischen Kriegspfarrer Hermann Wolfgang Beyer zwar keine Begeisterung, aber eine grundsätzliche Anerkennung der Judenvernichtung hinter der Ostfront101, wenn er auch immer wieder deutlich machte, dass er die Wehrmachtsoldaten gern von den Mordaktionen fern gehalten hätte. Am 29. Juli 1941 notierte Beyer: „Sh/itomir/ ist eine Stadt von etwa 100.000 Einwohnern. […] Unter den Juden wird jetzt sehr aufgeräumt. Wo irgendein Sabotageakt verübt wird, wird sofort eine größere Anzahl von Juden, oft hundert zugleich, erschossen. In Z[wiahel] hat eine Jüdin, die ihr Haus zugunsten von Ukrainern räumen sollte, dies angezündet und sich erhängt. Daraufhin haben unsere Sicherungstruppen als Vergeltung 5 Juden und 5 Jüdinnen verhaftet, sie zusammen mit der Leiche der Selbstmörderin zu einer Grube geführt, hier erschossen und die 11 Toten gemeinsam begraben. Einer unserer Feldwebel hat sich das angesehen. Als ihn ein Offizier fragt, wie das denn gewesen sei, antwortet er: ,O, sehr nett!‘ Die Ostjuden sind ekelhafte Kerle. Aber daß ein deutscher Soldat zu solcher Antwort fähig ist, entsetzt mich doch.“102

Beyer machte aus seiner eigenen emotionalen Abneigung gegen das „Ostjudentum“, das er in den rassistischen Termini der Nationalsozialisten beschrieb, kein Hehl103. Dennoch legte er Wert auf die Unterdrückung allzu positiver Emotionen im Angesicht der Morde. Insgesamt aber verteidigte er die Haltung und Disziplin der deutschen Soldaten, die er als „im großen und ganzen ausgezeichnet“ beschrieb. Die Soldaten würden im Gegensatz zu in Deutschland umlaufenden Gerüchten „fest in Zucht gehalten.“104 Problematischer war für ihn der Mord an 400 Insassen einer „Irrenanstalt“ durch Soldaten der deutschen Wehrmacht. Nüchtern schilderte er den Vorgang: „Dann hatte ich um 15 Uhr Feldgottesdienst beim III. Bataillon. Leider fehlte eine Kompanie. Sie hat einen scheußlichen Auftrag. In der Nähe befindet sich eine Irrenanstalt mit 400 Insassen. Die russischen Ärzte haben erklärt, daß sie nichts mehr zu essen für die Kranken hätten. Sie müßten sie laufen lassen. Das könnte 99 100 101 102

Tagebucheintrag Johannes Opfermanns vom 2. 3. 1943 (DAB, V/184). Vgl. Rçw, Militärseelsorge, 425. Vgl. Garbe, Theologe, 521. KT Beyer, 29. 7. 1941 (Privatbesitz, Transkript Garbe, 225). Eine ähnliche Bemerkung findet sich im Kriegstagebuch des katholischen Kriegspfarrers Alfons Satzger vom 13. 7. 1941: „Nachmittags müssen 2 Juden auf Befehl des SD-Sicherheitsdienstes ihr eigenes Grab schaufeln. Dazu Schläge und Schimpfworte. Einer muss sich ins Grab legen ob auch die Grösse passt. Empört war ich, dass Soldaten zusahen und lachten.“ (AAK Berlin, Kempowski Bio, 3101). 103 Vgl. KT Beyer, 20. 7. 1941 (Privatbesitz, Transkript Garbe, 217). 104 KT Beyer, 29. 7. 1941, ebd., 225.

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natürlich zu allerlei üblen Zwischenfällen führen. So hat der General kurzerhand befohlen, die sämtlichen Geisteskranken zu erschießen. Das ist aber doch nicht so einfach ausgeführt, wie es aussieht. Die armen Kerle werden an Fliegerdeckungsgräben geführt, dort einzeln abgeschossen und dann in die Gräben geworfen. Schon das ist recht unerfreulich. Nun gibt es aber auch Kranke, die garnicht aufstehen können. Sie müssen in ihren Betten erschossen werden. Zum Glück führen unsere Leute den Auftrag mit dem größten Widerwillen aus, ja manchem bereitet es offenbare Gewissensnot. Ich muß auch mit dem General darüber reden.“105

Der Kriegspfarrer äußerte Mitleid mit den Opfern, aber auch Verständnis für die Täter und ihre perfide Behauptung, die Behinderten mit der Erschießung vor einem weitaus schlimmeren Tod zu bewahren: „Ich sehe ein, daß die armen Kerle getötet werden müssen. Frei herumlaufen lassen kann man sie nicht. Sie würden natürlich dabei auch zugrunde gehen. Und sie Hungers sterben zu lassen wäre gewiß die grausamste Form der Hinrichtung.“106

Auch wenn er selbst offensichtlich noch an einen rationalen Sinn in den Morden glauben wollte, zweifelte er an der Fähigkeit der Soldaten, moralisch und emotional mit den Morden an wehrlosen Kranken umzugehen und er kritisierte die militärische Führung, die solche Aufträge erteilte: „Der Zwang des Tötenmüssens im Kampf wird schon manchen unserer Männer nicht leicht. Aber man verwirrt ihnen alle sittlichen Begriffe, wenn man die Grenze zwischen dem Kampf mit einem sich wehrenden Feind und das Abschlachten von kranken Menschen verwischt. Entweder macht das unseren Kerlen Spaß. Dann weckt man eine rohe Mordlust in ihnen, die man vielleicht nachher nicht wieder bändigen kann. Oder aber – und das ist zum Glück bei der Mehrheit der Fall – bekommen die Leute eine solche Abscheu vor dem Tötenmüssen, daß ihnen das gute Gewissen zum Gebrauch der Waffe überhaupt erschüttert wird. Und das ist auch wieder verhängnisvoll.“107

Die Verwirrung der „sittlichen Begriffe“ – so scheint es an dieser Stelle – bedrohte nicht nur die Soldaten, sondern auch ihn selbst. Eine Ausnahme unter den Kriegspfarrern bildeten die Kommentare des katholischen Divisionspfarrer, Johannes Stelzenberger, der sich in seinem Tagebuch offen über die Unchristlichkeit und Unmenschlichkeit der deutschen Besatzer beklagte. Die Passagen seines Tagebuches, in denen er seinen Unmut über die Verbrechen an Kriegsgefangenen, Juden und anderen Zivilisten äußerte, sind in Gabelsberger Kurzschrift abgefasst, während das restliche Tagebuch in latei105 KT Beyer, 24. 11. 1941, ebd., 304. 106 Ebd. 107 Ebd.

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Kriegspfarrer Prof. Dr. Johannes Stelzenberger, o. J. (AKMB, SW 837).

nischer Schrift vorliegt. Möglicherweise fürchtete Stelzenberger, seine Aufzeichnungen könnten in die falschen Hände geraten108. Am 18. Oktober 1941 notierte er: „In Witebsk wurden 5000 bis 6000 Juden erschossen. Gefangene, die einen anderen Russen beerdigen sollten, zogen ihm die Kleider aus, und schnitten sich ein Stück von ihm ab, zerkleinerten es, kochten und assen [sic!] es! Welche Rache wird daraus entstehen!“109

Am 26. Oktober 1941 hieß es: „Überall arbeiten jüdische Frauen und Mädchen auf der Strasse. Sie sind zu Baukolonnen zusammen gefasst. Eine furchtbare Kulturschande! Ueberall werden Russen erschossen. Unser Hausverwalter in Molodeschno berichtete: Er sollte ein deutsches Soldatenheim übernehmen. Dazu hatte er 300 Arbeiter, meist Juden. Heute morgen seien diese nicht gekommen. Auf seine Frage erhält er Bescheid, dass man 90 davon, meist Handwerker, erschossen hätte. Grund: in Minsk sei 108 Ich danke Antonia Leugers für die Transkription der in Gabelsberger Schrift verfassten Passagen. In der transkribierten Fassung wurde dieser Unterschied ignoriert und ist deshalb nicht erkennbar; vgl. AKMB, SW 839. 109 Tagebucheintrag Johannes Stelzenbergers vom 18. 10. 1941 (AKMB, SW 838).

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angeblich ein Betriebsstofflager angesteckt worden. Sicherlich wurden im ganzen Gebiete Juden ums Leben gebracht (400 km).“110

Am 27. Oktober 1941 schrieb er in Wilna: „Hier wurden jeden Tag Tausende von Juden erschossen. Von 40000 Juden in Wilna sollen nur noch 6000 am Leben bleiben! Wie furchtbar ist das. Man schämt sich für solches Tun deutscher Menschen. Das Essen will nicht mehr schmecken. Die Juden werden jeweils im Ghetto abgeholt: Männer, Frauen und Kinder. Sie werden von litauischer Miliz unter deutscher Polizeiaufsicht rausgeführt, müssen sich die Gräber schaufeln, werden wütend geschlagen und dann erschossen. Die nächste Reihe muss erst die Toten in die Löcher legen und zuschaufeln, dann werden sie selbst umgebracht! Blut, Blut! – (140 km)“.111

Über die sowjetischen Kriegsgefangenen hieß es nur wenige Tage zuvor am 19. Oktober 1941: „Welche Schicksale spielen sich aber mit den vielen Tausenden von Gefangenen ab: Sie fallen erschöpft auf der Strasse um. Man hört das Schreien und Schiessen. Und wenn einer auf der Strasse liegt, dann raufen sich die Umstehenden um seine Schuhe und Kleider! Der Mensch wird zum Tier. Auf der Autobahn werden 30.000 Gefangene vorbei geführt. Es ist ein Zug des Elends. Viele können nicht mehr marschieren. Sie behaupten, seit 6 Tagen nichts mehr gegessen zu haben. Sie schreien. Wer die Reihe verlässt, wird erschossen. Durch die Nacht klingt das unheimliche Marschieren, Jammern und Schiessen. Es ist eine Nacht des Grauens.“112

Einen Tag später notierte Johannes Stelzenberger: „Bilder des Grauens auf der Strasse Wjasma – Smolensk: Ca. 50 m weit liegt auf der Strasse oder daneben (?) ein toter Russe, der im Gefangenen-Zug zusammen gebrochen war (an Erschöpfung) oder erschossen wurde! Der Leichnam liegt im tiefen Schmutz, die Autoräder gehen darüber. Die Mitgefangenen haben ihm alle Kleider und die Schuhe ausgezogen! Ein entsetzliches Elend!“113

Am 25. Oktober schrieb er: „Immer wieder begegnen einem lange Züge von Gefangenen. Man kann die Elendsbilder bald nicht mehr ansehen: verhungert, entkräftet, traurig, müde. Und immer wieder viele Tote am Strassenrand säumen den Weg der Jammerkolonnen. Ich wäre froh, aus Russland raus zu kommen, um diese Bilder nicht immer wieder neu ins Gedächtnis gemeisselt zu bekommen (140 km).“114

110 111 112 113 114

Ebd. Tagebucheintrag Johannes Stelzenbergers vom 27. 10. 1941, ebd. Tagebucheintrag Johannes Stelzenbergers vom 19. 10. 1941, ebd. Tagebucheintrag Johannes Stelzenbergers vom 20. 10. 1941, ebd. Tagebucheintrag Johannes Stelzenbergers vom 25. 10. 1941, ebd.

Zeugen der Vernichtung

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Massengrab in einem Kriegsgefangenenlager für sowjetische Soldaten, Nähe Kritschew, 19. 2. 1942 (AKMB NL Perau, 2/431, D11). Der Fotograf Josef Perau kommentierte das Massengrab u. a. mit folgenden Worten: „Täglich kippen L. K.-Wagen mehrere hundert Leichen hinein. Im ganzen seien es schon 19000, sagte mir der Posten. Er ließ mich näher herantreten, und ich sah am offenen Rand dieses Grabes in vielen Schichten übereinander die verzerrten Leichen mit weit aufgerissenen Augen und verkrampften Händen – eine furchtbare Anklage.“ (Perau, Priester, 53).

Dennoch blieb das Handeln der eigenen Truppe für Stelzenberger über jeden moralischen Zweifel erhaben. Die Wehrmacht war ebenso unantastbar wie Heimat und Vaterland: „Wir werden unseren Fahneneid an der Front halten und wenn der Krieg noch 10 Jahre dauert, weil wir uns als Schützer der Heimat wissen. Weil wir die Ehre der

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Im Angesicht des Feindes

deutschen Wehrmacht zu vertreten haben. Weil wir einen Eid geschworen haben. Weil wir damit religiös gebunden sind“.115

Nur ein Fall wurde aktenkundig, in dem Kriegspfarrer eine Initiative zum Schutz der Opfer von Massenverbrechen ergriffen, die bis in die Armeeführung bekannt wurde. Beteiligt waren die vier Kriegspfarrer der 295. Infanteriedivision der 6. Armee: der katholische Divisionspfarrer Josef Maria Reuss, sein evangelischer Kollege Wilhelm Kornmann, der katholische Kriegspfarrer Ernst Tewes vom Kriegslazarett 4/607 und dessen evangelischer Kollege Gerhard Wilczek. Diese vier Kriegspfarrer hatten etwa 90 verwahrloste jüdische Kinder in einem Haus gefunden, das in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Soldatenquartieren nahe des Ortes Bjelaja Zerkow stand. Die Kinder zwischen zwei und vier Jahren lagen auf dem Boden, der von ihren Ausscheidungen bedeckt war, kratzten und aßen vor Hunger den Mörtel von der Wand116. Ihre Mütter waren kurz zuvor vom Sonderkommando 4 a erschossen worden, nun drohte auch die Ermordung der Kinder. Nach den desaströsen Eindrücken ihres Besuches informierten die Divisionspfarrer den 1. Generalstabsoffizier der 295. ID Helmut Groscurth, der beim AOK 6 erreichte, dass die geplante Mordaktion zunächst aufgeschoben wurde. Der Fall hätte zu einer Machtprobe zwischen SS und Wehrmacht werden können. SS-Standartenführer Paul Blobel drohte, die ungebührliche Einmischung der Offiziere an Himmler zu melden. Doch der Konflikt blieb aus. Der Oberbefehlshaber der 6. Armee, Walter von Reichenau, stellte sich auf die Seite der SS, wies die Kritik Groscurths, der sich in einem offenen Schreiben an ihn gewandt hatte, zurück und ordnete an, die Kinder zu erschießen117. Der Fall hätte außerdem zu einem sichtbaren Protest von Christen im Namen einer universellen christlichen Moral werden können. In den Berichten der Kriegspfarrer für ihre militärische Führung, spielte die christliche Moral aber kaum eine Rolle. Vielmehr machten sie geltend, dass die „Manneszucht“, das hieß die Disziplin der Soldaten, durch die geplante Mordaktion bedroht sei und dass es dem öffentlichen Ansehen der Wehrmacht schade, wenn dergleichen in der Heimat bekannt würde. Die Mordaktionen der SS vor den Augen der Soldaten ließen die Kriegspfarrer außerdem befürchten, dass bei Soldaten und Offizieren Zweifel an der moralischen Überlegenheit der Deutschen gegenüber dem kommunistischen Feind aufkommen könnten. Noch 1963 erinnerte sich Gerhard Wilczek an die

115 Tagebucheintrag Johannes Stelzenbergers vom 31. 5. 1943, ebd. 116 Vgl. den Bericht Josef Maria Reuss’ für die 295. ID vom 20. 8. 1941 (Hessisches Staatsarchiv Darmstadt, H 13 Darmstadt, Nr. 1291/38, Bl. 8). 117 Vgl. die Stellungnahme des Oberbefehlshabers der 6. Armee, Generalfeldmarschall von Reichenau vom 26. 8. 1941. Klee / Dressen / Riess, „Schöne Zeiten“, 144.

Zeugen der Vernichtung

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Äußerung eines Leutnants über die Kinder von Bjalaja Zerkow: „Das stellt ja den Bolschewismus in den Schatten“118. Rückblickend betonten die Pfarrer allerdings, dass ihre Argumentation von 1941 primär die vorgesetzten Dienststellen überzeugen sollte. Das Motiv, warum man für die Opfer eingetreten sei, sei in erster Linie ein christliches und menschliches gewesen119. Ein systematischer Vergleich evangelischer und katholischer Wehrmachtseelsorger in ihrer Haltung zu Massenverbrechen, deren Zeugen sie wurden, kann aufgrund der wenig repräsentativen Überlieferung privater Zeugnisse, kaum geleistet werden. Bei den katholischen Wehrmachtpfarrern Opfermann und Wassong offenbaren die Tagebuchnotizen trotz teilweise akribischer Beschreibungen eine auffällige moralische Distanz, das als „schockiertes Schweigen“ ausgelegt werden kann120. Begleitet wurde diese Haltung vom Hinweis auf die neutestamentarische Unheilsgeschichte der Juden oder von einer Bemerkung über die unvermeidliche Härte des Krieges und militärische Notwendigkeiten. Zu einer klaren moralischen Verurteilung kam es einzig im Fall der „Euthanasie“, die von der katholischen Kirche ohnehin öffentlich gegeißelt wurde. Bemerkenswert sind die Tagebuchaufzeichnungen des katholischen Kriegspfarrers Johannes Stelzenberger, der seine Empörung über die Verbrechen an Kriegsgefangenen und Zivilbevölkerung klar zum Ausdruck brachte. Allerdings ist nicht bekannt, ob sein Protest über die private Aufzeichnung hinausging oder ob er im Sinne der Opfer tätig wurde. Zudem nahm Stelzenberger die Wehrmacht ausdrücklich von der Verantwortung für die Verbrechen aus. Vielmehr machte er die Zivilverwaltung der Reichskommissariate, die mit zuverlässigen Parteileuten besetzt worden waren, verantwortlich, obgleich über die Hälfte des eroberten Territoriums bis zum Kriegsende der Militärverwaltung unterstand121. Im Fall der „Kinder von Bjelaja Zerkow“ gingen zwei Kriegspfarrerpaare mit ihrer Intervention für die Opfer der SS das Risiko eines Konfliktes mit der Armeeführung ein. Auch wenn ihre spätere Versicherung, christliche Motive hätten den Impuls für ihr Handeln gegeben, glaubhaft erscheint, argumentierten sie gegenüber der militärischen Führung mit dem möglichen Ansehensverlust der Wehrmacht in der Heimat und der schwindenden Kampf118 Vernehmungsniederschrift Gerhard Wilczeks durch die Sonderkommission – Zentrale Stelle – beim Landeskriminalamt Baden-Württemberg vom 30. 1. 1963 (BArch Ludwigsburg, B 162/ 5644, Bl. 867). 119 Vgl. das Prozessprotokoll vom Januar 1968 (Hessisches Staatsarchiv Darmstadt, Nr. 1291/134, Bl. 989). 120 Vgl. Rçw, Militärseelsorge, 425. 121 Die Reichskommissariate Ukraine und Ostland (Weißrussland und Baltikum) unterstanden zwar formal dem Minister für die besetzten Ostgebiete, Alfred Rosenberg, faktisch aber setzte Hitler die Reichskommissare und Generalkommissare ein. Rosenbergs Einfluss blieb weit hinter der Macht Himmlers und Görings in den besetzten Territorien der Sowjetunion zurück. Vgl. Mazower, Imperium, 136–138, 144.

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Im Angesicht des Feindes

disziplin der Soldaten, die durch den Verlust der moralischen Überlegenheitsgefühle gegenüber dem Bolschewismus drohe. Diese Argumentation wurde auch von NS-nahen Kriegspfarrern wie Hermann Wolfgang Beyer geteilt. Offenbar war es den Kriegspfarrern ein Anliegen, dass der Unterschied zwischen der „ehrenhaften“ Kriegführung der Wehrmacht und dem „unehrenhaften Morden“ der SS sichtbar blieb. Um die Ehre oder das gute Gewissen der Nation ging es auch dem evangelischen Kriegspfarrer Karl-Heinz Becker, der bereits vor 1933 nachdrücklich vor dem Nationalsozialismus gewarnt hatte122. Auch Becker wurde Zeuge von Vernichtungsaktionen im Ostkrieg, über die er in seinen Erinnerungen berichtete123. Seit 1941 ließ er verschiedene wissenschaftliche Abhandlungen, in denen er die Rechtsentwicklung in Deutschland kritisierte und eine Begrenzung der religiösen Selbstüberhöhung des NS-Regimes durch das Christentum forderte, an seinen Standorten in Rumänien drucken und in Deutschland verbreiten124. In einem 1944 entstandenen „seelsorgerlichen Wort“ problematisierte er die Maßnahmen der SS gegen „gewisse Teile der unbewaffneten Zivilbevölkerung vorübergehend militärisch besetzter außerdeutscher Gebiete“ und forderte die öffentliche Wiederherstellung des guten Gewissens der deutschen Nation125.

122 Vgl. Die Moral der Hitlerpartei, 1; Huber, Evangelisch, 185 f. 123 Becker, Siebenkittel, 281. 124 Vgl. ebd. Als Kriegspfarrer im französischen Lens verfasste Becker das 500-seitige Buch „Das Recht in der Lehre der evangelischen Kirche“, das er während des Balkanfeldzuges 1941 im rumänischen Jassy in 1000 Exemplaren drucken ließ, vgl. Becker, Recht. Im selben Jahr ließ er „Der Christ als Jurist“ in 500 Exemplaren drucken, vgl. Becker, Christ. 1942 folgte „Theologie und Rechtswissenschaft in einer Auflage von 500, die er u. a. an Mitglieder des Freiburger Kreises um Constantin von Dietze und Franz Böhm sandte, vgl. Becker, Theologie. 1944 veranlasste er in Rumänien und Ungarn den Druck der kurzen Schrift „Versöhnung“ – als wissenschaftliche Abhandlung über das politische Testament Hindenburgs, vgl. Becker, Siebenkittel, 278–286. 125 Vgl. „Versöhnung“. Abdruck ebd., 289 f.

8. Entfremdungen „Alles ist so voll von Freudlosigkeit!“1

8.1 Legitimationsprobleme Die Kriegspfarrer beider Konfessionen hatten gerade den Ostfeldzug Hitlers unter christlichen Gesichtspunkten rechtfertigen können. Der angebliche Präventivkrieg gegen einen atheistischen Staat, der das christliche Europa aus ihrer Sicht bedrohte und die Befreiung der sowjetischen Bevölkerung von den Bolschewiken, die mit der Möglichkeit ihrer Rechristianisierung einher ging, wurden als eigene Ziele begriffen, die sich mit denen des NS-Regimes deckten. Doch die sich seit Kriegsbeginn radikalisierende Kirchenpolitik des NS-Regimes gab vielfältigen Anlass, am Sinn dieses Feldzuges zu zweifeln und sich von der Politik des NS-Regimes zu distanzieren. Die Predigten des Münsteraner Bischofs Clemens von Galen, in denen dieser den sogenannten Klostersturm, d. h. die Aufhebung und Requirierung von etwa 300 katholischen Klöstern und kirchlichen Einrichtungen für staatliche Zwecke anprangerte, und sich gegen die „Euthanasie“-Verbrechen der Nationalsozialisten wandte, hatten auch unter den Soldaten an der Ostfront allgemeine Verbreitung gefunden2. Immer häufiger wurde die christliche Zielsetzung des Ostkrieges angeführt, wenn man sich von der kirchenfeindlichen Politik des NS-Regimes distanzieren wollte. In seinem Hirtenbrief vom 14. September 1941, in dem von Galen den Russlandfeldzug Hitlers als „Abwehr der bolschewistischen Bedrohung“ und Befreiung des russischen Volkes von der „Pest des Bolschewismus“ begrüßte, warnte er gleichzeitig vor der Gefahr einer „Bolschewisierung“ Deutschlands durch die von den Nationalsozialisten betriebene Religionsverfolgung3. Der katholische Kriegspfarrer Georg Lipp schrieb Ende 1941 an seinen Bischof Faulhaber: „Die Entwicklung der kirchl. Lage in der Heimat wird von uns mit Ernst verfolgt. Seien Sie dessen gewiß, daß für die Vorkommnisse der letzten Zeit der Frontsoldat nur ein bedenkliches Kopfschütteln hat, die Maßnahmen scharf verurteilt. Ich habe noch keinen Offizier, Mann getroffen der solches billigen würde.“4 1 2 3 4

Tagebucheintrag Johannes Opfermanns in Riga vom 24. 12. 1941 (DAB, V/184). Vgl. Huth, „Klostersturm“, 14 f.; Mertens, Klostersturm. Smolinsky, Rußlandbild, 350. Schreiben Georg Lipps an Faulhaber vom 26. 12. 1941 (EAM, NL Faulhaber, Nr. 6796/2).

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Entfremdungen

Am 31. März 1942 schrieb Josef Wassong in sein Tagebuch: „Von 1 Uffz werde ich einmal in Gegenwart von anderen Kameraden unvermittelt gefragt: ,Herr Pfarrer, wie weit ist es mit der Kirchenverfolgung in Deutschland?‘ Als ich ihn erstaunt ansehe, sagt er: ,Ja, anders kann man das doch nicht nennen, was in der Heimat vor sich geht.‘“5

An der Ostfront fanden die Geistlichen reichliches Anschauungsmaterial für die Zukunft, die die Kirchen unter einem totalitären kirchenfeindlichen Staat nach einem siegreichen Krieg zu erwarten hatten6. „In den Ortschaften drängen sich Vergleiche auf: Der Kommissar, das Parteihaus, die Bilder“, notierte Wehrmachtpfarrer Johannes Opfermann eine Woche nach dem Beginn des Angriffs auf die Sowjetunion beim Anblick des ukrainischen Ortes Sudowa Wyschnja7. Als in Bayern die Kreuze aus den Schulen entfernt wurden, schrieb ein Kriegspfarrer aus der Erzdiözese München und Freising an seinen Bischof: „Was sollen wir, die wir fürs Vaterland das Schwert führen, überhaupt denken, wenn wir einerseits den riesigen Chaos [sic!] und die schrecklichen Verstümmelungen als Folgen der sowjetischen Herrschaft auf Schritt und Tritt sehen, die nicht zuletzt auf die Ausrottung des Christuskreuzes zurückzuführen sind und andererseits von dem erbärmlichen antichristlichen Schachzug der Partei hören müssen? Wir empfinden dieses Vorgehen als eine Vergewaltigung und geistige Sabotage der Heimat.“8

Auch Johannes Stelzenberger verglich das nationalsozialistische Deutschland mit dem Sowjetregime und empörte sich: „Religiöse Menschen tragen dazu noch besonders schwere Sorgen um die Zukunft. Früher war man so verständig, während eines Krieges Burgfrieden zu halten. Heute hetzt man in der Heimat gegen die Religion in frivolster Weise. Man bekämpft aussen den Bolschewismus und innen wächst er und wird gepflegt.“9

Nach der Niederlage der 6. Armee in Stalingrad war er sich sicher, dass die Deutschen immer schon zu radikal waren. „Das war in der Reformation und das ist im National-Sozialismus. Russland liegt zu nah bei Deutschland. Wir grenzen an Asien.“10 Der Priestersoldat Josef Zimmerl, der 1943 für seine Tätigkeit als Sanitäter 5 Tagebucheintrag Josef Wassongs vom 31. 3. 1942 (AKMB, SW 901). 6 Vgl. Meier, Sowjetrußland, 318, 320. 7 Hier „Sadone-Wizinia“ geschrieben. Tagebucheintrag Johannes Opfermanns vom 28. 6. 1941 (DAB, V/184). 8 Schreiben Albert Schmidbauers an „Meine Liebsten“ [gemeint sind vermutlich die katholischen Brüder in der Heimatdiözese] vom 30. 9. 1941 (EAM, NL Faulhaber, Nr. 6796/3). 9 Tagebucheintrag Johannes Stelzenbergers vom 23. 2. 1942 in Gabelsberger Schrift (AKMB, SW 838). 10 Tagebucheintrag Johannes Stelzenbergers vom 19. 2. 1943 (AKMB, SW 838).

Legitimationsprobleme

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bei der SS-Polizei-Division mit dem EK I ausgezeichnet worden war11, brachte es auf den Punkt: Auch er habe am Anfang den Krieg gegen die Sowjetunion für den sympathischsten Feldzug Hitlers gehalten. Erst viel später, als ihn Nachrichten aus der Heimat erreicht hätten, die von den Schikanen des N. S.Regimes gegen die Kirche berichteten, da sei ihm bewusst geworden, dass man den Teufel nicht mit dem Teufel austreiben könne12. Georg Werthmann sah in der Kirchenverfolgung einen Grund für die „zunehmend passive Resistenz der Kriegspfarrerschaft“ während des Krieges. Ein großer Teil der Kriegspfarrer habe sich vor diesem Hintergrund herausgelöst aus der Betonung vaterländischer Motive und sich auf die Verkündigung der Glaubenswahrheiten beschränkt, notierte er kurz nach dem Krieg13. Die christliche Legitimation des Ostkrieges als Krieg gegen den unchristlichen Bolschewismus sorgte auch unter evangelischen Geistlichen für einen kritischen Blick auf die Entwicklungen im eigenen Land. Gerade NS-nahe Kriegspfarrer zeigten sich bitter enttäuscht, als sie von den kirchenfeindlichen Aktionen von Staat und Partei erfuhren. So notierte Gerhard Knapp kurz nach Beginn des Ostfeldzuges, dass Nachrichten wie die, dass die Kirche im Warthegau zum Verein erklärt worden sei , ihm das Herz im Gedanken an die Zeit nach dem Krieg manchmal schwer machten14. Divisionspfarrer Beyer notierte Anfang 1942: „Wenn aber immer wieder aus der Heimat Nachrichten zu uns kommen, die berichten, daß der offene und der heimliche Kampf gegen das Christentum selbst im Kriege weitergeht, daß es einflußreiche Menschen gibt, die solchen Glauben den Herzen verwehren wollen, so kann ich nur sagen: Sie wissen nicht was sie tun. Aber es wird mir schwer, für sie um Vergebung zu bitten. Ich möchte wohl, daß ab und an einer von den Männern statt in Volksversammlungen daheim aufzutreten oder vom kalten Schreibtisch seine knebelnden Verordnungen gegen die Lebensäußerungen des Christentums zu erlassen, einmal eine Woche lang jeden meiner Gänge ins Lazarett und zu den Gräbern mit mir gehen, jeden Brief mit mir schreiben oder lesen müßte.“15

1942 erklärte der evangelische Kriegspfarrer Herbert Krimm in einer Kasernenstunde über den „Weltanschauungskrieg im Osten“, dass nur dann von 11 Vgl. Zimmerl, Geschichte, 102 f., 12 Ebd., 35. 13 „Die während des Krieges nicht nur anhaltende, sondern sich teilweise steigernde Verfolgung der Kirche, das Aufheben von Klöstern und Schulen, die Beschlagnahme von kirchlichem Eigentum, das Verschleppen von Geistlichen nach Dachau, das Verbot von Hirtenbriefen, die Sperrung jeglicher Papierzuteilung für religiöses Schrifttum, für Katechismen und Gesangbücher musste auf unsere Kriegspfarrer draussen an den Fronten ungünstig einwirken. Solche Nachrichten waren allzu leicht dazu angetan, die passive Resistenz zu fördern.“ Notiz Georg Werthmanns vom 3. 7. 1945 (AKMB, SW 148). 14 Vgl. den Tagebucheintrag Gerhard Knapps vom 9. und 10. 7. 1941 (LKA Stuttgart, D37, 1.2). 15 KT Beyer, 21. 3. 1942 (Privatbesitz, Transkript Garbe, 369).

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Entfremdungen

einem geschichtsmächtigen Volk die Rede sein könne, wenn das Christentum – so wie in Deutschland – das geistige Zentrum dieses Volkes bilde. Da dies in der Sowjetunion fehle, handele es sich bei den dort Lebenden nicht um Völker, sondern um „wimmelnde Ameisenhaufen“, denen Krimm die Menschlichkeit rundheraus absprach. Doch damit begnügte er sich nicht. Mit Blick auf Deutschland warnte er, dass auch der, der sich dort von der Kirche abwandte, zum Tier, zur Bestie, zum Massenmenschen werde16.

8.2 Der NSFO Der Versuch, die Wehrmachtseelsorge durch Einstellungsstopp personell auszutrocknen, hatte deren Fortbestand zunächst nicht gefährdet. Doch Anfang des Jahres 1944 sah sich die Wehrmachtseelsorge mit einer weiteren Gefahr konfrontiert. Am 22. Dezember 1943 wurde auf Befehl Hitlers die NSFührungsorganisation im OKW und allen drei Teilen der Wehrmacht eingeführt. In der zunehmend aussichtslosen Kriegslage sollte die Partei die weltanschauliche Führung der Wehrmacht übernehmen. In der weltanschaulichen Fanatisierung der Wehrmacht lag für Hitler das einzig erfolgversprechende Rezept für den Endsieg17. In den „Richtlinien für die national-sozialistische Führung im Heere“, die der Chef des NS-Führungsstabes im OKH, Ferdinand Schörner, am 28. März 1944 herausgab, hieß es: „Kriege von diesem Ausmaß werden weder durch zahlenmäßige noch durch materielle Überlegenheit entschieden. Entscheidend sind allein die höchsten Werte eines Volkes, Tapferkeit, eiserne Disziplin, Ehre und das Bewußtsein, Träger und Kämpfer einer hohen Idee zu sein. Gerade in Weltanschauungskämpfen ist die kämpferische Idee die entscheidende Waffe.“18

Der neu eingeführte NS-Führungsoffizier war gleichsam ein von Hitler ausgesandter Bote und Prediger des Glaubens an den Führer und den „Endsieg“19. Formal konkurrierte er auf nahezu allen Ebenen mit dem Kriegspfarrer um die Deutungshoheit des Kriegsgeschehens, die Zahl seiner Zuhörer unter den Soldaten und um die materielle Ausstattung seiner Position20. Wie der Kriegspfarrer war auch der NSFO beim Divisionsstab angesiedelt. Zunächst war er dem Ic (Feindaufklärung) unterstellt, seit dem 20. April 1944 rangierte 16 Herbert Krimm: Die Bedeutung der Kirche für den Einzelnen und für das Volk. Kasernenstunde vom 23. 4. 1942 (UA Heidelberg, Rep. 17/29). 17 Vgl. Messerschmidt, Wehrmacht, 441. 18 „Richtlinien für die national-sozialistische Führung im Heere“ (BA-MA Freiburg, RH 20/16, 623). 19 Vgl. Messerschmidt, Wehrmacht, 462. 20 Ebd., 455.

Der NSFO

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er als selbständiger Teil der Kommandobehörden (Ia) und unterstand lediglich dem Chef des Generalstabes bzw. dem Divisionskommandeur. Als dessen Sachbearbeiter war er für die weltanschauliche Ausrichtung und die politische Erziehung der Truppe zuständig. Wie dem Kriegspfarrer standen ihm ein Auto, eine Schreibmaschine und ein Papierkontingent zu21. In der Wehrmachtseelsorge registrierte man genau, wohin die Installierung des NSFO führen würde. „Alle werden was“, klagte Wehrmachtpfarrer Hans Kähler, „nur wir Pfarrer nicht – wir werden höchstens abgebaut. Man erkennt immer deutlicher, daß die N. S. F. O. s dazu berufen sind, uns eines Tages abzulösen.“22

Am Ende des Jahres 1944 war sich Kähler sicher, dass er und sein katholischer Kollege Mömkes bald „die Schar der arbeitslosen Pfarrer bereichern“ würden, da jeder, der einen Pfarrer anfordere, in der Wehrmacht um seine Karriere fürchten müsse. In der Umgebung Kählers zeigte man sich überzeugt, dass die Wehrmachtseelsorge das Jahr 1945 nicht überdauern werde23. Auch von katholischer Seite wurde diese Ansicht geteilt. Werthmann notierte rückblickend: „Es war offensichtlich, dass der NSFO langsam die Aufgabe des Seelsorgers zu übernehmen und – wenn auch nicht direkt so doch indirekt – den Auftrag hatte, den Kriegspfarrer zu ersetzen bezw. auszuschalten.“24 Der NSFO verfügte über den Erziehungsauftrag, den die Wehrmacht den Kriegspfarrern 1942 entzogen hatte. Doch seine Aufgaben gingen über die des Kriegspfarrers hinaus. Während der Kriegspfarrer die Soldaten seelisch auf den bevorstehenden Kampf vorzubereiten und die militärische Kampfkraft der Truppe zu stärken hatte, war es die Aufgabe des NSFO, den Soldaten zum fanatischen Kämpfer für den Nationalsozialismus zu erziehen25. Die „Richtlinien für die national-sozialistische Führung im Heere“ verkündeten: „Dieser feste Glaube an die Überlegenheit der Idee und an die Gerechtigkeit seiner Sache sind die schärfsten Waffen gegen den Feind und dessen fadenscheinige Moral. Eine deutsche Truppe dieser Art ist unbedingt überlegen und überwindet jede Krise, selbst wenn einmal der Nachschub an Waffen und Munition nicht klappt.“26

21 Vgl. Armee-Oberkommando 2, N.S.F.O., betr. Dienststellung der NS-Führungsoffiziere (BA-MA Freiburg, RH 20/2, 1375). 22 Tagebucheintrag Hans Kählers vom 9. 5. 1944 (BA-MA Freiburg, MSG 2, 5867b). 23 Tagebucheintrag Hans Kählers vom 3. 1. 1945, ebd. 24 Notiz Georg Werthmanns vom 9. 6. 1945 (AKMB, SW 148). 25 Vgl. die „Richtlinien für die national-sozialistische Führung im Heere“ (BA-MA Freiburg, RH 20/16, 623). 26 Ebd.

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Die Leitlinien dieser vermeintlich unüberwindlichen Moral fanden sich in dem Buch „Wofür kämpfen wir?“27, das vom Offizier nicht nur eine loyale Einstellung zum Nationalsozialismus verlangte, sondern ein fanatisches Bekenntnis28. Kriegspfarrer verglichen den NSFO mit dem sowjetischen Politkommissar. Der evangelische Wehrmachtoberpfarrer Hotzel notierte: „Allenthalben sind bei der Truppe sogenannte nationalsozialistische Führungsoffiziere (NSFO), d. h. fanatische Parteimitglieder, eingesetzt worden, die eine nicht zu bestreitende Ähnlichkeit mit den politischen Kommissaren der Roten Armee, den Politruks, haben. Ihre Aufgabe besteht darin, die Kommandeure bei der Erziehung der Truppe im nationalsozialistischen Sinne zu ,beraten‘ oder vielmehr zu überwachen.“29

Doch im Unterschied zum sowjetischen Kommissar verfügte der NSFO nicht über unabhängige Kontroll- und Besichtigungsbefugnisse gegenüber den Wehrmachtstellen30. Seine mangelnden Befugnisse wurden wegdefiniert durch den Verweis auf das angeblich unbedingte Vertrauen zwischen NSFO und Truppenführung, das einen Interessenkonflikt a priori ausschloss. Konkurrenz durch den NSFO drohte dem Kriegspfarrer auch im Verhältnis zu den Soldaten. Hatte er bislang die Rolle einer Symbolfigur der soldatischen Kameradschaft eingenommen, wurde ihm diese jetzt vom NSFO streitig gemacht31. Doch anders als dem Kriegspfarrer blieb dem NSFO die mühevolle Anpassung an den Habitus des Soldaten erspart, denn er musste sich – bevor er NSFO wurde – bereits als Frontsoldat bewährt haben. Wie der Kriegspfarrer wurde er zur Tarnung seiner Absichten angehalten. Die Einflussnahme auf seine Umgebung sollte am besten indirekt, gleichsam nebenbei, „im Vorbeigehen“ und in zwanglosen Unterhaltungen, etwa beim Waffenreinigen oder bei den gemeinsamen Mahlzeiten, ausgeübt werden32. Die wichtigste Zielgruppe für den NSFO waren – wie für den Kriegspfarrer – die Soldaten der „kämpfenden Front“. Auch für den NSFO galt: wer sich in die Bunkerstellungen an der Front traute, gewann das Vertrauen der Soldaten eher als der, der im Quartier blieb. Am nachhaltigsten wirke das gesprochene Wort, hieß es in einem Tätigkeitsbericht der NS-Führung Ende 1944. Dabei sollte der NSFO nicht in erster 27 Vgl. Wofür kämpfen wir? 28 Vgl. die „Richtlinien für die national-sozialistische Führung im Heere“ (BA-MA Freiburg, RH 20/16, 623). 29 Tagebucheintrag Siegfried Hotzels vom 18. 7. 1944 (AAK Berlin, Kempowski Bio, 1850/3). 30 Vgl. Messerschmidt, Wehrmacht, 469. 31 Vgl. die „Richtlinien für die national-sozialistische Führung im Heere“ (BA-MA Freiburg, RH 20/16, 623). 32 Vgl. die Richtlinien des Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Nordukraine für die nationalsozialistische Erziehung und Führung der Truppe Nr. 2 vom 10. 6. 1944 (BA-MA Freiburg, 21/4, 329).

Der NSFO

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Linie Vorträge halten oder Unterricht erteilen, sondern das Vertrauen der Männer gewinnen, indem er von Schützenloch zu Schützenloch ging, sich unterhielt oder Ratschläge taktischer Art gab33. Obgleich die Aufgaben des NSFO den „Richtlinien“ nach ganz auf die ideologische Arbeit festgelegt waren und sogar betont wurde, dass dieser sich nicht um materielle Fürsorge oder – wie der Kriegspfarrer – um seelsorgerische Aufgaben zu kümmern habe34, passte sich dessen Tätigkeit den Bedürfnissen der Soldaten an. Kleine materielle Wohltaten und ein offenes Ohr für die täglichen Sorgen der Soldaten erschienen dem NSFO bald unabdingbar für eine erfolgreiche politisch-weltanschauliche Führung der Truppe35. „Keine grosse weltanschauliche Schulung. Alle kleinen Sorgen besprechen“, hieß es in einem Erfahrungsbericht über eine NSFO-Tagung im April 194436. Um sich bei den Soldaten beliebt zu machen, verteilten die NSFO Filme, Rasierklingen, Fußpuder oder Kartenspiele ebenso wie NS-Schulungsmaterial, Führerbilder und Musikinstrumente37. Wie die Kriegspfarrer hielten sie in den Lazaretten Feldpostkarten und Briefpapier für die verwundeten Soldaten bereit38. Von hier aus schien es nur noch ein kleiner Schritt, bis der NSFO auch das Schreiben für die Verwundeten übernahm. Während es den Kriegspfarrern an all den kleinen Dingen, mit denen sie bislang im Rahmen ihrer Seelsorge die Soldaten versorgt hatten, gefehlt habe, seien dem NSFO „ganze Berge“ von Drucksachen und Marketenderwaren kostenlos überlassen worden, um die Soldaten besser beeinflussen zu können, schrieb Anton Ullrich in einer Denkschrift vom August 1945. Die Soldaten seien zum Besuch der Vorträge des NSFO verpflichtet worden und bei Beförderungen habe das Urteil des NSFO gezählt. Faktisch habe dieser alle Offiziere bis hin zu den Generälen und den Geistlichen überwacht. „Wenn niemand Benzin bekam“, so Ullrich, „dem NSFO. mußten Sprit und Wagen stets zur Verfügung stehen. Allüberall in den Stäben wurde abgebaut, wurden Leute für die Front freigemacht. Der Laden des NSFO tat sich immer mächtiger auf“39. Letztlich entschied die politische Haltung der militärischen Vorgesetzten, 33 Vgl. den Tätigkeitsbericht des NSFO bei der 12. Lw-Felddivision an das AOK 16 vom 27. 12. 1944 (BA-MA Freiburg, RH 20/16, 624). 34 Vgl. die „Richtlinien für die national-sozialistische Führung im Heere“ (BA-MA Freiburg, RH 20/16, 623). 35 Vgl. den Tätigkeitsbericht der Abteilung NS-Führung beim Oberkommando der 4. Panzerarmee (1. 1. 1944–31. 7. 1944) vom 4. 8. 1944 (BA-MA Freiburg, RH 21/4, 329). 36 Erfahrungsbericht der Tagung für N. S. Führungsoffiziere der 349., 357., 359. Infanteriedivision vom 29. 4. 1944 (BA-MA Freiburg, RH 21/4, 330). 37 Vgl. den Tätigkeitsbericht des NSFO beim AOK 16 vom 16. 7.–15. 10. 1944 o. D. (BA-MA Freiburg, RH 20/16, 623). 38 Vgl. den Tätigkeitsbericht des NSFO der 227. Infanteriedivision für den Monat November 1944 vom 27. 11. 1944 (BA-MA Freiburg, RH 20/16, 624). 39 Denkschrift Anton Ullrichs: „Ich habe im Kriege keinen Geistlichen gesehen“ vom August 1945. Zitiert nach Werthmann (AKMB, SW 148).

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wer als Sieger aus dem Kampf um die immer knapper werdenden Ressourcen hervorging40. Hans Kähler notierte: „Major […] nimmt der Abt. IVd die Schreibmaschine weg, kriegt auch der NSFO.“41 Neben politischen Vorträgen vor Offizieren und Soldaten bei Lehrgängen oder in Erholungsheimen, die den Kriegspfarrern seit 1942 untersagt waren, hielt der NSFO auch „Morgenfeiern“, die von der militärischen Führung als Vorlage an die Divisionen weitergegeben wurden42. Ziel dieser „NS-Feierstunden“ war es, dem Soldaten zu innerer Sammlung und Besinnung zu verhelfen, ihn innerlich „anzupacken“ und zu erschüttern, ihm neue seelische Kraft zu vermitteln, damit er auch weiterhin gewillt war, sein Leben für die „Größe und Werte“ seines Volkes einzusetzen. Formal ähnelte die Feierstunde einem Gottesdienst, der durch Regelmäßigkeit, festliche Raumgestaltung, Gemeinschaftsgesang und durch eine geregelte Abfolge von Lesungen und Reden gekennzeichnet war. Die christlichen Inhalte wurden ersetzt durch „deutsches Kulturgut“, d. h. durch das Vorlesen von Gedichten, Reden oder das Zeigen von Bildern, die den Soldaten für die „inneren Werte“ des deutschen Volkstums einnehmen sollten43. Wehrmachtoberpfarrer Hotzel notierte: „Auf Veranlassung unseres NSFO finden jetzt an den Sonntagvormittagen ,nationalsozialistische Morgenfeiern‘ statt, von denen sich niemand ausschließen darf. Sie sind, abgesehen von der musikalischen Umrahmung, dürftig und ohne Niveau, sollen aber wohl eine Konkurrenz zum Gottesdienst oder gar ein Ersatz sein. Da sie in der Gottesdienstzeit liegen, nehmen wir beiden Pfarrer nicht daran teil; auch hat uns noch niemand zu nötigen versucht.“44

Selbst vor den Beerdigungen machte der NSFO keinen Halt. Wehrmachtpfarrer Hans Kähler befürchtete sogar, dass der NSFO demnächst alle Trauerfeiern abhalten würde45. Eine unmittelbare Bedrohung für die Kriegspfarrer war der NSFO durch seine Spitzeltätigkeit. Albrecht Schübel berichtete rückblickend von einem NSFO, der einen Divisionspfarrer beim Oberbefehlshaber wegen der Verbreitung einer Schrift von Martin Niemöller angezeigt habe46. Hans Kähler beschrieb, wie sich die Kommunikation mit den Soldaten durch die Anwe40 Vgl. den Beitrag des Oberbefehlshabers der 2. Armee, Walter Weiss, zum Kriegstagebuch vom 26. 7. 1944 betr. Einsatz der NS-Führungsoffiziere im Grosskampf (BA-MA Freiburg, RH 20/2, 1376, Bl. 10). 41 Tagebucheintrag Hans Kählers vom 3. 8. 1944 (BA-MA Freiburg, MSG 2, 5867b). 42 Vgl. den Tätigkeitsbericht der Abteilung NS-Führung beim Oberkommando der 4. Panzerarmee (1. 1. 1944–31. 7. 1944) vom 4. 8. 1944 (BA-MA Freiburg, RH 21/4, 329). 43 „NS-Feierstunde. Ein geistiges Mittel der NS-Führung“. In: Hinweise für die politische Führung und geistige Betreuung der Truppe. Anlage I zu OB West (Oberkommando der Heeresgruppe D), Abt. NSFO vom 13. 6. 1944 (BA-MA Freiburg, RH 19/IV, 149, Bl. 30 f.). 44 Tagebucheintrag Siegfried Hotzels vom 30. 8. 1944 (AAK Berlin, Kempowski Bio, 1850/3). 45 Vgl. den Tagebucheintrag Hans Kählers vom 3. 8. 1944 (BA-MA Freiburg, MSG 2, 5867b). 46 Vgl. Sch bel, 300 Jahre, 111.

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senheit eines NSFOs veränderte. Nach einem Gottesdienst notierte er: „Die Aussprache ist eine ziemlich einseitige Angelegenheit. Man merkt den Einfluß des N. S. F. O. und Ortsgruppenleiters Lt. [… ].“47 An anderer Stelle berichtete Kähler von Bespitzelungen: „Ich muß hier vorsichtig sein mit meinen Äußerungen, denn der NSFO Lt. [ … ] horcht alle aus, was ich gesagt habe und meldet das alles nach oben weiter, wo es Major […] abfängt.“48 Doch die Zeit reichte nicht aus, um ein Ende der Wehrmachtseelsorge durch den NSFO herbeizuführen. Die Kriegsniederlage setzte dem Plan der NSFührung, die Wehrmacht vollständig unter die ideologische Kontrolle der NSDAP zu bringen, ein vorzeitiges Ende49.

8.3 Pessimismus und Anfechtung Schon bald nach Beginn des Ostfeldzuges stellte sich bei vielen Kriegspfarrern Ungeduld und Missmut über die Länge des Krieges ein, dessen schnelles und siegreiches Ende Hitler und die militärische Führung in völliger Fehleinschätzung ihres Gegners noch vor dem Einbruch des Winters vorhergesagt hatten50. Bereits im August 1941 lautete die bange Frage Josef Wassongs „Wie lange noch?“51 An Weihnachten desselben Jahres schrieb er enttäuscht: „Das Ende des Jahres ist leider nicht das Ende des Kriegs im Osten. […] Das ,Jahr der Entscheidungen‘ 1941, ist vorüber. Ob die Entscheidung 1942 kommt?“52 Zu dieser Zeit hatte sich bei seinem Kollegen Johannes Opfermann schon tiefe Frustration eingestellt: „Wie wird’s am nächsten Weihnachten aussehen? Viele Glocken daheim werden zum letzten Mal geläutet haben. Alles ist so voll von Freudlosigkeit!“53 Die beiden Geistlichen waren nicht allein mit ihrem Wunsch, „dem Osten“ so rasch wie möglich den Rücken kehren zu wollen. Sie teilten ihre Haltung mit der großen Mehrheit von Mannschaften und Offizieren an der Ostfront. Die Härte der Kämpfe, die in die Höhe schnellenden Verluste an Menschenleben – im März 1942 war bereits ein Drittel der Frontsoldaten des Ostheeres gefallen, verwundet oder vermisst – die Witterungsbedingungen, der Mangel an warmer Kleidung, der Hunger, all dies zermürbte Körper und Geist und führte zu

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Tagebucheintrag Hans Kählers vom 27. 8. 1944 (BA-MA Freiburg, MSG 2, 5867b). Tagebucheintrag Hans Kählers vom 13. 5. 1944, ebd. Vgl. Messerschmidt, Wehrmacht, 474. Vgl. Hartmann, Wehrmacht, 347; Rçw, Militärseelsorge, 279–281. Tagebucheintrag Josef Wassongs vom 26. 8. 1941 (AKMB, SW 901). Tagebucheintrag Josef Wassongs vom 26. 12. 1941, ebd. Tagebucheintrag Johannes Opfermanns vom 24. 12. 1941 (DAB, V/184).

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einem „kollektiven Burnout“, wie der Historiker Christian Hartmann festgestellt hat54. Wassong war betroffen vom Sterben seiner Soldaten und Bekannten: „In letzter Zeit bedrückt mich doch manchmal sehr all das Elend, das ich sehe. Die Verluste sind sehr hoch“, notierte er im September 1942. Die Hoffnung auf einen deutschen Sieg hatten er und seine Umgebung zu diesem Zeitpunkt längst verloren: „Für die gewalts. Verluste ist kennzeichnend die gestern gehörte Frage: ,Welches ist der Unterschied zw. der Sonne u. der 9. Div.?‘ Antwort: ,Die Sonne geht im Osten auf, die 9. Div. geht im Osten unter‘.“55

Im Verlauf der folgenden Monate nahmen die kritischen Töne in seinen Aufzeichnungen zu. Er begann sich für die Ursachen der wachsenden Zahl von Partisanen in seinem Aufsichtsgebiet zu interessieren: „Wir h[a]b[en] es leider nicht verstanden, uns die Menschen der besetzten Gebiete zu Freunden u. für Deutschland begeisterten Anhängern zu machen. Überall, wo die Rede auf die Partisanen kommt, sagt man, wir seien selber am Partisanenwesen schuld, aber nicht das Militär, sond[ern]. die Zivilverwaltung.“56

Zwei Monate zuvor hatte der katholische Episkopat in seinem sogenannten Dekalog-Hirtenbrief sehr allgemein, aber für die Zeitgenossen unmissverständlich, die „Massenmorde an unschuldigen Nichtkämpfern, an Kindern, Greisen und Kranken“ gegeißelt. Auch im Krieg und auch für die öffentliche Gewalt – so hieß es dort – gebe es ein Gewissen und eine Verantwortung vor Gott und der Geschichte. „Unrecht bleibt Unrecht auch im Kriege, auch gegenüber dem Gegner, vor allem gegenüber dem wehrlosen Gegner. Das 5. und 7. Gebot Gottes, die Leben und Eigentum schützen, bleiben auch im Kriege in Kraft und binden jedes Gewissen und jede Gewalt.“57

Während des Rückzuges seiner Armee im Jahr 1944 distanzierte sich Wassong klar von der militärischen und politischen Führung. Bei der Armee habe man sich reichlich spät zur Flucht entschlossen, kritisierte er. Man müsse immer mehr den Eindruck gewinnen, dass die Führung die Übersicht verloren habe, hieß es. Auch der Vergleich zur Niederlage Napoleons in Russland 1812/13 fehlte nicht58.

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Hartmann, Wehrmacht, 399 f., 460. Tagebucheintrag Josef Wassongs vom 7. 9. 1942 (AKMB, SW 901). Tagebucheintrag Josef Wassongs vom 29. 10. 1943, ebd. Hirtenwort der des deutschen Episkopats (I) vom 19. 8. 1943, 182 f. Vgl. die Tagebucheinträge Josef Wassongs vom 28. 6., 1. und 2. 7. 1944 (AKMB, SW 901).

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Schließlich wünschte sich der Geistliche sogar selbst politische Macht, als er sah wie wenig hilfsbereit sich die einstigen Besatzer gegenüber ihren Schutzbefohlenen, den sogenannten Volksdeutschen, verhielten: „Es ist 1 Schmach, daß niemand von der Partei Hilfe leistete. […] Ich sah Tisch, Stühle, sogar Strohsäcke auf einzelnen Wagen, u. für die armen Landsleute war kein Platz. Da hätte ich mir die nötige Macht gewünscht. Was nützen schöne Reden, wenn man den bedrängten Menschen in der Not nicht hilft? In 1 Auto (so sah ein anderer) saß ein gr. Hund auf 1 Sitzplatz, u. an den Menschen fährt man vorbei.“59

Kurze Zeit später schrieb er über die „tiefe Trauer“, die die Nachricht in ihm ausgelöst habe, dass Zivilisten von den Wagen der Wehrmacht herunterzuholen seien. „O unsere armen Deutschen“, schrieb er und: „Es ist wirklich tragisch.“60 Von der Führerrede, die er am 30. Januar 1945 im Radio hörte, war er enttäuscht61. Wassong fürchtete den Einbruch der Roten Armee in Deutschland: „Gnade uns Gott, wenn er [der Russe] in unser Land einbrechen sollte.“62 Das ungewisse Schicksal seiner Heimatgemeinde Uedelhoven bedrückte ihn. Immer wieder fragte er sich: „Wie werde ich alles vorfinden?“ „Ob Üdelh[oven]. verschont bleibt? Gott möge es geben! Tag u. Nacht denke ich an die Heimat u. an die Lieben“.„Ob dort jetzt wohl Kampfgebiet ist? Es ist nicht auszudenken.“63 Sein Tagebuch schloss er mit den Worten. „Das bittere Trauerspiel ist zu Ende.“64 Johannes Stelzenberger blickte schon im März 1942 düster in die Zukunft. Seine Lageeinschätzung war niederschmetternd: „Wir werden den Krieg nicht gewinnen und was wird dann werden? Das ist eine sehr bange Frage“, notierte er65. Bei den Soldaten bemerkte er, wie sehr sie die Aussichtslosigkeit und die Dauer des Ostfeldzuges bedrückte. Die Zahl derer, die sehr schwarz in die Zukunft sähen, werde immer größer. Viele – so schrieb er – zweifelten, „ob wir Russland noch massgebend vernichten können.“66 Nach der Niederlage der 6. Armee in Stalingrad bemerkte er auch bei den Offizieren einen negativen Stimmungswechsel. Vor Stalingrad, so meinte er, habe man keinen Zweifel an den „Feldherrn-Talenten“ des „Führers“ äußern können, ohne von den Offizieren „ganz scharf“ angeguckt zu werden. Jetzt 59 60 61 62 63

Tagebucheintrag Josef Wassongs vom 18. 1. 1945, ebd. Tagebucheintrag Josef Wassongs vom 21. 1. 1945, ebd. Vgl. den Tagebucheintrag Josef Wassongs vom 30. 1. 1945, ebd. Tagebucheintrag Josef Wassongs vom 2. 8. 1944, ebd. Tagebucheinträge Josef Wassongs vom 17. 8. 1943, 23. 9. und 3. 10. 1944, 3. 1. und 5. 2. 1945, ebd. 64 Tagebucheintrag Josef Wassongs vom 3. 8. 1945, ebd. 65 Tagebucheintrag Johannes Stelzenbergers vom 2. 3. 1942 in Gabelsberger Schrift (AKMB, SW 838). 66 Tagebucheintrag Johannes Stelzenbergers vom 4. 3. 1942 in Gabelsberger Schrift, ebd.

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spreche jeder Leutnant frei über den militärischen Unsinn, der gemacht würde. Stalingrad habe eine ungeheure Wendung in den Gemütern des deutschen Volkes gebracht67. Ein ähnliches Bild zeigte sich bei den evangelischen Kriegspfarrern. Wilhelm Lechner schrieb an seinen Landesbischof Hans Meiser: „Dagegen gibt es viele, die von dem endzeitlichen Charakter unserer Zeit völlig überzeugt sind. Es sind die, die hinter und neben allen Kämpfen das Gemeine, das Satanische sehen und erkennen. Ich komme oft mit Kriegspfarrern und Soldaten, die im Zivilberuf Pfarrer sind, auch Theologiestudenten zusammen, aus allen Gauen Deutschlands. Es ist kaum einer darunter, der einen großen Optimismus zeigt, wenn man auf den Ernst der Zeit zu sprechen kommt.“68

Die Klagen des evangelischen Pfarrersoldaten Gerhard Knapp begannen im August 1942: „Mir wollte das schon damals nicht zusagen. Nun ist aus dem Polenfeldzug ein Weltkrieg im wahrsten Sinn des Wortes geworden – und noch ist kein Ende abzusehen.“69 Nach der Niederlage von Stalingrad glaubte er nicht mehr an einen siegreichen Ausgang des Krieges70. Nach Stalingrad verdüsterten sich auch bei Hans Kähler die Stimmungsberichte. Man sei im Glauben an das „Feldherrngenie des Führers“ restlos erschüttert, hieß es im Februar 194371. Besonders die unchristlichen Berliner würden schnell kriegsmüde und äußerten häufig die Hoffnung, dass der „Schwindel bald vorüber“ gehe72. Er selbst war nicht weniger pessimistisch: „O, wo bleibt unser Hochmut?!“ klagte er angesichts der Verlustmeldungen des Wehrmachtberichts. Im August 1943 war er bereits sicher, dass die Deutschen ihren Anspruch auf russisches Gebiet aufgegeben hatten73. „Orel fiel gestern schon, alles ist so düster!“74 „Kameradschaft und Volksgemeinschaft“ waren zu diesem Zeitpunkt längst schon hohle Phrasen für ihn. Nur der kalte Egoismus stehe riesengroß vor einem, notierte er im Oktober 194375. Anfang 1944 hatte Kähler endgültig resigniert. In seinem Bericht über einen weinseligen Abend mit einem Kriegsverwaltungsrat hieß es: „Wir schwelgen in Erinnerungen, als der Krieg noch Spaß machte.“76 Im Mai 1944 berichtete er über Depressionen im Angesicht der verzweifelten Kriegslage77. Im August rechnete er nur noch mit einer vierwöchigen Kriegsdauer und fragte sich, 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77

Vgl. den Tagebucheintrag Johannes Stelzenbergers vom 16. 2. 1943, ebd. Schreiben Wilhelm Lechners an Hans Meiser vom 11. 2. 1942 (LAELKB Nürnberg, LKR 2533). Tagebucheintrag Gerhard Knapps vom 1. 9. 1942 (LKA Stuttgart, D37, 1.2). Vgl. den Tagebucheintrag Gerhard Knapps vom 21. 3. 1943 (LKA Stuttgart, D37, 1.3). Vgl. den Tagebucheintrag Hans Kählers vom 19. 2. 1943 (BA-MA Freiburg, MSG 2, 5867). Tagebucheintrag Hans Kählers vom 18. 5. 1943 (BA-MA Freiburg, MSG 2, 5867). Tagebucheintrag Hans Kählers vom 1. 7. 1943, ebd. Tagebucheintrag Hans Kählers vom 6. 8. 1943, ebd. Vgl. den Tagebucheintrag Hans Kählers vom 16. 10. 1943 (BA-MA Freiburg, MSG 2, 5867a). Tagebucheintrag Hans Kählers vom 14. 1. 1944, ebd. Vgl. den Tagebucheintrag Hans Kählers vom 24. 5. 1944 (BA-MA Freiburg, MSG 2, 5867b).

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wann der Russe ihn wohl „schnappen“ würde. An eine glückliche Heimkehr glaubte er zu diesem Zeitpunkt schon längst nicht mehr78. Auch wenn Kählers Haltung gegenüber dem Krieg zunehmend negativer wurde, dem Umsturzversuch vom 20. Juli 1944 stand er ablehnend gegenüber. „Man schaudert bei dem Gedanken: was wäre geworden, wenn der Anschlag geglückt wäre! Da könnte man nur sagen: armes Deutschland!“79 Ein Gelingen des Attentats hätte in seinen Augen nur einen Bürgerkrieg ausgelöst. Nun fürchtete er drastische „Auswirkungen nach innen und außen“80. Dabei bestärkten ihn allerdings die Ereignisse des 20. Juli 1944 in seinem Pessimismus. „Wie pessimistisch müssen diese Generäle unsere Lage beurteilen!“81 Vier Tage später beschwerte er sich über die „Auswirkungen“ des misslungenen Attentats: „Am Abend gibt’s dann noch eine neue Überraschung: ,Einführung des Deutschen Grußes bei der Wehrmacht!‘ Der 1. Schritt, bzw. wieder ein Schritt auf dem Weg zur SS. Und dazu Himmler noch Chef des Ersatzheeres. Lange ringe ich in der Stille mit mir, was ich tun soll, ob ich mich aus Gründen der Klugheit beugen soll. Aus tiefstem Herzen wünschte ich, ich lebte in einem Land, in dem ich leben und grüßen könnte, wie ich wollte. Nein, ich bin nicht danach geschaffen, unter der Diktatur leben zu können! Mein ganzes Trachten ist: so schnell wie möglich raus aus Deutschland, in dem einen sogar der Gruß vorgeschrieben wird – vgl. den Geßler-Hut!“82

In den Aufzeichnungen der katholischen Kriegspfarrer findet sich kein weiterer nennenswerter Kommentar zum 20. Juli 1944. Johannes Opfermann beschränkte sich auf die Notiz: „Attentat auf den Führer.“83 Auch Josef Wassong, der Armeepfarrer, der sich am 20. Juli 1944 in der Nähe von Warschau befand, ließ den Attentatsversuch unkommentiert: „Am Do., den 20. Juli wurde ein Attentat auf Hitler verübt. In Verbindung damit wurde ab gestern im ganzen Heere der deutsche Gruß eingeführt.“84 Wie erschöpft die Kriegspfarrer waren, lässt sich nicht nur an ihrer Lageeinschätzung verfolgen, sondern zeigte sich auch an ihrem physischen und psychischen Gesamtzustand85. Man fühlte sich geistig ausgebrannt. Im vierten Kriegsjahr, so klagte ein katholischer Kriegspfarrer, mache sich allmählich Tagebucheinträge Hans Kählers vom 30. 8. und 1. 9. 1944, ebd. Tagebucheintrag Hans Kählers vom 20. 7. 1944, ebd. Ebd. Ebd. In der Gründungssage der Schweiz ließ Hermann Gessler einen Hut aufstellen, den jeder Vorbeikommende zu grüßen hatte. Wilhelm Tell verweigerte diesen Gruß. Später wurde der Gesslerhut zur Redensart für jede öffentliche Erzwingung von zweckfreiem Gehorsam. Tagebucheintrag Hans Kählers vom 24. 7. 1944 (BA-MA Freiburg, MSG 2, 5867b). 83 Tagebucheintrag Johannes Opfermanns vom 20. 7. 1944 (DAB, V/184). 84 Tagebucheintrag Josef Wassongs vom 26. Juli 1944 (AKMB, SW 901). 85 So etwa Johannes Rudolph, der krank aus dem Kessel von Stalingrad ausgeflogen wurde. Vgl. auch Röw, Militärseelsorge, 399.

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eine gewisse Ermüdungserscheinung bemerkbar. Er habe nun so oft bei Gottesdiensten und Beerdigungen gesprochen, dass er, zumal er doch recht wenig Möglichkeiten habe, neues zu schöpfen, langsam leer geworden sei. Die von der katholischen Kriegshilfe in Freiburg versandten Predigtanregungen seien alles weniger denn begeisternd und an neuere theologische Literatur komme er nicht heran. „Und wie gerne würde er einmal in den langen Winterabenden nach einem anregenden Buche greifen, um dann wieder Mittler dieser Gedanken an seine Männer zu sein.“86 Noch größer waren die Probleme bei katholischen Priestersoldaten, deren militärische Lebensweise und Umgebung während des Krieges in krassem Gegensatz zu ihrem gewohnten kontemplativen Leben stand. Die Lage der Priestersoldaten sei die einer großen Unsicherheit, schrieb ein katholischer Wehrmachtdekan in seinem Tagungsbericht über eine Kriegspfarrertagung vom Juni 1943. Ihnen fehlten die Sicherungen und Bindungen des geordneten Berufslebens, die dem Zölibat so förderliche Distanz zu anderen Menschen, ihr sittliches Bewußtsein werde aufgeweicht, das „primum vivere“ trete hervor. Zudem müssten sich die Priester mit lauter Dingen beschäftigen, die mit dem Priestertum nichts zu tun hätten87. In einem Brief an Bischof Faulhaber vom Dezember 1942 beschrieb ein Priestersoldat sein Leben an der Ostfront als einzige schwere Anfechtung. Wohl berge das Militärleben mit seinem Drill und Zwang einerseits und seiner Freizügigkeit und Ungebundenheit, mit seiner Geistlosigkeit und Gleichgültigkeit andererseits manche Gefahren in sich, denen man nur allzuleicht erliegen möchte88. Gerade die Priestersoldaten und Theologen – so betonte auch Stelzenberger – hungerten geistig sehr und sehnten sich nach jemandem, der ihnen theologisches Brot reiche89. Manch ein Kriegspfarrer wurde unter diesen Umständen zum Alkoholiker. Eine blumige Umschreibung Werthmanns unmittelbar nach dem Krieg wies auf dieses Problem hin: „Grenzenloser Raum, grenzenloses Licht, grenzenlose Nacht und grenzenloser Schnee. Grenzenloses Marschieren und grenzenlose Strapazen. Die fast unendliche Weite des Ostens führt den Menschen über den nahen Horizont dieser Welt hinaus in die Selbstverständlichkeit des Transzendenten, in die Nachbarschaft der Uebernatur, in die Erschlossenheit für das Unendliche. Diese Weite kann aber auch lähmen und der unbegrenzten Hoffnungslosigkeit Raum geben. Sie führt 86 Seelsorgebericht Karl Hildebrandts (1. 10.–31. 12. 1942) o. D. (AKMB, SW 113). 87 Bericht des katholischen Wehrmachtdekans Johannes Kostorz über die Kriegspfarrerversammlung im Bereich des Wehrmachtbefehlshabers Ukraine in Shitomir (16./17. 6. 1943) vom 29. 6. 1943 (AKMB, SW 152). 88 Vgl. das Schreiben Ernst Eisenschmidts an Faulhaber vom 15. 12. 1942 (EAM, NL Faulhaber, Nr. 6796/1). 89 Vgl. das Schreiben Johannes Stelzenbergers an Faulhaber vom 18. 12. 1943 (EAM, NL Faulhaber, Nr. 6796/1).

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dann zu dumpfem Brüten und zu stumpfer Niedergeschlagenheit. So kann es kommen, dass der Alkohol sich als Freund und Helfer anbietet – und zu Exzessen verleitet, die wie eine Entfesselung wildester Dämonie anmuten.“90

Werthmann räumte ein, dass es unter den Mitbrüdern „schwere Delikte auf dem Gebiete der widernatürlichen Unzucht“ und „Äußerungen defätistischer Art“ gegeben habe. Schuld daran sei der Alkoholkonsum, der ihnen die Selbstgewalt genommen habe und sie in einen Zustand versetzt habe, in welchem sie nicht mehr Herr ihrer Sinne gewesen seien91. Dieses Problem war keine katholische Besonderheit. Auch der evangelische Divisionspfarrer Hans Kähler beschwerte sich, dass man ihn und seinen katholischen Kollegen, wo immer sie hinkamen, um ihre Gottesdienste abzuhalten, zum Alkoholkonsum anhielt. „Hinterher sitzen wir noch eine ganze Zeit mit Hpt. […] zusammen, der z. Zt. das Batl. führt. Und natürlich wird Schnaps getrunken, schrecklich, schon am Vorm[ittag].!“ lautete seine Klage. Bereits zum Mittagessen würden Cognac, Likör und Bier gereicht92. Nur selten gelang es dem Kriegspfarrerpaar, seinen trinkfreudigen Gastgebern zu entkommen. Die Feierlust in diesem ereignislosen Abschnitt der Ostfront war so ausgeprägt, dass Kähler sich zunehmend abgestoßen fühlte. Es sei ganz so, als gäbe es keinen Krieg, empörte er sich Ende Dezember 1942, „als kämpften und stürben nicht auch an diesem Abend Ungezählte irgendwo im weiten Rußland.“93 An Weihnachten 1943 mokierte er sich: „Der Stab scheint mächtig gefeiert zu haben, bis 5:00 früh, alles ist noch besoffen. So feiert man den Heiligabend in einer unheimlich ernsten Zeit!“ Und: „Herren wie Oblt. […] u. O[ber]zahlm[eister]. […] prahlen, daß sie ,restlos am Boden zerstört‘ gewesen seien. Das Schwein wälzt sich im eigenen Kot!“94 Kähler tat sich schwer damit, die Soldaten im Unklaren über die eigenen Ansichten zur Kriegslage zu lassen: „Überlege immer wieder, ob und wie man aus diesem verdammten Land wohl rauskommt. Und man darf den Soldaten nichts sagen. So spreche ich Hiob 5,18, spreche so ernst und eindringlich wie ich nur kann.“95 Die gewählte Bibelstelle aus dem Alten Testament handelte von der „Zucht des Allmächtigen“ und der Aufforderung, sich ihr nicht zu widersetzen. Die Kluft zwischen persönlicher Lageeinschätzung und der Aufgabe, Siegeszuversicht und Kampfesfreude bei den Soldaten zu stärken, wurde immer größer. Wer aber über Mutlosigkeit und Enttäuschung predigte, wie der katholische Kriegspfarrer Josef Wildmann am Ostermontag 1944, hatte für die 90 91 92 93 94 95

Notiz Georg Werthmanns vom 31. 5. 1945 (AKMB, SW 154). Notiz Georg Werthmanns vom 22. 6. 1945, ebd. Tagebucheintrag Hans Kählers vom 14. 11. 1943 (BA-MA Freiburg, MSG 5867a). Vgl. den Tagebucheintrag Hans Kählers vom 31. 12. 1942 (BA-MA Freiburg, MSG 2, 5867). Tagebucheintrag Hans Kählers vom 25. 12. 1943 (BA-MA Freiburg, MSG 2, 5867a). Tagebucheintrag Hans Kählers vom 3. 9. 1944 (BA-MA Freiburg, MSG 2, 5867b).

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Wehrmachtseelsorge versagt und verlor sein Amt als Wehrmachtpfarrer96. Werthmann verzeichnete diesen Kriegspfarrer in der Rubrik „Schwache Brüder“. Er selbst habe seine Aufgabe darin gesehen, den Pessimismus in den eigenen Reihen zu bekämpfen, denn im katholischen Denken sei der Pessimismus eine Krankheitserscheinung97. Der Kriegspfarrer müsse trotz aller Schwierigkeiten ein Verkünder der Frohbotschaft sein, angehalten, in seinen Predigten die hohe Freude darüber zum Ausdruck zu bringen, etwas Frohes und Beglückendes zu sagen. Als Christ sei er herausgehoben aus dieser Welt und hineingehoben in eine Region des Lichts98. Danach hing der Erfolg der Wehrmachtseelsorge letztlich davon ab, ob es ihr gelang, Angst und Pessimismus der Soldaten in einem immer hoffnungsloseren Krieg zu überwinden. Um die Soldaten vom positiven Sinn ihres Kampfes zu überzeugen, bedurfte es auch der eigenen Überzeugung. Dabei fiel es selbst den Anhängern des NS-Regimes schwer, den Glauben an einen positiven Kriegsverlauf aufrechtzuerhalten, wie die Reflexionen von Hermann Wolfgang Beyer eindrücklich belegen: „Als ich heut Morgen in der Finsternis still vor mich hinsann, wollte eine richtige Mutlosigkeit über mich kommen. Es ist doch ein Hundeleben, das wir hier draußen führen. Die unaufhörliche Unrast, die elenden Unterkünfte, das Entbehren alles dessen, was uns früher das Leben reich machte, das alles legte sich wie eine Last auf mich. Zum dritten Male gehe ich nun in diesem Kriege fern der Heimat in den Advent im Feindesland. Und noch ist kein Ende des unheimlichen Kampfes abzusehen. Die Vorgänge in Nordafrika, die noch immer ungebrochene Angriffskraft der Russen, die schwindenden eigenen Mittel und Kräfte, die unaufhörlichen Verluste zeigen den Ernst des Krieges. Es hat mich tief erschüttert, daß es gerade unser tapferster Regimentskommandeur, der Erste, der sich in unseren Reihen das Ritterkreuz geholt, war, der mich neulich fragte: ,Wir wollen einmal als Männer miteinander reden, Professor, können Sie sich vorstellen, daß wir den Krieg verlieren?‘ Ich entgegnete sofort, daß ich diesen Gedanken auch nicht von ferne an mich heranlassen dürfte; denn es gehörte ja zu meinem Amt, unsere Männer stark zu machen gegen jede innere Schwäche. Aber die Frage, die hier zum ersten Male aufklang, stand unheimlich in dem kleinen Raum inmitten der unendlichen Weite dieses Krieges. Nein, sie darf nicht an uns heran! Wir müssen, wir müssen siegen!“99

96 Wildmann hatte mit Bezug auf Lk 24, 13–35 gepredigt: „Es war alles anders gekommen, als die Emausjünger [sic] es erhofft, sie zogen traurig und mutlos ihre Straße. Auch in unserem Leben kommt so manches anders, als wir es erhofft; enttäuscht und verdrossen gehen viele Menschen ihren Lebensweg.“ Zitiert nach Georg Werthmann (AKMB, SW 154). 97 Vgl. die Notiz Georg Werthmanns vom 18. 7. 1945 (AKMB, SW 115). 98 Vgl. die Notiz Georg Werthmanns vom 12. 7. 1945 (AKMB, SW 148). 99 KT Beyer, 29. 11. 1942 (Privatbesitz, Transkript Garbe, 535).

9. Der Blick zurück 9.1 Ernüchterungen Nach dem Krieg glaubten ehemalige Wehrmachtseelsorger, dass Deutschland den Krieg verloren habe, weil das Christentum von der politischen Führung bekämpft worden war. Gott habe sich letztlich gegen die Deutschen gestellt, weil Deutschland nicht mehr christlich gewesen sei, lautete eine Erklärung1. Damit einher ging die Ansicht, dass die mangelnde Förderung der Wehrmachtseelsorge zum Verlust der Kampfesfreudigkeit der Soldaten und damit zur Kriegsniederlage beigetragen habe2. Diese Ansicht schien sich durch die schieren Zahlen von Militärpfarrern in den angelsächsischen Armeen zu bestätigen. Allein die Briten verfügten über 3692 Military Chaplains, überboten die deutsche Wehrmachtseelsorge also um mehr als das Dreifache3. Umso deprimierender erschien es ihnen, dass der Wehrmachtseelsorge auch nach dem Krieg keine Anerkennung für ihre Dienste zuteil wurde. Im Gegenteil: Plötzlich sahen sich ehemalige Wehrmachtseelsorger mit einem empfindlichen Ansehensverlust konfrontiert, da man sie nun als Teil jener militärischen Elite wahrnahm, die man mitverantwortlich für die Niederlage Deutschlands machte4. Wie schon 1918 werfe man auch jetzt den Feldgeistlichen vor, nicht von Anfang an gegen den Krieg gearbeitet und gepredigt zu haben, notierte sich Werthmann. Selbst die Ermunterung und Tröstungen, mit denen diese der hoffnungslosen Müdigkeit und uferlosen Verzweiflung im Krieg entgegengetreten seien, verübele man ihnen mit dem Hinweis, sie stünden „im Solde derer, die uns zur Schlachtbank“ geführt hätten5. Entsprechend schlecht war die Stimmung unter den einstigen Funktionsträgern der Wehrmachtseelsorge, deren vormals vollständige institutionelle Integration in den Staat und seinen Militärapparat nun die Wiedereingliederung in die zivilen Kirchen erschwerte. Die Entfremdung zwischen dem Personal der zivilen Kirchen und den ehemaligen Wehrmachtbeamten war groß und nicht selten empfanden die einstigen Wehrmachtpfarrer ihre neue Situation als demütigend. 1 Vgl. Ernst Schieber: Beitrag zur Erörterung der ,Schuldfrage‘ nach den Erfahrungen eines Heeresgruppen- und Wehrkreispfarrers. Juni 1945. (LKA Stuttgart, 375 I). 2 Ebd. 3 Vgl. Snape, Royal Army, 280. 4 Vgl. Kroener, Fromm, 745 5 Notiz Georg Werthmanns vom 30. 6. 1945 (AKMB, SW1).

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Es sei kein Vergnügen, völlig ausgeschaltet zu sein, in den Diözesen als unbequemer Fremdkörper empfunden und von manchen Zivilgeistlichen als unliebsame Konkurrenz angesehen zu werden, beklagte sich der ehemalige katholische Wehrmachtdekan Stefan Gmeiner gegenüber dem Regens des Freisinger Priesterseminars, Michael Höck. Gmeiner, der in der Wehrmacht den Rang eines Obersten bekleidet und es im Ersten und Zweiten Welttkrieg zu insgesamt zehn Kriegsauszeichnungen gebracht hatte6, musste sich nach 1945 mit der Stellung eines Hilfsgeistlichen begnügen, was ihn – wie er meinte – zum „Gespött der Diözese“ machte7. Die Schuld an seiner „Degradierung“ gab Gmeiner den Priestersoldaten, d. h. jenen Geistlichen, die im Krieg als einfache Mannschaftssoldaten, meist bei der Sanität, gedient hatten. Sie hätten die Wehrmachtpfarrer in „völliger Unkenntnis der Feldseelsorge“ und in „übermäßig betontem Besserwissen“ bei den Kirchenleitungen denunziert. Der von Gmeiner beschriebene Konflikt zwischen ziviler Kirche und entlassenen Militärpfarrern existierte auch in der evangelischen Kirche. Dies zeigen die permanenten Beschwerdeschreiben des ehemaligen protestantischen Feldbischofs Franz Dohrmann an die Kirchenkanzlei in den ersten Jahren nach dem Krieg, in denen dieser die mangelnde Unterstützung für die entlassenen Wehrmachtpfarrer beklagte8. Der ehemalige evangelische Wehrmachtpfarrer Karl Krüger erklärte noch 1982 in einem Interview, dass die Landeskirchen schon vor dem Krieg, nicht nur eine gewisse Zurückhaltung, sondern auch Gleichgültigkeit gegenüber der Wehrmachtseelsorge gezeigt hätten9. Wie eine Umfrage der Stader Landessuperintendentur unter ihren Geistlichen aus dem Jahr 1947 zeigte, herrschte nach dem Krieg eine tiefe Entfremdung zwischen den früheren Beamten der Wehrmacht und den Pfarrern, die als Mannschaftssoldaten in der Wehrmachthierarchie weit unter diesen gestanden hatten. Letzere blickten mit wenig Wohlwollen auf ihre einstigen Kriegspfarrer. Superintendent Günter Tidow sprach den Wehrmachtpfarrern rundweg ab, im Krieg viel über ihre Mitmenschen in anderen sozialen Milieus gelernt zu haben. Die Wehrmachtpfarrer seien als „halbe Offiziere“ wahrgenommen worden, denen die Soldaten Ehrenbezeugungen schuldeten und mit 6 Im Ersten Weltkrieg erhielt Gmeiner: 1. das EK II, 2. das EK I., 3. den bayerischen Militärverdienstorden II. Klasse. Im Zweiten Weltkrieg erhielt er: 1. das Kriegsverdienstkreuz II. Klasse mit Schwertern, 2. Die Krone Rumäniens III. Klasse mit Schwertern, 3. den Stern von Rumänien III. Klasse am Friedensband, 4. die Medaillle „Winterschlacht im Osten 1941/42“, 5. Das Krimschild, 6. die rumänische Kriegserinnerungsmedaille „Kreuzzug gegen den Kommunismus“ und 7. das Kriegsverdienstkreuz I. Klasse mit Schwertern. Vgl. Brandt / H ger, Biographisches Lexikon, 246 f. 7 Schreiben Stefan Gmeiners an Michael Höck vom 12. 9. 1946 (EAM, Stefan Gmeiner PA-P III 503). 8 Vgl. das Schreiben Franz Dohrmanns an Hansjürg Ranke vom 15. 7. 1949 und 14. 12. 1949 (EZA Berlin, 4013/2). 9 Vgl. Beese, Interview, 11.

Ernüchterungen

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„Jawoll“ zu antworten hatten. Ein Verhältnis „auf Augenhöhe“ habe es nicht gegeben10. Dagegen glaubten die einstigen Pfarrersoldaten, sie selbst hätten die Lebenswelten der kirchenfremden jungen Männer sehr wohl geteilt, „unverhüllt und ehrlich“. Aus ihrer Sicht hatten sie wie die Masse der Soldaten ein primitives Leben gelebt, „fern von Familie und Heimat“, wie ein „verwehtes Sandkorn“11. Auch die Rolle des Kriegspfarrers als „wehrpsychologischer Assistent“12 des Truppenführers, der die Soldaten auf Kampf und Tod einschwor, wurde infrage gestellt. An den Kriegspfarrern – so hieß es – habe man erkennen müssen, dass die Kirche keine nationale Aufgabe mehr habe „wie einst unsere Generation meinte“, hieß es kritisch aus den Reihen der Stader Pfarrer13. Georg Werthmann versuchte der fühlbaren Entfremdung zwischen den einstigen Militärpfarrern und der zivilen kirchlichen Welt entgegenzusteuern. Er bat die bischöflichen Ordinariate um Verständnis, Anerkennung, ja um Förderung der aus der Wehrmacht entlassenen Geistlichen und schlug ihnen vor, eine zwei- bis vierwöchige religiöse Einkehr für heimkehrende Kriegspfarrer und Priestersoldaten anzubieten, um deren Wiedereingliederung in den kirchlichen Dienst zu erleichtern. Innerhalb eines kirchlichen Schutzraumes sollte es den Geistlichen ermöglicht werden, ihr „Kriegserlebnis“, d. h. ihre traumatischen Gewalterfahrungen, über die kaum oder gar nicht in der Öffentlichkeit gesprochen wurde, „in positiver Form“, gleichsam therapeutisch zu verarbeiten14. Vor dem Hintergrund der schlechten Stimmung unter den ehemaligen Wehrmachtpfarrern veränderten sich auch die Urteile über die eigene Arbeit im Krieg. Insbesondere der Erfolg der Soldatenmission wurde massiv infrage gestellt. „Das Milieu, in welchem diese Mitbrüder standen, war – menschlich gesprochen – hoffnungslos“, schrieb Georg Werthmann kurz nach Kriegsende15. Protestantische Geistliche, die den Krieg erlebt hatten, teilten diese Einschätzung16. Gefahr und Todesnähe hätten gerade nicht die Hinwendung der jungen Männer zum Christentum gefördert, wie es die Kirchen gehofft und die Wehrmachtseelsorge im Krieg so gern behauptet hatte17. 10 Schreiben Günter Tidows an Franz Wiebe o. D. [Juli oder Augsut 1947] (LKA Hannover, L5 g, Nr. 4). 11 Schreiben Pastor Holtermanns an Franz Wiebe vom 17. 7. 1947, ebd. 12 Garbe, Theologe, 588. 13 Schreiben Gerhard Fuhsts an Franz Wiebe vom 8. 7. 1947, ebd. 14 Georg Werthmann: „Geistliche Schulung der aus dem Felde zurückgekehrten Kriegspfarrer und Priestersoldaten“ vom 6. 11. 1945 (AKMB, SW 153); vgl. Behrenbeck, Pain, 63 und Goltermann, Gesellschaft, 63. 15 Schreiben Werthmanns an alle erzbischöflichen und bischöflichen Ordinariate vom Juni 1945 (AKMB, SW 152). 16 Vgl. das Schreiben Georg Knokes an Franz Wiebe vom 11. 7. 1947 (LKA Hannover, L5 g, Nr. 4). 17 Vgl. das Schreiben Heinrich Dunckers an Franz Wiebe vom 29. 7. 1947, ebd.; vgl. auch Kaiser, Der Zweite Weltkrieg, 228.

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Selbst an die Arbeit im Lazarett wurde jetzt nur noch mit nüchternen Worten erinnert. Die moribundi seien sich über den Ernst der Lage völlig im unklaren gewesen und hätten mit aller Leidenschaft am Leben gehangen, notierte sich Werthmann18. Ähnlich sah dies der evangelische Wehrmachtdekan Ernst Schubring, der schrieb: „Am schwersten war hier die Arbeit an den Sterbenden. Sie lagen meistens in Euphorie u. merkten nur in den letzten Augenblicken, wie es um sie stand.“19 Das für Deutschland vernichtende Ende des Russlandfeldzuges veranlasste Werthmann sogar zu massiver Kritik an der Wehrmacht, von der er auch die Wehrmachtseelsorge nicht ausnahm: „Nun ist es uns deutlich gemacht worden, daß die wahre Überwindung des Bolschewismus gebunden bleibt an die accusatio sui, vor dem allerhöchsten Richter, dem allein das Recht zugebilligt werden kann, ein Urteil zu fällen. Wir haben alle Deutungen der allein Gott zustehenden Hoheit des Gerichts an uns zu reißen versucht und gingen in vermessener Selbstgerechtigkeit an die äußere Vernichtung des Bolschewismus. Mit den Waffen wollten wir ein Gericht abhalten über die Macht im Osten und haben dabei alle bolschewistischen Methoden bejaht, dadurch – was noch schlimmer ist – alle antibolschewistischen Glaubensinhalte – Christentum, Volk, Persönlichkeit, Freiheit – den Dämonien des bolschewistischen Weltempfindens ausgeliefert und eben damit den Bolschewismus noch in jener Höhenlage bejaht, von der aus er allein wirksam bekämpft werden kann.“20

Hinter dieser erstaunlichen Einsicht, stand die sich nach dem Krieg verfestigende Ansicht, dass die Nazis selbst gottlose Bolschewisten gewesen seien, in deren Dienst sich die Wehrmachtseelsorge bejahend gestellt habe. Die Soldaten wurden von Werthmann allerdings entlastet: „Ihr wißt“, notierte er sich, „daß jene von der anderen Seite auch Seelen waren, Kameraden und Brüder. Die Woge des Weltgeschehens schleuderte euch gegen die und ihr fühltet euch mit ihnen verbunden und verbündet wider das gemeinsame Schicksal; was konnte der Mann drüben dafür, daß er gegen dich kämpfen mußte? Was konntest du dafür, daß du ihm gegenüber standest?“21

Zu größeren Selbstverwerfungen führten diese Einsichten jedoch nicht. Werthmann schüttelte sie ab wie einen schlechten Traum, denn er war Pragmatiker. Schließlich plante er, die Wehrmachtseelsorge in die neue Zeit unter ihren veränderten politischen Vorzeichen hinüber zu retten. Man habe wieder einmal die falschen Götter verehrt, notierte er. Was man erlebt habe, sei eine

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Vgl. die Notiz Georg Werthmanns vom 30. 6. 1945 (AKMB, SW 7). Ernst Schubring: Die Arbeit der Feldseelsorge im Kriege, o. D. (BA-MA Freiburg, N/281, Nr. 7). Notiz Georg Werthmanns vom 19. 7. 1945 (AKMB, SW 120). Notiz Georg Werthmanns vom 27. 6. 1945 (AKMB, SW 155).

Kontinuitäten

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gewaltige Götterdämmerung gewesen. Doch jetzt sei die Zeit der Ideale vorbei, man sei in der Wirklichkeit angekommen22.

9.2 Kontinuitäten Das Gros der seit den 1950er Jahren publizierten Erinnerungen von Kriegspfarrern enthielt nichts von den Zweifeln und Ernüchterungen, die unmittelbar nach der Niederlage Deutschlands laut geworden waren. Vielmehr vermittelten die Memoiren, Tagebuch- oder Briefeditionen ehemaliger Kriegspfarrer, dass gerade der Ostkrieg mit seinen hohen Verlusten an Menschenleben ein einzigartiges Bewährungsfeld für den christlichen Glauben gewesen sei. Dabei galt die Regel: je erschütternder die Dokumente von Tod und Leid im Krieg, desto größer die Bedeutung des christlichen Glaubens und derer, die ihn hoch gehalten hatten23. In ihren Selbstdarstellungen waren die Kriegspfarrer Inseln christlicher Sinnstiftung inmitten eines sinnlosen Krieges und hatten sich als Träger von Menschlichkeit in einer menschenfeindlichen Umgebung bewährt. Dafür – so der Tenor – seien sie mit einer dankbaren Soldatengemeinde belohnt worden24. Rückblickend beschrieben Kriegspfarrer die Zeit des Ostkrieges häufig als besonders erfüllend. Hier habe das Priestertum seinen tiefen Sinn erfahren, schrieb etwa der ehemalige katholische Kriegspfarrer Johann Anton Hamm 195925. Der schon während des Krieges stets hervorgehobene Zusammenhang zwischen der wachsenden Dramatik des Kriegsgeschehens an der Ostfront und dem Bedürfnis der Soldaten nach dem religiösen Angebot des Kriegspfarrers wurde erneut betont26. Dort, wo die Menschen an der Grenze zwischen Leben und Tod gestanden hätten, seien sie am dankbarsten gewesen, erinnerte sich der ehemalige evangelische Kriegspfarrer Hans Leonhard27. Rückblickend war die „Hochzeit des Todes“ auch die „Hochzeit der Militärseelsorge“. Der ehemalige katholische Kriegspfarrer Anton Vögtle, der nach dem Krieg Professor für neutestamentliche Theologie und Exegese an der Universität Freiburg wurde, verklärte in einer Gedenkrede zum Volkstrauertag 1957 vor dem Deutschen Bundestag den Massentod der Soldaten an der Ostfront mit den Worten:

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Vgl. die Notiz Georg Werthmanns vom 26. 6. 1945, ebd. Vgl. das Schreiben Georg Werthmanns an F. C. Bachem vom 28. 12. 1946 (AKMB, SW02). Vgl. Schmidt, Roter Schnee, 147. Vgl. Hamm, Priester, 81, 98. Vgl. Schmidt, Roter Schnee, 108. Vgl. Leonhard, Leid, 55.

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„Deshalb wurde für sie, für die meisten, die letzte Stunde nicht nur die schwerste, sondern in einem wahren Sinne die größte Stunde ihres Lebens, nicht nur die letzte Not, ein letztes Erleiden, sondern ein letztes Wort zum Leben, die bewusste Hingabe eines zusammengefassten Lebens! So mancher starb anders, besser, leichter, als es Außenstehende ahnten und wahrhaben wollten.“28

Auch die gelungene Mission einzelner „Gottgläubiger“, SS-Männer oder von Kommunisten wurde rückblickend als Erfolg verbucht29. Johann Anton Hamm, der einen Delinquenten noch kurz vor dessen Hinrichtung getauft hatte, erinnerte sich nach dem Krieg: „Welch ein schönes Sterben! Manch einen habe ich fast darum beneidet. Oh, wenn doch alle Menschen die Gnade hätten, so gut gerüstet – ja im Stande der Taufgnade – zu sterben.“30 Ein meist positives Bild zeichneten Kriegspfarer auch von der Zeit ihrer Kriegsgefangenschaft in der Sowjetunion. Durch die Auflösung der alten Hierarchien sowie der institutionellen Bindung an das NS-Regime schienen sich rückblickend die Wirkungsmöglichkeiten der ehemaligen Kriegspfarrer in der Kriegsgefangenschaft potenziert zu haben. In der Gefangenschaft hätten die Kriegspfarrer ihre Arbeit „erweitert und vertieft“, schrieb der katholische Kriegspfarrer Josef Kayser31. Es entstand der Eindruck, als hätten sich die Kriegspfarrer in der Kriegsgefangenschaft zum ersten Mal wirklich ganz auf die geistlich-seelsorgerliche Seite ihres Berufes konzentrieren können32. Das Vakuum, das die NS-Ideologie in den Köpfen der Soldaten hinterlassen hatte, konnte nun – so schien es – leicht von den Kriegspfarrern mit den Inhalten des christlichen Glaubens gefüllt werden. Für Stelzenberger hatte der Zusammenbruch des nationalsozialistischen Koordinatensystems bei den Soldaten ein Bedürfnis nach „menschlich gültiger Ordnung“ ausgelöst. Vor diesem Hintergrund sprach er von einem „sakralen Frühling“ in den Kriegsgefangenlagern der Sowjetunion. Die Theologie habe hoch im Kurse gestanden wie noch nie. Die Gottesdienste hätten – soweit geduldet – Massenbesuch verzeichnet33. Auch seien die Gegensätze beider Konfessionen gegenüber der Bedrohung durch den Sowjetkommunismus zurückgetreten und hätten einer hohen Aufgeschlossenheit für die Eigenart der anderen Konfession Platz gemacht. Seien sich im Krieg vor allem die Kriegspfarrer beider Konfessionen durch ihr enges Arbeits- und Wohnverhältnis näher gekommen, hätten sie sich während 28 Gedenkrede Anton Vögtles im Plenarsaal des Bundestages zum Volkstrauertag 1957 (AKMB, SW 891). Vgl. auch Tewes, Seelsorger, 30. 29 Vgl. Hamm, Priester, 47, 103. 30 Ebd., 98. 31 Josef Kayser: Das Kreuz von Stalingrad. Undatierter Artikel [um 1960] für die katholische Kirchenzeitung des Bistums Berlin „Petrusblatt“, der von der Redaktion abgelehnt wurde (AKMB Sg Kayser, Nr. 19). 32 Vgl. Tewes, Seelsorger, 88. 33 Erinnerungen Johannes Stelzenbergers an die Zeit seiner Kriegsgefangenschaft vom 24. 10. 1962 (AKMB, SW 837).

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der Kriegsgefangenschaft in der glücklichen Lage befunden, einander näher kennenzulernen. Gerettete Ausgaben des Neuen Testaments oder das katholische Messbuch „Schott“ seien von Hand zu Hand gewandert und hätten die Grundlage für gemeinsame Lesungen und Gespräche gebildet. Man habe sich die Vorträge von Pfarrern der anderen Konfession angehört, deren Gottesdienste besucht und alles vermieden, was von der anderen Seite als unangenehm empfunden werden konnte. Jahrhundertealte Vorurteile zwischen den Konfessionen seien so gemildert oder beseitigt worden34. Die Erinnerungen von Kriegspfarrern vermitteln den Eindruck, als sei das Christentum in der Kriegsgefangenschaft gehütet worden wie ein kostbarer Schatz, den man gegen die Angriffe des gottlosen Kommunismus gerettet hatte35. Charakteristisch für diese Sicht sind die Erinnerungen des katholischen Priestersoldaten Josef Zimmerl, der beschrieb, wie er seinen Messkoffer durch die gesamte Zeit der Kriegsgefangenschaft in wechselnden Lagern mit listiger Umsicht vor dem Zugriff der Kommunisten in Sicherheit gebracht habe36. Solche Bilder von der Kriegsgefangenschaft hielten der Realität kaum stand. Ein im alltäglichen Lagerleben praktiziertes „lebendiges Christentum“ hat es – wenn überhaupt – nur in Ausnahmefällen gegeben37. Für den ehemaligen evangelischen Pfarrersoldaten Helmut Gollwitzer waren die deutschen Gefangenen taub für die christliche Verkündigung. Ihre Weltanschauung habe aus Trägheit, Vulgärrationalismus und einer negativen Metaphysik bestanden38. Gestützt wird diese Sicht durch neuere Studien, die belegen, dass die Kriegsgefangenschaft in der Sowjetunion keinerlei erhöhtes Interesse an christlicher Neuorientierung bei den Gefangenen auslöste39. Das antikommunistische Menschenbild blieb in den Erinnerungen von Kriegspfarrern stabil. Auch nach 1945 schlossen die Geistlichen von der „Gottlosigkeit“ des Sowjetmenschen auf dessen „Seelenlosigkeit“ und „Entmenschlichung“. Die Ansicht, dass der Einfluss der Kommunisten die Menschen der Sowjetunion „vertiert“ habe, findet sich bis in die 1990er Jahre40. Wie leicht sich christliche Argumente, die schon den Krieg gegen die Sowjetunion legitimiert hatten, auch im Kalten Krieg einsetzen ließen, zeigte das 1950 erschienene Pamphlet Egon Walters, alias Wilhelm Uhl, über seine Zeit der Kriegsgefangenschaft als Priestersoldat in der Sowjetunion. Für Walter ging es seit den 1920er Jahren um den Kampf zweier „Geistesgiganten“, die sich als Höllenfürst (Sowjetunion) und Fels Petri (Katholische Kirche) in einer

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Vgl. ebd. Vgl. Peifer, Menschen, 178–264. Vgl. Zimmerl, Geschichte. Vgl. Lehmann, Gefangenschaft, 112 und Gollwitzer, … und führen, 83, 94. Ebd., 31. Vgl. Petzinna, Kriegsgefangenschaft, 93–95. Peifer, Menschen, 149.

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heilsgeschichtlichen Auseinandersetzung gegenüberstanden41. Walter unterschied nicht zwischen Opferbereitschaft im militärischen Einsatz und der christlichen Opferbereitschaft im „Geisteskampf“ gegen die Sowjetunion42. Die Deutschen, so meinte er, müssten nur mehr beten und opfern, um am Ende doch noch Gottes Beistand für den Sieg über den Bolschewismus zu erlangen. Denn auf diesem Wege würde sich das Christentum in Deutschland zu einer Geistesmacht entwickeln, die bereit sei, „alles zu geben, alles zu opfern, alles, auch das Leben.“43 Ebenso ungebrochen ließ sich an die Figur des „jüdischen Bolschewismus“ anknüpfen. Wiederholt verwies man auch jetzt noch auf die enge Verbindung der Juden mit der kommunistischen Partei44. Gleichzeitig hatte sich der Glaube gehalten, dass das einfache Volk in der Sowjetunion im Grunde seines Herzens christlich geblieben sei. Das Ziel, die Bevölkerung in der Sowjetunion von der Herrschaft des Kommunismus zu befreien, erschien auch im Rückblick noch lohnend. So notierte Georg Werthmann im Mai 1945: „Mit gläubiger Verehrung blickten diese Menschen des Ostens zum deutschen Soldaten auf und sahen in ihm den Bannerträger neuen religiösen Lebens nach all der vorausgegangenen religiösen Unterdrückung.“45 Die Erinnerungsliteratur von Kriegspfarrern fokussierte sich auf den Binnenraum ihres Tätigkeitsfeldes und nahm damit auch nach 1945 eine Haltung ein, die schon im Krieg bestimmend gewesen war. Im Mittelpunkt ihrer Schilderungen stand die eigene Gruppe. Selbst der Tod der Soldaten blieb auf die eigene Gruppe bezogen, die sich wie eine von der Welt isolierte Gemeinschaft gegenüber der Naturgewalt des Krieges zu behaupten suchte. In diesem Licht erschien der Kriegstod eines Soldaten wie ein freiwilliger Liebesdienst an den Kameraden. Er starb aus „Nächstenliebe“ und „Verantwortungsbewusstsein“, hieß es etwa in einer Ansprache des evangelischen Divisionspfarrers Erich Kühn am 4. Mai 195346. Der Massentod deutscher Soldaten wurde in einer solchen Binnensicht wie ein „gigantischer Prozess der Selbstvernichtung“ empfunden47. Dies war auch der Grund, warum Kriegspfarrer nach dem Krieg ihr „gutes Gewissen“ behielten. Schließlich hatten sie ihrer Gruppe unter „schwersten Bedingungen“ gedient48. Der Blick auf die Opfer der Massenverbrechen von 41 42 43 44 45 46

Walter, Priester, 20. Vgl. Damberg, Kriegsdeutung, 114. Walter, Priester, 20. Vgl. Hamm, Priester, 23, 31. Notiz Georg Werthmanns vom 25. 5. 1945 (AKMB, SW 112). Ansprache des evangelischen Divisionspfarrers Erich Kühn „anlässlich der Enthüllung einer Gedenktafel für die Gefallenen und Vermissten des Jäger-Regimentes 75 am 113er Denkmal in Freiburg i. Breisgau am Pfingstsonntag, den 4. 5. 1953“ (LKA Stuttgart, P32). 47 Schmidt, Roter Schnee, 55. 48 Weis, Kraft, 484.

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Wehrmacht und Einsatzgruppen fehlte indes nahezu vollständig. Fanden sie Erwähnung, entschuldigte man die Mörder mit dem Hinweis auf die Gewaltandrohung der NS-Diktatur oder der „harten Logik“ des Krieges49. Eine Ausnahme bildeten die posthum publizierten Aufzeichnungen des evangelischen Kriegspfarrers Hans Leonhard, in dem ohne Beschönigung der Mord eines Wehrmachtarztes an einem russischen Kriegsgefangenen geschildert wird: „Ein Russe wurde eingeliefert, den Kiefer zertrümmert. Der Kieferchirurg gibt eine Spritze und sagt dann fast lachend: ,Ein Deutscher wäre daran sofort gestorben.‘ Eine zweite Spritze tut dann die beabsichtigte Wirkung.“50 Nur vereinzelt blickten die ehemaligen Kriegspfarrer in ihren Erinnerungen über ihr einstiges Wirkungsfeld innerhalb der Truppe hinaus. So heißt es bei Johann Anton Hamm: „Stellen Sie sich mal vor, unsere deutschen Mütter würden so dahergejagt durch Wälder und Felder mit der letzten kleinen Habe, barfuß – nicht wissend, wo sie die Nacht verbringen, wo sie etwas zu essen bekommen oder einen Schluck trinkbaren Wassers!“51

Ähnliche Überlegungen finden sich bei Rudolf Peifer, der ganz allgemein die Parteilichkeit im Krieg bedauerte: „Ich glaubte, ein überzeugter Christ zu sein und ein halbwegs ordentlicher Priester und freute mich doch über den Erfolg der eigenen Soldaten. Sicher, menschlich verständlich: Lieber sollen doch die anderen ,dran‘ sein und nicht wir! Hinterher erst stellte sich dann der Kater ein: Wiegen der Schmerz und die Trauer der anderen Mütter, Frauen und Kinder weniger als die der unseren? Wie irrsinnig ist so ein Krieg!“52

9.3 Strategien der Verteidigung Im Juni 1945 hatte der ehemalige Wehrmachtdekan Ernst Schieber einen Bericht für seine Kirchenleitung mit dem Titel „Beitrag zur Erörterung der ,Schuldfrage‘ nach den Erfahrungen eines Heeresgruppen- und Wehrkreispfarrers“ verfasst. Darin war er zu dem Ergebnis gekommen: „Die Wehrmacht 49 „Wir sind doch alle stumme Hunde gewesen, sonst wären wir – was man uns als Anklage oft sagt – ich sage das als Erkenntnis vor Gott und nicht vor Menschen – sonst wären wir alle in den Konzentrationslagern zugrunde gegangen“, hieß es in einer Andacht des evangelischen Kriegspfarrers Erich Kühn vor kriegsgefangenen Pfarrern und Ärzten um das Jahr 1946 (LKA Stuttgart, P 32); vgl. auch Zimmerl, Geschichte, 44 und Schmidt, Roter Schnee, 81 f. 50 Leonhard, Leid, 38. Der Herausgeber kommentiert diese Stelle mit den Worten: „Ich nehme an, mein Vater wollte mit dieser Formulierung ausdrücken, daß die zweite Spritze den Tod herbeiführte. (H.-W. L.).“ 51 Hamm, Priester, 119. 52 Peifer, Menschen, 164.

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insgesamt und grundsätzlich hält sich vom Kriegsverbrechen frei“. Schuld an den Massenmorden im Ostkrieg seien die SS und die ausländischen Hilfstruppen gewesen53. Eine Sicht, die auch sein Amtsbruder Bernhard Bauerle teilte, wenn er davon sprach, dass es Litauer und Letten gewesen seien, die sich mit den Judenliquidationen für das gerächt hätten, was ihnen zuvor von den Juden angetan worden sei54. Die Wehrmacht, so meinte Bauerle, sei an den Verfolgungen der Juden nicht beteiligt gewesen. Der ehemalige evangelische Kriegspfarrer Ernst Ufer teilte diese Sicht, als er schrieb, die Wehrmacht habe die Zivilbevölkerung der eroberten Gebiete unterschiedslos korrekt und nach militärischer Vorschrift behandelt55. Die Argumente der Kriegspfarrer fügten sich ein in die lautstark betriebene Rehabilitierung von Generälen und Wehrmachtsoldaten bis hin zu den Kriegsverbrechern in der frühen Bundesrepublik56. Die Ehrenerklärung, die Bundeskanzler Konrad Adenauer für die deutschen Soldaten am 3. Dezember 1952 vor dem deutschen Bundestag abgab, verlieh dieser Perspektive gleichsam regierungsamtlichen Status57. Die Memoiren deutscher Wehrmachtgeneräle, die seit Beginn der 1950er Jahre im Zeichen des Kalten Krieges auf den Markt drängten, befestigten in den folgenden Jahrzehnten das Bild von der „sauberen Wehrmacht“ in der Bundesrepublik58. Auch die einstigen Wehrmachtseelsorger sahen keinerlei Anlass, die Wehrmacht zu kritisieren. Im Gegenteil: Selbst katholische Kriegspfarrer wie Johann Anton Hamm, die mit dem Regime in Konflikt geraten waren, verteidigten die deutsche Kriegführung bis hin zu der Behauptung, die Wehrmacht habe die russischen Kriegsgefangenen in hohem Maße menschlich behandelt59. Das Bild von der „sauberen Wehrmacht“ ermöglichte einen problemfreien Umgang mit dem Krieg gegen die Sowjetunion. Zwar erwähnten ehemalige Kriegspfarrer zuweilen die Verstrickung von Wehrmachtangehörigen in Verbrechen, was jedoch ihr gutes Bild von der Wehrmacht nicht beeinträchtigen konnte60. Häufig lobten sie auch die gute Kameradschaft mit christlichen Generälen, Stabsoffizieren und Soldaten61. 53 LKA Stuttgart, 375 I. 54 Vgl. Bernhard Bauerle: Aus dem Erleben eines Armeepfarrers im Westen und im Russlandfeldzug (LKA Stuttgart, NL Bauerle, Nr. 1). 55 Vgl. Ufer, Männer, 83. 56 Vgl. Frei, Vergangenheitspolitik. 57 Vgl. Wolfrum, Demokratie, 112 f. 58 Bald, Kämpfe, 19–21; Wette, Bundeswehr, 97–99. 59 Vgl. Hamm, Priester, 17. 60 Vgl. Perau, Priester, 160. 61 Vgl. Ufer, Männer, 83. Für den katholischen Kriegspfarrer Emil Weis hatte es ausschließlich „brave Männer und Jungmänner“, „vortreffliche Kommandeure, Befehlshaber und Einheitsführer“, „prächtige Offiziere, Uffziere und Soldaten“ gegeben. Weis, Kraft, 21.

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Erst im Klima der gesellschaftlichen und politischen Umbrüche der 1960er Jahre geriet diese unkritische Sicht auf die Rolle der Wehrmacht im Ostkrieg in die Kritik. Nun wurden selbst in katholischen Kreisen Zweifel an allzu positiven Darstellungen der Wehrmacht laut. 1961 lehnte der katholische „EchterVerlag“ – gestützt auf ein Gutachten des Theologen Friedrich Wulf SJ – das Manuskript Josef Peraus ab, weil die Paradoxie „Priester und Soldat“ hier nicht zum Ausdruck komme und die Einstellung zum „Kommiß“ wie auch zum Dritten Reich nicht ablehnend genug sei. Eine allgemeine Distanzierung vom nationalsozialistischen Krieg war das mindeste, was man hier von einem Mann der Kirche erwartete62. Herbert Krimm, der frühere evangelische Kriegspfarrer, der 1956 für einige Monate das Amt des Generaldekans des evangelischen Militärbischofs der Bundesrepublik Deutschland wahrnahm, wurde von seiner Vergangenheit eingeholt, als er sich in seiner Funktion als Dekan der Theologischen Fakultät der Universität Heidelberg gegen die Forderung linker Studentenverbände nach studentischer Mitbestimmung stellte. Daraufhin veröffentlichte die „SDS-Projektgruppe Theologie“ Zitate aus einem Aufsatz Krimms von 1940, die beweisen sollten, dass Krimm ein „rechter Reaktionär“ gewesen sei. Krimm, so hieß es, habe die „einmalige Gewalt und Größe des Krieges“ verherrlicht und den Sieg der deutschen Waffen als zukunftsträchtig gefeiert63. Die Studenten fragten Krimm, welche theologischen Gründe ihn zu der problematischen Fehleinschätzung des nationalsozialistischen Eroberungskrieges geführt hätten, eine Frage, die Krimm den Studenten nicht beantwortete64. Der Vorwurf einer zu großen Nähe der Wehrmachtseelsorge zum NS-Regime ist seitdem nicht mehr verstummt. 1988 schrieb der katholische Generalvikar Ernst Niermann an den ehemaligen Kriegspfarrer Anton Vögtle: „Die Haltung der Kirchen während des Dritten Reiches wird ja allenthalben diskutiert, und mit zunehmendem zeitlichen Abstand gerät auch die katholische Feldseelsorge allzu leicht in die Nähe einer Komplizenschaft zu den Nationalsozialisten. Dagegen ist mit apologetischen Stellungnahmen wenig auszurichten; hilfreich ist allein die nüchterne Schilderung der Chancen und Möglichkeiten –

62 Schreiben des Echter-Verlags an Georg Werthmann vom 21. 6.1961 (AKMB, SW 642). Möglicherweise blieb Perau nicht unbeeindruckt von solcher Kritik, denn er versuchte, in seinen als Tagebuch publizierten Kriegsbriefen den Eindruck zu erwecken, als sei er ohne eigenes Zutun zum Kriegspfarrer ernannt worden, während aus unpublizierten Briefstellen an seine Eltern hervorgeht, dass er sich 1939 aktiv um das Amt des Kriegspfarrers beworben hatte. Vgl. die unterschiedlichen Aussagen in: Perau, Priester, 24 und in den Briefen Peraus an seine Eltern (AKMB, NL Josef Perau, Nr. 3). 63 Schreiben der SDS-Projektgruppe Theologie an Herbert Krimm vom 20. 7. 1968. In: Dokumentation Krimm 1969 (UA Heidelberg, Rep 17/22). 64 Vgl. die „Dokumentation Krimm“ von 1969, ebd. Vgl. auch Krimm, Kirche der Heimat.

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freilich auch der Schwierigkeiten – dieses besonderen priesterlichen Dienstes und das Zeugnis der Zeitgenossen.“65

Gegen den Vorwurf, mit dem NS-Regime paktiert zu haben, machten die ehemaligen Wehrmachtseelsorger ihren kirchlichen Auftrag geltend. Sie hätten einzig das Evangelium verkündet und damit nur dem Menschen gedient, hieß es. Folgerichtig war der Bericht des evangelischen Wehrmachtdekans Ernst Schieber über die Jahre zwischen 1933 und 1945 mit dem Titel „pfarramtliche Tätigkeit“ versehen. Schieber wollte bewusst nichts anderes über den Krieg berichten als das, was „nach den Worten unseres Konfirmandenbüchleins“ die Königsherrschaft Jesu Christi bezeuge. Die einzige Anweisung des Feldbischofs in dieser Zeit habe darin bestanden, möglichst viele für Christus zu gewinnen66. Das hier gezeichnete Bild einer unpolitischen Wehrmachtseelsorge wurde von katholischer Seite ebenso vertreten wie von evangelischer. Auch die Anhänger der Bekennenden Kirche, die nach 1945 den Ton in der evangelischen Kirche bestimmten, stellten nach dem Krieg die Wehrmachtseelsorge in diesem Sinne dar. Der ehemalige Kriegspfarrer und Schriftsteller Albrecht Goes schilderte in seiner Novelle „Unruhige Nacht“ das moralische Dilemma eines Kriegspfarrers innerhalb der Wehrmachtjustiz, der einerseits dem menschenverachtenden Regime dienstbar war, indem er dafür sorgte, dass der Delinquent seine Hinrichtung akzeptierte, der sich aber andererseits moralisch auf der Seite des Delinquenten fühlte67. Der Hinweis des Geistlichen, aus einer „eigenen Welt“, der Welt des Evangeliums, zu kommen, wirkt wie ein konstruierter Ausweg, um sich der eigenen ambivalenten Rolle innerhalb des brutalen Militärregimes zu entziehen68. Der ehemalige katholische Kriegspfarrer Bernhard Schmidt begann seine 1981 publizierten Erinnerungen mit der Richtigstellung: „Geist und Sendung empfängt die Feldseelsorge bei der kämpfenden Truppe nicht von den irdischen Machthabern, sondern von Ihm, dem ,alle Macht im Himmel und auf Erden gegeben ist.‘“69 1990 erklärte der frühere katholische Kriegspfarrer Johann Schmutz gegenüber einem Journalisten: „Wir haben unseren Auftrag nie gesehen, dass wir jetzt die Truppe moralisch aufrüsten müssen für den Kampf, sondern dass wir bei ihnen sind, um ihnen zu helfen, und ihnen beizustehen“70. Zum Abschied schenkte er dem Journalisten einen seiner Vorträge von 1942, in dem er

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Schreiben Ernst Niermanns an Anton Vögtle vom 20. 4. 1988 (AKMB, SW 891). Bericht Ernst Schiebers über die pfarramtliche Tätigkeit 1933–1945 (LKA Stuttgart, 375 I). Vgl. Goes, Unruhige Nacht, 39, 68. Ebd., 34. Schmidt, Roter Schnee, 15. Hervorhebungen im Original. Interview Karl Peschkes mit Johann Schmutz vom 27. 3. 1990 (AKMB, SW 761).

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allerdings zu ganz anderen Aussagen gekommen war71. Danach war die Wehrmachtseelsorge eine „Vertiefung und Erhöhung“ der „natürlichen Ethik“, die sich aus dem „Gesetz des Blutes“ herleitete. Inhalte dieser Ethik waren „Mannesehre, Truppenehre, Fahnenehre, Mannesmut, Kampfeslust“. Der Tod auf dem Felde – so hieß es dort – sei die „höchste Ehre und Vollendung des Lebens“72. Die Behauptung, nur dem Evangelium und damit dem Trost und dem Seelenheil der Soldaten gedient zu haben, schützte die Kriegspfarrer vor jeder tiefer gehenden Selbstkritik. Eine politische Verbindung zum Nationalsozialismus konnte es aus dieser Perspektive gar nicht gegeben haben73. Nach dem Krieg machte Werthmann seinen ehemaligen vorgesetzten Feldbischof Rarkowski für die allzu sichtbare Anbiederung der katholischen Wehrmachtseelsorge an Hitler verantwortlich und die neuere Forschung ist seiner Darstellung bislang weitgehend unkritisch gefolgt74. Doch in Bezug auf die Rolle Werthmanns als anti-nationalsozialistischer Teil der katholischen Wehrmachtseelsorge handelt es sich vermutlich um eine von Werthmann selbst beförderte Legende, mit deren Hilfe er ungestört von den Belastungen der Vergangenheit den Aufbau der katholischen Militärseelsorge nach 1945 vorantreiben konnte. Rarkowski gab einen idealen Sündenbock für die politischen Entgleisungen der katholischen Wehrmachtseelsorge im Zweiten Weltkrieg ab, zum einen weil er bereits 1950 verstarb, zum anderen weil er ohnehin ein kirchlicher Außenseiter gewesen war. Auch andere ehemalige Wehrmachtseelsorger zeigten auf Rarkowski, wenn es um die Nähe zum NSRegime ging. So hieß es bei Rudolf Peifer: „Er stand, ,treu zu Führer und Reich‘. Seine – Gott sei Dank! – seltenen Hirtenbriefe an die Soldaten gaben davon Zeugnis. Weihnachten 1942 z. B., also wenige Wochen vor dem Fall von Stalingrad, schrieb er einen solchen. Ich bekam im Kaukasus ein großes Paket mit vielen Exemplaren zum Verteilen an die Truppe. Ich gestehe es offen: Nachdem ich ihn gelesen hatte, ging das ganze Paket sofort in den Ofen. Kein Exemplar wurde verteilt. Der Brief war uns nicht zuzumuten. Denn er pries den Führer und seinen Krieg.“75

Die vermeintliche Distanz der Wehrmachtseelsorge zum NS-Regime ließ sich scheinbar leicht belegen. Schließlich hatten die Gegner des Christentums aus Staat und Partei den Einfluss der Wehrmachtseelsorge im Heer bekämpft. In den Augen ehemaliger Wehrmachtseelsorger hatte das NS-Regime seine ganze

71 Vgl. das Vortragsmanuskript von Johann Schmutz „Erfahrungen und Aufgaben der Truppenseelsorge“ für den Frontlehrgang der Kriegspfarrer beim A. O. K. 20 vom 14. bis 20. 11. 1942 (AKMB, SW 764). 72 Ebd. 73 Vgl. oben 76 f. 74 Vgl. Rçw, Militärseelsorge, 99 und Faulkner Rossi, Wehrmacht Priests, 77. 75 Pfeifer, Menschen, 15.

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Inhumanität schon dadurch bewiesen, dass es die Wehrmachtseelsorge „geknebelt“ und langfristig ihre Liquidierung angestrebt hatte76. „Die Menschen müssen heute noch erfahren, wie unmenschlich sie behandelt worden sind durch die Knebelung der Wehrmachtsseelsorge“, erklärte der spätere evangelische Militärbischof Hermann Kunst 1951, der im Ostfeldzug als evangelischer Kriegspfarrer tätig gewesen war77. Daraus folgte für ihn mit großer Selbstverständlichkeit die Zugehörigkeit der Wehrmachtseelsorge zum Widerstand gegen das NS-Regime78. Ähnlich sah es Georg Werthmann, der seine ehemaligen Vorgesetzten im OKH generell als Gegner des NS-Regimes einordnete, weil diese sich für den Erhalt der Institution der Wehrmachtseelsorge eingesetzt hatten79. Tatsächlich ist es zu aktivem Widerstand von Wehrmachtseelsorgern gegen das NS-Regime nicht gekommen. Dennoch zeigten einzelne Kriegspfarrer wie Karl-Heinz Becker, die katholischen und evangelischen Divisions- und Lazarettpfarrer, Josef Maria Reuss, Wilhelm Kornmann, Ernst Tewes und Gerhard Wilczek widerständiges Verhalten, das durch die Behandlung der jüdischen Zivilbevölkerung im Ostkrieg durch Wehrmacht und SS ausgelöst wurde80. Weitaus mehr widerständiges Verhalten unter Kriegspfarrern fand sich dort, wo es um eigene Anliegen, wie die Rechristianisierung der Sowjetunion ging. Dafür verstießen viele Kriegs- und Wehrmachtpfarrer gegen die Richtlinien der NS-Führung: Sie tauften Einheimische, hielten Gottesdienste für sie und beteiligten sich am Wiederaufbau zerstörter Kirchen. Dieses Verhalten, das häufig von der militärischen Führung toleriert oder sogar gefördert wurde, konnte durchaus zu Konflikten führen81. So wurde Johann Anton Hamm nach einer Reihe von Prozessen am 25. September 1944 vom Zentralgericht des Heeres wegen Wehrkraftzersetzung verurteilt, weil er in Missachtung der Führerrichtlinien vom 6. August 1941 kirchliche Amtshandlungen an der Zivilbevölkerung der neubesetzten Ostgebiete vorgenommen hatte82. Rückblickend schien es plausibel, wenn Ernst Tewes über den Ostkrieg 76 Notiz Georg Werthmanns vom 17. 7. 1945 (AKMB, SW 1019). 77 Schreiben Hermann Kunsts an Herbert Krimm vom 16. 11. 1951 (UA Heidelberg, Rep. 17/3). 78 Vgl. Hermann Kunst: „Laudatio für Präsident D. Friedrich Münchmeyer“ vom 14. 2. 1976 (ADW Berlin, FM 9). 79 Vgl. die Briefwechsel Georg Werthmanns mit den ehemaligen Vorgesetzten der Amtsgruppe Seelsorge des OKH Gerd Kauffmann und Alfred Weidemann sowie dessen eidesstattliche Erklärungen für Karl Edelmann und Otto Senftleben vom 12. und 16. 12. 1946 (AKMB, SW 1019). 80 Vgl. oben 166–172. 81 General Gerd Kauffmann dachte darüber nach, sich als Opfer des Faschismus eintragen zu lassen, weil er das Christentum in den eroberten Territorien gefördert hatte und mutmaßte, aus diesem Grund entlassen worden zu sein. Vgl. das Schreiben Gerd Kauffmanns an Georg Werthmann vom 18. 4. 1949, ebd. 82 Vgl. das unveröffentlichte Manuskript von Johann Anton Hamm über seine Denunziation, seine Prozesse und seine Haftzeit in (AKMB, SW 386).

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schrieb: „Es war nicht unser Krieg“ und erklärte, man habe den Krieg als das große Unrecht reflektiert, das von Deutschland ausging, und darunter gelitten83. Der katholische Kriegspfarrer Bernhard Schmidt wollte sogar von Beginn an das Gefühl gehabt haben, etwas Unrechtes zu tun und sich damit schuldig zu machen84. Mit den hier ausgewerteten zeitgenössischen Quellen lassen sich solche Zweifel am Sinn des Ostfeldzuges allerdings nicht untermauern.

9.4 Die Umdeutung der Niederlage Mit der militärischen Niederlage Deutschlands war auch die Weltanschauungsdiktatur des Nationalsozialismus erledigt. Die Kirchen hingegen hatten den Krieg überdauert. In der Bundesrepublik kehrten sie ins Zentrum der Gesellschaft zurück. Hier galten sie als unbelastet und genossen das Vertrauen der westlichen Alliierten, insbesondere der Briten und Amerikaner, die ihnen im Rahmen der Reeducation die Möglichkeit gaben, den geistigen Neuaufbau der Bundesrepublik entscheidend mitzugestalten85. Nach Jahren der Zurücksetzung bekamen die Kirchen die von ihnen beanspruchte Achtung als gesellschaftlich und kulturell bedeutende Instanz zurück86. Vor dem Hintergrund von Existenznot und fehlenden staatlichen Institutionen übernahmen sie nicht nur sozialpolitische Aufgaben, sondern auch die Rolle politisch-moralischer Volksvertretungen87. In dieser Situation dominierten christliche Deutungsangebote den Blick auf den zurückliegenden Krieg. Auch die Vertreter der ehemaligen Wehrmachtseelsorge bekamen die Möglichkeit, ihren Beitrag dazu zu leisten. Gestützt auf ein Netzwerk, das sie bereits während des Krieges durch die Korrespondenz mit den Verwandten gestorbener Soldaten geknüpft hatten, nahmen sie gewissermaßen eine Mittlerfunktion zwischen den Toten des Krieges und den Lebenden der Nachkriegszeit ein. Als Sinndeuter des millionenfachen Sterbens fanden manche Geistliche ein Narrativ, das den Krieg in eine Geschichte des siegreichen Glaubens transformierte88. Je hoffnungsloser das Kriegsgeschehen, desto eher eignete es sich für die Erzählung vom Triumph des christlichen Glaubens. Dabei erinnerte man mit Vorliebe an das militärische Desaster der 6. Armee vor Stalingrad. So schrieb der frühere katholische Kriegspfarrer Josef Kayser: 83 84 85 86 87 88

Tewes, Seelsorger, 12, 84. Vgl. Schmidt, Roter Schnee, 42. Vgl. Greschat, Christenheit, 32 f., 37–39. Vgl. Kuhlemann, „Protestantische Traumatisierungen“, 74 f. Vgl. Maier, Einführung, 8. Ernst Ufer hatte dies bereits 1944 zum Programm erklärt: „Es wird für unseren Verkündigungsdienst jetzt alles darauf ankommen, daß die hinter uns liegende Kriegsgeschichte zu einer Glaubensgeschichte wird.“ Ufer, Männer, 389.

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„Das Kreuz von Stalingrad. Seine Geschichte wird nicht von Menschenhand geschrieben werden. Es ragt auf unzähligen Gräbern, Hände umkrampften es im letzten Kampf, Augen blickten zu ihm auf, Herzen öffneten sich ihm! Das Kreuz Christi strahlte Trost und Gnade hernieder in ungezählten Seelen, denen Menschenzunge in diesem Inferno nichts mehr sagen konnte. […] Alles brach zusammen, nur eines blieb stehen: Das Kreuz!“89

Im Zentrum dieser Siegeserzählung stand die neutestamentarische Figur des Christusopfers, in dessen Umfeld oder gar Nachfolge der Soldat gestellt wurde, der für seine Nation gestorben war. Sie war – wie gezeigt werden konnte – während des Krieges ein allgegenwärtiges Deutungsmuster der Wehrmachtseelsorge. Ihren sinnfälligen Ausdruck hatte die christliche Opfererzählung in der zu Beginn des Ostfeldzuges publizierten Schrift „Das Opfer“ gefunden, einer Gemeinschaftsarbeit des katholischen und evangelischen Feldbischofsamtes90. Darin hatte man den von den Machthabern geforderten Heldentod in das Heilsgeschehen vom Opfertod Jesu integriert und gleichsam christlich aufgeladen91, eine Tendenz, die sich auch in den Schriften des evangelischen Universitätstheologen Werner Elert während des Krieges fand, der 1943 im Christusgeschehen das schicksalhafte und stellvertretende Soldatenopfer präfiguriert fand92. Nach dem Krieg spielte die Forderung an die Soldaten, den Heldentod zu sterben, zwar keine Rolle mehr, aber das Opfer als christliches Deutungsmuster für den Soldatentod blieb präsent. Befreit von seiner einstigen Verbindung zu den politischen und militärischen Kräften des Nationalsozialismus half es den Deutschen, den Kriegstod ihrer Väter, Söhne und Ehemänner mit Sinn zu versehen. So hatten sich in den Augen Josef Kaysers die deutschen Soldaten nicht für die nationalsozialistische Wehrmacht geopfert, sondern für das Kreuz Christi93. Darüberhinaus half das Bild vom Christusopfer, dem zurückliegenden Krieg in einer Haltung der „Selbstviktimisierung“ zu begegnen94. Das Bewusstsein zu einer Opfergemeinschaft zu gehören, erlaubte es sogar nach dem Muster des klassischen Märtyrergedenkens die physische Niederlage in einen moralischen Triumph des Evangeliums Christi umzuwandeln95. 89 Josef Kayser: Das Kreuz von Stalingrad. Undatierter Artikel [um 1960] für die katholische Kirchenzeitung des Bistums Berlin „Petrusblatt“, der von der Redaktion abgelehnt wurde (AKMB, Sg Kayser, Nr. 19). 90 Das Opfer; vgl. oben 128 f. 91 Ebd.; vgl. auch Missala, Volk, 169. 92 Vgl. Werner Elert: Warum ist unser Gottesglaube nicht von Christus zu lösen? Vortragsmanuskript von 1943. Zitiert bei Neddens, Theologie, 371. 93 Josef Kayser: Das Kreuz von Stalingrad. Undatierter Artikel [um 1960] für die katholische Kirchenzeitung des Bistums Berlin „Petrusblatt“, der von der Redaktion abgelehnt wurde (AKMB, Sg Kayser, Nr. 19). 94 Vgl. Sabrow, Held, 52. 95 Ich danke Tim Lorentzen für sein Vortragsmanuskript „Gedächtnis und Gott“, das zum Zeit-

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Das Bild vom Christusopfer konnte aber auch noch weitere Deutungen beinhalten, wie etwa die der Sühneleistung. So machte der ehemalige katholische Kriegspfarrer Hans Steffens die Hauptfigur seines fiktiven Kriegstagebuches, einen katholischen Priestersoldaten, zum stellvertretenden Sühneopfer für die Massenverbrechen der Deutschen96. Die Analogie des Soldatentodes zum heilsgeschichtlichen Sterben Jesu Christi schloss auch die Analogie zur Wiederauferstehung Christi ein, wie im auflagestarken und einflussreichen Roman Heinrich Gerlachs „Die verratene Armee“ von 1957 nachzulesen war. Darin verkündete der evangelische Kriegspfarrer Peters: „Gott ist vor Stalingrad gestorben, tausendmal. Mit jedem einzelnen unserer Toten ist er mitgestorben – Und vor Stalingrad wird er auferstehen“97. Gerlachs Figur des evangelischen Kriegspfarrers orientierte sich am Vorbild des katholischen Kriegspfarrers Josef Kayser und zeigt, dass sich das Bild vom Christusopfer gleichsam überkonfessionell zum allgemeinen Deutungsmuster für die Rolle der Deutschen im Krieg in der jungen Bundesrepublik verwenden ließ. Josef Kayser beschäftigte sich noch Jahrzehnte nach dem Krieg mit dem „Opfertod“ der deutschen Soldaten. In seinem „Stalingrad Requiem“ von 1977 hieß es: „Wir sind vom Opfer erfüllt, das unsere Kameraden Dir gebracht haben: das Opfer ihres Lebens. […] Du hast das Opfer Deines Sohnes angenommen und mit ihm hast Du alle geheiligt, denen der Tod zum Schicksal geworden ist: die großen Heere der Geschlagenen und Besiegten, der Gefangenen und Verjagten, der Geplünderten, der Geschändeten und Erniedrigten. [….] Segne sie, Herr, wer sollte denn sonst bestehen vor Dir als sie!“98

Der christliche Märtyrer, der zum Sieger über die Mächte der Finsternis geworden war, wurde zuweilen zum Deutungsmuster für die gesamte geschlagene deutsche Nation99. Danach hatte Deutschland wie Christus stellvertretend die Sünden der europäischen Aufklärung in Form des Nationalsozialismus auf sich genommen und durfte folglich auf seine Auferstehung im Zeichen des Christentums hoffen, wie es ein protestantischer Anonymus bereits 1941 für den Ökumenischen Rat der Kirchen in einer Denkschrift mit dem Titel „Zum Verständnis des deutschen Volkes“ dargelegt hatte100.

96 97 98 99 100

punkt der Niederschrift dieser Studie noch nicht publiziert war; vgl. Lorentzen, Gedächtnis, 3 f. Vgl. Steffens, Priester, Soldaten, Uniformen, 136. Gerlach, Armee, 204. Josef Kayser: Ein Stalingrader Requiem 1977 (AKMB, SW 469). Zum Begriff des Märtyrers vgl. Hauschild, Märtyrer, 55. Quisquid: Zum Verständnis des deutschen Volkes. Oktober 1941 (Archiv des RK, D24, Box 14, 109); vgl. dazu Pçpping, Abendland, 261–263.

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Vor dem Horizont des Kalten Krieges lag es nah, den moralischen Sieg des Christentums über die Mächte der Finsternis als Sieg über die atheistische Sowjetunion zu deuten. „Wir werden als Gefangene Rußland bekehren, erobern“, hatte Kriegspfarrer Kayser prophezeit, „Christus siegt in seiner Machtlosigkeit. Als Machtlose werden wir stärker sein denn mit Waffen.“101 In dieser gleichsam heilsgeschichtlichen Umwandlung wurde die Kriegsgefangenschaft in der Sowjetunion zum „Abgrund der Hölle“, dem die deutschen Soldaten und insbesondere die Kriegspfarrer erfolgreich getrotzt hatten, wie der evangelische Pfarrer Walter Becker in einem Vortrag 1950 darlegte102. Wie mächtig dieses christliche Deutungsmuster war, ließ sich in der Wanderausstellung „Kriegsgefangene reden“ des Verbandes der Heimkehrer besichtigen. Die Ausstelllung, die in den Jahren 1951 bis 1962 in 150 Städten der Bundesrepublik und auch im Ausland gezeigt wurde, stellte die deutschen Kriegsgefangenen in die Symbolik der Leidensgeschichte Christi. Kreuz und Dornenkrone sollten die Situtation des deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion veranschaulichen103. In diesem Kontext verwandelten sich sogar kriegsgefangene SS-Leute in Märtyrer, drangsaliert von einer Bande „vertierter Menschenjäger“, wie es Egon Walter, alias Wilhelm Uhl, in seinen „Erinnerungen“ an die Zeit als katholischer Priestersoldat in sowjetischer Kriegsgefangenschaft wortreich zu schildern wusste104. Gewiss handelte es sich bei den hier vorgestellten Denkmustern rückblickender christlicher Kriegsdeutung nicht um theologisch differenzierte Aussagen oder um kirchenamtlich fixierbare Positionen, sondern um Kriegsdeutungen in literarischen und autobiografischen Zeugnissen von Kriegspfarrern oder über Kriegspfarrer. Im Fall der Kriegsgefangenenausstellung war es die Kriegsdeutung des einflussreichen Verbandes der Heimkehrer, der sich vor dem Hintergrund seiner politischen Ziele der christlichen Opferfigur bediente. Doch die christliche Kriegsdeutung, die das Opfer in den Mittelpunkt stellte, war populär, denn sie fügte sich ein in die allgemeine Tendenz der Selbstviktimisierung der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg. Zudem setzte sie eine Deutungslinie fort, die im Krieg von der Wehrmachtseelsorge beider Konfessionen massiv vertreten worden war, wie die gemeinsame Publikation des evangelischen und katholischen Feldbischofsamtes mit dem Titel „Das Opfer“ gezeigt hat105. 101 Russisches Kriegstagebuch von Josef Kayser o. D. (AKMB, Sg Kayser 58). 102 Walter Th. Becker: Was lernen wir aus den Erfahrungen russischer Kriegsgefangenschaft für unseren Dienst als Pfarrer und Seelsorger? Vortrag bei der 4. Pfarrerrüstzeit vom 18. bis 30. 9. 1950 auf Hohensolms (ZAEKHN, 202, Nr. 141, Bl. 7). 103 Vgl. Hegel, Sinnlosigkeit, 81–83; Beil, Erfahrungsorte, 246, 252. 104 Vgl. Walter, Priester, 4–6. 105 Vgl. oben 127–131.

10. Schluss Die zu Beginn gestellte Frage, warum Kriegspfarrer auf der einen Seite Teil der militärischen Führung sein konnten, die den Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion maßgeblich betrieb, während sie gleichzeitig den Krieg in subjektiver Unschuld oder sogar im Bewusstsein ihrer besonderen moralischen Leistung erlebten, kann nach der vorliegenden Studie auf verschiedenen Ebenen beantwortet werden. Zunächst ist festzuhalten, dass man bei den Kriegspfarrern nicht davon ausgehen kann, dass sie den Charakter des Ostkrieges falsch einschätzten. Schon am Anfang des Ostfeldzuges wussten sie, dass dies kein „Normalkrieg“ werden würde, wie Deutschland ihn in den Jahren zuvor im Westen Europas geführt hatte. Sie bekamen Kenntnis von den „verbrecherischen Befehlen“ und wurden im Zuge des Vormarsches ihrer Armeen zu Zeugen des Rasseund Vernichtungskrieges1. Dass die Kriegspfarrer den Ostfeldzug dennoch im Gefühl der moralischen Integrität erlebten und dies auch nach dem Krieg nicht revidierten, verdankte sich u. a. dem Bewusstsein, in der atheistischen Sowjetunion dem ureigenen Feind gegenüberzustehen. Aus Sicht der Geistlichen war dieser Krieg – anders als die vorangegangenen Kriege Hitlers – ein Krieg im eigenen christlichen Interesse, das sowohl die Verteidigung der christlichen Heimat vor einer vermeintlichen bolschewistischen Bedrohung als auch die Befreiung der christlichen Bevölkerung vom Bolschewismus umschloss und insofern moralisch gerechtfertigt war2. Die Erkenntnis, dass es in dieser Frage einen Zielkonflikt zwischen den Geistlichen und dem Regime gab, dass Kriegspfarrer sogar Konflikte mit ihrer militärischen Führung riskierten, wenn sie den Wiederaufbau zerstörter Kirchen in den eroberten Territorien betrieben oder Taufen an Zivilisten vornahmen, verschaffte den christlichen Kriegszielen auch nach dem Krieg noch moralische Anerkennung3. In ihrer Truppe nahmen die Kriegspfarrer die Rolle von Integrationsfiguren ein. Sie vermittelten im Spannungsfeld zwischen Offizieren und Mannschaften, Leben und Tod oder Front und Heimat. Im besten Fall wurden sie zum 1 Die von dem Kirchenhistoriker Jochen-Christoph Kaiser vertretene Ansicht, die Mehrheit der protestantischen Geistlichen habe bis Stalingrad den Krieg für eine Wiederholung des Weltbrandes von 1914/18 gehalten, ohne zu sehen, dass es sich um einen modernen Weltanschauungsund Vernichtungskrieg handele, trifft auf die Kriegspfarrer im Ostkrieg nicht zu. Vgl. Kaiser, Der Zweite Weltkrieg, 221. 2 Vgl. oben 31–43. 3 Vgl. oben 197–203.

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Schluss

„guten Kameraden“, zum Repräsentanten der Menschlichkeit und einer friedlichen Weltordnung innerhalb einer Gesellschaft, die geprägt war von Gewalt, Brutalität, Demütigung und Einsamkeit. Insofern symbolisierte der Kriegspfarrer das, was der Historiker Thomas Kühne als „Kameradschaftsmythos“ beschrieben hat. Was auch immer seine Leute den feindlichen Soldaten oder der Zivilbevölkerung antaten, der Kriegspfarrer war – obgleich Nichtkombattant – einer von ihnen, der die entgegengesetzte Seite von Brutalität und Gewalt verkörperte. Als Mann der Kirche vermittelte er den Soldaten das gute Gefühl, für eine christliche, d. h. moralisch einwandfreie Gemeinschaft zu kämpfen. Der nach außen brutal geführte Krieg gegen die Sowjetunion fand durch den Kriegspfarrer eine moralische Abstützung im Inneren der Truppe4. Das massenhafte Sterben deutscher Soldaten im Krieg gegen die Sowjetunion stellte physische und psychische Ansprüche an die Kriegspfarrer, die sie bis zur Erschöpfung zu erfüllen versuchten. Auch dies schuf ein Bewusstsein der besonderen moralischen Qualität ihrer Leistung. Das gesteigerte Bedürfnis notleidender Soldaten nach religiöser Betreuung bestärkte die Kriegspfarrer in dem Gefühl des beruflichen Erfolges an der Ostfront, dem auch noch rückblickend eine hohe moralische Bedeutung beigemessen wurde5. Zudem bot sich den Kriegspfarrern in dieser Situation eine Gelegenheit, die Masse jener jungen Männer für die Kirchen zurückzugewinnen, die im zivilen Leben längst unerreichbar geworden waren6. Der theologische Umgang der Kriegspfarrer mit dem Krieg gegen die Sowjetunion verstellte eher den Blick auf Kriegsverbrechen und Völkermord, als dass er ihn öffnete, denn er bediente sich einer Opfertheologie, die nicht das Töten des Feindes zum Thema machte, sondern das „Sich-Umbringen-lassen“7. Die Interpretation des Soldatentodes als Märtyrertod transzendierte das Kriegsgeschehen in einen heilsgeschichtlichen Vorgang, der einen eigenen Wert darstellte und noch der deutschen Nachkriegsgesellschaft ein Deutungsmuster bot, das es ermöglichte, sich einer Opfergemeinschaft zugehörig zu fühlen. Eine Gesellschaft von Opfern aber konnte sich schon ihrer Definition nach nicht gleichzeitig für die Verbrechen, die in ihrem Namen geschehen waren, verantwortlich fühlen8. Einzelne Kriegspfarrer wie Johannes Stelzenberger erkannten nicht nur den verbrecherischen Charakter des Krieges gegen die Sowjetunion, sondern verurteilten ihn, wenn auch nur in der Privatheit ihres Tagebuches. Als Zeuge von Verbrechen an der Zivilbevölkerung und den Kriegsgefangenen schämte er sich für das „Tun deutscher Menschen“. Andere Kriegspfarrer wie die 4 5 6 7 8

Vgl. oben 77. Vgl. oben 193 f. Messerschmidt, Militärseelsorgepolitik, 53. Vgl. oben 127–131, 135. Vgl. oben 203–207.

Schluss

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beiden Divisionspfarrer Josef Maria Reuss, Wilhelm Kornmann sowie die Lazarettpfarrer Ernst Tewes und Gerhard Wilczek scheuten sich nicht, bei den vorgesetzten militärischen Stellen zu protestieren, als sie von den Mordplänen der SS an jüdischen Kindern erfuhren. Dabei argumentierten sie indirekt moralisch, indem sie darauf verwiesen, dass es für das sittliche Empfinden von Wehrmachtsoldaten abträglich sei, wenn diese selbst Zivilisten ermorden müssten oder mit den Morden der SS-Einsatzgruppen allzu direkt konfrontiert würden. Der evangelische Kriegspfarrer Karl-Heinz Becker verfasste unter dem Eindruck der Massenverbrechen im Ostfeldzug eine Schrift, die die Wiederherstellung des guten Gewissens der deutschen Nation forderte9. Doch diese Proteste blieben die Ausnahme. Das Gros der Kriegspfarrer reagierte wohl eher mit einer Mischung von „schockiertem Schweigen“ und theologischen Erklärungsversuchen, insbesondere für den Mord an den Juden10. Das Bild von der eigenen positiven Rolle innerhalb der Wehrmacht wurde dadurch jedoch nicht in Frage gestellt. Rückblickend fühlten sich die Kriegspfarrer durch die Angriffe der NSDAP auf die Wehrmachtseelsorge vielmehr darin bestätigt, das Christentum gegen den Nationalsozialismus verteidigt zu haben11. Vor diesem Hintergrund gab es keinen Anlass, die eigene Rolle in Bezug auf eine schuldhafte Verbindung mit dem NS-Staat zu problematisieren. Darüber hinaus hat die Darstellung gezeigt, dass die Gemeinsamkeiten von katholischer und evangelischer Wehrmachtseelsorge während des Krieges und auch im Rückblick auf den Krieg größer waren, als man zunächst vermuten würde. Dies ließ sich auf nahezu allen Aktionsfeldern der Wehrmachtseelsorge nachvollziehen. Trotz gegensätzlicher Traditionen von Protestanten und Katholiken im Verhältnis zum deutschen Nationalstaat stellte keine der beiden Kirchen bei Kriegsausbruch ihre Loyalität zur Nation in Frage. Der Krieg wurde als Sache der weltlichen Obrigkeit angesehen und nicht an Kriterien gemessen, wie sie z. B. in der kirchlichen Lehre vom bellum iustum zur Verfügung gestanden hätten. In beiden Kirchen konnte die weltliche Obrigkeit auch bei den Geistlichen, die sich nicht mit dem Nationalsozialismus identifizierten, eine von Gott legitimierte Autorität beanspruchen. Geistliche beider Konfessionen begriffen den Krieg als göttliche Bewährungsprobe und sahen ihre Aufgabe darin, ihn mit Gebeten zu begleiten und die Gläubigen zu Pflichterfüllung, Einsatz- und Opferbereitschaft für das Vaterland aufzurufen. Der Krieg gegen die Sowjetunion wurde von Geistlichen beider Konfessionen – anders als in den vorangehenden Kriegen – als Chance begriffen, 9 Vgl. oben 172. 10 Vgl. oben 156–173. 11 Vgl. oben 201 f.

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einen ganz eigenen, christlichen Beitrag zum Krieg zu leisten. Denn die Sowjetunion war ein Gegner, den sie selbst seit vielen Jahren leidenschaftlich bekämpften. Die heilsgeschichtliche Deutung des Bolschewismus als „filius iniquitatis“, als „Sohn des Bösen,“ der das Christentum und damit auch die persönliche Existenz bedrohte, ermöglichte es den Kriegspfarrern, aus dem Fundus der eigenen Überzeugungen zu schöpfen, als es um die ideologische Einstimmung der deutschen Truppen auf den Ostkrieg ging. Nicht zuletzt beschrieben sie den Sowjetmenschen als seelenlos, weil er nicht an Gott glaubte, und stützten damit die vom NS-Regime betriebene Dehumanisierung des Kriegsgegners an der Ostfront12. Die Ähnlichkeiten zwischen katholischer und evangelischer Wehrmachtseelsorge wurden dadurch befördert, dass beide Konfessionen die gleiche Stellung innerhalb des militärischen Organisationsgefüges einnahmen. Die Zahl der aktiven Wehrmachtpfarrer und der Kriegspfarrer a. K. war nach einem strengen Paritätsprinzip geregelt. Beide Feldbischofsämter waren in die militärische Hierarchie eingebunden, so dass eine direkte Einflussnahme der Kirchen auf das Wirken ihrer Geistlichen im Feld schwierig war13. Die Position der beiden Feldbischöfe innerhalb des OKH war schwach, ihr Einfluss auf die Auswahl von Kriegspfarrerkandidaten beschränkte sich auf die Annahme oder die Ablehnung der Kandidaten am Ende eines langen Auswahlverfahrens, das maßgeblich von Militär- und Parteistellen entschieden wurde. Auch Struktur und Inhalte der Kriegspfarrerlehrgänge waren für beide Konfessionen gleich. Bis 1942 galt der Maßstab strenger Überkonfessionalität, die den militärischen Gemeinschaftsgottesdienst in den Vordergrund stellte und damit den Gedanken der „Volksgemeinschaft“ im Heer mit Hilfe der Wehrmachtseelsorge zu stärken suchte. Selbst die Motive junger Geistlicher, sich als Kriegspfarrer zu bewerben, waren in beiden Konfessionen ähnlich. Wer bei seinem Eintritt in die Wehrmacht nicht über militärische Erfahrung verfügte, hatte kaum Chancen über einen einfachen Mannschaftsgrad hinauszukommen. Ein einwöchiger Kriegspfarrerlehrgang beim OKH änderte diese Situation grundlegend. Er katapultierte selbst die militärfernsten Geistlichen umgehend in den Offiziersstand, der ihnen ein ansonsten unerreichbares Einkommen und einen hohen militärischen Status sicherte. Dies war besonders für junge katholische Priester attraktiv, weil diese durch das Konkordat vom Dienst in der kämpfenden Truppe ausgeschlossen waren und meistens „nur“ als Sanitätssoldaten zum Einsatz kamen. Doch auch evangelische Pfarrer, die noch keine Gelegenheit gehabt hatten, in der kämpfenden Truppe voranzukommen, sahen hier eine Chance für einen schnellen Aufstieg ins Offizierskorps14. 12 Vgl. oben 42. Vgl. Gross, Gott, 182 f. 13 Vgl. oben 20 f. 14 Vgl. oben 51–64.

Schluss

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Zu Beginn des Krieges war die Empfehlung eines Geistlichen für den Dienst in der Wehrmachtseelsorge für beide Kirchen ein Weg, sich unbequemer Pfarrer zu entledigen. Dies konnten sowohl Geistliche sein, die mit dem Regime in Konflikt geraten waren und so ihrer Kirche zu schaden drohten, aber auch allzu überzeugte Nationalsozialisten, deren ideologischer Eifer für andere Geistliche gefährlich werden konnte. Umgekehrt suchten Geistliche durch eine Bewerbung bei der Wehrmachtseelsorge Konflikten mit ihrer Kirchenleitung aus dem Weg zu gehen. So bewarben sich z. B. Pfarrer der Bekennenden Kirche als Kriegspfarrer, wenn ihre Landeskirchen von Deutschen Christen beherrscht waren. Der Kriegsalltag im Lazarett oder im Divisionsstab war für katholische und evangelische Geistliche nicht nur von denselben Pflichten und Aufgaben beherrscht, sondern musste zu einem großen Teil auch gemeinsam bewältigt werden. Die sogenannten Kriegspfarrerpaare teilten sich Auto, Pferd, Küster, Quartier und den Telefonanschluss. Auf Beerdigungen, in Lazaretten, bei Hinrichtungen oder in Gottesdiensten sprangen sie füreinander ein oder bildeten eine gemeinsame Front gegen kirchenfeindliche Offiziere. Die meisten von ihnen dürften zum ersten Mal in ihrem Leben in engeren Kontakt mit der anderen Konfession getreten sein. Die erzwungene Gemeinschaft weckte ein Verständnis füreinander, in dem man sich zwar der konfessionellen Unterschiede bewusst blieb, vielfach aber auch erkannte, wie sehr der Blick auf die andere Konfession von Vorurteilen geprägt war15. Die Kriegspfarrer beider Konfessionen standen unter hohem Anpassungsdruck an ihre militärische Umgebung und konkurrierten um die Anerkennung bei der Truppe. Zuweilen war ihre Mimesis an die Soldatenwelt so vollkommen, dass sie die Rolle des Nichtkombattanten gegen die des Kombattanten eintauschten, wie das Beispiel des katholischen Kriegspfarrers Alfons Satzger zeigt. Wer es als Kriegspfarrer zu hohen militärischen Auszeichnungen brachte, war in der Truppe beliebt und verursachte mit hoher Wahrscheinlichkeit bei seinen Kollegen aus der anderen Konfession Gefühle der Zurücksetzung oder des Neides16. Im Krieg trafen sich die theologischen Angebote zur Krisenbewältigung von katholischen und evangelischen Kriegspfarrern im Bild des Christusopfers. Dahinter konnte die christliche Überhöhung der aktiven Selbstopferung der Soldaten stehen, aber auch die christliche Überhöhung des ungewollten Leidens und Sterbens der Soldaten17. In der bundesdeutschen Nachkriegsgesellschaft war das Bild des Opfers populär und traf sich mit den christlichen Kriegsdeutungen in den Erinnerungen von Kriegspfarrern. Hier wurde das

15 Vgl. oben 113–115. 16 Vgl. oben 115 f. 17 Vgl. oben 127–131.

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Schluss

Bild vom Opfertod Christi im Sinne der Selbstviktimisierung aller Deutschen ausgelegt18. Obgleich eine Kriegsdeutung, die im Krieg das Wirken der göttlichen Vorsehung sah, von den Kirchen und ihrer Feldseelsorge seit dem Ersten Weltkrieg mit Skepsis betrachtet wurde, war der Glaube an das direkte Einwirken Gottes auf das Geschehen in der Deutung des Ostkriegs nicht wegzudenken. Er fand sich bei Kriegspfarrern beider Konfessionen in einer vitalistischen Variante, welche die Todesnähe an der Ostfront als Nähe zu Gott auslegte, ebenso wie im Verweis auf die Vorsehung, die zur Erklärung des Kriegsverlaufes herangezogen wurde oder als Mittel der psychologischen Entlastung, das half, die schwer erträgliche Realität des Ostkrieges zu akzeptieren19. Auch wenn die Geistlichen in ihren Reden über „Sterben“, „Opfer“ und „Vorsehung“ inhaltliche Verbindungen mit der NS-Ideologie eingingen, waren es gerade Elemente und Topoi christlicher Kriegsdeutung, die zu Distanzierungen der Theologen von den Nationalsozialisten führten20. Der Blick evangelischer und katholischer Kriegspfarrer auf Land und Leute in den eroberten Gebieten war ebenfalls vergleichbar. Kriegspfarrer beider Konfessionen erlebten das Land aus der Perspektive von Touristen auf der Suche nach Sehenswürdigkeiten und Bildungserlebnissen. Dabei verbanden sich kunstsinnige Betrachtungen wie beiläufig mit Beobachtungen von Zerstörungen und Hinweisen auf Massenmorde oder Kriegsverbrechen. Die Beschreibungen der Kriegspfarrer von Menschen und ihren sozialen Verhältnissen waren stark von den Bildern über die Sowjetunion beeinflusst, die sie aus Deutschland mitbrachten. Sie schrieben über Verfall, Schmutz, Gestank, Armut, Primitivität oder die Hungerkatastrophe in der Ukraine im Jahr 1933 und kamen zu dem Schluss, dass die Berichte, die sie aus Deutschland kannten, „wahrlich nicht übertrieben“ gewesen seien21. Am stärksten aber beeindruckten die zerstörten Kirchen, die den Pfarrern zum Symbol für die geschändete christliche Kultur des Landes wurden. Mit großem Eifer suchten die Kriegspfarrer nach den Spuren des Christentums in der Sowjetunion und fanden sie in den versteckten Ikonen und Bibeln ihrer 18 Vgl. oben 204. Die Definition des Kriegshelden in Deutschland war nach Ansicht des Zeithistorikers Martin Sabrow geprägt vom Ideal des „aktiven Selbstopfers“. Erst seit dem Untergang der 6. Armee vor Stalingrad sei dieses heroische Opferbild, das „sacrificium“, umgeschlagen in ein viktimistisches Opferbild, das „victime“. In der Erinnerung an Stalingrad, so Sabrow, hätten sich die Deutschen von der mimetischen Vergegenwärtigung der Vergangenheit als heroischer Selbstbehauptung gelöst und ihr Geschichtsbild als Opfererzählung reorganisiert. Das eigene Handeln im Krieg sei auch rückblickend als erduldetes Leiden wahrgenommen worden und habe die „Selbstviktimisierung“ der Deutschen in der Nachkriegszeit befördert. Vgl. Sabrow, Held, 52 f. 19 Vgl. oben 131–134. 20 Vgl. oben 124 f., 133. 21 Vgl. oben 143.

Schluss

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„Quartiersleute“ oder auch im Wunsch der Bevölkerung nach Gottesdiensten und Taufen. Das enge Zusammenleben mit den Zivilisten bestärkte sie in der Annahme, dass sich die christliche Kultur wie ein Schatz in den Herzen der Menschen gehalten hatte, der nur darauf wartete, von ihnen gehoben zu werden. In den Predigten wurden die Hinweise auf die zerstörten Kirchen und die in den Untergrund gedrängten Christen der Sowjetunion als anschauliche Belege für die kulturelle Überlegenheit der Deutschen, die Unmenschlichkeit des bolschewistischen Gegners und die Notwendigkeit der Rechristianisierung der Sowjetunion herangezogen22. Die Tagebücher der Kriegspfarrer haben gezeigt, dass sich die Stimmung dieser Geistlichen im Verlauf des Ostkrieges zusehends verschlechterte. Das Gros des Ostheeres litt schon zur Jahreswende 1941/42 an einem kollektiven Burnout. Der Krieg, der vor dem Einbruch des Winters siegreich hätte beendet sein sollen, wurde als unverhältnismäßig lang empfunden. Auch bei den Kriegspfarrern stellten sich bereits im ersten Kriegswinter Zweifel am Sieg der Wehrmacht ein. Viele litten an körperlicher Erschöpfung, verursacht durch lange, oft schwer passierbare Wege, Nachschubschwierigkeiten oder übermäßige Kälte. Hinzu kam die wachsende psychische Belastung durch die hohen Verluste ihrer Divisionen, die Frustration über das menschenverachtende Besatzungsregime sowie die Angst um die Angehörigen in Deutschland im Zuge der Bombardierung deutscher Städte. Vor allem die Nachrichten von kirchenfeindlichen Aktionen des NS-Regimes innerhalb Deutschlands gaben den Geistlichen zu denken. Katholische Kriegspfarrer empörten sich über die Verfolgung ihrer Kirche in der Heimat, womit sie allerdings nur wiedergaben, was ihre Bischöfe in Deutschland ohnehin öffentlich monierten23. „Man bekämpft aussen den Bolschewismus und innen wächst er und wird gepflegt“, notierte der katholische Kriegspfarrer Johannes Stelzenberger Anfang 194224. In der Sowjetunion glaubten die Kriegspfarrer zu sehen, wie es mit Deutschland nach einem siegreichen Ausgang des Krieges weitergehen würde. Nicht zuletzt die zerstörten Kirchen boten ihnen sinnfälliges Anschauungsmaterial über ihre eigene Zukunft. Doch auch evangelischen Kriegspfarrern gefiel die Entwicklung in Deutschland nicht. Gerade Geistliche wie Hermann Wolfgang Beyer, die dem Nationalsozialismus grundsätzlich positiv gegenüberstanden, zeigten sich enttäuscht über die kirchenfeindliche Politik in Deutschland25. Obgleich die Wehrmachtseelsorge während des Krieges mit der eigenen Marginalisierung zu kämpfen hatte, gab das Kriegsende keinen Anlass zur Freude. Unter ehemaligen Wehrmachtgeistlichen dominierten vielmehr 22 23 24 25

Vgl. oben 149–156. Vgl. Smolinski, Rußlandbild, 350. Vgl. Tagebucheintrag vom 23. 2. 1942 (AKMB, SW 837). Vgl. oben 175.

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Schluss

Frustration und Ernüchterung. Erneut fühlten sie sich schlecht behandelt, denn sie erlebten, wie schwierig es war, in die zivile Welt ihrer Kirchen zurückzukehren, wo man ihnen mit Distanz begegnete, weil man sie für Relikte des deutschen Militarismus hielt26. In die trübe Stimmung der ersten Nachkriegsjahre fiel auch das eigene Urteil der ehemaligen Kriegspfarrer über die Soldaten, die während des Krieges von ihnen betreut worden waren, ernüchternd aus. Georg Werthmann sprach von einem menschlich „hoffnungslosen“ Milieu, in dem die Kriegspfarrer gestanden hätten. Selbst die Sterbenden, die während des Krieges als besonders empfänglich für die christliche Botschaft beschrieben worden waren, galten nun als völlig unzugänglich, wie ein evangelischer Wehrmachtdekan rückblickend bemerkte27. Werthmann stellte sogar den Angriffskrieg gegen den Bolschewismus infrage und nahm auch die Wehrmachtseelsorge nicht von der Kritik aus, als er notierte: „Wir haben alle Deutungen der allein Gott zustehenden Hoheit des Gerichts an uns zu reißen versucht und gingen in vermessener Selbstgerechtigkeit an die äußere Vernichtung des Bolschewismus.“28 In den literarisierenden Publikationen von Kriegspfarrern über ihre Zeit im Ostkrieg, die seit den 1950er Jahren erschienen, findet sich jedoch kaum etwas von den ernüchternden Urteilen der ersten Nachkriegszeit. Hier dominierten die idealisierenden Darstellungen der Kriegsjahre. Dabei wurde – wie schon in den Seelsorge- und Tätigkeitsberichten der Kriegszeit – gerade der Ostkrieg, wo die Not der Soldaten am größten war, als eine besonders erfolgreiche Zeit für das Wirken der Wehrmachtseelsorge dargestellt. Die Rolle des Kriegspfarrers als „guter Kamerad“ und Insel der Menschlichkeit inmitten einer von Feinden umgebenen Welt bestimmte auch nach dem Krieg den Blick auf das eigene Wirken in der Wehrmacht und wurde rückblickend auf die Zeit der Kriegsgefangenschaft in der Sowjetunion ausgedehnt. Nicht zuletzt passte das Narrativ von den Geistlichen, die in den sowjetischen Kriegsgefangenenlagern zusammen mit ihren Mitgefangenen in einer gemeinsamen christlichen Abwehrfront gegen die Kommunisten gestanden hatten, gut in das vom Antikommunismus des Kalten Krieges bestimmte Klima der Bundesrepublik. Im Kontext des Kalten Krieges ließ sich das antikommunistische Menschenbild, das vom Atheismus der Bolschewisten auf deren Seelenlosigkeit und „Vertierung“ geschlossen hatte, ebenso reaktualisieren wie das Kriegsziel der Rechristianisierung der Sowjetunion29. Die politisch opportune Sicht ehemaliger Kriegspfarrer auf die „saubere 26 Vgl. oben 189 f. 27 Vgl. Ernst Schubring: Die Arbeit der Feldseelsorge im Kriege, o. D. (BA-MA Freiburg, N/281, Nr. 7). 28 Notiz Georg Werthmanns vom 19. 7. 1945 (AKMB, SW 120). 29 Vgl. 193–197.

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Wehrmacht“ als eine vom Nationalsozialismus und seinen Verbrechen unberührte Institution ermöglichte lange Zeit einen unkritischen Umgang mit der eigenen Rolle im Krieg. Doch seit den 1960er Jahren verschärfte sich die Kritik an der Wehrmachtseelsorge. Linke, pazifistische und kirchenkritische Kreise stellten die einstigen Kriegspfarrer in eine Reihe mit Nazi-Funktionären und drängten diese in eine Position der Defensive, aus der sie nicht mehr herausfinden sollten. In beiden Konfessionen reagierte man mit dem Verweis auf die angeblich unpolitische Rolle der Wehrmachtseelsorge im Krieg. Danach hatten sich die Kriegspfarrer ausschließlich um die rein menschliche Aufgabe der Seelsorge an den Soldaten gekümmert. Der staatliche Auftrag, der die Kriegspfarrer bis 1942 ins Zentrum der wehrpolitischen Soldatenerziehung gestellt hatte, fand in diesem Kontext keine Erwähnung30. Die für den Krieg so typische Fokussierung der Wehrmachtseelsorge auf die eigene Mannschaft bestimmte auch die rückblickende Deutung des Krieges. Nicht der Gegner hatte die Wehrmacht besiegt, die Niederlage erschien fast wie ein Akt der freiwilligen Selbstopferung der deutschen Soldaten. Diese Interpretation konnte auf den Einzelnen ebenso angewendet werden wie auf eine Armee oder das gesamte Deutsche Reich. Am Ende hatte Deutschland den Krieg zwar verloren, aber den Weg der Passion Christi zurückgelegt und konnte folglich auf seine „Auferstehung“ hoffen. Die verlustreiche Geschichte der deutschen Soldaten im Ostfeldzug wurde in eine Glaubensgeschichte transformiert, in der sich lauter Christen vor Gott bewährt hatten. In der Konsequenz folgte aus der Niederlage Deutschlands der Sieg des Christentums31. Trotz der augenfälligen Gemeinsamkeiten zwischen katholischer und evangelischer Wehrmachtseelsorge gab es aber auch Unterschiede und Reibungspunkte zwischen beiden Konfessionen, die sich durch die gesamte Kriegszeit zogen. Der Hauptkonflikt gründete in der unterschiedlichen theologischen Auffassung von den Sakramenten. Dies wirkte sich vor allem auf die Organisation der Gottesdienste aus. Katholische Geistliche sahen zum Ärger ihrer evangelischen Kollegen in den Gemeinschaftsgottesdiensten keine gültigen Gottesdienste, weil in diesen nicht das Messopfer, die Eucharistie, d. h. die Wandlung von Brot und Wein in den Leib und das Blut Christi, vollzogen wurde und ließen deshalb auf die Gemeinschaftsgottesdienste noch eine katholische Messe folgen. Auch Krankenölungen oder Grabeinsegnungen gaben Anlass zu Konflikten mit den evangelischen Kollegen, die dem katholischen Kriegspfarrer ein geradezu magisches Religionsverständnis vorwarfen. Es scheint, als sei die katholische Tendenz zur Verdinglichung religiöser Gehalte in Ritualen, Gesten oder auch Devotionalien dem aus einer diffusen Religiosität entspringenden 30 Vgl. oben 200. 31 Vgl. oben 203–206.

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Schluss

Bedürfnis vieler Soldaten nach greifbarem Trost und Halt eher entgegengekommen als das auf die Wortverkündigung fokussierte Angebot der evangelischen Kriegspfarrer32. Dagegen hatten Letztere zuweilen ein besseres Verhältnis zu den Truppenführern, die traditionell ebenfalls evangelisch waren und den Gemeinschaftsgottesdienst förderten. Doch spätestens seit 1942, nachdem die Kriegspfarrer aus der politischen Soldatenerziehung verdrängt worden waren, dürften diese Konflikte an Bedeutung verloren haben33. Ein weiterer Unterschied dürfte in der Nähe zur NSDAP gelegen haben. Während unter den hier erwähnten 45 katholischen Kriegs- und Wehrmachtpfarrern niemand der NSDAP angehörte, finden sich bei der gleichen Zahl evangelischer Kriegspfarrer sieben Mitgliedschaften, von denen allerdings sechs den oberen Beamtenrängen der Wehrmachtpfarrer angehörten. Die Gründe dafür dürften allerdings auch in dem extrem kleinen Zeitfenster von zwei Monaten liegen (März–Mai 1933), in dem katholischen Geistlichen überhaupt die Möglichkeit eines Parteieintritts offen stand34. Vergleicht man die Wehrmachtseelsorge etwa mit der Militärseelsorge in der britischen Armee zur Zeit des Zweiten Weltkrieges, fällt auf, dass sich die Verbindung der Wehrmachtseelsorge mit der zivilen Gesellschaft in Deutschland durch die gezielten Maßnahmen der NS-Behörden auf ein Minimum beschränkte. Die Wehrmachtseelsorge war vollständig integriert in den militärischen Apparat. Kirchen oder private christliche Vereine hatten darin nichts zu suchen. Die Kriegspfarrer waren auf die private Korrespondenz mit den kirchlichen Bezugspersonen, Freunden oder Verwandten bzw. mit den Angehörigen der Verwundeten und Verstorbenen angewiesen, um die Verbindung zur zivilen Welt aufrechtzuerhalten. Während deutsche Kriegs- und Wehrmachtpfarrer den Verwundeten durch Briefeschreiben oder mit dem Verteilen von Zigaretten und Schokolade allenfalls kleine Wohltaten erweisen konnten, sorgte sich innerhalb der britischen Armee eine ganze Reihe ziviler christlicher Organisationen um das Wohl der Soldaten. Hier sicherten die Kirchen in weitem Umfang die medizinische Versorgung der Armee und christliche Organisationen betrieben im großen Stil Kantinen, Clubs oder Unterhaltungsstätten für Soldaten35. Die vergleichsweise extensive Förderung der Militärseelsorge durch den britischen Staat – in Großbritannien gab es 3692 Militärseelsorger – mehr als

32 Vgl. oben 82–86. 33 Während man in Bezug auf die Wehrmacht von „Entkonfessionalisierung“ spricht, ließe sich in Bezug auf die Wehrmachtseelsorge von einer „Rekonfessionalisierung“ sprechen, da die militärische Führung diese seit 1942 als Dienstleistung an konfessionell orientierten Soldaten definierte. Zur „Entkonfessionalisierung“ der Wehrmacht vgl. Messerschmidt, Militärseelsorge, 49. 34 Vgl. oben 62–64. 35 Vgl. Snape, God, 205.

Schluss

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dreimal so viel wie im Deutschen Reich36 – hat unter ehemaligen deutschen Funktionären der Wehrmachtseelsorge die Vermutung laut werden lassen, dass Deutschland den Krieg verloren habe, weil der Staat das Christentum in den Armeen der angelsächsischen Länder förderte, wohingegen das NS-Regime den christlichen Einfluss in der Wehrmacht bekämpft habe. Dem lag die 1939 im „Merkblatt über Feldseelsorge“ formulierte Annahme zugrunde, dass es einen Zusammenhang von besonderer Frömmigkeit und militärischer Leistungskraft gebe. Bis 1942 hatte diese Annahme zur „Kultur des Krieges“ gehört und ist erst durch den wachsenden Einfluss der NSDAP innerhalb der Wehrmacht verdrängt worden. Es ist bemerkenswert, dass Historiker bis heute diesen Zusammenhang stark machen. So vertritt der britische Historiker, Michael Snape, die Ansicht, dass ein militantes Christentum den Briten im Zweiten Weltkrieg zur wirksamen ideologischen Waffe gegen den Nationalsozialismus geworden sei37. Die christliche Moral in der britischen Armee habe den Siegeswillen der Soldaten gestärkt, weil sie den militärischen Wert des religiösen Glaubens genutzt habe38. Aus deutscher Sicht kann eine solche These nur skeptisch beurteilt werden. Was etwa wäre gewesen, wenn Hitler das Christentum in Deutschland gestützt hätte, statt es zu bekämpfen? Hätte der Krieg länger gedauert, weil die deutschen Soldaten dann leistungswilliger gewesen wären? Selbst wenn das Bewusstsein, als Christen gegen ein unchristliches Deutschland zu kämpfen, die Briten im Kampf beflügelt haben mag, so liegt der Annahme, darin eine Voraussetzung für den Erfolg der angelsächsischen Allianz im Krieg gegen Deutschland zu sehen, die Ansicht zugrunde, nach der Kriege durch die mentale Haltung ihrer Streitkräfte gewonnen werden. Daran haben Hitler und seine Gefolgsleute ebenfalls geglaubt, wenn sie auch nicht auf das Christentum setzten. Am Ende wurde der Zweite Weltkrieg entschieden durch die größeren materiellen und personellen Ressourcen der Alliierten.

36 Vgl. Snape, Royal Army, 280. 37 Vgl. Snape, God, 186. 38 Ebd., 244.

Dank Dass aus einer Idee ein Buch wurde, verdanke ich Hans und Margareta Mommsen, mit denen ich an einem verschneiten Novemberabend 2008 im Feldafinger Gasthaus Poelt über die Rolle der Kriegspfarrer im Krieg gegen die Sowjetunion sprach. Sie haben sich für das Thema begeistert und mir über viele Jahre unverdrossen zur Seite gestanden. Hans Mommsen hat durch einen Stipendienantrag bei der Gerda Henkel Stiftung auch für die Finanzierung des Projektes gesorgt. Noch auf dem Sterbebett hat er mir leidenschaftlich seine Meinung über mein Manuskript mitgeteilt. Es war seine engagierte und unbeirrbare Freundschaft, die mich so lange in der Welt der Wissenschaft gehalten hat. Die Gerda Henkel Stiftung war mir drei Jahre lang eine stets zuverlässige Ansprechpartnerin. Auch ihr möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich danken. Dank schulde ich auch der Kommission der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kirchliche Zeitgeschichte, deren Beschluss mir ermöglichte, das Buch im Rahmen meiner Tätigkeit an der Forschungsstelle für Kirchliche Zeitgeschichte fertigzustellen. Die Herausgeber, Prof. Dr. Hermle und Prof. Dr. Oelke, sorgten für die Aufnahme in die Reihe der AKiZ. Eine wichtige Gesprächspartnerin war Dr. Monica Sinderhauf, die bis 2013 das Archiv des Katholischen Militärbischofs leitete und der ich zahlreiche Quellenfunde verdanke. Ebenso ist die Kirchenhistorikerin Dr. Antonia Leugers hervorzuheben. Sie hat das teils in Gabelsberger Schrift angefertigte Tagebuch des katholischen Kriegspfarrers Johannes Stelzenberger transkribiert. Der Leiterin der Forschungsstelle für Kirchliche Zeitgeschichte, Frau Prof. Dr. Claudia Lepp und ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen – allen voran Nora Andrea Schulze und Dr. Karl-Heinz Fix – sei ebenfalls gedankt. Sie gaben mir Zeit, seelische Unterstützung und nützliche Hinweise. Angehörige und Kollegen der Protagonisten dieser Studie versorgten mich mit Informationen für die Biogramme, so etwa Joachim Buff, Pfarrer em. Günter Leuken und Pfarrer Jörg M. Wuttge. Stellvertretend für alle Archivare, die mir mit Rat und Tat zur Seite standen, möchte ich Nicole Jakobi (BArch Berlin), Michael Bing (LKA Stuttgart), Dr. Peter Beier (EZA Berlin), Ulrich Dühr (LKA Düsseldorf), Karl-Heinz Grotjahn (LKA Hannover), Natalia Alekseeva (ZAEKHN), Eckhard Colmorgen (LKA Kiel) und Dr. Markus Seemann (AKMB) danken. Die Dienststelle WAST in Berlin gewährte mir durch Stephan Kühmayer freundliche und unbürokratische Hilfe bei der Vervollständigung der militärischen Lebensläufe der Kriegs- und Wehrmachtpfarrer.

Dank

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Besonderen Dank schulde ich Herrn Dr. Irmfried Garbe, der mir das von ihm transkribierte, unveröffentlichte Kriegstagebuch des evangelischen Kriegspfarrers Hermann Wolfgang Beyer zugänglich machte. Frau Dr. Edith Rudolph hat mir vor allen anderen das Tagebuch ihres Vaters zur Verfügung gestellt und sich um das Lektorat des Manuskripts gekümmert. Auch ihr möchte ich an dieser Stelle herzlich danken. Last but not least danke ich Michael Grüttner für seinen unbeirrten Einsatz um die Vollendung dieses Buches. Er ist und bleibt mein erster Leser und wichtigster Kritiker. Ich widme dieses Buch meinem geliebten Vater, der das Erscheinen dieses Buches leider nicht mehr erleben kann.

Abkürzungen Die Abkürzungen für Zeitschriften und Reihen sind nicht eigens im folgenden Abkürzungsverzeichnis aufgeführt, wenn sie in „Siegfried Schwertner: Internationales Abkürzungsverzeichnis für Theologie und Grenzgebiete (IATG). Berlin, New York 1974“ nachgewiesen sind. AA AAK ADCV AEK a. K. ADW AKiZ AKMB AOK/A. O. K. ASPD AT b. BA-MA BArch BayHStA BDC BDO BK Batl. BVP CDU DAB DC Ders. Dies. Div. d. R. EA EAM EK EK I. EK II. Ev./ev.

Archiv der Abtei Maria Laach Archiv der Akademie der Künste Berlin Archiv des Caritas Verbandes Freiburg i. Br. Archiv des Erzbistums Köln auf Kriegszeit Archiv des Diakonischen Werkes Berlin Arbeiten zur Kirchlichen Zeitgeschichte Archiv des Katholischen Militärbischofs Berlin Armeeoberkommando Alte Sozialdemokratische Partei Deutschlands Altes Testament bei Bundesarchiv–Militärarchiv Freiburg i. Br. Bundesarchiv Bayerisches Hauptstaatsarchiv München Berlin Document Center Bund Deutscher Offiziere Bekennende Kirche Bataillon Bayerische Volkspartei Christlich Demokratische Union Deutschlands Diözesanarchiv Berlin Deutsche Christen Derselbe Dieselbe/Dieselben Division der Reserve Erzbischöfliches Archiv Freiburg i. Br. Erzbischöfliches Archiv München Eisernes Kreuz Eisernes Kreuz Erster Klasse Eisernes Kreuz Zweiter Klasse Evangelisch/evangelisch

Abkürzungen

EZA FN GDC geb. gest. Gestapo HDv Hg. Hl. Hpt. HQ EUCOM i. Br. ID/I. D. i. H. IM i. N. IR/I. R. i. R. kath. KG KNA KT KVK KVK I KVK II LAELKB

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Evangelisches Zentralarchiv in Berlin Fußnote Glaubensbewegung Deutsche Christen geboren gestorben Geheime Staatspolizei Heeres-Dienstvorschrift Herausgeber Heilig Hauptmann Headquarter of European Command im Breisgau Infanterie Division im Hauptamt Innere Mission im Nebenamt Infanterie Regiment im Ruhestand / in Ruhe katholisch Kirchengeschichte Katholische Nachrichtenagentur Kriegstagebuch Kriegsverdienstkreuz Kriegsverdienstkreuz I. Klasse Kriegsverdienstkreuz II. Klasse Landeskirchliches Archiv der Ev.-Lutherischen Kirche in Bayern LKA Landeskirchliches Archiv/Landeskirchenarchiv LKR Landeskirchenrat Lt. Leutnant mot. motorisiert MP Ministerpräsident NL Nachlass NSDAP Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei NSFO/N. S. F. O. Nationalsozialistischer Führungsoffizier NKFD Nationalkomitee Freies Deutschland NSLB Nationalsozialistischer Lehrerbund NS/N. S. nationalsozialistisch/er/e NT Neues Testament OB Oberbefehlshaber Oblt. Oberleutnant ÖRK Ökumenischer Rat der Kirchen Offiz. Offizier o. J. ohne Jahr

222 OK OKH OKW OMI OSB Pfr. Prof. ao Prof./o. Prof PD PS PW PT R RM RSHH SMG SD SDS Sg SJ/S. J. SPD SS ST SW UA Uffz/Uffz. WKdo ZAEKHN z. b. V.

Abkürzungen

Oberkommando Oberkommando des Heeres Oberkommando der Wehrmacht Oblati Mariae Immaculatae Ordo Sancti Benedicti Pfarrer Professor außerordentlicher Prof./ordentlicher Prof. Privatdozent Pseudonym Priesterweihe Praktische Theologie Regiment Reichsmark Reichssicherheits-Hauptamt Schweres Maschinengewehr Sicherheitsdienst (des Reichsführers SS) Sozialistischer Deutscher Studentenbund Sammlung Societas Jesu Sozialdemokratische Partei Deutschlands Schutzstaffel Systematische Theologie Sammlung Werthmann Universitätsarchiv Unteroffizier Wehrkreiskommando Zentralarchiv der Ev. Kirche in Hessen und Nassau Darmstadt zur besonderen Verwendung

Quellen- und Literaturverzeichnis 1. Archivalische Quellen Archiv der Akademie der Künste Berlin (AAK) Bestand Kempowski Bio Nr. 1850/3 Nr. 3101 Nr. 4573/1 Nr. 4573/4 Nr. 5785 Nr. 5957 Nr. 6250 Nr. 7618/1 Nr. 7618/8 Archiv des Diakonischen Werkes Berlin (ADW) Bestand FM Nr. 9 Archiv des Katholischen Militärbischofs Berlin (AKMB) Bestand SW: Sammlung Werthmann Nr. 01, 02, 1, 4, 6, 7, 8, 80, 82, 83, 84, 87, 111, 112, 115, 116, 120, 121, 132, 146, 147, 148 150, 152, 153, 154, 155, 386, 469, 551, 623, 638, 642, 644, 647, 760, 761, 764, 765, 837, 838, 891, 900, 901, 958, 1019 Bestand Nachlass Alois Beck AR 191/3 AR 191/5 Bestand Sammlung Josef Kayser Nr. 19 Nr. 52 Nr. 58 Bestand Nachlass Josef Perau Nr. 2/430 Nr. 2/431 Nr. 2/432 Nr. 43 Bestand Dienstbibliothek Feldpostbriefe von Lt. Heinz Rahe, Januar-Juli 1943 – Kaukasien/Ukraine, hg. von Konrad Rahe und Elsbeth Oldenburg Hamburg 2006. Feldpostbriefe von Lt. Heinz Rahe, 22. 6. 1941–31. 12. 1941, hg. von Konrad Rahe und Elsbeth Oldenburg. Hamburg 2005.

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Archivalische Quellen Bestand N 292 Nr. 13 Bestand N 338 Nr. 2 Nr. 7 Bestand RH 15 Nr. 282 Bestand RH 20/2 Nr. 1375 Nr. 1376 Bestand RH 20/16 Nr. 623 Nr. 624 Bestand RH 21/4 Nr. 329 Nr. 350 Bestand RH 26/62 Nr. 118 Bestand RH 26/113 Nr. 37 Bestand RH 26/239 Nr. 38 Bestand RH 26/294 Nr. 90 Nr. 97 Nr. 100 Bestand RH 26/454 Bestand RHD4 Nr. 373 Bestand RW 12 I Nr. 2 Nr. 23 Nr. 24 Archiv des Caritas Verbandes Freiburg (ADCV) Bestand 370.17.030 Nr. 01 Erzbischöfliches Archiv Freiburg (EA) Bestand: B2–35: Nr. 72 Nr. 73 Nr. 75 Bestand Nb 8 Nr. 6 Bestand Personalia Ullrich, Anton

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Universitätsarchiv Freiburg (UA) Bestand C103 Nr. 4 Archiv des Ökumenischen Rates der Kirchen Genf (ÖRK) Bestand D 24, Box 14 Dok. 109 Landeskirchliches Archiv Hannover (LKA) Bestand L5 g Nr. 4 Universitätsarchiv Heidelberg (UA) Bestand Rep. 17 Nr. 3 Nr. 22 Nr. 29 Archiv des Erzbistums Köln (AEK) Bestand Gen. II, 7.9 Nr. 2 Bundesarchiv Ludwigsburg (BArch Ludwigsburg) Bestand B 162 Nr. 5644 Archiv der Abtei Maria Laach (AA) Bestand K1 Mappe 12 Bayerisches Hauptstaatsarchiv München (BayHStA) Bestand Abt. IV Nr. 891 HS 2644 Erzbischöfliches Archiv München (EAM) Bestand NL Faulhaber Nr. 6761, 2 Nr. 6792, 1 Nr. 6796, 1 Nr. 6796, 2 Nr. 6796/3 Nr, 6797, 1 Nr. 6797, 2 Nr. 6799 Bestand Stefan Gmeiner PA-P III Nr. 503 Landesarchiv der Ev.-Lutherischen Kirche in Bayern Nürnberg (LAELKB) Bestand Landeskirchenrat (LKR) Nr. 2533 Nr. 2534 Nr. 2543 Nr. 2548

Archivalische Quellen Bestand Pfarrämter II, XXVI Nr. 24 Bestand Pfarreien III, XV Nr. 1 Bestand Pfarreien IV, 81: Rieger Nr. 1 Landeskirchliches Archiv Stuttgart (LKA) Bestand D1 Nr. 191,9 Bestand D37 Nr. 1.1 Nr. 1.2 Nr. 1.3 Bestand P 32 Bestand 375 I Bestand 380 IV Bestand NL Bauerle Nr. 1 Nr. 35867 Nr. 6 Interview der Autorin mit Erich Arndt am 24. Februar 2010 in Bützow.

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Quellen- und Literaturverzeichnis

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Personenregister/Biografische Angaben Adenauer, Konrad 198 geb. 5. 1. 1876 Köln, gest. 19. 4. 1967 Rhöndorf (Bonn), Kanzler der Bundesrepublik Deutschland und Bundesvorsitzender der CDU. Aix, Guido Xaver Jakob 91 f., 110 geb. 18. 9. 1911 Düsseldorf, gest. 29. 9. 1995 Köln, 1935 PW, Kaplan Knapsack, 1937 beurlaubt zur Wandernden Kirche im Bistum Berlin, 1940 Kriegspfr. a. K. und Divisionspfr. der 251. ID, Divisionspfr. der 416. ID, Lazarettpfr. der Kriegslazarettabteilung 581, 1941 Lazarettpfr. bei der Kriegslazarettabteilung 603, 1943 Divisionspfr. der 46. ID, 1946 Subsidiar Düsseldorf-Benrath, 1947 Religionslehrer Düsseldorf, Leiter des Religionsunterrichts für Berufs- und Berufsfachschulen ebd., 1955 Päpstlicher Geheimkämmerer, Monsignore, 1956 Leiter der religions-pädagogischen Arbeitsgemeinschaft für Laienkatecheten Düsseldorf, 1959 Berufsschulpfr., Visitator für katholischen Religionsunterricht an berufsbildenden Schulen, 1963 Pfr. Düsseldorf, 1964 Rektoratsverweser ebd., 1986 i. R. Alberti, Ulrich Ernst Rüdiger 94 f. geb. 13. 7. 1898 Bärenstein (bei Annaberg), gest. 11. 8. 1953 Leipzig, 1916–1918 Teilnahme am Ersten Weltkrieg, 1924 Ordination Auerbach (Vogtland), 1924 Hilfsgeistlicher Ellefeld, Pfr. ebd., 1928–1935 Pfr. Chemnitz, 1935 als BK-Pfr. interniert im KZ Sachsenburg, 1937 Pfr. Leipzig, 1939 Einberufung in die Wehrmacht, Kriegspfr. a. K., 1939 Teilnahme am Polenfeldzug beim Stab der Kriegslazarettabteilung 541, 1940 Teilnahme am Feldzug gegen Belgien und Frankreich beim Stab der Kriegslazarettabteilung 541, 1941–1943 beim Stab der Kriegslazarettabteilung 602, 1942/43 bei der Deutschen Standortkommandantur Sofia, 1946 Heimkehr aus der Kriegsgefangenschaft. Algermissen, Konrad, Dr. phil., Dr. theol. 36 geb. 19. 7. 1889 Harsum, gest. 22. 10. 1964 Hildesheim, 1916 PW, 1926–1933 Dezernent für Apologetik an der Zentralstelle des Volksvereins für das katholische Deutschland Mönchengladbach, 1934–1964 Prof. für Dogmatik und Moraltheologie am Priesterseminar Hildesheim, 1954 Domkapitular. Arndt, Erich 56, 62 geb. 11. 10. 1912 Parchim, gest. 11. 5. 2012 Rostock, 1933 Eintritt in die NSDAP, seit 1935 Mitglied der BK, seit 1941 ev. Kriegspfr. a. K., 1943 Angehöriger des NKFD, 1975–1990 Landeskirchlicher Beauftragter für die Gefängnisseelsorge in den Strafanstalten Bützow, Neustrelitz und Warnemünde, Mitglied des Bezirkstags Schwerin mit dem Mandat des Kulturbundes der DDR, Mitglied der Christlichen Friedenskonferenz. Bader, Andreas 160 geb. 13. 11. 1896 Hausen, gest. 19. 6. 1974 Neuburg/Donau, Teilnahme am Ersten Weltkrieg, zuletzt Leutnant, 1924 PW, Stadtkaplan Lindau, Studienpräfekt Neuburg, Donau, 1930 Pfr. Pobenhausen, 1935 Pfr. Oberschondorf, 1940 Kriegspfr. a. K., Lazarettpfr. der Kriegslazarettabteilung 694 (mot.), Divisionspfr. der 545. ID (Sicherungs-

Personenregister/Biografische Angaben

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division), 1942/43 Erkrankung, 1944–1948 Kriegsgefangenschaft Sowjetunion, 1948 Pfr. Oberschondorf, 1953 Pfr. Augsburg, Geistlicher Rat, 1965 i. R. Bartsch, Erich 114, 128 geb. 24. 3. 1890 Berlin, gest. 5. 8. 1954 Amelsbüren, 1913 PW, Aushilfspriester u. Hausgeistlicher Berlin, Kaplan Naumburg, Queis, 1914 Kaplan Neuzelle, 1917 Kaplan Reichenbach (Niederschlesien), 1919 Schlosskaplan Pförten (ebd.), 1920 Religionslehrer Beuthen, 1923 Subregens am Priesterseminar Breslau, 1927 Pfr. Naumburg, Queis, Erzpriester ebd., 1938 kommissarischer Heerespfr. Frankfurt/Oder, Wehrmachtpfr., 1939 Divisionspfr. der 3. (mot.) ID, später 3. Panzergrenadierdivision, Stellv. Wehrkreispfr. VI Münster, 1941 Wehrmachtoberpfr., Wehrkreispfr. III Berlin, Stellv. Feldgeneralvikar, Armeepfr. beim AOK der 15. Armee, 1943 beim AOK der 20. Gebirgsarmee Lappland, Dienstaufsichtführender Kriegspfr. beim AOK Norwegen Lillehammer, 1946 britische Kriegsgefangenschaft, 1947 Hausgeistlicher Rhede, Kreis Borken, 1948 Hilfsgeistlicher Kevelaer, 1950 Rektor des St. Franziskus-Hospitals Münster, 1953 i. R. Bauer, Paul, Dr. phil. 45, 95 geb. 5. 1. 1905 Arlesheim (Schweiz), gest. 2. 11. 1994 Heilbronn, 1927/28 Vikariat Münster am Neckar, 1932 ev. Pfr. Ludwigsburg, 1939 Wehrmachtpfr. Stuttgart, 1939–1945 Divisionspfr. in Frankreich und der Sowjetunion, 1945 Kriegsgefangenschaft, beauftragt mit Lagerseelsorge und Seelsorgeaufsicht in vier Lagern, seit 1945 Religionslehrer an höheren Schulen. Bauerle, Bernhard Karl Hermann 48 f., 62, 68, 74–76, 84, 100, 103 f., 106, 110, 115, 117, 129, 159 f., 164, 198 geb. 26. 1. 1901 Thening/Linz, gest. 14. 6. 1987 Ludwigsburg, 1928 ev. Heerespfr., 1929 Pfr. Kocherstetten, 1933 Eintritt in die NSDAP, 1936–1939 Standortpfr. Heilbronn, 1938 Wehrmachtoberpfr., 1939 Wehrmachtoberpfr. an der Garnisonkirche Ludwigsburg, seit Oktober 1939 Divisonspfr. bei der 25. ID, seit November 1939 Armeepfr. beim AOK 16, 1944 Heeresgruppenpfr. Kurland, bis 1949 sowjetische Kriegsgefangenschaft, bis 1970 Pfr. Ludwigsburg. Baur, Anton 46, 108, 113, 117 geb. 30. 9. 1912 München, gest. 23. 12. München, 1937 PW, Aushilfspriester Pfaffenhofen a. Glonn, 1937–1939 Kooperatur-Verweser Jarzt, 1939/40 Koadjutor Traunwalchen, 1940 Kooperatur-Verweser Bergkirchen, Einberufung zur Wehrmacht, 1940, Sanitäter ebd., 1945–1947 Kaplan München, seit 1955 Pfr. Gröbenzell. Beck, Alois, Dr. theol. 10, 91 f., 150, 152 geb. 10. 3. 1913 Baden, Niederösterreich, gest. 12. 1. 1996 Wien, 1936 PW, Kooperator Laa a. d. Thaya, Religionsprofessor, 1939 Lazarettpfr. bei der Kriegslazarettabteilung 521 (mot.), Kriegspfr. a. K., Standortpfr. Krakau, 1940–1945 Divisionspfr. bei der 297. ID, Gräberoffizier, 1945–1950 Kaplan Penzing, danach im Schuldienst, 1952 Geistlicher Rat, 1959 Obmann der Arbeitsgemeinschaft katholischer Religionsprofessoren, 1960 Päpstlicher Ehrenkämmerer, Monsignore, 1970 Oberstudienrat. Becker, Karl-Heinz 160, 172, 202, 209 geb. 19. 10. 1900 Insterburg, gest. 30. 6. 1968 Neustadt an der Aisch, 1917 Einberufung zum Militär, 1919/20 Mitglied verschiedener Freicorps, 1919–1922 Studien der Rechtswissenschaften und der Volkswirtschaft, 1925 Ordination, Hilfsgeistlicher Traunstein und Mittelfranken, 1930 Pfr. Ezelheim, Obmann der Pfarrerbruderschaft im

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Personenregister/Biografische Angaben

bayerischen Kirchenkampf, 1937 Delegierter der BK auf den ökumenischen Konferenzen in Oxford und Edinburgh, 1940 Kriegspfr. a. K., Einsätze in Frankreich, Belgien, Rumänien, Ungarn, Ukraine und Südrussland, 1945 zwei Monate in amerikanischer Kriegsgefangenschaft, 1945 Pfr. Ezelheim, 1949 Solnhofen, 1956 Oberammergau, 1959 Stübach, 1965 i. R. Becker, Walter Theophil Hermann Otto 206 geb. 18. 1. 1907 Offenbach/Main, gest. 28. 9. 1979 Darmstadt, 1930 Ordination, 1930/31 Pfarrassistent Darmstadt, 1931–1933 Repetent an der Theologischen Fakultät der Universität Gießen, 1933/34 Pfarrverwalter Burg-Gemünden, seit 1934 Mitglied der BK Nassau-Hessen, 1934–1954 Pfr. Burg-Gemünden, 1940–1945 Kriegsdienst, 1945–1949 sowjetische Kriegsgefangenschaft, 1954 Pfr. Darmstadt, 1972 i. R. Bemmann, Martin Gotthilf Franz 111 geb. 4. 8. 1888 Röhrsdorf, Kreis Chemnitz, gest. 18. 6. 1965 Bonn, 1914–1918 Teilnahme am Ersten Weltkrieg als Leutnant der Reserve, 1919–1925 zweiter Pfr. Groitzsch bei Leipzig, 1925–1928 dritter Pfr. Grimma, 1929–1935 Pfr. Leipzig-Möckern, 1935–1937 Standortpfr. Leipzig, 1937/38 Wehrkreispfr. XII Wiesbaden, 1939 Wehrmachtdekan beim WKdo XVII, dann beim AOK 14 und AOK 12, 1942/43 Armeepfr. beim AOK Norwegen, 1944 beim WKdo XVII, 1938–1945 Wehrkreispfr. XVII Wien, Wehrmachtdekan, Armeepfr. Norwegen, 1946–1954 Personalvikar Gallneukirchen (Österreich), Konrektor des Ev. Diakonissenhauses ebd., 1954 i. R., Prediger und Seelsorger Gallneukirchen, Kurseelsorger Bad-Gastein, 1955/56 Aushilfsdienst Graz, 1957 Übersiedlung nach Herchen/Sieg. Berger, Franz Xaver 48, 74, 146 geb. 15. 1. 1911 Innerthann b. Bad Aibling, gest. 4. 5. 1983 Altötting, 1938 PW, 1938–1940 Kaplan Bad Reichenhall, 1940 Einberufung in die Wehrmacht als Sanitätssoldat, Sanitätsobergefreiter, seit 1941 Kriegspfr. a. K., Lazarettpfr. der Kriegslazarettabteilung 571 Bohansaack b. Danzig, Divisionspfr. der Panzergruppe 4 Allenstein, im Ostfeldzug Betreuung der Feldlazarette, Divisionspfr. beim Generalkommando des L. Armeekorps, 1942 Divisionspfr. der 227. ID, zugleich Seelsorger bei einer Strafgefangenenabteilung u. einem Bewährungsbataillon sowie ao Lazarettseelsorger der SS-Totenkopfdivision u. einer SS-Polizeidivision, 1945 amerikanische Kriegsgefangenschaft, nach Kriegsende Kaplan Bad Reichenhall, 1946 Religionslehrer ebd., 1947 Studienrat ebd., Hausgeistlicher im Erholungsheim der Franziskanerinnen von Dillingen „Villa Innozentia“ ebd., 1960 Studienprofessor, 1965 Oberstudienrat, 1972 i. R. Bertram, Adolf 73 f. geb. 14. 3. 1859 Hildesheim, gest. 6. 7. 1945 Schloss Johannesberg (Böhmen), 1881 PW, 1894 Domkapitular, 1905 Generalvikar, 1906 Bischof von Hildesheim, 1914 Fürstbischof von Breslau, 1916 Kardinal, 1919–1945 Vorsitzender der Fuldaer Bischofskonferenz. Beyer, Hermann Wolfgang, Prof. Dr. phil., lic. theol. 11, 25, 28, 37, 39, 40–43, 46 f., 52 f., 66, 68, 72, 74, 85 f., 98 f., 103, 107, 121, 123–126, 131, 142 f., 147, 154, 157, 159, 165 f., 172, 175, 188, 213, 219 12. 9. 1898 Annarode Kreis Mansfeld, gest. 25. 12. 1942 Don-Gebiet (Sowjetunion), 1916–1918 Teilnahme am Ersten Weltkrieg, 1926 PD Göttingen, o. Prof. Greifswald (KG und Christliche Archäologie), 1930 Mitglied der „Christlich deutschen Bewegung“,

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1933 Anhänger der GDC, Mitglied der SA, 1933/34 Geistlicher Minister und Unierter Kirchenminister der Reichskirchenregierung Berlin, 1934 Wechsel ins Lager der BK, 1936 o. Prof. (KG) u. Direktor des archäologischen Seminars Leipzig, 1937 Mitgliedschaft in der NSDAP beantragt, aber nicht bewilligt, 1940–1942 ev. Divisionspfr. bei der 294. ID der 6. Armee. Beyer wurde laut Augenzeugenberichten während der Belagerung von Stalingrad von Angehörigen der Roten Armee im Don Gebiet erschossen. Biebel, Peter 61 geb. 7. 10. 1893 Rohrbach, gest. 18. 10. 1961 Ingolstadt, 1921 PW, Kooperator Unsernherrn b. Ingolstadt, 1922 Hauskaplan Gosheim, 1923 Kooperator Wemding, 1925 Wallfahrtskooperator ebd., 1927 Prädikaturbenefiziat ebd., 1930 Pfarrprovisor, 1935 Standortpfr. i. H. Ingolstadt, 1936 Heerespfr., 1938 Wehrkeispfr Salzburg, Wehrmachtoberpfr. ebd., 1939 Armeepfr. beim AOK 14, Rückkehr nach Salzburg, 1941 Wehrmachtdekan, 1945/46 Seelsorger in Lazaretten, Gefangenen- und Interniertenlagern Salzburg, Fürsterzbischöflicher Konsistorialrat extra statum, 1946 Pfarrprovisor Ingolstadt, 1947 Münsterpfr. ebd., Geistlicher Rat ebd., Stadtdekan ebd. Blobel, Paul 170 geb. 13. 8. 1894 Potsdam, gest. 7. 6. 1951 Landsberg am Lech, 1931 Eintritt in die NSDAP, 1932 Eintritt in die SS, 1941 SS-Standartenführer und Führer des Sonderkommandos 4a bei der Einsatzgruppe C, 1948 Verurteilung zum Tode im Zuge der Nürnberger Nachfolgeprozesse. Bçrner, Richard 101 f., 152 geb. 28. 5. 1906 Großweigelsdorf (Schlesien), gest. 24. 11. 1990 Hannover, 1930 Lehrvikar Gremsdorf, 1932 Ordination, 1933/34 Hilfsdienst Hochweiler, Ohlau, Herrnstadt, 1934 Pfarrvikar Freiffenberg, 1934–1941 Pfr. Lindenkranz, 1941–1945 Stiftspfr. am Samariterordensstift Kraschnitz, Leiter der 1. Schlesischen Diakonenanstalt, 1942 Einberufung in die Wehrmacht, 1949 Entlassung aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft, 1949–1976 Vereinspfr. an der Bibelschule der Frauenmission Malche e. V. Zweigstelle Wendlinghausen/Lippe bzw. Barkhausen a. d. Porta, 1976 i. R. Bogler, Theodor 54, 122, 132 geb. 10. 4. 1897 Hofgeismar, gest. 13. 6. 1968 Adernach, führender Keramiker des Bauhauses, 1925 Übertritt zum Katholizismus, 1927 Eintritt in die Abtei Maria Laach, 1932 PW, 1939–1948 Prior Maria Laach, während des Zweiten Weltkrieges Pfr. im Kriegslazarett ebd., 1949–51 Spiritual der Benediktinerinnen vom Hl. Kreuz in Herstelle. Bormann, Martin 23 f., 29 geb. 17. 6. 1900 Halberstadt, gest. 2. 5. 1945 Berlin, 1920 Mitglied im „Verband gegen die Überhebung des Judentums“, 1924 Einjährige Haftstrafe wegen Mordes, 1927 Eintritt in die NSDAP, 1928 Mitglied des Obersten Führungsstabs der SA, 1933 Reichsleiter der NSDAP, 1941 Reichsminister, 1943 „Sekretär des Führers“. Bours, Johannes 149, 156 geb. 21. 3. 1913 Elten, gest. 1. 2. 1988 Coesfeld, 1937 PW, kath. Gemeindeseelsorger, 1952–1968 Hilfsspiritual, dann Spiritual am Theologenkonvikt Collegium Borromaeum Münster, 1984 Spiritual beim Priesterseminar Münster, dann Pfr. Mehr. Brandt, Hans-Jürgen, Prof. Dr. theol. 10, 25, 190 geb. 28. 4. 1938 Gelsenkirchen-Schalke, 1965 PW, 1980–2003 Prof. für Katholische Theologie und Christliche Gesellschaftslehre an der Universität der Bundeswehr München, Monsignore, Prälat, Ehrendomherr des Bistums Essen.

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Personenregister/Biografische Angaben

Brauchitsch, Walther von 22 geb. 4. 10. 1881 Berlin, gest. 18. 10. 1948 Hamburg, 1900 Leutnant in einem GardeGrenadierregiment der preußischen Armee, 1912 Einberufung in den Großen Generalstab. 1914–1918 Generalstabsoffizier im Ersten Weltkrieg, 1921 Major (Reichswehr) 1927 Stabschef des Wehrkreises VI., 1928 Oberst, 1929 Abteilungsleiter der Heeresausbildung im Reichswehrministerium, 1933 Befehlshaber des Wehrkreises I (Ostpreußen), 1936 General, 1940 Generalfeldmarschall, 1941 Entlassung als OB des Heeres, 1945/46 Zeuge in den Kriegsverbrecherprozessen Nürnberg. Brinz, Arnold 41, 71–73, 138, 151 geb. 19. 6. 1901 München, während des Zweiten Weltkrieges Feldwebel und Anwalt beim Kompanie- und Kriegsgericht der 132. ID im Einsatz gegen die Sowjetunion. Buff, Wolfgang 151, 218 geb. 15. 11. 1914 Krefeld, gest. 1. 9. 1942 b. Leningrad, kaufmännischer Angestellter Krefeld, 1939 Einberufung in die Wehrmacht als Kanonier beim Artillerieregiment der 227. ID, 1940 Teilnahme am Frankreichfeldzug, 1941/42 Ostfeldzug, zuletzt als Uffz. und Rechentruppführer der 11. schweren Batterie der 227. ID. Bultmann, Rudolf Karl 87 geb. 20. 8. 1884 Wiefelstede (Oldenburg), gest. 30. 7. 1976 Marburg, lutherischer Theologe, Universitätslehrer (NT). Burger, Ewald, Dr. theol. 50 geb. 18. 5. 1905 Stuttgart, gest. 30. 6. 1942, 1928–1930 Stadtvikar Heidenheim an der Brenz, Stadtpfarrverweser Stuttgart, Pfarrverweser Reichenbach a. d. Fils. 1930–1933 Repetent am Ev. Stift Tübingen und Lehre ebd., 1934 Studentenpfr. Tübingen, 1938 2. Stadtpfr. Schwäbisch Gmünd, seit 1939 bei der Kriegslazarettabteilung 551, 1940 Kriegspfr. a. K., beim Wehrkreis XIII, 1941 Divisionspfr. bei der 113. ID. Busse, Alfred Heinrich 49, 84, 110 geb. 10. 5. 1909 Bromberg (Posen), gest. 29. 4. 1990 Stralsund, 1939 Ordination, Pfr. Kölpin, Kirchenkreis Neustettin, Einberufung zur Wehrmacht, Soldat beim Infanterieersatzbataillon Neustettin, danach kommissarischer Kriegspfr. beim Korps Kaupisch, 1940 Kriegspfr. bei der 399. ID, 1940/41, Standortpfr. Paris, seit August 1941 Kriegspfr. Riga, dann Divisionspfr. der 123. ID, 1941 Versetzung zur 122. ID, 1945–1949 sowjetische Kriegsgefangenschaft, 1950–1974 Pfr. Pütte, Kirchenkreis Franzburg, 1974 i. R., 1974–1990 Beschäftigungsauftrag als Pfr. Pütte. D hn, Bernhard 82 geb. 16. 1. 1903 Berlin, gest. 5. 2. 1978 Olpe, 1928 PW, Kaplan Berlin-Lankwitz, 1932 Hausgeistlicher am St. Antonius-Krankenhaus Berlin-Karlshorst, 1934 Studienreferendar, 1935 Studienassessor Berlin-Charlottenburg, Sagan, Kreuzburg (Oberschlesien), 1939 Divisionspfr. der 239. ID, Bezirksstandortpfr. Berlin-Spandau, 1941 Wehrkreispfr. III Berlin, Divisionspfr. der 239. ID, Wehrmachtpfr. 1942 Divisionspfr. der 121. ID, Verwundung, 1944–1949 sowjetische Kriegsgefangenschaft, 1950 Studienassessor Olpe, 1951 Studienrat ebd., 1958 Inkardinierung in das Erzbistum Paderborn, 1965 Oberstudienrat, 1968 i. R. Daumiller, Oskar 49 geb. 24. 3. 1884 Memmingen, gest. 14. 6. 1970 Gräfelfing, 1906/07 Ordination und Hilfsgeistlicher Ingolstadt, 1912 Zeilofs-Brückenau/Unterfranken, Teilnahme am Ersten Weltkrieg, 1914 Divisionspfr., 1917 Pfr. Memmingen, 1922–1933 München, OKR im

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Landeskirchenrat ebd., bis 1934 Vorstand der Diakonissenanstalt ebd., 1934–1952 Kreisdekan des südbayerischen Kirchenkreises, 1952 i. R., 1952/53 Pfarrverweser Florenz, 1953 Genua, 1955 Bozen. Deissmann, Adolf 119 geb. 7. 11. 1866 Langenscheid/Lahn, gest. 5. 4. 1937 Wünsdorf bei Berlin, Theologe, Universitätslehrer (NT, Bibelwissenschaft, Kirchen- und Kulturpolitik) [Personenlexikon 56] Doehring, Bruno 75 geb. 3. 2. 1879 Mohrungen (Ostpreußen), gest. 16. 4. 1961 Berlin, Theologe, Präsident, Reichstagsabgeordneter. [Personenlexikon 62] Dçrfler-Dierken, Angelika, Prof. Dr. 10 geb. 1955 Hofgeismar, deutsche Kirchenhistorikerin. Doerne, Martin 46, 90, 92, 120 geb. 20. (30.) 3. 1900 Schönbach, Kr. Löbau, gest. 2. 9. 1970 Göttingen, Theologe, Universitätslehrer (PT, ST). [Personenlexikon 62] Dohrmann, Franz, D., Dr. theol. hc 18, 27, 44, 53, 56, 62, 132, 190 geb. 4. 10. 1881 Großbübbichow bei Frankfurt/Oder, gest. 19. 4. 1969 München, Theologe, Feldbischof der Wehrmacht. [Personenlexikon 63] Dostojewskij, Fedor Mihajlovic 148 geb. 11. 11. 1821 Moskau, gest. 9. 2. 1881 St. Petersburg, russischer Schriftsteller. Duncker, Heinrich 191 geb. 13. 9. 1912 Duderstadt, gest. 12. 11. 1981 Bad Soden am Taunus, 1938 Ordination, Hilfspfr. Bremervörde, 1942 Pfr. Wilstedt, 1940–1945 Militärdienst bei der Wehrmacht, 1955 Pfr. Stade, 1960 wegen Ehebruchs aus dem Dienst entfernt. Edelmann, Karl 22 f., 66 f., 78, 202 geb. 27. 3. 1891 Dresden, gest. 25. 1. 1971 Wiesbaden, 1911 Fahnenjunker beim 134. IR, 1912 Leutnant, 1914–1918 Teilnahme am Ersten Weltkrieg, 1916 Oberleutnant, 1922 Rittmeister, 1933 Major, beim Stab des Ausbildungsbataillons des IR 11, 1934/35 Gruppenleiter im Reichswehr-Ministerium, 1935 Oberstleutnant, 1938 Oberst beim Stab des IR 103, 1939 Chef der Amtsgruppe Ersatz und Heerwesen im OKH, 1942 Generalmajor, 1943 Versetzung in die Führerreserve, Generalleutnant, Kommandierung ins XXX. Armeekorps, dann Kommandeur der 702. ID, Januar 1945 Versetzung in die Führerreserve, April 1945 Kommandeur der 153. Feldausbildungs-Division. 1945–1947 US-Kriegsgefangenschaft. Eickhoff, Josef 57, 111 f., 131, 159 geb. 16. 8. 1899 Anröchte, gest. 17. 10. 1950 Gelsenkirchen-Bismarck, 1917/18 Teilnahme am Ersten Weltkrieg, 1927 PW, Vikar Althaldensleben, 1933 Vikar u. Assessor Magdeburg, 1938 Unterrichtsverbot, 1939 Standortpfr. i. N., 1939 Divisionspfr. der 13. Panzerdivision, Kriegspfr. a. K., 1943 Lazarettpfr. bei der Kriegslazarettabteilung 921, 1944 beim Kriegslazarett 3/637, 1945 Pfr. Gelsenkirchen-Bismarck. Eisenschmid, Ernst 186 geb. 24. 10. 1912 Freising, gest. 24. 6. 1971, 1937 PW, Hilfspriester Salzburghofen, 1938 Kooperatur-Verweser München-Feldmoching, 1940 Einberufung zur Wehrmacht, 1940

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Sanitäter ebd., 1945 Koadjutor Anger, 1948 Kaplan Neubiberg-Waldperlach, 1954 Pfarrvikar Wall, 1963 Hausgeistlicher Ramsau b. Haag. Elert, Werner, Prof. Dr. phil., Lic. theol. 129, 134 f., 137, 204 geb. 19. 8. 1885 Heldrungen, gest. 21. 11. 1954 Erlangen, altlutherischer Theologe, Universitätslehrer (KG, Dogmengeschichte, Symbolik, ST). [Personenlexikon 69] Ellner, Leopold 76, 117 geb. 6. 4. 1912 Pfaffing b. Wasserburg, gest. 19. 12. 1975 München, 1936 PW, Kaplan Solln, Präfekt am Knabenseminar Scheyern, 1939 Einberufung als Sanitätssoldat zur Sanitätskompanie 2/238, 1941 Kriegspfr. a. K. und Lazarettpfr. der Kriegslazarettabteilung 571, 1942 Divisionspfr. der 269. ID, 1945–1949 sowjetische Kriegsgefangenschaft, 1950 Kaplan München, 1955 Stadtpfr. München-Harlaching. Faulhaber, Michael von 12, 15, 37, 41, 46, 48 f., 59, 69, 73, 76, 108 f., 113, 117 f., 130, 133, 152, 173 f., 186 geb. 5. 3. 1869 Klosterheidenfeld, Unterfranken, gest. 12. 6. 1952 München, 1903 Prof. (AT) Straßburg, 1910 Bischof von Speyer, 1917 Erzbischof der Erzdiözese München und Freising, 1921 Kardinal. Fleischer, Josef Franz Maria, Dr. jur. 138 geb. 18. 10. 1912 Berlin, gest. 28. 4. 1998 Freiburg i. Br., 1935 verweigert als katholischer Pazifist den Beamteneid vor dem Berliner Kammergericht, seit 1938 zwei Mal angeklagt wegen Kriegsdienstverweigerung vor dem 1. Senat des Reichskriegsgerichts, durch ein ärztliches Gutachten entgeht er dem Todesurteil, kurz vor Kriegsende Überweisung in eine Nervenklink der Wehrmacht, nach 1945 selbständiger Wirtschaftsjurist, aktiv in der Internationale der Kriegsgegner und der Deutschen Friedensgesellschaft. Franzen, Herbert, Dr. phil. 100 geb. 18. 10. 1907 Krefeld, gest. 11. 7. 1990 Bielefeld, 1931/32 Vikar Barmen, 1932/33 am Predigerseminar Düsseldorf, 1933 Ordination Düsseldorf, 1933–1935 Hilfpfr. Düsseldorf., seit 1935 Pfr. an Berufsschulen im Kirchenkreis Düsseldorf, 1939 Einberufung zur Wehrmacht als Gefreiter bei der 39. IR, 1941/42 Kriegspfr. a. K., bei der Kriegslazarettabteilung 614, 1942–1945 Divisionspfr. bei der 329. ID, Mai 1945 bis Januar 1950 sowjetische Kriegsgefangenschaft, 1950–1953 Pfr. Kettwig III, 1953–1960 Pfr. Duisburg, 1960–1974 Pfr. Duisburg-Süd, 1974 i. R. Fritsch, Werner 18 geb. 4. 8. 1880 Benrath bei Düsseldorf, gest. 22. 9. 1939 Warschau, 1898 Eintritt in ein preußisches Artillerieregiment, 1900 Leutnant, 1914–1918 Teilnahme am Ersten Weltkrieg, zuletzt als Generalstabsoffizier, 1936 Generaloberst, 1938 Beschuldigung der Homosexualität und Anklage vor einem Militärgericht (Freispruch). Fromm, Friedrich 19, 189 geb. 8. 10. 1888 Charlottenburg b. Berlin, gest. 12. 3. 1945 Brandenburg a. d. Havel, 1906 Fahnenjunker, 1916 Hauptmann, 1939 General der Artillerie, 1939 Befehlshaber des Ersatzheeres, 1940 Generaloberst, 1945 Hinrichtung durch das NS-Regime wegen „Feigheit vor dem Feind“. Fuhst, Wilhelm 191 geb. 17. 9. 1909 Bremke Kreis Holzminden, gest. 11. 2. 1975 Neukloster, 1931 Eintritt in die NSDAP, 1936 Ordination, Hilfspfr. Hildesheim, 1937 Stade, 1939 Neukloster, Pfr. ebd., 1940–1945 Militärdienst bei der Wehrmacht zuletzt als Oberzahlmeister, 1967 i. R.

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Galen, Clemens August Graf von 38, 163, 173 geb. 16. 3. 1878 Dinklage/Amtsbezirk Vechta, gest. 22. 3. 1946 Münster, 1904 PW, 1906 Kaplan Berlin, 1911 Präses der Berliner Gesellenvereine, Kuratus Berlin, 1919 Pfr. ebd., 1929 Münster, 1933–1946 Bischof ebd., 1945 Ernennung zum Kardinal. Garbe, Irmfried, Dr. 11, 15, 45, 103, 219 geb. 20. 3. 1969 Greifswald, Kirchenhistoriker und ev. Pfr. Gerlach, Heinrich 205 geb. 18. 8. 1908 Königsberg, gest. 27. 3. 1991 Brake, Schriftsteller und Lehrer, 1939 Einberufung zur Wehrmacht, Uffz. Polen, Nachrichtenoffizier der 16. ID (mot.) Frankreich u. Jugoslawien, zuletzt bei der 14. Panzerdivision, 1943 schwere Verwundung bei Stalingrad, 1943–1950 sowjetische Kriegsgefangenschaft, Mitglied des BDO und NKFD, 1951–1973 Studienrat. Gmeiner, Stefan 25, 61, 190 geb. 25. 9. 1895 Hendenham, gest. 13. 9. 1952 Bernau, 1915–1918 Teilnahme am Ersten Weltkrieg, 1916 Uffz., 1917 Vizefeldwebel, dann Leutnant d. R., 1921 PW, Hilfspriester Solln, 1923 Kooperator Freising, 1927 Stadtvikar ebd., 1934 Standortpfr. i. N., 1935 Standortpfr. i. H. München, 1936 Heerespfr. München, 1938 Divisionspfr. der 7. ID während der Besetzung Österreichs, 1938 Seelsorger im Aufbaustab des Generalkommandos der XVIII. Armeekorps Salzburg, Standortpfr. Regensburg, Wehrmachtoberpfr. beim Stab des I. Armeekorps Königsberg, 1939 Armeepfr. beim AOK 3, danach beim AOK 16, Wehrkreispfr. I Königsberg, Heeresgruppenpfr. für den Grenzabschnitt Nord, 1940 Dienstaufsichtführender Kriegspfr. beim Chef der Militärverwaltung bzw. beim Wehrmachtbefehlshaber in Frankreich Paris, Armeepfr. beim AOK 11, 1941 Wehrmachtdekan, Heeresgruppenpfr. der Heeresgruppe Don, seit 1943 Heeresgruppe Süd, Wehrkreispfr. I. Königsberg, 1945 Lazarettaufenthalt, 1946 Vicarius substitutus Reichersbeuern, Pfarrvikar ebd. 1947 Strafanstaltspfr. Bernau, Chiemsee. Goebbels, Joseph, Dr. phil. 23 f., 73 geb. 29. 10. 1897 Rheydt, gest. 22. 4. 1945 Berlin, 1924 Eintritt in die NSDAP, 1926 Gauleiter von Berlin-Brandenburg, 1928–1945 Mitglied des Reichtags, 1933–1945 Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, April 1945 Selbstmord. Gçring, Hermann 21, 155, 171 geb. 12. 1. 1893 Rosenheim, gest. 15. 10 1946 Nürnberg, 1914–1918 Teilnahme am Ersten Weltkrieg (Jagdflieger), 1928–1945 Mitglied des Reichstags, 1933 Reichsminister ohne Geschäftsbereich, Reichskommissar für das Preußische Innenministerium, Preußischer MP, 1935 OB der Luftwaffe, 1936 Reichsbeauftragter für den Vierjahresplan, 1946 Selbstmord nach Todesurteil. Goes, Albrecht 10, 64 f., 200 geb. 22. 3. 1908 Langenbeutingen, gest. 23. 2. 2000 Stuttgart-Rohr, Theologe, Pfr., Kriegspfr. a. K., Schriftsteller [Personenlexikon 89] Gollwitzer, Helmut 195 geb. 29. 19. 1908 Pappenheim, gest. 17. 10. 1993 Berlin, Theologe, Religionswissenschaftler, Pfr., kirchlicher Dozent, Universitätslehrer (ST), 1940 Einberufung zur Wehrmacht als Gefreiter, 1940–1942 beim 2. Kompanie Infanterie-Ersatz Bataillon 323 Potsdam, 1942 beim 5. Grenadierregiment 679, 1942–1944 bei der 2. Sanitäts-Kompanie 333, danach bei der 2. Sanitätskompanie 304, Oktober 1944 bis Kriegsende bei

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der 1. Sanitäts-Kompanie 304, Dez. 1949 Entlassung aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft. [Personenlexikon 90] Gr ffshagen, Stephan (Ps. für Klaus Müller) 60 geb. 5. 12. 1922 Glatz (Schlesien), Soldat im Zweiten Weltkrieg, 1948–1953/54 Chefredakteur bei der Bundeszentrale der katholischen Jugend „Der Fährmann“ Freibrug/Br., danach Redaktionsleiter beim Bayerischen Rundfunk München, Lyriker, Erzähler, Verfasser von Laien- u. Hörspielen sowie von Fernsehdokumantarfilmen. Grçber, Conrad 37, 49 f., 59, 75, 82, 93, 107 f. geb. 1. 4. 1872 Meßkirch, gest. 14. 2. 1948 Freiburg/Br., 1897 PW, 1899–1902 Rektor des Knabenkonvikts »Konradihaus« Konstanz, 1922 Pfr. und Münsterpfr. ebd., 1925 Domkapitular Freiburg, 1931 Bischof von Meißen, 1932–1948 Erzbischof von Freiburg. Groscurt, Helmut 170 geb. 16. 12. 1898 Lüdenscheid, gest. 7. 4. 1943 in sowjetischer Kriegsgefangenschaft, 1916 Kriegsfreiwilliger im Ersten Weltkrieg, 1935–38 in der Abwehrabteilung/Amt Ausland-Abwehr im OKW, 1939/40 Chef der Abteilung Heerwesen im OKH, 1940 Kommandeur eines Infanterie-Bataillons im Frankreich-Feldzug, 1940/41 Erster Generalstabsoffizier der 295. Infanterie-Division der 6. Armee, 1943 sowjetische Kriegsgefangenschaft. Grossmann, Gerhard 76, 115 geb. 12. 6. 1903 Thorn, gest. 24. 4. 1985 Berlin, 1930 Ordination, Hilfsprediger, 1931–1939 Pfr. Zerrentin, 1939 Divisionspfr. bei der 7. ID, 1940 Wehrmachtpfr., 1942/43 Lazarettpfr. im Kriegslazarett 1/551, 1945–1965 Pfr. an der Trinitätiskirchengemeinde Berlin Charlottenburg. Gr nefeld, Heinrich 40 geb. 16. 6. 1909 Bottrop, gest. 16. 1. 1988 Bremen, 1936 PW, 1937 Kaplan Neubrandenburg, Seelsorger für die „Wandernde Kirche“, 1939 Divisionspfr. der 60. ID, 1940 Stationierung im Bereich der 18. Armee u. 12. Armee, 1941 Rumänien, Bulgarien, Serbien, 1. Panzer-Armee Schitomir und Uman, Mariupol, Rostow, 1942/43 Lazarettpfr. bei den Kriegslazarettabteilungen 925 und 905, danach Abkommandierung zur 148. ID, 1943 bei der Armeeabteilung „Ligurien“, 1944 Norditalien, 1945 Kriegsgefangenschaft, Vikar Bremen, 1947 Pastor Grafeld, 1958 Anstaltspfr. Lingen, 1975 i. R. Guardini Romano 112, 133 geb. 17. 2. 1885 Verona, gest. 1. 10. 1968 München, 1923–1939 Prof. für Religionsphilosophie und katholische Weltanschauung Berlin, 1945–48 Tübingen, 1948–63 München. Halder, Franz 163 geb. 30. 6. 1884 Würzburg, gest. 2. 4. 1972 Aschau im Chiemgau, 1936 Generalleutnant im OKH, 1941 Leitung des Balkanfeldzugs und des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion, 1944 Haft im KZ Dachau, 1946–1961 Leiter der deutschen Abteilung des kriegsgeschichtlichen Forschungsamts (Historical Division) der US-Armee in Königstein/Taunus und Karlsruhe. Hamm, Johann Anton 10, 39, 41, 57, 96, 108, 113, 127, 156, 193f., 196–198, 202 geb. 27. 3. 1909 Eschweiler, gest. 15. 1. 1986 Münstereifel, 1937 PW, Kaplan Richterich u. Breinig b. Aachen, 1940 Einberufung als Sanitätssoldat zur Sanitätsersatzabteilung 6, Sanitätsobersoldat der Sanitätskompanie 1/254, 1941 Lazarettpfr. beider Kriegslaza-

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rettabteilung 609 und 581, Kommandierung zur Sanitätskompanie 500, 1941 Lazarettpfr. der Kriegslazarettabteilung 509, 1943 Lazarettaufenthalt, Verhaftung, Verurteilung wegen Wehrkraftzersetzung zu zwei Jahren Gefängnis, 1944 Aufhebung des Urteils, danach Bestätigung des Urteils in zweiter Instanz, 1945 Haft im KZ Dachau, Befreiung aus KZ-Haft, Kaplan Rheydt, 1949 Pfr. von Berg vor Nideggen, 1951 Pfr. von Nöthen b. Münstereifel, 1959 Seelsorger im Kreisaltersheim Korschenbroich, 1960 Lektor für Philosophie, Ethik und Pastoralpsychologie in der Trappistenabtei Mariawald, Rektor bei den Barmherzigen Schwestern Münstereifel, Gymnasialpfr. Münstereifel, 1965 i. R. Harder, Walter Hermann 130 geb. 15. 3. 1897 Berlin, gest. 13. 6. 1980 Hannover, 1924 Ordination, Pfr. Zachow und Roskow, 1928 Standortpfr. Königsberg, 1929 Pfr. Heinrichau, 1939 Wehrmachtpfr. Görlitz, 1940 Wehrmachtoberpfr., 1942 beim AOK Lappland, 1946 Dezernent im Provinzialamt des Hilfswerks der EKD für die Kirchenprovinz Sachsen, 1956 Leiter des Diakonischen Amtes der Ev. Kirche der Kirchenprovinz Sachsen, Ernennung zum OKR, 1957 Flucht in die Bundesrepublik Deutschland, 1958–1962 Pfr. des Landesverbandes der IM, Lagerpfarrer Uelzen-Bohldamm, 1962 i. R. Hartenstein, Karl Wilhelm 127 geb. 25. 1. 1894 Cannstatt, gest. 1. 10. 1952 Stuttgart, Theologe, Prälat, Missionsdirektor [Personenlexikon 100] Hartmann, Christian, Dr. 182 geb. 15. 4. 1959 Heidelberg, deutscher Historiker. Hasselbach, Ulrich von, Dr. phil. 62, 85 geb. 22. 10. 1910 Dresden, gest. 21. 9. 1999 Unna, 1933 Eintritt in die NSDAP, 1937 ev. Hilfsprediger Bremen, 1939–1941 Wehrmachtpfr. und Divisionspfr. bei der 221. ID, seit 1941 Sicherungs-Division 221, 1941–1945 Wehrmachtpfr. bei der 22. ID, 1945–1947 jugoslawische Kriegsgefangenschaft, 1948 Pfr. bei der „Freien Protestantischen Vereinigung in der Gemeinde Horn e. v.“, 1955–1970 Berufsschullehrer und Studiendirektor Unna/Westf., freier Prediger Duisburg u. Mülheim/Ruhr, 1976–1986 Schriftleiter von „Freies Christentum“. Heidland, Hans-Wolfgang, Prof. Dr. theol. 78 f., 86 geb. 20. 7. 1912 Koblenz, gest. 11. 1. 1992 Malsburg-Marzell, 1936 Pfr. Mannheim, 1937 komm. Heerespfr., 1939–1943 Wehrmachtpfr. und Divisionspfr. beim Kdo. der 3. Panzer-Division, 1943–1945 Kriegspfarrerreserve beim OKH Potsdam, 1945 Pfarrkandidat Heidelberg-Wieblingen, 1946 Leiter des Männerwerkes der badischen Landeskirche, 1947 Pfr. Heidelberg, 1949 OKR Karlsruhe, 1960 o. Prof. (PT) Heidelberg, 1964–1980 badischer Landesbischof. Heim, Karl, Dr. phil., Lic theol. 135 geb. 20. 1. 1874 Frauenzimmern, gest. 30. 8. 1958 Tübingen, luth. Theologe, Prof. (ST und KG). [Personenlexikon 104] Henneke, Joseph Heinrich 94 geb. 29. 5. 1893 Wanne, Westfalen, gest. 6. 5. 1969 Erwitte, 1915–1917 Kriegsfreiwilliger im Ersten Weltkrieg, 1917/18 Lazarettaufenthalt, 1918 Entlassung aus dem Heeresdienst, 1921 PW, Kooperator Gelsenkirchen, 1924 Präfekt im Knabenseminar Paderborn, 1927 Standortpfr. Paderborn, Heeresseelsorge Neuhaus und Sennelager, 1934

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Personenregister/Biografische Angaben

Wehrkreispfr. VIII Breslau, 1935 Wehrmachtoberpfr., 1938 Wehrmachtdekan, 1939 Dienstaufsichtführender Kriegspfr. beim Oberbefehlshaber Ost, Heeresgruppenpfr. der Heeresgruppe A, 1939–1941 Heeresgruppenpfr. der Heeresgruppe Süd, 1942 Lazarettaufenthalt, Versetzung in die OKH-Reserve, Päpstlicher Ehrenkaplan, Monsignore, Wehrkeispfr. VIII Breslau, 1945 Pfr. Erwitte, Ehrendomherr Paderborn, 1968 i. R., Klosterkommissar der Heiligenstädter Schulschwestern Geseke. Herwegen, Ildefons 112 geb. 27. 11. 1874 Junkersdorf bei Köln, gest. 2. 9. 1946 Maria Laach, 1895 Noviziat beim Benediktinerorden Maria Laach, 1901 PW, 1913 Abt von Maria Laach, 1931 Gründung der „Benediktinerakademie (seit 1948: Abt-Herwegen-Institut) für liturgische und monastische Forschung“. Hiendlmayr, Franz Xaver 118 geb. 10. 4. 1912 Fürstenfeldbruck, gest. 16. 11. 1974, 1936 PW, Aushilfspriester Höhenrain, Koadjutor Prien, 1938 Kooperatur-Verweser Planegg, 1939 Kooperator München. 1940 Einberufung zur Wehrmacht, Sanitäter ebd., 1946 Kooperator Peiting und München (St. Benno), 1950 Kooperator ebd., 1954 Pfr. Aßling. Hildebrandt, Karl 186 geb. 9. 10. 1909 Vienenburg, gest. 6. 6. 1982 Hannover, 1936 PW, 1937 Kaplan Dinklar, dann Hannoversch-Münden, 1939 Lazarettpfr. der Kriegslazarettabteilung 591, 1940 Divisionspfr. der 129. ID, 1943 Lazarettaufenthalt, 1944 Lazarettpfr. der Kriegslazarettabteilung 521, des Kriegslazaretts 3/677, 1944 Umbenennung in 2/521, des Feldlazaretts 617 und der Kriegslazarettabteilung 605, 1945 Lazarettpfr. der Kriegslazarettabteilung 3/612, 1945 amerikanische Kriegsgefangenschaft, Pfarrvikar Seelze, 1962 Pfr. Seelze. Himmler, Heinrich 23, 27, 74, 155, 170 f., 185 geb. 7. 10. 1900 München, gest. 23. 5. 1945 Lüneburg (Selbstmord), 1926 Stellvertretender Gauleiter von Oberbayern und Schwaben, 1929 Reichsführer SS, 1932 Sicherheitschef der Parteizentrale der NSDAP München, 1933 Polizeipräsident ebd., 1936 Chef der deutschen Polizei, 1939–1942 Chef des RSHA, 1939 Reichskommissar für die Festigung des deutschen Volkstums, 1943 Reichsinnenminister, 1944 OB des Ersatzheeres und Chef der Heeresausrüstung. Hitler, Adolf 23 f., 27 f., 34 f., 37 f., 52–54, 61, 63, 73, 129, 133 f., 138, 155 f., 171, 173, 175 f., 181, 185, 201, 207, 217 geb. 20. 4. 1889 Braunau a. Inn, gest. 30. 4. 1945 Berlin (Selbstmord), 1933–1945 Reichskanzler, seit 1934–1945 Reichspräsident, „Führer und Reichskanzler“ des Deutschen Reiches. Hçbel, Michael 73 geb. 25. 9. 1903 Engishausen, gest. 24. 1. 1975 Kempten, 1930 PW, Kaplan Blaichach, 1931 Stadtkaplan Kempten, 1935 Benefiziumsvikar Wasserburg am Bodensee, 1939 Divisionspfr. der 212. ID, Kriegspfr. a. K., 1946 Religionslehrer Weißenhorn, 1948 Studienrat Weißenhorn, 1956 Studienprofessor Kempten, 1959 Oberstudienrat ebd., Seelsorger im Kreiskrankenhaus und in der Frauenklinik Dr. Krebs, Geistlicher Rat. Hçck, Michael 190 geb. 20. 9. 1903 Inzell, gest. 31. 5. 1996 Freising, 1930 PW, 1931–1934 Präfekt im Erzbischöflichen Knabenseminar Freising und Religionslehrer ebd., 1934 Schriftleiter der Münchner Katholischen Kirchenzeitung, 1940 Verbot der Kirchenzeitung mit Ge-

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richtsverfahren, 1941 Freispruch, Mai 1941 Verhaftung und Inhaftierung Berlin, 1941–1945 Haft im KZ Dachau, 1945–1958 Regens des Priesterseminars auf dem Domberg zu Freising. 1963–1968 Priesterreferent und Ordinariatsrat München, 1968–1988 Kirchenrektor Freising. Hçfler, Heinrich 38, 127 geb. 16. 2. 1897 Schwetzingen, gest. 21. 10. 1963 Bonn, 1916–1918 Teilnahme am Ersten Weltkrieg, 1921–1931 Redakteur des „Pfälzer Boten“ Heidelberg, 1931 Leiter der Propaganda- und Presseabteilung des Deutschen Caritasverbandes Freiburg/Br., 1931–1939 Schriftleiter der Verbandszeitschrift „Caritas“, 1932 Leitung der „CaritasKorrespondenz“, 1933–1941 Gründung und Leitung des „Zwei-Pfennig-Wochenblattes“, 1939–1944 Leiter der „Kirchlichen Kriegshilfe“ beim Deutschen Caritasverband, zunächst Berlin, seit 1940 Freiburg/Br., 1944/45 Gestapo-Haft, 1945–1949 Leitung der „Caritashilfe für Kriegsgefangene, Heimkehrer und freie Arbeiter“ bei der Zentrale des Deutschen Caritasverbandes, 1949–1963 MdB (CDU), 1951 Mitglied der Beratenden Versammlung des Europarats, 1955 Mitglied der Versammlung der Westeuropäischen Union. Holtermann, Remmer Dietrich Karl Matten 191 geb. 9. 9. 1902 Scharnebeck Kreis Lüneburg, gest. 5. 6. 1983 Ritterhude-Ihlpohl bei Bremen, 1928 Ordination, Hilfspfr. Hannover, 1929/30 Pfr. Schneverdingen, 1930 Bramstedt, 1943 Einberufung zur Wehrmacht, 1951–1955 Pfr. Lilienthal; Kreis Osterholz bei Bremen, 1955–1967 Pfr. Gemeinde Lesum/Bremen, 1967 i. R. Hotzel, Siegfried, Dr. theol. 14, 94, 110, 178, 180 geb. 12. 2. 1894 Leopoldshall, gest. 4. 9. 1992 Dornstadt, 1925–1927 Syndikus Weimar, 1931–1934 Pfr. Gloethe, 1934–1936 Pfr. Leopoldshall, 1936 Wehrmachtpfr., Standortpfr. Erfurt, 1938 Wehrmachtoberpfr., 1939 Bezirksstandortpfr. Danzig, 1939 Divisionspfr. der 29. ID, 1940 der 129. ID, danach beim Stab der Kriegslazarettabteilung 591, Juni 1941 beim Militäroberbefehlshaber im Generalgouvernement, 1944 Wehrkreispfr. Wiesbaden, 1945–1960 Pfr. Erfurt, 1961 Umsiedlung in die Bundesrepublik Deutschland. Hunzinger, Wilhelm Carl Ulrich Hugo Martin 98 f. geb. 22. 4. 1891 Roggendorf, gest. 29. 5. 1975 Hamburg, 1920 Ordination, Pfr. Roggendorf, 1926 Pfr. Schwerin; 1935 Wehrmachtpfr., 1939 beim AOK 10 Oppeln, 1940 Wehrmachtdekan, 1943 beim Stab des OK der Heeresgruppe F, 1943 beim Militärbefehlshaber in Belgien und Nordfrankreich, 1946 Pfr. Hamburg-Eimsbüttel, 1958 i. R. J nger, Ernst 121, 162 geb. 29. 3. 1895 Heidelberg, gest. 17. 2. 1998 Riedlingen, 1914–1918 Teilnahme am Ersten Weltkrieg, seit 1926 freier Schriftsteller, 1940 Offizier bei der Wehrmacht, seit 1941 im Stab des deutschen Militärbefehlshabers Frankreich, 1944 als „wehrunwürdig“ aus der Wehrmacht entlassen, 1945–1949 Publikationsverbot. K hler, Hans 14, 37, 39, 62, 65, 89, 101, 103, 110–112, 114–116, 118, 125, 138, 177, 180 f., 184 f., 187 geb. 15. 10. 1905 Klein Zecher Kreis Herzogtum Lauenburg, gest. 28. 5. 1982 Lüchow, 1932 Ordination, Provinzialvikar Brunsbüttel, 1933 Gülzow, Pfr. ebd., Eintritt in die NSDAP, 1933–1938 kommissarischer Standortpfr. Verden, seit Febr. 1939 Wehrmachtpfr. und hauptamtlicher Standortpfr. ebd., 1939–1941 Divisionspfr. der 225. ID, 1941/42 der 81. ID, 1942 der 163. ID, 1945 sowjetische Kriegsgefangenschaft, 1950 Pfr.

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Wustrow bei Lüchow, 1954 Kurprediger Bad Essen, 1963 Pfr. Neersen, Landkreis Hameln-Pyrmont, 1969 i. R. Kauffmann, Gerhard 19, 202 geb. 29. 6. 1887 Mariendorf b. Berlin, gest. 16. 6. 1969 Berlin, 1914–1918 Teilnahme am Ersten Weltkrieg, 1919 Kompaniechef IR 19 bei der Reichswehr, 1920 Regimentsadjutant des IR 17 ebd., 1927 Kompaniechef ebd., 1928 Gruppenleiter im Heerespersonalamt, 1929 Major, 1933 Oberstleutnant, 1935 Kommandeur des IR 59, 1935 Oberst, 1936 Kommandeur des IR 73, 1937 Chef der Amtsgruppe Ersatz und Heerwesen im OKH, 1939 Generalmajor, 1941 Kommandeur der 256. ID, 1941 Generalleutnant, 1942 Versetzung in die Führerreserve des OKH, 1943 Verabschiedung aus dem Dienst. Kayser, Josef 45 f., 194, 203–206 geb. 22. 11. 1895 Schmallenberg, gest. 21. 4. 1993 Lippetal-Hovestadt, 1931 PW, Vikar Dortmund, Seelsorger beim Freiwilligen Arbeitsdienst Staumühle, 1933 Kooperator Bönen, Vikar Höxter, 1935 Militärseelsorger i. N. ebd., 1939 Kommissarischer Wehrmachtpfr. Brandenburg a. d. Havel, 1940 Wehrmachtpfr. Brandenburg, 1941 Divisionspfr. der 76. ID, 1943 sowjetische Kriegsgefangenschaft, Mitarbeit im NKFD und BDO, 1945 Rückkehr nach Deutschland, Pfarrvikar Dortmund-Kirchhörde, Pfr. Bosseborn, Kreis Höxter, 1954 Anstaltsgeistlicher Lippstadt-Eickelborn. Keitel, Wilhelm 20, 27 geb. 22. 9. 1882 Helmscherode, gest. 16. 10. 1946 Nürnberg, 1902 Artillerieleutnant, 1914–1918 Teilnahme am Ersten Weltkrieg, 1934 Divisionskommandeur Bremen, 1937 General, 1940 Generalfeldmarschall, 1946 Todesurteil wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Keppler, Paul Wilhelm 128 geb. 28. 9. 1852 Schwäbisch Gmünd, gest. 16. 7. 1926 Rottenburg, 1875 PW, 1875/76 Vikar Ulm und Gmünd, 1876–1880 Repetent Tübingen, 1883 o. Prof. für Neutestamentliche Exegese Tübingen, 1894 Prof. für Moraltheologie Freiburg. Ketterer, Anton 90 geb. 29. 4. 1911 Seelbach, gest. 11. 9. 1972 Freiburg, 1936 PW, Vikar Heidelberg-Rohrbach, Vikar Hechingen, 1939 Vikar Hardheim b. Walldürn, Vikar Mannheim, im Zweiten Weltkrieg Einberufung als Sanitätssoldat zum Feldlazarett 179 (mot.), 1941 Kriegspfr. a. K. und Lazarettpfr. der Kriegslazarettabteilung 605 und 906, Kommandierung zur Feldkommandantur 589 Orl ans, 1944 zur Feldkommandantur 622 Epinal, 1945 Vikar Heidelberg, 1949 Benefiziat Überlingen am Bodensee, 1953 Pfarrverweser Obrigheim, 1955 Pfr. ebd., 1971 i. R. Knapp, Gerhard 14, 37, 57–59, 89, 97, 109–112, 121, 126 f., 132, 135, 140–142, 175, 184 geb. 13. 9. 1904 Sulz, Kreis Calw, gest. 2. 5. 1945, 1933–1940 Pfr. Laufen a. d. Eyach, 1933 Eintritt in die NSDAP, Vertrauensmann der BK im Dekanat Balingen, 1940 Einberufung zur Wehrmacht, Nachschubkompanie 178, 1./ Sanitäskompanie 178, 1945 Sanitätsoberfeldwebel beim Stab des Generalkommando IX. Armeekorps. Knapp starb durch eine tödliche Verwundung auf dem Dampfschiff „Ganther“ während der Überfahrt nach Dänemark. Knapp, Wolfgang 123, 157 geb. 27. 2. 1908 Sulz, Kreis Calw, gest. 2. 7. 1965 Erbstetten, Kreis Backnang, 1935 Pfr. Endingen, Teilnahme am Ostfeldzug zunächst bei der kämpfenden Truppe, später als Sanitätssoldat, 1949 Pfr. Kuppingen bei Herrenberg, 1954 Pfr. Erbstetten.

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Kornmann, Wilhelm 170, 202, 209 11. 2. 1894 Darmstadt, vermisst 1943 Russland, 1914–1918 Teilnahme am Ersten Weltkrieg, 1921 Verwalter der Jugendpfarrstelle Offenbach am Main, Verwalter Ulrichstein, seit 1924 Pfr. ebd., 1927 Jugendpfr. Frankfurt a. M., 1928 Pfr. Rodheim a. d. Horloff, 1930 Pfr. Laubach, 1934 Pfr. Darmstadt-Markusbezirk, seit Februar 1939 beurlaubt als Wehrmachtgeistlicher, 1939/40 Wehrmachtpfr. im Wehrbezirk XII Wiesbaden, 1941 Divisionspfr. der 295. ID. Kostorz, Johannes 186 geb. 26. 11. 1891 Merseburg, gest. 8. 12. 1972 Meschede, 1914–1917 Teilnahme am Ersten Weltkrieg, 1917 Lt. d. R., 1921 PW, 1921–1926 Kaplan Berlin, 1929 Kuratus Bad Freienwalde, Oder, 1932 Pfr., Kurat Berlin-Staaken-Döberitz, 1932 Standortpfr. i. N. Döberitz, 1935 Standortpfr. i. H. Stettin, 1936 Heerespfr., 1937 Heeresoberpfr., 1938 Wehrkreispfr. XI Hannover, 1940 Armeepfr. beim AOK 2, Stellvertretender Wehrkreispfr. I Königsberg, Wehrmachtoberpfr., 1941 Armeepfr. beim AOK 17, Wehrmachtdekan, 1943 Dienstaufsichtführender Kriegspfr. beim Wehrmachtbefehlshaber Ukraine Rowno, Heeresgruppenpfr. der Heeresgruppe Süd, 1945–1950 sowjetische Kriegsgefangenschaft, 1951 Aushilfspriester Castrop-Rauxel, Pfarrvikar Erlinghausen, 1954 Inkardinierung in das Erzbistum Paderborn, 1960 i. R. Kraus, Johann Evangelist 70 geb. 8. 6. 1898 Fristingen, gest. 15. 1. 1972 Augsburg, 1924 PW, Kaplan Pfaffenhausen, 1926 Stadtkaplan Augsburg-Pfersee, 1927 Benefiziat Jettingen, 1929 Pfr. Mattsies, 1940 Kriegspfr. a. K. und Lazarettpfr. der Kriegslazarettabteilung 680, Divisionspfr. der 113. ID, 1942 wegen Krankheit Versetzung zum stellvertretenden Generalkommando XIII München, 1942 Entlassung aus dem Wehrmachtseelsorgedienst, Kammerer des Kapitels Mindelheim, Geistlicher Rat. Krauss, Paul 49 geb. 6. 4. 1902 Kaiserslautern, gest. 19. 1. 1966 Landshut-Achdorf, 1930 Ordination, Stadtvikar Nürnberg-Steinbühl II., 1935 Verweser Zeitlofs, 1935 Standortpfr. München, 1939 Wehrmachtoberpfr. ebd., 1941 beim Stab der 7. ID, 1942 beim AOK 7, dann AOK 9, 1946 Pfr. Berchtesgaden, 1949 Pfr. und Dekan Landshut, 1958 Kirchenrat. Kreutzberg, Heinrich Joseph 40, 95, 138 geb. 31. 12. 1898 Hemmerden, gest. 15. 4. 1968 Brühl, 1917/18 Teilnahme am Ersten Weltkrieg, 1923 PW, Kaplan Düsseldorf, 1930 Kaplan Wuppertal-Barmen, 1939 Kommissarischer Wehrmachtpfr. Eberswalde, 1939 Divisionpfr. beim Grenzabschnittskommando 12, 1939 Stellvertretender Wehrkreispfr. III Berlin, 1940 Wehrmachtpfr., 1940 Divisonspfr. der 62. ID, 1942 krankheitsbedingte Beurlaubung, Versetzung in die OKH-Reserve, danach Stellvertretender Wehrkreispfr. III u. Standortpfr. Berlin, Lazarettaufenthalt Würzburg, 1945 Rektoratspfr. Wuppertal-Barmen, 1949 Pfr. Brühl, 1954 Dechant ebd., 1959 Geistlicher Rat, 1963 Kreisdechant Köln-Land. Krimm, Herbert Hugo, Prof., Dr. theol. 15, 49, 80, 175 f., 199, 202 geb. 6. 11. 1905 Przemysl (Galizien), gest. 22. 1. 2002 Karlsruhe, Theologe, Hauptgeschäftsführer, Universitätslehrer (PT, Diakoniewissenschaft), 1940/41 Gefreiter beim 4. Infanterieersatzbataillon 456, dann Landschützenbataillon 397, 1941/42 beim AOK Norwegen zunächst als Schütze, dann als Kriegspfr. a. K. bei der Kriegslazarettabteilung 615, 1942–1945 bei der Kriegslazarettabteilung 615 Sofia, danach Kriegslaza-

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rettabteilung 605, 1945/46 amerikanische Kriegsgefangenschaft. [Personenlexikon 145] Kr ger, Karl 60, 68, 129, 190 geb. 17. 9. 1907 Esperenza de Santa F (Argentinien), gest. 17. 11. 1988 Detmold, Hilfsprediger in Gemeinde und Standortgemeinde Stettin-Pommersdorf, 1934 Standortpfr. Frankfurt/Oder, 1935 Standortpfr. Liegnitz, Wehrmachtpfr., Heerespfr., 1939 Divisionspfr. der 18. ID, 1944 Divisionspfr. der 116. Panzerdivision, 1946 seelsorgerlicher Dienst im Internierungslager Hemer, 1946–1972 Pfr. Elsey/Hohenlimburg, Dozent am Katechetischen Seminar Villigst, 1972 i. R. K hn, Erich 196 f. geb. 14. 12. 1902 Hochhausen, gest. 27. 5. 1979 Mannheim, April 1925 Aufnahme unter die Pfarrkandidaten der Badischen Landeskirche, dann Ordination, Vikar Rheinbischofsheim, Mannheim, 1926 Karlsruhe, 1929 Karlsruhe-Mühlburg, 1930 Pfr. Linx b. Rheinau, 1934 Mannheim-Neckarau, während des Zweiten Weltkrieges Kriegspfr. a. K. und Divisionspfr. der 5. Jäger Division, nach 1945 Aufbau der Neckarauer Liebeswerke, 1972 i. R. K hne, Thomas, Prof. Dr. 77, 208 geb. 13. 3. 1958 Köln am Rhein, deutscher Historiker. Kunst, Hermann 202 geb. 21. 1. 1907 Ottersberg, gest. 6. 11. 1999 Bonn, Theologe, EKD-Bevollmächtigter beim Sitz der Bundesregierung in Bonn, Militärbischof, 1934 ev. Standortpfr. bei der Herforder Garnison, 1939/40 bei der Kriegslazarettabteilung 581, 1940 Kriegspfr. a. K. beim Stab der 8. ID, 1940–1943 Entlassung aus der Wehrmacht zwecks UK-Stellung, 1943 Wiedereinsatz bei der Wehrmacht als Kriegspfr. a. K. beim Stab der Kriegslazarettabteilung 571, Heeresgruppe Nord (später: „Kurland-Armee“), Anfang August 1944 Versetzung an die Westfront zur Kriegslazarettabteilung 677, zuletzt eingesetzt in den Niederlanden, kanadische Kriegsgefangenschaft im ostfriesischen Hage. [Personenlexikon 149] Kurschatke, Maximilian 64 geb. 1. 2. 1905 Neurode, Kreis Glatz, gest. 31. 1. 1988 Äpfingen, 1931 PW, Aushilfspriester Festenberg, Kreis Groß-Wartenberg, Kaplan Görlitz, 1934 Kaplan Liegnitz, 1936 Standortpfr. i. N. Liegnitz, 1938 Kommissarischer Wehrmachtpfr. Liegnitz, 1939 Wehrmachtpfr., Divisionspfr. der 18. ID, 1939 Bezirksstandortpfr. des Wehrmachtseelsorgebezirks XX/3 Posen, 1940 Divisionspfr. der 26. ID, 1942 Lazarettaufenthalt, Versetzung in die OKH-Reserve, Divisionspfr. der 28. ID, 1943/44 Lazarettaufenthalt, Divisionspfr. der 712. ID, 1945–1950 sowjetische Kriegsgefangenschaft, 1950 Seelsorger für Heimatvertriebene Hohenstaufen, 1957 Inkardinierung in das Bistum Rottenburg, Pfr. Äpfingen, Geistlicher Rat, 1977 i. R. Lechner, Wilhelm Johann 113 f., 184 geb. 7. 11. 1907 Fürth, gest. 12. 8. 1979, 1939 Ordination, 1939 Pfr.-Vertretung Steinheim, 1939 Einberufung zur Wehrmacht, bei der Fahrkolonne 6/268, 1940 Kriegslazarettabteilung 617, 1941 Kriegspfr. a. K. beim Kriegslazarett 907 und 918, 1943 Kriegslazarettabteilung 605, 1944 Kriegslazarettabteilung 684 und 695, 1944 als ungeeignet entlassen, 1946 Pfr. Neudrossenfeld II., 1961 Pfr. Floß, 1974 i. R. Leonhard, Hans 197 22. 3. 1910 Wilchenreuth, gest. 7. 12. 1977 Weiden, 1934 Ordination, 1935 Vikar Er-

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kersreuth, 1938/39 Pfr. Watzendorf bei Coburg, 1939–1945 als Kriegspfr. bei der Wehrmacht, Kriegspfr. a. K., 1945–1948 Pfr. Watzendorf, 1948–1977 Neunkirchen und Mantel, Landkreis Neustadt an der Waldnaab, 1977 i. R. Leugers, Antonia, Dr. 11, 167, 218 Deutsche Kirchenhistorikerin. Leveling, Heribert von 152 geb. 26. 6. 1906 München, gest. 4. 3. 1990 München, 1932 PW, 1932/33 KooperaturVerweser Holzhausen bei Vilsbiburg und Altfraunhofen, 1933 Koadjutor Ismaning, 1936 Kooperator Tuntenhausen, 1939 Kaplan Altomünster, 1940 Kaplan MünchenUntermenzing, seit 1942 Sanitäter bei der Wehrmacht, 1948 Berufsschulkatechet München, 1954 Studienrat ebd., 1956 Studienprofessor ebd., 1965 Oberstudienrat ebd., 1968 Gymnasialprofessor ebd. Liebeneiner, Wolfgang 163 geb. 6. 10. 1905 Lubawka (Polen), gest. 28. 11. 1987 Wien, deutscher Schauspieler und Regisseur. Lilje, Hanns 121, 130 geb. 20. 8. 1899 Hannover, gest. 6. 1. 1977 Hannover, Theologe, Landesbischof. [Personenlexikon 157] Lipp, Georg 25, 49, 61, 109, 173 geb. 15. 4. 1904 Winden b. Haag, Oberbayern, gest. 19. 3. 1983 Rosenheim, 1932 PW, Kooperaturverweser Walpertskirchen, 1934 Aushilfspriester Emmering b. Fürstenfeldbruck, 1935 Kaplan Schönberg b. Neumarkt a. d. Rott, 1935 Koadjutor Langenpettenbach, Kaplan Kolbermoor, 1936 Expositus Petersberg i. Inntal, Standortpfr. i. N. ebd., 1938 Kommissarischer Wehrmachtpfr. Rosenheim, 1939 Wehrmachtpfr., Divisionspfr. der 1. Gebirgsdivision, 1942 Lazarettaufenthalt, 1943 Einsatz auf dem Balkan, 1945 Pfarrvikar Hebertshausen, 1946 Katechtenkaplan Rosenheim, Studienrat ebd., 1954 Studienprofessor, 1954–1958 Mitglied des Bayerischen Landtags, 1962 Oberstudienrat, 1965 Gymnasialprofessor, 1969 i. R. Lippert, Peter SJ 127 f. geb. 23. 8. 1879 Altenricht bei Amberg (Oberpfalz), gest. 18. 12. 1936 Locarno, 1899 Eintritt in den Jesuitenorden Feldkirch-Tisis (Österreich), 1909 PW, seit 1911 Mitarbeiter u. a. bei den „Stimmen aus Maria Laach“ (1914 umbenannt in „Stimmen der Zeit“), tätig als Exerzitienmeister, geistlicher Schriftsteller, Redner, seit 1930 Rundfunkvorträge. Litzenrath, Heinrich 149 geb. 17. 4. 1907 Krefeld, gest. 31. 5. 1996 Düsseldorf, 1932 PW, Kaplan Düsseldorf, Subsidiar ebd., 1940 Kriegspfr. a. K. und Divisionspfr. der 294. ID, 1941 Erkrankung, 1942 Versetzung in die OKH-Reserve, 1942 Bezirksstandortpfr. des Wehrmachtseelsorgebezirks XXI/5 Litzmannstadt, 1942 Lazarettpfr. der Kriegslazarettabteilung 614, Kommandierung zum Wehrmachtbefehlshaber in den Niederlanden, 1946 Aushilfspriester Düsseldorf, 1946 Seelsorger im Jugendheim Düsseldorf, seit 1947 Religionslehrer ebd., 1956 Visitator des Religionsunterrichts an den Realschulen ebd., 1958–1975 Diözesanbeauftragter für die Realschulen im Erzbistum Köln, 1959 Realschulpfr., 1962 Päpstlicher Geheimkämmerer, Monsignore, 1973 i. R. Loevenich, Theodor 14, 95 f. geb. 16. 7. 1907 Frechen, gest. 22. 8. 1990 Frechen-Königsdorf, 1939 PW, Aushilfs-

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Personenregister/Biografische Angaben

priester Wittlaer, 1940 Köln-Lindenthal, Wuppertal-Barmen, Einberufung als Sanitätssoldat zur Sanitätsersatzabteilung 6 Lüdenscheid, 1941 zum Panzerregiment 202, 1941 Kriegspfr. a. K. und Lazarettpfr. beim Kriegslazarett 680 Paris, Gefängnisseelsorger ebd., Kriegslazarettabteilung 533 und Kriegslazarett 4/533, 1943 Kommandierung zur Standortkommandantur Stalino, Artemowsk, Winniza, 1944 Reservelazarett I der Sanitätsabteilung Krakau, danach Divisionspfr. der 125. ID, 1945 Lazarettseelsorger Gleiwitz, Rybnik, Ratibor, Böhmisch-Trüban, amerikanische Kriegsgefangenschaft, Aushilfspriester Düsseldorf, 1946 Religionslehrer Köln, Berufschulpfr., Päpstlicher Geheimkämmerer, Monsignore, Oberstudienrat, 1969 i. R. Lonicer, Heinrich 22 f., 28 f., 62 f. geb. 23. 6 . 1888 Quaritz (Schlesien), gest. 24. 1. 1981 Diessen/Ammersee, 1920 ev. Pfr. Breslau, 1933 Eintritt in die NSDAP, Mitglied der GDC, Ende 1933 Abkehr von der GDC, 1935 Wehrkreispfr. u. Referent für Militärseelsorge Breslau, 1939 Wehrkreispfr. VIII., 1942 Wehrmachtdekan und ev. Heeresgruppenpfr. beim OK der Heeresgruppe B (Russland) und beim OK der Heeresgruppe Südwest (Italien), 1945–1967 Pfarrer der Protestantischen Vereinigung Mülheim/Ruhr u. der Vereinigung ev. Freiheit Duisburg. Luther, Martin 34, 112 f., 137 geb. 10. 11. 1483 Eisleben, gest. 18. 2. 1546 Eisleben, Reformator. Meiser, Hans 113 f., 184 geb. 16. 2. 1881 Nürnberg, gest. 8. 6. 1956 München, luth. Theologe, Vereinsgeistlicher, Landesbischof. [Personenlexikon 169] Mçmkes, Hermann 101, 114, 177 geb. 8. 6. 1902 Köln, gest. 21. 1. 1945 Kaunas, 1928 PW, Kaplan Morsbach, 1930 Bonn Poppelsdorf, Siegburg, 1939 Divisionspfr. der 163 ID., 1941–1945 Wehrmachtpfr. M hle, Hans Emil Karl, Dr. jur. 85 geb. 11. 4. 1897 Meinerdingen, Kreis Fallingbostel, gest. 25. 1. 1973 Berlin, 1914–1918 Teilnahme am Ersten Weltkrieg, zuletzt als Leutnant, 1925 im Justizdienst, Dozent an der Ev. Jugendhochschule Hainstein, 1929 Leiter der ev. Grenzland-Volkshochschule, 1932 Leiter der Volkshochschule Berlin-Ulmenhof, 1933 Dozent am Institut für Sozialethik und Wissenschaft der Inneren Mission an der Universität Berlin, 1937 Predikant ebd., 1938 Ordination, Pfr. ebd., 1939/40 Pfr. Eickel, 1940–1945 Kriegspfr. a. K., u. a. Divisionspfr. bei der 6. Armee, Garnisonpfr. Potsdam, 1945 sowjetische Kriegsgefangenschaft, 1946–1954 Pfr. (Domprediger) Verden (Aller), 1954 Pfr. HahnenkleeBockswiese, 1965 i. R. M ller, Eberhard Johannes 111 geb. 22. 8. 1906 Stuttgart, gest. 11. 1. 1989 Heidelberg, Theologe, Pfarrer, Akademiedirektor, 1940 Sanitätsgefreiter beim 4. Straßenbaubataillon 606, 1940–1942 beim 3. Straßenbaubataillon 559, April 1942–1944 Kriegspfr. a. K. bei der Kriegslazarettabteilung 521. [Personenlexikon 178] M nchmeyer, Friedrich, Dr. h. c. 51, 128 f., 202 geb. 14. 2. 1901 Glasgow (Schottland), gest. 7. 1. 1988 Kassel, Theologe, Generalfeldvikar des evangelischen Feldbischofs der Wehrmacht, seit März 1941 evangelischer Wehrmachtdekan, Präsident. [Personenlexikon 182]

Personenregister/Biografische Angaben

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Napoleon Bonaparte 182 geb. 15. 8. 1769 Ajaccio (Korsika), gest. 5. 5. 1821 St. Helena, französischer General, Diktator, Kaiser. Niemçller, Martin 33, 60, 180 geb. 14. 1. 1892 Lippstadt, gest. 6. 3. 1984 Wiesbaden, Marineoffizier, Theologe, Pfarrer, Kirchenpräsident. [Personenlexikon 185] Niermann, Ernst, Dr. theol. 199 f. geb. 23. 6. 1939 Bonn, gest. 1. 8. 2011 Bonn, 1958 PW, 1973–1981 Leitung des Referates „Theologische Grundsatzfragen für die Praxis der Militärseelsorge und die Fortbildung der Militärgeistlichen“ im Katholischen Militärbischofsamt Bonn, 1981–1995 Militärgeneralvikar des katholischen Militärbischofs, Apostolischer Protonotar. Nietzsche, Friedrich 94, 135 geb. 15. 10. 1844 Röcken, gest. 25. 8. 1900 Weimar, deutscher Philosoph. Opfermann, Johannes 14, 39, 88, 112, 126, 140, 158 f., 164 f., 171, 173 f., 181, 185 geb. 1. 1. 1902 Berlin, gest. 27. 5. 1962 Berlin, 1926 PW, Kaplan Bernau, 1930 BerlinLichtenberg, 1935 Standortpfr. i. H. Berlin-Spandau, 1936 Heerespfr., 1939 Wehrmachtoberpfr., Divisionspfr. der 257. ID, seit September 1941 Dienstaufsichtführender Kriegspfr. beim Wehrmachtbefehlshaber Ostland Riga, 1943–1945 Armeepfr. beim AOK 16, Erkrankung, 1945 Standortpfr. Berlin-Spandau, Stellvertretender kath. Wehrkreispfr. beim WKdo III Berlin, 1946 Pfr. Greifswald, Aushilfspriester BerlinSpandau, 1948 Vicarius substitutus Berlin-Wannsee, 1949 Stellvertretender Hausgeistlicher im St. Hedwigskrankenhaus Berlin-Mitte, Pfr. Berlin-Charlottenburg, 1955 Defensor vinculi am Bischöflichen Offizialat, 1957 Iudex prosynodalis, 1959 Konsistorialrat. Ostertag, Heinrich Georg Christian, Dr. phil. 45, 67, 134 f. geb. 2. 4. 1883 Königsbrunn, gest. 3. 6. 1916, bis 1910 Präfekt am Kgl. Preußischen Alumneum Regensburg, seit 1910 Stadtvikar Würzburg, dann 2. Pfr. bei St. Markus München, 1911 Pfr. Gleißenberg, ev. Feldgeistlicher im Ersten Weltkrieg. Pabstmann, Kunibert 87 geb. 8. 12. 1909 Demmelsdorf b. Bamberg, gest. 7. 4. 2000, 1937 PW, Kaplan Gaustadt, 1939 Neuhaus a. d. Pegnitz, Gaustadt, 1940 Einberufung als Sanitätssoldat zur 1. Sanitätsersatzabteilung 13 Bad Kissingen, Kriegspfr. a. K. und Lazarettpfr. bei der Kriegslazarettabteilung 591, 1941 Kriegslazarettabteilung 604, 2/604 und beim Kriegslazarett 924, 1942 Divisionspfr. der 330. ID, später umbenannt in 367. ID, 1945–1949 sowjetische Kriegsgefangenschaft, 1950 Religionslehrer Bamberg, 1951 Studienrat, 1959 Studienprofessor, 1965 Oberstudienrat, 1968 Gymnasialprofessor, 1972 i. R. Peifer, Rudolf Alois 10, 55, 57, 73, 97, 195, 197, 201 geb. 21. 6. 1906 Bad Godesberg, gest. 16. 6. 1992 Köln, 1931 PW, Kaplan Euskirchen, wegen Kanzelmissbrauchs u. kirchlicher Jugendarbeit Verwarnung durch die Gestapo, 1938 Verfahren vor dem Sondergericht Köln eingestellt, 1938 Kaplan Essen-Steele, 1940 Einberufung als Sanitätssoldat zur Sanitätsersatzabteilung 1 Tapiau (Ostpreußen), Sanitätsgefreiter bei der Sanitätskompanie 1/161, 1941 Kriegspfr. a. K. und Lazarettpfr. der Kriegslazarettabteilung 541, Kommandierung zu einem Armeefeldlazarett, 1942 Divisionspfr. der 3. Panzergrenadierdivision, 1943–1949 sowjetische Kriegsgefangen-

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Personenregister/Biografische Angaben

schaft, 1950 Kaplan Bad Godesberg-Rüngsdorf, Pfr. Bonn-Dottendorf, 1957 Definitor des Dekanats Bonn-Süd, 1960 Pfr. Neuss, Stadtdechant ebd., 1963–1968 Regens des Priesterseminars Köln, 1963 Prosynodalexaminator, 1966 Päpstlicher Hausprälat, 1970 Domkapitular Köln, Seelsorger für den jungen Klerus, 1981 i. R. Perau, Josef 10, 55, 57, 77, 81–83, 104, 106–109, 111, 118, 143 f., 149, 156, 169, 198 f. geb. 8. 11. 1910 Kalkar, gest. 29. 7. 2004 Kevelaer, 1937 PW, Aushilfspriester Rees, Schlossgeistlicher Moritzburg, 1938 Aushilfspriester Kranenburg, Kaplan Geldern, 1940 Einberufung zur Wehrmacht als Sanitätssoldat zur Sanitätskompanie 306 bei der Sanitätsersatzabteilung 6, 1941 Kriegspfr. a. K., Lazarettpfr. der Kriegslazarettabteilung 521, 1943 Kommandierung zum Feldlazarett 625, 1944 Divisionspfr. der 129. ID, 1945 britische Kriegsgefangenschaft, 1946 Kaplan Duisburg-Hamborn, Religionslehrer ebd., 1948–1954 Kaplan Goch, 1954–1959 Präses am Collegium Augustinianum Gaesdonck, 1957 Vikar ebd., 1959–1984 Pfr. Hülm-Helsum, 1984 i. R. Petzinna, Wilhelm August, Dr. theol. 74, 117 geb. 25. 2. 1909 Recht, Kreis Malmedy (Belgien), gest. 11. 7. 1997 Bremen, 1939 beim 2./ Wachbataillon 608, 1940 beim Infanterie-Ersatzbataillon 178 Potsdam, 1940/41 bei der 1. Kompanie des Feldzugbataillons 3, 1941 Ordination Berlin, Mai 1941 Kriegspfr. a. K., danach Divisionspfr. der 123. ID, 1950 kommissarischer Pfr. Berlin, 1950–1956 Pfr. Berlin, 1956–1975 Pfr. Bremen, 1972–1974 Standortpfr. ebd., 1975 i. R. Pius XI. 36 geb. 31. 5. 1857 Desio (Lombardei) als Achille Ambrogio Damiano Ratti, gest. 10. 2. 1939 Rom, 1879 PW, 1882 Prof. Mailand, 1888 Bibliothekar Mailand, 1907–1914 Präfekt der Bibliothek Ambrosiana sowie der Vatikanischen Bibliothek Rom, 1918 Apostolischer Visitator Polen, 1919 Nuntius Warschau und Titular-Erzbischof von Lepanto, 1920 päpstlicher Kommissar Oberschlesien, Ostpreußen und Westpreußen, 1921 Erzbischof von Mailand, 1922 Papst. Pius XII. 41 geb. 2. 3. 1876 Rom als Eugenio Maria Giuseppe Giovanni Pacelli, gest. 9. 10. 1958 Castel Gandolfo, 1899 PW, 1909–1914 Prof. an der Diplomaten-Akademie des Vatikans, 1917 Nuntius der Apostolischen Nuntiatur München, 1920–1929 Erster Nuntius des Vatikans für das Deutsche Reich München und Berlin, 1930 Kardinalstaatssekretär, 1939–1958 Papst. Preysing, Konrad 34, 163 geb. 30. 8. 1880 Schloss Kronwinkl (Bayern), gest. 21. 12. 1950 Berlin, 1935–1950 Bischof von Berlin, 1945 Kardinal. Radtke, Hans 47 geb. 18. 6. 1904 Königsberg, gest. 1. 8. 1995 Berlin-Charlottenburg, 1930/31 Hilfsprediger Wittenau, 1932–1934 Standortpfr. Berlin, 1935–1937 Heerespfr. Spandau, seit Januar 1938 Wehrmachtoberpfr., 1938–1944 Heeresoberpfr. und. ev. Wehrkreispfr. im Wehrkeis III, 1944–1945 Wehrmachtdekan und Wehrkreispfr. ebd., 1945/46 Kriegsgefangenschaft, 1946/47 Hilfsprediger Spandau, 1947–1951 Pfr. im Ev. Hilfswerk, 1951 Pfr. und Superintendent Berlin-Moabit. Rarkowski, Franz Justus 16, 27, 38, 53, 130, 201 geb. 8. 1. 1873 Allenstein, gest. 5. 2. 1950 München, kath. Pfr. Wormditt, Korschen, Lötzen, Arys, 1914 Militärseelsorger, 1916–1918 Divisionspfr. der 187. ID, Standortpfr.

Personenregister/Biografische Angaben

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Koblenz, Wehrkreispfr. Königsberg, Breslau, Berlin, 1936 kommissarischer Feldbischof, 1938 kath. Feldbischof der Wehrmacht, seit Februar 1945 i. R. Reichenau, Walter von 170 geb. 8. 10. 1884 Karlsruhe, gest. 17. 1. 1942 Poltawa (Russland), 1914–1918 Teilnahme am Ersten Weltkrieg als Generalstabsoffizier, 1924 Major, 1929 Oberstleutnant und Chef des Stabs der Nachrichteninspektion im Reichswehrministerium, 1930–1933 Stabschef Wehrkreis I, Leiter des Ministeramts im Reichswehrministerium, persönlicher Berater Werner von Blombergs, 1934/35 Chef des Wehrmachtamtes, 1936 General der Artillerie, 1938 OB der Heeresgruppe 4 Leipzig, 1938/39 OB der 10. Armee, 1940 Generaloberst der 6. Armee, Generalfeldmarschall. Remarque, Erich Maria (= Erich Paul Remark) 52 geb. 22. 6. 1898 Osnabrück, gest. 25. 9. 1970 Locarno, deutscher Schriftsteller. Reuss, Josef Maria, Dr. theol., Dr. theol. h. c. 158, 170, 202, 209 geb. 13. 12. 1906 Limburg, gest. 5. 6. 1985 Mainz, 1930 PW, 1931 Hausgeistlicher im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Kreckelmoss, Tirol, 1934/35 Kaplan Steinheim, 1936 Worms, 1938 Rektor des Exerzitienhauses Braunshardt, 1939 Rektor der Mainzer Priesteramtskandidaten Fulda, 1940 Kriegspfr. a. K., Divisionspfr. der 295. ID, Einsatz im Bereich der 2. Armee, dann der 9. Armee, 1941 der 17. Armee, 1942 Lazarettaufenthalt und Versetzung zur OKH-Reserve, dann Lazarettpfr. bei der Kriegslazarettabteilung 677, 1944 Lazarettaufenthalt im Kriegslazarett Bad Ems, Dezember 1945 Kommissarischer Regens und Lehrbeauftragter für Pastoraltheologie am Priesterseminar Mainz, 1946 Promotor iustitiae und Offizialatsrat Mainz, 1950 Präses des Pactum Marianum, 1954 Titularbischof von Sinope und Weihbischof Mainz, 1955 Wirklicher Geistlicher Rat und Mitglied des Bischöflichen Ordinariates ebd., Synodalexaminator, 1956–1978 Domkapitular, 1958 Canonicus theologus, 1962–1965 Konzilsvater im II. Vatikanum, 1967 Bischofsvikar, 1978 i. R. Roettig, Friedrich Hermann Ernst 104, 106, 160 geb. 10. 8. 1907 Legenfeld, Mühlhausen, gest. 19. 12. 1999 Schwerin, 1930 Ordination, Hilfspfr. in Pommern, 1935 Wehrmachtpfr. und Standortpfr. Stettin, dann Heerespfr., 1936 Standortpfr. Deutsch-Krone, zur Standortseelsorge nach Lübeck kommandiert, 1937 versetzt nach Schwerin, seit 1939 Divisionspfr. der 12. ID, Teilnahme am PolenFrankreich und Russlandfeldzug, 1944–1949 sowjetische Kriegsgefangenschaft, 1950–1976 Pfr. Schwerin, 1976 i. R. Rçmer, Felix, Dr. 10 geb. 1978 Hamburg, deutscher Historiker. Rçw, Martin, Dr. 12 f., 59, 127 geb. 1981, deutscher Historiker. Rosenberg, Alfred 21, 23, 133, 155, 171 geb. 12. 1. 1893 Tallinn, gest. 16. 10. 1946 Nürnberg (hingerichtet), 1920 Eintritt in die NSDAP, 1923 Hauptschriftleiter des „Völkischen Beobachters“, 1933–1945 Leiter des Außenpolitischen Amtes der NSDAP, 1934–1945 „Beauftragter des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP“, 1941–1945 Reichsminister für die besetzten Ostgebiete. Rother, Johannes (Hans Paul Fritz) 152 geb. 18. 6. 1904 Berlin, gest. 23. 10. 1967 Miresdorf-Zeuthen, 1930 Ordination,

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Personenregister/Biografische Angaben

1930–1938 Hilfspfr. Senftenberg, seit August 1939 beim Kriegslazarett 531 (mot.), Kriegspfr. a. K., 1943 bei der 454. Sicherungsdivision, 1945 beim Kriegslazarett 910. Rudolph, Johannes 14, 90, 93 f., 116, 118, 185 geb. 23. 10. 1910 Eibenstock, gest. 17. 6. 1989 Dresden, 1933–1935 ev. Lehrvikariat Lößnitz, 1935 Pfarrvikariat u. Ordination Bockelwitz, 1936 Pfr. Bockelwitz u. Sitten, Anschluss an BK, 1939 Einberufung zur Wehrmacht, Soldat bei der 16. Panzerabwehrkompanie/IR 11 Leipzig, 1939/40 Soldat beim AOK 10, 1940 Gefreiter beim AOK 6, 1941 bei der 14. Infanterie-Panzerjägerersatzkompanie Leipzig, 1941 ev. Kriegspfr. a. K., 1941/42 Lazarettpfr. bei der Kriegslazarettabteilung 541/6 Frankreich u. Südrussland, 1943 Lazarettaufenthalte, 1943–1945 Kriegspfr. bei der Kriegslazarettabteilung 680, danach bei der Feldkommandantur 591 Frankreich, 1945 amerikanische Kriegsgefangenschaft, 1945–1949 Pfr. Bockelwitz, 1949–1960 Pfr. Neustadt/Sachsen, 1960–1975 Superintendent von Dresden-Land, Pfr. Dresden-Plauen. Sabrow, Martin 212 geb. 6. 4. 1954 Kiel, deutscher Historiker und Politikwissenschaftler, Direktor des Zentrums für Zeithistorische Forschung Potsdam, Prof. für Neueste Geschichte und Zeitgeschichte Berlin. Satzger, Alfons 14, 25, 71–73, 165, 211 geb. 8. 11. 1899 Unterauerbach b. Mindelheim, gest. 19. 3. 1978 Steingaden, 1917–1919 Teilnahme am Ersten Weltkrieg, 1925 PW, Stadtkaplan Kaufbeuren, 1930 Leiter des Schüler- und Lehrlingsheims ebd., 1935 Diözesanjugendseelsorger, in dieser Zeit zahlreiche Repressionen durch die Gestapo, 1939 verschiedene Gerichtsverhandlungen, Ausweisung aus Bayern, Österreich und dem Sudentengau „auf Lebenszeit“ durch das RSHH, Aufenthalt in der Benediktinerabtei Neresheim, 1940 Kriegspfr. a. K., Einsatz im Frankreichfeldzug als Lazarettpfr. bei der Kriegslazarettabteilung 571, Divisionspfr. der 132. ID, Einsatz im Jugoslawien-Feldzug, danach im Feldzug gegen die Sowjetunion, Verlust eines Arms, Versetzung zur OKH-Reserve, bis 1945 Lazarettbehandlung, 1946 Wallfahrtspriester Steingaden, 1946–1978 Wallfahrtskustos, 1954 Geistlicher Rat, 1964 Päpstlicher Ehrenprälat. Sch perkçtter, Wilhelm 45 geb. 16. 7. 1891, gest. 1. 8. 1965 Bielefeld, 1923 Ordination, Pfr. im Landesverband für IM Hamburg und Hamburger Stadtmission, 1928 Pfr. Ringelheim (Harz), 1932 Pfr. Dissen, 1938 kommissarischer Wehrmachtpfr. Hannover, 1939 Wehrmachtpfr. ebd. und andernorts, 1941–1945 Wehrmachtoberpfr., seit 1946 Pfr. der hannoverschen Landeskirche mit Auftrag der Geschäftsführung der Inneren Mission Osnabrück e. V., 1961 i. R. Schieber, Ernst 49, 79 f., 86, 94 f., 120, 189, 197, 200 12. 5. 1889 Machtolsheim/Blaubeuren, gest. 26. 7. 1972 Stuttgart, 1914–1918 Teilnahme am Ersten Weltkrieg, 1918 Pfr. Asch, 1926 Stadtpfr. Münster Ulm, 1933 Militärpfr. beim WKdo V Ludwigsburg, Kirchenrat, 1934 Heeresoberpfr., 1936 Ludwigsburg, 1938 Wehrmachtdekan, 1939 beim AOK 2, 1940 beim OK der Heeresgruppe C, 1940–1943 OK der Heeresgruppe D, 1945 Amtsverweser Ludwigsburg, 1948 Dekan ebd., 1959 i. R. Schmid, Franz Borgias 49 f. geb. 8. 10. 1890 Friedberg, Kreis Saulgau, gest. 29. 1. 1972 Untermarchtal, 1914–1918 Teilnahme am Ersten Weltkrieg, 1920 PW, Vikar Ochsenhausen, 1921 Ravensburg, 1923 Schwäbisch Gmünd, 1924 Titular-Hauskaplan in der Taubstummenanstalt ebd., 1929

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Direktor ebd., 1936 Standortpfr. i. H. Ludwigsburg, 1937 Wehrkreispfr. V Stuttgart, 1938 Heeresoberpfr. Ludwigsburg, Stuttgart, 1939 Armeepfr. beim AOK 7, Wehrmachtdekan, 1943 Heeresgruppenpfr. bei der Heeresgruppe A und bei der Heeresgruppe Nord, 1945–1949 sowjetische Kriegsgefangenschaft, 1950 Spiritual im Kloster Untermachtal. Schmidbauer, Albert 174 4. 10. 1910 München, gest. 8. 4. 1954 München, 1938 PW, Kooperaturverweser Frasdorf, 1939 Koadjutor Ismaning, Kooperaturverweser Einsbach, Kaplan Hausham, 1940 Einberufung als Sanitätssoldat, Kaplan Freising, erneute Einberufung als Sanitätssoldat, Kaplan Hausham, erneute Einberufung als Sanitätssoldat zum Feldlazarett 8 (mot.), 1941 Kriegspfr. a. K. und Lazarettpfr. bei der Kriegslazarettabteilung 521, 1943 Kommandierung zur Kriegslazarettabteilung 551, zum Feldlazarett 23, zur Kriegslazarettabteilung 605 und zum Kriegslazarett 4/605, 1945 Kaplan München, 1946 Katechet ebd., Religionslehrer ebd., 1951 Studienrat ebd. Schmidt, Bernhard 10, 193, 196 f., 200, 203 geb. 9. 12. 1911 Neheim, gest. 15. 6. 1986 Münster, 1937 PW, Landhelferseelsorger Pommern, 1938 Vikar Siegen, Verhöre und Haussuchungen durch die Gestapo, 1940 Einberufung zur Wehrmacht, dann Kriegspfr. a. K. und Divisionspfr. der 299. ID, 1945 Lazarettpfr. bei der Kriegslazarettabteilung 677, Vikar Wattenscheid, 1947 Religionslehrer Hohenlimburg, 1956 Pfarrvikar Kierspe, 1960 Rektoratspfr. ebd., 1968 Kreismännerseelsorger des Kreises Altena-Lüdenscheid, i. R. Schmutz, Johann Georg 59, 125 f., 137, 200 f. geb. 22. 5. 1908 Bargen, Hegau, gest. 12. 10. 2002 Bad Bellingen, 1932 PW, Vikar Glottertal, 1935 Furtwangen, 1938 Rastatt, Standortpfr. i. N. ebd., 1939 Kriegspfr. a. K., Divisionspfr. der 14. Landwehrdivision, 1940 Umbenennung in 205. ID, Kommandierung zur 6. Gebirgsdivision, 1941 Divisionspfr. ebd., 1943 Divisionspfr. der 181. ID, u. a. als Standortpfr. Athen, dann Finnland, Norwegen und Albanien, 1945–1948 jugoslawische Kriegsgefangenschaft, Lazarettaufenthalt Sarajewo, 1949 Pfarrvikar Kuhbach b. Lahr, Pfr. Staufen, 1954–1979 Dekan des Dekanats Neuenburg, 1962 Geistlicher Rat, 1969 Prosynodalkonsultor, 1973 Päpstlicher Ehrenkaplan, Monsignore, 1977 i. R. Schçner, Otto Fritz Hermann 57, 104 f., 118 geb. 2. 5. 1905 Brandlecht, Kreis Bentheim, gest. 9. 11. 1986 Münster, 1932/33 Kreisvikar Siegen, 1933 Ordination, 1933/34 Hilfsprediger Grevenbrück, 1934–1939 BK-Pfr. Methler, 1939 Einberufung zur Wehrmacht, vermutlich als Gefreiter beim 6. Kompanie Armee-Nachrichtenregiment II 589 und bei der 5. Kompanie des Armee-Nachrichtenregiments II./589, 1941–1943 Kriegspfr. a. K. beim Kriegslazarett 603, danach bei der Kriegslazarettabteilung 561, bis August 1945 Kriegsgefangenschaft, 1945–1972 Pfr. Methler, 1972 i. R. Schçrner, Ferdinand 176 geb. 12. 6. 1892 München, gest. 2. 7. 1973 München, 1914–1918 Teilnahme am Ersten Weltkrieg, zuletzt als Oberleutnant, 1926 Hauptmann, 1931 Taktiklehrer an der Infanterieschule Dresden, 1934 Major, 1937 Oberstleutnant, 1939 Oberst, 1940 Generalmajor, 1942 Generalleutnant, 1943 Eintritt in die NSDAP, 1944 Chef des NS-Führungsstabes des Heeres, 1944 Generaloberst, 1945 Generalfeldmarschall, 1945 amerikanische Kriegsgefangenschaft, 1945–1955 sowjetische Kriegsgefangenschaft, 1957–1960 Haft Landsberg.

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Personenregister/Biografische Angaben

Schomerus, Hans (Johannes) 121 geb. 20. 3. 1902 Villupuram (Ostindien), gest. 20. 5. 1969 Schielberg, Theologe, Akademiedirektor. [Personenlexikon 227] Sch bel, Albrecht 62 f., 128, 180 geb. 11. 11. 1894 Winterhausen, gest. 25. 3. 1974 München, Teilnahme am Ersten Weltkrieg, 1921 Ordination, 1920 Hilfsgeistlicher und Veweser Marktredwitz, 1923–1925 Pfr. München, 1933 Eintritt in die NSDAP, 1934 Pfr. beim WKdo VII, 1935 Heeresoberpfr., 1938 Wehrmachtdekan, 1939–1941 beim AOK 7, 1941–1943 Heeresgruppe C, 1943/44 im Stab des OK der Heeresgruppe Nord, 1944 bei der Kriegspfarrerreserve im OKH, 1945 Verweser Mindelheim, 1947 Dekan und Pfr. Neu-Ulm und Leipheim, 1952 Kirchenrat, 1955 i. R. Schubring, Ernst 25 f., 115 f., 192, 214 geb. 8. 6. 1912 Tempelburg, Dezember 1939 Wehrmachtpfr., 1939–1941 ev. Divisionspfr. der 9. ID, seit 1941 Divisionspfr. des 116. IR., 1985 letzter bekannter Wohnsitz Gießen. Schulte (-Eickhoff), Johannes Chrysostomus 138 geb. 20. 1. 1880 Herdringen bei Neheim, gest. 21. 1. 1943 Münster, Lektor für Kirchengeschichte und Pastoraltheologie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule der Kapuziner Münster, 1919–1922 Provinzialoberer. Sommerlath, Ernst 98 geb. 3. 1. 1889 Hannover, gest. 4. 3. 1983 Leipzig, lutherischer Theologe, Universitätslehrer (ST, Philosophie). [Personenlexikon 241] Sprank, Bernhard Siegfried, Dr. 13, 30 geb. 14. 6. 1903 Schillfelde, Kreis Schlossberg, gest. 12. 6. 1962, 1928 Ordination, Hilfsprediger Lenkeningken, Kreis Tilsit, 1928–1930 Pfr. ebd., 1930–1936 Standortpfr. Allenstein, 1936/37 Standortpfr. Brandenburg/Havel, 1937/38 Erster Standortpfr. Berlin, 1938 Wehrmachtoberpfr. und Wehrkreispfr. Wiesbaden XII, 1939–1943 Armeepfr. beim AOK 1, 1943/44 beim AOK 15, Wehrmachtdekan, 1944 beim AOK 4, 1945/ 46 vikarische Verwaltung Wiesbaden-Biebrich II, 1946–1960 Pfr. Bad Homburg vor der Höhe, 1960 i. R. Stahl, Friedrich Julius, (urspr.) Julius Jolson 35 f. geb. 16. 1. 1802 Heidingsfeld bei Würzburg, gest. 10. 8. 1861 Bad Brückenau, 1819 Konversion vom Judentum zum Protestantismus, 1826 PD München, 1832–1940 Prof. (Rechtsphilosophie) Würzburg, Erlangen, seit 1840 Berlin, 1846 Mitglied der preußischen Generalsynode sowie Präsident des Deutschen Evangelischen Kirchentags, 1849–1861 Abgeordneter der preußischen Ersten Kammer bzw. auf Lebenszeit berufenes Mitglied des Herrenhauses, 1852–1858 Ev. Oberkirchenrat. Stalin, Josef 145, 163 f. geb. 21. 12. 1879 Gori (Georgien), gest. 5. 3. 1953 Kunzewo b. Moskau, Diktator der Sowjetunion. Steffens, Johannes 10, 205 geb. 3. 12. 1905 Merzenhausen, gest. 8. 2. 1978 Aachen, 1932 PW, Kaplan Düren, 1937 Lobberich, Kreis Kempen, 1939 Aachen, 1940 Einberufung als Sanitätssoldat zur Sanitätsersatzabteilung 6 Iserlohn, 1941 Kriegspfr. a. K. und Lazarettpfr. bei der Kriegslazarettabteilung 615, 1942 Divisonspfr. der Reservedivision 147, 1942 Kom-

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mandierung zur Sanitätskompanie 1/552, danach zum Kriegslazarett 4/581, britische Kriegsgefangenschaft, in dieser Zeit Lazarettseelsorger des Reservelazaretts Bergedorf, 1946 Pfr. Siersdorf, 1974 i. R. Stehbçck, Josef 41, 48, 69, 130 geb. 18. 2. 1902 Saaldorf, gest. 2. 10. 1993 Neumarkt-St. Veit, 1937 PW, Kaplan Hausham, 1939 Katechetenkaplan Mühldorf, Unterrichtsverbot durch das Bezirksschulamt, Kaplan München-Berg a. Laim, Unterrichtsverbot durch die Regierung von Oberbayern, 1941 Einberufung als Sanitätssoldat zur Sanitätsersatzabteilung 7, dann Sanitätsgefreiter beim Nachschubstab z. b. V. 679, zuletzt Sanitätsunteroffizier, 1942 Kriegspfr. a. K. in der OKH-Reserve, Kommandierung zum katholischen Wehrmachtgeistlichen beim Wehrmachtbevollmächtigten beim Reichsprotektor in Böhmen und Mähren Prag, Lazarettpfr. der Kriegslazarettabteilung 684, des Kriegslazaretts 2/684, 1943 Kommandierung zum Panzeroberkommando 3 der 205. ID, Kommandierung zum Stab des XXXXIII. Armeekorps, dann zum Feldlazarett 624 (mot.) Witebsk, 1944 Kommandierung zum Feldlazarett 2/582 Schröttersburg, Ostpreußen, 1945 britische Kriegsgefangenschaft, Kaplan München, 1950 Stadtpfr. von Neumarkt-St. Veit, 1973 i. R. Stelzenberger, Johannes, Prof. Dr. theol. 9, 12, 14, 39, 49, 76, 84, 100, 104, 118, 122 f., 132, 137, 156, 166–171, 174, 183 f., 186, 194, 208, 213, 218 geb. 12. 8. 1898 Münchnerau, Kreis Landshut, gest. 19. 3. 1972 Stockdorf bei München, 1916–1919 Teilnahme am Ersten Weltkrieg, 1923 PW, Koadjutor Zolling, 1924 Kaplan München, 1926 Kurat ebd., 1928 Kooperator Perlach, 1930 PD an der Universität Würzburg, 1932 Universitätsprediger ebd., 1933 Lehrauftrag für Homiletik ebd., 1935/ 36 Gastprof. für Moraltheologie Santiago de Chile, 1936 Dozent für Moraltheologie Würzburg, 1936 ao Prof. Breslau, 1936–1939 o. Prof. für Moraltheologie Breslau, 1939 Kriegspfr. a. K., 1939–1943 Divisionspfr. der 28. ID, seit 1942 der 28. Jägerdivision, 1940/41 Beurlaubung für Vorlesungen an der Universität Breslau, 1941/42 Beurlaubung für Vorlesungen ebd., 1943–1949 sowjetische Kriegsgefangenschaft, 1950–1966 o. Prof. für Moraltheologie Tübingen, 1966 i. R. Stockburger, Otto Eberhard Eduard 73, 109, 121, 150, 156 geb. 28. 5. 1897 Hellersdorf bei Welzheim, gest. 18. 4. 1952 Ettlenschieß, 1916–1918 Teilnahme am Ersten Weltkrieg, 1922/23 Vikariat Tuttlingen, Möhringen, 1923 Heerespfr., Stellvertretender Pfr. Mundingen, Pfr. ebd., 1930 Nürtingen, 1932 Lorch, 1932–1934 Leitung der ev. Bauernschule ebd., 1938 Wehrmachtpfr., zunächst in Vertretung, dann ab 1939 von der Wehrmacht übernommen, 1939–1942 Divisionspfr. bei der 260. ID, seit Oktober 1940 Wehrmachtoberpfr, 1945 beim WKdo VI, 1945 amerikanische Kriegsgefangenschaft, 1945/46 Stellvertreterdienst Böblingen, Sindelfingen, 1946–1951 Kirchenrat und Direktor der ev.-kirchlichen Lehrer -Oberschule Michelbach/Bilz. Tewes, Ernst 52, 170, 194, 202 f., 209 4. 12. 1908 Essen, gest. 16. 1. 1998 München, 1934 PW, Kaplan Heiligenhaus b. Düsseldorf, Landjahrpfr. Kolberg, Pommern, 1937 Kaplan Düsseldorf, 1940 Einberufung als Sanitätssoldat zum Truppenarzt beim Militärbefehlshaber Frankreich Paris, 1941 Kriegspfr. a. K. und Lazarettpfr. bei der Kriegslazarettabteilung 607, Stellvertretender Divisionspfr. bei der 11. Panzerdivision, Divisionspfr. der 387. ID, dann bei der 87. ID, sowjetische Kriegsgefangenschaft, 1950 Mitglied des Oratoriums München, 1954 erster

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Personenregister/Biografische Angaben

Pfarrkurat ebd., Pfr. ebd., 1963 Ordinatsrat ebd., Leitung des Seelsorgereferates ebd., 1966 Canonicus Coadjutor im Metropolitankapitel ebd., 1968 Titular- und Weihbischof für den Seelsorgebezirk München, 1976/77 und 1982 Kapitularvikar und kommissarischer Verwalter des Erzbistums München und Freising, 1984 i. R. Thielicke, Helmut 121 geb. 4. 12. 1908 Wuppertal-Barmen, gest. 5. 3. 1986 Hamburg, 1935 Leiter des Erlanger Studienhauses, 1936 Dozent (ST) Erlangen, Prof. (ST) Heidelberg, 1941 Pfr. Ravensburg, 1942–1945 Leiter des Theologischen Amtes der Württembergischen Landeskirche Stuttgart, 1945 Prof. (ST) Tübingen, 1951 Rektor und Präsident der Westdeutschen Rektorenkonferenz, 1962 Gastprofessor Chicago, 1974 i. R. Thomann, Joseph Bernhard Heinrich 63 f. geb. 15. 4. 1894 Nortrup, Bistum Osnabrück, gest. 30. 9. 1962 Gemünd, Eifel, 1920 Profess bei den Maristen, 1923 Ewige Gelübde Niederachdorf, 1925 PW, 1927 Ordensaustritt, 1928 Vikar Hamburg-Altona, 1930 Pastor Itzehoe, Standortpfr. ebd., 1933 Pastor Eckernförder, Standorpfr. i. H. Königsberg, 1934 Wehrkreispfr. ebd., 1936 Heeresoberpfr., 1938 Wehrmachtdekan, Wehrkreispfr. Wien, 1939 Heeresgruppenpfr. bei der Heeresgruppe B (Mitte), 1942 Februar Wehrkreispfr. Wien, April Heeresgruppenpfr. der Heeresgruppe A, Dezember Wehrkreispfr. V Stuttgart, Korpsdekan, 1946/47 Entlassung aus französischer Kriegsgefangenschaft, 1948 Kooperator Rheder bei Brakel, Exkardination aus dem Bistum Osnabrück, Inkardination in das Erzbistum Paderborn, Pfr. Rheder, 1950 Pfr. Bad Wildungen, 1953 Dechant Waldeck, 1959 i. R. Thurneysen, Eduard 126 geb. 10. 7. 1888 Walenstadt, gest. 21. 8. 1974 Basel, 1911–1913 Hilfssekretär des Christlichen Vereins Junger Menschen Zürich, 1913–1920 Seelsorger Leutwil, 1920–1927 Seelsorger St. Gallen-Bruggen, 1927 Pfr. Basel, 1929 PD ebd., 1941 ao Prof. (PT) ebd. Tidow, Günter 190 f. geb. 31. 5. 1905, gest. 25. 9. 1971 Bruchhausen-Vilsen, 1931 Ordination, Hilfspfr. Hildesheim, 1942–1947 Pfr. Fischerhude, dann Bruchhausen und Superintendent des Kirchenkreises Hoya. Tolstoi, Leo 140 geb. 28. 8. 1828 Jasnaja Poljana, gest. 7. 11. 1910 Astapovo, russischer Schriftsteller. Tschaikowski, Peter Iljitsch 148 geb. 7. 5. 1840 Wotkinsk, gest. 6. 11. 1893 Petersburg, russischer Komponist. T rk, Hermann, Dr. 78 f., 93 geb. 28. 12. 1909 Mülheim-Ruhr, gest. 15. 12. 1976 Hamburg, 1939 beim Stab I des 69. IR, 1940 Unterarzt beim Stab III des Schützenregiments 3, 1940/41 beim Stab I des Schützenregiments 394, 1941 bei der 2. Sanitätskompanie 522, beim Schützenregiment 394, Assistenzarzt, Verwundung, 1943 Sanitäts-Ersatzabteilung X Neumünster, Oberarzt, dann Stabsarzt, 1945 britische Kriegsgefangenschaft, nach Entlassung Arzt im Reservelazarett V Hamburg. Ufer, Ernst Gottlieb 15, 22, 30, 44, 56, 64, 68 f., 84, 86 f., 105 f., 122, 198, 203 geb. 9. 11. 1899 Oberhausen, gest. 15. 12. 1989 Erkrath, 1917–1919 Teilnahme am Ersten Weltkrieg, 1922/23 Vikariat im Predigerseminar Elberfeld, 1924/25 Hilfspfr. Oberhausen, 1925 Ordination, 1925–1928 Pfr. Oberhausen, 1928–1932 Niederbieber, 1932–1936 Düsseldorf XIX, 1936–1939 Düsseldorf XI, 1939 Einberufung zur Wehr-

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macht, 1939/40 bei der Kriegslazarettabteilung 581, 1940 Kriegspfr. a. K. und Divisionspfr. der 251. ID, 1945 abgestellt für den Gemeinde- und Lazarettdienst Straubing, 1948–1968 Pfr. Düsseldorf. Ullrich, Anton, Prof. Dr. theol. 60, 75, 82, 93, 107 f., 179 17. 1. 1896 Freudenberg, gest. 28. 8. 1973 Bad Peterstal, 1915–1919 Teilnahme am Ersten Weltkrieg, zuletzt als Kompanieoffizier, 1922 PW, Vikar Hockenheim, 1923 Mörsch b. Karlsruhe, 1926 Religionslehrer Mannheim, 1928 Religionsprof., 1936 Standortpfr. i. N. Mannheim u. Ludwigshafen, Unterrichtsverbot und Strafversetzung, 1938 Standortpfr. i. H. im Wehrmachtseelsorgebezirk XII/2, 1939 Wehrmachtpfr., Divisionspfr. der 33. ID, 1940 Lazarettpfr. bei der Kriegslazarettabteilung 619, 1941 Divisionspfr. der 73. ID, 1943 Wehrmachtoberpfr., Dienstaufsichtführender Kriegspfr. beim Kommandierenden General und Befehlshaber in Serbien Belgrad, 1943 Armeepfr. beim AOK 7, 1945 Pfarrverweser Reicholzheim, 1946 Pfr. Tauberbischofsheim, 1953 Geistlicher Rat, 1963 i. R. Vçgtle, Anton, Prof., Dr. theol. 75, 193 f., 199 f. geb. 17. 12. 1910 Vilsingen, gest. 17. 3. 1996 Freiburg i. Br., 1936 PW, Vikar Heitersheim, 1937 Vikar Mannheim, 1940 Einberufung zur Wehrmacht, Lazarettpfr. bei der Kriegslazarettabteilung 551 (mot.), Kommandierung zum Kriegslazarett 2/551, 1941 Kriegspfr. a. K. und Divisionspfr. bei der 25. Panzergrenadierdivision, 1943 Lazarettpfr. beim Kriegslazarett 907, 1947 Pfarrverweser von Schlatt i. Br., 1949 Lektor der neutestamentlichen Exegese Freiburg i. Br., 1951 o. Prof. für neutestamentliche Exegese Trier, 1951–1978 o. Prof. für neutestamentliche Exegese Freiburg i. Br., 1966 Päpstlicher Hausprälat, 1967 Päpstlicher Konsultor, 1973 nichtresidierender Domkapitular Freiburg i. Br. Walter, Egon [Ps. für Wilhelm Uhl] 195f ., 206 Wagner, Martin 117 geb. 14. 10 1912 Schörging, gest. 26. 7. 1967 Forstinning, 1940 PW, Kooperaturverweser Fürholzen, Einberufung als Sanitätssoldat, zuletzt Sanitätsgefreiter beim Kriegslazarett 2/677, 1941 Kriegspfr. a. K. und Lazarettpfr. bei der Kriegslazarettabteilung 608, 1943 Divisionspfr. der 104. Jägerdivision, bis 1950 jugoslawische Kriegsgefangenschaft, 1951Vicarius substitutus Feldkirchen b. Freilassing, Aushilfspriester Oberammergau, Kaplan ebd., 1957 Pfr. Forstinning. Wassong, Josef 14, 39, 87 f., 100 f., 113, 115 f., 127, 133, 143–145, 147 f., 160–163, 171, 174, 181–183, 185 geb. 22. 7. 1893 Uedelhoven, gest. 28. 3. 1966 Uedelhoven, 1914–1918 Teilnahme am Ersten Weltkrieg, 1925 PW, Kaplan Balkhausen, 1930 Kaplan Beuel, 1939 kommissarische Wehrmachtpfr. des Wehrmachtseelsorgebezirks IX/3 Jena, 1939–1943 Divisionspfr. der 9. ID, Wehrmachtpfr. beim Kriegslazarett 677, seit März 1943 wegen Erkrankung Versetzung in die OKH-Reserve, Oktober 1943 Versetzung zur 416. ID Dänemark, November 1943 Dienstaufsichtführender Wehrmachtpfr. beim OB Ukraine Rowno, seit Februar 1944 Dienstaufsichtführender Armeepfr. beim AOK 9, 1946 Pfr. Rodenkirchen, 1947–1962 Definitor des Dekanats Hersel, 1963 i. R. Weidemann, Alfred 202 geb. 6. 11. 1895 Bismarcksfelde, Kreis Gnesen (Provinz Posen), gest. 21. 12. 1973 Koblenz, 1915–1918 Teilnahme am Ersten Weltkrieg, 1916 Leutnant, 1924 Oberleutnant bei der Reichswehr, 1929 Hauptmann, 1935 Major, 1938 Oberstleutnant, 1939–1945

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Personenregister/Biografische Angaben

Abteilungschef im OKH Berlin, 1940 Oberst, 1943 Kommandeur des IR 683 und der 335. ID, dann Versetzung zur Führerreserve, Generalmajor, 1943–1945 Amtsgruppenchef im OKH, 1956–1960 Präsident des Bundeswehrersatzamtes Bonn. Weis, Emil 10, 43, 70, 196, 198 geb. 30. 11. 1899 Karlsruhe, gest. 21. 1. 1975 Mannheim-Friedrichsfeld, 1917–1919 Teilnahme am Ersten Weltkrieg, 1923 PW, Vikar Friedrichsfeld b. Mannheim, 1926–1928 Religionslehrer ebd., 1932 Vikar Ilvesheim b. Mannheim, Pfarrverweser Michelbach i. Murgtal, 1933 Pfarrkurat Baiertal, Kreis Heidelberg, 1938 Kommissarischer Wehrmachtpfr. des Wehrmachtseelsorgebezirks XII/7 Homburg a. d. Saar, 1939 Wehrmachtpfr., beim Stab der Grenzkommandantur St. Wendel, 1939 Divisionspfr. der 88. ID, Bezirksstandortpfr. Homburg a. d. Saar, 1941 Rückkehr als Divisionspfr. der 88. ID, 1942 Kommandierung zur 2. Armee, dann Vertreter des Armeepfarrers, Rückkehr zur 88. ID, 1943 Armeepfr. bei der Armeeabteilung Lanz, später umbenannt in Kempf, dann beim AOK 8, Wehrmachtdekan bei der Heeresgruppe Süd, 1944 Versetzung in die OKH-Reserve, 1945 amerikanische Kriegsgefangenschaft, Pfarrverweser Schielberg b. Ettlingen, 1946 Pfr. Obertsrot i. Murgtal, 1957 i. R. Werthmann, Georg 12 f., 15 f., 20–23, 27–29, 49, 51–53, 59, 61–66, 74 f., 84 f., 94, 110 f., 115, 122, 129, 138, 175, 177, 179, 186–189, 191–193, 196, 199, 201 f., 214 geb. 8. 12. 1898 Kulmbach, gest. 25. 5. 1980 Bamberg, 1916–1920 Teilnahme am Ersten Weltkrieg und französische Kriegsgefangenschaft, 1924 PW, 1928 Kaplan Bamberg, Jugendseelsorger ebd., Religionslehrer am Institut der Englischen Fräulein ebd., 1929 Studienrat, 1935 hauptamtlicher militärischer Vertragspfr. Berlin, Standortpfr. ebd., 1936 Wehrkreispfr. III ebd., Feldgeneralvikar des Apostolischen Administrators Franz Justus Rarkowski ebd., Heeresoberpfr., 1939 Verfasser des katholischen Feldgesangbuches, 1940 Wehrmachtdekan, 1941 auf eigenen Wunsch Kommandierung zum AOK 15 Lille, 1945 Beauftragung mit der Wahrnehmung der Dienstgeschäfte des Katholischen Feldbischofs, Kommissarischer Katholischer Feldbischof der Wehrmacht, Päpstl. Hausprälat, April–Juli 1945 Internierung durch amerikanische Besatzungstruppen im OSB-Kloster Niederalteich, danach Leiter der kath. KriegsgefangenenSeelsorge Bamberg, 1946 Stadtpfr. Kronach, danach Dekan ebd., 1951 Chief Chaplain der kath. Seelsorge im Labor Service beim HQ EUCOM Heidelberg, seit 1955 Militärgeneralvikar Bonn, Apostolischer Protonotar, 1962 i. R. Wiebe, Franz 191 geb. 30. 3. 1884, gest. 22. 7. 1963 Hannover, 1910 Ordination, Hilfspfr. Diemarden, 1912 zweiter Hof- und Schlossprediger Hannover, 1920 Konsistorialrat ebd., 1923–1926 Superintendent Einbeck, 1926–1936 Konsistorialrat und Superintendent Göttingen, 1936–1948 Landessuperintendent des Sprengels Stade, 1948–1953 Göttingen-Grubenhagen, 1953 i. R. Wilczek, Gerhard 170 f., 202, 209 geb. 6. 3. 1901 Ödernitz Kreis Rothenburg, gest. 26. 1. 1987 Hameln, 1928 Ordination, ev. Hilfspfr. Strausseney, Weißwasser und Falkenberg, 1929 Pfr. Wünschendorf, 1937 Herrnstadt, 1939–1945 Militärdienst bei der Wehrmacht, u. a. als ev. Kriegspfr. a. K. beim Kriegslazarett 4/607 der 295. ID, 1948 Pfr. Tündern, 1969 i. R. Wildmann, Josef Ernst 187 f. geb. 24. 6. 1909 Wien, gest. 5. 11. 1966 Wien, 1933 PW, Kooperator Lockenhaus, Kurat Wien, 1937 Militärkaplan des 3. Divisionskommandos, 1938 Militärkaplan des 2. Di-

Personenregister/Biografische Angaben

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visionskommandos, danach Wehrmachtpfr. Wien, Breslau-Carlowitz, 1939 Divisionspfr. der 221. ID, Bezirksstandortpfr. des Wehrmachtseelsorgebezirks XX/5 Posen, 1942 Konsistorialrat ebd., 1943 Wehrmachtpfr. im Wehrkreis Generalgouvernement, dann Sanitätsabteilung Lemberg, 1944 vorläufige Entbindung von der Wehrmachtseelsorge, Dolmetscher beim Kommandeur der Kriegsgefangenen z. b. V. Lublin, Soldat, Laisierung. Wilke, Fritz, Prof. Dr. theol. 119 geb. 7. 2. 1879 Greifenberg in Pommern, gest. 2. 12. 1957 Wien, ev. Theologe, Universitätslehrer (AT). [Personenlexikon 275] Winnig, August 37, 42 f., 121 geb. 31. 3. 1878 Blankenburg, gest. 3. 11. 1956 Bad Nauheim, Gewerkschaftler, Politiker (zunächst SPD) und Schriftsteller, 1918 Reichsgesandter und Generalbevollmächtigter (Reichskommissar) bei den Regierungen der baltischen Länder, 1919 Oberpräsident von Ostpreußen, 1927 Eintritt in die ASPD, 1930 Mitglied der Volkskonservativen Vereinigung, 1945 Mitbegründer der CDU. Wulf, Friedrich SJ 199 geb. 18. 6. 1908 Düsseldorf, gest. 2. 5. 1990 München, 1927 Eintritt in den Jesuitenorden, 1947–1979 Chefredakteur der Zeitschrift „Geist und Leben“, 1962–1965 Konzilstheologe, 1972–1975 Mitglied der Würzburger Synode. Wurm, Theophil 44 geb. 7. 12. 1868 Basel, gest. 28. 1. 1953 Stuttgart, ev. Landesbischof. [Personenlexikon 280] Wuttge, Herbert 55, 62, 82 geb. 15. 1. 1908 Spahlitz bei Oels (Schlesien), gest. 14. 4. 1942 (Kriegslazarett I/605 Polozk), 1930 Eintritt in die NSDAP, 1933 Vikar Jauer, 1934 Leobschütz, 1935 ev. Pfr. Panthenau/Liegnitz, 1936 Ordination Breslau, Pfarrvikar Rengersdorf, Juli 1938 komm. Wehrmachtpfr. Sagan und am Standort Gleiwitz, September 1939 Divisionspfr. der 239. ID, August 1940 Standortpfr. Gleiwitz, März 1941 Divisionspfr. der 239. ID, 1942 Wehrmachtpfr., zuletzt Divisionspfr. der 83. ID. Zimmerl, Josef 80 f., 120, 174 f., 195, 197 geb. 6. 7. 1916 Neupölla, gest. 4. 11. 2003, 1939 PW, 1939/40 Alumnatspriester St. Pölten, 1940–1944 Sanitätsgefreiter bei der Wehrmacht, 1945–1947 sowjetische Kriegsgefangenschaft, danach Kaplan Euratsfeld, Waidhofen/Ybbs, Kaplan St. Leonhard am Hornerwald, Kaplan St. Georgen am Ybbsfeld und Loosdorf, 1950 Domkurat St. Pölten, 1960 Krankenhausseelsorger ebd., seit 1977 Seelsorger im Landespensionistenheim ebd., Ehrenkanonikus Monsignore.