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German Pages [404] Year 2011
Sören Flachowsky Holger Stoecker (Hg.)
Vom Amazonas an die Ostfront Der Expeditionsreisende und Geograph Otto Schulz-Kampfhenkel (1910–1989)
2011 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN
Gedruckt mit freundlicher Unterstützung durch das
sowie durch den Fördererkreis der naturwissenschaftlichen Museen Berlins e.V.
Für die Kathrins
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Umschlagabbildung: Otto-Schulz-Kampfhenkel in Nordafrika, 1942 (Quelle: Dr. Otto Schulz-Kampfhenkel-Stiftung, Hamburg)
© 2011 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Gesamtherstellung: WBD Wissenschaftlicher Bücherdienst GmbH, Köln Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier ISBN 978-3-412-20765-6
Inhalt Richard Haas Zum Geleit 7 Sören Flachowsky und Holger Stoecker Stationen einer Selbstinszenierung. Eine Einführung 11 Holger Stoecker Die Jagd auf letzte „weiße Flecken der Erde“. Stationen eines juvenilen Expeditionsreisenden, 1910–1941 23 Augusto Oyuela-Caycedo, Manuela Fischer und Renzo Duin Von „Herrenmenschen“ und „Waldmenschen“. Die ethnographische Inszenierung der „Deutschen Amazonas-Jary-Expedition“ von 1935 bis 1937 97 Michael Ohl Das Fell in die Sammlung, das Fleisch in den Kochtopf. Otto Schulz-Kampfhenkel als Zoologe und Tierfänger 129 Henrick Stahr „Zaubergeräte der Zivilisation“. Die multimediale Inszenierung der Amazonas-Jari-Expedition 164 Wolfgang Davis „Rätsel der Urwaldhölle“ – Der Film 190
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Inhalt
Michael Rolke unter Mitarbeit von Sören Flachowsky „Die geladene Maschinenpistole in der Rechten, in der linken den Filmapparat.“ Schulz-Kampfhenkel im „Sonderkommando Dora“ – Erkundungen in der Wüste Libyens vom Mai 1942 bis Januar 1943 206 Sören Flachowsky „Die Forschungsgruppe Schulz-Kampfhenkel steht jetzt für Ostaufgaben zur Verfügung.“ Otto Schulz-Kampfhenkel als Beauftragter für Sonderaufgaben der erdkundlichen Forschung 240 Karsten Plewnia Das Forschungskommando „Süd“ der Forschungsstaffel z.b.V. in Laibach. Feldforschungen im Karstgebiet Jugoslawiens 1944/45. Eine Fallstudie 303 Sören Flachowsky, Michael Ohl und Holger Stoecker Schwieriger Neubeginn und Rückkehr zur Normalität. Otto Schulz-Kampfhenkel im Nachkriegsdeutschland 321
Anhang 353 Autorenverzeichnis 385 Personenregister 389
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Zum Geleit Lebhaft erinnere ich mich an meine ersten Begegnungen mit dem Namen SchulzKampfhenkel. Als der für die Sammlungen zum südamerikanischen Tiefland verantwortliche Wissenschaftler am Ethnologischen Museum Berlin begann ich mich Anfang der 1990er Jahre näher mit der ethnographischen Sammlung Schulz-Kampfhenkel aus Nordamazonien zu beschäftigen. Allein die Durchsicht der mit Datum vom 12. Juni 1935 angelegten „Akte betreffend Expedition Schulz-Kampfhenkel nach Brasilianisch-Guayana, Aktenzeichen I B 129, Bd. 1“ des vormaligen Staatlichen Museums für Völkerkunde warf viele Fragen auf: Wer war dieser „Schulz-Kampfhenkel“? Ethnologe schien er jedenfalls nicht zu sein, aber welchen akademischen Hintergrund hatte er? In der Fachliteratur sucht man seinen Namen vergebens. Wie lautete eigentlich sein auffällig unterschlagener Vorname? Auf Briefköpfen, als Unterschrift, ja sogar als Autorenname begegnet man immer nur dem Familiennamen „Schulz-Kampfhenkel“. Wie kam es zu dieser in vielfacher Hinsicht ungewöhnlichen Expedition, deren Ergebnis unter anderem die ethnographische Sammlung ist? Welche Ziele verfolgte die Expedition? Und schließlich: Wie war es möglich, dass die anschließende Vermarktung der Expedition in Deutschland kaum Raum für einen schonenden Umgang mit den kostbaren Sammlungen ließ, die doch eigentlich ihr wertvollster Ertrag zu sein schienen? Es versteht sich von selbst, dass ich diesen Fragen nachgehen und vor allem Näheres über den Verlauf der Expedition erfahren wollte. Recht bald hielt ich den 1938 erschienenen Reisebericht „Rätsel der Urwaldhölle“, Autor Schulz-Kampfhenkel, in Händen. Und wieder drängte sich eine Frage auf: Wie kann der Ergebnisbericht einer wissenschaftlichen Expedition mit einem derart reißerischen Titel versehen werden? Dieses konnte ja wohl kaum die wissenschaftliche Aufarbeitung der Expedition sein. Welche Intention verfolgte der Autor aber dann? Gleich im Vorwort des Reiseberichts findet sich ein Hinweis auf einen gleichnamigen Film, der seit März 1938 „in den Lichtspieltheatern aller deutscher Städte zu sehen ist“, einem „Großfilm deutscher Forschung“. Schnell war die Möglichkeit zur Sichtung des Films im Bundesfilmarchiv organisiert. „Rätsel der Urwaldhölle“ hat mich in vielfacher Hinsicht fasziniert. Allein der Film sagt sehr viel aus über die propagandistischen Möglichkeiten, die die wissenschaftliche „Eroberung“ eines der
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„letzten weißen Flecken der Erde“ für das Dritte Reich bot, sowohl im wissenschaftspolitischen, als auch im militaristischen Sinne. Bei all den Fragen, die die schillernde Persönlichkeit des Otto Schulz-Kampfhenkel (der Vorname lautet tatsächlich Otto!) aufwirft, begrüße ich es sehr, dass mit dem vorliegenden Band eine erste kritische Auseinandersetzung mit der Person SchulzKampfhenkels vorliegt. Unter Berücksichtigung diversester Aspekte seines Lebens und Wirkens und aus den unterschiedlichsten Perspektiven, eingebettet in den jeweiligen historischen Kontext, bietet sich nun die Möglichkeit, Schulz-Kampfhenkel in einem ganz neuen, klareren Licht zu sehen, um diesen ungewöhnlichen Lebenslauf entsprechend besser einordnen zu können. Leider habe ich Otto Schulz-Kampfhenkel nie persönlich kennen gelernt. Als im Mai 1986 mein Vorgänger im Amt des Leiters der Abteilung „Amerikanische Naturvölker“ (heute Fachreferat Amerikanische Ethnologie), Günther Hartmann, zu einem Symposium über aktuelle Probleme und deutsche Forschungen im größten Regenwaldgebiet der Erde mit dem Titel „Amazonien im Umbruch“ auch SchulzKampfhenkel in das damalige Museum für Völkerkunde einlud, konnte ich nicht in Berlin anwesend sein. Es war der letzte Besuch Otto Schulz-Kampfhenkels in dem Museum, das seine ethnographische Sammlung verwahrt. Von dem Publikationsvorhaben einer kritischen Würdigung der Lebensleistung Otto Schulz-Kampfhenkels erfuhr ich vor zwei Jahren, als einer der Herausgeber des Bandes, Holger Stoecker, Einsicht in die oben genannte Akte erbat. Natürlich war ich neugierig zu erfahren, wer sich für „unseren“ Schulz-Kampfhenkel interessierte und wollte mehr über die Hintergründe für dieses Interesse wissen. Mit einer gewissen Überraschung, aber vor allem mit großer Freude erfuhr ich, dass sich zwei Historiker der Humboldt-Universität, Holger Stoecker und Sören Flachowsky, der sehr verdienstvollen Aufgabe gestellt hatten, einen Sammelband über „OSK“, wie die Herausgeber Schulz-Kampfhenkel griffig nennen, zu publizieren. Auch merkte ich schnell, dass das Leben dieses „OSK“ nicht „nur“ aus der „Deutschen Amazonas-JaryExpedition 1935–37“ bestand, sondern dass es sich hier um eine äußerst facettenreiche Biographie handelt. Dennoch ist ganz ohne Zweifel die Expeditionsreise nach Amazonien von ganz besonderer Bedeutung, weil Dokumente bis heute in Form der Sammlungen, des Films und des Reiseberichts vorhanden sind und zu intensiverer Aufarbeitung einladen. Daher sind diesem Thema auch mehrere Kapitel des vorliegenden Buches gewidmet. Ich freue mich sehr, dass die Staatlichen Museen zu Berlin zusammen mit dem Fördererkreis der naturwissenschaftlichen Museen Berlins e. V. die Herausgabe des Werks über Otto Schulz-Kampfhenkel ermöglicht haben. Beiden Institutionen sei an dieser Stelle sehr herzlich gedankt.
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Besonders danken möchte ich jedoch neben den am Sammelband beteiligten Autoren den beiden Initiatoren des Publikationsprojekts, den Herausgebern Holger Stoecker und Sören Flachowsky, die nach jahrelanger intensiver und bisweilen akribischer Recherche hier ein Werk vorlegen, das in äußerst spannender Weise eine Biographie vorstellt, wie sie nur das 20. Jahrhundert hervorbringen konnte. Richard Haas Stellvertretender Direktor des Ethnologischen Museums Staatliche Museen zu Berlin
Stationen einer Selbstinszenierung Eine Einführung Sören Flachowsky und Holger Stoecker Am 25. Oktober 2008 wartete die Hamburger Bild-Zeitung mit einer „unglaublichen Enthüllung“ auf: Unter der Überschrift „Hitler wollte den Regenwald erobern“ war zu lesen, dieser habe Anfang 1940 „Pläne für eine Invasion“ von „Französisch-Guayana“ geschmiedet. Diesen in der Tat „irrsinnigen Plan“ ausgeheckt habe der Abenteurer, Geograph und Naturforscher Otto Schulz-Kampfhenkel. Zusammen mit zwei weiteren deutschen Forschern sei dieser 1935 in den Regenwald am Amazonas aufgebrochen, um die Eroberung von „Deutsch-Guayana“ vorzubereiten und den „Plan zur Kolonisierung des Dschungel-Gebietes“ umzusetzen.1 Diese Revelation ging auf den Spiegel-Korrespondenten Jens Glüsing zurück, der kurz zuvor sein Buch Das Guayana-Projekt vorgelegt hatte.2 Nach jahrelangen Recherchen kam Glüsing darin zu dem Ergebnis, der SS-Mann Schulz-Kampfhenkel habe bei seiner damals Aufsehen erregenden Expedition von 1935 bis 1937 die Möglichkeit für die Errichtung eines deutschen Brückenkopfes im Hinterhof Amerikas ausgelotet und sei ausgezogen, „um ein Stück des Amazonas für Deutschland zu erobern“.3 Eine wirklich unglaubliche Enthüllung! Aber nicht nur in Deutschland stößt die „Deutsche Amazonas-Jary-Expedition“ Schulz-Kampfhenkels heute auf Interesse.4 Seit Jahren bemüht sich der brasilianische Historiker Cristóvão Lins, Licht ins Dunkel des Dschungeldickichts zu bringen. Auch er meint, mit „Enthüllungen“ über die vermeintlich wahren Gründe der Expedition aufwarten zu können. So führte er bereits 1999 in einem Interview für die brasilianische Tageszeitung O Estado de São Paulo aus, Schulz-Kampfhenkel und seine Gefährten hätten bei ihrer „geheimnisvollen Expedition“ einen Weg nach Französisch-Guayana gesucht, auf dem das Deutsche Reich dort eines Tages eindringen konnte. Im Rahmen ihrer Erkundungen hätten Schulz-Kampfhenkel und seine Gefährten „wohl auch Waffen getestet“.5 Eine weitere unglaubliche Enthüllung! Folgt man diesen populären Darstellungen, verbarg sich hinter der Expedition des Berliner Doktoranden Schulz-Kampfhenkel und seiner Begleiter der Plan der NSFührung, Guayana zu erobern und zum strategischen Brückenkopf zur Kontrolle des Panamakanals auszubauen. Warum aber, so fragt man sich, wurde das bisher nie thema-
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tisiert? Immerhin war der heute weitgehend in Vergessenheit geratene Schulz-Kampfhenkel seinerzeit ein vielbeachteter Medienstar. Sein nach der Rückkehr aus Brasilien produzierter UFA-„Großforschungsfilm“ Rätsel der Urwaldhölle, 1938 mit großem Pomp im Berliner Kino „Marmorhaus“ uraufgeführt, wurde zu einem Kassenschlager. Der im selben Jahr verlegte, gleichnamige Expeditionsbericht Schulz-Kampfhenkels verkaufte sich in mehreren Auflagen und findet sich noch heute in mancher Privatbibliothek. In deutschen Illustrierten erschienen bildreiche und spannungsgeladene Reportagen, die den Leser in den Bann der „Rätsel der Urwaldhölle“ schlugen. Nur: Alle Berichte über die Expedition belegen deutlich, dass sie ausschließlich wissenschaftliche, insbesondere zoologische, ethnologische und geographische Ziele verfolgte, mit denen Schulz-Kampfhenkel seine Karriere als Auslandsforscher vorantreiben wollte. Dieser Befund wird im Übrigen auch durch die schriftlichen Überlieferungen der staatlichen Behörden und Ministerien bestätigt, mit denen Schulz-Kampfhenkel wegen seiner Expedition korrespondierte. Was war also dran an den vermeintlichen Eroberungsplänen der deutschen Amazonas-Jari-Expedition von 1935 bis 1937? Zog Schulz-Kampfhenkel wirklich aus, um den Regenwald für Hitler zu erobern? Diese Fragen zu beantworten ist nur ein Anliegen dieses Buches. Denn die Biographie Otto Schulz-Kampfhenkels, dessen Spuren sich heute am Amazonas, in der libyschen Sahara, in Portugal, in London, Washington, Wien, ja selbst in der aus tralischen Hauptstadt Canberra finden, verweist auf eine bemerkenswert steile, bisher weitgehend unbemerkte Karriere in der Zeit des Nationalsozialismus.6 Sie hielt unter veränderten Vorzeichen auch in der Bundesrepublik an. Grundlegend dafür war ohne Zweifel die ambitionierte Amazonas-Expedition des juvenilen Abenteurers, von der er Zeit seines Lebens zehrte und die ihm immer wieder als Türöffner in ausweglos erscheinenden Situationen diente. Sie bildete jedoch nur eine Facette im Leben des Forschungsreisenden, dem wir in diesem Buch auf seinem Weg durch das „kurze zwanzigste Jahrhundert“ (Eric Hobsbawn) folgen. Im Jahr 1910 geboren, gehörte Schulz-Kampfhenkel der Kriegsjugendgeneration (Ulrich Herbert) an. Viele Angehörige dieser Generation – die nach 1933 in nicht wenigen Fällen in die Schlüsselpositionen des NS-Staates aufrückten – wuchsen früh in einer völkischen, militanten, antiliberalen und antipluralistischen Gedankenwelt auf und standen dem Nationalsozialismus 1933 als eine in seinem Sinne politisierte und folgebereite „Elite“ zur Verfügung.7 Unter ihnen war die Zahl derer, die das NS-Regime vorbehaltlos unterstützten, viel höher als bei den nationalkonservativen Vertretern der durch das Kaiserreich sozialisierten Akademiker. Besonders häufig zu finden war der Typ dieser neuen Funktionselite in den „als besonders zukunftsträchtig angesehenen Wissenschaftsfeldern, die von den Nationalsozialisten besonders gefördert wurden und in direktem Bezug zur Wiederaufrüstung, zur Sicherung der Ernährungsbasis, zur Au-
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tarkisierung im Rohstoffbereich, zur Erbbiologie, zur Asozialenforschung“ oder zur Kriegsführung des NS-Regimes standen.8 Zu den Vertretern dieser völkisch-radikalen „Generation des Unbedingten“ (Michael Wildt) kann man auch den von Heinrich Himmler als SS-nahen Südamerika-Experten geschätzten Otto Schulz-Kampfhenkel zählen. Bereits fünf Jahre nach seiner Rückkehr aus Brasilien agierte dieser im Rahmen des Sonderkommandos Dora in einer Operation der Spionageabteilung des Oberkommandos der Wehrmacht auf dem afrikanischen Kriegsschauplatz. Im Gegensatz zur Amazonas-Expedition ging es bei diesem Unternehmen tatsächlich um geheime militärische Erkundungen. Im Ergebnis dieser Auslandsmission avancierte SchulzKampfhenkel 1943 zum Leiter einer „geistig-militärischen“ Spezialeinheit, der Forschungsstaffel z. b. V., deren „Einsatzgruppen“ in ganz Europa operierten und deren Aufgaben eng mit der nationalsozialistischen Eroberungspolitik zusammenhingen. Den Höhepunkt seines Aufstiegs markierte schließlich seine Ernennung zum Beauftragten für Sonderfragen der erdkundlichen Forschung im Reichsforschungsrat. In dieser herausragenden Funktion zeichnete der inzwischen zum SS-Untersturmführer beförderte Schulz-Kampfhenkel bis 1945 für die Steuerung und den „Kriegseinsatz“ der geographischen Hochschulwissenschaft verantwortlich. Indem Schulz-Kampfhenkel seine Expertise und sein Organisationstalent in den Dienst der nationalsozialistischen Eroberungspolitik stellte, gelang es ihm, in hohe Funktionen aufzusteigen. In den Reihen der etablierten Hochschulwissenschaft stieß die Karriere des akademischen Außenseiters allerdings auf Ablehnung. Dies spielte in den Nachkriegsjahren insofern eine Rolle, als dass Schulz-Kampfhenkel, der einige Jahre von den US-Amerikanern interniert wurde, als Sündenbock für eine sich neu aufstellende bundesrepublikanische Wissenschaftsszenerie fungierte. Gleichwohl konnte sich Schulz-Kampfhenkel, der sich seit den späten 1950er Jahren im Bereich des Unterrichtsfilms betätigte, bis in die 1980er Jahre auf ein neues Netzwerk von Experten und Wissenschaftlern stützen, das seinen freien Fall nach 1945 verhinderte. Insofern eignet sich die schillernde Person und bemerkenswerte Karriere SchulzKampfhenkels, wichtige Entwicklungslinien im NS-Wissenschaftsbetrieb und der bundesdeutschen Nachkriegszeit zu skizzieren. Wer war dieser Mann, der sich seit seiner Studentenzeit militärisch knapp und markig meist nur Schulz-Kampfhenkel nannte und sich in seinen Berichten über seine Expeditionen stets mit einer Aura des Abenteurers umgab und sich selbst als verwegener Einzelkämpfer im Dienste von Wissenschaft, Forschung und „deutscher Weltpolitik“ inszenierte? Wer war dieser Mann, der eine nahezu lineare Karriere vom wissenschaftlichen zum militärischen Eroberer absolvierte, ohne dass seine Vita eine einzige wissenschaftliche Publikation aufwies? Diese Fragen führten die Herausgeber dieses Buches im Jahr 2007 zusammen. Beide hatten sich von je unterschiedlichen For-
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schungskontexten der Person Otto Schulz-Kampfhenkels genährt und so entstand der Plan, das von beiden gesichtete umfangreiche Aktenmaterial in eine Form zu gießen.9 Ursprünglich hatten die Herausgeber die Absicht, dieses Buch allein zu schreiben. Zufälle und ähnlich gelagerte Forschungsinteressen anderer Kollegen sorgten aber bald für eine willkommene fachliche Differenzierung des zunächst auf rein historische Fragestellungen ausgerichteten Projekts. Geblieben ist der biographische Ansatz des Vorhabens, der nach den „sozioökonomischen, politischen, kulturellen und psychologischen Koordinaten menschlichen Handelns“ fragt.10 Wie Helmuth Trischler betont, liegt die auch hier verfolgte „Hauptaufgabe der Biographik“ nicht „in dem Selbstzweck, individuelle Lebensverläufe zu beschreiben, sondern in der Verknüpfung des Allgemeinen mit dem Besondern, in der Vermittlung zwischen Individualität und Sozialität mit den Mitteln der personenzentrierten Forschung“. Dieser Ansatz „plaziert die Biographie mitten in eines der aktuellsten und spannendsten Felder“ der historischen Forschung hinein: „in die Frage nach den Handlungs- und Entscheidungsspielräumen von Individuen in systemischen Kontexten“.11 In dieser Hinsicht geht es auch bei der im Folgenden geschilderten Lebensgeschichte Otto Schulz-Kampfhenkels darum, einerseits seinen „äußeren Lebenslauf “, also die auf ihn „einwirkenden historischen und gesellschaftlichen Bedingungen, Prozesse und Ereignisse“, und andererseits seinen „inneren Lebenslauf “, also seine persönliche Entwicklung in ihrer wechselseitigen Beziehung darzustellen.12 Hinzu kommt, wie Margit Szöllösi-Janze bemerkt, dass das Genre der „Wissenschaftlerbiographie“ den Vorteil bietet, „‚an integrated perspective on science‘ zu erlauben.“13 So untersuchen die folgenden, chronologisch angelegten Beiträge Schulz-Kampfhenkels „wissenschaftliche“ Karriere unter verschiedenen fachlichen Gesichtspunkten, berücksichtigen dabei aber auch gleichzeitig die auf ihn wirkenden Faktoren im Spannungsfeld von Wissenschaft, Medien, Politik und Militär. Das Wirken Schulz-Kampfhenkels hat in Wissenschaft und Publizistik bisher nur wenig Niederschlag gefunden. Die Ausnahme bildeten Erinnerungen ehemaliger Mitstreiter Schulz-Kampfhenkels, die in autobiographischen Berichten oder technikwissenschaftlichen Abhandlungen zumeist unreflektiert und verharmlosend auf ihre Tätigkeit im Zweiten Weltkrieg zurückblickten.14 In jüngster Zeit wurden Teilaspekte des Wirkens Schulz-Kampfhenkels lediglich aus dem Blickwinkel der Film-, Wissenschafts- oder der Militärgeschichte dargestellt.15 Diese Publikationen sind hochspezialisiert und zum Teil als „graue Literatur“ nur einem sehr eingeschränkten Leserkreis zugänglich. Die eingangs erwähnte journalistische Publikation Glüsings über die Amazonas-Jari-Expedition weist eine sehr beschränkte Quellenbasis auf, vertritt unhaltbare Thesen und folgt einem eindimensionalen Skandalisierungsinteresse.16 In kritischer Auseinandersetzung dazu befassen sich in dem vorliegenden Band mehrere Autoren aus Deutschland, den Niederlanden und den Vereinigten Staa-
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ten auf ihren Disziplinfeldern mit verschiedenen Aktionsräumen und Tätigkeiten Schulz-Kampfhenkels sowie seinen Spuren in der Wissenschafts-, Film- und konkreten Sammlungsgeschichte. Die Beiträge basieren auf zum Teil langjährigen Archivrecherchen und stützen sich auf Quellenmaterial aus Deutschland, den Niederlanden, Österreich, Russland, Großbritannien, den USA und Brasilien. Darüber hinaus können sich die Autoren erstmals auf Objekte der von Schulz-Kampfhenkel eingebrachten Sammlungen am Ethnologischen Museum in Berlin und dem Museum für Naturkunde Berlin stützen. Im ersten Beitrag des chronologisch angelegten Bandes widmet sich Holger Stoecker der Jugend und frühen Karriere Otto Schulz-Kampfhenkels. Im Mittelpunkt steht das bereits als Student verfolgte „Lebensziel“ Schulz-Kampfhenkels, wissenschaftliche Expeditionen in außereuropäische Regionen zu unternehmen, um die vermeintlich letzten „weißen Flecken der Erde“ zu erkunden. Bereits 1930, als noch 19-jähriger Student, unternahm Schulz-Kampfhenkel seine erste zoologische Sammelreise in die afrikanische Sahara. Diese erste größere Reise malte Schulz-Kampfhenkel später pathetisch als Initiationserlebnis eines jungen Naturforschers aus. Kurze Zeit später führte ihn eine weitere zoologische Forschungsfahrt nach Westafrika, auf der sich bereits typische Eigenheiten des sich selbst als „wissenschaftlichen“ Eroberer inszenierenden Schulz-Kampfhenkel herauskristallisierten. Nicht nur, dass er diese Reise öffentlichkeitswirksam vermarktete. Bereits zu diesem Zeitpunkt wurde deutlich, dass Schulz-Kampfhenkel Filmkamera und Jagdwaffe als gleichwertige Instrumente zur Eroberung des „Urwaldes“ betrachtete und einsetzte. Besonders deutlich wurde dies auf der von ihm geleiteten Amazonas-Jari-Expedition von 1935 bis 1937, deren Zielen Stoecker auf den Grund geht. Obgleich Schulz-Kampfhenkel nach seiner Rückkehr aus Brasilien von Medien, Politik und Wissenschaft als Auslandsforscher im Dienste Deutschlands gefeiert wurde, blieb er ein akademischer Außenseiter, der keine wissenschaftliche Publikation vorweisen konnte. Dies hatte zur Folge, dass sich der Pragmatiker mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges vom wissenschaftlichen zum militärischen Eroberer wandelte. Die folgenden vier Beiträge widmen sich der wissenschaftlichen Bedeutung und medialen Inszenierung der Amazonas-Expedition Schulz-Kampfhenkels. Augusto Oyuela-Caycedo, Manuela Fischer und Renzo Duin betrachten die ethnographische Dimension der Expedition. Hierbei geht es vor allem um die von Schulz-Kampfhenkel in seinem Expeditionsbericht Rätsel der Urwaldhölle konstruierten Mythen der „Selbstbestimmung“ im politischen Umfeld Brasiliens Mitte der 1930er Jahre, der wissenschaftlichen „Pioniertat“, der vermeintlich „ersten Begegnung“ mit indigenen Gruppen an Amazonas und Jari und der Erwerbung einer „ethnographischen Sammlung“. Diese Mythen bedienten zwar die Phantasien der Öffentlichkeit und der NS-
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Ideologie, entbehrten jedoch jeder Grundlage. So wird deutlich, dass Schulz-Kampfhenkels Expedition in Brasilien bereits an einfachen Auflagen der brasilianischen Behörden zu scheitern drohte, von „Selbstbestimmung“ des deutschen Forschungsreisenden also keineswegs die Rede sein konnte. Film und Buch Rätsel der Urwaldhölle suggerieren darüber hinaus den Pioniercharakter der Amazonas-Expedition, die Schulz-Kampfhenkel in unerforschte und von der Zivilisation abgeschnittene Gebiete geführt habe. Dies wie auch die zufällige „Entdeckung“ vermeintlich isoliert lebender Indianer sollte die ethnographische Bedeutung der Expedition unterstreichen. Wie Oyuela-Caycedo, Fischer und Duin zeigen, waren diese Behauptungen aber lediglich ein Beleg für die Selbstinszenierung Schulz-Kampfhenkels, denn zum einen galt das von ihm bereiste Gebiet in den 1930er Jahren schon längst nicht mehr als „weißer Fleck“ auf der Landkarte. Zum anderen stand die indigene Bevölkerung seit Jahren in Kontakt mit Arumanduba, dem wirtschaftlichen Ballungszentrum an der Mündung des Jari in den Amazonas. In den Forschungsberichten und Publikationen über die Expedition hat die ethnographische Sammlung einen ebenso hohen Stellenwert wie die zoologische Mission, obwohl sie ursprünglich nicht zum Programm SchulzKampfhenkels gehörte. Oyuela-Caycedo, Fischer und Duin machen deutlich, dass Schulz-Kampfhenkel erst während der Expedition den Plan fasste, eine ethnographische Sammlung anzulegen und damit auf konkrete Vorschläge aus wissenschaftlichen Fachkreisen reagierte. Der Sammlungstätigkeit Schulz-Kampfhenkels widmet sich auch Michael Ohl. Im Mittelpunkt seines Beitrages stehen die zoologischen Ziele und Ergebnisse der von Schulz-Kampfhenkel durchgeführten Expeditionen nach Afrika und Brasilien. Bei allen Reisen standen zoologische Fragen im Vordergrund. Zwar erblickte Schulz-Kampfhenkel seine „zoologischen Aufgaben“ im „Sammeln“ und „Beobachten“, aus seinen Darstellungen geht jedoch hervor, dass er dem Tierfang weitaus größte Bedeutung beimaß. Die von Schulz-Kampfhenkel gern zur Schau getragene zoologisch-wissenschaftliche Kompetenz stand jedoch in krassem Gegensatz zu den zoologischen Zielen und Ergebnissen seiner Expeditionen. Zeit seines Lebens blieb er ein begeisterter „naturalist“, eine Professionalisierung dieser beinahe amateurhaft bleibenden Grundmotivation fand bei ihm nie statt. Selbst die von ihm formulierten „Forschungsziele“ blieben vage, vielfach naiv, und auch die in seinen Planungen angestrebten Zielländer schienen austauschbar zu sein. Wie Ohl zeigt, ordnete SchulzKampfhenkel seine Vorhaben nicht der methodischen Notwendigkeit übergeordneter Forschungsziele, sondern pragmatischen Gesichtspunkten und persönlichen Interessen unter. Die tatsächlichen Sammelerfolge Schulz-Kampfhenkels bewertet Ohl anhand der nachweisbaren Objekte kritisch. Als Forschungsreisender, der sich in seinerzeit wenig erforschte Gebiete anderer Kontinente wagte, konnte er für je-
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des mitgebrachte Objekt sich der Aufmerksamkeit der Wissenschaft, aber auch der Öffentlichkeit sicher sein. Zwar waren die von Schulz-Kampfhenkel erbeuteten Sammelobjekte von wissenschaftlichem Wert, eine wissenschaftliche Bestimmung der von ihm nach Deutschland gebrachten Tiere und Präparate führte Schulz-Kampfhenkel jedoch nicht durch. Seine „Forschung“ blieb auf die reine Sammeltätigkeit beschränkt. Henrick Stahr widmet sich der multimedialen Eroberung und Inszenierung der Amazonas-Jari-Expedition Schulz-Kampfhenkels. Berichte über Expeditionen in fremde Länder stellten in der deutschen illustrierten Presse und im deutschen Film der 1920er und 1930er Jahre ein beliebtes Sujet dar. In Bezug auf die visuelle Darstellung des Amazonas-Gebiets und seiner Bewohner markierte die Amazonas-Jari-Expedition von Otto Schulz-Kampfhenkel 1935/37 einen markanten Höhepunkt, da sie in mehreren deutschen Illustrierten gleichzeitig und in ungewöhnlicher Breite publiziert wurde. Es gelang Schulz-Kampfhenkel zudem, seine Expedition 1938 in Buchform und im gleichen Jahr als „Großfilm deutscher Forschung“ in Lichtspielhäusern des In-und Auslands zu lancieren. Stahr untersucht zum einen das Wie der visuellen Aneignung der Indios und der Natur des Amazonas durch Schulz-Kampfhenkel und ihre Inszenierung in den Medien der Illustrierten und des Films mittels Interpretationen der Text-Bild-Kombinationen in den Illustrierten, des audiovisuellen Mediums Film und in den Bezügen der Medien aufeinander. Dabei untersucht er besonders die Konstruktion der Narration von „Abenteuer/Eroberung“, „Kulturbegegnung“, „Authentizität“ und der Inszenierung der Beziehung der Deutschen zu den „Naturkindern“. Zum anderen diskutiert der Beitrag, warum gerade die Expedition SchulzKampfhenkels ihre publizistische Breite erlangen konnte, und entwickelt die These, dass es die impliziten und expliziten Referenzen auf verbreitete puerile Indianerklischees und Abenteuergeschichten waren, die die Rezeption seiner Berichte erleichterten und als Re-Inszenierungen existierender Interpretationsmuster lesbar machten. Ebenso wie die Fotoreportagen in den Illustrierten entfaltete Schulz-Kampfhenkels 1938 uraufgeführter „Großforschungsfilm“ Rätsel der Urwaldhölle eine enorme öffentliche Wirkung. Seiner Entstehung und Rezeption geht Wolfgang Davis nach, der den Expeditionsfilm in die Tradition des Dokumentarfilms einordnet, eines Genres, das in den 1920er und 1930er Jahren weltweit eine Blüte erlebte. Wie Davis zeigt, entwickelte sich der Dokumentarfilm in dieser Zeit nicht zuletzt zu einem „Instrument der Wissenschaft“, da er Forschungsergebnisse in Form visueller Information vermittelte. Neben dem Genre des Spielfilms avancierte somit auch der Dokumentarfilm zu einem Massenmedium, über das breite Bevölkerungsgruppen gezielt informiert, aber auch desinformiert werden konnten. Insbesondere der letzte Aspekt verweist auf das „verfälschende Potential des Films“, dem Davis mit den Mitteln der Visuellen Anthropologie am Beispiel des Streifens Rätsel der Urwaldhölle nachgeht. Ähnlich wie viele
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Dokumentarfilme dieser Zeit bildeten die Motive Ferne und Gefahr das Grundmuster des Films Schulz-Kampfhenkels, der den Zuschauer mit einem verwirrenden Spannungsfeld von Reiselust, Abenteuer, Exotismus und Wissensdrang konfrontiert. Im Mittelpunkt steht jedoch der Versuch, die eigene abendländische Kultur von der der indigenen Bevölkerung des Amazonasgebiets abzuheben und die Überlegenheit des weißen Beobachters mit der scheinbaren Primitivität der Indianer zu kontrastieren. Darüber hinaus geht Davis dem den Film begleitenden UFA-Advertising nach, das Schulz-Kampfhenkel immer wieder dezidiert als Wissenschaftler darstellte, der sich im Zuge seiner Amazonas-Jari-Expedition unter schwersten Bedingungen größte Verdienste um die Völker- und Naturkunde erworben habe. Die Bedeutung von Rätsel der Urwaldhölle für die Archive völkerkundlicher Museen ist freilich nur gering einzuschätzen, da die Überlegung, Filme für die Völkerkunde zu nutzen, zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr neu war. Zudem offenbart eine Analyse der Bildmotive, der Vertonung und der Begleitmusik des Films eine unterschwellig tendenziös arbeitende Egomanie des Filmemachers. Die Offenlegung der Produktionsverhältnisse dient nicht dazu, wissenschaftliche Ansätze überprüfbar zu machen, sondern die heldenhafte Bewältigung der Expedition in den Vordergrund zu stellen. In ihrer vor allem multimedialen Dimension stellte die Amazonas-Expedition für Schulz-Kampfhenkel einen außerordentlichen Prestigeerfolg dar, denn dadurch fand er nun einflussreiche Förderer in Politik und Militär. Dies wiederum bildete die Grundlage für eine rasante Karriere im nationalsozialistischen Wissenschaftsbetrieb. Aufbauend auf seinen Erfahrungen in Brasilien entwarf Schulz-Kampfhenkel nach dem Beginn des Zweiten Weltkrieges weit ausgreifende Expeditionsprojekte, die er den politischen, wirtschaftlichen und militärischen Interessen des NS-Regimes anpasste. Im Ergebnis dessen avancierte er im Frühjahr 1942 zum Leiter der „Gruppe Forschung“ des in Südlibyen operierenden „Sonderkommandos Dora“, dessen Entstehungsgeschichte und Tätigkeit Michael Rolke und Sören Flachowsky untersuchen. Dieses Kommando, ein von der Auslandsabteilung des OKW unter Admiral Wilhelm Canaris aufgestellter Spezialverband, führte im Süden Libyens streng geheime Erkundungsaufgaben durch. Im Mittelpunkt dieses bisher weitgehend unbekannten militärischen Unternehmens stand die Erprobung einer interdisziplinären Kartierungsmethode zur großräumlichen Evaluation ungenügend kartographierter Regionen und zur Herstellung militärischer Geländekarten. Seinen Zenit erreichte Schulz-Kampfhenkel im Mai 1943, als er von Herman Göring zum Beauftragten für Sonderfragen der erdkundlichen Forschung im Reichsforschungsrat ernannt wurde und gleichzeitig die Leitung der militärischen „Forschungsstaffel zur besonderen Verwendung“ der Abwehrabteilung des Oberkommandos der Wehrmacht übernahm. Wie Sören Flachowsky in seinem Beitrag zeigt, war Schulz-
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Kampfhenkel in dieser Doppelfunktion zum einen für die Allokation umfangreicher Fördermittel für die geographische Hochschulforschung, zum anderen für den Einsatz wissenschaftlicher Forschungskommandos in den „besetzten Gebieten“ Europas, vor allem jedoch in der Sowjetunion verantwortlich. Die Forschungsstaffel übernahm Aufträge zahlloser Reichsressorts, die sich auf kriegs- und rüstungsrelevante Bereiche erstreckten und darüber hinaus in Verbindung mit der verbrecherischen Siedlungspolitik der Nationalsozialisten in Osteuropa standen. Ab Mitte 1943 konzentrierte sich Schulz-Kampfhenkels Tätigkeit auf die Schaffung militärischer Geländebeurteilungskarten, die in kombinierten Luft- und Bodeneinsätzen für alle Frontabschnitte angefertigt wurden. Während die Forschungsstaffel in den Frontgebieten Erkundungseinsätze durchführte, werteten Hochschulwissenschaftler die gesammelten Unterlagen aus und verarbeiteten sie zu militärischen Karten. In diesem Zusammenhang verweist Flachowsky nicht nur auf die enge Kooperation von Wissenschaft und Militär, sondern auch auf den hohen Grad der Selbstmobilisierung der Geographen während des Zweiten Weltkrieges. Die praktische Tätigkeit der „Forschungsstaffel z. b. V.“ veranschaulicht Karsten Plewnia an dem Beispiel des Forschungskommandos „Süd“, einem der vier von Schulz-Kampfhenkel Anfang 1944 gebildeten Staffelkommandos. Das Forschungskommando „Süd“ hatte seinen Sitz in Laibach (Ljubljana) und setzte sich aus verschiedenen „Einsatzgruppen“ zusammen. Im Fokus der Arbeiten stand die Herstellung von Geländebeurteilungs-, Panzer- und Wasserkarten für den Raum Süd- und Südosteuropa. Einen weiteren Schwerpunkt bildeten Karstforschungen, die auf die Untersuchung der militärischen Verwendbarkeit von Höhlen abzielten. Am Beispiel des Höhlenforschers Richard Spöcker zeigt Plewina, auf welchem Weg die Rekrutierung des wissenschaftlichen Personals der „Forschungsstaffel z.b.V.“ erfolgte und welche Ergebnisse die „Feldeinsätze“ der Staffel vor allem auf dem Gebiet der Karstforschung zeitigten. Der Zäsur von 1945 und dem Lebensweg Schulz-Kampfhenkels in der Bundesrepublik widmen sich schließlich Sören Flachowsky, Michael Ohl und Holger Stoecker. Für die von amerikanischen und britischen Geheimdiensten eingesetzten „Intelligence-Teams“ zur Evaluation der deutschen Forschung und Entwicklung bildete die von Schulz-Kampfhenkel geleitete „Forschungsstaffel z. b. V.“ ein „principel target“. Die wichtigsten Mitglieder – wie auch Schulz-Kampfhenkel selbst – wurden von den Alliierten daher nach Kriegsende in Interrogation Camps interniert und verhört. Vor dem Hintergrund des Konfrontationskurses zwischen Ost und West im beginnenden Kalten Krieg spielten in den Verhören die von der Forschungsstaffel durchgeführten Arbeiten zur Erstellung von Geländebeurteilungskarten nach der „kombinierten Methode“ eine Schlüsselrolle. Ihre für die Alliierten wichtigen Spezialkenntnisse –
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so auch über die Sowjetunion – bildeten für viele Mitglieder der Forschungsstaffel eine Startbasis für Karrieren in der bundesrepublikanischen Forschungslandschaft. Schulz-Kampfhenkels herausragende Stellung als Bevollmächtigter des Reichsforschungsrates und Koordinator des Kriegseinsatzes der Geographen bis 1945 hatte jedoch zur Folge, dass er nach Kriegsende innerhalb der community der Geographen zum „Sündenbock“ avancierte. Insbesondere die Hochschulwissenschaft betonte nun immer wieder, von „Ideologen“ vom Schlage eines Schulz-Kampfhenkel instrumentalisiert worden, im Innern jedoch „rein“ geblieben zu sein. Die Türen der akademischen Hochschulwissenschaft blieben ihm fortan verschlossen. Schulz-Kampfhenkel versuchte sich mit zunehmendem Erfolg als Filmemacher und baute sich ein neues Netzwerk auf, in dem das 1962 gegründete, noch heute bestehende Hamburger „Institut für Weltkunde in Bildung und Forschung“ den Mittelpunkt bildete. Bei einem Sammelband mit Beiträgen, die um das Wirkungsfeld einer Person kreisen, lassen sich trotz mehrstufigen Lektorats kleinere Überschneidungen zwischen einzelnen Darstellungen nicht völlig vermeiden. Vielmehr war es unser Anliegen, die eigenständigen Perspektiven der Autoren auf die jeweiligen Wirkungsbereiche Schulz-Kampfhenkels nicht zu nivellieren. Eine konsensuale Bewertung seiner Lebensleistung wurde nicht angestrebt. Gleichwohl gab es unter den Autoren eine breite grundsätzliche Übereinstimmung hinsichtlich eines kritischen, quellengestützten Forschungsansatzes, der an die Fragestellungen und Forschungsfelder der Herkunftsdisziplinen der Autoren anschließt. Die engagierte Kooperation und der phasenweise sehr intensive Austausch unter den Beteiligten gehörten zu den äußerst angenehmen Erfahrungen bei der Vorbereitung dieses Buchprojektes. Hierfür möchten sich die Herausgeber bei allen Beiträgern herzlich bedanken. Unser besonderer Dank gilt zudem den Staatlichen Museen zu Berlin und dem Fördererkreis der naturwissenschaftlichen Museen Berlins e. V., die das Buchprojekt zu gleichen Teilen großzügig finanziell unterstützt haben. Danken möchten die Herausgeber auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Museen, Archiven und sonstigen Einrichtungen, die den Autoren ihre Archive und Sammlungen geöffnet haben, allen voran dem Museum für Naturkunde Berlin (Dr. Hannelore Landsberg und PD Dr. Michael Ohl), dem Ethnologischen Museum Berlin (Dr. Manuela Fischer, Dr. Richard Haas und Dr. Susanne Ziegler) sowie der Dr. Otto Schulz-KampfhenkelStiftung Hamburg (Gerhild Plaetschke). Für Hinweise auf und die Unterstützung bei der Beschaffung einzelner Quellen danken wir insbesondere Dr. Friedhelm Hartwig (Berlin), Thomas Hies (Wiesbaden), Prof. Dr. Helmut Maier (Bochum), Dr. Günter Nagel (Potsdam), David Priest (London), Prof. Dr. Corinna Unger (Bremen), Stephen Walton (Duxford) und Irmtraut Vogt-Schmickler (Bonn). Stephanie Schonfield führte uns durch London, an ihre herzliche Gastfreundschaft denken wir gern zurück.
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Alex Heinen: Deutscher Journalist enthüllt! Hitler wollte den Regenwald erobern. Nazis wollten Dschungel-Staat gründen. Expedition kundschaftete 1935 den Amazonas aus, um dort eine deutsche Kolonie zu errichten, in: Bild (Hamburg), 25.10.2008. Vgl. Jens Glüsing: Das Guayana-Projekt. Ein deutsches Abenteuer am Amazonas, Berlin 2008; ders.: Amazonas-Expedition 1935. Nazis im Dschungel-Camp, in: Spiegel online – einestages, eingestellt am 23.10.2008, http://einestages.spiegel.de/static/topicalbumbackground/3006/nazis_im_dschungel_camp.html, 7.2.2011. Noch 2005 hatte Glüsing in einem Artikel des Spiegel betont, „der Geowissenschaftler und Pilot Otto Schulz-Kampfhenkel und seine Männer“ hätten „die Tier- und Pflanzenwelt an der Grenze zu Französisch-Guayana“ erforscht. Jens Glüsing: Das Dorf der Euro-Indianer, in: Der Spiegel 46 (2005), 14.11.2005, S. 140–142. Glüsing: Guayana-Projekt, S. 230. Die gleiche Tendenz verfolgt auch eine im März 2011 erstausgestrahlte ZDF-Dokumentation von Thomas Hies und Friedhelm Hartwig aus dem Hause G. Knopp, welche die von einigen Autoren dieses Bandes bereitgestellten Informationen aus dem Zusammenhang reißt und damit falsch wiedergibt. Vgl. Alan Hall: The first Boys From Brazil: Nazi graveyard discovered deep in the Amazon rainforest, in: Daily Mail, 24.10.2008 Rebeca Kritsch: Cruz no Rio Jari é resquício de incursão alemã na Amazônia, in: O Estado de São Paulo, 1999, www.estado.estadao.com.br/edicao/especial/brasil/brasil114.html, 1.12.2000. Während sich die wichtigsten Unterlagen über Otto Schulz-Kampfhenkel und seine Tätigkeit in der NS-Zeit heute im Bundesarchiv Berlin, Koblenz und Freiburg sowie den National Archives in Washington und London (Kew) befinden, verwahrt die National Library of Australia in Canberra eine von der Forschungsstaffel z. b. V. des Oberkommandos der Wehrmacht 1944 herausgegebene „Übersichtskarte zur Geländebeurteilung von Nordgriechenland und Thrazien“. Der Leiter dieser Forschungsstaffel war Otto Schulz-Kampfhenkel. Vgl. http:// trove.nla.gov.au /work/37453717. Vgl. Bruno W. Reimann: Zum politischen Bewusstsein von Hochschullehrern in der Weimarer Republik und 1933, in: Leonore Siegele-Wenschkewitz / Gerda Stuchlik (Hg.): Hochschule und Nationalsozialismus. Wissenschaftsgeschichte und Wissenschaftsbetrieb als Thema der Zeitgeschichte, Frankfurt am Main 1990, S. 22–48, hier S. 46–48; Ulrich Herbert: Best. Biographische Studien über Radikalismus, Weltanschauung und Vernunft 1903– 1989, Bonn 2001, S. 42–45. Ulrich Herbert: Der deutsche Professor im Dritten Reich. Vier biographische Skizzen, in: Karin Orth / Willi Oberkrome (Hg.): Die Deutsche Forschungsgemeinschaft 1920–1970. Forschung im Spannungsfeld von Wissenschaft und Politik, Stuttgart 2010, S. 483–502, hier S. 494. Vgl. auch Michael Wildt: Generation des Unbedingten. Das Führungskorps des Reichssicherheitshauptamtes, Hamburg 22008, S. 24–29. Vgl. Holger Stoecker: Afrikawissenschaften in Berlin von 1919 bis 1945. Zur Geschichte und Topographie eines wissenschaftlichen Netzwerkes, Stuttgart 2008, S. 283–309; Sören Flachowsky: Von der Notgemeinschaft zum Reichsforschungsrat. Wissenschaftspolitik im Kontext von Autarkie, Aufrüstung und Krieg, Stuttgart 2008, S. 336–346.
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10 Margit Szöllösi-Janze: Lebens-Geschichte – Wissenschafts-Geschichte. Vom Nutzen der Biographie für Geschichtswissenschaft und Wissenschaftsgeschichte, in: Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 23 (2000), Heft 1, S. 17–35, hier S. 20. 11 Helmuth Trischler: Im Spannungsfeld von Individuum und Gesellschaft. Aufgaben, Themenfelder und Probleme technikbiographischer Forschung, in: Wilhelm Füßl / Stefan Ittner (Hg.): Biographie und Technikgeschichte (BIOS. Zeitschrift für Biographieforschung und Oral History, Jg. 11, Sonderheft 1998), S. 42–58, hier S. 46. 12 Ebd., S. 44. 13 Szöllösi-Janze: Lebens-Geschichte, S. 29. 14 Vgl. etwa Nikolaus Benjamin Richter: „Unvergessliche Sahara“, Leipzig 1952 (neu aufgelegt unter Nikolaus Benjamin Richter: Unvergessliche Sahara. Als Maler und Gelehrter durch unerforschte Wüste, hrsg. von Michael Rolke, München 1999); Walter A. Brucklacher: Beitrag zur Planung, Vorbereitung und Durchführung photogrammetrischer Bildflüge, Dissertation an der TH München, München 1957; Alfons Gabriel: Fremde Meere, Dschungeln, Wüsten, Wien 1948; ders.: Das Bild der Wüste, Wien 1956; Georg Knetsch: Beobachtungen in der libyschen Sahara, Geographische Rundschau 38, Stuttgart 1950; Wolfgang Pillewizer: Zwischen Arktis und Karakorum, Berlin 1986; ders.: Als Kartograph im Krieg, Bundesministerium für Landesverteidigung, Informationen des Militärischen Geo-Dienstes (Milgeo-Info), Nr. 49, Wien 1995. 15 Vgl. etwa Mechthild Rössler: Wissenschaft und Lebensraum. Geographische Ostforschung im Nationalsozialismus, Berlin 1990, S. 201–207; Hans Böhm: Annäherungen. Carl Troll (1899–1975) – Wissenschaftler in der NS-Zeit, in: Matthias Winiger (Hg.): Carl Troll: Zeitumstände und Forschungsperspektiven. Kolloquium im Gedenken an den 100. Geburtstag von Carl Troll, Sankt Augustin 2003, S. 1–99; Hans Böhm: Luftbildforschung. Wissenschaftliche Überwinterung – Angewandte (kriegswichtige Forschung) – Rettung eines Paradigmas, in: Ute Wardenga / Ingrid Hösch (Hg.): Kontinuität und Diskontinuität der deutschen Geographie in Umbruchphasen. Studien zur Geschichte der Geographie, Münster 1995, S. 129–139; Schöning, Jörg (Hg.): Triviale Tropen. Exotische Reise- und Abenteuerfilme aus Deutschland 1919–1939, München 1997; Peter Zimmermann (Hg.): Geschichte des dokumentarischen Films in Deutschland, Stuttgart, Bd. 3: Drittes Reich 1933–1945, Stuttgart 2005; Hermann Häusler: Forschungsstaffel z.b.V. Eine Sondereinheit zur militärgeographischen Beurteilung des Geländes im 2. Weltkrieg (MilGeo, Nr. 21), Wien 2007; Erwin Boehm / Walter Brucklacher / Wolfgang Pillewizer: Luftbildinterpretation und Geländevergleich. Die Tätigkeit der Forschungsstaffel von 1943–1945, Wien 1989. 16 Vgl. dazu Rezension von Holger Stoecker: J. Glüsing: Das Guayana-Projekt. Ein deutsches Abenteuer am Amazonas, Ch. Links Verlag: Berlin 2008, in: Das Historisch-Politische Buch 56 (2009), Heft 6, S. 612 f.
Die Jagd auf letzte „weiße Flecken der Erde“ Stationen eines juvenilen Expeditionsreisenden, 1910–1941 Holger Stoecker Der Stolz eines jeden Museums ist seine Sammlung. Um sie anzulegen und zu erweitern, bedurfte es Sammler und Forschungsreisender. Otto Schulz-Kampfhenkel (1910–1989) gehörte zu jenen Reisenden, dessen Expeditionsausbeute in die Sammlungen des Museums für Naturkunde und des Museums für Völkerkunde in Berlin, aber auch in weitere Museen und Zoologische Gärten gelangte. Er selbst nannte sich seit seiner Studentenzeit militärisch knapp und markig meist nur Schulz-Kampfhenkel, umgab sich in seinen Berichten über seine Expeditionen nach Afrika und Süd amerika mit einer Aura des Abenteurers, des verwegenen Einzelkämpfers im Dienste von Wissenschaft, Forschung und „deutscher Weltpolitik“. Dabei hatte er eine nahezu lineare Karriere vom wissenschaftlichen zum militärischen Eroberer absolviert, ohne dass seine Vita eine einzige wissenschaftliche Publikation aufwies. Schulz-Kampfhenkel ist heute weitgehend vergessen, erst dieser Tage beginnt man sich an Museen in Berlin wieder an den Tierfänger und Expeditionssammler, Kulturfilmer und Geographen zu erinnern.1 Von dem ersten Teil seiner Biographie, in der Expeditionen nach Afrika und Südamerika zu Stationen seiner Selbstinszenierung gerieten, wird im Folgenden die Rede sein.
1. Familie und Ausbildung Otto Schulz wurde 1910 als einziges Kind von Adolf und Antonie Schulz, geborene Kampfhenkel, in Buckow östlich von Berlin geboren. Die Familie kam aus gutsituierten Verhältnissen. Der Großvater väterlicherseits, wie der Enkel Otto Schulz geheißen, entstammte einer uckermärkischen Kaufmannsfamilie. Er verlegte sich früh auf die Bienenzucht und gründete 1875 in Buckow die Firma „Bienen-Schulz“, welche Bienenstände und -wohnungen sowie als erste in Deutschland Kunstwaben herstellte und einen Versandhandel mit bienenwirtschaftlichen Geräten betrieb. Nach dem Tod des Firmengründers im August 1914 übernahm sein 1871 geborener Sohn Adolf das florierende Familien-Unternehmen und verlagerte die Fabrikation nach Eberswalde, eine vor dem Ersten Weltkrieg industriell prosperierende Mittelstadt mit etwa 30.000
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Einwohnern. Aufgrund der hier angesiedelten eisenverarbeitenden Industrie, des Maschinenbaus und der guten Verkehrsanbindungen nach Berlin und Stettin galt sie als „Eingang zum industriell hochentwickelten ‚Märkischen Wuppertal‘“.2 Zur Firma „Bienen-Schulz“ gehörte ein eigenes Sägewerk, in dem für die Spezial-Fabrikation der hölzernen Bienenhäuser und -geräte Hölzer aus den umliegenden Waldungen verarbeitet wurden. Zudem hatte Adolf Schulz bis etwa 1918 ein Sägewerk in Wutha nahe Eisenach in Thüringen betrieben. Im Jahr Abb. 1 Ansicht der Firma Bienen-Schulz in 1925 beschäftigte „Bienen-Schulz“ in Buckow (Quelle: Jubiläums-Preisbuch der Firma Eberswalde immerhin bis zu 50 Arbeiter Bienen-Schulz Eberswalde. Herausgegeben anlässlich des und Angestellte.3 50jährigen Bestehens der Firma Otto Schulz (BienenDie Mutter kam ebenfalls aus verschulz), Buckow, Kr. Lebus, Eberswalde 1925). mögenden Verhältnissen und verfügte ihrerseits – wie die Finanzverwaltung in Eberswalde festhielt – über ein „annehmbares Einkommen“ von 500 Reichsmark im Monat.4 Ihr Vater Dr. jur. Otto Kampfhenkel lebte vor dem Ersten Weltkrieg als Rentier in dem zum Kampfhenkel’schen Familienbesitz gehörenden Wohnhaus in der Berliner Invalidenstraße 112/Chausseestr. 21 und betrieb später dort als Rechtsanwalt und Notar eine Kanzlei. Zur Familie der Mutter gehörte zudem der Zahnmediziner Prof. Dr. Hans Hoenig, der als Dozent an der Berliner Universität wirkte und eine Zahnarztpraxis in Berlin-Wilmersdorf unterhielt.5 Beide waren immerhin so gut gestellt, dass sie später die studentischen Reiseunternehmungen des jungen Otto finanziell unterstützen konnten. Auch Adolf und Antonie Schulz waren finanziell soweit abgesichert, dass sie den Ersten Weltkrieg in einem gutbürgerlichen Wohlstand überstehen und für eine gute Schulausbildung ihres Sohnes sorgen konnten. Neben dem Firmensitz in Eberswalde bewohnte die Familie weiterhin eine imposante Gründerzeit-Villa in Buckow in der märkischen Schweiz.6 Die malerische Lage Buckows vor den Toren Berlins ließ den Ort seit der Reichsgründung zu einem Magneten für den märkischen Geldadel werden. Die auf den wenigen überlieferten Bildzeugnissen zu erkennende Ausstattung des jungen Otto mit Kinderuniform, Spielzeuggewehr und Matrosenanzug lassen auf ein wohlhabendes, deutsch-national orientiertes El-
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Abb. 2 Otto in der elterlichen Droschke vor dem Familienanwesen in Buckow (Quelle: Dr. Otto
Schulz-Kampfhenkel-Stiftung, Hamburg).
Abb. 3 Otto als vierjähriger „Kindersoldat“ zur ersten Kriegsweihnacht, Berlin 1914 (Quelle: Dr. Otto
Schulz-Kampfhenkel-Stiftung, Hamburg).
ternhaus schließen, in dem Begeisterung für die deutsche Sache im Ersten Weltkrieg vorherrschte. Das erste Grundschuljahr 1917 verbrachte Otto in Eisenach. Im Jahr darauf erwarb sein Vater ein Grundstück in Eberswalde, sodass Otto den Schulbesuch dort fortsetzte. Seit 1920 besuchte er das dortige Humanistische Wilhelms-Gymnasium und legte Ostern 1929 die Reifeprüfung ab. Seine Schulzeugnisse weisen Schulz als einen sehr guten Schüler aus; vor allem in den unteren Klassenstufen war er nicht selten der Jahrgangsbeste seiner Klasse.7 Bereits als Heranwachsender begann sich Schulz auffällig für die Welt der Fauna zu interessieren. Hans Borgelt, der in den 1950/60er Jahren als Presse-Chef der Berliner Filmfestspiele mit Schulz-Kampfhenkel erneut zusammentraf, erhielt von diesem als Gymnasiast Nachhilfeunterricht in Latein und erinnerte sich an dessen „Freundin“ Mira. Sie „war eine reizende kleine, Lateinschülern gegenüber jedoch recht beißfreudige Äffin, und Otto […] war schon damals ein fanatischer Freund der exotischen Fauna“.8 Schulz selbst schrieb später über seine jugendliche Leidenschaft: „Ausgehend von offenbar ererbter Liebe zu Natur und Tierwelt, ausgeprägter Jagdpassion, Freude an der Beobachtung lebender Tiere in Freiheit und Gefangenschaft kam ich von der Schulbank zum Studium der Zoologie.“9 Ostern 1929 ging Schulz an die Universität Freiburg im Breisgau, wo er die folgenden vier Semester bis April 1931 Naturwissenschaften, im Hauptfach Zoologie und als Nebenfächer Geologie/Paläontologie und Philosophie, studierte.10 In Frei-
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burg trat er noch im Sommersemester 1929 der Burschenschaft Franconia Freiburg bei, einer nicht-konfessionellen studentischen Verbindung. Obgleich Schulz-Kampfhenkel auf seine Zeit als aktiver Burschenschaftler in keinem seiner späteren diversen Lebensläufe zurückkam, blieb er der Franconia-Freiburg bis zu seinem Lebensende verbunden.11 Die in dieser Gemeinschaft eingeübten Werte und Verhaltensmaximen wie Männerfreundschaft, Ehre, Patriotismus, formalisierte humanistische Bildung sowie Imponiergebaren und elitärer Anspruch dürften den jungen Studenten, wie viele seiner Kommilitonen, nachhaltig geprägt haben. Die schlagenden Verbindungen, zu denen auch die Franconia Freiburg zählte, bildeten in jener Zeit den stabilen Kern der rechtsstehenden Studentenschaft, die nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg die Traditionen des autoritären Machtstaates und einen kollektiven Nationalstolz hochhielten. Die Franconia wie andere Burschenschaften in Freiburg rekrutierten ihre Mitglieder meist aus dem damaligen protestantischen Nord- und Ostdeutschland und wiesen eine starke Affinität zu den politischen Parteien der Rechten auf. Das Verbindungsleben diente der politischen Erziehung der Mitglieder. Auf dem Programm der „Kränzchen“ genannten Diskussionsabende standen vor allem Themen der Außen- und „Volkstums“politik wie etwa der „Schandfrieden“ von Versailles, Reparationen, Grenzfragen, Auslanddeutschtum, Militärgeschichte und -politik, Kolonialpolitik und nicht zuletzt die so genannte „Judenfrage“. Letztere bildete das Stichwort für einen mehr oder weniger offen praktizierten Antisemitismus im akademischen Milieu.12 Seit 1929 gewannen nationalistisch-radikale Tendenzen innerhalb der Burschenschaften zunehmend die Oberhand, wodurch sich der Einfluss der nationalsozialistischen Bewegung unter der akademischen Jugend verstärkte.13 Die 1877 gegründete Franconia-Freiburg verstand sich als „weiße Burschenschaft“, d.h. sie legte großen Wert auf gesellschaftliche Umgangsformen, auf die Erfüllung waffenstudentischer Aufgaben sowie auf „die Wahrung der überlieferten Formen eines straff geknüpften Gemeinschaftslebens“.14 Damit zählte sie innerhalb der Gesamt-Burschenschaft zum konservativen Flügel. Aus politischen Auseinandersetzungen innerhalb der Deutschen Studentenschaft nach dem Ersten Weltkrieg hielt sie sich weitgehend heraus und wahrte eine gewisse Distanz gegenüber dem sich seit 1929 radikalisierenden Antisemitismus in den Burschenschaften.15 Jahrzehnte später verwies die Burschenschaft der Franconia Freiburg stolz darauf, dass sich ihre Mitglieder nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten einer Vereinnahmung in den Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund verweigerten und 1935/36 den Weg der Selbstauflösung wählten.16 Zu diesem Zeitpunkt war Otto Schulz-Kampfhenkel allerdings bereits ein überzeugter Parteigänger der Nationalsozialisten.
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Abb. 4 Otto Schulz (ganz rechts) mit Mitgliedern der Burschenschaft Franconia Freiburg, Februar 1930. Uniformierung und Positionierung der Personen sowie das Datum der Studioaufnahme lassen darauf schließen, dass Schulz am Ende seines zweiten Semesters in der Burschenschaft bereits seine Probezeit erfolgreich absolviert und als Fuxmajor neu eingetretene Studenten (Füxe, wie der Student ganz links) zu beaufsichtigen hatte. Die beiden Personen 2. und 3. von rechts sind inaktive Burschen, d.h. bereits ältere Semester; die Person 4. von rechts ist wie Schulz ein aktiver Bursche. Außer Schulz ist keine abgebildete Person namentlich bekannt (Quelle: Dr. Otto Schulz-Kampfhenkel-Stiftung, Hamburg).
2. Afrikaforschung als juveniles Abenteuer Im März und April 1930, als noch 19-jähriger Student, unternahm Schulz auf eigene Faust und gegen den ausdrücklichen Willen der Eltern seine erste zoologische Reise nach Afrika. Sie führte ihn über Italien nach Tunesien, wo er in der Sahara Reptilien fing. Jene Tiere, die die weite Rückreise nach Berlin überlebt hatten, verkaufte er an eine prominente Tiergroßhandlung unweit des Alexanderplatzes.17 Seine siebenwöchige Reise nach Afrika schilderte Schulz später als eine Art Initiationserlebnis im Leben eines jungen Nachwuchsforschers: „Mein Gedanke, noch als Student auf eine große, ernsthafte Forschungsreise zu gehen, der mir unter den Dattelpalmen von Tozeur erschienen war, rückte da plötzlich in den Bereich des Möglichen“.18 Ein Jahr später, im März und April 1931 unternahm der Student erneut eine Studienreise durch Südfrankreich, Nordspanien, auf die Balearen, nach Ungarn und in die Schweiz.19 Das Sommersemester 1931, sein fünftes, verbrachte Schulz an der Universität Wien, wo er Vorlesungen über „Grundzüge der Tierphysiologie“, „Zoologische Exkursionen“ sowie „Systematik und Biologie der Vögel“ besuchte.20 In Wien vertiefte sich sein besonderes Interesse für „Säuger, Reptilien und Amphibien“ und er verfolgte weiter sein Ziel, „wissenschaftliche Reisen zu biologischen, ökologischen und tiergeographischen Studien in die wenig untersuchten Regenwälder der Tropen zu unternehmen“.21 Um die hierfür „notwendige Expeditionspraxis“ zu erlangen, entwarf er im Juni 1931 den Plan zu einer zoologischen Sammelreise als „praktisches Tropen-
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semester“, den er in einer „Denkschrift über Beweggründe, Ziele und Form einer geplanten zoologischen Studien-, Sammel- und Filmexpedition nach Liberia (tropisch Westafrika), von Dezember bis Mai 1931/32“ niederlegte.22 Während der Vorbereitungen seiner Expedition im Sommer und Herbst 1931 warb Schulz bei unzähligen Museums- und Firmendirektoren, Privatsammlern, Filmgesellschaften und Zeitungsverlagen um finanzielle Zuschüsse, zumeist ergebnislos. Sogar nach England und Amerika wurde die Denkschrift verschickt. Hierbei wurde ihm offenbar bewusst, wie wichtig ein eingängiger Name für die Sponsorenwerbung ist. Da ihm sein bürgerlicher Name Otto Schulz allzu gewöhnlich erschien und in der Tat wenig aufsehenerregend war, hängte er kurzerhand den Geburtsnamen seiner Mutter an und nannte sich fortan nur noch knapp und markig „Schulz-Kampfhenkel“. Unter Fortlassung des Vornamens wurde sein erweiterter Nachname, den er bis zu seinem Lebensende beibehielt, mehr und mehr zu einem Label mit hohem Wiedererkennungseffekt für seine Ansprechpartner in Wissenschaft, Politik, bei Presse und Film und schließlich auch in der medialen Öffentlichkeit. Überhaupt war die eigene Vermarktung ein ausschlaggebendes Movens für die anstehende Expedition nach Westafrika. Ein Anstoß hierfür dürfte die Tatsache gewesen sein, dass die finanzielle Unterstützung seitens der Eltern, auf die SchulzKampfhenkel bislang seine Existenz gegründet hatte, just zu dieser Zeit erheblich eingeschränkt werden musste. Sein Vater war mit seiner Firma offenbar im Zuge der Weltwirtschaftskrise in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, häufte Steuerschulden an und musste im Herbst 1931 das Familienunternehmen „Bienen-Schulz“ und bald darauf auch ein zweites Grundstück in Eberswalde veräußern.23 In dieser Lage sah Otto Schulz-Kampfhenkel seine eigene Perspektive offenbar äußerst kritisch. Dem Reporter einer Lokalzeitung offenbarte er mit nie wiederkehrender Freimütigkeit seine Schlussfolgerungen aus seiner Situation als Berufsanfänger: „Ihn hat die Not, die brennende Sorge um seine Zukunft gezwungen, etwas ganz abseits Liegendes zu unternehmen und damit auf sich, sein Können und seinen Unternehmungsgeist hinzuweisen. […] Der Durchschnitt, der es nicht verstanden hat, durch besondere Leistungen oder eine hervorragende Tat seine Fähigkeiten zu erweisen, wird auf Jahre hinaus noch keine Gelegenheit haben, in Amt und Würden einzurücken. […] Bei der Suche nach einem Ausweg kam Schulz-Kampfhenkel als Zoologe auf den Gedanken, kurzerhand eine Expedition auszurüsten, durch die er eine Sonderleistung vollbringen, das Interesse der Mitwelt und der in Frage kommenden Instanzen auf sich lenken kann.“24 Am 6. Dezember 1931 war es soweit. Mit der finanziellen Unterstützung seines Onkels und mit Sammelaufträgen des Berliner Zoologischen Gartens25 sowie von Julius Riemer (1880–1958), eines Berliner Lederhandschuhfabrikanten und In-
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Abb. 5 Aufbruch nach Liberia, Lehrter Bahnhof, Sonntagmorgen 6. Dezember 1931 (Quelle: Dr. Otto Schulz-Kampfhenkel-Stiftung, Hamburg).
habers eines Berliner völker- und naturkundlichen Privatmuseums, versehen, reiste der 21-jährige Student nach Liberia. Seine Wahl war auf Liberia gefallen, „da in diesem, stets finanzschwachen Negerstaat ursprüngliches Afrika [damit meinte er den tropischen Regenwald – H. S.] bis dicht an die Küste herantritt und da ich hoffte, in einem seit 50 Jahren zoologisch nicht eingehend durchforschtem Lande wissenschaftlich und tierfängerisch interessante und wertvolle Ergebnisse meiner Arbeit zu erreichen“.26 Ursprünglich plante Schulz-Kampfhenkel, die Liberia-Reise mit seinem Wiener Kommilitonen Rudolf Fritsch durchzuführen, der jedoch absprang, als sich im Vorfeld Geldsorgen abzeichneten. Für ihn sollte ein namentlich nicht bekannter 22-jähriger Sohn eines südafrikanischen Farmers einspringen, der allerdings kurz vor Reiseantritt ebenfalls absagte.27 Das in der Denkschrift und andernorts formulierte wichtigste Ziel seiner Expedition war die Jagd und der Fang bestimmter, zum Teil sehr seltener Urwaldtiere, um diese lebend oder präpariert nach Berlin zu bringen, wo sie die Lücken der Sammlungen seiner Auftraggeber füllen sollten.28 Besonders interessiert waren die Museumsvertreter an einer möglichst vollständigen Sammlung der in Liberia vorkommenden Affen. Daneben plante Schulz-Kampfhenkel Filmaufnahmen, „vor allem der Kleintierwelt und der wenig bekannten Oberguinea-Landschaft“.29 Nach einer Zwischenstation in Monrovia errichtete Schulz-Kampfhenkel zunächst ein Lager bei dem Dorf Wreppoo(s)ta im Gebiet der Kpelle, etwa 130 km von der Küste entfernt: „Hier schlug ich am hohen Ufer eines kleinen Flüsschens mein Lager auf, liess einen dicken Zaun von Stämmen, Palmwedeln und Lianen herumziehen und führte 6 Wochen lang ein prächtiges Leben als Herr und Gebieter über eine Gefolgschaft von 1½ Dutzend Schwarzen.“30 Dort beobachtete er die lokale Tierwelt, jagte und präparierte Affen, Huftiere, Raubtiere, Nagetiere und kleinere Nichtsäuge-
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tiere. Diese sandte er zusammen mit einigen von der lokalen Bevölkerung erworbenen Fellen („Eingeborenenfelle“) an das Museum für Naturkunde in Berlin. Die Ausbeute der ersten Wochen war jedoch gering, die Verpflichtungen gegenüber den Auftraggebern noch nicht zur Hälfte erfüllt. Die Ursache dafür sah Schulz-Kampfhenkel bei seinen afrikanischen Helfern, über die er sich in Briefen an den Kustos der Säugetiersammlung im Berliner Naturkundemuseum, Hermann Pohle, mehrfach in drastischen und herablassenden Worten beklagte: „Der Erfolg hätte dreimal so gross sein können, wenn die Pessy Neger nur etwas mehr Geschick im Tierfang gehabt hätten und ich nicht in allen Dingen ohne jede zivilisierte Hilfe auf mich selbst angewiesen wäre.“31 Und weiter: „Ceph. doria32 hätte ich beinahe als vollständiges Stück bekommen, wenn der blöde Neger meiner Anweisung gemäss gehandelt hätte.“33 Pohle, der akademische Mentor Schulz-Kampfhenkels im Naturkundemuseum, pflichte ihm bei: „Es ist eine alte Geschichte, dass man sich in Afrika niemals auf Eingeborene verlassen kann. Was Sie mir über die Pessy-Neger mitteilen, klingt in genau derselben Art aus den Briefen aller, die vor Ihnen in Afrika waren. Der Europäer muss eben stets dabei sein.“34 Nach sechs Wochen wechselte Schulz-Kampfhenkel in das Gebiet der Vai im Nordwesten Liberias, wo er in der Nähe des Dorfes Cobolia am oberen Mahfa-Fluß ein zweites Sammellager einrichtete. Die nach Berlin gelangte zoologische Ausbeute der insgesamt sechs Monate dauernden Expedition erfüllte zwar nicht das Sammlungsziel, war aber durchaus imposant: 269 lebende Tiere in 73 Arten sowie 109 präparierte Säugetiere in 34 Arten. Obgleich die Liberia-Expedition eine rein zoologische Zielsetzung hatte, interessierte sich Schulz-Kampfhenkel nicht nur für die Fauna des liberianischen Tropenwalds. In seinem publizierten Reisebericht nimmt die Schilderung seines Zusammentreffens und -lebens mit der indigenen Bevölkerung weit mehr Raum ein als die des Tierfanges. Fast könnte man den Eindruck gewinnen, als ob der Tierfang nur der äußere Anlass für die Begegnung mit den Bewohnern des westafrikanischen Tropenwaldes gewesen war. Der Bericht strotzt nur so vor gewalttätigen und militärischen Konnotationen. Sein Duktus verrät klar das Bedürfnis des Autors nach Unterwerfung und Inbesitznahme in doppelter Hinsicht: als Jäger für die Wissenschaft sowie als selbst-herrlicher Europäer. Schon die Anheuerung von afrikanischen Helfern für seine „Arbeitslager“ glich eher einer Rekrutierung für einen Feldzug, etwa als er seinem afrikanischen Dolmetscher Franz den Auftrag erteilte, „eine größere Rotte Hafennigger aufzutun, die bereit wäre, für einige ‚Monde‘ (Monate) mit mir in den Busch zu ziehen. […] ich wanderte gleich einem Feldherrn vor ihr auf und ab und suchte mir sorgsam acht schwarze Männer aus, in deren Mienen weder große Geistesgaben noch kriegerische oder listenreiche Eigenheiten eingezeichnet standen. […] Außer diesem umgekehrten Selektionsprinzip nach Geistesgaben mußten meine neuen acht mög-
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lichst viel verschiedenen Negerstämmen angehören, und es durften keine Vey dabei sein. […] Schließlich war meine Gefolgschaft so international wie ein Söldnerheer des 17. Jahrhunderts.“35 In seinen Lagern unterwarf er die afrikanischen Helfer einem quasi-militärischen Regime, indem er mit ihnen Flaggenappelle und Exerzierübungen veranstaltete: „Dann wird militärischer Betrieb eingeführt: jeden Morgen ist Flaggenappell. Franz, als Hauptmann, muß deutsche Kommandos lernen; stundenlang sitzt er jetzt in irgendeinem Winkel und redet halblaut die rätselhaften Worte ‚Stillgestanden! Angetreten! Augen rechts! und Weggetreten!‘ vor sich hin. Sobald ich sie Abb. 6 Der Blick aus dem und in das Expedi ihn laut in die Gegend schmettern lasse, tionslager Schulz-Kampfhenkels im Tropenwald von Liberia (Quelle: Dr. Otto Schulz-Kampfhenkelbricht er sich vorläufig die Zunge dabei Stiftung, Hamburg). entzwei. Am Nachmittag wird die Sache geprobt, und am nächsten Tag klappt sie tatsächlich: im Morgengrauen – ich bin eben mit dem Anziehen fertig – erscheint Franz vor dem Zelt, schlägt die Hacken zusammen und meldet: ‚Alles fertig!‘ Ich sage ‚All right!‘ und folge ihm zum Eingang des Lagers, wo meine ganze zerlumpte Rasselbande ausgerichtet steht, die Hände an die Schenkel gepreßt, Bauch weit vor und mit Gesichtern, als gelte es, in einen männermordenden Krieg zu ziehen. Es ist verdammt nicht so einfach bei dem Anblick die Würde der Situation zu bewahren. Franz kommandiert, die deutsche Flagge steigt am Fahnenmast auf, während mein Volk salutiert. Dann heißt es: ‚Weggetreten!‘, und mit tiefernsten Gesichtern geht alles an die Arbeit, erfüllt von dem stolzen Bewußtsein, so eine Art Soldat eines großen weißen Häuptlings zu sein.“36
Das Interesse des studentischen Regenwaldjägers richtete sich sodann auf das Jagen, Erlegen und Ergreifen der wissenschaftlichen Beute. Naturgemäß sei dies, so SchulzKampfhenkel, ein von Gewalt durchdrungenes, archaisch anmutendes Geschäft: „da war es das uralte Lied, daß ich in meiner Eigenschaft als Museumsjäger blitzschnell den Drilling sprechen lassen mußte“.37 Das gewaltsame Vorgehen sei aber zu recht-
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fertigen, denn: „man war doch wohl als Jäger für die Wissenschaft hier im Busch“.38 Schließlich müssten „auch zart besaitete Gemüter […] einsehen, daß dem zoologischen Urwaldjäger alle Mittel, die nicht gerade Quälerei bedeuten, zum Erreichen seiner Ziele recht sein müssen“.39 Der 21-jährige Tropenwaldjäger sparte zudem nicht mit augenzwickernd-frivolen Bemerkungen über das weibliche Geschlecht, wie er es in der tropischen Fremde vorfand. Seine exotisierende Wahrnehmung von Afrikanerinnen offenbart einerseits eine Rassenschranken überwindende Begeisterung: „oh, Gleichheit der Völker – das schöne Geschlecht“.40 Andererseits verrät sein unverstellter, segmentierender Blick auf deren Körper sowohl seine erotisch-haptische Begierde als auch sein arrogantes Vorurteil: „Fameh, das ist die Tochter des Häuptlings, vielleicht vierzehn Jahre alt und wie achtzehn aussehend, denn wir sind hier in einer heißen Zone – mit unter den Kpessynegerinnen41 auffallend erfreulicher Figur und bronzefarbener Samthaut gesegnet, was alles sie in reizender Natürlichkeit so unverhüllt zur Schau trägt, wie es in diesen paradiesischen Gefilden Sitte ist, wo alle jungen Mädchen nur ein Hüfttuch um den Körper schlingen. Und wenn sie noch kokett und schief ein buntes Kopftuch um hat, das die erschrecklichen Kraushaare wohltätig zudeckt, kann man sie wirklich guten Gewissens mit männlichem Wohlgefallen betrachten. Ich will da gar nicht einmal von mir reden, aber ich habe das Mädchen auf meinem Film, und da konnte ich ja in Berlin dann hören, was die guten Freunde dazu meinten, als sie sie auf der Leinwand sahen – und was sie meinten, das habe ich ja eben schon in Schriftdeutsch übersetzt.“42 Die Lektüre des Berichts vermittelt den Eindruck, der junge Autor habe sich „psychisch im Status pueriler, pubertierender, draufgängerischer Haudegen“ befunden, „deren Interesse auf das Haben, auf das Ergreifen-Wollen des Fremden gerichtet ist“.43 Unverkennbar auch die prägende Nachwirkung, die von der jugendlichen Lektüre der Werke von Karl May auf den Duktus des Berichts als den eines Abenteuers ausging. May erscheint nahezu paradigmatisch bereits auf der ersten Seite seines Berichts.44 Überhaupt scheint Schulz-Kampfhenkels Bild von der außereuropäischen Welt – wie das vieler seiner Altersgenossen45 – in erster Linie von Karl-May-Romanen geprägt gewesen zu sein. Wie so viele seiner Generation reizten Schulz-Kampfhenkel die populären Abenteuergeschichten Mays, dessen Helden in fernen Ländern unsäglichen Gefahren strotzten und nicht selten gestärkt daraus hervorgingen. Auch Hitler zählte May zu seinen „Lieblingsautoren“ und zeigte sich fasziniert von den taktischen Tricks und Kniffen Winnetous, „der seine Gegner mit List und Schläue überraschte“. Um der mangelnden Phantasie und Courage seiner Generäle abzuhelfen, „empfahl er ihnen [sogar] Karl Mays Bücher, um ihre taktischen Fähigkeiten zu schärfen“.46
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Neben seiner Jagdwaffe begleitete die Filmkamera Schulz-Kampfhenkel auf seinen Jagdzügen im afrikanischen Regenwald. Dies entsprach durchaus dem Zug der Zeit, stellte doch „die Symbiose von Kamera und Jagdwaffe ein Kernelement der deutschen (und nicht nur der deutschen) Ethnographie vor dem Zweiten Weltkrieg“ dar.47 Jan Berg betont den „Beute-Gestus“ des exotischen Dokumentarfilms der Zwischenkriegszeit und seinen „oft unverschämten, die gefilmte Realität zur Trophäe machenden Jagd-Gestus“.48 Diese Charakteristika erfüllen ebenso Schulz-Kampfhenkels Schilderungen seiner eigenen filmerischen Aktivitäten in Liberia: Kamera und Jagdwaffe intendieren Besitzergreifung. „Aber während die Kamera das Abbild meint, zielt die Jagdwaffe auf das Objekt selbst, in diesem Fall das Tier.“49 Zur Sammlung fremder Kulturobjekte und zur Jagd auf exotische Tierarten trat nun die Jagd auf Bilder. Umgekehrt wurde die Jagd zu einem visuellen Vorgang: „Das Fadenkreuz im Fernrohr saugt sich auf die weiße Brust [eines Affen], ein heller Peitschenknall der Kleinkaliberkugel – er sackt zusammen, rutscht ab, pendelt, zweimal an den Hinterbeinen hin und her und stürzt mit dumpfen Aufprall in den weichen Boden.“50 Die Vorbereitung Schulz-Kampfhenkels auf den filmischen Teil der Expedition beurteilt der Filmhistoriker Klaus Kreimeier als „ein vergleichsweise naives Vorgehen gegenüber dem filmischen Metier“. Er nennt ihn einen „Dilettant[en] – im doppelten Sinne: ein Nicht-Fachmann, aber auch ein obsessiver Liebhaber der Fächer, von denen er nichts oder jedenfalls nicht viel versteht“.51 Dies gilt nicht nur für SchulzKampfhenkels Wirken im Bereich des Expeditionsfilms. Die anmaßende und beständig zunehmende Zahl der natur- und geisteswissenschaftlichen Disziplinen, die er in den Plänen seiner Expeditionen zu bearbeiten versprach, lässt kaum auf ein tieferes Eindringen in deren Fragestellungen und Methoden oder gar auf einen hinreichenden Überblick über den jeweiligen Forschungsstand schließen. Obwohl noch Student, vermarktete Schulz-Kampfhenkel seine Liberia-Expedition sehr geschickt. Unmittelbar nach seiner Rückkehr nach Berlin im Juli 1932 absolvierte er im Berliner Zoo eine Presseführung und Besichtigung der wichtigsten von ihm mitgebrachten Tiere.52 Bereits im Herbst 1932 organisierte Schulz-Kampfhenkel in seiner Heimatstadt Eberswalde eine Ausstellung über seine Liberia-Expedition.53 Im Jahr darauf präsentierte das renommierte Berliner Kaufhaus Wertheim in der Leipziger Straße im dortigen Orient-Saal in einer Ausstellung über „Urwaldleben und Negerkultur“ die „naturgetreue […] Nachbildung eines Arbeitslagers der zoologischen Studien- und Sammel-Expedition des Berliner Studenten Otto Schulz-Kampfhenkel in den Hinterländern des Negerstaates Liberia mit den im Busch benutzten Geräten, Waffen und Tierkäfigen, sowie einen Teil der lebenden, präparierten und ethnographischen Ausbeute“.55 Zugleich wurde auf dieser Präsentation dem Publikum „ein Teil der lebenden Tiere, der Felle und Negerarbeiten aus der Expeditions-
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Abb. 7 Titelblatt des Ausstellungskataloges
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(Quelle: [Schulz-Kampfhenkel:] Afrika-Ausstellung).
Abb. 8 „Waffen, uralte Liebe aller Männer!“54 Schulz-Kampfhenkel bei der Expeditionsvorbereitung
(Quelle: [Schulz-Kampfhenkel:] Afrika-Ausstellung).
Ausbeute“ zum Kauf angeboten. Der schmale Katalog zur Ausstellung Urwaldleben und Negerkultur enthält gleich zu Beginn eine aufschlussreiche Fotografie. Sie zeigt Schulz-Kampfhenkel nicht etwa bei einer für einen Forschungsreisenden typischen Tätigkeit wie dem Ordnen der Sammlung oder Präparieren von Objekten – sie zeigt ihn beim Begutachten von Waffen für die Jagd im westafrikanischen Regenwald.56 Der Katalog schließt, ebenso wie der Reisebericht, mit einer Auflistung der zoologischen „Ausbeute“ der Expedition. Der von Schulz-Kampfhenkel geplante Film über die Liberia-Expedition kam nicht zustande, da ein erheblicher Teil des bereits belichteten Filmmaterials am Ende der Expedition auf dem Mahfa-Fluß über Bord ging.57 Aus dem verbliebenem Material fertigte Schulz-Kampfhenkel einen Schmalfilm, den er auf Lichtbildervorträgen in verschiedenen Städten Deutschlands vor wissenschaftlichen Gesellschaften, Volksbildungsvereinen und NS-Kulturgemeinden mit großem Erfolg vorführte.58 Über einen dieser Vorträge, von deren Einnahmen er eine Zeit lang seine Existenz bestritt, hieß es in der Berliner Presse: „Zur Ausbeute gehört auch ein lebendiges Buch, viele Bilder und ein Schmalfilm, den Kampfhenkel mit jugendlicher Unbekümmertheit gedreht hat. Sein Film hat den Vorteil der Unmittelbarkeit. Land und Leute, die Tier-
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welt und die Abenteuer mit Mensch und Getier sind nie gestellt. Von der Landung in Monrovia bis zum Tierlager im Dschungel, von zusammengewürfeltem Negervolk im Hafen bis zu der schönen Harmlosigkeit der unberührten Schwarzen des Hinterlands, von der Brandung vor der westafrikanischen Küste bis zur Spur der räuberischen Treiberameise gibt es soviel Neues zu sehen, dass der Beifall für den jungen Forscher groß war.“59
3. Sprung in die Karriere Von Herbst 1932 bis Sommer 1934 setzte Schulz-Kampfhenkel sein naturwissenschaftliches Studium in Berlin fort und verfasste nebenher seinen populär gehaltenen Bericht der Liberia-Expedition unter dem Titel Das Dschungel rief. Zoologie-Student, Tierfänger, Urwaldjäger in liberianischer Wildnis, der kurz vor Weihnachten 1933 im Berliner Reisebuch-Verlag Neufeld & Henius erschien.60 Im Frühjahr 1934 ließ sich Schulz-Kampfhenkel von Bernhard Rensch (1900–1990) vom Zoologischen Museum der Universität Berlin ein Dissertationsthema geben: „Die Glogersche Regel bei Säugetieren“. Rensch verwaltete von 1925 bis 1935 am Zoologischen Museum die Moluskenabteilung und befasste sich in jener Zeit mit „geographischen Rassenkreisen“ und der Entstehung von Arten; seine spätere Bedeutung erlangte er als Mitbegründer der synthetischen Evolutionsbiologie. Am Berliner Naturkundemuseum pflegte Rensch enge Kontakte zu Privatsammlern und Privatforschern.61 Die Arbeit an seiner Dissertation nahm Schulz-Kampfhenkel allerdings nicht auf, wie man am Zoologischen Museum bemerkte. Daher sah man sich nicht imstande, ihn Ende 1934 bei seiner Bewerbung beim Deutschen Akademischen Austauschdienst e.V. (DAAD) auf eine Freistelle an einer ausländischen Hochschule zu unterstützen.62 Stattdessen absolvierte Schulz-Kampfhenkel „als Vorbereitung für wissenschaftliche Tropenreisen“ eine Ausbildung zum Sportflieger Klasse A II Land und See an der Flugschule Walter Riesler auf dem Motorflugplatz Johannisthal-Adlershof im Süden Berlins und erwarb 1934 den ersehnten Flugschein.63 Die „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten im Januar 1933 hatte nachhaltige Auswirkungen auf den weiteren Lebensweg Schulz-Kampfhenkels. Es spricht einiges dafür, dass er diese politische Zäsur vor allem als Chance begriff, um seinem Ziel, Auslandsforschung zu betreiben, näher zu kommen. Im März/April 1933 stellte SchulzKampfhenkel einen Antrag auf Aufnahme in die NSDAP. Er zählte damit zu jenen hunderttausenden Deutschen, die nach der von den Nationalsozialisten gewonnenen Reichstagswahl vom 5. März 1933 in die Nazi-Partei strömten und wegen ihres offensichtlichen Opportunismus als „Märzgefallene“ verspottet wurden.64 Diese Reichs-
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tagswahl war die letzte während des „Dritten Reiches“, an der mehrere Parteien teilnahmen; sie stand in hohem Maße unter dem Eindruck der Machtübergabe an die Nationalsozialisten fünf Wochen zuvor. Aus ihr ging die NSDAP als mit Abstand stärkste Partei hervor; die absolute Mehrheit erlangte sie allerdings nur dadurch, dass die von der Kommunistischen Partei gewonnenen Mandate nach der Wahl annulliert wurden. Die Führung der NSDAP, die unter den Aufnahmewilligen viele politische Konjunkturritter und politische Gegenkräfte vermutete, verhängte am 19. April eine zunächst unbefristete Aufnahmesperre. Ausgenommen von der Aufnahmesperre waren u. a. SA- und SS-Angehörige. Am 3. November 1933 trat Schulz-Kampfhenkel der Schutzstaffel (SS) (SS-Nr. 236.123) bei. Im Dezember 1934 erfolgte zunächst die Ablehnung seines Antrags auf Aufnahme in die NSDAP. Die zuständige Ortsgruppe in Eberswalde hatte seine „Interesselosigkeit gegenüber der Bewegung, weiter ein Auftreten, das in keiner Weise eine Hinneigung zur Volksgemeinschaft erkennen ließ und endlich eine recht mangelhafte Erfüllung der Beitragspflichten“ moniert. Den Hintergrund bildeten hierfür Schulz-Kampfhenkels häufige Abwesenheit vom elterlichen Wohnsitz in Eberswalde aufgrund seiner Vortragsreisen, seiner Flugausbildung und seines schließlichen Umzuges nach Berlin. Im Juni 1935, kurz bevor er nach Brasilien aufbrach, wurde SchulzKampfhenkel aus der Reichskartei des NSDAP-Mitgliedschaftsamtes gestrichen.65 Hiergegen legte er unmittelbar nach seiner Rückkehr aus Brasilien aber erfolgreich Beschwerde ein. Nach dem Kriegsende stellte Schulz-Kampfhenkel mit seiner Behauptung, seine Aufnahme in die NSDAP sei wegen seiner „politischen Unzuverlässigkeit“ abgelehnt worden, die Dinge völlig auf den Kopf.66
4. Mit dem Hakenkreuz über dem Tropenwald Brasiliens Anfang 1935 eröffnete sich für Schulz-Kampfhenkel die Möglichkeit, erneut eine Expedition zu unternehmen. Zusammen mit Gerd Kahle aus Brandenburg an der Havel, den er von der Flugschule Johannisthal her kannte, und dem Ingenieur Gerhard Krause aus Rostock, den Kahle hinzuzog, plante er die Erkundung der Region entlang des Amazonas-Nebenflusses Rio Jari von der Mündung bis zu den Quellen an der Grenze zu Französisch-Guayana. Der unmittelbare Auslöser für den Start der Expeditionsplanungen dürfte die Zusage des Berliner Privatsammlers Julius Riemer am Beginn des Jahres 1935 gewesen sein, zur Finanzierung des Unternehmens großzügig beizutragen. Mit Riemers Sammelaufträgen wurde zudem Nordbrasilien frühzeitig als Zielgebiet der Expedition festgelegt.67 Wie wichtig Schulz-Kampfhenkel dieses neue Unternehmen war, zeigte sich u. a. darin, dass er hierfür seine erst im Vorjahr be-
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gonnene zoologische Dissertation am Zoologischen Museum der Universität Berlin endgültig abbrach, gleichwohl führte er in der amtlichen Korrespondenz im Briefkopf den Titel „cand. phil.“. Und tatsächlich hatte die Brasilien-Reise entscheidende Auswirkungen auf Schulz-Kampfhenkels weitere Karriere. Anders als seine LiberiaExpedition 1931/32, die er nun „als eine private, isolierte Einzelunternehmung“, als sein „expeditionspraktische(s) Lehrjahr“ bezeichnete, lägen der Amazonas-Unternehmung „wesentlich andere Gedankengänge zugrunde“. Die „in enger materieller wie geistiger Zusammenarbeit mit Reichsregierung und Partei“ durchzuführende Expedition sei „ein Baustein zu einem sehr weitgesteckten Zukunftsziel“ SchulzKampfhenkels, der sich darin nicht beirren lasse durch jene, „die nicht geboren sind zum Begreifen grosszügiger, vorausschauend organisatorischer nationalsozialistischer Gedankengänge“.68 Schulz-Kampfhenkel hatte also Großes im Sinn, das eigentliche Ziel der Expedition blieb gleichwohl lange vage: Von der „drängenden Kraft der Abenteuerlust“ und von „wissenschaftlichem Erkenntnisdrang“ war ebenso die Rede wie von dem „weißen Fleck“, den die „Urwälder des Rio Jary“ auf der Landkarte der Wissenschaft darstellten.69 Während der etwa sechsmonatigen Vorbereitung betonte Schulz-Kampfhenkel je nach Ansprechpartner unterschiedliche Schwerpunkte des vorgesehenen Unternehmens. Nach einem Gespräch im Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung (REM) mit Franz Bachér, der sowohl in der Hochschulabteilung (W I) als auch in der Forschungsabteilung (W II) für die naturwissenschaftliche Forschung verantwortlich zeichnete70, legte Schulz-Kampfhenkel in einem Arbeitsplan und einer Denkschrift ein fast ausschließlich zoologisches Programm vor: Die verschiedenen Biotope entlang des Jari sollten tiergeographisch erfasst und zoologische Sammlungen für die Berliner Museen angelegt werden. Eventuell würde sich „nebenher die Möglichkeit brauchbarer Beiträge zur geographischen und völkerkundlichen Wissenschaft ergeben“.71 Noch in Deutschland plante Schulz-Kampfhenkel sowohl einen abendfüllenden Filmbericht als auch eine Reihe von (nicht realisierten) Kurzfilmen zu solch reißerischen Themen wie „Rassenkessel Amazonien“, „Propeller über Urwaldströmen“, „Urwaldtiere“, „Jenseits der Stromschnellen“ und „Zwölf Stunden eines Urwaldtages“.72 Später, bereits in Brasilien, formulierte Schulz-Kampfhenkel folgende Zielsetzungen, die dem tatsächlichen Expeditionsverlauf recht nahe kamen: „1. Zoologische Erforschung der Jary-Wälder auf ihre Säugetier-, Reptilien- und Amphibienfauna. Anlegung von Sammlungen. Untersuchung der verschiedenen Waldstufen auf ihre Besiedlung und die Kausalität der Biotopsbindung. Biologische Beobachtungen. 2. Ethnologische Beobachtungen und Sammlungen. Feststellung des Indianervorkommens im Jary-Gebiet. Film- und Tonaufnahmen. 3. Erprobung der
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fliegerischen Möglichkeiten im Dienst der Urwaldforschung durch erstmaligen Einsatz eines kleinen Wasserflugzeugs.“73 Für die Finanzierung der Expedition konnte Schulz-Kampfhenkel renommierte Auftraggeber, Behörden und Unternehmen gewinnen, u. a. das Berliner Museum für Völkerkunde, das Museum für Naturkunde der Universität Berlin und den bereits erwähnten Berliner Privatsammler Julius Riemer (1.500 Reichsmark). Von privater Seite und seiner Familie erhielt er 6.300 RM. Das REM steuerte 2.000 RM74, das Auswärtige Amt (AA) 3.000 RM und das Reichspropagandaministerium für die Filmausrüstung immerhin 1.500 RM bei.75 Zahlreiche weitere Firmen konnte er nun dafür gewinnen, Material und Ausrüstung im Wert von 5.700 RM zu spenden oder verbilligt abzugeben. Ein Pressevertrag mit dem Ullstein Verlag erbrachte 2.000 RM.76 Die Auslandsorganisation der NSDAP half bei den Devisentransfers und vermittelte in Brasilien Kontakte zu deutschsprachigen Pressemedien (Deutsche Zeitung, Sao Paulo; Neue Deutsche Zeitung, Porto Alegre), die der Expeditionskasse zugute kamen.77 Unterstützung kam ebenso vom Ibero-Amerikanischen Institut in Berlin. Die hochwertige Foto- und Filmausrüstung sponserte der „Reichsverband der Photographischen Industrie“.78 Zudem stellte das Reichsluftfahrtministerium (RLM) kostenfrei ein speziell für diese Expedition umgebautes und ausgerüstetes leichtes Wasserflugzeug vom Typ Heinkel „He–72 BW“ zur Verfügung. Die Idee, für die Erkundung der Jari-Region ein Wasserflugzeug einzusetzen, brachte Schulz-Kampfhenkel von seiner vorangegangenen Liberia-Expedition mit: „Es ist kein Zweifel, daß die wissenschaftliche Eroberung der letzten unzugänglichen Naturlandschaften nur durch den Einsatz aller Errungenschaften der Technik möglich ist. Diese Erkenntnis kam mir, als ich vor drei Jahren im afrikanischen Dschungel mit meiner Trägerkarawane an den Ufern des Mafaflusses in verfilztem Dschungel und Morästen zu versinken drohte. Moskitos, Fieber, Meuterei der Neger machten den Vormarsch zu einer Qual. Alle paar Stunden sah ich draußen durch die Stämme den breiten Spiegel des Urwaldflusses dahinziehen. Niemand wußte, wie das Land vor uns aussah, ob es die Beute, die wir suchten bringen würde. Da kam mir blitzartig der Gedanke, daß hier ein Wasserflugzeug von unschätzbarem Wert sein müßte. Aus dieser Überlegung habe ich nach der afrikanischen Unternehmung fliegen gelernt. In der Kantine von Johannisthal [wo SchulzKampfhenkel seinen Flugschein erwarb – H. S.] lernte ich meinen Fliegerkameraden Gerd Kahle kennen. Wir beschlossen, uns jetzt gemeinsam unserem Ziel, planmäßigem Ausbau der deutschen Auslandsforschung, zu verschreiben. Die erste Unternehmung hierzu steht jetzt bevor.“79
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Abb. 9 Gerhard Krause beim Verpacken der Expeditionsausrüstung in Schulz-Kampfhenkels Berliner Wohnung in der Invalidenstraße 112, 10.6.1935 (Quelle: Dr. Otto Schulz-Kampfhenkel-Stiftung, Hamburg).
Die drei Expeditionsforscher reisten samt Ausrüstung inklusive Wasserflugzeug am 13. Juni 1935 mit dem Dampfer „Niemburg“ des Norddeutschen Lloyd von Hamburg nach Pará an der Mündung des Amazonas ab, wo sie am 6. Juli eintrafen.80 In Brasilien stieß das Expeditionsunternehmen jedoch auf unerwartete Schwierigkeiten und Widernisse, denn Schulz-Kampfhenkel hatte noch nicht alle notwendigen Genehmigungen der brasilianischen Behörden beisammen, die sich zudem wenig entgegenkommend gegenüber seinem Vorhaben zeigten. Die Gründe hierfür lagen auf der Hand: Generell waren offizielle Stellen Brasiliens wenig angetan von ausländischen Expeditionen, die den südamerikanischen Staat wie unbekannte Teile Afrikas als ein „unerforschtes Land“ ansahen und damit auf eine Stufe mit tropischen Kolonien stellten. Außerdem fürchtete man, dass Kulturgüter unkontrolliert ausgeführt würden. Im Fall Schulz-Kampfhenkels besorgte die Behörden und die Presse zudem seine Absicht, ein Flugzeug zu verwenden. Es kursierten Vermutungen, dass Luftaufnahmen mit strategischer Bedeutung gemacht werden sollten, und man verdächtigte SchulzKampfhenkel als deutschen Spion. So zog sich die Erteilung von Genehmigungen durch die zentralen und lokalen Behörden über Monate hin. Bis Ende Oktober 1935 war Schulz-Kampfhenkel mit Unterstützung der deutschen Gesandtschaft in Rio de Janeiro damit befasst, die erforderlichen Genehmigungen durch endlose Besuche von Amtsstellen und in Gesprächen mit hochrangigen Persönlichkeiten zu erhalten. Die Probleme, an denen die ganze Expedition leicht hätte scheitern können, wären durchaus bereits im Vorfeld von Deutschland aus zu lösen gewesen, wenn sich – wie der deutsche Gesandte Arthur Schmidt-Elskop monierte – die Expeditionscrew denn eingehender über die konkreten Verhältnisse im Gastland informiert hätte.81 Eine Folge des Genehmigungsprozederes war, dass die Expedition unter eine wissenschaftliche Aufsicht zu stellen war, woran zuvor offensichtlich niemand gedacht hatte: Auf
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brasilianischer Seite übernahm diese Aufgabe das Museu Nacional in Rio de Janeiro; auf deutscher Seite wurde über das AA und das REM eilens eine Patronatsübernahme durch das renommierte Kaiser-Wilhelm-Institut für Biologie in Berlin-Dahlem organisiert, die allerdings nur auf dem Papier bestand.82 Währenddessen erweiterte sich das Expeditionsteam durch den „Bootsmann“ Joseph Greiner, einen in Brasilien lebenden Deutschen, dessen Landeskenntnisse sehr willkommen waren. Er übernahm die Aufgabe, sich um den Transport zu Wasser zu kümmern. Zudem nutzen die verhinderten Forschungsreisenden die Wartezeit für „zahlreiche Flüge über dem Amazonas, dem Delta des Xingu, den Flüssen Para und Jary“ bis kurz vor den Äquator. Meist flog Kahle, während Schulz-Kampfhenkel fotografierte. „Aufnahmen mit der mitgeführten Filmkamera waren nicht möglich“, berichtete Schulz-Kampfhenkel an die deutsche Gesandtschaft, „da die Böen über dem Urwaldflusstal die kleine Maschine wie einen Spielball hin und her warfen.“83 Infolge einer Kollision mit einem Treibholz auf dem Amazonas nahe Gurupá Ende Oktober 1935 wurde das Flugzeug so stark beschädigt, dass es für die eigentliche Expedition zum Oberlauf des Jari nicht mehr verwendet werden konnte und demontiert nach Deutschland zurückgesandt wurde.84 Mit dem Einsatz des Expeditionsflugzeugs war zur Jagdwaffe und Kamera nun die Flugtechnik als Mittel der „wissenschaftlichen Eroberung“ getreten. Sie ermöglichte dem Reisenden und seiner Kamera die weite Sicht über den Tropenwald hinweg, verstellte am Boden doch die dichte, überwuchernde Vegetation den Blick in den undurchdringlichen Dschungel hinein.85 In Liberia hatte Schulz-Kampfhenkel
Abb. 10 Nach dem ersten Flug zum Rio Jari landete Gerd Kahle mit dem vom Reichsluftfahrtministerium zur Verfügung gestellten Wasserflugzeug He 72 auf dem Amazonas, 1935 (Quelle: Bundesarchiv, Bild-Nr. 183–2010-0210–501).
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Abb. 11 Das Wasserflugzeug vor dem Hangar der brasilianischen Fluggesellschaft, 1935 (Quelle: Archiv Koos, Rostock).
noch das dichte Dickicht bedauert, in das „das Auge nur 2 bis 3 Schritte zu dringen vermag“.86 Die Kombination von Flugzeug und Kamera erlaubte dem Forschungsreisenden wie dem heimischen Publikum nun jenen „perspektivischen, objektivierenden Blick, welcher der westlichen Moderne zu Grunde liegt“ und dem sich der tropische Regenwald so lange widersetzt hatte.87 Albert Wirz hat in Bezug auf den 1878 erschienenen Bericht von Henry Morton Stanley über dessen Afrikadurchquerung auf den Zusammenhang von Herrschaftsphantasien und Panoramablick hingewiesen.88 Genau diesen Zusammenhang bediente auch Schulz-Kampfhenkel sechzig Jahre später bei seiner „symbolischen Aneignung von Landschaften“ in Südamerika. Den endoskopischen Blick durch Fotolinse und Fadenkreuz in den „Urwald“ hinein, auf den Schulz-Kampfhenkel im westafrikanischen Tropenwald noch beschränkt blieb, erweiterte er nun um die Panoramaschau vom Flugzeug aus auf weite Räume, die letztlich austauschbar waren. Stolz meldete er nach Berlin über seine ersten Flüge in Brasilien: „Zum ersten Mal Zeigen des Hakenkreuzes über der Urwaldstadt Para und den im Hafen liegenden Schiffen vieler Nationen“89, und notierte, wie „wunderbar lebensstark hebt sich das rote Hoheitsabzeichen des Hakenkreuzes am Leitwerk des Flugzeugs aus der Farbenpracht des brasilianischen Urwaldes heraus“.90 Der Einsatz des militärisch konnotierten Flugwesens unterstrich zudem die Vorstellung von Wissenschaft als quasi-militärischer Eroberung. Die ungebrochene Technikbegeisterung entsprach sicher dem Trend der Zeit, wurde aber auch schon damals scharf kritisiert. Nur wenige Jahre zuvor notierte der französische Ethnologe Michel Leiris auf einer nordafrikanischen Expedition in sein Tagebuch: „Diesem ganzen Schwachsinn den Rücken kehren. Aber wohin? Kein Ort der Welt, wo es nicht zum Himmel stänke, oder der nicht zumindest unter dem Einfluß der maroden Nationen stünde. Mechanik, Waffen und Haudegen überall.“91
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Holger Stoecker Abb. 12 Schulz-Kampfhenkel, Kahle und Greiner mit der unter „Caboclos“ angeheuerten Rudermannschaft am Beginn der Expedition
(Quelle: Museum für Naturkunde Berlin, Historische Bild- und Schriftgutsammlungen, Bestand: Zool. Mus., Signatur S III, Schulz-Kampfhenkel, O., Bd. 2, Bl. 114).
Anfang November 1935 trat die Expedition, zu der inzwischen dank der als Ruderer und Hilfskräfte angeworbenen Caboclos (indianisch-europäische Mestizen) insgesamt 21 Teilnehmer zählten, in fünf Booten und mehreren Gruppen die Flussreise zum Oberlauf des Jari an. Der „Vorstoß in das Herz des Indianerlandes“ begann.92 Das nächstliegende Ziel war, Kontakt zu den im Jari-Gebiet vermuteten Indianern zu finden, um, wie Schulz-Kampfhenkel zutreffend einschätzte, „bei ihnen, die als Helfer bei Jagd und Fallenstellen für die zoologische Sammeltätigkeit von entscheidender Bedeutung wären, mehrmonatiges Hauptlager für die zoologischen und völkerkundlichen Forschungen aufzuschlagen“.93 Am 17. November trafen sie oberhalb des Lagers Tacara auf den ersten Aparaí, von dem Schulz-Kampfhenkel sichtlich beeindruckt war: „Ein prächtiger Waldmensch! Bis auf Hüftschurz und Schambinde nackt. Gebaut wie ein olympischer Athlet. Nicht groß, doch ebenmäßig, breite Schultern, schmale Hüften, stolze Haltung, wie eine Bronzestatue von Künstlerhand modelliert. Er strömt den charakteristischen strengen, aber nicht häßlichen Indianergeruch aus.“ Der Indio schloss sich zur Freude der Forscher der Gruppe an, und nach ein paar Tagen „hat sich bereits ein freundschaftliches Band um uns gesponnen. Durch stetes Zeigen und Fragen lernt er mit erstaunlichem Gedächtnis portugiesische Vokabeln. In gleicher Art lernen wir Indianisch. Er heißt Pitoma. Aber er wollte von seinen weißen Freunden einen neuen Namen in ihrer Sprache haben. Wir haben ihn ‚Winnetou‘ getauft“.94 Nach knapp drei Wochen Fahrt flussaufwärts erreichte die Expeditionsflotte 120 Kilometer nördlich des Wasserfalls von Santo Antonio Pitomas Dorf „Tapuy“, wo der Ipitinga in den Jari mündet. Den dort lebenden Aparaí95 stellten sich die deutschen Forschungsreisenden als „Söhne des Großen Vaters der Wissenschaft“ vor.96 Über das Leben der Aparaí-Gruppe („Waldmenschen“), bei der Schulz-Kampfhenkel und seine Gefährten mehr als ein Jahr verbrachten und ohne deren Hilfe die Expedition
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nach kurzer Zeit untergegangen wäre, berichtete er nach Berlin: „Der kleine Sprengsel, nur 14 Menschen, lebt hier geschützt durch die Barrieren einer ungebändigten Naturlandschaft […] fast unbeeinflusst noch das Urleben der Menschheit aus vergangenen Zeiten. […] Sie gehen nackt, nur mit dem Lendenschurz, jagen mit Pfeil und Bogen, […] haben Pflanzungen um ihr Dorf und fristen so, ohne Kenntnis von der Welt draußen, in ihrer kleinen Gemeinschaft, die familiär verknüpft ist, in annähernd geschlossener Autarkie das selbstgenügsame Leben eines Restes der aussterbenden Naturvölker der Erde.“97 Diese behutsame, fast romantisierende Darstellung eines untergehenden Paradieses am Ende der Welt steht in einem drastischen Kontrast zu der Schilderung seiner afrikanischen Helfer in Liberia, die er Jahre zuvor als „ungeschickt“ und „blöde“ bezeichnet hatte. Sie passt aber zu der seinerzeit gängigen stereotypen Unterscheidung der außereuropäischen Bevölkerung in „edle Indianer“ und „primitive“ Afrikaner98: „Nur so wurden die glücklichen Ergebnisse unserer bisherigen Wildnisarbeit möglich, indem wir die Waldmenschen mit steter Geduld, Einfühlen in ihre anders laufenden Gedankengänge und einer gewissen unmerklichen festen Zügelführung zu Bundesgenossen gegen die feindliche Natur bei den schweren Flussfahrten und zu Begleitern auf der Jagd gewannen. Diese Indianerpolitik ist Fingerspitzentaktik und von der ‚Herrenmoral‘ des afrikanischen Expeditionsbetriebes grundsätzlich verschieden.“99 In dieser Frage war sich Schulz-Kampfhenkel einig mit seinem „Arbeitskameraden“ Gerd Kahle, der ebenso meinte, die Indianer seien „nicht mit dem Neger zu vergleichen. Will einer bei ihnen Herr sein, so tut er gut, in allem mit bestem Beispiel voranzugehen. […] Hat man die Indianer als Freunde gewonnen, sind sie geradezu unentbehrlich.“100 Hingegen wurde die für Ruder- und Hilfsarbeiten angeheuerte „Caboclo“-Mannschaft in einem globalen Vergleich abqualifiziert: die „christliche, halbzivilisierte schwarz/braun/weisse Gummisuchergilde“ sei „weit schwieriger als eine afrikanische primitive Trägerkolonne“101, hafte ihnen doch der zweifelhafte Makel an, „aus wenig Europäer-, viel Afrikaner- und Indianerblut gemischt“102 zu sein. Das Expeditionsteam hatte sein Hauptlager unweit des Aparaí-Dorfes errichtet, „fast unmittelbar am Äquator, etwa in der Mitte zwischen dem Amazonenstrom und den Tumac-Humac-Bergen, den Grenzen zu Cayenne, somit im Herz des östlichen Urwaldberglandes von Brasilianisch-Guayana“. Die folgenden Monate bis November 1936 waren ausgefüllt mit zoologischer Sammeltätigkeit und geografischen Erkundungen des Jari und einiger seiner Nebenflüsse, „soweit wir sie befahren können“. Daneben erwarben die Forscher nach und nach von den Aparaí diverse ethnologische Objekte („geschlossene Kulturbesitze“) und führten Tonaufnahmen ihrer Gesänge und Tänze durch.103
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Holger Stoecker Abb. 13 Schulz-Kampfhenkel und Kahle im Hauptlager bei der Giftzahnuntersuchung einer Schlange, 1936 (Quelle: BArch Berlin, R 4901/2451, Bl. 74).
Abb. 14 Aparaí posieren in ihrem Dorf am Ipitinga für die Expeditionskamera, im Hintergrund die Fellsammlung auf dem Trockengerüst, Sommer 1936 (Quelle: BArch Berlin, R 4901/2451, Bl. 74).
Es ist offenbar jedoch auch zu Kontakten ganz anderer Art gekommen. Einer der deutschen Expeditionsteilnehmer, wahrscheinlich Kahle, ging mit einer Aparaí-Frau eine Beziehung ein, aus der, wie der brasilianische Lokalhistoriker Cristóvão Lins herausfand, ein Kind hervor ging. „Das Mädchen, genannt Cesse, wurde mit blauen Augen geboren und war bekannt als ‚alemoa‘ [Deutsche].“104 Es darf bezweifelt werden, dass diese Tatsache nach der Rückkehr der Expedition in Deutschland publik wurde; Kahle und Schulz-Kampfhenkel haben sie jedenfalls nie erwähnt. Eine andere Hinterlassenschaft der Schulz-Kampfhenkel-Expedition ist das für den deutsch-brasilianischen Expeditionsteilnehmer Joseph Greiner errichtete riesige Holzkreuz auf einem Friedhof einer Flussinsel. Greiner starb am 2. Januar 1936 an Malaria. Dieses christlich-religiöse Symbol ist noch heute mit einem Hakenkreuz versehen und bietet am Ufer des Jari eine surreale Erscheinung.105
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Nach Schulz-Kampfhenkels und Kahles Berichten war der Expeditionsalltag geprägt von einem entbehrungsreichen und kräftezehrenden Kampf mit der unwirtlichen Natur, den die Expeditionsreisenden mit enormer körperlicher und mentaler Energie sowie mit Organisationsgeschick angingen. Die Expedition war technisch auf dem bestmöglichen Stand für das Überleben im tropischen Regenwald (Reiseapotheke, Bootsmotor, Tropenkleidung und -zelte) und die Erfüllung der Forschungsaufgaben ( Jagdwaffen, Film- und Tontechnik, Präparations- und Kartographierausrüstung) ausgestattet.106 Gleichwohl bereiteten „das Klima, häufige Malaria bis zu 41°, Furunkulosen, Hautkrankheiten, Magenund Darmkrankheiten, kleinere Unfälle, Abb. 15 Grabkreuz für Josepf Greiner (Quelle: Parasiten“ erhebliche Probleme.107 Hinzu [Otto] Schulz-Kampfhenkel: Rätsel der Urwaldhölle. kamen wiederkehrende Materialknapp- Vorstoß in unerforschte Urwälder des Amazonas-Stroheit und der naturgemäß lang andauernde mes. Mit Tagebuchberichten seines Jagd- und Fliegerkameraden Gerd Kahle, Berlin 1938, vor S. 169). Abbruch des Kontaktes zur modernen Welt. Daher wurde die Sammel- und Erkundungsarbeit von gelegentlichen, oft mehrwöchigen Abstechern an den Rand der brasilianischen Zivilisation am Amazonas unterbrochen, um die Expeditionsausbeute einzulagern, Berichte für die brasilianische Presse und Briefe nach Deutschland, an deutsche Vertretungen sowie die NSDAP-Auslandsorganisation in Brasilien abzusenden, Post und Versorgungsnachschub zu empfangen oder erkrankte Expeditionsteilnehmer in ärztliche Obhut zu übergeben. Letzteres war im November 1936 dringend notwendig geworden, als Kahle an einer Blinddarmentzündung und Krause an heftigem Fieber erkrankt waren. Die letzte Etappe der „Deutschen Amazonas-Jary-Expedition“, den „Durchstoß“ zum nördlichen Oberlauf des Jari und den dort im Grenzland zu Französisch-Guayana vermuteten Wayana (Oayana) und Wayapi (Oyampi, Oayapi), musste Schulz-Kampfhenkel daher ohne seine deutschen Gefährten unternehmen, denn „der Durchstoß zur Cayennegrenze muß gemacht werden, um jeden Preis!“108 Ende Dezember 1936 startete vom Hauptlager die Erkundungsgruppe (zwei Aparaímänner, zwei Aparaífrauen,
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ein Ruderer und Schulz-Kampfhenkel) in zwei Booten flussaufwärts. Allein mit den Aparaí im „menschenleeren“ Tropenwald, zeigte Schulz-Kampfhenkel nun deutliche Anzeichen von Nervosität: „ich bin allein, sie sind die Übermacht“. Wie auf seiner Liberia-Expedition steigerte er sich bald abermals in die Attitüde eines Herrenmenschen, der um nichts in der Welt seine Herrscherposition aufzugeben bereit war: „Hier bestimme ich.“ Voller Stolz darüber, „welch ungeheuren Einfluß auf die Indianer wir im Laufe des über einjährigen Zusammenlebens gewonnen haben“, mokierte er sich nun über die „wundergläubigen“ Aparaí, die ihn nur widerwillig auf der gefährlichen und anstrengenden Reise in den Norden begleiteten: „alle haben sie rote Nasen in der braunen Visage wie die Säufer“. Sein „Freund“ Pitoma erhielt eine Abfuhr, als dieser sich „erdreistet“, „frech zu werden“ und nicht mitfahren zu wollen. Die erste Begegnung dann mit den Wayana auf dem Jari schilderte Schulz-Kampfhenkel im Militärjargon: „Ihre Flottille kommt uns in Schützenlinie entgegen.“ Die Wayana selbst titulierte er feindselig als „rote Lümmels“, ihre Frauen als „wenig ansprechend“, ihren Häuptling als „Griesgram“, „maulfaul“ und „der alte Sack“. Ihm ging es allein um die wissenschaftliche Ausbeute für die Expedition: „tauschen, filmen, vermessen, zeichnen, Listen führen“.109 Mit dem Zauber seiner Leuchtpistole konnte Schulz-Kampfhenkel einige Wayana zu einer mehrwöchigen Reise zu den Wayapi am Cuc überreden. Als es unterwegs zu Nahrungsengpässen kam und Aparaí und Wayana umkehren wollten, ereiferte sich Schulz-Kampfhenkel: „Das ist Meuterei! […] Die ganze Bande, Oayana und Aparaí, bildet eine Front gegen mich“. Als sie bei den Wayapi („Pfahlbau-Indianer“) eintrafen, trat Schulz-Kampfhenkel den Gastgebern in offen feindseliger Haltung entgegen: „Mittags kommt eine ganze Horde an, Menschen ganz anderen Schlages als Aparaí und Oayana, viel primitiver, bei vielen stehen die Augen affenartig eng zusammen. Winzige Weiberchen, wie aus einem Zwergvolk, einen Meter fünfunddreißig groß, mit wirren Haaren, blutrot bemalten Gesichtern sehen wie Rotgesichtmakaken aus […] wahrhafte Wildmenschen des Urwaldes, es ist ganz deutlich, sie stehen unter dem Einfluß der herrischen Oayana.“ Den einwöchigen Aufenthalt bei den Wayapi Anfang Februar 1937 beschrieb Schulz-Kampfhenkel als einen einzigen Beutezug: „ich muß an wissenschaftlichen Ergebnissen hier bei den Pfahlbaumenschen und in den Grenzwäldern herausholen, was herauszuholen ist: Pläne der Dörfer, Pflanzungen, Jagdpfade, Haustypen; geistige Kultur, Sammlungen, Bilddokumente, Filme, zoologisch-ökologische Statistiken, Präparate.“ Ohne Skrupel und Respekt vor dem Eigentum und den Tabus seiner Gastgeber durchstöberte der Draufgänger „Pfahlbauten und geheime Vorratshäuser, die ich in der Pflanzung finde, nach Ethnographica. […] Ich will und muß von diesem verschollenen Stamm Sammlungen in die Heimat bringen.“ Im Ergebnis seiner Wilderei unter den „Wildmenschen“ bekam er von den
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Wayapi „eine ziemliche Sammlung zusammen, Pfeile, Bogen, Baumwollarbeiten, Federschmuck, Zaubergeräte, und – vor mir peinlich verheimlicht, aber in einer völlig umwucherten Vorratshütte am Waldrand doch entdeckt: Pfeilspitzen, mit dem gefürchteten tödlichen Gift Curare.“ Dazu ließ er die Wayapi Karten von der Region mit Flüssen, Dörfern und Bergen entwerfen. Bis an die Grenze nach Französisch-Guayana hat Schulz-Kampfhenkel es nicht geschafft, dennoch jubelte er: „Alle Ziele sind erreicht! Die erste Süd-Norddurchquerung des Urwaldlandes am Jary gelungen, Stöße von Aufzeichnungen, Karten, Plänen, umfassende zoologische und völkerkundliche Sammlungen aus dem Quellgebiet liegen in meinem Pfahlbau aufgestapelt.“ Unmittelbar nach der Abreise von den Wayapi erkrankte Schulz-Kampfhenkel wie auch zwei Indianerinnen lebensbedrohlich an Dysenterie (Ruhr). Die 700 Kilometer lange Rückfahrt auf den Flüssen Cuc und Jari zum Aparaí-Dorf überstand er nur dank der begleitenden Aparaí und Wayana. Seine Sorge um den Zustand der erkrankten Indianerinnen galt vor allem ihm selbst, „denn wenn sie sterben, weiß ich nicht, was die in ihrem Geisterglauben völlig besessenen Indianer tun werden.“110 Nachdem Schulz-Kampfhenkel im Aparaí-Dorf eine weitere Erkrankung (Ankylostomiasis) überstanden hatte, brach er Mitte März 1937 seine Zelte an der Ipitinga-Mündung ab. Von Pitoma und weiteren Aparaí- und Wayana-Indianern bis an den Wasserfall von Santo Antonio begleitet, kehrte er, „beladen mit den Schätzen des Durchstoßes“ zu den Wayana und Wayapi, aus dem Tropenwald in die moderne Zivilisation zurück.111 Damit war die „Deutsche Amazonas-Jary-Expedition“ an ihr Ende gelangt. Die Expeditionsausbeute wurde im Museu Goeldi in Pará gemäß den gesetzlichen Vorschriften vom Museumsdirektor überprüft und transportfertig gemacht. Am 25. Mai 1937 trafen Kahle, der sich inzwischen in Pará auskuriert hatte, und Schulz-Kampfhenkel mit dem Dampfer „Monte Sarmiento“ der Hamburg-Süd amerika-Linie wieder in Hamburg ein; Krause war schon zuvor nach Deutschland zurückgekehrt. Zwei Tage später folgte ein großer Empfang auf dem Lehrter Bahnhof in der Reichshauptstadt Berlin.112 In seinen Expeditionsplänen hatte Schulz-Kampfhenkel wiederholt und in mehrfacher Hinsicht den Erstlingscharakter der Amazonas-Jari-Expedition betont. Erstmals werde die Expedition eine Süd-Nord-Durchquerung des Jari-Gebietes unternehmen, und dabei erstmals ein Wasserflugzeug einsetzen. Diese Behauptungen wiederholten sich variantenreich in seinen späteren Expeditionsberichten in Form von illustrierten Presseberichten, Buch und Film. Mehrfach bezeichnete SchulzKampfhenkel darin die Region des Jari als einen der letzten „weißen Flecken“ auf der Weltkarte; ihre menschlichen Bewohner, die „noch in paradiesischer Unberührtheit“ lebten113, ihre Tierwelt und Geographie seien der zivilisierten Welt weitgehend unbe-
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kannt.114 Ihre „wissenschaftliche Eroberung“ sei „nur mit Hilfe aller Errungenschaften der Technik möglich“.115 Zugleich reklamierte er, zum ersten Mal ein Wasserflugzug zur „Entdeckung naturwissenschaftlichen, völkerkundlichen und geographischen Neulandes“ eingesetzt zu haben.116 Abgesehen davon, dass das Flugzeug noch vor dem eigentlichen Start in den Tropenwald zu Bruch ging, überging Schulz-Kampfhenkel dabei die Tatsache, dass etwa der US-Amerikaner Alex Hamilton Rice, der brasilianische Filmer Silvino Santos und der deutsche Ethnologe Theodor Koch-Grünberg bereits 1924 ein Wasserflugzeug einsetzten, um den Oberlauf des Rio Branco, einem Nebenfluss des Amazonas im Nordwesten Brasiliens, zu kartieren.117 Seine Selbstinszenierung als Wegbereiter wissenschaftlicher Entdeckungen basierte schlicht auf der bewussten oder unbewussten Ausblendung seiner Vorgänger, ganz schweigen von der Ignoranz gegenüber Wissenschaftlern wie Claude Lévi-Strauss und anderen, die im gleichen Zeitraum wie er Forschungen im Amazonasgebiet durchführten.118 Auf eigens gefertigtem Expeditions-Briefpapier führte Schulz-Kampfhenkel aus dem brasilianischen Tropenwald eine gelegentliche, aber ausführliche Korrespondenz mit Berlin und den deutschen Vertretungen in Brasilien, mit der er im Kern auf weitere Zuschüsse zielte. Infolge der Verzögerungen des Expeditionsbeginns und einer kostspieligen Reparatur des Flugzeugs im Sommer 1935 geriet das Amazonas-Unternehmen in bedrohliche Geldnöte. In einem 15-seitigen, eng beschriebenen Brief, den Schulz-Kampfhenkel am Tag der Ankunft in der Aparaí-Siedlung an das REM sandte, bat er erstmals um die Bewilligung von weiteren 5.000 RM. Ausführlich legte er hier die Ziele und den bisherigen Verlauf der Expedition dar und schilderte die Schwierigkeiten mit der brasilianischen Administration, seine Verhandlungserfolge und die letztendliche Überwindung der Hindernisse als Leistungen von „Vertretern der jungen Generation des Neuen Deutschland“. Sein Hauptargument war, dass mit einem Abbruch der Expedition die bereits verausgabten 22.000 RM verloren seien.119 Die Leitung der NSDAP-Auslandsorganisation montierte zwar, dass „jedem Kenner der Verhältnisse […] bekannt sein [musste], dass sich solche Expeditionen bei den Brasilianern keiner grossen Beliebtheit mehr erfreuen“, befürwortete aber SchulzKampfhenkels Gesuch im Hinblick darauf, dass bei Abbruch der Expedition „dem Ansehen der Deutschen Wissenschaft Schaden erwachsen könnte“.120 Schulz-Kampfhenkels Notlage und seine Finanzforderung führten zu einer längeren Korrespondenz zwischen dem deutschen Konsulat in Pará, der deutschen Gesandtschaft in Rio de Janeiro, dem Auswärtigen Amt und weiteren Reichsministerien in Berlin, denn inzwischen weigerten sich brasilianische Firmen, bei denen Schulz-Kampfhenkel erhebliche Schulden gemacht hatte, die deutschen Forscher weiter zu beliefern. Aufgrund der sich abzeichnenden Notlage des Expeditionsunternehmens rechnete man „mit sehr unerfreulichen Rückwirkungen in der Öffentlichkeit […]. Da die Expedition
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in Brasilien bekannt ist, besteht die Gefahr, dass bei ihrem finanziellen Zusammenbruch das deutsche Ansehen sehr empfindlich geschädigt wird.“121 Eine Absprache zwischen den beteiligten Ministerien und der NSDAP-Auslandsorganisation ergab jedoch, dass man für weitere Zuschüsse „weder eine Veranlassung noch eine Möglichkeit“ sah. Im Fall eines Abbruchs der Expedition im Frühjahr 1936 hätte die Deutsche Forschungsgemeinschaft die Rückführungskosten übernommen. Da dies nicht wahrgenommen wurde, müsse „Herr Schulz-Kampfhenkel jedenfalls jetzt unbedingt die Konsequenzen aus der Lage ziehen“. Zur Abdeckung seiner Schulden wurde ihm lediglich gestattet, 4.000 RM aus eigenen Mitteln nach Brasilien zu transferieren.122 Offensichtlich war man in den Berliner Ministerien äußerst ungehalten über SchulzKampfhenkels weitere Geldforderung und die eigenmächtige Art und Weise, in der er die deutschen Vertretungen in Brasilien und die Berliner Ämter vor vollendete Tatsachen stellte.123 Im März 1936 hatte er forsch klargestellt, dass er „ungeachtet aller Schwierigkeiten“ die Expedition fortzusetzen gedenke, denn es sei „mit deutschem Ansehen und nationalsozialistischen Grundsätzen unvereinbar […], vor irgendwelchen Schwierigkeiten zu kapitulieren und mit halben Sachen heimzukehren“.124 Dass die Strategie letztlich aufging, lag nicht zuletzt an der Gabe Schulz-Kampfhenkels, sich als einen dynamischen und aktionistischen „Tatmenschen“ im Dienste der Wissenschaft zu inszenieren. Die Ausbeute der Expedition war immens, obgleich ein Viertel aller Sammlungsobjekte in Brasilien verblieben war.125 Nach Berlin gelangten Felle, Schädel und Skelette von etwa 500 Säugetieren, Hunderte von Reptilien bzw. Amphibien, lebende Tiere sowie Alkoholpräparate – insgesamt etwa 1.500 zoologische Objekte. Hinzu kamen etwa 1.200 ethnologische Objekte der Aparaí, Wayana und Wayapi sowie Tonaufnahmen von Flötenliedern, Gesangs- und Tanzrhythmen der Aparaí, weiterhin 2.700 m belichteter 16-mm-Schmalfilm und 2.500 Fotos, inzwischen verschollene Expeditionstagebücher sowie kartographische Routenaufnahmen des Jari und seiner Nebenflüsse Curecurú, Ipitinga und Cuc.126 Später rühmten sich Schulz-Kampfhenkel und sein Gefährte Gerd Kahle: „Außer der großen Säugetiersammlung haben wir die ersten geschlossenen Kulturbesitze von drei Indianerstämmen mit heimgebracht, deren Existenz unbekannt war. Diese Tanzmasken, Bogen und Pfeile, Hausgeräte und Federkostüme ergeben ein interessantes Bild der materiellen Kultur von Menschen, die niemals vorher einen Weißen gesehen hatten und vielleicht auch nie mehr nach uns sehen werden.“127 Der größte Teil der Expeditionsausbeute gelangte in das Museum für Völkerkunde Berlin, weitere Teile erhielten das Museum für Naturkunde Berlin sowie das Privatmuseum von Julius Riemer, der die Expedition Schulz-Kampfhenkels ursprünglich angestoßen und mitfinanziert hatte. Einzelne Objekte sind noch heute im „Museum für Naturkunde und Völkerkunde“ in Wittenberg zu betrachten,
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das Riemer 1949 aus den über den Zweiten Weltkrieg geretteten Resten seiner Sammlung begründete.128
5. Mediale Ausbeute der „Urwaldhölle“: Film, Ausstellung und Buch Nach seiner Rückkehr aus Südamerika im Juni 1937 umjubelte die deutsche Ethnologie Schulz-Kampfhenkel. Für die völkerkundlichen Ergebnisse der AmazonasJari-Expedition verlieh die Deutsche Gesellschaft für Kulturmorphologie an SchulzKampfhenkel die erstmals vergebene Frobenius-Plakette, die zum 65. Geburtstag ihres Begründers Leo Frobenius am 29. Juni 1938, wenige Wochen vor dessen plötzlichem Tode, zur Förderung herausragender Vertreter des wissenschaftlichen Nachwuchses gestiftet worden war. Die Verleihung erfolgte, wie es auf der Urkunde heißt, „in ehrender Anerkennung eines auf mehreren erfolgreichen Fahrten in unerforschte Länder bewiesenen Wagemutes und einer von ernstem Verantwortungsbewusstsein getragenen Leistung im Dienste der deutschen Wissenschaft“.129 Nun nahm auch die wissenschaftliche Welt von Schulz-Kampfhenkel Notiz. So meldete der Ethnologische Anzeiger seine Rückkehr aus Brasilien und den Eingang seiner völkerkundlichen Sammlung in das Museum für Völkerkunde in Berlin; später erschienen wohlwollende Rezensionen seines publizierten Reiseberichts.130 Und zu den ersten Amtshandlungen des Berliner Afrikanisten Diedrich Westermann als neuem Vorsitzenden der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte gehörte im Februar 1939 die Aufnahme von Schulz-Kampfhenkel in die traditionsreiche Gelehrtengesellschaft.131 „Die Expeditionsergebnisse sollen in einer geographisch-zoologisch-völkerkundlichen Monographie des Jary-Raumes verarbeitet und als erste wissenschaftliche Beschreibung eines bis dahin fast völlig unerforscht gebliebenen Urwaldgebietes Südamerikas in möglichst umfassendem und gut ausgestattetem Rahmen vorgelegt werden. Die Durchführung dieser Ausarbeitung der Expeditionsergebnisse soll wirtschaftlich gesichert werden durch den während der Forschungsreise gedrehten Kulturfilm und durch Ausstellungen in Berlin und den Großstädten des Reiches.“132 In diesem Rahmen, der bereits in Brasilien abgesteckt war, erfolgte die mediale Verwertung der Expeditionsausbeute mit dem Ziel eines geschäftlichen Gewinns wie eines Image-Zuwachses. Zu ergänzen wären noch Vortragsreisen sowie Artikel von Schulz-Kampfhenkel und Kahle in der Tages- und Wochenpresse.133 Den Auftakt bildete die Produktion eines Kulturfilms auf der Grundlage von etwa 2.700 Meter Film und mehr als 2.500 Fotografien, die die deutschen Expeditionsreisenden mit
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Abb. 16 Krause, SchulzKampfhenkel und Kahle erläutern am Beginn des Films das Ziel der Expedition, Anfang 1938 (Quelle: Dr. Otto Schulz-Kampfhenkel-Stiftung, Hamburg).
Indios, Siedlern und exotischen Tieren zeigen. Den daraus entstandenen, überaus erfolgreichen Expeditionsfilm Rätsel der Urwaldhölle zählt Kreimeier zum Kanon des „Wissenschafts- und Kulturfilms“ der 1920er und 1930er Jahre, ebenso wie die Filme von Hans Schomburgk (1880–1967), Martin Rikli (1898–1969) und Friedrich Dalsheim (1895–1936). Schulz-Kampfhenkels Film habe durch seinen „(volks-) pädagogischen Anspruch und die Vorstellung, daß durch den Verzicht auf Inszenierung ein authentisches Abbild zu gewinnen sei“, den Lehr- und Unterrichtsfilm der Nationalsozialisten beeinflusst.134 Die Regie des Films führte Schulz-Kampfhenkel selbst. Die Produktionsleitung übernahm Nicolas Kaufmann, der als Leiter der UFAKulturabteilung darum bemüht war, dem Genre des Kulturfilms mit publikumswirksamen, abendfüllenden Filmen zum Durchbruch zu verhelfen.135 Die Filmmusik komponierte Franz R. Friedl, der, wie es in einem Vorabbericht des Berliner Tageblatts über den Filmschnitt im Tonatelier der UFA hieß, lange in Südamerika gelebt hatte und eine Musik schuf, „die die Atmosphäre dieses seltsamen Kontinents wiedergibt: die weissen Städte und die braunen Urwaldkamps, die Menschen und den Fluss.“136 Der UFA-„Kulturgroßfilm“ Rätsel der Urwaldhölle hatte am 11. März 1938 im Berliner Filmtheater Marmorhaus in Anwesenheit des Expeditionstrios und des brasilianischen Botschafters Moniz de Aragao seine Premiere. Die Uraufführung wurde als spektakuläres Ereignis inszeniert, im Foyer waren Sammlungsstücke ausgestellt und vor dem Kino erregte eine als Expeditionsflugzeug inszenierte He 72137 die Aufmerksamkeit der Passanten ebenso wie die der regionalen und überregionalen Presse.138 Nicht zuletzt aufgrund der aufwendigen Werbekampagne des UFA-Verleihs erwies sich der Film als ein immenser Erfolg, der Schulz-Kampfhenkel einen erheblichen Bekanntheitszuwachs einbrachte. Bereits Wochen vor seiner Fertigstellung luden Schulz-Kampfhenkel und Gerd Kahle zum Pressegespräch über Film und
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Holger Stoecker Abb. 17 Das Expeditionsflugzeug He 72 (bzw. ein hergerichtetes Nachfolgemodell He 172) vor dem Premierenkino „Marmorhaus“ auf dem Berliner Kurfürstendamm warb für den UFA-Kulturfilm „Rätsel der Urwaldhölle“ (Quelle:
Luftarchiv.de/Bert Hartmann, Mannheim,).
Expedition, woraufhin die Filmfachpresse die filmische Dokumentation der „young men[!] expedition“ dem Publikum schon vorab begeistert empfahl: „Sportlich bezwungen, wissenschaftlich erforscht, filmisch erfasst.“139 Kommerziell war der Film überaus erfolgreich. Das Uraufführungskino Marmorhaus am Berliner Kurfürstendamm meldete nach zehn Tagen bereits 11.556 Besucher. Hier lief der Film hintereinander 31 Tage, für einen Kulturfilm ungewöhnlich lange. Hohe Besucherzahlen meldete die UFA auch aus weiteren Kinos in Berlin und anderen deutschen Städten.140 Zudem lief der Film im europäischen Ausland; darauf verweisen zumindest französische, niederländische und tschechische Untertitel auf erhaltenen Filmkopien.141 Abgesehen davon, dass die Berichterstattung über den Premierenfilm durch Meldungen über die Urteilsverkündungen in den Moskauer Schauprozessen und wegen der am darauf folgenden Tage beginnenden Besetzung Österreichs durch deutsche Truppen etwas in den Hintergrund rückte, fand die Uraufführung in einer äußerst günstigen Zeit statt. Kurz zuvor, am 4. März 1938, hatte Reichspropagandaminister Joseph Goebbels auf der 2. Jahrestagung der Reichsfilmkammer, während der die Deutsche Filmakademie gegründet wurde, die Filmkünstler „an die Front“ gerufen. UFA-Abteilungsdirektor Hermann Grieving referierte dort über „Aufgaben des deutschen Kulturfilmschaffens“ und machte sich für einen Ausbau des Kulturfilms stark – ein Gebiet, auf dem „Deutschland von Anfang an die Führung übernommen und bis heute wohl unbestritten behalten“ habe. Steuer ermäßigungen für den Verleih und obligatorische Vorführungen in jedem Spielfilmprogramm sollten insbesondere die Produktionszahlen von abendfüllenden Kulturfilmen denen von Spielfilmen angleichen. „Das Publikum“, so Grieving apodiktisch, „wartet auf solche Filme, das beweist am besten der Umstand, daß, wenn Kulturfilme wirkliches Erleben sind, auch von der Masse der Bevölkerung gern gesehen werden. Nicht nur von sogenannten Intellektuellen. Ein Film, der nur von den Intellektuellen gern gesehen wird, ist überhaupt kein Kulturfilm.“142
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In dieses Anforderungsprofil passte Schulz-Kampfhenkels Film voll und ganz, und so berichtete die Berliner Tagespresse äußerst positiv von der Uraufführung. „Der Film ist eine besondere Tat jugendlichen Draufgängertums“143, hieß es in der B.Z. am Mittag. Das Berliner Tageblatt zeigte sich wiederum angetan von „Schulz-Kampfhenkels unbekümmerte(r) Munterkeit“, zugleich aber auch vom „meisterhafte(n) Schnitt des Bildstreifens“.144 Der „Forschungsgroßfilm“ von Schulz-Kampfhenkel und Gerd Kahle erfülle, so die Kritik des Film-Kurier, „alle Ansprüche, die an einen abendfüllenden Kulturfilm zu stellen“145 seien. Er überrage, hieß es im Berliner Lokal-Anzeiger, „auch die besten amerikanischen Kulturfilm-Bildberichte. Es gibt keinen Superlativ, den Eindruck dieses Films und dieses herrlichen Männerwerkes wiederzugeben, und es gibt nur einen Wunsch: daß jeder Deutsche und jeder Junge vor allem diesen Film sehen soll.“146 Dem Film-Kurier hatte Schulz-Kampfhenkel zuvor in die Feder diktiert: „Unsere Absicht war, mit den bisher üblichen Kulturfilm- und Expeditionsfilmgewohnheiten energisch zu brechen und [ein] unverwässertes, ehrliches Filmdokument […] nach Hause zu bringen. […] Wir […] waren immer bestrebt, gerade das völlig Unvorhergesehene, die Überraschung des Augenblicks, uns nicht entgehen zu lassen. […] Es hieß in solchen Fällen, wie mit der Büchse mit der Kamera stets schussfertig auf dem Posten zu sein!“147 Das Prädikat der amtlichen Filmprüfstelle lautete: „Staatspolitisch wertvoll, kulturell wertvoll, volksbildend, jugendfrei, Lehrfilm, für Karfreitag, Bußtag, Heldengedenktag zugelassen.“148 Wenige Wochen nach der Filmpremiere erfolgte ein weiterer Schritt in der medialen Verwertung der Amazonas-Jari-Expedition. Kurz vor Ostern, am 14. April 1938, eröffnete in den Berliner Reichshallen am Dönhoffplatz in der Leipziger Straße die Ausstellung Rätsel der Urwaldhölle unter der Schirmherrschaft von Oberbürgermeister und Stadtpräsident Julius Lippert, eines Günstlings von Joseph Goebbels, sowie in Anwesenheit zahlreicher Vertreter des offiziellen Berlins.149 Eine Ausstellung nach der Rückkehr der Expedition – wie nach der Liberia-Reise – hatte Schulz-Kampfhenkel bereits in Brasilien geplant. Von Arumanduba am Amazonas hatte Schulz-Kampfhenkel an Pohle geschrieben, dass er sich für „die in Zusammenarbeit mit Reichs- und Parteistellen erfolgende Ausstellung“ Sammlungsobjekte vorbehalte.150 Die Ausstellung bot den Besuchern in drei Räumen ein tropisches Sammelsorium: Fotos vom modernen Brasilien sowie Luftaufnahmen des Tropenwaldes, Aquarien mit Amazonas-Fischen, Bilder des bekannten Kolonial- und Tropenmalers Ernst Vollbehr und eine Karte des Expeditionsgebietes umrahmten in der „Ehrenhalle“ aufgebaute Stände einer brasilianischen Werbeagentur sowie von Firmen, deren Exponate auf der Expedition Verwendung fanden: der Brandenburgischen Motorenwerke (Motor des Expeditionsflugzeugs), der IG-Farben A.G. Agfa (Filmmaterial) und der Firma „Sport-Berger“ (Zelte, Lagerausrüstung). Im Hauptraum waren der Einbaum
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von Pitoma sowie zwei eigens angefertigte Dioramen zu sehen, die ein Indianer-Dorf sowie drei voll ausgerüstete Zeltlager der Expedition darstellten und die „Urwaldstimmung“ greifbar einfingen. In perspektivischen Schaukästen wurden diverse Affenarten, Faultiere, Beutelratten und je ein Aparaí- und Wayapi-Dorf präsentiert, ergänzt durch Gehege mit mitgebrachten lebenden Tieren: Amazonaswildschweine, Rüsselbären, Riesenschlangen, Baumschlangen, Seidenreiher, Waldhühner, rote Ibisse usw. Den Hintergrund gestaltete der Jagd- und Kolonial-Maler Moritz Pathé als Fernsicht auf den Jari. In der Galerie schließlich war ein Teil der zoologischen und ethnologischen „Ausbeute der Expedition“ versammelt: etwa 400 Felle, Schädel und Skelette sowie verschiedene Alkohol-Präparate neben dem „gesamten Kultur-Besitz von drei unberührten Indianerstämmen“ (Speere, Bögen, Pfeile, Haushaltsgeräte, Bekleidung und kultische Gegenstände) und Fotos aus dem Leben der Indianer.151 Weitere Stationen machte die Ausstellung im Sommer und Herbst 1938 im Zoologischen Garten in Leipzig sowie in den Ausstellungshallen am Interimstheaterplatz in der Stadt Stuttgart, die im „Dritten Reich“ den Ehrentitel „Stadt der Auslandsdeutschen“ führte. Mit der Expeditionsschau verfolgten Schulz-Kampfhenkel und seine Gefährten zwei Anliegen: Zum einen deklarierten sie, mit der Präsentation „Propaganda für deutsche Auslandsarbeit und den kolonialen Gedanken“ zu betreiben. So konnten sie für das Ausstellungsprojekt finanzielle Zuschüsse vom Propagandaministerium (3.500 RM) sowie vom württembergischen Kultusministerium und der Stadt Stuttgart (je 1.000 RM) einwerben.153 Zum anderen sollte aus dem erhofften Erlös der Ausstellung wie auch des Films ein Fonds gebildet werden, der die „wissenschaftliche Ausarbeitung“ der Expedition absichern und eine Basis für weitere Expeditionsunternehmungen bilden sollte.154 Letzteres schlug fehl, denn obgleich die Ausstellung insgesamt mehr als 100.000 Besucher hatte155, erwies sich die „Urwald-Schau“ als ein finanzielles Fiasko. Hierzu hatten vor allem das großAbb. 18 Auf der Ausstellung: Schulz-Kampfhenzügige Honorar für Schulz-Kampfhenkel kel präsentierte das Herz des Silberlöwen, den selbst sowie der hohe personelle Aufwand Pitoma erlegte (Quelle: Ullstein bild, erschienen in: B.Z. am Mittag, 17.5.1938152). geführt, mit dem die Präsentation in gro-
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ßer Eile vorbereitet wurde. Im REM war man jedoch, ebenso wie Ministerialdirektor Leopold Gutterer vom Propagandaministerium, der Ansicht, „dass Schulz-Kampfhenkel jede Förderung verdient“156 und gewährte einen weiteren Zuschuss in Höhe von 3.000 RM, der das gewaltige Defizit zu etwa einem Drittel ausglich.157 Als vorläufigen Abschluss der medialen Expeditionsverwertung publizierte Schulz-Kampfhenkel einen populär gehaltenen Bericht über die Amazonas-Jari-Expedition unter dem gleichen Titel wie Film und Ausstellung: Rätsel der Urwaldhölle. Vorstoß in unerforschte Urwälder des Amazonenstromes.158 Das Buch berichtete allerdings nicht über „die Ergebnisse unserer Forschungsreise“, sondern über „ihr Erlebnis. Es wendet sich nicht an die Fachwelt. Dies wird nach Ausarbeitung der wissenschaftlichen Ausbeute Aufgabe einer besonderen, umfassenderen Niederschrift sein.“159 Eine solche ist jedoch nie publiziert worden. Wie die Nachauflage seines Liberia-Reiseberichtes erschien der spannend erzählte Amazonas-Jari-Report im Deutschen Verlag. Dieser war aus der mittlerweile erfolgten „Arisierung“ des Ullstein-Verlages hervorgegangen und gehörte zum Presse-Imperium der NSDAP. Mit dem Ullstein-Verlag hatte Schulz-Kampfhenkel bereits 1935 eine Pressevereinbarung über die BrasilienExpedition abgeschlossen, so dass die Tageszeitungen des (Nachfolger-)Verlages nun umso ausführlicher über Film, Ausstellung und Buch berichteten. Schulz-Kampfhenkels Verlag stilisierte ihn zum „Forscher, Jäger, Piloten und Sportler“.160 Für sich genommen waren diese Tätigkeiten nicht außergewöhnlich, aber „in ihrer Zusammenstellung […] auratisierende, mythisierende Umschreibungen, die die Person aus den Alltagserfahrungen des Publikums herausheben“.161 Solcherart herausgestellt, waren der mittzwanzigjährige Schulz-Kampfhenkel und seine Gefährten mit einem besonderen, selbstgestellten Auftrag in den tropischen Regenwald gezogen: der virtuellen Rückeroberung der im Ersten Weltkrieg verlorenen Kolonien für das Publikum in Deutschland. Schulz-Kampfhenkels Unternehmungen, so hieß es begeistert in der Berliner Tagespresse, fänden zu einer Zeit statt, „da sich unser Anschluß an die Tropen erneut zu vollziehen beginnt“.162 Ob sich der Dschungel in Afrika oder Südamerika befand, schien dabei unerheblich. Die Instrumente dafür waren Jagdgewehr, Filmkamera und Flugtechnik gleichermaßen. Damit soll nicht gesagt sein, Schulz-Kampfhenkel hätte auf seinen Reisen nicht auch ethnographische Erkenntnisse erworben und diese in Büchern und Film dargestellt. Seine Handlungs- und Beobachtungsperspektive sticht allerdings als dilettantisch und oberflächlich, ohne Empathie, großspurig und herablassend ins Auge, wie auch kritische Zeitgenossen über seinen Brasilien-Bericht bemerkten: „He sees it as he, the German explorer, would have it, not as it is, or as it would be recognized by Brazilians.“163
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6. Vernetzt in SS, Wissenschaft und Militär Der Profit, den Schulz-Kampfhenkel aus seiner medialen Präsenz ziehen konnte, war wohl auch finanzieller, vor allem aber karrierepolitischer Natur. Zunächst war ihm seine neu erworbene Prominenz dabei behilflich, seine Mitgliedschaften in der NSDAP und der SS zu reaktivieren. Nach seiner Rückkehr aus Brasilien hatte er umgehend gegen seine im Juni 1935 erfolgte Streichung aus der NSDAP Beschwerde eingelegt. Unterstützung erhielt er hierin von der Gauleitung Berlin, die beim Gaugericht Kurmark der NSDAP einen am 17. Januar 1939 ergangenen Beschluss erwirkte, nach dem Schulz-Kampfhenkel seit dem 1. Mai 1933 Mitglied der NSDAP mit der Mitgliedsnummer 2.628.482 sei.164 Ebenso hatte sich das SS-Hauptamt dafür gesetzt, „dass dieser Auslandspionier in die Partei aufgenommen wird. Ohne jeden Zweifel ist er ein brauchbarer Volksgenosse für die Partei“.165 Im SS-Hauptamt hatte sich der Rückkehrer am 30. November 1937 persönlich gemeldet, wohl um einer langwierigen Auseinandersetzung in den Niederungen seines Ortsverbandes um seine vermeintliche „Interessenlosigkeit gegenüber der Bewegung“ zu entgehen. Dort gab er an, sich 1935 ordnungsgemäß abgemeldet und während seiner Abwesenheit in Brasilien SS-Beiträge abgeführt zu haben. Daraufhin verfügte das SS-Hauptamt, dass SchulzKampfhenkel „mit Wirkung vom 23. Juni 1937 wieder in die SS aufgenommen und dem 2. Stabssturm/SS-Hauptamt zugeteilt“ wurde.166 Im SS-Hauptamt, dem zentralen Leitorgan der SS bis etwa 1939/40, versah er fortan als SS-Unterscharführer und seit dem 1. Juni 1938 als SS-Untersturmführer seinen SS-Dienst.167 Schulz-Kampfhenkels konkrete Aufgaben und Tätigkeiten im SS-Hauptamt sind nicht bekannt. Dass er allerdings seinen SS-Dienst nicht in irgendeiner Territorialgliederung, sondern wie manche Spitzenbeamte und -funktionäre des „Dritten Reiches“ in der Berliner Zentralstelle leistete, dürfte sich auf seine weitere Karriere förderlich ausgewirkt haben.168 Schulz-Kampfhenkels Bestreben, in die Partei und die SS wieder aufgenommen zu werden, wurde von der Berliner Gauleitung der NSDAP und dem SS-Hauptamt unterstützt vor allem mit dem Hinweis auf dessen NS-konformes Auftreten in Brasilien, seine dortige Kooperation mit der Auslandsorganisation der NSDAP sowie auf seinen „hochwertigen Film“ über die Amazonas-Jari-Expedition. Der Film allein, so lobte man in SS-Hauptamt, bemesse „die Tätigkeit des Schulz-Kampfhenkel für das III. Reich“.169 Um seine Mitgliedschaft in der NSDAP und der SS rankte SchulzKampfhenkel nach dem Krieg die verharmlosende Legende, dass er die Parteiaufnahme nur beantragt habe, um den Flugschein machen zu können und dass er erst während des Krieges quasi in die SS gezwungen worden sei.170 Demgegenüber wird durch eine Fülle von Dokumenten belegt, dass Schulz-Kampfhenkels Liaison mit
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dem Nationalsozialismus sehr viel enger war und mit dem verharmlosenden Terminus der „NS-Verstrickung“ nicht adäquat zu erfassen ist. Vielmehr ist vonseiten SchulzKampfhenkels ein aktives, stellenweise „fanatisch“ zu nennendes Bemühen um Teilhabe am NS-Regime unter Akzeptanz bzw. gar Befürwortung jeglicher weltmachtpolitischen, rassistischen und aggressorischen Implikationen der NS-Politik nach innen wie nach außen zu konstatieren. Schulz-Kampfhenkel war sehr darum bemüht, mit dem Amazonas-Expeditionsunternehmen und den daraus resultierenden medialen Produkten Film, Ausstellung und Buch sowohl bei hohen Staatsrepräsentanten als auch in der SS zu reüssieren. Dem Chef der Reichskanzlei, Reichsminister Hans Heinrich Lammers, drängte er mehrfach die Vorführung seines Films („jederzeit […] in der Reichskanzlei“) und eine Führung durch die Ausstellung geradezu auf. Seinen SS-Vorgesetzten, den Leiter des SS-Hauptamtes, SS-Obergruppenführer August Heißmeyer, hatte er am 26. Mai 1938 durch die Expeditionsausstellung in den Reichshallen am Dönhoffplatz geführt. Am 7. Juni sprach er in einer Sonderveranstaltung für das SS-Hauptamt im Ufa-Pavillon am Berliner Nollendorfplatz über den Film.171 Ende Dezember 1938 jedoch wurde ihm eine außerordentliche „Ehre“ zuteil, die seine bisherigen Verbindungen zu den Größen des „Dritten Reiches“ in den Schatten stellte. Der SS-Untersturmführer Schulz-Kampfhenkel wurde von Heinrich Himmler, dem Reichsführer SS, in dessen Privathaus in Gmund am Tegernsee eingeladen, um seinen Forschungsfilm vorzuführen und in einer „mehrstündigen Unterredung“ über die Amazonas-JariExpedition und „über unsere Arbeit“ zu berichten.172 Dieses Treffen schien äußerst vielversprechend verlaufen zu sein; seither galt Schulz-Kampfhenkel in der SS und ihrer Lehr- und Forschungsgemeinschaft „Das Ahnenerbe“ als Südamerika-Experte. Als solcher wurde er vom Geschäftsführer des „Ahnenerbes“, SS-Sturmbannführer Wolfram Sievers, im August 1939 in die Vorbereitung einer für 1940 geplanten SSForschungsexpedition nach Bolivien und Peru an den Titicaca-See unter der Leitung von SS-Hauptsturmführer Edmund Kiss einbezogen. Schulz-Kampfhenkel wurde dem „Ahnenerbe“ von Himmler und Heißmeyer für den Einsatz empfohlen.173 Expeditionsleiter Edmund Kiss, im Hauptberuf Architekt und Regierungsbaurat in Kassel, war ein reger Protagonist der „Welteislehre“174, einer pseudowissenschaftlichen Weltentstehungslehre, der führende Nationalsozialisten anhingen und die von Himmler sowie dem Ahnenerbe gefördert wurde.175 Das Ziel der SS-Expedition nach Südamerika war zu zeigen, dass die Beschaffenheit des bolivianischen Hochlandes, insbesondere dort aufgenommene „Strandlinien“, mit der Welteislehre erklärt werden könnten.176 Die beiden SS-Kameraden Schulz-Kampfhenkel und Gerd Kahle waren hierfür von Sievers als Flugzeugführer der Expedition vorgesehen. Der Kriegsausbruch verhinderte das Expeditionsprojekt jedoch. Ohnehin blieb Schulz-Kampfhen-
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kels Engagement für Kiss’ Unternehmung begrenzt, zum einen weil ihm die Unterordnung unter die Leitung eines anderen wohl zutiefst widersprach. Zum anderen stellte sich das „Ahnenerbe“ mit seinen fragwürdigen Theorien und Unternehmungen teils explizit gegen die etablierte Wissenschaft, teils kämpfte es – vergeblich – um deren Anerkennung, was Schulz-Kampfhenkel sicher nicht verborgen geblieben war. Seit Januar 1939 bewegte sich Schulz-Kampfhenkel zudem wieder in akademischen Kreisen. Am Geographischen Institut der Universität Würzburg war er mit der Arbeit an einer Dissertation mit dem Arbeitstitel: „Die Struktur des Lebensraumes am Rio Jary“ befasst, in der er die „physikalisch-, tier- und menschengeographischen Beobachtungstatsachen, Kartenaufnahmen, Zeichnungen, Pläne und Photos“ der Amazonas-Jari-Expedition auswertete.177 Als Doktorvater wählte er sich Hans Schrepfer, Ordinarius für Geographie an der Universität Würzburg.178 Unterdessen markierte der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs eine bedeutende Zäsur für Schulz-Kampfhenkels Lebensweg, die seine Einbindung in das NS-Regime weiter vertiefte und seine Karriere erheblich beschleunigte. Mit dem Krieg eröffnete sich für seine „Auslandsforschung“ ein planerisches und dann auch reales Aktionsfeld, das Schulz-Kampfhenkel – wie noch deutlich werden wird – energisch und initiativreich zu nutzen suchte. Gleich am ersten Kriegstag, dem 1. September 1939, meldete er sich von München aus, auf der Durchreise von den Salzburger Wissenschaftswochen kommend, telegraphisch als Kriegsfreiwilliger bei der SS und der Luftwaffe. Am 10. September wurde Schulz-Kampfhenkel einem SS-Führerkommando in Polen zugeteilt, jedoch bereits am 16. September zur Luftwaffe einberufen. Dort begann der Gefreite eine Ausbildung zum Militärflugzeugführer an der Flugzeugführerschule Schönwalde bei Velten nordwestlich von Berlin, die er aufgrund einer Kniesportverletzung und anschließendem Lazarettaufenthalt vom 15. Dezember 1939 bis 30. Mai 1940 unterbrechen musste. Nach dem Erwerb des Luftwaffen-Flugzeugführerscheins am 15. November 1940 erhielt er, inzwischen zum Unteroffizier und Offiziersanwärter befördert, bis Ende April 1941 Arbeitsurlaub vom Militärdienst zur Fertigstellung seiner Dissertation.179 Nach etwa zwei Jahren Arbeit an seiner Dissertationsschrift bestand er am 9. April 1941 die mündliche Prüfung zum Dr. rer. nat. im Hauptfach Geographie und in den Nebenfächern Zoologie und Geologie mit „summa cum laude“.180 Gleichwohl haftet der Promotion Schulz-Kampfhenkels etwas Mysteriöses an, denn seine Dissertationsschrift ist nicht, wie es die Regularien eigentlich vorsahen, publiziert worden. Später gab er an, sie aus Zeitmangel und aufgrund der Kriegswirren nicht zur Druckreife gebracht und publiziert haben zu können.181 Sie wäre immerhin Schulz-Kampfhenkels einzige wissenschaftliche Publikation gewesen, der ansonsten in seinen Reiseberichten und zahllosen Denkschriften eine recht flotte Feder führte. Die Promotionsunter-
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lagen der Universität Würzburg wurden fast vollständig bei alliierten Bombenangriffen auf Würzburg im März 1945 vernichtet182, bei denen auch Schrepfer sein Leben verlor. So bleibt der genaue Titel der Arbeit unbekannt; es scheint jedoch klar zu sein, dass sie sich mit der erstmals am Amazonas erprobten kombinierten Kartierungsmethode befasste.183 Über die Frage, ob und inwieweit die Dissertationsarbeit militärisch relevante Themen berührte und der Geheimhaltung unterlag, kann ohne Kenntnis der eingereichten Ausarbeitung nur spekuliert werden.184 Schulz-Kampfhenkel jedenfalls führte fortan ostentativ den Doktortitel, der ihm als akademisches Signum bei seinen weiteren Unternehmungen diente. Zunächst aber kehrte er nach dem Arbeitsurlaub im Mai 1941, nun als Feldwebel, zum Militärdienst zurück und wurde zum Nachschubamt der Luftwaffe in Jüterbog versetzt. Am 1. September 1941 wurde er dort zum Leutnant befördert.185
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Abb. 19 Otto Schulz-Kampfhenkel als Leutnant der deutschen Luftwaffe, 1941 (Quelle: BArch
Berlin, RS F5124).
7. Die „Forschungsgruppe Schulz-Kampfhenkel“: eine Expeditionsplanschmiede Zurück zum Herbst/Winter 1939. Zeitgleich mit der Arbeit an seiner Dissertation an der Universität Würzburg und neben seiner Militärfliegerausbildung betrieb und entwickelte Schulz-Kampfhenkel weitere ehrgeizige Projekte, für die ihm der künftige Doktortitel im Grunde lediglich als Türöffner dienen konnte. Den letzten Anstoß hierfür hatte möglicherweise ein Gespräch mit dem Polizeipräsident von Nürnberg, SS-Oberführer Dr. Benno Martin, auf der Rückfahrt vom Treffen in Himmlers Privathaus im Dezember 1938 gegeben. Gegenstand des Gesprächs waren Schulz-Kampfhenkels Vorstellungen von einer deutschen Auslandsforschung, die er als seinen Lebensplan darlegte. Martin erklärte ihm, „dass der Führer von einem derartigen Einsatz
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der Wissenschaft ‚inflammiert sein würde‘“. Er riet Schulz-Kampfhenkel „dringend, den Plan auszuarbeiten und dem Führer zur Kenntnis zu bringen.“ Nach weiteren Gesprächen u. a. mit Reichswirtschaftsminister Walther Funk und dem prominenten Forschungsreisenden Wilhelm Filchner verdichtete Schulz-Kampfhenkel die „Idee einer politisch ausgewerteten planmässigen deutschen Auslandsforschung“, für deren Ausarbeitung er seinen unfreiwilligen Aufenthalt im Luftwaffen-Lazarett im Winter und Frühjahr 1939/40 nutzte und zugleich die hierfür notwendige organisatorische Grundlage vorbereitete.186 In den Jahren zuvor hatte Schulz-Kampfhenkel „als Organisationszentrale“187 die informelle studentische „Arbeitsgemeinschaft junger Naturwissenschaftler“ genutzt, um sich außerhalb der etablierten akademischen Institutionen auf „die Durchführung meiner selbstgestellten Lebensaufgabe, den Aufbau einer planmäßigen deutschen Auslandsforschung“188, vorzubereiten. Im Nachgang seiner Liberia-Expedition 1931/32 hatte er am 21. November 1932 diese „Arbeitsgemeinschaft“ in der Absicht gegründet, sie als organisatorische Basis für die Vorbereitung und „Ausrüstung weiterer naturwissenschaftlicher und völkerkundlicher Expeditionen in unerforschte Gebiete der Erde“ zu nutzen.189 Der private Kreis setzte sich zum Ziel, „durch populärwissenschaftliche Veröffentlichungen, Kulturfilme und Ausstellungen der weltkundlichen Volksbildung“ zu dienen. Weitere Mitglieder waren Schulz-Kampfhenkels Wiener Studienfreund Rudolf Fritsch190, mit dem er die Liberia-Expedition gemeinsam geplant hatte, Helmut Nowakowski, Rudolf Seldte und W. K. Hultzsch sowie aus Schulz-Kampfhenkels Familie als „ältere Berater und Förderer“ der Zahnmediziner Prof. Dr. Hans Hoenig und der Notar Dr. Otto Kampfhenkel.191 Als weitere Mitarbeiter der „Arbeitsgemeinschaft“ waren von Schulz-Kampfhenkel 1934 Gerd Kahle, 1938 Dr. Theodor Ballauff192 und mit Dr. Hilde Heumüller193 die einzige Frau „ernannt“ worden.194 Als Leistungen der „Arbeitsgemeinschaft“ verbuchte Schulz-Kampfhenkel die Auswertung der Liberia-Expedition 1931/32, die Vorbereitung und Durchführung der Amazonas-Jari-Expedition 1935/37 und deren Auswertung im In- und Ausland sowie die Herstellung von „fachlich-freundschaftlichen“ Kontakten zu Wissenschaftlern und Instituten in Brasilien, Skandinavien, Holland, Italien, Japan, den USA und der Dominikanischen Republik.195 Letzteres rührte daher, dass Rudolf Fritsch vom Zoologischen Institut der Universität Würzburg 1940 mit einem DFG-Stipendium an das Deutsch-Dominikanische Tropenforschungsinstitut in Ciudad Trujillo zu biologischen und ökologischen Untersuchungen entsandt worden war.196 Erträge aus Presse- und Buchveröffentlichungen, Ausstellungen und Vorträgen flossen in einen „Arbeitsfond Schulz-Kampfhenkel und Gerd Kahle“ und trugen zur Finanzierung der „Arbeitsgemeinschaft“ bei.197
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Aus der „Arbeitsgemeinschaft junger Naturwissenschaftler“ formierte SchulzKampfhenkel als „Vereinsführer“ am 2. Mai 1940 die „‚Forschungsgruppe SchulzKampfhenkel‘ Arbeitsgemeinschaft für wissenschaftliche Expeditionen, Naturforschung und Völkerkunde e.V. Berlin“. Interessant ist ein Blick auf die Personengruppe, die Schulz-Kampfhenkel in Führerprinzip-Manier hier um sich scharte: eine illustre Mischung aus Akademikern, Militär- und SS-Angehörigen, darunter zumeist persönliche Bekannte und Verwandte. An der Gründungsversammlung nahmen von den bereits erwähnten Mitgliedern der „Arbeitsgemeinschaft“ als Schulz-Kampfhenkels Familienangehörige Prof. Dr. med. dent. Hans Hoenig198 und Dr. jur. Otto Kampfhenkel teil, daneben als Stellvertreter des Vereinsführers Dr. Rudolf Fritsch, inzwischen Assistent am Zoologischen Institut der Universität Würzburg und SS-Anwärter, sowie Dr. med. Helmut Nowakowski, SS-Untersturmführer in der SS-Verfügungstruppe, einer paramilitärischen Sondereinheit der SS, die kurz zuvor in die Waffen-SS eingegliedert worden war. Neue Mitglieder waren Otto Ernst, Ingenieur und Prokurist bei der Berliner Maschinenbau-AG vorm. L. Schwarzkopff, sowie Hermann Meyer, Studienreferendar an der Nationalpolitischen Erziehungsanstalt Köslin in Pommern und zu dieser Zeit wie Schulz-Kampfhenkel Schüler an der Flugzeugführerschule Schönwalde bei Velten.199 Gerd Kahle, Unteroffizier der Luftwaffe und ebenfalls SSAngehöriger, konnte nicht teilnehmen, da er sich bereits in britischer Kriegsgefangenschaft befand200, wurde aber vom Vereinsführer zum „Tätigen Mitglied“ (seit 1934) ernannt, ebenso wie Ballauff (seit 1938) und Heumüller.201 Im Februar 1942 wurde die Satzung dahin geändert, dass im Fall der Auflösung des Vereins sein Vermögen an die NSDAP falle, die es „für wissenschaftliche Auslandsforschungen verwenden“ solle.202 Zuvor war es in einem solchen Fall lediglich „einem gemeinnützigen Zweck zuzuführen“.203 Zum „System Schulz-Kampfhenkel“ gehörte, dass sich der Vereinsführer für die Vereinsgründung das Einverständnis von höheren Funktionsträgern des „Dritten Reiches“ einholte. Dies war zwar in keiner Weise erforderlich, bot aber die Möglichkeit, die so erlangte politische „Legitimierung“ des Vereins bei passenden Gelegenheiten zu erwähnen.204
7.1. Der Sibirien-Plan „Die Gründung unserer Forschungsgruppe als eingetragener Verein stellt den Kristallisationskern für die jetzt beginnende Arbeit dar.“205 Für die Euphorie, die in dieser Mitteilung Schulz-Kampfhenkels an Reichskanzlei-Chef Lammers lag, gab es eigentlich wenig Anlass, war doch kurz zuvor der erste Expeditionsplan Schulz-Kampfhenkels nach dem Amazonas-Unternehmen bereits im Ansatz gescheitert. Seit dem Herbst 1939 hatte Schulz-Kampfhenkel an der Planung einer Expedition in den Nordosten
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Sibiriens gearbeitet, die als das erste Expeditionsunternehmen der Forschungsgruppe gedacht war. Als nach dem Abschluss des deutsch-sowjetischen Nichtangriffsvertrages sowie des Grenz- und Freundschaftsvertrages im August und September 1939 sich für eine kurze Periode das Verhältnis zwischen dem nationalsozialistischen Deutschland und der UdSSR merklich entspannte, entwarf Schulz-Kampfhenkel – die Gunst der politischen Großwetterlage nutzend – eine groß aufgezogene „Deutsch-Sowjetrussische Forschungs-Flugexpedition nach Ostsibirien“ entlang des Flusses Lena vom Baikalsee bis zur Mündung. Einen detaillierten Expeditionsplan übersandte er Anfang März 1940 an Lammers.206 Diese „März-Denkschrift“ ist zwar nicht erhalten, doch geht aus den von Schulz-Kampfhenkel eingeholten Gutachten zu seinem Forschungsplan hervor, dass das Gebiet am Lena-Fluss „auf seine geschlossenen organischen Lebensräume in ihrem Aufbau aus Klima, Boden, Pflanzendecke, Tierwelt, Menschenrassen, Kulturen und Wirtschaftsformen“ untersucht sowie „über diese wissenschaftliche ‚Lebensraumforschung‘ hinaus die wirtschaftliche Erschließungsmöglichkeit“ erkundet werden sollten.207 In dem Sibirien-Plan hatte sich eine Strategie Schulz-Kampfhenkels weiter manifestiert, möglichst viele Aufgabenbereiche zu tangieren, so dass sich viele Ressorts in Wissenschaft, Politik und Wirtschaft von seinen Plänen angesprochen fühlten und zur Unterstützung bereit waren. Auf diese Weise sollte wohl eine einseitige Abhängigkeit von einzelnen Finanziers und Mentoren vermieden werden, jedoch ging damit ebenso eine nicht zu übersehende Beliebigkeit und Oberflächlichkeit hinsichtlich der Expeditionsziele einher. Gleichwohl, die Gutachten, die den Sibirien-Plan „wärmstens“ befürworteten, zeigen ebenso wie die hohe Position ihrer Autoren im deutschen Wissenschaftsbetrieb, dass es SchulzKampfhenkel an Anerkennung aus dem inneren Kreis der scientific community nicht gefehlt hat. Auf der politischen Ebene wählte Schulz-Kampfhenkel vor allem den Chef der Reichskanzlei, Reichsminister Lammers, als Adressaten seines Werbens für den Sibirien-Plan. Vor allem mit der Versicherung, es sei seine „heilige Überzeugung, dass eine planmäßige Auslandsforschung über ihre Facharbeit hinaus nationalpolitische Leistungen vollbringen kann und jetzt in die Front des totalen Krieges gehört“208, suchte und fand er das Ohr des engen Hitler-Vertrauten. Im Reichswirtschaftsministerium nahm Schulz-Kampfhenkel Kontakt zu Ministerialdirektor und SS-Oberscharführer Gustav Schlotterer auf.209 Die Zielsetzung dieser Verbindung wird etwas klarer, wenn man sich vergegenwärtigt, dass Schlotterer seit 1940 Leiter der Abteilung III des Reichswirtschaftsministeriums war, deren Beamte Europa zwischen 1939 bis 1945 „mit kaum vorstellbarem Rigorismus“ ausbeuteten210, und zugleich als ständiger Vertreter im „Ostministerium“ Alfred Rosenbergs die Chefgruppe Wirtschaftspolitik führte.211 Zudem war die Deutsche Forschungsgemeinschaft involviert, deren Prä-
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sident Rudolf Mentzel, zugleich Leiter der Abteilung Wissenschaft im Reichserziehungsministerium und damit der wichtigste Wissenschaftsfunktionär im NS-Staat, in einem Gespräch mit Schulz-Kampfhenkel im Mai 1940 die Förderung des SibirenPlans zusagte.212 Von dem ebenfalls hinzugezogenen Auswärtigen Amt erklärte Legationsrat Paul Roth, Leiter des Referats Wissenschaft in der Kulturabteilung, die Bereitschaft, die Expedition zu fördern und die ministerielle Federführung zu übernehmen.213 Zugleich wies das Auswärtige Amt die deutsche Botschaft in Moskau an, mit den sowjetischen Behörden Verhandlungen über die Expedition aufzunehmen, an denen Schulz-Kampfhenkel teilnehmen sollte.214 Die Reichskanzlei reichte das SibirienProjekt an die Deutsche Forschungsgemeinschaft weiter; es war also auf einem guten Weg.215 Bald darauf entschied das Auswärtige Amt jedoch, den Plan wegen mangelnder Erfolgsaussichten der Sowjetregierung gar nicht erst vorzulegen. Es hieß, die Sowjetregierung sei bereits seit Jahren bemüht, „das eigene Land auf breitester wissenschaftlicher Grundlage und mit einer wirtschaftlichen Zielsetzung zu erforschen“, ohne dies der Öffentlichkeit bekannt zu geben. „Diese Geheimhaltung […] entspricht den von größtem Mißtrauen diktierten Bestimmungen der Sowjetunion gegen Spionage jeglicher Art, vor allem Wirtschaftsspionage und gegen jeden Einblick des Auslandes in ihre inneren Verhältnisse. Insbesondere ist das für die Forschungsexpedition von Herrn Schulz-Kampfhenkel in Aussicht genommene Lena-Gebiet seit Jahren Ausländern grundsätzlich verschlossen.“216 Damit war Schulz-Kampfhenkels Plan einer Expedition nach Sibirien bereits in der Vorbereitungsphase gescheitert. Schulz-Kampfhenkel sah die Ursache des Misstrauens der Sowjetunion „gegenüber deutschen Einblicken in ihr gehütetes Hinterland“ in den „gewaltigen deutschen Waffenerfolge[n] seit Anfang Mai“, d. h. den Siegen der Wehrmacht in Westeuropa, und stellte sein Vorhaben „vorläufig“ zurück.217
7.2. Das Guayana-Projekt Doch die Visionen Schulz-Kampfhenkels kannten keine Grenzen, zumindest keine geographischen. Dies zeigte sich, als seine Südamerika-Erfahrungen bei der Beurteilung der geostrategischen und wirtschaftlichen Bedeutung Guayanas für die deutschen Welteroberungsziele gefragt waren. Im Frühjahr 1940 war beim Reichsführer SS eine Denkschrift eingegangen, die unter dem Titel „Was bedeuteten die Guayanas für den Führer“ stand und vorschlug, die Guayana-Region im Norden Südamerikas unter deutsche Herrschaft zu bringen. Der Autor der Denkschrift war der österreichische Abenteurer und Reiseschriftsteller Heinrich Peskoller, der mehrere Jahre in Amerika zugebracht und unter den Pseudonymen Tex Harding und Harry Brown
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einige Abenteurergeschichten veröffentlicht hatte. Erkundigungen des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA) ergaben, dass Peskoller Ende 1937 deutscher Staatsbürger, Ende 1939 Mitglied der NSDAP und bei dem Geheimen Staatspolizeiamt bereits mit einem „Exposé zur Errichtung einer Geheimdienstabteilung (Intelligence Service)“ vorstellig geworden war, deren Leitung er auch gleich selbst beanspruchte. Die Geheime Staatspolizei hatte jedoch auf die Dienste des zwielichtigen Abenteurers verzichtet, zumal sich bereits die Justiz mit Peskoller wegen Plagiats und unerlaubtem Schusswaffengebrauchs befasst hatte.218 Seine Ideen in Bezug auf eine deutsche Übernahme von Britisch- und Französisch-Guayana schienen dem Persönlichen Stab Himmlers jedoch einer eingehenderen Prüfung wert. Nach den Verheißungen Peskollers würde allein der dortige Gold- und Diamantenreichtum genügen, „um in wenigen Jahren Deutschlands Finanzwesen zu sanieren“. Zudem gäbe es ausreichend Möglichkeiten der wirtschaftlichen Betätigung, etwa bei der Erschließung von Wasserkraft zur Stromerzeugung, im Bergbau, auf Musterfarmen oder in der Edel- und Nutzholzgewinnung. All dies läge „in echt französischer Sauwirtschaft“ darnieder. Hier könnte der Führer der Welt zeigen, „was deutsche Kolonisierung bedeutet!“ „Ein fleißiges Volk wie das Deutsche würde aus den beiden Guayanas nicht nur seinen Einfuhrbedarf an tropischen Rohstoffen, Hölzern, Metallen, Edelmetallen und Diamanten decken, sondern darüber hinaus noch exportfähig sein.“ Nicht zuletzt aber, und das war wohl mindestens so ausschlaggebend für das Interesse von Himmlers Stab an Peskollers Exposé wie die wirtschaftlichen Verlockungen, böte sich mit der Übernahme der Guayanas „die Möglichkeit, eine Marinebasis zu errichten, die im Kriegsfall die Ausfuhr Südamerikas nach England durch ihre günstige Lage kontrolliert“.219 Zur weiteren Erörterung wurde Schulz-Kampfhenkel als SüdamerikaExperte von Himmler um eine Bewertung von Peskollers Guayana-Exposé gebeten.220 Von Peskollers skurrilem Plan offenbar überrascht, machte Schulz-Kampfhenkel ihn sich in seinen Grundzügen kurzerhand zu eigen und behauptete, ähnliche Vorstellungen bereits während seiner Amazonas-Jari-Expedition entworfen zu haben, die er „in Kürze“ selbst habe Himmler unterbreiten wollen.221 Seine daraufhin verfasste Stellungnahme zum „Erwerb der Guayanas“ griff weit über den eigentlichen Anlass hinaus und kann als ein Schlüsseldokument für Schulz-Kampfhenkels Visionen über Deutschlands weltmachtpolitische Optionen am Beginn des Zweiten Weltkrieges gelesen werden. Die Stellungnahme war verfasst in der Sprache eines Rassisten und Herrenmenschen, der davon ausgehen konnte, dass seine Adressaten, Himmler und dessen Persönlicher Stab, in ebensolchen Kategorien dachten und der sich somit keinerlei Zurückhaltung auferlegen musste. Einleitend erging sich Schulz-Kampfhenkel in geopolitischen Gedankenspielen und markierte Sibirien und Südamerika als Einwanderungs- und Siedlungsländer, die
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allein für ein „nordisches Herrenvolk“ in Frage kämen, wobei Sibirien für Deutschland das „geopolitisch prädestinierte koloniale Expansionsgebiet“ sei.222 Diese Region sei allerdings für Deutschland so lange verschlossen, so lange es der deutsch-russischen Freundschaft (es war die Zeit des deutsch-sowjetischen Nichtangriffsvertrages) bedürfe, um der im Osten Eurasiens aufziehenden „Gefahr der gelben Weltherrschaft“ zu trotzen: „Diese Gefahr in ihren Anfängen zu bannen muss die Sendung des Führers der künftig in Europa geeinten weissen Rasse sein.“ Daher trete nun Südamerika als der zweite Reserveraum zunächst in den Vordergrund, welches sich noch im Besitz „geradezu unterwertiger Völker“ befände, „die ihn heute beherrschen, ohne ihn zu erfüllen“. Angesichts des nahenden Zusammenbruchs des Britischen Weltreiches müsse Deutschland den Ambitionen der USA in Südamerika zuvorkommen. Gelinge dies nicht, müsse Deutschland mit Japan, dem „pazifischen Erbfeind der Vereinigten Staaten“, weiter zusammengehen, was wiederum die „gelbe Gefahr immer weiter heraufbeschwören würde“. Daher halte er „es angesichts des kategorischen Imperativs des Weltmachtanspruchs des fähigsten Volkes, das heisst der unter Deutschlands Führung geeinten höheren Rassen Europas, für ein zwingendes Gebot, rechtzeitig auf der westlichen Halbkugel Fuss zu fassen.“ Militärstrategisch ausgebaut zum „Marine- und Bomberstützpunkt“, von dem aus sich die Verkehrslinien zum Panamakanal und nach Südamerika kontrollieren ließen, könnten die Guayanas zum „westlichen Grundpfeiler der künftigen germanisch-europäischen Weltmacht“ werden. Neben politisch-strategischen führte Schulz-Kampfhenkel im Weiteren koloniale und wirtschaftliche Gründe „für die Besitznahme der Guayanas durch Deutschland“ an. Wirtschaftlich stünden dem Deutschen Reich „wahre koloniale Mustergebiete“ in Aussicht, „wenn wir zusätzliche schwarze Arbeitskräfte aus unseren afrikanischen Kolonien einführen und das vorhandene farbige und halbfarbige Rassengemisch kolonialethnologisch richtig schulen und einsetzen.“ Die Erschließung der geostrategisch günstig gelegenen drei Guayanas brächte „gewaltige Schätze“, auf die Deutschland „ein historisches Anrecht“ habe. Letzteres begründete er mit den Forschungen deutscher Wissenschaftler in der Region: von Alexander von Humboldt, den Gebrüdern Schomburgk und August Kappler – eine Reihe, in der sich Schulz-Kampfhenkel wohl auch selbst gern gesehen hätte. Eine Strategie zur militärischen Besetzung der Guayanas lieferte Schulz-Kampfhenkel gleich mit: Eine mit leichten Waffen ausgerüstete kleinere Kolonialtruppe „von 150 bis 300 Mann“ könne von U-Booten an der brasilianischen Nordküste abgesetzt werden und mit Hilfe „der mir befreundeten […] Indianerstämme“ über Land handstreichartig nach Cayenne vorstoßen. Damit meldete er unverhohlen seinen Anspruch an, an dem Unternehmen in führender Position beteiligt zu werden. Die mit der Landung erfolgende Verletzung der Neutralität Brasiliens kümmerte ihn wenig,
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sie könne „in diesen völlig unerschlossenen Urwaldregionen auch für die Zukunft geheimgehalten werden“. Seine weltmachtpolitischen Überlegungen griffen weit aus, gingen allerdings in einigen entscheidenden Punkten völlig fehl. Vor allem verkannte Schulz-Kampfhenkel die Tatsache, dass die im August 1939 begonnene Phase der deutsch-sowjetischen Annäherung, die zur Zeit der Abfassung von Schulz-Kampfhenkels Guayana-Statement noch anhielt, von taktischer und damit befristeter Natur war. Sie stand auf der Basis von großmachtpolitischen Interessen und im Zeichen des Ausbaus der eigenen Ausgangsposition für den kommenden Krieg gegeneinander. Sie beruhte keineswegs auf gemeinsamen „rassenpolitischen“ Zielsetzungen („antimongolische Politik“) gegen eine „gelbe Gefahr“. Schulz-Kampfhenkels Ausführungen waren hingegen von „rassenpolitischen“ Ambitionen durchdrungen: Deutschlands Aufgabe sei die Führung „aller hochwertigen Rassenelemente“ Europas gegen die „gelbe Blockbildung“ im Osten. Die Geschichte verlief bekanntlich anders, es kam weder zur erhofften „Niederringung der Westmächte gemeinsam mit Russland“, noch mit den USA zur von Schulz-Kampfhenkel beschworenen „Front der weissen Rasse gegen das dann isolierte Japan“. Mit einem Dank Himmlers an Schulz-Kampfhenkel und Peskoller für ihre Vorschläge wurde das „Guayana-Projekt“ in den Akten versenkt.223 Mit der gescheiterten Sibirien-Expedition war dies nun das zweite Projekt, das Schulz-Kampfhenkels Vorstellungen von einer „Auslandsarbeit“ entsprach, aber nicht umgesetzt wurde.
7.3. Der Gesamtplan der Forschungsgruppe Schulz-Kampfhenkel Schulz-Kampfhenkel ließ sich von den Rückschlägen keineswegs entmutigen. Noch am 1. Juni 1940, dem gleichen Tage, an dem das Auswärtige Amt die Einstellung des Sibirien-Projekts verkündete, eröffnete Schulz-Kampfhenkel in einem weiteren Schreiben an Lammers neue Perspektiven für die deutsche Auslandsforschung: Nun träten vor allem „koloniale Aufgaben in den Vordergrund“.224 Mit der Ausarbeitung neuer afrikanischer Forschungspläne habe er bereits begonnen. Was darunter zu verstehen war, geht aus einer als geheim deklarierten, knapp 80-seitigen Denkschrift der „Forschungsgruppe Schulz-Kampfhenkel e.V. Berlin. Leitgedanke, Satzung, Zielsetzung, Forschungsgebiete, Arbeitsplan, Gutachten“ hervor, die Schulz-Kampfhenkel während seines Arbeitsurlaubes an der Universität Würzburg verfasste und am 30. Dezember 1940 an die Reichskanzlei, wenig später an das Oberkommando der Wehrmacht (OKW) und möglicherweise auch an weitere höchste Reichsstellen versandte.225 Anhand der Denkschrift wird zunächst deutlich, dass der Zeitpunkt der Gründung der Forschungsgruppe signifikant für das ganze Unternehmen war. Bis
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zum Sommer 1940 hatte das „Dritte Reich“ alle seine Nachbarstaaten (außer die neutrale Schweiz) seinem Herrschaftsbereich eingegliedert. Nazideutschland war seit Mitte der 1930er Jahre von einem außenpolitischen Erfolg zum nächsten geeilt; nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs folgte eine militärische Unterwerfung eines europäischen Nachbarn auf die andere. Die Expansionsstrategie des „Dritten Reiches“ schien erfolgversprechend und ihren Zenit noch nicht erreicht zu haben. Schulz-Kampfhenkel apostrophierte angesichts dessen „Großdeutschland als Weltmacht und als Führernation Europas“ und folgerte, dass hieraus „der deutschen Forschung eine gewaltige Doppelaufgabe“ erwachse, die er als Leitmotiv dem Programm der Forschungsgruppe voran stellte: „1. aus den Möglichkeiten politischer Macht jetzt die geistige Vormacht der deutschen Kulturnation auf allen Feldern des Wissens zu erkämpfen. 2. die geistige Führerstellung der weißen Rasse durch große Kulturtaten draußen in der Welt vor den Völkern der Erde zu repräsentieren.“226 Die „Leitgedanken“ der programmatischen Denkschrift lassen, abgesehen von ihrem schwülstigen Pathos, in ihrer Banalität ebenso wie in ihrer brutalen Konsequenz an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: Die „geniale politische Führung“ habe mit den Expansionserfolgen des „Dritten Reiches“ der „jungen Generation der Forschung […] die Bahn frei gemacht […] zur vollen Entfaltung“, damit diese der Welt die „Entschleierung des Erdballs als Tat deutschen Geistes […] präsentieren“ könne. Dementsprechend wurde die anvisierte „Auslandsforschung als Funktion deutscher Weltpolitik“ verstanden. Die Denkschrift enthält eine Fülle von Phrasen, die die Rhetorik der Nazipropaganda aufnahmen und deren appellatives Pathos sich geradezu überschlug. Zuweilen rückten Formulierungen auch ins Groteske, etwa wenn davon die Rede war, dass die „aus idealistischem Forschergeist und wikingerhaftem Drang in die Ferne geborenen Taten deutschen Geistes […] unserer Weltmachtstellung zur Geltung“ verhelfen würden. Im Kern aber ging es darum, die Gunst der Stunde zu nutzten, um im Hinblick auf den „militärischen Endsieg“ in Deutschland „eine großzügige Auslandsforschung“ zu etablieren, sowohl um die Stellung Deutschlands als der „traditionsreichste[n] wissenschaftstreibende[n] Kulturnation Europas in der Welt“ zu festigen und so „das letzte noch ausstehende große Kapitel der Erforschungsgeschichte unseres Erdballs von deutscher Hand“ schreiben zu lassen, als auch um „unserer politischen Führung eine exakte Kenntnis der für die Zukunft der Menschheit bedeutungsvollen Reserveräume der Erde (zu) vermitteln“. Darüber hinaus bot die Denkschrift wenig Konkretes. Die Forschungsarbeit sollte geleistet werden entweder in Gestalt kleinerer „Fachexpeditionen“ mit zwei bis sechs Teilnehmern eines Fachgebietes oder als „Großexpeditionen“ mit zehn bis 50 Teilnehmern „der Forschungsfächer Geologie, Vorgeschichte, Geographie, Botanik, Zoolo-
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gie, Rassen- und Völkerkunde, Medizin, Kolonialwissenschaft und Kolonialtechnik und unter großzügigem Einsatz aller technischen Mittel, vor allem von Flugzeugen, Luftbildvermessungen und Luftlandetrupps auf Schleppseglern“. Erforscht werden sollten „großräumige Naturlandschaften“, insbesondere ihre „Erdgeschichte, Klima, Bodengestalt, Pflanzendecke, Tierwelt, Menschenrassen und Kulturen“, um „für eine künftige koloniale Erschließung solcher Räume die biologischen Grundgesetze und Richtlinien zu erarbeiten“. Als das hauptsächliche Aktionsfeld der Forschungsgruppe wurde die „Planung und Durchführung mehrerer Großexpeditionen“ ins Auge gefasst, die „die letzten weißen Flecke der Erde […] mit fanatischer Hingabe in Angriff “ nähmen. Voraussetzung hierfür bleibe die ungehemmte „Privatinitiative tatkrätiger Einzelpersönlichkeiten“, womit Schulz-Kampfhenkel vor allem sich selbst gemeint haben dürfte. Er zeigte sich bereit zu kooperieren „mit der gesamten deutschen Wissenschaft, dem Reichsforschungsrat, der Deutschen Forschungsgemeinschaft, den zuständigen Obersten Reichsbehörden und der deutschen Luftfahrt“. Insofern war die „Forschungsgruppe Schulz-Kampfhenkel“ konzipiert als eine „politisch unverdächtige“ und „äußerlich unabhängige“, jedoch „latent mit allen Ressorts der Staatsführung eng verbundene“ Körperschaft. Wo die „letzten weißen Flecken der Erde“ zu finden seien, war auf einer beiliegenden Weltkarte verzeichnet.227 In den Erläuterungen zu der Karte rangierten an erster Stelle die unerforschten Gebiete „im künftigen Großdeutschen Machtbereich“ in Afrika: „1. im Innern der riesigen Wüstenflächen und Hochgebirge der Sahara zwischen Rio de Oro und Mauretanien und der östlichen lybischen [sic!] Wüste, 2. im Urwald Oberguineas und den angrenzenden Berg- und Savannenländern der Guineaschwelle zwischen Gambia und Goldküste, 3. im zentralafrikanischen Urwaldgebiet Südostkameruns, Franz.-Aequatorialafrikas und des nördlichen Kongostaates“. Sodann folgten Gebiete im „amerikanischen Machtbereich“ nördlich und südlich des Amazonas, im „Sowjetrussischen Machtbereich“ in Sibirien östlich und westlich des Jenissei sowie zwischen Eismeer und Baikalsee; im „japanisch/amerikanischen Interessengebiet“ auf Neuguinea und Borneo; sowie „im Schnittpunkt chinesischer, japanischer, sowjetrussischer und (zur Zeit noch) britischer Interessen“ in Ostturkistan, Westchina und Osttibet. Neben diesen „wichtigen kaum erschlossenen Großräumen“ wurden zudem Gebiete in Patagonien, Labrador, an den Polen, in Arabien und Australien als Forschungsräume markiert. Dieses „Forschungsprogramm“ erscheint in seinen territorialen Ausmaßen ebenso gigantisch wie oberflächlich in seiner Zielrichtung und für einen kleinen privaten Verein mit kaum einem Dutzend Mitgliedern völlig unrealistisch in den Möglichkeiten seiner Durchführung. Von wissenschaftlichen Kenntnissen über die jeweiligen Regionen kaum getrübt, wurden die Prioritäten in dem Programm nahezu ausschließlich von geopolitischen Kriterien bestimmt:
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„Die wissenschaftliche Bedeutung der Forschungsgebiete ist ungefähr gleichwertig. Ihre politische Bedeutung für Deutschland wird aber zu verschiedenen Zeiten auch jeweils verschieden sein. Reihenfolge, Zeitdauer und Intensität ihrer Inangriffnahme – und damit auch das Ziel der ersten deutschen Großexpedition nach Kriegsende – werden deshalb von der weltpolitischen Lage und der Richtung der dann vordringlichsten außen- und kolonialpolitischen Interessen unserer politischen Führung bestimmt werden.“ In Sprache und Wortwahl und in der vordergründigen Anlehnung an die politische Lage zielte Schulz-Kampfhenkel unverkennbar auf eine wohlwollende Aufnahme seiner Pläne bei den politischen Entscheidungsträgern. Dem dienten auch die beigelegten, durchweg positiven Gutachten von einigen im NS-Wissenschaftssystem gewichtigen Gelehrten.228 Auf eine institutionelle Ungebundenheit sowohl gegenüber dem Wissenschaftsbetrieb als auch der Politik bedacht, suchte und fand SchulzKampfhenkel seinen Platz zwischen den beiden Subsystemen in einer Funktion, die man in gewisser Weise als Expeditionsmanager bezeichnen könnte. Gleichwohl bleibt festzuhalten, dass zu diesem Zeitpunkt „Forschung“ noch der zentrale Begriff seiner Aktivitäten bzw. in den von ihm erstellten Expeditionskonzeptionen war. Das sollte sich bald ändern.
7.4. Ein neues Afrika-Unternehmen Zusammen mit den Leitgedanken der „Forschungsgruppe Schulz-Kampfhenkel“ übersandte Schulz-Kampfhenkel an Reichskanzlei-Chef Lammers einige Ausführungen, in denen er die Zielsetzungen der Forschungsgruppe konkretisierte in Bezug auf ein Aktionsfeld für seine „Auslandsforschung“, auf dem er bereits als Student Erfahrungen gesammelt hatte. Die „Ausarbeitung zweier afrikanischer Forschungspläne“ hatte er bereits im Juni 1940 angekündigt.229 Ende 1940, ein halbes Jahr später, fixierte Schulz-Kampfhenkel für die Reichskanzlei den neuen Stand seiner Planungen: „Das afrikanische Expeditionsprojekt. Seit Zurückstellung des Sibirienplanes wurde für den, Deutschland vordringlich interessierenden, afrikanischen Raum das Expeditionsprojekt einer ‚Forschungsachse‘ in Arbeit genommen, die in Nord-Süd-Richtung von den unerforschten Hochgebirgsgebieten der zentralen Sahara zu dem erst teilweise erschlossenen Innern des Kongo-Urwaldes zu denken ist. Längs dieser Forschungslinie, die vom Mittelpunkt der totalen Wüste bis zum Mittelpunkt des totalen tropischen Pflanzenwuchsgebietes alle Landschaftsformen des Erdteils und ihre Übergänge schneidet, wird in festen Arbeitslagern (die durch Flugzeuge, Spezialkraftwagen und Karawanen miteinander in Verbindung stehen) der zentralafrikanische Rohstoffraum im Zusammenwirken aller Forschungsfächer (Geologie, Geographie, Meteorologie, Botanik, Zoologie, Rassen- und
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Holger Stoecker Völkerkunde, Medizin, Kolonialwissenschaften) nach übergeordneten theoretisch-wissenschaftlichen, kolonialwirtschaftlichen und strategischen Gesichtspunkten in gründlicher analytischer Einzelarbeit mit synthetischer Zielsetzung unter Einsatz aller technischer Hilfsmittel durchforscht werden. Vor allem wird hierbei (in Zusammenarbeit mit dem Bereich des Herrn Reichsministers Dr. Todt) die forschende Vorarbeit für unsere (im etwaigen Fall einer langjährigen Fernblockade Europas durch Amerika und die englischen Dominien) vordringlichste kolonial-strategische Aufgabe zu leisten sein: die Auffindung der, die verwehungsfreien Fels-, Salzkrusten- und Gebirgspartien der Sahara nützenden Trasse für die (in den möglichst kurz zu querenden Sanddünenstrecken unterirdisch und so verwehungssicher zu legende) transsaharische Auto- oder Eisenbahn1), die sobald als irgend möglich den äquatorial-afrikanischen Rohstoffraum (vor allem die Erz- und Viehzuchtgebiete des Niger-Bogens) unabhängig von den Seewegen an Europa anschliessen muss.230 […] Finanzielle Grundlegung für die laufenden Vorarbeiten der Forschungsgruppe. Die vorbereitende Arbeit der Forschungsgruppe wird gegenwärtig ausschließlich aus dem ‚Arbeitsfond Schulz-Kampfhenkel und Gerd Kahle‘ finanziert, der aus dem Film- und Bucherlös der Amazonas-Expedition geschaffen wurde. Diese Summen reichen für die jetzt einsetzende Ausweitung der Arbeit nicht aus. Die jetzt dringend nötige finanzielle Fundamentierung der Forschungsgruppe ist durch ihre Rechtsform als eingetragener Verein mit meinem Grundsatz geringstmöglicher Inanspruchnahme von Reichsmitteln vereinbar durch Heranziehung von Wirtschaftskreisen als fördernde Mitglieder. Diese Gewinnung der Privatwirtschaft zur Mitarbeit wird erfolgen 1.) aus dem ideellen Argument der kulturpolitischen Notwendigkeit deutscher Forschungsleistungen in der Welt, 2.) (und vor allem!) aus dem materiellen Argument der unmittelbaren Werteschaffung durch Forschungs-Expeditionen für die deutsche Wirtschaft selbst, a) durch zündende Export-Propaganda mittels technisch hochgerüsteter Expeditionen in unseren natürlichen Absatzländern, b) durch unverfängliche Erkundung der letzten großen, noch unerschlossenen rohstoffreichen Reserveräume Asiens, Afrikas und Südamerikas (für die deutsche Wirtschaftspolitik der ferneren Zukunft).“231
Schulz-Kampfhenkel gelang es, Lammers, den engen Berater Hitlers, als Förderer seiner hochfliegenden Pläne zu gewinnen. Der Chef der Reichskanzlei und seine Beamten wurden nun zu seinen bevorzugten Ansprechpartnern. In den folgenden Monaten antichambrierte Schulz-Kampfhenkel mit Protegierung durch Lammers offenbar überzeugend bei höchsten Stellen des NS-Staates, um sich die politische und finanzielle Unterstützung wichtiger staatlicher Ressorts für sein „afrikanisches Forschungsunternehmen“ zu sichern. Zugleich arbeitete er weiter – parallel zur Fertigstellung seiner Dissertation – am Plan der Expedition.
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Im Juni 1941 reagierte das Reichsamt für Wirtschaftsaufbau, dem der Plan SchulzKampfhenkels zur Prüfung durch den Generalstab der Luftwaffe vorgelegt worden war, äußerst positiv auf das afrikanische Expeditionsprojekt. Einer seiner Beamten meldete an die Vierjahresplan-Behörde, deren Hauptaufgabe die Bereitstellung von kriegswichtigen Roh- bzw. Ersatzstoffen war: „Im Hinblick auf die Rohstoffversorgung zur Sicherung der einheimischen industriellen Erzeugung insbesondere an pflanzlichen und tierischen Rohstoffen für die weiterverarbeitende Industrie halte ich es für dringend notwendig, dass die vorgesehenen Forschungsarbeiten so rasch wie möglich in Angriff genommen werden. Ich bitte Sie deshalb, alle Ihnen geeignet erscheinenden Schritte zu unternehmen, um die allein noch fehlende Bereitstellung der für das Unternehmen unentbehrlichen Forschungsflugzeuge herbeizuführen. Die Ausweitung des deutschen Wirtschaftsraumes in Europa bedingt zwangsläufig einen sehr schnell steigenden Bedarf an Rohstoffen. Es sind deshalb alle Massnahmen unverzüglich zu ergreifen, die ein baldmöglichstes Einbeziehen des afrikanischen Raumes in die deutsche Rohstoffsicherung rechtzeitig in die Wege leiten. Die vorgesehenen Arbeiten der Forschungsexpedition dienen diesem Ziele.“232
Damit war das Eis gebrochen. Nun zeigte auch das OKW an der „Expedition nach Zentral Afrika starkes Interesse und legt[e] auf beschleunigte Durchführung und baldige Beendigung der Vorbereitungen entscheidenden Wert. Alle zivilen und militärischen Stellen werden gebeten, die Vorbereitungen der Expeditionen nach jeder Richtung hin zu fördern und zu unterstützen. Die Verbindung mit dem Oberkommando der Wehrmacht ist nur höchsten Dienststellen unter Hinweis auf Geheimhaltung bekanntzugeben.“233 Schulz-Kampfhenkels Vorhaben erfuhr eine erhebliche Beschleunigung. Gleichwohl waren an Schulz-Kampfhenkels Afrika-Expedition keineswegs nur militärische Stellen interessiert. Deren Beteiligung war zwar augenscheinlich eine entscheidende Voraussetzung für die Durchführung der Expedition, diese sollte aber nicht publik werden. So war denn auch die Finanzierung der Expedition, um die sich Schulz-Kampfhenkel selbst bemühte, soweit erkennbar ausschließlich durch zivile Stellen geplant: „Der Hauptteil der Finanzierung ist durch Zusagen des Reichsforschungsrates (Sektionschef Prof. Dr. Konrad Meyer), des Reichswirtschaftsministeriums (Ministerialdirektor Dr. Schlotterer), des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda (Staatssekretär Gutterer), der Stadt Frankfurt a/M (Staatsrat Dr. Krebs)234 sichergestellt. Diese Beteiligung gliedert sich in einen einmaligen Beitrag für das erste Expeditionsjahr und falls die Expeditionsdauer ein Jahr überschreitet – darüberhinaus nach erfolgreicher Teildurchführung in einen monatlichen
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Zuschuss bis auf weiteres. […] Die Stunde der Verwirklichung des ersten grossen Expeditionsplanes unserer Forschungsgruppe ist jetzt gekommen. Durch die Beteiligung der oben genannten Ressorts sind die Interessen der deutschen Wissenschaft, Aussenwirtschaft, Propaganda und afrikanischen Forschungstradition (FrobeniusKreis Frankfurt a/M) in dem Unternehmen vertreten.“235 Bald darauf hatte Schulz-Kampfhenkel die Finanzierung der Expedition beisammen. Zu den von ihm allein für das erste Jahr der „Großexpedition“ veranschlagten gigantischen Kosten von 276.400 RM war das Reichswirtschaftsministerium bereit, 50.000 RM beizusteuern236, ebenso das Goebbels’sche Propagandaministerium237. Beide Ministerien stellten zudem einen monatlichen Zuschuss von 2.500 RM nach Ablauf des ersten Expeditionsjahres in Aussicht. Lammers selbst gewährte als Chef der Reichskanzlei ebenfalls „mit Ermächtigung des Führers […] zur Durchführung der von Ihrer Forschungsgruppe geplanten Großexpedition nach Zentralafrika für das erste Expeditionsjahr den Betrag von 50.000 RM“, auch hier mit der Option zur Förderung nach Ablauf des ersten Jahres.238 Durch die Vermittlung der Reichskanzlei reservierte Reichswirtschaftsminister Walther Funk darüber hinaus den gigantischen Kapitalbetrag von einer Million RM, dessen Zinsertrag für die Forschungsarbeiten von Schulz-Kampfhenkel zur Verfügung stand.239 Erfolgreich verlief ebenso ein Gespräch Schulz-Kampfhenkels mit dem Präsidenten der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Ministerialdirektor Rudolf Mentzel, und dem Leiter der Kolonialwissenschaftlichen Abteilung im Reichsforschungsrat, Günter Wolff, am 14. Juni 1941. Schulz-Kampfhenkel erklärte es bei dieser Gelegenheit zu seinem Lebensziel, „dass das letzte noch ausstehende Kapitel der Erforschungsgeschichte unseres Erdballs von deutscher Hand geschrieben wird“. Dabei lasse er sich von dem Gedanken leiten, „dass große Forschungstaten in fremden Ländern nicht von einer übergeordneten Zentralstelle staatlich kommandiert werden können, sondern allein aus der schöpferischen Initiative und ungehemmten Kräfteentfaltung von Einzelmenschen erwachsen, die sich ihrem Werk auf Gedeih und Verderb verschrieben haben und als Fanatiker ihrer Idee über die wissenschaftliche Leistung hinaus“ dienen. Vorbilder hierfür seien ihm u. a. der Tibet-Forscher Ernst Schäfer und der Afrikaforscher Ludwig Kohl-Larsen – beide eng mit dem NS-System verbunden. Neben der internationalen Anerkennung, die sich auf diese Weise für die deutsche Wissenschaft erreichen ließe, gelte es aber zugleich, in den fernen Ländern die Möglichkeiten politischer Wirkungen zu nutzen: „Planmässige Knüpfung und Pflege persönlicher Fäden zur geistigen Oberschicht der bereisten Länder, Schaffung deutscher Forschungstraditionen in ihnen, Erkundung von Rohstoffräumen, neuer Boden- und Luftverkehrslinien, Exportpropaganda durch sensationellen Einsatz technischer Ausrüstungen (wie Spezialflugzeuge und -Kraftwagen, Luftlandetrupps, Fernkameras
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usw.), Schaffung zündenden weltkundlichen Dokumentar- und Kulturfilm-, Presse-, Bild-, Rundfunk- und Ausstellungsstoffes für unsere heimische Volkserziehung zu grossräumigen Denken – dies sind die zusätzlichen Aufgaben, die richtig geplante und geführte Expeditionen der Zukunft zu leisten haben!“ Hierfür müsse man mit einer Vielzahl interessierter staatlicher Stellen „zwar in befruchtendem Gedankenaustausch zusammenarbeiten, das Primat wissenschaftlicher Forschung aber um jeden Preis wahren.“ Letzteres war offensichtlich ein Kotau vor seinen Gesprächspartnern, die beide bedeutende Positionen in der Wissenschaftsadministration bekleideten. Schulz-Kampfhenkel schloss mit dem Leitsatz: „Tilgung der letzten weissen Flecke des Erdballs als geistige Aufgabe deutscher Weltpolitik!“240, mit dem er für die wissenschaftliche Aneignung fremder Territorien als Voraussetzung für ein „gestaltendes Ausgreifen der Deutschen in die Welt“241 warb. Was Schulz-Kampfhenkel hier reichlich kraftmeierisch entwarf, lief in der Konsequenz darauf hinaus, seine „Forschungsgruppe“ im Gefüge des deutschen Wissenschaftsbetriebes als eine Planungs- und Koordinierungsinstanz für deutsche Expeditionen auszubauen. Inwieweit diese zur Kolonialwissenschaftlichen Abteilung des Reichsforschungsrates, die sich gerade als zentrale Koordinationsstelle der deutschen Kolonialwissenschaften etabliert hatte, in Allianz oder Konkurrenz gestanden hätte, bleibt offen.242 Mit dem Anstoß zu einer derartigen Einrichtung folgte Schulz-Kampfhenkel mithin einem institutionellen Trend der Zeit. In benachbarten Wissenschaftsbereichen waren zum Beispiel mit den „Volksdeutschen Forschungsgemeinschaften“ oder der „Aktion Ritterbusch“ bereits Großforschungsverbünde gebildet worden.243 Die Darlegungen des inzwischen 30-jährigen Nachwuchsforschers SchulzKampfhenkel hatten den DFG-Präsidenten Mentzel wohl stark beeindruckt. Mentzel gehörte jener neuen jungen aufstrebenden nationalsozialistischen Elite an, die das intellektuell-politische Ferment des „Dritten Reiches“ bildete.244 Hier nun hatten sich offenbar zwei verwandte Geister gefunden. Jedenfalls war Mentzel von SchulzKampfhenkel und seinen Ausführungen derart eingenommen, dass er ihm die spätere Einrichtung einer „Stelle für Expeditionswesen“ in der DFG in Aussicht stellte.245 Zunächst aber stellten Mentzel und Wolff aus Mitteln der DFG 30.000 RM für das erste Jahr der von Schulz-Kampfhenkel geplanten Afrika-Expedition bereit, mit der Option auf weitere Förderung.246 Kurz darauf verkündete Günter Wolff, dass der gemeinsame Einsatz von kämpfendem Soldaten und forschendem Wissenschaftler in Afrika nun kurz bevorstehe. Er fügte hinzu: „Die jetzt zwischen der Kolonialwissenschaftlichen Abteilung des Reichsforschungsrates und der Abteilung Wissenschaft des Oberkommandos der Wehrmacht eingeleitete enge Zusammenarbeit wird zweifellos die Überleitung des Schwergewichts der Forschungsarbeit auf die Feldforschung im afrikanischen Raum
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beschleunigen.“247 Je näher die Errichtung eines deutschen Kolonialreiches in Afrika nach dem Beginn des Zweiten Weltkrieges zu rücken schien, desto notwendiger erschien die Allianz zwischen Wissenschaft und Militär: „Der deutsche Wissenschaftler wird der erste sein, der dem deutschen Soldaten auf dem Fuße folgt, und zwar der Forscher, der als Mediziner, Naturwissenschaftler, Geograph, Geologe, Techniker, ja auch Geisteswissenschaftler in anstrengender, entsagungsreicher Feldforschung […] seine Arbeit durchführt – so, wie wir es heute bereits auf Teilgebieten der Kolonialforschung in Nordafrika im Zusammenwirken der kämpfenden Truppe und der arbeitenden Forscher erleben.“248 Die Vision Wolffs vom Einsatz der akademischen Afrikaforschung unmittelbar hinter der kämpfenden Truppe blieb zwar letztendlich realhistorisch eine propagandistische Leerformel. Sie war aber in ihrer Verheißung und voluntaristischen Überschätzung der Möglichkeiten des nationalsozialistischen Deutschland nicht ungewöhnlich für das Denken in weiten Teilen der politischen Amtsträgerschaft des „Dritten Reiches“. Wolffs Vision von der deutschen Kolonialforschung enthielt zudem in der Person von Schulz-Kampfhenkel durchaus einen konkreten Bezug. Der Einstieg der Wehrmachtführung in die Expeditionsplanungen SchulzKampfhenkels führte zu einer entscheidenden inhaltlichen Präzisierung. Im Juni 1941 berichtete Schulz-Kampfhenkel an Lammers über das zur „Geheimen Kommandosache“ avancierte Aufklärungsunternehmen: „Die ursprünglich nach Kriegsende geplante afrikanische Expedition wird z. Zt. unter dem Leitgedanken ‚Kriegseinsatz eines wissenschaftlichen Forschungstrupps im afrikanischen Raum‘ im Einvernehmen mit obersten Reichsbehörden und dem Oberkommando der Wehrmacht beschleunigt vorbereitet. Ihr Ziel ist die wissenschaftlich unterbaute militärische Erkundung geographisch noch ungenügend bekannter Gebiete Zentralafrikas und der südlichen Sahara. Die Organisation des Unternehmens, das 42 Teilnehmer umfassen und mit Kraftwagen, Motor- und Segelflugzeugen ausgerüstet sein wird, liegt in Händen der Forschungsgruppe S.-K.“249
Dem Schreiben legte Schulz-Kampfhenkel eine weitere Denkschrift „über den geplanten neuartigen Einsatz des Segelflugzeuges als Forschungsmittel“ bei.250 Sie war eigentlich als Ergänzung zur Forschungsgruppen-Denkschrift vom Dezember 1940 gedacht, weswegen sie noch keine konkreten militärischen Bezüge enthielt, aber nun passte sie hervorragend zum neuen Afrika-Vorhaben. Ohnehin vertrat SchulzKampfhenkel seit längerem die Auffassung, dass „die Luftfahrt in noch breiterem Masse als bisher entscheidend wichtiger Sekundant der Wissenschaft sein“ werde.251 Die Ausarbeitung trug den Titel „Der expeditionsmässige Einsatz des Segelflugzeu-
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ges zur Erforschung unerschlossener Gebiete der zentralen Sahara und des Kongogebietes“. Ihr Verfasser war Dr. Ernst Frowein, ein Segelflughauptlehrer und amtlicher Luftfahrtsachverständiger aus Freiburg i.Br., der sich 1941 der Forschungsgruppe angeschlossen hatte und bis zum Kriegsende mit Schulz-Kampfhenkels weiteren militärischen Unternehmungen verbunden blieb.252 Frowein erläuterte in seiner sehr technisch ausgerichteten Denkschrift vor allem die Vorteile des Segelflugzeugs als Personen- und Lasttransporter für Forschungsexpeditionen, die er vor allem in den guten Landeeigenschaften in unzugänglichem Gelände (Wald, Wasser, Sahara) sah. Zudem legte er die Einsatzmöglichkeiten des Segelflugs für wissenschaftliche Forschungsaufgaben in den Waldgebieten Zentralafrikas und in der Sahara dar. Hierzu zählte er meteorologische, physikalische und medizinische Untersuchungen. Darüber hinaus sei das Segelflugzeug ein hervorragendes Mittel der kulturpolitischen Propaganda. Auch seien die Wetterverhältnisse über der Sahara und dem Kongo für das „Erfliegen sportlicher Höchstleistungen“ geeignet, die „im Auslande stets mit grosser Begeisterung aufgenommen“ würden.253 Anhand der Darlegungen ließen sich militärische Einsatzmöglichkeiten des Segelflugs, etwa bei der Luftaufklärung oder dem Transport kleinerer Einsatzgruppen, mühelos ergänzen. Das Projekt einer kolonialwissenschaftlichen Großexpedition nach Zentralafrika war nicht – wie sämtliche Expeditionspläne Schulz-Kampfhenkels aus den Jahren zuvor – in der Schublade gelandet, sondern befand sich unmittelbar vor seiner Umsetzung. Gleichwohl war aus dem Expeditionsprojekt auf dem Weg durch die politischen und militärischen Instanzen des Krieg führenden nationalsozialistischen Deutschlands, aber auch unter tatkräftiger Mitwirkung von Schulz-Kampfhenkel selbst, nach und nach ein militärischer Erkundungsauftrag geworden. Im November und Dezember 1941 nahm er an einem Vorkommando in Italien, Libyen und Griechenland teil; am 1. April 1942 wurde er als Führer der Gruppe „Forschung“ des „Sonderkommandos Dora“ zum OKW versetzt.254 Die Spezialausrüstung, die aus den Zuwendungen der verschiedenen Reichsstellen angeschafft worden war, verkaufte die „Forschungsgruppe“ dem OKW mit der Option, sie nach dem Ende der militärischen Auseinandersetzungen in Afrika zurückzuerhalten. Zugleich sicherte sich Schulz-Kampfhenkel das ausschließliche Recht der späteren „Auswertung der Gesamtausbeute, die neben den eigentlich rein militärischen Ergebnissen anfällt, und die von wissenschaftlicher und kultureller oder sonstiger staatspolitischer Bedeutung ist“.255 Dies hieß, Schulz-Kampfhenkel integrierte sich und seine „Forschungsgruppe“ als Sondereinheit für eine nicht näher bestimmte, aber begrenzte Zeit in den militärischen Verband der Wehrmacht in Nordafrika. Seine Aufgabe war es, zur militärischen Aufklärung des Operationsgebietes des deutschen Afrika-Korps beizutragen, wodurch die „Forschungsgruppe“ einen exklusiven
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Zugang zu strategischen Kenntnissen über diese Region erhielt. Zugleich behielt er sich die private Verwertung der über den militärischen Bedarf hinausreichenden, in erster Linie kartographischen Informationen vor. Für den Fall, dass es Deutschland und seinem Verbündeten Italien gelungen wäre, diese Region für längere Zeit in den Machtbereich der Achsenmächte einzugliedern – wovon man seinerzeit nicht nur im Umkreis Schulz-Kampfhenkels mit Bestimmtheit ausging256 – wäre dies ein kommerziell außerordentlich lohnendes Geschäft geworden.257 Unter vorwiegend kriegswirtschaftlichen Gesichtspunkten stand auch ein weiterer Plan zu einer Expedition, diesmal in das Petschora-Gebiet im nördlichen Ural. Den Plan arbeitete Schulz-Kampfhenkel im Sommer 1941 aus, unmittelbar nach dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion. Schulz-Kampfhenkel hatte von Ludwig „Leonid“ Breitfuss, einem deutschen Polarforscher mit russlanddeutschen Wurzeln, erfahren, dass in diesem Gebiet etwa 1,5 Millionen wilde Rentiere lebten. Diese wollte Schulz-Kampfhenkel als „wesentliche Fleischreserve für die Ernährung von Europa“ mobilisieren. Wie Günter Caulier-Eimbcke, der Geschäftsführer der „Forschungsgruppe Schulz-Kampfhenkel“, 1947 seinen britischen Vernehmern berichtete, war die Petschora-Expedition für den Fall vorgesehen, dass das Gebiet von deutschen Truppen besetzt werden würde. Infolge des Kriegsverlaufs stand die Expedition dann nicht mehr zur Debatte und Schulz-Kampfhenkel verzichtete darauf, den Plan einzureichen. Allerdings wurde im Winter 1941/42 von der Forschungsgruppe eine Expedition in das norwegische Lappland durchgeführt, die die Verwertungsmöglichkeiten von Rentierfleisch erkunden sollte.258
Fazit Im fachwissenschaftlichen Diskurs seiner Zeit hat Schulz-Kampfhenkel keine Rolle gespielt. Er war nie Mitarbeiter einer wissenschaftlichen Institution. Zur kognitiven Funktion der Forschung hat Schulz-Kampfhenkel allenfalls insofern beigetragen, als dass die auf seinen Reisen gesammelten, erworbenen und wohlmöglich auch geraubten Objekte zum allergrößten Teil in Berliner und weitere Museen gelangt sind und damit der ethnologischen und zoologischen Forschung wie auch einer bildungsbeflissenen Öffentlichkeit grundsätzlich zur Verfügung stehen.259 Eigene Forschung im Sinne von Analyse und Vergleich hat er auf seinen Expeditionen und danach jedoch nicht geleistet. Auch haben seine Publikation in der Presse und seine beiden Expeditionsbücher keinen wissenschaftlichen Charakter.260 Sie fanden jedoch, wie auch sein Film über die Amazonas-Jari-Expedition, ein breites Publikum. Schulz-Kampfhenkels Selbstinszenierungen und seine Beschreibung des Dschungels standen für einen
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Blick, der vor allem auf der Suche nach Beute ist: Tiere, Bilder, und schließlich der gesamte Raum. Ein derart gerichteter Blick war ohne weiteres kompatibel mit militärischen Zielen. Insofern war es sicher kein Zufall, dass gerade ein solch schillernder „Forscher-Typus“ wie Schulz-Kampfhenkel, dessen Habitus vor allem von einem besitzergreifenden und weniger von einem teilnehmenden Interesse gegenüber dem Fremden geprägt war, derart erfolgreich agieren konnte während des „Dritten Reiches“, in dem das Interesse an der Rückgewinnung eines kolonialen Raums in Afrika in weiten Teilen von Politik und Wissenschaft bis zum Schluss virulent blieb. Ebenso interessant ist Otto Schulz-Kampfhenkels Vita hinsichtlich der sozialen Funktion von Wissenschaft. Die Tatsache, dass die Förderung Schulz-Kampfhenkels durch maßgebliche Stellen sowohl der deutschen Wissenschaftspolitik als auch der politischen Führung kaum von kritischen Fragen begleitetet wurde, macht deutlich, welche große Rolle außerwissenschaftliche Gesichtspunkte in der Forschungsförderung spielten, in diesem Falle eine geschickte Selbstdarstellung und eine dem politischen System kompatible Rhetorik des Antragstellers. In der Förderpolitik der DFG trat diese Tendenz deutlich zutage mit dem Niedergang des Fachgutachterwesens und der Selbstverwaltung, der mit der Einbindung der DFG in die NS-Wissenschaftspolitik und der Einrichtung des Reichsforschungsrates einsetzte. Schulz-Kampfhenkel stellte in den Denkschriften für seine Expeditionen wiederholt das breite Spektrum der beteiligten wissenschaftlichen Disziplinen heraus. Dieses Vorgehen ist offensichtlich von keiner Seite je kritisiert worden und zählte wohl damals, als interdisziplinär angelegte Forschungsverbünde in großem Stil aufgezogen wurden (Kolonialwissenschaftliche Abteilung des Reichsforschungsrates, „Kriegseinsatz der Geisteswissenschaften“, SS-Forschungsgemeinschaft „Das Ahnenerbe“), offensichtlich zu den erfolgreichen innerwissenschaftlichen Strategien. Dies kann als ein Indiz für die als modern empfundene disziplinäre Polyzentrik der deutschen Auslandsforschung in den dreißiger und frühen vierziger Jahre gelten. Im Unterschied zu den ungeschriebenen Förderkriterien der Weimarer Zeit sprach die Juvenilität Schulz-Kampfhenkels nun eher für ihn. In dem vorhergehenden Wissenschaftsmilieu wäre sie ihm eher als Unerfahrenheit und Nachteil ausgelegt worden. Seinen Vorteil erkennend, setzte er ihn in seiner Antrags- und Berichtsprosa wiederholt und gezielt ein. Die dem Nationalsozialismus innewohnende Dynamik wurde von manchem, der sich im Gravitationsfeld des nationalsozialistischen Wissenschaftsbetriebes bewegte, als gesellschaftlicher Aufbruch und als persönliche Karrierechance verstanden und mitgetragen. Ohne ihre Beachtung bliebe das Verständnis der Bindungen von Wissenschaftlern an das totalitäre und zuteilen antiintellektualistische System des Nationalsozialismus unvollständig.261
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Im Jahr 1910 geboren, gehörte Schulz-Kampfhenkel der „Kriegsjugendgeneration“ (Ulrich Herbert) an. Unter den Angehörigen dieser Generation war die Zahl derer, die das NS-Regime vorbehaltlos unterstützten, viel höher als bei älteren, nationalkonservativen Vertretern der durch das Kaiserreich sozialisierten Akademiker. Eine akademische Ausbildung, beruflicher Ehrgeiz und Aufstiegswille waren Kennzeichen dieser „Generation des Unbedingten“ (Michael Wildt). Viele ihrer Angehörigen nahmen frühzeitig völkisches, militantes, antiliberales und antipluralistisches Gedankengut auf, und standen dem Nationalsozialismus 1933 als eine in seinem Sinne politisierte und folgebereite akademische Elite zur Verfügung.262 Auch Schulz-Kampfhenkels Laufbahn basierte auf diesen Merkmalen. Bei seinen Expeditionsunternehmungen zeigte er vor allem dreierlei: einen pragmatischen und geschickten Umgang mit Autoritäten in Staat und Gesellschaft, einen hohen Ehrgeiz und ein enormes Organisationstalent bei der Vorbereitung und Durchführung der Expeditionen sowie Geschick bei der anschließenden Vermarktung der Reisen in der medialen Öffentlichkeit sowie gegenüber politischen Funktionsträgern. Seine Denkschriften und Memoranden sind Zeugnisse einer von Großspurigkeit geprägten, sich an sich selbst berauschenden Sprachkultur, wie sie in der NS-Zeit typisch war und die ihre Wirkung unter den Zeitgenossen Schulz-Kampfhenkels nicht verfehlte. In seiner Rhetorik überwogen Fragen der organisatorischen Machbarkeit und des persönlichen Ehrgeizes gegenüber inhaltlichen Begründungen von Forschungszielen. Im Fall Schulz-Kampfhenkels offenbart ein genauerer Blick, dass seine Selbstinszenierungen sowohl als „Häuptling“ unter Afrikanern im liberianischen Tropenwald als auch als Abgesandter des „Großen Vaters der Wissenschaft“ im brasilianischen Dschungel deutlich kontrastierten mit seiner Existenz als akademischer Außenseiter in Deutschland.
Anmerkungen 1
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Vgl. Ulrich Moritz/Agnieszka Pufelska/Hanns Zischler (Hg.): Vorstoß ins Innere. Streifzüge durch das Berliner Museum für Naturkunde, Berlin 2010; Ferdinand Damaschun/Sabine Hackethal/Hannelore Landsberg/Reinhold Leinfelder (Hg.): Klasse, Ordnung, Art. 200 Jahre Museum für Naturkunde, Rangsdorf 2010. Rudolf Schmidt: Eberswalde, sein Wachsen und Werden, Berlin 1925, S. 3. Aufgrund des Waldreichtums in ihrer Umgebung entwickelte sich die Stadt im 19. Jahrhundert darüber hinaus zu einem Zentrum der deutschen Forstwissenschaft. Vgl. Rüdiger vom Bruch: Wissenschaftliches Umfeld oder ausbildungspraktische Umwelt? Zur Standortfrage einer jungen Disziplin am Beispiel der Berliner Forstwissenschaft im frühen 19. Jahrhundert, in: Jürgen Büschenfeld (Hg.): Wissenschaftsgeschichte heute. Festschrift für Peter Lundgreen, Bielefeld 2001, S. 38–61.
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Vgl. Jubiläums-Preisbuch der Firma Bienen-Schulz Eberswalde. Herausgegeben anlässlich des 50jährigen Bestehens der Firma Otto Schulz (Bienenschulz), Buckow, Kr. Lebus, Eberswalde 1925. – Schulz-Kampfhenkel hat seine Abkunft aus seiner begüterten Familie in seinen späteren autobiographischen Darstellungen stets verschwiegen. Kreisarchiv Barnim Eberswalde, Gemeinde-, Grund- und Bauplatzsteuerakte, A.II.Hist AE 4583. Vgl. Bundesarchiv (BArch) Berlin, ehem. BDC, Akte SSO Otto Schulz-Kampfhenkel, VBS 286, 6400041625 (unp.); Berliner Adressbücher 1900–1943, http://adressbuch.zlb.de/, 28.8.2010. In der Villa befindet sich heute ein privates Therapiezentrum: http://www.buckower-therapiezentrum.de/index.shtml, 1.10.2010. Vgl. die Schulzeugnisse von Otto Schulz, Otto Schulz-Kampfhenkel-Stiftung Hamburg; Schulz-Kampfhenkel: Lebenslauf, undatiert [1938], BArch Berlin, ehem. BDC, Akte SSO Otto Schulz-Kampfhenkel, VBS 286, 6400041625; Lebenslauf, undatiert [Herbst 1943], ebd., F 5124. Hans Borgelt: Der lange Weg nach Berlin. Eine Jugend in schwieriger Zeit, Berlin 1991, S. 148 f. Schulz-Kampfhenkel: Kurzgefasste Denkschrift über Beweggründe, Ziele und Form einer geplanten zoologischen Forschungsreise in die Waldgebiete des nordöstlichen Amazonasbeckens, 20.3.1935, BArch Berlin, R 4901/2541, Bl. 5. Vgl. Schulz-Kampfhenkel: Lebenslauf, 20.3.1935, ebd., Bl. 10. Ich danke Christian Leuchter und Manuel Rösch (beide Freiburg) für vertiefende Informationen über die Geschichte der Burschenschaft Franconia Freiburg. Vgl. Verzeichnis der Mitglieder der Burschenschaft „Frankonia“ zu Freiburg, Juli 1932, o.O.o.J., S. 18; Verzeichnis der Mitglieder der Burschenschaft Alemannia-Marburg /Burschenschaft Franconia-Freiburg. Stand: Januar 1963, o.O.o.J., S. 154; Verzeichnis der Mitglieder der Burschenschaft Alemannia-Marburg /Burschenschaft Franconia-Freiburg. Stand: Oktober 1969, o.O.o.J., S. 154. Vgl. Wolfgang Kreutzberger: Studenten und Politik 1918–1933. Der Fall Freiburg im Breisgau, Göttingen 1972, S. 83–86. Vgl. dazu allgemein Ulrich Herbert: Best. Biographische Studien über Radikalismus, Weltanschauung und Vernunft 1903–1989, Bonn 2001, S. 51–102; Michael Wild: Generation des Unbedingten. Das Führungskorps des Reichssicherheitshauptamtes, Hamburg 22008, S. 67–142. Herman Haupt (Hg.): Handbuch für den Deutschen Burschenschafter, Frankfurt am Main 1925, S. 118. Vgl. Georg Vogel: 1919 bis 1932, in: Festschrift zum 100. Stiftungsfest der Freiburger Burschenschaft Franconia. Bearbeitet und zusammengestellt von Helmut Sieber, Freiburg i.Br. 1977, S. 54–66. Vgl. Hans-Heinrich Jeschek: 1933 bis 1939, ebd., S. 66–74; Verzeichnis der Mitglieder der Burschenschaft Alemannia-Marburg /Burschenschaft Franconia-Freiburg. Stand: Oktober 1969, o.O.o.J., S. 172. Vgl. [Otto] Schulz-Kampfhenkel: Das Dschungel rief. Zoologie-Student, Tierfänger, Urwaldjäger in liberianischer Wildnis, Berlin 1933, S. 13. Bei der Tiergroßhandlung handelte es sich wahrscheinlich um Scholze & Pötzschke in der Alexanderstraße 12, welche ein Spezial-
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haus für Reptilien führte und in ihrem Briefkopf damit warb, „größtes und ältestes Geschäft der Branche“ in Berlin zu sein. Vgl. auch den Beitrag von M. Ohl in diesem Band. 18 Schulz-Kampfhenkel: Das Dschungel rief, S. 26. Diesem Buchbericht Schulz-Kampfhenkels über seine zweite Afrika-Reise nach Liberia 1931/32 ist ein kurzer Abschnitt über seine erste Afrika-Reise nach Tunesien 1930 vorangestellt. 19 Vgl. Schulz-Kampfhenkel: Lebenslauf, 20.3.1935, BArch Berlin, R 4901/2541, Bl. 10; Schulz-Kampfhenkel: Lebenslauf, undatiert [1938], BArch Berlin, ehem. BDC, Akte SSO Otto Schulz-Kampfhenkel, VBS 286, 6400041625. 20 Vgl. Nationale für ordentliche Hörer der philosophischen Fakultät Sommersemester 1931, Universitätsarchiv Wien. 21 Schulz-Kampfhenkel: Lebenslauf, 20.3.1935, BArch Berlin, R 4901/2541, Bl. 10. 22 Schulz-Kampfhenkel: Das Dschungel rief, S. 29–34; Schulz-Kampfhenkel: Lebenslauf, 20.3.1935, BArch Berlin, R 4901/2541, Bl. 10. 23 Vgl. Kreisarchiv Barmin Eberswalde, A.II.Hist AE 4583. – Im Haus der Familie Schulz Stettiner Straße 15 wohnte hernach bezeichnenderweise der Obergerichtsvollzieher von Eberswalde. Das zweite Wohnhaus Stettiner Str. 26 ging in den Besitz der Stadt über. Vgl. Einwohnerbuch (Adressbuch) der Stadt Eberswalde 1939, Eberswalde 1939. 24 Arthur Wehner: Ein Eberswalder sucht Okapi. Die Schulz-Kampfhenkel-Expedition nach Liberia, in: Oder-Zeitung, 4.12.1932, Kreisarchiv Barnim Eberswalde, A.II. 2265. 25 Vgl. L. Heck an Preußisches Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung, 24.11.1931, Geheimes Staatsarchiv Berlin-Dahlem (GStA) PK, I. HA, Rep. 76, Vc Sektion I, Titel XI, Nr. 1, Bl. 425. 26 [Otto Schulz-Kampfhenkel:] Afrika-Ausstellung. Urwaldleben und Negerkultur. Zeltlager und Ausbeute der Schulz-Kampfhenkel-Expedition nach Liberia. Kuhnert-Gemälde und afrikanische Tier-Plastiken Berliner Künstler [Katalog], Berlin 1933, S. 4. 27 Vgl. Schulz-Kampfhenkel: Das Dschungel rief, S. 35, 38, 44. 28 Vgl. Denkschrift über Beweggründe, Ziele und Form einer geplanten zoologischen Studien-, Sammel- und Filmexpeditionsreise nach Liberia (Tropisch-Westafrika), Dezember 1931 bis Mai 1932, in: Schulz-Kampfhenkel: Das Dschungel rief, S. 29–34. 29 Schulz-Kampfhenkel: Das Dschungel rief, S. 33 f. 30 Schulz-Kampfhenkel an H. Pohle, 7.3.1932, Museum für Naturkunde Berlin, Historische Bild- und Schriftgutsammlungen (MfN, HBSB), Zool. Mus., S III, Schulz-Kampfhenkel, O., Bd. 1, Bl. 1 f. 31 Ebd. 32 Cephalophus doriae, auch Cephalophus zebra: Zebraducker, sehr scheue westafrikanische Antilopenart. 33 Schulz-Kampfhenkel (Cobolia) an Pohle, 12.5.1932, MfN, HBSB, Zool. Mus., S III, SchulzKampfhenkel, O., Bd. 1, Bl. 4 f. 34 Pohle (Berlin) an Schulz-Kampfhenkel (Liberia), 31.3.1932, ebd., Bl. 3v. 35 Schulz-Kampfhenkel: Das Dschungel rief, S. 158. 36 Ebd., S. 81. 37 Ebd., S. 124. 38 Schulz-Kampfhenkel: Im afrikanischen Urwald als Tierfänger und Urwaldjäger, S. 194. 39 Schulz-Kampfhenkel: Das Dschungel rief, S. 157.
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40 Ebd., S. 116. 41 Gemeint sind hier Angehörige der Kpelle (Namensvarianten: Gbese, Kpwessi, Kpessi, Pessa oder Pessy) im zentralen Liberia, welche nicht zu verwechseln sind mit den Kpessi in Togo. 42 Schulz-Kampfhenkel: Das Dschungel rief, S. 96 f. 43 Klaus Kreimeier: Mechanik, Waffen und Haudegen überall. Expeditionsfilme: das bewaffnete Auge des Ethnographen, in: Jörg Schöning (Hg.): Triviale Tropen. Exotische Reise- und Abenteuerfilme aus Deutschland 1919–1939, München 1997, S. 52. 44 Vgl. Schulz-Kampfhenkel: Das Dschungel rief, S. 11. 45 Vgl. etwa die Erinnerungen von Schulz-Kampfhenkels Schulfreund Hans Borgelt: Der lange Weg nach Berlin, S. 77. 46 Timothy W. Ryback: Hitlers Bücher. Seine Bibliothek – sein Denken, Köln 2010, S. 68, 243 f. Vgl. auch Ian Kershaw: Hitler 1889–1945, München 2009, S. 28. Dass Hitler dabei keine Ausnahme war, zeigte das Beispiel des Chefs des SS-Hauptamtes, Gottlob Berger, der einer Anregung des Generalstabschefs Heinz Guderian folgend „den Volkssturmmännern als ‚Ausbildungslektüre‘ die Bücher von Karl May“ empfahl. Peter Longerich: Heinrich Himmler. Biographie, München 2008, S. 734. 47 Kreimeier: Mechanik, S. 53. 48 Vgl. Jan Berg: Der Beute-Gestus: Dokumentarische Exotik im Film, in: Thomas Koebner/ Gerhart Pickerodt (Hg.): Die andere Welt. Studien zum Exotismus, Berlin 2000, S. 354. 49 Kreimeier: Mechanik, S. 52. 50 Schulz-Kampfhenkel: Das Dschungel rief, S. 126. 51 Kreimeier: Mechanik, S. 51. 52 Vgl. Auf Tierfang in Afrika, in: Märkischer Stadt- und Landbote, Angermünder Ausgabe, 10.8.1932, Kreisarchiv Barnim Eberswalde, A.II. 2265. 53 Vgl. Schulz-Kampfhenkel an Pohle, 15.10.1932, MfN, HBSB, Zool. Mus., S III, SchulzKampfhenkel, O., Bd. 1, Bl. 11 f. 54 Schulz-Kampfhenkel: Rätsel der Urwaldhölle, S. 176. 55 [Schulz-Kampfhenkel:] Afrika-Ausstellung, S. 3. 56 Von dem liberianischen Generalkonsul in Hamburg, Momolu Massaquoi, hatte SchulzKampfhenkel sich eine Einfuhrgenehmigung von Waffen nach Liberia ausstellen lassen. Vgl. Schulz-Kampfhenkel: Das Dschungel rief, S. 39 f. 57 Vgl. ebd., S. 145. 58 Vgl. Lebenslauf, BArch Berlin, R 4901/2541, Bl. 10–12. Der Schmalfilm der Liberia-Expedition, dessen Titel nicht bekannt ist, ist offenbar verschollen. 59 B.Z. am Mittag, Berlin, zit. ohne Datumsabgabe in: Abschriften der Presseberichte, ebd., Bl. 12. 60 Leicht überarbeitet in zweiter Auflage erschienen unter dem Titel: Im afrikanischen Urwald als Tierfänger und Urwaldjäger. Eine Studentenexpedition in die Wildnisse der Pfefferküste, Deutscher Verlag: Berlin 1937. 61 Nachdem Rensch am 30.9.1935 aufgrund von politischen Differenzen mit den Nationalsozialisten von der Universitätsleitung gekündigt wurde, ging er 1937 an das Naturkundemuseum Münster. Vgl. Bernhard Rensch: Lebensweg eines Biologen in einem turbulenten Jahrhundert, Stuttgart/New York 1979, S. 66, 69 f., 77 f.; Gerti Dücker (Hg.): 100 Jahre Bernhard Rensch. Biologe – Philosoph – Künstler, Münster 2000, S. 22, 35. Das Zoologische Museum
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Holger Stoecker ist heute Teil des Museums für Naturkunde. Vgl. auch den Beitrag von M. Ohl in diesem Band. Vgl. Frhr. von Fritsch (DAAD) an das Zoologische Museum, eingegangen am 13.12.1934; Antwortschreiben an v. Massow (Präsident des DAAD), 13.12.1934, MfN, HBSB, Zool. Mus., S III, Schulz-Kampfhenkel, O., Bd. 1, Bl. 27 f. Vgl. Schulz-Kampfhenkel: Lebenslauf, undatiert [1938], BArch Berlin, ehem. BDC, Akte SSO Otto Schulz-Kampfhenkel, VBS 286, 6400041625 (unp.). Später rechtfertigte er seinen Eintritt in die NSDAP vor den Alliierten damit, dass er nur dadurch die Ausbildung für den Flugschein habe erhalten können. Vgl. Ludwig F. Schmidt: Final Interrogation Report Dr. Otto Schulz-Kampfhenkel, 25.4.1946, National Archives Washington (NAW), Records of the Federal Bureau of Investigation (FBI), Record Group (RG) 65 (FBI Record Declassified under the Disclosure Act), File 57254, Section 001, Box 214 (Location 230/86/10/01). Vgl. den Schriftwechsel in BArch Berlin, ehem. BDC, LO 114, Bl. 794–812. Ludwig F. Schmidt: Final Interrogation Report Dr. Otto Schulz-Kampfhenkel, 25.4.1946, NAW, Records of the Federal Bureau of Investigation (FBI), Record Group (RG) 65 (FBI Record Declassified under the Disclosure Act), File 57254, Section 001, Box 214 (Location 230/86/10/01). Vgl. Schulz-Kampfhenkel: Kurzgefasste Denkschrift über Beweggründe, Ziele und Form einer geplanten zoologischen Forschungsreise in die Waldgebiete des nordöstlichen Amazonasbeckens, 20.3.1935, BArch Berlin, R 4901/2541, Bl. 6. Schulz-Kampfhenkel an Pohle, 5.10.1936, MfN, HBSB, Zool. Mus., S III, Schulz-Kampfhenkel, O., Bd. 2, Bl. 58. [Otto] Schulz-Kampfhenkel: Rätsel der Urwaldhölle: Vorstoß in unerforschte Urwälder des Amazonenstromes. Mit Tagebuchberichten seines Jagd- und Fliegerkameraden Gerd Kahle, Berlin 1938, S. 11–17. Zu Franz Bachér vgl. Sören Flachowsky: Von der Notgemeinschaft zum Reichsforschungsrat. Wissenschaftspolitik im Kontext von Autarkie, Aufrüstung und Krieg, Stuttgart 2008, S. 138. Schulz-Kampfhenkel an Bachér, 24.3.1935 BArch Berlin, R 4901/2541, Bl. 1, als Anhang des Schreibens u. a.: Kurzgefasste Denkschrift über Beweggründe, Ziele und Form einer geplanten zoologischen Forschungsreise in die Waldgebiete des nordöstlichen Amazonasbeckens, ebd., Bl. 5–9, hier Bl. 5, sowie Kurzer Arbeitsplan meiner zoologisch-völkerkundlichen Amazonas-Expedition 1935 unter erstmaligem Einsatz einer Wasser-Flugmaschine, ebd., Bl. 2 v+r. Schulz-Kampfhenkel: Kurzer Arbeitsplan meiner zoologisch-völkerkundlichen AmazonasExpedition 1935 unter erstmaligem Einsatz einer Wasser-Flugmaschine, ebd., Bl. 2. Schulz-Kampfhenkel an den REM, 5.12.1935, BArch Berlin, R 73/14608. Die Bewilligung der Beihilfe, die Unterstützung bei der Beschaffung amtlicher Genehmigungen und die Ausstellung des Begleitschreibens für brasilianische Behörden gingen häufig über den Schreibtisch von Rudolf Mentzel (1900–1987), ab 1936 Präsident der DFG sowie ab 1939 Leiter des Amtes Wissenschaft im REM und damit eine Schlüsselfigur im NS-Wissenschaftsbetrieb (vgl. Flachowsky: Notgemeinschaft, S. 148–154). Dieser Kontakt in die höchsten Kreise der NS-Wissenschaftspolitik sollte später noch eine Rolle spielen. Vgl. Schulz-Kampfhenkel an das REM, 31.3.1935, BArch Berlin, R 4901/2541, Bl. 13.
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76 Vgl. Schulz-Kampfhenkel an das REM, 5.12.1935, BArch Berlin, R 73/14608. 77 Schulz-Kampfhenkel an den Gauleiter der Auslandsorganisation der NSDAP, Berlin, 25.9.1936 (Abschrift), BArch Berlin, R 4901/2541, Bl. 116 f.; Schmidt-Elskop (Deutsche Botschaft in Rio de Janeiro) an AA, 20.11.1936 mit Anlage: Bericht von Schulz-Kampfhenkel, ebd., Bl. 113. Zur NSDAP-AO in Brasilien vgl. Volker Koop: Hitlers Fünfte Kolonne. Die Auslands-Organisation der NSDAP, Berlin 2009, S. 169–177. 78 Schulz-Kampfhenkel: Kurzgefasste Denkschrift über Beweggründe, Ziele und Form einer geplanten zoologischen Forschungsreise in die Waldgebiete des nordöstlichen Amazonasbeckens, 20.3.1935, BArch Berlin, R 4901/2541, Bl. 9; Schulz-Kampfhenkel an Franz Bachér, 24.3.1935, ebd., Bl. 1; Schulz-Kampfhenkel an das REM, 31.3.1935, ebd., Bl. 13. 79 Schulz-Kampfhenkel: Rätsel der Urwaldhölle, S. 11 f. 80 Vgl. Schulz-Kampfhenkel an das REM, 5.5.1935, BArch Berlin, R 4901/2541, Bl. 17; SchulzKampfhenkel an das REM, 5.12.1935, ebd., Bl. 48. 81 Vgl. Schmidt-Elskop (Deutsche Gesandtschaft in Rio de Janeiro) an das AA, 27.11.1935, ebd., Bl. 26–28. 82 Vgl. Schmidt-Elskop an das AA, 17.10.1935, ebd., Bl. 22; Mentzel (REM) an das AA, 22.10.1935, ebd., Bl. 23. 83 Schulz-Kampfhenkel an die Deutsche Gesandtschaft in Rio de Janeiro, 13.1.1936, ebd., Bl. 55. 84 Vgl. AA an das RLM, 4.11.1935, ebd., Bl. 24v; Schulz-Kampfhenkel an die Deutsche Gesandtschaft in Rio de Janeiro, 13.1.1936, ebd., Bl. 55 f. 85 Zum Panoramablick sowie zur symbolischen Aneignung und Unterwerfung von Landschaften durch Kolonialreisende vgl. Albert Wirz: Missionare im Urwald – verängstigt und hilflos. Zur symbolischen Topographie des kolonialen Christentums, in: Wilfried Wagner (Hg.): Kolonien und Mission. Referate des 3. Kolonialgeschichtlichen Symposiums 1993 in Bremen, Münster/Hamburg 1994, S. 39–56; ders.: Die Erfindung des Urwalds oder ein weiterer Versuch im Fährtenlesen, in: Periplus. Jahrbuch für außereuropäische Geschichte, 4, Münster/ Hamburg 1994, S. 15–36; ders.: Innerer und äußerer Wald. Zur moralischen Ökologie der Kolonisierenden, in: Michael Flitner (Hg.): Der deutsche Tropenwald. Bilder, Mythen, Politik, Frankfurt am Main/New York 2000, S. 23–48. 86 Schulz-Kampfhenkel an Pohle, 7.3.1932, MfN, HBSB, Zool. Mus., S III, Schulz-Kampfhenkel, O., Bd. 1, Bl. 2. 87 Wirz: Innerer und äußerer Wald, S. 42. 88 Vgl. Wirz: Missionare im Urwald – verängstigt und hilflos, S. 47. 89 Schulz-Kampfhenkel an das REM, 5.12.1935, BArch Berlin, R 4901/2541, Bl. 42. 90 Schulz-Kampfhenkel: Rätsel der Urwaldhölle, S. 35. 91 Michel Leiris: Phantom Afrika: Tagebuch einer Expedition von Dakar nach Djibouti 1931– 1933, Bd. 1, Frankfurt am Main 1980, S. 245, Eintrag vom 26.2.1932. – Ich danke Dr. Volker Koos, Rostock, für die Überlassung der Abb. 11. 92 Schulz-Kampfhenkel: Rätsel der Urwaldhölle, S. 74. 93 Schulz-Kampfhenkel an die Deutsche Gesandtschaft in Rio de Janeiro, 13.1.1936, BArch Berlin, R 4901/2541, Bl. 56. 94 Schulz-Kampfhenkel: Rätsel der Urwaldhölle, S. 70, 75. Diese Sequenz findet sich auch in Schulz-Kampfhenkels gleichnamigen Dokumentarfilm über die Amazonas-Jari-Expedition.
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Holger Stoecker Aufgrund seiner Affinität zum Werk von Karl May ist Schulz-Kampfhenkel in das Blickfeld der Karl-May-Forschung geraten, vgl. Ekkehard Koch: Zwischen Rio de la Plata und Kordilleren. Zum historischen Hintergrund von Mays Südamerika-Romanen, in: Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft, Bd. 9, Hamburg 1979, S. 137–168. Die Aparaí (Apalaí) sind eine karib-sprachige Ethnie im amazonischen Guayana mit gegenwärtig etwa 1.600 Angehörigen. Vgl. Klaus-Peter Kästner: Amazonien. Indianer der Regenwälder und Savannen, Dresden 2009, S. 26 f. Schulz-Kampfhenkel: Rätsel der Urwaldhölle, S. 87. Schulz-Kampfhenkel an das Museum für Naturkunde Berlin, 14.11.1936, MfN, HBSB, Zool. Mus., S III, Schulz-Kampfhenkel, O., Bd. 1, Bl. 38. Michael Schubert: Der schwarze Fremde. Das Bild des Schwarzafrikaners in der parlamentarischen und publizistischen Kolonialdiskussion in Deutschland von den 1870er bis in die 1930er Jahre, Stuttgart 2003; Henrick Stahr: Fotojournalismus zwischen Exotismus und Rassismus. Darstellungen von Schwarzen und Indianern in Foto-Text-Artikeln deutscher Wochenillustrierter 1919–1939, Hamburg 2004. 3. Bericht Schulz-Kampfhenkels an die Deutsche Botschaft (undatiert), in der Anlage eines Schreibens der Deutschen Botschaft in Rio de Janeiro an das REM, 20.11.1936, BArch Berlin, R 4901/2541, Bl. 103. Schulz-Kampfhenkel: Rätsel der Urwaldhölle, S. 162. Schulz-Kampfhenkel: Zusammengefasster Auszug aus einem Bericht über Zielsetzung, Arbeiten und Ergebnisse bis September 1936 der Deutschen Amazonas-Jary Expedition 1935 – 36 – 37 von Schulz-Kampfhenkel (Abschrift), MfN, HBSB, Zool. Mus., S III, SchulzKampfhenkel, O., Bd. 1, Bl. 93. Schulz-Kampfhenkel: Rätsel der Urwaldhölle, S. 42. 3. Bericht Schulz-Kampfhenkels an die Deutsche Botschaft (undatiert), in der Anlage eines Schreibens der Deutschen Botschaft in Rio de Janeiro an das REM, 20.11.1936, BArch Berlin, R 4901/2541, Bl. 102 f. Zur ethnologischen und zoologischen Sammeltätigkeit der Amazonas-Jari-Expedition vgl. die Beiträge von A. Oyuela-Caycedo/M. Fischer/R. Duin und M. Ohl in diesem Band. Vgl. Rebeca Kritsch: Cruz no Rio Jari é resquício de incursão alemã na Amazônia, in: O Estado de São Paulo, 1999, www.estado.estadao.com.br/edicao/especial/brasil/brasil114.html, 1.12.2000. Einen Eindruck vom heutigen Zustand der Grabstätte Greiners bietet: Jens Glüsing: Das Guayana-Projekt. Ein deutsches Abenteuer am Amazonas, Berlin 2008, S. 140. Die Expedition war ausgerüstet u. a. mit Filmkameras und Filmmaterial von Agfa, Teleobjektiven und Fotoapparaten von Askania und Leica, mit einem elektrischen Tonaufnahmeapparat von Telefunken, mit einem Tonwalzen-Phonographen, Jagdwaffen und Munition der Fa. Mauser u. a., Ferngläsern von Zeiß, Tierfallen der Fa. Grell, Bootsmotoren der Fa. Fichtel & Sachs, Tropenzelten und Faltbooten von Sport-Berger sowie mit einer Tropenapotheke von I.G. Farben und Bayer. Vgl. Schulz-Kampfhenkel: Rätsel der Urwaldhölle, S. 209. Schulz-Kampfhenkel: Zusammengefasster Auszug aus einem Bericht über Zielsetzung, Arbeiten und Ergebnisse bis September 1936 der Deutschen Amazonas-Jary Expedition 1935 – 36 – 37 von Schulz-Kampfhenkel (Abschrift), [Ende 1936], MfN, HBSB, Zool. Mus., S III, Schulz-Kampfhenkel, O., Bd. 1, Bl. 93.
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108 Schulz-Kampfhenkel: Rätsel der Urwaldhölle, S. 168 (Hervorhebung im Original). 109 Ebd., S. 170, 172, 180 f., 187 f., 191. 110 Ebd., S. 197, 199–202, 204. 111 Ebd., S. 205. 112 Vgl. Die deutschen Amazonas-Erforscher berichten, in: Deutsche Allgemeine Zeitung, 27.5.1937; Wieder in Berlin. Amazonas-Jary-Expedition herzlich begrüßt, in: Berliner Börsen-Zeitung, 28.5.1937. 113 Schulz-Kampfhenkel am das REM, 10.12.1935, BArch Berlin, R 4901/2541, Bl. 34. 114 Schulz-Kampfhenkel: Rätsel der Urwaldhölle, S. 11–17. 115 Otto Schulz-Kampfhenkel: Rätsel der Urwaldhölle. Ein Expeditionsbericht aus Amazonien von der ersten Süd-Nord-Durchquerung Brasilianisch-Guayanas auf dem Rio Jary, Berlin 1953, S. 7. 116 Schulz-Kampfhenkel: Kurzer Arbeitsplan meiner zoologisch-völkerkundlichen AmazonasExpedition 1935 unter erstmaligem Einsatz einer Wasser-Flugmaschine, BArch Berlin, R 4901/2541, Bl. 2 v+r. 117 Vgl. Michael Kraus: Bildungsbürger im Urwald. Die deutsche ethnologische Amazonienforschung (1884–1929), Marburg 2004, S. 35, 485; ders.: Von der Theorie zum Indianer. Forschungserfahrungen bei Theodor Koch-Grünberg, in: Deutsche am Amazonas. Forscher oder Abenteurer? Expeditionen in Brasilien 1800 bis 1914. Begleitbuch zur Ausstellung im Ethnologischen Museum Berlin, Münster 2002, S. 93. 118 Vgl. Claude Lévi-Strauss: Traurige Tropen, Köln 1960, oder Paul Kirchhoff: Die Verwandtschaftsorganisation der Urwaldstämme Südamerikas, in: Zeitschrift für Ethnologie, 1931, S. 85–193, der sich in seinen Ausführungen über die Aparaí auf Felix Speiser und in denen über die Wayana auf Henri Coudreau bezog. Vgl. auch den Beitrag von A. OyuelaCaycedo/M. Fischer/R. Duin in diesem Band. 119 Schulz-Kampfhenkel an das REM, 5.12.1935, BArch Berlin, R 4901/2541, Bl. 36–50, hier Bl. 50. 120 Kulturamt der NSDAP-AO an das REM, 24.3.1936, ebd., Bl. 59. 121 Roth (Kulturabteilung des AA) an das REM, Reichspropagandaministerium (Promi), RLM, NSDAP-AO, Reichswirtschaftsministerium (RWM), 10.9.1936, ebd., Bl. 94. 122 Roth (Kulturabteilung des AA) an das REM, Promi, RLM, NSDAP-AO, RWM, 22.9.1936, ebd., Bl. 95 f.; Abschriften der Korrespondenz zwischen dem deutschen Konsulat in Pará (heute: Belem) und den Firmen Andrade Ramos & Cia. (Großgrundbesitzer am Jari) und Berringer & Co. in Belem vom Mai/Juni 1936, ebd., Bl. 59; J. Stark (Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft) an das REM, 13.2.1936, BArch Berlin, R 73/14608 (unp.); Aktennotiz des DFG-Referenten A.W.Fehling, 13.2.1936, ebd. 123 Vgl. Rudolf Möller (deutsches Konsulat in Pará) an die Deutsche Botschaft in Rio de Janeiro, 7.6.1936, BArch Berlin, R 4901/2541, Bl. 78–80. 124 Schulz-Kampfhenkel an das deutsche Konsulat in Pará (Abschrift), 18.3.1936, ebd., Bl. 81– 83. 125 Vgl. Bericht Schulz-Kampfhenkels, 20.11.1936, ebd., Bl. 113. 126 Vgl. Schulz-Kampfhenkel: Rätsel der Urwaldhölle, S. 207 f.
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127 Schulz-Kampfhenkel und Gerd Kahle erzählen. Mit der Kamera zu unbekannten Indianerstämmen. In der Hölle Brasiliens – Neuer abendfüllender Kulturfilm mit Originaltonaufnahmen, in: Film-Kurier, 14.1.1938. 128 Julius Riemer (1880–1958), der in den Zwischenkriegsjahren in Berlin nahe dem Alexan derplatz eine Handschuhlederfabrik und einen Textilgroßhandel betrieb und sich als Sammler natur- und völkerkundlicher Objekte betätigte, förderte sowohl Schulz-Kampfhenkels studentische Liberia-Expedition 1931, als auch die Brasilien-Expedition 1937. Im Gegenzug erhielt Riemer Objekte für seine Sammlung. Interview des Autors mit Charlotte Riemer, Direktorin des Museums für Naturkunde und Völkerkunde „Julius Riemer“ in Wittenberg und Witwe von Julius Riemer, sowie mit Klaus Glöckner, Mitarbeiter des Museums, 20.11.1996. Vgl. auch http://www.wittenberg.de/staticsite/staticsite.php?menuid=261&topmenu=3, 9.9.2010. 129 Preis-Urkunde der Gesellschaft für Kulturmorphologie, Frankfurt am Main, 29.6.1938, BArch Berlin, R 43/4092, Bl. 71; Ewald Volhard (Forschungsinstitut für Kulturmorphologie) an Haimbach (Hauptverwaltungsamt der Stadt Frankfurt am Main), 24.6.1938, Stadtarchiv Frankfurt am Main, Magistratsakten (MAG), Bd. 8086. 130 Vgl. Ethnologischer Anzeiger, Bd. IV, Heft 4, Stuttgart 1937, S. 167; Rezension von E. Kossina, in: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin, 1940, S. 337. 131 Vgl. Verhandlungen [der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte], Ordentliche Sitzung, 18.2.1939, in: Zeitschrift für Ethnologie, 71 (1939), S. 139. 132 Schulz-Kampfhenkel an das REM, 21.3.1938, BArch Berlin, R 4901/2541, Bl. 161. 133 Einige Beispiele unter vielen: Die Ergebnisse der Amazonas-Expedition. Zoologische Untersuchungen in Brasilianisch-Guayana. Zwei unbekannte Flüsse festgestellt, in: Deutsche Allgemeine Zeitung, Nr. 258, 6.6.1937, Beiblatt; Gerd Kahle: Filmen mit Hindernissen, in: Licht Bild Bühne, 11.3.1938; ders.: Urwald-Jagd auf Bisam-Schweine, in: Berliner Morgenpost, 13.3.1938. Zur fotojournalistischen Ausbeute der Brasilienreise von Schulz-Kampfhenkel vgl. den Beitrag von H. Stahr in diesem Band. 134 Vgl. Kreimeier: Mechanik, S. 49; Gerlinde Waz: Begehrte Ferne. Expeditions-, Kolonial- und ethnographische Filme, in: Peter Zimmermann (Hg.): Geschichte des dokumentarischen Films in Deutschland, Stuttgart 2005, Bd. 3: >Drittes Reich< 1933–1945, S. 405 f.; Peter Zimmermann: Der Kulturfilm als Vor- und Hauptfilm im Kino, ebd., S. 148. 135 Zu Nicolas Kaufmann vgl. http://www.deutsches-filminstitut.de/dt2tp0142.htm, 26.9.2010. 136 17 Monate Urwald auf die Leinwald. Der Forscher Schulz-Kampfhenkel als Meistercutter – Ein Film vom Vorstoss im tropischen Urwald, in: Berliner Tageblatt, 9.3.1938. 137 Es handelte sich mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht um das originale Expeditionsflugzeug, sondern um eine He 172 V–4, eine in nur wenigen Exemplaren gefertigte Weiterentwicklung der He 72. Ich danke Volker Koos, Rostock, für den Hinweis. Für die Abbildung des Flugzeuges vor dem Marmorhaus danke ich Bert Hartmann, Mannheim. 138 Vgl. Völkischer Beobachter (Berliner Ausgabe), 12.3.1938; Albert Schneider: Rätsel der Urwaldhölle. Ein Schulz-Kampfhenkel-Expeditionsfilm im Ufaleih /Marmorhaus, in: LichtBild-Bühne, Berlin, Nr. 61, Beilage, 12.3.1938; A. M. Schmidt: Rätsel der Urwaldhölle, in: Deutsche Filmzeitung, München, Nr. 12/1938, 20.3.1938, S. 4 f.; Elisabeth R. Schmidt: Rätsel der Urwaldhölle. Bei der Urrasse Amerikas in dem von Weißen noch nie betretenen Jari-
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Gebiet, in: Freiburger Zeitung, 12.6.1938, S. 4; Schulz-Kampfhenkel privat, ebd., S. 7. (Ich danke Heiko Wegmann, Freiburg i.Br., für den Hinweis.) „Rätsel der Urwaldhölle“. UFA bringt den Film von der Amazonas-Jary-Expedition heraus /Sportlich bezwungen, wissenschaftlich erforscht, filmisch erfasst, in: Der Film, 15.1.1938; vgl. auch: Schulz-Kampfhenkel und Gerd Kahle erzählen. Mit der Kamera zu unbekannten Indianerstämmen. In der Hölle Brasiliens – Neuer abendfüllender Kulturfilm mit Originaltonaufnahmen, in: Film-Kurier, 14.1.1938; Rätsel der Urwaldhölle. Das Filmdokument einer Forschungsreise, in: Licht Bild Bühne, 14.1.1938. Vgl. Film-Kurier, 22.3.1938, 11.4.1938, 21.4.1938, 30.4.1938, 10.5.1938. Im Mai 1939 hatte der Film in Holland Premiere, vgl. Hoenig an Snethlage, 11.5.1939, Staatliche Museen Berlin, Ethnologisches Museum, Archiv (SMB/EM), I B 129 (unp.). Aufgaben des deutschen Kulturfilmschaffens, in: Film-Kurier, 10.3.1938; vgl. auch: LichtBild-Bühne, 12.3.1938. Die Indianer Nord-Brasiliens. „Rätsel der Urwaldhölle“ im Marmorhaus, in: B.Z. am Mittag, 13.3.1938; Ein Urwaldforscher – von der Schule weg. Schulz-Kampfhenkel, der große Massa, ebd., 12.3.1938. – Die Zeitungen des Deutschen Verlages bewarben besonders SchulzKampfhenkels Film und Buchpublikationen, war doch hier 1937 bereits sein Liberia-Reisebericht in neuer Aufmachung unter dem Titel Im afrikanischen Dschungel als Tierfänger und Urwaldjäger. Eine Studentenexpedition in die Wildnisse der Pfefferküste erschienen. 17 Monate Urwald auf die Leinwand. Der Forscher Schulz-Kampfhenkel als Meistercutter – Ein Film vom Vorstoss im tropischen Urwald, in: Berliner Tageblatt, 9.3.1938. Georg Herzberg: Rätsel der Urwaldhölle /Marmorhaus, in: Film-Kurier, 12.3.1938. Zit. nach einer UFA-Anzeige im Film-Kurier, 21.3.1938. Schulz-Kampfhenkel und Gerd Kahle erzählen. Mit der Kamera zu unbekannten Indianerstämmen. In der Hölle Brasiliens – Neuer abendfüllender Kulturfilm mit Originaltonaufnahmen, in: Film-Kurier, 14.1.1938. UFA-Anzeige im Film-Kurier, 21.3.1938. Vgl. Amazonas-Ausstellung, in: Berliner Morgenpost, 15.4.1938. Die Ausstellung dauerte bis zum 4.6.1938. Schulz-Kampfhenkel an Pohle, 5.10.1936, MfN, HBSB, Zool. Mus., S III, Schulz-Kampfhenkel, O., Bd. 1, Bl. 31. Die grösste Forscher-Beute, die je aus unerforschtem Gebiet Südamerikas nach Berlin kam! [Ausstellungsprogramm], BArch Berlin, R 43 II/891, Bl. 28 f.; Urwald am Dönhoffplatz, in: Berliner Morgenpost, 14.4.1938, Erste Beilage; Walter Krickeberg (Museum für Völkerkunde): Gutachten, 6.12.1938, BArch Berlin, R 4901/2541, Bl. 172. Urwald-Abenteuer am Dönhoffpaltz. Ein Löwenherz in Spiritus erzählt. Indianer warf die Flinte fort und griff zum Bogen, in: B.Z. am Mittag, 17.5.1938. Gewinn und Verlustrechnung per 30. November 1938 der Ausstellung „Rätsel der Urwaldhölle“, BArch Berlin, R 4901/2541, Bl. 176. Schulz-Kampfhenkel an das REM, 21.3.1938, ebd., Bl. 161 f. An den Verkaufsstellen der NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“ waren verbilligte Karten erhältlich (vgl. Amazonas-Urwald am Dönhoffplatz. Ueber 30.000 Besucher in der Ausstellung „Rätsel der Urwaldhölle“, in: Berliner Morgenpost, 19.4.1938). – Allein in Berlin sahen fast 80.000 Besucher die Ausstellung, vgl. Schulz-Kampfhenkel an das REM, 5.8.1938,
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Holger Stoecker BArch Berlin, R 4901/2541, Bl. 141; Schulz-Kampfhenkel an das REM, 2.1.1939, ebd., Bl. 170. Gutterer an das REM, 14.11.1938, BArch Berlin, R 4901/2541, Bl. 160. Vgl. REM an Schulz-Kampfhenkel (Entwurf ), 2.1.1939, ebd., Bl. 185v. Schulz-Kampfhenkel: Rätsel der Urwaldhölle. Weitere Auflagen: 1940 im Wegweiser-Verlag Berlin sowie „entnazifizierte“ Ausgaben im Ullstein-Verlag Berlin 1953 und 1959. Eine englische Ausgabe von 1940: Riddle of Hell’s jungle: expedition to unexplored primeval forests of the river Amazon, London: Hurst & Blackett, ltd. 1940, übersetzt von Violet M. Macdonald und mit reduzierten politisch-ikonografischen Bezügen zum „Dritten Reich“ ausgestattet, spielte wie die deutschen Ausgaben mit der Karl-May-Mythologie, obgleich dessen Werke dem englischsprachigen Publikum weithin unbekannt waren. Daneben erschien 1943 eine norwegische Übersetzung im Blix-Forlag, einem halbamtlichen Verlag des Quisling-Kollaborationsregimes: Det grønne helvete. En oppdagelreise i ukjente urskoger ved Amazonfloden med fotografier og tegninger av forfatteren (Die grüne Hölle. Eine Entdeckungsreise in den unbekannten Urwald am Amazonas-Strom mit Fotografien und Zeichnungen vom Verfasser), Oslo: Blix-Forl. 1943. Schulz-Kampfhenkel: Rätsel der Urwaldhölle, S. 207. Vorwort des Verlages, in: Schulz-Kampfhenkel: Im afrikanischen Dschungel, S. 8. Kreimeier: Mechanik, S. 51. Hartmuth Merleker: Ein Urwaldforscher – von der Schule weg. Schulz-Kampfhenkel, der große Massa, in: B.Z. am Mittag, 12.3.1938. Riddle of Hell’s Jungle (Rezension), in: Times Literary Supplement, 20.4.1940, S. 198. Vgl. dazu den Schriftwechsel in BArch Berlin, ehem. BDC, LO 114, Bl. 794–812; Gutachten von Bernhard Ruberg, Stabsamtsleiter der Auslandsorganisation der NSDAP, über SchulzKampfhenkel und Kahle, 29.7.1937, BArch Berlin, R 43/4092, Bl. 69. Stabskommandant des Chefs des SS-Hauptamtes an die Ortsgruppe der NSDAP Stettiner Bahnhof (Berlin), 21.5.1938, BArch Berlin, ehem. BDC, Akte SSO Otto Schulz-Kampfhenkel, VBS 286, 6400041625 (unp.). SS-Ergänzungsamt des SS-Hauptamtes an den SS-Oberabschnitt Ost (Berlin), 3.12.1937, ebd. Als SS-Mann war Schulz-Kampfhenkel zudem Mitglied des Vereins Lebensborn. Vgl. Dienstaltersliste der Schutzstaffel der NSDAP. Stand vom 1. Dezember 1938, mit Berichtigungsheft: Stand vom 15. Juni 1939. Bearbeitet von der SS-Personalkartei. Unveränderter Nachdruck der Ausgaben Berlin 1938 und 1939, hrsg. von Brün Meyer, Osnabrück 1996, S. 395. Das SS-Hauptamt mit Sitz in der Berliner Tiergartenstraße 4 war 1935 als zentrales Führungsorgan der Allgemeinen- und Waffen-SS errichtet worden. Seit der Bildung weiterer Ämter mit eigenen Zuständigkeiten 1939/40 war es lediglich noch zuständig für die weltanschauliche Schulung und für das Ersatzwesen von SS und Polizei. So dienten z. B. Außenminister Constantin von Neurath und sein Staatssekretär Hans Georg von Mackensen als SS-Führer aus dem Auswärtigen Amt ebenfalls beim Stab SS-Hauptamt, wenngleich in wesentlich höheren Rängen. Vgl. Eckart Conze/Norbert Frei/Peter Hayes/ Moshe Zimmermann: Das Amt und die Vergangenheit. Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik, München 2010, S. 120.
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169 Stabskommandant des Chef des SS-Hauptamtes an die Ortsgruppe der NSDAP Stettiner Bahnhof (Berlin), 21.5.1938, BArch Berlin, ehem. BDC, Akte SSO Otto Schulz-Kampfhenkel, VBS 286, 6400041625 (unp.). 170 Letzteres kolportierte Helga Peters, eine Cousine Schulz-Kampfhenkels, in einem Gespräch mit dem Autor im Jahr 2000. Vgl. auch Ludwig F. Schmidt: Final Interrogation Report Dr. Otto Schulz-Kampfhenkel, 25.4.1946, NAW, Records of the Federal Bureau of Investigation (FBI), Record Group (RG) 65 (FBI Record Declassified under the Disclosure Act), File 57254, Section 001, Box 214 (Location 230/86/10/01). 171 Vgl. Schulz-Kampfhenkel an Lammers, 27.5.1938, BArch Berlin, R 43 II/891, Bl. 36. 172 Schulz-Kampfhenkel an Das Ahnenerbe, 29.7.1939, BArch Berlin, ehem. BDC, GO 136, Bl. 704; Schulz-Kampfhenkel an Lammers, 2.3.1940, BArch Berlin, R 43/4091, Bl. 4a. 173 Vgl. Sievers an Schulz-Kampfhenkel, 11.8.1939, BArch Berlin, ehem. BDC, GO 136, Bl. 706; Sievers an Kiss, 10.8.1939, BArch Berlin, NS 21/123 (unp.). 174 Kiss hatte mehrere einschlägige Romane und populäre Darstellungen publiziert. Vgl. z. B. Edmund Kiss: Das Sonnentor von Tiahuanaku und Hörbigers Welteislehre, Leipzig 1937. 175 Zur Welteislehre vgl. Brigitte Nagel: Die Welteislehre. Ihre Geschichte und ihre Rolle im „Dritten Reich“, Berlin 2000; Longerich: Himmler, S. 285–296; Michael H. Kater: Das „Ahnenerbe“ der SS 1935–1945. Ein Beitrag zur Kulturpolitik des Dritten Reiches, München 3 2001, S. 51 f. 176 BArch Berlin, NS 21/166. Bereits 1936/37 verfolgte Kiss den Plan einer Ahnenerbe-Expedition in das Hochland von Abessinien, wo es ebenfalls um die Aufnahme von Strandlinien ging. Wegen fehlender Dringlichkeit verzichtete das „Ahnenerbe“ jedoch auf die Durchführung dieser Expedition. Vgl. BArch Berlin, Ahnenerbe, Bestandsergänzungsfilm 16366. 177 Schulz-Kampfhenkel an die SS-Personalkanzlei, Berlin, 6.3.1939, BArch Berlin, ehem. BDC, Akte SSO Otto Schulz-Kampfhenkel, VBS 286, 6400041625 (unp.); Schulz-Kampfhenkel (Geographisches Institut /Amerika-Institut der Universität Würzburg) an die Lehr- und Forschungsgemeinschaft „Das Ahnenerbe“, 29.7.1939, BArch Berlin, ehem. BDC, GO 136, Bl. 704. 178 Kürschners deutscher Gelehrtenkalender 1940/41, Berlin 1941, verzeichnet Schrepfer als „Landeskundler und Anthropogeograph“. 179 Vgl. Telegramm Schulz-Kampfhenkels an SS-Obergruppenführer Heißmeyer (SS-Hauptamt, Berlin), 1.9.1939, BArch Berlin, ehem. BDC, Akte SSO Otto Schulz-Kampfhenkel, VBS 286, 6400041625 (unp.); Brief des Chefs des SS-Personalhauptamtes des RFSS an das Flieger-Ausbildungsregiment 11 (Schönwalde Post Velten, Mark), 16.9.1939, ebd.; SchulzKampfhenkel: Lebenslauf für das SS-Rasse- und Siedlungshauptamt, undatiert [Dezember 1943], BArch Berlin, ehem. BDC, F 5124; Schulz-Kampfhenkel an Pohle, 7.11.1939, MfN, HBSB, Zool. Mus., S III, Schulz-Kampfhenkel, O., Bd. 1, Bl. 68–72; Schulz-Kampfhenkel an Riemer (Abschrift für Pohle), 22.10.1940, ebd., Bd. 2, Bl. 84. Schulz-Kampfhenkel an Pohle, 22.10.1940, ebd., Bl. 83; Den Forscher reizten die weißen Flecken im Atlas. Expedition nach Amazonien – Tagungsfilm für den Botanikerkongreß zusammengestellt, in: Der Tagesspiegel, 1.8.1987. 180 Prüfungsbestätigung der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Bayerischen Julius-Maximilians-Universität Würzburg, 10.4.1941, Nachlass Otto Schulz-Kampfhenkel, Otto-SchulzKampfhenkel-Stiftung Hamburg; Schulz-Kampfhenkel an Pohle, 12.4.1941, MfN, HBSB,
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Zool. Mus., S III, Schulz-Kampfhenkel, O., Bd. 1, Bl. 5; Wer ist wer?, Lübeck 1984, S. 1154: „Dr. rer. nat., […] Promot. 1941 Univ. Würzburg“. 181 Vgl. Schulz-Kampfhenkel an Pohle, 28.2.1948, MfN, HBSB, Zool. Mus., S III, SchulzKampfhenkel, O., Bd. 2, Bl. 106r. 182 Auskunft des Archivs der Universität Würzburg. – Einen tieferen Eindruck scheint SchulzKampfhenkel als Doktorand am Geographischen Institut der Universität Würzburg nicht hinterlassen zu haben. Mehr als 20 Jahre nach dem Tod Schrepfers haben einige seiner Schüler in einer Gedächtnisschrift alle von ihm betreuten Doktoranden zusammengestellt, in der Schulz-Kampfhenkel nicht erwähnt wird. Vgl. Verzeichnis der Schriften von Hans Schrepfer sowie der von ihm betreuten Doktorarbeiten, in: Hans Schrepfer: Allgemeine Geographie und Länderkunde. Ausgewählte Arbeiten zum Gedenken seines 70. Geburtstages am 21. Mai 1967, hrsg. von Erich Otremba/Hermann Overbeck, Wiesbaden 1967, S. XXXIII ff. 183 Vgl. Ludwig F. Schmidt: Interrogation Summary Schulz-Kampfhenkel Combination Mapping Method, 26.4.1946, S. 3, NAW, Records of the Federal Bureau of Investigation (FBI), Record Group (RG) 65 (FBI Record Declassified under the Disclosure Act), File 57254, Section 001, Box 214 (Location 230/86/10/01). 184 Vgl. Glüsing: Guayana-Projekt, S. 194; Holger Stoecker: Afrikawissenschaften in Berlin von 1919 bis 1945. Zur Geschichte und Topographie eines wissenschaftlichen Netzwerkes, Stuttgart 2008, S. 293 f. 185 Vgl. Schulz-Kampfhenkel: Lebenslauf für das SS-Rasse- und Siedlungshauptamt, undatiert [Dezember 1943], BArch Berlin, ehem. BDC, F 5124. 186 Schulz-Kampfhenkel an Lammers, 2.3.1940, BArch Berlin, R 43/4091, Bl. 4a–6. 187 Schulz-Kampfhenkel an Reichskabinettrat von Stutterheim, 1.6.1940, ebd., Bl. 47 f. 188 Schulz-Kampfhenkel an Reichsminister Lammers, 1.6.1940, ebd., Bl. 50 f. 189 Satzung der „Forschungsgruppe Schulz-Kampfhenkel“. Arbeitsgemeinschaft für wissenschaftliche Expeditionen, Naturforschung und Völkerkunde e.V., § 1, 6.7.1940, BArch Berlin, R 43/4092, Bl. 11. Siehe auch Vereinsregister am Amtsgericht Berlin-Charlottenburg, 95 VR 12578, Bl. 9–16. 190 Rudolf Heinrich Fritsch (1911–1962), in Wien Kommilitone von Schulz-Kampfhenkel, fungierte zeitweise als stellvertretender Leiter der „Forschungsgruppe Schulz-Kampfhenkel“ (FG). Fritsch war als Zoologe sowie als Dolmetscher für Italienisch bei der FG tätig und kam später auch zum Sonderkommando „Dora“ hinzu. Er wurde am 1.4.1911 in Breslau geboren und studierte von 1929 bis 1935 Physik, Chemie, Botanik und Zoologie in Hamburg, Heidelberg, Wien und Kiel. Zwischenzeitlich ging er auf Sprachstudien nach England und absolvierte wissenschaftliche Untersuchungen an der Staatlichen Biologischen Anstalt auf Helgoland. 1935 promovierte zum Dr. phil. über Blutgerinnung bei Pferden. Von 1936 bis 1937 ging er an die Universität Neapel und unternahm Untersuchungen an Meerestieren. 1937 erhielt er eine Stelle an der Universität Würzburg und ging 1940 für acht Monate an das Tropenforschungsinstitut in die Dominikanische Republik. Nach seiner Rückkehr wurde er 1940 zum Wehrdienst eingezogen und 1942 aufgrund seiner Tropenerfahrung zum „Sonderkommando Dora“ einberufen. Danach folgten weitere Dolmetschertätigkeiten in der Wehrmacht und 1945 schließlich die englische Kriegsgefangenschaft in Italien. Nach Kriegsende wurde er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungsinstitut für Arbeitsgestaltung in Wiesbaden. 1947 ging er an die Forschungsstätte Spiekeroog (Universität Hamburg), bevor
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er 1950 eine Stelle als wissenschaftlicher Assistent am Zoologischen Institut der Technischen Hochschule Darmstadt erhielt, wo er 1952 habilitierte und im gleichen Jahr Privatdozent wurde. 1953 ging er als wissenschaftlicher Assistent und außerplanmäßiger Professor an die Universität Gießen. 1958 wurde er beurlaubt, da er vom Generaldirektor der UNESCO in das Naturwissenschaftliche Verbindungsbüro für Südasien in Neu-Delhi berufen wurde. Er bekleidete dort den Posten eines „Scientific Officer II, P–4“ (nach Informationen von M. Rolke aus dem Archiv der Universität Gießen). 191 Rudolf Seldte fungierte während und nach der Amazonas-Jari-Expedition als Sekretär SchulzKampfhenkels in Berlin. Über W.K. Hultzsch liegen keine weiteren Informationen vor. 192 Theodor Ballauff (1911–1995), 1930–1937 Studium der Chemie, Biologie, Philosophie, Psychologie und Religionswissenschaft in Göttingen, Wien und Berlin. 1938 Promotion bei Nicolai Hartmann in Berlin, anschließend Bibliotheksdienst in Halle und Berlin. 1940–1945 Kriegsdienst. Seit 1946 an der Universität Köln, 1955–1979 Professur für Pädagogik an der Universität Mainz, wo er sich zu einem kritischen Bildungstheoretiker entwickelte. 193 Absolventin des Geographischen Instituts der Universität Würzburg und nunmehr Leiterin einer Außenstelle des Reichsamtes für Wetterdienst in Bad Godesberg. 194 Vgl. Anwesenheitsliste der Gründungsversammlung, BArch Berlin, R 43/4092, Bl. 50. 195 Satzung der „Forschungsgruppe Schulz-Kampfhenkel“. Arbeitsgemeinschaft für wissenschaftliche Expeditionen, Naturforschung und Völkerkunde e.V., § 1 , 6.7.1940, ebd., Bl. 52. 196 Vgl. Fritschs DFG-Beihilfeakte, BArch Berlin, R 73/11128; Felix Brahm: Das Deutsch-Dominikanische Tropenforschungsinstitut 1937–1940. Basis für eine deutsche Kolonie in der Dominikanischen Republik oder „Experimentierfeld“ für koloniale Aufgaben in Afrika?, in: Sandra Carreras (Hg.): Der Nationalsozialismus und Lateinamerika. Institutionen – Repräsentationen – Wissenskonstrukte (Ibero-Online Heft 3, I), Berlin 2005, S. 46. (http://www. iai.spk-berlin.de/fileadmin/dokumentenbibliothek/Ibero-Online/003__1.pdf, 22.9.2010). 197 Anwesenheitsliste der Gründungsversammlung, BArch Berlin, R 43/4092, Bl. 50. 198 Außerordentlicher Professor an der Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin. Das Berliner Haus Hoenigs im arrivierten Ortsteil Grunewald wurde später zur privaten Adresse SchulzKampfhenkels und für einige Jahre auch Geschäftsadresse der Forschungsgemeinschaft. 199 An der Flugzeugführerschule Schönwalde bei Velten absolvierte in jenen Wochen der Gefreite Otto Schulz-Kampfhenkel eine Ausbildung zum Militärflugzeugführer. Vgl. SchulzKampfhenkel an Mentzel, 17.6.1940, BArch Berlin, R 26 III/716. 200 Kahle wurde im Januar 1940 als Fernaufklärer der NS-Luftwaffe über dem Firth of Forth (Schottland) abgeschossen und befand sich danach in britischer Kriegsgefangenschaft in Kanada. Vgl. Schulz-Kampfhenkel an Sievers, 24.1.1940, BArch Berlin, NS 21/247 (unp.); Schulz-Kampfhenkel an Riemer (Abschrift für Pohle), 22.10.1940, MfN, HBSB, Zool. Mus., S III, Schulz-Kampfhenkel, O., Bd. 2, Bl. 84. 201 Niederschrift über die Gründung der „Forschungsgruppe Schulz-Kampfhenkel“ Arbeitsgemeinschaft für wissenschaftliche Expeditionen, Naturforschung und Völkerkunde e.V., Amtsgericht Berlin-Charlottenburg, 95 VR 12578, Bl. 3 f.; Anwesenheitsliste, ebd., Bl. 5. Eintrag in das Vereinsregister des Amtsgerichts Berlin-Charlottenburg am 31.7.1940, ebd., Bl. 29; Anwesenheitsliste der Gründungsversammlung, BArch Berlin, R 43/4092, Bl. 50. 202 Beschluss, 6.2.1942, Amtsgericht Berlin-Charlottenburg, VR 95 12578, Bl. 41. 203 Beschluss, 6.6.1940, ebd., Bl. 20.
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204 Vgl. Schulz-Kampfhenkel an Lammers, 1.6.1940, BArch Berlin, R 43/4091, Bl. 50. SchulzKampfhenkel nannte hier persönliche Unterredungen mit Rudolf Mentzel, Chef des Amtes Wissenschaft des REM, und mit Legationsrat Paul Roth (1885–1967), Leiter des Referats W/Wissenschaftliche Beziehungen zum Ausland der Kulturpolitischen Abteilung des Auswärtigen Amtes. 205 Schulz-Kampfhenkel an Lammers, 1.6.1940, BArch Berlin, R 43/4091, Bl. 50 f. 206 Schulz-Kampfhenkel an Lammers, 2.3.1940, ebd., Bl. 4a. 207 v. Leupersten (Verwaltungsdirektor des Museums für Naturkunde, Berlin): Stellungnahme, 16.11.1939, ebd., Bl. 11; BArch Berlin, R 73/14608. Weitere Gutachten lieferten: Fritz von Wettstein (Direktor des KWI für Biologie); Eugen Fischer (Direktor des KWI für Anthropologie); Johannes Weigelt (Rektor der Universität Halle-Wittenberg); Herbert Hesmer (Professor an der Forstlichen Hochschule Eberswalde) und Hubert Hugo Hilf (Rektor der Forstlichen Hochschule Eberswalde). Vgl. ebd. 208 Schulz-Kampfhenkel an Lammers, 2.4.1940, BArch Berlin, R 43/4091, Bl. 8 f. 209 Vgl. Schulz-Kampfhenkel an Lammers, 30.12.1940, ebd., Bl. 60. 210 Götz Aly: Hitlers Volksstaat. Raub, Rassenkrieg und nationaler Sozialismus, Frankfurt am Main 2005, S. 17. 211 Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945, Frankfurt am Main 2003, S. 541. 212 Vgl. Schulz-Kampfhenkel an Mentzel, 17.6.1940, BArch Berlin, R 26 III/716 (unp.). 213 Vgl. Vorlage für Lammers, BArch Berlin, R 43/4091, Bl. 30 f. 214 Vgl. Fritz von Twardowski (Leiter der Kulturabteilung des AA) an Lammers, 23.4.1940, BArch Berlin, R 43/4091, Bl. 36; Roth an Schulz-Kampfhenkel, 23.4.1940, BArch Berlin, R 26 III/716 (unp.). Vgl. zudem die Abschriften entsprechender Schreiben Schulz-Kampfhenkels an die Kulturabteilung des AA, 27.4.1940, und an Gustav Hilger (Botschaftsrat in der deutschen Botschaft in Moskau), 9.5.1940, ebd., Bl. 40–44. 215 Vgl. BArch Berlin, R 73/14608. 216 Auswärtiges Amt, Kulturabteilung, an Lammers, 1.6.1940, BArch Berlin, R 43/4091, Bl. 45. 217 Schulz-Kampfhenkel an Mentzel, 17.6.1940, BArch Berlin, R 26 III/716 (unp.). 218 RSHA an Brandt (Persönlicher Stab des Reichsführers-SS), 12.4.1940, BArch Berlin, NS 19/2312, Bl. 11. 219 Heinrich Peskoller: Was bedeuten die Guayanas für den Führer, ebd., Bl. 1–9. 220 Vgl. Brandt an Schulz-Kampfhenkel, 18.4.1940, ebd., Bl. 12. 221 Schulz-Kampfhenkel an Brandt (Persönlicher Stab des Reichsführer-SS), 26.4.1940, ebd., Bl. 22. – Gegen Schulz-Kampfhenkels Behauptung, bereits während seiner Brasilien-Expedition einen Eroberungsplan der Guayanas entwickelt zu haben, spricht jedoch u. a., dass er in keinem seiner Berichte zuvor und danach jemals seinen Gedanken an eine deutsche Invasion in Südamerika auch nur angedeutet hatte. Jedoch wird diese Behauptung Schulz-Kampfhenkels von Jens Glüsing: Das Guayana-Projekt. Ein deutsches Abenteuer am Amazonas, Berlin 2008, aufgebauscht zu der sensationsheischenden These, dass sich hinter Schulz-Kampfhenkels Amazonas-Jari-Expedition ein militärischer Auftrag maßgeblicher Stellen des „Dritten Reichs“ zur Erkundung eines Brückenkopfs für eine deutsche Invasion in Südamerika verborgen habe. Glüsing stützt die für sein Buch grundlegende These lediglich auf Schulz-Kampfhenkels eigene Behauptung, die dieser allerdings erst 1940, etwa drei Jahre nach der Rückkehr
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der Expedition, aufgestellt hatte. Gegen Glüsings These wiederum sprechen mehrere Tatsachen: Zum einen ist in den archivalischen Überlieferungen eine Beteiligung militärischer oder geheimdienstlicher Stellen an der Planung und Durchführung der Brasilien-Expedition nicht erkennbar. So hätte man auf Schulz-Kampfhenkels Drängen, der Expedition mit weiteren Zuschüssen zu helfen, als diese in Brasilien aufgrund finanzieller Engpässe unmittelbar vor dem Abbruch stand, auf deutscher regierungsamtlicher Seite wohl kaum so zögerlich und letztlich ablehnend reagiert und damit ihr Scheitern riskiert, wenn die Expedition mit einem geheimen militärischen Erkundungsauftrag ausgestattet gewesen wäre. Zudem stand die Amazonas-Jari-Expedition unter tatkräftiger Mithilfe Schulz-Kampfhenkels im Fokus der medialen Aufmerksamkeit in Deutschland wie in Brasilien, was sich mit einem geheimen Erkundungsauftrag kaum hätte vereinbaren lassen. Vielmehr sitzt Glüsing mit seiner freizügigen Interpretation einer kalkulierten, gleichwohl durchschaubaren Selbstinszenierung SchulzKampfhenkels auf. Dieses und nachfolgende Zitate aus: Schulz-Kampfhenkel: Stellungnahme zu der Niederschrift des Herrn Peskoller über den Erwerb der Guayanas, BArch Berlin, NS 19/2312, Bl. 23–36. Brandt an Schulz-Kampfhenkel, 14.5.1940, ebd., Bl. 37; Brandt an Peskoller, 11.6.1940, ebd., Bl. 39. Schulz-Kampfhenkel an Lammers, 1.6.1940, BArch Berlin, R 43/4091, Bl. 48. BArch Berlin, R 43/4092; BArch Militärarchiv (MA) Freiburg, RW 5/739. Diese und nachfolgende Zitate aus: Forschungsgruppe Schulz-Kampfhenkel e.V. Berlin – Leitgedanke, Satzung, Zielsetzung. Forschungsgebiete, Arbeitsplan, Gutachten, [Dezember 1940], BArch Berlin, R 43/4092, Bl. 1–29. Alle Hervorhebungen im Original. Schematische Lageskizze der wichtigsten ungenügend bekannten, zum Teil noch gänzlich unerforschten Gebiete der Erde, BArch MA Freiburg, RW 5/739, Bl. 11 (Die Karte findet sich nur in dem dem OKW übersandten Exemplar der Denkschrift). Die Gutachter gingen allerdings inhaltlich kaum auf die Denkschrift ein, sie beklagten vielmehr allgemein den Rückstand Deutschlands in der Auslandsforschung, insbesondere auf ihrem jeweiligen Fachgebiet, und hoben den Wagemut der jungen Forscher hervor. Gutachten über die Zielsetzung und den Arbeitsplan der „Forschungsgruppe Schulz-Kampfhenkel“ gaben der Paläontologe und Geologe Johannes Weigelt (1890–1948, Rektor der Universität Halle-Wittenberg und Direktor des dortigen Geologisch-Paläontologischen Instituts, Vizepräsident der Leopoldina, NSDAP-Mitglied), der Geograph Hans Schrepfer (1897–1945, Lehrstuhl für Geographie an der Universität Würzburg, NSDAP, SA, später Doktorvater von Schulz-Kampfhenkel), der Botaniker Friedrich von Wettstein (1895–1945, Direktor des KWI für Biologie, Berlin), der Rassenanthropologe Eugen Fischer (1874–1967, Direktor des KWI für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik, Berlin, Lehrstuhl für Anthropologie an der Universität Berlin, NSDAP), der Völkerkundler Walter Krickeberg (1885–1962, Leiter der Amerikanischen Abteilung des Museums für Völkerkunde, Berlin), der Chirurg August Bier (1861–1949, Erfinder des deutschen Stahlhelms, außerordentliches Mitglied des wissenschaftlichen Senats des Heeressanitätswesens), Carl August Freiherr von Gablenz (1893–1942, Luftfahrtpionier, Vorstandsmitglied der Deutschen Lufthansa), sowie der Geograph Karl Haushofer (1869–1946, Generalmajor a. D., Professor für politische Geographie an der Universität München, Begründer der Geopolitik). Vgl. BArch Berlin, R 43/4091, Bl. 32–43.
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229 Schulz-Kampfhenkel an Reichskabinettrat von Stutterheim, 1.6.1940, BArch Berlin, R 43/4091, Bl. 47 f. 1) Unter Nutzung der in der wolkenfreien Sahara voraussichtlich uneingeschränkt zur Energieerzeugung einsetzbaren, in aussichtsreicher Entwicklung begriffener Sonnenkraftmaschinen (vergl. die Referate auf der kolonialtechnischen Tagung des V.D.I. in Stuttgart vom 2.–3.12.40) [Anm. von Schulz-Kampfhenkel]. 230 Schulz-Kampfhenkel knüpfte mit dem Vorschlag zum Bau einer Autobahntrasse an ein Erfolg verheißendes infrastrukturelles Leitmotiv im Deutschen Reich an, mit dem nicht nur die Arbeitslosigkeit bekämpft, sondern welches von Hitler selbst als „ein Mittel des ‚organischen‘ Zusammenschlusses in einem ‚Großraum‘“ verstanden wurde (Dirk van Laak: Imperiale Infrastruktur. Deutsche Planungen für eine Erschließung Afrikas 1880 bis 1960, Paderborn u. a. 2004, S. 278). Insofern befand sich Schulz-Kampfhenkels Antragsrhetorik durchaus auf der Höhe der Zeit. 231 Schulz-Kampfhenkel an Lammers, 30.12.1940, BArch Berlin, R 43/4091, Bl. 56 f. [Hervorhebungen im Original]. 232 Reichsamt für Wirtschaftsaufbau (i.V. Baur) an den Beauftragten für Sonderaufgaben im Vierjahresplan, Herrn Oberstleutnant Veltjens, mit der Bitte um Weiterleitung an den Generalstab der Luftwaffe, 24.6.1941, ebd., Bl. 80. 233 Pickenbrock (Oberst im Generalstab des OKW) an Schulz-Kampfhenkel, 2.7.1941, ebd., Bl. 76. In demselben Sinne äußerte sich auch der Chef des Amtes Ausland/Abwehr des OKW, Wilhelm Canaris, ebd., Bl. 73. 234 Für das Institut für Kulturmorphologie, in dessen Vorstand die Stadt Frankfurt am Main durch ihren Oberbürgermeister Friedrich Krebs vertreten war. 235 Schulz-Kampfhenkel an Lammers, 5.6.1941, BArch Berlin, R 43/4091, Bl. 69 f. 236 Reichswirtschaftministerium an Schulz-Kampfhenkel, 5.6.1941, ebd., Bl. 78. 237 Vgl. Dr. Heinrichsdorff (Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda) an SchulzKampfhenkel, 24.6.1941, ebd., Bl. 79. 238 Lammers an Schulz-Kampfhenkel, 15.7.1941, ebd., Bl. 81 f. 239 Vgl. Funk an Lammers, 13.8.1941, ebd., Bl. 88. 240 Schulz-Kampfhenkel resümierte dieses Gespräch am Tag darauf in einem ausführlichen Brief an seinen Gesprächspartner: Schulz-Kampfhenkel an Mentzel, 15.6.1941, BArch Berlin, R 73/14608 (unp.). – Schulz-Kampfhenkel reaktivierte hier und bei weiteren Gelegenheiten den bereits aus der Mode geratenen Begriff der „Weltpolitik“, der „deutschen Version des Imperialismus“ (Imanuel Geiss) nach 1897 (vgl. Konrad Canis: Von Bismarck zur Weltpolitik. Deutsche Außenpolitik 1890 bis 1902, Berlin 1999, S. 223 ff.). Schulz-Kampfhenkel verband damit vor allem die Behauptung eines großmachtpolitischen Prestiges, unterschlug in seinen Pamphleten aber völlig das Desaster, zu dem diese Politik geführt hatte. 241 Dirk van Laak: Kolonien als „Laboratorien der Moderne“?, in: Sebastian Conrad/Jürgen Osterhammel (Hg.): Das Kaiserreich transnational. Deutschland in der Welt 1871–1914, Göttingen 2004, S. 266. 242 Zur Kolonialwissenschaftlichen Abteilung vgl. Stoecker: Afrikawissenschaften, S. 253–282. 243 Diese leisteten im Übrigen eher politische Hilfestellung unter dem Denkmantel der Wissenschaftlichkeit, als dass sie zweckfreie Forschung betrieben. Vgl. Michael Fahlbusch: Wissenschaft im Dienst der nationalsozialistischen Politik? Die „Volksdeutschen Forschungsge-
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meinschaften« von 1931–1945, Baden-Baden 1999; Frank-Rutger Hausmann: „Deutsche Geisteswissenschaft“ im Zweiten Weltkrieg. Die „Aktion Ritterbusch“ (1940–1945), Heidelberg 32007. Vgl. Flachowsky: Notgemeinschaft, S. 148–154. Tatsächlich war im RFR die Einrichtung eines „Expeditions-Ausschusses“ unter dem Dach der Kolonialwissenschaftlichen Abteilung im Gespräch, jedoch plante Wolff, diesen Ausschuss dem Bonner Geographen Carl Troll zu übertragen. Vgl. den Entwurf des Organisationsplan der Kolonialwissenschaftlichen Abteilung 1941, abgedruckt in: Hans Böhm: Luftbildforschung. Wissenschaftliche Überwinterung – Angewandte (kriegswichtige) Forschung – Rettung eines Paradigmas, in: Ute Wardenga/Ingrid Hönsch (Hg.): Kontinuität und Diskontinuität der deutschen Geographie in Umbruchphasen. Studien zur Geschichte der Geographie, Münster 1995, S. 136. Schulz-Kampfhenkel an DFG, 15.6.1941, BArch Berlin, R 73/14608; Mentzel und Wolff an Schulz-Kampfhenkel, 26.6.1941, BArch Berlin, R 43/4091, Bl. 78. Günter Wolff: Die Arbeit der Kolonialwissenschaftlichen Abteilung des Reichsforschungsrates, streng vertrauliches Rede-Manuskript, Juni/Juli 1941, BArch Berlin, R 4901/3101, Bl. 38. Ebd., Bl. 32 ff. Schulz-Kampfhenkel an Lammers, 5.6.1941, BArch Berlin, R 43/4091, Bl. 69 f. Ebd., Bl. 71. Schulz-Kampfhenkel an Pohle, 17.6.1940, MfN, HBSB, Zool. Mus., S III, Schulz-Kampfhenkel, O., Bd. 2, Bl. 78. Nach dem Zweiten Weltkrieg leitete Frowein das Institut für Segelflugforschung Freiburg i. Br. Vgl. Ernst Frowein: Grundfragen fliegerischer Ausbildung und Erziehung, München 1956. Vgl. weiter Manfred Schlesinger (IPW TEAM 191 MIS USFET G–2 SEC CHANOR BASE APO 562 US ARMY): Sonderkommando Dora, Forschungsstaffel z.b.V., 15.10.1945, NAW, Records of the Army Staff. Records of the Office of the Assistant Chief of Staff, G–2, Intelligence. Records of the Investigative Records Repository (IRR). Security Classified Intelligence and Investigative Dossiers, 1939–1976 (Personal Name File). Record Group 319, IRR (Impersonal File), Box 38 (Sonderkommando Dora). Ernst Frowein: Der expeditionsmässige Einsatz des Segelflugzeuges zur Erforschung unerschlossener Gebiete der zentralen Sahara und des Kongogebietes. Herrn Reichsminister Dr. Lammers in Ergänzung der im Dezember 1940 eingereichten Forschungsgruppen-Denkschrift ergebenst übermittelt, 5.6.1941, BArch Berlin, R 43/4092, Bl. 78–101. Vgl. Schulz-Kampfhenkel: Lebenslauf für das SS-Rasse- und Siedlungshauptamt, undatiert [Dezember 1943], BArch Berlin, ehem. BDC, F 5124. Aktenvermerk, 30.7.42, BArch Berlin, R 43/4091, Bl. 90 f. Vgl. A. Kum’a N’dumbe III.: Was wollte Hitler in Afrika? NS-Planungen für eine faschistische Neugestaltung Afrikas, Frankfurt am Main 1993, S. 50 ff.; Karsten Linne: Deutschland jenseits des Äquators. Die NS-Kolonialplanungen für Afrika, Berlin 2009. Zum Einsatz des Sonderkommandos Dora in Libyen vgl. den Beitrag von M. Rolke/S. Flachowsky in diesem Band.
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258 Caulier-Eimbcke: Interrogation vom 21. Januar 1947 durch Lt.Col. Tilley und Mr. Bailey, 27.1.1947, National Archives, London (Kew), FO 1031/114, S. 5 f.; Schulz-Kampfhenkel an Lammers, 9.11.1942, BArch Berlin, R 43/4091, Bl. 93. 259 Daneben habe Schulz-Kampfhenkel später, so der Bonner Geograph Carl Troll, „reiche Erfahrungen in der wissenschaftlichen Geländeerkundung sammeln können, die eines Tages auch noch den Wissenschaften, besonders der Pflanzengeographie und Landschaftskunde zugute kommen können“. Carl Troll: Die Geographische Wissenschaft in Deutschland in den Jahren 1933 bis 1945. Eine Kritik und Rechtfertigung, in: Erdkunde, 1 (1947), Nr. 1, S. 16. 260 Dies ist auch damals durchaus so festgestellt worden. So meinte der Leipziger Museumsethnologe Hans Damm in einer Rezension von Im afrikanischen Dschungel, Schulz-Kampfhenkels Reisebericht liefere „mit seinen farbigen Naturbildern und lustigen Tierszenen“ allenfalls eine „willkommene Ergänzung zur rein völkerkundlichen Fachliteratur über Liberia“, in: Ethnologischer Anzeiger, Bd. IV, Heft 6 (1940), S. 286. 261 Gleichwohl bleibt festzuhalten, dass die Nationalsozialisten zwar antiintellektualistisch, aber keineswegs wissenschaftsfeindlich waren. Vgl. Rüdiger Hachtmann: Forschen für Volk und „Führer“. Wissenschaft und Technik, in: Dietmar Süß/Winfried Süß (Hg.): Das „Dritte Reich“. Eine Einführung, München 2008, S. 205–225, hier S. 208. 262 Vgl. Flachowsky: Notgemeinschaft, S. 59 f.
Von „Herrenmenschen“ und „Waldmenschen“ Die ethnographische Inszenierung der „Deutschen Amazonas-Jary-Expedition“ von 1935 bis 1937 Augusto Oyuela-Caycedo, Manuela Fischer und Renzo Duin Die Rückkehr der „Deutschen Amazonas-Jary-Expedition“1 nach Berlin am 27. Mai 1937 wurde mit Prominenz aus Politik und Wissenschaft gefeiert. Der Expeditionsleiter Otto Schulz-Kampfhenkel, der Pilot Gerd Kahle und der Ingenieur Gerhard Krause wurden am Lehrter Bahnhof von Werner Wächter (1902–1945), Landesstellenleiter Berlin im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda und enger Mitarbeiter von Joseph Goebbels, sowie von Prof. Dr. Hermann Pohle (1892–1982), Leiter der Abteilung Säugetiere am Museum für Naturkunde in Berlin, begrüßt. Die Expedition nach Brasilien war durch die Unterstützung des Auswärtigen Amtes, des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda und anderer Reichsstellen möglich geworden und galt somit als eine offizielle Mission des Deutschen Reiches. Als Zeichen der guten deutsch-brasilianischen Beziehungen waren auf dem Bahnhof die deutsche und die brasilianische Flagge gehisst worden; ein Repräsentant der brasilianischen Gesandtschaft in Berlin war allerdings nicht anwesend.2 Im Anschluss hatte Wächter im Namen des Propagandaministeriums zu einer offiziellen Begrüßungsfeier in den Kroll’schen Wintergarten eingeladen.3
Abb. 1 Gerd Kahle, Gerhard Krause (vorn), Otto SchulzKampfhenkel und der Vertreter des Propagandaministeriums Werner Wächter (vorn rechts, mit Hut), bei der Begrüßung auf dem Lehrter Bahnhof in Berlin, 27. Mai 1937 (Quelle: BArch Berlin, Bildnummer 183-C07638).
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Die Expedition eines ambitionierten 24-jährigen Studenten an einen Nebenfluss des Amazonas in Brasilien wurde demnach mit viel propagandistischem Pomp in Szene gesetzt. Wie bei den großen geographischen Expeditionen im „Dritten Reich“, z. B. den Himalaya-Expeditionen von 1934 und 1937 am Nanga Parbat, der durch die NS-Propaganda zum „Schicksalsberg der Deutschen“ stilisiert wurde, ging es auch am Jari um das „Bezwingen“ der Natur: „Und während der Urgesang der Brüllaffen herüberschwillt […] schlägt in mir ein Gefühl der Dankbarkeit und des Triumphes empor – der Sieg, in siebzehn Urwaldmonaten errungen, ist jetzt gesichert. Die letzte Beute hat über alle Tücken der Wildnis die Grenze der Zivilisation erreicht.“4 Die wissenschaftliche Bedeutung der Expedition war dagegen eher zweifelhaft. Eine Fragestellung, etwa zoologischer, geographischer oder ethnologischer Art, gab es nicht.5 In wissenschaftshistorischen Abhandlungen wird sie daher lediglich am Rande erwähnt.6 Die Genese, Realisierung und die längerfristigen Auswirkungen der „Amazonas-Jary-Expedition“ auf die Karriere Schulz-Kampfhenkels im „Dritten Reich“ sind nur im Kontext einer völligen „Politisierung des Lebens“ im nationalsozialistischen Deutschland zu erklären.7 Schulz-Kampfhenkel war Teil einer effektiven Propagandamaschinerie, der er bereitwillig zuarbeitete, die er sich aber gleichzeitig auch zunutze machte. Einige Facetten der propagandistischen Selbstinszenierung Otto SchulzKampfhenkels in Bezug auf die Expedition an den Jari sollen im Folgenden näher untersucht werden: dazu gehören die von ihm konstruierten Mythen der „Selbstbestimmung“ im politischen Umfeld Brasiliens Mitte der 1930er Jahre, der „Pioniertat“, der „ersten Begegnung“ mit indigenen Gruppen am Jari und der Erwerbung einer „ethnographischen Sammlung“.
1. Der Mythos der „Selbstbestimmung“ im politischen Umfeld Brasiliens „‚Es ist gut, daß Sie selbst nach Rio gekommen sind‘ sagte der Deutsche Gesandte, während er aus seinem Schreibtischfach einige Bogen mit aufgeklebten Zeitungsausschnitten hervorzieht. ‚Die Erteilung der Genehmigung für Ihre Forschungsreise stößt auf ernste Schwierigkeiten. Da Sie beabsichtigen auf unbekanntes Gebiet vorzustoßen, haben einige Blätter die Vermutung ausgesprochen, daß Sie dort oben irgendwelche geheimen Ziele verfolgen wollen.‘“8
Trotz der Vorbereitungen der deutschen Gesandtschaft lagen die vom brasilianischen Staat geforderten Genehmigungen für die „Jary-Expedition“ bei der Ankunft SchulzKampfhenkels 1935 in Brasilien nicht vor. Schulz-Kampfhenkel erwähnte Genehmi-
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gungen von „Staatspräsident, Generalstab, Finanz- und Ackerbauministerium“, die ihm zugesagt, aber verzögert ausgestellt worden seien.9 Mit der Gründung des Conselho de Fiscalização das Expedições Artisticas e Cientificas no Brazil (Rat für die Überwachung der künstlerischen und wissenschaftlichen Expeditionen in Brasilien) im Jahr 1933 benötigten wissenschaftliche Expeditionen eine Genehmigung durch das brasilianische Agrarministerium.10 Die Kontrolle künstlerischer und wissenschaftlicher Expeditionen auf brasilianischem Boden betraf ausschließlich Vorhaben von Privatpersonen, die nicht an eine brasilianische Institution gebunden waren, und alle ausländischen Projekte. Das Dekret Nr. 22.698 verfügte, dass jeglicher Export natürlicher, historischer, ethnographischer und künstlerischer Objekte vom Agrarministerium zu genehmigen sei (Art. 1). Darüber hinaus musste von jedem Objekt oder von jeder Spezies ein Exemplar in Brasilien verbleiben und dem Agrarministerium oder dem Nationalmuseum übergeben werden (Art. 7 u. 5). Dies bedeutete, dass jede Sammlung eines ausländischen Forschungsunternehmens in zwei gleiche Teile zu teilen war (Art. 6). Auch die dazugehörigen Dokumentationen, Textaufnahmen, Fotografien und Filme mussten in Brasilien in Kopie hinterlegt und die Nutzungsrechte übertragen werden (Art. 8).11 Neben der „Hinzögerung der Genehmigungserteilung seitens der Bras[ilianischen] Regierung bis Ende Oktober 1935“ sowie den Vorschriften des Conselho nannte Schulz-Kampfhenkel weitere Umstände, die sein Vorhaben behindert hatten: 1. „Gegenwärtige feindselige Einstellung ausländischen Expeditionen gegenüber auf Grund schlechter Erfahrungen mit amerikanischen Unternehmungen, die unter dem Mantel der Wissenschaft andere Interessen verfolgt hatten. 2. Vorschrift, dass ein Bras[ilianischer] Offizier auf Kosten der Expedition an allen Unternehmungen teilnimmt. 3. Vorschrift, dass ein Bras[ilianischer] Wissenschaftler auf Kosten der Exp[edition] an allen Unternehmungen teilnimmt. 4. Unterirdische Einflüsse französischer Kreise gegen die Genehmigung dieser deutschen Forschungsreise. 5. Auf Grund dieser Tatsachen geübte passive Resistenz der massgebenden Regierungsstellen gegenüber den Bemühungen der Deutschen Gesandtschaft.“12 Die Andeutung einer „feindseligen“ Einstellung der brasilianischen Behörden gegenüber ausländischen Expeditionen wurde von Schulz-Kampfhenkel mit amerikanischen Unternehmungen erklärt, „die unter dem Mantel der Wissenschaft andere Interessen verfolgt“ hätten. Was genau damit gemeint war, wurde nicht ausgeführt. Daher können dazu nur Vermutungen angestellt werden, welche amerikanischen
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Unternehmungen in Amazonien vielleicht wissenschaftliche und ökonomische Interessen verfolgten. Möglicherweise spielte Schulz-Kampfhenkel damit auf die US-amerikanischen Versuche an, durch die Einführung von südostasiatischen Kautschukpflanzen der endemischen Blattfäule Herr zu werden. Der Automobilhersteller Ford wollte sich auf diese Weise von den Preisschwankungen auf dem Rohstoffmarkt unabhängig machen. Bestrebt, die Macht der alteingesessenen Eliten zu brechen, erfuhr diese Initiative die Unterstützung der brasilianischen Regierung unter Getúlio Vargas. Schon 1928 hatte Henry Ford am Tapajós, einem südlichen Zufluss des Amazonas westlich des Jari, eine Stadt gegründet, die als Zentrum eines zukünftigen Kautschukimperiums ausgebaut und sich unter dem Namen Fordlândia zur viertgrößten Stadt Amazoniens entwickeln sollte (nach Belém, Manaus und Iquitos). Die Anfälligkeit der südamerikanischen Kautschukpflanzen gegenüber der Blattkrankheit SALB (South American Leaf Blight) machte allerdings einen erneuen Ortswechsel notwendig. 1934 erhielt Ford eine Konzession für eine Kautschukplantage von 281.000 ha in Belterra, 50 km südlich von Santarém, auch am Tapajós gelegen. Nachdem auch diese Plantage von der Blattfäule befallen worden war, wurde sie 1945 aufgegeben.13 Auch was die „unterirdischen Einflüsse französischer Kreise“ anbelangt, die laut Schulz-Kampfhenkel gegen die deutsche Expedition gewirkt haben sollen, können nur Vermutungen angestellt werden. Eine erste Gruppe französischer Wissenschaftler war im Jahr 1935 zu Gastprofessuren an die Universidade de São Paulo (USP) nach Brasilien eingeladen worden. Unter ihnen befanden sich auch der Ethnologe Claude Lévi-Strauss und seine Frau Dina. Die Stellung dieser Franzosen war im Vergleich zu der der Deutschen privilegiert, da sie als Dozenten der USP nicht unter die Aufsicht des Conselho fielen. In seinen Publikationen und Briefen wird das Vorgehen SchulzKampfhenkels deutlich, Informationen gezielt für seine Zwecke einzusetzen. In diesem Fall ging es darum, die eigene Situation im bürokratischen Dschungel Brasiliens als besonders schwierig darzustellen, um auf diese Weise weitere Reisemittel von der deutschen Regierung zu erwirken.14 Nach Inkrafttreten des Dekretes Nr. 22.698 stellte sich allerdings schnell heraus, dass es bei einer zu strengen Auslegung ausländische Forschungsreisen in Brasilien zu verhindern drohte.15 Auch Schulz-Kampfhenkel konnte sich daher einiger Auflagen entledigen, zumal ihn der als „erklärter Deutschenfreund“ bekannte Generalsekretär der brasilianischen Handelskammer, Dr. Argollo, unterstützte.16 Nach einer persönlichen Unterredung Argollos mit dem Generalstab und dem Kriegsminister wurde den Deutschen die Fluggenehmigung ohne Begleitung durch einen brasilianischen Offizier erteilt. Bei der stellvertretenden Direktorin des Nationalmuseums, Heloisa Alberta Torres17, die im Conselho de Fiscalização für die ethnologischen Sammlun-
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gen zuständig war, erwirkte Argollo die Genehmigung, die Expedition ohne die Begleitung eines brasilianischen Wissenschaftler durchführen zu können. Argollo war es auch, der Schulz-Kampfhenkel dem Präsidenten der brasilianischen Pressekammer vorstellte und ihm auf diese Weise zu einem positiven Echo und zu Verträgen sowohl mit der deutsch- als auch mit der portugiesischsprachigen Presse in Brasilien verholfen haben soll.18 Die politische Situation in Brasilien und die internationalen Beziehungen der Vargas-Diktatur zeigen, dass die Zeit um 1935 der denkbar günstigste Moment für deutsche Unternehmungen in Brasilien war. Getúlio Vargas (1882–1954) war 1930 durch einen Militärputsch an die Macht gekommen und 1934 für eine zweite Amtszeit gewählt worden. Diese formal demokratische Phase endete mit einem erneuten Putsch 1937 und der Ausrufung des „Neuen Staates“ (Estado Novo), dessen Verfassung sich an der des faschistischen Italiens orientierte.19 Schon bald darauf jedoch wendete sich das Blatt. Am 25. Februar 1938 wurde jegliche politische Aktivität der zuvor recht umtriebigen Auslandsorganisation der NSDAP in Brasilien verboten.20 Osvaldo Aranha, der von 1934 bis 1937 Botschafter Brasiliens in Washington und ein enger Freund des Präsidenten Theodor E. Roosevelt war, wurde im März 1938 zum Außenminister ernannt. Die bis dahin deutschfreundliche Außenpolitik des Estado Novo wandte sich nun stärker den USA zu.21 Die deutsche Gemeinde in Brasilien bestand in den 1940er Jahren aus etwa 900.000 Personen, von denen mehr als zwei Drittel in Brasilien geboren waren, aber Deutsch als Muttersprache angaben.22 Ihre Vorfahren waren bereits mit den ersten Einwanderungswellen im 19. Jahrhundert nach Brasilien gekommen23; Deutsche lebten somit dort schon seit mehreren Generationen.24 Im Gründungsjahr der „Auslandsabteilung der NSDAP“ 1931, seit 1934 „Auslandsorganisation (A.O.) der NSDAP“, wurde auch die Ortsgruppe Rio de Janeiro ins Leben gerufen. Mit dem „Gesetz zur Sicherstellung der Einheit von Partei und Staat“ vom 1. Dezember 1933 war die NSDAP zur staatstragenden Bewegung erklärt und die Auslandsorganisation zu einem wichtigen Machtinstrument stilisiert worden.25 Mit ihrer Hilfe sollte das nationalsozialistische Modell der „Volksgemeinschaft“ auf die so genannten Auslandsdeutschen übertragen werden.26 Diese Idee beinhaltete auch die Vorstellung einer „Deutschen Volksgemeinschaft“ innerhalb des jeweiligen „Gastlandes“. Für die so genannten „Deutschbrasilianer“ stellte dies ein Dilemma dar, da sie sich keineswegs als „Fremde“ oder „Gäste“ fühlten; 90 Prozent von ihnen waren brasilianische Staatsbürger.27 Dies führte anfangs zu offenen Konflikten zwischen der NSDAP-Auslandsorganisation und der „Führung“ in den deutschen Kolonien, die aber durch die innenpolitischen Erfolge Hitlers und ein moderateres Vorgehen der Auslandsorganisation in Brasilien bis Mitte der 1930er Jahre deutlich nachließen.28
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1.1. Die internationale Wirtschaft und das „doppelte Spiel“ der brasilianischen Regierung Seit 1934 hatten sich die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Brasilien aus deutscher Sicht äußerst positiv entwickelt. Aus der Sicht Berlins galt Brasilien als das meistversprechende Land Lateinamerikas.29 In Bezug auf ganz Lateinamerika, aber insbesondere in Bezug auf Brasilien entbrannte zwischen den USA und Deutschland ein erbitterter Wettstreit um Exportquoten. Dem Vargas-Regime gelang es, sowohl zu den USA als auch zu Deutschland gute Beziehungen aufzubauen. Die NS-Außenpolitik machte sich die Tatsache zu nutzte, dass beide Partner, sowohl Deutschland als auch Brasilien, wegen ständigen Devisenmangels bilaterale Handelsverträge auf Verrechnungsbasis bevorzugten. Obwohl das wirtschaftspolitische Programm des Reichswirtschaftsministers Hjalmar Schacht („Neuer Plan“) im krassen Gegensatz zur US-amerikanischen Freihandelspolitik des „New Deal“ stand, verharrte die Politik der Vargas-Regierung in einer „pragmatischen Äquidistanz“ zu beiden Ländern.30 Dieses „doppelte Spiel“31 (duplo jogo) der brasilianischen Regierung zielte sowohl auf gute Beziehungen zu den USA als auch auf den Abschluss eines Meistbegünstigungsvertrages mit Deutschland 1936 ab.32 Zwischen 1937 und 1939 schlossen die Krupp AG und die brasilianische Regierung außerdem drei Verträge über Waffenlieferungen und verhandelten über den Bau eines Stahlwerkes in Brasilien.33 Die deutschen Importe aus Brasilien verdoppelten sich zwischen 1933 und 1939, wobei der signifikanteste Anstieg des deutsch-brasilianischen Handelsaustauschs nach 1935 zu beobachten ist.34 Insbesondere Baumwolle und Kaffee wurden zu Hauptexportprodukten Brasiliens nach Deutschland. Im Juli 1936 wurde ein bilaterales Abkommen über 60.000 Tonnen Baumwolle und 96.000 Tonnen Kaffee abgeschlossen.35 Zwischen 1932 und 1938 stiegen die Importe aus Brasilien in Deutschland auf 214 Millionen Reichsmark; der deutsche Export nach Brasilien verdreifachte sich von 48 auf 161 Millionen Reichsmark. Das politische Verhältnis der brasilianischen Regierung zu Deutschland blieb allerdings ambivalent. Während weitere wirtschaftliche Abkommen geschlossen wurden, verschlechterten sich die Beziehungen auf diplomatischer Ebene zusehends. Die Ausrufung des Estado Novo nach dem Militärputsch im November 1937 verfolgte das Ziel, Brasilien zu einer modernen, geeinten Nation zu formen. Die nationalistische Ideologie der „brasilianidade“ kollidierte nun mit dem von der Auslandsorganisation der NSDAP propagierten „Deutschtum“. Zu diesem Zeitpunkt war die Jari-Expedition aber bereits seit einem halben Jahr wieder zurück in Deutschland.
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2. Der Mythos der „Pioniertat“ und der „ersten Begegnung“ „Hier sind an den Fronten der Wissenschaft die letzten Pionierarbeiten zu vollbringen. Zu diesen ist Deutschland durch seine glänzende Tradition in der Entdeckungsgeschichte der Erde vor allen anderen Kulturnationen berufen.“36
Film und Buch Rätsel der Urwaldhölle betonen den „Pioniercharakter“ der Jari-Expedition in unerforschte, menschenleere und von der Zivilisation abgeschnittene Gebiete. Zweifellos haben die Stromschnellen und Wasserfälle (Cachuera San Antonio am Jari) eine systematische Besiedlung seit der Kolonialzeit behindert37, dennoch war das Gebiet zwischen Paru und Jari in den 1930er Jahren keineswegs ein „unerforschtes Gebiet“ auf der Landkarte, wie es Schulz-Kampfhenkel immer suggerierte (Abb. 2).
Abb. 2 Übersichtskarte SchulzKampfhenkels über das von ihm bereiste Gebiet des östlichen Teils „Brasilianisch-Guayanas“, 1937
(Quelle: BArch Berlin, R 4901/2541, Bl. 75).
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Abb. 3 Expeditionen im Wayana-Aparai-Gebiet (Quelle: Duin: Wayana Socio-Political Landscapes, 2009).
Möglicherweise war es tatsächlich die erste europäische Expedition, die flussaufwärts unternommen wurde, es war aber keinesfalls die erste Expedition in diese Region. Schulz-Kampfhenkel war weder der Erste noch der Einzige, der Kontakt zu den Wayana und Aparai38 am Jari aufgenommen hatte, und auch nicht der Erste, der sie gefilmt hat (Abb. 3).
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In Belém do Pará war Otto Schulz-Kampfhenkel mit dem Jenenser Hermann Curt Unckel (1883–1945) zusammengetroffen39, der sich schon zwei Jahre nach seiner Auswanderung nach Brasilien 1903 als Autodidakt der Ethnologie zugewandt hatte.40 Den Namen Nimuendajú („der bei uns eine Wohnung nahm“), erhielt er von den Apapocúva-Guaraní, bei denen er mehrere Jahre gelebt hatte.41 Im Jahr 1911 begann Nimuendajú-Unckel für den Indianerschutzdienst zu arbeiten.42 1915 reiste er zu den Aparai am Paru. Nach sechs Wochen kehrte er völlig erschöpft zurück, hatte aber eine erstaunliche Sammlung angelegt, zu der auch das Tanzkostüm eines Aparai zählte.43 Eine Dekade später, im Jahr 1924, suchte der Schweizer Ethnologe Felix Speiser (1880–1949) die Aparai am Paru auf, der ebenfalls eine bedeutende ethnographische Sammlung zusammenstellte, die sich heute im Museum der Kulturen in Basel befindet. Speiser war zu dieser Zeit bereits Professor für Ethnologie an der Universität Basel und Direktor des dortigen Museums für Völkerkunde. Seinem Freund und Kollegen Theodor Koch-Grünberg (1872–1924) war es gelungen, Speisers Interesse von der Südsee nach Südamerika zu lenken und hatte ihn Curt Unckel-Nimuendajú empfohlen.44 Speiser wiederum empfahl Nimuendajú dem Völkerkundemuseum in Leipzig, worauf sich zwischen diesen eine enge Zusammenarbeit entwickelte.45 Während seiner Expedition filmte Speiser mit einer 35-mm-Kamera.46 Das Material wurde allerdings erst 1945 zu einem Film mit dem Titel Yopi: Chez les Indiens du Brésil geschnitten.47 Dort, wo Nimuendajú und Speiser die Aparai besucht hatten, unternahm die Expedition SchulzKampfhenkels von 1935 bis 1937 „Forschungsflüge“ mit einem Wasserflugzeug an den Unterläufen des Paru und des Jari.48 Schulz-Kampfhenkel folgte nicht nur den Fußstapfen Nimuendajús und Speisers, sondern entschied sich für eine Expedition flussaufwärts in ein vermeintlich unerforschtes Gebiet in Richtung Tumuc-Humac-Gebirge. Während die Deutsche Jari-Expedition sich der Wasserscheide von Süden näherte, war eine niederländische Grenzziehungsexpedition gerade dabei, die Gebirgsregion zu kartieren.49 Filmaufnahmen wurden zur selben Zeit auch von Claudius Henricus de Goeje bei den Wayana nördlich des Tumuc-Humac-Gebirges gemacht.50 Schulz-Kampfhenkel kannte die Arbeit Felix Speisers und hatte später auch Kontakt zu de Goeje.51 Das Kartieren der Wasserscheide wurde zu einem internationalen Anliegen. Durch die politische Autorität des Baron Rio Branco ließ die Schiedskommission in Genf am 1. Dezember 1900 das Gebiet zwischen Amazonas und Oyapock dem Brasilianischen Bundesstaat Pará zuschlagen.52 Das Tumuc-Humac Gebirge wurde als Grenze zwischen Surinam (damals noch Niederländisch-Guayana) und Französisch-Guayana im Norden und Brasilien im Süden festgelegt. Sowohl die Tapanahony-Expedition53 im Jahr 1904, als auch die Toemoek Hoemak-Expedition 1907 kartierten erstmals Teile des Tumuc-Humac Gebirges.54 Erst Ende der 1930er Jahre wurde die definitive Grenzziehung in Angriff genommen. Ein Drittel der Zeit verbrachte die Grenzziehungsex-
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pedition mit der beschwerlichen Reise den Fluss Maroni aufwärts, gewissermaßen auf den Pfaden der Französisch-Niederländischen Grenzziehungskommission von 186155 und der Gonini-Expedition von 1903.56 Damit war die Grenze des Dreiländerecks zwischen Surinam, Brasilien und Französisch-Guayana festgelegt.57 De Goeje führte sowohl während der Tapanahony-Expedition 1904, als auch während der Toemoek Hoemak-Expedition 1907 ethnographische Studien zur materiellen Kultur, Sprache und Kosmologie bei den Wayana durch, die er anlässlich der Grenzziehungsexpedition 1937/38 fortsetzte.58 Etwa zeitgleich untersuchte die „Amazonas-Jary Expedition“ unter der Leitung von Schulz-Kampfhenkel den Jari. Eines der Anliegen dieser Expedition war die Kartierung des Jari in einem Maßstab von 1:10.000, wenngleich auch ethnographische Daten der Wayana und Aparai gesammelt wurden.59 SchulzKampfhenkels Landkarte zeigt den Zugang zum letzten Abschnitt der Wasserscheide, insbesondere zwischen dem Dreiländereck und den Quellflüssen des Oyapock. Bereits im ausgehenden 19. Jahrhundert gab es eine Reihe von Grenzexpeditionen in den Guyanas. Der Goldrausch der 1880er Jahre im Lawa Becken hatte die Frage der Grenzziehung zugespitzt.60 Basierend auf der Abflussmenge, entschied der als Schiedsmann eingesetzte russische Zar Alexander III., dreißig Jahre nach der Grenzziehungsexpedition im Jahr 1891, dass der Lawa und nicht der Tapanahoni als Oberlauf des Maroniflusses gelten sollte.61 Als Jules Crevaux im Jahr 1877 den Maroni aufwärts fuhr, war die Grenzziehung zwischen Niederländisch- und FranzösischGuayana noch unentschieden (Abb. 3). Crevaux durchquerte das Tumuc-Humac Gebirge, und ging via Mapahoni zum Jari, dem er flussabwärts bis zum Amazonas folgte.62 Ein Jahr später reiste Crevaux den Oyapock aufwärts, durchquerte das Tumuc-Humac Gebirge und gelangte über den Cuc-Fluss zum Jari. Crevaux war ein forschender Abenteurer auf der Suche nach der Goldenen Stadt „El Dorado“. Etwa ein Jahrzehnt später unternahm Henri Coudreau eine wissenschaftliche Studie und Kartierung des Landesinneren von Guyana, die den Mythos eines Sees (Parime See) und der „Goldenen Stadt“ im Inneren Guyanas endgültig ad absurdum führen sollte.63 Die Zeit von Mai 1887 bis April 1891 verbrachte Coudreau erneut mit der Untersuchung und Kartierung des Tumuc-Humac Gebietes, was sich als ein äußerst mühsames Unterfangen erwies.64 Coudreau kam zu dem Schluss, dass die Region über ausreichende Goldvorkommen verfügte, die eine lukrative Ausbeute versprachen. Darüber hinaus kämen am Oberlauf des Oyapock Kautschuk und Kakao vor, so dass sich eine Kolonisierung der Region durchaus lohne.65 Die Flüsse Paru und Jari seien allerdings nur bedingt schiffbar. Besonders die großen Wasserfälle im Unterlauf, vor allem Cachoeira San Antonio, stellten Barrieren dar, die eine intensivere Kolonisierung der Oberläufe dieser nördlichen Amazonaszuflüsse verhinderten und den Extraktivismus, anders als in anderen Teilen Amazoniens einschränkten.66
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War es die Amazonas-Jary-Expedition Schulz-Kampfhenkels, die das alte Programm Coudreaus wieder aufnahm, jetzt, da Amapá nicht mehr französisches Territorium war? Jedenfalls waren die Flussläufe des Jari und des Paru nicht so „unerforscht“, wie Schulz-Kampfhenkel es glauben machen wollte. Crevaux (1881) und Coudreau (1893) hatten detaillierte Landkarten vom Inneren der Guyanas gezeichnet. Die Niederländische Grenzziehungsexpedition war 1937 auf eine Gruppe von „Steinzeitindianern“ getroffen, die sie im folgenden Jahr erneut aufsuchte.67 Zweifellos bedauerte es Schulz-Kampfhenkel, nicht auf diese Ethnie des Tumuc-Humac Gebirges gestoßen zu sein, da sie noch „primitiver“ waren als die Wayana und Wayapi am Quellfluss des Jari, im Grenzgebiet zwischen Brasilien, Surinam und Französisch-Guyana.
2. 1. Das Jari-Gebiet: „Urwaldhölle“ versus Latifundium „Das ist einer der unergründlichen Zufälle der Wildnis, daß uns jetzt gerade – auf der Suche nach den Waldmenschen und beim Vordringen in ihr Reich – der erste Tauschfahrer seit Jahren auf dem Fluß begegnet ist!“68
Das Gebiet zwischen Paru und Jari war aber nicht nur punktuell erforscht, sondern auch durch das Latifundium von José Julio de Andrade (um 1860–1952) seit Beginn des 20. Jahrhunderts in seiner ökonomischen Struktur nachhaltig verändert worden. Seit 1899 hatte Andrade das Land systematisch aufgekauft und in kurzer Zeit durch das im Extraktivismus übliche Verschuldungssystem von Landarbeitern (portugiesisch: aviamento) ein einträgliches Latifundium von etwa drei Millionen Hektar geschaffen, was es zu einem der größten extraktiven Latifundien im Amazonasgebiet machte (Abb. 4). Der Export von Paranüssen, der bereits 1818 begonnen hatte, stieg zu Beginn des 20. Jahrhunderts rapide an.69 Hauptabnehmer waren die USA, England und Deutschland, die die Kapselfrüchte vorwiegend in der Süßwarenindustrie verwendeten.70 Die Spezialisierung auf Paranüsse bewahrte Andrade vor den Folgen des Zusammenbruchs des Kautschukmonopols Brasiliens in der zweiten Dekade des 20. Jahrhunderts. Durch Diversifizierung konnte er seinen Besitz 1948 sogar gewinnbringend verkaufen.71 Innerhalb des Andradeschen Latifundiums lebten tausende Caboclos (indigeneuropäische Mestizen), die als Paranuss-Sammler, in der Viehwirtschaft oder auf den Schiffen der Andradeschen Flotte arbeiteten. Einige waren Wanderarbeiter, die vom Mündungsdelta des Amazonas in die Paranuss-Sammelgebiete kamen, andere hatten sich mit der Zeit an den Flüssen niedergelassen. Diese landwirtschaftlichen Betriebe (portugiesisch: colocação) waren zwar für brasilianische Verhältnisse verhältnismäßig klein (20–100 Hektar), das tatsächlich genutzte Areal einer Caboclo-Familie war aber weitaus größer, da es ausgedehnte Jagd- und Fischereigebiete einschloss. Somit
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Augusto Oyuela-Caycedo, Manuela Fischer und Renzo Duin Abb. 4 Das Latifundium von José Julio de Andrade (Quelle:
Little 2001, S. 35).
gab es innerhalb des Andradeschen Anwesens neben den indigenen Gruppen, die inzwischen an den Rand des Territoriums gedrängten worden waren, eine Vielzahl von unterschiedlichen Akteuren, die das Waldgebiet extraktiv, landwirtschaftlich oder durch Jagd und extensive Viehzucht nutzten.72
3. Der Mythos vom isolierten und „wilden“ Indianer An der Mündung des Jari in den Amazonas hatte sich der Ort Arumanduba zum logistischen Zentrum in der Region entwickelt. Eine Flotte von etwa einem Dutzend Schiffen transportierte nicht nur die Produkte des Andradeschen Unternehmens, sondern diente auch dem Personenverkehr nach Belém.73 Andrade, dem an einem guten Verhältnis zur indigenen Bevölkerung gelegen war, ermöglichte ihr die Reise auf seinen Schiffen, um in Belém die eigenen Produkte, Kautschuk, Tierfelle u. a. gegen Messer, Pulver und Schrot zu tauschen. So auch den Aparai, den späteren Informanten Felix Speisers, die mit einem Schiff der Andradeschen Flotte nach Belém gereist waren.74 Schulz-Kampfhenkels Buch und vor allem sein Film Rätsel der Urwaldhölle vermitteln den Eindruck, dass es sich bei den Wayana-Aparai und in viel stärkerem Masse bei den am Oberlauf des Cuc-Flusses lebenden Wayapi um „primitive“ und von der
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Welt abgeschnittene ethnische Gruppen handelte.75 Lange herrschte die Auffassung vor, dass die Karib-Gruppen Guyanas wegen ihrer hohen Fragmentierung jeglicher dauerhafter formalen sozialen Gruppierung entbehrten.76 Die von Peter Rivière vorgenommenen Beschreibungen: „atomistic nature“, „rampant individualism“ und „small, ideally autonomous, self sufficient, relatively ephemeral, dispersed settlements mainly composed of close kin“77 können durch eine Betrachtung ihrer Geschichte revidiert werden. Die ethnischen Gruppen, die unter dem Begriff „Kariben“ als linguistische Gruppe zusammengefasst werden, wie auch die Tupi-sprachigen Wayapi78, haben eine lange Wanderungsgeschichte hinter sich. Neuere archäologische Untersuchungen legen nahe, dass die ethnischen Gruppen der „Kariben“, die Tiliyo, die Aparai und Wayana, die heute an den Oberläufen der Flüsse um den Tumuc-Humac siedeln, im 4. Jahrhundert n. Chr. vom Mount Roraima nach Guyana eingewandert sind. Jean Chapuis meint, dass es sich bei den verschiedenen karibsprachigen „ethnischen Gruppen“ um Clans oder Linages handelt, die sich neu konstituiert haben und sich unter dem Verdrängungsdruck in einem sich bis heute fortschreitenden Prozess der Ethnosoziogenese befinden.79
4. Der Mythos der „ethnographischen Sammlung“ „Gerd [hat] die jetzt gleichfalls beginnenden völkerkundlichen Arbeiten (Heranschaffen und Eintauschen der Ethnographica, Eindringen in die geistige Kultur der Aparai) und vor allem die Jagd, die Vermehrung unserer Säugetiersammlung übernommen.“80
Die ethnographische Sammlung wird in allen Texten, Publikationen und unveröffentlichten Berichten als ein wesentlicher Bestandteil der Expedition dargestellt.81 Walter Krickeberg (1885–1962), Leiter der Amerikanischen Sammlung des Museums für Völkerkunde in Berlin, hatte das Vorhaben bereits in der Planungsphase befürwortet.82 Der erste Kontakt zwischen dem damaligen Museum für Völkerkunde und Schulz-Kampfhenkel ist in den Akten des Museums allerdings erst nach seiner Abreise nachweisbar.83 In einem Brief vom 12. Juni 1935 bat Kustos Heinrich Emil Snethlage (1897–1939) Schulz-Kampfhenkel, eine ethnologische Sammlung für Berlin anzulegen und gab dazu klare Instruktionen: „Sehr geehrter Herr Doktor! Im Auftrage Herrn Prof. Dr. Krickebergs, des Leiters der Amerikanischen Abteilung des Museums für Völkerkunde Berlin, teile ich Ihnen mit, daß er es begrüßen würde, Kulturgüter der Indianer des Jary-Gebietes für unsere Sammlungen zu erhalten. Erwünscht sind alle
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Gegenstände, soweit sie nicht außerindianischer Herkunft sind. Ich gebe Ihnen eine Liste von Sachen, die Sie erwarten dürfen, ohne den Anspruch zu erheben, daß sie vollständig ist: Hängematte, Schemel, Matten, Holzhaken zum Aufhängen von Gegenständen, Feuerquirlbohrer, Feuerfächer, Steinbeil, ev. Grabstock, Werkzeuge aus Stein, Kiefern, Zähnen; Holztröge, Tongefässe, Kalebassen, Körbe, Reibbrettchen, Maniokpresse, Sieb, Bogen zum Zupfen der Baumwolle, Spindeln, Brettchen, über denen Binden geflochten werden, Nadeln aus Holz oder Knochen, ev. Webstuhl, Tonprobe, Werkzeuge zum Glätten der rohen Tongefässe, Bogen, Pfeile, Keulen, Ruder, ev. Bootsmodell, Schurze (auch die Glasperlentangas), Gürtel, Binden, Ringe, Hals und Brustketten, verschiedener Federschmuck, Flöten aus Bambus und Knochen, Tuten, Rasseln, Musikbogen, Zeremonialgeräte aller Art, möglichst mit genauer Beschreibung des Gebrauchs, Amulette, Mittel des Zauberers, Heilmittel, Spielzeug der Kinder und Spielereien der Erwachsenen. Wenn Sie Zeit haben, sehen Sie sich mal die Sammlungen der ‚Ayana‘ und Aparai im Museu Goeldi an. Dort werden Sie einen hübschen Überblick bekommen. Da der Gouverneur Barata nicht mehr im Dienst ist, hoffe ich, daß Sie alle offiziellen Schwierigkeiten überwinden werden. Für Ihre Reise wünsche ich Ihnen und Ihren Kameraden Glück und denke, dass Sie Ihr Ziel erreichen werden.“84
Snethlage hatte selbst reiche Feldforschungserfahrung im Amazonasgebiet. Er hatte schon von 1923 bis 1926 am Amazonasdelta und von 1933 bis 1935 am Guaporé geforscht85 und stand in der Tradition der deutschen Amazonasforschung mit ihren Zentren in Berlin und Leipzig.86 Obwohl seine erste Expedition aus finanziellen Gründen zoologisch ausgerichtet war, hatte er die ethnologischen Daten in einem Artikel zur Ethnographie Nord-Ost-Brasiliens veröffentlicht.87 Die Antwort Schulz-Kampfhenkels erreichte das Berliner Museum erst ein Jahr später, am 25. Juni 1936. Dem Brief, verfasst im „Hauptlager am Ipitinga (Mittellauf des Jary, Bras[ilianisch] Guayana)“, lag u. a. eine Liste von 313 Ethnographica bei. Diese erste Sammlung vom Jari erreichte Berlin-Dahlem im November 1936,88 eine zweite wurde 1937 zunächst zusammen mit den zoologischen Sammlungen an das Museum für Naturkunde in Berlin geliefert.89 Die zweite Sendung wies insgesamt 600 Objekte auf: 192 Objekte von den Aparai, 201 von den Wayana, 188 von den Wayapi und 19 ohne Herkunftsnachweis. Zusammen mit den 313 Objekten der ersten Sendung sind 913 Objekte im damaligen Museum für Völkerkunde eingegangen, von denen heute noch 445 Objekte erhalten sind. Krickeberg war sehr daran gelegen, die Sammlung möglichst vollständig nach Berlin zu holen: „Diese Expedition, die mit Unterstützung von Reichsstellen hinausging und auch von uns Mittel erhalten hat, ist nunmehr abgeschlossen, und es handelt sich jetzt darum, die reiche
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Abb. 5 „Forschungsarbeit für die Völkerkunde: Belege des ganzen Kulturbesitzes der Aparai werden gegen Perlen und Messer eingehandelt.“ (Quelle: Schulz-Kampfhenkel: Rätsel der Urwaldhölle, 1938, nach S. 160).
Abb. 6–10 siehe Farbtafeln
wissenschaftliche Ausbeute außer Landes zu bringen, was bei den strengen Ausfuhrverboten, denen wissenschaftliches Material in Brasilien unterliegt, nicht ganz leicht ist. Vor allem werden die Unika jeder Sammlung von Brasilien gewöhnlich reklamiert. Da sie aber (und dies gilt speziell von den völkerkundlichen Stücken) für die wissenschaftliche Bearbeitung der Expeditionsergebnisse unerläßlich sind, so bitte ich Sie, freundlichst dahin wirken zu wollen, daß vom Auswärtigen Amt ein Antrag auf leihweise Herausgabe dieses Materials für eine bestimmte Frist, etwa ein Jahr, an die brasilianische Regierung gestellt wird. Bei der Zusicherung späterer Rückgabe pflegt die brasilianische Regierung solche Anträge zu genehmigen.“90
Umgehend war die Deutsche Botschaft in São Paulo angewiesen worden, sich mit der brasilianischen Regierung in Verbindung zu setzen.91 Schulz-Kampfhenkel musste eine Sammlung von 140 Objekten an das Museu Paraense Emílio Goeldi abgeben: Sie bestand aus 79 Objekten von den Aparai, 24 Objekten von den Wayapi und 37 Objekten von den Wayana.92 Als „wissenschaftliche Ausbeute“ der Expedition nannte Schulz-Kampfhenkel u. a. 1.200 ethnographische Objekte, 2.500 Fotografien, 2.700 Meter 16-mm-Schmalfilm, Tonaufnahmen auf Walzen, Notizbücher mit ethnographischen Aufzeichnungen und Zeichnungen der Wayana.93 Nur wenige Fotografien und Dokumente haben sich im Nachlass Schulz-Kampfhenkels am Institut für Weltkunde in Bildung und Forschung (WBF) in Hamburg erhalten, das nach dem Zweiten Weltkrieg von ihm gegründet wurde.94 Die Tonaufnahmen mit dem elektrischen Aufnahmegerät von Telefunken, das auf den Abb. 13 und 14 zu sehen ist und mit dem Töne auf Folienplatten mitgeschnitten werden konnten, sind nicht überliefert, jedoch ein Teil der Aufnahmen mit dem ebenfalls mitgeführten Phonographen. Im Berliner Phonogramm-Archiv des Eth-
Abb. 6 Kopfschmuck der Aparai (Staatliche Museen zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz, Ethnologisches Museum, V B 13591; Foto: Claudia Obrocki 2010).
Abb. 7 Wespenhalter („Marterinstrument“) der Aparai, (Staatliche Museen zu Berlin, Preußischer Kultur besitz, Ethnologisches Museum, V B 13644; Foto: Claudia Obrocki 2010).
Abb. 8 Tongefäße der Aparai im Ethnologischesn Museum Berlin (Staatliche Museen zu Berlin, Preußischer
Kulturbesitz, Ethnologisches Museum; Foto: Claudia Obrocki 2010).
Abb. 9 Tragekorb der Aparai (Staatliche Museen zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz, Ethnologisches Museum, V B 16981; Foto: Claudia Obrocki 2010).
Abb. 10 Die Dachscheibe (maluwana102) aus der Sammlung SchulzKampfhenkels (vgl. Abb. 12) befindet sich in der Samm lung der Ethnologischen Museums in Berlin (Staatliche Museen zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz, Ethnologisches Museum, V B 16759; Foto: Claudia Obrocki 2010).
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Abb. 11 Transkription einer Walze aus der Sammlung Schulz-Kampfhenkel (Quelle: Schneider: Außereuropäische Folklore und Kunstmusik, 1972, S. 276).
nologischen Museums waren ursprünglich zehn Zylinder registriert, von denen fünf erhalten sind und als Digitalisate vorliegen.95 Eines der Stücke ist von dem Musikethnologen Marius Schneider als Beispiel für „außereuropäische Folklore“ transkribiert und veröffentlich worden (Abb. 12).96
5. Die Finanzierung der Sammlung Schulz-Kampfhenkels Über seinen Sekretär, Rudolf Seldte, ließ Schulz-Kampfhenkel noch von Brasilien aus die Finanzierung der Expeditionssammlung aushandeln. Eine Anzahlung von 1.000 RM wurde vom Generaldirektor der Staatlichen Museen, Prof. Dr. Otto Kümmel, am 19. März 1937 genehmigt. Die Überweisung nach Brasilien wickelte die Auslandsorganisation der NSDAP ab. Die Verhandlungen über den Kauf der Sammlung sollten nach der Rückkehr Schulz-Kampfhenkels abgeschlossen werden.97 Da sich SchulzKampfhenkel in Brasilien verschuldet hatte, versuchte sein Sekretär Seldte die Entscheidungen zu beschleunigen. Er drängte auf eine Schätzung der bis dahin gelieferten Sammlung, um die restlichen Schulden von 3.000 bis 4.000 RM zu begleichen. Auf der Grundlage kurz zuvor erworbener Sammlungen98 wurde der Wert von Krickeberg auf etwa 2.500 RM (zehn RM pro Objekt) festgelegt. Dies verpflichtete die Staatlichen Museen zu einer weiteren Überweisung von 1.500 RM im Jahr 1937.99 Da sich die zweite Sammlung nach Einschätzung Snethlages als die bedeutendere erwies, war das Museum für Völkerkunde bereit, insgesamt 3.000 RM für die Sammlungen vom Jari aufzubringen. Emil Snethlage, der am 14. Juni 1937 die Sammlung im Museum für Naturkunde besichtigt hatte, stellte fest, „dass die wichtigsten Stücke wie Federhelme, Federmosaiken, bemalte Holzscheiben und Zauberrasseln und ähnliches nur in der Restsammlung vertreten sind […] und ein 5 Meter langes Boot“. Der Sachverständigenbeirat stimmte dem Ankauf zu und der Restbetrag wurde dem Auswärtigen Amt überwiesen.100 Für den Vorschuss, den Julius Riemer (1880–1958), ein Berliner Handschuhfabrikant, Schulz-Kampfhenkel zur Verfügung gestellt hatte, wählte er eine Federhaube und etwa 60 „Dubletten“ aus der bestehenden Sammlung aus.101 Die
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naturkundlichen und völkerkundlichen Objekte, die an Riemer gingen, sind heute im „Museum für Naturkunde und Völkerkunde“ im Schloss Wittenberg untergebracht, das Riemer 1949 aus den über den Zweiten Weltkrieg geretteten Resten seiner Sammlung begründete und bis zu seinem Tod 1958 leitete.103
6. Die Verwertung der JariExpedition Schulz-Kampfhenkel gelang es, die Ergebnisse der Jari-Expedition vielfältig zu nutzen. Das Filmmaterial wurde am 11. März 1938 als Ufa-Großfilm Rätsel der Urwaldhölle im Marmorhaus am Kurfürstendamm in Berlin uraufgeführt und spä- Abb. 12 „Geisterglaube im Urwald. Mit einem ter in verschiedenen deutschen Städten Pinsel aus Menschenhaar malt Winnetou mythopräsentiert. Im selben Jahr erschien auch logische Tierfiguren auf ein Dachbrett, weiße Reiher, doppelköpfige Jaguare und Piranhas, das gleichnamige Buch, das u. a. durch Sinnbilder des Guten und des Bösen“ (Quelle: Rätden „Volksverband der Bücherfreunde“ sel der Urwaldhölle, 1938, nach S. 168). vertrieben wurde. Darüber hinaus präsentierte Schulz-Kampfhenkel die Expedition auf Vortragsreisen im Deutschen Reich und im benachbarten Ausland. Und schließlich hat er 1941 mit einer Arbeit über die Ergebnisse seiner geographischen Untersuchungen in den Urwäldern des Rio Jari an der Universität Würzburg promoviert.104 Für seine Ausstellungen nutzte er die vom Museum für Völkerkunde erworbene Sammlung. Noch vor seiner Rückkehr nach Berlin hatte er sich ausbedungen, die vom Museum für Völkerkunde erworbene Sammlung für Ausstellungen auszuleihen. Die Zusammenarbeit zwischen Schulz-Kampfhenkel und dem Museum war allerdings problematisch, da Abmachungen von Schulz-Kampfhenkel nicht eingehalten wurden.105 Die Einschätzung Snethlages nach seinem Besuch der Ausstellung in Leipzig am 20. Juni 1938 fiel vernichtend aus. Er kritisierte nicht nur den „Mangel an Aufsicht“, nach einem Regen war Wasser ins Zelt gelaufen, „der Aufbau der Sammlung macht den Eindruck einer Wanderschau auf den Jahrmärkten“.106
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Trotz der angespannten Situation ersuchte Schulz-Kampfhenkel erneut um die bereits in Leipzig gezeigten Objekte, diesmal für eine Ausstellung in Stuttgart. Das Leihgesuch ist ein beredtes Zeugnis für den Stil Schulz-Kampfhenkels und soll daher im vollen Wortlaut zitiert werden. Der Brief ist eine Verquickung von ausgesuchter Höflichkeit gepaart mit politischer Wichtigtuerei: die Eindringlichkeit, mit der die Zustellung gefordert wird („Persönlich. Durch Eilboten, ist nachzusenden.“), der Versuch, das Gegenüber durch die Nennung wichtiger Persönlichkeiten und Institutionen im Reich zu beeindrucken (Schulz-Kampfhenkel nannte den Stuttgarter Oberbürgermeister Karl Strölin als denjenigen, der den Wunsch zu dieser Ausstellung geäußert habe) und verlockende Angebote (einen Fonds für die Erwerbung ethnologischer Sammlungen zu schaffen). „Sehr verehrter Herr Professor! Bitte entschuldigen Sie vielmals, daß ich Sie in Ihrer Ferienruhe mit einer dringenden Bitte behellige! Wie ich seinerzeit mitteilte, ist seitens des Herrn Oberbürgermeisters von Stuttgart anläßlich der Stuttgarter Uraufführung des Filmes der Wunsch ausgesprochen worden, einen Teil der Expeditionsergebnisse auch in der ‚Stadt der Auslandsdeutschen‘ zu zeigen. Dieses Ersuchen ist jetzt erneut seitens der Auslandsorganisation der NSDAP, die Anfang September in Stuttgart ihre große Jahrestagung hat, an mich herangetragen worden, und ich konnte mich in der vergangenen Woche, da ich zur Beisetzung von Herrn Geheimrat Frobenius nach Süddeutschland fuhr, in Stuttgart über die Einzelheiten dieses Wunsches informieren. Seitens der Stadt Stuttgart ist von Mitte September bis Ende Oktober ein Teil der neuen modernen Ausstellungshallen am Interimstheaterplatz für diese Schau zur Verfügung gestellt worden. Die behördlichen Stellen legen besonderen Wert auf die Ausstellung, da Stuttgart eben als ‚Die Stadt der Auslandsdeutschen‘ jede Auslandsarbeit fördert und, wie mir gesagt wurde, auch bereit wäre, für die Weiterführung von Forschungsreisen Unterstützungen zu gewähren. Wie ich Ihnen, sehr verehrter Herr Professor, in meinem letzten Brief schrieb, bin ich mit allen Mitteln bemüht, für diese Weiterarbeit, deren völkerkundliche Ergebnisse stets zum entscheidenden Teil dem Berliner Museum zukommen sollen, einen Fond zu schaffen. Ich richte daher hiermit die herzliche Bitte an Sie, den zur Zeit in Leipzig vor dem Abbau stehenden Teil der Sammlungen für die genannte kurze und in festen Hallen gewünschte Stuttgarter Ausstellung freizugeben, zumal wir damit ‚Die Stadt der Auslandsdeutschen‘ als Helfer für die späteren Unternehmungen gewinnen können. Abbau und Verpackung in Leipzig würde in den ersten Septembertagen, der Aufbau in Stuttgart von 10. bis 17. September erfolgen.
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Ich gebe Ihnen die Versicherung, dass selbstverständlich Transport, Aufbau und Wartung mit peinlichster Sorgsamkeit durchgeführt werden wird. Ich gestatte mir, Ihnen sehr verehrter Herr Professor noch gute Erholung und schöne Ferientage zu wünschen und verbleibe mit der Bitte um Ihre freundliche Zusage mit hochachtungsvollen Grüssen und Heil Hitler ! Ihr sehr ergebener Schulz-Kampfhenkel P.S. Ich darf noch hinzufügen, daß die Stuttgarter Ausstellung die unwiderruflich letzte sein würde.“107
Die „VI. Reichstagung der Auslandsdeutschen“, von der Auslandsorganisation der NSDAP durchgeführt, fand vom 26. August bis 4. September 1938 in Stuttgart statt. Die Ausstellung der „Deutschen Jary-Expedition“ stand somit nur in indirekten Zusammenhang mit dieser Tagung, da sie erst nach deren Ende, frühestens am 17. September 1938 eröffnet werden konnte.108 Wegen des nachlässigen Umgangs mit den ethnographischen Objekten und der ungenügenden Sicherheit in den Ausstellungsräumen während der Ausstellung in Leipzig stand Krickeberg einer weiteren Station der Ausstellung äußerst ablehnend gegenüber, stimmte aber „ein letztes Mal“ zu.109 Die Leihliste umfasste die Hälfte des gesamten Bestandes, nämlich 453 Objekte, darunter ein Boot.
7. Von „Herrenmenschen“ und „Waldmenschen“: Schulz-Kampfhenkel und die Aparai „Um keinen Preis dürfen wir den Indianer aus den Händen lassen. Er ist der Schlüssel zu den Geheimnissen des oberen Flusses.“110
Für die „Deutsche Jary-Expedition“ waren die gesetzten Ziele ohne die Hilfe der indigenen Bevölkerung nicht zu erreichen. Wegen ihrer Jagd- und Geländekenntnis, der logistischen Unterstützung, auch durch die Frauen, waren sie „unschätzbare Helfer“.111 Der Umgang Schulz-Kampfhenkels mit den Aparai, Wayana und Wayapi lief nach dem immer selben Prinzip ab: „Mit steter Geduld, Einfühlen in ihre anders laufenden Gedankengänge und einer unmerklichen Zügelführung wollen wir sie mit der Zeit zu Bundesgenossen gegen die feindliche Natur bei den schweren Flussfahrten und zu Begleitern auf der Jagd gewinnen.“112
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Augusto Oyuela-Caycedo, Manuela Fischer und Renzo Duin Abb. 13 „Das Tongerät für die Aparai-Tänze wird vorbereitet“ (Quelle: BArch Berlin, R 4901/2541, Bl. 74).
Abb. 14 „Tonaufnahmen der Indianertänze“ (Quelle: BArch
Berlin, R 4901/2541, Bl. 74).
Die offensichtliche und auch den deutschen Expeditionsteilnehmern bewusste Überlegenheit der Aparai in der den Deutschen fremden Umgebung kompensierte SchulzKampfhenkel mit einer Herrenmenschenattitüde. Sobald das Expeditionsteam mit Hilfe des Aparai Pitoma ihr Lager in unmittelbarer Nachbarschaft des Dorfes zugewiesen bekommen hatte, begann die „Zügelführung“ der Dorfbewohner. Die Aparai wurden als Jäger engagiert, die Frauen bereiteten Proviant für die Erkundungs- und Jagdausflüge vor. „Die Aparai müssen auch vor dem Mikrophon des Tongerätes singen, Flöte spielen und tanzen.“113 Nach getaner Arbeit wurden Walzer und Märsche auf dem Grammophon gespielt. „Abends spielt das Grammophon. Walzer und Märsche jubelten in die Urwaldnacht hinaus.“114
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Das Interesse an den Fremden und die durch den Multilinguismus bedingte Sprachbegabung der Aparai verkehrte Schulz-Kampfhenkel ins Groteske, indem er sie in deutsche Floskeln einführte: „Diese deutschen Worte haben sie mit der Zeit gelernt. Sie grüssen uns in der Frühe mit: ‚Morjn, Papa, morjn, Onkel‘ und abends mit ‚Gute Nacht, Papa, schlaf gut‘.“ Betroffenheit wurde mit „Junge, Junge“ oder „Donnawetta“ ausgedrückt.115 Die Vereinnahmungen trafen am unmittelbarsten den engsten Begleiter des Teams, Pitoma, der von Schulz-Kampfhenkel „Winnetou“ genannt wurde. Es wurden aber auch nationale Symbole als Referenz genutzt. Hier ist es der brasilianische Präsident, Getúlio Vargas, der sich im Stil von populistischen Diktatoren als Vaterfigur verehren ließ und daher gewissermaßen als Metapher für eine übergeordnete Autorität stand. Die Aparai hätten offenbar schon gehört von „dem Vorhandensein eines großen Häuptlings, nämlich des brasilianischen Präsidenten, den die Waldläufer den Indianern wohl als ‚Papae Grande‘, den großen Vater, bezeichnet haben. Danach fragen sie nun, und da kommt uns plötzlich die Eingebung, wie wir diesen Naturmenschen unsere ihnen ja unverständliche wissenschaftliche Mission in Anpassung an ihre Vorstellungswelt begreiflich machen können. Jawohl, sagen wir […] dort unten im Lande sei ein solch großer Vater. Aber es gebe noch einen anderen Papae Grande […] dieser Papae Grande heiße ‚Sciencia‘, ‚Wissenschaft‘. “116
Schulz-Kampfhenkel machte sich die diffuse Angst der Indianer vor außergewöhnlichen Kräften (Itupon) zunutze, wenn sie sich seinen Anordnungen widersetzten, z. B. beim Vordringen in unbekannte Regionen.117 Eine solche Situation ergab sich in einem von fremden indianischen Gruppen bewohnten Gebiet am Ipitinga und auf der Reise zum Oberlauf des Cuc. In dann schon bewährter Weise schoss SchulzKampfhenkel in der Nacht verschiedenfarbige Leuchtkugeln ab und konnte sich der Wirkung gewiss sein: „Am nächsten Morgen merke ich: der Zauber hat gesessen!“118 Wie sehr Schulz-Kampfhenkel die Herrenmenschenideologie verinnerlicht hatte und zu einem Teil der totalitären NS-Propaganda geworden war, wird deutlich, als er versuchte, sich ihrer zu entledigen. Bei der „Entnazifizierung“ von Rätsel der Urwaldhölle reduzierte sich der Umfang des Buches um etwa ein Viertel. Entfernt wurde nicht nur das offensichtlichste Zeichen des Dritten Reiches, das Hakenkreuz, von sämtlichen Illustrationen, sondern auch die Unterstützung der Expedition durch NSDAP, Reichsministerien und die deutsche Industrie.119 Die Nachkriegsausgabe von Rätsel der Urwaldhölle von 1953 ist gegenüber der Ausgabe von 1938 insgesamt nüchterner. Der militärisch anmutende Untertitel der Ausgabe von 1938 Vorstoß in unerforschte Urwälder des Amazonenstromes wandelte sich zum harmlosen Ein Expeditionsbericht aus Amazonien von der ersten Süd-Nord-Durchquerung Brasilianisch-
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Guayanas auf dem Rio Jary. Auch der englischen Ausgabe von 1940 fehlt der militaristische Unterton: „Vorstoß“ ist mit „expedition“ übersetzt.120
Fazit „In der Zukunft harren neue, größere Forschungsaufgaben ihrer Lösung. Diese erfordern einige technische Experimente.“121 „Es ist kein Zweifel, daß die wissenschaftliche Eroberung der letzten unzugänglichen Naturlandschaften nur durch den Einsatz aller Errungenschaften der Technik möglich ist.“122
Mit der Betonung nationalistischer Ideen und technischer Errungenschaften entsprach die Darstellung der „Deutschen Amazonas-Jary-Expedition“ in Text und Bild den Stereotypen der NS-Propaganda. Insbesondere der Expeditionsfilm der 1930er Jahre vermittelte ein Bild des filmenden Forschers, dem Otto Schulz-Kampfhenkel zweifellos nacheiferte: „the documentary filmmaker as a lone wolf, often a pilot who heroically battles countless dangers and often death to take pictures of extraordinary beauty and to record priceless scientific information. The expedition filmmaker exhibits the martial values of strength, determination, and self-sacrifice unto death. And like the conquering hero, he fights on foreign soil to bring home valuable treasures. Using the camera lens as his weapon, the filmmaker captures territory.“123 Die Eroberung fremder, „feindlicher“ Gebiete („Urwaldhölle“) fernab der Heimat, bei der das Leben riskiert, verloren oder geopfert wurde (Tod Joseph Greiners), folgte den Werten der Pflichterfüllung, die auch durch den Abenteuerroman und -film vermittelt wurden. In einem politischen Kontext wurden Expeditionen wie die Schulz-Kampfhenkels zur Vorlage für einen propagandistischen Film, wie auch umgekehrt die visuell dokumentierte Expedition gewissermaßen zur propagandistischen Vermittlung der Ideologie der geographischen Exploration des Raumes wird. „The stories about explorers, treasure hunters, and colonists embarking on a perilous journey into the unknown belong to a larger discourse at home and abroad central to Nazi ideology and imperial conquest.“124 In der Figur Otto Schulz-Kampfhenkels ist die Mitwirkung an der NS-Propagandamaschinerie untrennbar mit dem persönlichen Profit verschmolzen. Dieses „nationalistische subjektive Bewusstsein“ ist das Ergebnis eines bei der Konstruktion nationalistischer Ideologien üblichen Prozesses. „This process consists of three inventions – shared historical memory, common language and unique culture“.125 Die Mythen, die Schulz-Kampfhenkel im Zusammenhang mit der „Deutschen Amazonas-Jary-Expedition“ zu seiner Selbstinszenierung produzierte, waren unabdingba-
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rer Teil des ideologischen Konstrukts. Historische Situationen wurden von ihm in einer Weise umgedeutet, dass sie als persönliches Verdienst erschienen. So war die Durchführung einer deutschen Expedition in Brasilien nur in der kurzen deutschlandfreundlichen Phase der Vargas-Diktatur von 1935 bis 1937 in dieser Form möglich. Für das Konstrukt der furchtlosen Überwindung von Raum und Zeit genügten die offensichtlichen Strapazen der Reise nicht, die Expedition an den Jari musste zur „Pioniertat“ stilisiert werden. Die zahlreichen Expeditionen des 19. Jahrhunderts und die Tatsache, dass das Gebiet zwischen Jari und Paru seit Beginn des 20. Jahrhunderts zu einem extensiv genutzten Latifundium entwickelt worden war, wurden zugunsten der Darstellung der ersten Süd-Nord-Durchquerung des Jari unterschlagen. Die „erste Begegnung“ mit Aparai, Wayana und Wayapi an Jari und Cuc ist zu verstehen als die erste Begegnung Schulz-Kampfhenkels mit den dort lebenden indigenen Gruppen. Insbesondere Aparai und Wayana standen durch Besuche in der nächstgelegenen Stadt (Arumanduba) und durch Kontakte mit Paranusssammlern schon lange in Kontakt mit umgebenden Siedlern. Die Sammlungen fügen der Selbstinszenierung lediglich eine weitere – materielle – Facette hinzu. Schulz-Kampfhenkel verkaufte seine ethnographische Sammlung aus Brasilianisch-Guyana zwar an das Berliner Museum, ließ sich aber gleichzeitig zusichern, weiterhin über sie verfügen zu können. Der nachlässige Umgang mit den Objekten während der Ausstellungen in verschiedenen Städten Deutschlands ließ die Präsentation der ethnographischen Sammlung allerdings zur Staffage gerinnen. Auch das Interesse des Expeditionsteams an den ethnischen Gruppen, auf die es traf, beschränkte sich in erster Linie auf deren Orts- und Jagdkenntnisse. Die Herrenmenschenattitüde gegenüber den Aparai, Wayana und Wayapi, den so genannten „Waldmenschen“, war Teil dieses Konstrukts. Somit wurde die Darstellung der Reise nach Brasilien durch Otto Schulz-Kampfhenkel zu einer Parabel nationalistischer Ideologie.126
Anmerkungen 1 2
Die Schreibung des Flussnamens in der brasilianischen und angelsächsischen Literatur ist Jari, in älteren deutschen Publikationen Jary. Vgl. Rückkehr der deutschen Amazonas-Jary-Expedition, in: Deutsche Allgemeine Zeitung (DAZ), 26.5.1937; Die deutschen Amazonas-Erforscher berichten, in: DAZ (MorgenAusgabe), Nr. 240, 27.5.1937; Die Amazonas-Forscher wieder in Berlin. Empfang auf dem Lehrter Bahnhof, in: DAZ, 28.5.1937. Ein ausführlicher Beitrag über die Ergebnisse der Expedition berichtete von einer guten Kooperation mit den brasilianischen Behörden, von der Unterstützung des brasilianischen Präsidenten und des Nationalmuseums in Rio de Janeiro. Vgl. Die Ergebnisse der Amazonas-Expedition. Zoologische Untersuchungen in Brasilia-
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nisch-Guayana. Zwei unbekannte Flüsse festgestellt, in: DAZ, Nr. 258, 6.6.1937 (Beiblatt), Staatliche Museum Berlin, Ethnologisches Museum, Archiv (SMB/EM), I B 129 (unp.). 3 Vgl. Brief von Wächter an Walter Krickeberg, 24.5.1937, SMB/EM, I B 129 (unp.). Krickeberg, Leiter der Amerika-Abteilung des Museums für Völkerkunde (heute: Ethnologisches Museum), ließ sich entschuldigen. 4 [Otto] Schulz-Kampfhenkel: Rätsel der Urwaldhölle. Vorstoß in unerforschte Urwälder des Amazonas-Stromes. Mit Tagebuchberichten seines Jagd- und Fliegerkameraden Gerd Kahle, Berlin 1938, S. 205. 5 In einem Brief Schulz-Kampfhenkels an das Reichserziehungsministerium (REM) vom Dezember 1935 wird der rein exploratorische Charakter der Expedition deutlich: „1. Zoologische Erforschung der Jary-Wälder auf ihre Säugetier-, Reptilien und Amphibienfauna. Anlegung von Sammlungen. Untersuchung der verschiedenen Waldstufen auf ihre Besiedelung und die Kausalität der Biotopsbindung. Biologische (i. e. s.) Beobachtungen. 2. Ethnologische Beobachtungen und Sammlungen. Feststellung des Indianervorkommens im Jary-Gebiet. Filmund Tonaufnahmen. 3. Erprobung der fliegerischen Möglichkeiten im Dienst der Urwaldforschung durch erstmaligen Einsatz eines kleinen Wasserflugzeugs.“ Bundesarchiv (BArch) Berlin, R 73/14608. In einem Artikel über „Die geographische Wissenschaft in Deutschland in den Jahren 1933–1945“ gibt Carl Troll eine Übersicht über „Größere Expeditionen seit 1933“, darin wird die Jari-Expedition nicht erwähnt. Carl Troll: Die geographische Wissenschaft in Deutschland in den Jahren 1933 bis 1945. Eine Kritik und eine Rechtfertigung, in: Erdkunde, 1 (1947), Heft 1, S. 26–38. Zu den zoologischen Sammlungsergebnissen vgl. den Beitrag von M. Ohl in diesem Band. 6 Vgl. Dominique Tilkin Gallois: Migração, Guerra e Comércio: os Waiapi na Guiana, São Paulo 1986; Renzo Sebastiaan Duin: Maluwana, pinnacle of Wayana art in Guyana, in: Baessler-Archiv, 54 (2006), S. 119–144; ders.: Wayana Socio-Political Landscapes: Multi-scalar regionality and temporality in Guiana. Ph.D. University of Florida 2009, http://etd.fcla.edu/ UF/UFE0041100/duin_r.pdf, 18.6.2010. G. Hartmann, Kurator des Ethnologischen Museums Berlin, erwähnt nicht einmal die Sammlung der Jari-Expedition im Ethnologischen Museum, vgl. Günter Hartmann: Die materielle Kultur der Wayaná/Nord-Brasilien, in: BaesslerArchiv, N. F. XIX (1972), S. 379–420. 7 Karl Löwith: Nietzsches Philosophie der ewigen Wiederkunft des Gleichen, Berlin 1935, S. 33, zit. in: Giorgio Agamben: Homo sacer. Die Souveränität der Macht und das nackte Leben, Frankfurt am Main 2002, S. 128 f.; Hannah Arendt: Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, München 1986, S. 731. 8 Schulz-Kampfhenkel: Rätsel der Urwaldhölle (1938), S. 24. 9 Vgl. ebd. 10 Der „Rat für die Überwachung der künstlerischen und wissenschaftlichen Expeditionen in Brasilien“ wurde mit dem Dekret Nr. 62203 vom 31. Januar 1968 aufgelöst, vgl. Luís Donisete Benzi Grupioni: Claude Lévi-Strauss parmi les Amérindiens. Deux expéditions ethnographiques dans l´intérieur du Brésil, in: Brésil indien – les arts des Amérindiens du Brésil, Paris 2005, S. 318. 11 Dekret Nr. 22.698 vom 11. Mai 1933. Vgl. Luís Donisete Benzi Grupioni: Coleções e expedições vigiadas: os etnólogos no conselho de fiscalização das expedições artísticas e científicas no Brasil. Série História da ciência e da tecnologia, São Paulo 1998, S. 53–64; Paul Rivet:
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Réglementation des missions scientifiques en territoire brésilien, in: Journal de la Societé des Americanistes XVII (1936), S. 263 f. Diese Gründe nannte Schulz-Kampfhenkel in einem Schreiben an das REM, in dem er eine Nachbewilligung von Expeditionsmitteln beantragte. Brief von Schulz-Kampfhenkel an das REM, 5.12.1935, BArch Berlin, R 73/14608, Bl. 4. Britische und niederländische Kautschukpflanzer hatten 1922 in Südostasien (Malaysia und Sumatra) ein Kartell gebildet, um durch künstliche Verknappung die Preise hochzutreiben. Vgl. John Hemming: Tree of Rivers. The Story of the Amazon, London 2008, S. 265–268; John Galey: Industrialist in the Wilderness: Henry Ford‘s Amazon Venture, in: Journal of Interamerican Studies and World Affairs, 21 (1979), No. 2, S. 261–289; Warren Dean: Brazil and the Struggle for Rubber, Cambridge 1987; Paul Erker: Vom nationalen zum globalen Kartell. Die deutsche und amerikanische Reifenindustrie im 19. und 20. Jahrhundert, Paderborn u. a. 2005, S. 187. Vgl. Grupioni: Claude Lévi-Strauss parmi les Amérindiens, S. 314. Emil Snethlage war der erste ausländische Forscher, auf den das Dekret Nr. 22.698 zur Anwendung kam und der sich daraufhin nach einem anderen Forschungsgebiet in Bolivien umsah. Vgl. Grupioni: Coleções e expedições …, S. 66 f. Schulz-Kampfhenkel: Rätsel der Urwaldhölle (1938), S. 24. Vgl. Grupioni: Coleções e expedições …, S. 64 (Anm. 23). Vgl. Brief von Schulz-Kampfhenkel an das REM, 5.12.1935, BArch Berlin, R 73/14608, Bl. 5. Vgl. Dawid Danilo Bartelt: „Fünfte Kolonne“ ohne Plan: die Auslansdsorganisation der NSDAP in Brasilien, 1931–1939, in: Ibero-Amerikanisches Archiv, 19 (1993), Heft 1/2, S. 13 (Anm. 26), für Verweise auf Gesamtdarstellungen der Vargas-Zeit. Die Regierungszeit Getúlio Vargas umfasste die Jahre 1930–1945 und 1951–1954. Vgl. ferner Volker Koop: Hitlers Fünfte Kolonne. Die Auslands-Organisation der NSDAP, Berlin 2009. Vgl. Ricardo Antônio Silva Seitenfus: O Brasil e o III Reich (1933–1939), in: Jahrbuch für Geschichte von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft Lateinamerikas, 25 (1988), S. 286. Vgl. ders.: O Brasil de Gétulio Vargas e a Formaçao dos blocos: 1930–1942. O processo do envolvimento brasilero na II Guerra Mundial, São Paulo 1985. Der Zensus von 1940 registrierte 644.255 in Brasilien geborene deutschsprachige Brasilianer. Vgl. Instituto Brasileiro de Geografia e Estatística (IBGE), Recenseamento, 1940. Rio de Janeiro 1940. Zwischen 1820 und 1937 waren 222.951 Deutsche nach Brasilien ausgewandert. Vgl. Seitenfus: O Brasil e o III Reich, S. 274, zitiert: Latin American Migration Statistics, in: Comercial Pan América. A Monthly Review of Commerce and Finance, 87 (1937), August, S. 4. Vgl. Olaf Gaudig/Peter Veit: Der Widerschein des Nazismus. Das Bild des Nationalsozialismus in der deutschsprachigen Presse Argentiniens, Brasiliens und Chiles 1932–1945, Berlin 1997, S. 184. Für einen Vergleich des Einflusses der NSDAP in den Ländern Argentinien, Brasilien und Chile vgl. Jürgen Müller: Nationalsozialismus in Lateinamerika: Die Auslandsorganisation der NSDAP in Argentinien, Brasilien, Chile und Mexiko, 1931–1945, Stuttgart 1997. Vgl. Bartelt: „Fünfte Kolonne“ ohne Plan, S. 6–8. Vgl. ebd., S. 13; Gaudig/Veit: Der Widerschein des Nazismus, S. 196. Vgl. Bartelt: „Fünfte Kolonne“ ohne Plan, S. 12 f.
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29 Vgl. Seitenfus: O Brasil e o III Reich, S. 278. 30 Gerson Moura: Autonomia na dependência: a política externa brasileira de 1935 a 1942, Rio de Janeiro 1980, S. 90 f., zitiert in: Bartelt: „Fünfte Kolonne“ ohne Plan, S. 16 (Anm. 33), hat diesen Begriff geprägt. Zum „Neuen Plan“ Schachts vgl. Ludolf Herbst: Das nationalsozialistische Deutschland 1933–1945. Die Entfesselung der Gewalt: Rassismus und Krieg, Frankfurt am Main 1996, S. 120–129. 31 Roberto Gambini: O Duplo Jogo de Getúlio Vargas. Influencia Americana e Alemã no Estado Novo, São Paulo 1977, S. 196. 32 Beide Länder vereinbarten darüber hinaus Kompensationsgeschäfte mit brasilianischen Rohstoffen und deutschen Fertigprodukten. Vgl. Bartelt: „Fünfte Kolonne“ ohne Plan, S. 14–16. 33 Vgl. ebd., S. 16 f.; Stanley E. Hilton: Military Influence on Brazilian Economic Policy, 1930– 1945: A Different View, in: The Hispanic American Historical Review, 53 (1973), No. 1, S. 71–94. 34 Deutsche Importe aus Brasilien stiegen in diesen Jahren von zehn auf 22 Prozent. Vgl. Seitenfus: O Brasil e o III Reich, S. 27–89, zitiert: Sociedade das Nações, Estatísticas do comércio internacional, 1933–1939, Genf o. J. 35 Vgl. Seitenfus: O Brasil e o III Reich, S. 279, zitiert: Monatlicher Nachweis über den auswärtigen Handel Deutschlands, herausgegeben vom Statistischen Reichsamt, Berlin 1929–1938. 36 Schulz-Kampfhenkel: Rätsel der Urwaldhölle (1938), S. 11. In der Nachauflage von 1953 führte Schulz-Kampfhenkel aus: „Es ist kein Zweifel, dass die wissenschaftliche Eroberung der letzten unzugänglichen Naturlandschaften nur mit Hilfe aller Errungenschaften der Technik möglich ist.“ Ders.: Das Rätsel der Urwaldhölle. Ein Expeditionsbericht aus Amazonien von der ersten Süd-Nord-Durchquerung Brasilianisch-Guayanas auf dem Rio Jary, Berlin 1953, S. 7. 37 Vgl. Duin: Wayana Socio-Political Landscapes, S. 79–85. 38 Die Schreibung der Ethnonyme variiert in der Literatur: Wayana auch Oayana, Ouayana; Aparai auch Apalai, Aparaï, Aparaii. 39 Vgl. Schulz-Kampfhenkel: Rätsel der Urwaldhölle (1938), S. 28. 40 Vgl. Günther Friedrich Dungs: Die Feldforschung von Curt Unckel Nimuendajú und ihre theoretisch-methodischen Grundlagen, Bonn 1991, S. 18–28. 41 Zur Person Unckels vgl. ebd., S. 152–158. 42 Serviço de Proteção aos Indios (SPI). 1965 wurde diese Organisation aufgelöst und die FUNAI gegründet. 43 Vgl. Walter C. Farabee: The Aparaii, in: The Museum Journal, 73 (1919), September, S. 105, fig. 41, fig. 7–17. 44 Speiser hatte 1910–1912 in Vanuatu geforscht, mit diesen Forschungsergebnissen promoviert (vgl. Felix Speiser: Südsee, Urwald, Kannibalen. Reiseeindrücke aus den Neuen Hebriden, Leipzig 1913) und ein populärwissenschaftliches Buch veröffentlicht (vgl. ders.: Ethnographische Materialien von den Neuen Hebriden und den Banks-Inseln, Wiesbaden 1923). Zur Biographie Felix Speisers vgl. Karl Meuli: Felix Speiser (1880–1949), in: Südseestudien. Gedenkschrift zur Erinnerung an Felix Speiser, Basel 1951, S. 1–10; Christian Kaufmann: Felix Speiser, ethnologist: an appreciation, in: F. Speiser, Ethnology of Vanuatu. An early twentieth century study, Bathurst NSW 1991, S. 411–415; Ethnologische Forschung am Museum der Kulturen Basel, in: Regio Brasiliensis, 39 (1998), S. 259–276.
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45 Vgl. Dungs: Die Feldforschung von Curt Unckel Nimuendajú, S. 243–245. Die von Nimuendajú nach Leipzig gegebene Sammlung wurde bei einem Bombenangriff im Dezember 1943 weitgehend zerstört. Vgl. Georg Menchén: Nimuendajú: Bruder der Indianer, Leipzig 1979, S. 161. 46 Felix Speiser: Im Düster des brasilianischen Urwaldes, Stuttgart 1926. 47 Roland Cosandey: Un film palimpseste: Yopi: Chez les Indiens du Brésil, Felix Speiser (1924/1945/1994), in: Societé suisse des Américanistes/Schweizerische Amerikanisten-Gesellschaft. Bulletin 66–67 (2002–2003), S. 199–213. 48 Schulz-Kampfhenkel: Rätsel der Urwaldhölle (1938), S. 38. 49 Vgl. Antonie J. H. van Lynden: Op Zoek naar Suriname’s Zuidgrens. De Grensbepaling tusschen Suriname en Brazilië. 1935–1938, in: Tijdschrift van het Koninklijk Nederlands Aardrijkskundig Genootschap. Tweede Reeks, deel LVI (1939), S. 793–881. 50 Die Filme von Claudius H. de Goeje sind Eigentum des Koninklijk Instituut voor de Tropen in Amsterdam (KIT) und werden im Stichting Nederlands Filmmuseum aufbewahrt. Es handelt sich dabei um die ersten Filmaufnahmen eines Marake Rituals. Der 45-minütige sw-Stummfilm wurde nach den Vorträgen von de Goeje über die Wayana von Surinam am 14. und 27. Oktober 1938 gezeigt. Vgl. Mededelingen van het Tijdschrift van het KNAG, tweede Reeks Deel LV (1938), S. 971–973. 51 Weihnachtsgruß von Schulz-Kampfhenkel an de Goeje, 20.12.1943, Bibliothek der Universität Leiden, UB Bijzondere Collecties (KL): Brieven – BPL 2529. 52 Erst 1943 wurde dieses Gebiet zum Bundesterritorium, 1988 zum Bundesstaat Amapá erklärt. 53 Vgl. dazu Alphons Franssen Herderschee: Verslag van de Tapanahoni-expeditie, in: Tijdschrift van het Koninklijk Nederlands Aardrijkskundig Genootschap, deel XXII, Leiden 1905, S. 847–991. 54 Vgl. dazu Claudius H. de Goeje: Reisverslagen I-IV, in: Tijdschrift van het Koninklijk Nederlands Aardrijkskundig Genootschap, deel XXV, Leiden 1908, S. 94–112; ders: Verslag der Toemoek-Hoemak expeditie, in: ebd., S. 943–1169; ders.: Beiträge zur Völkerkunde von Surinam, in: Internationales Archiv für Ethnographie, XIX (1908), S. 1–34. 55 Vgl. dazu J. B. Wekker: Nederlands-Franse expeditie in het binnenland van Guyana September tot November 1981 door A. Kappler. In Suriname opgenomen in Petermann’s Geographische Mitteilungen 1862, deel 1, in: Mededelingen van het Surinaams Museum, 47 (1991), S. 18–26; deel 2, in: Mededelingen van het Surinaams Museum, 48 (1992), S. 16–23. 56 Vgl. dazu Alphons Franssen Herderschee: Verslag van de Gonini-expeditie, in: Tijdschrift van het Koninklijk Nederlands Aardrijkskundig Genootschap, deel XXII, Leiden 1905, S. 1–159. 57 Vgl. Van Lynden: Op Zoek naar Suriname’s Zuidgrens. 58 Vgl. Claudius H. de Goeje: Van Papadron naar Majoli e.o., in: Tijdschrift van het Koninklijk Nederlands Aardrijkskundig Genootschap, deel XXII, Leiden 1905, S. 931–986; ders.: Bijdrage tot de Ethnographie der Surinaamsche Indianen, in: Internationales Archiv für Ethnographie, 1905, Bd. XVI, Suppl., Leiden 1906, S. 1–89; ders.: Reisverslagen I-IV; ders.: Verslag der Toemoek-Hoemak expeditie; ders.: De Oayana-Indianen, in: Bijdragen tot de Taal-, Land- en Volkenkunde van Nederlandsch-Indië, 100, Leiden 1941, S. 70–125. 59 Vgl. Schulz-Kampfhenkel: Rätsel der Urwaldhölle (1938), S. 113, 208. Die Landkarte ist im Inneren des Bucheinbandes abgedruckt.
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60 Es ging darum festzulegen, welcher Fluss – Tapanahoni oder Lawa – der Oberlauf des Marowijne /Maroni Flusses sei und somit die Grenze zwischen Niederländisch und Französisch Guyana bildete. 61 Vgl. Wekker: Nederlands-Franse expeditie in het binnenland van Guyana, deel 1, 2. 62 Vgl. Jules Crevaux: Le Tour du Monde, Maroc, Amerique du Sud (1875–1879), Paris 1881; ders.: Le mendiant de l’Eldorado. De Cayenne aux Andes (1876–1879), Paris 1887. 63 Vgl. Henri Coudreau: Vocabulaires methodiques des langues Ouayana, Aparaï, Oyampi, Emérillon, Paris 1892; ders.: Chez nos indiens: quatre années dans la Guyane française (1887–1891), Paris 1893. 64 Vgl. Coudreau: Vocabulaires methodiques, S. 3. 65 Vgl. ebd., S. 18. 66 Extraktivismus ist eine Bewirtschaftungsform von Naturland, bei der gezielt bestimmte Produkte, z. B. Kautschuk und Paranüsse, gesammelt werden. 67 Van Lynden: Op Zoek naar Suriname’s Zuidgrens, S. 853; Krijn Meuldijk: Reis op de nog onbekende Oelemari-rivier. Juli-Augustus 1937, in: Tijdschrift van het Koninklijk Nederlands Aardrijkskundig Genootschap, Tweede Reeks, deel LVI (1939), S. 873–876. Vgl. auch Willem Ahlbrinck: Op zoek naar de Indianen, in: Mededeling No. CXVIII. Afdeling Culturele en Physische anthropologie No. 52, Amsterdam 1956; De Goeje: Neolithische Indianen in Suriname (met gegevens der expeditie Ahlbrinck 1938). Tijdschrift van het Koninklijk Nederlands Aardrijkskundig Genootschap, deel LX (3). Leiden 1943. 68 Schulz-Kampfhenkel: Rätsel der Urwaldhölle (1938), S. 72. 69 Im Jahr 1901 betrug der Export an Paranüssen 55.573 Hektoliter, im Jahr 1919 mit 557.249 Hektoliter bereits das Zehnfache. Vgl. Paul E. Little: Amazonia. Territorial Struggles on Perennial Frontiers, Baltimore 2001, S. 36. 70 http://www.jari.com.br/web/en/perfil/historia.htm, 9.2.2010. 71 Zusätzliche Sparten waren Kautschuk- und Palmölextraktion sowie Viehwirtschaft. Vgl. Little: Amazonia, S. 34–36. 72 Vgl. ebd., S. 36–39. 73 Vgl. Cristóvão Lins: Jari – 70 anos de história, Almeirim 1991, S. 65–71. 74 Vgl. Speiser: Im Düster des brasilianischen Urwalds, S. 3. 75 Vgl. Schulz-Kampfhenkel: Rätsel der Urwaldhölle (1938), S. 174. „Der Uferwald (…) voll wimmelnder, nackter roter Waldmenschen“. Ebd., S. 183. 76 Vgl. Peter Rivière: Some Problems in the Comparative Study of Carib Sociaties, in: Ellen B. Basso (Ed.): Carib-Speaking Indians: culture, society and language, Tucson/Arizona 1977, S. 39: „the absence of any formal social groupings that have any permanency”. 77 Peter Rivière: Individual and Society in Guiana. A comparative study of Amerindian social organization, Cambridge 1984, S. 4, 29; ders.: „The More we are Together …“, in: Joanna Overing/Alan Passes (Ed.): The Anthropology of Love and Anger. The Aesthetics of Conviviality in Native Amazonia, London 2000, S. 263 f. 78 Vgl. Francisco Silva Noelli: The Tupi Expansion, in: Helaine Silverman/William H. Isbell (Hg.): Handbook of South American Archaeology, New York 2008, S. 659–670. 79 Jean Chapuis: For a Dynamic Approach to Social Organization of the Carib of Inner Eastern Guiana: An Overview of Wayana Ethnosociogenesis, in: Ethnohistory, 53 (2006), No. 3, S. 507–542.
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80 Schulz-Kampfhenkel: Rätsel der Urwaldhölle (1938), S. 100 f. 81 Vgl. Schulz-Kampfhenkel: Rätsel der Urwaldhölle (1938) sowie Berichte Schulz-Kampfhenkels und Korrespondenzen mit dem Völkerkundemuseum Berlin (SMB/EM, I B 129) und dem Museum für Naturkunde Berlin (Historische Bild- und Schriftgutsammlungen, Bestand: Zool. Mus., S III, Schulz-Kampfhenkel, O., 1, 2). 82 Krickeberg: Befürwortung (zu der von Schulz-Kampfhenkel geplanten Expedition an den Amazonas), 12.3.1935, BArch Berlin, R 4901/2541, Bl. 3. Walter Krickeberg war von 1939 bis 1945 Direktor des Museums für Völkerkunde in Berlin und unterhielt enge Verbindung zum NS-Regime. Vgl. Norbert Díaz de Arce: Plagiatsvorwurf und Denunziation. Untersuchungen zur Geschichte der Altamerikanistik in Berlin (1900–1945), 2004, S. 28–41, in: http://www.diss.fu-berlin.de/diss/receive/FUDISS_thesis_000000001759, 18.6.2010. 83 Die Korrespondenz beginnt mit einem Brief von Snethlage an Schulz-Kampfhenkel, 12.6.1935, SMB/EM, I B 129 (unp.). 84 Ebd. 85 Emil Snethlage: Unter nordostbrasilianischen Indianern, in: Zeitschrift für Ethnologie, 62 (1931), S. 112–117; ders.: Indianerkulturen aus dem Grenzgebiet Bolivien-Brasilien: Führer durch die Ausstellung im Staatlichen Museum für Völkerkunde Berlin vom 15. August bis 15. November 1935, Berlin 1935; [Anonym]: Dem Gedächtnis von Dr. phil. Emil-Heinrich Snethlage, † 25. November 1939, Potsdam 1939. 86 Zur deutschen Amazonasforschung vgl. Michael Kraus: Bildungsbürger im Urwald. Die deutsche ethnologische Amazonienforschung (1884–1929), Marburg 2004. 87 Vermittelt durch seine Tante Emilie Snethlage (1868–1929) hat Emil Snethlage vorwiegend ornithologische Sammlungen angelegt. Emilie Snethlage war zunächst Assistentin am Museum für Naturkunde in Berlin, seit 1905 in Brasilien als Zoologin tätig und von 1914 bis 1921 Direktorin des Museu Paraense Emílio Goeldi in Belém. Während des Ersten Weltkrieges wurde Emilie Snethlage wegen ihrer deutschen Staatsbürgerschaft vom Dienst suspendiert. Grupioni: Coleções e expedições …, S. 66 (Anm. 26). 88 Vgl. Handschriftlicher Kommentar von Emil Snethlage im „Verzeichnis der Gegenstände der Schulz-Kampfhenkel-Expedition“: „Obige Gegenstände, in 7 Kisten verpackt, wurden im November 1936 von Herrn Seldte, dem Vertreter Schulz-Kampfhenkels, in den Magazinbau Dahlem gebracht und im Mittelbau, 2. Stockwerk, auf Tischen ausgelegt. 2 Tonschalen und 1 Klapper waren beschädigt, alles Übrige im guten Zustand. Die Sammlung würde eine Lücke in den Beständen unserer Abteilung ausfüllen. E. Heinrich Snethlage“, (März 1937), SMB/ EM, I B 129 (unp.). 89 Vgl. Notiz von Snethlage, 15.6.1937, ebd. 90 Brief von Krickeberg an Konsul Roth (Auswärtiges Amt), 7.4.1937, ebd. 91 Vgl. Brief von Konsul Roth an Staatliches Museum für Völkerkunde, 12.4.1937, ebd. 92 Persönliche Mitteilung von Lucia Hussak van Velthem, Museu Paraense Emílio Goeldi, Belém, 1.3.2010. 93 Vgl. Schulz-Kampfhenkel: Rätsel der Urwaldhölle (1938), S. 208. 94 Persönliche Mitteilung von Gerhild Plaetschke, Institut für Weltkunde in Bildung und Forschung Hamburg, 2009. Vgl. auch den Beitrag von S. Flachowsky/M. Ohl/H. Stoecker in diesem Band.
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95 Die Walzen W. 1–3, 5 (?) sind verloren, bei den vorhandenen Walzen W. 4, 6–10 handelt es sich um Galvanos und Kopien. Vgl. Susanne Ziegler: Die Wachszylinder des Berliner Phonogramm-Archivs, Berlin 2006, S. 259. Die Digitalisate wurden 2009 von Albrecht Wiedmann hergestellt. Vgl. Eingangsbuch Marius Schneider (begonnen) 1.1.1934. VII_W_8848_ Schulz-Kampfhenkel_Brasilien (W–4, VII_W_8766_Schulz-Kampfhenkel_Brasilien (W 6, 1‘28“, 6 a-b gepfiffene Melodie), VII_W_8768_Schulz-Kampfhenkel_Brasilien (W 7, 1‘33“, 7 a-c Tanzrhythmus), VII_W_8769_Schulz-Kampfhenkel_Brasilien (W 8, 1‘40“, 8 a-c Tanzrhythmus), VII_W_8770_Schulz-Kampfhenkel_Brasilien (W 9, 1‘26“, 9 Tanzrhythmen), VII_W_8772_Schulz-Kampfhenkel_Brasilien (W 10, 1‘35“, 10 Tanzrhythmus). 96 Marius Schneider: Außereuropäische Folklore und Kunstmusik, in: Karl Gustav Fellerer (Hg.): Das Musikwerk. Eine Beispielsammlung zur Musikgeschichte, Köln 1972, S. 276. 97 Vgl. Brief von Krickeberg an Kümmel, 18.3.1937, mit handschriftlicher Notiz Krickebergs vom 6.4.1937, dass er durch Rudolf Seldte erfahren habe, dass die Expedition abgeschlossen sei und Schulz-Kampfhenkel am 25.4.1937 per Schiff von Pará abreisen werde, SMB/EM, I B 129 (unp.). 98 Es handelte sich dabei um die Sammlungen von Curt Nimuendajú und Siegfried Waehner. 99 Vgl. Brief von Krickeberg an Kümmel, 17.4.1937, SMB/EM, I B 129 (unp.). 100 Abschrift des Protokolls der Sitzung des Sachverständigen-Beirats der Amerikanischen Abteilung, 30.3.1938, ebd. Es ging um „rund 1000 Stück“, die von Schulz-Kampfhenkel zum Kauf angeboten wurden. „Ein Teil der Kaufsumme (1000,- RM) ist bereits 1937 in Form eines Reisekostenzuschusses gezahlt worden. Der Rest (2000,- RM) ist an das Auswärtige Amt Berlin zu zahlen, das Schulz-Kampfhenkel ebenfalls einen Reisekostenzuschuß gewährt hat.“ Die Sammlung wurde am 31.3.1938 unter der Nummer V 3/1938 in das Inventarbuch des Museums für Völkerkunde Berlin eingetragen. Der Sachverständigen-Beirat (Mitglieder: Prof. Dr. Krickeberg, Dir. Prof. Dr. H. Ludendorff, Landgerichtsrat i. R. Dr. P. Schellhas; Protokollführer: Dr. H. Snethlage) befürwortete den Kauf. 101 Brief von Rudolf Seldte (Sekretär Schulz-Kampfhenkels) an Snethlage, 26.11.1938, ebd. 102 Die maluwana ist eine hölzerne Scheibe, die aus der Brettwurzel des Ceibabaumes (kumaka; Ceiba pentandra) gearbeitet und mit verschiedenen Erdfarben (weiß, gelb, rot, blau und grün) bemalt wird. Sie hat üblicherweise vier Segmente, so dass bei einer Aufhängung im Giebel des Gemeinschaftshauses (tukusipan) das männliche Monster Kuluwajak nach Osten ausgerichtet ist, das weibliche Pendant nach Westen zeigt. Die von Schulz-Kampfhenkel identifizierte ‘Piranha‘ (Abb. 10 und 12) stellt den Wassergeist Mulokot dar. Tatsächlich setzt sich dieser monströse Fisch aus Elementen von Säugetieren und Vögeln zusammen (vgl. Lucía Hussak van Velthem: O belo é a fera: a estética da produção e da predação entre os Wayana. Doctoral thesis, São Paulo 1995, S. 301). Bei maluwanas, die in Gemeinschaftshäusern hängen, ist Molokot nach Norden ausgerichtet, der „südliche“ Quadrant ist anderen Monstern, Raupen: ëlukë: Pëlitë or Tokokosi; dem Monsterfisch Kaimë und dem großen weißen Reiher (Wakaleimë) vorbehalten. Die Motive auf den maluwana sind monströse Wesen, die vom Kulturheros der Wayana, Kailawa, besiegt wurden. Es sind dieselben Motive, die während des Übergangsrituals nach dem Initiationsritual innerhalb und außerhalb des Männerhauses aufgeführt werden. Die von Schulz-Kampfhenkel gesammelten maluwana sind allerdings erste Beispiele für die Vermarktung dieser Objekte als Kunstwerke, die eigens für museale Sammlungen in Auftrag gegeben wurden. Das zentrale Loch, das ursprünglich für die Hängung im
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Dachgebälk des Männerhauses vorgesehen war, wurde nach und nach durch einen gemalten Stern oder ein anderes Motiv ersetzt. Vgl. Duin: Maluwana, pinnacle of Wayana art in Guyana. Vgl. Brief von Snethlage an Schulz-Kampfhenkel, 17.12.1938, ebd.; Brief von Schulz-Kampfhenkel an Julius Riemer, 6.5.1938, ebd. Vgl. auch http://www.wittenberg.de/staticsite/staticsite.php?menuid=261&topmenu=3, 19.6.2010. Vgl. den Beitrag von H. Stoecker in diesem Band. Die von Snethlage übersandten Leihbedingungen wurden von Schulz-Kampfhenkel nicht zurückgesandt. Ein Teil der Ausstellung wurde ohne Zustimmung des Berliner Museums an die Leipziger Expeditions-Schau weitergegeben, wo die ethnographischen Objekte in einem Zelt auf dem Zoogelände ausgestellt wurden. Bericht Snethlages an Krickeberg, 21.6.1938, SMB/EM, I B 129 (unp.). Vgl. auch die Korrespondenz über die Ausstellung zwischen Schulz-Kampfhenkel, Snethlage und Krickeberg von April bis Juni 1938, ebd. Brief von Schulz-Kampfhenkel an Krickeberg, 23.8.1938, ebd. Der Aufbau der Ausstellung war vom 10. bis 17.9.1937 geplant. Vgl. ebd. Brief von Krickeberg an Schulz-Kampfhenkel, 25.8.1938, ebd. Schulz-Kampfhenkel: Rätsel der Urwaldhölle (1938), S. 71. Ebd., S. 101. Ebd., S. 85. Ebd., S. 136. Ebd., S. 135. Ebd., S. 186, 182, 191. Ebd., S. 86 f. Itupon ist ein Begriff für alle Wesen, die die Grenze zwischen menschlichen Wesen und Geistern überschreiten. Vgl. Jean Chapuis/Hervé Rivière: Wayana eitoponpë, (Une) histoire (orale) des Indiens Wayana, Cayenne 2003, S. 7; Audrey Butt-Colson: Inter-tribal trade in the Guiana Highlands, in: Antropologica, 34 (1973), S. 8 f. Schulz-Kampfhenkel: Rätsel der Urwaldhölle (1938), S. 192 f. Die Ausgabe von 1938 hatte 213 Seiten, die Ausgabe von 1953 noch 164 Seiten. Das Hakenkreuz auf dem Heckflügel des Wasserflugzeuges wurde retuschiert, vgl. Abb. vor S. 25 (1938) und vor S. 17 (1953). Die Abb. nach S. 56 (1938) zeigt Boote auf dem Jari mit den Flaggen Deutschlands und Brasiliens sichtbar im Wind; für die Ausgabe von 1953 wurde eine andere Fotografie gewählt, auf der die Flaggen wegen Windstille herunterhängen. Otto Schulz-Kampfhenkel: Riddle of Hell’s jungle. Expedition to unexplored primeval forests of the river Amazon. With extracts from the diaries of his friend Gerd Kahle, London 1940. Schulz-Kampfhenkel: Rätsel der Urwaldhölle (1938), S. 14. Ebd., S. 11 f. Mary-Elisabeth O’Brian: Nazi cinema as enchantment: the politics of entertainment in the Third Reich, Rochester, New York 2004, S. 73. Ebd., S. 65. Ieva Zake: The Construction of National(ist) Subject: Applying the Ideas of Louis Althusser and Michel Foucault to Nationalism, in: Social Thought and Research, 25 (2003), S. 221.
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126 Unser Dank gilt Holger Stoecker für die großzügige Überlassung von Archivmaterial aus seinen Recherchen zu Schulz-Kampfhenkel; Richard Haas (Leiter der Sammlung südamerikanischer Ethnologie am Ethnologischen Museum, SMB) für die Unterstützung bei der Recherche zu den Sammlungsobjekten; Hannelore Landsberg (Museum für Naturkunde, Berlin) für den immer herzlichen Empfang und die Möglichkeit, die Dokumentationen zu konsultieren; Beatrice Kümin (Museum der Kulturen, Basel) für die freundliche Zuverfügungstellung einer Kopie des Filmes von Felix Speiser; Joseph Navratil (Filmarchiv, Wien) für die Überlassung seiner Rekonstruktion des Filmes „Rätsel der Urwaldhölle“; Luís Donisete Benzi Grupioni (Instituto de Pesquisa e Formação Indigena) für seine Recherche zur Akte Schulz-Kampfhenkel im Archiv des Conselho de Fiscalização; Lúcia Hussak van Velthem (Museo Paraense Emílio Goeldi, Belém do Pará) für die Informationen zur Sammlung Schulz-Kampfhenkel in Brasilien; Paul E. Little (Moore Foundation) für die Überlassung der Abbildung 4.
Das Fell in die Sammlung, das Fleisch in den Kochtopf Otto Schulz-Kampfhenkel als Zoologe und Tierfänger Michael Ohl
Einleitung Begibt man sich in der Säugetiersammlung des Museums für Naturkunde in Berlin, eine der bedeutendsten Sammlungen ihrer Art weltweit, auf die Suche nach Schädeln, Skeletten und Fellen von Säugetieren aus Brasilien, wird man regelmäßig auf Objekte stoßen, die, auf angehängten Etiketten oder mit Tusche direkt auf den Knochen geschrieben, den Namen Schulz-Kampfhenkel tragen (Abb. 1–3).1 Affen findet man ebenso wie Faultiere, Jaguare sowie in größerer Zahl Weißbart-Pekaris und Agutis. Ein repräsentativer Querschnitt der brasilianischen Säugetierfauna scheint durch Schulz-Kampfhenkel in das Museum gelangt zu sein. Otto Schulz-Kampfhenkels Sammlung ist noch vor Kriegsende nach Berlin gekommen und hat die Wirren des Zweiten Weltkriegs ebenso wie der größte Teil der Sammlungen des Museums für Naturkunde unbeschadet überstanden. Präparate von etwa 500 Säugetieren sind vorhanden, die genaue Zahl ist nicht bekannt und wurde auch von Schulz-Kampfhenkel nicht exakt mitgeteilt. Eine solch umfangreiche Säugetiersammlung aus Südamerika ist für das zentrale Anliegen von naturkundlichen Forschungssammlungen weltweit als „Biodiversitätsdatenbanken“ von immenser Bedeutung.2 Eine solche Sammlung mit aktueller, wissenschaftlicher Relevanz ist aber auch immer eingebettet in einen historischen Rahmen. Eine Expedition in den tropischen Regenwald Südamerikas ist selbst heute noch mit Risiken und Gefahren verbunden, war aber noch bis vor wenigen Jahrzehnten ohne schnelle Transport- und globale Kommunikationsmittel ein ungleich abenteuerlicheres Unterfangen. Wer war Schulz-Kampfhenkel, der „Fänger und Geber“ dieser umfangreichen Säugetiersammlung? Aus welchem Grund ist er nach Südamerika gereist und hat – fraglos unter Strapazen – Hunderte von Säugetieren geschossen, präpariert und nach Berlin geschafft? Schulz-Kampfhenkel ist heute in der Zoologie in Vergessenheit geraten. Selbst die Existenz seiner Sammlung im Museum für Naturkunde ist nur wenigen Spezialisten
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Michael Ohl Abb. 1 Schädel eines Weißbart-Pekaris (Tayassu pecari) der „Deutschen Amazonas-Jary-Expedition“. Der Schädel trägt den Namen Schulz-Kampfhenkels und eine nachträgliche Eingangsnummer des Museums für Naturkunde, Berlin (MfN). „S.G.“ hinter Schulz-Kampfhenkels Namen bedeutet Sammler und Geber. Die üblicherweise von Schulz-Kampfhenkel vergebene Sammlungsnummer fehlt diesem Exemplar (Foto: Hwa Ja Götz, MfN).
und Biologiehistorikern bekannt. Man findet seinen Namen in keinem ZoologieLehrbuch, keine Tierart wurde nach ihm benannt, und er hat selber keine bislang unbekannten Tierarten entdeckt. Bis heute besser bekannt geblieben ist sein abendfüllender „Forschungs-Großfilm“ Rätsel der Urwaldhölle, der ab 1938 enorm erfolgreich in deutschen Kinos lief.3 Das gleichnamige Buch, ebenfalls von 1938, war ebenso ein großer Erfolg und erschien bis 1959 in mehreren Auflagen. In Rätsel der Urwaldhölle, im Buch wie im Film, tritt Schulz-Kampfhenkel als verwegener Abenteurer auf, allerdings unter Betonung eines ernsthaften wissenschaftlichen Hintergrundes in Zoologie, Ethnologie und Geographie. Geht man in seiner Biografie weiter zurück zu weniger bekannten Expeditionen und Buchpublikationen, treten seine zoologischen Ambitionen weitaus stärker in den Vordergrund als im Kontext der Brasilienreise. Mehr noch, eine noch im März 1935, also vier Monate vor Beginn der Brasilienreise geschriebene Denkschrift über die inhaltlichen Aufgaben der Expedition nennt ausschließlich zoologische Forschungsziele. Dies steht in einem eklatanten Gegensatz zum tatsächlichen Output dieser Reise. Fraglos aber war die Zoologie der Startpunkt für Schulz-Kampfhenkels zeitweilig durchaus erfolgreiche Karriere. Ein ernsthafter Zoologe ist Schulz-Kampfhenkel trotzdem nicht geworden. Das Ziel der vorliegenden Darstellung soll sein, dem Motiv der Zoologie in seiner spezifischen, amateurhaften wie „professionellen“ Ausprägung in Schulz-Kampfhenkels Biographie nachzuspüren und herauszuarbeiten, welche Rolle sie in seinem Werdegang spielte, in welcher Weise er zoologische Themen nutzte, und was letztlich aus seiner „ererbten Liebe zu Natur und Tierwelt“, wie er selber schrieb, wurde. Naturgemäß stehen dabei seine drei größeren, ganz oder zu einem erheblichen Teil zoologischen Themen gewidmeten Expeditionen im Vordergrund.
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Abb. 2 Schrank mit AgutiFellen im Museum für Naturkunde, Berlin. Agutis sind mittel- und südamerikanische Meerschweinchen-Verwandte (Foto: H. Landsberg, MfN).
Abb. 3 Etikett eines Agutis im Museum für Naturkunde, Berlin. Die Nummer 877 stammt von Schulz-Kampfhenkel und entspricht dem dazugehörigen Eintrag in seinen Fang- und Präparationsprotokollen. Die Nummer 39.743 ist eine Sammlungsnummer des MfN, die bei der Aufnahme des Präparats in die Säugetiersammlung vergeben wurde (Foto:
H. Landsberg, MfN).
1. Jugend unter Tieren und zoologische Ausbildung Wie bei vielen begeisterten Naturforschern reichten die Wurzeln von Schulz-Kampfhenkels Enthusiasmus für die exotische Tierwelt ferner Länder bis weit in die Kindheit zurück. Er wurde nicht müde, auf seine „offenbar ererbte Liebe zu Natur und Tierwelt“ und ihre frühkindliche Bedeutung für seinen weiteren Lebensweg hinzuweisen.4 Er schrieb in seiner Vorrede zweier abenteuerlicher Zoologie-Semester in Das Dschungel rief: „Die Tatsache, dass ich in meiner Studentenzeit bisher zweimal auf eigene Faust nach Afrika fuhr, liegt darin begründet, dass ich als vierjähriger Knirps häufig freudestrahlend mit Fröschen oder Spinnen in der Tasche erschien. Später, als Pennäler, hatte ich dann mein Zimmer voll Glaskästen mit den absonderlichsten Tie-
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ren und war eifrig bemüht, mir aus allen erreichbaren Büchern eine Vorstellung von der fernen Heimat meiner Tiere zu machen.“5 Karl Mays Winnetou und Old Shatterhand waren die Helden seiner Kindheit, und auf der Pirsch nach Krähen, Eichhörnchen und Kaninchen durch heimatliche Getreidefelder wähnte er sich als „großer Jäger“6. Im Haus seiner Eltern in Eberswalde imitierte der junge Schulz-Kampfhenkel die ferne Wildnis in Form von „elektrisch besonnten“ Terrarien und träumte sich „im Geist auf fernen Karawanenreisen durch die Sahara oder auf abenteuerlicher Safari im Kongo-Urwald“7. Der junge Schulz-Kampfhenkel unterschied sich in diesen Neigungen sicherlich kaum von anderen Heranwachsenden, die zuhause einheimische Tiere sammeln, jagen und lebend halten. Während diese Begeisterung bei den meisten Jugendlichen früher oder später verschwindet, zeigte sich bei Schulz-Kampfhenkel bereits hier eine Hartnäckigkeit und Einsatzbereitschaft, die für seine weitere „professionelle“ Laufbahn prägend sein sollte. Er machte daher den nächsten Schritt und schrieb als 18-jähriger Schüler an einen nicht näher genannten Adressaten in Kairo, um nach Möglichkeiten zu fragen, lebende Reptilien aus der ägyptischen Sahara zu beziehen. Dieser reichte Schulz-Kampfhenkels Schreiben an einen „Liebhaberzoologen“ in Kairo weiter, der ihm lebende Wüstentiere im Tausch mit naturwissenschaftlichen Zeitschriften zu schicken versprach. Schulz-Kampfhenkel stimmte dem Angebot zu und erhielt „nun alle paar Wochen ein Kästchen mit Eidechsen, Schlangen oder Kröten von den Ufern des Nils, wo sie von braunen Araberjungens gefangen wurden“8. Ab 1929 studierte er – mit Geologie/Paläontologie und Philosophie als Nebenfächern – im Hauptfach Zoologie an den Universitäten Freiburg, Wien und Berlin. In Berlin nahm er bald Kontakt mit dem Zoologischen Museum (dem heutigen Museum für Naturkunde) auf, wo er insbesondere durch den persönlichen und viele Jahre andauernden Kontakt zu Prof. Dr. Hermann Pohle, dem Kustos der Säugetierabteilung, sowohl in die sammlungsbasierte, zoologische Forschung als auch in die scientific community der Säugetierforschung eingeführt wurde. Der nur wenige Tage dauernde Postweg zwischen Kairo und Eberswalde machte dem in der brandenburgischen Provinz aufwachsenden jungen Mann deutlich, dass Nordafrika ein gar nicht so fernes Ziel sein könne. Er fasste den Vorsatz, als Student eine Reise nach Nordafrika zu unternehmen und zwar nach Tunesien, dem von Deutschland aus nächstgelegenen Tor in die Sahara.
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2. Die Zoologischen Expeditionen 2.1. Tunesien-Reise 1930 Über Schulz-Kampfhenkels Reise nach Tunesien ist nur das bekannt, was er selbst in einem kurzen Bericht seinem Buch über seine Reise nach Liberia voranstellte.9 Hierin präsentierte er sich dem Leser als jugendlicher Draufgänger und weltmännischer Akademiker. Er schrieb von sich in der dritten Person: „Er trug [in Berlin bei der Rückkehr aus Tunesien] einen stark verwitterten Sportanzug, Oxfordhemd und kniehohe Lederstiefel, wie sie von Chauffeuren bevorzugt werden, und das sah alles sehr mitgenommen und nach sehr viel Strapazen aus. Dazu war er braungebrannt wie ein Araber und ziemlich zerkratzt und zerschunden, als ob er kürzlich durch Dorngestrüpp gekrochen wäre oder [eine] tätliche Auseinandersetzung gehabt hätte.“10 Mehrfach beschrieb er sein Aussehen als „verwegen“ und sprach von seiner „Vagabundengestalt“, und das von ihm gezeichnete Image des wildniserfahrenen Forschers sollte sich stereotyp in seinen weiteren Expeditionsberichten fortsetzen. Unklar bleibt dabei, inwieweit Schulz-Kampfhenkels Bericht über seine Tunesienreise, der in seinem Buch von 1933 als Prolog zur Liberia-Reise konzipiert ist, als sachlicher Bericht zu sehen ist. Manche der von ihm blumig ausgemalten Abenteueranekdoten wirken allzu konstruiert und in ihrer Einfachheit nicht immer glaubwürdig. Als Schulz-Kampfhenkel in den Weihnachtsferien des Wintersemesters 1929/30 aus Freiburg nach Eberswalde kam, teilte er seinen Eltern mit, im Frühjahr des nächsten Jahres nach Nordafrika fahren zu wollen. Er traf Reisevorkehrungen und verschaffte sich im französischen Konsulat in Berlin die Visa für Frankreich, Algier und Tunis. Anfang Januar 1930 kehrte Schulz-Kampfhenkel nach Freiburg zurück, um sein Studium fortzusetzen. Kurz vor Ende des Wintersemesters bat er seine Eltern, sein vorbereitetes Reisegepäck sowie seine Ersparnisse, die er in Eberswalde zurückgelassen hatte, nach Freiburg zu schicken, damit er von dort aus nach Nordafrika aufbrechen könne. Seine Eltern teilten ihm mit, dass sie nach reiflicher Überlegung zu dem Schluss gekommen seien, seine Pläne wegen der Gefährlichkeit der Reise nicht unterstützen zu können und verweigerten ihm die Zusendung seiner Ausrüstung. Schulz-Kampfhenkel spielte daraufhin den Einsichtigen und gab zum Schein seine Afrikapläne auf. Er behauptete, stattdessen ein Angebot erhalten zu haben, mit einer Reisegruppe nach Oberitalien fahren zu können und bat seine Eltern erneut um Zusendung seiner Ausrüstung und seines Geldes für diese nun hinreichend sichere Reise. Seine Eltern stimmten letztlich zu, und Schulz-Kampfhenkel erhielt schließlich alles von ihm Verlangte.
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Aus Freiburg brach Schulz-Kampfhenkel Richtung Nordafrika auf und gelangte über Mailand, Genua, Rom, Neapel und Palermo nach Tunis. Mehrere Wochen reiste er quer durch Tunesien und fing in den großen Oasen von Gabès, Gafsa, Tozeur und Nefta mithilfe „herumlungernder Araberbengels“ und „halbwüchsiger Prophetensöhne“11 zahlreiche Reptilien, insbesondere Schildkröten, Schlangen und Eidechsen (Abb. 4). Am 7. April 1930 traf Schulz-Kampfhenkel mit dem Nachtzug aus München wieder im Berliner Anhalter Bahnhof ein, wo er von einer „gut gekleideten Dame“, seiner Mutter, abgeholt wurde.12 Welches die genaue Fangausbeute war, Abb. 4 In Kisten verpackte Tiere aus der Wüste die Schulz-Kampfhenkel in drei „KistenTunesiens, die von „Mohammed“ zur Bahn in käfigen“ nach Berlin brachte, ist nicht Gabès gebracht wurden (Quelle: Schulz-Kampfhenkel: Das Dschungel rief, Bild 5). dokumentiert. Nach seiner Darstellung fuhren er und seine Mutter unmittelbar nach der Ankunft am Anhalter Bahnhof mit der Autodroschke zu einer „Berliner Tiergroßhandlung“. Der Name dieser Firma wird von Schulz-Kampfhenkel an keiner Stelle genannt, obwohl sie für den jungen Terrarianer von großer Bedeutung gewesen sein muss. Seit 1905 gab es in Berlin den damals für lange Zeit bekanntesten zoologischen Einzel- und Großhandel der Welt, die Firma Scholze & Pötzschke, die in der Alexanderstrasse 12 ein Ladengeschäft mit 1.000 m2 Ausstellungsfläche betrieb. Nach ihrer Gründung verstanden sich Scholze & Pötzschke als „Aquarien-Institut“, entwickelten sich dann aber zusätzlich zum „Reptilien-Spezialhaus“ (Abb. 5). Aufgrund ihrer Lage in Berlin und ihrer zentralen Bedeutung als Umschlagplatz für exotische Reptilien ist es mehr als wahrscheinlich, dass Schulz-Kampfhenkel dort seine Sahara-Reptilien verkaufte. Der von ihm erwähnte „Chef “ der Firma war Paul Pötzschke (1881–1957), der sich um den Innenbereich der Firma, den Verkauf und die Geschäftsführung kümmerte.13 Dort verkaufte Schulz-Kampfhenkel vermutlich seine Fangausbeute an „lebenden Eidechsen, Schlangen und Schildkröten aus der Sahara“. Ob der begeisterte Terrarianer einige Tiere für sich behielt, ist nicht bekannt. Von Bedeutung ist der Kontakt zu Scholze & Pötzschke als Auslöser für die sofort beginnende Planung einer weiteren Sammelreise. Pötzschke, offensichtlich angetan
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Abb. 5 Briefkopf des „Reptilien-Spezialhauses“ Scholze & Pötzschke aus einem Schreiben an das MfN von 1930 (Quelle: MfN).
vom Sammelerfolg Schulz-Kampfhenkels, empfahl ihm, vor einer möglichen, weiteren Reise „nach Afrika oder sonst wohin“14 bei ihm vorbeizuschauen, da er gegebenenfalls bereit wäre, eine solche Sammelreise mitzufinanzieren. Dieses Angebot soll Pötzschke bereits am 7. April 1930, also am Tag der Ankunft Schulz-Kampfhenkels in Berlin nach der Sahara-Reise, gemacht haben. Allerdings stellte selbst der sonst in seinen Büchern meist um eine positive Darstellung bemühte Schulz-Kampfhenkel das Gespräch als recht unverbindlich dar: „dann machen wir vielleicht die Finanzierung mit“. Dass ihm Pötzschke eine Teilfinanzierung einer weiteren Reise zumindest in Aussicht gestellt haben soll, ist allerdings durchaus glaubwürdig, da der wirtschaftliche Erfolg der europäischen Tiergroßhändler von der Effektivität eines weltumspannenden Netzwerks von Tierfängern und -importeuren abhing. Ein solches Angebot der berühmten, global agierenden Firma Scholze & Pötzschke schmeichelte dem „19jährigen Dachs“ fraglos. Das Sommersemester 1930 verbrachte Schulz-Kampfhenkel noch in Freiburg, um danach für seine Semesterferien ins Berlin-Brandenburgische zurückzukehren. In dieser Zeit war er regelmäßig Gast bei Scholze & Pötzschke, mit denen er Pläne für eine mögliche Sammelreise im Frühjahr 1931 besprach, die er gern mit der Firma zusammen organisieren wollte.15 Die finanzielle Situation von Scholze & Pötzschke schien günstig und eine mögliche Unterstützung der Reise daher aussichtsreich, so dass Schulz-Kampfhenkel eine weitere, „richtiggehende Tierfangexpedition“ ins Auge fasste.16
2.2. Liberia-Reise 1931 Noch euphorisiert von seinen ersten Wüstenerfahrungen in Tunesien und mit der in Aussicht stehenden Finanzierung durch Scholze & Pötzschke stand Schulz-Kampfhenkel vor der Entscheidung, wohin die Reise gehen solle. Auch dieses Problem be-
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sprach der unerfahrene Student mit der Firma, deren Interesse weniger idealistischer oder wissenschaftlicher als vielmehr wirtschaftlicher Natur war. Sie erhoffte sich durch ihre Investition in Schulz-Kampfhenkels Reise eine Gegenleistung in Form von Tieren, die sich mit Gewinn in Deutschland verkaufen ließen. Trotz dieses verständlichen wirtschaftlichen Drucks, dem er seine Reiseplanung unterwerfen musste, ging Schulz-Kampfhenkel die Auswahl des Reiseziels recht naiv an. Exotisch musste die Tierwelt sein, dann ließen sich die Fänge gut verkaufen. Allzu teuer durfte die Reise aber auch nicht werden, denn bis auf das immer noch recht vage Finanzierungsangebot der Tiergroßhandlung verfügte Schulz-Kampfhenkel über keinerlei Mittel. Madagaskar und seine artenreiche Fauna wurden erwogen, denn „von dort habe man seit ewigen Zeiten keine guten Sachen mehr bekommen“.17 Dagegen sprachen jedoch die bekanntermaßen hohen Sterberaten bei Tiertransporten über das Rote Meer, eventuelle Komplikationen mit der französischen Verwaltung sowie die zu erwartenden hohen Reisekosten. Schulz-Kampfhenkel und Scholze & Pötzschke „zogen dann noch andere Länder in Erwägung, Brasilien, Westindien, Ceylon, Sumatra, doch gegen alle gab es irgendetwas einzuwenden. Entweder saßen dort berufsmäßige Fänger, die alljährlich Tiertransporte schickten, oder die Reisekosten waren zu hoch. […] Ich nahm mir nun zu Haus Globus und Atlas vor, fuhr wieder einmal mit dem Finger auf der ganzen Welt umher und suchte verzweifelt nach einem Land, das weniger erforscht wäre, in dem interessante Tiere lebten und nach dem die Reise nicht allzu viel kosten würde.“18 Schulz-Kampfhenkel entschied sich schließlich für den „freien Negerstaat Liberia“. Über die Situation dort war im gleichen Jahr ein den angehenden Zoologen begeisterndes Buch des berühmten Afrikareisenden und Filmschaffenden Hans Schomburgk erschienen.19 Ob die Lektüre dieses Buches SchulzKampfhenkel dazu motivierte, nach Liberia zu reisen, oder ob er das Buch erst nach der Entscheidung für Liberia las, ist nicht bekannt. In seiner Kurzgefassten Denkschrift zur Liberia-Reise gab Schulz-Kampfhenkel Schomburgks Reisebericht an verschiedenen Stellen zumindest als Quelle an.20 Am 20. April 1931 traf sich Schulz-Kampfhenkel mit dem Direktor des Berliner Zoologischen Gartens, Prof. Dr. Ludwig Heck (1860–1951), und stellte diesem seine Pläne einer Liberia-Reise, ihren zu erwartenden wissenschaftlichen Nutzen und ihre Finanzierungsmöglichkeiten vor.21 Nach Schulz-Kampfhenkels Darstellung verlief das Gespräch „zum mindesten schon recht verheißungsvoll“.22 Heck empfahl SchulzKampfhenkel, die Beweggründe zu seiner Expedition und das gesamte Projekt in Form einer Denkschrift in mehreren Exemplaren niederzuschreiben, um es für eine Finanzierung in Frage kommenden Stellen vorzulegen. Das Sommersemester 1931 verbrachte Schulz-Kampfhenkel in Wien, wo er die von Heck empfohlene Denkschrift verfasste.
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Dieses mehrseitige Exposé ist eines der wenigen Dokumente, in denen sich Schulz-Kampfhenkel explizit bemühte, den wissenschaftlichen Rahmen für eine solche Expedition herauszuarbeiten. Auch er selbst hielt diese Denkschrift für so zentral als „Entwurf und Schlachtplan des ganzen Unternehmens“23, dass er sie in ihren wesentlichen Teilen in seinem Buch von 1933 abdruckte. Nach dem Ende des Sommersemesters 1931 kehrte Schulz-Kampfhenkel nach Berlin zurück und sah sich mit der Ankündigung konfrontiert, dass sein Hauptgeldgeber, die Berliner Tiergroßhandlung Scholze & Pötzschke, wegen finanzieller Schwierigkeiten im Zuge der Weltwirtschaftkrise die zugesagte Unterstützung zurückzog.24 Er ließ die Denkschrift ins Englische übersetzen und schickte Kopien nach England und in die USA. Darüber hinaus schrieb Schulz-Kampfhenkel zahlreiche Bittbriefe an auswärtige Zeitungen, Filmgesellschaften, Privatsammler, Museen und Tierhandlungen und sprach sogar mit dem „amerikanischen Manager des damaligen Boxweltmeisters25, von dem man sagte, er sei Jäger und Tierliebhaber“.26 Alle Bemühungen blieben jedoch erfolglos. Indes nutzte Schulz-Kampfhenkel die Zeit, um im Zoologischen Museum Berlin das Präparieren von Säugetieren zu erlernen. Ende September 1931 besprach sich Schulz-Kampfhenkel ein weiteres Mal mit Heck. Dieser sicherte Schulz-Kampfhenkel eine Finanzierungssumme zu, mit der Auflage, seltene Tiere aus Liberia für den Zoologischen Garten zu fangen und nach Berlin zu bringen. Heck bestellte bei Schulz-Kampfhenkel „westafrikanische Negerhaustiere, Nashornvögel und möglichst auch ein Zwergflusspferd“ und bat ihn zu versuchen, Tiere zu fangen, „die bisher noch nie in europäischen Gärten gezeigt werden konnten“, nämlich den Bongo (eine seltene Waldantilopenart), die Zebraantilope und ganz besonders das mysteriöse Okapi.27 Schulz-Kampfhenkel verbrachte die nächsten Monate mit den technischen Vorbereitungen zu der nun endlich realisierbaren Expedition. Ein besonderes Anliegen war Schulz-Kampfhenkel dabei, die Reise mithilfe einer Filmkamera zu dokumentieren. Dies hatte er bereits in seiner Denkschrift kurz erwähnt, konnte zu diesem Zeitpunkt allerdings außer der Filmidee keine konkreten Details nennen. Insbesondere nahm er an, unbedingt einen Kameramann zu benötigen, den ihm aber keine Filmproduktionsfirma zur Verfügung stellen wollte. Schulz-Kampfhenkel löste dieses Problem schließlich gleichermaßen kreativ wie naiv: Nachdem er sich überzeugt hatte, dass das Filmen zumindest mit einer Schmalfilmkamera ohne weiteres auch für einen Laien beherrschbar ist, wandte er sich direkt an die Firma Agfa. Es gelang ihm, Agfa davon zu überzeugen, ihm eine Schmalfilmkamera vom Typ Agfa „Movex“ und entsprechendes Filmmaterial zu einem stark verbilligten Preis anzubieten.28 Zwei Wochen vor der Abfahrt nach Liberia umriss Schulz-Kampfhenkel die Organisationsstruktur sowie das wissenschaftliche Programm: Finanzierung durch den
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Abb. 6 Umschlaggestaltung des Buches „Das Dschungel rief “ mit dem Zwergflusspferd (Quelle: MfN). Abb. 7 Verlagsankündigung anlässlich der Herausgabe von Schulz-Kampfhenkels Buch Im afrikanischen Dschungel als Tierfänger und Urwaldjäger. Eine Studentenexpedition in die Wildnisse der Pfefferküste von 1937. Das Buch war die Neuauflage seines 1933 veröffentlichten Reiseberichts über die Liberia-Reise (Quelle:
Zoologischen Garten Berlin sowie das Privatmuseum Riemer29; die Säugetierabteilung des Zoologischen Museums stellte die Ausrüstung für die wissenschaftlichen Sammlungen zur Verfügung. Die Beteiligung des Zoologischen Gartens, des Pri- MfN). vatmuseums Riemer sowie die des Zoologischen Museums galten als Vorschuss auf die zu erwartenden Fangausbeuten. Nach der Abfahrt am 6. Dezember 1931 vom Lehrter Bahnhof in Berlin und der Einschiffung in Hamburg verbrachte Schulz-Kampfhenkel die nächsten sechs Monate „auf Expedition“ in Liberia. Nach seiner Rückkehr verfasste er einen Reisebericht, der 1933 unter dem Titel Das Dschungel rief. Zoologie-Student, Tierfänger, Urwaldjäger in liberianischer Wildnis erschien (Abb. 6). Eine zweite Auflage wurde 1937 unter dem veränderten Titel Im afrikanischen Dschungel als Tierfänger und Urwaldjäger. Eine Studentenexpedition in die Wildnisse der Pfefferküste veröffentlicht (Abb. 7).
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2.3. Die „Deutsche Amazonas-Jary-Expedition“ 1935–1937 Die Brasilienreise Schulz-Kampfhenkels hatte fraglos einen entscheidenden Einfluss auf sein weiteres Leben. Ebenso ist erkennbar, dass sich hier bereits sein Forschungs-, Arbeits- und Selbstverständnis weg von der Zoologie und hin zur Geographie und besonders zur „Welterkundung“ verschob. Die zoologisch-wissenschaftlichen Ziele dieser Expedition formulierte Schulz-Kampfhenkel in einer weiteren Denkschrift vom März 1935.30 In Vorbereitung seiner Expedition nach Brasilien gelang es Schulz-Kampfhenkel erneut, verschiedene Institutionen und Personen für eine finanzielle und sonstige Unterstützung zu gewinnen, so das Museum für Völkerkunde und das ebenso renommierte Zoologische Museum, beide in Berlin, den Berliner Privatsammler und Fabrikanten Julius Riemer sowie zahlreiche weitere Firmen, die Material und Ausrüstung spendeten oder verbilligt abgaben. Die gleichfalls beteiligte Auslandsorganisation der NSDAP gewährte die nötige politische Absicherung und vermittelte Kontakte zu Pressemedien in Brasilien. Den komplexen Weg zur Finanzierung und Zulassung der Expedition schilderte ihr Leiter ausführlich in den ersten Kapiteln und der Danksagung seines Reiseberichts Rätsel der Urwaldhölle. Die Gründe für die Auswahl des Expeditionsziels bleiben in der populären Darstellung der Rätsel der Urwaldhölle vage: Von der „drängenden Kraft der Abenteuerlust“ und „wissenschaftlichem Erkenntnisdrang“ ist ebenso pauschalisierend die Rede wie von „Urwäldern des Rio Jary“ als „weißem Fleck“ auf der Landkarte der Wissenschaft. Spezifischer und sichtlich mit der Materie vertraut, äußerte sich Schulz-Kampfhenkel in seiner im März 1935 verfassten Kurzgefassten Denkschrift über Beweggründe, Ziele und Form einer geplanten zoologischen Forschungsreise in die Waldgebiete des nordöstlichen Amazonasbeckens.31 Der Rio Jari ist ein nördlicher Nebenfluss des Amazonas, der relativ nah des Amazonas-Deltas in diesen mündet. Schulz-Kampfhenkel stellte mit Fug und Recht dar, dass die Schiffbarkeit des westlichen Amazonas zu einem hohen Besiedlungsgrad und damit zur Störung der ursprünglichen Lebensraumstruktur geführt hat. Der Rio Jari dagegen fließt über einen terrassenartigen, geologisch sehr viel älteren Untergrund nach Süden und ist durch die zahlreichen Stromschnellen nur schwer schiffbar. Dazu gilt der Regenwald entlang des Rio Jari als „weniger mächtig, dicht und feucht“ und damit als leichter zugänglich. Durch die heterogene Landschaftsstruktur gibt es eine entsprechend starke Differenzierung in unterschiedliche Biotope, die von Mangrovensümpfen im Mündungsgebiet des Amazonas über Überschwemmungs- und Bergwälder bis zu Savannen-Inseln reichen. Schulz-Kampfhenkel schlussfolgert, dass „dieser Teil der Amazonasniederung […] mammologisch und herpetologisch noch terra incognita“ sei.32
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In der Tat können auch heute noch viele der großen Nebenflüsse des Amazonas als zoologisch-botanisch kaum erforscht gelten, obwohl sie mit großer Wahrscheinlichkeit einen weitaus größeren Teil der Biodiversität von Amazonien beherbergen als entlang des Hauptstroms.33 Besonders die nördlichen Zuflüsse der östlichen Hälfte des Amazonas sind von besonderem, biologischem Interesse, da sie nördlich bis in den sogenannten „Guayana-Schild“ hineinreichen, einem der artreichsten Gebiete der Erde.34 Von Juli 1935 bis Mai 1937 verbrachte also der zu Beginn der Reise erst vierundzwanzigjährige Schulz-Kampfhenkel 17 strapaziöse Monate in diesem schwer zugänglichen, zoologisch aber besonders interessanten Gebiet.
3. Das zoologische Forschungsprogramm 3.1. Theorie … Schulz-Kampfhenkels Bild als ambitionierter, wenn nicht „professioneller“ Zoologe und Naturforscher, das zumindest bis Anfang der 1940er Jahre wesentlicher Teil seiner Selbstdarstellung und -inszenierung war, steht in einem Widerspruch zu den von ihm letztlich gelieferten Resultaten. Aus keiner seiner im Wesentlichen zoologisch begründeten Reisen nach Tunesien, Liberia und Brasilien ist eine wissenschaftliche Publikation von ihm als Autor hervorgegangen. Selbst seine umfangreiche, weiterhin im Museum für Naturkunde in Berlin befindliche Sammlung liberianischer Reptilien und besonders brasilianischer Säugetiere lässt die üblichen Spuren einer seriösen, wissenschaftlichen Arbeit, so zum Beispiel genaue Fundort- und Bestimmungsetiketten, vermissen. Im Folgenden soll daher dargestellt werden, wie sich Schulz-Kampfhenkels zoologische Interessen entwickelt haben, in welcher Weise er sie zu professionalisieren beabsichtigte und welche Bedeutung sie für seine Reise und seinen Lebenslauf hatten. Vor dem Hintergrund fehlender publizierter wissenschaftlicher Ergebnisse, die Rückschlüsse auf wissenschaftliche Grundlagen zugelassen hätten, steht die Frage im Vordergrund, ob es überhaupt berechtigt ist, von einem seriösen zoologischen „Forschungsprogramm“ Schulz-Kampfhenkels zu sprechen. Während seiner Studienzeit ab 1929 nahm Schulz-Kampfhenkel Kontakt mit dem Zoologischen Museum in Berlin auf. Bis in die 1950er Jahre blieb der dortige Säugetier-Kustos Prof. Dr. Hermann Pohle (1892–1982) Schulz-Kampfhenkels Kontaktperson im Museum. Schulz-Kampfhenkels Kontakt zu Pohle wurde nur für kurze Zeit aus politischen Gründen unterbrochen, denn Pohle wurde 1933 wegen „ungeklärter Ariernachweise“ für seine Schwiegereltern ohne Bezüge aus dem Museum für
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Naturkunde entlassen. In dieser Zeit übernahm Prof. Dr. Friedrich Voss die Leitung der Säugetierabteilung. Pohle wurde erst 1937 rehabilitiert. In der Zeit zwischen November 1936 und Mai 1937 lief Schulz-Kampfhenkels gesamte Korrespondenz mit der Säugetierabteilung des Museums für Naturkunde über Voss, vorher und nachher über Pohle.35 Die im Museum für Naturkunde überlieferte Korrespondenz Pohles mit SchulzKampfhenkel lässt ein widersprüchliches Verhältnis zwischen beiden vermuten. Pohle schien in ihm einen ehrgeizigen jungen Wissenschaftler zu sehen, dessen Selbstbewusstsein und Einsatzbereitschaft kaum zu bremsen waren. Selbst in dem von Pohle aufwändig formulierten und Schulz-Kampfhenkels Mutter zur Überprüfung vorgelegten „Leumundszeugnis“ im Rahmen des Entnazifizierungsverfahrens von SchulzKampfhenkel bleibt Pohles Ton verhalten und nüchtern.36 Trotzdem kann die Bedeutung des Kontaktes zu Pohle für Schulz-Kampfhenkel kaum überschätzt werden. Dieser bekam durch Pohle Zugang zu einer der größten und bedeutendsten zoologischen Forschungssammlungen und zoologischen Fachbibliotheken. Mehr noch, Schulz-Kampfhenkel hat offenbar zumindest an der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Säugetierkunde (DGS) 1934 in Wittenberg teilgenommen, wie ein Foto dieser Tagung belegt (Abb. 8).37 Schulz-Kampfhenkel ist auf dem Bild als offensichtlich einer der jüngsten Teilnehmer unmittelbar hinter dem Ehepaar Pohle zu sehen, was bei dem engen Kontakt zwischen Schulz-Kampfhenkel und Pohle sicher kein Zufall ist. Es ist anzunehmen, dass er über Pohle den Kontakt zur DGS aufgenommen hatte. Schulz-Kampfhenkel trat der Gesellschaft am 1. Januar 1933 bei. Nach Angaben von R. Hutterer muss Schulz-Kampfhenkels Mitgliedschaft allerdings zwischen 1939 und 1945 erloschen sein, da sein Name im Mitgliederverzeichnis der DGS von 1956 nicht mehr auftaucht.38 Schulz-Kampfhenkel ist bis in Abb. 8 Die Teilnehmer der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Säugetierkunde 1934 in Wittenberg. Der Zweite von rechts ist Schulz-Kampfhenkel. Vor ihm stehen Hermann Pohle und dessen Frau (Quelle: Bildarchiv der Deutschen Gesellschaft für Säugetierkunde, Bonn).
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die 1970er und 1980er Jahre unregelmäßig auf Jahrestagungen erschienen, ob er allerdings erneut Mitglied der DGS geworden ist, lässt sich nicht klären. Das Museum für Naturkunde, damals noch Zoologisches Museum, war auch deshalb für Schulz-Kampfhenkel sicher eine der wichtigsten Anlaufstellen, da es ab den 1920er Jahren ein Zentrum der deutschen Entwicklung der sogenannten Evolutionären Synthese war.39 Von besonderer Bedeutung waren dabei der Ornithologe Erwin Stresemann (1889–1972) und der Evolutionsbiologe Bernhard Rensch (1900–1990). Leider liegen keine Informationen darüber vor, wie häufig Schulz-Kampfhenkel das Museum für Naturkunde besuchte, in welcher Weise er dort tätig war und wie sich sein Kontakt zum inneren Kreis der prominenten Mitarbeiter wie Stresemann und Rensch gestaltete. Auch gab Schulz-Kampfhenkel selbst weder in seinen Büchern noch in seinen Briefen darüber Auskunft, welche wissenschaftliche Literatur ihm bekannt war. Er begann allerdings im Frühjahr 1934 mit einer nicht vollendeten Dissertation zum Thema „Die Gloger’sche Regel bei Säugetieren“.40 Nach Schulz-Kampfhenkels Angaben wurde ihm das Thema von Bernhard Rensch „gegeben“.41 Unklar ist, ob Rensch selbst die Betreuung übernommen hatte oder ob Pohle als zuständiger Kurator für die zu untersuchende Säugetiersammlung die eigentliche Betreuung von Schulz-Kampfhenkels Dissertationsprojekt de facto durchzuführen beabsichtigte. Die Annahme einer Betreuung durch Pohle wird durch ein Schreiben Pohles an die Landesstelle Berlin des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda gestützt, in dem er sich 1937 für eine Einladung zum Begrüßungsempfang der heimkehrenden Schulz-Kampfhenkel-Expedition bedankte und sich freute, zu den ersten zu gehören, die „seinen Schüler Schulz-Kampfhenkel in der Heimat begrüssen“ könnten.42 Thematisch knüpfte die geplante Dissertation unmittelbar an eine 1929 erschienene Monografie Renschs über geographische Rassenkreise an.43 Rensch griff hier ein von Constantin Gloger (1803–1863)44 im Jahr 1833 beschriebenes Prinzip auf und nannte es „Glogersche Regel“. Die Glogersche Regel besagt, dass gleichwarme (homoiotherme) Tiere, also Vögel und Säugetiere, in feucht-wärmeren Klimaten stärker pigmentiert sind als Arten in kühleren und trockeneren Gebieten. Glogers Arbeiten sind weitestgehend in Vergessenheit geraten, die Glogersche Regel allerdings hat als eine von mehreren Regeln zum Zusammenhang zwischen geografischem Vorkommen von Tierarten und ihrer Körpergestalt bis heute ihren Platz in zahlreichen Lehrbüchern der Biogeografie. Spätestens seit 1933/34 stand Schulz-Kampfhenkel also in Kontakt mit Rensch und hat über ihn sicherlich auch dessen Arbeit von 1929 kennengelernt.45 Es ist anzunehmen, dass Schulz-Kampfhenkel bereits zu diesem Zeitpunkt einen positiven Eindruck auf Rensch und Pohle gemacht hat, da ihm ein Dissertationsprojekt und damit auch ein kontinuierlicher, wenn auch zeitlich befristeter Zugang zum Museum für
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Naturkunde gewährt wurde. Abgesehen von dieser für Schulz-Kampfhenkel schmeichelhaften Auszeichnung scheint mir die Wahl des Themas vor dem Hintergrund von Schulz-Kampfhenkels Neigungen und seiner Persönlichkeitsstruktur nur allzu gut zu ihm zu passen. Das Projekt thematisiert ein Problemfeld, das unmittelbar im Kern der Synthetischen Evolutionstheorie angesiedelt ist. Charles Darwin hatte 1859 mit seinem epochalen Buch Vom Ursprung der Arten ein bis heute andauerndes Forschungsprogramm entworfen. Nahezu unstrittig ist seitdem, dass die organismische Vielfalt durch den Prozess der Evolution sukzessive entstanden ist. Ein wichtiger Faktor in diesem Prozess ist die Variabilität innerhalb von Arten, die offenbar ebenso wie die Artendiversität geografisch ungleichmäßig verteilt ist und deren genaues Ausmaß und die dazu führenden Faktoren damals weitestgehend unbekannt waren. Es war ein bedeutender Beitrag der Synthetischen Evolutionstheorie, die geografische Variabilität von Arten und ihre Bedeutung für Artbildungsprozesse zu erkennen und methodisch zu präzisieren. Ein Zusammenhang zwischen klimatischen Faktoren und äußerer Gestalt bei Säugetieren war Anfang des 20. Jahrhunderts bereits hinreichend bekannt, speziellere Daten und insbesondere empirische Gültigkeitstests allgemeiner Aussagen waren aber noch dringend erforderlich. Es ist offensichtlich, dass sich der junge Zoologiestudent Schulz-Kampfhenkel intensiv mit dieser für die Biologie so wichtigen Problematik beschäftigt hatte. So verwendete er in offiziellen Berichten und Stellungnahmen regelmäßig wichtige Schlüsselbegriffe wie historisch-regionale Tiergeographie, Tier-und-Umwelt-Problematik, ökologische Tiergeographie, Form-Funktion-Abhängigkeit und ähnliche Termini, die von einem tieferen Verständnis der biologischen Konzepte der Zeit zeugen.46 Die entsprechenden Formulierungen wurden in den Gutachten von Pohle und Rensch ebenfalls akzentuiert als wissenschaftlicher Kern von Schulz-Kampfhenkels Reisen dargestellt.47 Eine Überprüfung der Glogerschen Regel bei Säugetieren konnte daher aus mehreren Gründen mit einem breiten Interesse bei Fachkollegen und darüber hinaus in der Öffentlichkeit rechnen. Zum einen war das Thema wissenschaftlich nicht nur sinnvoll, sondern auch noch hochaktuell, zum anderen zielte es auf die charismatischen Säugetiere48 als empirische Untersuchungsobjekte ab, die sich per se eines großen Interesses sicher sein konnten. Mit der Kenntnis von Schulz-Kampfhenkels weiterer Karriere und seiner Persönlichkeit, wie sie sich uns darstellt, scheint das Thema genau zu seinem Wunsch nach großem öffentlichem Interesse bei gleichzeitigem hohem programmatischem Anspruch zu passen. Da aber dieses Dissertationsprojekt nicht beendet und auch keine Teilergebnisse, weder zu diesem noch zu anderen zoologischen Themen, publiziert wurden, waren damit Schulz-Kampfhenkels konkrete Aktivitäten in der Zoologie beinahe schon
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beendet. Bemerkenswerterweise begründete Schulz-Kampfhenkel die Sinnhaftigkeit seiner drei Reisen nach Tunesien, Liberia und Brasilien ausschließlich durch die Darstellung biologisch-zoologischer Fragestellungen. Im Folgenden soll daher untersucht werden, welches die wissenschaftlichen Ziele waren, die Schulz-Kampfhenkel offiziell zur Begründung seiner Reisen anführte, in welcher Weise er diese Ziele zu erreichen versuchte und welche Ergebnisse er letztlich vorzuweisen hatte.
3.2. … und ihre praktische Umsetzung Schulz-Kampfhenkels erste Reise in die exotischen Länder seiner Träume führte den begeisterten Terrarianer „in den Ferien [auf eine] siebenwöchige herpetologische Studienreise nach Italien, Sizilien [und] Südtunesien“.49 Diese Reise in die nördliche Sahara stellte sich zwar als verhältnismäßig dilettantisches Unterfangen dar, das insbesondere von Schulz-Kampfhenkels Begeisterung für Reptilien und Karl Mays Abenteuerromanen motiviert zu sein schien, jedoch gelang ihm durch den Fang und den anschließenden Verkauf der Wüstenreptilien an Scholze & Pötzschke ein beachtlicher persönlicher Erfolg. Dies umso mehr, da ihm als Resonanz auf seinen tunesischen Fangerfolg von Scholze & Pötzschke eine mögliche Finanzierung einer weiteren Reise mit ähnlicher Zielsetzung in Aussicht gestellt wurde. Es ist nicht bekannt, was Schulz-Kampfhenkel letztlich in Tunesien fangen und nach Berlin transportieren konnte. In seinem Bericht über diese Reise, den er seinem eigentlich der Liberia-Reise gewidmeten Buch Das Dschungel rief von 1933 voranstellte, ist nur allgemein von „lebenden Eidechsen, Schlangen und Schildkröten“, nämlich „3 Kisten voll Getier“, die Rede. Die vom damaligen Zoodirektor Ludwig Heck von Schulz-Kampfhenkel eingeforderte Denkschrift über Sinn und Zweck einer Reise nach Liberia gibt einen guten Überblick über die „wissenschaftlichen“ Ziele Schulz-Kampfhenkels, zumindest soweit er sie zur Rechtfertigung der von ihm beantragten Mittel einsetzte.50 Bemerkenswert ist, dass er nur zwei Jahre später in einem Lebenslauf für das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung vom 20. März 1935 seiner Reise selbst jegliche Wissenschaftlichkeit absprach: „Vertiefung des Planes, später wissenschaftliche Reise zu biologischen, ökologischen und tiergeographischen Studien in die wenig untersuchten Regenwälder der Tropen zu unternehmen. Vertiefung des besonderen Interesses für Säuger, Reptilien und Amphibien. Zur Erlangung der notwendigen Expeditionspraxis Planung eines praktischen Tropensemesters, einer zoologischen Sammelreise ohne direkte wissenschaftliche Fragestellungen.“51
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Dieser Absatz umfasst immerhin zehn der insgesamt 46 Zeilen seines Lebenslaufes, was auf eine gewisse Bedeutung dieser Darstellung für ihn schließen lässt. Aus heutiger Sicht aber erscheint es befremdlich, in einer Kurzgefassten Denkschrift, also einer Projektskizze, die mit dem Ziel verfasst wurde, die Seriosität und Bedeutung der geplanten Unternehmung herauszustellen, eine im Vorfeld durchgeführte Reise (nach Liberia) dadurch zu diskreditieren, dass ihr nachträglich der wissenschaftliche Gehalt abgesprochen wird. Dies steht in einem eklatanten Widerspruch zu der vor der Liberia-Reise verfassten Denkschrift an Heck.52 Es ist zu vermuten, dass die Reise nach Liberia Schulz-Kampfhenkels Erwartungen nicht erfüllt hatte und er sich darüber im Klaren war, dass er außer seinem populären Reisebericht von 1933 auch im Jahr 1935 keine nennenswerten wissenschaftlichen Ergebnisse vorzuweisen hatte. Es ist also möglich, dass Schulz-Kampfhenkel, etwaigen Nachfragen über den Mangel an nachweisbaren Ergebnissen der Liberia-Reise vorbeugend, den Eindruck erwecken wollte, als habe er nie ein wissenschaftliches Ziel vor Augen gehabt. Gleichzeitig konnte er so aber behaupten, die Liberia-Reise habe die Funktion eines Trainings zur „Erlangung der notwendigen Expeditionspraxis“ gehabt, was wiederum seine allgemeine Expeditionskompetenz unterstrich. Der offensichtliche Widerspruch zwischen der Erklärung der ohne wissenschaftliches Ziel durchgeführten Reise und der ausführlichen Darlegung wissenschaftlicher Gründe in der Denkschrift offenbart die Instrumentalisierung der zoologischen Forschung durch Schulz-Kampfhenkel. Letztlich sah er sich als Abenteurer, der unerschrocken und von den Daheimgebliebenen beneidet, die Welt eroberte. SchulzKampfhenkel wusste aber, dass er das dafür notwendige Geld nur dann bekam, wenn er der Unternehmung einen glaubwürdigen, möglichst wissenschaftlichen Rahmen verlieh. Diesem Zweck diente seine erste Denkschrift von 1933. Die Ziele seiner Reise waren durch die Wünsche der „Auftraggeber“, also der finanzierenden Institutionen, vorgegeben. „Im Vordergrund stand der Tierfang“ für die zoologischen Gärten. Deren Wunschlisten umfassten eine Reihe seltener exotischer Tiere, wie Schulz-Kampfhenkel im Rückblick zusammenfasste: „Pinselohrschwein, Zwergmoschustier, roter Stummelaffe, Zwergantilopen (besonders der prachtvoll gezeichnete Zebraducker), seltene Vögel. Von Großwild vielleicht ein Zwergflusspferd und ein Bongo, die größte, seltenste und scheueste Antilope des westafrikanischen Urwaldes, die noch niemals lebend gefangen und importiert worden war. Außerdem Negerhaustiere und für das Aquarium die bunten Giftvipern: grüne Baumotter, Pfeil otter, Nashornviper; schwarzgelbe Brillenschlange, große Insekten und, natürlich, Seltenheiten, Neueinführungen.“53 Nicht weniger konkret waren die Fangerwartungen der beiden beteiligten Museen. Schulz-Kampfhenkel stellte fest, dass der allgemein geäußerte Wunsch des Ber-
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liner Zoologischen Museums nach Säugetieren „eine dankbare Forschungsaufgabe“ sei, da das Museum bislang überhaupt keine Stücke dieser Region, den „Hinterländern der Pfefferküste“, besaß. Das Privatmuseum Riemers gab ihm eine detaillierte Wunschliste mit auf den Weg: seltene, liberianische Schaustücke sollten es sein, so beispielsweise „Bongo, Zebraducker, Riesenschuppentier, Langschwanzschuppentier“. Die Hauptaufgabe Schulz-Kamphenkels bestand jedoch darin, eine möglichst vollständige Sammlung sämtlicher liberianischer Affenarten zusammenzubringen. Eine besondere Herausforderung dabei war der grüne Stummelaffe (heute Procolobus verus), der aus Schulz-Kampfhenkels Sicht „eine weit höhere wissenschaftliche Bedeutung [hatte] als irgendeines der vorgenannten Säugetiere“. Im liberianischen Regenwald erlebte Schulz-Kampfhenkel erstmals das bekannte Phänomen, dass die Populationsdichte besonders an großen Tieren inmitten der überbordenden Fruchtbarkeit des dichten Tropenwaldes erstaunlich gering ist. Allmählich beschlich ihn „eine ziemlich verzweifelte Stimmung, ob [er] wohl jemals auch nur einen kleinen Teil [der] drückenden Verpflichtungen werde erfüllen können. Jede freie Minute ist der Jagd auf die kleinen und großen Säuger gewidmet, die die Museumsherren in Berlin haben wollen und die doch so hoffnungslos unsichtbar in dem lückenlosen Pflanzenpelz dieser Urweltlandschaft stecken, dass man an ihrem Dasein zweifeln könnte, wenn nicht das Rauschen der Affenherden im Unterholz oder das nächtliche Klagen der Urwaldkatzen an mein Ohr dränge“.54 Durch Ausdauer, die Hilfe von indigenen Bewohnern des Tropenwaldes und das Aufstellen von Fallen war Schulz-Kampfhenkel letztlich erfolgreich, wenn auch nicht in dem von ihm erhofften Maße. Die vermeintliche Tierarmut der Regenwälder, die sich ihm erst nach und nach erschloss, wurde einige Jahre später der Expedition an den Jari beinahe zum Verhängnis. Schulz-Kampfhenkel hatte geplant, sein Expeditionsteam durch die Jagd und das Sammeln von Früchten zu ernähren. Obwohl die Expeditionsmitglieder das Fleisch jedes genießbaren, für die Sammlung vorgesehenen Tieres aßen, war Hunger ein ständiger Reisebegleiter. Technische Details zum Tierfang in Liberia finden sich in Schulz-Kampfhenkels Katalog zur Afrika-Ausstellung im Kaufhaus Wertheim.55 Er schildert hier detailliert in der Ausstellung gezeigte Käfige und Fallen für verschiedene Tierarten. Bemerkenswert ist die aufwändige Konstruktion der Affenfalle, für die Schulz-Kampfhenkel mit seinen Helfern Schneisen von acht Metern Breite und 500 bis 1.000 Metern Länge in den Urwald schlug. In drei Metern Höhe wurden dicke Stangen so befestigt, dass die Affen sie als Brücke benutzten. An einer Stelle wurde eine im Katalog nicht näher beschriebene Falle („wie gezeigt“) gestellt, mit deren Hilfe Affen gefangen werden konnten.56
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Am Ende der Liberia-Reise konnte Schulz-Kampfhenkel eine ganze Reihe der auf der Wunschliste seiner Auftraggeber verzeichneten Tierarten vorweisen. Auf den letzten Seiten seines Reiseberichts von 1933 gab er eine Übersicht der „zoologischen Expeditions-Ausbeute“, getrennt nach lebenden und solchen Exemplaren, die „als Museumsstücke“ nach Berlin gelangten. Besonders spektakulär waren zwei in einer Affenfalle gefangene grüne Stummelaffen, allerdings als Museumsexemplare. Ein Okapi bekam Schulz-Kampfhenkel nicht zu Gesicht, und auch das so sehnsüchtig gesuchte Zwergflusspferd ging ihm zwar in die Falle, entkam aber letztlich wieder. Dagegen gelangte ein Zebraducker „zum ersten Mal als vollständiges Museumsstück“ in das Zoologische Museum Berlin. Ein Teil der in Liberia lebend gefangenen Tiere wurde vom Zoologischen Garten in Halle angekauft. Der Direktor des Zoos betonte in einem Gutachten, dass SchulzKampfhenkel neben exotischen Tieren auch „Haustiere der Eingeborenen berücksichtigt habe“, so dass die „von ihm mitgebrachten Negerhausschweine […] die einwandfreie Klärung der Frage ihrer Abstammung“ ermöglichten.57 Am Ende seiner Liberia-Reise konnte Schulz-Kampfhenkel also eine positive Bilanz ziehen, da er die Fangaufträge der finanzierenden Institutionen weitestgehend erfüllt hatte. Wie aber stand es um die von ihm beschworenen „systematischen, biologischen, oikologischen Studien und Erkenntnisse[, die sich] in ihrer Ausübung ganz von selbst ergeben“ sollten? Es gibt keinen Nachweis darüber, dass Schulz-Kampfhenkel nennenswert Daten aufgenommen, Tiere beobachtet und wissenschaftlich untersucht hat. Spart er auch sonst nicht mit dem impliziten Hinweis auf die noch nicht stattgefundene Bearbeitung vieler Exemplare zum Zeitpunkt der Drucklegung von Das Dschungel rief, so fehlt doch jeder Hinweis auf eventuell zu erwartende wissenschaftliche Ergebnisse. Es erscheint plausibel anzunehmen, dass der in seiner Denkschrift von 1933 formulierte wissenschaftliche Anspruch seiner Expedition dem Jagd erlebnis zum Opfer fiel. Der bereits im Rahmen der Liberia-Reise und ihrer nachträglichen Popularisierung zu beobachtende Trend einer Diskrepanz zwischen den vor der Reise in Aussicht gestellten wissenschaftlichen Ergebnissen und den nach der Reise tatsächlich vorweisbaren Resultaten setzt sich in noch größerem Maße bei der Brasilien-Reise fort. Wie oben schon geschildert, war die Wahl des Untersuchungsgebiets aus zoologischer Sicht sinnvoll und aussichtsreich. Anders aber als bei seinen vorhergehenden Reisen nannte Schulz-Kampfhenkel keine konkreten Tierarten, die es zu erbeuten galt, sondern legte als Arbeitsprogramm eine mehrseitige Zusammenstellung von biologischen Fragestellungen vor.58 Diese Fragestellungen waren ausnahmslos von allgemeinbiologischem Interesse und ließen jeden Bezug zum Untersuchungsgebiet und selbst zu Südamerika vermissen. Der Liste stellte Schulz-Kampfhenkel einen „Leitgedan-
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ken“ voran, der kaum weniger pauschal gehalten war: „Primäre tropische Biotope sind hinsichtlich ihrer Lebensgemeinschaften bisher sehr ungenügend studiert. Vor allem nicht quantitativ und nicht in Bezug auf die Kausalität der Biotopsbindung.“59 Er verwies zudem auf folgende Fragestellungen: Vergleichende Untersuchung der verschiedenen Biotope mittels standardisierter Methoden und unter Beschränkung auf Säugetiere, Reptilien und Amphibien; vergleichend-quantitative Zählungen von Arten und Individuen in den verschiedenen Biotop-Typen; Feststellung der Faktoren, die zur Einbindung von Arten in bestimmte Biotope verantwortlich sind; Feststellung biologischer Daten (Verhalten, Ernährungs- und Fortpflanzungsbiologie, etc.); historische BioAbb. 9 Von Schulz-Kampfhenkel geschossener geographie des Gebietes. Riesenfischotter, März 1936 (Quelle: MfN). Die hier genannten Aufgaben erscheinen auf den ersten Blick plausibel, es fehlt ihnen aber die notwendige methodische und theoretische Präzision. Völlig unklar blieb, welche speziellen Methoden eingesetzt werden sollten und welche Tiergruppen für eine Auswertung besonders geeignet zu sein schienen. In seinem umfassenden Anspruch kann dieser Ansatz nur als dilettantisch bezeichnet werden, und es ist zweifelhaft, ob ein solches Programm einer ernsthaften wissenschaftlichen Prüfung standgehalten hätte. Bemerkenswert an diesem „Arbeitsplan“ ist darüber hinaus die vollständige Beschränkung auf zoologische Untersuchungsziele und Fragestellungen als alleinige inhaltliche Begründung der Brasilienreise. Die de facto bedeutenden ethnologischen Aufsammlungen und Dokumentationen spielten noch vier Monate vor der Abreise nach Brasilien eine nur äußerst marginale Rolle.60 Welche zoologischen Methoden hat Schulz-Kampfhenkel in Brasilien angewendet? Er realisierte schnell, dass auch im angeblich leichter zugänglichen Regenwald des Rio-Jari-Gebietes die Populationsdichte besonders an Wirbeltieren extrem gering ist. Da die Mitglieder des Expeditionsteams stark unter dem Klima, den Stechmücken und andauerndem Hunger litten und sie sich zudem nur selten Säugetieren so nähern konnten, dass eine Beobachtung möglich war, gelang es nur durch Abschießen jedes
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Abb. 10 Schulz-Kampfhenkels „Jagd- und Fliegerkamerad“ Gerd Kahle mit einem AparaíIndianer im Expeditionslager am Rio-Jari, Mai 1936. Kahle begutachtet eine „Mycetes-Strecke“, eine Reihe geschossener Brüllaffen. Im Hintergrund die Staatsflagge Brasiliens und die Hakenkreuz-Fahne61 (Quelle: MfN).
Abb. 11 Auszug aus SchulzKampfhenkels Fang- und Präparationsprotokollen mit der Eintragsnummer 877, einem Aguti (siehe Abb. 2–3). Verschiedene Maße und Informationen zum Uterus und dem Mageninhalt sind angegeben. Nachträglich wurde die Eingangsnummer des MfN (39.743) handschriftlich eingefügt (Quelle: MfN).
sichtbaren Wirbeltieres, diese überhaupt für eine Untersuchung zugänglich zu machen (Abb. 9). Nachdem die toten Tiere ins Lager gebracht wurden, nahm man in einem ersten Schritt verschiedene Körpermaße, insbesondere Körperlänge und Gewicht. Danach wurden die Tiere wegen des im tropischen Klima schnell voranschrei-
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tenden Verwesungsprozesses so schnell wie möglich ausgeweidet, aus der Decke geschlagen und fachmännisch konserviert (Abb. 10). In vielen Fällen kam das Fleisch der Säugetiere in den Kochtopf der Lagerküche. Bei der Entnahme der inneren Organe wurde der Magen eröffnet und der Mageninhalt untersucht. Der Zustand und die Reife des Uterus von Weibchen wurden ebenfalls dokumentiert. Alle gewonnenen Daten wurden in ein Fangund Präparationsbuch eingetragen (Abb. 11), wobei jedes Präparat (aber nicht jedes Tier) eine spezifische Sammlungsnummer erhielt. Die den aufgenommenen Daten vorangestellte Nummer galt dem Fell, während Schädel und Körperskelett fortlaufend weiter nummeriert wurden. Die Abb. 12 Präparation eines Fells während der Nummern wurden entweder auf Etiketten „Amazonas-Jary-Expedition“ (Quelle: MfN). oder direkt auf das Präparat geschrieben. Weichhäutige Tiere wie Amphibien und einige Reptilien wurden in Alkohol konserviert, was fraglos die schnellste und tropentauglichste Konservierungsmethode ist. Trotzdem sich Schulz-Kampfhenkel und seine Helfer um eine fachgerechte Gerbung der Felle sowie die Entfettung und Trocknung der Skelette und Schädel bemühten, war die Haltbarmachung der wertvollen Präparate ein unentwegter und oft vergeblicher Kampf gegen Fäulnis und Ameisen. Nach der Trocknung und Konservierung wurden die Präparate in Kisten verpackt und nach Deutschland verschickt (Abb. 12–14). „Zwei große Transporte lebender Tiere“ der Amazonas-Jary-Expedition gelangten in den Zoologischen Garten in Halle. Der Direktor des Zoos betonte den hohen tierpflegerischen Standard von Schulz-Kampfhenkels lebender Ausbeute und erklärte, dass er „den größten Teil der Tiere […] wegen ihrer Seltenheit oder wegen ihres besonders guten Zustandes für unsere Sammlung käuflich erworben“ habe.62 Schulz-Kampfhenkels Fang- und Präparationsprotokolle sind – von den Sammlungsobjekten abgesehen – die eigentlichen wissenschaftlichen Rohdaten der Expedition. Das Aufnehmen verschiedener Körpermaße wie Körperlänge und Gewicht gehörte bereits zur Praxis der wissenschaftlichen Präparation, da diese Maße an den
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Abb. 13 Fellsammlung am Trockengerüst während des Verpackens im Indianerdorf, Juli 1936 (Quelle: MfN).
Abb. 14 Schädel und Skelette werden im Indianerdorf registriert und verpackt, Juli 1936
(Quelle: MfN).
gegerbten Fellen und Bälgen nicht mehr vorhanden sind. Die Untersuchung und Protokollierung des Uterus-Zustands und des Mageninhalts ist eine sinnvolle Zusatzuntersuchung, die bei der Präparation der Tiere ohne großen zusätzlichen Aufwand durchgeführt werden kann. Die Kombination aus vorhandenen Präparaten und Schulz-Kampfhenkels Fang- und Präparationsprotokollen ist ein besonderes und qualitätssteigerndes Merkmal seiner Sammlung, die sie von den meisten anderen zoologischen Sammlungen unterscheidet. Es muss betont werden, dass Schulz-Kampfhenkel damit auf technischer Ebene eine besonders gut dokumentierte und damit wissenschaftlich wertvolle Sammlung zusammengetragen hat. Damit ist allerdings sein wirkliches zoologisches Arbeitsprogramm bereits erschöpfend dargestellt. Eine Auswertung dieser mühsam gewonnenen Daten hat weder durch ihn noch durch irgendjemand anderen jemals stattgefunden. Schulz-Kampfhenkel hat keines der in seiner Denkschrift genannten Forschungsziele
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nach der Rückkehr aus Brasilien weiterverfolgt und zoologische Ergebnisse publiziert. Das zoologische Ergebnis seiner Brasilienreise ist damit seine gut dokumentierte und im Museum für Naturkunde vorhandene Sammlung. Es ist in der Praxis biosystematischer Forschung nicht ungewöhnlich, dass zoologische Aufsammlungen von Expeditionen in exotische Länder sehr umfangreich sind, und daher von einem Wissenschaftler allein nicht bearbeitet werden können. In solchen Fällen versucht man als Expeditionsleiter, Fachkollegen zu motivieren, sich der Bearbeitung einzelner Sammlungsteile anzunehmen. Auf diesem Wege stellt man sicher, dass das mühsam erbeutete und kostspielige Untersuchungsmaterial optimal genutzt und ausgewertet wird. Nach meinem Kenntnisstand hat Schulz-Kampfhenkel keine Anstrengungen unternommen, allein oder in Kooperation mit Fachkollegen wissenschaftliche Ergebnisse der Brasilienreise zu publizieren oder publizieren zu lassen. Nach der Rückkehr aus Brasilien dienten ausgesuchte Objekte lediglich als Anschauungstücke für Ausstellungen und Vorträge, spätestens danach aber hatten die Aufsammlungen und die im Vorfeld formulierten Forschungsziele ihre Schuldigkeit als Requisiten von Schulz-Kampfhenkels Selbstinszenierung getan. Trotz intensiver Recherche konnte ich nur eine Publikation finden, die explizit Schulz-Kampfhenkels Aufsammlungen zum Gegenstand einer wissenschaftlichen Bearbeitung macht.63 Schulz-Kampfhenkel hatte als Beifänge aus Brasilien eine relativ geringe Anzahl von Schnecken mitgebracht, die zwischen dem Zoologischen Museum und Riemers Privatmuseum aufgeteilt wurden.64 Auf der Basis des Expeditionsmaterials aus beiden Sammlungen und dem bereits vorhandenen Brasilien-Material aus dem Zoologischen Museum bestimmten die Zoologen Theodor Haltenorth (1910–1981) und Siegfried Jaeckel sen. (1907–1986) das gesamte Material. Die Publikation umfasst Nachbeschreibungen aller Arten sowie Fotos der Gehäuse. Unbeschriebene Arten wurden allerdings nicht gefunden.
4. Okapi und Zwergflusspferd – Charismatische Tierarten und ihre Bedeutung für Schulz-Kampfhenkels Programmatik So beliebig und austauschbar sich die konkreten Reiseziele Schulz-Kampfhenkels auch darstellten, war es für eine mögliche Finanzierung der Reisen von entscheidender Wichtigkeit, ihre Relevanz auf mehreren Ebenen klar herauszuarbeiten. Die Betonung ihrer und damit auch Schulz-Kampfhenkels wissenschaftlicher Seriosität war einer der wichtigsten Faktoren. Besonders öffentlichkeitswirksam war daher SchulzKampfhenkels Verwendung des exotischen Reizes besonders spektakulärer und cha-
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rismatischer Tierarten. Exotische Großtiere sind mehr als viele andere Organismen in der Lage, öffentliche und mediale Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.65 SchulzKampfhenkels ikonografische Verwendung des Motivs der sagenhaften, seltenen Tiere nahm nicht selten unrealistische, wenn nicht dilettantische Züge an. In Das Dschungel rief widmet Schulz-Kampfhenkel ein ganzes Kapitel Okapia, der sagenhaften Urwaldgiraffe aus Belgisch-Kongo.66 Die Entdeckung dieser wie eine Chimäre aus Giraffe, Zebra und Pferd anmutenden Waldgiraffe lag zu Schulz-Kampfhenkels Studienzeiten erst drei Jahrzehnte zurück. Bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatten Entdeckungsreisende wie Henry Morton Stanley (1841–1904)67 und andere vage von einem seltsamen Großtier aus dem Dschungel des Kongo berichtet. Anhand zweier Fellstreifen wurde die Waldgiraffe 1901 vom Zoologen Philip L. Sclater (1829–1913) wissenschaftlich als mutmaßlicher Pferdeverwandter beschrieben. Nur wenige Monate später stellte sich anhand eines Schädels allerdings heraus, dass es sich um einen nahen Verwandten der Giraffe handelte. Die Entdeckung und Beschreibung des Okapi war eine der großen Sensationen der Zoologie zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Trotzdem aber blieb das seltene und scheue Tier eines der mysteriösesten und am wenigsten erforschten Großsäugetiere der Erde. Bis heute wurde das Okapi ausschließlich im Kongo nachgewiesen, es kommt also offenbar nicht in Liberia vor. Vor diesem Hintergrund stellte Schulz-Kampfhenkel sicher zutreffend fest, dass das „Okapi […] der Wunschtraum aller Zoodirektoren der Welt“ sei.68 Was aber verband Schulz-Kampfhenkel überhaupt mit dem Okapi? Prosaisch berichtete er, wie er sich in einem Gespräch mit einem nach einem „sensationellen Stück Getier“ in Liberias Urwald fragenden Journalisten dazu hinreißen ließ, angeblich im Scherz zu behaupten, dass er das Okapi „leider [… nicht] in den Liberiabusch dichten“ könne.69 Daraus habe der Journalist unautorisiert eine Zeitungsmeldung geschrieben, nach der ein junger Student das Okapi in Liberia suche.70 Schulz-Kampfhenkel zeigte sich entrüstet, und beschloss sein Kapitel mit dem Bericht darüber, dass er schließlich im Zoo von Antwerpen, auf der Reise nach Liberia, doch noch ein lebendes Okapi zu Gesicht bekam. Schulz-Kampfhenkels „Kreuzwut“ über die falsche Schlagzeile in „einer Berliner Abendzeitung“ ist alles andere als überzeugend. Es kann ihm nur recht gewesen sein, eine gewisse Presseaufmerksamkeit im Vorfeld seiner Liberia-Reise zu bekommen. Hinzu kam, dass es für Schulz-Kampfhenkel nur von Vorteil sein konnte, wenn er mit dem sagenhaften Okapi in Verbindung gebracht wurde. Er nutzte dabei aus, dass ein mögliches Vorkommen des Okapis in Liberia bereits von einer namhaften Quelle zur Disposition gestellt wurde, auf die sich der junge Student berufen konnte. Kurz zuvor hatte Hans Schomburgk in seinem 1931 erschienenen Buch Zelte in Afrika berichtet, dass es in Liberia ein noch unbekanntes Großwild des Regenwaldes gebe,
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dessen Beschreibung durch die Einheimischen sehr genau auf das Okapi zutreffe. „Warum sollte […] in den großen, unerforschten Urwäldern von Liberia kein Okapi vorkommen?“71 Schulz-Kampfhenkel nutzte die Bekanntheit des Okapis geschickt in zweierlei Weise für sich. Einerseits hatte er sich in Verbindung mit dem mysteriösen Urwaldtier gebracht, dessen Image nur positiv auf ihn und seine Pläne abfärben konnte. Andererseits aber war es der berühmte Schomburgk, der ein mögliches Vorkommen in Liberia angedeutet hatte. So konnte Schulz-Kampfhenkel sich bei aller Presseaufmerksamkeit strikt dagegen aussprechen, dass dieses Tier auch in Liberia vorkomme. Finge er es dort nicht, wäre niemand überrascht, da er es ja immer schon gesagt hatte. Gelinge es ihm aber doch, wäre die Sensation perfekt. In ähnlicher Weise nutzte Schulz-Kampfhenkel den Ruhm selbst noch nach der Reise, auf der es ihm nicht gelang, Spuren des Okapi zu finden. Erbost über die Falschmeldung und ohne ein Okapi in Liberia nachgewiesen zu haben, hätte es Schulz-Kampfhenkel damit bewenden lassen können. Er widmete aber in seinem Liberia-Buch dieser Tierart, die es nicht in Liberia gibt und die er nur einmal im Zoo von Antwerpen sehen konnte, ein ganzes Kapitel und sogar eine eigene Kapitelüberschrift. Die zweite, sensationelle Großtierart, die für Schulz-Kampfhenkel eine besondere Bedeutung besaß, war das Zwergflusspferd, das sogar den Buchumschlag sowie die Frontispizseite von Schulz-Kampfhenkels Das Dschungel rief ziert. Das Zwergflusspferd wurde, anders als das Okapi, ursprünglich aus Liberia beschrieben und hat hier auch heute noch sein Verbreitungszentrum.72 Schulz-Kampfhenkel kannte Schomburgks Buch Zelte in Afrika sehr genau und wusste um die Bedeutung und die Seltenheit des Zwergflusspferds. Es stand für ihn fest, dass er, ähnlich wie sein Vorbild Schomburgk, ebenfalls lebende Zwergflusspferde fangen und nach Deutschland bringen wollte. Dieser Plan sollte aber scheitern. Zwei Wochen vor Schulz-Kampfhenkels fest gebuchter Rückreise nach Deutschland gelang es einheimischen Helfern, während seiner vorübergehenden Abwesenheit in der Küstenstadt Cape Mount ein Zwergflusspferd zu fangen. Schulz-Kampfhenkel eilte sofort an den Fangort und konnte einige Fotos des Tieres in der Fallgrube machen.73 Sein Plan war nun, den Bau des erforderlichen großen Transportkäfigs sowie dessen Transport über den MafaFluss bis nach Cape Mount selber zu überwachen. Er engagierte Einheimische für den Transport und die Pflege des kostbaren Tieres, die erst nach Erreichen der Küste bezahlt werden sollten. Aus nicht näher genannten Gründen war Schulz-Kampfhenkel „in diesen Tagen vor dem Aufbruch ins Tierfanglager unabkömmlich“74, was bei der Bedeutung, die das Zwergflusspferd für ihn hatte, überrascht. Er kehrte daher noch vor dem Transport des Tieres zurück nach Cape Mount, wo ihn ein schwerer Malaria-
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Anfall ans Bett fesselte. Es dauerte bis zur Abfahrt des Dampfers nach Deutschland, ihn gesundheitlich soweit wiederherzustellen, dass er die lange Schiffsfahrt antreten konnte. Da der vorgesehene Transport des Zwergflusspferdes bis zu seiner Abfahrt Cape Mount nicht erreichte, kehrte Schulz-Kampfhenkel schließlich ohne das von ihm so begehrte Tier nach Deutschland zurück. „Der Traum vom Zwergflusspferd […] war ausgeträumt.“75 Auch hier nutzte Schulz-Kampfhenkel das Charisma eines Tieres für sich, obwohl seine Bemühungen, das Zwergflusspferd zu fangen und es als lebende Trophäe mit nach Deutschland zu nehmen, auf ganzer Linie scheiterten. Die Verwendung der wenigen Fotos des Zwergflusspferdes auf dem Titelblatt und formatfüllend auf der Frontispizseite kann vor dem Hintergrund des Fehlschlags beinahe als dreist bezeichnet werden.76 Schulz-Kampfhenkels Instrumentalisierung charismatischer Großtiere Afrikas für die eigenen Zwecke steht dabei ganz in der Tradition des Expeditionsfilms seit den Anfängen im frühen 20. Jahrhundert über Grzimeks Afrikafilme bis zu Filmen der Gegenwart.77
5. Zoologische Aktivitäten nach 1937 Ursprünglich hatte Schulz-Kampfhenkel für die Zeit nach seiner Rückkehr aus Brasilien nicht nur die Produktion eines abendfüllenden Films und eines Reiseberichts in Buchformat vorgesehen, sondern auch eine ganze Reihe von Kurzfilmen in Aussicht gestellt, in Anpassung an die „Wünsche etwaiger Interessenten und somit Auftraggeber“. In einem Arbeitsplan für die zoologisch-völkerkundliche Amazonas-Expedition nannte Schulz-Kampfhenkel beispielhaft mögliche Titel derartiger Kurzfilme mit jeweils einer stichwortartigen Zusammenfassung, die ich hier gekürzt wiedergebe:78 Rassenkessel Amazonien: mit einem rassenbiologischen Grundgedanken. Propeller über Urwaldströmen: im Niedrigflug mit der Kamera über die Meeresbrandung, das Delta, etc. Urwaldtiere: Anpassung einer vielartigen, verschiedenen und vielgestaltigen Fauna an den Lebensraum des Tropenwaldes. Jenseits der Stromschnellen: Entdeckungsflug auf unbekanntem Strom. Gefährliche Weggenossen: Begegnung mit Kaimanen, Riesenschlangen, Giftschlangen, Piranjas, Zitteraalen, Rochen, Wander- und Blattschneiderameisen, Termiten, Vogelspinnen und Skorpionen. Zwölf Stunden eines Urwaldtages: Querschnitt durch die Arbeit und den Alltag eines Jagd- und Tierfanglagers.
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Soweit bekannt, wurde keiner der geplanten Kurzfilme realisiert. Die Themenauswahl zeugt wiederum von einem zoologischen Schwerpunkt. Bis zum Abschluss der Brasilienreise waren Schulz-Kampfhenkels Aktivitäten ein dynamisches Konglomerat aus zoologischen und geografischen Anteilen. In der Öffentlichkeit aber wurde er nach seiner Rückkehr aus Südamerika zunehmend als Geograph und Ethnologe wahrgenommen. So erhielt er 1938 von der Deutschen Gesellschaft für Kulturmorphologie die erstmals vergebene Frobenius-Medaille und wurde in die Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte aufgenommen.79 Darüber hinaus galt Schulz-Kampfhenkel seitdem als kompetenter Geograph und war beispielsweise in der SS-eigenen Lehr- und Forschungsgemeinschaft „Das Ahnenerbe“ als Südamerika-„Experte“ bei der Planung von SS-Forschungsexpeditionen und der Beurteilung eines Planes zur Eroberung Guayanas als Teil der deutschen Welteroberungspläne gefragt.80 Unter Verwendung der in Brasilien gesammelten Daten promovierte er 1941 am Geographischen Institut der Universität Würzburg mit einer Arbeit über die Landschaftsgeographie des Jari. Es verwundert daher nicht, dass Schulz-Kampfhenkels zoologische Interessen, die den Ausgangspunkt seiner Kariere darstellten, durch den Zweiten Weltkrieg und den sich ihm damit bietenden neuen „wissenschaftlichen“ Möglichkeiten vor allem auf geographischem Gebiet gänzlich in den Hintergrund gedrängt wurden. So aktivierte Schulz-Kampfhenkel die nach ihm benannte und bereits einige Jahre bestehende „Forschungsgruppe Schulz-Kampfhenkel – Arbeitsgemeinschaft für wissenschaftliche Expeditionen, Naturforschung und Völkerkunde e.V. Berlin“ im Mai 1940 neu als Organisationszentrale für den „Aufbau einer planmäßigen deutschen Auslandsforschung“. Zwar verwendete er im Titel der Forschungsgruppe Begrifflichkeiten wie „wissenschaftlich“ und „Naturforschung“, die aber nur notwendige Elemente eines globalen, unrealistisch anmutenden Ziels der Erkundung von „heute noch wenig oder gar nicht erforschten Gebiete[n] der Erde“ darstellten.81
Fazit Wesentlicher Teil der Rechtfertigung und inhaltlichen Begründung der zwei Reisen nach Afrika (Tunesien und Liberia) und der Amazonas-Jari-Expedition nach Brasilien, die Schulz-Kampfhenkel 1930, 1931/32 und 1935/37 durchführte, waren die in Aussicht gestellten zoologischen Ergebnisse. Als seine „zoologischen Aufgaben“ sah Schulz-Kampfhenkel dabei erstens die „Sammeltätigkeit“ und zweitens „Studien“, wobei dem Tierfang eindeutig die größere Bedeutung zukam. Sowohl in seinen populären Büchern als auch im Schriftverkehr mit dem Säugetier-Kustos des Museums
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für Naturkunde in Berlin, Hermann Pohle, betonte Schulz-Kampfhenkel seine zoologisch-wissenschaftliche Kompetenz. Dies steht in deutlichem Gegensatz sowohl zu den inhaltlichen Darstellungen seiner zoologischen Ziele, als auch den Ergebnissen seiner Expeditionen. Es lässt sich zeigen, dass Schulz-Kampfhenkel als junger Mann zweifellos ein begeisterter „naturalist“, ein von Idealismus und der Freude am Objekt getriebener Naturforscher war und sicherlich auch für lange Zeit blieb. Eine Professionalisierung dieser amateurhaft anmutenden Grundmotivation hat allerdings nie stattgefunden. Selbst seine formulierten Forschungsziele blieben vage, beinahe naiv, und wurden nur auf tierfängerischer Ebene erfüllt. Theoretisch anspruchsvollere Forschungsvorhaben wurden weder während noch nach einer Expedition bearbeitet. Auch das jeweils angestrebte Zielland schien austauschbar. Insgesamt waren Schulz-Kampfhenkels „Forschungsansätze“ nicht inhaltliche Notwendigkeit übergeordneter Forschungsziele, sondern wurden pragmatischen (Finanzierbarkeit, Erreichbarkeit) und persönlichen Gesichtspunkten (Schulz-Kampfhenkels Ehrgeiz, spätere populäre Verwertbarkeit in Buch und Film) untergeordnet. So dienten nur oberflächlich begründete wissenschaftliche Projektziele als vermeintlich seriöse Rahmenhandlung der Selbstdarstellung Schulz-Kampfhenkels. Im Vorfeld der Liberia-Reise wies Schulz-Kampfhenkel der Presse gegenüber zudem auf die schlechte Arbeitsmarktsituation von Zoologen hin. Er betonte die Notwendigkeit, sich vom „Durchschnitt, der es nicht verstanden hat, durch besondere Leistungen oder eine hervorragende Tat seine Fähigkeiten zu erweisen“ abzuheben, um seine Berufschancen zu erhöhen. Dies sei eine wichtige Funktion zumindest seiner Expeditionen nach Tunesien und Liberia.82 Wie aber sind seine in nachweisbaren Objekten und Objektzahlen belegbaren Sammelerfolge einzuordnen, ist doch das zoologische Sammeln in der Tat elementarer Teil auch der modernen Biodiversitätsforschung? Der Forschungsreisende des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, der sich in wenig erforschte Gebiete anderer Kontinente wagte, befand sich als Sammler inhaltlich immer auf der sicheren Seite. Ob die Europa recht naheliegende nördliche Sahara oder die viel „exotischeren“ Länder Liberia oder Brasilien, jedwedes Objekt, das der Reisende aus diesen Ländern mitbrachte, konnte sich der Aufmerksamkeit der Wissenschaftler, der Museumskuratoren und oft auch der Öffentlichkeit sicher sein. Schulz-Kampfhenkel wählte die Zielgruppe seiner Sammelaktivitäten mit Bedacht: In Afrika insbesondere Reptilien, aber auch auffallende Insekten oder Säugetiere, die aus verschiedenen Gründen spektakulär oder selten waren und sich gut verkaufen ließen. In Brasilien beispielsweise Säugetiere, die in überschaubaren Artenzahlen vorkommen, taxonomisch kaum Überraschungen erwarten und die sich ohne aufwändige Fangtechnik oder besondere inhaltliche systematische Kenntnisse schießen ließen. Felle, Schädel und Skelette von etwa 500
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Säugetieren sind das Ergebnis der Brasilienreise, aber selbst die wissenschaftliche Bestimmung der ja zum überwiegenden Teil taxonomisch bekannten Arten hat SchulzKampfhenkel nicht durchgeführt. Selbst um eine indirekte wissenschaftliche Verwendung seiner Sammelobjekte durch spezialisierte Fachkollegen, eine auch heute noch durchaus übliche und aufgrund der Materialfülle notwendige Praxis, bemühte er sich offensichtlich nicht. Publikationen über seine Aufsammlungen konnten bis auf wenige Ausnahmen nicht gefunden werden. Schulz-Kampfhenkels hochfliegende Forschungspläne blieben auf der Ebene der Sammeltätigkeit stecken, hatten damit aber für ihn ihre Funktion erfüllt. Die erbeuteten Sammelobjekte waren zweifellos von wissenschaftlichem Wert, der aber prospektiv blieb, da Schulz-Kampfhenkel ihre eigentliche wissenschaftliche Bedeutung nicht herausarbeitete. Das Sammeln offenbarte damit seine eigentliche Funktion für ihn als öffentlichkeitswirksames und leicht verständliches Bühnenbild für SchulzKampfhenkels Abenteuerlust. So scheint es nur konsequent zu sein, dass Schulz-Kampfhenkel nicht nur sein zoologisches Dissertationsprojekt abbrach, sondern der biologischen Forschung frühzeitig ganz den Rücken kehrte. Beflügelt vom Erfolg insbesondere der BrasilienExpedition, der Rätsel der Urwaldhölle in Buch und Film sowie der nachfolgenden Vortrags- und Ausstellungsaktivitäten fand Schulz-Kampfhenkel seine Berufung letztlich in der populärwissenschaftlichen Vermittlung. Dem Film als didaktischem Medium blieb er treu, und ein gewisser Bekanntheitsgrad als Produzent biologischer Unterrichtsfilme stellte sicher, dass er bis kurz vor seinem Tod noch für biologische Filmprojekte angefragt wurde.83
Anmerkungen 1
2
3 4
5
Michael Ohl: Das Fell in die Sammlung, das Fleisch in den Kochtopf – Otto Schulz-Kampfhenkel und seine zoologischen Sammlungen im Museum für Naturkunde, in: Ferdinand Damaschun/Sabine Hackethal/Hannelore Landsberg/Reinhold Leinfelder (Hrsg.): Klasse, Ordnung, Art – 200 Jahre Museum, für Naturkunde, Rangsdorf 2010, S. 222–223. Werner Greuter/Clas M. Naumann/Fritz F. Steininger/Ralf Breyer/Christoph L. Häuser/Fabian Haas: Naturwissenschaftliche Forschungssammlungen in Deutschland. Schatzkammern des Lebens und der Erde, Stuttgart 2005. Vgl. dazu die Beiträge von W. Davis und H. Stahr in diesem Band. Kurzgefasste Denkschrift über Beweggründe, Ziele und Form einer geplanten zoologischen Forschungsreise in die Waldgebiete des nordöstlichen Amazonasbeckens, 20.3.1935, Bundesarchiv (BArch) Berlin, R 4901/2541, Bl. 5. [Otto] Schulz-Kampfhenkel: Das Dschungel rief. Zoologie-Student, Tierfänger, Urwaldjäger in liberianischer Wildnis, Berlin 1933, S. 11.
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6 Ebd. 7 Ebd. 8 Ebd., S. 12. 9 Ebd., S. 11–26. 10 Ebd., S. 13. 11 Ebd., S. 21 f. 12 Ebd., S. 13. 13 Für weitere Details zu Scholze & Pötzschke siehe Werner Riek: Zoologische Großhandlung Scholze & Pötzschke, Berlin 2001 (Mertensiella 12. Supplement zu Salamandra, 37, 2001: Die Geschichte der Herpetologie und Terrarienkunde im deutschsprachigen Raum, hrsg. von W. Rieck/G. Hallmann/W. Bischoff ), S. 268–275. 14 Schulz-Kampfhenkel: Das Dschungel rief, S. 13. 15 Ebd., 27. 16 Ebd. 17 Ebd., S. 27. 18 Ebd., S. 27 f. 19 Hans Schomburgk: Zelte in Afrika, Berlin 1931. 20 Schulz-Kampfhenkel: Das Dschungel rief, S. 28. 21 Geheimrat Prof. Dr. Ludwig Heck war von 1888 bis 1931 Direktor des Zoologischen Gartens, Berlin. 22 Schulz-Kampfhenkel: Das Dschungel rief, S. 28. 23 Ebd., S. 29. 24 Nachdem sich Scholze & Pötzschke im Spätsommer 1931 endgültig aus der Finanzierung der Liberia-Reise zurückgezogen hatte, ist kein engerer Kontakt zu Schulz-Kampfhenkel mehr nachweisbar. Scholze & Pötzschke hat sich allerdings später mit Aquarien mit „bunten afrikanischen Tropenfischen“ und Behältern für lebende Krokodile an der „Afrika-Ausstellung Urwaldleben und Negerkultur“ im Orient-Saal des renommierten Berliner Kaufhauses Wertheim in der Leipziger Straße beteiligt. Siehe [Otto Schulz-Kampfhenkel:] Afrika-Ausstellung. Urwaldleben und Negerkultur. Zeltlager und Ausbeute der Schulz-Kampfhenkel-Expedition nach Liberia. Kuhnert-Gemälde und afrikanische Tier-Plastiken Berliner Künstler [Katalog], Berlin 1933, S. 7, 11. 25 Schulz-Kampfhenkel: Das Dschungel rief, S. 37, nennt zwar weder den Namen des Managers noch den des Boxweltmeisters, aber es ist sehr wahrscheinlich, dass Max Schmeling und dessen Manager Joe Jacobs gemeint sind. Schmeling war neben seiner Boxkarriere als „Jäger und Heger“ überregional bekannt (Waleri Rippberger: „Weidmanns Heil, Max Schmeling!“ Boxlegende, Heger und Jäger, Tessin 2004). Er hatte am 3.7.1931, wenige Wochen vor SchulzKampfhenkels Bemühungen um Finanzierung, seinen Weltmeistertitel erfolgreich verteidigt. Schmelings Verbindung zu dem aus New York stammenden, jüdischen Manager Joe Jacobs sowie seine Heirat mit einer tschechischen Schauspielerin brachten Schmeling in Konflikt mit den Nationalsozialisten. 26 Schulz-Kampfhenkel: Das Dschungel rief, S. 37. 27 Arthur Wehner: Ein Eberswalder sucht Okapi, in: Oder-Zeitung, 4.12.1932, Kreisarchiv Barnim Eberswalde, A.II. 2265.
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28 „Movex“ war eine Schmalfilm-Baureihe von Agfa, die seit 1927 insbesondere den Amateursektor bedienen sollte. Zurzeit von Schulz-Kampfhenkels Vorbereitungen zur Liberia-Reise gab es einige wenige Bautypen der „Movex“, die alle ein Filmformat von 16 mm und eine feste Brennweite besaßen. Eine technische Besonderheit machte die „Movex“-Kameras trotz ihres relativ hohen Gewichts besonders für eine Expedition geeignet. Sie besaßen einen leistungsfähigen Federmotor und wurden mit zehn Metern Filmmaterial in geschlossenen Kassetten bestückt. Mit nur einem Aufziehen des Federwerks konnten bis zu sechs Meter Film belichtet werden, und dank der Kassetten entfiel der zeitraubende Filmwechsel. 29 Inhaber des Privatmuseums war der Lederfabrikant Julius Riemer (1880–1950). Die noch erhaltenen Sammlungsteile befinden sich heute als „Museum für Natur- und Völkerkunde Julius Riemer“ in der Lutherstadt Wittenberg. 30 Kurzgefasste Denkschrift über Beweggründe, Ziele und Form einer geplanten zoologischen Forschungsreise in die Waldgebiete des nordöstlichen Amazonasbeckens, 20.3.1935, BArch Berlin, R 4901/2541, Bl. 5. 31 Ebd. 32 Mammologie ist die Säugetierkunde, Herpetologie die Kriechtierkunde (Amphibien und Reptilien). 33 Brian Groombridge/Martin D. Jenkins: World Atlas of Biodiversity. Earth’s living Resources in the 21st Century, Berkeley/Los Angeles/London 2002. 34 John Terborgh: Diversity and the Tropical Rain Forest, New York 1992. 35 Kurt Becker: In Memoriam Hermann Pohle, in: Sitzungsberichte der Gesellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin N. F., 23 (1983), S. 5–12. In einem Schreiben vom 3.11.1936 teilte Voss dem in Brasilien befindlichen Schulz-Kampfhenkel mit, Pohle sei „im vorigen Frühjahr aus der Säugetierabteilung (und zeitweilig auch dem Museum) ausgeschieden und hat mit dem Dienstbetrieb meiner Säugetierabteilung nichts mehr zu tun, weder formell noch practisch“. Voss legt ausführlich dar, dass Pohle zu ignorieren und alle weitere Korrespondenz an ihn zu richten sei. Museum für Naturkunde Berlin, Historische Bild- und Schriftgutsammlungen, Bestand: Zoologisches Museum (MfN, Zool. Mus.), S III Schulz-Kampfhenkel, O. Bd. 1, Bl. 35. 36 Mehrere Schreiben ( Januar und April 1948) zwischen Pohle und Schulz-Kampfhenkel, seiner Mutter und einem Rechtsanwalt, MfN, Zool. Mus., S III Schulz-Kampfhenkel, O. Bd. 1. 37 Rainer Hutterer: Berlin und die Deutsche Gesellschaft für Säugetierkunde, in: Bongo 31 (2001), S. 97–120. Die Abbildung zeigt zwar eine auffällige Unähnlichkeit mit SchulzKampfhenkel, nach Auskunft von Tagungsteilnehmern und Zeitzeugen handelt es sich hierbei aber um Schulz-Kampfhenkel. 38 Rainer Hutterer, persönliche Mitteilung, Juni 2010. 39 Die Bedeutung der deutschen Wissenschaftler an der Entwicklung der „Synthese der Evolutionstheorie“ und das komplexe Spannungsfeld zwischen Wissenschaft und Politik sind in verschiedenen Arbeiten ausführlich dargestellt und diskutiert worden. Siehe z. B. Thomas Junker/Eve-Marie Engels (Hg.): Die Entstehung der Synthetischen Theorie. Beiträge zur Geschichte der Evolutionsbiologie in Deutschland 1930–1950, Berlin 1999; Thomas Junker/ Uwe Hoßfeld: The Architects of the Evolutionary Synthesis in National Socialist Germany: Science and Politics, in: Biology and Philosophy 17 (2002), S. 223–249; Thomas Junker: Die
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zweite Darwinsche Revolution. Geschichte des Synthetischen Darwinismus in Deutschland 1924–1950, Marburg 2004. 40 Lebenslauf von Schulz-Kampfhenkel, 20.3.1935, BArch Berlin, R 4901/2541, Bl. 10. 41 Ebd. 42 Pohle an Landesstelle Berlin des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda, 26.5.1937, MfN, Zool. Mus., S III Schulz-Kampfhenkel, O. Bd. 1, Bl. 45. 43 Bernhard Rensch: Das Prinzip geographischer Rassenkreise und das Problem der Artbildung, Berlin 1929. 44 Constantin Wilhelm Lambert Gloger stammte aus Oberschlesien und arbeitete viele Jahre in Berlin. Er begann verschiedene Buchprojekte über Vögel und eine umfangreiche Darstellung eines „Natürlichen Systems der Thierwelt“, die aber nie vollendet oder publiziert wurden. 1833 veröffentlichte Gloger eine Arbeit über „Das Abändern der Vögel durch Einfluss des Klimas“ (Breslau 1833, Nachdruck Saarbrücken 2007), in der er auf den Zusammenhang zwischen dem Ausmaß an Pigmentierung von Säugetieren und Vögeln und bestimmten klimatischen Faktoren (Temperatur, Feuchtigkeit) hinwies. Eine ausführliche Darstellung von Glogers Werk und insbesondere seines „Natürlichen Systems“ findet sich bei Matthias Glaubrecht/Jürgen Haffer: Classifying nature: Constantin W. L. Gloger’s (1803–1863) Tapestry of a „Natural System of the Animal Kingdom“, in: Zoosystematics and Evolution, 86 (2010), S. 81–115. 45 Mir liegen nur wenige Hinweise auf unmittelbare Verbindungen zwischen Schulz-Kampfhenkel und Rensch vor. Unter anderem hat Rensch ein knapp gehaltenes Gutachten zur Unterstützung der Vorbereitungen für die Brasilien-Reise verfasst, das insbesondere auf die Notwendigkeit einer deutschen Initiative in diesem Gebiet hinweist, „ehe das lebhafte Interesse und die Forschungstätigkeit anderer Nationen sich auch dieses aussichtsreichen Gebietes bemächtigt“ (13.3.1935, BArch Berlin, R 4901/2541, Bl. 4). In einer von Schulz-Kampfhenkel verfassten Zusammenstellung von (positiven) Besprechungen von Das Dschungel rief wird Rensch mit einem Auszug aus seiner Rezension in den Ornithologischen Monatsberichten zitiert, in der er seinem Wunsch Ausdruck verlieh, Schulz-Kampfhenkel möge noch oft die Gelegenheit bekommen, über Expeditionsreisen zu berichten (ebd., Bl. 11). 46 Z. B. ein von Schulz-Kampfhenkel verfasster, 18-seitiger Bericht von der Amazonas-Expedition als „zweiter Fortsetzungsantrag“, der von der deutschen Botschaft Rio de Janeiro am 20.11.1936 in Abschrift an verschiedene, an der Finanzierung und Zulassung der Expedition beteiligte Ministerien in Deutschland geschickt wurde. Vgl. BArch Berlin, R 4901/2541, Bl. 98–115. 47 Z. B. Gutachten von Pohle über den Erfolg der Amazonas-Expedition, 15.7.1937, ebd., Bl. 120 f. 48 Der Begriff der „charismatischen Tiere“ wird in der Literatur gelegentlich für solche Tierarten verwendet, die in der Öffentlichkeit gut bekannt sind und zu denen viele Menschen eine emotionale Verbindung herstellen können. In der Regel handelt es sich um Säugetiere, aber auch andere Tiergruppen, die durch Seltenheit, besondere Körpergröße oder andere Eigenschaften besondere Emotionen in der Öffentlichkeit auslösen, wie etwa Dinosaurier oder Haie. 49 Lebenslauf von Schulz-Kampfhenkel, 20.3.1935, BArch Berlin, R 4901/2541, Bl. 10. 50 Schulz-Kampfhenkel: Das Dschungel rief, S. 29–34.
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51 Lebenslauf von Schulz-Kampfhenkel, 20.3.1935, BArch Berlin, R 4901/2541, Bl. 10. Hervorhebung von M.O. 52 Schulz-Kampfhenkel: Das Dschungel rief, S. 29. 53 Ebd., S. 42. 54 Ebd., S. 91. 55 Schulz-Kampfhenkel: Afrika-Ausstellung (1933), S. 13 ff. 56 Ebd., S. 15. 57 Gutachten von Prof. Dr. Fritz Schmidt, Direktor des Zoologischen Gartens, Halle, über von Schulz-Kampfhenkel käuflich erworbene Tiere, 27.8.1937, BArch Berlin, R 4901/2541, Bl. 127. 58 Denkschrift Schulz-Kampfhenkels, 20.3.1935, ebd., Bl. 5–9. 59 Ebd., Bl. 7. 60 Ebd., Bl. 8. 61 Dieses Foto wurde auch in einem Bildbericht verwendet, allerdings wurden dabei die Flaggen weg retuschiert. Vgl. Berliner Illustrierte Zeitung 45 (1936), 53, S. 2122 f. sowie den Beitrag von Henrick Stahr, S.168, Abb. 1. 62 Gutachten von Prof. Dr. Fritz Schmidt, Direktor des Zoologischen Gartens, Halle, über von Schulz-Kampfhenkel käuflich erworbene Tiere, 27.8.1937, BArch Berlin, R 4901/2541, Bl. 127. 63 Theodor Haltenorth/Siegfried Jaeckel sen.: Über einige am Rio Jary im Nordwesten Brasiliens von der Schulz-Kampfhenkel-Expedition 1935–37 gesammelte Mollusken (Corona, Zebra, Orthalicus, Ampullarius, Pachychilus), in: Archiv für Molluskenkunde, 72 (1940), S. 97–112. 64 Im Oktober 1940 kam es zu einem Konflikt zwischen dem Zoologischen Museum (Pohle) und Riemer über die Menge an Schnecken, die Riemer für seine Sammlung beanspruchte. Schulz-Kampfhenkel wurde von Pohle gebeten, die Angelegenheit zu klären. Dieser stellte Riemer eine gütliche Einigung durch Abgabe weiterer Dubletten aus dem Zoologischen Museum in Aussicht. Vgl. MfN, Zool. Mus., S III Schulz-Kampfhenkel, O., Bd. 2, Bl. 82–85. 65 Die Funktion charismatischer Großtiere in Afrika als emotionale Projektionsobjekte und ihre Verwendung im Genre des Afrika-Films und der medialen Rezeption ist ausführlich dargestellt worden von Franziska Torma: Eine Naturschutzkampagne in der Ära Adenauer. Bernard Grzimeks Afrikafilme in den Medien der 50er Jahre, München 2004. 66 Das ehemalige Zaire, heute Demokratische Republik Kongo. 67 Henry Morton Stanley unternahm mehrere bedeutende Expeditionen insbesondere nach Afrika. Berühmt wurde er durch die erfolgreiche Suche nach David Livingstone, einem der bekanntesten britischen Afrikareisenden des 19. Jahrhunderts. 68 Schulz-Kampfhenkel: Das Dschungel rief, S. 47. 69 Ebd. 70 Arthur Wehner: Ein Eberswalder sucht Okapi, in: Oder-Zeitung, 4.12.1932, Kreisarchiv Barnim Eberswalde, A.II. 2265. Ob es sich hierbei um den von Schulz-Kampfhenkel genannten Pressebericht „in einer Berliner Abendzeitung“ handelt, ist unklar. Dem Bericht scheint ein persönliches Gespräch mit dem Autor zugrunde gelegen zu haben. Er impliziert, dass SchulzKampfhenkel es ebenso wie sein Geldgeber Heck, der Direktor des Zoologischen Gartens,
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Otto Schulz-Kampfhenkel als Zoologe und Tierfänger
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zwar auf verschiedene seltene Tierarten in Liberia abgesehen habe, dass das Okapi aber von besonderem Interesse sei. Schomburgk: Zelte in Afrika, S. 342. Beschrieben wurde das Zwergflusspferd 1844 von dem US-amerikanischen Anthropologen Samuel G. Morton (1799–1851). Schulz-Kampfhenkel: Das Dschungel rief, Umschlagbild, Frontispiz, Bild 43. Ebd., S. 169. Ebd., S. 170. Bemerkenswerterweise behauptet J. Glüsing, Schulz-Kampfhenkel habe ein „Zwergflusspferd […] im Gepäck“ gehabt, was inkorrekt ist. Er stellt weiter fest: „Nur das seltene Okapi fehlte, was Schulz-Kampfhenkel sichtlich wurmte.“ Jens Glüsing: Das Guayana-Projekt. Ein deutsches Abenteuer am Amazonas, Berlin 2008, S. 49. Aus den genannten Gründen konnte Schulz-Kampfhenkel nicht erwarten, ein Okapi zu fangen. Einen Abriss der Geschichte des Afrika-Expeditionsfilms und seiner medialen Rezeption gibt Torma: Eine Naturschutzkampagne in der Ära Adenauer. Kurzer Arbeitsplan meiner zoologisch-völkerkundlichen Amazonas-Expedition 1935 unter erstmaligem Einsatz einer Wasser-Flugmaschine, undatiert [März 1935], BArch Berlin, R 4901/2541, Bl. 2 f. Holger Stoecker: Afrikawissenschaften in Berlin von 1919 bis 1945. Zur Geschichte und Topographie eines wissenschaftlichen Netzwerkes, Stuttgart 2008, S. 292. Vgl. den Beitrag von H. Stoecker in diesem Band. Forschungsgruppe Schulz-Kampfhenkel e.V. Berlin – Leitgedanke, Satzung, Zielsetzung, Forschungsergebnisse, Arbeitsplan, Gutachten, [Dezember 1940], BArch Berlin, R 43/4092. Arthur Wehner: Ein Eberswalder sucht Okapi, in: Oder-Zeitung, 4.12.1932, Kreisarchiv Barnim Eberswalde, A.II. 2265. Ich danke Prof. Dr. Karl Daumer herzlich für zahlreiche Informationen. Dr. Rainer Hutterer stellte mir dankenswerter Weise Informationen zu Schulz-Kampfhenkels Mitgliedschaft in der DGS sowie ein Bild der Jahrestagung der DGS 1934 zur Verfügung. Dr. Harald Engler half mit wichtigen Quellen zur Berliner Geschichte. Frank Tillack, MfN, und Werner Rieck, Berlin, versorgten mich mit Informationen zur Geschichte der Terraristik und besonders zur Firma Scholze & Pötzschke. Frau Dr. Hannelore Landsberg (Historische Bild- und Schriftgutsammlungen, MfN) machte mir die Akte von Schulz-Kampfhenkel zugänglich und versorgte mich darüber hinaus mit zahlreichen Informationen zur Geschichte des MfN. Dr. Holger Stoecker beantwortete geduldig alle meine Fragen zu Schulz-Kampfhenkel, die nur ein Historiker beantworten kann. Ebenfalls gilt mein Dank Hanns Zischler, der mich auf Schulz-Kampfhenkel aufmerksam machte. Schulz-Kampfhenkels Film Rätsel der Urwaldhölle haben wir seitdem mehrfach in Ausschnitten und unter wechselnden Aspekten in unserer Veranstaltung Filmwelten der Wissenschaft im MfN gezeigt. Hier nahm meine Beschäftigung mit diesem „chaotischen Genie“, wie ihn Karl Daumer nannte, seinen Anfang.
„Zaubergeräte der Zivilisation“ Die multimediale Inszenierung der Amazonas-Jari-Expedition Henrick Stahr
1. Die Expedition Die Karriere Otto Schulz-Kampfhenkels als „Auslandsforscher“1 verdankte sich nicht zuletzt seinem Geschick darin, seine Expeditionen multimedial zu verwerten und seiner Person eine hohe Aufmerksamkeit zu sichern. So publizierte er über seine Afrikareise 1931/32 den Reisebericht Das Dschungel rief2 und zeigte 1933 im OrientSaal des Kaufhauses Wertheim am Leipziger Platz eine Ausstellung mit der Ausbeute seiner Sammlung, inszeniert als „naturgetreue Nachbildung eines Arbeitslagers der zoologischen Studien- und Sammel-Expedition des Berliner Studenten Otto SchulzKampfhenkel in den Hinterländern des Negerstaates Liberia, mit den im Busch benutzten Geräten, Waffen und Tierkäfigen sowie einen Teil der lebenden, präparierten und ethnologischen Ausbeute“, zu der das Unternehmen eigens einen Katalog publizierte mit dem ausgreifenden Titel Urwaldleben und Negerkultur, Afrika-Ausstellung. Zeltlager und Ausbeute der Schulz-Kampfhenkel-Expedition nach Liberia, KuhnertGemälde und afrikanische Tier-Plastiken Berliner Künstler.3 Ein von Schulz-Kampfhenkel ebenfalls geplanter Film über die Liberia-Expedition kam nicht zustande, da ein erheblicher Teil des Filmmaterials noch in Afrika verlustig gegangen war.4 Die „Amazonas-Jary-Expedition“, die Schulz-Kampfhenkel 1935 bis 1937 unternahm, sollte er noch professioneller vermarkten, in Buchform, als „Großfilm deutscher Forschung“ in Lichtspielhäusern des In- und Auslands, in mehreren Ausstellungen und auch in der illustrierten Presse. Das Ziel der Expedition, so formulierte es Schulz-Kampfhenkel in martialischem Ton, war es, „an den Fronten der Wissenschaft die letzten Pioniertaten zu vollbringen, […] die wissenschaftliche Eroberung der letzten unzugänglichen Naturlandschaften […] durch den Einsatz aller Errungenschaften der Technik“.5 Der Ehrgeiz, die „Eroberung“ der wilden Natur des Tropenwaldes durch modernste Technik zu bewältigen, wozu neben einem Flugzeug auch Waffen, die Filmkamera und die Fotoausrüstung gehörten, tauchte nicht nur bei Schulz-Kampfhenkel, sondern in vielen ähnlich ausgerichteten Expeditionsberichten der illustrierten Presse auf.6
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Schulz-Kampfhenkel legte ebenso großen Wert auf die visuelle Ausbeute der Expedition wie auf die Anhäufung materieller Beutestücke. Film und Fotografien dokumentierten die einzelnen Phasen der Reise, die Begegnungen mit den Indianern ebenso wie mit Mestizen („Caboclos“) und Tieren. Die Expedition brachte im Ergebnis eine Sammlung von ca. 1.500 zoologischen Objekten und ca. 1.200 Ethnographica. Dazu kamen 2.700 Meter Film und ca. 2.500 Fotografien.7 Er strich seine emsige Sammeltätigkeit öffentlich heraus: „Außer der großen Säugetiersammlung haben wir die ersten geschlossenen Kulturbesitze von drei Indianerstämmen mit heimgebracht, deren Existenz unbekannt war. Diese Tanzmasken, Bogen und Pfeile, Hausgeräte und Federkostüme ergeben ein interessantes Bild der materiellen Kultur von Menschen, die niemals zuvor einen Weißen gesehen hatten und vielleicht auch nie mehr nach uns sehen werden.“8 Diese Jäger- und Sammlermentalität, bei der die Waffe und die Kamera, wie Klaus Kreimeier betont, eine Symbiose eingingen, war ein Grundcharakteristikum (nicht nur) der deutschen Ethnographie vor dem Zweiten Weltkrieg.9 Die ethnographischen Filme – und man kann hinzufügen, auch die Fotografien – dieser Zeit erwiesen sich „als Belegstücke eines vorausgegangenen Überfalls, einer vorausgegangenen Überrumpelung“, als „Geschichte rabiater Raubzüge“ im Gefolge der europäischen Eroberung der Welt und der „Mediatisierung […] als industrielle Bewaffnung der Augen.“10 Dieser Subtext der Eroberung unterlag sowohl den schriftlichen als auch den visuellen Repräsentationen der Reise Schulz-Kampfhenkels, sei es in Form des Reisebuchs, des Expeditionsfilms oder – als weiteres Verwertungsprodukt – der publizierten Fotoreportagen. Das völkerkundliche Ziel der Expedition bestand im möglichst kompletten Sammeln kultureller Güter der Indianervölker und im Anfertigen von Bild- und Tondokumenten, u. a. um den Unterschied von „primitiven“ und „hochkulturellen“ Indianern zu erklären. Der Gedanke rassischer Hierarchien zog sich wie ein roter Faden durch die Schilderungen, bei aller Begeisterung Schulz-Kampfhenkels für seine „Objekte“.11 Der Filmhistoriker Federico Füllgraf weist darauf hin, dass der in Brasilien legendäre Curt Unkel-Nimuendaju, ein Deutscher, der in Belém do Pará lebte und Verbindungen zum Instituto Emílio Goeldi unterhielt, vermutlich die Expedition eigentlich hätte führen sollen, was, so Füllgraf, den Deutschen eine Menge Probleme erspart hätte. Doch erwähne Schulz-Kampfhenkel den Kontakt mit dem berühmten Ethnologen nur beiläufig und kalt, da Unkel Gegner der Nazis gewesen sei. Seit 1910 wirkte Unkel in der damals gegründeten Indianerschutzbehörde (Serviço de Proteção ao Índio – SPI) und wurde bekannt als Berater für wenigstens vier Filmprojekte in Amazonien.12 Dass die Expedition Schulz-Kampfhenkels zum Rio Jari auch militärische Nebenziele verfolgte, wie in einigen Pressemeldungen jüngeren Datums suggeriert, ist nicht belegt und angesichts der äußeren Umstände unwahrscheinlich.13
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Im September 1935 brach die Expedition von Belém do Pará in Richtung Rio Jari auf. Die Verpflegung wurde per Schiff transportiert, die Personen per Flugzeug. Man hatte mit zahlreichen Zwischenfällen zu kämpfen. Die Piloten verflogen sich mehrmals, da sie sich über dem mit gleichförmigem Regenwald bewachsenen Gebiet schlecht orientieren konnten. Von Arumanduba brach man flussaufwärts auf. SchulzKampfhenkel nahm ca. 15 „Caboclos“ für die körperliche Arbeit unter Vertrag. Er musste feststellen, dass das Wasserflugzeug ein ungeeignetes Transportmittel war, denn das Flussbett des Rio Jari war sehr steinig und daher für Landungen gefährlich. Weil schon nach drei Wochen ein Schwimmkörper beschädigt wurde, musste die Maschine demontiert und zurück nach Deutschland verschickt werden. Bereits in Rio de Janeiro hatte Schulz-Kampfhenkel den Deutsch-Brasilianer Joseph Greiner als Dolmetscher unter Vertrag genommen. Im Januar 1936 starb dieser jedoch an Malaria. Auf einem kleinen Friedhof auf einer Flussinsel in der Nähe des Örtchens Cachoeira de Santo Antônio errichteten die Expeditionäre ein megalomanisches Holzkreuz mit einer deutschen Aufschrift und einem großen Hakenkreuz an der Spitze. Dort ist es heute noch zu besichtigen.14 Ende Oktober 1935 begann die Expedition, den Rio Jari flussaufwärts zu bereisen. Nach kurzer Zeit stieß man auf Indios der Aparaí. Die Deutschen verbrachten ein Jahr in einem Dorf der Aparaí. Im Dezember 1936 beschlossen sie, die Expedition weiterzuführen zum Oberlauf des Jari in 700 km Entfernung. Schulz-Kampfhenkel besuchte ein Dorf der Wayana15, führte dort weitere Sammlungen durch und reiste Ende Januar den Fluss Cuc hoch weiter zu den Wayapi16 am Grenzfluss zu „Cayenne“ (Französisch Guayana), dem „Oyapoc“.17 Dort verbrachte er nur noch kurze Zeit, da er wegen Regenzeit und Nahrungsmangel zur Rückkehr gezwungen war. Am 10. Februar 1937 begann die Rückfahrt auf dem Rio Jari.
2. Die Verwertung der Expedition in der illustrierten Presse Ihren ersten medialen Niederschlag fand die Amazonas-Jari-Expedition in deutschen illustrierten Wochenzeitschriften. Die in den deutschen Illustrierten publizierten Reportagen Schulz-Kampfhenkels spiegelten annähernd den Verlauf der Expedition wider. Die Bedeutung der illustrierten Presse als visuelles Massenmedium der 1920er und 1930er Jahre neben dem Film ist oft betont worden. Die wöchentlich erscheinenden, großformatigen, an kommerziellen Unterhaltungsinteressen ausgerichteten Illustrierten wie die Berliner Illustrirte Zeitung (BIZ), die Münchner Illustrierte Presse (MIP) oder die Kölnische Illustrierte Zeitung (KIZ), aber auch die Parteiillustrierten
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wie die Arbeiter-Illustrierte-Zeitung Münzenbergs oder der Illustrierte Beobachter der NSDAP ab 1926, waren in ihrer Zeit das fotografisch-visuelle Massenmedium par excellence, ein Informations- und Erlebnismittel für Millionen. Die avancierteste Form des Bildberichts stellte in den zwanziger und dreißiger Jahren die arbeitsteilig produzierte Fotoreportage dar, mit ihrer autorbezogenen, mittels filmisch-narrativer Techniken ein vermeintlich „authentisches Erleben“ simulierenden Ästhetik.18 Berichte über Reisen und Expeditionen in fremde Länder waren in der deutschen illustrierten Presse und im deutschen Film der 1920er und 1930er Jahre ein überaus beliebtes Sujet.19 Die „Amazonas-Jary-Expedition“ wurde in mehreren deutschen Illustrierten fast gleichzeitig und in ungewöhnlicher Breite publiziert. In der KIZ erschienen vier Fotoreportagen, in der MIP fünf und in der BIZ eine. Die Artikel von Schulz-Kampfhenkel entsprachen dabei ganz dem modernen Typus einer aus subjektiver Perspektive geschilderten, den Reiseverlauf nachkonstruierenden und so die Leser suggestiv in das Geschehen einbeziehenden Fotoreportage. Die ersten dieser Reportagen folgten dabei dem Narrativ „Abenteuer/Eroberung“. Sie zeigen einzelne Episoden der Reise und ähneln damit der typischen Struktur der Abenteuererzählung, „weil sie immer wieder neu das für das Genre konstitutive Moment der Eroberung, die annektierende Ersetzung von Unbekanntem durch Bekanntes […] realisier[t]“.20 Bereits Ende 1936 erschien in der BIZ ein erster Bericht unter dem Titel „Vorposten im Urwald“21 (Abb. 1). Bereits der Titel evoziert militärische Konnotationen. Der Begleittext Schulz-Kampfhenkels schildert den unheimlichen Urwald, bevölkert von Jaguaren, Wildschweinen, Giftschlangen, Skorpionen und Tausendfüßlern, Kaimanen und Vogelspinnen. Der Expeditionär wird durch diese „Hölle“ in einen ambivalenten Rauschzustand aus Allmacht und Schwäche versetzt, „wo man nicht aus noch ein weis [sic!] vor Kraft, so gesteigert ist das Lebensgefühl, aber am Abend phantasiert man mit 41 Grad Fieber, und der gewaltige undurchsichtige grüne Vorhang des Waldes schlägt rauschend und verwirrend über mir zusammen.“ Die Fotografien zeigen einen schmalen Nebenarm des Jari mit hoher Uferbewaldung: Eine Schneise, einen Weg durch das Dickicht des Urwaldes, auf dem die Eroberer eindringen können. Das größte und zentrale Foto zeigt den Kampf mit den Stromschnellen, denn der Aspekt der Überwindung der Natur im Kampf steht im Vordergrund. Zudem bringt der Artikel eine kleine Bildershow eines Jungen mit einer gefangenen Anakonda; ein Faultier an Bord; eine „kleine Urwald-Schönheit“ (ein Mädchen der Aparaí-Indios) sowie Gerd Kahle mit Fernglas beim Betrachten von Affen, die ein Aparaí-Indio erlegt hatte: Jagdbeute des Gewehres und der Kamera sind sowohl die Tiere als auch das Mädchen, das dem Blick der Weißen unterworfen wird. Kampfsituation und Sieg über die Wildnis sind Tenor der Reportage.
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Abb. 1 Bildbericht „Vorposten im Urwald. Ein neuer Bildbericht der deutschen Amazonas-JaryExpedition 1935–37“ (Berliner Illustrirte Zeitung 1936, Nr. 53, S. 2122–2123).
Auch der erste Artikel über die Jari-Expedition in der KIZ im August 1937 befasst sich vorwiegend mit der kämpferischen Eroberung des Geländes. „Im Kampf mit dem Jary“22 bringt eine Bildstrecke, die vor allem die mühselige Bootsfahrt zeigt: Wasserfälle am Unterlauf des Jari; der „Kampf mit den Wildwassern“, wo die Männer ein Boot durch Stromschnellen schieben; das mühselige Tragen des Bootes über Land; das Abtasten von felsigem Grund, um das Boot durchzulotsen. Zentrales Blickfang-Fotomotiv ist ein Aparaí-Indio beim Weghacken von Astwerk im Fluss. Es schließt sich dem Narrativ der Überwindung der Wildnis an, denn auch der „Wilde“ ist hier überwunden und übernimmt schwere Arbeit für den weißen Eroberer. Der Begleittext schildert den Beginn der Expedition flussaufwärts in militärischen Metaphern, den Fluss zum Gegner personalisierend: Ausgerüstet mit „Wasserflugzeug, Plankenbooten, Bootsmotoren und den modernsten Hilfsmitteln und Apparaten der deutschen Technik […] wurde der Angriff auf diesen weißen Fleck im Herzen der Tropenwälder Nordbrasiliens angesetzt“. Es seien „vorbereitende […] Patrouillenflüge gemacht“ worden, um den Angriff zu planen, dann „setzte der Kampf mit den Wildwassern des Jary-Flusses ein. […] Tag um Tag, Woche um Woche, Monat um Monat kämpfte sich die Expedition mit ihrem schweren Troß über die Wildwasser bergauf “.
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Die Konnotation des Abenteuers als Feldzug gegen die Natur ist hier austauschbar mit anderen „Expeditionen“, seien es Polarreisen, Bergbesteigungen, Wüstendurchquerungen etc. Die in den nächsten Monaten folgenden weiteren Bildberichte stehen in der Struktur des Narrativs „Erstkontakt mit den Wilden/Kulturbegegnung“. In ihnen wird insbesondere die Beziehung der deutschen „Entdecker/Eroberer“ zu den Indios inszeniert. Die Begegnung mit den Aparaí-Indios erschien als der Höhepunkt der Reise. Die Deutschen stellten sich ihnen als „Söhne des Großen Vaters der Wissenschaft“ vor. Schon diese Formulierung zeigt, wie sehr Schulz-Kampfhenkel in seiner Vorstellung von den Indianern von der Lektüre Karl Mays geprägt war. Den ersten Indio, dem sie am 24. November 1935 begegneten, beschreibt Schulz-Kampfhenkel in seinem Reisebuch in Mustern der klassischen Antike als Olympioniken: „Ein prächtiger Waldmensch! Bis auf Hüftschurz und Schambinde nackt. Gebaut wie ein olympischer Athlet. Nicht groß, doch ebenmäßig, breite Schultern, schmale Hüften, stolze Haltung, wie eine Bronzestatue von Hand modelliert. Er strömt den charakteristischen strengen, aber nicht häßlichen Indianergeruch23 aus.“ Er stilisiert den Indio zu einer Heldengestalt: „Gleich einer Bronzestatue, Bogen und Pfeil in der Faust, steht der langmähnige Wilde auf einem wasserumtosten Fels, schirmt mit der rechten die Augen gegen die sinkende Sonne und späht stromauf. In diesem Augenblick erscheint er uns als der Inbegriff des selbstherrlichen, freien Indianers.“24 Gleich mehrfach – Bronzestatue, Ausrüstung, Pose, Geste, Position – rekurriert diese Beschreibung auf imaginäre Wissensarchive des Lesers vom heroischen Indianertum, auf die Vorstellung davon, dass ein Indianer genauso auszusehen habe, wie er sich Schulz-Kampfhenkel darbot. Der Indio wird zu einem physiognomischen Typus, der das „typische, scharfzügige Indianergesicht“ habe. Er sei zunächst misstrauisch gewesen, dann aber habe er sich der Gruppe angeschlossen und nach einigen Tagen „hat sich bereits ein freundschaftliches Band um uns gesponnen. […] Er heißt Pitoma. Aber er wollte von seinen weißen Freunden einen neuen Namen in ihrer Sprache haben. Wir haben ihn ‚Winnetou‘ getauft“.25 Diese „Taufe“ und Verwandlung in die Figur eines Karl-MayRomans (obschon nicht gerade ein deutscher Name) ist ein Akt der Inbesitznahme, mittels dieser Geste wird dem Fremden in der „First Contact“-Szene jede eventuelle verstörende Autonomie genommen, indem er dem Universum pueriler Abenteuer imagination einverleibt wird. Die Begegnung mit den Aparaí-Indios wurde in drei Fotoreportagen der KIZ verarbeitet: „Ankunft bei den Aparais“, „Die weißen Zauberer“ und „Reiche Beute – Tauschgeschäft“.26 Sie schilderten jeweils Aspekte der Kulturbegegnung mit den Indios.
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„Ankunft bei den Aparais“27 (Abb. 2) präsentiert sechs Fotografien des Erstkontakts. Sie inszenieren als Bilderfolge die Eroberung des noch Unbefleckten, „Reinen“, Ursprünglichen, Echten. Die Fotografien des Artikels dienen der Authentifizierung der Behauptung Schulz-Kampfhenkels, als erster „Weißer“ zu den Aparaí vorgedrungen zu sein. Die narrative Sequenz der Bilder simuliert das Erlebnis der Ankunft im Dorf: Eine Fotografie zeigt den Eingang zum Dorf, wo gezähmte Papageien die Ankunft der Fremden melden (Bildunterschrift: „Die Wächter des Urwalddorfes“); eine weitere zeigt eine Frau beim Zerreiben von Maniokknollen zur Herstellung eines Getränks („Vorbereitungen für den Empfang“); die dritte eine Frau an einem großen Kochtopf („So wird Kaschiri gekocht“), eine vierte einen Mann in einer Hängematte („Das Häuptlingszelt: In einer Matte ruhend, unterhält sich das würdevolle Oberhaupt der Siedlung mit den Menschen aus einer fernen und fremden Welt. Gesten und Zeichensprache ermöglichen die etwas schwierige Verständigung“). Ein kleines Foto zeigt ein Kind mit einem Papagei als „lebendiges Spielzeug“. Die letzte Fotografie der Serie unten rechts präsentiert eine „kostenlose Zahnbehandlung“: Einer der Deutschen betupft einen kranken Zahn eines Indio mit alkoholgetränkter Watte.
Abb. 2 Bildbericht: „Ankunft bei den Aparais. Forschungsfahrt durch die Urwälder Nordbrasiliens. 2. Bildbericht der Deutschen Amazonas-Jary-Expedition von Schulz-Kampfhenkel und Gerd Kahle“ (Kölnische Illustrierte Zeitung, 1937, Nr. 35, S. 1064–1065).
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Die Bildstrecke konstruiert die Erstbegegnung von Indios und Deutschen als freundlichen Empfang, die Fremden würden gastfreundlich bewirtet und vom „Häuptling“ empfangen. Trotz der herablassenden Ironie in der Beschreibung des „Häuptlings“ werden dissonante Eindrücke vermieden. Gerade in der Fotografie der Zahnbehandlung erscheint paradigmatisch, wie Schulz-Kampfhenkel die Beziehung als strukturelle Überlegenheit der Weißen inszeniert und sie legitimiert in der Rolle als ‚großer weißer Medizinmann‘. Im Begleittext werden die Aparaí pauschal und fälschlich als „Urrasse Südamerikas“ bezeichnet, und als die „freien Waldindianer Amazoniens“ idealisiert. Der die Expedition begleitende Pitoma („Winnetou“), so die Schilderung Schulz-Kampfhenkels, habe sich zur Begegnung mit seinem Dorf „das grellkarierte Sporthemd und die alte Khakihose“ angezogen, um sich für die „Begegnung mit seinen Stammesgenossen“ zu schmücken, „denen er die größte Sensation ihres Lebens brachte“. Somit hat er sich in den Augen der Deutschen zu einer kindlich-naiven und komischen Figur gemacht. Angeblich auf Verlangen von „Winnetou“ hätten die Deutschen zwei Schüsse abgegeben, als sie das Dorf am Fluss erblickten. Die Reisenden seien vom Häuptling freundlich begrüßt worden und dann landeinwärts zum Dorf gelaufen, eine „zauberhafte Szenerie […] mit braunen Kegeldächern, Bananenbüschen, kreischenden, buntfarbenen Papageien und dunkeln [sic!] Indianergestalten“.28 Schulz-Kampfhenkel verwendet in seiner Schilderung ein übliches Repertoire paternalistisch-rassistischer Klischees: Die für die Deutschen grotesk-komische Naivität in der Travestie des „Wilden“, der auch wertlose europäische Kleidung als Statussymbol benutzt, die Dorfszenerie als Register „einer doppelten visuellen Fixierung ethnographischer Objekte als Bilder der Wahrnehmung und Illustrationen des Wissens“29, mittels derer verbal das „typische“ Indianerdorf konstruiert wird, und nicht zufällig die drohende Geste der Schüsse, die dadurch, dass man sie dem Verlangen des Indios zuschreibt, als Aggression und Einschüchterungsgeste abgespalten und externalisiert wird. Dieses „Idyll“ brachte die Deutschen dazu, sich für neun Monate fest im Dorf zu installieren.30 Der Eindruck einer freundlichen Aufnahme der Expeditionäre durch die Indios, den die Fotoreportage erzeugen soll, stimmt mit Schulz-Kampfhenkels Schilderungen in seinem Reisebuch nicht überein, wo er mit erstaunlicher Offenheit schreibt: „Gegen uns verhalten sich die Indianer im Anfang mißtrauisch und verschlossen, die Frauen – unter denen die jüngeren überhaupt erst nach Tagen in Erscheinung treten – geradezu ängstlich scheu. Bei aller Maske fühlen wir, daß ihnen unser Eindringen zuwider ist.“31 Der nächstfolgende Artikel in der KIZ „Die weißen Zauberer“32 (Abb. 3) zeigte die Konfrontation der Indios mit den Technologien der Weißen und die Inszenie-
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Abb. 3 Bildbericht: „Die weißen Zauberer. Mit Mikrophon und Kamera im Indianerdorf. Forschungsfahrt durch die Urwälder Nordbrasiliens 3. Ein Bildbericht der Deutschen Amazonas-Jary-Expedition von Schulz-Kampfhenkel und Gerd Kahle“ (Kölnische Illustrierte Zeitung, 1937, Nr. 36, S. 1100–1101).
rung der Indiokultur für die Aufzeichnungsapparaturen. Derartige Reflektionen auf die Aufnahmetechnik finden sich auch und gerade im ethnographischen Film. Sie dienten, so Nagl, der „Verwerfung des rassifizierten Anderen aus der historischen Gegenwart“ und waren gerade bei Erstkontaktinszenierungen mit größtem Glaubwürdigkeitsanspruch einsetzbar. Die Darstellung der Aufnahmetechnik selbst, die von den abzubildenden „Wilden“ als unverständlich, bedrohlich, magisch erlebt werden soll, „lieferte bereits dem Kino des Kaiserreichs einen sinnfälligen Ausdruck des zivilisatorischen Fortschritts und der Kulturmission des Westens“.33 In der Reportage, deren Titel bereits auf die für die „Wilden“ magisch erscheinenden Technologien der Weißen verweist, soll das „Zaubergerät der Zivilisation“ unter anderem dazu dienen, eine „reiche Ausbeute von indianischen Liedern und Weisen“ nach Deutschland zu bringen. Zwei runde Bildausschnitte zeigen Aparaí mit der Schmalfilmkamera und mit Kopfhörer, ein drittes Foto portraitiert den „Expeditionsingenieur“ Krause am Aufnahmegerät für Schallplatten, mit dem indianische Lieder aufgenommen wurden. Eine weitere Aufnahme zeigt, wie die Indios vor dem Mikrophon und der tech-
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nischen Apparatur zu Aufnahmezwecken tanzen und singen. Eine weitere Fotografie zeigt die Deutschen beim Abhören der Tonaufnahmen. Schulz-Kampfhenkel geht im Begleittext auf die Angst der Indios vor der Filmkamera ein, die sie jedoch hätten auflösen können. Hierfür waren, wie Schulz-Kampfhenkel in seinem Reisebuch ausführte, einige Illustrierte dienlich: „Nun haben wir ja in unseren Koffern noch illustrierte Zeitschriften. Die ausgelesenen hatten unsere braunen Freunde sich mit brennendem Interesse erbeten, und es ist ein großartiger Anblick, wie sie im heißen Sande des Dorfes sitzen und sie sich mit ausgestreckten Armen vor die Augen halten. Immer wieder müssen wir ihnen die aufregenden Bilder aus unserem rätselhaften Lande erklären. Als wir nun sagen, daß diese schwarzen Kästen vorn Augen haben und diese dann derartige Bilder von allem, was sie sähen, machen, ist das Problem der Kameras gelöst. Sie sehen jetzt ein, dass diese ‚machinas‘ stets dabei sein müssen, damit später Papae Grande auf solchem Bilderpapier die Aparai betrachten könne. Von jetzt ab begegnet keine Befangenheit und kein scheuer Blick mehr den Apparaten.“34 Auch beim Vorspielen der Tonaufnahmen seien die Indios verzückt gewesen: „ein verklärtes Lächeln überspielte ihre Züge, wenn ihre Stimme und ihre Musik leise in ihre Ohren tönte“. Der Artikel ist ein Dokument des
Abb. 4 Bildbericht: „Reiche Beute – Tauschgeschäft. Forschungsfahrt durch die Urwälder Nordbrasiliens 4. Ein Bildbericht der Deutschen Amazonas-Jary-Expedition von Schulz-Kampfhenkel und Gerd Kahle“ (Kölnische Illustrierte Zeitung, 1937, Nr. 37, S. 1132–1133).
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„Beute-Gestus“35 der Deutschen auf der Jagd nach „Dokumenten“ der Indiokultur, ihres jungenhaften Stolzes auf die Wunderdinge deutscher Technik, ihrer Sammelsucht nach reicher „Ausbeute“ an Bild- und Tondokumenten. Dieser Gestus bildet den Grundtenor auch des letzten in der KIZ erschienenen Artikels, „Reiche Beute – Tauschgeschäft“36 (Abb. 4). Eine große Fotografie auf der linken Hälfte der Doppelseite zeigte Schädel von 200 Säugetieren, die auf „Jagdzügen“ erlegt worden waren, säuberlich aufgereiht. Sammeln und inventarisieren war das erklärte Ziel der Expedition: Es ging darum, „möglichst umfassende Inventare ihres gesamten materiellen Kulturbesitzes zusammenzubringen“.37 Im gleichen Stil und Sinn verfasst sind die fünf Fotoreportagen, die 1937 über die Schulz-Kampfhenkel-Expedition in der Münchner Illustrierten Presse (MIP) erschienen: „Durchstoß zu den Urwaldmenschen“ erschien in vier Folgen.38 Einige Wochen nach dieser Serie erschien noch eine kurze Bildsequenz: „Ein roter Krieger schießt.“39 Dem Stil der MIP entsprechend, ist die textliche Kommentierung knapp gehalten, dafür sind die Fotografien großzügiger und großformatiger abgedruckt als in der BIZ und KIZ. Insgesamt erscheinen die Artikel in der MIP (mit Ausnahme des letzten „Ein roter Krieger schießt“) wie Neuaufgüsse der Themen, die schon in Bezug auf die Aparaí dargestellt wurden, in zwar optisch attraktiverer Form, aber narrativ nur lose verknüpft, in Form wenig konsistenter Bilderbögen. Der erste Artikel „Durchstoss zu den Urwaldmenschen“40 behandelt die Fahrt den Jari flussaufwärts zu den Wayana. Er ist auf drei Seiten mit acht Fotografien illustriert, die in einem lockeren Bilderbogen ohne strenge Themensetzung alltägliche Szenen aus dem Dorf der Indios zeigen: Eine Frau bereitet Schuppenwelse zum Essen vor; ein Mann fängt einen Leguan (in der Bildlegende wird er als „Winnetou“ bezeichnet, dass es sich dabei um den vorgenannten Pitoma handelt, ist möglich); ein Mann trägt Beeren herbei; ein anderer Mann schlachtet einen Klammeraffen. Zu sehen sind Boote mit einigen Indios sowie auf einer Fotografie Frauen beim Zubereiten eines Leguans („Kochen ist Frauensache!“). Auch hier wird eine Frau als „Winnetous Tante“ bezeichnet. Zwei Fotografien zeigen eine Felsenenge im Fluss und Männer beim Ziehen eines Bootes. Die zweite Folge der Expeditionsberichte hatte den Titel: „Schíín tapuhí! Dort ist unser Dorf !“41 (Abb. 5) und schilderte die erste Begegnung der deutschen Expeditionsteilnehmer mit Wayana-Indianern am Oberlauf des Jari. Sechs Fotografien zeigen Männer im Einbaum – die erste Begegnung auf dem Fluss –, eine junge Mutter beim Stillen ihres Babys; ein Holzgestell zum Aufhängen von Hängematten, eine Hütte, eine Gruppe von Männern (der „Wortführer“ der Indios), eine junge Frau beim Auffädeln von Glasperlen. Der Begleittext ist knapp. Geschildert werden, wie schon in den Artikeln in der BIZ, die Schwierigkeiten der Expedition. Die Fotografien sollten
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Abb. 5 Bildbericht: Durchstoss zu den Urwaldmenschen. 2. „Schíín tapuhí! Dort ist unser Dorf !“ Die erste Begegnung der Expedition mit den Oayana-Indianern am Oberlauf des Jary (Münchner Illustrierte
Presse, 1937, Nr. 39, S. 1308–1309).
die Begegnung mit den Wayana visualisieren – eine Neuauflage des Erstkontakt-Narrativs.42 53 Tage sei die Expedition stromaufwärts gefahren, bevor sie die gesuchten Wayana gefunden habe, denen man am 19. Januar 1937 begegnete, „der große Tag, an dem plötzlich in einer Flußkrümmung zwischen den Urwaldufern in der Abendsonne rotleuchtende Punkte auf dem schwarzen Wasser auftauchen: Oayana-Indianer, mit Urucufarbe krebsrot bemalt am ganzen Körper, kommen in ihren Einbäumen langsam und mißtrauisch der Expedition entgegen“. Der dritte Artikel der Serie „Zu den Quellen des Flusses Ku“43 (Abb. 6) schildert, wie Schulz-Kampfhenkel nach einem kurzen Aufenthalt von einer Woche zusammen mit einigen Wayana-Indianern den Fluss „Ku“ (korrekt: Cuc) hochfährt, zu den „primitiven“ Wayapi-Indianern, die noch verborgener und unberührter von den Weißen leben sollen als die schon gänzlich unbekannten Wayana. Die Fotografien spielen vor allem mit der Repräsentation von Geschlechtsrollen, die auf diese Weise enthistorisiert und somit essentialisiert werden. Gezeigt werden ruhende Männer – unter einem Baum in „stoischer Ruhe“ sitzend, in Hängematten in „malerischer Ruhe“ oder auf einem Baumstamm hockend auf das Essen wartend, das die Frauen zubereiten.
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Abb. 6 Bildbericht: „Durchstoss zu den Urwaldmenschen. 3. Zu den Quellen des Flusses Ku“ (Münchner Illustrierte Presse, 1937, Nr. 41, S. 1398–99).
Eine Fotografie zeigt eine mit Tontöpfen am Feuer kochende Frau, ein kleines Bild Kinder im Spiel mit kleinen Hunden, als Beweis für die Tierliebe der Indios. Darstellungen der „stoischen“ Indianer, auf deren Mienen sich kein Gefühl ablesen lasse und die sich durch nichts aus der Ruhe bringen ließen, entsprachen verbreiteten Klischees. Gleichzeitig bildeten die ruhenden Männer einen impliziten Kulturwiderspruch zu den Europäern bzw. Deutschen, die in selbst auferlegter Disziplin an der Erfüllung ihrer Forschungsaufgabe arbeiten, und statt in der Hängematte „Siesta“ zu halten, auch in der Mittagshitze herumliefen, um zu filmen oder zu fotografieren. Dabei diente die Schilderung der Anstrengungen und der Arbeit der Deutschen als eine Art Legitimation des ganzen Unterfangens. Die Arbeit, die Mühsal, der Kampf standen im Gegensatz zum Leben der „Naturkinder“. Das Bild des in seiner Hängematte liegenden Indianers war das Gegenbild zum sich rastlos abrackernden Deutschen; der Indio war das „Kind“, der Deutsche der Erwachsene. Dieses paternalistische Selbstverständnis und Verhältnis der rassischen und zivilisatorischen Superiorität fand seinen Ausdruck darin, dass sich Schulz-Kampfhenkel von einigen Aparaí als „Papa“ und die anderen Deutschen sich als „Onkel“ anreden ließen: „Sie
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begrüßen uns in der Frühe mit: ‚Morjn, Papa, morjn, Onkel‘ und abends mit ‚Gute Nacht, Papa, schlaffe guht.‘“44 Daraus erklärt sich auch die ironische Wendung der Bildunterschrift, wenn die in der Hängematte liegenden als „Herren der Schöpfung“ bezeichnet wurden. Ihre „Faulheit“ ist Teil ihrer „Primitivität“. In den Augen der Deutschen ein Bild paradiesischer Zustände, gleichzeitig aber ein Bild, das sie in ihrer Selbstdisziplinierung nur als primitiven Naturzustand, bestenfalls als kindlich-naiv und komisch empfinden konnten. Nicht umsonst figurieren mehrmals Kinder als Motiv der „Naturmenschen“. Die vierte Reportage in der MIP „Bei den Pfahlbau-Wilden von Tumac Humac“45 (Abb. 7) visualisiert die Ankunft Abb. 7 Bildbericht: „Bei den Pfahlbau-Wilden im Dorf der Wayapi. Die Wayapi, deren von Tupac Humac. Letzter Bericht der AmazoDorf Schulz-Kampfhenkel nur mit enor- nas-Jary-Expedition des Jahres 1937“ (Münchner mer Anstrengung, Hektik und nach hef- Illustrierte Presse, 1937, Nr. 44, S. 1549). tigen Konflikten mit seinen indianischen Begleitern am 3. Februar 1937 erreichte, empfand er, ganz im Gegensatz zu den Aparaí, als primitiv und tierhaft. Aus den Schilderungen Schulz-Kampfhenkels in seinem Reisebuch sprachen Abwehr und Überdruss: „Mittags kommt eine ganze Horde an, Menschen ganz anderen Schlages als Aparai und Oayana, viel primitiver, bei vielen stehen die Augen affenartig eng zusammen. Winzige Weiberchen, wie aus einem Zwergvolk, einen Meter fünfunddreißig groß, mit wirren Haaren, blutrot bemalten Gesichtern, sehen wie Rotgesichtmakaken aus, tragen nicht Schürzen, sondern zum Rock um die Hüfte geschlagene Tücher.“46 In diesen abwertenden Charakterisierungen drückte sich eine rassenhierarchische Auffassung aus: So war Schulz-Kampfhenkel schon im Dorf der Wayana einem Wayapi begegnet, der auf ihn viel „primitiver“ wirkte, als die ihm nun schon bekannten Indios, „wie eine Art Ortsirrer oder Dorftrottel“47, wie er in seinem Reisebuch schilderte. Aber auch die Wayana wirkten auf ihn bereits „primitiver“ als die Aparaí – er empfand die jungen Männer als albern und ungezogen („rote Lümmels“), die nicht einmal zeichnen konnten.48 Er hatte sich offenbar bereits ein Stück weit an die Aparaí angenähert, wenn auch in paternalistischer Vereinnahmung,
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so dass er gegen die Eigenheiten anderer Indios zunehmend Abwehrreaktionen zeigte. Zudem neigte er dazu, die Indios auf einer rassischen Entwicklungsskala zu klassifizieren, bei der die größere Distanz und Unzugänglichkeit (für den Weißen) mit geringerer Entwicklungsstufe korrespondieren musste. Die Fotografien des Berichts spiegelten diese Empfindungen und abwertenden Beurteilungen Schulz-Kampfhenkels jedoch in keiner Weise wider: Eine Fotografie z.B. zeigt ein aus einem Pfahlbau steigendes, freundlich lachendes Mädchen, eine weitere zwei junge Mütter („Etwas arg jung sind sie ja schon, die Mütter von Tumac Humac“).49 Die spürbar geringe Konsistenz der Reportage entsprach dem Umstand, dass der Aufenthalt im Abb. 8 Bildbericht: „Ein roter Krieger schießt“ (Münchner Illustrierte Presse, 1937, Nr. 50, S. 1825). Dorf der Wayana 1937 in größter Hektik stattfand.50 Die nahende Regenzeit zwang zur baldigen Umkehr: „Mir brummt der Schädel wie noch nie im Leben, dazu das ständige Gewimmel und Gefrage und Gehetze. […] Ich will und muß von diesem verschollenen Stamm Sammlungen in die Heimat bringen.“51 Die „wahnsinnige Hetzjagd“ nach Artefakten und vor allem nach Bildern („Unentwegt haben Film- und Fotokamera zwischen den Völkerkundearbeiten und Jagden in den letzten Tagen gearbeitet“) erschöpfte Schulz-Kampfhenkel so, dass er unter hohem Fieber die Rückfahrt antreten musste.52 Den Abschluss der Reportagereihe von Schulz-Kampfhenkel in der MIP bildete die Fotosequenz „Ein roter Krieger schießt“53 (Abb. 8) von Ende 1937. In ihr erscheint die idealtypische Figur des Indianerkriegers, wie sie den verbreiteten Klischeevorstellungen entsprach: Ein junger Mann, der mit seinem Bogen schießt, mit langen schwarzen Haaren, in der Mitte gescheitelt. Seine ernste Mimik beim Konzentrieren auf den Pfeilschuss entsprach den Vorstellungen eines Bildes vom stoischen Indianer. Das Reisebuch von Schulz-Kampfhenkel informiert, dass es sich um einen WayanaIndianer namens Tiliwe gehandelt hat, der sich freiwillig als Begleiter der Expedition stromabwärts meldete. Zur Vorbereitung der Reise habe er einige Bögen und Pfeile ausprobiert.54
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Die Bildstrecke aus vier Fotografien zeigt den Schützen frontal in vier Phasen des Bogenschusses. Das ungewöhnliche, schmale Querformat macht deutlich, dass es sich um Ausschnitte aus größeren Fotografien oder Filmaufnahmen, die mehr vom Körper des Schützen zeigten, handelte. Der Blick des Betrachters liegt auf der Mimik und Physiognomie des Indios. Dies bewirkt beim Betrachter eine simulatorische Partizipation am Geschehen. Die Sequenz umfasst einen kurzen Zeitabschnitt von wenigen Sekunden und besitzt filmisch narrative Qualität. Sie konnte dem Betrachter die Figur des schießenden Indios nahe bringen, erzeugte eine emotionale Teilnahme an den (vermeintlichen) Gefühlen und Gedanken des Abgebildeten. Dieser entsprach in hohem Maß dem tradierten, stereotypisierten Bild des edlen Indianers, wie es auch im Titel der Bildsequenz zum Ausdruck kam.
3. Die Verwertung der Expedition im Film Der filmisch-narrative Charakter dieser letzten nachweisbaren Reportage SchulzKampfhenkels über seine Jari-Expedition verweist bereits auf den 1938 in deutschen und ausländischen Kinos gezeigten Film über die Expedition – wie überhaupt die Publikation der Fotoreportagen schon als Werbung für den Film verstanden werden muss und diese vermutlich aus der Arbeit am Film entstanden sind, wie die vielen Parallelen nahelegen.55 Der Film wurde 1938 von der Ufa produziert. Für die Vermittlung SchulzKampfhenkels an die Ufa verantwortlich war Dorothea Schneider-Lindemann, die ab 1925 in Berlin die „Kultur-Vortrags-Organisation“ betrieb mit dem Ziel, für Naturforscher und Künstler Vortragsveranstaltungen zu organisieren. Sie managte die Öffentlichkeitsarbeit zahlreicher wichtiger deutscher „Naturforscher“ seriöserer und unseriöserer Natur. Ab 1943 war sie die Managerin des Unterwasserfilmers Hans Hass. Im Laufe der Jahre entwickelte sie „sehr gute Kontakte zu vielen Behörden und hohen Reichsstellen, sowie zur Filmanstalt Ufa. 1938 vermittelte sie Otto SchulzKampfhenkel an die Ufa. Dessen Schmalfilm über die Amazonas-Jari-Expedition 1935–1937 wurde in Normalbreite übertragen, nachsynchronisiert und lief unter dem Titel ‚Rätsel der Urwaldhölle‘ als ‚Kulturfilm‘ in den deutschen Kinos.“56 Der Film Rätsel der Urwaldhölle ist geradezu geprägt vom Gestus des Beutemachens, der Jagd und des Ausstellens der Ausbeute im Stil eines „barocken Naturalienkabinett[s]“.57 Er ist gekennzeichnet durch eine „linear-kausal narrativierte Organisation des Materials in Form eines travelogue“58 und bedient sich zahlreicher populärdidaktischer Mittel: Nach Nennung der wichtigsten Sponsoren im Vorspann (Reichsregierung, Auslandsorganisation der NSDAP, brasilianische Regierung, Kai-
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Abb. 9/1–8 Ausgabe des Filmkurier zum Film Rätsel der Urwaldhölle, 1938 (Quelle: Dr. Otto Schulz-
Kampfhenkel-Stiftung, Hamburg).
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ser-Wilhelm-Institut für Biologie, Museu Nacional do Rio de Janeiro) erscheinen zunächst ein Globus mit zahlreichen weißen Flecken, dann einer von 1935 mit nur noch sehr wenigen. Eine Landkarte Brasiliens zeigt die wichtigsten Städte an der Küste und die Hauptstraßen ins Landesinnere. Nach Luftaufnahmen Rios mit bekannten Motiven wie dem Pão de Açúcar folgt der Kommentar aus dem Off, der von der Erforschung der geheimnisvollen „Zwielichtwälder“ im Norden Brasiliens spricht, der Suche nach der „Urrasse Amerikas“, dem „freien Waldindianer“, den „paradiesischen Gefilden“, der „Schatzkammer für die Wissenschaft“. Der Assoziationsraum der Eroberung der Neuen Welt, einer Art mysteriösem Eldorado der Wissenschaft, ist geöffnet. Dann erscheint die Gruppe der verwegenen Jungeroberer am Kartentisch, Schulz-Kampfhenkel Pfeife rauchend, Kahle, Krause, korrekt gekleidet, und SchulzKampfhenkel erklärt Sinn und Ziel des Vorhabens. Nach dieser ausgedehnten Einleitungssequenz folgt die Schilderung der Reise selbst. Der Film erzählt in weitgehend chronologischer Ordnung, mit eingeblendeten Datumsanzeigen, den Verlauf der Expedition. Viele Motive der Fotoreportagen bestimmen auch die filmische Umsetzung der Reise. Es erscheint erneut das Narrativ der technikgestützten Eroberung der Wildnis, inszeniert als Überwindung der Wasserfälle in harter Arbeit unter dann und wann aufscheinender Hakenkreuzfahne und kommentiert in militärischem Ton: „Der Kampf beginnt!“ Dazu werden immer wieder Jagdszenen gebracht, sei es mit Gewehr, Kamera oder – seitens der Indios – mit Pfeil und Bogen. Das zweite Narrativ, die Kulturbegegnung mit den „Wilden“, d.h. zunächst mit dem ersten Aparaí, Pitoma, wird noch stärker auf die Karl-May-Klischees zugespitzt als in den Fotoreportagen: „Winnetou, so haben wir unseren Waldmenschen wegen seines scharfzügigen Indianergesichtes getauft“, lautet der Off-Kommentar SchulzKampfhenkels; ihm gegenüber fühlt sich Schulz-Kampfhenkel, angetan mit Cowboyhut und Gewehr, „wie Old Shatterhand in vergangenen Zeiten, wie ich hier dem langmähnigen, nackten Indianer über die Felsblöcke seiner weltfernen Jagdgründe folge.“ Pitoma wird ausführlich in Szene gesetzt, beim Bad im Fluss, bei der Arbeit, beim Rauchen einer Zigarette, die er mit Streichhölzern entzündet, „wie ein Herr“, so der Off-Kommentar, Pitoma niesend, Eidechseneier ausgrabend, über Felsen springend. Die Ankunft im Dorf der Aparaí ist betont als lockere Begegnung gestaltet, bei der Schulz-Kampfhenkel „untergehakt, lachend“ mit dem Häuptling das Dorf betritt: „Mann für Mann kommt aus den Hütten uns entgegen. Hallo, wie geht’s?“ Geradezu familiär stellt ihm der Häuptling seine Frau, eine Tante und die Großmutter vor. Schulz-Kampfhenkel schildert das Indiodorf als reizendes Familienidyll. So seien die Kinder zunächst voller Scheu, aber „schon nach einer Woche haben sie sich an die bösen weißen Männer gewöhnt und trinken ihnen aus der Hand“. Die kleinen Mädchen
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dagegen „lernen ihren zukünftigen Hausfrauenberuf gleichsam im Spiel“. Das Fremde wird umstandslos in die eigenen Wahrnehmungsschemata eingepasst. Schulz-Kampfhenkel unternimmt erst gar nicht den Versuch, die Lebens- und Denkweise der Indios als anders wahrzunehmen. Er stülpt ihnen die gewohnten Rollenzuweisungen über und verleibt sie sich derart ein. Sich selbst imaginiert er in die Rolle des väterlichen „Buschdoktors“, der im Gestus wohlwollender Überlegenheit die Indios in Anspruch nimmt, sei es als Köche, Jagdgehilfen oder ethnografische Untersuchungsobjekte. In der Folgesequenz werden die Bild- und Tonaufnahmen während eines Festes der Aparaí zum Thema gemacht. Die Indios haben sich zum Zweck der Aufnahmen mit Federhüten, Musikinstrumenten und Fußrasseln präpariert, die Deutschen inszenieren sich in der Position magisch anmutender technologischer Superiorität, bewaffnet mit dem „Zauberkasten“-Phonographen und den Kameras. So gelingen SchulzKampfhenkel Ton- und Filmaufnahmen eines „Tanzfestes“ unbestimmten Charakters der Aparaí, ihres Körperschmucks, der Tanzformen, Instrumente und der Musik. Er wertet diese nicht aus, sondern archiviert sie für spätere Forschung. Zwar nimmt Schulz-Kampfhenkel die tanzenden Männer und Frauen auf, darunter den tanzenden „Winnetou“, dessen Funktion als immer wiederkehrende Identifikationsfigur für den Zuschauer deutlich wird. Die Off-Kommentare erklären aber nichts, sondern vereinnahmen den Tanz kulturell über den komisch wirkenden Kommentar: „Mit ihren Maßkrügen in der Hand, bis in den Abend hinein, tanzen die Waldmenschen.“ Schulz-Kampfhenkel zeigt alle möglichen Tätigkeiten der Dorfbewohner, jedoch ohne einen eigenen wissenschaftlich erklärenden Anspruch. Es kommt ihm explizit allein auf die emsige zoologische und ethnographische Sammeltätigkeit für die Auswertung durch Wissenschaftler „zu Hause“ an und auf das visuelle Erjagen von Eindrücken aller Art: Frauen beim Töpfern, der Häuptling beim Zwirnen einer Bogensehne, immer wieder Tiere – alle Tiere werden „schmerzlos getötet“ und wandern ins „Urwaldlabor“. Stolz präsentiert Schulz-Kampfhenkel seine Sammlung von Schädeln, Knochen, Fellen von 500 Tieren wie ein Kuriositätenkabinett.59 „Belege des gesamten Kulturbesitzes der Aparaí gehen in unsere Völkerkundesammlung über“, verkündet Schulz-Kampfhenkel sein Forschungsprogramm. Er versucht durchaus sich auch über Herstellung, Bezeichnung, Sinn und Zweck von Ornamenten und Bildern zu informieren, z. B. wird die Fingerhaltung beim Bogenschießen skizziert und aufgeschrieben: „Alles ist wichtig für die vergleichende Forschung der Völkerkunde daheim.“ Doch das Interesse Schulz-Kampfhenkels richtete sich eher auf das Sammeln der toten Gegenstände der materiellen Kultur als auf die Beobachtung der lebendigen, da auch er dem Topos des „Aussterbens“ der Indios anhing.60 Diese unterschiedslose, positivistische Sammelwut spiegelt sich in der Konstruktion der filmischen Narration wider: Chronologisch und linear reiht sich Szene an
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Szene, ohne dass irgendein thematischer Zugriff zu erkennen wäre. Episode folgt auf Episode. So, wie sie auf dem Zelluloid aufgenommen worden sind, spulen sie sich nun vor dem Zuschauer ab, im Stil eines Amateur-Urlaubsfilms, in der leicht ermüdenden Folge von Bootsfahrten, Tierszenen, Kämpfen mit Stromschnellen und Buschwerk, Indios, neuen Tierszenen… Im Dezember 1936/Januar 1937 unternahm Schulz-Kampfhenkel mit vier Aparaí und dem „Famulus Pascoal“ eine weitere Fahrt den Rio Jari aufwärts zu den Wayana, denen er nach 52 Reisetagen am 19. Januar 1937 begegnete: „Indianer vor uns – spannendster Augenblick der Urwaldreise […] Männer, Frauen, Kinder, bemalt wie die Teufel, begrüßen unsere Aparaí, die ihre Sprache sprechen. [Sie] starren misstrauisch und stumm auf mich weißen Mann, der den seltsam surrenden Kasten am Kopf hat. […] Unablässig arbeite ich mit beiden Handkameras, filme mit der linken Hand, strecke den rechten Arm den Männern zur Begrüßung entgegen. Zögernd, misstrauisch kommen sie herbei.“ Der Dokumentationszwang erweist sich als gewisses Kommunikationshindernis, welches auch durch die nassforsche Selbstverständlichkeit SchulzKampfhenkels nicht ganz überwunden werden kann. Bei den Wayana hält sich der Film (anders als die Schilderung im Buch SchulzKampfhenkels) nicht lang auf, denn eine Gruppe der Wayana will ein Dorf der benachbarten Wayapi am Fluss „Cuc“ besuchen: „Alarmierende Nachricht: Man hatte diesen primitiven Indianerstamm für ausgestorben gehalten“, behauptet SchulzKampfhenkel. Wie ebenfalls in Buch und Reportagen konstruierte Schulz-Kampfhenkel ein rassistisch geprägtes Entwicklungsgefälle bei den Indios. Je weiter er – in seiner Perspektive – in den Wald vordringt, desto „primitiver“ müssen die Indios sein. „Die Vorwärtsbewegung im Raum korreliert […] mit einer Rückwärtsbewegung in der Zeit“61, ein Merkmal auch des Abenteuerfilms. Die Aparaí hatte er sich bereits „einverleibt“ (man beachte das Possessivpronomen „unsere“), nun grenzte er sich beim Kontakt mit anderen Indios unbewusst ab. Die Wayapi werden, wie schon in den Fotoreportagen, gleich umstandslos als auf „primitiver“ Entwicklungsstufe lebende „Pfahlbaumenschen“ qualifiziert: „Urform menschlichen Treppenbaus – Baumstämme mit ausgehöhlten Kerben“. In der Schilderung von Frauen, die junge Hunde stillen und ihre Männer lausen – Bilder, die eine gewisse Tierhaftigkeit der Indios suggerieren –, offenbart sich die Psychodynamik einer zunächst bis fast zum Ekel reichenden Abwehr Schulz-Kampfhenkels gegen die von ihm als „primitiv“ angesehenen Wayapi, die sich nur zögernd legte. So schwimmen im Begrüßungstrunk Fliegen und Ameisen, ihre Felder sind „wild durcheinander gepflanzt“. Auch bei den Wayapi geht es Schulz-Kampfhenkel um eine möglichst vollständige Aneignung ihres materiellen Kulturbesitzes. Recht sorgfältig dokumentiert er filmisch die Herstellung von Maniokbrot. Er setzt Salz als begehrtes Tauschobjekt
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ein. So endet die Sequenz in einer Reihe komischer Szenen Salz leckender Indios oder von Indios, die mit Schulz-Kampfhenkels Leica experimentieren oder nackt vor ihr fliehen. Der Film endet mit fast der gleichen Sequenz wie die Serie von Fotoreportagen: Man begibt sich auf die Rückfahrt: „Die Männer aber ergänzen vor allem ihr Jagdgerät und ich lasse sie nun mit ihren neuen Pfeilen und Bogen auf dem Dorfplatz auf ein Zeitungsblatt um die Wette schießen. Wie alte Engländer beim Polospiel, ungeachtet der Kamera, schnellen sie ihre Pfeile von der Sehne. […] Dann aber zeigt der Oberschütze des Dorfes, wie es gemacht wird. […] Mit der Waffe seiner Vorväter jagt der rote Krieger dieser Wälder Tapir, Wildschwein, Jaguar und Silberlöwen.“ Dieser Schlusskommentar pointiert nochmals alle bekannten Indianerklischees aus Karl-May-Phantasien und puerilen Spielen; nochmals inszeniert Schulz-Kampfhenkel die Gestalt des „roten Kriegers“ und freien Jägers – ein Sehnsuchtsbild, von dem der Regisseur behauptet, es noch in der Wirklichkeit angetroffen zu haben. SchulzKampfhenkel beendet deshalb seinen Film mit dem „Gefühl der Dankbarkeit und des Triumphes“, bevor im Schlussbild die brasilianische und deutsche (Hakenkreuz-) Flagge erscheinen und dazu die brasilianische (!) Nationalhymne ertönt.
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Holger Stoecker: Afrikawissenschaften in Berlin von 1919 bis 1945. Zur Geschichte und Topographie eines wissenschaftlichen Netzwerkes, Stuttgart 2008, S. 283–309. [Otto] Schulz-Kampfhenkel: Das Dschungel rief. Zoologie-Student, Tierfänger, Urwaldjäger in liberianischer Wildnis, Berlin 1933; zweite Auflage 1937 unter dem Titel „Im afrikanischen Urwald als Tierfänger und Urwaldjäger. Eine Studentenexpedition in die Wildnisse der Pfefferküste“. [Otto Schulz-Kampfhenkel:] Afrika-Ausstellung. Urwaldleben und Negerkultur. Zeltlager und Ausbeute der Schulz-Kampfhenkel-Expedition nach Liberia. Kuhnert-Gemälde und afrikanische Tier-Plastiken Berliner Künstler [Katalog des Wertheim-Kaufhauses], Berlin 1933. Berichte in der illustrierten Presse konnten bisher nicht gefunden werden. [Otto] Schulz-Kampfhenkel: Rätsel der Urwaldhölle. Vorstoß in unerforschte Urwälder des Amazonenstromes. Mit Tagebuchberichten seines Jagd- und Fliegerkameraden Gerd Kahle, Berlin 1938, S. 11 f. Vgl. Henrick Stahr: Fotojournalismus zwischen Exotismus und Rassismus. Darstellungen von Schwarzen und Indianern in Foto-Text-Artikeln deutscher Wochenillustrierter 1919 – 1939, Hamburg 2004, S. 192–205. Schulz-Kampfhenkel: Rätsel der Urwaldhölle, S. 208. Film-Kurier, Nr. 11, 14.1.1938, zit. nach: Klaus Kreimeier: Mechanik, Waffen und Haudegen überall. Expeditionsfilme: das bewaffnete Auge des Ethnographen, in: Jörg Schöning (Hg.):
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Henrick Stahr Triviale Tropen. Exotische Reise- und Abenteuerfilme aus Deutschland 1919–1939, München 1997, S. 53. Kreimeier: Mechanik, S. 53. Ebd., S. 48–50. Schulz-Kampfhenkel: Rätsel der Urwaldhölle, S. 46. Federico Füllgraf: Nazistas na Amazônia. A história dos alemães que desembarcaram no Jari em 1935 para uma confusa e misteriosa expedição científica, in: Revista Brasileiros, 21 (2009), Abril, http://www.revistabrasileiros.com.br/edicoes/21/textos/554/, 28.5.2010. Für die Jahre zwischen 1920 und 1941 hat Füllgraf mehr als 20 deutsche Filmproduktionen recherchiert, die in Amazonien gedreht wurden, u. a. der ebenfalls 1936/37 gedrehte Spielfilm Kautschuk mit über 60 Komparsen. In diesem Sinne stellte Schulz-Kampfhenkels Expeditionsfilm keinen Einzelfall dar. Zu Curt Unkel-Nimuendaju vgl. den Beitrag von A. OyuelaCaycedo/M. Fischer/R. Duin in diesem Band. Vgl. Jens Glüsing: Das Guayana-Projekt. Ein deutsches Abenteuer am Amazonas, Berlin 2008, S. 190–214; ders.: Nazis im Dschungel-Camp, in: Der Spiegel, 18.11.2009, http:// einestages.spiegel.de/static/topicalbumbackground/3006/nazis_im_dschungel_camp.html, 22.2.2010; Alan Hall: The first Boys From Brazil: Nazi graveyard discovered deep in the Amazon rainforest, in: Daily Mail, 24.10.2008, http://www.dailymail.co.uk/news/worldnews/article–1080071/The-Boys-Brazil-Nazi-graveyard-discovered-deep-Amazon-rainforest.html, 12.11.2010. Vgl. auch den Beitrag von H. Stoecker in diesem Band. Eine Fotografie des Kreuzes befindet sich in Schulz-Kampfhenkel: Rätsel der Urwaldhölle, Tafelteil nach S. 168. Zur heutigen Reaktion der Anwohner des Ortes auf das Kreuz vgl. Rebeca Kritsch: Cruz no Rio Jari é resquício de incursão alemã na Amazônia, in: O Estado de S. Paulo, Jg. 1999, http://www.estado.estadao.com.br/edicao/especial/brasil/brasil114.html, 13.4.2002. Weitere Schreibweisen: Oayana /Wayaná. Weitere Schreibweisen: Oayapi /Oyampi. Weitere Schreibweisen: Oiapoque /Oyapoque. Vgl. Stahr: Fotojournalismus; sowie Henrick Stahr: Koloniales Bewusstsein im Fotojournalismus der Weimarer Republik: Die Darstellung von Schwarzen in deutschen Wochenillustrierten, in: Diethart Kerbs/Walter Uka (Hg.): Fotografie und Bildpublizistik in der Weimarer Republik, Bönen/Westfalen 2004, S. 81–95. Vgl. Stahr: Fotojournalismus; Kreimeier: Mechanik; Schöning (Hg.): Triviale Tropen; Klaus Kreimeier/Peter Zimmermann (Hg.): Weimarer Republik. 1918–1933, Stuttgart 2005 (=Peter Zimmermann: Geschichte des dokumentarischen Films in Deutschland, Stuttgart 2005, Bd. 2); Tobias Nagl: Die unheimliche Maschine. Rasse und Repräsentation im Weimarer Kino, München 2009. Nagl: Die unheimliche Maschine, S. 50. Nagl bezieht sich hier auf die „Theorie der literarischen Produktion“ von Pierre Macherey. [Otto] Schulz-Kampfhenkel: Vorposten im Urwald. Ein neuer Bildbericht der deutschen Amazonas-Jary-Expedition 1935–37, in: Berliner Illustrirte Zeitung, 45 (1936), Heft 53, S. 2122–23 (im folgenden BIZ 1936/53/2122–23). F. J. H.: Im Kampf mit dem Jary. Forschungsfahrt durch die Urwälder Nordbrasiliens. 1. Ein Bildbericht der Deutschen Amazonas-Jary-Expedition von Schulz-Kampfhenkel, in:
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Kölnische Illustrierte Zeitung, 12 (1937), Heft 34, S. 1032–33, 1050 (im folgenden KIZ 1937/34/1032–33). Es bleibt ein Rätsel, woran Schulz-Kampfhenkel beim ersten ihm begegnenden Indio das „Charakteristische“ seines Körpergeruchs erkennen zu können meinte. Schulz-Kampfhenkel: Rätsel der Urwaldhölle, S. 74. Ebd., S. 70–75. Schulz-Kampfhenkel/Gerd Kahle: Ankunft bei den Aparais. Forschungsfahrt durch die Urwälder Nordbrasiliens 2. Bildbericht der Deutschen Amazonas-Jary-Expedition von Schulz-Kampfhenkel und Gerd Kahle, in: Kölnische Illustrierte Zeitung, 12 (1937), Heft 35, S. 1064–65, 1079 (im folgenden KIZ 1937/35/1064–65); Schulz-Kampfhenkel/Gerd Kahle: Die weißen Zauberer. Mit Mikrophon und Kamera im Indianerdorf. Forschungsfahrt durch die Urwälder Nordbrasiliens 3. Ein Bildbericht der Deutschen Amazonas-Jary-Expedition von Schulz-Kampfhenkel und Gerd Kahle, in: Kölnische Illustrierte Zeitung, 12 (1937), Heft 36, S. 1100-01, 1108 (im folgenden KIZ 1937/36/1100-01); Schulz-Kampfhenkel/ Gerd Kahle: Reiche Beute – Tauschgeschäft. Forschungsfahrt durch die Urwälder Nordbrasiliens 4. Ein Bildbericht der Deutschen Amazonas-Jary-Expedition von Schulz-Kampfhenkel und Gerd Kahle, in: Kölnische Illustrierte Zeitung, 12 (1937), Heft 37, S. 1132–33, 1145 (im folgenden KIZ 1937/37/1132–33). KIZ 1937/35/1064–65. Die Erwähnung von Bananenstauden und die Beschreibung der Hütten evozierte beim Leser bereits vorhandene Vorstellungen von afrikanischen „Negerdörfern“, obschon die Hütten der Aparaí in der Realität eher flache, ovale Bauten waren (und sind). Vgl. Gabriel Coutinho Barbosa/Paula Morgado: Aparai. Povos Indígenas do Brasil, 2003, http://pib.socioambiental. org/en/povo/aparai/1106, 1.2.2010. Nagl: Die unheimliche Maschine, S. 62. Kritsch: Cruz no Rio Jari. Wie C. Lins durch Befragen der Dorfbewohner vor einigen Jahren herausgefunden haben will, hatte einer der deutschen Expeditionsmitglieder sogar mit einer Frau der Aparaí eine Tochter: „Das Mädchen, genannt Cesse, wurde mit blauen Augen geboren und war bekannt als ‚alemoa‘ [Spitzname für ‚Deutsche‘, H. S.].“ „A menina, chamada Cesse, nasceu de olhos azuis e ficou conhecida como ‚alemoa‘.“ Cristovão Lins: Jari. 70 anos de história, Almeirim, Brazil: Prefeitura Municipal de Almeirim (PA) 1991. Diese These bestätigt auch Füllgraf (vgl. Füllgraf: Nazistas na Amazonia), der sich mit Lins unterhalten hat: Zwischen den Deutschen und den Aparaí sei es zu sexuellen Kontakten gekommen, aber im Buch Schulz-Kampfhenkels seien diese naheliegender Weise nicht erwähnt. Eine Beziehung zu Macarrani, der Tochter des Kaziken Aocapotu, zuzugeben, hätte wohl im Gegensatz zur Doktrin der Rassereinheit gestanden. Die Tochter aus der Verbindung sei 1937/1938 geboren worden. Der Spiegel-Journalist Glüsing hat bei seinem Besuch am Grabkreuz für Joseph Greiner am Cachoeira de Santo Antônio jedoch keine Hinweise mehr auf die Tochter gefunden. Vgl. Glüsing: Das Guayana-Projekt, S. 186 f. Wahrscheinlich war nicht Schulz-Kampfhenkel, sondern Gerd Kahle der Vater des Kindes. Vgl. den Beitrag von H. Stoecker in diesem Bd. Schulz-Kampfhenkel: Rätsel der Urwaldhölle, S. 85. KIZ 1937/36/1100-01. Nagl: Die unheimliche Maschine, S. 66. Eine entsprechende Fotografie liefert den Titel seiner Arbeit: „Die unheimliche Maschine“.
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Henrick Stahr
34 Schulz-Kampfhenkel: Rätsel der Urwaldhölle, S. 88. 35 Vgl. Jan Berg: „Der Beute-Gestus“. Dokumentarische Exotik im Film, in: Thomas Koebner/ Gerhart Pickerodt (Hg.): Die andere Welt. Studien zum Exotismus, Frankfurt am Main 1987, S. 345–362. 36 KIZ 1937/37/1132–33. 37 KIZ 1937/37/1132–33, S. 1145. 38 [Otto] Schulz-Kampfhenkel: Durchstoss zu den Urwaldmenschen, in: Münchner Illustrierte Presse, 14 (1937), Heft 38, S. 1267–69 (im folgenden MIP 1937/38/1267–69); [Otto] Schulz-Kampfhenkel: Durchstoss zu den Urwaldmenschen. 2. „Schíín tapuhí! Dort ist unser Dorf !“ Die erste Begegnung der Expedition mit den Oayana-Indianern am Oberlauf des Jary, in: Münchner Illustrierte Presse, 14 (1937), Heft 39, S. 1308-09 (im folgenden MIP 1937/39/1308-09); [Otto] Schulz-Kampfhenkel: Durchstoss zu den Urwaldmenschen. 3. Zu den Quellen des Flusses Ku, in: Münchner Illustrierte Presse, 14 (1937), Heft 41, S. 1398–99 (im folgenden MIP 1937/41/1398–99); [Otto] Schulz-Kampfhenkel: Bei den Pfahlbau-Wilden von Tupac Humac. Letzter Bericht der Amazonas-Jary-Expedition des Jahres 1937, in: Münchner Illustrierte Presse, 14 (1937), Heft 44, S. 1549 (im folgenden MIP 1937/44/1549). 39 [Otto] Schulz-Kampfhenkel: Ein roter Krieger schießt, in: Münchner Illustrierte Presse, 14 (1937), Heft 50, S. 1825 (im folgenden MIP 1937/50/1825). 40 MIP 1937/38/1267–69. 41 MIP 1937/39/1308-09. 42 Wie Schulz-Kampfhenkel: Rätsel der Urwaldhölle, S. 179–181 beschrieb, benutzte er für diese Aufnahmen eine Leica-Kamera. 43 MIP 1937/41/1398–99. 44 Schulz-Kampfhenkel: Rätsel der Urwaldhölle, S. 101. Vgl. auch Xavier Bartaburu: O que um grupo de nazistas veio fazer na Floresta Amazônica? Seis décadas depois, a intrigante expedição que os alemães realizaram no Brasil na década de 30 continua um mistério, 2000 (http://www2.uol.com.br/caminhosdaterra/edicao102000/nazistas. html sowie http:// br.dir.groups.yahoo.com/group/grandesguerras/message/5243, 22.12.2009), der die gleiche Episode offensichtlich aus der Lektüre des Reisebuchs von Schulz-Kampfhenkel wiedergibt. 45 MIP 1937/44/1549. 46 Schulz-Kampfhenkel: Rätsel der Urwaldhölle, S. 199 f. Nagl: Die unheimliche Maschine, S. 241, betont, dass Vergleiche von Eingeborenen mit Tieren im kolonialen und ethnografischen Film eine verbreitete Strategie darstellten, „die Menschlichkeit des Kolonisierten zu verleugnen, um dadurch die eigene Präsenz zu rechtfertigen und den Zuschauern gegenüber einen komischen Effekt zu erzielen.“ 47 Schulz-Kampfhenkel: Rätsel der Urwaldhölle, S. 187. 48 Ebd., S. 189. 49 Diese Fotografien finden sich auch bei Schulz-Kampfhenkel, ebd., im Tafelteil nach S. 200. 50 Ebd., S. 190. 51 Ebd., S. 200 f. 52 Ebd., S. 201–205. 53 MIP 1937/50/1825. 54 Schulz-Kampfhenkel: Rätsel der Urwaldhölle, S. 192 f.
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55 Ausschnitte des Films werden noch heute verwertet als Lehrfilme für Schulen, so offeriert die Stadtbildstelle München im Katalog Januar 2009 unter der Rubrik „Vor- und Frühgeschichte“ den Film „Aus dem Alltag der Waldindianer Amazoniens. Erlebnisse einer Forschungsreise 1935 – 1937 (16 mm Lichttonfilm, 15 min, sw, 1992, D)“, der für die Klassen 5–10 empfohlen wird, mit dem Text: „Die 17 Monate dauernde Deutsche Amazonas-Expedition führte in ein Gebiet, das Weiße damals noch nicht betreten hatten. Originalaufnahmen des damaligen Kameramanns, Dr. Schulz-Kampfhenkel, zeigen die steinzeitlichen Lebensformen in einem Dorf der Aparai-Indianer, in dem die Teilnehmer ein Jahr lang lebten, wie z.B. Waffenbau, Jagd, Zubereiten der Nahrung, ein Tanzfest und anderes mehr. Die Entdeckung der schon für ausgestorben gehaltenen Oayapi-Indianer ermöglicht Vergleiche von Unterschieden und Gemeinsamkeiten der Lebensweise dieser Stämme, die im perfekten Einklang mit der sie umgebenden Natur leben. Mit der Frage nach dem heutigen Schicksal dieser Menschen endet der Film.“ (www.stabi2.muc.kobis.de/medien_neu/aktMedienKat/geschichte.doc, S. 12, 15.6.2010). 56 Vita von Dorothea Schneider-Lindemann (1884–1967) veröffentlicht vom Hans-HassInstitut 2008, in: http://www.hist-net.de/Vortrag/Dorothea%20Schneider-Lindemann. pdf, 15.5.2010. Dort wird ihre zahlreiche Kundschaft erwähnt: „Zwischen 1925 und 1943 betreute sie unter anderem den norwegischen Polarforscher Otto von Nordenskjöld, dann Asienforscher Wilhelm Filchner, ‚Seeteufel‘ Felix Graf von Luckner, Ballonfahrer Auguste Piccard, Raketenforscher Max Valier, Tierbuchautor Paul Eipper, Afrikaforscher Hans Schomburgk sowie Otto Schulz-Kampfhenkel, der den Amazonasstrom bereiste (sic!). Hinzu kamen Lutz Heck vom Tierpark München, Himalaya-Forscher Günther Dyhrenfurth, der Kapitän und spätere General der Flieger Friedrich Christiansen, Ozeanflieger Wolfgang von Gronau, Kapitän Julius Lauterbach von der SMS EMDEN, die Expertin für chinesische Kunst Editha Leppich-Lundquist, und nicht zuletzt die Filmemacherin Leni Riefenstahl.“ 57 Ariane Heimbach: Die inszenierte Wildnis. Exotische Tierwelt im Film, in: Jörg Schöning (Hg.): Triviale Tropen. Exotische Reise- und Abenteuerfilme aus Deutschland 1919–1939, München 1997, S. 162. 58 So Nagl: Die unheimliche Maschine, S. 249, über die Afrika-Expeditionsfilme Hans Schomburgks um 1916. 59 Vgl. Heimbach: Die inszenierte Wildnis, S. 162. Dass im Film keine Jagdszenen vorkämen, wie Heimbach schreibt, ist nicht korrekt. 60 Vgl. Nagl: Die unheimliche Maschine, S. 268–278. Auch ist fraglich, ob Schulz-Kampfhenkels Ausbildung, Sprach- und Kulturkenntnisse ihm ein tieferes Verständnis der Indiokultur überhaupt möglich machten. 61 Ebd., S. 263.
„Rätsel der Urwaldhölle“ – Der Film Wolfgang Davis Am 10. März 1938 wird der Dokumentarfilm Rätsel der Urwaldhölle von Otto Schulz-Kampfhenkel durch die Film-Prüfstelle in Berlin „zur öffentlichen Vorführung im Deutschen Reiche, auch vor Jugendlichen“ zugelassen. „Der Film“, heißt es in der Zulassungskarte, „ist staatspolitisch wertvoll, kulturell wertvoll und volksbildend.“1 Die 1930er Jahre sind eine Zeit, in der man erst beginnt, das Medium Film und seine Verwertungsmöglichkeiten in ihrem ganzen Potential zu erkennen. Informationen können unabhängig von Ort und Zeit jedermann zugänglich gemacht werden. Film wird – etwa in der Ethnologie – zu einem Instrument der Wissenschaft, das Forschungsergebnisse als visuelle Information transportieren kann; er wird zu einem Massenmedium, über das ganze Bevölkerungsgruppen gezielt informiert und ebenso desinformiert werden können: Film wird zu einem Propagandainstrument. Die Propaganda – egal welcher politischen Couleur – erkennt die Massenwirksamkeit des Mediums und damit die Notwendigkeit, es zu kontrollieren. Das Medium zu kontrollieren erfordert, es zu verstehen. Erste Medientheorien entstehen. Sergei Eisenstein beschäftigt sich in den 1920er Jahren mit der Entwicklung der Montage und der durchdachten Filmsprache. Dziga Vertov entwickelt seine Filmpoesie der Realität.2 1933 schreibt Antonin Artaud in seinem Artikel Die vorzeitige Vergreisung des Kinos, dass es zwei Arten von Kino gäbe, den Spielfilm und den Dokumentarfilm. „Auf der einen Seite das dramatische Kino, in dem der Zufall, das heißt das unvorhergesehene, das heißt die Poesie durchweg unterdrückt sind. Kein Detail, das nicht absolut bewußt vom Verstand gewählt wäre, […] Andererseits gibt es – und das ist die letzte Zuflucht der Anhänger des Kinos um jedem Preis – den Dokumentarfilm. In ihm wird ein überwiegender Teil dem Apparat überlassen und der spontanen und direkten Entwicklung von Aspekten der Realität. Die Poesie der Dinge aufgenommen unter ihrem unschuldigsten Aspekt.“3 In den 1930er Jahren, wenige Jahrzehnte, nachdem das Medium Film überhaupt erst erfunden worden war, hatte man noch größeres Vertrauen in den Dokumentarfilm als in den Spielfilm mit seiner vorgezeichneten Dramaturgie. Hans Richter bestätigt das 1938 noch einmal in seinem Buch Der Kampf um den Film: „Denn wir erfahren aus Dokumentarfilmen […] sehr viel mehr über uns, als wir aus dem Spielfilm erfahren, in dem sich die Menschen stets mehr bemühen müssen, zu scheinen, wie sie
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es dem herrschenden Ideal zufolge sein sollen, als wie sie wirklich sind.“4 Aber er warnt auch vor dem verfälschenden Potential eines Films, der die Wahrheit beschönigen will: „Denn auch das ‚Schöne‘ stellt sich eher als Attribut der Wahrheit ein, als die Wahrheit als Attribut des Schönen.“5 Otto Schulz-Kampfhenkels Film Rätsel der Urwaldhölle wurde 1938 fertig gestellt.6 1934 trat im Deutschen Reich ein neues Lichtspielgesetz in Kraft, das für jeden Film so genannte Zulassungskarten vorschrieb, die den gesamten Text des Films enthalten mussten.7 Im Filmarchiv des Bundesarchivs in Berlin findet sich heute in der Zulassungskartei unter den Prüfnummern 47.818 und 56.287 der gesamte Text des Films Rätsel der Urwaldhölle.8 Nachdem heute unterschiedliche und unvollständige Kopien des Films existieren, bietet diese Quelle die einzige Grundlage, die ursprüngliche Fassung von 1938 von Rätsel der Urwaldhölle vollständig zu rekonstruieren. „Die Raum und Zeit überwindende Technik [des Mediums Film – W. D.] hat alles Leben auf der Erde so eng miteinander verbunden […]. Alles, was auf der Erde geschieht, wird interessanter und bedeutungsvoller“, schreibt Hans Richter.9 Bewegung im Raum, Reisen, die Ferne und die Bewegung in diese Ferne sind Motive, die das Medium Film seit seiner Erfindung begleitet haben. Und Ferne bedeutet für die, die sich nicht bewegen können oder nicht wollen: das Fremde, das Exotische, das oftmals gefährlich Unbekannte. Sehnsucht und Sicherheit verschränken sich in einander. Die Gefahr, in die man sich nicht begeben muss, weil der Film sie zu einem ins Kino bringt, bestätigt die eigenen Lebenskonzepte, ebenso wie der Exotismus die eigenen Maßstäbe legitimiert. In einer Zeit, in der Dokumentationen noch eine Referenzgröße vor dem Spielfilm darstellen, sind die Motive Ferne und Gefahr Grundmuster des Films: Thomas Alva Edison, einer der Erfinder des Mediums Film, dokumentiert einen Hopi Snake Dance (USA 1901). Das erste abendfüllende Dokudrama der Filmgeschichte zeigt In the Land of the Headhunters (Edward S. Curtis, USA 1914) Kopfjäger bei den Kwakiutl-Indianern Kanadas. Robert Flaherty, für dessen Film Moana (USA 1926) erstmals überhaupt der Begriff Dokumentarfilm benutzt wurde, verbrachte Jahre unter härtesten Bedingungen bei den Inuit, bevor sein Erstlingswerk Nanook of the North (USA 1922) entstand. Der ehemalige Kriegsreporter Frank Hurley bereiste das unwegsame Neuguinea und drehte Pearls and Savages (AUS 1921). Die von Citroën finanzierten Expeditionen Croisière Noire (1924) und Croisière Jaune (1934) endeten im tragischen Tod des Expeditionsleiters. Es ist diese Tradition, in der der Expeditionsfilm von Otto Schulz-Kampfhenkel Rätsel der Urwaldhölle entsteht. Interessant ist dabei die Perspektive, die solche Filme im Spannungsfeld von Reiselust, Gefahr, Exotismus und Wissensdrang einnehmen. Wird Edison noch deutlich von der Faszination des bewegten Bildes geleitet, von der Faszination, dass man tanzende Menschen aufzeichnen kann, so war Edward Curtis von dem Gedanken getrie-
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ben, die von ihm dokumentierten „Indian nations“ stünden kurz vor dem Genozid und ihr Leben müsse dokumentiert werden – auch ein Grundmotiv der Ethnologie: „the vanishing race“. Robert Flaherty war in der Annäherung an die Vorstellung einer wertfreien Wissenschaftlichkeit um die ethnografische Dokumentation bemüht, während Frank Hurley, von dem man sich erzählt, dass er in seinen Fotoreportagen im Ersten Weltkrieg auch schon einmal Leichen zusammengeschoben habe, um sie aufregender erscheinen zu lassen, in seiner Reisereportage Pearls and Savages die Gefahren, die er durchlebt, in den Vordergrund stellt. Da findet er sich in morbider Faszination in Hütten voller Totenschädel wieder oder wird von dämonischen Masken und Kopfjägern verfolgt, bis er in einem furiosen Finale unter dem Pfeilhagel der indigenen Bevölkerung in letzter Sekunde sein Wasserflugzeug erreicht. Hier manifestiert sich ein weiteres Motiv dieser Expeditionsfilme: Die Überlegenheit des weißen Beobachters, der sich darauf zurückziehen kann, dass seine Technologie – und damit seine Kultur – der indigenen überlegen ist und der sich deshalb der Gefahr stellen kann. Gerade das Bewusstsein dieser technischen Überlegenheit ist es, das den französischen Automobilhersteller André Citroën motiviert, zwei Expeditionen quer durch die Welt zu finanzieren. Seine Automobile sind den Gefahren im unwegsamen Gelände gewachsen. Die Perspektive des Finanziers entlarvt sich freilich als Werbemaßnahme für sein Produkt. Es geht um den europäischen Konsumenten und weniger um die indigene Bevölkerung, deren Lebenswelt nur zur Bestätigung der europäischen Entwicklungsstufe dient. In dieser Tradition, in dem Versuch, die eigene Kultur zu bestätigen, gründet die Faszination, mit der Schulz-Kampfhenkel immer wieder die für ihn scheinbare Primitivität dieser Menschen beobachtet, die ihm wie Urmenschen erscheinen. „Wir stehen dem ersten echten Waldmenschen der Urrasse Amerikas gegenüber“ (II/25) oder – als er eine Frau ein Tongefäß herstellen sieht – „uns dämmerte plötzlich, dass wir hier vor dem Urbeginn menschlicher Gefäßformung stehen“ (IV/17).10 Wie Curtis beschäftigt Schulz-Kampfhenkel sich mit der Frage der „vanishing race“, aber seine Perspektive ist die Faszination am Primitiven, wenn er ausruft: „Alarmierende Nachricht! Man hatte diesen primitiven Indianerstamm für ausgestorben gehalten. Hier lebt er also doch noch. Ich muß dort hin!“ (VI/65). Der Expeditionsfilm von Schulz-Kampfhenkel greift die Perspektive auf, die auch Frank Hurley repräsentiert. Schon der Titel Rätsel der Urwaldhölle verweist auf dieses Muster. Es ist jene Mischung aus ultimativer Gefahr und religiösem, existentiellem, fast mythischem Grundgefühl, das einen ergreift – oder einholt – wenn man die Welt in ihrem Ursprung erforscht. Ein Grundgefühl, dem man sich stellen muss, um sich zu beweisen. Die „Hölle“ ist ein Ort, aus dem nur die Besten zurückkehren, die die Stärke haben, sich mit dem Dämonischen, dem Jenseitigen zu messen – ganz wie es schon Hurley tun musste: „Unsere bösen Ahnungen sahen wir bestätigt: Wir hatten
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Abb. 1 Wenn SchulzKampfhenkel sie nicht mit ideologischen Bedeutungsfolien überzieht, wirken die gefilmten Indigenen in ihrer familiären Verletzlichkeit kaum anders als Menschen in einer europäischen Kleinfamilie (Quelle: Alle
Abbildungen dieses Beitrages sind dem Film „Rätsel der Urwaldhölle“ entnommen, BArch/F Berlin BSP 20479/Transit Film GmbH).
Abb. 2 Eine indigene Frau säugt zwei Hunde. SchulzKampfhenkel positioniert die Menschen, deren Leben er filmt, in solchen Bildern bewußt in der Nähe von Tieren.
die Hohepriester bei ihrem dämonischen Mahl gestört“ (Hurley, Pearls and Savages, min. 61:21), heißt es einmal, als Hurley ein Ritual filmen möchte. Aber wer die Hölle überwindet, kann göttliche Qualität erlangen, denn er ist dem Dämonischen überlegen: „Feierlich wurden wir, die weißen Götter, zu diesem Tempel geführt“ (Hurley, Pearls and Savages, min. 56:57). Hurleys abendfüllender Film lief in einer deutschen, viragierten Fassung auch in Berliner Kinos. Er hat in manchen Momenten eine erstaunliche Ähnlichkeit mit Schulz-Kampfhenkels Film, so dass man Schulz-Kampfhenkel fast als Epigonen bezeichnen möchte. Ganz wie bei Hurley liegt in SchulzKampfhenkels Suche nach der ursprünglichen Bevölkerung der Welt zuweilen ein religiöses Moment. Es ist ein paradiesischer Zustand, in dem der Mensch mit den
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wilden Tieren gemeinsam lebt: „Eine Greisin kaut ihren zahmen Papageien das Futter vor“ (VI/90). In einer anderen Szene sieht man eine Indianerin zwei Hunde säugen (VI/91). Das Paradies birgt aber auch den Antichristen: „Indianer vor uns! Spannendster Augenblick der Urwaldreise! Einbäume der Oayana treiben uns entgegen. Männer, Frauen, Kinder, bemalt wie die Teufel“ (VI/57). Und so wird das Paradies zur Urwaldhölle. In Deutschland hatte sich in den 1920er und 1930er Jahren ein Kreis von filmnahen Forschern, Abenteurern und Globetrottern gebildet, die von Dorothea Schneider-Lindemann in ihrer „Kultur-Vortrags-Organisation“ betreut wurden. Dazu gehörten neben Otto Schulz-Kampfhenkel auch Leni Riefenstahl, Graf Luckner, der Naturfilmer Hans Hass, der Asienforscher Wilhelm Filchner und der Afrikafilmer Hans Schomburgk, dessen Film Im deutschen Sudan (D 1914) bis heute gezeigt wird, dessen mit europäischen Schauspielern in Afrika unter unsäglichen Strapazen gedrehter Spielfilm mit dem bezeichnenden Titel Die Weisse Göttin der Wangora jedoch nie vollendet wurde. Dorothea Schneider-Lindemann verschaffte Schulz-Kampfhenkel Kontakte zur UFA, der Union Film AG, die das Schmalfilmmaterial, das er in Brasilien gedreht hatte, auf 35-mm-Film übertrug, den Film mit Schulz-Kampfhenkels Kommentaren nachsynchronisierte und ihn als abendfüllenden Kulturfilm in die Kinos brachte.11 Die UFA druckte zur Kinoauswertung des Films ein 26-seitiges Feuilletonheft mit redaktionellen Beiträgen, das sie verschiedenen Zeitungen zur Verfügung stellte. In diesem Feuilletonheft wird der Filmemacher immer wieder dezidiert als Wissenschaftler dargestellt, der sich im Zuge seiner Jari-Expedition unter schwersten Bedingungen größte Verdienste um die Völker- und Naturkunde gemacht habe. Immer wieder werden die umfassenden Sammlungen für das Berliner Naturkundemuseum und das Völkerkundemuseum hervorgehoben, die auf seiner Expedition zustande gekommen sind. In der Werbebroschüre wird Walter Krickeberg zitiert, Kurator und später Direktor des Berliner Völkerkundemuseums, Schulz-Kampfhenkel und Gerd Kahle hätten „auf ihrer Amazonasexpedition alles sehr gut beobachtet, ausgezeichnete Aufnahmen gemacht und recht stattliche sowie wertvolle Sammlungen mitgebracht“. Und weiter heißt es: „Als die deutsche Amazonas-Expedition […] wieder nach Deutschland zurückkehrte, war vor allem von der reichen wissenschaftlichen Ausbeute dieser gefahrvollen Reise die Rede.“ Der Filmautor selbst berichtet: „Wir wollten ein ganz und gar unverfälschtes, bis ins letzte wahres und ehrliches Filmdokument einer ernsten wissenschaftlichen Expedition schaffen! Kein Gemengsel von gesuchten Sensationsaufnahmen.“12 „Der Film“, stellt die UFA fest, „beansprucht aber noch eine über seine unmittelbare Vorführung und Wirkung in den Lichtspielhäusern weit hinausgehende Be-
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deutung. Zunächst ist es das erste Mal, dass ein so ausgezeichneter Bericht über Leben, Kultur, Sitten und Bräuche von Volksstämmen […] geschaffen werden konnte. Dieses Werk ist als eine bahnbrechende Kulturtat zu bezeichnen, da sie überhaupt der Verwendung des Tonfilms im Dienste der Völkerkunde noch eine große Zukunft eröffnet.“13 „Der Erfolg der ‚Rätsel der Urwaldhölle‘ hat auf jeden Fall die Frage eines stärkeren Einsatzes des Films zugunsten der Völkerkunde um ein erhebliches Stück vorwärts gebracht“14, schreibt man und entwickelt die Vision, dass in zukünftigen Völkerkundemuseen Filmvorführräume und die Präsentation von Filmen bei jeder Museumsführung die Regel sein würden. In der Tat besitzt das Berliner Ethnologische Museum seit den 1960er Jahren einen Filmsaal und in immer mehr Führungen werden Filmeinspieler integriert. Die Bedeutung von Rätsel der Urwaldhölle für die Archive völkerkundlicher Museen ist freilich nur sehr gering, dazu bedarf es nicht einmal eines Vergleiches zu Robert Flaherty, der schon 16 Jahre vor Schulz-Kampfhenkel den Dokumentarfilm wirklich revolutioniert hatte. Und auch die Überlegung, Filme für die Völkerkunde zu nutzen, war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr neu. Schon 1935 konstatiert das Mitteilungsblatt der Gesellschaft für Völkerkunde: „Daß Filme […] höchstwertige Dokumente über […] Kulturleben sein können […] dürfte wohl kaum noch bestritten werden.“15 Gleichzeitig berichtet das Blatt darüber, dass auf der 1. Tagung des Kongresses für anthropologische und ethnologische Wissenschaften in London 1934 ein „Ständiger Ausschuß für die Frage der ethnologischen und völkerkundlichen Filme“ eingesetzt worden sei. Dessen Hauptziele seien die „Einrichtung eines Hauptbüros für die Bearbeitung aller Angelegenheiten, die im Zusammenhang mit anthropologischen Filmen stehen, […] zusammen mit der Einrichtung eines Dienstes für den Verleih und die Verteilung solcher Filme an Museen, wissenschaftliche Gesellschaften, Universitäten der ganzen Welt.“16 Die UFA präsentierte Otto Schulz-Kampfhenkels Film Rätsel der Urwaldhölle als wissenschaftliches Dokument, dessen Charakter sich freilich schon im Vorspann als parteilich entlarvt. Darin heißt es: „Die Expedition wurde unter Förderung durch die Reichsregierung, die Auslandsorganisation der NSDAP […] durchgeführt“ und gleich darauf hört man unter den Zeilen „Klangfilm-Gerät /Afifa Tonkopie“ als musikalische Untermalung ein Tonzitat aus dem Horst-Wessel-Lied, jenem gedichteten Postulat der NSDAP. „Zum letzten Mal wird Sturmappell geblasen […] schon flattern Hitlerfahnen über allen Straßen“, heißt es in zwei Versen des zitierten Liedes. Das Tonzitat verrät bereits am Beginn des Films, dass Schulz-Kampfhenkel im Zuge seiner Expedition die indigene Kultur nicht erforschen, sondern vereinnahmen wird. Zu den zentralen Forderungen der Visuellen Anthropologie gehört spätestens seit den 1970er Jahren die Offenlegung der Produktionsstrukturen eines Films: Wer ist der Filmautor? Welchen Hintergrund hat er? Unter welchen Produktionsbedingun-
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gen ist ein Film entstanden? Interessanterweise erfüllt Rätsel der Urwaldhölle diese Forderung, nicht nur in der Erwähnung der fördernden politischen Organisation. Schon zu Beginn des Films stellt Schulz-Kampfhenkel ausführlich das Filmteam und deren Motivation vor (I/21 ff.). Nach wenigen einleitenden Bildern taucht buchstäblich hinter dem Rauch seiner Pfeife der Wissenschaftler auf: Otto Schulz-Kampfhenkel. Die Pfeife steht für die Zivilisation, für den nachdenkenden Menschen, den bedächtigen und mit Forscherwillen ausgestatteten Wissenschaftler. Hier findet sich auch die einzige synchronisierte Sequenz des Films, wenn Otto Schulz-Kampfhenkel sich, seine Kameraden und seine Expedition vorstellt. Die Synchronität von Bild und Ton zeigt: dies ist die Realität, unsere Realität, keine filmisch kolportierte Information. Die Herren tragen Anzüge und Krawatten und weisen sich so als zivilisierte Gruppe aus, mit der sich die Filmzuschauer identifizieren konnten. Gleichzeitig umgab die drei Akteure die Aura des Heroischen, da sie bereit waren, in die „Urwaldhölle“ einzutauchen. Abb. 3 Fünf Männer haben eine Karte Brasiliens unter sich. Die Pfeife, mit der sie ihre Reise skizzieren, wird in ihrer Ikonografie zum Ausdrucksmittel von Zivilisation.
Immer wieder dokumentiert Schulz-Kampfhenkel die äußeren Produktionsbedingungen, unter denen seine Arbeit entstanden ist. In Zwischentiteln gibt er exakte Kalenderdaten von Tagen an, an denen sich entscheidende Expeditionserfolge eingestellt haben. In der Visuellen Anthropologie dient die Offenlegung des Produktionsprozesses der Einordnung einer Aussage in einen – wissenschaftlichen – Kontext. Eine Kontextualisierung findet auch bei Schulz-Kampfhenkel statt, wenngleich eher entlarvend als objektivierend. Schon die Grafik der scheinbar objektiven Datumsanzeigen belegt das. Sie sind nicht in neutralen Lettern gesetzt, sondern nach Art zeitgenössischer Kriminalfilme reißerisch über das Bild geworfen. Sie sind keine wis-
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senschaftlichen Daten, sondern Spannungsträger, die zuweilen von Trommelwirbeln begleitet werden. Ähnlich wirkt auch ein anderes Bildmotiv, das regelmäßig auftaucht und an der Oberfläche Daten liefert, unterschwellig jedoch tendenziös arbeitet: Die geographischen Karten, auf denen der Fortgang der Expedition erklärt wird. Das manifestiert sich schon in den ersten Sequenzen des Films. Zu Beginn wird – nach einigen einführenden Bildern und der Vorstellung des Expeditionsteams – anhand einer animierten Karte die Forschungsgeschichte des Jari-Gebiets referiert. In großen Lettern erscheint das Wort „unerforscht“ auf der Karte. Dann heißt es: „Und um dies geheimnisvolle Wort ‚unerforscht‘ von den Ufern des Wildwasserstromes auszulöschen, gingen wir mit Wasserflugzeug, Einbäumen, Plankenbooten, mit Büchse, Tagebuch und Filmkamera für siebzehn Urwaldmonate in diesen weißen Fleck am Rio Jary hinein“ (I/23–30). Im Anschluss sehen wir eine Karte, anhand derer nun das eigentliche Expeditionsgebiet erläutert wird (I/30). Wir wechseln aus der Vergangenheit in die Gegenwart der Expedition. Bezeichnenderweise sehen wir nun keine animierte Karte mehr, sondern im Bild erscheint über einer Karte des Jari eine Hand in einem Sakkoärmel und zeigt uns jene Regionen, die das Filmteam bereisen wird. Abb. 4 Mit strengen, kraftvollen und eurozentrischen Gesten nähert sich der Filmemacher dem unerforschten Land.
Tatsächlich lag in der vorherigen Szene, als Schulz-Kampfhenkel sein Team vorgestellt hatte, auf dem Tisch eine Karte des Jari-Gebiets. Es ist also der authentische Schulz-Kampfhenkel, der uns seine Expedition erklärt. Zur Authentifizierung des Films wird im Folgenden immer wieder in diese Szene zurückgeblendet, wenn Schulz-Kampfhenkel den Verlauf der Expedition im Überblick darstellt. Man hätte diese Überblickskarten wie die erste Kartendarstellung als Animation gestalten können. Aber die Dramaturgie folgt einem unterschwelligen Zweck: die Hand wird
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zum Mittel einer expressiven Körpersprache. Ihre Gesten sind aufschlussreich. Mal spreizt sie sich über das Jari-Gebiet, als wolle sie es mit Macht ergreifen, mal ballt sie kämpferisch die Faust, mal ist sie sehnig gespannt, Zeige- und Mittelfinger kraftvoll ausgestreckt und auf das Gebiet der kommenden Taten weisend. Es sind Gesten der Machtübernahme, so wie im oben genannten Zitat das Gewehr noch vor den Instrumenten des Wissenschaftlers, nämlich dem Tagebuch und der Filmkamera angeführt wird (I/23–30). Diese selbstreferenzielle Bildsprache findet sich immer wieder. An anderer Stelle sehen wir, wie Schulz-Kampfhenkels Hand mit der Pfeife als Zeige instrument über die Karte gleitet, um den Weg durch den Urwald nachzuzeichnen. Die Pfeife ist wie schon in der Vorstellung der Helden das Zeichen der Zivilisation, des klugen, nachdenklichen Menschen. Es ist bezeichnend, wenn Schulz-Kampfhenkel wenig später zu entsprechenden Bildern anekdotisch berichtet: „Ein Jüngling versucht meine Pfeife zu rauchen, aber die Sache mißlingt“ (VI/111). Hustend stolpert der indigene Jüngling in einer Rauchwolke davon. Die Pfeife ist ein zivilisatorisches Instrument, das dem Wilden nicht gebührt. Quod licet Jovi non licet bovi. An anderer Stelle wird die Karte schließlich zum Ausweis der Wissenschaftlichkeit, wenn SchulzKampfhenkel mit weißem Stift seinen Expeditionsweg direkt in die Karte hinein zeichnet – hier präsentiert er sich als das, was er sein will: als Wissenschaftler und Kartograph (VI/65). Immer wieder offenbart sich diese tendenziöse Egomanie des Filmemachers. Die Offenlegung der Produktionsverhältnisse dient nicht dazu, wissenschaftliche Ansätze überprüfbar zu machen, sondern die heldenhafte Bewältigung der Expedition in den Vordergrund zu stellen. Der Forschungsreisende wird das Bildzitat, nicht seine wissenschaftlichen Erkenntnisse. Wie der Titel es vorgibt: Wohl sind es „Rätsel“, die
Abb. 5 Der weiße Forscher gibt nichts, er greift nach dem indigenen Kind und zieht es zu der Schale, die er in seiner rechten Hand hält.
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Schulz-Kampfhenkel zu lösen auszieht, und vielleicht benutzt er dazu die Wissenschaft, aber der Held muss dafür durch die „Hölle“ gehen. Und das scheint für ihn weitaus spannender zu sein, als die wissenschaftliche Lösung seiner selbst gestellten Aufgabe, jener „ernsten wissenschaftlichen Expedition“, die er im Feuilletonheft der UFA postuliert. Die Dokumentation wird überdeckt von einer reißerischen Filmsprache, wenn etwa ein Zwischentitel festhält: „8. Januar 1937 /Stromschnelle der Verzweiflung!“ und die untermalende Musik sich von einem Trommelwirbel in dramatisch dissonante Orchestermusik entwickelt, die im Standardrepertoire der zeitgenössischen Filmmusik nur auf eines verweist: Action! Der gesamte Film ist mit einer durchkomponierten, bildgenau eingesetzten Orchestermusik unterlegt, die die Perspektive der Filmerzählung unterstreicht. Der Film zeigt eine Reise in ein unbekanntes Land, deren Ausgangspunkt Deutschland ist und deren Ende wieder die deutsche Heimat sein wird. In dieser geographischen Klammer gründet das schon erwähnte Horst-WesselLied, das über dem Vorspann liegt und dort in die brasilianische Nationalhymne übergeht – der Weg geht von Deutschland nach Brasilien. Dann bewegt man sich durch die Großstadt Rio de Janeiro und die Küstenstadt Para in unwegsames Urwaldgebiet. Die Musik folgt dieser Bewegung. Hektische südamerikanische Rhythmen unterlegen Bilder der modernen Großstadt Rio de Janeiro, die Stadt Para ist dagegen mit einer neutraleren, schnellen, modernen Musik gekennzeichnet, die stärker mit zivilisatorischen Realklängen durchsetzt ist: Man hört Autohupen und die Glocke der Straßenbahn, die durch das Bild fährt (nach I/30). Der Tenor der Musik ist ein von Beckenschlägen unterstützter jazziger Sound, der von schnell wechselnden Portraits dunkelhäutiger Menschen begleitet wird. Dazwischen geschnitten sind Kneipenszenen, ein Billardtisch, in einer primitiven Palmblatthütte eine Nähmaschine. „Hier stoßen im brausenden Hafengetriebe der Urwaldstadt die beiden Welten Brasiliens zusammen“ (I/31), informiert der Kommentar und meint damit den Urwald und die Zivilisation. Sie gibt Stimmungen wieder, in diesem Fall das Zivilisatorische der Hafenstadt. Im Urwald, während der Expedition, wird sie schließlich zu einem emotionalen Stimmungsbild der Forscher, sie unterstreicht das langsame Dahingleiten im Boot oder das aufregende Abenteuer, wenn mit einem Trommelwirbel ein neuer Tag beginnt, an dem man die gefährlichen Stromschwellen überwinden wird. Nur einmal gibt der Soundtrack die Musik der Menschen wieder, deren Kultur die Expedition gilt. Als Schulz-Kampfhenkel einen Tanz der Aparaí filmt, wird die Originalmusik der indigenen Musiker eingespielt. Der Film endet in dem musikalischen Rahmenmotiv. Nach der Feststellung: „und hinter uns schließt sich von neuem die Pforte zu einer der letzten von Menschenhand ungebändigten Naturlandschaften unseres Erdballs“ (VI/129 f.), hört man das Deutschlandlied und wieder die brasilianische
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Hymne – man ist im Basislager, der Schnittstelle zwischen dem erforschten Staat und der Heimat angelangt. In der Visuellen Anthropologie gibt es eine zentrale Forderung an das Medium Film, nämlich der indigenen Bevölkerung nicht nur ein Gesicht, sondern auch eine Stimme zu verleihen. Wo ein schriftlicher Text nur referieren kann, kann der Film die Person selbst sprechen lassen. Spätestens seit den 1970er Jahren ist dieses Potential auch von Indigenen erkannt und aufgegriffen worden, um mit dem Instrument Film eine Eigendarstellung von Kultur zu entwickeln, die den Ansprüchen dieser Personen selbst gerecht wird und nicht von der Interpretation des Forschenden abhängt. Und so wie das Medium Film nach seiner Erfindung sofort für die Ethnologie genutzt wurde, so ist auch die Möglichkeit, dem Film Ton beizufügen, sofort von Ethnologen eingesetzt worden. Rudolf Pöchs Ein Buschmann spricht in einen Phonographen (Österreich 1908) ist ein frühes Zeugnis dieser Tatsache. Auch Schulz-Kampfenkel vergisst nicht zu betonen, dass man auf seiner Expedition ein Tonaufnahmegerät mitgeführt habe. Auf allen Werbematerialien wird diese Tatsache mit dem Satz „Originaltonaufnahmen von Indianersprache und -gesang“ besonders hervorgehoben und der Expeditionsingenieur Krause mit seinem Aufnahmegerät im Bild gezeigt. Abb. 6 Das riesige, kompliziert aufzustellende Tonaufnahmegerät entlarvt den Filmemacher, wenn er behauptet, spontan Tondokumente auf seiner Expedition aufgezeichnet zu haben.
Das Gerät ist ein unhandliches Plattenaufnahmegerät, dessen komplexe Bedienung zeitaufwendiger Vorbereitungen bedarf. Die Vorbereitungen werden anlässlich eines Tanzfestes erläutert: „Wir bereiten uns auf das Tanzfest vor, wir laden mit dem Außenbordmotor unsere Akkumulatoren auf für das elektrische Tonaufnahmegerät. Am Morgen des großen Tages werden die Koffer mit den Tonapparaturen herbei getragen“ (V/33–34). Die Beschreibung des mühsamen Arbeitens mit Ton entlarvt die
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scheinbare Authentizität einer anderen Szene, nämlich als die Expedition zum ersten Mal auf einen indigenen Indianer trifft. „[D]a kommt aus der stillen Bucht tatsächlich ein Indianer-Einbaum angerudert. Ich habe sofort die Kamera heraus“ (II/23), beschreibt Schulz-Kampfhenkel die Situation. „Einer der Mischlinge [die die Expedition begleiten – W. D.] versucht zu dolmetschen. Er kann einige Indianerworte.“ (II/25) Im Film sieht man, wie sich ein Kanu dem Ufer nähert und gleich darauf zwei Männer sich unterhalten. Das Gespräch ist vermeintlich mit synchronem Ton unterlegt. Die Kenntnis der schweren Aufnahmeapparatur aber macht deutlich, dass in dieser spontanen Situation des Erstkontaktes der Toningenieur mit Sicherheit keine Aufnahmen machen konnte. Genau besehen handelt es sich nicht einmal um originale Bilddokumente: Die Ankunft des Indianers besteht aus zwei Einstellungen, die nicht gleichzeitig gedreht worden sein können. In der ersten Einstellung sitzt der Indianer hinten im Boot, in der zweiten, direkt anschließenden Einstellung sieht man
Abb. 7 und 8 Schulz-Kampfhenkel filmt den Erstkontakt mit einem Indigenen. Obwohl die beiden Einstellungen angeblich dieses eine erste Anlegemanöver dokumentieren, sitzt der Bootsfahrer erst hinten und dann plötzlich vorne im Boot. Nicht immer lässt sich manipulativer Filmschnitt so leicht nachweisen.
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ihn plötzlich vorn im Boot sitzen. Der Film entlarvt sich auf beiden Ebenen – Bild und Ton – als gestellt. Er ist kein „bis ins letzte wahres und ehrliches Filmdokument“, wie es das Feuilleton-Heft zum Film behauptet. Nur folgerichtig unterlässt es SchulzKampfhenkel an dieser Stelle, den Inhalt des Gesprächs zu übersetzen. Auch in den Zulassungskarten, die per Gesetz jedes gesprochene Wort des Filmes dokumentieren müssen, heißt es lapidar: „(Der Indianer spricht)“ (II/24). Das ist durchaus signifikant, denn in anderem Kontext, wenn Portugiesisch gesprochen wird, ist der Filmautor durchaus bereit, zu übersetzen. „En vo por pegar ella, – ich werde sie fangen“ (V/17). Sprache ist Kommunikation und damit Ausdruck menschlicher Qualität. Jemandem die Sprache zu nehmen, bedeutet, ihn des Menschseins zu berauben. Ein weiteres Merkmal, das den Menschen als Individuum definiert, ist sein Personenname. Der Indianer, den die Expedition in der oben skizzierten Szene trifft, bleibt bei den Deutschen und wird Schulz-Kampfhenkel auf seiner weiteren Expedition begleiten. Obwohl er somit eine bedeutende Funktion hat, wird ihm sein eigener Name im gesamten Film versagt. Schulz-Kampfhenkel nennt ihn immer nur ironisch „Winnetou“: „Winnetou, – so haben wir unseren Waldmenschen wegen seines scharfzügigen Indianergesichts getauft“ (III/3).17 Zwei Elemente schwingen in dieser Aussage mit: Zum einen die neuerliche Vereinnahmung des Fremden, der durch diese ‚Taufe‘ in die deutsche Gemeinschaft gezwungen wird, und zum anderen die Feststellung, dass die Expedition ihre Bedeutung auf die Phantasie eines deutschen Schriftstellers reduziert. Schulz-Kampfhenkel macht das ganz deutlich, wenn er weiter ausführt: „ich fühle mich wie Old Shatterhand in vergangenen Zeiten, wie ich hier dem langmähnigen, nackten Indianer über die Felsblöcke seiner weltfernen Jagdgründe folge“ (III/4). Old Shatterhand ist der Ich-Erzähler, den Karl May als sein alter ego erfunden hat. Schulz-Kampfhenkel manifestiert seine Identität als Fabulierer, der die Realität nicht braucht, weil er sich die Realität – wie dereinst Karl May – als Fantasiegebilde selbst schafft. Das erklärt auch den Gebrauch der Begriffe „weltfern“ und „Hölle“, mit denen Schulz-Kampfhenkel das Amazonas-Gebiet beschreibt. Das Amazonas-Gebiet ist zwar ebenso Teil der realen Welt, wie die Heimat des Filmautoren. Für SchulzKampfhenkel aber hat das Jari-Gebiet eine eigene Realität. Diese Dichotomie der Realitäten erklärt darüber hinaus den Begriff „Hölle“ – Deutschland gegenüber dem Jari-Gebiet, Welt gegenüber Weltferne. Und Weltferne ist Nichtwelt, Jenseits, Hölle. Da ist es nur folgerichtig, dass Schulz-Kampfhenkel den Indigenen Winnetou „tauft“ und damit der Hölle entreißt. Auch der Winnetou in der gleichnamigen Karl-MayTrilogie wird kurz vor seinem Tod zum Christentum bekehrt und getauft. Kein Indianer erhält in dem Film Rätsel der Urwaldhölle einen Namen oder gar das Recht für sich zu sprechen. Auch Winnetou, mit dem der Filmautor über Monate
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zusammengelebt haben muss, wird auf belanglose Sätze reduziert wie „Essen, […] aki, bon, gut“ (III/53), „Da ist unser Dorf !“ (III/58) oder „Jetzt will ich singen“ (V/50). Die Absurdität dieser Vorgehensweise wird deutlich, als Schulz-Kampfhenkel eine Frau beim Töpfern beobachtet, bei einem Vorgang, den er als hochwichtig kennzeichnet, nämlich als den „Urbeginn menschlicher Gefäßformung“ (IV/17). Während er die arbeitende Frau zeigt, konstatiert er bedauernd: „Wir können mit den Indianerfrauen nicht selbst sprechen, da sie nicht, wie die Männer, portugiesische Worte von uns lernen“ (IV/17). Der deutsche Dokumentarist sieht keine Notwendigkeit – obschon 17 Monate in der Region lebend – die Sprache der indigenen Bevölkerung zu lernen, erwartet das aber wie selbstverständlich von seinem Gegenüber. Ohne diesen essentiellen Dialog mit den Menschen, deren Kultur er untersucht, wird sein Filmton zum Kommentar eines auktorialen Erzählers, dessen Positionierung weit über dem Erzählten angesiedelt ist, und der die Beobachteten von oben herab – herablassend – betrachtet. Aus diesen distanzierten, kommentierenden Beschreibungen entstehen Begriffe wie „diese weltfernen Jagdgründe“ (III/4). Und daraus folgt ebenso die herablassende, nachgerade herabwürdigende Form, in der er seine Ankunft bei den Aparaí-Indianern schildert: „Mann für Mann kommen aus den Hütten uns entgegen. Hallo, wie geht’s, horridoh, horridoh! Der Häuptling stellt seine Gattin vor, hier seine Tante. Hallo, morgen, morgen! Das ist Großmutter, verdolmetscht Winnetou. All das hier ringsum gehört mir, sagt der Häuptling“ (III/63–66). An anderer Stelle erklärt Schulz-Kampfhenkel, während er die Tänze der Aparaí zeigt: „Der Topf mit dem labenden Indianerbier steht in der Hausmitte. Schalen werden den Tänzern von den Frauen gereicht. […] Mit den Maßkrügen in der Hand, bis in den Abend hinein, tanzen die Waldmenschen“ (V/46–51). Die Vereinnahmung der Indigenen durch Schulz-Kampfhenkel ist so weitgehend, dass er über das Bild, das seiner Aussage direkt widerspricht, hinweggehen kann: Genau unter diesem letzten Satz von SchulzKampfhenkel sieht man im Film selbstverständlich keine bayerischen Maßkrüge, sondern die Trinkschalen der Aparaí. Schulz-Kampfhenkel verweigert den Indigenen den Dialog und ihm entgeht dadurch – wie er selbst bekennt – das Wissen um deren Kultur. Man ist versucht, diesen auktorialen Erzähler nicht als allwissend, sondern als unwissend zu definieren. Der Film Rätsel der Urwaldhölle von Otto Schulz-Kampfhenkel enthält so auch nur wenige Sequenzen, die Informationen über die indigene Kultur geben könnten. Bei einer Filmlänge von einhundert Minuten zeigt Schulz-Kampfhenkel erst nach ganzen vierzig Minuten derartige Informationen: eine Töpferszene (IV/17 ff.), die erwähnten Tanzszenen (V/33 ff.), die Verarbeitung von Maniok-Wurzeln (VI/98 ff.). Aus den analysierten Eigenschaften des Films scheint es an dieser Stelle auch nicht wirklich sinnvoll, diese Sequenzen im Sinne eines Filmdokuments zu bearbeiten. Inter-
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Wolfgang Davis Abb. 9 Stromschnelle der Verzweiflung. Wenngleich der Filmautor später schreibt, dass er sich der Wissenschaft verpflichtet gefühlt habe, so zeugen doch die Zwischentitel seines Films davon, dass er oftmals eher kolportagehafte Actionfilme zitiert hat.
essanter erscheint vor diesem Hintergrund die Wirkungsgeschichte des Films. 1951 treffen sich im Bezirksamt Tiergarten in Berlin Vertreter der Arbeitsgemeinschaft Film, der Landesbildstelle, der Bezirksbildstellen und der Jugendämter und sichten den Film Rätsel der Urwaldhölle. „Es wird einstimmig festgestellt, dass es sich hier um einen ausgesprochen wertvollen Kulturfilm handelt. […]. Bedauert wird dagegen sehr die Unschärfe der einzelnen Bilder und der teilweise schlechte Schnitt […] Der Kommentar mit seinen teilweise lustigen Bemerkungen [wird] als sehr geschickt empfunden. […] Trotz der vorhandenen Mängel wird der Film als sehr aufschlußreich, der Inhalt als außerordentlich interessant […] empfunden. […] Mit Rücksicht auf die vorhandenen Mängel wird vorgeschlagen, vor der Vorführung auf die Schwierigkeiten bei der Herstellung hinzuweisen. Ein Teil der Anwesenden bezweifelt, daß dies notwendig sei, da […] Kinder viel weniger kritisch sind“.18 Der Film wird 1951 wieder für Jugendliche ab elf Jahren freigegeben. Rätsel der Urwaldhölle ist ein Film, der aus seiner Entstehungszeit heraus verstanden werden muss. Die Welt, in die der Filmemacher eintaucht, ist für ihn feindliche Realität, die er nur als Held überwältigen zu können meint. Den Menschen, die diese Welt bewohnen, steht man herablassend gegenüber, aber man ist fasziniert von der Möglichkeit, sich des Ursprungs der Menschheit erinnern zu können. Diese Positionierung ist für den Filmemacher eine Selbstverständlichkeit, die er nie leugnet, und sie ist das Selbstverständnis der Zeit. Ein Jahr später wird das nationalsozialistische Deutschland den Versuch machen, sich die ganze Welt Untertan zu machen, so wie es das Horst Wessel-Lied schon in den ersten Minuten des Films andeutet. Vor diesem Hintergrund ist die Logik des Films brutal aber schlüssig. Erschreckend ist hingegen die Rezeption von Rätsel der Urwaldhölle in der Nachkriegspädagogik und deren arglose und übergangslose Akzeptanz der Überheblichkeit einer Filmsprache, die tat-
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sächlich nicht humorig ist, sondern ausschließlich herabwürdigend gegenüber dem Fremden, der doch seinerseits den Europäer immer nur mit größter Selbstverständlichkeit und Gastfreundschaft aufgenommen hat.
Anmerkungen 1
Zulassungskarte der Film-Prüfstelle Berlin, Prüf-Nr. 47.818, 10.3.1938, Bundesarchiv/ Filmarchiv (BArch/F) Berlin, Zulassungskarten deutscher Filmprüfstellen 1908–1945, Nr. 47.818. 2 Neben den umfassenden theoretischen Schriften von Vertov und Eisenstein liefert Noel Carroll: Theorizing the Moving Image, Cambridge 1996, S. 172 ff., 411 ff., eine Einordnung der beiden Filmemacher und ihrer Überlegungen in die Entwicklung des frühen Films. 3 Antonin Artaud: Die vorzeitige Vergreisung des Kinos, in: Les Cahiers Jaunes 4 (1933), o.S. 4 Hans Richter: Der Kampf um den Film, Frankfurt am Main 1979, S. 37. 5 Ebd., S. 32. 6 Im gleichen Jahr erscheint im Deutschen Verlag der Expeditionsbericht als Buch: [Otto] Schulz-Kampfhenkel: Rätsel der Urwaldhölle. Vorstoß in unerforschte Urwälder des Amazonas-Stromes. Mit Tagebuchberichten seines Jagd- und Fliegerkameraden Gerd Kahle, Berlin 1938. 7 Einführung zum Lichtspielgesetz vom 16.2.1934, Reichsgesetzblatt, I, S. 95, http://www.kinematographie.de/LSG1934.HTM#NAME30, 20.5.2010. 8 Zulassungskarte der Film-Prüfstelle Berlin, Prüf-Nr. 47.818, 10.3.1938, BArch/F Berlin, Zulassungskarten deutscher Filmprüfstellen 1908–1945, Nr. 47.818; Zulassungskarte der FilmPrüfstelle Berlin, Prüf-Nr. 56.287, 29.12.1941, BArch/F Berlin 56.287. 9 Richter: Der Kampf um den Film, S. 28. 10 Da es zahlreiche unterschiedliche Filmkopien des Films gibt, folgen die Belegstellen den Zulassungskarten, die eine definitive Zuordnung ermöglichen. Dabei ist römisch die Aktzahl und arabisch die take-Nummer angeführt. 11 Vgl. Hans-Hass-Institut: Dorothea („Thea“) Schneider-Lindemann, 2008, http://www.histnet.de/Vortrag/Dorothea%20Schneider-Lindemann.pdf, 20.5.2010. 12 Feuilletonheft der UFA „Rätsel der Urwaldhölle“, Deutsche Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen, Schriftgutarchiv, 42.278. 13 Ebd. 14 Ebd. 15 Archive für Völkerkundliche Wissenschaftliche Filme, Mitteilungsblatt der Gesellschaft für Völkerkunde, Nr. 6, Dezember 1935, S. 1. 16 Ebd., S. 2. 17 Schulz-Kampfhenkel war der Name des Indianers durchaus bekannt: Pitoma. Vgl SchulzKampfhenkel: Rätsel der Urwaldhölle, S. 75. Umso signifikanter ist es, den Namen im Film zu übergehen. 18 Protokoll Arbeitsgemeinschaft Film, 4.6.1951, Deutsche Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen, Berlin, Schriftgutarchiv, 42.278.
„Die geladene Maschinenpistole in der Rechten, in der linken den Filmapparat“ Schulz-Kampfhenkel im „Sonderkommando Dora“ – Erkundungen in der Wüste Libyens vom Mai 1942 bis Januar 1943 Michael Rolke unter Mitarbeit von Sören Flachowsky
1. Die Bildung des „Sonderkommandos Dora“ Der deutsche Feldzug in Afrika begann im Februar 1941. Bis dahin hatten die Briten die italienische Offensive in Nordafrika gestoppt, die Cyrenaika erobert und weite Teile Ägyptens besetzt. Lediglich Tripolitanien konnte von den Italienern noch gehalten werden. Der in den 1930er Jahren gleichermaßen erfolgreiche wie für seine Grausamkeit berüchtigte Marschall Rodolfo Graziani konnte seine Erfolge nun nicht mehr fortsetzen. Die Italiener wurden stark bedrängt: Britische Luftangriffe auf Tripolis nahmen zu, und die Überfälle britischer und freifranzösischer Kräfte auf italienische Posten im Fezzan bedrohten den libyschen Süden.1 Zur Unterstützung des Achsenpartners landete das Deutsche Afrika-Korps unter Generalleutnant Erwin Rommel am 12. Februar 1941 in Tripolis und sorgte bereits im April 1941 für eine zwischenzeitliche Wende im Kriegsgeschehen.2 Lediglich Tobruk im Osten der Cyrenaika blieb noch in der Hand der Briten und wurde hart umkämpft. Im Verlauf dieses Feldzuges sollte es mehrfach die Besatzer wechseln. In der ersten Hälfte des Jahres 1942 gelang es den deutschen Truppen unter Rommel, bis nach Ägypten vorzurücken; dort wurden sie am 3. November des gleichen Jahres bei El Alamein jedoch geschlagen und mussten den Rückzug antreten. Im Januar 1943 eroberten die Alliierten Tripolis und drängten die deutschen und italienischen Truppen bis nach Tunesien zurück, wo sie am 13. Mai 1943 auf dem Cap Bon bei Tunis kapitulierten.3 Im Zuge des deutsch-italienischen Vormarsches in Nordafrika wurde im Frühjahr 1942 ein „Sonderkommando Dora“ gebildet, das die Aufgabe hatte, den Süden Libyens bis zum Tibestigebirge nach strategischen und taktischen Gesichtspunkten zu erkunden und zu kartographieren. Der Führungsstab des Deutschen Afrika-Korps war durch die Störaktionen der britischen Long Range Desert Group, die von Kufra im
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Südosten Libyens aus operierte, sowie der freifranzösischen Truppen („Gaullisten“) aus Französisch-Äquatorialafrika beunruhigt.4 Das neue Kommando sollte erkunden, wie es den alliierten Spezialkommandos gelang, durch den Sperrriegel der Sahara vorzustoßen. Man ging bis dahin davon aus, dass die Sahara als natürliche Barriere unbefahrbar und daher der Süden Libyens für militärische Operationen zu vernachlässigen sei.5 So sollte erkundet werden, ob es größeren gegnerischen Verbänden möglich war, die Südflanke der deutsch-italienischen Truppen zu bedrohen bzw. anzugreifen. Im Rahmen des „Sonderkommandos Dora“ spielte die „Forschungsgruppe SchulzKampfhenkel e. V.“ eine zentrale Rolle. Sie war von Otto Schulz-Kampfhenkel 1940 gegründet worden, um die, wie es im Arbeitsprogramm dieser Forschungsgruppe hieß, „letzten weißen Flecken der Erde“ zu erforschen.6 Im Rahmen von „Großexpeditionen“ sollte sie dafür sorgen, „dass mit Eintritt der von der deutschen Kulturnation geführten germanisch-europäischen Großmacht in die Geschichte das letzte noch ausstehende große Kapitel der Erforschungsgeschichte unseres Erdballs von deutscher Hand geschrieben“ werde.7 „Großdeutschland“, so Schulz-Kampfhenkel, habe als Weltmacht und „Führernation Europas“ eine doppelte forschungspolitische Aufgabe: Zum einen ginge es darum, „aus den Möglichkeiten politischer Macht jetzt die geistige Vorrangstellung der deutschen Kulturnation auf allen Feldern des Wissens“ sicherzustellen. Zum anderen, „die geistige Führerstellung der weißen Rasse Europas durch große Kulturtaten in der Welt vor den Völkern der Erde zu repräsentieren“.8 Als Ziele dieses diffusen „Forschungsprogramms“ benannte Schulz-Kampfhenkel Regionen auf fast allen Kontinenten, wobei die „riesigen Wüstenflächen und Hochgebirge der Sahara“ an erster Stelle standen.9 Konkrete Formen nahmen diese Überlegungen bereits Ende 1940 an, als Schulz-Kampfhenkel der Reichskanzlei ein afrikanisches Expeditionsprojekt offerierte, das von „theoretisch-wissenschaftlichen, kolonialwirtschaftlichen und strategischen Gesichtspunkten“ bestimmt war. Es war typisch für Schulz-Kampfhenkel, dass sein Plan bewusst breit angelegt war, um neben möglichen wissenschaftlichen und wirtschaftlichen auch militärische Interessenten anzusprechen.10 Mit Unterstützung des Chefs der Reichskanzlei, Hans Heinrich Lammers, gelang es Schulz-Kampfhenkel in den folgenden Wochen, sich die für sein Vorhaben notwendige finanzielle und politische Unterstützung wichtiger staatlicher Stellen zu sichern. So zeigte neben dem Reichsamt für Wirtschaftsausbau, dem Reichswirtschaftsministerium, dem Propagandaministerium und dem Reichsforschungsrat auch das Oberkommando der Wehrmacht (OKW) „starkes Interesse“ an der geplanten Afrika-Expedition Schulz-Kampfhenkels. Ausschlaggebend dafür war möglicherweise der von letzterem vollmundig „geplante neuartige Einsatz des Segelflugzeuges“, das man neben wissenschaftlichen Forschungszwecken auch als „Personen- und LastenTransporter für Luftlandungen in unzugänglichem Gelände“ verwenden könne.11
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Michael Rolke unter Mitarbeit von Sören Flachowsky Abb. 1 Das Standlager des „Sonderkommandos Dora“ in Hon (Libyen) (Quelle: Album
Haeckel, Archiv Rolke).
Darüber hinaus konnte der gerade promovierte Schulz-Kampfhenkel darauf verweisen, dass er sich bereits im Rahmen seiner Amazonas-Jari-Expedition auf die Methode der Luftkartierung gestützt hatte, was ihn in den Augen der Verantwortlichen im OKW als „Fachmann“ für Auslandsforschungen auswies. Interessant erscheint in diesem Zusammenhang jedenfalls ein Schreiben des Amtschefs Ausland/Abwehr des OKW, Wilhelm Canaris, der Anfang Juli 1941 gegenüber Lammers auf die militärische Bedeutung des von Schulz-Kamphenkel geplanten Afrika-Unternehmens verwies.12 Bereits zwei Monate zuvor hatte das OKW Schulz-Kampfhenkel nicht nur die Bedeutung seiner Expedition bestätigt, sondern alle interessierten zivilen und militärischen Stellen gebeten, die Vorbereitungen dieser Unternehmung in jeder Hinsicht zu fördern.13 Die Pläne Schulz-Kampfhenkels hatten demnach auch dem OKW vorgelegen und waren dort vor dem Hintergrund der Entwicklung auf dem afrikanischen Kriegsschauplatz auf reges Interesse gestoßen. Der Hintergrund war denkbar einfach: das Programm Schulz-Kampfhenkels, das die Erschließung weiter Räume mit Hilfe von Flugzeugen und Bodenteams anvisierte, passte in ein militärisches Vorhaben, das vom Amt Ausland/Abwehr des OKW seit Ende März konsequent verfolgt wurde und das eng mit den Planungen zur Landung der deutschen Truppen in Nordafrika zusammenhing.14 Dass Schulz-Kampfhenkel bereits im Juni 1941 in diese geheimen Überlegungen eingeweiht war, verdeutlicht sein Schreiben an seinen langjährigen Förderer, den persönlichen Referenten des Chefs der Reichskanzlei, Hermann von Stutterheim: „Ich bitte Sie, hochverehrter Herr Reichskabinettsrat, es mir nicht verübeln zu wollen, wenn ich Ihnen von der mir vom Oberkommando der Wehrmacht nachdrücklich auferlegten Verpflichtung Mitteilung mache, dass die Verbindung des Oberkommandos der Wehrmacht mit dem Forschungsunternehmen nur den führenden Persönlichkeiten der Zivilverwaltung sowie des Oberkommandos der Wehr-
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macht selbst bekannt gegeben werden darf, die unbedingt hiervon Kenntnis haben müssen.“15 Worum ging es bei diesem geheimen Unternehmen? Nachdem Hitler am 3. Februar 1941 die Entscheidung für eine Entsendung deutscher Truppen nach Nordafrika gefällt hatte, begannen die Vorbereitungen dafür auf verschiedenen Ebenen.16 So erhielt die für den Raum Afrika zuständige Abteilung der Heeresplankammer kurze Zeit später mehrere eilige Aufträge, die auf die Anfertigung aktueller Übersichts- und Spezialkarten für Libyen und Ägypten hinausliefen.17 Etwa zur selben Zeit lief ein geheimes Unternehmen unter dem Decknamen „Theodora“ (abgeleitet von „Theodolit“, dem zentralen Arbeitsgerät des Topographen) an.18 Im März trafen sich namhafte Geographie-Ordinarien und ein Vertreter des Amtes Ausland/Abwehr des OKW zu einer Besprechung in Leipzig. Darin kam man überein, die verfügbaren Karten von Nordafrika und der Sahara für militärische Zwecke zu ergänzen und unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten zu überarbeiten.19 Im Mittelpunkt stand dabei das sich über mehrere Tausend Quadratmeter erstreckende Gebiet südlich der für den Verkehr und für militärische Operationen vorgesehenen Küstenstrecke zwischen Tripolis und dem Nildelta. Es galt zu klären, ob den deutsch-italienischen Verbänden „von Süden her aus dem dichter besiedelten und erschlossenen Afrika“ Gefahren drohten. War es möglich, militärische Kampfhandlungen in diese weithin unbekannten Gebiete auszudehnen oder dort sogar größere Truppenkontingente aufzustellen?20 Da der deutsche Generalstab nicht auf die von ihm als „unzuverlässig“ eingestuften italienischen und französischen Karten vertraute, erteilte das der Leitung von Canaris unterstehende Amt Ausland/Abwehr des OKW der Abwehrstelle VI Münster in Westfalen (Ast VI Münster) den Auftrag, das landeskundliche und kartographische Material „südwärts von Libyen“ zu sammeln und in militärstrategischer Hinsicht zu bearbeiten.21 Zu diesem Zweck wurde Mitte Mai 1941 unter dem bereits erwähnten Decknamen „Theodora“ in Münster eine eigene Dienstelle errichtet. Die militärische Leitung des Unternehmens unterstand Hauptmann F. Lumbeck, während für alle wissenschaftlichen Fragen der Kustos am Deutschen Institut für Landeskunde in Leipzig, Dr. Konrad Voppel, verantwortlich zeichnete. Zur Heranziehung geeigneter Fachwissenschaftler ließen sich Lumbeck und Voppel vom Inhaber der Lehrstuhls für Geographie an der Universität Münster, Prof. Dr. Hans Dörries, beraten. Da wiederholte Luftangriffe auf Münster die Arbeiten immer wieder beeinträchtigten, wurden der wissenschaftlichen Gruppe aus Geographen, Ethnologen und Geologen Anfang August 1941 Räume im Schloss Rheda im Münsterland zugewiesen, wo sie sich fortan mit der Auswertung von Beuteakten und wissenschaftlicher Literatur befassten.22 Eine weitere Grundlage bildeten Aussagen französischer Kolonialoffiziere, die vor
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dem Krieg am Institut Géographique Nationale in Paris gearbeitet hatten und nun in Gefangenschaft geraten waren. Auch sie zog man in Rheda zur Mitarbeit heran. Im Mittelpunkt der Arbeiten stand jedoch die Auswertung gänzlich neuer Materialien, die man im Ergebnis einer geplanten militärisch-wissenschaftlichen Expedition im Grenzgebiet zwischen Libyen und der nördlichen Tschadkolonie zu erhalten hoffte. In Anlehnung an den Decknahmen des Gesamtunternehmens wurde die für die theoretischen und logistischen Fragen zuständige Heimatdienststelle in Rheda fortan unter der Tarnbezeichnung „Theo“ geführt, während der für den Feldeinsatz in Afrika vorgesehene Expeditionsstab – in dessen Rahmen Schulz-Kampfhenkel die Leitung einer wissenschaftlichen Gruppe übernehmen sollte – die Bezeichnung „Dora“ erhielt.23 Die Dienststelle „Theo“ in Rheda umfasste etwa 30 Mitarbeiter (Wissenschaftler, Kartenzeichner, Übersetzer und Schreibkräfte), deren Hauptaufgaben zunächst in der Erstellung militärstrategischer und geheimdienstlicher Unterlagen über Nord afrika bestanden.24 Neben der Zusammenstellung von Karten Südlibyens, der Sahara und des Sudan arbeitete die Dienststelle auch an der Herstellung eines arabischdeutsch-französischen Wörterbuchs für geographische Sonderbezeichnungen. Zunächst nur für Spezialaufgaben für den afrikanischen Kriegsschauplatz konzipiert, erwuchsen der Dienststelle in Rheda nach dem Rückzug Rommels aus Nordafrika neue Aufgaben. Diese erstreckten sich etwa auf „militär-geographische Gutachten für Kommando-Unternehmen“ und Fragen der Fernaufklärung. Ab 1943 übernahm man zudem Spezialaufträge für die Kriegsmarine. Im Ergebnis dessen wurde der Dienststelle „Theo“ eine 180 Mitarbeiter umfassende Außenstelle in Raumkoppel an der westlichen Ostseeküste (Timmendorfer Strand) angegliedert. Im Mai 1944 schließlich wurde ein großer Teil der Dienststelle Rheda von der Marine übernommen und der Leitung Voppels in Raumkoppel unterstellt.25 Das Kommando „Theo“ in Rheda wurde nun dem Weisungsrecht der „Forschungsstaffel z.b.V.“ Schulz-Kampfhenkels unterworfen, für die man bis zum Kriegsende verschiedene militärgeographische und kartographische Spezialaufgaben durchführte.26 Doch zurück zu den Planungen vom Sommer 1941. Im Juni 1941 brachte SchulzKampfhenkel in einem Schreiben an Reichsminister Lammers zum Ausdruck, er bereite im Einvernehmen mit dem OKW den „Kriegseinsatz eines wissenschaftlichen Forschungstrupps im afrikanischen Raum“ vor. Die Organisation des mit Kraftwagen, Motor- und Segelflugzeugen ausgerüsteten, streng geheimen Unternehmens liege in den Händen der Forschungsgruppe Schulz-Kampfhenkel und habe „die wissenschaftlich unterbaute militärische Erkundung geographisch noch ungenügend bekannter Gebiete Zentralafrikas und der südlichen Sahara“ zum Ziel.27 Die militärischen Vorbereitungen, also die Bereitstellung von Flug- und Fahrzeugen, wurden von
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der Wehrmacht übernommen, während die für die Durchführung der „Großexpedition“ veranschlagten 276.400 RM von verschiedenen zivilen Behörden (Reichsforschungsrat und Deutsche Forschungsgemeinschaft, Reichswirtschaftsministerium, Propagandaministerium und Reichskanzlei) und vom Bürgermeister der Stadt Frankfurt am Main aufgebracht wurden.28 Darüber hinaus stellte Reichswirtschaftsminister Walther Funk Schulz-Kampfhenkel „einen Kapitalbetrag“ von einer Million Reichsmark in Aussicht, „dessen Zinsertrag fortlaufend zu seiner Verfügung“ stehen sollte.29 Zudem wurde von der Industrie eine Vielzahl von Geräten und Materialien bereitgestellt.30 Am 26. Januar 1942 wurde die Aufstellung des „Sonderkommandos Dora“ (Skdo. Dora) offiziell verfügt. Es unterstand der Abteilung Ausland/Abwehr des OKW und war mit der „Durchführung von Sonderaufgaben im nord- und mittelafrikanischen Raum“ beauftragt. Das Oberkommando des Heeres (OKH) und der Oberbefehlshaber der Luftwaffe (Ob.d.L.) waren laut Weisung des Wehrmachtsführungsstabes für die Bereitstellung von Personal und Gerät verantwortlich.31 Eine streng geheime „Dienstanweisung“ des OKW legte die genauen Aufgaben des Kommandos fest. Demnach sollte es vor allem in Libyen operieren und folgende Spezialaufträge durchführen: – Militärischer Erkundungs- und Abwehrdienst gegen die von den deutsch-italienischen Truppen und italienischen Sicherheitsorganen nicht kontrollierten Gebiete Inner- und Süd-Libyens und das von den „Freien Franzosen“ beherrschte Äquatorial-Afrika (Auftraggeber: OKW Ausland/Abwehr); – Abwehrmäßige Aufklärung und Überwachung des feindlichen Nachrichtendienstes östlich und südlich des gegenwärtigen Kampf- und rückwärtigen Armeegebietes. Herstellung von Abwehr-Verbindungen nach dem von den „Feindmächten“ beherrschten Afrika (Auftraggeber: OKW Ausland/Abwehr); – Beschaffung von fehlenden Unterlagen für in einem langen Krieg mögliche expeditionsartige Operationen nach Zentral-Afrika und gegen den Sudan. Erkundung der Möglichkeiten für die Schaffung eines offensiv und defensiv wertvollen Stützpunktes in den südlichen Bergländern der Sahara (Auftraggeber: OKW Wehrmachtsführungsstab); – Schaffung fehlender militärgeographischer Unterlagen, wie Geländebefahrbarkeitskarten, Luftbildpläne, Routenkarten, taktischer Geländebeschreibungen aufgrund genauer photogrammetrischer und geodätischer Vermessungen (Auftraggeber: OKH); – Schaffung einer wehrgeologischen Wasserversorgungskarte der Mittelsahara (Auftraggeber: OKH);
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– Schaffung fehlender luftgeographischer, navigatorischer und meteorologischer Unterlagen für einen möglichen Einsatz der Luftwaffe in Innerafrika (Auftraggeber: Ob.d.L); – Schaffung tropenmedizinischer und truppenhygienischer Erfahrungen für etwaige künftige Operationen nach dem tropischen Afrika (Auftraggeber: OKH und Ob.d.L.).32 Als Auftraggeber konnten neben dem OKW, dem OKH und dem Ob.d.L. auch die „Panzerarmee Afrika“ und der „Oberbefehlshaber Süd“, Feldmarschall Albert Kesselring, in Erscheinung treten. Zur Auswertung und Bearbeitung der Feldeinsätze wurde eine dem „Sonderkommando Dora“ untergeordnete „Auswertestelle“ eingerichtet, die für die „schnellste Übermittlung der Erkundungsergebnisse“ an die militärischen Kommandostäbe Sorge tragen sollte.33 Diese „Heimatstab Dora“ genannte Auswertestelle in Berlin rekrutierte sich aus Mitgliedern der „Forschungsgruppe SchulzKampfhenkel“. Die geschäftsführende Leitung lag bei Günther Caulier-Eimbcke, der der Forschungsgruppe am 1. August 1941 beigetreten war.34 Dieser war für die Verbindung des Unternehmens zu den wissenschaftlichen Instituten, den Reichsbehörden und der Industrie zuständig. Darüber hinaus oblag dem Heimatstab der „wissenschaftliche Ausrüstungsnachschub“ für das Unternehmen „Dora“, die Auswertung der fotografischen und topografischen Aufnahmen aus dem Einsatzgebiet und die „wehrwissenschaftliche, wehrtechnische und kulturpolitische Auswertung der Ergebnisse“ des Gesamtunternehmens.35 Während ein Teil der „Forschungsgruppe Schulz-Kampfhenkel“ somit für die Verwaltung des Unternehmens „Dora“ zuständig war, wurde ein anderer Teil der Forschungsgruppe als so genannte „wissenschaftlich-technische Gruppe“ in das zunächst 60 Mann starke „Sonderkommando Dora“ eingebaut.36 Das Kommando setzte sich aus vier Gruppen zusammen: a b c d
Gruppe Militärischer Erkundungs- und Abwehrdienst Gruppe Lufterkundung und Luftbildmessung Gruppe Bodenerkundung und Kartierung (Panzerspähtruppe) Gruppe Forschung (wissenschaftlich-technische Gruppe).37
Die Gesamtleitung des Kommandos lag beim Leiter des OKW-Amtes Ausland/Abwehr, Fremde Heere West, Abteilung I (I H West), Oberst Carl Maurer und dessen Referenten für den Nahen und Mittleren Osten sowie Nordafrika, Major Franz Seubert (Deckname „Angelo“). Seubert war im Frühjahr 1942 auch mit dem „Unternehmen Salaam“ betraut gewesen, in dessen Verlauf der bekannte ungarische Wüstenrei-
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sende Graf Ladislaus Eduard Almásy zwei deutsche Spione von Djalo (Libyen) nach Assiut (Ägypten) gebracht hatte.38 Während Maurer und Seubert in Berlin blieben und das Kommando in Afrika lediglich inspizierten, fungierte Oberstleutnant Herbert Haeckel als militärischer Kommandeur vor Ort. Um die Verständigung mit den italienischen Truppen zu ermöglichen, wirkte u. a. der Südtiroler Rittmeister Karl Lang als Übersetzer und Sprachlehrer.39 Abb. 2 OffiziersGruppe bei einer Besprechung; dritter von links der Leiter der „Gruppe Forschung“ Otto Schulz-Kampfhenkel, ganz rechts der militärische Leiter des „Sonderkommandos Dora“ Oberstleutnant Herbert Haeckel (Quelle: Bild Haeckel/Archiv Rolke).
Die militärische Gruppe umfasste zunächst etwa 60 bis 70 Mann, die zum Teil über Auslandserfahrungen verfügten, die sie etwa bei der „Auslandsabwehr“ oder bei der Fremdenlegion gesammelt hatten. Hinzu kamen so genannte „Auslandsdeutsche“ aus den ehemaligen deutschen Kolonialgebieten, die meist fremde Sprachen beherrschten.40 Einige Bemerkungen in den Tagebüchern von Nikolaus B. Richter geben über die Fähigkeiten und Kenntnisse dieser Spezialisten Auskunft und hoben auch die Fahrkunst sowie das Improvisationstalent des militärischen Begleitpersonals hervor. Der Fahrer und Unteroffizier Friedrich Strohm beispielsweise war Geheimdienstmitglied und vor dem Krieg Transportfahrer in Algerien gewesen, was auf Erfahrung im Umgang mit Fahrzeugen im Wüstenraum und fundierte Kenntnisse über die Bevölkerung Nordafrikas schließen lässt.41 So hatten Leutnant Arndt Heinrich von Oertzen und sein sprachkundiger Fahrer Strohm beispielsweise die Aufgabe, im Rahmen der „Feinderkundung“ des „Sonderkommandos Dora“ Karawanenführer und Handelsreisende im Süden Libyens zu befragen. Von den nomadisierenden Bewohnern des libyschen Südens wusste man, dass sie sich um Grenzen und Fronten wenig kümmerten und diese ständig wechselten, ohne am Kampfgeschehen direkt beteiligt zu sein.
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Michael Rolke unter Mitarbeit von Sören Flachowsky Abb. 3 Oberst Haeckel verleiht dem Mitglied der „Gruppe Forschung“, Nikolaus B. Richter, das „Afrika-Band“ (Quelle: Bild Haeckel/Archiv Rolke).
Allerdings konnten die Bewohner der Sahara leicht in Spionagetätigkeiten eingebunden werden. Um sie für die deutsche Seite zu gewinnen, versuchten von Oertzen und Strohm die Nomaden zu bestechen. Die dafür verwendeten finanziellen Mittel entnahmen sie „Beutegeldern“, die die Wehrmacht im „Westfeldzug“ 1940 aus der Bank von Frankreich geraubt hatte.42 Die „Gruppe Forschung“, die für alle wissenschaftlich-technischen Fragen zuständig war, unterstand der Leitung Schulz-Kampfhenkels und umfasste nie mehr als 20 Personen. Die meisten Mitglieder entstammten seiner zivilen „Forschungsgruppe“.43 Bei ihnen handelte es sich meist um Wissenschaftler mit Wüsten- und Tropenerfahrung, die in ihren nach dem Zweiten Weltkrieg erschienenen „Erinnerungen“ die näheren Umstände der Bildung des „Sonderkommandos Dora“ meist verklärten und die militärischen Zielsetzungen des Unternehmens verschwiegen. So stellte etwa Nikolaus B. Richter, ehemals Mitglied der „Gruppe Forschung“ des „Sonderkommandos Dora“, das Unternehmen „Dora“ als Forschungsexpedition dar.44 Gleichzeitig verwiesen sie immer wieder auf die vermeintliche „Einfältigkeit“ der verantwortlichen Militärs, die das eigentliche „wissenschaftliche“ Streben Schulz-Kampfhenkels und „seiner“ Männer nicht erkannt hätten. Richter brachte 1957 zum Ausdruck: „Das Entstehen der Schulz-Kampfhenkel-Expedition habe ich von allem Anfang miterlebt. Das große Verdienst Kampfhenkels sehe ich darin, dass er die Wissenschaftlichkeit seiner Zielsetzungen letzten Endes immer durchzusetzen verstand, auch den Militärs gegenüber. Ja, man kann wohl sagen, dass er das Militär sozusagen übers Ohr gehauen hat, indem er damals seine Forschungsgruppe der Rommel-Armee versorgungstechnisch angliederte und sich der entsprechenden Vorteile bediente, in Wirklichkeit aber die wissenschaftliche Erforschung des Wüstenlandes nach eigenem Plan und dem seiner beratenden Wissenschaftler als Hauptziel im Auge behielt. Wobei er bewusst da,
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Abb. 4 Eine Kolonne des „Sonderkommandos Dora“ unterwegs. Auf dem Beiwagen: das Emblem des Kommandos, ein Skorpion (Quelle: Bild Haeckel/
Archiv Rolke).
als auch in den späteren Kriegsjahren eine Anzahl namhafter älterer und auch hoffnungsvoller jüngerer Wissenschaftler der Mühle des zum rücksichtslosen Verbrauch bestimmten Landsertums entzog und damit wertvolle Kräfte in die Gegenwart herüberrettete, die sonst todsicher jetzt unter der Erde der verschiedenen Schlachtfelder ruhen würden. Nur wenige wissen um diese Sachlage Bescheid, die leider manche Kritiker dieses verdienstvollen Mannes nicht kennen und kannten.“45 Um die Mobilität des „Sonderkommandos Dora“ sicherzustellen, war es „voll motorisiert“.46 Es verfügte über insgesamt 15 VW-Kübelwagen, vier Horch 901 Typ 40 (davon zwei mit Funk ausgestattet), etwa 25 verschiedene Lastkraftwagen (Steyr, Opel „Blitz“ und Mercedes) sowie ausländische Beutefahrzeuge. Motorräder mit Seitenwagen dienten als schnelle Verbindungsfahrzeuge zwischen den Dienststellen. Als militärischer Begleitschutz wurden dem Kommando zudem zwei Panzerspähwagen zur Verfügung gestellt. Für die Luftaufklärung stellte die Luftwaffe verschiedene Flugzeuge und das notwendige Personal bereit. Bei den Flugzeugen handelte es sich um zwei Heinkel He 111, zwei Focke Wulf Fw 58 („Weihe“), eine Henschel Hs 126 als Zugmaschine für Lastensegler, einen „Fieseler Storch“ und je einen Lastensegler des Typs Gotha Go 242 und DFS 230.47 Alle Motorflugzeuge waren mit Schleppvorrichtungen, Funk-, Peil- und Bildkammerausrüstungen versehen. Darüber hinaus stellte die Luftwaffe noch einen vollständig eingerichteten Bildwagen sowie Bodenfunk-, Bodenpeil- und Navigationsgeräte bereit.48 Im März 1942 waren die Vorbereitungen für das „Sonderkommando Dora“ abgeschlossen. Wie Haeckel in einem Schreiben an das Stabsamt Görings betonte, sei das „rein militärische“ Unternehmen „vom Führer genehmigt“ und „in zehnmonatlicher gründlicher Arbeit vorbereitet“ worden. Es habe die Aufgabe, „als gemischter Wehrmachtsverband (Heer und Luftwaffe) fehlende militärische Unterlagen aus den von
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den Achsenstreitkräften nicht kontrollierten Teilen Südlibyens und Innerafrikas zu beschaffen und [die] Bildung eines Stützpunktes an der südlibyschen Grenze vorzubereiten“. Zu diesem Zweck sollte das Kommando „mit eigener Kraftwagenkolonne“ von Tripolis in das ca. 500 Kilometer südöstlich gelegene Hon – den Sitz des italienischen Oberkommandos der Sahara – überführt werden und dort seine Ausgangsbasis beziehen. Von hier aus sollten die Erkundungseinsätze erfolgen. Das erste Teilziel bestand in der militärischen und topographischen Erkundung des Raumes zwischen dem Dschebel as-Soda und der Linie Tibestimassiv-Tümmogebirge. Im Vordergrund standen dabei die Ermittlung der geeignetsten Nachschubrouten und die Geländeauswahl für einen künftigen Stützpunkt im Tibestimassiv. Für die einzelnen Gruppen des Kommandos ergaben sich ferner folgende Spezialaufgaben: Die Gruppe „Militärischer Erkundungs- und Abwehrdienst“ sollte in Kooperation mit den übrigen Gruppen von Hon aus einen „militärischen Erkundungs- und Abwehrdienst mittels Agentennetz gegen das von England und de Gaulle beherrschte Innerafrika“ aufbauen. Die Gruppen „Forschung“ sowie „Lufterkundung und Luftbildmessung“ sollten die wichtigsten Verkehrsrouten Innerlibyens aufklären und dazu „Bildplanunterlagen“ anfertigen. Die Gruppen „Forschung“ sowie „Bodenerkundung und Kartierung“ schließlich sollten die vom Wehrmachtsführungsstab und vom Generalstab des Heeres geforderten militärgeographischen, wehrgeologischen und navigatorischen Unterlagen über den Raum zwischen Dschebel Soda und dem Tibesti-Massiv erstellen. Da der Oberbefehlshaber-Süd der Luftflotte 2 (Italien-Afrika-Mittelmeer), Feldmarschall Kesselring, den „sofortigen Einsatz“ des Kommandos gefordert hatte, wurde es Ende April 1942 „nach Afrika in Marsch“ gesetzt.49
2. Die Tätigkeiten und Ergebnisse des „Sonderkommandos Dora“ Die Mitglieder des „Sonderkommandos Dora“ landeten Mitte Mai 1942 in Tripolis, brachen jedoch erst Anfang Juni zu ihrem Bestimmungsort Hon in Südlibyen auf.50 Die in das Kommando eingegliederten Wissenschaftler der „Forschungsgruppe Schulz-Kampfhenkel“ wurden teilweise zu „Sonderführern“ ernannt, erhielten militärischen Sold und wurden einer kurzen militärischen Ausbildung unterzogen, zu denen auch Schießübungen und Exerzieren gehörten.51 Ein Teil von ihnen litt unter dem harten militärischen Drill. In einem Brief aus Tripolis schrieb beispielsweise Richter am 5. Juni 1942 an seine Frau: „Heute haben wir Schießübungen mit scharfer Munition gemacht: Pistole, Karabiner und Panzerbüchse. Die letzte krachte derartig, dass ich schon nach meinem ersten Schuss dachte, mein rechtes Trommelfell wäre zerrissen. Aber es war nicht der Fall. Immerhin bin ich jetzt noch halb taub, und
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erst allmählich stellt sich der alte Gehörzustand wieder ein. Das Klappern meiner Schreibmaschine höre ich jetzt kaum.“52 Die militärischen Übungen verweisen darauf, dass es sich bei dem gesamten Unternehmen „Dora“ um eine „durchaus militärische Sache“ handelte. So wurde die Wissenschaftlergruppe um Schulz-Kamphenkel im Rahmen ihrer geologisch-kartographischen Geländeuntersuchungen immer wieder mit Spähtrupp-Unternehmungen betraut, etwa um festzustellen, ob bestimmte Gebiete „feindfrei“ seien.53 Solche Patrouillenfahrten waren nicht ungefährlich. So fuhr einer der Steyr-Wagen während einer Erkundung im November 1942 auf eine englische Mine und brannte aus.54 Bei Aufklärungsflügen über dem Tibestimassiv sah sich die Bildmaschine des Kommandos (He 111) starkem Abwehrfeuer gegnerischer Truppen ausgesetzt.55 Immer wieder kam es vor, dass kleinere Gruppen den Auftrag erhielten, ein bestimmtes Gelände nach gegnerischen Truppen zu durchsuchen. Auf „Feindberührungen“ war man dabei immer vorbereitet. So hielt Richter 1958 fest: „Auch auf uns, die wir achthundert Kilometer südlich der Front arbeiteten, fiel der düstere Schatten des Krieges. Unsere Fahrzeuge führten Kriegswaffen und Munition mit sich, denn wir mussten immer damit rechnen, den ‚Long Range Desert Patrols‘ der Engländer zu begegnen, die in diesen entlegenen Gebieten herumstreiften und unserer Forscherarbeit bestimmt ein jähes Ende bereitet hätten. Wau el Kebir war eine italienische Garnison und der am weitesten nach Süden vorgeschobene Militärstützpunkt der italienischen Sahara streitkräfte. Die Besatzung lebte in ständiger Bereitschaft vor Überfällen französischer Truppen, die sich an der Grenze von Französisch-Äquatorialafrika und Libyen befanden.“56 An anderer Stelle verwies Richter darauf, dass man sich bei Kontakt mit stärkeren gegnerischen Kräften zurückziehen, „bei schwächeren“ jedoch „angreifen und Gefangene machen“ sollte.57 Solche Erkundungsfahrten waren, so Richter,
Abb. 5 Die Mitglieder der „Gruppe Forschung“ Hans Rhotert (links) und Georg Knetsch (Quelle: Bilder Knetsch, Archiv Rolke).
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„ebenso spannende wie berauschende Momente, wie wir, ansonsten im Tropenhelm, bis an die Zähne bewaffnet waren, Rhotert am Steuer, den geladenen Karabiner neben sich. Neben ihm S[chulz-]K[ampfhenkel], die geladene Maschinenpistole in der Rechten, in der linken den Filmapparat. Ich auf dem Rücksitz, meine riesige Pistole in der Faust, die Rolleiflex an der Brust“.58 Die Beziehungen zwischen den Militärs und den Wissenschaftlern innerhalb des „Sonderkommandos Dora“ waren offenbar nicht immer harmonisch. Während Dr. Alfons Gabriel und Prof. Dr. Helmuth Kanter etwas verächtlich auf die militärisch „straffe Lebensweise“59 und den „üblichen Komissdienst“60 verwiesen, kritisierte Richter nach dem Krieg, dass die wissenschaftliche Arbeit damals oft bewusst behindert worden sei und der Kommandeur und seine Stellvertreter wissenschaftlicher Forschungsarbeit nur wenig Interesse geschenkt hätten.61 Solche Auffassungen bestimmten die Nachkriegsreflektionen im deutschen Bildungsbürgertum, blendeten jedoch aus, dass Wissenschaftler wie Richter oder Schulz-Kampfhenkel vorher in ein Kooperations- und Austauschverhältnis mit dem NS-Regime getreten waren, indem sie diesem ihre Problemlösungskompetenz zur Verfügung stellten und im Gegenzug dafür die notwendigen Ressourcen zur Durchführung ihrer Arbeiten erhielten.62 Die Aussagen ehemals verantwortlicher deutscher Wissenschaftler über die angebliche Wissenschaftsfeindlichkeit des Militärs oder des NS-Regimes müssen vielmehr im Kontext eines noch vor dem Kriegsende einsetzenden Verantwortungsdiskurses verstanden werden. Dieser war dadurch charakterisiert, dass die Verantwortlichen aus Militär und Forschung der jeweils anderen Seite die Schuld an der militärischen Niederlage zuwiesen. Die vor allem von Akademikern nach dem Krieg erhobenen Klagen wurden der historischen Realität in vielen Fällen also nicht gerecht, aber von der Wissenschaftsgeschichtsschreibung unkritisch übernommen.63
Abb. 6 Aufnahme einer Felszeichnung aus der Region des Messak Settafet bei Serdeles, September 1942 (Quelle: Archiv
Rolke).
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Allerdings müssen Schulz-Kampfhenkel und seine Mitarbeiter den Militärs des Öfteren „weltfremd“ erschienen sein, etwa wenn der Völkerkundler Dr. Hans Rhotert auf einer „Feind- und Geländeerkundung“ im Juli 1942 „unbekümmert und vertieft im Erdboden nach Steinen und Fossilien“ suchte oder eine Gruppe um den Geographen Kanter anfing, Felsbilder auszuwerten.64 Der Wiener Völkerkundler und Linguist Dr. Ludwig Zöhrer verbuchte seinen Einsatz als eine seiner diversen wissenschaftlichen Nordafrika-Expeditionen.65 Richter fand immer wieder Zeit, Wüstengemälde zu malen, die er per Kurier nach Hause sandte.66 Darüber hinaus berichtete er, dass die Einheit oft zum Baden nach Ain el Hammam bei Sokna gegangen sei, was andeutet, wie weit der Krieg vom „Sonderkommando Dora“ eigentlich entfernt war. Es wurden sportliche Wettbewerbe ausgetragen, deren Sieger einen Freiflug gewinnen konnte. Aus Mangel an Aufträgen führte man sogar Pilotenweiterbildungen durch, wie im Falle des Schleppsegler-Piloten Gerhard Parlitz, der auf Motorflug umschulen sollte.67 Die Mitglieder der „Gruppe Forschung“ rieben sich jedoch nicht nur am vermeintlichen Desinteresse der Militärs an ihrer Arbeit, sie hatten häufig auch Schwierigkeiten damit, sich dem militärischen Reglement zu unterwerfen. Sie verrichteten ihre Arbeiten im Rang eines „Sonderführers“, was sie zwar als Spezialisten eines wichtigen militärwissenschaftlichen Fachgebietes auswies, ihnen aber keine Befehlsgewalt einräumte. Freilich gab es auch Ausnahmen. Schulz-Kampfhenkel hatte als Leutnant und Leiter der „Gruppe Forschung“ nicht nur Weisungsbefugnis, sondern auch unmittelbaren Zugang zum Chef des „Sonderkommandos Dora“. Als Pilot führte er zudem selbstständig Erkundungsaufträge durch. Zur schnellen luftbildgestützten Kartierung des zu evaluierenden Gebiets wurde dem Kommando eine Bildflugmaschine vom Typ He 111 zur Verfügung gestellt, die von Walter Brucklacher als Navigator begleitet wurde. Brucklacher war aufgrund seiner Erfahrungen bei einer Luftbild-Expedition in Neu Guinea für diese Aufgabe ausgewählt worden. Als „Bildoffizier“ konnte er die Bildaufnahmen, die Laborarbeiten sowie photogrammetrische und geodätische Aufgaben auch „nach eigenem Ermessen“ durchführen.68 Auch der Topograph und Kartograph Wolfgang Pillewizer hatte eine Sonderstellung. Er hatte als Leiter der kartographischen Abteilung des Reichsamtes für Landesaufnahme in Berlin zuvor 120 Mitarbeiter geleitet und sich dabei bereits eingehend mit der Kartographie von Mittelafrika und dem Süden der Sahara befasst.69 Helmut Kanter, ein ausgewiesener Geograph, Arzt und Wüstenforscher, genoss als Hauptmann gewisse Privilegien, ebenso wie der Völkerkundler Hans Rhotert als Leutnant zur See. Die wissenschaftliche und logistische Ausrüstung des Kommandos füllte insgesamt 40 Güterwaggons, die von Berlin nach Neapel geleitet und von dort per Schiff nach Tripolis transportiert wurden.70 Allerdings gelangten viele Fahrzeuge und Instrumente erst relativ spät ins Einsatzgebiet, so dass man nicht gleich von Anfang an über ge-
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nügend Flug- und Kraftfahrzeuge verfügte. Während der Erkundungen wurden viele Instrumente zudem als Prototypen erst auf ihre Tropentauglichkeit geprüft. So testete Brucklacher nicht nur die He 111, sondern auch die Bordkamera auf ihre Einsatzfähigkeit in der Sahara.71 Bei diesen Versuchen konnte auch erstmals die elektronische Höhenmessung zur genauen Einhaltung der Flughöhe für das Bildflugzeug des Sonderkommandos eingesetzt werden. Darüber hinaus erprobte man neue, von den Firmen Plath und Zeiss konstruierte Libellen-Oktanten, die zur raschen Durchführung geographischer Ortsbestimmungen vom Flugzeug aus (Astronavigation) bestimmt waren.72 Auch wurden die Bodenfahrzeuge ausgedehnten Tests unterworfen und Verbesserungsvorschläge gemacht, die teilweise in der Rüstungsindustrie ihren Niederschlag fanden. Die Kübelwagen etwa erhielten nach den ersten Probefahrten breitere Reifen, da sie sich im Wüstensand ständig festgefahren hatten.73 Während man die Eignung von Lastenseglern unter Wüstenbedingungen testete, erprobte man auch ein Flugzeug des Typs Henschel Hs 126 als Schleppmaschine für die Lastensegler.74 Abb. 7 Das „Sonderkommando Dora“ verfügte über verschiedene Flugzeuge zur Geländebeobachtung. Hier ein Lastensegler der Type DFS 230 im Schlepp; Zugflugzeug Henschel Hs 126, rechts eine Focke Wulf Fw 58 (Weihe) als militärischer Begleitschutz (Quelle: Album Haeckel, Archiv Rolke).
Zu den Prototypen gehörte auch das so genannte Freihand-Heliotrop (Blitzspiegel), das für den Notfall, d. h. für eine Notlandung in unwegsamem Gebiet gedacht war. Die Tests, die im November 1942 stattfanden, zeigten, dass ein Flugzeug auf bis zu 10 km Entfernung erfolgreich „angeblitzt“ und so der Notfall einer bruchgelandeten Maschine bei Ausfall der Funkeinrichtung oder bei Funkverbot in „Feindnähe“ angezeigt werden konnte.75 Nicht nur die Fahrzeuge, auch die für die Feldeinsätze vorgesehene wissenschaftlich-technische Ausrüstung des „Sonderkommandos Dora“ war auf dem denkbar höchsten Stand. So verfügte die von Schulz-Kampfhenkel geleitete „Gruppe Forschung“ über verschiedene Zeiss-Theodoliten, darunter ein Phototheodolit, Luftbildkameras, eine Einrichtung zur Luftbildentwicklung und
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Bildkopie, Kompasse, Entfernungsmesser, Fotoapparate sowie meteorologische und geologische Instrumente.76 Der Theodolit (Sekundentheodolit Zeiss II) war das maßgebliche Messgerät der „Gruppe Forschung“, denn aufgrund der mit ihm durchgeführten astronomischen Ortsbestimmungen erarbeitete man die neuen Karten.77 Mit dem Theodolit war es möglich, Sternbeobachtungen auf die Bogensekunde genau zu messen und auf 36 Meter in der geographischen Breite und 180 Meter in der geographischen Länge genau zu arbeiten.78 Ein besonderes Interesse der Alliierten fand nach dem Krieg der von der „Gruppe Forschung“ verwendete Phototheodolit.79 Mit diesem Gerät konnten Raumbildmessungen durchgeführt werden, die die räumliche Lage von Bergen und Tälern verdeutlichten. Das Messverfahren war so angelegt, dass man die Peripherie links und rechts des durchfahrenen Gebietes so fotografierte, dass dieselbe Geländeformation im Abstand von 5 bis 15 km zweimal abgelichtet wurde. Das daraus auf dem Stereoautographen resultierende Bild erlaubte eine räumliche Sicht und ein einfaches Einzeichnen der Höhenlinien sowie der Entfernung vom Messstandpunkt auf Karten. Die mit dem Phototheodolit gemachten Fotos wurden nach der Entwicklung im Hauptquartier in Hon auf dem Stereoautographen gelesen, interpretiert und zur Erstellung von Karten verwendet. Den Wissenschaftlern genügte seine Genauigkeit für eine Karte im Maßstab von 1:200.000. Der Messstandpunkt wurde mit einer Genauigkeit von etwa ± 100 m ermittelt.80 Der Fachmann für diese Arbeiten im „Sonderkommando Dora“ war Wolfgang Pillewizer, der mit Hilfe des Photothedoliten Geländeabstufungen und andere landschaftliche Details genau auf Karten projizierte. Sein Verfahren hatte er vor dem Krieg bei gletschermorphologischen Untersuchungen im Großglockner-Gebiet, in Norwegen und auf Spitzbergen erprobt.81 Neben den Theodoliten verwendete die „Gruppe Forschung“ des „Sonderkom mandos Dora“ Oktanten und Sextanten.82 Diese wurden bereits seit langem in der See- und Luftfahrt als Ortungsgeräte Abb. 8 Der Astronom Nikolaus B. Richter am benutzt. Sie entsprachen zwar nicht der Zeiss-Theodolit Genauigkeit des Theodoliten, reichten (Quelle: Bild Haeckel/Archiv Rolke).
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aber aus, zu anvisierten Zielen zu gelangen. Sie wurden im August 1942 durch den Zeiss-Ingenieur Brucklacher als Messgeräte beim Sonderkommando eingeführt, als man dazu überging, vom Flugzeug aus unterstützend zu kartographieren.83 Richter übte mit dem Kartographen Pillewizer und dem Luftbildspezialisten Brucklacher den Umgang mit diesen Geräten und ermöglichte so einen Teil der Kartierung des südlichen Libyen mit Hilfe der Luftbildfotografie, ohne dass man die Flugzeuge jedes Mal landen und die Koordinaten mittels Theodolit auf dem Boden ermitteln musste.84 Zur Ausrüstung des Meteorologen Richter gehörte das „Ultraviolett-Dosimeter für bioklimatische und medizinische Messungen […] des erythemerzeugenden Ultravioletts“.85 Hierbei handelte es sich um einen zylinderförmigen Apparat zur Messung der Ultraviolett-Strahlung. Seine spektrale Lichtempfindlichkeit stimmt mit derjenigen der menschlichen Haut überein. Es misst daher die therapeutisch wichtige, aber bei Übermaß gefährliche erythembildende (Hautrötung erzeugende) UV-Strahlung natürlicher und künstlicher Lichtquellen. Für die kämpfenden Truppen in Nord afrika war das Wissen um die Gefährlichkeit der intensiven Sonneneinstrahlung von Bedeutung. Im Hintergrund stand dabei das Interesse des OKW, die Soldaten vor der Sonnenstrahlung zu schützen. Zu diesem Zweck wurden längere Messreihen durchgeführt, die Aufschluss über die am Tag intensivste Zeit der Sonnenstrahlung gaben.86 In den von den Alliierten nach 1945 angefertigten Verhörprotokollen wird deutlich, dass sich die „Gruppe Forschung“ bei ihren Forschungen auf neuartige Verfahren der Luftbildauswertung und Geländebeurteilung stützte.87 Die Gruppe entwickelte beispielsweise sehr erfolgreiche, neue Navigationstechniken, so dass die Luftwaffe mehrere Spezialisten zum „Sonderkommando Dora“ entsandte, um diese Methoden und den Gebrauch der Instrumente zu studieren.88 Das neuartige, nach dem Radarprinzip funktionierende Flughöhenmessgerät von Zeiss mit einer Genauigkeit von ± 15 m bei 10.000 Höhenmetern etwa diente der genauen Einhaltung der Flughöhe, ermöglichte aber auch eine exakte Ermittlung von Maßstäben und eine Höhenmessung von Bergen und Tälern. Das Bildfluggerät „Lotfe“ (Lotsichtgerät) und die Methode der „Dreiachssteuerung“ spielten bei der Bild- und „Feinderkundung“ eine neue und bedeutende Rolle. Die verwendeten Fotoapparate (Mess- bzw. Pendelkammern) waren ebenfalls auf dem technisch neuesten Stand. Die Pendelkammer „RMK P 10“ mit einem seitlichen Bildwinkel von 214° machte in einer Höhe von 6.000 m Aufnahmen über ein Gebiet von 7,5 x 7,5 km, in 8.000 m Höhe sogar über ein Gebiet von 10 x 10 km. Mit diesem Gerät wurden in Flugrichtung „regelmäßig hintereinander Aufnahmen nach links (schräg), dann senkrecht nach unten und dann schräg nach rechts“ gemacht. Der Zweck dieser „Pendelaufnahmen“ bestand darin, einen möglichst breiten Geländestreifen durch einen Flug zu erfassen.89 Die Pleonkammer erlaubte das Format von 30 x 30 cm und hatte einen Bildwinkel von 150°. Allerdings
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musste bei dieser Weitwinkelkammer der Randbereich der Bilder durch ein Zusatzgerät entzerrt werden, wofür ein Bildwagen mitgeführt wurde. Entwickelt wurden die aufgenommenen Fotos nachts, da es tagsüber zu heiß und staubig war und die Filme während der Entwicklung wegen der geringen Luftfeuchtigkeit zu reißen drohten. Da für Bildflüge Parameter wie Windabweichung, sich ändernde Missweisungen u. a. gelten, hatte Brucklacher hierfür Messgeräte und Skalen in der Kanzel seiner He 111 angebracht, die diese Abweichungen kompensieren helfen sollten. Die Bildflüge wurden vom Navigator, auf dem Glasboden der Flugzeugkanzel liegend, mit Stoppuhr und Karte geleitet, der einerseits mitkoppelte und andererseits in genauen Abständen zusätzlich mit einer Handkamera fotografierte. Die Länge einer Strecke belief sich auf 150 bis 300 km, danach wendete das Flugzeug in genau berechneten Bahnen, und man fotografierte den nächsten Abschnitt parallel zum eben beflogenen Bereich. So erfolgte eine flächige Abdeckung des beflogenen Gebietes, die die Grundlage für die Kartierung bot. Die Eckpunkt-Koordinaten der Navigation waren bekannt, weil sie astronomisch vermessen worden waren, und so konnten die Flächenfotos exakt in das vorhandene Kartensystem eingepasst werden.90 Funknavigation durfte nicht erfolgen, da man sich oft in der Nähe des Gegners befand (Tibesti- und Tümmo-Gebirge). Aus diesem Grund modifizierte Brucklacher die auf den Bodenfahrten bereits übliche Routenaufnahme speziell für die Luftfahrt und ermittelte per Koppelnavigation mit Hilfe von Karte, Kompass und den oben erwähnten Oktanten und Sextanten den genauen Standort und die geplante Route. Die Fotos konnten allerdings nicht einfach nebeneinander gelegt werden, um die neuen Karten herzustellen. Zum einen macht die Kugelgestalt der Erde dies unmöglich, zum anderen verursachte der sich vergrößernde Aufnahmewinkel zum Fotorand hin die oben erwähnte Verzerrung. Um die gemachten Aufnahmen weiter verarbeiten zu können, mussten diese Verzerrungen bearbeitet werden. Als Zeiss-Ingenieur nutzte Brucklacher bei seinen Arbeiten im „Sonderkommando Dora“ daher das bei der Firma Zeiss-Aerotopograph entwickelte „Pleonentzerrungsgerät“. Auf diese Weise wurde jedes Bild entzerrt und war für die Herstellung der Karten zu verwenden. Im Ergebnis entstand ein „gefugter Raumbildplan“, dessen Entwicklung auf Brucklacher zurückging. Sein Vorteil lag darin, dass ein mit Gitter versehenes Stereomodell erzielt wurde, welches dann als Karte benutzbar war. Einem Bericht vom Oktober 1942 zufolge bestand die Hauptaufgabe des „Sonderkommandos Dora“ in der „Feind- und Geländeerkundung“ im Süden Libyens.91 Die Aufgaben dehnten sich jedoch immer weiter aus und wurden plötzlich auftretenden militärischen Erfordernissen angepasst. Der erste Abschnitt des Einsatzes des „Sonderkommandos Dora“ begann im Juni 1942 und zog sich bis Oktober hin.92 Nach kurzen Erkundungsfahrten in der Umgebung von Hon begannen im Juli 1942 zwei
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Abb. 9 Mitglieder der „Technischen Gruppe Ost“ in Wau al Kebir (Mitte 1942); rechts Schulz-Kampfhenkel, 3. v. r. Karl Höfig, 4. v. r. Nikolaus B. Richter, 6. v. r. Hans Rhotert, ganz links Alfons Gabriel, alle anderen: italienische Offiziere (Quelle: Bild Haeckel/Archiv Rolke).
Gruppen – die „Technische Gruppe Ost“ und die „Technische Gruppe West“ – ausgedehnte mehrtägige Patrouillenfahrten in den libyschen Süden. Im Mittelpunkt stand dabei die Kartierung des weithin unbekannten Geländes mit Hilfe der photogram�metrischen Routenaufnahme.93 Zu diesem Zweck ging man von einem astronomisch vermessenen Punkt aus, verfolgte mit dem Kompass jede Richtung und Richtungsänderung und zeichnete die links und rechts der befahrenen Route gelegene Landschaft in einer Tiefe von ca. 10 km in die Karte ein. Dieses Verfahren, also die kleinmaßstäbliche, grobe Routenaufnahme wenig erschlossener Gebiete, wird in Fachkreisen „Krokierung“ genannt.94 Mit dieser Methode kann man das sichtbare Gelände der bereisten Strecke in Höhe und Aussehen auf der Karte eintragen. Alle 100 bis 200 km vermaß man einen Astrofixpunkt mit Hilfe von Funk-Zeitzeichen und Sekundentheodoliten und korrigierte so die bisher abgefahrene, mit Kilometerzählern vermessene Strecke. Die Höhenmessungen von Bergen und Schichtstufen erfolgten barometrisch. Zur Ergänzung wurden die Strecken ab August 1942 zudem mit Hilfe von Luftbildaufnahmen korrigiert.95 Auf diese Weise entstanden schließlich 23 mehrfarbige Krokis (Routenkarten) der libyschen Sahara, die jeweils ein zusätzliches Folienblatt erhielten, welches Auskunft über die Befahrbarkeit des Geländes gab.96 Für die schnelle Herstellung kleinmaßstäblicher Karten verwendete die Gruppe um Schulz-Kampfhenkel zudem die „Präzisions-Flugroutenaufnahme“.97 Mit Hilfe
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der Autopilotsteuerung wurden vorberechnete Polygone beflogen. In 2.000 m Höhe wurden mit Hilfe der Stoppuhr regelmäßig die rechts und links der Flugroute liegenden Gebiete fotografiert und notiert; die Ergebnisse musste der Kartenzeichner anschließend nur noch übertragen.98 Am besten eignete sich für die Methode der Luftkrokierung allerdings ein sehr niedrig und langsam fliegendes Flugzeug, wie etwa der auch von Schulz-Kampfhenkel geflogene „Fieseler Storch“. „Mittels Flugrichtung, Fluggeschwindigkeit und elektrischer Höhenmessung konnte das überflogene Gelände schematisch und maßstabsgetreu mappiert werden.“99 Bei Landungen wurden geographische Ortsbestimmungen mit einem Theodoliten vorgenommen, um die Routenaufnahme aus der Luft in ein Festpunktnetz einfügen zu können. Die Geländefotos wurden dann zur Kartierung verwendet. Der Vorteil dieses Verfahrens war die relativ schnelle Erschließung von weiten Flächen unbekannter Gebiete.100 Die Ergebnisse dieser beiden Erkundungsteams – der „Technischen Gruppe Ost“ und der „Technischen Gruppe West“ – wurden unmittelbar nach der Rückkehr nach Hon bearbeitet und lagen den militärischen Kommandostäben bereits im August in Kartenform vor.
Abb. 10 Skizze Richters, die alle von der „Gruppe Forschung“ des „Sonderkommandos Dora“ in Libyen erstellten 23 Routenkarten nachweist (Quelle: Archiv Rolke).
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Michael Rolke unter Mitarbeit von Sören Flachowsky Abb. 11 Tanklager im Süden Libyens, im Hintergrund das von Otto Schulz-Kampfhenkel geflogene Flugzeug „Fieseler Storch“ (Quelle: Album Haeckel,
Archiv Rolke).
Der zweite Abschnitt des Einsatzes des „Sonderkommandos Dora“ begann im November 1942. Hierbei führten zwei „gemischte Einsatzgruppen (Boden und Luft)“ operative Aufklärungseinsätze durch, bei denen die Flugzeuge des Kommandos „bis weit nach Französisch-Äquatorialafrika hinein“ vordrangen. Mitte November gingen aufgrund des Rückzugs Rommels in Nordafrika und „alarmierender Meldungen aus Innerafrika“ über angebliche Bewegungen starker gegnerischer Truppen in Südlibyen immer dringendere Funksprüche des OKW beim Sonderkommando ein. In ihnen wurde eine „sofortige durchgreifende operative Aufklärung der offenen Südflanke“ gefordert, wobei vor allem etwaige Truppen- und Verkehrsbewegungen erkundet werden sollten. In zwei gemischten Einsatzgruppen setzte sich das Kommando am 20. November 1942 in Richtung südlibyscher Grenze in Bewegung und bezog etwa 300 Kilometer vor den italienischen Linien Stellung. Von hier aus führten Flugzeuge und motorisierte Spähtrupps ihre Erkundungen durch, die sie auch in das von den Franzosen beherrschte Gebiet (Tschad) führten.101 Die der Leitung von SchulzKampfhenkel unterstehende Fluggruppe A hatte dabei die Aufgabe, die Routen der fahrenden Autokolonne zu überwachen und zu sichern sowie sie durch schwieriges Gelände zu leiten. Darüber hinaus führte Schulz-Kampfhenkel verschiedene Erkundungsflüge durch und fertigte „militärgeographische Luftbilder“ an. Bei seinen Flügen sichtete er tatsächlich französische Truppen und Befestigungen, die man aber offenbar für ungefährlich hielt.102 Auch die übrigen Gruppen dieses Einsatzes (Fluggruppe L, Einsatzgruppen A und B) stellten bei ihren Patrouillen fest, dass das von ihnen erkundete Gebiet weitgehend „feindfrei“ sei.103 Mitte Dezember 1942 wurden die beiden Einsatzgruppen des „Sonderkommandos Dora“ auf Befehl des Amtes Ausland/Abwehr des OKW jedoch nach Hon zurückgerufen, da sich das Deutsche Afrika-Korps unter Rommel nun immer weiter zu-
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rückziehen musste. Zwar führte man noch vereinzelte kleinere Erkundungen durch, da Hon nun aber immer wieder von britischen Truppen angegriffen wurde und vom Süden her französische Verbände vorrückten, kehrte das gesamte Kommando zum Jahreswechsel 1942/43 nach Tripolis zurück.104 Aber auch hier war man längst nicht mehr sicher. Zum einen hatten die Alliierten nach ihrer Landung in FranzösischNordafrika (Operation Torch) in Tunesien einen Brückenkopf gebildet und rückten von Westen aus vor. Zum anderen wurden die sich aus Ägypten, der Marmarika und Cyrenaika zurückziehenden deutsch-italienischen Truppen von aus dem Osten nachdrängenden britischen Verbänden bedroht. Die Vertreibung des Afrika-Korps aus Tripolitanien war nur noch eine Frage der Zeit und ihr Stützpunkt in Tripolis ein leichtes Ziel für die alliierten Bomberverbände.105 Diesen Angriffen fiel auch ein Großteil der Ausrüstung und der Flugzeuge des „Sonderkommandos Dora“ zum Opfer.106 Angesichts dieser Entwicklung erhielt die „Gruppe Forschung“ am 5. Januar 1943 den Befehl, umgehend nach Deutschland zurückkehren. Zu den Wissenschaftlern, die sich auf den Weg machten, gehörte auch Otto Schulz-Kampfhenkel.107
Fazit Worin bestanden nun die wesentlichen Ergebnisse des „Sonderkommandos Dora“? In „operativer“ Hinsicht gelang die weitgehende Überwachung der etwa 3.000 Kilometer umfassenden afrikanischen Südflanke der deutsch-italienischen Truppen. So erhielten das OKW und die militärischen Kommandostäbe laufende Meldungen über „Feindlagen, Feindbewegung, Befestigungs-, Depot- und Verkehrsanlagen“. In „militärgeographischer“ Hinsicht gewährleistete die „Gruppe Forschung“ die Schaffung der geforderten kriegskartographischen, vermessungstechnischen, wehrgeologischen und meteorologischen Unterlagen über den Raum der mittleren und südlichen libyschen Sahara und der nördlichen Tschadkolonie. So entstanden 23 neue topographische Kriegskarten im Maßstab 1:200.000 mit Befahrbarkeitsdeckblättern und einer Routenstrecke von etwa 7.000 Kilometern der Inneren Sahara. Hinzu kamen acht Übersichtskarten über die natürlichen Nachschubwege, Geländesperren und Durchgangszonen, die Wasserverhältnisse, Straßen und Pisten, Baustoffe und magnetische Missweisungen Innerlibyens.108 Die oben bereits erwähnten 23 Routenkarten und Krokis, die durch das Sonderkommando erstellt wurden, halten in ihrer Genauigkeit größtenteils noch heute satellitengestützten Werken stand. Gewiss gibt es kleine, manchmal um einige hundert Meter aufweisende Ungenauigkeiten, die aber in einer Auflösung von 1:200.000 kaum eine Rolle spielen. Die Karten zeigen den Verlauf von Geländeformen und Straßen, Höhenlinien, Ortschaften, Wasserstellen und anderen markanten Punkten wesentlich genauer, als etwa das bis dahin gebräuchliche italie-
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nische Kartenwerk Carta dimonstrativa della Libia. Ein weiteres wichtiges Ergebnis der „Gruppe Forschung“ stellte eine Karte dar, in der die möglichen Angriffswege aus dem von den Franzosen beherrschten Äquatorialafrika aufgezeigt wurden.109 Wie richtig diese Einschätzung war, zeigte sich Ende 1942, als der französische General Philippe Leclerc aus dem Tibesti-Massiv heraus gegen die italienischen Stellungen im südlichen Fezzan vorrückte und diese überrollte. Weitere wesentliche Resultate der Erkundungen der „Gruppe Forschung“ waren über 2.000 Bildunterlagen, darunter 760 stereoskopisch ausgewertete Luftmessbilder und über 1.000 Meter 16-mm-Filmmaterial.110 Die Bilder der Erkundungen „Ost“ und „West“ etwa zeigen Geländegegebenheiten, besonders auffällige Markierungen der Pisten sowie Gebäude in Ortschaften und Brunnenplätze. Sie belegen auch die Schwierigkeiten der Technik in der Wüste, etwa die schlechte Befahrbarkeit der Basalt-Hamada der südlichen Harudsch oder der Mergelebenen in der östlichen und mittleren libyschen Sahara. Manche Fotos wurden zu Panoramabildern von bis zu 180° zusammengesetzt. So ist zum Beispiel die Krateroase des Wau an Namus nur auf diese Weise darstellbar, weil weitwinklige Wechselobjektive nicht zur Verfügung standen. Darüber hinaus wurde während der Erkundungen auch mit Bildflugkameras fotografiert. Aus diesen Fotos wurden später Krokis und Landkarten erstellt. SchulzKampfhenkel selbst hielt die Erkundungsergebnisse mit einer 16-mm-Filmkamera fest, allerdings sind diese Filme heute verschollen. Neben den Bild- und Filmaufnahmen spiegelten ausführliche Marschberichte die militärisch relevanten Ergebnisse der Erkundungen der „Gruppe Forschung“ wider.111 In der historischen Forschung bisher unbekannte Berichte vom Dezember 1942 fassten den Ablauf und die zentralen Ergebnisse des „Südlibyen- und Tibestieinsatzes des Sonderkommandos Dora“ schließlich noch einmal zusammen.112 Neben Ortsbeschreibungen enthielten die Berichte Geländeskizzen mit Azimut-Angaben und den dazugehörigen Koordinaten. Hinzu kamen geologische und topographische Beschreibungen und Wetterbeobachtungen, Informationen über die Bevölkerung und Wasservorkommen der Sahara. Zudem wurden die italienischen Standorte, Be festigungen und Bewaffnungen aufgezählt und ihre militärische Stärke bewertet. Ein für die Kartographie überaus wichtiges Ergebnis der Arbeiten der „Gruppe Forschung“ markierte die von ihr verfeinerte Methode der so genannten „Luftkrokierung“. Das Befahren mit geländegängigen Fahrzeugen erwies sich als mühsam und überaus zeitraubend. Mit Hilfe der aus der Luft gewonnenen Routenaufnahmen konnte man dagegen wesentlich einfacher brauchbare Ergebnisse erzielen und so schneller Geländekarten erstellen. Es zeigte sich, dass sowohl die Beobachtung von „Truppenbewegungen als auch wehrgeologische Erkundungen ohne Zuhilfenahme der Lufterkundung in den weiten, zum Teil unübersichtlichen Räumen praktisch
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unmöglich“ waren.113 Das Flugzeug wurde nun zum wirksamen Hilfsmittel des Kartographen und revolutionierte die Kartierungsmethoden, etwa im Hinblick auf die Befahrbarkeitsberatung. Die Gegner der Wehrmacht waren selbst in der Entwicklung noch nicht so weit fortgeschritten. Während die britische Long Range Desert Group noch mit den herkömmlichen Methoden arbeitete, nutzten die Amerikaner zwar die Luftbildkartographie, verfügten jedoch noch nicht über die Möglichkeiten zur Entzerrung ihrer Bilder.114 Die Luftkrokierung sollte später auch für die „Forschungsstaffel z.b.V.“ zur üblichen Methode werden. Schulz-Kampfhenkel und seine Mitarbeiter hatten in der Verbindung von Boden- und Luftkrokierung eine neue und schnellere Methode zur Geländebeurteilung gefunden. Es sollte sich später bei ihrem „Einsatz in Osteuropa“ noch zeigen, dass man aus der Luft auch die Befahrbarkeit und den Untergrund der unterschiedlichsten Geländeformationen aufgrund ihrer Farbgebung und ihres Bewuchses erkennen konnte. Die Ergebnisse der Geländeerkundungen des „Sonderkommandos Dora“ in der mittleren und südlichen libyschen Sahara fielen daher bei den zuständigen militärischen Stellen auf große Resonanz. Fast übereinstimmend betonten sie die Sorgfältigkeit und hohe Genauigkeit der erstellten Unterlagen. Die Kartenabteilung im Generalstab des Reichsministers der Luftfahrt und Oberbefehlshabers der Luftwaffe hob hervor, dass die ausführlichen Landschaftsbeschreibungen und Bildunterlagen des Kommandos die Möglichkeit böten, „Flugstreckenbeschreibungen“ herzustellen, die die für den Piloten wichtigen Leitlinien und Sichtmarken bezeichnen. Zudem könne das vormals unbekannte Gelände nun für Notlandungen und die Anlage von Feldflugplätzen beurteilt werden. Die detaillierten Wegebeschreibungen und Darstellungen von Brunnenplätzen ließen überdies erkennen, wo ein Kraftwagenverkehr eingerichtet oder erwartet werden könne.115 Der Generalstab des Heeres brachte zum Ausdruck, dass die Erkundungsergebnisse des „Sonderkommandos Dora“ erneut auf die Möglichkeit eines gegnerischen Vorgehens aus dem Süden Libyens verweisen, was für den „Einsatz eigener Kräfte zur Abwehr oder zu einer vorausschauenden Sperrung unerlässlich“ sei.116 Der Chef der Abteilung Kriegskarten und Vermessungswesen im Generalstab des Heeres unterstrich „die große Bedeutung des Einsatzes von wissenschaftlichen Fachkräften (Geographen, Geologen, Meteorologen, Straßenbaufachleuten) bei derartigen militärischen Kommandos“ und zeigte an der Fortführung der Erkundungen über die libysche Grenze hinaus besonderes Interesse.117 Zu einem ähnlichen Urteil gelangte auch die Heeresplankammer, die in ihrer Stellungnahme um eine „möglichst weite Ausdehnung der Arbeiten des Sonderkommandos“ bat.118 Angesichts dieser positiven Reaktionen auf die Arbeiten seiner „Forschungsgruppe“ plante Schulz-Kampfhenkel bereits im Oktober 1942 für die Zukunft. Und wie sich zeigen sollte, waren diese Planungen keineswegs unrealistisch. Im Unterschied
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zum Herbst des Vorjahres unterhielt Schulz-Kampfhenkel nicht nur Verbindungen zu politischen Entscheidungsträgern, sondern nun auch Kontakte zum OKW und zur Industrie. Das „Sonderkommando Dora“ erwies sich für Schulz-Kampfhenkel demnach als Sprung auf der Karriereleiter und als Plattform für „größere“ Aufgaben. So hielt er in einer Vortragsnotiz fest, seine Forschungsgruppe bereite „nach dem bewährten Muster“ des Sahara-Kommandos nun ein „Zweigkommando 1943“ vor. Im Fokus dieser Unternehmung stünden „die Kalmückensteppe zwischen Astrachan und Machatsch-Kala“, der Kaukasus und der Vordere Orient. Dieses Kommando sollte neben seinen militärischen Aufgaben aber auch „auf breiter Basis den zivilen Erschließungsbelangen, hier in erster Linie dem Vierjahresplan, dem Reichsministerium Speer, dem Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete und dem Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft zur Verfügung stehen“. In diesem Zusammenhang entwarf Schulz-Kampfhenkel ein „Sofortprogramm“, das nicht nur auf den Ausbau der operativen und wehrwissenschaftlichen Aufgaben des „Sonderkommandos Dora“ hinauslief, sondern vor allem auch „Vorarbeiten für das Kaukasus- und Orientkommando 1943“ vorsah. Schulz-Kampfhenkel signalisierte den Behörden damit seinen Drang nach dem Osten, und arbeitete in den folgenden Wochen die Einzelheiten seines künftigen „Osteinsatzes“ aus.119
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Zur britischen Operation Compass und dem Rückzug der Italiener nach Tripolitanien 1940/41 vgl. Bernd Stegemann: Die italienisch-deutsche Kriegführung im Mittelmeer und in Afrika, in: Gerhard Schreiber/Bernd Stegemann/Detlef Vogel: Der Mittelmeerraum und Südosteuropa. Von der „non belligeranza“ Italiens bis zum Kriegseintritt der Vereinigten Staaten (Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd. 3), Stuttgart 1984, S. 590–682, hier S. 591–598. Zum deutschen Unternehmen Sonnenblume, der Landung Rommels in Nordafrika, und den Gründen Hitlers für ein militärisches Eingreifen Deutschlands in Nordafrika, vgl. ebd., S. 600 f. Zu den Kampfhandlungen in Nordafrika zwischen 1941 und 1943 vgl. ebd., S. 590–682; Reinhard Stumpf: Der Krieg im Mittelmeerraum 1942/43: Die Operationen in Nordafrika und im mittleren Mittelmeer, in: Horst Boog u. a.: Der Globale Krieg. Die Ausweitung zum Weltkrieg und der Wechsel der Initiative (Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd. 6), Stuttgart 1990, S. 569–757, hier 569–739. Zur Long Range Desert Group und den ebenfalls in Afrika operierenden freifranzösischen Truppen vgl. Andrea Molinari: Desert Raiders: Axis and Allied Special Forces 1950–1943, Oxford 2007. Helmuth Kanter: Dreißig Jahre Forschungsreisen in Libyen, in: Deutsche HochschullehrerZeitung (Tübingen), 1963, Nr. 1–2, S. 14.
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Forschungsgruppe Schulz-Kampfhenkel. Arbeitsgemeinschaft für wissenschaftliche Expeditionen, Naturforschung und Völkerkunde e.V., Berlin: Friedensaufgaben der Forschungsgruppe (Aufbau, Zielsetzung, Arbeitsplan, Forschungsgebiete, Nahziele, Gutachten, Kartenskizze), 1942, Bundesarchiv-Militärarchiv (BArch-MA) Freiburg, RW 5/739, Bl. 1–23. Zur Gründung der „Forschungsgruppe Schulz-Kampfhenkel e.V.“ vgl. den Beitrag von H. Stoecker in diesem Band. Forschungsgruppe Schulz-Kampfhenkel. Arbeitsgemeinschaft für wissenschaftliche Expeditionen, Naturforschung und Völkerkunde e.V., Berlin: Friedensaufgaben der Forschungsgruppe, 1942, BArch-MA Freiburg, RW 5/739, Bl. 1–23, hier Bl. 4 (Hervorhebung im Original). Ebd., Bl. 3 (Hervorhebung im Original). Ebd., Bl. 9. Vgl. Holger Stoecker: Afrikawissenschaften in Berlin von 1919 bis 1945. Zur Geschichte und Topographie eines wissenschaftlichen Netzwerkes, Stuttgart 2008, S. 297 f. Brief von Schulz-Kampfhenkel an Lammers (Reichskanzlei), 5.6.1941, BArch Berlin, R 43/4091, Bl. 69–71; Exposé von Dr. Ernst Frowein (Mitglied der Forschungsgruppe SchulzKampfhenkel e.V.): Der expeditionsmässige Einsatz des Segelflugzeuges zur Erforschung unerschlossener Gebiete der zentralen Sahara und des Kongogebietes, Juni 1941, BArch Berlin, R 43/4092, Bl. 78 ff. Vgl. Brief von Canaris (OKW, Amt Ausland/Abwehr) an Lammers, 4.7.1941, BArch Berlin, R 43/4091, Bl. 73. Vgl. Brief von Oberst Pieckenbrock (OKW) an Schulz-Kampfhenkel, 2.5.1941, ebd., Bl. 76. Zur Abwehrabteilung des OKW vgl. Norbert Müller: Das Amt Ausland/Abwehr im Oberkommando der Wehrmacht. Eine Dokumentation, Koblenz 2007; Michael Mueller: Canaris. Hitlers Abwehrchef, Berlin 22008, S. 159 ff. Brief von Schulz-Kampfhenkel an Reichskabinettsrat von Stutterheim, 2.7.1941, BArch Berlin, R 43/4091, Bl. 74. Vgl. Kriegstagebuch des Oberkommandos der Wehrmacht (Wehrmachtsführungsstab) 1940–1945 (KTB OKW). Eine Dokumentation, hrsg. von Percy E. Schramm, zusammengestellt und erläutert von Andreas Hillgruber/Walther Hubatsch/Hans-Adolf Jacobsen/Percy E. Schramm, Frankfurt am Main 1963, Bd. 1, S. 300–302. Vgl. Willy Eggers: Kriegskarten im Zweiten Weltkrieg. Planung und Herstellung, in: Militärgeographischer Dienst der Bundeswehr. Fachdienstliche Mitteilungen des Obersten Fachvorgesetzten des Militärgeographischen Dienstes, Bonn 1974, S. 19–36, hier S. 28 f. Vgl. ebd., S. 30. Vgl. Hermann Häusler: Forschungsstaffel z.b.V. Eine Sondereinheit zur militärgeographischen Beurteilung des Geländes im 2. Weltkrieg, Wien 2007, S. 26. Vgl. Eggers: Kriegskarten, S. 30. Zeitgleich baute die Abwehrabteilung des OKW in Tanger, Bizerta und anderen Städten der französischen Nordafrika-Kolonien eine Reihe von Abwehrstellen auf, um die Stimmung der Bevölkerung sowie die Aktivitäten der gegnerischen Nachrichtendienste zu eruieren. Eggers: Kriegskarten, S. 30; Häusler: Forschungsstaffel, S. 26. Zu den ungenauen italienischen Karten vgl. Wolfgang Pillewizer: Zwischen Alpen, Arktis und Karakorum. Fünf Jahrzehnte kartographische Arbeit und glaziologische Forschung, Berlin (West) 1986, S. 37–39,
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30 Vgl. dazu Tabelle 2 im Anhang. 31 Abschrift eines Erlasses des Chefs des OKW betr. Aufstellung „Sonderkommando Dora“, 26.1.1942, BArch-MA Freiburg, RL 1/47 (unp.); Abschrift eines Erlasses des Chefs der Heeresrüstung und Oberbefehlshabers des Ersatzheeres des OKH betr. Aufstellung „Sonderkommando Dora“, 16.2.1942, ebd. Als „Aufstellungsendtag“ galt der 1.3.1942. Ebd. 32 Anlage zur Dienstanweisung des OKW (Amt Ausland/Abwehr) für das „Sonderkommando Dora“, 27.3.1942, ebd. 33 Dienstanweisung des OKW (Amt Ausland/Abwehr) für das „Sonderkommando Dora“, 27.3.1942, ebd. Vgl. ferner auch Häusler, der jedoch keine Quellennachweise aufführt. Häusler: Forschungsstaffel, S. 32 f. 34 Vgl. Bericht von Günter Caulier-Eimbcke an Major Edmund Tilly betr. Interrogation durch Major Tilly vom 14.11.1946 über meinen Lebenslauf und meine Tätigkeit, S. 3, 17.11.1946, NAL (Kew), FO 1031/114 (unp.). 35 Vermerk von Caulier-Eimbcke betr. „Unternehmung Dora“, 30.7.1942, BArch Berlin, R 43/4091, Bl. 90 f. 36 Im Oktober 1942 zählte das gesamte Kommando bereits 126 Mann. Vgl. Bericht von Wolfgang Pillewizer: Sonderkommando Dora (Special Unit Dora), S. 2, 20.7.1946, NAL (Kew), FO 1031/110 (unp.); Brief des Leiters des Geschäftsführenden Beirats des RFR, Rudolf Mentzel, an den Chef des Allgemeinen Wehrmachtamtes, Generalleutnant Hermann Reinecke, 6.2.1943, BArch Berlin, R 26 III/204a (unp.). 37 Vgl. Bericht vom Kommandeur des Sonderkommando Dora, Oberstleutnant Haeckel, an das Stabsamt des Reichsmarschalls, 2.4.1942, BArch-MA Freiburg, RL 1/47 (unp.). Die Berichte über die Binnenstruktur des Sonderkommandos Dora variieren in den Quellen. So verwies Schulz-Kampfhenkel in einem Bericht vom Februar 1943 darauf, dass sich das Kommando in eine Fluggruppe, eine Kraftfahrzeug- und Panzerspähgruppe, eine wehrwissenschaftliche Gruppe und eine Nachrichtengruppe unterteilt habe. Vgl. Entwurf eines Schreibens des Leiters des Geschäftsführenden Beirats des Reichsforschungsrates (RFR) an den Chef des Allgemeinen Wehrmachtamtes, Generalleutnant Hermann Reinecke, 6.2.1943, BArch Berlin, R 26 III/204a (unp.). Vgl. auch Häusler: Forschungsstaffel, S. 32. 38 Ladislaus Eduard Almásy: Schwimmer in der Wüste. Auf der Suche nach der Oase Zarzura, hrsg. von Raoul Schrott/Michael Farin, Innsbruck 1997. Vgl. zudem Kuno Gross/Andras Zboray/Michael Rolke: Operation Salam (in Planung). 39 Nikolaus B. Richter: Kriegstagebücher 1942, 2 Teile (unveröffentlicht), Archiv Rolke. 40 Pillewizer: Alpen, S. 34. Zu den wichtigsten militärischen Mitgliedern des „Sonderkommandos Dora“ vgl. Tabelle 3 im Anhang. 41 Vgl. mündlicher Bericht von Friedrich Strohm, 1997 (unveröffentlichtes Manuskript), Archiv Rolke. 42 Allerdings sollte von Oertzen mit seinen Anwerbungen wenig Erfolg haben, da die einheimische Bevölkerung Gegenmaßnahmen der Alliierten befürchtete. Die Kiste, in der sich die Gelder (Louis d’Or) befanden, ließ von Oertzen Anfang Januar 1943 bei seiner Flucht schließlich in Bir el Behera nahezu unangetastet zurück. Vgl. Arndt Heinrich von Oertzen: Erinnerungen, Hamburg 1997 (unveröffentlicht Manuskript), Archiv Rolke. 43 Zu den Mitgliedern der „Gruppe Forschung“ des Sonderkommandos Dora“ vgl. Tabelle 4 im Anhang.
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44 Vgl. Nikolaus Benjamin Richter: Unvergessliche Sahara. Als Maler und Gelehrter durch unerforschte Wüste, hrsg. von Michael Rolke, München 1999, S. 152. Vgl. auch Michael Rolke: „Wüstenvirus“, Wissenschaft und das „Sonderkommando Dora“. Nachwort, in: Richter: Unvergessliche Sahara, S. 213–239, hier S. 220. 45 Brief von Richter an Walter Renger (Benghasi), 10.9.1957, Archiv Rolke. 46 Ebd., S. 2. Vgl. auch Molinari: Desert Raiders, S. 49; Häusler: Forschungsstaffel, S. 34. 47 Vgl. Bericht von Wolfgang Pillewizer: Sonderkommando Dora (Special Unit Dora), S. 2, 20.7.1946, NAL (Kew), FO 1031/110 (unp.). 48 Brief des Kommandeurs des Sonderkommandos Dora an das Stabsamt des Reichsmarschalls betr. Flugbereitschaft des Sonderkommandos Dora, 30.3.1943, BArch-MA Freiburg, RL 1/47 (unp.). Vgl. auch Bericht von Oberstleutnant Herbert Haeckel: Der Südlibyen- und Tibestieinsatz des Sonderkommandos Dora vom 20.6.1942 bis 14.12.1942, Dezember 1942, BArch Berlin, Bestandsergänzungsfilm, Nr. 376, Bl. 7141–7155. 49 Ebd. 50 Vgl. Richter: Kriegstagebücher; Kanter, Forschungsreisen, S. 14. 51 Der Rang „Sonderführer“ wurde von der Wehrmacht im Jahr 1937 für den Mobilmachungsfall eingeführt. Mit der Heranziehung als Sonderführer sollten die zivilen Spezialkenntnisse von Soldaten, die keine oder nur eine ungenügende militärische Ausbildung hatten, genutzt werden. Dieser Personenkreis erhielt meist einen Offizier- oder Unteroffizierdienstrang. Vgl. Rudolf Absolon: Die Wehrmacht im Dritten Reich, 6 Bde., Boppard am Rhein 1969–1995, hier Bd. V, S. 161, 183 ff. Vgl. auch Häusler: Forschungsstaffel, S. 73 f. 52 Brief von Richter an seine Frau Lore, 5.6.1942, Nachlass Richter, Archiv Rolke. Vgl. auch Alfons Gabriel: Fremde Meere, Dschungeln und Wüsten, Wien 1948, S. 234 ff. 53 Richter: Sahara, S. 224 ff. 54 Vgl. Pillewizer: Alpen, S. 44 f. In einem nach dem Krieg erstellten Kurzbericht vermerkte Georg Knetsch, dass während der Unternehmung Dora „ein Teil der Teilnehmer […] gefallen“ sei. Vermerk von Knetsch über das Buch von Richter „Unvergessliche Sahara“, ohne Datum, Ordner „Forschungsstaffel z. b. V.“, Akten Dr. Willy Eggers (1970), MHM Dresden, Inv.-Nr. BBAL4095/Theodor Müller-Bestand. 55 Vgl. Bericht des Kommandeurs des Sonderkommando Dora, Herbert Haeckel: Der Südlibyen- und Tibestieinsatz des Sonderkommandos Dora vom 20.4.1942 bis 14.12.1942, Dezember 1942, BArch Berlin, Bestandsergänzungsfilm Nr. 376, Bl. 7141–7144. 56 Nikolaus B. Richter: Auf dem Weg zur schwarzen Oase, Leipzig 1958, S. 213 f. 57 Richter: Sahara, S. 227. 58 Ebd., S. 226. Vgl. auch Pillewizer: Alpen, S. 33 f. 59 Gabriel: Meere, S. 236. 60 Kanter: Forschungsreisen, S. 14. 61 Vgl. Nikolaus Benjamin Richter: Zum Beitrag der deutschen Wissenschaft an der Erforschung der zentralen Sahara in neuerer Zeit, in: Forschungen und Fortschritte 30 (1956), Heft 12, S. 356. Kanter: Forschungsreisen, S. 15. Ein gegensätzliches Beispiel findet sich in Pillewizer: Alpen, S. 36. 62 Vgl. Sören Flachowsky: Der Bevollmächtigte für Hochfrequenzforschung des Reichsforschungsrates und die Organisation der deutschen Radarforschung in der Endphase des Zwei ten Weltkrieges 1942–1945, in: Technikgeschichte 72 (2005), Heft 3, S. 203–226, hier S. 206.
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63 Vgl. Helmut Maier: Luftfahrtforschung im Nationalsozialismus, in: Helmuth Trischler/KaiUwe Schrogl (Hg.): Ein Jahrhundert im Flug. Luft- und Raumfahrtforschung in Deutschland 1907–2007, Frankfurt am Main 2007, S. 104–122, hier S. 118 f. 64 Richter: Sahara, S. 221–223. Vgl. auch Amt Ausland/Abwehr des OKW (Abt. I): Vorläufiger Ergebnisbericht über eine Erkundung in der mittleren libyschen Sahara zwischen der Oase Sebha (Hon) und Gat (Erkundung Gat vom 25.8 bis 4.9.1942), November 1942, Royal Geographical Society, London. 65 Geheimrat Dr. Dr. Ludwig Gustav Alois Zöhrer (1906–1983) hatte in Wien im Fach Jura (1934) und in den Fächern Ethnologie und Afrikanistik (1938) promoviert, mehrere Expeditionen in die Sahara-Region unternommen und galt als Sahara-Experte. Von 1939 bis 1945 diente er in der deutschen Luftwaffe, seit Sommer 1942 in der Gruppe Forschung des „Sonderkommandos Dora“. Er war auf eigenes Ansuchen dem „Sonderkommando Dora“ zugeteilt worden. Zöhrer sprach Englisch, Französisch, Italienisch, Holländisch, Arabisch und weitere sieben afrikanische Sprachen. Beim „Sonderkommando Dora“ hatte er daher als Kontaktmann zu den Italienern sowie zur arabischen Bevölkerung gedient. Aufgrund des Nord afrika-Einsatzes konnte er 1942 der Einladung des Doyens der Berliner Afrikanistik Diedrich Westermann, sich am großangelegten „Handbuch der afrikanischen Stämme“ zu beteiligen, nicht nachkommen. Nach dem Krieg Mitarbeiter u. a. des österreichischen Handelsministeriums und der UNSECO, besuchte er mehrfach Nordafrika. Vgl. Ludwig Zöhrer an Diedrich Westermann, 23.3.1942, Archiv der Universität Wien, Institut für Ethnologie, A.1.14; ders.: Curriculm Vitae, 3.6.1955, ebd., A.1.4 (9); ders.: Lebenslauf, undatiert [ca. 1955], ebd.; Information von Georg Zöhrer, Archiv Rolke. 66 Vgl. Richter: Sahara, S. 216. 67 Vgl. Mündlicher Bericht von Gerhard Parlitz, 1997 (Manuskript), Archiv Rolke; Kanter: Forschungsreisen, S. 14. 68 Vgl. Wolfgang A. Brucklacher: Bildbefliegungen und kartographische Arbeiten des Kommandos Bildoffizier der Forschungsstaffel, in: Erwin Böhm/Walter Brucklacher/Wolfgang Pillewizer: Luftbildinterpretation und Geländevergleich. Die Tätigkeit der Forschungsstaffel von 1943–1945. Wien 1989, S. 17–24, hier S. 17. 69 Vgl. Pillwizer: Alpen, S. 25–27. 70 Vgl. Arndt Heinrich von Oertzen: Schriftlicher Bericht über das Sonderkommando Dora, Hamburg 1997 (Manuskript), Archiv Rolke. Vgl. ferner auch Mündlicher Bericht von Walter Scheeder an M. Rolke, 1997. 71 Vgl. Walter A. Brucklacher: Schriftlicher Bericht vom Sahara-Einsatz im Sonderkommando Dora, Heidenheim 1990 (unveröffentlichtes Manuskript), Archiv Rolke. 72 Vgl. Bericht von Wolfgang Pillewizer über die Forschungsstaffel z.b.V., 17.7.1947, NAL (Kew), FO 1031/110 (unp.). 73 Vgl. Pillewizer: Alpen, S. 33; Häusler: Forschungsstaffel, S. 48–50. Zur Erprobung des Kübelwagens für einen Einsatz unter Wüstenbedingungen vgl. Hans Mommsen/Manfred Grieger: Das Volkswagenwerk und seine Arbeiter im Dritten Reich, Düsseldorf 31997, S. 490. 74 Vgl. Ludwig F. Schmidt: Schulz-Kampfhenkel Combination Mapping Method. Britisch Intelligence Objectives Sub-Committee (BIOS), Interrogation Report No. 178, 4.10.1946, S. 1–20, hier S. 3, Imperial War Museum (IWM), Duxford. 75 Vgl. Brucklacher: Bildbefliegungen, S. 21; Richter: Sahara, S. 230.
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76 Vgl. Bericht von Wolfgang Pillewizer: Sonderkommando Dora (Special Unit Dora), S. 1, 20.7.1946, NAL (Kew), FO 1031/110 (unp.). 77 Zum Verfahren der Routenaufnahme mit Hilfe des Sekundentheodoliten vgl. Wolfgang Pillewizer: Die Kartenaufnahme in unerforschten Gebieten, in: Kartographische Nachrichten 15 (1965), Heft 2, S. 65–75, hier S. 66–72. 78 Vgl. Amt Ausland/Abwehr des OKW: Bericht von der Geländeerkundung des Sonderkommandos Dora in der mittleren und südlichen Sahara, Teil I (Erkundung Ost), Oktober 1942, BArch-MA Freiburg, RW 5/737 (unp.); Amt Ausland/Abwehr des OKW: Bericht von der Geländeerkundung des Sonderkommandos Dora in der mittleren und südlichen Sahara, Teil II (Erkundung West), Oktober 1942, BArch-MA Freiburg, RW 5/738 (unp.). Auf verschiedenen Fahrten entlang der damaligen „Erkundung Ost“ konnte M. Rolke feststellen, dass die „Gruppe Forschung“ des „Sonderkommandos Dora“ recht genau gearbeitet hat. Die Ungenauigkeit der damaligen Sekundentheodolit-Messungen gegenüber den heute genaueren GPS-Messungen liegt beim „Lager Serir Kalanscho“ bei ca. 300 m in der Breite an dem damals festgestellten astronomischen Messpunkt, den man im August 1996 ohne Schwierigkeiten finden konnte. Die Längenbestimmung war hier exakt. 79 Vgl. The Zeiss Tilting Phototheodolite Model C/6a, its method of use by the P.D.E. and an examination of its accuracy in these conditions, November 1944, NAL (Kew), AVIA 41/259. 80 Wolfgang Pillewizer: Die Kartenaufnahme in unerforschten Gebieten, in: Kartographische Nachrichten 2 (1965), S. 67. 81 Vgl. Pillewizer: Alpen, S. 13–19. 82 C. Plath: Werksinterne Schrift über die Geschichte des Hauses C. Plath, Hamburg o. J. 83 Richter: Kriegstagebücher. 84 Vgl. ebd. 85 Gebrauchsanweisung zum Ultraviolett-Dosimeter, I.G. Farben, Ludwigshafen o.J., Archiv Rolke. 86 Als lichtempfindliches System diente dabei eine farblose, in ein Quarzrohr eingeschlossene Flüssigkeit. Diese färbte sich bei Belichtung mit ultravioletter Strahlung rot und entfärbte sich wieder im Dunkeln. Die Rotfärbung der Testlösung war umso stärker, je intensiver die zu prüfende UV-Strahlung war. Vgl. Richter, Kriegstagebücher. 87 Die Entwicklung der Luftbildarbeit zur Landeserforschung, etwa im Bereich der Luftbildinterpretation, hatte im und besonders nach dem Ersten Weltkrieg ihren ersten Aufschwung erlebt. So wurden Luftbilder bereits lange vor dem Einsatz des „Sonderkommandos Dora“ neben militärischen Aspekten, für die Beobachtung von Landschaftsveränderungen, für Erkenntnisse über Feldbau und Siedlung, aber auch für archäologische Untersuchungen und Erdölprospektierungen genutzt. Vgl. Siegfried Schneider: Die Stellung der Luftbildinterpretation in der Landeserforschung, in: Bildmessung und Luftbildwesen. Zeitschrift für alle Zweige der Photogrammetrie und ihre Randgebiete 30 (1962), Heft 1, S. 20–26, hier S. 20 f.; Adolf Miethe/Ewald: Das Fliegerbild als Aufklärungsmittel, in: Adolf Miethe (Hg.): Die Technik im zwanzigsten Jahrhundert, Bd. 5: Bauingenieurwesen, Küstenbefeuerung, Luftbilderkundung, Braunschweig 1920, S. 261–317; Carl Troll: Luftbildplan und ökologische Bodenforschung. Ihr zweckmäßiger Einsatz für die wissenschaftliche Erforschung und praktische Erschließung wenig bekannter Länder, in: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin (1939), Heft 7/8, S. 241–298.
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88 Vgl. Ludwig F. Schmidt: Schulz-Kampfhenkel Combination Mapping Method, BIOS Interrogation Report No. 178, 4.10.1946, IWM Duxford, S. 8. 89 Vgl. Bericht von Wolfgang Pillewizer über die Forschungsstaffel z.b.V., 17.7.1947, NAL (Kew), FO 1031/110 (unp.). 90 Vgl. Walter A. Brucklacher: Beitrag zur Planung, Vorbereitung und Durchführung photogrammetrischer Bildflüge. Diss. TH München 1957, S. 42 f. Vgl. auch Pillewizer: Alpen, S. 46. 91 OKW (Abteilung Ausland/Abwehr): Bericht von der Geländeerkundung des Sonderkommandos Dora in der mittleren und südlichen Sahara, Teil I (Erkundung Ost), Oktober 1942, BArch-MA Freiburg, RW 5/737 (unp.). 92 Vgl. die Berichte des Kommandeurs des Sonderkommando Dora, Herbert Haeckel: Der Südlibyen- und Tibestieinsatz des Sonderkommandos Dora vom 20.4.1942 bis 14.12.1942, Dezember 1942, BArch Berlin, Bestandsergänzungsfilm Nr. 376, Bl. 7141–7144. 93 Vgl. Häusler: Forschungsstaffel, S. 38–45. 94 Zur „terrestrisch-topographischen Vermessung“ vgl. Günter Hake/Dietmar Grüneich: Kartographie, Berlin/New York 71994, S. 250–260, hier S. 260. 95 Vgl. OKW (Abteilung Ausland/Abwehr): Bericht von der Geländeerkundung des Sonderkommandos Dora in der mittleren und südlichen Sahara, Teil II (Erkundung West), Oktober 1942, ebd. Der Geograph Richard Finsterwalder legte 1943 dar, dass die astronomische Ortsbestimmung mit einem Theodoliten der wichtigste Teil einer per Routenaufnahme ermittelten Kartierung sei. Die festgestellten astronomischen Punkte (Astrofixe) bilden demnach die Grundlage für die Kartenerstellung. Die günstigsten Abstände zwischen den Astrofixen erblickte Finsterwalder allerdings in einer Entfernung zwischen 50 und 100 Kilometern. Der Vorteil dieser Methode war, dass Routenaufnahmen nun in relativ kurzer Zeit sehr genau erstellt werden konnten. Diese Methode war jedoch nicht neu, denn R. A. Bagnold hatte sie bereits 1928 bei seinen Versuchsfahrten in der Libyschen Wüste Ägyptens angewandt. Auf dieser Basis führte daher auch die britische Long Range Desert Group ihre Routenaufnahmen in der Sahara durch. Vgl. Finsterwalder: Vermessungswesen, S. 57, 83, 171, 270. R. A. Bagnold: Libyan Sands – Travel in a Dead World, London 1987 (Nachdruck der Ausgabe von 1935), S. 126 f. Zur astronomischen Ortsbestimmung im Rahmen des „Sonderkommandos Dora“ vgl. auch Richter: Sahara, S. 216; Pillewizer: Alpen, S. 31 f., 34 f., 45. 96 Vgl. Häusler: Forschungsstaffel, S. 35–37; Michael Rolke: Die Karten des „Sonderkommando Dora“. 23 Karten A3, München 2003. 97 Vgl. Brucklacher: Beitrag (1957), S. 41 ff. 98 Vgl. ebd.; ders., Beitrag (1952), S. 32, 59. 99 Häusler: Forschungsstaffel, S. 37. 100 Vgl. Häusler: Forschungsstaffel, S. 37; Bericht von Wolfgang Pillewizer: Sonderkommando Dora (Special Unit Dora), S. 1, 20.7.1946, NAL (Kew), FO 1031/110 (unp.). 101 Vgl. Bericht von Haeckel: Der Südlibyen- und Tibestieinsatz des Sonderkommandos Dora vom 20.4.1942 bis 14.12.1942, Dezember 1942, BArch Berlin, Bestandsergänzungsfilm Nr. 376, Bl. 7141–7144. 102 Vgl. Bericht von Herbert Haeckel: Bericht der Fluggruppe A (Leutnant Schulz-Kampfhenkel), ebd., Bl. 7145–7148.
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103 Vgl. die Berichte von Haeckel: Bericht der Fluggruppe L (Leutnant Frowein); Bericht der Einsatzgruppe A (Leutnant von Oertzen); Bericht der Einsatzgruppe B (Rittmeister Lang); Dezember 1942, ebd., Bl. 7149–7155. 104 Vgl. Richter: Sahara, S. 231. 105 Vgl. Stumpf: Krieg, S. 710–739. 106 Vgl. Brief von Caulier-Eimbcke an die DFG, 4.11.1943, BArch Berlin, R 73/14608 (unp.); Brief von Caulier-Eimbcke an Mentzel, 2.11.1943, BArch Berlin, R 26 III/180 (unp.). Vgl. auch Häusler: Forschungsstaffel, S. 37. 107 Vgl. Lebenslauf Schulz-Kampfhenkels, 1943, BArch Berlin, ehem. BDC, Akte RS (Otto Schulz-Kampfhenkel), (unp.). 108 Bericht von Haeckel: Der Südlibyen- und Tibestieinsatz des Sonderkommandos Dora vom 20.4.1942 bis 14.12.1942, Dezember 1942, BArch Berlin, Bestandsergänzungsfilm Nr. 376, Bl. 7141–7144. 109 Vgl. Amt Ausland/Abwehr des OKW: Sonderkommando Dora – Kartenskizze der Umgebung des Lagers Bir Mushuru, 1:25.000, 1942, Nachlass Nikolaus B. Richter, Royal Geographical Society, London. Die Geographen Kanter und Schiffers bearbeiteten und korrigierten beim Kommando „Theo“ in Rheda im Anschluss an die Dora-Unternehmungen verschiedene Kartenblätter der libyschen Wüste. Vgl. Kanter: Forschungsreisen, S. 14. 110 Vgl. Ludwig F. Schmidt: Schulz-Kampfhenkel Combination Mapping Method, BIOS Interrogation Report No. 178, 4.10.1946, IWM Duxford, S. 8. 111 Vgl. Amt Ausland/Abwehr des OKW: Bericht von der Geländeerkundung des Sonderkommandos Dora in der mittleren und südlichen Sahara, Teil I (Erkundung Ost), Oktober 1942, BArch-MA Freiburg, RW 5/737 (unp.); Amt Ausland/Abwehr des OKW: Bericht von der Geländeerkundung des Sonderkommandos Dora in der mittleren und südlichen Sahara, Teil II (Erkundung West), Oktober 1942, BArch-MA Freiburg, RW 5/738 (unp.); Amt Ausland/ Abwehr des OKW: Bericht III: Bericht über die Nachschubwege nach Südlibyen (Westteil), Oktober 1942, ebd.; Amt Ausland/Abwehr I des OKW: Vorläufiger Ergebnisbericht über eine Erkundung in der mittleren libyschen Sahara zwischen der Oase Sebha (Hon) und Gat (Erkundung Gat vom 25.8. bis 4.9.1942), November 1942, Royal Geographical Society London, ohne Signatur; Amt Ausland/Abwehr I des OKW: Bericht über einen Aufklärungs- und Bildflug Tibesti vom 7.11.1942, November 1942, ebd., ohne Signatur; Amt Ausland/Abwehr I des OKW: Entfernungstafel in Klm (Libyen), 1942, ebd. ohne Signatur; Amt Ausland/Abwehr I des OKW: Routenkarten Oberkommando der Wehrmacht (g), Amt Auslands-Abwehr I: Sonderkommando Dora – Routenaufnahmen und Bildtafeln der „Erkundung Ost“, Kartenblätter 1 – 9, 1:200.000, Libyen 1942; BArch-MA Freiburg, RW 5/733; Routenaufnahmen der „Erkundung West“, Routenaufnahmen der „Erkundungsfahrt nach Gat“, Routenaufnahmen der „Erkundung Serir Tibesti“, Kartenskizze des Djebel ed-Dora, Kartenskizze der Umgebung des Lagers Bir Mushuru, ebd.; Kroki der Umgebung des Astronomischen Punktes Kegelberg, Nachlass Richter, Archiv Rolke. 112 Vgl. die Berichte von Haeckel: 1. Der Südlibyen- und Tibestieinsatz des Sonderkommandos Dora vom 20.4.1942 bis 14.12.1942, 2. Bericht der Fluggruppe A (Leutnant Schulz-Kampfhenkel); 3. Bericht der Fluggruppe L (Leutnant Frowein); 4. Bericht der Einsatzgruppe A (Leutnant von Oertzen); 5. Bericht der Einsatzgruppe B (Rittmeister Land); Dezember 1942, BArch Berlin, Bestandsergänzungsfilm Nr. 376, Bl. 7141–7155.
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113 Dierk Willig: Entwicklung der Wehrgeologie. Aufgabenspektrum und Beispiele: Bd. II: Von 1918 bis 1945 (Amt für Wehrgeophysik, Fachliche Mitteilungen, Nr. 226), Traben-Trarbach 2002, S. 51. 114 Nach dem Zweiten Weltkrieg verpflichteten die Amerikaner Brucklacher für ihre „Photogrammetry school“ in München, um diesen Rückstand aufzuholen. Wie Brucklacher berichtete, benutzte er für seine Kurse Fotomaterial, das er im Krieg selbst erbracht und zu Kartierungszwecken weitergegeben hatte. Das dafür notwendige Material stellten die Amerikaner zur Verfügung. Mündliche Auskunft von Jürgen Brucklacher 1999. 115 Brief des Generalstabs, 7. Abteilung (Karten und Luftgeographie) des RLM und Ob.d.L. an das Amt Ausland/Abwehr der OKW (I H West) betr. Ergebnisse der Geländeerkundungen des Sonderkommandos Dora in der mittleren und südlichen libyschen Sahara, 21.10.1942, BArch-MA Freiburg, RW 5/739, Bl. 30. 116 Brief der Abteilung Fremde Heeres West (IV) des Generalstab des Heeres an das Amt Ausland/Abwehr des OKW (I H West) betr. Ergebnisse der Geländeerkundungen des Sonderkommandos Dora in der mittleren und südlichen libyschen Sahara, ebd., Bl. 31. 117 Brief der Abteilung für Kriegskarten und Vermessungswesen W (IV) bei Generalstab des Heeres an das Amt Ausland/Abwehr des OKW (I H West), 21.10.1942, betr. Ergebnisse der Geländeerkundungen des Sonderkommandos Dora in der mittleren und südlichen libyschen Sahara, ebd., Bl. 33 f. 118 Brief der Abteilung Pl. A./III der Heeresplankammer an das Amt Ausland/Abwehr des OKW (I H West) betr. Ergebnisse der Geländeerkundungen des Sonderkommandos Dora in der mittleren und südlichen libyschen Sahara, Oktober 1942, ebd., Bl. 35 f. 119 Denkschrift Schulz-Kampfhenkels (Forschungsgruppe Schulz-Kampfhenkel. Arbeitsgemeinschaft für wissenschaftliche Expeditionen, Naturforschung und Völkerkunde e.V., Berlin) betr. Einsatz militärischer Forschungskommandos für dringende Erschließungsaufgaben in ungenügend bekannten Kriegsgebieten nach dem bewährten Muster des Sonderkommandos Dora in Afrika, 31.10.1942, ebd., Bl. 28–37.
„Die Forschungsgruppe Schulz-Kampfhenkel steht jetzt für Ostaufgaben zur Verfügung.“1 Otto Schulz-Kampfhenkel als Beauftragter für Sonderaufgaben der erdkundlichen Forschung Sören Flachowsky
1. Neue Ziele Der Einsatz des „Sonderkommandos Dora“ in der libyschen Sahara begann im Mai 1942 und dauerte bis zum Ende des Jahres an. Während des ersten Abschnitts (Mai bis Oktober) führten „motorisierte Langstrecken-Wüstenpatrouillen“ im Osten und Süden Libyens taktische Aufklärungsmanöver durch, um die von der Luftwaffe und vom Heer benötigten kartographischen und militärgeographischen Unterlagen herzustellen. Als sich Ende Oktober 1942 die militärische Lage des Deutschen Afrika-Korps zunehmend verschlechterte und das „Sonderkommando Dora“ mit alarmierenden Meldungen über gegnerische Truppenbewegungen in Südlibyen überhäuft wurde, dehnten sich die Vorstöße des Kommandos im November und Dezember 1942 in den Tschad, also nach Französisch-Äquatorialafrika aus.2 Als Leiter der „Fluggruppe A“ flog Schulz-Kampfhenkel in dieser Zeit verschiedene Einsätze zur Sicherung der Bodenerkundungsteams und führte selbst Aufklärungs- und Erkundungsaufgaben durch.3 Obwohl sich die Situation auf dem afrikanischen Kriegsschauplatz zu diesem Zeitpunkt also erheblich zuspitzte, war Schulz-Kampfhenkel Ende Oktober 1942 zwischenzeitlich nach Deutschland gereist, um in geheimen Gesprächen weitreichende Vorkehrungen für seine Zukunft zu treffen. In Berlin erstattete er nicht nur mit seinem langjährigen Förderer, dem Chef der Reichskanzlei Hans Heinrich Lammers, Bericht4, sondern informierte auch den stellvertretenden Chef des Wehrmachtsstabes, Generalleutnant Walter Warlimont und seine Vorgesetzten im Amt Ausland/Abwehr des OKW über die Ergebnisse der Geländeerkundungen in Afrika.5 Die Vorstellung bei seiner vorgesetzten Behörde war jedoch nicht der alleinige Grund für die Reise Schulz-Kampfhenkels nach Berlin. Vielmehr war er seit Wochen damit beschäftigt, seiner zivilen „Forschungsgruppe“ neue Tätigkeitsfelder zu erschließen. Zu diesem Zweck sollte sie in den Reichsforschungs-
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rat (RFR) eingebunden werden und somit „amtliche Autorität“ erhalten. SchulzKampfhenkel hatte vor, seine Forschungsgruppe zur Zentrale der auslandskundlichen Forschung auszubauen. Den Zeitpunkt für seinen Vorstoß hatte er günstig gewählt, denn im nationalsozialistischen Wissenschaftsbetrieb vollzogen sich im Verlauf des Jahres 1942 tiefgreifende Veränderungen. Neben strukturellen Umbauten innerhalb der Forschungsorganisationen der Luftwaffe und der Marine, die ihren Ausdruck in der Bildung der „Forschungsführung“ (FoFü) des Reichsluftfahrtministeriums (RLM) und der Entstehung der Abteilung „Forschung, Entwicklungs- und Patentwesen“ (FEP) der Kriegsmarine fanden, erstreckten sich die Neuordnungsbemühungen vor allem auf den Reichsforschungsrat der – so hatte es zunächst den Anschein – zur Steuerungsinstanz der gesamten Forschung ausgebaut werden sollte.6 Der RFR war 1937 gegründet worden. Er ging auf eine Interessenallianz von Heereswaffenamt und Reichserziehungsministerium zurück, und sollte die natur- und technikwissenschaftliche Forschung auf die Ziele des 1936 verkündeten Vierjahresplanes ausrichten. Aufbauend auf den in diesem Wirtschaftsprogramm sanktionierten Grundaxiomen der „Rohstoffautarkie“ und der „Wehrhaftmachung“ Deutschlands fanden sich die wichtigsten Schwerpunktbereiche des Vierjahresplanes, wie zum Beispiel Eisen und Stahl, Chemie, Forst- und Holzforschung, Landbau oder Nichteisenmetalle, im RFR als eigenständige Fachsparten wieder. An die Spitze dieser Fachsparten wurden meist anerkannte Wissenschaftler berufen, die für die Beurteilung und Vergabe von Forschungsaufträgen verantwortlich zeichneten. Zum Präsidenten des RFR wurde der Chef des Heereswaffenamtes, General Karl Becker, ernannt. Der Selbstmord Beckers im April 1940 führte jedoch zu einer Reorganisation des RFR. Durch einen von Hitler am 9. Juni 1942 unterzeichneten Erlass wurde der Reichsforschungsrat Hermann Göring zur konzentrierten Förderung der Forschung unterstellt. „Führende Männer der Wissenschaft“, so hieß es in diesem Erlass, sollten die Forschung „auf ihren Sondergebieten in Gemeinschaftsarbeit“ für die Kriegsführung nutzbar machen.7 Die Koordination dieser Aufgabe übernahm der NS-Wissenschaftsfunktionär Rudolf Mentzel, der im September 1942 zum Leiter des Geschäftsführenden Beirats des RFR ernannt wurde und somit zum faktischen Leiter des Reichsforschungsrates avancierte.8 Für Mentzel – gleichzeitig Chef des Amtes „Wissenschaft“ im Reichserziehungsministerium (REM) und Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) – war Schulz-Kampfhenkel kein Unbekannter. Das REM hatte diesen bereits 1935 bei der Durchführung der „Deutschen Amazonas-Jary-Expedition“ finanziell unterstützt9, und 1940 hatte sich auch die DFG bereit erklärt, den von Schulz-Kampfhenkel vorgelegten „Plan einer deutsch-sowjetrussischen Expedition nach Ost-Sibirien“ zu protegieren.10 Die Grundlage für die geplante Expedition und alle folgenden Unter-
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nehmungen bildete die „Forschungsgruppe Schulz-Kampfhenkel“ (Arbeitsgemeinschaft für wissenschaftliche Expeditionen, Naturforschung und Völkerkunde e. V.), die Schulz-Kampfhenkel 1940 ins Leben gerufen hatte.11 Ausgehend von deren „Afrikaeinsatz“ im Rahmen des „Sonderkommandos Dora“ plante der von „einem totalen Organisationsehrgeiz“ besessene Schulz-Kampfhenkel nun Auslandseinsätze in großem Maßstab.12 Um den Fortbestand und den Ausbau seiner in Afrika „bewährten“ Forschungsgruppe sicherzustellen, traf er im Oktober 1942 mit Mentzel zusammen, mit dem er über den Einbau der Forschungsgruppe in den neuen Reichsforschungsrat verhandelte. Dabei bezog er sich auf eine Unterredung, die er bereits im Juni 1941 mit Mentzel geführt hatte. Dieser hatte Schulz-Kampfhenkel dabei offenbar in Aussicht gestellt, dessen „Forschungsgruppe“ in Form einer „Stelle für Expeditionswesen“ enger mit der DFG oder der Kolonialwissenschaftlichen Abteilung des Reichsforschungsrates zu verbinden.13 Zu diesem Zweck legte Schulz-Kampfhenkel Mentzel im Oktober 1942 eine Denkschrift vor, die die voluntaristischen, ja überheblichen Zielsetzungen Schulz-Kampfhenkels offenbarte.14 Mit Blick auf den damals aktuellen Frontverlauf verwies die Denkschrift darauf, dass der Krieg den „militärischen, politischen und wirtschaftlichen Aktionsraum Deutschlands ständig“ ausweite. Von weiten Teilen der in Frage kommenden Gebiete – „Ostraum, Kaukasus, Vorderer Orient, Ägypten, Innerlibyen, Französisch Nord- und Westafrika“ – würden jedoch viele „für Kampf und Erschließung unentbehrliche Unterlagen“ fehlen. Demnach müsse es eine Stelle geben, die in der Lage sei, der Staatsführung derartige Unterlagen „unter gleichzeitiger Berücksichtigung kriegswirtschaftlicher und militärischer Belange kurzfristig und mit geringstmöglichem Aufwand an Menschen und Mitteln“ zu liefern. Solch eine Stelle bestehe in der „Forschungsgruppe Schulz-Kampfhenkel“. Diese Gruppe sei finanziell gesichert, verfüge über eigene Geschäftsräume und eine technisch komplette Auswertungsstelle. Zudem habe die „Organisation Todt“ im Hinblick auf die „vor allem im Ostraum“ bevorstehenden Aufgaben unlängst zwei moderne Arbeitsbaracken in der Avus-Nordschleife in Berlin-Halensee errichtet.15 Ihre Bedeutung habe die Forschungsgruppe in einem in Kooperation mit dem OKH und dem Landwirtschaftsministerium durchgeführten Lappland-Unternehmen (1941/42) und als „Gruppe Forschung“ im Rahmen des „Sonderkommandos Dora“ bereits unter Beweis gestellt. Aufbauend auf den Erfahrungen in der Sahara bereite die Forschungsgruppe nun den Ausbau mehrerer militärisch organisierter Sonderkommandos vor, um den laufenden und zukünftigen „Großraumaufgaben“ gewachsen zu sein, wie sie ihr vom RFR, von der Vierjahresplanbehörde, vom Reichsministerium Speer, vom Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete und vom Reichsernährungsministerium gestellt worden seien. Wie weit Schulz-Kampfhenkel den Rahmen steckte, geht aus einer Übersicht
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hervor, die das geplante Aufgabenspektrum seiner Forschungsgruppe veranschaulichte. Demnach sollte sich die Tätigkeit der Gruppe auf folgende Felder erstrecken: – militärisch: Spezialeinsätze (Erkundungsdienst), – wehrwissenschaftlich: Kriegskarten- und Vermessungswesen, Militär- und Luftgeographie, Wehrgeologie, Meteorologie, kolonial-militärischer Straßen- und Wegebau, wehrwirtschaftliche Erschließung natürlicher Hilfsquellen, – zivil: geographische, geologische, meteorologische, biologische, „rassenkundliche“, ethnographische und technische Forschung zur Lösung grundlagenwissenschaftlicher Probleme und zur Lösung schneller praktischer Erschließungsaufgaben (Verkehr, Wirtschaft, Lagerstätten, Züchtungsforschung, Nutzpflanzen- und Haustierforschung, Jagd- und Fischereiwirtschaft, Eingeborenenpolitik, Wegeund Wasserbau, Luftverkehr und Geräteerprobung).16 Um diese Aufgaben durchführen zu können, seien, so Schulz-Kampfhenkel, „nunmehr klare Vollmachten und eine enge Bindung an den neuen Reichsforschungsrat unerlässlich“. Denn nur die „Synthese von Privatinitiative, persönlicher Forscherpassion, amtlicher Autorität und staatlicher Lenkung“ ermögliche den Ausgleich zwischen militärischen und zivilen Forschungsinteressen. Wer der „richtige Führer“ sei, diesen Ausgleich herzustellen, stand für Schulz-Kampfhenkel außer Frage. Denn vor dem Hintergrund der gerade angelaufenen Reorganisation des RFR schlug er kurzerhand vor, ihn als Vorsitzenden der „Forschungsgruppe“ nun auch zum „Beauftragten für Sonderaufgaben der Auslandsforschung im Reichsforschungsrat“ zu ernennen und ihm ein „persönliches Vortragsrecht“ beim Präsidenten des RFR, Göring, einzuräumen. Mehr noch, seine private Forschungsgruppe solle „künftig zu einer repräsentativen, überfachlichen auslandskundlichen Gesellschaft“ ausgebaut werden. Sie solle alle an aktiver Auslandsforschung interessierten Kreise – d. h. „Wissenschaftler und Institute aller Fachgebiete, Kolonialingenieure, Flieger, zivile und militärische Luftfahrtsachverständige, Vertreter der Fachministerien, Wirtschaftler aus Exportindustrie und Außenhandel, Kulturfilmleute [und] Schriftleiter“ – umfassen und als private Körperschaft ohne „sichtbaren Schein staatlicher und parteimäßiger Bindung“ der Staatsführung „für künftige Sonderaufgaben der Forschung im fremdstaatlichen Ausland“ zur Verfügung stehen.17 Als Fernziel schwebte Schulz-Kampfhenkel vor, seine Forschungsgruppe zu einer unabhängigen wissenschaftlichen Expeditions-Gesellschaft mit einem eigenem Institut für Erdkunde und Luftbildforschung, etwa nach Art eines Kaiser-Wilhelm-Instituts, auszubauen.18 Wie viele Akademiker während des Zweiten Weltkrieges wurde auch der selbsternannte Expeditionsfachmann Schulz-Kampfhenkel von einer „regelrechten Neu-
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ordnungs- und Machbarkeitseuphorie“ erfasst.19 Obwohl im Gründungserlass des RFR betont wurde, „führende Männer der Wissenschaft“ seien für die Steuerung der Forschung verantwortlich, maßte sich der vor Jahresfrist promovierte akademische Außenseiter, der keine einzige wissenschaftliche Veröffentlichung vorzuweisen hatte, an, die Führung über die Auslands- und die geographische Hochschulforschung übernehmen zu wollen. Von der Großspurigkeit seiner Planungen zeugte nicht nur „das breite Spektrum der wissenschaftlichen Disziplinen, die Schulz-Kampfhenkel in den Dienst der militärischen Eroberung stellen zu können meinte. Er hatte vor, das Forschungsfeld der unter seiner Führung arbeitenden Wissenschaftler auf den gesamten Erdball auszudehnen“.20 Aus diesem Grund stand ein Teil der etablierten Ordinarien der „sehr umstrittenen Persönlichkeit“ Schulz-Kampfhenkels von Beginn an distanziert gegenüber und empfand die von diesem geplante Organisation als eine „offene Provokation der Wissenschaft“.21 Selbst der Leiter der im SS-„Ahnenerbe“ angesiedelten „Forschungsstätte für Innerasien und Expeditionen“, SS-Sturmbannführer Ernst Schäfer, befürchtete angesichts der Vorstellungen Schulz-Kampfhenkels, dass dieser eine „Monopolstellung“ im Expeditionswesen anstrebte.22 Gefördert wurden solche Animositäten durch die ungestüme, sich über traditionelle innerwissenschaftliche Entscheidungsprozesse hinwegsetzende Art des Parvenüs Schulz-Kampfhenkel. Während die Initiative zur Ernennung eines Bevollmächtigten oder Fachspartenleiters im RFR in der Regel von Vertretern aus Wissenschaft, Industrie, Staat oder Militär ausging, hob sich Schulz-Kampfhenkel gleichsam selbst ins Amt. Dabei stellte er die Forderung, sich als „Sonderbeauftragter“ des RFR keineswegs mit lästigen Verwaltungsaufgaben herumschlagen zu müssen, sondern seinen juvenil-abenteuerlichen Drang ins Ausland weiterhin ausleben zu können. „Als aktiver Forscher und Expeditionsfachmann“, so sein Anspruch, wollte er die künftig geplanten Forschungseinsätze auf vordringliche Kriegsaufgaben ausrichten, und dabei selbst als Leiter eines Kommandos „Feldforschung“ betreiben.23 Angesichts der weitreichenden Forderungen Schulz-Kampfhenkels stellt sich die Frage, wie die Verantwortlichen des RFR darauf reagierten. Aufgabe des Reichsforschungsrates war es, „die Forschung auf die absolut kriegswichtigen und kriegsentscheidenden Dinge auszurichten“.24 Dies sollte vor allem durch ein „problemzentriertes Organisationskonzept“ fachspezifischer Arbeitsringe und Arbeitsgemeinschaften erreicht werden.25 Hinzu kam die Absicht Mentzels, die Forschungsförderungspolitik des RFR nun neben der Industrie auch auf die Interessen der drei Wehrmachtteile auszurichten.26 So berief man aufgrund akuter Probleme im Funkmessgebiet beispielsweise im November 1942 erstmals einen Bevollmächtigten, der sich der Förderung der Radar- und Hochfrequenzforschung annehmen sollte, um die Luft- und Küstenverteidigung im Westen zu stärken.27 In der Folgezeit ernannte die Führung des RFR
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weitere Bevollmächtigte, denen ebenfalls Aufgaben an Brennpunkten der Kriegs- und Rüstungsforschung zugewiesen wurden. Den Bevollmächtigten oblag die Betreuung spezieller „Schwerpunktprogramme“, die sich „gerade aus der akuten Situation und einer zweckbedingten Notwendigkeit ergaben“.28 Wie in anderen Bereichen wurden auch hier neben – oder vor – die hierarchisierten und strukturierten Systeme der Verwaltung flexible ad-hoc-Kompetenzen gesetzt, die auf aktuelle Erfordernisse schnell und effektiv reagieren konnten – mit dem Nachteil, dass dadurch das überkommene Verwaltungssystem sukzessive ausgehöhlt und zum Teil Kompetenzüberschneidungen produziert wurden. Gleichwohl erwiesen sich diese neuen Strukturen keineswegs immer als dysfunktional oder beförderten die Polykratie des NS-Herrschaftssystems. Denn in vielen Fällen trugen die neuen Bevollmächtigten zur „Optimierung der Rüstungsproduktion und der Waffentechnologie“ oder zur Lösung von kriegsrelevanten Problemlagen bei.29 Dies sollte sich, soviel sei bereits vorweggenommen, auch im Fall Schulz-Kampfhenkels zeigen. Da die alliierte Landung in Nordwestafrika und der Rückzug der deutsch-italienischen Truppen nach Tunesien im November und Dezember 1942 den Einsatz des „Sonderkommandos Dora“ in Libyen überflüssig machten, kehrte Schulz-Kampfhenkel am 5. Januar 1943 nach Deutschland zurück.30 Hatte er sich zu diesem Zeitpunkt noch mit der Absicht getragen, seiner Forschungsgruppe neue Einsatzziele im „Ostraum“, im Kaukasus und im Vorderen Orient zu erschließen, ergab sich für ihn nun ein unerwartetes Problem. Denn im Ergebnis der Entwicklung auf dem afrikanischen Kriegsschauplatz beschloss die Abteilung Ausland/Abwehr des OKW im Januar 1943, das „Sonderkommando Dora“ aufzulösen. Der in das Kommando als „Gruppe Forschung“ eingebauten „Forschungsgruppe Schulz-Kampfhenkel“ drohte somit ebenfalls das Aus.31 Ganz sicher hat dies Schulz-Kampfhenkel gehörig aufgeschreckt und über existenzsichernde Maßnahmen nachdenken lassen. Für seine Sache werbend, wandte er sich erneut an Mentzel und muss bei diesem einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen haben, denn der Leiter des Geschäftsführenden Beirats des RFR sandte dem Chef des Allgemeinen Wehrmachtamtes, Generalleutnant Hermann Reinecke, Anfang Februar 1943 ein Schreiben, in dem er sich für Schulz-Kampfhenkel und dessen Zielsetzungen verwendete.32 Wenn man die Auflösung des „Sonderkommandos Dora“ schon nicht verhindern könne, so Mentzel gegenüber Reinecke, müsse man dessen „wissenschaftlichen Teil“ – die „Forschungsgruppe Schulz-Kampfhenkel“ – in eine andere militärische Organisa tionsform überführen. Wie ihr Einsatz in Libyen gezeigt habe, sei diese „wehrgeographische Einsatzgruppe“ von ihrem Gründer von Beginn an „als Anfang eines planvollen Kriegseinsatzes der deutschen Auslandsforschung“ konzipiert gewesen und als „geistig-militärische Sonderwaffe“ für die neuen kriegsbedingten „Großraumaufga-
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ben“ unentbehrlich. Aus diesem Grund stehe auch die Eingliederung der Forschungsgruppe in den Reichsforschungsrat unmittelbar bevor. Da inzwischen jedoch bereits neue Aufträge und Anfragen anderer Dienststellen für den Einsatz der Gruppe in Afrika und im Osten vorlägen, erscheine es ratsam, die militärwissenschaftlichen und einige technische Planstellen des „Sonderkommandos Dora“ jetzt zu einer kleinen selbständigen Dienststelle mit der Bezeichnung „Erkundungsstaffel z.b.V.“ zur unmittelbaren Verfügung des Chefs des OKW zusammenzufassen.33 Die Aufgabe dieser Erkundungsstaffel würde in der Entsendung bewaffneter Kommandos bestehen, „die mit ihrer Ausrüstung autark und somit im Einsatzgebiet unabhängig von der Truppe“ agieren und neben der wehrwissenschaftlich-militärischen Feinderkundung auch eine geographische, kartographische und kriegswirtschaftliche Erkundung ausländischer Großräume durchführen könnten. „Überlegene Geländekenntnis“, so Mentzel weiter, sei in „weiträumigen, ungenügend kartierten Kriegsschauplätzen ein wesentlicher Baustein zum Endsieg“.34 Im Oberkommando der Wehrmacht nahm man den Vorschlag Mentzels nicht nur wohlwollend zur Kenntnis, man reagierte sofort. Bereits im April 1943 übernahm Schulz-Kampfhenkel die Leitung einer neuen „Forschungsstaffel z.b.V.“, die, wie das „Sonderkommando Dora“, der Abteilung Ausland/Abwehr des OKW unterstellt wurde und genau jenes Aufgabenprofil erhielt, das Schulz-Kampfhenkel anvisiert hatte.35 Etwa zeitgleich mit seinem Vorstoß beim Allgemeinen Wehrmachtamt legte Mentzel dem Präsidenten des Reichsforschungsrates, Hermann Göring, den Entwurf eines Erlasses über die Ernennung Schulz-Kampfhenkels zum „Beauftragten für Sonderaufgaben der Auslandsforschung“ im RFR vor. Im Stabsamt des Reichsmarschalls war man mit dem Vorschlag Mentzels einverstanden, legte jedoch Wert darauf, vom Begriff „Auslandsforschung“ Abstand zu nehmen.36 Was Göring zu diesem Standpunkt bewog, geht aus den Akten nicht hervor. Das Veto des RFR-Präsidenten zwang SchulzKampfhenkel jedoch, „angestrengt“ über die neue Formulierung seines Amtstitels nachzudenken. In dieser Frage konferierte er nicht nur mit Mentzel, sondern auch mit seinem Doktorvater, dem Leiter des Geographischen Instituts der Universität Würzburg, Hans Schrepfer. Nach längeren Überlegungen einigte man sich schließlich auf die Bezeichnung eines „Beauftragten für Sonderaufgaben der erdkundlichen Wissenschaften“. Nach den Worten Schrepfers umfasste diese Formulierung nicht nur „alle in Betracht kommenden Fächer“, sie stellte auch die „notwenige Vereinigung der leider immer mehr auseinanderfallenden Spezialfächer der Erdkunde“ sichtbar heraus.37 Im Ergebnis dieser Verhandlungen ernannte Göring Schulz-Kampfhenkel am 2. Mai 1943 zum „Beauftragten für Sonderfragen der erdkundlichen Forschung“ (BEF) im RFR. Das im Ernennungserlass beschriebene, unüberschaubar anmutende Tätigkeitsprofil des BEF entsprach ganz den maßlosen Zielsetzungen Schulz-
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Kampfhenkels. Denn die Aufgabe des neuen RFR-Beauftragten bestand darin, den „verschiedenen militärischen und zivilen Spezialressorts vermessungstechnischer, kartographischer, militär-, luft-, verkehrs- und wirtschaftsgeographischer, geologischer, meteorologischer, biologischer, medizinischer, land- und forstwirtschaftlicher, wasser-, straßenbau- und raumplanungstechnischer u. a. Art“ bei der Lösung solcher Probleme zur Verfügung zu stehen, „die nur in praktischer Zusammenarbeit verschiedener Fachgebiete gelöst werden können“. Damit sollte der BEF „in der Lage sein, jederzeit durch geschulte Einsatzkommandos die notwendigen umfassenden Unterlagen über diese Gebiete unter gleichzeitiger Berücksichtigung verschiedenartiger militärischer und kriegswirtschaftlicher Belange kurzfristig und mit geringstmöglichem Aufwand an Menschen und Mitteln zu liefern“.38 Die von Schulz-Kampfhenkel in Personalunion ebenfalls geleitete „Forschungsstaffel z.b.V.“ beim Amt Ausland/Abwehr des OKW sollte gleichzeitig im Reichsforschungsrat verankert werden, um dem institutionellen Zusammenhang zwischen BEF und OKW-Forschungsstaffel auch nach außen hin sichtbaren Ausdruck zu verleihen.39
2. Eine „geistig-militärische Sonderwaffe“.40 Der Beauftragte für Sonderaufgaben der erdkundlichen Forschung im Reichsforschungsrat Unmittelbar nach seiner Ernennung zum BEF ging Schulz-Kampfhenkel daran, seinen neuen Dienstbereich aufzubauen und ganz auf seine Person zuzuschneiden.41 In einem „Organisationsplan“ legte er dar, dass seine „Kriegsaufgabe“ als Beauftragter des RFR in der „Mobilisierung geeigneter Fachkräfte“ und im „Einsatz geschulter Forschungskommandos zur Erfüllung kriegswichtiger erdkundlicher Forschungs- und Erkundungsbedürfnisse der militärischen, politischen und wirtschaftlichen Führung des Reiches“ bestehe.42 Zur Durchführung dieser Aufgabe standen Schulz-Kampfhenkel drei Arbeitsgruppen zur Verfügung, die er als BEF in Personalunion leitete: 1. die zivile „Forschungsgruppe Schulz-Kampfhenkel. Arbeitsgemeinschaft für wissenschaftliche Expeditionen, Naturforschung und Völkerkunde e.V.“, 2. die militärische „Forschungsstaffel z.b.V.“ des Amtes Ausland/Abwehr des OKW, und 3. die Arbeitsgruppe „Sonderbeauftragte für ergänzende Einzelforschung“ im zivilen und militärischen Sektor, aus der 1944 die „Arbeitsgemeinschaft für wehrwissenschaftliche Geländeforschung“ im RFR hervorging.43
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Das Herz der gesamten BEF-Organisation bildete die zivile „Forschungsgruppe Schulz-Kampfhenkel“, der von ihrem Leiter in geschickter Weise sämtliche administrativen und verwaltungstechnischen Angelegenheiten des BEF zugewiesen wurden. Zur „Vereinfachung der Verwaltung“ stellte Schulz-Kampfhenkel dem BEF seine Forschungsgruppe „zur Verfügung“, um diesem den Aufbau einer eigenen neuen Dienststellenorganisation zu „ersparen“.44 Damit jedoch war der gesamte Apparat des BEF unweigerlich mit der Person Schulz-Kampfhenkels verbunden und der Fortbestand seiner Forschungsgruppe durch staatliche Subventionen auch über das Kriegsende hinaus gesichert. Die Aufgaben der fortan als Verwaltung des BEF fungierenden Forschungsgruppe erstreckten sich auf die Planung und Vorbereitung von Forschungseinsätzen, den Schriftwechsel mit wissenschaftlichen, militärischen, industriellen und staatlichen Institutionen sowie die Vergabe von Aufträgen an die Hochschulforschung und die Forschungsstaffel z.b.V. Hinzu kamen deren Finanzierung, die Mittel-, Material- und Geräteverwaltung und die Veröffentlichung der Forschungsergebnisse. Besonderes Gewicht legte Schulz-Kampfhenkel auf den Aufbau einer eigenen Bücherei und eines umfangreichen, der Forschungsgruppe angegliederten Archivs. Darin sollten sämtliche Text-, Karten-, Bild-, Foto- und Filmergebnisse der überall in Europa operierenden Einsatzkommandos der Forschungsstaffel inventarisiert und aufbewahrt werden. Da dieses Archiv der privaten Forschungsgruppe Schulz-Kampfhenkels angegliedert war, sicherte er sich als deren Leiter die Verwertungsrechte an diesem Material. Darüber hinaus machte er sich mit einem eigenen Archiv von den Bildabteilungen der Wehrmacht und der wissenschaftlichen Luftbildstelle der Abteilung „Landeskunde“ im Reichsamt für Landesaufnahme unabhängig.45 Im Falle eines für Deutschland erfolgreichen Kriegsausganges und der geplanten Errichtung eines Kolonialreichs in Afrika und in Osteuropa war ein enormer Bedarf an aktuellem Bild- und Kartenmaterial zu vermuten, wovon sich Schulz-Kampfhenkel sicher auch finanzielle Gewinne versprach.46 So hatte er bereits während des Afrikaeinsatzes die Mitglieder seiner Forschungsgruppe angewiesen, die Ergebnisse ihrer Untersuchungen nicht unter ihrem Namen, sondern allein unter dem Titel der „Forschungsgruppe Schulz-Kampfhenkel e.V.“ zu veröffentlichen.47 Die so gekennzeichneten Materialien des „Sonderkommandos Dora“ wurden schließlich auch in das Archiv der Forschungsgruppe eingefügt. Zum Chef der Verwaltung des BEF avancierte der aus einer Hamburger Schiffsmaklerfamilie stammende Geschäftsführer der Forschungsgruppe, Günter CaulierEimbcke.48 Ihren Sitz hatte die Verwaltung zunächst in Berlin, später im märkischen Buckow, wo Schulz-Kampfhenkels Eltern lebten. Caulier-Eimbcke sah sich jedoch im August 1943 aufgrund einer Anordnung des Reichsverteidigungskommissars des Bezirks Brandenburg gezwungen, seine Dienststelle ins schlesische Neudorf am
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Gröditzberg im Kreis Goldberg zu verlegen. Zu diesem Zweck wurde dort nicht nur ein Gutshaus beschlagnahmt, Caulier-Eimbcke bat die örtliche Verwaltung zudem, ihm so genannte „Judenmöbel“ zu überlassen, die man eigentlich für die Unterbringung evakuierter Kölner vorgesehen hatte.49 Das zweite Standbein des RFR-Beauftragten Schulz-Kampfhenkel bildete die „Forschungsstaffel z.b.V.“, die während des Krieges das „Aktivorgan“ des BEF für „expeditionsartige Feldforschung an den Fronten und in den besetzten Gebieten“ darstellte.50 Auch der Forschungsstaffel drückte Schulz-Kamphenkel seinen Stempel auf, denn die Mitglieder der im Krieg ruhenden Forschungsgruppe waren Abb. 1 Der Geschäftsführer des BEF Günter gleichzeitig Angehörige der ForschungsCaulier-Eimbcke im Jahr 1944 (Quelle: Niels staffel, womit ihre „unabkömmliche Bohr Library and Archives, American Institute of PhyStellung“ (uk-Stellung) gesichert war.51 sics, College Park, Maryland (MD), USA, Samuel A. Während zivile Expeditionseinsätze der Goudsmit Papers, 1921–1979, Box 26, folder 24). Forschungsgruppe während des Krieges unterblieben, sollten Außeneinsätze nur noch „als militärische Forschungskommandos von der Forschungsstaffel z.b.V. durchgeführt“ werden.52 Die Staffel war ein gemischter Wehrmachtsverband im Rang einer selbständigen Kompanie und umfasste neben Wissenschaftlern Angehörige aller drei Wehrmachtteile. Sie unterstand dem dem Amt Ausland/Abwehr (Abt. I) des OKW unterstellten „Sonderkommando Dora“, das nach seinem Einsatz in Libyen doch nicht aufgelöst, sondern neu organisiert worden war.53 Das nun von Major Fritz Gericke geführte Sonderkommando unterteilte sich in eine militärische „Einsatzgruppe für Abwehraufgaben“ und die selbständige „Forschungsstaffel z.b.V.“. Letztere unterstand dem Befehl SchulzKampfhenkels und hatte die Aufgabe, militärisch organisierte, expeditionsartige Forschungskommandos für den Einsatz an den Fronten und in den „besetzten Gebieten“ zusammenzustellen. Diese Kommandos sollten durch gemischte wissenschaftlichmilitärische Spezialistengruppen, mittels kombinierten Einsatzes von Flugzeugen, Kraftfahrzeugen und Booten, je nach Bedarf für die „schnelle Beschaffung fehlender und ergänzender wehrgeographischer, technischer und kriegswirtschaftlicher Unter-
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lagen über ungenügend bekannte Gebiete im jetzigen und künftigen Einflussbereich des Reiches für die militärische und wirtschaftliche Führung“ sorgen. Die Forschungsstaffel gliederte sich anfangs in einen „Führungs-, Verbindungsund Auswertungsstab“ und einen „Einsatzverband“. Letzterer konnte je nach Bedarf ein oder mehrere Kommandos umfassen und war in die Gruppen „Forschung“, „Flugbereitschaft“ sowie „motorisierte Infanterie, militärische Führung und Sicherung“ unterteilt. Für den Einsatz im „besetzten Ostgebiet“ sah Schulz-Kampfhenkel zunächst eine „Einsatzgruppe Ukraine“ und eine „Einsatzgruppe Ostland“ vor, denen je nach Bedarf ein Luftmessbild-, ein Moor-, ein Baustoff- und ein Militär-GeographieKommando folgen sollten.54 Die Arbeitsgruppe „Sonderbeauftragte für ergänzende Einzelforschung“ bildete die dritte Säule des BEF-Imperiums Schulz-Kampfhenkels. In dieser Gruppe sollten erdkundliche Fachleute, Institute und Körperschaften durch die Erteilung kriegswichtiger Forschungsaufträge herangezogen und der Kriegseinsatz somit auf die geographische Hochschulforschung ausgedehnt werden. Während die „Feldarbeiten“ von den Einsatzkommandos der „Forschungsstaffel z.b.V.“ durchgeführt wurden, oblag den Hochschulinstituten die vorbereitende, ergänzende und auswertende Literatur-, Karten- und Luftbildanalyse. Im Ergebnis dieser arbeitsteiligen Verbindung von Wissenschaft und Militär entstanden zahlreiche für die Kriegsführung wichtige Spezialunterlagen, wie Panzer-, Pionier- und Flusskarten, Pläne für den Stellungsbau oder Luftbildauswertungen für die Aufklärungsverbände der Luftwaffe. Da SchulzKampfhenkel als BEF die Aufgabe zukam, die Hochschulforschung für die Zwecke des Krieges zu mobilisieren, nutzte er diesen Auftrag, um sein Ziel einer in seiner Hand liegenden zentralen Steuerung der erdkundlichen Forschung durchzusetzen. Während er im Juli 1943 noch vorgab, von einer engeren organisatorischen Zusammenfassung dieser dritten Gruppe abzusehen, setzte er ein Jahr später seinen Führungsanspruch auch in dieser Frage durch, indem er die Geographen in der von ihm geleiteten „Arbeitsgemeinschaft für wehrwissenschaftliche Geländeforschung“ des RFR zusammenfasste.55 Nach der Auffassung Schulz-Kampfhenkels war der organisatorische Aufbau seines Amtsbereichs als BEF „straff und elastisch“ gegliedert, denn er lasse einer „organischen Ausweitung oder Beschränkung“ jederzeit Raum.56 Was hier euphemistisch als flexibel gepriesen wurde, erwies sich bei genauerem Hinsehen jedoch als bewusst angelegter Organisations-Wirrwarr, in dem sich mit zunehmender Kriegsdauer nur noch Eingeweihte zurechtfanden.57 Die von Schulz-Kampfhenkel vorgelegten, ständig variierenden Organisationspläne seines Amtsbereichs ähnelten geradezu der vielverzweigten Übersichtszeichnung eines Rangierbahnhofs und deuten an, wie schwer es für Außenstehende war, hier den Durchblick zu behalten. Selbst den Angehöri-
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gen der Forschungsstaffel z.b.V. war oft nicht klar, ob sie nun im Auftrag des BEF, der „Forschungsstaffel“, der „Forschungsgruppe“ oder der „Arbeitsgemeinschaft für wehrwissenschaftliche Geländeforschung“ agierten. Der die Führungsriege um Schulz-Kampfhenkel nach dem Zweiten Weltkrieg vernehmende Mitarbeiter der britischen Field Information Agency, Technical (FIAT), Major Edmund Tilley, konstatierte 1947, dass keines der Mitglieder der Forschungsstaffel in der Lage gewesen sei zu klären, wo die Staffel endete und die Forschungsgruppe begann.58 Was in der Rückschau immer wieder für erhebliche Verwirrung sorgte und zu unklaren Unterstellungsverhältnissen führte, machte jedoch in den Augen Schulz-Kampfhenkels Sinn. Denn durch die Fülle seiner „Ämter“ machte sich der „Multifunktionsträger“ gleichsam „unentbehrlich“, wobei es ihm die variable Auslegung seiner Funktionen ermöglichte, als Militär, Forscher oder staatlich autorisierter Wissenschaftspolitiker, also in verschiedenen Funktionen für ein und den selben Aufgabenbereich in Erscheinung zu treten.59 Die Finanzierung der Forschungsgruppe und der Forschungsstaffel z.b.V. erfolgte durch das Reichswirtschaftsministerium (RWM), das Propagandaministerium (Abteilung Film), die Reichskanzlei, das Reichsernährungsministerium, die Deutsche Forschungsgemeinschaft bzw. den RFR. Ein Teil der Kosten wurde auch von der Wehrmacht getragen, die meist als Abnehmer von Geländebeurteilungskarten in Erscheinung trat.60 Aufgrund einer Vereinbarung mit dem RWM wurde der Forschungsgruppe durch die Wirtschaftsgruppen „Maschinenbau“, „Fahrzeugbau“ und „Chemische Industrie“ beispielsweise je ein Kapital von 500.000 RM in Schatzanweisungen des Deutschen Reiches zur Verfügung gestellt. Die Zinsen, insgesamt jährlich 52.500 RM, wurden der Forschungsgruppe durch den „Technisch-Wirtschaftlichen Beratungsdienst, Berlin“ übertragen, und hingen vermutlich mit den Material- und Geräteerprobungen zusammen, die die Einsatzkommandos der Forschungsstaffel z.b.V. im Auftrag verschiedener Industrieunternehmen (z.B. Volkswagen, Agfa) durchführten. Zusätzlich zu diesen Mitteln wurden die der Forschungsgruppe entstehenden Kosten durch jährliche Mitgliedsbeiträge verschiedener Unternehmen (Carl Zeiss, I.G. Farben A.G., Schering A.G., BMW) gedeckt.61 Aufgrund der Vielzahl der sie fördernden Stellen verfügte Schulz-Kampfhenkels Forschungsgruppe in der Zeit von 1941 bis 1944 über ca. 700.000 RM.62 Hinzu kamen noch mindestens 271.500 RM, die Schulz-Kampfhenkel als BEF zwischen November 1943 und Dezember 1944 vom RFR erhielt. Diese Mittel wurden zur Finanzierung der seinem Betreuungsbereich unterstehenden Hochschulforscher verwendet, die mit der wissenschaftlichen Auswertung der Erkundungen der Forschungsstaffel z.b.V. beauftragt waren.63
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2.1. „Zunächst sind die für den russischen Raum vorliegenden Aufträge auszuführen.“64 Sondereinsätze für zivile und militärische Dienststellen Wie Schulz-Kamphenkel in der „Dienstanweisung“ für seinen Arbeitsbereich als BEF festlegte, sollten die Aufträge militärischer Ressorts von der Forschungsstaffel z.b.V. und die Aufträge ziviler Dienststellen von der Forschungsgruppe bearbeitet werden – ein Anspruch, der nur schwer einzulösen war, da sich die Aufträge oft deckten.65 Bereits vor seiner offiziellen Ernennung zum Beauftragten des RFR führte die Forschungsgruppe Schulz-Kampfhenkels „Spezialeinsätze“ für verschiedene Behörden durch, die sich in erster Linie auf die „besetzten Ostgebiete“ erstreckten. Als BEF bestanden seine Hauptaufgaben nun vor allem in der: – Schaffung von Vermessungsluftbildern, Bildplanskizzen und Bildplänen für: Schieß karten, Befestigungsbauten, Industrieverlagerungen, Kraftwerkbauten, Quarzbau, Ölschieferabbau, Erdölprospektierungen, Holzeinschlag- und Abfuhr sowie Kolchosenaufteilung im „Ostland, in Weissruthenien und der Ukraine“. – Schaffung neuer militärgeographischer Geländekarten auf der Grundlage pflanzensoziologischer Auswertung von Bildplanskizzen. Stereoskopische Luftbildauswertung zur schnellen Gewinnung von Unterlagen über die Landungsmöglichkeiten in Küstengebieten, Wassertiefen im Küstenbereich, Befahrbarkeit und Speermöglichkeit von Bergländern, Tälern und Pässen, den Festungs- und Straßenbau, die Gewinnung von Befahrbarkeits-, Begehbarkeits- und Stellungsbaukarten und die Schaffung von Unterlagen für die Tarnung von Befestigungswerken. – Baustofferkundung in den Bereichen der Heeresgruppen „Nord“ und „Mitte“ und der Reichskommissariate „Ostland“ und „Ukraine“. – Vegetations- und Bodenkartierung in den baltischen Ländern und „Revision der russischen Vegetations- und Bodenkarten der Ukraine für die Landbauplanung in den besetzten Ostgebieten“. Schaffung fehlender seuchenhygienischer und arzneipflanzengeographischer Unterlagen sowie Forschungen zur Faserpflanzen- und Zellstoffgewinnung in der Ukraine. – Feldstärkemessungen (Wellenausbreitung) für die Forschungsanstalt der Deutschen Reichspost.66 Im März 1943 erteilte die „Abteilung Ost“ des Propagandaministeriums der Forschungsgruppe den Auftrag, „Wort-, Film-, Rundfunk- und Bildberichte aus den besetzten Ostgebieten“ zu beschaffen, die für „Aufklärungsarbeiten im Reich und im europäischen Ausland“ Verwendung finden sollten. Besonderes Gewicht legte man
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dabei auf Landschaftsberichte und Informationen über die wirtschaftlichen Nutzungsmöglichkeiten „des Ostens“.67 Die Abteilung „Technische Planung Ost“ des Ministeriums Speer benötigte bodenkundliche und pflanzensoziologische Unterlagen über die Westukraine, die Pripjetsümpfe und das Baltikum und beauftragte die Forschungsgruppe daher mit der Beschaffung von Material über die dortigen Boden-, Vegetations- und Gewässerverhältnisse. Mit Hilfe dieser Unterlagen sollte der „zweckmäßige Einsatz der Landwirtschaft“ in diesen Gebieten sichergestellt werden, was nichts anderes hieß, als die landwirtschaftlichen Ressourcen der besetzten Gebiete für die deutsche Rohstoff- und Nahrungsmittelversorgung auszubeuten.68 In die gleiche Richtung zielten die Forderungen der „Chefgruppe Landwirtschaft“ des Wirtschaftsstabes Ost. Im Zuge breit angelegter Untersuchungen über die Böden in den Gebieten des Reichskommissariats „Ukraine“ und des Generalkommissariats „Weissruthenien“ wurde die Forschungsgruppe in Kooperation mit der „Forschungsanstalt Gorki“ beauftragt, die bodenkundlichen Aufnahmen mit einer Kartierung der Bodentypen und einer Vegetationskartierung auf pflanzensoziologischer Grundlage zu verbinden. Das auf dieser Grundlage entstandene Kartenmaterial sollte neben Aussagen über die Bodenarten auch Informationen über die Untergrundbeschaffenheit und die Wasserverhältnisse enthalten.69 Für den Flusslauf des Pripjet interessierte sich auch die Zentrale der Organisation Todt (OT). Nach Besprechungen mit Vertretern der OT-Zentrale in Berlin wurde im April 1943 festgelegt, dass Mitarbeiter der Forschungsgruppe den Fluss von Pinsk bis zu dessen Mündung in den Dnjepr befliegen, fotogrammetrisch vermessen und einen Luftbildplan in Maßstab 1:25.000 herstellen sollten. Die Unterlagen waren für die Kraftwerksarbeiten der OT-Einsatzgruppe „VII Dnjepr. Strombau“ in Kiew bestimmt.70 Der Chef der Heeresrüstung und Befehlshaber des Ersatzheeres des OKH beauftragte die Forschungsstaffel im Mai 1943 mit der „Durchforschung“ der russischen Gebiete, da er an der Beschaffung von Unterlagen zur „Frage der Versorgung der Wehrmacht mit Nahrungs- und Futtermitteln sowie Textilfasern aus den besetzten Ostgebieten“ interessiert war.71 So sollten Mitglieder der Forschungsstaffel feststellen, wo und in welcher Flächenausdehnung verschiedene Faserpflanzen, wie etwa Hanf, Kenaf oder Cendir, vorkamen, genutzt und verwendet wurden und welche Erträge sie abwarfen. Darüber hinaus sollte die Forschungsstaffel auch Informationen über die Bastgewinnung, den Gewürzpflanzen- und Obstbau, seine Erträge und Steigerungsmöglichkeiten liefern.72 Zu den wichtigsten Auftraggebern der Forschungsgruppe zählte anfangs auch das Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete. Die Abteilung „Gesundheitswesen und Volkspflege“ des „Ostministeriums“ beauftragte die Forschungsgruppe mit medizinisch-geographischen und arzneipflanzengeographischen Fragestellungen, die
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sich vor allem auf Weißrussland, die Pripjetsümpfe, die Ukraine und das Baltikum erstreckten. So sollten die Mitarbeiter Schulz-Kampfhenkels die Verbreitung der Sumpfgebiete und der flussnahmen Schilfzonen untersuchen, um den Medizinern Material zur wirksamen Bekämpfung von Malaria- und Stechmücken in die Hände zu geben. In diesem Zusammenhang sollte die Forschungsgruppe auch die Möglichkeiten des Einsatzes von Flugzeugen zur Mückenbekämpfung überprüfen. In die gleiche Richtung zielten bakteriologische, parasitologische, biologische und chemische Wasseruntersuchungen sowie die Evaluation von Überschwemmungsgebieten und Fluss profilen zur Eindämmung von Tularämie- und Feldfiebererkrankungen. Um dem Problem des Fleckfiebers wirksam entgegentreten zu können, sollte die Forschungsgruppe die „Verbreitung, Lage, Größe und Gestalt der Siedlungen in Weissruthenien und der Ukraine“ untersuchen. Einen weiteren medizinisch-geographischen Arbeitsschwerpunkt der Forschungsgruppe bildete die Untersuchung des Grenzverlaufs zwischen Waldgebiet und Steppe, „um das Hauptverbreitungsgebiet der die Pest übertragenden Nagetiere abzugrenzen“. Die der Forschungsgruppe erteilten arzneipflanzengeographischen Aufträge der Abteilung „Gesundheitswesen und Volkspflege“ des „Ostministeriums“ bezogen sich auf die „Beibringung von Unterlagen über Beschaffungsmöglichkeiten von Heilpflanzen“. Im Vordergrund standen hier die Feststellung sammelwürdiger Arzneipflanzen und die Kartierung wichtiger Arten, die im Reichsgebiet nicht vorkamen. Um die Erfassung dieser Arten sicherzustellen, sollte die Forschungsgruppe Erhebungen über Sinn und Nutzen fester Sammelaufträge für bestimmte Pflanzen aufgrund ihres Vorkommens und ihrer geographischen Lage durchführen. Darüber hinaus sollten Sammelzentren für bestimmte Arten sowie Trocken- und Sammlungsräume ermittelt, aber auch die Möglichkeiten des Transports, Verkaufs und des Exports der Pflanzen überprüft werden. Liefen diese Arbeiten bereits auf eine Ausbeutung der „besetzten Ostgebiete“ hinaus, so erhielt die Forschungsgruppe zudem den Auftrag, die in der Sowjetunion aufgefundenen wissenschaftlichen Arbeiten und Pflanzenmaterialien auf dem Gebiet des Arzneipflanzenanbaus und der Arzneipflanzenzüchtung „sicherzustellen“. Diese euphemistische Umschreibung bedeutete einen Freibrief für einen zügellosen Beutezug der deutschen Besatzer in den von ihnen okkupierten Gebieten.73 So wurde auch die Forschungsgruppe Schulz-Kampfhenkel mit der Auffindung von Versuchsgärten, der Beschlagnahmung wissenschaftlicher Unterlagen und Literatur sowie der „Sicherstellung von vorgefundenem Pflanzen- oder Saatgut sowie des damit im Zusammenhang stehenden Personenkreises“ beauftragt. Darüber hinaus sollten „Nachforschungen über die von Russen angewandten, zu Massenuntersuchungen geeigneten MikroBestimmungsmethoden von Inhaltsstoffen“ durchgeführt werden.74 Wie Schulz-
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Kampfhenkel im September 1943 festhielt, wurde der „Arzneipflanzen-Auftrag“ des „Ostministeriums“ bereits im August „erfolgreich abgeschlossen“.75 Auch die Aufträge des Generalreferats für „Raumordnung“ des „Ostministeriums“ liefen auf eine wirtschaftliche Ausbeutung der „besetzten Ostgebiete“ hinaus. Die Abteilung forderte Unterlagen über die wirtschaftlichen Erschließungsmöglichkeiten, insbesondere in der Pripjetregion. In diesem Zusammenhang sollten auch „die Möglichkeiten einer entsprechenden Verkehrserschließung und Besiedlung dieses Gebiets“ untersucht werden. Zur Koordination der Aufträge sollte sich die Forschungsgruppe Schulz-Kampfhenkels mit dem Leiter der Raumordnungsabteilung beim Reichskommissar für das Ostland (RKO) in Riga, Ministerialrat Werner Essen, absprechen.76 Im Rahmen einer von Essen am 4. Juni 1943 anberaumten Sitzung betonte Schulz-Kampfhenkel, dass der Schwerpunkt der kriegswichtigen Aufgaben der Forschungsgruppe in der Ukraine liege, während eine kleinere Gruppe im „Ostland“, insbesondere in Estland, Lettland und Litauen agiere. Schulz-Kampfhenkel führte in diesem Zusammenhang aus, dass seine Forschungsgruppe 90 Mitglieder umfasse, worunter sich verschiedene Wissenschaftler, so etwa Fachleute für Vermessung, Kartographie, Luftbildfotografie, Geographie, Geologie, Bodenkunde, Zoologie, Pflanzensoziologie, Gesundheitswesen sowie Land- und Forstwirtschaft befänden. Man verfüge über zwei Bildflugzeuge (He 111), einen „Fieseler Storch“ für pflanzensoziologische Untersuchungen und mehrere Sonderflugzeuge.77 Hinzu kämen modernste photogrammetrische Anlagen sowie PKW’s und Panzerspähwagen.78 Neben Aufträgen auf dem Gebiet des Kriegskartenwesens bestehe die Hauptaufgabe zurzeit in der Luftbildvermessung und der pflanzensoziologischen Untersuchung vom Flugzeug aus, die durch Feldeinsätze von Bodengruppen ergänzt würden.79 Beispielhaft für derartige Spezialunternehmungen war etwa ein Auftrag der Raumordnungsabteilung des RKO zur Anfertigung von Luftbildaufnahmen des Ölschiefer-Abbaugebiets in Nord-Estland, das für die Treibstoff-Versorgung der deutschen U-Bootflotte vor großer Bedeutung war.80 Auf der Grundlage der von der Forschungsstaffel „erflogenen Luftbilder“ führten Bodengruppen Schulz-Kampfhenkels eine pflanzensoziologisch-geologische Spezialkartierung durch, die die Grundlage für einen umfassenden „Gesamtplanungs- und Neugestaltungsauftrag für das Estländische Brennschiefergebiet“ bilden sollte.81 Im Mittelpunkt dieses „Raumordnungsplans“ stand ein dreistufiges Wiederaufbau- bzw. Neubauprogramm der mit der Betriebsführung der gesamten Ölschieferindustrie beauftragten „Baltischen Öl G.m.b.H.“. Dieses Programm sah den Bau von zunächst fünf Werken in den Räumen Kiviöli, Kohtla-Järve, Sillamae und Jewe vor, denen bis 1945 in den Räumen Vaivara und Ereda weitere folgen sollten. Nach den Prognosen der Baltischen Öl-Gesellschaft
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sollten ab 1945 insgesamt 12 Werke zusammen eine Gesamt-Rohölkapazität von ca. 1,5 Millionen Jahrestonnen liefern.82 Diese Beispiele machen deutlich, dass sich die Arbeiten der von Schulz-Kampfhenkel geleiteten Einsatzkommandos auch auf die wirtschaftlichen Nutzungsmöglichkeiten der von ihnen erkundeten Gebiete erstreckten. Die wichtigsten Aufträge konzentrierten sich auf die Schaffung von Vermessungsluftbildern und Bildplänen für Industrieverlagerungen, Kraftwerkbauten, Ölschieferabbau, Erdölprospektierung, Holzeinschlag und -abfuhr sowie Fragen der Aufteilung von Kolchosen. Dabei spielte neben der Ausnutzung und Ausbeutung industriell verwertbarer Rohstoffe und Agrargüter anfangs auch der geplante „Ostaufbau“ im Rahmen der nationalsozialistischen Siedlungspolitik eine wesentliche Rolle, denn die Vegetations- und Bodenkartierungen im Baltikum und in der Ukraine dienten auch der „Landbauplanung in den besetzen Gebieten“.83 So betonte Schulz-Kampfhenkel im Juni 1943, dass seine Forschungsgruppe mit dem Chef der Planungsabteilung im Reichskommissariat für die Festigung deutschen Volkstums (RKF), Konrad Meyer, zusammenarbeite, der zu diesem Zweck seinen Mitarbeiter, den Agrarwissenschaftler R. Martin Schmid, zur Forschungsgruppe abgestellt habe.84 Meyer, der „führende von Heinrich Himmler persönlich bestellte Landes- und Raumplaner des SS-Imperuims“85, war einer der Vordenker des „Generalplan Ost“ (GPO), der „die ethische Homogenisierung weiter Teile Osteuropas durch Umsiedlung der lokalen Bevölkerung und Ansiedlung von Deutschen projektierte“.86 Kurz nach dem Ende des Polenfeldzuges war Meyer von Himmler in dessen Eigenschaft als RKF mit der Ausarbeitung eines „Gesamtentwicklungsplanes zur Ansiedlung von Volksdeutschen aus dem Osten und zur Eindeutschung sowie ländlichen Besiedlung der ‚eingegliederten Ostgebiete‘“ beauftragt worden. Meyer legte Himmler Anfang 1940 erste „Planungsgrundlagen für den Aufbau der Ostgebiete“ vor, die nicht nur eine rücksichtslose Germanisierung in den eroberten westpolnischen Gebieten vorsahen, sondern auch eine „bodenpolitische Neuordnung“, die durch ausgedehnte Zwangsumsiedlungen der autochthonen Bevölkerung ermöglicht werden sollte.87 Die Zielprojektion einer „Eindeutschung“ der westpolnischen Gebiete wurde nach dem Beginn des Krieges gegen die Sowjetunion nach Osten hin ausgedehnt. Aufbauend auf ihren Erfahrungen im annektierten Westpolen arbeiteten die RKFPlaner um Meyer im Juli 1941 einen Plan aus, der über die besetzten westpolnischen Gebiete hinaus eine Veränderung der Bevölkerungs- und Wirtschaftsstruktur von der Krim im Südosten bis kurz vor Leningrad im Nordosten vorsah.88 Im Mai 1942 schließlich erstellte Meyers Abteilung jenes Dokument, welches heute meist als „Generalplan Ost“ bezeichnet wird.89 Die in diesen Konzeptionen entwickelten Reißbrett-Planungen blieben nicht nur Theorie, denn in verschiedenen
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Regionen kam es zu einer partiellen Umsetzung der bevölkerungspolitischen Neuordnungsmaßnahmen, wie etwa im „Projekt Zamość“ 1942/43, das zur „Eindeutschung“ der in diesem Gebiet ansässigen Bevölkerung, ihrer Ausbeutung im Arbeitseinsatz und zur Deportationen arbeitsunfähiger Menschen ins Vernichtungslager Auschwitz führte.90 Nur in wenigen Bereichen ist die Verbindung zwischen wissenschaftlicher Forschung und nationalsozialistischer Rassen- und Expansionspolitik so unmittelbar zu greifen wie bei den Arbeiten zum „Generalplan Ost“. Das traf auch auf jene Forschungen zu, die vorrangig der „Nahrungsmittelfreiheit“ oder der landwirtschaftlichen Neustrukturierung der besetzten Ostgebiete und somit vermeintlich unpolitischen Zielen dienten, was nach dem Kriege von den beteiligten Wissenschaftlern auch immer wieder vorgebracht wurde. Indem aber Ernährungswissenschaft und Raumordnung direkt mit der Vertreibung, Verknechtung oder wie im Falle der Juden mit der Ermordung der in Osteuropa lebenden Menschen verknüpft wurden, standen diese Forschungsvorhaben in unmittelbaren Zusammenhang mit der nationalsozialistischen Eroberungs- und Vernichtungspolitik.91 Schulz-Kampfhenkel stand solchen Überlegungen keineswegs fern. Bereits im April 1940 hatte er in einer Stellungnahme für den Stab des Reichsführers-SS, Heinrich Himmler, Südamerika und Sibirien als so genannte „Reserveräume“ bezeichnet. Nach seiner Auffassung kamen vor allem diese Gebiete „als großräumige Einwanderungs- und Siedlungsländer für ein nordisches Herrenvolk in Betracht“. Im Gegensatz dazu würden Afrika und Südasien „nur zusätzliche Ausbeutungskolonien für tropische Rohstoffe“ darstellen.92 Ganz offensichtlich um die Gunst des neu ernannten „Siedlungskommissars“ Himmler bemüht93, ließ Schulz-Kampfhenkel seinen Phantasien in dieser Stellungnahme freien Lauf. Während sich Himmlers oberster Siedlungsexperte Meyer im Frühjahr 1940 noch mit den konkreten „Planungsgrundlagen“ für die westpolnischen Gebiete beschäftigte, schwadronierte Schulz-Kampfhenkel bereits von zukünftigen Siedlungsräumen in der Sowjetunion. Dabei zeigte sich, dass auch er sich von rasseideologischen Prämissen leiten ließ. So führte er im Hinblick auf die „Ostgebiete“ und „angesichts des kategorischen Imperativs des Weltmachtsanspruches des fähigsten Volkes, das heißt der unter Deutschlands Führung geeinten höheren Rassen Europas“ aus: „Das [für] Deutschland geopolitisch prädestinierte koloniale Expansionsgebiet ist Sibirien. Es wird entweder das Zukunftsland der stärksten weißen oder der stärksten gelben Rasse sein. Der japanisch-chinesische Krieg legt schon den Keim zu einer gewaltigen gelben Blockbildung im Osten des eurasiatischen Festlandes. Hier droht der weißen Rasse in fernerer Zukunft die ungeheure Gefahr der gelben Weltherrschaft eines 600 Millionenvolkes. Diese Gefahr in ihren Anfängen zu bannen muss die Sendung des Führers der künftig
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in Europa geeinten weißen Rasse sein. Deshalb ist die zwangsweise Einigung der beiden Hauptvölker Europas und der Zusammenschluss aller hochwertigen Rassenelemente unseres Kontinents unter Deutschlands Führung das Ziel unseres Kampfes.“94
Angesichts dieser Auffassung Schulz-Kampfhenkels verwundert es nicht, dass auch die Arbeiten der Forschungsstaffel bzw. der „Forschungsgruppe Schulz-Kampfhenkel“ seit April 1943 in den Fokus der NS-Siedlungspolitik gerieten. Besonders deutlich wurde dies in Litauen. Am 4. Juni 1943 erläuterte der Leiter der Raumordnungsabteilung des RKO, Werner Essen, dem in Riga weilenden Schulz-Kampfhenkel die „vorliegenden Planungsunterlagen für die deutsche Siedlungsbrücke durch Litauen“, wobei Essen betonte, auch dieses Gebiet käme für Luftaufnahmen durch die Forschungsstaffel in Frage.95 Dahinter standen Überlegungen des RKO, die Litauer auf Kosten der Polen in den Südosten Litauens zu „verlagern“ und das übrige Litauen zum Teil einer deutschen „Volkstumsbrücke“ zwischen Tilsit und Riga auszubauen, in der etwa 500.000 Deutsche angesiedelt werden sollten.96 In die gleiche Richtung zielten im Auftrag des RKO angefertigte Aufstellungen der Forschungsstaffel über die landwirtschaftlichen Gewerbebetriebe im „Generalbezirk Litauen“, die nach wehr- und wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten vorgenommen wurden. Diese Aufstellungen enthielten detaillierte Informationen über die Standorte und Kapazitäten von Mühlen, Zuckerfabriken, Brauereien, Brennereien, Molkereien, Ziegeleien, Flachsverarbeitungsanlagen, Kalkbrennereien sowie Obst- und Gemüseverarbeitungsbetrieben97 und hingen vermutlich mit den Bemühungen des RKF und des RKO zusammen, „völkische Politik mit struktureller Modernisierung in dem Sinne zu verbinden, dass die in Litauen immer noch vorhandene Tendenz in der Landwirtschaft zur Subsistenzwirtschaft zurückgedrängt werden sollte“. Nach der Auffassung der Deutschen war die Landwirtschaft in Litauen noch wenig technisiert, wie auch die dortigen Betriebsgrößenverhältnisse in ihren Augen kaum modernen Anforderungen entsprachen.98
2.2. „Auf Grund der Kriegslage wurden ab 27.8. alle weiteren zivilen Aufträge zurückgestellt“99 Anfang September 1943 erhielt Schulz-Kampfhenkel ein Schreiben des Stabsamts Görings, in dem er auf eine „Chefbesprechung“ beim Wirtschaftsstab Ost (Gruppe Wi) aufmerksam gemacht wurde. In dieser Besprechung hatte man darauf verwiesen, dass die Forschungsstaffel „die Arbeit an der erdkundlichen Forschung im Ostland aufgenommen habe“. Die Staffel sei mit Personal „auch jugendlichen Alters und Material (Flugzeuge, Kraftfahrzeuge) gut ausgestattet“. Sie rühme sich, „jeden Mann jeden Jahrgangs aus der Truppe für ihre Zwecke freizubekommen“ und suche Aufträge „auf
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allen möglichen Gebieten“. Gleichwohl würden größere, „lebenswichtigere“ Aufträge nicht vorliegen. Angesichts dieser Kritik stellte sich den Verantwortlichen im Wirtschaftsstab Ost die Frage, ob die Arbeiten der Forschungsstaffel kriegswichtig seien und nicht auch durch andere Stellen behandelt werden könnten.100 Schulz-Kampfhenkel, vom Stabsamt des Reichsmarschalls zu einer Stellungnahme aufgefordert, reagierte gereizt auf die „Anzweifelung der Daseinsberechtigung der Forschungsstaffel“. In einer Rechtfertigung verwies er auf das „kriegsentscheidend wichtige“ „Ost-Programm“ der Staffel, das in enger Abstimmung mit den in den „besetzten Ostgebieten“ selbst forschenden und an den Forschungsergebnissen interessierenden Dienststellen entstanden sei. Die „Fülle“ der von letzteren an die Forschungsstaffel herangetragenen Wünsche und Aufträge beweise, dass die Kritik „wohl nur auf eine mangelhafte Unterrichtung über den wahren Charakter der Forschungsstaffel“ zurückzuführen sei.101 Zwar wischte Schulz-Kampfhenkel mit seiner offensiven Replik die Kritiken vom Tisch, er zeigte sich jedoch fortan mit Nachdruck darum bemüht, den „Wert“ seiner Arbeit als BEF und als Leiter der Forschungsstaffel unter Beweis zu stellen, um neuerlichen Problemen vorzubeugen. Besonders deutlich zeigte sich dies in den Berichten des BEF, in denen Schulz-Kampfhenkel nun noch detaillierter und ausführlicher über die Ergebnisse seiner Einsatzkommandos berichtete. Dass die Kritiker so schnell verstummten, hing vermutlich auch damit zusammen, dass der Forschungsstaffel im September 1943 ein aufsehenerregender Erkundungserfolg glückte, der zu einer inhaltlichen Neuausrichtung ihrer Aufgabenstellung führte.102 Am 31. August 1943 erteilte der Stab des „Befehlshabers Krim“ der Heeresgruppe Süd, General Franz Mattenklott, der Forschungsstaffel den Auftrag, Informationen über die so genannte „Konka-Niederung“ südlich von Saporoshje in der Ukraine, zu beschaffen. Schulz-Kampfhenkels Verband sollte feststellen, ob das als Überschwemmungsgebiet bekannte Areal „im Hochsommer für größere Truppenmassen mit schwerer Artillerie durchschreitbar“ sei, und wo sich „außer dem Dnjepr Panzerhindernisse“ befänden. Besonderes Gewicht legte der Stab Mattenklotts auf die Beantwortung der Frage, „welche Geländeteile […] in der Hochwasserperiode überschwemmt“ und welche Wege „gangbar“ seien. Für den Kampfeinsatz im Winter sollte zudem festgestellt werden, ob das Gelände so zufriere, „dass es an allen Stellen für alle Lasten befahrbar“ werde.103 Die zehntägigen Erkundungen der Forschungsstaffel wurden in kombinierter Luftbildauswertung, Geländebegehung und „Luftkroki“ durchgeführt.104 Sie ergaben, im Gegensatz zu der bis dahin vertretenen Auffassung, die „Konka-Niederung“ sei weithin von Sumpf und Schilffeldern bedeckt und deswegen für militärische Operationen ungeeignet, das Ergebnis, dass die Niederung am Dnjepr „keinesfalls als na-
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türliche Speerzone“ zu bewerten sei. Vielmehr sei sie „ein hervorragendes Angriffsgelände“ und erschwere die Verteidigung. Der Boden sei fast überall eben und habe einen festen Grund. Die ausgedehnten Schilffelder von drei bis vier Meter Höhe seien „für Räder und Kettenfahrzeuge aller Klassen durchfahrbar“ und böten „hervorragende Bereitstellungs-, Deckungs- und Tarnungsmöglichkeiten.“105 Zwanzig Tage nach der Auftragserteilung wurde die von der Forschungsstaffel erstellte „Geländebeurteilungskarte“ in größerer Auflage gedruckt und an die Führung und die Truppe ausgeliefert. Wie Schulz-Kampfhenkel betonte, hatten die auf der Karte verzeichneten Besonderheiten sofort „grundsätzliche Befehlsänderungen für die Stellungsbauplanung“ in diesem Frontabschnitt zur Folge und führten schließlich zu einer „Revision der bisherigen, auf irreführender Darstellung in den topographischen Karten beruhenden militärischen Beurteilung des Gebiets“.106 Dieser Erkundungserfolg, der, wie Schulz-Kampfhenkel eifrig betonte, auch dem „Führer“ mitgeteilt wurde, hatte zur Folge, dass der Forschungsstaffel nun weitere Aufträge zur Schaffung von Unterlagen für „geographisch unklare Geländeteile“ (Großmoore, Bruchwälder, Überschwemmungsgebiete, Flussauen, unzugängliche Bergländer, Steil- und Sumpfküstenabschnitte) zugingen. Die Bodengruppen der Staffel wurden immer häufiger mit der Erarbeitung von Grundlagen und Methoden für gänzlich neuartige militärische „Geländebeurteilungskarten“ auf der Grundlage pflanzensoziologisch-geologisch-geographischer Luftbildauswertung für die „Operationsgebiete“ der Heeresgruppen beauftragt. So erhielt die Forschungsstaffel nur zwei Tage nach dem Abschluss ihres „Konka-Auftrags“ bereits einen neuen „dringenden“ Erkundungsauftrag der Heeresgruppe Süd (General Mattenklott), der das „militärisch-geographisch unklare“ Sumpfgebiet von Tscherkassy an der „DnjeprLinie“ betraf.107 Der Chef des Kriegskarten- und Vermessungswesens im Generalstab des Heeres beantragte die Abstellung eines Teilkommandos der Forschungsstaffel zur Beschaffung fehlender militärgeographischer, topographischer und vermessungstechnischer Unterlagen in den Balkanländern, woraufhin Schulz-Kampfhenkel mit der Aufstellung eines „Balkankommandos“ begann.108 Aufgrund der Fülle der nun eingehenden Aufträge wurde der Forschungsstaffel im Einvernehmen mit der Abteilung Ausland/Abwehr des OKW im September 1943 die planmäßige Entwicklung dieses neuen taktischen Kartentyps als eigentlicher Arbeitsschwerpunkt zugewiesen. Dabei ging es in erster Linie um die Weiterentwicklung der neuartigen „Geländebeurteilungskarten“ und ihre Einführung in das klassische Kriegskarten- und Vermessungswesen der Wehrmacht.109 Aus diesem Grund wurden alle zivilen Aufträge der Staffel zurückgestellt und sämtliche Arbeiten „auf rein militärische Erkundungsbedürfnisse“ der Truppe ausgerichtet, Schulz-Kampfhenkel also im wesentlichen mit solchen Aufgaben betraut, die er schon in Afrika durchgeführt hatte.110 Anders als in Afrika
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operierten die Gruppen Schulz-Kampfhenkels nun allerdings meist in unmittelbarer Frontnähe, wobei es auch zu Verlusten kam. So kehrte etwa im August 1944 ein dreiköpfiger Einsatztrupp der Forschungsstaffel von einer Geländeerkundung für Panzerkarten östlich von Pułtusk (Polen) nicht mehr zurück. Wie Schulz-Kampfhenkel in diesem Zusammenhang berichtete, habe man daraufhin im Rahmen einer mehrtägigen Suchaktion einen „Funktionär der polnischen Widerstandsbewegung und über hundert Verdächtige“ festgenommen und verhört.111 Die Erkundung militärisch relevanten Geländes mittels pflanzensoziologischer Luftbildanalysen und anschließender Kartierung stand bis zum Kriegsende im Mittelpunkt der Tätigkeit der Forschungsstaffel. Dabei kooperierte sie mit einer stetig wachsenden Zahl militärischer Dienststellen, die meist kurzfristige Erkundungsergebnisse für die Front benötigten.112 Wenn zivile Aufträge durchgeführt wurden, dann fortan nur noch in Verbindung mit militärischen Problemstellungen. So verbanden die Einsatzteams der Forschungsstaffel ihre Erkundungen oft mit technischen Material- und Geräteerprobungen für verschiedene Industrieunternehmen.113 In Kooperation mit der Firma Agfa wurde beispielsweise der gerade neu entwickelte Flieger-Farbfilm für das Großformat 30 x 30 cm mit der Weitwinkel-Meßkammer „RMK 20/30“ der Firma Carl Zeiss erprobt. Bei diesen Versuchen wurden verschiedene Varianten von Belichtungszeiten, Blenden und Filtern in Flughöhen von 1.000 bis 8.000 Metern getestet, während die Farbenentwicklung und -kopierung in den Leuna-Werken der Firma Agfa erfolgte.114 Das von Carl Zeiss entwickelte Bombenzielgerät „Lotfernrohr“ wurde von den Piloten des Kommandos „Bildoffizier“ erfolgreich als Navigationshilfe genutzt, denn mit seinem kreiselgestützten Fernrohrsystem war es möglich, genau senkrecht nach unten zu zielen und punktgenaue Aufnahmen anzufertigen.115 Darüber hinaus führten die Mitglieder der Forschungsstaffel Versuche mit einer neuartigen „Pleon-Kamera“ mit Weitwinkel-Linsen durch, deren Aufnahmen später mit speziellen Geräten „entzerrt“
Abb. 2 Reihenmesskammer (RMK) der Firma Zeiss Aerotopgraph
(Quelle: Kurt Schwidefsky: Fortschritte der Photogrammetrie in den letzten Jahren [Erweiterter Sonderdruck aus der Zeitschrift für Vermessungswesen 1935, Hefte 19 und 20], S. 9, NL Carl Troll, Sonderdrucksammlung, AGI Bonn).
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Sören Flachowsky Abb. 3 Ein Reihenbildner fertigt Aufnahmen eines überflogenen Gebietes an
(Quelle: Günter Woltersdorf: Von der Vogelschau zur modernen Luftkarte [Sonderdruck überreicht durch Zeiss-Aerotopograph G.m.b.H. Jena, 1937], S. 3, NL Carl Troll, Sonderdrucksammlung, AGI Bonn).
Abb. 4 Die Bildmaschine der Forschungsstaffel z.b.V. vom Typ He 111 (Quelle: Bild
Parlitz, Archiv Rolke).
und zu Bildplänen zusammengestellt wurden.116 Die für die Langstreckenaufklärung und großräumige Luftbildaufnahme von der Forschungsstaffel verwendeten zweimotorigen Flugzeuge der Type Heinkel He 111 wurden nicht nur mit Zusatztanks und speziellen Höhenmotoren versehen, sie wurden auch mit dem „Autopilot K 4 ü“ der Firma Siemens ausgerüstet, die einen exakt gradlinigen Flugkurs ermöglichten, der mittels Handsteuerung nicht zu erreichen war.117 Die Bodenteams der Forschungsstaffel führten im Auftrag des Reichswirtschaftsministeriums technische Erprobungen der vom Volkswagenwerk entwickelten „Schwimmkübel“ durch. Nachdem Hitler um den Jahreswechsel 1942/43 angewiesen hatte, vom fehlgeschlagenen Konzept der Kradschützeneinheiten abzurücken und insbesondere die Aufklärungseinheiten der Wehrmacht mit VW-Kübelwagen auszustatten118, erhielt die Forschungsstaffel den Auftrag, die Fahrzeuge bei ihren Geländeeinsätzen zu testen. Da der Schwimmwagen den Vorteil amphibischer Einsatz-
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möglichkeiten bot, stand dieser auf der Prioritätenliste ganz oben. Dabei ging es neben der Schwimm- und Geländegängigkeit der Fahrzeuge vor allem um die Prüfung der Umschaltung von Radantrieb auf Schraubenantrieb im Wasser.119 Die Geräteerprobungen der Forschungsstaffel wurden aber auch in Kooperation mit militärischen Dienststellen durchgeführt. So kam man im März 1944 mit der Forschungsabteilung des Heereswaffenamtes überein, das vom stellvertretenden Leiter des Meteorologischen Observatoriums in Potsdam, Fritz Albrecht, entwickelte „Wärmemessgerät“ („Potsdam-Gerät“) auf „seine Eignung zur Beschaffung geographischer Unterlagen für taktische Geländebeurteilungskarten“ zu prüfen.120 Bei dieser streng geheimen Entwicklung handelte es sich um ein so genanntes Temperaturbildgerät, eine „Wärmekamera“, für die „nächtliche Ortung von Flugzeugen [aus] durch Messung der Temperaturen von Bodenoberflächen mit einem empfindlichen Ausstrahlungsmessgerät“.121 Das Instrument bestand aus einem in ein Flugzeug einzubauenden Metalltubus von etwa einen Meter Länge und 40 Zentimetern Durchmesser. Darin befanden sich ein Reflektor (Hohlspiegel) und ein Thermoelement (elektrischer Wärmemesser). Mit Hilfe des Thermoelements wurde die bei der Überfliegung eines Gebietes vom Reflektor aufgenommene Wärmestrahlung des Bodens auf einem Papierstreifen als Kurve aufgezeichnet.122 Die Erprobung des Gerätes durch die Forschungsstaffel wurde im Sommer 1944 in Estland durchgeführt. Dabei sollte festgestellt werden, „ob man mit Hilfe dieses Gerätes für Zwecke der Geländebeurteilung (insbesondere Befahrbarkeit von Mooren) aus der Luft den Frostzustand des Bodens ermitteln könne“. Die Ergebnisse der Erprobungen zeigten, dass es offenbar möglich war, „die durch den Flug gewonnenen relativen Strahlungskurven in absolute Temperaturkurven umzuwandeln“, womit das Gerät seinen „großen Wert“ für „allgemeine klimatologische, aber besonders für agrarklimatologische Zwecke“ unter Beweis stellte.123
2.3. Organisatorische Veränderungen und der Kampf um die „Festung Europa“ Aufgrund der sich nun auf ganz Europa erstreckenden Aufgaben des BEF kam es im Januar 1944 zu einer Umstrukturierung der Forschungsstaffel, indem ihre bisherigen Einzelkommandos zu vier Forschungskommandos („Ost“, „Süd“, „West“ und „Tarnung“) zusammengefasst wurden. Nach den Worten Schulz-Kampfhenkels wurde jedem dieser Kommandos „eine Flanke der Festung Europa als Arbeitsgebiet“ zugewiesen.124 Den Kommandos wiederum waren drei- bis zehnköpfige „Einsatzgruppen“ für spezielle Aufgaben untergeordnet, wobei die beschleunigte Schaffung militärischer Geländebeurteilungs-, Panzer- und Wasserkarten im Mittelpunkt ihrer Tätigkeit
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stand.125 Neben der Herstellung von „Führungsunterlagen für größere Frontgebiete“ ergaben sich nun auch Beratungsaufgaben, die sich auf den Stellungsbau bezogen.126 Während sich die Tätigkeit des in Posen angesiedelten Forschungskommandos „Ost“ auf die Ostfront erstreckte, war das in Laibach (Ljubljana) stationierte Forschungskommando „Süd“ für den Balkan, Griechenland, Nord-Italien und die Ostalpen zuständig.127 Das erst Ende 1944 aufgestellte und in Erlangen angesiedelte Forschungskommando „West“ bestand wohl nur auf dem Papier, denn es kam über die Schaffung einer Karte von Emden und Bentheim nicht hinaus.128 Der Tätigkeitsbereich des aus Pflanzensoziologen, Landschaftsgestaltern und Architekten bestehenden Kommandos „Tarnung“ erstreckte sich dagegen auf ganz Europa, vornehmlich jedoch auf die Küstengebiete der Nordsee, des Atlantiks, des Mittelmeers und der Ägäis.129 In erster Linie war das in Paris stationierte Tarnungskommando für den Aufbau und die Durchführung „eines zentralen wehrgeographisch-pflanzensoziologischen Tarnungsdienstes für die Befestigungsbauten der 3 Wehrmachtsteile an der Atlantik- und Mittelmeerküste“ (z. B. Atlantikwall) verantwortlich. Hinzu kamen Schulungen der für Tarnungsfragen zuständigen Fachkräfte.130 Darüber hinaus wurde ein „pflanzensoziologisches Einsatzkommando der Forschungsstaffel“ vom Oberfestungspionierstab des Marinegruppenkommandos West im Frühjahr 1944 für die Tarnungsberatung des streng geheimen „Bauvorhabens 61“ der Organisation Todt eingesetzt.131 Dabei handelte es sich um den Bau von Stellungen für ein Ferngeschütz bei Mimoyecques an der französischen Kanalküste. Dieses unter dem Namen „Hochdruckpumpe“ bzw. „V 3“ bekannt gewordene Waffensystem war für die Beschießung Londons vorgesehen, sollte aber bis zum Ende des Krieges nicht mehr wirksam in Erscheinung treten.132 Im Juli 1944 wurde zudem ein kleines „Lappland-Kommando“ gebildet, das bis zum Oktober in den Sümpfen Nordfinnlands an der Herstellung militärischer Geländebeurteilungskarten arbeitete. Den Hintergrund für diese Erkundungen bildeten Überlegungen der Wehrmachtführung, Rückzugsstellungen für die aus Finnland abziehenden deutschen Truppen zu errichten.133 Abgesehen von der Bildung neuer Forschungskommandos wurden auch neue Querverbünde zu einzelnen Wehrmachtteilen und zivilen Reichsbehörden aufgebaut. Da sowohl die Panzer- als auch die Pioniertruppe immer wieder spezielle „Panzer- und Pionierkarten“ benötigten, wurden so genannte Verbindungsoffiziere beider Waffengattungen zur Forschungsstaffel kommandiert. Auch der Leitende Heeresgeologe des OKH stellte einen Verbindungsoffizier der Wehrgeologie zur Forschungsstaffel ab.134 Ein ebenfalls dorthin überwiesener Spezialist der Abwehrabteilung des OKW sollte eine „Beteiligung der Forschungsstaffel z.b.V. am Kriegsgefangenen-Befragungsdienst“ sicherstellen, da man sich davon die „Gewinnung zusätzlicher Unterlagen für die taktische Geländebeurteilung geographisch schwieriger und strategisch wichtiger
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Gebiete in Russland und auf dem Balkan“ versprach.135 Neue Verbindungen ergaben sich auch zum Oberkommando der Luftwaffe (OKL). So wurde auf Anforderung des OKL „die Schulung von Luftbildauswertern für taktische Geländebeurteilung und die schnelle Verwertung der von der Forschungsstaffel z.b.V. erarbeiteten Luftbildmethoden für die Aufklärerverbände und Stabsbildabteilungen bei den Luftflottenkommandos“ vereinbart. Darüber hinaus wurde mit der Operationsabteilung des OKH und dem General der Pioniere und Festungen des OKH die schnelle „Erarbeitung von Unterlagen für den Stellungsbau im Osten“ festgelegt.136 Um ihren solcherart wachsenden Aufgaben gerecht zu werden, wurde die For- Abb. 5 Als „Kartenoffizier“ der Forschungsstaffel schungsstaffel im Februar 1944 in perso- war der Berliner Geograph Hans Bobek für die neller und apparativer Hinsicht verstärkt. einheitliche Kartenproduktion und ihre methoDass sie dabei gleichzeitig vom „Einspa- dische Entwicklung verantwortlich, hier 1952 rungsbefehl des Führers“ befreit wurde, (Quelle: NL Carl Troll, AGI Bonn). mit dem neue Soldaten für die Front gewonnen werden sollten, unterstreicht ihre inzwischen gewachsene Bedeutung.137 Gleichwohl zeichnete sich angesichts der zahllosen Spezialaufträge seitens der „Heeresgruppen und Armeen an fast allen Fronten“ bald eine Arbeitsüberlastung der Forschungsstaffel ab. Da ihr Mitgliederstamm den stetig wachsenden Anforderungen nicht mehr genügte, wurden ihr weitere Kräfte zugeführt, so dass sie im Juli 1944 eine Gesamtstärke von 250 Mann aufwies.138 Neben militärischem Begleitpersonal handelte es sich dabei in der Regel um Wissenschaftler und Spezialisten, die meist den Rang eines „Sonderführers“ bekleideten.139 Neben diesen strukturellen Umbauten innerhalb der Forschungsstaffel vollzogen sich im Sommer 1944 aber auch auf der Reichsebene Veränderungen, die Auswirkungen auf die Staffel hatten. Den Hintergrund bildete eine seit Jahren bestehende Konkurrenzsituation zwischen der Auslandsabteilung des Sicherheitsdienstes der SS (SD) und dem Wilhelm Canaris unterstehenden Amt Ausland/Abwehr des OKW.140 Die vor allem vom SD-Ausland des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA) ausgehenden Bestrebungen zu einer Neuregelung der Kompetenzen zwischen RSHA und OKW-
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Abwehr führten im Februar 1944 zu einem Befehl Hitlers, der Himmler mit der Schaffung eines einheitlichen geheimen „Meldedienstes“ beauftragte. Dies hatte zur Folge, dass die ehemaligen Abteilungen I (Spionage) und II (Sabotage) der Auslandsabteilung des OKW als neues Militärisches Amt (Amt Mil) dem RSHA eingegliedert wurden, das dem Leiter des Amtes VI (SD-Ausland), SS-Brigadeführer Walter Schellenberg, unterstand.141 Mit dieser Verschiebung wurden alle bis dahin der Auslandsabteilung des OKW zugewiesenen Einheiten der Aufsicht des RSHA unterstellt. So auch die dem „Sonderkommando Dora“ angegliederte Forschungsstaffel z.b.V., die nun dienstrechtlich unter die Aufsicht des Militärischen Amtes des RSHA geriet.142 Im Zuge dieser Veränderungen wurde auf Weisung des Militärischen Amts schließlich auch der in Rheda angesiedelte Arbeitsstab „Theo“ der Abwehrstelle Münster im Juli 1944 in das „Sonderkommando Dora“ eingegliedert und der Aufsicht SchulzKampfhenkels als Leiter der Forschungsstaffel z.b.V. unterstellt.143
2.4. Der „Kriegseinsatz“ der Geographen Neben der Neustrukturierung der Forschungsstaffel kam es ab Frühjahr 1944 auch zu einer gezielten Einbindung der geographischen und erdkundlichen Hochschulwissenschaftler in den Arbeitsbereich des BEF. Noch im Oktober 1943 hatte SchulzKampfhenkel zum Ausdruck gebracht, seine Tätigkeit weiche von der anderer Bevollmächtigter des Reichsforschungsrates weitgehend ab, denn er habe bisher keine Aufträge an Forschungsstellen vergeben.144 Gleichwohl hielt auch er immer Verbindung zu universitären und außeruniversitären Einrichtungen. So war es beispielsweise im November 1943 zur einer Vereinbarung zwischen der Universität Posen und der Forschungsstaffel gekommen, durch die sich die Universität verpflichtete, der Staffel die in Posen konzentrierte Fachliteratur über den „Ostraum“ zur Auswertung zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus sicherte sich Schulz-Kampfhenkel die Mitarbeit der Posener „Ordinarien für Geographie, Geologie, Botanik und Landbauwissenschaft“145 und traf Vereinbarungen mit den in Berlin angesiedelten Reichsämtern für Landesaufnahme und Bodenforschung in Hinblick auf die Bearbeitung und den Druck militärischer Karten.146 Wie Schulz-Kampfhenkel betonte, gliederte sich seine Aufgabe als BEF in zwei Teile. Zum einen in die „praktische Durchführung kriegswichtiger erdkundlicher Erkundungs- und Kartierungsaufträge“ durch geschulte „expeditionsartige Einsatzkommandos“. Zum anderen in die Steuerung der Grundlagenforschung zur Entwicklung neuer großräumiger Arbeitsmethoden der angewandten Erdkunde und Kartographie auf der Basis wissenschaftlicher Luftbildauswertung.147 Diese hatte zum Ziel, durch die Deutung von Luftbildern ohne Geländebegehung kurzfristig zuverlässige Karten
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zur Geländebeurteilung zu schaffen, wobei sich die Auswertung vor allem auf die Darstellung der Bodenverhältnisse, des Grundwasserhaushalts und die „Bewuchstypen“ konzentrieren sollte. Die auf diese Weise entstehenden Unterlagen waren für die Pioniertruppe, für Festungs-, Stellungs-, Bahn- und Wegebau, für die Beurteilung der Geländebefahrbarkeit für Infanterie, Artillerie und Panzer ebenso nützlich, wie für Fragen der Land-, Forst- und Wasserwirtschaftsplanung. Mit dieser Methode verband Schulz-Kampfhenkel den Anspruch, die geographische Luftbildauswertung neben die bisher vorhandene taktische Luftbildaufklärung und die Luftbildmessung als dritten „Wirkungsgrad des Luftbildes“ in den Dienst der höheren Truppenführung und der wirtschaftlichen Landeserschließung zu stellen.148 Es kam daher darauf an, die Feldforschungen der einzelnen Kommandos der Forschungsstaffel mit den fachwissenschaftlichen Kompetenzen der Hochschulgeographie zu kombinieren, um eine nutzbringende Auswertung des Materials sicherzustellen. Wie sich Schulz-Kampfhenkel diese Kooperation zwischen Forschungsstaffel und Hochschulen vorstellte, verdeutlichte er im Januar 1944. So bestand eine der ersten Aufgaben des neuen Forschungskommandos „Süd“ in der „Schaffung wehrgeographischer Führungsunterlagen in Griechenland und Dalmatien“ für den Stab des Oberbefehlshabers Südost, Feldmarschall Maximilian Freiherr von Weichs. Wie Schulz-Kampfhenkel Ende Januar meldete, habe man diese Aufgabe durch die Entsendung eines motorisierten Forschungskommandos, zweier Vermessungsflugzeuge und einer wissenschaftlichen Luftbildauswertegruppe in Angriff genommen. Parallel dazu habe er als BEF dem Leiter des Geographischen Instituts der Universität Graz, Prof. Dr. Otto Maull, den Auftrag erteilt, die „wehrgeographisch bedeutsamen landeskundlichen Elemente Nordgriechenlands“ herauszuarbeiten.149 Um die geographischen Forschungsinstitute für die Zwecke des Krieges zu mobilisieren, organisierte Schulz-Kampfhenkel im Februar 1944 eine Arbeitstagung in Würzburg und im Monat darauf eine Besprechung in Prag.150 An ihnen nahmen neben Mitgliedern der Forschungsstaffel, der Kriegsmarine und des OKH auch Vertreter der Universitäten Bonn, Freiburg, Göttingen, Graz, Greifswald, Köln, Prag, Posen und Würzburg, der Zentralstelle für Vegetationskartierung in Hannover und des Reichsamts für Landesaufnahme in Berlin teil. Im Mittelpunkt der Besprechungen standen die „Aufteilung kriegswichtiger erdkundlicher Forschungsaufgaben“ und die Festlegung einer einheitlichen Kartierungsmethode. Dies geschah zum einen durch die Zuweisung von „Feldarbeiten an die Einsatzkommandos der Forschungsstaffel z.b.V.“, zum anderen durch die Übertragung der dafür nötigen „Literatur-, Kartenund Luftbildauswertung an Hochschulinstitute und Einzelforscher“.151 In weiteren Besprechungen mit dem Generalsekretär der Deutschen Geologischen Gesellschaft, dem Kustos des Museums für Länderkunde in Leipzig und den Geographieordinarien
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Abb. 6–9 Führten kriegswichtige Forschungsarbeiten im Auftrag des Beauftragten für Sonderaufgaben der erdkundlichen Forschung durch, der Geologe Hans Cloos, der Geograph Hans Dorries, der Geodät Richard Finsterwalder und der Geograph Carl Troll (Quelle: NL Carl Troll, AGI Bonn).
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der Universitäten Münster und Wien gelang es Schulz-Kampfhenkel in den folgenden Wochen, die meisten Hochschulgeographen für die Aufgaben der Forschungsstaffel heranzuziehen.152 Entgegen anders lautender Darstellungen nach dem Krieg vollzog sich die Einbindung der geographischen Hochschulwissenschaft in die kriegswissenschaftlichen Arbeiten des BEF und der Forschungsstaffel weitgehend reibungslos.153 Sicherlich betrachteten einige Ordinarien, wie etwa der führende Experte auf dem Gebiet der Luftbildinterpretation, Carl Troll, die Ernennung Schulz-Kampfhenkels zum BEF als „einen Affront“ und bezeichneten es als einen „Misstand der militärischen Organisation, dass zwischen die erfahrene Wissenschaft und die militärische Führung ein junger, ehrgeizgeladener, wissenschaftlich ungenügend qualifizierter Mann gesetzt“ worden war.154 Hinter diesen Worten verbarg sich jedoch nichts anderes als ein Führungsanspruch der „erfahrenen Wissenschaft“ gegenüber unwissenschaftlichen Parvenüs vom Schlag Schulz-Kampfhenkels. So führte Troll in einem Schreiben an den Präsidenten der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin (GfE) im März 1944 aus: „Zunächst hat es mich recht erstaunt, dass das Luftfahrtministerium bei dem Aufbau dieser Forschungsstaffel nicht die Gesellschaft für Erdkunde ausgenutzt hat. Denn schließlich haben wir die Vorschläge in dieser Richtung schon 1939 gemacht. […] Leider aber macht man in unserem Vaterlande immer noch die Erfahrung, dass erst ein Außenseiter, der das Ei des Kolumbus in der Tasche zu tragen vorgibt, eher Gehör findet, als die erfahrene Wissenschaft. […] Herr Oberleutnant Schulz-Kampfhenkel […] ist zwar außerordentlich rührig, ein großer Propagandist und Selbstpropagandist, aber hat noch keine Probe wissenschaftlichen Könnens vorgelegt.“
Zwar räumte Troll ein, dass die Arbeiten der Forschungsstaffel „auf dem besten Wege zu großen Erfolgen“ seien. Dies sei jedoch in erster Linie das Verdienst ihrer wissenschaftlichen Mitarbeiter und nicht das Schulz-Kampfhenkels. Ohnehin käme für derartig schwierige und komplexe Aufgaben nur die durch die GfE repräsentierte „strenge Wissenschaft“ infrage.155 Daher teilte Troll dem Reichsluftfahrtministerium einen Monat später mit, dass die Gesellschaft „aufgrund ihrer wissenschaftlichen Verbindungen und Erfahrungen […] sicher für die wissenschaftliche Luftbildforschung, indirekt damit auch für den militärischen Einsatz der Luftbildforschung sehr viel leisten [könne], was auf dem Wege über die Forschungsstaffel nicht möglich“ sei.156 Die Worte Trolls machen deutlich, dass sich die Gelehrten bereitwillig in den Dienst der deutschen Kriegsführung stellten. So finden sich zahlreiche Belege für die Kooperation der deutschen Geographen mit dem NS-Regime, welche die nach 1945 als Selbstschutz und zur Selbstreinigung aufgestellte Behauptung, die „gute deutsche
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Geographie“ sei in ihrem Kern „gesund“ geblieben und habe sich „gegen das Überwuchern des nazistischen Einflusses erwehren können“, in Frage stellen.157 Vielmehr ergaben sich seit der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten vielfältige Kollaborationsverhältnisse der Wissenschaftler mit dem NS-Regime, die von den Akademikern dazu genutzt wurden, eigene Interessen, so etwa zur Mobilisierung von Ressourcen, durchzusetzen.158 Einen wesentlichen Beweggrund für diese Kollaboration bildete der tief verwurzelte Nationalismus der Gelehrten. Ihre patriotische und etatistische Haltung bewirkte, dass sie dem NS-Regime ihre kriegsrelevante Kompetenz, „sei es aus politischer Überzeugung, aus Karriereinteressen oder aus Hingabe zur Wissenschaft“, aber in den meisten Fällen bereitwillig zur Verfügung stellten.159 Wie schon im Ersten Weltkrieg vermittelten sie einen engen Konnex zwischen Wissenschaft und Militär, sorgten für die wissenschaftsbasierte Autarkisierung des Wehrstaates und die Optimierung von Rüstungstechnologien oder im Falle der Geografen um SchulzKampfhenkel für die Herstellung kriegswichtigen Karten- und Bildmaterials.160 Diese nationalistisch grundierte Leistungsbereitschaft der deutschen Gelehrten machte es dem NS-Regime überhaupt erst möglich, einen verbrecherischen Krieg zu führen. So unterstrich kein Geringerer als Troll im April 1944 die besondere Kriegswichtigkeit seiner Zunft und legte damit Zeugnis für den hohen Grad der Selbstmobilisierung der bildungsbürgerlichen Eliten während der Zeit des Zweiten Weltkrieges ab: „Inzwischen hat ja die Forschungsstaffel z.b.V. eine rege Tätigkeit entfaltet. Der Personalreferent dieser Forschungsstaffel ist der Bonner Dozent und frühere Assistent Dr. Schmithüsen, der mich in den letzten Wochen zweimal aufgesucht hat, um Fachkräfte aus meinem Schüler- und Bekanntenkreis anzuwerben und hier in Bonn im Geologischen Institut auch eine Zweigstelle einzurichten. Sie können es sich denken, wie sehr ich es begrüße, dass jetzt die wissenschaftliche Luftbildforschung gerade auch in der von mir so unterstrichenen ökologischen Methode für den unmittelbaren Kriegseinsatz verwandt wird. Ich bedaure nur, dass dies nicht schon viel früher geschehen ist, vor allem gleich 1939 nach dem Polenfeldzug, als die Gesellschaft für Erdkunde die Anregung gegeben hatte und ich auf Bitte von Herrn Direktor Gesner versuchte, das RLM dafür zu interessieren. In den ganzen Jahren seither hätte natürlich alles besser vorbereitet werden können, als es jetzt in der Eile der Geschehnisse möglich ist. Doch es hat keinen Zweck über die Vergangenheit zu sprechen. Ich sehe vielmehr in die Zukunft und halte es für dringend notwendig, dass die Gesellschaft für Erdkunde noch jetzt im Kriege die Möglichkeit zu aktiver Mitarbeit an den Fragen der wissenschaftlichen Luftbildforschung bekommt.“161
Der vom BEF Schulz-Kampfhenkel forcierte Kriegseinsatz der Geographen begann im Februar 1944. Zwar war der „größte Teil des wissenschaftlichen Potentials der
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Geographie“ bereits an der Jahreswende 1940/41 „von den verschiedenen Partei-, Regierungs- und Militärdienststellen abgeschöpft worden“.162 Doch diese Einbindung hatte sich weniger auf die Geographie als Fach, sondern vielmehr auf einzelne mehr oder weniger bedeutsame Fachvertreter erstreckt.163 Schulz-Kampfhenkel dagegen bemühte sich seit seiner Ernennung zum Beauftragten für Sonderfragen der erdkundlichen Forschung um eine von ihm ausgehende zentrale Steuerung der geographischen Forschung. Er strebte aber nicht nur danach, „sich der deutschen Geographie zu bemächtigen“164, sondern beabsichtigte darüber hinaus auch Vertreter der Geologie, der Hydrologie, der Meteorologie, der Land- und Forstwirtschaft, der Siedlungs-, Verkehrs- und Wirtschaftswissenschaft in seinen Aufgabenbereich einzubinden.165 Da er als BEF über genügend finanzielle Ressourcen und Möglichkeiten zur Sicherstellung von Wissenschaftlern verfügte, wurden von ihm schließlich an nahezu alle Geographieordinarien der deutschen Hochschulen kriegswichtige Forschungsaufträge vergeben, deren Ergebnisse dem Frontgeschehen meist unmittelbar zu Gute kamen.166 So geht etwa aus einer Aufstellung des Planungsamtes des Reichsforschungsrates hervor, das im „Betreuungsbereich“ des BEF Schulz-Kampfhenkel im Herbst 1944 allein 107 Personen mit „kriegswichtigen“ Forschungsaufgaben betraut waren.167 Im Dezember 1944 fasste Schulz-Kampfhenkel die an den Forschungsaufträgen des BEF beteiligten Wissenschaftler zu einer „Arbeitsgemeinschaft für wehrwissenschaftliche Geländeforschung“ zusammen. Innerhalb dieser Arbeitsgemeinschaft bildete er wiederum Arbeitskreise für Luftbildforschung, Vegetationskartierung, Kartographie und Landeskunde, denen später weitere für Raumbildpläne sowie Wetter- und Bodenkunde folgen sollten.168 Die Arbeitsgemeinschaft sollte die Zusammenarbeit zwischen den Mitarbeitern fördern, vor dem Hintergrund des „totalen Krieges“ aber darüber hinaus „die Existenzsicherung der Institute, die Beschaffung des notwendigen Arbeitsmaterials für diese [und] die Befreiung der Mitarbeiter vom Volkssturmdienst“ erleichtern.169 Insbesondere dieser Aspekt macht deutlich, welche Machtstellung Schulz-Kampfhenkel inzwischen erreicht hatte. Und daher verwundert es nicht, dass sich selbst ihm ablehnend gegenüberstehende Ordinarien, wie Carl Troll, dazu bereit erklärten, nicht nur Forschungsaufträge des BEF zu übernehmen, sondern sich zudem als Gruppenleiter innerhalb der „Arbeitsgemeinschaft für wehrwissenschaftliche Geländeforschung“ zur Verfügung stellten. Welche Gründe Troll bewogen, sich Schulz-Kampfhenkel trotz seiner Vorbehalte gegen diesen anzunähern, stellte er im Mai 1944 wie folgt dar: „Die Forschungsstaffel möchte in Bonn und zwar im Geologischen Institut eine Zweigstelle errichten, an der aus Bonn hervorgegangene Geographen und Geologen arbeiten sollen. In diesem Stadium der Entwicklung halte ich es für das Beste, wenn sich die Ge-
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sellschaft für Erdkunde unmittelbar an die Forschungsstaffel wendet, damit von dort ein Fachmann abkommandiert wird […]. Ich erwarte von diesem Schritt mehr, wie vom RLM, da die Forschungsstaffel im Augenblick mit besonderen Vollmachten ausgestattet ist und ihr Leiter, Oberleutnant Schulz-Kampfhenkel, offenbar die Verbindung zu mir sucht, wogegen noch gewisse Ressentiments im Wege stehen.“170
Im Juni 1944 folgte Troll schließlich einer Einladung der Forschungsstaffel zu einer wehrwissenschaftlichen Besprechung in Jena, die bei der Firma Zeiss-Aerotopograph abgehalten wurde. An dieser Tagung nahmen neben Vertretern der Industrie (Steinheil GmbH, IG. Farben, Zeiss-Aerotopograph) und des Militärs (RLM, OKH, OKM, Panzertruppe) auch Vertreter der Universitäten Bonn und München, der TH Hannover, des Reichsamtes für Landesaufnahme und des Instituts für Deutsche Ostarbeit in Krakau teil.171 Im Ergebnis dieser Besprechung übernahm Troll verschiedene Forschungsaufträge, da sich ihm über die Forschungsstaffel offenbar günstige Arbeitsbedingungen boten: „Da ich in Jena auch für den Luftbildausschuss der Gesellschaft für Erdkunde und für das Luftbildarchiv etwas herausschlagen musste, und da ich die Möglichkeit hatte, großzügig für wiss. Arbeiten Leute frei zu bekommen, übernahm ich mehrere Forschungsaufträge, durch die wir in der Lage sind, das Luftbildarchiv mit neuestem Luftbildmaterial aus den verschiedenen Teilen Europas auszustatten. Es war besprochen, dass Dr. Hartke in mein Bonner Institut kommen solle, um einen geomorphologischen Luftbildforschungsauftrag auszuführen. […] Da die Forschungsstaffel das größte Interesse hat, dass ausländische Luftbildliteratur, besonders russische, in größerem Umfang übersetzt und zugänglich gemacht wird, wurde ein [entsprechender] Forschungsauftrag für Bonn formuliert. […] Die Hilfsmittel für solche Forschungsaufträge sind sehr großzügig zugedacht, vor allem auch an Instrumenten.“172
In diesem Schreiben offenbarte sich Trolls pragmatisches Vorgehen, denn trotz seiner Vorbehalte gegen Schulz-Kampfhenkel versprach er sich in mehrfacher Hinsicht Vorteile von einer Kooperation mit der Forschungsstaffel und dem BEF. Zum einen konnte er aufgrund der „Vollmachten“ Schulz-Kampfhenkels wissenschaftliches Personal freistellen. In diesem Fall war die Lage besonders brisant, da einer der von Troll vorgeschlagenen Mitarbeiter, der Innsbrucker Botaniker Helmut Gams, jüdische Vorfahren hatte. Wie Troll richtig einschätzte, ließen sich die Gams betreffenden „kleinlichen Intrigen […] über die Forschungsstaffel sofort aus der Welt schaffen“, da diese die gegen Gams erhobene Denunziation ignorierte und diesen als „Zivilist“ einstellte.173 Zum anderen wurden Troll und seinen Mitarbeitern offenbar günstige Ar-
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Abb. 10 Teilnehmer der Tagung über Luftbild-Interpretation bei Zeiss-Aerotopograph in Jena, 20.–22. Juni 1944 (von links: vordere Reihe Eduard Oskar Messter, Carl Troll, Kurt Schwidefsky, Oberst Hans Ruef, Claus Aschenbrenner, Hans Cloos, Otto Schulz-Kampfhenkel, Richard Finsterwalder, Hans Bobek, Oberleutnant Koenig, Heinz Gruner; mittlere Reihe Schilling, Erich Otremba, Oberst Froetschner, K. von Oppen, Heinrich Müller-Miny, Gottfried Pfeifer, Wolfgang Hartke, Carl Tietje; hintere Reihe G. Foerstner, Rudolf Burkhardt, Karl Heinz Paffen, Walter Brucklacher, Günter Caulier-Eimbcke, Heinz Ellenberg, Ernst Preising, Wilhelm von Laer, Helmut Nietzsch, Karl Rinner, Emil Meynen, Wilhelm Kuenoldt, F. R. Jung, Josef Schmithüsen) (Quelle: Carl Troll: Die Pflege der Luftbildinterpretation in Deutschland, in: Bildmessung und Luftbildwesen. Zeitschrift für Photogrammetrie, Photointerpretation und Luftbildwesen 37 (1969), Heft 4, S. 121).
beitsbedingungen geboten, denn neben finanzieller und apparativer Unterstützung erhielten sie Zugriff auf das aktuelle Luftbildmaterial der Forschungsstaffel. Dies war offenbar auch der Grund, warum Troll Ende 1944 zudem die Leitung der Gruppe „Luftbildforschung“ innerhalb der „Arbeitsgemeinschaft für wehrwissenschaftliche Geländeforschung“ des BEF übernahm. Troll war zwei Jahre zuvor vom RLM mit dem Aufbau eines Luftbildarchivs bei der Gesellschaft für Erdkunde betraut worden und leitete seit 1943 den Ausschuss zur Förderung der Luftbildforschung der Gesellschaft.174 Während er nun offenbar die Hoffnung hatte, das Luftbildmaterial der Forschungsstaffel zugunsten des von der GfE betriebenen Luftbildarchivs zu verwenden, d. h. es diesem einzugliedern175, verfolgte Schulz-Kampfhenkel aber ganz entgegen gesetzte Interessen. Wie Schulz-Kampfhenkels Verwaltungschef Caulier-Eimbcke nach dem Krieg aussagte, sei dieser nach der Arbeitstagung in Jena daran gegangen, eine Arbeitsgruppe für Luftbildforschung aufzubauen, für deren Leitung u. a. Troll vorgesehen war. Zu diesem Zweck sollte Caulier-Eimbcke für die Zusammenführung von Luftbildern in einem Luftbildarchiv der Forschungsstaffel sorgen und Kopien von Fotofilmen an-
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fertigen. Angeblich sei es Schulz-Kampfhenkel darum gegangen, möglichst viel Material vor der Vernichtung zu bewahren und die Grundlage für die Fortführung der zivilen Forschungsgruppe nach dem Krieg zu sichern.176 Dies war aber nur die halbe Wahrheit, denn hinter den Bemühungen Schulz-Kampfhenkels stand ganz offenbar der Gedanke, Zugriff auf das von Troll aufgebaute Luftbildarchiv der GfE zu bekommen und es mit dem seiner Forschungsgruppe zu verschmelzen. So brachte Troll in einem Schreiben an den Vorsitzenden der GfE Ende Februar 1945 zum Ausdruck, dass Schulz-Kampfhenkel bei Kriegsende mit der Auflösung seiner militärischen Organisation rechnete und daher eine „Verbindung mit der traditionellen deutschen Geographie“ suche. Daher sei auch das Luftbildarchiv der Forschungsstaffel schon so angelegt worden, dass es bei Auflösung der militärischen Organisation automatisch in den Besitz der 1940 gegründeten zivilen Forschungsgruppe Schulz-Kampfhenkel e. V. übergehen könne.177 Und so kam es wohl auch, denn zwei Wochen später führte Troll in einem Schreiben an den Kommandeur der Hauptbildabteilung der Luftwaffe, Oberst Hans Ruef, aus: „Mein Institut arbeitet jetzt nur noch mit weiblichen Hilfskräften als Wehrforschungsinstitut weiter! Wir sind aber dadurch sehr stark an die Forschungsstaffel z.b.V. und an den Beauftragten für Sonderfragen der erdkundlichen Forschung, Oberleutnant SchulzKampfhenkel, gebunden. Ich musste innerhalb seiner Organisation die Leitung des Arbeitskreises Luftbildforschung übernehmen, während die Luftbildorganisation der zivilen Wissenschaft, die ich gleichfalls leite, bei der Anspannung der Zeit nicht den nötigen Rückhalt finden kann. Oberleutnant Schulz-Kampfhenkel war neuerlich mit seinen Mitarbeitern hier, um die Fragen der Luftbildforschung erneut zu besprechen. Er legt aus Gründen, die ich nicht wiedergeben möchte, den allergrößten Wert darauf, dass die Sammlung von wissenschaftlichem Luftbildmaterial ausschließlich durch die Forschungsstaffel z.b.V. erfolgt. Ich kann mir auch denken, dass im Augenblick nur noch militärische Stellen die Möglichkeit haben, solches Material in größerem Umfang zu transportieren. Ich habe daher Oberleutnant Schulz-Kampfhenkel zugesagt, dass auch das von der Hauptbildabteilung der Luftwaffe für uns freigegebene und bereitgestellte Luftbildmaterial von der Forschungsstaffel z.b.V. in Empfang genommen wird.“178
Der „einheitliche Einsatz zahlreicher Fachleute der Erdwissenschaften im Rahmen der Forschungsstaffel“ erstreckte sich jedoch nicht nur auf die Hochschulen.179 Eine enge Verbindung ergab sich beispielsweise auch zum Leiter der Reichsstelle für Vegetationskartierung in Hannover, Prof. Dr. Reinhold Tüxen. Die für fast sämtliche Arbeiten der Forschungsstaffel relevanten Untersuchungen der Pflanzensoziologen um Tüxen machten es möglich, durch die Kenntnis der Pflanzendecke „Rückschlüsse
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auf Untergrund, Wasserverhältnisse sowie besondere Möglichkeiten der Befahrung (Panzer- und Pionierwaffe, Flugplätze) und Begehung (Truppenverschiebungen)“ zu ziehen.180 Vor allem in Kombination mit der Luftbildauswertung konnten anhand der auf den Bildern erkennbaren Pflanzen Rückschlüsse über die Art des Bodens, insbesondere seine „Vernässung“ gezogen werden. Dies war besonders wichtig für die Kartierung von feuchtem Gelände, etwa Sümpfen, Flussauen und Überschwemmungsgebieten, was Schulz-Kampfhenkel in einem Tätigkeitsbericht besonders hervorhob: „Die Panzerkarten entstehen durch wissenschaftliche Auswertung großmaßstäblicher Luftbilder in Verbindung mit Geländeerkundung und durch Verarbeitung aller vorhandenen wissenschaftlichen Quellen. Die Beurteilung der Tragfähigkeit der Feuchtböden geschieht außer durch Geländeerkundung in erster Linie mit Hilfe der pflanzensoziologischen Luftbildauswertung, die Beurteilung des Reliefs als Panzerhindernis durch stereoskopische Luftbildausmessung.“181 Die Anwendungsmöglichkeiten der Pflanzensoziologie gingen aber über rein militärische Fragestellungen hinaus und bewiesen ihren Nutzen auch für bautechnische und landwirtschaftliche Zwecke. So konnten mittels pflanzensoziologischer Analysen schon im Winter Aussagen darüber getroffen werden, ob z. B. Straßen, Wege und Baustellen im Frühjahr trocken liegen würden oder nicht. Aus diesem Grund bildete die pflanzensoziologische Luftbildauswertung eine wesentliche Voraussetzung für die schnelle Herstellung von Geländebeurteilungen. Im Fall der militärischen Karten war es besonders wichtig, dass man mit Hilfe von Luftbildern diese Evaluation auch von Gebieten durchführen konnte, die nicht betreten werden konnten.182 Aufgrund der Bedeutung des von Tüxen vertretenen Faches avancierte dieser schließlich zum Leiter der Arbeitsgruppe „Vegetationskartierung“ innerhalb der vom BEF Schulz-Kampfhenkel gebildeten „Arbeitsgemeinschaft für wehrwissenschaftliche Geländeforschung“ im RFR. Das Kooperationsnetzwerk des BEF reichte jedoch noch weiter. So wurde im August 1944 auch der Leiter der Abteilung Landeskunde am Reichsamt für Landesaufnahme, Professor Dr. Emil Meynen, für die Arbeiten Forschungsstaffel herangezogen, für die er „angewandte Karten“ bearbeitete.183 Einen Monat später traf sich Schulz-Kampfhenkel mit dem Leiter der „Hauptabteilung Planung und Boden“ des „Reichskommissariats für die Festigung deutschen Volkstums“ (RKF), Prof. Dr. Konrad Meyer. In der Besprechung kam man überein, die gesamte zivile Organisation des „Sonderbeauftragten für den landschaftlichen Aufbau des neuen deutschen Ostens“ im RKF-Planungsamt, Prof. Dr. Heinrich Wiepking-Jürgensmann, in die Arbeiten der Forschungsstaffel einzuschalten. Hierbei ging es vor allem um Fragen der „Tarnungsberatung beim Stellungsbau im Osten“.184 Darüber hinaus kooperierte der BEF auch mit dem Leiter der Sektion Landeskunde des Instituts für Deutsche Ostarbeit (IDO) in Krakau, Dr. Hans Graul, dessen Forschungen in direktem Zusammenhang
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mit der NS-Umsiedlungs- und Bevölkerungspolitik in Polen standen.185 Hatten sich Graul und seine Mitarbeiter zunächst mit raumplanerischen Fragen im „Generalgouvernement“ befasst, so führten sie seit Juli 1944 auch militärgeographische und kartographische Untersuchungen für den Stab des BEF Schulz-Kampfhenkel durch.186 Ein Bericht des IDO vom Februar 1945 hielt in diesem Zusammenhang fest: „Die Sektion Landeskunde ist die älteste Sektion des Instituts. Sie […] bearbeitet […] unmittelbar Wehrmachtsaufträge für den Reichsforschungsrat. Der Sektionsleiter ist vom Reichsforschungsrat uk-gestellt und für das Institut für Deutsche Ostarbeit zur Wahrung seiner bisherigen Tätigkeit als Sektionsleiter dienstverpflichtet mit dem Auftrag, das geographische wissenschaftliche Material, insbesondere das fremdsprachige, als wissenschaftliche Grundlage für die Herstellung von Geländebeurteilungskarten der Ostfront, insbesondere Panzerkarten, zu beschaffen, auszuwerten und für den Fronteinsatz verwendungsfähig zu machen. Seit Juli 1944 bearbeitet die Sektion die agrar- und siedlungsgeographische Auswertung von Luftbildaufnahmen und zur Herstellung von Geländebeurteilungskarten. Der leitende Referent ist Mitglied der ‚Arbeitsgemeinschaft für wehrwissenschaftliche Geländeforschung‘.“187
Die Arbeiten der Sektion Landeskunde des IDO erstreckten sich vor allem auf den Bereich der Heeresgruppen „Mitte“ und „Nordukraine“. Neben der Herstellung von Karten zur Geländebeurteilung ging es aber auch um die „laufende Beratung aller am Ausbau der Oststellungen“ beteiligten Behörden. Zu diesem Zweck wurde der stellvertretende Leiter der Abteilung Landeskunde des IDO, Dr. Ernst Fugmann, über die Forschungsstaffel freigestellt.188 Diese Beispiele machen deutlich, dass sich Schulz-Kampfhenkel um den Jahreswechsel 1944/45 eine einflussreiche Stellung als Wissenschaftsorganisator und Vermittler zwischen Hochschulforschung und Wehrmacht aufgebaut hatte. Die Grundlage für diesen „Erfolg“ bildeten die kriegswichtigen Ergebnisse der von ihm geleiteten Forschungsstaffel. Vor allem im Generalstab der Luftwaffe hob man hervor, dass die Arbeiten der Staffel der geographischen Forschung im Rahmen der Kriegsführung ein ganz neues Betätigungsfeld eröffnet hätten. „Die straffe betriebstechnische Organisation und die frontnahe Aufgabenstellung“ hätten darüber hinaus zu Ergebnissen geführt, „die von höchsten Führungsstellen anerkannt worden“ seien.189 Die Operationsabteilung beim Generalstab des Heeres bezeichnete die Methoden und den Aufbau der Forschungsstaffel sogar „als richtungweisend für eine truppennahe neuzeitliche Wehrgeographie“. Und daher kam bereits im August 1944 der Gedanke auf, die Forschungsstaffel künftig in die entsprechende Fachabteilung des Generalstabes bzw. Wehrmachtsführungsstabes einzugliedern.190 Den Hintergrund bildeten
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Neuordnungspläne im Kriegskarten- und Vermessungswesen des OKH, die auf die Schaffung einer im Amt „Wehrmacht-Kartenwesen im OKW“ zusammengefassten Zentrale hinausliefen. „Als Trägerin einer neuzeitlichen Militärgeographie“ und zur Fortführung der „von ihr entwickelten wissenschaftlichen Methoden“191, so die Überlegung, sollte die Forschungsstaffel aus der Zuständigkeit des RSHA wieder herausgelöst und dem Wehrmachtsführungsstab unterstellt werden. Im Rahmen des geplanten Amtes sollte Schulz-Kampfhenkel, folgt man seinen Angaben, die Leitung der Abteilung „Kriegsgeländekunde“ übernehmen.192 Zum einen zielten diese geplanten Maßnahmen auf eine organisatorische Zusammenlegung der Forschungsstaffel und der Gruppe „Wehrgeologie“ des OKH zur Konzentration der in der Geländeberatung der Wehrmacht tätigen Wissenschaftler ab.193 Zum anderen strebte man nach einer „Vereinheitlichung der bisherigen systemlosen Vielfalt angewandter Kriegskarten“, wie sie von verschiedenen Stellen ohne einheitliche Steuerung bis dahin erarbeitet worden waren. Zu diesem Zweck verständigte man sich im November 1944 auf zwei „angewandte Kriegskartentypen“, eine „Wehrgeographische“ und eine „Wehrgeologische Kriegskarte“. Während letztere fortan der Aufsicht des Leitenden Heeresgeologen unterstand, sollte die Forschungsstaffel nun für die Schaffung und Betreuung der Wehrgeographischen Kriegskarte zuständig zeichnen.194 Inwieweit diese Planspiele im OKW umgesetzt wurden, ist unklar. Zwar kam es noch im März 1945 zur Bildung des Amtes „Wehrmacht-Kartenwesen“ unter der Leitung von Generalleutnant Adolf Heusinger. Dass Schulz-Kampfhenkel darin die Leitung der Abteilung „Kriegsgeländekunde“ übernahm, ist angesichts des Kriegsverlaufs aber eher unwahrscheinlich.195 Wichtig erscheint in diesem Zusammenhang nur, dass der Leiter der Forschungsstaffel von den verantwortlichen militärischen Behörden für eine weitere Schlüsselposition in Aussicht genommen wurde, was seinen Einfluss noch verstärkt hätte. Doch auch im Wissenschaftsbereich schien SchulzKampfhenkel seinen Zenit noch immer nicht erreicht zu haben. Hatte man im Führungskreis der GfE zu Berlin196 bereits im Februar 1944 zwischenzeitlich erwogen, Schulz-Kampfhenkel in den Luftbildausschuss der Gesellschaft aufzunehmen197, so ging der Vorsitzende der 1941 gegründeten Deutschen Geographischen Gesellschaft (DGG), Prof. Dr. Oskar Schmieder, im Dezember 1944 noch einen Schritt weiter.198 In einem geheimen Rundschreiben an die Mitglieder des engeren Beirats der DGG führte Schmieder aus, dass die mit der Gründung der Gesellschaft verbundene Zielsetzung, „die deutsche Geographie […] der Kriegführung geschlossen zur Verfügung zu stellen“, nicht in Erfüllung gegangen sei. Vielmehr seien verschiedene militärische Dienststellen entstanden, welche die für die Wehrmacht notwendigen geographischen Zuarbeiten leisten würden. Als BEF und Leiter der Forschungsstaffel z.b.V. vertrete Schulz-Kampfhenkel eine dieser Stellen. Da sich sein Aufgabenkreis
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inzwischen „auf den militärischen Gesamteinsatz der deutschen Geographie erweitert“ habe, werde er bald „auch die letzten noch freien für den militärischen Einsatz in Frage kommenden zivilen Fachgenossen in sein Arbeitsgebiet einbeziehen“. Damit, so Schmieder, übernehme Schulz-Kampfhenkel gleichsam „den während des Krieges noch durchführbaren Aufgabenkreis“ der DGG, woraus sich für Schmieder die Schlussfolgerung ergab, dass Schulz-Kampfhenkel auch die Leitung der Gesellschaft übernehmen solle.199 Gegen diesen Vorschlag erhoben einflussreiche Mitglieder der Deutschen Geographischen Gesellschaft jedoch „wesentliche Bedenken“, da eine Ernennung Schulz-Kampfhenkels „die deutsche Geographie einseitig und unfrei“ machen und vor allem nach dem Krieg „bei Übelgesinnten mit der Möglichkeit einer Verdächtigung der Zweckwissenschaft belasten“ würde.200
3. Vorsorge für die Zukunft Anders als zu erwarten, zeigte Schulz-Kampfhenkel aber „ein so gesundes Urteil“, dass er den Vorschlag Schmieders, die Leitung der DGG zu übernehmen, von sich aus ablehnte.201 Hinter dieser Reaktion verbargen sich jedoch ganz pragmatische Überlegungen des Leiters der Forschungsstaffel. Diese offenbarte er in einem Gespräch mit Troll im Februar 1945. Hierbei ging es zwar vordergründig um die Weiterführung der wehrwissenschaftlichen Arbeiten, Schulz-Kampfhenkel lenkte die Unterhaltung jedoch bewusst auf die allgemeine Entwicklung der Geographie und das Verhältnis der Forschungsstaffel zu den traditionellen geographischen Organisationen. Wie Troll erkannte, war Schulz-Kampfhenkel „von einem totalen Organisationsehrgeiz befallen“ und wollte „seine Stellung in der deutschen Geographie, die er sich jetzt im Kriege mit Hilfe der Wehrmacht und seiner zahlreichen wissenschaftlichen Mitarbeiter geschaffen“ hatte, „auch in die Nachkriegszeit hinein sichern“. Dabei stützte er sich auf die von ihm aufgebaute „dreigegliederte Organisation“ (Forschungsgruppe e.V., Forschungsstaffel z.b.V., Bevollmächtigter für Sonderfragen der erdkundlichen Forschung im RFR). Während sich Schulz-Kampfhenkel von der DGG offenbar „überhaupt nicht Wirksames erwartete“, suchte er Verbindung zur Berliner Gesellschaft für Erdkunde. Troll durchschaute jedoch die Ziele seines „sehr tatkräftigen und organisatorisch gewandten“ Gegenüber, denn im Grunde ging es Schulz-Kampfhenkel nur um die Kontrolle über das im Krieg angefertigte Luftbildmaterial. Wie Troll in seiner Gesprächsnotiz festhielt, habe zwar die GfE ein Luftbildarchiv angeregt und in Gang gebracht, doch auch die Forschungsstaffel verfüge inzwischen über ein etwa 70.000 Bilder umfassendes Archiv. Dieses Archiv, so Troll, sei „in sehr geschickter Weise“ von Schulz-Kampfhenkel der Forschungsgruppe e.V.
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zugeschrieben worden, „womit es nach Kriegsende automatisch in den Besitz seiner zivilen Vereinigung übergehen sollte. Demnach benutze dieser die Forschungsstaffel dazu, „um seine private Vereinigung auch für die Nachkriegszeit fest in den Sattel zu heben“. Daraus, so Troll weiter, ergebe sich jedoch „die Gefahr einer ernsten Konkurrenz zwischen der Forschungsgruppe e.V. und der Gesellschaft für Erdkunde“. Denn während die Gesellschaft weitgehend inaktiv sei, verfüge allein Schulz-Kampfhenkel durch seine Organisation über die Möglichkeit „der Sicherstellung eines möglichst umfangreichen Luftbildmaterials für die Nachkriegszeit“, was dieser nun „voll und Abb. 11 Otto Schulz-Kampfhenkel im Herbst ganz“ ausnutze. So müsse man mit anse1944 (Quelle: Niels Bohr Library and Archives, hen, dass von Schulz-Kampfhenkel und American Institute of Physics, College Park, Maryland seiner Umgebung „jetzt ein sehr großes (MD), USA, Samuel A. Goudsmit Papers, 1921– Bildermaterial zusammengetragen wird, 1979, Box 26, folder 24). das nach früheren Plänen eigentlich die Gesellschaft für Erdkunde hätte bekommen sollen“.202 In gleicher Weise hatte er sich übrigens schon 1942/43 das gesamte nicht-militärische Material der im Rahmen des „Sonderkommandos Dora“ angefallenen Bild- und Kartenunterlagen gesichert203, und schickte sich nun zudem an, auch das von der Kriegsmarine aufgebaute „Seekartenwerk“ unter seine Kontrolle zu bringen.204 Schulz-Kampfhenkel war sich über die wissenschaftliche, wirtschaftliche, aber auch politische Bedeutung des von ihm „gesicherten“ Bild- und Kartenmaterials voll im Klaren.205 Daher verfolgte er mit diesen zum Teil brisanten Unterlagen keineswegs nur wissenschaftliche, sondern in erster Linie wirtschaftliche Motive, die der von ihm verfassten Satzung seiner „Forschungsgruppe e.V.“ diametral entgegenstanden. Hatte der Geschäftsführer der Forschungsgruppe, Caulier-Eimbcke, noch im August 1944 betont, die Zwecke des Vereins seien „gemeinnützig und nicht auf ein wirtschaftliches Ziel gerichtet“206, so ging es im Mai 1945 um die langfristige kommerzielle Verwertung des zusammengetragenen Luftbild- und Kartenmaterials, oder wie Troll es formulierte, um eine „rein private und wirtschaftliche Ausnützung der wissenschaftlichen Geographie“.207
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Schulz-Kampfhenkel wurde aber noch in anderer Hinsicht aktiv. Seit August 1944 bemühte er sich darum, für ihn wichtige Mitarbeiter der Forschungsstaffel als Mitglieder in seine zivile „Forschungsgruppe Schulz-Kampfhenkel e.V.“ einzubauen. Diese hatte er 1940 in der Absicht gegründet, um mit seiner Arbeit nach dem Krieg fortzufahren.208 Da die Satzung dieser Forschungsgruppe jedoch allein auf ihren Leiter zugeschnitten war, und ihm alle Rechte einräumte, verwahrten sich selbst langjährige Weggefährten Schulz-Kampfhenkels gegen eine Aufnahme in den Verein. Dies veranlasste Schulz-Kampfhenkel im Herbst 1944 zu einer Revision der Satzung, was seine nähere Umgebung angesichts der zahllosen kriegswichtigen Arbeiten der Forschungsstaffel nur mit Kopfschütteln quittierte und als Hobby ihres Chefs abtat. Die neue Satzung war vor allem von politisch kompromittierenden Formulierungen bereinigt worden. Während Schulz-Kampfhenkel im Februar 1942 beispielsweise verfügt hatte, dass das gesamte Vereinsvermögen im Fall einer Auflösung des Vereins an die NSDAP fallen sollte (§ 11), sollte das Vermögen nach der neuen Version von 1944 nun dem RFR, also einer zivilen Forschungsförderungsorganisation, zugeführt werden (§ 12).209 Dass hinter dieser Satzungsänderung jedoch ebenfalls langfristig angelegte Zukunftsplanungen standen, offenbarte sich im Januar 1945, als verschiedene Spezialisten der Forschungsstaffel einen Brief Schulz-Kampfhenkels erhielten, in dem sie zu Mitgliedern der nun „Forschungsgruppe e.V.“ genannten Vereinigung „berufen“ wurden. Im Hintergrund stand dabei die Überlegung, die wichtigsten Mitglieder der Forschungsstaffel für sich zu gewinnen. Wie er seinen Mitarbeitern in vertraulichen Gesprächen mitteilte, hoffte er, mit seiner neuen, nun entpolitisierten Satzung vor allem den Interessen der westlichen Alliierten entgegenzukommen, von denen er sich nach dem Krieg Unterstützung für seine geplanten Expeditionsvorhaben versprach.210 Dafür musste Schulz-Kampfhenkel den Alliierten jedoch etwas anbieten. Und das war genau das Material, dass er sich als Leiter der Forschungsstaffel und der Forschungsgruppe angeeignet hatte. Um diese Unterlagen vor der Vernichtung beziehungsweise der Beschlagnahmung durch die Alliierten zu bewahren, ließ er das Bild-, Film-, Karten- und Aktenmaterial der Forschungsstaffel an verschiedenen Orten in Süddeutschland und Österreich verstecken und alle Spuren verwischen. Diese Verlagerungen nahmen teilweise Züge eines Kriminalstückes an. So wurden Koffer in Wäldern vergraben, Unterlagen in Klöstern, Schlössern und Privathäusern versteckt, oder als wissenschaftliches Material einzelner Universitäten getarnt.211 Die Verwaltungszentrale im schlesischen Neudorf, die stets Kopien aller Akten, Bilder und Karten der einzelnen Forschungskommandos erhielt, wurde von Caulier-Eimbcke – inzwischen der Schwager Schulz-Kampfhenkels212 – angesichts der näherrückenden Front, im Januar 1945 zunächst an die Bergakademie in Clausthal und im April
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schließlich ins Sommerhaus seiner Eltern nach Tinsdahl (Hamburg-Rissen) verlegt. Dabei bemühte sich Caulier-Eimbcke darum, soviel Luftbild- und Filmmaterial wie möglich mit in die Hansestadt zu nehmen, um von dort aus den Neuaufbau der Forschungsgruppe in die Wege zu leiten. Wie er nach dem Krieg aussagte, konnte er „vor der Kapitulation“ in dieser Frage aber nichts mehr erreichen und daher vergrub auch er das Material, um es vor dem Verlust zu bewahren.213 Damit sollte eine Grundlage geschaffen werden, „auf der nach Beendigung des Krieges eigene wissenschaftliche Arbeiten (Grundlagenforschung und wissenschaftliche Expeditionen) aufgebaut werden“ konnten. Gleichzeitig sollte helfend eingegriffen werden, „wenn die Durchführung wissenschaftlicher Arbeiten (auf den Gebieten Geographie, Geologie, Meteorologie, Vermessungskunde, Photogrammetrie, Botanik u. a.) an Ressort- oder Etatschwierigkeiten, Geldmangel oder am Fehlen technischer Möglichkeiten (Photographie-Forschungsgerät) zu scheitern drohten“.214 Die damit verbundene Hoffnung, die Forschungsgruppe habe damit einen Trumpf für die Zukunft in der Hand, schien sich jedoch bald in Rauch aufzulösen. Denn zum einen wurde Caulier-Eimbcke im Juni 1945 vom britischen Geheimdienst verhaftet, zum anderen wurde auch der Leiter der Forschungsgruppe, Otto Schulz-Kampfhenkel, im gleichen Monat vom USamerikanischen Geheimdienst OSS in Tirol aufgespürt und in ein Internierungslager in Zell am See gebracht.215
Fazit Die Zeit von 1943 bis 1945 markierte den Höhepunkt der Karriere Otto SchulzKampfhenkels. Die Grundlage dafür bildete seine Ernennung zum Beauftragten für Sonderfragen der erdkundlichen Forschung im Reichsforschungsrat im Mai 1943. Wie schon im Fall des „Sonderkommandos Dora“ ging diese Ernennung maßgeblich auf die Initiative Schulz-Kampfhenkels, dessen Gespür für kommende Veränderungen und sein Anpassungsvermögen an neue Rahmenbedingungen zurück. Seine Flexibilität, seine nachhaltige Überzeugungskraft und sein geschicktes Lavieren zwischen politischen, wissenschaftlichen und militärischen Interessen öffneten ihm neue Türen zur Macht. Dass Schulz-Kampfhenkel diese Türen nicht verschlossen blieben, hing vor allem mit seiner ausgeprägten Fähigkeit zusammen, sich selbst „als aktiven Forscher und Expeditionsfachmann“ für die Durchsetzung der Weltgeltung deutscher Wissenschaft zu präsentieren.216 Diese geschickte Selbstinszenierung paarte sich mit einem pragmatisch-nüchternden Arbeitsstil, einer Sachorientierung und einem unbedingten Leistungswillen, was bei den maßgeblichen Vertretern aus Politik und Militär Eindruck hinterließ.
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Wie schon bei seinen Zukunftsplanungen von 1940/41, die zur Bildung des „Sonderkommandos Dora“ führten, war Schulz-Kampfhenkels „Programmatik“ auch im Frühjahr 1943 bewusst breit angelegt, um sich bei den in seinen Augen wichtigen Instanzen Gehör zu verschaffen.217 Vor dem Hintergrund der Entwicklungen auf dem afrikanischen Kriegsschauplatz vollzog auch er einen nahtlosen thematischen Wechsel vom „Kolonialraum“ Afrika in die von Deutschland okkupierten Gebiete Europas, indem er sein Expertenwissen kurzerhand auf politisch und wirtschaftlich wichtige „Operationsräume“ im Osten Europas transferierte.218 Für den „Herrenmenschen“ Schulz-Kampfhenkel stellte dieser geopolitische Perspektivwechsel kein Problem dar. Im Gegenteil, er begrüßte ihn sogar, denn der von ihm als Siedlungs- bzw. Ausbeutungsraum bezeichnete Osten bot ihm ein Experimentierfeld mit ungeahnten Möglichkeiten. Dies hatte zur Folge, dass Schulz-Kampfhenkel als Bevollmächtigter des Reichsforschungsrates zunächst für zahllose zivile Reichsbehörden Erkundungs- und Spezialaufträge durchführen ließ, die zum Teil in engen Zusammenhang mit der nationalsozialistischen Siedlungs- und Vernichtungspolitik standen. Bereits im Rahmen des „Sonderkommandos Dora“ hatte Schulz-Kampfhenkel unter Beweis gestellt, dass sein auf den Raum gerichteter Blick auch ohne weiteres für militärische Zwecke Verwendung finden konnte. Dies war der Grund dafür, dass er im Mai 1943 ebenfalls zum Leiter der „Forschungsstaffel z.b.V.“ berufen wurde, einer militärischen Spezialeinheit, die mit Hilfe innovativer Techniken neue Wege der militärischen Geländebeurteilung beschritt. Die auf diesem Gebiet verwendeten neuen wissenschaftlichen Methoden, wie die intensive Nutzung der Luftbildfotografie und der Pflanzensoziologie, aber auch der interdisziplinäre Ansatz, d. h. die Kombination verschiedener Disziplinen, waren grundlegend für den „Erfolg“ Schulz-Kampfhenkels. Dabei bestand seine „Leistung“ weniger auf dem Gebiet der Forschung, sondern vielmehr darin, zwischen dem Militär und den von ihm gesteuerten Wissenschaftlern zu vermitteln und letztere für den Kriegseinsatz zu mobilisieren. Auf diese Weise verschaffte ihm seine Doppelfunktion als staatlicher Bevollmächtigter mit umfangreichen Geldmitteln und als Leiter einer mit Sondervollmachten versehenen militärischen Spezialeinheit gegen Ende des Krieges eine Schlüsselposition im Schnittfeld der gesellschaftlichen Teilsysteme Wissenschaft, Politik und Militär. Im Ergebnis dieser Entwicklung waren Schulz-Kampfhenkels Kompetenzen schließlich so weit gesteckt, dass ein ehrgeiziger und von einer tiefen Überzeugung von der Richtigkeit seines Programms durchdrungener Mann wie er die Gelegenheit erhielt, selbst nach der Führung über die erdkundliche und die geographische Forschung in Deutschland zu greifen.
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Anmerkungen 1
Abschrift eines Vermerks des Wirtschaftsstabes Ost (Chefgruppe La) betr. Kommando Dr. Schulz-Kampfhenkel, 21.4.1943, Bundesarchiv (BArch) Berlin, NS 19/3638, Bl. 94. 2 Vgl. Bericht des Kommandeurs des Sonderkommandos Dora, Oberstleutnant Herbert Haeckel, über den Südlibyen- und Tibestieinsatz des Sonderkommandos Dora vom 20.6.1942 bis 14.12.1942, BArch Berlin, Bestandsergänzungsfilm 376, Bl. 7141–7155; Hermann Häusler: Forschungsstaffel z.b.V. Eine Sondereinheit zur militärgeographischen Beurteilung des Geländes im 2. Weltkrieg (MilGeo, Nr. 21), Wien 2007, S. 26–50. 3 Vgl. Bericht der Fluggruppe A (Leutnant Schulz-Kampfhenkel), BArch Berlin, Bestandsergänzungsfilm 376, Bl. 7145–7148. 4 Brief des Vorsitzenden der Forschungsgruppe Schulz-Kampfhenkel e.V., Otto Schulz-Kampfhenkel, an Reichsminister [Lammers], 9.11.1942, BArch Berlin, R 43/4091, Bl. 93 f. 5 Vgl. ebd. Dabei legte er dort vermutlich auch „Werturteile“ des Generalstabs der Luftwaffe, des Generalstabs des Heeres/Fremde Heere West, des Generalstabs des Heeres/Chef Kriegskarten und Vermessungswesen, der Heeresplankammer und des leitenden Wehrgeologen der Inspektion Festungswesen (Geologie) beim Chef der Heeresrüstung und Befehlshabers des Ersatzheeres des OKH über das Ergebnis der Geländeerkundungen in Libyen vor. Vgl. Anhang zur Denkschrift Schulz-Kampfhenkels (Forschungsgruppe Schulz-Kampfhenkel. Arbeitsgemeinschaft für wissenschaftliche Expeditionen, Naturforschung und Völkerkunde e.V., Berlin) betr. Einsatz militärischer Forschungskommandos für dringende Erschließungsaufgaben in ungenügend bekannten Kriegsgebieten nach dem bewährten Muster des Sonderkommandos Dora in Afrika, 31.10.1942, Bundesarchiv-Militärarchiv (BArch-MA) Freiburg, RW 5/739, Bl. 28–37. 6 Zur FoFü vgl. Helmuth Trischler: Luft- und Raumfahrtforschung in Deutschland 1900– 1970. Politische Geschichte einer Wissenschaft, Frankfurt am Main/New York 1992, S. 246 ff.; Karl-Heinz Ludwig: Technik und Ingenieure im Dritten Reich, Düsseldorf 1979, S. 237; Maier: Forschung als Waffe. Rüstungsforschung in der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und das Kaiser-Wilhelm-Institut für Metallforschung 1900–1945/48, Göttingen 2007, S. 738 ff. Zur Abteilung FEP vgl. ebd., S. 774 ff.; Ludwig: Technik, S. 237 f. 7 Sören Flachowsky: Von der Notgemeinschaft zum Reichsforschungsrat. Wissenschaftspolitik im Kontext von Autarkie, Aufrüstung und Krieg, Stuttgart 2008, S. 288. 8 Vgl. ebd., S. 299–303. 9 Vgl. Briefe von Franz Bachér (REM) an Schulz-Kampfhenkel, 18.4.1936 und 11.6.1935, BArch Berlin, R 4901/11887/2, Bl. 461 f. Hinweise auf die Durchführung und den Verlauf der Expedition und ihre Finanzierung finden sich in einem Brief Schulz-Kampfhenkels ( Jari, Brasilien) an das REM, 5.12.1935, BArch Berlin, R 73/14608 (unp.). 10 Brief des Auswärtigen Amtes (AA) an Schulz-Kampfhenkel, 23.4.1940, BArch Berlin, R 26 III/716 (unp.); Brief Schulz-Kampfhenkels an den Präsidenten der DFG, 17.6.1940, ebd. Vgl. den Beitrag von H. Stoecker in diesem Band. 11 Die Forschungsgruppe hatte Schulz-Kampfhenkel bereits im Jahr 1932 unter dem Namen „Arbeitsgemeinschaft junger Naturwissenschaftler“ gegründet. Am 2.5.1940 wurde der nun als „Forschungsgruppe Schulz-Kampfhenkel e.V.“ bezeichneten Arbeitsgemeinschaft der Sta-
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tus eines eingetragenen Vereins verliehen. Vgl. Niederschrift über die Gründungsverhandlung der Forschungsgruppe Schulz-Kampfhenkel. Arbeitsgemeinschaft für wissenschaftliche Expeditionen, Naturforschung und Völkerkunde e.V., 2.5.1940, Amtsgericht Berlin-Charlottenburg, VR 12578 (alt), Bl. 3–5. Vgl. den Beitrag von H. Stoecker in diesem Band. 12 Hans Böhm: Annäherungen. Carl Troll (1899–1975) – Wissenschaftler in der NS-Zeit, in: Matthias Winiger (Hg.): Carl Troll: Zeitumstände und Forschungsperspektiven. Kolloquium im Gedenken an den 100. Geburtstag von Carl Troll, Sankt Augustin 2003, S. 1–99, hier S. 91. 13 Vgl. Brief von Schulz-Kampfhenkel an Mentzel, 15.6.1941, BArch Berlin, R 73/14608 (unp.). Zu Schulz-Kampfhenkels Plänen von 1941, die auf die Schaffung einer größeren Forschungsorganisation hinausliefen, vgl. Bericht: Organization, Chain of Command and Interrelations of Forschungsstaffel, Forschungsgruppe, Sonderkommando Dora and Kommando Theo and Source of Revenue of Forschungsgruppe, hier Report II: Forschungsgruppe e.V., S. 1, 2.5.1947, National Archives London (NAL) (Kew), FO 1031/95 (unp.). 14 Vgl. Denkschrift Schulz-Kampfhenkels (Forschungsgruppe Schulz-Kampfhenkel. Arbeitsgemeinschaft für wissenschaftliche Expeditionen, Naturforschung und Völkerkunde e.V., Berlin) betr. Einsatz militärischer Forschungskommandos für dringende Erschließungsaufgaben in ungenügend bekannten Kriegsgebieten nach dem bewährten Muster des Sonderkommandos Dora in Afrika, 31.10.1942, BArch-MA Freiburg, RW 5/739, Bl. 24–27. Vgl. auch Häusler: Forschungsstaffel, S. 58–60. 15 Brief des Leiters des Geschäftsführenden Beirats des RFR, Rudolf Mentzel, an den Chef des Allgemeinen Wehrmachtamtes, Generalleutnant Hermann Reinecke, 6.2.1943, BArch Berlin, R 26 III/204a (unp.). 16 Vgl. Denkschrift Schulz-Kampfhenkels (Forschungsgruppe Schulz-Kampfhenkel. Arbeitsgemeinschaft für wissenschaftliche Expeditionen, Naturforschung und Völkerkunde e.V., Berlin) betr. Einsatz militärischer Forschungskommandos für dringende Erschließungsaufgaben in ungenügend bekannten Kriegsgebieten nach dem bewährten Muster des Sonderkommandos Dora in Afrika, 31.10.1942, BArch-MA Freiburg, RW 5/739, Bl. 24–27. 17 Ebd. 18 Vgl. Bericht von Josef Schmithüsen: Changes of the statutes of the Forschungsgruppe, 12.2.1947, NAL (Kew), FO 1031/95 (unp.). Siehe auch Holger Stoecker: Afrikawissenschaften in Berlin von 1919 bis 1945. Zur Geschichte und Topographie eines wissenschaftlichen Netzwerkes, Stuttgart 2008, S. 295–309. 19 Diese „Neuordnungs- und Machbarkeitseuphorie“ beobachteten Götz Aly und Susanne Heim bei den Vordenkern des „Generalplan Ost“, mit denen Schulz-Kampfhenkel als Sonderbeauftragter des RFR auch zusammenarbeitete. Götz Aly/Susanne Heim: Vordenker der Vernichtung. Auschwitz und die deutschen Pläne für eine europäische Ordnung, Frankfurt am Main 1995, S. 394. 20 Stoecker: Afrikawissenschaften, S. 305. 21 Brief von Carl Troll an den Prüfungsausschuss der Universität Bonn (z. Hd. von Prof. Dr. von Weber), 28.10.1945, Nachlass (NL) Carl Troll, Nr. 85, Archiv des Geographischen Instituts der Universität Bonn (AGI Bonn). Vgl. auch Böhm: Annäherungen, S. 90; Thomas R. Smith/ Lloyd D. Black: German Geography: War work an present status, in: Geographical Review, 36 (1946), No. 3 ( July), S. 398–408, hier S. 403; Häusler: Forschungsstaffel, S. 105; Mecht-
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hild Rössler: »Wissenschaft und Lebensraum«. Geographische Ostforschung im Nationalsozialismus. Ein Beitrag zur Disziplingeschichte der Geographie, Berlin 1990, S. 203 (Anm. 3). Brief des Reichsgeschäftsführers des Ahnenerbes, SS-Standartenführer Wolfram Sievers, an SS-Sturmbannführer Ernst Schäfer (München), 1.7.1943, BArch Berlin, ehem. BDC, Akte Ahnenerbe (Otto Schulz-Kampfhenkel), unp. Vgl. Denkschrift Schulz-Kampfhenkels (Forschungsgruppe Schulz-Kampfhenkel. Arbeitsgemeinschaft für wissenschaftliche Expeditionen, Naturforschung und Völkerkunde e.V., Berlin) betr. Einsatz militärischer Forschungskommandos für dringende Erschließungsaufgaben in ungenügend bekannten Kriegsgebieten nach dem bewährten Muster des Sonderkommandos Dora in Afrika, 31.10.1942, BArch-MA Freiburg, RW 5/739, Bl. 24–27. Stenographischer Bericht über die Besprechung über den Reichsforschungsrat, 6.7.1942, BArch-MA Freiburg, RL 3/56, Bl. 301–376, hier Bl. 302. Dieses Konzept hatte sich bereits in den diversen Arbeits- und Erfahrungsgemeinschaften des Rüstungsministeriums oder des RLM als tauglich erwiesen. Vgl. Maier: Forschung, S. 722. Ausdruck dieser Entwicklung war etwa die Ernennung von Bevollmächtigten für Hochfrequenz- und Fernsteuerungstechnik im RFR, die in erster Linie der Luftwaffe zuarbeiteten. Während Schulz-Kampfhenkel als Beauftragter für Sonderfragen der erdkundlichen Forschung vor allem Heeresinteressen bediente, war der Leiter der Marinegeographischen Arbeitsgemeinschaft des RFR für die strategischen Überlegungen der Kriegsmarine von Bedeutung. Vgl. Flachowsky: Reichsforschungsrat, S. 330–349. Vgl. Sören Flachowsky: Der Bevollmächtigte für Hochfrequenzforschung des Reichsforschungsrates und die Organisation der deutschen Radarforschung in der Endphase des Zweiten Weltkrieges, in: Technikgeschichte 72 (2005), Heft 3, S. 203–226, hier S. 212. Undatierter, nach 1945 erschienener Bericht über den RFR, BArch Berlin, R 73/29 (unp.). Vgl. auch Brief von Mentzel an den Fachspartenleiter für Eisen und Stahl, Friedrich Körber, 25.2.1943, BArch Berlin, R 26 III/697 (unp.). An anderer Stelle betonte Mentzel, dass die Fachspartenleiter im Gegensatz zu den Bevollmächtigten „jeweils eine gesamte wissenschaftliche Disziplin zu betreuen“ hätten. Brief von Mentzel an Fritz Görnnert, 10.2.1943, BArch Berlin, R 26 III/437b, Bl. 289. Helmut Maier: „Wehrhaftmachung“ und „Kriegswichtigkeit“. Zur rüstungstechnologischen Relevanz des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Metallforschung in Stuttgart vor und nach 1945 (Forschungsprogramm „Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus, Ergebnisse 5), Berlin 2002, S. 23. Vgl. Lebenslauf Schulz-Kampfhenkels, 1943, BArch Berlin, ehem. BDC, Akte RS (Otto Schulz-Kampfhenkel), (unp.). Zum afrikanischen Kriegsschauplatz vgl. Reinhard Stumpf: Der Krieg im Mittelmeerraum 1942/43: Die Operationen in Nordafrika und im mittleren Mittelmeer, in: Horst Boog u. a. (Hg.): Der globale Krieg. Die Ausweitung zum Weltkrieg und der Wechsel der Initiative 1941–1943 (Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd. 6), Stuttgart 1990, S. 567–757, hier S. 710–739. Vgl. Brief des Leiters des Geschäftsführenden Beirats des RFR, Rudolf Mentzel, an den Chef des Allgemeinen Wehrmachtamtes, Generalleutnant Hermann Reinecke, 6.2.1943, BArch Berlin, R 26 III/204a (unp.). Der Erinnerung Erwin Boehms zufolge hatte Schulz-Kampfhenkel die „Gabe, nachhaltige Überzeugungskraft auszustrahlen“. Erwin Boehm: Aufbau und Einsatz der Forschungsstaf-
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Sören Flachowsky fel z.b.V., in: Erwin Boehm/Walter Brucklacher/Wolfgang Pillewizer: Luftbildinterpretation und Geländevergleich. Die Tätigkeit der Forschungsstaffel von 1943–1945, Wien 1989, S. 9–15, hier S. 9. Brief des Leiters des Geschäftsführenden Beirats des RFR, Rudolf Mentzel, an den Chef des Allgemeinen Wehrmachtamtes, Generalleutnant Hermann Reinecke, 6.2.1943, BArch Berlin, R 26 III/204a (unp.). Dabei unterließ es Mentzel nicht, auf das Vorgehen des Gegners („Long-Range-Desert Groups und die gaullistischen Compagnies Découverte et Combat“) zu verweisen. Vgl. OKW/Erkundungsstaffel z.b.V. (Anlage zum Brief des Leiters des Geschäftsführenden Beirats des RFR, Rudolf Mentzel, an den Chef des Allgemeinen Wehrmachtamtes, Generalleutnant Hermann Reinecke, 6.2.1943), ebd. Vgl. auch Häusler: Forschungsstaffel, S. 53. Ein Hinweis auf das genaue Gründungsdatum der „Forschungsstaffel z.b.V.“ [zur besonderen Verwendung] fehlt. Während Häusler davon ausgeht, sie sei am Tag der Ernennung SchulzKampfhenkels zum „Beauftragten für Sonderfragen der erdkundlichen Forschung im RFR“ (2.5.1943) gebildet worden (Häusler: Forschungsstaffel, S. 22, 62), führte Schulz-Kampfhenkel in einem 1943 erstellten Lebenslauf aus, er habe die Leitung der Staffel erst im Juni 1943 übernommen (vgl. Lebenslauf Schulz-Kampfhenkels, 1943, BArch Berlin, ehem. BDC, Akte RS Otto Schulz-Kampfhenkel, unp.). Im Unterschied dazu finden sich verschiedene Überlieferungen vom April 1943, die auf die zu diesem Zeitpunkt bereits bestehende „Forschungsstaffel z.b.V.“ verweisen. Vgl. etwa Abschrift eines Brief des Reichsministeriums für die besetzten Ostgebiete an die Forschungsgruppe Schulz-Kampfhenkel e.V., 29.4.1943, BArch Berlin, NS 19/3638, Bl. 95. Vgl. ferner Boehm: Aufbau, S. 9; Ludwig F. Schmidt: Schulz-Kampfhenkel Combination Mappig Method. Britisch Intelligence Objectives Sub-Committee (BIOS), Interrogation Report No. 178, 4.10.1946, S. 1–20, hier S. 3, Imperial War Museum (IWM), Duxford. Brief von Ministerialrat Fritz Görnnert (Stabsamt des Reichsmarschalls) an Mentzel, 19.4.1943, BArch Berlin, R 26 III/204a (unp.). Brief von Schulz-Kampfhenkel (Forschungsgruppe Schulz-Kampfhenkel e.V.) an Mentzel, 28.4.1943, ebd. Brief Görings (Präsident des RFR) an Schulz-Kampfhenkel, 2.5.1943, BArch Berlin, R 26 III/180 (unp.). Vgl. ebd. Brief des Leiters des Geschäftsführenden Beirats des Reichsforschungsrates, Rudolf Mentzel, an den Chef des Allgemeinen Wehrmachtamtes im OKW, General Hermann Reinecke (Anlage: OKW/Erkundungsstaffel z.b.V.), 6.2.1943, BArch Berlin, R 26 III/204a (unp.). In seiner Vernehmung durch die Alliierten führte Josef Schmithüsen 1946 aus, er wisse nicht, von wem die Initiative zur Ernennung eines BEF ausgegangen sei. Er vermutete aber zurecht, dass zumindest „bei der näheren Umgrenzung des Aufgabenbereiches Dr. Schulz-Kampfhenkel selbst beteiligt gewesen ist, da die Aufgabe in der Form […] sozusagen auf seine Person zugeschnitten war. Der ‚Beauftragte‘ war keine Dienststelle, sondern eine rein persönliche Beauftragung. Als einziger Mitarbeiter mit einem besonderen Arbeitsbereich war meines Wissens bis zum Sommer 1944 nur Herr Caulier tätig, und zwar als Stellvertreter für Verwaltungsfragen“. Bericht von Josef Schmithüsen: Der Beauftragte für Sonderfragen der erdkundlichen Forschung des Reichsforschungsrates, 22.7.1946, NAL (Kew), FO 1031/111 (unp.).
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42 Organisationsplan des Beauftragten für Sonderaufgaben der erdkundlichen Forschung, 6.7.1943, BArch Berlin, R 26 III/33, Bl. 1–9. 43 Eine Übersicht über die Gesamtorganisation des BEF findet sich im Anhang. 44 Entwurf für einen Erlass des Präsidenten des RFR über den Aufgabenbereich des „Beauftragten für Sonderaufgaben der Auslandsforschung im Reichsforschungsrat“, vermutlich April 1943, BArch Berlin, R 26 III/204a (unp.). Zum „Führererlass zur Vereinfachung der Verwaltung“ vom 28.8.1939 vgl. Dieter Rebentisch: Führerstaat und Verwaltung im Zweiten Weltkrieg. Verfassungsentwicklung und Verwaltungspolitik 1939–1945, Stuttgart 1989, S. 147–153. Zu den Mitgliedern der Forschungsgruppe vgl. Häusler: Forschungsstaffel, S. 84; Brief des Geschäftsführers der Forschungsgruppe Schulz-Kampfhenkel e.V., Günter Caulier-Eimbcke, an den Reichstreuhänder für den öffentlichen Dienst, Sachbearbeiter für den Gauarbeitsamts-Bezirk Niederschlesien in Breslau, 25.8.1944, BArch Berlin, R 55/21005, Bl. 1–3. 45 Das von Schulz-Kampfhenkel aufgebaute Bildarchiv umfasste 1945 ca. 200.000 Aufnahmen von Gebieten im Baltikum, in Polen, Rumänien, Ungarn, der Tschechoslowakei, Ostpreußen, Südwestfrankreich, den Pyrenäen, Dänemark, Nord- und Westdeutschland sowie Nordfinnland und Nordnorwegen. Vgl. Häusler: Forschungsstaffel, S. 78–80, 85. 46 Bereits im Frühjahr 1941 hatte die „Forschungsgruppe Schulz-Kampfhenkel e.V.“ mit dem „Sonderkommando Dora“ einen Vertrag geschlossen, der der Forschungsgruppe die Nutzung aller nicht militärischen Ergebnisse des Libyen-Unternehmens sicherte. Vgl. ebd., S. 85. Zur Bedeutung dieses Archivs für die Nachkriegszeit vgl. ebd., 88. 47 Vgl. den Beitrag von M. Rolke/S. Flachowsky in diesem Band. 48 Vgl. Bericht von Günter Caulier-Eimbcke an Major Edmund Tilly betr. Interrogation durch Major Tilly vom 14.11.1946 über meinen Lebenslauf und meine Tätigkeit, S. 8, 17.11.1946, NAL (Kew), FO 1031/114 (unp.). Zu den Aufgaben der Geschäftsführung der Forschungsgruppe und der Forschungsstaffel z.b.V. vgl. Bericht: Organization, Chain of Command and Interrelations of Forschungsstaffel, Forschungsgruppe, Sonderkommando Dora and Kommando Theo and Source of Revenue of Forschungsgruppe, hier Report II: Forschungsgruppe e.V., S. 2–4, 2.5.1947, NAL (Kew), FO 1031/95 (unp.). 49 Aktenvermerk von Caulier-Eimbcke betr. Verlegung der Dienststelle von Buckow nach Schloss Nettkow in Schlesien, 13.8.1943, BArch Berlin, R 26 III/180 (unp.); Brief von Caulier-Eimbcke an Mentzel, 5.10.1943, ebd. 50 Organisationsplan des Beauftragten für Sonderaufgaben der erdkundlichen Forschung, 6.7.1943, BArch Berlin, R 26 III/33, Bl. 1–9. 51 Zu den Mitgliedern der Forschungsstaffel vgl. Ludwig F. Schmidt: Interrogation Summary Schulz-Kampfhenkel Combination Mapping Method, S. 5 f., 26.4.1946, National Archives Washington (NAW), Records oft the Federal Bureau of Investigation (FBI), Record Group (RG) 65 (FBI Record Declassified under the Disclosure Act), File 57254, Section 001, Box 214 (Location 230/86/10/01); Manfred Schlesinger: Sonderkommando Dora, Forschungsstaffel z.b.V., 15.10.1945, NAW, RG 319, IRR (Impersonal File), Box 38; Ludwig F. Schmidt: Schulz-Kampfhenkel Combination Mapping Method, BIOS Interrogation Report No. 178, 4.10.1946, IWM Duxford, S. 5 f. 52 Organisationsplan des Beauftragten für Sonderaufgaben der erdkundlichen Forschung, 6.7.1943, BArch Berlin, R 26 III/33, Bl. 1–9.
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Sören Flachowsky Vgl. Wolfgang Pillewizer: Zwischen Alpen, Arktis und Karakorum. Fünf Jahrzehnte kartographische Arbeit und glaziologische Forschung, Berlin 1986, S. 48; Häusler: Forschungsstaffel, S. 61. Wie Pillewizer bei seiner Vernehmung durch die Alliierten 1947 angab, fungierte das „Sonderkommando Dora“ nun nur noch als „militärische Personalstelle“ der Forschungsstaffel und als deren Verbindungsstelle zu den Dienststellen des Heeres und der Luftwaffe. Bericht von Wolfgang Pillewizer über die Forschungsstaffel z.b.V., 17.7.1947, NAL (Kew), FO 1031/110 (unp.). Vgl. auch Josef Schmithüsen: Beschreibung der Forschungsstaffel, 22.7.1946, NAL (Kew), FO 1031/111 (unp.). Wie sehr Schulz-Kampfhenkel versuchte, seinen Einfluss auch auf das „Sonderkommando Dora“ auszudehnen, wird darin ersichtlich, dass er dessen Kommandeur, Major Fritz Gericke, im Zivilberuf promovierter Rechtsanwalt und Notar, im Juni 1943 zum stellvertretenden Vorsitzenden der zivilen „Forschungsgruppe Schulz-Kampfhenkel“ e. V. ernannte. Vgl. Brief von Schulz-Kampfhenkel an das Vereinsregister des Amtsgerichts Berlin (Charlottenburg), 10.6.1943, Amtsgericht Berlin-Charlottenburg, VR 12578 (alt), Bl. 50. Zudem fungierte Gericke 1944 als Leumund bei der Eheschließung Schulz-Kampfhenkels mit Charlotte Caulier-Eimbcke, der Schwester von Günter Caulier-Eimbcke. Organisationsplan des Beauftragten für Sonderaufgaben der erdkundlichen Forschung, 6.7.1943, BArch Berlin, R 26 III/33, Bl. 1–9; Brief des OKW (Amt Ausland/Abwehr) an den Präsidenten des RFR (betr. Dienstanweisung für das „Sonderkommando Dora“), 15.7.1943, BArch Berlin, R 26 III/180 (unp.); Dienstanweisung für den Arbeitsbereich des BEF, 24.7.1943, ebd. Das „Kommando Flugbereitschaft“ stand unter der Aufsicht des Generals der Aufklärungsflieger des OKL. Vgl. Bericht: Organization, Chain of Command and Interrelations of Forschungsstaffel, Forschungsgruppe, Sonderkommando Dora and Kommando Theo and Source of Revenue of Forschungsgruppe, S. 1, 2.5.1947, NAL (Kew), FO 1031/95 (unp.). Eine Übersicht über die Fachgebiete und Mitglieder der „Gruppe Forschung“ der Forschungsstaffel ( Juli 1943) findet sich in Tabelle 5 im Anhang. Organisationsplan des Beauftragten für Sonderaufgaben der erdkundlichen Forschung, 6.7.1943, BArch Berlin, R 26 III/33, Bl. 1–9; Halbjahresbericht des BEF, 7.1.1945, BArch Berlin, R 26 III/219, Bl. 11–22, hier Bl. 13. Vgl. auch Häusler: Forschungsstaffel, S. 79. Organisationsplan des Beauftragten für Sonderaufgaben der erdkundlichen Forschung, 6.7.1943, BArch Berlin, R 26 III/33, Bl. 1–9. Vgl. etwa das 19 verschiedene Adressen umfassende Anschriftenverzeichnis der Forschungsstaffel z.b.V. von 1944, ebd., Bl. 56–58. Vgl. Bericht von Edmund Tilley (Enemy Personnel Exploitation Section, Field Information Agency, Technical (FIAT)/„T“ Force, 69 HQ., Control Commission for Germany (B.E.) B.A.O.R.) an Mr. R. G. H. Cullingham, Subject: Caulier-Eimbcke: Note to his Reports of 5, 15 and 22 February 1947 on Plans for Re-Organisation of the Forschungsgruppe, S. 4, 7.3.1947, NAL (Kew), FO 1031/114 (unp.). Häusler räumt zwar ein, dass die Unterstellungsverhältnisse des BEF aufgrund der Vermischung ziviler und militärischer Bereiche schwer zu durchschauen waren (S. 56), bezeichnet den in der „Dienstanweisung“ des BEF dargestellten Organisationsplan aber als „solide Basis“, auf der Schulz-Kampfhenkel „je nach Bedarf in seiner militärischen oder zivilen Funktion seine Organisations-Kompetenz auf allen Gebieten der erdkundlichen Forschung“ behaupten konnte. Häusler: Forschungsstaffel, S. 69, 82.
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60 Brief des OKW (Amt Ausland/Abwehr) an den Präsidenten des RFR (betr. Dienstanweisung für das „Sonderkommando Dora“, hier Unterpunkt 10), 15.7.1943, BArch Berlin, R 26 III/180 (unp.); Dienstanweisung für den Arbeitsbereich des BEF (hier S. 4, Punkt b), 24.7.1943, ebd. 61 Bericht von Günter Caulier-Eimbcke betr. Finanzierung der Forschungsgruppenarbeit, 12.5.1945, NAL (Kew), FO 1031/114 (unp.). Vgl. auch Bericht: Organization, Chain of Command and Interrelations of Forschungsstaffel, Forschungsgruppe, Sonderkommando Dora and Kommando Theo and Source of Revenue of Forschungsgruppe, hier Report II: Forschungsgruppe e.V., S. 7 f., 10–27, 2.5.1947, NAL (Kew), FO 1031/95 (unp.). 62 Vgl. Häusler: Forschungsstaffel, S. 85–87. 63 Die Bewilligungen des RFR für den BEF finden sich in BArch Berlin, R 73/50 (unp.). Weitere Hinweise finden sich in BArch Berlin, R 26 III/180, 204, 205 und 438a (unp.). 64 Brief des OKW (Amt Ausland/Abwehr) an den Präsidenten des RFR (betr. Dienstanweisung für das „Sonderkommando Dora“, hier Unterpunkt 6), 15.7.1943, BAB, R 26 III/180 (unp.). Eine Übersicht über die Auftraggeber des „Russlandeinsatzes“ der Forschungsstaffel z.b.V. im April und Mai 1943 findet sich in der Tabelle 6 im Anhang. 65 Vgl. Dienstanweisung für den Arbeitsbereich des BEF (hier S. 5 f., Punkt 7), 24.7.1943, ebd. 66 Anlage zur Dienstanweisung für den Arbeitsbereich des BEF, 24.7.1943, ebd. 67 Abschrift eines Briefs des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda an die Forschungsgruppe Schulz-Kampfhenkel e.V., 22.3.1943, BArch Berlin, NS 19/3688, Bl. 93. 68 Abschrift einer Vortragsnotiz des BEF für den Reichskommissar für die Ukraine, 22.5.1943, ebd., Bl. 98; Abschrift eines Vermerks der Abteilung Technische Planung Ost des Reichsministeriums für Bewaffnung und Munition betr. Einsatz der Forschungsstaffel Schulz-Kampfhenkel [!], 20.5.1943, ebd., Bl. 99 f.; Abschrift eines Ausweises der Zentrale der Organisation Todt für Günter Caulier-Eimbcke, 30.4.1943, ebd., Bl. 93. 69 Abschrift eines Vermerks des Wirtschaftsstabes Ost (Chefgruppe La) betr. Kommando Dr. Schulz-Kampfhenkel, 21.4.1943, ebd., Bl. 94; Abschrift einer Vortragsnotiz des BEF für den Reichskommissar für die Ukraine, 22.5.1943, ebd., Bl. 98. Zu der von den Deutschen gegründeten Forschungsstation Gorki, einer von vier Stationen zur „Reorganisation der landwirtschaftlichen Forschung in den besetzten Ostgebieten“, vgl. Susanne Heim: Kalorien, Kautschuk, Karrieren. Pflanzenzüchtung und landwirtschaftliche Forschung in Kaiser-Wilhelm-Instituten 1933–1945, Göttingen 2003, S. 230. 70 Abschrift einer Vortragsnotiz des BEF für den Reichskommissar für die Ukraine, 22.5.1943, BArch Berlin, NS 19/3688, Bl. 98; Abschrift eines Briefs der Zentrale der Organisation Todt an die Forschungsgruppe Schulz-Kampfhenkel e.V., 20.4.1943, ebd., Bl. 92. 71 Abschrift einer Vortragsnotiz des BEF für den Reichskommissar für die Ukraine, 22.5.1943, ebd., Bl. 98. 72 Abschrift eines Brief des OKH (Chef der Heeresrüstung und Befehlshaber des Ersatzheeres) an das OKW (Amt Ausland/Abwehr, I. H. West), 15.5.1943, ebd., Bl. 101–104. 73 Vgl. etwa die vom RFR organisierten Raubzüge in West- und Osteuropa in Flachowsky: Reichsforschungsrat, S. 411–432. 74 Brief des Reichsministeriums für die besetzten Ostgebiete an die Forschungsgruppe SchulzKampfhenkel, 14.5.1943, BArch Berlin, NS 19/3638, Bl. 87–90.
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75 Fernschreiben der Forschungsstaffel z.b.V. (OKW Dnjepro) an das OKW, Amt Ausland/Abwehr, Abt. I (Sonderkommando Dora, Kommandeur), 19.9.1943, BArch Berlin, R 26 III/205 (unp.). Einer der am Einsatz der Forschungsstaffel in der Sowjetunion beteiligten Akteure war der Botaniker Heinrich Walter (1898–1989) von der Landwirtschaftlichen Hochschule Hohenheim. Walter hatte in den 1930er Jahren mehrere Forschungsreisen nach Südwestafrika unternommen und erfuhr 1943 durch Kollegen, die sich gerade auf einen kartographischen Einsatz in der Ukraine vorbereiteten, von der Forschungsstaffel, die „Dr. Schulz-Kampfhänkel [!] unterstand, einem Zoologen, der am Amazonas den Film ‚Die Grüne Hölle‘ gedreht hatte, während des Krieges eine Erkundungsexpedition zum Tibesti-Gebirge in der Sahara leitete und jetzt Wissenschaftler, und zwar Geographen und Geobotaniker sammelte, um sie auf dem Balkan und im Osten zwecks allgemeiner Erkundung der Länder einzusetzen. […] Ich nahm sofort Verbindung mit Dr. Schulz-Kampfhänkel auf. Er hatte besonders gute Beziehungen zu den höchsten Heeres- und Parteistellen. Wissenschaftler, die er anforderte, wurden für die Sonderstaffel stets freigestellt. Sein Gedanke war, nach dem Kriege würde Deutschland Wissenschaftler für Expeditionen in andere Länder brauchen; man müßte verhindern, daß sie als Kanonenfutter im Kriege fielen, und sie deshalb als Wissenschaftler nützlich einsetzen. Meine Anforderung zur Sonderstaffel kam prompt, ich […] gehörte nun diesem sehr lockeren, eigentümlichen Verband der Sonderstaffel an, die direkt dem Oberkommando unterstellt war und sehr viel Freiheit genoß.“ Heinrich Walter: Bekenntnisse eines Ökologen. Erlebtes in acht Jahrzehnten und auf Forschungsreisen in allen Erdteilen, Stuttgart/New York 1980, S. 151 f. 76 Abschrift eines Briefs des Generalreferats für Raumordnung beim Reichsminister für die besetzten Ostgebiete an die Forschungsgruppe Schulz-Kampfhenkel, 13.5.1943, BArch Berlin, NS 19/3638, Bl. 91. 77 Vermerk über eine Sitzung beim Reichskommissar für das Ostland betr. Zusammenarbeit mit der Forschungsgruppe Schulz-Kampfhenkel, 4.6.1943, BArch Berlin, R 90/359 (unp.). 78 Abschrift eines Auszugs aus einem Aktenvermerk über die Chefbesprechung beim Chef Wi Stab Ost, 16.7.1943, BArch Berlin, R 26 III/205 (unp.). 79 Vermerk über eine Sitzung beim Reichskommissar für das Ostland betr. Zusammenarbeit mit der Forschungsgruppe Schulz-Kampfhenkel, 4.6.1943, BArch Berlin, R 90/359 (unp.). 80 Vgl. Walter A. Brucklacher: Bildbefliegungen und kartographische Arbeiten des Kommandos Bildoffizier der Forschungsstaffel, in: Erwin Boehm/Walter Brucklacher/Wolfgang Pillewizer: Luftbildinterpretation und Geländevergleich. Die Tätigkeit der Forschungsstaffel von 1943–1945, Wien 1989, S. 17–24, hier S. 22. Zur Bedeutung der Ölschiefervorkommen Estlands für die deutsche Kriegs- und Rüstungswirtschaft vgl. Karte „Raw Material Deposits (Including Esthonia), in: Werner Abelshauser (Hg.): Goerings Atlas. Das Handwerkszeug des Rüstungsdiktators. Geheimes Kartenmaterial aus dem Büro des Beauftragten für den Vierjahresplan Reichsmarschall Hermann Göring, Braunschweig 2004, S. 24; Ernst von Pezold: Über die Gewinnung und Untersuchung von festen bituminösen Produkten aus estländischem Ölschiefer, Tallin 1939; Paul N. Kogerman: On the Chemistry of the Estonian Oil Shake „Kukersite“, Tartu 1931. 81 Vermerk der Raumordnungsabteilung des RKO über die planerische Weiterbearbeitung des estländischen Brennschiefergebietes, 22.9.1943, BArch Berlin, R 90/395 (unp.). Vgl. auch Erläuterungsbericht der Raumordnungsabteilung des RKO zum Raumordnungsplan für das estländische Brennschiefergebiet, 21.9.1943, ebd.; Bericht des BEF für die Zeit vom Juli 1943
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bis Oktober 1943, 1943, BArch Berlin, R 26 III/205 (unp.); Fernschreiben der Forschungsstaffel z.b.V. (OKW Dnjepro) an das OKW, Amt Ausland/Abwehr, Abt. I (Sonderkommando Dora, Kommandeur), 19.9.1943, ebd. Erläuterungsbericht der Raumordnungsabteilung des RKO zum Raumordnungsplan für das estländische Brennschiefergebiet, 21.9.1943, BArch Berlin, R 90/395 (unp.); Bericht der Baltischen Ölgesellschaft m.b.H. betr. Wiederaufbau und Ausbau der Ölschieferindustrie in Estland, Juli 1943, ebd.; Aktenvermerk der Raumordnungsabteilung des RKO, 30.4.1943, ebd.; Teil B der Entwicklungsplanung für das estländische Schiefergebiet, 1943, ebd. Zur Ausnutzung der estnischen Ölschiefervorkommen durch die Baltische Öl GmbH und den dabei forcierten Einsatz von Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen vgl. Rainer Karlsch: 1859–1945, in: ders./Raymond G. Stokes: Faktor Öl. Die Mineralölwirtschaft in Deutschland 1859–1974, München 2003, S. 15–244, hier S. 218, 226. Anlage zur Dienstanweisung für den Arbeitsbereich des BEF, 24.7.1943, BArch Berlin, R 26 III/180 (unp.). Vgl. Vermerk über eine Sitzung beim RKO betr. Zusammenarbeit mit der Forschungsgruppe Schulz-Kampfhenkel, 4.6.1943, BArch Berlin, R 90/359 (unp.); Anlage 2 zum Organisationsplan des Beauftragten für Sonderaufgaben der erdkundlichen Forschung, 6.7.1943, BArch Berlin, R 26 III/33, Bl. 6 f. Isabel Heinemann: Wissenschaft und Homogenisierungsplanungen für Osteuropa. Konrad Meyer, der „Generalplan Ost“ und die Deutsche Forschungsgemeinschaft, in: Isabel Heinemann/Patrick Wagner (Hg.): Wissenschaft – Planung – Vertreibung. Neuordnungskonzepte und Umsiedlungspolitik im 20. Jahrhundert, Stuttgart 2006, S. 45–72, hier S. 46. Vgl. auch Jörg Gutberger: Volk, Raum und Sozialstruktur. Sozialstruktur- und Sozialraumforschung im „Dritten Reich“, Münster 1996, S. 511. Heinemann: Wissenschaft, S. 45. Zum „Generalplan Ost“ vgl. Mechthild Rössler/Sabine Schleiermacher (Hg): Der „Generalplan Ost“. Hauptlinien der nationalsozialistischen Planungs- und Vernichtungspolitik, Berlin 1993; Czeslaw Madajczyk (Hg.): Vom Generalplan Ost zum Generalsiedlungsplan, München 1994; Bruno Wasser: Himmlers Raumplanung im Osten. Der Generalplan Ost in Polen 1940–1944, Basel u. a. 1993; Aly/Heim: Vordenker, S. 394–440. Heinemann: Wissenschaft, S. 50 f. Vgl. auch Isabel Heinemann: „Rasse, Siedlung, deutsches Blut“. Das Rasse- und Siedlungshauptamt der SS und die rassenpolitische Neuordnung Europas, Göttingen 2003, S. 192–194. Vgl. Aly/Heim: Vordenker, S. 395; Sabine Schleiermacher: Soziobiologische Kriegführung? Der ‚Generalplan Ost‘, in: Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 19 (1996), Heft 2–3, S. 145– 156. Der Titel dieses Dokuments lautete: „Generalplan Ost. Rechtliche, wirtschaftliche und räumliche Grundlagen des Ostaufbaus“. Heinemann: Wissenschaft, S. 51. Das Dokument ist abgedruckt in: Madajczyk (Hg.): Generalplan, S. 91–130. Vgl. auch Schleiermacher: Kriegführung, S. 148–150. Vgl. Heinemann: Rasse, S. 403–414; Aly/Heim: Vordenker, S. 432–437. Zu den Vertreibungen im besetzten Polen vgl. Schleiermacher: Kriegführung, S. 147. Vgl. Heim: Kalorien, S. 16 f.; Heinemann: Wissenschaft, S. 61–72.
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92 Brief von Schulz-Kampfhenkel an SS-Hauptsturmführer Rudolf Brandt, Persönlicher Stab des Reichsführers-SS (mit anliegender Stellungnahme Schulz-Kampfhenkels zu der Niederschrift des Herrn Peskoller über den Erwerb der Guayanas), 26.4.1940, BArch Berlin, NS 19/2312, Bl. 22–36, hier Bl. 23. Vgl. den Beitrag von H. Stoecker in diesem Band. 93 Heinemann: Rasse, S. 190. 94 Brief von Schulz-Kampfhenkel an SS-Hauptsturmführer Rudolf Brandt, Persönlicher Stab des Reichsführers-SS (mit anliegender Stellungnahme Schulz-Kampfhenkels zu der Niederschrift des Herrn Peskoller über den Erwerb der Guayanas), 26.4.1940, BArch Berlin, NS 19/2312, Bl. 22–36, hier Bl. 23. 95 Vermerk über eine Sitzung beim RKO betr. Zusammenarbeit mit der Forschungsgruppe Schulz-Kampfhenkel, 4.6.1943, BArch Berlin, R 90/359 (unp.). 96 Christoph Dieckmann: Plan und Praxis. Deutsche Siedlungspolitik im besetzten Litauen 1941–1944, in: Heinemann/Wagner (Hg.): Wissenschaft – Planung – Vertreibung, S. 96 f., 106 f. 97 Vgl. Allgemeine Anmerkungen über die landwirtschaftlichen Gewerbebetriebe im Generalbezirk Litauen (erarbeitet von der Forschungsstaffel z.b.V.), ohne Datum, BArch Berlin, R 90/436 (unp.). 98 Dieckmann: Plan, S. 108. 99 Fernschreiben der Forschungsstaffel z.b.V. (OKW Dnjepro) an das OKW, Amt Ausland/ Abwehr, Abt. I (Sonderkommando Dora, Kommandeur), 19.9.1943, BArch Berlin, R 26 III/205 (unp.). 100 Brief des Stabsamts des Reichsmarschalls an Schulz-Kampfhenkel (mit Abschrift eines Auszugs aus dem Aktenvermerk über die Chefbesprechung beim Chef Wi Stab Ost vom 16.7.1943), 30.8.1943, ebd. 101 Brief von Schulz-Kampfhenkel an den Chef des Stabsamtes des Reichsmarschalls (mit anliegender Stellungnahme zum Aktenvermerk des Wi Stab Ost vom 16.7.1943), 28.9.1943, ebd. 102 Boehm verweist darauf, dass es sich für die Forschungsstaffel als „vorteilhaft“ erwies, in der Anfangsphase einen Erkundungserfolg aufzuweisen. Dies hatte u. a. zur Folge, dass die Personalanforderungen der Staffel fortan „großzügig“ erfüllt wurden. Boehm: Aufbau, S. 11. 103 Brief des Stabes Mattenklott an die Forschungsstaffel z.b.V., 31.8.1943, BArch Berlin, R 26 III/205 (unp.). Vgl. auch KTB, Bd. 6/2, S. 1213. 104 Bericht von Schulz-Kampfhenkel über den Erkundungseinsatz der Forschungsstaffel im Konka-Gebiet (Dnjepr-Linie) und Vorlage des Ergebnisses bei den örtlichen Führungsstäben, 27.9.1943, BArch Berlin, R 26 III/205 (unp.). Zur Arbeitstechnik der „Krokierung“ und dem „Luftkroki“ vgl. den Beitrag von M. Rolke/S. Flachowsky in diesem Band. 105 Bericht Schulz-Kampfhenkels (Oberkommando der Wehrmacht, Amt Ausland/Abwehr, Abt. I., Sonderkommando Dora, Forschungsstaffel z.b.V., Einsatzkommando Süd) mit dem Erkundungsergebnis betr. das Überschwemmungsgebiet der Konka-Niederung südl. Saporoshje, 18.9.1943, BArch Berlin, R 26 III/205 (unp.). Vgl. auch Pillewizer: Alpen, S. 48–52; ders.: Herstellung, S. 32–34; Häusler: Forschungsstaffel, S. 128–130. 106 Bericht von Schulz-Kampfhenkel über den Erkundungseinsatz der Forschungsstaffel im Konka-Gebiet (Dnjepr-Linie) und Vorlage des Ergebnisses bei den örtlichen Führungsstäben, 27.9.1943, BArch Berlin, R 26 III/205 (unp.); Brief Schulz-Kampfhenkels an Mentzel, 2.10.1943, ebd. In der Akte findet sich auch eine „Vorläufige Geländebeurteilungskarte der
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Konka-Niederung“ vom 19.9.1943. Vgl. ferner auch Hermann Häusler: Historic Maps of Terrain Evaluation, in: Reinhard Mang/Hermann Häusler (Eds.): International Handbook Military Geography, Vienna 2006, S. 257–271, hier 266 f. 107 Bericht von Schulz-Kampfhenkel über den Erkundungseinsatz der Forschungsstaffel im Konka-Gebiet (Dnjepr-Linie) und Vorlage des Ergebnisses bei den örtlichen Führungsstäben, 27.9.1943, BArch Berlin, R 26 III/205 (unp.); Fernschreiben der Forschungsstaffel z.b.V. (OKW Dnjepro) an das OKW, Amt Ausland/Abwehr, Abt. I (Sonderkommando Dora, Kommandeur), 19.9.1943, ebd. 108 Monatsbericht des BEF für November 1943 (Teil I), 30.11.1943, ebd. 109 Ebd. 110 Bericht des BEF für die Zeit vom Juli 1943 bis Oktober 1943, 1943, ebd. Vgl. auch Emil Meynen u.a.: Der Drang nach dem Osten, S. 138–143, 1947, NAL (Kew), FO 1031/140 (unp.). 111 Monatsbericht des BEF für August 1944 (Teil I), 5.9.1944, BArch Berlin, R 26 III/219, Bl. 34. Über das Schicksal der Gefangenen konnte nichts in Erfahrung gebracht werden. 112 Eine Übersicht über die wichtigsten militärischen Auftraggeber und Kooperationspartner der Forschungsstaffel z.b.V. zwischen September 1943 und Mai 1945 findet sich in Tabelle 7 im Anhang. 113 Dienstanweisung für den Arbeitsbereich des BEF, 24.7.1943, BArch Berlin, R 26 III/180 (unp.). 114 Brucklacher: Bildbefliegungen, S. 21, 23. Zu den von der Firma Carl Zeiss entwickelten Reihenmesskammern (RMK) vgl. Kurt Schwidefsky: Fortschritte der Photogrammetrie in den letzten Jahren (Erweiterter Sonderdruck aus der Zeitschrift für Vermessungswesen 1935, Hefte 25 und 26), NL Carl Troll, Sonderdrucksammlung, AGI Bonn. Ein allgemeiner Überblick über die deutsche Luftbildaufklärung findet sich in Notes on the operation of German Photo Reconnaissance and Photo Interpratation, 13.5.1944, NAL (Kew), AIR 40/1175 (unp.). 115 Vgl. Brucklacher: Bildbefliegungen, S. 19; Häusler: Forschungsstaffel, S. 34. 116 Ludwig F. Schmidt: Interrogation Summary Schulz-Kampfhenkel Combination Mapping Method, S. 13, 26.4.1946, NAW, Records oft the FBI, RG 65, File 57254, Section 001, Box 214 (Location 230/86/10/01). 117 Vgl. Brucklacher: Bildbefliegungen, S. 18–20. Zur technischen Ausstattung der Flugzeuge mit Aufnahmekameras, Laborgeräten und photogrammetrischen Geräten vgl. ebd., S. 21. 118 Hans Mommsen/Manfred Grieger: Das Volkswagenwerk und seine Arbeiter im Dritten Reich, Düsseldorf 21997, S. 627. 119 Vgl. Walter: Bekenntnisse eines Ökologen, S. 152. 120 Monatsbericht des BEF für März 1944 (Teil I), 1.4.1944, BArch Berlin, R 26 III/205 (unp.). 121 Günter Nagel: Wissenschaft für den Krieg. Die geheimen Arbeiten der Forschungsabteilung des Heereswaffenamtes 1933–1945 (im Erscheinen). Ich danke Herrn Nagel für die Möglichkeit einer Einsichtnahme in sein Manuskript. 122 Vgl. Bericht von Josef Schmithüsen über das Wärmemessgerät (Section F: New Weapons & Instruments), 22.7.1946, NAL (Kew), 1031/111 (unp.); Bericht von Siegfried Schneider (enthält u. a. Lebenslauf, Tätigkeit im Krieg und mit der Forschungsstaffel, Wärmemessgerät), 17.11.1946, NAL (Kew), 1031/116 (unp.); Ludwig F. Schmidt: Interrogation Summary
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Schulz-Kampfhenkel Combination Mapping Method, S. 12, 26.4.1946, NAW, Records oft the FBI, RG 65, File 57254, Section 001, Box 214 (Location 230/86/10/01). 123 So zumindest der Bericht von Josef Schmithüsen über das Wärmemessgerät (Section F: New Weapons & Instruments), 22.7.1946, NAL (Kew), 1031/111 (unp.). Zur Weiterentwicklung des Gerätes vgl. Nagel: Forschungsabteilung; Günter Nagel: Die Rüstungsforschung des Heeres 1930–1945 unter der Leitung von Erich Schumann und dessen Einfluss auf die nationalsozialistische Wissenschaftspolitik, in: Dahlemer Archivgespräche 13 (2007), S. 93–119, hier S. 111 f. 124 Im Anhang (Tabelle 8) findet sich eine detaillierte Übersicht über die Gliederung der Forschungsstaffel zwischen 1944 und 1945. 125 Vgl. R. P. Fischer: German Army Geologists and Terrain Intelligence Specialists ( Joint Intelligence Objectives Agency, Report No. 14), S. 5, Washington 1945, IWM Duxford. 126 Vgl. Halbjahresbericht des BEF für 1.7.–31.12.1944, 7.1.1945, BArch Berlin, R 26 III/219, Bl. 12. 127 Monatsbericht Januar 1944 des BEF, 30.1.1944, BArch Berlin, R 26 III/205. Zur Gliederung der Organisation des BEF, der Forschungsstaffel z.b.V. und der „Forschungsgruppe SchulzKampfhenkel“ mit ihren verschiedenen Sonderkommandos und Arbeitskreisen vgl. Halbjahresbericht des BEF für 1.7.–31.12.1944, 7.1.1945, BArch Berlin, R 26 III/219, Bl. 11–23. Zum Forschungskommando „Süd“ vgl. Bericht von Josef Schmithüsen: Das Forschungskommando Süd der Forschungsstaffel, 24.7.1946, NAL (Kew), FO 1031/111 (unp.); Topographical Intelligence Section C.M.: German Military Topographical Organisation, October 1945, S. 14 f., IWM London, K. 91/1937. Ein Beispiel für die Feldforschungen des in Laibach stationierten Forschungskommandos „Süd“ findet sich im Beitrag von K. Plewnia. 128 Vgl. Bericht von Wolfgang Pillewizer über die Forschungsstaffel z.b.V., 17.7.1947, NAL (Kew), FO 1031/110 (unp.); Halbjahresbericht des BEF für 1.7.–31.12.1944, 7.1.1945, BArch Berlin, R 26 III/219, Bl. 15. 129 Vgl. Häusler: Forschungsstaffel, S. 93, 101. 130 Monatsbericht des BEF für März 1944 (Teil I und II), 1.4.1944, BArch Berlin, R 26 III/205 (unp.). Vgl. auch Monatsbericht des BEF für Januar 1944 (Teil II), 30.1.1944, ebd.; Monatsbericht des BEF für April 1944, 29.4.1944, ebd.; Halbjahresbericht des BEF für 1.7.– 31.12.1944, BArch Berlin, R 26 III/219, Bl. 12, 16. Vgl. auch Bericht von Josef Schmithüsen: Beschreibung der Forschungsstaffel, 22.7.1946, NAL (Kew), FO 1031/111 (unp.). 131 Brief von Werner Osenberg (Planungsamt des RFR) an Oberstleutnant Honig (Technische Abteilung der Organisation Todt) betr. Tarnung des O.T.-Bauvorhabens 61, 13.4.1944, BArch Berlin, R 26 III/67, Bl. 19. 132 Zu dem Projekt „Hochdruckpumpe“, auch als „Englandgeschütz“, „Tausendfüßler“ oder „Fleißiges Lieschen“ bezeichnet, vgl. Karl-Heinz Ludwig: Die „Hochdruckpumpe“, ein Beispiel technischer Fehleinschätzung im 2. Weltkrieg, in: Technikgeschichte 38 (1971), Nr. 2, S. 142–157; Olaf Groehler: Die „Hochdruckpumpe“ (V 3). Entwicklung und Misere einer „Wunderwaffe“, in: Militärgeschichte 16 (1977), S. 738–744. 133 Vgl. Wolfgang Pillewizer: Interrogation mit Major Tilley und Walter N. Bailey betr. Lapplandunternehmen der Forschungsstaffel 1944, 11.12.1946, NAL (Kew), FO 1031/110 (unp.); Wolfgang Pillewizer: Bericht über die Tätigkeit der Forschungsstaffel in Lappland im Jahre 1944, 1946, ebd.; Bericht von Pillewizer: Die Lappland Unternehmung der Forschungs-
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staffel, 17.7.1946, ebd.; Halbjahresbericht des BEF für 1.7.–31.12.1944, 7.1.1945, BArch Berlin, R 26 III/219, Bl. 15. Vgl. Monatsbericht des BEF für Juli 1944 (Teil I), 31.7.1944, BArch Berlin, R 26 III/205 (unp.). Vgl. Monatsbericht des BEF für März 1944 (Teil I), 1.4.1944, ebd. Zur Einbindung eines Tarnungsoffiziers der Marine in die Forschungsstaffel vgl. Bericht des BEF für April 1944 (Teil I), 29.4.1944, ebd. Monatsbericht des BEF für Juli 1944 (Teil I), 31.7.1944, ebd. Monatsbericht des BEF für Januar 1944 (Teil I), 30.1.1944, ebd.; Monatsbericht des BEF für Februar 1944 (Teil I), 29.2.1944, ebd. Monatsbericht des BEF für Juli 1944 (Teil I), 31.7.1944, ebd.; Halbjahresbericht des BEF für die Zeit vom 1.7.–31.12.1944, 7.1.1945, BArch Berlin, R 26 III/219, Bl. 11–22, hier Bl. 12. Monatsbericht des BEF für April 1944 (Teil I), 29.4.1944, BArch Berlin, R 26 III/205 (unp.); Monatsbericht des BEF für Mai 1944 (Teil I), 30.5.1944, ebd.; Monatsbericht des BEF für August 1944 (Teil II), 5.9.1944, BArch Berlin, R 26 III/219, Bl. 31. Vgl. auch R. P. Fischer: German Army Geologists an Terrain Intelligence Specialists ( Joint Intelligence Objectives Agency, Report No. 14), S. 5, Washington 1945, IWM Duxford. Vgl. dazu Michael Wildt: Generation des Unbedingten. Das Führungskorps des Reichssicherheitshauptamtes, Hamburg 22008, S. 702–706. Vgl. ebd., S. 705; Michael Mueller: Canaris. Hitlers Abwehrchef. Biographie, Berlin 22008, S. 416–418; Julius Mader: Hitlers Spionagegenerale sagen aus. Ein Dokumentarbericht über Aufbau, Struktur und Operationen des OKW-Geheimdienstamtes Ausland/Abwehr mit einer Chronologie seiner Einsätze von 1933 bis 1944, Berlin (Ost), 21971, S. 390; Peter F. Müller/Michael Mueller/Erich Schmidt-Eenboom: Gegen Freund und Feind. Der BND: Geheime Politik und schmutzige Geschäfte, Reinbek bei Hamburg 2002, S. 32, 40. Vgl. Häusler: Forschungsstaffel, S. 74. Monatsbericht des BEF für Juli 1944 (Teil I), 31.7.1944, BArch Berlin, R 26 III/205 (unp.). Vgl. auch Bericht: Organization, Chain of Command and Interrelations of Forschungsstaffel, Forschungsgruppe, Sonderkommando Dora and Kommando Theo and Source of Revenue of Forschungsgruppe, hier Report IV: Kommando Theo, S. 1–5, 2.5.1947, NAL (Kew), FO 1031/95 (unp.). Zum Arbeitsstab „Theo“ in Rheda vgl. den Beitrag von M. Rolke/S. Flachowsky. Bericht des BEF für die Zeit vom Juli 1943 bis Oktober 1943, 1943, BArch Berlin, R 26 III/205 (unp.). Monatsbericht des BEF für November 1943 (Teil I), 30.11.1943, ebd. Vgl. ebd.; Monatsbericht des BEF für Januar 1944 (Teil II), 30.1.1944, ebd. Monatsbericht des BEF für November 1943 (Teil II), 30.11.1943, ebd. Monatsbericht des BEF für Januar 1944 (Teil II), 30.1.1944, ebd. Ebd. Die ersten Ergebnisse lagen Ende April 1944 vor. Vgl. Bericht des BEF für Mai 1944 (Teil I), 30.5.1944, ebd. Vgl. Monatsbericht des BEF für Februar 1944 (Teil I), 29.2.1944, ebd.; Brief von CaulierEimbcke an Mentzel, 3.3.1944, BArch Berlin R 26 III/180 (unp.).
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151 Vgl. Monatsbericht des BEF für Februar 1944 (Teil I), 29.2.1944, BArch Berlin, R 26 III/205 (unp.); Monatsbericht des BEF für März (Teil I), 1.4.1944, ebd. Vgl. auch Häusler: Forschungsstaffel, S. 71–73. 152 Vgl. Monatsbericht des BEF für Februar 1944 (Teil I), 29.2.1944, BArch Berlin, R 26 III/205 (unp.). 153 Vgl. etwa die 1947 als „Rechtfertigung“ erschienene apologetische Darstellung Carl Trolls: Die Geographische Wissenschaft in Deutschland in den Jahren 1933 bis 1945. Eine Kritik und Rechtfertigung, in: Erdkunde 1 (1947), S. 3–48. 154 Brief von Carl Troll an den Prüfungsausschuss der Universität Bonn (z. Hd. von Prof. Dr. von Weber), 28.10.1945, NL Carl Troll, Nr. 85, AGI Bonn. Vgl. auch die Charakterisierung Schulz-Kampfhenkels durch Prof. Dr. Gottfried Pfeifer (Reichsamt für Landesaufnahme) in Bericht von Pfeifer: The Reasons for my appointment to Hamburg university, particulary in relation to the Forschungsgruppe and its plans, S. 3 f., 28.1.1947, NAL (Kew), FO 1031/115 (unp.). 155 Brief von Carl Troll an Rudolf Asmis (Präsident der GfE), 21.4.1944, NL Carl Troll, Nr. 151, AGI Bonn. 156 Brief von Carl Troll an Dr. Claus Aschenbrenner (RLM), 29.4.1944, NL Carl Troll, Nr. 82, AGI Bonn. Noch im Februar 1945 führte Troll aus: „Man will immer noch die Wissenschaft nur für Handlangerdienste für technische Einzelfragen gelten lassen, sieht aber nicht ein, welches gewaltige Kriegspotential im wissenschaftlichen Geist und im zentralen Einsatz führender Gelehrter schlummert.“ Zitiert nach Hans Böhm: Luftbildforschung. Wissenschaftliche Überwinterung – Angewandte (kriegswichtige Forschung) – Rettung eines Paradigmas, in: Ute Wardenga/Ingrid Hösch (Hg.): Kontinuität und Diskontinuität der deutschen Geographie in Umbruchphasen. Studien zur Geschichte der Geographie, Münster 1995, S. 129– 139, hier S. 137. 157 Bericht des Direktors des Geographischen Instituts der Universität Bonn, Carl Troll: Abwehrleistungen der deutschen Wissenschaft gegen den Nationalsozialismus, etwa 1945/46, NL Carl Troll, Nr. 85, AGI Bonn. Zu dem in der community der Geographen nach 1945 etablierten Diktum einer im NS „wertfrei“ gebliebenen wissenschaftlichen Geographie vgl. Hans Böhm: Geographie, in: Jürgen Elvert/Jürgen Nielsen-Sikora (Hg.): Kulturwissenschaften und Nationalsozialismus, Stuttgart 2008, S. 359–389, hier S. 360. 158 Vgl. Mitchell G. Ash: Wissenschaft und Politik als Ressourcen für einander, in: Rüdiger vom Bruch/Brigitte Kaderas (Hg.): Wissenschaften und Wissenschaftspolitik. Bestandsaufnahmen zu Formationen, Brüchen und Kontinuitäten im Deutschland des 20. Jahrhunderts, Stuttgart 2002, S. 32–51. 159 Heim: Kalorien, S. 249. Vgl. auch Ulrich Herbert: Der deutsche Professor im Dritten Reich. Vier biographische Skizzen, in: Karin Orth/Willi Oberkrome (Hg.): Die Deutsche Forschungsgemeinschaft 1920–1970. Forschung im Spannungsfeld von Wissenschaft und Politik, Stuttgart 2010, S. 483–502, hier S. 500 f. 160 Vgl. Helmut Maier: Aus der Verantwortung gestohlen? „Grundlagenforschung“ als Persilschein für Rüstungsforschung am Kaiser-Wilhelm-Institut für Metallforschung vor und nach 1945, in: Werner Lorenz/Torsten Meyer (Hg.): Technik und Verantwortung im Nationalsozialismus, Münster 2004, S. 47–77, hier S. 54 f.
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161 Brief von Carl Troll an Dr. Claus Aschenbrenner (RLM), 29.4.1944, NL Carl Troll, Nr. 82, AGI Bonn. 162 Böhm: Geographie, S. 373. 163 Vgl. ebd., S. 369. 164 So Carl Troll nach dem Zweiten Weltkrieg. Abschrift aus einem Brief von Troll an Prof. Mecking (Hamburg), 15.7.1946, NL Carl Troll, Nr. 85, AGI Bonn. 165 Vgl. Brief von Caulier-Eimbcke an Mentzel, 3.3.1944, BArch Berlin, R 26 III/180 (unp.). Caulier-Eimbcke baute zu diesem Zweck eine „Kartei über Wissenschaftler der für die Forschungsgruppe interessanten Fachgebiete (Geographie, Meteorologie, Topographie, Klimatologie, Geodäsie, Photogrammetrie, Morphologie, Hydrographie, Zoologie und Botanik“) auf. Vgl. Bericht von Günter Caulier-Eimbcke an Major Edmund Tilly betr. Interrogation durch Herrn Major Tilly vom 14.11.1946 über meinen Lebenslauf und meine Tätigkeit, S. 9, 17.11.1946, NAL (Kew), FO 1031/114 (unp.). 166 Vgl. Rössler, Wissenschaft, S. 203. Eine Auswahl einiger vom BEF zwischen 1943 und 1945 vergebener Forschungsprojekte und ihrer Bearbeiter findet sich in Tabelle 9 im Anhang. 167 Vgl. Betreuungskreis des Bevollmächtigten für Sonderaufgaben der erdkundlichen Forschung im Reichsforschungsrat, 1944, BArch Berlin, R 26 III/46, Bl. 8–11. 168 Vgl. Interrogation from January 24, 1947, by Lt. Col. Tilley and Walter N. Bailey. Subject: Reichsforschungsrat (hier S. 7: Bericht von Schmithüsen: Beauftragter für Sonderaufgaben der erdkundlichen Forschung), 14.2.1947, NAL (Kew), FO 1031/95 (unp.). Der Arbeitsgemeinschaft gehörten neben den fachlichen Mitarbeitern der Forschungsstaffel insgesamt 38 Wissenschaftler an. Zu dem im Rahmen dieser Arbeitsgemeinschaft durchgeführten Forschungsaufträgen vgl. Halbjahresbericht des BEF für 1.7.–31.12.1944, 7.1.1945, BArch Berlin, R 26 III/219, Bl. 13, 17–21. Den Hintergrund für die Bildung der Arbeitsgemeinschaft bildete die vom Leiter des Planungsamtes im RFR, Werner Osenberg, ins Leben gerufene „Wehrforschungsgemeinschaft“. Vgl. dazu Flachowsky: Notgemeinschaft, S. 446–459. 169 Bericht von Josef Schmithüsen: Der Beauftragte für Sonderfragen der erdkundlichen Forschung des Reichsforschungsrates, 22.7.1946, NAL (Kew), FO 1031/111 (unp.). 170 Brief von Carl Troll an den Vorsitzenden der GfE, Dr. Rudolf Asmis, 24.5.1944, NL Carl Troll, Nr. 85, AGI Bonn. 171 Vgl. Teilnehmerliste der Fachbesprechung in Jena 20.–22.6.1944, NL Carl Troll, Nr. 82, AGI Bonn. 172 Brief von Carl Troll an Prof. Dr. Helmut Gams, 26.6.1944, ebd. Anfang Juni 1944 wurde Troll vom RFR offiziell beauftragt, Untersuchungen zur „Erschließung der ausländischen Luftbildliteratur (insbesondere der russischen)“ und Untersuchungen zur „Entwicklung der geographisch-geomorphologischen Luftbildauswertung“ durchzuführen. (Forschungsauftrag des Geschäftsführenden Beirats des RFR, 7.7.1944, NL Carl Troll, Nr. 82, AGI Bonn). Bis November 1944 legte Troll 25 Buchübersetzungen vor, die meist Helmut Gams angefertigt hatte. Vgl. Liste der bisher angefertigten Übersetzungen im Rahmen des Forschungsauftrags Troll, November 1944, ebd. Vgl. zudem die Berichte und Übersetzungen betr. Trolls Forschungsauftrag in NL Carl Troll, Nr. 574, AGI Bonn. 173 Vortragsmanuskript von Hans Böhm: Carl Troll – Wissenschaftler in der NS-Zeit, S. 20, www.geographiegeschichte.de/Vortrag_Troll.pdf, 23.8.2010.
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174 Brief von Carl Troll an Dr. Claus Aschenbrenner (RLM), 29.4.1944, NL Carl Troll, Nr. 82, AGI Bonn; Brief von Troll (Ausschuss zur Förderung der Luftbildforschung der GfE zu Berlin) an die Forschungsstaffel z.b.V., 24.5.1944, ebd. Zum Aufbau des Luftbildarchivs der Gesellschaft vgl. Böhm: Annäherungen, S. 60–68. Vgl. zudem den Schriftwechsel in NL Carl Troll, Nr. 151, AGI Bonn. Obwohl Schulz-Kampfhenkel gern vorgab, mit dem kombinierten Einsatz von Luftbild- und Bodenerkundung im Rahmen des „Sonderkommandos Dora“ wissenschaftliches Neuland betreten zu haben, hatte Troll die Vorteile des Luftbildes „für die wissenschaftliche Erforschung und praktische Erschließung wenig bekannter Länder“ schon lange vorher betont und an konkreten Beispielen nachgewiesen (vgl. etwa Carl Troll: Luftbildplan und ökologische Bodenforschung. Ihr zweckmäßiger Einsatz für die wissenschaftliche Erforschung und praktische Erschließung wenig bekannter Länder, in: Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin (1939), Heft 7/8, S. 241–298). So hatte er nach dem Kriegsbeginn 1939 im Auftrag der Abteilung für Kriegskarten- und Vermessungswesen des OKH eine „militärgeographische Beschreibung“ Rumäniens erstellt, die wesentliche Elemente der vom „Sonderkommando Dora“ in Afrika und von der Forschungsstaffel an der Ostfront praktizierten Methoden der Geländebeurteilung vorwegnahm und „Bestandteil der Vorbereitungen des Krieges gegen Russland“ war (Böhm: Carl Troll, Vortrag, S. 16). Im Rahmen der GfE hatte Troll im gleichen Jahr einen Vortrag gehalten, der sich dem „Einsatz des Luftbildes beim Neuaufbau des deutschen Ostens“ widmete. Hierbei verwies er nicht nur auf den Nutzen des Luftbildes bei der „Siedlungs- und Wirtschaftsplanung“, sondern betonte bereits den innovativen Charakter der „kombinierten Boden- und Luftforschung“. Die Ähnlichkeit zu den von Schulz-Kampfhenkel drei Jahre später durchgeführten „neuen Methoden“ im Rahmen des „Sonderkommandos Dora“ ist nicht zu übersehen. Selbst der von SchulzKampfhenkel immer wieder hervorgehobene neuartige Einsatz der Pflanzensoziologie durch die Forschungsstaffel erwies sich als wenig originell, denn auf die Bedeutung der „Vegetationskunde“ im Zusammenspiel von landeskundlicher Feldforschung und Photogrammetrie hatte Troll ebenfalls schon 1939 hingewiesen. Vgl. Brief des Vorsitzenden der GfE zu Berlin, Dr. Friedrich Schmidt-Ott an Dr. ? [ohne Namen] (mit anliegendem Exposé von Carl Troll vom 30.11.1939: Der Einsatz des Luftbildes beim Neuaufbau des deutschen Ostens), 6.12.1939, Russisches Militärarchiv Moskau (RGWA), Fond 1459, Katalog 1, Akte 64, Bl. 179–188. Ich danke Helmut Maier für eine Kopie. Vgl. auch Böhm, Annäherungen, S. 84–86. 175 Vgl. Brief von Carl Troll an Oberst Ruef (Berlin), 15.7.1944, NL Carl Troll, Nr. 82, AGI Bonn; Brief von Troll an Helmut Gams, 19.7.1944, ebd. 176 Vgl. Bericht von Günter Caulier-Eimbcke: A) Summery of my activity until November 6, 1946, B) Financial conditions of the Forschungsgruppe, C) List of materials confiscated or yet available in Northern Germany, S 1 f., 22.2.1947, NAL (Kew), FO 1031/114 (unp.). 177 Böhm: Carl Troll (Vortrag), S. 21. 178 Brief von Carl Troll an Oberst Ruef (Kommandeur der Hauptbildabteilung der Luftwaffe, Berlin), 12.3.1945, NL Carl Troll, Nr. 82, AGI Bonn. 179 Brief von Carl Troll an Prof. Dr. Werner Osenberg (Planungsamt des RFR), 23.2.1945, NL Carl Troll, Nr. 83, AGI Bonn. 180 Brief von Caulier-Eimbcke an den Reichsforstmeister, 3.6.1944, BArch Berlin, R 26 III/180 (unp.).
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181 Um die Herstellung von Panzerkarten auf eine sichere Grundlage zu stellen, wurden planmäßige Panzerfahrversuche auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr in der Oberpfalz durchgeführt, die sich auf die Ergebnisse einer eigens für diese Versuche hergestellten Karte stützten. Vgl. Halbjahresbericht des BEF für 1.7.–31.12.1944, 7.1.1945, BArch Berlin, R 26 III/219, Bl. 14. 182 Vgl. Bericht von Wolfgang Pillewizer über die Forschungsstaffel, S. 23, 17.7.1946, NAL (Kew), FO 1031/110 (unp.). 183 Monatsbericht des BEF für August 1944 (Teil I), 5.9.1944, BArch Berlin, R 26 III/219, Bl. 35. Vgl. auch Bericht von Major E. Tilley an Lt.-Col. P. M. Wilson, Subject: Professor Emil Meynen and Forschungsstaffel, S. 4, 17.8.1946, NAL (Kew), FO 1031/113 (unp.). 184 Monatsbericht des BEF September 1944 (Teil I), 8.10.1944, BArch Berlin, R 26 III/205 (unp.). 185 Zum IDO vgl. Rössler: Wissenschaft, S. 84–102; Gutberger: Volk, S. 425–432; Michael Fahlbusch: Wissenschaft im Dienst der nationalsozialistischen Politik. Die „Volksdeutschen Forschungsgemeinschaften“ von 1931–1945, Baden-Baden 1999, S. 572–575; Michael Burleigh: Germany turns Eastwards. A Study of Ostforschung in the Third Reich, Cambridge 1988, S. 192–196, 253–290, Eduard Mühle: Für Volk und deutschen Osten. Der Historiker Hermann Aubin und die deutsche Ostforschung, Düsseldorf 2005, S. 339–346; Aly/Heim: Vordenker, S. 194–203; Flachowsky: Notgemeinschaft, S. 416–432. 186 Vgl. Rössler: Wissenschaft, S. 99 f. 187 Bericht über den Aufbau und die Forschungsaufgaben des IDO in Zandt und Miltach, 3.2.1945, NAW, RG 319, Entry 82a, Box 11, folder 4. 188 Brief des Direktors des IDO an den Leiter der Hauptabteilung Wissenschaft und Unterricht, Präsident Dr. Eichholz (Krakau), 18.9.1944, BArch Berlin, R 52 IV/9, Bl. 30; Bescheinigung des Reichsführers-SS/RSHA/Mil. Amt/Sonderkommando Dora, Forschungsstaffel z.b.V. für Dr. Ernst Fugmann, 26.8.1944, BArch Berlin, R 52 IV/26, Bl. 46. Ich danke Dr. Günter Nagel (Potsdam) für den Hinweis. Vgl. auch Bericht: Organization, Chain of Command and Interrelations of Forschungsstaffel, Forschungsgruppe, Sonderkommando Dora and Kommando Theo and Source of Revenue of Forschungsgruppe, S. 36, 2.5.1947, NAL (Kew), FO 1031/95 (unp.). 189 Brief von Regierungsrat von Mook (Oberkommando der Luftwaffe, Generalstab 7. Abteilung) an Troll, 22.5.1944, NL Carl Troll, Nr. 85, AGI Bonn. 190 Monatsbericht des BEF für August 1944 (Teil I), 5.9.1944, BArch Berlin, R 26 III/219, Bl. 34. 191 Monatsbericht des BEF für Oktober 1944 (Teil I), 30.10.1944, BArch Berlin, R 26 III/205 (unp.). 192 Monatsbericht des BEF für November 1944 (Teil I), 30.11.1944, ebd. In diesem Zusammenhang kam es auch zu Kooperationsvereinbarungen des BEF mit dem „Chefgeologen“ der Waffen-SS. Vgl. Monatsbericht des BEF für Oktober 1944 (Teil I), 30.10.1944, ebd. Da das der Forschungsstaffel unterstellte Auswertekommando „Theo“ in Rheda „zu einem der ganzen Wehrmacht zur Verfügung stehenden geographischen Beratungsdienst ausgebaut“ werden sollte, wurde Anfang November 1944 zudem eine „Zusammenschaltung“ dieses Kommandos mit dem „Erfassungsdienst“ der Gruppe VI G des RSHA festgelegt. Monatsbericht des BEF für November 1944 (Teil I), 30.11.1944, ebd.; Halbjahresbericht des BEF, 7.1.1945,
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BArch Berlin, R 26 III/219, Bl. 11–22, hier Bl. 21 f. Zur Gruppe VI G (Wissenschaftlichmethodischer Forschungsdienst) des RSHA, die der Leitung des Wiener Historikers und Geographen Wilfried Krallert unterstand, vgl. Wildt: Generation S. 409 f; Fahlbusch: Wissenschaft, S. 737–758. 193 Monatsbericht des BEF für September 1944 (Teil I), 8.10.1944, BArch Berlin, R 26 III/205 (unp.). 194 Monatsbericht des BEF für November 1944 (Teil I), 30.11.1944, ebd. 195 Häusler geht davon aus, dass es nicht zu einer Angliederung der Forschungsstaffel an den Wehrmachtsführungsstab kam. Vgl. Häusler: Forschungsstaffel, S. 77. Vgl. auch Bericht: Organization, Chain of Command and Interrelations of Forschungsstaffel, Forschungsgruppe, Sonderkommando Dora and Kommando Theo and Source of Revenue of Forschungsgruppe, S. 38, 2.5.1947, NAL (Kew), FO 1031/95 (unp.). 196 Dominierende Personen waren hier Friedrich Schmidt-Ott, Staatsminister a.D., 1937–1941 Vorsitzender der GfE und danach ihr Ehrenpräsident, sowie Rudolf Asmis, Gesandter a.D., Referent im Kolonialpolitischen Amt der NSDAP, 1941–1945 Präsident der GfE. 197 Den Hintergrund bildete dabei die Überlegung, ein „Nebeneinander- oder sogar Gegeneinanderarbeiten“ zwischen der GfE und der Forschungsstaffel zu vermeiden. Dass SchulzKampfhenkel letztlich nicht in den Ausschuss aufgenommen wurde, ging auf das Veto Carl Trolls zurück, der sich „eine abgeklärtere Persönlichkeit“ als Schulz-Kampfhenkel wünschte. Nähme man diesen jedoch auf, seien „unliebsame Entwicklungen“ zu befürchten, für die Troll nicht die Verantwortung übernehmen wolle. Brief von Rudolf Asmis (Auswärtiges Amt) an Carl Troll, 28.2.1944, NL Carl Troll, Nr. 151, AGI Bonn; Brief von Troll an Asmis (Präsident der GfE), 21.3.1944, ebd. 198 Zur Gründung der DGG vgl. den Schriftwechsel in NL Carl Troll, Nr. 151, AGI Bonn. Vgl. zudem Böhm: Geographie, S. 373. 199 Brief von Oskar Schmieder an die Mitglieder des engeren Beirates der DGG, 19.12.1944, NL Carl Troll, Nr. 162, AGI Bonn. Vgl. auch Stoecker: Afrikawissenschaften, S. 307. 200 Brief von Rudolf Asmis an Schmieder, 22.12.1944, NL Carl Troll, Nr. 162, AGI Bonn. Vgl. auch Brief von Carl Troll an Schmieder, 19.2.1945, ebd. 201 Brief von Troll an Rudolf Asmis (Präsident der GfE), 26.2.1945, NL Carl Troll, Nr. 151, ebd. 202 Ebd. Caulier-Eimbcke berichtete nach 1945, dass Schulz-Kampfhenkel um die Jahreswende 1944/45 angeordnet habe, Materialien und Filme kopieren zu lassen, um sie für die Nachkriegszeit zu sichern. Bericht von Caulier-Eimbcke betr. Plans of Dr. Schulz-Kamphenkel, my actions in Hamburg, S. 1 f., 5.2.1947, NAL (Kew), FO 1031/95 (unp.). Vgl. auch Böhm: Annäherungen, S. 64–68. 203 Vgl. Bericht: Organization, Chain of Command and Interrelations of Forschungsstaffel, Forschungsgruppe, Sonderkommando Dora and Kommando Theo and Source of Revenue of Forschungsgruppe, hier Report II: Forschungsgruppe e.V,. S. 17, 2.5.1947, NAL (Kew), FO 1031/95 (unp.). 204 Vgl. Bericht von Prof. Dr. Gottfried Pfeifer: The Reasons for my appointment to Hamburg university, particulary in relation to the Forschungsgruppe and its plans, 28.1.1947, NAL (Kew), FO 1031/115 (unp.). 205 Bericht von Edmund Tilley (Enemy Personnel Exploitation Section, Field Information Agency, Technical (FIAT)/„T“ Force, 69 HQ., Control Commission for Germany (B.E.)
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B.A.O.R.) an Mr. R. G. H. Cullingham, Subject: Caulier-Eimbcke: Note to his Reports of 5, 15 and 22 February 1947 on Plans for Re-Organisation of the Forschungsgruppe, S. 4, 7.3.1947, NAL (Kew), FO 1031/94 (unp.). 206 Brief von Caulier-Eimbcke (Forschungsgruppe Schulz-Kampfhenkel e.V.) an den Reichstreuhänder für den öffentlichen Dienst (Sachbearbeiter für den Gauarbeitsamts-Bezirk Niederschlesien) in Breslau, 25.8.1944, BArch Berlin, R 55/21005 (unp.). 207 Abschrift aus einem Brief von Troll an Prof. Mecking (Hamburg), 15.7.1946, NL Carl Troll, Nr. 85, AGI Bonn. In einem Schreiben an Wolfgang Pillewizer fragte Dr. Hellmuth von Cramon im August 1946 nach, wie weit die offenbar vor Kriegsende noch besprochenen „Wirtschaftspläne“ Schulz-Kampfhenkels inzwischen vorangekommen seien. Brief von Hellmuth von Cramon an Pillewizer, 22.8.1946, NAL (Kew), FO 1031/110 (unp.). Auch die Ermittler der BIOS Evaluation-Teams stellten bei ihren Vernehmungen Schulz-Kampfhenkels fest, dass sich seine Gruppe in erster Linie mit der kommerziellen Verwertung der Kartographie-Methoden befasst habe. Vgl. Ludwig F. Schmidt: Interrogation Summary Schulz-Kampfhenkel Combination Mapping Method, S. 18, 26.4.1946, NAW, Records oft the FBI, RG 65, File 57254, Section 001, Box 214 (Location 230/86/10/01). 208 Vgl. ebd. und den Beitrag von H. Stoecker in diesem Band. 209 Vgl. Beschluss zur Satzungsänderung der Forschungsgruppe Schulz-Kampfhenkel e.V., 6.2.1942, Amtsgericht Berlin-Charlottenburg, VR 12578 (alt), Bl. 41. Ein Exemplar der neuen Satzung des nun als „Forschungsgruppe. Gemeinschaft zur Durchführung von Expeditionen und zur Förderung der Zusammenarbeit der Erdwissenschaften e.V. Berlin“ bezeichneten Vereins von 1944 findet sich im NL Carl Troll, Nr. 82, AGI Bonn. 210 Bericht von Josef Schmithüsen: Changes of the statutes of the Forschungsgruppe, 12.2.1947, NAL (Kew), FO 1031/95 (unp.). Zu den am 1.1.1945 berufenen Mitgliedern der Forschungsgruppe e.V. vgl. Bericht: Organization, Chain of Command and Interrelations of Forschungsstaffel, Forschungsgruppe, Sonderkommando Dora and Kommando Theo and Source of Revenue of Forschungsgruppe, hier Report II: Forschungsgruppe e.V., S. 9 f., 2.5.1947, ebd.; Bericht von Caulier-Eimbcke betr. Plans of Dr. Schulz-Kampfhenkel, my actions in Hamburg, S. 1, 5.2.1947, ebd. 211 Vgl. Bericht von Wolfgang Pillewizer: Hiding Places of Forschungsstaffel Materials, 17.7.1946, NAL (Kew), FO 1031/110 (unp.); Bericht von Josef Schmithüsen: Details of all Hiding Places and Places of Storage, 22.7.1946, NAL (Kew), FO 1031/111 (unp.); Bericht von Caulier-Eimbcke betr. Verstecke etc. (Blatt 18 zum Bericht an Major Tilley, Bericht A), 17.11.1946, NAL (Kew), FO 1031/114 (unp.); Bericht von Caulier-Eimbcke an Major Tilley betr. Harburg, 21.1.1947, ebd. Eine Übersicht über die Verstecke der Forschungsstaffel findet sich in der Tabelle 10 im Anhang. 212 Am 15. Januar 1944 hatte Schulz-Kampfhenkel Charlotte Caulier-Eimbcke, die Schwester von Günter Caulier-Eimbcke, die seit Februar 1941 als Schriftleiterin bei der Forschungsgruppe arbeitete, in Lübeck geheiratet. Vgl. Brief des Standesamtes Lübeck II in LübeckTravemünde an das Rasse- und Siedlungshauptamt des Reichsführers-SS (Berlin), 15.1.1944, BArch Berlin, ehem. BDC RS (Otto Schulz-Kampfhenkel); Lebenslauf von Charlotte Caulier-Eimbcke, Oktober 1943, ebd.
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213 Vgl. Bericht von Caulier-Eimbcke betr. Verstecke etc. (Blatt 18 zum Bericht an Major Tilley, Bericht A), 17.11.1946, NAL (Kew), FO 1031/114 (unp.); Bericht von Caulier-Eimbcke an Major Tilley über sein Vorgehen in Hamburg, 11.1.1947, ebd. 214 Bericht von Caulier-Eimbcke an Major Tilley betr. seine Tätigkeit im Hamburg (Frühjahr 1946 und Frühjahr 1945), 27.1.1947, ebd. 215 Vgl. Ludwig F. Schmidt: Interrogation Summary Schulz-Kampfhenkel Combination Mapping Method, S. 8, 26.4.1946, NAW, Records of the FBI, RG 65, File 57254, Section 001, Box 214 (Location 230/86/10/01). 216 So bezeichnete Schulz-Kampfhenkel sich selbst in einer Vortragsnotiz der Forschungsgruppe Schulz-Kampfhenkel betr. Einsatz militärischer Forschungskommandos für dringende Erschließungsaufgaben in ungenügend bekannten Kriegsgebieten nach dem bewährten Muster des Sonderkommandos Dora in Afrika, 31.10.1942, BArch-MA Freiburg, RW 5/739, Bl. 25. 217 Dass dies eine von Schulz-Kampfhenkel oft praktizierte Methode war, bestätigte sein Verwaltungschef nach dem Krieg. Vgl. Bericht von Caulier-Eimbcke an Major Tilley betr. seine Tätigkeit im Hamburg (Frühjahr 1946 und Frühjahr 1945), 27.1.1947, NAL (Kew), FO 1031/114 (unp.). 218 Vgl. Stoecker: Afrikawissenschaften, S. 306 f.
Das Forschungskommando „Süd“ der Forschungsstaffel z.b.V. in Laibach Feldforschungen im Karstgebiet Jugoslawiens 1944/45. Eine Fallstudie Karsten Plewnia Der Beitrag widmet sich der praktischen Geländearbeit der von Otto Schulz-Kampfhenkel geleiteten Forschungsstaffel z.b.V. Im Mittelpunkt steht der Speläologe (Höhlenforscher) Richard Spöcker, der als Mitglied des Forschungskommandos „Süd“ in Laibach1 stationiert war und sich im Auftrag der Staffelführung mit der militärisch relevanten Erkundung von Höhlen im Karstgebiet Jugoslawiens befasste.2 Die Grundlage für diesen Beitrag bildet der bislang nicht bearbeitete und ungeordnete Nachlass Spöckers.3
1. Richard Spöcker Richard Spöcker4 wurde am 3. September 1897 als Sohn eines Ingenieurs in Nürnberg geboren. Nach dem Abschluss der Realschule besuchte er die Polytechnische Zeichenschule in Würzburg, wo er u. a. als Lithograph und Kartograph arbeitete. Ab 1916 nahm er als Freiwilliger am Ersten Weltkrieg teil und erhielt nach Kriegsende eine Stelle beim Vermessungsamt der Stadt Nürnberg. Spöckers Naturverbundenheit war ausschlaggebend für seine Mitgliedschaft im „Touren- und Wintersportclub Franken 1913“. Bereits in den 1920er Jahren führte er erste Höhlenerkundungen durch und gründete 1921 zusammen mit anderen Höhlenbegeisterten die „Sektion Heimatforschung“ innerhalb der „Naturhistorischen Gesellschaft Nürnberg“ (NHG), aus der einige Zeit später die „Abteilung für Karstforschung“ (AfK) der NHG hervor ging. In den 1920er Jahren bestand Spöckers Hauptinteresse im Befahren und Kartieren von Höhlen, zu Beginn der 1930er Jahre verschob sich sein Fokus auf die Oberflächenforschung von Karstgebieten, vor allem die Untersuchung ober- und unterirdischer Wasserverläufe, Dolinen und Wasserschlinger. Spöckers Augenmerk, das zunächst auf die speläologische, geologische, hydrologische und geographische Erforschung der Fränkischen Schweiz gerichtet war, dehnte sich später bis zum klas-
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sischen Karst Jugoslawiens aus, der schließlich im Mittelpunkt seiner Forschungen stand. So führten ihn 1930 mikrobiologische Forschungen in die berühmte Adelsberger Grotte, eine Tropfsteinhöhle in der Nähe der slowenischen Stadt Postojna.5 Ein Jahr später erforschte er dort in der Umgebung den unterirdischen Verlauf des Rakbaches in der Planinahöhle in Verbindung mit der Zirknitzer Polje. Das hier gesammelte Wissen war vermutlich ein Grund, warum Spöcker von der Forschungsstaffel z.b.V. Otto Schulz-Kampfhenkels angeworben wurde. Nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten entstand 1933/34 durch die „Gaustelle für Höhlenschutz und Höhlenforschung in der Bayerischen Ostmark“ ein Konkurrenzunternehmen zur „Abteilung für Karstforschung“ der NHG. Diese Stelle wurde von Hans Brand geleitet, der 1939 nicht nur die Leitung der „Forschungsstätte für Karst- und Höhlenforschung“ in der SS-Forschungsgemeinschaft „Das Ahnenerbe e.V.“ übernahm, sondern auch danach strebte, die gesamte deutsche und österreichische Karst- und Höhlenforschung in einem neu geschaffenen Reichsbund gleichzuschalten.6 Da Brand die „Gaustelle“ leitete und diese in direkter Konkurrenz zur „Abteilung für Karstforschung“ stand, geriet er in einen persönlichen Konflikt mit Spöcker, der seit 1936 als Vorsitzender der „Abteilung für Karstforschung“ der NHG fungierte. Als Leiter dieser Abteilung führte Spöcker 1937 eine Expedition in den slowenischen Karst durch. Diese Expedition war allerdings nicht von Erfolg gekrönt und lieferte nur wenige wissenschaftliche Ergebnisse. Ein Versuch, Spöcker anhand der spärlichen Informationen aus seinem Nachlass politisch einzuordnen, ist nur schwer möglich. Seine geschiedene Frau Frieda war eine bekennende Kommunistin und es gilt als erwiesen, dass Spöcker es war, der einer kommunistischen Widerstandsgruppe half, eine Höhle zu finden, in der dann 1933 Druckschriften vervielfältigt wurden.7 In privaten Briefen aus der Zeit machte Spöcker zudem aus seiner kritischen Haltung gegenüber dem NS-Regime keinen Hehl.
2. Spöcker und die Forschungsstaffel z.b.V. Die Forschungsstaffel z.b.V. ging nach einer Weisung Schulz-Kampfhenkels bei der Gewinnung von Fachkräften recht unorthodox vor: Es wurden gezielt zivile Fachleute angeworben, die ihrerseits wiederum Spezialisten aus ihren Bekannten- und Wissenschaftsnetzwerken rekrutieren sollten. Da Spöcker als Fachmann für die jugoslawische Karstregion um Postojna galt, wurde er im Februar 1944 von dem mit ihm befreundeten Josef Schmidt angesprochen, der ihn über die Tätigkeit der Forschungsstaffel unterrichtete.8 Schmidt arbeitete in dem der Staffel untergeordneten Forschungskommando „Süd“ in Griechenland, Istrien und Kroatien auf dem Gebiet
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der wehrgeologischen Geländebeurteilung, insbesondere an der Darstellung hydrologischer und wasserwirtschaftlicher Verhältnisse. Da die Bearbeitung dieser Fragen möglichst schnell erfolgen sollte, schlug Schmidt vor, dass er sich auf Griechenland und Spöcker sich auf die ihm vertrauten Gebieten Istriens und Kroatiens konzentrieren sollte. Die Hauptaufgabe bestehe in der Auswertung von Luftbildern der dalmatinischen Küste. Mit Hilfe von Forschungsliteratur und durch wissenschaftliche Felderkundungen wolle man zu einer Beurteilung des Geländes gelangen. Auf dieser Basis solle schließlich eine neue Karte entstehen, die alle Höhlen- und Karsterscheinungen wie etwa Dolinen, Flüsse, Quellen und Poljegebiete umfasse.9 Dabei machte Schmidt deutlich, dass die ganze Angelegenheit eile, denn er befinde sich auf dem Weg nach Graz, „um von dort aus zum Balkan zu fahren“ und mit seinen Erkundungen zu beginnen. Da sich die geplanten Operationen auch auf die Karstregion Jugoslawiens bezögen, benötige die Staffel Spöckers Expertise. Der Leiter der Forschungsstaffel sei Oberleutnant Otto Schulz-Kampfhenkel, der gleichzeitig auf dem zivilen Sektor eine Forschungsgruppe leite, die im Reichsforschungsrat (RFR) „verankert“ sei. SchulzKampfhenkel sei der „Beauftragte für Sonderaufgaben der erdkundlichen Forschung“ im RFR. Dieser verfüge über die Möglichkeit, Spöcker einen „kriegswichtigen Forschungsauftrag“ zu erteilen, für den er „als Spezialist geeignet“ sei, so dass die Stadt Nürnberg ihn hierzu beurlauben müsse.10 Sei er allerdings nicht bereit, diese Aufgabe zu übernehmen, solle er Vorschläge für eine andere geeignete Person machen. Schmidts Ausführungen verfehlten ihre Wirkung nicht, denn Spöcker gab unumwunden zu, dass ihn „solche Aufgaben ebenfalls fesseln würden“, da sie ihm „seit Jahren schon Lebensinhalt geworden“ seien.11 Spöcker war also über die Tätigkeit der Forschungsstaffel bereits unterrichtet, als ihn einige Tage nach dem Besuch Schmidts ein offizielles Schreiben der Staffelführung erreichte, in dem ihm mitgeteilt wurde, dass man ihn als Fachmann gewinnen wolle, wobei man nicht unerwähnt ließ, dass die Forschungsstaffel in so genannten „Bandengebieten“ operiere. Über diese Warnung sah Spöcker jedoch hinweg, weil er nun mit seiner Tätigkeit beginnen konnte: „Auch ohne meinen Ehrgeiz erst anzufachen würde meine postwendende Zusage erfolgt sein. Was könnte es für mich schöneres und befriedigenderes geben, als meine Studien und Forschungen im Karst des Südens zu betreiben? In dem Schreiben war nüchtern von Bandengebieten die Rede. Man wollte sich offenbar vorsichtigerweise den Rücken decken, indem man Unerfreuliches nicht totschwieg. Doch dies konnte den Anreiz nur noch steigern. […] Nach abermals einigen Tagen kam mein früherer Besuch neuerdings von Graz herauf, um mich persönlich einzuladen und mir die Voraussetzungen näher zu erklären, die ich unten im Süden vorfinden würde. Man hatte dort sichtlich Sorge, ich würde ablehnen. Unbegründete Sorge!“12
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Spöcker willigte ein und über Schulz-Kampfhenkel erwirkte der Reichsforschungsrat eine Freistellung Spöckers bei seiner Dienststelle in Nürnberg. Am 15. April 1944 nahm Spöcker seine Tätigkeit im Forschungskommando „Süd“ auf.
3. Das Forschungskommando „Süd“ der Forschungsstaffel z.b.V. in Laibach Als Spöcker zum Forschungskommando „Süd“ kommandiert wurde, war es noch im Mineralogischen Institut der Universität Graz untergebracht. Die eigentliche Dienststelle befand sich jedoch außerhalb der Universität und hatte eher den Charakter einer Notunterkunft. Das zu diesem Zeitpunkt noch relativ kleine Kommando setzte sich aus vier Wissenschaftlern, einigen Zeichnern, einem Dienststellenleiter und dem Geschäftsführer zusammen. Das militärische Kommando lag zunächst bei Oberleutnant Hans Mortag, bis dieser im April 1944 durch Hauptmann Erwin Böhm – einem promovierten Freiburger Geographen – ersetzt wurde.13 Die wissenschaftliche Leitung lag in den Händen Böhms und des Topographen Leutnant Wolfgang Pillewizer, der sich 1940 auf dem Gebiet der Geographie an der Technischen Hochschule Hannover habilitiert hatte und 1942 in der von Schulz-Kampfhenkel geleiteten wissenschaftlichen Gruppe des Sonderkommandos „Dora“ in Libyen eingesetzt war. Die eigentlichen wissenschaftlichen Projektarbeiten führten der Wiener Bodenkundler Dr. Arnold Proißl, der Würzburger Pflanzensoziologe Dr. Hans Zeidler, der Innsbrucker Geograph Dr. Herbert Paschinger und Spöckers Bekannter, der Hydrologe Dipl.-Ing. Josef Schmidt, durch.
Abb. 1 Gebäude der Dienststelle des Forschungskommandos „Süd“ in Laibach (Quelle:
Ordner „Forschungsstaffel z. b. V.“, Akten Dr. Willy Eggers (1970), Militärhistorisches Museum der Bundeswehr (MHM), Dresden, Inv.-Nr. BBAL4095/Theodor Müller-Bestand).
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Im März 1944 verlegte Schulz-Kampfhenkel den Sitz des Forschungskommandos „Süd“ von Graz nach Laibach und brachte ihn in der enteigneten Villa eines jüdischen Slowenen unter. Hierbei verfuhr er genauso, wie bei der Verlegung der Hauptdienststelle seiner Forschungsstaffel z.b.V., die er im August 1943 in einem beschlagnahmten Gutshaus im schlesischen Neudorf unterbringen und für deren Ausstattung er so genannte „Judenmöbeln“ reklamieren ließ.14 Mit dem Umzug nach Laibach erhöhte Schulz-Kampfhenkel auch die Mitarbeiterzahl des Forschungskommandos „Süd“, die nun auf über 20 stieg und neben Kartographen, Luftbildauswertern, Pflanzensoziologen, Geologen, Hydrologen, Vermessungs- und Straßenbauingenieuren auch Dolmetscher für slawische Sprachen und eben Spöcker als Karstspezialist umfasste. Seine ersten Eindrücke über die Arbeiten in Laibach schilderte Spöcker wie folgt: „Über die angeborene Abneigung gegen diese [militärische] Einrichtung hilft mir der Umstand leicht hinweg, daß sich meine Tätigkeit auf Forschungen erstrecken wird, die eine räumlich verlagerte Fortsetzung meiner bisherigen Arbeit bedeutet. Nur mit erheblich erweiterten Ausblicken und mit Möglichkeiten, die noch keinem Fachgenossen zur Verfügung standen, wie sich schon in den ersten Stunden meines Hierseins zeigt. Mit dieser Erkenntnis war die anfängliche Beklemmung, die schließlich jeder Zivilist hat, wenn er sich von heute auf morgen inmitten von Feldgrauen befindet, geschwunden und die gemeinsamen Berührungspunkte in den bevorstehenden Aufgaben schaffen im Nu und ohne fremder Zutun ein Band zwischen dem Zivilisten und dem Soldaten. […] Mit derartigen unglücklichen widersätzlichen Gefühlen, die zwischen einer Tätigkeit aus erworbenen zivilen Berufskenntnissen im militärischen Ausübungsbereich und dem aus diesen Milieu erwachsenden soldatischen Zwang schwankten, waren offenbar mehrere belastet, die in der Wehrmacht niedrige Ränge oder gar keine bekleideten. Bei vielen lag es nur verborgener, die negative Seite kam nur nicht so heftig zum Ausdruck. Die Alternativfrage entweder bin ich Wissenschaftler, oder ich bin Soldat lag eben im ganzen eigenartigen Aufbau dieser noch jungen Einheit. Das solche Verhältnisse später, als die Zahl der Mitarbeiter zunahm und der Haufen reichlich bunt gewürfelt wurde, zu manchen inneren Spannungen Anlaß gab, ist selbstverständlich. Besonders dann, wenn der im Rang wesentlich höher stehende in seinen Leistungen wegen der vielleicht mangelnden Erfahrung hinter dem Können des ‚kleinen Mannes‘ zurückstand. […] Und doch habe ich jedem, der es hören wollte oder nicht, meine eigene Meinung darüber Kund getan, daß man gerechterweise anerkennen und froh sein muss, seinem Beruf nachgehen zu können, seine Kenntnisse erweitern zu können, gegenwärtig vielleicht noch gar nicht einzuschätzen, Erfahrungen sammeln zu können, gleichgültig unter welchen äußeren Umständen das geschah.“15
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Abb. 2 Mitglieder des Forschungskommandos „Süd“ in Laibach, sitzend erster von links Richard Spöker
(Quelle: Ordner „Forschungsstaffel z. b. V.“, Akten Dr. Willy Eggers (1970), Militärhistorisches Museum der Bundeswehr (MHM), Dresden, Inv.-Nr. BBAL4095/Theodor Müller-Bestand).
Darin wird Spöckers Ablehnung gegenüber dem Militärischen deutlich, zugleich aber auch klar, dass er mit einer Arbeit beschäftigt war, die den Kriegsverlauf möglicherweise verlängerte und er dies nicht reflektierte. Nach dem Krieg hinterfragte Spöcker seine Arbeit für die Forschungsstaffel nicht, hingegen sparte er aber nicht mit Kritik an Hans Brand und dessen Arbeiten für das NS-Regime. Der Arbeits- und Einsatzbereich des Forschungskommandos „Süd“ der Forschungsstaffel z.b.V. erstreckte sich auf Jugoslawien, Albanien, Griechenland, West ungarn und die südlichen Ostalpen. Im Mittelpunkt standen dabei die Herstellung von Karten zur Geländebeurteilung sowie die Schaffung von Panzer- und Wasserkarten. Zu diesem Zweck wurden „Einsatzgruppen“ gebildet, die in verschiedenen Gebieten operierten. Vermutlich gehörte Spöcker den Einsatzgruppen „Dalmatien“ und „Laibach-Istrien“ an, die von April bis Juni 1944 und vom August bis September 1944 agierten und neben Panzerkarten für Dalmatien, Istrien und Laibach auch Wasserkarten des adriatischen Karsts und Übersichtskarten zur Geländebeurteilung erstellten.16 Eine der ersten Aufgaben Spöckers bestand darin, sich in die Literatur des Balkan-Karsts einzuarbeiten. Dies erwies sich schwieriger als erwartet, weil die dafür notwendigen Schriften nur schwer greifbar waren. Ganz neue Erfahrungen machte
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Spöcker auf dem Gebiet der Luftbilderauswertung. Schulz-Kampfhenkel, der ja auch Pilot war, hatte sich bereits bei seinen militärischen Einsätzen in Nordafrika auf die neue Methode der Stereoluftbildmikroskopie gestützt, um eine realistischere Abbildung der zu kartographierenden Gebiete zu erreichen. Darüber hinaus verwendete die Forschungsstaffel neue erfolgversprechende Technologien, wie etwa Wärmebildkameras17, was Spöcker völlig neue Arbeitsmöglichkeiten eröffnete: „Die Luftbild-Auswertung ist wahrlich ein hervorragendes Hilfsmittel der geographischen Forschung. Mir ist das Verfahren neu, das heißt, ich arbeite zum ersten Mal mit ihm. Nachdem mir die Erscheinungen des Karstlandes aber völlig vertraut sind, kann ich mir das im Bild erscheinende mühelos deuten, kann Zusammenhänge erkennen, und es entfaltet sich eine grandiose Landschaft mit Dolinen, Kesseltälern, trockenen, trostlos öden, wasserlosen und steinigen Ebenen und wieder steilen wild zerrissenen Bergen vor meinen Augen. […] Der erdgebundene Mensch, der in dieser Gegend verschlagen wird, kann sich unmöglich eine Vorstellung von ihrer Gestalt machen, weil ihm überall durch die Wirrnis des Gesteins der Blick in die Weite begrenzt ist. […] Hier aber unter dem Stereoskop, von der Luftbildkamera des Flugzeuges aus aufgenommen, kann man mit Ruhe und beliebig lange sowohl die Einzelheiten wie einen größeren Raum studieren. Alles erscheint plastisch, wie in der Natur. Die unzugänglichsten Höhen, die tiefsten Schluchten und Trichter sind dem Auge erschlossen, man ist losgelöst von der nächsten Umgebung, vom Zimmer, in dem sich diese Schau vollzieht, überhaupt von aller irdischen Schwere, man lebt sich in ein vordem ungekanntes Reich hinein. […] Später wird das anders, die Gewohnheit zerstört die ursprüngliche glückliche Verbindung zwischen hochentwickelter reifer Technik und einer neuen inneren Schau. Das Instrument ist Mittel zum Zweck und der Zweck ist, wenn auch ideal, so doch nüchtern, frei von Poesie und allein der Wissenschaft dienend. Es vollzieht sich förmlich ein Wechsel vom Zuschauerraum auf die Bühne und hinter die Kulissen. Auf diesem Wege der selbstverständlichen Entwicklung befinde ich mich in diesen Tagen. […] So ist die Arbeit eitel Lust und Freude. […] Schritt für Schritt wird mir die dalmatinische Landschaft unter dem Stereoskop vertraut, ohne dass ich das Gebiet selbst besuche. In der Höhe von Bihac beginnend erforsche ich das Gelände gegen Süden. […] Auch große Kessel zeigt das Bild aus der Vogelschau, ausgedehnte Ebenheiten, die rings von Gebirgen umschlossen werden, wie das berühmte Livanjsko-Polje, das ich gegenwärtig unter dem optischen Instrument betrachte.“18
Abermals wird deutlich, dass Spöcker in seinen nach dem Krieg geschriebenen Erinnerungen ein Bild zu zeichnen versuchte, dass typisch für die Apologie der Nachkriegszeit war. Man habe nur um des Wissens selbst willen gearbeitet und sich um
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politische Fragen nicht gekümmert.19 Er verkannte vollkommen oder blendete aus, welchem Zweck die Ergebnisse seiner Forschungsarbeiten dienten. Durch die Auswertung des Luftbildmaterials lernte Spöcker den adriatischen Karst, abgesehen von den Teilen, die er bereits früher besucht hatte, vorerst nur theoretisch kennen, bevor er ihn in Feldeinsätzen schließlich auch praktisch evaluierte. Dabei erleichterten ihm seine Kenntnisse auf dem Gebiet der Karstforschung die Auswertung der Bilder. So wusste er beispielsweise, dass viele Dolinen in der Karstregion bis zu 100 Meter tief und breit sein können, und konnte anhand der Bildaufnahmen unterscheiden, ob Bauern die Steine aus dem Feld aufgesammelt hatten, um ihr Vieh vor dem Sturz in eine Doline zu schützen oder um die landwirtschaftliche Fläche vor Erosionen zu bewahren. Von den Poljen gibt es hunderte in der Region. Diese Gebiete waren von besonderem militärischem Interesse. Der im Forschungskommando „Süd“ für pflanzensoziologische Fragen zuständige Hans Zeidler hatte u. a. die Aufgabe, solche Flutflächen zu lokalisieren. Unter Umständen war eine solche Fläche über viele Jahre hinweg trocken, anhand der Luftbilder konnten Zeidler und Spöcker sie dennoch lokalisieren. Aber auch die Flüsse erweckten das Interesse Spöckers. Das von ihm bearbeitete Karstgebiet ist geologisch bedingt an der Oberfläche relativ wasserarm, deswegen konzentrierte er sich auf die Kartierung der „unsichtbaren“, unterirdischen Wasserwege dieser Region. Neben der Luftbildauswertung hatte Spöcker die Aufgabe, Einheimische über die regionalen geographischen Gegebenheiten zu befragen und wissenschaftliches Kartenmaterial „sicherzustellen“. Diese „Vorarbeiten“ sollten die Grundlage für spätere Erkundungen im Gelände bilden. Im Mittelpunkt stand demnach zunächst die Beantwortung der Frage, wo sich Literatur und Kartenmaterial für die Arbeiten der Forschungsstaffel befand, und welche Arbeitsmöglichkeiten sich im Hinblick auf die Bedrohung durch Partisanen in den zu untersuchenden Räumen ergaben.20 Spöckers „Vorerkundungen“ führten ihn im März 1944 zunächst nach Adelsberg, dem heutigen Postojna. Dort befand sich ein speläologisches Institut, in dem Spöcker wichtige Unterlagen für seine Arbeit zu finden hoffte. In Adelsberg wurde Spöcker gut aufgenommen, da er mit dem italienischen Institutsleiter Franco Anelli und dem wissenschaftlichen Verwalter der slowenischen Höhlen und Grotten befreundet war.21 In seinen Besprechungen mit Anelli erfuhr Spöcker jedoch zu seiner Verärgerung, dass die italienischen und deutschen Besatzungstruppen das Institut ausgeplündert und dessen Unterlagen nach Recoaro in der Region Venezien verlagert hatten. Anelli begründete dies damit, man habe die Unterlagen vor Übergriffen durch Partisanen und Luftangriffen schützen wollen. Nach diesem Rückschlag nahm Spöcker Kontakt zur Verwaltung der Adelsberger Grotte auf, um an die von ihm dringend benötigten Unterlagen zu gelangen. Aber
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auch hier erlebte er eine Enttäuschung, denn die Grotte und deren Verwaltung unterstanden der „Forschungsstätte für Karst- und Höhlenkunde“ des „Ahnenerbes“ der SS, die von SS-Standartenführer Hans Brand geleitet wurde, der bereits Mitte der 1930er Jahre mit Spöcker aneinander geraten war. Brand war nicht zur Kooperation bereit, denn er wies Anelli an, keine Unterlagen aus Postojna und Recoara herauszugeben, auch wenn es sich – wie im Falle Spöckers – um Wehrmachtsvertreter handle. Obwohl Anelli die Anordnung Brands umging und Spöcker die in Recoara lagernden Unterlagen zugänglich machte, musste dieser feststellen, dass ein Vertreter der SS – vermutlich ein Mitarbeiter Brands – die Akten bereits entnommen hatte. Nach seinen Gesprächen in Postumia reiste Spöcker nach Triest, wo er mit Prof. Dr. Müller zusammentraf. Dieser riet Spöcker angesichts der „Partisanengefahr“, Feldeinsätze nur in Verbindung mit militärischen Sicherungstrupps durchzuführen. Bei seinen Gesprächen mit dem örtlichen Militärbefehlshaber erhielt Spöcker die gewünschte Zusage, dass seine Erkundungen militärisch abgesichert würden. Auf die Frage nach dem von ihm benötigen Kartenmaterial erfuhr er jedoch, dass, wie in Postojna auch, die Unterlagen über die örtlichen Höhlen- und Wassersysteme nach Recoara verlagert beziehungsweise von Mitarbeitern Brands an einen unbekannten Ort verbracht worden waren. Die Sondierungen in Gradisce – Spöckers nächstem Reiseziel – verliefen ebenfalls ergebnislos. In dieser Stadt war die Karstwehr unter der Leitung von Hans Brand stationiert, welcher gleichzeitig Leiter von anderen höhlenrelevanten Einrichtungen war und, laut Spöcker, eifersüchtig über etliche Unterlagen wachte, die für Spöcker und die Forschungsstaffel z.b.V. von Belang waren. Zu einem Gespräch mit Brand in Gradisce kam es nicht, weil dieser nicht „vor Ort“ war.22 Da Spöckers Gespräche in Postojna, Triest und Gradisce ergebnislos verlaufen waren, versuchte er noch in weiteren Städten an Unterlagen zu gelangen.23 Schließlich bemühte er sich darum, Kontakt mit der Waffen-SS aufzunehmen, um an die von der Forschungsstaffel dringend benötigten Dokumente zu gelangen und die weiteren Schritte gemeinsam abzustimmen. Bei seinen Bemühungen erhielt er Unterstützung vom Stab Schulz-Kampfhenkels, der ihm am 29. April 1944 mitteilte, man habe sofort nach Spöckers Bericht entsprechende Schritte eingeleitet, um die Unterlagen zu bekommen. Der Kommandeur der Wehrgeologen der Waffen-SS werde sich mit Spöcker in Verbindung setzen. Ende April 1944 kam es zu einem Treffen zwischen Brand und Spöcker, in dem eine Kooperationsvereinbarung im Hinblick auf die von der karstwehrwissenschaftlichen Abteilung der Waffen-SS in Gradisca verwalteten Schriftstücke getroffen wurde: „Ich habe die Sachlage so erschöpfend als möglich dargestellt und kann lediglich noch zu dazu bemerken, daß ich […] mit der von Staf. Brand angestrebten Lösung einverstanden
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bin und dass ich der karstwissenschaftlichen Abteilung beitrete. […] Mir selbst liegt in erster Linie daran, arbeiten zu können und Staf. Brand hat mir zugesagt, nach Erledigung meines Auftrages bei der Forschungs-Staffel z. b. V. ab Ende Juli im italienischen Karst mit Unterstützung der Waffen-SS nach eigenem Ermessen Forschungen durchführen zu können. Dass ich diese mir gebotene Gelegenheit ausnützen möchte, ist selbstverständlich.“24
Die so angebahnte Zusammenarbeit verlief jedoch keineswegs reibungslos. Denn obwohl Brand von Reichsgeschäftsführer des „Ahnenerbes“ der SS aufgefordert wurde, im Umgang mit Spöcker „doppelgleisige Arbeiten zu vermeiden“25, legte er diesem wiederholt Steine in den Weg. Als Brand auf eine Bitte Spöckers vom 5. September 1944, ihm das für die Arbeiten der Forschungsstaffel dringend benötigte italienische Zentralhöhlenkataster auszuhändigen, wiederholt ausweichend reagierte, verstärkte die Führung der Forschungsstaffel z. b. V. ihren Druck auf Brand: „Dem für die Bearbeitung der Karstprobleme eingesetzten OT-Frontführer Spöcker war es bisher nicht möglich, eine tragfähige Verbindung zwischen der Forschungsstaffel und der dortigen Dienststelle herzustellen. Es wird betont, daß die Bearbeitung der Karstprobleme nur ein Teilgebiet in der Aufgabe der Forschungsstaffel darstellt. In Anbetracht der äussersten Dring[Satzteile unlesbar] und kameradschaftliche Zusammenarbeit zwischen der dortigen Dienststelle und der Forschungsstaffel herbeiführen zu helfen. Zu diesem Zweck wird um fernschriftliche Mitteilung gebeten, wann und wo der Leiter des Institutes oder ein von ihm Beauftragter, verantwortlicher Vertreter für einen Sachbearbeiter der Forschungsstaffel aus Laibach zu sprechen ist.“26
Das Verhältnis von Brand und Spöcker könnte den Eindruck erwecken, dass die Arbeiten der Forschungsstaffel an den für den NS-Wissenschaftsbetrieb typischen Ressortegoismen und polykratischen Strukturen gescheitert seien. Dies kam in diesem Fall zweifellos vor, jedoch finden sich ebenso Belege dafür, dass es zu institutionsübergreifenden Absprachen und funktionierenden Kooperationsverhältnissen kam. So arbeitete das Forschungskommando „Süd“ beispielsweise mit der in Laibach stationierten „Mil.Geo.-Stelle“ der Wehrmacht zusammen, die wiederholt von den kartographischen Arbeiten der Forschungsstaffel profitierte. Dies brachte ein Vertreter der „Mil.Geo.-Stelle“ im Mai 1944 auch deutlich zum Ausdruck, indem er erklärte, dass nach den ihm bekannt gewordenen Arbeitsergebnissen wohl mehr die Übernahme der von der Forschungsstaffel ausgearbeiteten karstmorphologischen Darstellungen zur Ergänzung der MilGeo-Karten in Frage komme, als umgekehrt. Die „Mil.GeoKarten“ seien im Maßstab 1:200.000 aufgenommen und würden im Hinblick auf die Karstfrage lediglich die Bezeichnungen „schwachverkarstet“ oder „stark verkarstet“
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enthalten. Im Gegensatz dazu müsse die Forschungsstaffel aus den Mil.Geo-Karten die Verzeichnung von Straßen, Brücken, Fabriken und sonstigen Bauvorhaben übernehmen. Die Mil.Geo-Karten seien sowohl in ihrem Maßstab wie in ihrer Ausführung im Allgemeinen für höhere Kommando-Stäbe geeignet. Die Karten der Forschungsstaffel würden hingegen ein brauchbares Rüstzeug für die Kompanie-Führer darstellen.27
4. Spöckers „Feldarbeit“ am Tschitschenboden Am 17. November 1944 erhielt Spöcker die Aufgabe, eine Geländeerkundung im Gebiet des Tschitschenbodens durchzuführen.28 Der Auftraggeber war möglicherweise das Generalkommando LXXXXVII der Heeresgruppe F, die bereits verschiedene Aufträge für „dringende Geländeerkundungen“ und zur „Herstellung taktischer Karten zur Geländebeurteilung“ an die Forschungsstaffel gerichtet hatte.29 Im Mittelpunkt der Untersuchungen Spöckers standen Höhlen und deren Verwendungsmöglichkeiten für militärische Zwecke. Nach welchen Gesichtspunkten die Höhlen zu bewerten waren, hatte Spöcker bereits bei seinem Aufenthalt in Adelsberg erfahren. So wurde die dortige Grotte von der Wehrmacht als Treibstofflager genutzt. Neben den Nutzungsmöglichkeiten der Höhlen spielte auch ihre Sicherung vor Angriffen eine wichtige Rolle. Auch in dieser Hinsicht stellte die Adelsberger Grotte für Spöcker ein „Lehrstück“ dar, denn in der Nacht vom 23. zum 24. April 1944 waren Partisanen in das Höhlensystem eingedrungen und hatten das dort untergebrachte Treibstoffdepot in die Luft gesprengt. In seinem Bericht über die von ihm durchgeführten Erkundungen vom 22. Januar 1945 unterteilte Spöcker die von ihm untersuchten Objekte wie folgt: I. Wasserführende Höhlen a) Untersuchte Höhlen b) Noch zu untersuchende Höhlen II. Trockenhöhlen a) Untersuchte Höhlen b) Noch zu untersuchende Höhlen III. Wasserlauf-Verbindungen zu den Quellen IV. Schlussbemerkungen.30 Neben detaillierten Beschreibungen über die Beschaffenheit, Ausdehnung und die speziellen Eigenschaften der Höhlen ging Spöcker in seinem Bericht auf deren mili-
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tärische Nutzungsmöglichkeiten ein. So untersuchte er bei seinen Erkundungen, „ob sich in einzelnen Höhlen Wasser zur Versorgung der Truppe in Wasser-Mangelzeiten“ befand und „ob die untersuchten Höhlen für irgendwelche militärischen Zwecke nutzbar zu machen“ seien.31 Als Grundlage für seine Erkundungen diente Spöcker eine italienische Karte im Maßstab von 1:25.000, in der die Höhlen eingezeichnet waren. Diese Karte war als Höhlenkarte des Heeres ausgewiesen und unterteilte die Eintragungen zur Lage der Höhlen in die Kategorien „sichere Kartenlage“ und „ungefähre Kartenlage“. In der Praxis stellte sich jedoch bald heraus, dass die der ersten Kategorie zugeordneten Höhlen z. T. über hundert Meter von dem auf der Karte angegebenen Punkt entfernt waren. Die Höhlen der zweiten Kategorie waren in dem beschriebenen Gebiet z. T. gar nicht zu finden. Um die Höhlen zu lokalisieren, bediente sich Spöcker der „Schützenkette“, indem er die Soldaten seines militärischen Begleitkommandos anwies, das Gelände abzusuchen. Die Gebiete, die Spöcker erkundete, gehörten zum Partisanengebiet. Aus diesem Grund wurden ihm Soldaten zur militärischen Sicherung gegen etwaige Angriffe zur Verfügung gestellt. Er benötigte diese Leute aber überwiegend für die Suche nach den Höhlen, da Angriffe von Partisanen ausblieben. Ein weiterer Kritikpunkt an den Karten bestand darin, dass bei den auf der Heereskarte angebrachten kurzen Erläuterungen zu den Höhlen entscheidende Einträge fehlten, so etwa der Hinweis auf Schachtstufen in Horizontal- bzw. Schachthöhlen.32 Außerdem bezog sich die Karte nicht auf die Nummern des – in diesem Falle – italienischen Zentral-Höhlenkatasters. Dies erschwerte es, schnell festzustellen, ob im Kataster bereits eine Planskizze der Höhle vorlag. Probleme bereiteten Spöcker und seinen Mitarbeitern auch ihre mangelhafte Ausrüstung. So konnten tiefere Schächte gar nicht befahren werden und die Karbidlampen waren vollkommen ungeeignet, um damit Höhlen zu erkunden. In zunehmendem Maße wurde auch die Mobilität der Gruppe Spöckers eingeschränkt, da die winterlichen Bedingungen die Feldarbeiten erschwerten und der Führungsstab der Forschungsstaffel spätestens ab März 1945 nicht mehr in der Lage war, genügend Benzin für die Fahrzeuge des Forschungskommandos „Süd“ zur Verfügung zu stellen. Worin bestanden nun die Ergebnisse der Untersuchungen Spöckers? Bei seinen Erkundungen kam er beispielsweise zu dem Schluss, dass die von ihm in der Kategorie „I a“ verortete Höhle „Bresnica Jama“ als Munitionslager genutzt werden könne. Die in der Höhle befindliche „Halle“ könne leicht eingeebnet werden und somit eine etwa 500 m2 große Lagerfläche entstehen. Dies ermögliche sogar den Einbau einstöckiger Mannschaftsbaracken. Probleme bereite allerdings die Zugänglichkeit der Höhle, denn bei der Erkundung sei man auf Strickleitern angewiesen gewesen. Für militä-
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rische Zwecke müsse aber eine Treppe oder ein Aufzug eingerichtet werden, um den Höhenunterschied von 70 Metern zu überwinden.33 Unter ganz anderen Gesichtspunkten betrachtete Spöcker die für den Fremdenverkehr zugängliche Schauhöhle „Grotta del Fumo“ („Rauchgrotte“) im heutigen Slowenien, 30 km westlich von Koper.34 Diese Höhle, so Spöcker, käme für die Wasserversorgung der Wehrmacht in Frage, da in ihr ein in einem Siphon endender Bach fließe. Da sie bereits als Schauhöhle ausgebaut sei, gebe es zudem bereits einige betonierte Einebnungen, auf denen ohne Weiteres Baracken errichtet werden könnten. Das vorhandene Wegenetz in der Höhle ermögliche es, die verschiedenen Höhlenabteilungen schnell zu erreichen.35 Wasser spielte auch in der Höhle „Grotta di Odolina“ eine militärstrategisch wichtige Rolle. Färbeversuche führten Spöcker zu dem Ergebnis, dass der in der Höhle liegende unterirdische Siphonsee mit den Risano-Quellen verbunden war, welche die Istrien-Wasserleitung speisten. Dieser Befund führte zu der Überlegung, das Wassersystem der Höhle zur Unbrauchbarmachung der Risano-Quellen zu nutzen, um so die Wasserversorgung der gegnerischen Truppen zu unterbrechen.36 Besonders große Bedeutung maß Spöcker den Trockenhöhlen als Lagerflächen, Bunker und für die Unterbringung von Truppen bei. Neben Vorschlägen für den Ausbau der Höhlen legte er seinen Erkundungen immer auch die Frage nach der Verteidigungsmöglichkeit der jeweiligen Höhle zugrunde37 und gelangte zu dem Fazit: „Bei den untersuchten und für Truppen-Unterkünfte sowie Lagerräume empfohlenen Höhlen ist die Standfestigkeit des Gesteines im allgemeinen sehr gut. Die meist über 10 m Mächtigkeit betragende Gesteins-Überdeckung hält schwersten Beschuß aus. Die geringste […] besitzt die Ziatic, jedoch nur in den Eingangsteilen. […] ein völliger Zusammenbruch von Höhlen oder Höhlenteilen, oder eine vollkommene Einschließung durch Verbruch der Eingänge ist […] nicht zu befürchten. […] Infolge der Großräumigkeit der Höhlen ist die natürliche Belüftung ausreichend. […] Die Wasserversorgung der etwa mit Truppen zu belegenden untersuchten Trockenhöhlen ist im Wesentlichen auf die MilitärWasserleitung oder den Transport in Wasserwagen angewiesen.“38
Neben Höhlen untersuchte Spöcker auch die Wasserlauf-Verbindungen von verschiedenen Quellen. Diese Erkundungsergebnisse flossen in Gewässerkarten ein, die vom Forschungskommando „Süd“ der Forschungsstaffel im Auftrag der Heeresgruppe F hergestellt wurden.39 All diese Untersuchungen dienten dazu, die neu einzurichtende „Hauptkampflinie“ an der „Balkanfront“ logistisch zu unterstützen. Die Dolinen, Höhlen und andere Karsterscheinungen stellten natürliche Festungsergänzungsbauten dar, die neben der Wasserversorgung auch gesicherte Unterkünfte und Lagerflächen boten. Darüber hinaus ging Spöcker in diversen Gutachten der Frage nach, ob
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man bestimmte Poljegebiete wie etwa das Moor bei Laibach aufstauen könne, um das Gelände auf diese Weise für gegnerische Panzer unbefahrbar zu machen. Die Ergebnisse von Spöckers Arbeit führten sicherlich nicht mehr dazu, dass die Höhlen in die Verteidigungslinie integriert wurden. Es fehlen heute jegliche Hinweise darauf, dass die untersuchten Höhlen systematisch für Kriegszwecke verändert worden sind. Ob und inwieweit in Teilstücken Höhlen an dieser Linie ausgebaut worden sind, ist noch zu untersuchen.40 Dass die Höhlen aber ein großes Potential für Unterkünfte und Depots aufwiesen, ist unbestritten. Dies zeigen die Erfahrungen aus dem Ersten Weltkrieg.41
Fazit Das Beispiel Spöcker zeigt, welche Umstände einen Wissenschaftler dazu bewegen konnten, in der Forschungsstaffel z.b.V. mitzuarbeiten. Hier kann der „Forschungsdrang“ des Wissenschaftlers Spöcker als das entscheidende Kriterium angesehen werden. Ihm war es offenbar nicht wichtig, welche Arbeiten im Einzelnen er erfüllen sollte und für welche Zwecke seine Ergebnisse verwendet wurden. Mit großem Eifer machte er sich daran, militärisch geeignete Höhlen für eine geplante Kampflinie zu finden. Die Tatsache, dass in dem Gebiet, das er erforschen sollte, Partisanen kämpften, war für Spöcker kein Hindernis. Ausschlaggebend war für ihn, sein „Lebenswerk“, die Erforschung der hydrologischen Verhältnisse im klassischen Karst, voranzutreiben und mit der Veröffentlichung einer Gewässerkarte abzuschließen. Schulz-Kampfhenkel war mit Spöckers Arbeit sehr zufrieden und ernannte ihn kurzerhand zum Mitglied der „Forschungsgruppe e.V.“. Spöcker wurde, wie viele Höhlenforscher, eher als ein „Eigenbrötler“ charakterisiert. Freunde und Bekannte beschrieben ihn als eine Person, die sich ungern unterordnete und sich nur schlecht in eine militärische Hierarchie einordnen konnte. Glaubt man Spöckers Erinnerungen an seine Zeit bei der Forschungsstaffel z.b.V., stand er dem Militär kritisch gegenüber. Hingegen bot die Tätigkeit in der Forschungsstaffel z.b.V. für Spöcker die Möglichkeit, seinen Platz im Militärapparat des „Dritten Reiches“ zu finden. Er verstand sich als ein „Ziviler“ und negierte zugleich, dass auch eine Zivilperson durchaus den Kriegsverlauf beeinflussen konnte. Aus seinen Aufzeichnungen geht hervor, dass er sich politisch eher indifferent verhalten hatte. Er war nicht in der NSDAP, seine geschiedene Frau war aktive Kommunistin, der er 1933 half. Ende 1944 setzte sich Spöcker bei seinem Intimfeind Hans Brand für die Freilassung von inhaftierten Höhlenforschern ein, allerdings ohne Erfolg. Brand drohte Spöcker seinerseits mit dem Konzentrationslager.
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Nach dem Krieg versuchte Spöcker, die Höhlenforschung in Deutschland wieder in einem Verband zusammenzuführen und kam so Hans Brand zuvor, der dies ebenfalls plante. Aus Spöckers Verband entstand nach wenigen Jahren der heutige Verband deutscher Höhlen- und Karstforscher, der die Arbeit des früheren Hauptverbandes Deutscher und Österreichischer Höhlenforscher auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland fortsetzte.
Anmerkungen 1 Slowenisch: Ljubljana, deutsch: Laibach, italienisch: Lubiana. 2 Der Beitrag ist Teil meiner im Entstehen begriffenen Dissertation zu dem Thema: „Deutsche ‚Höhlen‘-Forschung und Nationalsozialismus“ (Arbeitstitel). In dieser Arbeit wird gezeigt, welche Bedeutung die Nationalsozialisten der Speläologie beimaßen, und wie staatliche und militärische Behörden auf die organisierte deutsche und österreichische Höhlenforschung zugriffen. Neben der Gleichschaltung der Höhlenforschung im „Ahnenerbe“ der SS geht es auch um die Bedeutung von Höhlen als Zufluchtsorte für die Zivilbevölkerung und die Untertageverlagerung der Rüstungsproduktion zum Schutz vor Bombenangriffen. Darüber hinaus beschäftigt sich die Arbeit mit der militärischen Bedeutung von Höhlen und dem Einsatz spezieller Karstwehreinheiten und Wehrgeologen. Vgl. auch Karsten Plewnia: Deutsche „Höhlen“-Forschung und Nationalsozialismus, in: Arbeitskreis Militärgeschichte, Newsletter Nr. 32 (2009), S. 19–20. 3 Der hier benutzte Teil des Nachlasses bezieht sich nur auf Spöckers Arbeit in Jugoslawien und bietet daher nur einen Ausschnitt aus seiner umfangreichen Arbeit als Hydrologe sowie Höhlen- und Karstforscher. Der Nachlass wurde von der „Forschungsgruppe Höhle und Karst Franken e.V.“ zusammengetragen. Unklar ist, ob dieser Teil des Nachlasses von Spöcker selbst zusammengestellt wurde. Ein differenziertes Bild seiner Arbeit in der Zeit des Nationalsozialismus ist Gegenstand meiner Dissertation. – Ich danke der „Forschungsgruppe Höhle und Karst Franken e. V.“ sowie dem Nachlassverwalter Manfred Kastl für die Erlaubnis, Einblick in die Unterlagen nehmen zu dürfen. 4 Zur Person Spöckers vgl. Karl Teschner: Richard Spöcker zum Gedächtnis, in: Mitteilungen des Verbandes der deutschen Höhlen- und Karstforscher, 21 (1975), S. 74–79. 5 Slowenisch: Postojna, deutsch: Adelsberg, italienisch: Postumia. 6 Vgl. Michael Kater: Das „Ahnenerbe“ der SS 1935–1945. Ein Beitrag zur Kulturpolitik des Dritten Reiches, München 2001, S. 128, 265–268. 7 Zur kommunistischen Druckerei siehe Ludwig Göhring: Dachau Flossenbürg Neuengamme. Eine antifaschistische Biographie, Schkeuditz 1999, S. 65–66; Hermann Schirmer: Das andere Nürnberg. Antifaschistischer Widerstand in der Stadt der Reichsparteitage, Frankfurt am Main 1974, S. 84 ff. 8 Richard Spöcker: Reiseerinnerungen (undatiert), S. 2, Nachlass (NL) Spöcker, Archiv Höhle und Karst (AHK) Nürnberg (ohne Signatur). 9 Brief von Schmidt an Spöcker, 21.1.1943 [richtig 22.1.1944], NL Spöcker, AHK Nürnberg (ohne Signatur). Das Wort „Polje“ bedeutet im Slowenischen/Kroatischen/Serbischen: Feld.
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Karsten Plewnia Poljegebiete sind Karstflächen, die periodisch überschwemmt werden können. Ist ein Gebiet gerade nicht überflutet, ist es schwer, ein Poljegebiet zu lokalisieren. Pflanzensoziologen sind anhand der Flora in der Lage, Poljegebiete zu lokalisieren. Gespeist werden solche Gebiete von unterirdischen Karstgewässern, die in wasserreichen Zeiten an die Oberfläche treten. Der Untergrund eines Poljegebiets ist so beschaffen, dass das Wasser nicht im normalen Boden versickern kann. Brief von Schmidt an Spöcker, 22.1.1943 [richtig: 22.1.1944], NL Spöcker, AHK Nürnberg (ohne Signatur). Spöcker: Reiseerinnerungen, S. 2. Ebd., S. 3. Vgl. Manfred Schlesinger (IPW TEAM 191 MIS USFET G–2 SEC CHANOR BASE APO 562 US ARMY): Sonderkommando Dora, Forschungsstaffel z.b.V., 15. Oktober 1945, National Archives, Washington, Records of the Army Staff. Records of the Office of the Assistant Chief of Staff, G–2, Intelligence. Records of the Investigative Records Repository (IRR). Security Classified Intelligence and Investigative Dossiers, 1939–1976 (Personal Name File). Record Group 319, IRR (Impersonal File), Box 38 (Sonderkommando Dora). Zur Gliederung des Forschungskommandos „Süd“ der Forschungsstaffel vgl. Tabelle 8 im Anhang. Vgl. auch Hermann Häusler: Forschungsstaffel z.b.V. Eine Sondereinheit zur militärgeographischen Beurteilung des Geländes im 2. Weltkrieg (MilGeo, Nr. 21), Wien 2007, S. 96. Aktenvermerk von Günter Caulier-Eimbcke betr. Verlegung der Dienststelle von Buckow nach Schloss Nettkow in Schlesien, 13.8.1943, Bundesarchiv (BArch) Berlin, R 26 III/180 (unp.); Brief von Caulier-Eimbcke an Rudolf Mentzel, 5.10.1943, ebd. Spöker: Reiseerinnerungen, S. 17–19, NL Spöker, AHK Nürnberg (ohne Signatur). Bericht von Wolfgang Pillewizer: Forschungsstaffel z.b.V., ohne Datum (um 1946), Ordner „Forschungsstaffel z. b. V.“, Akten Dr. Willy Eggers (1970), Militärhistorisches Museum der Bundeswehr (MHM), Dresden, Inv.-Nr. BBAL4095/Theodor Müller-Bestand. Vgl. dazu den Beitrag von S. Flachowsky in diesem Band. Spöcker: Reiseerinnerungen, S. 24–25, 53, NL Spöcker, AHK Nürnberg (ohne Signatur). Zur „Selbstmobilisierung“ deutscher Wissenschaftler im Ersten und Zweiten Weltkrieg vgl. Sören Flachowsky: „So viel ich kann, bemühe ich mich der Heeresverwaltung nützlich zu sein“. Wissenschaftler als Krisenmanager zwischen 1914 und 1945. Emil Fischer – Rudolf Schenck – Adolf Fry, in: Matthias Berg/Jens Thiel/Peter Walther (Hg.): Mit Feder und Schwert. Militär und Wissenschaft. Wissenschaftler und Krieg, Stuttgart 2009, S. 107–135. Handschriftlicher Aktenvermerk Spöckers zu seiner vom 17.–21.3.1944 durchgeführten Dienstreise, 22.3.1944, NL Spöcker, AHK Nürnberg (ohne Signatur). Später, im Jahr 1944, wurde Spöcker Brands Stellvertreter und somit der Vorgesetzte von Anelli. Diese Stelle existierte aber wohl mehr auf dem Papier, so dass Spöcker im Frühjahr 1945 seine Zusammenarbeit mit Brand wieder kündigte. Handschriftlicher Aktenvermerk Spöckers zu seiner vom 17–21.3.1944 durchgeführten Dienstreise, 22.3.1944, NL Spöcker, AHK Nürnberg (ohne Signatur). Vgl. dazu den Schriftwechsel Spöckers im NL Spöcker, AHK Nürnberg (ohne Signatur). Brief von Spöcker an Caulier-Eimbcke, 5.5.1944, NL Spöcker, AHK Nürnberg (ohne Signatur).
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25 Brief des Reichsgeschäftsführers des „Ahnenerbes“ der SS, Wolfram Sievers, an Brand (Pottenstein), 21.10.1944, BArch Berlin, NS 21/9 (unp.). 26 Brief des Staffelführers in Neudorf an Brand, 5.9.1944, NL Spöcker, AHK Nürnberg (ohne Signatur). 27 Aktenvermerk von Spöcker betr. Besprechung mit Hauptmann Martens (Mil.Geo-Stelle, Laibach), 18.5.1944, NL Spöcker, AHK Nürnberg (ohne Signatur). 28 Der Tschitschenboden liegt im klassischen Karst Istriens zwischen Triest und Fiume. Der erste Bericht Spöckers zu diesem Projekt fehlt, der zweite Bericht über Höhlen- und Wasserlauf-Erkundungen im Tschitschenboden liegt vor. Vgl. Bericht über Höhlen- und WasserlaufErkundungen im Tschitschenboden, 22.1.1945, NL Spöcker, AHK Nürnberg (ohne Signatur). 29 Monatsbericht April 1944 des Beauftragten für Sonderfragen der erdkundlichen Forschung des RFR (BEF), Otto Schulz-Kampfhenkel, 29.4.1944, BArch Berlin, R 26 III/205 (unp.). Vgl. auch Halbjahresbericht des BEF für die Berichtszeit 1.7.1944–31.12.1944, BArch Berlin, R 26 III/219, Bl. 11–22, hier Bl. 14 f. 30 Die einzelnen Höhlenberichte lassen sich mit Hilfe der Höhlenbeschreibungen eines 1926 erschienenen Buches von Luigi Vittorio Bertarelli und Eugenio Boegan besser nachvollziehen, in dem sich neben den Höhlenbeschreibungen auch anschauliche Höhlenpläne und Zeichnungen finden. Vgl. Luigi Vittorio Bertarelli/Eugenio Boegan: Duemila Grotte, Trieste 1926. 31 Vgl. Bericht über Höhlen- und Wasserlauf-Erkundungen im Tschitschenboden, 22.1.1945, NL Spöcker, AHK Nürnberg (ohne Signatur). 32 Zu dieser Zeit stellten Schachthöhlen meist ein natürliches Hindernis dar. Die heutige SRT (Single-rope-technique/Einseiltechnik) gab es damals noch nicht. Heutzutage bewegt sich der Höhlenforscher direkt an einem Seil auf und ab. Dafür gibt es verschiedenen Hilfen zum a) abseilen und b) aufsteigen. Diese Technik entwickelte sich aber erst in den 1970er Jahren. Vorher seilte man sich längere Strecken ab, oder benutzte eine Strickleiter, um auf- und abzusteigen. Gesichert wurde man mit einem mitlaufenden Seil. Daher sind einige Höhlensysteme damals nicht erforschbar gewesen. Gerade Hanfseile und Hanfstrickleitern in feuchten Höhlen und das damit verbundene Gewichtsproblem stellten eine gewaltige logistische Herausforderung dar. Das Gewicht der Drahtseilleitern konnte damals bis zu 1 kg pro Meter betragen. Diese bauten die Vereine meist in Eigenregie. 33 Vgl. Bericht über Höhlen- und Wasserlauf-Erkundungen im Tschitschenboden, 22.1.1945, S. 1–2, NL Spöcker, AHK Nürnberg (ohne Signatur). 34 Slowenisch: Koper, deutsch: Gafers, italienisch: Capodistria. 35 Vgl. Bericht über Höhlen- und Wasserlauf-Erkundungen im Tschitschenboden, 22.1.1945, S. 3–4, NL Spöcker, AHK Nürnberg (ohne Signatur). 36 Ebd., S. 4–5. 37 Ebd., S. 7–9. 38 Ebd., S. 13–14. 39 So etwa die „Wasserkarte des adriatischen Karst von Fiume bis zur Narenta“. Vgl. Halbjahresbericht des BEF für die Berichtszeit 1.7.1944–31.12.1944, BArch Berlin, R 26 III/219, Bl. 11–22, hier Bl. 15.
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Laut dem Kriegstagebuch des OKW sollte die Stellung Tschitschen-Boden bis zum 15.2.1945 fertig gestellt sein. Vgl. Percy E. Schramm (Hg.): Kriegstagebuch des Oberkommandos der Wehrmacht, Bd. IV/2, München 1982, S. 1393. 41 Damals waren teilweise bis zu 2.000 Soldaten in für militärische Zwecke umgebauten Höhlen untergebracht. Vgl. Luigi Vittorio Bertarelli/Eugenio Boegan: Duemila Grotte, Trieste 1926, S. 133.
Schwieriger Neubeginn und Rückkehr zur Normalität Otto Schulz-Kampfhenkel im Nachkriegsdeutschland Sören Flachowsky, Michael Ohl und Holger Stoecker
1. Täuschung und Legendenbildung. Schulz-Kampfhenkel als Kriegsgefangener der Alliierten Im Jahr 1944 begannen alliierte Erkundungsteams damit, die Standorte der deutschen Forschung und die Entwicklung an Hochschulen, außeruniversitären, militärischen und industriellen Forschungseinrichtungen in Augenschein zu nehmen. „Bis Juni 1947 waren allein von amerikanischer und britischer Seite zwischen 3.000 und 4.000 Teams mit rund 12.000 Ermittlern im ehemaligen Reichsgebiet unterwegs.“ Eine wesentliche Aufgabe dieser evaluation teams bestand in der Befragung deutscher Wissenschaftler und Industrieller, die vor Ort, in Internierungslagern oder in den Siegerstaaten selbst durchgeführt wurden.1 Einigen der vom US-amerikanischen Geheimdienst Office of Strategic Services (OSS) eingesetzten field teams gehörten Geographen an, die gezielt nach Karten suchten, deren Herstellungsmethoden analysierten und beteiligte Wissenschaftler vernahmen. Für den aktuellen Kriegsverlauf relevante Karten wurden den militärischen Behörden zugestellt, während der Rest des beschlagnahmten Materials direkt an die Map Information Section (Geographical Section) des OSS nach Washington gesandt wurde, die dem Department of State unterstand.2 In vielen Fällen wurden deutsche festgenommene Wissenschaftler in Vernehmungslager (Interrogation Camps) gebracht, die in der Amerikanischen oder in der Britischen Zone lagen. Darüber hinaus gab es Lager, die unter gemeinsamer amerikanischer und britischer Kontrolle standen.3 Das bekannteste unter anglo-amerikanischer Bewachung stehende Interrogation Camp befand sich auf der Burg Kransberg im Taunus, unweit von Bad Nauheim. Das ehemalige Hauptquartier Hermann Görings wurde von den Alliierten nur verächtlich „Dustbin“ (deutsch: Mülleimer) genannt.4 Dieser Deckname war nicht ohne Ironie, denn in diesem Lager saß die ehemalige politische und militärisch-industrielle Elite des „Dritten Reiches“.5 Neben hochrangigen Wirtschaftsvertretern, wie etwa Walter Rohland und Fritz Thyssen, befand sich dort die abgesetzte Geschäftsleitung der I.G. Farben und die Entourage des
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Rüstungsministers Albert Speer. Hinzu kamen mit Walter Dornberger und Wernher von Braun die für die so genannte Wunderwaffe „V 2“ und die Hölle des Konzentrationslagers „Mittelbau-Dora“ Verantwortlichen, sowie ehemalige Minister wie Hjalmar Schacht und Lutz Graf Schwerin von Krosigk. Selbst Rüstungsminister Speer war für einige Wochen in Kransberg interniert.6 Daneben wurden im Lager Dustbin auch zahlreiche NS-belastete Wissenschaftler interniert und vernommen. So auch Otto Schulz-Kampfhenkel und einige Mitglieder der ehemaligen Forschungsstaffel z. b. V. Nachdem Schulz-Kampfhenkel im Juni 1945 vom OSS in Tirol aufgegriffen worden war, hatte man ihn zunächst in ein Internierungslager in Zell am See gebracht, wo sich bereits einige seiner ehemaligen Mitstreiter befanden. Da sich die Amerikaner über die militärische Bedeutung dieser Gefangenen jedoch noch nicht im Klaren waren, versuchten letztere ihre wahre Identität zu verbergen, indem sie sich als Mitglieder eines „Instituts für ökologische Kartierung und biozönotische Forschung“ ausgaben. So getarnt, dienten sich Schulz-Kampfhenkel und seine Mitarbeiter den Amerikanern an, indem sie ihnen ihr Wissen für den Krieg gegen die Japaner zur Verfügung stellten.7 Dabei bearbeiteten sie Unterlagen, die vom War Department angefordert worden waren und fungierten als Lektoren und Dozenten im Rahmen einer „feldmäßig errichteten Universität der dort stationierten 42. Infanteriedivision“. Hierbei ging es vermutlich um die Schulung amerikanischer Kartographen auf dem Gebiet der militärischen Geländebeurteilung und die Schaffung entsprechender Karten.8 Inzwischen hatte aber der britische Geheimdienst von den Kriegsaktivitäten Schulz-Kampfhenkels erfahren und forderte die über diesen angefertigten Unterlagen der Amerikaner an.9 Den Hintergrund bildete vermutlich das in den Augen der Briten unerfreuliche Auftreten von dessen Schwager, Günter Caulier-Eimbcke, der in Hamburg fieberhaft an der Erneuerung der Forschungsgruppe Schulz-Kampfhenkels arbeitete und dabei über das Ziel hinausschoss. Caulier-Eimbcke hatte Hamburg am 11. April 1945 erreicht und nach seinen Worten den größten Teil des Geräts und des Luftbildmaterials der Forschungsstaffel in den Händen. Von Schulz-Kampfhenkel hatte er angeblich keine Direktiven erhalten, zumal er eigentlich zu diesem nach Süddeutschland hätten kommen sollen, was aufgrund von Transportproblemen jedoch nicht möglich war. Um die Arbeiten der Forschungsgruppe fortzusetzen, konsultierte Caulier-Eimbcke noch im April den Hamburger Ordinarius für Geographie, Ludwig Mecking. Dieser verwies den Geschäftsführer der Forschungsgruppe jedoch an die Kulturabteilung der Stadtverwaltung Hamburgs. Dort machte man dem Antragsteller klar, dass die Entscheidung über die Zulassung und Unterstützung der Forschungsgruppe beim Bürgermeister liege.10 Um seinem Anliegen Nachdruck zu verleihen, legte Caulier-Eimbcke dem ehemaligen Zweiten Bürgermeister von Ham-
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burg, dem NSDAP-Mitglied Wilhelm Amsinck Burchard-Motz11, und dem Rektor der Universität Hamburg am 13. Mai 1945 ein Memorandum vor, in dem er sich für die Wiederbelebung der Forschungsgruppe verwandte und darüber hinaus einen Vorschlag zur Errichtung einer „Institution für Luftbildforschung“ unterbreitete. Das Memorandum war vertraulich, wurde aber von einer Sekretärin Caulier-Eimbckes den Alliierten zugespielt. Hier sorgte der Inhalt des Papiers für große Entrüstung, denn es enthielt „abfällige Bemerkungen über die Alliierten“ und war klar gegen sie gerichtet.12 Selbst viele der in diesem Papier – allerdings ohne ihr Wissen – genannten deutschen Wissenschaftler sollten sich später ganz klar von diesem Alleingang Caulier-Eimbckes distanzieren. Auch wenn der Inhalt des Memorandums selbst nicht überliefert ist, macht die in den britischen Verhörprotokollen Caulier-Eimbckes erhaltene umfangreiche Anlage zu seinem Memo dessen Ziele und den Grund der Verärgerung der Alliierten deutlich. So stellte Caulier-Eimbcke im Namen des Beauftragten für Sonderaufgaben der erdkundlichen Forschung des Reichsforschungsrates (BEF) die wissenschaftliche Auslandsforschung als „vordringliche nationale Aufgabe“ dar und führte einleitend aus: „Die Notlage des Reiches und die daraus resultierende fast vollständige Unmöglichkeit wissenschaftlicher Weltwirkung zwingen zur sofortigen Schaffung einer der neuen Lage der Wissenschaft angepassten organisatorischen Grundlage um bei positivem oder negativem Ausgang des Krieges zumindest die Teile der deutschen Wissenschaft sofort sammeln zu können, die besonders geeignet sind, um in der Welt für deutschen Geist durch Pioniertaten zu werben und den durch die Feindmächte beschmutzten Namen deutscher Forscher und deutscher Pioniere wieder die verdiente Achtung zu verschaffen zu suchen.“13
Zur „Beschirmung der Forschungsarbeiten“, so Caulier-Eimbcke weiter, habe der „Führer“ den Reichsforschungsrat (RFR) geschaffen und der „Reichsmarschall“ für die Arbeiten der Luftbildforschung und Kriegsgeländekunde einen Beauftragten für Sonderfragen der erdkundlichen Forschung bestellt. Die Organisation dieses Bevollmächtigten stelle die Forschungsgruppe e.V. dar. Durch den Verlauf des Krieges sei der RFR jedoch „vorläufig verloren“, liege die Luftbildforschung darnieder und seien die Brücken zum Ausland abgebrochen. Angesichts der „Weltweite der Aufgabe“, sei es daher unbedingt notwendig, sofortige Hilfsmaßnahmen zum Wiederaufbau der deutschen Forschung einzuleiten. Dies könne jedoch nur durch eine „mit den Fachfragen und technischen Aufgaben vertraute Institution“ geschehen. Es sei daher eine „zwingende Notwendigkeit, die eingearbeitete technisch- und verwaltungsmäßig noch ausgerüstete und mit Luftbildmaterial aus fast ganz Europa versehene Forschungsgruppe e.V. in engster Verbindung mit den maßgebenden Stel-
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len der Hansestadt Hamburg“ für diese Aufgabe einzusetzen.14 Die Voraussetzung für einen erfolgreichen Einsatz der Forschungsgruppe seien jedoch staatliche Hilfen und die Unterstützung bei der Sicherung ihrer Materialien. Gleichwohl müsse der „private Charakter der Forschungsgruppe im Hinblick auf politisch unanfechtbare Auslandsaufgaben gewahrt“ bleiben. Um den schnellst möglichen Wiederaufbau der deutschen Luftbildforschung in die Wege zu leiten, habe man bereits Verbindung mit der „Hansischen Universität“ hergestellt und den sofortigen „Beginn einer Zusammenarbeit durch lockere Bindung unmittelbar an die Universität vereinbart“. So werde Caulier-Eimbcke als Geschäftsführer der Forschungsgruppe e.V. umgehend mit dem Aufbau eines „Instituts für Luftbildforschung“ im Auftrag der Universität beginnen.15 Zu diesem Zweck legte er einen detaillierten Organisationsplan des von ihm anvisierten Instituts vor, das genau den Rahmen umfasste, den Schulz-Kampfhenkel als Beauftragter des Reichsforschungsrates und als Leiter der Forschungsstaffel bereits „betreut“ hatte. Insbesondere dieser Plan macht die weitgesteckten Zielprojektionen der Forschungsgruppe e.V. deutlich, denn allein die Realisierung dieses Institutes hätte zu einer deutschlandweiten Zentralisierung der Luftbildforschung unter der Kontrolle Schulz-Kampfhenkels und seines Schwagers geführt. Die „wissenschaftliche Leitung“ des Instituts sollte nach diesen Planungen ein Fachmann auf dem Gebiet der Luftbildforschung übernehmen, wobei Caulier-Eimbcke an den Bonner Geographen Carl Troll dachte. Das Institut selbst sollte sich in vier Gruppen unterteilen: I. Erdkundliche Luftbildforschung, II. Photogrammetrie, III. Technik und Organisation, IV. Wissenschaftliches Archiv, Bibliothek und Kartenlager. Diesen Gruppen sollten wiederum verschiedene Abteilungen für spezielle Aufgaben untergeordnet werden, die sich im Wesentlichen auf genau den wissenschaftlichen Mitarbeiterstamm stützen sollten, der der Forschungsstaffel bisher zugearbeitet hatte. So fanden sich unter den als Abteilungsleiter und Mitarbeiter vorgesehenen Institutsmitgliedern zahlreiche Ordinarien, ehemalige Mitglieder der Forschungsstaffel sowie Vertreter der Firmen Agfa und Zeiss-Aerotopograph. Für die Aufgaben der Gruppe IV sollte sogar das Fachpersonal des ehemaligen Arbeitsstabes „Theo“ in Rheda herangezogen werden.16 In seinem Memorandum äußerte sich Caulier-Eimbcke auch über die Forschungsund Expeditionsziele der Forschungsgruppe. Der Diktion früherer Denkschriften Schulz-Kampfhenkels folgend, sollten demnach „Großexpeditionen“ in noch unbe-
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kannte Gebiete der Erde durchgeführt werden, um die wissenschaftlichen Kenntnisse zu erweitern und sowohl wirtschaftlich als auch politisch verwertbare Unterlagen für die Nutzung dieser „Neuländer“ zu schaffen.17 Dabei dachte Caulier-Eimbcke an Nord- und Mittelamerika, Australien und Afrika, große Teile Sibiriens, den Süden der Sowjetunion, Tibet, Indien und die Arktis. Erfolg verbürge dabei allein die Zusammenarbeit mehrerer Fachgebiete, denn nur so sei ein Land „in seiner Gesamtheit“ zu erschließen. Die Angehörigen der Forschungsgruppe müssten sich, unabhängig von ihrer Nationalität, durch „fachliche Eignung, Liebe zur Sache selbst und passionierte Expeditionslust“ auszeichnen. Grundlegend für die Durchführung von Expeditionen seien jedoch zunächst der Aufbau einer Verwaltung, die Sicherstellung der apparativen Rahmenbedingungen, die Bereitstellung von Flugzeugen, die Kooperation mit in- und ausländischen Forschungsinstituten und die Gewinnung von Wissenschaftlern.18 Diese realitätsfernen, allein auf seine Erfahrungen in der NS-Zeit gründenden Planungen des Geschäftsführers der Forschungsgruppe e.V. liefen also im Grunde darauf hinaus, die Organisation des ehemaligen BEF Schulz-Kampfhenkel in einer anderen Form wieder aufleben zu lassen. Da der von Schulz-Kampfhenkel bis Mai 1945 „betreute“ Komplex aber eng mit dem Reichssicherheitshauptamt der SS verwoben war, reagierte der britische Secret Service höchst sensibel. Am 10. Juni 1945 wurden Caulier-Eimbcke und seine Mitarbeiter verhaftet und ein großer Teil der von ihm „sichergestellten“ Unterlagen beschlagnahmt. Man warf ihm vor versucht zu haben, eine illegale Vereinigung wieder zum Leben zu erwecken.19 Während die weiblichen Mitarbeiter Caulier-Eimbckes Anfang September wieder entlassen wurden, überführte man ihn am 28. August in das „Buffer Camp“ nach Lüneburg, wo er die requirierten Luftbilder und Materialien zu ordnen hatte. Anfang Oktober wurde Caulier-Eimbcke schließlich nach Neumünster verlegt und dort einer weiteren, „auch politischen Überprüfung“ unterzogen.20 Das von den Briten beschlagnahmte Material sorgte für eine Wendung im Fall Schulz-Kampfhenkels, denn die Durchsicht der in Hamburg aufgefundenen Unterlagen machte schlagartig deutlich, dass der ehemalige BEF und Leiter der Forschungsstaffel z. b. V. bei seinen Vernehmungen bis dahin nur wenige Informationen preisgegeben hatte. Auch den Amerikanern war inzwischen bewusst geworden, wer ihnen da ins Netz gegangen war, denn der in einem anderen Internierungscamp der Amerikaner untergebrachte Erwin Schüler hatte die Ermittler detailliert über seine ehemalige Einheit, die Forschungsstaffel z. b. V., informiert. Die Ausführungen Schülers machten deutlich, dass diese Spezialeinheit zunächst der Auslandsabteilung des Oberkommandos der Wehrmacht (OKW) und seit 1944 dem Militärischen Amt des Reichssicherheitshauptamtes der SS unterstanden hatte. In diesem Zusammenhang erwähnte er auch den Namen Schulz-Kampfhenkels, der als Kommandeur der
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Forschungsstaffel fungiert hatte.21 Obwohl dieser inzwischen für den OSS in Zell am See arbeitete, hegten vor allem die ihn vernehmenden Geheimdienstmitarbeiter Walter N. Bailey und L. D. Black ernste Zweifel am Wahrheitsgehalt seiner Aussagen. Diese Zweifel wurden durch die nun aus verschiedenen Quellen eingehenden Informationen über die Vergangenheit Schulz-Kampfhenkels verstärkt, die sich langsam zu einem Bild zusammensetzten. Dies hatte zur Folge, dass Schulz-Kampfhenkel im Oktober 1945 gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern der ehemaligen Forschungsgruppe von Zell am See in das Lager „Marcus Orr“ in Glasenbach südlich von Salzburg verlegt wurde.22 Hier wurde die Gruppe in den folgenden Monaten ausgedehnten Befragungen durch den OSS unterworfen, denn inzwischen hatten die misstrauisch gewordenen Vernehmer die Gewissheit, dass Schulz-Kampfhenkel bis dahin Vieles verheimlicht hatte.23 Bald stellte sich heraus, dass dieser nur die Wahrheit sagte, wenn er dazu gezwungen wurde.24 Aber selbst unter diesen veränderten Rahmenbedingungen veränderte sich Schulz-Kampfhenkels Verhalten nicht, denn wie man später feststellte, gab er nur vor, mit den Amerikanern zu kooperieren. Zwar plauderte er nun rege über seine Tätigkeit im „Sonderkommando Dora“, in der Forschungsstaffel und seine Aufgaben als Beauftragter des Reichsforschungsrates, aber angesichts der den Alliierten inzwischen zur Verfügung stehenden Unterlagen blieb ihm auch nichts anderes übrig. Wenn es jedoch um für ihn kompromittierende Fragen ging, traf Schulz-Kampfhenkel seine Aussagen nach wie vor wohl überlegt. So gab er zwar an, dass er sich 1933 um eine Mitgliedschaft in der NSDAP beworben habe, dies aber wegen „politischer Unzuverlässigkeit“ abgelehnt worden sei. Wie wir heute wissen, sagte Schulz-Kampfhenkel damit die Unwahrheit.25 Gleichzeitig behauptete er, er habe die „Dummheiten, die Arroganz und die imperialistischen Ambitionen“ der nationalsozialistischen Außenpolitik frühzeitig erkannt, und sich deshalb um eine möglichst weitgehende Unabhängigkeit von NS-Organisationen bemüht.26 Vergleicht man diese Aussagen mit seinen früheren Bemühungen, staatliche Unterstützung für seine verschiedenen Expeditionsvorhaben zu erhalten, zeigt sich erneut, wie Schulz-Kampfhenkel seine braune Vergangenheit verschleierte. Um seine Kontakte zu höchsten staatlichen Instanzen zu vertuschen, stellte er beispielsweise seinen langjährigen Förderer, den Chef der Reichskanzlei, Reichsminister Hans Heinrich Lammers, nur als „leitenden Verwaltungsbeamten“ dar.27 Zu diesen Vertuschungen hatte Schulz-Kampfhenkel allen Grund, denn abgesehen davon, dass er als Leiter der Forschungsstaffel verschiedene Aufträge zu verantworten hatte, die im Zusammenhang mit der nationalsozialistischen Siedlungs- und Vernichtungspolitik standen, war er es gewesen, der noch sechs Jahre zuvor in einem Gutachten für den Reichsführer-SS, Heinrich Himmler, von
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„unterwertigen Völkern“ und natürlichen Siedlungsräumen „für ein nordisches Herrenvolk“ gesprochen hatte.28 Um den sich aus seinen ideologischen und politischen Verstrickungen für ihn nun ergebenden Gefahren zu entgehen, betonte Schulz-Kampfhenkel immer wieder, nur in wissenschaftlicher Hinsicht tätig gewesen zu sein. Besonders Gewicht legte er bei seinen Vernehmungen darauf, sich selbst als Begründer der „kombinierten Kartographie-Methode“ darzustellen, die auf der Zusammenarbeit der besten Experten der Geowissenschaften und hoch spezialisierten Technikern und Kartographen basierte. Die kombinierte Nutzung der Luft- und Boden-Stereophotogrammetrie, die ökologische Untersuchung der Erdoberfläche und die Verwendung geologischer, meteorologischer und klimatologischer Untersuchungsmethoden würden eine Exaktheit der Kartographie ermöglichen, die bisher nicht erreicht worden sei. Dadurch sei es möglich, so Schulz-Kampfhenkel, große unberührte Gebiete mit einem relativ geringen Aufwand an Menschenkraft, Mitteln und Zeit unter geographischen, geologischen, meteorologischen, botanischen und zoologischen Gesichtspunkten zu erforschen. Darüber hinaus habe die Kombinationsmethode den Vorteil, dass man mit ihrer Hilfe auch Karten von Gebieten anfertigen könne, die man nicht betreten könne.29 Vor allem dieser Aspekt war für die Amerikaner besonders interessant, denn vor dem Hintergrund des nun einsetzenden Kalten Krieges waren sie an allen Informationen interessiert, die die für sie unerreichbaren osteuropäischen, insbesondere sowjetischen Gebiete betrafen. So unterließ es Schulz-Kampfhenkel bei seinen Vernehmungen nicht, auf die besonders weit entwickelte sowjetische „kombinierte Kartographie-Methode“ und deren qualitativ hochwertiges Personal hinzuweisen. Gerade in militärischer Hinsicht erweise sich daher der Wert der von ihm, SchulzKampfhenkel, entwickelten Methode als „unermesslich“. Denn mit ihr könnten alle feindlichen Länder überprüft und zahlreiche militärisch relevante Informationen über die betreffenden Gebiete zusammengetragen werden.30 Im gleichen Maß, wie er sich bei seinen Vernehmungen als gänzlich unpolitischer Organisator neuer und innovativer Kartographiemethoden präsentierte, bemühte sich Schulz-Kampfhenkel um die Möglichkeit der Fortsetzung seiner Arbeiten. Nach Ansicht der ihn vernehmenden Offiziere hoffte er „begierig“ auf eine Arbeitserlaubnis und signalisierte seine Bereitschaft, für die Alliierten oder unter ihrer Aufsicht zu arbeiten.31 Die Selbstdarstellung Schulz-Kampfhenkels zeitigte offenbar den gewünschten Erfolg. Den Wert der Ausführungen des ehemaligen Leiters der Forschungsstaffel schätzte der OSS sogar so hoch ein, dass die amerikanische Botschaft in London eine Kopie der Vernehmungen Schulz-Kampfhenkels im Juni 1946 an den Direktor des FBI nach Washington schickte.32 Selbst in der renommierten amerikanischen Geographical Review erschien im gleichen Jahr ein Artikel über die deutsche Geographie,
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der bemerkenswerte Informationen über die Tätigkeit der Forschungsstaffel SchulzKampfhenkels enthielt.33 Im Ergebnis ihrer Befragungen Schulz-Kampfhenkels kamen die Amerikaner daher letztlich zu dem Schluss, dass viele der von diesem geschilderten Techniken und Verfahren den amerikanischen Luftbild-Kartographen zwar bereits bekannt waren, es aber sinnvoll sei, einige der von der Gruppe um SchulzKampfhenkel entwickelten neuen Instrumente genauer zu evaluieren. Der größte Wert Schulz-Kampfhenkels liege jedoch weniger in seinen Methoden als in seinen Erfahrungen, die er bei seinen Arbeiten erworben hätte. Soweit die von den Deutschen entwickelten Methoden der amerikanischen Kartographie noch nicht bekannt seien, erscheine demnach eine vertiefende Untersuchung dieser Methoden angebracht.34 Was genau damit gemeint war, geht aus den Protokollen nicht hervor. Aber in einer „Anwendungsempfehlung“ schlug der Schulz-Kampfhenkel vernehmende amerikanische „Chef-Vernehmer“ Ende April 1946 vor, diesen sofort zu entlassen, weil dessen Mitarbeit von den US-amerikanischen Kartierungsbehörden erwünscht sei.35 Schulz-Kampfhenkel stand somit im Mai 1946 kurz vor seiner Freilassung. Aber anstatt entlassen zu werden, wurde er im Juni in das Lager „Camp King“ nach Oberursel im Taunus und Ende des Jahres nach „Dustbin“ verlegt. Der Grund dafür war vermutlich der der britischen Field Information Agency, Technical (FIAT) angehörende Vernehmer Major Edmund Tilley, der inzwischen die Unterlagen des im Hamburg festgenommenen Caulier-Eimbcke ausgewertet hatte und daher berechtigte Zweifel an der Vollständigkeit der Aussagen Schulz-Kampfhenkels erhob. So wies Tilley im August 1946 darauf hin, dass man immer noch nicht alle versteckten Unterlagen der Forschungsstaffel gefunden habe. Er kam zu diesem Schluss, weil sich insbesondere die Ehefrau Schulz-Kampfhenkels in den vergangenen Monaten heimlich darum bemüht hatte, einen Teil der noch fehlenden Materialien zusammenzutragen. Wie Tilley meldete, habe man „einige wertvolle Papiere“ in ihrer Unterkunft in der Nähe von Harburg gefunden.36 Da man in diesem Zusammenhang vermutlich auch von der Existenz eines in einem Wald bei Harburg vergrabenen Koffers der Forschungsstaffel erfuhr, wurde Schulz-Kampfhenkel im Juni vor Ort dazu gezwungen, die Fundstelle zu lokalisieren. Dieser Fahndungserfolg konnte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass andere Verstecke der Forschungsstaffel weiterhin verborgen blieben und zum Teil inzwischen sogar geplündert worden waren. So gab Schulz-Kampfhenkel beispielsweise an, dass sich in einem Hotel in Rothenburg einige Geheimunterlagen der Forschungsstaffel befänden, die Suche nach diesen Dokumenten blieb jedoch ergebnislos. Besonders wichtige Unterlagen über Großbritannien, die Sowjetunion und der von ihr nun kontrollierten Gebiete hatten beispielsweise im Kloster Ottobeuren gelegen, waren aber inzwischen auch verschwunden. Wie Tilley ausführte, war das Material im Auftrag von Prof. Dr. Emil Meynen entnommen worden, der es offen-
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bar für seine nach Scheinfeld verlagerte „Abteilung für Landeskunde“ verwenden wollte. Auf die Entnahme der Unterlagen reagierten die Alliierten mit unverhohlener Skepsis, zumal die Materialien Großbritannien und die Sowjetunion und nicht das eigentliche Arbeitsgebiet Meynens, nämlich Deutschland, betrafen.37 Einige der den Briten in die Hände gefallenen Luftbilder Großbritanniens ergaben, dass sie für sie selbst zwar wenig nützlich waren, für feindliche Staaten aber eine ungleich größere, kriegsrelevante Bedeutung hatten, denn aus den Bildern gingen alle seit 1941 vorgenommenen Tarnungs- und Befestigungsmaßnahmen an der britischen Küste hervor.38 Meynen war den Amerikanern bis dahin nicht sonderlich aufgefallen und hatte bis Mitte 1946 offenbar auch Kartierungsarbeiten für den OSS durchgeführt („Operation Ground Hog“).39 Tilley machte die Amerikaner im Sommer 1946 jedoch darauf aufmerksam, dass Meynen Kopien seiner geheimen Berichte an den OSS und das Department of State regelmäßig an einen Deutschen im sowjetischen Sektor Berlins schickte, der offenbar ein Mitglied der sowjetischen Ermittlungsbehörden war.40 Daher hielt es Tilley nicht für ausgeschlossen, das dieser Verbindungsmann von Meynen auch Informationen über das in Ottobeuren aufgefundene Material erhalten hatte. Da die Briten letztlich den Schluss zogen, dass Personen aus dem Umfeld der „SchulzKampfhenkel-“ oder der „Meynen-Gruppe“ mit den Sowjets gegen die westlichen Alliierten kollaborierten, hatte man Meynen etwa im Juni 1946 nach „Dustbin“ gebracht. Während er dort zunächst auf einer „offenen Liste“ geführt wurde, regte Tilley nun an, Meynen auf die „top secret list“ zu setzen und in Isolationshaft zu nehmen. Meynen sollte nun nur noch von speziellen Mitgliedern der anglo-amerikanischen Enemy Personnel Exploitation Section (EPES) vernommen werden, um eine zu weite Streuung von geheimdienstrelevanten Informationen zu verhindern.41 Aber nicht nur für Meynen sah Tilley härtere Behandlungsmethoden vor, denn wie er weiter anregte, sollten auch Schulz-Kampfhenkel und Caulier-Eimbcke nach „Dustbin“ überführt und in Einzelhaft genommen werden. Ihnen sollten darüber hinaus weitere ehemalige Mitarbeiter Schulz-Kampfhenkels folgen. Die Verhöre der gesamten Gruppe sollten als so genannte „High-Level Investigation“ unter strengster Geheimhaltung durchgeführt werden.42 Diese Eingabe Tilleys hatte zur Folge, dass Schulz-Kampfhenkel im Spätherbst 1946 nicht entlassen, sondern nach „Dustbin“ verlegt wurde. Auch sein Schwager Caulier-Eimbcke wurde am 6. November in Hamburg erneut verhaftet. Letzterer war im Februar 1946 vom britischen Secret Service entlassen worden und hatte sich sogleich wieder seiner „Aufbauarbeit“ an der Forschungsgruppe e.V. gewidmet. So hatte er sich bei der britischen Militärregierung um eine Arbeitserlaubnis bemüht und den Vereinssitz der Forschungsgruppe e.V. von Berlin nach Hamburg verlegt.43 Darüber hinaus schickte er Rundschreiben an verschiedene Wissenschaftler, ehemalige Mitglieder der Forschungsstaffel und Indu-
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strievertreter, um sie für die Arbeiten der Forschungsgruppe zu gewinnen.44 Da Tilley nach dem Vergleich der in Hamburg beschlagnahmten Materialien der Forschungsgruppe und den Verhörprotokollen Caulier-Eimbckes zu dem Schluss kam, dass auch dieser keineswegs die Wahrheit gesagt hatte, drängte er darauf, diesen nach „Dustbin“ zu überführen, um vor allem Auskunft über die den Alliierten noch unbekannten „Auslagerungsorte der Forschungsstaffel“ zu erhalten.45 Die Vernehmungen der in „Dustbin“ inhaftierten ehemaligen Mitglieder der Forschungsstaffel wurden unter der Leitung Tilleys nach einem einheitlichen Schema durchgeführt. Neben ihrem persönlichen und akademischen Lebenslauf mussten die Gefangenen genaue Aussagen bzw. „homeworks“ über ihre Tätigkeit im Sonderkommando Dora, der Forschungsstaffel und der Forschungsgruppe e.V. machen. Wissenschaftler wie Meynen wurden darüber hinaus über ihre Forschungen für den Beauftragten für Sonderfragen der erdkundlichen Forschung im Reichsforschungsrat befragt. Um sicher zu gehen, dass keiner der Gefangenen an der Wiedererrichtung ehemaliger NS-Organisationen arbeitete, musste jeder von ihnen genaue Auskunft über seine Tätigkeit seit dem Ende des Krieges geben. Ein weiterer Fragenkomplex betraf die Verstecke der Forschungsstaffel, die Einführung neuester wissenschaftlicher Methoden und die Verwendung neuer technischer Geräte, wie etwa das von der Forschungsstaffel erprobte Wärmemessgerät. Insbesondere der letzte Aspekt verweist darauf, dass die Verhöre der Alliierten nun Früchte trugen und sich allmählich ein Bild der Tätigkeit der Gruppe um Schulz-Kampfhenkel zusammensetzte. So gelang es Tilley, das von Schulz-Kampfhenkel bewusst unübersichtlich angelegte Netzwerk aus Forschungsstaffel, Forschungsgruppe und BEF zu entwirren, indem er zu dem Schluss kam, dass es sich dabei „in Wirklichkeit um eine Organisation“ gehandelt habe. Die Verhöre ergaben auch, dass Schulz-Kampfhenkel und sein Schwager Caulier-Eimbcke „genau umrissene Pläne“ für die Nachkriegszeit hatten. Diese liefen zunächst darauf hinaus, das für die Alliierten wichtige Material der Forschungsstaffel zu verbergen und als Eigentum der privaten Forschungsgruppe e.V. Schulz-Kampfhenkels zu tarnen. Dieses Material sollte nämlich die Grundlage für die Wiedererrichtung der Forschungsgruppe bilden. Die Verbindung zwischen Caulier-Eimbcke in Hamburg und dem in Süddeutschland inhaftierten Schulz-Kampfhenkel habe die Ehefrau des Letzteren, Caulier-Eimbckes Schwester, aufrecht erhalten. Sie sei ungehindert zwischen Bayern, wo viele Materialen der Forschungsstaffel versteckt worden waren, Salzburg, wo ihr Mann inhaftiert war, und Hamburg, wo ihr Bruder lebte, hin- und hergereist. In ihrer Wohnung in Bayern habe man schließlich auch die Forschungsstaffel betreffendes Material gefunden.46 Es hat den Anschein, dass die Gefangenen angesichts der verschärften Verhörmethoden und der den Alliierten inzwischen vorliegenden Beweise nun bereit waren, zu kooperieren, oder wie Caulier-Eimbcke es nannte, „reinen Tisch“ zu machen.47
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Wie Tilley in seinen Berichten festhielt, gab Schulz-Kampfhenkel seine distanzierte Haltung auf und mehrere Verstecke preis.48 Der an den Verhören teilnehmende Vertreter des amerikanischen Department of State, Walter N. Bailey, hob hervor, das die „Schulz-Kampfhenkel Sammlung von Dustbin“ sehr wertvoll sei. Sie enthalte Karten und Fotografien osteuropäischer Staaten und des Balkans, die man andernorts nie erhalten hätte. Durch dieses Material verfüge man über ein „exzellentes Wissen über diese lebenswichtigen Gebiete“.49 Ebenso wie Schulz-Kampfhenkel gaben nun auch Caulier-Eimbcke und die ehemaligen führenden Mitglieder der Forschungsstaffel Josef Schmithüsen und Wolfgang Pillewizer Auskunft. Während sich die Unterlagen der zuletzt Genannten heute in den National Archives in London (Kew) finden, fällt auf, dass alle Schulz-Kampfhenkel betreffenden Unterlagen fehlen. Worauf dieser Umstand zurückzuführen ist, ist heute nicht zweifelsfrei zu klären, könnte aber damit zusammenhängen, dass vor allem US-amerikanische Kartierungsbehörden auf eine Mitarbeit Schulz-Kampfhenkels Wert legten. Da man seiner Person offenbar so viel Bedeutung beimaß, unterlagen dessen Personalakten möglicherweise rigideren Geheimhaltungsauflagen. So hatte Tilley bereits im Dezember 1946 ein weiteres, „Dustbin“ ähnliches Interrogation Camp gefordert, um Deutsche zu evaluieren, die wie etwa Schulz-Kampfhenkel aus Sicht der Alliierten sowohl in wissenschaftlich-technischer als auch in geheimdienstlicher Hinsicht „interessant“ waren.50 Immer wieder wird aus den Akten deutlich, dass die Person Schulz-Kampfhenkels unter dem Aspekt der Spionage betrachtet wurde. So befand sich sein Name noch 17 Jahre nach seinem Tod auf einer erst im Jahr 2006 freigegeben Liste, aus der hervorgeht, dass das FBI ihn der Spionage verdächtigte.51 Eine weitere mögliche Erklärung für das Fehlen der Unterlagen über Schulz-Kampfhenkel könnte darin bestehen, dass seine Expertise im Rahmen der vom amerikanischen Geheimdienst aufgebauten „Organisation Gehlen“ – dem späteren Bundesnachrichtendienst (BND) – benötigt wurde, insbesondere für die durch den Kalten Krieg bedingte westliche Gegnerforschung über die UdSSR. Da diese nachrichtendienstliche Einrichtung vom ehemaligen Leiter der Abteilung Fremde Heere Ost des Oberkommandos der Wehrmacht (OKW), Reinhard Gehlen, geleitet wurde, erscheint es zumindest nicht abwegig, dass SchulzKampfhenkel aufgrund seiner früheren Beziehungen zur Abteilung Ausland/Abwehr des OKW Kontakte zu Gehlen unterhielt. Dieser hatte nicht nur eng mit Wilhelm Canaris zusammengearbeitet, sondern auch mit Walter Schellenberg, dem Leiter des Amtes VI (SD-Ausland) des Reichssicherheitshauptamtes und seit Februar 1944 direkter Vorgesetzter Schulz-Kampfhenkels.52 Darüber hinaus ist bekannt, dass sich die amerikanischen Geheimdienste aufgrund ihrer eigenen begrenzten Kenntnisse über die Sowjetunion auf die Mitarbeit vieler, zum Teil schwer NS-belasteter Deutscher
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stützten.53 In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass Schulz-Kampfhenkel bei seinen Vernehmungen immer wieder auf die angeblich von ihm entwickelte „kombinierte Kartographie-Methode“ verwies, und damit den westlichen Alliierten vielversprechende Optionen für eine Evaluation des osteuropäischen Raumes in Aussicht stellte. Da diese vor allem an militärischen Erkenntnissen über den Osten interessiert waren, erwies sich das von der Forschungsstaffel bis 1945 zusammengetragene Material auch in politischer Hinsicht brisant.54 Aus diesen Gründen liegt es zumindest im Bereich des Möglichen, dass Schulz-Kampfhenkel für den deutschen oder den amerikanischen Geheimdienst arbeitete, gleichwohl muss an dieser Stelle aber auch betont werden, dass Quellen, die diese Aussage stützen würden, bisher nicht gefunden wurden.55 Der Vernehmungen der „Gruppe Schulz-Kampfhenkel“ zogen sich bis etwa Mitte 1947 hin. Wie einem Bericht Tilleys vom 13. Juli 1947 zu entnehmen ist, hatten die amerikanischen Behörden inzwischen alle in „Dustbin“ festgehaltenen ehemaligen Mitglieder der Forschungsstaffel entlassen, außer Schulz-Kampfhenkel und CaulierEimbcke. Da ernste Bedenken bestanden, letzteren freizulassen, sollte er in einem Lager in der Britischen Zone unterkommen.56 Schulz-Kampfhenkel dagegen wurde am 14. Oktober 1947 vom Interniertenlager 74 in Ludwigsburg-Oßweil – einer ehemaligen Kaserne, wo NS-Amtsträger, höhere Offiziere und leitende Beamte im sogenannten automatischen Arrest einsaßen – in das von den Amerikanern verwaltete 7. Internierungs- und Arbeitslager in Nürnberg-Langwasser verlegt, seine wohl letzte Station vor seiner Freilassung.57 In diesem Lager unmittelbar neben dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände verbüßten ehemalige SS-Angehörige Arbeitsstrafen oder warteten auf ihre Entnazifizierungsverfahren. Die Abschiebung Schulz-Kampfhenkels nach Langwasser deutet darauf hin, dass der britische Secret Service und der amerikanische Geheimdienst zu diesem Zeitpunkt über alle Mitarbeiter der Forschungsstaffel und deren militärischen Aktivitäten während des Krieges weitgehend im Bilde waren.58 Das in den Jahren 1945 bis 1947 zusammengetragene Material, später vom United States Department of State veröffentlicht, wurde den amerikanischen und britischen Militärbehörden übergeben und verschwand in deren Archiven.59 Auch wenn Schulz-Kamphenkel in anglo-amerikanischen geographischen Zeitschriften eine kurze Renaissance erlebte, ebbte das Interesse an ihm und seiner Tätigkeit vor 1945 nun merklich ab.60 Vom Lager Langwasser aus versuchte Schulz-Kampfhenkel, seine sich hinziehende Entnazifizierung voranzutreiben. Um sich als lauteren Wissenschaftler präsentieren zu können, ließ er sich von der Universität Würzburg seine Promotion bestätigen.61 So bat er über seine Mutter seinen früheren Mentor am Berliner Naturkundemuseum, Hermann Pohle, um eine entlastende Stellungnahme für sein Spruchkammerverfahren. Hierbei scheute er sich nicht, seinem akademischen Lehrer Un- und Halbwahr-
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heiten als dessen Aussagen in die Feder vorzuformulieren. So suggerierte SchulzKampfhenkel, der im Dezember 1938 von Himmler immerhin in dessen Privathaus eingeladen worden war, in den letzten Jahren vor dem Krieg nur ein „ganz inaktives“ Verhältnis zur SS gehabt zu haben.62 Pohle, der selbst „in der Nazizeit als ‚Mischling 2. Grades‘ Schwierigkeiten gehabt“ hatte und nun in der Entnazifizierungskommission in Berlin-Prenzlauer Berg mitarbeitete, übersandte gleichwohl die gewünschten Schriftstücke, die jedoch offenbar nicht günstig genug ausfielen. Schulz-Kampfhenkel, sein Münchner Rechtsanwalt und seine Mutter drängten jedenfalls Pohle auf eine erneute eidesstattliche Erklärung, wiederum mit genauen Formulierungsanweisungen.63 Im Mai 1948 wurde Schulz-Kampfhenkel aus dem Internierungslager ohne Entscheidung der Lagerspruchkammer entlassen. Nach Schulz-Kampfhenkels eigener Mitteilung stufte ihn dann eine kommunale Spruchkammer – wohlmöglich aufgrund der günstigen Stellungnahme von Pohle – als „Mitläufer ohne weitere Bewährung“ ein und ordnete lediglich eine finanzielle „Sühne“ an.64 Nach drei Jahren Kriegsgefangenschaft und Internierung ab Frühsommer 1948 wieder auf freiem Fuß, stand der noch nicht vierzigjährige Schulz-Kampfhenkel vor den Trümmern einer verheißungsvoll begonnenen Karriere. An eine Reorganisation seiner Forschungsgruppe war inzwischen nicht mehr zu denken, denn Tilley hatte offenbar durchgesetzt, dies nur zu erlauben, wenn der Verein nicht unter der Leitung Schulz-Kampfhenkels oder der seines Schwagers stehe.65 Zunächst kam das Ehepaar Schulz-Kampfhenkel in der Nähe von Donauwörth unter, von wo er neue Kontakte zu knüpfen versuchte zur Universität in München, zum Frobenius-Institut in Frankfurt am Main und zu weiteren ehemaligen Weggefährten. Bei Pohle erkundigte er sich nach Möglichkeiten, an dem Material der Amazonas-Jari-Expedition zu arbeiten, worauf der Berliner Kustos allerdings nicht einging. Später in Hamburg versuchte Schulz-Kampfhenkel offenbar erfolgreich, mit seinem Film „Rätsel der Urwaldhölle“ die wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu überwinden.66
2. Enfant terrible der deutschen Geographie Ebenso wie für die deutschen Hochschulen gab es 1945 auch für die Geographie keine „Stunde Null“ im Sinne eines völligen Neuanfangs. Mit dem Wiederaufbau der Universitäten und Forschungseinrichtungen wurde sofort begonnen, so dass zwischen Herbst 1945 und Frühjahr 1946 alle Hochschulen wiedereröffnet werden konnten.67 In der Regel überließen die Besatzungsmächte jedoch den deutschen Stellen die „Selbstreinigung“ der Universitäten.68 Anders als von den Alliierten erwartet, waren die Hochschulen allerdings von „zäher Beharrungskraft gegen die auferlegte
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Entnazifizierung“ gekennzeichnet69, denn sie bemühten sich meist um eine Erhaltung der personellen Kontinuität. Nur in Ausnahmefällen wurde die „Wissenschaftsautonomie in der ‚Bereinigungsphase‘“ durch die Entnazifizierungs- und die Spruchkammerverfahren ausgehebelt.70 Letztlich entwickelten sich die Spruchkammern zu „Mitläuferfabriken“ (Lutz Niethammer), da sich die Deutschen mit Hilfe von „Persilscheinen“ gegenseitig weiß wuschen. Auf diese Weise wurde die Entnazifizierung für nicht wenige schwer belastete NS-Täter zu einer „Drehtür in ein neues Leben“.71 Die meisten Ordinarien wurden wieder eingesetzt, sofern sie sich nicht durch besondere NS-Dienstränge hervorgetan hatten. Nebenamtliche Tätigkeiten für nationalsozialistische Behörden „wurden auf den Fragebögen einfach nicht erwähnt und ‚militärgeographische Forschungen‘ als einfacher Dienst bei der Wehrmacht bezeichnet, eine gemeinschaftliche Mentalitätsfigur des ‚Wissens‘ und ‚Schweigens‘ wurde kultiviert.“72 Nur in wenigen Fällen wurden Geographen aus der scientific community ausgegrenzt. Zu ihnen zählte auch Schulz-Kampfhenkel. Dies hing nicht zuletzt damit zusammen, dass die Konsolidierung des Faches Geographie zwischen 1945 und 1948 „stark durch die organisatorischen Aktivitäten von Carl Troll und Wilhelm Credner geprägt“ wurde.73 Als erste Maßnahme zur Einleitung einer fachlichen und institutionellen Reorganisation der deutschen Geographie wurden im Juli 1946 Troll für die britische, Walter Behrmann für die sowjetische und Wilhelm Credner für die amerikanische und französische Besatzungszone zu Vertrauensmännern ernannt.74 Vor allem der Bonner Geograph Troll, seit Jahren ein persönlicher Gegner des in seinen Augen „wissenschaftlich unzulänglichen“ Parvenüs Schulz-Kampfhenkel, entwickelte sich in der Nachkriegszeit zum Wortführer der deutschen Hochschulgeographie.75 In einem 1947 publizierten Beitrag zur „Rechtfertigung“ der „geographischen Wissenschaft in Deutschland in den Jahren 1933 bis 1945“ machte Troll deutlich, dass sich die deutsche Geographie angeblich weitgehend erfolgreich gegen die Vereinnahmung durch die Nationalsozialisten verteidigt habe.76 Dahinter stand der Versuch, „die Mehrheit der Geographen von jeglicher Beteiligung an der Etablierung nationalsozialistischen Ideengutes freizusprechen und ihre Arbeiten schönredend der ‚wertfreien‘ wissenschaftlichen Geographie“ zuzuordnen.77 Bereits zwei Jahre zuvor hatte Troll in einem Bericht über die vermeintlichen „Abwehrleistungen der deutschen Wissenschaft gegen den Nationalsozialismus“ einige schwarze Schafe der Geographie (u. a. Oskar Schmieder, Wolfgang Panzer, Oskar von Niedermayer, Erich Obst) benannt, die wie etwa Schulz-Kampfhenkel „stark unter nationalsozialistischem Einfluss“ gestanden hatten.78 Schulz-Kampfhenkel zählte demnach zu den ersten „durch den Trollschen Diskurs ausgegrenzten Fachvertretern“.79 Troll bemühte sich nach dem Ende des Krieges vehement um eine Wiederbelebung des wissenschaftlichen Lehr- und Forschungsbetriebes in Deutschland und unterhielt
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zu diesem Zweck regen Kontakt zu verschiedenen Fachkollegen. Eine dieser Verbindungslinien reichte auch zum Direktor des Geographischen Instituts der Universität Hamburg, Prof. Dr. Ludwig Mecking, der im April 1945 von Caulier-Eimbcke wegen der Fortführung der Arbeiten der Forschungsgruppe e.V. konsultiert worden war. Ob Mecking Troll von seiner Begegnung mit Caulier-Eimbcke berichtete, ist unklar, aber Troll warnte den Hamburger Ordinarius im Juli 1946 in einem vertraulichen Schreiben vor dem umtriebigen Geschäftsführer der Forschungsgruppe, der kurz zuvor zum Mitglied der Hamburger Geographischen Gesellschaft ernannt worden war: „Herr C-E. verwaltet zurzeit ein Unternehmen, das sich Forschungsgruppe e.V. nennt und von dem Leiter der Forschungsstaffel Dr. Schulz-Kampfhenkel gegründet wurde, als privates Parallelunternehmen zur Forschungsstaffel, die in den letzten Jahren soviel Aufsehen erregt hat. S-K mit seinen Mitarbeitern Pillewizer und Schmithüsen ist in einem Lager bei Salzburg festgehalten. C-E, Schwager von S-K, ist rein kaufmännisch eingestellt und war schon in der Forschungsstaffel die rechte Hand von S-K. Von Wissenschaft ist bei ihm auch nicht eine Spur vorhanden. Nun hat S-K in gefährlicher Routine schon in den letzten Kriegsjahren versucht, sich der deutschen Geographie zu bemächtigen und auch jene merkwürdige Funktion als Sonderbeauftragter im Reichsforschungsrat übertragen bekommen. Ich habe in den letzten Kriegsjahren kein Hehl gemacht aus meinem Misstrauen gegen diese Machenschaften, die offensichtlich auf eine rein private und wirtschaftliche Ausnützung der wissenschaftlichen Geographie hinausliefen. Mein Misstrauen wurde nur bestärkt, als ich im Februar 1945 noch in Scheinfeld den hohen Besuch von S-K mit seinem Stabe erhielt und mir S-K in Erwartung der Katastrophe seine Pläne für die Friedensarbeit kundtat. Er versuchte damals durch meine Vermittlung noch rechtzeitig eine zentrale Funktion in der Organisation der wissenschaftlichen Geographie zu bekommen. Zu diesem Zweck war die Forschungsgruppe e.V. gegründet, die wohl als Auffangapparat für die materiellen Restbestände der anderen S-K-Organisationen gedacht war. Nun versandte C-E von Hamburg aus kleine Briefe an frühere Mitarbeiter von S-K bzw. des Reichsforschungsrates und frug darin an, wie es mit den sr. Zt. von der Forschungsgruppe e.V. zur Verfügung gestellten Instrumenten stünde. Ich selbst erhielt bezeichnenderweise keinen solchen Brief. C-E hat also eine wirklich gute Witterung. […] Auch S-K wird sicher noch in den kommenden Jahren von sich reden machen. Er ist ein äusserst aktiver, gewandter und ehrgeiziger Organisator. Seine Wissenschaftlichkeit ist immer noch nicht erwiesen, wenn er auch mit Hilfe von Herrn Schrepfer den Dr. erwarb aufgrund einer früheren Flugexpedition nach dem unteren Amazonas, bei deren Vorbereitungen bzw. Mangel der Vorbereitungen ich in Berlin meine ersten Erfahrungen über S-K sammeln konnte. Wir müssen nur auf der Hut sein, dass S-K die erfahrene deutsche Wissenschaft noch einmal unter seine Fuchtel bekommt, wie es ihm durch Göring gelungen war.“80
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Da auch Troll in den folgenden Wochen immer wieder mit seiner Tätigkeit für den RFR-Beauftragten Schulz-Kampfhenkel konfrontiert wurde und offenbar auch die britische Militärregierung Anstoß an seinen Beziehungen zur Forschungsstaffel z. b. V. nahm, fühlte er sich im Oktober 1945 gegenüber dem Prüfungsausschuss der Universität Bonn zu einer mehrseitigen Stellungnahme veranlasst. Bereits einen Monat zuvor hatte er die britische Besatzungsbehörde „über die Forschungsstaffel und die anderen Organisationen von Dr. Schulz-Kampfhenkel“ unterrichtet.81 In seiner Stellungnahme betonte Troll, dass er der Leitung der Forschungsstaffel von je her besonders kritisch und ablehnend gegenüber gestanden, und dort „bis zuletzt […] mit Recht als der ausgesprochene Opponent vonseiten der strengen Wissenschaft“ gegolten habe. „Jeder Eingeweihte“ werde bestätigen, so Troll, das er „von allen deutschen Gelehrten den stärksten Wiederstand gegen die Forschungsstaffel“ verkörpert habe.82 In seinen Rechtfertigungsversuchen erklärte Troll Schulz-Kampfhenkel offiziell zur persona non grata in der akademischen Geographie. Die Gründe dafür waren teils persönlicher, teils sachlicher Natur und hingen vor allem mit der nun einsetzenden „Selbstreinigung“ des deutschen Wissenschaftsbetriebes zusammen. Für die Vergangenheitsbewältigung der Universitäten „mit ihrer Ambivalenz von Verdrängung und normativer Distanzierung“ bot sich Schulz-Kampfhenkel aufgrund seiner exponierten Stellung während der NS-Zeit als kollektiver Sündenbock geradezu an.83 In der community der Geographen wurde nun immer wieder betont, von „Ideologen“ vom Schlage eines Schulz-Kampfhenkel instrumentalisiert worden, selbst jedoch immer „rein“ geblieben zu sein. Hinzu kam, dass der ehemalige RFR-Beauftragte für erdkundliche Fragen als „keineswegs durchgebildeter Forscher“ galt84, und daher gut in das in der Nachkriegszeit kolportierte Bild des ungebildeten NS-Ideologen passte, von dem man sich leicht abgrenzen konnte. Als beispielsweise Carl Rathjens, Dozent am Geographischen Institut der Technischen Hochschule München Ende 1953 aus der Zeitung erfuhr, „dass eine Berliner Expedition demnächst nach Afghanistan starte, um unbekannte indogermanische Stämme zu entdecken“, fühlte er sich unangenehm an den „NS-Geist vom Geiste eines Schulz-Kampfhenkel oder Tibet-Schäfers“ erinnert.85 Die Türen zur akademischen Wissenschaft hat Schulz-Kampfhenkel jedenfalls Zeit seines Lebens nicht durchschritten. Für Schulz-Kampfhenkel wurde seine Tätigkeit im Zweiten Weltkrieg somit nun zum Verhängnis. Hingegen bildete die Forschungsstaffel für die meisten ihrer ehemaligen Mitglieder ein Sprungbrett für eine wissenschaftliche Karriere in der Bundesrepublik. So führte Troll in seiner Rechtfertigungsschrift von 1947 aus, dass der Stab Schulz-Kampfhenkels „reiche Erfahrungen in der wissenschaftlichen Geländeerkundung“ gesammelt habe, „die eines Tages auch noch den Wissenschaften, besonders der Pflanzengeographie und Landschaftskunde zugute kommen“ könnten.86 Noch
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1969 verwies Troll darauf, dass der „große Gewinn“ der Tätigkeit der Forschungsstaffel in der Erfahrung gelegen habe, „die jüngere Forscher in dieser Zeit auf dem Gebiete der Luftbildinterpretation“ hätten sammeln können.87 Die Einbindung des im Rahmen der Forschungsstaffel geschulten wissenschaftlichen Nachwuchses in den akademischen Betrieb bahnte sich daher schon in der unmittelbaren Nachkriegszeit an. Eine wichtige Rolle spielte dabei die in Scheinfeld sitzende Abteilung für Landeskunde Meynens, der enge Kontakte zu Troll und Credner unterhielt. So hatte Meynen im Juni 1946 nach Absprache mit Credner und Troll den „Ausschuss für deutsche Landeskunde“ gegründet, der der Abteilung für Landeskunde „bei ihren Gesamtdeutschland betreffenden Forschungs- und Arbeitsvorhaben beratend zur Seite“ stehen sollte.88 Vor allem Meynens Institut hatte sich seit dem Kriegsende zu einer „Auffangstation“ für zahlreiche Geographen entwickelt, bevor sie später in Professoren- und Assistentenstellen der inzwischen neu eröffneten Universitäten eingegliedert wurden. Zu ihnen zählten auch ehemalige Mitglieder des „Sonderkommandos Dora“ oder der Forschungsstaffel wie etwa Josef Schmithüsen, Hans Bobek oder Erich Otremba.89 Während sich Troll bereits im August 1945 für eine milde Behandlung des ehemaligen „Wissenschaftlichen Verbindungsoffiziers“ der Forschungsstaffel Schmithüsen verwandt hatte, avancierte dieser nach einem positiven Gutachten Trolls im Jahr 1951 zum außerplanmäßigen Professor.90 Eine ähnliche Karriere erlebte auch der neben Schmithüsen, Schulz-Kampfhenkel und Caulier-Eimbcke in „Dustbin“ inhaftierte Wolfgang Pillewizer, der in der Forschungsstaffel als „Kartenoffizier“ tätig war und Feldeinsätze im Rahmen der Einsatzgruppen „Ukraine“ und „Lappland“ und des „Forschungskommandos Süd“ durchgeführt hatte. Pillewizer erhielt 1958 einen Ruf an die Technische Hochschule Dresden, bevor er 1971 an das Institut für Kartographie und Reproduktionstechnik der Technischen Hochschule Wien wechselte, wo er bis 1981 lehrte. Walter Brucklacher, um ein weiteres Beispiel zu nennen, verarbeitete nach dem Krieg seine Erfahrungen beim „Sonderkommando Dora“ und der Forschungsstaffel z.b.V. in verschiedenen wissenschaftlichen Veröffentlichungen und promovierte auf dieser Basis 1957 bei Richard Finsterwalder.91 Seine Erfahrungen auf dem Gebiet der Photogrammetrie hatten zur Folge, dass er schließlich zum „Chefwissenschaftler“ in der Firma Zeiss-Aerotopograph in München und später zum Wissenschaftlichen Leiter der Abteilung „Geo/Bms“ des Zeiss-Werkes in Oberkochen aufstieg.92 Die Arbeiten in der Forschungsstaffel erwiesen sich vor allem für ihre jüngeren Mitglieder als Startbasis für eine wissenschaftliche Laufbahn in der jungen Bundesrepublik.93
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3. Die zweite Lebenshälfte. Neue Netzwerke und Rückkehr ins bürgerliche Leben Während wir den Lebenslauf Otto Schulz-Kamphenkels bis zum Ende der 1940er Jahre fast lückenlos rekonstruieren können, liegen für die Zeit danach nur sehr spärliche Informationen vor. So sind wir zu einem großen Teil auf Selbstzeugnisse SchulzKampfhenkels angewiesen, wobei man in Rechnung stellen muss, dass er auch nach seiner Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft seinen Hang zur Selbstinszenierung nicht ablegte. Seine Angaben sind daher mit Vorsicht zu betrachten, etwa wenn er behauptete, von 1950 bis 1953 als Gastforscher an der Zoologischen Station „Anton Dohrn“ in Neapel tätig gewesen zu sein. Wie er in diesem Zusammenhang immer wieder betonte, beschäftigte sich Schulz-Kampfhenkel in Italien mit der Herstellung „didaktisch-biologischer Filme“ und soll „Vorträge in Schulen und Hochschulen“ gehalten haben.94. Eine Nachfrage in der Zoologischen Station „Anton Dohrn“ in Neapel, in der seit ihrem Bestehen über alle Mitarbeiter und Gastforscher sorgfältig Buch geführt wird, ergab jedoch, dass ein Aufenthalt von Schulz-Kampfhenkel dort nicht nachweisbar ist.95
Abb. 1 „Deutsche Kennkarte“ Schulz-Kampfhenkels vom 14. Mai 1948, die erste nach seiner Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft (Quelle: Dr. Otto Schulz-Kampfhenkel-Stiftung, Hamburg).
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Wie sich Schulz-Kamphenkel in den 1980er Jahren erinnerte, fing er nach seiner Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft damit an, Vorträge in Schulen zu halten. Die Grundlage dafür bildeten sein Film „Rätsel der Urwaldhölle“ und eine 1953 im Ullstein-Verlag erschienene Neuauflage seines gleichnamigen Buches. Die Tantiemen seines Amazonas-Films und seiner mehrfach neuaufgelegten Expeditionsbücher sicherten seinen finanziellen Rückhalt und bildeten die Grundlage für sein zunehmend erfolgreiches Vorhaben, sich als Filmemacher zu versuchen. Denn im Rahmen seiner Schulvorträge, so Schulz-Kampfhenkel in der Retrospektive, habe er seine „Leidenschaft für den Unterrichtsfilm“ entdeckt.96 Die Herstellung von Bildungsfilmen wurde nun zur neuen „Lebensaufgabe“ des früheren Forschungsreisenden, der inzwischen in Hamburg lebte und sich von hier aus ein neues Netzwerk aufbaute.97 Nachdem er 1953 erste Kontakte zur „Jugendpflege“ hergestellt hatte, begann er mit der Produktion von Unterrichtsfilmen.98 Zur Entwicklung und Erarbeitung „neuartiger wissenschaftlicher und pädagogischer Medien für Schulen und Hochschulen“ führte er ab 1954 ausgedehnte „Arbeitsreisen“ durch, die ihn nach Afrika, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, den Oman, nach Kuweit, Bahrein, Indien, Malaysia, Indonesien, Japan und nach Portugal führten.99 Auf dieser Basis entstanden erste Filme, mit denen sich Schulz-Kampfhenkel eine neue Karriere als „Jugendfilmschöpfer“ aufbaute.100 Die Uraufführung seines Films Allah Kerihm eröffnete bei den VII. Internationalen Filmfestspielen in Berlin 1957 die Jugend-Filmfestspiele im Berliner Zoo-Palast.101 Die Jugend-Filmfestspiele, „die den Schülern und Schülerinnen Berlins aller Berliner Bezirke Programme mit besonders geeigneten Kulturfilmen“ bieten sollten, wurden 1957 erstmals im Rahmen der Berlinale abgehaltenen und standen unter der Schirmherrschaft des Westberliner Volksbildungssenators Joachim Tiburius (CDU). Schulz-Kampfhenkel hatte seinen „speziell für jugendliches Publikum geschaffenen Filmbericht über Algerien“ eigens für die Eröffnung der Jugend-Filmfestspiele zur Verfügung gestellt.102 Der Expeditions-Farbfilm lief außer Konkurrenz, gleichwohl erhielt er den Sonderpreis des Berliner Senats für seinen „erzieherisch besonders wertvollen Jugendfilm“. Die Begründung lautete, dass das Farbfilmwerk „in seiner dramaturgischen und pädagogischen Gestaltung, seiner formalen Gliederung und seiner völkerverbindenden Idee vorbildlich den besonderen Erfordernissen einer zeitnahen Jugendarbeit entspricht.“103 Im Jahr 1957 wurde ebenso eine seiner Produktionen im deutschen Fernsehen ausgestrahlt.104 Im Jahr darauf erhielt er vom Bundesministerium für Familie und Jugend den „Jugendfilmpreis“ für sein Werk Robinson im Wattenmeer, in dem er eine nordfriesische Vogelinsel dokumentierte.105 Um seiner Arbeit eine institutionelle Plattform zu verschaffen, gründete SchulzKampfhenkel 1962 in Hamburg das noch heute bestehende private Institut für Welt-
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kunde in Bildung und Forschung (WBF), eine gemeinnützige Gesellschaft zur „Gestaltung und Verbreitung von Unterrichtsfilmen für Schule, Hochschule, Jugendarbeit und Erwachsenenbildung“. Hier produzierte er in den folgenden Jahren zahlreiche Lehrkurzfilme zu unterschiedlichsten, vor allem biologischen, geographischen und historischen Themen, wobei sich die Bandbreite der Produktionen allmählich auch auf die Religion, die Ethik und die Verfilmung von Märchen ausdehnte.106 Einer der ersten vom WBF produzierten Filme war der 1962 erschienene Streifen Abenteuer in Togoland, der sich den politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Wandlungsprozessen des seit 1960 unabhängigen westafrikanischen Staates widmete. Der Film wurde im Rahmen der 2. Viennale im Filmsaal der Wiener Albertina uraufgeführt. Wie das Programmheft des Verbandes der österreichischen Filmjournalisten betonte, ragte dieser Film „in seiner gesamten Konstruktion weit über das bisher gewohnte Maß von afrikanischen Reisefilmen hinaus, weil er brennende Probleme der dringend notwendigen Entwicklungshilfe für dieses Land (als Beispiel für viele andere) von der menschlichen Seite her eindrucksvoll“ darstellte.107 Gleichwohl waren über den Film auch kritische Stimmen zu vernehmen. Hatte sich der Produzent und Filmemacher Schulz-Kampfhenkel bei seinem preisgekrönten Film Allah Kerihm schon den Vorwurf einer gewissen Realitätsferne gefallen lassen müssen108, so fiel die Kritik für sein neues Werk wesentlich deutlicher aus. Obwohl die Filmbewertungsstelle Wiesbaden der Produktion das Prädikat „wertvoll“ verlieh, kam die Zeitschrift Film-Dienst in der Besprechung des Streifens zu dem Ergebnis, dass der hier zutage tretende „Realismus“ vieles offen lasse, denn dem jugendlichen Betrachter werde „einiges doch zu einfach, vielleicht auch zu sehr unter Betonung des verlockenden Abenteuers vorgesetzt“. Auch wenn sich Schulz-Kampfhenkels neuester Film wieder durch eine „hervorragende Fotografie“ auszeichne, falle „eine leichte Akzentuierung des ‚typisch Deutschen‘ im Kommentar“ auf. Der Film, so die Kritik, sei auf eine „Nachbesprechung“ und vor allem auf einen „sachkundigen Diskussionsleiter“ angewiesen, um seine volle Wirkung als Unterrichtsfilm zu entfalten. Zudem sorge „die Exposition nach dem Baukastenprinzip“, die den Film in drei auch einzeln beschaffbare Kurzfilme zerschneide, dafür, dass „das Ganze ein wenig in Mitleidenschaft gezogen“ werde.109 Die Ideen und Konzepte für die Arbeiten des WBF wurden jedoch nicht nur von Schulz-Kampfhenkel selbst entworfen, sondern auch von außen an ihn herangetragen. Dies zeigte sich beispielsweise bei zwei Filmen, die das wissenschaftliche Werk des Verhaltensforschers Karl von Frisch (1886–1982) behandeln. Im Zentrum der Tätigkeit von Frischs standen die Erforschung der Sinneswahrnehmungen der Bienen und die Verständigung dieser Tiere untereinander, wofür er 1973 den Nobelpreis erhielt. Beide Filme entstanden auf Anregung und unter der Mitarbeit des Biologen und von Frisch-Schülers, Prof. Dr. Karl Daumer, der eng mit Schulz-Kampfhenkel
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zusammenarbeitete.110 Im Jahr 1980 traf Daumer anlässlich der an der Freien Universität Berlin stattfindenden Jahrestagung der Deutschen Zoologischen Gesellschaft (DZG) erstmals auf den Filmemacher. Dort wurde eine Ausstellung über das „Forscherleben“ von Karl von Frisch, einem der prominentesten Mitglieder der DZG, gezeigt, die Schulz-Kampfhenkel filmen ließ. Anlässlich seines Besuchs in der Ausstellung schlug Daumer vor, sich nicht auf die Ausstellung zu beschränken, sondern einen vollständigen Film über das Lebenswerk von Frischs zu drehen. Aus dieser Zusammenarbeit von Daumer und Schulz-Kampfhenkel entstanden 1981 zwei Filme über die „grundlegenden Entdeckungen des Nobelpreisträgers Karl von Frisch“, die vom WBF produziert und vertrieben wurden.111 Die Arbeiten des WBF, das auch noch heute in Hamburg Lehrfilme produziert und vertreibt, erwiesen sich als zukunftsträchtig. Bis Mitte der 1980er Jahre hatte Schulz-Kampfhenkels Institut etwa 120 Filme hergestellt, die in Landes-, Stadt- und Kreisbildstellen entliehen werden konnten und vor allem für den Unterricht an Schulen verwendet wurden.112 Zur „Förderung zeitgemäßer Bildungs- und Lehrmittel, insbesondere von Erziehungs- und Bildungsfilmen“ hatte Schulz-Kampfhenkel neben dem WBF 1962 auch die Senator de Chapeaurouge-Stiftung ins Leben gerufen, die ihren Sitz ebenfalls in Hamburg hatte, und noch heute eng mit dem Institut für Weltkunde in Bildung und Forschung verbunden ist.113 Mit dem WBF ebenfalls verwoben ist die von Schulz-Kampfhenkel 1971 gegründete „Dr. Otto-Schulz-KampfhenkelStiftung“, in die er sein Privatvermögen einbrachte und die vom Hamburger Senat als gemeinnützige Einrichtung anerkannt wurde.114 Neben Hamburg und dem WBF, wo sein Lebensmittelpunkt lag, richtete sich Schulz-Kampfhenkels Augenmerk auf Portugal. Hier hatte er 1960 ein etwa vier Hektar großes Areal südlich von Lissabon erworben, wo er mit dem Aufbau einer biologischen Station begann, der sich allerdings fast zwanzig Jahre lang hinzog. Struktur, Ziele und Aufgaben dieser in Sobreda de Caparica gelegenen „GastforscherStation“ mit dem Namen Quinta de São Pedro orientierten sich an der berühmten „Stazione Zoologica, der Schöpfung Anton Dohrns in Neapel“.115 Während sich die Forschungen in Neapel auf die Fragen der Meeresbiologie konzentrieren, widmete sich Schulz-Kampfhenkels Gründung den Problemen der „terrestrischen Ökologie, Soziobiologie und Verhaltensforschung“. Dem Vorhaben lag die Idee Schulz-Kampfhenkels zugrunde, „eine nicht nur seinen eigenen wissenschaftlichen Interessen dienende Forschungsstation zu schaffen“, vielmehr sollten hier auch „Gastwissenschaftler jedweder Nationalität […] ihre eigenen Forschungsprojekte durchführen können“. Träger der Forschungsstation war das von Schulz-Kampfhenkel im Jahr 1979 gegründete und geleitete Institut für Internationale Zusammenarbeit in Bildung und Forschung (IZBF), eine gemeinnützige Gesellschaft zur Einrichtung und Leitung von
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Forschungsstationen.116 Aufgrund seines Insektenreichtums bot das Gelände der Station in Sobreda nach Auffassung ihrer Betreiber hervorragende Möglichkeiten „für ethologisch interessierte Entomologen“, aber auch für Ornithologen. Darüber hinaus sollte die Station „als Standlager und Ausgangsort“ für tier- und pflanzengeographische Untersuchungen in der weiteren Umgebung dienen. Drittens schließlich sollten große Freigehege die Möglichkeit bieten, Verhaltensforschungen an tropischen und subtropischen Tierarten durchzuführen.117 Auf dieser Grundlage kam es am 24. September 1980 zur Unterzeichnung eines Partnerschaftsvertrags zwischen der Bayerischen Julius-Maximilians-Universität Würzburg, der Universität Lissabon und dem IZBF in Person Schulz-Kampfhenkels
Abb. 2 Otto SchulzKampfhenkel (mit Kamera) auf seiner letzten Reise nach Afrika, hier vor dem Eingang des Mafeking Museums in Bophuthatswana (Südafrika) anlässlich des Taung Diamond International Symposium in Johannesburg und Taung, 27. Januar bis 4. Februar 1985. Neben Schulz-Kampfhenkel sein Kamerateam (Quelle: Dr.
Otto Schulz-KampfhenkelStiftung, Hamburg).
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mit dem Ziel der koordinierten Nutzung der Forschungsstation Quinta de São Pedro zur Förderung von „Forschergruppen aus der Biologie, Geographie und Geologie auf internationaler Ebene“.118 Erste konkrete Schritte in dieser Hinsicht waren schon wenige Wochen zuvor eingeleitet worden. So war vorgesehen, dass eine Arbeitsgruppe um den Würzburger Botaniker Prof. Dr. Otto Ludwig Lange „ökophysiologische Untersuchungen über die photosynthetische Stoffbilanz und den Wasserhaushalt von mediterranen Wild- und Kulturpflanzen“ durchführen sollte. Darüber hinaus plante der ebenfalls an der Universität Würzburg lehrende Zoologe und Verhaltensforscher Prof. Dr. Martin Lindauer „Untersuchungen zur Orientierung der Bienen im Erdmagnetfeld“. Schließlich sollte eine Studentengruppe des Botanischen Instituts der Universität Lissabon unter der Leitung von Prof. Dr. Fernando Catarino eine Vegetationskartierung des Geländes der Forschungsstation durchführen.119 Ob diese Planungen umgesetzt wurden und welche Ergebnisse die wissenschaftlichen Untersuchungen ergaben, ist nicht bekannt, die Station ist unter ihrem portugiesisch-englischen Namen Quinta de São Pedro Study Centre aber noch heute aktiv. Hinweise auf ihre Gründungsgeschichte und Schulz-Kampfhenkel fehlen auf der aktuellen Homepage jedoch.120 Schulz-Kampfhenkel verbrachte angesichts seiner zahllosen Verpflichtungen selbst vermutlich wenig Zeit in Sobreda de Caparica, denn der „Forschungsreisende“ und Filmmacher besuchte auch im Alter regelmäßig Kongresse und wissenschaftliche Konferenzen im In- und Ausland. So weilte er beispielsweise anlässlich des Taung Diamond International Symposium in Johannesburg und Taung im Januar 1985 in Südafrika, wo er den Fundort des Australopithecus filmte. Im Sommer 1986 nahm er am Internationalen Botaniker-Kongress in Berlin teil, für den er den Tagungsfilm produzieren sollte.121 Ende der 1980er erkrankte Schulz-Kampfhenkel an Leberkrebs, wodurch weitere Reisen unmöglich wurden. Er starb am 21. Mai 1989 in Hamburg.
Anmerkungen 1
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Helmut Maier: „Wehrhaftmachung“ und „Kriegswichtigkeit“. Zur rüstungstechnologischen Relevanz des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Metallforschung in Stuttgart vor und nach 1945 (Forschungsprogramm „Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im Nationalsozialismus, Ergebnisse 5), Berlin 2002, S. 23. Vgl. Leonhard S. Wilson: Lessons from the Experience of the Map Information Section, OSS, in: Geographical Review, Vol. 39 (April 1949), Nr. 2, S. 298–310, hier S. 306. Vgl. Hermann Häusler: Forschungsstaffel z.b.V. Eine Sondereinheit zur militärgeographischen Beurteilung des Geländes im 2. Weltkrieg (MilGeo, Nr. 21), Wien 2007, S. 161. Vgl. Nina Grunenberg: Die Wundertäter. Netzwerke der deutschen Wirtschaft 1942–1966, München 2007, S. 44.
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Vgl. Christopher Kopper: Hjalmar Schacht. Aufstieg und Fall von Hitlers mächtigstem Bankier, München 2010, S. 360. 6 Vgl. Grunenberg: Wundertäter, S. 44. 7 Vgl. Thomas R. Smith/Lloyd D. Black: German Geography: War Work and present Status, in: Geographical Review, Vol. 36 ( July 1946), No. 3, S. 398–408, hier S. 406. 8 Häusler: Forschungsstaffel, S. 161. Vgl. auch Ludwig F. Schmidt: Interrogation Summary Schulz-Kampfhenkel Combination Mapping Method, S. 7, 26.4.1946, National Archives Washington (NAW), Records of the Federal Bureau of Investigation (FBI), Record Group (RG) 65 (FBI Record Declassified under the Disclosure Act), File 57254, Section 001, Box 214 (Location 230/86/10/01); ders.: Schulz-Kampfhenkel Combination Mapping Method, BIOS Interrogation Report No. 178, S. 6, 4.10.1946, Imperial War Museum (IWM) Duxford. 9 Vgl. Häusler: Forschungsstaffel, S. 161. Dies ist vermutlich der Grund dafür, dass die im März und April 1946 angefertigten Verhörprotokolle der Amerikaner im Oktober 1946 fast wörtlich vom British Intelligence Objectives Sub-Committee (BIOS) übernommen wurden. So bildete der heute in den National Archives in Washington liegende Bericht von Ludwig F. Schmidt: Final Interrogation Report Dr. Otto Schulz-Kampfhenkel, 25.4.1946, NAW, Records of the FBI, RG 65, File 57254, Section 001, Box 214 (Location 230/86/10/01), die Grundlage für den Bericht von Robert E. Work: BIOS-Interrogation Report No. 177 Dr. Otto Schulz-Kampfhenkel vom 4.10.1946, der heute im Imperial War Museum in Duxford liegt. Der zweite von Schmidt angefertigte Bericht (Interrogation Summary Schulz-Kampfhenkel Combination Mapping Method) vom 26.4.1946, wurde wortwörtlich als BIOS-Interrogation Report No. 178 (4.10.1946) von den Briten übernommen und findet sich heute ebenfalls im IWM in Duxford. 10 Vgl. Bericht von Caulier-Eimbcke an Lt. Col. Tilley über sein Vorgehen in Hamburg, S. 1, 11.1.1947, National Archives London (Kew) (NAL, Kew), FO 1031/114. 11 An anderer Stelle gab Günter Caulier-Eimbcke an, sein Memorandum an den von der britischen Militärregierung am 15.5.1945 eingesetzten Ersten Bürgermeister Rudolf Petersen (CDU) gesandt zu haben, eine bewusste Verdrehung der Tatsachen, was auch der Secret Service erkannte. Vgl. Bericht von Caulier-Eimbcke über seine Tätigkeit bei der Forschungsgruppe e.V. und der Forschungsstaffel z. b. V., S. 10, 17.11.1946, ebd.; Vermerk betr. CaulierEimbcke Notes on secret Memorandum concerning the establishment of an Institution for Air Photo Research at the University of Hamburg, of 13 May 45, 14.1.1947, ebd. 12 Vgl. Bericht von Lt. Col. E. Tilley (Special Investigations Field Information Agency, Technical, FIAT) an Brig. W. E. H. Grylls betr. Caulier-Eimbcke, S. 2, 13.7.1947, NAL (Kew), FO 1031/94. 13 Anlage zum Brief Caulier-Eimbckes an den Bürgermeister Burchard-Motz (hier Anlage 2: Vortragsnotiz betr. wissenschaftliche Auslandsforschung als vordringliche nationale Aufgabe vom 1.5.1945), 13.5.1945, ebd. 14 Ebd. 15 Ebd. 16 Anlage zum Brief Caulier-Eimbckes an den Bürgermeister Burchard-Motz (hier Anlage 5: Organisationsvorschlag für eine „Institution für Luftbildforschung“ vom 1.5.1945), 13.5.1945, ebd. 17 Es war für den englischen Vernehmer Major Edmund Tilley nicht schwer nachzuweisen, dass das Memo Caulier-Eimbckes sich direkt auf eine von Schulz-Kampfhenkel im Jahr 1940 erstellte Denkschrift an Reichsminister Hans Heinrich Lammers (vgl. Denkschrift der „Forschungsgruppe Schulz-Kampfhenkel e.V. Berlin. Leitgedanke, Satzung, Zielsetzung,
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Forschungsgebiete Arbeitsplan, Gutachten“, BArch Berlin, R 43/4092; BArch Militärarchiv (MA) Freiburg, RW 5/739) bezog, in der Schulz-Kampfhenkel von der Eroberung der letzten weißen Flecken der Erde schwadroniert hatte. Vgl. Bericht von Lt. Col. E. Tilley an Mr. R. G. H. Cullingham betr. Caulier-Eimbcke: Note to his Reports of 5, 15 and 22 February 1947 on Plans for Re-Organisation of the Forschungsgruppe, S. 2, 7.3.1947, NAL (Kew), FO 1031/114. Anlage zum Brief Caulier-Eimbckes an den Bürgermeister Burchard-Motz (hier Anlage 3: Expeditionsforschung der Forschungsgruppe e.V. vom 1.5.1945), 13.5.1945, NAL (Kew), FO 1031/94. Vgl. Bericht von Lt. Col. E. Tilley (Special Investigations Field Information Agency, Technical, FIAT) an Brig. W. E. H. Grylls betr. Caulier-Eimbcke, S. 2, 13.7.1947, NAL (Kew), FO 1031/94; Bericht von Caulier-Eimbcke betr. Interrogation of February 21, 1947 by Lt. Col. Tilley, Lt. Housepian, Mr. Bailey, a. o., Subject A: Summery of my activity until November 6, 1946, S. 3, 22.2.1947, NAL (Kew), FO 1031/95. Vgl. Lebenslauf von Caulier-Eimbcke zum Bericht an Herrn Major Tilley, S. 6, 17.11.1946, NAL (Kew), FO 1031/114. Vgl. Manfred Schlesinger (Combined Intelligence Committee, US Army): Sonderkommando Dora, Forschungsstaffel z. b. V., 15.10.1945, NAW, RG 319, IRR (Impersonal File), Box 38. Weitere bereits im Jahr 1945 aufgetauchte Hinweise auf Schulz-Kampfhenkel, das Sonderkommando Dora und die Forschungsstaffel z. b. V. finden sich in R. P. Fischer: German Army Geologists an Terrain Intelligence Specialists ( Joint Intelligence Objectives Agency, Report No. 14), S. 5, Washington 1945, IWM Duxford; Topographical Intelligence Section C.M.: German Military Topographical Organisation, October 1945, S. 14 f., Imperial War Museum, London, K. 91/1937; Ludwig F. Schmidt: Final Interrogation Report Dr. Otto Schulz-Kampfhenkel, S. 1, 25.4.1946, NAW, Records of the FBI, RG 65, File 57254, Section 001, Box 214 (Location 230/86/10/01). Der am 8.7.1945 vom OSS in Innsbruck festgenommene ehemalige „Wissenschaftliche Verbindungsoffizier“ der Forschungsstaffel, Josef Schmithüsen, gab im Juli 1947 zu Protokoll, dass er Ende Oktober 1945 in Zell am See „in Haft genommen“ wurde. Dies lässt den Schluss zu, dass die in Zell am See festgehalten Gruppe um Schulz-Kampfhenkel Ende Oktober in das Lager Marcus W. Orr verlegt wurde. Vgl. Lebenslauf von Josef Schmithüsen, 17.7.1946, NAL (Kew), FO 1031/111. Zum Lager „Marcus Orr“ vgl. Christoph Eigelsberger/Oskar Dohle: Camp Marcus W. Orr – Glasenbach als Internierungslager nach 1945, Salzburg 2009. Vgl. Bericht von Major E. Tilley an Air Commodore V. B. Bennett betr. Interrogation of the Schulz-Kampfhenkel and Meynen Groups at Dustbin, S. 2, 7.12.1946, NAL (Kew), FO 1031/94. Vgl. ebd. Vgl. Ludwig F. Schmidt: Final Interrogation Report Dr. Otto Schulz-Kampfhenkel, S. 1, 25.4.1946, NAW, Records of the FBI, RG 65, File 57254, Section 001, Box 214 (Location 230/86/10/01). Vgl. auch den leicht abgewandelten Bericht von Robert E. Work: BIOS-Interrogation Report No. 177 Dr. Otto Schulz-Kampfhenkel, S. 1, 6.3.1946 (4.10.1946), IWM Duxford. Vgl. ebd. Ludwig F. Schmidt: Interrogation Summary Schulz-Kampfhenkel Combination Mapping Method, S. 4, 26.4.1946, NAW, Records of the FBI, RG 65, File 57254, Section 001, Box 214 (Location 230/86/10/01). Brief von Schulz-Kampfhenkel an SS-Hauptsturmführer Rudolf Brandt/Persönlicher Stab des Reichsführers-SS (mit anliegender Stellungnahme Schulz-Kampfhenkels zu der Nieder-
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Sören Flachowsky, Michael Ohl und Holger Stoecker schrift des Herrn Peskoller über den Erwerb der Guayanas), 26.4.1940, BArch Berlin, NS 19/2312, Bl. 22–36. Vgl. Robert E. Work: BIOS-Interrogation Report No. 177 Dr. Otto Schulz-Kampfhenkel, S. 2, 6.3.1946 (4.10.1946), IWM Duxford. Ludwig F. Schmidt: Interrogation Summary Schulz-Kampfhenkel Combination Mapping Method, S. 2, 18, 26.4.1946, NAW, Records of the FBI, RG 65, File 57254, Section 001, Box 214 (Location 230/86/10/01); ders.: Schulz-Kampfhenkel Combination Mappig Method, BIOS-Interrogation Report No. 178, 4.10.1946, S. 2, 17, IWM Duxford. An anderer Stelle machte der die Gruppe um Schulz-Kampfhenkel in Dustbin vernehmende Major E. Tilley deutlich, dass das von der Forschungsstaffel angefertigte Bild- und Kartenmaterial für die westlichen Alliierten von „größtem Nutzen“ für die Untersuchung Russlands sei. Bericht von Major E. Tilley an Air Commodore V. B. Bennett betr. Interrogation of the Schulz-Kampfhenkel and Meynen Groups at Dustbin, S. 2, 7.12.1946, NAL (Kew), FO 1031/94. Vgl. Ludwig F. Schmidt: Final Interrogation Report Dr. Otto Schulz-Kampfhenkel, S. 2, 25.4.1946, NAW, Records of the FBI, RG 65, File 57254, Section 001, Box 214 (Location 230/86/10/01). Vgl. Brief von C. V. D. Rousseau (Acting Legal Attache, American Embassy, London) an den Direktor des FBI (Washington, D.C.), 25.6.1946 (mit anliegenden Protokollen von Ludwig F. Schmidt: Final Interrogation Report Dr. Otto Schulz-Kampfhenkel vom 25.4.1946 und ders.: Interrogation Summary Schulz-Kampfhenkel Combination Mapping Method, 26.4.1946), NAW, Records of the FBI, RG 65, File 57254, Section 001, Box 214 (Location 230/86/10/01). Vgl. Smith/Black: German Geography, in: Geographical Review (1946), S. 401–403. Vgl. Ludwig F. Schmidt: Final Interrogation Report Dr. Otto Schulz-Kampfhenkel, S. 22, 25.4.1946, NAW, Records of the FBI, RG 65, File 57254, Section 001, Box 214 (Location 230/86/10/01). Vgl. ebd., S. 2. Vermerk von Major E. Tilley, 3.8.1946, NAL (Kew), FO 1031/111. Emil Meynen war seit 1941 Leiter der Abteilung für Landeskunde des Reichsamtes für Landesaufnahme in Berlin. Er hatte im Auftrag Schulz-Kampfhenkels verschiedene Aufträge des Reichsforschungsrates ausgeführt, die in Zusammenhang mit den Arbeiten der Forschungsstaffel standen. Im Frühjahr 1945 hatte Meynen die Abteilung für Landeskunde zunächst nach Worbis in Thüringen, später dann nach Scheinfeld in Franken verlagert, sein Archiv und seine Bibliothek jedoch in Stassfurt untergebracht, wo sie 1946 den Russen in die Hände vielen. Während das Reichsamt für Landesaufnahme am 8. Mai 1945 aufgelöst wurde, arbeitete Meynen als Leiter der Abteilung für Landeskunde in Scheinfeld unter der Aufsicht der Amerikaner weiter, wobei der sich vor allem auf Kartierungsfragen Deutschlands konzentrierte. Im Sommer 1946 war Meynen mit einigen Mitarbeitern von den Briten nach „Dustbin“ gebracht worden. Angesichts der Ausführungen Meynens vermutete Tilley, dass dieser sich die in Ottobeuren versteckten Unterlagen der Forschungsstaffel auch deswegen angeeignet hatte, um einen Ausgleich für seine in Stassfurt verloren gegangenen Unterlagen zu erhalten. Vgl. Bericht von Major E. Tilley an Lt. Col. P. M. Wilson betr. Prof. Emil Meynen an Forschungsstaffel, S. 8, 17.8.1936, NAL (Kew), FO 1031/113. Zum Inhalt des in Ottobeuren entnommenen Materials vgl. Vernehmungsprotokoll von Dipl. Ing. Werner Goepner, Punkt 7, 18.11.1946, NAL (Kew), FO 1031/125; Bericht von Prof. Dr. Gottfried Pfeifer: Homework by request of Major Tilley, Punkt 5, 15.11.1946, NAL (Kew), FO 1031/115. Hans Böhm stellte fest, dass Meynen schon während des Krieges in Konkurrenz zum Luftbildarchiv der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin „Ansprüche auf ‚großdeutsches‘ Bildmaterial“
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angemeldet hatte. Hans Böhm: Annäherungen. Carl Troll (1899–1975) – Wissenschaftler in der NS-Zeit, in: Matthias Winiger (Hg.): Carl Troll: Zeitumstände und Forschungsperspektiven. Kolloquium im Gedenken an den 100. Geburtstag von Carl Troll, Sankt Augustin 2003, S. 1–99, hier S. 64. Zu Meynen vgl. auch Michael Fahlbusch: Wissenschaft im Dienst der nationalsozialistischen Politik. Die »Volksdeutschen Forschungsgemeinschaften« von 1931–1945, Baden-Baden 1999, S. 773. Vgl. Bericht von Major E. Tilley an Air Commodore V. B. Bennett betr. Interrogation of the Schulz-Kampfhenkel and Meynen Groups at Dustbin, S. 4, 7.12.1946, NAL (Kew), FO 1031/94. Vgl. Bericht von Major E. Tilley an Lt. Col. P. M. Wilson betr. Prof. Emil Meynen and Forschungsstaffel, S. 1 f., 17.8.1936, NAL (Kew), FO 1031/113. Vgl. ferner Mechthild Rössler: »Wissenschaft und Lebensraum«. Geographische Ostforschung im Nationalsozialismus. Ein Beitrag zur Disziplingeschichte der Geographie (Hamburger Beiträge zur Wissenschaftsgeschichte, Bd. 8), Berlin 1990, S. 211, 217 f. Vgl. Bericht von Major E. Tilley an Air Commodore V. B. Bennett betr. Interrogation of the Schulz-Kampfhenkel and Meynen Groups at Dustbin, S. 3, 7.12.1946, NAL (Kew), FO 1031/94. Vgl. Bericht von Major E. Tilley an Lt. Col. P. M. Wilson betr. Prof. Emil Meynen and Forschungsstaffel, S. 2–10, 17.8.1936, NAL (Kew), FO 1031/113. Vgl. auch Bericht von Major E. Tilley an Air Commodore V. B. Bennett betr. Interrogation of the Schulz-Kampfhenkel and Meynen Groups at Dustbin, S. 2, 7.12.1946, NAL (Kew), FO 1031/94. Bericht von Major E. Tilley an Lt. Col. P. M. Wilson betr. Prof. Emil Meynen an Forschungsstaffel, S. 11, 17.8.1936, NAL (Kew), FO 1031/113. Bericht von Caulier-Eimbcke an Major Tilley betr. Caulier-Eimbckes Tätigkeit bei der Forschungsgruppe e.V. und der Forschungsstaffel, S. 9 f., 17.11.1946, NAL (Kew), FO 1031/114; Bericht von Caulier-Eimbcke an Lt. Col. Tilley, S. 3, 27.1.1947, ebd. Zur Verlegung des Vereinssitzes von Berlin nach Hamburg vgl. Brief des Kriminalamtes der Polizei Hamburg an das Amtsgericht Berlin-Wedding (Vereinsregister), 27.7.1946, Amtsgericht Berlin-Charlottenburg, VR 12578 (alt), Bl. 70. Brief von Caulier-Eimbcke an Emil Meynen (Scheinfeld), 18.3.1946, NAL (Kew), FO 1031/114; Bericht von Caulier-Eimbcke an Lt. Col. Tilley, 5.2.1947, ebd.; Brief von Prof. Dr. Siegfried Schneider (Dustbin) an Colonel E. Tilley, 13.1.1947, NAL (Kew), FO 1031/116. Bei seinen Reorganisationsbemühungen bezog sich Caulier-Eimbcke ausdrücklich auf eine Aufforderung der britischen Militärbehörden, was von Tilley als Lüge aufgedeckt wurde. Vgl. Bericht von Lt. Col. E. Tilley an Mr. R. G. H. Cullingham betr. Caulier-Eimbcke: Note to his Reports of 5, 15 and 22 February 1947 on Plans for Re-Organisation of the Forschungsgruppe, S. 4, 7.3.1947, NAL (Kew), FO 1031/114. Vgl. Vermerk von Major E. Tilley, 24.9.1946, NAL (Kew), FO 1031/114; Bericht von Caulier-Eimbcke an Major E. Tilley betr. Rückkehr nach Hamburg, 29.11.1946, ebd. Vgl. Bericht von Lt. Col. E. Tilley an Mr. R. G. H. Cullingham betr. Caulier-Eimbcke: Note to his Reports of 5, 15 and 22 February 1947 on Plans for Re-Organisation of the Forschungsgruppe, S. 3–4, 7.3.1947, ebd. Insbesondere Caulier-Eimbcke zeigte in seinen Verhören immer wieder Reue und betonte, sein Vorgehen im Mai 1945 sei falsch, gleichwohl nie gegen die Alliierten gerichtet, gewesen. Bericht von Caulier-Eimbcke an Lt. Col. Tilley, 15.2.1947, ebd. Vgl. Bericht von Lt. Col. E. Tilley an Mr. R. G. H. Cullingham betr. Caulier-Eimbcke: Note to his Reports of 5, 15 and 22 February 1947 on Plans for Re-Organisation of the Forschungsgruppe, S. 2, 7.3.1947, ebd.
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49 Vgl. Bericht von Major E. Tilley an Air Commodore V. B. Bennett betr. Interrogation of the Schulz-Kampfhenkel and Meynen Groups at Dustbin, S. 2, 7.12.1946, NAL (Kew), FO 1031/94. 50 Vgl. Bericht von Major E. Tilley/Mr. D. E. Evans betr. Dustbin (Top Secret), 15.12.1946, NAL London (Kew), FO 1031/94. 51 Vgl. FBI-Files Released by Interagency Working Group, 2006, NAW, http://www.archives. gov/iwg/declassified-records/rg–65-fbi/fbi-disclosure-act-files.pdf, 20.1.2011. Vgl. zudem Nazi War Crimes Disclosure Act, Alphabetized Chart, 10.9.2002, NAW, http://www.fas. org/sgp/othergov/fbi-nwcda-091002.htm. 52 Peter F. Müller/Michael Mueller/Erich Schmidt-Eenboom: Gegen Freund und Feind. Der BND: Geheime Politik und schmutzige Geschäfte, Reinbek bei Hamburg 2002, S. 32–34, 40–43. 53 Vgl. Corinna Unger: Ostforschung in Westdeutschland. Die Erforschung des europäischen Ostens und die Deutsche Forschungsgemeinschaft, 1945–1957, Stuttgart 2007, S. 198, 204– 206. 54 Vgl. Udo Ulfkotte: Verschlußsache BND, München 1997, S. 136. 55 Eine im Juni 2009 an die Zentrale des BND in Pullach gerichtete Anfrage über die Person Schulz-Kampfhenkels wurde abgewiesen mit der Begründung, dass BND-Unterlagen generell Verschlusssachen seien. 56 Vgl. Bericht von Lt. Col. E. Tilley (Special Investigations Field Information Agency, Technical, FIAT) an Brig. W. E. H. Grylls betr. Caulier-Eimbcke, S. 2, 13.7.1947, NAL (Kew), FO 1031/94. 57 Vgl. Landesarchiv Berlin, C Rep. 375-01-08: Ministerium für Staatssicherheit der DDR, Abteilung IX/11, NS-Sondersammlung – Teil Berlin: NSDAP; SA, SS, Nr. 7700/A.30: Otto Schulz-Kampfhenkel; Karteikarte über die Internierung Schulz-Kampfhenkels in Langwasser (Nürnberg), 1947, Staatsarchiv Ludwigsburg, EL 903/2 Bü 4499. 58 Vgl. Häusler: Forschungsstaffel, S. 165. 59 Vgl. Wilson: Lessons, S. 306. 60 Eric Fischer: A German Geographer Reviews German Geography, in: Geographical Review, Vol. 38 (April 1948), No. 2, S. 307–310, hier S. 308 f.; Leonard S. Wilson: Geographic Training for the Postwar World: A Proposal, in: Geographical Review, Vol. 38 (October 1948), No. 4, S. 575–589, hier S. 587 f. 61 F. G. Fischer (Dekan der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Julius-Maximilians-Universität Würzburg): Bestätigung der Promotion, 6.3.1948, Nachlass Otto Schulz-Kampfhenkel, Otto Schulz-Kampfhenkel-Stiftung, Hamburg. 62 Schulz-Kampfhenkel an Pohle, 28.2.1948, Museum für Naturkunde der Humboldt-Universität zu Berlin, Historische Bild- und Schriftgutsammlungen (MfN, HBSB), Bestand Zool. Mus., Signatur: S III, Schulzkampfhenkel, O., 1, Bl. 106 (Hervorhebung im Original). 63 Vgl. die Korrespondenz von Pohle mit Rechtsanwalt Oskar Möhring (München) und Antonie Schulz (Buckow), Januar bis April 1948, ebd., Bl. 100–120. 64 Schulz-Kampfhenkel an Pohle, 20.6.1948, ebd., Bl. 121. 65 Vgl. Bericht von Lt. Col. E. Tilley an Mr. R. G. H. Cullingham betr. Caulier-Eimbcke: Note to his Reports of 5, 15 and 22 February 1947 on Plans for Re-Organisation of the Forschungsgruppe, S. 5, 7.3.1947, NAL (Kew), FO 1031/114. 66 Schulz-Kampfhenkel an Pohle, 20.6.1948, 9.11.1948, 2.1.1950, MfN, HBSB, Bestand Zool. Mus., Signatur: S III, Schulzkampfhenkel, O., 1, Bl. 121–124. 67 Vgl. Axel Schildt: Deutsche Kulturgeschichte. Die Bundesrepublik von 1945 bis zur Gegenwart, München 2009, S. 40 f.
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68 Gerhard Sandner: Die unmittelbare Nachkriegszeit: personelle, institutionelle und fach lichinhaltliche Aspekte 1945–1950, in: Ute Wardenga/Ingrid Hönsch (Hg.): Kontinuität und Diskontinuität der deutschen Geographie in Umbruchphasen. Studien zur Geschichte der Geographie, Münster 1995, S. 141–150, hier S. 142. 69 Schildt: Kulturgeschichte, S. 54. 70 Sandner: Nachkriegszeit, S. 142 f. 71 Eckart Conze: Die Suche nach Sicherheit. Eine Geschichte der Bundesrepublik Deutschland von 1949 bis in die Gegenwart, München 2009, S. 31. 72 Rössler: Wissenschaft, S. 209. 73 Sandner: Nachkriegszeit, S. 144. 74 Vgl. Rundschreiben Nr. 3 von Wilhelm Credner an Troll, 3.7.1946, NL Carl Troll, AGI Bonn, Nr. 162. 75 Bericht von Carl Troll: Anlage zu meinem politischen Fragebogen, 1945, Nachlass Carl Troll (NL Troll), Archiv des Geographischen Instituts der Universität Bonn (AGI Bonn), Nr. 85. 76 Carl Troll: Die Geographische Wissenschaft in Deutschland in den Jahren 1933 bis 1945. Eine Kritik und Rechtfertigung, in: Erdkunde 1(1947), S. 3–48. 77 Hans Böhm: Geographie, in: Jürgen Elvert/Jürgen Nielsen-Sikora (Hg.): Kulturwissenschaften und Nationalsozialismus, Stuttgart 2008, S. 359–389, hier S. 360. Vgl. auch Hans Böhm: Luftbildforschung. Wissenschaftliche Überwinterung – Angewandte (kriegswichtige Forschung) – Rettung eines Paradigmas, in: Wardenga/Hösch (Hg.): Kontinuität und Diskontinuität der deutschen Geographie, S. 129–139, hier S. 130. 78 Carl Troll: Abwehrleistungen der Deutschen Wissenschaft gegen den Nationalsozialismus. Geographie, 1945, NL Troll, AGI Bonn, Nr. 85. 79 Böhm: Geographie, S. 360. 80 Abschrift aus einem Brief von Prof. Troll an Prof. Mecking (Hamburg), 15.7.1946, NL Carl Troll, AGI Bonn, Nr. 85 (Hervorhebung im Original). 81 Brief von Troll an Mr. Shaw (320 F.S. Section, Bonn), 3.9.1945, ebd. 82 Brief von Carl Troll an den Prüfungsausschuss der Universität Bonn (z. Hd. Von Prof. Dr. von Weber), 28.10.1945, ebd. 83 Conze: Suche, S. 218. 84 Troll: Wissenschaft, S. 16. Vgl. auch Brief von Carl Troll an den Prüfungsausschuss der Universität Bonn (z. Hd. Von Prof. Dr. von Weber), 28.10.1945, NL Carl Troll, AGI Bonn, Nr. 85. 85 Brief von Carl Rathjens an Carl Troll, 20.12.1953, NL Carl Troll, AGI Bonn, Nr. 343. Bei „Tibet-Schäfer“ handelt es sich um den deutschen Ornithologen und Tibet-Forscher Ernst Schäfer (1910–1992) der sich vor allem durch drei öffentlichkeitswirksame Expeditionen nach Tibet (1930, 1934, 1938) hervortat. Die letzte Expedition wurde im Auftrag des „Ahnenerbes“ der SS durchgeführt und stand unter der Schirmherrschaft Himmlers. 1942 avancierte Schäfer zum Leiter der Lehr- und Forschungsstätte für Innerasien und Expeditionen des SS-Ahnenerbes, aus dem ein Jahr später das „Sven-Hedin-Institut für Innerasien und Expeditionen“ hervorging. Schäfer war 1933 der SS beigetreten, wurde 1942 zum SS-Sturmbannführer ernannt und gehörte dem „Freundeskreis Himmler“ an. Nach seiner Internierung durch die Alliierten wirkte Schäfer 1949 zunächst als Professor in Venezuela und 1954 als Berater des ehemaligen belgischen Königs Leopold III. Von 1956 bis 1970 war er Kustos für Biologie am Niedersächsischen Landesmuseum in Hannover. Vgl. Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945, Frankfurt am Main 22003, S. 523; Michael H. Kater: Das „Ahnenerbe“ der SS 1933–1945. Ein Beitrag zur Kulturpolitik des Dritten Reiches, München 32001.
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86 Troll: Wissenschaft, S. 16. 87 Carl Troll: Die Pflege der Luftbildinterpretation in Deutschland, in: Bildmessung und Luftbildwesen. Zeitschrift für Photogrammetrie, Photointerpretation und Luftbildwesen 37 (1969), Heft 4, S. 120–125, hier S. 122. 88 Rundschreiben Nr. 3 von Wilhelm Credner an Troll, 3.7.1946, NL Carl Troll, AGI Bonn, Nr. 162. 89 Vgl. Sandner: Nachkriegszeit, S. 145. 90 Vgl. Brief der Professoren Fitting, Troll, Cloos, Fr. Becker, Weizel und Bessel-Hagen an den Rektor der Universität Bonn, 12.8.1945, NL Carl Troll, AGI Bonn, Nr. 86; Brief des Dekans der Fakultät für Natur- und Geisteswissenschaften der TH Karlsruhe, Prof. Dr. R. Scholder, an Troll, 28.2.1951, NL Carl Troll, AGI Bonn, Nr. 343; Brief von Troll an Scholder, 20.3.1951, ebd. 91 Vgl. Walter A. Brucklacher: Beitrag zur Planung, Vorbereitung und Durchführung photogrammetrischer Bildflüge, Diss. TH München, München 1957. Vgl. auch Erwin Boehm/ Walter Brucklacher/Wolfgang Pillewizer: Luftbildinterpretation und Geländevergleich. Die Tätigkeit der Forschungsstaffel von 1943–1945 (Institut für Kartographie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Berichte und Informationen, Nr. 8), Wien 1989. 92 Vgl. Second United Nations Regional Cartographic Conference for Asia and the Far East, 20. October – 1. November 1958, Tokyo, Japan, Vol. 1: Report of the Conference, New York 1959, S.2 (http://unstats.un.org/unsd/METHODS/CARTOG/Asia_and_Pacific/2/ ECONF.25.3.pdf, 20.1.2011). 93 Vgl. dazu die Tabelle 11 im Anhang. 94 Vgl. Wer ist wer?, Lübeck 1984, S. 1154. 95 Persönliche Mitteilung von Christiane Groeben, Archivarin der Zoologischen Station „Anton Dohrn“, Neapel, an Michael Ohl, Mai 2010. Aus einem am 15.10.1951 in Rom ausgestellten Reisepass Schulz-Kampfhenkels geht lediglich hervor, dass er 1951 in Neapel wohnte. Vgl. den Reisepass im Nachlass Otto Schulz-Kampfhenkel, Otto Schulz-Kampfhenkel Stiftung, Hamburg. 96 Vgl. Glüsing: Guayana-Projekt, S. 233; Den Forscher reizten die weißen Flecken im Atlas. Expedition nach Amazonien – Tagungsfilm für den Botanikerkongreß zusammengestellt, in: Der Tagesspiegel, 1.8.1987. 97 Hans Borgelt: Streifzug durch Indien. Eine neue Arbeit des Hamburger Geographen SchulzKampfhenkel, in: Der Tagesspiegel, 4.4.1965. 98 Den Forscher reizten die weißen Flecken im Atlas. Expedition nach Amazonien – Tagungsfilm für den Botanikerkongreß zusammengestellt, in: Der Tagesspiegel, 1.8.1987. 99 Vgl. Wer ist wer?, Lübeck 1984, S. 1154. 100 Hans Borgelt: Streifzug durch Indien. Eine neue Arbeit des Hamburger Geographen SchulzKampfhenkel, in: Der Tagesspiegel, 4.4.1965. 101 Hans Borgelt, Pressebüro der Internationalen Filmfestspiele Berlin: Pressemitteilung, 21.5.1957, in: Stiftung Deutsche Kinemathek Berlin, Bibliothek, Mappe Berlinale 1957. 102 VII. Internationale Filmfestspiele Berlin, 21. Juni–2. Juli 1957, Schlussbericht, S. 21, in: Stiftung Deutsche Kinemathek Berlin, Bibliothek, Mappe Berlinale 1957. 103 Film in Berlin. Offizielle Festspielzeitung, 2.7.1957, in: Stiftung Deutsche Kinemathek Berlin, Bibliothek, Mappe Berlinale 1957. Die Filmkritik bewertete den abendfüllenden Dokumentarfilm „Allah Kerihm“ zurückhaltend: Der Westberliner „Telegraf “ vom 28.6.1957 schrieb: Ein Film über „die Leiden Algeriens, den Widerstreit zwischen den Rassen zwischen Europa und Afrika, den Kampf zwischen der französischen Bevölkerung, die hier nicht als kolonialistischer Herrscher, sondern in der geliebten Heimat lebt, und den nach Selbstän-
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digkeit ringenden Arabern. Das Sonderbare an diesem Film, daß er diesen Streit überhaupt nicht erwähnt.“ Vgl. auch Den Forscher reizten die weißen Flecken im Atlas. Expedition nach Amazonien – Tagungsfilm für den Botanikerkongreß zusammengestellt, in: Der Tagesspiegel, 1.8.1987. Vgl. auch Wer ist wer?, Lübeck 1984, S. 1154. Vgl. Glüsing: Guayana-Projekt, S. 233. Vgl. Wer ist wer?, Lübeck 1984, S. 1154. Vgl. Miriam Sénécheau: Archäologie im Schulbuch. Themen der Ur- und Frühgeschichte im Spannungsfeld zwischen Lehrplanforderungen, Fachdiskussionen und populären Geschichtsvorstellungen. Schulbücher, Unterrichtsfilme, Kinder- und Jugendliteratur, Band 1, Phil. Diss. Freiburg 2006, S. 107 f. (http://www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/6142/ pdf/01_text.pdf, 21.1.2011). So der Wortlaut in: Verband der österreichischen Filmjournalisten (Hg.): Programmheft der 2. Viennale „Meisterwerke der Filmkunst“, Wien 1962, S. 16. Vgl. dazu Rita Hochwimmer: Tendenzen und Brüche in der Entwicklung des Filmfestivals Viennale von 1960– 1972 und ihre öffentliche Rezeption, Diss. Univ. Wien 2008, S. 70 (http://othes.univie. ac.at/1880/1/2008–10–15_9501011.pdf, 21.1.2011). Vgl. Deutsche Jugend 12 (1964), S. 39; Geographische Rundschau 23 (1971), S. 113; Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung 1957, S. 1139. Kritik von „PH“: Abenteuer in Togoland. Das heutige Westafrika im politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Umbruch als Gegenstand eines dokumentarischen Spielfilms ohne Stars. Vor allem für Gruppen- und Unterrichtsarbeit (etwa ab 8. Volksschulstufe) von bildendem Wert, in: Film-Dienst 9 (1962), S. 92 f. Persönliche Mitteilung von Karl Daumer (Mai 2010). Vgl. auch Sabine Gießler/Rudolf Alexander Steinbrecht: Zur Historie der DZG: wie der Karl Ritter von Frisch-Preis entstand, in: Mitteilungen der Deutschen Zoologischen Gesellschaft 100 (2007), S. 37–42. Die Filme, ursprünglich auf 16-mm-Filmmaterial gedreht, zeigen Originalinterviews mit dem damals bereits 94–jährigen Karl von Frisch sowie Ausschnitte aus älteren Filmen von Frischs. Vgl. Entdeckungen über Sinnesleistungen bei Bienen und Fischen. WBF-Unterrichtsfilm, ca. 13 min. Farbe/SW. 16 mm (Lichtton), Video (VHS). Den Forscher reizten die weißen Flecken im Atlas. Expedition nach Amazonien – Tagungsfilm für den Botanikerkongreß zusammengestellt, in: Der Tagesspiegel, 1.8.1987. Wer ist wer?, Lübeck 1984, S. 1154; http://www.kulturfoerderung.org/dizk/details.htm?idK ey=showOrgaDetails&idValue=800&selectedLocale=de, 21.1.2001. Vgl. Glüsing: Guayana-Projekt, S. 234. Institut für Internationale Zusammenarbeit in Bildung und Forschung Gemeinnützige Gesellschaft mbH: Kurze Information über die entstehende Biologische Forschungsstation „Quinta Sao Pedro“ Sobreda/Protugal, 21.5.1980, im Besitz der Autoren. Wir danken Prof. Dr. Hans-Jürg Kuhn, Göttingen, für eine Kopie. Vgl. auch Mitteilung des Leiters der Gastforscherstation Arnim Pircher an Holger Stoecker, 2.1.2001. Die Verwaltung des IZBF saß 1980 in München, während die Forschungsabteilung des Instituts im gleichen Gebäude wie das WBF in Hamburg untergebracht war. Vgl. Gutachten von Prof. Dr. Gustl Anzenberger (Psychologisches Institut der Universität Zürich): Gründung einer biologischen Station in Portugal, 1980, im Besitz der Autoren. Wir danken Prof. Dr. Hans-Jürg Kuhn, Göttingen, für eine Kopie. Ebd. Institut für Internationale Zusammenarbeit in Bildung und Forschung Gemeinnützige Gesellschaft mbH: Kurze Information über die entstehende Biologische Forschungsstation „Quinta Sao Pedro“ Sobreda/Protugal, 21.5.1980, im Besitz der Autoren.
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118 Dr. Otto Schulz-Kampfhenkel verstorben, in: Informationen der Bayerischen Julius-Maximilians-Universität Würzburg 23, Heft 3, 30.6.1989, S. 50. 119 Institut für Internationale Zusammenarbeit in Bildung und Forschung Gemeinnützige Gesellschaft mbH: Kurze Information über die entstehende Biologische Forschungsstation „Quinta Sao Pedro“ Sobreda/Protugal, 21.5.1980, im Besitz der Autoren. 120 Vgl. http://www.quintastudies.info/, 6.6.2010. 121 Den Forscher reizten die weißen Flecken im Atlas. Expedition nach Amazonien – Tagungsfilm für den Botanikerkongreß zusammengestellt, in: Der Tagesspiegel, 1.8.1987.
Anhang Tabelle 1: Wissenschaftliche Mitarbeiter der Dienststelle „Theo“ in Rheda (1941– 1945) Tabelle 2: Für die Ausrüstung der „Forschungsgruppe Schulz-Kampfhenkel“ verantwortliche Unternehmen (1941–1945) Tabelle 3: Wichtige militärische Mitglieder des „Sonderkommandos Dora“ 1942/43 Tabelle 4: Mitglieder „Gruppe Forschung“ des „Sonderkommandos Dora“ 1942/43 Tabelle 5: Fachgebiete und Mitarbeiter der „Gruppe Forschung“ innerhalb der „Forschungsstaffel z.b.V.“ im „Sonderkommando Dora“ des OKW (Stand: 6. Juli 1943) Tabelle 6: Auftraggeber des „Russlandeinsatzes“ der Forschungsstaffel z.b.V. (April/ Mai 1943) Tabelle 7: Wichtige militärische Auftraggeber und Kooperationspartner der Forschungsstaffel z.b.V. zwischen September 1943 und Mai 1945 Tabelle 8: Gliederung der Forschungsstaffel z.b.V. 1944–1945 Tabelle 9: Auswahl einiger vom BEF vergebener Forschungsprojekte und deren Bearbeiter (1943–1945) Tabelle 10: Verstecke der Forschungsstaffel zur „Sicherung“ ihres Forschungsmaterials (1945) Tabelle 11: Wissenschaftlicher Werdegang einiger ehemaliger Mitglieder des „Sonderkommandos Dora“ und der Forschungsstaffel z.b.V. in der Zeit nach 1945 Übersicht Organisationsschema des BEF, Ende 1944
Anhang
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Tabelle 1: Wissenschaftliche Mitarbeiter der Dienststelle „Theo“ in Rheda (1941–1945)1 Militärische Leitung Hauptmann (später Major) F. Lumbeck Wissenschaftliche Leitung Dr. Heinrich Voppel (Mai 1941–Mai 1944) Dr. Alfred Menzel (Mai 1944–Mai 1945) Referat Auswertung F. W. Assmann (Langenberg/ Rheinland) Dr. Fischer (Göttingen) Dr. Willy Fröhlich (Köln) Dr. Grewe (Wuppertal) Dr. Keller Dr. Alfred Menzel (Leipzig) Heinrich Schiffers-Davringhausen (Köln) Referat Kartographie Dr. Fritz Hölzel (Leipzig) Gehrig, Kuhlmann, Münch, Schnatz Referat Sammlung und Redaktion Wißmann, Böhm, Hasekamp Referat Hilfsarbeiten Braun, Sander, Burhoff
Militärische Gesamtführung Wissenschaftliche Gesamtführung
Referent für Sonderaufgaben Referent für Wörterbucharbeiten Referent für Auswertung Afrika Referent für Vegetationsfragen Referent für Völkerkunde Referent für Auswertung Afrika Referent für Auswertung Afrika Referent Mitarbeiter (Kartenverwaltung, Karten- und Bildzeichnung, DokumentEntwürfe) Bücherei, Bildsammlung, Archiv, Redaktionsarbeiten Maschinenschreiben, Kurierdienst, Verwaltung
Referat Übersetzungen Dr. Lau Referent Bender, Friederichsen, Lübben, Melchers, Mitarbeiter Ollendorff, Röttger, Wisplinghoff, Zimmermann Weitere nicht näher zuzuordnende wissenschaftliche Mitarbeiter Gatz Wissenschaftlicher Mitarbeiter Prof. Dr. Helmuth Kanter (Marburg) Referent (vorübergehend) Dr. Walter Krämer (Leipzig) Referent Dr. Horst Münnich (Leipzig) Referent Dr. Oehme Referent (Aufbau einer Literaturkartei) Peters Wissenschaftliche Hilfskraft für Luftbildauswertung Studienrat Wünderich (Soest) Referent Viehbahn Wissenschaftlicher Mitarbeiter
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Tabelle 2: Für die Ausrüstung der „Forschungsgruppe SchulzKampfhenkel“ verantwortliche Unternehmen (1941–1945)2 Firma Optische Industrie Arnold & Richter (München) Askania/Abt. Geo (Berlin) Astro-Gesellschaft (Berlin) Butenschön (Hamburg) R. Fuess (Berlin) GKS-Geräte (Stuttgart) Lufft (Stuttgart) C. Plath (Hamburg) Eduard Messter Siemens & Halske, Abteilung Kinotechnik (Berlin) Paul Will (München) Zeiss Aerotopograph ( Jena)
Zeiss-Ikon (Dresden) Chemische Industrie Agfa (Berlin) Agfa (Wolfen) Camera-Werk (München) Hommrich (Hamburg) I.G. Farben, Bayer (Berlin) I.G. Farben, Papierfabrik (Leverkusen) Linnhoff (München) Perutz (München) Stöcklein (Berlin) Tropenapotheke (Berlin) Papier- und Schreibwaren-Industrie A.W. Faber (Hannover)
Instrumente und Materialien Standard-Filmkamera und Zubehör Geodätische Geräte Optische Ausrüstung für Standard-Filmkameras Geodätische Geräte Meteorologische Geräte Kompanden, Planzeiger, Zeichenhilfen, kartographische und geodätische Hilfsmaterialien Anaeroide, Thermometer, Barometer Geodätische Geräte Optische Geräte Kleinfilm-Kameras Belichtungsmesser Photogrammetrische Aufnahme- und Auswertegeräte, Reihenmesskammern, Handkamera, Stereoplanigraph, Entzerrungsgeräte, Stereoskope, Statoskope, Stereometer, Kleinautograph, Zubehör und Ersatzteile Contax-Fotoapparate, Movikon 16-mm-Kamera, Projektoren, stereoskopische Zusatzgeräte Filme, Fotochemikalien, Diarahmen, PhototheodolitPlatten, Entwicklungsgeräte für Farbfilme Farbfilme, chemische Farbfilm-Entwickler Farbfilmlabor-Ausrüstung Fotolabor-Geräte Medizinische Ausrüstung Fotopapier, Fotochemikalien, medizinische Präparate für die Expeditionsapotheke Foto-Zubehör Luftfoto-Filme Fotografische Artikel Medizinische Ausrüstung Schreib- und Farbstifte, Tinte, Pinsel, Zeichenmaterialien
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356 Firma Frankh’sche Verlagsbuchhandlung (Stuttgart) Spitta & Leutz (Berlin) Schwan (Nürnberg) Gebr. Wichmann (Berlin) Waffen-Industrie Steigleder (Berlin) Genschow (Berlin)
Instrumente und Materialien Tabellen, Löschpapier Zeichenutensilien Stabilo Schreibstifte Zeichenutensilien, Fotokopier-Ausrüstung und Fotokopie-Geräte, kartographisches Material Jagdwaffen Jagdwaffen und Munition
Tabelle 3: Wichtige militärische Mitglieder des „Sonderkommandos Dora“ 1942/433 Militärische Leitung (Berlin) Oberst Carl Maurer Major Franz Seubert Militärische Leitung (Hon, Libyen) Oberstleutnant Herbert Haeckel Hauptmann Otto Eisele Sonstige (Hon, Libyen) Hauptmann Karl Höfig Leutnant Arndt Heinrich von Oertzen Rittmeister Karl Lang Sonderführer Karl Bayer
Oberleutnant Wild Feldwebel Gerhard Parlitz Oberfeldwebel Walter Scheeder Unteroffizier Friedrich Strohm
OKW, Amt Ausland/Abwehr (Abt. I H West 3; Leiter) OKW, Amt Ausland/Abwehr (Abt. I H West 3 Referent für Nordafrika, Naher und Mittlerer Osten) Kommandeur des „Sonderkommandos Dora“ Stellvertretender Kommandeur des „Sonderkommandos Dora“ Militärischer Leiter der „Technischen Gruppe Ost“ Militärischer Leiter der „Technischen Gruppe West“ Militärischer Leiter einer Technischen Gruppe (Reserve, Amt Ausland/Abwehr I,) Flugzeugführer und Kriegsberichterstatter (Bildberichter einer Propaganda-Kompanie (PK)Einheit für die Fliegerzeitschrift „Der Adler“ und die „Berliner Illustrirte“) Filmberichter einer PK-Einheit Lastensegler-Flieger (Fluglehrer am Institut für Leibesübungen, Berlin) Schirrmeister und „Spieß“ (Angehöriger des OKW, Amt Ausland/Abwehr I) Fahrer, „Brandenburger“-Pionier und damit dem Amt Ausland/Abwehr II (Subversion und Sabotage) unterstellt
Tabellen
Tabelle 4: Mitglieder „Gruppe Forschung“ des „Sonderkommandos Dora“ 1942/434 Leitung Dr. Otto Schulz-Kampfhenkel Wissenschaftliche Mitarbeiter Dipl. Ing. Walter A. Brucklacher Dr. Rudolf Fritsch Dr. Ernst Frowein Dr. Alfons Gabriel Dr. Fritz Höhndorf Prof. Dr. Helmuth Kanter Dr. Georg Knetsch Dr. Walter Knörlein Dr. Friedrich Karl Mixius Dr. habil. Wolfgang Pillewizer Dr. Nikolaus Benjamin Richter Dr. Hans Rhotert Dr. Stork Dr. Teichgraeber Dr. Ludwig G. A. Zöhrer
Pilot und Leiter der „Gruppe Forschung“ des „Sonderkommandos Dora“ (Leutnant) Pilot und Luftbildspezialist (Sonderführer) Zoologe (Sonderführer) Pilot (Leutnant) Mediziner und Geograph (Sonderführer) Meteorologe (Sonderführer) Mediziner und Geograph (Hauptmann, Wissenschaftlicher Leiter der „Gruppe West“) Geologe, Hydrologe (Hauptmann) Fachmann für Straßenbau (Organisation Todt, Ingenieur im Volkswagenwerk, Sonderführer) Geologe (Sonderführer) Topograph und Kartograph (Gefreiter) Astronom, Topograph, Navigator (Sonderführer) Archäologe, Völkerkundler, Navigator (Leutnant) Völkerkundler und Jurist (ehem. Pflanzenbauer in „Deutsch-Ostafrika“, Sonderführer) Mathematiker, Astronom und Meteorologe (Rekrut) Völkerkundler und Arabisch-Kenner (Sonderführer)
357
358
Anhang
Tabelle 5: Fachgebiete und Mitglieder der „Gruppe Forschung“ innerhalb der „Forschungsstaffel z.b.V.“ im „Sonderkommando Dora“ des OKW (Stand: 6. Juli 1943)5 Fachgebiet Name Institut Geologie (Baustoffkom- Prof. Dr. Paul Thomsen Universität Posen mando) Dr. Jörg Geologisches Institut der Universität Freiburg Militär-, Luft- und Land- Dr. habil. Wolfgang TH Hannover und Abteilungsleiter am wirtschaftsgeographie, Pillewizer Reichsamt für Landesaufnahme Kriegskartographie (Mil. Dr. Heinz Ellenberg Zentralstelle für Vegetationskartierung Geo.-Kommando) des Reiches (Hannover), Reichsforstamt Dr. Hans-Peter Kosack Nautisch-wissenschaftliche Abteilung des Oberkommando der Marine (OKM) Dr. Christian Vasterling Reichsamt für Landesaufnahme Harry Hiller Reichsamt für Landesaufnahme Photogrammetrie und Dipl.-Ing. Walter Entwicklungsingenieur in der Firma wissenschaftliche LuftBrucklacher Zeiss-Aerotopograph bildforschung (Luftmess- Dipl.-Ing. Werner Abteilungsleiter im Reichsamt für Lanbildkommando) Göpner desaufnahme Pflanzensoziologie Dr. Hans Zeidler Botanisches Institut der Universität (Moorkommando) Würzburg Dr. Ernst Preising Chefassistent an der Zentralstelle für Vegetations-Kartierung des Reiches (Hannover), Reichsforstamt Richard Hölscher Assistent ebd. Wilhelm Lohmeyer Assistent ebd. Obergefreiter Hansen Assistent ebd. TH Danzig und Reichsministerium Speer Bodenkunde Doz. Dr. Ostendorf Doz. Dr. Arnold Proißl Hochschule für Bodenkultur in Wien TH Danzig Linsler Agrarbotanik Prof. Dr. Heinrich Direktor der botanischen Anstalten der Walther Reichsuniversität Posen Landwirtschaft Dr. R. Martin Schmid Dipl.-Landwirt im Forschungsdienst (Berlin) und in der Planungsabteilung des Reichskommissariats für die Festigung deutschen Volkstums (Berlin) Faserstoffbotanik Dr. Ulbricht Assistent an der TH Dresden Arzneipflanzengeogra- Oberapotheker Branco Reichsministerium für die besetzten Ostphie gebiete und Heeressanitätsinspektion
Tabellen
Fachgebiet Seuchenhygiene, Parasitologie und Schädlingskunde
Name Stabsarzt Dr. Dr. Panzer Hinz
Bauingenieurwesen
Dipl.-Ing. Josef Schmidt Eugen Schlichter
Technische Materialund Geräteerprobung Kultur- und Dokumentarfilm Meteorologie und Hochfrequenztechnik
Sonderführer Wellert Feldwebel Falkenhagen Dr. Nikolaus Benjamin Richter Seiß
359 Institut Arzt und Biologe, Museumsdirektor (Danzig) Tiersoziologe und Parasitologe an der Zentralstelle für Vegetationskartierung des Reiches (Hannover) Wasserbauingenieur und Hydrologe Volkswagenwerk OKW/W. Pr. und Hauptfilmstelle RLM OKW/W. Pr. und Hauptfilmstelle RLM Universitäts-Sternwarte, Babelsberg Universitäts-Sternwarte, Babelsberg
360
Anhang
Tabelle 6: Auftraggeber des „Russlandeinsatzes“ der Forschungsstaffel z.b.V. (April/Mai 1943)6 Zivile Dienststellen Reichsministerium für Bewaffnung und Munition · Technische Planung Ost · Technisches Zentralamt Riga (zugleich für Reichsbahn und Reichspost) · Rechnerisches Amt Reval
Militärische Dienststellen Organisation Todt · OT-Zentrale (Berlin) · Einsatzgruppe Russland Nord (Pleskau) · Einsatzgruppe Russland Mitte (Minska) · Einsatzgruppe Russland Süd (Dnjepropetrowsk) · Einsatzstab Schneeberger (Kiew) · OT-Institut für Gewässerkunde (Kiew)
Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete · Chefgruppe La (Berlin) · Generalreferat für Raumordnung (Berlin) · Abteilung Gesundheitswesen (Berlin)
Reichsminister der Luftfahrt und Oberbefehlshaber der Luftwaffe · Generalstab 7. Abteilung (Karten und Luftgeographie Vermessungsluftbild, Berlin)
Reichskommissariat Ostland (Riga) Wirtschaftsstab Ost · Abteilungen Vermessung, · Chefgruppe La (Berlin) Gesundheitswesen, Veterinärwesen, · Chefgruppe Wi (Berlin) Landwirtschaft, Forst und Holz Reichskommissariat Ukraine (Rowno und Oberkommando des Heeres Kiew) · Generalstab des Heeres, Chef · Abteilungen Vermessung, Kriegskarten und Vermessungswesen Gesundheitswesen, Veterinärwesen, (Berlin) Landwirtschaft, Forst und Holz, Bodenschätze Generalkommissariat Kiew Generalkommissariat Dnjepropetrowsk Generalkommissariat Weissruthenien (Minsk) Der Beauftragte für den Vierjahresplan (Berlin) Reichsamt für Wirtschaftsausbau (Berlin)
Höherer Offizier des Kriegskarten und Vermessungswesens Russland Ost (Winniza) Kriegskarten und Vermessungswesen (Kiew und Riga) Mil.Geo.-Gruppe bei Wehrmachtsbefehlshaber Ostland (Riga) Mil.Geo.-Bearbeiter beim Höheren Offizier des Kriegskarten und Vermessungswesens (Winniza) Heeresgruppe Nord, IA Mess (Pleskau)
Tabellen
Zivile Dienststellen Reichsamt für Bodenforschung (Berlin) Reichswirtschaftsministerium (Berlin)
361
Militärische Dienststellen Heeresgruppe Nord, General der Pioniere (Pleskau) Höherer SS- und Polizeiführer Russland Süd (Kiew)
Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda (Berlin) Reichskommissariat für die Festigung Deutschen Volkstums (Berlin) Reichspostministerium · Forschungsanstalt der Deutschen Reichspost, Amt für Wellenausbreitung (München)
Tabelle 7: Wichtige militärische Auftraggeber und Kooperationspartner der Forschungsstaffel z.b.V. zwischen September 1943 und Mai 19457 Oberkommando der Wehrmacht (OKW) OKW/ Wehrmachtsführungsstab/ Chef der Organisationsabteilung OKW/ Amt Ausland/ Abwehr, I. Abteilung OKW/ Arbeitsstab „Theo“ der Abwehrstelle Münster Oberkommando des Heeres (OKH) OKH/ Generalstab des Heeres/ Chef der Operationsabteilung OKH/ Generalstab des Heeres/ Chef Kriegskarten- und Vermessungswesen OKH/ Chef der Heeresrüstung und Befehlshaber des Ersatzheeres/ Waffenprüfamt OKH/ Höherer Offizier des Kriegskarten- und Vermessungswesen Ost, Sachbearbeiter Militär-Geographie OKH/ Inspektion Festungen/ Leitender Heeresgeologe OKH/ Generalinspekteur der Panzertruppe OKH/ General der Pioniere und Festungen OKH/ Heeresgruppe Nord (General der Pioniere, Ia Mess) OKH/ Heeresgruppe Nord-Ukraine (Oberkommando, Lemberg, General der Pioniere, Ia Mess) OKH/ Heeresgruppe Mitte (General der Pioniere) OKH/ Heeresgruppe Süd (Stab General Mattenklott, 42. Armeekommando/ Ia) OKH/ Heeresgruppe A (Krim) OKH/ Heeresgruppe E (Oberkommando Saloniki) OKH/ Heeresgruppe F (Panzer-Armee Oberkommando 2, Generalstab, Belgrad) OKH/ Oberbefehlshaber Südost (Stab General von Weichs) OKH/ Oberbefehlshaber Südwest (Oberkommando der Heeresgruppe C, Ia Mess)
362
Anhang
OKH/ Oberbefehlshaber West (Inspekteur der Landesbefestigungen West) OKH/ Oberbefehlshaber West (Oberkommando der Heeresgruppe B) OKH/ Oberbefehlshaber West (Chef des Generalstabes) OKH/ Kommandeur Befestigungsbereich West (Münster) OKH/ Kommandeur Befestigungsbereich Ost (Frankfurt Oder, später Potsdam) OKH/ 20. Gebirgs-Armeeoberkommando Finnland (Ia Mess) OKH/ Panzer-Armeeoberkommando 2 (Ia Mess und Pionier-Sonderstab 7) OKH/ Panzer-Korps „Großdeutschland“ (Ia Mess) OKH/ Heeresplankammer (später Kriegskartenhauptamt) Oberbefehlshaber der Luftwaffe (ObdL) und Oberkommando der Luftwaffe (OKL) ObdL/ Generalstab 7. Abteilung (Gruppe Vermessungsluftbild, Kartographie) OKL/ General der Aufklärungsflieger OKL/ Chef des Luftwaffenführungsstabes OKL/ Luftflottenkommando 4 Oberkommando der Kriegsmarine (OKM) OKM/ Marinerüstung/ Chef der Pionierwaffe OKM/ Seekriegsleitung/ Amtsgruppe Nautik/ Gruppe Marine-Geographie (MarGeo) OKM/ Marinegruppenkommando West OKM/ Oberfestungspionierstab des Marinegruppenkommandos West
Tabellen
363
Tabelle 8: Gliederung der Forschungsstaffel z.b.V. 1944–19458 Kommando/ Einsatzgruppe Staffelführung Staffelführer Stellvertretender Staffelführer
Wissenschaftlicher Verbindungsoffizier
Nachschuboffizier (von April 1943–Januar 1944 „Heimatstab“, von Januar 1944–August 1944 „Verbindungskommando Heimat“) Kartenoffizier
Leiter
Aufgabe (Tätigkeit und Sitz)
Otto SchulzKampfhenkel Leutnant Brockob (April 1943–März 1944) Hauptmann Wilhelm Grotelüschen (März 1944–Mai 1945) Sonderführer (z) Josef Schmithüsen (Februar 1944–Mai 1945)
Militärische und wissenschaftliche Gesamtführung Stellvertretung des Staffelführers in der militärischen Führung (Personalfragen, militärische Ausrüstung, Kraftfahrzeuge, organisatorische Einsatzvorbereitung)
Sonderführer (z) Günther CaulierEimbcke (April 1943–Mai 1945)
Leutnant Christian Vasterling (Herbst 1943–März 1944) Prof. Dr. Hans Bobek (April 1944– Dezember 1944) Leutnant Wolfgang Pillewizer (Dezember 1944–Mai 1945) Kartographengruppe Unteroffizier Harry „Waltershausen“ Hiller und Inspektor Max Schlarbaum
Verbindung zwischen Staffelführung und den Forschungskommandos in wissenschaftlichen Angelegenheiten, Verbindung zwischen Forschungsstaffel und der zivilen Wissenschaft. Beratung des Staffelführers betr. Einsatz der wissenschaftlichen Mitarbeiter. Einführung neuer Mitarbeiter in die Aufgaben der Forschungsstaffel Beschaffung, Verteilung und Versendung der wissenschaftlichen Geräte und Verbrauchsmaterialien an die Kommandos, Beschaffung, Archivierung und Versendung der Luftbilder
Überwachung der Einheitlichkeit der Kartenproduktion der Forschungsstaffel und ihre methodische Entwicklung
Reinzeichnung und Druckvorbereitung von Karten zur Geländebeurteilung der Forschungsstaffel. Arbeiten in Kooperation mit dem Reichsamt für Landesaufnahme, Abteilung Kartographie
Anhang
364 Kommando/ Einsatzgruppe Panzerverbindungs offizier
Leiter
Aufgabe (Tätigkeit und Sitz)
Hauptmann Stegner Verbindung zwischen Forschungsstaffel und (April 1944–DePanzertruppe. Mitarbeit bei der Entwicklung zember 1944) und Bearbeitung von Panzerkarten und bei der Durchführung von Panzerversuchen. Die übrigen Panzerverbindungsoffiziere waren ebenso wie die Pionierverbindungsoffiziere den Forschungskommandos „Ost“ und „Süd“ zugeteilt Forstlicher VerbinOberforstmeister Verbindung zwischen der Forschungsstaffel dungsoffizier von Laer ( Juni und forstlichen Dienststellen zur Beschaffung 1944–Mai 1945) von forstlichen Unterlagen für die Karten zur Geländebeurteilung und zur Entwicklung der forstlichen Luftbildauswertung Mitarbeiter des Staffel- Hauptmann Fried- Vertretung des Staffelführers in organisatoriführers rich Huttenlocher schen Verhandlungen und für die Zusammen(September 1944– arbeit mit dem Kommando „Theo“. Entwürfe Mai 1945) für den geplanten Ausbau der Tätigkeit der Forschungsstaffel und der Organisation Verwalter des Karten- Feldwebel Wilhelm Ordnung und Verwaltung der Kartensammarchivs Künoldt (Mai lung und der sonstigen wissenschaftlichen 1944–Febraur Unterlagen der Staffelführung. Ausleihverkehr 1945) mit den Kommandos Kommando Infanterie, Leutnant Brockob Haltung der Kraftfahrzeuge und der militämotorisiert (April 1943–März rischen Ausrüstung, Fahrerausbildung (das 1944) Kommando wurde im März 1944 aufgelöst und dem Sachgebiet des Stellvertretenden Staffelführers unterstellt) Kommando Flugbereit- Leutnant Ernst Haltung der Flugzeuge der Forschungsstaffel schaft Frowein (April (He 111 und Fw 189 als Bildflugzeuge, je eine 1943–Mai 1945) Type Fieseler Storch und Klemm als Verbindungsflugzeuge und für örtliche Einsätze), Durchführung von Bild-, Krokier- und Geländeerkundungsflügen, Herstellung von Luftlandekarten 1:200.000 Westdeutschland. Arbeitsbereich: Baltische Staaten, Ukraine, Griechenland, Jugoslawien, Schlesien und Nord-Westdeutschland Einsätze: Sommer-Herbst 1943 bei den Einsatzgruppen „Ukraine“ und „Russland Nord“, 1944 bei der Einsatzgruppe „Riga“, beim Forschungskommando „Süd“ (Laibach und Saloniki), Spätherbst 1944 in Schlesien
Tabellen
Kommando/ Leiter Einsatzgruppe Kommando Bildoffizier Leutnant Walter Brucklacher (April 1943–Mai 1945)
Bildstelle „Riga“
Bildstelle „Kiew“ (später „Winniza“)
Bildstelle „Saloniki“
365
Aufgabe (Tätigkeit und Sitz)
Durchführung von Bildflügen, Herstellung von Bildskizzen, Bildplänen, Duplikatfilmen und von Raumbildplänen, Erprobung von Hilfsgeräten für die photogrammetrische Luftaufnahme, Schulung der Wissenschaftler der Forschungsstaffel in stereoskopischer Luftbildauswertung. Außenarbeit gemeinsam mit der Flugbereitschaft (Luftbildaufnahmen), phototechnische Bearbeitung von Bildern in den Bildstellen Arbeitsbereich: Baltische Staaten, Ukraine, Krim, Griechenland, Laibach, Schlesien Gefreiter Werner Anfertigung von Kontaktabzügen von LuftbilGöpner (August dern, Herstellung von Bildskizzen, Bildplänen 1943–Juli 1944) und Bildplänen zur Geländebeurteilung des Narwagebietes (Baltikum), Bildtriangulationen über größere passpunktlose Räume mittels Bildschlitz-Verfahren, Versuchsaufnahmen mit Farbfilmen, Passpunktbestimmungen im Gelände Bildflüge: Peipussee und Narwagebiet (Sommer 1943), Vermessungsflüge über einem Sumpfgebiet östlich von Riga (Frühjahr 1944) Gefreiter Heinz Filmentwicklung der durch die ForschungsBauer ( Juni 1943– staffel in der Ukraine erflogenen Filme und November 1943) Anfertigung von Bildskizzen der Befliegung Shitomir (Piezoquarz-Gebiet) Bildflüge: Vermessungsflüge in der Ukraine und auf der Krim (Sommer 1943) Leutnant Walter Anfertigung von Kontaktabzügen und Brucklacher ( Januar Filmentwicklung von Luftbildern der Grie1944 bis September chenlandbefliegung, Herstellung eines Raum1944) bildatlasses von Nordgriechenland und des gefugten Raumbildplanes Grevena 1:25.000. Herstellung von Anaglyphenbildern zu den Forschungsstaffelkarten Nord-Griechenland. Im August 1944 Verlagerung nach Laibach, später nach Liegnitz und Jena Bildflüge: Vermessungsflüge Griechenland (Frühjahr 1944), Vermessungsflüge in den Gebieten um Glogau und Breslau (Herbst 1944)
366
Anhang
Kommando/ Leiter Aufgabe (Tätigkeit und Sitz) Einsatzgruppe Einsatzgruppe „Ukraine“ ( Juni 1943–November 1943) Militärischer Führer Leutnant Brockob Überprüfung russischer bodenkundlicher und ( Juni 1943–August vegetationskundlicher Karten unter Mitwir1943), kung von Gastwissenschaftlern im Gelände. Leutnant Otto Dabei Einarbeitung der Wissenschaftler der Schulz-Kampfhen- Forschungsstaffel in die Geländeprobleme kel (August 1943– Südrusslands. Bearbeitung von Unterlagen zur Oktober 1943), Geländebeurteilung, Feldstärkemessungen in Oberleutnant Hans Kiew Mortag (Oktober Arbeitsbereich: Westukraine, Krim, Dnjeprge1943–November biet 1943) Sitz: Kiew ( Juni-September 1943), Winniza (Oktober-November 1943) Verbindungsstelle Sonderführer (K) Feldstärkemessungen für die Deutsche Reichs„Kiew“ und Verbindungspost offizier Nikolaus B. Richter ( Juni 1943– Sept. 1943) Gruppe „West Militärischer Überprüfung russischer boden- und vegetatiukraine-Krim“ Führer: Leutnant onskundlicher Karten durch Geländevergleich ( Juli 1943–August Brockob; auf einem Querschnitt durch Ukraine-Krim 1943) Wissenschaftlicher Leiter: Unteroffizier Wolfgang Pillewizer Führer: Leutnant Kartierung und Herstellung der „Konkakarte“ Gruppe „Konka“ Otto Schulz1:50.000 (Druck in Winniza Ende September (September 1943) Kampfhenkel 1943) Gruppe „Unterer Militärischer FühBearbeitung verschiedener Blätter des unteren Dnjepr“ rer: Oberleutnant Dnjeprgebietes 1:50.000 (nur Manuskript(Oktober 1943–No- Hans Mortag; Wis- karte, nicht gedruckt) vember 1943) senschaftlicher Leiter: Feldwebel Jörg Einsatzgruppe „Russland Nord“ (Mai 1943 bis zur Eingliederung in das Forschungskommando „Ost“ im November 1943) Militärischer Führer Leutnant Richard Kartierungen im Gelände und Herstellung von Hoelscher Karten Wissenschaftlicher Sonderführer Dr. Arbeitsbereich: Estland, Lettland, Litauen; Leiter Ernst Preising Sitz: Riga Einsatz „Litauen“ Leutnant Richard Herstellung einer Bodenkarte von Litauen ( Juni 1943–Novem- Hoelscher ber 1943)
Tabellen
Kommando/ Einsatzgruppe Einsatz „Estland“ ( Juli 1943–Mai 1944, ab November 1944 im Rahmen des Forschungskommandos „Ost“)
Leiter Oberleutnant Heinz Ellenberg; Sonderführer Dr. Ernst Preising
367
Aufgabe (Tätigkeit und Sitz)
Bis November 1943 Trassierungen von Straßen und Feldbahnen in estländischen Moorgebieten und Bearbeitung von Unterlagen zur Geländebeurteilung für die Anlage von Siedlungen der Ölschieferindustrie. Über die Tätigkeit nach November 1943 siehe unter Forschungskommando „Ost“, Einsatzgruppe „Riga“ Einsatzgruppe „Lappland“ ( Juli-Dezember 1944) (Diese Einsatzgruppe war der Staffelführung unmittelbar unterstellt) Kommando Führer Dr. Georg Knetsch Herstellung der Karten zur Geländebeur( Juli-August 1944); teilung, 4 Blätter „Vuotso“ 1:50.000, 1 Blatt Dr. Wolfgang „Lätäseno“ 1:100.000 Pillewizer (August- Arbeitsbereich: Finnisch-Lappland (Raum Dezember 1944) Vuotso und Raum Saarenpää); Sitz: Vuotso ( Juli-August 1944), Parkkina (September 1944), Saarenpää und Inari (Oktober 1944), Rundhaug (Nord-Norwegen, November-Dezember 1944) Forschungskommando „Ost“ (November 1943 bis Mai 1945, Oktober 1943 Auswertekommando „Posen“) Kommando-Führer Sonderführer (K) Herstellung von Karten zur GeländebeurteiNikolaus Richter lung und Panzerkarten und Vorarbeiten dazu. (November 1943); Arbeitsbereich: Ostfront Oberleutnant Heinz Sitz: Posen (Oktober 1943–Januar 1945; StenEllenberg (Dedal (Februar-April 1945), Boddin (April 1945) zember 1943–Mai 1944); Leutnant Erich Otremba ( Juni 1944– Januar 1945); Leutnant Siegfried Schneider ( JanuarMai 1945) Auswertegruppe Leitung in Personal- Herstellung der Übersichtskarte zur Gelän„Posen“ union mit Komman- debeurteilung des Pripjet-Gebietes 1:300.000 (Oktober 1943–Jadoführung (November 1943 bis Januar 1944); nuar 1945) Karte zur Geländebeurteilung Blatt „Davidgrodek“ 1:100.000 ( Januar-März 1944); Karte zur Geländebeurteilung Blatt „Leningrad“ (Boden- und Reliefkarte) 1:300.000 ( Januar-Mai 1944)
368
Anhang
Kommando/ Leiter Einsatzgruppe Einsatzgruppe „Riga“ Leutnant Richard (übernommen aus der Hoelscher bisherigen Einsatzgruppe „RusslandNord“, November 1943–Juli 1944)
Aufgabe (Tätigkeit und Sitz)
Herstellung einer Karte zur Geländebeurteilung Blatt „Kurtna“ 1:50.000 in verschiedenen Versuchsdrucken; Übersichtskarte zur Geländebeurteilung Blatt „Narwa“ 1:300.000; Geländebeurteilung zu den Bildplänen des Narwa-Dreiecks 1:25.000; Untersuchungen über das Zufrieren von Mooren (Einzelarbeit Werner Jahns, Zentralstelle für Vegetationskartierung, Stolzenau) Einsatzgruppe Oberleutnant Heinz Erprobung des von Dr. Fritz Albrecht (Me„Wärmemeßgerät“ Ellenberg teorologisches Observatorium, Potsdam) (April 1944) entwickelten Gerätes auf seine Verwendbarkeit bei der Herstellung von Geländebeurteilungskarten. Befliegungen eines Moors bei Riga mit gleichzeitigen Bodenuntersuchungen und Temperaturmessungen am Boden. Einsatzgruppe „Lem- Militärischer FühHerstellung der Panzerkarte Blatt „Kowel“ berg“ rer: Hauptman 1:100.000; ( Juni-August 1944) Günther Gewehr Westliche Anschlussblätter begonnen, aber (gefallen September nicht mehr fertiggestellt 1944); Wissenschaftlicher Leiter: Oberleutnant Heinz Ellenberg Herstellung der Panzerkarte Blatt „Prosken“ Einsatzgruppe ProSonderführer Dr. sken“ Ernst Preising 1:100.000 (September-Oktober 1944) Einsatzgruppe „OsHauptman Günther Herstellung der Panzerkarte Blatt „Ostenburg tenburg“ Gewehr (gefallen und Tuskin“ 1:100.000 (September-Oktober September 1944); 1944) Oberleutnant Heinz Ellenberg Einsatzgruppe „Wien“ Oberleutnant Heinz Herstellung der Übersichtskarte zur Gelände(Oktober-Dezember Ellenberg beurteilung Blatt „Wien/Budapest“ 1:500.000; 1944) Übersichtskarte zur Geländebeurteilung Blatt „Wien/Preßburg“ 1:200.000
Tabellen
Kommando/ Einsatzgruppe Einsatzgruppe „Schröttersburg“ (Pločk) später Einsatzgruppe „Wehlau“ (Ostpreußen) (Oktober-Dezember 1944)
Leiter
369
Aufgabe (Tätigkeit und Sitz)
Sonderführer Dr. Ernst Preising
Herstellung der Panzerkarte Blätter „Schröttersburg, Leslau und Warschau-Nord“ 1:100.000; Vorarbeiten für 13 Blätter der Flusskarte für Pioniere Blatt „Schlossberg“ (Ostpreußen) 1:100.000; Vorarbeiten für die Blätter „Insterburg“, „Tilsit“, „Ortelsburg“, „Gumbinnen“ entworfen, aber nicht mehr gedruckt Einsatzgruppe Oberleutnant Heinz Vorarbeiten zur Panzerkarte Blatt „Warthbrü„Warthbrücken“ Ellenberg cken“ (nicht fertiggestellt); Dezember 1944–JaStellungsberatung gemeinsam mit der Wehrnuar 1945) geologenstelle des Generalkommandos Posen und den Angehörigen des Reichsamts für Bodenforschung (Zweigstelle Posen), des Tarnungskommandos und der Abteilung für Landeskunde des Reichsamts für Landesaufnahme (Dr. Müller-Miny) Einsatzgruppe „Ber- Leutnant Siegfried Herstellung einer Geländebeurteilungslin“ Schneider karte des Gebietes zwischen Oder und Elbe (März 1945) 1:200.000 (nur Manuskript) Einsatzgruppe „Gra- Oberleutnant Heinz Panzerfahrversuch auf dem Truppenübungsfenwöhr“ Ellenberg; platz Grafenwöhr; (Oktober-NovemOberleutnant Hans Herstellung einer Karte zur Geländebeurteiber1944) Steinlein lung des Truppenübungsplatzes (Manuskript) Einsatzgruppe „Oder“ Hauptmann Heinz Stellungsbaukarte an der Oder (Frankfurt bis ( Januar-März 1945) Tabken Küstrin, Freienwalde); Stellungsbaukarte (Prenzlau, Randowbruch) Einsatzgruppe Oberleutnant Ewald Stellungsbaukartierung im Spreewald und an „Spreewald/Elbe“ der Elbe (Dresden) (Februar-März 1945) Einsatzgruppe „Prag“ Oberleutnant Heinz Karte zur Geländebeurteilung des oberen Elbe(Februar-April 1945) Ellenberg gebietes und des nördlichen Randgebirges des böhmischen Beckens 1:200.000 (Manuskript)
Forschungskommando „Süd“ ( Januar 1944 bis Mai 1945) Kommando Führer Oberleutnant Hans Herstellung von Karten zur GeländebeurteiMortag ( Januarlung, Panzerkarten und Wasserkarten in verApril 1944); schiedenen Einsatzgruppen. Hauptmann Erwin Arbeitsbereich: Jugoslawien, Albanien, GrieBöhm (April 1944– chenland, südliche Ostalpen, Westungarn; Mai 1945) Sitz: Laibach
Anhang
370 Kommando/ Einsatzgruppe Wissenschaftlicher Leiter Einsatzgruppe „Saloniki“ ( Januar-September 1944)
Einsatzgruppe „Dalmatien“ (April-Juni 1944)
Einsatzgruppe „Laibach-Istrien“ (August-September 1944) Einsatzgruppe „Catull“ (Oktober 1944– Mai 1945)
Leiter Dr. Wolfgang Pillewizer ( Januar-Juli 1944) Oberleutnant Hans Mortag ( JanaurApril 1944); Leutnant Ferdinand Delle-Karth (AprilAugust 1944); Leutnant Lohr (August-September 1944); Wissenschaftlicher Leiter: Feldwebel Jörg Hauptmann Erwin Böhm; Wissenschaftlicher Leiter: Feldwebel Wolfgang Pillewizer
Aufgabe (Tätigkeit und Sitz)
Herstellung einer Übersichtskarte zur Geländebeurteilung Nordgriechenland und Thrazien (in drei Auflagen) 1.500.000; Karte zur Geländebeurteilung Nord-Griechenland 1:100.000 (zehn Blätter fertiggestellt, aber nicht gedruckt)
Herstellung der Karten zur Geländebeurteilung Blatt „Zara“ und Blatt „Split“ 1:200.000; Panzerkarte Blatt „Dalmatien“ 1:200.000; Karte zur Geländebeurteilung Gebiet Dalmatien 1:50.000 (ca. 8 Blätter fertiggestellt, nicht gedruckt); Wasserkarte des Adriatischen Karst 1:500.000 (in zwei Auflagen) Vermutlich Haupt- Herstellung der Übersichtskarte zur Gelänmann Erwin Böhm; debeurteilung des Raumes südlich Laibach Wissenschaftlicher 1:200.000; Leiter: Regierungs- Panzerkarte desselben Raumes 1:200.000: rat Herbert Paschin- Panzerkarte Gebiet Istrien (5 Blätter, ger 1:100.000) Leutnant Lohr; Herstellung der Karte zur Geländebeurteilung Wissenschaftlicher Gebiet norditalienische Tiefebene 1:100.000 Leiter: Feldwebel (ca. 8 Blätter gedruckt); Jörg Übersichtskarte zur Geländebeurteilung Blatt „Süd-Alpen“ 1:500.000; Wasserkarte der Poebene (Italien) 1:200.000 (in 6 Blättern, gedruckt am 24.4.1945, nicht mehr verteilt)
Tabellen
Kommando/ Einsatzgruppe Einsatzgruppe „Mendel“ (Von Einsatzgruppe „Catull“ abgezweigt, Dezember 1944– April 1945) Einsatzgruppe „Radetzky“ (Oktober-November 1944)
Einsatzgruppe „Albanien“ (August 1944– Februar 1945) Druckerei „Laibach“ ( Januar-Mai 1945)
371
Leiter
Aufgabe (Tätigkeit und Sitz)
Leutnant Lohr; Wissenschaftlicher Leiter: Dr. Ilg
Karte zur Geländebeurteilung Gebiet Süd-Alpen 1:100.000 (nur bearbeitet, nicht gedruckt)
Leutnant Klemm; Wissenschaftlicher Leiter Regierungsrat Herbert Paschinger
Karte zur Geländebeurteilung Gebiet westlich Plattensee bis über die ungarische Grenze 1:200.000; Panzerkarte desselben Gebietes 1:200.000; Panzerkarte Gebiet westlich Plattensee 1:50.000 (4 Blätter bearbeitet, aber nicht fertggestellt). Arbeitsbereich: West-Ungarn Übersichtskarte zur Geländebeurteilung Blätter „Albanien-Nord“ und „Albanien-Süd“ 1:500.000 (nur bearbeitet, nicht gedruckt). Sitz: Laibach Es wurden Karten des Gebiets südlich Laibach (1:200.000), von Istrien, sowie Wasserkarten (1:500.000) gedruckt
Hauptmann Ernst Nowak Inspektor Max Schlarbaum
Anhang
372
Kommando/ Leiter Aufgabe (Tätigkeit und Sitz) Einsatzgruppe Forschungskommando „West“ (September-Oktober 1944, Februar-Mai 1945) 1. Einsatz als „EinSonderführer Josef Der Kartierungsauftrag in Frankreich konnte satzgruppe West“ Schmithüsen wegen Verlegung der Front nicht durchgeführt (September-Oktober werden. Von Bonn aus wurde eine Kartierung 1944) des Niederrheingebietes vorbereitet, die aber ebenfalls nicht mehr durchgeführt werden konnte, in Stolzenau Herstellung der Karte zur Geländebeurteilung Großblatt „EmdenBentheim“ (Oktober 1944) 1:100.000 (Einsatz „Uhlenspiegel“) Arbeitsbereich: vorgesehen Frankreich, dann Niederrhein. Sitz: Metz, dann Bonn und Stolzenau 2. Einsatz als Forschungskommando „West“ (Februar-Mai 1945)
Leutnant Erich Otremba
Einsatzgruppe Leutnant Erich „Erlangen“ Otremba (Februar-April 1945)
Einsatzgruppe Oberleutnant „Nordwest“ Scheerer (Februar-April 1945)
Beginn verschiedener Kartierungen für Karten zur Geländebeurteilung in zwei Einsatzgruppen. Arbeitsbereich: Westdeutschland. Sitz: Erlangen Kartierung der Übersichtskarte zur Geländebeurteilung Südwestdeutschland 1:200.000 begonnen; Karte zur Geländebeurteilung Gebiet Kraichgau, Blatt „Heidelberg-Bruchsal“ 1:100.000 kartiert und angedruckt (Unterlagen durch Krieg verloren) Kartierung einer Übersichtskarte zur Geländebeurteilung von Nordwest-Deutschland 1:200.000 begonnen, nicht fertiggestellt. Mitte April 1945 arbeitete Oberleutnant Scheerer in Schleswig an einigen Blättern 1:100.000 Gebiet Schleswig-Holstein. Sitz: Stolzenau und Rheda, seit Mitte April Schleswig
Tabellen
373
Kommando/ Leiter Aufgabe (Tätigkeit und Sitz) Einsatzgruppe Kommando „Tarnung“ (April 1944–Mai 1945) Kommando Führer Oberleutnant Nils Zentrale: Tarnbelehrung (Bearbeitung und Kragh Herausgabe von Tarnanleitungen, Lehrgänge über landschaftsgerechte Tarnung); Tarntrupps: Tarnungsberatung bei Stellungsbauten (Tarnung durch Einpassung in die Landschaft und durch Begrünung mit standortgemäßer Vegetation.) Arbeitsbereich: Griechische und französische Mittelmeerküste, Atlantikküste, Ostfriesische Nordseeküste, Dänische Küsten, ab Herbst 1944 Ostfront. Sitz: Paris (April-August 1944), Lychen (September 1944–April 1945), Eutin (April-Mai 1945) Tarntrupps: „Französische Tätigkeit wie oben angegeben Mittelmeer-Küste“ (April-Mai 1944) „Französische Atlantik-Küste bzw. Hinterland“ „Griechische Küsten“ „Dänische Küsten“ „Ostfriesische Küsten“ „Ostfront“
Tätigkeit wie oben angegeben (April-August 1944) Tätigkeit wie oben angegeben (April-September 1944) Tätigkeit wie oben angegeben (April 1944–Mai 1945) Tätigkeit wie oben angegeben (Oktober 1944–Mai 1945) Tätigkeit wie oben angegeben (September 1944–April 1945) Zahlreiche kleine Tarntrupps
374
Anhang
Tabelle 9: Auswahl einiger vom BEF vergebener Forschungsprojekte und deren Bearbeiter (1943–1945)9 Name Dr. habil. Joachim Blüthgen
Institut Geographisches Institut der Universität Greifswald
Thema – Quellenauswertung für Karten zur militärischen Geländebeurteilung von Europa im Maßstab 1:1 Million (Nordeuropa: Skandinavien) Prof. Dr. Hans Geologisch– Geologische Luftbildauswertung für Cloos paläontologisches militärische Geländebeurteilungskarten Institut und Museum der – Methoden zur geologischen Universität Bonn Luftbildauswertung für militärischgeologische und lagerstättenkundliche Zwecke Prof. Dr. Wilhelm Geographisches Institut – Entwicklung der landschaftlichCredner der Universität München geographischen Luftbildauswertung für den Bereich des europäischen Russlands Prof. Dr. Theodor Institut für höhere – Umrechnung von Koordinaten Dokuli Geodäsie der TH Wien Prof. Dr. Hans Geographisches Institut – Quellenauswertung für Karten zur Dörries der Universität Münster militärischen Geländebeurteilung von Europa im Maßstab 1:1 Million (Westeuropa: Britische Inseln) Prof. Dr. Richard Geodätisches Institut der – Geodätisch-topographische Auswertung Finsterwalder TH Hannover von Luft- und Erdbildern einschließlich der topographischen Grundlagen für Karten zur militärischen Geländebeurteilung – Erprobung des Phototheodolit TAL und des Kleinautographen auf erreichbare Genauigkeit im Gebirge Dr. Hans Graul Leiter der Sektion – Landeskundliche Untersuchungen im Landeskunde am Institut „Ostraum“ für Deutsche Ostarbeit Prof. Dr. Helmuth Geographisches Institut – Quellenauswertung für Karten zur Kanter der Universität Marburg militärischen Geländebeurteilung von Europa im Maßstab 1:1 Million (Südeuropa: Italien) Prof. Dr. Hugo Geodätisches Institut, – Mitarbeit an der Herstellung gefugter Kasper Lehrstuhl für Raumbildpläne zur militärischen Vermessungswesen II der Geländebeurteilung und deren TH Brünn Weiterentwicklung Prof. Dr. Hans Geographisches Institut – Reliefkartierung der Schweiz im Rahmen Kinzl der Universität Innsbruck der militärischen Geländebeurteilung
Tabellen
Name Prof. Dr. Walther Kubiena Prof. Dr. Hans Kuron
Dr. Edgar Lehmann
Dr. Egon Lendl
Institut Institut für Geologie und Bodenkunde der Hochschule für Bodenkultur in Wien Bodenkundliches Institut der Universität Berlin
Kartographische Anstalt des Bibliographischen Instituts der Universität Leipzig (Meinersdorf/ Erzgebirge) Geographisches Institut der Universität Wien
Prof. Dr. Herbert Louis
Geographisches Institut der Universität Köln
Prof. Dr. Otto Maull
Geographisches Institut der Universität Graz („Spezialinstitut für Balkanforschung“)
Prof. Dr. Friedrich Metz
Geographisches Institut der Universität Freiburg
Dr. Hans Meyer
Reichsamt für Landesaufnahme in Berlin
375
Thema – Bodenkundliche Bearbeitung verschiedener Kartenblätter des DonauAlpen-Raumes im Maßstab 1:75.000 – Untersuchungen über die Verwendungsmöglichkeit des Luftbildes in der bodenkundlichen Forschung und Entwicklung der bodenkundlichen Luftbildauswertung, zur Beschaffung von Unterlagen für die Herstellung von Geländebeurteilungskarten – Erarbeitung kartographischer Methoden zur Herstellung von Karten zur militärischen Geländebeurteilung – Länderkundliche Bearbeitung der Narentafurche (Dalmatien) unter Berücksichtigung der für die militärische Auswertung wichtigen Gesichtspunkte – Quellenauswertung für Karten zur militärischen Geländebeurteilung von Europa im Maßstab 1:1 Million (Südeuropa) – Herausarbeitung der wehrgeographisch bedeutsamen landeskundlichen Elemente Nordgriechenlands – Quellenauswertung für Karten zur militärischen Geländebeurteilung von Europa im Maßstab 1:1 Million (Südeuropa: Balkan) – Quellenauswertung für Karten zur militärischen Geländebeurteilung von Europa im Maßstab 1:1 Million (Westeuropa) (Mitarbeiter: Dr. habil. Storm) – Kartographisch-technische Entwicklung des Druckes von Geländebeurteilungskarten in verschiedenen Maßstäben
Anhang
376 Name Prof. Dr. Emil Meynen
Institut Reichsamt für Landesaufnahme in Berlin
Thema – Erarbeitung eines geographischen Luftbildleseschlüssels aus Luftbildern – Erarbeitung von landeskundlichen Unterlagen zur militärischen Geländebeurteilung und der Methodik ihrer Darstellung Prof. Dr. Sieghart Geographisches Institut – Länderkundliche Bearbeitung des Gebietes Morawetz der Universität Graz Zara-Split-Knin (dalmatinische Küste) unter Berücksichtigung der militärischen Geländebeurteilung Prof. Dr. Hans Geographisches Institut – Quellenauswertung für Karten zur Mortensen der Universität Göttingen militärischen Geländebeurteilung von Europa im Maßstab 1:1 Million (Westeuropa) (Mitarbeiter Dr. habil. MüllerWille) Dr. habil. Heinrich Reichsamt für – Erarbeitung eines geographischen Müller-Miny Landesaufnahme in Luftbildleseschlüssels aus Luftbildern Berlin – Erarbeitung von landeskundlichen Unterlagen zur militärischen Geländebeurteilung und der Methodik ihrer Darstellung Prof. Dr. Hans Hochschularbeitsge– Quellenauswertung für Karten zur militäSpreitzer meinschaft für Raumfor- rischen Geländebeurteilung von Europa im schung, Geographisches Maßstab 1:1 Million (Südeuropa: Balkan) Institut der Universität Prag Prof. Dr. Paul W. Geologisch– Erarbeitung der Übersichtskarte zur Thomson Paläontologisches Institut wehrgeographischen Geländebeurteilung der Universität Posen von Europa Maßstab 1:1 Million (Blatt Ost) Prof. Dr. Carl Troll Geographisches Institut – Erschließung der ausländischen Literatur der Universität Bonn über geographisch-geomorphologische Luftbildauswertung Prof. Dr. Reinhold Zentralstelle für – Erarbeitung pflanzensoziologischer Tüxen Vegetationskartierung des Unterlagen für militärische Reiches in Hannover Geländebeurteilungskarten und Entwicklung der Methode pflanzensoziologischer Luftbildauswertung Dr. Friedrich Präsident der – Bearbeitung von Problemen für Vilbig Forschungsanstalt der Bodenwellenausbreitung für Erfordernisse Deutschen Reichspost der Nachrichtentruppe Prof. Dr. Artur Geologisches Institut der – Geologische und bodenkundliche Winkler von TH Prag Bearbeitung des Raumes Plattensee-GrazHermaden Varasdin
Tabellen
377
Tabelle 10: Verstecke der Forschungsstaffel zur „Sicherung“ ihres Forschungsmaterials (1945)10 Verlagerungsorte Bergakademie Clausthal (Harz)
Harburg (Schwaben) Wemding (Schwaben), Pfarrhaus Kloster Ottobeuren (Oberbayern)
Material – Afrika-Material der „Gruppe Forschung“ des Sonderkommandos Dora (Aufnahmen, Karten, Akten, Geräte) – Koffer mit Material der Lappland-Unternehmung der Forschungsstaffel – Europäisches Kartenmaterial der Forschungsstaffel – Feldausrüstungen (z.B. Zelte, Bekleidung, Fotoapparate) – Tropenkoffer (vergraben in einem Wald) mit Akten und Kartenmaterial – Bücher, Karten und Luftbilder des Kommandos „Theo“
– Bücher, Bilder, Karten und Luftbildpläne – Schreibmaschinen, Fotoapparate, Foto– und Kinomaterial Schloss Schorn bei Pöttmes – Sämtliche Fliegerfilme der Forschungsstaffel (etwa 100 (nördlich von Augsburg) Dosen) – Fotografische Geräte für Entwicklung und Kopie von Filmen Schloss Bruck – Geräte, Luftbilder, Karten- und Aktenmaterial des (bei Lienz in Kärnten) Kommandos „Süd“ der Forschungsstaffel; Afrika-Material des „Sonderkommandos Dora“ Hotel Sonnhof – Luftbilder, Karten- und Aktenmaterial des (Thumersbach, Zell am See) „Sonderkommandos Dora“ – Material des Kommandos „Süd“ der Forschungsstaffel (Karstgebiete) Klagenfurt (Museum) – Luftbilder des Kommandos „Süd“ der Forschungsstaffel Dorf in der Nähe von Kaltern – Luftbilder und Karten des Kommandos „Süd“ der (Bozen, Südtirol) Forschungsstaffel (Einsatzgruppe „Mendel“) Seeham bei Mattsee (Salzburg) – Luftbilder und Karten des Kommandos „Süd“ der Forschungsstaffel (Albanienkarten im Haus des Geologen Dr. Nowack) Waldgut Hansen bzw. Gut Arnim – Luftbilder und Akten des Kommandos „Ost“ der (bei Stendal) Forschungsstaffel Geographische Universitäts– Verschiedene Karten der Forschungsstaffel (getarnt als Institute Materialien der Lehrsammlungen in Erlangen, Tübingen, Innsbruck, TH München) Privat – Verschiedene Karten der Forschungsstaffel (SchulzKampfhenkel, Richter, Otremba, Huttenlocher, Pillewizer)
378
Anhang
Tabelle 11: Wissenschaftlicher Werdegang einiger ehemaliger Mitglieder des „Sonderkommandos Dora“ und der Forschungsstaffel z.b.V. in der Zeit nach 194511 Name Fritz Bartz (1909–1969)12
Hans Bobek (1903–1990)13
Walter Arthur Brucklacher (1910–1995)14
Sonderkommando Dora / Forschungsstaffel z.b.V. – Forschungskommando „Ost“ der Forschungsstaffel (ab Spätsommer 1944)
Wissenschaftliche Stationen nach 1945
– 1946–1949 Dozent Universität Kiel – 1949 Lehrstuhl für Wirtschaftsgeographie an der Universität Bonn – 1960 Lehrstuhl für Geographie (II) an der Universität Freiburg – Kartenoffizier in der – 1946–1948 Lehrstuhl für Geographie an Forschungsstaffel z.b.V. der Universität Freiburg – Forschungskommando – 1949–1951 Wirtschaftsuniversität Wien „Süd“ – 1951–1971 Lehrstuhl für Geographie an der Universität Wien – Bildoffizier im „Sonder- – 1945–1947 amerikanische „Photogrammekommando Dora“ und in try School“ in München der Forschungsstaffel z.b.V. – bis 1974 Wissenschaftler in der Abteilung „Geo/Bms“ des Zeiss-Werks in Oberkochen – Forschungskommando – 1969 Vorstand der Landesplanung und Stati„Süd“ (ab 1944) stik im Amt der Tiroler Landesregierung – Forschungskommando – 1961–1964 Direktor des Botanischen Gar„Ost“ (ab 1944) tens in Berlin
Otto Csikos (1909–2002)15 Friedrich Walter Domke (1899–1988)16 Heinz Ellenberg – Einsatzgruppe „Russland (1913–1997)17 Nord“ der Forschungsstaffel (ab 1943) – Forschungskommando „Ost“ (ab 1944) – Mitglied des „SonderRudolf Heinkommando Dora“ rich Fritsch (1911–1962)18
Wilhelm Grote- – Vertreter des Leiters der Forschungsstaffel z.b.V. lüschen (1904–1977)19
– 1953 Professur an der Universität Hamburg – 1958 Lehrstuhl für Geobotanik an der ETH Zürich – 1966 Lehrstuhl für Geobotanik an der Universität Göttingen – Kommilitone von Schulz-Kampfhenkel in Wien – Mitbegründer der Forschungsgruppe SK 1932 – 1953 apl. Professor Universität Gießen – 1958 Scientific Officer im Naturwissenschaftlichen Verbindungsbüro der UNESCO für Südasien (Neu-Delhi) – Rektor und Professor für Erdkunde an der Pädagogischen Hochschule Oldenburg
Tabellen
Name Wolfgang Hartke (1908– 1997)20 Friedrich Huttenlocher (1893–1973)21 Georg Knetsch (1904–1997)22
Friedrich Karl Mixius (1911– 1989)23 Erich Oberdörfer (1905– 2002)24
Erich Otremba (1910–1984)25
Herbert Paschinger (1911–1992)26
Sonderkommando Dora / Forschungsstaffel z.b.V. – Kommando „Tarnung“ der Forschungsstaffel z.b.V. – Forschungsauftrag bei Carl Troll über Luftbildauswertung – Mitglied der Staffelführung der Forschungsstaffel z.b.V. – Mitglied des „Sonderkommando Dora“
379
Wissenschaftliche Stationen nach 1945 – 1948 apl. Professor am Geographischen Institut der Universität Frankfurt am Main – 1952–1973 Lehrstuhl für Sozialgeographie an der TH München
– 1949–1961 apl. Professor am Geographischen Institut der Universität Tübingen (ab 1957 Lehrstuhlinhaber) – 1949 apl. Professor an der Universität Bonn – 1951–1953 Lehrstuhl für Geologie an der Universität Kairo (Ägypten) – 1953–1955 Geologisches Institut der Universität Köln – 1955–1972 Lehrstuhl für Geologie an der Universität Würzburg (1960–1963 auch Rektor) – Mitglied des „Sonder– Regierungsgeologe am Niedersächsischen kommando Dora“ Landesamt für Bodenforschung in Hannover – 1966–1975 Wissenschaftlicher Direktor an der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (Auslandsabteilung) in Hannover – Mitglied der Forschungs- – 1947–1958 Leiter (Konservator) an der kommandos „Ost“ und Landesstelle für Naturschutz in Nordbaden „Süd“ der Forschungsstaf- – 1947–1970 Leiter der Landessammlungen fel z.b.V. für Naturschutz in Karlsruhe – 1962 Honorarprofessor an der forstlichen Fakultät der Universität Freiburg (dort Lehrauftrag seit 1950) – Leiter der Forschungs– 1947–1950 Lehrstuhl für Geographie an kommandos „Ost“ und der Universität Erlangen (Vertretung) „West“ der Forschungsstaf- – 1951–1963 Direktor der Wirtschaftsfel z.b.V. geographischen Abteilung des Instituts für Geographie und Wirtschaftsgeographie an der Universität Hamburg – 1963–1976 Lehrstuhl für Wirtschafts- und Sozialgeographie an der Universität Köln – Mitglied des Forschungs- – 1948 Dozent am Geographischen Institut kommandos „Süd“ der der Universität Innsbruck Forschungsstaffel z.b.V. – 1958–1981 Lehrstuhl für Geographie an der Universität Graz
380 Name Wolfgang Pillewizer (1911– 1999)27
Nikolaus Benjamin Richter (1910–1980)28
Josef Schmitüsen (1909– 1984)29
Ludwig Zöhrer (1906–1983)30
Anhang Sonderkommando Dora / Forschungsstaffel z.b.V. – Mitglied des „Sonderkommando Dora“ – Mitglied des Forschungskommandos „Süd“ und der Einsatzgruppe „Lappland“ der Forschungsstaffel z.b.V. – Mitglied des „Sonderkommando Dora“ – Mitglied des Forschungskommandos „Ost“ und der Staffelführung der Forschungsstaffel z.b.V. – Mitglied des Forschungskommandos „Ost“ und der Staffelführung der Forschungsstaffel z.b.V. Linguist und Ethnologe im „Sonderkommando Dora“: Kontaktmann zu den Italienern und zur arabischen Bevölkerung
Wissenschaftliche Stationen nach 1945 – 1948 technischer Leiter der geographischkartographischen Anstalt in München, – 1958 Lehrstuhl für Kartographie an der TH Dresden – 1971–1981 Lehrstuhl für Kartographie und Reproduktionstechnik an der Technischen Universität Wien – 1948–1960 Leiter der Sternwarte Sonneberg/ Thüringen – 1960 Leiter des Karl-Schwarzschild-Observatoriums Tautenburg – 1966–1975 Professor an der Deutschen Akademie der Wissenschaften der DDR – 1948–1962 Geographisches Institut der TH Karlsruhe (seit 1959 ordentlicher Professor) – 1963–1977 Lehrstuhl für Kultur- und Wirtschaftsgeographie an der Universität Saarbrücken – 1948/49 Reisen nach Nordafrika im Auftrag des Musée d’Ethnographie in Neuchatel/ Schweiz – 1951/52 Mitarbeiter des österreichischen Handelsministeriums – 1952–1954 im Auftrag der UNESCO Aufbau der Erwachsenenbildung in Libyen – bis Mitte 1960er Jahre im gleichen Auftrag in Somalia, Kenia, Sudan, Ägypten, Afghanistan und Laos
1.ZentraleVerwaltungallernichtͲ militärischenFinanzierungsͲ, BeschaffungsͲundPerson.angel. 2.LagervonForschungsgerätund Ͳmaterial 3.Wissenschaftl.ArchivundBücherei
Kriegsaufgaben*
undFestPiStäben)
MeldedienstundKleinkampfverbände desRSHAundimRFR)
(imAufbau) 5.PhotographischesLabor
4.ZentralstellefürLuftbildauswertung
(*DieeigentlicheAufgabeder Kdo.Flugbereitschaft(mitabgestelltenForschungsgruppee.V.imFrieden FlugzeugenbeidenForschungskdos.) liegtinderDurchführungüberͲ Kdo.Bildoffizier(mitabgestellten seeischerExpeditionen) PhotogrammeternbeidenForsch.kdos.) Kdo.Inf.mot.(mitabgestelltenKfZund MannschaftenbeidenKommandos)
4.Luftkroki Großflächenbildflug Raumbildplan VersorgungderKdos.mitKfZ,Wund GundmilitärischesPersonal
Auswertungskdo.I/Theo(mit AussenstellenindenGliederungen
Gliederung
3.KriegsgeographischerBeratungsͲ DienstfürhöhereFührung;Geh.
ForschungskommandoOst ForschungskommandoSüd ForschungskommandoWest (mitunterstelltenEinsatzͲ gruppenbeiHeeresgruppen undArmeen) Kdo.Tarnung(mitunterstellten TarntruppsbeiHeeresgruppen
1.WehrwissenschaftlicheGeländeͲ BeurteilungderhöherenFührung undkämpfendenTruppe KartenzurGeländebeurteilung PanzerͲundLuftlandekarten BildplänezurGeländebeurteil. 2.TarnͲundGeländeberatungim StellungsͲundFestungsbau
Aufgaben
ForschungsfachlicherGeneralauftrag
Reichsmarschall als PräsidentdesRFR
militärischeAufträge
ChefOKWalsPräsidialratsmitglieddesRFR OKW/WFSt OKH/Gen.St.d.H.u.unterstellteHeeresgruppenundAOK’s OKL/FüStundOKMPiWa
undWissensquellen
vorhandenenLandeskenner
2.durchErfassungund AuswertungallerimReich
LaufendeUnterstützungder Forschungsstaffelz.b.V. 1.durchGrundlagenforschung zurWeiterentwicklungder wissenschaftlichenMethoden einerneuzeitlichenKriegsͲ geländekunde
Aufgaben
(Leiter:Prof.Dr.HansSpreitzer,Prag) ArbeitskreisLandekundeSüd (Leiter:Prof.Dr.OttoMaull,Graz) ArbeitskreisLandeskundeWest (imAufbau) WeitereArbeitskreisevorgesehen.
ArbeitskreisLandeskundeOstII,Südl.Abschn.
ArbeitskreisLandekundeOstI,Nördl.Abschn. (Leiter:Prof.Dr.HeinrichWalter,Posen)
(vorl.Leiter:Dr.NikolasB.Richter,Berlin)
Arbeitskreis:Luftbildforschung (Leiter:Prof.Dr.CarlTroll,Bonn) Arbeitskreis:Kriegsgeländekarte (Leiter:Prof.Dr.HansBobek,Berlin) Arbeitskreis:Raumbildplan (Leiter:Dipl.Ing.WalterBrucklacher,Liegnitz) Arbeitskreis:Vegetationskartierung (Leiter:Prof.Dr.ReinholdTüxen,Hannover) Arbeitskreis:WetterͲundBodenzustand
Gliederung
ZentraleFührungvonGemeinschaftseinsätzenderErdwissenschaftenzurReichsverteidigung DerBeauftragtefürSonderaufgabendererdkundlichenForschungimFührungsstabdesRFR Gleichzeitig:FührerderForschungsstaffelz.b.V.(VorsitzenderForschungsgruppee.V.)und BeauftragterdesOKHfürdieFederführungderWehrgeographischenKriegskarte IagleichzeitigIc VerbindungsoffizierWehrgeologie LeitungForschungsgruppee.V. LeitungArbeitsgemeinschaftfürwehrwissenschaftliche GeländeforschungimRFR StellvertreterdesVorsitzenden StellvertreterdesBeauftragten (z.Zt.unbesetzt) (GleichzeitigIaWiss.derForschungsstaffelz.b.V.) Geschäftsführer StellvertreterinVerwaltungsfragen
Aufträge
ReichsführerSS alsPräsidialratsmitglieddesRFR RSHAMil.Amt ÜbrigeHauptämter Sd.Kdo.Dora desRFSS
Truppendienstl.UnterstellungderForschungsstaffelz.b.V.
BefehlsstelleForschungsstaffelz.b.V. StellvertretenderStaffelführer Ia.Wiss(gleichzeitigStellv.desBeauftragten) Ib;Ausbildungsoffizier Panzerverbindungsoffizier;ForstverbindungsͲ offizier,Kartenoffizier
:RFR :milit.Bereich
Tabellen 381
Organisationsschema des BEF, Ende 194431
382
Anhang
Anmerkungen 1
2
3 4
5
6
7
8
Vgl. Leonhard Brandstätter/Günther Caulier-Eimbcke/Werner Göpner/Erich Otremba/ Wolfgang Pillewizer/Josef Schmithüsen/Siegfried Schneider: Organisation, Chain of Command and Interrelations of Forschungsstaffel, Forschungsgruppe, Sonderkommando Dora and Kommando Theo, and Source of Revenue of Forschungsgruppe, hier: Report IV: Kommando Theo, 5.2.1947, National Archives London/Kew (NAL, Kew), FO 1031/95 (unp.); Fritz Hölzel: Bericht über eine militär-kartographische Dienststelle in Rheda 1941–45, 1969, Ordner „Forschungsstaffel z. b. V.“, Akten Dr. Willy Eggers (1970), Militärhistorisches Museum der Bundeswehr (MHM), Dresden, Inv.-Nr. BBAL4095/Theodor Müller-Bestand; Bericht von Heinrich Voppel über die Dienststelle „Theo“, 1969, Ordner „Verschiedene kleine Dienststellen und Einheit C, Dora“, ebd. Vgl. Bericht von Günther Caulier-Eimbcke an Major Tilly betr. seinen Lebenslauf und seine Tätigkeit (hier Punkt 5a: Reisen im Rahmen meiner Aufgaben von 1941 bis 1945), 17.11.1946, NAL (Kew), FO 1031/114 (unp.). Vgl. Nikolaus B. Richter: Kriegstagebücher 1942, 2 Teile (unveröffentlicht), Archiv Rolke. Vgl. Nikolaus B. Richter: Unvergessliche Sahara. Als Maler und Gelehrter durch unerforschte Wüste, hg. von Michael Rolke, München 1999, S. 215; Bericht von Wolfgang Pillewizer: Sonderkommando Dora (Special Unit Dora), S. 1, 20.7.1946, NAL (Kew), FO 1031/110 (unp.); Schmidt, Ludwig F.: Schulz-Kampfhenkel Combination Mapping Method, BIOS Interrogation Report No. 178, 4.10.1946, Imperial War Museum (IWM) Duxford, S. 8. Vgl. Anlage 2 zum Organisationsplan des Beauftragten für Sonderaufgaben der erdkundlichen Forschung, 6.7.1943, BArch Berlin, R 26 III/33, Bl. 6 f.; Vermerk über eine Sitzung beim Reichskommissar für das Ostland betr. die Zusammenarbeit mit der Forschungsgruppe Schulz-Kampfhenkel, 4.6.1943, BArch Berlin, R 90/359 (unp.). Anlage zur Dienstanweisung für den Arbeitsbereich des BEF, 24.7.1943, BArch Berlin, R 26 III/180 (unp.). Vgl. auch Brief des Hauptarbeitsgruppenleiters des Einsatzstabes Reichsleiter Rosenberg (Kiew/Ukraine), Stabseinsatzführer Anton, an den Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg (Abteilung II b), Berlin, 1.6.1943, BArch Berlin, NS 30/9; Bericht: Organization, Chain of Command an Interrelations of Forschungsstaffel, Forschungsgruppe, Sonderkommando Dora and Kommando Theo and Source of Revenue of Forschungsgruppe, S. 22–24, 2.5.1947, NAL (Kew), FO 1031/95 (unp.). Vgl. Die Monatsberichte des BEF für den Zeitraum von August 1943 bis November 1944, BArch Berlin, R 26 III/205 (unp.); Halbjahresbericht des BEF für die Zeit vom 1.7. bis 31.12.1944, 7.1.1945, BArch Berlin, R 26 III/219, Bl. 11–22. Vgl. auch Hermann Häusler: Forschungsstaffel z.b.V. Eine Sondereinheit zur militärgeographischen Beurteilung des Geländes im 2. Weltkrieg, Wien 2007, S. 102 f.; Bericht: Organization, Chain of Command an Interrelations of Forschungsstaffel, Forschungsgruppe, Sonderkommando Dora and Kommando Theo and Source of Revenue of Forschungsgruppe, S. 25–28, 2.5.1947, NAL (Kew), FO 1031/95. Vgl. Bericht: Organization, Chain of Command an Interrelations of Forschungsstaffel, Forschungsgruppe, Sonderkommando Dora an Kommando Theo and Source of Revenue of Forschungsgruppe, S. 3–21, 2.5.1947, NAL (Kew), FO 1031/95; Bericht von Wolfgang
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Pillewizer: Forschungsstaffel z.b.V., ohne Datum (um 1946), Ordner „Forschungsstaffel z. b. V.“, Akten Dr. Willy Eggers (1970), Militärhistorisches Museum der Bundeswehr (MHM), Dresden, Inv.-Nr. BBAL4095/Theodor Müller-Bestand. Vgl. BArch Berlin, R 26 III/6, 14, 18, 24, 33, 34, 172, 180, 205, 219, 273, 276, 278, 279, 282, 438a. Vgl. auch Liste: Persons who worked at research tasks of the Reichsforschungsrat, Beauftragter für Sonderfragen der erdkundlichen Forschung, 1947, NAL (Kew), FO 1031/95; Bericht: Organization, Chain of Command an Interrelations of Forschungsstaffel, Forschungsgruppe, Sonderkommando Dora and Kommando Theo and Source of Revenue of Forschungsgruppe, S. 30 f., 2.5.1947, ebd. Vgl. Bericht von Wolfgang Pillewizer: Hiding Places of Forschungsstaffel Materials, 17.7.1946, NAL (Kew), FO 1031/110; Bericht von Josef Schmithüsen: Details of all Hiding Places and Places of Storage, 22.7.1946, NAL (Kew), FO 1031/111; Bericht von Caulier-Eimbcke betr. Verstecke etc. (Blatt 18 zum Bericht an Herr Major Tilley, Bericht A), 17.11.1946, NAL (Kew), FO 1031/114; Bericht von Siegfried Schneider: List of Locations of Forschungsstaffel Material, 17.11.1946, NAL (Kew)/FO 1031/116. Die Angaben über das Sonderkommando „Dora“ und die Forschungsstaffel z.b.V. beziehen sich auf Manfred Schlesinger: Sonderkommando Dora, Forschungsstaffel z. b. V., 15.10.1945, NAW, RG 319, IRR (Impersonal File), Box 38; Günter Caulier-Eimbcke: Report concerning the persons who worked with Forschungsstaffel, Sonderkommando Dora and Kommando Theo, 5.2.1947, NAL (Kew), FO 1031/95. Vgl. Heinz Peter Brogiato: Fritz Bartz, in: Thomas Adam (Hg.): Germany and the Americas. Culture, Politics, and History, Santa Barbara 2005, S. 119. Vgl. Benno Werlen: Sozialgeographie, Bern 32008, S. 106. Vgl. Zeitschrift für Vermessungswesen, Band 100 (1975), Ausgaben 1–12, S. XIV; Bildmessung und Luftbildwesen 47/48 (1970), S. 196, 260; Dierk Hobbie: The development of photogrammetric instruments and methods at Carl Zeiss in Oberkochen (Deutsche Geodätische Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Reihe E Geschichte und Entwicklung der Geodäsie, Nr. 30), München 2010 (http://www.isprs.org/society /history/ Hobbie-The-development-of-photogrammetric-instruments-and-methods-at-Carl-Zeiss-inOberkochen.pdf, 21.1.2011). Vgl. Adolf Leidlmair: Hofrat Dr. Otto Csikos zum Gedenken, in: Innsbrucker Jahresbericht der Innsbrucker Geographischen Gesellschaft 2001/2002, S. 233–236. Vgl. Johannes Gerloff/Edith Raadts/Friedrich Karl Timler: Dr. Friedrich Walter Domke (19. 10. 1899–28. 7. 1988), in: Willdenowia, Bd. 19 (1989), Heft 1, S. 5–12. Vgl. F. Klötzli: Nachruf auf Heinz Ellenberg (1913 bis 1997), in: Schweizerische Zeitschrift für Forstwesen 149 (1998) Heft 3, S. 209–211. Information des Archivs der Universität Gießen an Michael Rolke. Vgl. auch Naturwissenschaftliche Rundschau 14/15 (1961), S. 124. Vgl. Heinrich Besuden: Als Mathematikdidaktiker unter Pädagogen, in: Bernhard Möller (Hg.): Geschichte der Pädagogik an der Universität Oldenburg in Autobiographien, Bd. 2, Oldenburg 2007, S. 9–34, hier S. 22. Vgl. Benno Werlen: Sozialgeographie, Bern 32008, S. 132. Vgl. Karl Heinz Schröder: Studien zur südwestdeutschen Landeskunde. Festschrift zu Ehren von Friedrich Huttenlocher anlässlich seines 70. Geburtstages, Bad Godesberg 1963; Her-
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Anhang mann Grees: Friedrich Huttenlocher, in: Bernd Ottnad (Hg.): Baden-Württembergische Biographien, Bd. 1, Stuttgart 1994, S. 157–159; Jürgen Klöckler: Abendland – Alpenland – Alemannien. Frankreich und die Neugliederungskommission in Südwestdeutschland 1945– 1947, München 1998, S. 212. Vgl. Häusler: Forschungsstaffel, S. 172. Information von W. A. Mixius an Michael Rolke. Vgl. auch Neues Jahrbuch für Geologie und Paläontologie (Monatshefte) 1976, S. 704. Vgl. Prof. Dr. Dr. h.c. Erich Oberdörfer †, in: Carolinea. Beiträge zur naturkundlichen Forschung in Südwestdeutschland 61 (2003), S. 229–234; Bärbel Häcker: Erich Oberdorfer. Portrait, in: 50 Jahre Naturschutzgeschichte in Baden-Württemberg, Stuttgart 2004, S. 260 f. Vgl. Gerhard Oberbeck: „Otremba, Erich“, in: Neue Deutsche Biographie 19 (1999), S. 648 f. [Onlinefassung] URL: http://www.deutsche-biographie.de/artikelNDB_pnd118590685. html, 21.1.2011. Vgl. W. Leitner: Paschinger, Herbert (zum Gedenken), in: Mitteilungen des Naturwissenschaftlichen Vereins für Steiermark 123 (1993), S. 5; Häusler: Forschungsstaffel, S. 176. Vgl. Häusler: Forschungsstaffel, S. 176–178. Vgl. auch http://www.aeiou.at/aeiou.encyclop.p/ p460122.htm, 21.1.2001. Vgl. Michael Rolke: „Wüstenvirus“, Wissenschaft und das „Sonderkommando Dora“. Nachwort, in: Nikolaus Benjamin Richter: Unvergessliche Sahara. Als Maler und Gelehrter durch unerforschte Wüste, hrsg. und mit einem Nachwort von Michael Rolke, München 1999, S. 213–239; Matthias Richter: Prof. Dr. Nikolaus Benjamin Richter (05.02.1910–26.11.1980). Astronom, Dessau 2004, http://www.freundeskreis-stadtarchiv.net/richter_nikolaus _benjamin.pdf, 21.1.2011. Wolfgang Müller: Schmithüsen, Gerhard Franz Josef, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 23, Berlin 2007, S. 232 f. Vgl. Ludwig Zöhrer: Curriculm Vitae, 3.6.1955, Archiv der Universität Wien, Institut für Ethnologie, A.1.4 (9); ders.: Lebenslauf, undatiert [ca. 1955], ebd.; Information von Georg Zöhrer, Archiv Rolke. Vgl. BArch Berlin, R 26 III/219.
Autorenverzeichnis Dr. Wolfgang Davis, Studium der Anglistik und Russistik an der Freien Universität Berlin, 1995 Promotion. Seit 1986 Programmgestaltung von Filmreihen für zahlreiche didaktische und wissenschaftliche Einrichtungen. Filmkritiken als freier Mitarbeiter für Printmedien und Radio. 1996 Begründer des internationalen EthnoFilmfestes Berlin. Seit 1996 Lehrbeauftragter für Visuelle Anthropologie am Institut für Ethnologie der Freien Universität Berlin. Arbeitet als Museumspädagoge für Film und Medien bei den Staatlichen Museen zu Berlin. Jüngste Projekte sind der Entwicklung von didaktischen Medien im Bereich Islam und Europäische Kulturen gewidmet. [email protected] Dr. Renzo S. Duin, Studium der Archäologie und Anthropologie an den Universitäten in Leiden (NL) und Florida (USA). Feldforschungen unter den Wayana in Surinam und Französisch-Guayana, danach ethnographische, ethno-historische und archäologische Forschungen über die materielle Kultur und sozialpolitische Organisation der Wayana. 2009 PhD. 2010 ausgezeichnet mit dem NWO-VENI Förderpreis. Publikationen u. a.: Maluwana, pinnacle of Wayana art in Guyana, in: BaesslerArchiv, 54 (2006), S. 119–144; Wayana Socio-Political Landscapes: Multi-scalar regionality and temporality in Guiana. Ph.D. University of Florida 2009, http://etd. fcla.edu/UF/UFE0041100/duin_r.pdf. [email protected] Dr. Manuela Fischer, Studium der Kunstgeschichte und Altamerikanistik in Montpellier und Berlin. 1989 Promotion an der Freien Universität Berlin mit dem Thema: Ordnungsprinzipien in den Mythen der Kágaba (Sierra Nevada de Santa Marta, Colombia). Leiterin der Sammlung Archäologie Südamerikas am Ethnologischen Museum, Staatliche Museen zu Berlin. Veröffentlichungen u. a.: La misión de Max Uhle para el Museo Real de Etnología de Berlín (1892–1895), in: Peter Kaulicke/Manuela Fischer/Peter Masson/Gregor Wolff (Hg.): Max Uhle (1856–1944). Evaluación de sus investigaciones y obras, Lima 2010; (mit Peter Bolz/Susan Kamel) Adolf Bastian and his Universal Archive of Humanity. The Origins of German Anthropology, Hildesheim 2007. [email protected]
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Dr. Sören Flachowsky, Studium der Neueren und Neuesten Geschichte, Bibliotheksund Dokumentationswissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin, 2005 Promotion. Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Wissenschaftsgeschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin. Von 2000–2006 Mitarbeiter im Forschungsprojekt Geschichte der Deutschen Forschungsgemeinschaft 1920–1970. Forschungsgebiete Wissenschafts- und Technikgeschichte. Veröffentlichungen u. a.: Von der Notgemeinschaft zum Reichsforschungsrat. Wissenschaftspolitik im Kontext von Autarkie, Aufrüstung und Krieg, Stuttgart 2008; Krisenmanagement durch institutionalisierte Gemeinschaftsarbeit. Zur Kooperation von Wissenschaft, Industrie und Militär zwischen 1914 und 1933, in: Michael Grüttner/Rüdiger Hachtmann/Konrad H. Jarausch/Jürgen John/Matthias Middell (Hg.): Gebrochene Wissenschaftskulturen. Universität und Politik in 20. Jahrhundert, Göttingen 2010, S. 83–106. [email protected] Dr. Richard Haas, Studium der Altamerikanistik, Ur- und Frühgeschichte und Geschichte an der Freien Universität Berlin, 1983 Promotion, Lehrbeauftragter am Lateinamerika-Institut der Freien Universität Berlin, Assessor des Bibliotheksdienstes. Seit 1987 wissenschaftlicher Angestellter am Ethnologischen Museum, seit 1989 Kustos und Abteilungsleiter, zuständig für die Sammlungen zur südamerikanischen Ethnologie, seit 2002 stellvertretender Direktor des Ethnologischen Museums, Staatliche Museen zu Berlin. Zahlreiche Publikationen zu Themen der Sammlungen und Sammlungsgeschichte des Ethnologischen Museums. Diverse Ausstellungen, zuletzt „Vodou. Kunst und Kult aus Haiti“ und „Grete Stern. Vom Bauhaus zum Gran Chaco – Fotoreportagen im Norden Argentiniens (1958–1964)“. [email protected] PD Dr. Michael Ohl, Studium der Biologie, Philosophie und Wissenschaftsgeschichte in Kiel und Göttingen, 2007 Promotion an der Universität Göttingen. Seit 1997 Kurator am Museum für Naturkunde, Berlin. Derzeit dort Sektionsleiter Entomologie und Stellvertretender Leiter der Abteilung Sammlungen. Mitveranstalter der „Filmwelten der Wissenschaft“ am Museum für Naturkunde. 2010 Habilitation in Zoologie an der Humboldt-Universität zu Berlin. Forschungsschwerpunkte sind die Systematik und Evolution von Insekten sowie die Geschichte und Theorie der Biologie, insbesondere der biologischen Systematik und Evolution. Publikationen u.a.: Principles of Taxonomy and Classification – Current procedures for naming and classifying organisms, in: Winfried Henke/Ian Tattersall (Hg.): Handbook of Palaeoanthropology, Berlin 2007, S. 141–166; (mit P. Spahn) A cladistic analysis of
Autorenverzeichnis
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the cockroach wasps based on morphological data (Hymenoptera: Ampulicidae), in: Cladistics 26 (2010), S. 49–61. [email protected] Dr. Augusto Oyuela-Caycedo, Studium der Ethnologie und Archäologie in Bogotá und Pittsburgh, 1993 PhD der University of Pittsburgh (USA). Postdoc fellowship an der University of Calgary (Kanada) sowie Dozent an der University of Kentucky, der Universidad Nacional de Colombia (Kolumbien) und derzeit an der University of Florida. Publikationen: u. a. The Forest as a Fragmented Archaeological Artifact, in: The Archaeology of Anthropogenic Environments, hg. von Rebecca M. Dean (Center for Archaeological Investigations, Occasional Paper No. 37), Southern Illinois University 2010, S. 75–95; (mit Peter Stahl und J. Scott Raymond) Cerro Narrío y Max Uhle: El arqueólogo como agente del desarrollo de la arqueológia ecuatoriana, in: Peter Kaulicke/Manuela Fischer/Peter Masson/Gregor Wolff (Hg.): Max Uhle (1856–1944). Evaluación de sus investigaciones y obras, Lima 2010. [email protected] Karsten Plewnia M.A., Studium der Neueren und Neuesten Geschichte, Osteuropäischen Geschichte, Medienwissenschaften sowie Kunstgeschichte an der HeinrichHeine-Universität Düsseldorf (HHU). Dort Lehrbeauftragter und Doktorand, Arbeitstitel der Dissertation: „Deutsche ‚Höhlen‘-Forschung und Nationalsozialismus“. [email protected] Michael Rolke, Pädagogikstudium (Deutsch und Sport) in Heidelberg und Freiburg i. Br., seit 1977 im Lehramt in Baden-Württemberg tätig. Bereist seit 1988 die Sahara, insbesondere Libyen. Seit 1996 Forschungen über das „Sonderkommando Dora“ und die beteiligten Wissenschaftler sowie Vorbereitung einer historischen Dokumentation. Veröffentlichungen: Herausgabe der Werke von Nikolaus B. Richter „Unvergessliche Sahara“ (1952/1999) und „Auf dem Wege zur Schwarzen Oase“ (1958/2003) sowie Edition der „Karten des Sonderkommando Dora“ (2003). [email protected] Dr. Henrick Stahr, Studium der Geschichtswissenschaft (Schwerpunkt Iberoamerika) und Germanistik in Münster, Bielefeld und Berlin, 2. Staatexamen. Danach Mitarbeit in Ausstellungsprojekten der Berliner Geschichtswerkstatt und des Museums Neukölln, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsprojekt „Fotografie und Geschichte“ an der Universität der Künste Berlin, Lektor des Deutschen Akademischen Austauschdienstes in Fortaleza/Brasilien. 2002 Promotion an der Universität
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Anhang
der Künste Berlin in Kunst- und Kulturwissenschaften, seit 2004 Studienrat an der Staatlichen Europaschule Berlin (portugiesisch/deutsch). Veröffentlichungen u. a.: Fotojournalismus zwischen Exotismus und Rassismus. Darstellungen von Schwarzen und Indianern in Foto-Text-Artikeln deutscher Wochenillustrierter 1919–1939, Hamburg 2004; Koloniales Bewusstsein im Fotojournalismus der Weimarer Republik: Die Darstellung von Schwarzen in deutschen Wochenillustrierten, in: Diethart Kerbs/Walter Uka (Hg.): Fotografie und Bildpublizistik in der Weimarer Republik, Bönen/Westfalen 2004, S. 81–95. [email protected] Dr. Holger Stoecker, Studium der Geschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin, 2006 Promotion. 2007–2011 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Seminar für Afrikawissenschaften der Humboldt-Universität, derzeit wissenschaftlicher Mitarbeiter im Human Remains Project an der Charité Berlin. Forschungsgebiete sind die deutschafrikanische Wissenschafts-, Missions- und Kolonialgeschichte. Veröffentlichungen u. a.: The advancement of African studies in Berlin by the ,Deutsche Forschungsgemeinschaft‘, 1920–1945, in: Helen Tilley/Robert J. Gordon (Hg.): Ordering Africa. Anthropology, European Imperialism and the politics of knowledge, Manchester 2007, S. 67–94; Afrikawissenschaften in Berlin von 1919 bis 1945. Zur Geschichte und Topographie eines wissenschaftlichen Netzwerkes, Stuttgart 2008. [email protected]
Personenregister Für das Personenregister wurde Otto Schulz-Kampfhenkel nicht eigens erfasst. Albrecht, Fritz 263, 368 Alexander III. 106 Almásy, Graf Ladislaus Eduard 213 Aly, Götz 284 Andrade, José Julio de 107 f. Anelli, Franco 310 f., 318 Aranha, Osvaldo 101 Argollo, Dr. 100, 101 Artaud, Antonin 190 Aschenbrenner, Claus 273 Asmis, Rudolf 300 Assmann, F. W. 354 Bachér, Franz 37, 82 Bagnold, R. A. 237 Bailey, Walter N. 326, 331 Ballauff, Theodor 60 f., 91 Barata, Magalhães 110 Bartz, Fritz 378 Bayer, Karl 356 Becker, Karl 241 Bender 354 Berg, Jan 33 Berger, Gottlob 81 Bier, August 93 Black, L. D. 326 Blüthgen, Joachim 374 Bobek, Hans 265, 273, 337, 363, 378, 381 Böhm 354 Böhm, Erwin 306, 369 f. Böhm, Hans 346 Borgelt, Hans 25 Branco, Oberapotheker 358 Brand, Hans 304, 308, 311 f., 316–318 Braun 354 Braun, Wernher von 322 Breitfuss, Ludwig (Leonid) 76
Brucklacher, Walter A. 219 f., 222 f., 239, 273, 337, 357 f., 365, 378, 381 Burhoff 354 Burkhardt, Rudolf, 273 Canaris, Wilhelm 18, 208 f., 265, 331 Catarino, Fernando 343 Caulier-Eimbcke, Charlotte (siehe SchulzKampfhenkel, Charlotte) Caulier-Eimbcke, Günther 76, 212, 232, 248 f., 273, 279–281, 288, 297, 300 f., 322– 325, 328–332, 335, 337, 344, 347, 363 Chapuis, Jean 109 Christiansen, Friedrich 189 Citroën, André 191 f. Cloos, Hans 268, 273, 374 Coudreau, Henri 85, 106 f. Cramon, Hellmuth von 301 Credner, Wilhelm 334, 337, 374 Crevaux, Jules 106 f. Csikos, Otto 378 Curtis, Edward S. 191 f. Dalsheim, Friedrich 51 Damm, Hans 96 Darwin, Charles 143 Daumer, Karl 163, 340 f. Dohrn, Anton 338, 341 Dokuli, Theodor 374 Domke, Friedrich Walter 378 Donisete Grupioni, Luís 128 Dornberger, Walter 322 Dörries, Hans 209, 268, 374 Dyhrenfurth, Günther 189 Edison, Thomas Alva 191 Eipper, Paul 189
390 Eisele, Otto 356 Eisenstein, Sergei 190, 205 Ellenberg, Heinz 273, 358, 367–369, 378 Engler, Harald 163 Ernst, Otto 61 Essen, Werner 255, 258 Falkenhagen, Feldwebel 359 Filchner, Wilhelm 60, 189, 194 Finsterwalder, Richard 237, 268, 273, 337, 374 Fischer 354 Fischer, Eugen 92, 228 Flaherty, Robert 191 f., 195 Foerstner, G. 273 Ford, Henry 100 Franz, liberianischer Helfer 30 f. Friederichsen 354 Friedl, Franz R. 51 Frisch, Karl von 340 f., 351 Fritsch, Rudolf Heinrich 29, 60 f., 90, 357, 378 Frobenius, Leo 50, 72, 114, 156, 232, 333 Froetschner, Oberst 273 Fröhlich, Willy 354 Frowein, Ernst 75, 95, 357, 364 Füllgraf, Federico 165, 186 f. Fugmann, Ernst 276 Funk, Walther 60, 72, 211 Gablenz, Carl August Freiherr von 93 Gabriel, Alfons 218, 224, 357 Gams, Helmut 272, 297 Gatz 354 Gehlen, Reinhard 331 Gehrig 354 Geiss, Imanuel 94 Gericke, Fritz 249, 288 Gesner, Direktor 270 Gloger, Constantin 35, 142 f., 161 Glüsing, Jens 11, 14, 21, 92 f., 163, 187 Goebbels, Joseph 52 f., 72, 97 Goeje, Claudius Henricus de 105 f., 123
Anhang Göpner, Werner 358 Göring, Hermann 18, 215, 241, 243, 246, 258, 321, 335 Graul, Hans 275 f., 374 Graziani, Rodolfo 206 Greiner, Joseph 40, 42, 44 f., 84, 118, 166, 187 Grewe 354 Grieving, Hermann 52 Groeben, Christiane 350 Gronau, Wolfgang von 189 Grotelüschen, Wilhelm 363, 378 Gruner, Heinz 273 Grzimek, Bernhard 155 Guderian, Heinz 81 Gutterer, Leopold 55, 71 Haas, Richard 20, 128 Haeckel, Herbert 213–215, 356 Haltenorth, Theodor 152 Hansen, Obergefreiter 358 Hartke, Wolfgang 272 f., 379 Hartmann, Günter 8, 120 Hartmann, Nicolai 91 Hartwig, Friedhelm 20 f. Hasekamp 354 Hass, Hans 179, 189, 194 Haushofer, Karl 93 Häusler, Hermann 232 f., 286, 288, 300 Heck, Ludwig 136 f., 144 f., 159, 162 Heck, Lutz 189 Heim, Susanne 284 Heißmeyer, August 57 Herbert, Ulrich 12, 78 Hermaden, Artur Winkler von 376 Hesmer, Herbert 92 Heumüller, Hilde 60 f. Heusinger, Adolf 277 Hies, Thomas 20 f. Hilf, Hubert Hugo 92 Hiller, Harry 358, 363 Himmler, Heinrich 13, 57, 59, 64, 66, 256 f., 266, 326, 333, 349
Personenregister
Hinz 359 Hitler, Adolf 11 f., 32, 62, 70, 81, 94, 101, 115, 195, 209, 230, 241, 262, 266 Hoenig, Hans 24, 60 f., 91 Höfig, Karl 224, 356 Höhndorf, Fritz 357 Hölscher, Richard 358 Hölzel, Fritz 354 Hultzsch, W. K. 60, 91 Humboldt, Alexander von 65 Hurley, Frank 191–193 Hussak van Velthem, Lúcia 125, 128 Huttenlocher, Friedrich 364, 377, 379 Hutterer, Rainer 141, 160, 163 Jacobs, Joe 159 Jaeckel, Siegfried 152 Jörg, Dr. 358, 366, 370 Jung, F. R. 273 Kahle, Gerd 36, 38, 40, 42–45, 47, 49–51, 53, 57, 60 f., 70, 91, 97, 149, 167, 170, 172 f., 182, 187, 194 Kampfhenkel, Otto 24, 60 f. Kanter, Helmuth 218 f., 238, 354, 357, 374 Kappler, August 65 Kasper, Hugo 374 Kastl, Manfred 317 Kaufmann, Nicolas 51 Keller 354 Kesselring, Albert 212, 216 Kinzl, Hans 374 Kiss, Edmund 57 f., 89 Knetsch, Georg 217, 234, 357, 367, 379 Knopp, Guido 21 Knörlein, Walter 357 Koch-Grünberg, Theodor 48, 105 Koenig, Oberleutnant 273 Kohl-Larsen, Ludwig 72 Kosack, Hans-Peter 358 Krallert, Wilfried 300 Krämer, Walter 354
391
Krause, Gerhard 36, 39, 45, 47, 51, 97, 172, 182, 200 Krebs, Friedrich 71, 94 Kreimeier, Klaus 33, 51, 165 Krickeberg, Walter 93, 109 f., 112, 115, 120, 125 f., 194 Kubiena, Walther 375 Kümin, Beatrice 128 Kümmel, Otto 112 Kuenoldt, Wilhelm 273, 364 Kuhlmann 354 Kuhn, Hans-Jürg 351 Kuron, Hans 375 Laer, Wilhelm von 273, 364 Lammers, Hans Heinrich 57, 61 f., 66, 69 f., 72, 74, 207 f., 210, 240, 326, 344 Landsberg, Hannelore 20, 128, 163 Lang, Karl 213, 356 Lange, Otto Ludwig 343 Lau, Dr. 354 Lauterbach, Julius 189 Leclerc, Philippe 228 Lehmann, Edgar 375 Leiris, Michel 41 Lendl, Egon 375 Leopold III., belgischer König 349 Leppich-Lundquist, Editha 189 Leuchter, Christian 79 Lévi-Strauss, Claude 48, 100 Lévi-Strauss, Dina 100 Lindauer, Martin 343 Lins, Cristovão 11, 44, 187 Linsler 358 Lippert, Julius 53 Little, Paul E. 128 Livingstone, David 162 Lohmeyer, Wilhelm 358 Louis, Herbert 375 Luckner, Felix Graf von 189, 194 Ludendorff, Hans 126 Lübben 354 Lumbeck, F. 209, 354
392
Anhang
Macherey, Pierre 186 Mackensen, Hans Georg von 88 Maier, Helmut 20, 298 Martin, Benno 59 Mattenklott, Franz 259 f., 361 Maull, Otto 267, 375, 381 Maurer, Carl 212 f., 356 May, Karl 32, 81, 84, 88, 132, 144, 169, 182, 185, 202 Mecking, Ludwig 322, 335 Melchers 354 Mentzel, Rudolf 63, 72 f., 82, 92, 241 f., 244–246, 285 f. Menzel, Alfred 354 Messter, Eduard Oskar 273, 355 Metz, Friedrich 375 Meyer, Hans 375 Meyer, Hermann 61 Meyer, Konrad 71, 256 f., 275 Meynen, Emil 273, 275, 328–330, 337, 346, 376 Mixius, Friedrich Karl 357, 379 Morawetz, Sieghart 376 Mortag, Hans 306, 366, 369 f. Mortensen, Hans 376 Morton, Samuel G. 163 Motz, Wilhelm Amsinck Burchard 323 Müller, Prof. Dr. 311 Müller-Miny, Heinrich 273, 369, 376 Müller-Wille, Wilhelm 376 Münch 354 Münnich, Horst 354 Münzenberg, Willi 167 Nagel, Günter 20, 293, 299 Navratil, Joseph 128 Neurath, Constantin von 88 Niedermayer, Oskar von 334 Nietzsch, Helmut 273 Nimuendajú (siehe Unckel, Hermann Curt) Nordenskjöld, Otto von 189 Nowakowski, Helmut 60 f.
Oberdörfer, Erich 379 Obst, Erich 334 Oehme 354 Oertzen, Heinrich von 213 f., 233, 356 Ollendorff 354 Oppen, K. von 273 Ostendorf 358 Otremba, Erich 273, 337, 367, 372, 377, 379 Paffen, Karl Heinz 273 Panzer, Stabsarzt 359 Panzer, Wolfgang 334 Parlitz, Gerhard 219, 356 Paschinger, Herbert 306, 370 f., 379 Pathé, Moritz 54 Peskoller, Heinrich (Pseudonyme: Tex Harding, Harry Brown) 63 f., 66 Peters 354 Peters, Helga 89 Petersen, Rudolf 344 Pfeifer, Gottfried 273 Piccard, Auguste 189 Pillewizer, Wolfgang 219, 221 f., 288, 301, 306, 331, 335, 337, 357 f., 363, 366 f., 370, 377, 380 Pitoma („Winnetou“) 42, 46 f., 54, 113, 116 f., 169, 171, 174, 182 f., 202 f., 205 Plaetschke, Gerhild 20, 125 Pöchs, Rudolf 200 Pohle, Hermann 30, 53, 97, 132, 140–143, 157, 160, 162, 332 f. Pötzschke, Paul sowie Fa. Scholze & Pötzschke 79, 134–137, 144, 159, 163 Preising, Ernst 273, 358, 366–369 Priest, David 20 Proißl, Arnold 306, 358 Rathjens, Carl 336 Reinecke, Hermann 245 Rensch, Bernhard 35, 81, 142 f., 161 Rhotert, Hans 217–219, 224, 357 Rice, Alex Hamilton 48
Personenregister
Richter, Hans 190 f. Richter, Nikolaus Benjamin 213 f., 216–219, 221 f., 224 f., 357, 359, 366 f., 377, 380 f. Rieck, Werner 163 Riefenstahl, Leni 189, 194 Riemer, Charlotte 86 Riemer, Julius 28, 36, 38, 49 f., 86, 112 f., 138 f., 146, 152, 160, 162 Riesler, Walter 35 Rikli, Martin 51 Rinner, Karl 273 Rio Branco, José Paranhos Baron of 105 Rivière, Peter 109 Rohland, Walter 321 Rommel, Erwin 206, 210, 214, 226 Roosevelt, Theodor E. 101 Rösch, Manuel 79 Rosenberg, Alfred 62 Roth, Paul 63, 92 Röttger 354 Ruef, Hans 273 f. Sander 354 Santos, Silvino 48 Schacht, Hjalmar 102, 322 Schäfer, Ernst 72, 244, 336, 349 Scheeder, Walter 356 Schellenberg, Walter 266, 331 Schellhas, Paul 126 Schiffers-Davringhausen, Heinrich 354 Schilling 273 Schlichter, Eugen 359 Schlotterer, Gustav 62, 71 Schmeling, Max 159 Schmid, R. Martin 256, 358 Schmidt, Josef 304–306, 359 Schmidt-Elskop, Arthur 39 Schmidt-Ott, Friedrich 300 Schmieder, Oskar 277 f., 334 Schmithüsen, Josef 270, 273, 286, 331, 335, 337, 345, 363, 372 Schnatz 354 Schneider, Marius 112
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Schneider, Siegfried 367, 369 Schneider-Lindemann, Dorothea 179, 194 Schomburgk, Hans 51, 136, 153 f., 189, 194 Schomburgk, Moritz Richard 65 Schomburgk, Robert Hermann 65 Schonfield, Stephanie 20 Schrepfer, Hans 58 f., 89 f., 93, 246, 335 Schüler, Erwin 325 Schulz, Adolf (Vater) 23–25, 28 Schulz, Antonie (Mutter) 23 f., 28, 134, 141, 332 f., 348 Schulz, Otto (Großvater) 23 f. Schulz-Kampfhenkel, Charlotte geb. CaulierEimbcke (Ehefrau) 288, 301, 328, 330 Schwerin von Krosigk, Lutz Graf 322 Schwidefsky, Kurt 273 Sclater, Philip L. 153 Seiß 359 Seldte, Rudolf 60, 91, 112, 125 f. Seubert, Franz 212 f., 356 Sievers, Wolfram 57 Snethlage, Emil Heinrich 109 f., 112 f., 121, 125–127 Snethlage, Emilie 125 Speer, Albert 322 Speiser, Felix 85, 105, 108, 122 Spöcker Frieda 304 Spöcker, Richard 19, 303–319 Spreitzer, Hans 376, 381 Stanley, Henry Morton 41, 153, 162 Stork 357 Stresemann, Erwin 142 Strohm, Friedrich 213 f., 356 Strölin, Karl 114 Stutterheim, Hermann von 208 Teichgraeber 375 Thomson, Paul W. 376 Thyssen, Fritz 321 Tiburius, Joachim 339 Tietje, Carl 273 Tillack, Frank 163 Tilley, Edmund 251, 328–333, 344, 346 f.
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Anhang
Todt, Fritz 70 Torres, Heloisa Alberta 100 Troll, Carl 95 f., 120, 268, 269–274, 278 f., 296–298, 300, 324, 334–337, 376, 379, 381 Tüxen, Reinhold 274 f., 376, 381 Ulbricht 358 Unckel (-Nimuendajú), Hermann Curt 105, 123, 126, 165 Unger, Corinna 20 Valier, Max 189 Vargas, Getúlio 100–102, 117, 119, 121 Vasterling, Christian 358, 363 Vertov, Dziga 190, 205 Viehbahn 354 Vilbig, Friedrich 376 Vogt-Schmickler, Irmtraut 20 Vollbehr, Ernst 53 Voppel, Konrad 209 f., 232, 354 Voss, Friedrich 141, 160 Wächter, Werner 97
Waehner, Siegfried 126 Walton, Stephen 20 Walther, Heinrich 358 Warlimont, Walter 240 Weichs, Maximilian Freiherr von 267, 361 Weigelt, Johannes 92 f. Wellert, Sonderführer 359 Westermann, Diedrich 50, 235 Wettstein, Friedrich (Fritz) von 92 f. Wiedmann, Albrecht 126 Wiepking-Jürgensmann, Heinrich 275 Wild, Oberleutnant 356 Wildt, Michael 13, 78 Wirz, Albert 41 Wisplinghoff 354 Wißmann 354 Wolff, Günter 72–74, 95 Wünderich, Studienrat 354 Zeidler, Hans 306, 310, 358 Ziegler, Susanne 20 Zimmermann 354 Zischler, Hanns 163 Zöhrer, Ludwig G. A. 219, 235, 357, 380
Theodor Koch-Grünberg
Die XinGu-eXpeDiTion (1898 –1900) ein ForschunGsTaGebuch
Theodor Koch-Grünberg (1872–1924) zählt zu den Pionieren der Völkerkunde Südamerikas. Seine ersten Erfahrungen in Brasilien sammelte er als Teilnehmer einer Expedition in das Gebiet des Xingu-Flusses. Mit der Edition seines Tagebuches wird diese Forschungsreise erstmals ausführlich dokumentiert, wobei vor allem die sozialgeschichtlichen Hintergründe beleuchtet werden. Neben Informationen über Zentralbrasilien und Darstellungen des Expeditionsalltags gewährt dieser Band Einblicke in frühe Forschungsmethoden. Zugleich ist er ein Beitrag zur Geschichte der Ethnologie im Deutschen Kaiserreich sowie zur wissenschaftlichen Wahrnehmung und Konstruktion fremder Völker. Ergänzt wird das vorgelegte Material durch zahlreiche, zumeist unveröffentlichte Fotografien aus Südamerika sowie weiterführende Aufsätze zur biografischen und historischen Orientierung. herausgegeben von Michael Kraus. 2004. 507 s. 68 s/w-abb. auf 32 Taf. 34 skizzen u. 1 Karte. Gebunden. isbn 978-3-412-08204-8
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Ulrich von den Steinen
expeditionSreiSen am amazonaS der ethnologe K arl von den Steinen (1855–1929)
Der Arzt Karl von den Steinen (1855–1929) war einer der bekanntesten Forschungsreisenden seiner Zeit. In den Jahren 1884 und 1887 brach er zu den letzten weißen Flecken auf der Landkarte Südamerikas auf: Das unbekannte Quellengebiet des Xingu, eines südlichen Zuflusses des Amazonas, sollte erforscht werden. Er traf dort auf Indianerstämme, die nie zuvor weiße Menschen gesehen hatten. Die vorliegende Biographie, die neben den Expeditionsreisen das gesamte Leben des Forschers portraitiert, zeigt von den Steinen als entschiedenen Gegner von Rassismus und politischen Okkupationsgelüsten. Er sollte einer der ersten sein, der von seinen Expeditionen nicht nur Exponate und Tagebücher mitbrachte, sondern auch ein neues Bild vom Menschen: seinen Wurzeln und seiner Entwicklung aus urzeitlicher Kultur. Mit eineM Geleitwort von Mark Münzel 2010. X Xii, 166 S. 22 S/w-abb. Gb. 135 X 210 MM. iSbn 978-3-412-20618-5
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Clemens Gütl (HG.)
»Adieu iHr lieben sCHwArzen« GesAmmelte sCHriften des tiroler Afrik A-missionArs fr Anz mAyr (1865–1914)
Die südafrikanische Historikerin Joy Brain bezeichnet den Tiroler Franz Mayr (1865–1914) als einen der interessantesten katholischen Missionare im Südlichen Afrika. Mayr gründete mehrere Missionsstationen in den ehemaligen britischen Kolonien Natal und Südrhodesien, sowie im Königreich Swaziland. Der Priester verfasste neben seiner Missionstätigkeit nicht nur Grammatiken, Religions- und Liederbücher in verschiedenen afrikanischen Sprachen, sondern photographierte, musizierte und sammelte auch Ethnographika für Museen, wie aus den hier edierten Dokumenten hervorgeht. Briefe, Tagebucheintragungen, Chroniken und Zeitschriftenartikel, die der Herausgeber von Adieu, ihr lieben Schwarzen in europäischen und afrikanischen Archiven sammelte, bieten spannende Einblicke in das Alltagsleben des Missionars und der Menschen, denen er in Afrika begegnete. Neunzig Jahre nach seinem Tod – Franz Mayr fiel in Swaziland einem Raubmord zum Opfer – erscheint dieses Buch. Es beinhaltet gut lesbare und ausführliche Kapitel zum geschichtlichen Kontext und Kommentare, die eine Interpretation der Quellen ermöglichen, sowie zahlreiche Karten und historische Photographien. 2004. 405 S. 33 SW-Abb. 4 KArten. 24 x 17 cm. Gb. mit SU. iSbn 978-3-205-77144-9
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Matthias Fiedler
Zwischen abenteuer, wissenschaFt und KolonialisMus der deutsche aFriK adisKurs iM 18. und 19. Jahrhundert
Der deutsche Kolonialismus trug wesentlich zur Ausbildung eines deutschen Nationalstaates am Ende des 19. Jahrhunderts bei. In diesem Sinne entwickelt das Buch von Matthias Fiedler die Geschichte des Afrikadiskurses von seinen Ausgangsbedingungen im 18. Jahrhundert bis zum Erwerb von Kolonien durch das deutsche Kaiserreich. Es zeigt anschaulich, wie sich durch unterschiedliche Formen der Darstellung Afrikas in Reiseberichten, Literatur, Völkerausstellungen, Museen und in der Ethnologie politische wie auch wissenschaftliche Argumente für koloniale Ansprüche nach und nach ausbildeten. Dem Autor gelingt es, die Bedeutung des Afrikadiskurses sowohl bei der Herausbildung einer nationalen Identität als auch bei der Etablierung der deutschen Ethnologie als eigenständiger Wissenschaftsdisziplin am Ende des 19. Jahrhunderts zu verdeutlichen. 2005. 301 S. Br. 155 x 230 mm. ISBN 978-3-412-19105-4
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Ulrike SchUerkenS
GeSchichte Afrik AS eine einführUnG GeSchichte der kontinente, BAnd 3 (UtB für WiSSenSchAft 3116 S)
Das vorliegende Studienbuch führt in die Geschichte des Kontinents ein, der als die »Wiege der Menschheit« gilt. Fachlich fundiert und in gut lesbarer Sprache erschließt es zunächst die historischen Grundlagen Afrikas in systematischem Zugriff: Wirtschaft, Kultur und Religionen. Es folgt ein chronologischer Überblick der geschichtlichen Entwicklung in den Einzelregionen von der frühen Vorgeschichte bis zur postkolonialen Gegenwart. Langfristige gesellschaftliche Wandlungsprozesse, politische Tendenzen sowie aktuelle Probleme wie die Pandemie HIV/Aids werden dargestellt. Zur UTB-Reihe »Geschichte der Kontinente«: Den Herausforderungen der Globalisierung folgend wird mit der Studienreihe ein verlässlicher Einblick in die Geschichte der Kontinente gegeben werden. Band 1 von Martin Krieger zur Geschichte Asiens (ISBN 978-3-8252-2382-3) und Band 2 von Volker Depkat zur Geschichte Nordamerikas (ISBN 978-3-8252-2614-5) sind bereits erschienen. 2009. VIII, 298 S. MIt 5 Karten. Br. 120 x 185 MM. ISBn 978-3-8252-3116-3
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